Kampf der Kulturen?: Warum ein simplizistisches Konzept so erfolgreich ist 9783495995105, 9783495995099


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German Pages [361] Year 2023

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Table of contents :
Cover
Teil A: Einführung
I. Huntingtons Erfolg
II. Erkenntnisinteresse, Konzeption und Aufbau der Studie
III. Forschungsbericht
IV. Terminologie
IV.1 »Islam«, »Westen«, »Kampf der Kulturen«: Reflexion von innen
IV.2 »Paradigma« und »Theorie«
IV.3 Gender-Sprachgebrauch
Teil B: Huntingtons »Clash of Civilizations«: Thesen und Kritik
I. Huntingtons Thesen
II. Verortung und Wurzeln von Huntingtons Konzept
III. Das Zivilisationenkonzept als Kritikansatz
III.1 Konzeption des Westens
III.2 Konzeption des Islam
IV. Frontlinie und Ursachen von Konflikten als Kritikansatz
IV.1 Die Debatte um Huntingtons Konfliktthese und ihre akademische Verortung
IV.2 Religionskonflikte: Gewaltkonflikte um und wegen Religion?
IV.2.A Religiöse Identitäten und Unterschiede als Konfliktursachen?
IV.2.B Islamistischer Terrorismus als religiöse Gewalt?
IV.3 Religion als Variable in Konflikten
IV.3.A Verschiedene Konzeptionen des Verhältnisses von Religion und Gewalt
IV.3.B Einwände gegen Huntingtons Verständnis von Religion und Gewalt
IV.4 Religion als problematische Kategorie
V. Konklusion
Teil C: Der Russland-Ukraine-Konflikt als Krieg der Zivilisationen?
I. Wider Erwarten? Ein Krieg innerhalb der »slawisch-orthodoxen Zivilisation«
II. Kein Bruchlinienkonflikt, sondern ein Konflikt um verschiedene politische Systeme
III. Die Ukraine als Überläufer bzw. Spielball im Kampf der Zivilisationen?
IV. Der Zivilisationismus im »Putinismus«
V. Die Rolle der Religion im Konflikt
V.1 Sakralisierter Nationalismus und die Kirche als »sharp power«-Instrument
V.2 Konfliktrelevanz und Differenzierung von Religion
VI. Relativierung der Konfliktlinie »Islam vs. Christentum«
VII. Konklusion
Teil D: Die Kontroverse um die »Regensburger Rede« als Kampf der Kulturen?
I. Die Regensburger Rede von Papst Benedikt XVI.
I.1 Zusammenfassung der Rede
I.2 Der Hintergrund des Zitates über Mohammed
I.3 Bewertung
II. Der Verlauf und die Folgen der Krise
II.1 Die Reaktionen und unmittelbaren Auswirkungen
II.2 Das Krisenmanagement des Vatikans
II.3 Die mittel- und langfristigen Folgen
II.4 Bewertung
III. Konklusion
Teil E: Der diskursive Erfolg des »Clash of Civilizations«-Konzeptes
I. Huntingtons Erfolg und Resonanzraum
I.1 Das große Echo und die Breitenrezeption
I.2 Die Spiegelung von Huntingtons Thesen in der »muslimischen Welt«
I.3 Huntingtons Kategorien und Ideen prägen Politik
II. Bedingungen und Faktoren für den Erfolg
II.1 Von alten Ressentiments zu einer Formel für die neue Ära
II.2 Der 11. September 2001 als Huntingtons Triumph
II.3 Der Kampf der Kulturen als Ohrwurm mit selbstverstärkender Wirkung
III. Mehr als ein Modell: Der »Clash of Civilizations« als eine sich selbst erfüllende Prophezeiung
III.1 Zwischen Sicherheitsdilemma und Instrumentalisierung von Huntingtons Thesen
III.2 Von Identitätszuschreibung zu Identitätsstiftung
IV. Foucaults Diskurskonzept als Erklärungsrahmen
V. Konklusion: Das Denken in den Kategorien Islam und Westen als Diskurs im Sinne Foucaults
Teil F: Die diskursive Qualität von Huntingtons »Clash of Civilizations«-Konzept und die Macht des Islam-Westen-Diskurses am Beispiel der Kontroverse um die »Regensburger Rede«
I. Die medial-intellektuelle Rezeption der Ereignisse
I.1 Konzeptionelle und methodische Prämissen und Charakteristika des Datensamples
I.2 Die Rezeptionstypen anhand ihrer Idealpositionen
Typ 1: Der Papst möchte einen Dialog, die islamische Welt reagiert mit einer Kampfansage
Typ 2: Der Papst erweist sich als Gegner des Islam, als Orientalist bzw. Imperialist
Typ 3: Die Regensburger Rede ist Ausdruck der päpstlichen Machtpolitik
Typ 4: Die primäre Konfliktlinie verläuft nicht entlang von Christentum und Islam, sondern entlang von religiöser Weltsicht und säkularer Moderne
Typ 5: Der Westen ist durch den Islam auf der einen Seite und durch eigene Schwäche auf der anderen Seite bedroht
Typ 6: Die Regensburg-Kontroverse stellt eine Trendwende im interreligiösen Dialog dar
Typ 7: Die Religionen und der interreligiöse Dialog haben große gesellschaftspolitische Relevanz bzw. Laizität ist die Lösung
Typ 8: Die Vorlesung weist inhaltliche Fehler in Bezug auf den Islam auf, und der Islam ist eine Religion des Friedens
Typ 9: Die Kontroverse ist vor dem historischen, politischen und gesellschaftlichen Hintergrund zu verstehen
Typ 10: Der Krise liegt ein Kommunikationsproblem zu Grunde, das der Funktionslogik des Medienzeitalters geschuldet ist
I.3 Typenverteilung, Bandbreite und Chronologie des intellektuellen Echos
II. Gesamtbewertung
II.1 Widerspiegelung der diskursiven Topoi in der Kontroverse
Der Topos vom Kampf der Kulturen
Der Topos von der politischen Relevanz der Religion und des interreligiösen Dialogs
Der Topos von der Bedrohung der westlichen Zivilisation durch den Islam und durch eigene Schwäche
II.2 Strukturierungs- und Konzeptionierungsleistung des Islam-Westen-Diskurses in der Kontroverse
Identitätszuschreibung und orientalistisches Islambild
Dominanz der diskursiven »story line« und Selektion von Wirklichkeit
II.3 Das Eigenleben des Diskurses: Verzerrte Wahrnehmung und Loslösung von den Ereignissen
II.4 Anpassungsdruck und Selbstinstitutionalisierung des Diskurses
II.5 Reichweite und Grenzen der diskursiven Macht
Teil G: Einblick und Ausblick
I. Ergebnis
I.1 Diskrepanz zwischen wissenschaftlicher Schwäche und Rezeptionserfolg des »Clash of Civilizations«-Konzeptes
I.2 Foucault erklärt Huntington: Der Erfolg beruht auf der Macht des Islam-Westen-Diskurses
II. Foucault sticht Huntington: Theoriereflexion und Forschungsbedarf
III. Ein problematisches Paradigma: Die ethische Dimension
Anhänge
Anhang 1: Verteilung der Rezeptionstypen (Kapitel F I.2) differenziert nach Zeitraum
Anhang 2: Meta-Quellen für die Untersuchung der medial-intellektuellen Rezeption der Regensburg-Kontroverse
Anhang 3: Liste der standardmäßig erfassten Medien im Pressespiegel der Deutschen Bischofskonferenz
Anhang 4: Liste der standardmäßig erfassten Medien im Pressespiegel des Vatikans
Deutschland
Frankreich
Großbritannien
Schweiz
Spanien
USA
Italien
Quellen- und Literaturverzeichnis
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Kampf der Kulturen?: Warum ein simplizistisches Konzept so erfolgreich ist
 9783495995105, 9783495995099

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Angewandte Ethik

20

Eva Maria Fischer

Kampf der Kulturen? Warum ein simplizistisches Konzept so erfolgreich ist

https://doi.org/10.5771/9783495995105 .

https://doi.org/10.5771/9783495995105 .

Angewandte Ethik Herausgegeben von Nikolaus Knoepffler | Peter Kunzmann | Reinhard Merkel Ingo Pies | Anne Siegetsleitner | Florian Steger Wissenschaftlicher Beirat: Reiner Anselm | Carlos Maria Romeo Casavona Klaus Dicke | Matthias Kaufmann | Jürgen Simon Wilhelm Vossenkuhl | LeRoy Walters Band 20

https://doi.org/10.5771/9783495995105 .

Eva Maria Fischer

Kampf der Kulturen? Warum ein simplizistisches Konzept so erfolgreich ist

https://doi.org/10.5771/9783495995105 .

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Zugl.: Dissertation, Friedrich-Schiller-Universität Jena, 2023 ISBN 978-3-495-99509-9 (Print) ISBN 978-3-495-99510-5 (ePDF)

1. Auflage 2023 © Verlag Karl Alber – ein Verlag in der Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Baden-Baden 2023. Gesamtverantwortung für Druck und Herstellung bei der Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier (säurefrei). Printed on acid-free paper. Besuchen Sie uns im Internet verlag-alber.de https://doi.org/10.5771/9783495995105 .

In liebevoller Erinnerung an meinen Vater Karl Fischer, der immer Freude am Denken und Diskutieren hatte.

https://doi.org/10.5771/9783495995105 .

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Danksagung

Diese Studie und die in ihr präsentierten Ideen sind über mehrere Etappen gewachsen. Auf diesem Weg bin ich vielen zu Dank ver­ pflichtet, allen voran meinem Doktorvater Prof. Dr. mult. Nikolaus Knoepffler an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, sowie meinem Zweitgutachter und ehemaligem Chef an der Universität Regensburg, Prof. Dr. Bernhard Laux, und meinen Mentoren während der For­ schungsaufenthalte an der Columbia University und an der New School for Social Research, Prof. Akeel Bilgrami und Prof. Chiara Bottici. Ihnen allen danke ich herzlich für die wertschätzende Unter­ stützung. Mein Dank gilt auch Pater Federico Lombardi SJ, der mir Zugang zu den Archiven und Quellen des Vatikans ermöglicht hatte. Gefördert wurden verschiedene Phasen und Vorarbeiten des Projekts von der Universitätsstiftung Lucia und Dr. Otfried Eberz, vom DAAD, von der Graduiertenakademie der Universität Jena, von der bayerischen Begabtenförderung sowie der Studienstiftung des deutschen Volkes. Dankbar bin ich zudem all denjenigen, die mir in verschiedener Hinsicht bei der Verwirklichung des Buches geholfen haben – u. a. als intellektuelle Diskussionspartner, als Korrekturleser, als »technischer Support«, als moralische und praktische Stützen. Herzlichen Dank insbesondere an Barbara, Hammad, Irene, Judith, Martin, Maxim, Simon, Thomas, Yoav sowie an Heribert Stautner.

7 https://doi.org/10.5771/9783495995105 .

https://doi.org/10.5771/9783495995105 .

Inhaltsverzeichnis

Teil A: Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

I.

13

Huntingtons Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

II. Erkenntnisinteresse, Konzeption und Aufbau der Studie

17

III. Forschungsbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

IV. Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV.1 »Islam«, »Westen«, »Kampf der Kulturen«: Reflexion von innen . . . . . . . . . . . . IV.2 »Paradigma« und »Theorie« . . . . . . . . IV.3 Gender-Sprachgebrauch . . . . . . . . . .

. . . .

33

. . . . . . . . . . . .

33 35 35

Teil B: Huntingtons »Clash of Civilizations«: Thesen und Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

I.

Huntingtons Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

II. Verortung und Wurzeln von Huntingtons Konzept . . .

52

III. Das Zivilisationenkonzept als Kritikansatz . . . . . . . III.1 Konzeption des Westens . . . . . . . . . . . . . . III.2 Konzeption des Islam . . . . . . . . . . . . . . .

58 65 67

IV. Frontlinie und Ursachen von Konflikten als Kritikansatz IV.1 Die Debatte um Huntingtons Konfliktthese und ihre akademische Verortung . . . . . . . . . . . . . . IV.2 Religionskonflikte: Gewaltkonflikte um und wegen Religion? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV.2.A Religiöse Identitäten und Unterschiede als Konfliktursachen? . . . . . . . . . . . . . IV.2.B Islamistischer Terrorismus als religiöse Gewalt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV.3 Religion als Variable in Konflikten . . . . . . . . . IV.3.A Verschiedene Konzeptionen des Verhältnisses von Religion und Gewalt . .

74 74 80 84 87 94 94

9 https://doi.org/10.5771/9783495995105 .

Inhaltsverzeichnis

IV.3.B Einwände gegen Huntingtons Verständnis von Religion und Gewalt . . . . . . . . . IV.4 Religion als problematische Kategorie . . . . . . .

96 109

V. Konklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

114

Teil C: Der Russland-Ukraine-Konflikt als Krieg der Zivilisationen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

117

I.

Wider Erwarten? Ein Krieg innerhalb der »slawischorthodoxen Zivilisation« . . . . . . . . . . . . . . . .

117

II. Kein Bruchlinienkonflikt, sondern ein Konflikt um verschiedene politische Systeme . . . . . . . . . . . . .

118

III. Die Ukraine als Überläufer bzw. Spielball im Kampf der Zivilisationen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

121

IV. Der Zivilisationismus im »Putinismus« . . . . . . . . .

125

V. Die Rolle der Religion im Konflikt . . . . . . . . . . . . V.1 Sakralisierter Nationalismus und die Kirche als »sharp power«-Instrument . . . . . . . . . . . . V.2 Konfliktrelevanz und Differenzierung von Religion

130 130 135

VI. Relativierung der Konfliktlinie »Islam vs. Christentum«

137

VII. Konklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

139

Teil D: Die Kontroverse um die »Regensburger Rede« als Kampf der Kulturen? . . . . . . . . . . . . . . .

143

I.

Die Regensburger Rede von Papst Benedikt XVI. . . . . I.1 Zusammenfassung der Rede . . . . . . . . . . . . I.2 Der Hintergrund des Zitates über Mohammed . . I.3 Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

II. Der Verlauf und die Folgen der Krise . . . . . . . . . II.1 Die Reaktionen und unmittelbaren Auswirkungen II.2 Das Krisenmanagement des Vatikans . . . . . . II.3 Die mittel- und langfristigen Folgen . . . . . . . II.4 Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . .

164 164 172 175 180

III. Konklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

186

10 https://doi.org/10.5771/9783495995105 .

.

144 144 148 153

Inhaltsverzeichnis

Teil E: Der diskursive Erfolg des »Clash of Civilizations«Konzeptes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.

Huntingtons Erfolg und Resonanzraum . . . . . . . . . I.1 Das große Echo und die Breitenrezeption . . . . . I.2 Die Spiegelung von Huntingtons Thesen in der »muslimischen Welt« . . . . . . . . . . . . . . . I.3 Huntingtons Kategorien und Ideen prägen Politik

II. Bedingungen und Faktoren für den Erfolg . . . . . . . . II.1 Von alten Ressentiments zu einer Formel für die neue Ära . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.2 Der 11. September 2001 als Huntingtons Triumph II.3 Der Kampf der Kulturen als Ohrwurm mit selbstverstärkender Wirkung . . . . . . . . . . .

191 192 192 194 196 198 199 200 203

III. Mehr als ein Modell: Der »Clash of Civilizations« als eine sich selbst erfüllende Prophezeiung . . . . . . . . . . . III.1 Zwischen Sicherheitsdilemma und Instrumentalisierung von Huntingtons Thesen . . III.2 Von Identitätszuschreibung zu Identitätsstiftung .

207 211

IV. Foucaults Diskurskonzept als Erklärungsrahmen . . . .

217

V. Konklusion: Das Denken in den Kategorien Islam und Westen als Diskurs im Sinne Foucaults . . . . . . . . .

223

Teil F: Die diskursive Qualität von Huntingtons »Clash of Civilizations«-Konzept und die Macht des Islam-Westen-Diskurses am Beispiel der Kontroverse um die »Regensburger Rede« . . .

227

I.

229

Die medial-intellektuelle Rezeption der Ereignisse . . . I.1 Konzeptionelle und methodische Prämissen und Charakteristika des Datensamples . . . . . . . . . I.2 Die Rezeptionstypen anhand ihrer Idealpositionen I.3 Typenverteilung, Bandbreite und Chronologie des intellektuellen Echos . . . . . . . . . . . . . . . .

205

229 234 263

11 https://doi.org/10.5771/9783495995105 .

Inhaltsverzeichnis

II. Gesamtbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.1 Widerspiegelung der diskursiven Topoi in der Kontroverse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.2 Strukturierungs- und Konzeptionierungsleistung des Islam-Westen-Diskurses in der Kontroverse . . II.3 Das Eigenleben des Diskurses: Verzerrte Wahrnehmung und Loslösung von den Ereignissen II.4 Anpassungsdruck und Selbstinstitutionalisierung des Diskurses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.5 Reichweite und Grenzen der diskursiven Macht . .

266

276 278

Teil G: Einblick und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . .

283

I.

283

266 271 275

Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.1 Diskrepanz zwischen wissenschaftlicher Schwäche und Rezeptionserfolg des »Clash of Civilizations«Konzeptes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.2 Foucault erklärt Huntington: Der Erfolg beruht auf der Macht des Islam-Westen-Diskurses . . . . . .

285

II. Foucault sticht Huntington: Theoriereflexion und Forschungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

288

III. Ein problematisches Paradigma: Die ethische Dimension

293

Anhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

299

Anhang 1: Verteilung der Rezeptionstypen (Kapitel F I.2) differenziert nach Zeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . .

299

Anhang 2: Meta-Quellen für die Untersuchung der medialintellektuellen Rezeption der Regensburg-Kontroverse . . .

300

Anhang 3: Liste der standardmäßig erfassten Medien im Pressespiegel der Deutschen Bischofskonferenz . . . . . . .

301

Anhang 4: Liste der standardmäßig erfassten Medien im Pressespiegel des Vatikans . . . . . . . . . . . . . . . . . .

302

Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . .

305

12 https://doi.org/10.5771/9783495995105 .

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Teil A: Einführung

I. Huntingtons Erfolg Samuel Huntingtons »Clash of Civilizations« ist der prominenteste politikwissenschaftliche Theorieansatz in der Ära nach dem Kalten Krieg. Die Herausgeber von Foreign Affairs konstatierten, dass kein einziger Beitrag in der Geschichte der Fachzeitschrift seit den 1940er Jahren so viel Resonanz erhalten habe wie Huntingtons Aufsatz (Huntington 1993), der im Jahr 1993 seiner Monographie »Clash of Civilizations« (Huntington 1996a) vorausging. (Welch 1997: 198; Rose 2013: 2) Spätestens 1996, mit dem Erscheinen des Buches, hatte sich die Debatte auf die Publizistik und breite Öffentlichkeit ausge­ dehnt. (Kühnhardt 2005: 305) Es ist vermutlich seither kein politik­ wissenschaftliches Werk erschienen, das ähnlich oft zitiert wurde. Als Schlagwort und fokussiert auf einen Zusammenprall zwischen »dem Islam« und »dem Westen« ist Huntingtons Konzept – maßgeblich beflügelt durch die islamistischen Terroranschläge vom 11. September 2001 – wohl den meisten Laien, zumindest in Nordamerika und Europa, vertraut. Aber geht Bekanntheit hier mit Relevanz einher? Heute erscheint manchen, vor allem in akademischen Zirkeln in Europa, eine kri­ tische Auseinandersetzung mit dem Kampf-der-Kulturen-Konzept1 als anachronistisch. Die Debatte um Huntingtons Thesen sei eine Anekdote der Geschichte; das »Clash of Civilizations«-Konzept sei wissenschaftlich widerlegt, und somit werde es mittlerweile von kaum jemandem ernst genommen.2 Diese Einschätzung übersieht die Realität, dass Huntingtons Thesen und insbesondere die von ihm geprägten Schlagworte und Kategorien omnipräsent sind. Vor allem indiziert sie ein Problem, das die vorliegende Arbeit in den Blick 1 Zur synonymen Verwendung der Begriffe »clash of civilizations« und »Kampf der Kulturen« siehe Kapitel A IV.1 dieser Arbeit. 2 Ich spreche bei dieser Beobachtung aus eigener Erfahrung im akademischen Aus­ tausch.

13 https://doi.org/10.5771/9783495995105 .

Teil A: Einführung

nimmt: Die Grundlagen des Kampf-der-Kulturen-Modells sind so sehr Teil unserer unterbewussten Denkstruktur geworden, dass ihre Präsenz nicht auffällt und somit auch nicht als reflektierenswert erach­ tet bzw. nicht reflektiert wird. Huntingtons Konzept wird von etlichen beigepflichtet, von vielen widersprochen und von fast allen unterbe­ wusst übernommen – nämlich in der unhinterfragten Verwendung seiner Kategorien und Prämissen, insbesondere der Rede von »dem Islam« und »dem Westen«, die sich als Einheiten gegenüberstehen. Eine Aneignung des Kampf-der-Kulturen-Konzeptes zeigt sich besonders deutlich in rechtspopulistischen Bewegungen in Europa und den USA. Doch ist ein zustimmender Bezug auf Huntington in allen politischen Lagern zu finden. Nicht nur der ehemalige AfD-Funktionär Konrad Adam reproduzierte Huntingtons These »Der Islam hat blutige Ränder« (Cicero 29.1.2015), sondern ebenso Jose Joffe, Herausgeber der liberalen Wochenzeitung Die Zeit: »Samuel Huntington hatte recht: ›Der Islam hat blutige Grenzen‹« (Joffe 2007). Doch auch da, wo Huntington widersprochen wird, lohnt es sich genauer hinzusehen: In den zahlreichen ablehnenden Bezugnahmen auf das Kampf-der-Kulturen-Konzept zeigt sich gleichermaßen des­ sen Sogwirkung. Der »Clash of Civilizations« ist Teil des internatio­ nalen politischen Vokabulars geworden. (Esposito 2019: 16) Dies lässt sich an der amerikanischen Politikrhetorik illustrieren: Barack Obama erklärte explizit in einer Rede vor der UN-Generalversammlung, der Kampf gegen die selbsternannten »Islamic State«-Terroristen sei kein »Clash of Civilizations«. (Obama 24.9.2014) Hillary Clinton folgte in ihrem Präsidentschaftswahlkampf diesem Sprachmuster, wobei sie gleichzeitig auf die Gefahr eines Kampfes der Kulturen hinwies: »This is not, and we should not let it become, a clash of civi­ lizations.« (Richardson 6.12.2015) Der ehemalige US-Außenminister John Kerry erklärte, die Attentate von Paris seien »nicht Teil eines Kampfes der Kulturen, sondern desjenigen zwischen der Zivilisation und ihren Gegnern«. (Cicero 29.1.2015) Auf der anderen Seite wollte der damalige israelische Botschafter in New York, Ido Aharoni, den Krieg in Gaza 2014 als »intercivilizational clash« verstanden wissen. (Aharoni 31.7.2014) Prominent propagiert Donald Trump ein poli­ tisches Weltbild, das auf den Huntington’schen Kategorien beruht; während seiner Präsidentschaft vertrat er die These, dass der islami­ sche Extremismus den Kommunismus als existentielle Bedrohung der westlichen Zivilisation abgelöst habe (Trump 6.7.2017).

14 https://doi.org/10.5771/9783495995105 .

I. Huntingtons Erfolg

In der westlichen Öffentlichkeit ist die Annahme eines (dro­ henden) »Clash of Civilizations« ein gewichtiger Referenzpunkt in Debatten um das internationale und innergesellschaftliche Zusam­ menleben mit muslimischen Menschen. In den Medien rufen insbe­ sondere islamistische Terroranschläge Verweise auf den vermeintli­ chen Kampf der Kulturen hervor.3 Ein Indiz für den andauernden Einfluss des »Clash of Civilizations«-Werkes ist die Tatsache, dass es nach Platons »Politeia« an zweiter Stelle in der Lektüreliste amerikanischer Eliteuniversitäten steht. (Ingraham 3.2.2016) Im Deutschlandfunk wurde Huntingtons Werk 20 Jahre nach seinem Erscheinen in deutscher Übersetzung positiv als Klassiker der Politi­ schen Literatur gewürdigt: Zwar sei Huntington als Kulturtheoretiker schwach, aber »[a]ls politisch-kultureller Analyst ist er stark« und »aktueller denn je«. (Köhler 2.3.2015) Man kann argumentieren, dass Huntingtons Erfolg in den letzten Jahrzehnten zugenommen, nicht abgenommen hat. Denn viele sahen ihn im Zuge politischer Ereig­ nisse des 21. Jahrhunderts als Propheten an. Symptomatisch hierfür ist die Einschätzung des renommierten deutschen Volkswirts Thomas Mayer, der in der Zeitschrift WirtschaftsWoche einen Beitrag mit der Überschrift »Der ›Kampf der Kulturen‹ tobt, doch die Wahlkämpfer ignorieren ihn« veröffentlichte. Darin schrieb er: »Liest man Huntingtons Buch heute, empfindet man viele seiner Einschätzungen als prophetisch. […] Seiner Vorhersage, dass […] die islamische Welt eine Front gegen den Westen bilden würde, kann heute niemand mehr widersprechen. Auch seine Aussage ›Islam’s borders are bloody, and so are its innards‹ kann man nicht mehr empört zurückweisen. […] Ohne […] die Rückbesinnung auf die im Christentum und in der Aufklärung wurzelnden Werte der westlichen Kultur wird Europa – und mit ihm der Westen insgesamt – zerfasern.« (Mayer 21.9.2021)

Ein gewichtiges Ereignis, das die Anerkennung von Huntingtons Konzept in der öffentlichen Wahrnehmung stärkte und oft im Hin­ blick auf einen Kampf der Kulturen kommentiert wurde, war die Kontroverse um die sogenannte »Regensburger Rede«. In diesem am 12.9.2006 an der Universität Regensburg gehaltenen Vortrag mit dem Titel »Glaube, Vernunft und Universität. Erinnerungen Exemplarisch hierfür ist ein Beitrag des ehemaligen BND-Vizepräsidenten Rudolf Adam im Magazin Cicero nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt 2016 (Adam 21.12.2016). 3

15 https://doi.org/10.5771/9783495995105 .

Teil A: Einführung

und Reflexionen« legte der damalige Papst, Benedikt XVI., sein Verständnis von der Beziehung zwischen Glaube und Vernunft dar. Die Verwendung eines despektierlichen Zitates über den islamischen Religionsstifter Mohammed4 sorgte für globalen Aufruhr und führte dazu, dass die Vorlesung außerordentliche Beachtung und Prominenz erlangte.5 Es folgten diplomatische Verstimmungen und eine öffent­ liche Debatte immensen Ausmaßes. Die Rede war für ein paar Tage medial omnipräsent und führte zu Interventionen von Politikern und Diplomaten, und in vielen mehrheitlich muslimischen Ländern wurde gegen sie demonstriert. Der Islamhistoriker Bernard Lewis, der das Schlagwort vom »Clash of Civilizations« ursprünglich geprägt hatte (Lewis 1990), bewertete die Kontroverse als Episode im Kampf der Kulturen, der im Wesentlichen ein Zusammenprall zwischen Islam und Christentum sei. (Lewis 18.9.2006) Das Titelblatt des Magazins Der Spiegel vom 18.9.2006 tönte »Papst contra Mohammed«, und in der Ankündigung des Heftes war von einer »neuen Runde im Kul­ turkampf zwischen Orient und Okzident« die Rede.6 Zum Teil wurde der päpstliche Vortrag als Beitrag zu einem Kampf der Kulturen empfunden. »What makes me shudder about the Pope’s Regensburg lecture is that he appears to join Osama bin Laden in this effort to cast the current conflict as a clash of civilisations«, bekannte beispielsweise der britische Journalist Jonathan Freedland (Freedland 20.9.2006). Ähnlich kritisierte der spanische Theologe Juan José Tamayo die Regensburger Rede und sah sie »en el horizonte de la teoría del choque de civilizaciones de Huntington« (Tamayo 20.9.2006). Doch vor allem angesichts der muslimischen Proteste wurde befürchtet, es 4 Siehe hierzu und für eine Zusammenfassung der Regensburger Rede Kapitel D 1 dieser Arbeit. 5 Exemplarisch seien hier drei entsprechende Einschätzungen zitiert: In der Zeit­ schrift Der Spiegel wurde der Stellenwert der Rede mit folgenden Worten resümiert: »Der Festvortrag von Regensburg ist […] eine der meistgelesenen, meistzitierten und umstrittensten theologischen Vorlesungen seit der Bergpredigt«. (Smoltczyk 20.11.2006) James Schall, Professor an der amerikanischen Georgetown University, schrieb in seiner Monographie über die Regensburger Rede: »This lecture is one of the fundamental tractates of our time«. (Schall 2007: 9) Der israelische Mediävist Yossef Schwartz urteilte in einem Beitrag im Rosenzweig-Jahrbuch so über die Bedeutung des Vortrags: »The identity and position of the speaker, the theo-political context of its subject matter and especially the historic moment in which it was delivered, make it into a significant statement for every European«. (Schwartz 2007: 219) 6 Siehe https://www.coverbrowser.com/covers/spiegel/14#i662 (Stand: 16.9.2022).

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II. Erkenntnisinteresse, Konzeption und Aufbau der Studie

könne »der Startschuss für eine gefährliche nächste Runde im ›clash of civilizations‹ gefallen sein« (Roß 19.9.2006). In summa: Huntingtons »Clash of Civilizations«-Konzept ist in der westlichen Öffentlichkeit überaus stark präsent und wird oft als Referenz- oder sogar als Verstehensrahmen bemüht. Sein öffentlicher Erfolg ist durchschlagend.

II. Erkenntnisinteresse, Konzeption und Aufbau der Studie Es stellt sich die Frage, wie es sich erklärt, dass Huntingtons Kampfder-Kulturen-Modell bzw. seine Kategorien und Hauptthesen – der Islam, der Westen, der Zusammenprall zwischen Islam und Westen, Religion als Konflikt- und Gewalttreiber – so verbreitet sind. Die Leitfrage der vorliegenden Studie lautet: Wie erklärt sich Hunting­ tons Erfolg? Die naheliegende Antwort wäre, dass Huntingtons Theoriean­ satz große Diagnose- und Erklärungsmacht für die soziale Wirklich­ keit hat. Dieser Antwortmöglichkeit gehen die Teile B, C und D der Arbeit nach. Zunächst wird in Teil B das »Clash of Civilizations«-Konzept dargelegt und anschließend knapp in seinen Wurzeln und Kontext verortet. Darauf folgt eine eingehende kritische Auseinandersetzung mit Huntingtons wichtigsten Prämissen und Thesen: dem Zivilisa­ tionenkonzept, dabei im Speziellen dem Verständnis des Westens und des Islam, sowie den Thesen zu Frontlinie und Ursachen von politi­ schen Gewaltkonflikten. Die Auseinandersetzung mit Huntingtons Theorieansatz ist ein weites und interdisziplinäres Feld, das vielfältige und zahlreiche Ansatzpunkte bietet. Die hier geleistete Betrachtung ist somit zwangsläufig selektiv und unvollständig; sie ist lediglich im Sinne einer hinreichenden Annäherung an die Thematik konzipiert. Die akademische Kritik an Huntington wird dabei berücksichtigt, kann aber aufgrund des enormen Umfangs dieser Literatur nicht umfassend rezipiert werden. Nach dieser allgemeinen und weitgefassten Untersuchung der theoretischen und empirischen Stärke bzw. Schwäche von Hunting­ tons Konzept wird dieses in Teil C konkret am empirischen Beispiel des Ukraine-Krieges 2022 auf den Prüfstand gestellt. Es wird der Frage nachgegangen, ob bzw. inwiefern der Ukraine-Konflikt Huntingtons These, dass Konflikte zwischen Staaten, die verschiedenen Zivilisatio­

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Teil A: Einführung

nen angehören, sowie Bürgerkriege entlang zivilisatorischer Bruchli­ nien die Weltpolitik dominieren werden, bestätigt. Des Weiteren wird beleuchtet, inwiefern sich die Rolle der Religion in diesem Konflikt mit Huntingtons Erwartungen deckt. Dieses Fallbeispiel wird aus drei Gründen gewählt: Erstens, weil es sich um einen zwischenstaatlichen Krieg in der internationalen Politik und somit um die Kernforschung von Huntington bzw. den Hauptgegenstand seines Theorieansatzes handelt. Zweitens und sekundär wegen der derzeitigen Aktualität des Themas, was Aussagen über die von Huntington beanspruchte Prognosekraft des »Clash of Civilizations«-Modells treffen lässt. Drittens und nachgeordnet, weil der Ukraine-Krieg bisweilen, insbe­ sondere in den USA, im Licht von Huntingtons Konzept betrachtet wird. Bereits in der Entwicklung des Konfliktes hatten Politikwis­ senschaftler wie William Smith ihn als interzivilisatorischen Zusam­ menprall im Sinne Huntingtons gezeichnet und von diesem Modell Empfehlungen abgeleitet, wie sich die amerikanische Politik verhalten solle (Smith 12.5.2020). Eine Breitenrezeption dieser Rahmung zeigt sich in der Überschrift eines Beitrages in der New York Times zur russischen Invasion der Ukraine: »Vladimir Putin’s Clash of Civiliza­ tions« (Douthat 26.2.2022). In Teil D untersucht die Arbeit anhand eines weiteren empiri­ schen Beispiels, nämlich der Kontroverse um die Regensburger Rede Papst Benedikts XVI., inwieweit das Kampf-der Kulturen-Schema zutrifft. Dieser Gegenstand wird zum einen gewählt, weil die Kontro­ verse – wie oben skizziert – weit verbreitet als Beleg für Huntingtons Konzept angesehen wird. Zum anderen ist sie in ihrem Konflikt­ muster auf den Kern dieses Theorieansatzes bezogen, nämlich auf einen »Clash« zwischen den Zivilisationen »Westen« und »Islam«. Des Weiteren verweist die dominante interreligiöse Dimension der Kontroverse stark auf Huntingtons Thesen zur politischen Bedeutung von Religion. Anhand dieser Kontroverse wird das Kampf-der-Kul­ turen-Konzept also an einem globalen gesellschaftlichen Phänomen untersucht, in dem die Konfliktlinie Islam versus Christentum promi­ nent präsent ist. Es soll eruiert werden, ob in der »Regensburg-Kon­ troverse«7 zurecht eine Rechtfertigung Huntingtons gesehen wird. Dafür werden die Vorlesung Papst Benedikts und ihre Folgen aus­ 7 Hier und im weiteren Verlauf der Arbeit ist mit dem Terminus »Regensburg-Kon­ troverse« eine Abkürzung des Ausdrucks »Kontroverse um die Regensburger Rede Papst Benedikts XVI.« bzw. »Kontroverse um die Regensburger Papstvorlesung«

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II. Erkenntnisinteresse, Konzeption und Aufbau der Studie

führlich dargelegt und auf die Frage hin analysiert, inwieweit sie zum »Clash of Civilizations«-Modell passen. Von einem Kampf der Kulturen wäre im Hinblick auf die Kontroverse im Gesamten dann zu sprechen, wenn es sich primär um eine konfliktive bzw. kämpferische Auseinandersetzung zwischen »dem Westen« und »dem Islam« bzw. ihren jeweiligen Vertretern handelt. Bei den beiden gewählten Fallstudien kann begründet angenom­ men werden, dass sie geeignete Gegenstände sind, die mit Hunting­ tons Theorieansatz analysiert und erklärt werden können, bzw. die umgekehrt diesen Ansatz bestätigen können. Im Verlauf der Unter­ suchung wird aber deutlich, dass dies nur ansatzweise und vorder­ gründig zutrifft. In Kombination mit der in Teil B elaborierten Kritik am Kampf-der-Kulturen-Konzept im Allgemeinen greift die Antwort, dass Huntingtons Erfolg in wissenschaftlicher Qualität gründet, zu kurz bzw. überzeugt nicht. Wenn Huntingtons Modell weitgehend unzureichend ist, bleibt die Frage, worauf sein Erfolg beruht. Wie kann man die Diskrepanz zwischen der – zahlreich von wissenschaftlicher Seite kritisierten – empirischen und theoretischen Schwäche des »Clash of Civilizati­ ons«-Ansatzes auf der einen Seite und seinem großen öffentlichen Einfluss auf der anderen Seite verstehen? Die experimentelle Haupt­ these dieser Arbeit lautet, dass sich der Erfolg des »Clash of Civi­ lizations«-Konzeptes damit erklärt, dass es ein zentraler Teil eines gegenwärtig mächtigen Diskurses ist, den diese Arbeit »Islam-Wes­ ten-Diskurs« nennt. Dabei wird »Diskurs« im Sinne Michel Foucaults verstanden, nämlich als innere Struktur von Denk-, Sprach- und Wis­ senssystemen.8 gemeint. In der gleichen Bedeutung verwendet diese Arbeit auch die Termini »Regens­ burg-Ereignisse« und »Regensburg-Krise«. 8 Vor allem im deutschsprachigen akademischen Umfeld wird der Begriff »Diskurs« primär mit Jürgen Habermas assoziiert, der seine Diskurstheorie in seinem Haupt­ werk »Theorie des kommunikativen Handelns« (Habermas 1981) entfaltet hat. Der Habermas‘sche und der Foucault‘sche Diskursbegriff haben gemeinsam, dass sie sich vom Gesprächs- bzw. Dialogbegriff abgrenzen und, als gemeinsamer Nenner im weitesten Sinn, als regulierte Kommunikationsprozesse verstanden werden können. Doch im Wesentlichen sind sie diametral verschieden. Habermas geht es um einen zeitlosen, universalen Diskurs unter idealen Bedingungen, der mit formalen Regeln Rationalität garantiert. Foucault hingegen richtet seinen Blick auf historisch und real herrschende Diskurse, ihre Entstehungs-, Entwicklungs- und Transformationsbe­ dingungen. Habermas' Diskurskonzept hat eine ethische, Foucaults Diskurskonzept eine erkenntnistheoretische Schlagrichtung. Für einen Vergleich der beiden Diskurs­

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Teil A: Einführung

Teil E elaboriert die experimentelle Hauptthese. Dafür wird zunächst skizzenhaft Huntingtons großer Einfluss auf Politik und Öffentlichkeit dargelegt, der sich auch in der sogenannten islami­ schen Welt niederschlägt. Darauf folgt eine Eruierung der speziellen zeitgeschichtlichen Bedingungen für diesen Erfolg. Beleuchtet wird zudem das Potential der Kampf-der-Kulturen-These, eine sich selbst erfüllende Prophezeiung zu sein.9 Dass Huntingtons Konzept die Wirklichkeiten hervorbringen kann, von denen es spricht, wird allge­ meiner an den Stärkungen der kollektiven Identitäten »Islam« und »Westen« erörtert. Im letzten Schritt wird ein aus Foucaults Schaffen destilliertes Diskurskonzept auf das Denken in den Kategorien Islam und Westen angewendet und als experimenteller Interpretationshori­ zont für Huntingtons Erfolg präsentiert: Der Islam-Westen-Diskurs. Das Antwortkonzept der vorliegenden Arbeit auf die Frage nach Huntingtons Erfolg lautet zusammengefasst so: Die starke Präsenz von Huntingtons Thesen in der Öffentlichkeit sowie ihr ausgeprägtes Potential, eine sich selbst erfüllende Prophezeiung zu sein, kann mit Michel Foucaults Diskursansatz theoretisch gefasst werden. Ange­ nommen wird, dass die Schlagworte Islam, Westen und Kampf der Kulturen nicht einfach auf einen politikwissenschaftlichen Theorie­ ansatz verweisen, sondern auf eine tiefere, weit verbreitete soziale Tatsache: einen mächtigen Diskurs. Dieser »Islam-Westen-Diskurs« speist sich maßgeblich aus Huntington, ist aber weiter gefasst als die enge These vom Kampf der Kulturen. Kern dieses Diskurses ist eine Betrachtung und Strukturierung der Welt mit Hilfe der Konzepte »der Westen« und »der Islam«, die meist mit einer Dichotomisie­ rung einhergeht. Huntingtons Konzept hat Anteil an der großen Macht des Diskurses: vor allem an seiner Konzeptionierungs- und Strukturierungsfunktion, seiner sich selbst verbreitenden und ver­ stärkenden Wirkung (Selbstinstitutionalisierung) sowie seiner wirk­ lichkeitsgestaltenden und -generierenden Qualität (Diskursinstitu­ tionalisierung), die sich insbesondere in Identitätszuschreibungen und -stiftungen niederschlägt. Das genaue Verhältnis und die Wech­ selwirkungen zwischen Huntingtons »Clash of Civilizations«-Kon­ zept und dem Islam-Westen-Diskurs werden in dieser Arbeit weder konzeption siehe Yoo 1993 und Kim 1995. Für Foucaults Diskursverständnis siehe insbesondere seine Werke »Archäologie des Wissens« (Foucault 1973c) und »Die Ordnung des Diskurses« (Foucault 1974a). 9 Das Konzept der »self-fulfilling prophecy« geht auf Robert Merton zurück (Merton 1967 [1949]). Siehe hierzu näher Kapitel E III. dieser Arbeit.

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II. Erkenntnisinteresse, Konzeption und Aufbau der Studie

endgültig festgelegt noch im Detail als Hypothese elaboriert. Dies ist eine notwendige Einschränkung, denn auch in weiterer Forschung könnten nur verschiedene hypothetische Modelle präzisiert werden, da sich der Gegenstand – auch innerhalb der Foucault'schen Diskurs­ logik denkend – einer sicheren Erkenntnis entzieht. Existenz und Macht eines Diskurses können grundsätzlich nicht stricto sensu bestätigt oder gar bewiesen, sondern lediglich angezeigt werden. Eine empirische Stärkung der als Antwort auf die Frage nach Huntingtons Erfolg konzipierten experimentellen Annahme eines mächtigen Islam-Westen-Diskurses erfolgt in Teil F, dem letzten Hauptteil der Arbeit. Die diskursive Qualität von Huntingtons »Clash of Civilizations«-Konzept bzw. die Macht des Islam-Westen-Diskurses werden wiederum am Beispiel der Kontro­ verse um die Regensburger Rede beleuchtet. Es soll systematisch eine Prägung der Kontroverse durch diesen Diskurs aufgezeigt werden. Die Regensburg-Kontroverse ist einer von vielen theoretisch denk­ baren Forschungsgegenständen, die herangezogen werden könnten, um die Plausibilität der experimentellen These zu erhöhen. Um eine möglichst große Objektivität des Vorhabens zu gewährleisten, wird die medial-intellektuelle Rezeption der Kontroverse zunächst unabhängig von der Forschungshypothese mit dem Verfahren der induktiven Typenbildung erfasst. Bei der Auswahl und Analyse des Materials stützt sich diese Studie auf eigene Vorarbeiten aus einem Forschungsprojekt zur Dokumentation der Kontroverse um die Regensburger Papstvorlesung, für die eine Datenbank mit 1566 Dokumenten zusammengestellt wurde.10 Der Befund aus der Analyse der Ereignisse sowie die identifizier­ ten Rezeptionstypen werden in einer Gesamtbewertung (Kapitel F II) auf Indizien dafür untersucht, dass 1) 2)

die Regensburg-Kontroverse eine weitgehende inhaltliche und strukturelle Analogie zum Islam-Westen-Diskurs aufweist, und die für einen dominanten Diskurs charakteristische Wirkungs­ weise in der Kontroverse ersichtlich ist.

Dabei können Präsenz und Einfluss des Diskurses nicht im enge­ ren Sinn nachgewiesen, sondern nur als anzunehmender Struktu­ rierungszusammenhang aufgezeigt werden. Indirekt soll damit die experimentelle Hauptthese der Arbeit, dass Huntingtons Erfolg auf 10

Fischer 2009. Siehe hierzu Kapitel F I.1 dieser Arbeit.

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Teil A: Einführung

seiner Teilhabe am mächtigen Islam-Westen-Diskurs beruht, empi­ risch gestützt werden. Eine weitere Limitierung der vorliegenden Studie ist die Frage nach der geographischen Reichweite des Diskurses. Es wird indiziert, dass Huntington global rezipiert wurde und seine Prämissen ins­ besondere auch in der sogenannten islamischen Welt aufgegriffen wurden. (Kapitel E I.2) Dass diese ebenso wie der Westen vom Diskurs geprägt ist, wird in der empirischen Studie (Kapitel F I) implizit aufgezeigt, doch kann keine theoretisch-systematische Erörterung der globalen Reichweite des Islam-Westen-Diskurses bzw. eine regionale Differenzierung seiner Macht geleistet werden, da dies den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen würde. Diese Arbeit ist eine philosophische Studie, wobei Überlappun­ gen zu anderen Disziplinen, insbesondere der Politikwissenschaft und Soziologie, bestehen. Sie bedient sich qualitativer Forschungsmetho­ den. Die Relevanz des Foucault’schen Diskurskonzeptes für die vorlie­ gende Studie basiert primär auf dem Aspekt der Macht der Diskurse. Die auf der Grundlage von Foucault zu entwickelnde Diskurskon­ zeption dient der theoretischen Fassung der wirklichkeitsprägenden Macht des Denkens in Islam und Westen. Sekundär spielt Diskurs­ theorie für die Methodik bei der Analyse der Regensburg-Kontroverse in Teil F eine Rolle: Zwar geht es in der empirischen Untersuchung nicht um den Vollzug einer Diskursanalyse, jedoch macht sich die Arbeit in der Konzeption und Durchführung der empirischen Studie methodische Prämissen der Diskursanalyse zu Eigen. Diese werden mit dem Verfahren der induktiven Typenbildung kombiniert.

III. Forschungsbericht Huntingtons »Clash of Civilizations« löste eine enorme und kontro­ verse akademische Debatte aus. Die Diskussion in Foreign Affairs, die auf Huntingtons zunächst 1993 dort erschienenen Thesen folgte, bil­ det die wesentlichen Kritikpunkte an der »Clash of Civilizations«Konzeption ab. Die Erwiderungen kreisen um die zwei fundamentalen Pfeiler des Theorieansatzes: zum einen um das Zivilisationenkonzept im Allgemeinen, mit der Konzeption des Westens und des Islam im Speziellen. Zum anderen – und schwerpunktmäßig – um die Frage nach Ursachen und Frontlinie von Konflikten. In verschiedenen Dis­ ziplinen wie den Internationalen Beziehungen, der Politikwissen­

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III. Forschungsbericht

schaft, Konfliktforschung, Kulturwissenschaft, Anthropologie und Soziologie erfolgte eine intensive Auseinandersetzung mit Hunting­ ton. Spätestens seit dem 11. September 2001 konzentriert sich die Debatte um Huntingtons Thesen fast ausschließlich auf seine islam­ bezogenen Diagnosen. Diese Studie reiht sich zum einen in die wissenschaftliche Aus­ einandersetzung mit der Kampf-der-Kulturen-These und deren Prä­ missen ein. Zum anderen und insbesondere zielt sie darauf ab, auf der Meta-Ebene und aus philosophischer Sicht an der Erforschung von Bedeutung und Erfolg des »Clash of Civilizations«-Konzeptes anzu­ knüpfen. Die akademische Auseinandersetzung mit dem »Clash of Civi­ lizations«-Konzept ist so umfangreich,11 dass ihre vollständige Erfas­ sung und Auswertung eigenständiger Studien bedürfte. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit findet die Sekundärliteratur nur insoweit Erwähnung, dass ein Querschnitt der wichtigsten gegen Huntington ins Feld geführten Argumente präsentiert werden kann. Ein Anspruch auf Vollständigkeit wird in keiner Weise erhoben. Darüber hinaus spannt die vorliegende Arbeit inhaltlich einen weiten Bogen, so dass grundsätzlich keine umfassende Berücksichtigung der relevanten Literatur zu den einzelnen Teilaspekten der Studie – beispielsweise dem Russland-Ukraine-Konflikt – angestrebt werden konnte. Im Folgenden wird der in dieser Arbeit verfolgte Ansatz in der Forschungslandschaft verortet, und es werden aus der eingeflossenen Literatur einige Werke bzw. Autorinnen und Autoren hervorgeho­ ben, die im Hinblick auf die theoretische Konzeption oder auf die inhaltliche Argumentation der vorliegenden Arbeit besonders rele­ vant waren. Selbst wenn man sich z. B. auf den deutschsprachigen wissenschaftlichen Raum beschränkt, ist die Fülle an Literatur massiv. Stellvertretend seien hier nur einige Beispiele angeführt: Die »Deutsche Gesellschaft zur Erforschung des Politischen Denkens« widmete dem Kampf-der-Kulturen-Konzept eine Tagung, aus der ein von Peter Nitschke herausgegebener Sammelband mit dem Titel »Der Prozess der Zivilisa­ tionen: 20 Jahre nach Huntington« (Nitschke 2014) resultierte. Eine kontroverse und angeregte Debatte mit Samuel Huntington persönlich ist in Seebacher-Brandt/Walter 1997 dokumentiert. Darin werden Auszüge aus der Diskussion, die auf einen Vortrag Huntingtons bei der Alfred Herrenhausen Gesellschaft folgte, wiedergegeben. (ebd.: 30–54) Des Weiteren seien Monika Mokres Sammelband »Imaginierte Kulturen – reale Kämpfe« (Mokre 2000), Harald Müllers »Das Zusammenleben der Kulturen« (Müller 2001) sowie Gazi Çağlars »Der Mythos vom Krieg der Zivilisationen« (Çağlar 2002) genannt. 11

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Teil A: Einführung

Anlässlich des zwanzigsten Jahrestages der Veröffentlichung von Huntingtons Aufsatz gab Foreign Affairs einen Sammelband heraus, in dem die wichtigsten in der Zeitschrift erschienenen intellektuellen Erwiderungen auf Huntington präsentiert und um neuere Einschät­ zungen ergänzt werden. (Foreign Affairs 2013) Ein aufschlussreicher Überblick über die wissenschaftlichen Kritikpunkte an Huntingtons Thesen findet sich in Udo Metzingers »Die Huntington-Debatte« (Metzinger 2000). Ein 2018 von Davide Orsi herausgegebener Sam­ melband mit dem Titel »The ›Clash of Civilizations‹ 25 Years On« setzt sich aus multidisziplinärer Perspektive mit Huntingtons Theo­ rieansatz auseinander und bewertet dessen Stärken und Schwächen 25 Jahre nach seinem Erscheinen sowohl unter theoretischen als auch empirischen Gesichtspunkten. Dieter Senghaas positioniert sich scharf gegen Huntington in sei­ nem Werk »Zivilisierung wider Willen. Der Konflikt der Kulturen mit sich selbst« (Senghaas 1998) bzw. in der in dieser Arbeit zitierten eng­ lischen Fassung von 2005 mit dem Titel »The Clash within Civilizati­ ons«. Statt einer geopolitisch determinierten Makro-Konfliktstruktur sieht er entgegengesetzte Vorstellungen von politischer Ordnung in einem Wettstreit, der sich vor allem innerhalb von Gesellschaften manifestiere. (Senghaas 2005: 100) Senghaas ergänzte 2017 seine gegen die »Clash of Civilizations«-These gerichtete Position um die allgemeinere Diagnose, dass es gegenwärtig in vielen Gesellschaften einen bedeutsamen Kampf zwischen pro- und anti-westlichen Vor­ stellungen bzw. zwischen autokratischen und liberal-demokratischen Kräften gebe. (Senghaas 2017) Besonders ergiebig für diese Arbeit war auch die Auseinander­ setzung des Politikwissenschaftlers Thomas Meyer mit dem Kampfder-Kulturen-Modell. Er argumentiert, dass die entscheidende glo­ bale kulturelle Bruchlinie nicht zwischen den Zivilisationen verläuft, sondern zwischen Verfechtern der Moderne und den religiösen Fun­ damentalisten. (Meyer 2011: 92; 110; 146–147) In seinem Werk »Was ist Fundamentalismus?« (Meyer 2011) untersucht er das Problem des Fundamentalismus in der Moderne und kommt zu dem Ergebnis, dass Fundamentalismus keine »angeborene Eigenschaft einzelner Religio­ nen, sondern eine mögliche Begleiterscheinung aller Kulturreligionen in den Krisen der modernen Welt [ist]« (ebd.: 8). Er kritisiert Hun­ tingtons naturalistisches Kulturverständnis, das eine relevante Bin­ nendifferenzierung und Dynamik ausschließe, (ebd.: 83) und stellt die Zivilisationen-Kategorien mit Erkenntnissen aus der vergleichenden

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III. Forschungsbericht

Kulturforschung in Frage (ebd.: 86–92). Zudem identifiziert er eine »Kulturkampf-Maschine«: Ausgrenzende Identitätszuschreibungen führen zu einer feindseligen Identitätsabgrenzung. (ebd.: 143–144) Auch Amartya Sen nimmt explizit gegen den »Clash of Civi­ lizations«-Ansatz Stellung. »Die Identitätsfalle. Warum es keinen Krieg der Kulturen gibt« (Sen 2007), so lautet bezeichnenderweise der deutsche Titel seines 2006 erschienenen Werkes »Identity and Violence. The illusion of destiny«. Sen setzt in seiner fundamentalen Kritik an Huntingtons Prämissen, insbesondere der simplizistischen und kollektivierenden Kategorisierung von Menschen, an. Zudem erläutert er überzeugend, dass auch viele Gegner der Kampf-der-Kul­ turen-These auf der gleichen problematischen Basis wie Hunting­ ton argumentieren. Olivier Roy war für verschiedene Aspekte dieser Studie eine inspirierende Quelle. Insbesondere elaboriert er basierend auf seinen Forschungen zum islamistischen Terrorismus und zur Entwurzelung bzw. »Deculturation« (Roy 2013: 5) von Religion gegen Huntington, dass wir es mit einer »Islamization of Radicalism« (Roy 2017: 41) im Gegensatz zu einer vermeintlichen Radikalisierung des Islam zu tun haben. (Roy 2006b; Roy 2013; Roy 24.11.2015; Roy 2017; Roy 2020) Der Forschungsüberblick von Sara Silvestri und James Mayall (Silvestri/Mayall 2015) zur Rolle von Religion in Gewaltkonflikten und Friedensprozessen war eine aufschlussreiche Grundlage für die Einordnung Huntingtons im Spektrum der Zugänge zur Konflikt- und Gewaltrelevanz von Religion. Eine Interpretation des Russland-Ukraine-Konflikts unter Ein­ bezug von Huntingtons »Clash of Civilizations«-Konzept findet sich in Beiträgen von Boris Barkanov (2015), Ilya Budraitskis (2022), Anna Khakee (2018) und John Lloyd (2021). Der Politikwissenschaftler Jeffrey Haynes untersucht in seinem 2019 veröffentlichten Werk »From Huntington to Trump. Thirty Years of the Clash of Civilizations« (Haynes 2019) Huntingtons Thesen im Licht der weltpolitischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte. Sein Ergebnis lautet, dass Huntingtons Theorieansatz unzutreffend ist. Umfassend zeigt er auf, wie Huntingtons Gedankengut nichts­ destotrotz maßgeblichen Einfluss auf gewichtige Entwicklungen des 21. Jahrhunderts hatte, vor allem auf die Wahl Donald Trumps zum amerikanischen Präsidenten. Tzvetan Todorov setzt sich in seiner Monographie »The fear of barbarians. Beyond the clash of civilizations« (Todorov 2010) mit

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Teil A: Einführung

Huntingtons Konzept auseinander. Unter anderem illustriert er die problematische Nützlichkeit der Kampf-der-Kulturen-Rhetorik am Beispiel der Propaganda von muslimischen Akteuren. Der Konfliktforscher Kevin Avruch argumentiert in seinem Werk »Context and Pretext in Conflict Resolution« (Avruch 2016) sehr überzeugend, dass Huntingtons Zivilisationenmodell auf der Grund­ lage von drastischer Komplexitätsreduktion nicht als analytisches, sondern vielmehr als heuristisches Konzept dient. Zudem betont er den politischen Nutzen, den Akteure aus einer Argumentation auf der Basis von Huntingtons »Clash of Civilizations«-Konzeptes ziehen. Darin liege der Schlüssel für dessen Mechanismus, die Realitäten hervorzubringen, von denen es spricht. (ebd.: 81–95) Arshin Adib-Moghaddam beschreibt in seinem Buch »A metahistory of the clash of civilisations. Us and them beyond Orien­ talism« (Adib-Moghaddam 2011) sowie in seinem Aufsatz »We other Spartans: Orientalism, Occidentalism and the enemy ›other‹« (AdibMoghaddam 2017) die lange historische Tradition von »Clash of Civ­ ilizations«-Ideen. Konzepte sich gegenüberstehender Zivilisationen reichten bis in die Antike zurück. Dabei seien sie niemals Realität gewesen, sondern immer schon Mythen der Geschichtsschreibung, die einem politischen Zweck dienten. Er spricht in diesem Kontext auch von einem Foucault'schen »›regime of truth‹, a socially invented discursive constellation, that suggests that there is an ongoing clash between ›self‹ and ›other‹ (or civilisations). It is true for those who believe in it, but upon closer inspection with a critical attitude it proves to be as factual as a mirage.« (ebd.: 51) Eingehend beschäftigen sich Chiara Bottici und Benoît Chal­ land mit dem »Clash of Civilizations«-Paradigma. (Bottici/Challand 2006; Bottici/Challand 2010) Sie untersuchen die Omnipräsenz und Wirkmächtigkeit der These von einem Zusammenstoß zwischen Islam und Westen in der gegenwärtigen globalen Öffentlichkeit und konzeptualisieren dieses Phänomen theoretisch als politischen Mythos. In ihrer Analyse führen sie vor allem Beispiele aus den globalen Medien an und argumentieren auf dieser Basis, dass der »Clash of Civilizations«-Mythos sowohl in der westlichen Welt als auch in muslimischen Ländern wirkmächtig sei. In summa lautet ihre Beobachtung: »In recent years, […] the clash of civilizations has become a cognitive schema through which people look at the world, a practical image of it, on the basis of which they act on it, as well as an aesthetic figure which mobilizes and evokes passions and emotions«.

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III. Forschungsbericht

(Bottici/Challand 2010: 3) Der politische Mythos, verstanden als philosophisches Konzept, habe die Funktion, Bedeutung und Bedeut­ samkeit zu verleihen. Der Soziologe Rogers Brubaker (2017) setzt sich nicht direkt mit Huntingtons Theorieansatz auseinander, reflektiert aber die große Präsenz der Zivilisationenkategorien. Er analysiert das erstarkte Rekurrieren im Westen auf eine westliche Identität als »civilizatio­ nism« – Zivilisationismus. Der Populismus habe sich weg vom klassischen Nationalismus und hin zu einer zivilisatorischen Rhetorik bewegt. Brubaker differenziert dabei drei geographische Subvarian­ ten: Nord- und Westeuropa, Zentral- und Osteuropa sowie die USA. Allen drei Populismusformen sei gemeinsam, dass sie den Islam als bedrohlichen Feind wahrnehmen. Der von Brubaker geprägte Begriff des »civilizationism« wird unter anderem vom oben erwähnten Jeffrey Haynes (2019) aufgegriffen. Im Sinne einer konzeptionellen Abgrenzung war der Aufsatz »Why (Clash of) Civilizations Discourses Just Won’t Go Away? Understanding the Civilizational Politics of Our Times« von Gregorio Bettiza und Fabio Petito (Bettiza/Petito 2018) relevant für diese Arbeit. Die Autoren setzen sich darin mit dem Phänomen auseinan­ der, dass die Rede von Zivilisationen so omnipräsent ist. Sie nennen dieses Phänomen »civilizational politics«. Sie identifizieren Primordi­ alisten wie Huntington, die dahinter eine ontologische Tatsache, näm­ lich die Existenz sich konfliktiv gegenüberstehender Zivilisationen sehen. Den Primordialisten entgegengesetzt sind die kritisch-kon­ struktivistischen Denker wie der erwähnte Adib-Moghaddam (2011), die in den vermeintlichen gegenwärtigen Zivilisationenkonflikten einen Mythos oder eine – bewusst forcierte und politisch motivierte – Ideologie sehen, die wenig mit der Realität zu tun habe. Bettiza und Petito distanzieren sich von beiden Denkschulen und versuchen sich in einer soziologischen Erklärung, die sowohl Machtstrukturen als auch Kultur berücksichtigt. Sie sprechen von »mutually reinforc­ ing relations between civilizations as ideological-strategic frames of reference for global politics and, at the same time, as cultural legacies and orientations for the articulation of programs of alternative moder­ nities.« (Bettiza/Petito 2018: 48) Sie nehmen Zivilisation als Analy­ sekategorie ernst, sehen aber einen Handlungsspielraum für einen Akteur »within the constraint of its civilizational legacy« (ebd.: 41). Bettiza und Petito möchten sich nicht unter die fundamentalen Kri­ tiker der zivilisationenbasierten Politiktheorie einreihen, weil diese

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Teil A: Einführung

nicht erklären könnten, warum es in der Zeit nach dem Kalten Krieg zu den kollektiven Prozessen der Identitätsabgrenzung komme und warum hier Zivilisation als Kategorie im Zentrum stehe. Außerdem argumentieren sie, dass die weit verbreitete Existenz einer Politik basierend auf Ideen des Zivilisationendialogs und der Verständigung mit der kritisch-konstruktivistischen Betrachtungsweise nicht zu ver­ söhnen sei. (ebd.: 42–43) Aus der Perspektive von Foucaults Dis­ kurskonzept kann diese Arbeit die Einwände von Bettiza und Petito gegen kritisch-konstruktivistische Betrachtungsweisen des »civiliza­ tional politics«-Phänomens entkräften. Denn in diesem Verständnis institutionalisiert und reproduziert sich der Diskurs selbst, wenn er erst einmal durch begünstigende Umstände Fuß fassen konnte. Des Weiteren ist bei einer diskurstheoretischen Betrachtungsweise klar, dass Dialog- und Kampfparadigma eng aufeinander bezogen sind.12 Huntingtons »Clash of Civilizations«-Konzept wird nicht nur von ihm selbst als Paradigma bezeichnet (Huntington 1998: 29; 32), sondern auch von vielen Rezipierenden. Verbreitet wird es als ein Hauptparadigma der politischen Welterklärung seit dem Ende des Kalten Krieges angesehen. (Said 2001b: 570; Esposito/Voll 2003: 238) Als solches sei es politisch einflussreich im Sinne eines »power­ ful political framework[…] used by political actors to justify political choices and decisions«. (Petito 2007: 105) Der Begriff des Diskurses fällt häufig im Zusammenhang mit der Kampf-der-Kulturen-Thematik, aber meist ohne eine explizite Darlegung des jeweiligen Diskursverständnisses. Dahinter steht dann meist die einfache Bedeutung »Debatte« oder kein erkennbares theo­ retisches Diskurskonzept.13 Die sehr seltenen expliziten Verbindun­ gen von »Clash of Civilizations«-These und Foucault’schem Diskurs­ begriff sind entweder nur knappe Erwähnungen wie bei Marcus Emmerich (Emmerich 2006: 75), oder sie konzentrieren sich einseitig auf das Diskurskonzept bzw. auf das »Clash of Civilizations«-Para­ digma. So geht Werner Ruf nicht auf eine Diskurskonzeption ein, äußert sich aber implizit auf der Basis des Foucault’schen Diskurs­ verständnisses. Er spricht davon, dass der »Islam versus Westen«Diskurs das Ausblenden bestimmter Realitäten ermögliche und auf Ordnung und Werte der Gesellschaft zurückwirke und somit die 12 Ein diskurstheoretisches Verständnis des »Clash of Civilizations«-Paradigmas wird in Teil E dieser Arbeit elaboriert. Eine Zusammenführung findet sich in Kapitel E V. 13 Siehe z. B. Petito 2007.

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III. Forschungsbericht

Wirklichkeit präge und gestalte. (Ruf 2005: 75–81) Eingebettet in dis­ kurstheoretische Erörterungen wird umgekehrt bei Margarete Jäger und Siegfried Jäger nur erwähnt, dass der Diskurs der Weltgesellschaft gegenwärtig der Diskurs »West gegen […] Islam« sei. (Jäger/Jäger 2007: 30) Diese Ansätze einer Synthese sind also rudimentär. Als »self-fulfilling prophecy« bzw. »sich selbst erfüllende Prophezeiung« bewerten etliche Huntingtons Kampf-der-KulturenThese: Aus dem Glauben an eine zivilisatorische Frontstellung resul­ tiert entsprechendes Handeln, welches in der Folge eine solche Eigen­ dynamik entwickelt, dass dieses Konzept, das ursprünglich nur eine bestimmte Wahrnehmung der Welt war, zur Realität wird. Dieses Argument findet sich unter anderem bei Bottici und Challand (Bot­ tici/Challand 2006: 329), bei Stephen Walt (1997: 189), Tony Smith (1997: 164), Richard Rubenstein und Jarle Crocker (Rubenstein/Cro­ cker 1994: 128), Hans Vorländer (2001), Werner Ruf (2005: 79–81), Hans Köchler (2004: 7–9) und Edward Said (1997: xv-xvi). Der in der vorliegenden Arbeit verfolgte diskurstheoretische Zugang zum »Clash of Civilizations«-Konzept schließt den Mechanismus der sich selbst erfüllenden Prophezeiung ein. Jedoch argumentiert diese Arbeit, dass der Islam-Westen-Diskurs nicht unbedingt in dem Sinn seine Annahmen kreiert, dass er Kämpfe zwischen den Kulturen erzeugt. Vielmehr wird die realitätsgenerierende Macht des Diskurses vor allem in der Hervorbringung bzw. Bestärkung kollektiver Identi­ täten gesehen – »der Islam« und »der Westen«. Grundsätzlich stellt das in der vorliegenden Arbeit experimentell entwickelte Konzept des Islam-Westen-Diskurses eine Innovation dar. Das Kategorienpaar Islam und Westen, das in dieser Arbeit als Kern eines Diskurses betrachtet wird, erfährt in der Forschung wenig und wenn, dann fast ausschließlich in Form des Konzeptes vom Kampf der Kulturen Aufmerksamkeit im Sinne einer Metareflexion. Das Konzept des Islam-Westen-Diskurses hebt sich insofern vom Gros der Forschung zur Thematik ab, als es den Topos vom christlich-isla­ mischen Dialog bzw. vom Dialog der Zivilisationen und den Topos vom Kampf der Kulturen als zusammengehörig erachtet, vereint durch die gleichen diskursiven Prämissen. Die anderen Zugänge zeichnen das herrschende Paradigma überwiegend beschränkt auf das Weltinterpretationsmuster Huntingtons und vor allem getrennt vom

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Teil A: Einführung

scheinbaren Gegenparadigma »Dialog«,14 wobei Sen (2006) hier eine wichtige Ausnahme darstellt.

Foucaults Diskurskonzept Das Diskurskonzept Michel Foucaults wird intensiv rezipiert. So unterschiedliche Disziplinen wie Linguistik und Geschichtswissen­ schaft entwarfen auf Foucault basierende Methoden der Diskursana­ lyse.15 Obwohl Foucault den politischen Charakter von Diskursen betont (Foucault 2003a [1976]: 164–165), griffen die Politikwissen­ schaften sein Diskurskonzept nur zögerlich auf. (Kerchner/Schneider 2006: 11) Zu den Verfechtern der Relevanz dieses Foucault’schen Ansatzes für die Erklärung der sozialen Wirklichkeit zählen Brigitte Kerchner und Silke Schneider. Sie kommen zu dem Urteil, dass »sich mit Foucaults genealogischem Diskursmodell auch genauer nach den langfristigen Voraussetzungen aktuellen politischen Handelns fragen [lässt], nach den historisch überkommenen Aussageordnungen, die unsere Wahrnehmung von der Wirklichkeit, die aktuelle Definition politischer Probleme und damit insgesamt die politische Ordnung der Gegenwart bestimmen« (Kerchner/Schneider 2006: 10). Diese Arbeit stützt sich hauptsächlich auf Foucaults Schriften »Archäologie des Wissens« (Foucault 1973c; im französischen Origi­ nal erstmals 1969 mit dem Titel »L’Archéologie du savoir« erschienen) sowie »Die Ordnung des Diskurses« (Foucault 1974a; auf franzö­ sisch 1971 als »L’Ordre du discours« veröffentlicht). Aufgrund der Unschärfe der Diskurskonzeption Foucaults gibt es fast so viele ver­ schiedene Ausprägungen einer »Foucault’schen Diskurstheorie« wie es Foucault-Rezipierende gibt. Zu den Interpretationen und Anwen­ dungen des Diskurskonzeptes, die stark in diese Arbeit eingeflossen sind, gehören die Forschung des Soziologen Reiner Keller (2003; Kel­

14 Esposito und Voll beispielsweise sehen in den beiden Ansätzen »Kampf der Kulturen« und »Dialog der Zivilisationen« zwei verschiedene Paradigmen in der Disziplin der Internationalen Beziehungen. (Esposito/Voll 2003: 238) Siehe auch Mejias 18.4.2007 und Petito 2007. Petito reflektiert allerdings, dass der Diskurs vom Dialog der Zivilisationen analytisch dem Diskurs vom Kampf der Kulturen nahestehe. (Petito 2007: 123) 15 Zur Weite der Diskursforschung siehe Keller 2007. Für einen Überblick über die allgemeine Foucault-Rezeption in den Kulturwissenschaften siehe Kammler/Parr 2007 und zur Rezeption in den Humanwissenschaften siehe Honneth 2003.

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III. Forschungsbericht

ler 2005; Keller 2007) sowie die sprach- und sozialwissenschaftlichen Diskursstudien von Siegfried Jäger (2001; Jäger 2006; Jäger 2007).

Regensburg-Kontroverse Eine Analyse und Erklärung der Auseinandersetzung um die Regens­ burger Rede Papst Benedikts XVI. stellen ein Forschungsdesiderat dar. Weder der Verlauf der Ereignisse noch ihre Rezeption wurden einer eingehenden, systematischen und theoriegeleiteten Studie unterzo­ gen. Es finden sich überwiegend journalistische Berichte über den Ablauf der Krise und Darstellungen der Reaktionen in einzelnen Ländern. Gute Einzelfallstudien bieten die Länderbüros der KonradAdenauer-Stiftung mit Reaktionszusammenfassungen aus den paläs­ tinensischen Autonomiegebieten (Birringer 2006), aus Israel (Hän­ sel/Behrens 2006), aus der Türkei (Senkyr/Tröndle 2006) sowie aus Ägypten (Lange 2006). Al Makin gibt in einem Aufsatz in der Zeit­ schrift »Islam and Christian-Muslim Relations« einen Einblick in das Meinungsspektrum, das in der indonesischen Publizistik in Bezug auf die Regensburger Rede herrschte (Makin 2009). Eine Analyse der ira­ nischen Reaktionen präsentiert Heydar Shadi (Shadi 2008). Andreas Renz fasst Antworten verschiedener muslimischer Theologen auf die Vorlesung zusammen (Renz 2009). Die Vatikanberichterstatter Paolo Rodari und Andrea Tornielli widmen der Regensburg-Kontroverse ein Kapitel in ihrem Buch »Attacco a Ratzinger« (Rodari/Tornielli 2010), in dem sie sich mit den Krisen des Pontifikats Benedikts XVI. aus­ einandersetzen. Aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht unter­ suchen Matthew Althouse und Floyd Anderson die Rede Benedikts sowie das Krisenmanagement des Vatikans. (Althouse/Anderson 2019) Eine Analyse der Regensburg-Krise von Finn Frandsen und Winni Johansens gehört auch zum Bereich der Kommunikationswis­ senschaft (Frandsen/Johansen 2010). Die Monographien und Sammelbände, die durch die Papstvorle­ sung initiiert wurden, beschränken sich größtenteils darauf, die in dem Vortrag angesprochenen philosophisch-theologischen Themen weiter auszuführen. Unter den deutschsprachigen Veröffentlichun­ gen sind hier Benedikt XVI. 2006, Benedikt XVI. et al. 2008, Dirscherl/Dohmen 2008, Dohmen 2007, Hasselhoff/Meyer-Blanck 2008, Wenzel 2007 und Zafar 2007 anzuführen. Es ist auch ein Sammelband in italienischer Sprache zu nennen (Savarino 2008), der sich theologisch-philosophisch mit Benedikts Thesen zu Glaube

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Teil A: Einführung

und Vernunft auseinandersetzt: Zum einen werden protestantische Perspektiven präsentiert, zum anderen wird die Frage der Religion im öffentlichen Raum diskutiert. Auf Englisch erschien unter anderem eine Monographie von James Schall (2007) sowie ein von Bainard Cowan herausgegebener Sammelband mit dem Titel »Gained Hori­ zons. Regensburg and the Enlargement of Reason« (Cowan 2011). In französischer Sprache kommentierten Jean Bollack, Christian Jam­ bet und Abdelwahab Meddeb die Regensburger Rede (Bollack et al. 2007).16 Aus jüngerer Zeit stammt ein Sammelband mit dem Titel »Le sfide delle religioni oggi – 2018«, der sich in mehreren Beiträgen mit der Regensburger Rede beschäftigt bzw. an das Thema des christlich-islamischen Dialogs anknüpft. (Aa.Vv. 2021) Eine Einordnung der Ereignisse in die geschichtliche Interaktion zwischen dem Abendland und der islamischen Welt und eine Eruie­ rung der Hintergründe der Regensburger Rede im Denken Papst Benedikts XVI. unternimmt Wolfgang Krebs (2007). Sein Buch trägt den für das Konzept der vorliegenden Arbeit einschlägigen Titel »Das Papstzitat von Regensburg. Benedikt XVI. im ›Kampf der Kulturen‹«. Der Autor bearbeitet darin zwar das angesprochene Feld, folgt aber einer narrativen Vorgehensweise ohne wissenschaftliche Fragestel­ lung. Ein Sammelband von Heinz Otto Luthe und Carsten-Michael Walbiner (Luthe/Walbiner 2008) setzt den Schwerpunkt auf die Analyse einzelner Reaktionen auf die Papstvorlesung. Darin enthal­ ten ist eine soziologische Interpretation der Ereignisse von Luthe (2008), für den in der Regensburg-Kontroverse die »gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit«17 sichtbar wird: »Eine […] grundlegende Einsicht lässt sich [am] Gegenstand […] ver­ deutlichen: dass nämlich Deutungen ebenso, bisweilen sogar stärker, soziale Verhältnisse prägen als sogenannte objektive Fakten […]. Es können dann Deutungskämpfe jenseits bzw. unter Verzerrung oder auch Verdrängung des zugrunde liegenden Wortlautes stattfinden und die Situation bestimmen. Das bezeichnen wir dann als ›die gesell­ schaftliche Konstruktion der Wirklichkeit‹, näherhin des Anderen bzw.

16 Des weiteren erwähnt Heydar Shadi eine Monographie des ehemaligen iranischen Kulturministers Ataollah Mohajerani zur Regensburger Rede (siehe Shadi 2008: 26–27), die aber nicht gesichtet werden konnte. 17 Siehe hierzu das gleichnamige Werk von Peter Berger und Thomas Luckmann, das als Fundament des sozialwissenschaftlichen Konstruktivismus gilt (Berger/Luck­ mann 1969).

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IV. Terminologie

des Fremden. Identitäts- und Abgrenzungsdefinitionen sind dabei privilegierte Instrumente«. (Luthe 2008: 80)

Dieser Ansatz ist mit dem in Kapitel F II auf die Regensburg-Kon­ troverse angewendeten Konzept der vorliegenden Arbeit insofern verwandt, als auch Foucaults Diskursmodell als eine Spielart des Konstruktivismus gelesen werden kann. In summa ist ein Nebeneffekt dieser Arbeit, dass mit der näheren Betrachtung der Regensburg-Kontroverse die dürftige Forschungs­ lage zur Thematik ergänzt wird.

IV. Terminologie IV.1 »Islam«, »Westen«, »Kampf der Kulturen«: Reflexion von innen In dieser Arbeit ist von »dem Westen« und »dem Islam« die Rede. Mit dieser Terminologie sollen nicht die Annahme und Gegenüber­ stellung monolithischer Blöcke namens Islam und Westen gestützt werden. Vielmehr muss der Tatsache Rechnung getragen werden, dass diese Sprachstruktur tief in unserem Denken verwurzelt ist und somit bei der Kommunikation über bestimmte Sachverhalte und vor allem über den Diskurs selbst nicht umgangen werden kann. Die konzeptionelle und methodische Unterscheidung von Westen und Islam ist unvermeidbar, da es keine andere Sprache gibt als diese diskursive Konzeption, um Huntingtons Modell – und, weiter gefasst, den Islam-Westen-Diskurs – zu beschreiben und kritisch zu reflektieren. Wenn sich die vorliegende Arbeit also der Konzepte »die islamische Welt« und »der Westen« bedient, dann erfolgt dies im Bewusstsein um die Tatsache, dass diese der komplexen Realität nicht gerecht werden und aufgrund ihrer problematischen Implikationen sogar fundamental zu hinterfragen sind. Der Begriff des Westens wird wie selbstverständlich und defini­ torisch unscharf in Literatur und Alltagssprache verwendet. Hunting­ ton bezeichnet mit »Westen« die Zivilisation des christlichen Abend­ landes, die sich über Europa (ohne osteuropäische Länder wie die Ukraine), Nordamerika, sowie Australien und Neuseeland erstrecke. (Huntington 1998: 60) Dieser Zivilisation attribuiert er kulturelle Charakteristika, allen voran Christentum, Pluralismus, Individualis­

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Teil A: Einführung

mus und Rechtsstaatlichkeit. (ebd.: 513; Huntington 1996b) Aus den oben genannten methodischen und konzeptionellen Gründen, d. h. aufgrund der Limitierung, dass sich der Diskurs nur »von innen« beschreiben lässt, übernimmt diese Arbeit den Terminus »Westen« für den geographischen Raum, der von Huntington mit Hilfe kultu­ reller Kriterien abgesteckt wird. Inhaltlich wird die Annahme eines so verstandenen Kollektivs »Westen« in Kapitel B III.1 hinterfragt und problematisiert. Angesichts der Tatsache, dass sich die islamische Religion in sehr verschiedenen religiösen Spielarten und kulturellen Ausprägungen niederschlägt, wird die Sinnhaftigkeit der Rede von einer »islami­ schen Zivilisation« in Kapitel B III.2 dieser Arbeit in Frage gestellt. Doch aus dem gleichen Grund wie schon bei der Übernahme des Begriffs »der Westen« spricht diese Arbeit dennoch von einer mus­ limischen bzw. islamischen Welt oder auch »dem Islam«. Unter diesen Termini werden erstens Länder mit überwiegend muslimischer Bevölkerung, zweitens die transnationale Gemeinschaft von Men­ schen muslimischen Glaubens, die auch Konvertierte einschließt, und drittens Menschen mit Herkunft aus muslimischen Ländern subsumiert. Nach diesen Definitionen sind die Begriffe »westliche Welt« und »islamische Welt« keine sich gegenseitig ausschließenden Kategorien. Im Fall von »Schnittmengen« wird in der vorliegenden Studie der Identität »Islam« bei der Zuordnung zu den diskursiven Kollektiven Priorität eingeräumt. Der Ausdruck »Kampf der Kulturen« gibt sprachlich nicht den Huntington’schen Original-Terminus »Clash of Civilizations« – »Zusammenprall der Zivilisationen« – wieder.18 Statt von Kultur müsste präziser von Zivilisation bzw. Kulturkreis gesprochen werden. Die Verwendung des Wortes »Kampf« wird Huntingtons Schlagrich­ tung im Großen gerecht, wie in der Zusammenfassung seiner Thesen (Kapitel B I) deutlich wird. Da die Ausdrücke »Clash of Civilizations« und »Kampf der Kulturen« sowohl in der deutschen Übersetzung und Betitelung des Buches als auch in der Rezeption und Debatte um Huntingtons Thesen mit derselben Bedeutung gebraucht werden, verwendet sie auch die vorliegende Arbeit synonym.

Zur Problematik der Übersetzung von »civilization« und »culture« siehe Metzinger 2000: 14–15.

18

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IV. Terminologie

IV.2 »Paradigma« und »Theorie« Huntington spricht über seinen »Clash of Civilizations«-Ansatz als Paradigma und nimmt dabei auf Thomas S. Kuhn Bezug. (Huntington 1998: 29; 32) In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff »Paradigma« nicht in seinem engen wissenschaftstheoretischen Sinn, wie ihn Kuhn geprägt hat (Kuhn 1962), verwendet. Die Übertragbarkeit von Kuhns naturwissenschaftlichem Kontext auf die Geistes- und Sozialwissen­ schaften ist ohnehin umstritten. Wenn im Folgenden von Paradigma die Rede ist, so ist damit »grundsätzliche Denkweise«, »verbreitetes Schema«, »Denkmuster« oder »theoretisches Konzept« gemeint. Des Weiteren ist es fragwürdig, in Bezug auf Huntingtons »Clash of Civilizations«-Konzept von »Theorie« zu sprechen, auch wenn das Gros der Huntington-Rezeption diesen Begriff verwendet. Streng wissenschaftlich reicht dieser Ansatz nicht zur Theorie, sondern ist lediglich ein Modell. (Nitschke 2014b: 21)19 Daher werden in der vorliegenden Arbeit die Begriffe »Theorieansatz«, »Konzept« und »Modell« bevorzugt. Diese Unterscheidung ist aber für die Fragestel­ lung und Vorgehensweise der Arbeit irrelevant, und so distanziert sich diese Studie nicht explizit und konsequent vom Sprachgebrauch der Mehrheit der Sekundärliteratur, auf die sie sich in ihrer Argumen­ tation stützt. Ähnliches gilt für die Problematik, ob man von einer Foucault'schen Diskurstheorie oder nur von einem Diskursansatz oder Diskurskonzept sprechen kann. Die Begriffe sprachlich auf eine Ebene zu stellen hat den Vorteil, dass durch die größere Varietät einer Monotonie für die Lesenden entgegengewirkt wird.

IV.3 Gender-Sprachgebrauch Die Wahl der Gender-Terminologie stellt ein Dilemma dar: 1)

Die ausschließliche Verwendung der männlichen Form (»die Rezipienten«) reflektiert patriarchale Strukturen, die es zu über­ winden gilt. Zudem werden andere Leser*Innen, d. h. alle Men­ schen, die sich als weiblich oder transgender bzw. nicht gender­ konform verstehen, sprachlich ausgeschlossen.

19 Eine methodische Einschränkung nimmt Huntington in seinem »Clash of Civiliza­ tions«-Werk selbst vor: »Das Buch ist kein sozialwissenschaftliches Werk und soll es nicht sein« (Huntington 1998: 12).

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Teil A: Einführung

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3)

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Bei der ausschließlichen Verwendung der weiblichen Form (»die Verfasserinnen«) besteht die Gefahr, dass sich nicht-weibliche Adressat*Innen nicht angesprochen fühlen. Hinzu kommt, dass die weibliche Form als pars pro toto es dennoch nicht schafft, die patriarchalen Strukturen abzuschütteln: Die weibliche Form leitet sich grammatikalisch aus dem Männlichen ab (»die Schü­ ler« > die »Schülerinnen«) und ist somit inhärent sexistisch. Der biblische Mythos von der Erschaffung der Eva aus der Rippe des Adam ist sprachlich stark verankert. Die doppelte Nennung im Sinne von »Autorinnen und Autoren« steht Kürze und Prägnanz als Werten eines guten Schreibstils entgegen. Vor allem aber stärkt sie einen als problematisch erach­ teten Dualismus in unseren Denk- und Sprachsystemen; die Doppelnennung stützt die kategorielle dichotome Unterschei­ dung in Männer und Frauen. Dies ist vor allem im Kontext der vorliegenden Arbeit ein paradoxer Affront, wird doch gerade eine andere kategorielle dichotome Unterscheidung, nämlich die in »Islam« und »Westen«, als problematischer Diskurs behandelt. Zudem ist auch diese Form nicht inklusiv für all diejenigen, die sich nicht in der Dichotomie verorten. Die Nennung in einer Form des inklusiven Plurals (z. B. Kritiker*Innen, Muslim_Innen, Migrant:innen, Wissenschaft­ ler.innen, Christen/Innen) ist (noch) nicht vom Duden aner­ kannt und bisher ein uneinheitlich plurales Feld. Den Lesen­ den verlangen diese Varianten Anstrengung und Flexibilität ab. Gewichtiger ist, dass diese Formen neue Ausschlüsse erzeugen, da sie nicht barrierefrei sind. Dies betrifft z. B. die Wiedergabe durch Sprachcomputer, die sich an blinde Menschen richten.

Da alle dargelegten Varianten defizitär sind, kann die Entscheidung für egal welche Form des Genderns immer nur ein fauler Kompromiss sein, der nicht allen Ansprüchen und Werten gerecht werden kann. Die vorliegende Arbeit wählt die männliche Form als pars pro toto. Bei aller ihr anzukreidenden impliziten Ungerechtigkeit und Unsen­ sibilität gegenüber den Leser:innen ist sie zumindest die für das Lesen freundlichste Variante. Eine neutrale, sich auf die Spezies Mensch beziehende Bedeutung ist die Intention. Konsequenterweise spricht die Autorin dieser Studie dann im weiteren Verlauf als »Autor« über sich selbst, und lädt mit dieser symbolischen Geste alle Lesenden ein, sich gleichermaßen angesprochen zu fühlen.

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Teil B: Huntingtons »Clash of Civilizations«: Thesen und Kritik

Samuel Huntingtons (1927–2008) Konzept vom »Clash of Civilizati­ ons« ist der prominenteste politikwissenschaftliche Theorieansatz in der Ära nach dem Kalten Krieg. Huntington fragte 1993 im Titel seines in der Zeitschrift Foreign Affairs veröffentlichten Aufsatzes (Huntington 1993) nach einem »Clash of Civilizations« und affirmierte seine These 1996 im gleichna­ migen Buch (Huntington 1996a), welches die deutsche Übersetzung mit »Kampf der Kulturen« betitelt. Huntingtons Aufsatz »The West. Unique, Not Universal« (Huntington 1996b) erschien ebenfalls 1996. Darin und im 2004 folgenden Werk »Who are we?« elaborierte er näher seine Sicht auf Wesen und Genese der »westlichen Zivilisation« und gab Empfehlungen für deren weiteres Gedeihen. Wie oben im Forschungsbericht skizziert, ist die Auseinander­ setzung mit dem »Clash of Civilizations« umfangreich. Huntington erntete Kritik aus verschiedensten Disziplinen wie den Internatio­ nalen Beziehungen, der Politikwissenschaft, Konfliktforschung, Kul­ turwissenschaft, Anthropologie und Soziologie. Die Erwiderungen kreisen um die zwei fundamentalen Pfeiler seines Theorieansatzes: zum einen um das Zivilisationenkonzept im Allgemeinen, mit der Konzeption des Westens und des Islam im Speziellen. Zum anderen – und schwerpunktmäßig – um die Frage von Ursache und Frontlinien von Konflikten. An diesen beiden Aspekten setzt auch die Kritik der vorliegenden Arbeit an. Dabei geht es nicht um einen umfassenden oder chrono­ logischen Abriss der Debatte – ein Unterfangen, das den Rahmen sprengen würde. Die ausgewerteten Erwiderungen auf Huntington sind unumgänglich unvollständig, wohl aber repräsentativ und aussa­ gekräftig. Unter Berücksichtigung der Literatur werden Huntingtons Annahmen und Argumente hinterfragt und Einwände gegen sie vor­ gebracht. In Kapitel B III wird das Zivilisationenkonzept als Prämisse von Huntingtons Modell kritisch beleuchtet. Sowohl auf seine Konzeption

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Teil B: Huntingtons »Clash of Civilizations«: Thesen und Kritik

des Westens als auch des Islam wird dabei in Unterkapiteln eingegan­ gen. Daran schließt sich das Herzstück der Kritik an, nämlich eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Thesen zu Ursachen und Frontlinie von Konflikten. Die akademische Debatte um Huntingtons Konfliktthesen wird ausschnittartig skizziert und in ihrem größeren sozialwissenschaftlichen Kontext situiert. Primär aus der Perspektive der Friedens- und Konfliktforschung erfolgt eine Eruierung, inwiefern man mit Huntington von Religionskonflikten bzw. genuin religiöser Gewalt in der Gegenwart sprechen kann. In einem Unterkapitel wird besonderes Augenmerk auf das Phänomen des islamistischen Terrorismus gerichtet. In Kapitel B IV.3 geht es um die Rolle, welche Religion in – wie auch immer gearteten – Gewaltkonflikten spielt. Es werden Einwände erhoben gegen die These von der konfliktver­ stärkenden Rolle von Religion allgemein und der Gewaltaffinität des Islam im Speziellen. Zuletzt wird kritisch angefragt, ob Religion zu Recht als Dimension sui generis behandelt wird, und ob sogenannte religiöse Gewalt überhaupt eine sinnvolle Kategorie für sozialwissen­ schaftliche Konfliktanalysen ist. Zunächst wird im Folgenden Huntingtons Konzept dargelegt und anschließend knapp in seinen Wurzeln und Kontext verortet.

I. Huntingtons Thesen Zivilisation bzw. Religion als neues Paradigma der internationa­ len Politik »Kultur und die Identität von Kulturen, auf höchster Ebene also die Identität von Kulturkreisen, prägen heute, in der Welt nach dem Kal­ ten Krieg, die Muster von Kohärenz, Desintegration und Konflikt«, so lautet Huntingtons Kernaussage. (Huntington 1998: 19)20 Religiöse und ethnische Unterschiede lägen den politischen Differenzen und Streitigkeiten in der internationalen Politik zu Grunde. Schon in seinem Aufsatz aus dem Jahr 1993 hatte Huntington konstatiert, dass kulturell bedingte Auseinandersetzungen zwischen den Zivilisa­ tionen die Konflikte ideologischer, politischer oder wirtschaftlicher Natur auf der internationalen Bühne ablösten. (Huntington 1993: 29) 20 Huntingtons Monographie »Clash of Civilizations« von 1996 wird in dieser Arbeit primär nach der deutschen Ausgabe von 1998 (8. Auflage) zitiert.

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I. Huntingtons Thesen

Die Evolution von Konflikten in der modernen Welt habe zu dieser neuen Phase geführt. Seine Prognose bringt er so auf den Punkt: »The clash of civilizations will dominate global politics«. (ebd.: 22) Zivilisation bzw. Kulturkreis definiert Huntington als »the highest cultural grouping of people and the broadest level of cultural identity people have short of that which distinguishes humans from other species. It is defined both by common objective elements, such as language, history, religion, customs, institutions, and by the subjective self-identification of people«. (ebd.: 24)

Für Huntington gliedert sich die Welt in acht verschiedene Kultur­ kreise: der sinische Kulturkreis, der japanische, der hinduistische, der islamische, der westliche, der lateinamerikanische, der slawischorthodoxe und der afrikanische Kulturkreis. (Huntington 1998: 57– 62) Jedoch erachtet er die Frage nach einer eigenständigen Existenz eines lateinamerikanischen und eines afrikanischen Kulturkreises als noch nicht abschließend geklärt. (ebd.: 59–61) Abgesehen vom – sowieso in Frage gestellten – afrikanischen Kulturkreis definiert er die Zivilisationen maßgeblich religiös. Der sinische Kulturkreis sei durch den Konfuzianismus und sekundär auch durch die Inkulturation des Buddhismus geprägt. (ebd.: 57– 58; 62;) Die hinduistische Zivilisation verdankt laut Huntington nicht nur ihre Bezeichnung der Religion, sondern auch ihren Wesens­ kern. Insbesondere die islamische Zivilisation wird primär religiös bestimmt. Unter dem Westen versteht Huntington die Zivilisation des christlichen Abendlandes, zu der er Europa ohne Osteuropa, Nordamerika sowie Australien und Neuseeland zählt. (ebd.: 60) Der Westen unterscheide sich von anderen Kulturen nicht durch die Art seiner Entwicklung – also nicht durch eine bestimmte Geschichte –, sondern durch »die Eigenart seiner Werte und Institutionen. Zu diesen gehören vor allem Christentum, Pluralismus, Individualismus und Rechtsstaatlichkeit«. (ebd.: 513; siehe auch Huntington 1996b) Der Westen zeichne sich wesentlich durch das Christentum aus (Huntington 1998: 99), wobei er sich unter anderem durch seine pro­ testantisch-katholische Mischtradition (ebd.: 59) sowie die Trennung von Kirche und Staat (ebd.: 100) vom katholischen Lateinamerika einerseits und dem orthodoxen Christentum Osteuropas andererseits unterscheide (ebd.: 59). Eine Trennung von religiöser und politischer Sphäre sieht Huntington nur im Westen gegeben: »Im Islam ist Gott der Kaiser; in China und Japan ist der Kaiser Gott; in der Orthodoxie

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Teil B: Huntingtons »Clash of Civilizations«: Thesen und Kritik

ist Gott des Kaisers Juniorpartner. Die Trennung und die immer neuen Konflikte von Kirche und Staat, die für die westliche Kultur typisch sind, hat es in keiner anderen Kultur gegeben.« (ebd.: 100) Die Kulturkreise unterscheiden sich für Huntington grundlegend und tiefgreifend voneinander: »[D]ifferences among civilizations are not only real; they are basic. Civilizations are differentiated from each other by history, language, culture, tradition and, most important, religion. [...] These differences [...] are far more fundamental than differences among political ideolo­ gies and political regimes« (Huntington 1993: 25).

Religion ist in Huntingtons Weltsicht das entscheidendste identi­ tätsabgrenzende Merkmal zwischen Menschen: »Die Menschheits­ geschichte zeigt seit Jahrtausenden, dass Religion kein ›kleiner Unterschied‹ ist, sondern vielmehr der wahrscheinlich tiefgreifendste Unterschied, den es zwischen Menschen geben kann.« (Huntington 1998: 413) Diese Tatsache sei in der Ära nach dem Kalten Krieg wieder besonders relevant und sichtbar: »In der modernen Welt ist Religion eine zentrale, vielleicht sogar die zentrale Kraft, welche Menschen motiviert und mobilisiert«. (ebd.: 93) Das Scheitern der großen poli­ tischen Ideologien Kommunismus und Sozialismus einerseits sowie der nationalistischen postkolonialen Staatsmodelle andererseits habe ein Vakuum bewirkt, das von Religion gefüllt werde. (ebd.: 151152) Insbesondere durch den Wegfall der ideologischen Lagerbildung mit dem Ende der Sowjetunion würden sich die Menschen wieder natürlicherweise über Ethnie und Religion definieren und gruppieren. (ebd.: 21; 29) Zudem habe die soziale und politische Modernisierung lokale und nationale Identitäten geschwächt, und Religion trete als neue Basis von Identität an deren Stelle. (Huntington 1993: 26–27) In Bezug auf diese Entsäkularisierungstendenzen spricht Huntington – in Anlehnung an Gilles Kepel (Kepel 1991) – von dem Phänomen der »Revanche de Dieu«. (Huntington 1998: 143–154) Und weiter: »[D]ie Renaissance nichtwestlicher Religionen [ist] die machtvollste Manifestation der Ablehnung der westlichen Gesellschaften durch die Nicht-Westler.« (ebd.: 154) Diese Prozesse verleihen laut Huntington nicht nur den bestehenden religiösen und ethnischen Unterschieden größeres Gewicht, sondern führen auch zu Feindkonstellationen. Denn: »Für Menschen, die ihre Identität suchen und ihre Ethnizität neu erfinden, sind Feinde unabdingbar, und die potentiell gefährlichs­ ten Feinde begegnen uns an den Bruchlinien zwischen den großen

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I. Huntingtons Thesen

Kulturen der Welt«. (ebd.: 18) Mit der Wiederkehr der Religion gehe eine Zunahme von Gewalt einher: »Die repressive, aber friedliche Ordnung von Staaten, die der Lehre von der Nichtexistenz Gottes verpflichtet waren, wurde durch die Gewaltbereitschaft von Men­ schen ersetzt, die unterschiedlichen Gottheiten verpflichtet waren.« (ebd.: 428) Für Huntington sind religiöse Unterschiede besonders konfliktträchtig, weil religiöse Identitäten fixiert und nicht kompro­ missfähig seien: »In class and ideological conflicts, the key question was ›Which side are you on?‹ and people could […] change sides. In conflicts between civilizations, the question is ›What are you?‹ That is a given that cannot be changed. And […] the wrong answer to that question can mean a bullet in the head. Even more than ethnicity, religion discriminates sharply and exclusively among people. A person can be […] a citizen of two countries. It is more difficult to be half-Catholic and half-Muslim.« (Huntington 1993: 27)

Laizistische Verblendung attestiert Huntington allen, die den Faktor Religion weniger hoch hängen als er. (Huntington 1998.: 413–414) Religion betrachtet er als Hauptwurzel für die Gewalt in der Mensch­ heitsgeschichte. (Huntington 1997: 99) Mit Blick auf die Gegenwart spricht er von mörderischen Konflikten, die trotz ethnischer und sprachlicher Gemeinsamkeiten durch religiöse Unterschiede herbei­ geführt werden: »Menschen, die Ethnizität und Sprache miteinander teilen, sind fähig – so im Libanon, im früheren Jugoslawien und auf dem indischen Subkontinent –, einander abzuschlachten, weil sie an verschiedene Götter glauben.« (Huntington 1998: 52; eigene Hervor­ hebung) Huntington führt in seinem Konzept zwei grundlegende Ebenen von Zivilisationenkonflikten an: Auf der Mikro-Ebene identifiziert er »Bruchlinienkonflikte« zwischen benachbarten Staaten unterschied­ licher Zivilisationszugehörigkeit oder zwischen Gruppen innerhalb eines Staates, die unterschiedlichen Kulturkreisen angehören. (Hun­ tington 1998: 332) Die Animositäten zwischen Indien und Pakistan und die ethnischen Spannungen zwischen Muslimen und Hindus innerhalb Indiens sind in dieser Logik Beispiele für hinduistisch-isla­ mische Bruchlinienkonflikte. (ebd.: 417; Huntington 1993: 33–34)21 Auf der Makro-Ebene spricht Huntington von »Kernstaatenkonflik­ 21 Vgl. auch Huntington 1998: 436: »Im Verlaufe des Bruchlinienkrieges verblassen Mehrfachidentitäten, und es setzt sich diejenige Identität als dominierend durch,

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Teil B: Huntingtons »Clash of Civilizations«: Thesen und Kritik

ten«, d. h. Rivalitäten und Auseinandersetzungen zwischen denjeni­ gen Staaten, die in ihrer jeweiligen Zivilisation die Führungsrolle innehaben. (Huntington 1998: 332) Huntington nennt hier Frontstel­ lungen zwischen China oder Japan und den USA. (Huntington 1993: 34) Seine Prognose lautete: »In dieser neuen Welt werden die Beziehungen zwischen Staaten aus unterschiedlichen Kulturen normalerweise distanziert und kühl, oft sogar ausgesprochen feindselig sein. Es mag zwar gelegentlich ad-hoc-Koalitionen über Kulturgrenzen hinweg geben, doch werden sich interkulturelle Beziehungen eher mit Begriffen wie ›konkurrieren­ des Nebeneinander‹, ›kalter Krieg‹ oder ›kalter Friede‹ beschreiben lassen.« (Huntington 1997b: 20)

Die Gefahren von Universalismus einerseits und zivilisatorischer Schwäche andererseits Auf den letzten Seiten seines »Kampf der Kulturen«-Buches macht Huntington den Vorstoß, seine Kernthesen gewissermaßen versöhn­ lich auszubalancieren. Wenn die Kulturkreise Verschiedenheiten akzeptieren und gleichzeitig ihr Augenmerk auf das richten, was sie mit den anderen Kulturen gemeinsam haben, könne der Zusammen­ prall der Zivilisationen begrenzt werden. (Huntington 1998: 526) In den großen Weltreligionen seien diese Gemeinsamkeiten zu suchen, die einen universalzivilisatorischen Überbau für die Menschheit schaffen könnten. (ebd.: 528) Entscheidend ist, dass für Huntington die Existenz der verschiedenen Zivilisationen ein unverrückbares Axiom ist, das aus sicherheitspolitischen Gründen akzeptiert werden müsse. Eine globale zivilisatorische Herrschaft der USA bzw. des Westens sei nicht realisierbar; stattdessen müsse friedliche Koexis­ tenz das politische Ziel sein. »Konflikte von Zivilisationen sind die größte Gefahr für den Weltfrieden, und eine auf Zivilisationen basie­ rende internationale Ordnung ist der sicherste Schutz vor einem Weltkrieg.« (ebd.: 12) Weltfrieden sei nur dann möglich, wenn die verschiedenen Zivilisationen ihre jeweiligen Einflusssphären und Hoheitsgebiete respektieren und nicht interferieren. Insbesondere sei eine »Intervention des Westens in Angelegenheiten anderer Kul­ turkreise wahrscheinlich die gefährlichste Quelle […für] globalen die in Bezug auf den Konflikt die wesentlichste ist. Diese Identität ist fast immer religiös definiert.«

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Konflikt«. (ebd.: 514) Der Universalitätsanspruch der westlichen Zivilisation, der sich anderen Kulturen als Imperialismus präsentiere, trage maßgeblich zum Kampf der Kulturen bei. (ebd.: 291–296; 338– 339; 511) Huntington attestiert dem Westen eine einzigartige und wertvolle Kultur, (Huntington 1996b) warnt aber vor einem Kulturex­ port, denn seine Werte und Errungenschaften seien nur bedingt mit anderen Zivilisationen kompatibel. (Huntington 1998: 510–513) In Huntingtons Augen gibt es keine zivilisationsübergreifende Lingua Franca; Demokratie und Menschenrechte haben Bedeutung für den Westen, nicht aber für den Rest. (ebd.: 291–296; 510–513) Fehlt einer Zivilisation ein klares Bewusstsein ihrer Identität sowie ein Kernstaat, der sie zusammenhält und führt, so erachtet Huntington das als bedrohlich für die Weltordnung. Politisch Füh­ rende, die ihre Länder an eine andere Zivilisation anschließen wollen, seien mit größter Wahrscheinlichkeit zum Scheitern verurteilt, denn ein Land könne seine tiefverwurzelte kulturelle Identität nicht ändern. Das Ergebnis solcher Bestrebungen seien zerrissene Länder (»torn countries«; Huntington 1996a: 139–154) Die Gefahr von zerrissenen Ländern sieht Huntington vor allem in Bezug auf Verwestlichungs­ versuche von Seiten der herrschenden Eliten in Entwicklungsländern: »Sie infizieren ihr Land mit einer kulturellen Schizophrenie, die zu seinem bleibenden und definierenden Merkmal wird.« (Hunting­ ton 1998: 245) In der Weltpolitik der 1990er Jahre identifiziert er Russland, Mexiko und die Türkei als zerrissene Länder. (ebd.: 218–245) Das Problem der Diskrepanz zwischen kultureller Identität und politischer Orientierung zeige sich insbesondere am islamischen Kulturkreis: »Islamisches Bewusstsein ohne islamischen Zusammen­ halt ist eine Quelle der Schwäche für den Islam und eine Quelle der Bedrohung für andere Kulturen.« (ebd.: 285) Daher postuliert Huntington, dass sich die Identifikation mit der »ummah«, dem Kollektiv der Muslime22, in einer politischen Gemeinschaft nieder­ schlagen müsse. (ebd.: 279–288) Die Türkei prognostiziert er als den wahrscheinlichsten Kernstaat für die islamische Zivilisation. Dafür dürfe sie aber nicht mehr zerrissen sein, sondern müsse ihre Verwestlichungsbestrebungen aufgeben. Ein EU-Beitritt sei der fal­ sche Weg: »An einem bestimmten Punkt könnte die Türkei es leid sein, die frustrierende und demütigende Rolle des Bittstellers zu spielen, der um Aufnahme in den Westen bettelt, und sich auf ihre 22

Zum Gender-Sprachgebrauch der vorliegenden Arbeit siehe Kapitel A IV.3.

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viel eindrucksvollere und herausragende historische Rolle als wich­ tigster islamischer Gesprächspartner und Antagonist des Westens besinnen«. (ebd.: 287) Vor allem müsse das Land den Laizismus – den Huntington als das »Schlechteste des Westens« und als der Türkei »wesensfremd« bezeichnet – verwerfen und voll zu seiner islamischen Identität zurückfinden. (ebd.: 286–288) Grundsätzlich erachtet Huntington westliche Einflüsse in anderen Kulturen als nicht mehr ausrottbaren »Virus«: »Der Virus setzt sich fest, ist aber nicht tödlich; der Patient überlebt, ohne doch jemals heil und ganz zu werden.« (ebd.: 245) Der Westen selbst droht laut Huntington mit dem demogra­ phischen und wirtschaftlichen Aufschwung anderer Zivilisationen (ebd.: 155–189) und eigener Schwäche und Dekadenz zu verblassen (ebd.: 117–154; 495–502): »Viel bedeutsamer als wirtschaftliche und demographische Fragen sind Probleme des moralischen Verfalls, des kulturellen Selbstmords und der politischen Uneinigkeit des Wes­ tens«. (ebd.: 500) Die Bedrohung des Westens durch Einwanderung erörtert Huntington so: »Die westliche Kultur wird von Gruppen innerhalb der westlichen Gesellschaft in Frage gestellt. Eine dieser Herausforderungen kommt von Einwanderern aus anderen Kulturkreisen, die eine Assimilation ablehnen und nicht aufhören, Werte, Gebräuche und Kultur ihrer Herkunftsgesellschaften zu praktizieren und zu propagieren. Am auf­ fallendsten ist diese Erscheinung bei Muslimen in Europa, die jedoch nur eine kleine Minderheit sind. Sie ist auch, wenngleich in geringerem Maße, bei Hispanics in den USA anzutreffen, die eine große Minder­ heit sind. Falls in diesem Falle die Assimilation scheitert, werden die USA ein gespaltenes Land werden, bedroht von inneren Streitigkeiten und Zwistigkeiten, die das nach sich zieht. In Europa könnte die westliche Kultur auch durch die Schwächung ihres zentralen Elements, des Christentums, unterminiert werden.« (ebd.: 501)

Huntington sieht »cleft countries« – gespaltene Länder, d. h. Staaten, in denen große Bevölkerungsgruppen unterschiedlichen Zivilisatio­ nen angehören (ebd.: 214–215), als sehr problematisch an. Eine Nation, die nicht eindeutig einer Zivilisation angehöre, verliere auf Dauer den notwendigen gesellschaftlichen Zusammenhalt. Basierend auf der erwarteten Bevölkerungsentwicklung in den USA für das Jahr 2020 meinte Huntington, die USA laufe Gefahr, zum gespaltenen Land zu werden. Denn die demographische Forschung prognosti­ zierte, dass in etlichen amerikanischen Bundesstaaten die ethnischen

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Minderheiten (Afroamerikaner, amerikanische Ureinwohner, Latein­ amerikaner und Asiaten) mehr als 50 Prozent der Bevölkerung stellen. (ebd.: 328–329) Indirekt scheint Huntington damit auszusa­ gen, dass nur Menschen mit einem europäisch-weißen ethnischen Ursprung – und eben nicht Afroamerikaner oder Amerikaner hispa­ nischen Ursprungs – zur westlichen Zivilisation gehören (können). Ein stabiles Gemeinwesen müsse sich durch mehr als ein politisches Credo definieren. Ein kultureller Kern sei nötig. (ebd.: 504) Hun­ tington wendet sich scharf gegen die »Multikulturalisten« in den USA, die die Einzigartigkeit des Westens in Frage stellen und die amerikanische Identität nicht zwangsläufig als europäisch-westlich festschreiben wollen. Diese Denkweise einiger Intellektueller sei eine Bedrohung für Amerika. (ebd.: 505) Um dem Niedergang des Westens entgegenzuwirken, müsse der Westen Geschlossenheit zei­ gen (ebd.: 531; Huntington 1996b: 42–43) und dem »kulturellen Selbstmord« (Huntington 1998: 500), den Huntington wie dargelegt vor allem in innergesellschaftlichem Multikulturalismus (ebd.: 501; 524–525), im Bedeutungsverlust des Christentums in Europa (ebd.: 501), und in der Selbstrelativierung des Westens festmacht, Einhalt gebieten (ebd.: 500–507).

Der Clash zwischen Westen und Islam 1993 sah Huntington »The West Versus the Rest« als Makrostruktur der Welt an, ein Schlagwort, das Huntington von Kishore Mahbu­ bani (Mahbubani 1992) aufgriff. (Huntington 1993: 39–41; Hunting­ ton 1998: 291) 2001 sprach er dann vom »Age of Muslim Wars«. (Huntington 17.12.2001) Der kontinuierliche besondere Fokus Hun­ tingtons ist ein Antagonismus zwischen dem westlichen und dem islamischen Kulturkreis. Seit 1400 Jahren gebe es kriegerische Aus­ einandersetzungen zwischen diesen beiden Zivilisationen. (Hunting­ ton 1998: 335) Der Konflikt zwischen liberaler Demokratie und Marxismus im 20. Jahrhundert sei ein flüchtiges und vordergründi­ ges Phänomen gewesen verglichen mit dem »kontinuierlichen und konfliktreichen historischen Verhältnis zwischen Islam und Christen­ tum«. (ebd.) Zwischen dem Westen und dem Islam herrschten schon immer Rivalität und ein Streben nach Macht übereinander. (ebd.: 339) Aus verschiedenen Gründen sei dieser interzivilisatorische Konflikt im ausgehenden 20. Jahrhundert besonders intensiv. Huntington führt unter anderem an, dass mit dem Ende des Kommunismus ein

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gemeinsamer Feind für die beiden Zivilisationen verschwunden sei. Fokus der Bedrohung sei nun wieder jeweils der Westen bzw. der Islam. (ebd.) Auch der wachsende Kontakt und die Vermischung von Muslimen und Westlern in Form des Multikulturalismus seien kontraproduktiv für eine friedliche Koexistenz der Zivilisationen. Denn der Kontakt stimuliere ein neues Gefühl der eigenen Identität und den Wunsch nach Abgrenzung. So sei die Toleranz gegenüber Minderheiten sowohl in christlichen als auch in muslimischen Gesell­ schaften in den 1980er und 1990er Jahren drastisch zurückgegan­ gen. (ebd.) Die tieferen Gründe für den drohenden Zusammenprall zwi­ schen Islam und Westen (ebd.: 291) sind laut Huntington jedoch nicht politisch-partikulare Probleme und Umstände, sondern lägen in einer zeitlosen intrinsischen Logik, wie die Geschichte der letzten 1400 Jahre lehre. (ebd.: 335) Der Kern der Spannungen sei in der Natur der sich in den beiden Kulturen gegenüberstehenden Religionen Islam und Christentum zu lokalisieren: (ebd.: 334–350) »Die Ursachen für dieses Konfliktmuster liegen nicht in Übergangserscheinungen wie dem christlichen Eifer des 12. Jahrhunderts oder dem muslimischen Fundamentalismus des 20. Jahrhunderts. Sie entspringen vielmehr der Natur dieser beiden Religionen und der auf ihnen basierenden Kulturen.« (ebd.: 337)23 »Islam has bloody borders«, so schrieb Huntington zunächst in seinem Aufsatz (Huntington 1993: 35) und verteidigte und bekräftigte diese These in seinem Buch (Huntingtons 1998: 415–422): »Keine Aussage in meinem Essay für Foreign Affairs ist so häufig kritisiert worden wie […dieser] Satz […] Quantitative Belege aus jeder neutra­ len Quelle belegen [jedoch] schlüssig die Gültigkeit meiner Aussage.« (ebd.: 421–422) Und: »Wohin man im Umkreis des Islam blickt: Muslime haben Probleme, mit ihren Nachbarn friedlich zusammen­ zuleben«. (ebd.: 418) Zudem zeichne sich die islamische Welt durch blutige Eingeweide aus.24 Huntington sieht eine »muslimische Nei­ gung zum gewaltträchtigen Konflikt. […] Muslimische Kriegslust Vgl. auch Huntington 1998: 334–335: »Manche Westler, unter ihnen auch Präsi­ dent Bill Clinton, haben den Standpunkt vertreten, dass der Westen Probleme nicht mit dem Islam, sondern mit gewalttätigen islamistischen Fundamentalisten habe. Die Geschichte der letzten 1400 Jahre lehrt etwas anderes«. 24 Die deutsche Übersetzung spricht von »das Innere«, (Huntington 1998: 420), im englischen Original wird hingegen der Begriff »innards« – Eingeweide – verwendet. (Huntington 1996a: 258) 23

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und Gewaltbereitschaft sind Ende des 20. Jahrhunderts eine Tatsache, die weder Muslime noch Nichtmuslime leugnen können.« (ebd.: 421– 422) Er diskutiert auch die Gründe hierfür, und spekuliert, ob es ein überzeitliches Wesen des Islam gibt, das als Erklärung herangezogen werden kann. (ebd.: 432–433) »[D]ie Vorstellung der Gewaltfreiheit ist muslimischer Lehre und Praxis fremd«, behauptet Huntington. (ebd.: 430) Und weiter: »Militarismus [und] ›Unverträglichkeit‹ […] sind dauerhafte Züge des Islam«. (ebd.: 432) Die islamische Kultur sei auch die Haupterklärung, warum Demokratie in weiten Teilen der islamischen Welt nicht Fuß fassen könne. (ebd.: 28)25 Huntington vertritt die These, dass sowohl die islamische Welt als auch der Westen die jeweils andere Zivilisation als Bedrohung empfinden und die gegenwärtige Interaktion zwischen diesen beiden Kulturkreisen als »clash« wahrnehmen. (Huntington 1993: 32; Hun­ tington 1998: 340–350; 548) »Das tiefere Problem für den Westen ist nicht der islamische Funda­ mentalismus. Das tiefere Problem ist der Islam, eine andere Kultur, deren Menschen von der Überlegenheit ihrer Kultur überzeugt und von der Unterlegenheit ihrer Macht besessen sind. Das Problem für den Islam sind nicht die CIA oder das US-amerikanische Verteidigungsmi­ nisterium. Das Problem ist der Westen, ein anderer Kulturkreis, dessen Menschen von der Universalität ihrer Kultur überzeugt sind«. (ebd.: 349–350)

Zum einen würden die Unterschiede zwischen Christentum und Islam den Antagonismus verschärfen, allen voran das diametral anders gedachte Verhältnis von Politik und Religion. (ebd.: 337) Das Konfliktmuster werde jedoch auch durch die Gemeinsamkeiten von Islam und Christentum bestärkt. Der Monotheismus der beiden Religionen beispielsweise bewirke ein dualistisches Denken in »wir« Huntington äußert sich in vielerlei Hinsicht widersprüchlich, so auch in Bezug auf die Demokratiefähigkeit seiner verschiedenen Zivilisationen. Oft betont er, dass die Demokratie eine Errungenschaft und ein Wert der westlichen Zivilisation ist. Für andere Zivilisationen sei sie zwangsläufig ein Fremdkörper. Doch an manchen Stellen stimmt er doch der klassischen Modernisierungstheorie zu, wonach sich Demokratie mit ökonomischer Entwicklung und der darauf folgenden sozialen und politischen Modernisierung durchsetzt. So ist beispielsweise zu lesen: »Many Arab countries […] are reaching levels of economic and social development where autocratic forms of government become inappropriate and efforts to introduce democracy become stronger.« (Huntington 1993: 32) Hier scheint also in Huntingtons eigenem Denken durch, dass Demokratie und die islamische Zivilisation nicht inkompatibel sind. 25

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und »sie«. Der für beide Religionen charakteristische Missionsauftrag führe zu Eroberungsstreben und gegenseitiger Konkurrenz. (ebd.: 337) Die »Intensität des religiösen Engagements« sei ein wesentlicher Faktor, der die Heftigkeit der Auseinandersetzung zwischen den beiden Kulturen beeinflusse. (ebd.: 337–338) Da in der islamischen Zivilisation die Religion laut Huntington in ganz besonderem Maße die Grundlage von Identität ist (ebd.: 279–283), sei folglich nicht mit einer natürlicherweise friedlichen Koexistenz zu rechnen. Huntington reflektiert zudem, dass für den islamischen Kulturkreis mittlerweile der säkulare Westen der größere Feind sei als das Christentum: »In muslimischen Augen sind Laizismus, Irreligiosität und daher Unmo­ ral des Westens schlimmere Übel als das westliche Christentum, das sie hervorgebracht hat«. (ebd.: 342) Der Gegensatz zwischen dem Westen und dem Islam ist laut Huntington auch in Zukunft unüberbrückbar (ebd.: 339) und könnte sich sogar verschärfen (Huntington 1993: 31–32). Seine negative Erwartungshaltung begründet er gewissermaßen mit einer höheren Ordnung der Dinge: »Die Ursachen für den erneuten Konflikt zwischen dem Islam und dem Westen sind also in grundlegenden Fragen der Macht und Kultur zu suchen. Kto? Kovo? Wer [beherrscht] wen? Diese zentrale Frage jeder Politik, wie sie Lenin definiert hat, ist die Wurzel des Ringens zwischen dem Islam und dem Westen. Es gibt jedoch einen zusätzlichen Konflikt, den Lenin für bedeutungslos gehalten hätte: den Konflikt zwischen zwei verschiedenen Auffassungen dessen, was richtig und was falsch ist, und infolgedessen, wer recht hat und wer nicht recht hat. Solange der Islam der Islam bleibt (und er wird es bleiben) und der Westen der Westen bleibt (was fraglicher ist), wird dieser fundamentale Konflikt zwischen zwei großen Kulturkreisen und Lebensformen ihre Bezie­ hungen zueinander weiterhin und auch in Zukunft definieren, so wie er sie 1400 Jahre lang definiert hat.« (Huntington 1998: 339)

Seine Empfehlung an den Westen ist, »fest und entschieden [zu] han­ deln, um seine Sicherheit, seine Kultur und seine Lebensweise gegen die vom islamischen Militarismus und von der islamischen Migration

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ausgehenden Gefahren zu verteidigen.« (Huntington 1997b: 24) Für Huntington ist »der Islam« inkompatibel mit den westlichen Werten.

Huntingtons weitere Beiträge Huntington blieb im Wesentlichen bei seinen »Clash of Civilizati­ ons«-Thesen. In seinem Aufsatz »If not Civilizations, What?« (Hun­ tington 1993b) antwortete er auf die Kritiker, die sich in Foreign Affairs zu Wort gemeldet hatten. Vor allem die Bedeutung von Religion für Identität und in Folge für die Politik bekräftigte er: »What ultimately counts for people is not political ideology or econo­ mic interest. Faith and family, blood and belief, are what people identify with and what they will fight and die for. And that is why the clash of civilizations is replacing the Cold War as the central phenomenon of global politics, and why a civilizational paradigm provides, better than any alternative, a useful starting point for understanding and coping with the changes going on in the world.« (ebd.: 193)

Huntington relativierte aber einige der Spitzen seiner Weltsicht. Er wandte sich gegen eine allzu kämpferische Interpretation seines Standpunktes. So äußerte er sich beispielsweise in einem Interview in der New York Times, dass der Islam nicht gewalttätiger als andere Religionen sei, und dass auch der christliche Westen eine Gewaltge­ schichte habe. (Huntington 20.10.2001) Auch vertrat er nicht mehr die Ansicht, dass der Westen im Niedergang sei. (Huntington 2006b) Gegen den Vorwurf, dass das Denken in Zivilisationskategorien nichtssagend sei, da diese Kategorien so vage seien und so viel Hete­ rogenität umfassten, dass sie keine Erklärungskraft haben, wehrte er sich in einem Interview im Jahr 2006. Darin gestand er die große Heterogenität sowohl des »Westens« als auch des »Islam« ein, betonte aber dennoch, dass diese Einheiten jeweils etwas Entscheidendes gemeinsam haben, das sie voneinander abgrenze: »Of course the core of that reality is differences in religion.« (Huntington 2006a) In dem oben erwähnten Interview in der New York Times drückte er den Antagonismus seiner Thesen so aus: »You have a billion people, with all these subcultures, the tribes. Islam is less unified than any other civilization. […] Islam may pose problems because it is less cohesive. If there was a dominant power in the Islamic world, you could deal with them.« (Huntington 20.10.2001)

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Huntington gesteht also ein, dass es den Islam als Block nicht gibt, er beharrt aber dennoch darauf, dass der Islam ein Problem für den Westen ist. Paradoxerweise begründet er das nun gerade damit, dass der Islam kein einheitlich dominiertes Gebilde sei. Das Konzept vom »West versus the rest« wollte er im Jahr 2006 nicht mehr propagieren: »I think it’s very simplistic to think about it in those terms. There are divisions among Western countries and certainly the non-Western countries are totally divided«. (Huntington 2006b) Gleichzeitig diagnostiziert er dennoch für die Gegenwart den in seinen Augen jahrhundertealten »clash« zwischen europäischer Zivilisation und Islam, auch wenn sich dieser gegenwärtig nicht in einem großen zwischenstaatlichen Clash zeige. (ebd.) Huntington interpretierte den 11. September 200126 im Licht seiner Theorie, die er bekräftigt sah. Die Terroranschläge würden fälschlicherweise als neuartig gewertet. In Wirklichkeit seien sie nur eine Fortführung und Eskalation von Mustern islamischer Gewalt, die bereits vor 9/11 existierten. Der 11. September und die Reaktionen hierauf bestätigten, dass sich ein globaler »Clash of Civilizations« entwickle. (Huntington 2003: 12–13) Die zivilisatorische Frontstel­ lung habe sich in den Reaktionen gezeigt: Der Westen habe sich in Solidarität hinter den USA vereint und seine zivilisatorische Identität wiedergefunden bzw. bestärkt. (Huntington 2002) Für »die islami­ sche Welt« prognostizierte er, dass sie zunehmend Einigkeit zeigen würde angesichts ihrer Ablehnung der Maßnahmen, mit denen die USA auf 9/11 antworteten. (Huntington 17.12.2001) Zum »Age of Muslim Wars« erklärte er in einem gleichnamigen Essay im Magazin »Newsweek« die gegenwärtige Ära. (Huntington 17.12.2001) Er bekräftigte darin seine Kernthese in Bezug auf die neuen Konfliktlinien der internationalen Politik: »Muslim wars have replaced the cold war as the principal form of international conflict. These wars include wars of terrorism, guerrilla wars, civil wars and interstate conflicts.« (ebd.) Diese Phänomene muslimischer Gewalt stellten zwar noch nicht einen einzigen, großen »clash« zwischen der islamischen Welt und dem Westen dar, könnten aber noch einen solchen hervorbringen. (ebd.) In diesem Aufsatz scheint Huntington die kritischen Erwiderungen und Gegenargumente gegen seine The­ Mit dem 11. September 2001 – im Folgenden auch mit dem in den USA dominie­ renden Ausdruck »9/11«, d. h. »nine eleven« bezeichnet – sind die Terroranschläge auf das World Trade Center in New York City und das Pentagon in Washington D.C. vom 11. September 2001 gemeint.

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sen berücksichtigt zu haben. Viel differenzierter als in seinem »Clash of Civilizations«-Werk äußert er sich hier zu den Gründen für die muslimische Gewalt: Deren Wurzeln lägen zwar in allgemeineren Gründen als dem Israel-Palästina-Konflikt, doch seien diese dennoch politisch und nicht einfach auf das Wesen der islamischen Religion zurückzuführen. Er reflektiert, dass die »resurgence of islamic con­ sciousness« eine Antwort auf Globalisierung und Modernisierung darstelle. Die islamistischen Organisationen erfüllten eine gewisser­ maßen zivilgesellschaftliche Funktion für die lokalen Bevölkerungen und stellten zudem eine Opposition zu repressiven Regimen dar. Er erwähnt auch, dass muslimische Ressentiments gegenüber dem Westen unter anderem im westlichen Imperialismus und der ameri­ kanischen Politik begründet lägen. Eine Änderung der Politik der USA sowie eine Verbesserung der Lebensbedingungen in muslimischen Staaten könnten die muslimische Feindschaft gegenüber dem Westen reduzieren. Huntington führt auch an, dass es unter Muslimen einen sehr großen Anteil junger Männer gebe – und diese Bevölkerungs­ gruppe neige in allen Gesellschaften überproportional zu Gewalt. (ebd.) All diese Argumente bekräftigte er nochmals im Jahr 2003 mit seinem Essay »America in the World« (Huntington 2003). Darin distanziert er sich von einer kulturalistischen Sichtweise: »The causes of this Muslim violence are not inherent in the nature of Islam as a religion. […T]hroughout the Muslim world, and particularly among Arabs, there exists a great sense of grievance, resentment, envy, and hostility towards the West and particularly the United States. This is in part a result of Western imperialism and domination of the Muslim world for much of the twentieth century. It is also in part the result of particular Western policies, including the continuing close relation between the United States and Israel.« (ebd.: 14)

Gleichzeitig beharrte Huntington auf der großen Bedeutung von Kultur für die politische Situation eines Staates bzw. der internatio­ nalen Politik in der gegenwärtigen Ära: »In this new world, local politics is the politics of ethnicity; global politics is the politics of civilizations«. (ebd.: 11) Und weiter: »religion is increasingly impor­ tant in shaping the identities and alignments of states«. (ebd.) Diese These war ihm so wichtig, dass er sie mehrmals mit je anderen Worten wiederholte: »Culture and religion are indeed shaping the alignments and antagonisms of countries throughout the world.« (ebd.: 12) Im Vorwort zu dem von ihm herausgegebenen Sammelband »Culture Matters. How values shape human progress« äußerte er sich

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dahingehend, dass bestimmte Kulturen die sozioökonomische Ent­ wicklung ihrer Staaten verhinderten. (Huntington 2000) Das Thema der Bedrohung der westlichen Zivilisation durch innergesellschaftli­ che kulturelle Vielfalt vertiefte Huntington im weiteren Verlauf seines akademischen Schaffens. Ach Jahre nach der Veröffentlichung des »Clash of Civilizations«, erschien 2004 sein Buch »Who are we? The Cultural Core of American National Identity«. Darin setzt er sich vor allem mit der Präsenz der Lateinamerikaner in den USA auseinander. Die Hispanisierung führe zu einem Identitätsverlust der USA. Von den muslimischen Zugewanderten im Westen spricht er als Minderheiten, die unverdaulich (»indigestible«) seien. (Huntington 2004: 188) Prinzipiell sind in Huntingtons akademischem Schaffen und medialen Beiträgen signifikante Widersprüche festzustellen, so z. B. hinsichtlich der Frage, was die amerikanische Identität ausmache, und ob diese mit Pluralisierung durch Zuwanderung kompatibel sei.27

II. Verortung und Wurzeln von Huntingtons Konzept Mit dem Ende der Blockkonfrontation zwischen dem Westen und der Sowjetunion fiel für die Politikwissenschaft der dominante Ana­ lyserahmen bzw. eine bedeutungsstiftende Weltanschauung weg. Verschiedene Theorieansätze bemühten sich, dieses Vakuum zu fül­ len, wobei universalistische und realistische Modelle im Wettstreit lagen.28 (Orsi 2018; Betts 2013; Jouvenel/Delcroix 2008: 42) Ein gewichtiges Konzept zur Deutung der neuen Ära war Francis Fuku­ yamas »The End of History«, eine These die er zunächst 1989 in der Zeitschrift The National Interest präsentierte (Fukuyama 1989) und dann 1992 in Buchform vertiefte (Fukuyama 1992). Fukuyama argumentierte basierend auf Hegels Geschichtsphilosophie, dass das Carlos Lozada schlussfolgert aus seiner Analyse von sechs Huntington’schen Hauptwerken große Widersprüchlichkeit und somit einen »Clash of Huntington«. (Lozada 18.7.2017) 28 Glen Duerr (2018) und auch Richard Betts (2013) untersuchen in vergleichender Perspektive die Prognosekraft von drei konkurrierenden Modellen für die Weltord­ nung nach dem Kalten Krieg: Samuel Huntingtons »Clash of Civilizations«, Francis Fukuyamas »The End of History« und John Mearsheimers »The Tragedy of Great Power Politics« und gestehen allen drei eine Teilrelevanz zu. Betts (2013) analysiert zudem die Gemeinsamkeiten und Konvergenzen der drei Konzepte. 27

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II. Verortung und Wurzeln von Huntingtons Konzept

Modell einer liberalen Demokratie der Zielpunkt der ideologischen Entwicklung der Menschheit sei. Nach dem Scheitern von Faschismus und nun Kommunismus sei die Welt reif für diese höchste Entwick­ lungsstufe. Alle Staaten würden sich logischerweise zu liberalen Demokratien entwickeln und relativ friedlich koexistieren. Der pro­ minenteste konkurrierende Ansatz zur Erklärung bzw. Prognose der Makrostrukturen der internationalen Politik war Huntingtons »Clash of Civilizations«. Huntington selbst leitete sein Konzept relativ expli­ zit als Alternative zum »Ende der Geschichte« ein. (Huntington 1993; siehe auch Huntington 1998: 34–35) Fukuyama wiederum antwortete auf Huntington und bekräftigte seine Prognose, dass die zunehmende Globalisierung gerade ein kulturelles Zusammenwachsen der Welt bewirken werde. Das Modell der Zukunft seien nicht interzivilisatori­ sche Frontstellungen. (Fukuyama 16.12.1994: 17). Die Resonanz auf Huntington zog weite Kreise, während Fukuyamas Beitrag verblasste. Huntington ist auch vom damals vorherrschenden strukturel­ len Realismus abgegrenzt, denn er sieht nicht mehr Staaten als zentrale Akteure der internationalen Politik, sondern intrazivilisato­ rische Allianzen. Außerdem geht er von einem Primat kultureller Motivation gegenüber materiell motivierten Interessen und Macht­ bestrebungen aus. Dennoch teilt er die fundamentalen Prämissen der klassischen Weltsicht des Realismus in den Internationalen Bezie­ hungen, wie Davide Orsi darlegt: »He grounds his views on an anti-utopian attitude, which dismisses all visions of world peace, inter-civilizational dialogue, cosmopolitan society, and universal civilization. Conflict, and the division of the world between friends and foes, is considered the essence of world politics, and even human nature.« (Orsi 2018: 12)

Aus dieser Perspektive betrachtet, ersetzt Huntington lediglich den ideologischen Gegensatz zwischen Kommunismus und Kapitalismus durch verschiedene Kulturen.29 Darüber hinaus zeichnet Huntington den Kulturenkonflikt als ersterem vorgelagert, präexistent und noch fundamentaler.30 (Orsi 2018; Welsch 2013) Orsi (2018) und auch Auch Eun Jeung Lee vertritt die Einschätzung, dass Huntington kein alternatives Paradigma zum Kalten Krieg entworfen habe, sondern eine Fortsetzung. (Lee 1995) 30 Akeel Bilgrami skizziert eine gegenwärtige Denkrichtung im Westen, für die es einen neuen und sogar intellektuell fundamentaleren Kalten Krieg gibt. Dieser zielt nicht mehr auf kommunistische, sondern religiöse Ideen als Feindbild ab: »Since religion, at least on the surface, in some fairly obvious sense runs afoul of the demands 29

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Teil B: Huntingtons »Clash of Civilizations«: Thesen und Kritik

Lee (1995) sehen Huntingtons Denken in Kontinuität zu Carl Schmitt (1932): Politik ist eine Fortführung des Krieges mit anderen Mitteln und gekennzeichnet von der konstanten dichotomen Unterscheidung in Freund und Feind. In dieser Sichtweise sind die internationalen Beziehungen nicht unbedingt von Krieg geprägt, wohl aber von einem Dauerzustand der Kriegsbereitschaft. (Orsi 2018; insb. 8) Zudem reiht sich Huntingtons »Clash of Civilizations«-Konzept in das sozialwissenschaftliche Phänomen der Kulturalisierung ein. Darunter ist zu verstehen, dass Kultur als entscheidendes Paradigma gesellschaftlicher Realität betrachtet wird, während sozioökonomi­ sche und politische Analyseraster vernachlässigt werden.31 Kulturali­ sierung basiert auf vier – einzeln oder zusammen vorhandenen – Grundhaltungen: 1) Kultur wird maßgeblich als Produkt der ethnischreligiösen Herkunft betrachtet. 2) Den Mitgliedern einer ethnischreligiösen Gruppe wird Homogenität attribuiert. 3) Die Mitglieder einer Kultur werden in ihrer Identität auf die Wesenszüge ihrer Gruppe reduziert. 4) Kulturen werden als nicht oder nur im Laufe von vielen Generationen wandelbar erachtet. Auch mit seinem spezifischen Gedankengebäude bewegte sich Huntington nicht im luftleeren Raum. (Lockman 2010: 234; Bottici/ Challand 2010: 2) So sind das Denken in Kulturkreisen und die These vom Untergang des Abendlandes prominent mit den Geschichtsphilosophen Oswald Spengler und Arnold Toynbee verbunden. (Spengler 1997 [1918/1922]; Toynbee 1956 ff.)32 Arshin Adib-Mog­ haddam (2011; Adib-Moghaddam 2017) beschreibt eine in verschie­ denen Kulturen anzutreffende und in die Antike zurückreichende Tra­ dition von Mythen, die um die Existenz und den Zusammenprall von Zivilisationen kreisen, wobei diese vor allem der politischen Recht­ fertigung dienten.33 of the Enlightenment, our modernity may seem to be much more at stake now than it was in the contestations of the original cold war, where the issues seemed to be more about an internal tension within the values of the Enlightenment.« (Bilgrami 2006a: 381) 31 Für eine Kritik am Phänomen der Kulturalisierung siehe Rommelspacher 2007 und Attia 2007. Zur Bedeutung des Konzeptes Kultur in den Sozialwissenschaften siehe Mazarr 1996. 32 Zu den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen Toynbee und Huntington siehe Hall 2018 und Kleinschmidt 2014, sowie zwischen Huntington, Spengler und Toynbee siehe Tielker 2003: 39–49. 33 Adib-Moghaddam erläutert: »Myth making, hierarchies, the privileging of the in-group […] against the out-group […] in order to express an imperial claim is

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II. Verortung und Wurzeln von Huntingtons Konzept

Insbesondere zeigt Huntington eine Verwurzelung im Orien­ talismus. Unter Orientalismus versteht man einen Mechanismus, durch den der Orient zum – zumeist negativen – Spiegel dessen gemacht wird, was der Westen nicht ist. Die Theorie und Analyse des Phänomens Orientalismus geht auf Edward Said zurück.34 Er definiert Orientalismus als »a style of thought based upon an ontolog­ ical and epistemological distinction made between ›the Orient‹ and […] ›the Occident‹.« (Said 2003 [1978]: 2) Der Orient wird geo­ graphisch meist als Naher und Mittlerer Osten gefasst. Im Westen gehörten die Wahrnehmungen des Orients zu den »deepest and most recurring images of the Other«. (ebd.: 1) Laut Said gibt es einen Orientalismus-Diskurs, der maßgeblich das Wissen über ›den Orient‹ und ›den Islam‹ im Westen bereitstellt und somit erst diese beiden Entitäten konstituiert. Dieses diskursiv erzeugte Wissen ist defizitär: Said beklagt die Undifferenziertheit und intellektuelle Schwäche des westlichen Redens über die islamische Welt, das die reale Varietät muslimischer Gesellschaften nicht wiedergebe und dessen Niveau für andere Analyseobjekte inakzeptabel wäre (Said 1997: xvi; l). Das Phänomen des Orientalismus ist untrennbar mit seinem his­ torisch-politische Kontext verbunden. Über die letzten beiden Jahr­ hunderte hinweg war das Verhältnis des Westens zum Orient von politischer Dominanz geprägt, mit dem Kolonialismus als deutlichster Ausdrucksform. In diesem Kontext betrachtet erscheinen die westli­ chen Bilder des Orients als Kontrollmechanismen über den Orient. Orientalismus ist der »Western style for dominating, restructuring, and having authority over the Orient.« (Said 2003 [1978]: 3) Orienta­ lismus ist Ausdruck und Bestärkung eines bestimmten Machtverhält­ nisses.35 not a prerogative of a particular culture. The modalities of oppression, the idea of superiority, the power of subjugation all of which have been inscribed in the archives of what I called the ›clash regime‹, go very deep and are much more indiscriminate than it seems.« (Adib-Moghaddam 2017: 51) 34 In seinem erstmals 1978 erschienenen, mit »Orientalism« betitelten Standardwerk zum Thema richtete Said seinen Fokus auf die literarische Darstellung des Orients durch die europäischen Kolonialmächte des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts (Said 2003 [1978]). Es folgten zahlreiche Veröffentlichungen, die die weitere Entwicklung des Phänomens Orientalismus darlegten (siehe v. a. Said 1997 und Said 2001a.). 35 Für eine aufschlussreiche und umfassende Geschichte des Orientalismus und seines historisch-politischen Hintergrundes sowie einen Überblick über die von Said ausgelöste Debatte siehe Zachary Lockmans Werk »Contending Visions of the Middle

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Teil B: Huntingtons »Clash of Civilizations«: Thesen und Kritik

Zwar klassifiziert Huntington am Anfang seines »Clash of Civi­ lizations«-Werkes die Orient-Okzident-Dichotomie als Mythos und differenziert sich vom Orientalismus. (Huntington 1998: 37–38) Dennoch ist sein Theorieansatz im Gesamten geprägt von der onto­ logischen Unterscheidung zwischen Orient und Okzident – die er in eine Unterscheidung zwischen Islam und Westen übersetzt.36 Sein Denken scheint sich nur terminologisch von der traditionsreichen »Orient« und »Okzident«-Brille zu unterscheiden. John Hobson (2014) verortet einen »clash of civilizations 1.0« in der Zeit zwischen 1889 und 1945, als der wissenschaftliche Rassismus die Theorien der Internationalen Beziehungen prägte. Philippe Barbé identifiziert bereits eine orientalistische Ausrichtung in Huntingtons Betrachtung des Westens als unveränderliches Axiom. (Barbé 2006: 66–67) Eine typische orientalistische Aussage, die Huntington prominent für sein Konzept aufgriff, ist die These von der gewalttätigen Natur des Islam. (Esposito 1992: 175; Heine 1996) Stereotype über andere Kulturen, Völker und Religionen sind eine anthropologische Konstante. Doch Zachary Lockman analysiert, dass in der Geistesgeschichte Europas – und später der USA – der Islam die exklusive Stellung innehat, kontinuierlich gleichzeitig das fremde Andere und auch ein bedrohliches Feindbild zu verkörpern. (Lockman 2010: 36–37) Die iranische Revolution 1979 befeuerte diese Wahrnehmung. (Esposito 2019: 15–16) Davon ist auch Hun­ tington geprägt. John Esposito diagnostizierte schon 1992, dass in der westlichen Welt die These vom Kampf der Kulturen und eine Bedrohungsperzeption in Bezug auf den Islam kursierten: »According to many Western commentators, Islam and the West are on a collision course. Islam is a triple threat: political, demographic, and socioreligious [...] Much as observers in the past retreated to polemics and stereotypes of Arabs, Turks, or Muslims rather than addressing the specific causes of conflict and confrontation, today East. The History and Politics of Orientalism« (Lockman 2010). Reinhard Schulze liefert einen Überblick über die Orientalismus-Debatte und Kritik an Saids Theorie (Schulze 2007). 36 Said selbst zieht eine Parallele zwischen dem von ihm als Orientalisten bezeich­ neten Bernard Lewis und Huntington. (Said 22.10.2001) Auch Mojtaba Mahdavi ordnet Huntington als Orientalisten ein. (Mahdavi 2017: 200–201) Eine Verbin­ dung von Kampf-der-Kulturen-Paradigma und Orientalismus-Diskurs sehen auch Ruf (Ruf 2005: 74–81), Kandil (Kandil 2004: 73–74) sowie Bottici und Challand (Bottici/Challand 2006: 325–326).

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II. Verortung und Wurzeln von Huntingtons Konzept

we are witnessing the perpetuation or creation of a new myth. The impending confrontation between Islam and the West is presented as part of a historical pattern of Muslim belligerency and aggression«. (Esposito 1992: 175)

Symptomatisch hierfür ist der Islamhistoriker Bernard Lewis, den Huntington in seinem Buch mehrfach anführt. Er sprach bereits drei Jahre vor Huntington von einen »Clash of Civilizations« im Wortlaut. Lewis sah die islamische Welt als treibende Kraft in diesem Zusam­ menprall: »It should now be clear that we are facing a mood and a movement far transcending the level of issues and policies and the governments that pursue them. This is no less than a clash of civilizations – the perhaps irrational but surely historic reaction of an ancient rival against our Judaeo-Christian heritage, our secular present, and the worldwide expansion of both«. (Lewis 1990: 60)

Schon vor Huntington und in seinem Umfeld gab es also einen dominanten intellektuellen Strang, der sich auf die islamische Welt als vermeintlichem Antagonisten zum Westen fixierte. (Kandil 2004: 70–74; Barbé 2006: 7; Cesari 2004: 10) Said sprach von einer um sich greifenden Freud’schen »group psychology« (Said 2001b: 574), von der Huntington betroffen war. (ebd.: 572–577)

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Teil B: Huntingtons »Clash of Civilizations«: Thesen und Kritik

III. Das Zivilisationenkonzept als Kritikansatz Kultur bzw. Zivilisation ist dynamisch Huntingtons Definition und Verwendung der Begriffe »Kultur« und »Zivilisation« sind unscharf. Er definiert sie nicht näher und ist inkonsistent im Hinblick auf ihre Konzeption.37 Insgesamt scheint er Zivilisation als feste Größe mit einer zentralen Essenz zu betrach­ ten, als wirkmächtige, präexistente und nicht wandelbare Kategorie. Er behandelt Zivilisationen als ahistorische, apolitische und trans­ zendente kulturelle Kollektive. Thomas Meyer kritisiert Hunting­ tons naturalistisches Kulturverständnis, das eine relevante Binnen­ differenzierung und Dynamik ausschließt. (Meyer 2011: 83) Kevin Avruch bringt die Problematik von Huntingtons Zivilisationen- bzw. Kulturverständnis auf den Punkt: »[C]ulture is essentialized and totalized, reified and stripped of internal complexity or sociological diversity, removed from time (history) or projected backward into some unchanging […] primordial past.« (Avruch 2016: 85) Die Kritiker halten Huntington entgegen, dass eine Zivilisation ein umstrittenes Terrain darstellt, das ständig von externen Kräften beeinflusst und von gegensätzlichen Gruppen für sich beansprucht wird. Bei näherer Betrachtung des historischen sozialen Wandels, der durch Dynamiken wie Kriege, Migration und Revolutionen beein­ flusst ist, verschwinde der Eindruck monolithischer, homogener oder kohärenter Zivilisationen. (ebd.: 93) Ein weiteres Gegenargument ist die vielfach erforschte Konstruiertheit von Gruppenidentität.38 In Bezug auf Huntingtons Konzeption der Interaktion der Zivilisationen kritisiert Akeel Bilgrami, dass das »Clash of Civilizations«-Konzept grob irreführend sei, da es die ungleichen Machtstrukturen ausblende. Die Begegnungen zwischen dem Westen und dem Islam in der Moderne seien nicht ein Zusammenprall von Gleichen, sondern es handle sich um eine deutliche oder subtile Eroberung der islamischen Welt durch den Westen. (Bilgrami 2014: 271) Huntington antwortete auf seine Kritiker, dass sein Zivilisatio­ nenkonzept nicht statisch sei. (Seebacher-Brandt/Walter 1997: 49) 37 Zu dieser Kritik siehe auch Oeser 2016: 25–28; Chan 1997: 138; Welch 2013: 17; Orsi 2018: 9. 38 Für die Frage, wie eine Nation zur Nation wird, haben das beispielsweise Benedict Anderson (1983) und Eugen Lemberg (1950) aufgezeigt.

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III. Das Zivilisationenkonzept als Kritikansatz

Er verweist auf die Stellen in seinem Buch, in denen er schreibt, dass Zivilisationen dynamisch seien, und dass es große Vielfalt innerhalb von Zivilisationen gebe. (ebd.) Doch ist es schwer, keinen Wider­ spruch in seiner Argumentation zu sehen: Denn gleichzeitig stellt er Zivilisationen als sehr stabile Gebilde dar, die durch eine Vielzahl von Charakteristika zusammengehalten werden. Seine ganze Theorie basiert auf der Identifizierung von klar voneinander abgegrenzten und eindeutig wesenhaft zu bestimmenden Zivilisationen. Auch Hunting­ tons Argument, dass der Versuch, die Zivilisationenorientierung von Staaten zu ändern, nur zu zerrissenen Ländern führen könne, widerspricht seinem Verteidigungsargument.

Huntingtons Einteilung der Zivilisationen ist willkürlich, und den Unterschieden sind Gemeinsamkeiten entgegenzuhalten Huntingtons Einteilung der Welt in sieben bzw. acht Kulturkreise ist relativ willkürlich und wenig aussagekräftig. Die kulturellen Unter­ schiede, die Huntington als Abgrenzung zwischen den Zivilisationen ausmacht, sind dekonstruierbar bzw. es können ihnen Gemeinsam­ keiten entgegengehalten werden. (Rubenstein/Crocker 1994: 118) Halliday beispielsweise argumentiert, dass in Geschichte und Gegenwart so viele Interaktionen und Überlappungen zwischen den »Zivilisationen« stattgefunden haben, dass man diese nicht sinnvoll unterscheiden könne. (Halliday 1997: 42) In diesem Sinn schreibt Liu Binyan in Antwort auf Huntington: »No Culture is an Island«, und steht damit stellvertretend für eine große Gruppe unter Hun­ tingtons Kritikern. (Binyan 1993) Auch von Pierre Hassner wird kritisiert, dass Huntington die gegenseitige Beeinflussung und die Gemeinsamkeiten der Zivilisationen missachtet. (Hassner 1996: 64) Fazal Rizvi – ähnlich wie Paul Wetherly et al. (2012: 3–4) führt an, dass sowohl »der Westen« als auch »der Islam« zur abrahamitischen, monotheistischen Tradition gehören: »The popular suggestion that Islam and Christianity represent two different and separate ways of looking at the world is fundamentally flawed, and serves only to reinforce the forms of fundamentalism pro­ moted by extremists. Historically, both Islamic and Western traditions developed in the same part of the world. Not surprisingly, therefore, they share a set of common legal, religious and cultural beliefs. Both are monotheistic, and rest their faith on a set of common religious narratives.« (Rizvi 2011: 233)

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Teil B: Huntingtons »Clash of Civilizations«: Thesen und Kritik

Es wird auch argumentiert, dass eine Einteilung der Welt in Zivilisa­ tionen angesichts der weltweit verzahnten Ökonomie, Kommunika­ tion und Popkultur anachronistisch sei.39 Als ein häufiges Gegenargu­ ment zu Huntington werden die wirtschaftlichen und militärischen Bündnisse, die Zivilisationen überschreiten, angeführt. Christian Collet and Takashi Inoguchi dekonstruieren Huntingtons Kernstaa­ tentheorie empirisch am Beispiel Asiens und kommen zu dem Schluss, dass die Globalisierung Zivilisationenidentitäten aussteche. (Collet/Inoguchi 2012; siehe auch Inoguchi 2013) Ein entscheidender Kritikpunkt an Huntingtons Zivilisationen­ konzeption ist, dass er keinerlei empirische Daten bemüht, um die von ihm angenommenen Unterschiede der Zivilisationen in Bezug auf ihre Grundwerte zu überprüfen bzw. zu belegen. Seine Prämissen sind somit nicht wissenschaftlich fundiert. Die empirische interkulturelle Sozialforschung kann herange­ zogen werden, um Huntingtons Grundannahmen zu testen. Geert Hofstede, eine Koryphäe im Bereich der Kulturvergleichsforschung, hat Dimensionen identifiziert, die den Kern von Kulturen ausmachen und anhand derer sich die Kulturen vergleichen lassen: Machtdis­ tanz, Maskulinität vs. Femininität, Kollektivismus vs. Individualis­ mus, Unsicherheitsvermeidung und Langzeitorientierung. (Hofstede 1993; Hofstede et al. 2010)40 Insgesamt wurden Daten aus 85 Län­ dern und Regionen erhoben (ebd.: 36). Jede der Dimensionen wird dabei mit einem Index gerankt. Es lässt sich zum einen feststellen, dass die Länder innerhalb der von Huntington identifizierten Kul­ turkreise je eine sehr große Abweichung voneinander aufweisen. Kaum Ähnlichkeiten weisen beispielsweise folgende Länderpaare auf, die je zur selben Huntington’schen Zivilisation gehören: Griechen­ land und Dänemark, Portugal und Irland, Südkorea und Singapur, Malaysia und Türkei sowie Guatemala und Argentinien. Sucht man nach den ähnlichsten Länderpaaren, so sind, zum anderen, diese häufiger zwischen Ländern verschiedener »Zivilisationen« zu finden. Transzivilisatorisch sind sich 48 Länder ähnlich, intrazivilisatorisch nur 43. Zu den Länderpaaren mit der größten Übereinstimmung Siehe z. B. Seebacher-Brandt/Walter 1997: 50–51. Für weitere Beispiele dieser Kritiklinie siehe Metzinger 2000: 22–26. 40 Im Verlauf seiner Forschungstätigkeit und in der 3. Auflage von 2010 seines Buches »Cultures and Organizations: Software of the Mind« (Hofstede 2010) fügte Hofstede zu den fünf genannten Dimensionen noch eine sechste Dimension, nämlich »Nachgiebigkeit vs. Beherrschung« hinzu.

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III. Das Zivilisationenkonzept als Kritikansatz

gehören Portugal und Türkei, Pakistan und Peru, Indonesien und Westafrika, Malaysia und Philippinen, Brasilien und Türkei sowie Mexiko und sieben als »arabische Staaten« gruppierte Länder (Ägyp­ ten, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate, Irak, Libanon, Libyen und Kuwait) . Meyer interpretiert den Befund aus der vergleichenden Kultur­ forschung zusammenfassend so: »Die Kulturen der Welt [gemeint sind Zivilisationen im Hunting­ ton’schen Sinn, a. d. V.] sind keineswegs durch scharfe oder überhaupt eindeutige Differenzen in der Geltung der zentralen sozio-kulturellen Grundwerte voneinander unterschieden. […] Offensichtlich spielen nationale Erfahrungen, die jeweilige Geschichte und der Stand der sozio-ökonomischen Entwicklung der Länder im Ganzen gesehen für ihr jeweiliges Werteprofil eine deutlich größere Rolle als ihre religiös-kulturellen Ursprünge.« (Meyer 2011: 90)

Eine Schlussfolgerung der Forschung von Hofstede und damit ein Widerspruch zu Huntington ist auch, dass Religion nicht der entschei­ dende Aspekt von Kultur ist: »If we trace the religious history of countries, […] what religion a population has embraced and which version of that religion seem to have been a result of previously existing cultural value patterns more than a cause of cultural differ­ ences.« (Hofstede et al. 2010: 454) Als Beispiele können die Schismen in allen großen Religionen angeführt werden, darunter die protes­ tantische Reformation: »Although today most of northern Europe is Protestant and most of southern Europe is Roman Catholic, what is at the origin of the cultural differences is not this religious split but the inheritance of the Roman Empire. Religious affiliation by itself is therefore less culturally relevant than is often assumed.« (ebd.: 454–455) Die Forscher bemerken explizit, dass sie Huntingtons Einschätzung der Rolle und Bedeutung der Religion nicht zustimmen. (ebd.: 513, FN 32)

Die von Huntington angeführten zivilisatorischen Unterschiede sind kontingent und nicht auf eine kulturelle »Seele« zurückzuführen An Huntingtons Konzept ist auch zu kritisieren, dass er die gegen­ wärtigen Werte und kulturellen Codes der von ihm klassifizierten »Zivilisationen« als statisch und miteinander unvereinbar erachtet und dass er seine Unterscheidung der Zivilisationen genau auf dieser vermeintlichen Inkompatibilität aufbaut.

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Teil B: Huntingtons »Clash of Civilizations«: Thesen und Kritik

Dieter Senghaas beispielsweise hinterfragt die Rede von den sogenannten asiatischen Werten. Es handle sich nicht um ein zivili­ satorisches Phänomen, sondern um ein Phänomen eines bestimm­ ten Entwicklungs- und Modernisierungsgrades. Die Werte, die als asiatisch beschrieben werden, träfen auf alle traditionell kollektivisti­ schen Gesellschaften zu. (Senghaas 2005: 99) Auch Eun Jeung Lee dekonstruiert die kulturalistische Verknüpfung sogenannter konfu­ zianischer Werte mit politischen und ökonomischen Zuständen als Orientalismus. (Lee 2019) Robert Bartley sieht die von Huntington betonten westlichen Werte als Ergebnis einer bestimmten historischökonomischen Entwicklung. Komme es in anderen Zivilisationen zu einer ähnlichen Herausbildung einer Mittelschicht, sei zu erwarten, dass die »westlichen« Werte auch dort deutlicher hervortreten. (Bart­ ley 1993: 17) Diese Erwartung – und die Wandelbarkeit von Kultur im All­ gemeinen – kann empirisch mit der Werteforschung von Ronald Inglehart (siehe z. B. Inglehart/Welzel 2005) untermauert werden. Diese Forschung setzt Werte in Beziehung zur jeweiligen Gesell­ schaftsgeschichte und zum sozial-ökonomischen Entwicklungsstand. Inglehart untersucht seit 1970 insbesondere die Ausweitung des Post-Materialismus in Gesellschaften, die ein bestimmtes Wohl­ standsniveau erreicht haben. Im Konzept des Postmaterialismus sind Schlüsselwerte wie Individualismus, soziale Verantwortung, ökologi­ sches Bewusstsein und politische Teilhabe inbegriffen. Diese soziale Wertedimension hat Einfluss auf die persönliche Lebensgestaltung, die Arbeitsethik sowie auf politische Präferenzen. Inglehart kommt zu dem Ergebnis, dass Ausmaß und Tempo, mit dem der Postmateria­ lismus den Materialismus ablöst, vom erreichten Wohlstandsniveau abhängen. Kulturell-religiöse Unterschiede hingegen sind so gut wie irrelevant. Grundsätzlich stellen Inglehart und Norris fest, dass ökonomische Entwicklung in allen Gesellschaften einen Wertewandel bewirkt, allen voran was die Frage der Geschlechterrollen betrifft. (Inglehart/Norris 2003: 68) Bereits jetzt können bisweilen größere interzivilisatorische Gemeinsamkeiten zwischen den modernisierten (oder auch post­ modernen) Schichten in verschiedenen Gesellschaften ausgemacht werden als zwischen unterschiedlichen sozio-kulturellen Milieus innerhalb von Gesellschaften. (Meyer 2011: 113) Studien der verglei­ chenden Kulturforschung decken zudem auf, dass Gesellschaften mit ähnlichem Entwicklungsstand ähnliche Werteprofile aufweisen – und

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III. Das Zivilisationenkonzept als Kritikansatz

zwar unabhängig vom Kulturkreis. (Senghaas 2005: 6) Im Falle güns­ tiger sozioökonomischer Entwicklungen ist also zu erwarten, dass sich unabhängig von Kulturen und Zivilisationen der Postmaterialismus und »westliche Werte« in der gutsituierten jüngeren Generation in allen Gesellschaften weiter ausbreiten werden. Diese universale zivilisationsübergreifende Subkultur könnte signifikante Dimensio­ nen annehmen und zu einem bedeutsameren Phänomen avancieren als die von Huntington als »Davos-Kultur« (Huntington 1998: 78) bezeichnete internationale, kosmopolitisch ausgerichtete Elite, zu der Huntington nur zwischen 0,1 und 1 Prozent der nicht-westlichen Bevölkerung zählt. Senghaas` Argumentation gegen Huntingtons kulturalistischen Fokus bei der vergleichenden Untersuchung von Gesellschaften und seinem Plädoyer für eine entwicklungstheoretische Analysebrille ist daher zuzustimmen: »[W]here development succeeds, it leads to cultural modernization even within non-Western societies, […] where development is more problematic, it culminates in a developmental crisis and an accentu­ ation of the cultural struggle. […I]t is imperative for us to take a more discriminating approach, taking into account the developmental history and contextual background of a society, the context being defined by the considerably variable degrees and characteristics of modernization and modernity and even by mixed forms of tradition and modernity, as well as disarray caused by modernization.« (Seng­ haas 2005: 6)

Die von Huntington initiierte Diskussion um die kulturelle Seele von Gesellschaften ist hingegen bestenfalls redundant. Senghaas kritisiert auch, dass Huntingtons Theorie keinerlei einleuchtende Verbindung herstellt zwischen vermeintlichen kulturellen Prägungen und bestimmtem Verhalten. (ebd.: 73) Zwar prognostiziert Senghaas eine andauernde Entwicklungskrise im Nahen und Mittleren Osten mit einem einhergehenden »cultural revivalism«. (ebd.: 76) Doch die Pluralisierung, die früher oder später mit einer erfolgreichen Entwick­ lung einhergehe, werde unvermeidbar zum Wandel des kulturellen Kerns einer Gesellschaft führen – sofern dieser überhaupt jemals klar identifizierbar sei. Die Suche nach Identität werde damit nicht aufhören, sondern bleibe als offene Frage, wie dies heute schon in westlichen Gesellschaften der Fall sei. (ebd.)

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Teil B: Huntingtons »Clash of Civilizations«: Thesen und Kritik

Für die Internationale Politik sind andere Akteure und Analyseebenen entscheidend Enggefasst auf die Disziplin der Internationalen Politik wird »Zivili­ sation« von Huntingtons Kritikern nicht als nützliche Analysegröße betrachtet. (Weeks 2013; Abrahamian 2003: 530–531) Fast einstim­ mig konterte die politikwissenschaftliche Community, dass auch in der weltpolitischen Ordnung nach dem Kalten Krieg Staaten die entscheidenden Akteure seien und nicht Kulturen oder Zivilisationen. Es seien nicht Zivilisationen, die Kriege führen, sondern Gesellschaf­ ten. (Al-Azmeh 2003: 23) Das herkömmliche Paradigma, Staaten und Nationen die entscheidende Rolle in der internationalen Politik einzuräumen, wird vom Gros der Politikwissenschaftler als überlegen gegenüber Huntingtons Paradigma angesehen. (Abrahamian 2003: 530) Es wurde argumentiert, dass Regierungen über Kulturen domi­ nieren und nationale, nicht kulturelle Interessen verfolgen. (Hunter 1998; Mottahedeh 2003; Ajami 2003) Fawaz Gerges‘ Darlegung, dass Politik nach wie vor von einem Clash divergierender Interes­ sen, nicht von Kulturen geprägt sei, fasst diese Linie der Kritik an Huntington zusammen. (Gerges 1999) Selbst Kritiker, die die Prämisse der Existenz unterschiedlicher Zivilisationen akzeptieren, halten entgegen, dass Interessen gewichtiger wirken als Identitäten. Darüber hinaus wurde gegen Huntington eingewandt, dass er auf der falschen Ebene ansetze. Mehr als Zivilisationenidentitäten seien die ethnisch-nationalen Identitäten relativ kleiner Gruppen – insbeson­ dere innerhalb von Zivilisationen – auf dem Vormarsch. Man denke hier beispielsweise an die nationalistische Bewegung im spanischen Katalonien. Politisch relevanter als die Unterschiede zwischen Zivili­ sationen seien daher die Unterschiede innerhalb von Zivilisationen. (Senghaas 2005; insb. 6) Der Politikwissenschaftler Jeffrey Haynes untersucht Hunting­ tons Thesen im Licht der weltpolitischen Entwicklungen bis 2019 und kommt zur Konklusion, dass Zivilisationenzugehörigkeit keine Rolle für die Bildung von Allianzen oder Konfliktformationen spielt: »Huntington had it wrong: civilizational amity or enmity does not define and mold contemporary international relations, especially when civilizationally different countries are united diplomatically and polit­ ically by what their governments see as shared national interest con­ cerns expressed in relation to a common enemy.« (Haynes 2019: 18)

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III. Das Zivilisationenkonzept als Kritikansatz

Summa summarum lautete die politikwissenschaftliche Kritik, dass die Kategorie »Zivilisation« weder als Erklärung für Identität oder Handeln ihrer angeblichen Angehörigen noch als Erklärung für innerund zwischenstaatliche Konflikte nützlich ist. Doch es gibt auch hiervon abweichende Mindermeinungen, die Huntington bedingt darin zustimmen, dass es unterschiedliche Zivilisationen gibt und dass die Kategorie Zivilisation politische Relevanz hat. Beispielsweise elaboriert der ehemalige portugiesische Außenminister Bruno Maçães, dass die Idee einer universalen Welt­ zivilisation basierend auf westlichen Werten gescheitert sei und stattdessen Staaten wie China, Russland und Indien die politische Bühne dominieren, die sich als Zivilisationen – nicht Nationen – verstehen. Er spricht von »civilization-states«. Huntington habe mit seiner Prognose aber nur »halb recht« gehabt: Zwar unterscheiden sich die Zivilisationen voneinander und konkurrieren um Macht, aber gleichzeitig gehören sie aufgrund der modernen technologischen Gegebenheiten zu einem gemeinsamen, integrierten politischen und wirtschaftlichen Orbit. (Maçães 15.6.2020)

III.1 Konzeption des Westens Huntington versteht den Westen weniger als geographische Größe, sondern definiert ihn primär kulturell. Er sieht den Westen als einen Raum mit einer bestimmten politischen Kultur, die sich aus der griechischen Antike, dem christlichen mittelalterlichen Erbe und aus der Aufklärung der Moderne speist. Dieser Raum hat eine geogra­ phische Dimension: Eine so verstandene westliche Welt breitete sich von Europa auf Nordamerika und Australien und Neuseeland aus. Der Fokus von Huntington liegt auf einem bestimmten Set an Weltanschauung und politisch-kultureller Werte. Huntingtons Konzeption des Westens erntete viel Kritik. Von etlichen wird hinterfragt, wen Huntington zum Westen zählt bzw. nicht einbezieht. So argumentierte Jean Kirkpatrick, dass es unver­ ständlich sei, warum Huntington Russland und Lateinamerika nicht als Teil der westlichen Zivilisation betrachte. (Kirkpatrick et al. 1993: 22) Gegen Huntingtons kulturelle Kriterien für die Definition des Westens werden Einwände erhoben, und stattdessen für eine primär historisch-geographische Bestimmung plädiert. John Ikenberry bei­ spielsweise führte gegen eine kulturelle Abgrenzung an, dass die

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Teil B: Huntingtons »Clash of Civilizations«: Thesen und Kritik

traditionell dem Westen zugeordneten Merkmale wie liberale Demo­ kratie, Marktwirtschaft und Christentum transnationale und globale Phänomene geworden seien. (Ikenberry 1997: 162) Demgegenüber verortet beispielsweise Stuart Hall »den Westen« mit Hilfe sozio-kul­ tureller Merkmale und rechnet ihm alle »modernen«, (d. h. industria­ lisierten, kapitalistischen etc.) Gesellschaften zu, unabhängig von geschichtlicher Entwicklung oder geographischer Lage. (Hall 2008: 138) Es wird auch argumentiert, dass zwischen »dem Westen« als politischer und als kultureller Einheit unterschieden werden müsse. Von vielen wird die weitgehende Deckungsgleichheit, die Hunting­ tons Zivilisationen mit Religionen haben, hinterfragt, (Asad 2009: 4) so auch seine Identifikation des Westens mit dem Christentum. Forlenza und Turner sind der Meinung, dass Huntington die religiö­ sen Spaltungen innerhalb des Westens bzw. Europas entlang der katholisch-protestantischen Bruchlinie missachte. (Forlenza/Turner 2019: 18) Den Westen als kulturell relativ homogene Einheit zu begrei­ fen, steht insbesondere im Widerspruch zur Tatsache, dass »sich die Gesellschaften der westlichen Staaten selbst sowohl in einem normativen als auch in einem empirisch-faktischen Sinne als freie, pluralistisch verfasste Gesellschaften definieren«. (Meyer/Schubert 2011b: 292) Dieser Pluralismus ist unvermeidbar, wie Hendrik Meyer und Klaus Schubert argumentieren: »Moderne Gesellschaften produzieren aus sich heraus, d. h. unabhän­ gig von Migrationsfragen, soziale Differenz, kulturelle Vielfalt und Fremdheit. Die Pluralisierung der Lebenswelt und von Lebenswei­ sen ist insofern ein elementares Merkmal moderner Gesellschaften«. (ebd.: 293)

In diesen Pluralismus eingeschlossen sind differierende und wider­ streitende Wertvorstellungen, Ziele und Interessen. Dies trifft auch unabhängig vom Faktor Religion zu. Daraus folgt, dass es ausge­ sprochen schwierig ist, den Westen inhaltlich näher zu bestimmen, wenn man dabei nicht die eigenen weltanschaulichen Vorlieben in den Begriff hineinprojizieren möchte. Hippler beispielsweise fragt, ob die zahlreichen Menschen im Westen, die nicht bedingungslose Vertreter von Menschenrechten und Aufklärung sind, nicht als Teil der westlichen Kultur zu betrachten seien. (Hippler 2009: 267) Blickt man auf die Religion, so zeigt sich der Westen auch hier plural – insbesondere, wenn man die Phänomene Säkularisierung und den

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III. Das Zivilisationenkonzept als Kritikansatz

sogenannten neuen Atheismus in die Betrachtung einbezieht. Die Vorstellung, dass sich eine homogene religiöse Landschaft plötzlich mit einer fremden Religion – dem Islam – auseinandersetzen muss, ist eine starke Vereinfachung. Über den Binnenpluralismus der nationalen Gesellschaften hinaus ist die westliche Welt auch aus gesellschaftsvergleichender Perspektive pluralistisch – beispielsweise unterscheidet sich die bri­ tische Gesellschaft deutlich von der deutschen. So kommen Meyer und Schubert zu dem Urteil, dass mitnichten pauschal von einer west­ lichen Welt im Singular gesprochen werden kann. Damit relativiere sich auch der Antagonismus Islam und Westen deutlich. (Meyer/ Schubert 2011b: 292; ähnlich auch Heine 1996: 160) Tzvetan Todorov kritisiert, dass Huntington Ideal und Wirklich­ keit verwechsle, da er in seiner Definition des Westens kulturelles Erbe und politische Wertorientierungen wie Säkularismus und Plura­ lismus amalgamiere und nicht erwähne, dass in der Geschichte des Westens auch gegenteilige Präferenzen geherrscht haben: »[W]ishing to share with others a moral and political ideal is legitimate, but pre­ senting it as indissolubly linked to particular cultural characteristics is much less so.« (Todorov 2010: 77) In eine ähnliche Kerbe schlägt Adib-Moghaddam: »Western history became »western« because it was written as such and not due to a pre-ordained teleology. If Herodutus was the father of History, he was also the father of the myth of History«. (Adib-Moghaddam 2013: 47) Er kritisiert die »Clash of Civilizations«-These und die Prämissen, auf denen sie fußt, grundlegend. (Adib-Moghaddam 2011; 2017) Die Idee des Westens und das Denken in »Wir« und »Andere« müssen dekonstruiert und stattdessen der Fokus auf die Interdependenz der Menschheit gerich­ tet werden.

III.2 Konzeption des Islam Huntington stellt den Islam sehr negativ dar; dominant ist seine Annahme der Gewaltaffinität des Islam.41 Dabei liegt dieser Einschät­ zung der gleiche Kulturalismus zugrunde, der sich in seinem Zivili­ sationenkonzept an sich zeigt. Das gewichtigste Argument gegen Eine nähere Auseinandersetzung mit Huntingtons Konzeption von Religion bzw. Islam und Gewalt folgt in Kapitel B IV.3 dieser Arbeit.

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Teil B: Huntingtons »Clash of Civilizations«: Thesen und Kritik

Huntingtons Islambild ist, dass er dessen Heterogenität faktisch ignoriert. Dies betrifft sowohl Huntingtons Konzeption vom Islam als Zivilisation als auch sein Verständnis vom Islam als Religion. Huntington ist nicht nur in Bezug auf Zivilisationen ein stati­ sches, monolithisches und essentialistisches Verständnis vorzuwer­ fen, sondern auch im Hinblick auf die Kategorie Religion. Religionen betrachtet er de facto als überzeitliche und unwandelbare Größen. Diese Sichtweise ist eine Verirrung, wie Nina Tiesler deutlich macht: »Religionen [sind] keine von Raum und Zeit unabhängigen Entitäten, sondern geschichtlichen und sozialen Wandlungsprozessen unterwor­ fen. Religionen, ihre sozialen und kulturellen Ausdrucksformen, der Grad und die Umsetzung von Religiosität, sowie das Verständnis und die Perspektive ihrer Anhänger unterscheiden und verändern sich je nach gesellschaftlichem Kontext und jeweiligen Lebensbedingungen.« (Tiesler 2006: 27)

Der Bedeutungswandel von Religion manifestiert sich unter anderem in Neudefinitionen von Dogmen, in Änderungen der rituellen Praxis und des Selbstverständnisses der Gläubigen. (ebd) Dementsprechend ist der Islam als Religion bzw. als die religiöse Identität der Muslime sehr pluralistisch. Die Islamwissenschaftlerin Gudrun Krämer bezeichnet den Islam zugespitzt als das, »was Mus­ lime an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit als islamisch definieren und praktizieren«. (Krämer 1999: 25) Auch Talal Asad betont, dass die islamische Tradition überaus heterogen ist und dass Homogenitätsentwicklungen ein Resultat der Moderne sind: »The variety of traditional Muslim practices in different times, places, and populations indicate the different Islamic reasonings that different social and historical conditions can or cannot sustain. […] widespread homogeneity is a function, not of tradition, but of […] communica­ tion techniques that are part of modern industrial societies.« (Asad 2009: 23)

Der Islam unterscheidet sich im Ausmaß an Binnenpluralität nicht vom Christentum oder anderen Religionen. Die Muslime differen­ zieren sich in die beiden Hauptgruppen Sunniten und Schiiten, die wiederum zahlreiche Ausdifferenzierungen hervorgebracht haben. Darüber hinaus gibt es eigenständige Strömungen wie den Sufismus und die Aleviten. Große Unterschiede bestehen zwischen den vier

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III. Das Zivilisationenkonzept als Kritikansatz

von den Sunniten anerkannten Rechtsschulen des Islam.42 Daneben unterscheiden sich die Muslime beispielsweise im Hinblick auf Libe­ ralität und Orthodoxität und anhand der Frage, ob sie einen spirituel­ len Zugang zu ihrer Religion pflegen, oder an dem Kriterium, ob sie Politik als Teil ihrer Religion erachten. Der im Fokus der westlichen Öffentlichkeit stehende Islamismus ist dabei nur eine von vielen Formen, die Rolle des Islam im privaten und öffentlichen Leben zu verstehen. (Bielefeldt 2009: 176–179) Zu beachten ist auch, dass selbst in einem Land wie dem Iran, in dem ein religiös-politischer Islamismus schiitischer Prägung seit 1979 an der Macht ist, ein Binnenpluralismus herrscht. So hat dort ein Teil der religiösen Führer stets der herrschenden fundamentalistischen Inter­ pretation des Islam widersprochen. (Meyer 2011: 37; 41–42) Bassam Tibi, der mit seinem Konzept des »Kriegs der Zivilisationen« viel mit Huntington gemeinsam hat, kritisiert an letzterem, dass er Islam und Islamismus verwechsle. (Tibi 2001: 33) Der Islamexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) Johannes Reissner legt dar, dass die Vorstellung, dass es eine panislamisch-islamistische Einheit in Opposition zum Westen gebe, einer Grundlage entbehre. (Reissner 2002: 6) Die Islamismus-Forscherin Susanne Schröter bedauert, dass in der Außenwahrnehmung nur der fundamentalistisch-politische Islam gesehen werde. (Schröter 2021: 11) In ihrem 2021 erschienenen Buch »Allahs Karawane« setzt sie bewusst einen Gegenakzent, indem sie das »islamische Multiversum«, d. h. die vielfältigen Spielarten des Islam in allen Ecken der Welt vorstellt. Gemeinsam ist diesen muslimischen Realitäten vor allem, dass sie von Islamisten abgelehnt werden: »Die Vielfalt des Islams ist all denen ein Dorn im Auge, die sich für die globale Homogenisierung dieser Weltreligion stark­ machen und dabei vor Gewalt nicht zurückschrecken.« (ebd.: 12) Noch existiert der Islam – wie auch das Christentum – nur im Plural, als ein vielgestaltiges Gebilde. (Al-Azmeh 1996: 85; vgl. auch Meyer 2011: 38) Blickt man auf den Islam nicht als Religion, sondern als Zivilisa­ tion im Sinne von »islamische Welt«, wie es Huntingtons Theorie zugrunde liegt, so ist die Heterogenität noch überaus größer. Die Pluralität an Ethnien, Nationen, politischen Systemen, Kulturen, in denen die islamische Religion anzutreffen ist, ist immens. Im politi­ schen Bereich sind hier so unterschiedliche Staaten wie Indonesien, 42

Namentlich die Hanafiten, die Mâlikiten, die Shâfiiten und die Hanbaliten.

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Teil B: Huntingtons »Clash of Civilizations«: Thesen und Kritik

Türkei, Saudi-Arabien und Iran zu nennen. Ethnisch umfasst Hun­ tingtons Konzeption diverse Ethnien wie die Araber, Perser, Türken, Kurden und die Berber. Der Islam ist keine Kultur, sondern eine Religion, die sich in verschiedene Kulturen inkorporiert und dabei unterschiedlichste Ausprägungen entwickelt. Hippler bringt es auf den Punkt: »Wenn man von ›der muslimischen Welt‹ (oder Kultur, Zivilisation) spricht, gruppiert man sehr unterschiedliche Gesellschaften zusam­ men, die objektiv und subjektiv nur wenig gemeinsam haben. Die algerische, jemenitische, pakistanische und die indonesische Gesell­ schaft beispielsweise mögen alle vom Islam auf die eine oder andere Art geprägt worden sein, dennoch sind sie in vielen Kernbereichen kaum vergleichbar. Sie alle als Muslime zusammenzufassen kann leicht in die Irre führen und ein Merkmal betonen, das für ihr Verständnis nicht zentral sein muss.« (Hippler 2009: 264)

Schröter erläutert, dass es nicht nur theologische und kulturelle Faktoren sind, die das je unterschiedliche Gesicht der islamischen Welt prägen, sondern die Vielfalt der Menschen selbst, die »sich oft weniger an den Buchstaben der heiligen Texte als an den eigenen Bedürfnissen orientieren und versuchen, die Vorgaben des Islams mit ihren Vorstellungen von einem guten Leben in Einklang zu bringen.« (Schröter 2021: 12) Huntington verirrt sich kulturalistisch, wenn er Koranverse und die theologisch-historische Unterscheidung in ein »Haus des Islam« und ein »Haus der Ungläubigen«43 anführt (Huntington 1998: 431–432), ohne empirisch danach zu fragen, welche Relevanz und Verbreitung diese im Denken und Handeln einer bestimmten Menschengruppe in der Gegenwart haben. Ralph Coury kritisiert treffend: »The effort to totalise histories and societies as Islamic just doesn’t work. […] Muslims share discourses, institutions and doctrines but these have assumed vastly different forms and social significance at various times and places.« (Coury 2009: 48) Ebenso wenig sind die muslimischen Minderheiten innerhalb westlicher Staaten homogene Menschengruppen. Grundsätzlich variiert auch der Grad an Religiosität unter Muslimen. Michael Blume analysiert in seinem Buch »Islam in der Krise. Eine Weltreligion zwischen Radi­ kalisierung und stillem Rückzug« wie der Islam – dem Christentum gar nicht so unähnlich – einer Säkularisierung ausgesetzt ist. Der 43 Siehe hierzu die Stichworte »dar al-islam« und »dar al-harb« in der »Encyclopaedia of Islam«, Band II, 1991, S. 126–129.

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III. Das Zivilisationenkonzept als Kritikansatz

Anteil praktizierender Gläubiger weltweit nehme deutlich ab, und viele Muslime seien nur noch »Kulturmuslime«. (Blume 2017) Der Terminus »muslimische Welt« bzw. »islamische Zivilisa­ tion« ist auch insofern problematisch und irreführend, da er nicht­ religiöse Menschen und religiöse Minderheiten in bzw. aus islamisch geprägten Ländern unter diesem religiösen Label kollektiviert. (Hipp­ ler 2009: 264) Huntington ist Ungenauigkeit anzulasten, da er verbreitet »arabische Welt« und »islamische Welt« als synonyme Konzepte verwendet. (Mottahedeh 2003: 133–134) Durch die Iden­ tifikation der arabischen Welt oder auch des Orients mit dem Islam wird unterschlagen, dass es circa 15 Millionen christliche Araber gibt. Hinter der fehlenden Differenzierung von Muslimen und Arabern steht außerdem oftmals eine Unkenntnis, dass der Islam die domi­ nante Religion verschiedener Ethnien ist. Der Staat mit der größten absoluten Zahl an Muslimen ist Indonesien – ein Land, das in den westlichen Diskussionen um den Islam wenig Beachtung erfährt. Nur maximal jeder fünfte Muslim ist Araber. (ebd.: 133) Auf der Basis der Vielfalt der islamischen Welt kritisiert Kai Hafez Huntington als »kulturtheoretisch naiv«, da er subkulturelle Differenzen vernachlässige. (Hafez 2009: 102) Auch Huntingtons Harvard-Kollege, der Islamhistoriker Roy Mottahedeh, widerspricht Huntington unter anderem mit einer Darlegung der Heterogenität des Islam. (Mottahedeh 2003) In seinem »The Clash of Civilizations?«Artikel hatte Huntington beispielsweise die Spaltung in schiitischen und sunnitischen Islam nicht einmal erwähnt. In Antworten auf seine Kritiker und im später erschienenen Buch räumt er ein, dass der Islam sehr heterogen und zersplittert sei. Doch trotz dieses Eingeständnis­ ses behandelt sein Konzept den Islam als einen homogenen, kollek­ tiven Akteur. Dabei legt Huntington nicht überzeugend dar, warum der Islam trotz seiner Vielfalt eine gemeinsame Zivilisation darstelle. Aziz Al-Azmeh und auch Senghaas führen an, dass es keine islami­ sche Zivilisation (mehr) gebe, sondern diese lediglich – und ebenso wie die hellenistische oder römische Zivilisation – ein Gegenstand für Geschichtsbücher sei. (Al-Azmeh 2003: 23; Senghaas 2005: 89) Al-Azmeh spricht von der konzeptionellen Willkür, islamische Korsaren vor der Küste Neufundlands im 18. Jahrhundert, Ayatollah Khomenei und die OPEC unter dem Deckmantel der islamischen Zivilisation als Einheit zusammenzufassen, und sie alle als Ausdruck des »islamic exceptionalism« anzusehen. (Al-Azmeh 2003: 44)

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Teil B: Huntingtons »Clash of Civilizations«: Thesen und Kritik

Huntington erachtet anti-westliche Einstellungen als Charakte­ ristika der islamischen Zivilisation. Dabei behauptet er, das Problem für den Islam sei nicht amerikanische Politik, sondern die westliche Zivilisation an sich. (Huntington 1998: 349–350) Dies kann empi­ risch nicht bestätigt werden. Zwar gibt es Daten, die die Einschätzung, dass im Westen und in der islamischen Welt jeweils ein spiegelver­ kehrtes Negativbild der anderen Seite präsent ist, stützen. So brachten Studien des Pew Research Centers aus den Jahren 2006 und 2011 her­ vor, dass ein Teil der Menschen in islamisch geprägten Ländern und im Westen einander als Angehörige kultureller Kollektive wahrneh­ men, und die Einstellungen zueinander negativ sind. (Pew Research Center 14.3.2007; Wike/Grim 30.10.2007; Pew Research Center 21.7.2011) Eine Mehrheit der Befragten in Ägypten, Jordanien, Pakis­ tan, der Türkei und den Palästinensischen Gebieten (die Zahlen schwanken je nach Land und spezifischem Charakteristikum zwischen 53 und 78 Prozent) charakterisierte 2011 die Menschen im Westen als gewalttätig, selbstsüchtig, habgierig, arrogant und unmoralisch. (Pew Research Center 21.7.2011: 24) Doch das Bild, das »die muslimische Welt« vom Westen hat, ist kein statisches, sondern ist eingebunden in einen zeitgeschichtlich-politischen Kontext. Beispielsweise stieg nach der Amtsübernahme Barak Obamas und seinen Bemühungen, ein neues Kapitel in den Beziehungen zwischen den USA und der islamischen Welt aufzuschlagen,44 die Zahl derer im Nahen und Mittleren Osten, die meinten, der Westen und die islamische Welt verstünden sich gut, von einem Fünftel im Jahr 2008 auf rund ein Drittel im Jahr 2009. (Abu Dhabi Gallup Center 28.11.2010: 18–26) Aus der Gallup Weltumfrage der Jahre 2005–2007 ging hervor, dass 66 Prozent der Kuwaiter ein negatives Bild von den USA hatten, aber nur 3 Prozent von ihnen beschrieben Kanada negativ. (Esposito 2011: 213) Esposito fasst Umfragen aus den Jahren 2001 bis 2009 zusammen und interpretiert, dass in der muslimischen Welt auf der Basis von politischen Kriterien, nicht kulturellen oder religiösen zwischen verschiedenen westlichen Ländern unterschieden wird. (ebd.: 153–155) Es darf auch nicht übersehen werden, dass Ereignisse und Bilder wie der Afghanistankrieg, der Irakkrieg, Abu Ghraib und Guantanamo das Ansehen der USA nicht nur in der muslimischen Welt beschädigt haben, sondern ebenso in westlichen Schon in seiner präsidentiellen Antrittsrede rief Obama einen neuen Weg in der Interaktion mit der sogenannten muslimischen Welt aus. (Obama 20.1.2009)

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III. Das Zivilisationenkonzept als Kritikansatz

Staaten. Beispielsweise sank die gute Meinung der Deutschen über die USA von 78 Prozent im Jahr 2000 auf 37 Prozent sechs Jahre später. Diese Entwicklung ähnelt der Indonesiens (ein Einbruch von 75 auf 30 Prozent). 2006 standen weniger Spanier (23 Prozent) als Ägypter (30 Prozent) den USA positiv gegenüber (Pew Research Center 14.3.2007), und 2015 hatten etwa ebenso viele Menschen in Argentinien (43 Prozent) wie in Malaysia (41 Prozent) eine negative Meinung von den USA. (Pew Research Center 23.6.2015: 12) Auch mit dem Amtsantritt von Präsident Trump ging ein globaler Trend eines Ansehensverlustes der USA einher. In den Niederlanden bei­ spielsweise war ein Einbruch von 26 Prozentpunkten zu verzeichnen: Während am Ende der Obama-Präsidentschaft 63 Prozent der Befrag­ ten eine positive Sicht auf die USA hatten, so waren es am Beginn der Trump-Präsidentschaft im Jahr 2017 nur noch 37 Prozent. (Pew Research Center 26.6.2017) Der Aussage, dass Macht und Einfluss der USA eine große Bedrohung für das eigene Land darstellten, stimmte 2018 fast eine Mehrheit (zwischen 46 und 49 Prozent) der Befragten im »Global Attitudes Survey« in Kanada, Frankreich, Deutschland und Griechenland zu. In Mexiko und Japan waren es sogar über 60 Prozent. (Gramlich/Devlin 14.2.2019) Huntington selbst reflektierte 2003, dass nicht nur seine »üblichen Verdächtigen« anti-amerikanische Ressentiments pflegen, sondern auch Verbündete und Freunde. (Huntington 2003: 17–18) Die »natürliche«, durch zivilisatorische Andersartigkeit bedingte anti-westliche Einstellung, die Huntington der islamischen Welt zuschreibt, ist vielmehr ein klas­ sischer, politischer Anti-Amerikanismus, der vom »Rest« aber auch zu einem deutlichen Grad von Bevölkerungen innerhalb des Westens geteilt wird. Aus dem in der islamischen Welt anzutreffenden AntiAmerikanismus kann also nicht auf zivilisatorische Charakteristika und Unterschiede geschlossen werden. Mit Meyer ist zu resümieren: »Dieses ganze Kulturkampf-Modell steht […] konzeptionell und empirisch auf tönernen Füßen.« (Meyer 2011: 86) Nachdem die konzeptionellen Prämissen von Huntingtons Theorie kritisch beleuchtet wurden, geht es im folgenden Kapitel um den Kern von Huntingtons Argumentation: Frontlinie und Ursachen von Konflikten.

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Teil B: Huntingtons »Clash of Civilizations«: Thesen und Kritik

IV. Frontlinie und Ursachen von Konflikten als Kritikansatz Huntingtons Diagnose und Prognose in Bezug auf Frontlinie und Ursachen von Konflikten in der Welt kann in drei Aspekte differen­ ziert werden. Aus dem »Clash of Civilizations«- Theorieansatz leitet sich die Erwartung ab, dass die folgenden Phänomene die Konflikt­ landschaft dominieren: 1. 2. 3.

Kriege und Konflikte zwischen Staaten, die verschiedenen Zivili­ sationen angehören Bürgerkriege entlang zivilisatorischer Bruchlinien Dominanz von Religionskonflikten bzw. von religiös legitimier­ ter Gewalt auf allen Ebenen (interstaatlich, innerstaatlich, trans­ national).

Da Huntingtons Zivilisationen primär religiös definiert sind, spielt Religion in allen drei Phänomenen eine wesentliche Rolle. Zugespitzt lautet die These, dass Religion der entscheidende Faktor für politische Gewaltkonflikte ist. Die Hauptrolle gibt Huntington dabei dem Islam. 2001 kondensierte er seine Thesen so: »Muslim wars have replaced the cold war as the principal form of international conflict. These wars include wars of terrorism, guerrilla wars, civil wars and interstate conflicts.« (Huntington 17.12.2001) Dieses Kapitel setzt sich mit Huntingtons Konfliktthese ausein­ ander. Aufgrund der Weite und interdisziplinären Natur der Thematik kann dies nur mit selektiven Ansatzpunkten erfolgen. Dabei wer­ den unter anderem sowohl theoretisch-konzeptionell Huntingtons Annahmen zu Religion bzw. Islam und Gewalt kritisiert als auch aus der Perspektive der empirischen Friedens- und Konfliktforschung andere Zusammenhänge für vermeintliche Zivilisationen- oder Reli­ gionskonflikte aufgezeigt. Im Folgenden wird zunächst ein knapper Aufriss der akademischen Debatte um die Konfliktthese präsentiert.

IV.1 Die Debatte um Huntingtons Konfliktthese und ihre akademische Verortung Huntingtons Konfliktthese löste ein großes akademisches Echo aus, wobei Kritik dominierte, wie hier in einem exemplarischen Ausschnitt der Debatte dargelegt wird.

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IV. Frontlinie und Ursachen von Konflikten als Kritikansatz

Sowohl Huntingtons Diagnose als auch seiner Prognose, dass Zivilisationenkonflikte die globale Politiklandschaft prägen, wird widersprochen. Zum einen wird argumentiert, dass die Gegenbei­ spiele überwiegen, d. h. Auseinandersetzungen, die nicht zwischen, sondern innerhalb der vermeintlichen Zivilisationen stattfinden. Zum anderen werden Huntingtons Belege für Zivilisationen- bzw. Religionskonflikte kritisch hinterfragt, und andere Interpretationen als dominante Konfliktlinien gezeichnet. Auch wenn Huntington nicht darin zugestimmt wird, dass Zivi­ lisationenkonflikte die dominante neue Konfliktstruktur in der Welt darstellen, so wird doch von vielen beigepflichtet, dass die Ausein­ andersetzungen in der Weltpolitik zwischen Vertretern verschiede­ ner Zivilisationen im Allgemeinen und zwischen »westlichen« und »muslimischen« Akteuren im Speziellen zunehmen. Doch auch in Bezug auf diese Einschätzung kritisieren einige, dass die tieferen Ursachen für Zivilisationenkonflikte nicht in Kultur oder Religion, sondern in anderen, meist sozioökonomischen Faktoren lägen. Es wird argumentiert, dass die meisten gewaltsame Konflikte sowohl auf der internationalen als auch auf der binnenstaatlichen Ebene immer noch durch traditionelle Faktoren bedingt seien, nicht etwa durch Kultur. »Realpolitik« statt »Religion« – so könnte man viele Antwor­ ten auf Huntington betiteln. Die überwiegende Zahl der Rezipienten stimmt Huntington darin zu, dass religiöse und kulturelle Gruppen­ identität eine Rolle für die (internationale) Politik spielen. Sie werfen Huntington jedoch vor, dass er seinen Fokus einseitig auf diesen Faktor richte und Kultur gegenüber wirtschaftlichen, politischen und sozialen Variablen überbewerte. In Auseinandersetzung mit Huntington wurden zahlreiche empirische Studien durchgeführt, die die gewaltsamen Konflikte seit 1990 analysieren. Verschiedene quantitative Untersuchungen kön­ nen nicht bestätigen, dass die gewaltsamen Konflikte nach dem Ende des Kalten Krieges religiös und kulturell motiviert seien.45 Eine Studie von Jonathan Fox beispielsweise ergab, dass zwischen 1990 und 1998 weder Zahl noch Intensität der Konflikte zwischen dem Westen und dem Islam zugenommen haben. In diesem Zeitraum standen sich in 6,9 Prozent der ethnischen Konflikte »der Westen« und »der Islam« feindlich gegenüber. Dies war fast zweimal weniger als die Zahl der 45 Siehe z. B. Henderson/Tucker 2001; Chiozza 2002; Russett/Oneal 2001: 239– 270; Fox 2001: 464; Bertelsmann Stiftung 2010.

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Teil B: Huntingtons »Clash of Civilizations«: Thesen und Kritik

ethnischen Konflikte, die sich gleichzeitig innerhalb der islamischen Zivilisation abspielten (13,8 Prozent). (Fox 2001: 464; Fox 2002) Die Forschung ist sich weitgehend einig, dass weder die bewaffneten Konflikte zwischen Staaten aus unterschiedlichen Kulturkreisen zuge­ nommen haben, noch ein Trend zu religiös homogenen Allianzen in der internationalen Politik erkennbar ist. Stattdessen dominieren Konflikte innerhalb einer Zivilisation das Bild. Hier nannte Pierre Hassner die Konflikte zwischen Tutsi und Hutu, zwischen Schiiten und Sunniten, zwischen Paschtunen und Tadschiken und zwischen Türken und Kurden. (Hassner 1996: 64) Stephen Walt belegte anhand von Huntingtons eigenen Schautafeln die Tatsache, dass intrazivilisa­ torische Konflikte um 50 Prozent häufiger auftraten als interzivilisa­ torische. (Walt 1997: 185f) Die Konflikte des Nahen Ostens werden als primär intrazivilisatorisch angeführt, da sich dort Muslime gegen­ überstehen: bewaffnete nicht-staatliche Akteure wenden Gewalt und Terror in ihrem Kampf gegen staatliche Regime an. (Khakee 2018: 88) Bilgrami widersprach in seinem Aufsatz »The clash within civilizati­ ons« der These vom Kampf der Kulturen mit der Gegenthese, dass der entscheidende »Clash« innerhalb der islamischen Zivilisation stattfinde, nämlich zwischen »absolutistisch« d. h. fundamentalistisch und »moderat« bzw. säkular orientierten Muslimen, wobei letztere die große Mehrheit darstellten. (Bilgrami 2003: 88–89) Die gleiche Position vertraten der Religionswissenschaftler Reza Aslan (2005: 248), der Terrorismus-Experte Richard Clarke (25.4.2004), sowie der Konfliktforscher Syed Mansoob Murshed (2013). Huntingtons empirischen Beispielen für seine These von den interzivilisatorischen Frontstellungen wird oftmals widersprochen. Seine Diagnose der Fallbeispiele wird kritisch hinterfragt, und eine andere Interpretation konkreter Konflikte geliefert. In diesem Sinn argumentierte Walt – wie auch Hassner (1996: 66) –, dass der Jugo­ slawien-Krieg in seiner Gesamtheit eher ein Gegenbeleg für Hunting­ tons These sei, als der Beweis, den Huntington in ihm sah. (Walt 1997: 185)46 Todorov (2010) warf Huntington vor, dass er politische und soziale Konflikte mit religiösen bzw. zivilisatorischen Konflikten verwechsle. Mottahedeh legte detailliert dar, dass von Huntingtons 46 Chris Hedges schrieb dazu in seiner Kriegsanalyse: »Look not to religion and mythology and warped versions of history to find the roots of these conflicts, but to the warlords who dominated the Balkans. It took Milošević four years of hate propaganda and lies […] before he got one Serb to cross the border into Bosnia and begin the murderous rampage that triggered the war« (Hedges 2002: 23).

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IV. Frontlinie und Ursachen von Konflikten als Kritikansatz

empirischen Beispielen zahlreiche viel fragwürdiger sind, als sie auf den ersten Blick erscheinen. (Mottahedeh 2003) Anna Khakee resümierte kritisch: »Huntington may have created a sweeping and richly illustrated account, but breadth here becomes a main weakness: scratch the surface of an at first glance plausible set of illustrative cases, and another, more complex, pictures emerges«. (Khakee 2018: 89) Michael Mazarr versuchte, Huntington mit dessen eigenen Argu­ menten zu widerlegen: Etliche Punkte, warum kulturelle Unterschiede Konflikte beförderten, sprächen vielmehr für eine andere Hypothese als die von Huntington vertretene: Die Ursachen von Konflikten seien sozioökonomischer Natur, und Kultur nur ein Vorwand. »Culture becomes a tactic, a tool, not a fundamental cause of conflict itself; and the necessary policy responses are to address, not culture on its own terms, but the socioeconomic circumstances that bring culture to the fore.« (Mazarr 1996) Mazarr bezieht sich auf Ernest Gell­ ners Nationalismus-Forschungen und dessen Erkenntnis, dass Kultur allein, ohne sozioökonomische Spannungen, nicht zu nennenswertem Nationalismus führt (Gellner 1983). Von etlichen wird argumentiert, dass die sich als kulturell präsentierenden Konflikte im Kern durch das globale und intrastaatliche Wohlstands- und Entwicklungsgefälle bedingt seien. So Ronald Steel: »[T]he most dangerous fault lines are internal rather than external. […] They are between the modernists and the traditionalists […] They are between the haves and have-nots of the world«. (Steel 1996) Das vermeintlich zivilisatorische Aufbe­ gehren in der muslimischen Welt war laut Norman Paech eine ver­ spätete Dekolonisationsbewegung. (Paech 1994) Die Konfliktforscher Richard Rubenstein und Jarle Crocker widersprachen Huntington mit dem Argument, dass die Konfliktlösung relativ einfach sein müsste, wenn man es mit kulturellen Konfliktgründen zu tun hätte. Denn in rein kulturellen Konflikten gehe es um Güter wie Anerkennung und Identität, und diese seien nicht knapp. (Rubenstein/Crocker 1994: 127) Innerhalb des Fokus‘ auf »weichere« Konfliktgründe wurde von Walt argumentiert, dass Nationalismus ein bedeutsamerer Faktor für Konflikte sei als Kultur bzw. Religion. (Walt 1997: 187f.) Für Meyer ist Huntingtons Modell vordergründig durch zwei Phänomene gestützt: die tatsächliche Bedeutung, die Kultur für das politische Handeln habe, und das Erstarken des politischen Funda­ mentalismus in nahezu allen Kulturen der Welt. (Meyer 2011: 83) Doch Huntingtons Rückschlüsse aus diesen Beobachtungen seien falsch. Meyer argumentierte, dass die entscheidende globale kultu­

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Teil B: Huntingtons »Clash of Civilizations«: Thesen und Kritik

relle Bruchlinie nicht zwischen den Zivilisationen verlaufe, sondern zwischen Verfechtern der Moderne und den – in allen Gesellschaften anzutreffenden – religiösen Fundamentalisten. (ebd.: 92; 110; 146– 147) Dieter Senghaas positionierte sich explizit gegen Huntington. In seinem Werk »The Clash within Civilizations« formulierte er seine Gegenprognose: »Rivalries, struggles over political elimination and hegemony within the different cultural regions will be far more decisive than the supposed common interest of fictive mass collec­ tives.« (Senghaas 2005: 89–90) Statt einer geopolitisch determinier­ ten Makro-Konfliktstruktur sieht er entgegengesetzte Vorstellungen von politischer Ordnung in einem Wettstreit, der sich vor allem inner­ halb von Gesellschaften manifestiere. (ebd.: 100) Später ergänzte er seine gegen die »Clash of Civilizations«-These gerichtete Position um die weiter gefasste Diagnose, dass es gegenwärtig in vielen Gesell­ schaften einen bedeutsamen Kampf zwischen pro- und antiwestlichen Vorstellungen bzw. zwischen autokratischen und liberal-demokrati­ schen Kräften gebe. (Senghaas 2017)

Sozialwissenschaftliche Kontextualisierung Die akademische Debatte um Huntingtons Konflikt-Thesen kann in einem größeren sozialwissenschaftlichen Zusammenhang gesehen werden. Scott Appleby (2015) identifiziert drei Lager in der Forschung zum Themenkomplex Religion und Konflikt:47 »strong religion«, »weak religion« und »pathological religion«. Das erste Lager betrach­ tet Religion als eigenständige Quelle oder Rechtfertigung für tödliche Gewalt bzw. stellt bestimmte religiöse Praktiken oder Glaubensüber­ zeugungen als entscheidende Elemente in gewalttätigen Bewegungen dar, wobei sozioökonomische Faktoren und andere Motivationen sekundär sein können. Das »weak religion«-Lager hingegen sieht Religion als eine abhängige Variable in tödlichen Konflikten, deren Hauptursache säkularer Natur ist (beispielsweise Verteilungskon­ flikte oder Nationalismus). Die dritte von Appleby charakterisierte Gruppe geht von »pathologischer Religion« als Konflikttreiber aus. In dieser Sicht ist religiöser Extremismus eine Form von psycho-sozia­ ler Normabweichung der jeweiligen Akteure, egal ob säkular oder 47 Für Bibliographien zum Themenkomplex Religion in Gewaltkonflikten und Frie­ densprozessen siehe Wilhelmy 2007, Silvestri/Mayall 2015: 14–45 sowie Mon­ talvo/Reynal-Querol 2019.

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IV. Frontlinie und Ursachen von Konflikten als Kritikansatz

religiös konnotiert. Eine verwandte Kategorisierung der sozialwissen­ schaftlichen Zugänge zur Rolle von Religion in Konflikten nehmen Volker Rittberger und Andreas Hasenclever vor. Sie identifizieren drei Hauptansätze: Primordialisten, Instrumentalisten und Konstruk­ tivisten. (Rittberger/Hasenclever 2005: 137; Hasenclever/Rittberger 2000)48 Applebys »strong religion« Strömung deckt sich mit den Primordialisten, während sein »weak religion« Lager bei Rittberger und Hasenclever in Instrumentalisten und Konstruktivisten weiter differenziert ist. Für die Primordialisten sind religiöse Überzeugungen eigenstän­ dige Wirkmächte in der internationalen Politik. Sie erscheinen als genuine Antriebskräfte menschlichen Denkens, Wertens und Han­ delns, die Angehörige unterschiedlicher Glaubensrichtungen gegen­ einander aufbringen und regelmäßig in gewaltsame Konflikte treiben. Religiöse Überzeugungen legen fest, wer als Freund und wer als Feind gilt, mit wem kooperiert werden kann und wer zu bekämpfen ist. Den Primordialisten diametral gegenüber stehen die Instrumen­ talisten. Diese sind der Überzeugung, dass innerstaatliche und zwi­ schenstaatliche Kriege immer durch divergierende handfeste mate­ rielle und politische Interessen ausgelöst werden. In Bezug auf Bürgerkriege analysiert beispielsweise Senghaas: »Distribution con­ flicts […] form the core of the conflicts and must be judged as primary factors. The chances for education, upward mobility, qualified positions, for status, incomes and political participation are essential, rather than the kind or intensity and even less the contents of religion.« (Senghaas 2005: 75–76) Falls Religion eine Rolle spielt, dann in dem Sinn, dass sie von den Eliten zur Mobilisierung der Massen instrumentalisiert wird.49 Zwischen Religion und Konflikt besteht somit nur ein Scheinzusammenhang. Was als weltweite Renaissance der Religionen diskutiert wird, betrachten Instrumenta­ 48 Diese begriffliche Klassifizierung wird zum Teil auch in anderer Bedeutung ver­ wendet. Für Fox und Sandler (Fox/Sandler 2004) beispielsweise schließen sich primordialistische und instrumentalistische Ansätze nicht gegenseitig aus, und der Konstruktivismus ist in ihrer Begriffsverwendung keine Mittelposition, sondern ein radikaler Ansatz. 49 Siehe z. B. Senghaas‘ Argumentation: »Cultural conflicts arise […] when, for want of other power resources, language, religion and history are mobilized and instrumentalized for specific purposes. But the cultural sources are resorted to not for their own sake but for the sake of power, and the interpretation of the sources is not inspired by the relevant text, but by power.« (Senghaas 2005: 88)

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Teil B: Huntingtons »Clash of Civilizations«: Thesen und Kritik

listen als Epiphänomen von Macht- und Wohlfahrtskonflikten zwi­ schen konkurrierenden Gruppen. Die Konstruktivisten stellen die dritte Gruppe dar. Sie gehen prinzipiell von sozioökonomischen, nicht kulturellen Konflikten aus, räumen Religion aber den Status einer eigenständigen und gewichti­ gen intervenierenden Variablen ein. Kultur bzw. Religion erachten sie als wirkmächtigen Faktor in im Ursprung anders bedingten Konflik­ ten. Huntington ist den Primordialisten bzw. dem »strong religion«Lager zuzuordnen. Er ist die zentrale Referenz für das Argument, dass Religion eine Hauptursache für Gewaltkonflikte auf der interna­ tionalen und binnenstaatlichen Ebene ist. (Silvestri/Mayall 2015: 14–15) José Montalvo und Marta Reynal-Querol urteilen, dass Hun­ tingtons »Clash of Civilization« ein so grundlegendes Werk für den Forschungskomplex Religion und Gewaltkonflikt sei wie Max Webers Klassiker »Die Protestantische Ethik und der Geist des Kapi­ talismus« für das Feld Religion und wirtschaftliche Entwicklung. (Montalvo/Reynal-Querol 2019: 249) Es kann argumentiert werden, dass eine Vielzahl von sozialwissenschaftlichen Publikationen zur Frage der Gefährlichkeit der Religionen von der Huntington-Debatte induziert wurde. (Brocker 2008: 9) Was die Perspektive der Instrumentalisten, der Konstruktivisten und des »pathological religion« Lagers stützt, widerspricht gleichzei­ tig den Primordialisten – und der These Huntingtons.

IV.2 Religionskonflikte: Gewaltkonflikte um und wegen Religion? Eine Grundannahme der Primordialisten ist die Existenz genuiner »Religionskonflikte« bzw. »Religionskriege«. Wenn man von gewalt­ tätigem Religionskonflikt spricht, so ist konzeptionell zu unterschei­ den zwischen inhaltsbasierten Religionskonflikten – also Konflikten, in denen um religiöse Themen und Inhalte gestritten wird – und iden­ titätsbasierten Religionskonflikten – d. h. Auseinandersetzungen, bei denen die Konfliktparteien unterschiedliche religiöse Identitäten haben. (Svensson/Nilsson 2018; 1131–1135) Fasst man beide Krite­ rien eng, so ist ein Religionskonflikt entweder ein Konflikt, bei dem Religion der Konfliktgrund ist, weil a) zentral um religiöse Inhalte und Themen gestritten wird oder b) sich die Konfliktparteien gegenüber­ stehen, weil sie verschiedenen Religionsgemeinschaften angehören.

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IV. Frontlinie und Ursachen von Konflikten als Kritikansatz

Noch zu Beginn des 21. Jahrhunderts kam das Wort »Religion« in den Statistiken der Friedens- und Konfliktforschung so gut wie nicht vor. Das Forschungsfeld Religion und Konflikt ist eine sehr junge Disziplin. (Gopin 2015: 356; Appleby 2015: 33–34) Viele betrachteten das Konzept der Religionskriege, das heißt Kriege, die aus rein religiösen Motiven geführt werden, etwa zur Verbreitung der eigenen Religion oder zur Bekämpfung von Gegnern oder religiösen Dissidenten, als empirisch irrelevant. (Haußig 2009: 350; Desai 2.4.2007) Forschungsinstitute wie die Hamburger Arbeitsgemein­ schaft Kriegsursachenforschung (AKUF), die Friedens- und Konflikt­ forschung der Universität Tübingen oder das Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung (HIIK) bewerteten Religion und Kultur als bestenfalls sekundären Faktor in den gewaltsam ausge­ tragenen internationalen und innerstaatlichen Konflikten. Mit dem Erstarken des islamistischen Terrorismus, allen voran ISIS, änderte sich die Betrachtungsweise. Das Erkenntnisinteresse richtete sich nicht nur auf diesen Terrorismus, sondern auch auf das Thema Reli­ gion im Allgemeinen.50 Das Forschungsfeld Religion und Konflikt ist en vogue.51 Sara Silvestri und James Mayall warnen davor, nun den Faktor Religion überzubewerten und irrigerweise in allen Konflikten zu vermuten, nachdem er bis ins 21. Jahrhundert hinein von der Politikwissenschaft missachtet worden war. (Silvestri/Mayall 2015: 2–3; 70) Cavanaugh (2009) weist auf die Gefahren hin, die damit einhergehen, Religion überproportional zu bemühen. Tiefere Kon­ fliktgründe und -strukturen würden so übersehen oder verschleiert. Isak Svensson und Desirée Nielsson stellten 2018 eine umfas­ sende »Religion and Armed Conflict« (RELAC) Datenbank vor, die »religiöse« Konflikte zwischen 1975 und 2015 analysiert, und einen drastischen Anstieg dieser Konflikte markiert. (Svensson/Nilsson 2018) Die Autoren sehen einen Nutzen der Datenbank darin, dass mit ihr Huntingtons These von der Dominanz interzivilisatorischer Konflikte untersucht werden kann. (ebd.: 1143) Die »religious con­ flicts«, die in die Datenbank einfließen, sind aber weit gefasst: Es 50 Siehe z. B. die Argumentation von Svensson/Nielsson 2018: 1127: »The emer­ gence of the Islamic State (IS) in Syria, Iraq, and elsewhere epitomizes the importance of religiously defined conflicts in today’s world.« 51 Publikationen mit einschlägigen Titeln wie »God at War« (Juergensmeyer 2020), »Gewalt als Gottesdienst« (Kippenberg 2008), »Sind Religionen gefährlich?« (Schie­ der 2008), »Unfriedliche Religionen?« (Hildebrandt/Brocker 2005) und »Im Namen Gottes: Religion und Gewalt« (Armstrong 2014) überfluten den Markt.

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Teil B: Huntingtons »Clash of Civilizations«: Thesen und Kritik

wurden alle Konflikte aufgenommen, die eine inhaltsbasierte oder identitätsbasierte religiöse Dimension haben, egal ob diese Dimen­ sion eine primäre oder sekundäre Rolle im jeweiligen Konflikt spielt. Gleiches ist bei der Politikwissenschaftlerin Monica Toft festzustellen. Sie interpretiert globale Daten zu Bürgerkriegen und stimmt Hunt­ ington zu: »[A]fter the Cold War civil wars in which religion is central have been on the rise, have been particularly bloody and intractable, and over the last several decades have clustered in the Muslim world.« (Toft 2021: 1619) Und weiter: »Islam has bloody innards, if not bloody borders, in reference to Samuel Huntington’s astute observation some two decades ago […R]eligion needs to be considered an important factor in its own right in motivating people to violence«. (ebd.: 1626) Sie zeichnet alarmierend eine Zunahme in Bezug auf Häufigkeit und Intensität von »religious civil wars«. Bei näherer Betrachtung stellt sich heraus, dass sie »Religionskrieg« sehr weit definiert als: »a war in which religious belief or practice is either a central or peripheral issue in the conflict«. (ebd.: 1608) Was als Religionskrieg in den Statistiken und Analysen angeführt wird, ist also oft ein Konflikt, bei dem Religion lediglich eine nebensächliche Rolle spielt. Aufgrund der fragwürdigen Klassifizierung von einzelnen empi­ rische Gewaltkonflikten als »Religionskonflikte« ist es also problema­ tisch, in diesen Statistiken und Publikationen eine Bestätigung für Huntingtons Prognose zu sehen. Blickt man auf einen gewaltsam ausgetragenen Konflikt, bei dem sich Angehörige unterschiedlicher Kulturen oder Religionen gegen­ überstehen, darf nicht automatisch gefolgert werden, dass dieser Konflikt um religiös-kulturelle Unterschiede kreist oder religiös moti­ viert ist. In den Konfliktmustern zeigt sich nach wie vor, dass die große Mehrheit von gewaltsamen innenpolitischen Konflikten die Folge von Staats- oder Wirtschaftskrisen ist. Bürgerkriege sind ein Armutsphänomen – stabile Demokratien oder Diktaturen sind weit weniger gewaltanfällig, und zwar unabhängig von ihrer kulturellen Diversität. (Rittberger/Hasenclever 2005: 138) Chris Hedges kommt in seinen Kriegsanalysen zu dem Ergebnis, dass die Wahrnehmung von Gewaltkonflikten wie denen zwischen orthodoxen Serben und muslimischen Bosniern als Religionskriege falsch ist: »The ethnic conflicts and insurgencies […] are not religious wars. They are not clashes between cultures or civilizations, nor are they the result of ancient ethnic hatreds. They are manufactured wars, born out of the

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IV. Frontlinie und Ursachen von Konflikten als Kritikansatz

collapse of civil societies, perpetuated by fear, greed, and paranoia, and they are run by gangsters, who rise up from the bottom of their own societies and terrorize all […] Often, none of this is apparent from the outside. We are quick to accept the facile and mendacious ideological veneer that is wrapped like a mantle around the shoulders of those who prosecute the war.« (Hedges 2002: 22)

In der Tat dominiert in der breiten Öffentlichkeit in Bezug auf den Faktor Religion in Konflikten eine verkürzte Wahrnehmung, die sich mit Huntingtons Tunnelblick auf die Konfliktrelevanz von Religion deckt. In Nigeria beispielsweise kommt es immer wieder zu gewalt­ tätigen Auseinandersetzungen, die vor allem auch in den Medien als Konflikt zwischen Christen und Muslimen rezipiert wird. Doch sind die tieferen Ursachen eher Armuts- und Verteilungsprobleme, beispielsweise in der Beziehung zwischen muslimischen Fulani-Hir­ ten und christlichen Bauern. Im Zuge des Klimawandels wird es für die Hirten immer schwieriger, Weidegrund für ihre Herden zu finden, was dann bisweilen dazu führt, dass diese die Pflanzen der Bauern fressen – gewalttätige Auseinandersetzungen sind oft die Folge. (Dittrich 10.6.2022)52 Ein klassischer Fall, an dem sich die Simplifizierung als Religionskonflikt zeigt, ist der Nordirlandkonflikt: »[S]urely religion has been at the root [eigene Hervorhebung] of much violence throughout human history, and […] still is in Northern Ire­ land«, so Huntington. (Huntington 1997: 99) Doch die Mehrheit der Politikwissenschaftler ist sich darin einig, dass der Nordirlandkonflikt entgegen der weit verbreiteten Annahme kein Religionskonflikt zwi­ schen Protestanten und Katholiken ist.53 Es handelt sich vielmehr um einen gewaltsam ausgetragenen Konflikt konkurrierender sozio-poli­ tischer Identitäten um politische Hegemonie bzw. Autonomie und damit um politische Loyalitäten, soziale Chancen und ökonomische Ressourcen. (Hildebrandt 2005: 28) Der Konflikt weist eine fünffache Konfliktlinie auf: sozioökonomisch, politisch, historisch-ethnisch, 52 Selbst wenn in den Medien die komplexeren Zusammenhänge erläutert werden, bleibt der Tenor der Darstellungen oft dennoch verkürzt. Beispielsweise machte der interviewte Experte Adrian Kriesch im Deutschlandfunk deutlich, dass es sich in Nigeria nicht um religiöse Konflikte handle, sondern um das Armuts- und Ressour­ cenproblem des Landes. Dennoch lautet der Titel dieses Radiobeitrages »Land, Macht, Glaube: Adrian Kriesch über religiöse Konflikte in Nigeria« (Dittrich 10.6.2022). 53 Für die Forschung zum Nordirlandkonflikt siehe Moltmann 2007; Ruane/Todd 2003; Valandro 2006. Speziell zur religiösen Dimension im Nordirlandkonflikt siehe Moltmann 2005.

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psychologisch und konfessionell. Die konfessionelle Konfliktlinie hat größere Relevanz in ihrer Funktion als »ethnic marker«, der den sich gegenüberstehenden Parteien einen Namen verleiht, denn als eigenständiger Faktor im Konflikt. Huntingtons Fehleinschätzung des Nordirlandkonflikts kann als Lehrstück für die Dekonstruktion vermeintlicher Religionskonflikte herangezogen werden. Die Multidimensionalität trifft nicht nur auf den Nordirlandkonflikt zu. Wenn ein Konflikt eine religiös-kulturelle Dimension hat, so ist dies nur eine – meist sekundäre – Begründung für die Auseinandersetzung. Zu nennen sind hier beispielsweise der Israel-Palästina-Konflikt, der Bürgerkrieg in Sri Lanka zwischen buddhistischen Singhalesen und hinduistischen Tamilen und die Aus­ einandersetzungen zwischen Indien und Pakistan. Die empirischen Beispiele religiös aufgeladener Gewaltkonflikte weisen folgende Gemeinsamkeit auf: Sie haben vielfältige Ursachen und Motive, die sowohl politische, soziale, ökonomische, ethnische, nationale als auch theologische und religiöse Aspekte umfassen. (Hildebrandt 2005: 25)

IV.2.A Religiöse Identitäten und Unterschiede als Konfliktursachen? Huntingtons konzeptionelle Prämisse, dass religiöse Unterschiede per se zu Konflikten führen, kann hinterfragt werden. Er geht davon aus, dass die Existenz verschiedener Zivilisationen und Kulturen – die er vor allem religiös markiert sieht – und deren Aufeinandertreffen mit großer Wahrscheinlichkeit einen gewaltsamen »clash« erzeugen. Mit dem Ende des Kalten Krieges seien überdeckende Spannungen weggefallen, und somit Raum für das Austragen der zu erwartenden interreligiösen und interkulturellen Spannungen entstanden. Meyer deckt die fragwürdige anthropologische Prämisse hinter dieser These auf: »Huntington setzt […] voraus, dass eine andere Kultur wahrneh­ men, die Unterschiede erkennen, sie ablehnen und sich in der Ableh­ nung zu ihrem Gegner machen, ein einziger Akt sei, der als Reaktion in jedem Menschen abläuft, sobald Kulturen einander nahe kommen.« (Meyer 2011: 85) Die sogenannte Differenzthese ist sowohl in histo­ rischer Perspektive als auch durch die gegenwärtige Konfliktforschung in ihrer Einfachheit widerlegt. (Baumgart-Ochse 2.6.2016) Exempla­ risch ist ein Sammelband zum Thema »Religiöse Identitäten in politi­ schen Konflikten« (Werkner/Hidalgo 2016) anzuführen, der sowohl empirisch als auch theoretisch der Frage nachgeht, wie konfliktrele­ vant religiöse Identitäten sind. Ergebnis ist, dass die These nicht

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haltbar ist, dass aus verschiedenen religiösen Identitäten zwangs­ läufig Freund-Feind-Konstellationen resultieren, die wiederum zu handfesten innergesellschaftlichen sowie internationalen Konflikten führen. Ein Ergebnis der empirischen Konfliktforschung ist, dass religiöse Identitäten oftmals dann gewaltrelevant sind, wenn sich die jeweilige religiöse Gemeinschaft gegenüber ihrer sozialen und politi­ schen Umwelt in der Defensive und bedroht fühlt. In diesem Fall wird jeder Angriff auf religiöse Regeln und Traditionen als persönlicher Angriff und als Angriff auf das Leben der gesamten Gemeinschaft empfunden. (Baumgart-Ochse 2.6.2016) Die Funktion von Religion als »ethnic marker«, wie sie in Kon­ flikten wie dem in Nordirland festzustellen ist, verweist auf die Annahme der Instrumentalisten, dass Religion bewusst von politi­ schen Kräften instrumentalisiert werden muss, um konfliktrelevant zu sein. Der Konfliktflorscher Avruch beschreibt den Prozess, Kultur in Konflikte zu bringen, so: »Objectively speaking, it can take a very little bit of cultural content – cultural difference – to mark off one ethnic group from another; and […] the choice of that content (from fictive kinship to religion, from language to dress) can be labile in the extreme. Ethnicity utilizes bits of culture that have been objectified by political actors, projected publicly, and then resourcefully deployed by actors for political purposes [… G]roups in conflict are not fighting about culture, but with culture.« (Avruch 2016: 56)

Auch Aslan betont, dass Religion nicht Konfliktursache ist, sondern vor allem insofern konfliktrelevant ist, als sie als Marker für kollektive Identität dient, als »the simplest, most effective means of saying who is us and who is them.« (Aslan 2021: 104)54 Todorov spitzt mit einem Argument aus dem »weak religion«-Lager zu: »[I]t is not identities in themselves that cause conflicts, but conflicts that make identities dangerous.« (Todorov 2010: 94) Im Hinblick auf religiöse Pluralität innerhalb von Gesellschaften kommen Gert Pickel et al. In ihren empirischen Forschungen zu dem Ergebnis, dass es nicht Diversität an sich ist, die konfliktrelevant ist, sondern die Reaktion auf religiösen Pluralismus. Bedrohungsgefühle werden durch eine Kombination von Diversitätswahrnehmung und Vgl. hierzu auch Charles Taylor: »National mobilization requires a strong common identity. But it will often be the case that this can only, or best, be found through a religious or confessional marker.« (Taylor 2016: 20) 54

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Vorurteil generiert. (Pickel at al. 2016: 116) Religionszugehörigkeit ist weniger als Identitätsgefühl konfliktträchtig, sondern als Markie­ rungstool für die Fremdidentitätszuschreibung: »Der Bedeutungsgehalt religiöser Identitäten für politische Konflikte ergibt sich weniger aus der Zugehörigkeit zu einer Religion, damit verbundenen Gewalthandlungen und Abgrenzungen als vielmehr in Reaktion auf Bedrohungsgefühle, die Bevölkerungsteile mit anderen religiösen Identitätsgruppen verbinden. Ob diese Referenzgruppen wollen oder nicht, ihre religiöse Zugehörigkeit wird als Identifikations­ merkmal genommen und sie werden mit dem Label ihrer Religion der kollektiven Gegengruppe identifiziert. […S]elten sind es die religiösen Personen, welche den Konflikt hervorbringen, sondern oft ist es die gemeinsame Ablehnung anderer – über ihre Religion konstruierter – Sozialgruppen.« (ebd.: 117)

Indirekt argumentiert auch Said, dass es das Verwenden von bestimmten Etiketten für andere Menschengruppen ist, das konflikt­ fördernd ist.55 Douglas Pratt elaboriert in seinem Werk »Religion and Extremism« (Pratt 2017), dass Ablehnung von Diversität eine Haltungsoption ist, und diese dann zu religiösem Extremismus – und in einem zweiten Schritt zu Gewalt – führt. Zusammengefasst ist festzuhalten, dass der von Huntington angenommene Zusammenhang zwischen religiöser Diversität und Gewaltkonflikt kein unmittelbarer ist, sondern durch komplexere Prozesse bedingt ist. Die Fremdidentitätszuschreibung scheint dabei eine größere Rolle zu spielen als die Selbstidentifikation einer Gruppe. Religiöse und kulturelle Identitäten und Unterschiede allein sind wenig »wirksam« für das Entstehen eines Gewaltkonfliktes – was gegen das Huntington’sche Konzept der Religions- bzw. Zivilisa­ tionenkriege spricht.

55 Siehe z. B. Said 22.10.2001: »How […] inadequate are the labels, generalizations and cultural assertions. At some level […] primitive passions and sophisticated know-how converge in ways that give the lie to a fortified boundary not only between ›West‹ and ›Islam‹ but also between […] us and them […] A unilateral decision made to draw lines in the sand, to undertake crusades, to oppose their evil with our good. […] doesn't make the supposed entities any easier to see; rather, it speaks to how much simpler it is to make bellicose statements for the purpose of mobilizing collective passions than to reflect, examine, sort out what it is we are dealing with in reality, the interconnectedness of innumerable lives, ›ours‹ as well as ›theirs.‹”

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IV. Frontlinie und Ursachen von Konflikten als Kritikansatz

IV.2.B Islamistischer Terrorismus als religiöse Gewalt? Huntington selbst (Huntington 17.12.2001) und nicht wenige seiner Kritiker sahen seine Theorie durch das Erstarken des islamistischen Terrorismus bestätigt. (Betts 2013: 74) Symptomatisch hierfür ist das Zeugnis des ehemaligen Chefredakteurs des deutschen Magazins Cicero, Christoph Schwennicke: »[N]ach dem 11. September 2001 gab es Anlass, darüber nachzuden­ ken, ob Huntingtons Erklärung nicht einfach stimmte. Ob wir nur nicht hören wollten, was er sagte, weil der Befund so bitter ist. Dass Konflikte dort entstehen, wo große, religiös geprägte Weltkulturen aufeinander­ prallen – und dass der Islam ›an seinen Rändern blutig‹ sei. Nach den Attentaten von Paris und den Massenmorden der Boko Haram in Nige­ ria zeigt sich für mich: Huntington hatte recht, und meine [E]mpörun­ gen [über seine Thesen] waren borniert.« (Schwennicke 28.1.2015)

Ein erster Einwand gegen eine Interpretation des islamistischen Terrorismus als Bestätigung von Huntingtons These vom Kampf der Zivilisationen ist, dass sich diese Gewalt nicht nur gegen den Westen, sondern gerade auch gegen Muslime richtet. Im Nahen Osten wenden nicht-staatliche Akteure Gewalt und Terror in ihrem Kampf gegen staatliche Regime an. Die meisten Opfer islamistischen Terrorismus‘ sind weltweit Muslime. Die Konfliktlinie, auf die der islamistische Terrorismus verweist, verläuft also nicht nur zwischen Religionen oder vermeintlichen Zivilisationen, sondern auch inner­ halb des Islam. Der islamistische Terrorismus scheint allerdings Huntingtons primordialistisches Verständnis von Religionsgewalt zu bestätigen: Gesteht man ein, dass viele Konflikte zwar eine religiöse Dimension haben, aber nicht primär religiös motiviert sind, kann man noch einwenden, dass das Label »Religionsgewalt« zumindest auf eines der präsentesten Gewaltphänomene der Gegenwart, den islamistischen Terrorismus, zutrifft. Doch auch hier ist das Bild differenziert, und sowohl für die Konstruktivisten als auch für das »pathological reli­ gion«-Lager im Forschungskomplex Religion und Gewaltkonflikte finden sich Anhaltspunkte, wie im Folgenden erläutert wird. Dass Religion, eine religiöse Ideologie und religiös verstandene Identitäten eine zentrale Rolle im islamistischen Terrorismus spielen, ist unbestreitbar. Doch beschränkt sich das Phänomen nicht darauf, religiös motivierte Gewalt zu sein. Vielmehr ist es fragwürdig, inwie­ fern die terroristische Gewalt religiös bedingt ist.

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Teil B: Huntingtons »Clash of Civilizations«: Thesen und Kritik

Es ist verkürzt, diesen Terrorismus auf Religion als Kernelement zu reduzieren, ihn zu entpolitisieren und in ihm lediglich eine religiöskulturelle (Un)art zu sehen. Insbesondere in der amerikanischen Öffentlichkeit wird Politik weitgehend aus der Diskussion um den islamistischen Terrorismus herausgehalten und stattdessen oft mit einem Kulturalismus à la »they hate us for who we are not what we do« argumentiert.56 Beispielsweise wurde in den USA Osama bin Ladens zweite Videobotschaft, in dem er erklärte, die Attentate vom 11. September seien ein Racheakt für die in Palästina und im Irak Getöteten, zunächst nicht rezipiert.57 Tony Blair hingegen ließ am 4.10.2001 ein Geheimdienst-Dossier veröffentlichen, das Aussagen von Bin Laden aufgriff, wie zum Beispiel: »The bad terror is what America and Israel are practicing against our people, and what we are practicing is the good terror that will stop them doing what they are doing.« (Hoge 15.11.2001) Von Mohammed Attas Manifest war nur der letzte Teil der Presse bekanntgegeben worden, doch stürzten sich die Interpreten voll und ganz auf die Sichtweise, dass Atta und seine Mittäter lediglich von einem zivilisatorischen und religiösen Hass motiviert gewesen seien und keinerlei politische Agenda oder Forde­ rungen verfolgten. (Abrahamian 2003: 531–532) Kaum Erwähnung finden auch Tatsachen wie die, dass Schreckensbilder aus dem IsraelPalästina-Konflikt zentrales Element in den Al-Qaida Rekrutierungs­ videos sind. (ebd.: 536) Coury illustriert, dass Bin Ladens Rhetorik mehr Gewicht auf einen defensiven, anti-imperialistischen Kampf legte als auf einen göttlich sanktionierten Religionskrieg. Die Themen und Statements reflektierten politisches Kalkül: Die USA und ihre westlichen Verbündeten strebten nach Macht über die muslimische Welt und hätten sich mannigfacher Gewalttaten vielerorts in der mus­ limischen Welt schuldig gemacht. Die Regierungen in vielen musli­ mischen Ländern müssten gestürzt werden, denn sie seien Agenten des westlichen Imperialismus; sie hätten ihr Öl und den Reichtum ihrer Nationen unter anderem mit Waffenkäufen an den Westen ver­ schleudert; sie duldeten amerikanische Truppen auf ihren Gebieten, 56 Insbesondere Präsident George W. Bush vertrat dieses Haltung; so sagte er beispielsweise vor der UN-Generalversammlung: »We face enemies that hate, not our policies, – but our existence – the tolerance and openness and creative culture that define us«. (Bush 10.11.2001) Zur amerikanischen Debatte über die Ursachen islamistischer Gewalt gegen die USA siehe auch Doran 2002. 57 Zur Zensur terroristischer Botschaften in der US-amerikanischen Öffentlichkeit siehe Carter/Barringer 11.10.2001.

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sie hätten die westliche Besatzung muslimischer Länder akzeptiert und bisweilen sogar unterstützt. Aufgrund des Machtungleichge­ wichts müssten sich die Muslime einer Guerilla-Kriegsführung bedie­ nen. Wenn die Konsequenzen für die westlichen Gesellschaften teuer und schmerzhaft genug seien, dann würden diese ihren politischen Kurs wechseln. Daraufhin würden auch die Muslime ihre Angriffe einstellen, und gegenseitige Sicherheit könne etabliert werden. (Coury 2009: 35–36)58 Auch im Fall von ISIS spielt ein ähnliches politisches Kalkül eine Rolle. (Esposito 2019: 26–28) Coury schlussfolgert, dass der islamistische Terrorismus weni­ ger vom Koran inspiriert ist, als von den Strategien und Taktiken von Guerilla-Kämpfern des 20. Jahrhunderts, die sich als nationale Befreiungsbewegungen verstehen. Esposito sieht den Hauptgrund für die Entstehung von Terrororganisationen wie Al-Qaida und ISIS nicht in religiösen, sondern in politischen, ökonomischen und sozialen Fak­ toren. (Esposito 2019: 24; 28) Insbesondere ISIS rekrutiere weniger mit Religion, sondern vielmehr mit dem Argument westlicher Isla­ mophobie und mit dem Versprechen eines besseren Lebens. (ebd.: 28) Instrumentalisten lassen die Frage offen, inwiefern der Terrorismus überhaupt genuin religiös motiviert ist.59 Schneider macht auf die Absurdität aufmerksam, allein im Koran nach Erklärungen für den Terror von Muslimen zu suchen:

Coury zitiert Bin Laden beispielsweise folgendermaßen: »’Contrary to what Bush says and claims – that we hate freedom – let him then tell us why we didn’t attack Sweden. We fight you because we are free and we don’t put up with transgressions … Your security is in your hands … Any nation that does not attack us will not be attacked’ (29 October 2004); ›the American people should remember that they pay taxes to their government, they elect their president, their government manufactures arms and gives them to Israel, and Israel uses them to massacre Palestinians … The American people rose up against their government’s war in Vietnam. They must do the same today. The American people should stop the massacre of Muslims by their government‹ (9 November 2001); ›We ourselves are the targets of killings, destruction and atrocities. We are only defending ourselves. This is defensive jihad … This is why I say if we don’t get security, the Americans, too, will not get security. […] ›We also call upon you to deal with us and interact with us on the basis of mutual interests and benefits, rather than the policies of subjugation, theft and occupation‹ (24 November 2002)«. (Osama Bin Laden, zitiert in Coury 2009: 36) 59 Siehe z. B. Senghaas’ Äußerung zum islamistischen Terrorismus: »Whether such a project is the expression of true religious convictions or just the product of politically opportunistic calculation – or whether it is a combination of both – is a question that at this point can remain unanswered.« (Senghaas 2005: 102) 58

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Teil B: Huntingtons »Clash of Civilizations«: Thesen und Kritik

»[I]s it possible to attribute the rise of ISIS to the Islamic textual tradition while leaving material factors—ranging from the location of oil resources to social media networks, insurgency theory, and the Syrian civil war—mostly unaccounted for? Posed in such stark terms, the absurdity of such an approach becomes evident, and yet the public still encounters a slew of self-appointed experts who read verses from the Qur’an as if there is nothing left to explain.« (Schneider Februar 2016)

Ohne Zweifel ist es verkürzt, islamischen Militantismus nur als Pro­ dukt der inneren Dynamik der islamischen Religion bzw. Zivilisation zu sehen. Beispielsweise darf die historische Unterstützung islamisti­ scher Gruppierungen im Nahen und Mittleren Osten durch die USA, die dadurch gegen sozialistische und pan-arabistische Machthaber und Gruppierungen vorgehen wollten, nicht unterschätzt werden. (Trumpbour 2003: 103; siehe hierzu auch Lüders 2015) Zugespitzt geschlussfolgert: Der Einfluss äußerer Faktoren auf die Genese des islamistischen Terrorismus ist vermutlich größer als der Einfluss des Korans. Grundsätzlich lässt sich islamistischer Terrorismus nicht monokausal erklären. Das Phänomen des islamistischen Terrorismus bestätigt also insofern konstruktivistische Prämissen, als er sich nicht nur aus Religion speist. Die vielfältigen Faktoren für die Gewalt treffen auch auf die Motivationen der einzelnen Täter zu. Die Terroristen weisen unter­ schiedliche Profile, Motive und Ideologisierungsgrade auf. Thorsten Gerald Schneiders legt in seiner Studie zu den Suizidanschlägen von Palästinensern im Israel-Palästina-Konflikte dar, dass diese nicht als primär religiös motiviert bezeichnet werden können. (Schneiders 2006) In Bezug auf ISIS-Kämpfer unterscheidet die sozialpsycholo­ gische Terrorismusforschung drei stark voneinander abweichende Grundtypen, die sehr unterschiedliche Motive für ihre Affiliation mit ISIS haben: erstens einheimische Kämpfer, zweitens aus anderen Gebieten des Nahen und Mittleren Ostens rekrutierte Fremdkämpfer und drittens Jugendliche aus dem Westen. (Sheikh 15.12.2015)60 Die unter der ersten Gruppe Subsummierten schließen sich meist deshalb dem »Islamischen Staat« an, weil sie entweder keine Flucht­ möglichkeit oder keine andere Möglichkeit des Broterwerbs für sich und ihre Familien haben. Oft werden sie von IS »angeworben« mit Zu Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Kategorisierungen von Dschihadisten siehe auch Khosrokhavar 2016.

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der sofortigen Hinrichtung als Alternative, oder ihre sunnitischen Stammesführer haben sich strategisch mit dem IS verbündet und zwingen ihre jungen Männer, in den Kampfeinheiten zu dienen. Bisweilen sehen sie in ISIS die einzige Möglichkeit, ihrer Wut auf ihre Regierung und die US-Invasion mit der damit einhergehenden Zer­ störung und Perspektivlosigkeit Ausdruck zu verleihen. Die zweite Gruppe besteht aus jungen Menschen, die mehrheitlich aus Tunesien, Marokko und Jordanien kommen und dort zu den benachteiligten Bevölkerungsgruppen gehören. Sie haben kaum Aussicht auf eine berufliche Zukunft und damit auf eine Familie. »Mangels Alternative fühlen sie sich vom Jihadi cool angezogen, dem Versprechen von wilden Abenteuern, Ruhm und Ehre – und von der Aussicht auf eine Ehefrau« – so resümiert Sheikh aus zahlreichen Interviews mit ISIS Kämpfern. (ebd.) Eine primär ideologische, dschihadistische Motivation spielt nur in der dritten Gruppe eine signifikante Rolle. Betrachtet man das Phänomen der Hinwendung zu Islamis­ mus und Terrorismus von Muslimen in westlichen Gesellschaften näher, so führt hier eine psychologische Deutung weiter als eine theologische. Dies spricht für das »pathological religion«-Lager der Konfliktforschung. Grundsätzlich ist Gewalt ein Mittel zur Gegen­ kultur, sei es in ihrer vulgären Gestalt – Kriminalität – oder in einer sakralisierten Form wie zum Beispiel dem Dschihadismus. Menschen – insbesondere junge –, die sich einer radikalen Ideologie bzw. Terrorgruppe verschreiben, gab es in allen Generationen – man denke nur an die RAF, FARC oder die IRA – und wird es wohl immer geben. Vielfältig und dem Wandel unterworfen ist nur das ideologische Banner, das der jeweils »moderne« Terrorismus trägt. Olivier Roy (24.11.2015; Roy 2017: 41–74) spricht somit zutreffend von einer »Islamization of Radicalism« (ebd.: 41) im Gegensatz zu einer vermeintlichen Radikalisierung des Islam. »[T]he radicals are not youths who have misread the scriptures, but rebels who choose radicalism and then fit it into an Islamic paradigm«, so bringt er es auf den Punkt. (ebd.: 95) Beim Dschihadismus handelt es sich nicht um den Ausdruck eines Kampfes der Kulturen, sondern einer Kultur des Kampfes, einer Habitualisierung von Gewalt. (Manemann 2016: 56–58) Der Anthropologe Scott Atran, der in Feldforschungen die Motive der sogenannten Dschihadisten untersucht, erachtet den Dschihadismus als die dynamischste Gegenkultur unserer Tage. Er sei eine Sammelbewegung für junge Menschen, die sich vom unum­ schränkten Kapitalismus abgestoßen, gekränkt oder verstört fühlen

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und sich zusätzlich oft in Übergangsphasen in ihrem Leben befänden. Der Einsatz für den »Islamischen Staat« lockt junge Menschen aus dem Westen mit der Aussicht auf Kameradschaft, Sinn, Bedeutung, Abenteuer und Bewunderung. Dass die Aussicht auf Jungfrauen im Paradies eine Rolle spiele, sei hingegen ein Klischee. (Dworschak 2016) Dieser Topos ist ein Element dessen, was Manemann als »Reli­ gionisierung« identifiziert. (Manemann 2016: 20–28) Er erläutert, dass Religion nicht die primäre Motivationsquelle dschihadistischer Gewalt ist. Religionisierung, Diabolisierung, Soziologisierung und Ethisierung sind in seiner Analyse vier unzureichende und irrefüh­ rende Deutungsmuster des islamistischen Terrorismus im Westen. (ebd.: 17–31) Sowohl Manemann als auch Khosrokhavar analysieren, dass junge Menschen in Europa das dschihadistische Abenteuer suchen, um ihrem Leben einen Sinn zu geben und im absoluten Einsatz eine Existenzberechtigung zu finden. (ebd.; Khosrokhavar 2016: 203; siehe auch Kaddor 2015) Einen ähnlichen Zusammen­ hang legt auch das Ergebnis der Studien von Sarah Lyons-Padilla und Michele Gelfand nahe: »[P]sychological need for significance, not religion or ideology, is what propels people toward extremism. Extremist groups offer a sense of purpose, certainty and belonging«. (Lyons-Padilla/Gelfand 18.12.2017) Esposito betont die große Rolle, die Marginalisierung und ein islamophobes Umfeld dabei spielen, dass aus Identitätskonflikten von jungen Muslimen in westlichen Gesellschaften Radikalisierung resultiert: »Homegrown extremist Muslim militants often feel marginalized, demonized for something they can’t control (i.e. their Muslim […] background). Militant Islam is presented as an escape into a new and more authentic identity. […T]he more Islamophobic the environment, the more pressure there is to radicalize«. (Esposito 2019: 25)

Auch Todorov widerspricht Huntingtons Ansicht, dass die gegenwär­ tige Gewalt von Muslimen im Kern ein religiöses Phänomen sei. Er blickt hinter die islamistische Propagandasprache und legt anhand von Fallbeispielen einzelner muslimischer Terroristen dar, dass die Gewalt in den psychologischen Phänomenen Demütigung und Neid begründet ist. Dies treffe gleichermaßen auf Gesellschaften in Ent­ wicklungsländern als auch auf soziologisch marginalisierte Gruppen in westlichen Ländern zu. (Todorov 2010: 91–98) Die religiöse Sprache biete sich den Terroristen aber als Rahmung bzw. Aufwertung dieser Motivation an; sie ermögliche es ihnen »to affirm their sense

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of belonging to a respectable community.« (ebd.: 93) »Frustration and personal anger need a framework and a narrative of legitimation. Those offered by secular doctrines – Marxism, nationalism – have turned out to be ineffectual; what remains is traditional religion, now transformed into an ideology of war«, so lautet seine Diagnose. (ebd.: 92) Die Auffassung, dass ein – falsch verstandener – islami­ scher Glaube der Nährboden für Terrorismus islamistischer Couleur sei, wurde lange nicht hinterfragt. Dabei belegen Studien, dass die meisten straffälligen islamistischen Terroristen, die in Europa aufge­ wachsen sind, in ihrer Biographie keine starke religiöse Sozialisation und persönliche Religiosität aufweisen. Es erfolgte vielmehr eine »Konversion« von einem religionsfernen Leben hin zum Dschihadis­ mus. (Baehr 26.8.2015; Dworschak 2016: 126; Esposito 2019: 28; 30–31) Claus Leggewie stellt hierzu fest: »Nicht unbedingt muss Religion […] als Treiber individueller und kollektiver Radikalisierung hinzukommen – der Weg in den Terror kann, muss aber nicht über die Moschee führen. Bei immer mehr […] Attentätern stellt man nur ganz oberflächliche Berührungen mit der Religion fest; der Islam beeindruckt eher eine nicht unbeträchtliche Zahl überangepasster Konvertiten.« (Leggewie 2016: 8) Lamya Kaddor untersuchte die Bio­ graphien jugendlicher deutscher Dschihadisten und kommt zu dem Ergebnis, dass es sich weniger um eine religiöse Erweckungsbewe­ gung als vielmehr um eine Jugendprotestbewegung handle. (Kaddor 2015: 46) Psychoanalytisch betrachtet liegt dem Dschihadismus wie jedem enthemmten Terrorismus ein Streben nach absoluter Macht zu Grunde. Diese Macht ersetzt in nihilistischer Manier einen lebens­ bejahenden, mit Inhalt gefüllten Sinn. (Manemann 2016: 61) Der Analytiker Arno Gruen fasst es so zusammen: »Die tödliche Motiva­ tion kommt […] vor der Ideologie. […D]ie Ideologie ist niemals selbst Motivation.« (Gruen 2015: 18) Das Grundproblem der Dschihadisten aus dem Westen sind instabile Identitäten voller Selbsthass. Eine »Pathologie der Macho-Männlichkeit« führt dazu, dass Leid, Schmerz und Trauer aus dem Bewusstsein verdrängt werden müssen und der Selbsthass nach außen projiziert wird. (ebd.: 12–17; 79) Diese Gruppe von gewaltbereiten Islamisten bzw. Terroristen ist ein starkes Indiz für die Annahme des »pathological religion«-Lagers im Forschungskom­ plex Religion und Gewaltkonflikte. Silvestri und Mayall bringen die vom instrumentalistisch-kon­ struktivistischen Lager vorgebrachte Kritik an Huntingtons Konzept der »Religionskonflikte« auf den Punkt: »religion – as any other

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factor – can be part of the picture but cannot, alone, be a cause of conflict.« (Silvestri/Mayall 2015: 18) Zumindest ist die empirische Relevanz des Konzeptes der Religionskriege bzw. der Religionsgewalt im engeren Sinn überaus fragwürdig.

IV.3 Religion als Variable in Konflikten Jenseits der im vorherigen Kapitel untersuchten Frage nach »Religi­ onskonflikten« im engeren Sinn geht es in diesem Kapitel um Religion als Variable in Gewaltkonflikten. Huntingtons Position hierzu muss zunächst im Spektrum der Konzeptionen des Verhältnisses von Reli­ gion und Gewalt situiert werden.

IV.3.A Verschiedene Konzeptionen des Verhältnisses von Religion und Gewalt Es gibt drei grundsätzliche intellektuelle Makro-Standpunkte zur Beziehung von Religion und Gewalt: Die eine – von Suzanne Schneider in ihrer verwandten Kategorisie­ rung »liberal« genannte (Schneider Februar 2016) – Strömung besagt, dass Religionen inhärent gut und friedliebend sind und Gewalt im Namen der Religion zwangsläufig eine Perversion der Religion dar­ stellt. In dieser Konzeption ist somit die Erwartung, dass Religionen konfliktmindernd und friedensstiftend wirken – und falls sie das nicht tun, liege das daran, dass sie politisch kooptiert worden seien. Diese Konzeption schien beispielsweise in der politischen Rhetorik der Obama-Regierung durch. Die zweite Strömung geht davon aus, dass Religionen per se kon­ fliktverschärfend wirken und ein hohes Gewaltpotential aufweisen. Um dieses zu entschärfen, müssten Religionen durch Säkularisierung »zivilisiert«61 – wenn nicht abgeschafft werden. Vertreten wird diese Sicht beispielsweise von den sogenannten neuen Atheisten wie Chris­ Verwandt mit der Frage nach der Gewaltrelevanz von Religion ist die Konzeption des Verhältnisses von Religion und Moral, wobei viele Religionskritiker mit unter­ schiedlichen Argumenten Religion als moralgefährdend erachten. Siehe hierzu näher Laux 2007: 38–62. 61

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topher Hitchens.62 Oft ist in diesen Kreisen auch die spezielle These zu hören, dass die gegenwärtige Gewalttätigkeit im Namen des Islam daran liege, dass der Islam anders als das Christentum noch nicht durch Aufklärung und Säkularisierung gegangen sei. Die dritte Strömung differenziert systematisch zwischen den Reli­ gionen und sieht eine Konflikt- bzw. Gewaltneigung als Problem bestimmter Religionen an. Prominent ist hier Jan Assmann zu nen­ nen, der die kulturwissenschaftliche These geprägt hat, dass spezi­ fisch den monotheistischen Religionen ein hohes Gewaltpotential innewohnt.63 Dies liege an deren Unterscheidung zwischen einem wahren Gott und den falschen Götzen, zwischen wahrem Glauben und Irrglauben: In dieser Fokussierung auf die Dichotomie zwischen Wahr und Falsch stecke nicht nur ein Absolutheitsanspruch, sondern auch eine antagonistische Schlagrichtung, die in der Tendenz zu Ausgrenzung, Intoleranz und Gewalt führe. Die politische Unter­ scheidung in Freund und Feind finde ihren theologischen Unterbau in der monotheistischen Unterscheidung von Wahrheit und Lüge. Religion sei deshalb ein starker Konfliktfaktor, weil sich hier die natürliche Herausbildung von Gruppenidentitäten in Abgrenzung zu »den Anderen« – also die Unterscheidung von Wir und die Anderen – mit der auch moralischen Unterscheidung von Wahr und Falsch, Gut und Böse verbinde. (Assmann 1998: 17–23; Assmann 2010) In der breiten westlichen Öffentlichkeit wird meist der Islam von anderen Religionen differenziert. Gewaltaffinität wird ihm als Alleinstellungs­ merkmal zugeschrieben, und religiöse Gewalt wird als spezifisches Problem des Islam behandelt. Diese Haltung ist insbesondere in (neo-)konservativen Kreisen anzutreffen, die eine friedfertig interpre­ tierte jüdisch-christliche Religion gegen den Islam abgrenzen. Huntington geht von einem engen und kausalen Zusammenhang zwischen Religion und Gewalt aus und ist zwischen Strömung zwei und drei einzuordnen. In Huntingtons Theorie findet sich das Argu­ ment, dass religiös gläubige Menschen in besonderem Maße in Siehe hierzu insbesondere Hitchens Buch »God is not great. How religion poisons everything« (Hitchens 2007). 63 Polytheistische Religionen erfahren bisweilen nicht nur aufgrund ihrer vermeint­ lich besseren Gewaltbilanz, sondern auch aufgrund der konzeptionellen Nähe des Polytheismus zu den postmodernen Werten Pluralismus und Differenz Sympathie von sozialwissenschaftlicher Seite. Vgl. hierzu auch Laux 2007: 158–159. 62

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Gefahr sind, fanatisch zu sein und sich bzw. ihre Religion gewalttätig gegen die anderen abzugrenzen.64 Er scheint auch mit Assmanns These zu sympathisieren, dass speziell monotheistische Religionen eine hohe Gewaltbereitschaft aufweisen.65 Darüber hinaus vertritt Huntington sehr explizit die These von einer besonderen Affinität der Muslime bzw. des Islam zu Gewalt.66

IV.3.B Einwände gegen Huntingtons Verständnis von Religion und Gewalt Gegen Huntingtons Verständnis von Religion und Gewalt sind gewichtige sowohl theoretisch-konzeptionelle als auch empirische Einwände vorzubringen. Im Folgenden werden Argumente dargelegt, die zum einen an der Annahme der grundsätzlichen Gewaltaffinität von Religion und zum anderen an der These der Gewaltrelevanz bestimmter Religionen ansetzen.

Religion und Frieden als gegenteiliger Zusammenhang Man kann Huntingtons Thesen mit dem Argument entgegengetre­ ten, dass es gegenteilige Zusammenhänge zwischen den Variablen Religion und Konflikt gibt. Statt einer Allianz von Religion und Gewalt lässt sich auch – im Sinne der ersten Strömung der Konzep­ tionen zu Religion und Gewalt – eine Allianz von Religion und Siehe z. B. Huntington 1993: 27; Huntington 1997: 99; Huntington 1998: 52; 428. Zum von ihm diagnostizierten Clash zwischen Islam und Westen schreibt Hun­ tington: »Der Konflikt wurzelte jedoch auch in den Ähnlichkeiten beider Religionen. Beides sind monotheistische Religionen, die im Gegensatz zu polytheistischen Reli­ gionen nicht ohne weiteres neue Gottheiten assimilieren können und die Welt dualistisch in ein ›wir‹ und ein ›sie‹ teilen. Beide sind universalistisch und erheben den Anspruch, der eine wahre Glaube zu sein, dem alle Menschen anhängen sollen. Beides sind missionarische Religionen, die glauben, daß ihre Anhänger die Verpflichtung haben, Nichtgläubige zu dem einen wahren Glauben zu bekehren. Von Anfang an breitete sich der Islam durch Eroberung aus, und ebenso das Christentum, wenn sich eine Gelegenheit bot. Die analogen Konzepte ›dschihad‹ und ›Kreuzzug‹ ähneln einander nicht nur, sie unterscheiden diese beiden Glaubenssysteme auch von anderen großen Weltreligionen. Islam und Christentum haben, wie auch das Judentum, eine teleologische Auffassung von der Geschichte, im Gegensatz zu der in anderen Kultu­ ren herrschenden zyklischen oder statischen Auffassung.« (Huntington 1998: 337) 66 Siehe Huntington 1998: 415–422; 432–433. 64 65

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Frieden zeichnen. 67 So kritisiert der katholische Theologe Karl-Josef Kuschel, Huntington lasse außer Acht, dass Religion Menschen auch zu Verständigung, Dialog und Toleranz bewege. (Seebacher-Brandt/ Walter 1997: 43–44) Im Israel-Palästina-Konflikt beispielsweise wird allgemein die negative Rolle von Religion und die konfliktverschär­ fende »Entsäkularisierung« des Konfliktes in den letzten Jahrzehnten betont. (Kippenberg 2007; Silvestri/Mayall 2015: 46–56) Doch kann man sogar in diesem Konflikt andere Zusammenhänge sehen. Bei­ spielsweise ergab eine Studie der empirischen Sozialpsychologie, dass junge Palästinenser weniger Gewaltbereitschaft und mehr Achtung vor dem Leben der Israelis zeigten, wenn sie dazu aufgefordert wurden, vom Standpunkt ihres Gottesglaubens heraus Stellung zu beziehen. (Ginges et al. 2016) Bemerkenswert sind die gemeinsamen Verpflichtungen von Religionsvertretern auf eine Kultur des Friedens. Ein Beispiel ist der im Jahr 2002 von circa 300 Gesandten verschiedener Religions­ gemeinschaften – darunter 50 muslimische Führer – verabschiedete Dekalog von Assisi.68 Dass Religion nicht nur eine Problemquelle ist, sondern auch eine gute Rolle im Hinblick auf Konflikte spielt, wird von der empi­

Für einen Forschungsüberblick zum Thema Religion und Frieden siehe Omer 2015. Dem Friedenspotential von Religionen gehen beispielsweise die Sammelbände von Manfred Brocker und Mathias Hildebrandt (Brocker/Hildebrandt 2008) und von Ines-Jacqueline Werkner und Antonius Liedhegener (Werkner/Liedhegener 2009) nach. Aufschlussreich ist auch die Monographie »Religion – Macht – Frieden. Das Friedenspotenzial von Religionen in politischen Gewaltkonflikten« von Markus Weingardt (2010). 68 Das erste Gebot lautet: »Wir verpflichten uns, unsere feste Überzeugung kundzu­ tun, daß Gewalt und Terrorismus dem authentischen Geist der Religion widerspre­ chen. Indem wir jede Gewaltanwendung und den Krieg im Namen Gottes oder der Religion verurteilen, verpflichten wir uns, alles Mögliche zu tun, um die Ursachen des Terrorismus zu beseitigen«. Siehe http://w2.vatican.va/content/john-paul-ii/de/letters/2002/documents/hf_jp-ii_ let_20020304_capi-stato.html (Stand: 17.9.2022). Zur Struktur der Teilnehmer am Weltgebetstreffen siehe http://www.kath.net/news/33573 (Stand: 17.9.2022). Ein weiteres Beispiel ist die Deklaration des Parlaments der Weltreligionen. 1993 kamen in Chicago 6500 Teilnehmer aus 125 verschiedenen Religionsgemeinschaften zusammen. In der erar­ beiteten Erklärung verpflichten sie sich auf eine Kultur der Gewaltlosigkeit. Bereits 1970 fand eine »Weltkonferenz der Religionen für den Frieden« (WCRP) statt. 67

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rischen Friedens- und Konfliktforschung bestätigt.69 Weingardt legt dar, dass alle Religionen nicht nur ein theoretisch-theologisches, sondern auch ein politisch relevantes, in der Praxis erwiesenes Frie­ denspotential aufweisen. Dieses kann sich erstens als Beitrag zur Nicht-Eskalation von Konflikten auswirken, d. h., wenn sich Reli­ gionsgemeinschaften nicht zur Legitimation von Gewalt politisch

Prominent sind religionsbasierte Friedensbewegungen bzw. Bewegungen des gewaltlosen Widerstandes mit Namen wie Desmond Tutu, Martin Luther King, Dalai Lama und Mahatma Ghandi verknüpft. Aber auch jenseits dieser bekannten »Lichtgestalten« gibt es zahlreiche Beispiele für den Beitrag der Religionen für den Frieden. Im Bereich des Christentums ist die sogenannte »Rosenkranzrevolution« 1986 auf den Philippinen anzuführen. Ohne die Mitwirkung der katholischen Kirche hätte das Regime Marcos nicht ohne Blutvergießen gestürzt werden können. Die Laienbewe­ gung Sant’Egidio stiftete 1992 Frieden im mosambikanischen Bürgerkrieg und hat seitdem ihre als »Formel von Rom« bekannte Mediationsstrategie in zahlreichen weiteren Konflikten wie in Burundi, Sudan, Elfenbeinküste, Serbien, Kosovo und Guatemala erfolgreich eingesetzt. Angeführt werden kann auch die Vermittlerrolle des Vatikans im Konflikt zwischen Argentinien und Chile im Beagle-Kanal-Grenzstreit zwischen 1978 und 1984. Ohne die akute Krisenprävention des Hl. Stuhls und seine langjährige Beharrlichkeit wäre der Konflikt aller Wahrscheinlichkeit nach militärisch ausgetragen worden. Nicht zu unterschätzen ist auch die Rolle der Kirchen in den friedlichen Revolutionen in der DDR und in Polen. Im Bereich des Islam ist die von dem Paschtunen Khan Abdul Ghaffar Khan 1930 gegründete Bewegung »Diener Gottes« zu nennen. Diese gewaltlose Armee verschrieb sich der Toleranz als fundamentalem Grundsatz. Sie leistete einen ent­ scheidenden Beitrag zur Gewaltlosigkeit der indischen Unabhängigkeitsbewegung und ermöglichte, dass die erzwungene Einverleibung Nordwestindiens zu Pakistan friedlich verlief. Ein jüngeres Beispiel ist das Friedensengagement des schiitischen Großayatollahs Ali Al-Sistani. Er nutzte im Irak seine geistliche Autorität dazu, den Kampf zwischen einem radikalen Schiitenführer und US-Truppen um die Pilgerstadt Nadschaf zu beenden. Al-Sistani rief zu einem Friedensmarsch auf Nadschaf auf, dem über 100000 Iraker folgten. Ein Beispiel aus dem Buddhismus ist die Initiative des Mönchs Maha Ghosananda in Kambodscha. Nach der Absetzung des Tyrannen der Roten Khmer kehrte er aus seinem thailändischen Exil nach Kambodscha zurück, um einen Beitrag zu Frieden und Versöhnung im Land zu leisten. Um ihn bildete sich eine religiös motivierte und organisierte Friedensbewegung heraus, die mittlerweile eine wichtige Kraft der kambodschanischen Zivilgesellschaft darstellt. Auf der interreligiösen Ebene ist das Friedensengagement der NGO »Religions for Peace« hervorzuheben, die erfolgreich Schulungen in Gewaltlosigkeit und Versöh­ nungsprozesse in Sierra Leone und Bosnien-Herzegowina initiierte. 69

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instrumentalisieren lassen.70 Zweitens kann sich das Friedenspoten­ tial in Beiträgen zur aktiven De-Eskalation niederschlagen (Been­ digung physischer Gewalt, Entschärfung von Konflikten bzw. von deren Ursachen). Und drittens spielen Religionsgemeinschaften oft eine wichtige Rolle in der Konfliktnachsorge bzw. Friedenskonsoli­ dierung. (Weingardt 2008: 320) Weingardt führt eine Vielzahl von Fallbeispielen aus allen Religionen an, die das Friedenspotential der Religionen anschaulich machen. (ebd.: 301–320)71 Zudem sollte die konfliktpräventive Funktion der Religionsgemeinschaften nicht unterschätzt werden, auch wenn diese Wirkung schwer zu messen ist. Die Beispiele, wie Religionen für den Frieden wirken sind gewichtig, doch müssen sie unter Vorbehalt betrachtet werden. Denn einen essentialistischen Zusammenhang zwischen Religion und Frie­ den herzustellen ist ebenso verkürzt wie der einseitige Blick auf die Allianz von Religion und Gewalt.

Gelebte Religion ist in verschiedene Arten differenziert Huntingtons These von Religion als Konfliktquelle basiert auf einer Konzeption von Religion als einer Essenz, die ahistorisch, monoli­ thisch und unwandelbar ist. Es wird missachtet, dass Religion eine je verkörperte Praxis ist, die eine große Dynamik und vielfältige Aus­ prägungen hat. (Omer 2015: 3; Schneider Juni 2016) Auch religiöse und kulturelle Identität betrachtet er als kodifiziert und inflexibel. (Bilgrami 2003: 92) In diesem Sinn ist ein weiterer Einwand gegen Huntington, dass man keinen pauschalen negativen Zusammenhang von Religion und Gewalt herstellen kann, sondern dass es darauf ankommt, um welche Art von gelebter Religion es sich handelt. Dabei ist nicht die Dif­ ferenzierung in verschiedene kodifizierte Religionen entscheidend, sondern in individuelle Formen religiösen Lebens – meist innerhalb der Religionen. Die Vielfalt des religiösen Erfahrens und Lebens muss berücksichtigt werden bei der Frage, ob Religion gewaltverstärkend oder gewaltmindernd wirkt.

70 Siehe hierzu Hasenclevers Aufsatz »Merkmale gewaltresistenter Glaubensge­ meinschaften – Überlegungen zum Schutz religiöser Überlieferung vor politischer Vereinnahmung« (Hasenclever 2008). 71 Siehe auch Weingardt 2010.

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In der religionspsychologischen Forschung gibt es vielfältige Ansätze, den individuellen Glauben von Menschen zu kategorisieren. Während manche Glaubensformen von Intoleranz und Selbstgerech­ tigkeit begleitet sind, zeichnen sich andere, meist mystisch orientierte Formen der Religiosität, gerade durch eine Weite, Offenheit und Liebe aus, die nicht religiös motiviert seltener anzutreffen ist. Meist durch­ laufen Menschen in ihrem Leben verschiedene Ausdrucksformen von Glauben. James Fowler fasst dies theoretisch in seinem an Jean Piaget und Lawrence Kohlberg angelehnten Stufenmodell religiöser Entwicklung. (Fowler 1981)72 Ein weiteres Argument für die Notwendigkeit von Binnendiffe­ renzierung ist das Konzept des »religiösen Analphabetismus«. Laut Appleby ist es das Fehlen von theologischem Grundwissen, das dazu führe, dass Religion von Führenden für Gewaltlegitimierung und -mobilisierung instrumentalisiert werden könne. (Appleby 2000: 69) Das oben erwähnte Phänomen westlicher Dschihadisten, bei denen oft eine Konversion von Religionsferne direkt hin zum Ter­ rorismus zu beobachten ist, scheint Appleby recht zu geben. Umfra­ gen zeigen, dass zwei Gruppen besonders resistent gegen islamisti­ sche Rekrutierungsversuche sind: praktizierende Muslime, die solide Kenntnisse des Islam haben, und säkulare Muslime, die in gesunde Sozialstrukturen (Familie, Freunde, Gemeinschaften) eingebunden sind. (Esposito 2019: 28–29) Ernest Gellner (1992) argumentiert, dass im Kontext von Gewaltkonflikten die religiöse Wahrheit an sich nicht das Problem ist, sondern die exklusivistische und extremistische Denkweise von einigen, die diese Wahrheit annehmen und verbreiten. Laut Wolfgang Bergem sind es drei Merkmale, die zu einer Verbindung von religiösen Identitäten mit konfliktträchtigen Freund-Feind-Unterscheidungen führen können: Absolutheit, Totalität und Exklusivität: »Erstens die Befürwortung einer unbedingten Geltung der mit religiöser Identität Die sechs von Fowler definierten Stufen sind: 1) Intuitiv-projektiver Kinderglaube. 2) Mythisch-wörtlicher Glaube. 3) Synthetisch-konventioneller Glaube, der stark vom sozialen Umfeld abhängig ist. 4) Individuierend-reflektierender Glaube, bei dem das Individuum beginnt, eigene Positionen auch entgegen seinem Umfeld zu entwickeln. 5) Verbindender Glaube: Hier beginnt ein Erkennen des eigenen Glaubens aus der Sicht anderer Glaubenstraditionen. Der eigene Glaube wird als gewissermaßen relativ betrachtet, aber nicht aufgegeben, sondern erweitert. 6) Universeller Glaube. Diese letzte Stufe, die mit transzendierender Selbstaufgabe einhergeht, erreichen laut Fowler nur die wenigsten. (Fowler 1981) 72

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verbundenen Anforderungen und Erwartungen an den Einzelnen sowie an Gesellschaft und Politik, zweitens die Akzeptanz einer oder auch die Forderung nach einer Durchdringung und Überformung aller Aspekte der personalen Identität durch die religiöse Identität und drittens die Tendenz zu einer hermetischen Abgrenzung der ›Ingroup‹ von ›Outgroups‹ aufgrund eines von der Religion absolut gesetzten Glaubens als einzigem Portal zur Wahrheit« (Bergem 2016: 139). Solange Religion hingegen nur eine von mehreren Facetten der (personalen) Identität darstellt, bleibe sie zumindest in ihrer Tendenz friedlich und tolerant. (Bergem 2016) Dieser Punkt verweist auf das Thema des religiösen Fundamen­ talismus. Die Definition von Fundamentalismus ist ein umstrittenes Terrain. Theologisch betrachtet ist dann von Fundamentalismus zu sprechen, wenn eine zeitgebundene Interpretation einer religiösen Botschaft zur Wahrheit für alle Zeiten erklärt wird, meist auf der Basis einer buchstäblichen Interpretation göttlicher Überlieferungen. Fun­ damentalistisch verstandene Religionen und daraus entspringende soziale Bewegungen betrachten ihre Überzeugungen und Vorstel­ lungen als umfassende, absolute Lösung für alle (politischen, wirt­ schaftlichen und sozialen) Lebensfragen. In dieser Betrachtungsweise wohnt dem Fundamentalismus die Gefahr eines politischen Fanatis­ mus inne. (Schubert/Klein 2020) Das konflikt- und gewaltverstär­ kende Potential von Religion liegt also insbesondere am religiösen Fundamentalismus. Ein gewichtiger Einwand gegen Huntington ist, dass Religion und Fundamentalismus nicht identisch sind, sondern der Fundamentalismus – der in nahezu allen Kulturen der Welt an Verbreitung gewinnt – nur eine der vielen Erscheinungsformen von Religion verkörpert. Es ist auch ein Missverständnis, jede Form ernst genommener Religion als Fundamentalismus zu bezeichnen. Der (wiedererstarkte) Wunsch vieler, dass Religion im privaten und öffentlichen Leben eine zentrale Rolle spielen solle, kann mannigfache – meist rechtsstaatlich-demokratische – Formen annehmen. (Meyer 2011: 9) Im westlichen Blick auf Muslime wird oft der Grad an Religiosität als Indikator für das Gewaltpotential betrachtet. Dies ist

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ein empirisch nicht haltbarer Trugschluss. (Lean 2018: 121; 128–130; 195; Roy 2020: 143)

Fundamentalismus ist nicht einfach Ausdruck von Religion Fundamentalismus ist nur eine von vielen Formen gelebter Religion. Er ist auch kein spezifisch islamisches Phänomen. Darüber hinaus stellt Fundamentalismus weniger traditionelle Religiosität dar, als vielmehr einen Bruch mit ihr. Die spezifischen Kontexte, in denen Fundamentalismus aufblüht, verweisen darauf, dass er mehr ist als ein rein religiös bedingtes Phänomen.73 Meyer fasst seine Forschung zum Thema so zusammen: »Der kulturübergreifende Vergleich zeigt, dass alle Kulturen unter vergleichbaren Bedingungen neben der moderni­ sierenden und der traditionalistischen auch eine fundamentalistische Strömung der Selbstaktualisierung hervorbringen, die in ihren Struk­ turen und Funktionen trotz der großen Unterschiede der kulturellen Umwelten überall ähnliche Eigenschaften zeigt und Ausdruck moder­ ner Krisenerfahrungen ist«. (Meyer 2011: 146) Roy schlägt in eine ähnliche Kerbe und widerspricht Huntingtons Kampf-der-Kulturen-Argument damit, dass religiöser Fundamenta­ lismus in allen Gesellschaften gerade der Krise einer traditionellen Kultur geschuldet ist. Die Wiederkehr der Religion ist verknüpft mit dem Phänomen der »Deculturation« (Roy 2013: 5ff.), d. h. einem »loss or abandonment of culture or cultural characteristics«. (ebd.: 219) Ebenso argumentiert Hassner, dass es sich bei Fundamentalis­ mus um ein Phänomen der Moderne handle. Die vehemente Beto­ nung der kulturellen oder religiösen Identität sei eine Reaktion auf den drohenden Verlust eben dieser Identität. Paradoxerweise trage der Fundamentalismus zu einem Verlust von Tradition bei, da er Religion und Kultur neuinterpretiere, wenn nicht gar neuerfinde. (Hassner 1996: 64–65) Coury geht ihn eine ähnliche Richtung und legt dar, dass es sich insbesondere beim fundamentalistischen Islamismus Instrumentalisten gehen so weit, fundamentalistische Erscheinungsformen im Licht politischer Instrumentalisierung von Religion zu interpretieren, so z. B. Meyer: »Es handelt sich bei [Fundamentalismus…] nicht primär um eine religiöse Lebensform, sondern um eine politische Ideologie, die auf die Rechtfertigung eigener Macht und Herrschaft im öffentlichen Raum gerichtet ist. Der Bezug des Fundamen­ talismus zur Religion besteht vor allem darin, dass er sich ihrer nach Belieben zur Rechtfertigung seiner Vormachtsansprüche über die Lebenswelt und das Gemein­ schaftsleben bedient.« (Meyer 2011: 7) 73

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IV. Frontlinie und Ursachen von Konflikten als Kritikansatz

gerade nicht um Tradition handelt, sondern um Neuschaffung von Identität. (Coury 2009: 48) Auch der Politikwissenschaftler Charles Kupchan bewertet den Islamismus als Folge der Entfremdung von traditionellen Lebensweisen innerhalb muslimischer Gesellschaften aufgrund von politischer und ökonomischer Stagnation und den damit verbundenen sozialen Spannungen. (Kupchan 2002: 70) Fuku­ yama betrachtet den Islamismus als eine Erscheinungsform von Iden­ titätspolitik, d. h. als Kampf um öffentliche Anerkennung. Der Isla­ mismus sei durch ökonomische Modernisierung und rapiden sozialen Wandel hervorgerufen, der traditionelle Formen der Gemeinschaft unterminiere und durch unüberschaubaren Pluralismus ersetzt habe. (Fukuyama 2018)74 Speziell in Bezug auf den Konflikt zwischen Mehrheitsgesell­ schaft und radikalisierten, gewaltbereiten Muslimen innerhalb west­ licher Länder erläutert Roy, dass es sich keineswegs um einen Konflikt zwischen zwei Kulturen handelt: »Radikalismus ist […] eine fehlgeleitete (und von einer Minderheit ausgeübte) Konsequenz der Verwestlichung, nicht etwa Ausdruck des Imports von Kulturen und Konflikten aus dem Nahen und Mittleren Osten. […] Ebenso wenig wird der Begriff des ›Dialogs der Kulturen‹ der Tatsache gerecht, dass man es nicht mit zwei verschiedenen Kultu­ ren zu tun hat, sondern mit einer Krise […] der Beziehung zur Kultur. Wenn eine Religion, welche auch immer, sich außerhalb der Kultur neu konstruiert, mündet sie notwendigerweise in Radikalismus«. (Roy 2006b: 7)

Die Muslime mit Migrationshintergrund seien natürlicherweise einer Identitätskrise ausgesetzt, was nicht unbedingt zu Assimilation,75 sondern oftmals zu einer Neuformulierung von Religion außerhalb eines kulturellen Bezuges führe. Religion werde dann zu einem Anderen, Absoluten gemacht – mit dem Ergebnis eines religiösen Fundamentalismus, der in Spannung zur Mehrheitsgesellschaft stehe. (Roy 2006b) Ähnlich argumentiert Todorov. (Todorov 2010: 94–97) Summa summarum ist es also nicht Religion an sich, die ein großes Gewaltpotential aufweist, sondern das Phänomen des religiö­ 74 Siehe hierzu insbesondere Fukuyamas Kapitel »Nationalism and Religion« in seinem Buch »Identity. The demand for dignity and the politics of resentment« (Fukuyama 2018). 75 Grundsätzlich werden vier mögliche Ergebnisse von Akkulturationsprozessen in Folge von Migration unterschieden: Assimilation, Integration, Segregation bzw. Separation und Marginalisierung. Zur Migrationssoziologie siehe Han 2000.

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Teil B: Huntingtons »Clash of Civilizations«: Thesen und Kritik

sen Fundamentalismus. Dieses wiederum ist nicht nur eine Form von Religiosität, sondern stellt einen Bruch mit traditioneller Religion dar und ist durch moderne Dekulturationsprozesse bedingt.

Der dogmatische Gehalt einer Religion ist für die Praxis der Gewalt­ minderung oder Gewaltförderung weitgehend irrelevant Huntington geht davon aus, dass der Islam gewaltaffiner als andere Religionen ist. Dahinter steht die Annahme, dass es an der spezifi­ schen Natur einer Religion liegt, ob sie konfliktverstärkend oder konfliktmindernd wirkt. Doch empirische Untersuchungen zeigen, dass die Grundstruktur einer Religion wenig Anhaltspunkte dafür bietet, ob diese in stärkerem Maße dazu neigt, kriegerische Handlun­ gen zu sanktionieren oder Frieden zu fördern. Die Legitimierung von Gewalt wird vielmehr durch die jeweilige politische Situation bestimmt. (Haußig 2009: 358) Auf der einen Seite wird eine Norm der Gewaltlosigkeit in religiösen Traditionen bisweilen der Praxis angepasst. In Bezug auf den Buddhismus, der gemeinhin als Religion der Gewaltlosigkeit gilt, ist beispielsweise festzustellen, dass in der praktischen Auslegung der buddhistischen Lehre zwar konsequente Gewaltlosigkeit als Norm vom Individuum eingefordert wird, nicht aber zwingend vom Staat oder Kollektiven. D. h. für das Gemeinwohl kann auch ein individu­ elles negatives Karma durch bestimmte Taten in Kauf genommen werden. Auch buddhistisch geprägte Kulturen und Staaten haben ein Gewaltregister. Gegenwärtig wird das besonders deutlich an der Verfolgung der muslimischen Rohingya im buddhistischen Myan­ mar, im Speziellen an dem einflussreichen buddhistischen Abt Ashin Wirathu, der als ideologischer Antreiber der Pogrome gilt. (Follath 21.2.2018) In Ländern wie Myanmar, Sri Lanka und Thailand findet sich ein signifikanter religiöser Nationalismus mit gewaltbereiten Zügen, bei dem buddhistische Mönche federführend sind. (Ebbighau­ sen 3.4.2018; siehe hierzu näher Jerryson 26.4.2017) Grundsätzlich gilt, dass die ethische Kraft der Religionsgemeinschaften gegenüber politischen Interessen nicht unterschätzt, aber auch nicht überschätzt werden darf. Auf der anderen Seite kann die gegenwärtige Verstrickung des Islam in Gewalt und Konflikte nicht auf dessen religiösen Gehalt zurückgeführt werden – zumal dieser viel komplexer ist in Bezug auf die Haltung zu Krieg und Gewalt als oft simplizistisch behauptet wird.

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IV. Frontlinie und Ursachen von Konflikten als Kritikansatz

Der Koran ist kein Kriegsmanual und der oft zitierte »Dschihad« – die Anstrengung für Gott – kommt in weniger als zwei Prozent der Verse vor. »Dschihad« hat theoretisch und praktisch in Geschichte und Gegenwart viele Bedeutungen und Facetten und nur eine davon meint eine gewaltsame Anstrengung für Gott. (Ghazi bin Muham­ mad et al. 2013; Lean 2018: 79–83) In seiner Monographie zum Thema Dschihad erläutert Michael Bonner (2006) die diachrone und synchrone Vielfalt in Bezug auf Norm und Praxis des Konzeptes »Dschihad«.76 Stephan Rosiny kommt zur Konklusion, dass »[d]ie Entscheidung für eine der unterschiedlichen Formen des jihad […] weniger von der religiösen Disposition der Muslime [abhängt] als von deren soziopolitischem Kontext«. (Rosiny 2009: 242) Selbst innerhalb einer auf Exegese religiöser Texte eng geführten Perspektive sind die sowohl von gewalttätigen Islamisten als auch Islamkritikern herangezogenen Koranverse sowie das Leben des Religionsgründers Mohammed als Sanktionierung für Gewalt im Islam ein fragwürdiges Argument. Man könnte beispielsweise erwidern, dass Mohammed zwei der 6564 unter seiner Herrschaft in Gefangenschaft Gekomme­ nen tötete und 6347 freiließ. Die Standardpraxis von ISIS, Gefangene zu töten, ist also schwer mit dessen Vorbild zu rechtfertigen.77 Die Haltung des Korans in Bezug auf Gewalt ist ambivalent, mit vielen widersprüchlichen Aussagen. Diese Janusköpfigkeit teilt der Koran mit der Tora. So könnte man beispielsweise die Verse 16–18 im 20. Kapitel des biblischen Buches Deuteronomium als Rechtfertigung von Genozid lesen oder auch das neutestamentliche Buch der Offen­ barung als gewaltverherrlichend interpretieren. Grundsätzlich sagen aus ihrem textuellen und historischen Kontext gerissene und von ihrer Rezeptionsgeschichte abgetrennte Passagen in Heiligen Schriften nichts über die Friedfertigkeit oder Gewalt einer Religion aus. (Ker­ mani 2009) Der Philosoph Kwame Anthony Appiah charakterisiert die verbreiteten Verweise auf und kausalen Schlussfolgerungen aus problematischen Schriftstellen als »foolish«, denn: »By themselves these passages enforce Nothing«. (Appiah 2008: 59) Nathan Lean argumentiert ähnlich: Er fasst dies so zusammen: »[J]ihad has never ceased changing, right down to our own day. If it ever had an original core, this has been experienced anew many times over.« (Bonner 2006: 4) 77 So zitiert der Economist (19.11.2015) den islamischen Rechtsgelehrten Abdur Rahman I. Doi aus seinem Werk »Sharīʻah. The Islamic law« (Doi 1989). Zu diesem Thema siehe auch Heine 2011: 36–38. 76

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»The insistence that religious texts are the primary transmitters of violent teachings is predicated on the belief that words on a page, as a result of their consecrated nature, project a centrifugal power that would move anyone who reads them toward a particular action. […] While it is true that a religious believer may be moved by a scripture from his or her religious text and act upon it, it is not the text itself that propels that individual toward action but rather the individual`s interpretation of what the text commands. […] People have agency; texts do not.« (Lean 2018: 103)78

Speziell in Hinblick auf den Islam kritisiert Asad zum einen die Eindeutigkeit, die dem Koran von Orientalisten zugeschrieben wird, und zum anderen die falsche Annahme, dass der Text zwangsläufig ein bestimmtes Handeln hervorrufe: »A magical quality is attributed to Islamic religious texts, for they are said to be both essentially univocal (their meaning cannot be subject to dispute, just as »fundamental­ ists« insist) and infectuous«. (Asad 2003: 11) Bruce Lawrence elabo­ riert in seinem Werk »Shattering the Myth: Islam Beyond Violence« überzeugend, dass die Ausprägungen »des Islam« in Geschichte und Gegenwart vielfältig sind, und auch das Spektrum an Haltungen von Muslimen in Bezug auf Gewalt. (Lawrence 2000) Wenn der Koran Ursache wäre für den gegenwärtigen Terrorismus von einigen wenigen Muslimen, dann müsste man fragen, warum dieser ein Phänomen der jüngsten Geschichte ist und nicht schon seit 1400 Jahren existiere und alle Muslime betreffe. (Schneider Februar 2016) Der dogmatische Gehalt einer Religion ist nicht der Schlüssel zum Verständnis der Haltungen und Handlungen ihrer Anhänger. Darüber hinaus zeigt sich empirisch, dass der Faktor Islam in einem Konflikt keine andere Dynamik oder Intensität hervorbringt als es andere Religionen in Konflikten tun: »[W]hen a conflict that is culturally influenced but not determined by culture escalates, it is not relevant whether it runs along Confucian versus Hinduist or Islamic versus Christian–Western orientations. […W]ithin an Blickt man allgemeiner auf den Zusammenhang von religiösem Glauben und politischer Überzeugung, so wird deutlich, dass kausale Interpretationen zum Schei­ tern verdammt sind. In den USA beispielsweise war die katholische Wählerschaft in der Präsidentschaftswahl 2020 in die Hälfte gespalten zwischen dem republika­ nischen Amtsinhaber Trump und dem demokratischen Herausforderer Biden. Die beiden Alternativen unterscheiden sich fundamental voneinander. Doch sowohl die katholischen Amtsträger als auch die Gläubigen interpretierten die Imperative ihres religiösen Gewissens sehr unterschiedlich und rechtfertigten damit ihre Wahlent­ scheidungen. (Green 21.2.2021) 78

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escalating dynamic of a conflict based on cultural differences culture seems to be interchangeable«, so Senghaas (2005: 75). Die Konfliktforscher Silvestri und Mayall bringen das Fazit auf den Punkt: »There is no evidence to indicate that particular religious traditions are, by virtue of their theology, more prone to violence or more likely to lead to conflict or peace than others.« (Silvestri/Mayall 2015: 70)

Externe Faktoren entscheiden, ob die Ambivalenz von Religion in Richtung Gewalt oder Frieden ausschlägt Religion präsentiert sich sowohl als Kriegs- als auch als Friedens­ faktor. Religiöse Identitäten können auf der einen Seite zu mehr Zivilität und auf der anderen Seite zu mehr Barbarität führen. (Werk­ ner/Hidalgo 2016a) Scott Appleby hat diese »ambivalence of the sacred« in seinem gleichnamigen Klassiker (Appleby 2000) treffend charakterisiert. Wie in der vorherigen Erwiderung dargelegt, lässt es sich nicht aus dem dogmatischen Gehalt der jeweiligen Religion ableiten, wie und in welche Richtung Religion in einem konkreten Konflikt wirkt. Entscheidend ist vielmehr ein komplexes Wechselspiel mit externen, insbesondere soziopolitischen Faktoren. Religion wirkt zum einen vor allem dann konfliktverschärfend, wenn sie von Eliten bewusst als stützende und konfliktive Demarka­ tionslinie zwischen verschiedenen Gruppen instrumentalisiert wird. Aslan bringt den Zusammenhang auf den Punkt: »The intersection of religion and violence over time and across cultures has less to do with the logic or substance of religion itself than with the fact that both religion and violence function as durable markers of col­ lective identity.« (Aslan 2021: 104) Religion wird zum Zündstoff, wenn sie mit konfliktbehafteten ethnischen Identitäten, ökonomi­ schen Unterschieden oder nationalistischen Bewegungen verquickt wird, so erläutert die Konfliktforscherin Claudia Baumgart-Ochse (2.6.2016). Sie resümiert zur Politisierung von Religion: »Es bedarf […] immer des absichtsvollen Handelns sozialer, politischer und intellektueller Führer, um die konfliktverschärfende Wirkung von Religion hervorzurufen.« (ebd.) Auch Meyer (1998) führt aus, dass ethnisch-kulturelle Unterschiede erst dann zum Problem werden, wenn sich traditionelle Milieus einem Modernisierungsdruck ausge­ setzt sehen, und wenn politische Eliten die kulturellen Unterschiede für ihre Interessen politisieren und missbrauchen. Dieser Zusammen­

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hang der Instrumentalisierung von Religion durch politische Eliten spricht für die Strömung in Bezug auf Religion und Gewalt, die davon ausgeht, dass Religionen an sich friedliebend sind, und ihre Gewaltverstrickung auf eine Manipulation zurückzuführen ist. Senghaas legt dar, dass im Verlauf der Konflikteskalation von sozioökonomischen Konflikten Religion – bzw. kulturelle Faktoren allgemein – unter bestimmten Voraussetzungen zu einer konflikttrei­ benden Kraft avanciert: »Religion gains momentum and becomes a rallying point, a resource in desperation, only when promising life perspectives do not emerge otherwise.« (Senghaas 2005: 75–76)79 Er argumentiert darüber hinaus, dass es sich beim Rückbezug auf reale oder fiktive Kultur – Religion, Sprache, Geschichte, Mythologie – von Seiten der Politik um eine Reaktion auf Entwicklungskrisen der Moderne handelt. (ebd.: 87) Selbst die politische Kooptierung von Religion zur Konfliktagitation hängt von weiteren Faktoren ab. Es gibt also Ansatzpunkte, um zu verstehen, wann und warum Religion konflikt- und gewaltverschärfend wirkt. Doch im Großen steckt die Forschung zu Religion und Gewalt bzw. Frieden noch in den Kinderschuhen, und es bleibt eine ungelöste Forschungsfrage, von welchen Faktoren es abhängt, dass Religionen entweder eine kon­ fliktverschärfende oder eine friedensstiftende Auswirkung haben.80 »Although it has been shown that religion can contribute to the escalation of conflicts, there is no fixed recipe for establishing which combination of actors, claims, external factors and religious features can ignite tensions and violence, where religious dimensions are central«, resümieren Silvestri und Mayall. (2015: 72) Das gleiche gilt für die friedensfördernde Wirkung von Religion. (ebd.: 74) 79 Senghaas legt dar, unter welchen Umständen sich Verteilungskonflikte zu – kulturell bzw. religiös definierten – Identitätskonflikten entwickeln: (Senghaas 2005: 74–88) »• the development of hierarchical relations between the centre and the periphery, with a gradually increasing imbalance of power, in particular an imbalance of economic and technological competence • persistent rivalry, especially in economic and cultural issues, leading to the victim­ ization of the dominated side • the threat of structural peripheralization arising out of these two processes, forcing the victim of structural dependency into open colonization, informal dependency, penetration and other similar conditions, with serious socio-economic, but also psychological, consequences for the victim.« (ebd.: 83) 80 Siehe hierzu Rittberger/Hasenclever 2005; Hasenclever/Rittberger 2000; Hasenclever/De Juan 2007.

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IV. Frontlinie und Ursachen von Konflikten als Kritikansatz

IV.4 Religion als problematische Kategorie Religion ist ambivalent in Bezug auf eine friedensfördernde oder gewaltverstärkende Wirkung. Es ist schwierig, die komplexen Bezie­ hungsstrukturen und Anknüpfungspunkte von Religion und Konflikt zu entziffern. Denn ein grundsätzlicher Vorbehalt hinsichtlich der Forschung zu Religion und Gewalt bzw. Frieden ist, dass der Faktor Religion nicht eindeutig isoliert werden kann bei der Analyse von Konflikten. Im Einzelfall ist es schwer messbar, wie wirkmächtig die Intervention der Variable Religion ist. Es ist zudem schwierig festzustellen, wann eine authentische religiöse Motivation vorliegt, und wann Religion aus säkularen Motiven heraus als Scheinargument instrumentalisiert wird. Diese Schwierigkeiten liegen auch daran, dass Religion keine leicht greifbare sozialwissenschaftliche Kategorie ist. So Silvestri und Mayall: »Religion is not a tangible and self-contained object and it would be reductive to try to understand it exclusively as a body of doctrines, a specific institution, a particular person or group.« (Sil­ vestri/Mayall 2015: 73) Sie betonen die vielfältige Natur von Reli­ gion: »Shaped by history and context-dependent, religion is also culturally loaded, with shifting meanings that can include anything from sacred scriptures, to rituals, communal identity, norm-setting institutions, a focus on a deity or on the inner self.« (ebd.: 70) Daher müsse die Konfliktforschung Religion als ein dynamisches System von Variablen verstehen, dessen jeweilige Gestalt und Rolle von einer großen Zahl kontextueller und historischer Faktoren abhänge. (ebd.: 2; 73) Huntingtons Konzeption von religiöser Gewalt hingegen beruht auf einem simplizistischen Verständnis von Religion. In ihrem Buch »Im Namen Gottes. Religion und Gewalt« argu­ mentiert Karen Armstrong (2014) mit einer Tour de Force an Beispie­ len aus mehreren tausend Jahren gegen die These, dass Religion für die Gewaltgeschichte der Menschheit verantwortlich sei. Sie zeigt, wie die vermeintlich religiöse Gewalt in Wirklichkeit viel komplexer und vielschichtiger ist, und welche unterschiedlichen Bedeutungen und Rollen das einnimmt, was gemeinhin alles unter »Religion« subsumiert wird. Aus der Meta-Perspektive lautet die fundamentale – und unbeantwortbare Frage –, ob unsere Welt friedlicher oder gewaltsamer wäre ohne Religionen, und zu welchem Grad Gewalt und Konflikt eine anthropologische Grundkonstante darstellen, die jenseits des Faktors Religion operiert. Denn alle religiösen Systeme

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Teil B: Huntingtons »Clash of Civilizations«: Thesen und Kritik

und säkularen Ideologien haben ein Gewaltregister bzw. können zur Legitimation von Gewalt bis hin zu Völkermord dienen, wie der Poli­ tikwissenschaftler Jochen Hippler darlegt. Judentum, Christentum, Buddhismus, Hinduismus, Islam, Marxismus, Faschismus, Säkulari­ tät, Demokratie und Menschenrechte, moderne »wertfreie« Zweck­ rationalität – es ist nicht eine inhaltliche Gemeinsamkeit, die sie für Gewalt instrumentalisierbar macht, sondern vielmehr ihre Inter­ pretationsoffenheit einerseits und ihre gesellschaftliche und politi­ sche Funktion andererseits. Dabei resultiert die Bedeutungsoffenheit gerade aus ihrer gesellschaftlichen Funktion. (Hippler 2006: 96–97) Bergem sieht in »Heiligen Kriegen« kein Alleinstellungsmerkmal von Religionen: »Eifern im Vertreten und Durchsetzen des Wahren gegen das Falsche […ist kein] Proprium religiöser Identität. So findet sich auch in der Vertretung politischer Ideen oder Zielsetzungen die pseudoreligiöse Berufung auf Heiliges zu legitimatorischen Zwecken, etwa in der Ausrufung eines ›heiligen Krieges‹. ›Heilige Kriege‹ werden nicht nur im Namen eines Gottes oder einer Religion geführt, sondern auch im Durchdrungensein von der Wahrheit einer Weltanschauung, in der Beseelung vom Glauben an eine Ideologie, im Furor der Überzeugung, für die richtige politische Idee zu kämpfen.« (Bergem 2016: 135)

Religion steht in ihrer Verbindung zu Gewalt nicht alleine da. Zudem ist religiös konnotierte Gewalt ihrem Wesen nach nicht einzigartig. Zu dieser Argumentationslinie gehört auch die in Kapitel B IV.2.B dar­ gelegte These, dass es sich beim islamistischen Terrorismus weniger um eine Radikalisierung des Islam als vielmehr um eine Islamisierung der Radikalität handelt. Die Gewalt des islamistischen Terrorismus – und religiös präsentierte Gewalt im Allgemeinen – ist nicht einzig­ artig. Der islamistische Terrorismus wird oft vor dem Verstehenshin­ tergrund Fundamentalismus oder politischer Islam analysiert und seltener mit Terrorismus allgemein als Rahmung. Doch die Differen­ zierung von Terrorismus, bei der der Terrorismus von Muslimen als Sonderphänomen betrachtet wird, weil er die Komponente Religion bzw. Islam beinhaltet, ist fragwürdig. Das Phänomen fügt sich viel­ mehr in das größere Bild der vielfältigen Formen von Gewalt und Terrorismus ein, wie im Folgenden skizziert wird. Blickt man auf die Zahl der verübten terroristischen Attentate weltweit seit 1970, so stehen die Islamisten nicht alleine da, wie den

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Statistiken der Global Terrorism Database (GTD)81 zu entnehmen ist. Gruppierungen wie der Leuchtende Pfad in Peru, die FMLN in El Salvador, die FARC in Kolumbien, die ETA in Spanien, die IRA in Irland, die CPI-Maoisten in Indien und die New People’s Army in den Philippinen verbuchen je weit über 1000 Terroranschlägen seit 1970, im Fall des Leuchtenden Pfades werden beispielsweise 4564 Anschläge gezählt. Wenn man an ein Land wie Indien denkt, assoziiert der gegenwärtige Diskurs Terrorismus mit muslimischen Terroristen, während Hindu-Terrorismus gegen Muslime und Chris­ ten wenig globale Aufmerksamkeit erhält. (Nussbaum 2009) Das Sonderphänomen terroristischer Selbstmordattentate ist nicht auf muslimische Kreise beschränkt. Beispielsweise führten die von 1983 bis 2009 aktiven säkular-nationalistischen »Tamil Tigers« in Sri Lanka mit circa 240 verübten Selbstmordattentaten lange die Statistik an. Dieser Bürgerkrieg forderte mindestens 70000 Todesopfer. Viele der Methoden und Charakteristika der Tamil Tigers ähneln denen der gegenwärtig im Fokus der Aufmerksamkeit stehenden islamistischen Terrorgruppen: eine große Zahl von bewaffneten Kämpfern (Schät­ zungen variieren von 7000 bis 15000 Tamil Tigers); die Kontrolle über ein Territorium, von dem aus die Attentate geplant werden; gezielte Angriffe auf Zivilisten; Entführungen und Erpressungen; der Einsatz von Kindersoldaten. Die Erfindung des Sprengstoff-Gürtels geht auf die Tamil Tigers zurück, die zudem immer Zyanid-Kapseln bei sich trugen, um für den Fall der Gefangennahme Selbstmord begehen zu können. (Bhattacharji 2009) Auch die Rechtfertigung der Taten und die fehlende Selbstcharakterisierung als »böse« teilt religiös gefärbter Terrorismus mit den meisten Verbrechern und verbrecheri­ schen Organisationen.82 In Bezug auf den Terror des selbsternannten »Islamic State« (ISIS) ist anzumerken, dass weder Ausmaß noch Art der Grausamkeit deren Alleinstellungsmerkmale sind. Die Gewalt der mexikanischen Drogenkartelle beispielsweise forderte zwischen 2007 und 2014 circa 100000 Tote.83 Und bereits zehn Jahre bevor Siehe Global Terrorism Database, www.start.umd.edu/gtd (Stand: 25.10.2022). Don Winslow machte in seinen Interviews die Erfahrung, dass sich gemeinhin als böse charakterisierte Menschen meist in ihrem Tun gerechtfertigt sehen: »I have interviewed, either as an investigator or as a novelist, drug traffickers, murderers, child molesters. You name it. None of them identify themselves as evil people. They all have reasons and rationales for what they do«. (Gross 15.7.2015) 83 Quelle: New York Times 11.11.2014, http://www.nytimes.com/2014/11/12/opi nion/murder-in-mexico.html?_r=0 (Stand: 17.9.2022). 81

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Teil B: Huntingtons »Clash of Civilizations«: Thesen und Kritik

ISIS auf der Bildfläche erschien, zelebrierte diese neue Mafia-Gene­ ration ihre Grausamkeit in Videos, die sie über soziale Medien ver­ breiteten. Zahlreiche Enthauptungen und Zerstückelungen von Jour­ nalisten und anderen, die nicht konform gingen mit der Herrschaft der Bosse, sind so dokumentiert.84 Mark Juergensmeyer erforscht seit Jahrzehnten Phänomene religiöser Gewalt (Juergensmeyer 1994; 2008; 2020; 2022) und repräsentiert in der Wissenschaftslandschaft zum Themenkomplex Religion und Gewalt prominent die Seite, die in Religionen einen großen Gewaltfaktor sieht. Appleby ordnet ihn dem »strong religion«-Lager innerhalb der Forschung zu. (Appleby 2015: 34) Doch selbst Juergensmeyer resümiert in seinem Buch »Terror in the Mind of God« (Juergensmeyer 2017), dass die wesent­ lichen Charakteristika religiös gefärbten Terrorismus' auf alle Terro­ rismusformen zutreffen. Politische Gewalt unterscheide sich nicht fundamental je nachdem, ob sie nationalistisch, links-anarchistisch, ethnisch, separatistisch oder religiös ausgeprägt ist. »All terrorism is violent, and its violence may be performed for symbolic as well as strategic reasons, regardless of its relationship to religion.« (ebd.: 269) In sozialwissenschaftlichen Kreisen wird bisweilen sogar die Position vertreten, dass religiöse Gewalt wegen der theoretischen Unschärfe und historisch kontingenten Natur von Religion keine schlagkräftige oder nützliche Kategorie sei.85 Talal Asad beispiels­ weise lehnt das Konzept von religiöser Gewalt ab.86 In seinem Werk »On Suicide Bombing« (Asad 2007) zeigt er die vielfältigen Gesichter und Rechtfertigungen von Gewalt auf und stellt die Annahme, dass es eine spezifische religiöse Gewalt gibt, grundsätzlich in Frage. Auch William Cavanaugh legt in seinem Werk »The myth of religious violence« (Cavanaugh 2009) dar, dass es keine transhistorische und transkulturelle Essenz von Religion gibt, und dass die Unterschei­ 84 Winslow spricht in seinem Interview mit NPR vom 15.7.2015 sogar davon, dass ISIS von den Praktiken der Drogenmafia inspiriert sei: »Ten years before ISIS was releasing beheading videos the cartels were doing it. They're very sophisticated. They know that they need, not only to control the action on the ground, but also the narrative, [to] control the story. I think ISIS is just taking a page from their playbook.« (Gross 15.7.2015) 85 Äquivalent reflektiert und kritisiert Marc Gopin die dichotome Trennung in reli­ giöse und säkulare Friedensbildungsinitiativen. Er plädiert für das Feld der Friedens­ forschung dafür, diesen konzeptionellen Binarismus zu überwinden. (Gopin 2015) 86 Schon der Ausdruck »religiöse Gewalt« ist problematisch, da er eine automatische Assoziierung von »intensiver« religiöser Orientierung und tödlicher Gewalt nahelegt – ein Zusammenhang, den die Empirie nicht bestätigt. (Appleby 2015: 47)

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dung zwischen Religiösem und Säkularem kontingent und stark von den jeweiligen Machtverhältnissen abhängig ist. In die gleiche Kerbe schlagen Tomas Lindgren und Hannes Sonnenschein. (Lind­ gren/Sonnenschein 2021) Sie analysieren die Forschungslandschaft zu Religion und Konflikt und kritisieren eine fehlende Definition von Religion87 und insbesondere eine willkürliche Unterscheidung in religiöse versus säkulare Konflikte. Es werde nicht geklärt, welche Charakteristika oder Faktoren eine Konfliktpartei, ein Konfliktthema oder eine Identität religiös machen versus nicht-religiös: »The majo­ rity of scholars simply assume a sharp division between religion and the secular without problematizing or justifying such a distinc­ tion.« (ebd.: 59) Und weiter: »It is bewildering that the observed similarities between religious and nonreligious conflicts and the difficulty in clearly distinguishing them do not lead to a serious ques­ tioning of the assumed difference between religious and non-religious conflicts«. (ebd.: 70)

87 Für einen knappen Überblick zum Begriffs- und Definitionsproblem von »Reli­ gion« im Kontext der Forschung zu Religion und Konflikt siehe Silvestri/Mayall 2015: 5–10.

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Teil B: Huntingtons »Clash of Civilizations«: Thesen und Kritik

V. Konklusion 1.

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Huntingtons »Clash of Civilizations«-Konzept hat deutlich mehr akademische Kritiker als Gefolgsleute. Huntington erntete Kri­ tik aus verschiedensten Disziplinen wie den Internationalen Beziehungen, der Politikwissenschaft, Konfliktforschung, Kul­ turwissenschaft, Anthropologie und Soziologie. »Conceptually flawed and empirically unsustainable«, so kann man das Gros der akademischen Antwort zusammenfassen. (Welch 1997: 198) Bereits Huntingtons Verständnis von Zivilisationen ist zu hin­ terfragen. Es wurde vielfach kritisiert, dass er Kulturen bzw. Zivilisationen fälschlicherweise eine statische Essenz zuschreibe. Seine Konzeption des Westens ist umstritten, und es wurden ihm verschiedengeartete alternative Definitionen entgegengehalten. Huntington wurde insbesondere vorgeworfen, dass er in seinem Verständnis des Westens ein fiktives Ideal mit einer komple­ xen und heterogenen Realität in Geschichte und Gegenwart verwechsle. In Bezug auf die Konzeption des Islam als Zivilisa­ tion ist schwer nachvollziehbar, warum ethnisch, politisch und kulturell enorm heterogene Gesellschaften unter einem zivilisa­ torischen Label subsumiert werden. Auch in seiner Sicht auf den Islam als Religion ist Huntington undifferenziert und ignoriert den Binnenpluralismus. Huntingtons Einteilung der Zivilisationen ist willkürlich, und den Unterschieden sind Gemeinsamkeiten entgegenzuhalten. Mit der empirischen Kulturforschung kann angeführt werden, dass die von ihm genannten Zivilisationen keine deutlichen kulturellen Konturen haben, sondern dass vielmehr Überlap­ pungen zwischen den Zivilisationen und innerzivilisatorische Differenzen das Bild beherrschen. Empirisch betrachtet verlaufen die kulturellen Bruchlinien anders. Die von Huntington gezeich­ neten zivilisatorischen Unterschiede sind außerdem kontingent und nicht auf eine »kulturelle Seele« zurückzuführen. In Bezug auf Ursachen und Frontlinie von Konflikten lautet Huntingtons Hauptargument, dass zivilisatorische – und im Kern religiöse – Identitäten und Unterschiede die globalen Kon­ fliktstrukturen prägen werden. Die Konflikte, die Huntington als Beleg für seine Thesen anführt, sowie die gegenwärtigen gewalttätigen Auseinandersetzungen auf intra- und interstaatli­ cher Ebene sind komplex und weisen vielfältige Konfliktlinien

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V. Konklusion

5.

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und Faktoren auf. Sie als zivilisatorische oder religiöse Konflikte zu bezeichnen ist verkürzt. Zudem sind Konfliktfaktoren grund­ sätzlich dynamisch; beispielsweise können sozio-ökonomische Konflikte zu Identitätskonflikten eskalieren, wenn Religion ins Spiel gebracht wird. Insbesondere die primordialistische Kon­ zeption von gewaltsamen Religionskonflikten als entscheiden­ dem politischen Phänomen hält einer kritischen Betrachtung nicht stand. Die meisten Gewaltkonflikte werden nicht wegen oder um Kultur oder Religion geführt, sondern basieren primär auf anderen, meist sozioökonomischen Spannungen. (Rittber­ ger/Hasenclever 2005: 137–138; Müller 2001; 2003) In der näheren Analyse von Gewaltkonflikten wie z. B. der Dynamik in Nordirland lässt sich das Konzept des »Religionskrieges« dekonstruieren. Dominant sind multidimensionale Konflikte, in denen Religion oft eine mehr oder weniger ausgeprägte Rolle spielt. Die empirische Friedens- und Konfliktforschung ist sich in großer Mehrheit darin einig, dass Religion ein Faktor in einem komplexen Nexus von Konfliktmotivationen und -dimensionen ist. Dies trifft auch auf den islamistischen Terrorismus zu. Religion ist oft eine gewichtige Variable in – wie auch immer motivierten – Konflikten. In Huntingtons Theorie wirkt sich diese Variable zwangsläufig negativ aus, da er Religion und insbesondere den Islam als inhärent gewaltaffin erachtet. Jedoch sind sowohl die Rolle von Religion in Gewaltkonflikten empi­ risch betrachtet als auch das Verhältnis von Religion und Gewalt auf theoretischer Ebene ambivalent. Religion kann sich als Kriegs- oder als Friedensfaktor präsentieren. Wie und in welche Richtung Religion in einem konkreten Konflikt wirkt, lässt sich nicht aus dem dogmatischen Gehalt der jeweiligen Religion ableiten, sondern hängt von einem komplexen Wechselspiel mit externen, insbesondere soziopolitischen Faktoren ab. Sinn­ voller als die Differenzierung der einzelnen Religionen scheint außerdem eine Differenzierung in verschiedene Formen gelebter Religiosität, wobei der konfliktfördernde Fundamentalismus nur eine Variante von Religion ist. Die entscheidende Forschungsfrage ist, von welchen Umständen und Bedingungen es abhängt, dass Religionen entweder eine konfliktverschärfende oder eine friedensstiftende Auswirkung haben. Katharina Heyden und Martino Mona bringen es auf den Punkt: »[T]he issue is framed inappropriately when one focuses

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Teil B: Huntingtons »Clash of Civilizations«: Thesen und Kritik

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only on religion as a potential cause of conflict. The question should not be whether or not religion causes conflicts, but when and how exactly religious dimensions become relevant in specific conflicts: Under which political, historical and social conditions does religion cause, fuel, pacify or resolve a conflict situation? How do the varied dimensions of religion interact with other factors in specific conflicts?« (Heyden/Mona 2021: 373) Es gibt Antwortansätze, so zum Beispiel die Erkenntnis, dass Religionen vor allem dann konfliktverstärkend wirken, wenn sie politisch instrumentalisiert werden. Doch im Gesamten bleiben diese Fra­ gen ungeklärt und der komplexe Zusammenhang von verschie­ denen Konfliktfaktoren weiterhin ein offenes Forschungsfeld. Alle Systeme und Ideologien sind gewaltrelevant, und »reli­ giöse« Gewalt unterscheidet sich nicht fundamental von anders gearteter Gewalt. In Bezug auf islamistischen Terrorismus kann treffender eine Islamisierung der Radikalität als eine Radikalisie­ rung des Islam diagnostiziert werden. Weitergedacht ist gegen Huntingtons Konzeption der engen Verbindung von Religion und Gewalt und deren Anwendung auf die internationale Politik auf einer Meta-Ebene einzuwenden, dass Religion eine komplexe Variable und religiöse Gewalt eine fragwürdige Kategorie ist. Theoretisch kann hinterfragt werden, inwieweit es sinnvoll ist, Religion als einzigartigen Konfliktfaktor zu betrachten.

Nach dieser allgemeinen Auseinandersetzung mit Huntingtons The­ sen soll sein Konzept im weiteren Verlauf der Arbeit konkret an zwei empirischen Konflikten untersucht werden: zum einen am 2022 begonnenen Ukraine-Krieg und zum anderen an der Kontroverse um die Regensburger Papstvorlesung 2006.

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Teil C: Der Russland-Ukraine-Konflikt als Krieg der Zivilisationen?

Huntington präsentierte seine Theorie sowohl als Diagnose als auch Prognose für die globalen politischen Entwicklungen in der neuen Ära und leitete Politikempfehlungen aus ihr ab. In diesem Kapitel wird Huntingtons Theorie an einem aktuellen Fallbeispiel aus der internationalen Politik untersucht: dem Russland-Ukraine-Konflikt. Dies dient vor allem der exemplarischen Auseinandersetzung mit Huntingtons Prognose, dass Kriege und Konflikte zwischen Staaten, die verschiedenen Zivilisationen angehören, sowie Bürgerkriege ent­ lang zivilisatorischer Bruchlinien die Weltpolitik dominieren werden. Des Weiteren wird analysiert, ob sich die Rolle der Religion in diesem Konflikt mit Huntingtons Erwartungen deckt. Dabei wird nicht nur der 2022 begonnene russische Angriffskrieg auf die Ukraineeg in die Überlegungen einbezogen, sondern auch die Konfliktdynamik zwischen Russland und pro-russischen Kräften in der Ukraine auf der einen Seite und anti-russischen bzw. pro-europäischen Kräften im Land auf der anderen Seite, die sich spätestens seit den Euro­ maidan-Protesten 2013 manifestierte. Es wird der Frage nachgegan­ gen, ob bzw. inwiefern Huntingtons Theorie auf den Ukraine-Kon­ flikt zutrifft.

I. Wider Erwarten? Ein Krieg innerhalb der »slawischorthodoxen Zivilisation« Nach dem Ende des Kalten Krieges warnten Vertreter der neo-realis­ tischen Schule der Internationalen Politik vor einem auf macht- und sicherheitspolitischer Rivalität beruhenden gewaltsamen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine und einer möglichen Eroberung der Ukraine durch Russland. Prominent verband John Mearsheimer seine These mit der politischen Forderung einer militärisch-nuklearen Aufrüstung der Ukraine. (Mearsheimer 1993) Huntington hingegen

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Teil C: Der Russland-Ukraine-Konflikt als Krieg der Zivilisationen?

bezog mit Hilfe seines Zivilisationenparadigmas explizit dagegen Stellung. (Huntington 1998: 44–45; siehe auch 263–268) In seiner Theorie reduziert die Zugehörigkeit zweier Parteien zur gleichen Zivilisation die Wahrscheinlichkeit von gewaltsam ausgetragenen Konflikten zwischen ihnen drastisch. (Huntington 1993: 38) Daher sei Gewalt zwischen Russland und der Ukraine nicht zu erwarten, denn Russland und die Ukraine gehörten zum gleichen Kulturkreis: »Es handelt sich hier um zwei slawische, primär orthodoxe Völker, die seit Jahrhunderte [sic!] enge Beziehungen zueinander unterhalten und zwischen denen Mischehen häufig sind.« (Huntington 1998: 266) Stattdessen lenkte Huntington auch an dieser Stelle die Aufmerksam­ keit auf »schwere Kämpfe zwischen Muslimen und Christen« in der früheren Sowjetunion. (ebd.) Blickt man aus der Perspektive des Jahres 2014 – der russischen Annexion der Krim – oder gar aus der Perspektive des Jahres 2022 mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine auf diese unterschiedlichen Prognosen, so muss man der realistischen Schule der Internationalen Politik mehr Schlagkraft zuerkennen als Huntingtons Zivilisationenparadigma.

II. Kein Bruchlinienkonflikt, sondern ein Konflikt um verschiedene politische Systeme Huntingtons Analyse der Ukraine umfasste jedoch einen weiteren Aspekt. Huntington ordnete die Ukraine insgesamt dem slawischorthodoxen Kulturkreis zu, sprach aber gleichzeitig von einem in verschiedene Zivilisationen gespaltenen Land. Eine Bruchlinie trenne »the more Catholic western Ukraine from Orthodox eastern Ukraine«. (Huntington 1993: 30; siehe auch Huntington 1998: 264– 268) Aus Huntingtons Theorie folgt die Hypothese, dass es sich beim Ukraine-Konflikt um einen internen Bruchlinienkonflikt handelt, wobei Russland eine der beiden Konfliktparteien unterstützt. In der Ukraine spielt ein Antagonismus zwischen Kräften, die pro-Russland und Kräften, die pro-EU sind, seit Jahren eine bedeu­ tende politische Rolle. Als 2013 der damalige Präsident Wiktor Janukowytsch – auf russischen Lobbyismus und Druck hin – ein geplantes Assoziierungsabkommen mit der EU nicht unterzeichnete, entfaltete sich in Protest die sogenannte Euromaidan-Revolution in der ukrainischen Bevölkerung. Janukowytsch wurde abgesetzt und sein Nachfolger Poroschenko nahm den Kurs hin zu einer

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II. Ein Konflikt um verschiedene politische Systeme

ukrainischen EU-Mitgliedschaft wieder auf und verfolgte eine Poli­ tik ukrainischen Nationalismus’. Russland reagierte mit der völker­ rechtswidrigen Annexion der Krim und berief sich dabei auf deren prorussische Präferenzen, und seit 2014 kontrollieren prorussische Separatisten Teile der Ostukraine. Auf die Frage, ob es für das Land wichtiger sei, starke Band mit der EU oder mit Russland zu haben, antworteten im Jahr 2015 22 Prozent der Ukrainer, dass beide Bünd­ nisse gleich wichtig seien. 57 Prozent optierten für die EU, während 11 Prozent starke Band mit Russland favorisierten. (Pew Research Center 10.5.2017: 130) 81 Prozent der Ukrainer betrachteten Russland als Bedrohung. (ebd.: 131) Um diese schwerwiegende politische Kluft in der ukrainischen Gesellschaft als zivilisatorischen Bruchlinienkon­ flikt charakterisieren zu können, müsste eine klare und politisch wirk­ same religiöse, sprachliche oder ethnisch-geographische Spaltung des Landes diagnostiziert werden können. Etwa 78 Prozent der Ukrainer sind orthodoxe Christen. Katholi­ ken – darunter überwiegend unierte griechisch-katholische Christen – stellen circa 10 Prozent der Bevölkerung. (Pew Research Center 10.5.2017: 52) Umfragen aus den Jahren 2015 und 2016 zufolge stim­ men Mehrheiten auf beiden Seiten der Aussage zu, dass sie Mitglieder der je anderen Denomination als Familienangehörige akzeptieren würden; unter den Katholiken sind es sogar 92 Prozent. (Pew Research Center 10.5.2017: 157–158) Boris Barkanov analysiert in seinem Beitrag »Crisis in Ukraine: Clash of Civilizations or Geopolitics?« (Barkanov 2015) die Ukraine-Krise in den Jahren 2013–2015 und kommt zu dem Ergebnis, dass es sich nicht um einen internen »Clash of Civilizations« zwischen Angehörigen verschiedener Zivilisationen in Form von orthodoxen und unierten griechisch-katholischen Chris­ ten handelte. Er entkräftet damit die von Huntington für die Ukraine anhand religiöser Merkmale gezeichnete Bruchlinie. Zum einen zei­ gen Meinungsumfragen in der Ukraine, dass religiöse Organisationen bzw. die religiöse Zugehörigkeit wenig Einfluss auf die politischen Präferenzen ihrer Angehörigen haben. Zum anderen war die deut­ lich sichtbare Präsenz von Religion in den Euromaidan-Protesten ökumenisch, und Angehörige aller Kirchen in der Ukraine waren in die Revolution involviert. (Barkanov 2015: 212–214) Eine religiöse Spaltung, die konfliktgeladen ist, verläuft in der Ukraine innerhalb zivilisatorischer Merkmale: Seit Ende 2018 gibt es zwei ukrainische russisch-orthodoxe Kirchen, die in einem negativen Spannungsver­ hältnis zueinander stehen. (Beljakova/Elsner 23.1.2019) Die unierte

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Teil C: Der Russland-Ukraine-Konflikt als Krieg der Zivilisationen?

griechisch-katholische Kirche ist zwar stark mit ukrainischem Patrio­ tismus assoziiert, doch sind die politischen Unterschiede zwischen Angehörigen der orthodoxen und der unierten Kirchen dennoch weit weniger deutlich als die Gräben zwischen orthodoxen Gläubigen mit mehr versus weniger Bindung an Russland. (Barkanov 2015: 216) Den Konflikt in der Ukraine als Ausdruck einer ethno-linguis­ tischen Spaltung entlang von ukrainisch- versus russischsprachiger Bevölkerung zu interpretieren, sei von plausibleren Daten gestützt als die Religionshypothese, greife aber laut Barkanov dennoch zu kurz. In der Empirie zeige sich vielmehr, dass der Kern der Span­ nungen im Land in verschiedenen geopolitischen Alternativen liegt. Orientierung nach Russland versus Orientierung zur EU ist in der Ukraine die tiefgreifendste politikwissenschaftliche »Cleavage«,88 d. h. Konfliktlinie, die in Bezug auf politische Präferenzen sprachliche, ethnische und religiöse Unterschiede und Identitäten übertrumpft, wie Bevölkerungsumfragen zu Tage bringen. (Barkanov 2015: 214– 216) Beispielsweise stimmten 2017 unter den sich ethnisch als Russen bezeichnenden Befragten in der Ukraine nur weniger als die Hälfte (42 Prozent) der Aussage zu, dass ein starkes Russland als Gegengewicht gegen den Einfluss des Westens nötig sei, wobei dies unter den übrigen Befragten im Land immerhin noch 21 Prozent bejahten. (Dia­ mant 24.7.2017) Auch Anna Khakee argumentiert gegen eine Hun­ tington’sche Lesart des Ukraine-Konfliktes, welche die politischen Spannungen einem Zusammenprall zweier Zivilisationen zuschreibt. (Khakee 2008) Barkanov spricht von unterschiedlichen geopoliti­ schen Präferenzen als Kern des Konfliktes; in Khakees Analyse sind es Präferenzen für alternative politische Systeme: auf der einen Seite liberale Demokratie und Rechtsstaat, wofür die Europäische Union steht, und auf der anderen Seite Autokratie und Imperialismus, wie sie Putins Regime in Russland verkörpert. Auch Konstantin Pleshakov widersprach Huntington in seiner Konfliktanalyse im Jahr 2017 mit dem Argument, dass die politische Spaltung der Ukraine nicht ent­ lang von Geographie oder Bevölkerungsgruppen verlaufe, sondern vielmehr innerhalb von Familien anzutreffen sei. (Pleshakov 2017: 44–45) 88 Die Cleavage-Theorie, eine von Seymor Lipset und Stein Rokkan entwickelte politikwissenschaftliche Wahlforschungstheorie, besagt, dass sich die Entwicklung von Parteiensystemen sowie Wahlergebnisse anhand langfristiger Konfliktlinien innerhalb einer Gesellschaft erklären lassen. (Lipset/Rokkan 1967)

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III. Die Ukraine als Überläufer bzw. Spielball im Kampf der Zivilisationen?

Das Konzept des Bruchlinienkonfliktes im Huntington’schen Sinn trifft auf die Ukraine also nicht zu, weil die Konfliktlinie nicht durch zivilisatorische Merkmale verschiedener Gruppen innerhalb der Ukraine bestimmt ist. Insbesondere die von Huntington dia­ gnostizierte Spaltung der Ukraine in westliches Christentum versus Orthodoxie ist keine konfliktrelevante gesellschaftliche Differenzie­ rung im gegenwärtigen Kontext. Mehr als Huntingtons Modell trifft Senghaas' Erwiderung auf Huntington zu:89 Im Wettstreit standen in der Genese des Konfliktes entgegengesetzte Vorstellungen von poli­ tischer Ordnung innerhalb der ukrainischen Gesellschaft. Zudem ist aus der Perspektive des Krieges 2022 der Aspekt eines innerukraini­ schen Konfliktes weitgehend irrelevant, selbst wenn man die Spaltung politisch zeichnet als pro- und anti-Putin. Die prorussischen Separa­ tisten in der Ukraine stellen eine Minderheit dar. Der Widerstand der Ukrainer gegen die russische Invasion 2022 ist über ethnische, sprachliche, religiöse Unterschiede hinweg stark und vereint. Die miteinander zerstrittenen autokephale Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU) und die Moskau unterstellte Ukrainische Orthodoxe Kirche (UOK) hatten sich vorübergehend über die gemeinsame Ablehnung der russischen Invasion angenähert; man hörte sogar Stimmen, die von der Perspektive einer möglichen Vereinigung unter autokepha­ lem Status sprachen. (Elsner 7.3.2022; Gerlach/Oertel 14.3.2022) Die Zustimmungsrate zu Präsident Zelensky – der selbst aus einer russischsprachigen jüdischen Familie stammt – stieg im Zuge der russischen Aggression von 31 Prozent auf über 90 Prozent, (Fitri 1.3.2022) und sogar ehemals pro-russische Politiker stellten sich hinter Zelensky. (Gumenyuk 7.3.2022)

III. Die Ukraine als Überläufer bzw. Spielball im Kampf der Zivilisationen? Nachdem die Charakterisierung des Ukraine-Krieges als Hunting­ ton'scher Bruchlinienkonflikt verworfen wurde, bleibt zu fragen, inwieweit es sich beim Konflikt um einen interstaatlichen Zusam­ menprall zweier Zivilisationen handelt. 89 Siehe Senghaas 2005: 89–90; 100; Senghaas 2017. Vgl. Kapitel B IV.1 die­ ser Arbeit.

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Teil C: Der Russland-Ukraine-Konflikt als Krieg der Zivilisationen?

Für John Lloyd beispielsweise erklärt sich der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine mit Huntingtons Konzept, wie er in seinem Aufsatz »Taiwan, Ukraine, and Huntington’s Clash of Civilisations Revisited« darlegt. (Lloyd 2021) In dieser Lesart agiert Russland als Kernstaat der slawisch-orthodoxen Zivilisation und verteidigt deren territoriale Integrität – während sich eine Bevölkerungsmehrheit in der Ukraine aus dem historischen Gefängnis ihrer Zivilisationszu­ gehörigkeit befreien und stattdessen dem Westen anschließen will. (Lloyd 2021) Der Versuch der Ukraine, aus der slawisch-orthodoxen Zivilisationsfamilie auszubrechen und zum Westen »überzulaufen«, wäre somit die Wurzel des Konfliktes. Geht man einen Schritt weiter, so könnte man die Ukraine gewissermaßen schon als »westlich« charakterisieren, und somit den Krieg als Zivilisationenkonflikt zeichnen. Hierzu passt, dass in einer Umfrage des Pew Research Centers aus dem Jahr 2019 eine große Mehrheit der Ukrainer – 79 Prozent – eine positive Meinung von der EU hatte, während das zum gleichen Zeitpunkt auf nur 37 Prozent der Menschen in Russland zutraf. (Devlin 21.10.2019) Zwar ist die Ukraine noch auf dem Reformweg hin zu einer idealen Demokratie, stellt aber mit ihrem liberalen System bereits ein Gegenmodell und eine Konkurrenz dar zur Autokratie im gegenwärtigen Russland. Ein solcher Clash zwischen politischen Systemen ist im engeren Sinn nicht zivilisatorisch bedingt und kann sowohl inter- als auch intrazivilisatorisch auftreten, wenn man im Analyserahmen Hunting­ tons bleibt. Dass »Zivilisation« und politische Präferenz unabhängig voneinander agieren, ist beispielsweise an dem radikalen politischen Wandel in Deutschland und Japan nach dem Zweiten Weltkrieg festzustellen bei einer gleichzeitigen kulturellen Stabilität. (Khakee 2018: 93) Ob man den Ukraine-Konflikt mit der Kategorie Zivilisation oder mit der Kategorie politisches System rahmt, hängt letztlich stark von der Definition der Begriffe ab.90 Huntington selbst betont in seiner Charakterisierung des Westens politische Merkmale: Der Westen unterscheide sich von anderen Kulturen durch »die Eigenart seiner Werte und Institutionen. Zu diesen gehören vor allem Christentum, So postuliert Senghaas aus einer anderen Perspektive und im Hinblick auf eine verwandte Begriffsbestimmung eine gewisse Austauschbarkeit der Konzepte Kultur und Ideologie. Auf dieser Basis argumentiert er umgekehrt, dass der Kalte Krieg auch als kulturelle und nicht nur ideologische Frontstellung konzeptualisiert werden kann. (Senghaas 2005: 82–83) 90

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III. Die Ukraine als Überläufer bzw. Spielball im Kampf der Zivilisationen?

Pluralismus, Individualismus und Rechtsstaatlichkeit«. (Huntington 1998: 513) Somit besteht theoretisch Raum für eine Interpretation des Konfliktes als interzivilisatorischen Clash. Weniger umständlich und insgesamt überzeugender als die Ukraine der westlichen Zivili­ sation zuzuordnen ist es, die Konfliktdynamik erst gar nicht durch eine zivilisatorische Brille zu betrachten. Denn eine Huntington‘sche Erklärung des Russland-Ukraine-Konfliktes mit einem Aufeinander­ prallen verschiedener Zivilisationen ist bestenfalls ein Umweg und schlimmstenfalls ein Irrweg. Khakee resümiert: »[T]he ›civilizational detour‹ made by Huntington – deriving differences in regime type from civilizational differences – is both redundant and misleading. It is more analytically fruitful to focus directly on how ideologically different systems of rule clash.« (Khakee 2018: 91) Gesteht man der Ukraine anders als Lloyd weniger zivilisatori­ sche Wandelbarkeit zu und ignoriert ihre Agency, so könnte man den Versuch des Westens, die Ukraine in ihre Zivilisation oder zumindest Einflusssphäre zu integrieren, als Wurzel des Problems zeichnen.91 Aus dieser Perspektive ist der Konflikt bzw. Krieg in der Ukraine ein Zusammenprall zwischen Russland als Vertreter der slawisch-orthodoxen Zivilisation und dem Westen. Russlands militärische Intervention wäre gewissermaßen ein Präventivschlag gegen die Ausweitung der NATO und der EU auf Territorien der slawisch-orthodoxen Zivilisation. Die Ukraine wäre nur ein Spielball der beiden Zivilisationen im Wettstreit um Macht und Einfluss. Smith beispielsweise sprach 2020 in einem in der Fachzeitschrift für Internationale Beziehungen »The National Interest« erschienenen Essay mit dem Titel »Ukraine and the Clash of Civilizations« von der Gefahr eines solchen Stellvertreterkrieges in der Ukraine. (Smith 12.5.2020) Er nutzt Huntingtons Theorie nicht nur zur Diagnose der Konfliktdynamik, sondern leitet aus ihr auch eine Handlungsan­ leitung für die USA ab: »Since Huntington’s insights and predictions were far more prescient than Fukuyama’s and those of many others, the U.S. foreign policy establishment should have heeded his advice when the crisis in Ukraine emerged. But, it did not. […] The way forward is the Huntington model Bezeichnend in diesem Kontext ist, dass 2015 unter den befragten Russen 50 Pro­ zent der Meinung waren, der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine sei die Schuld des Westens. 26 Prozent sahen die Verantwortung bei der ukrainischen Regierung, und nur 4 Prozent bei den russischen Separatisten und 2 Prozent bei Russland. (Pew Research Center 10.5.2017: 132)

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Teil C: Der Russland-Ukraine-Konflikt als Krieg der Zivilisationen?

of recognizing the legitimate interests of other civilizational regions«. (ebd.: 12.5.2020)

Huntingtons normative Politikempfehlung war die Maxime der Nicht-Intervention in Angelegenheiten anderer Zivilisationen und das Respektieren fremder Einflusssphären. (Huntington 1998: 291– 296; 510–514) Eine Eingliederung der Ukraine in westliche Bünd­ nisstrukturen ist in dieser Denkweise ein großer Fehler. Auch die militärische, politische und ideelle Unterstützung der Ukraine gegen die russische Invasion durch die EU und die USA entspricht nicht der Empfehlung, die Huntington aus seiner Theorie ableitet. Blickt man auf Russland, so ist es nicht selbstverständlich, das Land im Kontrast zur westlichen Zivilisation und als Kernstaat einer anderen Zivilisation zu zeichnen, wie es Huntington tut.92 Seit dem 19. Jahrhundert ist Russlands Identität und Rolle in der Welt ein umstrittenes Thema unter Intellektuellen und Politikern im Land. Marlene Laruelle (2016) legt dar, dass es drei konkurrierende Identitätskonzepte in Russland gibt: erstens ein europäisches Land, das dem westlichen Entwicklungsmodell folgt, zweitens ein europäi­ sches Land, das einen nicht-westlichen Entwicklungsweg geht, oder drittens ein nicht-europäisches, eurasisches Land. In dieser histori­ schen und auch gegenwärtigen russischen Konzeption steht »Europa« für die Zivilisation und »westlich« für eine bestimmte Verwirklichung dieser Zivilisation. Das dritte Konzept war und ist weitgehend poli­ tisch irrelevant, während das erste zuletzt nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und unter Präsident Jelzin politisch vertreten wurde. Das zweite Konzept ist seit Mitte der 1990er Jahre dominant. Das Narrativ lautet, dass Russland die authentische europäische Zivilisa­ tion verkörpere. Die ideologische Ausgestaltung dieses Narrativs ist seit circa 2011 der Konservatismus im Kontrast zum politischen, moralischen und ökonomischen Liberalismus, in dem man eine Kor­ ruption der europäischen Zivilisation sieht. (Laruelle 2016: 278–279; 287–290; 293–295) Diskutierenswert ist, ob es nur eine Frage der Semantik ist, ob man von der »echten europäischen Zivilisation« oder der »slawisch-orthodoxen Zivilisation« spricht. Huntington vereinfacht die Komplexitäten und Nuancen der rus­ sischen Identitätsdebatten und argumentiert, dass Russlands Herr­ scher immer wieder im Verlauf der Geschichte und zuletzt in den 92 Zu unterschiedlichen denkerischen Konzeptionen des Verhältnisses von Russland und Europa siehe auch Nolte 2014.

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IV. Der Zivilisationismus im »Putinismus«

1990er Jahren eine Verwestlichung versuchten, die zum Scheitern verurteilt war und Russland zu einem zerrissenen Land machte. (Huntington 1998: 218–226) In seinem Weltbild ist ein unüberbrück­ barer Antagonismus zwischen Russland und dem Westen naturgege­ ben: »[I]n dem Maße, wie die Russen aufhörten sich wie Marxisten zu verhalten, und begannen, sich wie Russen zu verhalten, [wurde] die Kluft zwischen Rußland und dem Westen größer […]. Der Konflikt zwischen liberaler Demokratie und Marxismus-Leninismus war ein Konflikt zwischen Ideologien, die trotz ihrer großen Unterschiede beide modern und säkular waren und beide angeblich das Endziel von Freiheit, Gleichheit und materiellem Wohlstand verfolgten. Ein westlicher Demokrat konnte ein intellektuelles Streitgespräch mit einem sowjetischen Marxisten führen. Mit einem russisch-orthodoxen Nationalisten wäre ihm das unmöglich.« (Huntington 1998: 224)

Putin passt zu Huntingtons Bild eines russisch-orthodoxen Nationa­ listen. Huntington würde Putins Regime wohl insofern applaudie­ ren, als es eine Anbindung an den Westen aufgegeben hat und stattdessen Russlands Identität und Interessen als Hauptakteur der orthodoxen Zivilisation in Abgrenzung und in Konfrontation mit dem Westen vertritt. Die Motivation, eine militärische Expansion des Westens in die Ukraine in Form einer Eingliederung in die NATO zu verhindern, lässt die russische Invasion als Paradeexempel für einen Zusammenprall der Zivilisationen erscheinen. Dabei spielt es keine Rolle, welche politischen Präferenzen die Ukrainer haben oder welche Rechte ver­ letzt werden. Im Zivilisationenkorsett gibt es keine Wahl, und die Antwort auf die Frage »What are you?« (Huntington 1993: 27) wird von anderen beantwortet, nämlich denjenigen, die die Zivilisationen anführen und ihre Grenzen definieren. In ihrem Widerstand gegen die Invasion widersetzen sich die Ukrainer der Huntington‘schen Dystopie, die im Handeln Russlands zur Realpolitik geworden ist.

IV. Der Zivilisationismus im »Putinismus« Man kann, wie oben skizziert, das Handeln der Ukraine und das Handeln »des Westens« analytisch auf verschiedene Weise in das Huntington‘sche Schema pressen, doch ist dies wenig überzeugend bzw. bietet kaum Verstehensmehrwert. Ein gewichtiger Vorbehalt

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Teil C: Der Russland-Ukraine-Konflikt als Krieg der Zivilisationen?

in diesem Kontext ist, dass die Positionen westlicher Akteure in Bezug auf eine Einbindung der Ukraine in westliche Bündnisse plural waren und sind. Dies gilt in gleicher Weise für die westliche RusslandPolitik vor dem Krieg 2022. Es ist fragwürdig, ob zivilisatorische Axiome mehr als nur vereinzelt in die Überlegungen für westliche politisch-diplomatische Strategien einflossen. Mit Blick auf das rus­ sische Regime scheint Huntingtons Theorie jedoch Erklärungswert zu haben. Die Motivation und Ziele Vladimir Putins werden im Folgenden näher beleuchtet. In Russland herrscht »Putinismus«: ein extrem autoritäres Herr­ schaftssystem fast ohne Gegengewichte und Machtkontrolle und mit einem Führerkult als Regierungsstil, wie die Russland-Expertin Mar­ gareta Mommsen darlegt. (Mommsen 10.3.2022) Außenpolitisch hat das System eine revisionistische und imperialistische Schlagrich­ tung und verfolgt eine »control-through-chaos« Strategie (Bennett 28.1.2019). Der Putinismus repräsentiert klassische autoritäre Werte wie Nationalismus, Konservatismus und das Patriarchat. Dies zeigte sich auch in der russischen Unterstützung von und Nähe zu westli­ chen rechtspolitischen Bewegungen wie dem Rassemblement Natio­ nal (ehemals: Front National) in Frankreich und dem Trumpismus in den USA. (Khakee 2018: 92) Dies ist laut Vittorio Hösle vermutlich gleichzeitig eine Strategie, eine politische Destabilisierung in westli­ chen Ländern zu fördern und den Zusammenhalt der EU und des transatlantischen Bündnisses zu schwächen, um dadurch freie Hand für die russische außenpolitische Agenda zu haben. (Hösle 2015: 110) Präsident Putins zentrales Streben gilt der Macht – innenpoli­ tisch monopolisiert er die politische Macht zunehmend in seinen Händen, und außenpolitisch möchte er seine Macht im Idealfall auf Territorien der früheren Sowjetunion ausdehnen. (ebd.: 107) Die Bestrebungen in der Ukraine, sich westlichen Bündnissen anzuschlie­ ßen und den demokratischen Aufbruch in der Euromaidan-Revolu­ tion nahm Putin als Bedrohung war. Zum einen fürchtete er den Verlust von Einfluss auf die ukrainische Republik. Zum anderen sah er die Gefahr eines Ausstrahlungseffektes der Demokratiebewegung auf die russische Gesellschaft und somit eine Gefährdung seiner Macht. (ebd.: 106) Hösle analysiert, dass Putins Außenpolitik jedoch schon 2014 nicht einfach eine Reaktion auf politische Entwicklungen in der Ukraine war, sondern diese ihm vielmehr als Anlass dien­ ten, seine revisionistisch-expansionistische Agenda voranzutreiben. (ebd.: 106–107) Für Putin war der Zusammenbruch der Sowjetunion

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IV. Der Zivilisationismus im »Putinismus«

die »größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts« und eine »Tragödie«. (dpa 26.12.2021) Snyder spricht in seiner Analyse »The Road to Unfreedom« davon, dass sich Putin nach einer Wiederkehr der Sowjetunion in faschistischer Form sehne. (Snyder 2018: 91) Laut José Casanova und auch Olivier Roy ist es Putins persönliche Obsession, ein neuer Peter der Große, ein Quasi-Zar zu sein, der in die Geschichte eingeht als derjenige, der das russische Reich wiederhergestellt habe. (Roy 10.3.2022; Casanova 14.2.2022)

Putin als »Huntingtons Vorzeigeschüler« Putins Machtstreben zeichnet sich nicht nur durch ein territoria­ les Machtverständnis aus, sondern auch durch eine kulturalistische Vision eines sich auf die slawische Ethnie und orthodoxe Religion stützenden russischen Reiches. (Roy 10.3.2022) Huntingtons Theo­ rieansatz trifft insofern ins Schwarze, als die Weltsicht des russischen Präsidenten oder zumindest die ideologische Rechtfertigung für sei­ nen Imperialismus dem zivilisatorischen Weltbild entspricht. Huntington sah die Ukraine und Russland untrennbar als Ange­ hörige einer orthodoxen Zivilisation und warnte vor Konflikten durch eine interne zivilisatorische Spaltung der Ukraine. Damit konform stützt sich Putin in seiner Ukraine-Politik auf das Argument, dass Russland und die Ukraine zur gleichen Zivilisation gehören. In seinem am 12.7.2021 veröffentlichten Aufsatz »On the Historical Unity of Russians and Ukrainians« legt Putin gewissermaßen die ideologische Basis für den späteren Angriffskrieg gegen die Ukraine: »Our spiritual, human and civilizational ties formed for centuries and have their origins in the same sources, they have been hardened by common trials, achievements and victories. Our kinship has been transmitted from generation to generation. It is in the hearts and the memory of people living in modern Russia and Ukraine, in the blood ties that unite millions of our families. Together we have always been and will be many times stronger and more successful. For we are one people.« (Putin 12.7.2021)

Diese Tatsache werde von den Kräften des Westens und von den mit ihnen kollaborierenden Eliten in der Ukraine in Frage gestellt. In der ukrainischen Orientierung an die EU und NATO sieht er eine widernatürliche »aggressive Russophobia«. Die Situation in der gegenwärtigen Ukraine sei »not just complete dependence but direct external control« durch die westlichen Mächte. (ebd.) Die Geschichte

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Teil C: Der Russland-Ukraine-Konflikt als Krieg der Zivilisationen?

werde ideologisch umgeschrieben und die Menschen in der Ukraine seien einem »forced change of identity« ausgesetzt; dies sei »compa­ rable in its consequences to the use of weapons of mass destruction against us [Russians]«. (ebd.) Für Putin ist die Frage der zivilisatori­ schen Identität also der Kern des Konfliktes. Diese Logik dient ihm dazu, seinen Angriffskrieg als Selbstverteidigungskrieg umzudeuten, und Russland nicht als Aggressor, sondern als Opfer im Kampf der Zivilisationen darzustellen. In seiner Rhetorik ist dabei der Gegner nicht einfach der Westen als andere Zivilisation, sondern gewisserma­ ßen als böse Zivilisation, die »Radicals and neo-Nazis« in der Ukraine hofiere. (ebd.) Das gemeinsame Programm von externen Kräften und internen Kollaborateuren sei »a climate of fear in Ukrainian society, aggressive rhetoric, indulging neo-Nazis and militarising the country«. (ebd.) Wiederholt sprach er in der Rechtfertigung seines Ukraine-Krieges 2022 davon, das Land »denazifizieren« zu wollen. (Stanley 26.2.2022) Die nicht allzu versteckte schon im Juli 2021 formulierte Drohung Putins lautete: »All the subterfuges associated with the anti-Russia project are clear to us. And we will never allow our historical territories and people close to us living there to be used against Russia. And to those who will undertake such an attempt, I would like to say that this way they will destroy their own country.« (Putin 12.7.2021)

Putins Projekt ist es, die slawisch-orthodoxe Zivilisation nach innen unter russischer Führung als Kernstaat zu einen und zu konsolidieren. Laut Ross Douthat ist die Zielrichtung eine autarke Zivilisation mit ihrem eigenen kulturellen und technologischen Ökosystem. (Douthat 26.2.2022) Putin stützt sich dabei auf das Konzept der »Russkiy Mir«, der Russischen Welt als historische, kulturelle und spirituelle Einheit, das sich weitgehend mit Huntingtons Idee der slawisch-orthodoxen Zivilisation deckt. Für die politische Verwirklichung dieser Einheit nimmt er sowohl Zwang und Gewalt gegen die Abtrünnigen – in diesem Fall die Ukraine – als auch eine Isolation Russlands in der internationalen Politik – und möglicherweise einen Weltkrieg – in Kauf. Ilya Budraitskis schreibt in seinem Kapitel mit dem vielsagenden Titel »Putin Lives in the World that Huntington Built«, dass Putins Regime schon immer »Huntington’s star pupil« (Budraitskis 2022: 13)

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IV. Der Zivilisationismus im »Putinismus«

gewesen sei.93 Dies trifft nicht nur auf die außenpolitische Dimension zu. Er kleidet die klassischen Merkmale autoritärer Politik in zivilisa­ torischen Exzeptionalismus. Seine Version »souveräner Demokratie« rechtfertigt Putin mit dem zivilisatorischen Kern Russlands, der sich nicht mit anderen Kulturkreisen oder anderen Demokratiestandards vergleichen lasse. (ebd.: 13) Dies deckt sich mit Huntingtons Argu­ mentation, dass Werte wie Demokratie und Menschenrechte genuin westlich und nur bedingt mit anderen Zivilisationen kompatibel seien. (Huntington 1998: 291–296; 510–513) Es ist nicht auf Russ­ land beschränkt, dass Zivilisationismus ein willkommener Steigbügel für anti-demokratische Aspirationen ist, wie Daniel Rober erläutert: »For the illiberal project, civilizational preservation is more important than any given form of government. Given that there is no foolproof government and liberal democracy is relatively young, this argument goes, it is no tragedy to go in search of a more adequate, though less representative, form of government for civilizational preservation.« (Rober 2021: 58)

Putin ist kein von seiner Gesellschaft isoliertes Phänomen. Eine Mehrheit von 69 Prozent der russischen Bevölkerung bedauert den Zusammenbruch der Sowjetunion. (Pew Research Center 10.5.2017: 134) 73 Prozent sehen einen Wertekonflikt zwischen Russland und dem Westen, und 69 Prozent der Russen erachten ihre Kultur als anderen überlegen. (ebd.: 150–151) Pleshakov legt dar: »The ideological disconnect between Russia and the West is strong again. This time, Russian elites and the majority of Russian voters swear not by Communism, but by civilizational particularism. They see the Russian civilization as distinctly separate from the rest of the world, including a specifically ›native‹ understanding of people’s rights and freedoms.« (Pleshakov 2017: 168)

Auch Klaus Mertes elaboriert, dass der Überfall auf die Ukraine nicht nur die Wahnsinnstat eines Einzelnen sei, sondern Rückhalt 93 Natürlich ist Huntington nicht Putins einzige ideologische Inspiration. Der rus­ sische rechtsextreme Philosoph Alexander Dugin – der seinerseits Huntington bei­ pflichtet (Pittz 27.3.2022) – wird oft als »Putin’s brain« bezeichnet. (Barbashin/ Thoburn 31.3.2014) Die Russland-Forscherin Laruelle identifiziert drei intellektuelle Quellen für Putins politische Philosophie im Allgemeinen und seinen Ukraine-Feld­ zug im Besonderen: der russische Religionsphilosoph Nikolai Berdyaev, der sowje­ tische Ethnologe Lev Gumilev und der Philosoph Ivan Ilyin, der berüchtigt ist als Bewunderer von Hitler und Mussolini. (Laruelle 16.3.2022)

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Teil C: Der Russland-Ukraine-Konflikt als Krieg der Zivilisationen?

und Voraussetzungen habe, die in der russischen Geistes- und Reli­ gionsgeschichte wurzeln. Putins Russland sei ideologisch von einem problematischen patriotischen Selbstverständnis der Orthodoxie und einer Symbiose von Kirche und Staat durchdrungen. (Mertes 2022; insb. 330–331; vgl. hierzu auch Beinert 2022) In summa: Gestützt auf Rückhalt in der russischen Bevölkerung verfolgt Putin sowohl außen- als auch innenpolitisch die Mission, die gesamte russische Zivilisation zu ihrer vermeintlich wahren, transpo­ litischen und unveränderlichen Natur zurückzuführen. »This destiny cannot be altered – it can only be submitted to«, so bringt Budraitskis die Tragik der an Huntington angelehnten Ideologie Putins auf den Punkt. (Budraitskis 2022: 13)

V. Die Rolle der Religion im Konflikt V.1 Sakralisierter Nationalismus und die Kirche als »sharp power«-Instrument Vladimir Putin dominiert seit langem die russische Politik; alle Anzei­ chen sprechen dafür, dass seit Stalin niemand so viel Macht im Land besessen hat wie er. (Hösle 2015: 104) Ein entscheidender Faktor für seine starke Machtstellung ist, dass er sich auf die russisch-orthodoxe Kirche und auf religiös verbrämte Rhetorik stützt zur Legitimierung und Sakralisierung seiner Politik. Das Scheitern des Kommunismus hinterließ ein ideologisches Vakuum in der Gesellschaft, das Putin ganz im Sinne Huntingtons (Huntington 1998: 151- 152) mit einem religiös aufgeladenen Credo zu füllen sucht. Da die Kirche in der russischen Öffentlichkeit moralische Autorität besitzt (Elsner 2017: 217) und seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion als Trägerin der nationalen Identität gilt (Beinert 2022: 344),94 nutzt Putin die Kirche zur Machtsicherung und Mobilisierung der Bevölkerung. So analysiert Mertes: »Der Kult um Putin wird zwar nicht die religiösen Überhöhungen des Stalin-Kultes erklimmen können. Er wird es aber auch nicht Die Zahl derer in der russischen Bevölkerung, die sich mit der Orthodoxie identifizieren, stieg seit 1990 um zwei Drittel. (Beinert 2022: 344) Für Daten zum Zulauf von Religionslosen zur Orthodoxie sowohl in Russland als auch in der Ukraine siehe Pew Research Center 2017: 66–67. 94

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V. Die Rolle der Religion im Konflikt

müssen, weil sich die Vertreter der Staatsmacht ja selbst als religiös im Sinne der russischen Orthodoxie verstehen und präsentieren. Die gegenseitige Instrumentalisierung von Staatsmacht und [Kirchen-] Hierarche wird zugleich von einer Bevölkerung mitgetragen, die […] den Zusammenbruch der Sowjetunion in den 1990er- Jahren als eine nationale Katastrophe empfand«. (Mertes 2022: 331)

»In der modernen Welt ist Religion eine zentrale, vielleicht sogar die zentrale Kraft, welche Menschen motiviert und mobilisiert«, war Huntington überzeugt. (Huntington 1998: 93) Auch in diesem Aspekt kann Putin als Huntingtons Schüler verstanden werden. Putins Regime ist eng mit der russisch-orthodoxen Kirche Moskaus assoziiert, insbesondere mit dem Patriarchen Kyrill. Putin kontrolliert nicht nur weitgehend Politik, Medien und Gesellschaft, sondern auch die Kirche in Russland. Im Unterschied zu den säkularen Bereichen hat sich diese dem Kreml jedoch selbst angedient, wie Thomas Gerlach und Barbara Oertel analysieren. (Gerlach/Oertel 14.3.2022) Diese Dynamik deckt sich mit Huntingtons Charakterisie­ rung, dass in der orthodoxen Zivilisation »Gott des Kaisers Junior­ partner« ist. (Huntington 1998: 100) Putin räumte der russisch-orthodoxen Kirche eine Sonderstel­ lung und zahlreiche Privilegien im Staat ein und beschnitt die Religi­ onsfreiheit für »fremde« Religionen weiter. (Forlenza/Turner 2019: 13; Beinert 2022: 346) Kyrill im Gegenzug leistete Putin Wahlhilfe und pries sein Regime als Wunder Gottes. (ebd.) Die strategische Allianz von Kirche und Kreml ist nicht nur pragmatisch, sondern liegt auch in einer gemeinsamen Ideologie begründet. Seit Beginn seiner dritten Amtszeit 2012 verschreibt sich Putin ganz nationalkonservativen Positionen. Religiös aufgeladener, ortho­ doxer Nationalismus ist sein rhetorisches Regierungsprogramm, auf das sich seine innen- und außenpolitische Agenda beruft. Im Zentrum steht der Topos eines Kulturkrieges: Das konservative, christliche Russland müsse sich und seine Werte gegen den dekadenten, hyper­ liberalen Westen verteidigen. (Mommsen 10.3.2022) In diesem Sinn wird beispielsweise im gegenwärtigen russischen Sprachgebrauch die EU häufig als »Gayropa« bezeichnet. (Hösle 2015: 108) Ein vorsowjetischer Mythos, den Putin aufgriff, ist das Narrativ, vom »heiligen Mütterchen Russland, das sich gegen westliche Barbarei zur Wehr setzen muss.« (ebd.: 104) Kyrill pflichtet Putin in sei­ ner Kulturkriegsrhetorik bei und bezeichnet Russland unter seiner Herrschaft als letzte Bastion des rechten christlichen Glaubens und

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Teil C: Der Russland-Ukraine-Konflikt als Krieg der Zivilisationen?

der Zivilisation. (Forlenza/Turner 2019: 12) Die russisch-orthodoxe Kirche versteht sich als Verteidigerin traditionell-christlicher Werte gegen säkulare Werte, von denen eine physische und metaphysi­ sche Gefahr ausgehe.95 Kreml und Kirche teilen die Ideologie von der »Russischen Welt«, die ein großrussisches Territorium mit einer Sprache, einer Kirche und einer Herrschaft als gottgewollte Ordnung darstellt. (Casanova 14.2.2022)96 Ihr gemeinsames Interesse ist es, gesellschaftliche Vielfalt einzuschränken, den Einfluss auf die Gebiete der orthodoxen Zivilisation aufrechtzuerhalten und mit militärischer Kraft ideologische Gegenspieler von den eigenen Grenzen fernzuhal­ ten. (Elsner 7.3.2022) Die Synergie von Kirche und Kreml ist in Bezug auf die UkraineThematik besonders deutlich und wird durch religionspolitische Fak­ toren bestärkt. Kiew ist die Wiege der russisch-orthodoxen Kirche, und die Ukraine spielt eine wichtige Rolle im Bewusstsein der rus­ sisch-orthodoxen Gläubigen. Russland und die Ukraine sind die beiden Länder mit der größten Zahl orthodoxer Christen – circa 100 Millionen bzw. 35 Millionen. (Pew Research Center 10.5.2017: 51) Traditionell war die orthodoxe Kirche in der Ukraine Teil des Moskauer Patriachats, doch beflügelt durch die russische Annexion der Krim 2014 suchte ein großer Teil der ukrainischen Gläubigen die Unabhängigkeit, weil man das Moskauer Patriarchat als Unterstützer der Politik Putins wahrnahm. Anfang 2019 wurde schließlich eine autokephale, d. h. unabhängige »Orthodoxe Kirche der Ukraine«

95 In dieser Haltung erhielt Kyrill politisch brisante »transzivilisatorische« Rückende­ ckung: Ungarns calvinistischer Regierungschef Viktor Orban legte im Juni 2022 ein Veto gegen Sanktionen ein, welche die EU gegen Kyrill wegen dessen Unterstützung des russischen Angriffskrieges verhängen wollte. Hintergrund von Orbans Einsprin­ gen für Kyrill ist unter anderem die ideologische Nähe zwischen beiden in Bezug auf ein konservativ verstandenes Christentum. (Verseck 3.6.2022) In diesem Kontext ist auch anzumerken, dass Orban in vielerlei Hinsicht Parallelen zu Putin zeigt: Erst im späteren Verlauf seiner politischen Karriere wandte er sich opportunistisch der Reli­ gion zu und betrieb Wahlkampf mit dem Motto einer »christlichen Demokratie«, in die er seine anti-Islam-Politik und seinen illiberalen und autoritären politischen Kurs kleidet. (Prömpers 20.6.2016; Gallaher/Martin 27.10.2020; Scheppele 10.8.2021) Im Blick auf die gegenwärtigen Ähnlichkeiten des EU-Mitgliedlandes Ungarns zum russischen Kurs erscheint eine Interpretation von Putins Politik als zivilisatorisch bedingt umso abwegiger. 96 Beinert identifiziert bei Putin und der russischen Elite die Revitalisierung der »Rom-Idee« als einflussreiches Narrativ des russischen Herrschaftsanspruchs. (Bei­ nert 2022: 348–349)

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V. Die Rolle der Religion im Konflikt

(OKU) vom orthodoxen Primas in Konstantinopel anerkannt, nicht aber vom Moskauer Patriarchat, das die Ukraine immer noch als Teil seiner Jurisdiktion betrachtet und die Kirchenspaltung als poli­ tisch orchestrierten Schachzug charakterisierte. (Patterson 9.3.2022) Die OKU und die weiterhin fortbestehende und mittlerweile deut­ lich weniger Gläubige umfassende Moskau unterstellte Ukrainische Orthodoxe Kirche (UOK) agierten seitdem als Gegenspieler.97 Es besteht also eine kirchenpolitische Parallele zu Putins Nichtachtung der staatlichen Unabhängigkeit der Ukraine. Darüber hinaus herrscht in der Ukraine religiöser Pluralismus und Religionsfreiheit – wäh­ rend sowohl das Moskauer Patriarchat als auch der Kreml beides in Frage stellen. Putin setzt Religion für seine politischen Zwecke im UkraineKonflikt ein. Dies kann mit den Kategorien »soft power« bzw. »soft pull« und »sharp power« analysiert werden. Unter dem von Joseph Nye geprägten Konzept der »soft power« in den internationalen Beziehungen (Nye 2004) versteht man die Kapazität eines Staates, andere internationale Akteure durch die Attraktivität seiner Kultur und Werte zu beeinflussen – im Kontrast zu »hard power«, d. h. militärischer oder wirtschaftspolitischer Macht. Das seit 2017 in der Politikwissenschaft diskutierte Konzept der »sharp power« (Walker/ Ludwig 16.11.2017) bezieht sich auf das Verbreiten bestimmter Ideen, Meinungen und (Miss)informationen mit Hilfe von Informations-, Kommunikations- und Technologieinstrumenten. Dies geschieht in manipulativer Absicht und dient meist dazu, Zwietracht und Span­ nungen in Gesellschaften zu säen und zu verstärken. (Mandaville 9.2.2022) Religion ist eine wichtige – und bisher nicht genug beach­ tete – Waffe im »sharp power« Arsenal autoritärer Regime, wie Peter Mandaville argumentiert und an Putins Politik illustriert. (ebd.) Vor 2014 nutzte Putin Religion als »soft power« bzw. »soft pull«: Er ließ über die dem Moskauer Patriarchat unterstellte Kirche in der Ukraine das Argument des religiösen Nationalismus verbreiten. Die 97 Die Statistiken und Schätzungen zur Verteilung der Gläubigen auf die verschiede­ nen orthodoxen Kirchen in der Ukraine variieren stark und sind zudem dynamisch, da immer mehr Gläubige von der UOK zur OKU wechseln. Zenger et al. berufen sich auf Bevölkerungsumfragen von November 2021, denen zufolge die Kirche des Moskauer Patriarchats zwar deutlich mehr Gemeinden, aber eine geringere Gesamtzahl an Gläubigen als die OKU hat. Zudem geben viele Gläubigen in den Umfragen keine spezifische Kirchenzugehörigkeit an, sondern verstehen sich einfach als »orthodox«. (Zenger et al. 2022: 16)

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Teil C: Der Russland-Ukraine-Konflikt als Krieg der Zivilisationen?

Rhetorik konzentrierte sich auf die gemeinsame Religion und die gemeinsame religiöse Geschichte Russlands und der Ukraine und die brüderliche Solidarität, die sich politisch in der ukrainischen Anleh­ nung an Russland manifestieren müsse. (Kozelsky 2014) Als sich jedoch abzeichnete, dass sich die die Ukraine unaufhaltsam nach Westeuropa orientierte, verknüpfte er die religiöse Vormachtstellung des Moskauer Patriarchates und den Leitungsanspruch über die Gläu­ bigen in der Ukraine mit einer aggressiven geopolitischen Schlag­ richtung. Es wurde von Kirchenseite propagiert, dass die liberale und säkulare Orientierung des Westens und dessen Aufoktroyieren unchristlicher Lebensformen wie gleichgeschlechtlicher Ehen eine religiös-spirituelle Bedrohung für die Ukraine sei. Nur Russland sei Hüter und Verteidiger der christlichen Zivilisation und traditioneller Werte. Patriarch Kyrill zeichnete den Konflikt zwischen Russland und dem Westen im Hinblick auf die Ukraine als religiös-spirituellen Kul­ turkrieg. (Forlenza/Turner 2019: 13) Nach der Kirchenspaltung lamentierte die Moskau unterstellte Kirchenhierarchie in der Ukraine lautstark eine vermeintliche Unterdrückung und ein anti-russisches Klima. Der Kreml versuchte subversiv, religiöse Gewalt zwischen den beiden Kirchen in der Ukraine anzustacheln. (Taylor/Minney 7.2.2019) Vollkommen war die Transformation der Religion von »soft power« hin zu »sharp power«, als Putin seine territorialen Übergriffe auf die Ukraine mit dem Scheinargument rechtfertigte, die Religions­ freiheit der Angehörigen der Moskau unterstellten UOK verteidigen zu wollen. (Zenger et al. 2022) Er spricht von »Genozid an den Chris­ ten des ukrainisch-orthodoxen Patriarchats« in der Ukraine. Kyrill und andere kirchliche Würdenträger in Russland verteidigten die Invasion der Ukraine, gaben dem russischen Militär moralisch-spiri­ tuelle Rückendeckung und blieben treu an Putins Seite. Der Angriffs­ krieg wurde von der Leitung des Moskauer Patriarchates als meta­ physischer Krieg umgedeutet und legitimiert. Dies passt in das vom Soziologen Mark Juergensmeyer charakterisierte Schema der »cosmic wars«: religiös gerechtfertigte Gewalt auf der Basis einer imaginierten Schlacht zwischen metaphysischen Kräften – Gut und Böse, Richtig und Falsch, Ordnung und Chaos. Diese Bilder werden in soziale und politische Szenarien implantiert und sakralisierten weltliche Kon­ flikte. (Juergensmeyer 2015) Juergensmeyer verortet dieses Phäno­ men gegenwärtig in allen Religionen und stellt für die meisten von ihm untersuchte Fälle Folgendes fest: »[I]t is not religion that has led spiritual persons into violence but the other way around: violent

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V. Die Rolle der Religion im Konflikt

situations have reached out for religious justification.« (Juergens­ meyer 2017: 201) Die Dynamik zwischen Putin und Kyrill scheint einer dieser Fälle zu sein. In einer Predigt am 6. März 2022 rechtfer­ tigte Kyrill den Überfall mit dem Argument, der russische Präsident wolle die Ukraine vor Gay-Pride-Paraden schützen, die die Kräfte des Westens bzw. die »Kräfte des Bösen« dort orchestrieren wollen. In einer gemeinsamen Missinformationskampagne von Moskauer Patriarchat und Kreml wurde zumindest Teilen der russischen Öffent­ lichkeit erfolgreich indoktriniert, dass es sich bei der Invasion der Ukraine um einen Befreiungsfeldzug für die bedrängten Glaubens­ brüder und einen Verteidigungsfeldzug der christlichen Werte handle. (Elsner 7.3.2022; Elsner 23.2.2022; Mandaville 9.2.2022) Der Theo­ loge Wolfgang Beinert sieht eine Parallele zu den mittelalterlichen Kreuzzügen: »Die Christen betrachteten es als selbstverständlich, dass das ›Heilige Land‹ [...] unter ihrem Einfluss zu stehen habe. Also mussten die dort inzwischen heimisch gewordenen Muslime mit Macht vertrieben wer­ den. Die tragischen Folgen waren die Kreuzzüge. Man wird angesichts der gegenwärtigen Konflikte lebhaft an sie erinnert. […Paradoxerweise wird hier…] die Vernichtung der mehrheitlich orthodoxen Ukraine zu einer durch das orthodoxe Staatsverständnis erforderten Aufgabe von Russenstaat und Russenkirche.« (Beinert 2022: 347)

In Summa: Im gegenwärtigen Russland dienen Religion und eine Theologie des metaphysischen Krieges als staatliche Instrumente der »sharp power«.

V.2 Konfliktrelevanz und Differenzierung von Religion Die dargelegten Tatsachen stimmen mit Huntingtons These von der großen Konfliktrelevanz von Religion überein. Der konfliktgenerie­ rende bzw. -verschärfende Einfluss von Religion im Ukraine-Konflikt liegt hier nicht an religiösen Unterschieden oder in einer religiösen Spaltung der Konfliktparteien, wie man mit Huntington erwarten würde, sondern am sakralisierten Nationalismus und der religiösen Kriegslegitimierung in Russland. Putin nutzt Religion bzw. die rus­ sisch-orthodoxe Kirche sowohl innen- als auch außenpolitisch wahl­ weise als Instrument der »soft power« und der »sharp power« für seine Agenda. Im Sinne der instrumentalistischen Strömung in der Konfliktforschung zeigt sich Religion hier also als Instrument in den

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Teil C: Der Russland-Ukraine-Konflikt als Krieg der Zivilisationen?

Händen der Herrschenden. Der Faktor Religion ist in diesem Fall aber nicht auf diese passive Rolle beschränkt. Vielmehr besteht eine enge Allianz zwischen der russisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchates und dem Staat. Von Seiten der Politik wird der Krieg mit Religion gerechtfertigt, und von Seiten der Religion erfolgt eine theologische Rechtfertigung des politischen Krieges. In Bezug auf die ideologische Verstrickung der russisch-orthodo­ xen Kirche mit dem kriegstreibenden russischen Staat muss aber zwi­ schen der Kirchenleitung des Moskauer Patriarchats und der russischorthodoxen Kirche im Gesamten differenziert werden. In der Ukraine sprach sich der Metropolit der dem Moskauer Patriarchat unterstell­ ten UOK – von der Putin angibt, sie verteidigen zu wollen – harsch und deutlich gegen Putins Angriffskrieg 2022 aus (Elsner 7.3.2022; Zenger et al. 2022) und appellierte vergeblich an Kyrill, auch entspre­ chend Stellung zu beziehen. (Hollenbach 28.2.2022) Seit Beginn der russischen Invasion erwähnten circa die Hälfte der russisch-orthodo­ xen Gemeinden und Bistümer in der Ukraine und viele auf der ganzen Welt Patriarch Kyrill nicht mehr in ihrer Liturgie und setzten so ein Zeichen des Widerstandes. (Batley 14.3.2022; Elsner 7.3.2022; MacFarquhar/Kishkovsky 18.4.2022) Etliche Gemeinden wie die in Amsterdam und im italienischen Udine erbaten die Loslösung vom Moskauer Patriarchat. (Elsner 14.3.2022; MacFarquhar/Kishkovsky 18.4.2022) Dieser Widerstand kulminierte in einem kriegsbedingten Schisma in der russisch-orthodoxen Kirche, das am 27.5.2022 mit der offiziellen Unabhängigkeitserklärung der ukrainischen Kirche vom Moskauer Patriarchat besiegelt wurde. (Batley 14.3.2022; Hinz 28.5.2022) Selbst innerhalb Russlands unterzeichneten 293 russischorthodoxe Priester und Diakone einen mutigen Apell gegen den Bru­ derkrieg und für einen sofortigen Waffenstillstand.98 Sie kritisierten auch das staatliche Eingreifen gegen friedliche Anti-Kriegs-Proteste in Russland. (Gagliarducci 3.3.2022; Allen 6.3.2022) Trotz eines neuen Gesetzes in Russland vom 4.3.2022, das es unter Strafe stellt, Einsätze des Militärs zu diskreditieren, sind kirchliche Stimmen gegen den Krieg bisweilen immer noch zu hören. (Mertes 2022: 332–333) So wurde beispielsweise ein russisch-orthodoxer Priester von einem Gericht wegen seiner Positionierung gegen den Krieg zu einer Geld­ strafe verurteilt. (Arnold 11.3.2022) Siehe https://docs.google.com/forms/d/1yOGuXjdFQ1A3BQaEEQr744cwDzmSQ1qeP aaBi4z6q3w/viewform?edit_requested=true (Stand: 17.9.2022)

98

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VI. Relativierung der Konfliktlinie »Islam vs. Christentum«

Kyrill ist unter den Kirchenführern seiner weltweiten orthodoxen Brüderkirchen isoliert in seiner Billigung von Putins Angriffskrieg. (Gagliarducci 3.3.2022) Hunderte orthodoxe Theologen und Religi­ onsvertreter brandmarkten Kyrills theologische Grundlage für die Kriegsrechtfertigung – die Doktrin von der »Russischen Welt« – in einer gemeinsamen Stellungnahme als phyletistische Häresie. (A Declaration on the »Russian World« (Russkii mir) Teaching 13.3.2022) Viele religiöse Gemeinschaften weltweit bemühen sich in Gebeten und diplomatischen Initiativen um Frieden. Beispiels­ weise versuchte Papst Franziskus persönlich bei Patriarch Kyrill zu intervenieren, und im Petersdom wurden der russische und der ukrainische Botschafter zu einer Friedensmesse eingeladen, in der Kardinalstaatssekretär Parolin den Krieg scharf verurteilte. (KNA 16.3.2022) In der Ukraine leisten die Kirchen vielfältige humanitäre Hilfe im Krieg. (Zenger et al. 2022) In anderen Ländern sind reli­ giöse Gruppierungen stark in der Hilfe für ukrainische Geflüchtete aktiv – inklusive russisch-orthodoxe Gemeinden in Russland. (WCC 4.3.2022) Auch wenn sich die Ambivalenz von Religion in diesem Gewaltkonflikt deutlich im Negativen niederschlägt, ist die Rolle von Religion doch differenziert.

VI. Relativierung der Konfliktlinie »Islam vs. Christentum« Stellt man abschließend die Frage, welche Rückschlüsse sich aus dem Ukraine-Konflikt auf die Relevanz von Huntingtons Theorie ziehen lassen, so muss der Blick noch auf einen Hauptaspekt des »Clash of Civilizations«-Konzeptes gerichtet werden: die als primäre globale Konfliktlinie gezeichnete Dichotomie von Islam versus Christentum bzw. Westen. Hier bestätigt der Ukraine-Krieg Huntingtons Theorie definitiv nicht. Putin hatte damit, dass er sich traditionelle, christlich-konser­ vative Werte auf die Fahnen schrieb, »soft power« und Sympathien von vielen rechtskonservativen Kräften im Westen gewonnen, die er seinerseits unterstützte.99 Zudem hatte der islamistische Terrorismus, Einer Bevölkerungsumfragen des Pew Research Centers aus dem Jahr 2016 hatte beispielsweise zu Tage gebracht, dass unter Sympathisanten rechtspopulistischer Parteien in Westeuropa weitaus größeres Vertrauen in Putin herrschte als unter dem Rest der Befragten. (Taylor 31.1.2017) 99

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Teil C: Der Russland-Ukraine-Konflikt als Krieg der Zivilisationen?

der seit 9/11 im Zentrum der Aufmerksamkeit des Westens steht, zu einer Annäherung der USA an Russland geführt. Russland hatte sich in seinen globalen Interventionen, insbesondere in Syrien, als Verteidiger des Christentums ausgegeben und wurde so von vielen als Verbündeter oder sogar Bollwerk des Westens im Kampf gegen die vermeintliche islamische Bedrohung wahrgenommen. Durch Putins Schulterschlüsse und seine Allianzen mit Rechtspopulisten im Westen und der christlichen Rechten in den USA hatte sich eine Dynamik herausgebildet, bei der der Westen und Russland auf der einen Seite und die islamische Welt auf der anderen Seite standen. Diese geostrategische Konfiguration ist nun mit der russischen Inva­ sion der Ukraine und deren klarer Verurteilung durch den Westen zerbrochen. (Roy 10.3.2022) Zwar sehen in den meisten europäischen Ländern Anhänger rechtspopulistischer Parteien Russland und Putin immer noch positiver als der Bevölkerungsdurchschnitt, doch hat der Angriffskrieg auf die Ukraine auch in diesen Kreisen die Sym­ pathiewerte deutlich einbrechen lassen, wie eine Studie des Pew Research Centers ergab. (Fagan/Clancy 23.9.2023) In Frankreich beispielsweise hatte im Jahr 2020 eine Mehrheit von 55 Prozent der »Rassemblement National«-Unterstützer eine positive Meinung von Russland. Im Frühjahr 2022 waren es nur noch 21 Prozent, wobei 11 Prozent der Gesamtbevölkerung noch ein positives Russ­ landbild hatten. (ebd.) Dass Putin im Ukraine-Krieg die Allianz mit dem Westen gegen den Islam zugunsten seiner machtpolitischen Interessen innerhalb der slawisch-orthodoxen Zivilisationen opfert, zeigt laut Roy, dass die Konfrontation mit dem Islam für ihn keine Rolle spielt. Die rechtskonservativen Kräfte im Westen hätten sich geirrt in der Annahme, dass Putin eine auf dem Christentum basie­ rende Geostrategie verfolge. Beispielsweise richteten sich drei von den vier militärischen Interventionen Russlands in den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion gegen christliche bzw. orthodoxe Län­ der. (Roy 10.3.2022) Bezeichnend ist auch, dass Putin den muslimi­ schen tschetschenischen Machthaber Ramzan Kadyrow protegiert, der Scharia-Gesetze einführte. Der Kriegsverbrecher Kadyrow wurde im Oktober 2022 von Putin zum russischen Generaloberst ernannt und unterstützt Putin unter anderem mit seiner persönlichen Miliz bei den Kämpfen in der Ukraine. (FAZ.net 5.10.2022) Für Huntington war der Kalte Krieg ein flüchtiges und ober­ flächliches Phänomen im Vergleich zum Kampf zwischen Islam und Westen. Laut Huntington leben wir im Zeitalter der »Muslim Wars«.

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VII. Konklusion

(Huntington 17.12.2001) Russlands Ukraine-Krieg und die daraus resultierenden Neuformungen von Mustern des Kalten Krieges rela­ tivieren diese Annahme stark bzw. lassen sie als überholt erscheinen. Die Unberechenbarkeit und Aggressivität des gegenwärtigen russi­ schen Regimes in der internationalen Politik zeigen überdeutlich, dass der Weltfrieden nicht nur von muslimischen Kräften bedroht wird. Huntington schrieb dem Islam eine besonders ausgeprägte Kriegs­ lust und Gewaltbereitschaft zu. Nun wird die Welt daran erinnert, dass nicht nur dem Islam, sondern allen Religionen brandstiftendes Potential und Verstrickung in Gewalt innewohnt. Die Legimitierung von Putins Angriffskrieg durch die Leitung der russisch-orthodoxen Kirche Moskaus ist ein Tiefpunkt christlicher Kriegsrechtfertigung. »Putins Hassprediger«, so lautete der vielsagende Titel eines Spie­ gel-Artikels über Kyrill I. (Hornig/Mayr 7.5.2022). Es bleibt abzu­ warten, ob sich der westliche Hyperfokus auf den Islam im Zuge der religiös aufgeladenen und bedrohlichen russischen Außenpolitik lockern wird.

VII. Konklusion 1.

Auf den ersten Blick könnte man den Ukraine-Konflikt als zivilisatorische Frontstellung zeichnen, wenn man Huntingtons Zivilisationendefinition und seine These vom Kampf der Zivili­ sationen der Sachlage gemäß dehnt: Die Ukraine ist gefangen im Spannungsfeld zwischen russischer Hegemonie und dem Wunsch nach Anbindung an den Westen. Russland als Kernstaat der slawisch-orthodoxen Zivilisation möchte das Überlaufen der Ukraine zur anderen Zivilisation verhindern. Der Westen verurteilt Russland einstimmig für seine militärische Interven­ tion und Missachtung der Eigenständigkeit der Ukraine. Andere Zivilisationen – China, Indien – enthalten sich. Auf dem Spiel stehen »westliche« Werte wie Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaat, die vom illiberalen und autokratischen Russland bedroht werden. Bei sorgfältigerer Betrachtung der Dynamiken und bei Anwen­ dung der einzelnen Aspekte von Huntingtons Theorie – und nicht nur eines vagen Huntington’schen Gesamtkonzeptes – wird aber deutlich, dass das Szenario vom Zivilisationenkonflikt nicht stimmig ist.

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Teil C: Der Russland-Ukraine-Konflikt als Krieg der Zivilisationen?

2.

3.

4.

Fundamentale Aspekte des Ukraine-Konfliktes passen nicht zu Huntingtons Theorie. Im Ukraine-Konflikt zeigt sich, dass die Konfliktlinien anders verlaufen, als Huntington vermutete. Zum einen lag Huntington mit seiner Prognose daneben, dass es wegen der Zugehörigkeit zur gleichen Zivilisation wahrschein­ lich zu keiner Gewalt zwischen Russland und der Ukraine kom­ men werde. Zum anderen – und auf einer tieferen Ebene – relativiert sich mit diesem Krieg die überragende Dominanz, die der »Clash of Civilizations«-Ansatz der Konfliktlinie Islam vs. Westen zuspricht, nicht zuletzt, weil wir mit einem prominenten Beispiel christlicher – nicht islamischer – Kriegsrechtfertigung konfrontiert sind. Es handelt sich beim Ukraine-Konflikt nicht um einen Bruch­ linienkonflikt. Huntington überschätzte die interne, in seinen Augen zivilisatorische Spaltung des Landes. Sowohl die wich­ tigste interne »Cleavage«, d. h. politische Konfliktlinie in der Ukraine, als auch der Kern des Konfliktes zwischen Russland und der Ukraine verlaufen nicht entlang religiöser oder ethnischlinguistischer Merkmale, sondern entlang fundamental aufein­ anderprallender politischer Systeme und Ausrichtungen. Auf der einen Seite liberale Demokratie und Rechtsstaat, wofür die Euro­ päische Union steht, und auf der anderen Seite Autokratie und Imperialismus, wie sie Putins Regime in Russland verkörpert. Huntingtons Konzept liefert einen zutreffenden Verstehensrah­ men für eine gewichtige Dimension im Konflikt: Russlands Rechtfertigung. Es gibt kaum Anhaltspunkte dafür, dass eine zivilisatorische Denkweise im Konflikt unter ukrainischen oder westlichen Akteuren weit verbreitet ist. Als Manifestation von Huntingtons Theorie kann aber das Handeln des russischen Präsidenten gewertet werden. Der in Russland herrschende »Putinismus« zeichnet sich zum einen durch klassischen Auto­ ritarismus aus und verfolgt außenpolitisch eine imperialistischrevisionistische Politik. Zum anderen ist ein Zivilisationismus Kern seiner Weltsicht oder zumindest die ideologische Rechtfer­ tigung für seinen Imperialismus. Putin kleidet sein Machtstreben sowohl innen- als auch außenpolitisch in eine zivilisatorische Argumentation; er kann daher als »Huntingtons Vorzeigeschü­ ler« bezeichnet werden. In Bezug auf Putins zivilisatorische Rechtfertigung seines Angriffskrieges auf die Ukraine erscheint Huntington als Prophet.

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VII. Konklusion

5.

6.

Trotz Putins zivilisatorischer Rhetorik ist es ein Umweg, den Ukraine-Krieg als zivilisatorischen Kampf zu zeichnen, statt konzeptionell bei einem Konflikt zwischen verschiedenen poli­ tischen Systemen zu bleiben. Dieser Umweg hat zudem proble­ matische Konnotationen: Gesteht man Putin zu, dass es sich um einen interzivilisatorischen Konflikt handelt, so spielt man ihm in die Hände. Denn damit einher geht eine Unausweich­ lichkeit der Frontstellung und eine natürliche Andersartigkeit der politischen und gesellschaftlichen Strukturen in Russland – und je nach zivilisatorischer Verortung der Ukraine auch von letzterer. Das Konzept der Zivilisation hat die Konnotation der Unwandelbarkeit und einer überzeitlichen Ausrichtung an je eigenen, distinkten Werten und Normen. Die Rolle der Religion im Ukraine-Konflikt gibt Huntingtons Einschätzung, dass Religion eine große politische Relevanz und beachtenswertes Gewaltpotential hat, Recht. Die konflikt­ verstärkende Rolle von Religion basiert hier nicht auf scharf gegeneinander abgegrenzten religiösen Identitäten der Konflikt­ parteien, wie es Huntingtons Theorie im engeren Sinn vorsieht. Eine Glaubensspaltung innerhalb der Ukraine bzw. zwischen der Ukraine und Russland spielt eine nur sehr untergeordnete Rolle. Kern der explosiven Rolle der Religion in diesem Konflikt ist vielmehr Russlands religiös-sakralisierter Nationalismus. Putin nutzt religiöse Rhetorik im Allgemeinen und die Kirche im Speziellen zur Machtsicherung und Mobilisierung der Bevölke­ rung. Mit Mandaville kann von Religion als »sharp power« im politischen Manipulationsarsenal gesprochen werden. (Manda­ ville 9.2.2022) Diese konfliktverstärkende Rolle von Religion im Ukraine-Konflikt beschränkt sich nicht auf eine Instrumen­ talisierung von Religion durch die Politik, sondern zeigt sich vielmehr in einer engen strategischen Allianz zwischen Kirche und Staat. Diese ist nicht nur pragmatisch in einer gegenseitigen Machtsicherung begründet, sondern basiert auch auf geteilten Interessen, Zielen und ideologischen Grundlagen. Zu nennen sind hier insbesondere die Rede vom Kulturkrieg gegen die Einflüsse des liberal-säkularen Westens und das Streben nach der »Russischen Welt« als gottgewollte Ordnung – ein großrussi­ sches Territorium mit einer Sprache, einer Kirche und einer Herr­ schaft. Der Moskauer Patriarch Kyrill sakralisiert die nationale russische Identität und legitimiert Putins Regime. Die Synergie

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Teil C: Der Russland-Ukraine-Konflikt als Krieg der Zivilisationen?

von Kirche und Kreml ist im Ukraine-Krieg perfekt: Von Seiten der Politik wird der Krieg mit Religion gerechtfertigt und von Seiten der Religion erfolgt eine theologische Rechtfertigung des politischen Krieges.

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Teil D: Die Kontroverse um die »Regensburger Rede« als Kampf der Kulturen?

Dass sich Huntingtons Thesen so hartnäckig halten und dass immer wieder auf sein Konzept Bezug genommen wird, liegt vor allem an Ereignissen und Kontroversen im 21. Jahrhundert, die verbreitet als Bestätigung des »Clash of Civilizations« angesehen werden. Zu nen­ nen sind hier insbesondere der 11. September 2001 und weitere isla­ mistische Terroranschläge im Westen, der Irakkrieg, der Aufstieg von ISIS, der Karikaturenstreit,100 die sogenannte »Flüchtlingskrise« und die Kontroverse um die Regensburger Papstvorlesung. Letzteres Ereignis soll im folgenden Verlauf dieser Arbeit näher untersucht werden. Bei aller theoretischen Schwäche und einem empirischen Scheitern in Bezug auf »harte« Konflikte der internationalen Politik, wie sie der Ukraine-Krieg verkörpert: sind Huntingtons Thesen nicht doch zutreffend im Hinblick auf dieses bedeutende Ereignis des Zeit­ geschehens? In diesem Teil der Arbeit werden die Regensburger Vorlesung Papst Benedikts XVI. und ihre Folgen ausführlich in den verschie­ denen Ebenen der Öffentlichkeit dargelegt und auf die Frage hin untersucht, inwieweit es sich um einen Kampf der Kulturen han­ delt. Davon wäre dann zu sprechen, wenn es sich in der Kontroverse primär um eine konfliktive bzw. kämpferische Auseinandersetzung zwischen »dem Westen« und »dem Islam« bzw. ihren jeweiligen Vertretern handelt.

100 Für eine Chronologie und Analyse der Kontroverse um die dänischen Moham­ med-Karikaturen siehe Eide et al. 2008, Jung 2006, Klausen 2009 und Lang­ bein 2010.

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Teil D: Die Kontroverse um die »Regensburger Rede« als Kampf der Kulturen?

I. Die Regensburger Rede von Papst Benedikt XVI. I.1 Zusammenfassung der Rede Am 12. September 2006 hielt Papst Benedikt XVI. im Rahmen seiner Pastoralreise durch Bayern eine Rede an der Universität Regensburg mit dem Titel: »Glaube, Vernunft und Universität. Erinnerungen und Reflexionen«. Der Titel der Vorlesung gab das Programm wieder: Thema der päpstlichen Ausführungen war das Verhältnis von Glaube und Vernunft. (Benedikt XVI. 12.9.2006)101 Benedikt leitete seine Vorlesung mit guten Erinnerungen an seine Zeit als Professor für Fundamentaltheologie an der Universität Bonn ein. Die einzelnen Wissenschaftsdisziplinen seien miteinander im Austausch gestanden und die Universität sei stolz auf ihre beiden theologischen Fakultäten gewesen. Es habe Einvernehmen bestanden, dass all die verschiedenen Disziplinen »doch ein Ganzes bilden und im Ganzen der einen Vernunft mit all ihren Dimensionen arbeiten und so auch in einer gemeinschaftlichen Verantwortung für den rechten Gebrauch der Vernunft stehen«. Es habe ein »innere[r] Zusammen­ halt im Kosmos der Vernunft« geherrscht. (ebd.) Auf diese einleitenden Worte folgten die drei wesentlich den Islam betreffenden Abschnitte der Rede. In der Fassung, wie sie der Papst vortrug, lautet die Textpassage (hier leicht gekürzt) folgender­ maßen: »All dies ist mir wieder in den Sinn gekommen, als ich kürzlich den von Professor Theodore Khoury (Münster) herausgegebenen Teil des Dialogs las, den der gelehrte byzantinische Kaiser Manuel II. Palaeolo­ gos wohl 1391 im Winterlager zu Ankara mit einem gebildeten Perser über Christentum und Islam und beider Wahrheit führte. […] Der Dialog erstreckt sich über den ganzen Bereich des von Bibel und Koran umschriebenen Glaubensgefüges und kreist besonders um das Gottesund das Menschenbild, aber auch immer wieder notwendigerweise um das Verhältnis der, wie man sagte, »drei Gesetze« oder »drei Lebensordnungen«: Altes Testament – Neues Testament – Koran. 101 Die Quellenangabe »Benedikt XVI. 12.9.2006« verweist auf die vorläufig auf der Homepage des Vatikans veröffentlichte Fassung der Regensburger Vorlesung, welche die Rede so wiedergibt, wie sie gehalten wurde. Die endgültige Version dieses Vortrages wurde am 10.10.2006 veröffentlicht und wird daher im Kurzbeleg als »Benedikt XVI. 10.10.2006« angegeben.

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I. Die Regensburger Rede von Papst Benedikt XVI.

Jetzt, in dieser Vorlesung möchte ich darüber nicht handeln, nur einen – im Aufbau des ganzen Dialogs eher marginalen – Punkt berühren, der mich im Zusammenhang des Themas Glaube und Vernunft fasziniert hat und der mir als Ausgangspunkt für meine Überlegungen zu diesem Thema dient. […Der Kaiser kommt] auf das Thema des Djihād, des heiligen Krieges zu sprechen. Der Kaiser wußte102 sicher, daß in Sure 2, 256 steht: Kein Zwang in Glaubenssachen – es ist eine der frühen Suren aus der Zeit, wie uns die Kenner sagen, in der Mohammed selbst noch machtlos und bedroht war. Aber der Kaiser kannte natürlich auch die im Koran niedergelegten – später entstandenen – Bestimmungen über den heiligen Krieg. Ohne sich auf Einzelheiten wie die unterschiedliche Behandlung von ›Schriftbesitzern‹ und ›Ungläubigen‹ einzulassen, wendet er sich in erstaunlich schroffer, uns überraschend schroffer Form ganz einfach mit der zentralen Frage nach dem Verhältnis von Religion und Gewalt überhaupt an seinen Gesprächspartner. Er sagt: ›Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, daß er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten‹. Der Kaiser begründet, nachdem er so zugeschlagen hat, dann einge­ hend, warum Glaubensverbreitung durch Gewalt widersinnig ist. Sie steht im Widerspruch zum Wesen Gottes und zum Wesen der Seele. ›Gott hat kein Gefallen am Blut‹, sagt er, ›und nicht vernunftgemäß, nicht ›σὺν λόγω’ zu handeln, ist dem Wesen Gottes zuwider. Der Glaube ist Frucht der Seele, nicht des Körpers. Wer also jemanden zum Glauben führen will, braucht die Fähigkeit zur guten Rede und ein rechtes Denken, nicht aber Gewalt und Drohung… Um eine vernünftige Seele zu überzeugen, braucht man nicht seinen Arm, nicht Schlagwerkzeuge noch sonst eines der Mittel, durch die man jemanden mit dem Tod bedrohen kann... Der entscheidende Satz in dieser Argumentation gegen Bekehrung durch Gewalt lautet: Nicht vernunftgemäß handeln ist dem Wesen Gottes zuwider. Der Herausgeber, Theodore Khoury, kommentiert dazu: Für den Kaiser als einen in griechischer Philosophie aufgewach­ senen Byzantiner ist dieser Satz evident. Für die moslemische Lehre hingegen ist Gott absolut transzendent. Sein Wille ist an keine unse­ rer Kategorien gebunden und sei es die der Vernünftigkeit. Khoury zitiert dazu eine Arbeit des bekannten französischen Islamologen R. Arnaldez, der darauf hinweist, daß Ibn Hazn so weit gehe zu erklären, daß Gott auch nicht durch sein eigenes Wort gehalten sei und daß 102 Wörtliche Zitate werden in dieser Arbeit in ihrer veröffentlichten Schreibweise, in diesem Fall in der alten deutschen Rechtschreibung, wiedergegeben.

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Teil D: Die Kontroverse um die »Regensburger Rede« als Kampf der Kulturen?

nichts ihn dazu verpflichte, uns die Wahrheit zu offenbaren. Wenn er es wollte, müsse der Mensch auch Götzendienst treiben. An dieser Stelle tut sich ein Scheideweg im Verständnis Gottes und so in der konkreten Verwirklichung von Religion auf, der uns heute ganz unmittelbar herausfordert«. (ebd.)

Von diesem Ausgangspunkt aus erläutert Benedikt seine Sicht auf das Verhältnis von Glaube und Vernunft. Aus der theologischen Überzeu­ gung, dass es dem Wesen Gottes zuwider sei, nicht vernunftgemäß zu handeln, folge, dass der christliche Glaube die Vernunft brauche. Die Vernunft ordnet der Papst der griechischen Antike zu. Er führt aus, dass der christliche Glaube wesensmäßig mit dem biblischen Geist einerseits und dem griechisch-rationalen Denken andererseits verbunden sei. Er sieht im Christentum eine einzigartige Synthese aus »biblischer Botschaft« und dem »griechischen Denken«. Blickt man auf die Ursprünge und Genese des Christentums, so sei unbestreitbar, dass das »kritisch gereinigte griechische Erbe wesentlich zum christ­ lichen Glauben gehört«. (ebd.) Im Christentum, verstanden als Begegnung und Synthese von biblischem Glauben und griechischem Denken, sieht der Papst das Fundament Europas. Diese Begegnung sei »ein nicht nur religionsgeschichtlich, sondern weltgeschichtlich ent­ scheidender Vorgang, der uns auch heute in die Pflicht nimmt. Wenn man diese Begegnung sieht, ist es nicht verwunderlich, daß das Chris­ tentum trotz seines Ursprungs und wichtiger Entfaltungen im Orient schließlich seine geschichtlich entscheidende Prägung in Europa gefun­ den hat. Wir können auch umgekehrt sagen: Diese Begegnung, zu der dann noch das Erbe Roms hinzutritt, hat Europa geschaffen und bleibt die Grundlage dessen, was man mit Recht Europa nennen kann.« (ebd.)

»Der Redlichkeit halber« merkt Benedikt an, dass sich im Spätmit­ telalter eine theologische Strömung herausgebildet habe, die die Syn­ these von Griechischem und Göttlichem aufsprengte. Der sogenannte Voluntarismus habe sich vom augustinischen und thomistischen Intellektualismus entfernt und Gott als so transzendent gedacht, dass er nicht an Vernunft gebunden sei. Das eigentliche bedrohliche »Enthellenisierungsprogramm« im Christentum habe aber in drei Wellen stattgefunden: Zunächst in der protestantischen Reformation des 16. Jahrhunderts, die ungeahnt weite Kreise gezogen habe: »In einer für die Reformatoren nicht vorhersehbaren Radikalität hat Kant mit seiner Aussage, er habe das Denken beiseite schaffen müssen, um dem Glauben Platz zu machen, aus diesem Programm heraus

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I. Die Regensburger Rede von Papst Benedikt XVI.

gehandelt. Er hat dabei den Glauben ausschließlich in der praktischen Vernunft verankert und ihm den Zugang zum Ganzen der Wirklich­ keit abgesprochen.« Als zweite Welle nennt Benedikt die liberale Theologie des 19. und 20. Jahrhunderts, mit Adolf von Harnack als ihrem prominentesten Vertreter. Er kritisiert deren Programm der »Rückkehr zum einfachen Menschen Jesus und zu seiner einfachen Botschaft, die allen Theologisierungen und eben auch Hellenisierun­ gen voraus liege«. Eine dritte Welle der Enthellenisierung sieht der Papst in den gegenwärtigen Versuchen, das Christentum in verschie­ dene Kulturen zu inkulturieren, ohne dabei den griechischen Geist zu bewahren. (ebd.) Von der anderen Seite sei die Harmonie zwischen christlichem Glauben und Vernunft seit dem Ende des Mittelalters durch eine Autonomisierung der Vernunft vom Glauben fundamental angegrif­ fen worden. Der Papst kritisierte es als Fehlentwicklung der Vernunft, dass sie sich in der säkularen Moderne nur noch dem Kartesianismus und dem Empirismus verpflichtet fühle. Es sei insbesondere ein Prob­ lem, dass die moderne Wissenschaft »nur die im Zusammenspiel von Mathematik und Empirie sich ergebende Form von Gewißheit gestat­ tet«. Damit einher gehe, dass die Gottesfrage als unwissenschaftlich disqualifiziert werde. Diese Verkürzung des Radius von Wissenschaft und Vernunft lehnt der Papst ab. Sie habe gravierende Konsequenzen für die Menschheit: »Wenn dies allein die ganze Wissenschaft ist, dann wird der Mensch selbst dabei verkürzt. Denn die eigentlich menschlichen Fragen, die nach unserem Woher und Wohin, die Fragen der Religion und des Ethos können dann nicht im Raum der gemeinsamen, von der so verstandenen ›Wissenschaft‹ umschriebenen Vernunft Platz finden und müssen ins Subjektive verlegt werden. […] So aber verlieren Ethos und Religion ihre gemeinschaftsbildende Kraft und verfallen der Beliebigkeit. Dieser Zustand ist für die Menschheit gefährlich: Wir sehen es an den uns bedrohenden Pathologien der Religion und der Vernunft, die notwendig ausbrechen müssen, wo die Vernunft so verengt wird, daß ihr die Fragen der Religion und des Ethos nicht mehr zugehören.« (ebd.)

Moral brauche Theologie: »Was an ethischen Versuchen von den Regeln der Evolution oder von Psychologie und Soziologie her bleibt, reicht einfach nicht aus.« (ebd.) Vernunft und Glauben müssten auf neue Weise wieder zueinan­ derfinden. Benedikt XVI. sieht sich als Verfechter der Vernunft, der

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Teil D: Die Kontroverse um die »Regensburger Rede« als Kampf der Kulturen?

dafür plädiert, »die selbstverfügte Beschränkung der Vernunft auf das im Experiment Falsifizierbare [zu] überwinden und der Vernunft ihre ganze Weite wieder [zu] eröffnen«. In dieser Weite der Vernunft hat die Theologie ihren Platz: »In diesem Sinn gehört Theologie nicht nur als historische und humanwissenschaftliche Disziplin, sondern als eigentliche Theologie, als Frage nach der Vernunft des Glaubens an die Universität und in ihren weiten Dialog der Wissenschaften hinein.« Die Theologie habe eine besondere Rolle im Kanon der Wissenschaften: »Für die Philosophie und in anderer Weise für die Theologie ist das Hören auf die großen Erfahrungen und Einsichten der religiösen Traditionen der Menschheit, besonders aber des christ­ lichen Glaubens, eine Erkenntnisquelle, der sich zu verweigern eine unzulässige Verengung unseres Hörens und Antwortens wäre«. (ebd.) Eine Rehabilitierung der universalen Vernunft, die den Glauben nicht ausschließt, hält Benedikt XVI. auch deshalb für nötig, weil wir »nur so […] auch zum wirklichen Dialog der Kulturen und Religionen fähig [werden], dessen wir so dringend bedürfen«. Die »tief religiösen Kulturen der Welt« sähen nämlich eine rein positivistische Vernunft als Verstoß gegen ihre innersten Überzeugungen an. »Eine Vernunft, die dem Göttlichen gegenüber taub ist und Religion in den Bereich der Subkulturen abdrängt, ist unfähig zum Dialog der Kulturen« argumentierte Benedikt XVI. im letzten Abschnitt seiner Rede. (ebd.) Benedikt XVI. schloss seine Regensburger Vorlesung mit den Worten: »Mut zur Weite der Vernunft, nicht Absage an ihre Größe – das ist das Programm, mit dem eine dem biblischen Glauben verpflichtete Theologie in den Disput der Gegenwart eintritt. ›Nicht vernunftgemäß, nicht mit dem Logos handeln ist dem Wesen Gottes zuwider‹, hat Manuel II. von seinem christlichen Gottesbild her zu seinem persi­ schen Gesprächspartner gesagt. In diesen großen Logos, in diese Weite der Vernunft laden wir beim Dialog der Kulturen unsere Gesprächs­ partner ein. Sie selber immer wieder zu finden, ist die große Aufgabe der Universität«. (ebd.)

I.2 Der Hintergrund des Zitates über Mohammed Bei den mittelalterlichen Religionsdialogen handelt es sich grund­ sätzlich nicht um einen real stattfindenden Dialog, sondern um ein literarisches Format. Darin gibt es keine Anerkennung der Posi­

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I. Die Regensburger Rede von Papst Benedikt XVI.

tion des Gegners im Sinne der späteren Toleranzschriften oder der modernen Akzeptanz von Pluralismus. Sie sind keine Gespräche zwischen den Religionen, sondern christliche Selbstgespräche, die in der Auseinandersetzung mit dem Judentum, dem Islam und der Philosophie der Selbstvergewisserung des eigenen Glaubens dienten. (Hildebrandt 2008: 67) Zum apologetischen, »innenpolitischen« Aspekt hinzu kommt eine »außenpolitische« apologetisch-missio­ narische Funktion, insoweit sie auf die Eindämmung, aber auch das Zurückdrängen des Islam in dessen eigenen Herrschaftsbereich abzielten. (ebd.: 33) Diese friedliche Auseinandersetzung grenzte sich ab von gewaltsamem Konversionszwang und der militärischen Bekämpfung des Islam durch die Kreuzzüge. Die Annahme war, dass auf der Basis von Vernunft die intellektuelle Überlegenheit des Christentums eingesehen werden kann. (Brocker 2008: 12) In diese Tradition antiislamischer Polemik und christlicher Apo­ logetik103 im Format des Religionsdialogs gehören die Manuel-Dia­ loge bzw. »Die Unterredung, die der sehr fromme und Christus liebende Kaiser Manuel Palaiologos mit einem Perser im Rang des Muterizes in Ankyra in Galatien geführt und seinem vielgeliebten Bruder, dem Despoten Porphyrogennetos Theodoros Palaiologos gewidmet hat.«104 Deren Programm lautet: »In der vorliegenden Schrift wird in langsam fortschreitender Argumentation die Schwäche und Unsicherheit der Gottlosigkeit der Türken erwiesen und der Glanz und die Sicherheit unserer Religion und unseres Glaubens verkündet.« Die Religionsdialoge wurden irgendwann zwischen 1392 und 1399 vom byzantinischen Kaiser Manuel II. verfasst.105 Zu diesem Zeitpunkt war die politische Macht des Byzantinischen Rei­ ches gebrochen und die Furcht vor den Türken in Europa verbreitet. Nomaden waren aus Turkestan nach Westen gewandert und hatten sich ab der Mitte des 13. Jahrhunderts in Kleinasien niedergelassen. 103 Zu dieser Tradition siehe Khourys »Der Theologische Streit der Byzantiner mit dem Islam« (Khoury 1969). 104 Die vorliegende Arbeit stützt sich auf die von Karl Förstel herausgegebene und kommentierte griechisch-deutsche Textausgabe des Manuel-Dialogs als Quelle (Manuel II. Palaiologos 1993; Manuel II. Palaiologos 1995; Manuel II. Palaiolo­ gos 1996). 105 Zur folgenden Hintergrundinformation zu den Dialogen siehe Laiou 2008 und Förstels Einleitung zum Manuel-Dialog (Manuel II. Palaiologos 1993: XII-XXXII). Siehe auch Wilhelm Baums Einleitung zu seiner Ausgabe der Manuel-Dialoge (Baum 2003: 7–30) und Lexikon für Theologie und Kirche 31993, Freiburg, 164–1165 (Stichwort »Osmanen«).

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1301 gründete Osman I. das Osmanische Reich und erklärte sich zum Sultan. Rasch weitete sich das Reich aus und expandierte auch in den Balkan hinein. 1389 wurden die Serben in der Schlacht am Amselfeld besiegt. In seiner Regierungszeit von 1391 bis 1422 war Manuel mit der Übermacht des Osmanischen Reiches konfrontiert. Sein Herr­ schaftsgebiet war praktisch auf Konstantinopel und einige wenige kleinere Gebiete beschränkt. Der Kaiser war Vasall des Sultans, dem er Tribut zahlen und Heerfolge leisten musste. Vergeblich unternahm Manuel II. wiederholt Reisen in die katholischen Staaten im Westen, um für militärische Unterstützung gegen die Osmanen zu werben. Dabei wurde im Zuge der Verhandlungen auch die Kirchenunion diskutiert, d. h. die Unterwerfung der griechisch-orthodoxen unter die römisch-katholische Kirche. In diesen Kontext der Konfrontation des Byzantinischen Reiches mit den Osmanen sind die von Manuel verfassten Dialoge eingebettet. Das Werk Manuels fand wahrscheinlich seine Inspiration in einem realen Dialog, den er Ende 1391 mit einem muslimischen Gelehrten führte. Karl Förstel legt dar, dass die Nationalität des Gesprächspartners nicht klar ist. Die Bezeichnung »Perser« mag nur eine antikisierende Wortwahl für »Türke« gewesen sein. Ohne Zwei­ fel ist aber der Bildungsrang des »Muterizes« (Lehrers) als hervorra­ gender muslimischer Gelehrter von fürstlichem Rang. Die Historiker gehen davon aus, dass dieses Gespräch in der veröffentlichten Form stark stilisiert und editiert wurde zu Gunsten der Botschaft von der Überlegenheit des Christentums. Der dargelegte intellektuelle Sieg über den muslimischen Gesprächspartner muss als literarischer Triumph verstanden werden.106 Die ersten neun der insgesamt 26 Dialoge fokussieren auf die Widerlegung des Islam, während in den folgenden 17 die Verteidigung des Christentums und seiner Haupt­ dogmen im Vordergrund steht. Im Verlauf der Gespräche werden verschiedene Themen wie die Natur von Engeln, die Christologie und ein Vergleich des Gesetzes und des Lebens von Moses und Mohammed diskutiert. Das von Benedikt verwendete Zitat findet sich in den ersten Seiten des siebten Dialogs. Die Schlagrichtung und der Kontext der Manuel-Dialoge offen­ baren sich selbstredend im Vorwort, das Manuel II. der Gesprächswie­ dergabe vorausstellt: 106

Siehe hierzu auch Manuel II. Palaiologos 1996: XVII-XVIII.

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»Das Bemühen, […] Leute zu belehren, die in ihren alten Vorstel­ lungen beharren, auch nachdem diese als falsch erwiesen sind [, ist völlig vergeblich…Die Moslems] halten an der Täuschung fest, der sie sich freiwillig ausgeliefert haben […] Das habe ich viele immer wieder sagen hören, aber längst auch durch meine eigenen Erfahrungen festgestellt. […] Es ist aber erstaunlich, dass er [der muslimische Gesprächspartner], obwohl er dem Gesagten teils freiwillig teils unfrei­ willig zustimmte, in seinen Antworten auf meine Fragen sich nicht weiter vorwagen wollte. […Er] schätzte für sich seine Religion offenbar nicht sonderlich hoch ein, war aber nichtsdestoweniger auch danach noch bemüht, das schlimme Pfand dem Satan zu erhalten. […] Er hielt nicht so sehr an seiner Religiosität fest, nachdem er vernommen, was er von mir vernommen hatte, sondern ließ sich vielmehr durch den Reich­ tum und die von ihm gebotenen Bequemlichkeiten und Verlockungen fesseln. Dazu kam das Abstoßende der Schande […] und die Täuschung aus unbegründeter Einbildung, die es am meisten vermag, eine Seele zu überwältigen, die nicht gut zu philosophieren versteht. Außerdem noch die angestammte Art und der Umstand, dass sein Volk zurzeit im Glück, unseres dagegen im Unglück lebt: dies alles zog sein Denken in die entgegengesetzte Richtung. [...] Daher scheint es vielleicht geradezu töricht zu sein, sich über die Unfrömmigkeit der Türken und ihre theologischen Lehrmeinungen zu unterreden, an denen es noch das Beste ist, dass sie die Hörer zum Lachen bringen könnten. […Den] Wahnsinn des verrückten Mohammed zu widerlegen, ist […] unnötig, da nicht wenige diesen Doppellauf schon zurückgelegt haben. […] Ich wusste aber, dass du […] die Unfrömmigkeit der genannten Gottlosen mehr als die anderen Arten von Unfrömmigkeit hasst und es außerdem als Belustigung und gleichsam als Spiel auffasst, wenn jemand etwas von dem Geschwätz dieser Leute vorträgt. […] Daher möchte ich dich mit uns an dem Mahl teilhaben lassen, […] mit dem uns jener sehr ehrwürdige und zugleich sehr durchtriebene Fürst bewirtete, indem er von Blendwerk erzählte, das ein Hirngespinst von Träumen war […] Meine Worte andererseits muss ich aus zwei Gründen anführen. Zum einen nämlich wäre es nicht angemessen und richtig, wenn ein Dialog nicht auch die Reden des Mitunterredners enthielte; zum anderen können in ihnen vielleicht Leute etwas Nützliches finden, die ohne Verzug über unsere Glaubenshoffnung Bescheid geben wollen, wenn die gottverhassten Muslime in dieser Hinsicht Unsinn vorbringen. […] Ich habe auf […die Hilfe der Schrift…] verzichtet [...,] weil der alte Mann, obwohl er unter allen seinen Landsleuten hervorragend war und auch so angesehen wurde […] dennoch ein Barbar war, da ja auch sein Volk und seine Sprache barbarisch waren. [...] Deshalb reicht wohl auch der Verstand, den er hatte, nicht aus, um zu dem in den Schriften

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Teil D: Die Kontroverse um die »Regensburger Rede« als Kampf der Kulturen?

verborgenen göttlichen Sinn zu gelangen; daher unterredeten wir uns nicht so, wie es nötig gewesen wäre, sondern so, wie jener fähig war, das Gesagte zu verstehen.« (Manuel II. Palaiologos 1993: 5–13)

Es kann in den Manuel-Dialogen eine Diskrepanz festgestellt werden zwischen dem relativ respektvollen Ton und freundlichen Umgang zwischen Manuel und dem Gesprächspartner und dem verächtlichen Duktus in der Rahmung dieser Unterredung durch Manuel. Die eigentliche Grundhaltung, wie sie Manuel im Vorwort an seinen Bruder kundtut, ist von Überheblichkeit und Abwertung geprägt. Diese Diskrepanz mag an der Position der politischen Schwäche liegen, in der sich Manuel als Vasall des Osmanischen Reiches und als Gast eines Muslims befand. Doch inhaltlich scheut sich Manuel nicht davor zurück, auch im Dialog den Islam in deutlichen Worten zu verurteilen. So finden sich nicht nur in der vom Papst zitierten Stelle despektierliche Worte in Bezug auf den Propheten Mohammed. Beispielsweise ist im sechsten Dialog davon die Rede, dass sein Leben »über alle Schlechtigkeit hinausging«. Manuel wirft Mohammed Habgier, Blutvergießen, Unrecht, Betrug, Schwelgerei und sexuelle Untaten vor. Die Kritik, dass er befohlen habe, die Religion gewaltsam zu verbreiten, ist ein Standardthema byzantinischer antiislamischer Polemik, wie Förstel in seinem Kommentar darlegt. Gottlosigkeit, ein schwacher Glaube, Unsinn und Wahnsinn werden Mohammed und seinen Anhängern attestiert. Am Beginn der Gespräche eröffnet der Muterizes die Möglichkeit seiner Bekehrung, falls Manuel ihn mit vernünftigen Gründen von der Wahrheit des Christentums überzeu­ gen könne. Für die Tatsache, dass dies nicht geschehe, obwohl der Perser intellektuell besiegt wird, führt Manuel verschiedene Gründe an: zum einen dessen Unfähigkeit bzw. fehlenden Mut, logisch die Dinge zu Ende zu denken und entsprechend Konsequenzen zu ziehen, zum anderen niedere Motive im Sinne irdischer Vorteile. Bemerkens­ wert ist, dass sogar einer der Gebildetsten und Vornehmsten unter den Muslimen hier zwar als »ehrwürdig«, »verständig« und »wiss­ begierig« charakterisiert wird, gleichzeitig aber mit den Attributen »Barbar« und »durchtrieben« versehen wird. Wenn selbst mit jemand vom Verstand und der Größe dieses Gesprächspartners der Dialog letztlich unsinnig und nutzlos ist, dann gilt das für jedes interreligiöse Gespräch. Die Manuel-Dialoge sind alles andere als eine Werbung für den christlich-muslimischen Dialog, sie sind vielmehr ein Plädoyer für die Lächerlichkeit, die ein solches Unterfangen darstellt. Die

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Belustigung sei der einzige Nutzen des Führens bzw. Wiedergebens eines solchen Dialogs, so Kaiser Manuel. Eine Verbindung zwischen diesem mittelalterlichen Text und politischen Fragen der Gegenwart in Bezug auf den Islam zeichnet der Herausgeber des Bandes. Im Vorwort der »Dialoge« schreibt Wilhelm Baum: »Die Diskussion um die mögliche Aufnahme der Türkei in die Europäi­ sche Union und über die Folgen des Anschlags vom 11.9.2001 haben viele Fragen hinsichtlich der Konfrontation Europas mit dem Islam auf­ geworfen. Über Jahrhunderte hindurch verteidigte das Byzantinische Reich Europa vor dem Ansturm der Araber und Türken. Kaiser Manuel II. […fühlte sich verpflichtet,] Europa vor dem Islam zu schützen. […] Die vorliegende Arbeit mag verdeutlichen, dass Deklarationen des türkischen Parlaments nicht ausreichen können, die Türkei in Europa zu integrieren. […] Das Werk Manuels II. gehört zum europäischen Kulturgut; es soll daher im Diskurs der Kulturen auch in Zukunft Beachtung finden.« (Baum 2003: 6)

I.3 Bewertung »Wahrlich keine geeignete Bezugsquelle für den Religionsdialog heute!« urteilt der Theologe Andreas Renz über das Zitieren aus dem Manuel-Dialog durch Papst Benedikt XVI. (Renz 2014: 40) Man kann in der Bezugnahme auf diesen mittelalterlichen Text eine konfrontative Haltung des Papstes in Bezug auf den Islam sehen, was Huntingtons Theorie entspricht. Die Rahmung einiger seiner Argumente mit Hilfe des Textes von Kaiser Manuel II. Palaiologos und die relativ undistanzierte Verwendung des polemischen Zitates über Mohammed sind nicht die einzigen Aspekte der Regensburger Rede, die eine islamkritische Schlagrichtung haben. Benedikts fundamentale Kritik am Islam beruht auf der indirek­ ten aber von ihm selbst vorgebrachten Argumentation, der Islam sei irrational und habe somit zwingend eine Affinität zu Gewalt, die in der Zeit Mohammeds aufgrund der Situation eigener Schwäche unterdrückt worden sei. Die Verbindung von Islam und Gewalt ist ein klassischer Huntington’scher Topos mit orientalistischen Wurzeln. Benedikts Annahme, dass im Islam die Vernunft dem Glauben untergeordnet sei und im Vergleich zu Judentum und Christentum eine geringere Rolle spiele, ist hoch fragwürdig. Die gegenteilige

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Ansicht könnte wissenschaftlich vertreten werden. (Coury 2009: 38–45) Die These von der absoluten Transzendenz Gottes im Islam, die den Glauben an einen Willkürgott ermöglicht, ist nur schwer aufrechtzuerhalten. (ebd.: 37–38; Offener Brief an Seine Heiligkeit 13.10.2006) Tatsache ist, dass es auch im Islam eine Hellenisierung gab; hier ist prominent Averroes zu nennen. Gerade dieser Helleni­ sierung im Islam verdankt das Christentum viel im Hinblick auf die Verbindung von Glaube und Logos, wie es Gerhard Kruip auf den Punkt bringt: »Es ist nicht […] verständlich, den Islam pauschal in einen Gegensatz zur Vernunft zu bringen, wo doch die christlichabendländische Geistesgeschichte gerade im Mittelalter ihre eigenen Neuversuche für die Verbindung von Glaube und Vernunft, etwa bei Thomas von Aquin, wesentlich der Tatsache verdankt, dass wichtige Teile der aristotelischen Überlieferung durch Muslime erst wieder zugänglich gemacht worden sind.« (Kruip 2009: 5; siehe auch Renz: 2009: 185–186; Coury 2009: 41–42) Mit der These, dass Gott im Islam absolut transzendent und somit nicht an Vernunft gebunden ist, scheint Benedikt auch begrün­ den zu wollen, dass die gegenwärtige Religionsausübung der Muslime zu Gewalt und Irrationalität neige: »[Es] tut sich ein Scheideweg im Verständnis Gottes und so in der konkreten Verwirklichung von Reli­ gion auf, der uns heute ganz unmittelbar herausfordert«. (Benedikt XVI. 12.9.2006) Fragt man, worin diese Herausforderung besteht, so drängt sich die Interpretation auf, dass Benedikt XVI. von einer theologischen Essenz des Islam ausgeht, von einem eigentlichen Islam, der eine Affinität zu Gewalt hat und der sich gegenwärtig im Islamismus und muslimischen Terrorismus zeigt. In seinem Argumentationsaufbau scheint dem Papst bei der Zuordnung der Sure 2,256 (»Kein Zwang im Glauben«) zur mekka­ nischen Zeit ein wissenschaftlicher Fehler unterlaufen zu sein. Es besteht weitgehender Konsens unter Islamgelehrten, dass diese Sure aus der medinesischen Zeit stammt. (Renz: 2009: 179; Coury 2009: 36–37; Offener Brief an Seine Heiligkeit 13.10.2006) Die Mehrheit der islamischen Gelehrten ist außerdem der Ansicht, dass diese Sure niemals durch andere Suren abrogiert wurde. (Renz 2009: 179) Die Aussage, dass die tolerante Schlagrichtung des frühen Islam durch eine »Lehre vom Heiligen Krieg« ersetzt wurde, kann einer kritischen Prüfung nicht standhalten. Kruip merkt an, dass – selbst wenn die Einschätzung eines opportunistischen Gesinnungswandels in der islamischen Frühgeschichte zuträfe – der Sinn hinter der Bemer­

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kung Benedikts fragwürdig sei. (Kruip 2009: 5) Im Christentum entwickelte sich nach der konstantinischen Wende eine theologische Rechtfertigung von Gewalt und Zwang. Die Argumentation des Kir­ chenvaters Augustinus107 mit seiner Stützung auf das biblische »com­ pelle intrare« (»nötige die Leute hereinzukommen«, Lk 14,23),108 legte den Grundstein einer langen Geschichte der katholischen Kir­ che von Verfolgung Andersgläubiger und von Zwangsbekehrungen, wie Nikolaus Knoepffler erörtert. (Knoepffler 2021: 90–99) Erst im 20. Jahrhundert mit der Konzilserklärung »Dignitatis Humanae« (Zweites Vatikanisches Konzil 7.12.1965) erfolgte eine »kopernika­ nische Wende« in der Haltung der Kirche zur Religionsfreiheit. (Knoepffler 2021: 96) »Trotzdem nehmen wir als Christen heute die Toleranz der frühen Christen und die Wende der katholischen Kirche zur Religionsfreiheit im Zweiten Vatikanischen Konzil für unsere katholische Identität in Anspruch, nicht aber die schmerzlichen und beschämenden Gewaltexzesse von Kreuzzügen, Eroberungen und der Inquisition«, so Kruip. (Kruip 2009: 5) Allgemein drängt sich die Frage auf, ob eine Unterschlagung der Gewaltgeschichte des Christentums in der Argumentation des Papstes redlich ist. Es kann angeführt werden, dass in Ländern wie Syrien und Ägypten über die Jahrhunderte hinweg signifikante christliche Minderheiten überlebt haben – nicht aber muslimische Gemeinschaften in christlich dominierten Ländern, wie z. B. Spanien.109 (Markham 2012: 62) Des Weiteren entstammt das Konzept vom »Heiligen Krieg« dem christlichen Mittelalter; (Renz 2009: 181) eine solche Über­ setzung des muslimischen »Dschihad« ist eine mindestens verkürzte Wiedergabe des komplexen Konzeptes der »Anstrengung für Gott«. (Offener Brief an Seine Heiligkeit 13.10.2006) Es gibt keine systema­ tische »Lehre vom Heiligen Krieg« im Koran, vielmehr eine Vielzahl

107 Siehe hierzu insbesondere den von Augustinus im Jahr 408 verfassten Brief an Vincentius (Augustinus 1886: 546–573). Zur Einordnung von Augustinus' Argumen­ tation im Hinblick auf die Toleranzfrage vgl. Forst 2003: 69–82. 108 Lk 14,23 = Lukasevangelium, Kapitel 14, Vers 23. Die Bibel wird in dieser Arbeit nach der deutschen Einheitsübersetzung der katholischen Kirche von 2016 zitiert. 109 Hinzuzufügen ist, dass viele der 1492 aus Spanien vertriebenen Juden im Osma­ nischen Reich eine dauerhafte Zuflucht fanden. (Lexikon für Theologie und Kirche 3 1993, Freiburg, 164–1165; Stichwort »Osmanen«)

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widersprüchlicher Aussagen zum Thema Gewalt.110 Wie in Kapitel B IV.3.B dieser Arbeit erörtert, weisen alle Religionen und Weltan­ schauungen eine Geschichte und Potential sowohl in Richtung Gewalt als auch in Richtung Frieden auf. Es ist vor allem exogenen Faktoren geschuldet, wie sich die Ambivalenz von Religion zu einem bestimm­ ten Zeitpunkt und Kontext niederschlägt. Letztlich teilt Benedikt schon dadurch die kulturalistische Weltsicht Huntingtons, dass er der Meinung ist, die gegenwärtigen sogenannten Zivilisationenkonflikte bzw. die Gewalt, die von einigen islamistischen Gruppierungen aus­ geht, wurzeln in der Theologie des Islam. Grundsätzlich begeht Benedikt XVI. in seiner Vorlesung den Fehler, von »der« islamischen Theologie auszugehen, völlig missach­ tend, dass es im Islam nie eine zentrale Autorität und einheitliche Lehrmeinung zu Themen wie Dschihad gegeben hat. (Coury 2009: 34) Eine faire Bewertung des Verhältnisses von Glaube und Vernunft im Islam aus christlicher Sicht darf die diachrone und synchrone Viel­ falt der theologischen und philosophischen Schulen und Richtungen im Islam nicht ausblenden, wie Renz kritisiert. (Renz 2009: 185–186) Es ist problematisch, dass Benedikt seine Ansicht zum Thema mit einer einzigen Quelle belegt, die nicht repräsentativ ist. (Coury 2009: 37–38) Der Historiker David Nirenberg führt dazu aus: »Aus Historikerperspektive scheint es […] fast absurd, eine aus dem 14. Jahrhundert stammende Charakterisierung des Islams durch einen orthodoxen Christen [Kaiser Manuel II.] mit Hilfe von Zitaten eines einzigen Muslim des frühen 11. Jahrhunderts bekräftigen zu wollen, und noch absurder, dafür Ibn Hazm auszuwählen, dessen Zahiri-Schule mit ihrer wörtlichen Auslegung des Korans eine extreme Position innerhalb des Islams vertrat. In gleicher Weise könnte man die Worte eines Gelehrten der Katharer-Bewegung auswählen, um damit das gesamte Christentum zu charakterisieren!« (Nirenberg 2010: 184)

Papst Benedikt teilt Huntingtons essenzialisierenden Blick auf den Islam. Er reduziert die Komplexität und Vielfalt der islamischen religiösen Strömungen und islamisch geprägten Kulturen auf »den Islam«. In diese Richtung äußerte er sich zu einem Zeitpunkt, als er noch Kardinal Joseph Ratzinger war, auch in einem Interview: »Der Islam ist arabisch, und wer islamisch wird, nimmt diese Lebensform 110 Zum Thema Koran und Gewalt im Allgemeinen und dem Konzept des »Dschihad« im Speziellen siehe Bonner 2006; Ghazi bin Muhammad et al. 2013; Lean 2018: 79–83; Rosiny 2009; Heine 2015; Coury 2009.

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an, da gibt es keine Inkulturation.« (Ratzinger 2005: 135) Auch in der Regensburger Rede manifestierte sich diese simple, homogenisie­ rende Konzeption des Islam. In einem 2010 veröffentlichten Gespräch mit Peter Seewald ant­ wortete Benedikt folgendermaßen auf die Frage, ob die Regensburger Rede der erste Fehler seines Pontifikats gewesen sei: »Ich hatte die Rede als streng akademische Rede konzipiert und gehalten, ohne mir bewusst zu sein, dass man eine Papstrede nicht akademisch, sondern politisch liest. Durch die politische Betrachtung wurde nicht mehr das Feingewebe beachtet, sondern ein Text heraus­ gerissen und zum Politikum, was er in sich nicht war. Er behandelte eine Situation aus einem alten Dialog, der übrigens nach wie vor, denke ich, von großem Interesse ist. Der Kaiser Manuel, der hier zitiert wurde, war zu jener Zeit schon Vasall des Ottomanischen Reiches. Er konnte also gar nicht die Muslime attackieren wollen. Aber er konnte im intellektuellen Dialog lebendige Fragen vorbringen. Allerdings ist die heutige politische Kommunikation derart, dass sie solche feinen Zusammenhänge nicht verstehen lässt.« (Benedikt XVI. 2010: 32)

Wiederum im Gespräch mit Seewald betonte er 2016 nochmals, dass er »die politische Bedeutung des Vorganges nicht richtig eingeschätzt« habe, (Benedikt XVI. 2016: 226) und ergänzte seine euphemistische Charakterisierung des Manuel-Dialogs um eine kontrastierende Kri­ tik an den heutigen Dialogprämissen: »Ich hatte diesen Dialog des Paläologen gelesen, weil mich der isla­ misch-christliche Dialog interessierte. […] Es handelte sich hier ja wirklich um einen Dialog. Der Kaiser, der hier zitiert wird, stand bereits unter der Obermacht der Moslems – und trotzdem gab es die Freiheit, dass er Dinge sagen konnte, die man heute nicht mehr sagen könnte.« (ebd.)

Hier scheint durch, dass Benedikt den unter Huntingtons Anhängern verbreiteten Topos teilt, dass in Bezug auf den Islam gegenwärtig ein Redeverbot herrscht, nicht zuletzt, weil Muslime kulturkämpferisch westliche Freiheiten und Werte angreifen. Er bezieht gewissermaßen Stellung gegen die von Huntington geschmähten Multikulturalisten mit ihrer kritisierten politischen Korrektheit. Auffallend ist, dass der Papst den Ausdruck »Moslems« anstelle von »Muslime« verwendet. In der Selbstzuschreibung findet sich unter Muslimen fast ausschließ­ lich letztere Form, während »Moslems« bisweilen als abwertend empfunden wird. (Abdel Aziz 14.2.2021)

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Huntington geht es um den Westen, der Papst spricht von Europa – dabei scheinen beide die gleiche Zivilisation zu meinen, von der sie den Islam abwehren wollen. Nicht nur in seiner Regensburger Rede betont Benedikt eine untrennbare Union von Christentum und abendländischer Kultur. (Rober 2021: 59) Rober argumentiert, dass sich Ratzingers Zivilisationismus in der Verteidigung des Abendlan­ des gegen den Islam zeigt, aber noch zentraler in seiner Kritik an den Enthellenisierungsprozessen. (ebd.) Todorov kritisiert, dass Bene­ dikt sowohl das Verhältnis von Christentum und Vernunft als auch die christliche Identität Europas simplizistisch konzipiere. (Todorov 2020: 155) Die Position in der Regensburger Rede, dass Europa auf kulturell christlich geprägte Länder beschränkt sei (das Christentum »bleibt die Grundlage dessen, was man mit Recht Europa nennen kann«), steht in Einklang mit Huntingtons Definition des Westens. Noch deutlicher wird diese Haltung in anderen Äußerungen des früheren Kardinals Ratzinger. So sprach er sich wiederholt gegen eine Aufnahme der Türkei in die Europäische Union aus, beispielsweise in einem Interview mit Le Figaro Magazine im Jahr 2004: Dieses Land passe historisch-kulturell nicht zu Europa, sondern stehe vielmehr im Kontrast zu ihm: Europas Fundament sei das Christentum, die Türkei hingegen gehöre dem islamischen Kulturraum an. Historischpolitisch seien Europa und das osmanische Reich, dessen Erbe die Türkei sei, Antagonisten gewesen. Zur Untermauerung seiner These nannte Ratzinger die Kriege gegen das Byzantinische Reich, den Fall von Konstantinopel, die Balkankriege und die Belagerung Wiens durch die Osmanen. (Ratzinger 13.8.2004) Diese Position teilt er mit Huntington: »Die Identifikation Europas mit der westlichen Christenheit liefert ein klares Kriterium für die Zulassung neuer Mitglieder zu westlichen Organisationen«, so schrieb Huntington. (Huntington 1998: 255) Für Coury ist Benedikt XVI. geprägt vom Erbe des europäischen Orientalismus des 19. Jahrhunderts und von einem Denken in klar voneinander unterschiedenen, auf einer religiös-kul­ turellen Substanz basierenden Zivilisationen. (Coury 2009: 45–47) Auch Wolfgang Krebs analysiert, dass in Ratzingers Schriften ein Denken in Kulturkreisen sowie eine Affinität zu Oswald Spengler erkennbar sind. (Krebs 2007: 83–103) Dabei steht Benedikt in einer starken Traditionslinie katholischen Denkens, wie Rober darlegt: »Western civilization as a concept has particular purchase in Catholic thought. Given the church’s historic role in building up European culture following the end of the Roman Empire and the key role it has

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had in many European countries up until very recently, there is a sense in which many Catholics view the church as a kind of stakeholder in this civilizational project.« (Rober 2021: 54)

In »Salz der Erde« betont Ratzinger die Andersartigkeit und Inkom­ patibilität des Islam mit dem Westen: »Wenn man heute im Westen die Möglichkeit islamischer theologi­ scher Fakultäten oder die Vorstellung von Islam als Körperschaft des öffentlichen Rechtes diskutiert, dann setzt man voraus, daß alle Reli­ gionen […] sich in ein demokratisches System mit ihren Rechtsord­ nungen und ihren Freiräumen […] einfügen. Dem Wesen des Islams aber muß das an sich widersprechen. […Der Islam] kann […] zwar solche Teilfreiheiten, wie unsere Verfassung sie gibt, schon ausnutzen, aber es kann nicht sein Zielpunkt sein, daß er sagt: […] jetzt sind wir genauso präsent wie die Katholiken und die Protestanten. Da ist er immer noch nicht an seinem eigentlichen Punkt angelangt, das ist noch ein Entfremdungspunkt. […] Der Islam hat eine ganz andere Totalität der Lebensordnung, er umgreift einfach alles, und seine Lebensordnung ist anders als die unsere. Es gibt eine ganz deutliche Unterordnung der Frau unter den Mann, es gibt eine sehr festgefügte und unseren modernen Gesellschaftsvorstellungen entgegengesetzte Ordnung des Strafrechts, der ganzen Lebensbezüge. Darüber muß man sich klar sein, daß er nicht einfach eine Konfession ist, die man auch in den freiheitlichen Raum der pluralistischen Gemeinschaft einbezieht.« (Ratzinger 2005: 219–220)

In dieser Aussage, die stark an Huntingtons These von der Inkom­ patibilität der westlichen Werte und Errungenschaften mit anderen Zivilisationen erinnert, kann eine Gleichsetzung von Islam mit dem totalisierenden Islamismus herausgelesen werden. Die Argumentation der Regensburger Rede, wonach nur eine weite Vernunft den Dialog der Kulturen ermögliche, erinnert an Huntingtons Einschätzung, dass die islamische Welt den säkularen Westen mehr ablehne, als sie das Christentum ablehne. Sowohl Hun­ tington als auch Benedikt sehen grundsätzlich im Bedeutungsverlust des Christentums in Europa ein großes Problem für die westliche Zivilisation. Die These Huntingtons, dass das sogenannte Abendland durch die Schwächung des Christentums und den demographischen Aufschwung anderer Kulturen vom Untergang bedroht ist, spiegelt sich deutlich bei Ratzinger: »Europa scheint auf dem Höhepunkt seines Erfolges innerlich ausge­ höhlt. Gewissermaßen ist sein Kreislaufsystem zusammengebrochen

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und diese lebensbedrohliche Situation soll durch Transplantationen abgewandt werden, mit denen es jedoch auch seine Identität zerstört. Neben diesem internen Schwinden tragender spiritueller Kräfte befin­ det sich Europa auch ethnisch auf dem Weg in den Untergang«. (Ratzinger 6/2004: 64)

In diesem Sinn kann spekuliert werden, ob die Verwendung des Manuel-Dialogs in der Regensburger Rede eine tiefere Bedeutung hat, als die Problematik von Vernunft und Glauben plastisch zu machen. Will Benedikt darauf anspielen, dass der Westen gegenwärtig zwar auf andere Weise aber dennoch vom Islam bedroht ist, so wie sich damals das Byzantinische Reich vor den Osmanen fürchten musste? Und will auch er andere Christen von dieser Bedrohung überzeugen, so wie Manuel II. in westliche Staaten reiste, um für Unterstützung gegen die Türken zu werben? Auch wenn man diese Spekulationen ablehnt, besteht eine klare Verbindungslinie der Regensburger Rede zur Weltsicht Huntingtons, die letztlich schon darin besteht, den Islam und das Christentum und in Konsequenz die Zivilisationen, die sie prägen, als diametral verschieden zu zeichnen. Diese Bewertung drängt sich vor allem dann auf, wenn man den letzten Abschnitt der Rede, in dem es um den Dialog der Kulturen und Religionen geht, mit der zuvor behandelten Islamthematik in Verbindung bringt. Diese Verbindung zu ziehen liegt nahe, da die Rede selbst hier nochmals den Dialog zwischen dem byzantinischen Kaiser und seinem persischen Gesprächspartner aufgreift. Darin kann ein impliziter Verweis auf den Islam gesehen werden, auch wenn dieser am Schluss der Vorlesung nicht mehr explizit erwähnt wird. Es ist also sehr plausibel, dass der Papst den Islam in dem Ausdruck »tief religiöse Kulturen der Welt« einschließt, wenn nicht sogar primär anspricht. Mit »wir« ist unzweifelhaft das Abendland gemeint. Die Position Benedikts XVI. lautet also, dass sich diese beiden Einheiten fundamental voneinander unterscheiden und gegenüberstehen und dass ein Dialog zwischen ihnen dringend benötigt wird. Diese Dichotomisierung deckt sich mit Huntingtons Prämissen. Doch trotz dieser deutlichen Verbindungslinien zu Huntingtons »Clash of Civilizations«-Modell trifft die Deutung der Regensburger Rede als Angriff in einem Kampf der Kulturen aus drei gewichtigen Gründen den Kern nicht: 1)

»Der Islam« war nicht Adressat der Rede. Das Publikum der Vorlesung an der Universität Regensburg war ein westliches.

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Benedikt selbst erklärte, dass er die Vorlesung streng akademisch konzipiert hatte, ohne die globale Aufmerksamkeit zu antizipie­ ren, die sie zum »Politikum« machte. In ihrer Argumentations­ linie war die Rede eindeutig an ein abendländisches Publikum gerichtet; unter anderem spricht der Papst von »wir«, und meint damit das Abendland. Er eröffnete also keine Schlacht der Zivili­ sationen; sein Schauplatz war ein anderer. Der Islam war nicht Hauptinhalt der Regensburger Vorlesung, und die Rede beinhaltet auch andere Grenzziehungen und Dichotomien. Die Auseinandersetzung mit dem Islam ist in nur drei der insgesamt 16 Abschnitte ein deutliches Thema; in weiteren fünf Abschnitten greift Benedikt die Islam-Thematik indirekt auf. Wichtige Themen in der Rede sind das Konzept von Vernunft, die Kritik an der säkularen Vernunft, das Universitätsund Wissenschaftsverständnis des Papstes und die Argumenta­ tion der Enthellenisierungsprozesse des Christentums und damit einhergehend eine Kritik am Protestantismus. Robert Carle analysiert treffend: »Benedict’s speech at Regensburg was not primarily a critic of Islam, but a ›critic of modern reason from within.‹« (Carle 2008: 555) Benedikt XVI. verteidigte sein Ver­ ständnis des richtigen Verhältnisses von Glaube und Vernunft nicht nur gegen den Islam, sondern auch gegen protestantische und säkulare Konzeptionen. Es ist eine Grenzziehung zwischen Katholizismus (und evtl. orthodoxem Christentum) auf der einen Seite und dem Protestantismus auf der anderen Seite erkennbar. Zentral zeigt sich im Vortrag eine Dichotomisierung zwischen religiöser und säkularer Welt. Benedikt plädiert nicht für einen Kampf, sondern einen Dialog mit dem Islam, zu dem der Westen nur fähig sei, wenn er die Religion wieder in seine Vernunft integriere. Marco Ceccarelli präsentiert eine mögliche Lesart der Rede: »The Pope attempted to convey in Regensburg that a West which has become incapable of considering the religious dimension in discourse, whether it be of a political, cultural or social nature, finds itself unable to interact properly with the Islamic people«. (Ceccarelli 2017: 232) Man könnte einen Teil der Rede sogar so interpretieren, dass sie quer zum Hunting­ ton’schen Denken steht: Sie macht einen Brückenschlag zwischen Christentum und Islam, indem sie die religiösen Kulturen – den Islam eingeschlossen – dem säkularen Westen entgegensetzt. Die Kulturkritik des Papstes an der säkularen Moderne zeigt

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Parallelen zu islamischen Denkern wie Tariq Ramadan und deren Vorwurf des Szientismus und sinnentleerten Fortschritts im Westen (Ramadan 2000: 347). Sie sind sich einig in der Verurteilung des Westens dafür, dass er die Religionen in den Bereich der Subkulturen abdränge. Der Islam war nicht die einzige Zielscheibe der Kritik und Pole­ mik. Mit den anderen Themen und Grenzziehungen in der Rede einher gehen weitere Kritiken. Die Positionen und Aussagen Benedikts waren in alle Richtungen konfrontativ. Eine mögliche Charakterisierung der Regensburger Rede liefert der protestanti­ sche Theologe Michael Meyer-Blanck »Nun könnte man […die] ›Regensburger Vorlesung‹ […] auch so zusammenfassen: Der Protestantismus, Luther, Kant und Adolf von Harnack, diese greifen in der Moderne die Vernunft an und sie führen zu einer schlechten Theologie«. (Meyer-Blanck 12.5.2008) Protes­ tantische Theologen stimmen keineswegs mit Benedikts Sicht auf den Protestantismus überein. So argumentiert Wolfgang Huber, dass gerade im protestantischen theologischen Verständ­ nis Glaube und Vernunft gar nicht getrennt werden können. (Huber 2007: 60) Jürgen Habermas erörtert, dass die vom Papst kritisierten Enthellenisierungswellen wesentlich zum modernen Selbstverständnis beigetragen haben. Es sei nicht möglich, sie »aus der Genealogie der ›gemeinsamen Vernunft‹ von Gläubi­ gen, Ungläubigen und Andersgläubigen auszublenden.« (Haber­ mas 2007: 56) Das Ansinnen Benedikts einer Erweiterung der Vernunft trifft auf philosophischen Skeptizismus bzw. Wider­ stand.111 Mit Hilfe von Überzeugungen, die außerhalb von Ver­ nunftwahrheiten stehen, Kritik an der Vernunft zu üben, ist in philosophischen Kreisen umstritten. Auffallend in der Vorlesung ist das verzerrende und fehlerhafte Rekurrieren auf Immanuel Kant. Kant schrieb nicht, er habe das »Denken« beiseite schaffen müssen, um dem Glauben Platz zu machen. Vielmehr sprach er von »Wissen.« (Flasch 17.10.2006)112 Kurt Flasch kommentiert hierzu: »Wären die Kantianer so zahlreich und so erregbar wie die Islamisten, sie hätten Kundgebungen gegen den Papst orga­ nisiert. Nun gibt es nur noch wenige Kantianer. Sie verbrennen

Siehe z. B. Busse/Rott 2007. Kruip merkt dazu an: »Angesichts der denkerisch hochkomplexen Postulatenlehre Kants ist es ziemlich eigentümlich, ihm eine Verweigerung des ›Denkens‹ zu unter­ stellen.« (Kruip 2009: 7)

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keine Strohpuppen, sie schmunzeln höchstens vor sich hin, falls sie es überhaupt zur Kenntnis nehmen, dass der Papst ihren Kant in einer wesentlichen Sache falsch zitiert und historisch falsch einordnet.« (ebd.) Wissenschaftstheoretiker kritisieren die Darstellung der Wissenschaft in der Regensburger Rede: Die ernstzunehmenden Wissenschaften hätten sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts weiterentwickelt und zeigten nicht mehr den ideologischen Reduktionismus, den ihnen Benedikt vorwirft. (Janich 2008) Aus der Regensburger Rede kann grundsätzlich das problematische Postulat der absoluten kulturellen Überlegenheit des Katholizismus (wie ihn Benedikt XVI. versteht) herausgelesen werden. Nirenberg hebt hervor, dass die Rede nicht nur im Hinblick auf den Islam, sondern in ihrem Gesamtkonzept kulturelle Überheblichkeit zeigt: »War aber nicht der Schwerpunkt von ›Glaube, Vernunft und Univer­ sität‹ der Aufgabe gewidmet zu zeigen, dass nur der Katholizismus in seiner europäischen Ausprägung zu einer erfolgreichen Synthese zwischen Glaube und Vernunft im logos gefunden hat, die andere Reli­ gionen und Kulturen eben nicht erreicht haben? Mit der Behauptung, dass die spezifisch katholische und europäische Synthese das Wesen des Glaubens überhaupt trifft, macht er den Europäischen Katholizis­ mus letztlich zum Maßstab jeder Kultur (einschließlich der wissen­ schaftlichen) und jeder Religion (insbesondere des Islams). Diese Schlussfolgerung wird nicht deutlich ausgesprochen, sie versteckt sich hinter einer Einladung zum ›Dialog‹«. (Nirenberg 2010: 189)

Summa summarum: Benedikts Gegenüberstellung eines irrationa­ len, intoleranten und gewalttätigen Islam und eines vernünftigen, friedlichen Christentums ist wissenschaftlich nicht zu rechtfertigen und erinnert stark an Huntingtons Weltbild. Seine Argumentation dient einem Zweck, der sich als gemeinsamer Tenor von Huntington und Benedikt formulieren lässt: Nur ein Westen, der sich auf seine christliche Identität stützt, kann erfolgreich mit dem Problem Islam umgehen.113 Doch anders als Huntington bleibt der Papst nicht bei In diesem Sinn kommentiert Gilles Kepel die Regensburger Rede: »[T]he pope’s speech seems to have expressed his considered position that the Catholic Church, the quintessence of European culture and the exclusive outcome of an encounter between Greek reason and Biblical faith, was the only institution that could provide intellectual resistance to the expansion of violence hiding under the guise of jihad« (Kepel 2008: 242). 113

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einer Konfrontation mit dem Islam stehen, und diese ist nicht sein Hauptfokus. Der Zielpunkt seines Strebens ist letzten Endes ein intellektueller Sieg über den säkularen Westen. Für Huntington muss der Westen christlich sein, damit er sich gegen den Islam verteidigen kann. Der Papst positioniert sich gegen den Islam, um den Westen zum Christentum zu bekehren – so könnte man die unterschiedli­ chen Motivationen zugespitzt charakterisieren. Joseph Ratzinger ist im engeren Sinn kein Kämpfer in einem Huntington'schen Kampf der Kulturen.

II. Der Verlauf und die Folgen der Krise II.1 Die Reaktionen und unmittelbaren Auswirkungen Die Aussagen über den Islam in der Rede Benedikts XVI. zogen die globale Aufmerksamkeit auf sich. Besonders das in die Ansprache eingebaute Zitat des byzantinischen Kaisers rückte in den Tagen nach dem 12. September 2006 in den Mittelpunkt des medialen Interesses und versetzte die Welt in Aufruhr. Polemik in den Medien, Demons­ trationen auf etlichen muslimischen Straßen sowie zahlreiche offizi­ elle Stellungnahmen aus Politik und Diplomatie prägten die Reaktio­ nen. Von weiten Teilen der sogenannten muslimischen Welt, nicht nur von islamistischen Kreisen wie der ägyptischen Muslimbruder­ schaft,114 wurde die Vorlesung als Beleidigung des Islam aufgefasst, zumal die Medien meist nur über das islamfeindliche Zitat berichteten und den Kontext der Rede unerwähnt ließen. Der Regensburger Vortrag war Thema bei Freitagsgebeten in vielen Moscheen weltweit. Zwei Tage nach der Vorlesung setzten die medienwirksamen Proteste gegen die Rede Benedikts XVI. ein. Die Islamisten äußerten ihre Empörung lautstark. In Indien brannten Papstpuppen (Bertinetto 16.9.2006) und im Irak deutsche Flaggen (Kiesel 19.9.2006). Im Gazastreifen und Westjordanland protestierten etwa 2000 Muslime gegen die Regensburger Rede, (Al Jazeera 16.9.2006) und Extremis­ ten verübten Anschläge auf sieben Kirchen (Saint-Paul 19.9.2006). Zahlreiche kleinere Demonstrationen gab es vor allem in Ägypten Zur Stellungnahme des Vorsitzenden der Muslimbruderschaft, Mohamed Mahdi Akef, siehe Akef 14.9.2006.

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und in Pakistan. (Al Jazeera 16.9.2006) Ob ein Zusammenhang besteht zwischen der Vorlesung des Papstes und dem Mord an einer katholischen Nonne in Somalia (Arditti 18.9.2006) sowie den Atten­ taten gegen Christen im Irak (Naoum 16.12.2006), ist unklar. Die muslimischen Gemeinschaften in westlichen Ländern äußer­ ten sich überwiegend moderat zu den Worten des Papstes.115 In muslimischen Öffentlichkeiten hingegen war oftmals die Rede von einer Hasspredigt, die Ausdruck eines neuen Kreuzzuges des Papst­ tums gegen den Islam sei. Man beschuldigte Benedikt XVI., dem Islam und dem interreligiösen Dialog feindlich gesinnt zu sein. (Refat 26.9.2006) Eine Online-Umfrage des arabischen Nachrichtensenders Al Jazeera, an der sich mehr als 25000 Personen beteiligten, ergab, dass eine überwältigende Mehrheit von 70 Prozent der Befragten der Meinung war, dass die Aussagen des Papstes Teil einer Verschwörung gegen den Islam seien. Knapp ein Viertel führte die Regensburger Vorlesung auf religiösen Fanatismus zurück, und lediglich sieben Prozent glaubten an ein Missverständnis. (Soage 2007: 138) Eine Auswertung der jeweiligen Reaktionen von 44 Iranern aus Klerus, Wissenschaft, Regierung und Nichtregierungsorganisationen durch Heydar Shadi ergab, dass 18 von ihnen in der Rede eine zionistischkoloniale Verschwörung zu einem neuen Kreuzzug sahen. Des Wei­ teren wurde dem Papst in 15 Antworten eine Beleidigung des Islam zugeschrieben. Manche werteten die Rede zudem als Ausdruck der Angst Benedikts vor der Ausbreitung des Islam. Als Missverständnis bzw. als durch ein Informationsdefizit des Papstes bedingt wurde die Rede auch in diesem Kreis nur von einer Minderheit bewertet. (Shadi 2008: 30–31) Die unmittelbaren Auswirkungen der Regensburger Rede auf den christlich-muslimischen Dialog waren verheerend. Die Vorlesung Papst Benedikts wurde vor allem von den muslimischen Dialogträgern zunächst mehrheitlich negativ aufgenommen116 und verursachte einen Rückschlag in jahrelangen Dialogbemühungen. In Für die Reaktionen der muslimischen Verbände in Deutschland siehe Ehrhardt 21.9.2006. Für einen Überblick über die Reaktionen islamischer Gemeinschaften in Spanien siehe Bedoya 20.9.2006. Exemplarisch für Frankreich siehe die Stellung­ nahme des Rektors der Pariser Moschee, Dalil Boubakeur (Boubakeur 16.9.2006). 116 Zu den Reaktionen verschiedener islamischer Organisationen siehe Muslimbru­ derschaft 15.9.2006. Die International Union for Muslim Scholars (IUMS) bekräftigte ihre Entschuldigungsforderung an Papst Benedikt XVI. vom 14.9.2006 sogar noch­ mals im Jahr 2012 in einem harschen Statement (siehe https://www.memri.org/re ports/international-union-muslim-scholars-pope-must-apologize-muslims#_edn1; Stand: 21.10.2022). 115

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Kamerun beispielsweise weigerten sich die muslimischen Verbände, weiterhin an Dialogaktivitäten teilzunehmen. (Channon 19.9.2006) Über die römische Kurie hinaus äußerten sich zahlreiche Ver­ treter der katholischen Kirche und der katholisch-unierten Kirchen zu den Ereignissen. Ein Teil der Stellungnahmen bestand in einer Erläuterung und Verteidigung der Papstrede, während sich etliche der in besonderem Maße in den christlich-islamischen Dialog involvier­ ten katholischen Institutionen und Einzelpersonen von dem Vortrag Benedikts XVI. distanzierten.117 Aus ultrakonservativen Kreisen wie der Piusbruderschaft war Applaus für die vermeintliche Trendwende im interreligiösen Dialog hin zu einer Betonung der Unterschiede zu hören. (Tincq 29.9.2006)

Medien Die Medien spielten eine beachtenswerte Rolle bei der Generierung der Krise. Zunächst wurde die Quintessenz der päpstlichen Rede falsch und verkürzt dargestellt. Dadurch, dass die Medien die islambe­ zogenen Aussagen der Vorlesung aus dem Kontext rissen, fasste man das Zitat des byzantinischen Kaisers nicht nur in der muslimischen Welt zunächst überwiegend als Aussage des Papstes selbst auf bzw. interpretierte die gesamte Rede Benedikts XVI. als islamfeindliche Polemik.118 Gerd Strohmeier konstatiert in der Regensburg-Kontro­ verse eine starke Realitätsdifferenz zwischen der »Regensburger Rea­ lität« und der Medienrealität. (Strohmeier 2010: 408) »Das Thema des Papstes lautete ›Glaube, Vernunft und Universität. Erinnerungen und Reflexionen‹, das der Medien und des Medienpublikums ›Papst contra Mohammed. Glaubenskampf um den Islam, die Vernunft und die Gewalt‹«, so Strohmeier in Anspielung auf eine Titelseite des Spiegels (Heft 38/2006). (ebd.: 408–409) Erschwerend kam hinzu, dass die vorläufige englische Version der Rede, die der Vatikan auf seiner Homepage veröffentlicht hatte, Ungenauigkeiten bzw. Fehler in der Übersetzung aufwies, die die 117 Zur innerkirchlichen Distanzierung von der Vorlesung siehe z. B. die Stellungnah­ men des dominikanischen Instituts IDEO (IDEO o. J.) und des Jesuitenpaters Thomas Michel (Michel 25.9.2006). Letzterer ging so weit, eine Entschuldigung des Papstes für angebracht zu halten. Für Berichte über innerkirchliche Kritik an der Regensburger Rede siehe l’Unità 18.9.2006a und Gorzewski 15.9.2006. 118 Zur Rolle der Medien in der Krise siehe auch Lamprecht 2006, De Carli 18.9.2006 und Smoltczyk 20.11.2006.

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Worte des Papstes harscher wiedergaben, als sie im deutschen Ori­ ginal lauteten. Christoph Marcinkowski argumentiert, dass dadurch die negative Rezeption der Rede möglicherweise verstärkt wurde. (Marcinkowski 2009: 161–162) Beispielsweise sprach das ManuelZitat, wie es Benedikt vortrug, von »Inhumanes« (im Sinne von »Menschenfeindliches«) und »Schlechtes«. Die korrekte englische Übersetzung würde lauten »inhumane« und »bad«. Stattdessen heißt es – immer noch119 – in der englischen Version »inhuman« und »evil« – unmenschlich und böse. Mit Hilfe der medialen Verkürzung der Rede auf ihre Islamkritik erlangte diese eine globale Aufmerksamkeit ungeahnten Ausmaßes. Von Kamerun120 bis Kanada121, von Israel122 bis Indien123 beschäftigten sich die Schlagzeilen der Zeitungen mit der Regensburger Rede. Die einseitige Medienberichterstattung trug maßgeblich zum Sturm der Entrüstung unter Muslimen bei. Diese Proteste gegen die Rede des Papstes wiederum waren tagelang der Mittelpunkt des medialen Interesses weltweit. Somit fungierten die Medien als Multiplikatoren in der Krise. Das Internet diente als Plattform des Hasses. Al-Qaida naheste­ hende Gruppierungen ließen im World Wide Web verleumderische Benedikt XVI.-Karikaturen (Allam 19.9.2006) sowie Morddrohun­ gen gegen den Papst und Ankündigungen von Massakern an Christen (Alghiero 16.9.2006) kursieren. In den etablierten Medien in musli­ mischen Ländern hingegen waren nicht nur empörte, sondern auch sehr differenzierte und selbstkritische Stimmen zu hören. Beispiels­ weise war in einem Editorial in der ägyptischen Zeitung al-Dustour zu lesen, dass man auch vor der eigenen Türe kehren müsse. Viele islamische Scheichs würden Christen als Ungläubige beschimpfen. Daher sei ein internationaler Kodex für den gegenseitigen Respekt der

119 Siehe http://www.vatican.va/content/benedict-xvi/en/speeches/2006/sept ember/documents/hf_ben-xvi_spe_20060912_university-regensburg.html#_ftn3 (Stand: 17.9.2022) 120 Siehe z. B. Channon 19.9.2006. 121 Siehe z. B. Potter 16.10.2006. 122 Siehe z. B. Palmieri-Billig 18.9.2006. 123 Siehe z. B. Subramanian 16.9.2006.

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Teil D: Die Kontroverse um die »Regensburger Rede« als Kampf der Kulturen?

Religionen vonnöten, zu dem sich besonders die Muslime beispielhaft verhalten müssten. (zitiert in El-Gawhary 23.9.2006)

Politik Zahlreiche Vertreter islamischer Regierungsorganisationen und Poli­ tiker aus muslimischen Ländern nahmen Stellung zur Regensburger Rede. Gemeinsam war dem Gros der offiziellen Reaktionen, dass sie den Papst für seine Äußerungen kritisierten, eine Entschuldigung forderten und seine Thesen über den Islam inhaltlich bemängelten. (Al Jazeera 16.9.2006) Prototypisch hierfür ist die Stellungnahme der internationalen intergouvernementalen »Organisation der Isla­ mischen Konferenz« (OIC)124: »The Organization of the Islamic Conference (OIC) regrets the quota­ tions cited by the Pope on the Life of the Honorable Prophet Mohamed, and what he referred to as ›spreading‹ Islam ›by the sword‹. The OIC further regrets the other derogatory fallacies defaming Islam in the text of the lecture. […] The Organization of the Islamic Conference (OIC) hopes that this campaign is not the prelude of a new Vatican policy towards Islam, particularly after the many decades of dialogue which brought together Vatican clergy and leading thinkers and men of religion from the Muslim world, starting from the era of former Pope Paul VI. The OIC also hopes that the Vatican will issue statements that reflect its true position and views on Islam and Islamic teachings«. (OIC 14.9.2006)

Ein Teil der Reaktionen griff den Papst scharf an und bediente sich antiwestlicher Polemik. Von Seiten der Politik und Diplomatie wur­ den gleichzeitig die Wichtigkeit des interreligiösen und interkultu­ rellen Dialogs betont und gewaltsame Proteste abgelehnt. Auch im Westen war die Politik in die interreligiöse Verstimmung involviert. Ein Gesamteindruck der politischen Reaktionen auf die Regensburger Rede und auch der Reaktionen auf die durch sie hervorgerufenen Proteste soll im Folgenden an einigen Beispielen aus der islamischen und westlichen Welt vermittelt werden. In Ägypten forderte der extra einberufene Parlamentsausschuss für religiöse Angelegenheiten den Abbruch der diplomatischen Bezie­ hungen zum Heiligen Stuhl, und der Außenminister, Abul Gheit, 124 Diese Organisation wurde 2011 in »Organization of Islamic Cooperation« umbe­ nannt.

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II. Der Verlauf und die Folgen der Krise

warnte vor einem Kampf der Zivilisationen. (Lange 2006) Der Iran stach durch widersprüchliche Stellungnahmen hervor: Ayatol­ lah Ali Khomenei, oberster geistlicher Führer und Staatsoberhaupt, bezeichnete die Papstvorlesung als letztes Glied in der Kette amerika­ nisch-zionistischer Verschwörung (Zecchinelli 19.9.2006), während der damalige Präsident des Landes, Mahmoud Ahmadinejad, mode­ rate Töne anschlug und Respekt für Benedikt XVI. bekundete. (Di Caro 20.9.2006)125 In der Türkei waren die verbalen Attacken gegen Benedikt XVI. von offizieller Seite besonders ausgeprägt. (Senkyr/Tröndle 2006) In Frage gestellt wurde der bevorstehende Besuch des Papstes anläss­ lich eines Treffens mit dem griechisch-orthodoxen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomäus I. (ebd.) Der Staatsminister für reli­ giöse Angelegenheiten, Mehmet Aydin, ging von einer Ausladung Benedikts aus, falls dieser sich nicht entschuldige, denn »[t]he pope’s coming to Turkey isn’t going to foment the uniting of civilizations, but a clash of civilizations«. (Turkish Daily News 19.9.2006) Vom stell­ vertretenden Parteivorsitzenden der regierenden AKP, Salih Kapusuz, wurde der Papst mit Hitler und Mussolini verglichen. (Turkish Daily News 16.9.2006) Der Präsident der türkischen Religionsbehörde, Ali Bardakoğlu, bezichtigte Benedikt einer Kreuzfahrermentalität sowie der anmaßenden Haltung von jemandem, der die wirtschaftliche Macht des Westens hinter sich wisse. (Senkyr/Tröndle 2006) Ähnlich heftig reagierte Hakem Al-Mutairi, Generalsekretär der kuweitischen Partei Oumma, der die Äußerungen des Papstes als Fortführung der Kreuzzüge betrachtete und in eine Linie mit den gegenwärtigen vom Westen geführten Kriegen in der islamischen Welt stellte. (Al-Gamal 20.9.2006) In Pakistan verabschiedete das Parlament einstimmig eine Resolution, die die Äußerungen des Papstes über den Islam verurteilte und ihre Rücknahme forderte. Darin wurde beklagt, dass die »derogatory remarks by the Pope about jihad and Prophet Muhammad had hurt Muslim sentiments across the world, could cause divisions between religions, and violated the United Nations charter on Human Rights«. (Subramanian 16.9.2006) Dem ins Außenministerium einbestellten Botschafter des Heiligen Stuhls wurde mitgeteilt, dass die Äußerungen des Papstes besonders vor dem 125 Diese versöhnlichen Töne Ahmadinejads wurden von Kommentatoren als takti­ sches Manöver im Licht seiner Mission bei den Vereinten Nationen bewertet (siehe z. B. Il Foglio 20.9.2006).

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Teil D: Die Kontroverse um die »Regensburger Rede« als Kampf der Kulturen?

Hintergrund der akuten Notwendigkeit von interreligiöser Harmonie äußerst unglückselig seien. (ebd.) In Indonesien, dem Land mit der größten muslimischen Bevölkerung, ermahnte Präsident Susilo Bambang Yudhoyono die Muslime zur Mäßigung: »Indonesian Mus­ lims should have wisdom, patience, and self-restraint to address this sensitive issue.... We need them so that harmony among people is not at stake«. Den Heiligen Stuhl forderte Yudhoyono zu versöhnlichen Gesten auf. (AsiaNews 17.9.2006) Auch in westlichen Ländern zeitigte die Regensburger Rede über die muslimischen Gemeinschaften hinaus Reaktionen. Zahlreiche Politiker äußerten sich zur Vorlesung und zu den Protesten gegen sie. Hauptmotive der Stellungnahmen von Vertretern westlicher Staaten waren die Verweise auf die Meinungsfreiheit und die Unangemes­ senheit der muslimischen Reaktionen sowie die Betonung der Not­ wendigkeit von interreligiöser Harmonie und eines interreligiösen Dialogs. So forderte der australische Premierminister John Howard im Zuge der Regensburg-Krise die Respektierung von Meinungsund Redefreiheit. (Howard 19.9.2006) Angela Merkel kommentierte die Vorlesung mit folgenden Worten: »Sie ist eine Einladung zum Dialog der Religionen, und der Papst hat sich ausdrücklich für die­ sen Dialog eingesetzt, den auch ich befürworte und für dringend notwendig halte«. (FAZ.net 16.9.2006) Vladimir Putin rief die Religi­ onsführer zu Mäßigung und Verantwortungsbewusstsein auf. (l’Unità 18.9.2006b) In eine ähnliche Richtung ging die Stellungnahme des französischen Präsidenten Jacques Chirac, der dazu ermahnte, »alles zu vermeiden, was Spannungen zwischen den Völkern oder zwischen den Religionen belebt«. (Spiegel Online 18.9.2006) Die EU-Kommis­ sion verurteilte die Reaktionen aus der islamischen Welt als dem Sachverhalt unangemessen und als Angriff auf die Meinungsfreiheit. Genauso wie der Respekt vor religiösen Überzeugungen sei auch die Meinungsfreiheit ein europäischer Kernwert. (Baroni 19.9.2006)126 Kommissionspräsident José Manuel Barroso beklagte den mangeln­ den Mut der europäischen Politiker, Papst Benedikt XVI. gegen die Angriffe von Extremisten zu verteidigen. (Barroso 24.9.2006) Der spanische Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero nahm den Papst gegen den Vorwurf der bewussten Provokation in Schutz und 126 Siehe auch das Interview mit dem damaligen Vizepräsidenten der EU-Kommis­ sion, Franco Frattini (Frattini 19.9.2006). Zur internen Uneinigkeit der EU-Kommis­ sion sowie des europäischen Parlaments, was die Haltung zur Regensburg-Kontro­ verse betrifft, siehe Caizzi 25.9.2006.

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II. Der Verlauf und die Folgen der Krise

sicherte ihm Unterstützung zu. (Aizpeolea/Gonzalez 21.9.2006) Der italienische Senat verabschiedete fast einstimmig eine Resolution, die die politische Fehlinterpretation der Regensburger Rede beklagte und Benedikt XVI. volle Solidarität und Schutz zusagte. Das Parlament in Rom bemühe sich, einem Kampf der Kulturen entgegenzuwirken, hieß es des Weiteren in der Resolution. (Il Senato della Repubblica Italiana 12.10.2006) Expliziten Beifall für seinen Vortrag erhielt Benedikt XVI. von Silvio Berlusconi sowie von führenden Politikern der italienischen Partei Lega Nord, die den Papst dafür lobten, dass er sich deutlich zur islamischen Bedrohung äußere und damit zu sagen wage, was Millionen Italiener nicht auszusprechen wagten. (Bassets 21.9.2006) Ähnlich äußerten sich auch einige Politiker in der Schweiz. (NZZ 18.9.2006) In mehreren westlichen und muslimischen Ländern wurden Vorkehrungen gegen mögliche Gewaltakte in Folge der Regensburger Rede getroffen. Italien (Sarzanini 18.9.2006; Martinelli 18.9.2006) und Großbritannien (Steele/Petre 20.9.2006) verstärkten die AntiTerrormaßnahmen. Im damaligen indischen Bundesstaat Jammu und Kaschmir beschlagnahmte die Polizei vorsorglich Tageszeitungen, die über die Äußerungen des Papstes berichteten. (Die Zeit 16.9.2006) Im Tschad wurde eine Protestaktion gegen die Papstvorlesung verbo­ ten. (Fazzini 18.10.2006) Die Sicherheitsvorkehrungen in verschie­ denen Ländern, die sich im Nachhinein als unbegründet erwiesen, können zum einen als Folge der aufgebauschten medialen Berichter­ stattung betrachtet werden, die bei den Politikern eine Bedrohungs­ perzeption kreierte. Zum anderen war die erhöhte Vorsicht eine Konsequenz aus den intensiven Protesten im Zuge des sechs Monate davor liegenden Streits um die dänischen Mohammed-Karikaturen. Im Vergleich dazu war die Regensburg-Kontroverse von kurzer Dauer und Intensität. Bereits eine Woche nach der Vorlesung beruhigte sich die Aufregung, und auch das Ausmaß der Proteste erreichte nicht das des Karikaturenstreits. Es kann angenommen werden, dass das relativ schnelle Abflauen der Proteste auch durch die diplomatischen Initiativen des Vatikans begünstigt wurde, die im Folgenden darge­ legt werden.

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Teil D: Die Kontroverse um die »Regensburger Rede« als Kampf der Kulturen?

II.2 Das Krisenmanagement des Vatikans Papst Benedikt XVI. musste auf die weltweiten lautstarken Proteste gegen seine Worte reagieren.127 Neben einer deutlicheren Distanzie­ rung vom Zitat Manuels II. bemühte man sich im Vatikan klarzustel­ len, dass die Erwähnung des Islam in der Regensburger Vorlesung als Einladung zu einem offenen Dialog und nicht als Provokation oder Beleidigung intendiert gewesen sei. Des Weiteren verteidigten der Papst und Mitglieder der Kurie die Rede mit den Hinweisen, dass man sie aufmerksam lesen müsse, bevor man Kritik übe und dass der akademische Kontext des Vortrages zu berücksichtigen sei. Die Zielrichtung der Vorlesung sei es gewesen, die verengte Vernunft der westlichen Moderne und den Säkularismus zu kritisieren. Das Manuel-Zitat habe lediglich als Ausgangspunkt und Beispiel im Kontext der Diskussion um das Verhältnis von Vernunft und Religion allgemein gedient. Es spiegele keineswegs die Meinung des Papstes wider. Es liege Benedikt XVI. generell fern, die Muslime zu beleidigen, da er – in der Tradition der Enzyklika Nostra Aetate128 – großen Respekt vor dem Islam habe. Nichtsdestotrotz wies Papst Benedikt in seiner persönlichen Stellungnahme auf die »Aktualität des Themas« Religion und Vernunft bzw. Religion und Gewalt hin. Tiefes Bedauern sprach er darüber aus, dass seine Äußerungen missverstanden worden seien und sich Muslime durch Passagen des Vortrages beleidigt fühl­ ten. Der Vatikan bedauerte allerdings weder die Intention noch die Worte Benedikts XVI., und so kann man nicht von einer Entschuldi­ gung sprechen. Mehrere oder alle dieser Topoi finden sich in den verschiedenen offiziellen vatikanischen Stellungnahmen zur Regensburger Rede. Bei diesen ist im Verlauf der Kontroverse eine zunehmende Hierarchie erkennbar, die wohl darin begründet liegt, dass die ersten Stellung­ nahmen des Vatikans von großen Teilen der muslimischen Welt noch nicht als zufriedenstellende Klarstellungen akzeptiert wurden, son­ dern weiter eine deutliche und persönliche Entschuldigung gefordert wurde. (Frandsen/Johansen 2010: 357–358) Bereits am Tag nach der Vorlesung, als die muslimischen Proteste auf die Rede noch ausblieben, gab der Pressesprecher des Papstes, Die Darstellung in diesem Kapitel stützt sich auf folgende Quellen: Lombardi 13.9.2006; Lombardi 14.9.2006; Bertone 16.9.2006; Benedikt XVI. 17.9.2006; Bene­ dikt XVI. 20.9.2006; Benedikt XVI. 25.9.2006. 128 Siehe Zweites Vatikanisches Konzil 28.10.1965. 127

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II. Der Verlauf und die Folgen der Krise

Federico Lombardi, ein Interview zum Regensburger Vortrag. Dieses Interview gegenüber Radio Vatikan, dessen Leitung Lombardi selbst innehatte, erscheint im Lichte der folgenden Ereignisse wie der Ver­ such einer präventiven Entschärfung des Zitates über Mohammed, das auch explizit erwähnt wurde. Lombardi relativierte die islambe­ zogenen Aussagen der Vorlesung, indem er nachdrücklich betonte, dass das eigentliche Thema der Rede das Verhältnis von Glaube und Vernunft gewesen sei. Am 14. September 2006 folgte von Seiten Lombardis eine offizielle Erklärung und am 16. September erschien eine Stellungnahme von Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone. Per­ sönlich äußerte sich Benedikt XVI. erstmals am 17. September beim Angelusgebet. Am folgenden Tag wurden Interventionen des diplo­ matischen Corps des Heiligen Stuhls angeordnet. Der Vatikan nutzte sein dichtes Netz an diplomatischen Vertretungen, um vor Ort in den muslimischen Ländern über Missverständnisse in Bezug auf die Regensburger Rede aufzuklären. Den Regierungen sollte der Vorle­ sungstext sowie die Stellungnahme Bertones mit erläuternden Wor­ ten übergeben werden. Auch die Generalaudienz am 20. September nutzte der Papst zu weiteren Klarstellungen. Am 25. September schließlich waren die Botschafter muslimischer Länder sowie Vertre­ ter des Islam zu einem Treffen mit dem Papst eingeladen. Bei dieser Zusammenkunft betonte Benedikt XVI. vor allem seine Dialogeinla­ dung und seine Wertschätzung für die Muslime. Eine weitere Maßnahme zur Glättung der Wogen stellte die Ergänzung und Modifizierung des Vorlesungstextes dar. In der Fas­ sung der endgültigen Veröffentlichung vom 10.10.2006 sind erklä­ rende Endnoten hinzugefügt, in denen der Papst seine Intention bei der Verwendung des Manuel-Zitates erläutert. In Endnote 3 äußert sich Benedikt XVI. folgendermaßen: »Dieses Zitat ist in der muslimischen Welt leider als Ausdruck mei­ ner eigenen Position aufgefaßt worden und hat so begreiflicherweise Empörung hervorgerufen. Ich hoffe, daß der Leser meines Textes sofort erkennen kann, daß dieser Satz nicht meine eigene Haltung dem Koran gegenüber ausdrückt, dem gegenüber ich die Ehrfurcht empfinde, die dem heiligen Buch einer großen Religion gebührt. Bei der Zitation des Texts von Kaiser Manuel II. ging es mir einzig darum, auf den wesentlichen Zusammenhang zwischen Glaube und Vernunft hinzuführen. In diesem Punkt stimme ich Manuel zu, ohne mir deshalb seine Polemik zuzueignen«. (Benedikt XVI. 10.10.2006)

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Teil D: Die Kontroverse um die »Regensburger Rede« als Kampf der Kulturen?

Der Textstelle »Der entscheidende Satz in dieser Argumentation gegen Bekehrung durch Gewalt lautet: Nicht vernunftgemäß handeln ist dem Wesen Gottes zuwider« fügte Benedikt in Fußnote 5 folgenden Kommentar hinzu: »Einzig um dieses Gedankens willen habe ich den zwischen Manuel und seinem persischen Gesprächspartner geführ­ ten Dialog zitiert. Er gibt das Thema der folgenden Überlegungen vor«. (ebd.) An drei Stellen wurde der Text selbst geändert. So heißt es nun: »Der Kaiser wußte sicher, daß in Sure 2, 256 steht: Kein Zwang in Glaubenssachen – es ist wohl [Hinzufügung] eine der frühen Suren aus der Zeit, wie uns ein Teil der Kenner sagt [vorher: wie uns die Kenner sagen], in der Mohammed selbst noch machtlos und bedroht war. Aber der Kaiser kannte natürlich auch die im Koran niedergelegten – später entstandenen – Bestimmungen über den heiligen Krieg. Ohne sich auf Einzelheiten wie die unterschiedliche Behandlung von ›Schriftbesitzern‹ und ›Ungläubigen‹ einzulassen, wendet er sich in erstaunlich schroffer, für uns unannehmbar [Hinzufügung] schroffer Form ganz einfach mit der zentralen Frage nach dem Verhältnis von Religion und Gewalt überhaupt an seinen Gesprächspartner«. (ebd.) [eigene Hervorhebungen]

Diese Fassung des Vorlesungstextes ist immer noch die offizielle vatikanische Version. 129 Allerdings wurde die Regensburger Rede in einem 2007 in Deutschland erschienenen Sammelband mit einer weitergehenden Modifikation abgedruckt. Dort heißt es: »Ohne sich auf Einzelheiten wie die unterschiedliche Behandlung von ›Schriftbe­ sitzern‹ und ›Ungläubigen‹ einzulassen, wirft er seinem Gesprächs­ partner gegenüber mit einer für uns und für mich persönlich inhaltlich wie der Form nach absolut inakzeptablen Formulierung das Problem von Religion und Gewalt auf.« (Benedikt XVI. 2007: 17) Die Erläuterungen und Maßnahmen des Vatikans wurden von weiten Teilen der muslimischen Welt als Klarstellung akzeptiert.130 Die interreligiösen Verstimmungen konnten so beigelegt werden. (Tauran 1.8.2007)

Stand: 17.9.2022. Siehe exemplarisch (Zenit 22.9.2006).

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die

Stellungnahme

der

Muslime

Russlands

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II.3 Die mittel- und langfristigen Folgen Bereits Ende September hatten sich die Wogen des Protestes geglättet und die diplomatisch-politischen Verstimmungen wurden vom poli­ tischen Alltagsgeschäft abgelöst, wodurch auch das Medieninteresse an der Regensburg-Krise rasch abflaute. Doch im Hinblick auf die Politik des Vatikans und den christlich-muslimischen Dialog brachte die Vorlesung einen Stein ins Rollen, dessen Bewegung lange anhielt. In Folge der Krise bemühte sich der Vatikan verstärkt um den christlich-islamischen Dialog. So fiel beispielsweise die an Muslime gerichtete Ramadan-Botschaft des Päpstlichen Rates für den Interre­ ligiösen Dialog im Oktober 2006 länger als in den Jahren davor aus, und sie wurde zum ersten Mal in einer Pressekonferenz vorgestellt. (Accattoli 21.10.2006) Das Gewaltthema aus der Regensburger Rede wurde in dieser Botschaft wieder aufgegriffen, allerdings nun mit der Aufforderung an Muslime, gemeinsam mit den Christen für den Frieden und gegen Terrorismus zu kämpfen. Des Weiteren heißt es in dem Schreiben, dass »viele Menschen die Nützlichkeit der Religionen und die Integrität der Männer und Frauen, die Gott verehren«, in Frage stellen werden, wenn die Religionen ihrem Friedensauftrag für die Welt nicht nachkommen. (Päpstlicher Rat für den Interreligiösen Dialog 20.10.2006) Noch ganz im Zeichen der Regensburg-Kontroverse stand auch die Reise Benedikts XVI. in die Türkei im November 2006,131 deren Anlass ein Besuch beim griechisch-orthodoxen Patriarchen von Kon­ stantinopel war.132 Diese apostolische Reise nutzte der Papst auch als diplomatische Mission, um mit Hilfe medienwirksamer versöhn­ licher Gesten und Worte die Zerrüttung des katholisch-muslimischen Verhältnisses zu beheben. Mit großer Wahrscheinlichkeit wäre die Ausgestaltung des Türkei-Besuches ohne die Reaktionen auf die Regensburger Rede eine andere gewesen wäre. Benedikt erwähnte seine Vorlesung während dieser Reise nicht mehr explizit. Etliche Elemente der Reise können aber als Versöhnungsgeste im Hinblick auf die Regensburg-Kontroverse gewertet werden. Exemplarisch hier ein Auszug aus der Ansprache anlässlich der Begegnung mit dem tür­ kischen Präsidenten für religiöse Angelegenheiten – der die Regens­ burger Rede harsch kritisiert hatte: Zur Lage im Vorfeld der Türkei-Reise siehe McMahon 27.11.2006. Auch anlässlich der apostolischen Reise des Papstes ins Heilige Land im Mai 2009 war die Regensburger Rede wieder in vieler Munde.

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Teil D: Die Kontroverse um die »Regensburger Rede« als Kampf der Kulturen?

»Wir sind zur Zusammenarbeit aufgerufen, um so der Gesellschaft zu helfen, sich dem Transzendenten zu öffnen und Gott, dem Allmäch­ tigen, den ihm zustehenden Platz einzuräumen. Der beste Weg, um vorwärts zu kommen, führt über einen authentischen Dialog zwischen Christen und Muslimen, der in der Wahrheit gründet und von der aufrichtigen Sehnsucht inspiriert ist, einander besser kennenzulernen im Respekt der Unterschiede und in Anerkennung dessen, was uns gemeinsam ist. […] Als Beispiel für den brüderlichen Respekt, mit dem Christen und Muslime gemeinsam wirken können, möchte ich einige Worte von Papst Gregor VII. aus dem Jahr 1076 zitieren, die er an einen muslimischen Prinzen aus Nordafrika gerichtet hat, der gegenüber den unter seine Jurisdiktion gestellten Christen mit großem Wohlwollen gehandelt hatte. Papst Gregor VII. sprach von der besonderen Liebe, die Christen und Muslime einander schulden, denn ›wir glauben und bekennen den einen Gott, wenn auch auf verschiedene Weise‹». (Benedikt XVI. 28.11.2006)

Auffallend ist, dass Benedikt hier wieder einen mittelalterlichen Text bemühte, in dem es um den Islam geht. Dabei haben die Worte Papst Gregors eine fundamental andere Schlagrichtung als die des Kaisers Manuel. In der Kontroverse war dem Papst unter anderem vorgeworfen worden, er sei dem interreligiösen Dialog gegenüber feindlich einge­ stellt.133 Vor diesem Hintergrund war eine weitere Folge der Krise die Entscheidung Benedikts, den Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog, den er zuvor dem Rat für die Kultur unterstellt hatte, ab Juni 2007 wieder zu einem eigenständigen Ministerium zu machen und mit einer hochrangigen Besetzung sogar zu stärken. (Kreiner 28.6.2007) Der neue Leiter dieses Rates, Kardinal Jean-Louis Tauran, charakterisierte diese Entscheidung als Auswirkung der Ereignisse in Folge der Regensburger Vorlesung. (Tauran 1.8.2007) Auch in anderen personalpolitischen Entscheidungen des Papstes spiegelt sich die große Bedeutung, die in Folge der Regensburg-Kontroverse dem christlich-islamischen Dialog beigemessen wurde. Vatikanische Spit­ zenpositionen wurden mit Islamkennern besetzt. So wurde beispiels­ weise Erzbischof Fernando Filoni, der viele Jahre als Apostolischer Nuntius im Iran und Irak tätig war, zum Substituten des Vatikanischen Staatssekretariates, das heißt zum vatikanischen »Innenminister«, ernannt. (Jürgens 16.9.2007) Des Weiteren bemühte sich Papst 133

Siehe hierzu die Beschreibung von »Typ 6« in Kapitel F I.2 dieser Arbeit.

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II. Der Verlauf und die Folgen der Krise

Benedikt um eine Aufrechterhaltung des Päpstlichen Instituts für Islamwissenschaften (PISAI). (Siehe de Gaulmyn 5.10.2006) Hatte die Vorlesung Benedikts XVI. zunächst eine Verschlechte­ rung in den christlich-muslimischen Beziehungen bewirkt, so war indirekt – dank der vatikanischen Bemühungen in Folge der Krise – mittel- und langfristig auch eine fruchtbare Auswirkung der Rede auf den Dialog festzustellen.134 Die Einladung zum offenen Dialog, die Papst Benedikt XVI. im Verlauf der Krise wiederholt ausgespro­ chen hatte, wurde von etlichen Muslimen angenommen. (Borrmans 10/2007) Prominentestes Beispiel für den durch die Regensburger Rede angestoßenen Dialog ist der offene Brief, den 38 Islamgelehrte unterschiedlicher Herkunft und Glaubensrichtung einen Monat nach der Vorlesung als Antwort an Benedikt XVI. adressierten (Offener Brief an Seine Heiligkeit 13.10.2006). Die Verfasser verurteilen gewaltsame Reaktionen auf die Regensburger Rede. Sie setzen sich theologisch mit den Thesen des Papstes auseinander und üben dabei sachliche Kritik an der Argumentation Benedikts XVI.135 Dass der Impuls zum Dialog auch nachhaltige Wirkung zeitigte, beweist der zum Jahrestag des offenen Briefes der 38 erschienene Dialog-Brief von 138 muslimischen Intellektuellen, Scheichs und Muftis. Dieser Brief will Irrtümer beheben, die die Verfasser in den Aussagen zum Islam in der Regensburger Rede sehen. Die wichtigsten Punkte sind die Transzendenz Gottes, das Verhältnis von Glaube und Vernunft, die Frage nach Zwang im Glauben und die Problematik religiös legi­ timierter Gewalt. Es geht in dem Brief auch darum, Gemeinsamkeiten zwischen Christen und Muslimen zu betonen und darüber nachzu­ denken, wie diese Nähe für die Welt fruchtbar gemacht werden kann. Das Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe wird als gemeinsame Basis von Islam und Christentum herausgestellt sowie die große Bedeutung der beiden Religionen für den Weltfrieden betont: »Muslims and Christians together make up well over half of the world’s population. Without peace and justice between these two religious communities, there can be no meaningful peace in the world. The future of the world depends on peace between Muslims and Christians«. (A Common Word between Us and You 13.10.2007)

134 Zu dieser Einschätzung kommt auch Christian Troll, Experte für christlich-musli­ mischen Dialog (Troll 2008). 135 Für eine kritische Analyse und Interpretation des Briefes der 38 siehe Urvoy 2008.

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Teil D: Die Kontroverse um die »Regensburger Rede« als Kampf der Kulturen?

Eine große Zahl weiterer Unterzeichner schloss sich im Laufe der Jahre an. Die Bandbreite der Unterzeichner reicht von den Großmuf­ tis von Russland, Aserbeidschan, Bosnien, Slowenien, Oman und Jordanien über den Sultan von Sokoto (Nigeria), Ayatollahs aus Bagdad und Teheran bis zu zahlreichen Islamwissenschaftler von arabischen und westlichen Universitäten. 2015 listete die Website 405 Unterschriften auf.136 Die Zahl derjenigen, die ihre volle Unter­ stützung für den Brief bekundet haben, beläuft sich im Jahr 2022 auf 19333.137 Die Antwort aus dem Vatikan auf diesen Brief wurde von Kardinalstaatssekretär Bertone unterzeichnet und datiert vom 19.11.2007 (Bertone 19.11.2007). Dass mit der Regensburger Rede ein Dialogstein ins Rollen gebracht wurde, sieht man besonders deutlich daran, dass auf den Brief der 138 wiederum viele christliche Erwiderungen verfasst wurden.138 Hier ist beispielsweise das Doku­ ment »Loving God and Neighbor Together: A Christian Response to A Common Word Between Us and You« zu nennen, das von christlichen Theologen initiiert und erstmals am 18.11.2007 in der New York Times abgedruckt wurde.139 Die Edition zum 5. Jahrestag von »A Common Word« (A Common Word between Us and You 2012) zählt 70 offizielle christliche Antworten auf das Dokument auf. Des Weiteren werden 11 große Veranstaltungen, die diesen Dialog auf­ greifen, sowie 27 einschlägige Publikationen zu »A Common Word« aufgelistet. Exemplarisch ist hier der Sammelband »We have justice in common. Christian and Muslim Voices from Asia and Africa« zu nennen (Troll et al. 2010). Der Päpstliche Rat für den interreligiösen Dialog und eine Dele­ gation der iranischen »Islamic Culture and Relations Organisation« verabschiedeten am 2. Mai 2008 eine Erklärung zum Thema »Glaube und Vernunft in Christentum und Islam«. Darin heißt es unter anderem: »Faith and reason do not contradict each other, but faith might in some cases be above reason, but never against it.« Und: »Nei­ ther reason nor faith should be used for violence; unfortunately, both of them have been sometimes misused to perpetrate violence.« (Pon­ https://www.acommonword.com/new-signatories/ (Stand: 16.8.2015) https://www.acommonword.com/ (Stand: 21.10.2022) 138 Siehe h t t p s : / / w w w . a c o m m o n w o r d . c o m / c h r i s t i a n - r e s p o n s e s/ (Stand: 18.9.2022). 139 https://www.acommonword.com/loving-god-and-neighbor-together-a-christi an-response-to-a-common-word-between-us-and-you/ (Stand: 21.10.2021). Siehe auch Volf et al. 2009. 136

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II. Der Verlauf und die Folgen der Krise

tifical Council for Interreligious Dialogue 30.4.2008) Als Auswir­ kung der Rede ist auch das hochrangige interreligiöse Dialogforum zu betrachten, dessen erstes Treffen am 4.11.2008 in Rom stattfand. (Christen 10.10.2008) Dieses »Katholisch-muslimische Forum« zwi­ schen dem Vatikan und der Aal-al-Bayt-Foundation in Amman hatte seine zweite Zusammenkunft 2011 in Amman, der dritte Gipfel war 2014 wieder in Rom, und 2017 fand das Treffen im amerikanischen Berkeley statt. Indirekt auf die Regensburger Rede geht auch die Gründung des »Internationalen König Abdullah Zentrums für Inter­ religiösen und Interkulturellen Dialog« in Wien zurück. Diese Ein­ richtung ist eine diplomatische Initiative Saudi-Arabiens, Österreichs und Spaniens. (Kathpress 13.10.2011) Analysten zufolge war das Interesse am christlich-islamischen Dialog sowohl auf Seiten des Vatikans als auch auf islamischer Seite noch nie so groß wie seit der Regensburger Rede, was unter anderem an einer Vielzahl von Tagun­ gen zum Thema ersichtlich ist. (de Gaulmyn 6.2.2007) Exemplarisch ist die Konferenz zum christlich-islamischen Dialog im Juli 2008 zu nennen, die die amerikanische Yale Universität in Folge der Regens­ burg-Kontroverse organisierte. (Yale Divinity School 15.7.2008) Im christlich-muslimischen Dialog spielt die Regensburger Rede immer noch eine große Rolle. Dies wird zum Beispiel daran deutlich, dass die Al-Azhar-Universität in Kairo als Begründung für ihren Abbruch des Dialogs mit dem Heiligen Stuhl Anfang 2011 unter anderem die Regensburger Rede anführte. (Testa 21.1.2011) Erst im Mai 2016 wurde der Dialog mit einer Audienz des Groß-Imams von Al-Azhar bei Papst Franziskus wieder aufgenommen. Seit 2017 finden wieder regelmäßige Treffen mit Vertretern des päpstlichen Dialogrates und der Al-Azhar Universität statt. Dass Papst Franziskus der Dialog mit dem Islam ein besonderes Anliegen ist, zeigt sich bei­ spielsweise in den Kardinalsernennungen im Oktober 2019: Vier der Geehrten haben sich insbesondere um den christlich-muslimischen Dialog verdient gemacht. (Tag des Herrn 2.9.2019) Benedikt selbst bewertet die langfristigen Folgen von Regens­ burg als positiv und nahm für sich in Anspruch, innerislamische Entwicklungen angestoßen zu haben: »Dennoch hatten diese Ereignisse, nach all den schrecklichen Dingen, über die ich nur sehr traurig sein kann, letztlich positive Wirkungen. Bei meinem Besuch in der Türkei konnte ich zeigen, dass ich Ehrfurcht habe vor dem Islam, dass ich ihn als eine große religiöse Wirklichkeit anerkenne, mit der wir im Gespräch stehen müssen. Und so ist aus

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Teil D: Die Kontroverse um die »Regensburger Rede« als Kampf der Kulturen?

dieser Kontroverse ein wirklich intensiver Dialog gewachsen. Es wurde deutlich, dass der Islam im öffentlichen Dialog zwei Fragen klären muss, nämlich die Fragen seines Verhältnisses zur Gewalt und zur Vernunft. Dass nun diese beiden Fragen in den eigenen Reihen als klärungspflichtig und -bedürftig empfunden wurden und damit auch eine Innenreflexion unter den Gelehrten des Islam begann, die dann zu einer dialogischen Reflexion wurde, war ein wichtiger Ansatz.« (Benedikt XVI. 2010: 32)

In der Öffentlichkeit hielt sich auch eine politische Lesart der Regens­ burg-Kontroverse, so zum Beispiel in Gilles Kepels Rekapitulation der Ereignisse (Kepel 2008; insb. 231-242). Ratzingers Rücktritt als Papst im Jahr 2013 wurde von etlichen als Spätfolge seiner Regensburger Rede interpretiert. So polemisierte Michel Onfray: »Der Gott von Mekka hat den Gott des Vatikans erschlagen.« (Onfray 2018: 599) In einzelnen Medien wurde sogar spekuliert, ob die Abdankung Papst Benedikts auf Druck der Obama-Regierung erfolgt sei. Die Regens­ burger Rede sah man als Beleg für einen islamfeindlichen Kurs Bene­ dikts, der dem Anliegen Obamas, bessere Beziehungen zur »islami­ schen Welt« aufzubauen, entgegengelaufen sei. Die Argumentation lautete weiter, dass Obama zudem die Annäherung Benedikts an die russisch-orthodoxe Kirche nicht ins Konzept gepasst hätte. Dies war zum Beispiel in der italienischen Zeitschrift Limes in einem Beitrag von Germano Dottori (2017) zu lesen. Insbesondere in konservativen Kreisen wurde der Papst angesichts von Gewaltentwicklungen in der islamischen Welt nachträglich als Prophet charakterisiert, wie auch Gibson beobachtet. (Gibson 10.9.2014)140

II.4 Bewertung Die unmittelbaren Reaktionen aus der islamischen Welt auf die Vorlesung sprechen auf den ersten Blick für ein Erfüllen des Kampfder-Kulturen-Schemas. Die Aussage, dass der Westen eine politi­ sche, militärische und kulturelle Bedrohung für die islamische Welt darstellt, ist eine Position, die Huntington in seinem Weltbild der »islamischen Zivilisation« zuschreibt. Die große Aufmerksamkeit Dies trifft bisweilen auch innerkirchlich zu. Beispielsweise äußerte sich der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer 2016 mit preisenden Worten über die Papstrede: »Das Thema der damaligen Vorlesung, Glaube und Vernunft, erweist sich als prophetisch und es wird von Jahr zu Jahr aktueller.« (Neumann 15.9.2016) 140

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II. Der Verlauf und die Folgen der Krise

und die starke Reaktion von Teilen der muslimischen Welt kann in der Tat mit dem gesellschaftlichen Nährboden begründet werden, auf den die Rede traf. Die zahlreichen Entschuldigungsforderungen aus der islamischen Welt, die verbreitet als »Hypersensibilität« (Allam 16.9.2006) beklagt wurden, können als ein Ausdruck der Demüti­ gungs- und Angriffsperzeption, die in der islamischen Welt in Bezug auf den Westen verbreitet sind, interpretiert werden. Ian Markham illustriert diesen Hintergrund, auf den die Vorlesung projiziert wurde: »Muslims are feeling battered: they have had to cope with colonialism, corrupt regimes supported by the West, constant denigration of their faith by a richer and more affluent Western academy, the running sore of the Palestinian people and, most recently, the invasion of Iraq. For the leader of the world’s Catholics to decide to quote – in passing and for illustrative purposes only – a medieval attack on Islam was bad politics. The West needs to understand that there is rage in the Muslim world; we need to learn to tread carefully.« (Markham 2012: 60)

Vieles spricht dafür, dass sich dieser Ärger und diese Sensibilität aus konkreten historisch-politischen Umständen speisen, nicht aus dem transhistorischen kulturellen Antagonismus, von dem Huntington ausgeht. Das Verhalten, das hieraus resultiert, mag in beiden Moti­ vationsszenarien gleich sein, doch besteht konzeptionell ein wichti­ ger Unterschied. Bilgrami betont, dass differenziert werden muss zwischen der zivilisatorischen »hostility«, die Huntington zeichnet, und der de facto »defensiveness« in der gegenwärtigen muslimischen Welt, die konkrete Ursachen hat. (Bilgrami 2014: 270–271) In die­ sem Sinn zeugt beispielsweise der pakistanische Vorwurf, dass die Regensburger Rede die UN-Charta der Menschenrechte verletze, vom Misstrauen »der muslimischen Welt« gegenüber »dem Westen« und dessen vermeintlichen Doppelstandards. Die Unterlegenheit des Islam gegenüber dem Christentum, für die der Papst in seiner Rede argumentierte, steht aus muslimischer Sicht im Kontext von Orientalismus und dem Huntington'schen Weltbild, die von der Rückständigkeit des Islam ausgehen. Matthew Althouse und Floyd Anderson schlussfolgern treffend: »If an agent is operating from these presumptions, egalitarian dialogue with the Other is problematic«. (Althouse/Anderson 2019: 319) Finn Frandsen und Winni Johansen diagnostizieren die Regensburg-Krise aus kommunikationswissen­ schaftlicher Sicht so:

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Teil D: Die Kontroverse um die »Regensburger Rede« als Kampf der Kulturen?

»The problem […] is to meet the expectations of stakeholders belong­ ing to different socio-cultural orders […] in a situation where there is not just one simple and evident socio-cultural order at work, but many orders reflecting the values and norms of communities with conflicting interests or stakes.« (Frandsen/Johansen 2010: 360)

Sie argumentieren, dass Benedikt aus seiner Sichtweise und aus der Perspektive der soziokulturellen Ordnung des Westens nichts falsch gemacht habe. Zwar ist dies eine bestreitbare Einschätzung, doch es trifft zu, dass der Papst die Perspektive der muslimischen Welt und den sozio-politischen Kontext seiner Rede ignorierte. Strohmeier argumentiert, dass Benedikt XVI. sowohl in der Ausarbeitung der Vorlesung als auch im Krisenmanagement den Aufruhr hätte vermei­ den können, wenn er die Selektions- und Transformationsmechanis­ men der Massenmedien sowie die Perzeptions- und Reflexionsmus­ ter des Publikums hinreichend antizipiert hätte. (Strohmeier 2010: 410–411) Die lautstarken Proteste und Drohungen schienen von einem Heer an muslimischen Kämpfern gegen den Westen zu kommen. Doch diese Wahrnehmung ist zu einem großen Teil einer irrefüh­ renden westlichen Medienberichterstattung geschuldet. Tagelang erschienen die muslimischen Reaktionen auf die Papstvorlesung an erster Stelle. Es erstaunt, dass deren Nachrichtenwert so hoch war. Die Proteste beschränkten sich überwiegend auf eine verbale Ausdrucks­ form; die Sachschäden waren gering, und ob es ein Todesopfer gab, ist unklar. Beachtenswerte Reaktionen in den muslimischen Bevölkerun­ gen konnten nur im Westjordanland und im Gazastreifen verzeich­ net werden. Im Irak ist Gewalt und Extremismus unabhängig von der Papstvorlesung trauriger Alltag. Alle anderen Demonstrationen erreichten nur ein Ausmaß, das es vermutlich in anderen Kontexten nicht auf die Agenda der Medien geschafft hätte.141 Auch innerhalb des disproportionalen Interessensfokus' auf die muslimischen Reak­ tionen ist eine selektive Wahrnehmung der Medien festzustellen. Im Bereich der Berichterstattung über die Reaktionen aus Politik und Diplomatie schafften es beispielsweise die Hasstiraden eines Ali Bardakoğlu in die Schlagzeilen, während moderate Töne wie die des indonesischen Präsidenten Susilo Bambang Yudhoyono wenig medial 141 Beispielsweise erfährt das Phänomen des in Lateinamerika weit verbreiteten und lautstark geäußerten Antiamerikanismus (MacPherson 2006) verhältnismäßig wenig mediale Aufmerksamkeit.

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II. Der Verlauf und die Folgen der Krise

exponiert wurden. Die Medien scheinen die Kampf-der-KulturenThese auf ihrem Radar zu haben – und mobilisierten diese Perspektive in der Berichterstattung über die Regensburg-Kontroverse. Allgemein passt es in Huntingtons Weltbild, dass sich die Politik sowohl in der islamischen Welt als auch im Westen in diese interre­ ligiöse Affäre involvierte. Denn im »Clash of Civilizations«-Konzept sind Christentum und Islam Kern ihrer jeweiligen Zivilisationen, und Religionen sind politisch bedeutsam und konfliktrelevant. Blickt man spezifischer auf die empörten Politiker in der islamischen Welt, so kann deren Rolle nur sehr bedingt als Kämpfer in einem Kampf der Kulturen identifiziert werden. Zwar war es eine verbreitete Reaktion, dem Papst Islamophobie und eine Kreuzfahrermentalität vorzuwerfen und seine Vorlesung in Beziehung zur Außenpolitik westlicher Staa­ ten zu stellen. Doch was als kulturkämpferisches Gebaren erscheint, war oftmals eher politisches Kalkül und Taktik. In der Türkei, die sich als Brücke der Zivilisationen sieht, lagen primär politische Differenzen mit Benedikt XVI. den auffallend heftigen Reaktionen auf den Vortrag zu Grunde. (Valenzano/Menegatos 2008) Als er noch Kardinal war, hatte Ratzinger die Türken verärgert, weil er sich deutlich gegen eine Aufnahme des Landes in die EU ausgesprochen hatte. Die Regensburger Rede stellte für die türkischen Politiker somit die Gelegenheit dar, ihren Unmut gegenüber Benedikt XVI. zu äußern und gewissermaßen Rache zu üben. Auch der für den folgenden November angekündigte pastorale Besuch des Papstes beim griechisch-orthodoxen Patriarchen von Konstantinopel hatte für böses Blut gesorgt, da er die Problematik der ethnischen und religiösen Minderheiten im Land tangierte. (Zaptçıoğlu 16.9.2006) Der türkische Premierminister Erdoğan konnte sich zudem seiner Wiederwahl 2007 nicht sicher sein und so spielte er mit der Abkan­ zelung des Papstes die nationalistische Karte. (Zaptçıoğlu 18.9.2006) In vielen muslimischen Ländern war die Kritik an den Worten des Papstes ein Element der Wahlkampf- und Machtsicherungsstrategie. Dies erklärt, warum sogar gemäßigte islamische Politiker die Vorle­ sung harsch verurteilten: Man meinte es sich nicht leisten zu können, das Feld der religiösen Empörung den Islamisten zu überlassen. Wie dargelegt, entschuldigte sich Benedikt XVI. weder für Intention noch Inhalt seiner Worte, obwohl eine Entschuldigung vehement von muslimischen Politikern gefordert worden war. Dass diese sich dennoch größtenteils schnell mit den vatikanischen Verlautbarungen zufrieden gaben, legt die Interpretation nahe, dass es sich bei den

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offiziellen muslimischen Reaktionen zu einem großen Teil um eine Instrumentalisierung anti-westlicher und pro-islamischer Rhetorik handelte. Die Politiker wollten sich gegenüber ihren Bevölkerungen als Verteidiger des Islam profilieren, schienen aber darüber hinaus nicht so sehr von der eigenen Entrüstung überzeugt zu sein, als dass sie dauerhaft schlechte Beziehungen zum Heiligen Stuhl dafür in Kauf genommen hätten. Es kann angenommen werden, dass diese Eliten weniger durch den Glauben an einen stattfindenden Kampf der Kulturen motiviert waren, sondern vielmehr die Tatsache instrumen­ talisierten, dass in der Gesellschaft ein solcher befürchtet wurde. In Bezug auf die weiteren Beiträge des Papstes und der Kurie kann definitiv nicht von Beiträgen zu einem Kampf der Kulturen gespro­ chen werden. Selbst falls man die Regensburger Rede als Angriff interpretiert, so muss mindestens ein Zurückrudern im weiteren Verlauf der Kontroverse attestiert werden. Im Krisenmanagement und im mittel- und langfristigen Agieren des Papstes und der Kurie fand eine klare Distanzierung von einer Provokationsabsicht statt. Statt islamkritischer Aussagen betonte man die Religionenfreund­ schaft, die Gemeinsamkeiten und den Respekt vor dem Islam.142 Frandsen und Johansen führen in ihrer Analyse der Regensburg-Krise einen neuen Terminus am Beispiel der Klarstellungen des Vatikans ein: »meta-apology, i.e. an apology where the apologist is no longer apologizing for what he or she may have done – because he or she actually does not have to, according to their own sociocultural order – but for the negative effects that the act committed by the apologist may possibly have caused.« (Frandsen/Johansen 2010: 362) Es ist festzuhalten, dass Benedikt weder die Verwendung des Zitates über Mohammed in der Rede bedauerte, noch sich von seiner These der Irrationalität des Islam bzw. der Unvereinbarkeit von Glaube und Vernunft im Islam distanzierte. Nochmals hier die Fußnote, die die Rede im Nachhinein ins rechte Licht rücken sollte: »Bei der Zitation des Texts von Kaiser Manuel II. ging es mir einzig darum, auf den wesentlichen Zusammenhang zwischen Glaube und Vernunft hinzu­ führen. In diesem Punkt stimme ich Manuel zu, ohne mir deshalb seine Polemik zuzueignen«. (Benedikt XVI. 10.10.2006) Die Kom­ 142 Diese Versöhnlichkeit wurde und wird in konservativen kirchlichen Kreisen bisweilen kritisch gesehen. So stellt beispielsweise ein Beitrag im Catholic World Report mit dem Titel »Benedict the Brave: The Regensburg Address Ten Years Later« die rhetorische Frage: »should the Pope have apologized for being magnificent?« (Day 12.9.2016).

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II. Der Verlauf und die Folgen der Krise

munikationswissenschaftler Althouse und Anderson kritisieren, dass Benedikt XVI. die Krise mit seinen »charitable symbolic gestures« nur als epistemologisches, nicht aber als ontologisches Problem behan­ delte. (Althouse/Anderson 2019: 317) Sie bemängeln, dass er auf der Interpretation als Missverständnis beharrte und die muslimische Perspektive nicht rezipierte. (ebd.: 317–320) Es war dem Vatikan wichtig, den Eindruck zu bekämpfen, die Schlagrichtung der Rede sei auf Religionspolitik oder gar einen Kampf der Kulturen gerichtet gewesen. Benedikt entschuldigte sich nicht für seine problematischen Äußerungen in Bezug auf den Islam, stattdessen waren die diplo­ matischen Stellungnahmen und Initiativen ganz darauf gepolt, den Eindruck zu verwischen, dass es sie je gegeben habe. Die islampoliti­ sche Rezeption der Rede wurde als Missverständnis charakterisiert. Auch die besonders scharfen Kanten des Vorlesungstextes wurden in diplomatischen Umformulierungen abgeschliffen. Das Mantra der vatikanischen Bemühungen lautete, dass die Rede als Einladung zum interreligiösen Dialog gemeint war. Ein solcher wurde dann auch im weiteren Verlauf der Kontroverse und in ihrer Nachwirkung im folgenden Jahrzehnt angestoßen und verwirklicht, wie prominent der Brief der 138 muslimischen Gelehrten »A Common Word between Us and You« und die zahlreichen christlichen Antworten hierauf zeigen. Der Dialog der Religionen siegte über den Kampf der Kulturen.

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Teil D: Die Kontroverse um die »Regensburger Rede« als Kampf der Kulturen?

III. Konklusion Es gibt drei Hauptmuster, die Regensburg-Kontroverse als Kampf der Kulturen zu interpretieren. Alle drei greifen jedoch zu kurz bzw. sind irreführend: 1. Interpretation: Die Dynamik zwischen Papst und muslimi­ schen Rezipienten der Vorlesung als Schlacht im Kampf der Kulturen: »[D]ie düstere Prophezeiung Samuel Huntingtons vom Kampf zwi­ schen Christen und Muslimen [ist] Wirklichkeit [geworden]« (Pose­ ner 17.9.2006)

Für mehrere Tage herrschte in der Regensburg-Krise ein globaler interreligiöser Konflikt zwischen Katholizismus bzw. Christentum und Islam. Dabei waren nicht nur Religionsvertreter involviert, sondern auch säkulare Akteure, insbesondere Politiker, die für die Zivilisationen Westen und Islam standen. Der »anderen Seite« wurde kulturkämpferische Aggression vorgeworfen: Hier ein Angriff auf die islamische Religion, dort ein Angriff auf die westliche Meinungs­ freiheit. Allerdings handelte es sich dabei nicht um monolithische Blöcke, und auf beiden Seiten gab es differenzierte und selbstkritische Stimmen. Außerdem präsentierten die Medien die Rede Benedikts verkürzt und bauschten zudem die muslimischen Proteste massiv auf. Es herrschte eine Diskrepanz zwischen der Darstellung der Medien und den Realitäten der Akteure. Der Vatikan glättete die Wogen, die der kulturkämpferische Eindruck der Rede erzeugt hatte, mit Worten, Gesten, Initiativen des Brückenbaus und der Verständigung. Benedikt XVI. distanzierte sich von einer islamfeindlichen Interpretation der Vorlesung und betonte stattdessen seinen Respekt vor dem Islam und seine Dialogeinladung. Dies wurde vom Gros der muslimischen Protestierenden akzeptiert. Was sich als intensive Schlacht in einem Zivilisationenkampf abzeichnete, wurde im Verlauf der Krise nach nur kurzer Zeit in ein interreligiöses Dialogszenario transformiert. Das Ergebnis der Regensburg-Kontroverse war kein Kampf der Kulturen, sondern ein Dialog der Religionen. Man kann sogar argumentieren, dass in der mittelfristigen Perspektive das Band zwischen Christen­ tum und Islam gestärkt wurde. 2. Interpretation: »Der Islam« als der – einseitige – Kulturkämp­ fer: »Versteht man das […] Zitat [über Mohammed] als Position Bene­ dikts, so ist die Empörung begreiflich. Unbegreiflich ist hingegen, wie

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III. Konklusion

man dieses Zitat so verstehen konnte, da nichts, aber auch gar nichts darauf hindeutet, weder in der Hinführung auf das Zitat, noch in seiner Fortführung. […] Dass es […] um den Gebrauch der Vernunft nicht zum Besten steht, wusste Benedikt – die Reaktion auf seine Rede gab ihm Recht.« (Moll 22.2.2022)

Dieser Rückblick in der katholischen Zeitung Die Tagespost aus dem Jahr 2022 steht exemplarisch für die Ansicht, dass sich der Papst in der Regensburg-Kontroverse als unpolitischer Akademiker zeigte, während die islamische Welt als irrationaler Kulturkämpfer reagierte. Diese Einschätzung ist nicht haltbar. Zum einen waren die muslimischen Reaktionen bei weitem nicht so massiv und heftig, wie es die Medien erscheinen ließen, und die Dauer des Aufruhrs war kurz. Analysiert man Zahlen und Fakten, wird man sich des relativ unbedeutenden Ausmaßes der aggressiven Reaktion auf die Vorlesung bewusst. Was sich an Kampfbereitschaft in der Regens­ burg-Kontroverse manifestierte, waren die Drohungen islamistischer Terroristen gegen Benedikt XVI., die aber nicht mit der islamischen Welt gleichzusetzen sind. Fragwürdig ist zudem, ob die Motivation der protestierenden muslimischen Politiker wirklich ein Denken in den Kategorien eines Kampfes der Kulturen war. Nicht zuletzt ange­ sichts des schnellen Glättens der Wogen spricht vieles dafür, dass es sich bei den offiziellen Protesten aus der islamischen Welt um politische Interessen und Machtkalkül handelte und nicht um eine Kriegserklärung der islamischen Zivilisation an den Westen. Darüber hinaus gab es in der muslimischen Welt auch konstruktive Antworten und Einladungen zu einem interreligiösen Dialog. Zum anderen waren die Interpretationen der Regensburger Rede von undiplomatisch bis islamfeindlich nicht aus der Luft gegriffen. Das Zitat über Mohammed passt durchaus zu Benedikts breiterer Argumentation. Er präsentiert ein negatives, gewaltaffines Bild eines monolithisch verstandenen Islam, das er mit dem eines vernünftigen Christentums kontrastiert. Dabei steht seine Argumentation wissen­ schaftlich und moralisch auf wackligen Beinen. Die Empörung von Muslimen war also nicht einfach irrational durch zivilisatorischen Antagonismus bedingt. 3. Interpretation: Der Papst als Kulturkämpfer: »[S]omething quite momentous was going on – the Bishop of Rome was seizing an opportunity to lead the West again. […] At Regensburg, Pope Benedict was, in a sense, returning fire to bin Laden. This elderly professor’s lecture on faith and reason, delivered on the day after the

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Teil D: Die Kontroverse um die »Regensburger Rede« als Kampf der Kulturen?

fifth anniversary of the attack on the World Trade Center, is a highly coded document. Islam is its only real subject, and it goes to the foundations of Islamic theology«. (Crittenden 2006)

Diese Interpretation der Regensburger Rede war in der australischen Literaturzeitschrift Meanjin zu lesen. Von vielen wurde die Vorlesung als Schachzug im Kampf der Kulturen gewertet, bisweilen unter Beifall, wie in diesem Zitat, oft aber, insbesondere von muslimischen Rezipienten, kritisch. Als brandstiftenden Beitrag zum Kampf der Kul­ turen klassifizierte beispielsweise Cengiz Aktar in den Turkish Daily News die Regensburger Rede: »If there is one objective in the pope’s comments, it is nothing but to feed the flames.« (Aktar 19.9.2006) Richtig ist, dass Benedikt die Prämissen Huntingtons zu teilen schien, insbesondere dessen Blick auf den Islam. Möglicherweise war er direkt von Huntingtons Weltsicht geprägt. Seine Regensbur­ ger Rede enthält provokante Äußerungen in Bezug auf den Islam, doch im Krisenmanagement des Vatikans betonten der Papst und andere Vertreter der Kurie, dass die Intention der Vorlesung nicht Provokation, sondern eine Dialogeinladung an den Islam war. Die Abgrenzung gegen den Islam in der Rede scheint primär dazu zu dienen, in der säkularen Welt für die Vernünftigkeit und Relevanz des Katholizismus zu werben. Man kann so weit gehen zu interpretieren, dass sich der Papst für sein Ziel des Huntington’schen Weltbildes bediente bzw. dieses instrumentalisierte. Auf jeden Fall ist Benedikt nur sehr bedingt als Vertreter des Westens in einem Kampf der Kulturen zu charakterisieren. In seiner Vorlesung wandte er sich nicht an ein muslimisches, sondern an ein westliches Publikum. Und bei aller negativen Kontrastierung des Islam war der Argumentati­ onsschwerpunkt und die primäre Kritik nicht auf den Islam gerich­ tet. Die Kernbotschaft – im Wesentlichen eine traditionalistische katholische Kritik an der relativistischen und säkularen Moderne – deckt sich ironischerweise mit einer traditionalistischen islamischen Kritik an den westlichen Gesellschaften. Die Regensburger Rede war gewissermaßen kulturkämpferisch – aber nicht nur oder sogar weniger im Huntington'schen Sinn des Begriffs und in Bezug auf den Islam, sondern in alle Richtungen, vom Protestantismus bis zur modernen Wissenschaft. Die Regensburg-Ereignisse sind also nicht als Schlacht im Kampf der Kulturen zu werten. Huntingtons Modell passt insgesamt nicht, und somit erklärt sich dessen Erfolg nicht aus dem Erklärungswert für die­

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III. Konklusion

ses Ereignis, das oft zur Legitimation der Kampf-der-Kulturen-These herangezogen wird. Allerdings ist es auffallend, dass dennoch viele Elemente in der Kontroverse auf Huntington verweisen: Es finden sich zahlreiche Indizien, dass Akteure in Huntingtons Kategorien denken, seine Prämissen teilen, oder sich zumindest in seinem Sinn äußern. Insbe­ sondere die mediale Wahrnehmung schien von einem Kampf der Kul­ turen geprägt zu sein, und so verstärkten die Medien durch selektive Berichterstattung diese Perzeption in der Öffentlichkeit. Huntingtons Konzept hat eine unleugbare Präsenz in der Regensburg-Kontroverse. Dies verweist auf eine andere Interpretation, nämlich dass sich in der Regensburg-Kontroverse die diskursive Macht der Kategorien und Thesen des »Clash of Civilizations« zeigt. Die Kernhypothese der vorliegenden Arbeit lautet, dass Huntingtons Erfolg darin begründet liegt, dass es einen mächtigen Diskurs gibt, der auf den dichotomen Kategorien »Islam« und »Westen« basiert. Dies wird im weiteren Verlauf der Arbeit elaboriert.

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Teil E: Der diskursive Erfolg des »Clash of Civilizations«-Konzeptes

Im ersten Hauptteil (Teil B) dieses Buches erfolgte eine kritische Auseinandersetzung mit Huntingtons Thesen – mit dem Ergebnis, dass das Modell vom Kampf der Kulturen konzeptionell fragwürdig und empirisch stark angreifbar ist. Im weiteren Verlauf wurde gezeigt, dass Huntingtons Theorieansatz weder auf den Ukraine-Krieg noch auf die Regensburg-Kontroverse im Gesamten zutrifft. Bis zu einem gewissen Grad zeigen diese Konflikte Elemente und Dynamiken, die mit dem »Clash of Civilizations«-Ansatz übereinstimmen. Jedoch widerspricht ihm so vieles an diesen Beispielen, dass insgesamt geurteilt werden muss, dass der Erklärungsnutzen und Mehrwert im besten Fall gering sind. In summa ist Huntingtons Modell nicht besonders zutreffend oder aussagekräftig als Analyserahmen und Verständnishorizont für die beiden exemplarisch ausgewählten Kon­ flikte. Dieses Ergebnis steht in Kontrast zu seinem großem Erfolg: Zwar lehnte die Fachwelt das »Clash of Civilizations«-Konzept über­ wiegend ab, doch die Breitenrezeption und die Verbreitung seiner Thesen und Kategorien waren und sind überwältigend. Dies manifes­ tiert sich beispielsweise – wie im vorherigen Kapitel deutlich wurde – in der Regensburg-Kontroverse. Worauf beruht diese Durchschlags­ kraft, wenn sie weder in theoretischer noch empirischer akademischer Stärke begründet liegt? In diesem Teil der Arbeit wird die Hypothese elaboriert, dass sich dies damit erklärt, dass das »Kampf der Kultu­ ren«-Konzept zentraler Bestandteil eines gemäß der Foucaultschen Diskurslogik operierenden »Islam-Westen-Diskurses« ist. Zunächst wird an der in der Einleitung (Kapitel A I) präsentierten Skizze von Huntingtons Erfolg weiter gezeichnet.

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Teil E: Der diskursive Erfolg des »Clash of Civilizations«-Konzeptes

I. Huntingtons Erfolg und Resonanzraum I.1 Das große Echo und die Breitenrezeption Huntingtons Aufsatz »Clash of Civilizations?« erhielt von allen in der Zeitschrift Foreign Affairs nach 1947 veröffentlichten Beiträgen die größte akademische Resonanz. (Welch 1997: 198; Miles 2002: 451– 452)143 »A good way to measure the power of a theory is to look at the scale and intensity and quality of the debate it provokes; on those grounds, ›Clash‹ is one of the most powerful theoretical contributions in recent generations«, so resümierte der damalige Chefredakteur Gideon Rose die Bedeutung des »Clash of Civilizations«-Modells. (Rose 2013: 2) »Denounced more often than praised, Huntington was nonetheless quoted everywhere. He had not only presented a new paradigm, but touched a raw nerve«, so brachte es Steel schon 1996 auf den Punkt. (Steel 1996) Mittlerweile ist die direkte Debatte um Huntingtons Thesen abgeebbt, aber indirekt dauert die Auseinander­ setzung an. Akademisch wird insbesondere in Studien, in denen es um das Thema Religion und Politik oder Religion und Konflikt geht, oft zustimmend oder – öfter – kritisch auf Huntington Bezug genommen. Seine Bedeutung speist das »Clash of Civilizations«-Konzept jedoch aus seiner starken Rezeption durch die breitere Öffentlichkeit bzw., wie es Arkadius Jurewicz ausdrückt, »nicht aus seinem wissenschaftli­ chen Gehalt, sondern aus der öffentlichen Wirkung«. (Jurewicz 2008: 51) Auch zwischen seiner wissenschaftlichen und seiner politischen Rezeption ist zu unterscheiden. (Fütterer 2016) Huntingtons Kon­ zept entfaltete vor allem außerhalb der akademischen Welt große Wirkmächtigkeit. Von Anfang an wurde es nicht nur in politikwis­ senschaftlichen Fachkreisen wahrgenommen: Die New York Times veröffentlichte am 6.6.1993 Auszüge aus Huntingtons Aufsatz. In der Wochenzeitung Die Zeit wurde am 13.8.1993 eine gekürzte Version in deutscher Übersetzung abgedruckt. Spätestens mit dem Erscheinen des »Clash of Civilizations«-Buches 1996 – das noch im selben Jahr in deutscher Übersetzung erschien – wurden Huntingtons Thesen einer breiten Öffentlichkeit bekannt. (Kühnhardt 2005: 305) Seine 143 Ein derart gewaltiges Echo hatte zuletzt der sogenannte »X-Artikel« aus dem Jahr 1947 hervorgerufen, in dem George F. Kennan unter dem Pseudonym »X« die Grundlage für die folgende amerikanische Strategie der Eindämmungspolitik gegenüber der Sowjetunion legte (X 1947).

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I. Huntingtons Erfolg und Resonanzraum

Schlagworte sind wohl den meisten Laien, zumindest im Westen, ein Begriff und werden vielfach zitiert. (Halm 2008: 113) Das Prisma des »Kampfes der Kulturen« wird in der westlichen Öffentlichkeit für so unterschiedliche Sachverhalte wie den religiösen Fundamentalismus, Auseinandersetzungen um Laizität, den Israel-Palästina-Konflikt, terroristische Anschläge und den möglichen EU-Beitritt der Türkei aktiviert. (Barbé 2006: 5) Huntingtons Konzept avancierte zu einem gewichtigen Referenzpunkt in Debatten um das internationale und innergesellschaftliche Zusammenleben mit Muslimen. Bereits im Jahr 2000 erkannte Udo Metzinger zukunftsweisend, dass »das Schlagwort vom ›Kampf der Kulturen‹ (und dessen Gegenstück ›Dia­ log der Kulturen‹)« auch nach dem Abebben der Diskussion um Hun­ tingtons Thesen noch lange Zeit bei der Betrachtung und Analyse des Zeitgeschehens aktuell bleiben werde. (Metzinger 2000: 8) Der »Clash of Civilizations« ist im politischen Vokabular der Öffentlich­ keit etabliert. (Esposito 2019: 16) Mit der Breitenrezeption Huntingtons geht einher, dass von seinem Theorieansatz oft nur der plakative Titel aufgegriffen wird, und viele Rezipienten das Schlagwort vom Kampf der Kulturen mit ihrem eigenen Verständnis und Inhalt füllen. (Todorov 2010: 87; Bulliet 2004: 1–5) Laut Nitschke ist es ein Grundproblem der Huntington-Debatte, dass die wenigsten, die sich an ihr beteiligen, das »Clash of Civilizations«-Buch wirklich gelesen hätten. (Nitschke 2014b: 14) Amartya Sen und Bruce Nussbaum sind sich darin einig, dass die akademische These vom Kampf der Kulturen als intellektuelle Rechtfertigung für weit verbreitete Vorurteile dient. (Sen 2006: 44; Nussbaum 1997: 165) Sen formuliert es so: »Cultivated theory can bolster uncomplicated bigotry«. (Sen 2006: 44) Anders ausge­ drückt: »The appeal of Huntington’s book lies in its title more than in its content.« (Bottici/Challand 2010: 2) Huntington hat mit seiner oft polemischen Rhetorik einer verkürzten Rezeption den Weg bereitet, den die Medien dann beschreiten: »The news media’s treatment of Huntington’s outlook may render it even hotter and more simplistic«. (Seib 2004: 82)

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Teil E: Der diskursive Erfolg des »Clash of Civilizations«-Konzeptes

I.2 Die Spiegelung von Huntingtons Thesen in der »muslimischen Welt« Huntingtons »Clash of Civilizations« wurde nicht nur in der westli­ chen Öffentlichkeit rezipiert.144 Das Buch ist in 39 Sprachen quer durch alle »Kulturkreise« übersetzt. Im Vorwort nimmt Huntington auf das globale Echo seiner bis dahin in Aufsatzform veröffentlichten Thesen Bezug: »The responses and comments […] have come from every continent and scores of countries. People were variously impressed, intrigued, outraged, frightened, and perplexed by my argument [...] Whatever else it did, the article struck a nerve in people of every civilization.« (Huntington 1996a: 13)

Insbesondere von Seiten muslimischer Politiker und Intellektuellen wurde ihm viel Aufmerksamkeit zuteil, und seine These vom drohen­ den Zusammenprall der Kulturen hat auch unter Muslimen Einfluss. Dies trifft auf Islamisten und muslimische Terroristenführer zu, die laut Todorov das Konzept mit Begeisterung angenommen haben. (Todorov 2010: 91) Er zitiert unter anderem ein Al-Jazeera Interview Bin Ladens aus dem Jahr 2011: »The ›clash of civilizations‹ is a very clear story, proved by the Quran and the traditions of the Prophet, and no true believer who proclaims his faith should doubt these truths.« (Bin Laden, 20.10.2011, zitiert in Todorov 2010: 91) Julian Droogan and Shane Peattie werteten die englischsprachigen Online-Magazine »Inspire« von Al-Quaida und »Dabiq« von ISIS thematisch aus. Das Narrativ und Schlagwort vom »Clash of Civilizations« kommt in bei­ den Magazinen in 10,0–19,9 Prozent der gesamten Textabschnitte vor uns ist somit »moderately pervasive«. Nur drei bzw. zwei Narrative sind in einer noch höheren Prozentgruppe. (Droogan/Peattie 2019: 146; 150) Diese Aneignung des »Clash of Civilizations«-Konzeptes von Islamisten ist logisch, denn Orientalisten und Islamisten teilen die gleichen Prämissen, wie der Politologe und Islamwissenschaftler Mojtaba Mahdavi darlegt: 144 So stellte beispielsweise Enes Karić am Anfang des 21. Jahrhunderts fest, dass der Kampf-der-Kulturen-Topos auch in der islamischen Öffentlichkeit weit verbreitet ist: »Zwei Konzepte, die in den einflußreichen Medien sowohl im Westen als auch im Osten offenkundig vorkommen, sind das Konzept der Globalisierung und das Konzept des Zusammenstoßes der Kulturen.« (Karić 2002: 223)

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I. Huntingtons Erfolg und Resonanzraum

»The Islamist, NOT ISLAMIC, vision of politics and state essentializes Muslim culture and traditions; it echoes the Orientalist stereotype of ›Islamic Exceptionalism.‹ [..B]oth Orientalist and radical Islamist discourses […] undermine the possibility of a modern democratic Muslim society and polity.« (Mahdavi 2017: 204)

Deutlich zeigt sich Huntingtons Einfluss in breiteren muslimischen Kreisen am Beispiel des umstrittenen Vordenkers eines »Euro-Islam«, Tariq Ramadan. In seinem bereits 1995 auf Französisch erschienenen Werk »Der Islam und der Westen. Von der Konfrontation zum Dialog der Zivilisationen«145 (Ramadan 2000) nahm er explizit Bezug auf Huntingtons Konzept. Ramadans Thesen können gewissermaßen als Kommentar zu Huntington und als Spiegelung von dessen Positionen begriffen werden. Viele der Huntington’schen Prämissen werden von ihm geteilt. Er geht von einer islamischen Zivilisation aus und sieht sie in unüberbrückbarem Gegensatz zur Kultur des Westens. Analog zu Huntingtons These, dass die westlichen Werte nur bedingt mit anderen Zivilisationen kompatibel seien, postuliert Ramadan, dass die islamische Kultur »die kulturellen, terminologischen und seman­ tischen Kategorien der USA und Europas« übersteige. (ebd.: 343) Er zeichnet eine konfliktive Geschichte der Interaktion zwischen der westlichen und der islamischen Zivilisation und diagnostiziert eine aggressive Stimmung zwischen dem Islam und dem Westen. Es sei gefährlich, dass die Identitätsbestimmung sowohl im Westen als auch im Islam durch Abgrenzung vom »Alter ego im anderen Kulturraum« erfolge. (ebd.: 317) Mit Blick auf die Zukunft prognostiziert er eine Verschärfung der Differenzen (ebd.: 342) sowie »ernsthafte Brüche« (ebd.: 317). Er plädiert für eine friedliche Koexistenz der Zivilisatio­ nen mit Hilfe von Dialog und Verständigung. (ebd.: 322; 346–349) Dabei teilt er Huntingtons Ablehnung des Multikulturalismus. (ebd.: 322–323) In seiner Analyse des Zweiten Golfkriegs und des BosnienKriegs wird deutlich, dass auch Ramadan eine religiös-kulturelle Betrachtungsweise auf die internationale Politik hat: Er zeichnet diese Kriege – ebenso wie Huntington (Huntington 1998: 45–47) – als Konflikte zwischen der islamischen Welt und dem Westen. (Ramadan 2000: 326–338) Ramadan kritisiert den Westen scharf. Er hegt aber die Hoffnung, dass es eine Partnerschaft geben könne von Muslimen und den Kräften »der Opposition gegen den ›Szientismus‹, den ›Öko­ 145 Der Titel des Originals lautet »Islam: Le face à face des civilisations. Quel projet pour quelle modernité?«

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Teil E: Der diskursive Erfolg des »Clash of Civilizations«-Konzeptes

nomismus‹, die ›technizistische Gesellschaft‹ und den zügellosen und sinnentleerten ›Fortschritt‹, die – von den Intellektuellen bis zu den Wissenschaftlern – im Westen Wort ergreifen und kämpfen«. (ebd.: 347)

I.3 Huntingtons Kategorien und Ideen prägen Politik Ein Zivilisationismus im Sinne Huntingtons spielt eine Rolle in der internationalen Politik. Maçães legt dar, wie in der gegenwärtigen Weltpolitik sogenannte »civilization-states« – aufstrebende Mächte wie China, Russland und Indien, die sich stark kulturell definieren – nicht einfach klassische Machtpolitik betreiben, sondern sich einer zivilisatorischen politischen Rechtfertigungsrhetorik bedienen. Mit dieser Argumentation lehnen sie einen westlichen Entwicklungsweg ab und streben danach, gewissermaßen ihr eigenes Universum zu sein. (Maçães 5.6.2020) Wie in Kapitel C IV dieser Arbeit dargelegt, stützt sich insbesondere Putin auf eine zivilisatorische Ideologie, die vermutlich im Huntington‘schen Gedankengut Inspiration fand. Lee analysiert, wie ostasiatische Herrscher Huntingtons Konzept der fundamentalen Verschiedenartigkeit der Zivilisationen übernahmen. (Lee 1995; 2019) Für den Westen propagiert Huntingtons »Clash of Civilizati­ ons«-Konzept eine doppelte Bedrohungswahrnehmung: Der Feind von außen – Staaten anderer Kulturkreise – und der Feind von innen – der Multikulturalismus (Barbé 2006: 6; 79–80; vgl. auch Wetherly et al. 2012: 3), wobei der besondere Fokus bei beiden Dimensionen auf den Islam gerichtet ist. In unterschiedlicher Gewichtung und poli­ tischer Orientierung wurden beide Perspektiven im Westen politisch bedeutsam rezipiert. Eine Aneignung von Huntingtons Weltbild ist besonders deut­ lich in rechtspopulistischen Bewegungen in Europa zu finden. (Hay­ nes 2019) Im Parteiprogramm der Partei »Alternative für Deutsch­ land« (AfD), die zwischenzeitlich drittstärkste Kraft im deutschen Bundestag war, spiegeln sich überdeutlich die Huntington'schen Topoi wider: der Fokus auf die eigene und überlegene Kultur des Westens; der Islam als Gegenzivilisation; die Bedrohung sowohl durch muslimische Immigration und Multikulturalismus im Westen als auch durch Terrorismus von außen; der Niedergang des Westens

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I. Huntingtons Erfolg und Resonanzraum

und ein Verlust der eigenen Kultur durch Zuwanderung; der Herr­ schaftsanspruch des Islam und seine gewaltbereite Haltung gegen­ über Ungläubigen; Parallelgesellschaften und eine Verteidigung der Leitkultur; ein in Europa stattfindender Kulturkampf zwischen dem Westen und dem Islam; die kulturelle Definition des Westens über das Erbe des Christentums und der Werte der Aufklärung. (AfD 2016)146 Huntingtons wissenschaftliche Arbeit zielte auf Politikempfeh­ lungen ab, und so wurden seine Thesen für politische Positionen aufgegriffen. Beispielsweise dienten sie zur Begründung bzw. Recht­ fertigung der Forderung nach einem amerikanischen Neo-Isolatio­ nismus in der internationalen Politik. (Hassner 1996: 67) Anhand von EU-Kommissionsberichten legt Barbé dar, dass sowohl ableh­ nende als auch befürwortende Argumentationen in Bezug auf einen EU-Beitritt der Türkei bisweilen von der These vom Kampf der Kultu­ ren beeinflusst wurden. (Barbé 2006: 129–135) Avruch konstatiert die positive Beachtung von Huntingtons Werk in politischen und geheimdienstlichen Zirkeln in den USA. (Avruch 2016: 85) Haynes erläutert, wie Huntingtons Gedankengut maßgeblichen Einfluss auf verschiedene politische Entwicklungen des 21. Jahrhunderts hatte, vor allem auf die Wahl Donald Trumps zum 45. amerikanischen Prä­ sidenten. (Haynes 2019) Sowohl Trumps Wahlkampf als auch seine Präsidentschaft waren von islamfeindlicher Rhetorik durchdrungen. In seiner Rede in Polen im Juli 2017 wird ein politisches Weltbild, das auf den Huntington’schen Kategorien beruht, besonders deutlich. Darin betonte er, dass eine neue Ideologie, nämlich der islamische Extremismus den Kommunismus als gemeinsame Bedrohung des Westens abgelöst habe. Und weiter: »The fundamental question of our time is whether the West has the will to survive. Do we have the confidence in our values to defend them at any cost? Do we have enough respect for our citizens to protect our borders? Do we have the desire and the courage to preserve our civilization in the face of those who would subvert and destroy it?« (Trump 6.7.2017)

Eriksson und Norman legen dar, wie das Konzept vom »Clash of Civi­ lizations« in verschiedener Positionierung und Schlagrichtung auch in der amerikanischen Politik unter Präsident Bush aufgegriffen wurde. (Eriksson/Norman 2011) Mit Riley Quinn ist zu resümieren: »The Für eine Analyse, wie sich Huntingtons Thesen im Parteiprogramm der AfD widerspiegeln, siehe näher Lüdert 2018.

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Teil E: Der diskursive Erfolg des »Clash of Civilizations«-Konzeptes

lasting importance of Clash lies in its impact on US politics and policy. Specifically, the book coincided with the rise of anti-Muslim sentiment in the West.« (Quinn 2017: 13) Im Gesamten kann nicht von einer Übernahme von Huntingtons Konzept im engeren Sinn gesprochen werden. Doch was übernommen wurde, waren seine Kate­ gorien: Der Westen, der Islam, Kulturen. Lean analysiert die mächtige Präsenz dieser Kategorien in der US-amerikanischen Außenpolitik: »[T]he discourse of ›Islam and the West‹ has […] been fastened to political apparatuses and machinery […] No matter the party or the policy, the idea of the ›West‹ […] looms large, just as its foil opposite, ›Islam‹, remains a central counterpart to that geopolitical entity, providing a rationale for its policies and an ideological other with which to contend.« (Lean 2018: 58)

Eine Analyse der globalen Politik der Jahre 2006–2007 durch das World Economic Forum bringt den noch immer gültigen Befund auf den Punkt: »Political leaders, whether religious or secular in orientation, often framed conflicts in the context of West-Islamic relations.« (World Economic Forum 2008: 28) Grundsätzlich sind Huntingtons Kategorien in allen politischen Lagern anzutreffen, wie in Kapitel A I an weiteren Beispielen skizziert wurde.

II. Bedingungen und Faktoren für den Erfolg Es stellt sich die Frage nach den Bedingungen, die Huntingtons großen Erfolg ermöglichten. In den Worten von Chiara Bottici und Benoît Challand: »How was it possible […] that a theory that had been so strongly criticized has turned into a lens through which so many peo­ ple look at the world?« (Bottici/Challand 2010: 2) Die Antwort lautet: Es gab und gibt einen Resonanzraum in der Öffentlichkeit für Hun­ tingtons Thesen. (ebd.; Ahmed 2003: 22) Dieser ist wesentlich auf drei Pfeiler gestützt: Das Erklärungsvakuum für die internationale Ordnung nach dem Ende der Blockkonfrontation, eine orientalistische Tradition im Westen, die den Islam schon vor Huntington als GegenZivilisation wahrnahm, sowie die Terroranschläge vom 11. September 2001.

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II. Bedingungen und Faktoren für den Erfolg

II.1 Von alten Ressentiments zu einer Formel für die neue Ära Nach dem Ende des Kalten Krieges trat der ersehnte Weltfriede nicht ein, und die Konflikte erschienen blutiger und chaotischer als zuvor. Schlagkraft erlangte Huntington daher dadurch, dass der Westen ein neues politisches Analyseraster und Feindbild suchte. (Bulliet 2004: 2–9; Qureshi/Sells 2003: 12) Einige argumentieren in Anschluss an Carl Schmitt, (Schmitt 1932) dass dies ein unvermeidbares Phänomen ist, da das Politische gerade in der Unterscheidung von Freund und Feind bestehe. (Todorov 2010: 99–100) So auch Huntington selbst, der das pessimistische Menschenbild der realistischen Schule der Internationale Politik teilt: »Hassen ist menschlich. Die Menschen brauchen Feinde zu ihrer Selbstdefinition und Motivation […] Von Natur aus mißtrauen sie und fühlen sich bedroht von jenen, die anders sind […] Die Beilegung eines Konflikts, das Verschwinden eines Feindes erzeugen persönliche, soziale und politische Kräfte, die neue Konflikte, neue Feinde entstehen lassen.« (Huntington 1998: 202)

Unstrittig ist, dass Angst und Ablehnung leichter gegenüber dem Unbekannten, der fremden Kultur oder Religion entstehen, wie Erhard Oeser in seiner umfassenden Kulturgeschichte zur »Angst vor dem Fremden« aufzeigt. (Oeser 2016) Die Kategorie »Zivilisation« schien die neuen Konfliktmuster zu erklären und bediente gleichzeitig den Wunsch nach Identitätsabgrenzung. Der islamischen Welt gab man dabei die Hauptrolle. Wie in Kapitel B II dargelegt, ist Hun­ tingtons Theorie im Orientalismus verwurzelt. Das traditionsreiche orientalistische bzw. anti-muslimische Ressentiment wurde mit dem Ende des Kalten Krieges von Denkern wie Bernard Lewis (1990) als Modell für eine neue Ära aufgegriffen, wie der Islamwissenschaftler Reinhard Schulze schon 1991 analysierte: »Der Islam wurde als Prinzip des Orients ausgemacht, als Bewahr­ heitung des irrationalen, gegenaufklärerischen Fundamentalismus, als Universalie, die nicht nur Ideologie ist, sondern allumfassend Gesellschaft, Kultur, Staat und Politik beherrschen will. Der Islam wird nun nicht nur als ideologische Antithese begriffen, sondern als gesamtkulturelle Antithese zum Westen und seiner universalistischen Identität. Der Islam gerät so zur Begründung des Gegen-Westens, zur Gegen-Moderne, ja zur Gegen-Zivilisation«. (Schulze 1991: 7)

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Barbé argumentiert, dass Huntington die bereits existierende Bedro­ hungsperzeption in Bezug auf den Islam verbreitete bzw. populari­ sierte. (Barbé 2006: 76) Sein Theorieansatz traf einen Nerv im kollek­ tiven Unterbewusstsein seiner westlichen Leserschaft. (Haynes 2018: 54) Das »Clash of Civilizations«-Konzept avancierte zum Katalysator dafür, dass der Westen nach der Auflösung des kommunistischen Blocks seine neue identitätsstiftende Antithese im Islam fand. »[Es war], als habe die Welt darauf gewartet, dass endlich einer die Formel findet. Die Formel, mit der die neuen Unübersichtlichkei­ ten auf einen Nenner gebracht werden können«, so urteilte Hilmar Kopper über das Erscheinen von Huntingtons Aufsatz. (Kopper 1997) Die Vorstellung von einer islamischen Welt, die dem Westen vol­ ler Aggressionen gegenübersteht, war ein willkommenes einfaches Erklärungsmuster. (Heine 1996: 160) Gerade der Simplizismus von Huntingtons Prämissen machte seine Theorie für die Politik attraktiv: »[S]i la théorie a été critiquée et même disqualifiée pour son sim­ plisme, ce simplisme a également expliqué le succès de la formule.« (Tannous 26.8.2019)

II.2 Der 11. September 2001 als Huntingtons Triumph Beflügelt wurde die Durchsetzungskraft von Huntingtons »Clash of Civilizations«-Konzept durch Phänomene, die sich vordergründig und vor allem von den Medien leicht in den Kategorien eines Kampfes der Kulturen präsentieren lassen, was der breiten Öffentlichkeit einen einfachen Verstehenshintergrund liefert. Viele sahen Huntington im Zuge politischer und medialer Ereignisse des 21. Jahrhunderts als Propheten an.147 Am gewichtigsten in diesem Kontext waren die Ter­ roranschläge vom 11. September 2001. (Haynes 2018: 53–55) Samuel Behloul spricht hier vom »islamic turn«. (Behloul 2013a: 28) In einer Situation von Angst und Schrecken ist der Rekurs auf einfache Binarismen und Erklärungen besonders verbreitet. Die emotionalisierenden Bilder der Terroranschläge vom 11.9.2001 auf das World Trade Center in New York City und das Pentagon in Washington D.C. verbanden sich im Fühlen vieler Menschen im Wes­ ten mit »dem Islam«. (Hippler 2006: 13) Sie werteten die Attentate 147 Siehe z. B. die Würdigung Huntingtons im deutschen Magazin Cicero (Cicero 29.1.2015).

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II. Bedingungen und Faktoren für den Erfolg

nicht als Untaten von Individuen, sondern als Kampfansage einer ganzen »Zivilisation«. Das Denken in Kollektiven, in »Wir« versus »die Anderen« setzte sich durch. Rizvi diagnostiziert: »It is a world of absolute and self-evident differences, which are assumed to be self-evident and thus serve to provide simple explanations for our discomfort and anxiety – in cultural rather than political terms.« (Rizvi 2011: 233) Viele in der westlichen Öffentlichkeit sahen mit 9/11 explizit den von Huntington prophezeiten »clash« zwischen dem Westen und dem Islam eingetreten. (Jouvenel/Delcroix 2008: 20) Sie interpre­ tierten die Anschläge als nachträgliche Bestätigung der These von der unüberbrückbaren kulturellen Kluft zwischen Islam und Westen. (Rizvi 2011: 228; Said 22.10.2001) Der Politikwissenschaftsprofessor Peter Nitschke beispielsweise führt in seiner sehr positiven und bei­ pflichtenden Würdigung des »Clash of Civilizations«-Konzeptes zen­ tral die islamistischen Terroranschläge an. »Mit 9/11 wurde aus dem Quasi-Krieg ein richtiger Krieg«, so seine Einschätzung. (Nitschke 2014b: 34) Huntingtons scharfe Kritiker wirken für Nitschke seit diesem Datum im Rückblick naiv, und es sei in Anbetracht der realen Gefährdungen westlicher Gesellschaften im 21. Jahrhundert geradezu lächerlich, wenn Kritiker wie Katrin Simhandl (2000) Huntingtons Konzept ein politisches Gefahrenpotential zuschreiben. (Nitschke 2014b: 23; vgl. auch ebd.: 33–34) Huntingtons Werk avancierte zum internationalen Bestseller. Der Computer-Konzern Netscape beispielsweise bot im Jahr 2002 jedem Nutzer ein kostenloses Exemplar des »Clash of Civilizations« an. (Abrahamian 2003: 529) Auch in intellektuellen Kreisen rekur­ rierte man nun oft auf Huntingtons Paradigma als Analysebrille für die Terroranschläge, für die Existenz des Al-Qaida-Netzwerkes und für die militärischen Reaktionen der USA. (Betts 2013) In der Harvard Political Review beispielsweise war zu lesen: »The most obvious validation for the clash of civilizations thesis is the War on Terror. Beginning with the terrorist attacks of Sept. 11, 2001, and extending to the American invasion of both Afghanistan and Iraq, this conflict has been framed in largely cultural terms; the terrorists were Muslim, as are both occupied countries.« (Friedman 2006: 11)

Die französische Zeitung Le Monde veröffentlichte am 12.9.2001 einen Artikel mit der Überschrift »La prédiction de Samuel Hunting­ ton: le début d'une grande guerre«. Darin schrieb Dominique Dhom­

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Teil E: Der diskursive Erfolg des »Clash of Civilizations«-Konzeptes

bres, dass die USA nun die erste Zielscheibe im Kampf der Kulturen geworden seien. (Dhombres 12.9.2001) Der Rückgriff auf Huntington nach 9/11 durch viele französische Intellektuelle148 ist umso bemer­ kenswerter, da der schärfste Gegenwind nach der ursprünglichen Publikation des »Clash of Civilizations« aus Frankreich gekommen war. (Barbé 2006: 39)149 Sogar lautstarke Kritiker von Huntingtons Theorie »bekehrten« sich in Folge der weltpolitischen Entwicklungen, so z. B. Fouad Ajami:150 »Those 19 young Arabs who struck America on 9/11 were to give Hunt­ ington more of history’s compliance than he could ever have imagined. [...] Nearly 15 years on, Huntington’s thesis about a civilizational clash seems more compelling to me than the critique I provided at that time.« (Ajami 6.1.2008)

Ervand Abrahamian, Professor für Geschichte und Politik des Nahen Ostens, spricht von »Huntington’s triumph«. (Abrahamian 2003: 530–531) Selbst ohne direkte Bezugnahme auf Huntington nahmen viele eine kulturalistische Lesart der Ereignisse im Sinne Huntingtons an. Exemplarisch können hier die Theologen Athina Lexutt und Detlef Metz zitiert werden: »Der Anschlag auf die Zwillingstürme des World Trade Center am 11. September 2001 ist unvergesslich als Pflock in das kulturelle Gedächtnis geschlagen. […D]ieses Ereignis steht symbolisch für ein Gegenüber der christlichen und der islamischen Religion, das so nicht bzw. nicht mehr im Bewusstsein war. Was immer zusätzlich die Gründe für diesen […] Terroranschlag und was immer die weiteren Motive für das […] Zurückschlagen im 2. Irakkrieg gewesen sein mögen, so ver­ deutlichen doch beide Akte, welche Rolle auch in einem scheinbar säkularen Zeitalter die Religion immer noch spielt.« (Lexutt/Metz 2009: 214; eigene Hervorhebungen)

Die Huntington'schen Topoi in diesem Statement sind unübersehbar: religiös motivierte Gewalt und die Unterschiede zwischen Islam und Christentum als Wurzeln des Problems. Zum »huntingtonisme à-la-francaise« siehe Barbé 2006: 80–87. Hier ist prominent der in The National Interest ausgetragene Schlagabtausch zwischen Huntington und seinem französischen Kollegen Pierre Hassner anzuführen (Hassner 1996; Huntington 1997; Hassner 1997). 150 Vgl. hierzu auch das am Anfang von Kapitel B IV.2.B dieser Arbeit zitierte »Bekehrungsbekenntnis« von Schwennicke (28.1.2015) sowie den in Kapitel A I. angeführte Beitrag von Mayer (21.9.2021). 148

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II.3 Der Kampf der Kulturen als Ohrwurm mit selbstverstärkender Wirkung Die dominante und mächtige Präsenz von Huntingtons Thesen in verschiedenen Domänen der Öffentlichkeit ist eine vielfach geteilte und schwer zu bestreitende Beobachtung. Amina Chaudary kon­ statiert: »For 13 years, three words have dominated the discourse on cultural, international, and religious affairs as they relate to foreign policy in our times. The ›clash of civilizations‹«. (Chaudary 2006) Diese Diagnose zum »Phänomen Huntington« zieht sich in je anderen Worten wie ein roter Faden durch die intellektuelle Welt. Bettiza und Petito drücken es so aus: »civilizational imaginaries and narratives [have] become part of everyday international discourses, institutions and practices«. (Bettiza/Petito 2018: 38) Torsten Krauel schreibt in der Welt, dass Huntington »das Mantra einer Epoche« prägte. (Krauel 29.12.2008) Robert Misik konstatiert in der tageszeitung (taz), dass der vermeintliche Kampf der Kulturen »mittlerweile einen derart festen Rahmen [bildet], dass sich jedes Vorkommnis nahezu von selbst einpasst«. (Misik 20.12.2006) Christian Geyers Einschätzung in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) bringt die Sogwirkung auf den Punkt: »Wer erklärt die publizistische Wunderlichkeit, nämlich dass aus der Überschrift eines politikwissenschaftlichen Aufsatzes im Nu die Deutungsformel einer Epoche wurde? […] Huntingtons Kulturkampf­ theorem [gewinnt] nach den Terroranschlägen 2001 eine spenglersche Wucht und wird zum selbstverständlichen Bezugspunkt für jedwede internationale Konflikterklärung. Ob man im einzelnen für oder gegen Huntingtons Überlegungen Stellung nimmt – an dem Deutungsmus­ ter des Harvard-Manns kommt keiner vorbei«. (Geyer 29.12.2008)

Der Kampf der Kulturen ist ein »Ohrwurm« (ebd.). Die große öffent­ liche Rezeption verstärkte die akademische Beachtung: Warum in wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit dem Thema Islam immer wieder und immer noch Bezug auf Huntington genommen wird, liegt vor allem daran, dass sich akademische Beiträge der Macht, die Huntingtons Theorieansatz entfaltet hat, nicht entziehen können. (Halm 2008: 113–115) Für Bilgrami bereitete Huntington gewissermaßen einem intellektuellen Kalten Krieg zwischen dem Westen und dem Islam den Weg, der durch heiße Kriege und andere akademisch-intellektuelle Beiträge – wie zum Beispiel Ian Burumas

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und Avishai Margalits Werk »Okzidentalismus« (Buruma/Margalit 2005)151 – weiter beschritten worden sei. (Bilgrami 2006a: 383) Einen großen Beitrag zur Institutionalisierung der Huntington‘schen Kategorien leistete die politische Rhetorik.152 Warum Huntingtons Modell dadurch, dass es von Wissenschaft, Medien und Politik wiederholt aufgegriffen wurde zu einem Selbst­ läufer geworden ist, kann aus sozialpsychologischer Perspektive mit dem Vertrautheits- bzw. »mere-exposure-effect« (Zajonc 1968) erschlossen werden: Begriffe und Konzepte gewinnen bei den Kom­ munikationsteilnehmern allein dadurch an Akzeptanz und Legiti­ mität, dass sie wiederholt ausgesprochen werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob ihnen bei der Wiederholung zugestimmt oder wider­ sprochen wird. Dies liegt an den sogenannten Ironischen Prozes­ sen (Wegner 1994), die mit folgendem Phänomen auf den Punkt gebracht werden können: Die Aufforderung, nicht an einen weißen Bären zu denken, bewirkt, dass man gezwungenermaßen an einen weißen Bären denkt. Das Unterbewusstsein differenziert nicht, ob eine Überschrift lautet »Warum es einen Kampf der Kulturen gibt« oder »Warum es keinen Kampf der Kulturen gibt«. Aktiviert wird in beiden Fällen das Konzept vom Kampf der Kulturen. Es ist kognitions­ wissenschaftlich erforscht, dass ein Konzept dadurch, dass man es – zustimmend oder ablehnend – aufgreift, gestärkt wird. George Lakoff fasst zusammen: »Not only does negating a frame activate that frame, but the more it is activated, the stronger it gets. The moral for political discourse is clear: When you argue against someone on the other side using their language and their frames, you are activating their frames, strengthening their frames in those who hear you, and undermining your own views.« (Lakoff 2014: ch.10/34 p.1/2)

Dies ist ein Grund dafür, dass Huntingtons »Clash of Civilizations« trotz – bzw. wegen! – der Flut an Kritik so erfolgreich war. Entspre­ chend bewertet Nils Minkmar den Kampf der Kulturen als »eine intellektuelle Kippfigur: Wenn man ihn einmal im Sinn hat, deutet man alle Ereignisse nach diesem Muster«. (Minkmar 5.2.2006) 151 Für eine Kritik an diesem Werk siehe z. B. Münkler 17.3.2005 und Hage­ mann 2016. 152 Die große Macht politischer Rhetorik allgemein stellen die Sprachwissenschaftler George Lakoff und Elisabeth Wehling in ihrem Werk »Auf leisen Sohlen ins Gehirn. Politische Sprache und ihre heimliche Macht« heraus. (Lakoff/Wehling 2009)

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III. »Clash of Civilizations« als eine sich selbst erfüllende Prophezeiung

Dies verweist auf das im Folgenden näher zu beleuchtende Potential von Huntingtons Konzept, eine sich selbst-erfüllende Prophezeiung zu sein.

III. Mehr als ein Modell: Der »Clash of Civilizations« als eine sich selbst erfüllende Prophezeiung William Isaac Thomas and Dorothy Swaine Thomas formulierten 1928 eine grundlegende sozialpsychologische Einsicht, das soge­ nannte Thomas-Theorem: »If men define situations as real, they are real in their consequences«. (Thomas/Thomas 1970 [1928]: 571– 572) Nicht die Tatsachen bestimmen menschliches Verhalten bzw. Reaktionen, sondern die Interpretation einer Situation – die den Tatsachen entsprechen kann, oder auch nicht. Somit sind auch für die Konsequenzen aus einer Situation nicht deren Fakten entscheidend, sondern die Interpretation der Tatsachen. Robert Merton baute darauf sein Konzept der »self-fulfilling prophecy«, d. h. der sich selbst erfül­ lenden Prophezeiung auf: »The self-fulfilling prophecy is, in the beginning, a false definition of the situation evoking a new behavior which makes the originally false conception come true. The specious validity of the self-fulfilling prophecy perpetuates a reign of error. For the prophet will cite the actual course of events as proof that he was right from the very beginning.« (Merton 1967 [1949]: 423)153

Von vielen Rezipienten wurde schon früh beobachtet, dass Hunting­ tons Modell das Potential der sich selbst erfüllenden Prophezeiung innewohnt. So erkannte Wang Gungwu 1996 vorausschauend: »This is what is so stunning about The Clash of Civilizations: It is not just about the future, but may actually help to shape it.« (Gungwu 1996: 73) Hassner schrieb, die Gefahr von Huntingtons Werk liege darin, dass es zu ernst genommen werden könnte. (Hassner 1996: 63) Donald Gregg argumentierte, dass im Zuge der ökonomischen und informationstechnologischen Globalisierung ein natürliches Zusam­ menwachsen der Kulturen erfolge. Die These vom Kampf der Kul­ turen mit ihrer Betonung der zivilisatorischen Unterschiede berge 153 Zum Thema »self-fulfilling prophecy« in Bezug auf sozialwissenschaftliche Aus­ sagen siehe auch Honolka 1976.

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tragischerweise die Gefahr, diesen Prozess zu verhindern. (Gregg 1997: 381) Auch Mottahedeh warnte davor, die Welt durch die Zivi­ lisationenbrille zu betrachten. Diese Brille verhindere nicht nur eine akkurate Abbildung der Welt, sondern sei gefährlich, da so Zivilisatio­ nen als solche behandelt würden – bevor sie als solche existierten. (Mottahedeh 2003: 136) Zbigniew Brzezinski, die graue Eminenz der amerikanischen Außenpolitik-Strategen, warnte: »Samuel Hun­ tington‘s vision of a ›clash of civilizations‹ could […] become a selffulfilling prophecy«. (Brzezinski 2004: 34) Esposito betrachtete das Clash-of- Civilizations-Modell als gefährliche Karikatur, die Teil des Problems, nicht der Lösung werden könne. (Esposito 2011: 214) Man­ che wie Erik Ringmar sehen die sich selbst erfüllende Prophezeiung in Huntingtons Theorie sogar schon als erfüllt an. (Ringmar 2018) Huntingtons zivilisationenbasiertes Weltbild spielt, wie darge­ legt, eine gewichtige Rolle in der internationalen Politik. Avruch elaboriert, dass das »Clash of Civilizations«-Konzept keine analyti­ sche, sondern eine heuristische Funktion habe: »To think of cultures, as the ›clash of civilization‹ model of the world does, as stable, homogenous, undifferentiated, enduring, essential, and totalizing entities is a masterwork of cognitive simplification […] In this view, culture is not an analytical concept at all, but a heuristic or schema by which men and women, some of them influential and with immense power (or weaponry) at their disposal, reason their way through the world. […I]f the theory of civilizational clash is […the] ethnotheory, […] the heuristic utilized by the elite – political leaders and their ministers and secretaries of defense, media and pundits, religious leaders and others who mold public opinion – then their decisions and actions, capable of producing real effects in the world, will be shaped by its prescriptions.« (Avruch 2016: 92–93)

Wenn diese Heuristik auf eine Spiegelung beim kollektiven Ande­ ren trifft, dann sind die Voraussetzungen für den prophezeiten Kon­ flikt gegeben: »[I]f this heuristic is effectively symmetrical in its distribution, so that the images among contending parties in different civilizations are mirror images, then a theory of civilizational clash will produce responses, political and military actions, appropriate to the theory. Such policies and responses will produce a particular state of global affairs and international relations.« (ebd.: 93)

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III. »Clash of Civilizations« als eine sich selbst erfüllende Prophezeiung

III.1 Zwischen Sicherheitsdilemma und Instrumentalisierung von Huntingtons Thesen Stützen sich Politiker in ihrem Weltverständnis auf das Paradigma Huntingtons, kann sie das ungewollt von alternativen und effekti­ veren Interpretationsmustern für das Handeln anderer Akteure fern­ halten. (Eickelman/Piscatori 1996: 164) Daraus können drastische Konsequenzen folgen. Hans Köchler argumentiert, dass es der unbe­ absichtigte Effekt des »Clash of Civilizations«-Paradigmas sei, die Entwicklung von eindämmbaren Interessenskonflikten hin zu einem Kampf der Kulturen zu fördern. (Köchler 2004: 9) David Welch bringt auf den Punkt, wie die Perzeption von Feindseligkeit diese erst erzeugen kann: »There are […] Islamic groups that are militantly anti-Western. Most, however, are not. To describe Islam as inherently intolerant and anti-Western is both to insult it and to caricature it. […] Of course, the best way to cultivate hostility toward the West in the Islamic world is to argue that there is.« (Welch 1997: 211)

Ähnlich argumentiert Stephen Walt: »[A] civilizational approach to foreign policy is probably the surest way to get diverse foreign cultures to coordinate their actions and could even bring several civilizations together against us. […] The Clash of Civilizations offers a dangerous, self-fulfilling prophecy: The more we believe it and make it the basis for action, the more likely it is to come true«. (Walt 1997: 189)

John Ikenberry bezeichnet die »Clash of Civilizations«-These daher als zivilisatorisches Äquivalent zu dem in der internationalen Politik als Sicherheitsdilemma bekannten Phänomen. (Ikenberry 1997: 163) Die Theorie des Sicherheitsdilemmas geht auf John Herz zurück. Sie besagt, dass es in der Interaktion zwischen Staaten einen Teu­ felskreis aus Sicherheitsbedürfnis und Machtanhäufung gibt. Die Versuche eines Akteurs, Sicherheit zu gewinnen, werden von einem anderen Akteur als Gefährdung seiner Sicherheit wahrgenommen. Die Gefahr entsteht somit erst durch die Angst voreinander. (Herz 1950) Im Fall der Kampf-der-Kulturen-These bestätigt die kulturelle Aufladung militärischer Konflikte und politischer Aktionen in der politischen Rhetorik jeweils für die Gegenseite das Zerrbild vom Kampf der Kulturen und führt somit zu einer ressentimentgeladenen Gegensolidarisierung, die sich an die Wirklichkeit eines Kampfes

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der Kulturen annähert. (Ikenberry 1997: 163; Vorländer 2001: 5) In dieses Bild passt, dass nur wenige Menschen im Nahen und Mittleren Osten glauben, dass es den USA bei ihren politisch-militärischen Interventionen in der Region um die Verbreitung von Demokratie oder die Ermöglichung von Selbstbestimmung für die lokalen Bevöl­ kerungen geht, wie eine Gallup-Umfrage aus dem Jahr 2022 deutlich zu Tage förderte. (Younis 7.4.2023) Mehrheiten unter Türken, Paläs­ tinensern, Pakistanis, Ägyptern und Jordaniern denken, dass der Westen Muslimen gegenüber feindlich eingestellt ist. (Pew Research Center 21.7.2011) Auf den Punkt gebracht: Huntingtons Paradigma lässt den Westen – und auch den Islam – glauben, dass sie sich in einem Kampf der Kulturen befinden und führt sie damit tiefer in einen solchen Kampf.

»Nichts ist so praktisch wie eine schlechte Theorie« Das Kampf-der-Kulturen-Konzept liefert aber nicht nur – fragwür­ dige – Orientierung, sondern hat auch politische Nützlichkeit für ver­ schiedene Akteure. So John Trumpbour: »The eagerness to associate Islam with violence […] conveniently absolves the West of involve­ ment in any of the carnage found in third world regions.« (Trumpbour 2003: 102) Al-Azmeh argumentiert, dass schon die Kondensierung von heterogenen Gesellschaften auf Charakteristika einer islamischen Zivilisation politisch opportun sei: »Societies, countries, territories, histories – all are reduced to a specific aspect that makes them man­ ageable for purposes of confrontation or containment.« (Al-Azmeh 2003: 44) Gerard Piel sieht in der Unschärfe der Kategorie Zivil­ isation einen gefährlichen Nutzen: »Without boundaries, interiors or exteriors, continuity or coherent entity, any of the Huntington civilizations can be summoned in a moment to ratify whatever action the West and its remaining superpower deem rightful.« (Piel 2013: 57) Avruch analysiert den – potentiell politisch willkommenen – Effekt der essenzialistischen Sicht auf Kultur bzw. Zivilisation: »On the one hand, it directs us […] away from seeing culture in terms of materialist issues, […] and away from perceiving inequality and empire. On the other hand, it makes conflict between and among cultures appear primordial and inevitable.« (Avruch 2016: 92) Bottici und Challand identifizieren in der Denkweise, die auf der ontologi­ schen und epistemologischen Unterscheidung zwischen dem Islam und dem Westen basiert, drei wesentliche Funktionen: Reduktion von

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III. »Clash of Civilizations« als eine sich selbst erfüllende Prophezeiung

Komplexität, Erzeugen von Identitätsgefühlen und Vermeiden der Realität. (Bottici/Challand 2010: 51–85) Im Konzept des Sicherheitsdilemmas sind die Akteure in der internationalen Politik gewissermaßen Opfer einer fehlgeleiteten Wahrnehmung. Doch blickt man auf den vielfältigen politischen Nutzen, der sich aus der »Clash of Civilizations«-Theorie ziehen lässt, so liegt es nahe, zu vermuten, dass der Mechanismus der sich selbst erfüllenden Prophezeiung auch dadurch eintreten kann, dass Politiker dieses Modell bewusst instrumentalisieren. Atalia Omer diagnosti­ ziert dies sowohl für Kräfte im Westen als auch in der islamischen Welt. (Omer 2015: 3–4) Manon-Nour Tannous argumentiert, dass die Komplexitätsreduktion manipulativ eingesetzt wird: »Le choc des civilisations conserve […] un rôle politique pour ceux qui trouvent dans la manipulation des identités un puissant ciment mobilisateur. Cette démarche permet d’interpréter des conflits selon des grilles de lectures définies, au lieu de les saisir dans toute leur complexité.« (Tannous 26.8.2019)

Lee erläutert, dass Huntingtons Thesen aufgrund ihrer »Absurdität« von Wissenschaftlern im ostasiatischen Raum wenig rezipiert wor­ den seien, aufgrund ihrer Nützlichkeit wohl aber von Politikern in Ländern wie China. Von politischer Seite nutze man das Argu­ ment der zivilisatorischen Andersartigkeit um Kritik an autoritä­ rer Herrschaftsform und Menschenrechtsverletzungen abzuwehren, wie bereits auf der Wiener Menschenrechtskonferenz 1994 deut­ lich geworden sei. (Lee 1995; 2019) Huntingtons Thesen dienten autoritären Politikern als »new source of legitimation, allowing them to present themselves as guardians and defenders of their culture in the wars of civilizations« (Lee 2019: 295), und behinderten so Demokratisierungsprozesse.154 Dies kann dann am Ende Hunting­ tons These bestätigen, dass Demokratie nur im Westen richtig zu Hause sei. Lee spricht von einem »unheiligen Wechselspiel« (Lee 1995) zwischen Huntingtons Theorie und der Rhetorik ostasiatischer Herrscher. In ähnlicher Weise kann Putin als »Huntingtons Vorzeige­ 154 Ein Rückbezug der Eliten auf Kultur kann aber auch eine konstruktive Schlagrich­ tung haben, wie Senghaas am Beispiel der Rhetorik der asiatischen Werte anführt: »›Asian values‹, like other collectivist values, have entered national mobilization ideologies directed against the West (›modernity‹), but at the same time serving constructively as an instrument for delayed development efforts aiming at catching up with Europe.« (Senghaas 2005: 99)

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schüler« bezeichnet werden, wie in Kapitel C IV an seiner Kriegslegiti­ mation illustriert wurde. Todorov legt die problematische Nützlichkeit der Kampf-der-Kulturen-Rhetorik am Beispiel der Propaganda von muslimischen Akteuren dar: »The theory of the clash of civilizations has been adopted by all those who have an interest in translating the complexity of the world into the terms of a confrontation between simple and homogeneous entities: West and […] Islam. It was in the interests of Bin Laden to depict the West as a single, coherent tradition, engaged in a mortal combat against Muslim countries: if this were true, everyone would be obliged to choose his party and all Muslims would line up behind him. It is in the interest of governments of countries such as Syria or Iran to turn the West into a scapegoat, a homogeneous civilization and political bloc, solely responsible for everything that is going wrong: this enables the frustration and the anger of the population to be contained by turning it from what might otherwise be its target – namely, a dictatorial or corrupt regime.« (Todorov 2010: 91)

Huntingtons Rhetorik der Andersartigkeit und des Antagonismus, wie seine Rede vom gefährlichen westlichen Virus, mit dem sich andere Kulturen infizieren, bietet großes Potential für islamistische Spiegelung. Es ist tragisch, dass der militante Islamismus, der im Namen der islamischen Zivilisation Krieger für lokale Konflikte oder für den internationalen Terrorismus rekrutiert, durch die »Clash of Civilizations«-Theorie implizite Unterstützung erhält. (Sen 2006: 57–58) Wenn die Weltbevölkerung die Überzeugung annimmt, dass wir es mit einer westlichen und einer islamischen Zivilisation zu tun haben, die sich feindlich gegenüberstehen, dann spielt das den Zielen islamistisch-dschihadistischer Gruppen in die Hände. Denn diese wollen gerade, dass sich die muslimische Welt zu einem Kollektiv unter der Flagge des Islamismus vereint. (Telhami 26.7.2004; Seib 2004: 83) Die zivilisatorische Rhetorik in dieser Propaganda ist laut Todorov und auch Avruch – anders als Huntington behauptet (Huntington 1998: 548; Huntington 2006a) – gerade nicht Beleg für den Wahrheitsgehalt hinter der zivilisatorisch-religiösen Konflikt­ argumentation. (Todorov 2010: 91; Avruch 2016: 92–93) Avruch fasst zusammen: »›There’s nothing so practical as a bad theory.‹ […T]he players have adopted these ideas – both in the West and, judging by jihadists and others, in some significant parts of the Rest as well.« (ebd.: 92)

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III. »Clash of Civilizations« als eine sich selbst erfüllende Prophezeiung

Lee ermahnt: »[D]iscourses on the Self and the Other should never be read in isolation from the political intentions of the elite groups propelling them.« (Lee 2019: 291) Doch tragischerweise haben sie das Potential der sich selbst erfüllenden Prophezeiung, wie Todorov scharfsinnig beobachtet: »Such descriptions of the world may well be false at the moment when they are formulated, but they still incite men to act as if they were true. Such descriptions, indeed, aim at becoming self-fulfilling prophecies.« (Todorov 2010: 91–92)

Budraitskis spitzt die entscheidende Hypothese in einer rhetorischen Frage zu: »Huntington may seem like a prophet who foretold the future. Yet it is also possible that there is another explanation: did not this ›author­ itative book‹ simply find some rather powerful readers – George Bush, Vladimir Putin, Marine Le Pen […], Abu Bakr al-Baghdadi? In other words, the question arises as to what exactly Huntington created: an extraordinarily accurate explanation of reality, or a primitive ideo­ logical construct that was turned into a terrible reality?« (Budraitskis 2022: 12)

III.2 Von Identitätszuschreibung zu Identitätsstiftung Das Potential des »Clash of Civilizations«-Modells, eine sich selbst erfüllende Prophezeiung zu sein, liegt zentral in der identitätsstärken­ den und identitätsstiftenden Schlagrichtung, die mit dem Denken und Handeln auf Basis der Kategorie »Zivilisationen« einhergeht. Dafür spielt es keine Rolle, ob die Prämissen der Kampf-der-Kultu­ ren-Theorie bewusst übernommen bzw. sogar instrumentalisiert oder unterbewusst verinnerlicht werden. Die Kampf-der-Kulturen-These bestärkt eine westliche Identi­ tät; Huntington selbst verknüpfte seine Theorie mit der Politikemp­ fehlung, dass Europa und die USA nach größerer Einigkeit streben sollten. (Huntington 1993: 48–49) Ikenberry sieht in dem möglichen Effekt der Stärkung der transatlantischen Beziehungen die Attrakti­ vität der Huntington’schen Weltsicht. (Ikenberry 1997: 163) Roy bemerkt in Bezug auf die innenpolitische Dimension, dass das »Clash of Civilizations«-Modell die nützliche Funktion habe, vom seit den 1980er Jahren virulenten Werte- und Kulturkampf zwischen den

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religiösen rechtskonservativen Kreisen und säkularen Demokraten innerhalb der USA abzulenken, indem es eine neue Kulturkampfkon­ stellation etabliere. (Roy 2020: 104) Für Faisal Al-Rfouh erfüllt die wahrgenommene islamische Bedrohung für den Westen die Funktion der Selbstvergewisserung. (Al-Rfouh 2005: 193) In Welchs Interpre­ tation ging es Huntington in erster Linie gar nicht um den Islam, sondern um eine Stärkung der Identität des Westens: »In 1993 he saw Islam as the great danger because ›they hate us;’ in 2004, he saw Hispanic immigration as the great danger because ›they aren’t us.‹ It wasn’t about the hate; it was about the us. If civilizations were the main fault lines of international politics, ›we‹ would just be ›us‹ — at peace with ourselves in our own place, and everyone else in theirs.« (Welch 2013: 18)

In summa: Der Zivilisationismus als Weltbild hat nicht nur eine abgrenzende – politisch betrachtet außenpolitische – Dimension, sondern es geht gleichermaßen um Selbstfindung. Spezifisch für das Rekurrieren im Westen auf eine westliche Identität prägte der Sozio­ loge Rogers Brubaker den Begriff des »civilizationism«. Darunter versteht er eine Bewegung des Populismus weg vom klassischen Nationalismus hin zu einer zivilisatorischen Rhetorik. Er differenziert dabei geographisch drei populistische Subvarianten in Nord- und Westeuropa, Zentral- und Osteuropa und den USA. Allen drei ist gemeinsam, dass sie den Islam als bedrohlichen Feind wahrnehmen. (Brubaker 2017) Mit dem Zivilisationismus einher geht eine Aneig­ nung bzw. Wiederentdeckung von Religion: »The definition of the constitutive other in civilizational terms invites a characterization of the self in the same register: the preoccupation with Islam calls forth a corresponding […] concern with Christianity, understood not as a religion, but as a civilization«. (ebd.: 1200) In Nord- und Westeuropa erfolgt dies nicht in einer genuin religiösen, sondern in einer im Kern säkularen Orientierung. Dies zeigt sich insbesondere darin, dass sich Parteien und Figuren des öffentlichen Lebens im Westen – man denke hier beispielsweise an die norditalienische rechtspopulistische Partei Lega Nord155 – der Religion als einem Identitätsmarker zuwenden. Es geht dabei nicht um religiöse Praktiken oder ein Credo, sondern um die Identifikation mit einer kollektiven Identität, die sich aus 155 Zur Analyse der »Entsäkularisierung« der Lega Nord und gleichzeitigen Entwick­ lung hin zu einer dezidiert anti-muslimischen Partei siehe Ozzano 2019.

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III. »Clash of Civilizations« als eine sich selbst erfüllende Prophezeiung

der Geschichte speist, bei gleichzeitiger Stigmatisierung des Islam als der entgegengesetzten Zivilisation. Charles Taylor urteilt treffend über dieses Phänomen: »these ›cool‹ forms of religious identification can be just as chauvinist as the ›hot‹ forms.« (Taylor 2016: 20) Luca Ozzano schreibt in seinem Werk »The Masks of the Political God« (Ozzano 2020), dass Religion in dieser Politik nicht das Gesicht sei, sondern eine Maske, die in den Dienst von Zivilisationismus und Xenophobie gestellt wird. Auch Bottici und Challand argumentieren, dass im Westen das politische Interesse an der christlichen Tradition eine Folge des »Clash of Civilizations«-Mythos sei. (Bottici/Chal­ land 2006: 329) Ein weiteres Indiz für identitätsbildende Prozesse im Westen ist, dass der Begriff »Abendland« – meist verstanden als ein christlich-konservatives Europa – in Abgrenzung gegen die islamische Welt im deutschsprachigen Raum eine linguistische und in Europa allgemein eine konzeptionelle Renaissance erfahren hat. (Forlenza/Turner 2019: 10–12) Noch mehr Hochkonjunktur hat das Konzept von der jüdisch-christlichen Zivilisation156 bzw. dem jüdisch-christlichen Abendland, dessen politische Konnotationen vielfältig sind.157

Fremdzuschreibung beeinflusst Identität Auch unter Muslimen – sowohl in muslimischen Mehrheitsgesell­ schaften als auch unter Muslimen in der Diaspora – kann ein Identi­ tätswandel hin zu einer stärkeren Selbstidentifikation als Muslime beobachtet werden. Umfragen aus dem Jahr 2011 ergaben, dass sich beachtliche Bevölkerungsteile im Nahen und Mittleren Osten primär Die unreflektierte Rede von der jüdisch-christlichen Zivilisation muss kritisch hinterfragt werden. Es darf vor allem nicht vergessen werden, dass die konzeptionelle Inkorporierung des Judentums in das vormals rein christlich attribuierte Abendland erst nach dem Holocaust Verbreitung fand. (Tjalve 2021; Barbé 2006: 89–93; Bot­ tici/Kühner 2011: 366–370; Bruckstein Coruh 12.10.2010; Heinz 2011; Nirenberg 2010: 188). 157 Beispielhaft für diese Formel und ihre Verwendung für ein politisches Programm im Westen ist das 2012 erschienene Buch »Push Back. Reclaiming the Ameri­ can Judeo-Christian Spirit« (Spero 2012). Auch Samuel Gregg fordert in seinem Werk »Reason, Faith, and the Struggle for Western Civilization« eine Rückbesinnung auf eine westliche Identität und denkt das Abendland als jüdisch-christliche Ein­ heit: »[T]he West‘s unique integration of reason and faith – specifically, Jewish and Christian faith – encouraged the ideas, commitments, and institutions that give the West its core identity.« (Gregg 2019: 14) 156

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als Muslime und nur sekundär als Angehörige ihrer Nation sehen. Dies trifft allen voran auf Pakistan zu – mit einer primären Selbstiden­ tifikation als Muslime von 94 Prozent der Befragten – gefolgt von Jordanien (65 Prozent) und Ägypten (46 Prozent). (Pew Research Center 21.7.2011: 28–29) Der Politikwissenschaftler Shibley Telhami legte dar, wie unter den drei klassischen Optionen für politische Identitätsmarker für die Araber – Nationalismus auf der Staaten­ ebene, Pan-Arabismus und Islam – der Islam an Bedeutung gewann. (Telhami 16.7.2004) Er beschreibt die Dynamik dieses Prozesses in der Interaktion mit dem Westen: »The Iraq war and the way the war on terrorism have been perceived in much of the Islamic world have further intensified identification with being a Muslim. Increasingly, Muslims view the war on terrorism as a war on Islam. Conversely, many Americans now regard Islam as the source of the terrorist problem. These trends have provided Islamic groups with increasing grass-roots potential«. (ebd.)158

Zu den islamischen Gruppen, deren Mitgliederbasis so anwächst, zählen auch islamistische Gruppierungen. Bilgrami argumentiert, dass das Sprechen und Handeln westlicher Akteure auf der Basis der Huntington'schen Annahmen über die »islamische Welt« diesen problematischen Annahmen zu mehr Validität verhelfe: »[T]here is much scope for […Muslims] to acquire an increasing and cumulative secularism even within their commitment to Islam. But they will find it very hard to do so if we do not cease to gear our rhetoric and political agendas to the ideal of a ›clash of civilizations‹« (Bilgrami 2003: 93)159

Ein Einfluss des Westens auf muslimische Identitätsprozesse kann schon zur Zeit des Kolonialismus beobachtet werden. Der Orientalismus im Kontext des Kolonialis­ mus hinterließ seine Spuren im muslimischen Selbstverständnis. Reissner vertritt die Ansicht, dass die bestehenden Gemeinschafts- und Solidaritätsgefühle von Muslimen trotz aller Vielfalt in religiöser Praxis und Lehre sowie Lebensumständen und trotz geographisch-kultureller Differenzen vor allem ein Resultat der Fremdbestimmung sind. Die Dreiheit von geteiltem Ritus, Offenbarungstext und Erinnerung an die Frühgeschichte des Islam ist laut Reissner erst durch die Konfrontation mit Europa zu einer Solidarität stiftenden Kraft geworden. Grundlage war, dass die Europäer die Muslime als Muslime betrachteten und behandelten. (Reissner 2002) 159 Hashemi analysiert das Verhältnis von Islam und Säkularität und kritisiert, dass oftmals internationale Konflikte, an denen Muslime beteiligt sind, irrigerweise mit einer Spannung zwischen Islam und Säkularität erklärt werden. (Hashemi 2014) Zur Diskussion der Frage, inwieweit sich Säkularität als Prinzip auch außerhalb des 158

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III. »Clash of Civilizations« als eine sich selbst erfüllende Prophezeiung

Es dient den Islamisten, wenn der Westen extremistische Positionen innerhalb des Islam zum Wesen des Islam aufwertet. (Rudolph 1.10.2014; Flores 10.12.2011) Ein von John Esposito und Derya Iner herausgegebener Sammelband illustriert das Wechselspiel von Islamphobie und Islamisierung. (Esposito/Iner 2019) »Islamophobia and Islamist extremism feed each other. The association of Islam with extremism and terrorism leads to Islamophobia and anti-Muslim crime, which supports the perception that the war on terror is ›truly‹ a war on Islam«, so Iner. (Iner 2019: 10) Dies führt dann gerade zu Radikalisierung. Eine Außenpolitik, die auf Huntington´schen Prämissen beruht, kann diese Prämissen Realität annehmen lassen. Wenn beispielsweise westliche Politiker auf der Basis von Ansichten wie der, dass die Türkei nicht zum Westen gehöre, sondern für eine Führungsrolle in der islamischen Welt prädestiniert sei und dass ihr der Laizismus wesensfremd sei, mit der Türkei interagieren, dann ist es möglich, dass sie diesen Staat langfristig zu dem machen, was sie von ihm denken. In diesem Sinn sehen Hugues de Jouvenel und Geoffroy Delcroix allgemein nicht angebliche Zivilisationenunterschiede als Grund für einen möglichen »clash« an, sondern die Identitäten, die erst konstruiert werden in der Annahme der Zivilisationenunterschiede: »[O]ppositions of a cultural character are based much more on modes of construction of identity that have to do with a genuine ›clash of perceptions‹«. (Jouvenel/Delcroix 2008: 42) Es lässt sich nicht messen, inwieweit das Huntington'sche Welt­ bild einen Einfluss auf Identifikations- und Identitätsprozesse unter Muslimen hat. Ein sozialpsychologischer Mechanismus, der insbe­ sondere im Kontext postkolonialer Studien erforscht wurde und der einen sehr großen Einfluss nahelegt, ist das sogenannte »othering«.160 Unter »othering« ist die Differenzierung und Distanzierung einer Eigengruppe von einer Fremdgruppe zu verstehen. Aufgrund ihrer Westens finden kann, siehe den von Bilgrami (2016) herausgegebenen Sammelband »Beyond the Secular West«, darin insbesondere den Beitrag von Charles Taylor (2016) »Can Secularism Travel?«. Zum Thema Islam und Säkularität siehe auch Flores 2015: 84–89. 160 »Othering« ist Kernbestandteil des von Said beschriebenen Orientalismus. (Said 2003 [1978]) Gayatri Chakravorty Spivak prägte den Begriff in ihrer Analyse von Tagebüchern indischer Kolonialherren, in denen sie den Prozess aufdeckte, Menschen als fremde »Andere« zu konstruieren und von einem »Wir« zu unterscheiden. (Spi­ vak 1985)

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Machtposition ist es der Eigengruppe möglich, »[to] define subordi­ nate groups into existence […] and condition identity formation among the subordinate« (Jensen 2011: 65) Der Westen definiert Muslime als islamisch, und so wird aus Muslimen »der Islam« – so könnte man den Mechanismus in diesem Kontext zuspitzen. Identitätszuschreibung wird zu Identitätsstiftung. Dies wird insbesondere an der innenpolitischen Dimension deutlich. Die Feldstudien von Jocelyne Cesari zum Islam in Europa ergaben, dass die überwältigende Mehrheit der Muslime keinen Widerspruch sieht zwischen ihrem muslimischen Glauben bzw. Iden­ tität und den staatsbürgerlichen und gesellschaftlichen Werten der westlichen Länder, in denen sie lebt. (Cesari 2013) Doch wenn Menschen mit muslimischem Migrationshintergrund im Westen als Angehörige der anderen Zivilisation kategorisiert werden, erzeugt dies eine Ausgrenzung, die sich selbst bestätigt.161 Es ist beispiels­ weise wahrscheinlich, dass die Stimmungsmache gegen Überfrem­ dung in den Niederlanden maßgeblich dazu beitrug, dass sich 40 Prozent der türkischen, marokkanischen und surinamischen Nieder­ länder nicht mehr heimisch fühlen, wie eine Studie des Sozial-Kultu­ rellen Forschungsinstitut SCP belegt. (Birschel 1.3.2017; siehe auch Cherribi 2019) Biskamp argumentiert, dass die »Islamisierung der Debatten« in westlichen Gesellschaften die muslimischen Identifi­ kationsprozesse maßgeblich beeinflusst. Die öffentlichen Debatten tragen zu einer »Markierung, ›Muslimisierung‹ und Marginalisie­ rung von Subjekten bei und erhöhen gleichsam die Wahrscheinlich­ keit, dass es zu trotzigen, konflikthaften Identifikationsprozessen kommt«. (Biskamp 2016c: 206) Meyer spricht von einer »Kultur­ kampf-Maschine«: »Die Spirale der gegenseitigen Befeuerung von Misstrauen und unversöhnlicher Ablehnung bis hin zum Ethno-Fun­ damentalismus in der Mehrheitsgesellschaft und religiös-politischem Trotzfundamentalismus bei den diskriminierten Minderheiten [setzt] sich in Gang.« (Meyer 2011: 143–144) Es handelt sich also um einen Teufelskreis: Exklusion schafft Integrationsprobleme, Integrati­ onsprobleme bekräftigen Vorurteile und somit die Sicht auf Muslime als das fremde Andere. Ob Henne oder Ei dabei zuerst kamen, ist eine müßige Frage. Ähnlich argumentieren Akeel Bilgrami (2006b) 161 Erhellend in diesem Kontext sind die auf die deutsche Gesellschaft bezoge­ nen Untersuchungen von Riem Spielhaus zur Entwicklung eines islamischen Bewusstseins zwischen Selbstidentifikation und Fremdzuschreibung (Spiellhaus 2011; 2010; 2006).

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IV. Foucaults Diskurskonzept als Erklärungsrahmen

und auch Martha Nussbaum (2009) am Beispiel der Situation der Muslime in Indien: »[T]he stereotyping of Muslims as violent, when combined with economic and political discrimination, engenders among Muslims a justified anger that can all too easily spill over into unjustified violence.« (ebd.) Werner Ruf bringt das Phänomen so auf den Punkt: »Der ›Kampf der Kulturen‹ wird […] vom Paradigma zur self fulfil­ ling prophecy, produzieren doch die in seinem Namen praktizierten Ein- und Ausschlüsse identitäre Konzepte nicht nur für die Ausschlie­ ßenden sondern gerade auch für die Ausgeschlossenen, denen eine Identität zugewiesen wird, der sie in der ›Mehrheitsgesellschaft‹ nicht entrinnen können. Es sind genau diese Wechselwirkungen des kulturo­ logischen Diskurses, die jene Identitäten stiften und befördern, die sie selbst anklagen«. (Ruf 2005: 81)

IV. Foucaults Diskurskonzept als Erklärungsrahmen Die überwältigende und dominante Präsenz von Huntingtons Thesen in der Öffentlichkeit sowie ihr ausgeprägtes Potential, eine sich selbst erfüllenden Prophezeiung zu sein, kann mit Michel Foucaults Diskurskonzept theoretisch gefasst werden. These der vorliegenden Arbeit ist es, dass die Schlagworte Islam, Westen und Kampf der Kulturen nicht einfach auf Huntingtons politikwissenschaftliches Konzept verweisen, sondern auf eine tiefere, weit verbreitete soziale Tatsache: einen mächtigen Diskurs. Was unter einem Foucault'schen Diskurs zu verstehen ist, wird im Folgenden dargelegt. »Diskurs« im Sinne Foucaults kann als die innere Struktur von Denk-, Sprach- und Wissenssystemen konzipiert werden.162 Ein Diskurs stellt ein etabliertes geistiges Raster dar, das die beobachte­ ten Erscheinungen und Verhaltensweisen filtert, und den Rahmen absteckt, innerhalb dessen akzeptierte Wahrheiten existieren dürfen. Diskurse sind mächtige soziale Tatsachen, da sie die mögliche Wahr­ nehmung, Interpretation und Reaktion auf die Wirklichkeit eingren­ zen. Sie konstituieren Themen und Ereignisse als gesellschaftliche 162 Zur vielfältigen Verwendung des Diskursbegriffs im Sprachgebrauch und den wichtigsten philosophischen Diskurstheorien und wissenschaftlichen Diskurskonzep­ ten siehe Landwehr 2018. Für einen Überblick über eine an Foucaults Diskurskonzept orientierte Diskursanalyse in unterschiedlichen Disziplinen siehe Keller et al. 2019.

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Teil E: Der diskursive Erfolg des »Clash of Civilizations«-Konzeptes

Deutungs- und Handlungsprobleme. Diskurse können als »movens moderner Gesellschaften« (Bublitz et al. 1999: 12) begriffen werden, denn besonders dominante Diskurse haben die Macht, Ereignisse, Debatten und Realitäten zu gestalten und in letzter Konsequenz auch hervorzubringen. Foucault selbst ist unscharf und bisweilen widersprüchlich in seinen Definitionen. Von den Foucault-Rezipienten wird »Diskurs« unter anderem als »Aussageordnung bzw. Wissensordnung« (Emme­ rich 2006: 78), als eine sich institutionalisierende Redeweise (Kerch­ ner 2006: 152) und als »eine Menge von sanktionierten Aussagen, denen eine bestimmte institutionelle Kraft innewohnt« (Mills 2007: 66) definiert. Keller identifiziert eine »story line«, das heißt einen roten Faden, durch den das Ensemble von Deutungsbausteinen, aus denen ein Diskurs besteht, verknüpft ist. (Keller 2007: 63) Ein Diskurs ist eine historische Größe. (Foucault 1973c: 170) Er existiert in einer bestimmten Epoche und in einer bestimmten sozia­ len, ökonomischen, geographischen oder sprachlichen Umgebung. (ebd.: 171) Ein Individuum oder eine Gesellschaft partizipiert an mehreren Diskursen. Es gibt Diskurse der akademischen Welt, der Politik, der Medien und des Alltags. Dadurch, dass sich diese Ebenen gegenseitig beeinflussen, besteht die Möglichkeit der Ausweitung eines Diskurses (Jäger 2001: 183), so dass es auch Diskurse gibt, die gleichermaßen verschiedene Gesellschaftsbereiche umfassen. Ein Diskurs kann sich entwickeln und ist mit anderen, parallelen oder ver­ gangenen Diskursen verknüpft. (Hall 2008: 151; Jäger 2001: 168) Der Dynamik von Diskursen liegen sogenannte »diskursive Ereignisse« (Foucault 1973c: 41–42) zu Grunde. Darunter versteht man den durch bestimmte äußere Bedingungen bewirkten Ereignischarakter von Aussagen in einem spezifischen Moment innerhalb eines Diskurses. (Guilhaumou 2003: 56) Jäger bestimmt den Begriff des diskursiven Ereignisses eng gefasst in Bezug auf die politische Öffentlichkeit: »Als diskursive Ereignisse sind […] solche Ereignisse zu fassen, die politisch, und das heißt in aller Regel auch durch die Medien, besonders herausgestellt werden und als solche Ereignisse die Richtung und die Qualität des Diskursstrangs, zu dem sie gehören, mehr oder minder stark beeinflussen«. (Jäger 2006: 100; vgl. auch Jäger 2001: 157)

Foucault unterscheidet zwischen Primär- und Sekundärtexten (»Kommentaren«) eines Diskurses. Erstere sind die »großen Erzäh­ lungen« einer Gesellschaft, die auch in wissenschaftlichen Texten

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IV. Foucaults Diskurskonzept als Erklärungsrahmen

bestehen können (Foucault 1974a: 16), während letztere die Haupt­ rolle bei der Eingrenzung der Zufälligkeit eines Diskurses und sei­ ner Entwicklung spielen. Große Erzählungen sind eine ontologische Bedingung für das Leben in Gemeinschaft, vor allem, weil sie ent­ scheidend für die Konstitution von Identität sind. Diskurse spiegeln nicht einfach gesellschaftliche Wirklichkeiten wider, sondern besitzen eine eigene Materialität und führen ein Eigenleben gegenüber den realen Ereignissen. (Foucault 1973c: 240; Bublitz 2003: 51–52; Jäger 2001: 166–167; Diaz-Bone 2006: 73–75) Aufgrund dieses Eigenlebens gegenüber äußeren Gegebenheiten ist es möglich, dass die Diskurse Macht über diese ausüben. (Landwehr 1.3.2018) Die machtvolle Wirkung etablierter Diskurse resultiert aus ihrer Funktionslogik: Charakteristisch für Diskurse ist laut Fou­ cault »the delimitation of a field of objects, the definition of a legitimate perspective for the agent of knowledge, and the fixing of norms for the elaboration of concepts and theories.« (Foucault 1977: 199) Mit der Aussage, dass Diskurse das Objektfeld begrenzen, meint Foucault, dass sie für die jeweiligen Diskursbeteiligten, das heißt für diejenigen, von denen der Diskurs geteilt wird, die Wahr­ nehmung der Wirklichkeit selektieren. Ein Diskurs bewirkt einen selektiven Interessensfokus und betont in einer Situation bestimmte Aspekte, während andere unterschlagen werden. (Hajer 2003: 278) Die bedeutenden Diskurse bestimmen, welche Ereignisse von einer Gesellschaft als real und gravierend wahrgenommen werden. (Mills 2007: 57) Diskurse legen außerdem fest, welche Perspektive der Diskursbeteiligte auf die Welt hat; sie kodieren den Blick. (Foucault 1974b: 23) Dies ist eine entscheidende Funktion, denn laut Foucault gibt es keine natürlichen oder selbstverständlichen Wahrnehmungen und Erkenntnisse. (Foucault 1974a: 36) Die Welt kann nur gedeutet werden, und genau das leisten Diskurse. Mills drückt es so aus: »Im Prozess der Wahrnehmung kategorisieren und interpretieren wir Erfahrungen und Ereignisse gemäß der uns zur Verfügung stehenden Strukturen und im Prozess der Interpretation verleihen wir diesen Strukturen eine Stichhaltigkeit und Normalität, zu denen oftmals nur unter Schwierigkeiten eine Außerhalb-Position beziehbar ist.« (Mills 2007: 58) Als normierende Instanz für die Entwicklung von Konzep­ ten und Theorien strukturiert ein Diskurs die Welt unter anderem dadurch, dass er bestimmte Kategorisierungen zu allgemeinverbindli­ chen Kriterien der Bedeutungszuschreibung erklärt. Dabei zeigt Fou­ cault insbesondere die Bedeutung binärer Schemata in den von ihm

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Teil E: Der diskursive Erfolg des »Clash of Civilizations«-Konzeptes

identifizierten vergangenen Diskursen auf. (Foucault 1999 [1975– 76]: 130)163 Der Geschlechterdiskurs164 beispielsweise bewirkt, dass Menschen gewöhnlich nach Mann versus Frau kategorisiert werden, nicht etwa nach Figur oder Beruf. Das Machtpotential von Diskursen zeigt sich somit deutlich in der Funktion, dass Diskurse sowohl in der Selbstdefinition als auch in der Fremd-Identitätszuschreibung Identitäten festlegen. Ex negativo manifestiert sich die Macht der Diskurse im Ausschluss bestimmter Möglichkeiten des Sprechens, Denkens und Handelns, die nicht diskursiv verkörpert werden. (Foucault 1983: 40) Wenn innerhalb eines Diskurses Aussagen über ein Thema getroffen werden, begrenzt das die anderen Weisen, wie das Thema konstruiert werden kann. (Hall 2008: 150) Diskurse etablieren folglich schon dadurch eine bestimmte Version von Welt, indem sie andere Reali­ sationsmöglichkeiten nicht möglich machen. (Foucault 1968: 900; Landwehr 2006: 109; Keller 2003: 207) Diskurse konstituieren das Denkbare und Sagbare. (Foucault 1973c: 67–68) Ein Diskurs macht die Umwelt für den »Agenten des Wissens« (vgl. Foucault 1977: 199) auf eine bestimmte Weise erfahrbar und ist so Grundlage für Bewusst­ sein und Wissen über die Welt. (Jäger 2006: 89; Bublitz 2003: 59; Seier 1999: 76–78) Auch dadurch, dass Wissen eine wesentliche Basis für das Handeln von Individuen und Kollektiven ist, üben Diskurse indirekt ihre Machtwirkung auf die Gestaltung der Wirklichkeit aus. (Jäger/Jäger 2007: 32; Jäger 2007: 52) Sprache ist im Diskurs mehr Instrument zur Definition als zur Beschreibung der Wirklichkeit. (Donati 2006: 153) Ein Diskurs ist weniger ein Sprechen über die Dinge, als vielmehr eine Praktik, die die Dinge hervorbringt. So manifestiert sich beispielsweise Diskursmacht 163 Unter anderem nennt Foucault einen im Europa des 17. Jahrhunderts entstande­ nen »Diskurs des Rassenkrieges«. Kern dieses Diskurses ist eine binäre ethnisch-kul­ turelle Unterteilung der Welt. (Foucault 1999 [1975–76]: 72–75) Der Diskurs des Rassenkrieges stellte eine neue Verkörperung des dualistischen Denkens dar, das dann auch auf die Analyse der Geschichte angewendet wurde. Foucault schreibt: »Zum ersten Mal konnte sich dieses binäre Schema, das die Gesellschaft teilte, auf Gegebenheiten der Nationalität beziehen: auf Sprache, Herkunftsland, Sitten der Vorfahren, Dichte einer gemeinsamen Vergangenheit, Existenz des archaischen Rechts, Wiederentdeckung alter Gesetze. Ein binäres Schema, welches andererseits sämtliche Institutionen über die gesamte Geschichte hinweg in ihrer Entwicklung zu entziffern erlaubte«. (Foucault 1999 [1975–76]: 130) 164 Siehe hierzu näher Judith Butlers Werk »Körper von Gewicht. Die diskursiven Grenzen des Geschlechts« (Butler 1997).

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IV. Foucaults Diskurskonzept als Erklärungsrahmen

darin, festzulegen, ob das Kopftuch ein politisches, religiöses oder kulturelles Symbol ist. Das Kopftuch ist kein gleichbleibender Gegen­ stand, sondern seine Bedeutung wird im Diskurs festgelegt. (Wedl 2006: 312–313) Ein Diskurs ist kein abstraktes Weltverständnis, son­ dern er stellt die Basis für aktives Handeln der Individuen in der Welt dar. Somit kreiert er per definitionem die Bedingungen seiner eigenen Realisierung. In letzter Konsequenz bringt die Funktionslogik eines hegemonialen Diskurses die Entitäten hervor, von denen er spricht: Das Objekt des Diskurses wird im Diskurs konstituiert. Auf der Basis des Konzeptes des politischen Mythos illustrieren Bottici und Challand diesen Mechanismus mit einem Beispiel: Eine reine arische Rasse existiere wohl nicht, aber wenn man erst einmal ein umfassen­ des wissenschaftliches, medizinisches und verwaltungstechnisches System geschaffen habe, das sich der Selektion einer solchen Rasse widme, dann werde so die arische Rasse als soziale Wirklichkeit geschaffen oder zumindest der Eindruck ihrer Existenz. (Bottici/Chal­ land 2010: 2) Da Diskurse die wahrgenommene Situation definieren, schaffen sie die Grundlage dafür, dass das Wahrgenommene auch materielle Wirklichkeit wird. Foucault geht dabei einen Schritt weiter als das Thomas-Theorem und Mertons Konzept der »self-fulfilling prophecy«, indem er die Ansicht vertritt, dass die Tatsache gar nicht von ihrer Interpretation zu trennen ist. Es gibt keinen Diskurs-freien Raum, in dem sich uns die nackte Wahrheit erschließen könnte. Ihre hier skizzierte Macht üben die Diskurse vorwiegend unter­ schwellig aus. Ein Diskurs wirkt in seiner Gesamtheit und nicht über einzelne diskursive Texte oder Äußerungen. Es ist die Rekurrenz von Inhalten, Symbolen und Strategien in der Präsenz der Aussageatome, die eine große Machtwirkung entfaltet. (Jäger/Jäger 2007: 32–33; vgl. Butler 1993: 124) Spezifische Äußerungen verdichten sich im Diskurs zu Aussagen, die mit der Zeit den Status der Selbstverständ­ lichkeit, der unhinterfragten Wahrheit erhalten. (Wedl 2006: 317) Eine besonders große Rolle bei der diskursiv bestimmten gesellschaft­ lichen Wirklichkeitskonstruktion spielen die Massenmedien, da sie zugleich Bühne und in ihrer Gesamtheit Protagonist der öffentli­ chen Diskurse sind. (Keller 2003: 211–212; Jäger 2007: 53) Die Struktur und die Regeln eines Diskurses müssen nicht explizit sein, sondern gerade unterschwellig kann ein Diskurs große Wirkmächtig­ keit haben und über die Grenzen einzelner Wissensbereiche hinaus ausstrahlen. (Landwehr 2006: 111) Ein hegemonialer Diskurs hat die Macht, vorbewusst eine scheinbar natürlich gegebene Ordnung

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Teil E: Der diskursive Erfolg des »Clash of Civilizations«-Konzeptes

der Dinge zu vermitteln, also das soziale Unbewusste165 zu prägen. (Diaz-Bone 2006: 73–75; Hajer 2003: 279) Diskurse institutionalisieren sich selbst: Je stärker die Auswir­ kungen eines Diskurses schon sind, desto leichter reproduziert sich dieser Diskurs und vergrößert seine Machtwirkung. Seine Macht wird zum Selbstläufer. Ist ein Diskurs erst einmal institutionalisiert, kann ihm seine hegemoniale Position nur schwer streitig gemacht werden. Denn Akteure, die in einem institutionalisierten Diskurs sozialisiert wurden, wollen ihre Umwelt von den diskursiven Wahr­ heiten überzeugen bzw. zwingen Andere sogar, die Realität auf Basis der diskursiven Prämissen und Regeln zu interpretieren. Foucault spricht von einer »diskursiven Polizei«.166 Diese Dynamik spielt sich für die Akteure meist unterbewusst ab, doch wird die Macht von Diskursen bisweilen auch bewusst für bestimmte Interessen instrumentalisiert, denn ein Diskurs ist potentiell ein Instrument der Konfrontation. Laut Foucault kann ein Diskurs auch betrachtet werden als ein »strategisches Feld […], auf dem die Elemente, die Taktiken und die Waffen unaufhörlich von einem Lager ins andere wechseln, sich zwischen den Gegnern austauschen und sich gegen diejenigen selbst wenden, die sie verwenden. Entsprechend seiner Allgemeinheit kann der Diskurs sowohl zu einem Ort als auch zu einem Instrument der Konfrontation werden.« (Foucault 2003a [1976]: 164–165)167

Die Macht eines Diskurses besteht zusammengefasst darin, dass er – je nach seiner spezifischen Reichweite und Ebene – die Wirklichkeit bestimmt. Er verleiht dem Individuum eine Identität und eine legi­ time Perspektive auf die Welt und gibt der Realität eine selektierende Ordnung und Struktur. Ein Diskurs steuert die Wahrnehmung und Interpretation von Dingen und Ereignissen und legt so fest, was von Gesellschaften als Wahrheit und Wirklichkeit angesehen wird. Da Zum Konzept des sozialen Unbewussten siehe Hopper 2003. »Es ist immer möglich, dass man im Raum eines wilden Außen die Wahrheit sagt; aber im Wahren ist man nur, wenn man den Regeln einer diskursiven ›Polizei‹ gehorcht«. (Foucault 1974a: 25) 167 In die gleiche Richtung gehend betrachtet Foucault Diskursphänomene auch »als games, als strategische Spiele aus Handlungen und Reaktionen, Fragen und Antworten, Beherrschungsversuchen und Ausweichmanövern, das heißt als Kampf. Der Diskurs ist jenes regelmäßige Ensemble, das auf einer Ebene aus sprachlichen Phänomenen und auf einer anderen aus Polemik und Strategien besteht«. (Foucault 2002a [1974]: 671) 165

166

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V. Konklusion

dieses diskursiv erzeugte gesellschaftliche Wirklichkeitswissen Basis für das Handeln von Individuen und Kollektiven ist, bringen Diskurse auch bestimmtes Verhalten und materielle Realitäten hervor. Dis­ kurse sind im Sinne des Konstruktivismus nicht einfach Ausdruck der Wirklichkeit, sondern ihre Konstitutionsbedingung. (Foucault 1968: 906) Ein mächtiger Diskurs zeichnet sich zum einen durch Diskurs­ strukturierung aus, d. h., dass viele Menschen anhand dieses Diskurses die Welt konzeptualisieren. Zum anderen manifestiert er sich in Dis­ kursinstitutionalisierung, d. h., er generiert Verhalten, Wissen, Ein­ richtungen, Identitäten etc. (Hajer 2003: 278–279)

V. Konklusion: Das Denken in den Kategorien Islam und Westen als Diskurs im Sinne Foucaults Sowohl das akademische als auch das mediale Echo auf Huntingtons Thesen waren massiv. Die Breitenrezeption war ein internationales Phänomen, wobei Huntingtons Weltsicht nicht nur im Westen, son­ dern auch in der sogenannten islamischen Welt aufgenommen wurde. Der »Clash of Civilizations« ist als Konzept, auf das Bezug genommen wird, immer noch in aller Munde. Insbesondere haben seine Katego­ rien großen Einfluss auf die Politik. These der vorliegenden Arbeit ist, dass sich dieser durchschlagende Erfolg damit erklärt, dass das »Clash of Civilizations«-Konzept ein zentraler Teil eines weiter gefassten, in Foucaults Diskurslogik operierenden mächtigen Diskurses ist, der »Islam-Westen-Diskurs« genannt werden kann. Den folgenden näheren Ausführungen der These müssen zwei gewichtige Einschränkungen vorangestellt werden: 1)

2)

Das genaue Verhältnis und die Wechselwirkungen zwischen Huntingtons Konzept und dem Islam-Westen-Diskurs werden in dieser Arbeit weder endgültig festgelegt noch im Detail als Hypothese elaboriert. Auch in weiterer Forschung könnten nur hypothetische Modelle präzisiert werden, da sich der Gegenstand – auch innerhalb der Foucault'schen Diskurslogik denkend – einer sicheren Erkenntnis entzieht. Anzunehmen ist, dass der Islam-Westen-Diskurs gegenwärtig ein Diskurs der globalen Öffentlichkeit ist, der dem Westen

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Teil E: Der diskursive Erfolg des »Clash of Civilizations«-Konzeptes

entstammt, aber auch in der islamischen Welt rezipiert wird.168 Diese Arbeit kann jedoch keine theoretisch-systematische Erör­ terung der globalen Reichweite des Islam-Westen-Diskurses bzw. eine regionale Differenzierung seiner Ausprägung und Macht leisten, da dies den Rahmen sprengen würde. Die »Clash of Civilizations«-These gehört zu einer tieferliegenden diskursiven Struktur und prägte diese. Es handelt sich um die Kon­ zeption der Welt mit Hilfe der essentialistischen Kategorien Islam und Westen. Der Islam-Westen-Diskurs ist mehr als ein akademischintellektueller Diskurs. Er wohnt allen Ebenen der Öffentlichkeit inne und beschränkt sich nicht auf die Huntington’schen Thesen. Zentrale Wurzeln und Bausteine des Diskurses sind die Phänomene Orien­ talismus, Kulturalisierung, Kollektivierung und Dichotomisierung. Was die Erscheinungsformen des Diskurses verbindet, ist seine story line (Hajer 2003: 277; Keller 2007: 63), nämlich eine Betrachtung und Strukturierung der Welt mit Hilfe der Konzepte »der Westen« und »der Islam«, die meist mit einer Dichotomisierung einhergeht. Diese Arbeit argumentiert, dass das Denken in den Kategorien »Islam« und »Westen«, jenseits von und über Huntington hinaus die Qualität eines Foucault‘schen Diskurses aufweist. Dabei sind Huntingtons Aussagen zum einen Ausprägungen des Islam-Wes­ ten-Diskurses, und haben zum anderen diesen Diskurs maßgeblich geprägt und verstärkt. Huntingtons »Clash of Civilizations« ist eine Foucaultsche »große Erzählung« (Foucault 1974a: 16), ein Primärtext des Islam-Westen-Diskurses. Sie ist zugleich Motor und Ausdruck des Diskurses. Huntingtons Paradigma spiegelt nicht den gesam­ ten Islam-Westen-Diskurs, aber gewissermaßen sein Herz wider. Inhaltlich verkörpert das Konzept eine Mittelposition innerhalb der zahlreichen Diskursmanifestationen.169 Im Diskurs ist Raum für verschiedene Ausprägungen und weitere Entfaltungsmöglichkeiten, die von Islamophobie und militärischem Aufrüsten bis zum Propa­ gieren eines interreligiösen und interkulturellen Dialogs reichen. 168 Für den Hintergrund dieses Phänomens siehe Niklas Luhmanns These von der Weltgesellschaft (Luhmann 1986 [1975]). 169 Eindeutig islamfeindliche und kämpferische Positionen finden sich beispielsweise beim Islamwissenschaftler und Publizisten Hans-Peter Raddatz (siehe z. B. Raddatz 2005). Auf der anderen Seite des Spektrums plädieren Ilija Trojanow und Ranjit Hoskote für eine Bereicherung der westlichen Zivilisation durch den Islam (Troja­ now/Hoskote 2007).

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V. Konklusion

Ein bedeutender Teil der zahllosen Kommentare zu Huntington bewegt sich innerhalb des Diskurses, weil die Dichotomisierung in westliche und islamische Zivilisation geteilt wird. Dabei spielt es keine Rolle, ob Huntington widersprochen oder zugestimmt wird. Die Rede von und Bemühungen um einen Dialog der Zivilisationen oder Religionen stehen dann dem Diskurs nicht entgegen, sondern sind Antworten auf den Diskurs und gleichzeitig Teil des Diskur­ ses. Sie leisten einen Beitrag zum diskursinternen Kampf und zu seiner Entwicklung weg von Huntingtons Kampf-Paradigma, hin zu einem – ebenso zivilisationenbasierten – Dialog-Paradigma.170 In der Analyse der Regensburg-Kontroverse wurde aufgezeigt, dass der interreligiöse Dialog über einen Kampf der Kulturen gewann, und somit Huntingtons Hauptthese nicht Recht gegeben werden kann. Bei einer diskurstheoretischen Betrachtung des Phänomens wird jedoch klar, dass der Topos vom interreligiösen oder interkulturellen Dialog zum selben Diskurs gehört wie der Topos des Kampfes der Kulturen. Die oben in Kapitel E II genannten Bedingungen und Faktoren für Huntingtons Erfolg stellen gleichzeitig die Umstände dar, die dem Islam-Westen-Diskurs zu seinem Durchbruch verhalfen. Fällt ein Diskurs erst einmal auf fruchtbaren Boden – wie in der Situation der Neuorientierung und des ideologischen Vakuums nach dem Ende des Ost-West-Gegensatzes, so beginnt er sich selbst zu reproduzieren und zu institutionalisieren. Er vergrößert seine Macht exponentiell, je mehr er sich verbreitet. Kommen dann noch Ereignisse hinzu, die sich bequem in den diskursiv vorgeschlagenen Analyserahmen ein­ ordnen lassen – wie die Terroranschläge des 11. September 2001 – so hat der Diskurs leichtes Spiel, Hegemonie zu gewinnen und an seinem Netz der sich selbst erfüllenden Prophezeiungen zu stricken. Huntingtons »Clash of Civilizations«-Theorie hat die Funktions­ logik einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung, weil sie nicht als analytisches Instrument dient, sondern als Heuristik, auf deren Basis ihre zahlreichen Anhänger agieren und so entsprechende Realitäten hervorbringen. Die These vom Kampf der Kulturen birgt die Gefahr, den Antagonismus auszulösen, den die Huntington’sche Weltsicht 170 In diesem Sinn plädiert beispielsweiseTibi für einen Kulturdialog, der als Frie­ densdialog die neue Form des internationalen Konfliktmanagements verkörpern soll. (Tibi 2001: 45–46). Das Konzept vom Dialog der Zivilisationen wurde auch prominent von den Politikern Mohammad Khatami und Václav Havel propagiert. (Siehe Petito 2007.) Der ehemalige deutsche Bundespräsident Roman Herzog teilte ein ähnliches Anliegen. (Siehe Herzog/Schmiegelow 1999.)

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Teil E: Der diskursive Erfolg des »Clash of Civilizations«-Konzeptes

antizipiert. Dies liegt zum einen in einer an das Sicherheitsdilemma erinnernden Spirale aus Angst und gegenseitiger Bedrohungswahr­ nehmung in der internationalen Politik. Zum anderen instrumentali­ sieren einflussreiche Akteure aus beiden Lagern Huntingtons Thesen für ihre Interessen. Sie agieren aus politischem Kalkül heraus biswei­ len bewusst so, als ob die zivilisatorische Frontstellung verwirklicht ist. Dies hat reale Konsequenzen und kann die antizipierten Konflikt­ formationen hervorrufen. Was auf Huntingtons These im engeren Sinn zutrifft, ist umso mehr der Fall in Bezug auf die weiter gefasste und unterbewusst agierende diskursive Durchdringung des Denkens mit Hilfe der Kon­ zepte »Islam« und »Westen«. Die Qualität der sich selbst erfüllenden Prophezeiung, die Huntingtons Konzept im Speziellen und dem Diskurs im Allgemeinen innewohnt, liegt wesentlich in der identitäts­ stärkenden und -stiftenden Wirkung des Denkens in Zivilisationen: Der Westen konzipiert sich als Abendland in Antithese zum Islam. Dabei legt er fest, was der Islam ist, und definiert Muslime als islamisch. In einem dynamischen Prozess, auf den unter anderem der Mechanismus des »othering« einwirkt, bildet sich unter Muslimen immer mehr eine islamische Identität heraus. Summa summarum: Der Islam-Westen-Diskurs ist omniprä­ sent, und man kann sich seines Einflusses nicht entziehen. Die diskursiven Axiome und Aussagen werden unterbewusst von vielen weitgehend als Wahrheit akzeptiert. Daraus resultiert, dass dieser Diskurs in bedeutendem Ausmaß die soziale Wirklichkeit bestimmt.

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Teil F: Die diskursive Qualität von Huntingtons »Clash of Civilizations«-Konzept und die Macht des Islam-Westen-Diskurses am Beispiel der Kontroverse um die »Regensburger Rede«

Das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit ist es zu verstehen, worin der Erfolg von Huntingtons »Clash of Civilizations« begründet ist. Bisheriges Ergebnis ist die experimentelle These, dass sich der Erfolg mit der Macht des »Islam-Westen-Diskurses« erklärt, an dem Hun­ tingtons Konzept zentralen Anteil hat. Zwar können Existenz und Macht eines solchen Diskurses nicht bewiesen werden, doch soll ihre Annahme – und somit die Plausibilität der genannten These – in diesem letzten Hauptteil der Arbeit anhand eines Fallbeispiels ausführlich untermauert werden. Dafür wird auf die Kontroverse um die Regensburger Papstvorlesung zurückgegriffen. In der Analyse deren Ereignisse (Teil D) zeichnete sich bereits eine starke Präsenz von Huntingtons Kategorien und Konzepten ab. Hier soll nun syste­ matisch eine Prägung der Kontroverse durch den angenommenen Islam-Westen-Diskurs aufgezeigt werden. Dabei ist die RegensburgKontroverse eines von vielen theoretisch denkbaren empirischen Beispielen, die herangezogen werden können, um die Plausibilität der experimentellen These zu stützen. Das Foucault’sche Diskurskonzept wird in der Forschung fast ausschließlich für die Durchführung von Diskursanalysen rezipiert. Daher fehlen nicht nur in Foucaults Werken Kriterien, um den Ein­ fluss eines Diskurses in Bezug auf eine soziale Wirklichkeit nachzu­ weisen. Daraus, dass ein Diskurs die innere Struktur von Denk-, Sprach- und Wissenssystemen ist, folgt, dass seine Machtwirkung wesentlich darin besteht, dass er sich reproduziert. Der Diskurs bedruckt den Stoff einer sozialen Wirklichkeit mit seinem Muster. Das heißt, dass im diskursiv geprägten Gegenstand eine inhaltliche und strukturelle Analogie zu dem Diskurs ersichtlich ist, dessen Einfluss

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Teil F: Die »Regensburg-Kontroverse« als Beispiel für die diskursive Macht

maßgeblich für ihn war. Für das hier durchzuführende Experiment legt diese Arbeit daher zwei Kriterien fest, um ihre Hauptthese zu erhär­ ten: Es muss aufgezeigt werden, dass die Regensburg-Kontroverse eine weitgehende inhaltliche und strukturelle Analogie zum IslamWesten-Diskurs aufweist, und dass die für einen dominanten Diskurs charakteristische Wirkungsweise in der Kontroverse ersichtlich ist. Für diese Untersuchung wird zentral die medial-intellektuelle Rezeption der Kontroverse herangezogen und zunächst gesondert analysiert. Dies erfolgt aus zwei Gründen: Erstens gewährleistet eine unabhängige und eigenständige Ana­ lyse der medial-intellektuellen Rezeption größere Objektivität. Denn bei einem experimentellen Forschungsvorhaben wie diesem besteht die Gefahr eines Zirkelschlusses. Dies ist in dem Sinn gemeint, dass ein bestimmter Zusammenhang ex ante angenommen wird und mit dieser Analysebrille dann vielfältige, die Hypothese stützende Bei­ spiele gefunden werden. Um einen selektiven Interessensfokus bei der Analyse der Regensburg-Kontroverse zu vermeiden und die Validität des Ergebnisses zu erhöhen, wird die medial-intellektuelle Rezep­ tion nicht mit Hilfe von Kriterien aus dem Islam-Westen-Diskurs analysiert. Stattdessen erfolgt die Analyse aus dem Material selbst heraus mit der Methode der induktiven Typenbildung kombiniert mit diskursanalytischen Prämissen.171 Erst in einem zweiten Schritt und im Rahmen der Gesamtbewertung, die sowohl die Ereignisse als auch die medial-intellektuelle Rezeption der Ereignisse berücksichtigt, soll das Ergebnis dieser Analyse auf den vermuteten Zusammenhang mit dem Islam-Westen-Diskurs hin bewertet werden. Zudem können so auch quantitative Einschätzungen in Bezug auf die diskursive Prägung der Kontroverse getroffen werden. Zweitens haben die Medien einen überragenden Einfluss auf andere Diskursebenen. (Jäger 2007: 53) Daher sind sie auch bei der Untersuchung der Auswirkungen eines Diskurses entscheidend. Für einen ebenenübergreifenden Diskurs wie den Islam-Westen-Diskurs spielen die Massenmedien eine besonders wichtige Rolle, da sie den öffentlichen Raum des Diskurses bilden. (Keller 2003: 211–212) Dabei werden in den Printmedien alle Aussagen, die ursprünglich in anderen Medien in Erscheinung traten, rezipiert. (Jäger 2007: 53) Insofern eignet sich eine Analyse der intellektuellen Rezeption der 171 Zum Verfahren der induktiven Typenbildung siehe Kluge 1999 und zum Verfahren der Diskursanalyse siehe Keller 2007.

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I. Die medial-intellektuelle Rezeption der Ereignisse

Ereignisse in den Massenprintmedien bzw. deren Internetausgaben besonders, um den Einfluss des Islam-Westen-Diskurses auf die Regensburg-Kontroverse zu veranschaulichen. Einschränkend muss nochmals betont werden, dass sowohl die Existenz des Islam-Westen-Diskurses im Allgemeinen als auch im Speziellen seine Machtwirkung in der Regensburg-Kontroverse nicht bewiesen, sondern lediglich als hypothetischer Strukturierungszu­ sammenhang aufgezeigt werden können.

I. Die medial-intellektuelle Rezeption der Ereignisse I.1 Konzeptionelle und methodische Prämissen und Charakteristika des Datensamples Gegenstand der folgenden Untersuchung ist die medial-intellektuelle Rezeption der Regensburg-Kontroverse. Unter diesem Begriff sind journalistische Beiträge in den Massenmedien genauso zu verstehen wie mediale Meinungsäußerungen zu den Ereignissen von Intellektu­ ellen und Figuren des öffentlichen Lebens. Die berücksichtigten Daten sind verschiedenartig; beispielsweise gehören Aufsätze in Sammel­ bänden und Interviews in Zeitungen dazu. Des Weiteren umfasst der Ausdruck »medial-intellektuelle Rezeption« die Beiträge, die sich mit der Rede befassen, und solche, die die Reaktionen auf die Rede rezipieren, sowie die Metarezeption der gesamten Kontroverse. Zwi­ schen der Funktion des Akteurs und der Funktion des Rezipienten der Kontroverse kann nicht strikt getrennt werden. Deshalb ergänzt die Charakterisierung der medial-intellektuellen Rezeption die bereits erfolgte Betrachtung der Ereignisse. Methodisch betrachtet diese Studie die medial-intellektuelle Debatte um die Regensburg-Ereignisse als Diskurs. Auf dieser Basis wird jedoch nicht eine Diskursanalyse durchgeführt, wie sie in den einzelnen Schulen je streng definiert ist, sondern es erfolgt eine induktive Typenbildung. Dabei werden aus den Äußerungen der einzelnen Dokumente verdichtete Aussagen identifiziert, die sich zu verschiedenen Typen gruppieren lassen. Foucault versteht unter einer »Aussage« den typisierbaren und typischen Gehalt, der sich aus zahl­ reichen verstreuten, materiell in Erscheinung tretenden Äußerungen rekonstruieren lässt. (Foucault 1973c: 115–127; Keller 2005: 53) Der Hintergrund der Autoren spielt bei der Typenbildung keine Rolle, da

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Teil F: Die »Regensburg-Kontroverse« als Beispiel für die diskursive Macht

Diskurse losgelöst von einzelnen Subjekten agieren. (Foucault 1973c: 92, 138–139, 171; Foucault 1992 [1978]: 32) Foucault abstrahiert vom Autor einer Aussage und sieht als Subjekt einer Aussage einen determinierten und leeren Platz, der von verschiedenen Individuen ausgefüllt werden kann. Die einzelnen Diskursteilnehmer spielen eine untergeordnete Rolle in Foucaults Diskursanalyse: »In der Ana­ lyse, die hier vorgeschlagen wird, haben die Formationsregeln ihren Platz nicht in der ›Mentalität‹ oder dem Bewusstsein der Individuen, sondern im Diskurs selbst; sie auferlegen sich folglich gemäß einer Art uniformer Anonymität allen Individuen, die in diesem diskursiven Feld sprechen«. (Foucault 1973c: 92) In der folgenden Studie wird jedes Dokument unabhängig von Merkmalen wie Quelle, Autor und Länge gleich gewichtet. Auch die Gesamtzahl der untersuchten Medi­ enbeiträge wird nicht als entscheidend angesehen, da ein Diskurs ein Feld mit einer begrenzten Anzahl an verschiedenen Aussage-Atomen darstellt, die schon in einer geringen Zahl von Beiträgen vollständig manifest werden. (Jäger 2007: 54) In einem einzelnen Dokument können zwei oder mehr Aussagen enthalten sein, die unterschiedli­ chen Typen zuzurechnen sind. Betrachtet man die medial-intellektu­ elle Rezeption dokumentenbasiert, dann schließen sich die zu identi­ fizierenden Typen also nicht zwangsläufig gegenseitig aus, sondern ein Dokument kann auf zwei oder sogar mehr Typen verweisen. Die Quantifizierung eines Rezeptionstyps erfolgt über die Häufigkeit, mit der seine Aussagen im ausgewerteten Material zu finden sind. Dabei werden alle Äußerungen in einem Dokument, die dieselbe Aussage ergeben, zusammengezogen und in der Statistik als eine Aussage gewertet. Das heißt, in einem Dokument kann es für die Auswertung nicht mehrmals dieselbe Aussage geben.

Zusammenstellung und Charakteristika des Datensamples Bei der Zusammenstellung und Analyse des Datensamples stützt sich diese Arbeit auf ein vom Autor durchgeführtes Forschungsprojekt an der Fakultät für Katholische Theologie der Universität Regens­ burg, bei dem es um eine Dokumentation der Kontroverse um die Regensburger Papstvorlesung ging.172 In der für das Projekt erstellten Datenbank wurden 1566 Dokumente zusammengetragen. Es handelt Siehe Fischer 2009. Dieses Projekt wurde von der Universitätsstiftung Lucia und Dr. Otfried Eberz gefördert.

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I. Die medial-intellektuelle Rezeption der Ereignisse

sich dabei um Reaktionen und Rezeptionen von unterschiedlicher Text- und Dokumentenart, die überwiegend den Massenprintme­ dien entstammen. Sie befassen sich direkt oder indirekt mit der Regensburger Papstvorlesung und bzw. oder der daraus resultieren­ den Kontroverse. Als indirekte Rezeption wurden jene Dokumente gewertet, deren Anlass nicht in der Regensburger Rede bzw. ihren Folgen lag, sondern die sich in einem anderen Rahmen, wie zum Beispiel der Türkei-Reise des Papstes, zur Regensburg-Kontroverse äußerten. Länderschwerpunkte bei der Recherche waren Deutschland und Italien. Da diese beiden Staaten die größte Verbindung zu Papst Benedikt XVI. und seiner Regensburger Rede aufweisen, wurde ange­ nommen, dass hier die Aufmerksamkeit für die Vorlesung und deren Folgen am größten war. Für Deutschland stützte sich die Recherche für den Rezeptionszeitraum September 2006 bis September 2007 überwiegend auf den von der Deutschen Bischofskonferenz erstellten Pressespiegel.173 Die italienischen Dokumente – ebenfalls für einen Zeitraum von einem Jahr ab der Regensburger Rede – wurden haupt­ sächlich aus dem Pressespiegel des Vatikans zusammengetragen, in dem eine Vielzahl von italienischen und internationalen Quellen vertreten ist, davon standardmäßig neben 37 italienischen Medien 26 Quellen aus sechs verschiedenen Ländern.174 Somit bildete der vatikanische Pressespiegel auch die Basis für Rezeptionsbeispiele aus weiteren Ländern im genannten Zeitraum. Zusammengenommen entstammen dem Pressespiegel der Deutschen Bischofskonferenz und dem Pressespiegel des Vatikans, die jeweils vollständig erfasst wurden, circa zwei Drittel der gesammelten 1566 Dokumente. Ergän­ zend hierzu wurden basierend auf einer Vor-Ort-Recherche diejeni­ gen Dokumente der Kontroverse mit in die Datenbank aufgenommen, die der Päpstliche Rat für den Interreligiösen Dialog gesammelt hatte. Für die Erfassung der Rezeption bis einschließlich Dezember 2008 wurden außerdem zahlreiche sozialwissenschaftliche und theologi­ sche Datenbanken ausgewertet.175 Bei der Kategorisierung der Dokumente wurde in islamische Welt und sonstige Länder differenziert. Mit der Kategorie »Islam« 173 Eine Liste der standardmäßig im Pressespiegel der Deutschen Bischofskonferenz ausgewerteten Medien findet sich in Anhang 3 dieser Arbeit. 174 Eine Liste der Standardquellen für den Pressespiegel des Vatikans findet sich in Anhang 4 dieser Arbeit. 175 Einen Überblick über die Meta-Quellen dieser Studie mit einer Auflistung der ausgewerteten Datenbanken findet sich in Anhang 2 dieser Arbeit.

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Teil F: Die »Regensburg-Kontroverse« als Beispiel für die diskursive Macht

versehen wurden all jene Dokumente, die mindestens eine der drei folgenden Zuordnungen erfüllen: Dokumente, die 1) ihrer Quelle nach Ländern mit überwiegend muslimischer Bevölkerung oder, wie bei Websites, der muslimischen Gemeinschaft insgesamt zugeordnet werden können, 2) ihrem Autor nach der muslimischen Religion zuzuordnen sind, was auch Konvertiten einschließt, und 3) Doku­ mente von Autoren, die eine Herkunft aus muslimischen Ländern aufzuweisen haben. War eine spezifischere Zuordnung zu einem islamischen Land, sei es nach Herkunft des Autors oder der Quelle, möglich, so wurde dies an zweiter Stelle angegeben (z. B. »Islam / Ägypten«). Bei all jenen Dokumenten, die nicht der oben definierten »islamischen Welt« zuzurechnen sind, wurde die Länderzuordnung nicht nach dem Autor, sondern nach der Quelle vorgenommen (z. B. »Spanien«). Diese Länderkategorisierung richtete sich also nach der Öffentlichkeit, an die das jeweilige Dokument gerichtet ist. Bei Doku­ menten, bei denen die Quelle nicht klar einem Land zugeordnet wer­ den konnte, wurde auf die Länderzuordnung nach Autor ausgewichen. Dies ist vor allem der Fall bei internationalen Nachrichtenagenturen oder bei internationalen Fachzeitschriften und Internetseiten. Aus dieser 1566 Dokumente umfassenden Datenbank wurde eine systematische Stichprobe für eine inhaltliche Auswertung gezo­ gen. Um ein möglichst globales Bild der Rezeption zu erhalten, war das erste Kriterium für die Erstellung dieses Datensamples die Länderzuordnung der Dokumente. Von den Daten mit der Länder­ zuordnung Deutschland und Italien wurden Zufallsstichproben von 150 bzw. 100 Dokumenten gezogen. Die Dokumente mit sonstiger Länderzuordnung bzw. mit der Kategorie »Islam« wurden vollständig berücksichtigt.176 Diese so ausgewählten 660 Dokumente wurden je inhaltlich erfasst und in einem zweiten Schritt um jene Dokumente bereinigt, deren Schwerpunkt auf Berichterstattung liegt. Die in die­ sem Doppelverfahren erzielte Stichprobe ergab eine Materialbasis von 370 Dokumenten, die als Datensample für die in der vorliegenden Studie untersuchte medial-intellektuelle Rezeption der RegensburgKontroverse dient. Die ausgewerteten Dokumente umfassen sechs verschiedene Sprachen und 30 Länderzuordnungen. Des Weiteren basiert das Material auf 304 unterschiedlichen personalen Autoren. 176 Ausnahmen bilden drei nicht im Volltext verfügbare Dokumente. Verzichtet wurde auch auf die Berücksichtigung von acht Dokumenten mit der Kategorie »Islam«, deren Autoren bereits mit anderen Dokumenten ins Datensample aufgenommen worden waren.

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I. Die medial-intellektuelle Rezeption der Ereignisse

Weitere statistische Charakteristika des Datensamples werden in den folgenden Graphiken wiedergegeben.

Verteilung der Rezeptionsbeispiele auf die Kategorie »Islam/Land« Sonstige 28

Deutschland 85

USA 58 Spanien 13

Frankreich 37

Italien 39

Großbritannien 12 Islam 95

Länderverteilung innerhalb der Kategorie »Islam« Ägypten 14%

Sonstige 27%

Algerien 8% Deutschland 9% Tunesien 6% Türkei 14%

Syrien 6%

Frankreich 6% Iran Marokko 5% 5%

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Teil F: Die »Regensburg-Kontroverse« als Beispiel für die diskursive Macht

Anzahl der Rezeptionsbeispiele pro Dokument- bzw. Texttyp

Verhältnis von direkter und indirekter Rezeption differenziert nach Zeitraum

Sonstige

100%

Kommentar

80%

Interview

60%

Essay

indirekte Rezeption

40%

Bericht/Kommentar

direkte Rezeption

20%

sonstiger Aufsatz

0

50

100

150

Sep 06 Okt 06 Nov 06 Dez 06 2007 2008 Gesamt

0%

Beitrag in…

An dieser Stelle soll nochmals betont werden, dass diese Arbeit nicht das Huntington’sche bzw. diskursive Weltbild mit seiner Annahme einer relevanten Kategorisierung in »Islam« und »Westen« stützen möchte. Vielmehr wird die konzeptionelle und methodische Unter­ scheidung zwischen Westen und Islam hier deshalb vorgenommen, weil es die Beleuchtung eines Diskurses erfordert, ihn von innen heraus, also auf der Basis der Diskurslogik zu analysieren.

I.2 Die Rezeptionstypen anhand ihrer Idealpositionen Die Analyse der 370 Dokumente des Datensamples führte zu zehn verschiedenen Rezeptionstypen, die im Folgenden präsentiert wer­ den. Mit den Rezeptionstypen werden 96 Prozent des Materials abge­ deckt. 15 der 370 Dokumente vertreten nur vereinzelte Aussagen, so dass sie als Rest bei der Typenbildung übrig blieben. Die Typen werden anhand ihrer idealisierten Hauptaussagen benannt. Jedes Unterkapitel charakterisiert zunächst abstrakt einen Rezeptionstyp mit seinen Ausprägungen und Subtypen – das heißt mit den verschie­ denen Aussagen, aus denen der Rezeptionstyp besteht – und schließt daran beispielhafte Belege an. Es findet somit nur ein kleiner Teil der Dokumente, die zur Entwicklung der Typen geführt haben, explizite Erwähnung. Die in die Charakterisierung integrierte und in Kapitel F I.3 vergleichend vorgenommene Quantifizierung der Typen bezieht sich auf die Häufigkeit, mit der diese bezogen auf ihre Aussagen im

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I. Die medial-intellektuelle Rezeption der Ereignisse

gesamten Datensample auftreten. Alle Rezeptionstypen zusammen kommen in den 370 Dokumenten 495-mal vor.177 Typ 1: Der Papst möchte einen Dialog, die islamische Welt reagiert mit einer Kampfansage Dieser Rezeptionstyp findet sich 88-mal im ausgewerteten Material. Er setzt sich damit auseinander, wie die Akteure der Kontroverse zu bewerten sind. Seine prototypischen Vertreter äußern sich sowohl zur Papstrede als auch zu den muslimischen Reaktionen. Argumentativ umfasst dieser Typ zum einen die Positionen derjenigen, die die Regensburger Rede harmlos finden und die Aufregung in der islami­ schen Welt darüber für gegenstandslos halten. Dies wird entweder damit begründet, dass die islambezogenen Aussagen im Gesamtkon­ text der Vorlesung betrachtet nebensächlich gewesen seien, oder damit, dass sie eine Einladung zu einem interreligiösen Dialog darge­ stellt hätten. Es wird betont, dass es in dem Vortrag nicht um Kritik am Islam gegangen sei, sondern um Kritik am säkularen Westen mit seiner postmodernen Demontage von Glaube und Vernunft. Die Äußerungen zum Islam hätten lediglich der Verdeutlichung der Argu­ mentationslinie gedient. Diese Rezipienten der Rede schließen sich uneingeschränkt den Erläuterungen des Vatikans an. Zum anderen fallen diejenigen Äußerungen unter diesen Rezeptionstyp, die die muslimischen Reaktionen heftig kritisieren. Sie seien eine Bestäti­ gung der Gewaltthese des Papstes und zeugten von der Hypersen­ sibilität, Dialogunfähigkeit und Irrationalität der islamischen Welt. Der Islam habe unter Beweis gestellt, dass er nicht in der Moderne angekommen sei. Die Reaktionen seien mindestens in ihrer Art des Protests nicht durch die Rede gerechtfertigt. Die Muslime würden nur auf Anlässe warten, um gegen den Westen und das Christentum zu protestieren und ihrer Vision vom Kampf der Kulturen Ausdruck zu verleihen. Die Vorlesung des Papstes sei von islamischer Seite missbraucht worden. 177 Entsprechend der oben in Kapitel F I.1 dargelegten Methodik, sind in einzelnen Dokumenten zwei oder mehr Aussagen enthalten, die unterschiedlichen Typen zuzurechnen sind. Daher gibt es mehr Okkurrenzen aller Typen als ausgewertete Dokumente. Gleichzeitig wurde ein einzelnes Dokument nicht mehr als einmal dem gleichen Typ zugerechnet.

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Teil F: Die »Regensburg-Kontroverse« als Beispiel für die diskursive Macht

17 Mal in den ausgewerteten Quellen wird letztere Position von muslimischer Seite vertreten, womit islamische Selbstkritik ein Strang dieses Rezeptionstyps ist.

Beispiele Jean-François Bouthors lobte die Regensburger Rede in der Zeitung Ouest-France als Dialoginitiative im Kontrast zu einem Kampf der Kulturen: »Théologien et philosophe, Benoît XVI prêche non pas pour le choc des civilisations ou des religions, mais pour un dialogue intelligent, pacifique et respectueux de l’autre, au service de la paix«. (Bouthors 18.9.2006) Auch Mario Scialoja, Mitglied der Islamischen Weltliga, verteidigte den Vortrag. Wenn man die gesamte Rede lese und auch die anderweitigen Aussagen des Papstes berücksich­ tige, erkenne man eine Kohärenz, die in die Richtung des Dialogs führe, und sicher nicht in die Richtung einer Beleidigung der musli­ mischen Religion. (Scialoja 17.9.2006) Die in Italien beheimateten Tempi fügten dieser Einschätzung den Aspekt hinzu, dass die Rede deshalb eine ausgestreckte Hand in Richtung Islam sei, weil Papst Benedikt den Wert der Religion für die Menschheit verteidige. (Ven­ torino 12.10.2006) Für den evangelischen Theologen Ulrich Körtner manifestierte sich in den muslimischen Protesten die Dialogunfähigkeit der islami­ schen Welt. (Körtner 2006) Michael Thumann bezeichnete in der Zeit die Reaktionen auf die Regensburger Vorlesung als »globales Bündnis der chronisch Beleidigten«. (Thumann 21.9.2006) In der britischen Sunday Times schrieb Rod Liddle, dass es eine Bestätigung der Gewaltthese des Papstes sei, wie der Islam auf diese reagiere. Dieses Paradox sähen viele Muslime nicht einmal. (Liddle 17.9.2006) Für die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) war an der Kontroverse abzulesen, dass nur die islamische Welt in den Kategorien eines Kampfes der Kulturen denke: »[Z]u einem Kampf gehören mindestens zwei Gegner, und die sind derzeit nicht erkennbar. Es gibt kein westliches Pendant zum inszenierten Wutausbruch der angeblich beleidigten Gläubigen, keine Gegenspieler jener aggressiv-ignoranten muslimischen Würdenträ­ ger, die die Rede des Papstes verdammten, ohne sie zu kennen. In den deutschen Medien herrscht keine Kreuzzugsstimmung«. (NZZ 22.9.2006) Daniel Deckers äußerte in der FAZ die Ansicht, die muslimischen Reaktionen zeugten von einem stattfindenden Clash of Civilizations: »Nimmt man den Sturm der Entrüstung, der mitt­

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I. Die medial-intellektuelle Rezeption der Ereignisse

lerweile über Papst Benedikt XVI. hinwegfegt, als Gradmesser der Spannungen zwischen islamischer und westlicher Welt, dann ist der ›Konflikt der Zivilisationen‹ auf dem besten Weg, sich zu einem veritablen Kampf zu entwickeln«. (Deckers 16.9.2006) Zur islamischen Selbstkritik gehörten die Aussagen des tune­ sischstämmigen französischen Schriftstellers Abdelwahab Meddeb. Er war der Ansicht, dass der Fundamentalismus gegenwärtig die Krankheit des Islam sei, und dass der Westen dem Islam diese Gefahr aufzeigen solle. Er lobte den Papst explizit: »Er darf keinesfalls den Disput abmildern und sich einschüchtern lassen. Er hat sich bereits zu sehr entschuldigt. Ich bin sehr froh, dass er diese Probleme angesprochen hat. Es gibt eine wachsende Zahl von Muslimen, die diese Kritik bis zum Schluss aufnehmen will«. (Meddeb 21.9.2006) In eine ähnliche Kerbe schlug Cengiz Çandar, der im türkischen New Anatolian die Einschätzung äußerte, dass die Krise wegen der Regensburger Vorlesung eine Farce sei. Es sei dumm und fehlgeleitet, sich über das Zitat über Mohammed aufzuregen. Muslime überall würden nur auf Gelegenheiten warten, sich zu empören, denn: »I feel that some Muslims particularly love a clash of civilizations«. Die ganze Debatte zeige, welch niedriges intellektuelles Niveau die muslimische Welt in Bezug auf die Herausforderungen der Gegenwart habe. (Çandar 20.9.2006) Auch in der Brunei Times wurden die Proteste verurteilt. Die Muslime sollten sich ein Vorbild am Umgang der Christen mit Provokationen nehmen. Sie müssten einen aufge­ klärten Islam entwickeln, der ruhig und rational auf Angriffe reagiert. (Bahrawi 22.9.2006) Zu den prototypischen Dokumenten dieses Typs gehört ein Essay des deutsch-syrischen Politikwissenschaftlers Bassam Tibi. Er lobte die Vorlesung mit der Begründung, dass die Botschaft des Papstes in Bezug auf Religion und Gewalt richtig sei. Benedikt wolle einen Dialog der Kulturen und Religionen, nicht einen Kampf. Die Islamisten hingegen verfolgten einen Kampf der Kulturen und keinen Dialog. Mit der Vorlesung als Vorwand sei eine Mobilmachung gegen Europa und gegen das Christentum betrieben worden. (Tibi 23.12.2006) Auch im französischen Le Figaro war zu lesen, dass der Papst den Dialog und die Vernunft stärken wollte, sogar der gemäßigte Islam aber heuchlerisch und vernunftwidrig darauf reagiere. (Sfeir 19.9.2006) Im kanadischen Maclean’s wurde diese Auffassung geteilt: »Authentic dialogue has to begin with difficult questions asked, and difficult truths spoken. The speech at Regens­

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Teil F: Die »Regensburg-Kontroverse« als Beispiel für die diskursive Macht

burg was not a mistake. The aftermath was a great clarifying moment«. (de Souza 2.10.2006) Typ 2: Der Papst erweist sich als Gegner des Islam, als Orientalist bzw. Imperialist Dieser Rezeptionstyp vertritt die Ansicht, in der Regensburger Rede manifestiere sich eine islamfeindliche Einstellung Benedikts. In den allermeisten der 53 Erscheinungen dieses Typs wird diese Einschät­ zung mit Kritik an der Vorlesung und Haltung des Papstes verbunden. Benedikt XVI. sei ein Gegner des interreligiösen Dialogs. Im Regens­ burger Vortrag sei es ihm nicht um einen Dialog gegangen, sondern vielmehr darum, aus dem Bewusstsein der Überlegenheit heraus einen Monolog zu halten. In seiner Vorlesung sei manifest geworden, dass er an die absolute Überlegenheit des Christentums glaube und den Islam für eine gefährliche, irrationale Religion halte. Er habe sich als Orientalist präsentiert. In seinen Worten spiegle sich eine Isla­ mophobie, die im Westen seit Jahrhunderten kultiviert werde und seit dem 11. September 2001 noch verstärkt auftrete. Das Zitat des byzan­ tinischen Kaisers sei eine Anspielung darauf gewesen, dass der Papst Europa heute genauso vom Islam bedroht sehe, wie es damals durch die Osmanen bedroht war. Die inhaltliche Distanzierung Benedikts von dem Zitat Kaiser Manuels wird ihm von vielen Rezipienten dieses Typs nicht geglaubt. Es wird auch argumentiert, Joseph Ratzinger sei schon immer ein Gegner des Islam gewesen. Besonders türkische Kommentatoren sind der Ansicht, mit der Regensburger Rede habe er nochmals Position gegen eine Aufnahme der Türkei in die EU bezogen. Vertreten ist auch die Meinung, dass der Papst ein Verfechter eines Kampfes der Kulturen sei, zu dem er mit der Vorlesung einen Beitrag geleistet habe. Seine Rede komme einer Kriegserklärung an den Islam gleich. Eine Variante dieses Rezeptionstyps stellen diejenigen Äußerun­ gen dar, die von einer Verbindung des Papstes zur imperialistischen Politik des Westens sprechen und Benedikt XVI. auf einer Ebene mit George W. Bush sehen. Der Papst sei ein typischer Vertreter des Wes­ tens und teile dessen Ziele im Hinblick auf politische, wirtschaftliche und militärische Dominanz. Er unterstütze die Kampagne der USA, den Islam zum Feindbild zu machen. Dieser Rezeptionstyp ist in muslimischen Kreisen stark vertre­ ten, er deckt sich aber auch mit einem beachtlichen Teil der westlichen

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I. Die medial-intellektuelle Rezeption der Ereignisse

linkspolitischen Rezeption der Regensburger Vorlesung. Beide cha­ rakterisieren die Rede als einen islamophoben Angriff.

Beispiele Der ehemalige spanische Europaabgeordnete Abdelkader Mohamed Ali sah in der Vorlesung eine Bestätigung dafür, dass in der katho­ lischen Kirche der Geist der Kreuzzüge, der den Islam für einen ausrottungswürdigen Barbarismus hält, noch fortbestehe und somit ein interreligiöser Dialog nicht möglich sei. (Ali 22.9.2006) Der Präsident der »International Progress Organization«, Hans Köchler, warf dem Papst vor, er ignoriere den westlichen Imperialismus, unter dem die islamische Welt zu leiden habe, und sei ein heuchlerischer Partner im interkulturellen Dialog. (Köchler 16.9.2006) Als Anspie­ lung auf den aktuellen Kontext Europas bewertete Claire Chartier in der französischen Zeitschrift L’Express den Dialog zwischen dem byzantinischen Kaiser und seinem persischen Gesprächspartner in der Regensburger Rede. Die Zitation des Dialogs sei kein Fauxpas und keine Verirrung gewesen, sondern der Papst habe darin seine islamkritische Überzeugung vertreten, dass sich Europa gegen den erstarkenden Islam auf das Christentum besinnen müsse. (Char­ tier 22.9.2006) Die britische Religionswissenschaftlerin Karen Arm­ strong bezeichnete die Regensburger Vorlesung als Zeichen religiöser Intoleranz und als Symptom der in der westlichen Kultur weit ver­ breiteten Islamophobie. (Armstrong 18.9.2006) Als »deeply rooted in Orientalist myths« kritisierte Depa Kumar die Vorlesung des Papstes. (Kumar 2007) In der linkspolitischen italienischen Zeitung il manifesto war zu lesen, dass Benedikt in seiner Regensburger Vorlesung seinen Hauptfeind Islam scharf attackiert habe, und dass seine nachträglichen Distanzierungen heuchlerisch seien. (Gentiloni 16.9.2006) Ebenso kritisierte Juan Bedoya in der spanischen Zeitung El País Benedikt als islamophob. Er habe mit seiner Rede Holz ins Feuer der Kampf-der-Kulturen-Theorie konservativer Intellektueller geworfen. (Bedoya 19.9.2006) Als dezidiert politische Rede und als Ausdruck der Islamophobie des Papstes sah der deutsch-iranische Politikwissenschaftler Mohssen Massarrat die Regensburger Vorlesung. Der Vortrag sei eine Neuauf­ lage von Huntingtons »Kampf der Kulturen«. (Massarrat 22.9.2006) Die Verbindung zum Kampf der Kulturen stellte auch ein Essay in der International Herald Tribune her. Dort war zu lesen, dass sich

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Teil F: Die »Regensburg-Kontroverse« als Beispiel für die diskursive Macht

der Papst vom Islam und vom zunehmenden Unglauben im Westen bedroht fühle, so wie sich auch Kaiser Manuel damals bedroht gefühlt habe. Falls der Westen diese Bedrohungsperzeption teile, würde das den Clash of Civilizations zu einer »self-fulfilling prophecy« machen. (Lagadec 24.9.2006) Auch Taieb Belghazi, Professor an der Universität Mohammed V in Rabat, sah in der Vorlesung eine politische Botschaft. Benedikt unterstütze damit die gegenwärtige politische Agenda des Westens, die den Islam als Feind betrachte. Die Perspektive des Papstes knüpfe an die Annahmen Huntingtons an. (Belghazi 26.9.2006) Der koptische Christ Gamal Assaad kritisierte in einem Interview mit der ägyptischen Wochenzeitung Al-Ahram die Regensburger Rede heftig. Sie sei provokant, fanatisch und stehe im Widerspruch zu allen Dialogbeteuerungen. Auch er bewertete den Vortrag als politische Botschaft und sah eine Nähe des Papstes zur amerikanischen Politik: »On se demande alors si le rôle du pape désormais est de rallier le Vatican à la politique américaine, voire aller la prêcher«. (Assaad 20.9.2006) Diese Assoziation äußerte auch der Methodisten-Priester William Alberts im amerikanischen CounterPunch. In seiner Verurteilung von Gewaltanwendung bei der Verbreitung des Glaubens hätte der Papst die religiöse Rhetorik und die gegen die islamische Welt gerichteten Kriege von George W. Bush kritisieren müssen. Stattdessen habe er sich wie der amerika­ nische Präsident geäußert und den Muslimen intellektuelle Gewalt angetan. (Alberts 27.10.2006) Auch der an der Universität Teheran lehrende Saied Ameli verortete die Papstrede im Kontext der westli­ chen Islamophobie. Ihre theologische Sprache habe ihren Widerhall in Bushs politischem Diskurs. Der Eurozentrismus des Papstes in seiner Betonung des hellenistischen Christentums stehe in Verbin­ dung mit der amerikanischen Politik und fördere Rassismus und Religionszentrismus. (Ameli 26.9.2006) Ähnlich äußerte sich der israelische Journalist und politische Aktivist Uri Avnery: »Zwischen dem gegenwärtigen Papst Benedikt XVI. und dem gegenwärtigen Kaiser George Bush II. besteht eine wunderbare Harmonie. Die jüngst in Regensburg gehaltene Rede Benedikts passt gut zu Bushs Kreuzzug gegen den ›Islamo-Faschismus‹«. (Avnery 6.10.2006)

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I. Die medial-intellektuelle Rezeption der Ereignisse

Typ 3: Die Regensburger Rede ist Ausdruck der päpstlichen Machtpolitik Weniger Aggression aber Profilierung auf Kosten des Islam attes­ tieren die Rezipienten dieses Typs dem Papst. Benedikt XVI. habe die Überlegenheit des Katholizismus damit zu beweisen versucht, dass er in seinem Vortrag den Islam in einem kritischen Licht habe erscheinen lassen. Ihm wird auch vorgeworfen, seine Vorlesung sei wissenschaftlich unredlich gewesen und es fehle ihm an Selbstkritik. Er hätte beispielsweise die Irrationalität von Gewaltanwendung in der Religion an der Geschichte des Christentums aufzeigen müssen. Eine große Zahl der 36 Okkurrenzen dieses Typs macht in der Regensburger Rede die Absicht des Papstes aus, die Macht des Katholizismus zu stärken. Der Angriff auf den Islam sei ein taktischer Schachzug. Die einen vertreten dabei die Ansicht, die Rede sei eine Botschaft an die säkulare Welt gewesen. Der Papst wolle der schwin­ denden Macht des Christentums im Abendland entgegenwirken, und das Nebenprodukt dieser Mission sei ein kulturkämpferisches Gebaren in Bezug auf den Islam. Etliche Kommentatoren sprechen von einer erfolgreichen Strategie: Es sei dem Papst gelungen, auch den säkularen Westen in der Kontroverse hinter sich zu vereinen. Ein sehr kleiner Teil innerhalb dieses Rezeptionstyps interpretiert die Vorlesung als strategische Maßnahme, um die Wiedervereinigung der katholischen Kirche mit der Orthodoxie voranzutreiben. Auch dieses Ziel wird als Machtpolitik gewertet. Benedikt greife den Islam deshalb scharf an, um die orthodoxe Kirche für sich zu gewinnen. Das islamfeindliche Zitat des byzantinischen Kaisers wird als Zucker­ brot für die orthodoxen Christen gesehen, die in der islamischen Welt diskriminiert würden. Die Regensburger Rede sei im Lichte der geplanten apostolischen Reise zum orthodoxen Patriarchen von Konstantinopel zu interpretieren, und somit sei die Islamkritik des Vortrages nichts anderes als ein vorzeitiges Gastgeschenk. Rezeptionstyp 3 hat Ausprägungen, welche die unter Position 2 vertretene Islamophobie-These stützen und ergänzen, er hat aber

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Teil F: Die »Regensburg-Kontroverse« als Beispiel für die diskursive Macht

auch einen Strang, der dem Papst ein nur pragmatisches Interesse am Islam als Profilierungsmöglichkeit unterstellt.

Beispiele Der Philosoph Kurt Flasch übte in der Süddeutschen Zeitung Kritik an der Regensburger Rede und bezichtigte Benedikt einer unredlichen Profilierung auf Kosten des Islam. Besonders negativ bewertete er die fehlende Selbstkritik in Bezug auf das problematische historische Ver­ hältnis des Christentums zu Gewalt. (Flasch 17.10.2006) Hans Maier antwortete in der NZZ mit einem Essay über die Gewaltgeschichte des Christentums auf die in seinen Augen fehlende Selbstkritik in der Vorlesung. (Maier 14.10.2006) In der amerikanischen Zeit­ schrift Current Dialogue charakterisierte Rashied Omar die Rede als Versuch der eigenen Identitätssicherung durch das Schlechtmachen des Anderen. (Omar 2006) Muhammed Ilyas Majoka vertrat in seiner Analyse die These, dass Benedikt ganz gezielt nach gewissen Zitaten recherchiert habe, um seine Profilierung auf Kosten des Islam durchzuführen. (Majoka 2007) John Berwick kommentierte die Rede mit der These, diese sei eine Strategie zur Annäherung an die Orthodoxie gewesen und die Verärgerung der islamischen Welt somit ein kalkuliertes Risiko. (Berwick 30.9.2006) In den Blättern für deutsche und internationale Politik war zu lesen, die Vorlesung sei ein Schachzug mit kalkulierten Auswirkun­ gen gewesen. Dadurch, dass der Papst in dieser Krise die Rolle der attackierten Vernunft einnehmen könne, gelinge es ihm, dem Christentum in der säkularen Moderne eine stärkere Machtposition zu verschaffen. Wenn dies die Rolle der Kirche in einem Kampf der Kulturen wäre, käme dem Papst ein solcher gelegen. (Knobloch 2006) Ian Buruma bezeichnete die Vorlesung als gelehrte Version der Thesen Huntingtons. Sie entwerfe unter dem Deckmantel der Theologie einen absoluten Gegensatz zwischen Islam und Christen­ tum, der letztendlich nur dem politischen Ziel diene, Mitglieder für die katholische Kirche zu gewinnen. (Buruma 17.1.2007) Tariq Ramadan kommentierte, dass Benedikt den Westen davor warnen wollte, seine christliche Identität zu verlieren. Ramadan bezeichnete dies als eine in ihrem Reduktionismus sehr gefährliche Botschaft. Die These des Papstes, wonach Europa eine exklusiv christliche Identität habe, sei falsch, da sie das islamische Erbe unterschlage. (Ramadan 20.9.2006) Auch der marokkanische Professor Said Graiouid kriti­

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I. Die medial-intellektuelle Rezeption der Ereignisse

sierte die Verbindung von Glaube und Vernunft bzw. von Europa und Zivilisation gegen die Negativfolie Islam. Dies sei auch eine Form des Dschihad, und somit tue es der Papst den Islamisten gleich. (Graiouid 20.9.2006) Ebenso attestierte der französische Soziologe Éric Fassin dem Papst eine Profilierung auf Kosten des Islam in seiner Vorlesung, die einen cleveren geopolitischen Schachzug dar­ stelle. Dass Benedikt Theologie mit politischen Implikationen und Absichten betreibe, habe sich schon in seiner Opposition gegen eine Aufnahme der Türkei in die EU und im Eintreten für einen Christen­ tumsbezug in der europäischen Verfassung gezeigt. Die Vorlesung erinnere an die Kampf-der-Kulturen-Rhetorik, aber die Vision des Papstes sei der Vorstellung amerikanischer »Neoconservatives« ent­ gegengesetzt: Der Papst wolle keinen militärischen Konflikt, sondern eine kulturelle Hegemonie des Christentums in Europa erreichen. (Fassin 3.10.2006) Jeff Israely schrieb im amerikanischen Magazin Time, dass sich Benedikt Gehör in der Welt verschaffen wollte: » [E]xplicitly including the Muslim prophet by name, and citing the concept of jihad, was a flashing neon signal to the world that the soft-spoken Pope intends to make himself heard clearly on this defin­ ing tension of our times«. (Israely 13.9.2006) Dass diese Strategie Erfolg hatte, konstatierte über zwei Jahre nach der Vorlesung der Deutschlandfunk: »Der Papst selbst kehrt durch seine Regensburger Rede nach Jahrzehnten politischer Bedeutungslosigkeit der Kurie in Rom in die politische Öffentlichkeit zurück, sogar als intellektuelle Leitfigur. Dies imponiert nicht nur Konservativen, sondern lockt auch Feministinnen, Liberale und Linke an«. (Burgmer 2.11.2008: 19–20) Dass es Benedikt gelungen sei, die säkulare Welt hinter sich zu vereinen, verkündete auch die NZZ: »Für einen Moment schien die Trennung von Thron und Altar wieder aufgehoben. Einen welthistorischen Augenblick lang amtete der katholische Oberhirte zugleich als symbolischer Repräsentant des säkularen Staates und des Menschenrechts der Meinungsäußerungsfreiheit. Als der Papst im September den Sturm erntete, den Professor Ratzinger beinahe beiläufig als den Wind eines eher gelehrten Vortrages […] gesät hatte, wurde er auch von weltlichen Mächten beschirmt und verteidigt. [...] Der Vatikan und der Westen, das christliche und das freiheitsliebende Abendland standen zusammen«. (Wenzel 29.11.2006)

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Teil F: Die »Regensburg-Kontroverse« als Beispiel für die diskursive Macht

Typ 4: Die primäre Konfliktlinie verläuft nicht entlang von Christentum und Islam, sondern entlang von religiöser Weltsicht und säkularer Moderne Die Position, dass die primäre Konfliktlinie nicht entlang von Chris­ tentum und Islam, sondern entlang von religiöser Weltsicht und säkularer Moderne laufe, tritt 22-mal im ausgewerteten Material auf. Diese Ansicht wird zum Teil in Kombination mit der Aussage vertreten, es gebe keinen Kampf der Kulturen. Die Hauptaussage dieses Rezeptionstyps ist, dass der eigentliche Gegner, den der Papst mit seiner Regensburger Rede attackieren wollte, der westliche Säku­ larismus und Relativismus sei. Ein Teil der Rezipienten klatscht dem Papst für diese Opposition gegen den säkularen Westen Beifall. Der Feind des Westens sei der Westen selbst. Er sei von Nihilismus, Relativismus, moralischem Verfall und Selbstverleugnung bedroht. Ein anderer Teil der Rezipienten sieht die vermeintliche päpstliche Kampfansage an die säkulare Welt als rückständige Bedrohung für Europa an. Unter diesen Rezeptionstyp fällt auch die Aussage, der Papst suche den interreligiösen Dialog, weil er eine Allianz mit dem Islam gegen die laizistische Moderne als gemeinsamen Gegner anstrebe. Zum Teil auch unabhängig von einer solchen Einschätzung der Motivation des Papstes wird von den Rezipienten postuliert, dass eine solche Allianz zwischen den Religionen im Kampf gegen den Materialismus und Säkularismus wünschenswert und nötig sei.

Beispiele In der italienischen Gazzetta del Mezzogiorno äußerte Giuseppe De Tomaso die Meinung, dass es keinen Kampf der Religionen oder Kulturen gebe, weil die Mehrheit der Muslime keinen solchen Kampf wolle. Lediglich drei bis fünf Prozent der Muslime weltweit seien Islamisten. Auch der Papst erfülle die Erwartung der »Falken«, die sich einen Kreuzzug des Westens gegen den Islam mit dem Papst an der Spitze wünschten, nicht. Benedikt wolle die Kultur Europas retten; er verteidige sie jedoch nicht gegen den Islam, sondern verfolge das Ziel einer inneren Erneuerung des Abendlandes gegen den Relativismus und Nihilismus. (De Tomaso 26.9.2006) Ähnliches war im britischen Spectator zu lesen. Die eigentliche Kritik der Vorlesung habe dem Westen gegolten. Der Papst fordere eine spirituelle Erneuerung und Besinnung Europas auf seine christlichen Wurzeln. Diese Gleichset­

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zung von Europa und Christentum biete mehr Streitpotential als das Zitat über Mohammed. (Read 23.9.2006) Der französische Philosoph André Glucksmann betrachtete den Kampf gegen den Nihilismus als das wesentliche Thema der Rede. Dabei stellte er sich hinter Benedikt: Glaube und Vernunft müssten eine Allianz eingehen, um den unheil­ vollen Nihilismus zu bekämpfen. (Glucksmann 14.7.2007) Ehsan Masood verteidigte die Vorlesung mit dem Argument, dass nicht der Islam, sondern die säkulare Wissenschaft die Zielgruppe gewesen sei. Der Papst und der Islam stünden auf derselben Seite: »Ironischerweise könnte die jüngste Papstrede genauso gut von einem Muslim verfasst worden sein, denn sie stimmt mit der vorherrschenden muslimischen Sichtweise auf Wissenschaft und Religion ganz und gar überein«. (Masood 22.9.2006) In der französischen Zeitschrift Esprit schrieb Olivier Abel, dass die Konfliktlinie nicht zwischen Christentum und Islam, sondern zwischen Katholizismus und Moderne verlaufe. In seiner Rede habe Benedikt mit der westlichen Moderne abgerech­ net: »C’est une affaire intra-occidentale, un règlement de compte interne, et Benoît XVI s’y prononce en fait bien plus sur l’Occident que sur l’Islam«. Abel kritisierte, dass die »frommen Atheisten« der Predigt des Papstes von einer Rückkehr des lateinisch-christlichen Westens Beifall klatschten. (Abel 2006) Damon Linker reflektierte in der amerikanischen Zeitschrift The New Republic, dass in allen Milieus die Vorlesung irrigerweise so interpretiert worden sei, dass der Papst mit seinen Aussagen den Westen gegen die islamische Welt habe verteidigen wollen. In Wirklichkeit handle es sich bei der Rede aber um einen Angriff auf den säkularen Westen. Die Intention Benedikts sei es, dass eine katholische Minderheit in Europa die gesamte europäische Gesellschaft und Politik bestimmen solle. Dies stelle eine Bedrohung für Europa dar. Der nichtsdestotrotz bestehende Konflikt zwischen dem Islam und dem Westen sei kein Konflikt zwischen religiösen Überzeugungen, sondern ein Zusammenstoß unterschiedlicher politischer Philosophien. Der eigentliche Kampf finde nicht zwischen dem Westen und der islamischen Welt, sondern innerhalb des Westens statt. (Linker 13.11.2006) Diese laizistische Sicht auf die Kontroverse teilte auch Robert Pollard in der französi­ schen Zeitung Libération. Er vertrat die Meinung, dass die gängige Interpretation der Rede als interreligiöser Konfliktstoff falsch sei und sogar der Vertuschung der Wahrheit diene: »La presse […] s’acharne à nous enfumer avec une histoire trouble d’atmosphère de guerre de religion. C’est pour mieux nous cacher l’essentiel, qui

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Teil F: Die »Regensburg-Kontroverse« als Beispiel für die diskursive Macht

deviendrait une affaire politique de premier plan«. Das Wesentliche an dem Vortrag sei nämlich eine Kulturkampfansage des Papstes an die westliche säkulare Moderne. In der Rede stecke viel mehr als ein interreligiöses Missgeschick: Es handle sich um den Versuch der Rückeroberung Europas durch das christlich-dogmatische Denken. (Pollard 21.9.2006) Nicht eine Konfrontation mit dem Islam, sondern eine gegentei­ lige Intention der Rede identifizierte die australische Zeitung The Age: »Benedict’s main confrontation is with an increasingly intolerant secularism in Europe, and he has seen Islam as an ally in that battle«. (Zwartz 19.9.2006) Von einer möglichen Allianz zwischen Christentum und Islam sprach auch Giancarlo Zizola in der Zeitschrift Rocca. Er sah in der islamischen Revolte gegen einen materialistischen Westen ein bedeutendes Potential für eine interreligiöse Allianz aller an einem Sieg der spirituellen Werte interessierten Kräfte in der Welt. Es wäre die Aufgabe der katholischen Kirche, der pluralistischen islamischen Welt dabei zu helfen, ihren Platz im Kampf gegen den Materialismus zu finden. In seiner Rolle als Wissenschaftler habe der Papst dies in seiner Vorlesung übersehen. Bei seiner Türkei-Reise allerdings habe er diese Einsicht deutlich zu erkennen gegeben. (Zizola 15.1.2007) Auch der französisch-algerische Intellektuelle Mustafa Cherif plädierte in einem offenen Brief an den Papst, der in Le Monde abgedruckt wurde, für eine Allianz von Christentum und Islam gegen den Relativismus und Atheismus. Es gelte, Zwistigkeiten zwischen den abrahamitischen Religionen zu vermeiden und vereint die geteilten Ziele in Angriff zu nehmen: »Quant aux défis auxquels l’humanité doit faire face, nous partageons vos soucis sur les effets dévastateurs du relativisme, du scientisme et de l’athéisme, qui sont trois produits des dérives de la modernité«. (Cherif 20.9.2006) Typ 5: Der Westen ist durch den Islam auf der einen Seite und durch eigene Schwäche auf der anderen Seite bedroht Dieser Rezeptionstyp, der 55-mal vertreten ist, spricht angesichts der Regensburg-Ereignisse davon, dass der Westen vom Islam bedroht sei. Dieser Typ umfasst sowohl diejenigen Rezipienten, die den Islam allgemein als Bedrohung bezeichnen, als auch diejenigen, die nur den Islamismus als Problem ansprechen. Ergänzt wird die Islam-Refle­ xion in den meisten dieser Rezeptionsbeispiele um den Aspekt,

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dass der Westen auch oder vorwiegend durch eigene Schwäche in Gefahr sei. Die Kommentatoren dieses Typs zeichnen zum Teil ein sehr negatives Bild vom Islam. Heiliger Krieg, Gewalt, Unterdrückung der Frauen, Intoleranz, Polygamie, Homophobie, Dogmatismus, Tri­ balismus usf. werden als seine Charakteristika angeführt. Manche reflektieren, dass der Islam in den Kategorien Freund und Feind denke und dabei den Westen und das Christentum als seine Feinde betrachte. Als Bedrohung für den Westen wird der Islam aus verschiedenen Gründen wahrgenommen. Genannt werden beispielsweise der isla­ mische Terrorismus und Fundamentalismus, aber auch Glaubenseifer von muslimischen Immigranten und die demographische Entwick­ lung, durch die eine »Islamisierung« des Abendlandes drohe. Ein Großteil der Rezipienten sieht in der Konfrontation mit dem Islam die Werte der westlichen Moderne in Gefahr. Besonders hervorgeho­ ben wird dabei die Meinungsfreiheit, die auch als Kern der Regens­ burg-Kontroverse angesehen wird, und die in ihr verteidigt werden müsse. Die in Bezug auf den Islam gepflegte Political Correctness sei keine Tugend, sondern eine Gefahr. Kritisiert werden auch die allgemeine Schwäche und die Selbstzweifel des Westens. Der Westen brauche Stärke und kulturelle Geschlossenheit, um in dem von der islamischen Welt gesuchten Kampf der Kulturen bestehen zu können. Die Regensburger Rede wird von einem Teil dieser Rezipienten als ein wünschenswerter Beitrag im Kampf der Kulturen verstanden. Gleichzeitig wird eine mangelnde Verteidigung Benedikts, die von der Identitätskrise und Schwäche des Westens zeuge, kritisiert.

Beispiele Der Doyen der deutschen Soziologie Ralf Dahrendorf kommentierte die Kontroverse im Rahmen eines Plädoyers für die Meinungsfreiheit. Die Muslime bedienten sich Gewalt und Einschüchterung, um die Tabus ihrer Religion zu verteidigen. Dem sollte nicht nachgegeben werden. Autozensur sei schlimmer als Zensur, opfere sie doch die Freiheit freiwillig. Die muslimischen Reaktionen stellten eine Gefahr dar, wie er in Les Echos schrieb: »C’est comme si le monde était à nouveau balayé par une vague d’obscurantisme«. (Dahrendorf 23.10.2006) Bisweilen ist die Rede von einem »Entschuldigungs­ terrorismus« (»terrorisme de l’excuse«; Moinet 28.9.2006) oder einem »Terrorismus des Geistes« (»terrorismo dello spirito«; Levy

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23.9.2006), den die islamische Welt ausübe und dem sich der Papst und der Westen allgemein nicht beugen dürften. Die schärfste Variante dieses Rezeptionstyps verkörpert ein Essay des französischen Philosophielehrers Robert Redeker in Le Figaro. Den Islam bezeichnete er als Religion des Hasses und der archaischen Gewalt. Die muslimischen Reaktionen auf Regensburg zeigten, dass der Islam versuche, den westlichen Gesellschaften sein Menschen- und Weltbild aufzudrücken. Dabei nutze der Islam die innere Schwäche des Westens aus; die Gutmenschen im Westen wür­ den als nützliche Idioten angesehen. Wurzel der westlichen Schwäche sei eine Säkularisierung des Christentums, die zu einer Selbstverleug­ nung zu Gunsten des Anderen geführt habe. Er zog eine Parallele zum Kommunismus: »Comme jadis avec le communisme, l’Occident se retrouve sous surveillance idéologique. [...] Aujourd’hui à nouveau, des intellectuels incarnent cet œil du Coran, comme ils incarnaient l’œil de Moscou hier. Ils excommunient pour islamophobie, comme hier pour anticommunisme«. (Redeker 19.9.2006) Mit ähnlichen Argumenten lobte Joseph Pearce im amerikanischen Catholic World Report die Regensburger Rede: »It takes courage to speak out against the threatening presence of Islam in today’s world«. (Pearce 2006) In einem privaten Interview mit dem Süddeutsche Zeitung Magazin stellte Georg Gänswein, der Privatsekretär Benedikts XVI., die Vorle­ sung in den Kontext einer islamistischen Bedrohung Europas: »Die Islamisierungsversuche im Westen sind nicht wegzureden. Und die damit verbundene Gefahr für die Identität Europas darf nicht aus falsch verstandener Rücksicht ignoriert werden. Die katholische Seite sieht das sehr klar und sagt es auch. Gerade die Regensburger Rede sollte einer bestimmten Blauäugigkeit entgegenwirken«. (Gänswein 27.7.2007: 12) Als gewichtige Botschaft in Bezug auf den islamisti­ schen Terrorismus bewertete Andrew Bostom die Regensburger Rede in seinem Aufsatz im American Thinker. Die Rede sei die »most important address commemorating 9/11/01«. (Bostom 19.9.2006) João César das Neves sprach dem Papst in der portugiesischen Zeitung Diário de Notícias ein großes Lob aus, da er die Probleme der Gegenwart – islamischer Fundamentalismus und westlicher Relati­ vismus – klar beim Namen nenne. Die Reaktionen auf den Vortrag sowohl in Form der westlichen Kritik als auch der muslimischen Proteste seien besorgniserregend und manifestierten das Ausmaß der Gefährdung der Welt. (das Neves 8.10.2007) Anne Applebaum kritisierte in der Washington Post scharf, dass viele Menschen im

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Westen die Rede des Papstes analysierten und sich sogar für den Papst entschuldigten, anstatt die viel gewichtigeren islamischen Reaktionen zu kommentieren und zu verurteilen. Sie forderte eine geschlossene Verteidigung der Meinungsfreiheit gegenüber dem Islam: »I don’t feel that it’s asking too much for the West to quit saying sorry and unite, occasionally, in its own defense.« Wie schon im Karikaturenstreit versäume dies der Westen auch in der Auseinandersetzung um die Papstvorlesung. (Applebaum 19.9.2006) Auch in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung wurde beklagt, dass sich der Westen auf die Seite des Islam, nicht auf die Seite des Papstes schlage: »Verkehrte Welt: Der Gottesmann plädiert für die Vernunft, und die Aufklärer geben dem Dunkel des Kritikverbots den Vorzug«. (Schmid 17.9.2006) In El País war zu lesen, dass die muslimischen Proteste nichts mit echtem Beleidigtsein zu tun hätten, sondern eine Aktion der radikalen Avantgarde des Islam seien, die die freien Gesellschaften bedrohe. Die Reaktionen seien auch die Rechnung für die fehlende Verteidigung der dänischen Karikaturisten durch den Westen. Damals seien die Selbstzweifel des Westens deutlich geworden. (Tertsch del Valle-Lersundi 19.9.2006) Angelo Panebianco schrieb im Corriere della Sera, dass die Muslime nicht einmal den Papst »laut nachden­ ken« und Unterschiede zwischen Islam und Christentum aufzeigen lassen. Doch Europa sei nicht nur vom Islam bedroht, sondern ebenso von innerer Schwäche. Viele Europäer würden mit dem islamischen Extremismus flirten, weil sie das Feindbild USA und Israel teilten. An den zahlreichen westlichen Kommentatoren, die den Papst dafür kritisieren, sich nicht zensiert zu haben, sehe man, dass »Eurabien« schon existiere und in absehbarer Zeit Europa vom Islam besiegt sein werde. (Panebianco 19.9.2006) Sogar primär in eigener Schwäche verortete Joseph Bottum im amerikanischen Weekly Standard die Bedrohung des Abendlandes: »Radical Islam ascendant is a symptom. Western hollowness is the disease.« Erst Phänomene wie der Ein­ bruch der Geburtenraten im Westen sowie westlicher Selbsthass und Nihilismus ermöglichten dem Islamismus den Aufstieg. (Bottum 11.12.2006) Dass sich der Westen schon angesichts des Glaubensei­ fers in der islamischen Welt und der eigenen Säkularität Sorgen machen sollte, verkündete Bruno Vespa in der italienischen Zeitschrift Panorama. (Vespa 21.9.2006)

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Typ 6: Die Regensburg-Kontroverse stellt eine Trendwende im interreligiösen Dialog dar Die Einschätzung, dass die Regensburg-Kontroverse eine Trend­ wende im interreligiösen Dialog darstellt, findet sich 45-mal in den analysierten Rezeptionsbeispielen. Ein Großteil der Rezipienten bezieht sich dabei auf die Vorlesung. Manche dieser Kommentatoren sprechen davon, dass Papst Benedikt XVI. der Dialog – anders als seinem Vorgänger Johannes Paul II. – nicht am Herzen liege. Er habe sich sogar mit seiner Regensburger Rede von der Linie des Zweiten Vatikanischen Konzils im Umgang mit den anderen Religio­ nen entfernt. Doch auch die gegenteilige Meinung wird vertreten: Benedikt habe mit seinem Vortrag den interreligiösen Dialog zurück auf die Linie der katholischen Kirche geführt, die der bisherige Dialog verlassen hatte. In den meisten untersuchten Dokumenten findet sich die These, der Papst verfolge einen neuartigen Dialog mit dem Islam. Er lege sein Augenmerk nicht mehr auf das Finden von Gemeinsam­ keiten und den diplomatischen Austausch von Nettigkeiten, sondern auf den theologischen Dialog über die Differenzen und Streitpunkte zwischen den Religionen. Er setze seinen Dialogakzent auf die Ebene des Inhalts, nicht auf die der Gesten. Des Weiteren ist die Aussage zu finden, Benedikt habe mit seiner Rede einen »robusten Dialog« mit politischer Ausrichtung initiieren wollen. Sein Ziel sei Reziprozität, insbesondere mehr Religionsfreiheit für christliche Minderheiten in muslimischen Mehrheitsgesellschaften. Die genannten Thesen werden meistens lobend vorgetragen, zum Teil aber auch ablehnend. Ein vor allem unter Muslimen ver­ breiteter Subtyp dieser Rezeption sieht die Kursänderung im inter­ religiösen Dialog als sehr negativ an. Die Rede Benedikts stelle eine Trendwende dar, da sich die katholische Kirche bis dato in Auseinandersetzungen wie dem Karikaturenstreit auf die Seite der anderen Religionen gegen den säkularen Westen geschlagen habe. In seinem Vortrag habe sich nun sogar der Papst gegen den Islam gestellt und sei somit den Muslimen in den Rücken gefallen. Daher sei die herbe Enttäuschung, die in den muslimischen Protesten zum Ausdruck komme, verständlich. Ein bedeutender Rezeptionsstrang dieses Typs widmet sich den Auswirkungen der Regensburger Rede auf den interreligiösen Dialog.

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Diese werden zum Teil als positive, zum Teil als negative Trendwende im Dialog der Religionen bewertet oder prophezeit.

Beispiele Als Trendwende im interreligiösen Dialog bewertete Jane Kramer die Vorlesung in einem Aufsatz im amerikanischen Magazin The New Yorker. Benedikt halte einen theologischen interreligiösen Dialog nicht für sinnvoll, sondern habe stattdessen eine aktive theologische Politik gegenüber dem Islam entwickelt. (Kramer 2.4.2007) Eine Akzentverschiebung im Dialogverständnis der katholischen Kirche meinte auch der italienische Politikwissenschaftler Paolo Naso an der Papstrede festmachen zu können: Johannes Paul II. habe der Dialog mit dem Islam sehr am Herzen gelegen, weil er einen Kampf der Kulturen fürchtete und stattdessen ein gemeinsames Eintreten der Religionen für eine friedlichere Welt erreichen wollte. Das Anliegen seines Nachfolgers hingegen sei es, die Säkularisierung Europas durch eine Revitalisierung des Christentums aufzuhalten. Somit habe er kein großes Interesse und keine Sensibilität für den interreligiösen Dialog. Benedikt betrachte ihn als Pflichtprogramm im Rahmen des interkulturellen Dialogs, so Naso in der Dialogzeitschrift Confronti. (Naso 2006) Der britische Denker des politischen Konservativismus Phillip Blond kommentierte die Regensburger Rede mit den Worten, dass Benedikt verstanden habe, dass der liberale Dialog der vorherge­ henden 50 Jahre zu nichts geführt habe. Der Rahmen für den interre­ ligiösen Dialog sei eine Variante des »säkularen Fundamentalismus« gewesen, da auch er den Glauben in eine Art Subkultur abgedrängt habe. Benedikts Anliegen sei es, den interreligiösen Dialog zu einem fruchtbaren Dialog umzugestalten. (Blond 19.9.2006) John Allen schrieb in der New York Times, dass Benedikt in Bezug auf den Islam im Vergleich zu seinem Vorgänger eher ein »Falke« sei. Er sei islamkritisch und wolle einen Dialog, »der Zähne zeigt«. Er spreche sich deutlicher gegen Terrorismus aus und verlange eine Reziprozität, was die Zugeständnisse gegenüber Muslimen im Westen betreffe. Diese neue Haltung der katholischen Kirche könne entweder den Islam zu Reformen anstacheln oder einen globalen Kampf der Kultu­ ren auslösen – oder beides. (Allen 19.9.2006) Auch der Economist vertrat die Meinung, dass Papst Benedikt anders als Johannes Paul II. einen vorbehaltlosen interreligiösen Dialog ablehne und einen kernigen (»meaty«) Dialog beabsichtige. Durch diese Trendwende

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seien negative Auswirkungen zu befürchten. In der islamischen Welt könnte der Glauben bestärkt werden, dass die katholische Kirche einen Kreuzzug gegen den Islam führe. Bis dato hatte der Vatikan – unter anderem durch seine Distanzierung von den amerikanischen Kriegen – immer erfolgreich versichert, dass ein potentieller Kampf der Kulturen nicht zu einem Kampf der Religionen werden müsse. Durch das Zitat über Mohammed in der Vorlesung könnte diese Unterscheidung von Christentum und politischem Westen beschädigt worden sein. (The Economist 21.9.2006) Auf diesen Punkt ging auch der ägyptische Schriftsteller Ala al-Aswani ein, der die Trendwende im interreligiösen Dialog negativ bewertete. Der Aufruhr in der muslimischen Welt sei gerade deshalb so groß gewesen, weil diese den Papst sehr schätze und seine spirituelle Autorität anerkenne. Hätte beispielsweise Silvio Berlusconi diese islamfeindlichen Aussagen getätigt, wäre man nicht überrascht gewesen. Vom Papst aber sei anderes zu erwarten gewesen. (al-Aswani 16.9.2006) Auch in der indonesischen Jakarta Post wurde die Regensburger Rede nicht zuletzt im Hinblick auf einen Kampf der Kulturen als negative Entwicklung bewertet: »It will be more difficult now to argue there is no ›clash of civilizations‹ between the West (Christianity) and Islam. It will also be more difficult for the Catholic Church to continue an effective interfaith dialog with Islam if Muslims suspect the sincerity of the church’s leader«. (Purba 18.9.2006) Ganz anders bewertete der ägyptische Islamwissenschaftler Wael Farouq die Auswirkungen der Rede. Die Vorlesung habe dem bisherigen heuchlerischen Dialog einen heilsamen Schlusspunkt gesetzt. Es sei zu begrüßen, dass der neue vom Papst initiierte Dialog vom jeweiligen Glauben ausgehe, nicht von allgemeinen Zielen wie dem Frieden. (Farouq 25.10.2006) Auch der amerikanische Vatikan­ experte George Weigel erachtete die Vorlesung als eine erfolgreiche Initiative für einen tiefergehenden Dialog. Eine Absage war sie laut Weigel lediglich für einen interreligiösen Dialog, der im Austausch von Nettigkeiten besteht, und somit zu nichts führe. Nur die Akteure eines solchen Dialogs seien verstört über die Rede. Er sah die Wende im interreligiösen Dialog durch die Vorlesung als geschichtsträchtig an, was sich in zeitlichem Abstand noch deutlich offenbaren werde: »[M]any people missed the impact of John Paul II when he went to Poland for the first time in June 1979. […] I think we may, 20 years from now, […] look back on the Regensburg lecture as a similar kind of moment that many missed because we were stuck in […] conventional

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thinking […] and could not see the point of a direct, if respectful, challenge that reshuffled the variables and created the possibility of a new and deeper conversation«. (Weigel 1.4.2008) Typ 7: Die Religionen und der interreligiöse Dialog haben große gesellschaftspolitische Relevanz bzw. Laizität ist die Lösung Eine sehr zentrale Position, die sich aus dem ausgewerteten Mate­ rial ergibt, ist, dass die Religionen und der interreligiöse Dialog große gesellschaftspolitische Relevanz haben. 81-mal findet sich diese Ansicht als Kommentar zu den Regensburg-Ereignissen. Die Ausprä­ gungen dieses Rezeptionstyps sind vielfältig. Einige attestieren dem Amt des Papstes große politische Relevanz und nehmen die Rede Benedikts als Akt eines Weltpolitikers auf. Der Papst trage politische Verantwortung für den Weltfrieden. Dies wird oft in Zusammenhang mit Kritik an der Vorlesung geäußert; das Argument lautet hier, dass die Redefreiheit des Papstes qua Amt eingeschränkt sei und er diplo­ matische Belange berücksichtigen müsse. Von etlichen Kommentato­ ren wird der Papst als Vertreter des gesamten Westens angesehen; andere reflektieren, dass er von der islamischen Welt mit dem Wes­ ten identifiziert werde und hierauf seine besondere Verantwortung beruhe. Unter den Aussagen dieses Typs findet sich auch die Über­ legung, dass theologische Fragen wie die nach dem Verhältnis von Glaube und Vernunft auch für Gesellschaft und Politik entscheidend seien. Religion und Politik seien eng miteinander verbunden. Des Weiteren wird die identitätsstiftende Funktion der Religion betont und ein globaler Bedeutungszuwachs der Religionen konstatiert. Eine häufig vertretene These ist, dass die Verständigung unter den Religionsgemeinschaften konstitutiv sei für den Weltfrieden. Dabei wird zum Teil der interreligiöse Dialog explizit als Prävention und Gegenmodell zum Kampf der Kulturen propagiert. Ein gewichtiger Subtyp vertritt die Ansicht, dass die Religionen eine potentielle Gefahr für den Weltfrieden darstellten. Dies beruhe schon auf dem Missionsauftrag vieler Religionen, darunter Christentum und Islam, und auf dem den Monotheismen inhärenten Gewaltpotential. Häufig

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wird postuliert, dass nur das Prinzip der Laizität den Konfliktstoff Religion entschärfen könne.

Beispiele Doğu Ergil, der in den Turkish Daily News die muslimischen Reak­ tionen auf die Regensburger Rede heftig kritisierte, stellte die Über­ legung an, dass Religion nicht nur ein Glaubenssystem sei, sondern Identität stifte durch die Definition von Insidern und Outsidern. Daher bedrohten die Religionen eher die Verständigung der Mensch­ heit. (Ergil 16.10.2006) Jonathan Freedland erörterte in seinem Essay im britischen Guardian, dass sich die Reaktionen damit erklärten, dass in jüngerer Zeit Religionen politischer geworden seien und gleichzei­ tig Politik religiöser. Die Verbindung von Religion und Politik sei somit sehr eng, und das Thema Religion stelle einen politischen Sprengsatz dar. Vor diesem Hintergrund habe es ein stillschweigendes Abkommen der Religionsvertreter gegeben, die Gemeinsamkeiten und den gegenseitigen Respekt zu betonen, und nicht zu versuchen, sich gegenseitig Überlegenheit zu demonstrieren. Dieses Abkommen habe der Papst in seiner Vorlesung gebrochen und somit die Gefahr eines Religionskrieges heraufbeschworen. Ein solcher wäre sehr gefährlich, weil er nicht mit diplomatischen Mitteln beigelegt werden könnte. (Freedland 20.9.2006) Thomas Assheuer kommentierte in der Zeit, dass es die Rolle des Papsttums sei, für die Friedfertigkeit der Religionen und die Einheit der Menschheit einzutreten. Daher sei es »ein diplomatisches Desaster, wenn Benedikt XVI. den Eindruck erweckt, er gieße Öl ins Feuer des religiösen Weltbürgerkriegs, wenn ein Brückenbauer Brücken zum Einsturz bringt und seine theologi­ sche Mission aufs Spiel setzt. Diese Mission ist sehr schlicht, radikal und verzweifelt politisch«. (Assheuer 21.9.2006) Ähnliches war in einem Editorial der New York Times zu lesen, das mit seiner Entschul­ digungsforderung an den Papst Aufsehen erregte und im Westen heftig kritisiert wurde. Auch hier wurde die Meinung vertreten, dass der Papst als Religionsvertreter eine große Verantwortung trage: »The world listens carefully to the words of any pope. And it is tragic and dangerous when one sows pain, either deliberately or carelessly«. (New York Times 16.9.2006) Der Brite irakischer Herkunft Anas Altikriti, Präsident der Dialogstiftung »Cordoba Foundation«, sahe es als Verantwortung des Vatikans an, einen Kampf der Kulturen zu verhindern: »The Vatican was expected to be at the helm of the

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campaign to build bridges, to reach out and to mend what politicians had managed to savagely destruct over recent years. If ever there was an antidote to the frenzy of an inevitable clash of cultures and civilisations, it was to come from people of faith, all faiths.« Benedikt hingegen habe das Gegenteil getan: Er machte in seiner Rede die Ver­ suche des Dialogs und der Kommunikation mit dem Islam lächerlich, indem er dem Islam die Vernunft absprach. (Altikriti 18.9.2006) Das katholische Magazin America aus den USA sah deshalb eine so große politische Bedeutung des christlich-islamischen Dialogs, weil die islamische Welt die katholische Kirche und den Papst mit dem Westen identifiziere. In der Kontroverse habe sich gezeigt, dass in die­ sen angespannten Zeiten schon das geringste unpassende Statement das Risiko diplomatischer Krisen und Ausschreitungen berge. Dies müssten die kirchlichen Autoritäten berücksichtigen: »[A]t every step, church leaders need to take care that observers do not misrepre­ sent the church’s initiatives as part of a war on Islam or a ›clash of civ­ ilizations‹«. (America 2.10.2006) Der Philosoph und Vize-Präsident der Abraham-Bruderschaft Maurice-Ruben Hayoun verwies in Le Monde auf die große Bedeutung des interreligiösen Dialogs: »Il faut un authentique ›trialogue‹ entre les fils d’Abraham, car c’est pour nous l’unique façon d’éviter un terrible choc des cultures, des civilisations et des religions«. (Hayoun 23.9.2006) Ähnlich schrieb Stefan Ulrich in der Süddeutschen Zeitung, dass der interreligiöse Dialog durch die Findung von Gemeinsamkeiten der Verhütung eines Kampfes der Kulturen diene: »Wenn sich die Religionsführer friedlich auseinander setzen, wird es für die Scharfmacher aller Seiten schwerer, einen Krieg der Kulturen herbeizubomben.« Auf der anderen Seite stelle der Missionsauftrag der Religionen ein Konfliktpotential dar. Der durch die Vorlesung initiierte Wettstreit der Religionen sei lobenswert, da es sich um einen geistlichen Wettstreit handle und nicht um einen Kampf der Kulturen. (Ulrich 17.10.2006) Heinz-Joachim Fischer äußerte in der FAZ die Ansicht, dass Benedikts Frage an den Islam nach dessen Gottesbild große politische Relevanz habe: »Darauf erwartet nicht nur die ›westliche‹ Welt eine Antwort. Diese kann nicht das belanglose Ergebnis eines Theologenstreits sein, sondern ist von weltpolitischer Wichtigkeit«. (Fischer 14.9.2006) Fernando Savater, Philosoph an der Madrider Universität Com­ plutense, schrieb in El País, dass die Religionen eine Bedrohung für das friedliche Zusammenleben darstellten. Daher sei ein säku­ larer Pakt notwendig, der einen Raum schaffe, in dem die Religio­

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nen friedlich koexistieren und in dem Normen des demokratischen Zusammenlebens losgelöst von den Religionen gelten. Um dies zu ermöglichen, müsse der politische Sinn der staatsbürgerlichen Werte revitalisiert werden. Denn der moralische Verfall des Weltlichen führe zwangsläufig zu einer Repolitisierung des Geistlichen. (Savater 30.9.2006) Auch die italienische Intellektuelle Barbara Spinelli sah die Laizität als einzige Lösung im Umgang mit dem Konfliktpotential Islam an. Der Dialog zwischen Christentum und Islam, der zur Zeit des byzantinischen Kaisers noch möglich gewesen sei, sei heute aufgrund des Unvermögens der islamischen Welt unmöglich. Es sei die Schwäche der Monotheismen, dass sie Nationen und Bürger mit der alleinigen Zugehörigkeit zu einer Religion erdrückten und damit eine alleinige politische Bindung schafften. Nur Laizität ermögliche einen wahren Dialog, da sie davon ausgeht, dass jedes Individuum vielfältige Identitäten in sich vereint. Reduktionistische Definitionen wie »der Islam« und »der Westen« würden so obsolet, so Spinelli in La Stampa. (Spinelli 17.9.2006) Typ 8: Die Vorlesung weist inhaltliche Fehler in Bezug auf den Islam auf, und der Islam ist eine Religion des Friedens Dieser Typ ist charakterisiert durch wissenschaftliche Kritik an der Regensburger Vorlesung und durch eine theologisch-historische Apologie des Islam. Der Papst habe dem Islam eine falsche Theo­ logie zugeschrieben. Hauptthemen dieser Auseinandersetzung mit der Rede sind die Transzendenz Gottes, der Gebrauch der Vernunft, die Frage nach Zwang in der Religion und zur Verbreitung der Religion, der Dschihad sowie methodische Fragen der Koranexegese. Es wird kritisiert, dass Benedikt die Verbindung des Islam mit der griechischen Philosophie unterschlagen habe. Zahlreiche muslimi­ sche Rezipienten meinen, der Irrationalitätsvorwurf von Seiten des Papstes sei verwunderlich, da aus islamischer Perspektive gerade die katholische Lehre mit ihren Dogmen wie der Infallibilität und der Trinität irrational sei. Zentrales Anliegen des Hauptstrangs dieses Rezeptionstyps ist der Nachweis, dass der Islam eine vernunftbasierte und friedliebende Religion sei. Der Islamismus sei ein Missbrauch und eine Perversion des wahren Islam. Verkörpert wird dieser Rezeptionstyp, der 31-mal vertreten ist, vor allem in offenen Briefen, Statements und Interviews von

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Dialogorganisationen oder muslimischen Repräsentanten, aber auch von Islamwissenschaftlern.

Beispiele Prominentestes Beispiel für eine solche Antwort auf die Regensburger Rede war der offene Brief, den 38 Islamgelehrte unterschiedlicher Herkunft und Glaubensrichtung einen Monat nach der Vorlesung an Benedikt XVI. adressierten. Die Verfasser setzten sich theologisch mit den Thesen des Papstes auseinander. Sie widersprachen der Behaup­ tung, dass die Koransure 2,256, die besagt, dass es keinen Zwang in der Religion gibt, aus einer frühen, machtlosen Phase des Islam stamme. Auch Benedikts Verständnis vom Konzept des Dschihad, das er mit »heiliger Krieg« übersetzte, sei einseitig. Es wurde darauf hingewiesen, dass »Dschihad« in erster Linie eine Anstrengung zu menschlicher Vervollkommnung bedeute und Gewaltanwendung hierbei nur ein möglicher Aspekt sei. Die Argumentation des Paps­ tes von der völligen Transzendenz und somit Willkür Gottes im Islam stütze sich auf eine eher unbedeutende theologische Tradition des Islam und sei nicht haltbar. (Offener Brief an Seine Heiligkeit 13.10.2006) Unter den islamischen Einzelstimmen, die sich in diesem Sinne zur Regensburg Rede äußerten, ist exemplarisch Aref Ali Nayed zu nennen. Dieser kritisierte die Entgegensetzung eines vernünftigen, friedliebenden Christentums mit einem irrationalen, gewalttätigen Islam als selbstgerecht und unhistorisch. Ebenso bemängelte er einen innerchristlichen Eurozentrismus des Papstes. Er bedauerte, dass Benedikt keine objektiven islamwissenschaftlichen Stimmen konsul­ tiere, sondern sich in seinen Ansichten über den Islam auf Mindermei­ nungen stütze. (Nayed 2006) Der wissenschaftlichen Kritik an den Thesen des Papstes sowie einer Darstellung des Islam als Religion der Vernunft und des Friedens widmen sich die Aufsätze im Sammel­ band »Glaube und Vernunft aus islamischer Perspektive. Antwort auf die Regensburger Vorlesung vom [sic!] Papst Benedikt XVI.«. In diesem von Haider Zafar, Oberhaupt der »Ahmadiyya Muslim Jamaat«, herausgegebenen Buch (Zafar 2007) geht es unter anderem in apologetischer Manier um die religiöse Toleranz, die der Islam Andersgläubigen gewähre, und um die positiven historischen Inno­ vationen, die der er gebracht habe. Nur vom rechten Glauben abge­ fallene muslimische Gruppierungen hingen der Irrmeinung an, der Islam müsse mit Gewalt verbreitet werden. So der Tenor der Beiträge.

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Prinz Karim Aga Khan IV., das geistige Oberhaupt der ismaelitischen Schiiten, vertrat in einem Interview zur Papstvorlesung in Spiegel Online die These, dass das Gewaltproblem in der islamischen Welt nicht theologischer, sondern politischer Natur sei. Der Islam sei eine vernünftige Religion, und die drei monotheistischen Weltreligionen verbinde vieles, darunter eine gemeinsame Ethik. Er bedauerte die gegenseitige, vor allem aber im Westen gepflegte Ignoranz gegenüber der anderen Zivilisation. (Aga Khan IV. 12.10.2006) Ähnlich äußerte sich Großscheich Mohammed Tantawi, der als wichtigste Autorität der sunnitischen Muslime galt, in einem Interview mit dem Focus. Der Islam wolle Frieden, und im Namen des Islam dürften keine Unschuldigen getötet werden. (Tantawi 25.9.2006) Kritik an der Wissenschaftlichkeit von Benedikts Aussagen über den Islam kam auch von innerkirchlicher Seite. So zum Beispiel von Jean Marie Gaudeul, Mitglied der französischen »Groupe de recherches islamo-chrétien«: »On ne saurait faire au pape le reproche de ne pas croire en l’inspiration du Coran! Mais on peut lui reprocher de fournir – involontairement sans doute – une version faussée de l’Histoire«. (Gaudeul 17.9.2006) Typ 9: Die Kontroverse ist vor dem historischen, politischen und gesellschaftlichen Hintergrund zu verstehen Dieser mit 71 Okkurrenzen starke Rezeptionstyp fragt nach der Ursache für die Krise, die aus der Regensburger Rede entstanden ist. Er widmet sich der Überlegung, dass der historische, politische und gesellschaftliche Hintergrund den Schlüssel zum Verständnis der Kontroverse liefert. Sehr oft wird direkt auf einen Kampf der Kulturen verwiesen, der manchen Rezipienten zufolge real existiert. Ein anderer Teil dieser Verweise bezieht sich darauf, dass die Akteure der Kontroverse von einem Kampf der Kulturen ausgingen oder aber eine solche Perzeption in der Bevölkerung für ihre Interessen instru­ mentalisierten. Ein starker Strang dieses Typs nennt die gegenwärtigen oder historischen Spannungen zwischen dem Westen und der islamischen Welt als Ursache für die heftigen muslimischen Reaktionen auf die Rede. Die islamische Welt fühle sich vom Westen angegriffen. Vereinzelt zeigen die Kommentatoren Empathie für die muslimischen Reaktionen. Es wird auch die Position vertreten, die politische Rezep­ tion der Vorlesung durch die Öffentlichkeit im Westen sei dem

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I. Die medial-intellektuelle Rezeption der Ereignisse

weltpolitischen Klima und der westlichen Islamophobie geschuldet. Viele Rezipienten geben den Medien eine Hauptschuld an der Krise. Diese würden in den Kategorien eines Kampfes der Kulturen denken. Daher konnten sie die Rede Benedikts nur als Beitrag zu einem solchen Kampf rezipieren, was die Konsequenz hatte, dass die Medien den Verlauf der gesamten Kontroverse in diese Bahnen lenkten. Ein gewichtiger Subtyp argumentiert, dass muslimische Politiker die Vorlesung für ihre Zwecke instrumentalisierten: Sie würden unter anderem deshalb zum Protest gegen den Papst aufstacheln, um von innenpolitischen Problemen in ihrem jeweiligen Land abzulenken oder um das populistische Feld nicht den Islamisten zu überlassen.

Beispiele Subarno Chattarji, Professor an der University of Delhi, umschrieb den fruchtbaren Boden, auf den die Rede Benedikts traf, mit folgen­ den Worten: »His comments resonate within political, religious, media, and academic worlds which increasingly accept the divide between Islam and the West as normative«. (Chattarji 10.11.2006) Der tunesische Politikwissenschaftler Hamadi Redissi erklärte die muslimischen Proteste mit der ununterbrochenen fiebrigen Wach­ samkeit der islamischen Welt. Sie reagiere sehr sensibel auf alles, was scheinbar die These bestätige, dass der Westen einen Kreuzzug gegen sie führe. (Redissi 20.9.2006) Der Medienwissenschaftler und Nahostexperte Khaled Hroub äußerte im Internetportal Qantara.de die Ansicht, dass der weltpolitische Kontext ausschlaggebend für die Intensität der Krise war: »[D]ie Vorlesung […] fällt in ein Klima nie da gewesener Spannung zwischen dem Islam und dem Westen. Hass gegenüber dem Anderen ist auf beiden Seiten weit verbreitet. […] Die Mehrheit der muslimischen Bevölkerungen ist davon überzeugt, dass es eine westliche Aggression gegen islamische Länder und gegen die Interessen der Muslime gibt. […] Hinzu kommt, dass die päpstliche Vorlesung fast zeitgleich zum fünften Jahrestag der Attentate des 11.9. gehalten wurde. So erscheinen die Äußerungen in Regensburg, als würden sie dem Schlagwort vom religiösen Zusammenprall der Zivilisationen Nachdruck verleihen«. (Hroub 22.9.2006) Dass sich die muslimischen Reaktionen mit dem politisch-historischen Hinter­ grund erklären lassen, glaubte auch die feministische Theologin Rose­ mary Radford Ruether. Die Kreuzzüge seien in der islamischen Welt immer noch präsent, und die Kriege und Politik von George W. Bush

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Teil F: Die »Regensburg-Kontroverse« als Beispiel für die diskursive Macht

schafften berechtigterweise antiwestliche Ressentiments, schrieb sie in der Zeitschrift Holy Land Studies. (Radford Ruether 2006) Auch die Politikwissenschaftlerin Ana Belén Soage zeigte Empathie für die muslimischen Reaktionen: Die Rede sei zu einem Zeitpunkt gehalten worden, zu dem die Nachwehen des Karikaturen-Streits noch spürbar waren, die Erinnerung an den Libanonkrieg noch frisch und die Gemüter erhitzt wegen der als Angriff empfundenen Antiterrorge­ setzgebung in vielen westlichen Ländern. Für die Muslime, die sich vom Westen belagert und angegriffen fühlten, habe es wie Ironie geklungen, dass man sie nach Gewalt und Dschihad befragte, war in der Zeitschrift »Totalitarian Movements and Political Religions« zu lesen. (Soage 2007) Der ägyptische Jesuit Samir Khalil Samir vertrat die Position, dass die Vorlesung der islamischen Welt und den Medien als Projek­ tionsfläche für den Kampf der Kulturen diente: »The media […] picked out those remarks from the speech that it could immediately use and superimposed them on the current international political context, on the ongoing confrontation between the West and the Muslim world, taking a step back into what Samuel Huntington called a ›Clash of civilisations‹«, kritisierte Samir in AsiaNews. Der Papst werde von Teilen der islamischen Welt allein deshalb als Gegner wahrgenom­ men, weil er ein Angehöriger des Westens sei. (Samir 15.9.2006) Der Politikwissenschaftler Otto Kallscheuer sah die sehr negati­ ven Reaktionen in der Türkei nicht in dem Vorlesungstext begründet, sondern er betrachtete sie als Retourkutsche gegen die ablehnende Haltung des früheren Kardinals Ratzinger in Bezug auf einen EU-Bei­ tritt des Landes. (Kallscheuer 15.9.2006) Diese Ansicht teilte Dilek Zaptçıoğlu in der tageszeitung (taz). Der Grund für den Affront gegen den Papst von Seiten des türkischen Ministerpräsidenten sei vor allem der Wahlkampf in Ankara. (Zaptçıoğlu 18.9.2006) Alberto Negri schrieb im italienischen Il Sole 24 Ore, dass die Kontroverse zwar als Kampf der Religionen oder Zivilisationen erscheine, in Wirklichkeit aber ein politischer Konflikt sei. Chronologisch noch vor den musli­ mischen Massen hätten sich die politischen Führer der islamischen Welt mit Protest zu Wort gemeldet. Dies liege zum einen daran, dass sie den Glauben verteidigen müssten, da es in der islamischen Welt keine Trennung von Religion und Staat gebe. Zum anderen wollten sie den Islamisten im eigenen Land bei der Besetzung und politischen Ausschlachtung der Papstrede zuvorzukommen. (Negri 19.9.2006) Auch der Philosoph Rémi Brague verortete die Verantwortung für die

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I. Die medial-intellektuelle Rezeption der Ereignisse

muslimischen Reaktionen bei den Politikern, die für die Legitimation und Sicherung ihrer Herrschaft die religiösen Gefühle ihrer Bürger auf Kosten des Westens instrumentalisierten. (Brague 22.9.2006) Diese Meinung teilte Yves Thréard in Le Figaro. Schuld an der Krise seien » [c]es chefs d’État ou représentants religieux qui [...] ont intérêt, pour conforter leur pouvoir temporel ou spirituel, à souffler sur les braises du choc des civilisations. Ou encore ceux qui, souvent accusés de pactiser avec les ›États Satan‹ occidentaux, se croient obligés de suivre le mouvement pour restaurer leur autorité«. (Thréard 18.9.2006) Andrés Ortega analysierte in El País die Hintergründe für die Empörung vieler Menschen im Westen angesichts des Zurückruderns des Papstes auf die muslimischen Proteste hin. Diese westlichen Reaktionen seien das eigentlich Beunruhigende, nicht die Worte des Papstes oder die Reaktionen einer muslimischen Minderheit. Im Kern würden sie den Worten des byzantinischen Kaisers zustimmen und den Islam dämonisierten. Dies sei ein Phänomen des politischen Kontextes im Westen, in dem vor allem seit der Bush-Administration das Wort »Islamofaschismus« Konjunktur habe. Dieser Ausdruck erkläre nichts, sondern rechtfertige nur, dass sich der Westen in einem Kampf der Kulturen fühle. (Ortega 25.9.2006) Typ 10: Der Krise liegt ein Kommunikationsproblem zu Grunde, das der Funktionslogik des Medienzeitalters geschuldet ist Noch ein zweiter, allerdings mit nur 13 Belegen sehr schwacher Rezeptionstyp der Kontroverse beschäftigt sich mit der Frage, wie die Ereignisse erklärt werden können. Die Antwort dieses Typs lautet, dass der Regensburg-Krise ein Kommunikationsproblem zu Grunde liege. Die Kontroverse stelle ein mediengeneriertes Missverständnis dar. Diese unheilvolle Rolle der Medien, die laut einem Teil der Rezi­ pienten sogar so schwerwiegend ist, dass sie einen Kampf der Kulturen befördere, wird auf die Funktionslogik der modernen Massenmedien zurückgeführt. Die Medien hätten zum einen aus dem Zitat über Mohammed eine isolierte Schlagzeile gemacht und zum anderen die Proteste gegen die Vorlesung aufgebauscht. Medienwirksame Bilder protestierender Gruppen seien in der Berichterstattung der schwei­ genden Mehrheit vorgezogen worden. Es sei den Medien im Westen und in der islamischen Welt nur darum gegangen, die Nachrichten zu liefern, die sich gut verkauften. Eine Gruppe innerhalb dieses Rezep­ tionstyps vertritt die Ansicht, dass es der Papst im Medienzeitalter

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Teil F: Die »Regensburg-Kontroverse« als Beispiel für die diskursive Macht

schwer habe, seine Botschaft richtig zu kommunizieren, und dass er die mediale Sprengkraft von Worten noch nicht verstanden habe. Die Krise zeige die Hilflosigkeit des Vatikans in der globalisierten Welt, in der die Massenmedien bestimmend seien. Problematisch sei vor allem die Schnelligkeit, mit der sich Nachrichten über die Medien global verbreiten. In vielen der ausgewerteten Dokumente finden sich Aussagen, die zu zwei Rezeptionstypen führen. In den Dokumenten, auf denen Typ 10 basiert, sind zu einem großen Teil auch Aussagen enthalten, die Typ 9 zuzuordnen sind. Fasst man Typ 9 und Typ 10 in Bezug auf die Rolle der Medien zusammen, so wird die Schuld der Medien an der Krise mit einer Synthese aus Faktoren angegeben, die sowohl ein Denken in den Kategorien eines Kampfes der Kulturen als auch die Funktionslogik des globalen Mediensystems umfassen.

Beispiele Carolin Emcke schrieb in Spiegel Online zur Rolle der Medien bei der Generierung der Krise: »[E]in einziger Satz wird aus dem Zusam­ menhang gerissen, […] das filigrane Argument des Vortrages auf ein Schnipsel reduziert. Der Tempowahn des globalen Medienzeitalters zeigt hier ebenso seine selbstzerstörerischen Züge wie die gedankliche Kurzatmigkeit der religiösen wie atheistischen Ideologen«. (Emcke 24.9.2006) Die interne Logik des globalen Mediensystems könne nicht mit theologischem Sprengsatz umgehen und provoziere in der Konsequenz einen Kampf der Kulturen, meinte Daniel Schneider­ mann in der Zeitung Libération: »L’embrasement planétaire après le discours du pape à l’université de Ratisbonne offre un rappel verti­ gineux de l’inaptitude de la vidéosphère à manier la nitroglycérine théologique. […] Ainsi assiste-t-on à la démonstration en direct de la manière dont un système médiatique surpuissant et aveugle peut, en toute bonne conscience, suivant son implacable logique, provoquer l’étincelle du choc des civilisations«. (Schneidermann 22.9.2006) Diese Ansicht teilte Gaspare Barbiellini Amidei im Corriere della Sera. Dass die Vorlesung verzerrt und verkürzt dargestellt worden sei, liege am Reduktionismus der gegenwärtigen Kommunikationslogik. Benedikt brauche Berater, die ihm eine gute Kommunikationslogistik ermöglichten. (Barbiellini Amidei 17.9.2006) Die Präsidentin der Vereinigung marokkanischer Frauen in Italien Souad Sbai erklärte, dass die Masse der Muslime keinen Kampf der Kulturen möchte und

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I. Die medial-intellektuelle Rezeption der Ereignisse

auch nicht hinter den Protesten stehe. Schuld an der Fehlperzeption der Regensburg-Kontroverse als Kampf der Kulturen auf beiden Seiten seien die Medien, denn sie verzerrten das Bild. Sie hätten den Muslimen eine verkürzte Darstellung der Vorlesung geliefert und außerdem die Muslime allesamt als protestierend und radikal dargestellt. (Sbai 19.9.2006)

I.3 Typenverteilung, Bandbreite und Chronologie des intellektuellen Echos In der folgenden Graphik ist die Gewichtung der einzelnen Rezepti­ onstypen im Datensample veranschaulicht. Die prozentualen Anga­ ben beziehen sich dabei auf die 495 Okkurrenzen178 der Typen.

Typenverteilung Typ 10 3%

Typ 9 14%

Typ 1 18%

Typ 8 6%

Typ 2 11%

Typ 7 16%

Typ 3 7%

Typ 6 9%

Typ 5 11%

Typ 4 5%

Die zehn Haupttypen der medial-intellektuellen Rezeption der Regensburg-Kontroverse geben 96 Prozent des ausgewerteten Mate­ rials wieder. 15 der 370 Dokumente vertreten lediglich vereinzelte Äußerungen, die nicht unter die Aussagen der zehn Typen zu subsu­ mieren sind, so dass sie als Rest bei der Typenbildung übrig blieben. 178

Zur Methodik siehe Kapitel F I.1 dieser Arbeit.

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Teil F: Die »Regensburg-Kontroverse« als Beispiel für die diskursive Macht

Das heißt, es finden sich im ausgewerteten Material nur 15 Doku­ mente, die sich nicht in Bezug auf die Islamthematik mit der Regens­ burger Rede und ihren Folgen auseinandersetzen. Diese umfassen heterogene Äußerungen, die die Bandbreite des intellektuellen Echos auf die Rede zeigen. Primär stellen sie wissenschaftliche Beiträge zur Papstvorlesung dar, insbesondere Antworten der protestantischen Theologie auf die Position Benedikts XVI. Eine Untersuchung der Verteilung der Typen im diachronen Vergleich ergab keine nennenswerten Erkenntnisse der Prävalenz bestimmter Rezeptionstypen je nach zeitlichem Abstand zur Regens­ burger Rede. Eine Vergleichstabelle findet sich in Anhang 1. Wie am folgenden Diagramm der zeitlichen Verteilung der Dokumente des Datensamples ersichtlich ist, war die medial-intel­ lektuelle Rezeption der Regensburg-Ereignisse zwar im September 2006 mit Abstand am intensivsten, verebbte aber auch weit darüber hinaus nicht.

Anzahl der Rezeptionsbeispiele pro Zeitabschnitt 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0

Besondere Beachtung erhielt die Thematik vor allem dann, wenn sich durch aktuelle Ereignisse ein Rückbezug anbot, so zum Beispiel im Rahmen der Türkei-Reise von Papst Benedikt vom 28. November bis 1. Dezember 2006 und der Diskussion um die zeitweilige Abset­ zung der Mozart-Oper »Idomeneo« an der Deutschen Oper in Berlin im selben Jahr. In Deutschland war die vom Papst aufgeworfene Frage nach Islam und Gewalt auch im Zusammenhang mit der Deutschen

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I. Die medial-intellektuelle Rezeption der Ereignisse

Islam Konferenz ein Thema. Der Jahrestag der Regensburger Vorle­ sung war vielen Anlass, die Problematik erneut zu reflektieren. Beispiele für eine mediale und intellektuelle Erinnerung der Kon­ troverse finden sich auch im weiteren Zeitverlauf.179 Insbesondere anlässlich der Türkei-Reise von Papst Franziskus im November 2014 sowie der Erklärung, die dieser Papst bei seiner historischen Reise in die Vereinigten Arabischen Emirate gemeinsam mit dem GroßImam der Al-Azhar-Moschee, Ahmad Al-Tayyeb, im Februar 2019 unterzeichnete,180 wurden die Beziehungen seines Vorgängers zur muslimischen Welt – inklusive Regensburger Rede – wieder medial aufgegriffen. Im Regensburger Dom fand am 13.9.2016 anlässlich des zehnjährigen Jubiläums der Rede ein Festakt statt.181 Die andauernde Rezeption der Rede illustriert das 2019 vom konservativen politi­ schen Denker Samuel Gregg erschienene Buch »Reason, Faith, and the Struggle for Western Civilization« (Gregg 2019). Der amerikanische Autor nahm die Regensburger Rede zum Ausgangspunkt und Papst Benedikt als Inspiration für sein Werk.182 Zur Rezeption der Regensburger Vorlesung kann allgemein gesagt werden, dass Vertreter verschiedener Wissenschaften ihre Sichtweise auf die Thesen des Papstes darlegten. Dies geschah auf Konferenzen wie beispielsweise an der amerikanischen Notre Dame University am 28. September 2006183, an der Universität Regensburg (17.-19.7.2007), Schloss Spindlhof (12.-13.9.2007), dem Assumption College (21.-22.9.2007), sowie in etlichen, zum Teil auf den Konfe­ renzen basierenden, Sammelbänden. Im Januar 2011 fand an der Päpstlichen Lateranuniversität eine Konferenz zu den »großen Reden In einem Beitrag mit dem Titel: »13 Jahre Regensburger Rede: Neuer Dialog nach Benedikt XVI.« erinnerte beispielsweise der Bayerische Rundfunk an die Kontroverse (Jarde 9.1.2020). 180 Siehe Franziskus/Al-Tayyeb 4.2.2019. Zu einer Bewertung dieser Erklärung siehe näher Müller 2020. 181 Als Hauptredner der Veranstaltung pries Kardinal Gerhard Ludwig Müller die Regensburger Rede. Siehe hierzu Neumann 15.9.2016. 182 In seinem Kapitel »A speech that shocked the world« über die Regensburger Rede bringt Gregg seine denkerische Allianz mit Papst Benedikt XVI. auf den Punkt: » [Benedict’s] question to everyone who thinks that Western civilization is worth preserving and promoting – a question that is central to this book – was this: Do you understand that unless the West gets the relation between reason and faith right, it will be unable to overcome its inner traumas or defend itself from those who wage war against it in the name of particular ideologies?« (Gregg 2019: 14). 183 Zu dieser Konferenz siehe Garvey 18.1.2007. 179

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Teil F: Die »Regensburg-Kontroverse« als Beispiel für die diskursive Macht

Benedikts« statt, wobei die Regensburger Rede im Zentrum stand. (Radio Vatikan 22.1.2011) Von Benedikt aufgeworfene Fragen wie die Verbindung von Christentum und Hellenismus und die Beziehung von Glaube und Vernunft aus der Perspektive der Ökumene führten zu einer theologischen Debatte.184 Die Vorlesung war auch Anlass für philosophische und wissenschaftstheoretische Diskussionen über das Verhältnis von Glaube und Vernunft185 und die Beziehung von Wis­ senschaft und Religion.186 Die Beschäftigung mit der Islamthematik der Rede stellt somit nur einen Strang der intellektuellen Rezeption dar, sie nimmt aber bei weitem den meisten Raum ein.

II. Gesamtbewertung Die diskursive Qualität von Huntingtons »Clash of Civilizations«Konzept bzw. die Macht des weiter gefassten Islam-Westen-Diskur­ ses soll nun anhand der in Teil D dargelegten Regensburg-Ereignisse sowie anhand ihrer in den 10 Typen präsentierten medial-intellektuel­ len Rezeption zusammenfassend aufgezeigt werden. Die Existenz und Macht eines Diskurses können dabei grundsätzlich nicht stricto sensu bestätigt oder gar bewiesen, sondern lediglich plausibel gemacht werden. Für dieses Vorhaben werden Indizien dafür aufgezeigt, dass 1) 2)

die Regensburg-Kontroverse eine weitgehende inhaltliche und strukturelle Analogie zum Islam-Westen-Diskurs aufweist, und die für einen dominanten Diskurs charakteristische Wirkungs­ weise in der Kontroverse ersichtlich ist.

II.1 Widerspiegelung der diskursiven Topoi in der Kontroverse Der Topos vom Kampf der Kulturen Der Topos vom Kampf der Kulturen wurde häufig bemüht in der Rezeption der Ereignisse. So sieht Typ 1 direkt oder indirekt in 184 Siehe z. B. Huber 31.10.2006. Noch zwei Jahre nach der Vorlesung beschäftigten sich europäische protestantische Theologen auf einem Kongress mit den Thesen der Regensburger Rede. (Bingener 1.10.2008) 185 Siehe z. B. Habermas 10.2.2007. 186 Siehe z. B. Schwan 2006.

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II. Gesamtbewertung

den muslimischen Reaktionen auf die Vorlesung bestätigt, dass die islamische Welt in den Kategorien eines Kampfes der Kulturen denke und handle. Als Reaktion auf die Regensburger Rede mache der Islam gegen Christentum und Westen mobil. Typ 5 geht von einem Kampf des Islam gegen den Westen aus. Aber auch Benedikt XVI. wurde als Kulturkämpfer interpretiert. In Typ 2 und teilweise auch in Typ 6 der Rezeption manifestiert sich der Diskursstrang, der einen westlichen Kreuzzug oder auch Kampf der Kulturen gegen die islamische Welt wahrnimmt. Dem Papst oder dem Westen insgesamt wurden Islamophobie und ein Angriff auf den islamischen Kulturkreis attestiert. Typ 3 bewertet in einigen Äußerungen die Vorlesung Benedikts als Beitrag zu einem Kampf der Kulturen, der das Nebenprodukt der Bemühung um die eigene Machtsicherung in der säkularen Moderne sei. Typ 2 bezieht sich in seiner Argumentation stark auf die amerikanische Außenpolitik und Typ 6 sieht bisweilen den neuen Kurs im interreligiösen Dialog als Variante des westlich-christlichen Kulturkampfes. Insbesondere von muslimischer Seite wurde die Regensburger Vorlesung als Trend­ wende im Dialog beklagt: Der Papst habe sich auf die Seite des poli­ tischen Westens geschlagen, der einen Kampf gegen die islamische Welt führe. Etliche Kommentatoren reflektierten außerdem, dass der Umschwung der katholischen Kirche im christlich-islamischen Dialog die Gefahr eines Zusammenpralls der Zivilisationen erhöhe. Typ 5 spricht zum Teil von einem begrüßenswerten Beitrag des Papstes in der Konfrontation der Zivilisationen. Typ 9 geht in einem Subtyp von einem Kampf der Kulturen aus und sieht diesen als Erklärung für die muslimischen Reaktionen auf die Regensburger Vorlesung. De facto sprechen die negativen muslimischen Reaktionen auf die Vor­ lesung für die Einschätzung, dass sich viele Muslime »vom Westen insgesamt« gedemütigt und angegriffen fühlen. Der Topos von der politischen Relevanz der Religion und des interreligiösen Dialogs Religion spielt in der Sicht Huntingtons und im diskursiven Denken eine sehr gewichtige Rolle für die Politik. Resultierend aus der großen Bedeutung, die dem Christentum und dem Islam als Religion – ohne sich mit Binnendifferenzierungen dieser beiden Religionsge­ meinschaften auseinanderzusetzen – innerhalb und zwischen den Zivilisationen beigemessen wird, hat auch das Konzept des christlich-

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Teil F: Die »Regensburg-Kontroverse« als Beispiel für die diskursive Macht

islamischen Dialogs einen hohen Stellenwert. Der Islam-WestenDiskurs erachtet diesen Dialog hauptsächlich deshalb als sehr wichtig, da er die Differenzen zwischen den Zivilisationen überbrücken soll. Die Regensburger Rede harmonisiert mit der diskursiven Ein­ schätzung der politischen Relevanz von Religion: Der Westen sei nur dann zum Dialog der Kulturen fähig, wenn er die Religion und den Glauben in sein Vernunftkonzept integriere.187 Die diskursive Sicht auf Religion spiegelt sich in der Kontroverse insbesondere darin wider, dass die theologische Rede des Papstes so viel Aufmerksam­ keit erfuhr. Das Seminar für Allgemeine Rhetorik der Universität Tübingen krönte die Vorlesung zur Rede des Jahres. (Seminar für Allgemeine Rhetorik 18.12.2006) Politik und Diplomatie involvier­ ten sich in beachtlichem Ausmaß in die interreligiöse Affäre. Die Aussagen von Seiten der Politik, dass der interreligiöse Dialog und interreligiöse Harmonie von großer Wichtigkeit seien, manifestieren gleichzeitig die Angst vor einem durch interreligiöse Differenzen ausgelösten Kampf der Kulturen. In der Rezeption der Ereignisse, insbesondere in Typ 7, ist der Topos von der politischen Relevanz der Religion stark präsent. Dort wird die diskursive Position wiedergegeben, dass die Verständigung der Religionsgemeinschaften konstitutiv für die friedliche Koexistenz der Kulturen sei. Zudem wurde das Amt des Papstes als politische Rolle behandelt. Sowohl von islamischen als auch westlichen Kom­ mentatoren war zu hören, dass der Papst Verantwortung für den Weltfrieden trage und somit diplomatischen Zwängen unterliege. Etliche kritisierten, dass Benedikt XVI. mit seiner Rede seiner politi­ schen Mission nicht gerecht geworden sei. Auch der Subtyp von Typ 7, der die Ansicht vertritt, dass die Religionen einen Konfliktstoff für das Zusammenleben der Menschheit darstellen, und dass sich die Politik folglich dem Prinzip der Laizität verpflichten solle, weist Parallelen zum Islam-Westen-Diskurs auf. Huntington war der Meinung, dass es die vor allem im Missionsauftrag begründete Rivalität zwischen Christentum und Islam sei, die den feindlichen Antagonismus der beiden Kulturkreise ausmache. Glaubenseifer befördere den Konflikt 187 Ein Beispiel für diese Harmonie zeigt sich umgekehrt in Nitschkes Verteidigung von Huntingtons »Clash of Civilizations«-Konzept, die sich passagenweise wie ein Auszug aus der Regensburger Rede liest: »In dem Maße, in dem sich der Westen weigert, die religiösen Betriebsgrundlagen der eigenen Existenz noch weiterhin anzuerkennen, versagt er sich dem wirklichem [sic!] Dialog mit den anderen Kulturen dieser Welt.« (Nitschke 2014b: 29)

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II. Gesamtbewertung

zwischen den Zivilisationen maßgeblich, und dieser Glaubenseifer bzw. die religiöse Bindung sei im islamischen Kulturkreis besonders ausgeprägt. Diese Einschätzung Huntingtons wurde in der Regens­ burg-Kontroverse wiedergegeben: In Typ 5 ist die Rede davon, dass die Vitalität der islamischen Religion nicht nur der katholischen Kirche Konkurrenz mache, sondern den Westen bedrohe. Auch die grundsätzliche in Typ 7 geäußerte Ansicht, dass theologische Fragen für die Politik entscheidend seien, ist ein Abbild des Diskurses. Hun­ tington erachtete theologische Unterschiede, etwa was das Verhältnis von Religion und Politik angeht, als wichtige Wurzel des Zivilisatio­ nenkonfliktes. Innerhalb des Diskurses bewegt sich der Rezeptionsstrang von Typ 4, der eine Allianz der Kulturen fordert, die nicht zuletzt mit Hilfe des interreligiösen Dialogs erreicht werden soll. Das Konzept des interreligiösen Dialogs wird in Typ 7 zum Teil explizit als Gegenmo­ dell zum Kampf der Kulturen etabliert. Dass der christlich-islamische Dialog in der Regensburg-Kontroverse genauso wie im Islam-Wes­ ten-Diskurs als politische Angelegenheit behandelt wird, zeigt sich nicht nur darin, dass er als friedensfördernde Maßnahme propagiert wurde, sondern auch in der Forderung nach einem harten Dialog, bei dem es letztlich um politische Verhandlungen geht. Die Nähe, die im Islam-Westen-Diskurs zwischen der Rede vom Kampf der Kulturen und dem Dialog der Religionen besteht, spiegelt sich in dem Beifall, den Benedikt für seinen neuen Kurs im interreligiösen Dialog erhielt. Gelobt wurde ein »Klartextdialog«, der Trennendes thematisiert anstatt Nettigkeiten auszutauschen und Gemeinsamkei­ ten zu suchen. Dahinter kann die diskursive Einschätzung gesehen werden, dass die Religionen bzw. Zivilisationen mehr Trennendes als Gemeinsames aufweisen. Der Dialog wird als eine Ebene im Kampf verstanden. Insgesamt ist festzustellen, dass das Schlagwort vom Dialog der Religionen noch häufiger in der Kontroverse zu hören war als das vom Kampf der Kulturen. Dabei ist ersteres aber direkt oder indirekt auf letzteres bezogen: entweder, weil der Dialog als eine Ebene im Kampf interpretiert wird, oder weil ein Dialog explizit dem Kampf der Kulturen entgegenwirken soll.

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Teil F: Die »Regensburg-Kontroverse« als Beispiel für die diskursive Macht

Der Topos von der Bedrohung der westlichen Zivilisation durch den Islam und durch eigene Schwäche Eine wichtige These des Islam-Westen-Diskurses ist, dass der Westen sowohl durch den Islam bedroht sei als auch durch eigene Schwäche seinen Untergang heraufbeschwöre. Diskursive Denker – allen voran Huntington – mahnen daher den Westen zu Geschlossenheit. Zahlreiche Akteure wie Rezipienten der Regensburg-Kontro­ verse reproduzierten diese Argumente direkt oder indirekt. Das Gros der westlichen Politiker sah die Meinungs- und Redefreiheit aufgrund der muslimischen Reaktionen gefährdet. Etliche Politiker applaudierten dem Papst mit dem Argument, dass es ein mutiges Signal sei, sich zur islamischen Bedrohung zu äußern. Die diskursiven Aussagen, dass der Islam mit den westlichen Werten inkompatibel sei und dass er diese sogar bedrohe, finden sich zahlreich in der medial-intellektuellen Rezeption. Es war von einem Angriff auf die Meinungsfreiheit und von »Entschuldigungsterrorismus« (Moinet 28.9.2006), den die islamische Welt gegenüber dem Westen ausübe, die Rede. Besonders in Typ 5, der weitgehend identisch mit dem Huntington’schen Kernstrang des Diskurses ist, wird die Position der Bedrohung der westlichen Zivilisation durch den Islam vertreten. Dabei wurden für den Diskurs typische Gründe angeführt: Terroris­ mus, Fundamentalismus, demographisches Erstarken des Islam im Westen durch Immigration und eine höhere Geburtenrate. Auch Typ 7 teilt bis zu einem gewissen Grad indirekt die Bedrohungsperzeption: Der interreligiöse Dialog wird deshalb als fundamental wichtig für den Frieden angesehen, weil der Islam eine Gefahr sei, die man mit Hilfe des Dialogs entschärfen müsse. Andere Kommentatoren äußerten die Ansicht, dass der Islam dialogunfähig sei, und nur strikte Laizität die Lösung sein könne. Darüber hinaus findet sich in der Regensburg-Kontroverse das diskursive Argument von der Selbstgefährdung des Westens wieder. Als Anzeichen einer bedrohlichen Schwäche des Westens wurden besonders drei Punkte genannt: eine mangelnde Verteidigung der Meinungsfreiheit angesichts der muslimischen Proteste gegen die Papstvorlesung, eine fehlende Verteidigung des Papstes als Vertreter der eigenen Zivilisation sowie ein Mangel an Einigkeit und Einstim­ migkeit im Westen. Typ 4 spricht in einem maßgeblichen Subtyp von der Schwäche des Westens, die wie bei Huntington im moralischen Verfall des Abendlandes und der Entchristlichung des europäischen

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II. Gesamtbewertung

Kontinents festgemacht wird. Viele attestieren dem Westen eine Iden­ titätskrise.

II.2 Strukturierungs- und Konzeptionierungsleistung des IslamWesten-Diskurses in der Kontroverse Ein Diskurs strukturiert und konzeptualisiert die Wirklichkeit. Ein dominanter Diskurs legt fest, was gesehen, gedacht und gesagt wird – und was nicht. Er prägt Themen und Identitätszuschreibungen. Ex negativo manifestiert sich die Wirkmächtigkeit eines dominan­ ten Diskurses darin, dass bestimmte Möglichkeiten des Sprechens, Denkens und Handelns, die nicht diskursiv verkörpert sind, ausge­ schlossen werden. Im Folgenden wird analysiert, inwiefern diese Machtwirkungen des Islam-Westen-Diskurses in der Kontroverse sichtbar wurden. Identitätszuschreibung und orientalistisches Islambild Neben der inhaltlichen Analogie zwischen den klassischen Argumen­ ten und Topoi des Islam-Westen-Diskurses und denen der Regens­ burg-Kontroverse manifestiert sich die Macht des Diskurses beson­ ders deutlich in der Klassifizierung der Akteure. Der Diskurs geht von »dem Westen« und »dem Islam« als dominante kollektive Iden­ titäten aus. Dabei wird der Westen zumindest in seinen Wurzeln mit dem Christentum assoziiert. Diese Identifikation spielte auch in der Kontroverse eine große Rolle. Vor allem in den muslimischen Protesten gegen die Vorlesung zeigte sich, dass der Papst nicht nur konfessionell undifferenziert als stellvertretend für das gesamte Christentum gewertet wurde, sondern sogar als Verkörperung des Westens schlechthin. Viele Muslime fassten die Regensburger Rede als Verlautbarung des Westens gegenüber der islamischen Welt auf. Der Papst wurde als Sprecher des Westens rezipiert, und so waren sogar Stimmen aus der islamischen Welt zu hören, welche die Erwar­ tung hatten bzw. forderten, dass westliche Medien wie die New York Times den Papst verteidigten. (Tawfik 20.9.2006) Der Diskurs bewirkte des Weiteren, dass die Menschen musli­ mischen Glaubens, die auf die Regensburger Rede reagierten, eindi­ mensional als Vertreter der islamischen Zivilisation wahrgenommen

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Teil F: Die »Regensburg-Kontroverse« als Beispiel für die diskursive Macht

wurden und nicht beispielsweise als Angehörige ihrer Nation oder kategorisiert nach ihrer sozialen Rolle oder ethnisch als Türken, Ara­ ber, Perser etc. Diese Identitätszuschreibung mit Hilfe des Diskurses schlug sich sowohl bei den Akteuren als auch bei den globalen Rezi­ pienten der Ereignisse nieder. Sie ging oft einher mit einem für den Diskurs in seiner westlichen Ausprägung typischen Orientalismus. Dazu gehören die Thesen der Gewalttätigkeit und Irrationalität der Muslime und der Inkompatibilität der islamischen Kultur mit dem Abendland. Dies spiegelt sich sowohl in der Rede Benedikts als auch in den Reaktionen der westlichen Öffentlichkeit wider. Typ 1 sieht in den muslimischen Reaktionen eine Bestätigung der Dialogunfähigkeit, Irrationalität, Unaufgeklärtheit und Gewalttätigkeit des Islam. Der westliche Orientalismus ist so tief verwurzelt, dass er sich auch in vermeintlichem Lob manifestiert, wie zum Beispiel in folgender Bewertung der muslimischen theologischen Antworten auf die Papst­ vorlesung als Eröffnung eines ernsthaften Dialogs: Der Antwortbrief der 38 Muslime sei »sensationell«, denn: »Die hier schreiben, sind weder Beleidigte noch Beleidigende, was im Dialog mit dem Islam keine Selbstverständlichkeit ist. Sie widersprechen dem Papst diffe­ renziert und akademisch – und signalisieren, dass sie einen differen­ zierten und akademischen Widerspruch ertragen können. Für den westlichen Leser mag dies nicht überraschend sein, doch im Orient ist die Art einer Äußerung mindestens ebenso wichtig wie ihr Inhalt«, so schrieb Stephan Baier in der Tagespost. (Baier 19.10.2006) Dominanz der diskursiven »story line« und Selektion von Wirklichkeit Über die diskursiven inhaltlichen Topoi und die Identitätszuschrei­ bungen hinaus prägt die story line des Islam-Westen-Diskurses die Regensburg-Kontroverse: Die Strukturierung der Welt mit Hilfe der Konzepte »Islam« und »Westen«, die meist mit einer Dichotomisie­ rung einhergeht. Dies ist sowohl bei den Akteuren als auch Rezipien­ ten der Kontroverse ein roter Faden. Es wurde mit den vermeintlichen Kollektiven »Islam« und »Westen« argumentiert und Aussagen über deren Beziehung zueinander getroffen. In allen Rezeptionstypen außer Typ 10 ist die diskursive story line deutlich präsent. Typ 4 sieht zwar eine andere Kategorisierung der Welt als entscheidend an – die Differenzierung in säkulare Moderne und religiöse Welt –, doch wird diese nicht ohne eine explizite Distanzierung von – und

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somit Anerkennung – der Islam-Westen-Dichotomie vorgetragen. Zudem operiert ein starker Subtyp von Typ 4 sehr wohl innerhalb der Prämissen des Diskurses, indem die Unterscheidung in Islam und Westen als sekundäre Grenzziehung geteilt wird. Zur diskursiven Strukturierungsfunktion gehört es auch, dass bestimmte Sachverhalte thematisch miteinander verknüpft werden. Die intellektuelle Rezep­ tion kontextualisierte die Regensburg-Ereignissen mit Themen aus dem Universum des Diskurses. So wurden beispielsweise der islamis­ tische Terrorismus und der EU-Beitritt der Türkei angesprochen. Die Macht eines Diskurses zeigt sich nicht nur in dem, was gesagt wird, sondern auch darin, was nicht gesagt wird. Ein Diskurs bewirkt einen selektiven Interessensfokus und schließt bestimmte Lesarten und mögliche Beiträge aus. In der Regensburg-Kontroverse war nicht nur der Inhalt der Beiträge diskursiv geprägt, sondern der Diskurs war auch Motivation und Bedingung für die Beiträge. Es erfolgte eine Eingrenzung der Aufmerksamkeit anhand der Konzepte »der Westen« und »die islamische Welt«. Was an der Rede zu Reaktio­ nen, Antworten und Protesten motivierte, war fast ausschließlich die Islamthematik. Alle zehn Rezeptionstypen richten ihren Interessens­ fokus auf die Islamthematik der Papstvorlesung und auf die darauffol­ gende Krise, um ihre spezifischen Ansichten von dieser Perspektive aus zu präsentieren. Die Konzeptionierungsfunktion des Diskurses zeigt sich in der Kontroverse stark darin, dass bestimmte theoretisch mögliche Interpretationen und Antworten auf die Vorlesung und die Ereignisse in der intellektuellen Rezeption keine Rolle spielen und die Rezeptionstypen, die nur partiell oder indirekt diskursive Positionen reproduzieren, stark unterrepräsentiert sind. So stellen die Typen 4 und 10 mit nur 22 bzw. 13 Erscheinungen die schwächsten der zehn Rezeptionstypen dar. Zusammen machen sie nur sieben Prozent der typisierten Rezeption aus. Zum Vergleich: Typ 1 weist 88 Erscheinungen auf. Hinzu kommt, dass innerhalb des selektiven Interessensfokus’ auf die Islamthematik der Rede und auf die muslimischen Reaktio­ nen nochmals eine diskursiv bedingte selektive Wahrnehmung der Ereignisse konstatiert werden kann. Der Diskurs bestimmte, welche Themen und Ereignisse als real und gravierend wahrgenommen wurden. So wurde beispielsweise ausführlich über papstfeindliche Kommentare auch unbedeutender muslimischer Politiker berichtet, nur wenig aber über den Antwortbrief der 38 Muslime auf die Rede. Nur 9,2 Prozent der ausgewerteten Dokumente, die zeitlich nach

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dem Erscheinen dieses Briefes am 13.10.2006 lagen, erwähnen ihn. Esposito kritisiert, dass die »guten Nachrichten« im Reaktionsspek­ trum auf die Regensburger Rede kaum rezipiert wurden. (Esposito 2011: 91) Dass sich die Rezeption der Regensburger Rede auf die Islam­ thematik fokussierte, ist keine Selbstverständlichkeit, eröffnet doch die thematische Weite der Vorlesung Raum für verschiedenste Les­ arten. Theoretisch wäre es beispielsweise möglich, den Inhalt der Regensburger Rede unter einem rein historischen Gesichtspunkt zu betrachten oder die in der Vorlesung aufgeworfene Frage nach dem Wesen der Universität zu erörtern. Alle zentralen Themen und Thesen der Rede bieten Anknüpfungspunkte für eine kontroverse Diskussion; der exklusive Fokus auf die Islam-Aussagen der Rede erklärt sich als nicht mit deren besonderer Strittigkeit. Vor allem ist es bemerkenswert, dass die Kritik Benedikts an der säkularen Wissenschaft und Moderne, die die westlichen Gesellschaften vitaler betreffen müsste als die Islamthematik, verhältnismäßig wenig Echo erhielt. Typ 4 und zum Teil Typ 3 reflektieren diese Problematik, allerdings eingebettet in den Islam-Kontext der Rede, der näher ana­ lysiert oder zu dem Position bezogen wird. Wissenschaftliche Mängel werden der Vorlesung in Typ 8 und häufig auch in Typ 3 in Bezug auf die Islam-Aussagen angekreidet. Die anderen aus wissenschaftlicher Perspektive strittigen Punkte fanden hingegen in der überwältigenden Mehrheit der Rezeption keinen Widerhall. Meyer-Blanck fährt nach einer Reflexion der Islamkritik der Rede fort: »Merkwürdig ist es, dass die analoge, noch viel deutlichere Kritik am Protestantismus in der öffentlichen Diskussion so gut wie keine Rolle spielte.« (MeyerBlanck 12.5.2008) Der Fundamentaltheologe Magnus Striet konsta­ tiert erstaunt, dass die Rede in den Monaten nach dem September 2006 bis auf wenige Ausnahmen aus dem protestantischen Raum theologisch kaum diskutiert wurde. (Striet 2006) Diese Einschätzung teilen auch Heinz Otto Luthe und Carsten-Michael Walbiner, die die Rezeption der Vorlesung über ein Jahr nach der Rede noch »im Sog des Zitats« sehen und eine mangelnde Auseinandersetzung mit den zentralen Thesen der Vorlesung beklagen. (Luthe/Walbiner 2008b: 9–10) Diese Feststellung relativiert sich mit fortschreitendem Zeitabstand zur Rede: So wurden in den Jahren 2007 und 2008 etliche Monographien und Sammelbände zur Regensburger Rede veröffent­ licht, die sich auch theologisch mit ihr auseinandersetzen. Doch sogar mittel- und langfristig, also auch zu einem Zeitpunkt, zu dem die

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Islamproblematik der Rede keine Verstärkung mehr durch lautstarke Reaktionen aus der muslimischen Welt erfuhr, konzentrierte sich das Gros der Kommentare, Analysen und Antworten auf die Islamthe­ matik der Vorlesung. Die anderen Thesen des Papstes scheinen im gegenwärtigen Diskurs einen wesentlich geringeren Stellenwert zu haben. Oder um es anders auszudrücken: Die Islam-Thematik ist der hegemoniale Diskurs.

II.3 Das Eigenleben des Diskurses: Verzerrte Wahrnehmung und Loslösung von den Ereignissen Auch innerhalb des auf die Islamthematik der Vorlesung und auf – bestimmte – muslimische Reaktionen fokussierten Interesses der Rezeption zeigt sich in der Regensburg-Kontroverse die Machtwir­ kung des Diskurses. Die Wahrnehmung war nicht nur selektiv, sondern auch verzerrt bzw. losgelöst von den Ereignissen. Somit manifestiert sich in der Kontroverse das Eigenleben des Diskurses. Die Medienberichterstattung war zentrales Objekt und Instru­ ment des diskursiven Eigenlebens. Die Massenmedien verkürzten zum einen die Papstvorlesung zu einer kulturkämpferischen Bot­ schaft, zum anderen bauschten sie die muslimischen Proteste auf und kommunizierten sie so als Kampfansage der islamischen Welt an den Westen. Außerdem bewirkte der selektive Interessensfokus eine Loslösung der Rezeption von der Vorlesung hin zu einer primären Reflexion der muslimischen Reaktionen, wobei der Nachrichtenwert der Proteste keine in den Ereignissen selbst begründete Selbstver­ ständlichkeit war. Die Rückbindung an die materiellen Ereignisse war in der Berichterstattung nur bedingt gegeben. Dieses mediale Eigenleben dauerte an; so präsentierte beispielsweise der Westdeut­ sche Rundfunk im März 2008 das Zitat Kaiser Manuels in der Rede zunächst fälschlicherweise als direkte Aussage Benedikts XVI.: »Seit der Regensburger Rede des Papstes Benedikts XVI. ist das Verhältnis zum Islam schwierig. In dieser Rede sagte er: ›Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat und da wirst du nur Schlechtes finden und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat,

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den Glauben durch das Schwert zu verbreiten.‹ Dieses Zitat zur Erin­ nerung«. (WDR 5 9.3.2008)188

Ein beachtlicher Teil der Medien war vom Denken in den Kategorien eines »Clash of Civilizations« geprägt, wie oben in der Darlegung des Kampf-der-Kulturen-Topos' in der Kontroverse deutlich wurde, und wie auch Martina Ambrosini in ihrer Auswertung italienischer Zeitungsberichterstattung über die Ereignisse illustriert. (Ambrosini 2011) Doch eine Bewertung der Regensburg-Kontroverse als Schlacht in einem Krieg der Zivilisationen ist bei genauerer Analyse schwer haltbar, wie in Teil D dieser Arbeit deutlich wurde. Es kann gesagt werden, dass eine Interpretation der Ereignisse als Kampf der Kulturen zu erkennen ist, nicht aber ein tatsächliches Kampf-der-Kulturen-Sze­ nario. Dieses Eigenleben eines bedeutenden Teils der intellektuellen Rezeption in Bezug auf die Ereignisse ist ein Charakteristikum der Funktionslogik von Diskursen und verweist auf deren Eigenleben gegenüber den realen Gegebenheiten. Insgesamt spricht die wirklich­ keitsselektierende und -verzerrende Analysebrille der Medien für die Wirkmächtigkeit des Islam-Westen-Diskurses in der Kontroverse.

II.4 Anpassungsdruck und Selbstinstitutionalisierung des Diskurses In der Regensburg-Kontroverse ist das Phänomen erkennbar, dass man sich der Sog-Wirkung des Diskurses nicht entziehen kann. Es besteht eine Bezogenheit auf und Anerkennung des hegemonialen Islam-Westen-Diskurses, die sich auch in einem Anpassungsdruck 188 Ein ähnliches Beispiel findet sich in einer Sendung des WDR vom 14.10.2007: »Einspielung: ›Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten.‹ Erzählerin: ›Papst Benedikt XVI. während einer Vorlesung, die er am 12.9.2006 in Regensburg hielt. Als Muslime gegen die Rede protestierten, ließ der Papst versichern, es handle sich nicht um seine Meinung, sondern nur um das Zitat eines byzantinischen Kaisers aus dem Mittelalter‹«. (Cantzen 14.10.2007) Von einer nachhaltig verkürzten Rezeption des Zitates Kaiser Manuels als Meinung des Papstes zeugt auch ein Beitrag des ehemaligen malaysischen Vize-Premierministers Anwar Ibrahim: »The cartoon controversy, Pope Benedict’s opinion on the Prophet of Islam and the apparent exclusionary stance adopted by many in Western Europe on Turkey’s accession to the EU, seem to indicate that the divide remains as wide as ever«. (Ibrahim 2008)

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manifestiert, den Foucault als Effekt der – bewusst oder unterbewusst agierenden – »diskursiven Polizei« charakterisiert (Foucault 1974a: 25). Der Einfluss des Diskurses wird so zum Selbstläufer. Dass sich das diskursive Netz auch auf Akteure und Rezipienten ausweitete, die nicht primär Verfechter der diskursiven Topoi sind, zeigt sich beispielsweise in Rezeptionstyp 4. Seine eigene Position legt dieser Type explizit in Abgrenzung zur diskursiven Weltkonzeption dar, bzw. gesteht letzterer den Rang einer sekundären Grenzziehung zu. Rezeptionsdokumente, die sich nicht primär mit der Islam-The­ matik der Vorlesung auseinandersetzen, greifen diese meist dennoch auf. Der hegemoniale Status des Diskurses wird so unwillentlich verstärkt, was dem diskursiven Mechanismus der Selbstinstitutiona­ lisierung zuzurechnen ist. Bemerkenswert ist auch, dass die meisten Rezipienten der Kon­ troverse der selektive Interessensfokus nicht zu verwundern scheint. In einem Interview auf den einseitigen Fokus der Medien in Bezug auf die Regensburger Rede hingewiesen, äußerte beispielsweise James Schall die Meinung, die Reaktionen aus der muslimischen Welt hätten natürlicherweise die ganze Aufmerksamkeit in Bezug auf die Vorlesung absorbiert. (Schall 9.11.2006) Dieses Nicht-Hinter­ fragen verweist auf die Qualität eines Diskurses, das soziale Unbe­ wusste zu prägen und einem bestimmten Blick auf die Welt den Status der Selbstverständlichkeit zu verleihen. Daraus resultiert ein Anpassungsdruck, mit dessen Hilfe sich ein Diskurs selbst institu­ tionalisiert. Dies zeigt sich insofern in der Auseinandersetzung um die Papstvorlesung, als in der intellektuellen Rezeption bisweilen ein Interessensfokus, der dem diskursiven entspricht, eingefordert wurde. In diesem Sinn ist die Aufforderung der renommierten ame­ rikanischen Journalistin Anne Applebaum zu verstehen, sich mit den muslimischen Reaktionen und nicht mit der Rede Benedikts auseinanderzusetzen. (Applebaum 19.9.2006) Ein weiteres Beispiel für dieses Phänomen ist der Essay des einflussreichen italienischen Politikwissenschaftlers Angelo Panebianco. Dieser diskreditierte eine Rezeption, die den Thesen der Regensburger Rede in Bezug auf das Christentum widersprach, als lächerlichen Nebenschauplatz: »[A]nche nelle situazioni più tragiche l’uomo è in grado di dare vita a siparietti di irresistibile comicità«. (Panebianco 19.9.2006)189 189 Dies erinnert an Diskreditierungen – beispielsweise von Nitschke (2014b: 23) – der Kritik am Kampf-der-Kulturen-Konzept: In Anbetracht der realen Gefährdungen

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Teil F: Die »Regensburg-Kontroverse« als Beispiel für die diskursive Macht

Dieser Anpassungsdruck wirkt meist unwissentlich, doch bisweilen beugen sich Akteure bewusst dem Diskurs oder instrumentalisie­ ren ihn sogar für ihre Interessen. In Foucaults Diskurskonzept ist ein mächtiger Diskurs nicht nur Ort, sondern auch Instrument der Konfrontation. (Foucault 2002a [1974]: 671; Foucault 2003a [1976]: 164–165) So glaubten viele gemäßigte islamische Politiker wohl nicht an ein Kampf-der-Kulturen-Schema, beteiligten sich aber dennoch an einer Kampf-der-Kulturen-Rhetorik. Dadurch, dass der Islam-Westen-Diskurs in der Bevölkerung dominant ist oder von anderen Akteuren mit Erfolg propagiert bzw. missbraucht wird, ent­ stand ein den Diskurs stärkender Anpassungsdruck. Ein Teil der Politiker äußerte sich allerdings vermutlich nicht nur aufgrund eines Anpassungsdrucks mit diskursiven Aussagen zur Papstvorlesung, sondern instrumentalisierte diese bewusst. Es kann sogar spekuliert werden, ob dies auch für Papst Benedikt in seiner Regensburger Rede eine Rolle spielte. In dieser Lesart nutzte er die Präsenz des Islam-Westen-Diskurses mit seinem starken islamophoben Strang, um für den Katholizismus zu werben.

II.5 Reichweite und Grenzen der diskursiven Macht Bisher zeigte sich deutlich, dass der Islam-Westen-Diskurs seine Strukturierungs- und Konzeptionierungsfunktion in der RegensburgKontroverse ausübte. Zudem wurden Indizien für das Eigenleben des Diskurses gegenüber den realen Ereignissen und für die Selbst­ institutionalisierung des Diskurses in der Kontroverse präsentiert. Abschließend stellt sich die Frage, inwieweit die höchste Stufe der Macht des Diskurses zu erkennen ist, nämlich Diskursinstitutionali­ sierung. Damit ist die Wirkungsweise eines hegemonialen Diskurses gemeint, materielle Realitäten, Identitäten, bestimmtes Verhalten und institutionelle Auswirkungen hervorzubringen und in letzter Instanz die Realitäten zu generieren, von denen der Diskurs ausgeht. Die Regensburg-Kontroverse zeitigte vielfältige materiale Aus­ wirkungen. Diese können als Indizien für den Einfluss des Diskurses interpretiert werden. Nicht nur die Demonstrationen, diplomatischen Interventionen und Sicherheitsmaßnahmen, sondern vor allem die in westlicher Gesellschaften sei es lächerlich, Huntingtons Modell als politisch gefährlich zu bewerten.

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Folge der Vorlesung entstandenen mittel- und langfristigen christlichislamischen Dialog-Aktivitäten und die Politik des Vatikans können als Auswirkungen des Islam-Westen-Diskurses betrachtet werden. Die langfristig verstärkten Bemühungen des Vatikans um gute Bezie­ hungen zum Islam, die sich u. a. in institutionellen und personalpoli­ tischen Entscheidungen manifestierten, können als Zugeständnisse an die Macht des Diskurses interpretiert werden. Diese Art von »Dis­ kursinstitutionalisierung« ist unabhängig von der Motivation der Akteure; es spielt also keine Rolle, ob die Kontroverse die Einstellung des Papstes zum Islam beeinflusste oder lediglich den Zugzwang hervorbrachte, der diskursiven Aussage von der großen Bedeutung des christlich-muslimischen Dialogs Folge zu leisten. Aussagekräftiger als diese Interpretationen der Folgen der Regensburger Rede ist jedoch die Betrachtung von Identitätsstiftung, die eine wesentliche Form von Diskursinstitutionalisierung darstellt. Mächtige Diskurse prägen über ihre Konzeptionierungsfunktion nicht nur maßgeblich die (Fremd-) Identitätszuschreibung, sondern dadurch, dass sie die Perspektive für die einzelnen Diskursbeteilig­ ten festlegen, kreieren und bestärken sie auch Selbstdefinitionen. Im Kontext des Islam-Westen-Diskurses sind diese Identitäten die Zugehörigkeit zu den vermeintlichen kulturellen und politischen Kollektiven »der Islam« und »der Westen«. In den islamischen theologischen Antworten auf die Vorlesung des Papstes zeigte sich ein Zusammenschluss von Muslimen über die Grenzen von unterschiedlichen Rechts- und Glaubenstraditionen sowie Ethnien hinaus. Muslimische Dialogvertreter reflektieren die Neuartigkeit dieser Einigung in Bezug auf den Brief der 38: »In their Open Letter to the Pope, for the first time in recent history, Muslim scholars from every branch of Islam spoke with one voice about the true teachings of Islam«190 Diese Einigung ist besonders eindrucksvoll am Dokument »A Common Word« abzulesen. Renz schreibt hierzu: »[D]er Vorgang […], dass so viele muslimische Gelehrte aus aller Welt einen gemeinsamen Text verfassen bzw. verantworten […], war erstmalig in der Geschichte des Islam und der christlich-islamischen Beziehungen«. (Renz: 2009: 172) Die Rede des Papstes scheint unter Muslimen eine Orientierung an einer gemeinsamen islamischen

http://www.acommonword.com/introduction-to-a-common-word-between-u s-and-you/ (Stand: 17.9.2022).

190

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Teil F: Die »Regensburg-Kontroverse« als Beispiel für die diskursive Macht

Identität erzeugt zu haben. Im Sinne Huntingtons haben sie sich somit entlang von Zivilisationenidentitäten gruppiert. Die Annahme, dass die Identität des Westens als Westen in der Kontroverse an Bedeutung gewann, wird durch die zahlreich von Akteuren und Rezipienten vorgebrachte Forderung, der Westen müsse Geschlossenheit zeigen und sich hinter den Papst stellen, gestützt. Die New York Times erntete heftige Kritik für ihren Leitarti­ kel, der dem Papst eine Entschuldigung nahelegte. Ebenso wurde dem damaligen französischen Präsident Chirac ein Armutszeugnis dafür attestiert, dass er sich für eine diplomatischere Wortwahl Benedikts ausgesprochen hatte. (Cervi 19.9.2006) In der Rezeption war auch die Rede von Zivilisationsdissidenten, die sich dem Islam beugten. (Levy 23.9.2006) Umgekehrt wurde beispielsweise von Vittorio Messori argumentiert, dass der Islam in einem Kampf der Kulturen glückli­ cherweise keine »fünfte Kolonne« unter westlichen Intellektuellen habe. (Messori 18.9.2006) Bezeichnend ist, dass es Kommentatoren gab, die sich für ihre Kritik an der Vorlesung gegen den Vorwurf des Verrates an der eigenen Zivilisation rechtfertigten. (Colombo 17.9.2006) In zahlreichen westlichen Stimmen, die sich im Zuge der Kontroverse zu Wort meldeten, ist somit eine Identitätsdefinition mit Hilfe der diskursiven Kategorie »Westen« herauszuhören. Ein Teil der Rezipienten von Typ 3 konstatierte, dass sich der Westen in der Kontroverse geschlossen hinter den Papst gestellt habe. Diese Einschätzung, die auch so formuliert werden kann, dass der Diskurs in der Regensburg-Kontroverse für die westliche intellektu­ elle Welt ein gemeinsames Identitätsgefühl induzierte, ist aber nicht haltbar. Zu stark vertreten ist vor allem die laizistische Rezeption der Kontroverse, die sich nicht nur gegen den Islam, sondern auch gegen Benedikt XVI. abgrenzt. Des Weiteren gehören zum sehr papstkritischen Typ 2 immerhin sieben Prozent der von westlichen Rezipienten geäußerten Aussagen. Vergleicht man die Typenvertei­ lung der medial-intellektuellen Rezeption differenziert nach Islam und Westen,191 ist keine durchschlagende Gruppierung entlang der von Huntington skizzierten Zivilisationslinien erkennbar. Diese wäre dann gegeben, wenn sich die Rezeptionstypen im Westen und in der islamischen Welt von ihrer Gewichtung her fundamental voneinan­ der unterscheiden würden, wenn man also von einer »muslimischen« 191 Zu dieser Kategorisierung, die Huntingtons Konzeption aus rein methodischen Gründen übernimmt, siehe die in Kapitel F I.1 dieser Arbeit dargelegte Methodik.

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II. Gesamtbewertung

und einer »westlichen« Rezeption als inhaltlich voneinander getrenn­ ten Größen sprechen könnte. Dass dies nur ansatzweise der Fall ist, veranschaulicht die Gegenüberstellung der folgenden Graphiken: Typenverteilung im „Islam“

Typenverteilung im „Westen“ Typ 10 Typ 9 Typ 8 Typ 7 Typ 6 Typ 5 Typ 4 Typ 3 Typ 2 Typ 1

3% 14% 2% 17% 11% 16% 5% 8% 7% 17% 20%

15%

10%

5%

0%

Typ 10 Typ 9 Typ 8 Typ 7 Typ 6 Typ 5 Typ 4 Typ 3 Typ 2 Typ 1

1% 14% 17% 14% 4% 1% 3% 6% 20% 20% 0%

5%

10%

15%

20%

25%

Eine um mehr als 10 Prozentpunkte abweichende Präsenz im Westen und der islamischen Welt weisen lediglich die Rezeptionstypen 2, 5 und 8 auf. Der primär im islamischen Strang des Islam-WestenDiskurses verwurzelte Rezeptionstyp 2 ist in der islamischen Welt deutlich stärker vertreten als im Westen. Umgekehrt weist Rezepti­ onstyp 5 mit seiner Bedrohungsperzeption gegenüber dem Islam eine starke Prävalenz in der westlichen Welt auf. Typ 8, bei dem es um die Verteidigung des Islam geht, kommt um 15 Prozentpunkte häufiger im Islam als im Westen vor, was der deutlichste Unterschied in der Rezeptionsverteilung ist. Die anderen Rezeptionstypen sind in etwa gleich stark in der islamischen Welt und im Westen vertreten. Explizit gegen die These einer spezifisch muslimischen intellektuellen Rezep­ tion der Kontroverse spricht der Befund, dass Typ 1 ungefähr gleich präsent ist bzw. im Islam sogar prozentual leicht häufiger vorkommt als im Westen. Diese muslimische Selbstkritik und Verteidigung des Papstes widerspricht einer Anpassung an die Zivilisationenkategorien in der Regensburg-Kontroverse. Betrachtet man die Rezeptionsdoku­ mente nicht wie in der durchgeführten Studie basierend auf ihren Aussagen, sondern im Licht ihrer verschiedenen Autorenschaft, so erscheint es augenscheinlich plausibel, dass eine Differenzierung nach politischer Ausrichtung der Rezipienten signifikantere Unterschiede

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Teil F: Die »Regensburg-Kontroverse« als Beispiel für die diskursive Macht

zu Tage fördern würde als die untersuchte Differenzierung in Islam und Westen.192 Zusammenfassend ist festzustellen, dass die identitätsstiftende Wirkung des Islam-Westen-Diskurses zwar ansatzweise in der Kon­ troverse sichtbar wurde, die Machtwirkung des Diskurses aber nicht so weit ging, dass sich die Diskursobjekte »der Islam« und »der Westen« in der Kontroverse konstituierten. Der Diskurs erwies sich insgesamt als einflussreich; seine Macht reichte aber nicht so weit, dass er die Kategorien, in denen er denkt, und die Realitäten, von denen er spricht, hervorbrachte. Darauf verweist auch das Ergebnis von Teil D dieser Arbeit, nämlich dass es sich bei der Kontroverse nicht um einen Kampf der Kulturen handelte.

192 Was diesen Befund, dass es in der intellektuellen Rezeption der Regensburg-Kon­ troverse keine deutliche Ausrichtung an Zivilisationenidentitäten gibt, relativiert, ist die Tatsache, dass das ausgewertete muslimische Rezeptionsmaterial möglicherweise nicht repräsentativ für die »islamische Welt« ist. Dies liegt zum einen an sprachlichen Einschränkungen: Es konnten keine Dokumente berücksichtigt werden, die nicht in einer westlichen Sprache verfasst oder übersetzt wurden. Zum anderen gibt das ausgewertete Material zu einem bedeutenden Teil die Positionen von im Westen lebenden Muslimen wieder. Da allerdings der Islam-Westen-Diskurs die Trennlinie zwischen dem Westen und dem Islam nicht nur zwischen Staaten, sondern gerade auch innerhalb von westlichen Gesellschaften verlaufen sieht, hat dieses Ergebnis unter Vorbehalt dennoch Aussagekraft.

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Teil G: Einblick und Ausblick

I. Ergebnis I.1 Diskrepanz zwischen wissenschaftlicher Schwäche und Rezeptionserfolg des »Clash of Civilizations«-Konzeptes Worin ist der große Erfolg von Samuel Huntingtons »Clash of-Civi­ lizations«-Konzept begründet? Das war die Leitfrage dieser Studie. Dafür wurde untersucht, ob bzw. inwieweit dieser Theorieansatz Diagnose- und Erklärungsmacht für die gegenwärtige soziale Wirk­ lichkeit hat. Zunächst erfolgte in Teil B eine allgemeine kritische Ausein­ andersetzung mit Huntingtons wichtigsten Prämissen und Thesen. Darin manifestierten sich die theoretische und empirische Schwä­ che von Huntingtons Konzept und die geringe wissenschaftliche Überzeugungskraft seiner Thesen. Unter anderem wurden sein Zivi­ lisationenmodell als simplizistisch und sein Islambild als defizitär dekonstruiert und – basierend auf Erkenntnissen der Friedens- und Konfliktforschung – die Annahme eines Kampfes der Zivilisationen bzw. Religionen stark in Frage gestellt. Selbst im Hinblick auf den islamistischen Terrorismus ist es reduktionistisch, ihn nur als ein Phänomen religiöser Gewalt zu betrachten. Weder Religion im Allge­ meinen noch dem Islam im Besonderen kann die per se konflikt- und gewaltaffine Natur attestiert werden, die Huntington sieht. Vielmehr sind sowohl das theoretische als auch das empirische Verhältnis von Religion und Gewalt ambivalent. Wie und in welche Richtung Religion in einem konkreten, wie auch immer motivierten, Konflikt wirkt, lässt sich nicht aus dem dogmatischen Gehalt der jeweiligen Religion ableiten, sondern hängt von einem komplexen Wechselspiel mit externen, insbesondere soziopolitischen Faktoren ab. Sinnvoller als die Differenzierung der einzelnen Religionen scheint außerdem eine Differenzierung in verschiedene Formen gelebter Religiosität, wobei der konfliktfördernde Fundamentalismus nur eine Variante von Religion ist.

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Teil G: Einblick und Ausblick

In Teil C der Arbeit wurde Huntingtons Konzept am Beispiel des Russland-Ukraine-Krieges auf den Prüfstand gestellt. Es liefert einen passenden Verstehensrahmen für zwei gewichtige Dimensio­ nen in diesem Konflikt: Die zivilisatorische Rechtfertigung von Putins aggressiver Außenpolitik sowie die konfliktlegitimierende und -ver­ stärkende Rolle von Religion, auch wenn sich diese nicht so manifes­ tiert, wie es Huntingtons Theorieansatz im engeren Sinn vorsieht. Allerdings passen fundamentale Aspekte und das Gesamtbild des Ukraine-Konfliktes nicht zur Theorie. Die zentralen Konfliktlinien verlaufen anders, als Huntington in seinen prognostischen Überle­ gungen vermutete (Huntington 1998: 44–45; 263–268). Blickt man nur auf die Dimension des Antagonismus zwischen Russland und dem Westen mit Blick auf den Ukraine-Krieg, so ist es unnötig und tendenziell irreführend, die Auseinandersetzung als zivilisatorischen Kampf zu zeichnen, statt konzeptionell bei einem Konflikt zwischen verschiedenen politischen Systemen zu bleiben. In Teil D wurde detailliert untersucht, inwieweit das Kampf-derKulturen-Muster auf die Kontroverse um die Regensburger Papst­ vorlesung zutrifft. Zwar finden sich hier Anzeichen für eine kultur­ kämpferische Frontstellung zwischen Angehörigen »des Westens« und »des Islam«, was sich vordergründig als Kampf der Religionen bzw. Zivilisationen präsentieren lässt. Doch in der näheren Analyse wurde festgestellt, dass es verkürzt ist, die Kontroverse als »Clash of Civilizations« zu interpretieren. Die Hauptargumente gegen diese Lesart sind, erstens, dass es in der Rede des Papstes zentral um eine andere Zielgruppe, Thematik und Opposition ging. Zweitens war die Kontroverse künstlich durch die Medien aufgebauscht, wobei insbe­ sondere die muslimischen Proteste überproportional herausgestellt wurden. Der Vatikan bemühte sich diplomatisch um Versöhnung, und insgesamt wurde die Krise rasch beigelegt. Drittens war das mittelfristige Resultat nicht ein Kampf, sondern ein verstärkter Dialog der Religionen. In der Kontroverse gewann der interreligiöse Dialog über einen Kampf der Kulturen – sowohl als praktische Auswirkung der Ereignisse als auch als Topos in der intellektuellen Rezeption. In summa schlussfolgert diese Arbeit, dass Huntingtons Konzept sowohl theoretisch auf wackligen Beinen steht als auch empirisch nicht überzeugt. Die große Präsenz und Durchsetzungskraft seiner Kategorien und Prämissen kann daher nicht mit der wissenschaftli­ chen Qualität des Konzeptes erklärt werden.

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I. Ergebnis

I.2 Foucault erklärt Huntington: Der Erfolg beruht auf der Macht des Islam-Westen-Diskurses Die Relevanz von Huntingtons Theorieansatz liegt vor allem in der überwältigenden Breitenrezeption, die ihm zuteilwurde. »How is it that a flawed theoretical construction can remain so popular?« (Rizvi 2011: 228), fragen sich viele mit Recht. In Teil E wurde eine Antwort auf diese Frage elaboriert: Kernthese der vorliegenden Arbeit ist es, dass das »Clash of Civilizations«-Konzept ein zentraler Teil eines wei­ ter gefassten, auf Foucaults Diskurslogik operierenden Diskurses ist, den diese Arbeit »Islam-Westen-Diskurs« nennt. Die große Präsenz und der starke Einfluss von Huntingtons Konzept beruhen somit auf der Macht dieses Diskurses. Begünstigt durch Faktoren wie der Neuorientierung in der kom­ plexen Welt nach dem Kalten Krieg, der emotionalen Epochenwende durch die Terroranschläge vom 11. September 2001 und dem politi­ schen Nutzen, der sich aus einer Argumentation auf der Basis von Huntingtons Weltsicht ziehen lässt, besetzte das »Clash of Civiliza­ tions«-Modell erfolgreich das politische Erklärungsvakuum. Dabei bereitete ihm der traditionsreiche Orientalismus den Weg. Das Kon­ zept wurde aber von den meisten nicht im engeren Sinn und in seiner Gesamtheit übernommen. Trotz zahlreichen Widerspruchs gegen Huntingtons Thesen institutionalisierten sich die von ihm populari­ sierten Kategorien in der Episteme und strukturieren nun eine Viel­ zahl von Debatten und Themen. Ein mächtiger Diskurs hat sich eta­ bliert: Wir haben es gegenwärtig mit einer inneren, unterbewussten Struktur in unserem kollektiven Denken, Sprechen und Wissen zu tun, die von den dichotomen Konzepten »Islam« und »Westen« domi­ niert wird. Dieser Diskurs umspannt ein weiteres Universum als das Weltbild Huntingtons; insbesondere gehört der Topos vom Dialog der Religionen – nicht nur der vom Kampf der Kulturen – dazu. An der Regensburg-Kontroverse zeigte sich sogar, dass dieses vermeintliche Gegenmodell größeren Raum einnimmt. Huntingtons »Clash of Civi­ lizations«-Konzept stärkte und verbreitete den Islam-Westen-Dis­ kurs und ist gleichzeitig zentraler Bestandteil dieses Diskurses. Als solcher wohnt ihm eine wirklichkeitsgestaltende Qualität und das Potential der sich selbst erfüllenden Prophezeiung inne, was sich ins­ besondere in Identitätszuschreibungen und -stiftungen manifestiert. Diskursiv betrachtet ist Huntingtons Erfolg erwartungsgemäß ein Selbstläufer.

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Teil G: Einblick und Ausblick

In Teil F wurde diese experimentelle Hauptthese am Beispiel der Regensburg-Kontroverse untermauert. Nach einer zunächst eigenständigen Analyse der medial-intellektuellen Rezeption der Ereignisse wurde elaboriert, dass die Kontroverse im Gesamten als Ausdruck bzw. als »diskursives Ereignis« (Jäger 2006: 100) des Islam-Westen-Diskurses verstanden werden kann.193 All die zahlrei­ chen in der Kontroverse zu findenden Verweise auf den Kampf-derKulturen-Topos können als »Kommentare« zur Huntington'schen »großen Erzählung« des Diskurses (Foucault 1974a: 16) gewertet werden. Auch die anderen zentralen inhaltlichen Topoi des Diskurses waren bei Akteuren und Rezipienten omnipräsent, und die diskursive Konzeptionierungs- und Strukturierungsleistung zeigte sich deutlich. Ein vielsagendes Beispiel ist der diskursiv bedingte selektive Inter­ essensfokus auf den Islam: 96 Prozent der medial-intellektuellen Rezeption setzt sich mit der Islamthematik der Papstvorlesung aus­ einander. Auch die Machtmechanismen wie das diskursive Eigenle­ ben gegenüber den Realitäten und ein Anpassungsdruck, der zur Selbstinstitutionalisierung führt, wurden an der Kontroverse deut­ lich. Ein Diskurs operiert überwiegend unterbewusst, und seine Macht ist unterschwellig. Gleichzeitig kann man bei verschiedenen Akteuren interpretieren, dass sie die große Verbreitung diskursiver Prämissen in der Öffentlichkeit für ihre machtpolitischen Interessen nutzen und somit die Permanenz des Diskurses begünstigen. Diese Ausschlachtung für politische Ziele wurde in Kapitel E III.1 eng geführt auf Huntingtons Konzept skizziert. Zudem wurde eine Instru­ Als diskursives Ereignis ist die Regensburg-Kontroverse nicht nur ein Spiegel für den Diskurs und seine Macht, sondern auch eine eigenständige Größe, die ihrerseits den Islam-Westen-Diskurs beeinflusst. Dies kann unter anderem in den intellektu­ ellen Beiträgen in den Medien zeitgleich zur Krise um die Papstvorlesung gesehen werden. So veröffentlichte beispielsweise die FAZ am 16. September 2006 einen Essay, der eine Gewaltgeschichte des Islam postuliert. (Flaig 16.9.2006) Der Artikel ließ zwar die Regensburg-Ereignisse unerwähnt, es drängt sich aber die Annahme auf, dass diese eine Ursache für diesen eindeutigen Beitrag zum Islam-Westen-Diskurs waren. Deutlich wird der Einfluss auch an der indirekten Rezeption der Ereignisse, die im untersuchten Datensample 13 Prozent der Gesamtrezeption ausmacht. Ein Beispiel ist die 2008 erschienene Monographie »Feinde oder Freunde. Wie können Christen und Muslime miteinander umgehen« (Leimgruber 2008). Die Publikation möchte dem Klappentext zufolge neben dem Karikaturenstreit und anderen westlich-islami­ schen bzw. christlich-islamischen Verstimmungen auch den Regensburg-Konflikt »klären«. In summa: Die Regensburg-Ereignisse wurden in den Diskurs inkorporiert, und dieser läuft nun um einen Aspekt reicher weiter durch die Zeit. 193

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I. Ergebnis

mentalisierung des Diskurses im Hinblick auf einzelne Akteure der Regensburg-Kontroverse gedeutet. (Kapitel D II.4; Kapitel D III) Der Einfluss von Huntingtons Konzept wird vor allem dadurch aufrechterhalten, dass zwar oft seinen Thesen widersprochen wird, dabei aber seine Prämissen nicht hinterfragt werden, sondern biswei­ len sogar geteilt – und somit gestärkt – werden. Diese Kritiker fokus­ sieren sich auf eine Widerlegung der Kampf-der-Kulturen-These ohne die ihr zugrundeliegende diskursive Struktur, nämlich das Den­ ken in den Kategorien Islam und Westen, zu problematisieren. Bei­ spielsweise wird die Sichtweise auf die Welt, dass religiös-kulturelle Unterschiede die Hauptursache für mannigfaltige Probleme sind, von vielen Verfechtern eines interkulturellen Dialogs geteilt, wie Fuad Kandil feststellt. (Kandil 2004: 76–77) Auch Roy reflektiert eine Bezogenheit des Konzeptes vom Dialog der Kulturen auf das des Kampfes der Kulturen. Oft wird dem Schlagwort vom »Clash« jenes des »Dialogs« der Kulturen entgegengesetzt, was im Wesentlichen ein Zugeständnis an die Verfechter des »Clash of Civilizations« und deren Annahme einer in verschiedene Zivilisationen gespaltenen Welt ist. (Roy 2006b: 5) Sen argumentiert, dass viele Gegner des »Clash of Civilizations«-Modells dazu beitragen, dessen intellektuel­ len Unterbau zu verfestigen, indem sie die gleiche Kategorisierung von Menschen akzeptieren. Konkret widersprechen sie beispielsweise der These von der muslimischen Gewaltneigung, halten dieser aber gleichzeitig ein anderes Stereotyp entgegen, nämlich die Aussage, dass Muslime friedliebend seien. Damit wird implizit die kollekti­ vierende Annahme gestützt, dass alle Menschen, deren religiöser Hintergrund der Islam ist, allgemeinere Charakteristika teilen. (Sen 2006: 41–42) Lean fasst die Problematik zusammen: »[I]n this decades-long fixation on rebutting […the] ›clash of civiliza­ tions‹ thesis, less attention has been given to the way in which some of the very refutations that aim to dismantle it end up fortifying it by adopting the same dualistic framework. Even those voices that vocif­ erously reject arguments of cultural essentialism and incompatibility between Islam and ›the West‹ cannot easily escape a human binary impulse that leads them to cast the debate in those terms.« (Lean 2018: 2)

Da es größtenteils an Perspektive auf und kritischer Distanz zu den tieferliegenden Denk- und Sprachmustern des Kampf-der-KulturenKonzeptes fehlt, blieb es weitgehend unwirksam, dass sich vor allem von Seiten der Wissenschaft aber auch in Politik und Gesellschaft

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Teil G: Einblick und Ausblick

zahlreiche Stimmen gegen Huntingtons Ansatz aussprachen. Anders ausgedrückt: Die Öffentlichkeit ist zum einen so diskursiv gefangen, dass sie taub ist gegenüber einer akademischen Dekonstruktion von Huntingtons Thesen. Zum anderen argumentieren sogar viele Kritiker Huntingtons innerhalb und auf Basis des Islam-Westen-Dis­ kurses. Dadurch wird der zumindest im kollektiven Unbewussten ungebrochene und andauernde Erfolg des »Clash of Civilizations«Konzeptes ermöglicht. Da der Islam-Westen-Diskurs ein mächtiger Diskurs ist, der sich permanent selbst institutionalisiert, ist es schwer, sich von ihm zu distanzieren.

II. Foucault sticht Huntington: Theoriereflexion und Forschungsbedarf Samuel Huntington wollte mit seinem Konzept vom »Clash of Civi­ lizations« »ein Gerüst, ein Paradigma […] liefern, das für Wissen­ schaftler gehaltvoll und für die Macher der Politik nützlich ist.« (Huntington 1998: 12) Huntington postuliert nicht, mit ihm »alles und jedes erklären« zu können. (ebd.: 12) Es ist jedoch davon auszuge­ hen, dass er den Anspruch erheben würde, dass sein Konzept sowohl auf den Ukraine-Krieg als auch auf die Regensburg-Kontroverse angewendet werden kann. Nebenergebnis der vorliegenden Arbeit ist, dass Huntingtons Paradigma relativiert wurde. Denn in der genaueren Betrachtung zeigte sich, dass der »Clash of Civilizations«-Ansatz kein besonders aussagekräftiger Analyserahmen oder zutreffender Verständnishorizont für die untersuchten Konflikte ist. Huntington gesteht ein, dass er ein stark vereinfachendes Modell entworfen hat: »Es unterschlägt vieles, verzerrt manches und ver­ dunkelt einiges.« (ebd.: 29) Als Rechtfertigung für das Propagieren seines simplizistischen Konzeptes führt er ein Argument an, das interessanterweise an Michel Foucault erinnert. Dieser kritisiert die abendländische Philosophie für das Missachten bzw. Unterschätzen von Diskursen und für die Annahme einer Autonomie und unmittel­ baren Erkenntnisfähigkeit des Individuums. (Foucault 1974a: 31) In indirekter Analogie dazu führt Huntington aus: »Vereinfachte Paradigmen oder Landkarten sind für das menschliche Denken und Handeln unentbehrlich. Auf der einen Seite können wir derartige Theorien oder Modelle explizit formulieren und sie bewusst

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II. Foucault sticht Huntington: Theoriereflexion und Forschungsbedarf

zur Orientierung unseres Verhaltens einsetzen. Die andere Möglich­ keit ist, die Notwendigkeit solcher Orientierungshilfen zu bestreiten und anzunehmen, dass wir ausschließlich nach Maßgabe spezifischer ›objektiver‹ Tatsachen handeln, die wir jeweils konkret ›würdigen‹. Mit dieser Annahme betrügen wir uns jedoch selbst. Es gibt im Hintergrund unseres Bewusstseins verborgene Annahmen, Vorlieben und Vorurteile, die bestimmen, wie wir die Realität wahrnehmen, auf welche Tatsachen wir achten und wie wir deren Wichtigkeit und Vorteile einschätzen. Wir benötigen explizite oder implizite Modelle, die uns befähigen, […] die Realität zu ordnen«. (Huntington 1998: 32–33)

Diese Arbeit hat argumentiert, dass es Huntingtons Kategorien und Thesen sind, die sich als Schablone in unserem kollektiven Denken eingenistet haben und, wie von ihm charakterisiert, zu verborgenen Vorstellungen, Vorlieben und Vorurteilen führen. Die paradigmati­ sche Grundannahme eines relevanten Gegensatzes von »Islam« und »Westen« ist zu einer Linse geworden, die weitgehend unbewusst die Blicke steuert. Huntingtons Prämissen sind Hauptbestandteil eines mächtigen Diskurses, dessen Axiome im sozialen Unbewussten weitgehend als Wahrheit akzeptiert werden. Die Kernaspekte, die den Islam-Westen-Diskurs ausmachen, werden nur wenig, indirekt und einseitig in Bezug auf den Huntington’schen Subdiskurs reflektiert. So ist die »Clash of Civilizations«-These bisweilen Gegenstand einer Metaanalyse, meist auf der Basis des Konzeptes der »self-fulfilling prophecy« (Merton 1967 [1949]). Zum vermutlich jüngeren Diskurs­ strang des Dialogs der Religionen und allgemein zur Präsenz der Kate­ gorien Islam und Westen hingegen fehlt es weitgehend an kritischer Distanz. Diese unterschwellige Macht des Diskurses spiegelt sich in der Kontroverse um die Regensburger Rede wider: Eine reflektierte Metaperspektive auf die Ereignisse ist die Ausnahme. Die intellektu­ elle Rezeption hinterfragt überwiegend die Annahme der beiden Kol­ lektive Islam und Westen und den Topos vom christlich-islamischen Dialog nicht, sondern bedient sich ihrer. Eine indirekte Reflexion des Einflusses des – unbenannten – Islam-Westen-Diskurses auf die Kontroverse findet sich in den zehn Rezeptionstypen lediglich in einem Subtyp von Typ 9 (»Die Kontroverse ist vor dem historischen, politischen und gesellschaftlichen Hintergrund zu verstehen«). Es bedarf Studien, die die Existenz des Diskurses in den Blick nehmen und ihn vom Unterbewusstsein ins Bewusstsein bringen.

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Wissenschaftlich scheitert Huntingtons Modell in vielerlei Hin­ sicht vor allem daran, dass es zu einfach gedacht ist. Als Antwort auf seine Kritiker gesteht er beispielsweise ein, dass sowohl der Westen als auch der Islam weit entfernt davon seien, eine homogene Gruppe zu bilden. Aber er wehrt sich gegen eine Dekonstruktion seiner Prämissen: »People everywhere talk about Islam and the West. Pre­ sumably that has some relationship to reality, that these are entities that have some meaning and they do.« (Huntington 2006a) Schon in seinem Kampf-der-Kulturen-Buch argumentierte er in dieser Logik: »Wenn Muslime unterstellen, dass der Westen den Islam bekriegt, und wenn Westler unterstellen, dass islamische Gruppen den Westen bekriegen, erscheint die Schlussfolgerung plausibel, dass etwas einem Krieg sehr Ähnliches im Gange ist.« (Huntington 1998: 548) Diese fehlende Differenzierung zwischen der deklaratorisch-subjektiven und der substantiell-objektiven Ebene bzw. die Gleichsetzung der verschiedenen Realitätsebenen ist eine Vereinfachung.194 Auf diesen unkritischen Rückschluss von Rede auf Substanz kann mit Foucault geantwortet werden, dass Denk- und Sprachkonventionen kontingent und potentiell willkürlich sind. Denk- und Sprachkonventionen können jedoch gleichzeitig zu den Realitäten führen, von denen sie ausgehen, wenn sie in einen mächtigen Diskurs eingebettet sind. Denn Diskurse konstituieren in letzter Instanz die Gegenstände ihres Sprechens (Foucault 1973c: 74), in diesem Fall die Identitäten »Islam« und »Westen«. In Huntingtons eigener Konzeption ist Raum für diesen Konstruktivismus angelegt: Neben objektiven Unterscheidungskriterien wie Sprache sei es die subjektive Selbst-Identifikation der Menschen, die eine Zivilisation von der anderen abgrenze. (Huntington 1993: 24) Huntington hat diskurstheoretisch betrachtet insofern Recht, als Denken, Sprechen und Handeln Realität konstruiert. Dieser Mechanismus trifft auch auf Huntingtons Konzept selbst zu: Für Huntington ist sein Theorieansatz »eine relativ einfache, aber nicht zu einfache Landkarte zum Verständnis dessen, was in der Welt vor sich geht. Er liefert eine Grundlage zur Unterscheidung des Wichtigen vom weniger Wichtigen.« (Huntington 1998: 43–44) Huntington zeigt hier Doppelstandards; in einem anderen Kontext bemängelt er vereinfachende Schlussfolgerungen aus Phänomenen: Nur weil Nicht-Westler amerikanische Popkultur wie McDonalds annehmen, sei daraus nicht auf eine Ver­ westlichung von deren Gesellschaften zu schließen. (Huntington 1997b: 13) 194

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II. Foucault sticht Huntington: Theoriereflexion und Forschungsbedarf

Doch es kann vielmehr geurteilt werden, dass er nicht dabei hilft, zu unterscheiden, was wichtig und unwichtig ist, sondern vielmehr mit diskursiver Macht festlegt, was als wichtig und als unwichtig zu gelten hat. Diese Festlegung gestaltet Wirklichkeit. Auf einer höheren Abstraktionsstufe gestaltet Huntington mit seinem öffent­ lichkeitswirksamen Konzept, das Teil eines mächtigen Diskurses ist, die Realitäten, von denen er spricht, und trägt zu seinem eigenen Zirkelschluss bei. »Essentially, all theoretical models are wrong, but some are useful«, so lautet ein bekanntes Diktum der Statistiker George Box und Norman Draper (Box/Draper 1987: 424). Im Falle Huntingtons ist auch der Nutzen problematisch und fragwürdig. Denn sein Kampf-der-Kulturen-Modell hat das gefährliche Potential der sich selbst erfüllenden Prophezeiung.195 Die Selbstinstitutionalisierung und die ihr folgende Wirklich­ keitskonstruktion des Diskurses erschweren die Kritik an Hunting­ tons Konzept, da nicht klar ist, was als Moment Null anzusetzen ist für die Messung, ob es Zivilisationenidentitäten und eine Frontstellung zwischen dem Islam und dem Westen gibt. Ein bedeutender Strang der Forschung zur Entstehung von Nationen hat aufgezeigt, dass am Anfang »imagined communities« (Anderson 1983) stehen; gleichzei­ tig ist nicht zu leugnen, dass es heute Nationen real gibt. Analog hierzu verschwimmen die Grenzen zwischen der Perzeption, Interpre­ tation und Argumentation eines »Clash of Civilizations« auf der einen Seite und einer realen Frontstellung auf der anderen Seite, je länger und mehr der Diskurs sich ausweitet. Für Huntington hat sein Modell dadurch Gültigkeit, dass es keine bessere Alternative, kein Paradigma mit mehr Gehalt und Nutzen gebe. (Huntington 1993b: 193) Der diskurstheoretische Ansatz ist ein komplexerer Zugang, der eine Abstraktionsstufe höher als Hunting­ ton geht. Man könnte es so formulieren: Der »Clash of Civilizations« lässt sich durch die Meta-Perspektive, die der Islam-Westen-Diskurs darstellt, dekonstruieren. Vieles, was in der Welt passiert – wie am Beispiel der Regensburg-Kontroverse elaboriert –, erklärt sich nicht Siehe hierzu Kapitel E III dieser Arbeit. Manche, wie z. B. Avruch, sehen diese dem »Clash of Civilizations«-Ansatz innewohnende Dynamik schon realisiert: »Inad­ equate as a theory in social science, it was nevertheless a powerful ›folk theory‹ for influential political actors, a heuristic for understanding global conflict, and for prescribing political and military responses appropriate to the theory. Rather than predicting the state of the world and global conflict, then, the ›Clash of Civiliza­ tions‹ helped to bring it about.« (Avruch 2015: 3) 195

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Teil G: Einblick und Ausblick

bzw. weniger gut damit, dass wir es mit einem Kampf der Kulturen zu tun haben, sondern damit, dass in den Kategorien von Islam und Westen gedacht und gehandelt wird. Dies ist kein semantischer, sondern ein fundamentaler Unterschied. Es ist wünschenswert, dass die experimentelle These, dass es einen Islam-Westen-Diskurs im Sinne Foucaults gibt, im Laufe von weiteren Arbeiten zu einem Forschungsansatz ausgebaut werden kann, der eine bessere Erklärungsleistung für die soziale Wirklichkeit liefert als Huntingtons Modell. Dafür bedarf es zunächst einer ver­ tieften Auseinandersetzung mit Foucaults Diskursverständnis und dessen Operationalisierung als Theorie für sozialwissenschaftliche Makroanalysen. In der vorliegenden Arbeit wurde der Einfluss des Islam-Westen-Diskurses auf die Regensburg-Kontroverse als hypo­ thetischer Strukturierungszusammenhang aufgezeigt. Es lohnt sich, dieses experimentelle Forschungsdesign wissenschaftlich zu konsoli­ dieren, da zu erwarten ist, dass der Diskurs weiterhin öffentlichkeits­ wirksame Ereignisse und Debatten prägt und generiert. Diese könnten mit Hilfe des theoretischen Konzeptes vom mächtigen Islam-WestenDiskurs analysiert und gedeutet werden. Ziel und Anspruch bei der Entwicklung eines solchen Forschungskonzeptes sollte dabei nicht sein, mit ihm monokausale Zusammenhänge aufzudecken. Vielmehr ist das Diskurskonzept als eine weite Schablone für die Interpretation der sozialen Wirklichkeit zu behandeln, die Raum dafür lässt, ergän­ zend andere Theorieansätze zu bemühen.196 Vor allem und zunächst aber müssen Existenz, Verbreitung und Charakteristika des Islam-Westen-Diskurses in weiterer Forschung ausgebaut und präzisiert werden. Darüber hinaus wäre es interessant, andere theoretische Möglichkeiten zu eruieren, um Huntingtons Erfolg und die Omnipräsenz der Konzepte Islam und Westen zu fassen, – beispielsweise das von Bottici und Challand stark gemachte Konzept des politischen Mythos – und diese Zugänge mit dem Diskursansatz zu vergleichen.

196 Eine diskurstheoretische Betrachtungsweise einer bestimmten Realität muss ana­ log zur Herangehensweise der interkulturellen Psychologie erfolgen, bei der kulturelle Prägung unter dem Vorbehalt, dass auch die beiden weiteren Faktoren »Person« und »Situation« zu berücksichtigen sind, zur Erklärung eines Sachverhaltes herangezogen wird. (Siehe hierzu Schroll-Machl 2002: 31–32.)

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III. Ein problematisches Paradigma: Die ethische Dimension

III. Ein problematisches Paradigma: Die ethische Dimension Die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit, Huntingtons Erfolg zu ergründen, war keine normative Fragestellung. Aus dem Ergebnis resultieren aber vielfältige ethische Implikationen und Anknüpfungs­ punkte. Einige zentrale Aspekte werden im Folgenden im Sinne eines Ausblicks skizziert. Der anhaltende Erfolg des Kampf-der-Kulturen-Konzeptes trotz der massiven wissenschaftlichen Kritik an ihm verweist auf die gegen­ wärtig viel diskutierte Tendenz hin zu einer post-faktischen bzw. »post-truth« (McIntyre 2018) Gesellschaft: Objektiven Fakten wird kein höherer Stellenwert eingeräumt als dem subjektiven Empfinden – in dezidiert wissenschaftsfeindlichen und verschwörungstheore­ tisch orientierten Kreisen sogar ein niedrigerer Stellenwert. Erkennt­ nisse, die nicht ins gefühlte Konzept passen, werden ignoriert oder mit Hilfe von »alternativen Fakten« umgedeutet. Auf der Basis des Islam-Westen-Diskurses zeigt sich dieser Mechanismus bisweilen sogar in der Breite der Gesellschaft. So beklagt beispielsweise die Integrationsforscherin Naika Foroutan, dass die Ansichten, die die deutsche Öffentlichkeit über Muslime hat, blind seien gegenüber statistischen Erhebungen: »[Die] wissenschaftliche Analyse ist […] im politischen Diskurs dem Bauchgefühl einer meinungsbildenden Mehrheit unterlegen. Trends und Ergebnisse, die in puncto Integrationsfortschritte von der Wissen­ schaft gemessen werden, verschärfen eher das Misstrauen gegenüber der Forschung, als dass sie zu einem Stimmungswechsel innerhalb der Gesellschaft führen.« (Foroutan 2012: 55; siehe auch insb. 7)

Die große gesellschaftliche Präsenz des »Clash of Civilizations«-Kon­ zeptes bei gleichzeitiger empirischer Fragwürdigkeit ist vor allem insofern ethisch relevant, als das Konzept diskursive Schlagkraft hat. Das Kampf-der-Kulturen-Modell liefert durch das Stützen der diskursiven Prämissen einen problematischen Beitrag zur Gestaltung der Wirklichkeit und birgt das gefährliche Potential der sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Negative Auswirkungen sind dabei nicht nur durch die »Clash«-These selbst zu sehen und zu befürchten, sondern grundsätzlich durch die story line dieses Diskurses, nämlich die Betrachtung und Strukturierung der Welt mit Hilfe der Konzepte »der Westen« und »der Islam«, die meist mit einer Dichotomisierung

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einhergeht. So argumentiert Said, dass schon die undifferenzierte und ubiquitäre Verwendung der Kategorie »Islam« einem Kampf den Weg bereiten kann: »[T]he mere use of the label ›Islam‹, either to explain or indiscriminately condemn ›Islam‹, actually ends up becoming a form of attack, which in turn provokes more hostility between selfappointed Muslim and Western spokespersons«. (Said 1997: xv-xvi) In eine ähnliche Kerbe schlägt Reissner; er sieht die Gefahr, dass durch den »Dialog der Kulturen«-Topos diese Kulturen als voneinan­ der getrennte Einheiten angesehen und ähnlich wie Religionen als sakrosankt erklärt werden, was ein Nährboden für den »Clash of Civilizations« sei. (Reissner 2002: 6) Reale Konflikte und gewaltträchtige Frontstellungen sind im schlimmsten Fall von der wirklichkeitsprägenden Macht des IslamWesten-Diskurses zu erwarten. Aber auch im besten Fall, beispiels­ weise wenn, wie in der Regensburg-Kontroverse, der Dialog-Subdis­ kurs über die Kampf-Variante gewinnt, zeitigt der Diskurs ethisch problematische Auswirkungen, die darüber hinaus in den langfris­ tigen Konsequenzen wiederum Konfliktszenarien Vorschub leisten können. Die binären, reduktionistischen Wahrnehmungsmuster und kollektivierenden Identitätszuschreibungen haben in der Diskurslo­ gik letzten Endes die Macht, monolithische Kollektive zu befördern. Dies bedroht die kulturelle Vielfalt in der Welt. Noch existiert der Islam nur im Plural, als ein vielgestaltiges Gebilde. Doch wenn der Diskurs Menschen mit muslimischem Hintergrund eine primär muslimische Identität zuschreibt und den Islam noch dazu simplizis­ tisch monolithisch denkt, dann besteht die Gefahr, diese Vielfalt zu untergraben und vereinheitlichenden Tendenzen Vorschub zu leisten. Dies spielt tragischerweise den Islamisten in die Hände. Diese streben eine Homogenisierung des Islam an und erheben den Anspruch, alleine den wahren Islam zu vertreten. (Schröter 2021: 12) Außerdem birgt der kulturalistische Zivilisationismus die Gefahr einer Relativie­ rung und somit Schwächung der Menschenrechte. Denn wenn die Weltbevölkerung die Huntington’sche Prämisse akzeptiert, dass sich die Welt in verschiedene Zivilisationen gliedert, die fundamental, unveränderlich und unüberbrückbar unterschiedlich sind, dann liegt die Überzeugung nahe, dass die Menschenrechte nur für die westliche Zivilisation Bedeutung haben bzw. nicht mit anderen Zivilisationen kompatibel sind. Auch hier deckt sich Huntingtons Position mit der islamistischen. Sein Konzept wird bereits jetzt von islamistisch-dschi­

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III. Ein problematisches Paradigma: Die ethische Dimension

hadistischen Gruppen propagandistisch ausgeschlachtet197 und bietet deren Projekt vielfältige Rückendeckung. Neben diesen gesellschaftlichen Konsequenzen ist der Diskurs auch auf der Ebene des Individuums ethisch problematisch. Die diskursiven Prämissen schreiben Menschen eindimensionale Identi­ täten zu; Sen spricht von den Kategorien Islam und Westen als Zwangsjacken. (Sen 2006: 11–12) Und weiter: »[T]o see any person preeminently as a member of a civilization [...] is already to reduce people to this one dimension.« (ebd.: 41) Menschen werden in die dis­ kursiven Schubladen gepresst und in die Kategorien Islam und Wes­ ten geformt. Dies kann als Verletzung von deren Würde bezeichnet werden, wenn man diesen Begriff in einem weiten Sinn verwendet.198 Mit dem philosophischen Prinzip der Menschenwürde199 unvereinbar Siehe hierzu Kapitel E I.2 dieser Arbeit. Ein weites Verständnis des Würdebegriffs vertritt beispielsweise Donna Hicks in ihrem aus der Praxis von Konfliktlösung und -nachsorge entstandenen »Dignity«Ansatz. In ihrem Buch »Dignity. Its essential role in resolving conflict« (Hicks 2021) postuliert sie, dass aus der Würde jedes einzelnen ein moralischer Anspruch auf umfassende Anerkennung resultiert. »Acceptance of Identity« (ebd.: 44–52) und »Inclusion« (ebd.: 53–57) sind die ersten beiden ihrer zehn Elemente, die wir der Würde der Anderen schulden. In dieser Konzeption wäre beispielsweise der Orientalismus mit seiner konzeptionellen Objektivierung anderer Menschen zum Zweck der eigenen Selbstvergewisserung eine Würdeverletzung. Eine Missachtung von Menschenwürde im philosophisch-juristischen Begriffssinn ist allerdings auf einer anderen Ebene zu verorten als die unmittelbaren problematischen Mechanismen des Islam-Westen-Diskurses. Dennoch kann man zu einem gewissen Grad eine Analogie sehen zu einer Verletzung des 1. Prinzips der Menschenwürde als Prinzip einer grundsätzlichen Subjektstellung, d. h., der Einzelne darf nicht für das Volk oder andere allgemeine Ziele aufgeopfert werden (Knoepffler 2004: 26–27). Im Diskurs, besonders in seiner islamistischen Ausprägung bzw. Spiegelung droht eine Reduzierung des Individuums auf einen Teil eines Kollektivs (»der Islam«) und eine Nichtachtung der menschlichen Selbstbestimmung im Sinne der Freiheit des Individuums, seine eigenen Identitäten zu bestimmen. 199 Das Prinzip der Menschenwürde bedarf eines differenzierenden Kommentars. In der öffentlichen Wahrnehmung wird oft das Menschenwürdeverständnis verschie­ dener Kontexte gleichgesetzt: die Begriffsverwendung im deutschen Grundgesetz, in der UN-Menschenrechtserklärung, in Immanuel Kants Philosophie sowie in der christlichen Naturrechtslehre. Im zentralen Bedeutungsgehalt von Menschenwürde, nämlich im prinzipiellen Subjektstatus jedes einzelnen Menschen und in der prinzipi­ ellen Gleichheit aller Menschen treffen sich die verschiedenen Konzeptionen. Jedoch zeigt Nikolaus Knoepffler in seinem Werk »Würde und Freiheit« (Knoepffler 2021) wegweisend auf, dass die verschiedenen Verständnisse fundamentale Unterschiede aufweisen, die sowohl formaler als auch inhaltlicher Natur sind. In den unterschied­ lichen Ausprägungen des Menschenwürde-Konzeptes liegt begründet, dass ethische 197

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Teil G: Einblick und Ausblick

ist die diskursiv beförderte Islamophobie, wenn sie Form und Gestalt von Rassismus200 annimmt. Huntingtons Ansatz hat islamophobe Tendenzen in westlichen Gesellschaften bestärkt, was in einem Teu­ felskreis die Rechtfertigungsrhetorik der Islamisten stärkt und zu einer Radikalisierung von Muslimen beiträgt. (Esposito/Iner 2019) Kritische Distanz zum Huntington-Paradigma im Speziellen und zum Islam-Westen-Diskurs im Allgemeinen zu finden, ist auf­ grund dieser schwerwiegenden Aspekte nicht nur eine akademische, sondern eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Ziel muss es sein, die Individualität und Vielfalt, die der Diskurs durch seine Kulturalisierung, Kollektivierung und Dichotomisierung missachtet und bedroht, anzuerkennen und zu bewahren.201 Die Dynamik der Streitfragen auch im Horizont des Menschenwürde-Prinzips unterschiedlich bewertet und entschieden werden können. (ebd.: 17) Während alle vier Begriffsverwendungen unterschiedliche Grundlagen und Perspektiven haben, verläuft die tiefgreifendste Trennlinie zwischen christlichem und kantischem Verständnis auf der einen Seite und den modernen Begriffsprägungen in UN-Menschenrechtserklärung und Grundgesetz auf der anderen Seite. Der wichtigste formale Unterschied ist hier die Tatsache, dass sowohl die kantische als auch die christlich-naturrechtliche Konzeption auf Prämissen beruhen, die zunächst anerkannt werden müssen: Bei Kant die Selbstge­ setzgebungsfähigkeit des Menschen, im Christentum die Gotteskindschaft. In den Bekenntnissen der Vereinten Nationen und des Grundgesetzes hingegen wird die universalistische Grundlage der Menschenwürde mit den leidvollen Menschheitser­ fahrungen gerechtfertigt – allen voran der massiven Missachtung der Menschenwürde in der Nazi-Diktatur. Dies stellt, so Knoepffler, eine bedeutsame Innovation dar (ebd.: 37–39). Auch inhaltlich innovativ sind die beiden modernen Konzeptionen am Aspekt der Menschenwürde als Recht orientiert, nämlich als »Freiheit jedes Einzelnen, seine eigene Lebensgeschichte zu schreiben« (ebd.: 23; siehe auch ebd.: 26; 152). Kant und das Christentum betonen hingegen den Pflicht-Aspekt des Menschen gegenüber sich selbst, nicht nur gegenüber den Freiheitsrechten des Anderen (ebd.: 205–210). Eine weitgehende Harmonie – trotz fundamentaler Unterschiede – zwischen dem säkularen Verständnis der Menschenwürde, wie es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zum Ausdruck kommt, und der christlich-katholischen Konzeption der Menschenwürde ist ein Produkt kirchlicher Lernerfahrung der letzten Jahrzehnte, wie Knoepffler überzeugend darlegt (ebd.: 57–120). Aber auch Bedeutung und Interpretation des säkularen Menschenwürdeverständnisses, wie es beispieslweise im Grundgesetz zum Tragen kommt, ist und bleibt ein dynamischer Prozess, der insbesondere durch praktische Anwendungsfälle angetrieben wird (ebd.: 185). 200 Zu antimuslimischem Rassismus siehe Eickhof 2010. 201 Aus der Perspektive einer spezifisch christlichen Sozialethik in der Linie des Zwei­ ten Vatikanischen Konzils legt Bernhard Laux (2007) dar, dass die Anerkennung der Würde und Rechte aller Menschen in ihrer Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung das leitende sozialethische Prinzip sein muss. Dabei plädiert er im Hinblick auf den kulturellen Pluralismus in modernen Gesellschaften für eine ethische Orientierung

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III. Ein problematisches Paradigma: Die ethische Dimension

sich selbst erfüllenden Prophezeiung und die Wirklichkeitsgestaltung des Diskurses sind andauernde Prozesse, die nicht abgeschlossen sind. Es ist ein ethischer Imperativ, nach Kräften zu versuchen sie aufzuhalten und zu revidieren. Der Erfolg Huntingtons und die Dominanz des diskursiven Denkens202 müssen gebrochen und alle Ansatzpunkte hierfür genutzt werden. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, der zum einen den westlichen Hyperfokus auf die Islam-Konfliktlinie ablenkt und zum anderen zeigt, dass es nicht nur muslimische, sondern auch christliche Gewaltrechtfertigungen gibt, könnte eine Chance sein, Distanz zum Diskurs herzustellen. Es müssen Möglichkeiten und Strategien zur Transformation bzw. Überwindung des Islam-Westen-Diskurses erforscht werden. Ein wichtiger praktischer Ansatzpunkt für die Distanzierung vom Diskurs ist eine bewusste Sprache, ein sorgfältiger Gebrauch von Begriffen. Auch wenn es sich bei Diskursen nicht einfach um ein bestimmtes Sprechen von der Realität handelt, das mit Hilfe besserer Einsicht durch angemessenere Worte ersetzt werden kann, so ist Sprache dennoch ein Instrument, das den Diskurs stützt – oder auch nicht. Es ist kognitionswissenschaftlich erforscht, dass Sprache neuronale Vernetzungen im Gehirn und somit auch Denkkonventio­ nen stärkt, aus denen wiederum Handeln resultiert.203 Begriffe und Konzepte gewinnen bei Kommunikationsteilnehmern allein dadurch an Akzeptanz und Legitimität, dass sie wiederholt ausgesprochen werden, egal ob dies zustimmend oder ablehnend erfolgt. Rhetorische Distanzierungen und Negierungen von Begriffen – wie z. B. in dem Ausdruck »so genannter islamischer Staat« – werden vom Gehirn an der »Option für die Anderen« (Laux 2007: 235–238): »Die Ernsthaftigkeit dieser Anerkennung zeigt sich dort, wo das Recht der ›ganz Anderen‹ zu schützen ist – der Fremden, der Anders- und Ungläubigen«, so Laux (2012: 168). Somit muss sich die christliche Sozialethik kritisch mit dem Islam-Westen-Diskurs auseinandersetzen. 202 Foucaults Diskurskonzept, von dem diese Arbeit spricht, und Jürgen Habermas‘ Diskurstheorie sind zwei völlig verschiedene Ansätze. Man könnte argumentieren, dass der Habermas’sche Diskursbegriff im Foucault’schen aufgeht, also der rationale Diskurs sich nur innerhalb der etablierten Denk- und Wissensstrukturen bewegen kann. (Yoo 1993: 7f) Doch in Habermas‘ Konzept gibt es einen Metadiskurs, der es ermöglicht, immer wieder aus dem Diskurs auszusteigen und die Diskursregeln zu ändern. Vielleicht steckt hier ein Potential des Habermas’schen Diskurses, eine Meta-Diskussion zu sein, die den Diskurs, in dem sie sich dennoch bewegt, kritisiert und erschüttert. Die Erkenntnis des Islam-Westen-Diskurses, die Diskussion über ihn und das Entwickeln von Strategien zu seiner Überwindung kann eine Herausforderung für einen Diskurs im Habermas'schen Sinn sein. 203 Siehe hierzu Kapitel E II.3 dieser Arbeit.

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Teil G: Einblick und Ausblick

nicht voll wahrgenommen, sondern bestärken das Konzept, von dem sie sich distanzieren. Wenn es – wie in der vorliegenden Arbeit – für die Reflexion des Diskurses unumgänglich ist, in seinen Katego­ rien zu sprechen, gilt es gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass diese kontingent sind und der komplexen Realität nicht gerecht werden. Auf gesellschaftlicher Ebene muss eine offene Debatte stattfinden, die die kollektiven Sprachkonventionen kritisch in den Blick nimmt und danach strebt, Reduktionismus und pauschalisierende Klischees zu überwinden. Unser Sprechen über Gruppenidentitäten und -bezie­ hungen muss deren Pluralismus in gesellschaftlicher, politischer, ethnischer, nationaler, ideologischer und religiöser Hinsicht mehr gerecht werden als es die Rede von »dem Islam« und »dem Wes­ ten« leistet. Grundsätzlich ist der erste und sehr entscheidende Schritt für das Überwinden des Diskurses das Erkennen des Diskurses. Wenn wir uns bewusst werden, wie tief die diskursiven Strukturen unser Denken, Sprechen und Handeln prägen, dann können wir aus dieser Perspektive Distanz gewinnen und Raum schaffen, um Alternativen zu diesen Mustern und Strukturen zu denken. Foucault kann hier als Motto dienen: »Es gibt im Leben Augenblicke, da die Frage, ob man anders denken kann, als man denkt, und anders wahrnehmen kann, als man sieht, zum Weiterschauen oder Weiterdenken unentbehrlich ist.« (Foucault 1986: 15) Dazu muss zunächst anerkannt und reflek­ tiert werden, wie präsent und wirkmächtig die Huntington'schen Thesen und weiter gefasst die Kategorien »Islam« und »Westen« in den verschiedenen Ebenen der Öffentlichkeit sind. Die unbewusste Machtwirkung des Islam-Westen-Diskurses muss ins Bewusstsein gerückt werden. Ich hoffe, mit diesem Buch einen Beitrag dazu geleistet zu haben.

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Anhang 1: Verteilung der Rezeptionstypen (Kapitel F I.2) differenziert nach Zeitraum

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Anhänge

Anhang 2: Meta-Quellen für die Untersuchung der medialintellektuellen Rezeption der Regensburg-Kontroverse Archive Archiv des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog (berücksichtigter Zeitraum: 12.9.2006 bis 30.9.2007)

Bibliothekskataloge OPAC der Bayerischen Staatsbibliothek

Datenbanken (jeweils berücksichtigter Zeitraum: 12.9.2006 bis 31.12.2008) Columbia International Affairs Online Current Contents Connect HighWire Press Index Theologicus Infoconnex. Internationale Bibliographie der Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Literatur LexisNexis Wirtschaft Online Contents – SSG Sozialwissenschaften Oxford Reference Online Premium Social Sciences Citation Index WISO Worldwide Political Science Abstracts

Nachrichtendienste Word News Connection

Pressespiegel Pressespiegel der Deutschen Bischofskonferenz (berücksichtigter Zeitraum: 12.9.2006 bis 30.9.2007) Pressespiegel des Vatikans (berücksichtigter Zeitraum: 12.9.2006 bis 17.9.2007)

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Anhang 3: Liste der standardmäßig erfassten Medien

Anhang 3: Liste der standardmäßig erfassten Medien im Pressespiegel der Deutschen Bischofskonferenz Allgemeine Zeitung Mainz Augsburger Allgemeine Berliner Zeitung Bild Bonner Rundschau Chrismon Christ in der Gegenwart Das Parlament Der Spiegel Der Tagesspiegel Die neue Ordnung Die Tagespost die tageszeitung (taz) Die Welt Die Zeit Focus Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Frankfurter Rundschau General-Anzeiger (Bonn) Gottesdienst Hamburger Abendblatt Herder-Korrespondenz Kölner-Stadt-Anzeiger neue bildpost Neue Osnabrücker Zeitung Neue Zürcher Zeitung (NZZ) Neues Deutschland Publik-Forum PURmagazin Rheinische Post Rheinischer Merkur Rhein-Zeitung Stern Stimmen der Zeit Stuttgarter Zeitung Süddeutsche Zeitung (SZ) Welt am Sonntag Westfälische Nachrichten Diverse Bistumszeitungen

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Anhänge

Anhang 4: Liste der standardmäßig erfassten Medien im Pressespiegel des Vatikans Deutschland Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ)

Frankreich Jeune Afrique La Croix La Nef Le Figaro Le Figaro Magazine Le Monde Le Monde Diplomatique Le Point L’Express

Großbritannien The Economist The Tablet The Universe

Schweiz Neue Zürcher Zeitung (NZZ)

Spanien ABC El País El País Domingo El País Semanal El Semanal Palabra

USA Los Angeles Times Newsweek Our Sunday Visitor

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Anhang 4: Liste der standardmäßig erfassten Medien im Pressespiegel des Vatikans

New York Times Washington Post Time

Italien 30 Giorni Avvenire Corriere della Sera Corriere della Sera-Magazine Famiglia Cristiana Fides Il Foglio Il Giornale Il Manifesto Il Mattino Il Messaggero Il Regno Il Riformista Il Sole 24 Ore Il Tempo Il Venerdì Io Donna Jesus La Civiltà Cattolica La Gazzetta del Mezzogiorno La Nazione La Repubblica La Repubblica delle Donne La Stampa L’Espresso Liberazione Libero L’Osservatore Romano L’Unità Mondo e Missione Panorama Popoli e Missione Radio Vaticana Rocca Secolo d’Italia Sir Specchio della Stampa

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Hinweise zum Quellen- und Literaturverzeichnis: ●

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Die Quellen, die die Materialbasis der Teilstudie zur medialintellektuellen Rezeption der Regensburg-Kontroverse bilden (Kapitel F I der vorliegenden Arbeit), werden in diesem Verzeich­ nis nur angeführt, sofern sie entweder explizit als Beispiele in der Darlegung der Rezeptionstypen genannt wurden (Kapitel F I.2), oder anderweitig in die Arbeit eingeflossen sind. Eine Zusam­ menstellung aller 1566 Rezeptionsdokumente sowie der 370 Dokumente, die die Grundlage für die in dieser Studie präsentier­ ten 10 Rezeptionstypen bilden, findet sich in Fischer 2009. Texte von Joseph Ratzinger sind im Verzeichnis unter »Benedikt XVI.« eingeordnet. Bei klassischen Werken sind die Ersterscheinungsdaten – soweit bekannt – in eckigen Klammern beigefügt. Sie werden nach der verwendeten, im Literaturverzeichnis angegebenen Ausgabe mit Seitenzahl zitiert. Bei Angaben ohne Auflagenvermerk ist von einer Erstauf­ lage auszugehen. Als Verlagsort ist immer nur der erste Ort angegeben. Die Zeitungen Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), Neue Zürcher Zeitung (NZZ) und Süddeutsche Zeitung (SZ) werden mit ihren gebräuchlichen Kurzformen zitiert.

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