Kameradschaft: Die Soldaten des nationalsozialistischen Krieges und das 20. Jahrhundert 9783666351549, 9783647351544, 9783525351543


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German Pages [327] Year 2006

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Kameradschaft: Die Soldaten des nationalsozialistischen Krieges und das 20. Jahrhundert
 9783666351549, 9783647351544, 9783525351543

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V&R

© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35154-4

Kritische Studien zur Geschichtswissenschaf t

Herausgegeben von Helmut Berding, Jürgen Kocka, Paul Nolte, Hans-Peter Ullmann, Hans-Ulrich Wehler

Band 173

Vandenhoeck & Ruprecht © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35154-4

Kameradschaft Die Soldaten des nationalsozialistischen Kriege s und das 20. Jahrhundert

von

Thomas Kühne

Vandenhoeck & Ruprecht © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35154-4

Für Merrit und Judith

Bibliografische Informatio n De r Deutschen Bibliothe k Die Deutsche Bibliothek verzeichne t diese Publikation i n der Deutschen Nationalbibliografie; detailliert e bibliografische Date n sind im Internet über ‹http://dnb.ddb.de› abrufbar. ISBN 10:3-525-35154- 2 ISBN 13 : 978-3-525-35154- 3

Umschlagabbildung: Altarbild der Konstanzer Riesenbergkapell e © Stadtarchiv Konstan z © 2006, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen. Internet: www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Da s Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt . Jede Verwertung i n anderen als den gesetzlich zugelassenen Fälle n bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligun g de s Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohn e vorherige schriftliche Einwilligun g de s Verlages öffentlich zu gänglich gemach t werden. Dies gilt auc h bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke. Printe d in Germany. Druck und Bindung: Huber t & Co., Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier .

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Inhalt Vorwort 7 Einleitung 9 Erster Teil: Vom Streit um die Kameradschaft zum Staat der Kameraden 1918-193 9 I. Vom Krieg zum Frieden 2 1. Das letzte Licht am Horizont 2 2. Bürger und Soldaten 3 3. Gefolgschaft un d Volksgemeinschaft 5 4. Solidarität und Völkerversöhnung 5 5. Das Beste des Krieges 6

7 7 8 1 8 2

II. Vom Frieden zum Krieg 6 1. Männlichkeit und Weiblichkeit 6 2. Das Frauenhafte des Kameraden 7 3. Schicksal, Scham und Verbrechen 7 4. Die Frau als Kamerad 9 5. Der Staat der Kameraden 9

8 8 2 9 1 7

Zweiter Teil: Kriegerische Volksgemeinschaft un d verbrecherischer Krieg 1939-194 5 III. Einsamkeit in der Zwangsgemeinschaft 11 1. Deckung und Denunziation 11 2. Heiliger Geist und Potenzprotzerei 12 3. Freunde statt Kameraden 13

3 3 4 1 5

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IV. Geborgenheit in der Kampfgemeinschaft 14 1. Männliche Härte und absolute Kameradschaft 14 2. Mutterliebe und zärtliche Kameradschaft 15 3. Sterbende Kameraden, überlebende Kameradschaft 16

0 0 3 6

V. Zerrissenheit in der Schicksalsgemeinschaft 17 1. Familienidyll und Frauenabenteuer 17 2. Heimweh und Frontsog 17 3. Wurstigkeit und Durchwursteln 19

2 2 8 3

Dritter Teil: Vom guten Kameraden zur bösen Kameradschaft 1945-199 5 VI. Die Privatisierung der Kameradschaft 20 1. Lagerfreundschaft stat t Lagerkameradschaft 20 2. Veteranenzirkel stat t Veteranenbewegung 21 3. Familientreffen stat t Männerbund 22

9 9 4 1

VII. Die Stigmatisierung de r Kameradschaft 22 1. Kameradschaft al s Glanzlicht der Demokratie 22 2. Kameradschaft i m Zwielicht der Unterhaltungsindustrie 24 3. Kameradschaft i m Dunkel der zivilen Gesellschaft 25

9 9 6 3

Schluss 27

1

Abkürzungen 28

1

Quellen- und Literaturverzeichnis 28

3

Register 32

5

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Vorwort Diese Buch beginnt nicht zufällig mi t einem Schlaglicht au f die Geschichte der Stadt Konstanz. Dort, zwar nicht gerade auf dem Marktplatz oder an der Riesenbergkapelle, abe r doc h i n de r inspirierende n Arbeitsatmosphär e de r Universität is t di e Ide e dazu entstanden , run d siebzig Jahr e nac h dem großen Kameradschaftstreffen de r 119e r von 1925 . Um aus der Idee ein Buch zu machen , bedurft e e s freilic h manche r Umwege . Vo n Konstan z gin g e s nach Bielefeld , w o di e Deutsch e Forschungsgemeinschaf t da s Projek t mi t einem. Habilitationsstipendium großzügi g unterstützte , dan n über Tübingen und Rottenbur g fü r ein e kurz e Zei t zurüc k i n di e Bodenseeregio n nac h Weingarten, w o ich, dank der Synergie vo n Lehr- und Schreibtätigkeit, di e Habilitationsschrift z u End e bringe n konnte . Nac h Abschlus s de s Habili tationsverfahrens a n de r Fakultä t fü r Geschichtswissenschaft , Philosophi e und Theologi e de r Universitä t Bielefel d i m Somme r 200 3 ha t ein e Einla dung an das Institute for Advanced Study in Princeton, New Jersey, die zeitlichen und mentalen Voraussetzungen geschaffen , da s Manuskript zu überarbeiten und zu straffen. De n letzten Schlif f verdank t e s dem kooperativen Klima de r Clar k Universit y i n Worcester , Massachusetts . De r DFG , de r Fritz-Thyssen-Stiftung, de r Volkswagen-Stiftung, de r Uni Konstan z sowi e dem Strassler Family Cente r for Holocaust and Genocide Studies der Clark University bi n ic h auc h fü r di e mi r gewährt e finanziell e Unterstützun g i n Form von Stipendien und Sachbeihilfen zu großem Dank verpflichtet . Dankbar bin ic h allerding s auc h fü r vielfältige ideell e un d intellektuell e Unterstützung. Ohn e di e Zeitzeuge n ode r dere n Angehörige , di e sic h fü r Interviews zu r Verfügun g gestellt , brieflich e Auskünft e gegebe n ode r den Zugang zu persönlichen Zeugnissen gestattet haben, hätte dieses Buch nicht geschrieben werden können. Fritz Farnbacher, Hellmut Franck, Ludwig von Friedeburg, Dirk Heinrichs, Werner Kullen, Hans-Jörg Kimmich , Wolfgan g Langer, Han s Mehrle , Huber t Meyer , Ell y Napp , Elma r Roth , Heinric h Stockhoff, Tanj a Schmidhofer , Herman n Schneider , Diete r Wellershoff , Markus un d Helmu t Wißman n seie n stellvertreten d fü r viel e ander e ge nannt. Marti n Doerr y ha t au f sein e Weis e zu r Bereicherun g meine r Mate rialsammlung beigetragen . Walte r Kempowsk i ha t mi r i n eine m frühe n Stadium de r Arbei t sei n private s Archi v zugänglic h gemach t un d gleich zeitig, zusamme n mi t seine r Fra u Hildegard , de n denkba r angenehmste n Archivaufenthalt beschert . 7 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35154-4

Dass ic h nich t gan z i n de n Quelle n ertrunke n bin , verdank e ic h de m Gespräch mi t Kollege n un d Freunde n - privatim , i n Kolloquie n ode r au f Tagungen. Für ihre Kritik an meinen Kurzschlüssen und die Beharrlichkeit, mit der sie mir neue Interpretationshorizonte eröffnet haben , bin ich Margaret Lavinia Anderson, Detlef Bald, Omer Bartov, Caroline Walker Bynum, Kathleen Canning , Nicol a D i Cosmo , Marti n Dinges , Christo f Dipper , Anselm Doering-Manteuffel , Deb órah Dwork , Dagma r Eilerbrock , Ut e Frevert, Michae l Geyer , Gudru n M . König , Diete r Langewiesche , Al f Lüdtke, Kaspa r Maase , Geoffre y Parker , Jame s Retallack , Anso n Rabin bach, Cornelia Rauh-Kühne, Ute Schneider, Nicolas Stargardt, Hans-Ulrich Wehler, Bern d Weisbrod, Wolfra m Wette , Andreas Wirschin g un d Benja min Zieman n seh r verbunden . De r Freundschaft , nich t nu r de r Kamerad schaft, von Michael Geyer und Benjamin Ziemann verdanken das Buch und ich mehr als sich hier zum Ausdruck bringen lässt. Ute Frevert , Heinz-Gerhar t Haup t und Diete r Langewiesch e habe n sic h der Mühe unterzogen, ein viel zu langes Manuskript als Habilitationsschrif t im Eilgang z u begutachten, wofür ic h ihnen ebenso dankbar bin wie HansUlrich Wehler , de r zusamme n mi t de n Mitherausgeber n de r »Kritische n Studien« für eine schnelle Begutachtung und Drucklegung gesorgt hat. Meine beiden Töchter haben zum Fortgang diese s Projekts nicht unmittelbar beigetragen. Ihr alltäglicher Eigensinn hat immerhin meine Hoffnun g genährt, dass es, trotz allem, so etwas wie Fortschritt in der Geschichte gibt. Ihnen is t diese s Buc h über s Mitmache n gewidme t - au f das s si e auc h i n Zukunft nicht zu allem Ja sagen. Worcester, Mass., im Herbst 2005

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Thomas Kühne

Einleitung 1. Ein Begriff aus einer anderen Wel t »Kameradschaft« - da s is t »ei n Begrif f wi e au s eine r andere n Welt« . Mi t dieser Feststellung zog Der Stern 199 9 das Fazit einer Begegnung zwische n Wehrmachtsveteranen un d Gymnasiasten . Di e Illustriert e wollt e beid e z u einem Dialo g zusammenführen . E r gestaltet e sic h schwierig . Waru m di e Soldaten mitgemacht hatten bei jenem schrecklichen Krieg, warum sie nicht einfach desertier t seien , wollte n di e Schüle r wissen . Mi t »unbegreifliche m Absolutheitsanspruch« antwortete n di e alte n Soldaten : »E s wär e un s wi e Verrat an den kämpfenden Kameraden vorgekommen.« Di e Schüler freilic h hatten ander e Phantasie n vo n den Motiven de r Generation ihre r Großväte r im Krieg. Eine r brachte e s au f den Punkt: »D a ware n garantier t genügen d Soldaten dabei, denen es voll Spaß machte, Leute abzuknallen.« 1 Am Ende des Jahrhunderts de r beiden Totale n Krieg e ka m di e massen hafte Gewal t in s Gerede, mehr als in den Jahrzehnten zuvor . Krieg e waren den Europäer n i n de r lange n Friedensperiod e ihre s Kontinent s frem d ge worden. Wehrdienstverweigere r erfreute n sic h wachsende r gesellschaft licher Akzeptanz . Di e allgemein e Wehrpflich t wurd e obsolet . De r Solda t büßte seine Funktion als soziales Leitbild ein und sah sich gar als »Mörder« tituliert. Abe r di e kriegerisch e Gewal t lie ß di e zivil e Gesellschaf t nich t i n Ruhe. De r Krie g kehrt e nac h Europ a zurück . Rea l i n Gestal t de r gewalt samen Konflikte i m zerfallenden Jugoslawien , imaginä r i n einer intensive n Diskussion u m di e Bedeutun g de s Kriege s fü r di e modern e Gesellschaf t und um die kollektive Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg un d den Holocaust. Dies e Debatte n drehte n sic h nich t mehr nur um die Leiden, sonder n um di e Lus t a m Krieg , auc h a m Krie g gege n Wehrlose , Gefangene , Zivi listen, Fraue n und Kinder. Lus t a m Krieg - da s is t allerding s ein e polemi sche Formel , i n de r sic h da s Entsetze n de r Zivilgesellschaf t übe r di e Gewaltbereitschaft vo n Menschen Ausdruc k verschafft , di e aus ihrer Mitte kommen. Der Streit um die »Vergangenheit, di e nicht vergehen will« (Erns t Nolte) bekam ein neues Gesicht. Ihm waren nicht nur anonyme Herrschaftsstruktu ren oder wenige Verbrecher an der Spitze des NS-Regimes eingeschrieben . 1 De r Stern 10.06.99 , S. 152-15 8 (»De r Erinnerun g ein e Zukunft geben«) , Zitate S. 156 , 158.

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Die Verbreche n de s Jedermann , di e Unterstützung , da s Mitmache n un d Mitwissen der »ganz normalen Deutschen« stande n nun auf der Agenda der Erinnerungspolitik. Büche r wi e Danie l Goldhagen s filmähnlich e Rekon struktion de s Holocausts durch viele klein e Täte r und die Wehrmachtsausstellung de s Hamburge r Institut s fü r Sozialforschun g mi t de n Schnapp schüssen vo m Judenmord , di e einfach e Landse r gemach t hatten , stellte n beunruhigende Fragen : Hatte n di e of t noc h lebende n Väte r un d Großväter am systematische n Massenmor d partizipiert ? Wi e hatt e si e da s getan freiwillig, billigend , zuschauend, wegschauend?2 Im Hinblick auf die rund siebzehn Millionen Wehrmachtssoldaten stellt e sich dies e Frag e nac h de r Gewaltbereitschaft mi t besonderer Eindringlich keit, auc h wenn vermutlich nu r ein kleiner Tei l vo n ihnen an den Massenerschießungen de r Jude n i m Oste n akti v beteilig t war . Di e Wehrmachts soldaten hatte n nich t nu r eine n verbrecherische n Krie g mitgetragen . Si e hatten auc h i n eine m sechsjährige n Totale n Krie g unte r katastrophale n Lebens- un d sic h dramatisc h verschlechternde n Überlebensbedingunge n durchgehalten. Warum? Das Militär ist kein Hort widerständigen Handelns, aber die Geschicht e kenn t viele kollektiv e Forme n de r Verweigerung. Ge rade der Erste Weltkrieg, au f den die Akteure de s Zweiten zurückblickten , war vol l davon. 3 Völli g ander s al s unte r de n weniger gravierende n Bedin gungen des Ersten Weltkriegs, der mit der Revolte des Militärs ausging, gab es jedoch i m Zweiten Weltkrie g nich t einma l Ansätz e kollektive n Protest s oder kollektiver Verweigerung au f breiterer sozialer Basis. Der Zusammenhalt de r Wehrmach t un d ihr e militärisch e Effizien z bliebe n bi s zu r Kapitulation ungebrochen. Warum? Auf solch e Frage n such t diese s Buc h ein e Antwort . A m Anfan g diese r Suche standen Irritationen darüber, wie Angehörige der »Kriegsgeneration« von ihre n Kriegserlebnisse n erzählten . Vo n de r kriegerische n Gewalt , zu mindest der selbst ausgeübten ode r gar der verbrecherischen, wa r d a kaum die Rede . Häufige r dagege n vo n de n Leide n a m Krie g un d besonders von »menschlichen« Erfahrunge n wi e Hilfsbereitschaft , Geborgenheit , Selbst losigkeit: Kameradschaft . Das s si e al s Kamerade n fü r ihr e Kamerade n - un d nich t etw a au s gewaltlüsterne n ode r verbrecherische n Motive n her aus - gehandel t hätten , behauptete n Leserbrief e un d Gedenkanzeige n a n gefallene Brüder , Väter und eben Kameraden in der Tagespresse der neunziger Jahre immer wieder. Dass er »in der Verantwortung gegenübe r seinen Kameraden« gefalle n se i ode r das s e r »sei n Lebe n be i de r Bergun g eine s 2 Kühne , Vernichtungskrie g I, S. 586ff.; Assmann/Frevert , S. 277ff.; Naumann , Jahrzehnt; ders., Soldaten. 3 Ziemann , Erwartung ; ders. , Fahnenflucht ; zu r französische n Arme e Smith, Mutiny ; allg . Rosse; Flaschka, dessen Akzent jedoch auf der Militärelite liegt.

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verwundeten Kameraden « eingesetz t habe , heißt es dann. 4 »Kameradschaf t und Zusammenhalt i n den Zügen und Kompanien« sowi e die »Verbunden heit mi t Vol k un d Vaterland« hab e de n Soldate n »di e seelisch e Kraf t un d Moral fü r ihre n Kampf « gegeben. 5 Kameradschaf t schein t geradez u da s Leitmotiv de r Kriegserinnerunge n de r alte n Soldate n i n Deutschlan d z u bilden. Eine r von ihne n erklärt e mir , durc h ein e Geschicht e de r Kamerad schaft werd e »fü r später e Generatione n festgehalten , wa s uns , die nu n abtretende Kriegsgeneration, bewegt hat.« 6 Solche Erwartunge n einzulösen , gestaltet e sic h nich t einfach . Un d die s nicht nur , wei l manch e ehemalige n Soldate n di e Auskunf t darüber , wa s denn diese Kameradschaf t bedeute t habe, schlichtweg verweigerten , könn e ein Außenstehende r dies e doc h niemal s ergründen : Kameradschaf t müss e man erlebt haben, sie lasse sich nicht analysieren und zwischen zwei Buchdeckel pressen . Noch größere Problem e stellte n sic h der Untersuchung de r Kameradschaft dadurch , das s di e Kriegsgeneratio n keinesweg s s o homogene Erinnerungen an den Krieg und speziell an die Kameradschaft hat , wie jene euphorisch e Äußerun g nah e legt . Mei n Vate r etwa , de r als Angehöri ger de s Jahrgang s 192 5 i m Herbs t 194 3 eingezoge n worde n un d i m Kur landkessel i n russische Gefangenschaf t gerate n war, ga b desillusionierend e Erinnerungen an die Kriegskameradschaft zu m Besten, als ich mein Interesse dara n erwähnte . Etw a wi e ei n Majo r vo n de r Hauptkampflini e au s pe r Funk den Befehl nac h hinten erteilte: »Ein Melder mit drei Kisten Rotwei n sofort zu m V.B.« (de m »Vorgeschobenen Beobachter-Posten« , a n dem der Major wartete). Oder wie derselb e Offizier sic h nach dem Erhalt der Kapitulationsmeldung a m 8 . Ma i 194 5 i n sei n Aut o setzte , u m sic h au s de m Kurlandkessel durc h di e feindliche n Linie n hindurc h nac h Deutschlan d durchzuschlagen, sein e Soldate n abe r ihre m Schicksa l überließ. 7 Ander e ehemalige Soldate n erzähle n mi t erklärte r Spitz e gege n ein e nachträglich e Glorifizierung de r Kameradschaft, wi e si e aus Enttäuschung übe r unkameradschaftliche Vorgesetzt e ode r schlecht e Kamerade n au s de r Wehrmach t desertiert seien. 8 Ist die euphorisch e Kameradschaftserinnerun g nu r Lug un d Trug? Oder einfach da s Produk t sentimentale r Verklärung ? Nich t nu r Zeitzeuge n un d 4 FA Z 27.04.98, Gedenkanzeige fü r Han s von der Bruch von seinem »Kriegskamerad « Lotha r Kappe; ebd. 06.07.00, Anzeige fü r Hein z Oesterlink; ebd . 30.06.01, Anzeige für Hermann Krafft . 5 FA Z 29.04.95, S. 10 , Leserbrief v. Hans Joachim Mischke . 6 Schreibe n vo n A.O . (geb . 1915 , ehem . Offizie r de r Fallschirmpanzerdivisio n Herman n Göring) a n Verf . 09.09.94 . Di e Erinnerungsgeschichte n de r Traditionsverbänd e berufe n sic h toposartig darauf , z.B . Boehm, i m Vorwort; Kannicht ; insbesonder e di e Verbandszeitschrifte n wi e Alte Kameraden ode r Soldat i m Volk. 7 Mündlich e Mitteilunge n 1996/9 7 u . Niederschrif t vo n Carl-Lota r Kühne , Di e 14 . Panzer Division (1998). 8 FA Z 20.05.97, Leserbrie f v. Erwin Frank .

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Jugendliche äußer n solch e Vermutungen . Auc h Historike r bestätige n de n Eindruck, di e Beschwörun g de r Kameradschaf t durc h di e Veterane n se i bloße Legendenbildung. 9 Ome r Barto v sprich t i n seine m wegweisende n Buch übe r »Hitler s Wehrmacht « zwa r nich t vo n Kameradschaft , sonder n von Primärgruppenbeziehungen . Dies e abe r stelle n au f da s ab , wa s di e Soldaten meinen , wen n si e vo n Kameradschaf t sprechen : feste , familien ähnliche, au f Vertraue n basierende , persönlich e Band e i n de n kleinere n militärischen Einheiten. Gegen Ende des Krieges hatten die amerikanischen Militärsoziologen Edward Shils und Morris Janowitz die Auffassung vertre ten, dass solche libidinösen, durc h die paternalistische Autoritä t des Unteroder Subalternoffizier s zusammengehaltene n Gruppenbindunge n de n Kit t der Wehrmacht darstellten. 10 Di e Divisione n ware n i n Wehrkreise n aufge stellt worde n un d landsmannschaftlic h homoge n zusammengesetzt . I m Gefecht aufgerieben e Divisione n wurde n nac h Möglichkei t geschlosse n i n Ruhestellungen gezogen, der Ersatz dort aufgefüllt, s o dass Gelegenheit zur Assimilation bestand , und dann die Gruppe als Ganzes wieder an die Front geschickt. Einzeln e verwundete ode r erkrankte Soldate n wurden nach ihre r Genesung z u ihre m alten Truppentei l gesandt . Diese r lang e Zei t unbestrit tenen Primärgruppenthes e widersprac h Bartov . Seine r Auffassun g nac h waren di e durc h di e Verlust e i m Oste n bedingte n personelle n Umschich tungen s o groß , das s vo n Primärgruppe n sei t de m Winte r 1941/4 2 kein e Rede meh r sei n könne . Wenn de r deutsche »Landser « verbisse n weiterge kämpft hatte , dann musst e die s ander e Gründ e haben. Barto v zeichne t da s düstere Bil d eine r »barbarisierten« , vo m Antisemitismu s durchdrungene n Truppe, in der sich der Terror von oben (die drakonische Militärjusti z und die rigoros e Disziplin ) ungehemm t i n Terro r nac h auße n entlade n konnte , da di e »verbrecherischen « Befehl e Aggressione n gege n di e Zivilbevöl kerung für straffrei erklär t hatten. 11 Allenfalls gege n Ende des Krieges seien abstrakte Primärgruppenbindunge n i m Sinn e de r vo n NS-Propagand a beschworenen »Volksgemeinschaft « handlungsrelevan t fü r di e Soldate n geworden.12 Die historisch e Forschun g läss t zwa r a m Antisemitismu s un d Antibol schewismus de r Soldate n keine n Zweifel . Ebens o steh t auße r Frage , wi e sehr sie an Hitler glaubten und dass die drakonische Militärjustiz sowie die 9 Latzel , Identität, S. 13ff.; ders., Soldaten, S. 39. 10 Shils/Janowitz , S. 280-315. Erst e Überlegungen in einem Memorandum Shils' vo n 1943, Shils Maunscript Series II Box 117, University of Chicago Library. Vgl. Burk. Zur Weiterentwicklung vgl. z.B. Shils, Study; Janowitz/Little, S. 109ff.; Little ; Moskos; Chodoff; Roghman/Ziegler, S. 168ff.; Meyer , Kriegs - un d Militärsoziologie , S . 112ff.; Oetting , S . 74ff., 108ff. ; Madej ; Grossman, S. 149ff. Creveld, Kampfkraft. 11 Bartov , Soldaten. 12 Diese n Aspekt betont auch Fritz.

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Terrororganisationen de s NS-Staate s si e zu m »Durchhalten « antrieben . Aber di e Frag e nac h de m soziale n Zusammenhal t de r Soldate n is t dami t keineswegs beantwortet . Allerding s is t de r wissenschaftlich e Umgan g mi t der Kameradschaf t wi e mi t de n Primärgruppe n star k wertbehaftet . Di e Primärgruppentheorie is t di e wissenschaftlich e Fassun g de r Kamerad schaftserinnerungen. Wen n de n Wehrmachtssoldate n gut e Kameradschaf t bezeugt wird , dan n werde n si e au s de r Verstrickun g i n di e Verbreche n gegen di e Menschlichkei t herausgelöst . Wen n dagege n dies e Verstrickun g nachgewiesen werden soll, wie bei Bartov, kann es mit ihrer Kameradschaf t nicht weit her gewesen sein. Denn Kameradschaft gil t als hehre Tugend. Sie scheint nicht in ein dunkles Bild von der Wehrmacht zu passen. Aber wenn auch die Veteranen ihren Altruismus im Krieg beschwören mögen, um ihre Verbrechen zu verschleiern, so bedeutet dies nicht, dass diese Erinnerungen oder die Primärgruppenthese keinen realen Bezug haben. Noch verzwickter wird es, wenn man eine spezielle sozialpsychologisch e Deutung von Kameradschaft mi t in Betracht zieht. In seinem Buch über das Reserve-Polizeibataillon 10 1 ha t Christophe r Brownin g 199 2 gezeigt , wi e Gruppendruck »gan z normal e Männer « veranlasste , bei m Massenmor d a n Juden »mitzumachen« . Si e wollten nich t als Schwächling e verspottet , son dern al s »Männer « vo n ihre n Kamerade n anerkann t werde n un d integrier t sein.13 Kameradschaft erschein t hier in einem anderen Licht als in der Erinnerung de r Wehrmachtsveteranen: nich t al s Tugen d de r Fürsorge, sonder n als Motor bestialischer Gewalt. Manchen feministischen Wissenschaftlerin nen gil t solch e »männlich e Kameradschaft « geradez u al s Brutstätt e eine s kriegerischen Männerbundes . Biete si e Männer n »Geborgenheit« , s o wirke sie gleichzeitig al s »Solidarität gegen Frauen«. 14 Ein solche s dämonische s Verständni s vo n Kameradschaf t is t de m de r Wehrmachtsveteranen diametra l entgegengesetzt. Handel t es sich überhaupt um vergleichbar e Dinge ? Ode r nu r u m ein e Begriffsverwirrung ? Jünger e Soldaten behaupten , di e Sozialpsychologi e jene r Polizeieinheit , di e Brow ning analysiert, habe mit »Kameradschaft« nicht s zu tun. Kameradschaft i m Sinne gegenseitige r Hilfsbereitschaf t un d Fürsorg e gehör t z u de n Berufs pflichten de r Bundeswehrsoldaten. Si e gil t ihne n als eine militärische Kar dinaltugend, di e über Zeit und Raum erhaben ist. 15 Das Handeln jener Einheit des Himmlerschen Apparate s offenbar e ein e »völlig e Verdrehun g die ses Begriffs hoher soldatischer Verpflichtung de s Einen für den Anderen«. 16

13 Browning , S. 107, 175, 242; siehe unten. 14 S o distanzierend Seiffert, Theorie, S. 862. 15 Vgl . nur Mosen, S. 60ff. 16 Rezensio n von K. Burg zu Browning, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 1993 , S. 565.

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Kameradschaft is t vergangen und doch gegenwärtig un d gerade in dieser Zeitlosigkeit undurchschaubar . Di e Aufgab e de s Historiker s besteh t darin , das, wa s übe r di e Zei t erhabe n z u sei n beansprucht , i n seine r Zeitlichkei t sichtbar zu machen. Jener Anspruch auf Überzeitlichkeit weist auf den Kern aller Debatte n um den NS-Krieg. Wen n Wissenschaftler au f den Gruppenzusammenhalt al s Fakto r de s Massenverbrechen s abheben , spreche n si e über etwas, das nicht spezifisc h fü r de n Nationalsozialismus ist ; Brownin g knüpft explizit an die Untersuchungen Stanle y Milgrams an. Danach stimulieren Obrigkeitshörigkeit un d Gruppendruck keinesweg s nur unter nazisti schen Deutschen Gewalt un d Verbrechen. Und wenn die Wehrmachtsveteranen ihre Kameradschaft i m Krieg beschwören, wollen si e ebenso wie die der Primärgruppentheori e verpflichtete n Militärsoziologe n sagen , das s si e gekämpft hätten wie Soldaten sei eh und je. 2. Eine Erfahrungsgeschichte de s nationalsozialistischen Kriege s Alle Frage n nac h de m Mitmache n i m NS-Krie g sin d imme r auc h Frage n nach desse n Or t i m 20 . Jahrhundert , de m »Zeitalte r de r Extreme « (Eri c Hobsbawm). Der NS-Krieg war kein »normaler« Krieg. Aber seine Akteure waren »normale « Männer , Familienväter , Arbeiter , Bauern , Akademiker . Sie kame n au s »normalen « soziale n un d familiäre n Verhältnissen . Un d nach dem Krieg, auch nach den Verbrechen, kehrten sie, soweit sie überlebt hatten, in solche Verhältnisse zurück. 17 Der nationalsozialistische Krie g hatte eine Vor- und eine Nachgeschichte. Der Holocaust war der Kulminationspunkt nich t nur des Antisemitismus in Deutschland , sonder n auc h jene r »Vergesellschaftun g de r Gewalt « (Michael Geyer) , die sich in Deutschland seit dem Ersten Weltkrieg entfal tete.18 Dies e Gewal t is t de n Deutsche n nich t durc h di e nationalsozia listischen Machthabe r aufgepfropf t worden , sonder n entstan d au s de r Gesellschaft heraus . Abe r diese r Prozes s wa r kei n Automatismus . E r war genauso weni g selbstverständlic h wi e di e gegenläufig e Entwicklung , di e »Entgesellschaftung« de r Gewalt nach 1945 . Die deutsche Kapitulation, die »Stunde Null« , trenn t i m geläufige n Geschichtsbil d di e mi t de m Erste n Weltkrieg einsetzend e Period e sic h radikalisierende r Gewal t vo n eine r mittlerweile noc h längere n Phas e ausgeprägte r Friedenslieb e un d stabile r demokratischer Strukturen . Au s de r »Kriegskultur « eine r Gesellschaft , i n der de r Solda t di e sozial e Leitfigu r un d di e Vernichtun g de s Andere n Maxime aller Politik war, entwickelte sic h die »Friedenskultur« eine r Zivil17 Vgl . Schneider, Reinheit, S. 21 ff. 18 Geyer , Organisation, S. 27. Vgl. Ziemann, Vergesellschaftung; ders., Eskalation.

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gesellschaft, di e Vielfal t un d Pluralitä t ermöglich t stat t Uniformitä t un d Terror z u erzwingen . Di e Deutsche n habe n sic h »vo m totale n Krie g zu m totalen Friede n hin entwickelt«, un d gleichzeitig auc h vom Führerstaat zu r Demokratie.19 Wie aber haben sie das gemacht? Die Entwicklung hi n zu einer Zivilität, die i n de r deutschen Vergangenhei t kein e Parallel e hat , wa r noc h wenige r zu erwarten al s di e gegenläufig e zuvor. 20 Di e Frage nach de m Zusammenhang vo n Gewal t un d Frieden , vo n Terro r un d Demokrati e stell t sic h be sonders eindringlich, wen n man sich klar macht, das s es weithin dieselbe n Menschen waren, die zuerst das eine und dann das andere praktiziert haben. Jene Geburtskohorten , di e de n Erste n Weltkrie g nich t meh r ode r nu r al s Kinder erleb t haben, stellte n run d neun von zehn jener 1 7 Millionen deut schen Soldaten, die zur Wehrmacht eingezogen wurden. 21 Si e erhielten ihre biographische Prägun g i n der Zwischenkriegszeit, i n den Wirren der zwanziger und in der Uniformität de r dreißiger Jahre. Zusammen mit ihren Frauen, Verlobten oder Geliebten bildeten sie die »Kriegsgeneration« de s Zweiten Weltkrieges. Diese Jahrgänge stellte n di e Masse de r Soldaten un d Sol datenfrauen. Un d nach 194 5 vollzogen sie, soweit sie den Krieg überlebten, den Wande l Deutschland s vo m Terro r zu r parlamentarische n Demokrati e im Westen und zur sozialistischen »Volksdemokratie « i m Osten. Demographisch verkörpern sie die Einheit des 20. Jahrhunderts. Gesellschaftlich un d kulturell repräsentiere n si e desse n Widersprüchlichkeit . Wi e habe n si e beides - de n Weg in den Terror und den Weg aus dem Terror - verbunden ? Welchen Or t als o ha t de r nationalsozialistisch e Krie g i m Kontinuu m de s 20. Jahrhunderts? Das vorliegende Buch versucht diese Frage zu beantworten, indem es das Leitbild de r Kameradschaf t zu m Dre h un d Angelpunk t eine r di e Vor- , Haupt- un d Nachgeschicht e de s NS-Kriege s integrierende n Erfahrungs geschichte macht . Ein e solch e bemüh t sic h u m Nähe z u de n historische n Akteuren, ihre m Handeln , Denke n un d Fühlen . Si e setz t di e unterschied lichen, verhaltensmäßigen , emotionalen , kognitiven , habituellen , institutio nellen un d diskursive n Ebene n de s menschliche n Dasein s i n Beziehun g zueinander. »Empathi e mi t de n Tätern« z u entwickeln, wi e die s Brownin g und frühe r Marti n Brosza t geforder t haben , is t freilic h ei n schwierige s Unterfangen, de m sich nicht nur psychische un d moralische Hemmniss e in den We g stellen. 22 E s birg t auch , s o de r Ethnolog e Cliffor d Geert z ohn e Bezug au f de n Nationalsozialismus, di e Gefahr , »di e Erfahrunge n andere r 19 Zita t vo n Gottfrie d Niedhart , in : Faulenbach/Jelich , S . 80, vgl . Kühne , Friedenskultur , S. 14ff . 20 Naumann , Einleitung, S. 9ff., neuerding s u.a. Manie, Politik. 21 Vgl . Overmanns, Verluste, S. 222 und 334. 22 Browning , S. 16f. Vgl. Broszat, Historisierung; ders., Plädoyer.

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in de n Rahme n unsere r Vorstellungen « blo ß einordne n z u wolle n un d s o erst recht zu verfehlen. Stattdesse n müssen wir, s o Geertz, »solche Vorstellungen ablege n un d di e Erfahrunge n andere r Leut e i m Kontext ihre r eige nen Ideen über Person und Selbst« - und , so mag man ergänzen, über ihre Gesellschaften un d Gemeinschafte n - betrachten. 23 Geert z regt e daz u an , den »symbolische n Formen« , Worten , Bildern , Institutionen , Verhaltens weisen, »mit denen sich die Leute tatsächlich vor sich selbst und vor anderen darstellen«, besondere Aufmerksamkeit z u widmen. Kameradschaft wa r eine solche symbolische Form. Sie verlieh dem Selbstbild der »Kriegsgeneration« Ausdruck , mochte n auc h nich t all e ihr e Angehörige n sic h dami t identifizieren. Erfahrungsnahe Begriff e un d ei n Forschungsansatz , de r di e Waag e häl t zwischen phänomenologische m Verstehe n un d sozialstrukturelle m Erklä ren, sin d u m s o nötiger , j e ferne r un d fremde r de r Gegenstan d erscheint , mit de m sic h de r Historike r befasst. 24 Eine n derartige n Ansat z biete t di e Wissenssoziologie Pete r Berger s un d Thoma s Luckmanns . Si e setz t di e subjektive Selbstdeutun g de r Zeitgenosse n nich t absolut , sonder n berück sichtigt di e »mi t de r Erfahrun g jeweil s verbunden e Tätigkei t de r Akteur e sowie di e äußere n Umstände , i n dene n di e Akteur e handeln«. 25 Di e Wis senssoziologie legt, ähnlich wie die philosophische Hermeneutik Gadamers, einen Begrif f vo n Erfahrun g nahe , i n de m di e Dialekti k vo n subjektive n und objektiven Faktore n de r Wirklichkeit aufgehobe n ist . E r verknüpft di e »Deutungskultur« mi t der »Sozialkultur«. 26 Wirklichkei t is t gesellschaftlic h konstruiert. Sie ist das Ergebnis einer permanenten Aneignung und Bearbeitung soziale r un d kulturelle r Strukturen , insbesonder e durc h Kommuni kation.27 Erfahrung stell t sich dar als kontinuierlicher Verarbeitungsprozess , in dem Wahrnehmung, Deutun g und Handeln abgeglichen, koordinier t und verschränkt werden. Der subjektiv erfahrenen Wirklichkei t vorgelager t sin d bestimmte »Sediment e kollektive n Wissens« , »soziokulturel l objektiviert e Rahmenbedingungen« wi e Sprache , Institutione n un d Traditionen , di e durch di e Konstruktionsarbei t bestätig t ode r veränder t werde n können. 28 Auch di e i n eine r Gesellschaf t favorisierte n Deutungsmuste r wirke n al s Filter individueller wie kollektiver Wahrnehmung . Eine di e politisch-gesellschaftliche n Rahmenbedingunge n berücksich tigende Erfahrungsgeschicht e de s Kriege s mus s daher , wi e Reinhar t 23 Geertz , S. 292-294, auch für das folgende Zitat. 24 Frevert , Ehrenmänner, S. 17f . 25 Sieder , S. 454. 26 Rohe , Kultur, S. 340ff., ders., Revier, S. 61 ff. 27 Berger/Luckmann , S. 124ff. 28 Buschmann/Carl , S. 17-21;Lipp, Diskurs, S. 213ff.

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Koselleck dargeleg t hat , drei zeitlich e Schichte n untersuchen. 29 Erstens die Vorprägung vo n Kriegserfahrunge n durc h di e zivilgesellschaftlich e Bin dung un d Sozialisation : Mi t welche m kulturelle n Gepäck , mi t welche n Erwartungen zoge n di e Soldate n i n de n Krieg ? Wi e wirkt e sic h dabe i di e Zugehörigkeit z u bestimmten Generationen , z u religiösen Gemeinschaften , politisch-ideologischen Lagern , soziale n Klasse n und Regionen aus ? Zweitens de r Erfahrungsprozes s i m Krie g selbst , di e Kriegserlebnisse , di e ent sprechend de n unterschiedlichen Vorprägungen , abe r auch den »spezifisc h kriegsbedingten Funktionen « de r Mensche n variiere n können : Ma n wir d annehmen können, dass ein Offizier de n Krieg ander s erlebt als ein Mannschaftssoldat. Dritten s die Wirkungsgeschichte de s Krieges: die Kriegserinnerung, -Verarbeitung, -Verdrängung. 30 Si e findet i m Austausch mit anderen Menschen statt, verbal ode r nonverbal; auc h das gemeinsame Beschweige n eines Trauma s ode r eine s Verbrechen s is t Arbei t a m soziale n Gedächtnis . Das »kommunikative Gedächtnis entsteht in einem Milieu räumlicher Nähe, regelmäßiger Interaktion , gemeinsame r Lebensforme n un d geteilter Erfah rungen«.31 Da s kollektiv e Gedächtni s dagege n besteh t i n bewusste n ode r unbewussten Absprachen , etw a bestimmte r Opfergruppe n de s Krieges , seiner Veteranen oder einer ganzen Nation. Das kollektive Gedächtni s trat nicht ers t nach 194 5 mit einem hegemo nialen, alternativ e Deutunge n abweisende n Anspruc h auf : E s beharrt dar auf, di e wahre Erinnerung z u präsentieren. Oft wird dieser Anspruch in die Zukunft verlängert . Dies prägte zumal di e Zeit nach 1918 . Aus der Erinnerung wir d ein e Handlungsanweisun g fü r di e Zukunf t abgeleitet . De r Gegenwart wir d angeraten , sic h nach der solchermaßen konstruierte n Ver gangenheit zu richten, wenn sie die Zukunft gestalte n wolle. Das ist mythische Erinnerung . Mythe n sin d ein e spezifisch e For m de r sedimentierte n Erfahrung.32 Si e erzähle n vo n de r Vergangenheit , abe r si e habe n ein e gegenwartsbezogene Funktion . Si e bewältige n Kontingenzerfahrun g un d stiften kollektive n Zusammenhalt, inde m sie erzählte Geschichte als Natur, göttliche Fügun g ode r einfac h al s schicksalhaf t un d dami t al s Vorbil d fü r die Gegenwart hinstellen. Ihr e Attraktivität zehr t vom autoritativen, keine n Widerspruch duldenden Verweis auf das »schon immer«. Schon immer war

29 Koselleck , Einfluss, S. 325ff.; vgl . schon Weniger, S. 318ff., Lewis, S. 65ff., beide ohne die von Koselleck betonte soziale Differenzierung. 30 Di e auf Maurice Halbwachs aufbauende Literatur ist kaum mehr überschaubar. Ich orientiere mic h an den Begriffsbildunge n vo n Fentress/Wickham und Assmann/Frevert, S. 36ff., di e folgenden Zitate ebd. S. 36f., 41 f., verzicht e aber auf die Kategorie des kulturellen Gedächtnisses, das sich m.E. nicht sinnvoll vom kollektiven trennen lässt. Vgl. Assmann, Gedächtnis, S. 56. 31 Keppler,S . 162ff. 32 Berger/Luckmann , S. 72-75.

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es so, immer wird es so bleiben. Kriege gab es schon immer, Kriege wird es immer geben. Mythen vermittel n Wahrheite n nich t rational un d abstrakt, sonder n sug gestiv un d konkret. Si e erzähle n Geschichten , di e sic h de r Diskussion ent ziehen, ihre n Wahrheitsanspruc h stat t desse n durc h di e Präsentatio n eine r als heili g begriffene n ursprüngliche n Vergangenhei t bekunden . Gegenübe r dem rationalen Diskur s hat der Mythos einen großen Vorzug. Er verzichtet darauf, di e Ambivalenz , Widersprüchlichkeit , Ungereimthei t menschliche r Existenz zu durchleuchten, u m den Individuen Hilfestellunge n fü r di e Entscheidung zwische n bestimmte n Alternative n - gu t ode r böse, schö n ode r hässlich, richtig oder falsch - z u geben. »Er fordert«, wie Hans Blumenberg gesagt hat , »kein e Entscheidung« , auc h »kein e Bekehrung , kenn t kein e Apostaten, kein e Reue« , e r kennt, s o könnte ma n weiter sagen , kei n »für « und »wider«, e r erzählt vielmehr von der Einheit des Uneinheitlichen, vom inneren Zusammenhang alle s nicht Zusammenhängenden. 33 Mythe n zeigen, wie di e Wel t mi t ihre m Gegenentwurf , wi e bestimmt e Werte , Ideen , Verhaltens- un d Handlungsforme n zusammenhänge n un d ein e Einhei t bilden: da s Bös e mi t de m Guten , da s Unmenschlich e mi t de m Mensch lichen, die Aggression mi t dem Altruismus, der Tod mit der Geburt. Diese Leistung mythischer Weltordnungen und die Antwort auf die Frage, warum Mythen auch in der Moderne so außerordentlich populär sind, verfehlt, we r Mythen als Legenden, Lügen, falsche Wahrheite n auffasst. Si e bieten keine falschen, sonder n ander e Wahrheite n al s di e rationalen, wissenschaftliche n Diskurse.34 Auch da s Leitbil d de r Kameradschaf t wa r al s Mytho s konzipiert . Sein e Krux bestand wie die aller Mythen i n der Moderne darin, dass - ander s als in Stammesgesellschaften - nich t all e Zuhörer an die Verheißungen, di e er präsentierte, glaubten . Ander s gesagt : Di e Mensche n nahme n sein e Hilfe stellung i n unterschiedlichen Maß e in Anspruch, um mit ihren Erfahrunge n zurecht zu kommen. Aber die Zweifler ware n nicht immer gleich star k und nicht immer gleich durchsetzungsfähig. Si e nahmen erst im späten 20. Jahrhundert s o seh r zu , das s de r Mytho s de r Kameradschaf t di e hegemonial e

33 Blumenberg , S. 269. 34 Diese r um Handlung - da s heißt: Wiederholun g de s Erzählten - kreisend e Mythosbegrif f orientiert sic h wenige r a n literaturwissenschaftliche n Verwendunge n (di e de m Handlungsaspek t geringe Bedeutun g beimessen) , sonder n synthetisier t soziologische , philosophische , religions wissenschaftliche un d kulturanthropologische Beiträge, Turner, Myth, hierzu Kühne, Männerbund, S. 173f; Eliade ; Levi-Strauß ; Samuel/Thompson ; Assmann/Assmann , Mythos ; Eickelpasch ; Assmann, Gedächtnis , S . 70ff; Luhmann , Mythos ; Geyer , Mythos , S . 34ff, 78ff ; Schlatter ; Dörner, S . 43ff, 52ff. , 6 1 (zu r Narration); Hübner, Wahrheit , bes . S . 350f; Barthe s (Sprache); Berding, S. 94ff. (Sorel); Parr, S. 12ff. (Levi-Strauss).

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Stellung einbüßte , die er bis dahin im großen Diskurs über den Krieg innehatte. In de r Modern e wirke n hegemonial e Deutungsentwürf e un d auc h Deu tungszwänge. Abe r dere n Erfol g is t selbs t i n totalitäre n Staate n unsicher . Die sinnhaft konstruiert e Wirklichkeit steck t voll von Widersprüchen. Deutungsangebote, entworfe n vo n Autorität erheischende n Agenture n wie Kir chen, Regierungen, Parteien, Verbänden, Politikern, Funktionären, Intellektuellen, Wissenschaftler n ode r Demagoge n möge n di e Riss e un d Brüch e überwölben. Aber , wi e Helmu t Plessne r 193 1 angesicht s de r Flu t solche r Sinnangebote gesag t hat : »Vo n Überwölbunge n is t nicht s z u erwarten , außer, das s si e einstürzen.« 35 Stet s kreuze n sic h verschieden e sozial e Bin dungen un d unterschiedliche s soziale s Wissen . Auc h zeitlich e Schichte n sedimentierter Erfahrungen reibe n sich aneinander. Damit jedoch steht eine flexible Registratu r vo n Deutungs- , Wahrnehmungs - un d Handlungsoptio nen zu r Verfügung , au f di e i n unterschiedlichen Situatione n zurückgegrif fen werde n kann . Antoni o Gramsc i ha t de n »Alltagsverstand « al s »chao tisches Aggrega t vo n disparate n Konzeptionen « bezeichnet , i n de m sic h »Elemente vo n Höhlenmensche n un d Prinzipie n de r modernste n un d fort geschrittensten Wissenschaft « (un d manche s andere ) vereinigen. 36 Diese r »Verschlingung« un d de m »Nebeneinande r de r heterogene n Logike n un d Bedeutungsfelder i m lebensweltliche n Wissen « spür t di e Erfahrungs geschichte nach.37 Auch wen n als o di e vorliegend e Studi e di e Pluralitä t vo n Erfahrunge n ergründet, is t ih r Erkenntnisziel doc h nicht nu r kulturelle Vielfalt , sonder n mehr noc h sozial e Einheit : de r Zusammenhal t de r nationalsozialistische n »Volksgemeinschaft« un d ihrer Soldaten im Krieg. In einer ersten, formalen Fassung laute t di e Thes e diese s Buches : Da s Leitbil d de r Kameradschaf t und di e Ar t un d Weise , wi e di e historische n Akteur e e s sic h aneigneten , enthält den Schlüssel zur Entzifferung diese r Einheit, und zwar in doppelter Hinsicht. Kameradschaft hiel t die Volksgemeinschaft un d insbesondere di e Soldaten i m Krieg zusammen , un d si e stiftet e Kontinuitä t übe r die große n Zäsuren des 20. Jahrhunderts hinweg. Si e tat dies, indem sie Vielfalt mög lich machte. Es gab zu keinem Zeitpunkt nur ein Verständnis von Kameradschaft, sonder n viele , un d dies e Vielfal t wa r de m historische n Wande l unterworfen. Kameradschaf t wa r ein mythisch dimensioniertes Leitbild, das die militärische Sozial - und Deutungskultur, als o die Erfahrunge n de s Soldaten, un d darübe r hinau s auc h de r übrige n Gesellschaf t z u steuer n bean spruchte. Di e Frag e ist , inwiewei t die s unte r wechselnde n historischen , 35 Plessner , Macht, S. 147. 36 Zitier t nach Kebir, S. 77. 37 Maase , Peace, S. 271, 273.

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sozialen un d politische n Bedingunge n gelan g un d welch e semantische n Variationen dabe i wirksa m wurden . Wa s ›bedeutete ‹ Kameradschaf t wan n und für wen? Mit diese r Frag e sin d zwe i Problem e angesprochen . Zu m eine n de r semantische Radius un d Wande l de s Begriffs. Zu m andere n sein e gesell schaftliche Verankerung und soziale Relevanz. Die erste Frage lässt sich im Rahmen einer Begriffsgeschichte klären . Si e hat den inhaltlichen Zuschrei bungen de r Kameradschaf t nachzugehen. 38 U m dies e Zuschreibunge n z u bestimmen, müsse n einig e Faktore n i m Aug e behalte n werden , di e Gruppenbindung un d Gruppenkultur strukturieren . We r gehör t dazu , wer nicht ? Wer is t Freund , we r Feind ? We r is t Kamerad , we r nicht ? Wi e schar f sin d die Grenze n zu r Außenwel t gezogen ? Au f welch e Gruppe n - kleine , ver traute ode r große , anonym e - wir d de r Begrif f de r Kameradschaf t ange wandt? Ist er auf das Militär begrenzt oder bezieht er die zivile Gesellschaf t mit ein? Wie verhält er sich zum Geschlechtergegensatz, zu generationellen Differenzen un d zu Klassenkonflikten? Is t Kameradschaft etwa s spezifisc h Männliches? Und wenn ja, welche Männlichkeit ist gemeint?39 Oder werden auch Frauen al s Kameraden angesehen ? Wa s also bedeutet Kameradschaf t für di e Binnenintegratio n eine r Grupp e ode r Gemeinschaft ? Wi e hierar chisch, wi e egalitä r is t diese , wen n si e ›Kameradschaf t hält‹ ? Wi e vie l Freiheit erlaubt sie, wie viel Zwang übt sie auf ihre Mitglieder aus, wie viel Konformität un d Anpassung - a n welche Regel n - erheisch t sie ? Las t not least: Welch e Mora l pfleg t sie ? Dies e Frag e is t entscheidend , wen n da s Verhältnis vo n kriegerische r Vergemeinschaftun g un d zivile r Gesellschaf t zur Diskussio n steht . Den n de r Solda t i m Krie g verkörper t de n schärfste n Kontrapunkt zu r zivilen Gesellschaf t un d ihre r Ethik . Dies e kreis t u m das Leben und den Erhalt de s Lebens. Der Soldat abe r darf nicht nur, er muss töten, un d die s nich t ausnahmsweise , sonder n massenhaft , planmäßi g un d möglichst effektiv. 40 Mit der Exploration der Semantik des Begriffs Kameradschaft is t es aber nicht getan . De r zweite Foku s unserer Studi e richte t sic h au f die Akteure, 38 Vgl . nebe n Busse, Semantik , di e Beiträg e i n Koselleck, Semantik , dor t S . 16 6 die Bemer kung des Hg. über die Vieldeutigkeit jedes Worts; allgemeiner Lipp, Kulturtypen , bes. S. 460-465, 475. Auc h wen n di e Trennlini e de r Kosellecksche n Begriffsgeschicht e zu r Diskursanalys e Fou caultscher Prägung nicht immer ganz scharf ist, wird hier erstere aus inhaltlichen Gründen (es geht um eine n Begriff ) un d wege n ihre r Anbindungsfähigkei t a n da s i m Folgende n dargestellt e Paradigma de r Erfahrungsgeschicht e bevorzugt . De n Begrif f de s Diskurse s verwend e ic h i m alltagssprachlichen Sinn e als öffentliches Reden. 39 Fü r di e männergeschichtlich e un d -soziologisch e Erweiterun g de r Frauen - un d Ge schlechtergeschichte vgl. nebe n Scott, Gender, allgemein Connell , Mann ; Meuser, Männerwelten; Brod/Kaufman; Roper/Tosh; Tosh, Geschichtswissenschaft; Kühne, Männergeschichte, die alle auf die rivalisierende, hegemonial geordnete Pluralität von Männlichkeit abheben. 40 Bourke , History; Grossman; Geyer, Kriegsgeschichte; Gleichmann/Kühne .

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die ihn im Munde geführt ode r im Kopf gehabt haben, deren Handeln, Fühlen un d Denke n e r angeleite t un d beeinflusst ode r abe r nich t erreich t hat . Die Sozialgeschicht e de r Kameradschaf t geh t de m Zusammenhalt , de n Faktoren des Mitmachens, dem sozialen Leben der Soldaten im Krieg nach, und de r Vor- un d Nachgeschichte diese s Zusammenhalts . Si e wende t de n eben skizzierte n Fragenkatalo g in s Praxeologische, frag t nac h der soziale n Relevanz de s Kameradschaftsideal s un d nutz t daz u Untersuchungsansätz e der Gruppensoziologie und Sozialpsychologie, wie sie zunächst in die Militärsoziologie un d neuerding s i n di e Gewaltsoziologi e Eingan g gefunde n haben.41 Beide Wissenschaftsrichtunge n unterscheide n sic h i n eine r Hinsich t grundsätzlich. Während die Militärsoziologie nach den sozialen und psychischen Voraussetzungen de s Gewalthandelns der Soldaten (also ihrer militärischen Funktionsfähigkeit ) fragt , nimm t di e Gewaltsoziologi e di e umge kehrte Blickrichtun g ein . Si e geh t vo m Gewalthandel n au s und untersuch t dessen kreative s soziale s Ordnungspotenzial . Den n Gewal t entfalte t ein e soziale Eigendynamik . Gewal t zerstör t nich t nu r gesellschaftlich e Bindun gen, sondern stellt sie auch erst her. 42 Nichts bestätigt diese Annahme mehr als ein e Erfahrungsgeschicht e de r Kameradschaf t de r deutsche n Soldate n im Zweiten Weltkrieg. Si e trugen - da s ist die inhaltliche Fassung der These dieses Buches - de n genozidalen und den Totalen Krieg mit, weil beide s eine ungeheur e Verdichtun g de s sozialen Er-Leben s (nich t de s physische n Über-Lebens) gewährleistete . Dies e Gemeinschaftserfahrun g freilic h wa r nicht einfac h ei n Produk t de s NS-Krieges . Si e wa r vielmeh r i n de r deut schen Gesellschaf t sei t de r Jahrhundertwend e al s kollektiv e Sehnsuch t angelegt, und sie wirkte noch lange nach jenem Krieg weiter, wenn sie auch immer umstrittener und am Ende des 20. Jahrhunderts obsolet wurde. Die Geschicht e de r Kameradschaf t i m Deutschland 43 de s 20 . Jahrhun derts entwickelt das Buch in drei Hauptteilen. Der erste Hauptteil lokalisier t 41 Weiterhi n biete t die Soziologi e Pierr e Bourdieus wichtige Anregungen , insbesonder e durc h das Habitus-Konzep t un d da s de s soziale n Feldes . Allerding s mus s di e vorliegend e Studi e de n Fokus stärke r al s insbesonder e Bourdieu s Habitus-Konzep t au f bewusste , reflektiert e Aneignun g und Praktike n richten ; z u de n bekannten , hie r besonder s einschlägige n Defizite n de r Bourdieu schen Soziologi e gehör t da s Desinteress e a n de n Eigenheite n vo n militärische n ode r andere n kasernierten (ode r wie auch imme r vom Zivilen abgegrenzten ) Vergesellschaftungen . 42 Popitz , S. 43ff., Sofsky, Traktat , zudem dessen Studi e über das Konzentrationslager (Sofsky , Ordnung) sowie den Band von Trotha , Soziologie, un d Ziemann, Vergesellschaftung . 43 Das s eine komparative Untersuchun g de r hier entfalteten Themati k reiz - und sinnvoll wäre , steht auße r Frage . Si e verbiete t sic h aufgrun d de r dafü r erforderlichen , de m lange n Unter suchungszeitraum geschuldete n äußers t disparate n Quellenbasis , di e bereitzustelle n auc h nu r fü r einen Zweiländervergleic h nicht möglic h gewese n wäre . Di e Forschungslag e andererseit s biete t allenfalls fü r di e kollektiv e Erinnerun g a n de n Erste n Weltkrie g un d de n militärische n Kul t de r Zwischenkriegszeit einig e Ansatzpunkt e fü r eine n Vergleich , au f di e ic h späte r kur z zurück komme.

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das Leitbil d i m Erwartungshorizon t de r Soldate n de s NS-Krieges. 44 Mi t welchen Vorstellunge n vo n Kameradschaft - da s heißt auch: vom soziale n Leben i m Militä r - zoge n di e Soldate n i n di e Kasern e un d dan n i n de n Krieg? Dies e Frag e sol l durc h di e Analys e de s öffentliche n ›Redens‹ , de s Diskurses übe r Kameradschaf t zwische n de m Erste n un d de m Zweite n Weltkrieg geklär t werden. Geredet (und geschrieben) wurde über Kameradschaft au f unterschiedliche n gesellschaftliche n Ebenen , vo r alle m i n de r Veteranen-, abe r auch der Jugendkultur un d in den Medien der kollektiven Erinnerung a n den Erste n Weltkrieg , dan n auc h i n der publizistischen un d propagandistischen Vorbereitun g de s nächste n Krieges . Di e diskursiv e Arbeit a m vergangenen Krie g beschäftigte , s o die These de s ersten Haupt teils, nicht nur die gesamte deutsche Gesellschaft que r durch die politischen Lager un d Generationen . Dies e Gesellschaf t tendiert e i m Lauf e de r zwanziger Jahr e auc h dazu , unterschiedlich e Bewertunge n de r vergangene n Kriegskameradschaft einzuebnen . Lager - un d generationenübergreifen d vergesellschafteten sic h i n Deutschlan d bereit s vo r 193 3 Gemeinschafts sehnsüchte, di e i n de r Kameradschaf t ihre n symbolische n Nenne r fanden . Kameradschaft al s Leitbil d militärische r Vergemeinschaftun g strahlt e i n Deutschland nac h 191 8 wei t übe r de n militärische n Bereic h hinaus ; dari n unterscheidet sic h dies e Zei t vo n frühere n Phase n de s Kameradschaftsdis kurses.45 Gleichwoh l blie b stet s gewärtig , das s ers t de r Krie g Kamerad schaft in besonderer Verdichtung garantierte . Trotz alle r Heterogenitä t habe n di e Deutsche n un d zuma l di e Soldate n den Krie g vo n 193 9 bi s zu r Kapitulatio n 194 5 i n eine r Geschlossenhei t geführt, dere r sic h selbs t da s Regim e ni e siche r war . Warum ? Kamerad schaft wa r da s Leitbil d eine r Sozialkultur , di e durc h kommunikativ e Ver dichtung i m Innern und durch Abschottung nac h außen gekennzeichnet ist . Das sind Bedingungen, die in hohem Maße dazu geeignet sind, Konformität zu erzeugen. 46 Wi e isolier t freilic h ware n di e Soldate n - räumlich , sozia l und kognitiv? I n welchem Maße ließen sie sich auf eine Umarbeitung ihre s sozialen Wissens und ihrer Erfahrungen unte r dem Einfluss de r Kameraden ein? I n welche m Maß e versperrte n si e sic h dagegen ? Welche m soziale n Druck waren sie dabei ausgesetzt?

44 Zu m »kulturelle n Paradigma« , da s al s Konventions - un d Erwartungssyste m bestimmt , »was vo n den objektiven Phänomene n i n die Erfahrun g de s Einzelnen dringt« , vgl . Fussel, Einfluss, S . 175f . 45 Mosse , Vaterland; Rohkrämer, Militarismus; Frevert, Nation. 46 Vgl . Βerger/Luckmann, S. 166, zudem Berger, Spuren, S. 57ff., über face-to-face-Gruppe n als Vermittlungsagenturen vo n Glaubensinhalten. Ergebnisse und Theorieangebote der Soziologie und Sozialpsychologi e be i Homans ; Sader , S . 160ff.; Schwonke , S . 46ff.; Girgensohn , S . 63ff.; Kehrer; Lipp, Konformität.

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Theoretisches Wisse n wi e da s u m di e Kameradschaf t wir d a m eheste n ins Alltagswisse n übernommen , wen n e s diese s bestätigt , wen n e s glaub würdig ist. 47 Lässt sich also der Zusammenhalt von Hitlers Soldaten auf die Aneignung de s Leitbilde s de r Kameradschaf t zurückfuhren ? I n welche r Weise und in welchem Maße haben sie es sich angeeignet? Welche Einflüsse hatt e e s au f ihr e Militär - un d Kriegserfahrungen ? Inwiewei t habe n di e Soldaten e s verändert i m Gefolge vo n Erfahrungen, di e mit jenen Vorstel lungen nicht übereinstimmten, di e si e i m kulturellen Gepäc k hatten, als si e Soldaten wurden ? Diese n Frage n geh t de r zweit e Haupttei l au f de r Basi s vorwiegend »subjektiver« , zeitnahe r Quelle n wi e Tagebücher n un d Sol datenbriefen nach . Unte r letztere n werde n geschlossen e Serie n vo n Brief autoren bevorzugt , di e e s - ähnlic h wi e Tagebüche r - möglic h machen , Soldatenbiographien übe r eine n längere n Zeitraum , möglichs t di e ganz e Militärzeit hinwe g z u verfolge n un d s o di e Sekundärsozialisatio n nachzu vollziehen, dene n die Soldaten unterworfen waren . Denn dies war die Verheißung de s Militär s a n de n Zivilisten : au s ih m eine n richtige n Man n z u machen, de r nicht nu r über dessen biologische , sonder n auc h sein e sozial e Qualität verfugte. Dieser Verheißung erlage n ebens o wenig wi e de r gewaltgesättigten Ge meinschaftssehnsucht all e Soldate n gleichermaßen , wi e de r zweit e Tei l dieser Studi e zeigt . Si e lasse n sic h vielmeh r mi t eine m gewisse n Mu t zu r Vergröberung drei Typen zuordnen: 1 . den »Unsoldaten«, den Außenseitern der militärische n Gesellschaft , 2 . de n ausgesprochene n Insidern , di e di e Zeitgenossen al s »geborene « Soldate n z u bezeichnen pflegten , un d 3 . de n »gezogenen« Soldaten , jene r groß e Mehrheit , di e zwangsweis e rekrutier t wurde, sic h abe r anzupasse n wusste . Di e zweit e Grupp e verkörpert e da s Leitbild de r Kameradschaft. Meis t unverheiratet , wa r ihnen , wie ma n gern sagte, di e Kompani e ode r da s Bataillon , als o de r Männerbund , »Heimat « und Familienersatz . Al s Offiziere , Unteroffizier e ode r auc h Obergefreit e wirkten sie als Zugpferde der kameradschaftlichen Vergemeinschaftung , of t dem mythischen Vorbild aus dem Ersten Weltkrieg, Walte r Flex respektive Ernst Wurche, nacheifernd. Si e zogen die anderen mit. Diese freilich oszil lierten zwischen den Polen Militär und Familie, Front und Heimat, weniger physisch als emotional und im Geist. Die »Unsoldaten« schließlich , wie die »geborenen« nu r eine Minderheit , sperrte n sic h gege n di e Vereinnahmun g durch die kameradschaftliche Zwangsgemeinschaf t un d setzten alles daran, die individuelle Identität durch briefliche un d virtuelle Kontakte zur Heimat sowie mit Hilfe ausgewählter Freunde zu bewahren. Warum driftete n di e dre i Gruppe n nich t auseinander ? De r zweit e Tei l sucht die Antwort auf diese Frage in der hegemonialen Ordnung , in der sie 47 Vgl . Berger/Luckmann, S. 167ff .

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sich i n de r Wehrmach t zusammenfanden . Dies e Ordnun g führt e letztlic h dazu, das s noc h di e Außenseite r di e Kohäsio n de r Wehrmach t sicherten . Möglich wa r da s freilic h nur , wei l i m nationalsozialistische n Deutschlan d das Leitbil d de r Kameradschaf t nich t nu r vergesellschaftet , sonder n auc h »verstaatlicht« war . Di e NS-Volksgemeinschaft organisiert e sic h al s Staa t von Kameraden. Dieser gab der Kameradschaft ein e spezifische, wen n auch nicht völlig neue Prägung durch die verbrecherische Dimension, welche die militärische Vergemeinschaftung annahm . Am Anfan g de r dritte n große n Phas e de r Arbei t de r Soldate n a n ihre n Kriegserfahrungen stan d di e Gefangenschaft , di e dramatisc h inszeniert e Entwaffnung, di e angesicht s de r Verstrickun g diese r Soldate n i n eine n verbrecherischen Krie g auch eine fundamentale moralisch e Diskreditierun g bedeutete, zumindes t i n de n Gewahrsamsländern , di e vo m Terror und den Verheerungen des deutschen Besatzungsregimes zugrunde gerichtet worden waren. Abe r mi t diese r Erschütterun g hatt e e s nac h de m Krie g nich t sei n Bewenden. Si e setzt e sic h z u Hause i n Entnazifizierungsverfahrungen un d Kriegsverbrecherprozessen fort . Verarmung und zerrüttete Familienverhält nisse stellte n noc h größer e Herausforderunge n dar , bi s sei t de n fünfzige r Jahren Wohlstand und beruflicher Erfol g erneute n Wandel einleiteten . Wa s blieb unte r diese n Bedingunge n vo n de r Kameradschaf t übrig ? Welch e Bedeutung hatte sie für die kommunikative und für die kollektive Kriegser innerung? Fü r beid e gilt : De r Singula r is t irreführend . E s ga b viel e un d konkurrierende Erinnerungen. Dies nicht nur infolge des durch die deutsche Teilung bedingte n Gegensatzes , sonder n auc h durc h di e gesellschaftlich e und kulturelle Pluralisierung Westdeutschland s nac h 1945. 48 In dieser Vielfalt fand auch die Kameradschaft ihre n Platz, lange Zeit einen bevorzugten. Er wurde in dem Maße immer weiter an den Rand gedrängt, wi e di e Veteranen de s NS-Kriege s al s di e Hüte r de s Kameradschaftsmytho s au s de m Berufsleben un d dann aus dem Leben überhaupt abtraten. Damit setzte jene Entwicklung ein , di e zu m Ansehensverlus t de s Soldaten , nich t nu r de s alten, sonder n auc h de s jungen, führte . Abe r dies e Entwicklun g wa r 194 5 noch längst nicht absehbar, si e war keine Folge des Krieges und der Erfahrungen, di e di e Soldate n gemach t hatten , sonder n sozialer , generationelle r und politisch-kulturelle r Wandlungen , di e sic h ers t Jahrzehnt e nac h de m Krieg bemerkbar machten.

48 Au f die Bundesrepubli k bleib t unser e Untersuchun g de r Zeit nach 194 5 bzw. nac h de r Gefangenschaft i m wesentlichen beschränkt , d a sich fü r di e DDR keine der westdeutschen, durc h di e Veteranen geprägt e Kriegserinnerun g ähnlich e Entwicklun g verfolge n lässt , da deren Organisatio n dort untersagt war .

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Erster Teil

Vom Streit um die Kameradschaft zum Staat der Kameraden 1918-1939

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I. Vom Krieg zum Frieden 1. Das letzte Licht am Horizon t Ende Augus t 192 5 fan d a m Bodense e ei n große s Fes t statt . Run d 5.00 0 Weltkriegsveteranen un d 6.000 Besucher strömte n an einem sonnige n Wochenende z u eine m Veteranentreffe n de s 6 . badische n Infanterieregiment s »Kaiser Friedrich III.« Nr. 11 4 in Konstanz zusammen. Sie kamen aus allen Teilen des Deutschen Reiches. Das Treffen fan d auch weit über die Region hinaus Beachtung, gan z wie di e »1 Her« e s erhofft hatten . Denn der 1 Her Tag sollt e de m »ganze n Vaterland « de n We g au s jener »unsagbare n Not « weisen, i n di e e s durc h de n vergangene n Krie g gekomme n war. 1 Daz u schienen di e alte n Soldate n geradez u prädestiniert . Den n si e hatte n etwa s Kostbares aus dem Krieg mitgebracht. Der Soldat war zwar, so der evangelische Stadtpfarrer , »vo m Graue n alle r Massentod e umgrinst , verhöhnt , entwürdigt« gewesen . Abe r aus dieser Höll e hatte ih n »das stützende , aus gleichende, mildernd e Gegengewich t seine s Kameraden « wiede r heraus gezogen. »E r war der , der alles Leid und auch die karge Freud e getreulic h mit ih m teilte . [... ] E r war da s letzt e Lich t a m Horizont , da s sein e mitter nächtig irrende Seele wieder Menschenwege finden ließ . [...] Sei n Wert und seine Bedeutun g ragte n übe r di e irdische n Einstufunge n hinaus . Da s wa r der Kamera d - da s is t Kameradschaft. « Un d si e gal t e s wiederzubeleben , um der Not der Gegenwart Her r zu werden: »Wi r brauchen« , fordert e de r katholische Stadtpfarre r Schaack , »jene n Frontgeist , de n unser e Brüde r draußen im Felde gepflegt haben . Wir brauchen [...] di e Durchläuterung des gesamten öffentlichen Leben s mit dem Geiste der Kameradschaftlichkeit« . Zwei Millionen Tote hatte das Vaterland auf dem Opferaltar de s Krieges dargebracht, fas t drei Millionen Soldate n waren als Invaliden heimgekehrt. 2 Eine wirtschaftlich e Miser e ungeahnte n Ausmaßes , ein e ungeheur e Infla tion un d immens e Reparationszahlunge n ware n sein e Folg e gewesen . Vor alle m hatt e de r Krie g di e moralisch e Ordnun g de r Heima t durch 1 Dies e un d di e i m folgende n zitierte n Festrede n un d Grußwort e sin d abgedruck t i n Sonder blatt de r Konstanze r Zeitun g zu m Regimentsta g 1925 , hie r di e Red e de s Oberbürgermeister s Moerike; Deutsch e Bodensee-Zeitung , Festbeilag e 114e r Tag , di e Artike l »Kameradschaft « vo n Otto Schil t un d »Vo m Geist e de r Kameradschaft “ vo n E[duard ] S[chaack ; ebd . 31.8.2 5 (»De r 114er Tag i n Konstanz«), ferner Konstanze r Zeitung 31.8.25. 2 Whalen , S. 95.

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einandergebracht. Gege n End e de s Krieges , s o de r Oberbürgermeiste r Moericke, hab e di e »Ichsuch t sic h brei t gemacht : di e Drückebergerei , di e Hamsterei un d di e Gewinnsucht« . »Unse r Vaterland« , klagt e de r katholi sche Stadtpfarre r Schaack , »is t heut e s o vol l vo n Parteigeist , vo n innere r Zerrissenheit und tiefster Zwietracht.« In der Tat hatten sic h i m und nach de m Krieg Spannunge n un d Gegensätze verschärft, un d viele waren neu entstanden. Verteilungskämpfe hatte n den Klassengegensat z zwische n Arbeiterschaf t un d Bürgertu m dramatisc h vertieft. Frauenarbei t i n de r Kriegswirtschaft , neu e Frauenbilde r un d da s Frauenstimmrecht hatte n de n Geschlechtergegensat z verschärft . I n de r Novemberrevolution wa r der Gegensatz zwischen Demokrate n und Anhängern der Monarchie eskaliert. Und die Erfahrung eine s bis dahin unvorstellbaren militärische n Vernichtungspotential s lie ß pazifistisch e Ideal e un d militärische Werte aufeinanderprallen. Überal l stande n scheinbar natürliche Ordnungen - da s monarchische Gottesgnadentum, di e Herrschaft de s Mannes über die Frau, die gesellschaftliche Führungspositio n des Soldaten - au f dem Kopf. Das »Vaterland« war aus den Fugen geraten. 3 Diese Unordnun g nah m ma n jedoch nu r a n de r Heimatfron t wahr . Di e Frontsoldaten wiesen hingegen den Weg, auf dem die »Not« des Vaterlands und sein e Zerrissenhei t überwunde n werde n sollte . Nich t di e kriegerisch e Gewalt selbs t wurde beschworen, sonder n die Art und Weise, wie di e Sol daten da s Leide n dara n ertrage n hatten . De n Höhepunk t de s Feste s de r 114er bildete die Einweihun g eine r Gedächtniskapelle au f dem Riesenber g vor den Toren der Stadt zu Ehren der Gefallenen. Dies e Kapelle verwahrt e den Schlüsse l zu r Ordnun g de s Durcheinanders , da s de r Krie g ausgelös t hatte. Ih r Altarbil d zeig t verwüstete s Lan d un d ei n lichterlo h brennende s Dorf, de n Krieg. 4 Vo r eine m Stacheldrahtverha u knie t ei n stahlbehelmte r Feldgrauer. Er hat keine Waffe i n der Hand. Das Gefecht scheint vorüber zu sein. Kämpfend e Soldate n sieh t ma n nicht . Ei n weitere r Solda t lieg t au f dem Bode n i m Vordergrund , ohn e Hel m un d mi t geschlossene n Augen . Sein Gesicht und seine Finger sind leichenblass, er ist tot. Sein Kopf ruht in den Hände n de s trauernde n Kameraden . De r vergangen e Krie g erschein t wie bereinigt um seine schrecklichen Dimensionen , die Massenvernichtun g und Massenverstümmelungen. De r tote Soldat ist äußerlich unversehrt. Ihm haftet etwa s Überzeitliches an . Gefallene, Kriege , das Leiden am Krieg, so die Botschaf t de s Bildes, ha t e s scho n imme r gegeben, si e schwebe n übe r individueller, kollektiver , nationale r Verantwortung. Deutschlan d hatte den Krieg begonnen , un d viele Soldate n ware n a n den massenhaften Tötunge n und Verheerungen beteiligt gewesen . Aber der Reflexion au f die Schuld an 3 Feldman , zudem Bessel, S. 220ff. 4 Sieh e die Abbildung auf dem vorderen Umschlag nach Burchardt/Schott/Trapp, S. 168.

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alledem schob das Altarbild einen Riegel vor , indem es die Arbeit des Soldaten, zu töten und zu zerstören, in die archaischen Koordinaten des Opferund des Kameradschaftsmytho s einbettete . De r dunkle Stacheldraht , Sym bol de s Krieges, verschwindet fas t vo r der hellen un d steil i n den Himmel ragenden Operflamm e i m Hintergrund . Si e stell t de n Krie g i n ein heilige s Licht.5 I n seine r frühchristliche n Fassun g erzähl t de r Opfermytho s vo m Kreuzestod des Heilands. Der Sinn des Leidens am Kreuz ist die Erlösung einer Gemeinschaft . De m Opfernden versprich t de r Mythos Auferstehung , »ewiges Leben«. S o stattet er einen Akt der Zerstörung mit Sinn aus, spendet Trost , mach t da s Leide n a m To d erträglich , inde m e r ih n a n neue s Leben bindet. Wie jeder Mytho s erzähl t ma n auc h diese n nich t al s ei n antiquarische s Relikt. Vielmeh r wa r mi t ih m ei n Nachahmungsauftra g verbunden : di e Imitatio Christi . U m 180 0 wurd e diese r Auftra g i n di e symbolisch e Ord nung de r entstehende n Nationalstaate n eingefügt . Ewige s Seelenhei l ver hießen ihr e Wehrpflichtigenheer e de m Bürgersoldaten , de r sei n Lebe n au f dem »Alta r de s Vaterlandes « ließ . Di e Gemeinschaft , u m dere n Erlösun g willen da s Opfer gebracht wurde, war nicht mehr die gläubige Menschheit , sondern die Nation. Dieser wies der Opfermythos de n Weg von der Trauer zu neuem Leben, nicht zuletzt auch zu neuen Kriegen im Auftrag de r Gefallenen.6 Dies e aggressiv e Seit e de s Opfermytho s schein t i m Konstanze r Altarbild abe r nu r al s Möglichkei t auf . Da s Bil d knüpf t a n di e moralisc h entlastende Funktio n de s Opfermytho s an . E s stellt de n Soldate n nich t al s tötenden Täter , sonder n al s trauernde n Leidende n dar . De r Opfermytho s löst den Gegensatz zwischen dem aktiven Opfern (lat. sacrificium) und dem passiven Geopfertwerden (lat . victima) in der sakralen Vorstellung vo n der Erhabenheit des Leidens auf. Den n das Opfer ist heilig und unschuldig. Auf der Unschul d de s Soldate n beharr t da s Bild , inde m e s di e Jugendlichkei t des Gefallenen betont. Die christlich e Tradition , i n die de r Gefallen e eingebunde n war , sprac h der katholische Stadtpfarre r Schaac k be i de r Denkmalsweih e ausdrücklic h an. Der Krieger kniet vor seinem Kameraden, »al s o b er ihm sagen wollte, du hast, nachde m d u den gute n Kamp f gekämpft, deine n Lau f vollendet« , so wie »Paulu s a m Ende seines Lebens an Timotheus« schrieb : »›Ic h hab e den gute n Kamp f gekämpft , meine n Lau f vollendet , de n Glaube n mi r bewahrt.«‹7 Der gute Kampf war jenes Lebensprinzip, das allen Anfeindunge n zum Trotz an den christlichen Werte n de r Barmherzigkeit un d der Nächs5 Sonderblat t der Konstanzer Zeitung, August 192 5 (»Das Ehrenmal für die Gefallenen«) . 6 Kühne , Soldat , S . 362ff.; Mosse , Vaterland , S . 69ff.; Behrenbeck , Heldenkult , S . 143ff. , dies., Trauer, S. 315ff.; Koselleck , Kriegerdenkmale, S. 255ff.; Janowski/Welke r zur theologischen und kulturanthropologischen Dimension. 7 Deutsch e Bodensee-Zeitung 31.8.25. Vgl. 2 Tim. 4,7.

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tenliebe, vor allem am Glauben festhielt und das Opfer des eigenen Leben s nicht scheute. Das Johannes-Evangelium (15,13 und 3,16) erkennt die größte »Liebe« de m zu, de r »sei n Lebe n läss t fü r sein e Freunde« , un d e s forder t dazu auf, »auc h das Leben für die Brüder [zu] lassen«. 8 Das Altarbild knüpft an eine verbreitete Visualisierung de s Opfermythos an, di e Pietä. Di e um ihren Soh n trauernde Mutte r Gottes symbolisiert di e Urerfahrung vo n Schmer z bei m Verlus t eine r geliebte n Person . Dasselb e gilt fü r ihre Variante, die Christus-Johannes-Gruppe, welch e die Trauer der Mutter um ihren Sohn auf eine reine Männerbeziehung verschieb t und vom sozialen Koordinatensyste m de r Famili e ablöst. 9 De r Aposte l Johanne s trauert u m de n vo m Kreu z genommene n Heiland , häl t ih n i m Ar m ode r beugt sic h übe r ihn , wi e de r überlebend e Solda t au f de m Altarbil d übe r seinen gefallene n Kameraden . Profanisiert e Variante n de r Piet à gehörte n zum unverzichtbare n Repertoir e de s nationalistische n Gefallenenkults . Entweder trauert die Mutter um ihren auf dem Schlachtfeld gefallene n Soh n oder der überlebende um seinen toten Kameraden. In dieser Tradition stand auch das »Lied vom guten Kameraden«, das Ludwig Uhland 180 9 gedichtet und Friedrich Silche r 182 5 vertont hatte. 10 Jeder Teilnehmer des 114e r Tag kannte es . Gesunge n wurd e e s mehrfach , abe r e s genügte n scho n klein e Zitate ode r Anspielunge n au f Szene n de s Liedes , u m sein e Autoritä t zu r Geltung zu bringen. »Ich hart' einen Kameraden, / einen bessern find'st du nit«, lauten die ersten Verse diese s Liedes au s drei Strophe n mi t je fün f Versen . Gemeinsa m zieht das Kameradenpaar in den Krieg: »Di e Trommel schlug zum Streite, / er ging an meiner Seite / In gleichem Schrit t und Tritt, / In gleichem Schrit t und Tritt. « Abe r ähnlic h wi e da s Altarbild de r Riesenbergkapelle häl t da s Lied di e kriegerisch e Aggressio n de r Kamerade n au f Distanz . Nu r zwe i (von fünfzehn) Verse n spielen überhaupt darauf an. Die beiden Kameraden werden nich t al s Täte r de s Krieges, sonder n al s desse n Opfe r vorgeführt . Der Solda t is t seine s Willen s beraubt . Sei n To d is t schicksalhaft . »Ein e Kugel ka m geflogen . / Gilt's mi r ode r gil t e s dir? « De r Res t de s Liede s handelt von der Trauer des überlebenden Kameraden. »Ihn hat es weggerissen. / Er liegt zu meinen Füssen / Als wär's ein Stück von mir.« Da s ist die Szene des Altarbildes. Si e visualisiert di e Verbundenheit de s überlebenden mit dem sterbenden Kameraden, von der das Lied erzählt. Jeder eindeutigen Interpretation versperrt es sich. Eine psychoanalytische Lesar t dieser Szen e könnte deren narzisstischen Gehal t betonen. Das Lied präsentiert den ande8 Probst , Bilder , S . 46ff.; vgl . Kriegsgräberfürsorg e 1932/4 , S . 50, Bartram , S . 21; Pross, Memoiren, S. 39f. 9 Fü r die Verbreitung der Pietà vgl. Probst, Bilder, S. 4-7, 25-28, 40-42; zudem Lurz IV. 10 Tex t und einige Hinweise zur Interpretation und Rezeption bei Otto/König, S. 272f.

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ren, »guten « Kamerade n al s Variatio n de s eigene n Ich . Sein e Zerstörun g evoziert Angst um den eigenen Körper und die eigene Identität. Solche Angs t lieg t alle r Traue r u m di e Tote n zugrunde . Waru m ha t e s ihn getroffen, waru m nicht mich? Auf diese quälende Frage, in der das Leid am Tod des Anderen mi t der Sorge um das eigene Lebe n verschmilzt, gib t es keine beruhigende Antwort. Der Verlust eines nahen Angehörigen, eine s geliebten Freundes , eine s »gute n Kameraden « lös t ei n emotionale s Wirr warr aus , da s sic h i n Wu t un d Zorn , Aggressio n un d Hass , abe r auc h i n Apathie, i m Bedürfnis nac h Einsamkeit un d im Rückzug au s dem soziale n Leben äußern kann. Beispiele dafü r kenn t die Geschichte viele, si e reichen zurück bi s zur Ilias. 11 Trauer kann sic h i n unkontrollierten, fü r di e Gesell schaft bedrohliche n Forme n entladen . Dies e stell t dahe r Konventione n bereit, welch e di e Trauerarbei t sozia l erträglic h machen : ei n Trauerjahr , schwarze Kleidung , Regel n de r Bestattun g de r Tote n un d de s virtuelle n Kontaktes mi t ihnen . Da s Totengedenke n bekämpf t di e Unsicherhei t de r Überlebenden übe r de n Verblei b de r Toten , di e verschwunde n un d doc h präsent sin d - i m Geist e de r Überlebenden , abe r auc h physisc h i n Gestal t vieler Relikte. 12 »Als wär's ei n Stüc k von mir«: I m Uhland-Lied schein t di e persönlich e Betroffenheit de s Trauernde n auf , abe r nur , u m sofor t erstick t z u werden . Der überlebende Solda t versinkt nicht im Wirrwarr der Trauer. Er folgt den Erwartungen de r kriegerische n Nation . E r kämpf t weiter . »Wil l mi r di e Hand noch geben, / diewei l ic h ebe n lad' . / Kan n dir 13 di e Han d nicht ge ben«. De r Krieg verschling t da s individuell e Wünsche n un d Trauern. Und vielleicht stachel t die Trauer den überlebenden Soldate n auch zur Rache an dem Gefallenen an . Die kriegerische Gewal t jedenfalls is t heilig. »Wil l mi r die Han d noc h geben , / derweil ic h ebe n lad' , / kan n di r di e Han d nich t geben. / Bleib d u i m ew'ge n Lebe n / Mein gute r Kamerad , Mei n gute r Kamerad!« Di e religiös e Ide e de r Stellvertretung, 14 di e hie r aufscheint , is t eingefügt i n das Versprechen des ewigen Lebens, das auch die abschließende Antwor t au f di e Frag e nac h de m Sin n de s Tode s enthält . Ineinande r verschmolzen, wi e di e beiden Kameraden sind , können beide ihre r moralischen Reinigun g siche r sein . De m »gute n Kameraden « is t da s Seelenhei l sicher. Sein e Sünde n sin d ih m vergeben. Di e Vergebung is t i n der Formel vom ewigen Leben enthalten. Die Verschmelzun g de r beide n Kamerade n bleib t al s Sehnsuch t i m sozialen Rau m de r kriegerischen Gewal t präsent . Abe r nur als Andeutung . 11 Shay,S.78ff .

12 Vgl . nebe n Winter , Sites , Stubbe , S . 103f., 243-271 , 292-299, 329-337 ; Fuchs , Todesbilder, S. 144-156. 13 I n anderen Fassungen: »Kann wir die Hand nicht geben«. 14 Vgl . Menke, Stellvertretung.

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Homoerotische Sehnsücht e versteckt da s Lied im soldatischen Durchhalte vermögen (»dieweil ic h eben lad'«). Di e eigene Beteiligung an der kriegerischen Gewal t verschwinde t i m Leide n a n ihre r Anonymität . Da s Lie d er zählt vo n de r kriegerische n Gewal t un d de r Auflösun g de s Körpers , e s erzählt vo n der Verschmelzung zweie r Körpe r - un d gleichzeitig desavou iert es beide Vorstellungen. E s erzählt vo n einer Kampfgemeinschaft, abe r versteckt si e i n de r selbstlose n Opfergemeinschaft . E s erzähl t vo n eine r zärtlichen Männerbeziehung, abe r sie bleibt unwirklich. Si e ›lebt ‹ vo n ihrer Zerstörung. Nu r mit diesem End e ist si e erzählbar. Di e Ausstrahlungskraf t des Liedes beruh t auf seiner Mehrdeutigkeit. 15 E s war offe n fü r die unmittelbare Aufforderun g zu m Krieg wi e fü r pazifistisch e Lehren. 16 Nicht ein e der Varianten is t die richtige. Entscheidend ist die Polyvalenz des Textes.17 Es koppelt die Gewal t vom Willen un d von der Verantwortung de r Kameraden ab , un d e s lös t di e homoerotische n Sehnsücht e i n de r moralische n Erhabenheit des Opfertodes auf. E s erteilt dem Krieger die Absolution. Auch auf dem Konstanzer 114e r Tag wollte man den Soldaten nicht al s Akteur der Zerstörung i m Gedächtnis behalten, sonder n »als Mensch« , de r sich nac h Heimat , Geborgenheit , Harmoni e sehn t un d dies e Sehnsuch t inmitten der Zerstörung ers t eigentlich lernt . Der Krieg war nicht nur »Zerstörer«, sonder n »Quelle höchste r sittlicher Lebensgüter«. A n deren Spitz e stand die Kameradschaft, di e »nur ein Krieg i n höchster Entfaltung hervor bringen kann. « Da s »Geheimni s de r Kameradschaft« , s o de r katholisch e Stadtpfarrer, lieg e i n de m »fortdauernde n Bewusstwerde n de s Menschhaf ten«. Kehrten die Soldate n »au s de r Feuerlinie zurück, dan n durften si e im Kreise liebe r Kamerade n wiede r s o rech t bewuss t werden , wa s e s heißt , Mensch zu sein.« 18 Die Kameradengemeinschaf t wa r ein e exklusi v männlich e Einrichtung , die der Frauen nicht bedurfte, weil si e Weiblichkeit und alles, was sich um Heimat, Familie und Geborgenheit rankte, selbst herstellen konnte. »Kamerad sei n hieß , ei n Stüc k Heima t ersetzen , hie ß di e Stell e vo n Vate r un d Mutter vertreten, hie ß die liebend e Brau t und Gattin ersetzen.« 19 Di e Apotheose eine r zärtlichen , Weiblichkei t selbs t erzeugende n Männergemein schaft marginalisiert e un d idealisiert e real e Fraue n un d real e Ehen . Di e »Herzensgemeinschaft« de r Eh e wa r de r Männergemeinschaf t nachgeord net. Dies e wa r emotiona l autark . Di e männliche n Erinnerungsproduzente n 15 Korff . S . 34. Vgl. auch Jeggle. 16 191 4 gehört e e s zu m Arsena l de r Kriegspropaganda . Aber scho n bal d dominiert e wiede r das Piet à-Motiv, Klenke, Mann, S . 184 , ders., Männergesang , S . 537f., de r allerdings die Camouflage de r Gewalt durch das Lied ignoriert. 17 S o auch die Denkmäler des Kameradenpaars, vgl. Bach, Studien, S. 189f . 18 Schaack , wie oben. 19 Schilt , wie oben.

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bedienten sic h solcher Vorstellungen vo n Weiblichkeit, u m ihren Kriegser fahrungen Sin n zu geben und für die zivile Außenwelt verständlich z u machen, als o gege n ander e Deutunge n durchzusetzen . Jen e Imaginatione n bildeten di e Gewicht e a n de r Waage , mi t de r da s kompliziert e Verhältni s aggressiver un d leidender , gewaltsame r un d friedliche r Element e i n de r Kriegserinnerung austarier t wurde . Weiblichkei t stan d al s eingängige r Platzhalter fü r Friede n und Heimat, fü r da s »Menschliche« i m männlichen Krieger. Gleichzeitig abe r war die Imagination vo n Weiblichkeit eingebun den i n handlungsanleitende Norme n vo n Männlichkeit. »Mannhaft « ware n die kriegerische Tat und die Überwindung de s Leidens. Im Krieg waren die Soldaten im Leiden nicht versunken, und nach dem Krieg widerstanden si e der Versuchung, »unmännlich [zu] klagen«. »Wir wolle n keine n neue n Krieg« , zumindes t »heute « nicht , beteuert e General Fölkersamb , de r Vorsitzend e de s Veteranenverbande s de r 114er . Aber den Wiederaufstieg de s »Volkes« z u nationaler Größe hatte er klar vor Augen: »Wi r wolle n wiede r eini g sei n un d ei n freies , unverstümmelte s Deutsches Reich.« 20 Di e Gedächtniskapell e symbolisiert e den n auc h di e »im alten deutschen Heere verkörperte Volksgemeinschaft«. 21 Unte r den in der Kapelle aufgeführten Name n der Regimentstoten befande n sic h Vertreter »de r Adelsgeschlechte r un d de r Bürgerlichen , de r Beamte n un d de r Arbeiter, der Handwerker und der Landwirte«. 22 Si e alle hatten sich, so der Oberbürgermeister, be i Kriegsausbruc h 191 4 zusammengeschlossen, »frei willig u m die Fahnen« geschar t und demonstriert, »wi e gro ß und stark eine Volksgemeinschaft sei n kann , wen n si e sic h z u gemeinsame n Ziele n zu sammenschließt.«23 Indem sic h de r 114e r Tag selbs t al s kameradschaftlich e »Volksgemein schaft im kleinen« präsentierte, bewies er, dass es möglich sei, die erinnerte Harmonie de r Soldate n i n de r Gegenwar t wiederzubeleben . Di e klein e Volksgemeinschaft musst e nu r noc h au f da s ganz e Vaterlan d übertrage n werden. Der Willkommensgruss a n die Teilnehmer lautete : »Wi e heute , da Herkunft, Stan d un d Ran g gleic h gesetzt , s o stell t auc h fernerhi n i n de s Lebens Alltag di e Unterschied e zurück , bleib t Kameraden , di e nichts trennen kann in Not und in Gefahr, stellt Euer Vaterland, unser deutsches Reich und sei n ganze s Vol k übe r alles!« 24 Au f de m Regimentsta g ware n den n auch, beteuert e di e bürgerlich e Presse , »wetterhart e Schwarzwaldbauer n mit ihre n Fraue n un d Töchter n [... ] nebe n Groß - un d Kleinstädtern « z u 20 De r Seehase 15.4.26 , S. 2. 21 Nachrichtenbl . de s Verein s de r Offizier e de s ehem . 6 . Bad . Infanterieregiment s »Kaise r Friedrich III.« Nr. 114 , 1.10.25 , S . 3. 22 Konstanze r Zeitung 31.8.2 5 (»Regimentstag 192 5 in Konstanz«). 23 Wi e oben. 24 Konstanze r Zeitung 29.8.25 (»Regimentstag 192 5 in Konstanz. Willkommen!«) .

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sehen, und ebenso schienen alle möglichen anderen sozialen und kulturellen Gegensätze aufgelöst : Trot z der vielen süddeutsche n »Dialekt e vom heimischen Oberalemannisch bi s zum Neckarpfälzischen [... ] verstehe n sic h all e und finde n sic h all e i n herzliche r Kameradschaft.« 25 Selbs t de r tiefst e in nenpolitische Grabe n de r Natio n schie n zugeschütte t - de r zwische n de n Anhängern und den Gegnern der demokratischen Staatsform. Sei n symbolischer Ausdruck war der »Flaggenstreit«, de r überall in der Weimarer Republik di e Gemüte r z u erhitzte . Öffentlich e Veranstaltunge n entzweite n sic h regelmäßig darüber , o b Schwarzrotgol d ode r Schwarzweißro t gehisst , o b also fü r ode r gege n di e Republi k votier t wurde. 26 Bei m 114e r Ta g sollt e dieser Strei t beigeleg t sein , wehte n doc h beid e Flagge n i n de m große n Flaggenmeer de s Feste s »friedlic h nebeneinander«. 27 Dahe r wa r vo r de r Kapelle auc h ei n Solda t i n de r Unifor m de s alte n Heere s nebe n eine m i n Reichswehruniform postiert. 28 Mit de m bloßen Nebeneinande r rivalisierende r Flagge n un d Uniforme n war freilich nicht noch nicht die Einigung auf eine gemeinsame Flagge oder Uniform erreicht. 29 Mi t Redner n ware n au f de m Regimentsfes t auc h nu r zwei jener dre i politische n Lage r vertreten, di e al s Weimare r Koalitio n i m Konstanzer Rathaus , i m Lan d Bade n un d i m Reic h zusammenarbeiteten . Stadtpfarrer Schaac k konnte als Repräsentant des politischen Katholizismu s gelten, der in Konstanz mit rund vierzig Prozen t der Wählerschaft stärkste n politischen Kraft. Für die Linksliberalen stan d der Oberbürgermeister. Aber es fehlt e ei n Spreche r de r sozialdemokratischen Arbeiterbewegung , z u der immerhin jeder fünfte bi s sechste Wähler in Konstanz zählte.30 Hinter dieser unvollständigen Repräsentatio n de r politische n Kräft e verbar g sic h ei n schwerer Konflikt . E r dreht e sic h u m da s Verhältni s zwische n Offiziere n und Mannschafte n i m vergangene n Krieg . Fü r de n liberale n Oberbürger meister gehört e »da s gegenseitig e Vertraue n zwische n Führer n und Mannschaften« z u jene r Kriegskameradschaft , vo n dere n Übertragun g au f di e zerrissene Friedensgesellschaf t e r sic h di e Lösun g alle r ihre r Problem e erhoffte.31 Moerick e war i n der Glorifizierung solche r vertikalen Kamerad schaft eine r Meinung mi t den Vertretern de r Veteranenverbände de s 114e r Regiments. Deren freilich ga b es zwei, einen für die Offiziere un d einen für alle ehemalige n Soldate n de s Regiments. Selbs t desse n Führungsrieg e wa r 25 Konstanze r Zeitung 31.8.25 (»Regimentstag 192 5 in Konstanz«). 26 Zu m Flaggenstreit in Konstanz Burchard/Schott/Trapp, S. 126. 27 Konstanze r Zeitung 31.8.25 (»Regimentstag 192 5 in Konstanz«). 28 Burchardt/Schott/Trapp,S . 167. 29 Vgl . Konstanze r Volksblat t 1.9.2 5 übe r »schwarz-weiß-rote « Störunge n de r Flaggenhar monie. 30 Burchardt/Schott/Trapp , S. 88, 166. 31 Wi e oben.

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ehemaligen Mannschaftssoldate n verschlossen. 32 Denn , s o definierte n di e Offiziere di e »heilige Pflicht« de r Kameradschaft, »i m Verein echter Kameraden« zählte n zwa r »nich t di e gesellschaftlich e Stellun g ode r ehemalig e Vorgesetzte als solche. [... ] Zu r Kameradschaft gehör t aber auch unbedingtes Vertrauen . Ohn e Führe r un d Gefolg e abe r gib t e s kei n gemeinsame s Handeln.«33 De r egalitär e Anspruc h de r Kameradschaf t wa r als o autoritä r gezügelt. Auch wenn das Zentrumsorgan de r Kameradschaftseuphorie de r Liberalen kaum nachstand, führt e e s doch Klage darüber , das s »die Vorgesetzte n in Deutschlands schwerste r Zei t nich t di e Kamerade n ihre r Untergebenen , sondern - Got t sei's geklagt - etwa s ganz anderes« waren. Immerhin feiert e die Zentrumspresse i m Einklang mi t den Liberalen un d den Militärverbän den die Überwindun g jener Spaltun g zwische n Offiziere n un d Mannschaf ten i m Kriegshee r durc h de n 114e r Tag : »Manch e ehemalige n Offiziere« , beobachtete ma n erfreut , »saße n unte r ihre n Mannschaften , sic h kamerad schaftlich mi t ihne n unterhaltend . E s war die s i n Wahrhei t ein e scho n s o lang ersehnte Volksgemeinschaft i m kleinen.« 34 Für dissonante Kriegserfahrungen wa r auf dem Regimentstag kei n Platz. Hier sollt e Einigkei t herrschen . Störfeue r ka m vo n außen . Al s Sprachroh r der »Untergebenen « präsentierte n sic h di e Sozialdemokraten . Ih r »Kon stanzer Volksblatt« hatt e schon früher das »Schnetterengteng un d Täterata« der Regimentstag e verurteil t un d geargwöhnt , das s dami t nu r »de r s o schwer in Misskredit geraten e Militarismu s un d Ganz- oder Halbabsolutismus neu aufpoliert« werde n solle. 35 Und so sah das Volksblatt auch 192 5 in den Regimentstage n nu r »Demonstratione n gege n di e Republik« . Da s Infanterieregiment 11 4 war erst nach der Revolution von 191 8 heimgekehrt und hatt e durc h Übergriff e gege n Ziviliste n 192 0 bürgerkriegsähnlich e Zustände begünstigt. 36 Vehement entlarvt e da s Volksblat t di e Kameradschaftsrhetori k al s So zialdemagogie.37 De n »schöne n Tite l ›Kamerad‹ « führte n a m liebste n di e »sogenannten Kameraden « i m Mund , »di e al s Etappenschwein e de n ver flossenen Weltkrie g al s ei n fröhliche s Erlebni s mi t allerle i glänzende n Gewinnchancen i m Gedächtni s behielten« , un d jene, di e »di e ›Schweine ‹ auf de m Kasernenho f a m niederträchtigste n z u schurigeln , of t auc h wirt schaftlich auszubeuten « verstande n hätten. Und wenn die 114er-Redne r die 32 Übersichte n übe r di e Zusammensetzun g de s Vorstand s i m Nachrichtenblatt , de m »See hasen«. 33 De r Seehase 15.4.26 , S. 10 , Artikel »Kameradschaft« . 34 Deutsch e Bodensee-Zeitung 31.8.2 5 (»Der 114e r Tag i n Konstanz«). 35 Konstanze r Volkszeitung 17.5.2 1 (»Regimentstage«) . 36 Burchardt/Schott/Trapp , S . 76 und 116 . 37 S o schon Konstanzer Volksblatt 12.5.2 1 z u einem frühere n Regimentstreffen .

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Erneuerung de r Kriegskameradschaf t durc h di e »Volksgemeinschaft « de r Gegenwart feierten , antwortete n di e Sozialdemokrate n mi t Zahlen , »di e deutlich demonstrieren , wa s e s mit der ›Kameradschaft ‹ au f sich hat.« Fü r die Pensionen der »alten Militärs« hab e der Staat 192 4 848 Millionen Mark ausgegeben, 192 5 seie n es , obwohl »di e Zah l de r Pensionäre jährlich klei ner wird« , 28 6 Millione n mehr . Allei n dies e Erhöhun g se i meh r al s di e Gesamtrente de r Kriegsbeschädigten (21 7 Millione n Mark) , ebenso sei der Pensionsanteil nu r de r Offizier e mi t 25 0 Millione n Mar k höhe r al s dere n Rente insgesamt : »Da s bedeutet , das s 47.00 0 gesunde , un d zu m Tei l ver mögende Offiziere meh r erhalten als 766.000 Kriegskrüppel!« 38 Die Volksgemeinschaf t i m kleinen , al s di e sic h de r 114e r Ta g feierte , bildete da s Volk unvollständi g ab . Kriegsversehrt e tauchte n i n de r öffent lich zelebrierte n Kriegserinnerun g ebens o weni g au f wi e Kriegerwitwe n oder Kriegswaisen. Ei n weiterer Ausschlus s hatt e scho n bei de r Vorberei tung de s 114e r Tage s z u eine m kleine n Ekla t geführt . Di e beiden christli chen Konfessionen ware n durc h ihr e Stadtpfarre r be i de n Gedenkrede n a n prominenter Stell e vertreten . De m ehemaligen Feldrabbine r un d Feldgeist lichen de s LR . 114 , Stadtrabbine r Dr . Chone , dagege n hatt e de r Festaus schuss di e Ehr e verweigert , ein e Gefallenenred e z u halten. 39 Auc h da s Reichsbanner Schwarz-Rot-Gol d gehört e nich t z u de n Träger n de r Veranstaltung. E s war 192 4 in Konstanz wie i m Reich als Reaktion auf die republikfeindlichen Veteranen - un d Wehrverbänd e gegründe t worden . Seine r Zusammensetzung nac h wa r e s ei n Veteranenverban d de r Sozialdemokra ten, die auf Reichsebene 80-90% der Mitglieder stellten. 40 Aber in den Führungsgremien ware n di e beide n andere n Parteie n de r Weimare r Koalitio n durchaus vertreten . Langjährige r Vorsitzende r de s Reichsbanner s i n Kon stanz war der führende Kopf der Linksliberalen, Rechtsanwalt Venedey. 41 Der Konflik t zwische n republikfreundliche r un d republikfeindliche r Kriegserinnerung schlu g i n Konstan z ei n Jah r späte r noc h höher e Wellen . Das badisch e Reichsbanne r wollt e ei n Gegengewich t zu r restaurative n Traditionspflege setze n un d rie f z u eine m »Republikanertag « nac h Kon stanz auf, de r den Regimentstag i m Jahr zuvor in den Schatten stellen sollte. Die Festreden des Republikanertages waren vom pazifistischen Impetu s der »Nie-Wieder-Krieg«-Bewegung getragen . Gleichzeiti g abe r bemühten sic h die Veranstalter , de m verbreitete n Bedürfni s nac h symbolische r Politik , militärischem Ritua l un d historischer Traditionsbildun g gerech t zu werden. Eine Reih e prominente r Politike r demonstriert e al s Festredne r de n partei 38 Konstanze r Volksblatt 2.9.25. 39 Ebd . 28.8.25, vgl. Burchardt/Schott/Trapp, S. 167. 40 Ziemann , Kriegserinnerung, S. 367. 41 Burchardt/Schott/Trapp,S.\61 .

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übergreifenden »Geis t vo n 1848 « de r Weimare r Koalitio n un d setzt e ei n Gegengewicht zu m »Geist vo n 1914« . Konstan z bot sich dafü r an , weil e s ein Hor t de r 1848e r Revolutio n gewese n wa r un d da s Konzilgebäud e al s »Sinnbild bürgerlicher Freiheit« gelte n konnte. Mit Feldgottesdienst, Gefal lenenehrung un d »Bannerweihe « demonstrierte n di e Republikaner , das s auch si e da s Gedenke n a n di e Kriegstote n un d a n di e »hehren « Kriegs tugenden hochhielten. 42 Un d ander s al s di e SPD-Press e 192 5 verwar f de r Republikanertag da s Leitbil d de r Kameradschaf t keineswegs . De r Vorsit zende des badischen Zentrums, Prälat Dr. Schofer, erinnert e in seiner Festpredigt a n da s Leitbil d de s mile s christi , de r fre i sei n müss e vo n »Egois mus«. »Kameradschaft mus s er pflegen. Nächstenliebe nennt das die heilige Schrift.« Un d wie selbstverständlic h ertönt e zum Schlus s de r Totenehrung das »alte , traut e Soldatenlied : ›Ic h hatt ' eine n Kameraden‹« . Allerding s wollte da s Reichsbanner diese s Lied nicht i n den Dienst der »Phraseologi e nationalistischer Gewaltmenschen« gestell t wissen. 43 Im scharfen Gegensat z zu den Botschaften de s Regimentstages war für das Reichsbanner 192 6 die Sorge u m da s »Vaterland « i n ein e Politi k de r Völkerverständigun g einge bettet.44 Nich t Einhei t zu m Zweck e militärische n Wiederaufstieg s wa r di e Lehre aus dem Krieg, sondern Versöhnung mit den Nachbarstaaten. Die Demonstratio n fü r Republi k un d Völkerverständigun g fie l jedoc h bescheiden aus : 10.00 0 Teilnehmer hatte man erwartet, run d 11.00 0 waren es beim vergangenen Regimentstreffe n 192 5 gewesen. Zu m Republikaner tag kame n nu r 3.000 . Da s i n Konstan z stationiert e Reichswehr-Bataillo n blieb der Feier fern. Die liberale Lokalpresse gab sich reserviert. Zwar habe das Reichsbanne r »i n seine n Reihe n di e soziale n Gegensätz e überwunde n und Brücke n geschlagen« , abe r di e »Programme « de r ih n tragende n dre i Parteien »lasse n sic h nicht unter einen Hu t bringen«. 45 De n Liberalen hatt e der 1 Her Tag durch die Inszenierung de r »Volksgemeinschaft i m kleinen« ein politische s Zukunftsmodel l geboten . De m Republikanertag wollte n si e eine solche Bedeutung nicht zugestehen. Rituale un d Institutione n de r Kriegserinnerun g bliebe n i n Konstan z geprägt durch den Riss zwischen Gegner n und Anhängern de r Republik - bi s zu dere n Untergang . Di e traditionell e Totenehrun g a n Allerheilige n fan d jedes Jahr am gleichen Ta g und am gleichen Or t zweimal statt : Vormittag s riefen daz u de r sozialdemokratisch e Kriegsopferverband , de r »Reichsbun d der Kriegsbeschädigten, Kriegsteilnehme r und Kriegerhinterbliebenen« un d das Reichsbanne r auf . Nachmittag s folgte n de r »Krieger - un d Militärver 42 Burchardt/Schott/Trapp,S . 171-174 ; Konstanzer Volksblatt 22725.5.26. 43 Deutsch e Bodensee-Zeitun g 26.5.26 ; Konstanze r Volksblat t 25.5.26 , Burchardt/Schott / Trapp, S.169-171. 44 Vgl . Burchardt/Schott/Trapp,S. 152. 45 Konstanze r Zeitung 25.5.26.

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ein« un d eine Reih e ih m nahestehender Organisationen . 192 7 benutzte das Reichsbanner zur großen Entrüstung der Offiziers- un d Kriegervereine ein e Weihnachtsfeier dazu , »um die ehemaligen Offizier e i n empörendster Weise verächtlich z u machen: E s wurde zum Beispiel i n einem lebenden Bild e ein Sturmangriff dargestellt: Während im Vordergrund tote und verwundete Feldgraue au f dem Boden liegen , halte n gleichzeiti g Offizier e mi t Frauenzimmern au f de m Schlos s ei n Trinkgelag e ab!« 46 Au f dies e Provokatio n beriefen sic h die rechten Veteranenverbände noch Jahre später, als sich die Stadtverwaltung bemühte , ein e gemeinsam e Trauerfeie r zustand e z u brin gen.47 Daran aber waren auc h Reichsbanne r un d Reichsbund nich t interessiert. Al s »entschieden e Kriegsgegner « bestande n si e darauf , di e ganz e Feier müsse unte r dem Leitgedanke n »Ni e wiede r Krieg « stehen. 48 Darum war es ihnen schon bei jener Weihnachtsfeie r 192 7 gegangen. Ih r Ziel wa r die »Verherrlichun g de r sittliche n Ide e de r Völkerverständigun g (Locar no)«.49 Gerade diese Lehre aus dem Krieg abe r war für die nationalistisch e Gegenseite völlig indiskutabel - 192 9 noch mehr als 192 7 oder 1925. 2. Bürger und Soldate n Die Apotheose de r Frontkameradschaft al s Allheilmittel gege n di e Krisen syndrome de r Gegenwar t un d de r Strei t u m di e Kriegserinnerun g ware n keine Konstanze r Besonderheiten , sonder n deutsch e Normalitä t i n de n zwanziger Jahren. Allerorten war der große Diskurs über den Krieg gespal ten. Auf der einen Seit e stan d da s »nationale« , konservativ-liberal e Lager , das di e politisch e Zukunf t Deutschland s a n di e notfall s militärisch e Revi sion de s Versaille r Vertrage s band . Diese s Lage r repräsentierte n di e kon servative Deutschnational e Volkspartei , di e rechtsliberale Deutsch e Volkspartei un d Veteranenverbände wi e de r Stahlhel m ode r di e i m Kyffhäuser bund zusammengeschlossene n Kriegervereine . Ihne n stande n Sozialdemo kraten un d Linksliberal e gegenüber , di e zwa r keine m radikalen , jedwede s Militär und jeden Krie g ablehnende n Pazifismus , abe r doch der Politik de r Völkerverständigung i m Zeiche n vo n »Locarno « huldigten . »Ni e wiede r 46 S o ein e »Erklärung « besagte r Vereine , die i n For m einer Gegendarstellun g die Opfe r de s Offizierskorps bezifferte , Konstanze r Zeitun g 8.12.27 , dagege n Konstanze r Volksblat t gl . Da tums.: »Nur keine Aufregung!« 47 Schreibe n de s Verein s ehem. 114er , 25.8.30, an Oberbürgermeister , Stadtarchiv Konstan z S II 3859. 48 Ortsgrupp e Reichsbanner und Reichsbund, 11. , 18.10.29 an Oberbürgermeister, Stadtarchiv Konstanz S II 3859. 49 »Erwiderung « de s Reichsbanner s Ortsgrupp e Konstanz , 10.12.27 , Deutsch e Bodensee Zeitung 12.12.27 .

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Krieg« lautet e ihr e Parole . Ih r Veteranenverban d wa r da s Reichsbanner . Keinem diese r beide n Lage r eindeuti g zuordne n lie ß sic h da s katholisch e Milieu. Parteipolitisch bot es mit dem Zentrum eine geschlossene Kraft auf . Die Parteiführun g favorisiert e bi s End e de r Zwanzige r Jahr e da s Reichs banner. Aber in dem Maße, wie die Weimarer Koalition unter Druck geriet, verflüchtigte sic h dies e Affinität. 50 Konservativer e Katholike n schlosse n sich ohnehi n ehe r de n Kriegervereine n an . Bildet e da s katholisch e Milie u ein Sammelbecke n de r politischen Mitte , s o postierten sic h a n de n beiden Rändern dieser Lager mit den Kommunisten einerseits, verschiedenen Intellektuellenzirkeln un d Kampfbünde n bi s hi n z u de n Nationalsozialiste n andererseits extreme Gruppierungen. Das kollektiv e Gedächtni s verfugt e übe r zahllos e Medien , di e sic h a n Erwachsene wie Jugendliche richteten . Dazu gehörte neben der Veteranenkultur vo r alle m di e Kriegsliteratur . Walte r Flex ' 191 7 veröffentlichte r »Wanderer zwischen beiden Welten« wurde zum Kultbuch der bürgerlichen Jugend. Was dem einen Walter Flex, war dem anderen Franz Schauwecker, Werner Beumelburg, Han s Zöberlein ode r Ernst Jünger. Aber Kriegslitera tur produzierte auc h das linke Lager . Desse n Autoren Eric h Maria Remar que, Ludwig Renn , Adam Scharrer, Kar l Bröge r oder Arnold Zweig ware n zeitweilig noch erfolgreicher als die rechten. Um ein e Frag e ran g all e kollektiv e Kriegserinnerung : Wa s hatt e e s mit der Kameradschaft i m vergangenen Krie g au f sich? Ga b es sie - ode r war die Rede davon nur Lug und Trug? Wen n e s sie den n gab, worin hatte si e bestanden? War si e die Ausnahme ode r die Regel ? Wen n i n der Weimarer Republik über die Kameradschaft diskutier t wurde, dann nicht aus antiquarischen Motiven, sonder n weil ma n sie in der Gegenwart erneuern wollte oder weil ma n diese s Ansinne n fü r fragwürdi g hielt . We r i n diese m Strei t den Sie g davo n trage n würde , stan d 191 8 noc h nich t fest . Ebens o weni g war 191 8 absehbar, dass die militärische Niederlage und die Auflösung de s Obrigkeitsstaates 1 5 Jahre späte r zu r Apotheos e eine s staatliche n Gewalt kults und zur Inaugurierung eines totalitären Regimes fuhren würde, das die Kameradschaft zu r Staatstugen d erkläre n würde . Genau dies aber geschah: Der Streit um die Kameradschaft verflüchtigt e sich , und zwar schon in den Jahren vo r 1933 , um dan n mi t de r Gleichschaltun g de r deutsche n Gesell schaft ganz unterdrückt zu werden. Freilich stand die Rolle der Kameradschaft i n diesem Diskussionsprozess nicht vo n Anfan g a n fest . Di e Generäle , dere n Memoire n u m 192 0 de n Markt de r Kriegserinnerun g beherrschten , verlore n allenfall s beiläufi g ei n Wort übe r di e Kameradschaft . Ihne n gin g e s u m di e Rechtfertigun g ihre r taktischen Künste , u m de n Nachwei s ihre r militärische n Professionalitä t 50 Knapp ; Ruppert, S. 270-273

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und u m di e eigen e Heroisierung. 51 Gleichzeiti g kursierte n nich t nu r i m Lager de r Pazifiste n harsch e Urteil e übe r di e Wirklichkei t de r Kamerad schaft im Krieg. Die »persönliche Wärme und die Sprache des Einverständnisses und der Herzlichkeit« de r Kameradschaft hab e man »sehr vermisst« , klagte 191 9 der ehemalige Kriegsfreiwillig e Fran z Schauwecker , ohn e das Ideal selbs t desavouiere n z u wollen. 52 Siegfrie d Wegeleben , ei n andere r Kriegsfreiwilliger, urteilte , de r Begrif f hab e nackte m Egoismu s un d seeli scher Brutalität al s Aushängeschild diene n müssen . E r verwahrte sic h ent schieden gege n di e Vorstellung, de r »›heilige Krieg ‹ berg e unübersehbare s Neuland hervorragende r sittliche r Qualitäten « un d hab e »Altruismu s i n Reinkultur« gezeitigt. 53 Solche Urteil e zeuge n vo n de r Verunsicherung , di e unte r bürgerliche n Nationalisten un d professionelle n Militär s herrschte . O b ma n nac h de m Versailler Vertrag noch einmal an die alten militärischen Traditionen würde anknüpfen können , wa r offen . De r vo n auße n oktroyierte n Entwaffnun g entsprach die Antikriegsstimmung i m Inneren. Die aufständischen Arbeite r und Arbeiter-Soldaten, di e de n Offiziere n 191 8 und 191 9 di e Achselklap pen herunterrissen , hätte n di e Verkehrun g de r Werteordnun g de s Kaiser reichs kaum deutlicher machen können. Ehemalige Offiziere wandelte n sich zu entschiedene n Kriegsgegnern , di e da s Militä r fü r »verbrecherisc h un d unmenschlich« erklärte n und den »Sinn« de s Krieges darin sahen, »endgültig aufzuräumen mi t den letzten uns anhaftenden Anschauunge n des Militarismus.«54 De n Kriegervereine n alte r Prägun g ware n di e Mitgliede r scho n vor 191 8 in Scharen davongelaufen. 55 Neue n Veteranenverbänden wi e dem »Stahlhelm« prophezeite n selbs t überzeugte ehemalig e Soldate n de n baldigen Untergang. 56 Di e 100.00 0 Soldate n de r dezimierten Reichsweh r sahe n sich zeitweili g 500.00 0 Pazifiste n gegenüber , di e de r Parol e »Ni e wiede r Krieg« i n Massenaufmärsche n Nachdruc k verliehen. 57 De n run d 400.00 0 Freikorpskämpfern stande n um 192 0 fast doppel t soviel allei n i m sozialdemokratischen »Reichsbund « organisiert e Kriegsversehrt e gegenüber. 58 Da s Sagen hatten in dieser Zeit nicht die Bellizisten, sondern die Kriegsgegner. 59 51 Müller , Krieg , S. 31ff.; Pöhlmann, bes. S. 158ff. 52 Schauwecker , Todesrachen, S. 307, 100f, 18 , 16, 246. 53 Wegeleben , S. 25f., 35f , 105ff . 54 Paasche , S. 4f., vgl . Wieland, Paasche, S. 176. 55 Zwische n 191 5 und 192 1 sank die Mitgliederzahl vo n ca. 2,9 Mio. auf 2,2 Mio . nach der offiziellen Selbstdarstellung , Kyffhäuse r 5.7.36 , S . 726; vgl . Fricke/Bramke , Kyffhäuser-Bund , S. 326. 56 Wegeleben , S. 105ff. 57 Lütgemeier-Davin , S. 59; Ulrich/Ziemann, Krieg, S. 197f . 58 Mitteilunge n de s Reichsbundes 14.2.19 , S. 2 (150.000 Mitglieder); 6.9.19, S . 2 (400.000), 10.7.20, S. 88 (750.000); Whalen, S. 128. 59 S o auch Verhey , Geist, S. 343.

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Zwar ebbt e de r Aufmarsc h de s organisierte n Pazifismu s i n de n frühe n zwanziger Jahre n ab . Aber i m gemäßigte n Pazifismu s de s Reichsbanners , das mit ei n bi s zwe i Millione n Mitglieder n meh r Zulauf verbuchte al s der Stahlhelm un d de r Jungd o zusammen , fan d di e »Nie-Wieder-Krieg« Bewegung ein e massenwirksam e Fortsetzung. 60 Un d de m apodiktische n Bekenntnis gege n de n Krie g al s »Prozes s de s gegenseitige n Mordens« 61 verschafften di e linke n Frontroman e um 193 0 eine ungleich größer e Resonanz al s de r organisiert e Pazifismu s u m 1920 . Remarque s »I m Weste n nichts Neues« wurd e binnen kurzem fas t ein e Million ma l verkauft . Durc h Vorabdrucke i n de r Press e un d di e Verfilmun g wa r e r praktisc h jede m Jugendlichen um 1930 bekannt. Eine Erhebung unter westfälischen Gymna siasten ergab, dass zu dieser Zeit fast jeder zweite seinen Remarque gelesen hatte. Nu r jede r acht e dagege n kannt e da s Kultbuc h de r bürgerlich nationalen Jugend , Flex ' »Wanderer«. 62 Auc h ander e link e Kriegsschrift steller verbuchte n Massenauflagen . Un d de r nac h Erns t Johannsen s Anti kriegsbuch gedreht e Fil m »Westfron t 1918 « erreicht e 193 0 di e höchst e Zuschauerquote unte r de n deutsche n Spielfilmen. 63 I m nationalistische n Lager löste n di e Erfolg e de r Remarque s un d Johannsen s Horrorvisione n einer pazifistische n ›Verseuchung ‹ de r Jugen d aus. 64 De r Strei t u m di e Kriegserinnerung wa r ei n Kamp f um die Kriegsbereitschaf t Deutschlands . Das nationalistische Milie u schreckt e die Furcht auf, nich t nur in der sozialistischen, sondern auch in der bürgerlichen Jugend und damit im geborenen Rekrutierungspotential de r Offiziere de s »Zukunftskrieges« könn e sic h ei n antimilitaristisches Meinungsklima breit machen. Das, wa s i n de r Zwischenkriegszei t al s Pazifismu s hochgehalte n ode r verdammt wurde , umfasste disparat e Erfahrunge n un d Ideale. 65 Alle kreis ten u m da s zivil e Leben , di e bürgerlich e Gesellschaf t un d di e Mora l de s Friedens. Dor t rangiert e di e Sicherun g de s eigene n un d di e Achtun g de s fremden Lebens an höchster Stelle. Der Krieg stellte diese Ordnung auf den Kopf. Gegen die Verkehrung der zivilen Werte richtete sich der Pazifismus. Zwar war das Militär als Bollwerk de s Obrigkeitsstaates und als menschenverachtende Unterdrückungsmaschine scho n vor 191 4 Zielscheibe sozialis tischer un d linksliberale r Kriti k gewesen . Ebens o hatt e di e Verdammun g 60 Stahlhelm : ca. 400.000, Jungdo 200.000 (1925), Ziemann, Kriegserinnerung, S.366ff. 61 Jirgal , S. 26, 36f.; Scharrer, S. 71; Johannsen, S. 25, 35f; Remarque, S. 5, 84, 116, 262. 62 Fassbender , S. 23, Rundfrage basierend auf 2366 Schülerantworten (S. 18). Auf die Frage nach de n »zumeis t gelesene n Werken « nannte n 106 1 »I m Weste n nicht s Neues«, 42 3 Renn s »Krieg«, 332 Flex' »Wanderer«. Ähnlich Eteteins, S. 441, Umfrage unter Düsseldorfer Primanern im Januar 1930. 63 Mühl-Benninghaus , S. 132 Anm. 39. 64 Eksteins , S. 409ff, S . 425; Brautzsch, S. 148ff, bes . S. 168 ; Schneider, Meute; Dörp I, bes. S. 54. 65 Jünger , Wäldchen, S. 140.

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des Krieges als Verbrechen a n der Menschheit ein e lange Tradition. 66 Aber erst die Erfahrung de s industrialisierten Krieges verankerte die pazifistisch e Idee i m Deutungshorizon t de r Öffentlichkeit. Kriegsmüdigkei t un d Empörung übe r Ungerechtigkeit a n de r Front wie i n der Heimat verbande n sic h mit de m Skrupe l gegenübe r de m »Massenmorden«. 67 Nich t nu r sozialisti sche Arbeiter, auch studentische Kriegsfreiwillige zeigte n sich entsetzt über »dieses grauenhafte Schlachten « und die »Verrohung« de r Soldaten. 68 Der Versailler Vertra g scho b Deutschlan d di e Schul d a m Krieg zu . Die Schuldfrage abe r hatt e nich t nu r ein e staatliche , sonder n angesicht s de r Teilhabe von Millionen Menschen am Töten auch eine soziale und psychologische Dimension . De r »durchschnittliche« Soldat , s o ein Feldgeistliche r 1922, wurzle a n der Front tief im friedlichen Leben . E r könne seine zivil e Identität allenfall s fü r kurz e Moment e abstreifen . Sei n tödliche s Geschäf t sei »unnatürlich « un d lege sich »vielen wi e ei n Alp auf die Seele« , wei l e s als Morden empfunden werde. 69 Am Blutvergießen i m Krieg, auch wenn es staatlich sanktionier t un d soga r erzwunge n war , haftet e de r Geruc h de s Verbrechens.70 Da s Bil d de s Kriegsheimkehrer s wa r ambivalent . E r hatt e für sei n Vaterland , sein e Heimat , sein e Famili e gekämpft , Lebe n un d Gesundheit riskiert, aber eine Welt durchlebt, welche die ethische Ordnung der bürgerlichen Existenz , di e e r doc h verteidig t hatte , au f de n Kop f stellte . War der Solda t noc h derselbe wie früher , al s er aus dem moralischen Niemandsland zurückkehrte? War er nicht ein Un-Mensch geworden? Das waren bohrende Fragen. Die Antwort des Pazifismus, de m Krieg abzuschwören, wa r di e eine radikale, di e nach 191 8 Bedeutung erlangte . Die andere extrem e Antwor t formulierte n nich t di e Massenverbänd e de r Veteranenbewegung, sonder n ein kleiner Zirkel vo n ehemaligen Soldaten , Frei korpskämpfern un d frühe n Nationalsozialisten . Rie f de r Pazifismu s daz u auf, ein e Zukunft ohn e Krieg z u gestalten, s o beschworen si e eine Zukunf t ohne Frieden. 71 Nietzsche s Forderun g nac h eine m »gefährliche n Leben « jenseits de s moralische n Rigorismu s vo n gu t un d bös e stan d Pate. 72 Di e »Freiheit de r Männer« sollt e sic h von keinen Fraue n und keiner Mora l de r Schuld aufhalte n lassen , wen n e s galt , »Mensche n zittern « z u lassen : »Endlich einma l jenseits vo n Gu t und Böse! Endlic h einma l Mensch , Un -

66 Wette , Militarismus, S. 97-218; Holl, S. 41 ff. 67 Ziemann , Front, S. 163ff., Soldatenbrief vom Dezember 1916, ebd. S. 185. Vgl. Kruse. 68 Witkop , Kriegsbriefe (1928), S. 109f., S. 83, 123, 244 u.ö.; Verrohungstopos: Jirgal, S. 36f. 69 Dreiling , S. 39, 43, 44, 50; dazu Ulrich, Kriegspsychologie, S. 69-71. 70 Vgl . Stietencron, S. 51; Leed, S. 194f; allgemei n Keegan/Holmes, S. 19f., 263ff. 71 Jünger , Kampf, S. 74. 72 Lindner , Leben, S. 35, 93 u. passim.

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mensch, Übermensch!« 73 Wollt e de r Pazifismu s di e zivil e Wel t reinige n von der des Militärs, so wollte der Bellizismus di e Welt befreien vo m bürgerlichen Sekuritätsdenken . Ein e solche neue Welt musste »fremdartig un d vielleicht barbarisc h erscheinen«. 74 Regiere n sollte n gan z »neu e Men schen«, »Überwinder , Stahlnaturen , eingestell t au f de n Kamp f i n seine r grässlichsten Form«. 75 Aus de r Virulen z de r psychische n un d moralische n Anfechtunge n de s Soldaten i m Gefecht , macht e auc h de r prominentest e Dichte r diese s Bellizismus keine n Hehl . Abe r Erns t Jünger s Stol z beruht e darauf , di e Angst um das eigene Leben ebenso wie die Skrupel beim Vernichten frem den Lebens »überwunden« z u haben. Die Fähigkeit dazu demonstrierte der wahre Mann im Gefecht. 76 I n der Bibel fand er, anders als der »gute Kamerad«, kein e Vorbilder . E r sucht e si e be i de n asiatische n Despoten . Wa r diesen doc h das Töten »Moral, wi e de n Christen Nächstenliebe.« 77 Jünger s Krieger war eine einsame und kalte Figur, die Lust im Töten empfand, aber die Wärme der Gemeinschaft floh. 78 Dabei war ihm das Ideal der Kameradschaft al s Statthalte r heimatliche r Geborgenhei t durchau s bekannt. 79 Abe r der Sehnsuch t nac h »Menschlichkeit « sollt e de r Meiste r de s Kriege s »nu r so lang e da s Her z öffnen , al s si e nich t schade n kann.« 80 Nebe n de m Ic h kannte er zwar ein Wir, abe r »unsere Sittlichkei t un d unsere Pflichte n sin d andere« als die der »Menschlichkeit«. Fü r ihn hieß »es töten, und es ist kein Zweifel, das s wir töte n werden: gu t mitleidslo s un d nach alle n Regel n de r Kunst.«81 Jünger selbst zog sich nach dem Krieg auf die unkriegerische Schriftstel lerei zurück . Sein e Beschwörun g de r perpetuierte n Gewal t umzusetzen , blieb den republikfeindlichen Freikorps , den Fememördern, den politischen Soldaten un d Schlägertrupps de r NSDAP überlassen. Ihr e Gewalt bewegt e sich außerhal b de r Legalität , welch e di e bewaffnet e Mach t de s Staate s umschirmt hatte. Der Geruch des Verbrechens schreckte ihre Täter nicht ab, sondern faszinierte sie . Sie hypostasierten radikaler noch als Jünger eine der »ältesten Forme n menschliche r Communitas : da s Töte n z u gemeinsame r Hand«, da s Blutbad . Dies e Gemeinschaf t bedurft e de s Kameradschafts 73 De r Weiße Ritter 5, 1923 , S. 86ff., bei Hafeneger/Fritz, S. 48. Laqueur, Jugendbewegung, S. 153-159. 74 Jünger , Wäldchen, S. 77, vgl. ebd. S. 18f. 75 Jünger , Kampf, S. 32 u. 74. 76 Jünger , Stahlgewitter (1978), S. 260f. Volmer, S. 60ff.; Müller, Kriegserlebnis, S. 22f. 77 Jünger , Kampf, S. 55. 78 Lethen , S . 128; Horn, Krieg , S . 650ff.; Geissler , S . 124; zeitgenössisch : Pongs, Krie g I, S. 52f. 79 Vgl . z.B. Jünger, Kampf, S. 26. 80 Jünger , Stahlgewitter (1922), S. 94, dazu Dempewolf, S. 60. Jünger, Kampf, S. 21 f. 81 Jünger , Wäldchen, S. 239.

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mythos nicht. Sie gründete nicht auf dem Prinzip des Helfens und Teilens.82 Die Gewal t gege n di e Feind e un d de r alkoholgetränkte , derb e Umgan g untereinander, da s Prestige , da s de r brutalst e Gewalttäte r unte r seinesglei chen genoss, die rituell verfestigte Rach e am Renegaten schaffte Einhei t im Inneren und Distanz zur verschmähten zivilen Außenwelt. 83 Erich vo n Salomon s autobiographische r Freikorpsroma n »Di e Geächte ten« verlie h de r soziale n Praxis de r nationalsozialistische n Schlägertrupp s um 193 0 ein mythisches Fundament . Salomo n sa h sich und seinesgleiche n als »Ausgestoßene au s der Welt der bürgerlichen Normen«. Als Freikorpskämpfer hatt e er sich zurückgehalten, al s seine Gesinnungsgenossen einig e Gefangene umbrachten , um Rache für einen von den Gegnern verstümmelten Kameraden z u nehmen. Da s hatte ih m den schmählichen Vorwur f ein getragen, »humanitäre n Einflüsse n nich t unzugänglic h z u sein. « Abe r e r war lernwillig. Am Ende steigerte sich sein Bildungsgang bis zum Stolz, ein »Mörder« un d »ein Verbrecher sein zu wollen.«84 Auf der Basis der verbrecherischen Gesinnung war »Freundschaft« (nich t Kameradschaft) selbs t mit Kommunisten möglich , wen n dies e nu r Spa ß dara n fanden , »ei n bissche n Blut [zu ] rühren«. 85 Auc h di e »Geächteten « verschmähte n di e Wärm e de r Kameradschaft. I m »Gefecht der Einzelnen« durften sie die »Verlassenheit« als Glück erfahren. 86 Diese Verachtung de s Kameradschaftsideals trennt e das gewaltverherrli chende Milieu von Jünger bis Hitler zunächst von der bürgerlichen Vetera nenbewegung de s Stahlhelm, de s Jungdo und der Kriegervereine. 87 Gewis s kannten Salomon, Jünger oder Hitler die militärische Tugend der Kameradschaft. Bei m Gefallenengedenke n sange n auc h di e Nazi s da s Lie d vo m guten Kameraden. 88 Auc h wa r ihne n di e Anred e »Kamerad « fü r politisch e Gesinnungsgenossen geläufig. 89 Hitle r tituliert e di e fün f SA-Männer , di e 1932 einen Kommunisten in Potempa bestialisch ermordet hatten und dafür 82 Zitat e Sofsky, Gesetz, S. 54. 83 Reichardt , Kampfbünde, S. 390ff., 660ff. 84 Salomon , Geächtete, S. 63 (vgl. S. 72), 445, 247, 369, 390, 152, 364-366. 85 Ebd. , S . 152, 363-366 . Inbegrif f eine s »Freundes « wa r de r Rathenau-Mörde r Kern , ebd. S.368-370. 86 Ebd. , S. 364. Das Substantiv kommt überhaupt nicht vor, lediglich das Appellativum »Kamerad«, ebd. S. 174, 237, 276, 306, 310, 322, 334, 375, 377, dagegen z.B. S. 321, 371. 87 Hitler s »Mein Kampf « vermie d selbst dort, wo es um den Korpsgeist des Heeres, die nationale Erziehungsfunktio n de s Militär s ode r di e nationalistisch e Gemeinschaftsideologi e ging , jeden Rekur s au f di e »Kameradschaft« , S . 180f., 306ff , 326-328 , 373 , 39 1 ff., 459ff . Vgl . Hancock, Röhm, S. 40, 44, 47-50. 88 Wulf , Musik, S. 246. Vgl. z.B. Völkischer Beobachter 14.8.29, S. 3, Bericht über die Totenfeier der »ermordeten Parteigenossen Grünewald und Johst«. 89 Hitler , Kampf, S. 226f., 234, 391, 393, 405 bezeichnet politische Gesinnungsgenossen al s »Kameraden«. Da s Appellativu m »Kameraden « finde t sic h häufi g i m Liedgut , vgl . nu r Wul f Musik, S. 244.

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zum Tod e verurteil t worde n waren , i n eine m öffentliche n Telegram m al s »Meine Kameraden « un d sichert e ih n »unbegrenzt e Treue « zu. 90 Abe r i n den zwanziger Jahren zählt e Kameradschaf t nich t zu den Leitbegriffen de s radikalen rechten Milieus. Der Begriff war bürgerlich besetzt, i n die christliche Ethik eingefasst und mit einem sozialintegrativen Anspruch ausgestattet. Von alledem ho b sich di e kulturelle Inszenierung 91 de r frühen NSDA P ab. Ih r mythische r Referenzpunk t wa r da s ungehobelt e »landsknechtlich e Gemeingefuhl« soziale r Außenseiter . Di e Kameradschaf t »vo n Mensc h z u Mensch«92 wa r etwa s fü r de n »Bürger« . Si e blockiert e di e Verselbständi gung de r militärischen Gewalt . De m »Krieger« un d »Geächteten « wa r si e im Weg.93 Nicht nur das radikale nationalistische Milie u und die frühen Nationalsozialisten verachtete n ein e Kameradschaft , di e »in s Moralisch e idealisier t oder ins Humanitäre sentimentalisiert worden« war. 94 Auch unter professionellen, de m Nationalsozialismu s durchau s distanzier t gegenüberstehende n Militärs hielt sich ein solch elitärer Habitus noch bis in die dreißiger Jahre. Seine Wurze l hatt e e r hier i m Argwohn gegenübe r de m Massenheer . Die sem stellt e Ma x Simoneit , späte r Che f de r Wehrmachtpsychologie , 193 3 den heroischen »Krieger als selbständigen Einzelkämpfer« 95 gegenüber , der sich durc h angeborene n »Angriffsgeist « auszeichne. 96 E r stan d übe r de r Masse »gezogener « Soldaten , di e de r schnöde n Kameradschaf t bedurften , um ihre Furcht vor dem Tod und ihre Hemmungen vor dem Töten abzulegen. Simonei t hin g jene r Richtun g innerhal b de r Reichsweh r an , di e da s Heil i n einem zahlenmäßig kleinen , mobile n un d hochtechnisierten Opera tionsheer sah . Desse n einflussreichste r Anwal t wa r Han s vo n Seeckt , bi s 1926 Che f de r Heeresleitung. 97 Di e vo n ih m erhofft e »Renaissanc e de r

90 Völkische r Beobachte r 24.8.32 , auc h be i Kluke , Potempa , S . 283. Desse n Formulierung , Hitler habe sich »trot z der Ungeheuerlichkeit de r Tat« mi t dem Mörder n identifiziert , verkenn t di e Symbolik diese r Solidarisierung - nich t trotz, sondern wegen des Mordes erfolgte sie . 91 Un d u m dies e geh t e s hier , als o u m di e diskursiv e Darstellun g de r Vergemeinschaftung , nicht um die Vergemeinschaftung al s sozialpsychologischen Prozess . 92 Elert , Ethos , S. 13 9 (1928). Georg von Frundsberg (1473-1528) , Landsknechtsführer . 93 Ers t später , al s de r Nationalsozialismu s zu r Massenbewegun g un d zu r Staatsparte i wurd e und nich t meh r nu r au f de n Zusammenhal t i m Innere n bedach t sei n musste , sonder n di e ganz e »Volksgemeinschaft“ i m Zeichen de s Gewaltkult s z u integriere n hatte , nutzt e e r di e Integrations und Harmonisierungsleistunge n de s Leitbilde s de r Kameradschaft , un d gleichzeiti g versucht e e r ihn - darau f komme ic h noch zurück - aggressive r un d im Sinne der verbrecherischen Vergemein schaftung z u besetzen. 94 Günther , Kameradschaftslehre, S . 13 . 95 Simoneit , Wehrpsychologie, S . 125 . 96 Simoneit , Gedanken, S . 523. 97 Vgl . Deist, Reichswehr, S . 84f .

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klassischen Kriegsfuhrung« 98 ignoriert e freilic h di e Realitäte n de s moder nen Krieges. Der Totale Krieg war ohne Massenarmee nicht zu führen. Der heroisch-aristokratische Heldenkul t behiel t gleichwoh l i m kriegeri schen Diskurs seine n Platz. Denn im kommenden Krie g braucht e ma n den martialischen Einzelkämpfer , di e Eliteeinheite n un d die Mass e de r Wehr pflichtigen. Eric h Weniger, al s ehede m NS-kritischer un d daher relegierte r Pädagogikprofessor i n de n späte n dreißige r Jahre n i n de r Wehrmach t mi t Erziehungsfragen befasst , glorifiziert e di e »Kampfgemeinschaft « un d de n »Einzelkämpfer« al s »di e höchste n Gestaltunge n de s Soldatentums« . Ka meradschaft dagege n stan d für kollektive Trägheit . Ih r sozialer Ort war die »Mannschaft«. Dies e hatt e zwa r Uniforme n angezogen , abe r di e zivil e Prägung darunter , di e Furch t vor dem Tod und dem Töten, nicht abgelegt . Ihre Kampfkraf t bedurft e »körperliche r Nähe « un d Kameradschaft . Dami t war sie eine Angelegenheit der »Schwachen«. 99 Wer sich zwischen 191 8 und 193 9 den »Zukunftskrieg« al s Massenkrieg vorstellte, konnte sich nicht jedoch darauf kaprizieren, di e kriegerische von der zivilen Gesellschaf t ode r die Mora l de s Tötens von der Moral de s Lebens abzukoppeln. E r musste beides zusammen bringen. E r musste vielfäl tigen Soldatentype n un d disparaten Erfahrungs - un d Erwartungshorizonte n Platz i m Militär bieten , nich t nu r geborenen Soldaten , sonder n auc h gezogenen Soldate n unterschiedliche r psychische r un d physischer Konstitution , biographischer Prägun g un d soziale r Herkunft . Si e ware n nich t all e glei chermaßen zu m Soldatentu m geeignet. 100 I m Erste n Weltkrie g hatt e sic h diese Kru x de s Wehrpflichtigenheere s i n massenhafte n psychische n Ver krüppelungen bemerkba r gemacht. 101 Ein e fü r da s nationale Lage r trauma tische Dimensio n hatt e di e Apori e de s »Volk s i n Waffen « 191 8 mi t de r Matrosenrevolte, mi t de m Sie g de s »Bürgers « übe r de n »Soldaten « ange nommen.102 Der Bürger und der Solda t - dami t is t eine de r zahlreichen binäre n Kodierungen de s Spannungsverhältnisse s zwische n zivile r un d militärische r Gesellschaft benannt . Si e sprache n Gegensätz e unterschiedliche r Ar t an : zwischen verschiedene n Mensche n un d Sozialfiguren, emotionalen , menta len un d ideologische n Befindlichkeiten , Zeite n un d Räumen . Friede n un d Krieg stande n fü r Friedenssehnsuch t un d Kriegsbegeisterung , fü r Vor kriegs- und Kriegszeit, für Heimat und Front. Der Gegensatz zwischen dem Bürger und dem Soldate n war de r zwischen Familien - und Kasernenleben , 98 Meier-Welcker , Seeckt, S. 636. 99 Weniger , S. 144, 132-137. Zu Weniger vgl. Hoffmann/Neumann. 100 Simoneit , Wehrpflicht, S . 58f. Vgl. Pintschovius, S. 141 101 Vgl . Riedesser/Verderber, S. 23ff., zuletzt Lerner. 102 Schmitt , Zusammenbruc h (Zita t au s dem Untertitel) , vgl. S . 39f., Bürge r als Chiffr e fü r Zivilität schlechthin, die soziologisch auch den Arbeiter einfasst.

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ziviler Geselligkei t un d militärische r Vergemeinschaftung , Sicherhei t un d Gefahr, Freihei t und Zwang, zwischen der Hemmung zu töten und der Lust am Töten. Der Gegensatz zwischen Bürge r und Soldat trennte jedoch nicht nur verschiedene Menschen, Räume und Werte, sondern wirkte auch innerhalb eine s Individuums . De r Bürger-Solda t tru g sein e Unifor m stol z un d doch nu r al s ein e Ar t Verkleidung . Di e Vorstellun g eine r Persönlichkeits spaltung zieh t sic h al s rote r Fade n durc h de n kriegerische n Diskur s de s bürgerlich-nationalen Lagers . Walte r Fle x bracht e si e mi t de m »Wandere r zwischen beiden Welten« au f die einprägsamste Formel. »Der Frontsoldat« sei, diagnostiziert e Werne r Pich t 1937 , ander s al s de r Kriege r »Bürge r zweier Welten« , de r »Wel t de s Friedens« , de r »Wel t werteschaffende r Arbeit und glückhafter Erfüllung«, un d der Welt der »Mordmaschinen« und des Tötens. »Ein Ris s geh t durc h sein e Seele« . E r vertiefe sic h noch , wei l die Heimat den Soldaten nicht verstehe.103 Damit di e Heima t de n Soldate n un d diese r sic h selbs t besse r verstehe , arbeitete das bürgerlich-nationale Lage r an einer integrativen symbolische n Ordnung de s Krieges . Die s abe r hieß , de n Pazifismu s nich t blo ß z u ver dammen, sonder n sein e Herausforderunge n erns t z u nehme n un d eine n Ausgleich zwische n ih m un d de m Bellizismu s z u finden . Pazifismu s wa r die Chiffr e fü r di e Angst vo r dem Verlust de r physischen un d der morali schen Identität . Di e »Nie-wieder-Krieg«-Bewegun g verdankt e ihr e Reso nanz de r moralische n un d emotionale n Verunsicherung , welch e di e Mas senpartizipation a n der kriegerischen Zerstörung ausgelös t hatte. Das nationalistische Lager musste dieser Verunsicherung Herr werden. Gleich nac h Kriegsend e veranstaltet e de r Stahlhel m Weihnachtsfeiern , »um auch unseren Frauen und Kindern zu zeigen, dass wir trotz der ›Verrohung‹ i m Krie g auc h noc h ech t deutschen , häusliche n Sin n i n un s ber gen«.104 S o entwickelten di e Veteranenorganisationen fieberhaft e sozialfür sorgliche Aktivitäte n al s Bewei s ihre r moralische n Läuterun g durc h de n Krieg. De r Bogen , de n de r kameradschaftlich e Altruismu s schlug , reicht e von de r Taschengeldspend e de s Jungstahlhelm-Mitglied s »zu r Unterstüt zung i n No t geratene r Kameraden « übe r de n »billige n Mittagstisch « fü r bedürftige Kameraden , Fraue n un d Kinder, Ferienprogramm e fü r Kamera denkinder, Wohnungsbaumassnahmen , Kleidersammlungen , »Volkskü chen« un d Stellenvermittlunge n bi s hi n zu r freiwillige n Spende , di e di e Kyffhäuserzentrale al s »Kameradenpflicht « währen d de r Inflatio n einfor derte - nich t zu r Unterstützun g de r Kameraden , sonder n zu m Erhal t de r

103 Picht , Frontsoldat, S. 31-39. Sieh e weiter oben zu Dreilings Dagnose von 1922. 104 Stahlhel m 15.12.21 , S. 345.

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Verbandsorganisation.105 Di e »praktisch e Betätigun g de r Kameradschaf t durch sozial e Fürsorge « sollt e jene »gedankenlo s verbreitete n Unwahrhei ten« entkräften , wonac h de r Krieg di e Mensche n »verroht « un d »als halb e Räuber und Mörder« entlassen habe.106 Als Kamera d wahrt e de r Solda t sein e zivil e Identität . De r Kamerad schaftsmythos erzählt e vo n eine r da s Handel n un d di e Befindlichkei t de r Soldaten i n allen Situatione n überwölbenden »Menschlichkeit « un d stattete sie mit einer sakralen Aura aus. Der gute Kamerad firmierte al s Nachfolger Christi. Zu den prominentesten Figuren des christlich-bellizistischen Märty rertums stiege n nac h 191 8 ei n gefallene r Leutnan t un d sei n literarische s Alter Ego auf: Walte r Flex und Ernst Wurche. Wurche, der das Neue Testament stet s bei sic h trug , verachtet e da s »Angst-Christentu m un d die Gebetspanik de r Feigen« - de n Pazifismus. E r verkörperte de n Miles Christi . Als auc h sexuell reine r Nachfolge r de s Heiland s wa r Wurch e moralisc h sakrosankt. Wi e di e »Wildgänse« , instinkthaf t un d schicksalsergeben , rauschte e r durc h ein e Wel t »volle r Morden« . Dies e Wel t hatt e e r nich t geschaffen. E r fügte sic h nur in ihre göttliche Wirklichkeit. Un d er kämpfte »seinen gute n Kampf« . Wurche s Diktu m lautete : »Leutnantsdiens t tu n heißt: seine n Leute n vorlebe n [...] , da s Vor-Sterben is t dann wohl ei n Tei l davon«. E s brachte di e Apotheose de s Soldate n al s Nachfolger Christ i au f eine bündige Formel. 107 Je länge r de r Krie g zurüc k lag , dest o meh r Wurche s präsentiert e de r Kameradschaftsmythos. Al s Verwundete r harrt e de r Offizie r au f de m Schlachtfeld aus , bi s sein e Leut e au f de m Verbandsplat z waren , bevo r e r sich selbs t dorthi n bringe n ließ . Umgekehrt opfert e sic h auc h de r einfach e Soldat für seinen Leutnant. Der gute Kamerad war allzeit bereit, sein Leben für den anderen zu lassen. 108 Aber nicht nur über dem, der sein Leben opferte, leuchtet e ei n Heiligenschein . Scho n we r »sei n Bro t de n hungernde n Kameraden gab« , wa r »ei n halbe r Heiliger« , un d auch der, der den Kameraden a n seine r Zigarett e rauche n ließ. 109 Di e gegenseitig e Fürsorg e wa r allgegenwärtig. De r älter e Solda t hal f de m unerfahrenen , da s Gepäc k marschfertig z u machen, ein anderer verzichtete zugunsten des Kameraden, der Vater geworde n war , au f seinen Heimaturlaub. 110 Überall bügelt e jeder 105 Stahlhel m 7.6.25 , S . 13-16, ebd . 27.9.25 , S . 13; Kyffhäuse r 2.12.34 , S . 1140; SchulzLuckau, S. 24ff., 121-163 ; Seldte II, S. 134-145. 106 Kyffhäuse r 5.5.29, S. 337f. 107 Zitat e Flex, S . 8f., 17 , sowie zum »guten Kampf« 2 Tim. 4,7 u. oben, Konstanzer 119er Tag; vgl. zu Flex Neuss, S. 89-96; Ulbricht, Mythos, S. 129-131 108 Prümm , S . 144, z u Beumelburg , Gruppe , S . 162, 185 ; Kalkschmidt, S . 187; Gollbach, S. 258f.; Steinauer, S. 22; Lutz, S. 64; Stahlhelm 29.6.24, S. 9. 109 Wehner , Sieben, S. 20. Schneider, Lebensweisheit, S. 32; Merki, S. 29, zur ›letzten‹ Zigarette. 110 Beumelburg , Gruppe, S. 67f.

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nach Kräfte n kleiner e Entgleisungen , Fehle r un d Schwäche n de s andere n aus, sorgte sich selbstlos um den anderen, strich ihm zärtlich über die Haare, wenn er den psychischen Belastunge n de s Gefechts nich t standhielt. Im Weihnachtsfest a n de r Fron t verwandelte n sic h di e »graue n Männer « i n unschuldige Kinder . Mi t »unbeholfene n Händen « öffnete n di e Kamerade n die Paket e un d lasen , »ei n Kinderleuchte n i n de n Augen« , di e Brief e vo n zuhause. »Un d dann beginnt ei n Plaudern, i n dem sich di e ganze Innigkei t der deutsche n Seel e offenbart.« 111 Mi t ihre m friedliche n Beisammensei n bewiesen di e Soldaten , das s si e »Menschen « gebliebe n un d stet s i n de r Lage waren, von der kriegerischen Identität in die zivile zurückzukehren. War solche r Altruismu s unmittelba r nac h de m Krie g al s Ausnahm e ge handelt worden , s o ga b di e kollektiv e Erinnerun g ih n bal d al s Selbstver ständlichkeit des Frontlebens aus: »Nicht einer ist unter uns, / Der nicht den letzten Bisse n Bro t / Mi t de n andere n geteil t hat , / Nich t einer , de r nich t dem verwundete n Kamerade n / Die blutend e Wund e verbunden . / Nicht einer ist unter uns, / Der nicht gefühlt hätte: Bruder, / Nicht einer, dem nicht mit dem Freunde / Ei n Stüc k seine s Herzen s zerriss.« 112 Di e Kriegserinne rung machte zur Regel, was zunächst oft genug nur als Ausnahme erfahre n worden war . Theodo r Bartram , eine n de r intellektuelle n Wegbereite r de s Stahlhelm, problematisiert e 191 9 da s Kriegserlebni s al s widersprüchlich e Angelegenheit. »We r hat nicht ›schlechte Erfahrungen‹ gemacht?« Aber die Gefahr, s o Bartram unverblümt, besteh e darin , das s die »schlechte n Erfah rungen« durc h di e »Werbetätigkei t i m entgegengesetzte n Sinne« , nämlic h der Sozialiste n un d Pazifisten , »ausgebeutet « würden . De m gelt e e s ent gegen z u wirke n »durc h di e Aufstellun g eine s positi v gerichteten , lebensfähigen Ideals«. 113 An diesem Ziel richtete sich die Arbeit am Mythos von der sozialen Harmonie der Frontgemeinschaft aus. Wie da s geschah, zeigt das Beispiel de s bayerischen Ministerialbeamte n Joseph Schneider . Zwische n de n Buchdeckel n seine s Brevier s de r »Le bensweisheit«, da s e r 192 6 de r Öffentlichkei t übergab , finde n sic h zwe i völlig entgegengesetzt e Erinnerungsweise n - ein e empirisch e un d ein e mythische. Gege n End e de s Kriege s hatt e e r i m Rahme n seelsorgerische r Tätigkeit »Hunderte « vo n Polizei- und Armeeangehörigen nac h ihrem prägenden Kriegserlebni s befragt . Di e Ergebniss e lese n sic h wi e ein e früh e Vorwegnahme spätere r wissenschaftliche r Einsichte n i n da s emotionale , moralische un d kognitiv e Durcheinande r de s Soldate n i m moderne n Krieg.114 Fü r jede n dritte n de r vo n Schneide r befragte n Soldate n ware n 111 Limpach , S . 68f.- Zu r Politisierun g de s Weihnachtsfest s Foitzik , Sterne , S . 32ff., 47ff. , 146ff. 112 Kriegsgräberfürsorg e 1931/4 , S. 51 f. 113 Bartram , S. 18. 114 Ziemann , Konstruktion, S. 104; Kühne, Soldat, S. 357ff.

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Kampf-, Todes- , Verwundungs - un d ander e Leidenserfahrunge n prägend . Knapp di e Hälft e erinnert e sic h a n kei n prägende s Kriegserlebnis . Di e i m engeren Sinne soziale Dimension erwähnte nur jeder achte. Für die meisten stand si e unte r negative m Vorzeichen : »Unkameradschaft , Ungerechtig keit« hatt e jede r Zwölft e erfahren , »Kameradschaft « abe r nu r jede r Fünfzigste!115 Diese Statisti k fügt e Schneide r seine m Sittlichkeitsbrevie r i n eine m kleingedruckten Anhan g bei . Gan z trennen mocht e er sich von den Ergebnissen seine r aufwendigen Befragunge n nicht . Aber sie passten nicht mehr in da s Bild , da s sic h sei n konservative s Lesepubliku m un d e r selbs t mitt lerweile vo m Krie g gemach t hatten . Sin n wa r gefragt , nich t Sinnlosigkeit . Sinn abe r vermittelte nich t di e Empiri e de r Statistik , sonder n di e Ewigkei t der mythische n Wahrheit . Au f da s Uhland-Lie d vo m gute n Kamerade n nahm Schneider in der impressionistischen Auswertun g seine r Befragunge n explizit Bezug. Sein apodiktisches Fazit lautete: »Draußen war die Welt des guten Kameraden«. Das statistische Übergewicht gegenteiliger Erfahrunge n leugnete Schneider , inde m e r di e Rege l zu r Ausnahm e erklärte . Negativ e Erfahrungen begrenzt e e r au f »ressentimenterfüllte « Pechvögel , di e »un glücklicherweise« mi t ungerechten Mensche n hätte n zusammenleben müs sen. Ihne n abe r stünde n »Tausende « (befrag t hatt e e r »Hunderte« ) gegenüber, »di e nich t mit den Lippen, abe r mit dem Herzen derer gedenken, di e bei ihrer Rettung das Leben ließen«. Nur ihr Kriegserlebnis sollte im kulturellen Gedächtnis bewahrt werden. Es zeugte von der gegenseitigen Fürsor ge im Feld, der selbstverständlichen Rettun g de r Verwundeten i m Gefecht , der »brüderlic h einigenden « Wirkun g de r Lebensgefah r un d nich t zuletz t von de r erzieherische n Funktio n al l solche r Erlebnisse . Di e Kamerad schaftserfahrung, s o ei n Gewährsmann , se i ih m »jederzei t Anlass , Streit süchtigen ein Beispiel der Friedensliebe zu sein.« Schneiders Büchlein spiegelt die Entstehung, den Inhalt und die Struktur des Kameradschaftsmytho s i n nuce wider. A m Anfan g wa r da s Durchein ander disharmonische r un d widersprüchliche r Kriegserlebnisse . A m End e war Ordnung, Sin n und Gemeinschaft. De r Mythos erzählte davon, wie vor der bösen Fratz e de s Krieges Gute s entstanden sei . De r Krieg hab e i n den Soldaten »di e Kräft e de r Nächstenliebe« wachgerufe n un d sie zu Aposteln der »Friedensliebe« reife n lassen . I m Bewusstsein, »ein e Missio n [zu ] verwirklichen«, wirkten sie nun in der Gegenwart.116 Um die empirische Wahrheit de r Statisti k schert e sic h de r Mytho s nicht . Sein e Wahrhei t wa r nich t die de r Widersprüche , Konflikt e un d Ungereimtheite n de r kriegerische n

115 Schneider , Lebensweisheit , S . 130 , zum Folgenden ebd . u. S. 31 f. 116 Ebd. , S. 130,31,38 .

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Vergangenheit. Sein e Wahrhei t wa r die , welch e di e Gegenwar t brauchte , um mit jener Vergangenheit leben und die Zukunft gestalten zu können. 3. Gefolgschaft un d Volksgemeinschaf t Die Frag e lautete , wi e Zukunf t un d Gegenwar t aussehe n sollten . Daru m stritten Recht e un d Linke , Belliziste n un d Pazifisten , Nationaliste n un d Sozialisten. Die Rechte konnte sich die Zukunft nicht ohne nationalen Wiederaufstieg un d militärisch e Stärk e vorstellen . Dies e wiederu m wa r nich t denkbar ohn e Geschlossenheit . A m Mange l dara n wa r Deutschlan d 191 8 zugrunde gegangen. S o jedenfalls sa h es das nationale Lager . Di e Legende vom Dolchstoss war die populärste Variante diese r Deutung. Si e begrenzte das Übe l de r Uneinigkei t au f di e Heimatfront. 117 Di e Kriegsfron t dagege n bot da s heil e Gegenbil d eine r Gemeinschaft , di e all e soziale n Konflikt e überwunden hatte . I m synkretistische n Leitbegrif f de r Volksgemeinschaf t hatte sic h sei t de r Jahrhundertwend e di e Sehnsuch t de r Deutsche n nac h einer vo m soziale n Konflik t befreite n Natio n artikuliert . I m »Geis t vo n 1914«, de r Zustimmung de r Sozialdemokrate n z u den Kriegskrediten, un d im »Burgfrieden« , de r Kooperatio n zwische n monarchische r Regierung , bürgerlichen Parteien und sozialistischer Arbeiterbewegung, schie n die Idee der Volksgemeinschaf t Wirklichkei t geworde n z u sein . Abe r al s national e Ordnung hatt e si e de m Krie g nich t standgehalten . Überleb t hatt e di e Ide e der Volksgemeinschaft dagege n i n de n Schützengräben . Dor t leuchtete si e nicht nur als Vision, sondern als historische Wirklichkeit auf. Viel e Männer hatten sie als Augenzeugen erfahren. S o jedenfalls wollte es der Mythos.118 Der Kameradschaftsmythos glorifiziert e nich t etwa die vergangene Wel t des wilhelminische n Obrigkeitsstaates . E r erzählt e vo m Anbruc h eine r neuen Welt. Zur »Offenbarung de s Krieges« gehörte, so Schauwecker, auch die »Demokratie«. 119 Da s nationalistische Lage r musst e da s demokratisch e Potential, das der Krieg entfaltet hatte, einer modernen autoritären Ordnung zufuhren, als o Egalitä t un d Hierarchie, Revolutio n un d Subordinatio n ver schmelzen. De r Kameradschaftsmytho s arbeitet e diese r Ordnun g vor , in dem e r eine widerspruchsfrei e Gegenwel t zu r widerspruchsvollen Vergan genheit und Gegenwart beschrieb. Die Kameradengruppe repräsentiert e di e idealisierte Nation. 120 Dere n sozial e Innovationsfähigkei t beschrie b de r Mythos nich t al s Zustand , sonder n al s Prozess . E r verschwieg di e Wider 117 Barth , Dolchstosslegenden. 118 Ulrich , Augenzeugen, zum Authentizitätsanspruch der kollektiven Kriegserinnerung . 119 Schauwecker , Todesrachen, S. 57f. 120 Schauwecker , Aufbruch, S. 107, 235, 273.

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stände, die auf dem Weg zur neuen Gemeinschaft a n der Front zu überwinden waren, nicht. Das verlieh ihm Glaubwürdigkeit. Wer sein ziviles Ic h nicht scho n in der Kaserne abgelegt hatte , lernte e s an der Front. An die Stelle des Ichs trat, wenn die kameradschaftliche Läu terung gelang , di e Identifikatio n mi t eine m fluide n Wir , de m »Ganzen«. 121 Der ungläubige Proletarie r lie ß sic h bekehren zum gläubigen Gefolgsman n der kriegerischen Nation. In einer der Geschichten, die im »Stahlhelm« di e Erinnerung a n die Kameradschaft wac h hielten, berichtete ein Unteroffizie r von der wundersamen Wandlun g eine s Arbeiter-Soldaten namen s Mahlert , einem »Mann von düsterem Gemüt« und »stets verstecktem inneren Widerstand«. De r kameradschaftliche Unteroffizie r jedoc h wusste , das s Mahler t nur durch »die harte Fron als Arbeiter in einer Ziegelei und die bittere Sorge um seine Familie« s o unbeugsam geworden war. Als Mahlert im Gefecht schwer verletz t wurde , wa r fü r seine n Unteroffizie r kameradschaftlich e Hilfe selbstverständlich. Der Lohn der altruistischen Mühen blieb nicht aus. Der Notverband, de n der Unteroffizier de m verletzten, renitente n Untergebenen angelegt hatte , rettete diese m das Leben. »Un d mit der wiedererwa chenden Daseinsfreud e strömte n Her z un d Mun d übe r vo r Dankbarkei t gegen seine n Helfer . [... ] Di e kameradschaftliche Hilf e i n der Todesgefah r hatten in ihm den Glauben an die Menschen zu neuem Leben emporblühen lassen.« Di e »Menschen« - da s waren di e Repräsentanten de r Nation. Die Kameradschaft rettet e nicht nur das Leben des Proletariers, sondern befreite ihn auch vom proletarischen Eigensinn. 122 Der Kameradschaftsmythos erzählt e auc h von der nationalen Läuterun g bürgerlicher Kriegsfreiwilliger . Ihr e autobiographisch e Perspektiv e be herrschte die Frontromane um 1930. 123 Die kleinen Kameradengruppen, von denen dies e handelten , ware n sozia l un d landsmannschaftlic h heteroge n zusammengesetzt.124 Abe r kameradschaftliche r Zusammenhal t erho b sic h über zivile Identitäten . S o öffnete de r bürgerliche Kriegsfreiwillig e seine n sozialen Horizont und bedankte sich dafür bei seinen Proletarierkameraden , indem e r si e a m bürgerliche n Bildungsschat z teilhabe n ließ. 125 Di e Rolle , die der Kriegsfreiwillige al s Deutungsagen t i m Kameradenkreis verkörper te, flos s nahtlo s mi t de r de s kameradschaftliche n Führer s al s Integrations figur zusammen . Si e bildete das Gegenstück zu m Negativbild de s von persönlichem Ehrgei z getriebene n un d i m »Ständegeist « de s Offizierskorp s 121 Beumelburg , Schaffensweg , S . 3f . 122 Stahlhel m 25.11.28, S. 12 . 123 Ausnahme : Zöberlein s »Glaub e a n Deutschland« , desse n Protagonis t wi e de r Auto r au s der Arbeiterschaft stammte . 124 Vgl . Prümm, S. 143-145 ; Mizinski, Kriegserlebnis , S . 137 ; Gollbach, S . 169 . 125 Vgl . Ehrke-Rotermund , Jünger , S . 89; Prümm , S . 144 ; Beumelburg , Gruppe , S . 261; Steinauer, S . 21.

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befangenen Vorgesetzten. 126 Da s Selbstverständni s de s »Führers« gründet e auf de r charismatische n Fähigkei t zu r soziale n Integration , au f de m Stol z »darauf, da s Vertraue n de r Leut e z u besitze n un d vo n ihne n geachte t un d als ihr e Führer anerkannt z u werden. Wi r stande n z u ihne n nicht i n eine m Macht-, sonder n i n einem Vertrauensverhältnis , si e waren unser e Kamera den, unsere unentbehrlichen Mitarbeiter , jeder auf seinem Posten, wir sorgten für ihr Wohl, weil wir wussten, dass wir damit dem Ganzen dienten.« 127 Die kollektive Erinnerun g de s nationalen Lager s machte zur Regel, wa s im Krie g di e Ausnahm e gewesen , abe r scho n dor t überhöh t worde n war . Das berühmteste Beispie l wa r Ernst Wurche. Wurches Führertum gründet e nicht au f seine r bürgerliche n Herkunft , sonder n au f de r Fähigkeit , si e z u überschreiten. Di e Rekrutenzei t wa r da s sozial e Bad , da s e r i n de r »Seel e seines Volkes « genomme n hatte . Di e »gut e Kameradschaft« , di e e r »mi t Handwerkern, Fabrikern und polnischen Landarbeitern« gehalte n hatte, war der Auswei s seine r Anwartschaf t au f di e Roll e de s Führers. 128 Gehorsa m stellte sic h i n seine r Mannschaf t wi e vo n selbs t her. 129 »Da s Her z seine r Leute mus s ma n haben«, lautet e sein e Devise , »dan n ha t ma n gan z vo n selbst Disziplin. « De r Loh n alle r kameradschaftliche n Vorbildhaftigkei t war da s durc h kein e Widerständigkei t gebrochen e Machtgefühl . Wurch e setzte Maßstäbe . I n de r kollektive n Kriegserinnerun g konnt e kau m ei n Offizier überleben , de r sie außer Acht ließ. Er war der freiwilligen Gefolg schaft seine r Männer sicher. 130 Freiwillig wa r diese Gefolgschaft nicht , weil der Eintritt in sie auf freiem Entschlus s beruht hätte und der Austritt jederzeit möglic h gewese n wäre . Freiwilli g wa r sie , wei l si e fre i vo n Wider spruch war. Der totale Gehorsam gründete auf habitueller, emotionale r und kognitiver Verschmelzung zwischen Geführten und Führern.131 Wenn Schauwecker die Nation »nur noch hier draußen, einzig und allein an de r Front « platzierte , ho b er nich t nu r au f dere n sozial e Harmoni e ab , sondern auc h au f ihr e Poten z al s »Gesetzgeber«. 132 Wilhel m Ritte r vo n Schramm feiert e di e »selbstherrlich e Demokrati e de r Frontsoldaten « eine r »auf Tate n un d echter Leistun g gegründete n Rangordnung« , di e nich t de n »Gradabzeichen entsprechen d war«. 133 Dies e Demokrati e beschränkt e sic h 126 Bartram , S. 16f.; Pongs, Krieg I, S. 77f; Altrichter , Führer, S. 154-165 ; Weniger , S. 124f . 127 Bartram , S.14 . 128 Flex , S. 13-15. 129 Ebd. , S. 91 ff., auc h zum Folgenden. 130 Schramm , Kritik , S . 44f.; Posse , S . 5, 52f ; Ettighofer , Kamerad , S . 226f.; Pintschovius , S. 154f; Lutz , S . 62; Beumelburg , Gruppe , S . 176; Pfeiffer , Mannheldentum , S . 15 ; Jünger , Stahlgewitter (1922), S. 239 131 Zu r Genes e solche r Offiziersfigure n i m 19 . Jh . Höhn , Armee , S . 140-471 ; Messer schmidt/Gersdorff S . 57ff. 132 Lutz , S. 82. Zu Schauwecker bes. Pongs, Krieg I, S. 61. 133 Schramm , Kritik, S. 44f. Ähnlich schon Bartram, S. 20ff.

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nicht auf den formlosen Umgangssti l zwische n Offiziere n un d Mannschaf ten. Sie pochte auf die genossenschaftliche Souveränitä t einer Gemeinschaf t »freier Männer«, 134 di e ih r Führungspersona l selbs t bestellt e un d notfall s absetzte.135 Das Verfahren, da s dieser Führerauswahl zugrund e lag , lie ß die Erinnerung im mystischen Dunkel des Charismas: »Der Grund, aus dem das Schöpferische de r Führerpersönlichkeit kommt , ist letztlic h ei n Geheimnis, vor dem die Gefolgschaft nu r still ahnen d steh t und das sie durch Tat und innerstes Vertrauensverhältnis bejaht.« 136 In der Kameradengemeinschaft konnt e sich der Führer nicht auf Geburt, Bildung ode r ander e sozial e Privilegien berufen , sonder n musst e sein e Qualifikation imme r aufs Neue beweisen. Darin unterschied sich die Frontgesellschaft vo n de n Verkrustunge n de s untergegangene n Obrigkeitsstaat s wie vo n de r Erstarrun g de r Weimare r Demokratie . Dere n individualisti schem Konkurrenzprinzi p stellt e di e Kriegserinnerun g mi t de m kamerad schaftlichen Führe r ei n dezidier t gemeinschaftsbezogene s Leistungsidea l gegenüber. »Derjenig e wir d Führer , de r a m stärkste n da s Wese n un d de n Geist de r Kameradschaf t verkörper t un d vorzulebe n verma g un d dami t Sprecher und Vertreter der Gemeinschaft ist.« 137 Der Führer wirkte als Motor der sozialen Kohäsion . E r sicherte di e Kampfkraf t de r Truppe und ihre Funktion als Nukleus der Volksgemeinschaft . Solche Erinnerungskonstrukt e beschrieben , wi e e s hätt e sei n sollen , nicht, wie e s gewesen war . Schlichtwe g erfunde n ware n si e dennoch nicht. Sie entstammte n de m Erfahrungshorizont de r bürgerlichen Gesellschaft . I n deren Parteien, Vereinen und Verbänden wurden »Führer« - dies e Bezeichnung verdrängt e i n den zwanziger Jahre n di e des »Vorsitzenden« - demo kratisch bestimmt , seltene r durc h förmlich e Wah l al s durc h Akklamatio n oder Absprache zwischen Honoratioren , imme r aber unter Rücksichtnahm e auf Stimmunge n de r Basis . Selbs t i m straf f geführte n Stahlhel m musste n hin und wieder Orts- und Gebietsführer de m Druck ihrer Gefolgschaft wei chen.138 Vo r alle m i n de n Jugendbünde n entsprac h di e Führerselektio n ei nem formlosen Demokratieprinzip . Zum Führer prädestiniert war , wer über Ausstrahlung verfugte , gefolgschafts - un d gemeinschaftsbilden d wirkte. 139 Die Junge n wählte n sic h ihr e Führe r selbst , inde m si e alt e stürzte n ode r Gruppen verließen , dere n Führe r ihne n nich t geneh m waren , un d neu e 134 Lehmann , Infanterie, S. 86,vgl. Lutz, S. 62. 135 Mannhardt , S. 18-23, Führer, die »nicht gut« waren, wurden »abgesetzt«. 136 Lutz , S. 88, vgl. ebd. S. 62; Pongs, Krieg I, S. 49, 61. Vgl. Dithmar, S. 645. 137 Lutz , S. 88.- Zur NS-Zeit zusammenfassend Kershaw, Führer, S. 23ff. Dagegen zur Tradition individualistischer, konkurrenzkapitalistischer Leistungsbegriffe Braun, Leistung. 138 Vgl . Berghahn, Stahlhelm, S. 84 und 107, allgemein Matthiesen, Greifswald, S. 180. 139 Zita t Neuloh/Zilius , S . 111, vgl. 106-116 ; Rosenbusch , S . 91 ff.; Raabe , S . 51ff.; Jovy , S. 142ff. Strauß.

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Gruppen ins Leben riefen. Diese Gefolgschaftspraxis projiziert e das kollektive Gedächtni s zurüc k au f di e Wel t de r Schützengräben . E s ordnet e di e Kriegserfahrung mi t Hilf e zivile r Deutungsmuste r un d bracht e si e s o de r zivilen Gesellschaft nahe. Seine Wahrhei t bewie s de r Mythos durc h praktische Aktualisierung . S o bauten di e Bemühunge n deutsche r Unternehme r i n de n zwanzige r Jahre n im »Kampf um die Seele des Arbeiters« un d gegen Streik , Gewerkschafte n und betrieblich e Mitbestimmun g of t au f eigene n Offizierserfahrunge n i m Krieg auf. 140 Al s Kompanie - un d Bataillonsführe r hatte n si e gelernt , ihr e Mannschaft durc h eine n verständnisvolle n Umgangsstil , de n Verzich t au f soziale Überheblichkei t un d di e Demonstratio n unablässige r Fürsorg e be i der Stange zu halten - i m Gefecht ebenso wie in den politischen Wirren des Kriegsendes.141 Daher forderte de r Dinta-Gründer Carl Arnhold, den »Geist der Kameradschaf t au f di e Arbei t i n de n Betrieben « z u übertragen. 142 Di e sozialharmonische, au f beiderseitige m Vertraue n beruhend e »Betriebs« oder »Werkgemeinschaft « sollt e de n Strei k al s Aktionsfor m de s soziale n »Egoismus« un d sein e Institutionalisierun g i n Gestal t de r sozialistische n Gewerkschaften beseitigen. Im »wahren Sozialismus« der »Kameradschaft « schimpfte der Arbeiter nicht auf den Fabrikanten, »weil de r mehr Geld hat«. Er stellte auc h nich t etw a »unsinnig e Forderunge n a n den Arbeitgeber«. 143 Das Vertrauen des Arbeiters erkaufte sic h der Unternehmer durch materielle Zugeständnisse und einen egalitären Umgangsstil. 144 Zu den Versuchen, di e Kameradschaftserinnerun g de r Frontsoldaten fü r die Lösun g de r Gegenwartsprobleme nutzba r zu machen, gehört e auc h di e Arbeitslager- un d die Arbeitsdienstbewegung . Si e entstan d i n den zwanzi ger Jahren auf Initiative älterer Angehöriger der Jugendbewegung und sollte unterschiedliche sozial e Schichte n zusammenfuhren . Wi e di e kaserniert e Vergesellschaftung trennt e si e ihr e Teilnehme r vo n de r übrige n Gesell schaft un d bot so auch einen Ersatz für die verbotene »Schule de r Nation«. Mit der gemeinsamen körperliche n Arbeit , spielerische r Aktivitä t un d dem »Gespräch a m runde n Tisc h [... ] zwische n Gegnern« 145 inszenierte n di e

140 Kleinschmidt/Welskopp , S. 94 (Zitate). 141 Rauh-Kühne , hier bes. S. 117-120 und 126f . zu m Krieg, S. 135ff. zu m Führungsstil als Manager. Paulsse n wa r i n de r NS-Zei t Wehrwirtschaftsführer , i n de r Bundesrepubli k BDA Präsident. 142 Z u Carl Arnhold (im Krieg Pionierführer) vgl. Klass, S . 288-292, Zitat S. 288, zu seiner Rolle nac h 193 3 Trischler , S . 279ff., 327ff. , Geyer , Sozial e Sicherheit , S . 388f.; Hinrichs , S. 271ff. 143 Stahlhel m 1.11.21, S. 293. 144 Vgl . etwa Stahlhelm 6.4.30 (»Aussprache zwischen Kameraden. Arbeitgeber und Arbeitnehmer«). 145 Dudek , Erziehung, S. 144, Zitat aus einer Darstellung von 1926.

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Arbeitslager di e Volksgemeinschaf t i m Kleinen . Tatsächlic h fan d si e par teiübergreifende Unterstützung. 146 Die Betriebskameradschaft vo n Arbeitnehmern und Arbeitgebern und die Lagerkameradschaft au s Werkstudenten , Arbeiter n un d Bauer n bildete n Scharniere zwische n de r visionären Volksgemeinschaf t un d de r erinnerte n Frontgemeinschaft. I m Kleine n bewiese n si e di e Realisierungschanc e de r ersehnten große n Harmonie . Di e mythisch e Kriegserinnerun g lebt e vo n diesem Vergangenheit, Gegenwar t und Zukunft verbindenden Kontinuitäts konstrukt. Di e Veterane n erzählte n jedoc h nich t nu r vo n de r Klassenver söhnung i n de n Schützengräbe n un d der freiwillige n Gefolgschaf t de s ka meradschaftlichen Führers . Si e praktizierten beide s auch . Inde m si e selbs t »durch unser e Kameradschaft« 147 al s Vorbil d auftraten , verliehe n si e de r Volksgemeinschaftsidee Schubkraft . Diese r Idee den Weg z u bereiten hieß im rechte n Lager , di e Weimare r Demokrati e z u bekämpfen , hatt e dies e doch restituiert, wa s di e Frontsoldate n überwunde n z u haben wähnten: di e Zersplitterung de r Nation durch die Herrschaft de r Interessen, Klasse n und Parteien.148 Den »egoistischen« Feindbilder n der Veteranenbünde entsprac h ihr überparteiliche s un d sozialharmonische s Selbstbild . Ihr e historisch e Mission leitete n si e au s dem Anspruch ab , nach dem Vorbild de r Frontkameradschaft verbandsinter n all e Gegensätz e auszugleichen , di e da s Vater land vor, im und seit dem Krieg gespalte n hatten und noch spalteten. 149 Si e präsentierten sic h der Weimarer Gesellschaft al s Zukunftsmodell: »Au s der Frontgemeinschaft de s Stahlhelm s wir d dereins t di e Volksgemeinschaf t aller Deutschen erwachsen.« 150 Tatsächlich wurd e di e nationalistisch e Veteranenbewegun g ihre m An spruch, weltanschauliche , sozial e un d parteipolitisch e Gegensätz e i m le bensweltlich erfahrbare n Rau m abzumildern , ei n Stüc k wei t gerecht. 151 Si e führte Angehörig e de s alten und neuen Mittelstands, die städtisch e und die ländliche Bevölkerung , Konservativ e un d Liberale, Katholike n un d Protestanten zusammen. Handwerke r un d Rechtsanwälte, Kaufleute , Beamt e und Bauern, Anhänge r de r DNVP, der DVP , mitunter auc h de s Zentrums oder 146 Ebd. , S. 15-17. 147 Stahlhel m 15.11.21, S. 309. Vgl. Kyffhäuser 24.4.27, S. 367f. 148 Posse , S. 26ff.; Sontheimer, S. 126f; Berghahn , Stahlhelm, S. 17ff., 64ff., 92ff.; Hornung, S. 11ff., 69ff.; Elliott, S. 38ff., 130ff. , 212ff. 149 Kriegerzeitun g 8.12.18 , S . 69; ebd . 3.8.19 , S . 367; Bartram , S . 8; Stahlhel m 1.10.21 , S. 261;. Dachselt, Kyffhäuser 24.7.32, S. 517f. 150 Stahlhelm . 18.1.25, o.S., vgl. Kyffhäuser. 7.5.33, S. 336. 151 Matthiesen , Massenbewegung, bes. S. 323f.; Ziemann, Milieukulturen, S. 252f.; Fritzsche, Nazis, S. 144f.; Fritzsche, Rehearsals; Matthiesen, Gotha, S. 108ff.; Raßloff, S . 208ff.; Matthiesen, Greifswald, S . 159ff.; Bösch , S . 66ff.; Dröge , S . 187f., 214 , 24 6 u.ö. - Di e Veteranenkultu r des katholischen Milieus ist schlechter erforscht, vgl. aber Fasse, S. 164ff; Klenke, Überlebenstechniken; zudem oben zu Konstanz; einige Hinweise bei Vogel , Kirche, S. 3lff.

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der DDP, dann auch de r NSDAP, politisch Engagiert e un d Politikverdros sene trafen sich auf Versammlungen, am Biertisch und zu Aufmärschen. S o entstand eine egalitäre Sozialkultur, welche die Distinktion und Exklusivität der Vorkriegswelt abbaute . In der bierseligen Gemütlichkeit der Veteranenkultur un d unte r de n Fahne n de r nationalistische n Bewegun g stellt e sic h jene Volksgemeinschaft ein , die in der hohen Politik fehlte. 152 Von de r subsidiäre n Sozialpoliti k de r Veteranenverbänd e profitierte n nicht nur die Mitglieder. Si e war als Saugrohr auch auf die sozialdemokrati schen Arbeiter gerichtet. 153 De r Stahlhelm rühmte sich eines Arbeiteranteils von fünfzig bi s siebzig Prozent. Was dabei als »Arbeiter« rechnet e - Indus triearbeiter, Landarbeiter , Arbeite r i n Kleinbetriebe n un d Kleinstädten- , blieb unklar . Realistische r sin d Schätzunge n i n de r Größenordnun g vo n etwa zeh n Prozent. 154 Ei n Großtei l de r Arbeite r i m Stahlhel m folgt e de m Druck ihre r Arbeitgeber , di e Arbeitsplätz e nac h Maßgab e politische n Wohlverhaltens verteilten. 155 Die Unternehmer und das nationale Bürgertum stellten sic h freilic h wede r di e groß e Volksgemeinschaf t noc h di e klein e Betriebskameradschaft ohn e solch e autoritäre n Verstrebunge n vor . Fü r si e war de r richtig e We g scho n gefunden , wen n sic h ei n Arbeite r überhaup t von de n Sozialdemokrate n lossagt e un d de r nationalistische n Deutungs hegemonie unterordnete. Dass sich andererseits ein Dreher oder Landarbeiter aufgewerte t fühlte , wen n e r al s »Kamerad « nebe n seine m Fabrikhei m oder Gutsbesitzer am Stammtisch Platz nahm oder bei den Paradeversammlungen marschierte , übersahe n auc h di e linke n Gegne r de s Stahlhel m un d der Kriegerverein e nicht. 156 Jede r einzeln e Arbeiter , de r sic h au f di e Seit e der nationalistische n Veteranenverbänd e schlug , symbolisiert e da s sozialharmonische Potentia l ihre r »Gegenwartskameradschaft«. 157 I n der ersehn ten Volksgemeinschaf t wa r da s individuel l verbrieft e politisch e Mitwir kungsrecht überwunden durch die symbolische Partizipation an der nationalen Größe. 158 Die »kameradschaftlichen« Praktike n de r Geselligkeit un d der Aufmärsche de r Veteranen gabe n eine n Vorgeschmac k au f die solcherma ßen verstandene Politik , di e auf der Aufhebung de s Individuums durc h die Gemeinschaft beruhte. 159 152 Fritzsche , Rehearsals , S . 91. Zur symbolischen Egalitä t der Uniform vgl . Pyta, S . 176 . 153 Stahlhel m Nr. 7.6.25, S. 13 . Stahlhelm 9.2.30 , S . 6. Vgl. Berghuhn, Stahlhelm , S . 107 . 154 Z u de n Zahle n Berghahn , Stahlhelm , S . 10 7 Anm . 4 ; Klotzbücher , S . 43f.; Fritzsche , Rehearsals, S . 168 ; Ziemann, Kriegserinnerung , S . 364. Zur unscharfen Definitio n de s »Arbeiters « vgl. Posse, S. 31. 155 Vgl . Ziemann, Kriegserinnerung , S . 364, mit Verweis auf Klotzbücher, S . 44ff. 156 Misch : Konstanzer Volksblatt 4.8.25, ebd. 1.9.25 . 157 Zu r Funktion von ›Renommierarbeitern ‹ i m Stahlhelm Berghahn , Stahlhelm , S . 10 7 FN 4. Vgl. zur Zeit vor 191 4 Kühne, Dreiklassenwahlrecht, S . 331 ff. 158 Mosse , Nationalisierung, S . 22; vgl. Matthiesen , Massenbewegung , S . 316. 159 Vgl . dazu das plastische Zitat aus Ullmann, S . 81, bei Thamer , Nation, S. 117 .

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4. Solidaritä t und Völkerversöhnun g Im Gedächtni s de r sozialistische n Arbeiterschaf t un d unte r linksliberale n Antimilitaristen hatt e de r Mytho s de r Kameradschaf t zwische n Man n un d Offizier keine n Platz. 191 9 erklärte Kur t Tucholsky, solch e Kameradschaf t habe allenfall s i n Ausnahmefalle n bestanden. 160 Gleichzeiti g publiziert e Hermann Kantorowic z sei n i m Krie g erstellte s Gutachte n übe r de n »Offiziershaß« i m Heer. 161 Di e Destruktio n de s Kameradschaftsmytho s zieht sic h al s rote r Fade n durc h di e link e Kriegserinnerung . Heinric h Wandts »Etappe Gent « und Theodor Pliviers »De s Kaisers Kuli« 162 geißel ten die Prasserei und Völlerei in den Kasinos und Messen der Offiziere, ihr e Ordensgier, ihre n aristokratische n Führungsstil . Di e einfache n Soldate n dagegen friste n i n diese n Darstellunge n ei n traurige s Dasein . Sarkastisc h titulieren sic h di e »Vaterlandslose n Gesellen « i m Kriegsroma n de s Kom munisten Scharre r al s »Schweine« . Ihne n stehe n »Menschen « gegenüber , »die an den Schulterblättern kenntlic h gemacht sind« und anders als die im Dreck lebende n »Schweine « »wohnlich e Unterkünfte « un d »Feldbäckerei en für Semmel und Kuchen« haben. 163 Solche Sozialkriti k konnt e sic h de r Zustimmun g de r Mass e ehemalige r Soldaten siche r sein . Fü r Frit z Einert , i m Krie g Mannschaftssoldat , nac h dem Krie g subalterne r Angestellte r eine r Metallwarenfabri k i m thüringi schen Schmalkalden und Mitglied der SPD wie des Reichsbanners, war der »ehemalige Feldgraue « bloße s »Ausbeutungsobjekt « gewesen , s o wi e de r Arbeiter vor und nach dem Krieg. Sichtbarster Ausdruck der sozialen Ungerechtigkeiten i m Militä r se i da s Gehaltssyste m gewesen . »Ei n Her r Fähn rich«, de r »noch nicht s vom Kriege gesehen « hatte , »bekam sofor t 2 5 Mk . Löhnung di e Dekade« , u m si e i m Offizierskasin o verprasse n z u können , »während de r Prolet , de r scho n jahrelang drauße n i m Dreck e lag , 5 3 Pfg . pro Ta g bekam.« 164 Einert s Erinnerunge n hatte n nich t nu r privat e Bedeu tung. E r stellte sie dem Untersuchungsausschuss de s Reichstags zur Verfü gung, de r die »Ursache n de s deutschen Zusammenbruchs « ergründete , um die Dolchstoßlegend e z u widerlegen , un d dokumentierte , das s di e Miss stimmung i m Hee r nich t da s Ergebni s revolutionäre r Verhetzungen , son -

160 Tucholsky , Militaria, S. 8f., vgl. ebd. S. 28ff. (1919); Endres, Tragödie, S. 174, ebd. 153ff. 161 Kantorowicz , S . 12ff.; Scholz , Seelenlebe n 48f. ; »De r We g zu r Wahrheit « (1920) , bes. S. 16f . 162 Zu m Reichsbanner : Ziemann , Kriegserinnerung ; z u Plivier : Travers , S . 114-123; Gill/Schneider, S. 370ff. 163 Scharrer , Gesellen, S. 88, vgl. ebd. S. 89, 91f., 131 , 142, 198f. 164 Ziemann , Gedanken, S. 215-224.

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dern alltäglicher Misshandlunge n un d Benachteiligungen de r Mannschafts soldaten war.165 Aber das linke Lager begnügte sich nicht mit der Widerlegung de s rechten Kameradschaftsmythos. E s arbeitete auch an einem Gegenmythos. Zwar müsse man, so das Reichsbanner, die Erinnerung an den »Bruch der Kameradschaft« durc h di e Offiziere , di e »di e ungeschriebene n Gesetz e de r Ka meradschaft« nich t einhielten , sonder n sic h au f Koste n ihre r »hungrige n Kameraden« de n Bauch voll schlugen , wach halten. Aber jene »Sorte Menschen« verdiene es gar nicht, »Kameraden genannt zu werden«. Ihnen stünden die »wirkliche n Kameraden « un d die wirkliche Kameradschaf t gegenüber.166 Auc h Scharrer s Buc h desavouier t zwa r de n Mytho s vo n de r rang übergreifenden Kameradschaft , abe r nur um einen anderen einzuführen. Die Kernstelle de s Buches führ t Klag e übe r de n Leutnant , de r »dir « ei n Stüc k Wurst gibt, wenn »die Granaten über uns krepieren«. Dies e Kameradschaf t »hört sofor t auf , wen n wi r etwa s weite r vo m Schus s sind . Dan n essen di e Habenichts, di e Proletarier , wiede r ih r trockene s Brot . Di e Leutnant s rau chen ihre Zigaretten selber. [...] Di e Kameradschaft i m Kriege ist die größte Lüge, die je erfunde n wurde. « Scharre r entlie ß den Leser nicht mit diesem desillusionierenden Fazit , sondern beschwor eine Kameradschaft de r proletarischen »Todeskandidaten« . Daimler , eine r de r Proletarier-Soldaten , hol t »aus einer Kiste ein Paket hervor, das er tags zuvor bekam. In ein vierkantiges Klötzche n sin d mi t de m Zentrumsbohre r kunstgerech t dre i Löche r gebohrt; i n jedes Loc h is t ein Fläschchen Schnap s gepresst. ›Trink , Hans‹ , sagt er, ›eh e ih n vielleicht di e andern aussaufen!‹ - ›Trink , Junge‹ , sag t er dann z u Döring , ›trin k eh ' di r schlech t wird! « Kur z darau f falle n sowoh l Daimler wie Döring. 167 Die Kameradschaf t unte n richtet e sic h gege n di e militärisch e Obrig keit.168 Während im rechten Lager Kameradschaft de n Sinn des Krieges und der militärischen Hierarchi e nie in Frage stellte, erinnerte das linke an eine Kameradschaft de s »gleiche n Oppositionsgefuhl[s ] gege n de n Krieg « un d gegen di e »Kriegsverlängerer«. 169 Die s waren di e Offiziere . I n Johannsens Vierergruppe strebte keiner nach Heldentum, daher »schützen sie ihr Leben, wo imme r e s möglic h ist. « Kameradschaf t bedeutet e hier : Schulterschlus s gegen di e Vorgesetzten . A n einem Feldwebel , de r »eine n Mann , de r beim Sturm nicht aus dem Graben wollte, mit Erschießen drohte«, rächte sich die Gruppe, indem sie den Vorgesetzten von hinten anschoss. Ausgeführt hatt e 165 Hobohm , Heeresmißstände, bes . S. 80ff., 262ff . 166 Reichsbanne r 26.9.31, S . 310, und ebd. 1.4.26 , Gaubeilag e (Krause ) 167 Scharrer , Gesellen , S . 93ff.; vgl. ebd. S. 14 3 und 175-181 . 168 Reichsbun d 6.12.18, S . 5; ebd. 15.11.25 , S. 170 ; ebd. 10.10.20 , S. 147 . 169 Reichsbanne r 12.9.3 1 (»Jugend , Krie g un d Frieden“), Reichsbund 6.12.18, S . 5.

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diese Tat ein neues Mitglied der Gruppe, das eben durch diesen subversiven Akt »ihrer Kameradschaft fü r würdig befunden wurde«. 170 Solche Kameradschaft stan d in den Traditionen der »Brüderlichkeit«, der »Solidarität« un d des Klassenkampfs der Arbeiterbewegung.171 Internationa l ausgerichtet, wa r si e Leitbil d eine r kriegsunwillige n Gesinnungsgemein schaft zwische n de m unterdrückte n deutsche n »Schütze n Arsch « un d sei nem französischen Leidensgenossen , dem »poilu«. Alle linken Frontromane inszenieren di e Kameradschaf t al s Verbrüderun g mi t de m Gegner. 172 Pau l Bäumer, der Anti-Held Remarques, ist erschüttert und empfindet »Mitleid « mit eine m russische n Kriegsgefangenen . Sein e Erkenntni s lautet : »Jede r Unteroffizier is t de m Rekruten , jeder Oberlehre r de m Schüle r ei n schlim merer Feind, als sie uns.« Daher teilt Bäumer seine Zigaretten nicht mit den Offizieren, sonder n mi t de m Kriegsgefangenen. 173 Diese m Vorspie l folg t der Hauptak t de r Kameradschaf t mi t de m Gegner . Währen d de s Gefecht s trifft Bäume r i n eine m Trichte r au f eine n Franzosen . E r stich t reflexarti g mit dem Messer auf ihn ein, bis er »zusammensackt«. Volle r Gewissensbisse ernennt Bäumer den Gegner zu seinem gutem Kameraden und steht ihm im Tod bei, »al s wär's ei n Stüc k von mir«: ›»Ic h wil l di r ja helfen , Kame rad, camarade , camarade , camarad e -‹ , eindringlic h da s Wort , dami t e r e s versteht.« Zärtlic h streich t e r ihm »über di e Stirn« , hol t ihm Wasser, quäl t sich mi t de m Gedanke n a n di e Fra u diese s »Kameraden« , de r in s ewig e Leben geht, abe r vorher als Individuu m gewürdig t un d mit Namen, Duval , benannt wird. Bäumer bittet ihn posthum um Verzeihung und formuliert das Kameradschaftsideal al s Anklag e gege n de n Krie g neu : »Vergi b mir , Ka merad, wie konntest Du mein Feind sein. Wenn wir diese Waffen un d diese Uniform fortwerfen , könntes t D u ebens o mei n Brude r sei n wi e Ka t un d Albert«.174 Beide waren Bäumers engere Kameraden. Fritz vo n Unruh , ei n zu m Pazifismu s konvertierte r Weltkriegsoffizier , sah i n diese r Szen e di e »Keimzell e eine r neue n Gemeinschaft , au s de r einmal di e Nation , da s Volk , di e Völke r ers t ihre n wahre n Völkerbun d schließen werden.« 175 Diese Vision des Völkerbundes aus dem Geist »unserer Kameradschaft i n Not und Tod« wa r unmittelba r nac h de m Krieg auf gekommen.176 Seitde m versuchte n Funktionär e de s Reichsbanner s un d des 170 Johannsen , S. 11, 13f.,48f. 171 Arbeiterjugen d 1920 , S. 203f., 257; ebd. 1924/1 , S. 23; ebd. 1928/3 , S.49f.; Reichsbun d 20.4.31, S . 79; ebd . 20.12.31 , S . 265. Erns t Thälman n 1929 , be i Michaelis/Schraepler , Bd . 7 , S.307 172 Vgl . Scharrer , S . 97f.; Johannsen , S . 19, 31, 34, 36 , 42; Renn, Krieg , S . 71; Gollbach, S. 236, 245, 248. 173 Remarque , S. 176f.; dazu Klein, Grundhaltung, S. 13f . 174 Remarque , S. 197-202. Vgl. Klein, Grundhaltung, S. 12f., Becker, Protest, S. 68f. 175 Zit . bei Schrader, S. 28ff.; dazu Stahlhelm 17.3.29 , S. 7. 176 Reichsbun d 15 . 11.25, S. 170.Vgl. schon Rubiner, Kameraden (1919).

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Reichsbundes mi t de n Parallelorganisatione n de r Entente-Mächt e in s Ge spräch zu kommen. Basis dieser Annäherung war der »realpolitische« Pazi fismus, de r u m de n Europa-Gedanke n un d de n Völkerbun d kreiste . Di e linken Veterane n setzte n s o ei n Gegengewich t gege n de n Has s au f de n »Erbfeind«.177 Di e Annäherung zwische n de n deutschen un d französische n Veteranenverbänden bewegte sich zwar auf dünnen Eis. 1930 scheiterte der groß angekündigte Pla n eine s Friedenstreffens deutsche r und französische r Kriegsteilnehmer au f den Schlachtfeldern vo n Verdun und am Chemin des Dames - zu r Schadenfreud e de r Rechten. 178 Gusta v Streseman n wa r i m Oktober 192 9 gestorben . De r Zenit de r vo n ih m betriebene n Aussöhnun g mit Frankreic h wa r dami t au f de r hohe n Bühn e de r Politi k überschritten . Umso größere Beunruhigung i m revanchistischen Lage r musste jedoch der Versuch de r Linke n auslösen , de n »Geis t vo n Locarno « i m mythische n Kriegserlebnis z u verankern. De r massenmediale Erfol g Remarque s schie n »der heranwachsende n Jugen d ein e unüberwindlich e Absche u vo r de m Kriege, überhaupt vor allem Militärischen ins Herz zu senken«. 179 Um 1930 drohte gerade jene militärisch e Kardinaltugen d pazifistisc h besetz t zu werden, di e au s Sich t de r Rechte n di e kriegerisch e Gewal t nich t überwinden , sondern erträglich machen sollte. 1931 wurde der Film »Kameradschaft« vo n G.W. Pabs t gezeigt. Er handelte von einem Grubenunglück, da s 190 6 im nordfranzösischen Courrier s über 100 0 Bergarbeite r da s Lebe n gekoste t hatte ; ein e Grupp e deutsche r Grubenwehrleute hatt e vergeblic h versucht , ihne n z u helfen . Courrier s wurde i m linke n Lage r - di e Marokko-Kris e wa r notdürfti g beilgelegt zum Symbol einer im Zeichen der Kameradschaft stehende n Verständigung zwischen de n beide n Völkern : »Ho l de r Deuve l di e ganz e Marokkofrage : wir sin d gut e Kameraden«, zitiert e ma n die Äußerung eine s französische n Feuerwehrmanns gegenübe r eine m Deutsche n bei m Abschied. 180 Pabs t verlegte di e Handlung i n die Gegenwart un d versah si e mit einer pazifisti schen Botschaft . I m Film gin g di e Initiativ e zu r Rettungsaktio n nich t wi e 1906 von den Unternehmern, sonder n von den Arbeitern aus. 181 Die Arbeiter hübe n un d drübe n beteuerte n ihr e gegenseitig e Verbundenhei t un d gelobten, den Krieg z u ächten. 182 Im sozialistischen Lage r wurde der Film als 177 Zu r Dichotomie nationale Einhei t vs. Völkerverständigun g Stahlhel m 17.3.29 , S . 7. Vgl . Rohe, Reichsbanner, S. 148 . 178 Rohe , Reichsbanner, S. 152f . Vgl. Völkischer Beobachter 18./19.4.30. 179 Deutsch e Wehr 10.4.29 , S. 270. Vgl. die Rez. in: Die Kommenden, bei Schrader, S. 90. 180 Recklinghäuse r Zeitung 19.3.6 , zit . Bart h u.a. , Materialband , S . 6. Vgl . Bart h u.a. , Dre hbuch. 181 I n der nationalistischen Kritik wurde dies als »tendenziös« kritisiert, vgl. Barth u.a., Materialband, S. 24. 182 Kracauer , Caligari , S . 512-515, Zita t S . 515. (Filmbesprechun g de r Frankfurte r Zeitung 21.11.31).

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»unverwüstlichen Kameradschaftsgefühls « de r Arbeiterschaf t begrüßt. 183 Das nationalistische Lage r lie f Sturm . Die »Solidarität de r Völker« z u propagieren war unvereinbar mit der »Idee der Kameradschaft«. 184 Der Streit um die Kameradschaft hiel t bis zum Untergang de r Weimarer Demokratie an. Im Frühjahr 193 2 errang das Reichsbanner mit der offiziel len »kameradschaftliche n Eingliederung « i n di e »International e de r Frontkämpfer«, di e Ciamac, einen Prestigeerfolg. 185 Di e Strategie, die Völkerverständigung au f der Basis des pazifistischen Kameradschaftsmytho s z u beleben, schie n sic h z u bestätigen . Ei n Treffe n mi t ehemalige n französische n Frontkämpfern i n Dijon demonstrierte, dass an der Basis »überall Kameradschaft un d Verständnis« herrsche . Di e Versöhnung gründet e auf dem Austausch der Kriegserinnerungen. Bereit s in den Schützengräben beider Seiten sei di e Visio n eine r Verständigun g zwische n Deutschlan d un d Frankreic h entstanden. Dies e Visio n se i durc h di e i n Frankreich begeister t aufgenom menen Kriegsfilm e »I m Weste n nicht s Neues« un d »Vier vo n der Infante rie« befestigt worden. 186 5. Das Beste des Kriege s Die linke Kriegserinnerun g arbeitet e a n einem Kameradschaftsmythos, de r wie der rechte von der Kontinuität zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft lebte . E r stattet e de n mythische n Rahme n nu r mi t eine r andere n Botschaft aus . Erzählte das rechte Modell vom Zusammenhalt der Offizier e und Mannschafte n i n eine r Kampfgemeinschaft , di e ein e national e Volks gemeinschaft antizipiert e und durch den Hass auf den militärischen Gegne r zusammengehalten wurde , so bot sein linkes Gegenstück ei n genaues Spiegelbild. Kameradschaf t hielte n di e Mannschaftssoldate n nich t mi t ihre n Offizieren, sonder n mit ihren militärischen Gegnern . Diese Leidensgemeinschaft antizipiert e nich t di e national e Volks- , sonder n di e international e Völkergemeinschaft. Abe r gleichzeiti g wa r de r link e Kameradschaftsmy thos doch ein Abbild de s rechten Modells . Auch di e link e Veteranen - und Kriegsopferbewegung ran g u m di e sakral e Überhöhun g de r altruistische n Praktiken de r Frontsoldate n un d fragte : »Gib t e s etwa s Schöneres , etwa s Geheiligteres au f dieser Welt, al s selbstlos e hingegeben e Kameradschaft? «

183 Arbeiterjugen d 1932/1 , S. 22f. . 184 Völkische r Beobachte r 1.12.31 , bei Barth u.a. , Drehbuch , S. 186f . 185 Rohe , Reichsbanner, S . 147 ; Zitate: Reichsbanner 28.5.32 (Titelblatt) u. 29.10.32 (desgl. ) 186 Reichsbun d 20.6.32, S . 129f .

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Gar als das »Beste«, »wa s de r Krieg hervorbrachte« , feiert e Remarqu e di e Kameradschaft.187 Schon unmittelba r nac h Kriegsend e hatt e de r sozialdemokratisch e Reichsbund de r Kriegsbeschädigte n da s »alt e Ban d de r Kameradschaft « festgezurrt un d gemahnt, jeder (! ) Kriegsbeschädigt e hab e sic h de s Kameraden z u erinnern , »de r ih n einstmal s au s de m Feue r getrage n hat , al s e r selbst hilflo s mi t zerschossene n Glieder n dalag. « De r Reichsbun d hiel t diese Erinnerun g wach , u m sic h al s »ein e Organisatio n de r Kameraden « mythisch abzusichern. 188 Di e Opferbereitschaf t seine r Anhänger , de r Ver zicht etw a au f di e eigen e Rent e zugunste n eine s bedürftige n Kameraden , bewies i m Reichsbund wi e i m Stahlhelm , das s ma n di e Lehr e de r Kriegskameradschaft begriffe n hatte . Di e linke n Veteranen - un d Kriegsopferver bände wetteiferten mi t den rechten geradezu darum, wer diese Lehre besser befolgte.189 Wer sic h al s Kamera d i m Krie g bewähr t hatte , konnt e kei n Unmensc h sein. De r linke Kameradschaftsmytho s macht e wie de r rechte di e kriegeri sche Gewal t erträglich , auc h wen n de r Erzähle r si e eigentlic h verdamme n wollte. S o verheddert e sic h de r link e Gegenmytho s i n de n bellizistische n Fängen des rechten Modells. Nirgendwo wurde das Uhland-Lied s o provokativ umgemünz t wi e i n de r Duval-Szen e Remarque s - un d doc h auc h wieder bestätigt. Der Tötungsakt erschien bei Remarqu e so zufällig wi e im Uhland-Lied. E r wa r vo m menschliche n Wille n abgekoppelt : »Ic h denk e nichts, ic h fasse keine n Entschluss , ich stoße rasend zu«. Un d noch die im Uhland-Lied angedeutet e Fortsetzun g de s Kampfs , di e Quintessen z de s Kameradschaftsmythos, nah m Remarqu e auf . Bäume r kehr t z u seine n ›eigentlichem Kamerade n zurück . Si e zerstreue n sein e Gewissensbisse , »geborgen un d getröstet « komm t Bäume r wiede r z u sic h un d überwinde t die ›pazifistische ‹ Anfechtung : »Wa s hab e ic h nu r fü r eine n Unsin n zu sammengefaselt d a i n de m Trichter . [... ] Krie g is t Krie g schließlich . Öllrichs Gewehr knallt kur z und trocken«. I n der Geborgenheit seine r Kameraden schöpf t Bäume r neu e Kraft , nich t u m z u meutern , sonder n u m weiter zu kämpfen.190 »In heißem Kampfe , Schulte r a n Schulter , d a waren si e all e gleich , all e nur Soldat, alle nur Kämpfer, d a fühlten si e alle gleich, da dachte einer wie der andere und einer spran g fü r de n andere n ein , schlu g fü r de n Nachbarn 187 Reichsbun d 10.10.29, S. 147, und Remarque, S. 29, 92, 182, 126, 217ff., 256, 259; Sternburg, S. 78. Vgl. Johannsen, S. 14f.; Renn, Krieg, S. 22; Reichsbund 15.11.25, S. 170. 188 Reichsbun d 6.12.18, S. 5. Vgl. Reichsbanne r 1.4.26; ebd. 26.9.31, S . 310; Renn, Krieg, S. 289-291. 189 Reichsbun d 29.5.20 , Sp . 67 . Reichsbanner . 12.9.31 , Beil . Jungbanner ; ebd . 26.9.31 , S. 310; Reichsbund 20.4.31, S. 79. 190 Remarque , S. 195, 206f. ; vgl. Travers, S. 99f., zudem Probst, Bilder, S. 19 u. 40

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das Lebe n i n di e Schanze , fragt e nich t nac h de r ih n umtobende n Gefahr , schaute nich t nac h hinte n nac h bessere r Deckung. « S o erzählt e e s de r Stahlhelm. Da s »aufgepflanzte Bajonett « löst e sic h i m Nebel de r Opferbereitschaft auf , gal t es doch, »verwundete Kameraden trotz dichtesten Kugelregens dem sicheren Tode zu entreißen«. Wenn das Gefecht begann, wechselte das Ich des Kriegserzählers ins Wir.191 Das Töten gestaltete die Erinnerung al s kollektive n Akt . Nieman d steuert e ihn . E r geschah unwillkürlic h und schicksalhaft. Di e Kameradschaft entwickelt e eine n Sog , de m sich der Einzelne nich t entziehe n konnte , auc h nich t entziehe n sollte. 192 Auc h fü r Bäumer war die »Front ein unheimlicher Strudel« . Die Wir-Gruppe handelte außerhal b jede r persönliche n Verantwortung . »Nebe n mi r wir d eine m Gefreiten de r Kop f abgerissen. E r läuft noc h einig e Schritte , währen d da s Blut ih m wi e ei n Springbrunne n au s de m Hals e schießt . [... ] Wäre n wi r keine Automaten i n diesem Augenblick, wi r blieben liegen , erschöpft, wil lenlos. Aber wir werden wieder mi t vorwärts gezogen , willenlo s und doch wahnsinnig wil d un d wütend, wi r wolle n töten , den n da s dor t sin d unser e Todfeinde jetzt, ihr e Gewehre und Granaten sin d gegen un s gerichtet, ver nichten wir sie nicht, dann vernichten sie uns! [...] Wi r sind gefühllose Tote, die durc h eine n gefährliche n Zaube r noc h laufe n un d töten können.« 193 E s waren Passage n wie diese , die zeitgenössische Pazifiste n befürchtete n ließ , weder da s Buc h noc h de r Fil m dien e de r Völkerverständigung , sonder n stimuliere Abenteuerlus t un d Kriegssehnsüchte . »Pazifistisch e Kriegspro paganda« se i es , wa s Remarqu e betreibe. 194 Di e Kameradschaf t de r Anti Helden Remarque s wa r zwa r entstande n au s de r Abweh r de s Druck s de r Vorgesetzten, abe r auf dem Schlachtfeld entfaltet e si e ihre Wirkung s o wie diese e s wollten . Di e proletarische n Kamerade n Scharrer s leistete n kein e freiwillige, sonder n widerwillig e Gefolgschaft , abe r si e meuterte n auc h nicht. Si e verschaffte n sic h i n Racheaktione n gege n di e schikanöse n Offi ziere Luft. Aber dabei blieb es auch. Im Militär richtete der Schulterschlus s Ventile ein, die es am Laufen hielten. 195 Schließlich wirkte auch das von den linken Autoren gesungene »Lied auf die treu e Kameradschaf t inmitte n de r Unmenschlichkei t de s Krieges« ent lastend.196 Fritz von Unruh sa h »neue s Heldentum « keimen , wo die Kameradschaft sic h wi e be i Remarqu e zu r imitati o christ i steigerte . Den n »d a 191 Stahlhel m 15.2.21 , S. 38-41, hier 39 (Zitat). Aust, S. 202, zu den Traditionen am Beispiel Fontanes. 192 Wehner , Sieben, S. 40f. 193 Remarque , S. 54, 109f. (Hervorhebungen nicht im Original), vgl. 107f. , vorher 53-55. 194 Sclutius , Kriegspropaganda; ders., Nochmals; Seghers. 195 Scharrer , Gesellen, S. 142f . 196 Zitat : Reichsbun d 5.7.31 , S . 143 ; vgl . Arbeiterjugen d 1929/6 , S . 139; Becker , Protest , S. 66.

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findet e r das andere, was Christus fand, als er sprach: ›Vater , i n deine Hände befehle ic h meinen Geist.‹ ›Kameraden , i n eure Hände befehle ic h meinen Geist‹ , sprich t de r Soldat.« 197 De r viktimisierend e Ordnungsrahme n öffnete völli g konträre n Aneignunge n di e Wege . Da s Bil d vo m leidende n Soldaten un d der Kameradschaft i m Leide n konnt e al s Aufforderun g zu m Pazifismus wi e zu m Krieg verstande n werden . Fü r Remarques Roma n gil t dasselbe wie für das Uhland-Lied. Das »Geheimnis seiner Wirkung«, s o ein Zeitgenosse 1929 , lag darin , dass Remarque de m Leser keine »fertig e Ge sinnung Seit e fü r Seit e einlöffelt« , sonder n jeder da s herauslese n konnte , was er wollte.198 Die Erinnerun g a n die Verbrüderun g mi t de m Gegner sollt e ei n Aufru f gegen de n künftige n Krie g sein . Gleichzeiti g stiftet e si e da s moralisch e Schlupfloch, da s dem Krieger, dem willigen wie dem unwilligen, dem alten und dem künftigen, di e Rückkehr in die »Menschlichkeit« ermöglicht e und die Partizipation a n der kriegerische Gewalt sanktionierte. 199 Denn »wie nur zehn Gerechte die tausend Verbrechen der Stadt Sodom entsühnen könnten, um durch ih r Beispiel unsere n Glaube n a n da s Menschlich e i m Mensche n zu erhalten, « s o genügte n wenig e Werk e kameradschaftliche r Gesinnung , um di e »Teufel « de r kriegerische n Gewal t heili g z u sprechen , ware n si e doch nu r »gezwungen e Teufel« . Al s gält e es , di e link e Kriegsdichtun g empirisch abzusichern , versammelt e Bernhar d Diebold s 193 2 publiziertes , im bürgerliche n wi e i m sozialdemokratische n Lage r euphorisc h begrüßte s »Buch de r gute n Werk e 1914-1918 « Augenzeugenberichte , di e nich t vo n der »Gefährdung « de r »Menschlichkeit « i m Krie g kündeten , sonder n vo n ihrer Bewahrun g durc h di e Kameradschaf t mi t de m Gegne r - di e letzt e Zigarette i m gemeinsame n Granatloch , de r gemeinsam e Trun k au s de r Feldflasche, di e Bergung und Pflege eines Verletzten. 200 Um die Kameradschaft mi t dem Gegner kreiste die pazifistische Kriegs erinnerung, abe r auc h da s rechte Lage r bewahrt e Reminiszenze n de r Ver söhnung, und es gedachte ihrer umso häufiger, je populärer der linke Kameradschaftsmythos wurde . Um 193 0 kannte auc h der rechte »viel e tausend e Beispiele« de r Kameradschaft zwische n deutsche n Soldate n un d »verwun deten Franzose n ode r Engländern«. 201 Josep h Magnu s Wehne r lie ß di e 197 Unruh , be i Schrader , S . 28ff.; vgl . Brautzsch , S . 181; Weiss , Krieg ; Zuckmayer , be i Schrader, S.24f. 198 Frosch , Wel t am Montag 27.5.29, bei Schrader, S . 82. Remarque, S . 311, Interview mi t Axel Eggebrecht. 199 Johannsen , Vier, S. 34. 200 Diebold , S. 9 u. 17f. Vgl. Reichsbund 10.5.32 , S. 29f. 201 Schmidt , Wehrmann, S. 104. Vgl. Lehmann, Infanterie, S. 110 ; Stahlhelm 25.11.28, S. 12; Grothe, S . 39; Jäger, Krieg , S . 527; Wehner , Sieben , S . 46-51; Beumelburg , Gruppe , S . 189f.; Stahlhelm 2.11.24, S. 10.

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Menschheit i m kameradschaftliche n Altruismu s - al s plötzlic h ein e »ur weltliche Ruhe« ausbrach , »niemand schoss, und Freund und Feind blinzelten sic h an « - ga r zu ihren »paradiesischen« , vo n Schul d und Strei t freie n Anfängen zurückkehren. 202 Z u den große n Fragen , di e sic h de n Mensche n nach 191 8 stellte, gehörte die nach Warum und Wozu der Leichenfelder des Weltkrieges. Wer war schuld an all den Katastrophen? Welchen Sinn hatten sie? Republikanisch e un d revanchistisch e Dichter , Verbandsfunktionär e und Journalisten erzählte n vom Altruismus, vom Frieden, von der Gemeinschaft de r Soldate n i m Krieg. Dere n Kameradschaf t bewie s di e Unzerstör barkeit de r Humanitas im Grauen der Unmenschlichkeit. I n der Ernennung des Gegner s zu m Kamerade n kulminiert e di e Tenden z de s Kamerad schaftsmythos, au s de m mordende n Kriege r di e Inkarnatio n selbstlose r Menschlichkeit z u machen. Wen n der Kameradschaftsmythos da s Handeln der Soldate n i n die Rhetori k de r Heiligkeit, de s Schicksals , de s Paradiese s oder de s Wunder s einfasste , dan n transformiert e e r di e Kontingen z dies seitigen Handelns in die Notwendigkeit religiöser Jenseitigkeit . Um 193 0 beganne n sic h di e festgefahrene n Milieustrukture n de r politi schen Kultu r zu lockern . Di e Kriegserinnerung wirkt e dabe i al s treibende r Faktor. Unterschiedlich blieben zwar die Akzente, die man rechts und links setzte: recht s di e revanchistisch e Volksgemeinschaf t un d di e autoritä r ge ordnete Kameradschaft, link s der internationale Völkerbund und die pazifistische Solidarität der Unterdrückten. Wenn Hohenzollernprinzen und Arbeiter vereint i n feldgrauer Stahlhelmunifor m di e Volksgemeinschaft probten , war solche n »Possenspielen « zwa r de r Spot t de s Reichsbanner s sicher. 203 Aber die Vorstellung, politische und soziale Gegensätze qua Kameradschaf t überwinden zu können, faszinierte auc h Sozialdemokraten. 204 Un d so streiften denn auch die Kameradengemeinschaften de r populärsten pazifistische n Frontromane die »Unterschiede, die Bildung und Erziehung schufen«, ab. 205 Gleichzeitig macht e sic h da s Reichsbanner de n Führerkul t un d den hierar chischen Kameradschaftsbegriff, da s Synonym für Gefolgschaft, »freiwilli ge Zuch t un d Disziplin« , z u eigen. 206 I n keinem literarische n Produk t de r Erinnerungskultur schlu g sic h diese r Prozes s s o deutlic h niede r wi e i m Frontroman Ludwi g Renns , de s durc h di e Erfahrun g de r Kriegskamerad schaft zu m Kommunisten konvertierten adlige n Offiziers. 207 Renn s »Krieg « 202 Wehner , Sieben, S. 95. 203 Rohe , Reichsbanner, S. 140-142. 204 Vgl . Groh/Brandt, S. 204-206;Rohe, Reichsbanner, S. 136f . 205 Remarque , S. 243, ebd. S. 9; Johannsen, Vier, S. 9f., hierz u Bartz, S. 139. 206 Reichsbanne r 17.10.31 , S . 336f.Vgl. ebd . 22.7.28 , Beil . Jungbanner . Zu m »Vortrupp« , einer elitäre n Jugendabteilung , Rohe , Reichsbanner , S . 116f., 121f. , u . BA-SAPM O R y 1 2 II 113/7. Allg. Safrian/Sieder, S . 127. 207 Renn , Voraussetzungen I, S. 13 ; vgl. Müller, Krieg, S. 207; Gollbach, S. 104.

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wurde i m nationalistische n Lage r noc h i n de n höchste n Töne n gelobt , al s das Pseudony m de s Autors gelüfte t war. 208 I n der NS-Zeit reihte n regime treue Literaturhistorike r Renn s »Krieg « i n di e Galeri e jener Kriegsroman e ein, welch e di e Genes e de r NS-Volksgemeinschaf t au s de m Geis t de s Kriegserlebnisses vorangetriebe n hätten. 209 Remarqu e wa r scho n frühe r al s Vorkämpfer jene r »Zeit « gesehe n worden , »i n de r Frontsoldate n i n di e deutsche Politi k einmarschieren« , hab e e r doc h di e »gewaltig e Triebkraf t der Kameradschaft de r Männer an der Front wieder wach gemacht«. 210

208 Kyffhäuser . 27.7.29 , S. 509; zudem Gollbach, 319ff. 209 Pongs , Krieg I, S. 67. 210 Zit . nach Brautzsch, S. 166f.; Grothe, S. 304-306, vgl. Klein, Weltkriegsroman, S. 470f.

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II. Vom Frieden zum Krieg 1. Männlichkeit un d Weiblichkei t Der Kameradschaftsmythos lebt e vo n seine r Uneindeutigkeit . J e nac h Be darf konnt e di e ein e ode r ander e Seit e abgerufe n werden . De n National sozialisten gelan g es , beid e Registe r gleichermaße n virtuo s z u ziehen . I m bürgerlich-nationalen Lage r wa r vo r 193 3 lediglic h di e Erinnerun g a n di e Versöhnung mi t de m Gegner salonfähig , nich t jedoch dere n Verlängerun g in di e Außenpoliti k de r Gegenwart . Di e Veteranenverbrüderun g außen politisch umzusetzen, blieb das unerreichte Ziel des linken Lagers. Erst die Nationalsozialisten verhalfe n ih m zum Durchbruch, freilic h nur , um es am Ende bruta l z u desavouieren . I m Herbs t 193 3 bekundet e Hitle r öffentlic h seinen Wille n zu r deutsch-französische n Verständigun g un d initiiert e di e Begegnung von Jugendlichen und Veteranen drüben und hüben der Grenze. Von 193 6 bi s 193 8 betrie b da s NS-Regim e di e Veteranenverbrüderun g intensiver al s die s de n pazifistische n Kräfte n j e möglic h gewese n wäre. 1 Parallel zu r Berline r Olympiade , de m Fes t de r »Kameradschaf t unte r de n Völkern«,2 bekräftigt e ei n Massentreffe n ehemalige r Frontsoldate n beide r Seiten i m »Schwur von Verdun« 1936 , wie erns t diese Politik sei. 3 Erst im März 1939 , nac h de r Besetzun g de r Rest-Tschechoslowake i durc h di e Wehrmacht, gabe n di e Franzose n ihre r Enttäuschun g darübe r Ausdruck , schnöde hinters Licht geführt worden zu sein.4 Dass die Beschwörun g de r »Kameradschaf t zwische n de n Völkern« fü r die Nazi s ei n Cou p war , de r di e Vorbereitun g eine s Vernichtungskriege s ungeahnter Ausmaße verschleierte, hatte Hitler vor deutschen Pressevertretern schon i m November 193 8 angedeutet. E r wollte Zei t für da s deutsch e Rüstungsprogramm gewinnen . Da s se i »nu r unte r de r fortgesetzte n Beto nung de s deutsche n Friedenswillen s un d de r Friedensabsichten « möglic h 1 Pros t I, S. 177-186 ; Bock, Locarno , S. 52f.; Haumann ; Skor, S . 170-189 ; Wette , Ideologien , S. 113-12 1 u . 128-137 . Vgl . Kyffhäuse r 27.10.35 , S . 1072 ; ebd . 20.11.36 , S . 1117f. ; ebd . 4.4.37 , S. 331; Ettighofer, Kamerad , S . 7f., S . 43f., 163-200 , dazu Grupe , S. 43-45; Kyffhäuser, Jan.-Ma i 1936, S . 65, 93 , 121 , 149 , 177 , 205 , 233 , 289 , 317 , 373 , 401 , 429 , 457 , 485 , Fortsetzungsseri e »Kameraden vo m andern Graben« . 2 Kriegsgräberfursorg e 1936/8 , S. 117 . 3 Stahlhel m 7.10.3 4 (Zitat) ; vgl . Kyffhäuse r 8./15.3.36 , S . 254 u . 283 ; ebd . 21.3.37 , S . 275; ebd. 14.8.38 , S. 777f; ebd . 9.10.38, S . 969f, ebd . 18.9.38 , S. 913. 4 Haumann , S . 311.

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gewesen. Andererseits , s o Hitler , hab e »ein e solch e jahrelang betrieben e Friedenspropaganda auc h ihr e bedenkliche n Seiten« , würd e si e sic h doc h »nur z u leich t [... ] i n de n Gehirne n viele r Menschen « festsetzen. 5 Dahe r blieb di e Inszenierun g de r Veteranenverbrüderung i m Nationalsozialismu s eingebunden i n martialisch e Rhetorik. 6 De r »Frontkämpferverständigung « durfte »nicht s Pazifistische s un d Windelndes« , »kei n weichliche s Getue « zueigen sein . Si e verban d sic h mi t de m ritterliche n »Stol z au f de n Feind « als eine m »ebenbürtige n Gegner«. 7 Di e »Jugen d de r Welt « sollt e zwa r gewillt sein, »dem Frieden zu dienen«. Aber »weich« durft e sie nicht sein. 8 Die martialisch e Männlichkei t wa r kein e Erfindun g de r Nationalsozia listen und auch nicht der Zeit nach 1918 . Aber diese verherrlichte doch wie keine zuvo r de n »Sturmangrif f al s höchst e Lus t de s Mannes«. 9 »Haltung « und »Härte«, di e Tugenden der Kälte, schienen nötig, um diesen Urtrieb in der Gefahr auslebe n z u können. 10 Ihre Beschwörung verdrängt e nac h 193 3 die Red e vo n de r Lus t a m Töten . Eine s SS-Führer s ware n nich t nu r »Weichheit« un d »Gefühlsduselei« unwürdig. 11 E r hatte auch über sadisti sche Neigunge n erhabe n z u sein . S o blie b er , wi e Himmle r i m Oktobe r 1943 i n eine r berüchtigte n Red e sagte , trot z de s Massenmorde s a n de n Juden »anständig«. 12 Nicht die rassische »Reinheit« de s Volkskörpers erhob Himmler hie r zu m Zie l de s Massenmords , sonder n di e Bereinigun g de s SS-Mannes von emotionalen und moralischen Anfechtungen . Im »Sieg de s Willens übe r das Schicksal« 13 fan d de r um Härte und Tat kreisende Männlichkeitskul t sei n Ziel , i m virile n »Übermenschen « sein e Inkarnation, i m frauenverachtenden Männerbun d sein e soziale Heimat. Der Faszination soldatische r Härt e war freilich scho n vor 193 3 auch das sozialistische Milie u erlegen , un d ebens o wollt e di e katholisch e Jugen d nu r »Männer, mutig, ohn e Wanken, Nicht Schwächlinge, [...] , Männe r wie von Stahl un d Eisen , Un d Memmen nicht , di e nu r mit Worte n gleißen«. 14 De r männliche »Körperpanzer « definiert e sic h durc h di e Unterdrückun g alle s Fließenden un d Unsicheren , gal t diese s doc h al s weiblich , ebens o abe r durch di e Distanz zu realen Frauen. 15 De r Krieg erhiel t di e Aufgabe, »de n 5 Treue , Rede, S. 182 , auch bei Wette , Ideologien, S . 133 . 6 Vgl . Skor, Kriegserinnerung, S . 179 . 7 Kyffhäuse r 12.1.36 , S . 30. 8 Kriegsgräberfursorg e 1936/8 , S. 117 . 9 Wehner , Sieben, 40f.; Schauwecker , Todesrachen , S . 264. 10 Pleyer , S . 54f . 11 Red e Himmlers am 2.4.36, zit. bei Ackermann, Himmler , S. 122 . 12 Hilberg , S . 1078f. ; Orth, Anständigkeit . 13 Lutz , S. 47 ff. 14 Di e Wacht 1933 , S. 33. Vgl. Göt z von Ohlenhusen, Jugendreich, S . 61, 80ff., 90f., 115f . 15 Dies e antagonistische n Strukture n stehe n i m Mittelpunk t de r Arbeite n vo n Amberge r un d Theweleit, di e si e au f unterschiedlich e Weis e psychoanalytisc h z u interpretiere n versuchen . Ic h

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Starken, den Harten, den Helden über den Schwächling, den Weichling, den Feigling« z u stellen.16 Der Härtekult war ein Ausfluss de r voluntaristischen Deutung de r Niederlage vo n 1918 , die nich t au f die strategisch e Überle genheit de r Gegner, sonder n au f die mangelnde Willenskraf t de s eigene n Volkes zurückgeführ t wurde . E r wa r abe r auc h ein e Antwor t au f jen e Erscheinungen, di e vor, durch un d nach de m Ersten Weltkrie g da s polare Geschlechtermodell in Frage gestellt hatten. Diese Geschlechterideologi e hatt e die bürgerliche Gesellschaf t sei t dem 18. Jahrhunder t al s biologisch e Gegebenhei t ausgearbeitet . Si e wie s dem Mann di e öffentliche Sphäre , Erwerbsarbei t un d Politik, auc h den Kriegsdienst zu, der Frau abe r den privaten Bereich , Haushal t und Familie. Dem Mann sei Aktivität un d Rationalität, Stärke , Willenskraft , Tapferkeit , Ziel strebigkeit, Selbständigkeit , Gewaltbereitschaft , Kompromisslosigkeit , Ver stand, Selbstkontrolle gegeben , der Frau das jeweilige Gegenteil , Passivitä t und Emotionalität , Schwäche , Bescheidenheit , Wankelmut , Abhängigkeit , Güte, Fürsorge , Nachgiebigkei t un d Unkontrolliertheit. 17 Privatsphär e und Öffentlichkeit ergänzte n sich komplementär. Sie waren freilich nicht gleichberechtigt, sonder n hierarchisc h angeordnet . I n der patriarchalischen Wel t herrschte der Vater über Frau und Kinder, und in einem weiteren Sinne gab diese Ordnun g de n symbolische n Rahme n fü r di e staatlich e Herrschaf t (»Vater Staat« ) ab . Di e Famili e wa r de r Bezugspunk t de r Geschlechter polarität. Di e Grenz e zu r Homosexualitä t durfte n männerbündisch e Ge selligkeit, Politik und Kriegsführung ni e überschreiten. Die polare Geschlechterordnun g wurd e sei t der Jahrhundertwende meh r denn je erschüttert. Frauen arbeiteten in Männerberufen, brache n das männliche Monopo l au f die Politik, kleidete n un d frisierten sic h wi e Männer. 18 Umgekehrt hatten Skandale um homosexuelle Mitglieder der Führungsriege des Reich s un d Debatten u m Homosexualität i n der Jugendbewegung vo r 1914 fragwürdig erscheine n lassen, was einen Mann ausmache. Die Jugendbewegung trug maßgeblich zu dieser Verunsicherung bei, weil sie die Separation der Geschlechtersphären missachtete . Mädchen musizierten, wanderten und übernachteten i n Hütten oder Ställen mit Jungen ohne Aufsicht der Eltern.19 Dass der Krieg wieder alles ins Lot bringen würde, zögen doch nun zeige dagegen, dass diese Antagonismen keinesfalls kennzeichnen d für die »Struktur soldatischer Identität« schlechthi n sind , jedenfalls nich t i n de m hier zu r Debatt e stehende n zeiträumliche n Rahmen, sonder n mi t integrativen, Gegensätz e überspringenden , ambivalente n Ordnunge n kon kurrierten. 16 Pleyer , S. 10f., vgl. auch ebd. S. 197f., auch zum Folgenden. 17 Hausen , Polarisierung, S. 378f. u. 381. Dass die Praxis von dieser Norm in vielfacher Hinsicht abwich , ha t di e geschlechtergeschichtlich e Forschun g eingehen d thematisiert , vgl . z.B . Habermas, Frauen. 18 Skizz e bei Frevert, Aufbrüche, S. 95ff. 19 Fout: Hull; Geuter, S. 37ff.; Sombart.

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»wieder Männer , nicht s al s Männer « aus, 20 erwie s sic h al s Illusion . Unte r dem Eindruc k de r Materialschlachte n löste n sic h Gewissheite n wi e die , »dass Männlichkei t ausschließlic h de m Manne un d weibliches Wese n aus schließlich de m Weib e zukäme« , auf . A n ihr e Stell e tra t di e irritierend e Einsicht, das s jeder Mensch »au s Männlichem un d Weiblichem« bestehe. 21 Zur Bewegungslosigkei t i m Grabenschlam m verurteil t un d mi t de r all gegenwärtigen Erfahrun g de s Tode s un d grausame r Verstümmelunge n konfrontiert, konnte n nu r wenig e Soldate n männliche s Heldentu m kultivieren. Angstgefühle, emotional e Depravierungen , »Kriegsneurosen« , Syn drome, die wie die »Hysterie« sons t den Frauen vorbehalten zu sein schienen, wurde n zu m Massenphänomen . Ers t rech t sahe n sic h di e bal d nac h Hunderttausenden zählende n Kriegsbeschädigte n ihre r Männlichkei t be raubt.22 Ebens o wie di e schwul e Halbwelt , di e sic h i n den Großstädten de r zwanziger Jahr e etablierte , ode r di e vo n Magnu s Hirschfel d institutionali sierte Erforschung de r Homosexualität, löst e die »Neue Frau« tiefgreifend e Irritationen aus . Imme r meh r Männer , s o schie n es , gabe n sic h weiblich , immer mehr Frauen gerierten sic h männlich . Das s die Verwirrung de r Geschlechterordnung keinesweg s nur eine Sach e sozia l randständige r Milieu s war, machte die Wirtschaftskrise u m 193 0 erneut deutlich. »Die verdienende Frau und der arbeitslose Man n mit dem Kinderwagen is t die alltäglich e Erscheinung«, beobachteten Zeitgenossen erschreckt. 23 Solche Verunsicherun g wa r schwe r z u ertragen . Di e da s Weibliche un d Weiche abspaltend e Stahlnatu r wa r di e ein e radikal e Reaktio n darauf : de r kompromisslose Versuch, die beschädigte Männlichkeit zu restituieren. Der Wandervogel mi t der Klampfe, de r liebe r san g al s handelte, 24 und der Flaneur, der ziellos durch die Straße n schlenderte, 25 repräsentierten di e gegenteilige Antwor t au f jene Krise . Dies e Figure n entflohe n de m dichotomi schen Normengefug e de r Geschlechterdifferenz . Di e Stahlnatu r wollt e si e fester den n je zurren . Aber der Geschlechterdiskurs wa r nicht nur von Extremen beherrscht, sonder n auch von der Suche nach Ausgleich. Si e führt e zur Figu r de s gute n Kameraden . Inde m si e de n Bürge r mi t de m Soldate n versöhnte un d zeigte, wie de r Frieden i m Krie g un d der Krie g i m Friede n bestand, wies sie Männern einen Weg, »harte « Männlichkei t und »weiche « Weiblichkeit i m eigenen Selbs t nebeneinander gelten zu lassen. Schließlic h bot sich di e Figu r de s Kameraden an , u m den Konflik t zwische n de n Geschlechtern z u entschärfen un d die Fra u aus dem Korsett der Privatsphäre, 20 L . Braun, zit. bei Rouette, S. 169. 21 Freideutsch e Jugend, März 1917, S. 81. 22 Kienitz. 23 Haß , Sitte, S. 77. Vgl. Meskimmon/West. 24 Vgl . Götz von Ohlenhusen, Jungstahlhelm, S. 150; Klönne, Ringe, S. 131 ff. 25 Benjamin , S. 525ff.; Stein; vgl. Brückner, S. 90.

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das ihr das 19 . Jahrhundert angeleg t hatte , herauszulösen, ohn e die Hierarchie de r Geschlechte r i n Frag e z u stellen . Dies e Integrationsleistun g de s Leitbildes de r Kameradschaft - un d nicht etw a nu r martialische Männlich keits- un d dichotomisch e Geschlechterkonstrukt e - ebnete n da s kulturell e Terrain, au f de m di e Nationalsozialiste n di e totalitär e Mobilisierun g de r deutschen Gesellschaf t fü r de n Zweite n Weltkrie g organisierten . Wi e nu n zu zeigen ist , begründet e di e kollektive Arbei t a n den Schuldgefühlen , di e die Leichenberg e de s Erste n Weltkriege s ausgelös t hatte , ein e Kultu r de r Scham, in der nur überleben konnte, wer sich den Kameraden anpasste und der Kameradschaf t unterordnete . Si e hiel t di e Volksgemeinschaf t i m Ver nichtungskrieg zusammen. 2. Das Frauenhafte de s Kamerade n Nicht nu r be i angehende n Psychoanalytiker n wi e de m jugendbewegte n Harald Schultz-Henck e löste n sic h i m Erste n Weltkrie g überkommen e Begriffe vo m Männlichen und Weiblichen auf. 26 Auch passionierte Kriege r wie Fran z Schauwecke r entdeckte n Weiblichkei t i n sich , »ei n zartes , frau enhaftes Gefühl , ein e freilic h rasc h unterdrückte, nie offen bekannt e Sehn sucht, Lieb e z u gebe n un d Lieb e z u nehmen. « Wi e ei n Man n mi t diese m Gefühl umzugehe n hatte , wa r fü r Schauwecke r ebens o weni g wi e fü r Schultz-Hencke selbstverständlich . Den n in der Männergesellschaft ga b es meist »kein e Freundlichkeit , kein e Güte , keine Liebe « - »di e Versöhnun g und Wärme , di e i n de r Fra u liegt , fehl t vollkommen« , w o »nu r Männer « sind, stellte Schauwecker fest. 27 Der Austausc h vo n Zärtlichkeite n unte r Männer n wa r vo n Ängste n durchsetzt. Si e stande n i m Verdach t homosexuelle r Neigungen . Worübe r allenfalls gerede t werde n konnte , wa r Homoerotik , »jen e eigentümlich e Schwingung zwische n Man n und Mann, di e irgendwi e ein e feminin e Note aufweist«. Abe r da s platonisch e »irgendwie « wa r vo m »Sumpf « de r Körperlichkeit umgeben. Erotik war ein schillerndes Phänomen. Der Männlichkeitsdiskurs de r Zeit wollte e s asexuell verstande n wissen . Di e krampfhaf ten Bemühungen , di e Grenz e zwische n Eroti k un d Sexualitä t geschlosse n zu halten , offenbarte n abe r nu r dere n Durchlässigkeit . Stet s lauert e di e Gefahr, das s die »fluide Grenz e zwischen Homoeroti k und Homosexualität überschritten« wurde. 28 Wo hörte das eine au f und wo fing das andere an ? Hans Blüher war zu weit gegangen , al s e r unbekümmert vo n der »orgasti 26 Sieh e oben, zu Harald Schultz-Hencke, Freideutsche Jugend, März 1917, S. 81. 27 Schauwecker , Todesrachen, S. 16-20,68. 28 Grunwaldt , S. 35f.

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schen Entladung« berichte t hatte, bis zu der sich der »Liebesverkehr« unte r Männern i n Kadettenanstalte n steiger n könne. 29 Ebens o Geor g Philip p Pfeiffer, de r 192 4 meinte, dass es »ganz gleichgültig« sei , wenn es im Rahmen der »physiologischen Freundschaft« , z u der sich Kriegskameradschaf t steigern könne , »z u de n verpönten ›sexuellen Handlungen ‹ kommt«.30 Anderen fiel scho n schwer , zuzugeben , »das s e s erotisch e Beziehunge n sind , die i n de n männliche n Gruppe n da s Sach - un d Gehorsamsverhalte n de r Kameraden bestimmen«. 31 Nich t »zu verdammen« , s o ein Wehrpsycholog e 1937, sei ein e Homoerotik, »solang e si e sich i n den Grenzen des ›Schwär mens‹ bewegt. « Abe r welch e Ar t de s »Schwärmens « wa r gestattet ? Di e »unwiderstehliche« Anziehungskraft , di e ei n Leutnan t mi t seine n »entzü ckenden« Breeche s un d seine r blauseidene n Feldmütz e ausübte , mocht e hingehen. Ebenso die »innige un d scheue Neigung«, di e »der zartere, kleinere z u de m größere n un d stärkere n Jünglin g empfindet. « Abe r mi t de r Umarmung ode r ga r de m »Kuss « wa r di e Grenz e »zu r verbrecherische n Handlung« s o gut wie überschritten. 32 Der Kameradschaftsdiskurs tabuisiert e den Austausch von Zärtlichkeiten unter Männern keineswegs völlig. I m Uhland-Lied scho b der Tod der körperlichen Annäherun g eine n Riege l vo r - »kan n ih m di e Han d nich t ge ben«, lautet e di e bitter e Erkenntnis , di e di e Sehnsuch t eingestand . Auc h Ernst Wurche starb einsam, ohne die Hand seines Kameraden Walter Flex.33 Die Rezeptio n de s Uhland-Liede s nac h 191 8 gin g jedoch eine n entschei denden Schrit t weiter . Si e verklärt e di e »Zartheit , mi t der der Lebende di e erkaltende Han d seine s Waffengatte n ergreift«. 34 I n de n Todeszone n wa r erlaubt, was sonst verpönt blieb. »›Hans!‹ lispelte « Zöberlein s guter Kamerad Girgl , al s e r sterben d i m Lazaret t lag , »un d unser e Auge n brannte n ineinander. Meh r braucht e e s nich t zwische n un s beiden ; wi r hatte n un s immer ohne Reden verstanden«, un d erst recht, s o wäre zu ergänzen, ohne körperliche Kontakt e auszutauschen . Abe r nu n galte n ander e Gesetze : »Eine bleiche Hand tastete nach der meinen. Und da spürte ich das Kreisen des Blute s durc h di e Finger«. 35 De m todgeweihte n Kamerade n gegenübe r war körperliche Zärtlichkeit statthaft. Eric h Siewers konnte seinen Kameraden Esse r verletz t au s de m Feue r retten . Darübe r kame n sic h beid e nahe . 29 Blüher , Rolle II (1920), S . 159f. Ders. , Wandervogel III. Zur zeitgenössischen Kritik vgl. z.B. Plenge. 30 Pfeiffer , Mannheldentum, S. 21. 31 Klatt,S . 169-171, hier S. 169. 32 Grabenhorst , S. 43 u. 155f., zit. nach Grunxvaldt, S. 36. 33 Flex , S. 90ff., ausdrücklich S. 96. 34 S o zu einem Fresko der Kriegsgräberstätte Feltre/Oberitalien, Kriegsgräberfursorge 1937, S. 151f. 35 Zöberlein , Glaube, S. 718.

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›»Du‹, sag t Esser« z u Siewers, nachdem er ihn nach dem ersten Mädchen kuss gefrag t hat , »un d leg t seine n Ar m u m Siewer s Nacken , ›d u has t mi r das Leben gerettet. Ich hab dich sehr lieb‹.« Di e Melancholie, die den Körperkontakt durchtränkt , nimm t de n spätere n Bauchschus s vorweg , de m Esser erliegt, ohne dass ihm Siewers die Hand noch einmal geben kann. Der Zärtlichkeit war genug gewesen. 36 Die Verschmelzung de s Kameradenpaares i m Angesicht de s Todes gib t den Blic k fre i fü r di e Regel , nac h de r Homoeroti k geleb t werde n konnte . Sie folgt e de r Grammati k de r funktionale n Ambivalenz , i n di e all e Red e über Kameradschaft eingefass t war . Ebenso wie die väterliche Fürsorge des Kompaniechefs »nich t der Verweichlichung« dienen , sondern helfen sollte , den »notwendige n We g zu r Härte mit freudige n Mittel n z u gehen«, 37 blie ben mütterliche Geborgenhei t und Liebe unter Männern i n den Kampf, die Disziplin un d di e Pflicht , als o di e hart e Männlichkei t eingebunden. 38 Da s »Geborgensein« unte r Männern füllte als weicher Kitt die Lücken zwischen den stählerne n Verstrebunge n de r Männergemeinschaft. 39 Pfeiffer s Apo theose der »Kameradenliebe i m Krieg« setzt e den »Mannhelden« Napoleo n ins Bild, de r »wie all e Übermensche n au s männlichen un d weiblichen Elementen gemischt« gewese n sei . Nur nach außen habe er das Bild vom »unbarmherzigen Tyrannen « abgegeben , tatsächlich aber eine »weiche, weibli che Natur « gewahrt , di e i n seine r überragende n gemeinschaftsbildende n Fähigkeit zu m Ausdruc k gekomme n sei. 40 A n di e Stell e Napoleon s tra t i n den zwanziger Jahren Erns t Wurche, der zahllosen Kriegerfigure n al s Vorbild diente . Ih r weiblich konnotierte s Charism a steigert e di e Kampfbereit schaft de s kriegerische n Männerbundes. 41 We r befiehlt , musst e auc h »lie benswert« sein , sonst »kommt es zum Bruch, zur Rebellion.« 42 Freilich hatte das Weibliche unter der Kontrolle des Männlichen z u bleiben. Da s Weiblich e i n sic h durfte n Männe r leben , di e au f de m We g zu r Männlichkeit ware n oder sie unter Beweis gestellt hatten. Kriegsveteranen , deren »Kameradschaf t i m Feue r gehärtet « war , konnte n ih r Wiedersehe n nach langer Zeit »wärmer un d wärmer« werde n lassen. 43 Träne n a m Grabe des gefallene n Kamerade n ode r nac h de m Gefech t ware n erlaubt , »wu schen« si e doc h »di e Erschütterun g weg « un d wirkten al s Katalysato r de r

36 Beumelburg , Gruppe, S. 134, 136, 182f . 37 Ellenbeck , Kompaniechef, S.U . 38 Pleyer,S . 17f.,S . 126-128. 39 Kyffhäuse r 16.10.27 , S. 886. Kalkschmidt, S. 181 , 184. 40 Pfeiffer , Mannheldentum , S. 12f., S. 21-23. 41 Vgl . Pleyer, S. 66-68, aber auch Mann, Republik, S. 847f. 42 Klatt , S. 170. 43 Stahlhel m 27.7.30, S. 11.

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fürsorglichen Kameradschaf t vo n Mann zu Mann. 44 Die Unsicherheit blieb. Verbindliche Antworte n au f di e Frag e »Wan n wein t de r Soldat? « ga b e s nicht.45 E r weinte o b des gefallene n Kamerade n ode r wenn e r di e Nation , etwa i m Novembe r 1918 , untergehe n sah , nich t jedoc h u m seine r selbs t willen. Imme r bracht e e r de n Gefühlsausbruc h unte r Kontrolle , überwan d den Anflu g feminine r Schwäche , fan d a m End e zurüc k z u männliche r Selbstbeherrschung. Von de r Weiblichkei t i m Man n lie ß sic h a m eheste n reden , wen n kei n Zweifel dara n bestand, dass man sich von ih r nicht hatte überwältigen las sen, als o im Präteritum. De r Topos des Abschieds vo m geliebten Kamera den wa r di e adäquat e Ausdrucksfor m diese r Ambivalenz . De r Abschie d bewahrte di e Sehnsuch t nac h de r homoerotische n Schwerelosigkei t weib licher Wärme , bewie s abe r gleichzeiti g di e Fähigkei t zu r Rückkeh r i n di e männliche Kälte. 46 Was blieb, war der Traum der Symbiose von Männlichkeit und Weiblichkeit i m Mann. An diesem Spannungsverhältni s zwische n männlich-harten Zwängen und weiblich-weichen Sehnsüchte n arbeitete sich der Kameradschaftsdiskurs ab. In de r vertraute n Rhetori k de r Famili e lie ß sic h da s emotional e Chao s begrifflich ordnen . Di e kleinere n Einheite n de r Trupp e inszenierte n sic h nach de m Muste r de r bürgerliche n Familie , di e ohn e Frauenrolle n nich t auskam.47 Oben stand der Chef. Als »Papa« ode r Vater der Kompanie hatte er stet s ei n offene s Oh r fü r di e persönliche n Nöt e de r Mannschaften . E r titulierte si e al s »Kinder « un d wa r ihre s selbstverständliche n Gehorsam s gewiss.48 Auc h wen n e r einfühlsame , weiblic h konnotiert e Seite n zeigte , verkörperte e r di e hart e Seit e de s Militär s - da s Männliche. 49 E r empfin g Befehle vo n oben und sorgte fü r dere n Ausführung durc h seine Leute , bildete als o wi e de r bürgerlich e Vate r da s Scharnie r zwische n Famili e un d Öffentlichkeit. Selbstlosigkei t un d Opferbereitschaft ware n Anforderungen , die sic h a n all e Familienmitgliede r richteten . Si e konnte n väterlic h wi e mütterlich besetz t sein . Ihr e explizi t weiblich e Ausfüllun g übernah m de r Spieß al s »Mutte r de r Kompanie«. Wi e di e Mutter dem bürgerlichen Idea l nach i n der Privatsphäre wirkte , dient e de r Feldwebel al s »de s Kompanie führers fest e Stütz e im Innendienst«. E r war verantwortlich fü r Bekleidun g und Ausrüstung, Unterbringun g un d Verpflegung. Da s Mutterbild, da s der Feldwebel i n Anspruch nahm, zeichnete sic h aber nicht nur durch Zärtlichkeit aus . E s vereinte Fürsorg e un d Strenge . Al s solche s hatt e di e Kompa 44 Wehner , Sieben, S. 12; Wegeleben, S. 26. 45 Stahlhel m 22.10.33, 3. Beilage. Ettighofer, Kamerad, S. 290; Nassen, S. 49. 46 Vgl . DjD 1935, S. 79. 47 Scho n im 19. Jahrhundert, Höhn, S. 347 u.ö.; Frevert, Nation, S. 245ff. 48 Kyffhäuse r 23.2.30, S. 134f.; vgl. Beumelburg, Gruppe, S. 38f. 49 Stepkes , S. 12-14; Pleyer, S. 112f .

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niemutter ei n »überau s feine s Gefüh l [... ] fü r da s Nichtwollen un d Nicht können bei den Leuten«. 50 Wer nicht wollte, bekam mütterliche Streng e zu spüren. Wer nur mal nicht konnte, war mütterlicher Fürsorge gewiss. Der Held von Beumelburgs Gruppe Bosemüller, de r bürgerliche Kriegsfreiwillige Erns t Siewers, trifft mi t »Mamas Schinkenbrötchen « un d einem »Veilchensträußchen« seine r Schwester , de n Insignie n de s »Muttersöhn chens«, an der Front ein. Er wird von dem älteren Gefreiten Wammsc h und dem Unteroffizier Bosemülle r quasi adoptiert. Bosemüller nimmt als militärischer Che f i n de r Grupp e de n Plat z de s Vater s ein . E r schütz t si e nac h außen und deckt kleinere Verfehlungen de r Mitglieder gegenübe r den Vorgesetzten. Wi e de r »Ries e Atla s da s Himmelsgewölbe « stemm t er , al s di e Gruppe i m Gefech t verschütte t wird , herabstürzend e Balke n mi t »über menschlicher Kraft « ab , bi s di e ›Familie ‹ i n Sicherhei t ist . Daran , das s Kameraden i n solche n Extremsituatione n »zuviel « bekommen , psychisc h zusammenbrechen, sic h unmännlich , wi e Kinder , gebärde n un d »Mama... , Mama...« rufen , nimm t nieman d Anstoß . All e wissen , wi e gefährde t da s harte Männlichkeitsidea l ist . Nac h de r Verschüttun g kan n Siewer s nich t einschlafen, wei l ih n jener »Mama... , Mama... « wimmernd e Kamera d ver folgt. Siewer s »greif t nac h Wammsch s Hand« , de r ih n beruhigt , inde m e r das unmännliche Verhalten funktiona l entschuldigt : »›Hätt e er nicht immer Mutter, Mutte r gewimmert, s o hätten wir euc h all e fü r tot gehalten. ‹ Dann streicht er dem Kleinen mi t der Hand über die Haare« - ein e Geste, die zu den Topoi des Kameradschaftsmythos gehör t - un d »sitzt noch fünf Minuten bei ihm«, bis er sieht, »dass der Kleine die Augen geschlossen hat«. 51 Vorstellungen vo m Weibliche n i m Man n erlaubte n es , unterschwellig e Widersprüche zu r Sprach e zu bringen. Solch e Vorstellungen ware n Imagi nationen vo n Männern . Si e bildete n »Container« , i n de m das , wa s i n de r männlichen Selbstdefinitio n keine n Plat z fand , untergebrach t un d be i Be darf aufgesucht werde n konnte. 52 Solch e Containe r verwahrte n di e Gegen welt zur Welt der Härte und Gewalt. Der richtige Mann wusste sich in dieser Wel t z u behaupten . Abe r daz u braucht e e r ihre n Gegenentwurf . Hart e Männlichkeit ka m nich t au s ohn e weich e Weiblichkeit , Aggressio n nich t ohne Altruismus , Gewal t nich t ohn e Geborgenheit . Mann-Sei n bedeutet e nicht, jene Sehnsuch t nac h de m »Frauenhaften « i m Man n ei n fü r allema l abzuspalten. Ei n Man n zeichnet e sic h dadurc h aus , das s e r mi t de r span nungsreichen Beziehun g zwische n Männlichkei t un d Weiblichkei t zurech t kam, also das unruhige Weibliche i n sich immer wieder zuließ, um es stets aufs Neu e z u ordne n un d z u beruhigen . Dies e Ordnun g wa r i n ständige r 50 Kyffhäuse r 17.11.29, S. 839f.; Stepkes, S. 8f.; Pleyer, S. 111-114. 51 Beumelbure , Gruppe, S. 26, 114f., 119f. , vgl. 36f., 50. 52 Rhode-Dachser , S. 95, 100; Bovenschen, S. 121, 163ff., 170 , 173, 241ff.; Lindhoff, S. 1-30.

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Bewegung, volle r Melancholie , Unsicherhei t un d Zerrissenheit. 53 Mann Sein bestan d darin , nac h »Härte « gege n sic h un d ander e z u streben . Si e konnte nie ein für allemal, sonder n allenfalls fü r einen Augenblick erreich t werden. Jene Containe r transportierte n Ambivalenzen . Da s »Weibliche « al s da s schlechthin Andere , Unverstanden e nah m Versöhnungs - un d Verschmel zungs-, abe r auc h aggressiv e un d destruktiv e Phantasie n auf . Da s Nebeneinander lust - un d angstbesetzte r Sehnsücht e prägt e di e imaginiert e Weiblichkeit de r Männer. Si e tra t (und tritt) in Träumen, i n der Kunst und in de r Religio n auf , i n Gestal t de r Madonn a un d de r Hexe , de r Unschul d und der Verführerin, de r liebenden Mutter und der femme fatale, der Läuterung un d de s Verderbens . Hie r sin d e s di e bösen , bedrohliche n »roten « Frauen, die Amazonen und »Flintenweiber«, dor t die hehren, mütterlichen , »weißen« Frauen in Gestalt der Krankenschwestern. 54 Die Ambivalenze n imaginierte r Weiblichkeit , di e de r Kameradschafts mythos transportierte , barge n Gefahren . De r »seelisc h widerstandsfähig e und selbstdiszipliniert e junge Mensch « musst e alle r weichliche n Anwand lungen »Her r werden«. 55 Abe r schafft e e r das auch ? Pau l Bäumer s Kameradschaft schützt e noc h de n verängstigte n »Flachskopf« , de r i m erste n Fronteinsatz »wi e ei n Kind « mi t zuckende n Schulter n »dich t a n mein e Brust« kroch und in die Hose machte.56 Beumelburgs »Gruppe Bosemüller« geriet schnel l i n Verdacht , solche r »weichlich-trunkene n Menschlichkeit « das Wort zu reden, die aus der Sicht des rechten Lagers die Kameradschaf t ad absurdu m geführ t hatte. 57 NS-Ideologe n heftete n ih r da s Stigm a de s Undeutschen an. Der Franzose suche in der Kameradschaft »Geborgenheit « oder den Schutz vor dem Tod. Dem deutschen Soldate n dagege n eign e die »Gemeinschaft de r Tat«, als o eine ziel - un d aufgabenorientierte Kamerad schaft.58 Seit dem Erfolg Remarque s arbeitete da s rechte Lager daran, die Kameradschaft de r Leidensgemeinschaft durc h eine »Kameradschaf t de r Tat« z u verdrängen. U m di e »Tat « kreist e de r vo n de r S A inszeniert e »Kul t de r Aggressivität, de r Schnelligkeit un d der Fortbewegung«. 59 Auc h de r Stahl helm un d benachbart e Verbänd e bemühte n sich , ih r bierselige s Imag e al s 53 Reulecke , Sehnsucht , S . 165-169; Forster , Männlichkeit , S . 31-35, 61f. ; Lepenies , S. XVIIIff.. 54 Thewelei t I, S. 88ff. 55 Grunwaldt , S. 32. 56 Remarque , S. 59f.; vgl. Johannsen, S. 30. 57 Vgl . Pongs, Krieg I. Mierke, S. 130-134 u. 196; Himmler, Geheimreden, S. 80; DjD 1935 , S. 433-435. 58 Hundeiker , S. 101; Lutz, S. 144f. 59 Sloterdij k II, S. 756. Vgl. Balistier, S. 25; Lindner, S. 110-113, 137-141

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bürgerliche Honoratiorenverein e i m Zeichen de r »Kameradschaft de r Tat « aufzupolieren.60 Solchermaße n aggressi v aufgeladen , avanciert e di e Kameradschaft zu m Leitbegrif f de r Nationalsozialisten, di e ih m zunächst desin teressiert gegenübergestande n hatten . Si e fugte n de r Heldengaleri e de s Kameradschaftsmythos, di e bishe r vo n Uhland s »gute m Kameraden « z u den Frontsoldaten de s Ersten Weltkrieges gereicht hatte, ihre eigenen Mär tyrer und Führer hinzu. Beispielgebend nah m das Horst-Wessel-Lied 192 9 die gewaltstimulierende Seit e des nationalistischen Totenkults auf. Aus dem Gedenken a n di e gefallene n »Kameraden , di e Rotfron t un d Reaktio n er schossen«, leitet e e s di e Aufforderun g zu m neue n Kamp f ab : »Di e Fahn e hoch!«. Kameradschaf t sollt e nu n di e »Zon e de r bürgerliche n Sicherheit « überschreiten, also nicht nur die moralische Bürde des vergangenen Krieges abtragen, sonder n al s Stimulan s neue r kriegerische r Gewal t wirken. 61 Ka meradschaft mi t de n Gefallenen bedeutet e nich t meh r Trauer, sonder n Ra che. »Gehärte t i n Schlachtgewittern , durchglüh t vo n unermesslicher Lieb e zum deutschen Land und Volk«, habe der Soldat die NS-Bewegung au f den »Nenner ›Kameradschaft ‹ gestellt. 62 Josep h Thorak s Skulptu r »Kamerad schaft« (1937 ) ode r da s Relie f gleiche n Titel s vo n Arn o Breke r (1939 ) visualisierten dies e stählern e Akzentuierun g de s Leitbildes. 63 Wi e dies e Bilder a n der Front Wirklichkeit wurden , erzählten di e Kriegsberichter sei t dem September 1939 . Ein im Russlandfeldzug au f feindlichem Gebie t notgelandeter Stukafliege r konnt e sicher sein, von seinen Kameraden i n einem halsbrecherischen Manöve r vo r de n »angreifende n Russen « gerette t z u werden: »Eine kühne Tat ist geglückt, Zeichen bester Kameradschaft.« 64 Solche Bilde r un d Bericht e brache n nich t mi t de m bürgerlichen Kame radschaftsmythos. Si e rückte n nu r sein e aggressiv e Seit e i n de n Vorder grund. Aber die Ambivalenz, die Verbindung von Gewalt und Geborgenheit, blieb gewahrt . Di e »sentimentale « Kameradschaf t wa r auc h de m martiali schen Kriege r zugestanden , solang e si e seine r emotionale n Reproduktio n diente. Als die S A Mitt e de r dreißiger Jahre daran ging, di e Erinnerung a n ihre Heldentaten i n der »Kampfzeit« z u kultivieren, beka m auch »das warme Herz, die helfende Hand « un d der »Gleichklang de s Fühlens und Denkens« i n den Sturmlokale n ei n literarische s Denkma l gesetzt . Solch e »Ka meradschaft« wa r »alles«, »Heima t und Lebensfreude«, de r »Abschnitt de r Front, der Ruhe und Sicherheit vor dem Gegner gewährt«. 65 60 Stahlhel m 13.7.30 , S. 5; ebd. 2.11.30, S . 4; Seldte II, S. 134ff. ; Kyffhäuse r 20.8.33 , S. 601. 61 Günther , Kameradschaftslehre, S . 13 . 62 Konstanze r Zeitung 2.11.33 (»Helden-Gedächtnisfeier“) ; De r Seehase Juli 1937 , S. 2. 63 Abbildunge n etw a in : Kuns t i m Dritte n Reich , S . 11 3 u . 115 . Vgl. Völkische r Beobachte r 30.1.43, S . 9. 64 Militär-Wochenblat t 1942 , Sp. 1293f . Vgl. z.B. Völkischer Beobachte r 19.3.43 , S. 3. 65 Engeibrechten , S . 85.

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3. Schicksal, Scha m und Verbreche n Der Versuc h de r Härte-Apologeten , Ordnun g durc h bloß e Unterdrückun g des Bedrohliche n un d Unverstandene n z u schaffen , setzt e sic h gege n di e ambivalenten Mütterlichkeitsimaginatione n un d Familienmetapher n nich t durch. Den n nu r dies e überbrückte n di e Spannun g zwische n Männerbun d und Herkunftsfamilie , zwische n heterosexuelle r Nor m un d homosoziale r Neigung, zwische n Gewalt und Geborgenheit. Dami t ein angehender Mann lernte, wie er die weichen Sehnsüchte unter Kontrolle brachte, ging er in die »Schule der Männlichkeit«. Da s war seit dem 19 . Jahrhundert das Synonym für die Wehrpflicht. 66 191 9 setzte sie der Versailler Vertra g i n Deutschland außer Kraft . Abe r di e Veteranen- , Jugend - un d Arbeitsdienstbewegun g sorgte dafür , das s di e Grammati k de r militärische n Sozialisatio n nich t i n Vergessenheit geriet , bi s si e a b 193 5 wieder offiziel l au f dem Erziehungsplan junger Männer stand. Die militärische Sozialisatio n übernah m die Aufgabe, au s Knaben Männer zu machen. Knaben waren Wesen, die zwar über die biologischen Vor aussetzungen des Mann-Seins verfügten, nich t jedoch über die soziale Qualität der Männlichkeit. Unter der Obhut ihrer Mütter stehend, waren Knaben unselbständig, nich t in der Lage, für sich selbst, geschweige den n für andere z u sorgen . I m Begriff vo m »verwöhnte n Muttersöhnchen« 67 flosse n di e Zuschreibungen vo n weibliche r Vormundschaft , lebenspraktische r Un selbstständigkeit un d infantile m Egoismu s ineinander . U m de m Knabe n diese Identitä t auszutreibe n un d ihm die neue als sozialem , nich t bloß biologischem Man n z u implementieren , unterzo g ih n di e »Schul e de r Männ lichkeit« eine r symbolisc h aufgeladene n Initiation . Si e wa r konzipier t al s »Zeit de s Brechen s de s falsche n Bewusstseins«. 68 Da s Militä r organisiert e sich al s »total e Institution « (E . Goffman) , di e de n Rekrute n eine r umfas senden Erniedrigungsprozedur unterwarf. Ih r Ziel war der Um- und Neubau der psychischen , kognitive n un d physische n Verfassun g de s Rekruten . Seine zivil e Identitä t sollt e zerstör t werden , u m Platz zu schaffe n fü r ein e neue als reibungslos funktionierende s Rädche n i m militärischen Getriebe. 69 Der Rekrut sollt e spüren , das s er i n seine r neue n Umgebun g ›nichts ‹ war . Wenn e r i n de r Männergemeinschaf t etwa s werde n wollte , musst e e r be i null beginnen . Da s Militä r stellt e sic h insofer n da r al s sozial e »Anti Struktur« (V. Turner), welche die Zugänge zu Macht, Ansehen und Einfluss 66 Z u den Traditionen Frevert, Soldaten, S. 72ff.; dies., Nation, S. 39ff., 228ff. 67 Wi r Mädel 1940/41 , S. 812-814, Zitat S. 812. Zur Hitler-Jugend Dj D 1944, S. 85-90, hier S. 85. Vgl. aber schon Arbeiterjugend 1926 , S. 108: Die Wandergruppe zwinge das »Muttersöhnchen, die privaten Ansprüche zurückzuschrauben«; vgl. DjD 1928, S. 159-168, hier S. 168. 68 Stellrecht , Erziehung, S. 61.Stepkes, S. 6. 69 Stepkes , S. 7.

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unabhängig vo n de r »Struktur « de r zivile n Gesellschaf t un d unte r Aus schluss der Frauen neu regelte.70 Die Demütigun g de s Novize n folgt e de m »Prinzi p eine s niedrigere n Dienstes«.71 De r Knab e musst e ers t ei n »ganze s Syste m vo n Quälereien « seiner Kameraden ode r Vorgesetzten »durchkoste t habe n [...] , u m als ganzer Mann und nicht als ›grüne s Gemüse‹ angesehe n z u werden«. 72 Demüti gungsrituale dramatisierte n da s Spektru m de r Machtdifferenze n innerhal b der Männergemeinschaft un d überzeugten de n Novizen von seiner eigene n Nichtigkeit.73 De r militärisch e Männerbun d demonstriert e sein e sozial e Souveränität. E r definierte sic h durc h de n Ausschlus s vo n Fraue n un d die Abgrenzung vo n eine r Welt , i n de r Knabe n vo n Fraue n abhängi g waren . Aber er verzichtete doc h nicht au f das symbolische Ordnungspotentia l de s polaren Geschlechtermodells. E r nutzte es, um das Ineinander seine r egali tären un d hierarchische n Strukture n sinnfälli g z u machen . S o gehört e z u den »niedrigere n Diensten« , das s de r Rekru t »sic h mi t Dinge n befasse n muß, die er als verwöhntes Muttersöhnche n bishe r weit vo n sich gewiese n hat« - Putzen , Flicken, Stopfen , Bette n machen, Kartoffel schälen , Wäsch e zusammenlegen, alles , wa s bisher »Mutter « fü r ih n erledig t hatt e und wa s ganz und gar »keine Männerarbeit « war. 74 Um zum Mann zu reifen, war es nötig, erst einmal di e Rolle der Frau zu spielen. Das war eine eindringlich e Erniedrigung, di e de n Rekrute n a m untere n End e de r soziale n Hierarchi e des Männerbunde s einordnet e un d ih n fü r eine n Momen t seine r Ge schlechtsidentität beraubte - u m sie alsbald neu zu definieren . Die Demütigun g tra t i n Begleitun g eine s Versprechen s auf : Wen n D u Dich einfügst, gehörs t Du dazu, hast teil an der Macht, und später, wenn Du zu den Alten gehörst, hast Du auch Neue unter Dir, so wie wir jetzt.75 Auch wenn Waschen , Putze n un d Flicke n kein e Männerarbei t war , konnt e doc h eine Institution , dere n Wir-Identitä t au f dem Ausschluss vo n Frauen grün dete, darauf nicht verzichten. Und so galt denn für den Rekruten: »Selbst ist der Mann, selbst is t auch der Soldat. Selbs t muss er im Felde für alles einstehen.«76 Mi t de m Zwan g zu r Ausübun g weibliche r Rolle n wa r de m Rekruten ei n Leidensweg gewiesen , a n dessen End e die Erlösung, di e Unabhängigkeit vo n reale n Frauen , als o männlich e Souveränitä t stand . S o präsentierte sic h di e Erniedrigun g al s Anfan g de s Aufstiegs zu m vollwer 70 Turner , Das Ritual; ders. , Liminal . 71 Stellrecht , Erziehung , S . 61. 72 Lehmann , Infanterie , S . 18 . 73 Vgl . Dj D 1931 , S. 356ff., übe r die Lagererziehung . 74 Wi r Mädel 1940/41 , S. 812. Vgl. Puttkamer, S . 24 u. 41. 75 Salomon , Kadetten , S . 191 . »Nu r we r gehorche n gelern t hat , wir d befehle n können« , Puttkamer, S . 71 76 Wi r Mädel 1940/41 , S. 812 u. 814.

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tigen Mitglied des Männerbundes.77 Nur wer sich in die vorgegebene Hackordnung ergab, hatte die Chance, anerkannt zu werden. Der Neue »erkennt, dass es sich so und so mit ihm verhält und mit den anderen. Diese Erkenntnis schleift ab , macht gefügig, erzieht . Dafür sorge n die Kameraden. E s ist oft unangenehm. Aber es ist di e Wirklichkeit, e s is t die Schul e de r Kameradschaft.«78 Si e flankierte di e Schule des Gehorsams und übte den Verzicht auf die eigenen Wünsche und Bedürfnisse ein. 79 Das Sichabfinden mi t dem »Schicksal« macht e de n Soldate n aus . Das Schicksa l wa r ein e Macht , di e mit göttlicher , überirdische r ode r überzeitliche r Aur a umgebe n war . E s forderte Unterordnung , äußerlic h un d innerlic h - vo n de r Kleiderausgab e über die zugeteilten Kameraden und Vorgesetzten bis hin zum Schlachtfeld. Die linke n Frontroman e widersetzte n sic h de r Heroisierun g de s männlichen Initiationsrituals da , wo es von stumpfsinnigen Vorgesetzte n exerzier t wurde. Das s i n de r Kasern e nich t »de r Geist« , sonder n »tausen d Schika nen« zählten , registriert e Pau l Bäume r zynisch . I n dieser institutionalisier ten Verunsicherun g abe r versprac h Kameradschaf t auc h be i Remarqu e etwas Sicherheit . Si e entstan d au s de r Abweh r de s Terror s de r Ausbilder . Auf de m Höhepunk t ihre r Kasernenzei t zettelt e Remarque s Kameraden gruppe eine kleine Verschwörun g gege n ihre n Peinige r an . Sie lauert e ih m nachts auf, al s er aus der Kneipe kam, stülpte ihm ein Bettuch über, verprügelte ih n »gründlich« , peitscht e ih n au s un d riss ih m schließlic h noc h di e Hose herunter, bis er heulend »au f allen vieren « flüchtete . »Da s hatten wir uns sei t Woche n geschworen . [... ] Rach e is t Blutwurst.« 80 Diese r Affron t gegen di e militärisch e Hierarchi e erzürnt e da s recht e Lager , nich t wege n der Darstellung de r Schikanen an sich, sondern wegen der Weigerung ihre r Opfer, mi t ihne n »soldatisch « umzugehen . Gal t e s doch als »unsoldatisch , einen Anpfif f übe l z u nehmen , selbs t wen n e r ausnahmsweis e z u Unrech t erfolgt sei n sollte«. 81 Das Gegenbild zu Paul Bäumer bot Ernst Wurche, der an den »Verdrießlichkeiten un d Kleinigkeiten« de s »Friedensdrills« achsel zuckend »vorüberging« . Ers t wer sic h in s allgegenwärtige Leide n ergebe n hatte, wa r vo m Ziviliste n zu m Soldate n aufgestiegen. 82 Geglück t wa r di e militärische Sozialisation , wen n das »mannhafte Ich « i n der »Gemeinsam -

77 Dies e Ambivalenz geht verloren, wenn man den Bedeutungsradius weibliche r Metapher n im Militä r au f »unerwünscht e Situationen « (Däniker , S . 121 f.) begrenzt . Vgl . Hämmerle , S.229ff.; Barrett, S. 71ff.. 78 Kalkschmidt , S . 181. Vgl. Langner , S . 50f; Jäger , Krieg , S . 526f.; Pongs , Volkstu m I, S. 47; kritisch Wiese , Kindheit, S. 35. 79 Altrichter , Wesen, S. 128f . 80 Remarque , S. 26-29, 44-49. 81 Pleyer , S. 118. Vgl. Engeibrechten, S. 23f.; Kyffhäuse r 30.6.35 , S. 631. 82 Kolb , Remarque, S. 7, zu Flex, Wanderer, S. 21; vgl. Schauwecker, Frontbuch, S. 182.

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keitsseele de s Heeres« aufging 83 un d erkannte: »Ich bin nicht mehr ich, ich war«.84 Als Lohn der »Entindividualisierung« un d »Ent-Ichung« winkten auch in der offizielle n Wehrpädagogi k Geborgenhei t un d Schutz. 85 Kameradschaf t sei, so die autoritative Definition Wilhel m Reiberts 1929 , »das unentbehrliche Bindemittel«, da s »nächst der Manneszucht eine Armee zusammenhält . Ohne Manneszuch t würd e si e z u eine m zügellose n Haufe n herabsinken , ohne Kameradschaft da s Soldatenleben ei n unerträgliches Dasein bilden.« 86 Aber »gesellschaftlich e Entspannung « blie b a n »dienstlich e Einspannung « gebunden.87 Di e Harmoni e un d Geborgenheit , di e di e Kameradschaf t al s Gegengewicht z u Diszipli n un d Unterdrückung erzeuge n sollte , wa r ihrer seits durchsetz t vo n Zwang un d Gehorsam . I n einem »Befeh l übe r Kameradschaft« wie s Himmle r 194 2 zwe i SS-Männern , di e »unte r völlige r Au ßerachtlassung de s Gebote s de r Kameradschaf t au s nichtige n Gründe n miteinander i n Feindschaft « geleb t un d sic h be i eine m Strei t »übe r di e Hühnerhaltung« z u Tätlichkeite n hätte n hinreiße n lassen , »fü r di e Daue r von sech s Wochen ei n Zimmer al s gemeinsame Wohnstube « an , damit si e »gemeinsam über den Begriff Kameradschaft« nachdächten. 88 Himmlers Anordnun g verlie h nu r de m Nachdruck , wa s z u de n Berufs pflichten scho n der Reichswehr zählte: »Der Soldat muss mit seinen Kameraden i n Eintracht leben.« 89 Di e Männer mussten unabhängig vo n persönlicher Sympathi e au f de r Stube , i n de r Kompanie , i m Schützengrabe n ode r im Bunke r zusammenleben , i n Lehrgängen , i n Schlammbäder n ode r i n Feldküchen zusammenarbeite n un d a m Maschinengewehr , i m Panzer ode r in de r Fliegerstaffe l zusammenkämpfen . Dari n unterschie d sic h Kamerad schaft von Freundschaft.90 Freund e suchte man sich aus, Kameraden wurden einem zugeteilt . Nich t di e Bereicherun g de s »Individuell-Persönlichen « sollte der Zweck der Kameradschaft sein , sondern die »Treue zur Sache und zum Werk«. 91 Freundschaf t se i »vo n persönliche n Gefühle n beeinflusst« , unsicher un d unzuverlässig, dekretiert e de r militärische Diskurs. 92 Di e Ka83 Pongs , Krieg I, S. 47; Altrichter, Kräfte, S. 18f. u. 29; vgl. Salomon, Kadetten, S. 29. 84 Jäger , Krieg, S. 527; vgl. Schauwecker, Aufbruch, S. 107, 250. 85 Altrichter , Kräfte, S. 18f. u. 29; Kalkschmidt, S. 181 ; Stellrecht, S. 61. 86 Reiber t 1934 , S . 96f.; Stahlhel m 20.9.31 , S . 9; Altrichter , Wesen , S . 130ff. Kyffhäuse r 30.6.35, S. 631. 87 Schmidt , Wehrmann, S. 103; Altrichter, Führer, S. 147, 161 u.ö.; Ellenbeck, Kompaniechef . S. 13. 88 Ackermann , Himmler, S. 287; vgl. ebd. S. 294, u. Himmler, Geheimreden, S. 46. 89 Oertzen , D.R.H. 1923, S. 87 (Hervorhebung nicht original). Vgl. Wehrgesetz 1925, S. 26. 90 Kyffhäuse r 24.7.32 , S. 518; Weniger, S. 117. Vgl. Tenbruck, Nötzoldt-Linden, Derrida und Lemke. 91 Kalkschmidt , S . 184. Jahn , S . 37f.; Stahlhel m 29.11.25 ; Behrens , S . 305; vgl . Nassen , S.63. 92 Kyffhäuse r 24.7.32 , S. 518.

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meradschaft bezo g ihr e Stärk e daraus , dass sie i m »Schicksal« vorgegebe n war.93 Der kameradschaftlich e Altruismu s wa r i n ei n verpflichtende s Syste m der Reziprozitä t eingebunden. 94 Dafür , das s di e Kamerade n lernten , rei bungslos zusammenzuarbeiten , sorgt e da s Prinzi p de r Gruppenhaftung . »Einer fü r alle , all e fü r einen« , hieß , das s all e strafexerziere n mussten , wenn eine r aus der Reihe getanz t war. 95 U m der kollektiven Bestrafun g z u entgehen, mochte n stärker e Soldate n schwächer e mitziehe n un d ihnen helfen, den »inneren Schweinehund « z u besiegen.96 Aber die Grenze zwischen Fürsorge un d Druc k wa r fließend . Scha m bracht e »de n einzelnen « dazu , »auch gege n seine n schwache n ode r böse n Wille n sic h de n Gesetze n de r Kameradschaft z u beugen.« »Ma n schämt e sich« , s o Eric h Wenige r 193 8 im Rückblick au f den Krieg, »wen n ma n den Anforderungen de r Gemeinschaft nich t entsprach , ma n schämt e sich , wei l ma n ander s war al s e s von ihr erwartet wurde , darum überwand ma n sich, mochte man auch feig ode r schlapp oder unlustig sein, und tat das, was man tun sollte, und hielt sich so, wie e s verlang t wurde . Ma n wagt e nicht , de n andere n i m Stic h z u lassen , weil ma n di e Schand e fürchtete.« 97 Scho n de r »Gedank e a n di e Schande , zurückzubleiben, ei n Drückeberge r geheiße n z u werden , peitschte « auc h Hans Zöberlein »immer wieder auf« un d trieb ihn mit knapp 40 Grad Fieber in di e Schlacht , ständi g a m Rand e de s Zusammenbruchs . »Di e Energi e wurde i n mi r vo n Scha m un d Stol z aufgepeitscht . Jetz t Zähn e zusamme n und mit nach vorne gegangen!« 98 Nicht nu r de r Nationalsozialist Zöberlei n folgt e de m Imperati v de r Kameradschaft. I m Trommelfeuer wil l Pau l Bäume r i n einem sichere n Trich ter liegen bleiben, und doch treibt es ihn hinaus, denn er weiß: »›du musst , es sin d dein e Kameraden , e s ist ja nich t irgendei n dumme r Befehl‹. « Un d der Lohn der Überwindung folgt e bei der Rückkehr in den Kameradenkreis: »Eine ungemeine Wärme durchflutet mic h mit einem Mal. Dies e Stimmen , diese wenigen , leise n Worte , dies e Schritt e i m Grabe n hinte r mi r reiße n mich mit einem Ruck aus der fürchterlichen Vereinsamun g de r Todesangst, der ich beinahe verfallen wäre . Si e sin d mehr als mein Leben, sie sin d das Stärkte und Schützendste, was es überhaupt gibt: es sind die Stimmen meiner Kameraden.«99 93 Mierke,S . 130-133, Zitat S. 133. 94 De r Zwangscharakter de r Kameradschaf t radikalisier t de n Tauschcharakte r alle r soziale r Handlungen, vgl. z.B. Martin/Drees, S. 119-147 , bes. S. 122-126. 95 Sorge , S. 17 (Zitat). Kreipe, Rekrut, S. 139. Zur SS vgl. Himmler, Geheimreden, S. 89f. 96 Hesse , Feldherr , S . 183f.; HDv . 130/ 1 vom 1.9.36 , Nr . 8; Weniger , S . 135f.; Ludendorff , S. 58. 97 Weniger , S. 119. Vgl. Schmid, Psyche, 50f. 98 Zöberlein , Glaube, S. 297f. 99 Remarque , S. 191 f.; vgl . Schauwecker, Todesrachen, S. 216, 18; Renn, Krieg, S. 33.

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Kameradschaft wa r die Tugen d de s Mitmachens und der Unterordnung . Was die Wehrpädagogik Mitt e der dreißiger Jahre forderte, hatte die kollektive Kriegserinnerun g vielfac h ausgemalt . We r sic h ausschlos s un d absonderte, dem drohte »ein unerträgliches Dasein.« 100 Als »Hundsfott« galt , wer in de r Schlach t »nich t mitmacht«. 101 De r »Drückeberger« 102 wurd e ausge stoßen, verfiel de m »unerbittliche n Spott « de r Kameraden. 103 Al s Vollstre cker de r Gemeinschaftsmora l tra t i m deutsche n Militä r de r »Heilig e Geist«104 auf . We r sein e Unkameradschaftlichkeit nich t überwanden moch te, musste damit rechnen, dass ihm die Kameradschaft eingeprügel t wurde. Aber di e körperlich e Gewal t wa r di e ultim a ratio . Wirkungsvolle r ware n Schmach und Schande. Scham stiftet Konformität . Si e wirkt als Modus der Selbstkontrolle, inde m sie das innere Ich negiert, un d als Modus der sozialen Kontrolle, indem sie Angst vor Ächtung generiert. 105 Wer al s Außenseite r galt , wa r kontingent . Nu r billi g erschie n e s de n Veteranen i m Reichsbanner , das s i m Krie g unte r de n Hunge r leidende n Soldaten au s de r Arbeiterschaf t ei n Bauernsoh n nicht s Gute s z u erwarte n hatte, de r sein e »Butter- , Schmalz- , Speck - ode r Wurstpäckchen « vo n Zuhause nicht mit den Kameraden teilte. Wenn er den Kameraden dann »nach verdrücktem Fettbissen « noc h durch ungeübtes Musiziere n au f die Nerven ging, war es genug. Er flog »mi t Schwung aus dem Unterstand« und musste seine Fresspaket e zwangsweis e abtreten . Al s derselb e »Speckmichel « sic h nicht entblödete, auf seiner Mundharmonika »im langsamem Trauermarschtempo« da s Lied vo m guten Kamerade n anzustimmen , währen d sein e Ka meraden, sei t Monate n ohn e ei n Stüc k Fleisc h zwische n de n Zähnen , mi t schlechtem Gewisse n gerad e ei n i m Gefech t verendete s Pfer d (da s unte r Soldaten auch als »guter Kamerad« galt ) verzehrten, war es um die Mundharmonika un d die private n Fleischvorrät e de s Un-Kamerade n geschehen ; er wurd e auc h noc h gezwungen , de n »gesamte n Pferdebraten « selbs t z u vertilgen.106 Solche Geschichten arbeiteten an derselben Gemeinschaftsmoral wi e das pseudowissenschaftliche Leporell o vo n »Gemeinschaftsschädlingen« , da s die Wehrpädagogi k entfaltete . Z u ihne n gehörte n de r »Miesmacher« , de r »Feigling«, de r »Drückeberger«, 107 de r »Streber«, 108 de r »Kritteler« , di e 100 Jäger , Krieg, S. 526. 101 Beumelburg , Gruppe , S . 176, vgl . ebd . S . 40, 49f . Lehmann , Infanterie , S . 34; Jäger , Krieg, S. 526f.. 102 Pintschovius,S . 130. 103 Schmid , Psyche, S. 51. 104 Kreipe , Rekrut, S. 139; Schwinge, Militärstrafgesetzbuch, S . 61, 93, 112; Küpper, S. 79f. 105 Neckel, S.61,65,202f. 106 Reichsbanne r 7.9.29, S. 294f. 107 Mierke,S . 138f . 108 Förtsch , Offizier, S . 67. Göring, S. 228.

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»Querulanten un d Eigenbrödler« , di e »Selbstsüchtigen« , di e »Eitlen« , di e »Unbeherrschten«, di e »Intriganten«. 109 I n den Geruch »egoistischen « Ein zelgängertums konnte schon kommen, wer viel la s oder schlief, wer »häufi ger Briefe un d Tagebücher al s die anderen« schrie b oder gar »stundenlan g mit eine m Bil d ode r einem Buch « vo r seine m Spin d saß. 110 Der »Intellek tuelle« war nicht per se ein Außenseiter. Aber er roch danach.111 »Vereinzelung a n sich« stellte , wie ei n Wehrpädagoge verdrießlic h feststellte , »noc h kein strafbares Vergehen« dar. Aber sie stand im Verdacht, es zu sein. Denn »Einzelgängerei is t oft die Vorstufe zur Fahnenflucht.«112 Un d Fahnenfluch t war Verrat an den Kameraden schlechthin. 113 Die Diagnostik des Außenseitertums droht e mi t de r Ausgrenzun g un d hatt e dadurc h therapeutisch e Funktionen. »Da s Weich e wir d zusammengestaucht , de r Zimperliche wir d abgestumpft, de r Meckere r wir d zurechtgestutzt , de r Umstandsmeie r wir d eingeschnörkelt«.114 Dieser konformistische Wertehorizon t war spätesten s seit 193 0 kein Residuum der Nationalisten und Militaristen mehr. Er gehörte zum kulturellen Allgemeingut der Deutschen. Auch die bündische Jugendbewegung arbeitete ihm vor. Entstanden aus dem Unmut über die erstarrte Welt der Alten im Wihelminismus, schwelgt e si e zunächs t i m Patho s de s Individualismus . Freundschaft, nich t Kameradschaf t wa r de r Leitbegrif f de r Jugendbewe gung noch in ihrer bündischen Phase. 115 Aber die Jugendbewegung arbeitet e nicht an einem individualistische n Gegenmodel l gege n di e Kameradschaft , sondern an ihrer Verschmelzung mi t der Freundschaft.116 I n der Sprache der Jugendbewegung erscheine n beid e Begriff e of t synonym. 117 I n diese m semantischen Synkretismu s spiegelt e sic h di e Unentschiedenhei t eine r Bewegung, di e individuell e Persönlichkeitsentfaltun g mi t de r Geborgenhei t der Gemeinschaf t verbinde n wollte. 118 Neben de n viele n Ichs , die sic h a m Lagerfeuer vereinten , regiert e i n de n Horde n un d Bünde n ei n Wir . Di e kleineren un d größere n Aufgabe n musste n gemeinsa m bewältig t werden . 109 Merke , S. 138-141, 188-195 ; Schulz, Loslösung, S. 7f.; Kreipe, Versager, S. 79-82. 110 Gerathewohl , S. 164. 111 Kreipe , Versager, S. 80f.; Eichberg, Intellektuelle. 112 Gerathewohl , S. 163, 165f. 113 Beleg e bei Wüllner, Tod, S. 90, 145, 151, 198 . 114 Pleyer , S.l 17; Göring, S. 227-231 (1936); Lehmann, Soldaten, S. 129. 115 Braun , Individualismus, S. 42, 45, 52, 88; Winkler-Hemaden, S. 13; Zilian, S. 144; Pross, Eros, S.67f . u . passim ; Jovy, S . 26, 140f. ; Raabe , S . 44f., 53ff. ; Hellfeld , Jugend , S . 33f. I m »Bund«, so dessen Theoretiker Schmalenbach, S. 72 u. 80, suche man den Freund als »das ›andere Ich‹«. Daher war Freundschaft, nicht Kameradschaft die Vergemeinschaftungsform des »Bundes«. 116 Abwertunge n der Kameradschaft finden sic h selten, z.B. Blüher, Rolle I, S. 19; Geuter, S. 121 . 117 besser , S. 323f; Siemsen, S. 59; Winkler-Hemaden, S. 36, 55, 57; Braun, Individualismus, S.35. 118 Matzke , S. 57; ähnlich DjD 1931, S. 398-403. Vgl. Schäfer, Bewußtsein, S. 7f.

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Sie begannen beim Aufstehen un d endeten abends damit, das s man »in der Scheune Ruh e hält un d die Kamerade n nich t beim Schlafe n stört«. 119 Zwi schenzeitlich hatt e argwöhnisch e Blick e z u gewärtigen, we r sic h beim Essen dem »brüderlichen Teilen « verschlos s oder der Neigung, »liebe r eigen e Wege« z u gehen , nachgab. 120 Di e Gemeinschaft , s o di e Drohun g i n de r Jugendbewegung wi e i m Militär , »erkenn t de n Außenseiter un d weiß sic h zu wehren«. 121 Ware n doc h »di e Kamerade n selbs t di e beste n Aufpasser , wenn sic h jeman d drücke n will«. 122 »E r mach t sic h lächerlic h ode r verhasst«.123 Nieman d musst e vo r 193 3 a n diese m Gemeinschaftslebe n teilnehmen.124 Abe r Jugendlich e alle r politisch-soziale n Milieu s wollte n »hineingepresst« werde n in eine Kameradschaft, di e das »Muttersöhnchen « zwingt, »die privaten Ansprüche zurückzuschrauben«. 125 Der Außenseiter wa r das lebende Gesetzbuc h de r Kameraden. Al s real e oder imaginäre Figu r rie f er stets aufs Neue i n Erinnerung , wi e ma n nicht sein durfte , wen n ma n daz u gehöre n wollte . Inklusio n ohn e Exklusio n is t nicht möglich . Historisc h un d kulturel l kontingen t is t di e Vielfalt , di e di e Binnengruppe i m innere n zulässt , als o da s Ma ß a n innere r Harmonie , da s sie anstrebt , un d die Schärf e de r Grenzen, di e si e gegenübe r de n Anderen und dem Anderen zieht . J e geringe r di e Harmoni e un d je größe r di e Konflikte i m Inneren , dest o größe r de r Bedarf a n Abgrenzung nac h außen , a n Feindbildern, di e de n Zusammenhal t herstellen . Deswege n spiel t di e Au ßenintegration für den Freundeskreis eine geringere Rolle als für die Kameradengruppe. Wenn alle Vergemeinschaftung au f Grenzziehungen beruht, so garantiert das gemeinschaftlich e Verbreche n - di e Außerkraftsetzun g de r herrschen den Nor m - stärkste n Zusammenhalt. 126 Diese r sozial e Mechanismu s wa r den Zeitgenosse n durchau s bewusst . E s gebe , erklärt e Hitle r 1923 , »zwe i Dinge, di e Mensche n z u vereinige n vermögen : gemeinsam e Ideal e un d gemeinsame Gaunerei«. 127 Vergemeinschaftun g durc h Verbotenes hatte fü r 119 Graeßner,S . 104 . 120 Dj D 1930 , S. 599. 121 Reichsbanne r 17.10.31 , S . 336f.; Arbeiterjugen d 1928 , S . 174-176 ; Wandervoge l 1907 , S. 22; ebd. 1908 , S. 47; ebd. 1909 , S. 126 ; DjD 1931 , S.344 u.ö. ; Raabe, Jugend, S . 56-58 . 122 S o Hermann Ehler s vom Bund deutscher Bibelkreise, in : DjD 1931 , S. 303. 123 Wandervoge l 1910 , S. 125 . Vgl. ebd.1912 , S. 102f. ; DjD 25, 1931 , S. 224; Strebin, S . 88f . 124 Zu m Freiw. Arbeitsdienst Dudek, Erziehung, S . 64, 69, 74f., 82ff. , 153 , 204ff., 232ff . 125 Arbeiterjugen d 1926 , S . 108 . Reichsbanne r 17.10.31 , S . 336f.. Zu m katholische n Lage r Götz vo n Olenhusen , Jugendreich , S . 69, 79f. , 87ff. ; Börger/Schroer , bes . S . 57ff.; Sturmscha r 1931, S . 84ff.; 1932 , S . 19 ; 1934 , S . 152 , 179 ; 1935 , S . 101 ; 1936 , S . 112f. , 128ff. , 184ff. , 1937 , S. 87. 126 Di e Massenpsychologi e sei t L e Bo n ha t sic h darübe r ausgelassen , sieh e etw a Sighele . Zum Holocaust Baumann, Dialektik , S . 173 ; allgemein Schwonke, S. 40. 127 Hitler , Rede n (1925) , S. 89 u. 113 , hier sprach er von »Idealismus« un d »Lumperei« (Re den von 1923 , die erste auch in : Hitler, Aufzeichnungen, hie r S. 960).

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Männer un d Fraue n freilic h nich t dieselb e Bedeutung . Fü r Männe r ode r solche, di e e s werden wollten , wa r si e ei n Privile g un d ei n Muss . U m al s Mann anerkann t z u werden, musst e ma n berei t sein , Verbotene s ode r wenigstens Anrüchige s z u tun , nich t allein , sonder n unte r Aufsich t andere r Männer.128 Was al s Verbotene s galt , wa r kontingent . Entscheiden d wa r de r Bruc h mit de r vo n auße n gesetzte n Norm . Al s Glanzpunk t seine r Kadettenzei t feierte Erns t von Salomon da s konspirative Treibe n des »Exzentrik-Clubs « in de r Karlsruhe r Anstal t vo r 1918 . Diese m »Geheimbund « konnt e nu r angehören, wer sic h durch Freveltaten gege n Anstaltsleitun g un d Anstaltsregeln ausgezeichne t hatte . Gemeinsam stutzt e man einem Hauptmann, der Karikatur de s militärische n Vorgesetzten , i m Schla f de n Bart , brac h Klei derkammern auf, lie ß nächtens das Wasser des Schwimmbads ab, inszenierte mysteriöse Diebstähle, ließ die Anstaltsuhr mitten in der Unterrichtsstunde klingeln. Der »Geist des Aufruhrs« fasziniert e di e Kadetten und ließ sie auch vor einer kleinen »Meuterei « nich t zurückschrecken . E s hagelte Kol lektivstrafen. Abe r di e Täte r konnte n nich t dingfes t gemach t werden . Di e Kadetten hielten zusammen. »Au f Verrat steht der Tod«, »Treu e bis in den Tod«, »Eiserne s Zusammenstehen « lautete n di e Parolen , di e dan n i n de r Hitler-Jugend massenwirksam e Verbreitun g erfuhren. 129 Eine n Kamerade n zu verpfeifen , wa r da s schlimmste , wa s ei n Kadet t ode r ei n Hitler-Jung e sich z u schulde n komme n lasse n konnte . E r gal t al s »ehrlos« , hatt e sei n Leben i n soziale r Hinsich t verwirkt , wurd e mi t »Verschiss « bedacht , vo n jedwedem Gemeinschaftsleben un d jedweder Kommunikation ausgeschlos sen. Der »Verräter« fiel i m übrigen nicht nur bei de n Kameraden, sonder n auch bei den Vorgesetzten in Ungnade.130 Was unterschied dieses konspirative Wirke n von den kleinen Verschwörungen, di e di e Helde n Remarques , Johannsen s ode r Scharrer s gege n ihr e Vorgesetzten anzettelten ? Nicht viel. Salomon s Helden trieb die Sehnsuch t nach »tödliche n Spielen« , nac h »Krieg , Mor d und Brand gege n di e Städt e und Konventionen« , als o gege n di e zivil e Ordnung. 131 Bäumer s un d Kat s kleine Revolte n richtete n sic h gege n di e militärisch e Obrigkeit , di e al s Urheber de r kriegerische n Gewal t galt . Abe r einma l i m Gefecht , hielte n auch sie feste Kameradschaft. Imme r war es das Verbotene, das sie suchten, um Gemeinschaft zu erleben. Bei den Pazifisten wi e bei den Bellizisten trug die Kameradschaft ihr e Rechtfertigung i n sich selbst , i n der Gruppenkohä sion, i n der ein Kamera d de n anderen deckte , wi e da s »alt e Frontschwein , 128 Vgl . Remy, S. 50ff. 129 Salomon , Kadetten, S. 123-141. 130 Ebd. , S. 60-62; vgl. Wiese, Kindheit, S. 25-31. 131 Salomon , Kadetten, S. 139, 148f, 160 , 164.

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das für seine n Kamerade n eintrit t un d ihn deckt au f Hieb und Stich « (Hit ler), da s sich »liebe r i n Stück e reißen « al s de n Kameraden i m Stich lasse n würde.132 Die Moral , z u de r di e mythisc h verankert e Kameradschaf t erzog , defi nierte sic h nicht inhaltlich , sonder n funktional . Gu t war alles , was de r Gemeinschaft nützt e - welche r un d woz u auc h immer . A n di e Stell e indivi dueller Verantwortun g un d persönliche r Schul d setzt e di e Kameradschaf t die Aussicht auf soziale Geborgenheit und die Furcht vor dem sozialen Tod. Kaum jemand setzt e diese n Wechse l vo n de r persönlichen Mora l de s Gewissens in die Moral der Gemeinschaft s o wirksam in Szene wie Remarque. Paul Bäumers Gewissensbisse angesicht s des von ihm erstochenen Franzosen erwiese n de r Mora l de r individuelle n Schul d ein e Reverenz . Di e Ide e der ritterlichen Kameradschaf t mi t de m Gegne r stan d i n de r Traditio n de r Gewissenskultur. Aber die Geschichte ging weiter. Si e handelte davon, wie die Gewissensqualen überwunden wurden. An die Stelle der innengeleiteten trat ein e außengeleitet e Moral , a n die Stell e persönliche r Betroffenhei t di e Angst vo r de r Ausgrenzun g un d di e Sehnsuch t nac h Geborgenhei t i n de r Gruppe. Dem Individuum, das sein Ich der Gruppe opferte, winkte als Lohn nicht nur di e emotional e Geborgenhei t de r Gruppe , sonder n auc h moralisch e Entlastung. We r mit der Gemeinschaft handelte , tötete und ausgrenzte, wer sich dem Gruppendruck beugte , den traf auch keine persönliche Schul d fü r das, wa s e r tat. Di e Kameradschaf t gehört e zusamme n mi t de m Pflichtbe wusstsein, de r Ehr e ode r de m Befehlsgehorsa m z u eine m Se t vo n Tugen den, di e zur Ausschaltung de s Denkens, Fühlens und Handelns i n Kategorien der individuellen Lebensführun g un d der individuellen Verantwortun g erzogen. Ander s al s de r kalt e Befehl , di e abstrakt e Ehr e ode r di e spröd e Pflicht jedoch atmete die Kameradschaft di e Wärme der Gemeinschaft. 133 Scham un d Schuld , Schand e un d Gewissen , Ic h un d Wir , Individuu m und Gruppe bilden di e polaren Kategorie n zweie r »Forme n de r kulturelle n Bearbeitung eine s di e Ordnun g störende n Bösen« , di e i n de n meiste n Gesellschaften i n eine m Spannungszustan d nebeneinande r rangiere n un d in einander verflochten sind. 134 Im Paradigma de r Gewissens- oder Schuldkul 132 Hitle r 1931 in einer parteiinternen Auseinandersetzung, Schirach, Hitler, S. 92. 133 Zu r Pflich t sieh e weite r unten ; zu m Befehlsgehorsa m di e au f de n NS-Krie g bezogen e Skizze von Messerschmidt, Ideologie ; zur Ehre Frevert, Ehre ; Vogt , Ehre, Leifert un d Naumann, Soldaten. 134 Assmann/Frevert , S . 91 (Zitat) , vgl . ebd . S . 80-96, 106-11 2 u.ö. ; zu r Soziologi e de r Scham vgl. insbes . Neckel, Status; früher nebe n Simmel, Psychologi e (1901) , Vierkandt , Sittlich keit, S. 535, 538f., u. ders., Gesellschaftslehre, S . 394-412; Landweer, bes. S. 53ff., 92ff., 141ff. ; für den Schuldbegriff klassisc h Jaspers, Schuldfrage; zu r Geschlechterdifferenz Saurer ; interkul turelle Aspekte im Anschluss an Ruth Benedict (bes. S. 195ff.) diskutieren Assmann/Sundermeier,

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tur ordnet das Ich das Verhältnis zwischen gut und böse im Wege der Introspektion. Da s Paradigm a de r Schamkultu r weis t dies e Aufgab e de m Wi r des Zuschauerkollektivs zu . Da s Mischungsverhältnis, i n de m beide Para digmen auftreten , is t historisc h un d kulturell variabel . I n vielen Stammes kulturen Afrikas, Asien s oder Südamerikas, so beobachteten Wissenschaft ler um 1930 , war »de r Gedank e de r persönlichen Verantwortun g un d persönlichen Leistun g kau m aufgetaucht . Di e Eingeborene n befinde n sic h ih r ganzes Leben lang i n einem Zustande der Öffentlichkeit«, i n der jeder von den Andere n beobachte t wird. 135 Di e fü r di e bürgerlich e Gesellschaf t cha rakteristische Vorstellun g de r Reflexio n au f sic h selbs t un d de r persönli chen Verantwortung war dort gänzlich unbekannt. Nun waren sic h di e Soziologe n u m 193 0 wohl bewusst , das s Gruppen druck auc h i n de r moderne n Gesellschaf t wirkte . Imme r durchziehe , s o Alfred Vierkandt , »unse r ganze s Leben « de r »Gegensat z zwische n de r Neigung de s Handelnden , sic h i n gewisse n Grenze n gehe n z u lassen , un d der Forderung de s Zuschauers, sic h zusammenzunehmen« . Dennoc h stan d für ih n außer Frage , dass die modern e Gesellschaft da s Individuum i n den Mittelpunkt stell e un d dahe r de r »gentilizistischen « Mora l frem d gegenüberstehe.136 Soziologen wie Vierkandt begrüßten die Befreiung de s Individuums aus seinen sozialen Klammern. Die Zukunft schie n dem Individuum und dami t de m bürgerliche n Projek t eine r dynamische n Leistungsgesell schaft z u gehören , di e au f Selbständigkei t un d Selbsttätigkeit , Selbstent wicklung und Selbstverantwortung ihre r Mitglieder setzte.137 Ganz konnte sic h auc h Vierkand t de r Tatsache nich t verschließen , das s Individualisierung un d Pluralisierung keinesweg s überal l au f Begeisterun g stießen. Manch e seine r Kollege n diagnostizierte n ei n spezifische s Leide n des moderne n Menschen , ei n Gefüh l de r soziale n Heimatlosigkei t un d Unsicherheit. Besonders in den Großstädten gewärtigte man die »Atomisierung« un d »Vermassung« de r Individuen. Di e Messlatte, a n der die atomi sierte »Gesellschaft« abgetrage n wurde, hieß »Gemeinschaft« - modellhaf t verwirklicht i n der Familie, de r Verwandtschaft ode r Nachbarschaft. 138 Di e Gemeinschaft wa r de r gleichermaße n romantisiert e wi e utopisch e Gegen satz zu r realen , schlechte n Gesellschaft . Un d ander s al s di e Anwält e de s Individualismus meinten, vollzog sic h um 193 0 in Deutschland der Siegeszug eine r Moral , di e das Individuum un d sein Gewisse n desavouierte . Der Lebra un d Creighton mit der Tendenz, di e strikte Dichotomie des Begriffspaare s bei Benedic t zu überwinden. 135 Vierkandt , Sittlichkeit, S. 538. 136 Ebd. , S. 535, 538. 137 Hettling , Bürgerlichkeit, S. 1-11 ; Dülmen, Entdeckung, hier bes. die Beiträge S. 267ff . 138 Tönnies ; Weber , Wirtschaft, S . 21 ff., 237 ; Vobruba , S. 17ff ; Spurk , S. 8ff. Baumgartner, S. 18ff .

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Gewissenskultur hatte die christlich-protestantische Kultu r seit dem Mittelalter vorgearbeitet, 139 un d di e Individualisierungs - un d Pluralisierungsten denzen der Industriegesellschaft hatte n ihr ein gesellschaftliches Unterfutte r zur Verfügun g gestellt . Da s Unbehage n a n de n soziale n un d psychische n Kosten diese r Entwicklunge n einerseits , da s massenhafte Bewusstsei n vo n der aktive n Beteiligun g a n de r Produktio n riesige r Leichenberg e anderer seits jedoch, di e Erfahrun g de s Destruktions - un d Grausamkeitspotential s zu Begin n de s 20 . Jahrhundert s begünstigt e de n Aufstie g eine s Moralsys tems, das an die Stelle der verunsichernden Introspektio n die Sicherheit des sozialen Zwangs setzte.140 Dieser Prozes s wa r kein e zwangsläufig e Folg e de s Erste n Weltkrieges . Noch i n de n frühe n zwanzige r Jahr e ware n individualistisch e Kriegsdeu tungen un d explizit e Kriti k a n de r Gemeinschaftssehnsuch t vernehmbar . Helmut Plessner s Analys e de r »Grenzen de r Gemeinschaft« 141 gehör t hier her, ebens o di e Hymne , di e Siegfrie d Kracaue r u m 192 0 au f di e Freund schaft dichtete . Freundschaft , s o Krakauer euphorisch , kreis e u m die Stär kung des »Selbstgefühls« durc h den »Widerhall« i m Freund: »Ein Ich wird durch da s ander e bejaht« . Fü r Kameradschaf t hatt e Kracaue r nu r Verach tung übrig : »Di e Einzelseel e wir d entpersönlicht , umgeknetet , bi s si e sic h im gleiche n Rhythmu s mi t de n andere n bewegt«. 142 Ein e derar t abfällige s Urteil hätte n nich t wenig e Intellektuell e u m 192 0 un d noc h späte r unter schrieben. Kriegsromane wie Kracauers »Ginster«, Arnold Zweigs »Grischa« oder Georg von de r Vrings »Solda t Suhren « beklagte n de n Identitäts - und Ich-Verlust i m Militär. 143 Ein e der schärfsten Analyse n de r Vergewaltigung des Individuum s durc h di e Kameradschaf t un d ihre n »minderwertige n Gruppengeist« präsentiert e 192 4 de r Soziolog e Leopol d vo n Wies e mi t Erinnerungen a n sein e Kadettenzei t u m 1890 . Sei n Fazi t lautete : De r Einzelne is t besse r al s di e Gemeinschaft. 144 U m 193 0 aber verstummte solch e Verteidigung de s Individuums , verdräng t vo m Kameradschaftsmythos . I m 19. Jahrhunder t entstanden , gewan n e r durc h di e kollektiv e Arbei t a n den moralischen Laste n de s Erste n Weltkriege s gesellschaftlich e Bedeutun g über all e Lagergrenze n hinweg . De r Kameradschaftsmythos löst e da s persönliche Leiden am Krieg, das Mitleid mit dem sterbenden Kameraden und die Sorg e um s eigen e Lebe n au s de m individuelle n Koordinatensyste m heraus und transferierte e s in das der Gemeinschaft. E r verwandelte indivi duelle Betroffenheit i n kriegerische Gruppenkonformität . 139 Grundlegen d Kittsteiner. 140 Lethen , S. 29; Heukenkamp, Weltkrieg, bes. S. 339, 346f. 141 Plessner , Grenzen. 142 Kracauer , Freundschaft, S. 29f., 33, 37f., 45, 47,49, 51, 54. 143 Vgl . Müller, Krieg, S. 94-97; Oschmann, S. 77-238. 144 Wiese , Kindheit, Zitate S. 77f., vgl. auch S. 12, 15, 31, 35, 53, 70, 75.

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4. Die Frau als Kamera d Der Normbruch stellt e de n Kit t bereit, de r unter Männern homoerotische n und gewaltbereite n Zusammenhal t stiftete . Allerding s fehlt e de m s o defi nierten Männerbund , de r sic h vo n der Familie al s institutionelle r un d dem Tötungsverbot al s moralische r Grundlag e de r bürgerliche n Gesellschaf t verabschiedete, i n de r Zwischenkriegszei t ein e massenwirksam e sozial e Basis. Wede r da s Gro s de r Jugendbewegun g noc h de r Veteranenkultu r hingen ih m an . Beid e huldigte n mi t de m Kameradschaftsmytho s eine m Deutungssystem, da s zwar mi t de m Übertretungscharakte r de r männliche n Lust an der Gewalt und der männlichen Lust auf den Mann spielte, aber vor der Aufforderun g zurückschreckte , da s ein e ode r da s ander e konsequen t auszukosten. De r Männerbund , de r sic h i m Zeiche n de r Kameradschaf t vergemeinschaftete, wa r ei n soziale s Gebilde , da s »zwische n beide n Wel ten« (W. Flex) - de r Frontgemeinschaft, de n Veteranenzirkeln, den Jungenbünden auf der einen, der Herkunftsfamilie mi t Frauen, Verlobten, Müttern, Kindern auf der anderen Seite - hi n und her wankte. Indem sich die Truppe als »Familie« inszenierte , indem Männer »mütterliche« Rolle n wahrnahmen, indem der militärische Männerbund homoerotische Geborgenheit spendete, demonstrierte er seine emotionale Autarkie. Er gab sich unabhängig vo n der Herkunftsfamilie, vo n realen Frauen , von der Heimat. Aber diese Demonstration wa r durchsetz t vo n der Sehnsucht nach der richtigen Familie , nac h richtige n Frauen , Müttern , Geliebten , nac h der richtigen Heimat - ode r nach den Bildern, die man sich davon machte. Man pries die Wärme des kameradschaftlichen Männerbundes , aber gleichzeiti g trauerte man um die verlorene Wärme der Heimat. Denn die »Heimat«, di e sich die Kameraden selbst schufen, war unbehaust. 145 Der Mytho s de r Kameradschaf t beschwo r di e Harmoni e zwische n de r Familie zuhaus e un d der an der Front. Freilich : ein e Harmonie auf patriarchalischer Grundlage . E s ware n Männer , di e bestimmten , wi e di e Bezie hungen zwische n Männerbun d un d Famili e aussahen . Di e Männe r zoge n aus, i n di e Kaserne , a n di e Front , zelebrierte n di e Sehnsuch t nac h Frau , Familie un d Heimat , schufe n sic h ihr e eigene n Frauen- , Familien - un d Heimatbilder, inszenierte n Weiblichkei t un d Geborgenhei t untereinander . Solchermaßen gereif t i n der männerbündischen Gegenwel t zu r zivilen Gesellschaft, kehrte n si e i n diese zurüc k mi t der Erwartung, das s der männliche Habitus de r Macht nu n »au f jedes junge, gesun d empfindend e weibli che Wese n besonder e Wirkunge n auszuübe n imstand e ist«. 146 I n der män145 Pleyer , S. 37, dort auch die Identifikation de r Heimat mit der Welt der Frauen; vgl. Bock, Heimweh, S. 73, 77, 79-83. Goebbels, S. 157; Bartram, S. 23f.; Limpach, S. 68f. 146 Grunwaldt,S.31 .

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nerbündischen Absonderun g wuchse n di e »tiefe n un d verschwiegene n Kräfte«, di e de n Man n »fähig « machte n zu r »männliche n Lieb e zu r Frau , zur väterlichen Lieb e zum Kinde« - zu r Herrschaft übe r beide, so wäre zu ergänzen.147 Auf diese r Grundlag e jedoch wa r e s möglich , auc h di e Roll e de r Fra u neu zu bestimmen. I m Begriff Kameradschaf t ordnet e die deutsche Gesell schaft i m frühe n 20 . Jahrhunder t nich t nu r da s Spannungsverhältni s vo n Krieg und Frieden sowi e von Individuum und Gemeinschaft, sonder n auch das zwischen Mann und Frau. Der marxistische, den religiösen Freidenker n angehörende Pau l Krisch e forderte , di e »Fra u al s Kamerad « anzuerken nen.148 Sei n Verständni s vo n Kameradschaf t grenzt e sic h allerding s vo m Zwangscharakter des militärischen Begriffs ab. Kameradschaft se i »Freundschaft Zusammenlebender « un d nu r zwische n Gleichgestellte n möglich , niemals zwische n Herr n un d Knecht. 149 Diese s Verständni s vo n Kamerad schaft al s Leitbil d eine r egalitäre n Geschlechterbeziehun g teilte n auc h an dere Sozialiste n un d Sozialistinnen, ein e Reih e linke r Pädagogen un d Psy chologen, Literaten wie Thomas Mann 150 und nicht zuletzt die frühen Wan dervögel. Die Revolution de r bürgerlichen Geschlechtsordnun g i m Zeichen der Kameradschaft sa h Elisabeth Busse-Wilson heranbrechen, partizipierten Mädchen doch in der Jugendbewegung a n jener von den Eltern losgelöste n Periode zwische n Schulzei t un d Berufsleben , di e bishe r al s Privile g de s Mannes galt.151 Der Aufstan d de r Jugen d i m Zeiche n de r Kameradschaf t verfin g sic h aber in dem moralischen Gestrüpp der bürgerlichen Gesellschaft, gege n das er sic h richtete . Clar a Zetki n hatt e scho n vo r de m Krie g di e Ide e de r Geschlechterkameradschaft al s Heilmitte l gege n da s »rohe, blind e sexuell e Triebleben« gepriesen. 152 Die egalitäre Note der Geschlechterkameradschaf t zielte wi e i m Militä r au f eine Gleichhei t de s Mangel s i m Zeichen brüder lich-schwesterlicher »Reinheit«. 153 Di e Jugendbewegun g setzt e jenes Idea l der Affektkontrolle praktisc h um , von dem die alten Herre n nur redeten. 154 147 Sturmscha r 1934 , S. 23; ebd. 1937 , S. 5f: »Wi r erziehen und wachsen nicht zur Männergemeinschaft hin , sonder n zu r Familie! « Di e katholisch e Jugendbewegun g folgt e de m Ge schlechterdiskurs de s nationalistische n Lager s un d de r Nationalsozialisten, vgl . Günther , Jung mannschaft, in: Kyffhäuser 25.2.34, S. 170f.; Grupe, S. 253. 148 Krische , Frau, u. ders., Soziologie; vgl . Hagemann, Frauenalltag , S . 330; Kaiser, Arbeiterbewegung, u.a. S. 144f., 168, 189. 149 Krische , Soziologie, S. 56. 150 Beispiel e bei Linse, S. 281ff.; Mann, Ehe, S. 214-218, 222f. 151 Busse-Wilson , S. 78ff. Schade, bes. S. 26-28, 78-80, 246-253; Eisenmenger, S. 288-295. 152 Zitier t be i Linse, S . 281. Vgl . Safrian/Sieder , S . 130-132; Krische, Frau , S.41 , 53 , 66, 68-73. 153 Vgl . Linse, S. 264 u. 269. Busse-Wilson, S. 75f, 80 . 154 Linse , S. 256. Vgl. Giesecke, S. 28f.

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Daher konnte , wa s nu r ein e Radikalisierun g bürgerliche r Mora l war , al s Auflehnung gege n dies e imaginier t werden . De r Sin n de s »gemeinsame n Lagers« vo n Junge n un d Mädche n bestan d darin , di e Beherrschun g de r »sexuellen Begierde« einzuüben. 155 Ende der zwanziger Jahr e wurde n i n Deutschland di e Idee n de s Amerikaners Be n Lindse y diskutiert . E r propagiert e ein e »Kameradschaftsehe « auf Prob e fü r kinderlos e Ehepaar e mi t de r Option , sic h ohn e finanziell e Verpflichtungen scheide n lasse n zu können. Erst wenn sic h die Ehepartner der Dauerhaftigkei t ihre r Zuneigun g siche r seien , sollt e di e kinderlos e »Kameradschaftsehe« i n die »Familienehe « mi t Kindern übergehen. 156 Das entsprach dem, was in der sozialdemokratischen Frauenbewegun g al s »Probeehe«, »Jugendehe « ode r »Zeitehe« diskutier t wurde. 157 Aber selbst innerhalb der Sozialdemokratie hatt e die »Ehereform « nu r mäßigen Rückhalt. 158 Das nationalistische Milie u verwahrt e sic h scho n gegen de n »Missbrauch « des Kameradschaftsbegriff s fü r alles , wa s auc h nu r de n Schei n sexuelle r Freizügigkeit hatte. 159 Jenseit s de r inhaltliche n Gegensätz e i n de n Frage n der Sexualmoral un d des Eherechts bestand jedoch in Deutschland über die asexuelle Semanti k de r Kameradschaf t Konsens . Unte r »Kameradschafts ehe« verstande n auc h ihr e Advokaten kein e »freier e Liebesbindung« , son dern ein e »Eh e unte r Erwachsenen« , di e »eine n gemeinsame n Lebenswe g gehen«.160 Kameradschaft wa r di e Tugen d eine r kämpferische n Sozialbeziehung , die sich nicht durch Lust und Liebe, sondern durch Last und Leid definierte . Härte gege n sich , Nüchternheit , Realitätssinn , Emotionslosigkeit , inner e Disziplin - mi t diesen männlic h konnotierten Tugende n fügt e sic h di e Geschlechterkameradschaft i n den Kult der Sachlichkeit ein. Er half den Menschen de r zwanziger Jahr e dabei , ih r Dasein i m Schatte n de s alten un d im Vorschein des neuen Krieges, unter dem Druck wirtschaftlicher Depressio n und rapider sozialer und kultureller Veränderung z u bewältigen. Fü r privates Glück schien kein Platz mehr zu sein. »Versachlichung de r Liebe« wa r die Formel , au f di e ma n di e Unterordnun g intime r un d individuelle r Be dürfnisse unte r di e gesellschaftliche n Aufgabe n brachte , di e e s z u löse n galt.161 Auc h fü r de n »proletarische n Klassenkämpfer « sollt e da s »Liebes 155 Dj D 1931 , S . 277-280, Zita t S . 279. Vgl . ebd . 1930 , S . 188 . Kritik : Hodann , S . 102ff. , Liepmann; vgl. Bronnen, S. 71. 156 Lindsey/Evans , S. 9ff.; vgl . Hagemann, Frauenalltag , S . 329; Schenk, Liebe , S. 174f . 157 Überblic k bei Corssen , Frauenbewegung . 158 Hagemann , Frauenalltag , S . 325-331 . 159 Kyffhäuse r 3.2.29 , Beilag e »Di e deutsch e Frau« , S . 52;. ebd . 14.7.29 , dies . Beilage , S. 299f. 160 Liepmann , S. 21; vgl. Linse, S. 266f. 161 Dj D 24, 1930 , S. 455; Haß, S. 72f. Vgl . Moreck , S . 236, dazu Kundrus, Geschlechterkrie ge, S. 178 .

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leben« als »höchste kameradschaftliche Beglückung « ein e »freudige solida rische Aufgabe « un d ein e »Schul e de s Sozialismus « sein. 162 Da s Ideal de r Kameradschaft lehrt e di e Genosse n un d Genossinnen, privat e Spannunge n und Leidenschaften de m Klassenkampf unterzuordnen. Was für das sozialistische Milie u di e Klassensolidarität war , war für das nationalistische Lage r die kriegerische Volksgemeinschaft . Auc h unter den Frauenidealen dieses Milieus hatte die gezierte Balldame oder das unbeholfenen Modepüppchen keinen Platz. 163 »Wir brauche n Frauen, die wie Männer stehn , / Die nicht fü r Tan d und Tan z zum Tagwer k gehen , / Wir brau chen Frauen , di e mi t starke r Han d / Mitschaffen a n de m deutsche n Vater land, Di e nicht nu r reden, di e z u handel n wisse n [...]« , dichtet e de r Kyffhäuserfimktionär Ott o Riebicke. 164 Ihr e historische n Vorbilde r ware n Rot kreuzschwestern i m Lazarett, Bürobedienstete der Kriegsversorgungsämter, Arbeiterinnen i n Munitionsfabriken, Frauen , die ihre Leiden, Entbehrungen und Überbelastungen , nich t zuletz t di e Traue r u m gefallen e Söhne , Ehe männer und Väter ›tapfer‹ z u ertragen gewusst hatten. 165 Das waren männliche Eigenschaften. Das s die Frau über sie verfügte, dass sie ihr Ich, und das hieß auch: ihre private Trauer um Söhne und Ehemänner den Interessen der Nation unterzuordnen wusste, sicherte ihr einen Platz im sozialen Gedächtnis an den Krieg. Auch Kriegerinne n - vo n de r antike n Amazon e übe r di e Brunhil d de s Nibelungenliedes bi s hi n z u weibliche n Schützengrabensoldate n - fande n im kollektiven Gedächtnis der Veteranen Platz, solange sie das kriegerische Privileg de s Mannes nicht i n Frage stellten . Wen n si e dessen Positio n ein nahmen, taten si e e s ausnahmsweise, solang e Männe r dafür nich t zur Verfügung standen . Si e trate n als o i n männlich e Positione n ein , u m de n Be stand de r männliche n Wel t z u sichern . Un d selbstverständlic h trate n si e auch wiede r zurück , wen n di e Männe r wiede r zu r Verfügun g standen. 166 Obwohl »unse r Reichsbanne r ein e Männerbewegung« 167 war , bedurft e e s »einer Ergänzung durc h die Frau«. 168 Si e gab dem Mann zuhause Rückhalt, damit e r in »nachtwandlerischer Sicherheit « i n den politischen Kamp f ziehen konnte.169 Unabhängig von ihrer leiblichen Mutterschaft sollt e jede Frau

162 Mönch , S. 47 u. 49. Vgl. die bei Linse, S. 281 f., zit . Äußerung Clara Zetkins. 163 Kyffhäuse r 23.1.27, S. 63. 164 Kyffhäuse r 20.3.27, S . 269, Gedicht und Zeichnung. 165 Kriegerzeitun g 10.8.24 , 1 . Beiblatt. 166 Stahlhel m 31.1.26, 2. Beilage, S. 9. 167 Reichsbanne r 26.9.31, S . 310. 168 Vgl . Zentrallblatt für Kriegbeschädigte 1.11.25 , S. 3f.; Reichsbun d 1932/9-10, S. 106f . 169 Reichsbanne r 5.11.32 , 1 . Beibl.; Stahlhel m 31.1.26 , 2 . Beil . S . 9; Klönne , Ringe , S . 263. Schade, S. 79f.; Dj D 1930, S. 177f .

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eine »mütterliche « Einstellun g bewahren . S o blieb da s Prinzip der polaren Geschlechterordnung gewahrt . Die Geschlechterkameradschaft wa r das Vehikel einer Emanzipation, die nicht de n Konflikt , sonder n de n Konsen s mi t de n Männer n suchte . Diese r Konsens aber verschluckte di e Ansätze zu r Emanzipation . End e der zwanziger Jahr e ga b di e Jugendbewegun g da s frühere Idea l de r »Koedukation « weitgehend auf . Junge n un d Mädchen sozialisierte n sic h nun in getrennte n Gruppen, di e allenfall s z u besondere n Anlässe n zusammenkamen . Dami t entstand zwar ein sozialer Raum, in dem Frauen unter sich waren. Aber ihre Existenz verdankt e e r männerbündische r Ausgrenzung. 170 Di e Mädche n durften weiblich e Kameradschaf t kultivieren , u m »die männliche For m der Kameradschaft achten « z u lernen, wo es doch die Männe r »hinaustreib t i n die gesellschaftliche n un d staatliche n Zusammenhäng e de r männliche n Gesellschaft de s Volkes«. 171 S o wurde u m 193 0 die egalitär e Dynami k de r Geschlechterkameradschaft autoritä r gebremst. Die Kameradin wirkte nicht mehr als Unruhefaktor der Geschlechterhierarchie, sonder n als ihr Stabilisator. Allerding s verschwande n konkurrierende , au f Bewegun g i n de r Ge schlechterordnung drängend e Bilder der Kameradin nicht völlig. Wenn sich rivalisierende Frauenbilde r unte r de m Begrif f de r Kameradi n vereinten , dann war damit im übrigen nicht einfach ei n Dissens durch eine Worthüls e kaschiert. Wer von der Frau als Kameradin sprach , gestand ihr einen Anteil an der öffentlichen Wel t des Mannes zu. Die nationalsozialsozialistische Geschlechterideologi e un d -politik oszil lierte zwische n patriarchalischen , männerbündische n Sehnsüchte n un d den Erfordernissen de r totalitären, kriegerischen Gesellschaft . Mutterschaf t wa r der Fixpunkt alle r nationalsozialistische n Frauenbilder . Abe r diese Mutter schaft wa r ihre s private n un d intime n Schutze s entkleidet. 172 Da s polar e Geschlechtermodell, de m der Mutterkult sic h unterzuordnen schien , erwei terte der NS-Staat z u einem Dreieck, desse n Spitz e di e rassistische Volks gemeinschaft bildete . Mutterschaft hieß , auf Selbstverwirklichung i m Sinne der Frauenemanzipationsbewegun g z u verzichte n un d jede s persönlich e Opfer z u akzeptieren , wenige r zugunste n de s Manne s al s zugunste n de r Volksgemeinschaft.173 De r BD M institutionalisiert e de n Protes t gege n di e Vorstellung, »di e Mädel« müsste n »ständig und dauernd ›zum Muttertum‹ « erzogen werden. 174 »Kameradin« wa r auch das BDM-Mädchen i n doppelter Hinsicht: als dem leiblichen oder sozialen Mütterlichkeitsideal verpflichtet e 170 Klönne , Ringe, S. 200. 171 Klatt,S . 166-169. 172 Weyrather , S. 40ff. 173 Hierz u Wittrock, S. 139, am Beispiel Guida Diehls. 174 Gottschewski , S. 420.

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Gefährtin de s Mannes und als Mitglied der »Gefolgschaft Adol f Hitlers«. 175 Die Aufwertung de r »Kameradin« dokumentiert e de r BDM, indem er auch die »Mädel« i n das »Kleid der Kameradschaft«, 176 di e Uniform, steckt e und ihnen ei n »kämpferisches « Auftrete n - »straff , abe r nich t stramm , herb , aber nicht derb«177 - zugestand . Die Kameradschaft, di e Frauen im NS-Staat untereinander pflegen konn ten, wa r ei n getreue s Abbil d de r männlichen . E s vereint e Fürsorg e un d Konformismus. »Der , de r i n ein e Gemeinschaf t eintrete n will , mus s sic h einfügen«, lautet e de r erst e Grundsat z de r »echte n Kameradschaft« , di e »gerade wir Frauen« pflegen »müssen«. 178 Auch sie entwickelten Kamerad schaft be i »Sport , Spiel , Gesan g un d Geländeübungen«. 179 Gleichzeiti g prä sentierte sic h de r BD M al s Gemeinschaf t vo n Kameradinnen , di e »jede s Recht auf Eigenleben ablehnen«. 180 So war jene Funktionstüchtigkeit garan tiert, di e physisch e Unpässlichkei t un d soziale n Eigensin n al s Infragestel lung der Volksgemeinschaft ausschloss. 181 Das Ideal der Kameradin verkörperten di e Mutter , di e de m Führe r Kinde r schenkte , di e ihre n Körpe r be herrschende Sportlerin , die draufgängerische Fliegeri n und nicht zuletzt die »NS-Gemeindeschwester«, di e ihr e Vertrauensstellun g nutzte , u m die Gesinnungstreue ihre r Umgebun g auszuleuchten . Di e Schweste r wa r »au f einen Poste n berufen, au f dem si e alle n Gefahren , di e de m Volksbild drohen, gewissermaßen i m Nahkampf gegenübersteht [...] : hie r die geschlossene Kampfkameradschaft de r Gemeinde, dort alles, was si e bedroht: örtlic h bedingte Leiden , eingewurzelt e schlecht e Gewohnheiten , Berufskrankhei ten, Säuglingssterblichkeit, Aberglaube , Unwissenheit...«. 182 Die Kameradin stan d i n de r sozialen Hierarchi e de s NS-Staates allema l über jenem Mann , dem qua »Rassenzugehörigkeit « ode r politischer Gesinnung Gemeinschaftsschädlichkeit unterstell t wurde. Der Eintritt der Frauen in di e öffentlich e Sphär e de r NS-Volksgemeinschaf t flankiert e ein e ne u begründete Heteronomie . Nich t meh r unte r de n Man n al s Vater , Brude r oder Gatte n gin g e s nun , sonder n u m di e Unterordnun g unte r »Vol k un d Reich«, als o den Mann als Führer und Kameraden; beide boten Schutz und verlangten Gefolgschaft. 183 Al s Emanzipationsvehikel i m Sinne der Frauen175 Wi r Mädel 1940/41 , S. 620f. Vgl. Klaus, S. 46f.; Benz, Frauen, S. 183. 176 Schirach , Revolution, S. 46. Vgl. Klönne, Ringe, S. 273. 177 Becker , BDM, S. 106, dazu Reese. 178 Red e an weibliche Gefolgschaftsmitglieder de r Aluminiumwerke Singen, undatiert, 1944 , Kopie im Besitz des Verf. 179 Wi r Mädel 1939/40 , S. 817. 180 Wi r Mädel 1940/41 , S. 620f. Vgl. z.B. Klaus, S. 46f.; Benz, Frauen, S. 183. 181 Dj D 1933, S. 245. Vgl. Kyffhäuser 13.11.36 , S. 1218; Benz, Frauen, S. 80-83; Wir Mädel 1938/39, S. 252-254; Stahlhelm 7.4.35, 2. Beilage; Pflug-Hartung, daz u Schulte, Welt, S. 95-114. 182 Vgl . Benz, Frauen, S. 132f.- Zur Fliegerin vgl. Bracke. 183 Klönne , Ringe, S. 270; vgl. Möding, S. 260f..

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bewegung vo r 193 3 sollt e di e Geschlechterkameradschaf t nich t meh r wir ken. Aber ihr e Ablösung au s de r Privatsphäre un d ihr e Funktionalisierun g durch di e Volksgemeinschaf t bar g ei n Unruhepotential , da s imme r wiede r Anlass zu r Sorg e vo r de r »Vermännlichun g unsere r Frauen « bot. 184 Da s Regime unterdrückt e diese s Unruhepotentia l nicht , sonder n nutzt e di e Zukunftserwartungen, di e weiblich e Gefolgschaftsmitgliede r dara n knüpfe n konnten.185 Im politischen Diskur s einer rassisch exklusive n Ordnung , di e den Wert des Einzelne n nac h seine n Leistunge n fü r di e Volksgemeinschaf t bemaß , rückte die Geschlechterdifferenz i n den Hintergrund. Rassismus nach außen und Terror nach innen, die Vernichtung de s »minderwertigen« Leben s und die Unterdrückung individuelle r Lebensentwürf e de r Volksgenossen ließe n sich mi t de r vo r 193 3 begonnene n Pluralisierun g weibliche r Identifika tionsmuster durchau s verknüpfen . Si e mocht e innerhal b de r politische n Führung de s Regime s ebens o wi e i n de r Bevölkerun g umstritte n un d ihr e Aneignung wenige n Fraue n vorbehalte n sein . Abe r i n de r öffentliche n Selbstdarstellung de s NS-Staate s wa r si e präsen t un d verstärkt e desse n integrative Verstrebungen. 5. Der Staat der Kamerade n Im Sog der Volksgemeinschaftsutopie hatte n sich die Wogen des Streits um die Kameradschaf t geglättet , bevo r di e »Gleichschaltung « ih n vollend s unterdrückte. 193 3 schie n wah r z u werden , worau f di e nationalistisch e Bewegung sei t 191 8 hingearbeite t hatten . »Unser e Sehnsuch t is t erfüllt« , erklärte der Kyffhäuser. Endlic h war die Brücke geschlagen vo m »Fronterlebnis zu r Staatsgestaltung«. 186 Di e »Kameradschaf t ist« , s o stellt e de r Stahlhelm fest , »zu r Grundlag e de s neue n Reiches « geworden. 187 Di e nationalsozialistische Volksgemeinschaf t präsentiert e sic h al s ein e total e Gemeinschaft vo n Kameraden . Kau m ein e sozial e Beziehun g ode r ein e Organisation, di e nich t unte r de m Zeiche n de r Kameradschaf t stand . Di e Frau wurde als Kameradin tituliert. Die Staatsjugend, die HJ, setzte sich aus Kameradschaften al s untere n Organisationseinheite n zusammen . Auc h größere Einheiten firmierte n al s Kameradschaften, etw a i m weiblichen und männlichen Reichsarbeitsdienst . Di e Lehrlingsausbildun g wurd e i n Lehr kameradschaften absolviert . Analo g z u de n i n de r ländliche n Gesellschaf t 184 Oven , Finale, S. 54. 185 Völkische r Beobachte r 19.7.39 , S. 7. (»Einsatzmöglichkeiten fü r die Frau« ) 186 Kyffhäuse r 3.9.33 , S . 641 f. 187 Stahlhel m 27.1.35, Beilage .

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üblichen Jahrgangskameradschaften ga b es nun Lehrgangskameradschafte n in alle n mögliche n Berufs - un d Ausbildungssparten . Künstle r fande n sic h nicht meh r i n Sezessionen , sonder n i n Kameradschafte n zusammen. 188 A n die Stell e de r studentische n Verbindunge n trate n di e Kameradschafte n de r NS-Studentenschaft, a n di e Stell e vo n Verbindungshäuser n »Wohnkame radschaften« un d »Kameradschaftshäuser«.189 »Kameradschaftsabende « hatt e es im Militär schon früher gegeben, nun gab es sie auch in den Jugendorganisationen un d i n de n Betrieben . Al l die s wa r nich t nu r verbale r Firniss , sondern politische s Programm . De r Nationalsozialismu s ga b sic h al s »i m Schützengraben geboren « au s un d wollt e di e »Frontkameradschaf t de s Weltkrieges au f da s ganz e deutsch e Volk « übertragen. 190 Kameradschaf t erhielt den Rang einer religiös aufgeladenen Staatstugend . Ihr war aufgetra gen, als »neuer Lebensglaube« z u wirken.191 Im Krie g sollt e sic h di e groß e Harmoni e un d Geborgenhei t vollenden . Hitler prie s 194 2 i n eine r Red e zu r Eröffnun g de s Kriegswinterhilfswerk s den Sieg dessen, was »uns Nationalsozialisten [... ] imme r vorschwebte: Das große Reic h eine r i n Lei d un d Freu d verbündete n enge n Volksgemein schaft. Denn eine große, lichte Seite zeigt dieser Krieg ja doch: Nämlich die große Kameradschaft . Wa s unser e Parte i i m Friede n imme r anstrebte , di e Volksgemeinschaft z u bilde n au s de m Erlebni s de s erste n Weltkriege s heraus, da s wir d nu n gefestigt.« 192 Un d de r Völkisch e Beobachte r feiert e emphatisch die große »Volkskameradschaft«, i n der jeder Deutsche »unverlierbar geborgen« se i un d »niemand i m Glück und Unglück, i n Pflicht un d Recht allein und verlassen ist.« 193 Das Glücksverspreche n de r NS-Volksgemeinschaf t kreist e u m sozial e Harmonie. Diesen »schöne n Schein« 194 inszenierte n di e NS-Organisatione n allerorten. Au f eine m KdF-Aben d i m südbadische n Singe n 193 4 wurde n die Sitz - und Stehplätz e nich t mehr nach Maßgabe pekuniäre r Poten z oder sozialen Prestige s vergeben, sonder n verlost. Wenn so »der Arbeiter neben dem Direktor , de r Beamt e nebe n de m schaffende n Volksgenosse n sitze n wird«, seie n »Standesdünkel un d falsche Überheblichkeit« i n den »Stunden ungezwungener Kameradschaft gebannt«. 195 Diese sollte auch im Arbeitsalltag de r Betriebe ihre n Ausdrucksort finden . Noc h nachdrücklicher nahme n sich solche Parolen i n den staatlichen Sozialisationsinstanze n de r Jugendli188 Schmitz-Berninz , S. 343ff. 189 Grüttner , S.260ff.,317ff . 190 Domereit , Wehrmacht, S. 20. 191 Hein , Kameradschaft. 192 Domaru s II/2, S. 1922. 193 Völkische r Beobachter 20.8.44, S. 5. 194 Schoenbaum , S. 96ff; Reichel, Schein. 195 Zitat e aus der Lokalpresse, bei Zang, Gesichter, S. 182.

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chen aus. Hitlerjugend un d Arbeitsdienst präsentierte n sic h al s Keimzelle n der neue n »Volkskameradschaft«, 196 wei l de r Schüle r nebe n de m Lehrlin g und Jungarbeiter, de r Arme neben dem Reichen marschierte, Klassenunter schiede und Standesdünkel für aufgehoben galten. 197 Aber kein e Kameradschaf t ohn e Nicht-Kameraden, kein e Gemeinschaf t ohne di e Anderen , di e nich t daz u gehörten , di e si e bedrohten , tatsächlic h oder vermeintlich, physisc h ode r einfach, wei l si e ander s aussahen, ander e Lebensstile kultivierten, ander e Erfahrungen un d andere Hoffnungen hatte n oder ihnen dies bloß unterstellt wurde. Die NS-Volksgemeinschaft wa r dem Modell der militärischen Kampfeinheit nachgebildet . Hitlers Lehre aus dem Gemeinschaftserlebnis de s Kriege s hieß: »Wen n ic h als o unse r Vol k z u einer Einheit zusammenschließen will, muss ich erst eine neue Front bilden, die eine n gemeinsame n Fein d vo r sic h hat , dami t jeder weiß : wi r müsse n eins sein ; den n dieser Fein d is t der Feind von uns allen.« 198 Wa s da s Volk tun musste, um Geschlossenheit z u erreichen , hatt e Car l Schmit t 193 2 au f den Begrif f de r »innerstaatliche n Feinderklärung « gebracht. 199 S o schlos s sich di e NS-Volksgemeinschaft nich t nu r gege n de n »Raubstaa t England « und di e slawische n »Untermenschen « zusammen , sonder n widmet e auc h der Verfolgun g »innere r Feinde « größt e Energie . Di e »jüdisch e Weltver schwörung« fan d de m nationalsozialistischen Phantasm a zufolge innerhal b wie außerhal b des Reiches statt. In der biologistischen Vorstellun g vo n der Volksgemeinschaft al s eine m rei n z u haltende n Körpe r erschiene n di e Ju den als Träge r de r Krankheit zu m Tode, die nicht radika l genu g bekämpf t werden könne. 200 »Was gegen unsere Einheit ist, muss auf den Scheiterhau fen«, erklärte Baldur von Schirach. 201 Jedem »Saboteur« de r »großen Kameradschaft«, jedem der sich an ihr »versündigt«, droht e die »unbarmherzige « Vernichtung.202 Di e physisch e Tötun g de r »innere n Feinde « markier t ein e scharfe Zäsur . I m Kaiserreic h ware n Sozialiste n al s innere , nämlic h »Reichsfeinde« stigmatisiert , eingesperr t un d vertrieben, abe r nich t umge bracht worden . De r Kameradschaftskul t de r Veteranenbewegun g un d de r Militärpädagogik nac h 191 8 hatte den sozialen Tod des unkameradschaftli chen »Egoisten« un d den politischen To d des organisierten »Egoismus « i n

196 Kyffhäuse r 11.3.34 , S. 218; Rosenberg, Volkskameradschaft (1940/41). 197 Wohi n gehörst Du, aus: HILF MIT! Illustriert e deutsche Schülerzeitung Ma i 1936 , Faksimile be i Storjohann , o.S. ; Schoenbaum , S . 98; Schirach, Hitlerjugend , S . 76f., 18 8 u.ö.; Koch, S. 188. 198 I n einer Rede von 1927, zit. nach Verhey, S. 351 f. 199 Schmitt , Begriff, S. 47. 200 Zuletz t Herf, S. 159ff.; Müller, Nationalismus, S. 46ff. 201 Schirach , Hitler-Jugend, S.85. 202 Domaru s II/2, S. 1922

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Gestalt de r Parteie n un d Gewerkschafte n gefordert , nich t abe r de n physi schen Tod ihrer Mitglieder. Die de r Gesellschaftsbiologi e geschuldet e Ausgrenzungs - un d »Aus merzungs«-politik de r Volksgemeinschaf t la g freilic h i m Widerstrei t mi t dem unbegrenzten Mobilisierungsbedar f de r Wehrgemeinschaft. De r exterminatorische Impetu s de s nationalsozialistische n Gemeinschaftsdiskurse s zielte dahe r nich t nu r au f di e Vernichtun g de r »innere n Feinde« , sonder n auch au f di e Integratio n de r besserungsfähige n Störenfriede . »Memmen « und »Schwächlinge« wollt e die HJ nicht in ihren Reihen haben, ihre Kameradschaft wa r »zu rauh und zu hart für verpimpelte Muttersöhnchen«. Aber schon durc h dies e Selbstbil d macht e si e »manche n Weichlin g zu m echte n Jungen«.203 Di e Zwangsgemeinschaft de s Lagers wirkte al s soziale s Propä deutikum de r große n »Volkskameradschaft« . Dor t gal t e s z u lernen , das s individuelle Bedürfnisse , Interesse n un d Fähigkeite n nu r gefrag t waren , wenn si e de r Gemeinschaf t nützten : »Übe r alle m wach t de r Geist de r Kameradschaft, de r [...] kein e charakterschwache Eigenbrötele i zulässt«. 204 Im Lager sollten die Volksgenossen die Moral der Kameradschaft erlernen . Die kasernenartige Abschottun g vo n Mensche n zu m Zweck e ihre r effiziente n Erziehung hatt e das NS-Regime nich t erfunden. Abe r es machte das Lager zu einer Institution, die die gesamte »Volksgemeinschaft « z u durchdringen trachtete. »Kameradschaft« i m Nationalsozialismu s hie ß »Leistun g un d Hinga be«.205 Nu r we r sic h al s reibungslo s arbeitende s Rädche n i m Gemein schaftsgetriebe bewährte , konnt e de n Ehrentite l de s »Kameraden « bean spruchen. Scho n we r eine n Fehle r machte , begab sic h au f de n Abweg de r Unkameradschaftlichkeit un d bereitete seine Ausgrenzung au s der Gemeinschaft vor. 206 Den n Unfähigkei t stan d i m Verdacht , i m Unwille n ihre n Grund zu haben. I n der Volkskameradschaft verbande n sic h alltagsmorali sche Tugenden de r Fürsorge und Selbstlosigkeit mi t dem Effizienzpostula t der reibungslo s funktionierende n Kriegswirtschaft. 207 I n de n Geruc h de r Unkameradschaftlichkeit geriet , wer den Leistungs- und Ordnungsmaximen nicht genügte , we r de n leiseste n Anschei n vo n Unzufriedenhei t mi t de m Regime un d sic h dami t al s »Miesmacher« , »Gereizter« , »Kleinmütiger « oder »Meckerer « z u erkenne n gab, 208 ode r auch , we r e s mi t de r »Ehren 203 Wohi n gehörst Du, aus: HILF MIT! Illustriert e deutsche Schülerzeitung Mai 1936 , in: Storjohann, o.S. 204 Zita t nach Pahmeyer/Spankeren, S. 179. Vgl. Hermann, Formationserziehung, S. 107. 205 Weberstedt/Langner , o.S. 206 Nassen , S. 65, zur Jugendliteratur. Siegfried, S. 129 (Militärinternierte). 207 A n der Walze, Folge 4/1942. 208 A n der Walze, Folge 3/1942; Stapel, S. 900f., ebd . S. 899, »Meckern« als »feminine Tätigkeit«.

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pflicht« de r Spend e fü r da s Kriegshilfswer k nich t s o gena u nahm. 209 Und wie gena u e s jeder dami t nahm , wurd e sorgfälti g registrier t un d kontrol liert.210 Der Aufspürung, Kenntlichmachung , Verhaftung , Deportatio n un d Vernichtung ihre r »innere n Feinde « widmet e di e Volksgemeinschaf t beträcht liche Energie . Da s Heimtückegeset z vo n 193 3 un d di e Kriegssonder strafrechtsverordnung vo n 193 8 schufe n di e rechtlich e Grundlag e de r Bespitzelung alle r durc h alle. 211 Di e Denunziatio n vergesellschaftet e di e »innerstaatliche Feinderklärung«. 212 De r Denunzian t wa r nich t meh r mi t einem Stigm a belegt. 213 Den n er handelte mi t der Gemeinschaft un d gegen ihre »inneren Feinde«. 214 Da s staatlich gefördert e Denunziantentu m institu tionalisierte da s Aug e de r Anderen , da s i n de n militärische n Kameraden gruppen de n Gruppenzwan g durchsetzte . I n de r NS-Volksgemeinschaf t sollten »sic h di e Mensche n al s ganz e Mensche n kenne n un d gegenseiti g beaufsichtigen un d erziehen« . Da s Militä r bildet e da s Vorbil d diese r »Blockwart-Vision de r Gesellschaft«. 215 Wi e i m Militä r di e Stuben - ode r Kampfgemeinschaften, s o sollte n Jugend- , Betriebs- , Wohn - un d Freizeit gemeinschaften nac h dem Prinzip des kameradschaftlichen Gruppendrucks , also mit der Drohung und dem Vollzug soziale r Ausgrenzung di e individu ellen Eigenheite n ihre r Mitgliede r abschleife n un d »selbs t vo r kamerad schaftlicher Selbstjusti z nicht zurückschrecken.« 216 Ebenso wie der »Heilige Geist« i n kleine n Soldatengemeinschafte n al s ultim a rati o de s Konformi tätsdrucks durch nächtliche Prüge l un d kalte Duschen wirkte, nahmen sich die Terrororganisationen de s NS-Staates von der Gestapo bis zum Streifen dienst de r H J de r gewaltsame n Disziplinierun g de r »Gemeinschaftsfrem den« und der Eliminierung der »Gemeinschaftsschädlinge« an . Freilich: Die Reihen de r Volksgemeinschaf t ware n ni e gan z geschlossen , un d da s Re gime war sich seiner totalitären Herrschaft nie sicher. Als Synony m fü r unerschütterliche , »treue « Kameradschaf t verbreitet e sich nac h 193 3 di e Red e vo n de r »verschworene n Gemeinschaft«. 217 Abe r die Rhetori k de r Subversio n wa r gebrochen . Den n die »verschworen e Ge meinschaft« zeichnet e sic h nich t durc h Oppositio n zu r militärische n ode r politischen Führun g aus , sonder n dadurch , das s si e dere n Vorgabe n rigid e 209 Völkische r Beobachter 20.8.44, S. 5. 210 Diewald-Kerkmann , S. 109-112; vgl. Walb, S. 72f. 211 Z u beiden Benz/Graml/Weiß, S. 506, 556f. 212 Diewald-Kerkmann , S. 33-152; Gellately, Gestapo; Paul/Mallmann, Gestapo. 213 Das s diese Aufwertung de s Denunzianten nicht von allen Mitglieder n der Volksgemeinschaft mitgetragen wurde, steht auf einem anderen Blatt, vgl. Johnson/Reuband, S. 431. 214 Diewald-Kerkmann,S . 297. 215 S o der NS-Soziologe Andreas Walter 1935, zit bei Nolte, Ordnung, S. 198. 216 A n der Walze Folge 1/1944, Titelseite (»Betriebskameradschaft«). 217 Vgl . z.B. Völkischer Beobachter 24.1.39, S. lf. Di e Belege sind Legion.

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verinnerlicht hatte . Verschwore n hatt e sic h dies e Gemeinschaf t gege n di e äußeren und inneren Feinde, die ihr der Führer vorgegeben hatte. Zielpunkt der kameradschaftlichen »Selbsterziehung« , de r inneren Uniformierung und äußeren »Formation« war die »geordnete Masse«, die »auf einen Willen hin einheitlich reagierend«, ihre m Führer blindlings ergeben. 218 Der verbreiteten Rhetorik der Blindheit - de r blinden Gefolgschaft, de s blinden Gehorsams, des blinde n Vertrauens 219 - zu m Trot z war nich t Blindhei t gefordert , son dern widerspruchslose, auf »Vertrauen« i n den Führer beruhende Unterordnung, di e al s »freiwillig « bezeichne t wurde . Nicht willenlos sollt e di e Kameraden sein , sonder n willig . Kameradschaf t bildet e dahe r i m National sozialismus ei n Synony m fü r »unbedingte n Gehorsam«. 220 »I m Dritte n Reich ha t de r Begrif f Kameradschaft« , s o ein e autoritativ e Definition , »einen neue n tiefe n Sin n bekommen. « E r bestand darin , das s e r »di e Ge folgschaft Adol f Hitlers im Glauben und Gehorsam zu einer verschworenen Gemeinschaft zusammenschließt.« 221 Die Rhetorik der Verschwörung war jedoch verfänglich. Da s Trauma der Matrosenrevolte vo n 191 8 lie ß wede r de n Gemeinschaftsdiskur s noc h den Kameradschaftsmythos zu r Ruh e kommen . Nich t zuletz t da s Loblie d de r Militärs au f die Kameradschaft wa r von dumpfen Untertöne n durchsetzt. 222 Sie spiegelte n di e Furch t wider , di e sozial e Kohäsio n könn e sic h verselbständigen un d gege n di e militärisch e Hierarchi e wenden . Eric h Wenige r warnte davor , wi e leich t »Verbrecher-Kameraderien« , »Drückeberger Kameraderien« un d »Diebesgemeinschaften « au s de r Kameradschaf t ent stehen könnten. 223 Un d vo n solche m »Gruppenegoismus« 224 bi s zu r »Kliquenbildung« un d »Rebellion « wa r ei n kurze r Weg. 225 Di e Wehrpäd agogik entfaltete beträchtliche Anstrengungen, die »richtige«, au f Erlaubtes beschränkte vo n de r »falschen « Kameradschaf t abzugrenzen. 226 Hierz u gehörte alles , was di e formal e Hierarchi e unterlaufe n konnte . Etwa, eine m Kameraden, der sich im Arrest befand, heimlic h Lebensmitte l zuzustecken . Oder einem Kameraden ohn e Genehmigung Gel d zu borgen, wurden doch 218 Stapel , Erziehungsformen , S . 5. I m »Fahnenlied« de r H J hieß es: »Führer, wi r gehören Dir, / Wir Kameraden Dir!« (Grupe, S. 82). 219 Schmitz-Berning , S. 103f. 220 Bechthold , S. 193; Donnevert, S. 47; Himmler, Geheimreden, 43, 80f.; Dudek, Erziehung, S. 19,39 . 221 Trübne r IV(1943), S. 84. 222 Auc h schon früher, denn die Meuterei war keine Erfindung des 20. Jahrhunderts, Lühe IV, S. 141-143. 223 Weniger , S. 122. 224 Ebd. , S. 129. 225 Simoneit , Wehrpsychologie. Vgl. auch den Abriss zur Meuterei be i Schwinge, Entwicklung. 226 Reiber t 1934, S. 96. Vgl. Schwatlo Gesterding, S. 11 ; Altrichter, Wesen, S. 129-134.

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dadurch informell e Abhängigkeitsverhältniss e geschaffen. 227 Vo r alle m perhorreszierte ma n ›oben ‹ di e Neigun g ›unten‹ , z u lügen , etwa s z u ver schweigen oder zu vertuschen, um einen Kameraden vor der »wohlverdienten Strafe« z u schützen. Die gegenseitige Deckun g von Fehlleistungen - a n sich nur die Kehrseite der Kollektivhaftung - wa r für die militärische Führung ei n rotes Tuch. »Kameradschaft is t nie eine Versicherung au f Gegenseitigkeit zu r Tarnun g eigene r ode r andere r Fehler«, 228 warnt e ei n hohe r Offizier, wohlwissend , das s das kameradschaftliche Deckungsprinzi p auc h in Offizierskreisen selbstverständlich e Praxis war. Ohne ein gewisses Quantum an Geheimnissen, a n symbolischer Widerständigkei t un d Renitenz war auch die militärisch e Gruppenkohäsio n nich t denkbar. 229 Daher konnte und wollte man ›oben ‹ auc h das »Schimpfen« ›unten ‹ i m Kameradenkreis tolerieren, wenn es den »Ärger« begrabe , die »frohe Laune « wiederbring e un d als »reinigende s Gewitter « wirkte , di e »Disziplin « als o nich t unterlief , sondern als ihr Ventil diente. 230 Die Unsicherhei t blieb . Manch e Wehrpädagoge n hielte n di e Kamerad schaft o b ihres subversive n Potential s ers t dan n fü r militärisc h brauchbar , wenn der Führer sie zur Gefolgschaft umgebilde t habe . Der Führer musste sich daz u i n da s Vertrauenssyste m de r Kameradschaf t ›unten ‹ einklinke n können. Anders al s de r aristokratisch e Offizie r lebt e ei n solche r Führe r in der Wel t seine r Mannschaft , verzichtet e au f Privilegie n wi e di e speziell e Verpflegung, di e di e Antimilitariste n de m kollektive n Gedächtni s al s »Symbol« de r kastenhafte n Abschließun g de s Offizierskorp s eingeschrie ben hatten und über deren verheerende Wirkun g sic h die Militär s de r dreißiger Jahre keinen Illusione n hingaben . Di e Wehrmacht erho b die gemein same Verpflegun g zu r »selbstverständliche n Sitte«. 231 Abe r di e Kamerad schaft zwische n Offizie r un d Mannschaf t wa r konzipier t al s umfassende s soziales Schmiermittel . De r Führer »mus s fühlen , wen n ei n Mensc h etwa s auf der Seele hat«. 232 Un d so, wie e s das Militär vorbuchstabierte, sollt e es in allen Teilen der Volksgemeinschaft sein , im Betrieb, in der Jugend- und in den Frauenorganisationen. 233 227 Reibe n 1934, S. 96f. Vgl. Reibert 1940, S. 42-44. 228 Rabenau , S . 7; Ellenbeck , Kompaniechef , S . 18 . Vgl . auc h Himmler , Geheimreden , S. 224f. 229 Vgl . Jahn, S. 37f..- Zur Soziologie des Geheimnisses Simmel, Soziologie, 383ff.; Siberski, S. 43ff. 230 Foertsch , S . 68f.; Jäger , Krieg , S . 527. Ettighofer , Kamerad , S . 128-160; Beumelburg , Gruppe, S. 29f. 231 Weniger , S. 124f., vgl . ebd. S. 123-131; Sorge, S. 71-73, 91f., 102-112 ; Altrichter, Führer, S . 139ff. 232 Ellenbeck , Kompaniechef , S . 19; Himmler, Geheimreden , S . 240f. H.Dv . 130/ 1 1.9.36 , Nr. 9, BA-MA, RHD 4. 233 Arnhold , Arbeit, für den Betriebsführer; fü r die HJ Hering u.a., S. 148f .

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Die Führer, der Eine und die vielen, begründeten ihre Position mit ihrem Nutzen fü r da s Volk . Übe r di e andere n Volksgenosse n ragte n si e hinaus , weil si e mehr »Gemeinschaftsgehalte« i n sich aufgesogen hatten , also kraft ihres Charisma s meh r vergemeinschaftend e Wirkun g entfalteten. 234 Diese s dynamische Elemen t de r nationalsozialistische n Leistungsgesellschaf t ver hieß jedem, de r die unbedingte Prioritä t de r Gemeinschaft respektierte , di e Chance, selbst zum Führer zu werden. Tatsächlich bot nicht nur die HJ den Angehörigen unterer sozialer Schichten Aufstiegschancen, auc h wenn diese von de r Propagand a übertriebe n wurden ; i m Fall e de s Offizierkorp s de r Wehrmacht wurde n si e ers t i m Lauf e de s Kriege s wirksam. 235 Di e Führe r und di e Chanc e de s Geführten , selbs t Führe r z u werden , bildete n da s Schmiermittel de s »Vertrauen s al s seelische r Grundlag e de r Volksgemein schaft«.236 Da s Vertrauen , da s de r Führe r vo n de r Gefolgschaf t verlangte , ging freilic h einhe r mi t de m Misstraue n de s Regime s gegenübe r diese r Gefolgschaft, mi t de r Furcht vo r de m konspirative n Potentia l kleine r Ver gemeinschaftungen, au f di e ma n nich t verzichte n konnte . Ablesba r is t di e Furcht vo r »Cliquenbildungen« 237 a n de r Intensitä t de r strafrechtliche n Bemühungen, jene intermediäre n Gemeinschafte n s o zu kontrollieren, das s ihr subversive s Potentia l i m Stat u nascend i unschädlic h gemach t werde n konnte. Abfällige »Äußerungen « i m Kameradenkreis, di e geeignet waren , generelles »Missvergnügen« z u erregen, hatte bereits das Weimarer Militärstraf recht als Vorstufe der Meuterei mit Gefängnisstrafen bedroht. 238 Die Kriegssonderstrafrechtsverordnung vo n 193 8 schu f mi t de m Delik t de r Wehrkraftzersetzung di e Handhabe fü r di e drakonisch e Verfolgun g jedwe der widerständigen Äußerung . Nicht nur, wer zur Verweigerung de s Wehrdienstes, z u Ungehorsam, zu r Fahnenfluch t anreizte , wa r bedroht, sonder n schon, wer Zweifel a n der militärischen Stärke , am »Endsieg« ode r nur am Sinn de s Kriege s artikulierte . De r einschlägig e § 5 sa h vor , das s solch e Äußerungen »öffentlich « gefalle n waren . Wa s dami t gemein t war , blie b unklar. Di e exzessiv e Auslegun g verstan d darunte r alles , wa s auc h nu r in die Öffentlichkei t dringe n konnte . Dami t konnt e jede noc h s o intim e un d spontane Äußerun g di e Todesstraf e nac h sic h ziehen . Diese r Öffentlich keitsbegriff, de r jede n private n Schutzrau m fü r obsole t erklärte , is t nu r verständlich vor dem Hintergrund des obsessiven Ideals der vollständig au f den Nationalsozialismus eingeschworenen Volksgemeinschaft, au s der auch 234 Reinhar d Höhn 1934, zit. Janka, S. 335. 235 Vgl . Klönne, Jugend, S. 88ff.; zur Wehrmacht Kröner. 236 Krüger , Vertrauen, S. 3f. u. 7. 237 Vgl . die bei Lindner, Straße, S. 203ff., zit . Diss. v. Krüger, Banden- und Cliquenbildungen, von 1944. 238 Fuhse , S. 111 .

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die Wehrmach t nich t ausschere n durfte . De n unpolitischen Soldate n sollt e der »politisch e Soldat « ersetzen , de r di e nationalsozialistisch e Weltan schauung verinnerlich t hatt e un d allzei t nac h auße n z u verteidige n berei t war. Di e Vereidigun g de r Soldate n au f Hitle r un d di e Einführun g de s »Nationalsozialistischen Führungsoffiziers « bildete n di e zwe i zeitlic h a m weitesten auseinander liegenden Marksteine dieses Prozesses.239 Teile de s konservative n Offizierkorp s hielte n gleichwoh l a m »unpolitischen« Soldatentu m fest . Juriste n wi e Eric h Schwinge , di e de m NS Unrechtssystem mi t Eife r vorarbeiteten , schreckte n vo r de r »Überspan nung« de s Öffentlichkeitsbegriff s zurück . Äußerunge n i m persönliche n »Familien-, Verwandten- , Freundes - ode r Kameradenkreis « wollte n si e darunter nich t fassen . Vo r allem letztere n wollte n si e schütze n - nich t um der einzelnen Kamerade n wegen , sonder n um der Schlagkraft de r Gemeinschaft willen . Ma n befürchtete , das s da s Denunziantentu m de n »kamerad schaftliche Zusammenhal t i n de r Trupp e untergräb t un d zerstört.« 240 Tat sächlich bildet e da s persönlich e Vertraue n i n de n kleinen , vo m NS-Staa t geförderten Gemeinschafte n da s Einfallsto r de r Denunziation, nich t nu r in der Wehrmacht: »Kameradschaf t un d Vertrauen i n der Jugendgemeinschaf t bringen e s mi t sich , das s Führer n un d Kamerade n of t Ding e anvertrau t werden, di e de r Junge soga r seine n Elter n z u sage n sic h scheut. « Da s war die Chanc e de s »Überwachungswesens« . Abe r da s Regim e wa r sic h de r Gefahr bewusst , das s der »Überwachungsdienst de n Charakter einer üblen, das Vertraue n i n de r Gemeinschaf t zerstörende n Schnüffele i annehmen« , also den psychosozialen Kit t zerstören könnte, ohne den die Volksgemein schaft nicht bestehen konnte.241 Die Offenhei t de s Kameradschaftsmytho s fü r konträr e Aneignunge n blieb im Vernichtungskrieg gewahrt , der 193 9 in Polen begann. Der Kameradschaftsmythos, wie er in der NS-Zeit erzählt wurde, ließ nicht nur Raum für »menschlich e Güte« 242 i n der eigenen Truppe , sonder n auc h gegenübe r dem militärische n Gegner. 243 Di e »1 0 Gebot e fü r di e Kriegsführung« , di e die deutsche n Soldate n i m ihre m Soldbuc h fanden , dekretierte n a n erste r Stelle: »De r deutsch e Solda t kämp f ritterlich. « Un d weiter: »E s dar f kei n Gegner getöte t werden , de r sic h ergibt , auc h nich t de r Freischärle r [...] . 239 Messerschmidt , Wehrmach t (1969) ; zudem ders., Aspekte, S . 197ff.; zu m NSFO zuletzt Zöpf. 240 Schwinge , Militärstrafgesetzbuch , S . 332-334, unte r Rekur s auf Leverenz und Gwinner ; vgl. für die Unsicherheit der Rechtssprechung Messerschmidt, Wehrmacht, S. 377f; Wüllner , NSMilitärjustiz, S . 512f, 541ff. ; Paul , Soldaten , S . 25-28; eskamotieren d Schweling/Schwinge , S. 178ff. Zu Schwinges Rolle im Zweiten Weltkrieg Garbe, Einzelfall, S. 11-57. 241 Dj D 1944, S. 97-106, (»Das -Überwachungswesen der Hitler-Jugend«), Zitat S. 10lf . 242 Himmle r i n eine r Red e vo r SS-Gruppenführer n a m 8.11.37 , Himmler , Geheimreden , S.68. 243 Vgl . nur/Ramcke, S. 97f.

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Kriegsgefangene dürfe n nich t misshandel t ode r beleidig t werden . [... ] Di e Zivilbevölkerung is t unverletzlich.« 244 Dies e Gebote blieben bis Kriegsende in Kraft, und gleichzeitig waren sie doch seit der Planung des Russlandfeldzuges außer Kraft gesetzt . Am 30. März 194 1 schwor Hitler die Führungsriege de r Wehrmach t i n eine r Geheimred e au f di e Regel n de s Vernich tungskrieges ein . Ma n müss e dabe i vo m »Standpunk t de s soldatische n Kameradschaftsdenkens« abrücken . »De r Kommunist« , de r Gegne r i m Osten »ist vorher kein Kamerad und nachher kein Kamerad«. 245 In welche r Beziehun g stan d di e verbrecherisch e Planun g de s Kriege s zum gleichzeitigen Festhalte n a n den traditionellen Maxime n de s »soldati schen Kameradschaftsdenkens« ? I m Frühjah r 194 2 erinnert e de r katholi sche Moralphilosoph Josef Pieper an die Ritterlichkeit al s die »Haltung de s Starken gegenüber den Wehrlosen und Schwachen«. Pieper , in der NS-Zeit mehrfach mi t Publikationsverbot belegt , veröffentlicht e dies e Spitz e gege n den Vernichtungskrie g unte r de m Schut z Ma x Simoneits , unte r de m e r in der Wehrmachtpsychologie al s Eignungsgutachter tätig war. 246 Kleo Pleyer, sudetendeutscher Nationalsozialist , i m Krie g Kompaniefuhre r a n de r Ost front, verteidigte dagegen ein Ritterlichkeitsideal, da s sich mit der nationalsozialistischen Diffamierun g de r »Humanitätsduselei« un d der »Ausrottung des Judentums « i m Oste n ohn e weitere s verbinde n ließ. 247 Ritterlichkei t bestand fü r ih n i n Gesten einer »übervölkische n Verbundenhei t de s Frontsoldatentums«. Di e ebenbürtige n Gegne r mochten , »wen n di e feindlich e Stellung erstürm t ist , sic h i n kameradschaftliche r Weis e unterhalte n ode r gar di e Händ e reichen. « Derle i gegenseitig e Bekräftigun g gemeinsame n Kampfgeistes wa r gegenübe r de m »Untermenschen « i m Oste n obsolet . Piepers Ritterlichkeit war universell, Pleyers dagegen rassisch und habituell begrenzt. De r Bolschewist, s o Pleyer, kämpf e nich t ritterlich, sonder n ziehe mit »Freud e a m Töten und Zerstören« i n den Krieg. Gan z anders der deutsche Soldat . E r »hat a m Töten keine Freude«, e r »tötet, dami t nicht er oder seine Kameraden getötet werden« und »damit sein Volk leben kann«.248 Der tötend e Täte r exkulpiert e sic h al s Opfe r eine r Zwangssituation . Macht erschie n al s Ohnmacht , Aktio n al s Reaktion , Angrif f al s Verteidi gung, un d zwar nich t eine s Ich , sondern imme r eines Wir. Noch das menschenverachtendste Legitimationsmuste r soldatische n Töten s arbeitet e mi t dieser Vertauschung von Aggression und Altruismus - da s rassistische. Die

244 Faksimile s z.B. bei Hillek, S. 59. Vgl. Schwan, S. 79. 245 Halder , Kriegstagebuch II,S. 335-337, auch bei Όeberschär/Wette, Überfall, S. 248f. 246 Pieper , Gedanken , S . 40-43; daz u ders. , Aufzeichnungen , S . 175; Leserbrie f Martin Birmanns, FAZ 16.4.99, S. 48. 247 Zitat e Buchheim, Befehl, S. 247-252, zudem Schwan, S. 93ff. 248 Pleyer , S. 11, 26, 28, 33. Vgl. Weher, S. 369.

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Imagination de s Holocaus t al s Antwor t au f di e angeblich e Verschwörun g des »Weltjudentums « suggeriert e ein e Defensivstellun g - de r reguläre n Truppen der Wehrmacht und der Waffen-SS wi e der Massenmörder i n den Einsatzgruppen un d Vernichtungslagern . Di e Gleichsetzun g vo n Juden , Kommunisten und Partisanen schuf ein Feindbild, das un-menschlich genug war, u m Grausamkeite n jedwede r Ar t un d gegenübe r jedwede m Gegner , dem militärische n wi e de m zivilen , z u rechtfertigen . Ers t i m Kontex t de r radikalen Dehumanisierun g de s Gegner s al s bestialisch , heimtückisch , hinterhältig un d sadistisch 249 gewan n da s Ritterlichkeitsidea l i m NS-Krie g seine Bedeutung. Allerdings rekurriert e di e Außerkraftsetzun g de s Völkerrechts nich t nur auf eine aktuell e Defensivstellung . Si e wa r i n jenes moralisch e Ordnungs modell eingebunden , da s die physischen, soziale n un d symbolischen Inter essen de r Binnengrupp e absolu t setzte . Heinric h Himmle r ga b 194 3 al s »Grundsatz« de r S S aus , »ehrlich , anständig , tre u un d kameradschaftlic h haben wir zu Angehörigen unseres Blutes zu sein und zu sonst niemandem. Wie es den Russen geht, wie es den Tschechen geht, ist mir total gleichgül tig.«250 Dies e Gemeinschaftsmora l präsentiert e sic h i n de r Rhetori k de r »Ehre« de r eigene n Grupp e un d de r Pflich t zu r »Sühne« , »Rache « un d »Vergeltung« eine s ihr angetanen Unrechts. In der Rache verwandelte sic h die Traue r übe r den toten Kameraden i n Hass. In »unsagbarer Wut « habe , so ei n Kriegsbericht , ein e Kompani e i m Septembe r 1939 , al s ei n Offizie r von Heckenschützen erschossen wurde, »mit Seitengewehr und Handgranate den letzten Widerstand der polnischen Soldate n und Franktireure« gebrochen. Diese Einheit erfüllte eine Kameradschaftspflicht. 251 Im Diskur s de s NS-Kriege s wa r di e al s spontan e Rach e entschuldigt e Gewalt - »Schlägs t du meinen Bruder, hau ich dir den Schädel ein« 252 - zu r »Pflicht« erhoben . Abgelöst von der psychosozialen Dynami k kleiner mili tärischer Einheite n fordert e i m Septembe r 194 1 de r Wehrmachtgenera l Franz Böhm e dies e Pflich t vo n seine n Soldaten , al s e r si e z u eine r Straf expedition i n Serbie n aufrief . 191 4 seie n dor t »Ström e deutsche n Blute s durch di e Hinterlis t de r Serben , Männe r un d Frauen , geflossen« . Un d z u den Soldaten : »Ih r sei d Räche r diese r Toten . E s muss ei n abschreckende s Beispiel fü r ganz Serbien geschaffen werden , das die gesamte Bevölkerun g auf da s Schwerst e treffe n muss . Jeder , de r Mild e walte n lässt , versündig t

249 Ueberschär/Wette , Überfall , S . 241 ff., zude m di e Katalog e Vernichtungskrie g (1996 ) und Verbrechen der Wehrmacht (2002). 250 Red e be i de r SS-Gruppenführertagung i n Posen , 4.10.43, Prozes s gegen di e Hauptkriegs verbrecher XXIX, S. 122f . 251 Mathaei , S . 61. Vgl. Pleyer, S . 14 8 u. 186 . 252 Zitat e Stahlhelm 12.7.31 , S . 14f .

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sich a m Lebe n seine r Kameraden . E r wird ohn e Rücksich t au f die Perso n zur Verantwortung gezogen und vor ein Kriegsgericht gestellt.« 253 »Milde«, »Mitleid« , »Weichheit « ware n di e Chiffre n eine r Einstellung , die den Primat der Binnengruppe leugnet e und die Vorstellung universelle r Menschlichkeit, di e de m traditionelle n Ritterlichkeitsidea l zugrund e lag , nicht wirklich »überwunden « hatte . Wer eine solch e Haltung wahrte, stand im Verdacht des »Verrats« a n der eigenen Gruppe. Nur wer »Härte« gege n andere un d damit auc h gege n eigen e Skrupe l bewies , gehört e ih r wirklic h an. Den n e r hatt e verabschiedet , wogege n sic h da s moralisch e Ordnungs system der NS-Volksgemeinschaft richtete : das Handeln, Denken und Fühlen i n den Koordinaten individuelle r Selbstverwirklichun g un d Verantwor tung. Ihr e fatale Wirkungsmach t entfaltet e dies e Mora l i m Krieg sei t 193 9 dadurch, das s di e militärisch e un d politisch e Führun g al s ih r Sprachroh r auftrat un d ih r de n Charakte r eine s Befehl s gab , de r keine n Widerspruc h duldete. De r Kriegsgerichtsbarkeitserlas s un d de r Kommissarbefeh l vo m Mai un d Juni 194 1 nahmen Übergriffe deutsche r Soldate n gege n die Zivilbevölkerung vo n militärgerichtliche r Bestrafun g au s un d ordnete n di e Li quidierung eine r unschar f definierte n Elit e unte r de n Rotarmiste n an. 254 Diese mit der Weihe einer Staatsmoral umgebene n Befehle, die hinter Sühnebefehlen wi e jenem Böhme s standen, setzte n an die Stell e des universellen Völkerrecht s ein e dezidier t au f di e Interesse n de s eigene n Volke s be grenzte Moral . Den n nicht s andere s wa r di e Botschaf t de s Kriegsgerichts barkeitserlasses: E s ga b kei n Verbreche n a n Angehörige n »feindlicher« , rassisch unterlegener Völker. Hitlers Diktum, bei der »Bandenbekämpfung « (er meint e di e Partisanen ) se i »jede s Mitte l recht , da s zu m Erfol g fuhrt« , auch wen n dabe i Fraue n un d Kinde r ermorde t wurden , erläutert e diese n Erlass in der Sprache de r Kameradschaftsmoral: »De m Waffenträge r mus s man ein e absolut e Rückendeckun g gebe n [...] , das s sic h de r arm e Teufe l nicht sagen muss, hinterher werde ich noch zur Verantwortung gezogen.« 255 Den Kameraden z u decken, was auch imme r er machte - dies e Maxim e gab nicht erst der militärischen Gewal t i m Vernichtungskrieg di e Richtun g vor. U m si e hatt e scho n di e Gruppenmora l de r S A i n de r »Kampfzeit « gekreist. Vo n dor t hatt e si e de r Ablösun g rechts - un d normenstaatliche r Verfahrensweisen durc h personale , klientelistisch e Herrschaftsforme n i m NS-Staat di e Richtun g vorgegeben . Di e Loyalitä t zu m Führe r un d zu r 253 Befeh l a n all e Einheite n de r 342 . I.D . vo m 25.9.41 , BA-M A R H 26-342/8 , zit . Mano schek, Serbien , S . 60. S o auc h de r berüchtigt e Reichenau-Befeh l 10.10.41 , Ueberschär/Wette , Überfall, S . 285f. Ähnlic h Manstei n (O B de s AO K 11 ) 20.11.41 , un d Hot h 25.11.41 , ebd . 287 292. Vgl. Streit, S . 115-117 ; Förster, Sicherung , S . 1050-1054 . 254 Faksimiles : Verbreche n de r Wehrmach t (2002) , S . 43-54. Vgl . Förster , Unternehmen , S. 413-447; ders., Sicherung, S . 1030-1070 , grundlegend Streit , Kameraden . 255 Hitle r in der »Abendlage« i m Führerhauptquartier, 1.12.42 , Warlimont , S . 300.

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Gruppe trat an die Stelle bürokratischer Anonymität. Den Anstaltsstaat löste der »persönlich e Verban d vo n Kultgenossen « ab. 256 Di e sozial e Verdich tung, dere r de r Nationalsozialismus nich t genu g habe n konnte , impliziert e ein ungewöhnliches Ma ß an Toleranz gegenüber vielem, wa s de m Rechtsstaat un d de m Völkerrecht s diametra l gegenübersteht . Korruptio n wa r ei n Alltagsphänomen i m Nationalsozialismus . Un d ebens o di e Deckun g de s korrupten Kameraden . Strafvereitelun g i m Amt gal t de m »alte n Kämpfer « als »selbstverständlich e Fürsorgepflicht«. 257 Missverstande n allerding s sin d Korruption un d kameradschaftlich e »Rückendeckung« , wen n ma n si e i n den Kategorie n eine r »verquere n Moral « un d »moralische r Abstumpfung « oder al s Verlus t moralische n Halt s un d moralische r Bindunge n interpre tiert.258 Wa s verlore n gin g un d verlore n gehe n sollte , wa r di e u m Mitlei d und »Humanität« kreisend e Mora l de s Gewissens. Aber der Nationalsozialismus ersetzt e dies e innengeleitet e Mora l durc h di e außengeleitet e Moral , die nicht auf das Gewissen hört, sondern die Beschämung durch die Gruppe zu vermeiden trachtet, koste was wolle. Sie war keineswegs nur von Zwang und Terro r durchsetzt , sonder n gewährt e dem , de r mitmachte , di e Gebor genheit der Gemeinschaft. Diese Mora l wa r kein e Erfindun g de r Nationalsozialisten . Kamerad schaft entfaltet e i n Deutschlan d nac h 191 8 deswege n ein e s o ungeheur e lager-, generationen - un d geschlechterübergreifend e Attraktivität , wei l si e vielfältig auszudeute n war . Si e vereint e Exklusivitä t un d Integration , Sub version und Autorität, Egalität und Hierarchie, Männlichkeit un d Weiblichkeit, Fürsorg e un d Terror, Zärtlichkei t un d Zwang, Geborgenhei t un d Gewalt, Frieden und Krieg. Dies e Ambivalenz war nach 191 8 Ausgangspunkt eines Streits um die richtige Semanti k un d Erinnerung gewesen . 193 0 wurde er zugunsten de r autoritären, zwanghafte n un d bellizistischen Element e entschieden. Kameradschaf t leitet e nu n ein e Kultu r de r Scha m an , i n de r das Denken , Fühle n un d Handel n i n Kategorie n individuelle r Lebensfüh rung und persönlicher Verantwortung abgelös t war vom Diktat einer Moral, die nur erlaubte, was dem physischen Erhalt , dem sozialen Lebe n und dem Prestige der eigenen Gruppe dienlich war. Solche Glorifizierung de r Kameradschaft un d der von ihr transportierten Schamkultur wa r kei n Spezifiku m de r deutsche n Auseinandersetzun g mi t dem Erb e de s Erste n Weltkrieges . Kameradschaf t is t vielmeh r ei n Leit motiv aller modernen Veteranenkultur, s o wie der Gruppenzwang de r mili256 Weber , Wirtschaft, S. 254. 257 Bajohr , S. 152, vgl. ebd. S. 148-175. 258 Di e Beispiele fü r dies e i n der NS-Forschung verbreitet e Distanzierungsstrategi e reiche n von Kelman bis Hans Mommsen (Kameraderie, ode r ders., Realisierung, S . 383; ähnlich Bajohr, u.a. S. 135, 164). Dagegen zurecht Koonz, Conscience, S. 4ff.; m.E . bedürfte der dort verwendete Gewissensbegriff allerdings der schamkulturellen Präzisierung .

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tärischen Tugen d de r Kameradschaf t inhären t is t un d auc h sei n soll-i n Deutschland wi e i n anderen Länder n vo r dem Ersten Weltkrieg un d bis in die Gegenwart hinein. 259 Charakteristisch fü r di e deutsche Geschicht e nac h dem Erste n Weltkrie g war , das s Kameradschaf t i n de n zwanzige r Jahre n eine Bedeutungsausdehnun g wei t übe r da s Militä r hinau s erfuhr , dan n i n dieser umfassenden Bedeutun g in vielen zivilen Bereichen vergesellschafte t und schließlic h sei t 193 3 verstaatlich t wurde . Ei n Pendant dafü r gib t e s in vergleichbaren Industrienationen des 20. Jahrhunderts nicht. Der Staa t de r Kamerade n macht e i n de n dreißige r Jahre n de n bis dahi n wogenden Strei t um die Kameradschaft obsolet . Aber die unterschiedliche n Lehren, die die Deutschen aus dem Kameradschaftsmythos gezoge n hatten, waren damit nicht vergessen. Das kulturelle Archiv der Deutschen bewahrte die Kameradschaft al s Leitbild de s Friedens zwischen Gegner n ebenso wie die subversive Deutung der Kameradschaft. De r Kameradschaftsmythos bot allemal seh r verschiedenen Weltsichte n kulturell e Heimat. Das machte sein dynamisches Element aus; er schrieb keineswegs fest, wie sich die deutsche Gesellschaft entwickel n un d wi e sic h ih r nächste r Krie g gestalte n würde . Welche Moral sic h die Soldaten i n der Praxis des Krieges zu eigen machen würden, entschieden weder der Mythos noch der Staat, sondern die Praxis.

259 Vgl . z.B. zu Frankreich Prost; z u England Bourke, Dismembering .

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Zweiter Teil Kriegerische Volksgemeinschaft und verbrecherischer Krieg 1939-1945

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III. Einsamkeit in der Zwangsgemeinschaft 1. Deckung und Denunziatio n Oberleutnant zu r Se e Oska r Kusch war kei n Außenseite r unte r den Kameraden. E r las gerne , und gelegentlich zo g e r sic h zurück, u m seinen künst lerischen Neigungen zu frönen. Aber bei den Vorgesetzten galt er als hervorragender Soldat , un d sein e Mannschaf t schätzt e de n U-Boot-Komman danten al s verantwortungsbewusste n Chef . Si e fühlte n sic h unte r seine r Führung sicher, soweit das auf einem im Kriegseinsatz befindlichen U-Boo t möglich war . E r war fü r si e de r »geboren e Kamerad«. 1 Un d auc h Kusc h vertraute au f di e Kameradschaf t seine r Männer , als o darauf , das s si e au f den of t monatelange n Feindfahrte n trot z nervenaufreibende r Todesgefah r und bedrückende r Eng e reibungslo s funktionierten , das s sic h nieman d ›drückte‹, sonder n wi e überal l i m Militä r stet s au f Poste n wa r un d »mit machte«.2 Dieser Zusammenhal t hatt e sic h i m militärische n Allta g un d i n todes nahen Grenzsituationen bewährt. Er stand über politisch-weltanschauliche n Differenzen. S o erwartete e s Kusch. Das jedoch wurd e ih m zum Verhäng nis. A m 26 . Janua r verurteilt e ei n Kiele r Kriegsgerich t ih n »wege n fort gesetzter Zersetzun g de r Wehrkraf t un d wege n Abhören s vo n Auslands sendern« zum Tode, und am 12 . Mai wurde das Todesurteil vollstreckt. Das Gericht sah es als erwiesen an , dass Kusch bei der Übernahme seines Bootes »U 154 « i m März 194 3 demonstrativ da s in der Offiziersmesse hängen de Führerbild hatt e entfernen lasse n un d dabei bemerk t habe : »Wi r betrei ben hier keinen Götzendienst« . Weiterhi n legt e ma n ih m zur Last , das s er sich i n der Offiziersmesse un d gegenüber de n Mannschafte n i n »zu m Tei l hochverräterischer« Weis e gege n di e nationalsozialistisch e Regierung , di e Partei un d de n Führe r geäußer t habe . Hitle r hab e e r al s »wahnsinnige n Utopisten« bezeichnet , de r de n Krie g vo m Zaun gebroche n hätte . Nur ein Sturz Hitlers und die Ablösung de s Führerstaats durc h eine Militärdiktatu r hätte, so Kuschs Äußerung nac h der Auffassung de s Gerichts, Deutschland noch retten können; an den Endsieg zu glauben, habe er für Unsinn erklärt .

1 Walle , S. 47, vgl. ebd. S. 30, 35f. u.ö.; zum Folgenden Kühne, Vertrauen, S. 245ff. 2 Vgl . Hess, Männer, S. 48, 51, 59 und 62 (Zitat), 71 u.ö.; Schröder, Jahre, 356-358.

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Außerdem habe er regimefeindliche Witz e verbreitet und die illegalerweis e abgehörten ausländischen Nachrichten zustimmend kommentiert. 3 Wie war es zu dieser Katastrophe gekommen? Als Sohn eines Versicherungsdirektors un d Freimaurers 191 8 in Berlin gebore n un d in einer nationalliberal orientierte n Famili e aufgewachsen , hatt e sich Kusch in der Deutschen Freischar , be i de n Pfadfinder n un d i n Zirkel n engagiert , di e Stefa n George un d humanistisch e Denke r verehrten . Dies e Kreis e führte n sei t 1933 trot z ihre r Gleichschaltun g ei n Eigenlebe n i n de r HJ . Mitt e de r dreißiger Jahr e abe r wurde dies e vo n den »bündische n Umtrieben « gesäu bert. Kuschs Gruppenführer, ei n Berliner Arzt, wurde im Sommer 193 7 ins Konzentrationslager Sachsenhause n eingewiesen . Kusc h selbs t macht e da s Abitur un d tra t nac h de m Arbeitsdiens t al s Seeoffiziersanwärte r i n di e Kriegsmarine ein. Wie viele andere suchte er in der Wehrmacht nach einem Ausweg au s de m Zwiespal t zwische n bündisc h geprägte r Gemeinschafts sehnsucht und dem Terror der NS-Volksgemeinschaft . Im Militä r fühlt e sic h de r sportlich e Jugendführe r un d Soh n eine s Kriegsfreiwilligen de s Erste n Weltkriege s zuhaus e un d macht e rasc h Kar riere. 193 9 zum Leutnan t zu r Se e befördert, erhiel t e r im Juni 194 1 al s II. Wachoffizier sei n erstes Bordkommando auf »U 103« , im September wurde er zum Oberleutnant zur See befördert, bekam das EK II, ein Drei Vierteljahr später da s E K I. Anfang 1943 , als spektakulär e Versenkungserfolg e kau m mehr möglic h waren , übernah m e r da s Kommand o vo n » U 154« , eine m Boot mi t eingefahrene r Besatzung . Mi t de n knap p fünfzi g Unteroffiziere n und Mannschaften hatt e Kusc h keine Problem e - trot z seiner Eigenheiten , seiner Gegnerschaf t gege n da s NS-Regime, seine n pessimistischen Kriegs prognosen un d manche r andere r Schrulle n wi e de r Vorlieb e fü r di e eng lische Sprache. Zunächst kam er auch mit zwei politisch anders gesonnenen Offizierskameraden zurecht . Der eine war als I. Wachoffizier Kusch s Stellvertreter, Oberleutnan t z.S . de r Reserv e Dr . Ulric h Abel . De r ander e wa r der Leitende Ingenieur des Bootes, Leutnant (Ing.) Kurt Druschel. Abel war Ortsgruppenleiter de r NSDAP in Hamburg gewesen , Drusche l höhere r HJFührer. Beid e ware n miteinande r befreunde t un d sofor t befremde t übe r Kuschs politische Aufsässigkeit . Abe r ei n Dre i Vierteljahr lan g überbrückt e eine »Atmosphär e eine s kameradschaftliche n Zusammenhalts « di e politi schen Gegensätze . Abe l un d Drusche l verbuchte n Kusch s Ansichte n i n dieser Zeit als »private Spinnereien«. 4 Schon früher , au f einem andere n Boot , war Kusc h mit einem überzeug ten Nazi aneinandergeraten, ohne denunziert worden zu sein. Kusch hatte in 3 Nac h de r Urteilsbegründun g vo m 31 . Jan. 194 4 , be i Walle , S . 370-378. Zum Folgenden ebd., bes. S. 38-88, basierend größtenteils auf Zeugenaussagen nach 1945. 4 Ebd. , S. 52.

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der Wehrmacht , möglicherweis e scho n i m Arbeitsdiens t un d i n de r HJ , gelernt, das s e r au s seine r regimekritische n Haltun g i m Kameradenkrei s keinen Heh l z u machen brauchte , sonder n de r sozial e Zusammenhal t übe r ideologische Gegensätz e hinweg gewahr t blieb. Er hatte also die Erfahrun g gemacht, das s Vertraue n i n di e Verschwiegenhei t de r Kameradschaf t Si cherheit i n der Unsicherheit de s terroristischen Regime s bot, aber auch ein Gegengewicht gege n di e allgegenwärtige n Gefahre n de s kriegerische n Berufes bildete . Kusc h glaubt e sogar , das s e r dieses Vertraue n i m Grunde jedem Wehrmacht - ode r zumindes t Marineangehörige n entgegenbringe n durfte. Zumindes t i n der Marine, lie ß e r einen z u Besuch au f seinem Boo t befindlichen Heeresangehörige n wissen , se i di e Denunziatio n eine s Hitlergegners undenkbar. »Jeder Vorgesetzt e werfe eine Meldung, die einen Hitlergegner denunziert , i n den Papierkorb, in den sie gehöre und verpasse dem Denunzianten einen ›Anschiss‹.« 5 Kusch wog sich in trügerischer Sicherheit . Gerade einer seiner nazistisch gesonnenen Offizier e denunziert e ihn . Unbegründe t wa r di e Sicherheit , i n der e r sic h wog , dennoc h nicht . Nac h 194 5 wurd e sei n Fal l erneu t aufge rollt; sei n Vater strebte die Rehabilitierung de s Sohnes an. In den Gerichtsverhandlungen un d öffentlichen Debatte n u m den Fall Kusc h bestand kei n Zweifel daran , das s die Denunziatio n eine s fachlic h unbescholtene n Kom mandanten durc h sein e Offizier e mi t de n militärische n Werte n nich t z u vereinbaren war . Si e gal t al s »ungeheuerlicher « Versto ß gege n ein e de r ›heiligen‹, fü r überzeitlic h gehaltene n Soldatentugende n - di e Kamerad schaft.6 Auc h a n Bor d andere r U-Boot e konnte , s o di e Nachkriegsauffas sung, spätesten s i n de r zweite n Kriegshälfte , »offe n übe r di e militärisch e und politische Lag e Deutschland s gesproche n werde n [...] , ohn e dass auch nur einer de r Beteiligte n au f die Ide e gekomme n wäre , die s a n die vorge setzte Dienststelle oder an die Partei-Dienststelle zu melden.« 7 Der Fal l Kusc h kreist e u m da s Them a diese s Buches : Wa s bedeutet e Kameradschaft fü r di e deutsche n Soldate n de s Zweiten Weltkrieges ? Wa s verstanden si e unter diesem Ideal, und wie setzte n sie es in die soziale Praxis um ? Welch e Bedeutun g hatt e di e wi e imme r auc h verstanden e Kame radschaft fü r den Zusammenhalt de r Wehrmacht und der deutschen Gesell schaft i m Krieg ? Offensichtlic h ga b e s unterschiedlich e Kameradschafts verständnisse - ei n unpolitische s be i Kusc h un d de n Befürworter n seine r Rehabilitation nac h de m Krieg , ei n dezidier t politisches , au f di e NS 5 Ebd. , S. 75, eidesstattliche Erklärun g eine s an Bor d vo n U 15 4 befindlichen Stabsarzte s vo n 1946. 6 Ebd. , S. 93, Stellungnahme eine s früheren Offizierskamerade n vo n Kusch von 1973 . 7 Ebd. , S . 37, Aussage eine s Freunde s vo n Kusc h i m Rahme n eine s Rehabilitationsverfahren s 1948.

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Volksgemeinschaft bezogene s bei seinen Denunzianten. Wie verhielten sich beide zueinander? Als Kusch rehabilitiert werden sollte, stilisierte ma n seinen Fall zu einer Ausnahme vo n de r Rege l kameradschaftliche r Deckun g politische r Dissi denten i n Hitler s Wehrmacht . Diese s Urtei l wa r keinesweg s au s de r Luf t gegriffen. Zwa r wa r de r kameradschaftlich e Zusammenhal t de r Soldate n nicht gerade, wie es nach dem Krieg oft hieß, ein »Hort der Freiheit«. Aber er bot doch oft einen »Schutzraum vor persönlich-politischen Angriffen von außen«.8 In manchen Wehrmachteinheiten genosse n sogar jüdische und vor allem »halbjüdische « Soldate n Schut z vo r de r Rassenpolitik. 9 Abe r da s waren seltene Fälle. Häufiger dagege n waren Erfahrungen vo n der Art, wie sie der mit einer Jüdin verheiratete und der Inneren Emigration verbundene Schriftsteller Joche n Kleppe r al s Heeresgefreite r nac h de m Gedankenaus tausch mi t eine m SA-Man n a n de r Ostfron t 194 1 bilanzierte . De n NSDissidenten beeindruckte , das s »deutsch e Männe r sich « i n der Wehrmach t »noch einmal abseit s des ganzen Parteikomplexe s begegnen«. 10 Un d dieser politischen Indifferen z entsprac h auc h di e Deckun g kleinere r Verstöß e gegen di e gefordert e Regimetreue . Helmu t Schmidt , de r später e Bundes kanzler, handelte sich eine Anzeige wegen Wehrkraftzersetzung ein , weil er über Görin g un d »di e Braunen « geläster t hatte . Abe r sein e Vorgesetzten , »gute älter e Kameraden« , wusste n da s Verfahre n abzuwürgen , inde m si e ihn versetzten." De r aus eine m NS-kritische n Elternhau s stammend e Dir k Heinrichs ließ sich 194 4 auf einem Lehrgang fü r Reserveoffiziersbewerbe r in eine m Aufsat z übe r di e geringe n Siegeschance n Deutschland s aus . Darauf befahl ih n sei n Feldwebe l i n sein e Stube , zog di e Pistole , legt e si e auf den Tisch , sagte : »Si e könne n sic h erschießen« , un d machte de m verwirrten Heinrich s klar, dass er an die Wand gestellt würde, wenn sein Aufsatz be i de m nationalsozialistische n Lehrgangsleite r landete . Heinrich s erhielt Gelegenheit , eine n neuen zu schreiben. 12 Solch e Deckungskamerad schaft schützt e mitunter auc h dezidierte Regimegegne r wi e Frit z Erler, der 1938 al s Wehrpflichtige r Rückendeckun g vo n seine m Kompanieche f er hielt, al s die Gestapo seine Zugehörigkeit z u einer Widerstandsgruppe auf zudecken drohte.13

8 Hess , Männer, S. 48. 9 Rigg , bes. S. 116ff. Vgl. Brückner, dazu weiter unten. 10 Klepper , S . 131, 157; vgl. Böll, Briefe , S . 662, 687, 740; Buchbender/Sterz, S. 117; Stieff, S. 173 mit Anm. 12; Alvensleben, S. 153ff., 181 , 211; Heinrichs, Hosenfeld, S. 78. 11 Schmidt , Rückblick, S. 232. 12 Brieflich e Mitteilung von Dirk Heinrichs an den Verfasser am 17.7.99. 13 Söl l I, S. 50f.; vgl . Kuby, Krieg, S. 342, 348, 350-352.

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Die politische Redefreiheit i m Kameradenkreis ist vielfach bezeugt. 14 Als militärische Umsetzun g de s aufklärerische n Toleranzideal s wär e si e miss verstanden. Nich t um Liberalität gin g es , sonder n u m Zusammenhalt trot z innerer Konflikte. Politisch e Differenze n ebens o wie persönliche Animosi täten wurden gern ironisch, sarkastisc h un d spöttelnd ausgetragen. Wer aus der Rolle fiel, hatt e es immer schwer, auch wenn ihm nicht gleich de r Heilige Geis t erschien . Frit z Farnbache r wa r al s Leutnan t u m ei n gute s Ver hältnis z u seine n Kamerade n bemüht , abe r al s zeitweilige r Abstinenzler , praktizierender Protestan t un d eifrige r Tagebuchschreibe r dennoc h de m Spott seine r Offizierskamerade n ausgesetzt . Wen n »sic h alle s nacheinan der« zutrank , musst e er die frotzelnde Frag e ertragen, »wa s ic h denn überhaupt vom Leben habe«. »Sei n Tagebuch « spöttelte n di e Kameraden. Von weniger gottesfurchtigen Kameraden , zumal den Nationalsozialisten, wurd e er gerne als »Frömmler« betitelt - vo r und hinter seinem Rücken. 15 Wer einen Kameraden verhöhnte oder lächerlich machte, versuchte seine eigene Positio n innerhal b de r Gruppe zu befestigen. We r dabei de n kürzeren zog , wa r kau m glücklich. 16 E s galt , sic h nicht s anmerke n z u lassen , sondern di e Erniedrigun g ›wegzustecken‹ . We r de n Spot t de r andere n er trug, hatt e scho n hal b gewonnen , gehört e scho n wiede r dazu . Da s wusst e auch Farnbacher , de r e s be i ander s verteilte n Rolle n durchau s genoss , z u den Lästerern zu gehören.17 Spott und Frotzelei mochten sich an den großen Fragen de r Politik und Religion, a n der Einschätzung de r Kriegsaussichte n oder a n persönliche n Schrulle n entzünden . Imme r abe r ware n si e etwa s ganz andere s al s di e Denunziatio n eine s Kameraden . We r frotzelte , nutzt e eine - zuma l ›unte r Männern ‹ anerkannt e - Möglichkeit , persönlich e ode r sachliche Differenze n zu r Sprach e z u bringen , ohn e doc h de n Konflik t eskalieren z u lassen. 18 Spötteleie n un d Frotzeleien gehörte n z u einer meis t unbewussten Kommunikationsstrategie , di e nich t au f di e Zerstörung , son dern auf die Wahrung des Gruppenzusammenhalts zielte. Eben darum ging e s bei der Deckungskameradschaft. Si e gehörte zu den unverzichtbaren Elemente n eine r Sozialkultur , di e vo n de r Aur a de r Ver schwiegenheit un d des Geheimnisses lebte . De r Obergefreite Fran z Ehlers musste beim Wacheschieben wegschauen , wen n sein e Kamerade n Lebens mittel i n eine m Verpflegungsbunke r »organisierten« . Ehler s droht e di e 14 Kießling , S . 54f.; Bremer , S . 40; Prahm, S . 19f . 15 Tagebuc h Farnbacher , 18.10.41 , 4.3.42 , 22.5.4 2 u.ö. , ebd. , Einleitung , S . 54; vgl . Sager , S. 119 . 16 »Wen n gelegentlich e Seitenhieb e au f Kamerade n daz u dienen , sein e eigen e Überlegenhei t herauszustellen, dan n ist es auch eine merkwürdige Sache. « Tagebuc h Farnbacher , 8.3.42 . 17 Tagebuc h Farnbacher , 5.8.41 , übe r ein e »klein e Lästerversammlung « unte r Offizieren, »i n der manch einer hergenommen wird . Aber das ist schön und macht Laune. « 18 Vgl . allgemein auc h Keppler, bes. S. 122-129 .

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Todesstrafe fü r diese Kameradschaftshilfe. Abe r »man muss ja mitmachen , man kann ja niemande n i n die Pfanne hauen.« 19 Di e Bereitschaft zu m Mitmachen beim Verbotenen wa r ei n Tes t auf die Kameradschaftlichkeit . Ka merad wa r der , de r da s sozial e Lebe n de r Grupp e unterstützt e ode r be schützte. Di e Vertuschun g vo n Verfehlungen , di e Deckun g politische r Dissidenten, da s Spiel mi t dem Verbotenen ka m nicht nur dem Delinquenten zugute , sonder n auc h de r Gruppe , di e sic h s o al s »verschworen e Ge meinschaft« konstituierte . Mit der Rückendeckung seine r Kameraden konnte selbst ein Soldat rechnen, de r i m Verdach t de r Fahnenfluch t stand , vorausgesetzt , e r gal t al s »guter Kamerad«, wen n er also sein e Bereitschaft, mitzumachen , bewiese n hatte. Solch einer war Edi Müller, ei n Kamerad von Dieter Wellershoff i m letzten Kriegsjahr an der Front in Ostpreußen. Er war »ordnungsgemäß mit dienstlicher Erlaubni s zum Tross gegangen, um sich sein e Stiefe l besohle n zu lassen , vo n dort aber nicht meh r zurückgekommen, obwoh l e s nur eine Entfernung vo n etwa vie r Kilometern war . Wi r rätselten, was passiert war . [...] Da s war unerlaubte Entfernun g vo n der Truppe. Und wenn er nicht in kurzer Zei t zurückkehrte , wa r e s Fahnenflucht. « Wellershof f un d sein e Kameraden wussten , das s si e sic h strafba r machten , wen n si e Ed i nich t meldeten. Aber sie sahen in ihm keinen Verräter, sondern »glaubten an Edis Leichtsinn un d a n sein e Phantasien« . »Un d ein e heimlich e Solidaritä t mi t diesem Verrückten hielt uns davon ab, den Vorfall z u melden.« Tatsächlic h kam Ed i bald zurüc k un d erwies sic h al s »gute r Kamerad« . E r brachte al s »Beutestück« ein e Seite Speck mit, »die er unter uns verteilte.«20 Fahnenflucht wa r ei n Kapitalverbrechen , Homosexualitä t ei n anderes . Als Klau s Aber g mi t seine r Waffen-SS-Einhei t i n eine m Eisenbahnwago n abends en g zusammenlag , wollt e ei n Oberscharführe r eine m Kamerade n »in di e Hose« . I m Kameradenkrei s blie b da s kei n Geheimnis , abe r jede r wusste, »de n hätte n si e eine n Kop f kürze r gemacht« . De r Täte r wa r ei n »netter Kerl«, den alle mochten. Nach einer kurzen Beratung verwarnte die Gruppe ihre n homosexuelle n Kameraden , sic h i n Zukunf t zusammenzu reißen, »dann ist Schwamm drüber«. 21 Wa s in der Waffen-SS möglic h war, wäre auch in der Wehrmacht ohne weiteres denkbar gewesen. Der Geschlechtsverkehr mit andersrassigen Frauen war deutschen Solda ten stren g verboten . Praktizier t wurd e di e »Rassenschande « gleichwohl . Wie di e Repräsentante n einige r Waffen-SS-Divisione n au f eine r SS Richtertagung i m Ma i 194 3 erklärten , hielte n di e Soldate n sic h a n diese s Verbot nicht . Auc h di e Truppenkommandeur e duldete n Verstöß e i n de r 19 Schröder , Jahre, S. 350. 20 Wellershoff , S . 188. 21 Intervie w Aberg .

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Regel nich t nu r stillschweigend , sonder n beteiligte n sic h teilweis e selbs t daran.22 De r Zeithistorike r Han s Buchhei m ha t solch e Vorkommniss e i n seinem Gutachte n fü r de n Auschwitz-Prozes s 196 4 eine r »Tenden z zu r milderen Praxis « zugeordnet . Si e habe in der SS »di e Apotheos e der Härte und de s Rigorismu s de s offizielle n Selbstverständnisse s neutralisiert . Gegenüber anderen war jede Härte recht, untereinander sah man die Schwächen nach« . Buchhei m bracht e dies e »Tendenz « au f den Begrif f de r »Ka meraderie«, di e im militärischen Diskur s als pathologische, ›böse ‹ Variant e der ›guten ‹ Kameradschaf t firmiert : »Währen d Kameradschaf t bedeutet , dass Mensche n zueinanderhalte n un d füreinande r einstehen , heiß t Kameraderie, das s si e untereinande r nich t meh r die Würd e de r Eigenstän digkeit achten , sic h dafü r abe r gegenseitig Zugeständniss e machen . Unte r Berufung au f di e ›Kameradschaft ‹ konzedier t ma n einande r imme r meh r Schwächen, deckt wechselseitig Verfehlungen, vertuscht gemeinsames Versagen gegenübe r Vorgesetzte n un d Außenstehenden. Da s alles abe r behält den Schei n soldatische r Tugend , wei l e s sic h al s treue s Zusammenhalte n und wechselseitiges Füreinander-Einstehe n deute n lässt. « Tatsächlic h aber , so Buchheim , sink e da s »gemeinsam e moralisch e Nivea u meh r un d meh r ab, ohne dass man sich dessen recht bewusst wird.« 23 Dieser Versuch , da s schillernd e Phänome n Kameradschaf t au f de n Be griff z u bringen , is t ei n eindrückliche s Dokumen t fü r di e Verstrickun g historischer Analyse in den diskursiven Horizont der historischen Akteure. 24 Dabei erfasst e Buchhei m di e psychische Seit e de r Kameradschaft un d Kameraderie durchaus zutreffend. Kei n »geistig un d seelisch normal veranlagter Mensch« konnt e mi t de m rigoristischen Härte-Postula t de r S S (und , so wäre z u ergänzen , de s soldatische n Männlichkeitskult s de r NS-Zei t über haupt) leben. Das war auch den NS- und SS-Größen klar. Hans Frank wies die Polizeiorgan e seine s Generalgouvernement s 194 0 an , »ein e gewiss e Rücksichtnahme au f di e physisch e Situation « de r mi t de r Ermordun g de r polnischen Intelligen z betraute n Beamte n un d SS-Männe r walte n z u las sen.25 Wer tagtäglich beim Völkermord oder auch nur bei regulären Kampfhandlungen Härt e bewies, durfte auc h einma l Urlau b vom Härte-Kult nehmen, um ihm danach erneut gerecht werden zu können. Buchheims Formel von der »Tendenz zur milderen Praxis« umschrieb nur jenes Spannungsver hältnis zwische n Härt e un d Weichheit , vo n de m de r kriegerisch e Ge schlechterdiskurs lebte.

22 Buchheim , Befehl, S. 259f. 23 Buchheim , Befehl, S. 257f. 24 Mein e frühere Bezugnahme darauf ist revisionsbedürftig, Kühne, Kameradschaft, S. 520. 25 Buchheim , Befehl, S. 227f.

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Aber die s is t auc h de r Punkt , a n de m di e Grenze n de r Buchheimsche n Analyse offenba r werden . Di e »Tenden z zu r mildere n Praxis « wa r kei n Residuum de r böse n ›Kameraderie‹ , sonder n da s Signu m alle r Kamerad schaft.26 Ihr e weiche n un d harte n Element e lasse n sic h nich t auseinande r dividieren. Stets waren beide Seiten aufeinander bezogen, und stets bestand ihre soziale Funktio n darin , Zusammengehörigkeitsgefühl z u erzeugen und zu verstärken . Di e »Tenden z zu r mildere n Praxis « wirkt e vergemein schaftend wie aller kollektive Normbruch, die kleinen und großen Verstöße gegen da s Militärstrafrecht, di e Geheimnisse , di e symbolisch e Subversion , die der NS-Dissident al s Soldat durch seine Rede oder sein Handeln unternahm. Alles stiftete Zusammenhalt , weil all e Gemeinschaft vo n der Grenzziehung nach außen - gegenübe r dem oder den Anderen - lebt . Das Andere konnten da s Militärstrafrech t ode r di e bürgerlich e Sexualmora l sein , di e Anderen die militärischen Vorgesetzten oder die Ehefrauen zuhause. Kamerad war immer der, mit dem »man auch mal was ausfressen konnte«. 27 Was man gemeinsa m ausfraß , wa r de m Zufal l überlassen . Hie r mocht e e s de r Bordellbesuch ode r da s Frauenabenteuer , möglicherweis e auc h di e Verge waltigung sein , dor t der kleine Tor t am unbeliebten Vorgesetzte n ode r der Dienst nac h Vorschrift , woander s di e Deckun g de r politisc h subversive n Rede oder die gemeinschaftliche Plünderung. 28 Di e Gemeinschaft konstitu ierte sich im Normbruch, im kleinen Vergehen oder im großen Verbrechen. Keine Kampfkraft ohn e sozialen Zusammenhalt. Daher war ein gewisses Maß an Dispens von Moral, Recht und Disziplin unverzichtbares Elixier der »totalen Institution « Militä r (Goffman) , di e s o tota l nich t war . Abe r de r geduldete Dispens hatte Grenzen. Im traditionellen, sic h unpolitisch gebenden Militär waren sie erreicht, wenn die Kampfbereitschaft i n Frage gestellt war, als o i m Fall de r Meuterei, de r Fahnenflucht, de s Hoch- und des Landesverrats. Mi t de m Delikt de r Wehrkraftzersetzung zo g de r NS-Staat de n Radius des in Kauf genommen Normbruchs so eng, das s selbst überzeugt e Verfechter de r NS-Justiz sic h genötigt sahen , vor der völligen Aushöhlun g

26 Di e moralisierende Tendenz der Deutung Buchheims zeigt sich u.a. auch darin, dass er die »Kameraderie« vo r alle m i n jenen SS-Einheite n lokalisierte , dene n e s »a n echte m militärische n Einsatz fehlte« , als o insbesonder e den KZ-Wachmannschaften . De m widersprich t jedoch gerad e der zentrale Beleg, mit dem Buchheim seine These von der Tendenz zur milderen Praxis illustriert, nämlich di e - weite r obe n i m Tex t erwähnt e - Missachtun g de s Verbot s de r »Rassenschande « auch durc h ausgesprochen e Frontdivisione n de r Waffen-S S wi e di e »Leibstandarte « ode r »Da s Reich« (Buchheim, Befehl, S. 258f) . 27 Tagebuc h Modersen, siehe oben. 28 Vgl . z.B. ΒΑ-ZNS, W 11/ P 216, W 11/ P 201, W l 1/P 44 usw.- Das s bei Plünderungsdelikten of t au s eine m »Kameradschaftsgefühl « herau s gehandel t wurde , stimmt e di e Richte r allema l nachsichtig. Z u Gruppenvergewaltigunge n Beck, Wehrmacht , S . 166-325 , bes . S . 236ff., zude m Gertjej'aussen generell zur sexuellen Gewalt, auch zu Wehrmachtbordellen.

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der Kameradschaft al s dem Kitt der Kampfgemeinschaft z u warnen. 29 Dass diese Gefah r dennoc h i n Kau f genomme n wurd e un d Wehrkraftzersetze r drakonisch bestraf t wurden , erklär t sic h vor dem Hintergrund de s Traumas von 1918. Im Spätsommer 194 3 griff innerhalb der Stabskompanie der zunächst im Raum vo n Orel, dan n weiter südlic h stationierte n Sturm-Panzer-Abteilun g 216 ein e Konspiratio n Platz , di e da s Reichskriegsgerich t späte r a n da s »trübste« Kapite l de r deutschen Militärgeschicht e i m Jahr 191 8 erinnerte. 30 Tatsächlich hatte n zwei Soldate n diese r Einhei t einen Arbeiter- und Soldatenrat in s Lebe n gerufe n un d schwarz e Liste n de r Vorgesetzte n angelegt , denen si e be i de r Revolt e di e Rangzeiche n abreiße n wollten . Gegenübe r einem Dritte n äußert e eine r de r Rädelsführer , nac h de m Zusammenbruc h werde e r dafü r sorgen , das s de r Kompanieführe r al s Latrinenbaue r ode r Putzer eingesetzt würde. Im Oktober kam es zu einem Saufgelag e mi t weiteren Kameraden. Ein Flugblatt des Nationalkomitees »Freies Deutschland« kursierte, ma n tauft e de n Soldatenra t au f de n Name n diese s Komitees , ernannte eine n Präsidenten , san g da s kommunistische Kampflie d »Brüder , zur Sonne , zu r Freiheit « un d erklärt e e s zu m offizielle n Vereinslied . Di e subversive Stimmun g kulminiert e i n de r Verbrennun g eine s Führerbildes . In den folgenden Tage n kooptierte das alkoholisierte Komite e weitere Mit glieder, Anfan g Novembe r wurd e be i eine m de r Saufabende , z u de m man russische un d ukrainisch e Fraue n ›geladen ‹ hatte , erneu t ei n Führerbil d zerstört. Ei n Stabsgefreite r lie ß sic h vo n seine n Kamerade n daz u an stacheln, darau f z u schießen . End e November wurd e di e Sach e durc h di e Denunziation eine s de r Beteiligte n ruchbar ; da s Komite e nämlic h pflegt e ein exklusives Aufnahmeritual, de m nicht jeder gerecht wurde. Einer davon rächte sich und denunzierte die subversive Gruppe. Das Reichskriegsgericht verurteilte 194 4 el f Soldate n wege n Kriegs- , Hoch- und Landesverrat zu m Tode, vier weitere zu Gefängnis- und Zuchthausstrafen. »Es entwickel t sic h i n unsere n Reihe n ei n Denunziantentu m abscheu lichster Art« , stellt e Han s Schol l i m Februa r 194 2 al s Angehörige r eine r Kompanie vo n Medizinstudente n fest . Si e hatte n sic h übe r einen national sozialistischen Professor mokiert und sahen sich vors Kriegsgericht gestellt . Hans Schol l ka m zwa r diese r vergleichsweis e harmlose n »Sache « noc h glimpflich heraus . Verhaftet, verurteil t un d hingerichtet wurd e er erst nach der Verteilun g de r berühmte n regimefeindliche n Flugblätte r i m Jah r darauf.31 Sein e Diagnos e jedoch beschrie b di e Tenden z zutreffend . Insge 29 Wüllner , NS-Militärjustiz , S . 504; Paul , Soldaten , S . 60; Dörner , Krieg , S . 11lf . Sieh e oben, Kap. II/5. 30 Di e Urteile bei Wüllner, Tod, S. 59-86, auch zum Folgenden. 31 Scholl/Scholl , S. 99, vgl. ebd. S. 98 u. 324f.

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samt urteilten Wehrmachtrichte r 30.00 0 bis 40.000 Personen wegen Wehr kraftzersetzung ab . In Gang kamen diese Verfahren meis t durch Denunziationen, denen oft nur beiläufige Unmutsäußerunge n zugrunde lagen. 32 Nicht schon jede politisch renitente Äußerung ode r widerständige Hand lung gelangt e zu r Anzeige . Abe r di e Wirkun g de r Denunziatio n beruht e nicht ers t au f de m Vollzug , sonder n scho n au f de r Furch t davor . Dies e mochte in der alkoholisierten Stimmun g jener Stabseinhei t a n der Ostfron t außer Kraft gesetzt sein. Überlegtere Soldatenkreise waren vorsichtiger. Si e wussten, das s politisch e Unterhaltunge n eine m Stic h in s Wespennes t gleichkamen.33 Misstrauen , di e Angst , ma n könn e sic h mi t eine m falsche n Wort einande r ausliefern , beherrscht e de n soziale n Rau m de s Vertrauens . Richard vo n Weizsäcke r berichte t i n de n Erinnerunge n a n sein e Wehr machtzeit i m aristokratischen LR . 9 von den Gewissensqualen, di e aus der Verehrung »ethische r Maßstäbe « un d de r Verstrickung i n ei n verbrecheri sches Regim e resultierten . Unte r seine n Offizierskamerade n se i darübe r immer wieder gesprochen worden, so auch einmal i n einer Reservestellun g im Osten : »Di e Woge n ginge n hoch , bi s eine r vo n un s i n de r Erregun g seine Pistole zog und auf das Hitlerbild schoss , das dort an der Wand hing. Das war ein gefährlicher Schuss , der aus dem Herzen kam, aber des Schutzes durc h ein e Demonstratio n de r Solidaritä t bedurfte . Deshal b schos s ic h mit meiner Pistol e sofor t hinterher , un d die andere n folgten . Keine r durft e und keiner wollte sic h ausschließen vo n dem was geschehen war und noch hätte folge n können.« 34 De r Denunziatio n un d dami t de r Zerstörun g de r Gruppe beugt e di e gemeinschaftlich e subversiv e Ta t vor , di e jede n Mit wisser zum Mittäter machte. Kameradschaft wa r ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. Oder: Auf die Stellung i m Kameradenkreis ka m es an, wenn man der Denunziation entgehe n wollte. Al s Elma r Rot h 194 3 zu m Arbeitsdiens t kam , ermahnt e ih n de r Führer seiner heimatlichen katholischen Jugendgruppe als erfahrener Solda t nicht nur , de m Glaube n tre u z u bleiben . E r erklärte ih m auch , wi e e r mi t anders gesonnenen Kamerade n auskam : »Alle s ander e läss t man Dir angehen, wen n D u [im ] Kameradschaftsdiens t prim a bist.« 35 Au f di e kamerad schaftliche Deckun g konnte nur der »gute Kamerad« rechnen. Wer das war, entschied jede Gruppe für sich . Was als Gruppeninteresse und was als Einzelinteresse galt , wa r kontingent . Bevorzugte s Opfe r vo n Denunziatione n waren Soldaten, die unter den Kameraden schäl angesehen waren. 36 32 Stehmann , S. 245-247. 33 Alvensleben,S . 157. 34 Weizsäcker , S. 88, vgl. S. 90f.; Fetscher , S. 152-155. 35 Brief e Roth, Constantini an Roth 17.5.43. 36 Vgl . Wüllner , NS-Militärjustiz , S . 523f.; ΒΑ-ZNS, W 11/ P 26, Strafsach e gege n Haupt ­ mann Friedrich Η., Β1. 66f. 122 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35154-4

Auch Kusc h wurde n nich t nu r politisch-ideologisch e Gegensätz e zu m Verhängnis, sonder n persönlich e Rivalitäte n un d ein e »gekränkt e Eitel keit«.37 Abe l denunziert e Kusc h nich t sofort , obwoh l di e Entfernun g de s Hitler-Bildes Handhabe dazu geboten hätte. Er war sechs Jahre älter als sein Vorgesetzter Kusc h un d wartet e au f ei n eigene s Bootskommando . Daz u brauchte e r ein e günstig e Beurteilun g Kuschs . Abe r Kusc h zögert e di e Beförderung durc h schlecht e Beurteilunge n hinaus . E r verletzt e au s de r Perspektive des Untergebenen die kameradschaftliche Fürsorgepflicht . Abe l hielt ein knappes Jahr lang still, im Vertrauen darauf, dass sein Vorgesetzter die Tatsache , das s er ihn nicht verriet , honoriere n un d ihm noch zu eine m Kommando verhelfen würde. Als er sich darin getäuscht sah, rächte er sich. Die Perfidi e de s Tatbestand s de r Wehrkraftzersetzun g bestan d darin , dass nich t di e politisc h oppositionell e Gesinnun g a n sic h unte r Straf e ge stellt war , sonder n ihr e angeblic h sozia l desintegrativ e Wirkung ; »Wehr kraft« wa r nichts anderes als ein Motor der Gemeinschaftsbildung. Da s gilt auch fü r de n Fal l Kusch . Au s de r Perspektiv e seine s Denunziante n wa r Kusch kein gute r Kamerad. Er motivierte di e Denunziatio n ebens o wie di e Militärrichter ih r Todesurtei l mi t de m zersetzende n Einflus s de r Regime kritik au f di e U-Boot-Besatzung , di e Marine , di e Volksgemeinschaft . S o sprach sic h der Denunziant vo m Stigma de r sozialen Destruktio n frei . Tat sächlich zerstört e e r einen intime n un d kampferprobten Sozialverban d un d förderte ei n Klim a de s Misstrauens. Aber da s zählte nicht . Kameradschaf t konnte es , wi e de r Volksgerichtsho f i n seine m Urtei l gege n Kur t Huber , einem Mitglie d de r »Weiße n Rose« , feststellte , i m NS-Staa t nich t gebe n »gegenüber Leuten , die sic h selbs t durch volksfeindliches Handel n au s der Kameradschaft ausschließen . D a gib t e s dan n höher e Verpflichtunge n gegenüber der gesamten Gemeinschaft«. 38 Der Denunzian t firmiert e i m NS-Staa t al s Vorkämpfe r de r große n »Volkskameradschaft«, di e der intimen Band e des persönlichen Vertrauen s nicht bedurfte, weil si e durch rassische Homogenität, Ideologi e und Führerglauben zusammengehalten wurde. Ihre Soldaten waren politische Soldaten, die übe r di e kameradschaftlich e Meinungsfreihei t erhabe n waren , wei l si e sich durc h ideologisch e Gleichförmigkei t definierten . I n de r Wehrmach t gab es gewiss nicht nur solche politischen Soldaten . Wer nicht dazu zählte, fand dan k de r Deckungskameradschaf t ei n leidliche s Auskommen . Abe r seine Freiheit war fragi l un d an die Wahrung de s kameradschaftlichen Ha -

37 Walle , S. 48, Funkmaat des Bootes 194 6 brieflich a n den Vater Kuschs. 38 Urtei l de s Volksgerichtshof s gege n Kur t Hube r v . 28.4.43 , BA-B , N J 1704 , Bd . 7 , hie r Bl. 132 . Diese s Materia l stellt e mi r dankenswerterweis e Detle f Bald , München , zu r Verfügung . Vgl. Bald, Rose .

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bitus gebunden. Wer weder de n guten Kameraden noc h den politisch konformen, nationalsozialistischen Volksgenossen herausstrich, war vogelfrei. 2. Heiliger Geist und Potenzprotzere i »Wer sich bei uns Soldaten aus der Kameradschaft ausschließt, gehört nicht zu un s un d wir d verstoße n un d öffentlic h angepranger t vo r de r ganze n Kompanie, und so solltet Ihr es auch machen«, wies ein Gefreiter i m Frühjahr 194 2 seine Angehörigen zu Hause an. In einem Zeitungsartikel hatte er gelesen, das s sic h einig e Bauer n seine s Heimatdorf s nich t a m Kriegswin terhilfswerk beteilig t hatten . Ob man sic h diese zu Hause »gemerkt« habe , fragte er. Diese »schäbigen Kreaturen« hätten doch »uns Soldaten im Stich« gelassen, »a n Führe r un d Vol k Verra t geübt « un d sic h »au s de r Gemein schaft ausgeschlossen«. 39 Keine Gemeinschaft ohn e die anderen, die »Egoisten « un d Außenseiter. Der Möglichkeiten, mi t dene n Kamerade n Abweichle r zu r Kameradschaf t erzogen un d sic h selbs t vergemeinschafteten , ga b e s viele. Üblic h wa r es , den Außenseiter unter die Dusche zu schleifen, ih m einen Eimer Wasser ins Bett zu schütten, ih n einzuseifen, mi t Schuhcrem e einzuschmiere n ode r zu verprügeln. Kleine Elektrostöße verabreichte man penetranten Schnarchern, wenn di e technische n Voraussetzunge n zu r Verfügun g standen. 40 We r di e Schlamperei un d Unordentlichkeit z u weit trie b und unter den Kamerade n als »Schandfleck « verschriee n war , musst e mit ansehen, wie i n »kamerad schaftlicher Weis e sein e Klamotte n zu m Fenster hinaus« flogen. 41 Al l die s wurde kollekti v ode r incognit o exerziert . De r »Heilig e Geist « wirkt e al s Exekutionsorgan de s Auge s de r Kameraden , da s de r Un-Kamera d nich t verinnerlicht hatte.42 Wen der Stubenälteste, der Spieß, der Gruppen- oder der Zugführer ›au f dem Kicke n hatte , wa r zu m Außenseite r prädestiniert . Ein e symbolisch e Beerdigung wurd e eine m Panzerschütze n zuteil , wei l e r beim Formalexer zieren versagt hatte. Auf Befehl de s Feldwebels musste er sich in ein Schützenloch lege n un d de n Stahlhel m über s Gesich t ziehen . Di e Kamerade n deckten ih n i n seine m Loc h mi t eine m Wellblec h ab , stimmte n da s Lie d »Ich hatt' eine n Kameraden« an , und der Feldwebel schos s drei Platzpatronen übe r de m »Grab « ab . Als de r »Angstmeier « bei m Schieße n versagte , musste er sich mit einer Zigarette hinstellen, die ihm der Feldwebel au s der 39 Buchbender/Sterz , S. 110 . 40 Intervie w ID 78. 41 Erinnerunge n Kurt Kreißler I, S. 33f . 42 Vgl . auc h Schröder , Kasernenzeit , S . 186f. , sowi e ZSt L 11-11 4 A R 1755/61 , Bd . V, Bl. 799-803 .

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Hand zu schießen vorgab. Dass nur Platzpatronen eingesetzt wurden, merkte der Unglücksrabe erst später. Als er einmal mit schmutzigem Hals antrat, befahl ih m sei n Vorgesetzter , sic h z u waschen , wa s di e Kamerade n al s Aufforderung verstanden , de n Schmutzfin k grölen d i n de n Waschraum z u zerren, u m ih n »abzuschrubben« . Einig e Zei t späte r schüttete n si e ih m nachts - de r Feldwebel vorneweg - zwe i Kübel Wasser ins Bett. Ein Gerichtsverfahren gege n den scharfen, aber bei seinen Leuten beliebten Feldwebel, ausgelöst wohl durch eine Anzeige des Gepeinigten, der sich »vor de n Kamerade n blamiert « un d ihre n »Spot t preisgegeben « fühlte , wurde eingestellt. Sein e Kamerade n zeigte n i n ihren Aussagen weni g Ver ständnis fü r de n »Jammerlappen« , de r be i de r kleinste n Zurechtweisun g anfing, »z u zitter n un d z u heulen « un d »nich t meh r mitmache n wollte« . Und die Militärrichte r ware n de r Auffassung, das s derle i »grobe r Scherz « den »unerbittliche n Anforderunge n de s modernen Krieges « a n »brauchba rem Soldatenmaterial « durchau s angemesse n sei. 43 Da s militärisch e Straf recht kannte das Delikt de r Untergebenenmisshandlung. 44 Abe r ein Vorgesetzter, de r mi t seine n Untergebene n au f kameradschaftliche m Fuß e ver kehrte, handelte nicht als Vorgesetzter, wenn er sie verprügelte, sondern als Kamerad. Und eine »Schlägerei unte r Kameraden« gehört e zum Alltag de r militärischen Sozialkultur. 45 Ei n Delikt der Kameradenmisshandlung ga b es nicht, jedenfall s keines , da s de n Außenseite r geschütz t hätte . Das s de r »Kameradenkreis« auc h »mi t de n schärfste n Mitteln « erzieherisc h au f den Nörgler, Störenfrie d un d »Quergänger « einwirkte , begrüßte n di e Militär richter.46 Drei Soldate n de r Kompanie eines i n Russland eingesetzte n Fallschirm jäger-Regiments hatte n Verpflegung un d Zigaretten entwendet, als o Kameradendiebstahl begangen . Diese s Verbreche n hätt e au f de m Gerichtsweg e geahndet werde n müssen . De r Kompaniechef , Oberleutnan t Hans-Geor g Lehmann, entschie d anders . »Ic h stell e dies e Kameradenverbreche r nich t vor ein Gericht , dami t si e abgeurteil t hinte n sitzen , währen d indesse n hie r vorn di e beste n Kamerade n verbluten« , erklärt e e r un d befahl , allerding s verdeckt, drei Oberjägern, die »Verbrecher« hinterrück s zu erschießen. Das Verbrechen wurd e zunächs t al s Feindeinwirkun g getarnt , ka m jedoch an s Licht, weil sich die Oberjäger einem Arzt anvertrauten. Der Anstifter musste sic h vo r Gerich t verantworten . Abe r di e justiziell e Ächtun g blie b i m Ansatz stecken . A m End e gin g de r Täte r de r mörderische n Selbstjusti z 43 Strafsach e gegen Feldwebel Wilhelm J . , 18.5.4 4 u.a., ΒΑ-ZNS, W 11/ M 59. 44 Zs . für Wehrrecht 1936/37 , S. 211-215 . 45 Di e Akten der Militärjustiz sind voll davon, vgl. partes pro toto Feldurteil gegen Uffz. Her bert F. vom 31.5.41, ΒΑ-ZNS, W 11/ M 20, oder Strafsache gegen Gefr. L., ΒΑ-ZNS RW 55/351 . 46 Strafsach e gegen Heizer B., 1937/38 , ΒΑ-ZNS, RM 13/71454 ; desgl. gegen Uffz. J . , 1941 , BA-ZNS,W11/M29.

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nicht nur straffrei aus , sondern setzte seine militärische Karrier e ruhmreic h fort. Lehman n wurd e zwa r vo n eine m Kriegsgerich t i n Smolens k a m 29. Dezember 194 2 zu m Tod e verurteilt . Hitle r al s oberste r Gerichtsher r bestätigte da s Urteil , wandelt e e s abe r au f Vorschla g Göring s sogleic h i n Festungshaft um , di e zu r Frontbewährun g ausgesetz t wurde . Den n Leh mann war ein hoch dekorierter Draufgänger un d überzeugter Nationalsozialist. E r wurde zu r Fallschirm-Panzerdivisio n »Herman n Göring « nac h Ita lien versetzt , schlu g sic h i n de n Abwehrkämpfe n gege n di e Alliierte n mi t »so rückhaltlose m Einsat z seine r Person« , das s e r 194 4 zu m Hauptman n befördert und ihm noch das Ritterkreuz verliehen wurde.47 In der Roll e de s Außenseiter s konnt e sic h jeder wiederfinden , de r sic h der Stimmun g seine r Grupp e nicht anpasst e un d sich gege n di e Zumutung wehrte, das eigene Ic h auf dem Opferaltar de s Wir darzubringen. Wi e dieses Wir seine Regeln und Grenzen verstand, war von der Zusammensetzung der Grupp e un d vo m militärische n Zusammenhan g abhängig , i n de m si e handelte. Ei n bayerische r Schusterjung e erwie s sic h i n eine r vo n ehema ligen Gymnasiaste n un d Studente n beherrschte n Rekrutenkompanie , de r auch de r später e Schriftstelle r Diete r Wellershof f angehörte , al s »völli g unfähig, geisti g un d körperlic h de n Gruppenstandard s z u genügen . Durc h ihn fiel unsere Gruppe ständig auf und handelte sich Strafen und Schikanen ein, wa s i m Grund e ein e Aufforderun g zu r Gruppenjusti z war. « Al s de r Unglücksrabe eine m Kameraden auc h noch ein Stück Wurst klaute, war es soweit. »Nacht s zerrt e ih n di e Grupp e au s de m Bet t un d veranstaltete mi t ihm ein Strafexerzieren , da s keineswegs sanfte r wa r al s mein Strafexerzie ren in der Stube der Unteroffiziere, mi t dem Unterschied, dass er die ganze Gruppe gegen sich hatte und völlig verängstigt war. Anschließend wurde er, weil e r sich nie gründlich wusch , mit rauhem Nachdruck unte r die Dusche gestoßen.«48 Die Lust an der Gewalt, mit denen Kameraden Außenseiter und Sündenböcke misshandelten , wa r kei n Spezifiku m de r militärische n Sozialkultur . Rüpeleien un d Rempeleien gehörte n zu r jugendlichen, in s Mann-Sein ein führende Sozialkultu r wie die Mutproben, die man bestehen musste, um als richtiger »Kerl« z u gelten. Schon in den zwanziger Jahren hatte die bürgerliche Jugendfürsorg e rüd e Integrationspraktike n de r proletarische n Sozial kultur al s Symptom e eine r u m sic h greifende n »Jugendverwahrlosung « diagnostiziert. »Der Führer ist der ›Cliquenbulle‹. Er wird nach dem Prinzip der Tüchtigkeit gewählt, das heißt, er muss ein anerkannter › Schlägen sein , über genug Mut , Gewandthei t un d Kraft verfugen , di e Grupp e zusammen47 Personalakt e Lehmanns , Nr . 19145 , ΒΑ-ZNS, zit . nac h Messerschmidt/Wüllner , S . 175 — 178. 48 WellershoffS . 46.

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halten und sich vor den übrigen Gruppe n behaupten.« Gewal t war ein probater Motor jugendlicher Vergemeinschaftung , nich t obwohl, sonder n wei l sie mit der bürgerlichen Moral brach. Streiche förderten de n Zusammenhalt der Clique . We r daz u gehöre n wollte , musst e sic h de r Mitgliedschaf t fü r würdig erweisen , inde m e r die Fensterscheibe n etw a eine s »alle n Beteilig ten unbekannte n Geistlichen « einwarf , i n Laube n einbrach , einfach e ode r schwere Diebstähle beging - un d so auch die Gewähr bot, die Gruppe nicht zu verraten. 49 Unte r Jugendlichen hie ß »Kameradschaf t halten « vo r allem , nicht z u petzen. 50 Kameradschaf t bildet e de n soziale n Schutzmantel , unte r dem Jugendliche ihr e alltägliche »Unbotmäßigkeit « un d kleine »Lumperei en« planten, ausführten und gegenseitig deckten. Sie brachte den pubertären Freiraum au f de n Begriff , de r vo r de m Zugrif f de r Erwachsene n siche r war.51 Die Apotheos e de r Gewal t i n de r proletarischen Jugendkultu r wa r stet s auch eine Apotheose sexueller Potenz. Was das bedeutete, erlebte der 193 0 geborene Jos t Herman d i n einige n Jugendlager n de r Kinderlandverschi ckung. Dies e Lage r ware n nac h de m Prinzi p de r »totale n Institution « vo n der Außenwelt abgeschnitten. S o bildeten sie ähnlich wie Internate oder die früheren Kadettenschule n luftdicht e Räume , i n dene n Knabengruppe n Männlichkeit un d männlich e Vergesellschaftun g i n kondensierte r For m entwarfen, erprobte n un d exerzierten . E s regiert e physisch e Stärk e un d Gewalt. Mitlei d mi t seine m Gegne r durft e kei n Jung e haben . E r sollte ih n solange in den Schwitzkasten nehmen, bis ihm die Puste ausging. Sexuelle s Imponiergehabe verlängert e di e tagsübe r durc h Raufereie n hergestellt e Hackordnung i n die Nacht hinein. Die »Großen« schnallte n einen der »sensibleren un d feinfühligeren « Junge n au f de n Tisch , dan n wurd e e r mi t Schuhwichse eingeschmiert , mi t Bürste n glat t polier t un d »s o lang e zwangsmasturbiert«, bis er vor Schmerzen laut aufschrie. Die »Potenzprotzerei« wirf t ei n Schlaglich t au f die Grammatik , de r all e männerbündisch-jugendliche Sozialkultu r folgte . Si e führt e di e Herrschaf t von starken , männliche n übe r schwächere , feminin e Männe r Augen , de monstrierte als o da s hierarchisch e Prinzi p de r Geschlechterordnun g i n ›dramatischer‹, ausweglose r For m und schrie b es den Körpern de r Initian den ein. Eingeschrieben wurd e s o die Bereitschaft, mitzumachen . Selbs t in den KLV-Lagern konnt e man sic h in s Abseits verziehen, abe r nur um den Preis, alsdann , wen n ma n dort auffiel, u m so heftiger verdrosche n z u werden. Di e Angst davor , aufzufalle n un d zum Prügelknabe n z u werden , wa r 49 Ehrhardt , S. 414f.; Hafeneger, Jugend-Gewalt, S. 63ff.; Peukert, Jugend, S. 245ff.; zu r NSZeit Kenkmann, S. 75ff., 184ff . 50 Hesse , Narziß, S. 24 (Zitat). Vgl. das Kapitel »Kameradschaft« bei Bräker, S. 38f. 51 Gestrick , S. 92, 112, 234; Rosenmayr, S. 116; vgl. Wehner, Leben, S. 32-35.

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omnipräsent, auc h un d gerad e nachts . Eine m andere n Opfe r z u Hilf e z u kommen, fiel niemande m ein : »Jede r wa r bei solche n Anlässen froh , nich t selber der Geprügelte zu sein, und zog sich lieber die Decke über den Kopf, als sich von dem Wimmern des Geschlagenen ›weich ‹ stimme n zu lassen.« Die ›Überlebensmoral ‹ diese r Lagerkultu r hieß: Es war allemal besser , zuoder wegzuschauen als selbst zu den Opfern zu gehören. Aber mit dem Wegschauen hatte es nicht sein Bewenden. Auch der junge Herman d nahm die Herausforderun g an . Er wollte mitmache n un d aufsteigen. Wiede r zuhause , schlos s e r sic h freiwilli g eine r vo m HJ-Streifen dienst verfolgten Straßenband e an, die Gelegenheit bot, das im KLV-Lager Gelernte anzuwenden. Die Bande tat alles, was »als antiautoritär, aggressi v und verboten galt« , ma n rauchte, flucht e i n obszönster Manier , hängt e mit Wasser gefüllt e Kondom e a n di e Bäume , u m si e mi t de m Luftgeweh r z u zerschießen, wenn nichtsahnende Passanten unten durch liefen. Ma n suchte sich Mädche n fü r Doktorspiel e ode r um »sich au f übelste Weis e a n ihre n ›Weichteilen‹ z u schaffen« z u machen. Dem Bandenführer blie b das Privileg vorbehalten , sic h mi t heruntergelassene r Hos e »eine n vo n de r Palme « zu holen. Und stets zog e s den jungen Herman d wieder in s Lager, obwoh l er doch zu den Schwächeren gehörte. Aber der Einsatz lohnte sich. Er stieg in der Hackordnung auf , al s e r sic h selbstbewuss t un d vor den Augen de r Kameraden den Fahrtendolch tief in den Oberschenkel stieß. 52 Diese Gruppenkultu r wa r nich t au f pubertierend e Jugendlich e be schränkt. Sebastian Haffner sa h sich mit ihr 193 3 in einem Referendarlage r konfrontiert, da s er besuchen musste, um sein Assessorexamen absolviere n zu dürfen. »We r sic h gege n di e Kameradschaf t versündigte , wer insbeson dere de n ›feine n Pinkel ‹ markierte , ›angab ‹ un d meh r Individualitä t herausließ, al s di e Kameradschaf t gestattete , verfiel de r Feme und nächtlichen Körperstrafen . Unte r di e Pump e geschleif t z u werden , wa r da s Ma ß für kleine Sünden. « Einen , der bei der Verteilung de r Butterrationen gemogelt hatte, erwartete dagegen ei n »furchtbares Femegericht « mi t kollektiver Prügelstrafe, bei der sich niemand ausschließen durfte. Mitzumachen galt es auch, al s ma n eine s Nacht s di e Nachbarstub e mi t »Wasserbomben « un d »munterem H o un d H a un d Gekreisc h un d Gejauchze « überfiel : »ei n schlechter Kamerad , we r nich t mitmachte« . Das s auc h di e Überfallene n gegenüber der »Obrigkeit« dich t hielten un d »lieber behaupteten , ihr e Betten selbst nas s gemacht z u haben«, wa r ei n selbstverständliche s Gebo t der Kameradschaft. Da s machte ma n unte r sic h aus , das hie ß durc h Rach e a n den Attentätern in der folgenden Nacht. 53

52 Hermand , S. 37f., 40f., 43, 53-56, 67, 69, 71 f. 53 Haffner , S. 283f.

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Wer nich t mitmache n durfte , hatt e ei n schwere s Los . Pete r Brückner , Jahrgang 1922 , war der Sohn einer jüdischen Konzertsängerin , di e 193 6 in ihre englische Heimat zurückkehrte; er blieb mit dem Vater in Deutschland. Der junge Brückner oszillierte zwische n de r »anarchischen Lust « de s »Flaneurs« a m sozialen »Abseits « un d dem Verlangen, doc h ein wenig mitma chen zu dürfen, »Gleiche r unter Gleichen« z u sein. Als solche r volontiert e er be i de n Pfadfinder n vo r 1933 , danac h i n de r rebellisc h sic h gebende n Hitlerjugend, i n den Schulen und in dem Internat, in dem er nach der Emigration de r Mutte r untergebrach t war . Abe r e r durft e ebe n nich t mitma chen.54 I m antisemitischen Treibhausklim a de r NS-Volksgemeinschaft wa r er das geborene Opfer jenes »Instinkts für die Wahrnehmung vo n kleinsten Zeichen de r Differenz«, de r alles , »wa s ›abweicht‹ , wa s fremdarti g anmu tet«, als »Unwert« kategorisiert. 55 Der Ausgegrenzte andererseits entwickelte ein Sensorium für jene Zerstörung privater Sphären, die sich in der Konjunktur vo n »Voodoo-Worten « wi e Kameradschaf t un d Gemeinschaf t an kündigte. In s Interna t gesteckt , beka m e r da s Stigm a de s Verwahrloste n angeheftet. Dies e »Sünde « war , de m Moralsyste m de s »Gemeinschafts geists« zufolge , nich t sein e Privatsache , sonder n di e seine r Klasse . Dahe r galt Brückne r al s »unkameradschaftlich« . Sein e Mitschüle r miede n ih n »pointiert«. Si e »wusste n sofort , da s ic h i n irgendetwa s verwickel t war« . Nach de m Schulabgan g un d i m Zug e de r radikalisierte n Judenverfolgun g seit Kriegsbegin n wurd e Brückner s »halbjüdische « Herkunf t 194 1 amts kundig. Vo r de m »vollständige n Ausschlus s au s de m soziale n Kosmos « rettete ih n di e Einberufun g zu m Wehrdienst . Tauglic h nu r fü r de n Garni sonsdienst, leistet e er ihn in einem Kriegsgefangenenlager a b - i n der ständigen Angst vor der »Schlinge«, di e da s Judendezernat u m ihn zuzuziehen drohte.56 Für de n Halbjude n Brückne r mocht e di e Wehrmach t eine n prekäre n Schutzraum bieten . De r Terror außerhal b wär e noc h vie l größe r gewesen . Für ander e Einzelgänge r wa r de r Militärdiens t ein e unentwegt e Qual . Z u ihnen gehörte n Kur t Napp, Heinric h Böll , Eric h Kub y un d Siegber t Steh mann. Napp, 190 5 geboren , vo r 193 3 Gelegenheitsarbeite r un d i n de r Arbeiterbewegung tätig , hatt e sic h nac h de r Machtergreifun g illega l fü r di e SPD betätigt, wa r verhafte t un d zu zwe i Jahre n Zuchthau s verurteil t wor den; »wehrunwürdig«, wurd e er 194 3 zum Bewährungsbataillon einberufe n und fiel Ende Juni 194 4 an der Ostfront. 57 Kuby , Jahrgan g 1910 , war Sohn eines deutschnationale n Landwirt s i n Oberbayern , beruflic h vo r 193 9 i m 54 Brückner , S. 90, 14 , 48, 99, zur körperlichen Schwäch e auch S. 57-61 . 55 Ebd. , S. 7 . 56 Ebd. , S. 117-133 , Zitate S. 121 , 127, 130 . 57 Z u Napp vgl. Meyer, Nacht, S. 205.

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Verlagswesen un d als Journalist tätig , mi t einer Künstleri n verheirate t und hatte durc h Beru f un d Verwandtschaf t weitläufig e Beziehunge n zu r Bil dungswelt Deutschland s und Frankreichs. 58 Von September 193 9 an Mannschaftssoldat, macht e er den größten Teil des Krieges in Russland als Nachrichten- und Infanteriesoldat mit . Stehmann, 191 2 in Berlin geboren, gehörte als Pfarre r de r Bekennenden Kirch e a n und geriet s o zeitweilig i n Haft . Drei Tag e nach seine r Heirat i m Februar 194 0 einzogen, wurd e e r in Norwegen, Finnlan d und Russland eingesetzt ; 194 4 wurde e r Offizier un d fie l im Januar 194 5 als Kompaniefuhrer i n Polen. Böll, 191 7 geboren, wuchs in einer katholischen, abe r antiklerikalen Famili e i n Köln auf; e r gehörte weder de r katholische n Jugendbewegun g noc h de r Hitler-Jugen d an . Sein e Militärzeit vo n Kriegsbegin n bi s Kriegsend e absolviert e er , vo n zwei seh r kurzen Fronteinsätze n 194 3 un d 194 4 und längere n Lazarettzeite n abgese hen, im Kasernendienst ode r als Besatzungssoldat i n Frankreich. Böll hatte eine abgebrochene Buchhändlerlehr e hinte r sich und nur sehr unklare Vorstellungen von dem, was er einmal werde n wollte, als er mit 24 Jahren zur Wehrmacht eingezoge n wurde. 59 Da s Berufszie l de s Schriftsteller s nah m wohl ers t i m und durch de n Krieg konkret e Gestal t an . I n der Wehrmach t war er noch ein gänzlich unbeschriebenes Blatt, ein einfacher Gefreite r wi e Millionen andere . Stehman n dagege n genos s al s - unte r andere m mi t Ru dolf Alexande r Schröde r befreundete r - Dichte r durchau s eine n gewisse n Bekanntheitsgrad. Kub y stan d al s nonkonformer , abe r zunächst geduldete r Publizist zwischen beiden. Bölls Vater, am Rande des wirtschaftlichen Ruin s lebender Kunstschrei ner i n Köln , hatt e sic h i m Erste n Weltkrie g vo r de r Einziehun g gedrückt , was i n de r Famili e nich t al s Schand e galt . Kuby s deutschnationale r un d auch Napp s Vate r dagege n hatte n al s Soldate n i m Erste n Weltkrie g ihr e »glücklichste« un d »beste Zeit« gehabt ; zumindest sahe n es die Söhn e so. 60 Keiner de r vie r verweigert e sic h de r Einziehun g zu m Wehrdienst , keine r 58 Vgl . z.B . Kuby , Krieg , S . 413f.- Dies e Zusammenstellun g vo n Briefauszüge n un d Tage buchnotizen fuß t nac h eigene m Bekunde n Kuby s au f de n Originale n au s de m Krieg , dere n Ge samtvolumen vo n etw a 5.00 0 Seite n unte r Weglassun g private r Bezüge , Landschaftsbeschreibun gen un d ähnlichem au f ein Zehntel gekürz t ist , vgl. Kuby , Krieg , S . 6, sowie ders. , Vorbemerkung , S. 9ff. Kub y ha t au f de r Authentizitä t de s - solchermaße n ausgewählte n - Texte s stet s beharrt . M.E. bestätig t di e Quellenkriti k dies e Einschätzung ; auc h manch e seh r weitsichtigen zeitgenössi schen Urteile , wi e z.B . di e früh e Prognos e de s Überfall s au f di e Sowjetunio n ware n zwa r unge wöhnlich, abe r nicht unmöglich . Ein e Überprüfun g de r Authentizitä t is t nicht möglich , d a de r Originalbestand nac h de r Erstpublikatio n verlore n gin g (Schreibe n Kuby s an Verfasse r 28.12.96) . In der nochmal star k gekürzte n Neuausgab e vo n 198 9 sind ziemlic h konsequen t gena u di e Passa gen gestrichen , di e di e vo n elitäre n Züge n nich t frei e Distan z Kuby s z u Kamerade n un d »Volk « dokumentieren. Dies e Ausgabe is t daher, anders als die von 1975 , unbrauchbar. 59 Vormweg , S . 27ff.; Reid, Nachwort; Böll, Jungen; ders., Erinnerung . 60 Kuby , Krieg , S . 16 , 24 , 118 , 127ff , 139 , 27 6 (To d i m Augus t 194 2 i n Russland) ; Brief e Napp, 7.4.35, vgl. Gefängnistagebuch Napp , 9.12.34 .

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desertierte ode r lie f zum Gegner über, keine r schlos s sic h eine r gege n de n Nationalsozialismus kämpfende n Untergrundorganisatio n an . All e vie r fanden Wege , sic h mi t ihre m Soldatensei n z u arrangieren - mi t ständige m Hass auf die Institution , di e si e ihre r persönlichen Freiheit , ihre s »eigene n Lebens« beraubte. Eben dies war ihnen neben der Affinität z u Literatur und Dichtung gemeinsam. Es sicherte ihnen das Prädikat des »Unsoldaten«. Der Wehrpädagogik zufolge , blie b diese r al s körperlic h meis t schwache r un d »egoistischer« »Intellektueller « stet s ei n notorische r »Fremdkörpe r i n de r Armee« - un d bo t sic h de m Sadismu s de r Unteroffizier e al s Zielscheib e an.61 Böll, Kuby , Nap p un d Stehman n versuchten , ein e inner e Schutzwan d gegen di e Vergewaltigun g durc h di e militärisch e Zwangsgemeinschaf t einzuziehen. Des »Menschen Würde « un d ihr Selbstverständnis al s Männer war für sie zivil, privat und individuell definier t - durc h bürgerliche Arbeit, den vertraute n Krei s de r Famili e un d selbs t gewählte r Freunde . »Mensch lichkeit« bedeutet e für Böll, »das s man bei seine r Frau und seinen Kinder n ist.« Leben war »eigenes Leben«, eines das »mir gemäß« ist . Die Forderung nach »Aufgabe de r ›Individualität‹« gal t ih m als Forderung nac h »Stumpf sinn«. Di e Kasern e bezeichnet e e r al s »da s absolut e Institu t de s Stumpf sinns«, verhindert e doc h desse n Symbol , di e Uniform , das s »wi r selbs t sein« dürfen. 62 Inkarnatio n de s Stumpfsinn s wa r de r »Litzenträger« , de r Unteroffiziere un d Feldwebe l mi t »seine m unbeschreiblic h erdrückende n Überlegentun«.63 3. Freunde statt Kamerade n Wohl all e Soldate n litte n unte r schikanösen Vorgesetzten . Abe r fü r Solda ten wie Böll, Kuby, Stehman n oder Napp bestand zwischen diesen und den ranggleichen Kamerade n kein Unterschied. Ein Kameradschaftsabend sym bolisierte für Böll die totale Vereinnahmung des Individuums, das noch den letzten Rest an eigener Freizeit opfern musste . »130 Man n eng zusammen gequetscht, schwitzend , all e i m gleiche n Kleid , mi t de m dienstliche n Be fehl, sic h z u freuen , Bie r trinken d un d schwätzen d un d singend , dieselbe n Lieder, di e Ta g fü r Ta g gesunge n werden , gleichsa m al s stände n si e unte r einem Gesetz , da s ihr e Lippe n imme r wiede r dieselbe n Wort e formte« . Stehmann war angewidert von der grölenden und bramarbasierenden Gesel 61 Eichberg , Intellektuelle , S . 65-67; Kardorff , S . 257; fü r di e »Unsoldaten « Gritschneder , Fachlich, S. 95. 62 Böll , Briefe, S. 823, 166, 116, 130, vgl. S. 60, 237, 292, 307, 385, 997. 63 Ebd. , S. 179,249.

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ligkeit, vo n de r »gedankenlo s egoistische n Heiterkeit« , i n de r a n eine m »grausigen Heili g Abend « da s »ganz e Bataillo n (80 0 Mann ) sternhagel besoffen« un d grölend auf dem Boden wälzte. 64 Für Böll war das »schrecklichste« a m Militär, »das s immer ganz dicht und widerlich en g nur Männer aufeinander hocken« . Di e Zumutung , da s ständig e »Geschwät z un d de n Stumpfsinn de r Kameraden « ertrage n z u müssen , de r »Gestan k vo n zwöl f Männerleibern, un d nu r Stacheldrah t un d Uniforme n draußen « löst e Eke l aus.65 Der Ekel richtet e sic h besonder s gegen di e sexuelle n Ausschweifun gen und das sexuelle Imponiergehabe der Kameraden, deren einziges Glück »schmierige, dunkl e Pinten « ware n un d di e sic h a n imme r de n gleiche n »abgedroschenen Zoten « aufbauten . Ers t rech t stellt e sic h Eke l ein , wen n Böll seine Kameraden aus »Puffs und Spielunken« abhole n musste.66 Stehmann wusste , das s zynische s Gebare n al s soldatisc h galt . E r schwieg, w o es ihm möglich war. Ums Mitmachen und ums Funktionieren aber gin g es , »d u muss t ebe n mitbelle n un d Männche n machen« , meint e Napp, nicht ohne selbst in s Zynische abzugleiten . E r war sich privatim der Zustimmung seine r Fra u zu einem Männlichkeitsbil d sicher , da s die Zivil courage de s »Manne s mi t eigene r Meinung « a n di e Stell e de r Unterord nungsbereitschaft eine s »Hampelmanns« setzte. 67 Aber er wusste auch, dass man solche Auffassungen i m Kameradenkreis besser nicht kundtat, auch in seinem Bewährungsbataillon. Mitmache n war die Losung, die allem Rada u und aller Obszönität Sinn gab. Intimität und Gewissen waren obsolet. Auch die Liebe zu r Ehefrau ode r zur Braut war etwa s Intime s und daher schnel l Gegenstand de s Spotts . A n ihr e Stell e tra t di e gekaufte , öffentlich e ode r doch anonyme Sexualität des Bordells. Oder die Zote. Sie machte die Liebe »so unappetitlich wi e möglich « un d gab sie dem Gelächter der Kameraden preis.68 Di e ungehobelte un d zotige Wel t de r Männer zelebriert e ihr e Ver achtung de r anderen, zivilen Wel t zuhause. Im Radau und in der Rempelei stellte sich die Gemeinschaft de r Kameraden ständig aufs neue ein. Die Individualisten freilic h formulierte n ihr e Abscheu vor dem »lächerlichen« Männlichkeitskul t um s Mitgrölen , Mitsaufen , Mithure n i n eine r maskulinen Sprache , di e das Weiche al s weiblich diffamierte. 69 Böl l stellt e die militärisch e Männergemeinschaf t o b ihre r »seichten « Element e i n di e 64 Stehmann , S . 19 , 42, 77 . Tote Russe n einzugrabe n ode r die Russe n schieße n z u hören, ma che ih m nicht s aus , meint e er , »abe r vo r de m blödsinnige n Geschwätz , da s ic h mi r tagaus , tagei n anhören muss, ekelt mich«, Kuby, Krieg, S . 243 (5.5.42), vgl. S . 261, 353, 429-431. 65 Böll , Briefe , S . 271 f., 354 , 925, 763, 479, 453, 524f. 66 Ebd. , S. 120 , 524f.; Böll, Erinnerung , S . 624ff., übe r Bordellbesuche seine r Kameraden . 67 Brief e Napp, 25.5.43, 7.5.43, 21.6.43 . 68 Haffner , S . 278-285. 69 Böll , Briefe , S . 911 f. (Büffel) , vgl . S . 1023f . (»diese s lächerlich e Getue«) ; ders. , Erinne rung, S . 542-545, sowie ders., Entfernung, S . 319 (männliche Lächerlichkeit) .

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Nähe von »Waschweiberversammlungen«.70 Haffne r mokierte sich über das »weiche Kisse n de r Kameradschaft« , de m di e »Härt e de s bürgerliche n Lebens« gegenüberstehe . »All e fü r einen « se i ei n »generös-weiches « Gesetz. Nehme es dem Menschen doc h die »Verantwortun g fü r sic h selbs t und vor Gott und seinem Gewissen« ebens o ab wie die »Sorge für die Existenz«. Har t dagegen se i da s Gesetz des auf eigen e Entscheidungsfähigkei t und Eigenverantwortlichkeit setzende n »individuellen bürgerliche n Lebens« , das da lautete: »Jeder fü r sich«. 71 Ein e ähnliche diskursiv e Feminisierungs strategie hatt e scho n de r radikal e Bellizismu s nac h 191 8 verfolgt , u m di e Tugend de r Kameradschaf t abzuwerten . Di e Verachtun g gegenübe r de m »Waschweiberhaften« de r Kameradschaft verban d sic h denn bei Böl l auc h mit Sympathien fü r den heroischen Krieger , zumal Erns t Jünger, de r große Einzelne, de r über der Mass e schwebte , »absolut kriegerisch , wirklic h de r absolute Soldat«. 72 Nich t di e Aussicht , töte n z u müssen , wa r es , di e de m Individualisten da s Soldatsei n schwe r machte. Un d wenn Böll , desse n Ka tholizismus zumindes t bi s 194 5 antibolschewistisc h durchtränk t war , de n Krieg Nazi-Deutschland s al s »verbrecherisch « bezeichnete , dan n nich t wegen de r Verbrechen deutsche r Soldate n a n den Gegnern . Davo n wusst e er nu r wenig . Da s Verbreche n sa h e r vielmeh r darin , das s di e deutsche n Soldaten ihres »eigenen Lebens « beraub t würden. 73 »Menschen- und mannwürdiger« al s de r »Kasernen-Militarismus « gal t ih m da s durc h Fil m un d Literatur verklärt e »Frontsoldatentum«. 74 Un d mitunte r hofft e e r au f de n großen Augenblick, wo »wir« »mi t unserem Flammenwerfer da s grässliche Feuer losspucken « könnten. 75 Nich t di e kriegerisch e Gewal t schürt e Böll s Hass auf den »Militarismus«. Si e bot eher einen Ansatzpunkt zur Identifika tion mit dem Wir der Kampfgemeinschaft . Bei alle r Distan z ware n elitär e Außenseite r wi e Böl l ode r Kub y abe r nicht ganz frei von Empathie mit den Kameraden.76 Böll erblickte hinter der Gewalt, die in der Gruppe ständig schwelte, das Leiden der Individuen. Ihre graue Uniform trüge n si e nicht als Herrenmenschen, sonder n als trauernd e Opfer de s Krieges . Woru m trauerte n sie ? Nich t nu r u m ihr e gefallene n Kameraden. Böll s Diagnos e zufolg e trauerte n si e u m ih r individuelle s 70 Böll , Briefe, S. 899. Vgl. ders., Zug, S. 108. 71 Haffner , S . 278-285. 72 Böll , Briefe, S. 1092, vgl. S. 592 zu Bölls Jünger-Affinität. Vgl . Haffner, S . 280. 73 Böll , Briefe , S . 948, 106 3 und 1074 . Zur Leerstelle Holocaus t un d Kriegsverbrechen vgl . Reid, Nachwort , S . 1557, 1589f , 1616 , einschränkend Böll , Erinnerung , S . 620 un d 635. Noch Ende 194 3 erwog e r nach seiner Verwundung bei m ersten Fronteinsat z auf der Krim »die Möglichkeit eine s koloniale n Dasein s hie r i m Oste n nac h eine m gewonnene n Krieg« , Böll , Briefe , S. 557, 586, 573, 972 (dies am 31.12.43). 74 Ebd. , S. 65, 75, 110,205. 75 Ebd. , S.400f.,416,424 . 76 Vgl . Kuby, Krieg, S. 22 (7.9.39).

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Mensch-Sein, da s ihnen der »verbrecherische« Krie g verweigerte. 77 Einma l brachte Böll zwe i stockbetrunken e Soldate n zu Bett, spielt e als Soldat als o »Mutter« un d merkte an dem, »was di e armen Kerl e mir eben i m Suff erzählt haben , wi e seh r si e doch i m Grunde genomme n leide n unte r diese m Dasein«.78 Di e Aggressivität , di e dies e vereinsamt e Trauergemeinschaf t kultivierte, di e obszönen Phantasie n un d sexuellen Ausschweifungen , deu tete er nun als »zynischen« Ausdruc k ihrer Sehnsucht nach Heimat, Familie und zivilem Leben. 79 Sein e eigen e Einsamkei t i n der Zwangsgemeinschaf t trat Böll so als kollektives Los vor Augen.80 Aber nur selten kam er den Leidensgenossen näher , ohne dass sich Ekel einstellte. Ers t i m dritten Jah r seine r Soldatenzeit , 1942 , als auf einer Kasernenstube allei n mi t zwe i Man n war , erzählt e e r ihne n »vo n meine m Beruf und den Umständen meine r Familie, « fan d e s tröstlich, »nich t meh r so ein 100%ge r Fremdkörper « z u sein, und nahm sic h vor, »auch bekann t zu werden mi t meinen Kameraden«. 81 I m Sommer desselbe n Jahre s freut e er sic h a n dem, was die Militärpädagoge n al s Drückeberger-Kameraderi e verteufelten: Tagelan g habe er sich mit einem Kameraden »damit herumgedrückt«, als Flammenwerfer »a n unserem Apparat zu arbeiten, wovon zum Glück keine r auße r un s etwa s versteht«. 82 Nacht s zo g e r mehrmal s mi t einem Kameraden auf »gefährliche Kartoffeltour« , u m Zutaten zum Speiseplan auf einem von der Marine bewachten Feld zu organisieren. Hin und wieder macht e auc h Eric h Kuby Anstalten , sic h in die »Kameradschaftlichkeit« einzuklinke n - al s Ziehharmonikaspieler , al s offiziel l bestellter Kriegschronis t seine r Abteilung, i n der Abwehr der Zumutungen schikanöser Vorgesetzter , ode r auc h al s e s i m Herbs t 194 3 i n de r Phas e allgemeiner Auflösun g de r militärischen Ordnun g galt , da s Durchkommen der eigene n Einhei t durc h Diebstähl e be i Nachbareinheite n z u sichern. 83 Aber solche Begegnungen bliebe n bei Kuby und Böll ebens o wie für Stehmann un d Napp distanzier t un d gebrochen. 84 Di e von der Kameradschaf t erzwungene Kultur der Nähe zu Fremden blieb ihnen verschlossen. Einzeln seien die Kameraden »fast all e menschlich sympathisch«, abe r die »Masse« war ihm , »so als elementarer Klumpe n gesehen« , nu r ein »grausames und charakterloses Gebilde«. 85 Prie s der Kameradschaftsmythos da s Militär als 77 Böll , Briefe, S. 29, 573, vgl. S. 770 (18.5.43, nach Tunis). 78 Ebd. , S. 489, vgl. S. 562, 564, 571, 573. 79 Ebd. , S. 622 (21.3.43), 590 (19.1.43). Vgl. auch S. 913 (3.10.43). 80 Ebd. , S. 929(21.10.43). 81 Ebd. , S. 288f., vgl. S. 483. 82 Ebd. , S. 416. 83 Kuby , Krieg, S. 23, 38f., 95, 101 f., 370-37 4 (Dez. 43). 84 Vgl . Reid, Nachwort, S. 1606, und Böll, Briefe, S. 327f., 330, 335, 399, 443 (Mai-August 1942). 85 Böll , Briefe, S. 709 (18.4.43), S. 399 (19.7.42).

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Motor de r soziale n Läuterun g de r amorphe n Masse , s o sahe n Böl l ode r Kuby e s gerad e ander s herum : Da s Militä r macht e au s ›guten ‹ Individue n erst eine moralisch gleichgültige Masse. 86 Kuby akzeptiert e sei n Soldatsei n al s subversive r Reporter , de r vo n de r Authentizität de s Grauen s faszinier t wa r un d gleichzeiti g kühl e Distan z wahrte.87 Vom Judenmord hatte er recht genaue Kenntnisse. 88 Das »fugenlose Ineinande r vo n bürgerliche n Vorstellunge n un d Barbarei « verstärkt e seinen »Eke l vo r unsere m Volk« . Hinte r de m »brave n Soldatentum « de r Kameraden diagnostiziert e e r »kriminell e Komplizenschaft« . I m »bürger lichen Sinn e anständig « seie n si e »unfähig , irgendeine n selbständige n Ge danken z u fassen . Kurz , si e sin d wirklic h Masse , ei n Ausdruck , de n ic h nicht mag , abe r möge n muss.« 89 Di e Abneigun g beruht e au f Gegenseitig keit, be i Kub y wie bei Böll . Als »100%iger Fremdkörper « fühlt e Böl l sic h nicht nu r »allei n unte r s o vielen«. E r sah sic h auc h ständi g mi t de m Vorwurf konfrontiert , »ei n Drückeberger « z u sein . E r spürte , »wi e seh r si e mich im Grunde genommen hassen [... ] un d wie seh r sie sich freuen, wen n mir etwas angedreht wird«. 90 Kub y hatte seinen ›Einstand ‹ be i de n Stubenkameraden gegeben , inde m e r ih r »Radiogetöse « abstellte , wei l e r Brief e schreiben wollte; eine üble Schlägerei wa r die Folge. 91 Im Sommer 194 1 an der Ostfront spürt e er eine »speziell e Hetze « gege n sic h i m Entstehen. Si e ging vo n eine m Unteroffizie r aus , de r al s »alte r SA-Mann « stol z au f sei n »Rowdytum, sein e proletarische Gesinnung « un d seine »Missgunst au f die gebildeten Stände « war. 92 Kuby, der zu dieser Zeit als Kriegschronist seine r Einheit ei n fas t »zivile s Dasein « führte , bo t fü r diese n »typische n Deut schen« ein e dankbare Zielscheibe. Ei n kleines Wachvergehe n beraubt e ihn seiner privilegierte n Stellung . Kub y rächt e sic h mi t eine r förmlichen Be schwerde übe r de n Unteroffizie r un d löst e dami t ei n Verfahre n wege n Wehrkraftzersetzung gege n sich aus. Mit Arrest, Versetzun g zu r Fronttruppe un d Verlus t de s Rang s al s Obergefreite r gin g e s zwa r glimpflic h ab. 93 Aber der politische Dissident und soziale Außenseiter spürte immer wieder, wie sic h »di e Mühl e de s Hasse s au f de n al s frem d erkannte n z u drehe n beginnt«94.

86 Sieh e dazu noch weiter unten. 87 Kuby , Krieg, S. 199. Vgl. auch Peitsch, Gedächtnis, S. 246-253. 88 Kuby , Krieg, S. 169, 172, 228f. 89 Ebd. , S. 51, 120 , 282, 279, 141 , 282, 26, 312f. 90 Böll , Briefe, S. 288f, 297, 210. 91 Kuby , Krieg, S. 33 (19.2.40). 92 Vgl . zu diesem Unteroffizier Kuby, Krieg, S. 110f. 93 Kuby , Krieg, S. 116f., 141-145 . 94 Ebd. , S. 209 (7.2.42), vgl. S. 341 f. (26727.7.43).

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Böll, Kuby, Stehmann, Napp oder auch Brückner arbeiteten am physisch, psychisch un d kogniti v fragile n Selbstbil d »wilde r un d fanatische r Indivi dualisten«,95 di e sic h weder mit der Zwangsgemeinschaft arrangiere n woll ten noc h ein e oppositionell e Gemeinschaf t suchten . De r Wehrmachtsolda t Alfred Andersch entzog sich 194 4 den Kameraden, die ihm »meterlang zum Halse heraus « hingen , durc h di e Desertio n z u de n Amerikanern. 96 Sein e Gesinnungsgenossen - run d 35.00 0 Fahnenflüchtig e geriete n de r Wehr machtjustiz i n di e Fänge , di e Dunkelziffe r la g höher 97 - handelte n woh l überwiegend au s ähnliche n Motiven . Distan z zu m NS-Regime , Pessimis mus ob der Kriegsaussichten un d Heimweh verstärkte n de n Verdruss übe r das Zwangssystem de s Militärs. 98 Manche Soldate n »schlidderten « auc h in die Desertion , u m sich de r Ahndung geringfügigere r Delikte , eine s Wach vergehen ode r eine r Urlaubsüberschreitun g dauerhaf t z u entziehen . Zwi schen der nur vorübergehenden unerlaubten Entfernung von der Truppe und der Fahnenfluch t - i m Militärstrafrech t a n de n Entschlus s gebunden , sic h ihr dauerhaft zu entziehen - bestan d oft ein fließender Übergang. 99 In einem unentschiedene n Zustan d überlebt e auc h Böl l de n Krieg . Sei t dem Frühsomme r 194 4 irrt e e r al s trickreiche r »Simulant« , verkappte r Fahnenflüchtiger un d ›braver‹ Solda t zwischen Kaserne, Lazarett und Familie hin - un d her. 100 Wi e di e Deserteur e lebt e e r i n de r ständige n Furcht , aufzufliegen, de r Feldgendarmerie oder einem Standgericht in die Hände zu fallen. Sicherhei t vor Denunziation gab es nirgendwo. Deserteure, Simulanten, »Drückeberger « fande n i m NS-Krieg nu r selte n Menschen , dene n si e sich anvertraue n konnten . Wen n auc h i n de n letzte n Kriegsmonate n di e Zahl der versprengten und desertierenden Soldate n immer größer wurde, so blieben si e doc h bi s zu r Kapitulatio n ein e kleine , zersplittert e Minderheit , die sic h de r große n Mehrhei t vo n Soldate n gegenübersah , di e bi s zuletz t mitmachten, auch wenn sie dabei innerlich zerrissen sein mochten.101

95 Formulierun g nach Böll, Briefe, S. 335. 96 Andersch , Kirschen , vgl . bes . S. 63, 65-69, 86 , 100f. , 128 ; Bröckling, S . 277-281; vgl . aber Ziemann, Fluchten, S. 610f. 97 Messerschmidt/Wüllner , S . 90ff., bzw. Wüllner, NS-Militärjustiz, S. 445f. gegen niedrigere Schätzungen; zu r Gesamtzahl - evtl . mehrer e hunderttausend - ebd . S. 457ff., bes . 459, dazu Ziemann, Fluchten, S. 596. 98 Zusammenfassen d ebd. , S. 602, mit einer quantifizierenden Typologisierung . Fü r Fallstudien vgl. Paul, Soldaten , S . 52ff.; Saathof f u.a., Tode , S. 70ff.; Kammler , S . 17ff., 135ff ; Fahle , passim; Reichelt, S. 51-82. Vgl. zudem Seidler, Fahnenflucht, S . 311-318. 99 Knippschild , S. 133f. Vgl . Paul, Soldaten, S. 151-155; Haase, Gefahr, S . 138f., vgl. ebd. S. 177. 100 Reid , Nachwort, S: 1552ff., 1560ff , dort auch die Zitate; ders., Böll, S. 47-50. 101 Ziemann , Fluchten , S . 610-613, mi t Verweis au f Henke, Besetzung, S . 802-813 fü r die Überbetonung der Auflösungsprozesse; z u den Deserteuren noch Fahle, Verweigern, S. 126.

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Gemeinsame Fahnenfluch t ode r kollektiver Überlau f zum Gegner bildeten die Ausnahme, selbs t i n der Endphase de s Krieges. 102 Die meisten Sol daten blieben der Fahne treu. Zumindest taten si e so . Sie suchte n Nischen, um am Leben zu bleiben und die Idee vom »eigenen Leben« wachzuhalten . Eine solche Nische eröffnete di e briefliche Kommunikatio n mit Familie und Freunden.103 Sein e Kameraden , s o beobachtete Stehman n a n der nordrussischen Front, seien zwar »so stur und stumpf geworden, das sie sich zu keiner Zeilen mehr entschließen.« 104 Ih m selbst aber waren die Briefe vo n und an Frau und Freunde ein Mittel, die Einsamkeit in der Zwangsgemeinschaf t zu durchbrechen. 105 Di e Identitätssicherun g i m Mediu m de s Brief s bo t jedoch keine n wirkliche n Ersat z fü r direkte n soziale n Kontak t un d jene s persönliche Vertrauen , au f da s Mensche n gemeinhi n angewiese n sind . »Lähmendes Entsetzen « un d diffuse Angs t wäre n di e Folg e eine s Dasein s ohne Vertrauen zu anderen Menschen. 106 Auch wer da s Alleinsein vo r den Zumutungen de r Gemeinschaft vertei digte, sucht e Kontak t z u eine m ode r zwe i Kameraden . Nu r selte n freilic h fand e r welche. Der Anfang seine r Zeit auf dem Heuberg i m Frühjahr und Sommer 194 3 gestaltet e sic h fü r Napp noch erträglich, wei l e r zwei »gan z patente Kerle « al s Stubenkamerade n hatte . Mi t ihne n konnt e e r außerhal b des Dienstes ins Cafe ode r Kino gehen, Wanderungen un d Ausflüge unter nehmen, sic h aussprechen , di e »Wu t übe r diese s Affentheater « ablassen , von spätere m Familienglüc k »mi t de n Kinderwagen « träume n un d auc h »über Plato n un d de n Nationalsozialismus « diskutieren. 107 A m End e de r Ausbildungszeit wurde n di e »s o mühsa m angebahnte n Verbindunge n schnell wieder zerrissen«. »Meine guten Kameraden sind alle fort und mich erneut jemande m anschließe n is t nich t leicht« . Bal d hatt e e r überhaup t keinen mehr, mit dem er »ein richtiges Wort reden könnte«. Als er zu einem Aufräumtrupp in s Ruhrgebiet versetzt wurde, fühlte e r sich »unter die Räuber geraten « un d hatt e fü r di e vie l beschworen e Kameradschaf t nu r Spot t über. Immerhin fan d er »wenigstens eine n Menschen i n der Kompanie, wo ich weiß wo ich dran bin«. Allerdings war dieser als Handwerker »ein ganz einfaches Gemüt« und »zum Plaudern« nicht der »Rechte«. Später, nach der Versetzung a n die Ostfron t Anfan g 1944 , tra f er wieder nu r einen »nette n Menschen«, de r zwa r al s Kamera d »gan z brauchbar « war , »weltanschau lich« abe r nicht au f seiner Lini e war. 108 Da s änderte sic h wohl auc h bis zu 102 Vgl . Vogl , S. 120; Klausch, S. 121ff., 197ff. , z.B. 270f. 103 Vgl . Buchbender/Sterz, S. 13ff . 104 Stehmann , S. 166. 105 Ebd. , S. 17 u.ö. Vgl. Briefe Napp, 27.4.43, 17.5.43, Gefängnistagebuch Napp, 27.1.35. 106 Luhmann , Vertrauen, S. 1. 107 Brief e Napp, 3.3., 4.4., 25726.4., 2.5., 17.5., 26.6., 30.6., 6.7.43. 108 Ebd. , 8.8.43.

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seinem To d i m Jun i 194 4 nicht . Nap p vereinsamte zusehend s un d klagte : »du wirs t gleichgülti g un d stumpfs t dabe i ab , [... ] e s wir d di r alle s piep egal«.109 Böll ergin g e s nich t besser . Stellte n sic h freundschaftliche n Bindunge n ein, waren si e von kurzer Dauer, weil Versetzungsbefehl e si e unterbanden. Die Gespräch e mi t eine m Kameraden , de r i m Zivilberu f evangelische r Pfarrer war, gestalteten sic h im Dezember 194 2 als »wahre Wohltat«. Zwei Tage späte r wurd e diese r »neu e Freund « versetz t un d lie ß Böl l »traurig « zurück. Un d s o ging e s weiter. Au f de r Krim i m November 194 3 teilt e e r ein Schützenloch mit einem Leutnant aus Nippes, mit dem er sofort Freundschaft schloss . Er fiel nach wenigen Tagen. 110 Knapp ein halbes Jahr späte r lernte e r i m Oste n eine n Sozialiste n kennen , de r ih m de n dialektische n Materialismus nah e brachte , währen d Böl l umgekehr t versuchte , ih n »i n langen un d schwierige n Diskussione n vo n de n christliche n Wahrheite n z u überzeugen«. Böl l wurde bald versetzt. 111 »Freunde « unte r den Kameraden waren äußers t selten . Fü r Soldate n wi e Böl l repräsentierte n si e jedoch di e einzige i m Militä r möglich e Sozialform , di e da s Prädika t »menschlich « verdiente. Si e erlaubten , da s »eigen e Leben « abseit s vo n de r Zwangsge meinschaft, bei m Wein, im Cafe, auf Parkbänken, in Sanddünen wenigstens für eine n Momen t lebe n z u können. I n diesem Sinn e bildet e Freundschaf t den Gegenpo l zu r Kameradschaft , auc h wen n beid e Begriff e nich t trenn scharf waren. Si e konnten es nicht sein . Den n andere Freunde als Kameraden gab es im Militär nicht. 112 Freundschaften diese r Ar t verweigerte n sic h de r vo n auße n gesetzte n Aufgabe. Si e befriedigten di e »sozialen Bedürfnisse « de r Einzelgänger und Außenseiter.113 Ih r Mediu m wa r da s Gespräch , nich t di e Tat . Ihr e Träge r gaben de r Zweisamkei t de n Vorzu g vo r de r Gruppe . Aber dies e stan d ih r argwöhnisch gegenüber . Kameradschaf t al s militärisch e Kardinaltugen d sorgte dafür , das s e s keine m Kamerade n gan z schlech t ging , abe r auc h dafür, das s es keinem zu gut ging -jedenfalls nich t besser als den anderen. Intimität un d Individualitä t stande n unte r Vorbehalt. 114 Auc h di e brieflich e Kommunikation mi t de r zivile n Wel t un d de r »eigenen « Famili e zuhaus e war zwa r erlaubt , wurd e abe r doc h auc h schee l beäugt. 115 We r sic h de m ›Privatismus‹ de s Briefeschreiben s allz u intensi v widmete , macht e sic h schnell zu m Gespött der Kameraden oder zog den Unmut der Vorgesetzten 109 Ebd. , 21.11.43, vgl. 25.5.44 zum eigenen Zynismus. 110 Böll , Briefe, S. 566, 576f., 581, 779, 785, 949, 955, 957. 111 Ebd. , S. 1059f.; vgl. Reid, Nachwort, S. 1555f. 112 Vgl . Stehmann, Zitate S. 73, vgl. S. 20, 26, 33,41, 42, 43, 66, 70,76, 86, 89-92. 113 Brückner , S. 99f., 128-130 . 114 Stehmann , S. 90. 115 Böll , Briefe, S. 404.

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auf sich. Stehman n sa h sic h zu Sonderschichte n bei m Wacheschiebe n ein geteilt, weil sich sein Oberfeldwebel dara n störte, dass er täglich einen Brief schrieb.116 Ers t rech t zoge n di e Freundschafte n de r Außenseite r di e Auf merksamkeit de r Kamerade n au f sich . Di e Strafversetzun g Kuby s hatt e auch den Zweck, ihn von einem Freund zu trennen. Kuby lernte daraus. Als er im Frühjahr 194 3 zu einem Kölner Kaufmann Vertraue n fasste , verabredete er mit ihm , »unsere Übereinstimmun g nac h außen z u verbergen«, u m sie nich t z u gefährden. 117 I m Ma i 1944 , wiede r i n Frankreich , schlos s e r Freundschaft mi t einem österreichischen Stabsfeldwebel . Si e nahm konspirativen Charakte r an ; sei n Freun d warnt e ih n vo r Intrige n de r Vorgesetz ten.118 Kuby geriet dennoc h i n Bedrängnis, als sei n österreichischer Freun d zu den französischen Partisane n überlief. Denn auf Kuby fiel der Verdacht, den Freund dazu angestiftet zu haben.119 Zur Heroisierung eigne t sich derlei Freundschaft nicht . Vom Widerstand gegen das NS-Regime war sie weit entfernt, überhaup t von jedem Versuch, solidarische Strukture n zurückzugewinnen , di e da s Regim e zerschlage n hatte. I n Ansätzen gelan g da s de r »Weiße n Rose « - übrigen s i m Zeiche n der »Freundschaft« 120 - ode r den Attentätern de s 20. Juli. Dies e Zirkel ver einten Soldate n un d Zivilisten. Si e übersprange n di e Grenze n de r militäri schen Kameradschaf t i n soziale r un d symbolische r Hinsicht , wiewoh l ihr e Angehörigen al s Kamerade n durchau s integrier t waren . Z u solchen Hand lungen waren die »Individualisten« den n auch kaum in der Lage. Sie hätten dazu au f ei n Minimu m a n logistische r Unterstützun g ode r Deckun g durc h einen etwa s weiteren , nich t nu r eine n ode r zwe i Kamerade n umfassende n Zirkel rechne n müssen . Au f derle i Unterstützun g konnte n Soldate n nich t rechnen, di e nich t nu r i n politisch-weltanschaulicher Hinsich t Außenseite r in der NS-Volksgemeinschaft waren , sonder n sic h auch durch ihr persönliches Auftreten eine r Gesellschaft verweigerten , i n der einzig solc h soziale s Kapital zählte , da s zu m selbstverständliche n un d unreflektierte n Mitma chen, wobei und wozu auch immer, befähigte.

116 Stehmann , S. 166; vgl. Kuby, Krieg, S. 223, zum Spott der Kameraden. 117 Kuby , Krieg, S. 227 und 231. 118 Ebd. , S. 416 und 421f. Vgl. Brückner, S. 128f . 119 Kuby , Krieg, S 424 und 435. 120 Jens , Rose, S. 208ff. Vgl. auch Gerhards, Bedingungen.

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IV. Geborgenheit in der Kampfgemeinschaft 1. Männliche Härt e und absolute Kameradschaf t Keine Gemeinschaf t ohn e Grenzziehung , ohn e di e Anderen , welch e di e Gruppe braucht, u m erst zur Gemeinschaft z u werden. Di e Anderen konnten ungelenke Außenseite r und intellektuelle Einzelgänge r sein . Aber auch Vorgesetzte, Schinder und Schleifer gehörten dazu. Nicht nur die »Unsoldaten« litten unter ihnen, sondern auch solche, die der zeitgenössische Diskurs als »geboren e Soldaten « titulierte. 1 Si e mochte n sic h al s erfolgreich e HJFührer bewährt haben, und oft waren sie durch väterliche Vorbilder mit den soldatischen Traditione n vertraut, bevor sie mit Offiziersaspirationen i n die Wehrmacht ode r die Waffen-S S einrückten . Andere kamen aus der protestantischen oder katholischen Jugendbewegung un d standen dem NS-Regime kritisch gegenüber . Abe r di e de m »mile s Christi « verpflichtete n Traditio nen, mi t dene n si e gro ß geworde n waren , un d di e antibolschewistische n Feindbilder de r christliche n Kirche n erleichterte n e s auc h ihnen , de n NSKrieg zu bejahen. Wessen Rekrutenzeit aber man aus diesem Kreis auch betrachtet, Unmut war allgegenwärtig . Kur t Kreißle r absolviert e sein e Rekrutenzei t 194 0 i m Sudetengau un d befand , seinesgleiche n hab e sic h binne n vie r Woche n »vom glühende n Idealiste n zu m ausgeprägten Hasse r der deutschen Wehr macht und ganz besonders ihre r Offiziere« gewandelt . Nich t die Härte der Ausbildung se i dafü r verantwortlic h gewesen . Dies e hab e ma n al s Vorbereitung au f da s Gefech t akzeptiert , könnte n doc h di e »riesengroße n Aufgaben«, di e vo r de n Deutsche n stünden , »nu r vo n ganze n Männer n gelöst werden« . Wa s de n Has s au f di e Vorgesetzte n schürte , ware n »Falschheit un d Launenhaftigkeit« , ih r Sadismus , di e Schikane n de r Schlammbäder, Spind - un d Stubenappelle , Maskenbäll e un d Ausgangs sperren. Hehr e Erwartungen a n die Kameradschaf t i n der Wehrmacht, wi e sie HJ-Führer wie Kreißler hegten, wurden bitter enttäuscht.2 Aber de r Has s de r »geborenen « Soldate n au f di e Schinde r beka m ein e versöhnliche Note . Den n dies e Soldate n erlebte n di e Demütigunge n nich t im Singular , sonder n i m Plural . Si e entwickelte n Kameradschaf t au s de r 1 Jordan. 2 Erinnerunge n Kur t Kreißler I, S. 1-6; Lorenz , S. 112; Brief e Groß , 3., 21.5.36 ; Kießling , S. 14-16. Vgl. Fritz, Frontsoldaten, S. 22—45

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Abwehr de s Terror s de r Schinder. 3 Bal d herrschte , s o Kreißler , zwische n den 24 Man n seine r Stub e ein e »eisern e Kameradschaft« . Si e hielte n »zu sammen wie Pech und Schwefel«.4 »Be i uns«, so auch der ehemalige Napolaner Klau s Aber g übe r sein e erst e Zei t i n de r Waffen-SS , »herrscht e di e Stimmung: als o wer uns was will, de r soll nur kommen. Uns, uns kriegt ihr nicht klein. Macht mit uns, was ihr wollt, wir sind die Stärkeren.« 5 Und dass sie »di e Stärkeren « waren , vermochte n dies e Rekrute n ihre n Schinder n durchaus zu demonstrieren. Da hatte »auf einmal der unbeliebteste Feldwebel« eine r Ausbildungseinheit »kein e Schuh e mehr.« Ode r die Topfpflanz e im Zimmer des Korporals, »der bei uns unbeliebt war«, wurd e solange mit Kakao gegossen, bis sie einging. Al s ein besonders »bösartiger« Truppfüh rer abend s betrunken eingeschlafe n war , hängte n ih m sein e Untergebene n ein Vorhängeschloss um die Hoden und zogen den Schlüssel ab . Er musste mit de r Han d i n de r Hosentasch e Diens t tu n un d hatt e eine n »schlimme n Tag«. De r veräppelte Peinige r fordert e de n Übeltäter auf, sic h zu erkennen zu geben - ohn e jede Aussicht au f Erfolg. Di e Gruppe hielt zu ihm, deckte ihn und absolvierte den anschließenden Strafdiens t mi t sportlich-konspirati ver Gelassenheit. 6 In der Abwehr de s Terror s de r Schinde r stellt e sic h »absolute s Überle genheitsgefuhl« ein . E s beruht e au f de r Intensitä t de r erfahrene n Verge meinschaftung. Au f eine n Gegne r wa r e s imme r angewiesen . »D a drübe n sitzt de r Gegner« : Da s war di e Ausgangslag e de r Geländespiele , i n denen Aberg schon in der HJ und der Napola die Geborgenheit der Kampfgemein schaft kenne n gelernt hatte: »Wir greife n a n [...] erkenne n den Gegner, der eine gib t de m andern Feuerschutz , [... ] da s is t diese s absolut e Zusammen wirken.«7 Nicht s schweißt , urteilt e ei n Wehrmachtoffizie r i m Rückblick , »Menschen meh r zusammen als eine gemeinsame Wut auf irgendjemanden oder irgendetwas«. 8 Di e militärisch e Ausbildun g stimuliert e dies e Wu t durch Demütigungen un d gab ihr i m Schinde r da s Übungsziel bei . A n der Front konnte die Wut abgerufen un d auf den militärischen Gegner umgeleitet werden. Di e Konstruktion de s Außenseiters, de r den Gruppenstandard s 3 Schneider/Stillke/Leineweber , S. 62f., 80f. , fü r die Napola. Zum RAD Sager, S. 13; Fuchs, Letters, S. 24. 4 Erinnerunge n Kurt Kreißler I, S. 5; vgl. Grupe, S. 66-68 (RAD); Wojak, S. 122. 5 Intervie w Aberg . I n diesem Sinne schrieb Erich Becke r als Wehrmachtrekrut seinem HJFreund Melche r 1942 , »wir « seie n durc h di e Schikane n i n de n erste n Woche n gemeinsamen Dienstes »unmerklich zu einer festen Kameradschaf t zusammengewachsen«, gemäß der Parole: »Uns kan n keiner«, un d dem Motto: »Und schlägt der Arsch erst Falten , wir bleibe n doch die Alten«, 29.4.42, bei Melcher, S. 112f. 6 Intervie w Vorster . Vgl . Steiniger , S . 95f.; Bauer , Kopfsteinpflaster , S . 100-102; Sager , S 18-22. 7 Intervie w Aberg. 8 Woltersdorf , S. 109. Vgl. Fritz, Frontsoldaten, S. 31 ff, un d Holmes, Firing Line, S. 47.

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nicht genügte, bildete die Brücke, die den Wechsel vo n der Kameradschaf t gegen den Schinder zur Kameradschaft gege n den Feind erleichterte.9 Kameradschaft vermittelt e Sicherheit , abe r auc h Unsicherheit . Den n Kameradschaft hieß , das s eine r de n andere n beobachtet e un d jede r sic h beobachtet fühlte . Ei n ungeschriebene r »Kodex « sorgt e dafür , das s ma n »auf de n andere n schaute« . Un d ma n wusste , »de r ander e schau t au f Dich«.10 Noc h al s Unterführe r be i de r Waffen-SS , End e 1944 , gestan d Klaus Aber g ein , e r habe »imme r ziemlic h i m Hintergrund gestande n un d war weni g angesehen« . Ruh e hatt e e r nie . I n seine r Einhei t herrsche n Klatsch, Intrig e und Korruption. Der dauernde Kampf mit den anderen war für ihn auch ein »Kampf um mich selber, um mein Ansehen vor mir selbst«. Die sozial e Isolatio n trie b ih n i n ein e »Elendsstimmung« . Abe r »aufkom men lassen « wollt e e r si e nicht . »Mi t mi r selbe r werd e ic h au f all e Fäll e fertig«, nah m er sich vor. Er wusste, »dass ich sehr hart gegen mich zu sein habe, wen n ic h gege n ander e nich t z u weic h sei n will , mic h durchsetze n will.«11 Härt e und Weichheit ware n di e polaren Kategorien , i n denen Männer ih r Mann-Sein begrifflic h ordneten . Härt e war da s Ziel , u m anerkann t zu sein, Weichheit musst e beherrscht werden, wollte der Knabe zum Mann werden: »Ei n Solda t muss im Ernstfall alle s aushalten können, hier lernt er Herr übe r seine n Körpe r z u werden , hie r merk t er , das s sei n Körpe r vie l mehr leiste n kann , al s e r geglaub t hat.« 12 Auc h wenige r begeistert e Nazi s wollten nich t »Fremdkörpe r i n unserem Volk « sein , wollte n nich t »ausge stoßen zusehe n müssen« , sonder n da s »Mittundürfen « genießen . Dahe r arbeiteten auc h si e ihr e raue n Arbeitsdienst - un d Rekrutenerfahrunge n a n der Messlatte männlicher Härte ab.13 Nicht nur um die physische Widerstandsfähigkeit gin g es, wenn Soldaten »hart« werde n wollten . Demütigunge n ›wegstecken ‹ z u können, ohn e aufzubegehren, ohn e als o unkontrollierte n emotionale n Regunge n nachzuge ben, gehört e zu r Härt e genaus o wi e di e körperlich e Belastbarkeit. 14 Da s hatte bereits die Weltkriegsgeneration vorgebetet . Der ehemalige HJ-Führe r Werner Groß fühlte sich zutiefst erniedrigt, als er sich auf die »unglaublich e Anpöbelei mi t de n dreckigste n Schimpfnamen « un d de n unterwürfige n Dienstton - »Bitt e Herrn Gefreiten di e Nase putzen zu dürfen« - umstelle n musste. Abe r »das s wi r diese n Druc k bekommen« , fan d e r völlig i n Ord-

9 Vgl . Stouffer u.a . I, S. 41l f. Treiber , Soldaten , S . 392. 10 Intervie w Aberg . 11 Brief e Aberg , 22.11.4 4 (Zitate) und Interview Aberg . 12 Tagebuc h Modersen , S . 73c. Vgl . Fritz , Frontsoldaten , S . 22-45, ferne r AE K CLB , z.B . J.K. 9.3.41 . 13 P.Z . und E.M., 14.4.40 , 19.8.41 , AEK CLB. 14 Vgl . Rühle, Briefe, S . 9; Pfaff, Briefe , S . 22 und 25 (1943 i m RAD).

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nung, »den n i m Ernstfal l mus s de r Solda t ja be i noc h vie l größere n Anstrengungen seinen Mann stehen. Wir müssen eben hart gemacht werden.« 15 Die Krux der harten Männlichkeit bestand jedoch darin, dass man ihr nur nacheifern konnte . Ein für allemal in Besitz zu nehmen war sie nicht. Jeden Zivilisten hab e er , so Modersen, nac h de r Rekrutenzeit »schief « un d »mit Verachtung« angesehen . E r selbst dagege n se i nun »grade« wi e ein Baum daher stolziert. Moderse n blieb aber nicht beim Militär, sonder n trat in die Berufsfeuerwehr seine r Heimatstad t ein . Di e neue blau e Unifor m tru g e r »stolz«. Gleichzeiti g jedoc h »fühlte « e r sic h »unsiche r unte r de n Blicke n der anderen« , de r Feuerwehrkameraden : Ein e neu e Hackordnun g wartet e auf ihn. Bald darauf rief ihm eine Reserveübung be i der Wehrmacht erneut in Erinnerung, wie fragil sei n Statu s als Soldat und Mann war. Als »schä biger Zivilist‹« musst e er sich zum Dienst melden »und genauso wie in der Rekrutenzeit anpflaume n lassen« . I m Polenfeldzu g erhiel t e r al s Wehr machtsoldat sein e Feuertaufe . Danac h gin g e r zur militärisch organisierte n Feuerschutzpolizei, wurd e Offizier , marschiert e »wi e ei n Hahn mit steife n Beinen und gleichgültigem Gesicht « umhe r (wie er nicht ohne Selbstironi e notierte), freute sic h der »neuen Würde«, genoss »ein anderes Ansehen und konnte seinen Willen eher durchsetzen.«16 Aber stets fürchtete e r die nächste Versetzung. Den n sie bedeutete, vor den Augen neuer , fremde r Kamerade n bestehen zu müssen.17 Verunsichernde Scha m und soziale Kontrolle waren kein Spezifikum des Militärs oder der NS-Volksgemeinschaft. Vo n zivilen und zivileren Gesell schaften unterschiede n sic h beide dadurch, dass sie jene Räum e marginali sierten, die Schutz vor den Augen der Anderen boten. Und noch etwas kam hinzu. Im Militär steht die Kultur der Scham im Zeichen des Todes, zumindest in Kriegszeiten. Das Auge der Anderen wacht über die Bereitschaft des Einzelnen, fü r die Gemeinschaft z u töten un d sich fü r sie töten zu lassen. Die militarisiert e Volksgemeinschaf t duldet e ers t rech t kein e Nischen , i n die sic h hätt e flüchte n können , we r nicht getöte t werde n ode r nich t töte n wollte. Wer sich vor der kriegerischen Gemeinschaft »drückte« , sollt e überhaupt keine r Gemeinschaf t meh r angehöre n dürfen . Jede r gesund e Man n gehörte an die Front oder musste doch wenigstens dort gewesen sein, musste seinen Körper, seine Psyche und Physis, seine Tötungsskrupel un d seine Todesfurcht, sei n persönliche s Gewisse n un d sein individuelle s Lebe n auf dem Opferalta r de r kriegerische n Gemeinschaf t dargebote n haben . We r dazu nicht bereit war, galt nicht als Mann, sondern als »Hampelmann«.18 Er 15 Brief e Werner Groß, 23.4.36, 3.5.36,21.5.36, 16.8.36 . 16 Tagebuc h Modersen, S. 204 und 208. 17 Ebd. , S. 73ff., 90ff., 106f. , 166, 178f. u.ö. 18 Zita t aus einem Feldpostbrief bei Latzel, Soldaten, S. 311.

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war »weibisch«, ohn e doch eine Frau zu sein, ein Zwitterwesen, de m in der Registratur der inneren Feinde des NS-Staates das Stigma des Juden anhaftete. Ihm drohte der Tod - de r soziale, der physische, auch der symbolische: Die Volksgemeinschaf t würd e ih m jedes Andenke n verweigern . De r au f dem »Feld der Ehre« Gefallene dagege n war des mystischen Leben s in der kollektiven Erinnerung sicher. Die größt e Sorg e junge r Rekrute n wi e Kar l Fuch s ode r Pete r Pfaff , gleich ob ihre militärischen Ambitionen christlich oder nationalsozialistisch geprägt waren , bestan d darin , nich t meh r a n di e Fron t z u kommen, bevo r der Krieg z u Ende war. »Sons t ha t man später nicht das Recht zu leben«. 19 Nach de m Krie g al s Feiglin g z u gelten , wa r ihr e größt e Furcht. 20 Sogarti g zog die Front sie an. Dort waren wirkliche »Männer« , wi e si e vom Hörensagen, den Wochenschauen, den Kriegsberichten i n der Presse oder nur aus den Frontromanen vo m Ersten Weltkrieg wussten. 21 Gerad e solche anony men Kameraden richteten , s o die Vorstellung, ih r beschämendes Auge au f die in der Kaserne, in der Etappe oder gar zuhause Gebliebenen. 22 »Ich habe mich a n di e Fron t gemeldet« , schrie b ei n Solda t i m Oktober 193 9 seine m »Mädchen«, weil es ein »blödes Gefühl« sei , »in der Etappe herumzusitzen, während ander e drauße n i m Drec k liegen«. 23 Di e Katastroph e vo n Stalin grad lie ß di e Kriegsstimmun g de r Deutsche n au f eine n Tiefpunk t sinken . »Aber«, fragt e ei n katholische r Theologiestuden t i m Februa r 1943 , »ist e s deshalb Leichtsin n vo n mir, wen n ic h mich auc h nac h solche r Bewährun g sehne?«24 Noc h i n de n letzte n Kriegsmonaten , de n Untergan g vo r Augen , stürmten unzählig e Hitlerjunge n un d Napola-Schüle r z u de n Fahnen , u m die letzte Gelegenheit wahrnehmen, die ultimative Probe auf die Männlichkeit zu bestehen.25 Wer die »Feuerprobe« bestande n hatte , war ein Held. Der Held war das Gegenteil de s Außenseiters. Beide fühlten di e Blicke der realen und imaginären Kameraden auf sich gerichtet. Der Außenseiter empfand Scham , weil er ihre n Erwartunge n nich t entsproche n hatte . De r Hel d wa r »stolz«. 26 E r hatte Todesfurcht un d Tötungsskrupel überwunden . De n eigenen Körpe r in der Extrembelastung de s Gefechts reibungslo s funktioniere n z u sehen, war etwas Besonderes. »Das ›Volk‹ wa r so aufgeregt, das s ich selbst den ganzen 19 Pfaff, S. 13 u.41. 20 Fuchs , Letters, S. 11ff., 50 , 57, 61, 63, 65, 70, 72, 96, 99, 104f.; Rühle, Briefe, S. 34. 21 S o der katholische Theologiestudent und Offiziersanwärter Α. Κ. am 31.7.42 an seinen Bon­ ner Seminarleiter, AE K CLB; vgl. Grupe , S. 99; Fetscher, S . 57; Kur t Kreißler, Erinnerunge n I, S. 8, Briefe Kurt Kreißler, 7.8.40, 20.8.40, 10.4.41, 25.5.41. 22 Melcher , S. 221, 233, 237, 263f., 270. Vgl. Pfaff, S. 69. 23 Buchbender/Sterz , S. 45. Vgl. Mohrmann, S. 93. 24 AE K CLB, J.B. 21.2.43; vgl. Briefe Roth, 25.10.43. 25 Vgl . z.B. Grupe, S. 339. 26 Erinnerunge n Kurt Kreißler II, S. 20, dazu Briefe 26.7.41 und 4.8.41.

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Krempel gemach t hab e un d mi r nu r di e Munitio n angebe n ließ« , brüstet e sich ei n Solda t mi t seine m Einsat z am »Werfer « be i de r Feuertaufe seine r Kompanie i m Westfeldzug 1940. 27 Wer s o über sic h gesieg t hatte , genoss, was de m Außenseite r verwehr t war : de n eigene n Körper s i n de r erste n Person Singular wahrnehmen zu dürfen. Oft beschrieben di e Soldate n ihr e Mann-Werdung au f dem Schlachtfel d als Neugeburt oder als »neue Taufe«. 28 Solch e Metaphorik fing die Kontingenz, die das Gefechtserlebnis beherrschte , sprachlich ein. Die Front führt e die Soldate n i n ei n transitorische s Weder-Noch . Da s Nebeneinande r vo n Tod und Lebe n verban d sic h mi t de m Ineinande r vo n Töte n un d Getötet werden. Wa s de r Soldate n dabe i empfand , konnt e nu r widersprüchlic h sein.29 Das Gefühl elementare r Hilflosigkei t überfie l Kur t Kreißler »a n de r Seite eine s Schwerverwundeten« . Da s Bild de s Todes und der Zerstörung , der »widerlich e Geruc h vo n verbrannte m Menschenfleisch« , de r Anblic k zerstückelter, verkohlte r un d verwesende r Leichen , aufgerissene r Bauch wände und abgerissener Köpf e un d Gliedmassen war f die Frag e nach dem Warum auf. Scho n das Uhland-Lied hatt e sie gestellt, abe r nicht beantwortet. Waru m traf es den Kameraden, waru m nich t mich ? »Ma n ka m sic h so einsam, so verlassen vor auf diesem Schlachtfeld.« 30 Die Ohnmach t vo r de m To d wa r i m Gefech t allgegenwärtig . Noc h di e Erfahrung diese r Ohnmach t hatt e ihr e Kehrseite . Elia s Canett i ha t si e au f die irritierend e Forme l vo m Triump h de r Überlebende n gebracht : »De r Augenblick de s Überleben s is t de r Augenblic k de r Macht . De r Schrecke n über den Anblick des Todes löst sich in Befriedigung auf , den n man selbst ist nicht der Tote. [...] Diese m Haufen von Gefallenen steh t der Überlebende al s Glückliche r un d Bevorzugte r gegenüber . [... ] Diese s Gefüh l vo n Erhabenheit über die Toten kennt jeder, de r in Kriegen war . E s mag durch die Trauer um Kameraden verdeckt sein; aber dieser sind wenige, der Toten immer viele. [...] . Wem dieses Überleben oft gelingt, der ist ein Held. Er ist stärker. Die höheren Mächte sind ihm gewogen.« 31. De r Triumph der Überlebenden wa r kei n heiterer , sonder n ei n ernster , ein e Machterfahrun g su i generis: ei n zunächs t staunendes , dan n gewisse r werdende s Gefüh l de r eigenen Unverletzlichkeit . A n de r Front , s o Pete r Pfaff , »wir d eine m da s Leben ... zu m zweite n Ma l geschenkt , ma n wir d zu m Lebe n begnadigt oder fällt.« 32

27 Brie f von »Bulli« a n Eltern 15.5.40 , in: BA-MA, MP 25, v. 11. 28 Bähr/Bähr,S . 19, 50, 111. 29 Alvensleben , S. 214f . 30 Erinnerunge n Kurt Kreißler II, S. 16-2 0 31 Canetti , S. 259f. 32 Pfaff , S . 158 , Tagebucheintrag 2.10.44.

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Das Bewusstsein , z u den auserwählten Überlebende n z u gehören, nich t zur Masse der oft bis zur Unkenntlichkeit verstümmelte n Toten , ist genuin narzisstisch. Der eigene Körper war unversehrt geblieben. Er hatte überlebt. Er hatte funktioniert. 33 Nachde m er die Panzer über sich hatte hinwegrollen lassen, spürt e Pfaff da s »Leben, die s Kitzeln, die s Wagen, das Bewähren«. »Spaß« bereitet e es ihm, »dann meine innere Ruhe zu fühlen«. E s war dies die Ruhe des Individuums, da s seiner selbs t wenigsten s fü r einen Momen t gewiss sein konnte, ohne die Augen der Anderen furchten zu müssen. Pfaf f hatte just vor diesem Erlebnis unter Reibereien mit Kameraden und Vorgesetzten gelitten . Er war in die Rolle de s Außenseiters gerutscht , obwoh l er doch ein »guter Kamerad « sei n wollte. Die bestandene Mutprob e löst e die Spannung. Nun hatte er den Blicken der anderen genügt. Ich und Wir waren zur Deckung gebracht . Da s Gefecht stellt e den symbolischen Rau m bereit, in dem der »gute Kamerad« sei n Ich, das er dem Wir zum Opfer angeboten hatte, zurückgewann. Nicht das zivile, sondern ein kriegerisches. Das zivile Ich scherte sich nur ums eigene physische Überleben , das kriegerische war auf da s Erlebe n de r Gemeinschaft bedacht . Da s zivile Ic h blockierte di e Vergemeinschaftung, da s kriegerische wirkt e al s ihr Motor. Sei n Narziss mus war von der Aura der Gemeinschaft umgeben und sakrosankt. Am meisten zehrte von dieser Aura der charismatische Führer , der seine Männer wie ein Magnet i n die Schlacht un d ihre ehrfürchtige n Blick e auf sich zog . Fritz Farnbache r wa r ergriffe n vo m Anblick seine s Regiments kommandeurs bei m Vormarsc h au f Smolensk i m Sommer 1941 . Das Bild war »feierlich : währen d alle s au f de r Erd e liegt , u m sic h einigermaße n gegen Splitte r und Geschosse zu decken [...] , steh t Obstlt. v. Lüttwitz auf recht und ohne leisest e Bewegun g mitte n unter den Angreifern un d macht sich ein Bild von der Lage, trifft sein e Entscheidungen und entschließt sic h [...], ein e wahre Führergestalt von mitreißender Kraft«. Keine r seiner Männer sa h ihn je »irgendwi e schwanke n ode r zurückgehen« . »E r bleibt auf recht stehen, wenn es noch so schießt und kracht und gibt klare und sichere Befehle. Ei n prächtige r Führer!« 34 E r vereinigt e i n sic h alles , wa s ein e heroische Kriegerfigu r auszeichne n un d als Motor de r kriegerischen Ver gemeinschaftung wirke n konnte . Di e Furcht vor dem beschämenden Blic k der Andern au f den, de r sich vo r der Gefahr drückte , hatt e de r »prächtige Führer« längs t überwunden. Den Druck der Andern spürte er nicht mehr. In der Schlacht war er geborgen.35 Lüttwitz, di e Inkarnatio n de r charismatische n Gefechtskameradschaft , initiierte End e Augus t 194 1 ein abenteuerliche s Kommando . E s galt de r 33 Brief e Aberg, 25.12.44, nach der Feuertaufe; Alvensleben, S. 215. 34 Tagebuc h Farnbacher, 13.8.4 1 und 8.9.41. 35 Fü r weitere Beispiele vgl. Grupe, S. 224, 272.

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Rettung eine s hinte r de n feindliche n Linie n abgesprungene n un d i n russi sche Gefangenschaft geratene n Jagdfliegers . Selbs t wen n diese s Komman do al s Spähtruppunternehme n durchgeführ t worde n wär e (wa s erwogen , dann abe r zugunste n eine r größere n Operatio n verworfe n wurde) , hätte n möglicherweise meh r Menschen ih r Leben lasse n müsse n al s de r eine, um dessen Befreiun g e s ging . Abe r solch e Erwägunge n ware n obsolet . Nich t um das physische Leben eines Kameraden drehte sich dieses Unternehmen, sondern darum , die Ide e de r Kameradschaft z u verwirklichen. E s ging u m die Vergemeinschaftun g de r Truppe , daru m also , si e mi t soziale m Lebe n anzufüllen. Farnbache r wa r »begeister t vo n de r Sache« . Di e »schneidige n Männer«, nebe n denen er »sich wi e ei n Häschen vorkommt«, brachte n da s »Bataillon i n Schwung« . Da s Kommando wurde i n einem Überraschungs coup binnen weniger Stunde n erfolgreic h abgeschlossen . Di e Truppe hatte sich im Wir neu geboren.36 Kurze Zei t später , a m 22 . Septembe r 1941 , erlebte Farnbache r de n bi s dahin »denkwürdigsten « Ta g seine s Lebens. 37 In den Schlachte n be i Kie w begegnete ihm eine neue, »dramatische« Seit e des Krieges. Morgens musste erst Farnbacher s Pk w angeschlepp t werden , al s sein e Batteri e scho n we g war. Er und seine Leute fanden nur mühsam wieder Anschluss. Als es dann soweit war , ga b e s i m allgemeine n Durcheinande r kein e »Aufgab e fü r mich«, »ic h steh e ziemlich hilflo s da« . Auc h di e gegnerische n Panze r wa ren da, »schwere Brocken«, di e Farnbacher zum ersten Mal sa h - di e Τ 34, die durch ihre Größe, ihre Feuerkraft un d Beweglichkeit sowi e ihr e Panzerung de n deutschen Panzer n weit überlege n ware n un d überall a n der Ostfront fü r Angst und Schrecken unter den Landsern sorgten. Ein erster Volltreffer i n ein e Zugmaschin e de r eigenen Seite , Tot e und Verwundete, Ka meraden vo n Farnbacher . Plötzlic h abe r klappt e doc h alles , di e Batterie n schießen, »wa s di e Rohr e halten« , »di e Panze r mache n kehrt« , de r Ge fechtsstand wir d vorverlegt , di e Schütze n habe n sic h i m freie n Fel d gu t eingegraben. D a kommen die Panzer erneut, si e »fahren i n unsere Linien« , die Panzerabwehrkanone n spritze n a n ihne n a b »wi e nichts« . Abe r »kau m einer is t vo n unsere n Soldaten , de r auskneift ; alle s bleibt« , alle s häl t un d wirkt zusammen . Da s »absolute Überlegenheitsgefühl « de r Kampfgemein schaft läss t alle zusammenwirken un d über sich hinaus wachsen.38 Plötzlich fahrt ein Panzer direkt auf Farnbacher zu, der im Graben liegt und hofft, ihn über sich hinweg rolle n lasse n z u können. Ein e Raupe lenk t jedoch i n den Graben hinein . Farnbache r droh t von ih r zermalmt z u werden - un d rettet 36 Tagebuc h Farnbache r 30.8.4 1 37 Kein e 2 4 Stunde n späte r hiel t e r di e Ereigniss e i n seine m Tagebuc h fest , Tagebuc h Farn bacher 22.9.41 (i m Typoskript 3 0 Seiten). 38 Zu m Zitat Intervie w Aberg , sieh e oben.- Zur Sache vgl. z.B. Kühle, Briefe, S . 92f .

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sich durc h eine n Sat z nac h rechts . De r Panze r fähr t »zwe i Zentimete r a n meinem linken Fuß vorbei.« So kaltblütig und instinktiv richtig handeln fast alle Kameraden. Maschinenartig greif t ei n Tei l in s andere , jedes arbeite t zuverlässig , präzise , per fekt. »Bobbi« , eine r vo n Farnbacher s Leuten , »bleib t eiser n a n seine m Gerät un d greif t ers t z u seine m Stahlhelm , wen n e s tatsächlic h angezeig t erscheint«. »Fabelhaf t habe n sich seine Männer benommen und kein einzi ger is t weggelaufen« . Ei n Oberwachtmeiste r schließlic h rennt , al s sei n Geschütz keine Munition mehr hat, zur benachbarten Pak und fungiert dor t wie selbstverständlic h al s Kanonier , »dami t di e bi s zu m letzte n Schus s arbeiten« kann . A m End e erhäl t dies e Stellun g eine n Volltreffe r un d ei n Panzer fähr t übe r si e hinweg . Tödlic h verwundet , frag t de r selbstlos e Oberwachtmeister: »›Her r Hauptmann, wenn ich wieder zurückkomme, und ich hoffe, dass das recht bald ist, kann ich dann Soldat bleiben?‹« Sei n Chef sagt zu dem Hoffnungslosen: »Abe r Junge, das ist doch selbstverständlich , dass Du Soldat bleibst!« »Solda t bleiben « z u dürfen, trot z schwerster Ver letzung (un d bevorstehende m Tod ) nich t ausgestoße n z u werden , sonder n »bald« wiede r mitmachen zu dürfen - kau m etwas hätte die Werteordnun g der Kampfgemeinschaft besse r ausdrücke n könne n als dieser Wunsch. Der physische To d verlor sei n bedrohliche s Antlitz , wen n de r sozial e To d gebannt und das symbolische Leben als Held sicher war. Das Ritterkreu z erhiel t Eric h Göstl , Panzerkanonie r be i de r »Leibstan darte S S Adolf Hitler«, wei l e r bei de n Abwehrkämpfen i n der Normandie 1944 den Vorstoß der Alliierten auf ein Städtchen wenigstens für eine kurze Zeit stoppte . Zuerst fie l sei n zweite r Schütz e aus . Dann zerschmetterte ei n Schuss sein linkes Auge. Kurz darauf verletzten Splitter seinen linken Oberarm. Aber Göstl harrte am Maschinengewehr aus. Und als auch sein rechtes Auge getroffe n war , schos s e r weiter nac h Gehör , bi s ein e Ladehemmun g sein M G funktionsunfähi g machte. 39 S o wi e Göst l durc h seine n Einsat z seine Kompaniekameraden gedeckt hatte, sorgten sie schließlich für ihn und zogen ih n au s de r Feuerlini e heraus . Reibungslose s Ineinandergreife n de r über ihre n Körpe r souverä n herrschende n Kamerade n demonstrierte n Ge schützbedienungen ebens o wi e U-Boot-Besatzunge n ode r Flugstaffeln. 40 Das »absolute« , kameradschaftlich e Zusammenwirke n i m Gefech t konnt e verschiedene Formen annehmen - di e charismatische, bei der ein Führer die Mannschaft wi e unte r Hypnos e in s Gefech t führte , di e maschinenhafte , i n der verschiedene Teile umso schneller und reibungsloser ineinander griffen , 39 Briefwechse l vo n Erich Göstl und Elmar Bonn, 1944-1946 , Patrick Agte, Erich Göstl, ungedr. MS. , darin u.a. Stellungnahm e de s Vorgesetzten zu r Verleihung de s Ritterkreuzes (Kopien im Besitz des Verfassers). 40 Buchbender/Sterz , S. 57. Vgl. Bähr/Bähr, S. 104 . Fetscher, S. 169.

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je größe r di e Bedrohun g wurde , di e altruistische , i n de r ei n ode r mehrer e Kameraden ih r Lebe n opferte n ode r zum Opfe r anboten , u m de n ode r di e bedrängten oder verletzten Kameraden vor dem Gegner zu decken oder aus der Gefah r ›herauszuhauen‹. 41 Nich t u m da s physisch e Überlebe n ihre r Akteure ging es, sondern um das Erlebnis der Gemeinschaft, u m die Aktualisierung des Mythos der Kameradschaft, darum , es den mythischen Vorbildern gleichzutu n un d i n ihr e imaginiert e Gemeinschaf t aufgenomme n z u werden. Auf Dauer gestellt wurd e die absolute Kameradschaf t ers t durch die Erinnerung. Ansonste n wa r si e ein e Sach e de s Augenblicks . De n Alltag de r Soldaten bestimmt e si e nicht . Si e bildet e di e Ausnahm e vo n de r Rege l militärischer Vergesellschaftung. I n dieser herrschte von morgens bis abends und nich t selte n bi s i n di e Nach t hinei n da s Durcheinande r vo n wider sinnigen, plötzlic h erteilte n un d ebens o plötzlic h widerrufene n Befehlen , das Nebeneinande r vo n fehlende r Ausrüstun g un d schlaraffenlandartige m Überfluss a n requirierte n Nahrungsmitteln , nich t zuletzt : di e Verhöhnun g der Gemeinschaftsideale, di e der militärische Tugendkatalog hochhielt . Fritz Farnbacher war bei seine n Leute n wie bei m Gros seiner Offiziers kameraden durchaus beliebt. Aber das schützte ihn nicht vor dem Verdruss über ein e Gesellschaft , i n de r nich t Selbstlosigkei t un d Wärme , sonder n Reibereien, Stänkereie n un d Stumpfsin n regierten . Ma l döst e ei n Solda t bloß vo r sic h hi n un d lie ß di e Arbei t di e andere n machen , ma l sa h sic h Farnbachers Batteri e vo n ›Kameraden ‹ eine r Nachbareinheit u m ih r Gerä t bestohlen, mal verkrümelte sich der Funker, sobald ein Schuss fiel, mal war es der Arzt, »der wie ein Kind bedient sein will un d nichts anderes weiß als nörgeln und miesmachen«, ma l ein Offizierskamerad, de r »rücksichtslos in seinem ehrgeizige n Strebertum « vorgeh t un d nac h Orde n giert. 42 Vo n sei nen unmittelbare n Chef s sa h sic h Farnbache r ständi g »angeschissen« , fertiggemacht, betroge n un d zurückgesetzt . Ihne n »dauer t alle s z u lange« , immer machten si e »ein Gefitze wege n nichts«. »Imme r wieder Schwierig keiten un d Hi n und He r wegen laute r kleine n Drecks! « Gegenübe r eine m Oberst, de m e r insgehei m de n Tite l »Scharfrichter « verlieh , ka m e r sic h stets wie ei n Angeklagter vor . Ein Major ga b sich stet s »schrecklich unge duldig«, wurde »saugrob«, wen n etwas nicht so schnell ging , wie er wollte. »Unzuträglichkeiten un d Schweinereien«, Intrigen , Stänkereie n un d Reibereien ware n a n de r Tagesordnung . Mi t de m Vorwur f mangelnde r Dienst auffassung konfrontiert , notiert e er kurz vor Weihnachten 1941 : »Ich bin fix

41 Hierz u noch Bähr/Bähr, S. 218-223. 42 Ebd .

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und fertig . [...] . Di e Lähmung , di e sic h meine r bemächtig t hat , mus s bal d einen Ausweg finden«. 43 Diese »Lähmung « rührt e vo n de r unsichere n eigene n Stellun g i n de r Männergemeinschaft her . »Ic h komm e mi r vo r wi e ei n Ausgestoßener« . Das war da s Schlimmste . Noch lang e Zei t über das Ende des Jahres 194 1 hinaus trug er lediglich das EK II, während selbst Untergebene von ihm das ΕΚ Ι erhielten. Al s Führe r einer Stabsbatteri e sa h er sich auf einen Posten gestellt, den in seinem Regiment nur Leute bekamen, »mit denen man überhaupt nichts anzufangen wisse«. 44 Al s »Mädche n fü r alles « stan d e r in der Männergesellschaft nack t da. Da s Gefecht ho b die Furcht des Ichs vor Demütigung un d Ausgrenzun g auf , un d ebens o macht e e s di e Intrige n un d Reibereien fü r eine n Momen t vergessen . E s löste da s Versprechen au f soziale Harmonie ein, das der Kameradschaftsmythos gegebe n hatte. Keine Kameradschaft ohn e die Anderen, die sie bedrohten. Aber auf diese Bedrohung wa r di e Vergemeinschaftung angewiesen . Wen n es sie nicht gab, musst e si e erfunde n ode r dramatisier t werden . De r Gegner i m Oste n war kei n normaler , s o bläut e e s di e Propagand a de n deutsche n Soldate n immer wiede r ein , u m si e au f di e verbrecherisch e Kriegführun g einzu schwören. Farnbache r wa r nich t persönlic h a n de r Ermordun g vo n Jude n oder andere n Wehrlose n beteiligt . De n Vernichtungskrieg, de n auc h sein e Truppe führte , beobachtet e e r mi t innere r Distanz . A m 20 . Jul i 194 1 schnappte seine Einheit unter einer Reihe von Überläufern eine n Juden auf , »der anrüchi g sei n soll , Kommissa r ode r sowas . [... ] Un d nu n wir d be schlossen, dass der Jude erschossen wird. Laut höheren Befehls sin d Kommissare zu erschießen. Da s dehnt man auf die Juden aus.« Vorhe r wird der Verdächtige noc h unter Leitun g eine s »seh r schneidigen « Major s un d Rit terkreuzträgers verhört, der mit seinem »Judentröster«, eine m derben Stock, aus ih m herausprügel n will , w o di e andere n Kommissar e stecken . Farn bacher »grusel t gewaltig« . A m Ende , nac h unzählige n Misshandlungen , wird der Jude abgeführt un d »umgelegt«. S o geht es weiter. Überläufer, di e abgeworfenen Flugzettel n vertrauten , wonac h si e vo n de n Deutsche n gu t behandelt würden , werde n i n Gefangenenlager mi t katastrophalen Lebens bedingungen gesteckt ; »di e Leut e werden sic h vielleicht betroge n fühlen« , ahnt Farnbacher. Dörfer und Häuser von Zivilisten werden angezündet, ihre weinenden Bewohnerinnen errege n wohl Mitleid, aber zu ändern ist nichts. Und immer wieder treten Kommissare auf , di e »sofort erschosse n werden « müssen, »abe r keine r wil l ran« , auc h Farnbache r nicht : »Ma n drück t sic h vor de r Verantwortung« . Da s Bewusstsei n fü r da s Kriegsvölkerrech t wa r 43 Tagebuc h Farnbacher , 14.8.41 , 3.10.41 , 10.12.41 , 7.2.42 , 15.7.41 , 15.1.42 , 16.8.41 , 22.9.41 , 21.12.41. 44 Ebd .

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noch vorhanden. An den Verstößen dagegen beteiligten sich die Soldaten in unterschiedlichem Maße. Wer dies nicht wollte, zog es vor, zu schweigen. 45 In den Bedrohungsszenarien de s durch Gerüchte und Propaganda dramatisierten Partisanenkriege s un d in der Sehnsuch t nac h Gemeinschaf t löste n sich di e Skrupe l o b de r verbrecherische n Kriegführun g jedoc h meh r un d mehr auf.46 Farnbacher hörte, »in wie bestialischer Weise die Russen unsere Männer hergerichte t haben , di e Schäde l eingeschlage n un d mit Bajonette n zugerichtet«. Nu n wa r e r völli g einverstanden , wen n »kein e Gefangene n mehr gemacht« wurden und »keine falsche Milde « meh r waltete.47 Er erlebte Sabotageakte , »Schweinereien « de r gegnerische n »Zivilisten « a n seine r Truppe un d überwan d anfänglich e Hemmunge n bei m »Requirieren « vo n Nahrung. Bei eine r dieser Aktionen fuh r ein Schütze auf eine Mine - »drei Tote, ei n Schwerverwundeter , ei n Leichtverwundeter . D a hol e ic h den n schon liebe r hie r de n Leute n ihr e letzt e Ku h weg!« 48 I n der Sorg e u m di e eigene Truppe verdünnten sich die Skrupel o b der »umgelegten« Zivilisten , wenn diese nur ein wenig »soldatenverdächtig« aussahen. 49 Ein Rest von Irritatio n blieb . »Wi e is t e s doch um uns bestellt!«, fragt e sich Farnbacher am Ende des Jahres 1941, als er hörte, dass seine Kameraden rund dreißig gefangen e Russe n einfac h »umgelegt « hatten , weil ihne n der Weg zu r Sammelstell e z u weit war : »Da s hätte man vor fünf Monate n einmal sage n ode r wagen sollen ! Un d heute is t e s eine Selbstverständlich keit, die bei reiflicher Überlegun g jeder billigt. Nur keine Schonung gegen über diese n Raubtiere n un d Bestien!« 50 Gleichzeiti g begeistert e e r sic h immer meh r fü r da s abenteuerliche , a n bündisch e Fahrte n erinnernd e Ge meinschaftserlebnis de r Beutezüge i m Frühjahr 1942. Auf Partisanen stie ß man nicht , dafü r wa r di e Beut e u m s o üppiger: Kartoffeln , Kraut , fünfzi g Hühner, Getreide , dre i Spanferke l »un d vo r alle m ein e Kuh « wurde n i n einem Dorf auf über dreißig Schlitte n geladen. »Dann setze ich mich an die Spitze meine r Streitmacht , nachde m ic h ihr e Vollzähligkei t noc h einma l festgestellt hab e [...] und marschiere heimwärts. So schön der Morgen war, so schön ist jetzt auch der Abend. Wir haben Rückenwind und kommen gut voran.« Nich t zuletzt de r Humor der Landser trug zu r ausgelassenen Stim mung bei : »Wi e ic h drauße n gefrag t habe , o b di e Ku h auc h bezahl t sei , sagten sie glatt ›Jawoll!‹. Auf meine Frage, womit: ›Mit Bilderschecks!‹«. 51 45 Ebd. 23.6.41, 12.7.41 , 20.7.41, 21.7.41, 3.8.41. Vgl. Böttger, S. 65; Sager, S. 31 u. 252. 46 Vgl. auch Stieff, S. 135 und 140 (19.11., 7.12.41). 47 Tagebuch Farnbacher., 2.7.41, vgl. 13.8., 27.8.41, 30.12.41. Vgl. Rass, Menschenmaterial, S. 334f. 48 Ebd. 27.10.41, 9.11.41, vgl. vorher 30.7., 5.10.41. 49 Ebd. 13., 24.11., 7.12.41 (Zitate), vgl. 25., 30.1.41. 50 Ebd., 30.12.41. 51 Tagebuch Farnbacher, 27.3.42

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Solche Beutezüg e gege n di e unterworfen e Zivilbevölkerun g bote n ähn lich wi e da s Gefech t gege n de n bewaffnete n Gegne r Abwechslun g vo m tristen Alltag . Mi t Panjewage n un d Pferde n ritte n Leutnan t Werne r Gro ß und sein e Leut e i m Frühjah r 194 3 »durc h di e Gegend« . Ma n habe , s o schrieb er stolz, »Dörfer durchwühlt , Wälde r durchkämm t un d die Gegend von Bande n gesäubert . [... ] Wi r habe n geleb t wi e di e Zigeune r un d Vaga bunden«.52 Ih r belebendes soziale s Elixie r gewanne n di e Vagabunde n au s dem Bewusstsein, übe r die Moral de r zivilen Gesellschaf t erhabe n zu sein. Soldaten wi e Farnbache r ode r Gro ß hatten dies e nich t gänzlic h übe r Bor d geworfen. Di e reguläre n Truppe n de r Wehrmach t un d de r Waffen-S S er mordeten kein e Wehrlosen . S o wollt e e s da s traditionell e militärisch e Selbstverständnis. Di e Praxis sa h oft ander s aus. Wenn beides, die verbrecherische Praxis und das ritterliche Selbstbild, in Einklang gebracht werden konnte, dann deswegen, weil sic h der soziale Horizont der Soldaten au f die vertraute Kompani e ode r da s Bataillo n verengt e un d si e nu r noc h i m Augenblick lebten . S o löste sic h der systematische Massenmor d i n wenig e kleine un d spontan e Verbreche n auf , di e i m Kamp f ums eigene physisch e Überleben al s bloß e Reaktio n au f di e Verbreche n de r Gegne r legiti m er schienen.53 Selbstverständlich waren die Massaker und Mordaktionen dennoch nicht. Sie musste n legitimier t werden . Da s leistet e di e Gruppenehre , di e nac h Rache schrie . De r Ehrenkode x de r Rach e fordert e di e gemeinschaftlich e Gewalt gegen den, der Unrecht gegen einen Gruppenangehörigen begange n hatte, oder abe r gegen desse n Angehörige . Di e Grenzen zwische n de r ins trumenteilen Gewalt, die auf den Sieg über den Gegner zielte, und der symbolischen Gewalt , i n der sich di e bedrohte Gemeinschaft ers t konstituierte, waren fließend . Genauer : Si e bildete n zwe i Seite n ei n un d derselbe n Sa che.54 Vergemeinschaftung durc h Gewalt garantierte n da s reguläre Gefech t ebenso wi e da s Massaker , abe r auc h di e kleine n Verbreche n a n gegneri schen Zivilisten. Von Beutezügen gege n die Zivilbevölkerung un d »Säuberungsaktionen« gege n Partisane n zu m Mor d a n wehrlose n Ziviliste n ode r Kriegsgefangenen wa r fü r di e meiste n Soldate n dennoc h ei n weite r Weg . Wie viel e Soldate n ih n au s de m Rachegefüh l angesicht s verstümmelte r 52 Brief e Gross , 4.4.43 . Ähnlich e Beispiel e sin d durc h Militärgerichtsverfahre n überliefert , die, wen n die Beutezüg e und Plünderunge n »au s Fürsorg e für die Kompani e und durch Kameradschaftsgefühl« begange n wurden, für die Täter glimpflich ausgingen , ΒΑ-ZNS W 11 , Ρ 44 (Zitat) , ebd. Ρ 32, Ρ 70, Ρ 216, allerding s ga b e s auc h ander e Urteile , z.B . ebd . Ρ 201; Latzel, Soldaten , S. 143-145 ; Böttger, S. 69. 53 Vgl . Verbreche n de r Wehrmach t (2002) , u.a . S . 536ff, 550ff. , 558ff. ; z u Serbien : Mano schek, Serbien , z u Griechenland : Mazower , Gewalt , S . 157-173 ; z u Italien : Geyer , Civitella , un d Schreiber, Kriegsverbrechen; zu Holland: Keizer, S. 19-164 . 54 Geyer , Civitella, S . 224.

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Kameraden, aufgrun d eine s Befehls , au s politische r Überzeugun g ode r unter dem Eindruck der Indoktrination gingen, lässt sich nicht mehr feststellen. Alle handelten i n einem sozialen Kontext, in dem die zivile Mora l und das überkommen e Kriegsvölkerrech t dispensier t waren . Di e Legitimatio n für diesen Dispens der Humanität gegenüber dem Gegner lieferte abe r nicht nur das entmenschlicht e Feindbild , sonder n auc h di e Menschlichkeit , wel che die Gruppe im Inneren pflegte. 2. Mutterliebe und zärtliche Kameradschaf t Kurt Kreißler blieb im Sommer 194 1 nur zwei Wochen an vorderster Front. Danach zwangen ihn Kreislaufprobleme länger e Zeit ins Lazarett und in die Ersatztruppe. Zunächs t hatt e e r auc h genu g vo m Fronterlebnis . Desse n Grauen verfolgte ih n bis in die Träume. Berichte der im Lazarett eintreffen den Kamerade n frischte n di e Erinnerun g ständi g auf . O b seiner Herzpro bleme spielt e e r mit dem Gedanken, sic h al s HJ-Bannfuhre r u.k . stelle n zu lassen. Aber nach einigen Monaten regte sich die Sehnsucht nach der Front erneut. Vom Schlachtfeld erzähle n zu können, hatte ihm schon im Lazarett die Bewunderung der jüngeren Schul- und HJ-Kameraden eingetragen . Sein Heldentum droht e aber zu verblassen, je meh r von diesen Kamerade n »de r Front entgegen « fuhre n - »un d ic h dar f nicht mit« . Kreißle r beneidet e si e »glühend«. Die Furcht, nicht mehr mitmachen zu dürfen und am Ende doch als Drückeberge r z u gelten , quält e ih n zusehends : »Ic h wil l nich t da s Gefühl haben , ein erbärmlicher Feiglin g z u sein, und ich möchte mir dereins t nicht sage n lasse n müssen , ic h hab e dies e gewaltig e Völkerentscheidun g von hinte n betrachtet . Übe r die s würd e ic h mei n ganze s Lebe n nich t hin wegkommen.« De r Untergang de r 6 . Arme e i n Stalingra d verstärkt e dies e Nöte noch. 55 I m Jun i 194 3 wurd e e r endlic h mi t einige n andere n a n di e Front versetzt. Aber nicht alle durften gleic h a n die vorderste Linie: »Herr gott, ei n jeder wil l doc h a m Feind e stehen . Ei n ältere r Uffz. , längs t Vate r von 2 Kindern, trit t vor, bittet dringen d a n die Front gelassen z u werden und erreicht sei n Ziel. Andere wollen e s nachmachen«. 56 Ih m selbst war es erst zwei Monate später vergönnt. Der Unteroffizier Kreißle r wa r kein e Ausnahme . Auc h we r sic h einma l als »Mann « a n de r Fron t erwiese n hatte , drängt e wiede r dorthin . Warum ? Die Soldaten handelten in dem Geflecht au s Ehre und Pflicht, Fürsorg e und 55 Brief e Kur t Kreißler , 31.8.4 1 (Träume) , 11.9.41 , 23.10.41 , 2.12.4 1 (uk-Stellung) , 27.1.4 2 (Kameraden a n di e Front) , 2.3.4 2 (Feigling) , 28.3.43 ; vgl . Erinnerunge n Kur t Kreißle r II, bes. S. 76f . 56 Erinnerunge n Kur t Kreißler II, S. 77, 80 (Zitate); Briefe Kur t Kreißler, 10.7.4 3

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Altruismus, in das die Moral der Kameradschaft eingelasse n war. Das »verpflichtende Gefühl , das s man den Kameraden, die im Dreck stecken, helfen muss, das s ma n einfach dorthi n gehört , das s man davo n nich t loskommt« , trieb Helmu t vo n Harnac k i m Septembe r 194 1 nac h de r zweiten Verwun dung wieder nach Russland. 57 Auf das Ansinnen seine r Eltern, sich doch in eine rückwärtige Einhei t versetzen z u lassen, reagierte Leutnant Groß 194 2 empört. »Aus einem persönlichen Grund soll ich die Führung meiner Kompanie aufgeben , sol l mitte n i m Einsatz von meinen Männer n gehen , u m in der Heima t Diens t z u tu n - da s kan n ic h nicht!« 58 Ebens o wie s Leutnan t Fetscher im Januar 194 4 die Zumutung seine s Vaters, eines Arztes, zurück, ihn zu eine m fiktive n Tuberkulosekranke n z u machen. »Ic h schämt e mic h vor meine n Kameraden« . Al s »verantwortungsbewusste r Chef « wollt e e r sie nicht im Stich lassen, auch wenn er den Krieg mittlerweile ablehnt e und den Untergang vorhersah. 59 Solche Einstellunge n spiegelte n nich t nu r da s verinnerlicht e Aug e de r Anderen wider. Sie entstanden an der Nahtstelle zwischen der außengeleiteten Moral de r Scha m und dem persönlichen Gewissen . Furch t vor der Beschämung de s Feiglings, Mitlei d mi t den Kameraden, zärtlich e Bindunge n an si e - al l die s flos s ineinander . Adressier t ware n jene Bescheid e a n di e Heimat, di e Famili e zuhause , a n Eltern , Mütter , Ehefrauen , Verlobt e ode r Geliebte. Die Einstellung de r Frauen zu r Frontsehnsucht ihre r Männer war zwiespältig. Gelegentlic h äußerte n si e de n Wunsch , si e fü r sic h ode r we nigstens in Sicherheit zu haben. 60 Aber im nationalen und im nationalsozialistischen Milie u respektierte n Fraue n di e Entscheidun g ihre r Söhn e un d Ehemänner meis t ohn e weiteres. 61 Mäd i verehrt e i n Kar l Fuch s nich t nu r den treusorgende n Eheman n un d künftige n Familienvater , sonder n vo r allem de n begeisterte n HJ-Führer , Panzerfahre r un d Uniformträger . Al s solcher wa r sic h de r Solda t weibliche r Bewunderun g sicher . Soldatisch e Männlichkeit wa r allema l da s Objek t schwärmerische r Sehnsücht e viele r Frauen i m NS-Staat. 62 Di e Uniform unterstric h männlic h »sichere s Auftre ten«. Erst recht begründete das »Ungeheure«, da s der Soldat an allen Fronten leistete , weiblich e Ehrfurcht. 63 Brac h e r au s de m »harten « Gehäus e seiner Identität aus, musste er mit Zurechtweisungen rechnen. Der 19jährig e Marinesoldat Albert Schoof schrieb seiner Schwester, welche Ängste er bei einer Bombardierun g seine s Schulschiff s ausgestande n habe . Wede r 57 Bähr/Bähr , S. 90f., vgl. ebd. S. 166 (Herbst 1942) , S. 457f. (November 1943). 58 Brief e Groß, 28.7.42. 59 Feischer , S. 161 ; Kardorff, S . 292f. 60 Fuchs , Letters, S. 104, 25.5.41. Löffler, S . 125. 61 Fetscher , S. 161. 62 Möding , S. 273-276; 63 Walb , S. 221, 239 vgl. ebd. S. 42, 218, 220; Bremer, S. 35.

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Schwester noc h Mutter hatten fü r derle i »Gerede « Verständnis . »S o etwa s kann jede m ma l vorkommen« , ermahnt e ih n di e Schwester , »abe r ma n muss nich t z u andere n darübe r reden.« 64 Ein e übe r 80jährige , christlic h orientierte Frau peitschte ihren Enkel 194 2 an, gegenüber den »bösen Partisanen« nich t nachgiebi g z u sein , dami t di e »Fron t nu r hält«. Den n »soll' s wieder alle s vergeblic h gewese n sei n [...] . Da s kan n un d kan n un d dar f nicht sein , da s werdet Ih r nicht dulden , Ih r lieben, tapfere n Jungen ! Denk t an da s viel e scho n verflossen e Blut«. 65 Un d ein e andere , jüngere Fra u er mahnte ihre n Mann , eine n Offizier , End e 1944 : »Bir g Dei n weiche s Her z unter äußerer Härte [...], dem Feind schaden, wo Ihr könnt, dazu seid Ihr da, nicht um es ihm leichter zu machen im Kampf gegen Euch.« 66 Dem Appell de r Frauen an die Männer, »Härte« z u bewahren, entsprac h ihr eigener Wille zur Unterordnung, nicht als ›Heimchen am Herd‹, sondern als »tapfere , klein e Soldatenfrau « i m Sinn e de r nationalsozialistische n Konzeption vo n Eh e un d Famili e al s Nucleu s de r Wehrgemeinschaft. 67 Diese Fra u begeistert e sic h fü r »ei n Leben« , da s »de m de s Soldate n vo n ferne ähnelte« . Den n e s stiftet e »zwische n meine m Man n un d mi r ein e großartige Kameradschaft« , di e ei n »gutbürgerliche s Dasein « ni e hätt e schaffen können. 68 Die Mütter, Ehefrauen , Verehrerinne n un d Freundinnen der Soldatenfiguren, u m die es hier geht, hatten sich dieses Gemeinschafts ideal al s Führerinne n i m BD M ode r i m RAD , i m Beru f al s Ärzti n ode r Krankenschwester angeeignet . Si e schwärmte n vo n eine r Kameradschaft , die de n weibliche n soziale n Horizon t erweiterte . Solch e Kameradschaf t vermittelte Gemeinschaft weita b von zuhause und Begegnungen mi t Angehörigen anderer sozialer Schichten. 69 Weibliche Selbstständigkeitserfahrunge n bliebe n jedoch eingebunde n i n eine sozial e Ordnung , i n de r da s soldatisch e Imag o und damit Männe r regierten.70 Dere n Kameradschaf t blie b de r unerreicht e Fixpunk t weibliche r Phantasie un d weiblichen Handelns . Michael Sager s Jugendfreundin Dorl e berichtete ih m a m Erste n Weihnachtsfeierta g 194 2 vo n de m »schöne n Weihnachtssingen«, da s si e al s Krankenschweste r i n eine m Münchne r Lazarett veranstaltet habe . »Du darfst mir glauben, ic h meinte nicht hier in der Heima t z u sein . Irgendw o i n Russlan d meint e ic h z u stehe n i n eine m ärmlichen Rau m un d glaubte , D u müsstes t nebe n mic h hintrete n zu r ge 64 Wojaks , S. 146. Vgl. Stieff, S. 140. 65 Zit . bei Nieden, Alltag, S. 113-117. 66 Orgel-Purper,S. 175. 67 Latzel , Soldaten, S. 345-348. 68 Jantzen/Niehuss,S . 152-155. 69 Walb , S. 108-113; Bremer, S. 15f., 20f.; Niethammer, Heimat, S. 202f. 70 Jantzen/Niehuss , S. 107, vgl. S . 105-108; Melcher, S. 195f. (Briefseine r Schweste r Klara v. 20.6.43); Walb, S. 108-113; Möding, S. 260ff.

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meinsamen Feie r de r Hl . Nacht . [... ] Die s ganz e Erlebe n lie ß mic h de m Deinen und das Deiner Kameraden i n dieser Stund e um vieles näher kommen!«71 Abe r de n Kamerade n gleichzukommen , blie b de n Kameradinne n verwehrt. De r Kameradschaft de r Männer , genauer : de m Bild , da s Fraue n sich davon machten und das Männer ihnen vorgaben, hinkte die Kameradschaft der Frauen hinterher. Männer behielten die Definitionsmacht übe r die Kameradschaft. Si e machten vor , was Kameradschaf t hieß . Frauen respek tierten dies e männlich e Hegemonie. 72 Ein e i n de r katholische n Jugend gruppe engagiert e junge Fra u klagte : »Da s is t hal t seh r traurig, das s Mäd chen unter sich nie so gute Kameradschaft halte n können«. 73 Die weiblich e Ehrfurch t vo r de n Kameradschafts - un d Fronterlebnisse n der Männer verhinderte, das s di e Kameradschaf t de r Frauen zu m Emanzi pationsvehikel wurd e un d di e Geschlechterhierarchi e aufweichte. 74 Dies e Ehrfurcht wa r auc h de r Pfad , au f de m di e kriegsbedingt e Trennun g de r Lebenswelten un d di e Entfremdun g zwische n Männer n un d Fraue n über wunden werden konnte. Das von der kollektiven Erinnerun g a n den Ersten Weltkrieg vorgezeichnet e Bil d de r Frontkameradschaft , da s Männe r un d Frauen i n de r NS-Zei t gemeinsa m aktualisierten , hatt e i m linke n wi e i m rechten Lage r de r kollektive n Kriegserinnerun g di e Auffassun g Lüge n gestraft, wonac h »da s Fronterlebni s abstumpft« . Solch e Abstumpfung , s o Christel Beilman n eine m Freun d au s de r katholische n Jugen d gegenüber , werde aufgehoben durc h »soviel a n schönem Menschlichen, da s sich in der Kameradschaft un d in Stunden , da das Leben au f der Schneid e steht« , zei ge.75 Di e au s eine r nationalsozialistische n Famili e kommend e Lor e Wal b zeigte sic h i m November 194 1 gebann t vo m zärtliche n Ker n de s »große n Kameradschafts- un d Gemeinschaftsgeistes« , de n Werne r Mölder s be i seinen Flüge n bi s z u seine m To d imme r bewiese n hätte . E r habe »seine n Fliegern durc h de n Bordfun k geradez u Anweisunge n z u de n Abschüsse n gegeben, wi e ei n Fluglehrer . Di e Jungen s hätte n ih n seh r ger n gehabt.« 76

71 Sager , S . 87f. Vgl . Brief e a n Ludwi g U. , hie r 28.7.43 , LH A Koblenz , Best . 700,153 , Nr. 144 . 72 Pfaff , S . 108f. , 110 , 1 12f., 115 , 121 , 123 . Moderse n notiert e 193 6 befriedigt , das s sein e Verlobte mi t andere n Fraue n zu m Arbeitsdiens t einrückte , lernte n si e doc h dor t »Kameradschaf t kennen« un d würden si e s o »auch bestimm t i n der Ehe bessere Kameradinnen« , Tagebuc h Moder sen, S. 104 . 73 Brie f von R.B. an Elmar Roth 29.10.43, Briefe Roth . 74 Dies e de r Jugend - un d de r Arbeiterbewegun g verpflichtet e emanzipatorisch e Vorstellun g findet sic h i n der Kriegszeit nur noch selten, z.B. Orgel-Purper, S . 68, Brief v. 22.2.43. 75 Beilmann , S . 154 , vgl. S . 135 . Vgl. Humburg, Gesicht , S . 22 9 76 Walb,S . 234.

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Das »harte« Bild , da s sic h di e Fraue n vo n de n Männer n machten , schlos s einen »weichen« Ker n ein.77 Wie die für unverzichtbar gehaltene »Härte« mit der »Weichheit« z u vereinbaren sei , beschäftigt e Soldate n unterschiedlichste r soziale r Herkunf t und Prägung. 78 Pete r Pfaf f wa r mi t de m Eintrit t i n de n Arbeitsdiens t un d dann in die Wehrmacht der »Muttigeborgenheit« entronnen . Aber er wollte sie sich erhalten, »jetzt, wo mich das Schicksal etwa s härter anpackt«. Wi e sollte er in der rauen, zotigen und grölenden Männergesellschaft mi t seinem »Heimweh« un d dem Bedürfnis nac h »Liebe« umgehen ? Sein e Mutte r bot einen .imaginierten Zufluchtsort, ebens o diente ein e Tante als »mei n arme r Aschenkasten«, be i de m er - i m Brie f - »auc h ma l schluchze n darf , ohn e unmännlich zu sein.« Nur der war »echter, innerlic h sichere r Mensch« (da s hieß: Mann) , »de r sic h eine r gewisse n Schwäche , gewisse n Hilflosigkei t bewusst ist« . Da s Leitbild männliche r Härt e bekam ers t Kontur durch sol che Anfechtungen. Ohn e das gelegentliche Durchwate n von Zuständen der Unmännlichkeit wa r Männlichkei t nich t denkbar . Si e musst e stet s auf s Neue errungen werden. 79 Auf den harten Fixpunkt blieb das gelegentliche weich e Mann-Sein stet s bezogen. Dieses mochte sich in melancholischen Lieder n äußern, die Soldaten sangen , »ohn e di e männlich e Würd e z u verlieren« , ode r i n vertraute n Gesprächen über Heimweh, Sorge n und Ängste. Es wurde aber auch regelrecht inszenier t i n Form von »Heimat«, Häuslichkei t un d Mütterlichkeit i n der Kaserne, in der Etappe oder an der Front. Das religiös aufgeladene, vo n der Liebe Gotte s umstrahlte Idea l de r Mütterlichkei t setzt e Pfaf f al s Scha blone ein , u m sein e sozial e Umwel t i m Militä r z u gestalten. 80 E r transfor mierte mütterliche , asexuelle , ›reine ‹ Lieb e i n nich t minde r ›reine‹ , als o nicht homosexuelle , woh l abe r homoerotisch e Lieb e unte r Männern . Da durch schafft e e r sic h »Heimat « unte r Soldaten : Da s Militä r tra t i n di e Funktion der Familie ein. Die Keimzelle de r »Heimat« i m Militär bildete das Kameradenpaar. Di e »Freundschaft mi t Herbert« war berufen, »unse r Fern- und Heimweh tapfe r kämpfend z u überwinden«. Mi t Herbert teilte Pfaff intim e Gefühle un d die religiöse Grundhaltung; mit ihm besuchte er die Weihnachtsmesse. Mit ihm bildete e r »einen eherne n Block« gege n de n »Alltagsmist«, als o die Rada u schlagende, zotig e Geselligkei t de r anderen . Dennoc h wa r dies e Freund schaft nicht die von Außenseitern. In der Wehrmacht stellte sich Pfaff selbst 77 Vgl . auc h Fuchs , Letters , S . 116 , übe r di e eigen e Mann-Werdun g al s Wande l zu r Härte , unter der sich aber im Inneren seine s Herzens Güte und Liebe bewahre. 78 Rühle , S . 66; Tagebuc h Han s Niermanns , de s Reichsführer s de r katholische n »Sturm schar«, 18.12.39 , bei Beilmann, S . 179 ; Wojak , S. 102 ; Mersmann, S . 34f . 79 Pfaff , S . 48f. (22.9.43) , S.39f., 75f., 86 , 94 u.ö, S. 36, 35, 30f., 60 . 80 Ebd. , S. 45f.,. 165 , 24f., 127 .

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als Kummerkaste n alle n Kamerade n zu r Verfügung . Da s macht e ih n be liebt. Ein e Weihnachtsfeie r be i eine r Besatzungseinhei t i n Frankreic h bo t die Gelegenheit, die Stubenkameradschaft al s heimatliche Familie zu inszenieren. I n einer »Miniaturstube « richtet e ma n ein e »Weihnachtsecke « ein , »umkränzt vo n Tannenzweigen strahle n unser e Fotos . Von den Eltern und Freunden.« Di e reale Famili e wacht e s o als Bil d übe r di e Familie , welch e die Kameraden unter sich inszenierten, un d sorgte dafür, das s die Gefühle , die si e füreinande r entwickelten , nich t auße r Kontroll e gerieten , wi e Pfaf f dies einmal i m Arbeitsdienst erleb t hatte. Ein Mann hatte ihn »in scheußli cher Weise « plötzlic h umarmt . Angeekelt , empör t übe r di e »mangelnd e innere Zucht« , hatt e Pfaf f ih m »ein e Ohrfeig e geklebt«. 81 Be i jener Weih nachtsfeier 194 3 wa r dies e Gefah r gebannt . Nicht nur der Freund Herbert , auch der ›Vater‹ de r Ersatzfamilie verban d »Haltung un d Zucht« mit Herzlichkeit, un d Pfaf f dankt e e s ihm , inde m e r auc h ih m da s Weihnachts zimmer herrichtete . Abe r Zärtlichkei t wa r nich t ohn e Schmer z z u haben . Just a n diesem Heili g Aben d erfuh r de r Chef, das s sein e schwanger e Fra u ausgebombt worde n war . Pete r tröstet e seine n Unteroffizier , diese r sagt e noch: »Pete r - mach' s gut« , un d »nah m mein e Han d i n sein e Riesenpran ke«, bevo r e r aufbrach . I n de r Traue r un d i m Abschie d wa r körperlich e Nähe erlaubt, wenn sie die Form wahrte: »Wir waren von innen her Freunde, wenn er mir auch sonst immer der Herr und Vorgesetzte bleiben wird. « Kurz darau f gin g ein e Bomb e i n de r Näh e herunter . Si e hiel t de n harte n Kontext im Bewusstsein, der allein zärtliche Gesten zuließ. Die Kameraden setzten di e Weihnachtsfeie r be i Kaninchenbrate n un d Puddin g fort . Di e Zutaten hatte Pfaff besorgt. Bald durft e e r selbs t al s Ausbilde r sein e Qualitäte n al s kameradschaft licher Führe r erproben . Seine n »Jungen « zeigt e er , wi e ma n durc h »da s Liebhaben« noc h die »größte Strapaze , die tollste Ungerechtigkeit ertrage n kann«. Di e »Härt e ihre s Männerlebens « ka m ohnehi n schnel l genu g zu m Einsatz. Bevor er an die Front versetzt wurde, durfte e r erfahren, wi e inte griert e r war: »Ic h dar f miterzählen, mitleben , si e nehmen mich voll au f in ihre Gemeinschaft«. I n der »Stunde de s Abschieds« sa ß er mit den Kameraden melancholisc h zusammen . Ma n schwieg . Ode r e s erzählt e jeman d etwas aus seinem Leben, öffnete als o sein Ich den Kameraden. 82 Über diese symbiotische Gest e freilic h wachte n ander e Kameraden , imponiersüchtige , bramarbasierende, frotzelnde . »Na , s o eine n kleine n Bauchschuss , wi e wär's?«, meint e einer . Pfaf f wusste , »si e wollte n abreagieren« . E r kannte die vielen Gesichte r der militärischen Sozialkultur . Di e zärtliche Seit e wa r nicht ohn e die grob e z u haben. Ohn e den harten soziale n Kontex t des Ab81 Pfaff , S. 60, 16. 82 Pfaff , S. 80f., 127 , 138, 141, 145, 163f.

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schieds, de s Kampfs , de s Leidens , de r Strapaze , de r Ungerechtigkeit , de s Radaus, der Frotzelei, wäre »das Liebhaben« unte r Männern eine zu riskante Angelegenheit gewesen . De r harte sozial e Kontex t abe r und die Einfas sung i n di e familiär e Symboli k machte n e s möglich , Zärtlichkei t unte r Männern z u lebe n un d di e offene n Grenze n zwische n Homoeroti k un d Homosexualität z u ertragen. Mann-Sein bedeutete nicht, das »Frauenhafte « (Schauwecker) abzuspalten , sonder n e s i n ein e »hart e Schale « z u legen , »um es vor dem Grauen zu bewahren, um es immer als Kraftquelle strahle n zu haben«.83 Die weiche Kameradschaf t stellt e sic h nich t vo n selbs t ein . Das s »alle s Zusammengewürfeltsein vo n Menschen « i n eine r Zwangsgemeinschaf t zunächst »eine Schrecksekunde durchmachen« musste , nahm Pfaff in Kauf. Seine Sozialisatio n al s Kamera d un d die Genese de r Kameradschaft regis trierte e r sorgfältig : »Wi r fange n nu n an , aufeinande r eingespiel t z u sein , und rei n au s nüchterne r Überlegun g blüh t langsa m da s Kameradschafts gefuhl auf . Noc h is t e s nich t da s Sichmögen , sonder n kühl e Überlegung : helfe ic h Dir, hilfst D u mir, gibst D u mir, gebe ic h Dir auch. [... ] Abe r dadurch verschwinde n ers t ma l di e Spannungen , de r unangenehme , of t bös e Ton.«84 Da s »Sichmögen« bedurft e de r Anwärmung durc h bestimmte Gesten un d Rituale , di e de r Kameradschaftsmytho s vorbuchstabier t un d di e vormilitärische Sozialisatio n eingeüb t hatte . Zum Set diese r Rituale gehör ten der gruppeninterne Lastenausgleich, da s »Teilen von Freud' und Leid«, aber auc h heiter e Geselligkeit . De r angehend e HJ-Führe r Werne r Gro ß entfaltete sei n kameradschaftliche s Sendungsbewusstsei n i n eine m Lage r 1933 mit missionarischem Eife r und organisierte al s erstes Singstunden fü r die Kameraden. 85 De r HJ-Führe r wollt e di e Utopi e de r NS-Volks gemeinschaft Wirklichkei t werde n lassen . De m katholischen Jugendfuhre r und ›mile s christi ‹ dagege n gin g e s darum , di e Ide e de s »christliche n Kommunismus« al s Alternative zu r NS-Volksgemeinschaft un d damit »di e Kraft Christ i zu r vollen Entfaltung « z u bringen. 86 Beide , de r Katholi k wi e der Nationalsozialist, teilte n jedoch das Verständnis von Kameradschaft al s Norm der Alltagsmoral, un d beide bemühten sich, diese Norm in der sozialen Praxis zu verankern. Zum »Harten«, da s e s zu teilen galt , gehörte n nich t nu r Leben un d Gesundheit, sonder n auc h de r stupid e »Dienst« . »De r Frontunteroffizier« , beobachtete Kur t Kreißle r befriedigt , nachde m e r de r Kasern e un d ihre n 83 Ebd. , S. 153, vgl. S. 146, zudem z.B. Rühle, S. 66. Zur imaginierten Weiblichkei t als Container s.o. 84 Pfaff , S. 18. 85 Brief e Groß, 27.8.33, vgl. 25.4.33, 13.5.33, 19.5.33, 26.5.33. 86 S o ein katholischer Jugendführer a n Roth aus dem RAD, 28.5.43, Briefe Roth . Vgl. AEK CLB, Brief v.L.M. 9.8.41.

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»eingebildeten Garnisonfritzen « entronne n war , »putz t selbs t sein e Stiefe l und bringt sein e Uniform allei n i n Ordnung. E r baut sein e Fall e un d kehrt sein Zimmer aus ohne ›Putzer‹. E r ist ein echter Kamerad.« 87 Zuma l i n der Enge des Bunkers stellte sich schnell ei n Gefühl rangübergreifende r Kame radschaft ein , wenn de r »Führer« au f Privilegien verzichtet e un d den glei chen Dienst wie di e Mannschaften verrichtete. 88 Gesten der Kameradschaf t waren ei n Mittel , u m Vertrauen z u gewinne n un d sich beliebt z u machen . Während einer Dienstfahrt hatten »fremde Kameraden « Jochen Klepper mit einer »siche r seh r entbehrte n Decke « ei n Nachtlage r bereitet . Diese s abe r »teilte« e r selbstverständlic h mi t eine m Melder , »de r auc h kein e Schlaf stätte hatte« . De r Melde r wa r SA-Mann . Kleppe r wurd e zu m Opfe r de r nationalsozialistischen Judenpolitik . Übe r di e Geste n de s kameradschaft lichen Teilen s kame n sic h beid e gleichwoh l nähe r un d vertiefte n sic h i n nächtliche Gespräche. 89 Eine Stimmun g »wi e be i Muttern « stellt e sic h ein , wen n di e »Haus gemeinde« ihr e karge n Stube n ode r verlauste n Bunke r mi t Blume n un d Bildern ausschmückte , ei n »Vorgärtchen « anlegt e un d i m Frühjah r unwei t der Front begann, den Acker zu bestellen. 90 Lange halten konnte all da s bei dem ständige n Vo r un d Zurück nicht. 91 Ständi g musst e e s ne u geschaffe n werden. Nicht um die materiellen Frücht e aber ging es , nicht um Dauerhaf tigkeit de s physisch Erreichten , sonder n u m soziale Dynamik . Si e wa r da s Produkt der ständigen Arbeit an der »Heimat« ferna b der Heimat und an der Mütterlichkeit ohne Mütter. Diese soziale Dynamik war auf die Destruktion ihrer physischen Ressource n angewiesen . Nur so konnte sie stets von Neuem anfangen, nur so blieb die Gemeinschaft i n »Schwung«.92 Der materielle Mangel verlieh dem kameradschaftlichen »Teile n von Freud und Leid« ers t seine Bedeutung. Dahe r war der Dreck, i n dem die Landser versanken, di e Läuse, di e sie zu zerfressen drohten , die kümmerlichen Lebensverhältniss e genauso weni g wi e de r unbezwingbare Gegne r ei n Bremsklot z de r Vergemeinschaftung, sonder n ihre Antriebswelle. Weihnachtsfeiern ware n besonder s geeignet , kameradschaftlich e ›Wär me‹ aufkomme n z u lassen. »Wi e di e Männer ihr e Bunker ausgestalte t hat ten!«, begeistert e sic h ein in Stalingrad eingeschlossene r Solda t Weihnach ten 194 2 angesichts de r »kameradschaftlichen Liebe« , di e die »Traurigkei t des einzelnen« z u überwinden half: »Wie i n der guten Stube bei Mutter am Fest. Mundharmonika, Geige , Gesang, Fröhlichkeit, zu der einer dem ande87 Erinnerunge n Kurt Kreißler I, S. 18. 88 Bahrdt , Gesellschaft, S . 77. 89 Klepper , S. 131, siehe oben, Kap. 3. 90 Tagebuc h Farnbacher, 18.4 , 25.4.42; Schneider, 1939-1945 , S. 77f.; Rühle, Briefe, S. 74f. 91 Vgl . Löffler,S. 143f . u. 157. 92 Tagebuc h Farnbacher 30.8.41.

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ren verhalf [...]. Und was in uns vorging .. . manche Augen wurden feucht. « Mit eine r letzte n Flasch e Sek t fü r di e Kranke n klan g da s Fes t aus , bevo r vier Bombe n vo r de m Bunke r einschlugen : »Ei n Tote r un d dre i Verwun dete. [... ] Di e Stimmun g wa r fort« , di e harte n Grenze n de r weiche n Kameradschaft i n Erinnerung gerufen. 93 Von der weihnachtlichen Besinnlichkei t ode r vom melancholischen Ge sang führt e freilic h of t nu r ei n kurze r We g zu m grölende m Besäufnis. 94 Mochte der Pfarrer Stehmann ein solches als »grausig« empfinden , s o nahm der jugendbewegte Elmar Roth an dem Stilbruch keinen Anstoß. Er wusste: Mann wa r nich t nur , we r Todesangs t un d Tötungsskrupe l überwunde n hatte, sondern wer auch den narzisstischen Eke l vor den groben Kameraden überwand, we r sic h anpasst e un d mitmachte . I m Gefech t rangiert e oben , wer ohn e Rücksich t au f da s eigen e Lebe n draufgängerisc h losstürmt e un d die andere n mitzo g (wi e de r Oberstleutnan t vo n Lüttwitz ) ode r si e deckt e (wie de r SS-Panzerkanonie r Göstl) . Außerhal b de s Gefecht s erwar b sic h Pluspunkte, we r »mütterliche « Qualitäte n besaß , gu t koche n konnte , di e Zutaten zu einem »verschwenderischen Mahl « besorgte , wer zu »organisieren« verstand, wer seine persönlichen Vorräte »teilte«, nicht zuletzt, wer für Stimmung durc h Gesang , Erzählkünst e ode r obszön e Witz e sorgt e un d obendrein be i de r »tolle n Sauferei « a m längste n standhielt , seine n Körpe r also am besten unter Kontrolle hatte.95 »Gemeinsam zum Saufen« z u gehen, gehörte genauso zu dem Set an Alltagsritualen, di e Kameradschaf t erzeugten , wi e da s Teile n de r Fresspaket e von zuhause. 96 Im gemeinsamen Besäufni s verschwamme n di e Gegensätze, die jede Zwangsgemeinschaf t i n sich trug. 97 Entgleisunge n stellte n die vergemeinschaftende Wirkun g des Alkohols nicht in Frage.98 Im Gegenteil. Si e schufen Erlebnisse , vo n dene n ma n lang e erzähle n konnte . Wen n dahe r offizielle Verlautbarunge n vo r allz u reichliche m Alkoholgenus s warnte n und die alkoholisierte n Ausschreitunge n fü r unvereinba r mi t de r Soldaten und insbesondere der Offiziersehre erklärten , dann war dem nicht nur wenig Wirkung beschieden. Im Grunde waren sie auch nicht ernst gemeint. 99 Dem 93 Brie f vo n Kur t Reuber , 25.12.42 , Bähr/Bähr , S . 193-195 . Vgl . Stieff , S . 162 (25.12.42 , Hauptquartier OKH) ; Brief e Roth , hie r Kar l St . a n Pau l C , 20.12.42 , ebd. , Rot h a n Eltern , 21.12.43; Kardorff, S . 379; Lößer, S. 142f . 94 Brief e Roth, 23.12.43; Stehmann, S. 19, 42, 77. 95 Daz u das Foto in Böttger, S. 49. Vgl. allgemein Fine 96 Zu m Begriff des Alltagsrituals Soeffner, 97 Brie f v. 18.8.40, zit. Löffler, S . 108. 98 Vgl . z.B. Tagebuch Farnbacher, hier aus der Distanz des Abstinenzlers oder dem Alkohol zumindest weniger zugeneigten Offiziers, ebenso Klepper, S. 129, 166 u.ö. 99 Daz u schon Shils/Janowitz, S. 298. Vgl. Urteil eines Militärgerichts gegen einen Matrosen, der nach einem Kameradschaftsaben d i m Zustand der Volltrunkenheit eine n Kameradendiebstah l begangen hatte , ΒΑ-ZNS, R M 123/71477 ; Verurteilun g eines-de r Verfehlun g gege n §17 5

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»Mittrinken« be i eine r Beförderungsfeier , be i eine m Kneipengang , konnt e sich ein Soldat »schwer entziehen«, und er sollte es auch nicht.100 Der Suf f ode r gelegentlich e Randal e vermittelte n de r Männergemein schaft da s Bewusstsein , sic h wede r u m di e formelle n Regel n de s militäri schen Betriebes noch um die ›guten Sitten ‹ de s zivilen Lebens kümmern zu müssen. Di e Erhabenhei t übe r all e äußere n Vorgabe n konstituiert e Kame radschaft. Mi t eine m »richtige n Verein« , s o Gerhard Moderse n gegenübe r einem Vorgesetzten , könn e ma n »nich t nu r Diens t machen , sonder n auc h ›Pferde stehlen‹« . Ih m graute zwa r vo r jeder Versetzung . Abe r e r wusste , dass sich schnell »manches Band der Kameradschaft« knüpfe n ließ. Überall fanden sic h »fabelhaft e Kerle« , mi t dene n »ma n auc h ma l wa s ausfresse n konnte«. Dabe i hatt e er , desse n Eh e sei t Kriegsbegin n zerrütte t war , vo r allem eine s i m Sinn : »Frauenangelegenheiten« . Mi t einige n Lehrgangs kameraden in Eberswalde war er sofort warm geworden, denn obwohl »wi r alle dre i verheirate t waren , ware n wi r un s doc h seh r einig« . All e wollte n »mal wiede r nett e Frauen sehen« , auc h wer »sonst ei n mustergültiger Ehemann war« . Ei n Offizierskamera d i n Hambur g wa r »ei n richtige r Drauf gänger. Wi r beid e ginge n ger n zusamme n au s un d hatte n auc h vie l Spaß . [...] D a wir 2 waren , musste n wi r natürlic h imme r mi t ›zwei ‹ Fraue n Be kanntschaft schließen . Um nicht miteinander ins Gehege zu kommen, einigten wir uns dahin, dass er grundsätzlich die Schlankere, ich dagegen grundsätzlich di e Üppigere habe n sollte.« Di e Liebschaften, u m die es hier ging , standen nich t i n Konkurren z zu r Kameradschaft , un d si e bedrohte n auc h nicht den Zusammenhalt der Männer. Deren Kameradschaft beruht e gerade auf der Aufteilung de r Frauenwelt. Di e Kameradschaft de r Männer regierte über die isolierte n Frauen . Ware n di e Liebschafte n vorbei , schmälert e die s ihre Bedeutung al s Stimulans männlicher Vergemeinschaftung keineswegs . Als Stof f fü r Abenteuergeschichte n ware n si e allema l geeignet . I n Gelsenkirchen fan d Moderse n »wiede r eine n gute n Kamerade n [...] . Wi r habe n beide viel miteinande r ausgefressen . E r hat in seinem Lebe n scho n Dinge r gedreht i n Frauenangelegenheiten - mi r standen die Haare zu Berge, wenn er erzählte und ich selbs t bin wahrlich auc h kein Musterexemplar i n dieser Beziehung. Nu n verstan d e r e s prächtig , di e Sach e z u Haus e gehei m z u halten. Sein e Fra u wa r unbeding t vo n seine r Treu e überzeugt , obgleic h e r seine Nachbarin ½ Jahr zur Freundin gehabt hat.« 101

RStGB geständigen - Homosexuelle n nu r wegen Volltrunkenhei t nach einem kameradschaftliche n Besäufnis (z u 5 Monaten Gefängnis) : ΒΑ-ZNS, RM 123/71456 . 100 Fetscher , S . 68f. Dienstlich e Befehl e zu m Mittrinke n ware n üblich ; de r Untergeben e konnte sic h ihne n abe r entziehen , Schröter , Held , S . 47; Tagebuc h Farnbacher , Einleitung , S. 143f , ebd . 25.12.41. 101 Tagebuc h Modersen , S . 77a-78, 173ff , 190 , 192 , 199f , 205 , 216, 229, 239.

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Die konspirative Qualitä t de r Männer-Kameradschaft richtet e sic h nich t nur gege n unbeliebt e Vorgesetzt e ode r de n militärische n Feind , sonder n auch gege n da s ander e Geschlecht . »Frauenverachtung « z u demonstrieren , die »wüste und unmanierliche Art , von geschlechtlichen Dinge n zu reden«, das »Schweinigeln« galte n als »Kennzeichen wirklicher Männlichkeit«, wi e nicht nu r Außenseiter wi e Böll , Napp , Stehman n ode r auch Haffne r beob achteten.102 S o wie e s einen Alkoholzwang gab , gab es mitunter einen Bordellzwang. De r kollektiv e Bordellbesuc h folgt e dan n de m gemeinsame n Besäufnis.103 Um s Mitmache n gin g e s beide Male . Di e Desavouierun g de r zivilen Moral , di e auf s privat e Glüc k zuhaus e gerichte t war , stiftet e Ge meinschaft, un d se i e s ein e de s schlechte n Gewissens . Abe r diese s auszu blenden, di e Skrupe l de r zivile n Mora l überwinde n z u können , zeichnet e den Man n aus . All die s fan d nich t wirklic h i m Geheimen statt . I n Gegenwart de r Wehrmachthelferin Ils e Schmid t un d ihrer Kameradinnen ga b ein Major di e Eröffnun g eine s Offiziersbordell s bekann t - un d ordnet e di e kollektive Inspizierun g de s Etablissements an . Ilse Schmid t fühlt e sic h tie f gedemütigt o b so unverhohlener »FrauenVerachtung« . Dies e war kein Ver sehen, sonder n ein e Demonstration de r Unabhängigkeit de s Männerbunde s von de n Frauen. 104 Di e obszön e Geselligkei t stan d de r hehre n Kamerad schaft als o nich t s o fern , wi e e s Wurche s Nachfolge r sahen , wen n si e di e Tugenden der Reinheit und Fürsorge beschworen. Auch die Kameraden, die durch Kochkünst e glänzten , Bunke r mi t Blume n verzierte n un d fü r weih nachtliche Besinnlichkei t sorgten , demonstrierte n nich t nu r untereinander , sondern ebenso Frauen gegenüber di e Erhabenheit de s Männerbundes über das ander e Geschlecht. 105 Ih r stan d kein e gleichrangig e Frauenkamerad schaft gegenüber , sonder n di e Ehrfurch t de r Fraue n vo r dem, was Männe r alles konnte n un d wi e si e zusammenhielten . Zumindes t erwartete n di e Männer solche Ehrfurcht. 106 102 Zitat e au s eine m Artike l übe r »Man n un d Fra u i m Kriege« , in : De r Stoßtrupp . Deutsch e Frontzeitung Nr . 607/60 8 (Jun i 1942) , vorh. : Std A Ludwigsburg , Depositu m 26 0 I.D. ; »Merkblat t über Erziehung « v . 6.9.40, da s der Kommandeur de r 257 I.D . in seiner Truppe verteilte (Kopi e i m Besitz des Verfassers), beide mit gegen solch e Männlichkeitserweis e erhobene m Zeigefinger. Vgl . Schröter, Held , S . 84; Weizsäcker , S . 73. Intervie w Roth ; Wojak , S . 44, 138 , 142. ; Pfaff , S . 39f. , 75f. 103 Schmidt , Mitläuferin , S . 47f; Fetscher , S . 188 ; Pross , Memoiren , S . 95; Sager , S . 14 ; Wehrmachtbordelle: Seidler , Prostitution ; Paul , Zwangsprostitution , S . 101-116 ; Meinen , S . 195 211. 104 Al s radikalisiert e For m diese r Demonstratione n lasse n sic h gemeinschaftlich e Vergewal tigungen verstehen, vgl. die Beispiele be i Beck, Wehrmacht , bes . S. 236-241 . 105 Tagebuc h Farnbacher , 26.9.41 , übe r eine n Offizierskameraden , de r »allerhan d zu r Unter haltung beitragen « konnt e un d ein vorzügliche r Koc h war, »wei l er lange Zeit ganz allein au f sich gestellt war und alles allein mache n musste«. Desgleiche n ebd. , 27.9.41 . 106 Brie f Farnbacher s a n di e Mutte r eine s gefallene n Kamerade n v . 16.2.43 , Tagebuch Farn bacher.

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Über persönlich e Ängst e z u reden , wa r ein e heikl e Sache . Kamerade n »von Geftihlsdingen , di e einen Menschen persönlich angehen , zu erzählen, ist nich t ratsam . Ma n wir d mitleidi g belächel t ode r spöttisc h getröstet«. 107 So lautete di e Regel . Wen n Kinder und Frauen weinten, mocht e das »rüh rend« sein . Wen n Männe r weinten , wa r e s »erschütternd«. 108 Weine n gal t als unmännlic h un d »ehrenrührig« . Ei n Man n weint e allenfall s unte r Ausschluss der Öffentlichkeit, abe r auch dies nur, um sich schnell wieder unter Kontrolle z u bringen. 109 Da s beschämend e Aug e de r Kamerade n fordert e Haltung un d Härte . Di e Eng e de s erzwungene n Zusammenleben s jedoc h schuf Raum fü r Ausnahme n vo n dieser Regel : »Ma n lern t sic h s o intensiv kennen, dass von jedem di e Maske abfällt.« 110 A m ehesten waren unmännliche Gefühlsäußerungen dan n statthaft, wenn sie der Trauer um die Kameraden, also de r Gemeinschaft un d nicht de m eigenen Ic h galten. Manche m Soldaten kame n scho n be i de m gemeinsa m gesungene n Lie d vo m gute n Kameraden di e Tränen. 111 Wen n die Geschichte de s Liedes Realität wurde, mochte dies erst recht Tränen auslösen. 112 Eine Bombe zerfetzte bei m Vormarsch i m Osten im August 194 1 eine n »alte n un d braven Beiwagenkrad fahrer« au s Farnbachers Regiment . A n de m Grab mit de n »Resten « seine s Körpers konnt e Farnbache r sic h »de r Träne n nich t meh r erwehren. « Si e flossen i n Gegenwar t de r Kameraden , di e dara n keine n Ansto ß nahmen . Sicher abe r war sic h Farnbache r dieser Toleranz gegenüber de m Ausbruch von Unmännlichkei t nicht . A n de r spätere n »schlichten « Beerdigungsfeie r nahm er nicht teil, »die Tränen sitzen mir sehr locker«. Farnbacher kannte den verheirateten Familienvate r sei t dem Frankreichfeldzug. Abe r weder die s noch sein grauenvoller To d allein löst e di e Erregung aus . De r Grun d dafü r wa r ei n besondere s Vertrauensverhältnis , da s durch intim e Äußerunge n entstande n war . De r Tot e hatt e i m Kameraden kreis »darübe r geklagt , das s e r durc h da s ständig e Fahre n gan z ferti g sei , z.B. kau m meh r Wasse r lasse n könne« . E r hatte abe r auc h of t i n seine m Familienglück geschwelg t un d »voll Stol z und Freude das Bild seine r Frau und de r beide n Kinde r gezeigt. « Da s wa r nich t unverfänglich . Kur z vo r seinem To d hatte ih n sei n beste r Freun d mi t eine m vermeintliche n dritte n Kind gehänselt : Übe r Radi o ware n Soldatenkinde r mitgeteil t worden , un d 107 Leutnan t H.G. , 4 . PD , Brie f v . 31.1.42 , Buchbender/Sterz , S . 150 . Vgl . Fetscher , S . 156 ; Briefe Ludwi g U . hier an sein e Brieffreundinne n 21.10.43 : »Sicher kan n sic h niemand übe r mein e Kameradschaft beschweren , abe r private Ding e behalt e ic h größtenteils fü r mich. « LH A Koblenz , Best. 700,153, Nr. 144 . 108 Schröter , Held , S. 82, zitiert einen Ausspruch seine s ›männlichen‹ Vaters . 109 Stieff , S . 14 5 mit Anm. 7 S. 236. 110 Pfaff,S . 122 . 111 Intervie w Roth . 112 Vgl . auc h Bähr/Bähr , S . 248, Brie f v . Helmu t Pabs t 29.3.42 . Vgl . Alt e Kamerade n 1959/2, S. 9.

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jener Kamera d verkündet e vo r de r Mannschaft : »Ei n Soh n fü r de n Ober gefreiten Specht , de r scho n eineinhal b Jahr e nich t meh r z u Haus e war« . Aber Spech t gehört e z u jenen Soldaten , di e derle i Frotzele i nich t anfocht . Er kannte dere n Grammatik , da s Spie l mi t de r Ausgrenzung , da s Zusam menhalt stiftete . E r verstand de n Unterto n de r Spöttelei , de r signalisierte : Dir macht de r raue To n ja nicht s aus, du bist eine r vo n uns. 113 Spötteleie n und Frotzeleien gehörten zu einem Set von meist unbewussten, unte r Männern aber anerkannten Kommunikationsstrategien , di e es möglich machten , persönliche ode r sachlich e Differenze n zu r Sprach e z u bringen , ohn e den Konflikt eskaliere n z u lassen . Insofer n ware n si e »rau « un d »herzlich « zugleich. Jene r Spot t machte beiläufig auc h klar, wa s zählte : nich t di e unsichere Ehe zuhause, sondern die Kameradschaft de r Soldaten. Wer mitmachte , we r e s ertrug , ma l angeschnauz t ode r angepflaum t z u werden,114 de r durft e auc h übe r sein e persönliche n Ängst e un d Gefühl e reden. Genauer gesagt: E r durfte si e als Vehikel de r kommunikativen Ver gemeinschaftung anbieten. 115 »Ei n bissche n wa s vo n sic h persönlich « z u geben, galt als kameradschaftliche, wen n nicht freundschaftliche Geste . Sie lockerte de n Druck , de r vo n de n beschämende n Auge n de r Andere n aus ging, stiftet e eine n Hauc h jene r ungezwungene n Geborgenheit , di e de r Familie zuhause zugeschrieben wurde. Das Gespräch über Persönliches zog die andere n i n ei n kleine s Geheimni s ein , richtet e als o auc h Grenze n z u denen auf , di e nich t einbezoge n waren , stiftet e Vertraue n unte r rangglei chen Kamerade n un d ers t rech t übe r di e Räng e hinweg. 116 Entscheiden d war, das s da s Persönlich e al s Gesprächsgegenstand , als o al s Vehike l de r Vergemeinschaftung konzipier t war und nicht etwa persönlich blieb. Sonst erregte e s Anstoß. Ei n Kommandeur , de r i m Tros s eine r Frontdivisio n i m Osten de n Geburtsta g seine r Fra u andächti g un d mi t eigen s besorgte m Blumenstrauß, aber ohne Hinzuziehung der Männer beging, machte sich bei seinen Leuten »lächerlich«. 117

113 Tagebuc h Farnbacher , 11.8.41 . Vgl. Pfaff, S . 117 ; Briefe Langer , 15.6.42 . 114 Zu m »kameradschaftlichen Anschnauzer « Zeller , S . 94. 115 Pfaff , S . 13 4 u . 163f. , »miterzählen « z u dürfen , bedeutete , i n di e »Gemeinschaft « aufge nommen zu werden. 116 Vgl . Fetscher , S . 199-201 . Tagebuc h Farnbacher , 24.2.42 , Gespräc h mi t seine m Chef , 9.6.42: »Ic h dar f da s Bildche n de r älteste n Tochte r de s Kommandeurs , de r 16jährige n Dietlinde , sehen und das Geburtstagsbriefchen lesen. « 117 Brief e Langer , 11.5.42 .

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3. Sterbende Kameraden, überlebende Kameradschaf t Freundschaft un d Kameradschaf t ware n di e beide n Sozialformen , di e de r Gemeinschaftsdiskurs i n de n dreißige r Jahre n hierarchisc h angeordne t hatte. Di e da s Individuu m schützend e Freundschaf t rangiert e unte r de r Kameradschaft. Da s hindert e Soldaten , di e al s »gut e Kameraden « gelte n wollten, nich t daran , ihr e eigene n Prioritäte n z u setzen . Manc h eine r hatte bereits al s Schüle r da s i n de r NS-Zei t beliebt e Aufsatzthem a »Kamerad schaft un d Freundschaft« fü r ein e Hymn e an die individuell e Freundschaf t genutzt.118 A n eine m Freundschafts- , nich t nu r a n eine m Kameradschafts kult arbeitete n di e Führe r der Hitlerjugend ebens o wie di e der christliche n Jugendbünde, al s sie in s Militär eintraten . Freundschaf t schlosse n Kamera den, di e ein e bestimmt e Gesinnun g un d Erinnerun g a n da s zivil e Lebe n verband. Jugendbewegt e Soldate n maße n di e militärisch e Zwangsgemein schaft an den Fahrten- und Lagererfahrungen de r »schönen Pimpfenzeit«. 119 HJ-Führer suchte n Gesinnungsgenosse n au s de r H J un d wähnte n sic h al s Sauerteig, de r die NS-Volksgemeinschaft nac h de m Krieg zu r Vollendun g bringen würde. 120 Christliche Soldate n suchte n nach Freunden aus der »Gemeinschaft de r Gläubigen«. Al s mile s christ i stellte n si e ihr e Freundschaf t in die Nachfolge der Apostelgemeinschaft. 121 Aber wede r di e weltanschaulich e noc h di e religiös e Gemeinsamkei t al lein begründet e Freundschaft . Si e bedurft e auc h emotionale r Anziehung , die sic h i m zärtlichen »Ic h ma g dich « kundtat. 122 Eine r seiner Funker hatte es Farnbacher angetan . »Bobbi « la g z u seine r Freud e i m Funkwage n ger n »wie ei n Kätzche n au f de m schöne n warme n Ofe n zusammengeduckt . Wenn ic h ih n d a anschaue , lach t e r auc h s o knabenhaf t unschuldig ; de n Jungen mus s ma n ger n haben.« 123 Mi t eine m Offizierskamerade n namen s Peter Sieger t »sitz e ic h vor dem Zelt. [... ] Wi r sin d ar g ger n beisammen. « Für Farnbacher war er nicht nur »der Kamerad«, sonder n ein »Freund, dem ich mic h anvertraue n darf , de r mic h versteh t un d begleitet« . Jed e Begeg nung wurd e zum Fest. »Wi r schüttel n un s lange un d kräftig di e Han d und dann zunächs t ei n Hinundherfragen , wi e e s de m ander n geht. « Wi e ein e Mutter und mit den Gaben der Mütter sorgte einer für den anderen. Seine m 118 Fetscher , S . 37, etwa s wenige r dezidier t H.G . (späte r Offizie r de r 25 . ID) , »Is t Freund schaft un d Kameradschaf t dasselbe?« , Aufsat z eine s Siebtklässlers , Schwäb . Hal l 9.11.4 2 (Kopi e im Besitz des Verfassers). Weiter e Aufsätze i m Kempowski-Archiv Nartum . 119 Melcher , S . 116f. , 123 , 158-160 , 166f , vgl . S . 130-133 . 120 Grupe , S. 266. 121 Beilmann , S . 18 0 (Tagebuchaufzeichnun g Niermann s v . 17.2.40) ; AE K CLB ; Klepper , S 36,41f., 51 ; Sager, S . 52f., 65 , 70,72, 114 , 117 , 119 , 134f. ; Briefe Rot h passim. 122 Intervie w Vorster . 123 Tagebuc h Farnbacher , 2.8.41 .

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schlafenden Freun d scho b Farnbacher ei n »Stüc k Kek s in den Mund; abe r er merkt es gar nicht, so gut schläft er sitzend; so muss ich ihm auf den Arm ein paa r Stückche n legen« . Zu m Abschie d bekomm t e r Schokolade , »di e ich noch von Mutter da habe«.124 Alle intimere n Beziehunge n unte r Kameraden , di e sic h a m »sonnigen « Gemüt, a n glänzende n Augen , strahlende m Gesicht , schöne m Gan g de s anderen erfreute n un d da s vertraut e Gespräc h suchten , beruhte n au f eine r gewissen Distan z z u de n übrige n Kameraden . »Wir« , s o Farnbache r übe r sich und Siegert, »sondern uns etwas von der Masse ab«. Gleichwohl waren diese Freundschafte n nich t di e de r Einzelgänge r un d Außenseiter, sonder n wirkten i m Sinn e de s Kameradschaftsmytho s al s Ker n eine s soziale n Sys tems konzentrischer Ringe. Um die Freundschaft kreist e die Kameradschaf t des Zuges und der Kompanie. Da s gemeinsame Mahl , z u de m Farnbache r seinen Freun d einlu d - »eine n rech t schöne n Brate n mi t Kartoffeln « un d Zwetschgen vo n zuhaus e zu m Nachtisc h - lie ß sic h zwanglo s erweitern . Am End e teilte ma n sic h z u sieb t »brüderlic h darein«. 125 Di e persönliche n Beziehungen öffneten sic h zum Regiment und zur Division, in dem man die meisten nich t meh r persönlic h kannte. 126 Dan n zu r Wehrmach t überhaupt , und vo n d a zu r ganze n Volks - un d Wehrgemeinschaft . Oder , i m Fal l de r Christen, auch zur großen Glaubensgemeinschaft, un d nicht zuletzt zur unio mystica der »großen Armee«. Indes wa r freundschaftlich e Intimitä t wi e all e kameradschaftlich e »Wärme« limitiert . Di e zärtliche n Begegnunge n vo n Freunden , de r fest e und verbindende Händedruck , di e vertrauten Gespräche , der »wie be i Mut tern« gedeckt e Frühstückstisc h un d de r »mütterliche « Tros t ware n einge bunden in eine Institution, die Gemeinschaftsbildung verlangt e und sie gleich wieder zerstörte . »Imme r wiede r freudige s Sichkennenlernen , schmerzlic h rasches Sichtrennenmüssen . De m Soldate n gehör t nichts.« 127 Solch e Ver lusterfahrungen wiederholte n sic h i m Lauf e de s Kriege s unzählig e Mal e durch Versetzungen, Verletzungen un d den Tod. Bald eilten sie der freundschaftlichen Begegnun g vorau s und gaben ih r von vornherein ein e melan cholische Note. »Am liebste n hätt e ich diese Han d nicht mehr losgelassen , hätte Schwani a fü r imme r z u mi r genommen« . S o began n ein e zufällig e Begegnung Kur t Kreißler s mi t seine m jugendliche n Freun d Schwania . Kreißler wusste , das s gerad e die s - di e Zärtlichkei t i n Permanen z - nich t angängig war . Unter Männern durfte Zärtlichkei t nur im Zeichen de r Tren124 Ebd. , Einleitung , S . 122 , 124 , 131 , sowi e 23. , 27.6.41 , 6. , 9. , 10. , 29. , 22. , 30.7.41 , 16.8.41. 125 Tagebuc h Farnbacher , 22.7.4 1 . 126 Ebd. , z.B. 29.7., 5.8., 12.9. , 13.9. , 28.9.41, Zitate: 14. , 26.10.41. 127 Klepper , S . 131 . Vgl. Erinnerunge n Kur t Kreißler I, S. 22; Tagebuch Farnbacher , 14.4.42 ; Rühle, S. 33.

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nung gelebt werden. 128 Dieses Wissen unterschied die »geborenen« vo n den »Unsoldaten«. Solda t war , we r sic h stet s aufs Neue i n wechselnde sozial e Zusammenhänge einfinden , sic h anpassen , sic h unterordne n konnt e un d wusste, dass man die Ohren erst einmal anlegen musste, wollte man akzeptiert werden. Solda t war, wer alles, was ihn persönlich stört e und verletzte, wegsteckte, we r i n de r Lag e war , Anfechtunge n stet s auf s Neu e z u über winden. Wenn man das konnte, hatte man es geschafft un d »Positives erfahren: das s ic h unte r di e Männe r passe« . Nich t konkrete , unverwechselbar e Männer waren hier gemeint, sondern auswechselbare: ein sozialer Typus.129 Farnbacher und Kreißler überlebten den Krieg, aber keiner ihrer Freunde und kaum einer ihrer charismatischen Führer . Am 20. November 194 1 erlitt Farnbachers Freun d Pete r ein e schwer e Verwundung . Lang e Zei t sa ß e r allein be i ihm , dan n wiede r be i andere n Kameraden . Sein e Gedanke n schweiften i n die Heima t un d zu »unsere n Müttern« . Un d si e kreiste n u m das eigen e Ich , da s »ei n Stück « vo n sic h verlor : »Alle s wir d s o leer , s o sinnlos um mich herum.« Zwischendurc h griffe n di e Russen erneut an, der Krieg gin g weiter , wi e i m Lied , währen d Farnbache r vo n seine m beste n Kameraden Abschied nahm, »in der Tat ›als wär's ein Stück von mir‹«, wi e er kurz darauf in sein Tagebuch schrieb. Das Uhland-Lied, an das er in der Konfrontation mi t dem Tod immer wieder dachte, auch Walter Flex' Wort e beim Anblick de s toten Kameraden Wurche , führten Farnbache r die Feder, als e r versuchte , sein e Traue r schreiben d z u bewältigen . E r folgt e de n Handlungsanweisungen de s Liedes . Da s hieß: E r folgte de n überlebende n Kameraden. Fü r de n Rückzu g au f di e persönlich e Betroffenhei t blie b nu r wenig Zeit . Zwe i Kamerade n »drückte n mi r besonder s herzlic h di e Hand , weil sie wissen, wie eng ich mit Peter befreundet war.« Aber bald tauchte er wieder i n da s Wi r de r Kampfgemeinschaf t ein : »Unser e Männe r schlage n sich tapfer . [... ] Ei n stolze s Blatt!« 130 Di e Traue r wa r dami t noc h nich t überwunden. Sein e Kameraden beobachteten ih n aufmerksamer al s sonst. 131 Die Zwangsgemeinschaft lie ß ihn nicht los. Und er wollte auch nicht losgelassen werden . Farnbache r fügt e sic h de m »Schicksal« , s o wi e Kur t Kreißler, de m sic h bei m To d seine s »Jungen « Schwani a di e »Frage : war um?« stellte . Aber Kreißler wusste, dass er sich nicht der Grübelei hingeben durfte. Ein e Antwor t darau f geb e e s nicht , »hie r bleib t nu r da s still e sic h Tragen mi t dem Schicksal übrig . [... ] Finde n wir uns als Soldate n mi t dem Soldatenlos ab.« 132 128 Erinnerunge n Kur t Kreißler II, S. 95. 129 Klepper , S . 2 1 1; vgl. Pfaff, S . 52, 70, 163f . 130 Tagebuc h Farnbacher , 20.11.41 , dazu ebd. Einleitung, S . 132f. ; Flex, S. 93ff. 131 Tagebuc h Farnbacher , 23.11.41 . 132 Brief e Kur t Kreißler, 3.1.4 4 un d Erinnerungen Kur t Kreißler II, S. 107 .

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Solche schriftlich niedergelegte n Selbstermahnunge n waren ein Versuch, der Bedrohun g Her r z u werden , de r sic h da s Ic h durc h de n massenhafte n Tod ausgesetzt sah . Si e lasse n di e traumatische n Beschädigungen , di e da s Schlachtfeld i n den Soldaten hinterließ, nur erahnen. Aber die laufend wie derholte Erfahrun g de r Destruktion ihre r soziale n Bindunge n lie ß Soldate n wie Kreißler und Farnbacher keineswegs an ihrer sozialen Produktivität irr e werden. Si e wusste n i n de n letzte n Kriegsjahre n meh r al s z u Begin n de s Krieges, das s un d wie sic h soziale r Zusammenhal t i n de n kleinen Kampf einheiten immer wieder aufs Neue und mit ständig neuem Personal herstel len ließ . Wi e i m Fall e Farnbacher s wa r di e kriegerisch e Gewal t da s Me dium, das die Trauer erstickte. Trauer war eine jener weichen Erfahrungen , die que r zu r männliche n Härt e stande n un d dahe r überwunde n werde n mussten. Da s gescha h i m Kampf , i n de r Destruktio n de s Gegners , de r schuld war am Tod des Kameraden und an der Verunsicherung de s männlichen Ich. Diese »militarisierte Trauer« 133 war kein individueller, sonder n ein diskursiv vorgeprägte r Akt . Di e Gefallene n riefen , s o di e mystifiziert e Vorstellung, di e Überlebende n daz u auf , da s z u vollenden , wofü r si e ge storben waren, den Krieg als o fortzusetzen. »Wa s uns der Tod von unseren Kameraden bedeutet, « s o schrie b ei n Hauptscharführe r 194 4 eine m ver wundeten Kamerade n übe r de n ungebrochene n »Kampfgeis t de r Kompa nie«, »kann ja niemand ermessen. Das sind Verpflichtungen fü r uns...«. 134 Der kontinuierliche n kriegerische n Vergemeinschaftun g arbeitet e de r Mythos einer »einzige n Kriegerfamilie « vor , die »gleiche s Schicksal , glei che Freud e un d gleiche s Leid « umschloss. 135 Kreißle r wusst e sic h aufge hoben im ewigen Stro m des Kriegertums. Im November 194 3 dachte er auf einem Lehrgan g hinte r de r Fron t a n di e »Kriegsbüche r vo n Zöberlein , Dwinger, Beumelbur g ode r Ettighofer « un d a n de n »Schauer« , de r eine n »vor de r Größ e einzelne r Erlebnisse « diese r Frontsoldate n erfasste . E r selbst begrif f sic h al s Erb e dieser Vorbilde r un d sehnte sic h zurüc k a n die Front.136 Als er im Februar zu seiner Kompanie zurückkehrte, traf er »kaum noch einen« . All e ware n »tot , vermiss t ode r verwundet!« 137 Abe r di e zer störten Primärgruppe n stellte n wede r sein e eigen e Kampfmotivatio n i n Frage noch die seiner Einheit. Binnen kurze m hatte er sie nach den Regeln

133 Shatan , S. 232-245 134 Brie f eines Stabsscharfuhrers der SS-Division »Hitlerjugend«, Herber t Stengel, v. 15.7.44 , zitiert be i Meyer , Kriegsgeschicht e I, S. 262; vgl . Buchbender/Sterz , S. 105 , Brief eines Oberleutnants v. 28.1.32, die »Verehrung « un d »Verpflichtung«, di e »uns« de r »Opfertod« de r Stalingrad Kämpfer auferlege. 135 Erinnerunge n Kurt Kreißler II, S. 86; vgl. Sager, S . 98. 136 Brief e Kur t Kreißler, 5.11.43, dazu Erinnerungen Kurt Kreißler II, S. 96ff. 137 Brief e Kur t Kreißler, 29.12.43, 14.1.44 , Erinnerungen II, S. 107f .

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der Kameradschaft »zusammengeschweißt«. 138 W o es möglich war , achtet e man ohnehi n bi s Kriegsend e darauf , gewachsen e Bindunge n »nich t durc h bürokratische Organisation « z u zerschneiden. 139 Abe r of t wa r die s nich t möglich. Dan n arbeitete n routiniert e Kameraden , erfahren e Obergefreit e oder Unteroffiziere , a n de r Vergemeinschaftung . Kreißle r nah m sic h zu nächst »jede n einzelne n Man n meiner Grupp e vor« un d unterhielt sic h mit ihm. Binne n kurze m kannt e e r »da s Schicksa l eine s jeden einzelnen « un d betrachtete »ih n mi t gan z anderen Augen . [... ] Wi r sin d viel meh r als ein e organisatorisch zusammengefasst e Einheit ; wi r sin d z u eine r feste n Ge meinschaft geworden , di e sich i n den kommenden Tagen de s Kampfes gu t bewährt hat.« Bald war die Kompanie kampfbereit. 140 Dass auc h dies e schnel l gewachsene n Bindunge n bal d zerstör t waren , steckte Kreißler abgeklär t weg. Scho n im Trennungsschmerz verklärte sic h die Erinnerun g a n di e Gemeinschaft . Dies e Erinnerun g stimuliert e neue s soziales Leben. Im Lazarett oder bei der Ersatztruppe wartete er nur darauf, »wieder be i seine n Kamerade n a n de r Front « z u sein . Ma n konnt e davo n ausgehen, »zu seiner alten Kompanie zurück« zu kommen. Aber was erwartete ih n bei de r alten Kompanie ? Di e Sehnsuch t nac h dem »alten Haufen « galt eine m imaginierte n soziale n Gebilde , nich t konkrete n Individuen . S o war denn im Januar 194 5 bei der Rückkehr zur Kompanie gleich klar: »Alt e Kameraden treff e ic h weite r kein e meh r an. « Stattdesse n kame n ständi g Neuzugänge. Die bedrohliche Frage, »wie wenige sind wir noch«, ließ sich trotzdem nich t unterdrücken . Si e steigert e abe r nu r Kreißler s Bemühe n darum, das s sic h di e »Leut e un d ihr e Unterführe r s o rasc h wi e möglic h kennen lernen , u m i n kommende n Gefechte n un d schwierige n Einsätze n eingespielt zu sein«. 141 Der Erfahrungshorizon t vo n Soldate n wi e Kreißle r verengt e sic h i m Frühjahr 194 5 vollend s au f de n Aktionsradiu s de r Kompanie . Physische s Überleben garantiert e si e inmitte n de s Untergang s nicht , abe r soziale s Le ben erzeugte si e ständig auf s Neue: »Aus einigen deutschen Dörfern haben wir den Ivan herausgeworfen. Mi t kaum 15 0 Mann schlugen wir über 1.00 0 Russen in die Flucht [... ] All e haben glänzende Stimmung . Jetz t erst merke ich, wi e schö n e s ist , ein e Kompani e i m Einsat z fuhre n z u können. « De r 138 Vgl . ähnlich z.B. Rühle, Briefe, S . 92f. (28.7.42) . 139 »Wa s sic h au s irgendeine m Grund e zusammengefunde n hat , da s sol l auc h beisamme n bleiben, wen n e s i n di e Schlach t geht . Un d diese r Grundsat z ha t sic h tausendfac h bewährt. « Erinnerungen Kreißle r II, S. 206, z u eine r i m Apri l 194 5 au s Marinesoldate n un d Infanteriste n a d hoc zusammengestellten Einheit . 140 Z u de n i m Prinzi p gleiche n Befunde n komm t au f eine r andere n Quellenbasi s un d mi t einem andere n Ansat z Rass , Menschenmaterial , bes . S . 73ff, 192ff. , 227f. , 405f. ; ders. , Sozial profil, S . 723ff . 141 Erinnerunge n Kur t Kreißler II, S. 149 , 153-158 .

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Sieg i m Kleinen verstellt e de n Blick au f die sic h abzeichnend e Niederlag e im Große n un d fördert e de n soziale n Autismus . »Besonder s mein e klein e Einheit, mei n Komp[anie]trupp , de n ich selbst führe , is t ein Her z und eine Seele. Al s ic h neulic h be i eine m große n Angrif f vo n meine r Kompani e versprengt wurde und dann einige Angehörige meiner Einheit zus[ammen]fasste, u m als eigen e Einhei t z u kämpfen, d a war di e Freud e groß, al s wi r wieder in einer brennenden Ortschaft uns die Hände reichten und begrüßen. Die Kompanie war wieder beisammen. Der Geist in unserer Truppe ist noch nie besser gewesen al s zur Zeit. Zusammenbleiben könne n und gemeinsam kämpfen ode r gemeinsam verwunde t werden , is t unse r Wunsch.« S o blieb es bis zum Ende. »So klei n unser e Gemeinschaf t ist , s o fest halte n wir zusammen und so genau kennen wir uns. [...] Di e ganze Kompanie ist in diesen Tage n enge r zusammengerückt«. 142 Da s war i m April 1945 . Am Ende des Krieges war der Zusammenhalt nich t mehr, wi e e s die Berufspflichte n des Soldate n vorsahen , di e Grundlag e de s Kampfgeists . De r Kampf , di e Destruktion de s physischen Leben s bildete di e Voraussetzung de s soziale n Erlebens.

142 Brief e Kur t Kreißler, 2./19.2.45; Erinnerungen Kur t Kreißler II, S. 159-164. - Vgl . ähnlic h zur ›Geborgenheit ‹ i n de n Kampfgruppe n de r letzte n Kriegswoche n Tagebuc h Roth , Apri l 1945 ; Sager, S . 18 1 (Brief v. 13.2.45) ; Tagebuch Farnbacher , fü r die letzte n Kriegsmonate .

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V. Zerrissenheit in der Schicksalsgemeinschaf t 1. Familienidyll un d Frauenabenteue r Der sozial e Orientierungspunk t de r »Unsoldaten « wa r di e Familie . Ihr e Sehnsüchte kreiste n u m individuell e Berufspläne . Da s Zuhaus e de r »ge borenen« Soldate n wa r de r militärisch e Männerbund , de r mi t de r zivile n Moral brach und dadurch seine Souveränität demonstrierte . Beide »Typen « machten nu r ein e Minderhei t de r Wehrmachtsoldate n aus . Ih r Anteil wir d jeweils etwa zehn Prozent kaum überschritten haben. Sowohl für die Außenseiter wie fü r di e Führe r de r Kamerade n gilt : E s handelt sic h u m wissen schaftliche Artefakte , u m »Idealtypen « i m Sinn e Ma x Webers . Si e helfe n uns, da s Spektru m de r Handlungs - und Deutungsmöglichkeite n de r Solda ten abzustecken un d zu ordnen. Wie jede Typisierun g könne n sie der Vielfalt de r historische n Akteur e nu r unzulänglic h gerech t werden . Da s gil t noch meh r fü r de n große n Res t de r Soldaten , di e sic h al s »gezogene « zu sammenfassen lassen . Gemeinsa m ware n ihne n di e Zerrissenheit zwische n zwei Pole n - de m Ic h des eigene n Leben s un d dem Wi r de s Mitmachens. Das Denken , Fühle n un d Handel n diese r Soldate n oszilliert e zwische n Front un d Heimat , zwische n Männerbun d un d Familie , zwische n de m Bruch un d de r Bewahrun g de r zivilen Norm , zwischen de m Idea l männli cher Härte und der Unfähigkeit, ih m gerecht zu werden. Zu diese n Soldate n gehörte n de r oberbayrisch e Maurerpolie r Stefa n Schmidhofer, de r Münsteraner Kaufmann Alber t Neuhaus und der wie sei n Bruder Kur t au s de m Südschwarzwal d stammend e Kirchenmusike r Pau l Kreißler. Si e ware n vo r ihrer Einberufung fes t i m zivilen Berufslebe n ver ankert, verheirate t ode r verlobt un d hatten Famili e ode r wollten ein e gründen. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg geboren , hatte n si e di e Jugendorgani sation de s NS-Staate s nich t meh r durchlaufen . De m Nationalsozialismu s standen si e unterschiedlic h nahe : Neuhau s wa r Katholik , Stahlhelme r un d SA-Mann, Schmidhofe r ebenfall s katholisch , abe r weni g from m un d politisch indifferent . De r Protestan t Pau l Kreißle r stan d de m Regim e kritisc h gegenüber, ander s al s sei n nu r wenig jüngerer Brude r Kurt . De r Arbeiter schaft de s rheinisch-westfälische n Industriegebiet s entstammte n Fran z Wieschenberg un d Helmu t Wißmann , Wißman n ihre m protestantisch sozialistischen, Wieschenber g de m katholische n Teil . Wißman n wa r Jahr gang 1920 , sein Vater gelernter Dreher, vor 193 3 Mitglied de r KPD und in

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der NS-Zei t vielfältige n Schikane n ausgesetzt . Sein e Mutte r stammt e au s einer sozialdemokratische n Familie . Helmu t absolviert e mi t vierzeh n ei n Landjahr, da s ihn ideologisch »umdrehte«, 1 un d arbeitete bis zu seiner Einberufung 194 0 in Hagen als Schlosser. Wieschenber g wurd e 190 9 als Sohn eines 191 8 gefallenen Schreinermeister s geboren, engagierte sic h im katholischen Vereinswesen , ergrif f e r de n Beru f seine s Vater s un d wa r bi s z u seiner Einberufun g 194 0 teil s selbständig , teil s abhängi g i n Düsseldor f beschäftigt. E r war seit 193 5 verheiratet mit der evangelisch getauften, abe r konvertierten Hilde Naust. Wißmann war seit Mitte der dreißiger Jahre liiert mit Edith Wulf und heiratete sie Anfang 1943 ; gegen Kriegsende bekam sie einen Sohn. Wieschenberg absolviert e sein e Rekruten- und Ausbildungszeit in Ostpreußen und in Prag, Wißmann im tschechischen Rokitzan, kurze Zeit auch i n Ostpreußen . Beid e wurde n danac h a n di e Ostfron t versetzt , Wies chenberg End e Juni, Wißman n i m Septembe r 1941 , beide al s Angehörig e von Infanteriedivisionen, beid e dienten länger e Zeit im Tross oder im Stab ihrer Frontdivisionen. Wißma n bracht e e s zum Unteroffizier un d überlebte den Krieg, Wieschenberg wa r Obergefreiter, al s er bei den Rückzugskämpfen am 15. März 194 5 in Ostpreußen fiel. Wie di e meiste n Soldate n litte n auc h di e hie r genannte n unte r Drill , Maskenbällen un d al l de n Schikanen , di e au s Ziviliste n Soldate n mache n sollten.2 Anders als die »Unsoldaten« un d die »geborenen« Soldate n arran gierten sie sich mit ihren Kameraden langsam, aber stetig. »Meine Kamera den taugen nich t viel« , meldet e Wißman n angesicht s schwelende r konfes sioneller Differenze n seine r Verlobte n wenig e Tage , nachde m e r i n di e Kaserne eingerück t war . E r zog darau s di e Lehre , »das s ic h al s alleinige r Mann besse r zurech t komme.« 3 Un d ebens o befan d Wieschenberg : »Di e ganze Kameradschaf t bring t nicht s ein.« 4 End e 1940 , ein halbes Jahr beim Militär, erklärte er: »Zwischen Kommiss und mir schiebt sich ohne weiteres die Familie . [... ] Mi t de r Gründun g meine r Famili e hab e ic h eigentlic h schon zwischen zwei Welten entschieden.« Au f »neue Abenteuer« woll e er sich, ander s al s jüngere Soldaten , nich t meh r einlassen . »Be i mi r war vo n Anfang a n Parol e ›Heimat‹.« 5 Di e zivil e Identitä t wahrt e de r »gezogene « Soldat i m Geist und im Briefwechsel mi t Frau und Familie. Meist täglich e Briefe boten Gelegenheit, sic h gegenseitig de r Zuneigung, Lieb e und Treue zu versichern , a n de n Sorge n un d Nöte n de s andere n teilzunehmen , sic h über di e Entwicklun g de r Kinde r ode r de n Wunsc h nac h eine m »leckere n 1 Intervie w Wißmann . 2 Brief e Fran z Wieschenberg, 9. , 11.6.40 , vgl. 11. , 16.6.40. 3 Brief e Helmu t Wißmann, 22.10.40 . 4 Brief e Fran z Wieschenberg, 13.9.40,20.10.40 . 5 Brief e Fran z Wieschenberg, 3.12.40 .

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Kind«6 auszutausche n un d auc h übe r da s sexuell e Verlange n nac h de m Partner zu reden.7 Sich allz u seh r in die Sehnsücht e nac h Sexualität , Lieb e und Geborgenheit bei Frau und Familie, nach selbstbestimmtem Leben, zivilem Beruf und Privatsphäre zu verlieren, war für die Soldaten indes schwer erträglich.8 Das Patentrezept gegen die Depressionen de s Soldatenlebens lautet e auf Kameradschaft. Diese s Rezept verschrieben sic h die Soldaten nicht nur gegenseitig. Edit h Wul f hatt e ihre n Verlobte n be i seine m Eintrit t i n di e Kasern e begleitet mi t de m Wunsch , sein e Kamerade n möchte n »alle s echte , lieb e Kerle« sein . Auf die Fehlanzeige, die Wißmann anfangs erstattete, reagierte sie mit Aufmunterung. »Ih r habt Euch in der einen Woche noch nicht richtig kennengelernt . Wi r [! ] wolle n ma l nich t s o schwar z sehen« . Un d si e ermahnte ihn , selbs t etwa s fü r di e Kameradschaf t z u tun: »Se i Deine n Kameraden ei n gute r Kamera d un d Deinen Vorgesetzten ei n gehorsame r und freudiger Soldat . Versuch e doc h nicht meh r mit de n Kameraden vo n Reli gion z u sprechen . [... ] Schweig e liebe r [...]. « Un d gleichzeitig schickt e si e ihm eine n Kuche n mi t de r Aufforderung , de n Kamerade n davo n etwa s abzugeben.9 Dass Kameradschaft - da s symbolisch aufgeladen e Teilungsritua l - ein e enorme Bedeutun g fü r di e Soldate n hatte , wa r jedem Deutsche n i n diese r Zeit bekannt. Wen n Edith ihren Helmut i n einem Atemzug daz u ermahnte, ein guter Kamerad und gehorsamer Untergebener zu sein, dann erinnerte sie an die Tugend der Unauffälligkeit. »Imme r mitmachen« lautet e die Devise, die die Soldaten auch von ihren Ausbildern und Vorgesetzten eingetrichter t bekamen. Wenn der Chef ein Lied anstimmte, galt es mitzusingen, o b man konnte ode r nicht . »Weh e dem , de r di e Schnauz e nich t aufreiß t un d mit singt. [... ] Hauptsach e er bewegt das Maul.« 10 Wieschenberg , el f Jahre älter als Wißmann, hatte für solch e Anpassungslehren zunächs t nur Spott übrig: Alles laufe nach »Schema F« ab, jede »Einzelleistung« werd e abgetötet und »der Einzelne« von der Masse bloß »mitgerissen«. 11 Aber die militärische Sozialisation pfropfte de n Soldaten das Diktum des Mitmachens nicht einfach auf. Si e verleibte es ihnen ein. Helmut Wissmann nahm Ediths Rat ernst . Bal d berichtet e e r von eine m Besäufni s mi t seine n Kameraden, »ic h mus s ebe n al s Kamera d mitmachen« . Un d nac h de r Geburtstagsfeier eine s Stubenkamerade n vermeldet e er : »Di e Verbindun g mi t meinen Kamerade n is t hergestellt.« Ei n Maskenball un d ein Gewehrappell , 6 Brief e Helmu t Wißmann, 6.2.41 . 7 Brief e Helmu t Wißmann, 17.11.40 und oft. Fü r ein ähnliches Beispie l vgl . Jureit, Ehe . 8 Brief e Fran z Wieschenberg, 1.10.40 . 9 Brief e Edit h Wißmann, 14. , 19. , 21., 24., 26., 31.10.40. 10 Briet e Franz Wieschenberg, 20.6.40 , z u beginn seine r Kekrutenzeit . 11 Brief e Fran z Wieschenberg, 17.9.40 .

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bei de m ei n Kamera d »aufgefallen « war , bo t Gelegenheit , anzumerken , dass er selbst »bis jetzt noch nie aufgefallen« sei. 12 Edith gab sich zufrieden. Kameradschaft al s Tugen d de s reibungslose n Funktionieren s schie n z u gewährleisten, das s ih r Man n sein e Militärzei t einigermaße n unbeschade t überstand. Gleichzeiti g drückt e ihr e Empfehlung zu r Anpassung auc h Ehrfurcht vo r der soldatische n Männlichkei t aus . Am Ta g seine r Vereidigun g zeigte si e sic h »stolz « au f ihre n »Schatz« , de n »wirkliche n Soldaten« , er zählte von einem Traum, in dem er ihr in Uniform erschienen sei. Sie wollte gar nicht glauben, dass er »solch ein schöner« und »schneidiger Soldat« sei , und si e gelobte : »Ic h wil l ein e tapfer e ›Soldatenbraut ‹ sein. « Da s »weh e Gefühl« de r Trennun g wollt e si e ertragen , un d si e versprac h - da s wa r damit auch gesagt -, ih m treu zu bleiben. Denn dies war keineswegs selbstverständlich . Di e »eheliche Treu e bzw. Untreue« wa r ei n dankbare s Gesprächsthem a unte r Kameraden . Gerüchte , wonach »mindesten s 7 0 % der Frauen z u Haus« ihre n eingezogene n Män nern »nich t tre u seien« , machte n schnel l di e Runde . Of t stimuliert e scho n ausbleibende Pos t die Eifersucht, un d mitunter verfolgte dies e die Soldate n bis i n di e Träume. 13 Solch e Eifersuch t entwickelt e sic h freilic h i n jene m männerbündisch-misogynen Klima , i n de m ehelich e ode r vorehelich e Un treue als Tugend galt. »Sie ziehen die Frauen durch den Dreck und glauben, dass alle Fraue n eben Huren seien« , lautet e di e Diagnos e vo n Albert Neuhaus.14 Und Wieschenberg bemerkte: »Je tolle r die Erlebnisse mit Frauen, je höher steigt der Wert des Einzelnen in den Augen seiner Kameraden.« 15 Wenn Soldate n wi e Wißman n ode r Wieschenber g ihre n Fraue n vo m amoralischen Treibe n de r Kamerade n berichteten , dan n stet s mi t de r Be teuerung, selbs t gegen derlei Verfehlungen immu n zu sein. Dennoch waren solche Berichte zweischneidig. Einerseit s bestätigten si e nur, was die Frauen ohnehin wussten ode r gerüchtweise z u hören bekamen: Das s im Solda tenleben die bürgerliche Sexualmoral gemeinhin auf der Strecke blieb. Vom Treiben de r Besatzungssoldate n i n Frankreic h erzählt e ma n sic h be i eine r Kaffeerunde Edit h Wulfs, das s »100 % unsere r Soldate n sic h Geschlechts krankheiten gehol t haben , wen n si e noc h 2 Jahr e i n Frankreic h liegen. « Wißmanns Verlobte wähnte denn auch, dass die »Sitte und Moral i n deiner neuen Heimat seh r am Boden liegt«. Wen n sie gleichzeitig vermutete , dass sich d a »mei n Helmu t niemal s woh l fühlen « werde , s o schimmert e unte r 12 Brief e Helmu t Wißmann , 29.10. , 15.11.40 ; Brief e Fran z Wieschenberg , 20.7. , 4.8. , 11.10.40. 13 Reddemann , S . 561; Latzel , Soldaten , S . 337f; Brief e Helmu t Wißmann , 30.12.40 , 10.12.41, 15.7.42 . Vgl. auch Kundrus, Kriegerfrauen, S . 374-393. 14 Reddemann , S . 562, 23.7.42. 15 Brief e Fran z Wieschenberg , 4.8. , 7.10.40 . Brief e Helmu t Wißmann , 3.10.40 , übe r das provinziellere Rokitzan : »I n jedem Hote l u. in jeder Wirtschaf t is t hier ein Freudenhaus. «

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dieser Vertrauensbekundun g da s Misstraue n nu r allz u deutlic h durch . Je denfalls erschie n e s ih r ratsam , ihre n Künftige n z u gemahnen , »j a hübsc h vernünftig [zu ] sei n un d nich t [zu ] intim« mi t de r »Bevölkerung « i n de r Umgebung seine r Kasern e z u werden . Stat t desse n sollt e e r sic h liebe r a n seine Kamerade n halten. 16 Hinte r de r Ermahnun g Ediths , ih r Verlobte r möge sich al s Rekrut mit seinen Kamerade n gu t stellen, stan d das keusche Kameradschaftsverständnis, da s i m öffentliche n Diskur s stet s dominierte . Liebe unte r Soldate n war , auc h mi t ihre m homoerotische n Gehalt , ei n Er satz fü r di e Lieb e zwische n Man n un d Fra u un d s o allseit s akzeptabel . Beides war aufeinander bezogen . Wen n Helmut mit seinen engere n Kameraden Walter und Willi oder auch mit seinem Wachtmeister zusammen war, gestand man sich ein wenig »Sehnsucht « nac h Frau und Kindern zu, richtete sich die Stube gemütlich ein und sang »schöne Lieder«, um das Heimweh zu überwinden . Edit h schie n dies e Lieb e de r Kamerade n untereinande r Schutz vo r de n sittliche n Gefährdunge n de s Soldate n z u bieten . Frauen abenteuer un d Kameradschaf t hatte n danac h nicht s miteinande r z u tun . Ganz in diesem Sinne berichtete Helmut, besagter Wachtmeister habe »uns darauf aufmerksam « gemacht , »das s wi r un s blo ß nich t mi t irgendeine m Weib einlassen sollen« . Er , Willi, versteh e sic h auc h a m besten mi t eine m Stubenkameraden, de r nich t wi e ander e angesicht s de r amouröse n Reiz e ihrer neuen Umgebun g gleic h mi t seine r Fra u zuhaus e »Schlus s gemacht « hätte, sondern »tre u wi e Gold « sei. 17 Da s wollte Edit h hören: »D a brauch e ich mir nun auch keine Sorgen machen, dass Du mal allein ausgehst.« 18 Die Soldatenkameradschaft wa r fü r beide als o der ins Militär hinei n verlänger ter Arm der bürgerlichen Moral. Die Kru x de r Kameradschaf t wa r ihr e Janusköpfigkeit . Zwa r erhielte n Soldatenfrauen wi e Edith und Hilde von ihren Männern seitenlange Liebesund Treuebekundungen . Abe r wa s di e Männe r tatsächlic h i n de m morali schen Sump f alle s anstellten , i n de n da s Schicksa l si e verschlage n hatte , entzog sic h ihre r Kontrolle . Edith s Vate r ga r spöttelt e hi n un d wieder , ih r Verlobter mach e sic h bestimm t »mi t andere n Mädel s Spaß«. 19 Da s wa r »Hänselei«. Abe r wa r nich t doc h etwa s dran ? I m Februa r 194 1 macht e Wißmann mit seinen Kameraden einen Sonntagsausflug nac h Pilsen, den er nur seine r Mutter , nich t abe r seine r Verlobte n gegenübe r erwähnte . Edit h erfuhr ers t durc h ihr e Schwiegermutte r i n sp e davon un d konnte ih r Misstrauen nur schwer unterdrücken. Helmu t spielt e die Sach e herunter: »Lieb ling, D u denkst doc h woh l nicht , das s Dei n Jung e mi t Tschechinne n aus 16 Brief e Edit h Wißmann, 14.12. , 19.10. , 21.10.40. 17 Brief e Helmu t Wißmann, 12.12.40 , 1. , 9.1.41, 3., 16.11.40 . 18 Brief e Edit h Wißmann, 19.11.40 . 19 Brief e Edit h Wißmann, 16.2.41 .

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geht«.20 Um sich selbst in reinem Licht zu präsentieren, distanziert e er sich von de n amouröse n Abenteuer n seine r Kamerade n - un d gos s Ö l i n ei n schwelendes Feuer . Edit h bekannte, »seitde m D u mir schriebst , das s Will i sich mi t eine m Mäde l tra f un d D u mi t dabe i warst , komme n mi r imme r solche Gedanken . [... ] Mei n Liebling , se i imme r vorsichtig , wen n D u mit Willi ausgehst , es könnte mal solch ein Mädel eine Freundin mitbringen, da wärst D u gewissermaße n verpflichtet , de n Kavalie r z u spielen.« 21 Helmu t beteuerte de n unschuldigen Charakte r ihre r Kameradschaft , inde m e r senti mentale Berichte über sonntägliche Wanderungen mit Willi durch »Täler und Berge« erstattete . Im übrigen se i nich t Willi, sonder n sein anderer Kamerad Walter der eigentliche Missetäter , de r »schon eine geküßt« habe . »Ich ärge r ihn imme r damit. Dan n wird e r ganz verlegen un d meint, o b ich das wohl meiner Ils e sage n muss ? Ic h hab e ih m natürlic h gesagt , wen n D u e s ih r nicht sagst , dan n sag ic h es ihr, ich bin doch letzten Ende s Dein Kamerad, eine Kameradschaft kan n ja nur bestehen, wenn sie echt ist und gut.«22 So harmlos diese Affäre sei n mochte, sie drohte das komplizierte, für die Stabilisierung de r Beziehungen zwischen Solda t und Heimat wichtige Dreiecksverhältnis zwische n Edith , Helmu t und dessen engere n Kamerade n z u zerstören. Helmu t stilisiert e sic h zu m Sittenwächte r i m Name n de r gute n Kameradschaft un d versuchte, Edith s Argwohn gege n da s Treiben de r Kameraden, also gegen die böse Kameradschaft z u zerstreuen. Diese Begriffsbildung ist freilich keine zeitgenössische. Kameradschaft wa r a priori »gut« . Es gab schlechte Kameraden, solche die nicht kameradschaftlich waren , oder solche, die wie Willi ode r Walter unsittliche Abwege beschritten, und es gab missverstandene Kameradschaft . Abe r dann sprach man eher von »Kamera derie«. »Böse« Kameradschaft wäre für die historischen Akteure eine contradictio i n adiect u gewesen . I n de r historische n Rückscha u ma g si e jedoc h helfen, das Deutungsspektrum der Akteure abzustecken, das verbale Leerstellen auf wies, Dinge also, die sprachlich nur unscharf zu fassen waren. Auch später musste Helmut noch oft enorme rhetorische Energien entwickeln, u m di e Woge n de r Eifersuch t z u glätten. 23 Dabe i nutzt e e r imme r wieder da s Harmoniepotentia l de s schillernde n Leitbilde s de r Kamerad schaft zwischen Mann und Frau. Erinnerungen an seine Jugendzeit, die er in einem lange n Brie f beschwor , bildete n di e Kulisse , vo r de r e r ein e Ge schlechterordnung entwarf , i n welche r di e vo n Edit h beargwöhnt e halb öffentliche Männerkameradschaf t de r intime n Geschlechterkameradschaf t untergeordnet war . Al s Jung e hab e e r sic h i m Kreis e seine r (männlichen ) 20 Brief e Edit h Wißmann, 19. , 25.2.41, Brief e Helmu t Wißmann, 22.2., 9.3.41. 21 Brief e Edit h Wißmann, 13.3.41 . 22 Brief e Helmu t Wißmann, 16.3.41 , Hervorhebung nich t original . 23 Brief e Helmu t Wißmann 16. , 17. , 18. , 20.3., 27., 28., 29.7. 41, 7., 17. , 24.9.42, Brief e Edit h Wißmann, 1. , 2., 3.8.41, 23.9.42.

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Kameraden nu r nac h ih r gesehnt , sollt e si e ih m doc h »Mutter , Freundin , Kameradin un d Beraterin « werden . Di e Kamerade n seine r Jungencliqu e konnten »meinen Schmerz , den sie als Bagatelle ansahen« , nur »oberfläch lich« lindern . Selbstverständlic h un d verständnisvol l hätte n si e sic h abe r zurückgezogen, wen n sic h ein e Begegnun g mi t ih r anbahnte, s o »dass wi r alleine saßen. « Mi t diese m Erinnerungskonstruk t versucht e Helmu t seine r Verlobten jene s Bil d de r Kameradschaf t wiede r nah e z u bringen , da s si e selbst vor Augen hatte, wenn sie ihn dazu ermahnte, sich seinen Kameraden anzupassen. Da s war di e gute, keusche , Kameradschaft . Si e untergru b da s bürgerliche Familienmodel l nich t wi e di e bös e Kameradschaf t de r Zote n und Frauenabenteuer , sonder n wahrt e di e bürgerlich e Mora l de r Monoga mie. Ih r männerbündische r Gehal t übernah m subsidiär e Funktione n al s Familienersatz, respektierte aber die Priorität der Herkunftsfamilie . 2. Heimweh und Frontsog Edith sorgt e sic h nich t nu r u m di e moralisch e Grundlag e de s ersehnte n privaten Glücks. Noch mehr fürchtete sie , dass Helmut sein eigenes Leben und dami t da s ersehnt e Familienlebe n unte r de m Einflus s de r Kamerade n leichtfertig auf s Spie l setze n würde . Dies e Furch t wa r nich t unberechtigt . Mochte Wißman n - fü r Wieschenber g un d viele ander e Soldate n gil t das selbe - auc h mit de r Angst vo r Tod und Verstümmelung kämpfen , s o entwickelte sic h doc h i n dem von der zivilen Wel t weitgehende n abgeschlos senen kommunikative n Rau m de r Rekrute n schnel l ei n Konsen s darüber , dass es besser sei, körperlich verstümmelt als »halber Mensch« nach Hause zu kommen al s am Ende des Krieges als »Etappenhengst « un d Feigling z u gelten.24 Wieschenber g un d Wißman n eignete n sic h dies e Auffassun g ers t unter de m Einflus s ihre r Kamerade n un d Vorgesetzte n an. 25 Beid e hatte n auch Offiziere , di e Kameradschaf t vorlebten : »Wen n de r Oberleutn[ant ] jede Übun g selbs t mitmacht , dan n glaub e ich , mus s ma n e s können. « Solche Eindrücke bestätigten da s mythische Vorwissen, mi t dem sie Solda ten geworde n waren , si e machte n »wahr« , wa s Hindenbur g »eins t sagte : ›Große Kampfgemeinschaft erzieh t man nur durch Kameradschaft zwische n Führer un d Truppe‹.« 26 De r kameradschaftlich e Vorgesetzt e bildet e s o ei n Scharnier zwischen dem Wir kleiner, vertrauter Gruppen und Wir der großen 24 Brief e Helmu t Wißmann , 10.1.41 ; Wißman n schrieb , de m Gehö r nach (!) , »Etappen henkst«. 25 Brief e Helmu t Wißmann , 7.3.41 , übe r den Besuc h eine r Veranstaltun g de r NSDAP, i n de r »ein Stoßtruppfuhre r übe r sein e Erlebnisse « sprach , mi t de m Zusatz , er woll e sie , Edith , »abe r nicht bei dem Spannenden vergessen« . 26 Brief e Helmu t Wißmann, 12. , 17. , 21., 22.4., 4.,05.5.4 1

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Kameradengemeinschaft, di e i m Westen , Norde n un d Osten , z u Land , z u Wasser und in der Luft a n einem Strang zog. 27 Wichtiger noch als das Vorbild kameradschaftliche r Vorgesetzte r wa r allerding s di e Kommunikatio n unter ranggleiche n Soldaten . I m Gespräc h vergemeinschaftete n sic h di e Kameraden und versuchten, einen gewissen Einklang über Werte, Ziele und Einstellungen herzustellen . Dabe i sprache n si e nich t nu r vo m Heimweh , sondern auch davon, was einen Mann ausmachte. Ein Mann war, wer mitmachte. »Wa s hie r nämlic h gemach t wird« , s o erklärt e Wißman n seine r Braut, »da s wir d vo n allen ausgeführt . Entwede r gehe n all e in s Kin o oder keiner.«28 Wa s fü r de n Kinobesuc h galt , gal t auc h fü r di e alkoholisiert e Geselligkeit.29 Gegenübe r Zote n un d Bordellbesuche n mocht e ei n treue r Ehemann oder Verlobter sich bedeckt halten. Aber er tat gut daran, sich als Ausnahme von der Regel zu verkaufen und nicht die Regel des Mitmachens ändern zu wollen. Die Möglichkeit, das s der Krieg »noc h ei n größere s Opfer von uns verlangt«30 al s di e vorübergehend e Trennung , stan d nac h de m siegreiche n Frankreichfeldzug alle n Deutsche n deutlic h vo r Augen . Di e »totalen « Dimensionen, di e der Krieg annehme n würde, waren allerdings i m Winterhalbjahr 1940/4 1 noch nicht absehbar. Das Gros der »gezogenen« Soldate n und ihr e Familienangehörige n konnte n darau f hoffen , das s nu r ein kleine r Teil de r Wehrpflichtige n akti v i n Kampfhandlunge n verwickel t werde n würde. So war es bei den Feldzügen im Westen und Norden gewesen. Aber tatsächlich hofften Soldate n wie Wißmann darauf nur halbherzig. Er konnte nicht umhin , seine r Verlobte n reine n Wei n übe r sei n Innere s einzuschen ken - übrigen s just a n dem Tag, a n dem Edith ihm wegen seine r verheim lichten Kameradschaftsfahr t nac h Pilsen eine n geharnischten Brie f schrieb. An diesem 19 . Februar offenbarte Helmu t ihr, dass der Druck der Kameraden ihn noch in ganz anderer Weise von der Heimat zu entfremden drohte : »Von alle n Seite n bekomm e ic h vorgeworfe n das s ic h feig e wäre . Bal d ärger ich mich schwarz. Es sind nämlich Anforderungen gekomme n fü r die Kolonien und für die Sturmartillerie. Wir haben uns ausgemacht zusammen zu gehen. Nun habe ic h jedesmal abgeschlagen . Wa s sol l ic h nun machen. Mein Mädchen, wäre es nicht schöner, wenn ich auch Mann wäre. Ich halte das bal d nich t meh r aus . [... ] Den n wen n wi r nachhe r ma l zusamme n a n einem Tisch sitze n u[nd] alles erzählt vom Krieg u[nd ] ich als armer Etappenhengst sitz dann da u[nd] kann nicht mitsprechen.« 27 Vgl . Brief e Fran z Wieschenberg, 12.12.40 . 28 Brief e Helmu t Wißmann, 8.5.41. 29 Brief e Fran z Wieschenberg , 18.12.40 , übe r ein e Kneipentou r unte r Führun g eine s Leut nants. 30 Brief e Edit h Wißmann, 9.1.41 .

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Wißmann war klar, wie heiß das Eisen war, das er anschlug. Jed e Reverenz a n de n kollektive n So g de r männliche n Bewährun g i m Gefech t revi dierte e r i m selbe n Atemzug , u m i m nächste n di e Revisio n z u revidieren : »Edithlein, mac h Di r nu n kein e Sorgen , ic h werd e mic h nich t freiwilli g melden. Se i gan z ruhig . Las s meinetwege n gesproche n werde n wa s will . [...] Schöne r wäre es ja wen n Du auch mal sage n könntest mein Bräutiga m liegt i n n a is t ja gleic h wo , abe r di e Hauptsach e is t i m Kampf . E s ist wirklich nu r Drückerei wa s ic h hie r mache.« A m nächsten Tag , i n Vorahnung dessen , wa s sei n Brie f be i Edit h anrichte n würde , versucht e e r z u beschwichtigen - un d scho b alle s au f di e Kamerade n ab : »Lieblin g übe r den gestrige n Brie f brauchs t D u Dir kein e Sorge n machen . De r Will i ha t mich dazu bewogen. Er hat ja keine Ahnung wie es ist, wenn man eine liebe Braut i n der Heimat hat, die, wenn man als Held dableiben sollte , auch ihr Leben abschließt. « Abe r scho n a m darauffolgende n Ta g bracht e e r ei n neues Argumen t fü r di e Frontmeldun g in s Spiel , nämlic h Verstimmunge n mit seine m Spieß : »Ic h wil l j a hoffen , das s ic h nich t meh r ar g lang e be i diesem Haufen bleibe. Edithlein hier ist eine richtige Krüppelanstalt. S o ein Ersatzhaufen is t ei n fürchterliche r Verein. « Un d wiede r beschwichtigend : »Wenn ic h mal zur Feldtruppe versetzt werde, dann nur als Rechnungsfüh rer. Ja Liebling ich denk doch immer sehr an Dich.« 31 Den Brie f Helmut s vo m 19 . Februar i n Händen , wa r Edit h »fertig , ic h konnte ga r nich t meh r denken . Gleic h wa r ic h wüten d au f di e Menschen , die Dich einen Feigling nennen. « E r solle sic h durch »solche Vorhaltunge n nicht verrückt machen« lassen . Si e bekundete zwar Verständnis für »Deine n männlichen Ehrgeiz« , versucht e abe r doch, ih m ein weniger kämpferische s Bild soldatischer Männlichkeit nahe zu bringen, das sich mit der Männlichkeit des Familienvaters - un d den Sorgen seiner Angehörigen - vereinbare n ließ: »Helmut , ei n Krie g is t nich t daz u da , ei n Abenteue r z u erleben, son dern hier wird vo n jedem Soldate n verlangt , das s er da, wo er hinbeordert wird, sein e Pflicht tut . Helmutlein, wenn wirklich de r Führer Dich braucht, dann wirst Du ganz von selbst zur Front kommen. Denke doch auch an uns. Mama! [... ] Un d dann, mein lieber Schatz, wartet in der Heimat Dein Mädel auf Dich« . Heima t ode r Front , physische s Überlebe n un d körperliche Un versehrtheit ode r soziale s Erlebe n un d Ansehen i m Krei s de r Kameraden , private Sorgen oder ewiges Heldentum - we m sollte Wißmann den Vorrang geben, woran sollt e e r sich orientieren ? I n dem sich anschließende n erreg ten Briefwechse l mi t Edit h bagatellisiert e e r de n Einflus s de r Kamerade n und beteuerte, nur der inneren Stimm e und der seiner Verlobten zu folgen :

31 Brief e Helmu t Wißmann, 19. , 20., 21., 23.2.41.

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»Ich will wiede r gan z und gar Dein lieber Junge sein . [... ] Ic h mache jetzt nur das, was ich für gut u[nd] richtig halte.« 32 Aber überwunde n wa r de r Konflik t zwische n Famili e un d Kamerade n damit längs t nicht . I n seinem verpönte n »Ersatzhaufen « hatt e e r sic h kur z vor jenem Brie f noc h mi t eine m Buc h übe r Schwangerschaf t un d Gebur t beschäftigt. Di e Lehre, die er daraus zog, lautete: »Die Ehre einer Frau liegt in Reinhei t un d mütterliche m Glück . Dagege n di e Ehr e eine s Manne s i m Charakter u[nd ] Heldentum.« 33 Zu m Leitbil d soldatische r Männlichkei t stellten weder der öffentliche Diskur s noch das Gespräch mit den Kameraden Alternativen bereit , und letztlich auc h die Kommunikation mi t Familie und Frau nicht. »Ic h wil l abe r und muss Solda t sein« . Un d dass de r Krieg »Opfer« verlangte , stan d auc h fü r Edit h auße r Zweifel . Auc h si e legt e schließlich Wer t darauf , das s ih r Verlobter »ei n deutsche r Solda t un d kein Jude« sei. 34 Alle wollten und mussten Soldat sein. Die persönliche Kommunikation mi t Kamerade n wirkt e i n dieselb e Richtun g wi e di e Vorbilde r anonymer Kameraden: »Liebling , den k mal an die armen und doch an Mut so reichen Soldaten , di e i n der Hl . Nacht au f dem Ozean ode r i n de r Luf t über de m Feind e sind , Liebling , di e habe n e s vie l schwere r al s ich. « Wißmann wollt e »wirklic h ei n Mann « sein . Da s wa r nur , we r »ma l ei n Wort mitreden « konnte . Mitrede n konnt e nur , we r mitgemach t hatte . Al s »Etappenhengst« de m beschämenden Blick der anderen, der Kameraden im Militär un d alle n mögliche n Leute n i m spätere n Zivillebe n ausgesetz t z u sein - »wa s wird man von mir denken« -, di e Furcht, sich »tot schäme[n] « zu müssen , »wen n ic h al s einzigste r meine r Brüde r un d Freund e i n de r Etappe stehe« , drängt e di e private n Sorge n i n de n Hintergrund . Freiwilli g meldete er sich zwar nicht. Aber als er im August 194 1 doch an den Osten abkommandiert wurde, atmete er erleichtert auf: »E s ist nun nichts mehr zu ändern. [...] Le b wohl meine süßes Kind, weine nicht zuviel.« 35 Wie Wissman entschie d sich auch Wieschenberg. Seine r Frau erklärte er Ende Juli 1941 : »Ich mein e immer , wa s ei n richtige r Man n ist , de n leide t es, wen n da s Vaterlan d i m Krieg e steht , nich t meh r a n de r Seit e seine r Familie z u Hause. [... ] Wär e ic h hinten geblieben , ic h wär e mi r ein Lebe n lang al s feige un d Schwächling vorgekommen. « Ei n anderswo eingesetzte r Freund hab e scho n vie l meh r »hinte r sich « al s er . »Nac h diese m Feldzu g kann ich mich stolz und frei neben ihn stellen.« 36 Wie viele andere Soldaten erlebte Wieschenberg i m Sommer 194 1 den Höhepunkt seiner Soldatenzeit . 32 Brief 33 Brief 34 Brief 35 Brief 36 Brief 6.11.41.

e Helmu t Wißmann, 23. , 27.2.41. e Helmu t Wißmann, 25.2.41, Wißman n schrie b »Karakter« . e Edit h Wißmann, 3.3.41 . e Helmu t Wißmann, 24.12.40 , 23., 31.5., 23.6 , 23.8.41 . e Fran z Wieschenberg , 29.7.41 . Vgl . Reddemcmn , S . 343, Neuhau s au s Russlan d a m

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Im Siegesrausch der Wehrmacht, im Bewusstsein, zu ihren »unermesslichen« Leistungen beizutragen , a n eine m »Aufmarsch « teilzuhaben , »wi e ih n di e Welt noch nicht gesehen«, i n der Illusion, di e Kapitulation de r Sowjetunio n sei nur eine Sache von Tagen, 37 schien die Zerrissenheit zwischen private m Ich und militärischem Wir überwunden. Man wusste, wo man hin gehörte. Die Soldate n eroberte n i m Krie g nich t nu r Orden , sonder n auc h Terri torien, die sie als Zivilisten kaum je kenne n gelernt hätten. 38 Der Krieg war eine Reis e i n unbekannt e Länder n un d z u fremde n Menschen . Wa s si e dabei sahen , bestätigt e de n Soldaten , wa s di e Rassenpropagand a vorbuch stabiert hatte : di e Überlegenhei t deutsche r Kultu r vo r westliche r Zivili sation und östlicher Barbarei. 39 Bi s ins letzte Kriegsjahr hiel t sic h die Aussicht, »wen n de r Krieg fü r uns gewonnen ist , d a wird un s jeder Auslände r um das Deutschtu m beneiden«. 40 Di e Verheißung de s Wohlstands wa r de r »schöne Schein« , de r de n Eroberungs - un d Vernichtungskriege s vo n An fang a n umgab. 41 Auf eine n privilegierte n Plat z i n diese r Zukunf t konnte n die Frontkämpfe r allema l rechnen , als o darauf , »mi t berechtigte m Stolz « auf »unser Erleben« in diesem Feldzug zurückblicken zu dürfen. 42 Im Vormarsch erlebte n Soldate n wi e Wieschenber g ode r Neuhaus auc h die ›Wahrheit ‹ de s Mythos von der Frontkameradschaft. Eine r war fü r den anderen da. Die Kameraden teilten »bis zum letzten«.43 Die Fürsorge für die Kameraden erfüllt e auc h Wieschenberg : »Be i echte r Kameradschaf t kan n es nicht ander s sein.« 44 Das s der Dreck a m eigenen Lei b allenfalls be i de n morgendlichen Kniebeuge n abplatzte , wi e Wißman n schrieb , das s ma n monatelang i n seinen »Klamotten« schlief , die Erfahrungen de r Todeslandschaften, »gra u un d düster , durchhall t vo n de m Kampflär m un d de m Schreien de r Kameraden«, 45 stellte n di e Identifikatio n mi t de m Wi r de r Kameraden nich t i n Frage, sondern bestärkten sie . Zumutungen seiten s der Familie, sich doch um einen sicheren Posten in den rückwärtigen Einheite n zu bemühen, prallte n a n der »heilige n Pflicht « al s Man n ab. 46 »Hier vorn e fühle ic h mich mit meiner Person notwendig, hinte n würde es für mich nur 37 Brief e Fran z Wieschenberg, 26.9.41 , 5.9.42 , vgl . 6., 29.7.41 , 5.9.42 , 14.2.43 , 17.6.43 ; Briefe Schmidhofer, 30.6.41 ; Reddemann, S . 221, 223f., 299 usw . 38 Köstlin , Krieg; Köstlin, Erzählen ; Latzel, Soldaten , S . 133-135 . 39 Mersmann , S . 250, Intervie w mi t eine m 192 3 geborene n Mannschaftssoldaten . Vgl . zu m Bewegungskrieg, de r »Spaß« macht , Meyer-Detring, S . 34. 40 Dollwet , S . 310. 41 Reddemann , S . 74, 25.8.40 au s der Kaserne i n Beigard. Brief e Fran z Wieschenberg, 4.5.41 : »Wir sin d i n eine große Zeit hinein geboren, das spürt bald die ganze Welt. « 42 Neuhaus , 6.11.41, Reddemann, S . 343. 43 Brief e Fran z Wieschenberg 15.8.41 . 44 Brief e Fran z Wieschenberg, 6.9.41 . 45 Brief e Fran z Wieschenberg, 13.8. , 3.10., 21.11.41 . 46 Brief e Hild e Wieschenberg , 2.2.42 , Antwor t (Zitat) : Brief e Fran z Wieschenberg , 17.2.42 , ähnlich 10.3.42 .

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eine Scham bedeuten.« 47 Die »Sehnsucht nach Euch« in der Heimat erstickte der Landser i n de r Geborgenheit de r kriegerischen Gemeinschaft : »Nu r ein Blick um mich und schon finde ich mich nicht mehr allein. [...] Au f dem Posten, wo jeder einzeln e steht , mus s ausgehalten werden , bi s zum Abruf. Das geh t i n Fleisc h un d Blu t über , wei l jeder einzeln e weiß , das s e r hie r hochnötig ist.« 48 Wieschenberg tra f den Nagel au f den Kopf. Die Kameradschaft schrie b sich körperlic h ein . Un d die s nich t nu r i m Siegesrausch . Kein e Kamerad schaft ohn e die , di e si e bedrohten . Di e Vision eine s Schlaraffenlande s de r »Herrenmenschen« wa r schon früh durchtränkt von apokalyptischen Unter gangsszenarien. Die NS-Propaganda hatte den Überfall au f die Sowjetunion als Präventivkrie g gege n di e angeblic h drohend e bolschewistisch-jüdisch e Weltverschwörung ausgegeben . ›Der ‹ Kommunist , de r imme r auc h ›der ‹ Jude sei , verkörpert e eine n Feind , de r jegliches Mensch-Sei n hinte r sic h gelassen un d diabolisch e Energie n zu r Vernichtun g al l desse n entwickel t hatte, was den Deutschen lie b und wert war. 49 Wenn die Soldate n sic h dieses Feindbil d aneigneten , dan n nich t nur , wei l Antibolschewismu s un d Antisemitismus zu m Grundkonsens de r Deutsche n i m Nationalsozialismu s zählten.50 Si e sahe n di e Propagand a vo m Untermensche n auc h durc h ihr e Primärerfahrungen bestätigt. 51 Di e extrem schlechte n Lebensverhältniss e i n der Sowjetunion, di e Allgegenwart eine r unterernährten, »zerlumpten« , ver lausten, i n Erdhöhle n un d primitivste n Hütte n lebende n Landbevölkerun g schien die Hetzpropaganda des »Stürmers« i n den Schatten zu stellen.52 Zum Klischee vo m Untermenschen gehört e da s Ideologe m de r jüdischslawischen Hinterhältigkeit . Di e propagandistische Begleitmusi k de s Überfalls au f die Sowjetunio n hatt e de n Soldate n eingeschärft , di e »asiatische n Soldaten« seie n »undurchsichtig , unberechenbar , hinterhälti g un d gefühl los«, z u den »heimtückischsten, verlogenste n un d unritterlichsten Maßnah men«, »z u jeder sadistische n Bestialitä t fähig«. 53 I n jedem Dorf gab es »Ju den i n Massen« , registriert e Stefa n Schmidhofer . Das s si e of t »etwa s 47 Neuhau s a n sein e Frau , 6.11.41 , Reddemann , S . 343. Auc h nu r di e »Zahlmeister Laufbahn« einzuschlagen , war indiskutabel : »Als o Kind , damit kann es nichts werden, [... ] hie r werden i n erste r Lini e Männe r gebrauch t un d kein e Zahlmeister. « Ebd. , S . 351, Brie f vo m 14.11.41. 48 Brief e Franz Wieschenberg, 16.1.42. 49 Zu r Gleichsetzung von Juden, Partisanen , Kommuniste n vgl. Verbrechen der Wehrmacht (2002), S. 469 u. ö.; Manoschek, Serbien, S. 33, 46f.; Andrae, S. 242-244. 50 Zu m Antibolschewismus Wette, Wehrmacht, S. 14-28; Humburg, S. 197-205. 51 Unteroffizie r L.K., 29.10.41, bei Buchbender/Sterz, S. 85. 52 Heer , Anfang , S . 47-50; Fritz , S . 79f., 246ff ; Latzel , Soldaten , S . 179f., 206ff. ; Müller , Nationalismus, S . 74ff; Brief e Fran z Wieschenberg , 9.12.41 ; Brief e Schmidhofer , 4.7. , 22.7. , 20.10., 8.12.41. 53 Barbarossa-Erlas s und »Merkblatt Warnung vor heimtückischer Sowjetkriegsführung«, bei Ueberschär/Wette, Überfall, S. 258, 263.

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Deutsch« konnten , »manch e soga r perfekt« , fan d e r »sonderbar« . Di e Erklärung la g au f der Hand: »Eine Heuchelbande is t es, wie Du sie nie sehen kannst. E s ist keine Karikatu r i m Stürmer übertrieben«. 54 Manch e Soldate n wurden bei Beginn des Russlandkrieges Augenzeugen jener »bestialischen « Gräuel, di e NS-Propagand a un d Wehrmachtfuhrun g angekündig t hatten : »17 Kamerade n wurden au f die abscheulichste Ar t und Weise umgebracht . Als wir kurz nach dem Überfall a n die Stelle kamen, waren noch einige am Leben. Alle waren schrecklich verstümmelt. Einem war das Herz herausgeschnitten un d auf de n Bauc h gelegt , andere n di e Gesichte r i n Streife n ge schnitten und die Haut abgezogen. Alles Dinge, wie sie auch im Polenfeldzug s o häufi g waren.« 55 Mitunte r wurde n Truppenteil e a n verstümmelte n Kameraden vorbe i geführt , u m Rachegefuhle z u stimuliere n un d de n Ver nichtungskrieg gege n tatsächliche oder vermeintliche Partisanen und Juden, »auch gegen Frauen und Kinder«, zu legitimieren. 56 Welche Ausmaß e derartig e Verstümmelunge n annahme n un d wi e viel e Soldaten ihre r selbs t ansichti g wurden , läss t sic h nich t bestimmen. 57 Di e Gräuelpropaganda gin g de m Erlebnis der Gräuel un d den Gräuelgerüchte n voran, un d dies e verbreitete n sic h wi e ei n Lauffeue r unte r de n Soldaten . Das »Rachebedürfnis«, da s »nun keine Grenzen« 58 mehr kannte, entwickel te sic h abe r auch vo r dem Härtekult, de r jedes Zaudern , jedes Mitlei d und jede Nachsich t al s Aufforderun g a n di e Gegenseit e z u schlimmere n Gräueln, dami t al s Verbreche n a n de n eigene n Kamerade n diskreditiert e und die Grausamkeite n de r andere n nu r mit noch größeren Grausamkeite n zu beantworten wusste . Die Schreckensvision , »wa s geworde n wäre , wenn diese Bestie n übe r Deutschland gefalle n wären« , beschäftigt e Soldate n wi e Soldatenfrauen.59 I n de m Amalga m au s Herrenmenschenideologie , ent menschlichten Feindbilder n un d omnipräsente m Bedrohungsgefuh l ver flüchtigten sic h di e Tötungsskrupel . Mi t de m Gegne r i m Osten , s o Schmidhofer, »mi t diese m Gesinde l gibt' s kein e Verschonung, d a fetzt di e Artillerie hinein , das s nicht s meh r übrigbleib t al s ei n Haufe n durcheinan der!«60 Töten machte mitunter »so richtigen Spaß«. 61

54 Brief e Schmidhofer, 30.7.41. Vgl. Tagebuch Mund, 2.7.41; Buchbender/Sterz, S. 40f. 55 Veigel , S. 60, Brief v. 6.7.41. 56 Manoschek , Judentum , S . 33; Verbreche n de r Wehrmach t (2002) , S . 100-106; Andrae : Klinkhammer; Krausnick/Wilhelm, S. 165ff. Für eine differenzierte Analys e des Partisanenkrieges jetzt Hill und Arnold, Wehrmacht, S. 413ff. 57 Manoschek , Serbien, S. 83; Humburg, S. 194. 58 Alvensleben,S . 195 , Tagebuch v. 16.8.41 . 59 Alber t Neuhaus , 6.2.42 , Reddemann , S . 404f., vgl . ebd . S . 233, 308 , 356 , 404f. ; Fritz , S. 237ff.; Buchbender/Sterz, S. 78, 114 , 172ff ; Brief e Hild e Wieschenberg, 23.3. , 16.4.43 ; Walb, S. 227-229. 60 Brief e Schmidhofer, 22.10.41.

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Schnell verwischten sic h die Grenzen zum verbrecherischen Krieg . Dass als »Sühnemaßnahme « fü r di e Verstümmelun g jene r siebzeh n Kamerade n im Juli 194 1 sofor t einig e Jäge r kamen , di e »da s ganz e Dorf , aus dem die Russen gekomme n waren , i n Brand« schossen , war nur eine beiläufige Be merkung wert. 62 Einem Heckenschützen fiel ei n SS-Regiments-Kommandeu r zum Opfer. »Der Mörder soll ein Jude gewesen sein. Du kannst Dir denken, dass so etwas nach Rache schreit die aber auch durchgeführt wird.« 63 Albert Neuhaus mutet e de r Anblic k eine r Frau , di e »unser e Landser « a n eine m Baum aufgeknüpft hatten , »weil si e gegen di e deutschen Soldate n gehetzt « hatte, zwa r sonderba r an . Abe r »zuletz t lach t ma n scho n drüber. « Das s »nicht vie l Federlesen s mi t diese n Leute n gemach t wird« , erschie n ih m selbstverständlich.64 »Engelein, « teilt e Wißman n seine r Verlobte n i m Jul i 1941 beiläufig un d inmitten zärtlicher Liebesbeteuerungen mit, »hier erfährt man so allerlei, wa s in Riga passiert . I n Litauen ha t man restlos alle Jude n gehängt.« We r das warum geta n hatte, war unwichtig. Wa s ih m Sorg e bereitete, war, »o b man diese Seuch e wohl ma l gan z ausrotten kann?« 65 »Ei n Bild für die Götter« bot sich Wieschenberg i m August 1941 . Er sah, wie die Juden i n einer kur z zuvor eroberte n Stad t »di e Parteilokal e räume n mussten« un d mi t Stalinbilder n unter m Ar m »durc h di e Straße n zu m Scheiter haufen« ziehe n mussten. 66 Solche Äußerunge n spiegel n di e Perspektiv e de r Zuschauer wider . De n meisten Soldate n blie b e s erspart , i n di e Roll e de s aktive n Täter s de r verbrecherischen Gewalt zu wechseln. Wie sie sich dort verhalten hätten, lässt sich nich t mi t Bestimmthei t sagen . Vo r di e Wah l gestellt , mitzumache n oder aber nur zu- oder wegzuschauen, habe n sic h die meisten Soldate n fü r das Mitmache n entschieden . I m polnischen J ózefów ermordet e da s Reser ve-Polizeibataillon 10 1 am 13 . Juli 194 2 binnen zwöl f Stunde n rund 1.50 0 jüdische Einwohne r beiderle i Geschlecht s un d unterschiedlichste r Alters gruppen, obwohl der Kommandeur dieser Einheit seinen Männern die Möglichkeit eröffnet hatte, nicht mitzumachen und zurückzutreten. Nicht nur ein Befehl vo n höhere r Stell e stan d übe r diese r Mordaktion . Si e erklär t sic h auch nicht nur aus dem Antisemitismus. Ihre Dynamik speiste sich, wie der Holocaustforscher Christophe r Brownin g gezeig t hat , vo r alle m au s de m 61 Oberschütz e Helmu t O. , 6.3.42 , in : Verbreche n de r Wehrmach t (2002) , S . 631, Recht schreibung verändert. Vgl. Dollwet, S. 302; Briefe Franz Wieschenberg, 6.1.42. 62 Veigel , S. 60, Brief v. 6.7.41. Vgl. Buchbender/Sterz, S. 152. 63 Gefreite r F., 3.7.41, bei Buchbender/Sterz, S. 73. Interview Vorster; Interview 78. ID; Niethammer, Heimat, S. 191 f. 64 Reddemann , S. 431, Brief v. 28.2.42. Vgl. Briefe Langer, 20.10.41. 65 Brief e Helmut Wißmann, 24.7.41. Vgl. Reddemann, S. 222, Albert Neuhaus 25.6.41. 66 Brief e Fran z Wieschenberg, 3.8.41 ; Hilberg, S . 337ff; Klee/Dreßen/Rieß , S . 106ff; Humburg, S. 195f. (Quellenkritik).

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Gruppenzwang. Seine r Schätzun g nac h machte n sic h achtzi g bi s neunzi g Prozent der Polizisten ans Töten.67 Viele Bataillonsangehörige hatte n Angst, sich vo r de n Kamerade n bloßzustellen , al s »feige« , »schwächlich « ode r nicht als »Mann« zu gelten. Zu morden fiel ihnen leichter als nonkonformes Verhalten zu demonstrieren. Das Polizeibataillon 10 1 gehörte nich t zu r Wehrmacht, setzt e sic h abe r wie dies e größtenteil s au s »gezogenen « Männer n zusammen . Wi e diese s Polizeibataillon verhiel t sic h den n auc h di e 3. Kompanie de s I. Bataillons des 691. IR., als es Anfang Oktobe r 194 1 vom Bataillonsführer de n Auftrag erhielt , di e jüdische Bevölkerun g de s russischen Dorfe s Krutsch a zu erschießen. Das Regiment sollt e eigentlich Partisanen bekämpfen. Abe r die Aktionen waren meist ins Leere gelaufen, weil es keine Partisanen gab oder diese sic h i n den Wäldern versteck t hielten. 68 Di e Soldaten ware n vo n der antisemitischen Propagand a nich t unbeeindruckt geblieben ; auc h hatten sie von Gräuel n a n Kamerade n andere r Einheite n durc h di e Russe n gehört. 69 Alle dre i Kompanie n de s Bataillons erhielte n ähnlich e Mordbefehle . Abe r ihre Führe r reagierte n darau f unterschiedlich . Einer , de r der NSDAP und der SS angehörte, führt e ih n ohne zu zögern aus . Gegenteilig reagiert e ein anderer, Oberleutnan t Sibille , ein 47 Jahre alte r Lehrer. E r erklärte seine m Vorgesetzten, e r »könne es anständigen deutsche n Soldate n nich t zumuten, sich a n solchen Dinge n di e Hände zu beschmutzen.« Au f die Frage seine s Vorgesetzten, wan n e r endlic h har t werde , antwortet e er , i n diese m Fal l nie.70 Zunächst ausweichend , a m Ende doch wie befohlen reagiert e de r dritte Kompanieführer, Nöll . Auch ih m war klar, das s es nicht zu den Aufgaben der Wehrmach t gehörte , solch e Erschießunge n vorzunehmen , un d dass er nach § 47 de s Militärstrafgesetzbuch s eine n al s verbrecherisc h erkannte n Befehl ablehne n konnt e un d musste. 71 Abe r Nöl l verweigert e de n Befeh l nicht. E r fürchtete, sic h beim Bataillonskommandeu r unbelieb t z u machen und als zu weich zu gelten. Nur wollte Nöll sei n eigenes Gewissen mit der 67 Browning , S . 94f., 99, 108. 68 Urtei l de s Schwurgericht s bei m Landgerich t Darmstad t gege n Nöll , Zimbe r u . Mage l v . 8.5.54, dass . v . 10.3.56 , HSt A Darmstadt , Η 13 DA, Nr. 979, Bd. I, Bl. 537-563 , Bl . 744-778 . Dort Bd. I - IV auch die weiteren fü r das Folgende herangezogen e Urteile , Aussage n un d Schrift wechsel. Vgl. Verbrechen der Wehrmacht (2002), S. 462-468, 580-585 . 69 Keitel-Befeh l vo m 16. Sept. 1941 , Verbrechen de r Wehrmacht (2002), S. 515. 70 S o di e Auslassunge n Sibille s un d weiterer , z u Begin n de r fünfzige r Jahr e vernommene r Zeugen, Schreibe n Sibille s v. 2.2.53, L G Darmstadt gegen Nöll u.a., a.a.O., Bl. 207-210, dazu z.B. Urteil v . 10.3.56 , hier Bl . 756f. Vo n der über hunder t Männe r umfassende n Kompani e konnte n zu Beginn de r fünfziger Jahr e nu r noch siebzeh n vernomme n werden , da die allermeisten i m Verlau f des Krieges gefallen waren . 71 Vgl . Schwinge, Militärstrafgesetzbuch , S . 100-109 ; Jäger, Verbrechen , S . 83ff.; Kitterman ; Messerschmidt, Ideologie .

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Tat nicht belasten. Er beauftragte seine n Hauptfeldwebel mi t der Durchführung de r Erschießungsaktion . Kamerade n un d Untergebene n gegenübe r empörte diese r sic h darüber , das s di e Sach e au f ih n abgeschobe n wurde , wiegelte abe r di e Entrüstung , di e sic h unte r de n Soldate n artikulierte , mi t der Bemerkun g ab , »Befeh l is t Befehl« , un d organisiert e di e Erschießun g von ein bis zweihundert Juden bis zum Abend.72 Wohl die meisten Soldaten erledigten ihr e Aufgabe nu r widerwillig, ver zichteten etwa darauf, flüchtende Jude n zu verfolgen un d schimpften späte r über die »Schweinerei«, di e ihnen zugemutet worden war, zumal »schwan gere Frauen « unte r de n Opfer n gewese n seien. 73 Einig e ware n »völli g er schüttert un d de m Nervenzusammenbruc h nahe« 74. Ei n Theologiestuden t schüttete eine m unbeteiligte n Kamerade n nac h de r Exekutio n »sei n Her z aus« un d machte »seiner seelische n Bedrängnis « Luft , »das s er als Theologe a n eine r s o furchtbare n Maßnahm e teilnehme n musste«. 75 Ei n anderer , älterer Solda t hatt e bereit s au f de m We g zu m Erschießungsplat z daru m gebeten, abgelös t z u werden. Diese r Bitt e wurd e auc h nachgegeben , aller dings erst nach Beginn der Exekution und nachdem er selbst (nach eigenem späteren Bekunden : daneben ) geschossen hatte. 76 Andererseits ga b es auch Soldaten, welch e di e Sach e i m Hinblic k au f di e Partisanengefah r al s not wendig ansahen. 77 Einig e zeigte n sic h soga r »übe r di e Exekutio n begeis tert«.78 Abe r si e bildete n (wi e i m Polizeibataillo n 101 ) ein e Minderheit ebenso wie die Verweigerer. Wer nich t mitmachte , überlie ß di e unangenehm e Pflich t de s Morden s den anderen. Er verstieß gegen das Kameradschaftsgebot de r gleichmäßigen Lastenverteilung, gerie t in s Visie r de s beschämende n Auge s de r andere n und musst e dami t rechnen , isolier t z u werden . Die s is t i n jeder »totalen« , von der Außenwelt abgeschirmten , ferna b der Heimat operierenden Institu tion eine beklemmende Perspektive . Wi e star k der Konformitätsdruck war , lässt sic h dara n ablesen, das s die Verweigerer zwa r di e eigene Beteiligun g am Morde n ablehnten , gleichzeiti g abe r di e symbolisch e Ordnung , di e dieses Morde n legitimierte , nich t i n Frag e stellten . I n diese r Mora l setzt e 72 I m Revisionsurteil wurd e vo n eine r Mindestanzah l vo n 1 5 Männern un d Fraue n ausgegan gen, Urtei l v . 10.3.56 , hier Bl . 756 . Zahlen vo n 60 bis 250 Opfer n wurde n i n den Zeugenaussage n genannt. 73 Aussag e Adolf Ζ. 24.9.53, Bl. 360, ähnlich Kar l B . 5.12.53, hie r Bl. 379. 74 Aussag e Han s W. 28.8.53, hier Bl. 337. 75 Aussag e Han s W. 28.8.53, hier Bl. 336. 76 Z u dem zunächs t mi t angeklagten , dan n freigesprochene n Mage l vgl . Urtei l v . 8.5.54 , hie r Bl. 56 1 f.; di e Ermittlunge n gege n Nöll , Zimbe r un d Mage l kame n ers t i n Gan g durc h da s Schei dungsverfahren de s letzteren , i n dessen Verlau f Magel s Fra u ihre n Man n o b seiner Beteiligun g a n jener Aktion denunzierte . 77 Aussag e Han s W. 28.8.53, hier Bl. 337. 78 Aussag e Wilhel m W. , 11.12.53 , hier Bl. 386.

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das hypertrophierte Wir der Binnengruppe und die Apotheose der Härte das Mitleid mi t de m wehrlose n Gegne r auße r Kraft . De r Verweigere r Sibill e ließ sic h nich t nu r sagen , sonder n akzeptiert e auch , nich t »hart « z u sein . Und ebenso handelten di e Soldate n un d Polizisten, di e sic h abseits stellte n oder absichtlic h danebe n schossen . Das s di e andere n Kamerade n ihne n vorwarfen, kein e richtige n Männer , sonder n »Feiglinge« , »Schwächlinge « oder »Pimpfe« z u sein, schluckten sie nicht bloß herunter. Sie werteten sich vielmehr selbs t gegenübe r de n mitmachende n Kamerade n un d den Vorgesetzten i n diese r Weis e ab . Si e behauptete n nämlic h nicht , zu m Töten »z u gut«, sondern dafür »zu schwach« z u sein. Sie bemühten sich also, ihr Handeln nicht als Kritik an den Kameraden erscheinen zu lassen. Sie pathologisierten stattdesse n ihr e eigen e psychisch e Verfassun g un d bestätigte n di e »Härte« de r Kamerade n al s überlegene , hegemonial e männlich e Eigen schaft.79 Die Außenseiter erfüllten somi t eine integrierende Funktion für das Gruppenleben. Da s war di e arbeitsteilig e Geschäftsgrundlage , welch e de n Verweigerern ein e randständige Position innerhal b der Gruppe sicherte und ihre soziale Isolatio n abmilderte . Tatsächlic h erfüllte n si e eine fü r di e Binnenstruktur de r Gruppe wichtige Funktion . Si e repräsentierte n da s Andere der dominante n »harten « Männlichkei t un d halfen , dies e überhaup t ers t sichtbar zu machen. 80 Letztlich bekräftigten di e Verweigerer di e verbrecherische Moral, der sie sich entziehen wollten. Gleichzeitig abe r verkörperte n si e di e Alternativ e zu m Mitmachen . Si e bildeten den Gärstoff, de r jene Moral des Gewissens am Leben hielt, die der NS-Staat un d sein e militärisch e Sozialkultu r z u verdrängen suchte . Moch ten di e meiste n »gewöhnlichen « Soldate n auc h di e letzte n Skrupe l über winden, wen n si e aufgeforder t wurden , wehrlos e Zivilisten , Fraue n un d Kinder zu ermorden, war dies e Überwindung kein e definitive , sonder n nur eine situative . Skrupe l o b der eigene n Verstrickun g i n di e Gewalt , zuma l die verbrecherische , bliebe n virulent . »Scham « darüber , ei n »deutsche r Soldat« z u sein, stellte sic h auch bei solche n Soldate n ein , die das Verbrechen nur beobachteten.81 »Das s Wachmannschaften un d Gefangene i n geradezu freundschaftlichem Verkeh r zueinander standen«, beobachte das OKH im Frühjah r 194 1 mi t Argwohn. 82 Au f de m Vormarsc h i m Oste n sa h sic h 79 Vgl . Browning , S . 241 f., zudem , auc h zu m vorherigen , S . 87, 99 , 105f. , 124f. , 143 , 159f. , 162, 174-176 . 80 Dies e Funktion de r Außenseiter bzw . der unterlegenen Männlichkei t is t in dem inspirieren den Modell de r hegemonialen Männlichkei t Bo b Connelh nicht hinreichend berücksichtigt . 81 Tagebuc h Pau l Kreißle r 22.1.43: »Man schäm t sich geradezu, ei n deutscher Soldat zu sein « (angesichts de r Misshandlun g russische r Kriegsgefangene r durc h O.T.-Männer) ; Kreißle r hatt e den Judenmord scho n früh kritisc h beobachtet, ebd. 17.5.4 1 (Galizien) , 5.-8.7.41 (Ukraine) . 82 Geheimerlas s de s OK H betr . Erhaltun g de r Manneszuch t v . 1.4.41 , BA-MA , RH D 23/40, Bl. 2ff .

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Michael Sage r eine m verwundete n Russe n gegenüber , de r ih n um Wasse r anflehte. Sage r lie ß ih n vo n seine r Feldflasch e trinke n un d sa h sic h al s Nachfolger de s »liebe n Herrgott« , de r d a gesag t hatte : »Wa s ih r de m ge ringsten meiner Brüder getan habt, habt ihr mir getan.«83 Von der »Freude«, die solch e Mildtätigkei t auslöste , profitierte n nich t nu r di e Begünstigten , sondern auc h di e Spender. 84 Si e versicherte n sic h dami t ihre r Menschlich keit un d ihre r Verbindun g z u jener Mora l de s Gewissens , di e si e doc h im Zeichen des Primats der eigenen Gruppe von sich stießen. Im Modell eine r den Gegner einbeziehenden Leidensgemeinschaf t löst e sic h die Frage nach Schuld un d Verantwortun g i n de r Melancholi e de r Ohnmach t auf : »Wel ches Rech t habe n di e paa r Großen , di e dies e Menschen « - Russe n un d Deutsche hatt e Pau l Kreißle r dabe i vo r Augen-»i n solc h wahnsinnige n Krieg hetzen? Eine tiefe Tragik liegt über allem.« 85 Irritationen o b des Kontrasts zwischen Mensche n un d Feindbildern, Ah nungen davon, dass doch alle a m liebsten »i n Friede n ihre r Arbeit nachgehen« würden , drängte n sic h u m s o meh r auf , j e aussichtslose r di e Lag e wurde un d je meh r man di e Rach e de r Gegner fürchtete . 86 Aber nich t di e gegnerischen Opfer lösten die depressive Grundstimmung de r Soldaten aus, sondern die gefallenen Kameraden . Die Trauer war immer auch eine Trauer ums eigen e Ich . Mi t de m Kamera d starb , »al s wär' s ei n Stüc k vo n mir« , nicht nur ein Alter Ego. Der Kameradentod war f auch die Frage nach dem eigenen Ende auf. »Wen n die Kameraden so fallen ode r verwundet werden, wundere ic h mic h imme r un d frage : wan n ich? « S o fragt e sic h a m 1. Dezember 194 3 der Offizier Harr y Mielert. 87 Er fiel zwei Wochen später. Neben de r Furch t vo r de m eigene n To d quält e di e Soldate n de r Verlus t dessen, was si e als »eigene s Leben « beschrieben . Dami t war nicht nur das physische Überleben , sonder n auc h de r eigene Lebenspla n gemeint . »Ma n sehnt sic h ebe n z u seh r nac h de m häusliche n Her d zurück.« 88 Unte r de m Eindruck der Rückzüge seit 194 3 verflüchtigte sic h die Entschiedenheit, mit 83 S o die Tagebuchnotiz v. 5.8.41, Sager, S . 38, ähnlich S . 57, 60, 85. 84 Brief e Langer , 25.4.43 : »De n be i uns beschäftigten Russe n habe n wi r [... ] eine n Ostertisct i mit Schnaps, Kuchen usw. aufgebaut. Da s war eine Freude! « 85 Tagebuc h Pau l Kreißle r 8.2.43 . Vgl . Sager , S . 104f. , Tagebuchnoti z v . 2.4.4 3 angesicht s der Zuführung de r Zivilbevölkerung eine s russischen Dorfe s einschließlich de r Frauen un d Kinde r zu einem Arbeitskommando : »Da s is t de r Krieg , de r totale Krieg , de r nicht achte t au f Mutte r un d Kind.« 86 Tagebuc h Pau l Kreißle r 8.2.43 . Auc h Kuby , Krieg , S . 355-357, beobachtet e i m Novembe r 1943, »wi e sic h da s Bewußtsei n veränder t ha t i n bezu g au f di e Sowjets« . »Da s Zusammenlebe n mit de n Russe n is t seh r familiä r geworden . [... ] Geschlage n z u werden , treib t ihne n soga r di e Rassentheorie aus . Ein e i n Charko w verloren e komplett e Divisionsausrüstun g setz t sic h i n ei n Minimum von Humanität um. « 87 Mielert , S . 11 1 (Bf. v . 1.12.43) . 88 Reddemann , S . 599, vgl . 528 , 533 , 561 , 1009 ; Brief e Schmidhofer , 8.12.41 ; vgl . Latzel , Soldaten, S. 328-330, 333-335 .

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der viele »Gezogene« zeitweili g ihr e Unifor m getrage n hatten . »Soldat bi n ich sowieso nicht gerne«, befand Neuhaus im Mai 1943. 89 Einen Krieg ohne Ende i m Kop f un d de n massenhafte n To d vo r Augen , gelan g e s imme r weniger Soldaten , di e martialische Kampfrhetori k ungebroche n z u wiederholen.90 Zerrissen ware n di e Soldate n nich t nur, weil di e Mora l de s Mitmachen s die Grenze n zwische n reguläre m un d verbrecherische m Krie g auflöste . Zerrissen ware n di e Soldaten , wei l di e Mora l de s Mitmachen s ihne n di e Hoffnung au f ein eigenes Leben nahm. Dass ein Kamerad zugunsten eine s anderen au f seine n Urlau b verzichtete , ka m woh l vor . Erzählunge n davo n waren ei n dankbare r Gesprächsstoff , wei l si e de n Mytho s de r Frontkame radschaft beglaubigten. Aber die Praxis sah anders aus. »Wenn's um Urlaub geht«, s o Wieschenberg, »hör t die Kameradschaft auf . [... ] De s Landsers Α und Ζ ist Urlaub. Nur immer wieder Urlaub.« Wieschenber g selbs t machte da kein e Ausnahme . E r nah m soga r Anfeindunge n au s de m Kameraden ­ kreis i n Kauf , di e neidisc h registrierten , das s e r al s ältere r Familienvate r häufiger al s ander e Urlau b bekam. 91 Kameradschaf t dient e eine r Leidens gemeinschaft al s Leitbild, deren Mitglieder allemal darau f achteten, dass es niemandem besser ging als einem selbst. Die Soldate n wollte n ›vorne ‹ mitmachen , »härte r un d männlicher« wer den, fürchtete n sic h vo r de m Zeigefinger , de r de m »Etappenhengst « ode r »Drückeberger« galt . Abe r si e sehnte n sic h nac h de m End e de s Krieges , und solang e diese s End e nich t absehba r war , nac h Urlaub. 92 I m Urlau b mochte si e dan n da s Gefüh l plagen , eigentlic h se i e s »nich t da s Richtige , wenn man nicht bei seinem Haufen ist«. 93 Aber manch einer war froh, wenn ihn ein e Erkrankun g zuhaus e ›zwang‹ , de n Urlau b z u verlängern . Pau l Kreißler, de r mi t eine r Zahnerkrankun g zeh n Tag e gewann , eilt e e s gan z anders als seine m Brude r Kurt »nicht gerad e übermäßig , de n alten Haufe n anzutreffen.« Be i de r Rückkehr empfinge n ih n die Kamerade n gleichwohl , wie da s üblich war, »mi t große m Hallo«. 94 Si e freute n sic h ob des Wiedersehens. Abe r wa s steckt e hinte r diese r Freude ? Gewis s wa r si e Ausdruc k einer emotionalen Verbundenheit, der auch die »gezogenen« Soldate n nicht gleichgültig gegenüberstanden . Si e mocht e de m Rückkehre r helfen , de n 89 Reddemann , S . 846. 90 Tagebuc h Pau l Kreißler , 18.10.42 , übe r Gespräch e i m Kameradenkreis , di e »i n de r klare n Erkenntnis« mündeten , »das s ei n Kriegsend e vorläufi g überhaup t nich t abzusehe n ist . [... ] Ma n is t so müde.« Vgl . Mielert, S . 114 . 91 Brief e Fran z Wieschenberg, 17.6.4 3 un d 19.11.43 . Vgl. Brief e Langer , 16.3.44 . 92 Ziegler , Glauben, S . 67, 70-79 (1943 vo m Donez-Becken un d bei Kursk) . 93 Reddemann , S . 559, Albert Neuhaus 21.7.42; vgl. ebd., S. 558-563 . 94 Tagebuc h Pau l Kreißler , 22.6. , 22.7.42 , 6.7.4 2 ironisc h übe r »mein e ›plötzliche ‹ Zahner krankung«.

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Schmerz de s Abschieds vo n zuhaus e z u überwinden. 95 Abe r diese r wusst e doch, das s sic h di e Kamerade n nich t nu r übe r ih n freuten , sonder n auc h darüber, dass ihr eigener Urlaub nun näher gerückt war. 96 Die Soldaten wollten de m Kult der Härte gerecht werden und gleichzeitig jenes Stück ihrer Identität bewahren, das sich der Härte verweigerte. Das Bild vo m weichen Ker n i n rauer Schale half , mi t diese m Zwiespal t z u le ben.97 Vielen genügt e es nicht. Russland sei , stöhnt e Wißmann i m Oktober 1941, ei n »grausame s Erlebnis« . Di e »liebe n Zeilen « seine r Braut , schrie b er weni g später , hätte n ih m di e »einzigst e Stunde « verschafft , »w o ic h wirklich glücklic h war« . Abe r kur z darauf , konfrontier t mi t endlose n Todeslandschaften, wa r »alle s wiede r aus.« 98 E r wusste zwar : »Ma n mus s hart sei n i n diese m Gemetzel« . Abe r imme r wiede r droht e e r unte r de m Härteideal zusammenzubrechen : »Hoffentlic h is t bald der Mist hier aus.« 99 Über di e Erfahrun g de s »Gemetzels « z u reden , wa r kau m möglich . Sein e Briefe spiegel n di e Furcht wider, sic h von der Heimat und seiner angehen den Fra u z u entfremde n - un d da s krampfhaft e Bemühen , de r selbs t dia gnostizierten Persönlichkeitsveränderun g entgegenzuwirken . »Mei n Kind , die Frag e ›wi e e s i n mir aussäh?‹ wil l ic h Di r gerne beantworten, abe r sei nicht enttäuscht. Denn aus all Deine n Briefen les e ich, dass Du glaubst, ich sehne mic h nac h geschlechtliche n Dingen . D u kanns t mi r glauben , mei n Kind, manchma l hab e ic h fes t überleg t un d mic h gedanklic h geprüft , ›o b ich überhaupt noch mal so werden kann, wie ich war?‹ Ic h glaube fast nicht daran. Der Krieg hat mich zu hart gemacht. Ja mein Kind, Du wirst Deinen frohen Helmu t nich t meh r wiedererkennen. E s werden abe r all e Soldaten , die de n Ostfeldzug mitgemach t habe n u[nd ] ei n weni g tie f denken , s o geworden sein. Die Liebe zu Dir ist damit natürlich nicht erloschen, nein mein Kind, ganz im Gegenteil. [... ] D u wirst Deinen Helmut so Wiedersehen, wie Du ihn verlassen hast, bloß ein wenig ernster.« 100 Der Sorge vo r der Verrohung ihre s Mannes i m moralischen Moras t de r Ostfront beschäftigt e auc h Hild e Wieschenberg : »Un d diese s Töten , grau sam. Aber Junge, gell, ein gar so rauher Geselle wirst Du trotzdem nicht.« 101 Ein Bekannter hatte ihr Fotos aus Russland gezeigt , nich t nur vom regulären Töten, sondern auch von den verbrecherischen, genozidale n Dimensio 95 Vgl . Brief e Fran z Wieschenberg, 2.8.42 . 96 S o Brief e Fran z Wieschenberg , 14.1.43 . Vgl . Brief e Langer , 5.5.42 ; 25.10.43 , 28.11.43 ; Briefe Schmidhofer , 25.6.42 . 97 Brief e Langer , 3.9.41 . 98 Brief e Helmu t Wißmann, 24.10.41 . 99 Brief e Helmu t Wißmann , 1.12.41 . Entsprechend e Äußerunge n sin d Legion , Bähr/Bähr , S. 81 f., 2 1 lf., 297ff. ; Buchbender/Sterz, S . 94, 100 ; Dollwet, S . 281 ff; Fritz , S. 48ff. u.ö. 100 Brief e Helmu t Wißmann, 7.11.41. 101 Brief e Hild e Wieschenberg, 30.3.4 2

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nen: »Da konnte man Berge von Toten sehen. Voll Absche u habe ich mich abgewandt.«102 Ihr Mann verweigerte nähere Auskünfte über die Fragen, die sich angesichts solche r Bilder stellten . »Solche s sollt e man nicht heimschicken. Das tun auch nur hintere Einheiten.« Di e beteiligten Soldate n wollten »auch durc h ei n Bil d nich t meh r davo n [sic ] erinner t sein . Si e suche n krampfhaft fü r ihre Augen eine andere Weide.« 103 Da s war der Hinweis auf den schmale n Pfad , de r di e Verbindun g zwische n Heima t un d Fron t auf recht hielt . E r führt e i n di e Imaginatione n vo n Liebe , Geborgenhei t un d emotionaler Sicherheit . Solch e Imaginatione n kreiste n u m Frau , Famili e und Heimat, aber auch um Kameraden. »Wer richtig durch die Grausamkeit gestapft ist, « se i froh , wenn er nicht mehr daran denken müsse. »Sein Herz ist volle r Sehnsuch t nac h Liebe« , versichert e Wieschenber g seine r Frau , nachdem e r erwähn t hatte , wi e sein e Trupp e eine n russische n Spähtrup p »umgelegt« habe. 104 Und seine Frau gab sich zuversichtlich, dass »das große starke Männerherz « de s ra u gewordene n Geselle n wiede r sanf t werde , »wenn Dich mal weiche Frauenarme umschlingen«. 105 Wißmann ka m i m Augus t 194 2 wege n eine s psychosomatische n Haut leidens für längere Zeit ins Lazarett nach Linz. »R.« abe r ließ ihn nicht los. Diese Chiffr e verwendet e e r gegenübe r Edit h fü r sei n Russlanderlebnis . »Die blödsinnige n Gedanke n a n Vorn e mache n mic h gan z kaputt« . Si e verfolgten ih n bi s i n »blöde « Träum e vo n Nahkämpfen , To d un d Verlet zung.106 »Imme r steh t wieder R . vo r mir.« Di e Wochenschauen un d Radionachrichten von den Kämpfen um seine letzten Einsatzorte hielten die Erinnerung wach , ebens o di e Fronterlebnisse , welch e di e Lazarettkamerade n austauschten.107 Di e Aussprache mit Edith verschärfte di e Folgen des Traumas ehe r al s das s si e Abhilf e stiftete . Fü r Wißman n schie n de r Grabe n zwischen Fron t und Heimat kau m überwindbar . Edit h erinnerte ih n an das Los seiner Kameraden, die noch ›vorne‹ waren , um ihn aufzumuntern, den n gegenüber jenen hatt e er es ja gut . Dami t aber legte si e de n Finger auf die Wunde seine s zerrissenen Ichs . Für Helmut war gerade das der gefürchtet e Beweis, »das s D u nie, ni e begreifen wirst , wa s da s heißt . Wen n ic h dara n denke, dan n müsst e ic h mic h jetzt scho n fortmelden . Wen n ic h will, kan n ich schon weg. Ic h denke aber an Dich. Das kränkt ei n wenig a m Mannes102 Brief e Hild e Wieschenberg, 30.3.42 . 103 Brief e Fran z Wieschenberg, 19.4.42 . 104 Brief e Fran z Wieschenberg , 7.4.42 . Vgl . Brief e Helmu t Wißmann , 4.10.41 : »Glau b mir , ich hab e vie l Schreckliche s gesehen . Doc h ic h fesse l mic h nich t davon . Möcht e ga r kein e Erinne rungsbilder von dem Schrecken de s Krieges haben. Mein Lebe n gehört der sonnigen Welt. « 105 Brief e Fran z Wieschenberg, 2.3.42 . 106 S o auc h später , z.B . Brief e Helmu t Wißman n 7.2.42 , Trau m vo n eine m Nahkampf , be i dem er eine n Bajonettstic h durc h di e Han d bekam , da s Bajonet t herauszo g un d darübe r wac h wurde. 107 Brief e Helmu t Wißmann, 6. , 11.9. , 29.9., 7.10., 22.11. , 2., 3.12.4 :

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tum, Liebste. Wen n ic h zu mir sag e ›Kneifer‹ , s o ist e s scho n das richtig e Wort. Denn feige bi n ich um Gottes willen nicht . Feigheit kann mir keiner nachsagen. Jeder Befehl würde bedingungslos ausgeführt«. 108 Ein Feigling wollt e Wißman n nich t sein , ei n Deserteu r scho n gar nicht . Die Sorg e u m di e Kamerade n ›vorne ‹ verwo b sic h mi t seine m Russland trauma. Mit einem engen Kameraden namens Flattmann hatte er Mitte Mai 1942 eine n nächtliche n Meldegan g absolviere n müssen , de n z u überlebe n beide weni g Hoffnun g hatten . E r führte dre i Kilomete r unmittelba r a n der H.K.L. zwische n versumpfte m un d verminte m Geländ e vorbe i z u eine m Gefechtsstand, de r unter schwerem Beschuss lag. »Kur z vor dem Übergang eines Flusses, der eingesehen wurde , zündeten wi r uns noch eine Zigarett e an, und dann ging es los [...], ach es war dol l [...] . Schlimme r wie hier kann es in Flandern nicht aussehen.« S o schrieb er seiner Frau einen Tag später , als e r mi t Flattman n unverletz t zurückkehrte . Au f de m Hinweg , »al s di e Hölle los war und wir durch mussten«, hatte Wißmann den Kameraden, der anders al s e r selbs t Vate r war , »gebeten , doc h zurüc k z u bleiben« . Abe r Flattmann blie b nich t zurück . »Si e da , mei n Kind« , s o versuchte e r Edith vom Lazaret t au s mi t de r Erinnerun g a n diese n »Himmelfahrtsausflug « seinen Zwiespalt begreiflich z u machen, »dan n kam die Kameradschaft. E r ging mi t mir. Wenn, dann können wir gemeinsam draufgehen,« hatt e Flattmann gesagt . Un d Wißman n oszilliert e bi s zu m Kriegsend e zwische n de r Sehnsucht nach Frau und Heimat und der »Pflicht« gegenübe r den Kameraden ›vorne‹, den Druck der Zwangsgemeinschaft i m Nacken und immer auf der Such e nac h de r Kameradschaft , di e auc h unte r Soldate n gemeinsam e Träume von einer friedlichen Wel t erlaubte. 3. Wurstigkeit un d Durchwurstel n Wie lebte n die Soldate n mi t der Zerrissenheit zwische n Heima t und Front? Warum ›funktionierten‹ si e trotz alledem bis zum Kriegsende? De r Mythos der Kameradschaft versprac h ihnen die Wärme der Männergemeinschaft al s besseren Ersatz für das, was sie zuhause mit ihrer Familie zurückließen. Die Wirklichkeit sah , s o befan d ei n Kriegsfreiwillige r i m Augus t 1941 , gan z anders aus als ih n die Weltkriegsliteratur schildere , si e se i »vol l Egoismu s und Niedertracht«.109 Und ein anderer urteilte: »Inmitte n des Männerstaates herrschen Intrige n un d Eifersucht« , abe r kau m »echt e Kameradschaft«. 110 Konfessionelle, sozial e un d landsmannschaftlich e Reibereie n prägte n da s 108 Brief e Helmut Wißmann, 8.10.42, Hervorhebung original, auch zum Folgenden. 109 Bähr/Bähr,S.14 . 110 Alvensleben , S. 436, 51 f., vgl . ebd. S. 86, 423. Vgl. Briefe Langer, 25.5.42.

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Zusammenleben i m Bunker, i n den Erdlöchern oder wo auch immer an der Front kaum minde r al s i n de r Kasern e ode r de r Etappe. 111 Albert Neuhau s ärgerte sic h übe r Kameraden, di e sic h vo r der gemeinsamen Arbei t drück ten, über Diebe im engsten Kreis, und wusste manches Lied vom »Russenkoller« (ander e nannte n e s »Bunkerkoller« ) z u singen , be i de m sic h di e Kameraden anfauchten und »das Leben schwer« machten. 112 Auch unkameradschaftliche Vorgesetzt e gehörte n zu m Alltag, nich t nur in de r Ausbildungszeit. »Ein e ingrimmig e Wut « erfüllt e Pau l Kreißler , al s er an der Ostfront i m Nachtmarsch ein e Flasch e Petroleu m zu m Gefechtsstand bringen musste , damit di e »Herre n Offiziere « dor t eine Geburtstagsfeier mit Dauerskat veranstalten konnten. Noch wütender machte es ihn, als er am Tag darauf bei der Flucht seiner Einheit vor den Russen sehen musste, wi e »all e Offizier e nu n plötzlic h Kraftwagen « zu r Verfügun g hatten , »um schnell nach hinten zu kommen, wenn es ernst wird«. Sein e Stimmung besserte sic h nicht , al s eine n weitere n Ta g späte r Mannschafte n Lei b un d Leben riskieren mussten , u m ein samtene s Ordenskissen fü r eine n gefalle nen Majo r z u beschaffen . Ei n ausnahmsweis e einma l beliebte r Leutnan t wurde gleic h abberufen : »Ma n dulde t ebe n kein e Offiziere , di e mi t de n Untergebenen kameradschaftlich auskommen.« 113 Bei de n überstürzten Rückzüge n sei t 194 3 stellt e Kreißle r mit Entsetzen fest: »Weh e dem, der jetzt nicht bei seiner Einheit ist. Er ist unrettbar verloren, wenn ihm etwas zustößt. [... ] Keine r schaut nach dem andern und hilft. Ein jeder is t nu r mi t sic h selbs t beschäftigt . [... ] W o is t di e vielgerühmt e Kameradschaftlichkeit geblieben . [... ] We r hie r liege n bleibt , is t unrettba r verloren. [... ] Hie r fühlt de r Mensch sein e eigene jämmerliche Erbärmlich keit und Ohnmacht.« 114 Ebe n dieses Schicksa l ereilt e Kreißle r selbs t einig e Zeit später . Be i eine m überraschenden Angrif f de r Russen End e Juli 194 4 war alles in Auflösung begriffen . Al s er die Gefahr gewärtigte, waren seine Kameraden scho n geflüchtet . E r fan d sic h plötzlic h »mutterseelenallein « wieder. Ander e hatte n sic h i n einem Deckungsloc h i n Sicherhei t gebracht , in dem fü r ih n kein Plat z war. Schließlic h tra f ihn eine Granate . Sei n Fu ß baumelte nu r noc h a m Fleisch , e r konnt e sic h nich t meh r rühre n vo r Schmerzen. »Zwe i Mete r vo r mi r lieg t ei n Soldat , de r lau t u m Hilf e ruft . Auch ich rufe di e Fahrzeuge an , die vorbeirasen. Vergebens ! Kei n Mensch kümmert sic h u m uns . Kameradschaft! ! Alle s such t sei n Hei l i n de r 111 Melcher , S . 126f. ; Meyer-Detring , S . 153f. ; Brief e Helmu t Wissmann , 7.541; Jureit , Ehe , S. 70, Humburg, Gesicht , S . 187 . 112 Reddemann , S . 380, 387, 391, 646, 903 (Bevorzugun g vo n Abiturienten). »Bunkerkoller« : Briefe Fran z Wieschenberg , 28.3.43 , übe r »diese s neidisch e un d zänkisch e Gekuf« , u.a . 11.6. , 15.9., 1. , 5.10. 42. 113 Tagebuc h Pau l Kreißler , 11.11.41 , 9./10./11.2.43, 19.3.43 . 114 Ebd. , 1.,02.4.44 .

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Flucht«, notiert e e r einig e Zei t späte r in s Tagebuch , nachde m ih m beid e Oberschenkel amputiert worden waren.115 Aus einer Schlach t unverletzt hervorgegange n z u sein, mochte narzisstischen Gefühle n schmeicheln . Abe r i n eine m Krieg , desse n End e nicht absehbar war, war die Erhabenheit der Überlebenden fragil. Di e Erfahrung de r Hilflosigkeit vor , auf und nach dem Schlachtfeld schrie b sich in ihre Körper tief ein . »Ic h kan n Di r mein e Empfindunge n ga r nich t sagen« , schrie b Wißmann seine r Frau nach anhaltenden Gefechten , »hätt e ic h Dich bei mir gehabt, ich glaube, ich hätte meine Männlichkeit vergessen und geweint.« 116 Ohnmachtgefuhle prägte n di e Stimmun g de r Soldate n i n de r zweite n Kriegshälfte. Ihre n Nährboden bildete n nich t nur die Furcht vor dem eigenen Tod, die Trauer um gefallene Kameraden , die Frustration über unkameradschaftliche Kamerade n un d Vorgesetzte , de r Zor n übe r Versetzunge n oder die Sorg e u m die Angehörigen zuhause , sonder n auc h di e Ungewiss heit um den Ausgang des Krieges. Die Soldate n ware n vo n eine m »quasi-religiöse n Glauben « a n de n charismatischen Führe r beseelt. 117 »Wenn der Führer sagt, wir haben die Mittel und die Waffen, de n Feind wieder von unseren Grenzen zu vertreiben, und wir werden letzten Endes den Sieg davontragen, so weiß ich sehr wohl, dass ein unbändiges Vertrauen und ein starker unbeugsamer Glaub e zu unserem Führer dazugehört , dies e augenblicklic h schwer e Zei t [... ] z u überstehen . Der Glaube gibt un s Kraft, alle s harte und schwere Lei d zu überstehen.« 118 Zum Glauben a n Hitler gab es freilich kein e Alternative. »Di e ganz e Lag e ist s o verzwickt un d sieh t s o gespannt aus , dass ma n sic h nu r noch blind lings de r Führung anvertraue n kann« , befan d Wieschenberg. 119 Auc h Wiß mann flüchtet e sic h i n Realitätsblindheit . »E s kan n doc h ga r nicht s schie f laufen, dann wär ja alles umsonst.«120 Wenn sich die Soldaten an den Führer klammerten, dan n i n eine r fatalistische n Stimmung , di e keine n Zweife l duldete. Solch e Zweife l grassierte n besonder s sei t Stalingrad . Auc h Kameraden, »di e frühe r voller Zuversicht waren, lasse n alle den Kopf hängen«, registriert e Wißman n a m 26 . Janua r 1943 . Seitde m »Stalingra d au s war,« wurd e ständi g »gemeckert « un d gehört e »unstete s Rede n un d Schimpfen« zu r Tagesordnung. 121 115 Ebd. , 26727.7.44. 116 Brief e Helmu t Wißmann, 22.10.44 . 117 Bartov , Brutalität , S . 19 5 (Zitat) ; ders. , Soldaten , S . 218-227, 249-266 ; Shils/Janowitz , S. 304-306; Gurfein/Janowitz , S . 81. Fü r di e Zivilbevölkerun g Kershaw , Hitler-Mythos , de r fußend au f de n SD-Berichte n eine n Mythosverfal l diagnostiziert , de r au f da s Militä r nich t über tragbar ist . Grundlegender Aufriß be i Wehler , S . 600ff., 866ff , 902ff . 118 Buchbender/Sterz,S . 154 . 119 Brief e Fran z Wieschenberg, 26.8. , 3.9.4 4 120 Brief e Helmu t Wißmann, 15.7.44 . 121 Brief e Helmu t Wißmann, 26.1. , 5.2. , 20.5. , 25.9.43.

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Die Propaganda reagierte auf die Kriegsmüdigkeit, inde m sie Ängste der Soldaten schürte , di e »mi t Schaudern « dara n dachten , »wi e e s wohl wäre , wenn wir einma l di e Besiegte n wären!« 122 Sei t 194 2 appelliert e di e Propa ganda a n die Furch t de r Deutsche n vo r der Rach e de r Juden i m Fall eine r Niederlage. Keine r soll e sich , s o Göring , de r Illusio n hingeben , e r könn e sich nachher »von diesen gemeinen Nazis« lossagen . »Der Jude« werde alle gleich behandeln , »sein e Rachsuch t gil t de m deutschen Volk.« 123 Di e Propaganda spannt e di e Bevölkerun g i n ein e durc h Verbreche n verbunden e Schicksalsgemeinschaft ein , aus der es kein Entrinnen gab. Über den Tätern des Holocaus t hin g zwa r di e Schweigeglocke . Qualitä t un d Quantitä t de s Verbrechens wurde n freilic h al s löchrige s Geheimni s gehandelt. 124 Den n dass darübe r gerede t wurde , lie ß sic h nich t nu r nich t verhindern , sonder n hatte Methode. Worüber nicht gerede t werde n durfte , wa r anrüchig . Etwa s Schlimmes war passiert und noch im Gange. Die Botschaft vom numinosen Verbrechen erreichte ihre Adressaten. »Es ist richtig, wir müssen den Krieg gewinnen, u m nich t de r Rach e de r Jude n ausgeliefer t z u sein , abe r di e Träume vo n de r Weltherrschaf t sin d dahin« , meint e ei n Solda t i m Jun i 1943.125 Die Furcht vor der Rache de r »Bestien« au s dem Osten verstärkte den Eindruck der Unvermeidlichkeit de s Krieges, 126 und die Grausamkeite n des einrückende n Gegner s i m Oste n bestärkte n di e Soldate n i n ihre r Hal tung, »lieber noch ein paar Jahre Krieg« zu ertragen als »unter den Russen« zu leben.127 Apokalyptische Untergangsvisione n un d das blinde Vertrauen au f Hitler bildeten zwe i Seite n eine r Sache . Zweifel un d Skepsis waren allgegenwär tig un d musste n doc h unterdrück t werden . »Kleinlich e Gestalte n gib t e s auch bei uns genug. Ic h habe nur Verachtung fü r sie übrig.« 128 Das war die Moral de r Schamkultur . Nicht s wo g meh r al s de r sozial e Zusammenhalt . 122 Tagebuc h Farnbacher, 25.9.41, ähnlic h ein Soldat angesichts eines Massakers an Juden in Litauen i m Juli 1941 , Klee/Dreßen/Rieß, S. 49: »Möge Gott verhüten, dass wir de n Krie g verlieren, denn wenn die Rache über uns kommt, geht es uns bös.«. 123 Red e Görings v. 4.10.42, zit. Bankier, S. 225. 124 Bankier , S . 215-226; Wissen vom Holocaust: Ullrich , Trauma. Zum Nationalsozialismus als »Geheimgesellschaf t ohn e Geheimnis “ allgemei n Arendt , Elemente , S . 790ff., di e allerding s das Geheimnis als Abstraktum behandelt, ohne auf den entscheidenden Bezug zu m Holocaust zu rekurrieren; theoretische Grundlegung bei Simmel, Soziologie, S. 383ff . 125 Buchbender/Sterz , S. 117f . Vgl. Kuby, Krieg, S. 263, 28.6.42. 126 Brief e Fran z Wieschenberg , 28.8.44 . Vgl . Buchbender/Sterz , S . 112 ; Frauen : Orgel Purper, S . 76, kritisc h gegenübe r de r Propaganda ; Walb , S . 329f.; Brief e Helmu t Wißmann , 9.8.43. 127 Brief e Helmut Wißmann, 30.1.44; vgl. Alvensleben, S. 439f. 128 Buchbender/Sterz , S. 154 ; Reddemann, S. 783; vgl. Mohrmann, S. 126 . Zur Empörung der Soldaten übe r das Attentat vom 20. Juli un d der Bestärkun g ihrer Hitler-Gläubigkeit Briefe Franz Wieschenberg, 20.7.44 ; Briefe Helmu t Wißmann, 22.7., 9.8.44 ; Fritz , S. 263f; Buchbender/Sterz, S. 14 1 ff.

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»Ein Lump , der jetzt nich t mitmachen will.« 129 E s galt, ungeachte t persön licher Skrupel , Unsicherheite n ode r Ängst e unbeirr t da s z u tun , wa s di e Gemeinschaft ta t un d ih r di e »Treue « z u halten : »Fü r Verräte r habe n wi r schon gar nichts übrig.« 130 Den Zwiespalt zwische n de n gärenden Zweifel n und de m Zwan g zu m Mitmache n überwan d a m ehesten , we r sic h mi t de r Rolle de s Soldate n al s kleine m Rädche n i m großen , undurchschaubare n Getriebe abfan d un d auf s eigen e Nachdenke n verzichtete . »Denke n dar f man gar nicht«. 131 Am einfachsten hatt e es, wer blindlings sein e »Pflicht « erfüllte. We r seine Pflicht tat , demonstrierte Opferbereitschaft. 132 E r opferte sein »eigene s Leben« , physisch , psychisch , symbolisch . We r sic h au f di e Pflicht berief , folgt e auc h jenen Tugenden , di e zur Ausschaltung de r Kategorien individueller Lebensführung , eigene r Entscheidunge n un d persönli cher Verantwortun g erzogen. 133 »Wi r tate n unser e Pflicht . [... ] De m Ge schehen einen Sinn zu vermitteln, kam uns nicht in den Sinn.« 134 Wer seine Pflicht tat , war frei, genauso wie der, der »blindlings« de r Führung vertraute und sich in ein undurchschaubares Schicksal fügte . Das Schicksal mochte sinnvoll sein , wen n e s eine m eschatologische n Heilspla n folgte , de m so zialdarwinistischen ode r de m christlichen . Ode r e s wa r sinnlos . Dan n sprach ma n freilic h ehe r vo n Zufal l al s vo n Schicksal. 135 Da s Schicksa l stiftete Sin n i n der Sinnlosigkeit . We r sic h mi t ih m abfand, de m gewährt e es Entlastung . Mi t seine r Hilf e lie ß sic h di e Verunsicherun g dämpfen , di e der To d imme r weitere r Kamerade n auslöste . E s wa r »ebe n Schicksal« , wenn einer fiel, »da kann man nichts dran machen«. 136 Wer sich dem Schicksal ergab, brauchte keine Entscheidung mehr zu fallen, sonder n machte , wa s unabänderlic h schien . We r nu r imme r »jawoll « sagte, wurd e zwa r »blöde« , »erholsam « abe r war , das s e r auc h »kein e belastende Verantwortung « meh r spürte. 137 Insgehei m mocht e e r Götz von Berlichingen zitieren . S o lautete auch die Empfehlung manche r Vorgesetzter.138 Entscheiden d wa r di e äußer e Haltung . »Ic h verricht e imme r meine n 129 Dollwet , S. 318, Brief eines Soldaten v. 16.7.44. Vgl. Buchbender/Sterz, S. 151 u. 157. 130 Dollwet , S. 318, Brief desselben Soldaten v. 23.7.44. 131 Brief e Helmut Wißmann, 15.7.44. Vgl. Grupe, S. 340. Generell Humburg, S. 210-216. 132 Brief e Helmut Wißmann, 4.6.44. 133 Latzel , Soldaten , S . 319f.; Kohut/Reulecke , S.461f ; Frevert , Pflicht , S . 279-281; Heer , Anfang, S. 55f. 134 Beyer , S. 13. 135 Rühle , S. 32f.; Pfaff, S. 132, 167; Bähr/Bähr, S. 248. 136 Dollwet , S. 304, Brief eines Soldaten v. 14.8.42. 137 Pfaff , S . 13, ferner S. 132, 137f ; Bähr/Bähr , S . 40. Briefe Fran z Wieschenberg, 28.6.40, 14.7., 18.7.40, Selbsterziehung zur Sturheit in der Rekrutenzeit. 138 Vgl . nebe n Rühle , S . 35, Brief e Helmu t Wißman n 17. , 21. , 22.4., 4. , 5.5.41 , übe r di e Schleiferei un d den Ratschlag eines Unteroffiziers: »E r sagte mir, wenn ich wirklich mal schreie, dann müssen Sie nur denken, - lec k mich mal. Und dann immer mitmachen. Nachher werden Sie noch Freude daran haben.«

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Dienst«, sagte sich Wißmann, als nach Stalingrad die Pessimisten unter den Kameraden imme r laute r un d irritierende r wurden , un d »mac h wa s mi r befohlen wird« . »S o komm ich viel besse r aus.« 139 Die Priorität dieser Moral la g nich t auf der Gesinnung, als o dem Inneren, sonder n auf dem Äußeren, dem Verhalten. Das profane Synony m de r hehren Schicksalsergebenhei t hie ß »Wurstig keit«.140 Darunte r verstande n di e Soldate n ein e Haltung , i n de r si e alle s gleichgültig hinnahmen , di e Ohnmach t vo r Schikane , Befehl , Versetzun g und Tod, die Zwangsgemeinschaft mitsam t ihre n Vorgesetzten un d Kameraden, die sich nicht keiner ausgesucht hatte, mitsamt auch ihrer Moral, die das Mitmache n forderte , da s Nachdenke n verschmäht e un d di e Willkü r guthieß. Die »absolute Wurstigkeit« prie s Erich Kubys Vater als die einzige dem Soldaten gemäße: Im Zustand der »Wurstigkeit«, als o der psychischen Apathie, der moralischen Gleichgültigkeit und der sozialen Verschmelzung , könne man auc h »diese n Krieg « ohn e »Anstrengunge n un d Aufregungen « erleben.141 Di e »Wurstigkeit « dämpft e di e Skrupe l o b de s eigene n Töten s und die Furcht vor dem Getötetwerden. »Man wird so langsam gleichgültig , man lebt so in den Tag hinein, wie es ein Ende nimmt, ist ganz egal«, meinte Wißman n 194 4 angesicht s de r düstere n Kriegsaussichten . Un d »dan n vergisst man alles Schwere«. 142 Wer wursti g sein e Pflich t tat , spürte , wa s inmitte n de r Zweife l noc h etwas Hal t gab : da s »weich e Kisse n de r Kameradschaft«. 143 »Draußen« , tröstete sich ein Soldat beim Abschied von seiner Familie, »muss man nicht so viel übe r den Unsinn dieses Mordens nachdenken. Ma n ist unter Kameraden un d tu t sein e Pflicht.« 144 Diese n Kamerade n gin g e s s o wi e Wies chenberg bei den Strapazen im Herbst 1941 : »Man ist nicht mehr Herr über sich selbst. ›Stur heil‹ tapp t man so mit. Gefühllos, ohne zu denken.«145 Wer nicht meh r nachdachte , wa r ei n gute r Kamerad , wei l e r funktioniert e wi e ein leise s Rädche n i m Getriebe . Di e Kameradschaft , u m di e e s hie r geht , war nich t di e de r Wärme , Empathi e un d Fürsorge . Si e wa r kalt , apathisc h und gleichgülti g - stet s darau f bedacht , da s Inner e unte r de m Panze r de r Sturheit zu verbergen. Die Soldaten legten sich das Gehäuse des funktionierenden un d pflichtbewussten , sture n un d wurstige n Kamerade n z u un d bildeten s o eine Gemeinschaft, dere n Mitgliede r austauschba r waren. 146 Si e 139 Brief e Helmu t Wißmann, 5.2.43 . 140 Zu m Erwerb dieser Haltung Tagebuch Farnbacher , 13.12.4 1 141 Kuby , Krieg , S . 18 6 (Brief des Vaters an die Mutter). 142 Brief e Helmu t Wißmann, 25.2. , 1.7.44 . Vgl. Fritz, S. 125-127 . 143 Haffner , S . 280. 144 Bremer , S. 40, Äußerung des Vaters der Autorin im Bewusstsein der drohenden Niederlage. 145 Brief e Fran z Wieschenberg, 10.11.41 . 146 Mi t dem Pnmärgruppenkonzep t läss t sich diese Gemeinschaft kau m erfassen .

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hatte Hitle r vo r Augen , al s e r End e 194 1 gege n di e Überbewertun g de s »Einzellebens« wetterte . »Wen n sei n Bestan d vonnöte n wäre , würd e e s nicht untergehen . Ein e Flieg e leg t Millione n Eier , di e all e vergehen . Abe r die Fliegen bleiben. [... ] Ic h strebe einen Zustand an, in dem jeder einzeln e weiß, er lebt und stirbt für die Erhaltung seiner Art!« 147 Aber als »Fliegen « gabe n sic h di e Soldate n doc h nur äußerlich. Fü r die Masse de r »Gezogenen « stellt e sic h di e Abdikatio n de s eigensinnige n Ic h vor dem pflichtbewussten Wi r nicht als »beglückend« 148 dar . Die Zerrissenheit blieb. Die melancholischen Liede r und das melancholische Schweige n mochten e s de m Soldate n erlauben , »seine n ganze n Kumme r un d sein e Sehnsucht« indirek t zu artikulieren. 149 Auch die allgegenwärtigen Zynisme n und Sarkasmen , de r sprichwörtlich e Landserhumo r ode r di e Fäkalsprach e waren Mittel , Distan z und Betroffenheit, Härt e und Weichheit gleichzeiti g auszudrücken.150 Da s »wild e Gemeinschaftsleben« , di e alkoholisierte , bra marbasierende und obszöne Geselligkeit bildeten die Fassade, hinter der die Soldaten versuchten, di e »Las t de s Lebens« z u meistern und mit ihrer Zerrissenheit zurecht zu kommen. 151 Zynismus bot einen prekären Ausweg au s der »absoluten Verzweiflung« , i n der sich die Soldate n i n dem totalen und verbrecherischen Krie g befanden. Zynismus hieß, »die Situation rücksichtslos« z u genießen, mitzuschwimmen, abzustumpfen , »de n Schmer z von sich abgleiten z u lassen«. »Is t ja doc h alles wurscht«, war die Maxime des Soldaten, de r sic h mi t de m Stumpfsin n abgefunde n hatt e un d nu r überlebe n konnte, wenn er an ihm mitwirkte und so am sozialen Leben partizipierte. 152 Aber überwunde n wa r di e Zerrissenhei t dami t nicht . »Ma n ha t s o seine n eigenen Willen« , meint e de r »gezogene « Kunstmale r Lange r i m Oste n 1941. De n könne man de n andere n nich t aufzwingen , als o passe ma n sic h an, »s o gu t e s geht« , bleib e abe r unzufriede n un d warte , bi s »einma l de r große Tag de r Freiheit« komme . Noch 194 4 wollte e r sich mit dem Solda tenleben »einfach nich t abfinden [... ] wi e die meisten hier.« 153 Er war darum bemüht, de n äußeren Schei n z u wahren, als o mitzumachen, un d doch »ei n

147 Picker , S . 347, 349, 1./13.12.41 . Bei Arendt, Elemente , S. 907f., auf das Konzentrationslager bezogen. 148 Pfaff , S. 59; Kühle, Briefe, S. 35. 149 Pfaff , S. 165; Bähr/Bähr, S. 189-191; Fritz, S. 98-100. 150 Zu m Humor Tagebuch Farnbacher, 21.7.41, 25.6.42; Briefe Groß, 12.2.44; Tagebuch Paul Kreißler, 21.6.41; Briefe Langer, 3.9.41, 3.7.42; Reddemann, S. 772; zu den vergemeinschaftenden Funktionen der Obszönität und Amoralität am Beispiel amerikanischer Soldaten Elkin, S. 417ff. 151 Zitat e Pfaff, S. 86 u. 121. 152 Böll , Katholiken , S . 15f., 28 . Vgl. Cwojdorak , S . 49, Tagebuchnotiz v. 6.10.43, über den Grundsatz »›Es ist doch alles egal‹, mit dem alle möglichen Ausschweifungen motivier t werden«. 153 Brief e Langer, 12.9.41 , 16.3.44 . Vgl. Dollwet, S. 303; Humburg, S. 239f

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Zipfelchen Menschsein « z u retten . Ih m gelan g das , wei l e r al s Male r mi t privilegierten Posten bedacht wurde.154 »Wurstigkeit« is t nich t nu r etymologisc h mi t »Durchwursteln « ver wandt.155 »Wurstigkeit « wa r di e nac h auße n gerichtet e Haltung , de r i m Inneren de r Versuc h entsprach , ei n Stückche n Ic h und Intimitä t z u retten , sich »durchzuwursteln « durc h di e Zumutunge n de r Zwangsgemeinschaft . Nicht immer waren die Soldaten dabei ganz auf sich gestellt. Mitunter fanden sie gleichgesinnte Kameraden , di e ebenfalls bemüh t waren, die Waag e zwischen Intimitä t un d Anonymitä t z u halte n un d doc h di e Maschin e de s Militärs a m Laufen z u halten. Allerding s wa r e s nicht einfach , solch e Ka meraden zu finden. Mangelnde Kameradschaft gewärtigte n die Soldaten vor allem, wenn sie sich aus ihrem angestammten Kameradenkreis herausgerissen und in eine neue Einhei t verpflanz t sahen , i n dem sie noc h nicht daz u gehörten. Personelle Kontinuität aber, wie si e die Primärgruppentheorie fü r die Wehrmach t al s selbstverständlic h annahm , wa r keinesweg s di e Regel . Die Furcht vor Versetzungen wa r woh l begründet. 156 Auseinande r gerisse n wurden die militärischen Gruppe n meist scho n vor der Front. Helmut Wißmann kam mit seinem Intimus Willi i n den Osten, aber im September 194 1 trennte sie das »Schicksal«. Wißman n ka m zum Tross, Willi blie b ›vorne‹ , Walter war scho n vorher zu einer anderen Einhei t beordert worden. Damit begann für Wißmann eine längere Zeit der Isolation.157 Aber nich t nu r »geborene« , auc h »gezogene « Soldate n wi e Wißman n wussten, das s sic h Kameradschaf t stet s auf s Neu e herstelle n ließ . Davo n hatte scho n de r Kameradschaftsmytho s erzählt , un d i n de r Wehrmach t hatten die Soldate n durc h Versetzungen ode r Ausfälle gelernt , sic h ständi g in neue soziale Zusammenhänge einzufinden . Nich t zuletzt der Habitus der Wurstigkeit erleichtert e di e Erfahrung, das s Kameradschaft nich t an personelle Kontinuitä t gebunde n war , sonder n sic h unabhängi g davo n einstell te.158 Wißman n fan d eine n Kameraden , Flattmann , de r wi e e r au s de m Ruhrgebiet stammt e und ihm über die Trennung vo n Willi un d Walter hinweghalf Flattman n un d Wißmann beschnupperte n sic h ein e Weile , kame n sich durc h fürsorglich e Geste n un d da s Spie l mi t de m Ehebruc h näher . Wißmann hal f Flattman n i n eine r Behördenangelegenhei t wege n desse n unehelichem Kind , vo n de m sein e Fra u nicht s wisse n durft e - ei n große r Vertrauenserweis: »E r war aber so froh, das s er das mal vom Herzen hatte. [...] Ic h war ja auc h s o froh, das s ic h mal Luf t i n meinem Herze n mache n 154 Brief e Langer , 16.3.44 . 155 Trübne r VIII, S. 296. 156 Brief e Fran z Wieschenberg, 8.10.40 . Vgl . auch Kilian, S . 261 ff. 157 Brief e Helmu t Wißmann, 28.2.4 3 rückblickend , daz u 26.10.41, 6.11.41. 158 Brief e Fran z Wieschenberg, 8. , 9., 11.9. , 1.10. , 7., 8.10.40 (Peter Fischer).

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konnte. Ich hab mich richtig gefreut mal wieder so zu sprechen.«159 Der eine gute Kamerad , de r de m Freun d i m zivile n Lebe n nah e kam , bildet e de n Nucleus aller soziale n Geborgenheit , di e Soldate n gleic h welche n Typu s solche wi e Böll , solch e wi e Kur t Kreißle r ode r solch e wi e desse n Brude r Paul - i n de r Wehrmach t erlebe n konnten . E r machte gena u da s möglich , was di e Kameradschaf t al s Zwangsgemeinschaf t verpönte : de n au s de m Zivilleben im Kreis der Familie oder selbst ausgesuchter Freunde »gewohnten seelischen Gleichklang“ spüren zu dürfen. 160 Paul Kreißle r vertraut e seine m Tagebuc h frü h Zweife l a m Endsie g an , Skrupel o b der verbrecherischen Seite n des Krieges, den Hass auf arrogante, unkameradschaftliche Offiziere , vo r allem die »trübe Stimmung« , di e er mit seine n Kamerade n teilte . Abe r wen n ma n i n gesellige r Rund e zusam mensaß, beim gemeinsamen Essen , am »prasselnden Herdfeuer« , »i m traulichen Gespräch mit Kameraden«, stellt e sich doch das »einzige« ein , »wa s einen aufrech t hält« : »di e gut e und treue Kameradschaft«. 161 Darunte r frei lich verstand Kreißler etwa s anderes als sei n Brude r Kurt. Erfüllte sic h fü r diesen di e Kameradschaf t i m Gefecht , de m di e zärtlich e Homoeroti k vor und nacharbeitete, reduzierte sie sich für seinen Bruder auf die Abwehr der Zumutungen de r Gewalt . Wi e überwiegen d i n de r kollektive n Erinnerun g an de n Erste n Weltkrieg , gal t si e Pau l al s de r ›menschliche ‹ Rückzugsort , der die zivile Identität vor dem Zugriff der totalen Institution schützte. Im Unterschie d z u de n Freundschaften , di e Außenseite r wi e Böl l ode r Kuby pflegten, wahrte n die Wißmanns, Wieschenbergs und (beider) Kreiß lers jedoc h di e Balanc e zu r Zwangsgemeinschaft . Zwa r entwickelt e Wißmann kein e große Sympathi e fü r die »sturen Ostpreußen« , unte r die er nach de m Abschie d vo n Will i gerate n war . Abe r e r arrangiert e sic h mi t ihnen i n dem Maße, wie sic h sein e Beziehun g z u Flattmann vertiefte . Nun machte er auch mal »für all e Butterbrote« zu m Frühstück, malte Postkarten für sie, nahm an ihren Bierabenden teil, sang mit ihnen »allerlei Heimatlie der«, wurde von ihnen zum Kartenspiel eingelade n und genoss mit ihnen Ende Mai 194 2 - eine n »Abend i n guter Kameradschaft. S o kann man das Leben hie r etw a ertragen.« 162 Di e enger e Kameradschaf t wirkt e fü r viel e »gezogene Soldaten « ähnlic h wi e fü r di e »geborenen « al s Ventil , da s den Motor der kriegerischen Vergemeinschaftung a m Laufen hielt. Wißmann wa r nicht unglücklich , das s ih n das Lazarett ei n Jahr von der Front verschonte . Nac h Genesungs - un d Ausbildungszeite n wurd e e r An 159 Brief e Helmu t Wißmann , 13.3.42 . Vgl . Brief e Fran z Wieschenberg , 7.6.42 , un d Ziegler , S. 60-77. 160 Brief e Langer , 19./20. , 26,31.12.43. 161 Tagebuc h Pau l Kreißler , 18. , 21.10.42, ähnlic h 5.8.,04.9.41 , 9., 30.9.,12. , 16. , 22., 30.10. , 24.12.42, 17.1. , 10.5. , 19.11. , 24.12.43, 25.3.43. 162 Brief e Helmu t Wißmann, 14.3. , 3.4., 28.5.42 .

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fang 194 4 Unteroffizie r un d macht e di e Rückzugsgefecht e i m Oste n i n einer Mischung au s Fatalismus und Überlebenswillen mit . Sein »alter Haufen« existiert e nu r als Imagination . E r war wie di e meisten andere n Front einheiten längs t nich t meh r derselb e wi e 194 2 i n Russland . Abe r di e persönliche Bindun g a n konkret e Kamerade n wa r nu n auc h fü r Wißman n unwichtig. »I n ei n paa r Tagen« , meint e e r o b de r Aussicht , wiede r mi t Ostpreußen zusammengeschmisse n z u sein , »werd e ic h mic h eingeleb t haben, ma n mus s sic h ja überal l ers t ma l einschleifen.« 163 Un d s o wa r e s auch. Di e alte n landsmannschaftliche n Reibereie n setzte n sic h zwa r fort , aber anders als früher gelang es eher, sie zu ignorieren. Wißmanns Horizon t verengte sic h gegen End e des Krieges gan z auf die kleine Kameradschaft , di e i n seine r Werkstat t un d be i de n Waffengänge n gegen de n »Ivan« manche n »tolle n Tag « bescherte : »Vo n uns waren nur 2 Verwundete [...] . Ich kam als letzter in unserm Quartier an. Meine Kameraden hatten ordentlic h Sorg e u m mich. Dan n wurde wiede r gelacht«. 164 Di e Sorge u m Famili e un d Heima t blie b bestehen . Da s markier t de n Unter schied z u »geborenen « Soldaten . Scho n seine n Aufenthal t i n de r Gene sungseinheit 194 3 hatte er zusammen mi t einem Kameraden, mit dem man »Pferde stehlen « konnte , z u weitläufige n »Hamsterfahrten « i n di e bäuer liche Umgegen d genutzt , u m Speck , Gemüs e un d Eie r z u erbetteln , di e dann nach Hause geschickt wurden. 165 Die Soldatenkameradschaft wurd e so in den Dienst de s Wohlergehen s de r Angehörigen zuhaus e gestellt . Späte r plante Wißman n zusamme n mi t einem Kameraden di e Evakuierun g Edith s auf dessen heimischen Bauernhof in Mitteldeutschland. 166 Gegen Kriegsende wurde die Heimat mehr denn je zu r Front. Dies nicht nur weil der Luftkrieg di e Heimat einer ähnlichen Bedrohung aussetzte, wie sie fü r di e Fron t selbstverständlic h war , ode r weil imme r meh r Fraue n i m Wehrmachtsgefolge dienten . Seit Herbst 194 4 kämpfte die Wehrmacht auch im Oste n au f alte m Reichsgebiet , manch e Divisio n i n de m Wehrkreis , i n dem si e aufgestell t worde n war . S o auc h Wieschenberg s 21 . I.D. Die au s Ostpreußen stammende n Kamerade n Wieschenberg s konnte n nu n vo n de r Front mit ihren Frauen zu Hause zunächst telefonieren un d sie zu sich »au f Besuch kommen« lassen . »Wenn die Männer nicht zu den Frauen kommen, kommen di e Frauen zu den Männern.« Da s war über Monate hinweg still schweigend geduldete Praxis. Teilweise wurden Soldaten anlässlich solche r Besuche fü r einige Tag e beurlaubt un d bezogen mi t ihrer Frau eine der im Zuge des Exodus der Zivilbevölkerung leerstehende n Wohnungen. Oder ein 163 Brief e Helmu t Wißmann , 5.5.44 ; ebd . 21.2. , 24.4. , 17.5. , 30.5. , 9.8.44 , auc h zu m Folgen den. 164 Vgl . Brief e Helmu t Wißmann, 9.8.4 4 165 Brief e Helmu t Wißmann, 17. , 19. , 20., 22.2.43, auch später, 12.9. , 3.12.4 3 166 Brief e Helmu t Wißmann, 26.12.44 .

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Kamerad räumt e sei n Feldbet t fü r di e Fra u eine s Kameraden . Di e Feldkü che kümmerte sich um die warme Verpflegung auc h der Frauen. Man ging zusammen ins Kino oder zum Tanzabend, »es ging lustig zu« - inmitte n des unaufhaltsamen Untergangs , inmitte n drastisc h steigende r Gefallenenzah len, inmitte n von Flucht, Vertreibun g un d Massakern unte r der Zivilbevöl kerung, nun der deutschen.167 So verkehrt e sic h i m Lauf e de s Kriege s de r Erfahrungshorizon t vo n Macht und Ohnmacht, Sicherhei t un d Unsicherheit. Am Anfang ihre r Militärzeit waren di e Soldate n de r Schikane de r Vorgesetzten un d der Verunsicherung durc h di e Zwangsgemeinschaf t ausgesetz t gewesen . Kompensier t wurde dies e Ohnmach t durc h da s Zugehörigkeitsgefuhl zu r großen Kame radschaft eine r siegesgewisse n Arme e un d eine r imperiale n Volksgemein schaft. A m End e de s Kriege s wa r e s gerad e di e Zugehörigkei t z u diese r großen Schicksalsgemeinschaft , di e vo n apokalyptische n Visione n un d Hoffnungslosigkeit, vo n Ohnmachtserfahrunge n un d Ohnmachtserwartun gen beherrscht war. Eine n Rest an Sicherheit, a n sozialem Leben , auch die Chance, physisch zu überleben, gelegentlich soga r das Gefühl, etwa s bewegen oder auch nur aufhalten z u können, boten ausschließlich noc h die kleinen Gemeinschaften. Da s waren de r engste Kameradenkreis und die Familie zuhause. Beide rückten umso enger zusammen und griffen ums o konsequenter ineinander , j e meh r di e Fronte n zurückwichen , j e kleine r di e räumliche Ausdehnun g de r ehede m imperiale n Volksgemeinschaf t wurd e und je deutlicher sich ihre physische Zerstörung abzeichnete. Mit de m Konzep t de r Primärgrupp e läss t sic h dies e Entwicklun g nich t angemessen beschreiben , wen n ma n darunte r libidinöse , länger e Zei t ge wachsene un d verwachsen e militärisch e Vergemeinschaftunge n versteht , die auch i n kriegerischen Grenzsituatione n solidarisc h un d militärisch effi zient handeln . Dies e Feststellun g mus s a m Anfan g eine r Zusammenscha u der drei Soldatentype n stehen . Deren Konstruktion hatte im Rahmen diese r Studie den Zweck, unterschiedlichen Kriegserfahrungen nachzugehen . Aber mit de r soziale n Differenzierun g de r Wehrmach t is t e s nich t getan , wen n geklärt werden soll, warum ihre einzelnen Teile unter praktisch aussichtslo s erscheinenden Bedingunge n weitergekämpft , als o funktioniert un d ineinan dergewirkt haben , und warum sie die verbrecherische Dimensio n de s Krieges mitgetrage n un d mitgestalte t haben . Da s akteursnah e Konzep t de r Kameradschaft enthäl t di e Antwor t au f beid e Fragen , wen n ma n de n

167 Brief e Fran z Wieschenberg, 3.10. , 25.11.,26.11. , 28.11., 14.12.44 , zu m Verbo t diese r Be suche: 5.1.45 , vgl . abe r für ähnliche, teilweise allerding s durc h Lazarett - un d Ersatztruppenaufent halte begünstigt e Fäll e un d allgemein da s Zusammenrücken zwische n Soldate n un d Zivilisten be i Kriegsende: Schmidt, Mitläuferin , S . 148f. ; Lorenz, S. 241; Bähr/Bähr, S . 430.

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Diskurs der Akteure, also ihre Deutungskultur nachzeichnet und die Sozialkultur ausleuchtet, auf die sich diese militärische Kardinaltugend bezieht. Die Wehrmach t stellt e zwa r ihr e Divisione n au f eine r regionale n Basi s auf und achtete darauf, dass diese den Soldate n erhalte n blieb, sodass trotz des immense n Personalverluste s a n de r Ostfron t sei t 194 1 ei n gewisse s Stammpersonal a n erfahrene n Soldate n que r durc h di e Räng e fü r sozial e Kontinuität bürgen konnte. Aber eine Division ist keine Primärgruppe. Und nicht nu r verletzt e ode r erkrankte , sonder n auc h gesund e Soldate n ware n gezwungen, ihne n vertrau t geworden e Einheite n z u verlasse n un d sic h i n neue sozial e Zusammenhäng e einzufinden . Versetzunge n innerhal b de s Divisionsverbandes »trainierten « di e sozial e Anpassungsfähigkei t de r Sol daten, bevo r si e zu m Kampfeinsat z kamen . Di e Soldate n reagierte n au f dieses »Training « unterschiedlich , wi e auc h das Vorwissen vo n der Kameradschaft ungleichmäßi g fes t verankert gewesen war . Einer kleinen Gruppe von »geborenen « Soldate n vermittelt e di e militärisch-männlich e Verge meinschaftung ein e soziale Heimat, die ihre zivilgesellschaftlichen Bindun gen i n de n Schatte n stellte . Sei n Elixie r gewan n de r militärisch e Männer bund aus dem Bewusstsein moralische r un d sozialer Souveränität , di e sic h im Schulterschlus s gege n schikanös e Ausbilder , i n de r Unbekümmerthei t um bürgerliche Tugenden , abe r auch i n homoerotisch grundierte r Fürsorg e untereinander kundtat . Gu t war alles , was de r Vergemeinschaftung nützte . Denn nich t um s physisch e Überlebe n gin g es , sonder n u m da s Erlebe n sozialer Verdichtun g i m Gefech t ode r i m Saufgelage , i m sentimentale n Weihnachtsfest ode r in kollektiven Plünderungen , und nicht zuletzt in mörderischen Übergriffen au f die unterworfene Zivilbevölkerung . Die Moral des Mitmachens bildete das Gewebe, aus dem alle militärisch e Sozialkultur gestrick t war . Dies e Mora l knüpft e a n di e Rada u schlagende n Vergemeinschaftungsriten de r Jugendkultu r an . I m Mytho s de r Kamerad schaft war sie quasi-sakral überhöht. Nicht das eigene Ich, sondern die Furcht vor der Beschämung durch die Anderen rangierte in dieser Moral als oberste Richtinstanz. De r sozial e Zwang , de n di e Blick e de r Andere n exerzierten , war mi t soziale r Geborgenhei t ausstaffier t un d mi t Freihei t besondere r durchsetzt: mi t dem Dispens vom Zwang eine r Moral, die dem Individuum die quälend e Introspektio n durc h ei n omnipräsente s Gewisse n auferleg t hatte. Wer mit den anderen handelte, genoss ihren physischen, sozialen und moralischen Schutz . Dies e Grammati k de r Kameradschaf t befolgte n auc h die am Judenmord und an anderen Verbrechen beteiligten Männer. Keineswegs auch nur die meisten Soldate n verschrieben sic h dieser Moral bedingungslos. Am wenigstens arrangierten sic h mit ihr die Außenseiter der militärischen Gesellschaft , di e der zeitgenössische Jargon als »Unsoldaten« titulierte . De r Verweigerun g freilic h waren , sowei t dies e Soldate n nicht i n völlige r soziale r Isolatio n lebe n wollten , eng e Grenze n gesetzt . 204 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35154-4

Selbst di e brieflich e Kommunikatio n mi t de r Heima t un d di e Pfleg e vo n Freundschaften mi t Gleichgesinnte n beäugt e de r Res t de r militärische n Gesellschaft scheel . Um sozial z u überleben, waren die Außenseiter darau f angewiesen, ihr e Distanz zur Zwangsgemeinschaft z u verbergen, jedenfalls nicht al s Program m erscheine n z u lassen . Si e pflegte n ih r Außenseiterda sein im Stillen. Das »Wort« überließe n sie den »geborenen« Soldaten . Dazu waren si e aufgrun d de s Terrors des Staate s wi e de r Wehrmach t (un d ihre r Justiz) auc h gezwungen . Di e militärisch e Gesellschaf t de s NS-Staates un terschied sich von anderen militärischen Gesellschaften i m Krieg - auc h der deutschen vo n 191 4 bi s 191 8 - dadurch , das s si e praktisc h all e sozial e Nischen verbaute , i n die sic h hätt e flüchte n können , we r nich t mitmache n wollte. Selbs t die beiden christlichen Kirche n boten den Soldaten nur noch einen höchst randständigen Schutz. Das rassenideologische , apokalyptisch e Szenariu m vo n de r jüdisch bolschewistischen Verschwörun g un d di e verbrecherische n Befehl e z u Beginn de s Russlandkrieges , vo r alle m de r Kriegsgerichtsbarkeitserlass , verstaatlichten di e Mora l de s Mitmachen s un d di e Apotheos e de r Vergemeinschaftung; da s heißt, sie wiesen de n Weg in eine Zukunft, i n der die Mora l de r Schamkultu r di e einzi g gültig e sei n sollte . Dies e Aussich t bestimmte da s Verhalte n de r Mass e de r »gezogenen « Soldaten . Den n di e Erfahrung sei t 1918 , dass selbst nach einem verlorenen Krie g nu r etwas zu sagen hatte , we r a n vorderste r Fron t mitgekämpf t hatte , beherrscht e de n Erwartungshorizont »gewöhnlicher « Soldate n de s NS-Kriege s auc h dann , wenn si e mi t höchs t ambivalente n Gefühle n dor t hi n strebten . Ihr e Zerrissenheit zwische n Fron t un d Heima t konnt e si e nich t davo n abhalten , sic h mit den Kameraden z u arrangieren. Si e wirkten nich t unbedingt al s Motor , auch nicht als Bremsklotz, aber doch als Schmierflüssigkei t i n der Maschine der kameradschaftlichen Vergemeinschaftung . De r Habitus der Wurstigkeit hal f ihnen , de n Zwiespalt zwische n eigene m Überlebe n un d soziale m Erleben, zwischen Familie und Männerbund zu überwinden. Im Zustand der Wurstigkeit ließe n sic h di e Furch t vo r de m eigene n To d ebens o wi e di e Skrupel o b der Teilhab e a m Verbrechen ertragen . Wen n solch e Kamerad schaft Geborgenhei t vermittelt e un d Gemeinschaf t stiftete , s o leistet e si e dies unabhängig vo n personeller Kontinuität . A m Ende des Krieges kamen primäre und sekundäre Gruppen, Kompanie, Wehrmacht und Volksgemeinschaft nähe r zusamme n al s je zuvor . De r klein e Kameradenkrei s un d di e große »Volkskameradschaft « arbeitete n ineinande r nac h de m Prinzi p kon zentrischer Ringe . Di e Soldate n hatte n nich t nu r di e Blick e de r Andere n verinnerlicht, si e ware n sic h auc h de r Zugehörigkei t z u eine r nationalen , rassisch definierte n Verbrechensgemeinschaf t bewusst . Gleichwoh l imme r noch di e »Menschlichkeit « de r Kameradschaf t z u erfahren , mocht e ihne n Hoffnung geben , auch nach dem Ende noch eine Zukunft zu haben. 205 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35154-4

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Dritter Tei l

Vom guten Kameraden zur bösen Kameradschaft 1945-1995

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VI. Die Privatisierung der Kameradschaft 1. Lagerfreundschaft stat t Lagerkameradschaf t Am 9. Mai 194 5 gab Großadmiral Dönitz, der Nachfolger Hitlers, den deutschen Soldaten einen letzten Auftrag. Di e Katastrophe war unabwendbar. In dieser Situatio n gal t e s »da s Schönst e un d Beste , wa s un s de r Nationalsozialismus gegebe n hat, « z u retten: »di e Geschlossenhei t unsere r Volksgemeinschaft.« Dami t ware n wede r di e staatlich e Struktu r noc h di e politische Ordnun g gemeint ; beide s wa r ohnehi n verloren . »Wichtig « dagegen »ist , das s wi r di e i m Krie g a n de n Fronte n un d be i de n Bombenangriffen i n de r Heima t bewährt e Kameradschaf t unsere s Volke s unter allen Umständen hochhalten. Denn nur so können wir die kommenden schweren Zeite n meister n un d nu r s o könne n wi r erreichen , das s da s deutsche Volk unsterblich bleibt.« 1 Was blie b nac h 194 5 vo n de r Kameradschart , di e di e Deutsche n zu m Mitmachen un d Durchhalte n i n eine m verbrecherische n un d totalen Krie g angehalten hatte ? De r Mytho s de r Kameradschaf t wa r flexibe l genug , u m noch au s de r totalen Niederlag e neu e Kraf t z u schöpfen . Dönit z füllt e ih n zukunftsträchtig, inde m er die Opferbereitschaft de r Deutschen pries. »Wi r haben un s nicht z u schämen . Wa s di e deutsch e Wehrmach t un d da s deut sche Volk i m Erdulden i n diesen sech s Jahren geleiste t haben , is t einmali g in de r Geschicht e un d i n de r Welt. « Nachde m di e Weltherrschaftsutopi e zerstoben war , sollte n sic h di e Deutsche n i n eine r große n Leidensgemein schaft vereinigen . I n der Tat : Mi t de m 8 . Ma i 194 5 ware n di e Leide n a m Krieg nich t beendet . Deutschlan d betrauert e übe r siebe n Millione n Tote , davon 2, 8 Millione n Zivilisten . Hinz u kame n Millione n verstümmelte r Soldaten un d vergewaltigte r Frauen. 2 Bi s z u dre i Millione n Mensche n kamen bei der Flucht und Vertreibung aus dem Osten ums Leben.3 Den Soldaten wurde die Gefangenschaft zu m Trauma, das auch die Zivilgesellschaft länge r i n Atem halten sollt e al s all e andere n Leiden . Run d el f 1 Auszüg e de r vor Offizieren i n Flensbur g gehaltenen , bi s zur Divisio n verteilte n Red e bei Förster/Lakowski, S . 360-365, Zitat e S . 361, 363-365. Zu m Kontex t de r Red e Kraus , Dönitz , S. 10-16. Ähnlich der letzte Wehrmachtberich t vo m 9.5.45, be i Müller/Ueberschär , Kriegsende , S. 181 . 2 Vgl . Mühlhauser, S. 384ff., Naimark, S. 91-179. 3 Nawratil , S. 32.

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Millionen Soldate n erlebte n di e Kapitulatio n al s Kriegsgefangene . Anfan g 1947 waren zwar etwa drei Viertel wieder zu Hause. Die Entlassung verteilte sich jedoch höchst unterschiedlich au f die Gewahrsamsländer. Di e westlichen gabe n ihr e Gefangene n bi s End e 194 8 frei . Vo r alle m di e Sowjet union hiel t bi s Anfan g 194 8 übe r 450.000, sei t Anfan g 195 0 imme r noc h rund 30.00 0 zurück , nu n nich t meh r al s Kriegsgefangene , sonder n al s Kriegsverbrecher. Jede r dritt e Solda t überlebt e di e sowjetisch e Gefangen schaft nicht ; dagege n wa r die Todesrat e de r westlichen Gewahrsamslände r marginal.4 Schwer e körperlich e Arbei t sowi e miserabl e Unterbringungs und Bekleidungsverhältnisse führte n z u einem katastrophalen Gesundheits zustand vieler Gefangener i m Osten. 5 Unter den Bedingungen existentielle r Not und Angst blieb fü r Kameradschaf t weni g Raum . Kameradendiebstah l wurde zu m Alltagsphänomen . Bilde r wi e da s vo n de m Sanitäter , de r al s Gefangener seine n eigene n Brude r verhunger n ließ , inde m e r desse n Ver pflegungsration aufaß , waren nicht ungewöhnlich.6 »Der Mensch wurde zum Tier«, lautete eine verbreitete Formel für den Verfall de s Zusammenhalts. Was i n der Gefangenschaft verlore n ging , ware n freilic h nich t nu r Fürsorge und Selbstlosigkeit, sonder n auch das der Rassenideologie geschulde te Überlegenheitsgefuhl, de r Dispens von der persönlichen Verantwortung , den das Handeln nach den Prinzipien von Befehl, Gehorsa m und Kameradschaft gewährte , nich t zuletz t da s Bewusstsei n de s Soldaten , das s alle s Leiden durc h soziale s Prestig e kompensier t würde. 7 O b als Frontkämpfe r oder blo ß al s Rekru t - de r Solda t erwartete , das s all e Entbehrun g i n de r deutschen Kasern e ode r i m russische n Schlamm , all e Demütigun g durc h schikanöse Vorgesetzt e ode r auc h de r Ärge r übe r schlecht e Kamerade n durch spätere s Ansehe n al s Vetera n kompensier t werde n würde . Dies e Aussicht kan n als Motor der Kameradschaft, als o der Bereitschaft, da s Ich dem Wir der Gemeinschaft unterzuordnen , kaum überschätzt werden. Aber in der Gefangenschaft wurd e alles fragwürdig. Wan n würde man überhaupt nach Hause kommen?8 4 Smith , Million . 5 Hilger , S . 125ff. , 141-172 ; Dibold, S . 165ff . 6 Cartellieri , S . 1 , 64, 76f., 167 , 240; Fleischhacker, S . 19ff , 43 1 ff. u.ö . 7 Vgl . Schenck , Gemeinschaftszerfall , S . 67. Hie r wi e auc h be i andere n Autore n werde n Be griffe wi e »Hintergrund « - Wunnenberg , S . 26, sprich t vo m »Verlus t haltunggebende r innere r Wertnormen« - i n eine m entpolitisierten , u m ihre n nationalsozialistische n un d militärische n Gehalt bereinigte n Sinn e eine r bürgerliche n Alltagsmora l verwandt , a n di e sic h quas i zeitlos e nationale Wert e (»da s Volk « be i Schenck ) anlagern . (Schenc k wa r i m Krie g Arzt , u.a . i m Diens t der Waffen-S S un d zeitweili g auc h i n Konzentrationslager n tätig.) . Vgl . dagege n Lehmann , Gefangenschaft, S . 40, w o allerding s zeitgenössisch e Urteil e übe r de n Verfal l de r Kameradschaf t unkritisch übernomme n werden . 8 Ungewisshei t übe r die Daue r der Gefangenschaft: Lehmann , Gefangenschaft , S . 124ff. - Dif ferenz zwische n Anpassun g a n di e militärisch e Gruppenkultu r un d di e de r Gefangenenlager : Cartellieri, S . 130-136 .

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In den Lagern zerstörte die sowjetische Verwaltung durch Verlegung und Quartierwechsel di e gewachsene n Sozialbindunge n schnel l (i m Durch schnitt ein oder zweimal i m Jahr), un d zwar auc h jene, di e erst in der Gefangenschaft entstanden. 9 Di e Auflösung de r Primärgruppen allei n erklär t die sozial e Desintegratio n jedoc h nicht , den n dara n ware n di e Soldate n gewöhnt. Entscheiden d wa r de r Zusammenbruc h de r symbolische n Ord nung de r Soldaten . Damit , vo n ältere n Soldate n geschurigel t z u werden , mochte sich der junge Rekrut abfinden, wei l er wusste, dass er sich bald auf der anderen Seit e befinden würde . Den vermeintlich hinterhältigen, femini sierten »Untermenschen« i n die Hände zu fallen, war eine Erniedrigung von ganz anderer Qualität. 10 An die Stelle de r militärischen Vorgesetzte n rück ten, zuma l i m Osten , i n de r Lagerhierarchi e jen e Soldate n auf , di e au s Überzeugung ode r Opportunismus mit der Gewahrsamsmacht kooperierten . Am höchsten in der Lagerhierarchie standen Küchenarbeiter und Brotverteiler, di e gut genährt au s der Masse de r wandelnden Skelett e herausstachen . Aber auch andere Funktionsstellen bote n die Chance, bessere Nahrung und Kleidung z u erhalten und möglicherweise frühe r al s andere heimkehren zu dürfen.11 I n der Wahrnehmung de r Entrechteten konzentrierte sic h in dieser Lagerspitze de r soziale Egoismus . A n die Stell e de r »verschworenen Gemeinschaft« i m Krieg tra t in ihrer Sich t die Herrschaft vo n »Lüge, Intrige , Ehrgeiz un d gesinnungslose r Geschäftstüchtigkeit«. 12 Tief e Empörun g lösten di e »Herren « unte r de n ehemalige n Kamerade n aus , di e sic h mi t Reitstiefeln, Ledermänteln , weißen Hemden und Schlips von der Masse der abgemagerten, zerlumpte n un d i n Holzschuhe n vo r sic h hinschlürfende n Landser abhoben. 13 Kameradschaft nah m dem Menschen die »Verantwortung fü r sich selbs t und vor Gott und seinem Gewissen« ebens o ab wie die »Sorge für die Existenz«. Hart dagegen, so Sebastian Haffners Urteil von 1939, sei das Gesetz des auf eigene Entscheidungsfähigkei t un d Eigenverantwortlichkeit setzen den »individuellen bürgerliche n Lebens« , das da lautete: »Jeder fü r sich«. 14 Auf dies e »Härte « sahe n sic h di e Gefangene n verwiesen , i m Osten , abe r auch au f de n Rheinwiesenlager n de r Amerikane r un d i n de n Lager n de r Franzosen. In der Gefangenschaft erlebte n die Soldaten die völlige Verkehrung de r Werteordnung , i n welch e di e Kameradschaf t eingebunde n war .

9 Lehmann , Gefangenschaft, S . 41 f.; Cartellieri , S. 87, 242f. 10 Sauermann/Brockpähler , S. 23ff.; Hilger, S. 103; Cartellieri, S. 42. 11 Lehmann , Gefangenschaft, S . 42ff; Hilger, S. 110f, 157f. , 161 f. 12 Wunnenberg , S. 24 (Zitat); Lehmann, Gefangenschaft, S . 43ff., 75 ; Cartellieri, S . 90f, 95; Steinbach, Sozialgeschichte, S. 6f.; ders., Dimension, S. 334f; Schenck, Gemeinschaftszerfall . 13 Cartellieri , S. 90-96 u.ö., vgl. das Foto bei Karner, S. 116 . 14 Haffner , S . 279-285.

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Nicht meh r da s Mitmache n un d Mitschwimme n sichert e Überlebe n un d Prestige, sondern Rücksichtslosigkeit und Selbstbehauptung. 15 Inmitten des Misstrauens und der Vereinzelung versuchte n die Gefange nen gleichwohl, Vertraue n z u schöpfe n un d Gemeinschaft z u stiften . »Ka meraden würde es schon lange keine mehr geben, die letzten wären in Stalingrad gefallen, s o argumentieren viele, etwas ironisch.« 16 Es gab sie doch, wenn auch selten. Sie mochten sich gegen die großen Worte von der Kameradschaft alle r mi t alle n verwahren . Abe r a n dem , was di e Kameradschaf t so attraktiv gemacht hatte, an der gegenseitigen Fürsorge und Geborgenheit, auch an ihrem konspirativen Kern , hielten sie fest. Nur streifte dies e Kameradschaft jetzt die Fesseln der militärischen Diszipli n ab, baute ihre egalitären und intimen Verstrebungen au s und legte sic h ein privates, auf persönlicher Sympathi e un d gleicher Gesinnun g beruhende s Gehäus e zu . Wo die militärischen Einheite n zerrisse n waren , erleichtert e beruflich e ode r landsmannschaftliche Affinitä t di e Annäherung . Schwaben , Sachsen , Rheinlän der, Ostpreuße n erkannte n ihresgleiche n a m Dialekt . I n der soziale n Kält e weckte die Begegnung mi t dem heimatlichen Idio m Erinnerungen an Kindheit, Famili e un d Freunde zuhause ; si e stiftet e Vertrauen. 17 Gerad e i n dem »allgemeinen Misstraue n alle r gege n alle « macht e sic h da s Bedürfni s gel tend, wenigstens eine n Freund, einen Kumpel, einen Kameraden ode r einige wenige z u haben, mit dene n man sic h ausspreche n konnte . Si e musste n sorgfältig ausgesuch t werden. 18 Mitunte r prüft e ein e Grupp e di e Kamerad schaftlichkeit eine s Kandidate n nac h eine m Ritus , de r nur den Eingeweih ten vertrau t war . De r »Brottest« , de n ein e Offiziersgrupp e erfunde n hatte , zählte dazu . »Da s wenig e Brot , da s wi r al s Verpflegun g bekamen , wurd e geteilt, un d dem neuen Kamerade n angeboten . Wen n diese r nich t da s ihm nächst liegende Stüc k sofor t ohn e Zöger n nahm , sonder n sic h da s größt e aussuchte, hatte er den Test nicht bestanden« - un d blieb außen vor.19 Auch die kleine Kameradschaft i n der Gefangenschaft lebt e von der Aura der Konspiration. Anton Neufischer sa ß für drei Wochen bei 300 Gramm feuchtem Brot und einem halben Liter Graupenkaffee täglic h im Karzer, als ihm ei n bi s dahi n unbekannte r Kamera d verbotswidri g nächten s ei n paa r Scheiben Bro t durc h de n Karzerdecke l zukomme n ließ. 20 Vo r alle m ent stand die konspirative Kameradschaft bei m »Organisieren«, de m vom Militär her bekannten Äquivalent zu m Diebstahl, das als ehrenvoll galt , weil e s der Grupp e nützte un d dem Gegne r (hie r de r russischen Lagerverwaltung ) 15 Vgl . noch Solms, S. 49.

16 Neufischer , S . 183f . Vgl. Sauermann/Brockpähler, S. 136f . 17 Cartellieri , S. 267f.; Sauermann/Brockpähler, S. 139 18 Sauermann/Brockpähler , S. 140 , Cartellieri, S. 145, 246f., 273f.; Fleischhacker, S. 331ff. 19 Sauermann/Brockpähler , S. 142. 20 Neufischer , S. 124-126 . Ähnlich Cartellieri, S. 273.

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schadete.21 Wen n di e »Fressgemeinschaften « i n »Organisiergemeinschaf ten« übergingen , basiert e ih r Zusammenhal t nich t nu r au f de m Kamp f gegen de n Hunger , sonder n auc h au f de m Bewusstsein , de n Fein d durc h gemeinsames, riskante s Handel n überliste t z u haben . I m gemeinsame n Organisieren entschlüpfte n di e Gefangene n fü r eine n Momen t de r Ohn macht, di e ih r Dasei n beherrschte . Si e gewanne n ei n Stüc k de s aktive n Selbstbildes zurück, da s sie mit der Gefangennahme verlore n hatten. 22 Und noch etwas kam hinzu: die moralische Autonomie der Kameraden. Was gut und was schlecht, bestimmten durch den verbotenen Akt des Organisierens die Kamerade n - gege n di e Gewahrsamsmacht . De r vo m Militä r he r al s »Heilige Geist « bekannte, sinnfälligste Ausdruc k diese r Gruppenmoral wa r die Selbstjustiz , di e sic h i n de r materielle n No t gege n Kameradendieb e richtete.23 Auch wen n sic h di e Sozialkultu r de r Kriegsgefangene n nich t gänzlic h von den militärischen Traditione n abkoppelte , bewegte si e sich doch in die zivile Richtun g zurück , au s der sie gekomme n waren . Kameradschaf t war , sagten wir , de r verlängert e Ar m de r zivile n Gesellschaf t i m Militä r un d zumal i n den Todeszonen de s Krieges. Mit diesem gleichermaße n ambiva lenten wi e integrative n Deutungsmuste r i m kulturelle n Gepäc k ware n di e Soldaten in den Krieg gezogen. Als er zu Ende war, in der Gefangenschaft , übten die Soldaten die Regeln der zivilen Gesellschaft wiede r ein. Ihr soziales Leben kreiste nicht mehr um Waffengänge, sonder n ums Essen, Kochen und die »häusliche n Verhältnisse « i m Lager. Un d wenn di e Voraussetzun gen gegebe n waren , kulminiert e e s i n der »bürgerliche n Idylle« , i m »Kaf feeklatsch«.24 Diese n zelebrierten Männe r unter sich. Frauen mochten ihnen fehlen, nich t nur in sexuelle r Hinsicht . Homosexualitä t bo t nur für wenig e Gefangenen eine n Ausweg. 25 Homoerotik , »platonische« , of t eheähnlich e Freundschaften dagege n waren verbreitet. Was alles miteinander verband - sexuell e Phantasien , sexuell e Praktike n und sexuelle Defizite - wa r der Charakter des Lagers als einer »Männergesellschaft pa r excellence«. Si e war wie di e militärische darau f angewiesen , Weiblichkeit selbs t z u inszenieren . De n fehlende n »Einflus s de s Weibli chen« spürte n di e Gefangenen , s o einer ihre r frühe n Chronisten , »un d su 21 Lehmann , Gefangenschaft, S. 77f.; Sauermann/Brockpähler, S.226ff.; Cartellieri, S. 151. 22 Wg l Cartellier,S . 155 . 23 Cartellieri , S. 160-163, Zitat S. 160, für die Sowjetunion; Böhme, Europa, S. 170-172, für amerikanische Lage r i n Deutschland . Wunnenberg , S . 27, Selbstmor d eine s bei m Kameraden diebstahl ertappten Majors und Ministerialrats, der »der beschämenden Bestrafung« entgehen wollte. 24 Cartellieri , S. 167-169, über den »Zug zum Bürgerlichen« i n der Lagerkultur, ferner ebd. S. 272. 25 Vgl . Hilger, S. 306f; Lehmann, Gefangenschaft, S . 86ff.; Cartellieri, S. 269f, auch für die Zitate: Arnold Freundschaf t S 90-9 T

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chen nac h Auswegen . Selte n streiche n si e dahe r di e weibliche n Rolle n i n Theaterstücken. Kameraden , geschick t ode r ungeschick t al s Fraue n zu rechtgemacht, spiele n si e [...] . Da s Weibliche, physisc h nich t existent , be herrscht dennoc h di e Gedankenwel t de r Männergesellschaft.« 26 Ei n hohe r Beamter de r sowjetische n Lagerverwaltun g meinte , di e deutsche n Kriegs gefangenen seie n meh r al s di e andere r Nationalitäte n »de r Unifor m un d überhaupt jedes militärische n Leben s müde . Si e wolle n fre i un d mit ihre n Familien lebe n un d nich t a n bestimmt e Verhaltensvorschrifte n gebunde n sein.«27 Di e »Tenden z z u zivile n Umgangsformen« 28 äußert e sic h darin , dass i n der Anrede de r »Kumpel « de n »Kameraden « un d in der Sach e di e um da s Individuu m kreisend e Freundschaf t di e Zwangsgemeinschaf t de r Kameradschaft ablöste . Au f de r begrifflichen Eben e war de r Wande l frei lich wenige r spürba r al s i n de r soziale n Praxi s un d i n de n emotionale n Grundlagen der Gesellschaft, di e nach 194 5 in Deutschland entstand. 2. Veteranenzirkel stat t Veteranenbewegun g Die Proklamation Nr. 2 des Alliierten Kontrollrat s vom 20. September 194 5 untersagte de n ehemaligen Soldate n i n Deutschland die Bildung von Organisationen, di e de r Pfleg e militärische r Traditio n dienten. 29 De r Militaris mus der Weimarer Republik , i n der Soldatenbünde al s Hort antidemokratischer Kräft e un d al s Steigbügelhalte r Hitler s gewirk t hatten , sollt e nich t wieder aufleben. 30 Privat e Netzwerk e entstande n gleichwoh l bal d nac h der Kapitulation. Ein e Voraussetzun g dafü r bo t di e regional e Aushebun g de r Wehrmachtsverbände. Soldate n eine r Einhei t trafe n sic h nac h ihre r Rück kehr au s Krie g un d Gefangenschaf t i n ihre n Heimatorte n au f de r Straße . Wenn si e dabe i beschlossen , sic h wiede r z u sehen , dan n nich t nur , u m an der gemeinsame n Kriegserinnerun g z u arbeiten , sonder n auch , u m sic h beim beruflichen Neuanfan g z u helfen. 31 Di e gegenseitige Fürsorg e bei der Existenzsicherung aktualisiert e di e Erinnerung a n die Kriegskameradschaf t und bewies, dass diese ein Gewinn fürs ganze Leben war.32 26 Böhme , Geist, S. 6. 27 Dies e Äußerung relativierte Überlegungen , Gefangene für den Aufbau der Volkspolizei in der SBZ zu rekrutieren, Hilger, S. 264. 28 Cartellieri,S . 167-169. 29 Schenc k zu Schweinsberg, S. 96. 30 Vgl . Bohn, Front, S. 8. Eine Ausnahme galt fü r ausgesprochene Kriegsopferverbände , di e jedoch di e körperlich e Versehrun g i n de n Mittelpunk t de s Kriegserinnerun g stellten , als o di e persönliche Katastrophe und nicht das Gemeinschaftserlebnis, Schenck zu Schweinsberg, S. 96. 31 Intervie w 78. I.D. 32 Di e Kasseler »Hilfsgemeinschaf t au f Gegenseitigkeit« de r ehemaligen Soldate n de r Waffen-SS bestan d u m 195 0 au s run d 20 0 Mitgliedern . »Jede r diese r Kameraden« , s o ein e ihre r

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Das wa r de r Grun d alle r Beziehungspfleg e zwische n de n Veteranen : Kontinuität z u sichern i n den Wirren un d Umbrüchen zwische n Krie g un d Nachkrieg. Di e Soldaten waren i n den Krie g gezoge n mi t der Aussicht au f eine zumindes t symbolisch e Gratifikatio n fü r ihr e Entbehrungen . Berufli che, ökonomisch e un d politisch e Privilegie n konnte n ehemalig e Soldate n jedoch nu r i n einer Wel t erwarten , di e vom Nutzen des Militärs überzeug t war. Diesen Glauben ermangelte Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, besonders in der frühen Zei t der Besatzung. Di e soziale Deklassierun g un d wirtschaftliche Not , der sich die ehemaligen Berufssoldate n dadurc h ausgesetzt sahen , das s ihne n ander s al s de n gewöhnliche n Beamte n de s NSStaates jeder Pensionsanspruc h verweiger t wurde , unterstrich diese n Bruc h mit de r soldatische n Traditio n drastisch . Manche r ehemalig e Regiments- , Divisions- ode r Armeekommandeur , de r i m Krie g mehrer e tausen d Man n befehligt hatte, musste nun zufrieden sein , wenn er - auc h dies mitunter nur auf Vermittlung vo n Kameraden - seine n Lebensunterhal t al s Waldarbeite r bestreiten konnte.33 Um 1950 war abermals, wie schon dreißig Jahre zuvor, völlig unklar, welches Terrain jene ehemaligen Soldaten, die den als Garant ihrer Männlichkeit konzipierten Tei l ihre r Biographi e nich t einfac h hinte r sic h lasse n wollten , im öffentliche n Kamp f u m Deutun g un d Wert e würde n besetze n können . Das Schicksa l de r alte n Soldate n i n Deutschlan d i n de n fünfzige r Jahre n war eng verknüpft mit dem Widerstand der Bevölkerung gege n die Wiederbewaffnung un d de r tiefe n Furch t vo r eine m neue n Krieg. 34 I m Zuge de r Vorbereitungen eine s »Verteidigungsbeitrages « de r Bundesrepubli k wa r Ende 194 9 zwa r di e Bildun g vo n Veteranenverbände n erlaub t worden . (I n der DDR blieb si e stet s verboten.) Aber Kriegsangs t un d antimilitaristisch e Strömungen hielten eine offensive Veteranenkultu r zunächst in Schach. Nur eine Minderhei t vo n eine m Dritte l de r ehemalige n Soldate n ka m al s ih r Rekrutierungspotential i n Frage , wi e Umfrage n 195 1 ergaben. 35 Si e doku treibenden Kräfte , hatt e sei n »›Kratzen‹ , i n dem ih m oft aufgezwungene n Beru f zurechtzukommen.« Abe r ma n hal f sich . »Erwi n K . z.B . hatt e ein e Textil-Vertretung . E r beschaffte seine n Kameraden Hemden , Pullover , Anzüge . Günthe r A . war Malermeister« , e r renovierte »s o manchem Kameraden« di e Wohnung. »Alber t [.. ] hatt e eine Vertretung i n Lebensmitteln. Durc h ihn konnte man preisgünstig Haferflocken , Erbse n usw. beziehen. Ernst E. hatte das Modehaus seines Vaters übernommen . E s war selbstverständlich , das s unser e Fraue n dor t eingekleide t wurden. « Schreiben von A.H., 15.11.95, an Verf.- Vgl. Schildt S. 122; Schramm, Soldaten, S. 36ff. 33 Meyer , Situation, S. 637f.; Schramm, Soldaten, S. 26ff. 34 Hierz u jetzt die subtile Analyse von Geyer, Angst. 35 Offic e o f the U.S . High Commissione r fo r Germany , Pres s Releas e issue d b y No . 838, 8.1.52, AdSD Bonn, OS, Abt. VdS, Kasten 17 7 (Umfragen vo m August und Oktober 1951 , knappe Zusammenfassung be i Merritt/Merritt, Semisovereign Germany, S. 145f.) ; IfD Allensbach, Die Stimmung i m Bundesgebiet , Novembe r 1951 , Nr. 23 : Soldatenvereinigungen , B A Koblenz , Β 145/4221 (Umfrage vom November 1951), alles zum Folgenden.

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mentieren ein rangübergreifendes, abe r randständiges Interess e an der Pflege de r Kriegskameradschaft . Da s Aliensbache r Institu t fü r Demoskopi e ermittelte, das s 3 1 Prozen t de r Bevölkerun g neu e Soldatenvereinigunge n für »gut« , 4 3 Prozen t »nich t fü r gut « hielten , wobe i nu r ein geringfügige r Offiziersbias z u Buch e schlug . Informell e Kontakt e »mi t mehrere n Kame raden« hatte n z u diese m Zeitpunk t 2 5 Prozen t de r befragte n ehemalige n Soldaten, bei starke m Übergewicht de r Offiziere. Mi t lediglic h eine m oder zwei Kamerade n hielte n solch e Verbindunge n ebenfall s 2 5 Prozen t alle r Befragten. 4 7 Prozen t alle r befragte n ehemalige n Soldate n jedoc h hatte n keine Beziehung mehr zu Kameraden. Unter de n Veteranen , da s zeigte n dies e Umfrage n auch , bestan d weni g Interesse a n politische r Radikalisierung . Rechtsextrem e un d offe n nazisti sche Bewegungen blieben ohne Rückhalt in Deutschland, nicht zuletzt weil sie von den Besatzungsbehörden äußers t kritisch verfolgt wurde n und nicht mehr salonfähi g waren. 36 De r i n de r Zwischenkriegszei t mi t zwe i bi s dre i Millionen Mitglieder n stärkst e Veteranenbund, der Kyffhäuser, wurd e zwar wieder begründet , erreicht e abe r kau m jemals meh r al s 100.00 0 Mitglie der.37 Zahlenmäßi g a m stärkste n wurd e de r 195 0 bundeswei t gegründet e »Verband de r Heimkehrer , Kriegsgefangene n un d Vermisstenangehörige n Deutschlands« (VdH) . Ähnlic h wi e frühe r de r Kyffhäuse r betrie b e r ei n weit verzweigte s lokale s Vereinsnet z un d schart e i n de n fünfzige r un d sechziger Jahre n run d 500.00 0 Mitgliede r hinte r sich . A n seine n Bundes treffen beteiligte n sic h 195 5 150.000 , 195 7 250.000, i n den sechziger Jah ren meis t über , i n den frühen Siebziger n imme r noch etwas unte r 100.00 0 Menschen.38 I n gewisser Hinsich t trat der Heimkehrerverband di e Nachfol ge der früheren Kriegerverein e an. Er war der einzige zentral geleitete Massenverband de r Wehrmachtveteranen . I m Gegensatz z u den frühere n Krie ger- un d de n sei t 194 9 entstandene n Veteranenvereine n stellt e e r jedoch nicht die Militärzeit, sondern die Leiden der Soldaten in der Gefangenschaf t

36 Dies e Gruppierunge n stande n bishe r trot z ihre r nu r sporadische n Bedeutun g i m Zentru m des Forschungsinteresse s a n Veteranenverbände n de r Wehrmacht , vgl . Dudek/Jaschk e I, S. 79ff. , mit de r ältere n Literatur , darau s wichti g v.a . de r früh e Aufris s vo n Schenc k vo n Schweinsburg . Vgl. weiterhin Searle zur Traditionsgemeinschaft Großdeutschland , Large, Past, zur HIAG. 37 Schenc k zu Schweinsberg , aufgrun d eine r Mitteilun g de s Kyffhäuserbunde s a n de n Autor ; vgl. auc h De r Heimkehre r 5.3.55 , S . 5 (Kyffhäuse r un d Vd S - daz u weite r unte n i m Tex t - zu sammen 100.00 0 Mitglieder) . 38 Di e Mitgliederzahle n beruhe n au f Eigenangabe n de s Verbandes , di e aufgerunde t sei n mö gen, abe r glaubwürdi g erscheinen , wen n ma n si e mi t de n au s andere n Pressequelle n überlieferte n Teilnehmerzahlen de r Bundestreffe n i n Beziehun g setzt , vgl . De r Heimkehrer 25.6.55 , S . lf , ebd . 5.3.56, S . 5f; ebd . 25.6.57; ebd . 10.8.61 , S . lf . (120.00 0 bei m Treffe n 1961) , ebd . 15.7.71 , S . lf. , und 30.6.75 , S . lf . (run d 80.00 0 197 1 un d 1975). - I m Ma i 195 2 konnt e de r Vd H di e Steigerun g der Mitgliederzahl vo n 100.00 0 auf 200.000 vermelden, De r Heimkehrer, Ma i 1952 , S. 8.

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in de n Mittelpunkt . I m übrige n entfaltet e e r ein e rührig e wirtschaftlich e Interessen- und subsidiäre Sozialpolitik zugunsten seiner Mitglieder. Den interessenpolitische n Akzen t teilt e de r Vd H mi t de n Quasi Standesorganisationen de r ehemaligen Berufssoldaten , di e sich im September 195 1 zu m »Verban d deutsche r Soldaten « (VdS ) zusammenschlossen . Mehr al s 100.00 0 Mitglieder , bestenfall s 200.000 , konnt e e r jedoch nich t mobilisieren.39 Al s eine r Dachorganisatio n gehörte n ih m Traditionsverbän de größere r Truppenteil e wi e de r Verban d Deutsche s Afrika-Korps , di e Traditionsgemeinschaft »Großdeutschland « un d die »Hilfsgemeinschaft au f Gegenseitigkeit der Soldaten der ehemaligen Waffen-SS« (HIAG ) an. Letztere war regional gegründe t worde n un d fand etw a 60.00 0 Anhänge r - ei n Bruchteil de r überlebenden Waffen-SS-Soldaten. Abgesehe n von der HIAG verstanden sic h diese und zahllose kleiner e Traditionsgemeinschaften nich t als Interessenverbände . Ih r Zie l bestan d darin , di e Wiederbegegnun g vo n Kameraden z u ermögliche n un d gefallener Kamerade n z u gedenken . Vor zugsweise gescha h die s au f größeren Versammlungen , z u denen nac h entsprechenden Vorbereitunge n sei t 195 1 bundeswei t all e zwe i bi s dre i Jahr e eingeladen wurde. 40 Diese Treffe n de r Regiments - un d Divisionsverein e mobilisierte n of t tausende von Menschen. Zu m ersten Treffe n de r 78. Sturmdivision kame n 1951 600 0 ehemalig e Angehörig e nac h Tübingen . Da s ware n fas t alle , deren Name n un d Adresse n de r Vorbereitungsausschus s hatt e ermittel n können. Di e Kameradschaf t de r Infanterieregimente r 11 4 un d 1 4 i n Kon stanz, die 195 4 die Traditionen de r Vorkriegszeit wieder aufnahm, versam melte rund 3.500 Menschen, überwiegend Angehörige der beiden Regimenter, dere n 3.00 0 Überlebend e ausfindi g gemach t worde n waren. 41 Meisten s stellten sic h bei de n folgenden Treffe n abe r weniger, of t nur die Hälfte de r Teilnehmer ein , be i de r 78 . Sturmdivisio n 195 3 run d 3.000 , 195 6 3.800 , 1959 wiede r 3.000 , 196 3 2.500 , 196 8 2.000 , 197 3 un d 197 6 noc h etw a

39 Zu r Gründungsgeschichte de s Vd S un d z u der auf Art . 13 1 G G gerichteten Interessenpoli tik vgl . nebe n de n Selbstdarstellunge n i n Körber , Soldat , grundlegen d Diehl , Thanks , S . 14 1 ff.; Dudek/Jaschke I, S. 82ff; Lockenour , S . 93 ff; zu r Versorgung de r »131er« Frei , S . 69ff. 40 Allgemei n zu r Entstehun g de r Traditionsverbänd e a b 195 0 Schenc k z u Schweinsberg , S. 96f. u . 166 . 41 De r Seehas e 65/1965 . Ein e unvollständig e List e solche r Blätte r finde t sic h be i Held , Ver bände II, S. 1033ff. , sowi e dass. III, S. 937ff- Ähnlich e Zahlen: Kameradentreffe n de s 13 . Infanterie- un d Gebirgsjägerregiment s 1952 : 2.50 0 Angehörige , 13e r Pos t 1953/2 , S . 67f.; 190 . I.D. : 2.000, Refera t de s Geschäftsführer s de s T V de r 29 0 I.D . v . Mär z 196 2 be i eine r Kooperations tagung i n Hannover , Manuskrip t i m Archi v de r A G fü r Kameradenwerk e Stuttgart , unsign. ; 198 . I.D. 195 3 i n Freudenstadt : 3.000 , Alt e Kamerade n 1953/5 , S. 6; 205 . I.D . 195 4 i n Freiburg : 4.500 , ebd. 1957/7 , S. 21; 215. I.D. 195 5 i n Heilbronn 4.500, ebd . 1955/10 , S. 19 ; 35. I.D. 195 6 in Karlsruhe 7.500, ebd . 1956/11 , S. 16 .

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1.000, ers t danac h deutlic h weniger. 42 Da s bedeute t nicht , das s sic h di e übrigen abgewand t hätten . Viele räumte n dem Beruf oder dem Familienle ben den Vorrang ein, hielten aber die Verbindung zu den Kameraden durch Geldzuwendungen, de n Bezu g de s Vereinsblatte s ode r durc h informell e Kontakte zu Kameraden, di e i n ihrer Nähe wohnten. Auf den großen Treffen ließen sie sich dann nur alle fünf oder zehn Jahre sehen. 43 Dennoch: Der Mobilisierungserfolg de r Traditionsverein e blie b hinte r de n Erwartunge n zurück.44 Klage n übe r die »Interesselosigkeit de r meisten Kameraden« sin d Legion. Scho n bei m erste n Treffe n de r 290 . I.D . 195 3 ware n nu r knap p zweihundert erschienen , obwoh l 1.40 0 angeschriebe n worde n waren , fü r das zweit e 195 5 schraubt e ma n di e Erwartunge n au f einhunder t herunte r und erwog, es gleich ganz abzusagen. Über die Mitgliederzahlen al l diese r Vereine gib t es keine zuverlässigen Angaben. Der Heimkehrerverband schätzte sie Mitte der fünfziger Jahr e auf 500.000, wa s nich t unrealistisch , abe r doc h optimistisc h angesetz t war . Jedenfalls läss t sich der hohe Mobilisierungsgrad einzelne r Regiments- und Divisionsvereine keineswegs auf die gesamte Wehrmacht hochrechnen. Ein erheblicher Teil vor allem der erst in der Spätphase des Krieges aufgestell ten Divisionen und auch der Etappen- und Besatzungsverbände habe n nach dem Krieg keine »Tradition« organisiert . Darin taten sich die alten, vor oder zu Kriegsbegin n aufgestellte n Verbänd e un d insbesonder e di e ausgespro chenen Fronttruppen hervor. Insgesam t lasse n sic h über hundert Divisionskameradschaften nachweisen , z u denen mindestens noch mal s o viel Regi ments-, Bataillons- und Kompaniekameradschaften kamen. 45 Aber auch bei großzügiger Schatzun g wird man den Anhang der Veteranenkultur auf kaum mehr als zehn Prozen t der etwa zehn Millionen ehemalige n Soldaten , die in den fünfziger Jahre n in Westdeutschland lebten, veranschlagen können. 46 Das war ein e klein e Minderheit . Innerhal b un d außerhal b de r Soldaten bünde wurde diese Tatsache mit der Zersplitterung de r Veteranenbewegung in Zusammenhan g gebracht . Di e Ide e eine s große n Zusammenschlusse s fand keine n nennenswerte n Rückhalt. 47 A n de r Basi s bestan d danac h kei n Verlangen. Di e Vielzah l de r größere n un d kleinere n Traditionsverbänd e kultivierte ein e partikularistisch e Selbstgenügsamkeit , di e de r retrospekti 42 Festschrif t de r »78 . Infanterie - un d Sturmdivision « zu m »13 . Treffen « 1989 , Übersich t über die vergangenen Treffe n S . 25ff, i m Besitz des Verfassers . 43 Intervie w 7 8 I.D.; Interview Wenigle ; Intervie w Latte . 44 Manuskrip t eines Referat s vo n Herber t Köstli n auf der Tagung de r Arbeitsgemeinschaft fü r Kameradenwerke u . Traditionsverbände a m 25.11.61 i n Bonn , Archiv de r Arbeitsgemeinschaft fü r Kameradenwerke, Stuttgart , unsign . 45 Dies e Schätzun g basier t au f den regelmäßige n Übersichte n i m Anhang de s Deutsche n Sol datenkalenders, 1953ff , bzw . des Deutschen Soldatenjahrbuchs , 1963ff . 46 Schenc k zu Schweinsberg, S . 105f . 47 Bericht : De r Heimkehrer 10.12.57 , S. 1 , sowie Zimmermann, Bemühen , S . 75ff .

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ven Ausrichtun g de r Veteranenkultu r geschulde t war . Gesellschaftliche , politische ode r ga r militärisch e Zukunftsvisione n entfaltet e si e nu r i n be scheidenem Rahmen . Wa s si e zusammenhielt , wa r da s Bedürfni s ihre r Angehörigen, de r eigene n Biographi e i m Mediu m de s Gespräch s sozial e Akzeptanz z u sichern. 48 Al s Soldate n hatte n di e Veterane n di e Zwänge , Demütigungen un d Gefahre n de s Militärdienste s ertragen , u m nac h de m Krieg »mitreden« z u können. Das wollten sie nun tun. »Weißt Du noch...?« war die Einleitungsformel, di e am Anfang de s Wiedersehens alter Kameraden stand. 49 Der Austausch der gemeinsamen Erinnerunge n beglaubigte ei n Stück de r eigene n Identität , mochte n dabe i vergangene s Draufgängertu m oder durchstandene Leide n i m Vordergrund stehen . Die Veteranen wollte n erzählen un d sic h vo n andere n erzähle n lassen , mündlic h un d vo n Ange sicht zu Angesicht. Das Interesse am Austausch solcher Erinnerungen war nach 194 5 jedoch durch einen bemerkenswerte n generationelle n Schnit t geprägt . Di e Veteranenzirkel der Wehrmacht beschränkten sich praktisch ganz auf die vor 1943 eingezogenen Jahrgänge , jene also, die noch hin und wieder einen der militärischen Erfolge de s Jahres 194 2 miterlebt hatten. Der letzte Jahrgang, den die Veterane n vereine nac h de m Zweite n Weltkrie g ›rekrutierten‹ , wa r de r von 1924 . Di e jüngeren dagege n erreichte n si e kaum. 50 Di e Jahrgäng e a b 1925 ware n al s Ersat z noc h i n di e alte n Verbände , Divisione n un d Regi menter eingerückt , jedoc h meis t schlech t ausgebilde t worde n un d hatte n schon di e Hitler-Jugen d of t nu r al s inhaltslos e Zwangsveranstaltun g emp funden.51 Un d danac h hatte n si e nu r noc h de n Niedergang , de n Rückzug , schließlich de n Untergan g erlebt . Ih r Erinnerungshorizon t bewahrt e nich t jene Erfahrungen de s allmählich wachsenden Zusammenhalts in der Rekru48 Vgl . Allensbache r Umfrag e i m Augus t 1956 , wonac h 8 Prozen t de r ehemalige n Mann schaften, 1 8 Prozen t de r Unteroffizier e un d 8 Prozen t de r Offizier e »seh r gern« , 30 , 3 7 un d 4 8 Prozent »gern « vo n ihre r Soldatenzei t erzählten . Di e Mehrhei t (49 , 3 8 un d 4 0 Prozent ) erzählt e jedoch nich t ger n ode r (13, 7 und 4 Prozent ) ga r nich t davon , Jahrbuc h de r öffentlichen Meinun g 1957, S. 309. 49 Vgl . z.B. Bohn, Front, S. 18ff , 44ff ; De r Heimkehrer 10.7.65 , S. 1 . 50 Zugrund e liege n Adressenverzeichniss e un d -Statistike n vo n Kameradenhilfswerke n bz w Traditionsverbände folgende r ehemalige r Wehrmachteinheiten : 1 ) 78 . Inf - un d Sturmdivisio r (1996); 2) 215. I.D. (1994); 3) Kameradenkreis IV./260 . (1995); 4) I.R. 1 0 (1985 sowie undat., vor ca. 199 5 stammend e Liste) ; 5 ) I.R . 1 8 (1997). Die Geburtstag e wurde n vo n diese n Vereine n zum Zweck vo n Gratulatione n anlässlic h runde r Jubiläe n mi t eine m be i achtzi g bi s neunzi g Proze n liegenden Vollständigkeitsgra d erfasst . (Unterlage n i m Besit z de s Verf. , zu r Verfügun g gestell i von Angehörige n de r Vereine. ) De m Heimkehrerverban d gelan g es , ehemalig e Gefangen e un c damit Soldate n alle r einberufene n Jahrgäng e z u organisieren , Mitgliederkarte i de s Landesverban des Baden-Württember g vo n 199 9 (4.64 5 Männer , davo n 5 ohn e Jahrgangsangabe : 1910e r Jahr gänge zwischen 8 0 und 234, 1920e r bis 192 6 jeweils übe r 300, 1927 : 258, 1928 : 99). 51 Dies e wachsend e Missstimmun g unte r Jugendliche n registriert e da s Regim e verstärk t sei t 1943, Hellfeld/Klönne, Generation , S . 217ff; Schörken , S . 215f .

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tenzeit, auf die auch »gezogene« Soldate n wie Helmut Wißmann oder Franz Wieschenberg zurückgreifen konnten. Die Mass e de r Soldate n jedoch, di e ihr e Militärzei t zerrisse n zwische n Front un d Heimat , Männerbun d un d Famili e erleb t hatten , tendiert e dazu , sich einen »individualistischen« Rei m auf ihre widersprüchlichen Kriegser fahrungen z u machen. Das Gefühl, »verloren e Jahre « hinte r sich zu haben, herrschte dabe i vor , auc h wenn meh r Soldate n al s die , welche di e Vetera nenkultur erreichte , mi t Befriedigun g darau f zurückblickten , sic h al s »Mann« bewähr t zu haben. 52 Dass sie überlebt hatten, ordneten diese Männer i n ei n Deutungsamalga m ein , i n de m Kameradschaf t allenfall s al s freundschaftliche Beziehun g vorkam . Prägende r wa r da s Bewusstsein , i n der allgegenwärtige n Ohnmach t Glüc k gehab t un d sic h mi t Tück e un d Raffinesse allei n durchgewurstelt zu haben.53 Die meisten ehemaligen Soldate n hatten vom Krieg genug; si e widmeten sich Familie und Beruf.54 Negative persönliche Erinnerungen an das Grauen des Krieges , nich t zuletz t a n di e eigene n Kameraden , abe r auc h di e man gelnde Bereitschaft , materiell e Entbehrung , psychisch e No t un d sozial e Demütigung als bestandene Probe auf die Männlichkeit zu stilisieren, waren der Grund für solch e Absagen. Ei n ehemaliger Oberleutnant , de r 195 1 au s jugoslawischer Gefangenschaf t zurückka m un d al s Konrekto r wiede r i n seinem alte n Beru f Fu ß fasse n konnte , wollt e vo n de m Gedanken , sein e »Schicksalsgemeinschaft« al s »Organisation « auszubauen , nicht s wissen . »Ich bi n soga r de r Ansicht , das s dies e Notgemeinschaf t ga r nich t s o gu t funktioniert hat . Erst in der Erinnerung, wie auch die Gespräche an unserem Kieler Stammtisc h beweisen , glorifizieren wi r unsere Haltung, verabscheu en die Schwachen , un d sonnen un s in dem Gefühl, ein e Prüfun g glänzen d bestanden z u haben . Da s is t auc h eine r de r Gründe , waru m ic h nich t di e Heimkehrertreffen besuche . Di e Kameraden , dene n ic h enge r verbunde n war, habe ich wiedergefunden, einig e zufällig i n Kiel [...] , einige nach Korrespondenz [...]. Wir alle haben mit dem ›Heute‹ genu g zu tun und berühren 52 Eine r Allensbache r Umfrag e zufolg e urteilte n 195 6 7 2 Prozen t de r ehemalige n Soldaten , ihre Militärzei t sei trot z aller Härt e »nich t s o schlimm « gewesen , 2 5 Prozent , ma n se i »sic h nich t mehr al s Mensch « vorgekommen , Jahrbuc h fü r öffentlich e Meinun g 1957 , S . 311. Das s di e i n diesem Sinn e positive n Erinnerunge n be i Unteroffiziere n un d Offiziere n höhe r wa r - 7 9 bzw . 8 6 Prozent - is t nicht überraschend , das s er umso niedriger lag , je jünger di e Befragte n waren , bestä tigt den Befund zu r Rekrutierungs-»Sperre« de r Veteranen bei m Jahrgang 1924 . 53 Diese r Typu s von - i n sich weite r z u differenzierenden - Kriegserinnerunge n is t breit doku mentiert durc h verschiedene , sei t de n siebzige r Jahre n durchgeführt e Oral-History-Projekte , Niet hammer, Heimat , S . 224ff.; Schröder , Jahre , S . 882ff.; Löffler , S . 180ff. ; Tekampe , S . 151ff ; Neumann; vgl . Fritz , S . 267ff; Bude , S . 71, zude m au s psychologische r Perspektiv e Heimanns berg/Schmidt und Keller. 54 Antworte n au f ein e Fragebogen-Aktio n de s T V de r 6 5 I.D . 1963 , BA-MA , M P 29 , v.3 5 und v.36; Interview 7 8 I.D.

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in unsere n Gespräche n selte n da s ›Gestern‹.« 55 Diese r Vetera n hatt e de n Kontakt zu ehemaligen Kamerade n nicht ganz verloren, sonder n sich soga r darum bemüht , abe r ebe n doc h vornehmlic h au f de r privaten Eben e eine r Stammtischrunde. Si e bestand 196 8 aus acht Personen und ist ein Beispie l für jene informellen Außenbezirke der Veteranenbewegung, di e den organisierten Traditionsverbänden und ihren Treffen fernblieben . Die ehemaligen Soldaten , di e ihre Kriegserinnerungen fü r sich behielten oder allenfalls i m privaten Rahme n tradierten, bildete n i n der Bundesrepublik (ers t rech t mangel s eine r organisierte n Veteranenkultu r i n de r DDR ) die überwältigende Mehrheit . Eine r Allensbach-Umfrage vo n 195 6 zufolg e sprachen 49 Prozent der Mannschaftssoldaten »nich t gern« un d 1 3 Prozent nie von ihrer Soldatenzeit. 56 Aber gerade indem sie schwieg, begab sich die überwältigende Mehrhei t de r Anti-Veterane n ihre s Einflusse s au f de n öffentlichen Diskurs . Si e begründete n keine n konkurrierende n Stran g de r kollektiven Kriegserinnerung . Si e präsentierte n kein e öffentlich e Alterna tive z u de r de r Veteranen . Mi t de r Privatisierun g un d Individualisierun g ihrer Kriegserfahrungen überlie ß di e schweigend e Mehrhei t di e öffentlich e Auseinandersetzung u m de n Sin n ode r Unsin n de s Krieges , u m di e Lehr e aus der Kriegserfahrungen un d die Mora l de s Mitmachens de n Minderhei ten, di e sic h z u Wor t meldeten . Dies e legte n fest , wa s un d wi e übe r de n Krieg un d die Kameradschaft gerede t wurde. Das Bemerkenswerte freilic h ist, dass auch die überzeugten Veterane n sic h dem Rückzug de r Deutschen in di e Privatsphär e nich t entziehe n konnten . Nicht ei n neuer Staa t de r Kameraden war ihr Gesprächsstoff, sonder n der nächste Familienausflug . 3. Familientreffen stat t Männerbun d Ausgezogen ware n di e Soldate n i n den Krieg mi t de r Erwartung , das s da s Militär si e zu richtigen Männern machen würde. Der Weg z u harter Männlichkeit führt e durc h weiche Untiefen , durc h ein emotionales Wirrwarr, da s die Erinnerun g de r Veteranenkultu r wac h hielt . »O , was is t de r Mensch, « klagte Tim Gebhardt auf einer Gedenkfeier fü r die Gefallenen seine s Regi ments 195 5 i n Ludwigsburg, »wa s is t Manneskraft, wen n die Todesgewal t

55 Günthe r D. an Erhart Sch. 16.6.68 , BA-MA, M P 23, Ordner Korrespondenz. 56 Jahrbuc h fü r öffentliche Meinun g 1957 , S. 309; 8 Prozent redeten »seh r gern « un d 30 Prozent »gern « davon ; etwa s höhe r waren dies e Anteil e be i de n Unteroffiziere n un d Offizieren (ger n und sehr gern zusamme n 5 5 Prozen t bzw . 5 6 Prozent , dagege n nich t gern ode r nie 45 Prozen t und 44 Prozent) . Vgl. auc h ebd . über den Anteil derer , di e tatsächlich darübe r redeten, de r etwas höhe r lag. Natürlic h kan n vo m Antei l de r »Redner « lau t solche r Umfrage n keinesfall s umstandslo s au f ihre tatsächliche Praxi s oder gar auf den Anhang de r Veteranenbewegung geschlosse n werden .

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hereinbricht un d alle s zerstört«. 57 Di e Verletzung , di e psychisch e wi e di e physische, wa r i n di e Konstruktio n kriegerische r Männlichkei t eingebaut . Mit Demütigungen hatt e die militärische Initiatio n i n den Kreis der gestandenen Männe r begonnen . Un d auch we r einma l i n ih n aufgenomme n war , machte immer wieder die Erfahrung, das s er sich seiner »Manneskraft« ni e sicher sei n konnte . De r Kitt , de r di e Männergesellschaf t zusammenhielt , bildete da s Bewusstsein, das s auch di e andere n i n dieser Unsicherheit leb ten. Das hatte Tim Gebhardt i m Sinn , al s e r die Erinnerung a n den Opfer gang der Soldaten in Russland in das apodiktische Bekenntnis münden ließ: »Das Best e i m Lebe n de s Manne s is t di e Kameradschaft« . Gan z s o wi e 1925 das Konstanzer Altarbild dies e Kameradschaf t beschwore n hatte , sah Gebhardt sie darin, »die Nöte und Sorgen des anderen« z u kennen oder das Leben einzusetzen , »wen n e s galt , eine n drauße n i m Schne e liegende n Verwundeten z u holen, u m ihn nicht i n Feindeshand falle n z u lassen. Und wenn dan n diese r Verwundete , diese r nu n gerettet e Kamera d fühlte , wi e ihm sein Retter sanft über das Haar strich, wie es die Mutter zu tun pflegte, dann konnt e e r beruhig t sterben. « De r allgegenwärtig e To d bedroht e di e »Manneskraft«, vo r alle m wen n e r »un s de n Kamerade n raubt« . Abe r gleichzeitig wa r de r To d auc h di e Voraussetzung , jen e Kameradschaf t überhaupt z u leben . Di e zärtlich e Kameradschaf t entwickelt e sic h i n de r Melancholie de s Abschieds . De r todesgesättigt e Rahme n de r weiche n Männlichkeit musst e unablässig beschwore n werden. Er stellte sicher , das s die symbolische n Hierarchie n gewahr t blieben . Den n nicht da s Weiche i m Mann machte diesen aus, sondern die Fähigkeit, es zu überwinden, nicht ein für allemal, sondern immer wieder. Tim Gebhardts Gefallenenrede erinnert e weitläufig a n den Untergang seiner »ruhmreiche n 260 . Hirschhorn-Division « un d de s Grenadierregiment s 470 in Russland. Ebenso wie andere Teile der Wehrmacht waren sie im Juli 1944 beim Zusammenbruch de r Mittelfront aufgeriebe n worden . Und doch hatten si e überlebt , zumindes t imaginär : Di e Erinnerun g a n si e blie b be stehen. Den n di e wenige n physisc h Überlebende n hatte n sic h i n noc h s o aussichtsloser Lag e nich t unterkriege n lassen , sonder n i n imme r kleine r werdenden Kampfgruppe n di e feindliche n Linie n durchbroche n un d sic h wochen- und monatelang durchgeschlagen . Z u den »einzigartige n Leistun gen« de s »glorreichen Regiments « gehört e der Ausbruch von rund zwanzig Offizieren au s eine m russische n Gefangenenlager . Physisc h überleb t hatt e dieses Unternehme n keiner . De r letzt e star b nac h dreimonatige m »Allein marsch« schwe r verwundet »i n de n Armen seine r Kameraden«. Dies e aber waren immer da, wie wenige es auch sein mochten. Mit ihnen überlebte die Idee de r Kameradschaf t un d de s souveräne n Männerbundes , de r martiali 57 Gebhardt , In Memoriam.

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sche Männlichkeit un d das Weibliche i m Mann vereinte . De r große Rück zug der Wehrmacht, zu dem sich in der Erinnerung der Veteranen der Russlandfeldzug insgesam t verklärte , stellt e dies e Ide e nich t i n Frage , sonder n bestätigte sie. Der Rückzug bot ein Tableau zahlloser Geschichten, die vom Durchhalten handelten, also vom Fallen und vom Wiederaufstehen, vo n der Verletzung und der Genesung. Die Kameradschaft stan d a m Anfang un d a m End e allen Durchhaltens . Sie war der soziale Raum, in dem das Durchhalten zuerst eingeübt und dann belohnt wurde. So erinnerte sich ein Veteran in der Zeitschrift »Alt e Kameraden« seine s Kamerade n Debo , de n e r siebzeh n Jahr e nac h Kriegsend e zufällig getroffe n hatte . Deb o wa r Obergefreite r gewesen , hatt e i m Krie g kaum ei n Stoßtruppunternehme n ausgelasse n un d i m Augus t 194 4 da s Deutsche Kreu z i n Gol d verliehe n bekommen . Vierma l wa r e r verwunde t worden. »Abe r i n de n Lazarette n hiel t e s ih n nich t länger , al s unbeding t nötig«. Imme r wieder aufzustehen wa r seinem Körper eingeschrieben. Und die Kamerade n ware n es , die ih n anzogen , als o aufrichteten . »E r fan d im mer wieder de n Weg z u seinem alten Haufen zurück. « Ein e große Karriere hatte e r nach de m Krieg nich t gemacht . Da s zählte fü r ih n genaus o weni g wie für höchstdekorierte Generäle, die ihrem sozialen Abstieg di e Heroisierung ihre r »Haltung « entgegensetzten , di e auc h »i n de r aussichtsloseste n Lage de n Glaube n nich t verlier t un d de n Kamp f nich t aufgibt«. 58 Zuers t hatte sich Debo in einer Weinbrennerei verdingt , dan n war er Straßenbahnschaffner un d schließlic h Wagenführe r geworden , nebenberuflic h nah m er eine Hausmeisterstell e wahr , demnächs t wollt e e r Unfallfahrer bei m Roten Kreuz werden. Was sich als roter Faden durch seine n Lebenswe g zog , wa r seine Eigenschaft al s »ordentlicher und umsichtiger Kamerad« . Al s solche r hatte e r sic h i m Krie g bewährt , un d al s solche r hal f e r nu n wortlo s de m Blinden durc h den Autoverkehr un d stellt e sic h de m Roten Kreuz als frei williger Helfe r zu r Verfügung. Au s dem »Kameraden vo n einst« wa r einer der »Männer von heute« geworden , die »oft unerkann t neben uns im heutigen Alltag« stehen. 59 Diese Männer hielten zusammen. Davo n zeugte scho n die Erzählung al s solche. Abe r si e hielte n auc h da s Gemeinwese n de r Bundesrepubli k zu sammen. Da s war di e Botschaf t de r Geschicht e de r Wiederbegegnun g de r beiden alte n Kameraden , un d es war die Botschaf t de r Geschichte vo n der Kameradschaft au f de m Rückzug , di e Ti m Gebhard t erzähl t hatte . Dies e Geschichten erzählte n vo n Männern, di e manches hinter sich gebracht hatten un d trotzde m zusammenhielten , gleichzeiti g abe r auc h fü r ander e d a 58 Generalobers t a.D . Studen t bei m erste n Nachkriegstreffe n de r »Grüne n Teufel « (de r Fall schirmjäger) 1951 , Die Zeit 2.8.51 (»Di e Fallschirmjäge r sin d keine ›Ohne-michler«‹) . 59 Alt e Kamerade n 1963/2 , S. 19 .

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waren, fü r di e gesamt e Gesellschaft , fü r Fraue n un d Kinder. Si e erzählte n von den soziale n Wurzel n de r Gegenwart: Da s Gemeinwesen de r Bundesrepublik wa r i m vergangene n Krie g entstanden . E s gründet e i m Leiden , Fallen, Aufstehen und Durchhalten der Männer. Frauen un d Kinder , diese n außerhal b de r Männergesellschaf t liegende n Bezugspunkt, erwähnte n beid e Geschichte n allerding s nu r beiläufig . Nu r »kurz« hatt e Debo seinem Kriegskameraden bei m Abschied »noch erzählt , dass e r verheiratet is t un d eine Wohnun g i n de r Nähe de s Bahnhof s hat« . Frau und Wohnung gehörten zusammen, sie bildeten einen Rückzugsort, im Zentrum des Lebens stande n si e nicht. Auch der Blinde, de m Debo geholfen hatte , wa r ei n Mann , ei n Kriegsblinder , ei n Kamera d also . Ti m Gebhardt gedacht e »unsere r Mütter« , »unsere r Frauen« , auc h ihre r »Kin der« a m End e seine r lange n Rede , un d zwa r gan z ähnlic h wi e Genera l Fölkersamb 192 5 au f dem Konstanzer Regimentsta g o b ihres »stille n Hel dentums«. Den n dieses war um der Männer willen geleiste t worden . Män ner hatte n Heldentu m vo r de n Auge n un d u m ihre r Kamerade n wille n demonstriert. Bezugspunk t de r Tapferkei t de r Fraue n jedoch ware n nich t andere Frauen , sonder n Männer , Krieger , Gefallene . »Wi e of t bangte n di e Mütter u m ihre Söhne , unser e Fraue n u m ihre n Man n un d die Kinde r u m ihren Vater.« 60 194 6 hatt e ei n Gefangene r i m jugoslawische n Lage r Werschetz ein e Hymn e a n di e Fraue n gedichtet : »S o schmerzhaf t un s de s Schicksals Geise l weidet , / kein Man n darf, was er duldete, beklagen, / seit uns die Brief e au s de r Heimat sagen , / was dor t ei n Vol k vo n Frauen fü r uns leidet. / Was ist's , da s Mann und Frauen noch unterscheidet? / Wer hat sich tapfere r i m Krie g geschlagen ? / Wer ha t sei n Lo s den n männliche r getragen? / Nur stumm e Ehrfurch t ist' s di e un s noc h kleidet . / wenn wi r einst wiede r vo r Euc h steh'n , / verblassen wir d dan n unsere s Wesen s Schein/Vor s o vie l Größe , welch e schutzlo s litt!« . I n de r Lagergemein schaft Werschetz , di e sic h Mitt e de r sechzige r Jahr e konstituierte , wurd e diese Hymne immer wieder rezitiert. Sie rief den Kameraden in Erinnerung, warum auch ihre Frauen zu den Treffen de r Lagergemeinschaft eingelade n wurden.61 Der Heimkehrerverban d belohnt e dami t di e Kameradenfrauen , di e ers t auf ihr e Männe r gewarte t un d ihne n dan n beim Ausfülle n de r Frageböge n für di e Kriegsgefangenentschädigung , be i de r Beteiligung a n Sammlunge n für di e Langzeitgefangene n ode r bei m Ba u eine s Gefangenenmahnmal s geholfen hatten. 62 Ob dieser Leistungen bemühte sich der Verband um »eine 60 De r Heimkehrer 1954/5 , S. 2, vgl. ebd. 25.3.56, S. 1. 61 Vgl . Ansprach e de s Vorsitzende n de r Lagergemeinschaft , Erhar d Voge l bei m Treffe n i n Bad Dürrhei m a m 18.9.1976 , BA-MA , M P 23 , ebd . Faksimil e diese s Gedichts . Vgl . Heimkehre r 15.4.77, S. 1 . 62 De r Heimkehrer 25.11.61, S . 7; ebd. 20.2.55, S. 4.

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überzeugende Frauenarbeit « mi t eigene n Frauenreferentinne n un d -aus schüssen, ga b ihne n Gelegenheit , »mitzureden« un d »z u diese r Kamerad schaft« dazuzugehören. 63 De r Heimkehrerverband, desse n Ortsverbänd e i n den fünfzige r un d sechzige r Jahre n größtenteil s zu r SP D hi n tendierten , öffnete sic h de r »Gleichberechtigung de r Frau«. 64 Abe r die Gleichberechti gungsparole hatt e ihr e Grenze , w o di e »Weiblichkeit « bedroh t war . De r geeignete Plat z eine s weibliche n Regierungsmitgliede s wa r da s Familien ministerium, un d Frauenreferentinne n i m Verban d ware n fü r Frauen - un d sozialfürsorgerische Problem e zuständig. Da s negative Kontrastbild bot die »Gleichberechtigung de r Frauen in der UdSSR«, wo Frauen als Bauarbeiter, Maurer, Städteplane r un d Atomenergieforsche r arbeiteten . Durc h solch e »Überemanzipation«, s o klärte de r Heimkehrerverban d di e Deutsche n auf , drohe die »Vermännlichung« de r Frau und der endgültige Verlust der »spezifisch weibliche n Eigenschaften«. 65 Di e Integration de r Frau in die Kameradschaft de r Veteranen knüpft e a n Traditionen an , di e scho n i m 19 . Jahrhundert und verstärkt nach dem Ersten Weltkrieg entwickel t worden waren. Mochte die Reichweite dieser Integration und ihre Vorbildhaftigkeit fü r die Gesellschaft ma l enge r un d ma l weite r gefass t werden , s o leitet e di e Ide e der Geschlechterkameradschaf t doc h ni e di e Auflösun g de s Geschlechter gegensatzes an , sonder n ein e Harmonisierung , di e sein e patriarchalisch e Anlage nicht in Frage stellte. Jenem Idea l hatte n beileib e nich t all e Fraue n entsprochen . Da s Leide n der Männer bestand nicht zuletzt gerade darin, dass nicht alle Fraue n solch »stilles Heldentum « unte r Beweis gestell t hatten . Di e meisten Männe r wa ren nicht in der Heimat gewesen, als die Sieger das Land besetzt, ihre Frauen, Mütter , Töchte r vergewaltigt ode r diese sic h freiwilli g prostituier t hat ten.66 Als di e Soldate n nac h und nach zurückkehrten, musste n si e of t erle ben, das s ihne n nich t de r Dan k de s Vaterlandes , sonder n de r Undan k de r zuhause Gebliebene n entgege n schlug , di e Verachtun g dafür , das s si e sic h auf einen totalen Krie g eingelasse n un d die Heima t eine r totalen Katastro phe überlassen hatten. 67 Viele Heimkehrer fanden sich nur schwer im Alltag des Familien- und Berufslebens zurecht . Gelern t hatten sie, die oft von der Schulbank weg eingezogen worden oder freiwillig eingerück t waren, nichts oder nicht viel. Ihr e Verlobten oder Ehefrauen hatte n sie mitunter im Krieg 63 De r Heimkehrer 25.8.60, S . 9, ebd. 10.1.63 , S. 3; ebd. 10.8.66 , S. 9. 64 Das s be i de r Neubildun g de r Regierun g Adenaue r 195 7 kein e Fra u vertrete n war , war , wenn auch nur auf lokaler Ebene, Anlass für einen Protest , De r Heimkehrer 20.12.57, S . 5. 65 De r Heimkehrer 10.3.59 , S. 7; ebd. 15.2.72 , S. 3. 66 Di e Literatur bei Kühne, Vernichtungskrieg II, S. 455ff. 67 Vgl . Echternkamp , Arbeit , S . 429f., Leserbrie f a n di e Deutsch e Volkszeitung , 8.8.45 ; Schneider, Einigkeit , S . 1 Off., Refera t eine s zeittypischen Artikel s de r Frauenzeitschrift »Constan ze« vo n 1948 . Vgl. auch Echternkamp, Krieg , S . 176ff .

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nur flüchtig kenne n gelernt. Nun stellten sie fest, dass es mit der Liebe nicht so wei t he r war , wi e si e e s sic h i n Krie g un d Gefangenschaf t ausgemal t hatten. Di e Scheidungsrate n jedenfalls schnellte n nac h de m Krieg i n neu e Höhen. Manche der Heimkehrer kamen völlig entkräfte t au s der russischen Gefangenschaft zurück , gezeichne t vo n de r »Dystrophie« , di e anhaltend e Ängste un d Depressionen , nich t zuletz t körperlic h wahrnehmbar e Forme n der Entsexualisierung un d Entmännlichung mit sich brachten.68 Gleichzeitig gewärtigten diese Männer, wie sich Frauen andere, stärkere und männlichere Männer, möglicherweise vo n der Seite der ehemaligen Kriegsgegner und jetzigen Besatzungstruppe n ›geangelt ‹ hatte n un d au s de n Trümmerland schaften, di e si e abgetrage n hatten , mi t gewachsene m Selbstbewusstsei n hervorgegangen waren. Wie scho n nac h de m Erste n Weltkrie g schie n di e Geschlechterordnun g im Strudel de r nationalen Katastroph e aus den Fugen zu geraten. Und wieder waren es der Kameradschaftsmythos un d die Kameradschaftspflege, di e den Kriegsheimkehrer n un d Veteranen halfen , jene hierarchisch e Ordnun g zu befestigen. 69 Bereit s a n de n erste n Wiedersehenstreffe n de r Veteranen verbände nahme n Fraue n gan z offiziel l teil . I m Zentrum diese r Veranstal tungen stand die generalstabsmäßig organisiert e Aufklärung de r Schicksal e vermisster Divisionsangehöriger. Diese r Programmteil richtete sich in erster Linie a n die weiblichen Angehörige n de r ehemaligen Soldaten , a n Mütter , Ehefrauen, Verlobte , Kinder. De r Suchdienst erfüllte ei n praktisches Anliegen, gleichzeiti g institutionalisiert e e r di e Sehnsuch t de r Fra u nac h de m Mann. Desse n Dominan z stan d auße r Frage . Und nicht all e Fraue n fuhre n mit ihre n Männer n zu m Kameradschaftstreffen . »Kriegskameradschaf t is t schlimmer al s Verheiratetsein!« , lautet e di e ironisch e Weishei t eine s Kriegskameraden vo n Frit z Farnbacher , de r genaus o dachte , al s ih n 195 3 die ›Einberufung ‹ zu m erste n Wiedersehenstreffe n seine s Regiment s i n Bamberg ereilte . Nach der Rückkehr aus der Gefangenschaft hatt e er rasch im zivile n Lebe n al s Justizbeamte r un d Eheman n Fu ß gefasst . Zu m Zeit punkt jenes Treffen s bereitet e e r sic h au f sein e künftig e Roll e al s »gute r Familienvater« vor . Abe r e s stan d fü r ih n doc h auße r Frage , das s e r »vo n seiner Mutter werdenden geliebten Ehefrau weg zu seinen Kameraden nach Bamberg« fahre n musste . Dor t sprac h e s sic h a m zweiten Ta g i m Festzel t wie ei n Lauffeue r herum : »De r Farnbache r ha t einen Soh n gekriegt!«. Ei n Arzt aus Farnbachers Regiment trat an ihn heran, weil er Pate werden woll68 Vgl . Goltermann und Biess, Männer, S. 347ff., beide mit der zeitgenössischen Literatur. 69 Ander e Facetten dieses Prozesses analysieren Moeller, Poiger und Biess in ihren einschlägigen Beiträge n i m Anschluss an Susan Jeffords Pionierstudi e zum Vietnamkrieg al s »remasculinization«, di e di e »Stund e de r Frauen « 194 5 (Heineman , Hour ) revidierte . Diese r Terminu s verstellt de n Blic k au f die Tatsache, das s die »Entmännlichung « durc h Niederlage, Demütigun g etc. in die militärische Männlichkeit eingebaut ist.

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te. Diese s Amt hatt e Farnbache r scho n seine m Brude r zugesagt , abe r dem Kamerad wurd e immerhi n di e Ehr e de s Vizepate n zuteil , da s e r künfti g engagiert ausfülle n sollte ; noc h a n de r Konfirmatio n de s Sohne s nah m e r teil.70 Diese Patenschaf t wa r ebens o wenig ei n Uniku m wi e de r Vorrang , de n Farnbacher de m Kameradschaftstreffe n vo r de m anstehende n Familiener eignis einräumte . Farnbacher s Fra u wa r di e Schweste r eine s gefallene n Kriegskameraden. S o wie bei Farnbachers ging e s auch bei anderen Kameraden zu . Familienlebe n un d »Männersachen « stande n sic h nich t unver söhnlich gegenüber , sonder n flosse n ineinander . Männlich e Vergemein schaftung gin g dennoc h nicht i n der Famili e unter . Fü r die 6.00 0 Teilneh mer des ersten oder auch die 2.000 oder 3.000 der späteren Treffen de r 78er gab es in Tübingen keine ausreichenden Nachtquartiere. Was tat man? Man feierte di e Nach t durch ; di e Polizeistund e wa r z u diese m Zwec k aufgeho ben. Frauen wollte man nicht dabei haben, blieben doch in der alkoholisierten Atmosphäre kleinere Schlägereie n nich t ganz aus. Vor allem waren die kleinen Heldengeschichten vo n den vielen Panzern, die man ohne Munition überwältigt hatte, nicht wirklich an das andere Geschlecht gerichtet, bestand doch allema l di e Gefahr , das s di e de m Alkohol wenige r zugeneigte n Ehe frauen da s Heldentum ihre r Männer nüchterner als die Kameraden beurtei len würden.71 Kameradschaft hiel t die hierarchisch geordnet e Balance zwische n Fami lie un d Männerbund . Da s mocht e geschehen , inde m de r Männerbun d di e familiären un d »mütterlichen« Qualitäte n seiner Mitglieder herausstrich. So galt di e Erinnerungspfleg e vo n Gefangenengemeinschafte n of t de n häusli chen Fertigkeiten des Bettenmachens und Kochens, die sich die Kameraden »im menschenunwürdigsten Stadiu m ihres Lebens« und »unter unmenschlichen Härten « angeeigne t hatten. 72 Mitunte r füllte n Kamerade n soga r di e Lücken aus, die die Gefallenen i n ihren Familien hinterlassen hatten. Jedenfalls tra t de r Heimkehrerverban d 195 5 mi t eine m Vorschla g a n di e Öffentlichkeit, wi e das in der Erziehung oft fehlende »männliche und väterliche« Elemen t z u ersetzen wäre , wi e als o de n Kindern i n der »Wel t ohn e Väter« »di e Grunderfahrun g de r Väterlichkeit « erhalte n werde n könnte . Misstrauen gegenübe r de n Frauen , di e ihr e Kinde r allei n erzogen , wurd e dabei nicht laut artikuliert. »Die Mutter kann nicht den Vater ersetzen: sonst verlieren die Kinder außer dem Vater auch noch die Mutter.« Ebe n das aber sollte vermiede n werden : Das s Mütter nich t meh r Mütter waren, das s sic h die Definitio n dessen , wa s al s männlic h un d weiblich galt , auflöste , wen n 70 Schreibe n Frit z Farnbacher an Verf. 26.9.94, S . 3-5, ebd . S. 5-12 zu m Folgende n 71 Intervie w 78 . I.D. 72 De r Heimkehrer 15.1.56 , S. 12f .

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nicht i n de r Eltern- , s o doc h i n de r Kindergeneration , wen n dies e kein e Väter mehr kannte. Um das zu verhindern, sollte n di e überlebenden a n die Stelle der gefallenen Kamerade n treten und »Kinder hüten - ma l zum Essen einladen, - ma l di e Wäsch e mi t in die Waschmaschine stecken , - ma l de n Gang zu r Behörde abnehmen« . Nich t zuletz t sollte n si e de n »Halbwüchsi gen i n da s gesellschaftlich e un d gesellig e Leben« , als o da s eigentlich e Terrain der Väter einführen. 73 Wenn solch e Nachbarschaftshilfe al s »We g fü r di e Kameradschaft « ge priesen wurde , dan n auch , u m dere n Zukunf t z u sichern . Daz u musst e si e Anschluss a n die zivile Gesellschaf t finden . Dahe r bemühte sic h di e Veteranenkultur, da s Imag e de r »billige n Vereinsmeierei« , de s »kumpelhafte n Getues« un d de r bierselige n Kriegsnostalgi e abzustreifen . »Damenkreise « waren de m nationalistischen un d militärische n Vereinswesen s auc h frühe r nicht fremd gewesen . I n der Veteranenkultur nac h dem Zweiten Weltkrie g aber waren die Damen nicht in spezielle Kreise abgeschoben, sondern in die männerbündische Geselligkei t integriert . Un d wen n di e Ehefraue n a n de n Treffen un d Ausflüge n teilnahmen , musst e auc h fü r di e Kinde r gesorg t werden. Aus den Veteranentreffen wurde n »Familientreffen«. Fü r die Frauen gab es Kaffee un d Kuchen, für die Männer einen Wettbewerb im Scheibenschießen, und für die Kinder waren muntere Spiele wie »Eierlauf, Sack hüpfen, Würstchenschnappen « geboten . Bei m Würstchenschnappe n ver einigten sich jung und alt, Kameraden und Kameradinnen.74

73 De r Heimkehre r 18.9.55 , S . 3. Vgl . daz u da s Gedich t »Mei n Vater« , Alt e Kamerade n 1953/6, S. 1 . 74 13e r Pos t 1955/2 , S . 10ff. , 1956/2 , S . 22, 1958/2 , S . 19 , 1959/3 , S . 8ff., 1960/3 , unpag. , 1961/3, S . 6f.; Alt e Kameraden , z.B . 1955/10 , S . 18; Vorwärt s 11.9.59 ; De r Heimkehre r 20.7.55 , S. 4, ebd. 30.10.73.

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VII. Die Stigmatisierung der Kameradschaft 1. Kameradschaft al s Glanzlicht de r neuen Demokrati e Die Kameradschaft lebt e von der Vielfalt de r Deutungsinhalte, Verhaltensformen un d Gefühlslagen , dene n si e eine n begriffliche n Rahme n verlieh . Als Kamerad konnte man ein guter Familienvater un d ein zotiger Saufbru der sein, man konnte sich selbstlos um den Kampfgefährten kümmern , aber mit ih m zusamme n auc h morde n un d sic h anschließen d de s gemeinsame n Verbrechens brüsten. Als Synonym für die Menschlichkeit inmitte n kriegerischer Gewalt , de m da s Uhland-Lie d de n narrative n Rahme n gegebe n hatte, wa r de r Begrif f Kameradschaf t fü r di e historische n Akteur e freilic h sakrosankt. Au s ihre r Polyvalen z resultiert e di e Kru x de r Kameradschaft . Unter dem schönen Schei n de r Gemeinschaft verbar g sic h der Zwang zu m Mitmachen und die Indifferenz gegenüber dem, was nicht zur Gemeinschaft zählte. I n de n Kategorie n de r Schamkultur , di e di e Unauffälligkei t de s Individuums forder t un d die Gemeinschaf t au f den Richterstuhl de r Moral setzt, begründe t diese r Zwan g di e besonder e Qualitä t de r Kameradschaft . Die Gewissenskultu r dagege n lös t da s Individuu m au s de r Gemeinschaf t heraus und macht es für sein Handeln verantwortlich. Vom Krie g al s Mor d hatt e ma n lang e vo r de m Zweite n Weltkrie g ge sprochen. Abe r gleichzeiti g bestan d doc h zwische n de n Völker n Konsen s darüber, das s de r Soldat , de r bewaffnet e Gegne r tötete , kei n Mörde r war , weil e r da s Risik o au f sic h nahm , selbs t getöte t z u werden . Di e doppelt e Rolle, die der Soldat solchermaßen besetzte, schützte ihn ein Stück weit vor dem Kainsma l de s Mörders . Da s Verbrecherisch e de s nationalsozialisti schen Kriege s bestan d darin , da s e r dies e Symmetri e de s Töten s aufhob , nicht nu r durc h einzelne , spontan e Mordaktionen , sonder n durc h de n ge planten Völkermord . Da s Nürnberge r Gerich t stigmatisiert e diese n Krie g daher al s Verbreche n gege n di e Menschlichkeit . Nac h 194 5 konkurrierte n in Deutschlan d zwe i Möglichkeiten , mi t diese m »Stigm a de r Gewalt « (M. Geyer) umzugehen . Di e ein e bestan d darin , e s z u leugne n un d eine n »Schlussstrich« ode r ein e »Generalamnestie« , di e imme r auc h Amnesi e bedeutete, z u fordern , als o au f di e Verbreche n de r andere n z u verweise n und die eigenen im Nirwana des ewigen Krieges aufzulösen, i n dem allemal

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schlimme Ding e passierten. 1 Di e ander e Optio n bestan d darin , da s a n de r Nation haftend e Stigm a z u individualisiere n ode r z u differenzieren , nac h einzelnen Täter n ode r der Mittäterschaft bestimmte r Bevölkerungsgruppe n zu frage n - mi t de n Mittel n de r Justiz , de r Wissenschaf t ode r de r Kunst . Beide Alternativen waren zwar in der kollektiven Erinnerung der Deutschen stets präsent; bi s i n die siebzige r Jahr e hinei n freilic h beherrscht e de r My thos de r durc h Kameradschaf t verbundene n Leidensgemeinschaf t weithi n das Feld. Die öffentliche Reflexio n au f die Schuld drohte stets im Dickicht der Scham - un d ihrer verzweifelten Abweh r - erstick t zu werden. »Fast di e ganze Wel t erheb t Anklag e gege n Deutschlan d un d gegen di e Deutschen«, stellte der Philosoph Karl Jaspers 194 6 fest. Jaspers wollte die »Schuldfrage« differenziere n ohn e si e z u eskamotieren . E r unterschie d zwischen kriminelle r Schuld , di e justiziable Verbreche n betraf , politische r Schuld, die aus der Unterstützung eines verbrecherischen Regimes resultierte, moralischer Schuld , i n die sic h scho n verfing, we r auf Befehl handelte , und metaphysischer Schuld, die aus der »Solidarität zwischen Menschen als Menschen« entspran g un d jeden »mitverantwortlic h mach t fü r alle s Un recht«, de m e r sic h nich t widersetz t hatte . Jasper s freilic h verwahrt e sic h gegen ein e »Siegerjustiz « de r Alliierte n ebens o wie gege n ander e vo n au ßen an die Deutschen herangetragene Schuldvorwürfe . E r redete einer Verinnerlichung de r Schuldfrage da s Wort: »Di e Instanz«, die über moralische Schuld richte , »is t da s eigen e Gewisse n un d die Kommunikatio n mi t dem Freunde un d dem Nächsten, de m liebenden , a n meiner Seit e interessierte n Menschen.«2 Jasper s versuchte , jene Mora l wiederzubeleben , di e de r kriegerische Gemeinschaftsdiskurs obsole t gemacht hatte, und wollte damit der gleich nac h de m Krie g beginnende n Abweh r alle r Schuldvorwürf e durc h die Deutsche n entgegenwirken . Dies e handelte n i n de n Kategorie n de r Schamkultur und der Ehre, wenn sie den Nürnberger Prozess als »national e Schmach« deutete n - nich t wegen der Verbrechen, die er zu Tage förderte, sondern weil in ihm nicht Deutsche über Deutsche richteten, sondern andere über sie zu Gericht saßen. 3 Auch Jasper s freilic h verfin g sic h i m Gestrüp p de r Schamkultur . Di e »soldatische Ehre « wa r ihm , de r ni e Solda t gewese n war , heilig . »We r i n Kameradschaftlichkeit tre u war, in Gefahr unbeirrbar, durch Mut und Sachlichkeit sic h bewährt hat, der darf etwas Unantastbares in seinem Selbstbe wusstsein bewahren . Die s rei n Soldatisch e un d zugleic h Menschlich e is t allen Völker n gemeinsam . Hie r is t Bewährun g nich t nu r kein e Schuld , sondern, wo sie unbefleckt durc h böse Handlungen oder Ausführung offen 1 Assmann/Frevert , S. 54. 2 Jaspers , S. 31 f., 48 , vgl. S. 37ff., dazu Lammersdorf und Rabinbach, S. 129-165. 3 Assmann/Frevert , S. 93, vgl. ebd. S. 80-96, 112-139.

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bar böse r Befehl e wirklic h waren , ei n Fundamen t de s Lebenssinnes. « Di e Absolution, di e e r dem gute n Kamerade n erteilte , stan d i m Bann de s My thos vo n de r Kameradschaf t al s Inbegrif f menschliche r Communitas . De r Glanz dieser Kameradschaft überstrahlt e die »bösen Handlungen«, die doch gerade die Moral des Mitmachens gezeitigt hatte. 4 Mit der Apotheose de r Kameradschaft arbeitet e Jaspers de m vergangenheitspolitischen Grundkonsen s de r Deutsche n nac h 194 5 vor. Dasselb e ta t Ernst Friedländer , de r den Erste n Weltkrie g al s Solda t mitgemacht , seine r jüdischen Herkunf t wege n Deutschlan d abe r 193 1 verlasse n hatte . Kur z nach de r Kapitulatio n prie s er , wa s all e Skrupellosigkeit , de r di e Soldate n gehuldigt hätten, nicht antasten könne, »die Kameradschaft«. E r hielt sie für »ganz unabhängi g vo m Nationalsozialismus« . Si e se i da s »Anständige« , das die Soldaten als kostbares Gut aus dem Krieg mitgebracht hätten und in der »Friedenswelt « nutze n könnten . Überall , i n Schul e un d Universität, i n Betrieben und Büros, Berufsverbänden un d Vereinen warteten, so Friedländer, »ander e Kameradschaften« , freier e al s i m Krieg. Vo n der Erneuerun g der Kameradschaft führ e dan n ein nahtloser Weg zur Erneuerung des zweiten vo m Nationalsozialismu s unabhängige n Ideal s de r Soldaten , da s d a hieß: Deutschland. 5 Jaspers und Friedländer folgte n de r Tradition de r Kriegserinnerung nac h 1918. Da s hatten si e mi t de n Wehrmachtveterane n gemein . Dies e nahme n den Auftrag an . Der Kameradschaftsmythos hal f ihnen , sic h vo n de n Verbrechen reinzuwaschen , sic h i n de n neue n demokratische n Staa t einzu arbeiten un d al s Vorarbeite r eine r friedliche n Völkerordnun g aufzutreten . Ihre diskursiv e Strategi e wa r nich t neu . Si e bestan d darin , au s de n Täter n und Angreifer n Opfe r un d Verteidige r z u machen , un d di e kriegerisch e Gewalt i n de r Sehnsuch t nac h Friede n aufzulösen . Ne u war , das s diese r Spagat di e Entgrenzun g jene r Gewal t i n eine m verbrecherische n Krie g überwölben musste. Damit jedoch war die Integrationskraft de s Mythos der Kameradschaft überfordert ; e r versuchte sein e Aufgabe z u lösen, in dem er von de n Verbreche n de r eigene n Seit e schwie g un d um s o lauter vo n den Verbrechen a n de r eigene n Gemeinschaf t un d ihre n Leide n sprach . »Schuldfrage? - Davo n soll hier nicht die Rede sein«, bekräftigte de r badenwürttembergische Ministerpräsiden t Gebhar d Mülle r i n seine m Grußwor t zum Wiedersehenstreffen de r 78. Sturmdivision i n Tübingen 1956. 6 An die »Hochgefühle de s Vorwärtsstürmen s un d de s Siegens « mocht e ma n sic h 4 Jaspers , S. 58f. 5 Ferge r [i.e. Friedländer], Jugend, S. 12, 40-44. Vgl. »Ernst Friedländer 75«, F.A.Z. 4.2.70. 6 Redemanuskript , 9.9.56 , Archi v KH W 78, Tübingen. Gebhard Müller hatte zusammen mit Carlo Schmi d un d andere n Politike r u m 195 0 eine m u m den Bundeskanzle r gruppierte n Krei s angehört, de r i n »priva t organisierte n Gesprächsrunden « Sicherheits - un d Wiederaufrüstungs fragen erörterte, Bald, Militär, S. 17.

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nicht erinnern , ohn e a n de n »Abgrun d de r Verzweiflun g un d de r Nieder lage, das Anstürmen der Not und des Todes« z u denken, die am Ende aller Heldentaten gestande n hatten . »Nac h mannhaf t erduldeten , schwere n Kriegsjahren, nach unsäglichen Opfern, erfüllt vo n hingebungsvoller Vater landsliebe, is t dies e Divisio n mi t reinem , unbefleckte n Ehrenschil d unter gegangen«, beteuert e de r Oberbürgermeister de r Stad t be i derselbe n Gele genheit. 7 Mit dem Kriegsende war der Opfergang abe r nicht beendet gewesen. Mit dem »Abmarsch in die Gefangenschaft« began n erst die eigentliche Leidensphase der Soldaten. Dass der Heimkehrerverband zur einzigen Massenorga nisation de r Veterane n nac h 194 5 wurde , wa r kei n Zufall . E r artikuliert e den Anspruch der Soldaten au f Teilhabe an der großen Opfergemeinschaft , als die sich die Deutschen konstituierten, u m den Schuldvorwurf de r Weltöffentlichkeit abzuwehren . Anfan g 195 0 erklärt e Konra d Adenauer , wa s den deutschen Kriegsgefangenen i n der sowjetischen Gefangenschaf t wider fahre, stehe auf einer Ebene mit den Verbrechen de s Dritten Reiches. 8 Und der Heimkehrerverban d verwandt e beträchtlich e Energi e darauf , di e Ähn lichkeit zwische n de n »extremen Lebensverhältnissen « i n östlichen Gefan genenlagern un d deutsche n Konzentrationslager n sowi e de r gesundheit lichen Schäden des Lagerlebens wissenschaftlich nachzuweisen. 9 Ins Zentrum de r Kriegserinnerun g de r Veterane n jedoch tra t erneu t di e Kameradschaft, un d zwa r wi e nac h 191 8 di e »menschliche« , altruistisch e und zärtliche de r Leidensgemeinschaft. Di e Kameradschaftstreffen, s o Gebhard Mülle r 195 6 i n Tübingen , seie n vo n »größte m menschliche n Wert« , gehe es dabei doch nicht um die Fortschreibung von Hassgefuhlen, sonder n um die »Erhaltun g eine s Bandes , das i n einer Zeit geknüpft wurde , [... ] i n der di e Kameradschaf t zu m Inbegrif f alle r Tugende n geworde n war . [... ] Jahre menschliche r Bewährung ! Jahr e de r Unmenschlichkei t un d de s Bö sen, in denen - e s mag merkwürdig klinge n - de r Mensch das Gute in sich mehr denn je zu beweisen hatte.« 10 Mit de r Beschwörun g de r Menschlichkei t de r Kameradschaf t wa r de r Weg gewiesen, auf dem die Veteranen ihre Integration in die demokratische Gesellschaftsordnung betrieben . Solch e Bekundunge n führende r Politike r machten deutlich , das s de r neu e Staa t di e alte n Soldate n nich t auße n vo r lassen wollte. Auf sie war der Staat freilic h i m Zeichen der Wiederbewaff 7 Furchtlo s un d treu. Wiedersehe n de r 78 . Sturmdivisio n a m 24725 . Ma i 195 2 i n Tübingen , Tübingen 1952 , unpagin. Festschrift , auc h zum Folgenden . 8 Moeller , Opfer , S . 48, ebd., S. 29ff., ders., Stories, S. 88ff., Biess, Opfer, S . 366ff . 9 »O b K Z oder Gefangenschaft, di e gesundheitliche n Schäde n un d Schadensfolge n extrem e Lebensverhältnisse sin d di e gleichen« , De r Heimkehre r 10.11.62 , S . l f. Vgl . Extrem e Lebensve r hältnisse I—VIII, dazu Goltermann , Beherrschung . 10 Redemanuskript , 9.9.56 , Archi v KH W 78, Tübingen.

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nung auc h angewiesen . Ohn e die Rehabilitierun g de r »ewi g geltende n be sonderen Tugenden des Soldaten « un d ohne die Rehabilitierung de r Wehrmachtsoldaten schie n di e Wiederbewaffnun g nich t konsensfähi g z u sein. 11 Eine symbolpolitisch e Weichenstellun g markierte n di e Ehrenerklärungen , die westdeutsch e Politike r wi e Adenaue r un d Kur t Schumache r i n de r Nachfolge Genera l Eisenhower s Anfan g de r fünfziger Jahr e zugunste n de r Wehrmacht- un d Waffen-SS-Soldate n abgaben. 12 Wede r Adenaue r noc h Eisenhower freilich erwähnte n die Wehrmacht als Institution. Si e sprachen , genau genommen , lediglic h jene n Soldate n di e Anerkennun g aus , di e tat sächlich »ehrenhaft « gekämpf t hatten. 13 All e Anstrengunge n zu r Restituie rung de r »Ehre « de r deutsche n Soldaten , di e Legend e vo n de r »saubere n Wehrmacht« un d vo m »normalen « Krieg , de n si e i m Unterschie d z u de n SS-Truppen geführ t habe , waren Reaktionen au f die Erschütterung, di e das Stigma der Gewalt ausgelöst hatte.14 Zwar trate n i n de n frühe n fünfzige r Jahre n rechtsextreme , nazistisch e Gruppierungen auf den Plan.15 Aber die Befürchtung, vo n ihnen könnte eine neue paramilitärische und vor allem antiparlamentarische Massenbewegun g ausgehen, bewahrheitete sic h nicht. Die Veteranenbewegung stan d einseitigen parteipolitischen Festlegunge n un d insbesondere jeder extreme n Profi lierung reservier t gegenüber . Da s bedeutet nicht , dass solche Bestrebunge n nie Fu ß gefasst hätten . I n Gestalt de s wieder erstandene n »Stahlhelm « zo gen sie in den fünfziger Jahre n Aufmerksamkeit au f sich, und später machten si e sic h i n lokale n Ableger n de r HIA G bemerkbar . Abe r de r »Stahl helm« blie b unbedeutend. 16 Un d i n de r HIA G unterdrückte n Bundes - un d Landesführungen energisc h und letztlich erfolgreich alles , was nach Verfassungswidrigkeit roch. 17 Di e Veteranenbewegung lernt e i m übrigen schnell , auf der Klaviatur de s Lobbyismus zu spielen. Auch damit bezog si e für die

11 Carl o Schmi d au f eine r Besprechun g übe r di e künftig e deutsch e »Wehrmacht « mi t Kur t Schumacher un d ehem . Wehrmachtoffiziere n i n Ba d Godesber g 23.3.51 , Aktenvermerk , Ads D Bonn, N L Erler , Nr . 143 . Zu r Kontinuitä t diese r Wert e Mosen , S . 45ff.; Bald , Militär , S . 16ff. ; Rautenberg, S . 777ff.; Abenheim , S . 43ff.; Umfrage n de s Aliensbache r Institut s fü r Demoskopie , Nov. 1951 , Β Α Koblenz, Β 145/4221. 12 Large , Germans, S. 114f ; Frank ; Frei, S . 159 ; Wagner , FDP , S. 26. 13 Frank , S . 43, dort die genauen Wortlaute . 14 Naumann , Soldaten , S . 68; Latzel , Soldatenverbände , S . 329f. (letzte r Wehrmachtbericht) , dazu De r Heimkehrer 5.5.55 , S . 1 . 15 Dies e Gruppierunge n stande n trot z ihre r nur sporadischen Bedeutun g i m Zentrum de r For schung zu den Veteranenverbänden, vgl . Dudek/Jaschke I, S. 79ff, Searle ; Large, Past , zur HIAG. 16 Dudek/Jaschk e I, S. 115ff . 17 Diese r Schlus s basier t au f de r Durchsich t de s umfangreiche n Depositum s de r HIAG , Β Α­ ΜΑ, MP 4 , da s di e Akte n de r Bundesführun g sowi e einige r Landesverbänd e sei t de n fünfzige r Jahren umfasst . Vgl . Dudek/Jaschke I, S. 1 1 l f. un d Large, Past .

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parlamentarische Demokrati e Stellung. 18 Si e sucht e de n Kontak t z u alle n demokratischen Parteie n au f Bundes- , Landes - ode r kommunale r Ebene . Umgekehrt bemühte n sic h auc h di e Parteie n u m di e politisch e Integratio n der Veteranen. 19 De r Heimkehrerverban d präsentiert e regelmäßig Liste n seiner Kamerade n unte r de n Bundestagsabgeordnete n alle r Parteien ; sei t 1953 schwankt e dere n Zah l zwische n run d vierzi g un d siebzig , nac h de n Wahlen von 196 5 waren es sogar 81, also etwa jedes fünfte MdB ; 37 davon gehörten der CDU/CSU, 30 der SPD und 14 der FDP an.20 Die Veteranenkultur bildet e i n den fünfziger un d sechziger Jahren eine n festen Bestandtei l de s politisch-gesellschaftlichen Leben s de r Bundesrepu blik. Wen n Politike r sic h daru m bemühten , vo m Heimkehrerverban d al s »Kameraden« titulier t z u werde n ode r wen n si e ihr e eigen e aktiv e Solda tenzeit al s »unverzichtbar e Erfahrungsfoli e fü r ihr e berufspolitisch e Tätig keit« anpriesen , dan n wa r da s nich t nu r wahltaktisc h motiviert e Anbiede rung.21 I n ihrem Erfahrungs - un d Wertehorizont spielt e di e Kameradschaf t mitunter ein e zentral e Rolle . Helmu t Schmid t ma g al s Beispie l fü r ander e stehen. E r setzte di e Kameradschaftserfahrun g au f de n Grun d eine s Enga gements i n de r SPD . Demokratisch wollt e e r nach de m Krie g sei n wege n des Freiheitsbedürfnisses, da s sich in der NS-Zeit entwickelt hatte, »sozial« wegen de r »von mi r erfahrenen« Kameradschaf t ode r Solidarität ode r Brüderlichkeit, »da s ware n fü r mic h Synonyme , verschieden e Name n fü r das selbe Prinzip«. 22 Au s de r militärische n Kameradschaftserfahrun g herau s eignete sic h Schmid t eine n u m c en Klassenkampf bereinigte n Solidaritäts begriff an . Kameradschaf t un d Solidaritä t schmolze n zu m sozialharmoni schen Leitbil d eine r Gesellschaf t zusammen , di e ers t allmählic h de n We g zur pluralistische n Demokrati e fan d un d dabe i au f autoritär e Haltegriff e nicht verzichten konnte. Die Tugend der Kameradschaft hiel t diese Balance zwischen Autorität und Demokratie. Kameradschaft leistet e genau das, was Adenauer i n seine r Ehrenerklärun g fü r di e deutsche n Soldate n zu m Pro 18 Diehl , S . 240 u.ö. , gegen älter e Darstellungen , etw a Schenck zu Schweinsberg, S . 129f . Fü r eine umfassend e Darstellun g de r Interessen - un d Symbolpoliti k de r ehemalige n Berufssoldate n v.a. i m Vd S jetz t Manig , Politik , mi t eine r gegenübe r Dieh l kritischere n Sich t au f di e Manig s Meinung nach z u weitgehend e Integrationsbereitschaf t de r Adenauerregierung, di e ers t durc h di e Besatzungsmächte gezügel t worden sei . 19 Diehl , S . 87ff, fü r de n VdS ; ähnliche s gil t fü r de n VdH , ebd . S . 102ff. ; Freihei t ohn e Furcht, S . 118ff . 20 De r Heimkehre r 25.10.66 , S . lff , auc h fü r di e frühere n Quoten , hierz u Nähere s ebd . 25.2.64, S . 5; 25.4.62 , S . 1. ; ebd. 25.5.61 , S . 8, z u de n VdH-Mitglieder n i n Kreis-un d Gemeinde parlamenten. 21 De r Heimkehre r 10.11.61 , S . 2, fü r da s erste, Dudek/Jaschke, Entstehun g I, S. 101 , für da s zweite Zitat ; di e dortig e Auffassun g vo m »Opportunismus « de r »Integrationsstrategie« de r Partei en greift z u kurz. 22 Schmidt , Rückblick , S . 234; ders., Kriegsgeneration, S . 258; vgl. Rupps, S.82ff.

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gramm erklärt hatte : »die sittliche n Wert e des deutschen Soldatentum s mit der Demokratie zu verschmelzen«. 23 Als demokratisches Ferment konnte die Kameradschaft wege n ihres egalitären Anspruch s gelten . I n der Erinnerun g wurd e si e al s praktiziert e De mokratie verklärt. Demokratie firmierte dabe i als Chiffre fü r eine konsens-, nicht abe r konfliktorientierte , ein e akklamative , nich t abe r au f verbriefte n Partizipationsrechten basierend e Herrschaftsform , di e au f de m »Mitma chendürfen« basierte . »Wi r verhielte n un s demokratisch« , bekundet e ei n U-Boot-Offizier i m Rückblick, auc h wen n ma n von Demokrati e nich t vie l gewusst hab e un d »di e letzt e Entscheidung « bei m Kommandante n lag . Aber desse n kooperative n Führungsstil , j a scho n das s e r gelegentlic h de n Rat eines Untergebenen eingehol t hatte , werteten di e Veteranen al s Demokratie. Sie verstanden darunter das »Zusammenstehen - w o und mit welcher Zielsetzung auc h immer«. 24 Die Führung der Traditionsvereine la g meisten s in den Händen ehemaliger Subaltern - und Unteroffiziere, di e ihren frühere n Status nich t allz u seh r herauszukehre n wussten. 25 Da s gehört e zu m kame radschaftlichen Habitus . Für den »kleinen Landser « ka m die »Sternstunde « seines Lebens , wenn ih m de r früher e Kompanieche f da s »Du « anbot , ih m beim Veteranentreffe n au f di e Schulte r klopft e un d ih n bat , sic h doc h a n den Offizierstisch z u setzen . Dan n wusste auc h der »kleine Landser« , das s »›Kameradschaft‹ kei n leere s Wor t war«. 26 Au f solch e Aufwertungserfah rungen setzten die Festredner der Veteranentreffen, wen n sie daran erinnerten, das s di e Kameradschaf t i m Krieg »all e Unterschied e de s Standes , der Konfession un d de s Berufes« 27 aufgehobe n habe , un d di e Soldatentugen d als konfliktlösende s Schmiermitte l i m Getrieb e de r pluralistische n Gesell schaft empfahlen , da s für politisch e Ruh e und wirtschaftlichen Wiederauf stieg sorgen sollte. Indem Politiker wie Helmut Schmidt ihr Selbstverständ nis aus der Kriegskameradschaft ableiteten , optierten sie für jenen konsensdemokratischen Weg , de n di e Bundesrepubli k i n Abkeh r vo n de r soziokulturellen Fragmentierun g de s Weimare r Parteienstaat s beschritte n hat.28 Die Kameradschaftserfahrung wa r di e »Kraft« , di e da s »Trennende« , die Parteipolitik , z u überwinden versprach. 29 »Kameradschaf t - gegenseiti ge Hilfe , gegenseitig e Verpflichtung« , sei , s o Gebhar d Mülle r 1956 , »ei n Teil de s Fundaments , au f de m de r neu e Staa t aufgebau t wurde . Den n di e 23 Erklärun g vom 3,12.52 im Bundestag, zit. nach Frevert, Nation, S. 330. 24 Hess , Männer, S. 42, 44f., 51. 25 Nachrichtenblat t de r Regimentskameradschaf t Infanterie-Regimen t 17 , Nr. 1/1969 , S . 3f., BA-MA, MP 25,v.l5. 26 Schreibe n von H. St. an den Verfasser, 28.5.96, über ein Regimentstreffen 1955 . 27 Tübinge r Chronik 26.5.52, 78. Sturmdivision; vgl. Der Heimkehrer 10.7.65. 28 Carstens , S. 631; vgl. auch Guardini, S. 80. 29 De r Heimkehrer 10.5.64, S. 5; Alte Kameraden 1953/1 , S. 2.

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seelischen Element e eine r demokratische n Staatsfor m sin d i m Letzten die Achtung vor dem Anderen, das Füreinander und Miteinander zum Wohl des Ganzen.«30 Die Veteranenbewegung fan d nich t nur innenpolitisch Anschlus s a n die westdeutsche Normalitä t de r Adenauerzeit. Si e präsentiert e sic h auc h al s Motor de r Völkerverständigun g un d grenzt e sic h s o vo m Revanchismu s ihrer Vorläufe r i n der Weimarer Republi k ab . Auch dafü r bo t die Polyva lenz de r Kameradschaft de n Ausgangspunkt. »Spassiba « is t das russische Wort für »danke«. Unte r diesem Titel erzählt e ein Veteran den »Alten Kameraden« i m Dezember 195 5 eine Geschichte, die er als Offizier a n Heilig Abend 194 2 an der Ostfront erleb t hatte. Die Baracke, in der seine Kompanie inmitte n eine r feindliche n Umgebun g untergebrach t war , strahlte Wär me aus. »Der Spieß fühlte sic h ganz als Mutter der Familie, ging geschäfti g mit großen Säcke n hin und her und half dem Weihnachtsmann, hinte r dem Ofen versteckt, den Bart (aus Werg von der Waffenmeisterei) anzukleben. « Die seit zwei Woche n angesammelt e Pos t wurde verteilt, di e »Verbindung nach zu Hause« wurde »inniger und die Abschließung zum ›Draußen‹ dich ter. Der Saal war zu einer Insel« i m Meer des Krieges geworden, »zu einer märchenhaften Arche , die vom Wesen der Heimat ganz erfüllt war. « Für den Offizier un d Mann war eine solche Stimmung nur einen Moment lang statthaft. E r schritt bald hinaus in die Fremde. Die Pflicht rief . Er hatte nach de n übrigen Teile n de r Kompanie un d den »abgelegenen Posten « zu sehen. Die Fürsorge galt jedoch nicht nur den eigenen Leuten, sondern auch »unserer Gefangenenkompanie « russische r Soldaten , »di e fü r uns Straßen bauten und Holz fällten«. Ihr e Baracke schien, im Gegensatz zur deutschen, »eng und dunkel«. »De r Gegensatz zur unbeschwerten Fröhlichkei t meine r Kameraden wa r ungeheuer.« Abe r de r Eindruck täuschte . Unte r de r Kälte und Dunkelhei t wa r Wärm e un d Helligkei t - Kameradschaft . Unte r den Gefangenen regt e sic h Leben . Bal d trat einer mit einem Gegenstand in der Hand hervo r un d sagt e i n gebrochene n Deutsch , mi t rollende m »R« : »›Oberrleitant, wir r wollen dir r machen Freude‹«. Dem überraschten Deut schen wurd e ein e Lamp e überreicht , »au s eine m Radreife n gemacht , mi t geschnitzten Tierfigure n darau f un d handgeschmiedeten Kette n zu m aufhängen. Si e hatte n viel e Abend e nac h ihre r schwere n Arbei t dara n ge schafft. [... ] Di e Gesichte r i n de r Rund e [... ] leuchtete n stumm , un d die Augen ware n i n einer unbegreifliche n Glückseligkei t au f mich gerichtet. « Des Oberleutnants Sehnsuch t nac h de r Heimat tra t i n den Hintergrund, an deren Stelle trat »ein anderes Gefühl de r Verbundenheit«, e r sagte verlegen mehrmals »spassiba « un d fuhr schließlic h mi t seinem Schlitte n »glücklic h 30 Schwäbische s Tagblat t 10.9.56 ; Stuttgarte r Nachrichte n 10.9.5 6 (»Kameradschaf t i m All tag der Demokratie«).

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in das breite und weiße Lan d hinaus, die ganze Nacht durc h das russische Land.«31 Auch diese r Solda t hatt e de n Russlandfeldzu g vo n Anfang a n mitge macht, und er hatte dessen unritterliche Seiten , nicht zuletzt die Umsetzung der verbrecherische n Befehle , frü h kenne n gelernt . Einma l hatt e sein e Truppe eine n Man n i n eine r Lederjack e aufgeschnappt , kur z nachde m zweihundert Kameraden , di e sic h de n Russen ergebe n hatten , erstochen , ermordet un d mit Handgranaten i n die Luft gespreng t worde n waren , und zwar, wi e ma n mutmaßte, au f Anweisung ebe n jene s Mannes , de n man folglich fü r einen Kommissar hielt. »Danach « mi t diesem Gefangenen »au f der Basi s de r Kameradschaft umzugehen« , wa r nicht möglich . E r wurde erschossen.32 Solch e Geschichte n wurde n nac h de m Krie g freilic h nich t öffentlich dargeboten . Stat t desse n wurde n ander e erzählt , di e ›bewiesen‹ , dass di e Veteranen al s Soldaten di e Tradition de r Ritterlichkeit gegenübe r dem wehrlosen Gegne r gewahr t hatten. 33 S o leuchtete di e »Kameradschaf t von Volk zu Volk« immer wieder auf.34 Es gibt keinen Grund, an der Authentizität solche r Geschichten zu zweifeln. Si e mussten nich t erfunde n werden . Mythisch e Bedeutun g bekame n sie durch das Gesamtbild vom Krieg, da s die für die Gegenwart brauchba ren Erinnerungen bewahrt e und die schlechten ausschied . Di e Geschichten erhielten ihren Sinn erst durch den Zusammenhang, i n den sie gestellt wurden. Si e konnten eine n neue n Krie g erträglic h machen , zeigte n si e doch, wie di e Menschlichkeit i n jedem noc h s o unmenschlichen Krie g obsiegte . Aber sie konnten auch als Anleitung zu r Schaffung eine r friedliche n Welt ordnung verstande n werden . I n beiden Fälle n stiftete n si e Kontinuität, ermöglichten e s den Veteranen, ihr e Vergangenhei t mi t der Gegenwart und der Zukunft i n Einklang z u bringen. Di e Veteranen de s NS-Krieges habe n sich entsprechend den Maximen der großen Politik für die zweite Alternative entschieden . E s blieb ihne n kau m etwa s andere s übrig, wollte n si e sich nicht völlig in s gesellschaftliche un d politische Abseit s stellen . Gerad e das aber erlaubt e di e Kameradschaftsmora l nicht ; si e erheischt e Integration , nicht Absonderung, un d wenn sie mit der Absonderung spielt e (in der Vergemeinschaftung durc h das Verbrechen), dann doch nur, um alsbald um so energischer den Anspruch auf die soziale Vorreiterrolle zu artikulieren. Die Erinnerung der alten Soldaten an das »Kämpfen, Töten , Vernichten« lieb zwar präsent, in den Stammtischgesprächen ebens o wie in offizielle n 31 Alt e Kameraden 1955/12 , S. 1 f. 32 Intervie w Vorster . 33 Alt e Kamerade n 1957/7 , S . 15 . Vgl. ebd . 1957/7 , S . 12 , 1964/7-8 , S.21f. , 1958/3 , S . 2, 1960/1, S. 4. 34 Alt e Kameraden 1957/10 , S. 8.

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Selbstdarstellungen.35 Abe r dies e Erinnerun g erhiel t ei n defensive s Geprä ge. »Zu oft« hätte n die alten Soldaten »dem Tod ins Auge gesehen,« beteu erten sie , »al s das s si e einen neuen Krie g herbeiwünschten«. 36 Dami t redeten sie keinem totalen, abe r doch einem fundamentale n Wande l gegenübe r der Zwischenkriegszeit da s Wort. Nach 194 5 konnten sich zwar nur wenige Menschen ein e Wel t gan z ohn e Krie g un d Soldate n vorstellen . Abe r e s wurden größer e Anstrengunge n al s je zuvo r unternommen, Krieg e z u vermeiden. Di e Veterane n truge n dies e Entwicklun g au f ihr e Weis e mit . Si e wollten integrier t sei n i n ein e Weltordnung , di e sic h meh r den n j e de m Frieden verschrieb . Dahe r erzählte n si e vo n ihre r Friedfertigkei t i n jenem Krieg un d präsentierte n sic h al s »erste , ältest e un d wahr e Friedensbewe gung«.37 Das war nicht die pazifistische, abe r doch die, welche auf militärische Aufrüstun g un d Abschreckun g setzt e un d de r auc h de r neu e »Solda t für de n Frieden« (Baudissin ) diente , jene »Friedensbewegung « also , die in der Wel t un d auc h i n Deutschlan d sei t Mitt e de r fünfzige r Jahr e weithi n Zustimmung fand. 38 Dass ihr Krieg mit dem Stigma des Verbrechens behaftet war, ha t diese s Selbstverständni s de r Veterane n nich t i n Frage gestellt , sondern erleichtert . Den n da s Stigm a zwan g di e Veteranen , di e Kamerad schaft mi t dem Gegner und damit die »friedliche«, nich t jedoch di e aggressive Kameradschaft zu r Richtschnur ihres Handelns zu machen.39 Der Aufba u de r westliche n militärische n Allianz , i n di e Deutschlan d hineinwuchs, als o de r Kalte Krie g bo t den Rahmen , i n dem die deutsche n Veteranen ihr e selektiv e Kriegserinnerun g mi t de m Program m de r Frie denssicherung verbinden konnten. Das Militärbündnis erforderte den supranationalen Austausc h militärische r Fachkenntnisse , fü r de n sic h bereit s unmittelbar nac h de m Krie g deutsch e Offizier e unte r Führun g Fran z Halders in Internierungslagern de r Amerikaner zu r Verfügung gestell t hat ten. Auc h wen n de r Informationsflus s einseitig war , bahnt e diese r Aus tausch doc h di e »kameradschaftlich e Zusammenarbei t zwische n Sieger n und Besiegten « a n un d erneuert e di e Ide e de s internationale n Soldaten tums.40 Die gesellschaftliche Respektabilitä t de r alten ode r neuen Soldate n zu sichern , wa r da s Zie l alle r internationale n Kontakt e zwische n de n ehemaligen militärische n Gegnern , di e sofor t mi t de m Aufblühe n de r Veteranenkultur in Westdeutschland sei t 195 0 feste Form annahmen. Dabei 35 Alt e Kamerade n 1971/11 , S. 3. 36 Alt e Kameraden 1960/1 , S. 10 . 37 De r Heimkehrer 25.10.82, S . 2, bezogen au f den Heimkehrerverband . 38 Vgl . Bald, Militär , S . 56f. (Baudissin) . 39 Alt e Kameraden 1959/6 , S. 2. 40 Meyer , Situation , S . 678, vgl. ebd. S. 674ff.; Bald, Kämpfe, S . 21, zur Bedeutung de r Historical Divisio n fü r die Säuberung de r Kriegserinnerung; daz u Burdick, Schwert ; Wegner , Siege .

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griffen verschieden e Entwicklunge n ineinander : Begegnunge n de r Tradi tionsverbände de r Wehrmacht mi t ihre n ehemalige n Gegnern , di e Aufnah me de s Heimkehrerverbande s i n bestehend e international e Zusammen schlüsse un d die Bemühunge n de s Volksbundes deutsch e Kriegsgräberfur sorge (VdK) um die Pflege deutsche r Soldatenfriedhöfe un d die Umbettung von Gefallenen i m Ausland. Der Heimkehrerverban d initiiert e Partnerschafte n z u französische n Parallelorganisationen un d repräsentiert e di e deutsche n Soldatenbünd e i n den internationale n Organisatione n de r Kriegsgefangene n wi e de r »Frontkämpfer«.41 Hinz u ka m de r vo m Vd K un d de n Veteranenvereine n organisierte Kriegsgräbertourismus nac h West-, Süd - und Nordeuropa, nicht zuletzt nach Nordafrika. 42 De r Stolz auf die bewiesen e Durchhaltefähigkei t blieb dabei in den viktimisierenden Totenkul t eingebunden und verschmolz mit touristische r Geselligkeit. 43 Gleichzeiti g abe r wa r dami t auc h da s erklärte Vergesse n al l desse n verbunden , wa s Ressentiment s hätt e wac h halten können. »Wie hatten sich die Zeiten gegenüber 194 0 doch geändert«, lautete da s beglückend e Fazi t eine r »Erinnerungsfahr t de r II./A.R . 21 5 z u ihren alten Stellungen« a m 19./20 . Mai 1962 . »Überall wo wir auftauchten , waren unsere ehemaligen Kriegsgegner, Elsässe r und Franzosen, wohltuend freundlich un d zuvorkommend.« 44 E s mochte auc h ander e Reaktione n de r ehedem bekriegten Bevölkerun g geben . Aber über si e gal t e s hinwegzuse hen. Gross e Bedeutun g erlangte n auc h di e gemeinsame n Treffe n jene r früheren Truppenteile , di e sic h i m Krie g gegenübergestande n hatten . A n den Wiedersehenstreffe n de s Verbande s Deutsche s Afrikakorp s nahme n bereits in den frühen fünfzige r Jahre n Vertreter britischer Einheiten teil, die ehedem mit den Deutschen die Waffen gekreuz t hatten. Die Anerkennun g de r Ritterlichkei t de s Gegner s beruht e freilic h nich t auf historische r Vergewisserung , sonder n entspran g de m Willen , di e ewi gen soldatische n Tugende n wieder i n Kraft z u setzen, ohn e die das Militä r in Gegenwart und Zukunft nicht auszukommen glaubte. Erinnerungswürdi g war, wa s di e Gegenwar t verlangte . I n der »Kameradschaf t übe r de n Fronten« leuchtet e auc h da s auf, wa s innerhal b de r westdeutschen Gesellschaf t 41 Rückblic k vo n Werne r Kießlin g i n De r Heimkehre r 15.1.82 , S . 3, zude m z.B . ebd . 1952/9 , S. 5; 1953/12 , S . l f.; 5.12.54 , S . 1 ; 5.6.55, S . 3; Städtepartnerschaften : ebd . 25.8.59 , S . 9, 10.7.61 , S. 13 . 42 Zu m Volksbun d nebe n Willman n un d Witti g di e Selbstdarstellung : Diens t a m Menschen , sowie Alte Kameraden 1957/7 , S. 18f. , 1957/ 1 1, S. 2f . 43 Werbun g de s Volksbundes fü r solch e Reise n sowi e Bericht e übe r Kriegsgräberfahrten ein zelner Traditionsverbänd e regelmäßig , z.B . i n Alt e Kameraden , etw a fü r di e Volksbund-Reise n ebd. 1959/4 , S . 16f. ; 1963/4 , S . 18f. ; 1971/2 , S . 22f. usw. ; De r Heimkehre r 10.6.56 ; S . 4. Fü r di e Fahrten vo n Traditionsverbände n z.B . Alt e Kamerade n 1953/6 , S . 3f.; 1956/8 , S . 10f. , 1956/9 . S. 16 ; 1962/11 , S. 23f., ode r auch z.B. 13e r Post 1955/2 , S. 10ff. , ebd. 1955/3 , S. 8ff . 44 Alt e Kameraden 1963/7 , S. 31 f.

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nicht konsensfähig war : de r »Schlussstrich« unte r die verbrecherische Ver gangenheit.45 Mi t de m Plädoye r dafü r stande n di e deutsche n Veterane n nicht allein. Eine Petitionsaktion zugunste n des in Gaeta inhaftierten Majo r Reder bracht e 195 8 290.00 0 Unterschrifte n ein , darunte r übe r 20.00 0 vo n Soldaten ehede m gegnerische r Armeen . Jed e Unterschrif t zeugt e vo n de r Vitalität de r »unte r Soldate n noc h wache n Ritterlichkei t un d Kamerad schaft« un d diente al s Indi z dafür, das s di e Politi k de s Schlussstrich s ein e Chance hatte. Dass das Schicksal Walte r Reders mit diesen Unterschriften , wie die Veteranenpresse frohlockte, »zur Sache der gesamten Kriegsgeneration geworden« sei, war jedoch eine allzu optimistische Perspektive. 46 Kameradschaft wa r ein Geschäft auf Gegenseitigkeit, sie war »Verpflich tung«.47 Wer von ihr profitiert hatt e - da s war in der Erinnerung der Veteranen jeder -, musst e selbs t kameradschaftlic h handeln , ei n Lebe n lang . Ka meradschaft erschöpft e sic h nicht im »Weißt D u noch?«, sonder n lebte von ihrer Erneuerung. 48 Sei n Lebe n au s der Kameradschaft herau s zu gestalten, bedeutete, den Kontakt zu den alten Kamerade n zu halten und ihre Treffe n zu besuchen. 49 Da s Mindeste war , da s Mitteilungsblatt seine s Verbands zu abonnieren un d s o z u bekunden , das s eine n noc h »interessiert , wa s au s seinen alte n Kamerade n geworde n ist«. 50 E s gal t auch , de m Kamerade n beizustehen, de r sic h »bei m allgemeine n Wiederaufstieg « nich t s o gut wi e die anderen hatte »arrangieren« können. 51 Dem Schwerstkriegsbeschädigte n oder dem arbeitslosen Kamerad war mit einer Zuwendung oder einem Aushilfsposten au s de r Klemm e z u helfen. 52 »Echt e Kameradenhilfe « leistet e ein schwäbischer Heimkehrer, der dem asthmakranken Soh n eines mittellosen Kameraden aus Aachen Quartier und damit die Chance bot, sein Leiden in der Höhenluft auszukurieren. 53 Di e meisten Traditionsverbände richtete n »Kameradenhilfswerke« ein , die sich durch Spenden der Mitglieder trugen. Von den Weihnachtszuwendungen de s »Kameradenhilfswerks de r ehemali45 De r Heimkehrer 1953/12 , S. 2 (Zitat); vgl. ebd. 5.6.55, S . 4 (»Kameradschaft de r Kriegsge neration«), usf. , nahez u i n jeder Ausgab e thematisiert , nu r selte n freilic h mi t de m Eingeständnis , dass di e ehemalige n französischen , belgischen , holländische n u.a . Zwangsarbeiter , di e al s Kriegs gefangene nac h Deutschlan d verschleppt worde n waren , nicht immer bereit waren, diesen Schluss strich mit zu ziehen, z.B. ebd. 25.10.62, S . 5; ebd. 10.4.63 , S. 2. 46 Alt e Kameraden 1958/2 , S. 4, Abdruc k eines Artikels aus »Der Freiwillige« . 47 De r Heimkehre r 25.2.57 , S . 7, Red e de s VdH-Präsidente n Augus t Fische r vo r de m Kreis verband Memmingen ; vgl . ebd. 10.2.57 : »Lehren au s der Gefangenschaft: Verpflichtun g mitzuhel fen«. 48 De r Heimkehrer 15.7.63 , S. 1 (Zitat) , vgl. Alte Kamerade n 1957/7 , S. 8; ebd. 1962/5 , S. 10 . 49 Alt e Kameraden 1962/7 , S. 32, über ein Treffen de r 225. I.D. 50 Alt e Kamerade n 1957/1 , S. 19 , zur »Elchspur« . 51 Alt e Kameraden 1956/5 . S. 16 . 52 Schreibe n E.M . (T V de s I.R . 1 7 i n Braunschweig ) a n frühere n Regimentskommandeur , 11.2.65, BA-MA , M P 25, v. 20. 53 De r Heimkehrer 20.12.62, S. 6. Ähnliche Bericht e i n praktisch jeder Nummer dieses Blatt s

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gen 78 . Sturmdivisio n e.V. « profitierte n z u Begin n de r sechzige r Jahr e meist knapp zehn Personen, die zusammen pro Jahr etwa ein- bis anderthalb tausend Mar k erhielten. 54 Führen d wa r de r Verban d de r Heimkehrer , de r neben eine m ärztliche n Dienst , eine m »Erholungswerk « mi t »tausenden « angeschlossener Heime auch ein Wohnungsbauprogramm betrieb. 55 Kaum etwa s hiel t di e Leide n de r Deutsche n un d gleichzeiti g de n Ver pflichtungscharakter de r Kameradschaft s o eindringlich im Bewusstsein wie der Vermisstensuchdienst . 195 3 galte n noc h 1.388.68 0 Millione n Wehr machtsoldaten als vermisst. 56 Ihre Familien wussten nicht, ob der Ehemann, der Vater, der Sohn oder der Bruder im Krieg gefallen wa r oder aber in der Gefangenschaft vo r sic h hi n darbt e un d doc h noc h heimkehre n würde . Unter Federführung de s Roten Kreuzes wurden die Teilnehmer der Veteranentreffen dahe r mi t Hilf e vo n Namenslisten übe r da s Schicksa l de r Ver missten befragt . Insgesam t wurde n di e Liste n i n de n fünfzige r Jahre n 750.000 Heimkehrer n vorgelegt , dabe i 1.270.00 0 Millione n Erklärunge n gewonnen un d 260.000 Namen au s den Liste n gestrichen. 57 Dies e Suchak tionen ware n au s de r Veteranenkultu r de r fünfzige r un d sechzige r Jahr e nicht wegzudenken . Sic h dara n z u beteiligen , gal t al s selbstverständlich e Pflicht. In den Suchaktionen leucht e die Kameradschaft eine r um das Treueideal des Zusammenhalten s gescharte n kämpferische n Opfergemeinschaf t auf . Symbolfiguren de s Zusammenhalt s wurde n di e Gefangenen , di e di e So wjetunion nach den Willkür- und Schauprozessen von 1949/5 0 als »Kriegsverbrecher« zurückhielt . Ihr e Freilassun g stan d obe n au f de r Agend a de s politischen Interesses der fünfziger Jahr e in Westdeutschland. Vor die Erinnerung a n den Krieg scho b sich die ritualisierte Solidaritä t mi t den Kriegsgefangenen. A m fünfte n Jahresta g de r Kapitulatio n wurd e nich t da s End e von Krie g un d NS-Herrschaft, sonder n ei n »Ta g de r Treue « mi t de n ver meintlich 500.00 0 Kriegsgefangene n begangen ; tatsächlic h ware n e s nun mehr rund 50.000. I m Oktober 195 0 fand erstmal s ein offizielle r »Ta g de r Kriegsgefangenen« mi t bundesweite m Glockenläute n un d Schweigeminu ten statt , de m ei n Bundestagsbeschlus s vorausgegange n war . I m Oktobe r 1952 steigert e sic h diese s »kameradschaftlich e Gedenken « z u einer »deut schen Wallfahr t de r Treue« . Si e vereinigt e di e Westdeutsche n i n eine r

54 Jahresaufstellun g 1960-1995 , au f meine Anfrag e durc h da s KHW i m Dez . 199 5 mitgeteilt . Vgl. allg . Schenckzu Schweinsberg , S . 108 . Zu den Anfängen Alt e Kamerade n 1953/2 , S. 2f.; ebd . 19561, S. 17 . 55 De r Heimkehre r 15.9.60 , S . 8; Freihei t ohn e Furcht , S . 97ff., zu m Siedlungsba u z.B . De r Heimkehrer 10.7.60 , S. 6, zum »Erholungswerk« z.B . ebd. 10.7.61 , S. 14 . 56 Böhme , Gesucht wird.., S . 111 . Vgl. Mittermaier, hie r S. 15ff. , bes. S. 48. 57 Alt e Kameraden 1959/5 , S. 3-7 .

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zweiminütigen Verkehrstill e un d Arbeitsruhe. 58 De r Heimkehrerverban d sammelte »Treuelisten« mi t den Unterschriften vo n sieben Millionen Deutschen für die Kameraden i n der Gefangenschaft. 59 Das s sich die Erwartun g hinsichtlich de r Zahl de r Gefangenen bal d erheblich reduzierte , schmälert e die integrativ e Wirkun g nicht , di e di e postnationalsozialistisch e Gesell schaft au s de m anhaltende n Leide n ihre r geschundene n Soldate n bezog. 60 Die Moskaureis e Adenauer s End e 195 5 bildet e de n Höhepunk t de r »Treue«-Politik.61 Eine r Repräsentativumfrag e zufolg e hielte n 3 7 Prozen t der Bevölkerun g di e Rückkeh r de r Kriegsgefangene n fü r da s wichtigst e Ereignis de s Jahres 1956 . Alle andere n Theme n rangierte n i n de r öffentli chen Aufmerksamkei t wei t dahinter , di e Wiederbewaffnun g mi t vie r Pro zent, di e Wiedervereinigung , di e Lohn - un d Preisentwicklun g ode r di e Rentenfrage mi t jeweils einem Prozent. 62 Jeder einzeln e Spätheimkehre r bewie s di e Lebens - un d Wirkungskraf t des Kameradschaftsmythos. Di e Veteranen erinnerte n daran, wie die frühe r entlassenen Gefangene n ihre n zurückgebliebene n Kamerade n a m Lagerto r versprochen hätten , si e nich t z u vergessen. 63 We r »wortbrüchig « wurde , verging sic h a n de r Kameradschaft. 64 I n de n Geruc h solche r Unkamerad schaftlichkeit ka m 195 3 ein prominenter Repräsentant der Veteranenkultur, General a.D . Gey r vo n Schweppenburg . E r hätt e al s Entlastungszeug e i n einem französischen Prozes s gegen de n Waffen-SS-General Bittric h aussa gen sollen, in dessen Befehlsbereich Resistance-Kämpfe r exekutier t worden waren. Geyr fürchtete jedoch, selbs t von den Franzosen belang t z u werden und blieb dem Prozess fern. Bittrich wurde zwar milde bestraft. Abe r Geyr musste sich in Deutschland vorwerfen lassen , »seinen Kameraden zwischen den Linien liege n gelassen « z u haben. E r hatte sic h gena u da s zuschulde n kommen lassen , wa s ei n gute r Kamera d niemal s tu n durfte , da s eigen e Wohlergehen zu r Richtschnu r de s Handeln s z u machen . Sein e Absag e be i dem Prozes s hatt e e r dami t begründet , das s fü r ih n »meh r au f de m Spie l stehe als für Bittrich«. 65 Geyr begab sich fast auf eine Stufe mit jenen »Kameradenverrätern«, di e Mitgefangene i n de n östliche n Lager n u m persönliche r Vorteil e wille n denunziert un d an s Messe r de r Willkürjusti z geliefer t ode r di e i n andere r 58 De r Heimkehrer Nov. 1952 , S. 2. 59 De r Heimkehrer 25.8.61, S . 1 . 60 Alt e Kameraden 1953/5 , S. 1 . 61 Vgl . neben Steinbach, Kriegsgefangenschaft , vo r allem Moeller , Stories , S. 89ff . 62 De r Heimkehrer 25.1.56, S. 1 63 Vgl . Alt e Kamerade n 1961/9 , S. 15f : »Da s Gelöbnis. Kameradschaf t übe r den Stacheldrah t hinaus«. 64 De r Heimkehrer 10.10.61 , S.9; vgl. Alte Kamerade n 1957/7 , S. 15 ; Kießlinz, S . 5f . 65 De r Heimkehrer Juli 53 , S. 1 , ebd. Aug. 53 , S. 2.

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Weise mit den Antifa-Komitees kooperier t hatten. Die Antifa hatte n in den sowjetischen Lager n das Spitzelsystem organisiert , das Hitlers Soldaten auf ihre nazistische Gesinnun g un d ihre Verbrechen hi n aushorchen sollte . Die Antifa symbolisiert e dahe r die Zerstörung de r Kameradschaft unte r Hitlers Soldaten.66 Dasselbe galt für die anderen Gefangenenorganisationen, di e mit den Sowjet s kooperier t hatten . We r i m »Nationalkomite e Freie s Deutsch land« un d im Bund Deutscher Offizier e täti g gewese n war , hatt e sic h »fü r immer au s de r Gemeinschaf t anständige r Kamerade n ausgeschlossen«. 67 Dieses Verdik t stamm t au s de r Nachkriegszeit . Abe r sein e Traditione n reichen in die NS-Zeit zurück: »Landesverrat ist Kameradenmord«, stan d in roten Letter n au f eine m Merkblatt , da s di e Soldate n i n ihre m Soldbuc h mitführten un d das sie davor warnte, sich bei Gefangennahm e de n Sowjet s anzuvertrauen.68 Die »Kameradenverräter« un d die »Kameradenschinder« i n der östlichen Gefangenschaft hatte n sic h a n eine m Sakrile g vergangen . Si e musste n mi t der Rache derer, die sich verraten fühlten, rechnen. Unter Federführung de s Heimkehrerverbandes, de r schwarze Liste n kursiere n ließ , entwickelte sic h um 195 0 ein e regelrecht e Hat z au f »Kameradenschinder « un d »Kamera denverräter«.69 Insgesamt wurden in der Bundesrepublik zwischen 194 8 und 1956 etwa hunder t ehemalig e Kriegsgefangen e z u Haftstrafe n bi s zu fünf zehn Jahre n verurteilt , wei l si e al s Angehörig e de r Lagerleitun g ander e Kriegsgefangene misshandel t oder denunziert und sich dadurch der Körperverletzung, de s Totschlag s ode r de r Freiheitsberaubun g schuldi g gemach t hatten. Auf letzter e wurd e erkannt , wen n Gefangen e aufgrun d vo n Denunziationen al s »Kriegsverbrecher « i n de r Sowjetunio n ode r Jugoslawie n verurteilt worden waren. 70 Nicht nur die Justiz, auch die Mitte der fünfzige r Jahre i m Aufbau begriffen e Bundesweh r schos s sich auf diese Grupp e von Un-Kameraden ein . Di e Anweisungen, di e de r Personalgutachterausschus s der Bundeswehr bei der Einstellung von Berufssoldaten au s der Wehrmacht und Waffen-SS beachtete , führten al s Ausschlusskriterien »Verstöß e gege n sittliche Grundsätze« auf , di e sich auf die Gefangenschaft kaprizierten . Wer 66 Robel,S . 95-312 . 67 Zita t au s eine m Schreibe n v . H.G . a n Erich Heimeshof f (Präs . VdH ) v . 5.11.6 2 übe r ei n NKFD-Mitglied, Archi v de s Vd H Bonn , unsign. ; vgl . etw a De r Heimkehre r Nov . 55 , S . 2, ebd . 10.2.61, S. 1 u . 4 (»Verräter«); zudem Steinbach/Ueberschär, S . 146f . 68 Faksimil e in : Kriegsgefangene - Voennoolennve , S . 50. 69 Di e Liste n wurde n u.a . a n da s Durchgangslage r Friedlan d un d a n di e Landesverbänd e de s VdH gegeben, »damit be i etwaigem Auftauchen [... ] sofor t di e notwendigen Schritt e unternomme n werden können « un d di e betr . Persone n nich t etw a i n de n Vd H aufgenomme n würden , unsig , Schriftwechsel betr . »Warnmeldungen« vo n 195 8 im Archiv de s VdH Bonn . 70 Biess , Russenknechte , S . 62f, ebd . S . 59ff. zu m Folgenden , zude m etw a De r Heimkehre r März 1953 , S . 3; ebd . Aug . 53 , S . 8; ebd . 10.6.56 , S . 7. Umfangreiche s Materia l i m Archi v de s VdH, Bonn.

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dort seine Fürsorgepflicht verletz t und Kameraden denunziert oder drangsaliert hatte , wa r fü r di e Bundesweh r untragbar ; wa s e r i m Krie g gemach t hatte un d wi e e r e s mi t de m Völkerrech t gehalte n hatte , spielt e dagege n keine Rolle.71 Die Hatz auf die Verbrecher gege n di e Kameradschaft i n der Gefangen schaft lenkt e vo n de n Verbrechen wide r da s Völkerrecht un d die Mensch lichkeit im Krieg ab. 72 Wer und was jedoch war ein Kriegsverbrecher? Dass die östliche n Gewahrsamsmächt e Geständniss e erpresste n un d bloße Will kürjustiz walte n ließen , hatte n deutsch e Gefangene n of t a m eigenen Leib e erfahren.73 Mitunte r wusste die Presse auch von entsprechenden Verfehlun gen der Gerichte westlicher Alliierter zu berichten.74 Das waren Einzelfälle , aber i n Beziehun g z u de n Praktike n de r kommunistische n Gewahrsams mächte gesetzt , verliehe n si e de r Forderun g nac h eine m »Schlussstric h unter die Vergangenheit« Nachdruck . »Z u alle n Zeiten« , s o die Initiatore n einer der Kampagnen für eine »Generalamnestie«, »habe n Krieg und politischer Umstur z Tate n hervorgebracht , di e de m geltende n internationale n oder nationalen Recht widersprachen und demgemäß bestraft werden konnten«.75 Z u den Traditione n de r »politische n Vernunft « sei t de m Edik t vo n Nantes und dem Westfälischen Friede n gehöre aber die Überzeugung, »das s die allgemein e Befriedun g ei n noc h höhere s Gu t se i al s di e konsequent e Anwendung de r verletzten Gesetze« . Nur durch einen Schlussstrich , wie er 1648 i n de r Forme l »oblivi o perpetu a e t amnestia « gefunde n worde n sei , könnten Rachegefühle un d Ressentiments unte r ehemaligen Kriegsgegner n überwunden werden. 76 In diesen Traditionen lebte die Idee vom Krieg als eines sozialen Raumes fort, de r nich t mi t de r moralische n Ell e de r zivilen Gesellschaf t gemesse n werden dürfe. Die Beschwörung jener Traditionen des Vergessens und ihre partielle Verwirklichun g i m Straffreiheitsgeset z vo n 1954 77 lenkt e nac h 1945 nicht nur von einzelnen Untaten , sondern auch von dem fundamenta len Bruc h ab , de n de r NS-Krieg vollzoge n hatte . Inwiewei t di e Amnesti e sich auc h au f »Tötunge n außerhal b de s eigentliche n Kriegsgeschehens « erstrecken sollte , blie b umstritten . Eine n SD-Hauptsturmführer , de r »mi t seinen Leute n etlich e zehntausen d Jude n un d Geisteskrank e i m Rau m 71 Anweisunge n fü r di e Auswah l de r Berufssoldate n un d Soldate n au f Zeit , Bundesministe rium fü r Verteidigung 24.5.56 , für den Personalgutachterausschus s (insbes . S. 4), Exemplar im NL Erler, AdsD Bonn, Nr. 140 . 72 Da s Verfahren gege n Nöll u.a . gehört zu den ganz seltenen Ausnahmen . 73 De r Heimkehre r 5.3.55 , S . 2; ebd . 10.4.65 , S . 2; vgl . Carell/Böddeker , S.217ff. ; Böhme , Jugoslawien II, S. 38ff. 74 Vgl . De r Heimkehrer Nov. 51, S. 5; ebd. Apr. 52, S. l;ebd . 15.1.58 , S. 16f . 75 De r Heimkehrer Ma i 1952 , S. 1 ; vgl. z.B. Alte Kameraden 1953/3 , S. 12 . 76 De r Heimkehrer Mär z 1952 , S. 5; ebd. 15.1.57 , S. 7.Vgl. Fre u S . 185 . 77 Frei,S . lOOff .

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Minsk erschossen « hatte , konnte n di e Traditionsverbänd e opfern. 78 Di e Veteranenverbände schlossen sich jener in der westdeutschen Öffentlichkei t verbreiteten Grenzziehun g an , di e einig e »Manage r de s Judenmords« 79 i n der SS, dem SD und den Einsatzgruppen preisgab, um die Masse der Soldaten einschließlich ihrer Generäle zu retten, was auch immer sie getan haben mochten. Da s wa r de r Sin n de s Motto s de r H I AG: »W o da s Verbreche n anfängt, hör t die Kameradschaft auf«. 80 Al s Verbrechen kame n nu r die der anderen i n Frage , di e de s SD , de r allgemeine n SS , nich t di e de r eigene n Truppe. Nicht als Verbrecher galt selbst ein Mann wie Sep p Dietrich. Dass er vor Gericht gestellt wurde, weil Einheite n seine r Truppe ohne sein Wissen während der Ardennenoffensive Verbreche n a n amerikanischen Gefan genen begange n hatte , wa r ein e Sache. 81 Abe r sein e leitend e Funktio n be i der Erschießun g vo n SA-Führer n i m sogenannte n Röhm-Putsc h wa r ein e andere, deren verbrecherischer Charakte r nich t zweifelhaft sei n konnte. Zu keinem eigene n Truppenführe r jedoc h kündigt e di e H I AG di e Kamerad schaft auf , mocht e e r begangen haben , wa s e r wollte , sowei t e r z u seine n Männern gehalte n hatte . Fü r di e Veteranenverbänd e de r Wehrmach t gil t nichts anderes. Was al s Verbreche n galt , definiert e sic h nich t inhaltlich , sonder n funk tional. Da s wa r di e Mora l de r Kameradschaft . Entscheiden d war , o b de r Täter i m Interess e seine r Kamerade n gehandel t hatt e ode r nicht . We r i m Sinne de r Gemeinschaftsmora l »anständig « gebliebe n wa r un d al s gute r Kamerad galt , wa r kei n Verbrecher . Differenzierunge n lie ß dies e Mora l durchaus zu. Dass Generalfeldmarschall Schörne r nach seiner Rückkehr aus der UdSSR 195 5 wegen de r legendären »Tausen d Galgen« , a n die er deutsche Kurland-Soldaten i n der Endphase des Krieges gebracht hatte, vor ein deutsches Gericht gestellt wurde , fand unter den Veteranen vom Heimkehrerverband bi s zu m VdS fas t durchwe g Zustimmung . Wen n dies e ih m di e Kameradschaft kündigten , dan n jedoch nich t wege n seine s rigorose n Vor gehens gegen »Deserteure « un d »Feiglinge«, sonder n weil e r sich kurz vor der Kapitulatio n mi t eine m Fisele r Storc h z u de n Amerikaner n abgesetz t und seine Soldaten »im Stich« gelassen hatte.82 Außer Frage stand dagegen die »Anständigkeit« de r deutschen Heerfüh rer, di e von den Alliierten al s Kriegsverbreche r verurteil t wurden , wei l si e verbrecherische Befehl e ausgeführ t ode r weitergegeben hatte n oder weil i n ihrem Kommandobereich Krieg s verbrechen begangen worden. Dazu gehör78 Alt e Kameraden 1962/11 , S. 2. 79 Frei , S. 217. 80 Vgl . z.B . Neu e Rheinzeitun g 15.7.58 , Verwahrun g Kur t Meyer s gege n Vorwürfe , di e HIAG unterstütze auch ehemalige Angehörige der KZ-Wachmannschaften. 81 Frei , Vergangenheitspolitik, S . 142 , mit der Literatur. 82 Kasten , S. 271, vgl. Schomstheimer, S. 163f .

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ten Walter Reder und Herbert Kappler, die wegen ihrer letztlich unbestrittenen Verantwortung fü r Vergeltungsaktionen gege n die Zivilbevölkerung i n Italien i n Haft blieben. 83 Sic h u m ihre Freilassun g unentweg t z u bemühen, gleich o b sie wie de r SS-Obersturmbannführe r Rede r ihr e »Verantwortun g für 183 0 Niedergemetzelte zugegeben« hatten oder sich auf den Befehlsnotstand beriefen , wa r ein e »Kameradschaftspflicht«. 84 Das s di e Veterane n deren Einhaltun g mi t Erfol g anmahne n konnten , zeug t vo m lange n Nach wirken eine r Gemeinschaftsmoral, di e das Mitmachen und Durchhalten mit Sinn überfüllt hatte. 2. Kameradschaft i m Zwielicht de r Unterhaltungsindustri e Die Veteranenkultur de r Wehrmacht- un d der Waffen-SS-Soldaten schlos s in de n fünfzige r un d sechzige r Jahre n ihre n Friede n mi t de m demokrati schen Staatswesen , mi t de n europäische n Einigungsbestrebunge n un d de r Versöhnungspolitik de r westlichen Welt , nicht zuletzt auch mit der bürgerlichen Normalität der Sonntagsausflüge in s Grüne oder der Reisen ins westund südeuropäische Ausland . Dies e Integrationsbereitschaf t de r alten Krieger fand Anerkennung, erweckt e abe r auch Argwohn. Di e Veteranen woll ten keine n gesellschaftliche n Fremdkörpe r bilden , un d doc h wuchse n si e immer meh r i n dies e Roll e hinein . Wi e ka m e s dazu ? Waru m fiele n nich t nur de r Krieg , sonder n auc h di e Kamerade n un d ihr e Kameradschaf t de r Stigmatisierung anheim ? Massenwirksam verbreitet wurde das Bild der Soldaten als geschundene, aber »anständig « geblieben e Kamerade n au f de r fiktionalen Ebene , vo r allem durch die sogenannten Landserhefte, die seit den fünfziger Jahr e jeder Kiosk feilbot . Adressier t ware n si e primä r a n di e Jugend . Bi s i n di e sieb ziger Jahr e erreichte n si e mi t run d 1.00 0 Titel n ein e Gesamtauflag e vo n etwa 10 0 Millionen un d etwa jeden zweite n Schulabgänge r i n der Bundesrepublik.85 Z u dem Bestseller de r Kriegsliteratu r un d zu dem Kassenschla ger der Kinos in den fünfziger Jahre n wurde Hans-Hellmut Kirsts »08/15« Trilogie. Den dreiteiligen Fil m sahen zwischen 195 4 und 195 6 in Deutschland fünfzeh n bi s zwanzi g Millione n Zuschauer . Bi s Mitt e de r siebzige r Jahre wurde die Trilogie i n 1, 8 Millionen Exemplaren abgesetzt. 86 Daneben 83 Vgl . hierzu ausführlich Staron, S. 170ff., 188ff., 207ff. u.ö. 84 Alt e Kamerade n 1958/2 , S . 4, zu r Petitionsbewegun g zugunste n Reders : »Gaeta-Akio n wurde zu einer spontanen Kundgebung de r Kameradschaft«. Z u Reders Verantwortungsübernah me Der Heimkehrer 25.6.67, S. 2. Zum Befehlsnotstand ebd. 25.4.59, S. 6. 85 Di e Schätzung be i Geiger , S.155 , vgl. ebd. S. 133ff., 206ff; zude m Nutz, S. 265; Ritsert, S. 244ff. 86 Vgl . Nutz, S. 265; die letzte Auflage erschien 1977 , Kumpfmüller, S. 249.

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erschien ein e kau m überschaubar e Zah l unterschiedlic h erfolgreiche r Kriegsromane, unte r andere m Theodo r Plivier s »Stalingrad « (eine r der nach Kirst - auflagenstärksten) , Wil l Heinrich s »Da s geduldig e Fleisch« , Heinz G. Konsalik »De r Arz t vo n Stalingrad« , Heinric h Gerlach s »Di e verratene Armee « ode r Frit z Wöss ' »Hunde , wollt Ih r ewi g leben« , di e teilweise ebenfall s verfilm t wurden . De n Landserheften , Kriegsromane n und Kriegsfilmen fugte n sic h al s dritt e massenhaf t verbreitet e Gattun g di e Fortsetzungsgeschichten an , di e di e große n Illustrierte n druckten. 87 Mi t besonderem Authentizitätsanspruc h trate n Filmwerk e dokumentarische n Charakters auf . »S o wa r de r deutsch e Landser « lie f al s Zusammenschnit t aus NS- und alliierten Wochenschauen im März 195 5 in fünfzig Kino s an.88 In den sechziger Jahren nah m die Produktion al l diese r Genres ab, ohne ganz z u verschwinden , zuma l di e alte n Büche r un d Film e weiterhi n ver marktet wurden. 89 Lotha r Günthe r Buchheim s »Da s Boot « nah m 197 3 di e Tradition mit großem Erfolg und noch größerem bei der Verfilmung wiede r auf.90 I m zeitliche n Umfel d de s Stalingrad-Jubiläum s 199 3 verbucht e Jo seph Vilsmeiers einschlägiger Fil m noch einmal einen großen Erfolg. 91 Von dezidiert kriegs - und militärkritischen literarische n Produkte n wi e de n Erzählungen Heinric h Böll s un d Alfre d Andersch s ode r de n Tagebücher n Erich Kuby s unterschiede n si e sic h nich t nu r durc h größer e Popularität , sondern auch durch die Parteinahme für den »anständig« gebliebene n Landser oder den um die soldatische »Ehre « ringende n Offizier. Plat t kriegsverherrlichende Tendenze n ode r de n scho n i n de n dreißige r Jahre n obsolete n Hurra-Patriotismus wir d ma n nu r den Landserhefte n bescheinige n können . Diese kamen deswegen teilweise au f den Index jugendgefährdender Schrif ten.92 Dennoch gehören auch sie in den breiten Strom von Kriegsbelletristik, der einerseits zentrale Motive der von der Veteranenbewegung vorgezeich neten Kriegserinnerung aufnahm , andererseit s diese in doppelter Beziehung erweiterte und korrigierte. Wie di e »Erlebnisberichte « de r Veteranenpublizisti k stilisierte n di e Landserhefte, di e Roman e un d Film e sowi e di e Illustriertenbericht e de n 87 Schornstheimer , hie r bes. S. 153ff. , ferner Knoch, passim . 88 De r Heimkehrer 5.4.55, S . 1. 89 Di e Auffassung, das s die Popularkultu r des Krieges seit den sechziger Jahren nur noch eine Nischenfunktion gehab t habe , z u de r Knoch , S . 444, au f de r Basi s de r Illustriertenroman e un d -berichte kommt , läss t sic h dahe r vorbehaltlic h breite r anzulegende r rezeptionsgeschichtliche r Untersuchungen nich t verallgemeinern . 90 Pfeifer , Kriegsroman , S . 53f.; Wagener , Soldaten ; ausführliche r di e Beiträg e i n Wagener , Böll; z u Buchhei m Wagener , Abenteuer , S . 325ff., u . Salewski, Wirklichkeit , S . 13 1 ff. zu r Rezep tion durch die »Dabeigewesenen« . 91 Z u Vilsmeie r di e Filmkriti k in : Di e Zei t 22.1.93 , S . 45f., ferne r De r Spiege l 1993/1 , S. 126f.;F.A.Z . 21.1.93, S. 29. 92 Ritsert , S . 244.

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Krieg zum Opfergang de r einfachen Soldaten , die von der verbrecherischen Kriegspolitik de r Nationalsozialiste n nicht s wusste n ode r nicht s dagege n unternehmen konnten. Kriegs- und Menschheitsverbrechen waren die Sache der »Anderen« , wi e Bamm s autobiographische r Roma n di e S S un d di e übrigen Himmler-Truppe n chiffrierte. 93 Da s war Konsen s i n de r westdeut schen Kriegsliteratur , bi s hi n z u Autore n wi e Heinric h Böll , auc h wen n diesen nicht s a n de r soldatische n »Ehre « lag. 94 Ih r »Anstand « bracht e Soldaten wi e »Canaris « i n de m gleichnamige n Fil m (1955 ) ode r »De s Teufels General « (1954 ) i n Gewissenskonflikte. Abe r sie wussten, dass sie um des Vaterlands willen weiterkämpfen mussten , bis zur »letzten Patrone« (Schröter).95 Solch e Gewissensnöt e fugte n sic h i n die Ausweglosigkeit de s Handelns ei n un d bestätigte n de n Opferstatu s de r Soldaten . Dami t is t ei n signifikanter Unterschie d z u de n »Erlebnisberichten « de r Veterane n mar kiert. Di e Veteranenkultu r erinnert e de n Krie g konsequen t i m Wi r de r Durchhaltegemeinschaft un d beharrt e insofer n au f de m Paradigm a de r Schamkultur. Kriegsbelletristi k un d Kriegsfilm e erwiese n de r Mora l de s Individuums eine Reverenz. Allerdings taten sie dies nur in Ansätzen. Keiner der populären Filme oder Romane heroisierte den Deserteur, den Überläufer ode r di e Meuterei . Stattdesse n konstruierte n si e mi t de m »geduldi gen, zähen, willigen deutschen Landser« ein e Ikone des Krieges, die Kontinuität zu r ärmelaufkrempelnde n Nachkriegswel t de s Wiederaufbau s stiftete.96 Entschiedene r al s di e organisiert e Veteranenerinnerun g bemüht e sich di e Kriegsbelletristi k darum , a n de n Wertehorizon t de s bürgerliche n wie proletarischen Lesepublikum s anzuschließen, mochte dies aus ehemaligen Soldaten oder aus angehenden Wehrdienstleistenden bestehen. Die Erinnerung a n die Kameradschaft bildet e das Band, das alle populären Zweig e de r Kriegserinnerun g bi s i n di e siebzige r Jahr e un d darübe r hinaus zusammenhielt. »De r kleine Quast«, der Held des 197 8 erschienenen Kriegsromans vo n Heinz G. Stachow , hatt e nicht au s »Treu e zu m Führer « durchgehalten. Abe r »mein e Kamerade n i m Stic h z u lassen , di e au f mic h ebenso angewiesen ware n wi e ic h si e au f sie - da s wäre undenkba r gewe sen«. Au f Urlau b zuhaus e fühl t e r sic h entfremde t vo n de r Familie , sehn t sich zurüc k nac h de n Kameraden , nac h de r Front , nac h de r kleine n Welt , wo nur die »Pflicht« zählt e und man »für groß e Zusammenhänge [... ] ande re« fü r zuständig erklärte . Quast gesteht allerdings ein, dass solche Begrün-

93 Bamm , vgl. Bahr, S. 202. 94 Reid , Gebiet, S. 95. 95 Schornstheimer , S. 159ff.; Wagener, Soldaten, S. 244ff. 96 Knoch , S. 43, 451 ff., auc h zum Folgenden, Zitat ebd. S. 451 aus der Illustrierten »Revue « von 1952.

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dungen »verschwollen«, »verdächtig « un d »altmodisch« wirkten. 97 Das war ein Reflex de s Wandels der kollektiven Kriegserinnerun g un d des Verhältnisses vo n Militä r un d Gesellschaft , de r sic h i n de n siebzige r Jahre n ab zeichnete. »Quast « wollt e da s soziale Leitbil d vo n Männern, di e di e ganz e «Oberscheiße« zusamme n z u meistern « verstehen , retten. 98 Da s wa r kei n aussichtsloses Unterfangen . De r Roman bot Identifikationspunkte fü r viel e Teile de r Wohlstandsgesellschaft, nich t zuletz t fü r männlich e Jugendliche , die in der Bundeswehr nach Kameradschaft suchten . Wenn be i de n angehende n Bundeswehrrekrute n di e Vorstellun g mit schwang, Kumpe l z u bekommen , mi t dene n ma n »zusamme n ma l einen « trinken ode r »irgendwi e s o mal Scheiß e machen « kann , dan n wa r da s ei n Begriff vo n Kameradschaft , de r woh l i n de n populäre n Genre s de r Kriegserinnerung präsent war, mit dem Ideal der Veteranen aber nur schwer zu vereinbare n war. 99 »Di e Männer« , beobachtet e Quast , »lasse n sic h langsam vollaufen un d tauschen genießerisch Weibergeschichte n aus . Jeder sieht sich als Helden, dem keine Frau widerstehen kann. « Manche r ergieß t sich i n »Sauereien « un d erläuter t di e Lebens- , genaue r Todesphilosophi e des Landsers: »Nimm heute, was du kriegen kannst. Scho n morgen bist Du tot ode r verstümmelt« . Mi t diese r Devis e ließe n sic h Orgasme n »a m laufenden Band« und »Sauereien« alle r Art rechtfertigen. 100 Kaum eine r de r Kriegsroman e ode r -film e verzichtet e gan z au f di e In szenierung von Saufgelagen, i n denen die Kameraden zueinander fanden. Je weiter sich die künstlerische Aufbereitung de r Kriegskameradschaft zeitlic h vom Krieg entfernte un d die Bedürfnisse de r Unterhaltungsindustrie befrie digte, dest o meh r rückt e di e gute , saubere , fürsorglich e Kameradschaf t i n den Hintergrun d un d di e böse , schmutzige , zotig e Kameradschaf t i n de n Vordergrund. Di e Veterane n musst e e s empören , »wen n di e Soldaten , di e einem Kriegsroman Leben verleihen, nur dargestellt werden als eine Bande von Egoisten , Verbrechern , Feiglingen , Säufern , als o vo n Menschen , di e ausschließlich niedrigste n Egoiste n zugewandt sind.« 101 Besonders erzürnte sich die Veteranenbewegung (wi e auch die Planungsstäbe der Bundeswehr) 97 Stachow , S. 116f., 119 , 142, 150, 158, 168 , 208ff. Zur positiven Rezeptio n in der Veteranenkultur vgl. Der Heimkehrer 15.7.78, S. 7; ebd. 15.1.80, S. 1 . Ähnlich Buchheim, Boot, S. 129ff. 98 Ritsert , S: 247ff.; Wagener , Soldaten, S. 242ff.; Pfeifer, Kriegsroman , S. 91 ff., Zita t S. 96; ttiocA,S.451ff.,872. 99 Zitat : Birckenbach, S. 298, ein Jugendlicher über Motive, zum »Bund« zu gehen. 100 Stachow , S . 128f., vgl. S . 126f, zude m Amberger, S . 194 zu Konsalik, ebd . S. 187ff. zu Kirst; Pfeifer , Kriegsroman , S . 102f. Zu r Kritik De r Heimkehrer 1953/9 , S. 2, ähnlic h z u Kirsts »Fabrik de r Offiziere « ebd . 25.1.61 , S . 9 (»Ware n di e Offizier e wirklic h so?«) . Al s positive s Gegenbeispiel gal t den Veteranen u.a. Wöss' »Hunde wollt ih r ewig leben« , vgl. zum Film Alte Kameraden 1959/5 , S. 23. 101 Elble , S . 83; vgl . di e be i Salewski , S . 43ff., zusammengestellt e Kriti k a n Buchheim s »Boot«.

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daran, das s di e Unterhaltungsindustri e Offizier e un d Unteroffizier e al s Anführer de r schmutzige n Kameradschaf t vorführte ; das s dor t auc h de r fürsorgliche Führerty p auftrat, konnt e den Zorn der Veteranen nicht besänftigen.102 Kirst führt e »schweinemäßig e Unteroffizier e un d hoffnungslo s vertrot telte unbedarfte Offiziere« al s Serienerscheinung de r Wehrmacht vor. 103 Der Kasernenroman wurde denn auch als vehemente Anklage gegen ihre Schleifermethoden wi e al s Warnun g vo r dere n Wiederauflebe n i n de n neue n Streitkräften gelesen . De r »Schleifer Platzeck « rückt e zum Nachfolger vo n Himmelstoß auf. 104 Auc h di e Illustrierte n konfrontierte n ihr e Lese r mi t Offizierstypen, di e kein e Gelegenhei t ausließen , »di e leichtsinnigen , laus bubenhaften, abe r i m Grund e herzensgute n Kamerade n z u schikanieren. « Manche ihre r Opfer zerbrachen, ander e suchten, wie scho n die Gruppe um Remarques Pau l Bäumer , de n Schut z einer »Kameradschaft , gege n di e ein Leuteschinder wi e diese r Paul i nich t aufkomme n konnte. « Eine r diese r Sadisten wurde - i n einer Geschichte der Illustrierten »Quick « - vo n seinen Männern umgebrach t un d durch eine Schiffsschraub e gezogen. 105 Auch die Veteranen erzählte n vo n Kameradenverrätern un d -Schindern, aber nur von solchen i n den sowjetischen Gefangenenlagern . Das s es sie überhaupt gab, war eine Folge der Korrumpierung durc h die ehedem als »Untermenschen « bekriegten bolschewistische n Gegner . I n de n Kriegsromane n un d Kriegs filmen jedoch stellt e sic h di e deutsch e Kampfgemeinschaf t gespalte n dar . Die Antitype n fande n sic h vorzugsweis e i m Offizierkorp s de s Krieges . Unter ihne n ga b e s hurend e Soldatenschinder , eitl e Egoisten , Verräter , Drückeberger un d di e Inkarnatione n de s Böse n schlechthin : nazistisch e Offiziere.106 Was Unterhaltungsindustri e un d Veteranenkultu r vereinte , wa r di e Schlüsselrolle, di e beid e de r Kameradschaf t zuwiesen . Soldaten , di e ih r »eigenes Leben « de m Gemeinschaftslebe n nich t unterordne n mochten , gewährte weder die Veteranenkultur noc h die Unterhaltungsindustrie eine n Platz in der Heldengalerie. Sie verkörperten die Parias schlechthin. Heinrich Böll un d di e Phantasie n seine r Soldatenfigure n vo n de r Fluch t au s de r »Zwangsgemeinschaft«, sei n Spot t au f di e »Nach-Feierabend-Menschlich 102 Ritsert , S . 245ff; Geiger , S . 117ff.; Pfeifer , Kriegsromane , S . 91 ff. I m Prinzip auch bei Plivier, vgl . Wagener , Soldaten , S . 248. Buchheim, Boot , S . 16, 23, 58, 65, 69, 70f., 199f. , 215, 221 f., 297f. , 305, 329f., 355, 479, 589f. 103 De r Heimkehrer 5.11.54, S. 2. 104 Vgl . Handbuch Innere Führung, S. 40, 107 , 113ff, 121 . Vgl. Kumpfmüller, S . 250ff. Ähnlich zum Film »Strafbataillon 999 « Der Heimkehrer 25.2.60, S. 9. 105 Schornstheimer , S . 173f , Zitat e aus Illustrierten, ebd. S. 174 auch zur Kritik von Veteranen. 106 Wagener , Soldaten, S. 245.

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keit« de s kameradschaftlichen Vorgesetzte n und auf die Entfaltung »männ licher Lächerlichkei t währen d de s Krieges « repräsentiere n da s Andere de r westdeutschen Kriegserinnerung. 107 Böll s Figure n sin d s o einsam , wi e ih r Autor es als Soldat selbst war. Und sie desertieren nicht, genauso wenig wie dieser es tat.108 Die Desertion zu einem individualistischen Befreiungsak t z u stilisieren, blie b Alfre d Andersc h vorbehalten , de r 195 2 verdammte , wa s der Mainstream de r Kriegsliteratur hochhielt , di e Kameradschaft. E r rührte mit seine r »literarische n Kampfansag e a n de n Konformismu s a n ei n Tab u der Nachkriegsgesellschaft«. 109 Konsen s de r Nachkriegsgesellschaf t war , dass di e Soldate n kein e Wah l hatte n al s mitzumachen . De r Deserteur gal t bis in die siebziger Jahre hinein als Inbegriff des Drückebergers, der »seine Kameraden preisgibt , u m sei n erbärmliche s bissche n ›Ich ‹ z u retten«. 110 Andersch blieb ein Rufer in der Wüste. Noch wenige r Zuhöre r allerding s fande n Geschichten , di e vo n jene n Verbrechen erzählten , welch e di e Soldate n (de r Wehrmacht , nich t nu r der SS) im Namen der Kameradschaft ode r aus ihrer sozialen Mechanik herau s an wehrlose n Gegnern , Juden , Gefangenen , Fraue n ode r Kinder n verüb t hatten. Im Grunde gab es solche Geschichten gar nicht. Manche desavouierten di e Mä r vo n de r fleckenlose n Kameradschaft . Abe r di e Exzess e de r alkoholisierten un d zotige n Männergesellschaf t galte n doch , zumindes t unter der Hand, auch in der bürgerlichen Welt der fünfziger Jahr e als Kavaliersdelikte. Nich t nu r Landserheft e ode r Trivialroman e bestätigte n di e Legende vo n de r saubere n Wehrmacht , auc h Alfre d Andersc h ode r Hein rich Böll taten dies. Mit dem Mord an den Juden, an Zivilisten und Wehrlosen brachte kaum ein Autor die Wehrmacht und vor allem nicht die Kameradschaft i n Verbindung. Bei diesem Konsens blieb es bis etwa 1980 . Eine der ganz seltene n Geschichten , di e au s der Reihe fiel, erzählt e de r Schriftsteller Fran z Fühman n i m Jah r 195 5 - i n de r DDR . Dorthi n wa r Fühmann nach Gefangenschaft un d Antifa-Schulung i n Russland zurückgekehrt, u m Funktione n i n de r Nationaldemokratische n Parte i Deutschland s zu übernehmen , di e i n de r DD R al s Auffangbecke n fü r ehemalig e Wehr machtsangehörige diente . Sein e 195 5 erschienen e Novell e »Kameraden « war eine Parabel au f die Vorbereitung, Durchführun g un d Vertuschung de r Verbrechen de r Wehrmacht i n de r Sowjetunion , nich t zuletz t au f die Ver strickung scheinba r Unbeteiligter i n diese Verbrechen. Si e handelt von drei 107 Böll , Entfernung, S. 287 u. 319. 108 Wi e überhaupt Motive, Inhalte und Leerstellen (Verbrechen von Wehrmachteinheiten!) in Bölls frühe r Kriegsliteratu r en g a n desse n persönlich e Kriegserfahrunge n anschließen , Reid , Gebiet, S. 99, 103, Böll, Zug, S. 103ff., Mecklenburg, S. 234-247. 109 Zitat : Bröckling , S . 280. Vgl . Schütz , Fluchtbewegung , S . 188ff., mi t de r wissenschaft lichen Literatur. 110 Elble , S. 83. Vgl. Kraft, Fahnenflucht .

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befreundeten, i n Ostpreuße n vo r de m Überfal l au f Russlan d stationierte n Mannschaftssoldaten de r Wehrmacht . I m nächste n Dor f wolle n si e Mäd chen oder wenigstens eine Kneipe finden. Abe r der Ausflug i n die schmutzige Kameradschaft gleite t ab ins Verbrechen. Unterwegs erblicken die drei einen Reiher, das Jagdfieber erwacht , obwohl es streng verboten ist, »an der Grenze, ohne Befehl, z u schießen«. Abe r der Reiz des Verbotenen is t stärker. Zwei der drei Soldaten, Josef und Karl, drücken gleichzeitig ab , treffen nicht nur den Vogel, sonder n versehentlich auc h ein Mädchen, das zufälli g des Wegs geht . Wi e sic h herausstellt , di e Tochte r ihre s Majors. Was nun ? Für di e zwe i Täte r kein e Frage : dichthalten , vertuschen . Thomas , de r nu r Zeuge, nicht aber Täter war, wil l fortlaufen , is t aber »festgebannt , wahllo s und wehrlos i n diesem Mor d verwickelt«. I m HJ-Lager, a n das er sich sofort und immer wieder erinnert , war ihm eingebläut worden : »Unser e Ehre heißt Treue! We h dem, der seine Kameraden verrät! De r wird ausgestoße n aus seine m Volke ! Deutsc h sei n heiß t zusammenstehe n au f Gedei h un d Verderb! Darum sind wir das auserlesene Volk, wir, Hüter der Nibelungentreue!« Sein e »Ehre« wahrt nur, wer mitmacht. »Wer noch nie einen umgelegt hat, der ist kein richtiger Kerl« , erklär t Karl . Wer »sich heraushalten« , »uns verpfeifen « wolle , s o di e zwe i Kameraden , se i ei n »Verräter« , ei n »Waschlappen«, kei n Mann, ein »Judas«. De r aber will auc h Thomas nicht sein. E r entfernt au s seine r Patronentasch e ein e Patrone , dami t alle n ein e fehlt un d de r Täte r nich t meh r festzustelle n ist . Di e verbrecherisch e Ta t begründet di e »verschworen e Gemeinschaft« . Ei n Schwu r bedroh t de n »Judas« mi t de m Tod : »We r nu n auc h nu r dara n denkt , de n andere n z u verraten, de r soll vogelfre i sein. « Abe r si e »wussten , trot z ihres Schwures , dass si e einande r nich t trauten . S o hingen si e aneinander , verfilzt , ei n Gemengsei dreier Körper, jeder sich und den anderen zur Last und zum Ekel.« Ruhe und Geborgenheit gibt es in dieser Kameradschaft nicht , sie drängt zur betäubende n Tat . De r Befeh l de s Führer s bring t di e Erlösung , e s gilt , »einem drohende n Angriff au s dem Osten« vorzubeugen . Be i eine r Übung entdeckt da s Bataillo n beinah e di e Leich e de s getötete n Mädchens . Al s Deus e x machin a erschein t Josef s Vater , »alte r Kämpfer « un d hohe r SSOffizier i n Begleitun g de s Divisionsgenerals, de r die Übun g abbläst . Jose f offenbart sic h seine m Vater . De r hat ein e »nationalsozialistisch e Lösung « parat. Er erklärt dem Sohn, dass ein Deutscher grundsätzlich »kein Mörder« sei. Dagegen se i da s bei de n Bolschewiken »di e Regel« . Als o hatten dies e den Mord an dem Mädchen begangen. Es wird gefunden, nachdem , so wird dem Leser suggeriert , di e S S e s noch verstümmelt, ih r Gesicht »zerschnit ten« und »nicht mehr kenntlich« gemach t hatte, aber nur, um diese Schandtat de n »russische n Untermenschen « i n di e Schuh e z u schiebe n un d di e Soldaten zu r Vergeltun g anzustacheln : »Abe r di e Stund e de r Mörde r ha t geschlagen! Kameraden , ih r werdet Eure n Kommandeu r rächen! « Un d si e 252 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35154-4

taten es auch. Widerstand auf dem Vormarsch im Osten zeigte sich nicht. In einem kleinen Dorf werden die Einwohner, Männer, Frauen und Kinder, auf einem Plat z zusammengetriebe n un d zwe i willkürlic h herausgegriffen e Mädchen auf Befehl de s Majors »zur Vergeltung fü r den Tod seiner Tochter« erhängt . Nur einem ist nicht wohl bei der Sache: Thomas. »Das ist ein Mord, ja ei n Mor d is t das , un d nu n bis t D u ei n Mörder« , erkenn t e r un d wird au f Befeh l de s Major s al s Meutere r zusammengeschlagen . Au f de r Flucht trifft den »Verräter« di e Kugel seiner Bataillonskameraden. 111 Aus der Perspektive eine r ästhetisc h urteilende n Literaturkriti k ha t Fühmanns Geschichte keine große Bedeutung. Ihr e Botschaft is t reichlich dic k aufgetragen. I m Gefüg e de r kollektive n Erinnerun g a n de n nationalsozia listischen Krie g abe r nimm t di e Erzählun g ein e bemerkenswert e Stellun g ein. Fühmann s Novell e interpretiert e di e Kameradschaf t al s soziale n Kit t und symbolisch e Verstrebun g de s Massenmordes , de n di e Deutsche n i m Namen des Rassen- und Weltanschauungskrieges und unter dem Deckmantel de s Partisanenkriege s a n de n unterworfene n Völker n begange n hatten . Fühmanns Novelle geißelte nicht, wie Böll ode r Andersch es taten, nur das »Verbrechen« de r Kameraden a n ihresgleichen , da s darin bestande n hatte , diesen da s »eigen e Leben « z u raube n un d si e zu m Mitmache n z u zwin gen.112 Böll und Andersch einerseits, Fühmann andererseits stehe n für zwei verschiedenartige Infragestellunge n de r Kameradschaft, di e zunächst in den fünfziger Jahre n geringe , i m Lauf e de r folgende n Jahrzehnt e abe r imme r größere Erschütterungen auslösten und sich gegenseitig verstärkten . 3. Kameradschaft i m Dunkel de r zivilen Gesellschaf t Die Bundeswehr war in der westdeutschen Gesellschaf t de r sechziger Jahre fest veranker t - auc h unte r de r jüngeren Generation . We r sic h beruflic h nichts ins Abseits stellen wollte, ging zum »Bund«. Dem Kriegsverweigerer haftete de r asozial e Make l de s Drückeberger s an ; »Ersatzdienst « hie ß de r Zivildienst zunächs t amtlich , u m das »Normale« , de n Wehrdienst, in s Bewusstsein z u rücken. 113 I m Berufsleben hatte n di e ehemaligen Wehrmacht soldaten das Sagen. Es galt nicht als Makel, sonder n als Vorzug, »gedient « zu haben . Da s bedeutet nicht , das s sic h i n de n Betriebe n de r schnarrend e Kasernenhofton fortgesetz t hätte, und ebenso wenig darf man die Seilschaf ten alte r Kamerade n al s Fakto r vo n Karriereverläufe n überschätzen . Nich t 111 Fühmann , S. 9-11, 13f. , 18-28 , 32-34, 42f., 4 5 - 8 . Vgl . Bräse, S . 479ff. 112 Z u de n vo n Böl l bereit s i m Krie g verwendete n Begntle n Verbreche n un d eigene s Lebe n siehe oben. 113 Da s »Normale« : CDU-Verteidigungsministe r Gerhar d Schröde r 1969 , zit . Frevert , Na tion, S. 339.

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der »soldatisch e Geist « i m Sinn e eine s überkommenen Militarismu s über lebte, auc h nicht di e Ehrfurch t vo r der Uniform, abe r doc h die Wertschät zung dessen , de r sein e Bereitschaf t demonstrier t hatte , di e Demütigunge n und Anpassungszwänge de s militärischen Initiationsritual s als Eintrittsbillet in die männliche Gesellschaf t i n Kauf zu nehmen. Dem »Kameraden« öff neten sich Türen, die sonst verschlossen geblieben wären. 114 Bis i n di e sechzige r Jahr e hinei n behiel t di e Kameradschaf t auc h ein e gewisse Bedeutun g al s sozialharmonische s Leitbil d innerbetriebliche r Be ziehungen. Al s Herman n Reusch , zuletz t Vorstandsvorsitzende r de s Ver bundes de r Gutehoffnungshütte , Führungsmitglie d de s Bundesverbande s der Deutschen Industri e un d notorischer Gewerkschaftsgegner , starb , würdigten di e Nachrufe sein e »Arbeitskameradschaft « un d dass er seinen Mit arbeitern »ein verständnisvoller Freund und guter Kamerad« gewesen sei. 115 Auch i n andere n gesellschaftliche n Bereichen , i n uniformierte n Institutio nen wi e de r Polize i ode r de r Feuerwehr , i n Jugendbünde n ode r i m Sport , mitunter selbs t i n den Geschlechterbeziehungen, hiel t sic h das Leitbild der Kameradschaft, un d se i e s al s Begriff. 116 Abe r e s gerie t i n di e Defensive . Nicht Kameradschaft, sonder n Freundschaft wurde nun wieder zum Leitbild einer Gesellschaf t vo n Individuen. 117 Di e Veteranen , di e Gralshüte r de r Kameradschaft, ahnte n den n auc h scho n i n de r vo m materielle n Auf schwung berauschte n Adenauerzeit, wi e di e Zeichen de r Zeit standen. 118 In der »Satthei t de r bundesrepublikanische n Bevölkerung« , i n de r »Unterhaltungs-, Urlaubs- und Vergnügungssucht« de r sechziger und siebziger Jahr e droht e di e Kameradschaf t unterzugehen. 119 W o sic h alle s u m persönliche Karriere n un d private n Konsu m drehte , gerie t di e Apotheos e der Zwangs- und Schicksalsgemeinschaft zu m Anachronismus.120 Besiegelt wa r da s Schicksa l de r Kameradschaft i n den sechzige r Jahre n dennoch nicht . Fü r di e Wehrpflichtige n de r Bundesweh r stellt e sic h di e 114 Vgl . bis zur noch ausstehenden gründlicheren Untersuchung dieses Zusammenhangs Zapf, S. 136ff. ; Lesch , S . 48ff.; Berghahn , Unternehmer , S . 49ff.; Simoneit , Bosse , S . 156ff. , 224ff. ; Rauh-Kühne; Bührer, S . 37ff.; Intervie w Späte r (im Krie g Marineoffizier , i n den achtziger Jahren Personalchef eines großen Transportunternehmens). 115 Todesanzeige n de s BD I und de r GHH , F.A.Z. 27.12.71. Vgl . Memorandu m »Di e Werk zeitung« 18.7.60 , Unternehmensarchiv Alusuisse GmbH, Singen. 116 Schulenburg , S . 270f.; Grigoleit ; Informatione n fü r di e Truppe 1964 , S. 24ff. (Bergarbei ter). I n den Geschlechterbeziehungen hiel t sic h di e »Kameradschaft « i n der egalitären un d eman zipatorischen Bedeutung , di e ih r di e Jugendbewegun g un d da s sozialistisch e Lage r gegebe n hatten, Frevert, Frauen-Geschichte , S. 253; Tönnesen , S. 594f.; vgl . z.B . Die Zeit 6.2.70 , Heirats anzeige (»fortschrittlich-kameradschaftliche Lebensgemeinschaft«) . 117 Schulenburg , S. 275ff.; Rogge, S. 55ff; zu m Freundschaftsdiskurs Lemke. 118 Alt e Kameraden 1957/6 , S. 13 . 119 De r Heimkehrer 10.7.58 , S. 1 , ebd. 25.9.78, S. 1 ; Alte Kameraden 1961/7 , S. 11. 120 Ein e der frühen Diagnose n dieser Entwicklung stellt e zu Beginn der sechziger Jahre Dahrendorf,S. 215f .

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Dienstzeit überwiegend positiv dar, und zwar ganz in dem Sinne, wie es die alten Soldate n wünschten . Di e Demoskopi e fragt e solch e Stimmunge n regelmäßig ab . Da s Bemerkenswert e dara n wa r di e Diskrepan z zwische n den Erwartunge n de r Wehrpflichtige n a n ihr e Bundeswehrzei t un d de n Erinnerungen, di e si e danac h bewahrten . A m Anfan g stan d di e Hoffnun g auf beruflichen Aufstie g - als o persönliche Motive. 24 Prozent der im Jahre 1956 befragten »junge n Männer« erwarteten , beim Militär »eine technisch e Spezialausbildung« z u bekommen , di e si e fü r ih r spätere s »Fortkommen « gebrauchen könnten ; di e meiste n allerdings , 3 9 Prozent , betrachtete n di e Sache als Muss, das man hinter sich brachte, um nicht später, »wenn es mir vielleicht gar nicht mehr passt«, aus dem Beruf gerissen zu werden. Andere Aspekte spielte n ein e untergeordnet e Rolle . Ganz e sech s Prozen t zo g di e Aussicht an , ein e »Sach e fü r richtig e Männer « kenne n z u lernen. 121 Nac h Ableistung de s Wehrdienstes sa h das Bild völlig ander s aus. Im Rückblick auf de n Wehrdiens t meinte n be i eine r - freilic h einig e Jahr e späte r unte r anderen Wehrpflichtige n mi t de r Möglichkei t vo n Mehrfachantworte n durchgeführten - Umfrag e zwa r imme r noc h 3 5 Prozent , etwa s gelern t z u haben. 38 Prozent jedoch blickten mit Stolz auf die Abhärtung zurück. Und 73 Prozent schwärmten von der Kameradschaft, di e sie beim »Bund« erleb t hatten.122 Die »alten« Kamerade n konnte n zufrieden sein , und Mitte der sechzige r Jahre ware n si e e s auch . De m Ziel , ihr e »Erfahrunge n vo n gestern « mi t denen de r »heranwachsende n Generatio n vo n morgen « z u verklammern , schienen sie dank der Wehrpflicht nähe r zu kommen. »Glücklich schätzen « konnte sic h ihre r Meinun g nac h nu r ei n Staat , de r »vo n Mensche n getra gen« wurde, die eine »solche Haltung« i m Militär erworben hatten und von dort »ins Zivilleben « hinei n trage n konnten . »J e meh r Staatsbürge r einma l des Erlebnisse s echte r Kameradschaf t teilhafti g werden , dest o breite r un d intensiver wird auc h da s Gefühl eine r Kameradschaf t werden , di e schließ lich da s ganz e Vol k umfasst. « Kur z nac h de m Mauerba u i m Mär z 196 2 bezog dies e Visio n soga r »di e Zone « mi t ein . Den n auc h dor t wuchsen , dank Wehrpflicht, Kamerade n heran. Auch die NVA hatte wie die Bundeswehr di e Kameradschaf t mi t große n Letter n i n da s Buc h ihre r Kardinal tugenden eingetragen. 123 Di e hübe n wi e drübe n dor t verankert e Kamerad schaft würde , s o di e Vorstellun g de r westdeutsche n Wehrmachtveteranen , 121 Jahrbuc h fü r öffentlich e Meinun g 1957 , S.155 . Daz u auc h di e ebenfall s 195 6 durchge führte Studi e de s Allensbache r Instituts : Freiwilli g zu r Bundeswehr ? Allensbac h 195 6 (i m Besit z des Verf.), hie r bes. S.52ff. 122 Weltz , S . 67, infratest-Umfrag e vo n 1964 . Schlecht e Erfahrunge n mi t Kamerade n hatte n drei Prozen t gemacht. Vgl. eine andere Allensbacher Umfrage , Informatione n fü r die Truppe 1966 , S.315ff. 123 Bundeswehr , z.B . Handbuch Inner e Führung (1957). Für die NVA Rühmland, S . 112f .

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wie ei n aufblühende r Kei m zu r nationalen Einhei t fuhre n un d die NVA sic h folglich »al s Bumeran g fü r di e SED-Machthabe r auswirken«. 124 Dies e Vision vo n de r große n »Kameradschaft , di e da s ganz e Vol k umfasst « un d irgendwann erneu t politisc h einige n würde , gehört e u m 196 0 zu m kulturel len Haushal t de r westdeutsche n Veteranen . Anfan g 196 2 erlebt e si e noc h einen Höhepunkt , al s di e Bundesweh r durc h ihr e Hilfseinsätz e be i de m Grubenunglück i m Saargebie t un d de r Hochwasserkatastroph e i n Hambur g bewies, wa s di e zivil e Gesellschaf t a n de r militärische n Kameradschaf t hatte: »Schut z un d Rettun g fü r di e Wehrlosen , Sicherun g eine r friedvolle n Zukunft unsere s Volkes«. 125 Aber de r Schei n trog . Schleiferskandal e hatte n da s Imag e de r Bundes wehr un d ihre r Sozialkultu r scho n frü h ramponiert . 197 0 erschie n Günthe r Wallraffs Tagebuc h seine r Bundeswehrzeit , ei n forta n unte r Jugendliche n vielgelesener Augenzeugenberich t de r »inhumane n Absurditäte n de s Drills« un d der »Pathologien de r militärischen Moral« , di e de n Verfasser i n die Psychiatri e gebrach t hatten. 126 Vo n de r Geborgenhei t i m Kameraden kreis hatt e e r nicht s erleb t un d woh l auc h nicht s erlebe n wollen . Wallraf f fand viele Nachfolger un d Wissenschaftler, di e der Sache analytisc h au f den Grund gingen. 127 Wen n si e Ervin g Goffman s Theore m vo n de r »totale n Institution« au f da s Militä r übertrugen , s o bescherte n si e de r Öffentlichkei t begriffliche Klarheit , abe r kei n neues , sonder n nu r ei n ander s bewertete s Bild al s das, welches di e Militärpädagoge n frühe r gezeichne t hatten : Demü tigungen z u durchwate n wurd e nich t meh r al s notwendig e Etapp e de r Mann-Werdung gefeiert , sonder n als sinnlos und inhuman denunziert . Dieser Wertewande l vollzo g sic h vo r de m Hintergrun d eine r soziale n Umschichtung: De r Gegensat z zwische n Militä r un d Gesellschaf t ver schmolz mi t de m zwische n Bildungs - un d Unterschichten . De r Abiturien t verweigerte de n Wehrdienst, de r Hauptschüler gin g zu m Bund. Die Offizie re, die sei t 197 3 eingestellt wurden , rekrutierte n sic h zu etwa 7 5 Prozent au s sozialen Schichten , di e vo r 194 5 dafü r nich t i n Frag e gekomme n wären. 128 Damit verkehrte n sic h nich t nu r di e soziale n Grundlage n de s Militär s ge genüber de r erste n Hälft e de s 20 . Jahrhundert s vollständig , sonder n auc h die zivilgesellschaftliche n Machtverhältnisse , di e de n öffentliche n Diskur s über da s Militä r bestimmten . Ehede m ware n e s di e aristokratische n un d gebildeten, »sozia l erwünschte n Kreise « gewesen , di e da s Offizierkorp s gestellt un d bestimm t hatten , wa s un d wi e übe r da s Militä r öffentlic h gere det wurde . Nu n zoge n sic h dies e zu m öffentliche n Rede n prädestinierte n 124 Alt e Kameraden 1962/3 , S. 3f., Zitat e S. 4. 125 Ebd. , S. 1 . Vgl. De r Heimkehrer 10.3.62 , S. 8 u.ö.; 25.3.62, S. 7. 126 Wallraff , Zitat e aus dem Klappentext der Ausgabe von 1992 . 127 Storie s in Oliv; Armanski; Treiber ; Nobbe; Koch, Unterwerfungsrituale; abwägen d Pahs. 128 Kutz , Militär, S . 298; Bald, Militär, S . 92ff .

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Kreise vom Militär zurück. Immer mehr waren es die Wehrdienstverweige rer und Zivildienstleistenden, di e das Sagen hatten, oder aber solche Wehrpflichtigen, di e nolens volens eingerückt waren und sich ihren Zorn ob der Vergewaltigung ihre r Persönlichkeit durch das Militär von der Seele schrieben. Da s wa r di e Kehrseit e de r soziale n Öffnun g de s Offizierkorps : Da s Militär verlor mit der Bildungsschicht auc h das Sprachrohr, das die »soldatischen« Wert e de r zivile n Gesellschaf t zu r Nachahmun g un d Verehrun g empfahl. Der Zwang zu r Entindividualisierung , frühe r gerad e al s hehr e Aufgab e der militärische n Initiatio n gepriesen , gerie t nu n zu m Gegenstan d eine r lauten Kritik . Di e Kameradschaft gal t nich t länge r al s Triebfede r de r Ver edelung, sonder n de r Verrohung. End e der siebzige r Jahr e löste n Bericht e über de n Alkoholmissbrauc h un d de n »Terror« , de n di e Wehrpflichtige n untereinander exerzierten, Entsetzen in der Öffentlichkeit aus . Der »Heilige Geist« schien , of t i m kollektive n »Suff« , Urstän d i n de r Bundesweh r z u feiern, brutal e Hackordnungen , Aufnahme - un d Einstandsriten , sadistisch e Gewaltexzesse, zwangsweis e verabreicht e eiskalt e Duschen , demütigend e Beschimpfungen, de r »Budenterror« un d die »Rotarsch-Kultur« zu m militärischen Alltag z u gehören. 129 In der Öffentlichkeit verdichtet e sic h der Eindruck, die »Schule de r Nation« verkomm e zur »Saufschule de r Nation«, in der da s Lo b au f di e Kameradschaf t »menschenunwürdige « Zuständ e blo ß verschleiere, wen n di e Kameradschaf t nich t überhaup t di e Ursach e dafü r war.130 Gruppenterror un d Hackordnunge n kannt e da s Militä r nich t ers t sei t 1980. Neu war die Sensibilitä t de r Öffentlichkeit. De r Gemeinschaftsterro r passte nicht mehr in das Bild, das die zivile Gesellschaft vo n sich selbst und vom »Bürger i n Uniform« pflegte . Sei t End e der sechziger Jahre nahm der Anteil de r Wehrpflichtige n zu , di e sic h au f da s Grundrech t de r Kriegsdienstverweigerung beriefen . 196 8 überstieg ihr e Zahl erstmal s die Grenze von 10.000 , um dann auf über 60.000 u m 198 0 und auf 100.00 0 u m 199 0 zuzulegen.131 Di e rechtliche Erleichterun g de r Wehrdienstverweigerung u m 1980 war Ausdruck de s säkularen Mentalitätswandels . End e der neunzige r Jahre zo g de r Antei l de r Verweigere r mi t de m de r Wehrdienstleistende n gleich. Di e jüngeren Generatione n akzeptierte n di e militärisch e Sozialisa tion als Voraussetzung de r Mann-Werdung nich t mehr. Der Zivildienstleistende orientiert e sic h a n eine m alternative n Männlichkeitsideal , da s di e dramatisierte Geschlechterpolaritä t un d de n übe r di e zivil e Gesellschaf t 129 Ganser , Technokraten , bes . S. 53ff, Süddeutsch e Zeitun g 6.9.8 0 (»Subkultur i n der Bun deswehr«); Presseklärun g de s Verteidigungsministerium s »Bundesweh r un d Alkohol « v . 26.7.79 , Fachinformationszentrum de r Bundeswehr Bonn , Dok. U 6292. 130 Zitate : Westdeutsche Zeitung 5.3.81 (»Schlaglicht. Kameraden«) . 131 Bald , Militär , S . 118ff. ; Frevert, Nation, S . 338ff .

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erhabenen Männerbun d verschmähte . Soziale , kulturelle , auc h moralisch e Kontinuität zwische n Jugend - un d Erwachsenenphas e un d di e partner schaftliche Näh e zu realen Frauen im Arbeitsleben waren gefragt stat t bloß imaginierter Weiblichkei t al s Stimulan s un d Foli e männliche r Stärke . Da s Krankenhaus oder Altersheim als Ort des Zivildienstes übte diese Nähe ein. Nicht di e informell e Hackordnun g un d eiserne s Zusammenstehe n vo n Männern standen hier auf dem Lehrplan, sondern die Kooperation zwischen Krankenschwestern un d jungen Männer n (wie konfliktreich dies e auch sein mochte).132 Spätesten s i m wiedervereinigte n Deutschlan d de r neunzige r Jahre büßte der Wehrdienst vollends seine ehedem hegemoniale Bedeutun g ein. De r Zivildienstleistende stan d nu n gleichberechtig t nebe n de m Wehr dienstleistenden. Di e zivil e Gesellschaf t einigt e sic h darauf , das s beid e ihren Teil für die Gemeinschaft beitrügen. 133 Wer zu m »Bund « ging , ta t die s freilic h imme r noc h i n de r Erwartung , technisch-berufliche Qualifikatione n z u erwerbe n un d Kameradschaf t z u erleben.134 Un d e r wurd e nich t enttäuscht . Noc h z u Begin n de r neunzige r Jahre empfanden wehrpflichtig e Soldate n zu 77 Prozent die Kameradschaf t als wichtigste s Erlebni s ihre r Dienstzeit. 135 Abe r wa s fü r ein e Kamerad schaft wa r das ? Di e Bundesweh r sei , ließe n Inside r verlauten , ein e kalte , »unpersönliche Armee«. 136 Kameradschaf t könn e sic h nich t wirklic h auf bauen, wei l nac h Dienstschlus s fas t jede r nac h Haus e fahre . I m Militä r selbst griff der zivile, ums eigene Leben kreisende Wertehorizont Platz und durchlöcherte di e Kameradschaft. Dami t nicht genug. Of t schien es , als ob sich di e Kameradschaf t überhaup t nu r daru m drehe , di e Wochenendheim fahrten z u organisieren , ode r abe r geradez u gege n Rech t un d Ordnun g gerichtet sei. 137 Kameradschaft bestand , so der Eindruck, darin , sic h gegenseitig Auto s auszuleihen , u m di e Freundi n z u besuchen , »mi t de n Reife n beim TÜV « z u schwindel n un d »di e letzte n fün f Mar k au f de n Kopf « z u hauen, »wen n ein e Rund e fälli g sei«. 138 I n diese m Verdach t klan g de r Schulterschluss nac h außen und das kleine gemeinsam e Verbreche n an , an dem die Kameraden tatsächlich seit eh und je gearbeitet hatten. Die offiziel le Sprachregelung stellt e es als böse Kameraderie de r guten Kameradschaf t gegenüber. Abe r dies e verbal e Trennun g grif f nich t mehr. Selbs t di e Bun 132 Bartjes,S . 123ff. 133 Frevert , Nation, S. 346 und S. 424 A. 93. 134 Birckenbach , S. 206ff, 298f. 135 Lippert , Ende, S. 15. 136 Grafe/Zimmer , S.416ff. 137 Lippert , Problemfeld , S . 92ff.; Hee r 1986/1 , S. 13. Der Wehrdienst i m Urteil von Mannschaftsdienstgraden de s Heeres, Gutachten 8/8 9 des Sozialwiss. Instituts der Bundeswehr (1989), S. 9, Fachinformationszentrum de r Bundeswehr Bonn, Dok. SA 7271. 138 Schmitt , Rock, S. 69f.

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deswehrführung wusste , das s beid e ihre n Ursprun g i n de r informelle n Gruppe hatten , di e erwünsch t war , obwoh l si e doc h di e Gefah r barg , sic h als »verschworen e Gemeinschaft « mi t eine m kriminelle n Ehrenkode x z u umgeben und als »Krebsschaden« i n der Truppe zu wirken. Im Bild , da s sic h di e zivil e Gesellschaf t vo m Innenlebe n de s Militär s machte, rückte die im Dunkel des moralischen Sumpf s gärende, schmutzige oder ga r verbrecherisch e Kameradschaf t sei t de n achtzige r Jahre n i n de n Vordergrund; da s facettenreich e Gemäld e vo n de r gute n Kameradschaf t dagegen fiel der Versenkung anheim. Diesem Prozess arbeiteten - freiwilli g und unfreiwillig - jung e un d alte Soldate n vor. Denn beide schottete n sic h und di e Kameradschaf t zusehend s vo n de r zivile n Gesellschaf t ab . Diese r Prozess freilic h hatt e ein e Vorgeschichte , di e i n di e unmittelbar e Nach kriegszeit zurückreichte . Da s Stigma de s großen Verbrechen s haftet e zwa r an den Tätern aus NSDAP, SS, SD und anderen Säulen des Terrors, der im Namen Hitler s übe r Europ a verbreite t worde n war . Abe r all e Ehrenerklä rungen deutsche r Politiker , all e altruistisch e Kameradschaft , all e Beteue rung demokratischer und völkerversöhnender Gesinnun g der alten Soldate n in Deutschland hatte n de n Duns t de s Verbrechens nich t absauge n können , der über dem nationalsozialistischen Krie g und seinen Kriegern hing. 5 5 % der westdeutschen Bevölkerun g ware n 195 3 der Auffassung, das s man den deutschen Soldate n i m vergangene n Krie g kein e »Vorwürf e übe r ih r Ver halten i n de n besetzte n Gebiete n machen « könne , immerhi n 2 1 Prozen t jedoch ware n gegenteilige r Meinung , un d fas t ebens o viel e (1 8 Prozent ) waren unentschieden . Knap p di e Hälft e de r Westdeutsche n hegt e als o Argwohn gege n di e alte n Soldaten. 139 Di e Legend e vo n de r »saubere n Wehrmacht« stiftet e i m Nachkriegsdeutschlan d keinesfall s gesellschaft lichen Konsens . Andererseits fan d auc h di e Schlussstrich-Forderun g nich t nur Zustimmung. Noch 195 8 - unte r dem Eindruck des Ulmer Einsatzgruppen-Prozesses - ware n di e Westdeutsche n mehrheitlic h (z u 5 4 Prozen t i n einer Umfrage) de r Auffassung, we m Verbrechen i m oder vor dem Kriege nachgewiesen würden , de r müsst e »auc h heut e noc h dafü r bestraft « wer den.140 Die westdeutsche Gesellschaf t teilt e sic h i n den fünfziger un d sechzige r Jahren, wen n e s u m di e NS-Vergangenhei t ging , i n dre i Segmente , di e jeweils ei n grobes (möglicherweise zwische n eine m Viertel un d der Hälft e schwankendes) Dritte l ausmachten . Eine r diese r Teil e wa r indifferen t un d desinteressiert. Ei n weiterer Tei l bewahrt e positiv e Erinnerunge n a n Krie g

139 Jahrbuc h für öffentliche Meinun g 1947/55 , S. 137 . Vgl. B A Koblenz, Β 145/4224. 140 Jahrbuc h fü r öffentliche Meinun g 1958/64 , S. 221.

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und NS-Zeit insgesamt . Ei n dritter Tei l nah m kritischere Positione n ein. 141 In den fünfzige r un d sechzige r Jahre n genos s da s zweite ›Drittel‹ , z u dem die Veterane n zählten , ein e Ar t politisch e Immunität . Si e stellte n ei n z u großes Wählerpotential dar , al s das s es von den Massen- und Integrationsparteien hätte außer acht gelassen werden können. Keine Gemeinschaft freilic h ohn e die Anderen, ohn e die, die nicht dazu gehören. Nationen , Staaten , Gesellschafte n suche n si e außerhalb , imme r aber auc h innerhal b de r eigene n Grenzen . Demokratie n un d pluralistisch e Gesellschaften möge n dabe i zurückhaltende r vorgehe n al s ander e Staats und Gesellschaftsformen . Gan z verzichte n könne n si e darau f nicht . Da s Andere de r westdeutsche n Demokrati e firmiert e zunächs t al s Totalitaris mus. Diese r Kampfbegrif f richtet e sic h gege n kommunistisch e ebens o wi e faschistische Diktaturen . Auf welches der beiden Feindbilder die Bundesrepublik de n Akzen t setzte , konnt e aufgrun d de r innere n Kämpf e u m Deu tungshegemonie un d Machtpositione n nu r umstritten sein . Di e Veteranen bewegung hatt e ihr e antikommunistisch e Gesinnun g i m Ostkrie g unte r Beweis gestellt . Dies e Seit e de s Antitotalitarismu s bo t ih r i n de r junge n Demokratie eine ideale Heimstatt. Die Opfe r un d Verfolgten de r NS-Volksgemeinschaft musst e dies e Ak zentuierung des Antitotalitarismus empören. Das Andere der pluralistischen Demokratie erschöpfte sic h für sie nicht im Kommunismus, sondern speiste sich auc h au s de m Nazismus . Ih r Sprachroh r bildete n vo r alle m di e Ge werkschaften un d di e link e Presse . Di e Veteranenbewegun g bo t sic h al s Zielscheibe fü r beid e gesellschaftlich e Institutione n an . Den n ander s al s etwa die SPD waren sie nicht auf Wählerstimmen angewiesen . Als »Feinde der Demokratie« denunziert e der DGB 195 4 in einer mehrfach aufgelegte n Schrift di e »73 2 Soldaten - un d Militärtraditionsverbände« , di e e r hatt e ermitteln können. 142 Durc h ein e meh r suggestiv e al s argumentierend e Zu sammenstellung war f di e Anklageschrif t di e wenige n rechtsextreme n un d die vielen politisc h neutrale n Verein e i n den »braunen« Topf . Was si e genau trieben, war unklar. Es blieb die Unterstellung, das s die Soldatenbünd e 141 3 1 Prozen t eine r Befragtengrupp e vo n übe r 30jährige n Westdeutsche n ga b 196 1 an , be reits vo r Kriegsend e vo n de r »MassenVernichtun g de r Jude n gehört « z u haben , Jahrbuc h fü r öffentliche Meinun g 1958/64 , S . 229. Wi e seh r solch e un d ähnlich e Erinnerunge n übe r di e Jahr zehnte hinweg be i eine m Teil de r ehemaligen Soldate n - nebe n allen Viktimisierungs- , Entschul dungs- un d Verschweigungsstrategien - bewahr t blieben, dokumentieren di e i n den achtziger und neunziger Jahren, nicht zuletzt i m Zusammenhang mi t de r Wehrmachtausstellun g durchgeführte n Oral-History-Projekte un d di e dabe i artikulierte n Zeitzeugenstimmen , vgl . au s de r Füll e de r einschlägigen Beiträg e (di e sic h bi s i n di e Leserbriefspalte n de r Zeitunge n alle r Ar t fortsetzten ) nur Beckermann und Rosenthal, Krieg. 142 Di e Ausgabe von 195 4 i n AdsD Bonn , OS, VdS , Kaste n 176 . Zur Ausgabe von 1956 , in der auch der Heimkehrerverband als Partner des Kyffhäuserbundes unte r den »Feinden der Demokratie« rubrizier t wurde, vgl. Der Heimkehrer 10.2.57 , S. lf .

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mit ihrem sozialfürsorglichen Program m und ihrem Bekenntnis zur Demokratie ihre n »eigentliche n Zweck « nu r »tarnen « wollten , tatsächlic h abe r den Geis t de s Militarismu s un d Nationalismu s wiederbelebe n wollten. 143 Dieses Bil d vo n de r Veteranenkultu r zo g sic h al s Seitenlini e durc h di e Massenmedien de r fünfzige r un d sechzige r Jahre . Imme r wiede r ertönte n Stimmen, di e vor der »Kriegsromantik« , di e de n Krie g zu m »große n Ausflug i n die weite Welt« verklärte, warnten.144 Der Argwoh n de r Gewerkschafte r entspran g nich t nu r de r »verschwö rungstheoretischen Versuchung « (D . Groh), der nachgibt, we r die Komplexität seiner Umgebung als Bedrohung erfährt und ein Feindbild braucht, um das eigen e Ic h ode r Wi r z u festigen . De r Faschismus- ode r Nazismusvor wurf, de r sic h mi t de m Militarismusverdach t verknüpfte , wa r ein e Waff e der »Linken « i m innenpolitische n Kamp f gege n di e »Rechten« . Unte r de r Losung »Die Demokratie ist in Gefahr« mobilisiert e die hessische Arbeiterjugend im Sommer 196 0 2.000 Anhänger zu einer Demonstration gegen ein geplantes Treffe n de r Nachwuchsorganisatio n de s Kyffhäuserbundes , di e von der Jungen Union Schützenhilfe erhielt . Der Bund sagte das Treffen ab, die Protestkundgebung fan d dennoc h statt , Eric h Kuby hiel t di e Hauptred e und feierte de n Sie g übe r die »Militaristen« , noc h bevor es zur »Schlacht « gekommen sei. 145 Solche Protestaktione n richtete n sic h zunächst kau m gegen di e politisc h unauffälligen Traditionsverbände . Allmählic h geriete n jedoch auc h si e in s Visier des Kampfs gegen den »Rechtsextremismus«.146 I m Zuge der Studentenproteste verschärfte n sic h di e Fronte n allerorten . I n Tübingen , w o di e Ehemaligen de r 78. Sturmdivisio n i n der städtische n Gesellschaf t fes t ver ankert waren, empfinge n Studente n 196 8 die Teilnehmer de s 6. Divisionstreffens mi t Flugblätter n »Gege n Neofaschismu s un d Militarismus « un d einem »Teac h in « au f dem Marktplatz , al s sic h di e Veterane n gerad e ver sammelt hatten . Abe r fü r da s Meinungsklim a diese r Zei t wa r charakteris tisch, dass die lokale Presse die handgreifliche »Belehrun g über die Psycho-

143 Entschließun g de s Jugendrat s de r Stad t Mannheim , Mannheime r Morge n 10.11.51 . Vgl . Deutsche Soldaten-Zeitun g 1957/ 3 (»Gewerkschafte n gege n Demokratie«) ; De r Heimkehre r 10.4.56, S. 5 (»Die kalt e Schulter des DGB«). 144 Ruhr-Wor t (Essen ) 7.10.61 ; Di e Zei t 19.6.59 , daz u De r Heimkehre r 10.7.59 , S . 7. Zu r Fernsehsendung »Di e schönste n Jahr e meine s Lebens “ Alt e Kamerade n 1960/2 , S . 2; Informatio nen für die Truppe 1960 , S. 178ff. ; SPD-Pressediens t 18.2.60 , AdsD Bonn, ZASS, D W 2-2d6. 145 Frankfurte r Rundscha u 26.7.60 , Deutsch e Zeitun g 23. , 28.7.60 , National-Zeitun g un d Neues Deutschland (DDR) , beide 26.7.60. 146 Alt e Kamerade n 1962/6 , S. 2; Schreibe n vo n R.K . fü r den TV der 291 I.D . über »kommu nistische un d gewerkschaftlich e Gegenpropaganda « gege n Veranstaltunge n diese s Verbande s (dem auc h de r Historike r Werne r Conz e nah e stand ) i n Gelsenkirchen , u.a . 15.8.54 , 12.5.5 5 (Zitat), BA-MA , M P 28, v.3.

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logie de r alte n Frontsoldaten « wohlwollen d kommentierte , di e dies e de n SDS-Vertretern erteilten. 147 In den fünfziger un d sechziger Jahren wurde dieser Strei t um die Wehrmacht noc h nicht vo n de n große n Parteie n selbst , sonder n vo n ihre n Vor feld- un d Jugendorganisatione n ausgetragen . Auc h di e SP D hielt sic h zu rück; wahltaktisch e Motiv e un d da s Ziel, di e Integratio n de r Veteranen i n den Staat nicht zu gefährden, möge n dabei ineinande r gespielt haben. Aber seit de n siebzige r Jahren , spätesten s i n de n achtzige r Jahre n gliche n di e Fronten im Streit um die Veteranenbewegung imme r mehr denen zwischen den beiden große n Parteien. Von Anfang a n war die HIAG ein besonderes dankbares Objekt der Mobilisierungsbewegung gege n de n Rechtsextremismus gewesen . Imme r wiede r sagte n Stadtverwaltunge n geplant e Treffe n von HIAG-Verbänden au f Druck der Öffentlichkeit, de r NS-Opferverbände oder aufgrun d vo n Proteste n au s de m Auslan d ab. 148 Da s Bemühe n de r ehemaligen Waffen-SS-Soldaten , al s »Soldate n wi e ander e auch « (Kur t Schumacher) anerkannt zu werden, verfing nicht , trotz aller demonstrative n Abgrenzung vo n de r Allgemeine n S S un d insbesonder e de m SD. 149 Di e Waffen-SS, di e mi t de r gesamte n S S da s Stigm a de s Nürnberge r Urteil s trug, konnte den Verdacht nicht abstreifen, de n Holocaust zu verharmlosen, sich insgeheim der mit Ortsnamen wie Oradour verbundenen Verbrechen zu rühmen, i m Stillen Toast e auf den »Führer« auszuspreche n ode r alte Nazilieder abzusingen. 150 Sei t End e 1979 , de m Jahr , i n de m de r Fernsehfil m »Holocaust« ein e neuartig e Betroffenhei t unte r de n Deutsche n auslöste , mehrten sich die Stimmen i n der SPD, die auf Parteiausschluss von HIAGAngehörigen plädierten. 151 U m 198 0 wurd e di e HIA G i m Verfassungs schutzbericht der SPD-gefuhrten Bundesregierun g al s »rechtsextremistisch « gebrandmarkt. Nac h de m Regierungswechse l vo n 198 2 wurd e diese r Ein trag nich t fortgeführt , wa s di e SP D unter Protes t zu r Kenntni s nahm. 152 In den folgende n Jahre n schosse n sic h di e Massenmedie n au f di e HIA G ei n

147 Schwäbische s Tagblat t 9.9.68 ; Protokol l de r Mitgliederversammlun g de s KH W 78 , 7.9.68, KH W 78 Tübingen. 148 Fü r di e fünfzige r Jahr e Kittel , Legende , S . 149ff. ; Frankfurte r Rundscha u 7.10.65 ; Südd . Zeitung 12.5.66 ; Alt e Kamerade n 1959/5 , S. 2; ebd . 1963/7-8 , S . l l f.; ebd . 1959/10 , S . 6, gegen läufige Tendenzen . 149 Vgl . z.B. Frankfurter Rundscha u 26.9.65. 150 Presse-Diens t de r HIA G v . 21.6.60 , Ads D Bonn , OS , HIAG ; Vorwärt s 2.8.57 ; Vorwärt s 30.6.77; De r Spiege l 9.4.79 , S.67ff ; ppp-Korresponden z (SPD ) 12.6.89 , S . 6, Treffe n i n Nessel wang. 151 De r Spiege l 12.2.79 , S . 41ff; ppp-Pressediens t 10.11.8 1 Dagege n noc h Südd . Zeitun g 16.11.78. 152 Frankfurte r Rundscha u 24.8.83 , Stuttgarte r Zeitung 27.8.83 .

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und inszenierten mit der SPD oder ihr nahestehenden Gruppierunge n spek takuläre Proteste gegen HIAG-Treffen. 153 Nicht nur die HIAG freilich gerie t ins Schussfeld de s Kampfs gegen den Rechtsextremismus. Bereit s 196 6 hatt e de r Schriftstelle r Rudol f Krämer Badoni eine n Skanda l entfacht , al s er seine Festrede au f einer Gedenkfeie r des Heimkehrerverbande s un d de s Vd K i n de n Worte n gipfel n ließ : »Di e Barbaren i m letzten Krieg waren wir“. 154 Im Laufe de r siebziger Jahre fan d diese Vergangenheitsbewältigun g i n de r Sozialdemokrati e einflussreich e Fürsprecher und nötigte di e Veteranen imme r häufiger z u rechtfertigende n Erklärungen.155 Die Veteranen, ehedem im Besitz einer hegemonialen Deu tungsagentur, geriete n in s Abseits . Nich t meh r sie , sonder n di e andere n bestimmten, wa s un d wi e übe r di e kriegerisch e Vergangenhei t gerede t wurde. Die vielbeachtete Rede des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker bildete 198 5 einen Meilenstein i n dieser Entwicklung, di e Debatte um die Wehrmachtsausstellung sei t 199 5 brachte sie zum Abschluss.156 Mit de r Stigmatisierun g de r alten Soldate n verändert e sic h auc h di e Se mantik der Kameradschaft. Ihr e reinigende Wirkung lie ß immer mehr nach. Manche Repräsentante n de r Veteranenbewegun g hatte n e s de n Kritiker n ohnehin schon früh leich t gemacht. Nach seiner Entlassung au s der französischen Haft fordert e de r hochdekorierte Genera l de r Fallschirmjäger Ram cke auf einem Veteranentreffen 195 1 di e »sofortig e Freilassung « nich t nur der kriegsgefangenen Wehrmacht - un d Waffen-SS-Soldaten , sonder n auc h »unserer tapfere n Kamerade n vo m SD«. 157 Skandal e u m Auftritte ehemali ger NS-Generäle auf Veteranentreffen ga b es in den fünfziger un d sechziger Jahren imme r wieder . Di e HIA G vollzo g i n de n sechzige r Jahre n eine n großen Schrit t in s gesellschaftlich e Abseits , al s si e de n i n de r eigene n Truppe populären General Sep p Dietrich als Galionsfigur au f ihren Treffe n 153 Vgl . z.B . Frankfurte r Rundscha u 26.5.8 3 (Hersfeld) ; ebd . 8.3.8 4 (Ba d Harzburg) ; Ster n 29.3.84, S . 220ff. (Oberaula) ; Südd . Zeitun g 5. , 29.4.85 , Zei t 26.4.85 , Ster n 23.5.85 , S . 34ff. (Nesselwang, mi t de r bi s dahi n größte n Gegendemonstratio n unte r Beteiligun g vo n 5.00 0 Perso nen), ta z 26.10.85 (Hamburg) ; Südd . Zeit 10.4.8 6 (kei n Treffe n meh r i n Nesselwang); ta z 22.6.9 7 (Glückstadt). 154 De r Heimkehre r 10.12.66 , S . lf . (»Fas t ei n Skandal«) , daz u di e Leserbrief e i n ebd . 10.1.67, S. 9, die die »Ehrfurcht vo r unseren Opfern« einforderten . 155 S o widmet e sic h de r Festredne r de s 8 . Divisionstreffen s de r 78 . Sturmdivisio n 197 6 de s längeren einschlägige n »Verleumdungen« , währen d dies e frühe r mi t eine m Sat z ode r einem Wor t - de m Beharre n au f de r Reinhei t de r »Ehre « - abgeta n worde n waren , Redemanuskrip t 19.9.76 , KHW 7 8 Tübingen . Vgl . di e Leserbrief e anlässlic h de s nächste n Treffen s 1979 , di e erstmal s i n größerem Sti l da s »Lei d un d di e Schande , di e Deutschlan d übe r di e Wel t un d sic h gebrach t hat« , thematisierten un d gege n ein e dies e Vergangenhei t beschönigend e Veteranenkultu r vorbrachten , Schwäb. Tagblatt 28., 29.8.79. 156 Assmann/Frevert , S . 258ff; Besuche r eine r Ausstellung ; Ein e Ausstellun g un d ihr e Fol gen. 157 Münchne r Illustriert e 11.8.5 1 (Ramck e fordert : »rehabilitier t SD«‹) .

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vorführte. De r ehemalig e Wehrmachtoffizie r un d Sozialdemokra t Helmu t Schmidt erinnerte die HIAG an ihren eigenen Grundsatz »Beim Verbrechen muss jede alt e Kameradschaf t aufhören« . Ebe n diesen Grundsat z habe di e HIAG durch den Applaus, den sie Dietrich gewährte, desavouiert. 158 Einen »alten Chef « wi e de n Großadmiral Raeder , de r immer »warmher zig« z u seinen Leuten gestanden hatte, als »Kamerad unter Kameraden« z u behandeln, wa r abe r fü r di e Veterane n ei n Muss, das sich au s dem Ehrenkodex ihrer Gemeinschaftsmoral ergab. 159 Es war dies der Punkt, an dem die Bereitschaft de r Veteranen, ihre n Friede n mi t de r zivilen Gesellschaf t un d ihrer pluralistische n Demokrati e z u schließen , ein e Grenz e fand . De r Zusammenhalt de r Kameraden war wichtiger al s die Integration i n die sozial e und politische Umgebung. Gerade diese politische Indifferenz jedoch machte das um das Kameradschaftsideal kreisend e Treiben für die zivile Außenwelt und die Repräsentanten jener Demokrati e suspekt . »Kameradschaf t is t eine gut e Sache« , versucht e de r SPD-Pressediens t z u vermitteln. »Abe r is t Kameradschaft ei n Wer t a n sich ? Raede r wa r ei n Günstlin g Hitler s [...] . Hitler wa r ei n Verbrecher , un d dies e Tatsach e kan n ma n nich t durc h ein e noch so tief empfundene Kameradschaf t verdecken , will man sich nicht den Vorwurf gefallen lassen , das moralische Empfinden se i abgestumpft. Habe n die ehemaligen Marineangehörigen nich t begriffen, das s die Kameradschaf t dort ei n End e finde n muss , w o ei n Angehörige r ihre s Bunde s di e Politi k eines Verbrecher s verantwortlic h unterstützte ? Da s Geset z de r Kamerad schaft gil t nur solange, wie es mit den moralischen Prinzipie n einer Gesellschaft freier Menschen in Einklang steht.« 160 Eine solche inhaltliche Grenzziehun g mocht e gut gemeint gewese n sein , aber sie stand in tiefem Widerspruc h zu jener Gemeinschaftsmoral, welche r der Kameradschaftsmytho s vorgearbeite t hatte . Dies e setzt e de n Gruppen zusammenhalt absolu t un d schert e sic h nich t u m persönlich e Freihei t un d Gewissensbefragung, di e gerade die Verstrebungen de s Wertekanons bildeten, de n da s Bonne r Grundgeset z festgeschriebe n hatte . De r Kamerad schaftsbegriff, de n die Bundeswehrreformer u m Baudissin i m neuen Militär verankern wollten , wa r den n auc h gekoppel t a n »sittlich e Bindunge n [...] , die nur das fordern lassen , was der Lage entsprechend nach bestem Wissen und Gewissen zumutbar erscheint. [...] Ohn e diesen Willen zur persönlichen Verantwortung« könn e es keine »Zivilcourage« , abe r auch »keine tragfähi -

158 Leserbrie f i n Di e Zeit 12.11.65 , zu eine m Berich t übe r das Treffen, ebd . 29.10.65 (»Sep p Dietrich saß auf der Empore«). 159 Frankfurte r Rundscha u 4.7.56 . 160 SPD-Pressediens t 5.6.56 , auc h mi t de n Äußerunge n de s Marinebundes zu m unpolitische n Charakter dieser Kameradschaft, AdsD Bonn, ZASS, HQ 99.

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ge Kameradschaft « geben , »höchsten s ›Kameraderie‹«. 161 De n Vorwurf , dass si e ebenfall s jene r »falsc h verstandene n Kameraderie « anhingen , di e den soziale n Zusammenhal t übe r di e persönlich e Verantwortun g setzte , mussten sic h 196 6 denn auch Bundeswehrangehörige gefalle n lassen , di e i n den Jubel übe r di e Entlassun g de s Großadmiral s Dönit z au s de r Spandaue r Haft eingestimm t waren. 162 Da s Baudissinsche Reformkonzep t un d ein de m Wertegefuge de r pluralistische n Demokrati e angepasste r Kameradschafts begriff fan d i n de r Bundesweh r Anhänger , abe r auc h Gegner . Dies e demonstrierten ih r Kameradschaftsverständnis i n spektakuläre n Sympathie bekundungen fü r prominente, Hitler nahestehende Wehrmachtsoffiziere. 163 Der Aufschwun g de r Friedensbewegun g nac h 198 0 un d di e sinkend e Akzeptanz des Wehrdienstes, dann die Heroisierung de r Deserteure und di e Diabolisierung de r Soldate n al s »Mörder « verfestigte n sic h bis i n die neun ziger Jahre z u eine m Meinungsklima , de m Bundestagsdebatte n un d höchst richterliche Urteil e beredte n Ausdruc k verliehen . Kontrovers e Positione n blieben zwar manifest. De n alten wie de n neuen Soldate n jedoch schlu g de r Wind imme r heftige r in s Gesicht. Si e reagierte n darauf , inde m si e sic h vo n dieser Öffentlichkei t un d dami t vo n de r zivile n Wel t abschotteten. 164 De n Anhängern de r HIA G ode r anderer , früh mi t Kriegsverbreche n i n Verbin dung gebrachte r Traditionsverbänd e wi e de m »Kameradschaftsbun d Fall schirmpanzerkorps Herman n Göring « blie b kau m etwa s andere s übri g al s sich zu tarnen, wollten si e au f ihre Treffen nich t gan z verzichten. 165 Gerad e die Tarnun g eine s Veteranentreffen s al s eine r Urlauberveranstaltun g abe r schien ebens o wie de r Rückzug au f eine »geschlossen e Veranstaltung « de n Verdacht z u bestätigen , de n di e kritisch e Öffentlichkei t ohnehi n gege n di e Traditionsgemeinschaften geheg t hatte : Das s i m Geheime n Subversive s geschehe, das s da s ganz e »Kameradschaftstreiben « nu r de r Pfleg e nazisti scher ode r neonazistischer Gesinnunge n un d der Vertuschung alte r Verbre chen diene . Au f randständig e Organisatione n wi e di e »Still e Hilf e fü r Kriegsgefangene un d Internierte« 166 ode r de n 195 3 vo n de r britische n Be satzungsmacht ausgehobene n »Naumann-Kreis« 167 mocht e da s zutreffen . Aber dies e Zirke l rekrutierte n sic h nich t primä r au s Soldaten , sonder n au s Angehörigen de r Gestap o und de r (Allgemeinen ) SS , wen n auc h los e Ver 161 Baudissin , Red e vo r der Bundeswehrführung, in : Der Heimkehrer 25.7.56 , S . 8. Vgl. Hesslein, S. 18; Handbuch Innere Führung, passim. 162 FA Z 6.8.66 (»Blaue Kameraderie«) . 163 Hereth , S. 13ff.; Abenkeim, S. 188ff. 164 Zu r Bundeswehr Bald, Kriegskult, und versch. Beiträge in Vogt, Militär I/II. 165 Vgl . z.B. Vorwärt s 5.4.8 4 (»Oberaul a gib t e s jedes Jah r 14mal«) ; Süddeutsch e Zeitun g 6.4.85, Die Zeit 26.4.85, Der Stern 23.5.85, S. 34ff., über das HIAG-Treffen i n Nesselwang. 166 Frei , S. 166 (Zitate), zur Sache die freilich au f unklarer Materialbasis fußende Schrif t vo n Schröm/Röpke, bes. S. 39ff., 97ff . 167 Herbert , Best, S. 461ff.; Frei, S. 361ff.

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bindungen zu r HIAG bestanden. Entscheiden d war , das s die HIA G immer wieder in Verdacht geriet, an jenem kriminellen Netzwerk, da s niemand so recht durchschaute , mitzuwirken . Verschärfen d wirkte n sic h di e Kontakt e mancher HIAG-Mitgliede r z u rechtsextremistischen Parteie n wi e de r NPD oder der DVU aus.168 All dies e Aktivitä t stan d i m Zeiche n de r Kameradschaft . Ei n SPD Abgeordneter, der , wiewoh l fün f Jahr e Solda t un d fünf Jahr e i n Kriegsge fangenschaft, derle i Umtriebe zu durchleuchten sich anschickte, musste sich noch 198 2 von seine n »alte n Kameraden « vorhalte n lassen , ei n »Idiot « z u sein, »de r vo n Kameradschaft ni e etwas gehör t hat«. 169 Dass die Kamerad schaft, u m di e e s hie r ging , vo r Mor d un d Verbreche n nich t zurückge schreckt hatte , wa r de r Konsens , au f de n sic h i n de n achtzige r Jahre n di e linksliberale Öffentlichkei t einigte . »Welch e Kameradschaf t wir d hie r ge pflegt? Di e Kameradschaf t de r mörderische n Henke r vo n Klissur a un d Distomon?«, fragt e de r SPD-Abgeordnet e Lambinu s anlässlic h eine s Treffens de r 4 . SS-Polizei-Panzergrenadierdivisio n i n Marktheidenfel d 1984 ; eine ihre r Kompanien hatt e 194 4 i n Griechenland al s Vergeltung fü r eine n Partisanenüberfall 20 0 Männer, Fraue n und Kinder ermordet . Er verwahrte sich i m Namen de r »Generatio n de r ›Nachgeborenen‹ « dagegen , vo n de n SS-Männern mi t »ihre r falsche n Traditionspfleg e un d ihre r Kameraderie « belästigt zu werden.170 Lambinus verwahrt e sic h auc h dagegen , das s di e »Herre n de r 4 . SS Division« sic h al s »Tei l de r regulären ehemalige n Wehrmacht « darstellte n und s o »jede n Landser « fü r di e S S vereinnahmten . Dies e Differenzierun g war charakteristisc h fü r di e Erinnerungspoliti k de r achtzige r Jahre . Di e Kritik konzentriert e sic h au f di e HIA G un d di e Waffen-S S un d lie ß di e Traditionsverbände de r Wehrmach t weitgehen d unbehelligt . Diese n blie b jedoch nur eine kurze Schonzeit. Denn um welche Verbrechen es eigentlich ging, verschwamm i m zivilgesellschaftlichen Diskur s über die alten ebenso wie di e neue n Soldate n zunehmend . Di e alte n Soldate n sahe n sic h nu n immer häufiger allesam t als »Mörder« ode r »Rambos« verschrien , und dies nicht nu r wegen de r Verbrechen gege n Krie g un d Menschlichkeit, di e vor alliierten ode r deutsche n Gerichte n verhandel t worde n waren. 171 I n de r Diffamierung de r Veterane n al s Mörde r artikuliert e sic h vielmeh r jen e 168 Differenzierte s Urtei l be i Dudek/Jaschke I, S.l 1 2. 169 ta z 16.9.8 2 (»NS-Kameradschaf t is t gemeinnützig«, übe r die von dem SPD Abgeordneten Werner Grunert angestoßene Untersuchun g de r Gemeinnützigkeit eine r HIAG-Kameradschaft) . 170 Sozialdemokratische r Pressediens t 15.10.84 , S . 5ff., Ads D Bonn, OS, HIAG. Süddeutsch e Zeitung 16.10.84 ; vgl. Di e Zeit 19.10.84 . 171 »Rambo s vo n gestern« , lautet e de r Tite l eine s Bericht s i n De r Ster n 21.10.93 , S . 245f., über ei n Treffe n de r »Ordensgemeinschaf t de r Ritterkreuzträger « i n Celle , de m ei n Musikkorp s der Bundeswehr aufspielte, währenddesse n Demonstrante n ›»Mörder , Morde n brüllten« , S . 246.

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bereits i m frühe n 20 . Jahrhunder t virulent e »pazifistische « Grundhaltung , für di e de r Krie g schlechthi n ei n Verbrechen , da s tödlich e Geschäf t de r Soldaten Mord, die Soldaten selbst also »Mörder« waren. Aus dieser Opposition gegen den Krieg heraus hatte auch Tucholsky sei n berühmtes Verdikt gefällt.172 De r Vernichtungskrieg , de r vo n Deutschlan d ausgegange n war , schien dieses Verdikt nur zu bestätigen und die Grenze zwischen reguläre m und verbrecherische m Krieg , di e da s Kriegsvölkerrech t zog , al s Farc e z u entlarven. Kameradschaft wa r die Tugend, die den Krieg, welchen auch immer, erträglich machte - auc h für die Veteranen. Eine solche Tugend verlor in dem »pazifistischen« Meinungsklim a de r achtzige r Jahr e jed e Legitimations grundlage. Si e gerie t selbs t i n den Geruch de s Verbrechens, un d das nicht zu Unrecht , wa r si e doc h de r psychosozial e Motor , de r di e individuelle n Skrupel wegen der Teilhabe und ebenso die Erinnerung daran auslöschte. 173 In de r Generatio n de r Nachgeborenen , di e de n Krie g nich t meh r erleb t hatten, regt e sic h wachsende r Eke l vo r de m »Kameradschaftstreiben « un d vor de n »widerwärtige n Kameradschaftsritualen « de r Veteranen. 174 Un d dies ums o mehr , j e weite r sic h di e Veterane n au s de r Öffentlichkei t zurückzogen, also in ein gesellschaftliches Dunke l abtauchten, je meh r sich also di e scheinba r subversiven , konspirative n Koordinate n de r Veteranen kultur verdichteten. Dabei hatt e de r Rückzu g au s de r Öffentlichkei t zunächs t demographi sche Gründe . Di e Kriegsgeneratio n tra t ab . Si e zo g sic h au s de m aktive n Berufsleben auf s »Altenteil « zurüc k un d verlo r scho n dadurc h a n gesell schaftlichem Einfluss . Di e 1910e r Jahrgänge ware n u m 198 0 im oder kurz vor dem Rentenalter, und im folgenden Jahrzehnt erreichten dieses auch die Jahrgänge bi s 1924 , welch e di e Traditionsverbänd e überhaup t noc h hatten rekrutieren können . Imme r meh r Veterane n wurde n gebrechlic h ode r star ben. Bis 197 9 hielt die ehemalige 78 . Sturmdivision, di e hier pars pro toto stehen mag , de n Höhepunk t ihre r große n Treffen , di e »Feierstund e mi t Totenehrung«, au f dem Tübinger Marktplatz ab - ein e eindrucksvolle Ver anstaltung, zu der 197 9 noch rund 1.500 Teilnehmer kamen. Aber schon bei der Vorbereitun g de s nächste n Treffen s 198 2 zeichnet e sic h ab , das s e s deutlich weniger sein würden. Da die »zu erwartende, star k reduzierte Teilnehmerzahl [... ] kei n gutes optisches Bild « eine r solche n Feie r »gegenübe r der Öffentlichkeit« abgebe n würde, verzichtete man auf den Markplatz und verlegte die Gedenkfeier a n das Ehrenmal der Division au f der Neckarinsel der Stad t - eine n pittoreske n Platz , nicht gerad e i m Zentrum der Stad t be172 Hepp/Otto. 173 Vgl . Schröter, Held, S. 39-48. 174 S o ein »Streiflicht« de r Südd. Zeitung 18.4.8 4 anlässlich eines Waffen-SS-Treffens .

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findlich.175 Be i eine r Teilnehmerzah l vo n run d fünfhunder t un d ähnliche n Lokalitäten blie b e s i n de n achtzige r Jahren. 176 Übe r di e Stad t hinau s be kannte Politike r beehrte n di e Veranstaltung , ander s i n de n fünfzige r ode r sechziger Jahren, scho n längst nicht mehr. 177 Das einzige, was an Anerkennung blieb, war die Patenschaft de s Fallschirmjägerbataillons 25 1 der Bundeswehr. In den neunziger Jahre n san k di e Teilnehmerzahl de r Treffen noc h weiter. Die Veteranen verabschiedeten sic h vollends aus der zivilen Öffentlich keit. Si e zoge n sic h i n die militärisch e Subkultu r de r Bundesweh r zurück : Seit 199 2 fanden ihr e Treffen i n der Kaserne des Fallschirmjägerbataillon s 251 i n Cal w statt . Da s war ei n Rückzu g vo n symbolische r Tragweite . E r signalisierte de n endgültige n Verlus t de r dominierende n Stellung , di e di e Veteranen ehede m i m Gefüg e de r kollektive n Kriegserinnerun g gehab t hatten. Nu n hatte n nich t meh r sie , sonder n ander e da s Sagen . Un d dies e sagten auch anderes. 1991 schlug die Presse bissige Töne an. »In militärisch knappen Anweisungen « seie n di e Teilnehme r herumkommandier t worden , vor »gehisste r Deutschlandflagge « hätte n sic h di e »Ex-Kämpfer « versam melt.178 Da s war nu r der Auftakt eine r Kampagne , di e i m Zuge de r Wehr machtsausstellung 199 5 ihren Höhepunkt erreichte. Dabei kam auch die 78. Division in s Gerede . Hatt e de r Vorsitzend e de s KH W 7 8 noc h 199 1 be hauptet, z u Gräueltate n seie n di e deutsche n Soldate n nich t fähi g gewesen , so sorgte nun der Bericht eine s ehemalige n Obergefreite n übe r die Zerstörung russischer Dörfe r durch die Division i m Rahmen der »Taktik de r verbrannten Erde « beim Rückzug i m Winter 1941/4 2 für Wirbel. Anfang Ma i 1995 macht e ei n Zeitungsartike l i n Tübinge n au f dies e Zerstörungsaktio n aufmerksam. De r jahrzehntelange Konsen s zwischen de r Tübinger Stadtgesellschaft un d de n alte n Soldate n zerbrach . A m Volkstrauerta g 199 5 erin 175 Berich t übe r das 10 . Divisionstreffen 17./18.9.8 2 Tübingen , Manuskript , KH W 7 8 Tübingen. 176 Festschrif t de r »78 . Infanterie - un d Sturmdivision « zu m »13 . Treffen « 1989 , Übersich t aber die vergangenen Treffe n S . 35ff. (im Besit z des Verfassers), auch zum Folgenden . 177 Aktenvermer k de s Geschäftsführer s de s KH W au f abschlägige m Beschei d de s Staatsmi nisteriums Baden-Württember g 20.7.8 9 au f eine entsprechende Anfrag e de s KHW. Diese war ach t Wochen lan g unbeantworte t geblieben . KH W 7 8 Tübingen . Entsprechend e Erfahrunge n hatt e di e Veteranenbewegung sei t etw a 197 0 wiederhol t gemacht ; i n diese m J a h r - auc h da s gehör t hier h e r - hatt e sic h erstmali g sei t 194 9 weder de r Bundespräsiden t noc h ein Mitglie d de s Bundestags präsidiums zu r Gedenkstund e de s Volksbunde s anlässlic h de s Volkstrauertage s eingefunden . Gleichzeitig verzichtet e auc h da s Fernsehen au f eine Direktübertragun g de r Gedenkstunde, weil e s sich - zu r Empörun g de r Veteranenpress e - »nich t i n de r Lag e sah , di e z u diese r Zei t laufend e Wild-West-Story, wi e zu m Beispie l be i Fußballkämpfen , z u verlegen«, De r Heimkehrer 30.11.70 , S. 1 . Vgl. ebd . 30.4.73, S. 1 , Absage eine r Teilnahme an den Heimkehrertreffen durc h Innenminis ter Genscher. 178 Schwäbische s Tagblat t 21. , 23.9.91, daz u Schreibe n Geschäftsführe r KH W 7 8 a n Verle ger der Zeitung v. 22. und v. 23.9.91, KH W 78 Tübingen.

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nerten Flugblätter und Transparente a n die »Verbrechen de r 78. Division« , im Januar 199 6 besprühten Unbekannt e di e Gedenktafel au f dem Denkmal der Division mi t roter Farbe, Anfang Septembe r 199 6 wurde diese s Denk mal i n einer vielbeachteten, auc h vom DGB mitgetragenen Aktio n symbo lisch verhüllt, kurz e Zeit später die Gedenktafel gestohlen . De r Veteranenverband zog es vor, sein Gefallenengedenken i m Stillen und unangekündigt zu begehen. 179 Späte r wurd e auc h di e Patenschaf t mi t de m Fallschirm jägerbataillon 251 aufgelöst . Damit zog die Bundeswehr eine Konsequenz aus dem verbrecherische m Fahrwasser, in das sie sich durch Patenschaften diese r Art gedrängt gesehen hatte. In den sechziger und frühen siebzige r Jahre n hatt e sich das Negativbild der militärischen Sozialkultu r am Verhalten der Vorgesetzten und ihrer schikanösen Behandlun g de r Wehrpflichtige n entzündet . Si e ware n di e Opfer. U m 198 0 gerie t auc h di e Kameradschaf t de r Mannschafte n i n de n Geruch des Bösen und Brutalen. Si e wurde zur Chiffre eine r Subkultur, die das Gegenteil al l dessen auf sich vereinigte, was die zivile Wel t hoch hielt. Im Somme r 199 7 schreckt e di e zivil e Öffentlichkei t ei n Ereigni s auf , da s sich anderthalb Jahre zuvor zugetragen hatte. Solange war es aus Kameradschaft ode r Kameraderi e abgedeckel t worden . Sech s Mannschaftssoldate n und ein Unteroffizier de r Bundeswehr hatten einen Fil m gedreht. Z u sehen waren »Spielszene n vo n äußerster Brutalität : Vergewaltigung , Kreuzigung , Hinrichtung un d Folte r vo n Zivilisten , un d zwa r durc h Bundeswehrsolda ten.« Darstelle r ware n di e Soldate n selbst , Angehörig e de s Jägerbataillon s 571 au s Schneeberg . »Offenba r ware n si e auc h di e erste n Rezipiente n de s Films, de r mehrmal s ›i m Kameradenkreis‹ « unte r Beifal l gezeig t worde n sein soll , »auc h vo n Vorgesetzten , di e de n Vorgan g kannte n un d gedeck t hätten«, so wollte zumindest der Fernsehkommentator wissen. 180 Die Empörung war ungeteilt. Di e Autoren des Videos bedienten da s »Stereotyp vom Soldaten al s Mörder « un d pervertierte n »de n Auftra g de s staatlic h legiti mierten Gewaltmonopols im Sinne marodierender, instinktgetriebene r Mör derbanden«.181 Derlei konnte nur in der Untiefe einer Sozialkultur gedeihen, die de n Zusammenhal t - di e Kameradschaf t - übe r alle s stellt e un d de n höchsten Grad der Vergemeinschaftung i m Normbruch auskostete. Der Kommentato r de r Frankfurte r Allgemeinen , de r Kritike r Ulric h Raulff, gemahnt e an die »strenge moralische Ökonomie«, di e der Uniformträger al s Repräsentan t de s staatliche n Gewaltmonopol s z u verwalte n ha 179 Heer , Frauen , S . 47; Schwäbische s Tagblat t 6.5.95 , 20. , 21.11.95 , 2.9.99 ; Intervie w 7 8 I.D. 180 S o Ulric h Raulf f i n der FA Z 9.7.97 (»Siebe n Mann«) . Vgl . z.B . Rhein-Zeitun g 7.7.9 7 (»Folterspiele in der Bundeswehr«, http://rhein-zeitung.de/on/97/07/07/topnews/bw.html). 181 FA Z 21.7.97, S. 9 (Leserbrief Michael Fenske).

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be.182 Das war ein e hehr e Forderung, di e der offiziellen militärische n Deu tungskuliur entsprach, aber nur wenig mit deren inoffizieller Seit e und noch weniger mit der militärischen Sozialkultuv zu tun hat. Die offizielle Varian te konnte auch am Ende des 20. Jahrhunderts noch so unschuldig präsentier t werden wi e z u desse n Beginn . »Kameradschaf t dien t de r gemeinsame n Erfüllung de s soldatische n Gelöbnisse s un d ha t z u tu n mi t Toleran z un d Herzensbildung«, erklärt e ei n Bundeswehrgenera l i n eine m Zeitungsinter view. Un d weiter meint e er , ganz Bürger i n Uniform: »Di e de m Kameradschaftsideal innewohnend e Toleran z verbiete t politisc h extrem e Äußerun gen. We r si e dulde t ode r verschleiert , kan n noc h nich t einma l au f falsc h verstandene Kameradschaf t plädieren , sonder n mach t sic h de r Beihilf e schuldig. Nein , di e Neonazi-Vorfäll e habe n nicht s mi t Kameradschaf t z u tun«, ereifert e e r sich . Den n u m dies e gin g e s de m Interviewer . »Wa s is t Kameradschaft?«, lautet e sein e Frage . »Is t si e de r Schlüssel , mi t de m wi r die Neonazi-Vorfäll e de r Bundesweh r erkläre n können?«. 183 De r Genera l konnte diesen Verdacht nicht beschwichtigen. Zwische n dem zivilen Beobachter und dem militärischen Inside r fehlte das Verbindungsstück. De r eine beharrte au f dem Bild vo n der »bösen « Kameradschaft , da s sich di e zivil e Gesellschaft nich t z u unrech t gemach t hatte , de r ander e beharrt e au f de m Gegenteil, s o wie es die Soldaten im 20. Jahrhundert gewohnt waren, wenn es galt, di e »böse « Seit e de r militärischen Wel t vo r den Zweifeln de r bürgerlichen Gesellschaf t i n Schut z z u nehmen . Beid e Seite n abe r gehöre n zusammen - Mora l und Bruch mit der Moral.

182 Wi e oben. 183 Frankfurte r Allgemein e Magazi n 1.10.98 , S . 58f. (»Waru m is t es so schön, Solda t zu sein , Herr John?«). Vgl . z.B . De r Spiege l 8.9.97 , S . 1 6 »(»Ungetarn t ausgehen) , übe r ein e Anweisun g des Genera l Inspekteurs de r Bundeswehr , Bagger , a n di e Offiziere , »Anzeichen « ausländerfeindli cher und rechtsextremer Einstellunge n sorgfälti g z u beobachten un d »etwaige Missachtunge n nich t aus falsch verstandene r Kameradschaf t z u verschweigen.« Hie r wie meis t sons t gilt, das s derartig e Normierungen Ausdruc k gegenteiliger Praktike n sind .

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Schluss Die meisten deutschen Männer der Jahrgänge von 191 5 bis 192 5 dienten im Zweiten Weltkrie g i n Hitlers Wehrmacht , insgesam t übe r siebzeh n Millio nen, größtenteils weil si e eingezogen wurde n und keine Wah l hatten , viel e aber auc h freiwillig . Nich t all e machte n de n Krie g vo n Anfan g bi s End e mit. Sie rückten zu unterschiedlichen Zeitpunkten ein; über ein Drittel starb, die meiste n i n de r zweite n Kriegshälfte . Un d si e erlebte n de n Krie g a n unterschiedlichen Schauplätze n i n Europa, die meisten nicht unmittelbar an der Front , sonder n i n rückwärtige n Gebiete n un d al s Besatzungssoldaten . So verschiede n di e Einsatzbedingunge n un d -ort e auc h waren , de r Total e Krieg verwischte die Unterschiede, schob Divisionen von einem Schauplat z zum anderen, und machte aus einem ruhigen Etappenstück ei n Exerzierfel d brutaler Gewalt . Wi e de r Krieg ausgehe n würde , erschie n imme r fragwür diger, je mehr sich die Blitzkriegs- und Allmachtsphantasien verflüchtigten . In der zweiten Kriegshälfte bote n selbst Illusionen über Wunderwaffen un d Hitlers quasireligiöse Sendun g nur prekären Schutz vor solchen Zweifeln. Aber di e Soldate n hielte n durch , i n ungewöhnlich große m Mass e un d ungewöhnlich lange . Si e meuterte n nicht , si e desertierte n auc h kaum , jedenfalls nicht vor den letzten Kriegsmonaten. Si e machten mit, bis zum Untergang. Si e hielte n nich t nu r de n Leide n un d Gefahre n stand , di e ihne n de r Krieg aufzwang. Si e kämpften weiter, nach dem Urteil zeitgenössischer wie auch spätere r militärische r Experte n außerordentlic h effektiv . Ander e Ar meen, die im 20. Jahrhundert gegen übermächtige Feinde kämpften, zeigte n Abnutzungs- un d Ermüdungserscheinungen , di e z u kollektive m Ungehor sam ode r zu m Abbruc h de s Kriege s führten : s o di e französisch e un d di e deutsche Armee i m Ersten Weltkrieg , di e amerikanische i m Vietnamkrieg . Hitlers Arme e is t nich t vo n inne n heraus , sonder n a n de r schiere n Über macht der Feinde zugrunde gegangen. Warum hielte n di e Soldate n durch ? Dies e Frag e läss t sic h nich t be antworten, ohne auf die andere Seit e des Mitmachens i m nationalsozialisti schen Krie g z u blicken. Di e Soldate n - nich t alle und nicht alle i n gleiche r Weise, aber doch viele in unterschiedlicher Form - ware n beteiligt an der Ermordung der europäischen Juden, an der Ermordung von Kriegsgefangenen , an de r Ermordun g vo n Zivilisten , Männern , Fraue n un d auc h Kindern . Warum taten sie das - wide r alle moralischen und völkerrechtlichen Normen

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moderner Kriegführung ? Di e Antwor t lieg t nich t nu r i m Antisemitismu s oder Antikommunismu s de r Soldaten , i n ihre m Glaube n a n Hitle r ode r i n dem drakonische n Repressionsapparat , mi t de m Militärjusti z un d Gestap o die Soldaten terrorisierten. All dies hatte ohne Zweifel nachhaltig e Wirkun gen auf die Gewaltbereitschaft wi e die Leidensfähigkeit de r Soldaten. Aber diese Faktore n allei n erkläre n wede r da s eine noc h das andere. Si e gewin nen erst dann ihre Bedeutung, wen n man si e in Beziehung setz t zu der alltäglichen soziale n Praxi s der Wehrmachtsoldaten, zu r Grammatik de r militärischen Vergemeinschaftun g un d z u dere n moralische n Regeln . Sowoh l diese Deutungs - wie auc h di e Sozialkultu r firmier t unte r dem Rubrum der Kameradschaft. Die militärisch e Kardinaltugen d de r Kameradschaf t is t ei n schillernde s Phänomen. Für Soldaten wa r und ist si e Inbegrif f alle s »Guten « i m Krieg , Inbegriff vo n »Menschlichkeit« , gegenseitige r Fürsorge , emotionale r An teilnahme, Opferbereitschaft . Au s de r heutige n Sich t de r Zivilgesellschaf t und viele r Wissenschaftle r erschein t si e dagege n ehe r al s Synony m fü r dunkle, männerbündisch e Machen - un d Seilschafte n un d deren menschen verachtende Gewalt , ein e Brutstätt e de s »Bösen « schlechthin . Beid e Sicht weisen sin d nu r i n ihre r moralisierende n Einseitigkei t falsch . Si e biete n durchaus eine n Schlüsse l zu m Verständni s de s »Mitmachens « de r Wehr machtsoldaten, wenn man sie aufeinander bezieh t und ihre moralische Aufladung historisch verflüssigt . Kameradschaft i m Sinn e vo n gegenseitiger , physische r wi e psychische r Unterstützung, soziale r Nähe , »menschlicher « Wärm e ha t de n Soldate n durchaus geholfen, di e Widrigkeiten, Entbehrunge n und Gefahren de s militärischen Alltag s vo n der Kaserne bi s a n di e Fron t zu ertragen. Solch e fe minin kodierte Kameradschaft ha t es ihnen erleichtert, mit der als männlich geltenden Härt e des Krieges, besonders mit der emotionalen Belastun g de r erlittenen un d de r moralische n Belastun g de r selbs t ausgeübte n Gewal t zurecht z u kommen . Di e »menschliche « Seit e de r Kameradschaf t macht e das »unmenschliche « Gesich t de s Kriege s erträglich , moralisc h wi e emo tional. Denn das Töten im Krieg, nicht nur das von jeher als verbrecherisch geltende Morden unbewaffneter Gegner , sondern auch das »reguläre« Töten bewaffneter Gegne r konnt e selbs t i n eine r s o star k militarisierte n Gesell schaft wie der nationalsozialistischen nu r gebrochen erfahren werden. Allerdings hatt e Kameradschaft nich t nur diese kompensatorische Funk tion. Si e wirkt e gleichzeiti g al s Moto r der Gewalt, un d zwar de r reguläre n wie de r verbrecherischen . Den n di e kameradschaftlich e Fürsorg e beruht e auf einem Tauschgeschäft . Nu r wer si e zu spenden bereit war, wurd e ihre r auch teilhaftig . S o jedenfalls lautet e di e Regel . Si e wa r di e Grundlag e de s Konformitätsdrucks, de n di e Soldate n vo m Eintrit t in s Militä r a n spürten . Es hieß, nicht »aus der Reihe zu tanzen«, sonder n mitzumachen, wobei und 272 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35154-4

wozu auch immer. Etwa bei de r Manöverübung un d auf dem Kasernenhof , denn we r d a »auffiel« , wa r verantwortlic h fü r di e Kollektivstrafe , di e di e ganze Einhei t erhielt. Ode r beim Gefechtseinsatz; we r da hinten blieb, galt als Feiglin g un d wurd e mi t Verachtun g bestraft . Di e Drohun g mi t de m sozialen Tod, mit dem Ausschluss aus gegenseitiger Fürsorge und Kommunikation wa r de r Kit t de r militärische n Gruppenkultur . Ihr e Bedeutun g is t nur dan n angemesse n z u erfassen , wen n ma n sic h di e Alternativlosigkei t dieses Gruppenlebens vor Augen führt. Wer nicht mehr mit seinen Kameraden rede n konnte , hatt e niemande n mehr , mi t de m e r rede n konnte ; di e briefliche Kommunikatio n mi t de r Heima t konnt e dafü r nu r eine n schwa chen Ersatz bieten, und dies auch nur schreibfreudigen Soldaten . Keinerle i Ersatz bot sie für das, was Kameradschaft i n einer Umgebung bedeutete, in der einer auf den anderen angewiese n war , u m physisch z u überleben. Kameradschaft kreiste , ander s al s Freundschaft , nich t u m individuell e Wün sche un d Sympathien . Freund e sucht e ma n sic h aus , u m z u tun , wa s ma n gerne tat . Kamerade n wurde n eine m zugeteilt , mi t ihne n musst e ma n aus kommen. Al s Leitbegrif f eine r Zwangsgemeinschaf t wa r Kameradschaf t mit einem Imperativ versehen . Er lautete: Mitmachen , was auch immer die Gruppe für gut, richtig und zweckmäßig hielt . Gut wa r alles , wa s da s Gruppenlebe n selbs t bereicherte , wa s als o vergemeinschaftend wirkte . Der ultimative Tes t auf die Bereitschaft mitzu machen, wa r de r kollektiv e Bruc h de r vo n auße n gesetzte n Norm . Kein e Gemeinschaft ohn e Grenzen, ohn e die andere n ode r das andere , was nich t dazugehörte. U m als Man n unte r Männer n anerkann t z u sein , musst e ma n bereit sein , auc h Verbotenes z u tun, unter Aufsicht de r Kameraden. I n der Kasernenzeit gal t es , de m Terro r de r Ausbilde r z u widerstehen , un d de n anderen z u decken , wen n e r sic h etwa s hatt e zuschulde n komme n lassen . Denn gerad e dies , di e Deckun g ode r Vertuschun g vo n Verfehlungen , wa r das Elixier , da s di e Gemeinschaf t »zusammenschweißte« . Scho n i n de r Rekrutenzeit verschwamme n di e Norme n de r militärische n Obrigkei t mi t den Norme n de r zivile n Gesellschaft . De n Schinde r auflaufe n z u lasse n stiftete Gemeinschaft , abe r auc h de r Ehebruc h ode r di e Prahlere i mi t de m sexuellen Abenteuer . A m meisten s Prestig e i n de r Männergesellschaf t ge noss, im Mittelpunkt ihres Gemeinschaftslebens saß , wer sich am wenigsten um di e vo n auße n ode r obe n gesetzte n Norme n schert e un d al s Zugpfer d der Vergemeinschaftun g durc h da s Verboten e wirkte , wa s imme r da s sei n mochte. Eben diese inhaltliche Umbestimmtheit war das Signum der Kameradschaft: das s si e di e Intensivierun g de s Gruppenlebens , de n soziale n Zusammenhalt, di e sozial e Verdichtun g übe r alle s stellt e un d ein e neue , jedenfalls de r Zivilgesellschaf t gegenübergestellte , funktional e Mora l ent wickelte, die da lautete: Gut ist, was der Gruppe nützt. 273 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35154-4

Was der Gruppe nützte, war nicht ein für allemal festgelegt . Führerwitz e mochten daz u ebens o gehöre n wi e da s Schimpfe n au f ungerecht e Vorge setzte. Und mitunter auc h de r Schut z von politisch oppositionelle n Kame raden. Aber die Wehrmacht war kein Hort des Widerstands gege n da s NSRegime un d seine Vernichtungspolitik. Daz u waren Rassismu s un d HitlerMythos zu breit und der auf die »Volksgenossen« un d ihre Soldaten gerichtete Terrorappara t z u fes t verankert . Di e Apotheos e de r Gruppenmora l wirkte nich t al s Bremsklotz , sonder n al s Schmierö l de r Vernichtungsma schinerie wi e de r Kriegsmaschinerie . Nich t nu r ein e tapfe r überstanden e Schlacht, auch Übergriffe gege n die unterworfene Zivilbevölkerun g vermit telten kollektive Omnipotenzgefuhle. Di e Gruppe feierte sic h selbst und die soziale Souveränitä t de s Männerbundes , da s Bewusstsein , übe r di e zivil e Moral (und internationale Kriegsgesetze) erhaben zu sein. Sie definierte di e Regeln de s Zusammenlebens ne u - ode r si e mocht e sic h doc h dieser Illu sion hingeben. Zweifel, Skrupe l und Hemmungen wirkten dennoch, vor, beim und nach dem Mord von Zivilisten. Aber das Faszinosum de r Gruppenmoral bestan d gerade darin , das s si e de n Einzelne n vo n solche n Zweifel n entlastete , un d zwar i n de m Maß e wi e e r sic h jene r Mora l unterordnete . We r sic h de r Gruppe beugt e un d anpasste , we r ih r sei n eigene s Lebe n opfert e ode r z u opfern bereit war, wer mit ihr etwas »ausfraß«, we r mit ihr tötete oder auch mordete, de r wusste, das s ih n kein e persönlich e Schul d befiel , wa s imme r er mit de r Grupp e tat . Kameradschaf t bedeutet e dahe r nich t nu r Gruppenzwang, si e bedeutet e auc h Freiheit , kein e individuelle , sonder n kollektive . Und si e bedeutet e sozial e Nähe , soziale s Erlebe n (nich t nu r physische s Überleben), sozial e Verdichtung , Gemeinschaft , gemeinsam e Macht . De r Bruch de r Norm und die kollektive Gewal t schufe n ers t sozial e Beziehun gen und Ordnungen. Nicht nur das Verhältnis zwischen ziviler und militärischer Gesellschaf t wurd e s o geregelt, sonder n auc h da s zwischen de n Geschlechtern. Homoerotische »Wärme« demonstriert e ebenso wie kollektiver Normbruch Erhabenheit über die Welt der Frauen. Dass die sogenannte n Primärgruppe n schnel l zerfiele n ode r aufgeriebe n wurden, beraubte die Wehrmacht keineswegs ihre r sozialen Kreativität . Im Gegenteil. Di e Soldaten , zuma l di e de r erste n Kriegsjahre , lernte n scho n durch Versetzungen, sic h stets in neue soziale Zusammenhänge einzuleben . Am End e de s Krieges , unte r de n zuletz t einberufene n Jahrgängen , droht e diese Fähigkei t infolg e schlechte r Ausbildun g un d kurze r Lebenszei t ab handen zu kommen. Aber trotz dramatisch steigende r Todesraten garantier ten »alt e Obergefreite « un d Unterfähre r sozial e Kontinuitä t un d sozial e Kreativität. Die s wa r auc h ei n Effek t de r sic h dramatisc h steigernde n Gewalt, di e de r Wehrmach t entgegenstand . Kameradschaf t wa r nich t nu r 274 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35154-4

Motor der Gewalt. Gewal t wirkte auc h als Motor der Kameradschaft. Phy sische Destruktion bildete die Grundlage sozialen Erlebens. Wie wi r durc h Beobachtunge n vo n Wissenschaftler n un d Zeitgenosse n wissen, wa r soziale r Zusammenhalt , Kameradschaf t also , kein Spezifiku m der Wehrmacht. Si e findet sic h in allen Armeen, wenn auch in unterschiedlicher Intensitä t un d Form. Ähnliches läss t sic h fü r männerbündisch e Ver gemeinschaftung durc h Verbotene s un d de n dabe i wirkende n soziale n Druck sagen . Di e auc h außerhal b de s Militär s anzutreffende n Variante n dieses soziale n Grundmuster s reiche n vo n de r temporäre n Absonderun g junger Männe r i n de n »Männerhausern « vo n Stammeskulture n bi s hi n z u kriminellen Formatione n wi e de r Mafi a ode r viele n Gangs. 1 Ein e kompa rative Verortun g de r Wehrmach t i n diese m komplexe n historische n un d sozialen Gefüg e überschreite t di e Möglichkeite n diese r Studie . Si e ordne t die Kultursoziologi e de r Wehrmach t stattdesse n i n di e Geschicht e de s 20. Jahrhunderts ein . Den n der sozial e Zusammenhal t de r Wehrmach t un d die sozial e Relevan z de r Kameradschaf t läss t sic h nich t erkläre n ohn e di e Vorgeschichte dieser Tugend im kriegerischen und zivilen Diskur s seit dem Ersten Weltkrieg. Die praktische Wirksamkei t de s Leitbildes de r Kameradschaft wa r nicht nur ein e Folg e de r militärische n Sozialisatio n i n de r Wehrmach t ode r de r vormilitärischen Sozialisatio n i n Hitlerjugend un d Arbeitsdienst. Di e deutsche Gesellschaft arbeitet e vielmeh r bereit s geraum e Zei t vo r 193 3 a n der Umbildung de s durc h christlich e un d aufklärerische Traditione n geprägte n Moralsystems, da s di e persönlich e Verantwortun g zu r Richtschnu r de s Handelns machte . Mi t diese r Mora l konnt e di e Frag e nac h de r Schul d a n den materiellen wi e immaterielle n Folge n un d den Leichenbergen de s Ersten Weltkrieges nicht mehr beantwortet werden. An deren Produktion hatte die meiste n erwachsene n Männe r al s Soldate n un d de r Res t de r Bevölke rung i m Rahme n de r psychologischen , ideologische n un d ökonomische n Mobilmachung de r Heimatfron t mitgewirkt . Di e moralisch e Verunsiche rung durc h de n Massento d wa r kei n deutsche s Spezifikum , un d auc h di e Art und Weise, wie si e schließlic h i m Kameradschaftsmythos aufgefange n

1 Di e de r Männerbewegun g verpflichtet e Soziologi e tendier t auc h i n ihre n anregendere n un d fundierteren Beiträge n (Kimmel , Böhnisch/Winte r u.a. ) dazu , übe r de m Zwangscharakte r de r männlichen Sozialisatio n al s eine s Übergangs - un d Initiationsritual s de n Macht- , Ordnungs - un d Vitalitätsaspekte männliche r Vergemeinschaftun g qu a Normbruch , Gewal t un d Verbrechen , auszublenden (wi e die s analo g auc h Brownin g i n seine r a m Μilgram-Experiment orientierte n Pionierstudie geta n hat) . Die Rezeption disparate r Literatu r könnte inspirierend wirken; Sighel e se i als frühe r Klassike r de r Massentheori e genannt , Paol i fü r di e Mafi a un d Bufor d fü r di e Thugs ; grundlegend sin d Sofskys Arbeite n zu r Gewalt un d Popitz' Machtsoziologie, auc h wen n dies e di e emotionalen Dimensione n nu r streifen .

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wurde, war keine deutsche Besonderheit. Erinnerunge n an die Kriegskameradschaft pflegten Veterane n auch anderswo.2 Aber Kameradschaf t blie b i n Deutschlan d nich t nu r ei n Residuu m de s militärischen Erinnerungskults . Si e strahlt e au f di e Zivilgesellschaf t aus , zunächst au f di e männlich e »Hälfte « da s bürgerlich-nationalistische n Milieus, aber schon seit den zwanziger Jahren auch auf den Rest der Gesellschaft, au f di e weiblich e Hälft e un d insbesonder e au f da s sozialistisch e Milieu. Da s heiß t keinesweg s etwa , das s jede r einzeln e Deutsch e de m Mythos de r Kameradschaf t erlege n gewese n wäre . Gemein t ist , das s di e Deutungsagenturen de r soziale n Milieu s i n Deutschlan d konsensuel l au f den Kameradschaftsmythos un d die moralische Grammatik, di e er empfahl, einschwenkten - un d »Dissidenten « e s folglic h imme r schwere r hatten , öffentlichen Rückhal t z u finden . Dies e Vergesellschaftun g de r Kamerad schaft wa r um 193 0 abgeschlossen. 193 3 folgte ih r die Verstaatlichung de r Kameradschaft; si e wa r offensichtlic h ein e deutsch e Besonderheit . Nu n waren es nicht nur die Milieuorgane, sondern der totalitäre Staat und die mit ihm verschmelzende NSDAP, die die Moral der Kameradschaft zu m unentrinnbaren Zwan g machte n un d ihr e Terrororgan e au f di e Abweichle r an setzten. Worin bestan d di e Mora l de r Kameradschaft ? Si e wa r alle s ander e al s eindeutig. Ein e individuell e Not e besa ß si e i n de r Jugendbewegung , di e maßgeblich z u ihrer Popularisierung beitrug . Kameradschaft hatt e hier eine ähnliche Bedeutun g wi e Freundschaft , de r Leitbegriff selbs t gewählter und auf persönliche Bedürfniss e abgestellte r Beziehungen . Dies e zivile Seman tik der Kameradschaft gin g zwa r nie völlig verloren , auch unter den Wehrmachtsoldaten nicht . Abe r si e verblasst e vo r de r militärische n Bedeutun g schon seit 191 8 im Zuge der kollektiven Arbei t an dem vergangenen Krie g und der Vorbereitung auf einen neuen Krieg. Im Militär war Kameradschaf t im Sinn e gegenseitige r Fürsorg e un d Kooperatio n nich t in s Beliebe n de s Einzelnen gestellt , un d si e gründet e nich t nu r auf persönlicher Sympathie . Sie geriet zur unentrinnbaren Pflicht . Si e bedeutete: Abdikation de s Individuums vo r de r Gemeinschaft , vo r dere n Zusammenhal t un d wi e imme r definierten Aufgaben . Kulturanthropologen habe n fü r dies e Gruppenmora l de n Begrif f de r Schamkultur gepräg t un d de r Gewissenskultu r gegenübergestellt . Das s diese Schamkultu r nac h 191 8 di e i n Deutschland (wi e i n anderen »moder nen« Industrieländern ) fes t verankert e Gewissenskultu r zurückdränge n 2 Vgl . fü r Frankreic h nu r Pros t un d fü r Englan d Bourke , Dismembering , bes . S . 124-170 . Dass dies e Hinweis e un d di e i m Tex t folgenden , au f Publikatione n wi e dene n vo n Bourk e un d Prost beruhende n Bemerkunge n kei n Ersat z fü r ein e komparativ e Untersuchun g de r Kamerad schaftserinnerung ode r -praxis sein können, steht außer Frage .

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konnte, hatt e zwe i au f einande r bezogene , i n de r Kriegserfahrun g ver schmelzende Gründe . Zu m einen , das s di e Gesellschaf t mi t de r Bewälti gung de r Kriegsfolgen , vo r alle m de r emotionale n un d moralischen, über fordert war . Dies e Belastun g tra f Deutschlan d aufgrun d seine r Niederlag e sowie de r Demütigung un d Schuldzuweisung durc h den Versailler Vertra g härter als alle anderen am Ersten Weltkrieg beteiligte n Nationen. Und eben dies erleichtert e i n Deutschlan d de n Aufstie g de r Schamkultur , desse n Grammatik der Kameradschaftsmythos formulierte . Zum anderen abe r wirkte i n dieselbe Richtun g di e soziokulturell e Frag mentierung Deutschland s al s eine s »latecomers « unte r de n europäische n Nationalstaaten. Sei t etw a de r Jahrhundertwend e regt e sic h wachsende s Unbehagen an der Zersplitterung i n Klassen, Konfessionen, Regionen, nicht zuletzt a m Geschlechterkonflikt . Di e Überlagerun g solche r Konflikt e mi t der prekären , sozialdarwinistisc h interpretierte n Stellun g Deutschland s i m internationalen Mächtekonzert evozierte die Sehnsucht nach der Umbildung der nationalen Gesellschaf t i n eine groß e Gemeinschaft, i n der die innere n Gräben zugeschüttet wären. Diese Vision schie n sic h im »Geist von 1914 « zu erfüllen - abe r nur, um alsbald umso heftiger enttäusch t zu werden. Die Niederlage Deutschland s 191 8 interpretierte n di e Zeitgenosse n nich t al s Folge ökonomisch-strategische r Unterlegenheit , sonder n al s Resulta t inne rer, sozialer und politischer Uneinigkeit. Die Dolchstoßlegende war der eine Ausdruck dieser Deutung, der Kameradschaftsmythos - als o die Annahme, dass die Fronteinheiten die nationale Zerrissenheit überwunden hätten - de r andere. Während de r NS-Zei t un d i m Zweite n Weltkrie g habe n sic h di e Deut schen di e Mora l de r Schamkultu r keinesweg s vollständi g angeeignet . Au f persönliche Verantwortun g abstellend e Deutungssystem e bliebe n i n Kraft , ebenso die Sehnsuch t nac h einem »eigenen Leben « (Böll ) mit Familie und Freunden, da s weder de r großen Volks - noch der kleinen Soldatengemein schaft untergeordne t war . Un d schließlic h ga b e s durchau s Alternative n zum Mitmachen , zuma l a m Verbreche n gege n Juden , Kriegsgefangene , Zivilisten, Fraue n un d Kinder . E s gab Alternativen un d Auswege, wi e da s Beispiel vo n Judenrettern au s den Reihen de r Wehrmacht zeigt. 3 Abe r solche Beispiel e ware n äußers t selten . Si e ereignete n sic h i n eine m soziale n Raum, in dem jene Gruppenmoral ungleich beherrschender war als in anderen kriegfuhrenden Gesellschafte n Europa s oder Nordamerikas im 20. Jahrhundert. Welche auc h immer man in Augenschein nimmt , andere Nationen 3 Vgl . nebe n de n instruktive n Fallstudie n be i Wette , Retter , di e Dokumentatio n de r Brief e Wilm Hosenfelds ; si e spiegel n auc h da s obe n erwähnte , »freundschaftliche « Kameradschafts verständnis wider ; di e Bemerkunge n de s Hg . hierz u i n der Einleitun g ebd. , S . 22, 36f. , 50 , 57 , 82 , rekurrieren freilic h au f einen unreflektierten Begrif f von Kameradschaft .

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im Ersten oder im Zweiten Weltkrieg, di e Franzosen i m Algerienkrieg, di e Amerikaner i m Vietnamkrieg , di e Brite n i m Falklandkrieg , stet s wa r de r Erwartungshorizont de r Soldate n vo n de r Gewisshei t geprägt , das s ein e einigermaßen intakte Zivilgesellschaft ihr e militärische Welt in Schach hielt und das s si e Aussich t hatten , i n dies e Zivilgesellschaf t zurückkehre n z u können.4 Diese Aussich t jedoch wa r de n Wehrmachtsoldate n verstellt . Si e konn ten, vo n Ausnahme n abgesehen , nich t wissen , wi e e s selbs t nac h eine m verlorenen Krieg weitergehen würde. Sie konnten nicht wissen, was aus der rückblickenden Perspektiv e au f da s 20 . Jahrhunder t s o selbstverständlic h erscheint: das s au f di e verbrecherisch e Gewal t un d de n totalitäre n Terro r schnell ein e anhaltend e Friedenszei t und , wenigsten s i m Weste n Deutsch land, ein e stabil e Demokrati e un d pluralistisch e Gesellschaf t folge n wür den. Si e mochte n au f ei n End e de s NS-Regime s nac h eine m verlorene n Krieg hoffen , abe r wa s danac h komme n würde , wa r höchs t gewiss . Immerhin hatte n di e Wehrmachtsoldate n bereit s eine Nachkriegszeit erleb t und als Kinder , Jugendliche ode r Erwachsene di e Erfahrung gemacht , das s politische Regim e wechselten , eine s abe r überlebte : de r militärisch e Kult , die soldatische n Werte , da s Prestig e dessen , de r i m Krie g sein e Pflich t getan hatte . Da s Handel n un d Nicht-Handel n de r Soldate n i m NS-Krie g lässt sich ohne diesen restriktiven Zukunftshorizont kaum begreifen. Nach dem Krieg ermöglichte n di e Siegermächte, das Wirtschaftswunde r und di e Anstrengunge n de r Deutsche n selbs t das , worau f viel e Soldate n gehofft hatten : ein »eigene s Leben« . Di e meisten wollte n de n vergangenen Krieg vergessen , s o schnel l un d s o weit al s möglich . Si e überließe n - i m Westen - da s Reden darüber jener Minderhei t ehemalige r Soldaten , die die militärischen Ideal e un d mi t diese n di e Kameradschaf t rette n wollte n vo r der Stigmatisierung durc h die Nähe zum Verbrechen und vor dem Sog der Wohlstandsgesellschaft. Di e Arbeitsteilun g zwische n schweigende r Mehr heit un d redende r Minderhei t sichert e de m Kameradschaftsmytho s bi s i n die siebzige r Jahr e eine n dominante n Plat z i n de r kollektive n Erinnerun g der Deutsche n a n de n Krie g - un d a n de n Holocaust . We r sic h al s gute r Kamerad bewähr t hatte , konnt e kei n schlechte r Mensch , kei n Verbreche r gewesen sein , hatt e e r doch den überzeitliche n ebens o wie de n neuen, demokratischen Werte n de r Humanität , Versöhnung , Solidaritä t un d Egalitä t vorgearbeitet. S o lautete di e Botschaft , di e der Kameradschaftsmythos nu n verkündete - au f de n große n un d kleine n Treffe n de r Veteranen , i n ihre n gedruckten un d mündlichen Erinnerungen , un d über diese Zirkel hinau s in den Massenprodukten der Unterhaltungsindustrie. 4 A m wenigsten gil t dies sicher für die Sowjetunio n

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Die hegemonial e Stellun g de r »überzeugten « Veterane n gründet e nich t zuletzt auf ihrer Stellung im zivilen Leben. Viele saßen an den Schaltstellen der politische n un d gesellschaftliche n Macht , i n Parlamenten , Pressehäu sern und Personalbüros. Um 198 0 aber trat die Kriegsgeneration de n Rückzug i n de n Ruhestan d an . U m 199 0 wa r diese r Prozes s i m wesentliche n abgeschlossen; de r letzt e zahlenmäßi g relevante , einberufen e Jahrgan g (1925/26) erreicht e di e Pensionsgrenze . Gleichzeiti g diskutiert e di e zivil e Gesellschaft i n diesem Jahrzehnt , angestoße n durc h außenpolitische Ereig nisse wi e da s amerikanisch e Hochrüstungsprogram m un d abgeschlosse n durch da s End e de s Kalte n Krieges , ih r Verhältni s zu m Militä r kritische r denn je zuvor . Die Spaltung zwischen ziviler und militärischer Gesellschaf t bildete de n Hintergrun d de r neuen Debatt e u m die NS-Vergangenheit un d die Rolle, die gewöhnliche Deutsch e darin gespielt hatten . Für die militärische Tugend der Kameradschaft, di e das NS-Regime verstaatlicht hatte und die dahe r de r symbolisch e Bezugspunk t de r Neonazis de r neunzige r Jahr e wurde, blieb in der zivilen Gesellschaf t kei n Platz mehr. Individualisierun g und Pluralisierun g ware n mi t de r Grammati k de r bedingungslose n Unter ordnung unter die Gemeinschaft nich t in Einklang z u bringen. Der »Brockhaus« erkannte das rechtzeitig. Sein e Redakteure entsprachen einer verbreiteten Stimmung , al s si e i n der jüngsten Neuauflag e ihre r große n Enzyklo pädie dessen , wa s z u wisse n sic h lohnt , ander s al s i n alle n frühere n Ausgaben darau f verzichteten , de m Begrif f de r Kameradschaf t eine n Ein trag z u gönnen. 5 Kameradschaf t is t i n de r zivilen Wel t zu m Un-Wor t ver kommen. Si e is t Geschichte. S o jedenfalls schein t es . Ob der Schei n trügt , ist eine Frage an die Zukunft, auf die der Historiker keine Antwort weiß.

5 Brockhau s Enzyklopädie in 24 Bänden., 19 . Aufl., Bd . 11 (1990), S. 380, dagegen z.B. dasselbe in 20 Bänden, 17. Aufl., Bd . 9 (1970), S. 666.

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Quellen- und Literaturverzeichnis 1. Archivalien und ungedruckte Quellen Aachen-Kornelimünster - Bundesarchiv-Zentralnachweisstell e (BA-ZNS) RM 13 RM 123 RW 55 W11 Berlin - Bundesarchi v (BA) NJ 1704 R 8034 II 2871 und 2872 SAPMO Ry 1 2 II 113 Bonn - Archiv der sozialen Demokratie (AdsD) Nachlass Fritz Erler Organisationssammlung des Parteivorstandes der SPD (OS) Zeitschriftenausschnittssammlung de s Parteivorstandes der SPD (ZASS) Bonn - Fachinformationszentru m der Bundeswehr verschiedene Dokumente Bonn - Verban d der Heimkehrer e. V. unverzeichnete Unterlagen Chicago - Universit y of Chicago Library, Department of Special Collections Edward Shils Manuscript Series Morris Janowitz Papers Darmstadt - Hauptstaatsarchi v Η 13 Darmstadt, 979 = LG Darmstadt, Ks 2/54 ./. Nöll, Zimber u. Magel Freiburg/Br. - Bundesarchiv-Militärarchi v Η 20/288 MP 4 : HIAG MP 23: Schicksalsgemeinschaft de r Heimkehrer aus Werschetz-Mitrovica-Jugoslawie n MP 25: Regimentskameradschaft Infanterie-Regimen t 1 7 MP 28: Traditionsverband der ehem. 291. Infanterie-Divisio n MP 29: Traditionsverband 65. Infanterie-Divisio n RHD 4 RHD 23

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Hamburg - Pressearchi v des Spiegel- Verlags Bestand D 37/MD39 Koblenz - Bundesarchi v Β 145 Koblenz - Landeshauptarchi v Rheinland-Pfalz (LHA ) Best. 700 , 153 : Sammlung vo n Feldpostbriefen, Tage - und Notizbüchern Köln - Historische s Archiv des Erzbistums Köln Best. Collegium Carolinu m Bon n (CLB), Kriegsbriefe Zweite r Weltkrie g Best. 130/82 , Dienstakten Liese r Konstanz - Stadtarchi v S II 3047: 1 Her Tag 1925-193 7 S II 3052: Heimkehrertage 1934-193 9 S II 3859: Volkstrauertag 1919-193 3 S II 5791: Offizierstreffen 1885-192 7 S II 9237 114e r 1906-194 0 S II 9449: 114er , Kapelle Riesenber g S II 9451: Schlageterdenkmal 1933-194 5 Leipzig, Sächsische s Staatsarchiv : Bestand Rudol f Sack, Landmaschinenba u Leipzig , Nr. 399 Ludwigsburg - Stadtarchi v Depositum des Traditionsverbandes der 260. I.D. Ludwigsburg - Zentral e Stelle der Landesjustizverwaltunge n 202 AR-Z 228/59 II-114 AR 1755/6 1 Nartum - Kempowski-Archi v Unterlagen wie i m Register der Selbstzeugnisse verzeichne t Sigmaringen - Wehrbereichsbibliothe k Sign. F 1000-327 : Tagebuc h vo n Oberleutnan t Juliu s Haller , 8 . (M.G. ) K . I.R. 46 0 Feldpost.-Nr . 38061 Singen - Unternehmensarchi v Alusuisse GmbH unverzeichnete Unterlage n Stuttgart - Arbeitsgemeinschaf t für Kameradenwerk e un d Traditionsverbände e. V. unverzeichnete Unterlage n

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Stuttgart- Verban d der Heimkehrer e. V., Landesverband Baden-Württember g unverzeichnete Unterlage n Tübingen - Kameradenhilfswer k 7 8 e. V. unverzeichnete Unterlage n Verschiedene Unterlage n (Kopie n und Originale) i m Besitz des Verfasser s

2. Ungedruckte Selbstzeugniss e Verzeichnet sin d nur die häufiger zitierte n Bestände . I n den Anmerkungen zitier t nach dem Muste r Quellenart Nachname , als o »Brief e Wißmann « (mi t Datum) , »Tagebuc h Kreißler « (mi t Datu m oder Seite ) - i m Unterschie d z u de n gedruckte n Quellen , di e wi e üblic h i n umgekehrte r Ordnun g zitiert werden , als o etwa : »Böll , Briefe « (un d Seitenangab e und/ode r Datum) . Da s Verzeichni s beschränkt sic h au f di e häufige r zitierte n Bestände . Di e mi t * gekennzeichnete n Namen sin d Pseudonyme. Farnbacher, Fritz , geb . 22.7.1914 , 193 0 gehobener Justizdienst , vo m Wehrdiens t zunächs t wege n Ausbildung dor t zurückgestellt , Novembe r 193 7 einberufen , Artillerieregimen t 103 , 4 . PD , Polenfeldzug, Frankreichfeldzug , 193 9 Unteroffizier , 1.11.194 0 Leutnan t d.R. , 194 1 Ostfront , zuletzt Abteilungskommandeu r un d Hauptmann , 9.5.194 5 Sowjet . Gefangenschaft , 19.5.194 8 Heimkehr. Material : Tagebuch , 1941-194 8 (masch . Abschrift , i m Besit z des Verf., vorh. auc h in BA-MA); briefliche Mitteilunge n a n den Verfasser . Groß*, Werner , geb . 25.9.1914 , gest . 18.11.1964 , Soh n eine s Landmaschinenhändler s i n Höhr , externe Oberrealschulzeit i n Barmen, Abitu r 1933 , dann HJ-Mitglie d un d Ausbildung zu m HJ Führer i n verschiedene n Arbeits- , Sport - un d Wehrlagern , 193 6 Eintrit t i n di e Wehrmacht , 1939 Leutnant , zuletz t Hauptmann . Material : Brief e a n Elter n au s Schul- , HJ - un d Kriegszei t 1930-1945, vorh. LHΑ Koblenz, Best. 700,153, Nr. 286-291 . Kreißler*, Kurt , geb. 27.12.1912, Vate r Postbeamter und 1914/1 8 Kriegsteilnehmer, aufgewachse n in Südbaden , Berufsberater , zuletz t i n Konstanz , HJ-Führer , vo r Einberufun g zu r Wehrmach t stellv. Bannführer , End e 194 1 zu m Regierungsinspekto r ernannt , Apri l 194 0 bi s Kriegsend e Soldat, zuletz t Unteroffizier , kurz e Zeit i n amerikanischer Gefangenschaft , späte r Jugendheim leiter. Material: Brief e a n die Elter n und tagebuchartige, größtenteil s während des Krieges verfasste »Erinnerungen « (Kopi e im Besitz des Verf.). Kreißler*, Paul , 4.1.1912 geb . un d aufgewachse n i n Lahr , Brude r vo n Kur t Kreißler , Studiu m de r evang. Kirchenmusi k a m Kirchenmusikalische n Institu t i n Heidelberg , 193 6 Organis t i m Be zirk Freiburg , 193 9 aus nicht näher zu klärende n politische n Gründe n Wechse l nac h St . Geor gen; Mär z 194 0 bi s zu r schwere n Verwundun g i m Jul i zunächs t u.a . i n Frankreich , dan n i m Osten al s Schreibe r eine r Stabsbatteri e de s Artillerieregiment s 8 5 de r 101 . Jägerdivision, zu letzt Unteroffizier ; sei t 193 7 verheiratet ; 193 8 Gebur t de r ersten , 194 1 de r zweite n Tochter . Nach de m Krie g Fachhochschulprofesso r fü r Musik . Material : Kriegstagebuc h (Kopi e i m Be sitz des Verf.). Langer, Franz-Josef , geb . 6.1.1916 i n Osnabrück, kath. , Vate r Kommunalbeamter , Mittler e Reife , dann Dekorationsmaler , verheiratet , 193 7 RAD, ab Nov. 193 7 Wehrdienst, zuletz t (März 1945 ) Feldwebel, Ma i 194 5 amerik . Gefangenschaft , danac h Kunstmale r un d Lehre r fü r da s Maler -

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handwerk. Material : Brief e a n sein e Fra u un d Tagebuchnotizen 1940-1944 , Privatbesit z (Ab schriften un d Kopien i m Besitz des Verfassers). Modersen*, Gerhard , 191 4 i n Flensburg gebore n al s Soh n eines Fahrradhändlers, End e der 1920e r Jahre zur See gefahren , danac h SA-Mitglied , 193 4 Reichswehr , danac h Berufsfeuerwehrmann , im Krie g al s Feuerwehroffizie r a n verschiedene n Kriegsschauplätze n eingesetzt . Material : Ta gebuchartige (i m Abstan d vo n einige n Tage n ode r Wochen, teilweise auc h Monate n nac h de m Ereignis geschriebene ) »Erinnerungen« , 1935-1949 , Kopi e i m Besit z de s Verfassers . Vgl . Breloer, S . 28ff. Mundt*, Eric h (Obergefreiter , LR . 17) . Material : Tagebuchaufzeichnunge n vo m Westfeldzu g (1940), vorh. BA-MA, M P 25, v.l 1 , desgleichen vo m Russlandfeldzug, ebd . v.12. Napp, Kurt , 190 5 geboren, gelernte r Drogist , i n den 1920e r Jahren arbeitslo s oder Hilfsarbeiter, i n der Sozialistische n Arbeiterjugen d un d i m Jugendherbergswer k tätig , 1929-193 2 hauptamtli cher Leite r verschiedene r sozialistische r Jugend - un d Kinderheime , sei t Anfan g 193 3 wiede r arbeitslos, illega l fü r di e SP D tätig, verhafte t un d zu zwe i Jahre n Zuchthau s verurteilt, »wehr unwürdig«. Anfan g 194 3 zu m Bewährungsbataillo n 99 9 einberufen . A m 28 . Juni 194 4 a n de r Ostfront gefallen . Liier t bzw . verheira t mi t Elly , geb . Lütjohann . Material : Zuchthaustagebuc h und Briefe au s dem Zuchthaus an Eltern , Briefwechse l mi t Ell y au s der Zeit als Solda t (alle s i n Abschrift bzw . Kopie n i m Besit z de s Verf. , teilweis e auc h i m Kempowski-Archi v Nartum) . Briefliche Auskünft e sowi e Transkrip t eine s 199 2 vo n Beat e Meye r geführte n Interview s mi t Elly Napp. Roth, Elmar , geb . 1925 , i n de r katholischen Jugendbewegun g engagiert , 194 3 eingezogen , Reser veoffiziersanwärter. Material : Brief e un d Tagebücher au s der Zeit i n den katholischen Jugend bünden, dem Arbeitsdienst un d bei der Wehrmacht . Schmidhofer, Stefan , geb . 27.2.1909 i n Traunstein/Obb., Soh n eine s Maurerpoliers , kath., Maurer polier, verheiratet , 1940-194 2 Soldat , Jul i 194 2 schwer e Verwundun g un d Beinamputation , 1944 Entlassung . Material : Brief e a n sein e Fra u Mari a 1940-1944 , Tagebüche r 1940-194 2 (Privatbesitz, Kopie n teilweis e i m Besit z de s Verf.) ; brieflich e Mitteilun g de r Enkeli n Tanj a Schmidhofer a n Verf. v. 21.8.1998. Wieschenberg, Franz , geb . 28.12.190 9 Benrat h be i Düsseldorf , gefalle n 15.3.194 5 Ostpreußen , katholisch, Soh n eine s Schreinermeisters , 191 7 gefallen ; Schreinerlehre , 193 8 Meister , 1939/40 i n Düsseldorfe r abhängi g beschäftigt , 194 0 eingezogen , Rekruten - un d Ausbildungs zeit i n Ostpreußen, Juni 194 1 mi t der 21. I.D . Überfall au f Russland, zunächst bis Anfang 194 2 Fronttruppe, dan n al s »Blutträger « überwiegen d i m Divisionsstab , zuletz t Obergefreiter ; ver heiratet sei t 193 5 mi t Hild e W. , geb . 20.1.1910, evangel. , konvertiert , Buchhalterin , al s solch e nach Gebur t zweie r Kinde r i m Krie g wiede r berufstätig , zeitweili g un d auc h be i Kriegsend e u.a. i n Thüringen evakuiert . Material : Briefwechse l zwische n Fran z un d Hild e Wieschenberg , 1940-1945, Kempowski-Archi v Nartum , Best . Nr . 3386 : brieflich e Auskünft e de r Tochte r Hilde Drosse r an Verf. am 30.8.1998. Wißmann, Helmut , 192 0 gebore n i n Hagen , protestantisch , Vate r Dreher , Kommunist , kriegsver sehrt, i n de r NS-Zei t verfolgt . 194 0 einberufen , zuletz t Unteroffizier. Janua r 194 3 Heira t mi t Edith Wulf . Material : Briefwechse l zwische n Helmu t un d Edit h Wißman n (geb . Wulf ) 1940 1945, Privatbesitz; Interview mi t Helmu t und Edith Wißmann .

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Zitierte Interviews Klaus Aberg*, 1995 Richard Latte* , 199 5 Elmar Roth, 199 8 Gerd Später*, 199 8 Hans-Karl Vorster* , 199 4 und 199 5 Hans Wenigle*, 199 5 Helmut Wißmann, 200 1 Kameradenhilfswerk de r 78. Sturmdivision, 199 5 (Gruppeninterview )

3. Gedruckte Quellen und Literatur Im Wesentlichen is t die (generel l knapp ) zitierte Literatu r aufgeführt , Einzelnummer n vo n Zeitun gen grundsätzlich nicht . Abenheim, D. , Bundesweh r un d Tradition . Di e Such e nac h de m gültige n Erb e de s deutsche n Soldaten, München 1989 . Ackermann, J . , Heinric h Himmle r als Ideologe, Göttingen 1970 . Alte Kameraden , 1953ff . Altrichter, F. , Das Wesen der soldatischen Erziehung , Oldenburg i.O . 1942 . -, De r soldatische Führer , Oldenburg i.O . 1938 . -, Di e seelischen Kräft e des Deutschen Heere s im Frieden und im Weltkriege, Berli n 1933 . Alvensleben, U . v., Lauter Abschiede. Tagebuch vo m Krieg, Frankfur t a.M . 1971 . Amberger, W. , Männer , Krieger , Abenteurer . De r Entwur f de s soldatische n Mannes ‹ i n Kriegs romanen übe r den Ersten und Zweiten Weltkrieg , Frankfur t a.M . 1991 3 . Andersch, Α., Kirschen de r Freiheit. Ei n Bericht [1952] , Zürich 1971. Andrae, F. , Auc h gege n Fraue n un d Kinder . De r Krie g de r deutsche n Wehrmach t gege n di e Zivilbevölkerung i n Italien 1943-1945 , München 1995 . Arbeiterjugend, 1912-1932 . Arbeitertum, 1931-1945 . Arendt, H. , Element e un d Ursprüng e totalitäre r Herrschaft . Antisemitismus , Imperialismus , Totalitarismus, München 1998 6. Armanski, G . (Hg.), Junge, komm bald wieder, Reinbe k 1983 . Arnhold, K. , Wehrhaft e Arbeit . Ein e Betrachtun g übe r de n Einflu ß de r Soldate n de r Arbeit , Leipzig [ca . 1939] . Arnold, F., Freundschaft i n den Jahren der Feindschaft, Münche n 1998 . Arnold, K . J . , Die Wehrmach t un d di e Besatzungspoliti k i n de n besetzte n Gebiete n de r Sowjet union. Kriegführung un d Radikalisierung i m »Unternehmen Barbarossa« , Berli n 2005. Assmann, A . u . J . Assman, Mythos , in : H . Canci k u.a . (Hg.) , Handbuc h religionswissenschaft licher Grundbegriffe, Bd . IV, Stuttgart 1998 , S. 179-200 . Assmann, A . u. U . Frevert, Geschichtsvergessenhei t - Geschichtsversessenheit . Vo m Umgan g mi t deutschen Vergangenheiten nach 1945 , Stuttgart 1999 . Assmann, J . , Das kulturell e Gedächtnis . Schrift , Erinnerun g un d politisch e Identitä t i n frühe n Hochkulturen, Münche n 1992 . Assmann, J . u. Th. Sundermeie r (Hg.) , Schuld , Gewisse n un d Person . Studie n zu r Geschichte de s inneren Menschen, Gütersloh 1997 . Aust, H. , Da s ›wir ‹ un d da s ›töten‹ . Anmerkunge n zu r sprachliche n Gestaltun g de s Kriege s i n Theodor Fontanes Kriegsbüchern, in : Wirkendes Wort , Bd . 41, 1991, S. 199-211 .

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Register Literarische Werke sind unter dem Namen ihre s Autors rubriziert . Abel, Ulrich 114,12 3 Aberg, Klaus 118 , 141f, 14 6 Adenauer, Konra d 225 , 232-234, 236, 242 Andersch, Alfred 136 , 247, 251, 253 Arnhold, Carl 5 5

Ehlers, Franz 11 7 Einert, Fritz 58 f Eisenhower, Dwigh t D . 23 3 Erler, Fritz 11 6 Ettighofer, P.C . 16 9

Bagger, Hartmu t 27 0 Bamm, Peter 24 8 Bartov, Omer 12f . Bartram, Theodor 49 , 53 Baudissin, Wol f Gra f 238 , 264f. Becker, Eric h 14 1 Beilmann, Christel 15 6 Berger, Peter L. 1 6 Beumelburg, Werne r 39 , 76f, 16 9 Bittrich, Wilhelm 24 2 Blüher, Hans 7 2 Blumenberg, Han s 1 8 Böhme, Franz 107 f Böll, Heinric h 129-138 , 163 , 199, 201, 247-251,253 Bourdieu, Pierre 2 1 Breker, Arnold 7 8 Bröger, Karl 3 9 Broszat, Martin 1 5 Browning, Christopher 13-15 , 185-188 , 275 Brückner, Pete r 129 , 136, 138f. Buchheim, Hans 119f . Buchheim, Lothar-Günthe r 24 7 Busse-Wilson, Elisabet h 9 2

Farnbacher, Frit z 117 , 146-152, 161 , 163 169,226f.,283 Fetscher, Irin g 154 , 162 Flex, Walter 23 , 39, 41, 47f, 53 , 73f, 81, 91, 163 , 16 8 Frank, Han s 11 9 Friedländer, Eric h 23 1 Fuchs, Karl 144 , 154, 157 Fühmann, Fran z 251-25 3

Canetti, Elia s 14 5 Connell, Bob 18 8 Conze, Werner 26 1 Diebold, Bernhard 6 5 Dietrich, Sep p 245 , 263f. Dönitz, Karl 20 9 Druschel, Kurt 11 4 Dwinger, Edwi n Eric h 16 9

Gadamer, Hans-Geor g 1 6 Gebhardt,Tim 22 1 f. Geertz, Clifford 15f . Gerlach, Heinrich 24 7 Geyer, Michae l 14 , 229 Geyr von Schweppenburg, Le o 24 2 Göring, Herman n 116 , 126, 196 Göstl, Erich 148f , 16 1 Goffman, Ervin g 79 , 120, 256 Goldhagen, Danie l 1 0 Gramsci, Antonio 1 9 Groh, Dieter 26 1 Groß, Werner 142f , 152 , 154, 159, 283 Haffner, Sebastia n 128 , 132f, 163 , 211 Halder, Franz 23 8 Heinrichs, Dirk 11 6 Heinrichs, Willi 24 7 Hermand, Jost 127f . Himmler, Heinric h 13 , 69, 82, 105, 107, 248 Hindenburg, Pau l 17 8 Hirschfeld, Magnu s 7 1 Hitler, Adolf 12 , 23, 44f, 68f , 86 , 88, 96, 98f,102, 105f. , 108 , 113, 115f, 122f ,

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148, 195f. , 199 , 205, 214, 243, 259, 264f.,271f.,274 Hobsbawm, Eri c 1 4 Hosenfeld, Wil m 27 7 Hoth, Hermann 10 8 Huber, Kurt 12 3 Janowitz, Morris 1 2 Jaspers, Karl 230f . Johannsen, Erns t 41 , 59f., 65 , 87 Jünger, Erns t 39,41-44 , 13 3 Kantorowicz, Herman n 5 8 Kappler, Herbert 24 6 Keitel, Wilhelm 18 6 Kirst, Hans-Helmut 246f. , 249f. Klepper, Jochen 116,160,166-16 8 Konsalik, Heinz G . 247 Koselleck, Reinhar t 16f. , 2 0 Kracauer, Siegfrie d 9 0 Krämer-Badoni, Rudol f 26 3 Kreißler, Kur t 140f. , 144f. , 153 , 159 , 167 172,201,283 Kreißler, Pau l 172 , 188-190 , 194 , 201, 283 Krische, Paul 9 2 Kusch, Oskar 113-116 , 12 3 Kuby, Eric h 129-135 , 139 , 189 , 198 , 201, 261 Lambinus, Uwe 26 6 Langer, Franz-Josef 199f. , 283 Lehmann, Hans-Geor g 125f . Lindsey, Be n 9 3 Luckmann, Thomas 1 6 Lüttwitz, Obstlt. von 146,16 1 Mann, Thomas 9 2 Manstein, Eric h von 10 8 Mielert, Harr y 18 9 Milgram, Stanle y 14 , 275 Modersen, Gerhard 143,156,162,28 4 Mölders, Werner 15 6 Moericke, Otto 28 , 33f . Müller, Gebhard 2 3 1f.,235f . Napp, Kurt 129-132 , 134 , 136f , 28 4 Neufischer, Anto n 21 2 Neuhaus, Albert 172 , 175 , 182f , 185 , 190, 194 Niermann, Han s 157,16 6 Nietzsche, Friedric h 4 2 Nöll, Friedrich 186f.,24 4 Nolte, Ernst 9

Pfaff, Pete r 144-146 , 157-159 , 16 5 Pfeiffer, Geor g Philipp 73f . Picht, Werner 4 7 Pieper, Josef 10 6 Plessner, Helmut 19,9 0 Pleyer, Kle o 70 , 10 6 Plivier, Theodor 58 , 247 Raeder, Eric h 26 4 Ramcke, Herman n Bernhard 26 3 Raulff, Ulric h 26 9 Reder, Walter 240 , 246 Reibert, Wilhelm 8 2 Reichenau, Walte r 10 8 Remarque, Eric h Maria 39 , 41, 60-67, 77, 81,83, 87f. , 25 0 Renn, Ludwig 39 , 66f . Reusch, Hermann 25 4 Rhode-Dachser, Christ a 76f . Riebicke, Otto 9 4 Roth, Elmar 122 , 161-164 , 171 , 284 Sager, Michae l 155f. , 18 9 Salomon, Erich von 44 , 87 Schaack, Eduar d 27-29 , 34 Scharrer, Adam 39 , 58f., 64 , 87 Schauwecker, Fran z 39f. , 51 , 53, 72, 15 9 Schirach, Baldu r von 9 9 Schmid, Carlo 23 1 Schmidhofer, Stefa n 172 , 183f. , 284 Schmidt, Helmu t 116 , 234f., 264 Schmidt, Ils e 16 3 Schmitt, Carl 9 9 Schneider, Jose f 49f . Schörner, Ferdinan d 24 5 Schofer, Josep h 3 7 Schoof, Alber t 15 4 Scholl, Han s 12 1 Schröder, Gerhard 25 3 Schröter, Hein z 24 8 Schultz-Hencke, Haral d 7 2 Schumacher, Kur t 233 , 262 Schwinge, Erich 10 5 Seeckt, Han s von 4 6 Shils, Edwar d 1 2 Sibille, Josef 186 , 18 8 Silcher, Friedric h 3 0 Simoneit, Ma x 45 , 106 , Sofsky, Werne r 21,44,27 5 Stachow, Hein z G. 248f . Stehmann, Siegber t 129-132 , 134 , 136 139,161, 16 3

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Stresemann, Gustav 6 1 Student, Gotthart Heinrici 22 3 Thorak, Joseph 7 8 Tucholsky, Kur t 58 , 267 Turner, Victor 79f . Uhland, Ludwig 30-32 , 37,44, 50 , 63-65, 73,78,84,124, 145,164,168,22 9 Unruh, Fritz vo n 60 , 64 Vierkandt, Alfre d 8 9 Vilsmeier, Joseph 24 7 Vogel, Erhard 22 4 Vring, Georg von der 9 0 Walb,Lore 154 , 15 6 Wallraff, Günther 25 6 Wandt, Heinrich 5 8 Weber, Max 17 2

Wegeleben, Siegfrie d 4 0 Wehner, Joseph Magnus 65f . Weizsäcker, Richar d von 122 , 263 Wellershoff, Diete r 118,12 6 Weniger, Eric h 46 , 92 Wessel, Hors t 7 8 Wieschenberg, Fran z 172-175 , 178f , 181 185,190-192, 194-198 , 201-203, 220, 284 Wieschenberg, Hild e 173 , 176 , 19 1 f., 28 4 Wiese, Leopol d von 9 0 Wißmann, Edit h 173-181 , 192f. , 202, 284 Wißmann, Franz 172-182 , 185 , 191-193 , 195-198,200-202,220,284 Wöss, Fritz 24 7 Zetkin, Clara 9 2 Zöberlein, Hans 39 , 52, 73, 83, 16 9 Zweig, Arnold 39,9 0

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