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German Pages 200 [202] Year 2012
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Zwei Abhandlungen über die Regierung
Klassiker Auslegen Auslegen Klassiker Herausgegeben von von Herausgegeben Otfried Höffe Höffe Otfried Band 43 36 Band
Otfried Höffe ist o. Professor für Philosophie Otfried Höffe ist Leiter der Forschungsstelle Politische Philosophie an der Universität Tübingen an der Universität Tübingen.
Karl Marx / Friedrich Engels John Locke
Die deutsche Zwei Abhandlungen Ideologie über die Regierung Herausgegeben von Herausgegeben von Harald Bluhm Michaela Rehm und Bernd Ludwig
Akademie Akademie Verlag Verlag
Abbildung auf dem Einband: Porträt von John Locke, Lithographie, o. J., Library of Congress, © Wikimedia Commons
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN 978-3-05-005076-8 E-Book: ISBN 978-3-05-006318-8 © Akademie Verlag GmbH, Berlin 2012 Ein Wissenschaftsverlag der Oldenbourg Gruppe\ www.akademie-verlag.de 2012 Dieses Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gesamtgestaltung: K. Groß, J. Metze, Chamäleon Design Agentur Berlin Satz: Frank Hermenau, Kassel Druck: Concept Medienhaus, Berlin Printed in the Federal Republic of Germany
Inhalt
Hinweise zur Benutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. „The A. B. C. of Politicks“: Entstehungskontext und Rezeption von Lockes Zwei Abhandlungen über die Regierung Michaela Rehm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Ist Lockes politische Philosophie ‚sexistisch‘ und ‚rassistisch‘? Formen der Herrschaft im häuslichen Verband der Familie (Kap. 1 + 4 + 6 + 15) Simone Zurbuchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 3. Locke, natural law and God – again (chapt. 2 + 3) Francis Oakley . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 4. Locke’s Strange Doctrine of Punishment (chapt. 2 + 3) Wolfgang von Leyden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 5. „… one who has put himself into a state of war with me“ – Natur- und Kriegszustand im Second Treatise (Kap. 2 + 3) Bernd Ludwig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 6. Eigentum, Arbeit, Geld: Zur Logik einer Naturrechtsökonomie bei John Locke (Kap. 5) Birger P. Priddat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 7. Vertrag und Vertrauen: Lockes Legitimation von Herrschaft (Kap. 7 + 8) Michaela Rehm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 8. Der Zweck des Staates und die Legitimation seiner Gewalten (Kap. 9) Ludwig Siep . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
9. Volkssouveränität als Herrschaftsbegrenzung: Lockes Theorie des Verfassungsstaats (Kap. 10–14) Peter Niesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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10. The Right of Resistance (chapt. 16–19) John Simmons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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11. John Locke – ein verkannter Republikaner. Argumente gegen einige Deutungsklischees Michael Schefczyk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Auswahlbibliographie
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Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Hinweise zu den Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Hinweise zur Benutzung Auf Stellen aus Lockes Zwei Abhandlungen wird stets ausgabeninvariant unter Angabe der Nummer der Abhandlung und des bzw. der Paragraphen hingewiesen (zum Beispiel II § 22 = Zweite Abhandlung, § 22). Auf die übrige Literatur wird durch eine Abkürzung aus Autorennamen, Erscheinungsjahr und falls erforderlich Seitenzahl verwiesen. Am Ende jedes Beitrags wird die zitierte Literatur aufgeschlüsselt; außerdem findet sich eine Auswahlbibliographie am Ende dieses Bandes.
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Vorwort Dass Locke seine politische Philosophie zu großen Teilen in Gestalt einer Kritik der Lehren des zu Recht schon bald wieder vergessenen Robert Filmer vorgetragen hat, galt bereits im 18. Jahrhundert vielen Lesern der Zwei Abhandlungen über die Regierung als unverständlicher Fehlgriff. Es war eine unangemessene Aufwertung eines zweitrangigen Autors, dem allenfalls eine tagespolitische Bedeutung zugemessen werden musste. Insbesondere Lockes minutiöse Auseinandersetzung mit der exzentrischen Filmerschen Bibelexegese in der Ersten Abhandlung war bereits kurz nach ihrer Veröffentlichung nur noch von historischem Interesse. Ganz anders die Zweite Abhandlung. Sie wurde zu einem der prägenden Texte der politischen Philosophie der Neuzeit, verschaffte Locke das Ansehen des ersten Theoretikers individueller Grundrechte und übte einen massiven Einf luss unter anderem auf die amerikanische Verfassungsdiskussion im frühen 18. Jahrhundert aus. Angesichts dieser bedeutsamen, gleichsam überhistorischen Leistungen geriet leicht die Kontextabhängigkeit der Lockeschen Darstellung auch in der Zweiten Abhandlung aus dem Blick. Diese lässt sich, wie die erste, ihre theoretische Agenda direkt von Filmer vorgeben: Etwa wenn sie sich ausführlich der Unterscheidung der politischen von der häuslichen Herrschaft widmet, weil Filmer gerade durch die Assimilierung dieser beiden Herrschaftstypen dem politischen Kontraktualismus den Boden entziehen wollte, um diesen dem Absolutismus zu bereiten. Oder auch, wenn Locke dem (Sach-) Eigentum eine besonders nachdrückliche Behandlung zukommen lässt, weil die Filmersche Kontraktualismuskritik die Eigentumstheorie von Grotius nicht weniger treffen sollte als dessen Staatslehre. Lockes Anliegen in beiden Abhandlungen ist die Rehabilitierung der traditionellen Vertragslehren auf allen Gebieten der politischen Philosophie gegenüber Filmers paternalistischem Absolutismus: „Governments must be left again to the old way of being made by contrivance, and the consent of Men (Anjropine ktisis)“ (I § 6). Das ist in Lockes Selbstverständnis also gerade kein revolutionäres, sondern vielmehr ein im prägnanten Wortsinne reaktionäres Unternehmen, eine Reaktion auf die politisch instrumentalisierten Entgleisungen der „Currant Divinity of the Times“ (Vorwort der Zwei Abhandlungen) – und wie alt der nun erneut zu beschreitende Weg tatsächlich ist, wird dem Leser durch einen biblischen Ausdruck für die menschliche Setzung (s. 1. Petrusbrief 2,13) noch einmal deutlich vor Augen gestellt. Auch in anderen Hinsichten ist Locke eher konservativ als zukunftsweisend: Für ihn bildet nicht etwa das menschliche Individuum die politische Grundeinheit des Staates, diese bleibt vielmehr weiterhin (wie noch bis Kant und Hegel) das aristotelische Haus, nach außen vertreten durch seinen Vorstand. Frau, Kinder, Bedienstete und Sklaven stehen unter der Privatgerechtigkeit („domestic rule“) des Hausherren, der seinerseits allein zu einer staatsbürgerlichen Existenz („member of society“) gelangt: Der moderne, auf sich allein gestellte Staatsbürger
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ist am Lockeschen Horizont noch nicht aufgetaucht, die soziale Dimension der Politik erschöpft sich somit weitgehend in der öffentlichen Armenfürsorge für diejenigen, die keinen privaten Herren gefunden haben. Die Janusgesichtigkeit der Zwei Abhandlungen, ihr wegweisender politischer Konstitutionalismus mit einer weitgehend traditionellen theoretischen Grundlegung vor der Kontrastfolie des Filmerschen Paternalismus erklärt die Vielfalt der Indienstnahmen und Verdammungen: Locke als Frühsozialist, als Republikaner, als Menschenrechtler oder Liberaler, Held des modernen Bürgertums oder hedonistischer Anwalt des aufblühenden Kapitalismus – viele dieser Attribuierungen verdanken sich schlichten Fehldeutungen, die sowohl durch unvoreingenommene systematische Durchdringung als auch durch sensible historische Kontextualisierung aufgelöst werden können. Der vorliegende Band versucht, durch eine fortlaufende Kommentierung einen Beitrag dazu zu leisten. Thematische Dopplungen in den auf komplizierte Weise entstandenen Abhandlungen haben es allerdings hier und da nahegelegt, einzelne disparate Kapitel unter systematischen Gesichtspunkten gemeinsam zu behandeln. Die nachfolgenden Beiträge widmen sich aus den eingangs genannten Gründen primär der Zweiten Abhandlung über Ursprung, Reichweite und Grenzen der staatlichen Regierung und greifen dabei auf den Text der Ersten in dem Maße zurück, wie dies für ein Verständnis der politischen Philosophie Lockes bedeutsam ist. Michaela Rehm und Bernd Ludwig Bielefeld und Göttingen, im Juni 2012
1 Michaela Rehm
„The A. B. C. of Politicks“: Entstehungskontext und Rezeption von Lockes Zwei Abhandlungen über die Regierung
1.1 Der Kampf der Whigs gegen „popery“ und „arbitrary government“: Zum politischen Hintergrund Als „The A. B. C. of Politicks“1 galten Lockes (1632–17042 ) Zwei Abhandlungen über die Regierung bereits seinen Zeitgenossen. Tatsächlich beschäftigt sich Locke hier gerade nicht mit einer abstrakten, rechtstheoretischen Begründung legitimer Herrschaft; vielmehr ist es unübersehbar, dass sein Text eine Antwort auf konkrete politische Probleme seiner Epoche bieten soll. Und bei John Locke handelt es sich um einen eminent politischen Denker auch in dem Sinn, dass er nicht von einem philosophischen Elfenbeinturm herab bestimmte politische Entwicklungen als Beobachter kommentiert hätte: Als Protagonist der Whigs3 hat er sie selbst mit angestoßen und gestaltet. Er war Teil dieser politischen Bewegung, und „Two Treatises of Government was, in effect, the political manifesto of this movement“.4 Mehr noch: Es ist nicht so, dass die Whigs in der politischen Philosophie Lockes die passende Doktrin gefunden und für ihre Zwecke nutzbar gemacht hätten. Diejenigen politischen Ideen, die inzwischen mit dem Namen Lockes verbunden werden, haben sich erst in der Auseinandersetzung mit den politischen Zielen der Whigs herausgebildet. Noch in seinen 1660 und 1662 entstandenen Two Tracts vertritt Locke Thesen, die seiner späteren Theorie geradewegs entgegen1 So äußert sich der radikale Whig Walter Moyle um 1697 (Moyle 1727, 58). 2 Eine Kurzbiographie Lockes bietet Brandt 1988, 619–624, eine ausführliche Biographie Woolhouse 2007. 3 Zu den beiden politischen Hauptströmungen während der Restauration siehe Southcombe/Tapsell 2010, 48: „[...] those who believed that the greatest threat came from imminent Catholic despotism emerged by 1680/1 as ,Whigs‘, whilst those who dreaded Protestant sectarian zeal and social anarchy rallied to the Crown’s defence as ,Tories‘.“ 4 Ashcraft 1986, 9.
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stehen; so verneint er beispielsweise ein Recht auf Selbstverteidigung der Individuen gegenüber dem Monarchen.5 Zu dem im weitesten Sinne liberalen politischen Denker, wie wir ihn heute kennen, wurde Locke wohl erst durch die Begegnung mit dem Whig-Anführer Shaftesbury und dessen Zirkel von 1666 an:6 „Shaftesbury was an ardent defender of the people’s legislative power, of freely elected annual parliaments, and of limitations upon the king’s prerogative, a leading advocate of toleration, vehemently anti-Catholic, and an opponent of the divine right theory of monarchy to the point of supporting armed resistance long before Locke began to write the Two Treatises“.7 Als Sekretär und Berater von Shaftesbury war Locke unmittelbar an der Planung und Durchführung des wichtigsten Whig-Projektes jener Zeit beteiligt, „the organization of a political movement to exclude James from the crown“.8 Von 1679 an versuchten die Whigs, den Bruder von König Charles II. – den Duke of York, später James II. – von der Thronfolge auszuschließen, weil sie befürchteten, er als Katholik werde den Katholizismus in England einführen.9 Das galt deshalb als Bedrohung, weil Katholizismus mit politischem Absolutismus identifiziert wurde, und zu der Angst vor innerstaatlichem Verlust an bürgerlichen Freiheitsrechten gesellte sich jene vor Fremdherrschaft, denn es schien nicht ausgeschlossen, dass sich ein katholischer Herrscher mit einem absolutistischen, katholischen Reich wie etwa Frankreich verbünden oder er England sogar an eine solche Macht ausliefern würde.10 Die Whigs gewannen 1679, 1680 und 1681 die Wahlen für die Commons; drei Mal versuchten sie erfolglos, die sogenannte „Exclusion Bill“ über den Ausschluß James II. durchzusetzen;11 nach der Auf lösung des „Oxford Parliament“ im März 1681 durch Charles war keine weitere Einberufung des Parlaments geplant.12 Nachdem das Volk also dreimal in Folge durch die Wahl der Whigs seinen Willen erklärt hatte, James II. nicht auf dem Thron zu akzeptieren, und dieser Wille mißachtet worden war, stand für Locke fest, dass eine Tyrannei drohte und das 5 Tully 1991, 627. 6 Cranston 1952, 620. Eine kritische Untersuchung der historischen Zeugnisse der Beziehung zwischen Shaftesbury und Locke liefert J. R. Milton 2011. Auch J. R. Milton betont, Lockes bedeutende Werke der politischen Theorie wie der Essay concerning Toleration und die Two Treatises of Government seien während Lockes „period of [...] association with Shaftesbury“ begonnen worden (ebd., 167). 7 Ashcraft 1980, 42–43. 8 Ashcraft 1980, 44. 9 James II. war wohl zwischen Ende 1669 und 1672 zum Katholizismus konvertiert (Asch 2011, 92). 10 Zur antikatholischen Stimmung während der Restaurationszeit siehe Southcombe/Tapsell 2010, Kap. 5. 11 Die Forderung nach einem Ausschluss des Duke of York von der Thronfolge wurde in drei aufeinander folgenden Parlamenten vorgebracht, den sogenannten „Exclusion Parliaments“ (März bis Juli 1679, Oktober 1679 bis Januar 1681, März 1681), siehe Hinds 2010, Appendix 4. Der Inhalt der „Exclusion Bill“ ist abgedruckt in Browning 1953, 113 f. 12 Ashcraft 1986, 313: Nach der Auf lösung des „Oxford Parliament“ „it was ‚generally believed‘ that the king did not wish Parliament to meet and that he had no intention of calling a new one“.
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Volk sich wehren mußte: „Locke’s argument in chapter thirteen of the Second Treatise [...] is especially relevant to the question of the people’s right to self-defense in a situation when the legislature cannot meet or is prevented from meeting by the king [...]. This argument only made sense after the dissolution of Parliament at Oxford and the king’s refusal to call for new elections.“13 Die Zwei Abhandlungen sind damit kein Pamphlet zur Legitimierung der Glorious Revolution,14 sondern ein „Exclusion tract“.15 Obwohl der unmittelbare Kontext also nicht die Glorious Revolution, sondern die Exclusion Crisis war, ist offenkundig, dass sich während der Glorious Revolution jedenfalls viele der Ideen durchsetzen sollten, die Locke im Rahmen der Exclusion Crisis geäußert hatte. Denn schließlich hatte die Forderung nach einer Exklusion des Duke of York als plakative Überschrift für das viel weiter gefaßte politische Programm der Whigs gedient, das der Abwehr von „popery“ und „arbitrary government“ generell gewidmet war.16 Das Projekt der „Exclusion“ sollte spektakulär scheitern; der Duke of York bestieg 1685 als James II. den Thron von England und Irland und als James VII. den Thron von Schottland. Die Amtsführung des neuen Königs zeigte jedoch rasch, dass die Befürchtungen der Whigs berechtigt gewesen waren: „King James VII and II was allegedly responsible for decisions and policies which, individually and collectively, might have been described as ‚arbitrary government‘. These included: the prorogation of a loyal and initially co-operative parliament, which was never to meet again [...], the dismissal of judges in the common law courts [...], the assertion of another prerogative power to dispense individuals from the law altogether“ und weitere Maßnahmen, die als Schritte in Richtung Absolutismus gedeutet werden konnten.17 Den Whigs war es zwar nicht gelungen, den Duke of York als König zu verhindern, doch die Art seiner Regentschaft ließ sich als Bestätigung dafür heranziehen, dass sie mit ihrem politischen Programm richtig lagen. Wie sollte man nun mit dem Faktum eines katholischen Königs umgehen? James II. war 51 Jahre alt, als er den Thron bestieg, und da die Angehörigen des Hauses Stuart nicht als langlebig galten, setzten viele seiner politischen Gegner auf seinen frühen Tod und die Übernahme des Throns durch seine protestantische Tochter Mary.18 13 Ashcraft 1980, 103, Fußnote 148. 14 Goldie/Wokler 2006, 47. Ashcraft 1986, 590 nennt die These von den Zwei Abhandlungen als Rechtfertigungsschriften der Glorious Revolution die „previously accepted orthodoxy“. 15 Diese These vertreten u. a. Dunn 1984, 31; Laslett 1991; Laslett 1988, 61; Ashcraft 1980, 44. 16 Zur politischen Agenda der Whigs siehe Glassey 2011, 223; zum „programme of exclusion“ der Whigs als „necessary prerequisite to the success of the Revolution of 1688–89“ siehe ebd. 209. 17 Glassey 2011, 210. Zu James’ Versuchen einer Re-Katholisierung Englands siehe Southcombe/Tapsell 2010, 88 ff. Pincus 2009, Kap. 7, stellt die Standard-Interpretation von ‚Gelehrten in der Whig-Tradition‘, „that James’s irrational and un-English policies united the country against him“ in Frage und präsentiert eine „revisionistische“ Lesart der Politik James’: „[...] it was, above all, James’s alienation of the intolerant Anglican establishment that caused him to lose his throne“ (ebd., 179). 18 Southcombe/Tapsell 2010, 87 ff.
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Die Hoffnung, dass die Regentschaft eines katholischen Königs nur ein kurzes Intermezzo bleiben würde, wurde jedoch durch die Geburt von James Francis Edward, dem Sohn James’ und seiner katholischen zweiten Ehefrau Maria von Modena, erschüttert.19 James’ überwiegend protestantische Untertanen waren nun mit der für sie bedrohlichen Aussicht konfrontiert, auf Dauer unter katholischer Herrschaft leben zu müssen. 1688 unternahm es James II. erneut, seine „Declaration of Indulgence“ zugunsten von Toleranz gegenüber anderen als den von der Church of England vertretenen Überzeugungen und in ihr praktizierten Riten durchzusetzen; die Erklärung sollte von jeder Kanzel des Landes herab verlesen werden.20 Damit verlangte James von den Vertretern der Church of England nichts Geringeres, als selbst das Ende ihrer Vormachtstellung zu verkünden.21 Angesichts der wahrgenommenen Gefährdung der religiösen und politischen Freiheiten schickte eine aus Tories und Whigs bestehende Gruppe, die als „immortal seven“ berühmt werden sollte, im Juni 1688 eine Aufforderung an Wilhelm von Oranien, sich einzumischen.22 Wilhelm landete am 5. November 1688 in England; James gelang es nach einem ersten misslungenen Fluchtversuch schließlich, sich nach Frankreich abzusetzen. „[...] William’s intervention was only possible because of a pre-existing crisis of confidence amongst James’s subjects. That crisis was the result of the king’s inadvertent success in activating powerful social, political, and religious forces which combined the rational and the irrational, the intellectual and emotional. In particular, he trespassed on noble and gentry honour codes; appeared to be governing against their interests; and seemed to be trying to force his Protestant subjects to act against the dictates of their consciences.“23 Locke hatte das Ende der Herrschaft Charles II. und die Regentschaft James’ II. aus dem Exil verfolgt. Bereits nach der Entdeckung des „Rye House Plot“24 hatte Locke offenbar erkannt, dass ihm als berüchtigtem Streiter für die Sache der Whigs Gefahr drohte. Er deponierte einige seiner Papiere bei Weggefährten und begab sich schließlich 1683 nach Holland, wo sich viele der aus England gekommenen politischen Flüchtlinge
19 Southcombe/Tapsell 2010, 91. 20 Im April 1687 hatte James seine erste „Declaration of Indulgence“ (auch: „Declaration for the Liberty of Conscience“) verkündet (Gibson 2009, 64–72); im April 1688 wurde sie erneut aufgelegt (ebd., 78–96). James erklärte die Strafgesetzgebung in kirchlichen Angelegenheiten für aufgehoben: Strafen „[...] for not coming to church, or not receiving the Sacrament, or for any other nonconformity to the religion established“ wurden suspendiert (Declaration of Indulgence of King James II, April 4, 1687, zitiert nach Browning 1953, 399 f.). 21 Southcombe/Tapsell 2010, 92. 22 Pincus 2009, 261; der Text des Briefes ist abgedruckt in Browning 1953, 120–122. 23 Southcombe/Tapsell 2010, 96. 24 Im Jahr 1683 hatten Verschwörer aus dem Kreise der Whigs erfolglos versucht, den König und den Duke of York im „Rye House“ umzubringen (Pincus 2009, 104).
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nach James’ Thronbesteigung mit Plänen für eine Invasion Englands beschäftigten.25 Welche Rolle Locke dabei gespielt hat, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Richard Ashcraft geht davon aus, dass Locke aktiv in die Planungen einbezogen war;26 laut Roger Woolhouse kann ein solches Engagement nicht eindeutig nachgewiesen werden.27 Es gibt jedenfalls Belege dafür, dass Locke als ausreichend verdächtig galt, um im Exil von englischen Regierungsspionen beobachtet zu werden,28 dass er mit Personen verkehrte, die an „Monmouth’s Rebellion“ mitwirkten, und mit solchen, die an den Plänen für eine Invasion durch William III. beteiligt waren.29 Lockes Name stand denn auch auf einer Liste englischer Exilanten, deren Auslieferung James von der holländischen Regierung verlangte.30 Viele dieser Flüchtlinge genossen die Protektion von William und Mary von Oranien, und Locke hatte mit ihnen sogar persönlich Bekanntschaft gemacht.31 Nach Williams Landung in England galt es, seine rechtliche Position und die seiner Gemahlin Mary zu klären; zu diesem Zweck berief William das „Convention Parliament“ ein, das am 22. Januar 1689 zusammentrat. Locke verfolgte diese Entwicklungen aufmerksam und äußerte Unmut über das „Parliament“, das sich seiner Meinung nach mit der Klärung der wichtigsten Frage zu viel Zeit ließ:32 Es beschäftigte sich mit der Bildung von Ausschüssen, statt das Machtvakuum rasch zu füllen und William und Mary so schnell wie möglich die Krone anzubieten. Letzteres erfolgte schließlich am 13. Februar 1689, als das „Convention Parliament“ die „Declaration of Right“ verabschiedete. Dieser Erklärung zufolge hatte James durch seine Flucht nach Frankreich abgedankt, der Thron war frei und konnte mit William und Mary neu besetzt werden.33 Lockes Engagement für William und Mary war nicht unbemerkt geblieben, und
25 Zu Lockes Reaktion auf das „Rye House Plot“ siehe Woolhouse 2007, 192; zur englischen Exilgemeinde in Holland siehe Pincus 2009, 324 f. 26 Ashcraft 1986, 466. 27 Woolhouse 2007, 219. 28 Woolhouse 2007, 217. 29 Zu Lockes Verhältnis zu den Beteiligten an „Monmouth’s Rebellion“ siehe Woolhouse 2007, 217–219 und Pincus 2009, 112: „There can be no doubt that Locke knew and socialized with many of Monmouth’s supporters“; von Monmouth selbst und seinen Plänen habe Locke jedoch wenig gehalten. Zur geplanten Invasion durch William III. siehe Pincus 2009, 261 ff. 30 Woolhouse 2007, 219: „Getting wind of Monmouth’s intentions, James took measures against the English fugitives sheltering in the Dutch Republic, and on I/II May, Skelton was sent a list of eighty or so people he wanted the States-General, the Dutch governing body, to expel from Holland [...]. [On] the list which he presented to the States-General he put ‚Mr Locke who was secretary to the Earl of Shaftesbury’, as someone else who was to be ‚seized and banished‘.“ 31 Pincus 2009, 324; zu Lockes Verhältnis zu William und Mary: Fox Bourne 1876, Bd. 2, 57 f. 32 Woolhouse 2007, 262–279. 33 Woolhouse 2007, 262 ff.
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so bot William Locke schon kurz nach seiner Thronbesteigung ein wichtiges Amt an.34 Locke lehnte wegen seiner schwachen Gesundheit ab; machte aber zugleich einen Vorschlag, womit er sich stattdessen nützlich machen könnte: „If there be anything where I may f latter myself I have attained any degree of capacity to serve his Majesty, it is in some knowledge I perhaps may have in the constitutions of my country, the temper of my countrymen, and the divisions and interest among them.“35 Sein Versprechen, dem König mit seinem Wissen zu dienen, wollte Locke wohl auch mit der Publikation der Zwei Abhandlungen einlösen: Die vom Manuskript der Abhandlungen übrig gebliebenen Papiere,36 so schreibt er in seinem Vorwort, „I hope are sufficient to establish the Throne of our Great Restorer, Our present King William; to make good his Title, in the Consent of the People [...].“37 Dieser Absatz, vermutlich im August 1689 verfasst,38 wurde als Beleg dafür herangezogen, dass die Zwei Abhandlungen zur nachträglichen Rechtfertigung der Glorious Revolution gegen James geschrieben worden waren.
1.2 Rechtfertigung der Glorious Revolution oder „Exclusion tract“? Zur Datierung der Zwei Abhandlungen Die lange Zeit gängige These einer Entstehung nach der Revolution von 1688 gilt jedoch dank der Forschung von Peter Laslett als überholt.39 Inzwischen besteht im Großen und Ganzen darüber Konsens, dass beide Abhandlungen in der Zeit zwischen Lockes Rückkehr nach England Ende April 1679 und seiner Abreise nach Holland im August 1683 entstanden sein müssen.40 Strittig ist neben der genauen Datierung der Entstehungszeit auch die Reihenfolge, in der Locke die Erste und die Zweite Abhandlung verfasst hat. Peter Laslett vertritt die Auffassung, Locke habe 1679 mit der Zweiten Abhandlung begonnen; den Plan, die Erste Abhandlung zu schreiben, könne er erst nach der Publikation von Filmers Patriarcha im Winter 1679–80, nämlich Anfang 1680, gefasst haben. Richard Ashcraft dagegen stimmt mit Laslett zwar in der Ablehnung einer Datierung nach der Glorious Revolution überein, geht aber anders als Laslett davon aus, die Zweite Abhandlung sei erst nach der Auf lösung des „Oxford Parliaments“ im März 34 Das genaue Angebot ist unbekannt; vermutlich handelte es sich um das Amt eines Gesandten (Woolhouse 2007, 267). 35 Zitiert nach Woolhouse 2007, 268. 36 „After his return to England, Locke found that a considerable part of the First Treatise had been lost“ (Woolhouse 2007, 275). 37 Locke 1988a, Preface, 137. 38 Ebd., 137, Fußnote. 39 Laslett 1988, 59–66. 40 Milton 1995, 356.
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1681 entstanden. Die Erste Abhandlung kann ihm zufolge nicht vor April 1680 begonnen worden sein.41 Eine sichere Auskunft über die Entstehungszeit der beiden Abhandlungen ist zum gegenwärtigen Stand der Forschung nicht möglich. J. R. Milton hat die Hypothese aufgestellt, die Erste Abhandlung sei rasch nach Lockes Erwerb eines Exemplars von Filmers Patriarcha am 22.1.1680 begonnen worden, im Frühjahr oder Sommer 1680 habe Locke bereits einen Entwurf angefertigt. Die Zweite Abhandlung ist Milton zufolge nach der Ersten Abhandlung entstanden, begonnen wurde sie Ende 1680 oder im Frühsommer 1681. Demnach musste Locke die Arbeit an der Zweiten Abhandlung wegen der Verhaftung Shaftesburys 168142 unterbrechen und konnte sie erst im Februar 1682 wieder aufnehmen. Die Kapitel XVII und XIX zur Rechtfertigung von Widerstand seien wahrscheinlich in der zweiten Hälfte von 1682 verfasst worden.43 Bei allen Unklarheiten und divergierenden Forschungshypothesen lässt sich doch zumindest mit Sicherheit festhalten, dass es sich bei der Zweiten Abhandlung um ein „composite work“ handelt, „incorporating textual strata that differ significantly in date [...]“.44 Lockes auf William III. verweisendes Vorwort muss dementsprechend kein Beleg für eine Entstehung der Zwei Abhandlungen im Kontext der Glorious Revolution sein. Historischer Hintergrund der Zwei Abhandlungen, so die weitgehend einhellig vertretene Auffassung in der jüngeren Locke-Forschung, ist die „Exclusion Crisis“.45 Damit wird jedoch nicht bestritten, dass es Abschnitte in der Zweiten Abhandlung gibt, die erst kurz vor deren Veröffentlichung 1689/169046 von Locke hinzugefügt wurden und die recht eindeutig Bezug auf die Ereignisse um James’ Flucht und Williams Thronbesteigung nehmen.47
41 Ashcraft 1987, 286–97, 357. Ashcrafts Position wird geteilt von David Wootton (in Locke 1993a), Mark Goldie (in Locke 1993b), John Marshall 1994. 42 Zu Shaftesburys Festnahme siehe Philip Milton 2011, bes. 237. 43 Milton 1995, 389. 44 Ebd., 388. 45 Laslett 1988, 61; diese These vertreten u. a. auch Ashcraft 1980, 44 und Dunn 1984, 31. 46 Der vollständige Titel der Erstausgabe lautet Two Treatises of Government. In the former the false Principles, and Foundation of Sir Robert Filmer, And his Followers, are detected and overthrown. The latter is an Essay concerning the true Original, Extent, and End of Civil Government, erschienen in London, verlegt durch Awnsham Churchill. Als Erscheinungsdatum wird das Jahr 1690 genannt, in Wirklichkeit ist der Band aber 1689 publiziert worden, und zwar anonym: „Locke hat sich außer in seinem Testament vom 7. April 1704 [...] nie als Autor der Two treatises [sic] bekannt, auch dort nicht, wo er sie als ein wichtiges Werk bezeichnet [...]“ (siehe Brandt 1988, 608; zum Publikationsdatum siehe auch Goldie/Wokler 2006, 43, zur Anonymität ebd., 47). 47 Es handelt sich vor allem um folgende Passagen der Zweiten Abhandlung: II §§ 20, 171, 205, 219, 220. Siehe auch Woolhouse 2007, 275.
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1.3 Reaktion auf Hobbes’ Leviathan oder auf Filmers Patriarcha? Der ideengeschichtliche Hintergrund Dass ein inhaltlicher Schwerpunkt der Zwei Abhandlungen darauf liegt, die Illegitimität des Absolutismus nachzuweisen, wird häufig als Beleg dafür herangezogen, dass sich John Locke hier besonders gegen Thomas Hobbes richtet. Bezieht man diese These auf die von Hobbes in seiner politischen Philosophie vorgebrachten Argumente zugunsten absolutistischer Gewalt, ist sie nicht von der Hand zu weisen, lassen sich doch viele der Überlegungen Lockes fraglos zur systematischen Kritik der Hobbesschen Ideen heranziehen. Versteht man sie jedoch als auf den Autor Thomas Hobbes bezogen, lässt sich diese These schwer belegen, weil sich Locke in den Zwei Abhandlungen nicht direkt mit seinem Werk auseinandersetzt.48 Dass die Zwei Abhandlungen für eine Leserschaft des 20. oder 21. Jahrhunderts dennoch streckenweise wie ein Kommentar zu Hobbes klingen, hat mit der erfolgreichen Rezeption des Leviathan zu tun, der aus heutiger Sicht das Werk zur Rechtfertigung des Absolutismus schlechthin zu sein scheint. Für Locke und seine Zeitgenossen war jedoch ein anderer Apologet absolutistischer Gewalt viel wichtiger, der inzwischen ironischerweise fast nur noch wegen Lockes Auseinandersetzung mit ihm bekannt ist: Robert Filmer. Weil Robert Filmers Schriften nicht annähernd an Hobbes’ Werke heranreichen, was die philosophische Qualität der vorgebrachten Argumente betrifft, nimmt es nicht wunder, dass Filmer heute nahezu vergessen ist, Hobbes aber als philosophischer Klassiker gilt. Zu Lockes Zeiten aber war Filmers Theorie trotz ihrer argumentativen Schwächen sozusagen zur „official state ideology“49 geworden, an der man aus politischen Gründen nicht vorbeikam, auch wenn man sie in philosophischer Hinsicht – wie Locke – nicht ernst nahm:50 „Filmer’s works were among the most powerful which opposed historical Parliamentary rights to alter the course of the succession and the most powerful theoretical argument supported by clerics endorsing Charles’ moves towards absolutism, especially in the years following the dissolution of the 1681 Oxford Parliament. As royalism came to be increasingly dependent upon clericalist and biblicist Filmerian patriarchalism instead of the more moderate 48 Hobbes’ Leviathan findet sich in der Ausgabe von 1651 in Lockes Buchbestand, ebenso kritische Auseinandersetzungen mit Hobbes, etwa von George Lawson oder von Edward Clarendon (Harrison/Laslett 1965, 109, 155, 170). Doch Peter Laslett hat in seinen Anmerkungen zur von ihm herausgegebenen Edition der Two Treatises (Locke 1988) auf die Stellen in diesem Werk aufmerksam gemacht, die sich auf Hobbes zu beziehen scheinen, und jeweils Gründe genannt, weshalb dieser Eindruck trüge (siehe seinen Index zu „Hobbes, Thomas“ und zu „Leviathan“). Laslett betont den Umstand, „that it has not been possible to find a single referenced extract from the work of Hobbes in the whole Lockeian corpus“ (Laslett 1988, 74). 49 Ashcraft 1980, 80. 50 Im Vorwort zu den Two Treatises macht Locke deutlich, was er von Filmers Werk hält: „[...] there was never so much glib Nonsence [sic] put together in well sounding English“ (Locke 1988, Preface, 137 f.), und erklärt, warum er sich trotzdem mit ihm beschäftigt: „I should not speak so plainly of a Gentleman, long since past answering, had not the Pulpit, of late Years, publickly owned his Doctrine, and made it the Currant Divinity of the Times“ (ebd., 138).
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and constitutionalist royalism of many Restoration legists, Locke would have had good reason to oppose Filmer’s arguments [...].“ Locke wie auch andere politische Theoretiker seiner Zeit wie James Tyrell oder Algernon Sidney sahen daher die Notwendigkeit, Filmers Thesen zu widerlegen.51 Filmers Theorie „natürlicher Untertänigkeit“ war bestens zur Zementierung des politischen Status quo geeignet, verkündete Filmer doch, jeder Mensch werde in eine Herrschaftsform hineingeboren und habe nicht das Recht, diese in Frage zu stellen. In Filmers Augen ging Thomas Hobbes mit seiner Verteidigung des Absolutismus nicht weit genug, weil er Ausnahmen einräumte, was den Gehorsam gegenüber dem absolutistischen Souverän angeht: Gegen einen Tyrannen, der einem nach dem Leben trachtet, darf man sich laut Hobbes wehren – für Filmer eine gefährliche Lehre, die der Rebellion Tür und Tor öffnete.52 Thomas Hobbes mag schon früh als „Monster of Malmesbury“ gegolten haben. Was jedoch den Umfang der souveränen Gewalt betrifft, geht Filmer weiter als Hobbes, und für einen Verteidiger begrenzter Staatsmacht wie Locke war er deshalb nicht nur wegen seiner Popularität unter den Mächtigen seiner Zeit, sondern auch aus inhaltlichen Gründen der wichtigere Gegner.
1.4 Nur ein zeitgeschichtlich interessantes politisches Pamphlet? Die Zwei Abhandlungen sind also in unmittelbarer Reaktion auf die politischen Geschehnisse und auf die prominente Doktrin der Zeit, Patriarcha, entstanden. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie nur als Zeitdokument zu lesen wären, von Interesse allenfalls aus ideengeschichtlicher Perspektive. Locke antwortet auf eine bestimmte historische Situation, doch das Problem, mit dem er sich auseinandersetzt, beschränkt sich nicht auf seine Epoche: Wann und wo auch immer politische Macht missbraucht zu werden droht, sind Lockes Überlegungen aktuell – um den Machtmissbrauch zu identifizieren, ihn abzuwehren und Maßnahmen zu seiner Verhinderung zu ergreifen. Dass die Zwei Abhandlungen nicht als politisches Pamphlet abgetan werden können, zeigt sich auch darin, dass Lockes politische Theorie auf dem soliden erkenntnistheoretischen Fundament gründet, das er im Versuch über den menschlichen Verstand präsentiert (1689 erschienen, in Arbeit seit 167153 ). Wenn es keine angeborenen Ideen oder Prinzipien gibt und Erkenntnis nur durch Erfahrung möglich ist, wie Locke im Versuch zeigen 51 John Dunn 1984, 32 betont, Filmer sei zu Lockes Lebzeiten eine gängige Zielscheibe politischer Schriftsteller gewesen. 52 Filmer 1991, 219–227 und Tully 1991, 621: „Many agreed with Filmer, especially after the failed radical Whig uprising and the Rye House Plot of 1681–3: the major tenets of natural freedom were condemned by Oxford University, and Locke’s fellow revolutionary Algernon Sidney was executed for holding them.“ 53 Im Frühjahr 1671 verfaßte Locke einen ersten Entwurf zum Thema des Versuch über den menschlichen Verstand, bekannt als „Draft A“, abgedruckt in Locke 1936.
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will, ergibt sich daraus eine politisch brisante Konsequenz: Das Individuum kann und soll die „Behauptungen politischer Interessenten auf keinen Vorwand hin glauben, sondern mit der Urteilskraft selbst überprüfen, z. B. Behauptungen wie diese: Der Mensch ist von Natur nicht frei, Adam war jure divino der absolute Herrscher der Welt, die heutigen Monarchen sind die legitimen Nachfolger Adams, ergo ist ihre Monarchie göttlichen Rechts und absolut.“54 Locke entlarvt die Berufungen auf Tradition, auf angeblich von allen als selbstverständlich erkannte Wahrheiten als Instrument der Herrschaftssicherung und kritisiert, „die Menschen in ihren Parteien [zwängen] ihre Lehrsätze allen Leuten, deren sie habhaft werden können, gewaltsam [auf], ohne ihnen zu gestatten, sie auf ihre Richtigkeit oder Unrichtigkeit hin zu prüfen […]“.55 Die in den Zwei Abhandlungen geäußerte Kritik an Filmer und Konsorten ist eben nicht nur eine politisch opportune Schmähung der Gegner der Whigs: Für Locke täuschen sie sich, weil sie ihre Argumente auf Einsichten stützen, die sie gar nicht besitzen können, weil etwa angeborene Ideen nicht existieren. Demgegenüber setzt er auf die Fähigkeiten, die seiner Auffassung zufolge jedes Individuum besitzt, die den Menschen vom Herrschaftswissen politischer oder kirchlicher Autoritäten unabhängig machen und es ihm ermöglichen, zu eigenständigen Urteilen zu gelangen. Diese „geistige Ausrüstung“ bildet die wahre Grundlage aller Erkenntnis – sogar des Wissens von der Existenz Gottes: „Sinne, Wahrnehmung, und Vernunft“.56
1.5 Zur Rezeption im 18. Jahrhundert Lockes Ruf als herausragender Denker gründete bis Mitte des 18. Jahrhunderts hauptsächlich auf seiner theoretischen Philosophie. Von diesem Ruhm sollten jedoch auch seine Werke zur politischen Philosophie profitieren – die Zwei Abhandlungen wurden zunächst nicht in erster Linie wegen ihres Inhalts, sondern „als Werk des berühmten Autors des ‚Essay‘ zitiert und empfohlen“.57 Die in den Zwei Abhandlungen vorgestellten Überlegungen verbreiteten sich aber trotz dieses Umwegs und beeinf lussten andere politische Denker maßgeblich.58 Jean-Jacques Rousseau etwa greift in Vom Gesellschaftsvertrag (1762) Lockes Freiheitsbegriff auf und entwickelt ihn weiter. Er stimmt Locke zu, dass ein Staat, der seine Bürger zwar vor Übergriffen von außen schützt, ihnen 54 Specht 1972, 204. 55 Locke 1988b, Buch IV, Kap. 3, § 20. 56 Locke 1988b, Buch IV, Kap. 10, § 1. Laut Brandt 1988, 682 wendet sich Locke damit „gegen die Legitimität eines bloss ererbten, nicht erworbenen Erkenntnis- oder Realbesitzes. Die ‚Gedankenarbeit‘ (labour of thought) ist das Gegenstück zur materiellen Arbeit bzw. zum ‚ehrbaren Fleiss‘ (honest industry)“ – für Locke ist es Faulheit, sich von anderen einfach vorsagen zu lassen, was man zu glauben und zu denken hat. 57 Brandt 1988, 704 und Dunn 1969, 79–80. 58 Zur frühen Rezeption der Abhandlungen bis 1705 siehe Pocock 1991.
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aber ihre Freiheit nimmt, illegitim ist – Freiheit im Sinne einer Freiheit vom Willen anderer59 wird von Locke und Rousseau als so zentral erachtet, dass man sie nicht abtreten könne, ohne damit auf seine Selbsterhaltung (Locke) oder gar komplett auf sein Menschsein (Rousseau) zu verzichten.60 Rousseau bedient sich sogar des Lockeschen Beispiels, um die Absurdität von Staaten aufzuzeigen, welche den Mangel an Freiheit ihrer Bürger damit rechtfertigen wollen, dass sie diesen doch immerhin ein Leben in Frieden ermöglichten: Solche Staaten funktionierten wie die Höhle des Polyphem, in der die Gefährten des Odysseus überlebten, solange sie nicht aufmuckten und sich schön still verhielten.61 Locke mag auch die erstmals von Rousseau vorgestellte Theorie konstitutioneller Volkssouveränität vorbereitet haben. Locke zufolge besitzt das Volk „Supream Power“; er beeilt sich aber hinzuzufügen, dies sei nicht im konstitutionellen Sinn zu verstehen.62 Während Locke das Volk als souverän gemäß dem Naturrecht betrachtet, ihm aber keinen institutionellen Platz in der Verfassung des Gemeinwesens einräumt, macht Rousseau deutlich, dass die von Locke übernommene Vorstellung von Freiheit nur in einer direkten Demokratie mit dem Volk als konstitutionellem Souverän denkbar ist.63 Und gerade für Denker, die sich mit ähnlichen Problemen wie Locke zur Entstehungszeit der Zwei Abhandlungen herumschlagen mussten, war dieses Werk attraktiv: Es bot nicht nur eine Theorie der Herrschaftslegitimation und -limitation, sondern auch konkrete Vorschläge zu deren Umsetzung, beispielsweise in Form einer ausgearbeiteten Lehre der Gewaltenteilung. So beriefen sich die Urheber der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung und der Verfassung auf Locke,64 und bei der Lektüre insbesondere von § 2 der „Declaration of Independence“ scheint offenkundig zu sein, dass ihr Lockes Theorie zugrunde gelegen haben muss: „We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty, and the pursuit of Happiness. – That to secure these Rights, Governments are instituted among Men, deriving their just powers from the consent of the governed. – That whenever any Form of Government becomes destructive of these ends, it is the Right of the People to alter or to abolish it, and to institute new Government, laying its foundation, and organizing its powers in such form, as 59 Locke II § 22; Rousseau 1964, I, 8, 365. 60 Locke II, § 23; Rousseau 1964, I, 4, 356. 61 Locke II, § 228; Rousseau 1964, I, 4, 355–356. 62 „And thus the Community may be said in this respect to be always the Supream Power, but not as considered under any Form of Government [...]“ (II § 149); vgl. auch II § 168: „[...] tho’ the People cannot be Judge, so as to have by the Constitution of that Society any Superiour power [...]; yet they have, by a Law antecedent and paramount to all positive Laws of men, reserv’d that ultimate Determination to themselves [...].“ 63 Rousseau 1964, I, 6–7; ebd. II, 1–2; ebd. III, 15. 64 Zum Einf luß Lockes auf die amerikanische Verfassungsdebatte: Pangle 1988 und White 1987.
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to them shall seem most likely to effect their Safety and Happiness.“65 Die These einer direkten Übernahme der Auffassungen Lockes wird allerdings durch Befunde in Frage gestellt, die darauf hinweisen, dass die Zwei Abhandlungen in den Kolonien bis um 1750 kaum verbreitet waren.66 Doch selbst wenn tatsächlich nur Wenige dieses Werk persönlich gelesen haben sollten, scheinen die darin enthaltenen Ideen sich herumgesprochen und Popularität erlangt zu haben, wie folgendes Beispiel zeigen mag. Thomas Jefferson als Hauptautor der „Declaration of Independence“ (1776) musste sich vorwerfen lassen, er habe diese ‚von Locke abgeschrieben‘.67 Jefferson entgegnete auf diese Kritik, die ganze „Autorität“ der Erklärung beruhe „on the harmonizing sentiments of the day, whether expressed in conversation, in letters, in printed essays, or the elementary books of public right, as Aristotle, Cicero, Locke, Sidney, etc.“68 Dass die geäußerten Auffassungen nicht als originell galten, verteidigt Jefferson gerade als Stärke der „Declaration“ – diese auch auf Locke zurückgehenden Ideen waren eben nicht neu, sie gehörten zu den gängigen Überzeugungen der Zeit. Sie in ein politisches Programm wie die „Declaration of Independence“ aufzunehmen, dessen Durchsetzung von einer möglichst breiten Akzeptanz in der Bevölkerung abhing, zeugt davon, wie stark die Inhalte der Zwei Abhandlungen bereits Eingang in die öffentliche Meinung gefunden haben müssen. John Dunns Diagnose einer „intellectual osmosis“, durch die Lockes Ideen absorbiert worden seien, bringt die Sache auf den Punkt: Diese Osmose habe es ermöglicht, „[to] be of Locke’s party without knowing it [...]“.69 Vermutlich ist es nach wie vor der Fall, dass Locke viele Parteigänger hat, die seine Schriften gar nicht kennen.
1.6 Politischer Liberalismus auf Grundlage des christlichen Naturrechts? Die überwältigende Verbreitung und Akzeptanz der Lockeschen Theorien kann man als Indiz dafür heranziehen, dass diese auch unabhängig von ihrem historischen Kontext interessieren und sie nicht nur eine Fundgrube für jene sind, die nach Lösungen für konkrete politische Probleme Ausschau halten. Auch wer nicht wie Locke und seine Mitstreiter während der Exclusion Crisis gegen Fremdbestimmung kämpfen muss und wegen der Ähnlichkeit der Ausgangslage auf die Zwei Abhandlungen zurückgreift, findet in ihnen systematisch relevante philosophische Fragen und Antworten. So fragt Locke etwa, wie politische Herrscher überhaupt Autorität beanspruchen können, und bindet 65 Tansill 1927, 22. 66 Dunn 1969, 79. 67 Reck 1991, 552. 68 Ebd. 69 Dunn 1969, 79.
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jegliche legitime Herrschaft an die Zustimmung der Bürger. Er sucht nach einem Konzept, mit dem deutlich gemacht werden kann, dass diese Zustimmung mitnichten einmal gegeben und dann für immer gültig ist, sondern konstant erneuert werden muss, und findet es im Begriff von „trust“ („Vertrauen“). Er forscht nach den Ursachen von Machtmissbrauch und überlegt, wie sich dieser verhindern lässt. Und er legt dar, dass sich der Zweck des Staates nicht darauf beschränkt, die Bürger vor gegenseitigen Übergriffen und Attacken fremder Mächte zu schützen; vielmehr erstreckt er sich auch auf den Schutz der Bürger vor dem Staat. Die Individuen werden als Träger unveräußerlicher Rechte präsentiert, Rechte, die sie sogar gewaltsam gegenüber der Staatsmacht verteidigen dürfen und sollen. „Locke ist der erste Theoretiker, der die Freiheit und rechtliche Gleichheit aller Staatsbürger miteinander identifiziert“,70 und all diese Elemente haben dazu beigetragen, Locke zum Referenzautor für alle zu machen, welche die Aufgabe des Staates in der Wahrung von Freiheit und Gleichheit sehen, allen voran Denker in der Tradition des politischen Liberalismus. Die „commonplace view of Locke as a founding father of liberal ideas“71 muss sich jedoch einem schwerwiegenden Einwand stellen: Die materialen Aspekte der politischen Philosophie Lockes können gewiss als liberal gedeutet werden, und die Erfolgsgeschichte von Konzepten wie Eigentumsschutz oder Widerstandsrecht bestätigt die These von Locke als Ahnherren des Liberalismus. Doch diese als liberal geltenden Konzepte beruhen auf einem Fundament, das möglicherweise mit dem politischen Liberalismus konf ligiert – Lockes Begründungsprogramm ist das des traditionellen christlichen Naturrechts. Der Konf likt lässt sich nicht dadurch auf lösen, dass man Lockes Rekurs auf das Naturrecht als Zugeständnis an das im Christentum verwurzelte Denken des 17. Jahrhunderts deutet, ohne das seine Schriften keine Chance auf Anerkennung durch seine Zeitgenossen gefunden hätten.72 Denn den Dreh- und Angelpunkt der politischen Philosophie Lockes bildet die These, niemand könne einem anderen mehr Macht übertragen, als er selbst habe, und an dieser These hängt der im Liberalismus geschätzte Imperativ, man dürfe sich und andere keiner willkürlichen Macht ausliefern (II §§ 6, 135). Der Gesetzgeber nun aber, der dies gebietet, ist für Locke zweifellos Gott (II § 135). Dass man sich laut Locke zum Beispiel nicht in die Sklaverei verkaufen darf, wird nicht etwa mit einem Grundrecht auf Freiheit begründet, auf das man sich als Mensch aufgrund seines Menschseins berufen könnte. Man darf sich Locke zufolge allein deshalb nicht versklaven, weil man das Eigentum Gottes ist (II § 6) und somit gar „keine Gewalt über sein eigenes Leben“ (II § 23) besitzt. Will man die materialen Aspekte der politischen Philosophie Lockes übernehmen, ohne deren
70 Brandt 1973, 74. 71 Miqueu 2009, 4. Zum Lockeschen Liberalismus: Grant 1991; Strauss 1953; Macpherson 1962; Salzborn 2010. 72 Diese These vertritt z. B. Macpherson 1962, 270.
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Fundierung im christlichen Naturrecht zu akzeptieren, wird man sich eine alternative Begründung überlegen müssen.73 Jedenfalls zeigt sich am Beispiel Lockes einmal mehr, dass es philosophiegeschichtlicher Unsinn ist, eine moderne, säkulare, Autonomie befördernde politische Philosophie generalisierend gegen ihre christlichen, auf Heteronomie beruhenden Vorgängermodelle auszuspielen: Bei Locke stellt das christliche Naturrecht gerade die Bedingung der Möglichkeit seines Freiheitsbegriffes dar. Und die Freiheit, die er meint, ist die bis heute geschätzte und als modern verstandene: Freiheit von Fremdbestimmung.
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2 Simone Zurbuchen
Ist Lockes politische Philosophie ‚sexistisch‘ und ‚rassistisch‘? Formen der Herrschaft im häuslichen Verband der Familie (Kap. 1 + 4 + 6 + 15)
Im ersten Kapitel der Zweiten Abhandlung fasst Locke seine Kritik an Robert Filmers Patriarcha in vier Punkten zusammen und hält als Ergebnis fest, es sei unmöglich, dass die jetzigen Herrscher aus Adams persönlicher Herrschaft und väterlicher Gerichtsbarkeit irgendeine Autorität ableiten könnten. Wer nicht der Schlussfolgerung verfallen wolle, alle Regierungen auf der Welt beruhten auf bloßer Stärke und Gewalt, müsse deshalb einen anderen Ursprung der Regierung und der politischen Gewalt ausfindig machen (II § 1). Um darzulegen, was unter „politischer Gewalt“ („political power“, II § 2–3) zu verstehen sei, müsse diese von anderen Formen der Gewalt wie derjenigen eines Vaters über seine Kinder, eines Herrn über seinen Diener, eines Ehemannes über seine Frau sowie eines Herrn über seinen Sklaven unterschieden werden (II § 2). Auf die hier aufgezählten Formen der Gewalt kommt Locke zu Beginn des 7. Kapitels zurück, wo er sie als Bestandteile der „häuslichen Herrschaft einer Familie“ („domestic rule of a family“, II § 86) bezeichnet, die der pater familias ausübt. Im Rückblick auf seine vorher vorgetragene Analyse dieser Herrschaftsformen hält er fest, die Familie sei – wie groß auch immer ihre Ähnlichkeit mit einem Staat sein möge – von diesem „in Verfassung, Gewalt und auch in ihrem Ziel“ (II § 86) grundsätzlich verschieden. Wenn man die Familie für eine Monarchie halte, so dürfe man dem Familienvater höchstens eine zerbrechliche und geringe Gewalt zuschreiben, denn er besitze abgesehen von den Sklaven über die einzelnen Personen, aus denen die Familie besteht, nur beschränkte Gewalt. Dieser kurze Aufriss könnte die Erwartung wecken, Locke sei dem Vorsatz gefolgt, nach der Besprechung des Natur- und des Kriegszustandes (2.–3. Kapitel) die häusliche Herrschaft einer Familie in ihren verschiedenen Komponenten zu analysieren, um sich im Anschluss daran der Frage zuzuwenden, was das besondere Wesen der politischen Gesellschaft ausmache (II § 86). Dies scheint jedoch nicht der Fall zu sein, schiebt er doch zwischen das 4. und das 6. Kapitel das lange Kapitel über das Eigen-
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tum ein; außerdem behandelt er die verschiedenen Formen der Gewalt im häuslichen Verband in jeweils unterschiedlicher Perspektive: Während er bei der Diskussion der väterlichen Gewalt gegen Filmer nachweist, inwiefern natürliche Freiheit und Unterwerfung unter den Vater bzw. die Eltern zu vereinbaren seien, steht bei der Behandlung der häuslichen Herrschaft einer Familie mit all ihren verschiedenen Komponenten der Unterschied zur politischen Gewalt im Vordergrund (II §§ 83 und 86). Unter welcher Perspektive Locke die Sklaverei (und damit zusammenhängend die Knechtschaft) behandelt, ist am wenigsten klar. Indem er das 4. Kapitel nämlich mit einer Definition der natürlichen Freiheit und der Freiheit des Menschen in der Gesellschaft beginnt (II §§ 22–23), scheint er diese als Gegenbegriff zur Freiheit einzuführen, wie dies in der Tradition des englischen Republikanismus weit verbreitet war (Skinner 1998). Indem er die Sklaverei dann aber als Teil der häuslichen Gesellschaft rechtfertigt (II §§ 23–24, 85), erhalten seine Ausführungen eine neue Dimension: Es stellt sich die Frage, ob er damit (auch?) die Absicht verfolgte, die Sklaverei in der Neuen Welt zu legitimieren. Ähnliche Interpretationsprobleme wie das 4. Kapitel wirft auch der Beginn des 7. Kapitels auf. Hier stellt sich die Frage, ob Locke die eheliche Gesellschaft sozusagen eher der Vollständigkeit halber behandelt oder ob es ihm auch um eine Stellungnahme zur Position der Frau in der Gesellschaft geht. Im Folgenden werden die verschiedenen Formen der Herrschaft nicht in der Reihenfolge besprochen, in der sie in der Zweiten Abhandlung erscheinen. Es wird vielmehr mit der väterlichen Gewalt der Anfang gemacht und dann nacheinander die eheliche Gewalt sowie die Sklaverei diskutiert. Das 6. Kapitel richtet sich ausdrücklich gegen Filmers These, die „absolute Herrschaft und königliche Autorität“ („absolute dominion and regal authority“, II § 53) sei mit der väterlichen Herrschaft gleichzusetzen, womit sich Locke im Verbund mit politischen Schriftstellern wie James Tyrrell und Algernon Sidney in die Gruppe der Kritiker des Patriarchalismus einreihte (Schochet 1988). Locke führt seine Kritik am Patriarchalismus aber nicht konsequent zu Ende, was sich gleich zu Beginn des 6. Kapitels zeigt: Er stellt zunächst fest, der Ausdruck „väterliche Gewalt“ rufe Missverständnisse hervor, weil er unterstelle, die Mutter habe keinen Anteil an der Gewalt der Eltern über ihre Kinder, obwohl ihr doch ein „gleicher Rechtsanspruch“ (II § 52) zustehe. Obwohl er deshalb die Auffassung vertritt, die „väterliche Gewalt“ müsste richtig „elterliche Gewalt“ heißen (ebd.), begnügt er sich dann allerdings mit einer polemischen Bemerkung gegen die Vertreter des Patriarchalismus, erklärt die Frage der Benennung für erledigt (II § 53) und verwendet im Folgenden die – doch offenbar unangemessene – Bezeichnung „väterliche Gewalt“. Während er bei der Analyse von Fürsorge und Vormundschaft auf der einen, Ehrerbietung auf der anderen Seite die Rolle der Mutter aber doch häufig einbezieht, öfter von den „Eltern“ statt vom „Vater“ spricht und explizit Fälle erwähnt, in denen die väterliche Gewalt ausschließlich der Mutter zukomme – so z. B. in Gegenden Amerikas, wo alle Kinder bei der Mutter bleiben oder im Falle einer Trennung von Mann und Frau –, ist von Töchtern nie
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die Rede. Es deutet jedoch nichts darauf hin, dass Töchter im Unterschied zu Söhnen nicht in den Zustand der natürlichen Freiheit gelangen würden, sobald sie das Alter der Selbstverantwortlichkeit oder Reife erreichen (II § 59). Wie bereits erwähnt, verfolgt Locke mit dem Kapitel über die väterliche Gewalt das Ziel, gegen Filmer zu beweisen, dass die Unterworfenheit der Kinder unter die Eltern der im 2. Kapitel eingeführten These nicht widerspricht, die Menschen seien von Natur aus frei und gleich (II § 4, vgl. Schochet 1988, 244 f.). Er präzisiert zunächst, mit der Gleichheit im Naturzustand sei nicht jede Art von Gleichheit gemeint. So könnten etwa Alter oder Tüchtigkeit, Talente und Verdienste, aber auch Geburt oder Verwandtschaft gewissen Menschen einen Vorrang einräumen. Gleich seien sich alle Menschen lediglich im Hinblick auf „die Rechtsprechung und die Herrschaft des einen über den anderen“ („jurisdiction or dominion one over another“, II § 54). Dass Kinder nicht frei geboren werden, sondern ihren Eltern unterworfen sind, erklärt Locke daraus, dass nur derjenige frei sein könne, der dem Gesetz der Vernunft unterworfen sei. Da Kinder noch nicht fähig seien, ihre Vernunft zu gebrauchen und das Gesetz zu erkennen, seien sie nicht sofort frei (II § 57) und gleich, wohl aber für den „völligen Zustand der Gleichheit“ geboren (II § 55). Die Eltern hätten eine Art vorübergehender Herrschaft oder Gerichtsbarkeit über die Kinder (II § 55), die sie autorisiere, diesen ihren Willen vorzuschreiben und ihre Handlungen zu lenken (II § 58), bis sie im Alter von 21 Jahren (oder in manchen Fällen auch schon früher) die Reife erlangten. Obwohl Locke sich mit seiner Erläuterung des Freiheitsbegriffs primär gegen Filmer wandte, der die natürliche Freiheit des Menschen bestritten hatte (Farr 2008, 500 f.), wird daran auch seine Opposition gegen den Begriff der ‚negativen Freiheit‘ sichtbar, wie ihn Thomas Hobbes verwendete. Während Hobbes Freiheit als „das Fehlen von Widerstand“ durch äußere Bewegungshindernisse definierte und das Gesetz als Einschränkung der Freiheit betrachtete (Hobbes 1984, 99, 184), betont Locke umgekehrt, dass das Gesetz „nicht so sehr die Beschränkung, sondern vielmehr die Leitung eines frei und einsichtig Handelnden in seinem eigenen Interesse“ bedeute (II § 57). So sei es nicht das Ziel des Gesetzes, die Freiheit abzuschaffen oder zu beschränken, sondern diese zu erhalten und zu erweitern: „Freiheit heißt […] nicht, wie uns gesagt wird, eine Freiheit für jeden, zu tun, was ihm gefällt […]; sondern eine Freiheit, innerhalb der erlaubten Grenzen jener Gesetze, denen er untersteht, über seine Person, seine Handlungsweise, seinen Besitz und sein gesamtes Eigentum zu verfügen und damit zu tun, was ihm gefällt, ohne dabei dem eigenmächtigen Willen eines anderen unterworfen zu sein, sondern frei dem eigenen zu folgen.“ (ebd.). Aus dieser Definition der Freiheit folgt, dass nicht nur Kinder, die noch nicht über Vernunft verfügen, sondern auch Geisteskranke und Verrückte, die den zur Erkenntnis des Gesetzes verlangten Grad der Vernunft nie erreichen, nicht frei sind (II § 60). Bei der Erläuterung des unvollkommenen Zustands, in dem die Kinder geboren werden, beruft sich Locke auf jene charakteristische Eigenschaft des Menschen, die Samuel
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Pufendorf hervorgehoben hatte, um damit die Angewiesenheit des Menschen auf gegenseitige Hilfe und die Vorteile der Kooperation zu betonen, nämlich dessen Schwäche und Hilf losigkeit (II § 56). Während Pufendorf die „imbecillitas“ im Zusammenhang der Begründung des Prinzips des Naturrechts – des Prinzips der Geselligkeit – anführte (Pufendorf 1998, Buch II, Kap. 3, § 14–15; Pufendorf 1997, Buch I, Kap. 3, § 3), verweist Locke darauf, um den Ursprung der Verpf lichtung der Eltern einsichtig zu machen, ihre Kinder zu erhalten, zu ernähren und zu erziehen (II §§ 56, 58). Aus der Fürsorgepf licht der Eltern bzw. des Vaters – und nicht etwa, wie Locke eigens anführt, aus dem bloßen Zeugungsakt (II § 65) – leitet sich der erste Teil der elterlichen bzw. väterlichen Gewalt ab, nämlich die Gewalt der Erziehung (II § 69). Im Unterschied zur „eigentlichen Gewalt der Obrigkeit“, welche das Recht auf Gesetzgebung sowie auf Durchsetzung der Gesetze durch Androhung der Todesstrafe beinhaltet (II § 65), ist die Gewalt der Erziehung in mehreren Hinsichten beschränkt: Sie ist erstens zeitlich begrenzt (II § 58), sie erstreckt sich zweitens nicht auf das Leben und das Eigentum der Kinder, das diese durch eigenen Fleiß oder die Gunst anderer erworben haben (II § 65), und sie ist drittens veräußerlich, d. h. sie kann einem Vormund übertragen werden (II § 69). Die elterliche Gewalt ist nach Locke nicht nur beschränkt, sondern von Gott auch dadurch gemildert und zum Wohl der Kinder eingerichtet worden, dass dieser den Eltern geeignete Neigungen, nämlich zärtliche Hingabe und Liebe, ins Herz gelegt habe (II § 63). Der zweite Teil der elterlichen Gewalt besteht in der Ehrerbietung, welche die Kinder den Eltern aus Dankbarkeit und zur Vergeltung der von ihnen empfangenen Wohltaten schulden. Obwohl Locke wie im Fall der Erziehung gelegentlich von der Pf licht der Ehrerbietung spricht und die Begriffe „Gewalt“ („power“) und „Pf licht“ („duty“) gleichsetzt (II § 69), scheint es angemessener, die Ehrerbietung als ein „Vorrecht“ („privilege“) der Eltern zu betrachten (II § 68), dem auf Seiten der Kinder eine Pf licht entspricht. Im Unterschied zur Gewalt der Erziehung endet diejenige der Ehrerbietung nicht mit der Minderjährigkeit, sondern die Eltern haben ein „ewiges Recht auf Achtung, Verehrung, Unterstützung und Willfährigkeit“ (II § 67). Das Vorrecht der Ehrerbietung ist außerdem nicht veräußerlich, und die Autorität des Vaters kann dieses weder der Mutter nehmen noch seinen Sohn von seiner Pf licht entbinden (II § 69). Auch im Zusammenhang mit diesem Teil der elterlichen Gewalt betont Locke, dass diese trotz der Unterschiede zur Erziehung weder dem Vater noch der Mutter das Recht oder die Macht verleihe, für diejenigen Gesetze zu erlassen, die in ihrer Schuld stünden, und diese durch Strafe zu erzwingen (II §§ 69–70). Wenn Kinder das Alter der Reife erreichen, sind sie auch nicht automatisch Untertanen der Regierung eines Landes. Dies wird im Zusammenhang mit der Gewalt, den Nachkommen sein Vermögen zu vermachen – die „in der Welt“ zur väterlichen Gewalt gezählt werde, obwohl sie dem Vater mit anderen Menschen gemeinsam sei (II § 72) –, genauer erläutert. Locke wendet sich gegen die verbreitete Annahme, der Va-
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ter könne seine Nachkommen derselben Regierung verpf lichten, der er selbst durch Vertrag verpf lichtet war. Da Kinder von Natur aus frei seien, könnten diese der Regierung gegenüber keine natürliche Verpf lichtung haben, sondern sich ihr bloß freiwillig unterwerfen. Obwohl die Kinder also frei wählen können, welcher Regierung sie sich unterwerfen wollen, müssen sie sich nach Locke aber doch den Bedingungen fügen, die mit dem Besitz von Land verbunden sind, d. h. der Untertänigkeit gegenüber der Regierung des Landes zustimmen. Indem der Vater bei seinen Nachkommen Hoffnungen auf die Ländereien erweckt, die er ihnen vermachen kann, bietet sich ihm die Möglichkeit, Druck auf den Gehorsam der Kinder gegen sich auszuüben und diese ferner zu veranlassen, sich der Regierung zu unterwerfen (II § 73, vgl. § 117). Locke beschließt die Ausführungen zur väterlichen Gewalt mit dem Fazit, die politische und die väterliche Gewalt seien völlig verschieden und unabhängig voneinander (II §§ 71, 74), fährt dann aber mit der Bemerkung fort, man könne sich leicht vorstellen, wie in den ersten Zeitaltern der Welt und noch zu seiner eigenen Zeit in dünn besiedelten, herrenlosen Gegenden der Welt der Vater zum Fürsten werde. Während er also de jure jeden Zusammenhang zwischen väterlicher und politischer Herrschaft bestreitet, scheint ihm de facto ein solcher durchaus gegeben. Indem er einräumt, der Übergang von der einen zur anderen Art der Herrschaft habe nahe gelegen, kann er Aristoteles’ Ansicht bestätigen, wonach die politische Herrschaft ursprünglich den Familienvätern zukam (II § 74), wodurch die Grundlage für Erb- oder Wahlkönigreiche mit verschiedenen Verfassungen gelegt war (II § 76). Obwohl er den Wandel der Familienväter zu politischen Monarchen als „unmerklich“ bezeichnet, da sie auf der Gewöhnung zum Gehorsam gegenüber dem Vater in der Kindheit beruhe (II § 75), unterminiert Locke mit seiner Erklärung der historischen Entstehung politischer Herrschaft die Kriterien ihrer Legitimität nicht. Denn er hält ausdrücklich fest, die Regierung sei dem Vater „durch die ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung“ der Kinder im Erwachsenenalter verliehen worden. Dessen politische Gewalt beruhte also nicht auf der Vaterschaft, sondern auf der ihm erteilten Erlaubnis, „jene vollziehende Gewalt des natürlichen Gesetzes auszuüben, die jeder freie Mensch von Natur aus besitzt“ (II § 74). Auch wenn Locke die Rolle der Mutter im 6. Kapitel in den Hintergrund rückt, anerkennt er doch die Gleichheit von Mann und Frau bei der Ausübung der elterlichen Gewalt. Dem Vater räumt er lediglich einen Vorrang bei der Gewalt der Vererbung ein, die aber nicht Bestandteil der väterlichen Gewalt ist. Die Darstellung der elterlichen bzw. väterlichen Gewalt erscheint jedoch in einem anderen Licht, wenn sie zusammen mit Lockes Ausführungen über die Ehe im 7. Kapitel gelesen wird. Die Ehe hat insofern einen Einf luss auf die Ausübung der elterlichen Gewalt, als sie die „erste Gesellschaft“ (II § 77) ist, der diejenige zwischen Eltern und Kindern erst folgt. In ihr werden die Fürsorge und Zuneigung von Mann und Frau vereinigt, welche die gemeinsame Nachkommenschaft erfordert (II § 78).
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Die Ehe wird nüchtern und rein funktional als „Berechtigung auf den Körper des anderen“ bestimmt, was zur Erfüllung ihres wichtigsten Zwecks, der Zeugung, notwendig sei (ebd.). Da sie auf einem „freiwilligen Vertrag“ zwischen Mann und Frau beruht (ebd.), die also als gleichberechtigte Parteien vorausgesetzt werden, stellt sich die Frage, ob es sich bei der Ehe überhaupt um eine Form der Herrschaft handle. Nach Locke ist dies sehr wohl der Fall, da Ehegatten zwar nur ein gemeinsames Interesse, aufgrund ihres unterschiedlichen Verstandes jedoch nicht denselben Willen hätten. Aus diesem Grund müsse es irgendwo eine letzte Entscheidung und damit eine Herrschaft geben, die „naturgemäß dem Manne als dem fähigeren und stärkeren Teil“ zufalle (II § 82). Auch wenn Locke gleich hinzufügt, diese Herrschaft sei in verschiedenen Hinsichten begrenzt und er nicht ausschließt, dass einer Familie statt eines Herrn auch eine Herrin vorstehen kann (II §§ 77, 86), so stellt seine Begründung der Herrschaft des Mannes über die Frau doch einen Bruch mit dem Grundsatz der Gleichheit dar. Selbst ein Interpret wie Jeremy Waldron, der Locke soweit als möglich vom Vorwurf ungerechtfertigter Vorurteile freizuhalten versucht, lässt sich schließlich dazu hinreißen, die eben zitierte Aussage mit einer gewissen Verzweif lung wie folgt zu kommentieren: „I wish Locke had not said this: It would make my life easier as an exponent of his theory of basic equality. But there is no way round it. The position cannot be saved […]“ (Waldron 2007, 254). Wenn man bedenkt, dass Lockes Begründung der Herrschaft des Mannes über die Frau bereits zu seiner Zeit von Mary Astell kritisiert wurde (Astell 1706, x f., Springborn 1995, 628 f., Springborn [Hg.] 1996, xxi f.) und dass Olympe de Gouges der Déclaration des droits de l’homme et du citoyen von 1789 eine Déclaration des droits de la femme et de la citoyenne gegenüberstellte, in der sie forderte, der Ehevertrag zwischen Mann und Frau müsse neu verhandelt werden, wenn die Frauen politische Gleichberechtigung erlangen sollten (de Gouges 1989, 48–54), so ist es als erstaunliche Tatsache zu bezeichnen, dass die Widersprüche, in die sich Locke bei der Begründung der Herrschaft in der Ehe verwickelt, erst in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts zum Thema der Forschung geworden sind (Schochet 2007, 132 f.). Da die Geschichte der politischen Philosophie von Feministinnen seither gründlich auf Voreingenommenheit gegenüber dem weiblichen Geschlecht geprüft wurde,1 mag man sich die Frage stellen, ob es nicht genüge, in den Paragraphen über die Ehe einen Bruch mit dem Grundsatz der Gleichheit zu konstatieren, um sich dann jenen Teilen der Zweiten Abhandlung zuzuwenden, die auch für die politische Philosophie der Gegenwart noch von Bedeutung sind. Dies wäre jedoch insofern voreilig, als man sich so die Möglichkeit vergäbe, genauer zu prüfen, ob Lockes Argumentation tatsächlich – wie ich oben unterstellte – widersprüchlich sei oder ob sich dahinter nicht eher eine konsequente Logik patriarchalen Denkens verberge, wie etwa Carol Pateman annimmt (Pateman 1988, 52 f.). Diese bei1 Als vorbildlich darf in diesem Zusammenhang Carol Patemans Studie The sexual contract (Pateman 1988) gelten.
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den Interpretationsmöglichkeiten sollen im Folgenden genauer betrachtet werden.2 Da die Ehe nach Locke auf einem Vertrag beruht, kann wohl von vornherein ausgeschlossen werden, dass die Herrschaft des Mannes über die Frau auf bloßer Stärke und Gewalt beruht. Es ist jedoch zu erwägen, ob der Vater zur Herrschaft berechtigt sein könnte, weil er im Hinblick auf die gemeinsamen Aufgaben der Ehegatten über größere Fähigkeiten verfügt. Seine Autorität beruhte dann nicht auf faktischer Stärke und Gewalt, sondern auf Verdienst. In den oben bereits angeführten Ausführungen zur natürlichen Gleichheit der Menschen (II § 54) schließt Locke ja nicht aus, dass etwa Alter oder Tüchtigkeit, Talente oder Verdienste Ungleichheit unter den Menschen begründen könnten. Da er jedoch ausdrücklich hinzufügt, die Gleichheit unter den Menschen beziehe sich auf „die Herrschaft des einen über den anderen“, hat diese Interpretation zum Ergebnis, dass die Herrschaft des Mannes über die Frau dem Grundsatz der natürlichen Gleichheit widerspricht. Wenn diese überhaupt als gerechtfertigt gelten sollte, müsste sie auf der Zustimmung durch die Frau beruhen. Diese Deutung lässt sich mit dem Hinweis auf die Stelle im 6. Kapitel stützen, wo Locke im Zusammenhang mit dem historischen Zusammenhang zwischen väterlicher und politischer Gewalt ausführt, die Kinder hätten der politischen Herrschaft des Vaters zugestimmt, weil niemand „geeigneter“ gewesen sei, sie zu regieren (II § 75, vgl. II § 105). Dagegen spricht allerdings Lockes Aussage, die letzte Entscheidungsgewalt in der Ehe komme dem Mann „naturgemäß“ zu (II § 82). Eine andere Interpretation der Herrschaft in der Ehe, die von Pateman vorgeschlagen wurde, bleibt nicht bei der Feststellung eines Widerspruchs stehen, sondern sieht darin die Konsequenz einer in sich kohärenten patriarchalen Logik des Denkens. Diese Deutung stützt sich auf die These, dass Locke die Geltung des Grundsatzes der natürlichen Gleichheit von Anfang an auf Männer beschränkt habe. Wenn er also im 2. Kapitel von der „Gleichheit der Menschen“ (II § 5) spricht, hätte er tatsächlich nur an Menschen männlichen Geschlechts gedacht, also an diejenigen, denen er dann später die Rolle des Herrn im häuslichen Verband der Familie zuschreibt. Dies würde bedeuten, dass Frauen als dem Mann unterworfene Mitglieder der Familie wie Kinder, Knechte und Sklaven bei der Begründung der politischen Gesellschaft keine konstitutive Rolle zukommen könnte und sie keinen politischen Status hätten. Diese Deutung steht jedoch nicht nur im Widerspruch zur Aussage, dass die Ehe auf Vertrag beruhe, sondern sie lässt sich auch nicht mit Lockes Ausführungen über die Beschränkung der Gewalt in der Ehe vereinbaren. So hält er erstens ausdrücklich fest, die Herrschaft des Mannes erstrecke sich nur auf „die Dinge des gemeinsamen Interesses und Eigentums“ und lasse die Frau „im vollen und freien Besitz“ dessen, was im Vertrag festgelegt worden sei (II § 82). Dass verheiratete Frauen Eigentum haben können, wird durch eine Stelle im 16. 2 Die folgenden Ausführungen orientieren sich an Waldron 2007, 255–260, der die verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten einander mustergültig gegenübergestellt hat. Für eine ausführlichere Diskussion dieser Thematik vgl. Nancy J. Hirschmann und Kirstie M. McClure (Hg.) 2007.
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Kapitel über die Eroberung bestätigt, wo es heißt, der Mann könne auch gegenüber einem gerechten Eroberer das Eigentum, das seiner Frau aufgrund eigener Arbeit oder durch Vertrag zukomme, nicht verwirken (II § 257). Zweitens führt Locke aus, die Frau habe das Recht, sich von ihrem Mann zu trennen, wenn dies das natürliche Gesetz oder ihr Vertrag erlaubten (II § 82). Das natürliche Gesetz verpf lichtet die Ehegatten nur so lange zusammen zu bleiben, bis alle Kinder sich selbst versorgen können und ihrer Fürsorge nicht mehr bedürfen (II §§ 79–80). Drittens schließt Locke – wie bereits erwähnt – nicht aus, dass eine Frau dem häuslichen Verband der Familie vorsteht (II §§ 77, 86). Der Umstand, dass Frauen Eigentum haben können, das nicht der Herrschaft eines Mannes (des Vaters, des Ehemanns) untersteht, hat wichtige Konsequenzen im Hinblick auf ihren Status in der politischen Gesellschaft: Da der einzige Weg, wie Land, das eine Frau besitzt, unter die Rechtsprechung einer politischen Gesellschaft gelangen kann, über ihre Zustimmung führt, drängt sich die Schlussfolgerung auf, dass verheiratete Frauen nur durch ihre eigene Zustimmung der politischen Autorität unterworfen werden. Es ist deshalb wenig überzeugend anzunehmen, Locke habe Frauen vom Volk ausgeschlossen, das die Regierung errichtet (Waldron 2007, 258). Dies wird indirekt dadurch bestätigt, dass Locke im Unterschied zu einem Pufendorf (Pufendorf 1997, Buch II, Kap. 3, § 3) oder einem Tyrrell (Tyrrell 1681, 83 f.) Frauen nicht explizit aus der politischen Sphäre ausschließt (Waldron 2007, 259). Von den zum häuslichen Verband der Familie gehörenden Personen können nach Locke einzig die Sklaven, die zu keinerlei Eigentum fähig sind, nicht als Teil der bürgerlichen Gesellschaft angesehen werden (II § 85). Aus dem Vergleich zwischen den beiden Interpretationsmöglichkeiten, die vorgestellt wurden, ergibt sich die Schlussfolgerung, dass es Locke in der Zweiten Abhandlung versäumte, zur Stellung der Frau in der Gesellschaft Stellung zu beziehen und den heutigen Leser deshalb Widersprüche in seiner Argumentation feststellen lässt, die einem politischen Denker seines Formats nicht hätten unterlaufen dürfen. Dies ist am ehesten darauf zurückzuführen, dass seine Ausführungen über Formen der Herrschaft in der Familie dem Ziel untergeordnet waren, gegen Filmer zu beweisen, dass diese mit der politischen Herrschaft nichts gemein haben. Vergleichbare Interpretationsschwierigkeiten wie Lockes Begründung der Ehe als eines Herrschaftsverhältnisses bietet auch sein Verständnis der Sklaverei. Wie eingangs erwähnt, wendet sich Locke einerseits dezidiert gegen die Sklaverei, die den Engländern unter der absoluten Monarchie drohe, wie Filmer sie verteidigte;3 andererseits legitimiert er jedoch die Sklaverei als Form der Herrschaft innerhalb des häuslichen Verbands der Familie. Auf welche Weise er dies tut, lässt sich rasch rekapitulieren: Nach Locke 3 Berühmt ist die Stelle aus der Ersten Abhandlung, wo Locke gegen Filmer argumentiert, es sei eines Engländers und eines Gentleman unwürdig, die Sklaverei zu verteidigen: „Die Sklaverei ist ein so verächtlicher, erbärmlicher Zustand des Menschen und dem edlen Charakter und Mut unserer Nation derartig entgegengesetzt, dass es schwerfällt zu begreifen, wie ein Engländer, geschweige denn ein Gentleman, sie verteidigen kann“ (Locke 1977, I § 1).
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kann die Sklaverei nicht auf Vertrag beruhen, da die Freiheit von absoluter oder willkürlicher Gewalt so eng mit der Erhaltung des Menschen verbunden sei, dass er diese nicht aufgeben könne, ohne sein Leben zu verwirken. Da der Mensch als Geschöpf Gottes jedoch keine Gewalt über sein eigenes Leben habe, könne er sich weder durch Vertrag noch durch eigene Zustimmung zum Sklaven eines anderen machen (II § 23). Die bei Juden und anderen Völkern bekannte Praxis des Verkaufs von Menschen deutet Locke so, dass es sich dabei nicht um Verhältnisse der Sklaverei, sondern der Knechtschaft gehandelt habe, die auf Vertrag beruhten (ebd.). Die einzige Möglichkeit, die Sklaverei als rechtmäßig zu erweisen, besteht für Locke darin, diese als „fortgesetzte[n ] Kriegszustand zwischen einem rechtmäßigen Eroberer und einem Gefangenen“ zu deuten (II § 24). Wenn nämlich jemand durch eine Handlung, die den Tod verdient, sein Leben verwirke, dürfe derjenige, an den er es verwirkt hat, seine Hinrichtung aufschieben und ihn zu seinem eigenen Dienst gebrauchen, ohne ein Unrecht zu begehen (II § 23). Dem Herrn kommt eine „despotische Gewalt“ über den Sklaven zu, d. h. „eine absolute, willkürliche Gewalt, die ein Mensch über einen anderen hat, sein Leben zu nehmen, wann immer es ihm gefällt“ (II §172). Dies bedeutet umgekehrt, dass der Sklave nicht nur – wie oben erwähnt – nicht Teil der bürgerlichen Gesellschaft ist, sondern dass er – da er sich durch einen ungerechtfertigten Angriff auf das Leben eines anderen von der Vernunft und dem Weg des Friedens abgekehrt habe – seinen Status als Mitglied des menschlichen Geschlechts verliert und zur Art des Tieres herabsinkt (II § 172). Obwohl Locke mit seiner Argumentation insofern von Grotius, Hobbes und Pufendorf abweicht, als er ausschließt, dass Sklaverei auf einem Vertrag beruhen könne (Grotius 1913–1925, Buch I, Kap. 3, § 8; Hobbes 1984, 157 f., Pufendorf 1997, Buch II, Kap. 4, § 4), steht diese eindeutig in der Tradition des modernen Naturrechts. Denn auch seine Vorgänger nehmen an, dass nur Kriegsgefangene rechtmäßig versklavt werden dürften, die ihr Leben verwirkt hätten (Siep 2007, 227 f., Franke 2009).4 Im Blick auf die Zweite Abhandlung stellt sich die Frage, ob Locke damit die Sklaverei in der Neuen Welt habe rechtfertigen wollen oder ob seine aktive Beteiligung am Sklavenhandel und der Sklaverei lediglich als moralischer Makel eines Autors auszulegen sei, der in seinem praktischen Verhalten gegen die Grundsätze verstieß, die er in der Theorie verteidigte. Die Sachlage ist insofern eher kompliziert, als das Problem der Sklaverei auf den Kontext Amerika verweist, in dem es gleichzeitig auch um das Recht auf Kolonisierung geht, dessen Grundlagen Locke im Kapitel über das Eigentum erörtert. Im Folgenden werde ich mich soweit wie möglich auf die Sklaverei beschränken. 4 Diese Begründung der Sklaverei taucht auch noch im Völkerrecht Emer von Vattels auf, sollte hier jedoch eine markante Änderung erfahren: Vattel argumentiert, dass Kriegsgefangene unabhängig davon, ob sie an einem gerechten oder ungerechten Krieg beteiligt waren, nicht getötet, sondern lediglich gefangen genommen werden dürften. Die Versklavung erachtet er nur noch als legitim, wenn ein Kriegsgefangener sich eines Verbrechens wie z. B. der Tötung von Alten, Frauen und Kindern oder der Vergewaltigung schuldig gemacht habe, auf dem die Todesstrafe steht (Vattel 1758, Buch III, Kap. 8, § 141, 556; Zurbuchen 2009, 115).
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Dass Locke die Verhältnisse in den britischen Kolonien sehr gut kannte und mit der Herrschaftsform der Besitzsklaverei, die eine lebenslängliche und erbliche Institution war und hauptsächlich aus Afrika eingeschleppte Männer, Frauen und deren Kinder betraf, vertraut gewesen sein muss, ja mehr noch: daran beteiligt war, ist unbestritten. Interpreten der Zweiten Abhandlung sind deshalb mit der befremdlichen Tatsache konfrontiert, dass ein hervorragender Theoretiker der natürlichen Freiheit, dessen Schriften im 18. und 19. Jahrhundert zu einer wichtigen Quelle für die Bewegung des Abolitionismus wurden (Glausser 1990, 205), selbst am Sklavenhandel beteiligt war, und dies auf zweifache Weise:5 Locke investierte erstens in zwei Handelsgesellschaften – die Royal African Company auf der einen, die Company of Bahamas Adventurers auf der anderen Seite –, deren geschäftliche Aktivitäten von der Sklaverei abhängig waren. In beiden Fällen arbeitete er eng mit seinem Freund und Patron Lord Ashley, First Earl of Shaftesbury, zusammen. Er hatte zweitens drei Ämter in der Verwaltung inne, die ebenfalls mit der Sklaverei zu tun hatten: Um 1663 fungierte er eine Zeit lang als (nicht offizieller) Sekretär der Lords Proprietors of Carolina, für die er an der Ausarbeitung und Revision der Fundamental Constitutions of Carolina mitwirkte, einem Dokument, in dem unter anderem festgelegt wurde, dass jeder Freie in Carolina absolute Gewalt und Autorität über seine Negersklaven habe, welcher Weltanschauung oder Religion diese auch anhängen mochten. Die Eigentümer der Sklaven hielten also explizit fest, dass die Religionsfreiheit, die sie ihren Sklaven zugestanden, keine andere Art der Freiheit implizierte (Farr 2008, 499). Dann war Locke ab 1673 während mehr als einem Jahr auch Sekretär des Council of Trade and Plantations, zu dessen Aufgaben es unter anderem gehörte, über den Nachschub von Sklaven zu wachen und Streitigkeiten zwischen den angeheuerten Sklavengesellschaften und den Plantagenbesitzern in Amerika zu untersuchen. Ab 1696 war er schließlich als Bevollmächtigter des neu geschaffenen Board of Trade tätig, das sich mit Problemen der kolonialen Regierung, der Piraterie sowie Handelsbestimmungen befasste. Ausgehend von diesen Tatsachen stellt sich also die Frage, ob sich zwischen dem Begriff der Sklaverei in der Zweiten Abhandlung und der Besitzsklaverei in der Neuen Welt eine relevante Beziehung feststellen lässt. Wenn man einen Zusammenhang zwischen Theorie und Praxis nicht von vornherein ausschließt, muss man sich mit zwei Thesen auseinandersetzen, die je unterschiedlichen Interpretationsrichtungen zugrunde liegen: erstens mit der starken These, Locke habe die Absicht gehabt, mit seiner Begründung der Sklaverei die Besitzsklaverei in Afrika und in der Neuen Welt zu rechtfertigen; und zweitens mit der schwächeren These, Locke habe dies zwar nicht beabsichtigt, mit gewissen Theoriestücken im Versuch über den menschlichen Verstand und in der Zweiten
5 Für genauere Angaben zu Lockes Beteiligung am Sklavenhandel vgl. Glausser 1990, 200–204; Armitage 2004; Farr 2008, 497–500.
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Abhandlung jedoch eine ‚rassistische‘ Bestimmung der Grenzen der menschlichen Gattung begünstigt und damit der Versklavung von ‚Negern‘ indirekt Vorschub geleistet. Die erste These verweist auf ein neues Paradigma der Interpretation, das von James Tully begründet (Tully 1993) und von Barbara Arneil weitergeführt wurde (Arneil 1996). Aus der Perspektive dieser „new Canadian interpretation“ (Buckle 2001, 246) gehört die Zweite Abhandlung über die Regierung zu den ideologischen Stützpfeilern des eurozentristischen Kolonialismus, weil Locke darin die Überlegenheit europäischer und spezifisch englischer Formen von politischer Gesellschaft und Eigentum behauptete und damit die Enteignung der indianischen Ureinwohner auf dem amerikanischen Kontinent rechtfertigte. Ich kann dieses Paradigma der Interpretation hier nicht würdigen, sondern lediglich die Frage diskutieren, ob sich die Sklaverei in der Neuen Welt vor diesem Hintergrund rechtfertigen ließ.6 Als Ausgangspunkt dient Lockes Argument, dass ein rechtmäßiger Eroberer einen Kriegsgefangenen, der sein Leben verwirkt habe, versklaven dürfe, ohne dabei ein Unrecht zu begehen (II §§ 24, 180). Es scheint offensichtlich, dass sich gestützt auf dieses Argument die Beteiligung am Handel mit afrikanischen Sklaven nicht legitimieren ließ. Obwohl die meisten englischen Schriftsteller der Zeit offenbar überzeugt waren, dass die Mehrzahl der afrikanischen Sklaven in den in Westafrika endemischen Kriegen gefangen wurden (Glausser 1990, 207), konnte sicher nicht festgestellt werden, ob sie in einem gerechten oder einem ungerechten Krieg gekämpft hatten. Außerdem hätte es auch noch eines besonderen Arguments bedurft, um den Kauf dieser Sklaven durch die Europäer zu legitimieren. Wenn man jedoch an die Versklavung der indianischen Ureinwohner in Amerika denkt, stellt sich die Sache möglicherweise anders dar. So führt etwa Tully aus, Locke schreibe mit seiner „seltsamen Lehre“, wonach im Naturzustand jeder Mensch berechtigt ist, das Gesetz der Natur zu vollstrecken (II § 8), eine Argumentation fort, die Francisco de Vitoria entwickelt habe, um die Eroberung Westindiens durch die Spanier zu rechtfertigen. Danach beruhte das Recht auf Eroberung auf einem natürlichen Recht, sich selbst zu verteidigen und mit Gewalt gegen diejenigen vorzugehen, die gegen das natürliche Gesetz verstoßen (Tully 1993, 142 f.). Da Tully in diesem Zusammenhang jedoch nur summarisch auf das natürliche Recht, Verstöße gegen das natürliche Gesetz zu bestrafen (II §§ 8–11), sowie auf das Recht auf Selbstverteidigung (II §§ 17–18) verweist, das es erlaubt, denjenigen zu töten, der wie z. B. ein Dieb versucht, einen in seine absolute Gewalt zu bekommen, bleibt unklar, wie denn Locke die Versklavung der indianischen Urbevölkerung genau gerechtfertigt haben soll.7 Daran ändert auch sein Hinweis auf die Stellen nichts, an denen Locke Angreifer als „Raubtiere“ (II § 16) beschreibt, die „wie ein Löwe oder Tiger“ (II § 11) vernichtet werden dürften. Selbst wenn es zutreffen sollte, dass in den Büchern, die sich in Lockes Bibliothek befanden, die in6 Ich beziehe dabei auch die ältere Literatur mit ein, die von Glausser 1990 besprochen wird. 7 Vgl. dazu die detaillierte Kritik von Buckle 2001, 264–266.
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dianischen Ureinwohner Amerikas in diesen Begriffen beschrieben wurden (Tully 1993, 144), so müssten die zitierten Stellen aus der Zweiten Abhandlung doch in ihrem jeweiligen Kontext interpretiert werden. Daraus geht hervor, dass Locke den Vergleich mit Raubtieren nicht dazu benutzt, um eine bestimmte Gruppe von Menschen aufgrund eines besonderen Merkmals wie ihrer Rasse oder Hautfarbe zu charakterisieren, sondern damit auf den Status von Menschen verweist, die ihre Berechtigung, als Mitglied des menschlichen Geschlechts zu gelten, durch eigenes Verschulden verwirkt haben. In II § 11 ist im Zusammenhang mit dem natürlichen Recht zu strafen von einem Mörder die Rede, der zur Abschreckung anderer von solchen Verbrechen sowie zum Schutz der Menschheit getötet werden dürfe; in II § 16 handelt Locke vom Kriegszustand und führt aus, dass man einen Menschen, der einem eine Feindseligkeit gegen seine Existenz gezeigt habe, wie einen Wolf oder einen Löwen töten dürfe, um seine eigene Sicherheit zu gewährleisten. Um die Behauptung zu belegen, das Recht der Europäer, die indianische Urbevölkerung zu versklaven, lasse sich auf der Grundlage dieser Ausführungen rechtfertigen, müsste man Belege dafür anführen können, dass nach Locke in Amerika ein Tatbestand oder eine Bedrohungslage vorlag, wie er sie in den genannten Paragraphen schildert. Während Tully die Suche nach solchen Belegen dem Leser überlässt, finden sich in der älteren Literatur – in der allerdings nicht zwischen der Sklaverei von Schwarzen und Indianern unterschieden wird (vgl. Tully 1993, 143) – genauere Angaben dazu. Hier wurde immerhin der Versuch unternommen, zu erklären, wie denn die Afrikaner oder Indianer als Angreifer vorgestellt werden konnten, die den Tod bzw. die Versklavung aufgrund ihrer Verstöße gegen das natürliche Gesetz verdienten (Glausser 1990, 208 f.; Seliger 1969, 114; Squadrito 1979, 128). Seliger und Squadrito bezogen sich dabei auf einen möglichen Zusammenhang zwischen Lockes Argumentation in der Zweiten Abhandlung und Thomas Morus’ Utopia. Dort wird erwähnt, dass die Bewohner von Utopia, wenn die Bevölkerung über ein bestimmtes Maß angewachsen sei, ein Stück Festland in der Nähe kolonisieren, das die Ureinwohner zu großen Teilen unbesetzt und unkultiviert gelassen hätten. Idealerweise würden diese der Herrschaft Utopias zustimmen; wenn sie sich jedoch weigerten, deren Gesetzen zu gehorchen, würden die Utopier sie vertreiben und, sollten sie Widerstand leisten, Krieg gegen sie führen. Nach Morus halten die Utopier einen Krieg gegen ein Volk für gerechtfertigt, wenn dieses von seinem Land keinen Gebrauch macht, anderen jedoch den Gebrauch und das Eigentum daran verbietet (Morus 1990, 73 f.; Glausser, 208). In der Zweiten Abhandlung finden sich zwei Stellen, die darauf hindeuten, dass Locke die Versklavung der Indianer aus ähnlichen Gründen für gerechtfertigt gehalten haben könnte. So erwähnt er in II § 45 die Tatsache, dass sich auf der Erde immer noch Bodenf lächen fänden, die brach liegen. Da diese größer seien, als die darauf wohnenden Menschen sie wirklich gebrauchen oder nutzen könnten, seien diese auch jetzt – d. h. in einer Zeit, in der die einzelnen Gemeinschaften der Menschen das Privateigentum
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innerhalb ihrer Gesellschaften bereits durch Gesetze regelten – noch Gemeingut. In II § 184 führt Locke aus, dass einem Eroberer nie ein Rechtsanspruch auf irgendwelches Land erwachsen könne, das er erobert habe, da der Wert des Landes in einem Teil der Welt, wo nichts mehr brach liege, die Kriegsschäden bei Weitem überträfe. Anders sehe das nur in Gegenden aus, in denen noch mehr Land vorhanden sei, als die Bewohner in Besitz genommen hätten und nutzten, „und wo daher jeder die Freiheit hat, das Brachland in Gebrauch zu nehmen“. Man kann diese Stelle zweifellos so lesen, dass ein Eroberer berechtigt sei, Brachland in Besitz zu nehmen, auch wenn Locke gleich anfügt, in solchen Gegenden sei den Eroberern nur wenig daran gelegen, das Land der Besiegten in Besitz zu nehmen. Damit sich aus diesen Stellen jedoch ein Argument ähnlich demjenigen in Morus’ Utopia ergäbe, bedürfte es darüber hinaus eines weiteren Elements, nämlich der These, dass Ureinwohner, die gegen die Eroberung ihres brachliegenden Landes Widerstand leisten, als Angreifer zu betrachten sind, gegen die aus gerechtem Grund Krieg geführt wird. Ein solches Argument wurde zwar von James Tyrrell (Tyrrell 1681, 137; Farr 2008, 506), nicht aber von Locke selbst vorgebracht. In der Zweiten Abhandlung findet sich kein Hinweis darauf, dass die indianischen Ureinwohner als Angreifer auftreten könnten. Hingegen führte Locke in der Ersten Abhandlung beispielhalber an, ein Pf lanzer in Westindien, zu dessen Hausstand viele Leute gehörten, könne diese, wenn er wollte, „zusammenziehen und gegen die Indianer führen, um für einen erlittenen Schaden Wiedergutmachung zu suchen“ (Locke 1977, I § 130). Diese Stelle belegt zumindest, dass Locke nicht ausschloss, dass die Ureinwohner in der Neuen Welt gegen die Kolonisatoren als Angreifer auftreten konnten (Glausser 1990, 209). Ob sich auf diesem Weg die Sklaverei in der Neuen Welt rechtfertigen ließ, bleibt aber fraglich. Denn Locke lässt keine Zweifel daran aufkommen, dass sich die Berechtigung, einen Angreifer zu töten bzw. zu versklaven, bloß auf den Angreifer selbst, nicht jedoch auf dessen Ehefrau oder Kinder beziehen kann. Wenn man Lockes Begründung der Sklaverei vor dem Hintergrund von Grotius’ Ausführungen zur Sklaverei analysiert, wie dies James Farr in vorbildlicher Weise tat (Farr 2008), muss man im Gegenteil zum Schluss kommen, dass Locke die theoretischen Grundlagen, deren es zur Rechtfertigung der Sklaverei in der Neuen Welt bedurfte, gerade untergrub. Denn im Unterschied zu Grotius bestritt Locke nicht nur, dass Sklaverei auf Vertrag beruhen könne (II § 23), sondern er bestritt auch ausdrücklich, dass Eroberer das Recht hätten, ein ganzes Volk inklusive Frauen und Kinder zu versklaven und sich deren Besitz anzueignen (II § 177– 180). Außerdem schloss er aus, dass die Kinder von Sklaven als Sklaven geboren würden (II § 189). Wenn also Locke tatsächlich die Absicht gehabt haben sollte, die Sklaverei in der Neuen Welt zu rechtfertigen, tat er dies auf gar nicht überzeugende Weise (Farr 2008, 500). Aufgrund der angeführten Überlegungen ziehe ich jedoch mit Farr die Schlussfolgerung, dass dies nicht seine Absicht gewesen sein konnte (ebd.). Das 4. Kapitel über die Sklaverei war also eindeutig und ausschließlich gegen Filmer gerichtet,
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der dort auch explizit erwähnt wird (II § 22), und zielte auf die Sklaverei der Engländer unter einem absoluten Monarchen. Es bleibt zu prüfen, ob Locke die Sklaverei in der Neuen Welt wenn schon nicht direkt gerechtfertigt, so doch indirekt begünstigt habe, indem er die Grenzen des menschlichen Geschlechts so definierte, dass afrikanische ‚Neger‘ und Indianer gar nicht dazu gehörten. Diese These wurde von Autoren wie Leon Poliakov (Poliakov 1977, 145– 150), Harry M. Bracken (Bracken l973) und Richard H. Popkin (Popkin 1974) vertreten (vgl. Glausser 1990, 211–215), die einen Zusammenhang zwischen der Zweiten Abhandlung und dem Versuch über den menschlichen Verstand herstellten. Sie stützen sich dabei auf die Kapitel über die allgemeinen Ausdrücke (Versuch III 3) sowie über die Namen von Substanzen (Versuch III 6). Im 3. Kapitel des Versuchs entwickelt Locke die These, dass allgemeine Ausdrücke wie „Mensch“ keine real existierenden Dinge bezeichneten, sondern „nur Erfindungen und Schöpfungen des Verstandes“ seien, „die dieser zu seinem Gebrauch gebildet hat“ und „nur Zeichen, seien es Wörter oder Ideen“ bezeichneten (Versuch III 3, § 11). Im 6. Kapitel legt er dann dar, dass wir die „reale Wesenheit“ einer Substanz nicht erkennen, sondern lediglich selbst „nominale Wesenheiten“ schaffen könnten (Versuch III 6, § 27). Daraus erkläre sich, warum wir uns bezüglich nominaler Wesenheiten wie z. B. „Mensch“ so unsicher fühlten. Würde man verschiedenen Leuten einen „neugeborenen, unregelmäßig gestalteten Fötus“ vorlegen und sie fragen, ob es sich dabei um einen Menschen handle oder nicht, würde man zweifellos verschiedene Antworten erhalten (ebd.). Locke schließt daraus, dass wir nicht mit Sicherheit wissen könnten, was ein Mensch sei, weshalb es uns auch unmöglich sei, die Grenzen dieser Art genau zu bestimmen (ebd.). An einer anderen Stelle im Versuch verweist Locke auf ein Kind, das den Beweis führen könnte, „dass ein Neger kein Mensch sei“ (Versuch VI 7, § 16), um anhand dieses Beispiels zu zeigen, dass Axiome unser Wissen nicht erweitern können. Obwohl Locke von der Annahme ausgeht, dass die Schlussfolgerung des Kindes dem common sense der Leser seiner Schrift widerspricht, unterstreicht er mit diesem Beispiel doch den konstruierten Charakter von Definitionen des Menschen. Poliakov sieht darin den Hinweis auf ein Vorurteil, das in der englischen Gesellschaft zu Lockes Zeit bereits tief verankert gewesen sei (Poliakov 1977, 145; Glausser 1990, 213). Wenn man den angeführten Kapiteln des Versuchs jene Paragraphen in der Zweiten Abhandlung zur Seite stellt, in denen Locke ausführt, dass Angreifer, die einen Menschen getötet haben oder das Leben eines Menschen bedrohen, wie „Raubtiere“ zu behandeln seien und wie ein Tiger oder Löwe getötet werden dürften (II § 11), könnte sich die Vermutung aufdrängen, er habe gewisse Gruppen von Menschen wie die ‚Neger‘ oder die indianischen Ureinwohner Amerikas aus dem menschlichen Geschlecht aus-
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geschlossen.8 Dies würde dann bedeuten, dass er sie von Anfang an gar nicht als Träger von natürlichen Rechten in Betracht gezogen hätte, auch wenn er dies so nirgendwo explizit festhielt. Gegen den Verdacht, Locke habe die Grenzen des menschlichen Geschlechts in seiner politischen Philosophie auf diese Art willkürlich gezogen, spricht jedoch, dass er nur jene von der Zugehörigkeit zur menschlichen Gemeinschaft ausschließt, die dies durch eigenes Verschulden (Mord, Angriff auf das Eigentum oder das Leben eines anderen Menschen) bewirkt haben. Wie oben bereits erläutert, trifft diese Beobachtung gerade auch auf Sklaven zu, die ihren Stand in der menschlichen Gesellschaft verwirkt haben (II § 172). Auch wenn Locke in drastischen Begriffen, die für den heutigen Leser irritierend sind, schildert, welche Strafe diese Personen verdienen, so kann man ihm doch nicht begründet den Vorwurf machen, er habe die Grenzen des menschlichen Geschlechts in der Zweiten Abhandlung willkürlich gezogen. Wenn es zutrifft, dass Locke sich bei der Begründung der Herrschaft des Mannes über die Frau in Widersprüche verwickelt und dass im Hinblick auf die Sklaverei eine Inkompatibilität zwischen Theorie und Praxis festzustellen ist, stellt sich die Frage, ob Lockes politische Philosophie als ‚sexistisch‘ und ‚rassistisch‘ bezeichnet werden müsse. Die Begriffe ‚Sexismus‘ und ‚Rassismus‘ haben sich erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zur Bezeichnung der Herabwürdigung und Diskriminierung von Personen aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit (bzw. ihrer nicht heterosexuellen Orientierung) oder aufgrund biologisch oder kulturell konstruierter Merkmale eingebürgert (Boshammer 2008; Kerner 2008). Das vergleichsweise späte Auftauchen dieser Begriffe bedeutet aber nicht, dass die Phänomene, die sie bezeichnen, nicht schon viel älter sind. In der Literatur zu Locke wurde vor allem über die Verwendung des Begriffs ‚Rassismus‘ intensiv diskutiert. Die Mehrheit der Interpreten vertritt die Auffassung, Locke habe keine Lehre oder Theorie entwickelt, welche die erbliche Sklaverei auf der Grundlage rassischer Merkmale hätte rechtfertigen können,9 sondern er habe als Mensch rassistische Vorurteile vertreten. Farr schlug in Hinblick darauf vor, zwischen „starkem“ und „schwachem“ Rassismus zu unterscheiden und Locke als „schwachen“ Rassisten zu bezeichnen (Farr 1986). Diese Unterscheidung wurde zwar von verschiedenen Kommentatoren übernommen (Bernasconi und Mann 2005, 102), in jüngerer Zeit aber wieder verabschiedet. Während Bernasconi und Mann die Trennung zwischen Locke als politischem Theoretiker und als Sekretär des Board of Trade für problematisch halten und in ihm einen Befürworter eines auf Rassenunterschieden beruhenden Systems der Sklaverei sehen (Bernasconi und Mann 2005, 102), beschränkt sich Farr inzwischen auf den Nachweis, dass Locke keine 8 Ein ähnliches Argument vertritt Welchman (1995, 80). Sie argumentiert, Locke habe zwar alle Menschen zur gleichen Gattung gezählt, jedoch zwischen „right bearing human persons“ auf der einen und „non-rightbearing human property“ auf der anderen Seite unterschieden. 9 Popkin (1980, 85) sieht in Locke dagegen den Begründer einer Entartungstheorie (degeneracy theory).
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rassistische Lehre vertreten habe (Farr 2008, 509 f.). Uzgalis geht dagegen weiter, indem er argumentiert, Locke habe in der Zweiten Abhandlung Grundsätze entwickelt, die es erlaubten, Sklaverei und Sklavenhandel, wie sie zu seiner Zeit praktiziert wurden, zu verurteilen. Als Theoretiker habe Locke also durchaus Stellung bezogen, wenn er in der Praxis auch tatenlos geblieben sei (Uzgalis 1998, 67). Wie mit der Verwendung des Begriffs ‚Rassismus‘ ist auch mit der Bezeichnung ‚Sexismus‘ Vorsicht geboten, wobei hier nicht ein Widerspruch zwischen Theorie und Praxis, sondern ein Widerspruch in der Theorie selbst festzustellen ist. Wie oben erläutert, schließt Locke Frauen in den Kreis jener Personen ein, die Träger von natürlichen Rechten sind, verstößt dann aber gegen den Grundsatz der natürlichen Gleichheit, wenn er die Ehe als Herrschaft des Mannes über die Frau deutet. Da er jedoch keine Theorie entwickelt, welche eine Diskriminierung von Frauen aufgrund spezifischer Geschlechtsmerkmale hätte legitimieren können, scheint es unangemessen, seine politische Philosophie ohne Einschränkungen als ‚sexistisch‘ zu qualifizieren. Hier wie im Fall der Sklaverei bleibt die Frage im Raum stehen, wie ein politischer Philosoph vom Format eines Locke mit derartigen Widersprüchen leben konnte (vgl. Farr 2008, 516). Man kann nur bedauern, dass sich Locke Zeit seines Lebens nicht zur Autorschaft der Zwei Abhandlungen über die Regierung bekannte und sich deshalb auch nicht in Diskussionen über seine politische Theorie verwickeln ließ.
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3 Francis Oakley
Locke, natural law and God – again1 (chapt. 2 + 3)
Many issues pertaining to Locke’s natural-law teaching have been addressed, but two may be singled out as having been dwelt upon with the greatest degree of insistence. First, the matter of the relationship between the intellectualist/rationalist and voluntarist aspects of that teaching which, during Locke’s own lifetime, had already drawn acerbic commentary from Thomas Burnet. On those aspects, early in the present century, Lamprecht had focused renewed attention, arguing that Locke „vacillated between two theories of the relation of God’s will to the moral law“, according to one of which (the intellectualist) „things are commanded or forbidden by God because they are right or wrong“, while, according to the other (the voluntarist) „they are right or wrong because God commands or forbids them“.2 Second, the matter of the relationship between Locke’s intellectualism and voluntarism, on the one hand, and on the other the element of hedonism which became increasingly prominent in his thinking from the late 1670s onwards. With the second I will not be concerned here. Up to the mid-1960s the question which preoccupied most scholars attempting to assess the intellectualist and voluntarist strands in Locke’s thinking appeared to be that of deciding whether (as with Strauss, Cox, Wild and Byrne)3 he was simply to be read out of „the classical and Christian natural-law tradition“ or, as with Singh, securely reinstated within it.4 That being so, and coming at the issue as we (sc. Urdang & Oakley 1966) did from the direction, not of subsequent but of antecedent intellectual developments, we were at pains to stress two things. First, that it was simply improper to speak of any single „classical and Christian“ or even „medieval“ natural-law tradition which could 1 Printed originally in: History of Political Thought 18,4 (1997), 624–651. 2 Lamprecht 1918, 105–8. 3 Strauss 1953, 202–57; Cox 1960, 88–9; Wild 1953, 127–32; Byrne 1964, 58–60. 4 Singh 1961, 111–12. Or, earlier on, Curtis 1890, 61.
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then be contrasted with a „modern“ notion of natural law. On the contrary, in the later Middle Ages and persisting on into the sixteenth and seventeenth centuries there had been two main traditions of natural-law thinking. One of them was grounded in one or other form of ontological essentialism (or ,realism‘, to use the medieval term). The other was grounded in the type of theological voluntarism characteristic of William of Ockham (d.1349) and of his fourteenth- and fifteenth-century nominalist successors. Second, that the failure to appreciate that fact (or fully to understand what it entailed) had had the effect of impeding our understanding of Locke’s own natural-law thinking which, we argued, could be most accurately understood as a pretty faithful continuation of the late-medieval voluntarist tradition. Many of the subsequent commentators address the issue with only the most glancing of references to the scholastic past or with really none at all, attempting instead to come to terms with Locke’s seemingly conf licting statements in no broader a context than that provided by his own oeuvre taken as a whole or, at most, that constituted by the writings of his seventeenth-century contemporaries. Others, properly recognizing the pertinence of scholastic antecedents, bring to their interpretative effort, nonetheless, a somewhat wavering understanding of the nature of the voluntarist tradition. None, to my knowledge, has attempted to bring into a meaningful configuration the newer perspectives generated by the advances evident both in recent Locke scholarship and in our knowledge and understanding of the nominalist thinkers of the fourteenth and fifteenth centuries. In this essay, then, it is my purpose to try to remedy this last defect. So far as our understanding of Locke’s natural-law teaching is concerned, scholarly developments in both fields manifest a happy degree of intellectual convergence that it is now time to explore, turning first to the Lockean texts themselves, and then to the pertinent scholarship. The texts – including those that most stubbornly resist interpretation – remain, of course, the same. But how we should look at them has in significant measure been changed by the scholarly advances of the past quarter-century.
3.1 Curtis and Singh somehow contrived to stitch together from disparate statements strewn across Locke’s works what they took to be a consistently intellectualist theory of natural law. But few today, I suspect, would be inclined to challenge the claim that it is, rather, the voluntarist strand that figures most prominently and most persistently in his texts taken as a whole. Certainly, it is the strand that is interwoven throughout his thinking. It emerges in the second of his early Tracts on Government (1660– 62) and in his Commonplace Book (1661), occupies a prominent place in his Essays on the Law of Nature (1660–4), continues on through the First and Second Treatises of Government (1689–90), the Essay
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Concerning Human Understanding (1690) and the paper Of Ethics in General (containing material Locke withheld from the Essay when he published it), and is still present in The Reasonableness of Christianity published in the last decade of his life.5 It is to the divine will that these texts trace the natural law no less than the divine (positive) law, distinguishing the former from the latter by virtue of the fact that God makes it known to us, not by divine revelation, but by the light of nature.6 To the fact that it is, indeed, a disclosure of that divine will (which binds „of itself and by its intrinsic force“) natural law owes its obligatory force, for it is „the decree of a superior will, wherein the formal cause of a law appears to consist“.7 Further than that, it is from the declaration of the same omnipotent will, which „delimits the obligation and the ground of our obedience“, that the very nature and content of the natural law’s precepts and prohibitions derive.8 If Locke does not hesitate himself to refer to that law as the „law of Reason“ or to equate it with „Reason, the common Rule and Measure God hath given to Mankind“ or implanted in us,9 he is at the same time careful to insist, defining natural law again as the „decree of the divine will“, that it is „less correctly termed by some people the dictate of reason [dictatum rationis] since reason does not so much establish and pronounce this law of nature as search for it and discover it as a law enacted by a superior power and implanted in our hearts. Neither is reason so much the maker of that law as its interpreter, unless, violating the dignity of the supreme legislator, we wish to make reason responsible for that received law which it merely investigates; nor indeed can reason give us laws, since it is only a faculty of our mind and part of us.“ (Locke 1954, Essay VI) If such, then, were the only „intellectualist“ texts with which Locke confronts the wouldbe interpreter of his natural-law thinking, his credentials as a thorough-going voluntarist could hardly have been drawn seriously into question. But they are not, of course, the only such texts and problems begin to emerge as soon as the interpretative action moves from the human side of the equation to the divine. For it is at that point that some of Locke’s own statements signal the pertinence of the question that Thomas Burnet put to him so forcefully after the publication of the Essay Concerning Human Understanding, but to which Locke vouchsafed no clear reply. If moral good and evil are grounded in the 5 Locke 1967, 220–2; Locke 1954, esp. Essays I, IV, and VI, 111–13, 151, 185–7; Locke 1988, §§ 86, 135 and 166; Locke 1975, I, II, §§ 6, 12 and 18, II, xxviii, §§ 5 and 8, 351–2; Locke 1830, Vol. II, 130–1, 133; Locke 1801a, 144. 6 Locke 1967, 222; Locke 1954, II, 132–3 and VI, 186–7. 7 Locke 1954, VI, 187–7 and I, 110–13. 8 Locke 1954, VI, 185–7. 9 Second Treatise, §§ 6, 10–11, 56, 271, 273–4, 305.
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precepts of the divine law, what then, Burnet asked, is the ultimate ground of that law itself? Can it really be „the Arbitrary Will of God“ rather than „the intrinsick Nature of the Things themselves“? Locke, he charged, seemed „to resolve all into the Will and Power of the Law-Maker: But has the Will of the Law-Maker no Rule to go by? And is not that which is a Rule to his Will, a Rule also to Ours, and indeed the Original Rule?“ (Burnet 1697, 6). The question was a good one, and it is a fact that scattered across Locke’s works are remarks which could conceivably be read to suggest that God’s will was indeed subject to some such „Original Rule“. He more than once spoke, after all, of natural law as being an „eternal law“ and insisted that its obligations were „so great, and so strong“, that in the case at least of „Grants, Promises and Oaths“ „Omnipotency itself can be tyed by them“.10 „That unlimited power“, or so he says elsewhere, „cannot be an excellency without it be regulated by wisdom and goodness“.11 Indeed, „we might say that God himself cannot choose what is not good; the freedom of the Almighty hinders not his being determined by what is best“.12 The „eternal law of right“ being „holy, just and good“, it is not open to abrogation or repeal „whilst God is an holy, just, and righteous God“.13 For „this law does not depend on an unstable and dangerous will, but on the eternal order of things“. It is „a fixed and permanent rule of morals“, proclaimed by reason and „firmly rooted in the soil of human nature“. Only if human nature itself were to be changed could it be „altered or annulled“.14 So presented, such texts would certainly appear to suggest the need to insert some sort of rationalistic qualification into what has otherwise to be acknowledged as the controlling voluntarism of Locke’s natural law thinking; and that is, in effect, precisely what scholars like Lamprecht and Von Leyden have long insisted. But the f leeting and fragmentary nature of the statements involved, as well as Locke’s manifest uneasiness with any probing discussion of the divine nature, suggest the wisdom of refraining from conceding the point until the texts in question have been appraised more fully, and in a threefold context. (1) First, that provided by the works in which they themselves appear. (2) Second, and more broadly, that constituted by Locke’s thinking taken as a whole (theological as well as ethical, ontological as well as epistemological) and by the intellectual currents prevailing in his lifetime. (3) Third, and most challenging of all, that provided by the long and tense history of Christian attempts to harmonize, and in moral philosophy as well as ontology, the conf licting implications f lowing from the disparate notions of the divine embedded in the biblical and Greek philosophical patterns 10 II § 195. Cf. I § 6, where he refers to ,Promises and Oaths, which tye the infinite Deity‘. 11 King 1830, Vol. II, 228 (entry under Sunday, August 7, 1681). 12 Locke 1975, II, xxi, § 49. 13 Locke 1801a,VII, 111–12. 14 Locke 1954, VII, 198–9.
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of thought. It is to an exploration of that threefold context that I propose now to turn, beginning with the last and most general and ending with the first and most particular.
3.2 There can be few developments in the history of philosophy more tangled and complex than the movement of ideas in late antiquity that had culminated by the fourth century CE in the neoplatonic patterns of thought encountered by St Augustine in what he was wont to call „the books of the Platonists“ (e. g. Confessiones, VII). Among other things, this movement had involved a persistent tendency to understand the mysterious Demiurgos of Plato’s Timaeus not as a mythic symbol but literally as a world-maker, to conf late him with the transcendent „unmoved mover“ of Aristotle’s Metaphysics – the final and highest good whom he himself called „God“ – and to treat Plato’s eternally subsistent ideas or forms not as independent entities but as thoughts or ideas in the mind of the supreme God resulting from that conf lation. Thus emerged the notion of a transcendent God, at once the highest good to which all things aspire, the first cause to which all things owe their being, the supreme reason from which all things derive their order and intelligibility and, increasingly (for neoplatonism was no less a path of salvation than a philosophy), the object of a lively devotional sentiment. In the historic encounter between the Greek philosophical tradition and religious views of biblical provenance, the great stumbling block had been (and necessarily remained) the difficulty of reconciling the personal and transcendent biblical God of power and might, upon whose will the very existence of the universe was contingent, with the characteristically Greek intuition of the divine as limited and innerworldly and of the universe as necessary and eternal – or, to put it somewhat differently, with the persistent tendency of the Greek philosophers to identify the divine with the immanent and necessary rational order of an eternal cosmos. Those tensions mounted in the course of the twelfth and thirteenth centuries, when Augustine’s treaty had, as it were, to be renegotiated and a far more difficult accommodation reached with full-scale philosophical systems of Arab-Aristotelian amalgam. Asserting not only the eternity of the world but also its necessity, those systems confronted Christian scholastic thinkers with the picture of a determined world in which everything had to be what it was and which permitted no room for the play of free will in either man or God. Not even the subtle philosophical and theological diplomacy of an Aquinas proved capable of convincing his more conservative contemporaries that such an accommodation was truly possible without the abandonment or radical modification of beliefs so fundamental to christianity as to be non-negotiable. Edging beyond the hallowed ,negative way‘ of attempting to come to terms with the divine nature, Aquinas argued that by extrapolating from our human knowledge of created things and by recourse to an analogical use of terms, it was pos-
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sible without equivocation to predicate of God such positive attributes as intelligence, wisdom and goodness. Bolder in his rationalism than many of his more conservative contemporaries, he set out, by blending Aristotelian and Augustinian notions (including the doctrine of the divine ideas), to demonstrate that God’s creative act was not only a free but also a rational one, thus vindicating the order, rationality and intelligibility of the universe. Assuming the primacy of reason over will not only in man but in God, he regarded what in later parlance would be called the (moral) natural law and the (physical) laws of nature in comparatively „Greek“ fashion as both of them the external manifestations of an indwelling and immanent reason. Thus he spoke of an „eternal law“ that orders to their appropriate ends all created beings, irrational no less than rational, and defined that law as „nothing other than the idea of the divine wisdom insofar as it directs all acts and movements“ and governs „the whole community of the universe“ (Summa theologiae, Ia IIae, qu. 91, art 1 and 2; qu. 93, art. 1). It was the advantage of this way of looking at things that it enabled one to regard the whole of being, the realm of nature no less than that of man, as in its own fashion subject to the norms of the same eternal law. The correlative disadvantage, however, was that that subjection to law could arguably be taken to extend to God himself, thus threatening his freedom and omnipotence. For the eternal law is nothing other than one aspect of the divine reason itself, and in God reason is prior to will. It would appear, therefore, that the old discord between Greek and biblical notions of the divine, far from being resolved in the new accommodations spawned by the theology of the schools, was simply transposed into another key, reappearing at the level, as it were, of the divine psychology. With Aquinas’ doctrine of eternal law, the tensions involved had for some not only survived but been intensified to breaking point. During the century following his death in 1274, then, many of the rationalistic commitments characteristic of Aquinas and of those who trod in his footsteps were called into question – among them the priority accorded to the divine intellect over the divine will and the confidence in the capacity of analogical reasoning to cast a conceptual net really capable of encompassing in a meaningful commonality of discourse the natures of both God and man and bridging the gulf dividing the infinite from the finite. The inclination now was to take the divine omnipotence as the fundamental principle, to accord to the divine will the primacy in God’s workings ad extra, and to understand the order of the created world no longer as a participation in a divine reason that is in some measure transparent to the human intellect, but rather as the deliverance of an inscrutable divine will. With its characteristic linkage of an emphasis on the divine omnipotence and a concomitant understanding of the natural law as imposed by the divine will with a commitment to ontological particularism, epistemological „nominalism“ and a species of methodological empiricism, this tendency became dominant among the scholastic thinkers affiliated with the late-medieval nominalist school. Despite its diversity, that school still
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drew its basic inspiration from the philosophical and theological writings of William of Ockham (d. 1349). In relation especially to ethical and legal issues, its guiding principles found a particularly powerful and inf luential expression in the thinking of Pierre d’Ailly (d. 1420). Moved in this, it may be surmised, by Suarez’s listing of the leading late-medieval voluntarists, it was at both of these men, along with Andreas de Novo Castro (b. ca.1340), that Ralph Cudworth, the Cambridge platonist and a contemporary of Locke’s, pointed an accusing finger when he signalled his alarm about the re-emergence in his own day of the voluntarist ethic „promoted and advanced by such as think nothing so essential to the Deity as uncontrollable power and arbitrary will“, and teaching „that there is no act evil but as it is prohibited by God, and which cannot be made good if it be commended by God. And so on the other hand as to good“.15 The bluntness of that accusation notwithstanding, it should be noted that it would be easy enough in the cases of both Ockham and d’Ailly, to conclude that they held to the time-honored ancient and medieval tradition of eternal, immutable principles of nature discoverable by the use of reason. All one would have to do, would be to adopt an interpretative stance akin to that used by Singh in his approach to Locke, to respond disproportionately to their more practical evocations of the authority of natural law, and to focus too exclusively on texts that appear to smack of intellectualism. Thus it is indeed the case that, according to d’Ailly, morally correct action is nothing other than action in conformity with „the dictates of reason“ and „the light of natural reason“,16 and, according to Ockham, that no act is „perfectly virtuous unless it is elicited in conformity with right reason“ – indeed, beyond that, unless „the will through that act wishes that which is dictated by right reason because it is dictated by right reason“.17 To follow the dictate of right reason is nothing other than to obey the natural law, which he describes as „absolute“, „immutable, and admitting of no dispensation“.18 Such formulations, however, serve only to mislead if one misses the fact that they are subject in the thinking of both men to a very important qualification. That qualification, which they signal by the employment of such expressions as „according to the laws ordained and instituted by God“, „given the divine ordination“, „by the ordained law“, „by 15 Cudworth 1838, Bk. I, chs. 1 and 3 (in Vol. II, esp. 369–71). Interestingly enough, he links the emergence in his own day of ethical voluntarism with the revival of „the physiological hypotheses of Democritus and Epicurus“ (i. e. forms of atomism) and with their successful application „to the solving of some of the phenomenon of the visible world“ (i. e. contemporary scientific endeavour). 16 Pierre d’Ailly 1500, I, qu. 2, art. 2, M, f. 62v: „per recte agere moraliter nihil aliud intelligo nisi agere conformiter dictaminis rationis“. 17 William of Ockham 1614, III, 12 CCC: „nullum actus est perfecte virtuosus nisi voluntas per ilium actum velit dictatum a recta ratione propter hoc quod est dictatus a recta ratione“. 18 William of Ockham 1614, I, vi, cap. 100 (in Vol. II, 629,1. 45): „utens naturali dictamine rationis, hoc est utens jure naturali“. Cf. ibid., III, ii, I, cap. 10 (in Vol. II, 878. II. 27–31, and III, ii, III, cap. 6 [in ibid., 932, I. 65]: „quia jure naturale est immutabile primo modo et invariabile et indispensable“ [sic].
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the natural or naturally ordained power“,19 ref lects the insertion into their discussions of the moral order (as also, for that matter, the order of physical nature and the order of salvation) of a crucial scholastic distinction that enjoyed an extraordinarily persistent career from the beginning of the thirteenth century right down to the early years at least of the eighteenth. The distinction in question was that between God’s power understood as absolute and as ordained (potentia dei absoluta et ordinata), and it was deployed in an effort to vindicate the freedom and omnipotence of God while at the same time affirming the stability of the particular order he has freely chosen to institute. In the wake of the particular formulation it received at the hands of Duns Scotus (d. 1308), that distinction came to be understood by some (not least among them d’Ailly and Suarez) as envisioning the possibility that God’s absolute power, by virtue of which he can do anything that does not involve a formal contradiction, is a potentially active power whereby he can contravene (and has actually contravened) the laws – moral, natural, salvational – which he has by his ordained power in fact established. But it is now generally accepted that in its inception, and as formulated by such thinkers as Aquinas, the distinction did not involve any understanding of the absolute power as a presently active one. Instead, it was taken to refer to God’s ability in principle to do many things that he does not in fact choose to do. It referred, that is, „to the total possibilities initially open to God, some of which were realized by creating the established order [with] the unrealized possibilities […] now only hypothetically possible. Viewed another way, the potentia absoluta is God’s power considered absolutely, […] without taking into account the order established by God. Potentia ordinata, on the other hand, is the total ordained will of God, the complete plan of God for his creation.“ (Courtenay 1974, 39) That is the meaning later attached to it, and with admirable concision, in the theological textbook that enjoyed so wide a circulation in Locke’s own lifetime – The Marrow of Sacred Divinity by William Ames.20 Whether the earlier or the later meaning was attached to it, the pertinence of the distinction to the status of the divinely-established order is not in doubt. Its impact was such as to underline the contingency of that entire order while at the same time affirming its de facto stability. That impact was two-fold precisely because it inserted, side by side 19 Thus William of Ockham 1980, Quodl. VI, qu. 1, art. l, 586; William of Ockham 1967, Prol., qu. 7, 187, 197, 202, 205; Pierre d’Ailly 1706, Vol. I, 632; Pierre d’Ailly 1706 b, Vol. I, 619. 20 Ames 1968, Bk. I, ch. 6, §§ 16–20, ibid. 93: „The absolute power is that by which God is able to do all things possible though they may never be done“, while „the ordained power is that by which he not only can do what he wills but does actually do what he wills“. First published as Medulla theologica in Amsterdam in 1623, the book went through twelve reprintings in the Latin edition, a Dutch translation (1656) and, between 1638 and 1643, three printings of the English translation – see Ames 1968, 1–3.
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with the Old Testament vision of Yahweh as a God of power and might, another fundamentally biblical theme – that of God’s covenant and promise. The only force capable of binding omnipotence without thereby denying it is, after all, the omnipotent will itself. Conversely, if that will were somehow incapable of binding itself it could hardly be regarded as truly omnipotent. While God cannot be said to be bound by the canons of any merely human reason or justice, he is certainly capable by his own free decision of binding himself to follow a certain pattern in dealing with his creation, just as an absolute monarch can similarly bind himself in his dealings with his subjects. Nor is that analogy an improper or misleading one. It is a commonplace in the medieval texts themselves. Thus the biblical God who knows, of course, no absolute necessity has freely chosen to bind himself by a hypothetical necessity (necessitas ex suppositione; necessitas consequentiae, what Chaucer accurately designates in the Nun’s Priest’s Tale as a „necessitee condicionel“) – an „unfailing necessity appropriate to God“, as one nominalist theologian put it, „because of his promise, that is, his covenant, or established law [ex promisso suo et pacto sive statuta]“.21 The impress of this covenantal way of thinking is evident in what Ockham and d’Ailly have to say on a broad array of issues, from the order of (physical) nature, via that of salvation, to that of the moral life. Thus, for Ockham, „evil is nothing other than the doing of something opposite to that which one is obliged to do“, and it is God, free himself from all obligation, whose will is the source of that obligation.22 Robbery, adultery, hate of God even – all such vices could be stripped of their evil and rendered meritorious if they were to „agree with the divine precept just as now de facto [i. e. de communi lege, by God’s ordained power] their opposites agree with the divine precept“.23 If such a possibility would appear to contradict Ockham’s emphasis on right reason, it has to be recognized that there is nothing final about right reason, which he clearly subordinates to the divine will. Only „by the very fact that the divine will wishes it,“ he says, „does right reason dictate what is to be willed“.24 Only „in the presently prevailing order“ (that established by God’s ordained power) is an act’s conformity with right reason a necessary condition for its being „perfectly“ or „intrinsically and necessarily virtuous“.25 Only in that presently prevailing order, then, is it possible to speak of the natural law as being absolute, immutable and admitting of no dispensation. 21 Robert Holcot 1494, lect. 145B; I cite the translation in Oberman 1981, 149. Cf. Chaucer 1906, 259. For the covenantal theme in late medieval theology in general, see Hamm 1977. 22 William of Ockham 1981, qu. 3–4, 59. 23 William of Ockham 1981, qu. 15, 352. 24 William of Ockham 1979, dist. 41, qu. unica, 610: „Sed eo ipso quod voluntas divina hoc vult, ratio recto dictat quod est volendum.“ 25 William of Ockham 1495, III, 12 CCC. The qualifying phrases are „stante ordinatione quae nunc est“ and „stante ordinatio divina“.
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Similarly d’Ailly, though at somewhat greater length. Presupposed throughout this discussion of the moral order (no less than in his parallel discussion of the natural order and its physical laws) is the crucial and familiar distinction between God’s power as absolute and ordained. If in the natural order presently prevailing „every secondary cause […] produces its effect ex natura rei“ we must never forget that that secondary cause is itself a cause not because of the nature of things but „solely because of the will of God“ who, in choosing de potentia ordinata to limit himself to producing some natural effect by means of a secondary cause, „not only produces that effect, but also makes the secondary cause to be the cause of that effect“.26 Being himself „the first cause in the genus of efficient causes“, he could of his absolute power produce that effect directly and without recourse to any secondary cause. Just as, for example, and there being no contradiction involved, he could produce in us an intuition of a non-existing object;27 and being similarly „the first obligating law in the genus of obligating law“, he could likewise by the absolute power oblige a rational creature directly by himself and without recourse to the sort of created law via which, of his ordained power, he limits himself in imposing such an obligation.28 Indeed, the prescriptions of such created laws being radically contingent, he could de potentia absoluta make it meritorious to hate God, since he can do anything that does not involve a contradiction, and since acts are good and just or bad and unjust not of their own intrinsic nature or essence but simply because God has enjoined or forbidden them.29
3.3 If, then, one is properly to understand what the late-medieval nominalist (or voluntarist) theologians have to say about the natural law and the moral order (no less than what they have to say about physical law and the natural order or, for that matter, about justification, the sacraments, and the order of salvation), it is necessary to recognize the crucial role played in their thinking by the distinction between God’s power as absolute and ordained. Or, put differently, by the dialectic of omnipotence and covenant. 26 Pierre d’Ailly 1500, Sent. IV, qu. 1, art. 1, E, f. 185r: „Prima [propositio] est quod quandocumque deus facit aliquem effectum mediante causa secunda, ipse non solum facit illum effectum, sed etiam facit causam secundam esse causam illius effectus“; ibid., F, f. 185v: „Sequitur octava propositio quod licet omnis causa secunda proprie dicta causet effectum ex natura rei, tamen quod ipsa sit causa proprie dicta non est ex natura rei quia solum ex voluntate dei.“ 27 Pierre d’Ailly 1500, Princ. in I Sent., K, f. 23v; Sent. I, qu. 3, art 1, M, f. 72v. 28 Pierre d’Ailly 1500, Princ. in I Sent., K, f. 23v. 29 Pierre d’Ailly 1500, Princ. in I Sent., H, f. 22v; Sent. I. qu. 14, art. 3, T–U, f. 174v; Andreas de Novo Castro 1514, Dist. 48, qu. 1 and 2, fols. 251r–262r, though he does not develop any fully-f ledged theory of natural law, does commit himself (as Cudworth suggests) to an ethical voluntarism aligned with that of William of Ockham and Pierre d’Ailly and supported by a similar invocation of the dialectic of the potentia dei absoluta/ordinata.
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Elsewhere I have argued that the same covenantal tradition is similarly the appropriate context in which to attempt an understanding of the physico-theological views espoused in Locke’s own lifetime by such luminaries of the new scientific thinking as Walter Charleton, Robert Boyle and Sir Isaac Newton himself.30 Margaret Osler has recently (and forcefully) argued a similar case in relation to Pierre Gassendi, and it should be recalled that Cudworth linked the re-emergence in his day of theological and ethical voluntarism with the contemporaneous revival of the type of Epicureanism which Gassendi and Charleton espoused.31 The intimacy of Locke’s intellectual affiliations with both Boyle and Gassendi having long been remarked, it will be my purpose now to urge the pertinence of that same covenantal context to the attempt to resolve the difficulties in Locke’s natural-law thinking. Locke no less than Ockham or d’Ailly appears to have drawn from the preoccupation with the divine omnipotence that he shared with them – a particularist ontology, a nominalist epistemology, and a commitment to a form of empirical induction. Against Norris’s claim that universal natures exist in the ideas of God, Locke insisted therefore that, not simply created things, but „whatever exists, whether in God or out of God, is singular“ (italics mine), so that the universality of ideas „consists […] only in representation, abstracting from particulars“.32 God being able to do whatever does not involve a contradiction (a point Locke emphasizes especially in relation to natural phenomena),33 and our knowledge of the contingent particularities of the created world thus depending, as it must, upon inductive generalization, of that world we can have no certain knowledge, only (in his terms) „judgment“ or „opinion“. Such natural phenomena as the laws governing matter and motion, though they have a ,constant and regular connexion, in the ordinary course of Things‘, lack the absolute necessity that pertains to mathematical propositions and have to be attributed ,to nothing else, but the arbitrary Determination of that All-wise Agent, who has made them to be, and to operate as they do, in a way wholly above our weak Understandings to conceive‘ so that „we cannot but ascribe them to the arbitrary Will and good Pleasure of the Wise Architect“ (Locke 1975, Essay IV, iii, §§ 28–29).
30 See Oakley 1961; and Oakley 1984, 67–92. 31 Osler 1994 aligns Boyle, Charleton and Newton with the distinctive „style of science“ characteristic of Gassendi and ref lective of the „epistemological and metaphysical assumptions“ linked with the late-medieval nominalist or voluntarist theology. „[T]heological language [may have] dropped out of scientific discourse“, she concludes (236), but „contemporary styles of science are historically linked to the dialectic of the absolute and ordained powers of God“. Cf. Cudworth 1838, Bk. I, chs. 1–3 (in Vol. II, 367–83). 32 Locke 1801b, §§ 20, 21, 4 (251, 257). Cf. Locke 1975, III, iii, § 1, „All Things that exist being Particulars […]“. Elsewhere it should be noted, Locke does seem to wobble a bit on this issue. 33 Locke 1975, IV, iii, §6, and II, xiii, §§ 21–23; Journal entry for 9 July, 1676, Ms. Locke, f. l, 313–14, printed in Locke 1954, 259; Locke 1801b, § 10, 253.
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There is, in effect, a „symmetry“, at once both epistemological and ontological, „between Locke’s moral theory and his philosophy of science“, between his notions of natural law in the moral order and laws of nature in the physical world. For the two were „intimately connected“, sharing, as it were, a „common ancestry in the question of the relation between God and his universe“.34 Both were grounded in the divine will. Both, therefore, were radically contingent. In both cases, accordingly, whatever stability was manifest in „the ordinary course of things“, there could be for Locke no question of their prescriptions or uniformities possessing any sort of absolute or unconditional necessity. At the same time the laws, both moral and physical, that God has chosen to ordain are more than f leeting contingencies. They are, indeed, laws and they guarantee or ref lect the existence of an order in that they possess a conditional or hypothetical necessity or, to evoke a happy formulation recently contributed by Michael Ayers and in relation to both the natural and the moral order: „The necessity of the law is hypothetical but hard [italics mine]: God was free to will what laws he liked in that he was free to create what things he liked, but in creating free and rational beings capable of pleasure and pain he ipso facto willed a certain law for those beings; just as, in choosing to create matter, he chose certain necessary laws of motion.“ (Ayers 1991, II, 189–190) This position is clearly in harmony with d’Ailly’s insistence that while it is the divine will that makes natural causes to be causes, they produce their effects at the same time, ex natura rei. It is equally in harmony with Ockham’s earlier insistence that while it is the divine will that is the source of obligatory moral precepts, nonetheless, in the divinelyordained moral economy presently prevailing, our right reason dictates to us what it is that we must do if we are to act virtuously. That degree of harmony is such as to confirm the wisdom of keeping in mind, when one approaches the more troublesome of Locke’s natural law texts, that dialectic of omnipotence and covenant in the absence of which the natural-law thinking of Ockham and d’Ailly would itself be open to accusations of incoherence no less worrying than those levied against Locke. Though in company for that matter with Hobbes, Locke does appear to have been aware of the related scholastic distinction between what was sometimes referred to as the secret and revealed will of God (voluntas dei beneplaciti et signi),35 he never to my knowledge explicitly invoked the absolute/ordained power distinction. But the currency of that latter distinction in his own day was so widespread among Catholics and Protestants alike as to suggest the likelihood of his being familiar with it. Certainly, it would 34 Rogers 1981, 154, 147; similarly Ayers 1991, Vol. II, 131–2. 35 A distinction somewhat narrower than the absolute/ordained power distinction and one that dated back to the twelfth century. See the comment of Ian Harris on the matter (Harris 1994, 316 and 390–1 n. 69). For Hobbes’s usage, see Hobbes 1656, 10–11, 78–9.
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appear to be implicit in the language he used in the seventh of his Essays on the Law of Nature and in the very passage which must necessarily serve as the crux of any argument that attempts (as with Leyden) to prove that Locke wavered inconsistently between a voluntarist and intellectualist position. Or a fortiori of any argument that attempts (as with Singh) to establish in the teeth of all Locke’s unambiguously voluntaristic statements that his natural-law teaching was au fond an intellectualist one. In that seventh essay it is his purpose to respond to the objection that, given the degree to which men and nations differ about „the law of nature and the ground of their duty“ (some even lacking any sense at all of law or moral rectitude), one has to conclude either that there is no natural law whatsoever or that its binding force is by no means universal. In the teeth of that objection Locke is at pains to insist that the binding force of natural law is not only universal but also perpetual (Locke 1954, Essay VII, 190– 3). In connection with our present concern, however, what is most striking about the argument he advances in support of that contention is not what it says, but what it does not say. The strongest and most obvious card he could have played would have been to ground the universality and perpetuity of the natural law in the very being of its divine author. But that he conspicuously fails to do. Instead, he grounds it in the nature of man. „The bonds of this law“, he says, „are perpetual and coeval with the human race, beginning with it and perishing with it at the same time“ (ibid., 192 f.). Asserting thus the existence of a „harmony“ (convenientia) between natural law and man’s rational nature, he goes on then to elucidate that claim by asserting (as we have seen) that natural law does not „depend on an unstable and changeable will, but on the eternal order of things“. For „certain essential features of things are immutable, and certain duties arise out of necessity and cannot be other than they are“ (ibid., 198 f.). If one isolated that last statement and ignored Locke’s earlier alignment of the perpetuity and binding force of natural law with the historical existence of the human species, it would be easy enough to take him to be making more sweeping claims than he actually is. But thus far, in fact, his position would appear to be aligned more or less with that taken by Ockham when he spoke of natural law as being absolute, immutable and admitting of no dispensation. As with Ockham (or for that matter, with d’Ailly), what could well be taken to be a sweepingly intellectualistic statement is subject to a crucial qualification. As with them, too, that qualification extends to the natural no less than the moral order. The necessity he has in mind, Locke goes on to make clear, is not an absolute but rather a contingent or conditional necessity, one that depends on the particular choice that God has made, one that ref lects, therefore, the balancing of omnipotence with covenant or promise. „God could have created men“, he points out, „such that they would be without eyes and not need them“. But he did not choose so to act. As a result, „so long as they [men] use their eyes and want to open them, and so long as the sun shines, they must of necessity come to know the alternations of day and night, be aware of the differences of colors“, and so on (ibid., 200–01). Similarly, „since man has been made
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such as he is, equipped with reason and his other faculties and destined for this mode of life, there necessarily results from his inborn constitution some definite duties for him, which cannot be other than they are“. If „this natural duty will never be abolished“, it is not simply because (being subject to it) „human beings cannot alter this law“, but also „because God certainly would not wish to do so. For since, according to His infinite and eternal wisdom, He has made man such that these duties of his necessarily follow from his very nature, He surely will not alter what has been made and create a new race of men, who would have another law and moral rule, seeing that natural law stands and falls together with the nature of man as it is at present.“ (ibid., 198–201, italics mine) Just as, in the world of nature and because it would involve no contradiction, God could in the absoluteness of his power and by one of those „extraordinary effects [that] we call miracles“, „put out of its ordinary course some phenomenon of this great world“ or even „create another world separate wholly from this“,36 so too by changing human nature itself, could he abrogate the natural law as it is presently constituted. But „could“ is not the same as „will“. No contradiction, after all, is involved in omnipotency’s choosing to bind itself. God is, indeed, a „holy, just and righteous God“, and, as in the Two Treatises Locke twice reminds those who seek to emancipate princes from the bonds of the law, God, his freedom and greatness notwithstanding, condescends to „tye Himself with oaths and promises“.37
3.4 This covenantal reading of Locke’s natural-law thinking draws sustenance, then, not only from our contemporary understanding of such pertinent late-medieval thinkers as Ockham and d’Ailly, but also from the current inclination of at least some Locke scholars to take more seriously than heretofore the need to probe his unexpected indebtedness to the scholastic past, to stress accordingly the interconnectedness among his theological, ontological and epistemological commitments, and, as a result, between his natural and moral philosophizing. So far as his natural-law thinking is concerned, the Locke who emerges is unquestionably and unqualifiedly a voluntarist. But he is a voluntarist of the late-medieval stamp whose emphasis on the divine omnipotence is so modulated 36 See Journal entry for 9 July, 1676, Ms. Locke, fol. l, 313–14, printed in Locke 1954, 259. Similarly, the entry under Sunday, 18 September, 1681, printed in King 1830, Vol. I, 232–4, where he is discussing miracles. 37 First Treatise, §6; Second Treatise, §195. The focus in these texts is, in fact, the subjection of princes to the law. God is no more than glancingly invoked by way of a comparison intended to drive home a political point. The covenantal reading of these f leeting allusions is mine.
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as to accommodate a firm commitment to the existence of an order – natural, moral, salvational – seemingly intellectualistic in nature but actually grounded in the divine will, choice, promise and covenant. Not an emphasis on omnipotence, that is to say (and as the Third Earl of Shaftesbury appears to have suspected), that involves any divinely subversive, Cartesian transcendence of the principle of non-contradiction itself.38 Some difficulties of course remain. They are not, I would judge, substantial enough to constitute any formidable impediment to the acceptance of the interpretation advanced in this essay. But as they may well suffice for some to generate an undertow of interpretative unease, I should like, by way of conclusion, to emphasize the degree to which they stem from the reticence and incompleteness of Locke’s theologizing and from his seemingly instinctive impatience with any attempt to discuss the divine psychology. First, it should be conceded that nothing has been said by way of affirming Locke’s nominalism that can do anything more than isolate the passage in the Essay concerning Human Understanding in which, while insisting that our human reason can reach only to a knowledge of the „nominal essences“ of substances, he acknowledges that the knowledge of their „real essences“ is possessed certainly by God, perhaps also by angels (Locke 1975, III, vi, §§ 2–3). Fraser interpreted that text as implying that the „real essences“ incognisable at the side point of view of a finite intelligence, are fully known only at the Divine centre, or in Platonic language in the Divine Ideas’, and, on its basis, Lovejoy even went so far as to venture the claim that in his epistemology Locke was essentially a Platonist.39 If the latter claim is clearly idiosyncratic, the former is at least arguable; though arguable, it should be noted, only in relation to this particular text. Elsewhere, after all, Locke is insistent upon the form of nominalist particularism that would appear to be his controlling teaching.40 Second, he is far from diffident about ascribing to God the attributes of wisdom and goodness. If the same can be said also of his late-medieval nominalist predecessors, they were unlike him in having discussed in depth and with no little precision what exactly 38 Shaftesbury appears simply to have assumed that the grounding of the distinction between good and evil in the determination of the divine will necessarily involved or presupposed a further commitment to the view that „if each part of a Contradiction were affirm’d for Truth by the Supreme Power, they wou’d consequently become true“ (Shaftesbury 1711, Vol. II, 50). 39 See Locke 1894, Vol. II, 58 n. 1; Lovejoy 1961, 360 n. 2 (cf. 228–9); Singh 1961, 111, makes much of Lovejoy’s claim in his own, rather strained, effort to make something of an epistemological realist of Locke. For a response, see Oakley and Urdang 1966, 106 n. 78. 40 Locke 1801b, § 4, 251, where, in the general context of responding to Norris’s discussion of the divine ideas and in specific response to his claim that „all created things are individuals“, Locke asks: „Are not all things that exist individuals? If so, then say not, all created, but all existing things are individuals; and if so, then the having of any general idea proves not that we have all objects present to our minds. But this is for want of considering wherein universality consists, which is only in representation, abstracting from particulars.“ Cf. ibid., §§ 11–12, 20–21 (253–54, 256–67), concluding with the statement: „Whatever exists, whether in God or out of God, is singular.“
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was involved in predicating such recognizably human attributes of a transcendent divinity. They were not prone, certainly, to slipping startlingly, as does Locke on one occasion, into speculating that „God himself cannot choose what is not good“ and that „the freedom of the Almighty hinders not his being determined by what is best“.41 But that speculation hinges on an acknowledgment of the perfection of the divine being; and it is preceded, it should be noted, by the cautious qualification that one might risk such a statement only „if it was fit for such poor finite creatures as we are to pronounce what infinite wisdom and goodness could do“ (Locke 1975, Essay II, xxi, § 49). That qualification is in direct continuity with the age-old and rueful preoccupation on the part of Christian theologians (pre-scholastic, scholastic and post-scholastic alike) with the stringency of the limits that hem in our ability to make cognitively meaningful statements about the ineffable God; and it is characteristic also of Locke’s theological temperament. „To say that we partake in the knowledge of God or consult his understanding“, he insists, „is what I cannot conceive for true. God has given me an understanding of my own; and I should think it presumptuous in me to suppose I apprehended anything by God’s understanding, saw with his eyes, or shared of his knowledge. I think it more possible for me to see with other men’s eyes, and understand with another man’s understanding, than with God’s; there being some proportion between mine and another man’s understanding, but none between mine and God’s.“42 Hence his dismissive conclusion, when finally he was forced to focus on Norris’s and Malebranche’s discussion of the divine ideas, that it was only „those who would not be thought ignorant of anything to attain it, make God like themselves“. Were not that the case, he adds, „they could not talk as they do, of the mind of God, and the ideas in the mind of God, exhibitive of all the whole possibility of being“.43
41 Locke 1975, II, xxi, § 49. Cf. the entry for 7 August 1681, in King 1830, Vol. I, 228–9: „But yet that unlimited power cannot be an excellency without it be regulated by wisdom and goodness, for since God is eternal and perfect in his own being he cannot make use of that power to change his own being into a better or another state; and therefore all the exercise of that power must be in and upon his creatures, which cannot but be employed but for their good and benefit, as much as the order and perfection of the whole can allow each individual in its particular rank and station.“ 42 Locke 1801c, § 52, 251 (italics mine). Cf. Locke 1968, § 136, 242: „[...] I think it would be better if Men generally rested in such an Idea of God, without being too Curious in their Notions about a Being, which all must acknowledge incomprehensible; […] And I am apt to think, the keeping Children constantly Morning and Evening to acts of Devotion to God, as to their Maker, Preserver and Benefactor, [...] will be of much more use to them in Religion, Knowledge and Vertue, than to distract their Thoughts with curious Enquiries into his inscrutable Essence and Being.“ 43 Locke 1801b, § 11, 253.
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4 Wolfgang von Leyden
Locke’s Strange Doctrine of Punishment1 (chapt. 2 + 3)
Locke’s discussion of the administration of punishment as an individual right in the state of nature is based on two premises and a number of implications that follow from these premises. The first premise is that all men are by nature equal. The equality, he points out (II § 4), extends to men’s power as well as to their jurisdiction, and it expresses itself in either direction both in a positive and in a negative sense. The positive sense in connection with men’s power is that they owe one another duties of love and charity, while in connection with their capacity of jurisdiction it is that they are under an obligation to treat each other justly and to respect their equal personal status (II § 5). The negative sense of men’s natural equality with regard to their power is that all may restrain one another from offending against each other’s rights, while in connection with their capacity of jurisdiction it is that every person has the right to pronounce upon and punish other people’s wrong-doing (II §§ 7, 9, 13, 87, 88, 136). The second premise supporting Locke’s belief that every individual has a natural right to punish others is couched in terms of his natural-law theory. He holds that whatever freedom or duty a man has is ultimately laid down „within the bounds of the Law of Nature“ (II § 4, my italics; II § 6). That is to say, whoever is innocent and just lives „under the ties of the Common Law of Reason“ (II § 16, my italics; II § 10: „the right Rule of Reason“; II §§ 11, 181); whilst he who lives „by another rule, than that of reason and common Equity“, breaks „the tye, which is to secure [men] from injury and violence“ (II § 8). The terminology employed here in connection with the acceptance of the law that „governs“ (II § 6) the state of nature prepares the way for Locke’s talk of civil laws as the bonds of society and the legislature as the knot, which revolutionaries untie (II §§ 1 Printed originally in: John Locke Symposium Wolfenbüttel, ed. Reinhard Brandt, Berlin/New York: de Gruyter 1981, 113–27.
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212, 219, 227). The principal bond men live under in the natural state is the observance of the law which „willeth the Peace and Preservation of all Mankind“ (II §§ 7, 11) hence man has the duty to preserve not only himself but the „rest of Mankind“, and he cannot inf lict punishment „unless it be to do Justice on an Offender“ (II § 6). A number of implications follow from these various rationalist theses: 1. All men have the same basic rights of liberty, equality, and self-preservation. 2. A wrongdoer violates the rights of others. 3. Punishment is justifiable on account of the wrongdoer’s violation of someone else’s rights. 4. The severity of punishment is determined by its ability to restrain all men from invading other people’s rights and from committing further breaches of the law of nature. 5. As a consequence of the natural equality of men, if anyone has a right to punish then everyone else has too. 6. Anyone who has the right to punish, legitimately acquires a power over another man. 7. If the punishment of others is a right, the foregoing propositions together establish it as such. Hence, if Locke’s doctrine is accepted, the law of nature can be regarded as being a proper and (to some extent at least) effectual law; for though its sanctions in the natural state are human ones and such that any individual may impose them, its observance there can to some extent be enforced.2 The central aspect of Locke’s theory of punishment calls for comment, especially since (as he himself remarks) it „will seem a very strange Doctrine to some Men“ (II §§ 9, 13). The use of the phrase „strange“ here is important and its implications need unravelling, particularly since commentators have failed to see their true significance. What Laslett has to say in the context is to my mind misleading if not inconsistent.3 2 Thus Locke’s longstanding belief that „law is to no purpose without punishment“ (Locke 1954, Essay V, 173) finds one of its applications in the context of his theory regarding conditions in the natural state. 3 Laslett 1988, 97 f. and note *; also note on II § 9. – The suggestion that Locke thought the doctrine strange because it seemed novel to him originates with Strauss 1953, 222. In my view the conjecture is unwarranted since – as I hope to show – the doctrine is ultimately and on Locke’s own principles unacceptable on internal or theoretical grounds. Seliger (1968, 63–4) argues that the doctrine in question is strange in as much as it supports a novel doctrine of political rights, viz. that the magistrate’s right to impose the death penalty is derived from the individual’s natural right of self-defense. The difficulties with this interpretation are that (1) Locke talks of his „very strange doctrine“ for the first time in II § 9, whereas the point about capital punishment is not raised until later, i. e. in II §§ 12 and 19; likewise he only speaks of the magistrate’s common right to punish in II § 11; (2) Locke’s theory that each man in the state of nature has the right to punish others is about punishment in
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The doctrine’s strangeness does not, and cannot have been intended by Locke to lie in its „novelty“, for apparently there were instances of it before and during his time, with some of which he must have been familiar.4 Nor is it true that it „comes as no great surprise“,5 for (as we shall see in due course and as Locke himself points out) to say that every man has the executive power of the law of nature and the right to punish offenders conf licts with some generally accepted notions concerning morality. Again, the use of the word „strange“ here as elsewhere is, pace Laslett,6 much more than a „literal device“. In the present context Locke employs it to indicate that what he regards as a right may not generally seem so to others, whilst in another passage (II § 180) its use makes plain that, if Locke denies conquerors the right to people’s possessions, ordinary parlance readily grants this to them. To interpret Locke’s phrase „a very strange doctrine“ as R. A. Goldwin does,7 as though it referred in a general way to a tendency towards psychological egoism at the core of his natural-law theory is to mistake both the full meaning of this Lockean theory and the specific reference of the phrase, for it applies exclusively to Locke’s notion of the right of each individual to punish the offences of others. Where Laslett is right is in his remark that Locke’s „strange doctrine“ is „in subtle contrast with Hobbes’s doctrine“.8 However, he does not tell us what the contrast consists in, nor does he observe that in comparison with Hobbes’s theory Locke would wish to claim advantages for his own. The contrast between the two doctrines (very brief ly) lies in Locke’s statement that each man in the natural state is judge with regard to the law of nature, whereas Hobbes asserts that everybody in that state is judge with regard to his own self-interest and the justness of his fears (Leviathan, ch. 14). Furthermore, whilst Locke can quite properly talk of everyone’s right to punish others in the natural state, Hobbes can only admit that in that state men have a right to subdue, to hurt, or to kill (ibid. ch. 28). It follows that a distinguishing feature of Hobbes’s argument is that punishment can only be exercised in a body politic and by a public authority, in congeneral, not just the death penalty; (3) though Seliger’s point forms part of Locke’s wider argument, the reason for the strangeness of Locke’s views on punishment in the natural state lies nearer at hand – too near perhaps for critics to have perceived clearly. 4 Laslett 1988, 96 f., note *, and note on II § 13. – Also Strauss 1953, 222, n. 83. The following references may serve as evidence to show that Locke’s „strange“ doctrine occurred in previous books, well-known ones and known to Locke himself. Hugo Grotius affirmed that each individual has the right to punish offenders (e. g. execute murderers), though after the establishment of civil society, it is judged reasonable (Grotius goes on to say) to transfer this right to the state or sovereign (Grotius 1650 [1st ed., Paris, 1625], Bk. II, ch. 21. – See also John Selden 1726, Vol. I, 456–9). 5 Laslett 1988, 97. 6 Laslett 1988, 97, note +. 7 Strauss/Cropsey 1963, 441. 8 Laslett 1988, 272, note on II § 9. The reference is to Leviathan, ch. 28.
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nection with conduct which is judged by that authority to offend against the civil law (ibid.). In fact, in De Cive (chapt. 6, § 6),9 the right to punish as he pleases (suo arbitrio) is the fundamental part of a sovereign’s right, from which all his other rights can be derived. Now, on this basis, Locke can show that what is „strange“ is not his own theory of punishment but Hobbes’s, and this for three reasons. The first is that he, unlike Hobbes, can explain (at least to his own satisfaction) by what right an alien may be punished by civil magistrates for crimes which he commits in their country. Characteristic of such a situation is that the only authority a magistrate has over a citizen of another country lies in the power which each man has over another by nature. Hence, unless the executive power of the law of nature lies in the hands of individuals – as for Locke it does in the natural state and before it is made communal – no magistrate in any civil community may punish, that is rightfully inf lict pain or injury on, a citizen of another country. The second reason why Locke’s theory of punishment is less „strange“ than Hobbes’s is that, in the setting of man’s natural condition, he can account for an individual’s right to seek reparation for damages he has received at the hands of another. Locke makes two points in this connection, both of which are perceptive and in fact valid. First, he distinguishes10 between a violation of the law (viz. natural law in the natural condition, and the municipal law in political society), which is a crime and which requires that the offender should suffer a penalty – and the mere inf liction of a loss or of damages, which (though also an injustice) is not a crime but a tort (i. e. a private wrong in the natural condition, and a civil offence in political society), which can adequately be met by an award of compensation. It follows that the claim to exact reparation has nothing to do with the demand for retribution, nor must it be confused with the right to punish.11 For, as Locke sees it, a man who harms another, though he may commit an offence, does not thereby become „degenerate“ (II §§ 10, 128) or „noxious“ (II §§ 8, 10, 16, 172, 182), or go against „the Principles of Human Nature“ (II § 10). Hence, unless the injury is a consequence of a crime (in which case an injured person in the state of nature has both a natural right to punish and a natural right to seek reparation), all that can be demanded of a man who has done harm is to make restitution to the person injured. Secondly, as Locke correctly insists, the only rightful person to demand reparation is again the injured party itself, and the right involved is „a particular Right“ (II §§ 10, 11). If this is accepted, it can be argued (as it is by Locke) that, whereas the common right to 9 Cf. Hood 1964, 157. 10 II § 10: „Besides the Crime [...]“; „[…] besides the right of punishment [...]“ (my italics). Also II § 11: „[...] these two distinct Rights [...]“. Plato (The Laws, Bk. IX, 861–2) was probably the first to have distinguished clearly between criminal law and the civil law of torts. 11 For the rationale of the distinction, as expressed again and again by judges, legal theorists, and philosophers see MacCormick 1977–78, 177–80, 185–6, 188–93.
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punish may on certain occasions be transferred to a civil authority and the punishment remitted by that authority, the right to demand satisfaction for damages (which belongs only to private individuals) can never be so transferred, and hence reparation can never be remitted except by those who have sustained the damages (II § 11). The difference is not unlike that between legal pardon and forgiveness by an injured individual. The former means the remission of the due legal consequences of a crime on the part of a civil authority; the latter the voluntary surrender of censure and of feelings of indignation towards an offender on the part of the injured person. What Locke would wish to say in defence of his distinction between the right to punish and the right to seek reparation is that the former is based on the right to preserve all mankind, at least its innocent members (for which reason it is best transferred to a public and independent powerbased authority), whereas the latter rests on the right of self -preservation (for which reason the injured has the right to demand reparation „in his own name“) (ibid.). There is a final and third reason why his „strange“ doctrine – that in the state of nature the executive power of the law of nature lies in the hands of each individual person – is not altogether strange and, besides, compares favourably with Hobbes’s absolutist theory of punishment. In order to explain this, I must first set out Locke’s reasons for calling his doctrine „strange“. When one talks of punishment and of judging other people’s wrongdoings (either in the moral or in the legal sphere), one would not wish to allocate these tasks to anybody, and certainly not to everybody, but only to persons selected for their suitability, reliability, and impartiality. In the legal sphere these matters are institutionalized in the form of an established practice and theory, and there are specially appointed offices filled by experts in the law. If one were to leave judicial and penal questions, even in the sphere of everyday morality, to everybody, instead of to magistrates, parents, or teachers, one would not only be foolish and mistaken, but unjust and irresponsible. As Locke puts it, one would invite „condemnation“ and not only be found „unreasonable“ (II §§ 9, 13). His reasons for objecting to the notion that each man is the final arbiter in all matters relating to the punishing of wrongdoers is that self-love renders him partial to his friends, while animosity prejudices him against his enemies. Under these conditions there could never be punishment, but only indulgence or revenge, so that „confusion and disorder will follow“ (II § 13; §§ 125, 136). To this one must add that, since men are often untrained or too unconcerned about the justice of the case, they may pronounce the innocent guilty and punish the guilty either too leniently or too severely. It is fairly obvious then that, as a result of its „irregular and uncertain exercise“, this power each man is supposed to have of punishing the transgressions of others leads to „inconveniencies“ (II § 127). And if men may be judges even in their
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own case, it is „easily to be imagined, that he who was so unjust as to do his Brother an Injury, will scarce be so just as to condemn himself for it“.12 At this point one can acknowledge both the strangeness of Locke’s natural-law theory of punishment (which he himself admits) and the extent to which it is less strange than Hobbes’s. It is strange in that the policy of putting the execution of the law of nature into everybody’s hands (as though this were what the supposed equality of all men demanded) is unreasonable, wrong, and unsafe. Locke therefore „easily“ grants that the „God appointed“ alternative is life in political society and under civil government (II § 13; see also II § 88 and ch. ix [§§ 123–31]). One could say that the necessity of men’s uniting into commonwealths is proportionate to the unacceptability of the doctrine that each man has by nature the power of punishing the transgressions of others. And yet the latter doctrine, Locke insists, is preferable to Hobbes’s and not altogether strange. Hobbes’s point about punishment, it may be remembered, is that it can only be exercised in a body politic and by a public authority. This view would seem to meet Locke’s own misgivings about the individual right to inf lict punishment in the natural state. However, Hobbes’s doctrine is further qualified: for him the fundamental part of a sovereign’s right is to punish his subjects „as he pleases“ (suo arbitrio). If this aspect of Hobbes’s argument is compared with what Locke says about the inconveniences of the state of nature where men may be judges in their own case, either alternative is strange and Locke admits as much, except that for him the two positions are not equally strange. The reason why his own doctrine about punishment in the natural state appears to him less strange than Hobbes’s theory about the rights of the civil sovereign is his opposition to the latter’s authoritarianism. From Locke’s point of view, Hobbes’s sovereign has the power of an „absolute monarch“. As such he would have the exclusive right to be „Judge in his own Case“ and to „do to all his Subjects whatever he pleases“.13 Locke much prefers the natural condition to 12 II § 13. As John D. Mabbott (1973, 144) points out, some of the major inconveniences resulting from men being judges in their own case are that, under these circumstances, it is difficult to deal with „crimes committed in secret, and requiring skill and organization both for detection and arrest“. Though the remark is justified, I think for Locke its force is weakened by the fact that in the natural state wrongdoers may be spied upon anywhere and by anybody, and similarly that, wherever they perpetrate their crimes, they can be punished by any number of men in conjunction. 13 For Locke’s argument see II § 13, my italics; also §§ 90, 137 and 225. His most telling picture of what in his opinion is implied in the nature of „absolute monarchy“ is in II § 93. Laslett favours the view that Locke’s polemical reference here is to Filmer rather than to Hobbes. Since Locke’s language in §§ 13 and 93 is similar to that employed in his Essays on the Law of Nature of 1664 (Locke 1954, 118, lines 6–15, and particularly the phrase pro libitu suo in lines 8 and 10, with its express reference to the absolute authority of supreme political rule), when Patriarcha was as yet unpublished and his acquaintance with Filmer was still limited, I consider it at least as likely that his argument is directed against Hobbes, and Laslett in his note on II § 9 – a line taken up in the opening remark of II § 13 – admits as much. See also Polin 1960, 183, who is thinking of Hobbes in this connection, and Seliger 1968, 101–3, who looks upon the passage in II § 13 as directed against both Hobbes and Filmer.
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this form of civil rule. At least in the natural state no one is bound to submit to the unjust will of another; and he who judges in his own case or that of anyone else is answerable to the rest of mankind. The upshot of Locke’s argument then is that political power as envisaged by Hobbes represents the most absolute form of whatever disadvantages or iniquities may be found in the natural state. Though what Hobbes has in mind is a civil, not a natural, condition, for Locke it offers no remedy for the evils of the natural state – and in fact renders them worse. From my analysis it should appear that there is no inconsistency in Locke’s admission that his doctrine about punishment in the natural state is strange and in claiming that it has three advantages. In order to explain these features of Locke’s theory more fully, I must draw attention to certain definitional and justificatory contentions regarding punishment on his part – logical facets of his doctrine which are far from being either strange or outmoded. The first point to note is that Locke’s attribution of the executive power of the law of nature to each man in the natural state is not an unqualified one. He expressly says that this power is meant to be „no Absolute or Arbitrary Power“; in fact that no man must punish another „according to the passionate heats, or boundless extravagancy of his own Will“ (II § 8; compare with II § 125). That these stipulations often go unheeded in the natural state is one of the reasons why Locke speaks of the „disorder“ and other „inconveniences“, „dangers“ and „fears“ (II § 123) associated with that state. Still, he advances his theory of punishment with the clear proviso that every man must exercise his power to punish others „as he soberly judges the Case to require“ (II § 9, my italics). Thus he makes two demands: first, the person who punishes must allow his judgment to be determined by what „calm reason and conscience“ dictate (II § 8); secondly, he must assess the degree of punishment in the light of its retributory and deterrent forces and also take account of what penalty will best serve the purpose of reparation and ensure that offenders experience a feeling of remorse. The provisos considerably diminish the „strangeness“ of Locke’s theory. If critics still condemn it, they certainly cannot object in principle to his points about the logical analysis and rational justification of punishment. For here he raises issues that have remained at the centre of modern philosophical debate. In the second place, then, let us consider the different elements of Locke’s theory of punishment which not only embrace the question of preserving the innocent or of obtaining compensation for harm done, but also raise the issues of deterrence and retribution and of the interrelation between the ways in which punishment as the inf liction of evil14 had traditionally been justified. 14 Wrongdoing involves two evils (i. e. some physical or other affront to the victim and a moral wrong on the part of the offender). Punishment adds a third. The notion that punishment is an evil and that punishing is bringing „such evil on any one“ as to procure some greater good or to exclude some greater evil, already present
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The most important of the traditional justifications are the retributive theory, the reformatory view, and the notion that punishment has a deterrent effect on a criminal’s own future inclinations as well as, by his example, on other potential offenders. Locke mentions the theories of retribution and deterrence, but not the reformatory view. Instead, as we have seen, he emphasizes the role of compensation for losses suffered by the victim of a crime, and he has also something to say about the effect which punishment has on evoking a feeling of remorse in an offender. He begins by stressing that „the only [two] reasons, why one Man may lawfully do harm to another“ (II § 8) is that, in punishing him for a breach of natural law, such punishment serves the purposes of „Reparation and Restraint“ (II § 8).15 The two purposes indicate that, in Locke’s initial account, punishment is regarded as a means towards either two ends, with the offending person being punished not for the robbery or arson he has committed, but in order to secure compensation for the damages he has caused, or at least a guarantee that a like crime may not be committed in future either by him or by others. In addition to these utilitarian or collectivist considerations Locke adopts a more individualist and, basically speaking, more truly moral standpoint, which in turn consists of two (not altogether unconnected) justifications for inf licting penalties on wrongdoers. He explains that to punish someone who is guilty of a crime is to make him suffer for his crime. What he has in mind is not the notion that to punish is to exercise private vengeance or retaliation, i. e. that, in punishing an evildoer, one should return an eye for an eye. Rather his view is that punishment is a retribution for some moral or legal wrongdoing and that it is inf licted because it is deserved.16 On this view, punishment is justifiable because it is in itself just, and also because it is an end in itself, not a mere means towards an end. Besides the retributive element in punishment Locke considers that to cause an offender to repent his evil action (II §§ 8, 12) constitutes yet another individualist justification for inf licting penalties; for, as before, the justification relates exclusively to circumstances lying in the guilty person himself.
in II § 8, is spelled out succinctly in Locke 1824, 112. The locus classicus on this theme is Bentham’s Introduction to the Principles of Morals and Legislation, ch. XIII, sect. 2. 15 I do not think that this aspect of Locke’s doctrine of punishment forms part of his „very strange doctrine“ – which in my opinion exclusively refers to the notion that in the state of nature every one has the executive power of the law of nature (II §§ 7–9, 13). From what Laslett says (Laslett 1988, 272–3, note on II § 9) it might appear as though Locke’s „strange doctrine“ was also concerned with punishment as a means of „reparation and restraint“. If this is Laslett’s interpretation, I think it is mistaken. I also believe that his reference here to Locke’s Second Letter on Toleration is misleading. Contrary to what Laslett says, this work does not as a whole raise points about punishment as a means of reparation and restraint, but is concerned mainly with the questions of (a) the justification of any power in the magistrate’s hands to punish dissenters, (b) the fit degree of punishment in such a case, and (c) the unlawfulness of punishing the innocent. 16 Locke employs the word „retribute“ in II § 8, and the word „deserve“ in II § 87.
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Repentance, it is often assumed,17 is the penalty that fits the crime, at least if it implies that the agent responsible for it is sincerely sorry for what he has done. This is particularly so whenever it can be argued that the guilty person has a feeling of abhorrence for his crime and that he recognizes that the punishment he has received is the necessary and natural (that is, presumably, either the logical or the moral) outcome of his misconduct. In cases in which the offender has a feeling of real condemnation in relation to his own crime – as though his reaction was that of an impartial spectator – the expression of his remorse would seem to be not only self-explanatory but self-sufficient. Locke, however, seems to think that repentance as such also has a deterrent effect on the person who feels remorseful.18 Here again, what has to be assumed is that repentance involves more than the recognition that the repented act was wrong. Most criminals are aware at the time of committing a crime that their action constitutes a crime; otherwise there would be very little for them to repent of later. Similarly, the recognition in question cannot by itself be sufficient to deter them from further criminal acts, for the fact that they had arrived at this recognition in the past obviously did not prevent them from committing the crime of which they now repent. Hence repentance can have deterrent consequences only if it incorporates within itself a sense of moral indignation at one’s former wrongdoing. As we have seen, Locke conceives of several ways in which punishment may be justified. At the same time, unlike other theorists of punishment who tend to adopt exclusively one or the other method of justification, he perceives connections between the various accounts. Thus he holds that the natural punitive power of one man over another is a power „only to retribute to him, so far as calm reason and conscience dictates, what is proportionate to his Transgression, which is so much as may serve for Reparation and Restraint“ (II § 8). The equation which he attempts to establish here is between degrees of guilt and desert on the one hand, and those of deterrence and compensation on the other. The equation is not without difficulties, but in order to appreciate these we have to ascertain precisely what Locke has in mind in making the equation. There are several possibilities. He may mean, first, that the retributive justification of punishment constitutes its moral aspect, while the elements of deterrence and reparation determine its just degree or severity.19 The difficulty here is that the degrees of pain or of any other suffering involved in punishing a person are incommensurable with the amount of moral guilt, so that it must be impossible to match the former with the latter.20 Another interpretation is that Locke often seems to argue21 that in order 17 See, for instance, Carritt 1928,110. 18 II § 8. The „thereby“ in the text is slightly ambiguous but, on ref lection, I think it can be seen to refer to the inducement of repentance rather than to the original punishment of which Locke speaks. 19 For the latter point see II § 7. 20 Some such criticism as this can be found in Green 1885–9, Vol. II, 496–97, 500–01. 21 In II §§ 7 and 8, and particularly in II § 7.
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to combine the retributive with the deterrent element in punishment all one has to do is to associate any violation of rights with the terror of punishment. If this is what he means, his theory is open to the criticism that neither fear nor the preventive capacity of punishment can be more than an incidental part of its retributive function. If his view, however, is that, if a criminal has violated the rights of others or the laws of the state protecting these rights, he should be required to pay compensation for the damages he has caused, a similar exception applies. For a just reparation, like a just deterrent, can be essential to a retributive justification of punishment only if either is retributively just – which means that neither is essential qua reparation or prevention. On the other hand, if a just reparation and a just deterrent represent a different form of justice from that of a just retribution, the element of justice involved in the three cases is obviously not the same. The point holds good irrespective of whether punishment is regarded as (a) retribution for moral baseness,22 (b) a corollary of law-breaking,23 or (c) part of the meaning of guilt and as an inf liction properly applied (in the definitional or logical sense) only if a person is guilty.24 For in any of these three cases there will always be an opposition of principle between retributive justice (of the ethical, legal, or logical variety) on the one hand, and a just reparation or deterrent on the other. Locke’s final point in his discussion of punishment concerns the death penalty. He accepts that this is justified, particularly for murder which – more than any other crime – has to be prevented25 because of the duty and the right (see, for instance, II §§ 6, 11) everybody has to preserve the rest of mankind, and also because the loss and the damages involved are irreparable (II §§ 11, 19). He certainly defines political power as a right of making laws „with Penalties of Death“ (II § 3) and argues that punishments occurring in civil society may also be inf licted lawfully in the natural state (II § 12): in fact that the laws and punishments occurring in civil society are ultimately legitimate only to the
22 As it was by idealist philosophers, e. g. Bradley 1927, 26–7; Bosanquet 1965, 208–12; Bosanquet 1918, 188–98; also Kant 1907–14, 331–2. 23 See Mabbott 1939. 24 See Quinton 1954. 25 Here Locke is thinking not only of the deterrent function of capital punishment on potential murderers but also of its forthright prevention of further crime on the part of the person guilty of murder (see II § 11). Rousseau (The Social Contract, Bk. II. ch. v.) adds a characteristic twist to the Lockean argument about deterrence and self-preservation in this context. In his Essay concerning Human Understanding (Bk. IV, ch. iv, sect. 8) Locke regards the proposition that murder deserves death as demonstrably true.
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extent that they are based on the law and the „measures of punishment“ governing the natural state.26 Locke asks whether in the natural state capital punishment may be inf licted for other serious crimes (II § 12). On the retributive view he recognizes its legitimacy whenever the „heinousness“ of the crime „requires“ and „deserves“ it (II § 87). He also accepts that a man may lawfully kill an aggressor who uses violence in an attempt to rob him, and this even in civil society where the victim has no time to appeal to the law in a quarrel which may cost him his life (II §§ 19, 182). Moreover, the grounds determining the severity of punishment in connection with the „lesser breaches“ of natural law are more or less the same as those determining the penalty for murder, viz. (a) the right anybody has of preserving the rest of mankind (cf. II § 12 with II § 11) and (b) that degree of retribution which is sufficient to make each crime „an ill bargain to the Offender, give him cause to repent, and terrifies others from doing the like“ (II § 12). If one of the purposes of punishing a crime is to make its author feel remorse, the death penalty is obviously ruled out from the beginning. On the other hand, the fact that Locke does not specify here that a criminal must be expected to provide adequate compensation as part of his penalty may indicate that he is not ruling out altogether the possibility of capital punishment in connection with crimes other than murder. Since he never argues for the reformatory view of punishment, which rules out the death penalty on definitional grounds, there is an additional reason for concluding that he advocates capital punishment in the context of the state of nature even with respect to crimes other than murder.
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5 Bernd Ludwig
„… one who has put himself into a state of war with me“ – Natur- und Kriegszustand im Second Treatise (Kap. 2 + 3)
Krieg ist nicht von Natur. Kriege, so Locke, werden erklärt, und sie werden erklärt durch eine Übertretung eines Gesetzes, des natürlichen Gesetzes nämlich: „Mit seiner Übertretung des natürlichen Gesetzes erklärt der Missetäter, nach einer anderen Vorschrift als der der Vernunft und allgemeinen Gleichheit zu leben, die Gott den Menschen zu ihrer gegenseitigen Sicherheit als Maßstab für ihre Handlungsweise gesetzt hat. Er wird eine Gefahr für die Menschheit, denn er lockert und zerreißt jenes Band, das sie vor Unrecht und Gewalttätigkeit schützen soll.“ (II § 8) Später heißt es wiederholt: Wer anderen mit Vernichtung droht, versetzt sich diesen gegenüber in den Kriegszustand („puts himself into the state of war“; II § 18, vgl. II §§ 16, 155). Ja, er macht sich damit selbst zum Tier, kündigt jene Vernunft auf, die seine zwischenmenschlichen Beziehungen regeln soll, setzt an deren Stelle die rohe Gewalt und bietet sich damit den anderen zur Vernichtung an – ganz so, als wäre er eine wilde, reißende Bestie (II § 181). Krieg ist also nichts Natürliches, er ist vielmehr eine Perversion der Natur: Der den anderen den Krieg Erklärende erniedrigt sich dadurch selbst zu einem jener Geschöpfe, „die einzig zum Nutzen der anderen geschaffen [wurden], so wie die untergeordneten Lebewesen zu unserem Nutzen geschaffen wurden“ (II § 6). Durch das ihnen eigene Naturgesetz bilden nämlich alle „Menschen eine einzige Gemeinschaft [community] und formen eine Gesellschaft [society], die sich deutlich von allen anderen Lebewesen abhebt“, jeder Mensch ist – zunächst einmal – Teil „von dieser großen und natürlichen Gemeinschaft“ (II § 128). Wer, wie Locke, mit solcher Emphase darauf hinweist, dass jeder Krieg sich eines Aktes (zumindest) eines Menschen verdankt, eines gezielten Bruchs mit der natürlichen Ordnung, der muss jede Gleichsetzung von Natur- und Kriegszustand für einen schwe-
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ren, ja für einen groben begrifflichen Fehler halten. Nach einem potentiellen Adressaten des entsprechenden Vorwurfs muss man nicht lange suchen, denn zumindest die nachgeborenen Leser werden sich sogleich an Thomas Hobbes’ Theorem (s. Leviathan, Kap. XIII) erinnert fühlen, der Naturzustand sei notwendig ein Zustand des Krieges. Auch wenn die Annahme historisch wenig plausibel ist, dass Locke sich in den Kapiteln II bis IV seiner Zweiten Abhandlung nachdrücklich mit Hobbes’ Naturzustandstheorie hätte auseinandersetzen wollen: Die Hobbessche Position ist ihm bekannt (und sei es auch nur aus Filmers Observations1 ), und eine Untersuchung der Lockeschen Naturzustandstheorie mit dem Kontrastmittel der Hobbesschen ist für uns heute in jedem Falle instruktiv. Der kritische Einwurf gegenüber einer Identifizierung von Natur- und Kriegszustand auf der einen Seite und korrespondierend der von bürgerlichem Zustand und Friedenszustand auf der anderen wird von Locke auf begriff licher Ebene artikuliert und findet seinen formalen Ausdruck unter anderem darin, dass dem Naturzustand und dem Kriegszustand in der Zweiten Abhandlung zwei separate Kapitel gewidmet sind.
5.1 Die Aufgabe dieser Schrift ist es ausweislich ihres Untertitels, den „wahren Ursprung, die Reichweite und den wahren Zweck der staatlichen Regierung“ darzustellen. Dafür gilt es jenen ursprünglichen, natürlichen Zustand als Ausgangspunkt zu wählen, in dem Menschen „nach der Vernunft zusammenleben, ohne auf Erden einen gemeinsamen Oberherren über sich zu haben mit der Macht, über sie zu richten“ (II § 19). Dass die Untersuchung methodisch von einem solchen ursprünglichen, allen menschlichen Abmachungen vorausliegenden Zustand ihren Ausgang nimmt, ist keine Innovation. Bereits in der Antike lassen die Epikureer das politische Gemeinwesen durch Verträge aus den natürlichen Gewaltverhältnissen hervorgehen, in den christlichen Staatslehren des Mittelalters geht den Staatengründungen der unschuldige Zustand des Paradieses voraus und mit Thomas Hobbes’ Leviathan ist der Begriff eines ‚Natürlichen Zustandes der Menschheit‘ zu einem Grundbegriff in den legitimationstheoretischen Debatten geworden. Hobbes zieht eine strikte Grenze zwischen Natur und Kunst (dazu Leviathan, Introduction): Zwischen einem natürlichen Zustand menschlicher Herrschaftslosigkeit auf der einen Seite, und einem durch Verträge der Menschen herbeigeführten bürgerlichen Zustand, in dem jedem das Seine bestimmt und gesichert wird, auf der anderen. Auch wenn der Naturzustand von Hobbes mitunter historisch lokalisiert wird (etwa unter den Wilden Amerikas oder zwischen Staaten; Leviathan, Kap. XIII, Abs. 11), so handelt es sich 1 „But admit the state of nature were a state of war, let us see what help Mr Hobbes hath for it.“ (Observations on Hobbes, Sect. vi., in: Filmer 1991, 188); zur möglichen Bedeutung Hobbes’ für Locke s. Laslett 1988, Introduction, 58; Goldie 1997, 214, Fußnote 11 und in diesem Band, oben S. 8 f.
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für ihn dabei gleichwohl wesentlich um eine methodische Fiktion, die dazu dienen soll, den Zweck und die Legitimität der staatlichen Ordnung darzulegen: In einer Analyse der menschlichen Gemeinschaft unter der kontrafaktischen Annahme der Abwesenheit staatlicher Herrschaft erweist sich ebendiese künstliche Herrschaft gerade als die notwendige Bedingung für ein friedliches Leben in der Gemeinschaft: Eine hinreichende natürliche Gleichheit der Menschen schließt nämlich die Möglichkeit einer natürlichen Herrschaft unter Menschen aus2 (und tertium non datur). Ein Zustand der Menschen ohne jede Herrschaft aber ist ein Zustand der Unsicherheit eines jeden – und damit für Hobbes der des Krieges. Auch Lockes Naturzustand ist ein „Zustand der Gleichheit“, doch diese Gleichheit ist bei ihm nicht die (physische) Gleichheit der mangelnden Herrschaftschancen, sondern eine (normative) der fehlenden Herrschaftsrechte: „Es ist ein Zustand vollkommener Freiheit, innerhalb der Grenzen des Gesetzes der Natur ihre Handlungen zu regeln und über ihren Besitz und ihre Persönlichkeit so zu verfügen, wie es ihnen am besten scheint, ohne dabei jemanden um Erlaubnis zu bitten, oder vom Willen anderer abhängig zu sein.“ (II § 4) Daher sind Machtansprüche und Rechtsprechung wechselseitig, denn alle, die „… gemeinsame Natur, Fähigkeiten und Gewalten teilen, sind ihrer Natur nach gleich und sollen [ought to] an den gleichen allgemeinen Rechten und Privilegien teilhaben, es sei denn, es könnte eine offenkundige Erklärung Gottes […] vorgewiesen werden, die die Vorherrschaft einer einzelnen Person beurkundet …“ (I § 67, Übers. B. L., vgl. II § 87) Adressat dieser Bemerkung ist freilich nicht Hobbes’ Gleichheitspostulat, sondern Robert Filmers Theorie einer gottgewollten Herrschaft seitens der natürlichen Nachkommen Adams, die in beiden Abhandlungen im Zentrum der Polemik steht.3 Die Herausforderung bestand für Locke in der Zurückweisung solcher natürlichen Herrschaftsansprüche: Unangesehen aller Unterschiede hinsichtlich Alter, Kraft, Ehre oder Abstammung hat nämlich jeder Mensch das gleiche Recht „auf seine natürliche Freiheit, ohne dem Willen oder der Autorität irgendeines anderen Menschen unterworfen zu sein“ (II § 54). Filmers „Defence of the natural power of Kings against the unnatural liberty of the people“ – so der Titel auf einem Manuskript seiner Patriarcha – ist in der Ersten Abhandlung widerlegt, wie Locke im ersten Kapitel der Zweiten betont. 2 Allein bei Gott können wir uns aufgrund seiner unendlichen Machtüberlegenheit ein natürliches Herrschaftsrecht über alle Menschen denken (Leviathan Kap. XXXI, Abs. 5 ff.). 3 Zu Details siehe in diesem Band, S. 8 f.
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Die „natürliche Freiheit“ („liberty“) ist nun aber nicht mit Zügellosigkeit („license“) zu verwechseln (II § 6), wie es Filmer etwa Aristoteles (und mit diesem auch den modernen Staatslehrern) unterstellt: Denn Locke zufolge, der sich darin u. a. mit seinem Gewährsmann Richard Hooker einig weiß, „bedeutet natürliche Freiheit, keiner anderen [!] Einschränkung als der des natürlichen Gesetzes unterworfen zu sein“ (II § 24): „Im Naturzustand herrscht ein natürliches Gesetz, das jeden verpf lichtet. Und die Vernunft, der dieses Gesetz entspricht, lehrt die Menschheit, wenn sie sie nur befragen will, dass niemand einem anderen, da alle einander gleich und unabhängig sind, an seinem Leben und Besitz, seiner Gesundheit und Freiheit Schaden zufügen soll.“ (II § 6) Die Gegenposition hierzu vertritt – so hat es zumindest Lockes Freund James Tyrrell richtig beobachtet – Thomas Hobbes: „… not taking God into this hypothesis has be the great reason of Mr. Hobbeses mistake that the laws of nature are not properly laws […] when out of civil state or Commonwealth.“ (Tyrrell an Locke, s. Laslett 1988, 80)4 Der Naturzustand ist bei Locke deshalb kein Zustand absoluter Freiheit („license“), weil der Mensch qua seiner Geschöpf lichkeit5 unter dem Gesetz des allmächtigen Gottes steht – welches traditionell das natürliche genannt wird. Dieses Gesetz statuiert eine Verbindlichkeit, die jeder menschlichen Verpf lichtung vorausliegt (gegen Hobbes) und der jeder Mensch gleichermaßen unterworfen ist (gegen Filmer). Und dieses Gesetz ist nichts anderes, als die Vernunft des Menschen selbst. Das Gesetz ist keine Beschränkung der Freiheit, sondern vielmehr deren Ausrichtung und Erweiterung, es ist „die Leitung eines frei und einsichtig Handelnden in seinem eigenen Interesse, und seine Vorschriften reichen nicht weiter, als es dem allgemeinen Wohl derer dient, die unter diesem Gesetz stehen“ (II § 57). Freiheit ist nichts anderes, als dass „die Vernunft [understanding] den Willen bestimmt“ (II § 59).6 4 Das bezieht sich z. B. auf Leviathan XXVI, Abs. 4 mit XV, Abs. 41. – Deshalb haben die Begriffe ‚recht‘ und ‚unrecht‘ im Hobbesschen Naturzustand keinen Platz (Leviathan XIII, Abs. 13). 5 Locke spricht in diesem Zusammenhang vom Menschen als dem „Eigentum“ Gottes; für Eigentumsansprüche unter Menschen spielt eine solche „Schöpfung“ der fraglichen Gegenstände naturgemäß keine Rolle. 6 Die für die politische Theorie einschlägige Gattungseinheit ist also keine biologische, sondern offenkundig die über das Prädikat der Vernunftfähigkeit gestiftete. Da dieses zu Lockes Zeiten jedoch unbefragt und erfahrungsgemäß nur Wesen zukommt, die von menschlichen Eltern abstammen, ist die Zugehörigkeit zur biologischen Menschengattung selbstredend eine notwendige Bedingung der Freiheit. Welcher rechtliche Status Menschen dann im Einzelfall tatsächlich zukommt, diskutiert Locke im Falle der Kinder (noch nicht frei), der Volljährigen (frei) und der Sklaven (nicht mehr frei). Eine ausgefeiltere Kasuistik (betreffend etwa Tod, Koma, schwere geistige Behinderung, Rausch und Schlaf) findet sich in den Treatises nicht.
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Der Inhalt des Naturgesetzes ist demzufolge zunächst die Erhaltung seiner selbst; und da sich kein Mensch vor dem Urteil Gottes eine Überlegenheit anderen gegenüber anmaßen kann,7 umfasst es auch die Erhaltung aller anderen, solange dies nicht mit der eigenen Erhaltung konf ligiert (II § 6). Der Mensch ist zudem nicht einmal berechtigt, über seine eigene Erhaltung zu disponieren (Gott allein hat das Recht, über das Leben seiner Geschöpfe zu verfügen), es sei denn, ein „noblerer“ Gebrauch seiner Kräfte als die bloße Selbsterhaltung würde dies von ihm fordern. Jeder Mensch ist somit von Natur zur Erhaltung der gesamten Menschheit verpf lichtet, darf anderen folglich weder das Leben, die Freiheit, Gesundheit, Glieder oder Güter nehmen – außer im Falle, dass an einem Verbrecher Gerechtigkeit geübt werden soll (ebd.). Das Naturgesetz wäre nämlich nichtig („vain“), könnte es im Naturzustand nicht durchgesetzt werden. Mangels natürlicher Überordnung („superiority“) oder Rechtsprechung („jurisdiction“) des einen über den andern muss jedem Einzelnen das Recht der Vollstreckung zugebilligt werden (II § 7), kurz: „jeder ist berechtigt, den Missetäter zu bestrafen und somit das Gesetz der Natur zu vollstrecken“ (II § 8), und zwar aufgrund des Rechts jedes einzelnen, die gesamte Menschheit zu erhalten (II § 9). Locke selbst nennt diese Lehre von einem natürlichen Strafrecht jedes Menschen eine „seltsame Lehre“ („strange doctrine“, II §§ 9, 13)8 , weil er zugestehen muss, dass ihre Anwendung zu großer Verwirrung und Unordnung im Naturzustand führen wird: Wenn die Menschen überhaupt bereit sind, gegen andere Verbrechen zu verüben, warum sollten sie dann nicht erst recht dazu bereit sein, parteiisch zu urteilen: Die Strafbefugnis verschlimmert offensichtlich das Übel, das sie eigentlich heilen sollte (siehe dazu unten 5.3). Eine wichtige Folge ist jedenfalls, dass ein Mensch vermittels der Strafbefugnis bereits im Naturzustand eine legitime Macht über einen anderen erlangen kann. Strafbefugnis setzt nicht etwa die Autorisierung eines Strafgerichts (und damit eine Obrigkeit) voraus, sondern der Verbrecher autorisiert bereits durch seine Tat alle anderen, d. i. jeden einzelnen, zur Bestrafung:
7 Der hier stillschweigend vollzogene Übergang von der Freiheit als Fähigkeit, sich an Regeln zu orientieren zu einer Unterworfenheit unter die Normen von Seiten des göttlichen Willens ist unproblematisch vor dem Hintergrund von Lockes (ihrerseits allerdings weit weniger unproblematischen) Sanktionstheorie der Verbindlichkeit, denn dieser zufolge ist es im Falle der göttlichen Gebote grundsätzlich vernünftig, ihnen zu folgen: Weil geeignete Sanktionen für Locke normkonstitutiv sind, wird – umgekehrt – jede (entdeckte) Normverletzung e suppositione adäquat sanktioniert und stellt somit für den Normadressaten ein zu vermeidendes Übel dar. Bei den göttlichen Geboten sind die als Sanktion mit der Missetat unverbrüchlich verbundenen Übel zumeist jenseitige (s. Locke 1975, II, xxviii, §§ 5 ff.). Wenn der Mensch also begreift, dass er mit seinem Verhalten im Diesseits nachhaltige Belohnungen und Strafen im Jenseits auf sich zieht, dann gilt: „… the measures of Good and Evil, that govern his choice, are mightily changed“ (ebd. xxi, § 60). 8 Zu den Details der Straftheorie siehe den Beitrag von Leydens in diesem Band.
B L „Mit seiner Übertretung des natürlichen Gesetzes erklärt der Missetäter, nach einer anderen Vorschrift als der der Vernunft und allgemeinen Gleichheit zu leben, die Gott den Menschen zu ihrer gegenseitigen Sicherheit als Maßstab für ihre Handlungsweise gesetzt hat. Er wird eine Gefahr für die Menschheit, denn er lockert und zerreißt jenes Band, das sie vor Ungerechtigkeit und Gewalttätigkeit schützen soll.“ (II § 8)
Jedes Verbrechen darf im Naturzustand mit der gleichen Strenge bestraft werden wie im Staat, weil auch die staatliche Strafe ihr Maß allein darin findet, dass sie ein Verbrechen „in dem Maße und mit genau der Strenge bestraft […], wie erforderlich ist, dass sie dem Verbrecher teuer zu stehen komme und ihn zur Reue bewege, dass sie andere aber gleichzeitig davon abschrecke, eine ähnliche Tat zu begehen.“ (II § 12) Das schließt ausdrücklich die Befugnis zur Todesstrafe ein (ebd.). Der Naturzustand kennt nicht nur Rechte und Pf lichten aufgrund des Naturgesetzes allein, er kennt auch vertragsgenerierte Verpf lichtungen der Menschen untereinander: Versprechen und Tauschgeschäfte sind verbindlich, denn „Wahrheit und Vertrauen gebührt dem Menschen als Menschen und nicht als Glied der Gesellschaft“ (II § 14). Was den Naturzustand als solchen auszeichnet, ist somit allein das Fehlen einer über potentiellen Streitparteien stehenden Schlichtungsinstanz: „Menschen, die nach der Vernunft zusammenleben, ohne auf Erden einen gemeinsamen Oberherrn über sich zu haben mit der Macht, zwischen ihnen zu richten, befinden sich im eigentlichen Naturzustand.“ (II § 19) Von Hobbes’ Naturzustandskonzeption unterscheidet sich die Lockesche also in einer wesentlichen Hinsicht: Während Hobbes zufolge die Unterscheidung von recht und unrecht im Naturzustand überhaupt „keinen Platz hat“, weil diese ein Gesetz erforderte, welches einen machthabenden, irdischen Gesetzeber (den es e suppositione im Naturzustand nicht gibt) voraussetzt (Leviathan XIII, Abs. 13), fehlt es dagegen der bei Locke von Gott durch das Naturgesetz gestifteten Unterscheidung von recht und unrecht an einer verlässlichen Durchsetzungsfähigkeit: Rechtsurteil und Rechtsvollstreckung bleiben an das subjektive Vermögen des Einzelnen gebunden (die Konsequenzen werden uns im letzten Abschnitt beschäftigen). Zwar setzt auch Hobbes (wie Locke) voraus, dass Verträge bereits im Naturzustand verpf lichten,9 doch das heilt den entscheidenden Mangel nicht, dass nämlich vor allen Verträgen ein jeder ein „Right to everything, even to one 9 Das gilt sogar, wenn sie aus bloßer Furcht geschlossen werden (s. Leviathan XIV, Abs. 27): Verpf lichtung ist eine bloße „consequence of Speech“ (s. Leviathan Kap. IX), ohne das Schwert zwar kraftlos, aber gleichwohl bindend (Leviathan XIV, Abs. 7, vgl. Abs. 31).
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anothers body“ (Leviathan XIV, Abs. 4) hat. Tyrrells oben zitierte Beobachtung brachte diese Differenz bereits auf den Punkt. Allerdings hätte sich Hobbes energisch gegen Tyrrells Behauptung verwahrt, es sei ein Fehler gewesen, Gottes Gesetzgeberschaft in den ersten 30 Kapiteln des Leviathan beiseite zu setzen. Vielmehr ist es für Hobbes das Kennzeichen einer ernstzunehmenden politischen Philosophie, dass sie auf jene notorisch streitgenerierenden Glaubensartikel nicht zurückgreifen muss, auf denen das natürliche wie das prophetische Königreich Gottes ruht (Leviathan XXXI, Abs. 4; vgl. ebd. XLVI). Locke war zu einem solchen Verzicht offenkundig nicht bereit – denn mit einem „Recht auf alles“ ist der Naturzustand ja notwendig ein Kriegszustand.
5.2 Wie schon eingangs gezeigt, werden für Locke Kriege erklärt. Der Naturzustand per se ist kein Kriegszustand, und Kriege werden erklärt von denen, die das Naturrecht übertreten. Für Hobbes war der naturzuständliche Krieg ‚bloß’ ein menschliches Desaster („the life of man, solitary, poore, nasty, brutish, and short“, Leviathan XIII, Abs. 9), ein Zustand der Feindschaft („hostility“), aber e suppositione kein Zustand der Ungerechtigkeit („injustice“), denn es gab schließlich kein Gesetz, das man hätte übertreten können (Leviathan XIII, Abs. 13; vgl. ebd. XXVIII, Abs. 13). Für Locke ist der Kriegszustand über alle natürlichen Übel hinaus eine moralische Katastrophe, denn er ist die bewusste AußerKraft-Setzung des Natürlichen Gesetzes durch den Rechtsbrecher, die Aufkündigung der natürlichen Gemeinschaft der Menschheit (s. o.). Als ob Locke an dieser Stelle direkt den Hobbesschen Leviathan im Blick hätte, heißt es entsprechend im § 19: „Und hier liegt der deutliche Unterschied zwischen dem Naturzustand und dem Kriegszustand. Sooft manche Menschen sie auch verwechselt haben, sie sind voneinander genauso verschieden wie ein Zustand des Friedens, des Wohlwollens, der gegenseitigen Hilfe und Erhaltung, und ein Zustand der Feindschaft, der Bosheit, der Gewalttätigkeit und gegenseitiger Vernichtung [destruction]“, und der Paragraph endet mit einer scharfen, definitorischen Differenzierung: „Das Fehlen eines gemeinsamen, mit Autorität ausgestatteten Richters versetzt alle Menschen in einen Naturzustand: Gewalt ohne Recht gegen die Person eines anderen gerichtet, erzeugt einen Kriegszustand, wobei es keine Rolle spielt, ob es einen gemeinsamen Richter gibt, oder nicht.“ Will man es auf den Begriff bringen, so besteht der Vorwurf an jene, die Natur- und Kriegszustand verwechseln (bzw. identifizieren) darin, dass sie zwei jeweils dichotomi-
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sche Unterscheidungen, die voneinander unabhängige Kriterien zugrunde legen und daher strikt getrennt gehalten werden müssen, gleichsam kurzschließen: Natur- vs. bürgerlicher Zustand auf der einen und Kriegs- vs. Friedenszustand auf der anderen Seite. Nimmt man diese Differenz ernst, so erweitert sich die vermeintliche Dichotomie von Kriegszustand und bürgerlichem Zustand zu einem Geviert von politischen Optionen und eröffnet einen zuvor verdeckten begriff lichen Raum für einen dritten Zustand:10 Kriegszustand (Gewalt ohne Recht, d. i. entgegen dem Gesetz)
Friedenszustand (Gewalt mit Recht, d. i. gemäß dem Gesetz)
Naturzustand (kein autorisierter irdischer Richter)
1. Hobbes’ Naturzustand Lockes Kriegszustand
3. Lockes „eigentlicher Naturzustand“
Bürgerlicher Zustand (autorisierter irdischer Richter)
4. Lockes private Notwehrsituation im Staat
2. Hobbes’ und Lockes bürgerlicher Zustand
Die vierte Position bezeichnet keinen besonderen Zustand, sondern deckt den Fall ab, in dem „das Unrecht nicht wiedergutzumachen wäre, [weil mir der Räuber] keine Zeit lässt, unseren gemeinsamen Richter oder die Entscheidung des Gesetzes um Hilfe anzurufen“ (II § 19). Selbstredend trifft die (pseudo-Lockesche) Charakterisierung „Gewalt ohne Recht, d. i. entgegen dem Gesetz“ in der 1. Position auf den Hobbesschen Natur- und Kriegszustand nicht zu, denn es ist ja gerade die Pointe der Hobbesschen Theorie, dass sie die recht/unrecht-Unterscheidung durch das Gesetz direkt an die Existenz des machthabenden irdischen Gesetzgebers („common power“) knüpft und so die Rechtsfrage im Naturzustand gegenstandslos macht (s. o.). Aber gerade darin zeigen sich 10 Strukturell ähnlich ist etwa Kants Kritik an Humes vermeintlicher Dichotomie von „matters of fact“ und „relations of ideas“: Humes Explikationen diese Gegensatzpaares als ‚durch die Erfahrung erkennbar’ und ‚nach dem Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch einzusehen’ stellen keine kontradiktorischen Bestimmungen (d. i.: a vs. non-a) dar; die Vollständigkeit der Einteilung aller Erkenntnisse ist damit nicht gewährleistet. Erst wenn man die Humesche Unterscheidung mit Kant durch die zwei jeweils dichotomischen Unterscheidungen ‚a priori vs. a posteriori’ und ‚analytisch vs. synthetisch’ expliziert, erkennt man die (potentielle) Unvollständigkeit, und erhält damit über die beiden Humeschen Optionen (analytisch a priori und synthetisch a posteriori) hinaus eine dritte systematische Option (synthetisch a priori) für eine neue Klassifikation z. B. mathematischer und metaphysischer Erkenntnisse; für die vierte (analytisch a posteriori) hat Kant allerdings keine Verwendung.
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die unterschiedlichen theoretischen Strategien der beiden Autoren, und das eigentliche Anliegen der Lockeschen Naturzustandslehre wird deutlich. Die Geltung der natürlichen Rechtsbegriffe im Naturzustand ermöglicht ihm nämlich die Einführung der rechtlich relevanten Unterscheidung zwischen dem das natürliche Gesetz brechenden Angreifer und dem sich dem Naturrecht gemäß verteidigenden Angegriffenen. Und auf genau diese Unterscheidung baut Locke in der Folge seine Kritik des Filmerschen – und der Sache nach auch des Hobbesschen – Absolutismus auf (s. II §§ 90 ff., 137 ff.). Das ist auch schon hier im 3. Kapitel über den Kriegszustand unübersehbar, denn selbst der möglichen Rechtmäßigkeit des Tyrannenmordes wird bereits der Weg bereitet. Man muss nur die über das Kapitel verteilten Passagen zusammenführen: Vom Räuber heißt es: „… ich darf ihn töten, wenn ich dazu in der Lage bin. Denn genau dieser Gefahr setzt sich jemand mit Recht aus, der einen Kriegszustand herbeiführt und dabei der Angreifende ist“ (II § 18), und kurz nach der Erörterung jenes Zustandes, der dadurch entsteht, dass die Obrigkeit „durch unverhüllte Rechtsverdrehung“ versucht, „die Gewalttätigkeit und das Unrecht einiger Menschen oder einer Partei zu protegieren“, eines Zustandes, den man sich nur als Kriegszustand vorstellen kann, schreibt Locke: „Wo immer nur Gewalt gebraucht wird und Unrecht geschieht, auch durch die Hände derer, die dazu ernannt worden sind, Recht zu sprechen, bleibt es dennoch stets Gewalt und Unrecht, sosehr es auch mit dem Namen, unter dem Vorwand oder der Form des Gesetzes beschönigt wird.“ (II § 20) Und deutlich genug bereits alleinstehend: „Daraus ergibt sich, dass jemand, der versucht, einen anderen Menschen in seine absolute Gewalt zu bekommen, sich dadurch ihm gegenüber in einen Kriegszustand versetzt.“ (II § 17) Zwischen einem absoluten Herrscher und den Bürgern herrscht voraussetzungsgemäß der Naturzustand, und indem der absolute Herrscher absolute Gewalt über die Bürger beansprucht, erzeugt er durch diesen Angriff auf die Freiheit eines jeden einen Kriegszustand – der (s. o.) jede Art der Gegenwehr legitimiert. In diesem Streit gibt es naturgemäß keinen irdischen Richter, denn andernfalls wäre es ja kein Naturzustand und der Streit könnte dann durch eine übergeordnete Gerichtsbarkeit entschieden werden. „In solchen Streitfällen, wo sich die Frage erhebt: Wer soll Richter sein?, kann [!] damit nicht gemeint sein, wer den Streit nun entscheiden soll. […] Wo es keinen Richter auf Erden gibt, bleibt nur die Anrufung Gottes im Himmel.
B L Also kann [!] jene Frage auch nicht bedeuten, wer darüber richten soll, ob sich ein anderer mir gegenüber in einen Kriegszustand versetzt hat und ob ich, wie es Jephta11 damals tat, den Himmel anrufen darf. Das kann nur ich allein mit meinem eigenen Gewissen entscheiden, da ich es an dem großen Tage vor dem höchsten Richter aller Menschen zu verantworten haben werde.“ (II § 21)
Wer sich reinen Herzens auf das Natürliche Gesetz und Gottes Gesetzgeberschaft beruft, wird auch die göttliche Strafe fürchten und sein Gewissen prüfen (s. o. Anm. 7). Das ist an dieser Stelle erst einmal Lockes letztes Wort. In der eigentlichen Staats- und Regierungslehre (Kap. 7–19) wird es später dann politische Analysen dieser Situation geben, die in den Beiträgen Nr. 7–10 dieses Bandes erörtert werden.
5.3 Es gehört zu den auf einem grundsätzlichen Missverständnis beruhenden Standardeinwänden gegen die vertragstheoretische Legitimation des Staates (wie auch des Eigentums), dass der hierbei herangezogene ursprüngliche Zustand historisch nicht aufzuweisen sei, und dass, selbst wenn er denn in grauer Vorzeit existiert hätte und durch einen Vertrag beendet worden wäre, immer noch die zwei Fragen unbeantwortbar blieben: Warum ein solcher Vertrag nicht rückgängig zu machen sei, und wie ein solcher Vertrag die nachfolgenden Generationen binden könne. Auch Locke sah sich mit diesen Fragen konfrontiert, wie man an dem Kapitel VIII mit der Überschrift „Die Entstehung von politischen Gesellschaften“ ablesen kann (vgl. auch II § 14). Möglicherweise war es u. a. der Schlussabschnitt von Filmers (in einigen Auf lagen der Patriarcha mit abgedruckten) Observations concerning the Originall of Government, upon Mr Hobs [sic] ‚Leviathan‘, Mr Milton against ‚Salmasius‘, H. Grotius’ ‚De Jure Belli‘, der Anlass zu diesem Kapitel gegeben hat.12 Wie auch Hobbes lokalisiert Locke den Naturzustand gegenwärtig zwischen den souveränen Staaten (II § 14) sowie in frühen 11 Die Einsicht, die von Locke wiederholt mit der biblischen Jephta-Geschichte illustriert wird (etwa II §§ 176, 241), ist die, dass der Einzelne mit seinem am Naturrecht Maß nehmenden Gewissen unausweichlich der letzte (irdische) Richter bleibt, wenn es in der dramatischen politischen Zuspitzung um die Frage geht, ob er mit dem Machtanspruch einer rechtmäßigen Regierung oder mit der Kriegserklärung eines ungerechten Angreifers konfrontiert ist (s. auch II §§ 20, 91 ff., 168). Für Hobbes hingegen, der kein „Law antecedent and paramount to all positive Laws of men“ (II § 168) kennt (s. Leviathan XXVI, Abs. 4 und Abs. 23; die lateinische Ausgabe von 1668 ergänzt an der zweitgenannten Stelle die Formel „Auctoritas, non veritas facit legem“), bleibt es notwendig eine bloße Frage der Klugheit, ob der Bürger in dieser Situation ausharrt – oder sich zum Feind (hostis) des Angreifers erklärt und fortan allen Rechtsbegriffen (wieder) entsagt. 12 Für den § 25 in der Eigentumstheorie der Zweiten Abhandlung liegt diese Annahme besonders nahe (s. Ludwig 2001, Abschnitt II).
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Phasen der Geschichte bzw. in kulturell rückständigen, fernen Gegenden (II §§ 100 ff.). Für die Legitimationsfrage staatlicher Herrschaft bzw. der Regierung ist allerdings weniger der Prozess des Verlassens eines (historisch vorfindlichen) Naturzustandes bedeutsam, als es dessen strukturelle Mängel sind, die seine Überwindung praktisch notwendig machen sollen. Und dabei interessieren die Gründe für das Verlassen des Naturzustandes letztlich auch nur in dem Maße, wie diese zugleich Gründe für die Aufrechterhaltung (oder möglicherweise auch für die Auf lösung) jener bereits bestehenden bürgerlichen Zustände darstellen, welche die politische Agenda der Autoren bilden. Da Filmer auf die methodische Fiktion des Naturzustandes generell verzichtet, bietet sich hier nur eine Kontrastierung mit der Hobbesschen Theorie an. Der Defekt des Naturzustandes, der das Verlassen desselben (und korrespondierend die Aufrechterhaltung des bürgerlichen Zustands) zur vernünftigen Option für die Menschen macht, ist Hobbes zufolge, dass dieser wegen des „Rechts auf alles“ (s. o.) in Verbindung mit den durch den Vernunftgebrauch schrankenlos gewordenen menschlichen Bedürfnissen notwendig ein Kriegszustand ist: Ein Zustand, in dem Konf likte unvermeidlich und zudem nur mit Gewalt lösbar sind. Das aber bedeutet: „There can be no security to any man (how strong or wise soever he be)“ (Leviathan XIV, Abs. 4), folglich: „all men agree on this, that peace is good“ (Leviathan XV, Abs. 40) und somit gilt: „Desire of Ease and Sensuall Delight“ sowie „Fear of death and Wounds“ „dispose men to obey a common power“ (Leviathan XI, Abs. 4), und deshalb unterwerfen sie sich der absoluten Herrschaft eines Souveräns. Für Locke ist weder die Problembeschreibung adäquat, noch ist die Lösung akzeptabel. Die Freiheit des Naturzustandes ist nicht Zügellosigkeit, sondern die Orientierung am natürlichen Gesetz mit seinen klaren Vorgaben. Wir hatten es oben bereits erörtert: Niemand hat „die Freiheit, sich selbst oder irgendein in seinem Besitz befindliches Lebewesen zu vernichten, wenn es nicht ein edlerer Zweck als seine bloße Erhaltung erfordert.“ (II § 6) Und Gewalt ist folglich nur dann anzuwenden, wenn „an einem Verbrecher Gerechtigkeit geübt werden soll“ (ebd.). Der Naturzustand ist für Locke also nicht notwendig ein Kriegszustand. Warum ist der dennoch zu verlassen? Und ihn unter den Hobbesschen Vorgaben zu verlassen, ist in jedem Falle eine reine Torheit: „Das heißt die Menschen für solche Narren zu halten, dass sie sich zwar bemühen, den Schaden zu verhüten, der ihnen durch Marder oder Füchse entstehen kann, aber glücklich sind, ja, es für Sicherheit halten, von Löwen verschlungen zu werden.“ (II § 94)
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Was also nötigt zum Verlassen des Naturzustandes? Nicht zuletzt Konsequenzen von Lockes Lehre vom Naturgesetz und von seiner „strange doctrine“, d. i., seiner „merkwürdigen“, naturrechtlichen Straf lehre: Im Kapitel IX über „Die Ziele der politischen Gesellschaft und der Regierung“ werden die Gründe zusammengefasst, die sich in den Kapiteln II und III bereits andeuten: Im Naturzustand sind die „Lifes, Liberties and Estates“ (mit einem Wort: „Property“, „Eigentum“) der einzelnen zwar prima facie wohlbestimmt, aber sie sind dort nicht sicher: „Obwohl er nämlich im Naturzustande ein solches Recht [sc. Eigentum] hat, so ist doch die Freude an diesem Recht sehr ungewiss, da er fortwährend den Übergriffen anderer ausgesetzt ist. Denn da ein jeder in gleichem Maße König ist wie er, da alle Menschen gleich sind und der größere Teil von ihnen nicht genau die Billigkeit und Gerechtigkeit beachtet, so ist die Freude an seinem Eigentum, das er in diesem Zustand besitzt, sehr ungewiss und sehr unsicher.“ (II § 123) Dafür gibt Locke nun 3 Hauptgründe an (II §§ 124–26): • Das Naturgesetz, obgleich für vernünftige Wesen klar und verständlich, lässt den Einzelfall unbestimmt, weil der einzelne Mensch es aufgrund mangelnder Kenntnis (und zurückhaltenden Nachdenkens) sowie eigener Interessen parteiisch anwendet, • das Fehlen eines anerkannten und unparteiischen Richters liefert das individuelle Rechtsurteil den individuellen Leidenschaften und Rachegelüsten aus und erzeugt so Parteilichkeit in eigener und Gleichgültigkeit in fremder Sache, • das Fehlen einer überlegenen Vollstreckungsgewalt, die dem Gesetzesbrecher die verdiente Strafe zufügt, macht die Bestrafung gerade der gewalttätigen Verbrecher selbst gefährlich und damit unzuverlässig. „Und gäbe es nicht die Verderbnis und Schlechtigkeit entarteter Menschen, so würde man auch kein Verlangen nach einer anderen Gesellschaft [als der des natürlichen Zustandes, B. L.] haben; es läge keinerlei Notwendigkeit vor, dass sich die Menschen von dieser großen und natürlichen Gemeinschaft trennen sollten und sich durch positive Vereinbarungen zu kleineren oder Teilgemeinschaften vereinigten“ (II § 128). Es sind also „corruption, and vitiousness of degenerate Men“, die es den Menschen am Ende verunmöglichen, im Naturzustand zu verbleiben. Der „eigentliche Naturzustand“ (II § 19), in dem Menschen „nach der Vernunft zusammenleben“ stellt folglich keine mögliche Lebensform des Menschen vor – zumindest nicht mehr für die Zeit nach dem Sündenfall.
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Das ist freilich keine ungewöhnliche Lehre. Auch Samuel Pufendorf zitiert die traditionelle Unterscheidung zwischen dem prae- und dem post-lapsalen Naturrecht in seiner populären und auch von Locke zur Lektüre empfohlenen13 Schrift Über die Pflicht des Menschen und des Bürgers nach dem Gesetz der Natur: „Und da ferner das Naturrecht [gemeint ist hier die Lehre vom Recht überhaupt, B. L.] nicht weiter reicht, als die Vernunft, wäre es widersinnig, dies aus der Natur des Menschen, so wie sie vor dem Sündenfall war, ableiten zu wollen. Das gilt besonders deswegen, weil auch die Mehrzahl der Zehn Gebote selbst, die ja als Verbote formuliert sind, offenbar bereits die Verdorbenheit der menschlichen Natur voraussetzt.“ (Pufendorf [1673] 1994, 16) In einem Zustand, in dem das Natürliche Gesetz für die Menschen nicht (mehr) den Charakter einer bloß handlungsorientierenden Regel hat, sondern (bereits) den von Geboten und Verboten annimmt (sc. „no one ought [!] to harm another“; II § 6) und es zu deren Durchsetzung dann sogar einer menschlichen Strafgewalt bedarf (II § 7), kann es grundsätzlich keinen natürlichen Frieden (mehr) geben.
Literatur Filmer, Sir Robert 1991, Patriarcha and other Writings, hrsg. v. Johann P. Sommerville, Cambridge, Cambridge University Press Goldie, Mark 1997, Anmerkungen zu: Locke, John 1997, Political Essays, hrsg. v. Mark Goldie, Cambridge: Cambridge University Press Hobbes, Thomas 1991, Leviathan, hrsg. v. Richard Tuck, Cambridge, Cambridge University Press Laslett, Peter 1988, Einleitung zu: John Locke, Two Treatises of Government, hrsg. v. Peter Laslett, Cambridge: Cambridge University Press Locke, John 1988, Two Treatises of Government, hrsg. v. Peter Laslett, Cambridge: Cambridge University Press Locke, John 1997, Political Essays, hrsg. v. Mark Goldie, Cambridge: Cambridge University Press Locke, John 2007, Zweite Abhandlung über die Regierung, übers. v. Hans Jörn Hoffmann, kommentiert von Ludwig Siep, Frankfurt am Main: Suhrkamp (Suhrkamp Studienbibliothek; 7) Locke, John 1975, An Essay concerning Human Understanding, hrsg. v. Peter H. Nidditch, Oxford: Clarendon Press Ludwig, Bernd 2001, Arbeit, Geld, Gesetz. Eine Neubestimmung von Aufgabe und Ziel der Eigentumstheorie John Lockes, in: Politisches Denken. Jahrbuch 2001, hrsg. v. Karl Graf Ballestrem, Volker Gerhardt, Henning Ottmann u. Martyn P. Thompson, Stuttgart u. Weimar: J. B. Metzler, 69–104 Pufendorf, Samuel von 1994, Über die Pf licht des Menschen und des Bürgers nach dem Gesetz der Natur [= De officio Hominis et civis iuxta legem naturalem libri duo, Lund 1673], hrsg. u. übers. v. Klaus Luig, Insel Verlag: Frankfurt/Main
13 „… Pufendorf, De Officio Hominis et Civis, and De Jure Naturae et Gentium, which last is the best book of that kind.“ (Some thoughts concerning reading [1703], Goldie 1997, 352).
6 Birger P. Priddat
Eigentum, Arbeit, Geld: Zur Logik einer Naturrechtsökonomie bei John Locke (Kap. 5)
John Lockes naturrechtliche Eigentumstheorie in Kapitel 5 der Zweiten Abhandlung über die Regierung handelt vom Schutz und der Erhaltung des privaten Eigentums. Damit ist der Eigentumsdiskurs sui generis ein Teil des politischen Diskurses. Es soll nach „festen, stehenden Gesetzen“ regiert werden für Frieden, Sicherheit und öffentliches Wohl des Volkes (II § 131). „Das große und hauptsächliche Ziel, weshalb Menschen sich zu einem Staatswesen zusammenschließen und sich unter eine Regierung stellen, ist also die Erhaltung ihres Eigentums“ (II § 124). Das klingt zumindest, nach heutigem Votum, liberalistisch. Indem die Grenzen der Gewalt der Regierung des Staates „auf das öffentliche Wohl der Gesellschaft beschränkt“ sind (II § 135), wird die Sicherung des Eigentums als ein „publick good“ definiert, dessen Inhalt die Erhaltung und Entwicklung der Möglichkeiten privaten Eigentums sind. Die Politik der Gesellschaft des „civil state“ beruht auf einer naturrechtlich fundierten Eigentumsverfassung, die eine relative Eigenständigkeit aufweist, gegen allfällige politische Interventionen durch einen „social contract“ gesichert.
6.1 Eigentum und Arbeit Lockes politisches Konzept wird durch einen – in dieser Diktion neuen – eigentumstheoretischen Diskurs begründet, den er gesondert im 5. Kapitel der Zweiten Abhandlung auslegt. Die darin dargelegte Legitimation des Eigentums durch Arbeit ist für manche Kommentatoren ein neues Paradigma (vgl. Brocker 1992; Euchner 1979; Brandt 1974; Tully 1980; Peters 1997). Andere hingegen halten Locke für den Begründer einer unbegrenzten Kapitalakkumulation (vgl. Macpherson 1973; Medick 1973; Strauss 1977). Doch gibt es wiederum Zweifel: Locke verteidige und ergänze Grotius’ und Pufendorfs naturrechtliche Eigentums-Vertrags-Theorien, gegen die Kritik Filmers (vgl. Lockes
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Erste Abhandlung; Ludwig 2001). „Eigenständige Einwände gegen Grotius’ oder Pufendorfs Eigentumstheorien werden von Locke […] überhaupt nicht geltend gemacht. Allein die Legitimität der Ansprüche kontraktueller ‚Eigentümergemeinschaften‘ gegenüber allen von ihr Ausgeschlossenen muß 1680 aufgewiesen werden, und dieses soll nur mit Hilfe u. a. des neuen Arbeitsarguments geschehen: Der von Filmer in polemischer Absicht eingeforderte ausdrückliche Vertrag eines jeden mit jedem in Bezug auf das Eigentum ist nämlich entbehrlich, weil Lockes ‚kontraktuelle Geldtheorie‘ im Verein mit seiner ‚Arbeitstheorie der ersten Besitznahme‘ eine Alternative aufzeigt. Damit ist Locke bereits am Ziel, denn er hat auf diese Weise jene klassischen Staatstheorien, die den Menschen als frei geboren ansehen und daher Herrschaft wie bürgerliches Eigentum beide auf einen Vertrag der Bürger zurückführen, rehabilitiert. […] Lockes Ziel ist überhaupt keine neue Eigentumstheorie mit innovativen Konsequenzen, sondern vielmehr eine verbesserte Begründung für die aktuell in Bedrängnis geratenen Vertragstheorien in der Traditionslinie Grotius’ und Pufendorfs“ (Ludwig 2001, 71). Das ist zum einen richtig, weil es Lockes Konzept vor vielen interpretatorischen Überladungen befreit; zum anderen aber unterschätzt diese nüchterne Rekonstruktion die im Kapitel enthaltene Naturrechtsökonomie, die weit über die Vorläufer hinausgeht und den Kern einer eigenständigen Theorie bildet: als eigentumstheoretisch basierte Ökonomie. Ob wir es allerdings mit einer Theorie der Kapitalakkumulation zu tun haben, bleibt fragwürdig (zumal Locke weder einen Kapitalbegriff noch eine Investitionstheorie hat: dazu brauchte es die Physiokraten und Adam Smith im 18. Jahrhundert; vgl. Priddat 2002). Lockes Zweite Abhandlung – „Über den wahren Ursprung, die Reichweite und den Zweck der staatlichen Regierung“ – bietet eine naturrechtliche Staatsphilosophie, in der das Eigentum (in Kap. 5: ‚Of Property‘) deshalb thematisiert wird, weil es die notwendigen Abgrenzungen behandelt, die in einem grundsätzlich freien Naturzustand (II § 4) bereits gelten müssen. „Wie ein jeder verpflichtet ist, sich selbst zu erhalten und seinen Platz nicht vorsätzlich zu verlassen, so sollte er aus dem gleichen Grunde, wenn eine eigene Selbsterhaltung dabei nicht auf dem Spiel steht, nach Möglichkeit auch die übrige Menschheit erhalten. Er sollte nicht das Leben eines anderen oder, was zur Erhaltung des Lebens dient: Freiheit, Gesundheit, Glieder oder Güter wegnehmen oder verringern – es sei denn, daß an einem Verbrecher Gerechtigkeit geübt werden soll“ (II § 6). Implizit ist hier bereits das Eigentum definiert als jene Ressource der Selbsterhaltung, die vor dem Zugriff anderer geschützt werden muss. Die Arbeit, die das Eigentum in Kapitel 5 dann spezifisch begründet, erscheint als ein modus activus der Selbsterhaltung. Erst indem Eigentum als je eigenes definierbar ist, kann der Ausschluss anderer postuliert werden. Locke muss diese Argumentation führen, um das Faktum des privaten Eigentums gegen die Anschauung zu setzen, dass Gott allen Menschen die Erde als common good geschenkt habe. Folgen wir Lockes Argumentation (II §§ 26–36):
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• Gott hat die Natur und ihre Früchte allen Menschen übereignet (ein „common good“). • Im Naturzustand („natural state“) kann sich jeder Boden und Früchte aneignen. Da die Natur im Überf luß („plenty“) vorhanden ist, schadet die jeweils private Aneignung niemandem. Jeder nimmt in dem Maße, wie er es braucht und kann andere konf liktfrei von diesem Gebrauch ausschließen. Das Maß des Gebrauchs ist durch die Selbsterhaltung definiert [und durch das Verbot, etwas Angeeignetes verderben zu lassen, limitiert]. • Folglich bedarf es im „natural state“ keiner Zustimmung der anderen dafür, dass sich jemand die Natur legitim aneignet und sie zu seinem privaten Eigentum wird. Wir haben es mit einer nicht- bzw. vor-vertraglichen Theorie des Eigentums zu tun (die auf der Pf licht zur Selbsterhaltung und der darauf beruhenden Freiheit beruht). Die eigentumsrechtlich legitime Form dieser ersten Aneignung ist bei Locke die Arbeit. Der Arbeitsbegriff wird rechtlich verwendet („appropriatio“, Ludwig 2001, 82, Fn. 30; vgl. vor allem Olivecrona 1974 a + b), nicht ökonomisch oder gar arbeitswerttheoretisch. Denn nicht die Mühe oder Verausgabung der Arbeit ist entscheidend: Locke definiert das bloße Aufheben von herabgefallenen Früchten bereits als Eigentumsaneignung durch Arbeit (II 28; dabei wird nicht der körperliche Aspekt der Mühewaltung betont, sondern eher der epistemische Aspekt der rationalen Erkenntnis, was einem zuträglich ist (vgl. ‚industria et diligentia‘ in: Priddat 1998, Anhang 2). Arbeit bezeichnet die Aneignung von Naturprodukten als Ressourcen der personalen bzw. familialen Selbsterhaltung (dazu gehört natürlich auch die Aneignung von Böden, II §§ 33–35). Das wird sogleich evident, wenn Locke das Maß der Aneignung durch das, was man braucht, definiert (II § 36): nicht mehr, als man gewöhnlich zur Selbsterhaltung benötigt. Locke definiert die Grenze in der Verderblichkeit der Güter, die man nicht braucht (vor allem auch II § 46). Die auf sie angewandte Arbeit ist verloren bzw. der unbearbeitete Boden verliert seinen privaten Eigentumsstatus. „Unter Eigentum verstehe ich hier wie auch an anderen Stellen jenes Eigentum, das die Menschen sowohl an ihrer Person als auch an ihren Gütern haben“ (II § 173). Ausgangspunkt ist die Freiheit, Eigentümer seiner selbst zu sein (II § 44); der Sinn dieser Formel ist die Pf licht zur Selbsterhaltung, die mit Freiheitsrechten ausgestattet sein muss. Dass diese Freiheit, Eigentümer seiner selbst zu sein, mehr ist, als über Subsistenz und Vermögen zu verfügen, sondern einen eigenständigen Wert an Selbstbehauptung darstellt (vgl. Appleby 1991, 315; Steinvorth 2010), bleibt in der Diskussion oft unterbewertet. Locke übernimmt Grotius’ Argument der Legitimation des Eigentums durch Okkupation (Ludwig 2001; anders Brocker 1992; vgl. auch Brandt 1974; Paech 1985; ebenso Peters 1997, 71 ff.), definiert aber die Okkupation genauer: als eine Aneignung durch Arbeit („appropriatio“; vgl. Olivecrona 1974 a + b; und Ludwig 2001, 82, Fn. 30).
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Damit soll jede herrschaftliche Attitude der Inbesitznahme („occupatio“) ausgeschlossen werden: es reicht nicht, Macht zu haben, um sich Land/Boden anzueignen – ein entscheidendes Argument gegen die adelige Willkür. Die Arbeitsdefinition des Eigentumserwerbs fügt etwas Neues hinzu: Eigentum ist ein mixtum aus Arbeit und Besitz (II § 27). Damit ist die Form der Okkupation neu bestimmt: Arbeit als besitzergreifendes Handeln bedeutet mehr als nur die Bezeichnung einer Übernahme. Arbeit ist bei Locke nicht als „productio“, Hervorbringung angesetzt (Priddat 1988, 82 ff.; vgl. auch Sreenivasans Distinktion zwischen „making“ und „creating“, Sreenivasan 1995), sondern als Transformation (und nicht in einem ökonomischen Sinne, sondern in einem juridischen, Schumpeter 1965 I, 170). Sie wird, genauer betrachtet, durch den „usus“ unterschieden: inwieweit jemand, der Eigentum durch Arbeit aneignet, das, was er erarbeitet hat, nutzt – oder verkommen lässt. Wer Eigentum durch Arbeit appropriiert hat, „musste nur darauf achten, dass er sie [die Ergebnisse, B. P.] verbrauchte, bevor sie verdarben. Sonst nahm er mehr, als ihm zustand […]. Denn die Überschreitung der Grenzen seines rechtmäßigen Eigentums lag nicht in der Vergrößerung seines Besitzes, sondern darin, dass irgend etwas ungenutzt verdarb“ (II § 46). Das ist die bedeutende Differenz bei Locke; sie besagt, nicht die Arbeit sui generis legitimiere das Eigentum, sondern die produktive Verwendung ihrer Ergebnisse: „usus“ versus „abusus“. Wer die Früchte des Ackers verfaulen lässt, geht seines Eigentums verlustig (II §§ 37, 46, aber auch 31).1 Das ist nicht als rechtliche Regel zu verstehen, sondern als Hinweis auf ein Gebrauchsgebot, das zwei Bedingungen erfüllen muss: • Zum einen nur soviel zu erarbeiten, wie man als Eigentümer für sich und seine Familie braucht (Subsistenzregel). In diesem Sinne begrenzt der „usus“ das Eigentum, denn mehr zu besitzen, als man an den aus dem (Boden-) Eigentum erarbeiteten 1 Die Basis der Grundargumentation ist ein usus fructus-Theorem (Watermann 1982, zur usus fructus-Argumentation vgl. Tully 1980, 104–110 und Priddat 1988, 46–61): Der Boden solle so bearbeitet und kultiviert werden, dass er nicht nur den Ertrag, sondern auch die Erhaltung der Fruchtbarkeit gewährleiste. Die Menschheit als Mandatar der Weiterentwicklung der Schöpfung (Gen. I 28; vgl. Locke I) habe die Erde nur geliehen bekommen, um sie fruchtbarer zu machen und als Schöpfung zu bewahren (II § 26). Die Kultivierung der Erde wird so zum Arbeitsauftrag an die Menschen (vgl. Letwin 1988; Priddat 1998). Unabhängig von dieser theologischen Einbettung der Arbeit/Eigentum-Dynamik in eine oeconomia divina (in der Gott als Impulsgeber die weitere Arbeit den Menschen überläßt, insbesondere den industrious men), weist die starke Stellung des Nutzungsgebotes auf ein usus fructus-Argument. Das Eigentum bleibt unlegitimiert, wenn es nicht vollständig genutzt wird. Locke verwendet diese römisch-rechtliche Formel aber nur als indirekten Ausgangspunkt einer in ihr nicht enthaltenen Erweiterung, indem er die Ertrag/Geld-Transformation einführt. Eine Nutzung des Eigentums über das hinaus, was man selber (bzw. die Familie) braucht, bliebe abstrakt, da die Formen des erweiterten Gebrauchs unbestimmt blieben. Erst das Geld macht den Handel legitim, d. h. die Veräußerung des Überschusses als transitorische Aufbewahrungsform zur Nutzung durch andere. Die Legitimation des Geldes ist von vornherein ein Gemeinschafts- bzw. soziales Motiv: nur dass der Überschuss nicht in Gemeineigentum rückfällt, sondern durch die extensive Form der Privatisierung durch Eigentumsübertrag (qua Transaktion) der Gesellschaft zufällt. Jeder, der Geld hat, kann den Überschuss nutzen – ein erst durch Privatisierung ermöglichtes öffentliches Gut.
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Früchten braucht, wäre illegitim. Das Maß sind die für die Selbsterhaltung notwendigen Güter: Das wird aber nicht allein subsistenz-theoretisch begründet, sondern zudem als ungerechtfertigte Überentnahme aus dem Pool des Gemeinschaftseigentums gebrandmarkt, d. h. als Ausgrenzung anderer, die sonst darauf hätten zugreifen können. Locke denkt konsequent sozial; wenn man so umsichtig mit den Ressourcen des „natural state“ umginge, stünde die begrenzte Erde im „natural state“ dann mehr Menschen/Familien offen – weil man nur das von ihr entnimmt, was man braucht (eine Form von Produktivität durch Maßhaftigkeit). Das ‚mehr‘ ist womöglich entscheidend: Nur so lässt sich der Schöpfungsauftrag realisieren. In dieser Konzeption des „private property“ wird das „common property“ bzw. das ‚publick good‘ immer mitref lektiert (und zwar nicht nur als allgemeines Wohl der aktuellen Gesellschaft, sondern auch der künftigen). Auch ohne zivile Verfasstheit wird hier eine Gesellschaftsform gedacht. • Zum anderen aber ist ein Überschuss legitim, wenn er in eine Form der Nutzung verwandelt wird, die das Geld ins Spiel bringt. Die „für das Leben des Menschen wirklich nützlichen Dinge […] sind im allgemeinen Dinge von kurzer Dauer, die, wenn sie nicht bald verbraucht werden, verderben und von selbst vergehen. Gold, Silber, Diamanten sind dagegen Dinge, denen eher die Laune und Übereinkunft der Menschen ihren Wert gegeben haben als der tatsächliche Gebrauch“ (II § 46). Indem man gegen Geld verkauft (ebd.), können andere das nutzen, was man selber nicht braucht, so dass 1. der Gebrauch gesichert ist (wenn nicht für sich, so für andere) und 2. das Eigentum in beliebiger Größe legitimiert ist. Das, was man braucht, hat kein egoistisches Maß, sondern ein naturrechtlich notwendiges der Selbsterhaltung. Nur mehr zu brauchen als man braucht im „natural state“ wäre eigensüchtig. • Das Geld mobilisiert den Gebrauchs-Überschuss des Eigentums für eine gesellschaftliche Nutzung („verderbliche, nützliche Dinge mit anderen eintauschen“, II § 48). Und damit mindert es das einzige systematische Risiko des Lockeschen Eigentums: seine Instabilität qua Verderblichkeit durch Nichtgebrauch. Die Arbeit, die die Eigentumsappropriation definiert, ist dann um den Teil überschüssig, der nicht gebraucht/genutzt wird. • Arbeit, zeigt sich, ist lediglich ein (jurischer) Tensor, kein Maß in sich selbst. Das Risiko der Hybris, sich mehr anzueignen als man braucht, wird bei Locke nicht tugendethisch durch angemessenes oder vernünftiges Handeln gelöst, sondern umgekehrt durch Zulassung und Legitimation des ‚mehr‘: der Überschuss („overplus“) wird dadurch legitimiert, dass er anderen zur Verfügung gestellt wird, die ihn brauchen können. Das Naturrecht denkt nicht mehr in ethischen, sondern in Systemkategorien. Man kann auch nicht behaupten, dass Locke sui generis ökonomisch denkt; die monetäre Ökonomie kommt erst als Lösung in einem naturrechtlichen Diskurs ins Spiel.
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6.2 Eigentum und Geld Wir hatten bisher nur die §§ 26–36 nachgezeichnet. In § 37 beginnend, von § 40 an aber systematisch, kommt eine entscheidende argumentative Innovation: die Geltung des Geldes. Scheinbar unklar bleibt die Bedeutung des Arbeitsbegriffs wegen der Konnotation mit dem durch die Arbeit hinzugefügten Wert (II § 40; 42). Die Böden wären im Grund wertlos, wenn die Menschen sie nicht kultivierten: Die Früchte/Produkte entstünden dann durch die kultivierende Arbeit. Was leichterdings zu arbeitswerttheoretischen Überlegungen verleiten mag, ist einer anderen Argumentationsfigur geschuldet: der Geld/Eigentumsrelation (II § 37 und §§ 40–50). Der Wert, den die Arbeit an den sonst naturbelassenen Böden ausrichtet, ist die Transformation des bislang rein rechtlichen Arbeitsbegriffs in ein ökonomisches Dispositiv, d. h. die monetäre Verrechenbarkeit von Eigentum (bzw. Früchten des Boden-Eigentums) in „marketable goods“. „A person can possess more money than he in fact does use. This would happen if he simply hoarded his money, making no use at all of it […] But it is doubtful that anyone ever has more money than he can use. Although he may not have sufficient needs or wants, there are always others with needs and wants which could be satisfied through the use of money“ (Lemos 1978, 148). Der „use of money“ bezieht sich explizit auf den Handel mit Gütern. Diese Wertbestimmung der Arbeit führt Locke erst nach Einführung des Geldbegriffs ein (vgl. II § 50). Wohl mag einer das in Besitz haben, was er nicht nutzt, aber solange es nicht sein Eigentum ist, kann er es nicht vollständig nutzen. Im „natural state“ ohne Geldverfassung ist das Eigentum solange nur Besitz (d. h. okkupiert), solange es nicht durch die eigene Arbeit (bzw. die seiner Familie, der Knechte und der Tiere, II § 28) einer Nutzung zugeführt wird, deren Grenze im eigenen Gebrauch gezogen ist. Dann wäre das Eigentum vollständig, das gänzlich den eigenen Gebrauch erzeugt; alles darüber hinaus wäre hybris, nutzlose, d. h. illegitime Aneignung. Die Arbeit ist jene Form der Aneignung, die den Besitz in Eigentum überführt, und zwar perennierend, d. h. für jede Ernte neu (vgl. II § 32, wo das Bebauen/Kultivieren des Ackers in Hinblick auf den zu verwertenden Ertrag als Eigentum deklariert wird; auch § 50). Doch ist die Arbeit nicht wirklich entscheidend, denn alles, was sie erwirkt, was aber dann doch nicht genutzt werden kann, ist dem Verfall übereignet, also nutzlos, weil gebrauchsenthoben. Da das Kriterium in der Nutzbarkeit liegt, kann Arbeit wohl Besitz in Eigentum überführen, aber nur als hinreichende, nicht als notwendige Bedingung. Notwendig zur Realisation dieser Besitz/Eigentums-Transformation ist die definitive Nutzbarkeit. Folglich muss für den Teil, der überschüssig erarbeitet ist, eine Nutzungsform gefunden werden, die nicht im unmittelbar eigenen Gebrauch liegen kann. Gelingt es, die Nutzung anderen zugänglich zu machen, ist das Problem gelöst. Was dann über die monetären Transaktionen allgemein nutzbar gemacht wird, macht den Besitz erst
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definitiv zum Eigentum. In diesem Sinne ist die vollständige Eigentumsdeklaration erst im „civil state“ durch die kompensatorischen monetären Transaktionen gewährleistet. Die Arbeit-Eigentumstheorie des „natural state“ ist demnach provisorisch. Das hat für die Eigentumstheorie einschneidende Konsequenzen: Dass nicht die Arbeitsintensität oder -kapazität ausschlaggebend ist (folglich ist Locke auch kein Vorbild für die späteren Arbeitswerttheorien des 18. Jahrhunderts), sondern die allgemeine Verwertbarkeit der Überschüsse (wir haben es eher mit einer Proto-Kapitaltheorie zu tun). Das Eigentum ist so nicht mehr unabhängig von einer entfalteten monetären Geldwirtschaft als vollständig oder gesichert definierbar. Die Geldverfassung erweist sich als jene gesellschaftliche Institution, die das Eigentum sichert – nun aber nicht nur sozialvertraglich politisch und juridisch durch das Gesetz, sondern vor allem ökonomisch: durch die institutional erreichte transaktionale marktliche Flexibilität. Begründet wird die Geldfunktion im Eigentumskonzept durch eine „contract theory of money“ (Ludwig 2001, 104), der alle in der Gesellschaft stillschweigend zustimmen (Ludwig 2001, 82 f.). Der eigentliche „social contract“ wird über die Geldverfassung begründet: als eigenständiges „voluntary agreement“, neben dem „social contract“ über die Staatsgesetze (Ludwig 2001, 104). In diesem Sinne wird die ältere kontraktualistische Naturrechtsgesellschaftstheorie durch Locke bestätigt, aber durch eine Volte, die eine neue Dimension erschließt. Der Ertrag der Arbeit ist signifikant, nicht die Arbeit (denn wenn es um die Nutzung des Eigentums geht, ist die Arbeit nur Medium der Hervorbringung von Nutzbarem – dass die Arbeit zugleich ein Medium der self-governance ist, bleibt zu erinnern). Und der Ertrag unterliegt einem vollständigen Gebrauchsgebot: Erarbeite nur so viel, wie du nutzen kannst. Ansonsten beschränke dein Eigentum (als „possession“/„estate“ wesentlich Land- bzw. Ackereigentum). Doch wird diese Beschränkungsregel in Verbindung mit der Geldlegitimation in eine Erweiterungsregel umgeformt: Du darfst soviel Eigentum besitzen, wie du willst, wenn du (a) es bearbeitest und (b) die Erträge/Früchte verkaufst. Der „barter“ (Tausch, Handel, Verkauf; II §§ 46, 48) ist die Konsequenz der Arbeit/Eigentum/Geld-Konnotation: Wenn man mehr erarbeitet, als man selber nutzen kann oder selber braucht, ist der Verkauf die einzige Form der Nichtverderbnis (neben – selber wiederum limitierten – Formen der Aufbewahrung), die den eigenen Nichtgebrauch in einen Gebrauch durch andere transformiert. Geld fungiert hier als mobile Eigentumsform (deren Münzform wiederum selber unverderblich ist (II § 37), die über marktliche Transaktionen eine Distribution des selber ungebrauchten Eigentums in die Gesellschaft leistet. Geld ist die legitime Aufbewahrungsform des Eigentums: Es denaturalisiert das – immobilistische – Eigentum des „natural state“ und stellt dem „civil state“ eine mobilisierte Form zur Verfügung, die in der Folge eine Dynamik der Eigentumsextension zulässt. Das Geld ist nicht nur durch stillschweigende Zustimmung als eigenständiger „social contract“ ausgezeichnet, sondern in der Form der laufenden und mannigfaltigen
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Marktkontrakte bildet sich eine perennierende Kontraktwelt in der Gesellschaft aus, die potentialiter alle umfassen kann, sodass das, was Filmer an Grotius moniert, dass der Kontrakt eines jeden mit jedem nicht möglich sein kann, sich nun faktisch doch als möglich erweist. Der Markt – die große Institution der eigentumsmobilen Transformationen – ist selber von der Art eines „social contract“, als perennierender Prozess multipler Transaktionen von jedem zu jedem. Genauer betrachtet ist es kein „social contract“ im Sinne allgemeiner Zustimmbarkeit, sondern eine als Markt institutionalisierte Form eines mannigfaltigen Eigentümer/ Eigentümer-Kontraktfeldes: jeder mit jedem, die den „social contract“ der Geldverfassung zur Voraussetzung hat. Wenn Locke das Recht des Staates als „Vertrag“ und die Geldverfassung als „Übereinkunft“ als je verschiedene „social contracts“ anführt (vgl. II § 45), dann ist das Kontraktfeld des Marktes kein dritter „social contract“, sondern ein spezifischer Ausführungsmodus des zweiten Kontraktes der Geldverfassung: eine perennierende, vielfältig bilaterale Ausführung der stillschweigenden Übereinkunft. Geld ist eindeutig (a) eine Eigentumsform und (b) ein Transaktionsagens, das nur dann zu erwähnen sinnvoll ist, wenn man Kauf/Verkauf = Markt thematisiert (eindeutig II §§ 46, 47, 48 und 50). Der spezifische Punkt in Lockes Konzept ist die Konnotation der Eigentums-delegitimierenden Nicht-Brauchbarkeit mit der Geldverwendung, die eben diesen Mangel beheben kann durch Transformation in beliebige Brauchbarkeit an anderen gesellschaftlichen Orten, für andere Bedarfe. Geld wird zum legitimen sozialen Distributeur von Eigentum. Diese Funktion ist dem politischen Geschäft entzogen (das nurmehr über die Recht- und Gesetzlichkeit dieser Prozesse wacht: Deshalb sind die Ausführungen von § 52 an nicht mehr auf dieses Thema bezogen und widmen sich der Politik i. w. S.). Über die Transformation in Geld kann man soviel Dinge anhäufen, wie einem beliebt (II § 46); die Nutzungsbegrenzung ist aufgehoben. Locke ist an diesem Punkt sensibel: Für den „civil state“ redet er davon, dass das „Verlangen, mehr zu haben, als der Mensch benötigte, den inneren Wert der Dinge, der allein von ihrem Nutzen für das menschliche Leben abhängt, geändert hatte“ (II § 37). Hier thematisiert er den amor sceleratus habendi (II § 111), die Hybris, das große Thema der aristotelischen Ökonomik (und auch der christlichen Vorlagen seiner Zeit). Dieses unbändige Verlangen entspricht nicht seinem Gebrauchsgebot. Locke scheint hier die klassische Grenze moralisch zu ziehen. Aber im selben Satz fügt er mit einem „oder“ ein: „oder die Menschen (waren) übereingekommen […], dass ein kleines Stück gelben Metalls, das sich weder abnutzt noch verdirbt, den gleichen Wert haben sollte wie ein großes Stück Fleisch oder ein ganzer Haufen Getreide“ (ebd.; auch § 46). Das „oder“ weist auf die Lösung des Problems, wie wir es angezeigt haben. Der Wert, der dem Geld gleich dem Eigentum zugemessen wird, „by consent“, als „social contract“, macht es selber zu einer Eigentumsform (oder ihrem Äquivalent): zum Medium der Eigentumsubiquität.
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Alles Eigentum, das in unverderbliche Erträge verwandelt ist, ist äquivalent der eigenen Nutzung des vorher nicht mehr Nutzbaren. Folglich ist das Geld, das man gegen die nicht-brauchbaren Eigentumsteile eintauscht, jetzt brauchbares Eigentum, das wiederum gegen Überschüsse anderer eingetauscht werden kann, etc. Alle Überschüsse zirkulieren als monetär mobilisiertes Eigentum. Die Eigentümer-Gesellschaft ist demnach über zwei „social contracts“ – den stillen Kontrakt der Vereinbarung über die Geldverfassung und über die expliziten mannigfaltigen Kontrakte des Marktes – legitimiert, vor allem für die Okkupation und Appropriation neuen, zusätzlichen Eigentums in den Kolonien (Ludwig 2001, 90). Die Einführung des Geldes – „durch stillschweigende und freiwillige Zustimmung“: ein „social contract“, wie schon dargelegt – hat einen Weg eröffnet, „wie ein Mensch auf redliche Weise mehr Land besitzen darf, als er selber nutzen kann, wenn er nämlich als Gegenwert für den Überschuß [„overplus“] an Produkten Gold und Silber erhält, jene Metalle, die in der Hand des Besitzers weder verderben noch umkommen und die man, ohne jemandem einen Schaden zuzufügen, aufbewahren kann“ (II § 50). Der entscheidende Satz im Zitat ist die Legitimation, mehr Land besitzen zu können. Die bisherige Argumentation hat das Geld legitimiert, weil es den nichtgenutzten Teil des Besitzes, der eigentlich seines Eigentumstitels verlustig geht, in legitimes Eigentum qua Geld verwandelt (Transformation ‚verderblich in nichtverderblich‘). In dieser Zwischenform ist das Geld, das man legitim erwerben kann, auf den Teil des ansonsten nicht genutzten Besitzes eingeschränkt. Eine Ausweitung des Besitzes (durch Kauf) ist hier nicht thematisiert. Aber diese Einschränkung ist im selben Argument bereits aufgehoben, denn nichts spricht dagegen, mehr Besitz anzueignen, als man braucht, da nun das Geld als legitimer Kompensator zur Verfügung steht, wegen seiner besonderen Qualität der Dauerhaftigkeit und Nichtverderblichkeit. In einem Hinweis auf „Amerika“ – für Locke mehrfach als Beispiel für einen aktuellen „natural state“ herangezogen – wird dies deutlich: „Wenn man sich etwas ausdenkt, was bei seinen Nachbarn dem Gebrauch und dem Wert des Geldes entspricht, so wird man sehen, wie derselbe Mensch unverzüglich beginnt, seinen Besitz zu vergrößern“ (II § 49). In der Logik dieses Konzeptes ist jede Ausweitung des Eigentums erlaubt, wenn es im Rahmen der Geldverfassung geschieht. Arno Baruzzi fasst Lockes Konzept konzise zusammen: „Geld ist ein beständiger Gegenstand und so erstens wirklich ein Gegenstand. Zweitens macht Geld den Besitz dauerhaft. Deshalb sagt Locke konsequent drittens: Geld gibt Gelegenheit zur Vergrößerung von Besitz“ (Baruzzi 1983, 68). Zugleich verallgemeinert Baruzzi: Eigentum ist nicht nur „Besitz, um ihn zu gebrauchen, sondern Besitz, um ihn zu vermehren. Und dies ist wohl erst richtiger Besitz. Denn die neuzeitliche Besitztheorie will letztlich nur das Besitz nennen, was über den Gebrauch als Überschuss und Überf luss bleibt. Im Geld spiegelt sich nicht nur, sondern ballt sich dieses neue Besitzverhältnis zusammen“ (Baruzzi 1983, 73).
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Der zweite Teil des 5. Kapitels enthält etliche Aussagen, die Geld mit Eigentumsausweitung konnotieren: „[…] so gab die Erfindung des Geldes ihnen Gelegenheit, den Besitz zu vergrößern und beständig zu machen“ (II § 48). Konsequent analysiert Locke, dass die „Überschreitung der Grenzen seines rechtmäßigen Eigentums […] nicht in der Vergrößerung seines Besitzes [lag], sondern darin, daß irgend etwas ungenutzt verdarb“ (II § 46). In der Inversion dieser Aussage liegt die Logik: Wenn die Verderbnis aus Nichtnutzung aufgehoben ist, kann grenzenlos Eigentum angeeignet werden – innerhalb einer Geldverfassung, die die Transformation von Verderblichkeit in Dauerhaftigkeit gewährleistet. Der Eigentümer durfte nun „von diesen beständigen Dingen soviel anhäufen, wie er wollte“ (ebd.).
6.3 Eigentumsausweitung, Bevölkerung und Kolonialisierung In einem Inselbeispiel expliziert Locke das Erweiterungstheorem (II § 48): Was, fragt er rhetorisch, sollte eine abgeschlossene Inselökonomie ohne Geldgebrauch (ein autarkischer oikos in der aristotelischen Tradition) veranlassen, „ihren Besitz an Land zu vergrößern“ (ebd.)? Selbst wenn ein Inselbewohner alles kultivieren und bearbeiten würde, was nützte ihm das, mehr zu haben als er selber brauchte, „wo er keinerlei Hoffnung hat, mit der übrigen Welt Handel treiben zu können, um durch den Verkauf seiner Erzeugnisse Geld zu gewinnen [„to draw money“]“ (ebd.)? All sein Reichtum wäre unnütz (ebd.). Im Paragraphen, der dieser Argumentation folgt, erscheint das Wort „Amerika“ (II § 49). Der Hinweis ist nicht zufällig. Locke ist in der Beschreibung seiner englischen Wirklichkeit angekommen. Dabei geht es um zwei Extensionen: 1. die Kultivierung noch nicht erschlossenen Landes in England selber („inclosure“, II § 48; vgl. auch Lebovics 1986, 575; Steinvorth 2010, 710, Fn. 25), 2. um die Kultivierung noch nicht erschlossenen Landes außerhalb von England, d. h. um Kolonialisierung (explizit Lebovics 1986, 575 ff.; Arneil 1996). Locke zieht hier keine expliziten Schlussfolgerungen,2 legt aber die Disposition: „Und dennoch lassen sich immer noch grosse Bodenflächen finden, die brach liegen (weil sich die Bewohner nicht der Übereinkunft der übrigen Menschheit über den Gebrauch ihres gemeinsamen Geldes angeschlossen haben). Diese Flächen sind größer als die darauf wohnenden Menschen wirklich gebrauchen oder nutzen können, und sind aus diesem Grunde auch jetzt noch Gemeingut. Das kann jedoch kaum bei jenem Teil der Menschheit der Fall sein, der sich für den Gebrauch des Geldes entschlossen hat“ (II § 45). Darin sind alle Konsequenzen enthalten: 1. Dass brach liegendes Land Gemeingut ist, 2 Man darf aber wissen, dass Locke ca. ein Drittel seiner Einkünfte aus Investitionen in Kolonialinstitutionen wie die Richard Thompson’s Company, The Royal Africa Company und die East India Company bezog. Zudem war er Sekretär der Lord Shaftesbury’schen Kolonialangelegenheiten (Carolina, Bahamas) (Lebovics 1918, 576); danach im Council of Trade and Plantation; später im Board of Trade.
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also appropriierbar (vgl. den Hinweis auf Amerika, II §§ 46, 48 und 49). Und 2. dass der „use of money“ das Land in England z. B. knapp macht (II § 45), weil ja alles zu nutzen legitim wurde, was die Neigung, weltweit ungenutztes Land zu appropriieren, steigen lässt, vor allem aber legitimiert (Lebovics 1986, 575 ff.). Implizit kreiert Locke eine Theorie der Produktivität: Indem das Eigentum nicht mehr danach beurteilt wird, was die Familie des Eigentümers (oikos) braucht, sondern danach, was es darüber hinaus an Ertrag der Gesellschaft zur Verfügung stellen kann, sind die Grundlagen für Bevölkerungswachstum gelegt (durch die Geldwirtschaft und durch die Zunahme der Bevölkerung wie des Viehbestandes wurde Land knapp; II § 45). Denn das, was zusätzlich an Ertrag erarbeitet werden kann, ernährt andere (und ist damit ein Teil des „publick good“). Es würde wohl zu weit gehen, Lockes Traktat als Exposition von Genesis I.28 zu interpretieren (vgl. I §§ 21 ff.), aber die Implikationen des Gottesgebotes, sich zu mehren und die Erde untertan zu machen (Letwin 1988; Priddat 1998), verweisen auf die Relation von Bevölkerungsgröße und Eigentumsausweitung (explizit dazu Priddat 1998). Wenn das Land in England vollständig erschlossen ist (‚knapp‘), wenn dazu die Bevölkerung wächst (‚mehren‘), sind externe Landnahmen die Lösung (‚untertan machen‘). Dass Locke hier die englische Kolonialpolitik theoretisch untermauert, ist anzunehmen, wie die Klärung der inneren Eigentumsausweitung als extensive Nutzung des Bodens, der nicht mehr nur einfach besessen (im klassischen Herrschaftsmodus) sein soll, sondern produktiv genutzt.
6.4 Konsequenzen Der allgemeine „social contract“ schützt das private Eigentum gegen die Eingriffe anderer. Wenn aber die Geldverfassung den Kauf von im Prinzip unnützen Eigentumsanteilen erlaubt, legitimiert sie explizit die Eingriffe in das andere Eigentum, weil es freiwillig erfolgt. Diese Freiwilligkeit beruht aber auf der Notwendigkeit, das, was man nicht braucht, dann verfallen lassen zu müssen, wenn man es nicht übertragen kann an jene, die es brauchen. In diesem Sinne haben wir ein Gemeinwohlprinzip in Anschlag gebracht, das das private Eigentum nachhaltig legitimiert und sichert, indem es den Teil, den man nicht privat braucht, marktöffentlich macht, d. h., dem Zugriff anderer anbietet. Das ist, paradox, eine öffentliche Form der Privatisierungsaufrechterhaltung. Man sichert sein Eigentum, indem man es anderen anbietet gegen Geld, und nützt zugleich den anderen, die so etwas bekommen, was sie sich selber nicht erarbeiten können. Die Eigentümerökonomie der Geldverfassung kreiert implizit eine arbeitsteilige Gesellschaft, vor allem aber eine neue Version des „publick good“. Die Logik dieses Prozesses weist auf eine Austauschbarkeit des Eigentums hin, die im originären „natural state“ weder vorgesehen noch nötig war. Dort kam es auf den Ausschluss der anderen vom je eigenen Eigentum an, auf die rechtmäßige Appropria-
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tion des „suum“. Natürlich waren auch dann bereits Austausche möglich, aber durch die Definition der Arbeit/Eigentum-Relation, die nur das für legitim erklärt, was man braucht, gibt es keinen Überschuss, der zu tauschen wäre. Diese definitorische Dogmatik übersieht, dass selbst dann Tausche stattfinden können, wenn man von dem, was man braucht, gegen etwa anderes tauscht, was man ebenso braucht. Doch es geht Locke gar nicht um Markterklärungen, sondern um eine natürliche Eigentumsordnung, die die Gesellschaft stabilisiert. Es geht prima facie nicht um Ökonomie, sondern um die politische Form der Gesellschaft. Diese Form hat aber – was ich die subkutane Logik des 5. Kapitels nenne – eine ökonomische Konsequenz, die später als moderne Ökonomik entfaltet werden wird. Dabei wird die gleichsam autarkische Form des „natural state“, in der jeder Eigentümer sui generis ist, in eine durch die Geldverfassung lancierte soziale Form des „civil state“ überführt. Steinvorth sieht darin eine Form der Assoziation (d. h. eine Variante einer Ökonomie, die nicht mit der Marktökonomie identisch sein müsse; Steinvorth 2010, 713). Aber, gegen Steinvorth: der Markt ist bereits die (dynamische) Form dieser Assoziation, als ständig sich neu webendes Kontrahierungsfeld. Nicht die Privatheit des Eigentums (wie Nozick u. a. m. es für die liberale Theorie ausbeuten; vgl. Nozick 1977) steht im Zentrum des Lockeschen Konzeptes, sondern seine über die Form der Privatheit initiierte Allgemeinheit. Der private Eigentümer darf sein Eigentum nicht verkommen lassen (wie es radikalliberal formuliert erlaubt sein müsste); er unterliegt einem sozialen Gebot, es allen zugänglich zu machen, wenn nun auch nicht als Gemeineigentum (als unproduktive Variante), sondern als privat diversifiziert, proportioniert über die Märkte und Zahlungen. Die Geldverfassung – jener zweite Lockesche „social contract“ (den er nicht mit den anderen Naturrechtlern teilt) – schafft eine Institution, in der das ‚publick good‘ sublim „by consent“ der jeweiligen bilateralen mannigfaltigen Transaktionsverträge generiert wird. Locke formuliert im 5. Kapitel die institutionellen Voraussetzungen einer Gesellschaftstheorie, in der die soziale Ordnung über die Arbeit/Eigentum-Regulation auf einer monetären Marktordnung beruht. Auf der Basis der Gesetze, aber in eigenständiger Prozessualität, entfalten die Individuen ihre produktiven Kompetenzen und Rationalitäten – ein kultureller Institutionalisierungsprozeß, in dem neue Regeln des Sozialen („civil state“) entstehen, die wir heute ökonomische nennen, die Locke aber nicht in dieser Absicht untersuchte, sondern in der anderen, die Bedingungen der Freiheit der Selbstbestimmung in der Selbsterhaltung zu eruieren und zu bestimmen – als constituens einer Gesellschaft selbstbewusster Bürger. Die Eigentümer-/Marktinstitution ist nur die geeignetste Form dieser Freiheit (wenn sie durch die Form der Regierung politisch konstituiert und nachhaltig etabliert werden
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kann). Es ist eine political economy weder in ihrer Intention, noch in ihrem Grundsatz, aber der Form nach.3
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Vertrag und Vertrauen: Lockes Legitimation von Herrschaft (Kap. 7 + 8)
7.1 Ist der staatliche Zustand immer besser als der Naturzustand? Wer sollte so verrückt sein, sich vor Mardern und Füchsen zu fürchten, sich aber bereitwillig den Löwen zum Fraß anzubieten? Solchen Wahnsinn unterstellt Locke denen, die den Zweck des Staates in erster Linie darin sehen, die Bürger voreinander zu schützen (II § 93). Gewiss, ein solcher Staat mag den Einzelnen davor bewahren, den Nachstellungen des Marders oder Fuchses zu entkommen, der möglicherweise sein Nachbar ist. Aber was, wenn die ernsthafte Bedrohung nicht von den Mitbürgern, sondern vom Staat selbst ausgeht? Wer sich einer so großen Macht schutzlos aussetzt, lebt vielleicht in Sicherheit vor dem Fuchs, riskiert aber, dem Löwen zum Opfer zu fallen. Mit dem Verlassen des Naturzustandes wäre dann nichts gewonnen. Was den Naturzustand unersprießlich macht, ist vor allen Dingen, dass die Menschen in ihm „Richter in eigener Sache“ sind und man damit rechnen muss, dass manche es dabei „durch ihre Bosheit, Leidenschaft und Rache“ übertreiben (II § 13). Locke stimmt zu, dass dieser Zustand durch eine „bürgerliche Regierung“ überwunden werden muss, doch darf der Herrscher nicht die Freiheit haben, „in eigener Sache sein Richter zu sein“, wie das im Absolutismus der Fall ist (II § 13): Der absolute Monarch ist „lege absolutus“, vom Gehorsam gegenüber den Gesetzen entbunden. Der Naturzustand ist dem Absolutismus vorzuziehen, denn im Naturzustand braucht man sich einem ungerechten Urteil nicht zu unterwerfen, während einem im absolutistischen Staat nichts anderes übrig bleibt, als dem übermächtigen „Richter in eigener Sache“, dem Souverän, zu gehorchen. Hinzu kommt, dass vor der „gesamten Menschheit“ zur Verantwortung gezogen werden kann, wer im Naturzustand falsch urteilt, es aber auf Erden keine Instanz gibt, die einen absoluten Monarchen zwingen könnte, Rechenschaft über seine Urteile abzulegen (II § 91). Den Naturzustand definiert Locke als „Fehlen eines gemeinsamen, mit Autorität ausgestatteten Richters“ (II § 19), was wegen übertriebener Akte der Selbstjustiz unerträglich
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sein kann, aber nicht sein muss. Schlimmer als der Naturzustand ist der Kriegszustand, der durch „Gewalt ohne Recht, gegen die Person eines anderen gerichtet“ charakterisiert ist, „wobei es keine Rolle spielt, ob es einen gemeinsamen Richter gibt oder nicht“ (II § 19). Den Kriegszustand kann es folglich auch geben, wenn – wie im staatlichen Zustand – bereits ein „gemeinsamer Richter“ etabliert worden ist. Den Apologeten des Absolutismus zufolge ist der König dieser „gemeinsame Richter“, und da er über dem Gesetz steht, kann es per definitionem nicht sein, dass er Gewalt ohne Recht ausübt.1 Wenn Locke nun behauptet, auch ein „gemeinsamer Richter“ könne unrechtmäßige Gewalt anwenden, kritisiert er zum einen die Vorstellung als absurd, jemand verlasse zur „Erhaltung seiner selbst und der übrigen Menschheit“ (II § 135) den Naturzustand, wenn doch im Staat „Gewalt ohne Recht“ (II § 19) drohe und die bezweckte Erhaltung gefährdet werde. Zum anderen macht Locke deutlich, dass sich alle Gesetze am Maßstab des Naturrechts messen lassen müssen, dessen „fundamentales Gesetz [...] die Erhaltung der Menschheit“ (II § 135) ist. Selbst wenn sich der absolutistische Herrscher darauf berufen mag, über dem positiven Gesetz zu stehen, so bleibt er doch dem Naturrecht unterworfen, das es ihm untersagt, die Erhaltung anderer zu gefährden: Gemessen an diesem Maßstab, übt der absolutistische Herrscher „Gewalt ohne Recht“ aus (II § 20). Das gilt auch dann, wenn es noch gar keinen Akt von Gewaltanwendung gegeben hat, wie Locke deutlich macht. Wer auch nur versucht, einen anderen in seine absolute Macht zu bringen, gibt damit zu erkennen, dass er ihm nach dem Leben trachtet (II §§ 17, 19). Das muss nicht unbedingt heißen, dass er ihn töten will – der Wille, über das Leben eines Menschen zu verfügen, kann auch im Versuch bestehen, ihn zu versklaven (II § 17). Durch die bloße Absicht also, absolute Macht auszuüben, versetzt sich der Herrscher in einen Kriegszustand gegenüber denen, die er unterwerfen will. Er beraubt sie ihrer Freiheit (II § 17), und diese „Freiheit von absoluter, willkürlicher Gewalt ist so notwendig und eng mit der Erhaltung des Menschen verbunden, daß er sie nicht aufgeben kann, ohne dabei gleichzeitig seine Erhaltung und sein Leben zu verwirken“ (II § 23).2 Freiheit bedeutet für Locke nun aber keineswegs Zügellosigkeit („licence“, II § 6) im Sinne von Anomie; er definiert sie vielmehr als „frei sein von dem Zwang und der Gewalttätigkeit anderer, was da nicht möglich ist, wo es keine Gesetze gibt“ (II § 57). Im Naturzustand existieren zwar die natürlichen Gesetze, die jedem vernunftbegabten Lebewesen einsichtig sind (II § 12), die jeden verpf lichten (II § 6; auch II § 14) und auf deren Durchsetzung jeder ein Recht hat (II § 8). Weil jedoch nicht ausgeschlossen werden kann, dass manche dieses Recht unverhältnismäßig ausüben und sich somit in 1 Siehe z. B. Filmer 2004, § 8, 44. 2 Selbst wenn er wollte, hätte der Mensch laut Locke z. B. nicht die Freiheit, sich in die Sklaverei zu verkaufen, womit er Locke zufolge ja seine Selbsterhaltung riskierte: Er ist Eigentum Gottes und verpf lichtet, dessen Eigentum zu erhalten (II § 6; auch II § 23). Der Mensch hat zwar „Eigentum an seiner eigenen Person“ (II § 27), aber „keine Gewalt über sein eigenes Leben“ (II § 23).
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den Kriegszustand mit anderen versetzen, ist die gewünschte Freiheit von Zwang und Gewalttätigkeit im Naturzustand nicht verlässlich gegeben. Und „diesen Kriegszustand zu vermeiden [...] ist ein gewichtiger Grund, weshalb sich Menschen zu einer Gesellschaft zusammenschließen und den Naturzustand verlassen“ (II § 21). Der staatliche Zustand ist auch Locke zufolge besser als der Naturzustand, doch gilt das eben nicht uneingeschränkt für jegliche Form von staatlichem Zustand: Wie sich Locke zu zeigen bemüht, herrscht schließlich auch in bestimmten Staatsformen „Gewalt ohne Recht“ und damit der Kriegszustand. Es stellt sich die Frage, worauf politische Gewalt gegründet sein muss, um als legitim gelten zu können.
7.2 Was ist die Grundlage politischer Gewalt? In der Ersten Abhandlung hat sich Locke bereits ausführlich mit der zu seiner Zeit prominenten Auffassung vom Ursprung politischer Gewalt auseinander gesetzt, der in Robert Filmers Patriarcha dargelegten Theorie auf Adam zurückgehender patriarchaler Gewalt.3 Im siebten Kapitel der Zweiten Abhandlung, dessen Thema die „politische oder bürgerliche Gesellschaft“ ist, kommt Locke zunächst nochmals auf seine Kritik an Filmers Thesen zurück. Robert Filmer hatte behauptet, die ersten Könige seien Familienväter gewesen, die königliche Autorität, ja sogar absolute Gewalt über Leben und Tod aller Mitglieder ihrer Hausgemeinschaften besessen hätten, und diese Gewalt sei „the only fountain of all regal authority, by the ordination of God himself“.4 Demgegenüber betont Locke, die Macht von Familienvätern sei keineswegs absolut, sondern in Umfang und Dauer begrenzt: Die Todesstrafe dürften sie nicht verhängen,5 und in Bezug auf die Kinder erstrecke ihre Macht sich nur auf die Periode ihrer Minderjährigkeit, außerdem verfüge die Mutter über die gleiche Macht wie der Vater (II §§ 52, 74, 86). Das Verhältnis der Eltern zu ihren minderjährigen Kindern ist eines zwischen Ungleichen (II § 55); die Eltern sind verpf lichtet, ihre Nachkommen zu ernähren und sie anzuleiten, so lange diese nicht für sich selbst entscheiden können (II § 56). Diese Herrschaft („government“, II § 67) endet jedoch, sobald die Kinder erwachsen sind und über die Vernunft verfügen, nach ihrem „eigenen Willen zu handeln“ (II § 63). Politische Gewalt bezieht sich im Gegensatz zur elterlichen Gewalt auf Gleiche, und wenn es im Verhältnis von Eltern und Kindern offenkundig sein mag, wer gegenüber wem das 3 Im Vorwort zu den Zwei Abhandlungen erklärt Locke, weshalb er sich trotz seiner offenkundigen Geringschätzung für das Werk Robert Filmers so intensiv damit beschäftigt: „I should not speak so plainly of a Gentleman, long since past answering, had not the Pulpit, of late Years, publickly owned his Doctrine, and made it the Currant Divinity of the Times“ (Locke 1988, 138). 4 Filmer 2004, 7; ebd., 16, ist von der „absolute power of life and death“ des Haushaltsvorstands die Rede. 5 Das Recht, die Todesstrafe zu verhängen, ist laut Locke nicht Teil väterlicher Gewalt, sondern politischer Gewalt (II § 3).
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Sagen hat, ist das unter gleichen und gleichberechtigten Personen nicht zu erkennen (II § 71). Locke bestreitet keineswegs, dass es Ungleichheiten unter den Menschen gibt, etwa durch Alter, Herkunft und Begabung (II § 54). Eine „natürliche Untertänigkeit“ („natural subjection“, II § 4) gibt es laut Locke trotzdem nicht, weil alle das gleiche Recht „auf [ihre] natürliche Freiheit“ (II § 54)6 haben: „Da die Menschen [...] von Natur aus alle frei, gleich und unabhängig sind, kann niemand ohne seine Einwilligung aus diesem Zustand verstoßen und der politischen Gewalt eines anderen unterworfen werden. Die einzige Möglichkeit, mit der jemand diese natürliche Freiheit aufgibt und die Fesseln bürgerlicher Gesellschaft anlegt, liegt in der Übereinkunft mit anderen, sich zusammenzuschließen und in eine Gemeinschaft zu vereinigen [...]“ (II § 95). Rechtmäßige politische Gewalt also kann es nur mit Einwilligung („consent“) der Betroffenen geben. Wie hat man sich diese Vereinigung zu einer Gemeinschaft vorzustellen?
7.3 Wie entsteht die politische Gesellschaft? Laut Locke kann es im Naturzustand durchaus schon verschiedene Formen von Verträgen geben. Bereits vor der Etablierung staatlicher Institutionen existiert Eigentum, und Lockes Beispiele für Vertragsschlüsse im Naturzustand beziehen sich auf Erwerb, Veräußerung und Tausch materieller Dinge (II § 14). Die Voraussetzungen für den Abschluss von Verträgen, „Wahrheit und Vertrauen“, jedenfalls kommen dem Individuum als Menschen und nicht erst als Staatsbürger zu (II § 14). Man könnte nun annehmen, der Abschluss von Verträgen im Naturzustand sei zwar möglich, aber ineffektiv, solange es keine staatliche Macht gibt, die über ihre Einhaltung wacht. Locke macht jedoch deutlich, dass Verträge im Naturzustand auch ohne staatliche Gesetze tatsächlich verpf lichten – schließlich gibt es die natürlichen Gesetze, und deren Bruch kann auch ohne staatliche Instanzen geahndet werden, da jeder Mensch als „Executioner of the Law of Nature“ (II § 8) dazu berechtigt ist. Erst ein ganz bestimmter Vertrag beendet den Naturzustand (II § 14); diesen nennt Locke den „ursprünglichen Vertrag“ („original Compact“, II § 97), „ursprünglich“ also nicht in dem Sinn, dass es vorher keine Verträge gegeben hätte, sondern in Bezug auf den Ursprung der politischen Gesellschaft. Diese entsteht „durch die bloße Übereinkunft, sich zu einer politischen Gesellschaft zu vereinigen, was schon den ganzen Vertrag [„Compact“] enthält, der zwischen den Individuen, die in das Staatswesen [„Common-wealth“] eintreten oder es begründen, geschlossen wird und notwendig ist“ (II § 99). Durch den „ursprünglichen Vertrag“ wird aus einer 6 Lockes Begriff von Gleichheit bezieht sich auf Gleichheit „in Hinsicht auf die Rechtsprechung [„Jurisdiction“] und die Herrschaft [„Dominion“] des einen über den anderen“ (II § 54): Es spielt keine Rolle, welche natürlichen oder erworbenen Unterscheidungsmerkmale Menschen besitzen; alle haben das Recht, nicht „dem Willen oder der Autorität irgendeines anderen Menschen unterworfen zu sein“ (ebd.).
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zuvor unverbundenen Menge von Individuen eine Körperschaft, die Locke mit verschiedenen Namen bezeichnet, was leicht den Eindruck entstehen lässt, es handelte sich um unterschiedliche Arten von Zusammenschlüssen: Die Begriffe „Gemeinschaft“ („Community“, II § 96), „bürgerliche Gesellschaft“ („Civil Society“, II § 95), „politische Gesellschaft“ („Political Society“, II § 99), „Körper“ („Body“, II § 96) „politischer Körper“ („Body Politick“, II § 95) und „Regierung“ („Government“, II § 95, siehe Fußnote 9) werden von ihm jedoch synonym für das soziale Gebilde gebraucht, das durch den „ursprünglichen Vertrag“ entsteht. Wenn Locke vom „politischen Körper“ („Body Politick“, II § 95) spricht, greift er damit auf die in der Geschichte der politischen Philosophie gängige Analogie von Körper und Staat zurück. Der Rekurs auf diese Vorstellung dient ihm dazu, deutlich zu machen, dass die bürgerliche Gesellschaft nicht identisch ist mit der Summe der Individuen, die ihr angehören. Durch den „ursprünglichen Vertrag“ wird vielmehr eine neue Entität geschaffen, der sich die Einzelnen „einverleibt“ („incorporated“, II § 95) haben. Wer solchermaßen zu einem Glied dieses Körpers wird, „verpf lichtet sich gegenüber jedem einzelnen dieser Gesellschaft, sich dem Beschluss der Mehrheit zu unterwerfen und sich ihm zu fügen“ (II § 97). Denn blieben die Einzelnen wie im Naturzustand frei, nach Gutdünken zu handeln, wäre nicht zu sehen, worin überhaupt der Sinn des Vertragsschlusses liegen sollte (II § 97): Die Gemeinschaft wäre dann handlungsunfähig, weil die Individuen in unterschiedliche Richtungen strebten und sich auf kein gemeinsames Vorgehen einigen könnten. Locke macht das sehr anschaulich, wenn er davon spricht, dass „sich ein einziger Körper auch nur in einer einzigen Richtung bewegen kann“ (II § 96). Daher müsse „sich notwendigerweise der Körper dahin bewegen, wohin die stärkere Kraft ihn treibt. Und das eben ist die Übereinstimmung der Mehrheit“ (ebd.). Doch warum sollte man überhaupt ein Interesse daran haben, seine natürliche Freiheit durch einen solchen Vertrag aufzugeben? Immerhin riskiert man, sich unliebsamen Beschlüssen der Mehrheit fügen zu müssen, während man im Naturzustand „niemandem untertan“ (II § 123) ist. Das Problem liegt Locke zufolge darin, dass man im Naturzustand zwar alle Freiheit besitzt, sie aber nicht genießen kann, weil man „fortwährend den Übergriffen anderer ausgesetzt“ ist (ebd.). Locke spricht davon, dass das „Eigentum“ („Property“) im Naturzustand in Gefahr ist, wobei er unter „Eigentum“ eben nicht nur materiellen Besitz versteht (ebd.): „Leben“ („Lives“) und „ Freiheiten“ („Liberties“) fallen ebenso unter den Begriff des Eigentums wie „Vermögen“ („Estates“). Der Hauptgrund, sich mit anderen zu einem „Commonwealth“ zusammen zu schließen, ist der Schutz dieses Eigentums (II § 124). Wie kommt es laut Locke zur Etablierung der Institutionen, die den Schutz des Eigentums gewährleisten sollen?
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7.4 Wie entsteht die Regierung („government“)? 7.4.1 Zustimmung („consent“) Weil Locke davon ausgeht, dass es unter freien und gleichen Menschen keine natürliche Unterwerfung geben kann, ist die seines Erachtens einzig legitime Grundlage jeglicher Regierung die freiwillige Zustimmung: Die politischen Gesellschaften der Menschen entstanden „alle aus einer freiwilligen Vereinigung und aus dem gegenseitigen Einverständnis frei handelnder Menschen, die sich ihre Regenten [„Governours“] und die Regierungsformen [„forms of Government“] selbst wählten“ (II § 102). Mit dieser Theorie der Entstehung von Regierung („government“) greift Locke insbesondere die Lehre von Robert Filmer an. Wie Locke selbst im Vorwort zu den Zwei Abhandlungen über die Regierung sagt, hat das wenig damit zu tun, dass Filmer ein philosophisch interessanter Gegner wäre – Locke lässt keinen Zweifel an seiner Geringschätzung für ihn. Der Grund für Lockes Auseinandersetzung mit dem Werk Filmers ist vielmehr dessen Popularität zu Lockes Zeiten: Filmers Patriarcha, entstanden zwischen 1628 und 1652, wurde im Jahr 1680 neu aufgelegt. Denn die in Patriarcha vorgebrachte Theorie natürlicher Unterwerfung, wonach alle der auf Adam zurückgehenden Macht absolutistischer Herrscher Gehorsam schulden, schien bestens geeignet, um damit zum Gehorsam gegenüber der Regentschaft der Stuarts aufzurufen.7 Die Strategie war offensichtlich erfolgreich; laut Locke waren Filmers Thesen die „Currant Divinity of the Times“ und wurden von den Kanzeln herab gepredigt (Locke 1988, 138). Locke will Filmers Thesen entkräften, dass es erstens keine historischen Belege für den Naturzustand und freiwillige Zusammenschlüsse zu dessen Beendigung gegeben habe, und zweitens ohnehin alle Menschen unter einer Regierung geboren würden, so dass sich die Frage nach der Etablierung neuer Regierungen überhaupt nicht stelle (II § 100). Für Locke ist der Naturzustand kein hypothetisches Konstrukt; tatsächlich geht er davon aus, dass „die Welt niemals ohne eine große Anzahl von Menschen in einem solchen Zustand war oder jemals sein wird“ (II § 14). Locke braucht sich nicht die Mühe ethnographischer Studien zu machen, etwa um Exempel für im Naturzustand lebende Urvölker zu finden. Schließlich definiert Locke den Naturzustand als Zustand, in dem es an einem „Richter auf Erden“ mangelt, der mit der Autorität ausgestattet wird, „alle Streitigkeiten zu entscheiden und das Unrecht zu sühnen, das einem Mitglied des Staates möglicherweise zugefügt wird“ (II § 89). Und ein solcher Richter fehlt zum einen im Verhältnis der Staaten untereinander (II § 14), zum anderen innerhalb absolutistischer Staaten, deren Misere ja gerade darin liegt, dass die Bürger keinerlei „Berufungsmöglichkeit“ („Appeal“) haben, wenn der Monarch sie angreift (II § 91). Angesichts dieses Verständnisses von „Naturzustand“ lassen sich also sowohl die internationale Staatenwelt als auch zahlreiche reale einzelne Staaten als im Naturzustand 7 Tully 1991, 620.
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befindlich kennzeichnen. Versteht man den Begriff dagegen als vorstaatlichen Zustand im historischen Sinn – bezogen auf einen Zustand, in dem die Menschen noch keinerlei Form staatlicher Institution etabliert haben –, so gibt es dafür laut Locke nur wenige Beispiele (II § 127). Das liegt ihm zufolge daran, dass die Nachteile des Naturzustands so schwer wiegen, dass es die Menschen dazu drängt, ihn rasch zu verlassen (II § 127); außerdem sei es nicht verwunderlich, dass man sich an die Kindheit der Staaten nicht erinnere, schließlich habe man von der eigenen Geburt und den ersten Lebensjahren auch keine eigenen Kenntnisse (II § 101). Fehlende Berichte über die Entstehung der Staaten seien dementsprechend kein Beweis dafür, dass es niemals einen konstituierenden Akt gegeben habe. Gegen Filmers These der natürlichen Unterwerfung, derzufolge jeder bereits als Untertan geboren wird, führt Locke insbesondere ins Feld, dass sich ein Vater zwar einer bestimmten Regierung unterwerfen kann, dieser Entschluss des Vaters jedoch nicht seine Nachkommen bindet (II § 113). In der Geschichte lassen sich zwar durchaus Beispiele früher Monarchien finden, weil es Locke zufolge gerade in Großfamilien zunächst sehr selbstverständlich gewesen sein mag, dass ein fähiger Familienvater de facto zum „Gesetzgeber und Regenten aller“ wurde (II § 105). Nach dessen Tod jedoch oder im Falle nachlassender Eignung, so Locke, habe man zweifellos von der „natürlichen Freiheit Gebrauch“ gemacht und den Geeignetsten dazu bestimmt, die Regierung zu übernehmen (ebd.). Jegliche legitime Regierung also, so hält Locke gegen Filmer fest, beruht auf freiwilliger Zustimmung und nicht auf natürlicher Unterwerfung. Das Problem dabei ist, dass sich Verteidiger der Sklaverei mitunter darauf berufen mögen, die Versklavten hätten ihrer Versklavung freiwillig zugestimmt; ein Argument, das Locke nicht gelten lässt, weil Menschen Gottes Eigentum sind und sich gar nicht selbst verkaufen können (II § 23). Außerdem betont Locke, man könne „von keinem vernünftigen Wesen [annehmen], dass es seine Lebensbedingungen mit der Absicht ändere, sie zu verschlechtern“ (II § 131). Die Idee freiwilliger Zustimmung lässt sich also nicht als Universalwaffe zur Legitimation sämtlicher Arten von Herrschaftsverhältnissen einsetzen: Seine freiwillige Zustimmung kann ein Individuum laut Locke vernünftigerweise nur zu etwas geben, was seine Situation nicht verschlechtern wird, andernfalls hat man es mit Wahnsinn zu tun (vgl. II § 93). Wer sich demnach entschließt, den Naturzustand zu verlassen, wird diesen Schritt Locke zufolge selbstverständlich in der Absicht unternehmen, „seine Freiheit und sein Eigentum besser zu erhalten“ als ihm das zuvor möglich gewesen ist (II § 131). Absolutistische Herrschaft funktioniert nun analog zur Sklaverei; beiden ist gemeinsam, dass sie die Menschen dem „willkürlichen Willen eines anderen“ unterwerfen (II § 22), welcher sich nicht selbst an die für die anderen geltenden Regeln halten muss (II § 93). Derjenige, der durch Gesetze nicht gebunden – der legibus absolutus ist –, handelt gemäß roher Gewalt und gefährdet die Erhaltung der Menschen ebenso wie ein wildes Tier (II § 16). Für Locke steht damit fest, dass die absolute Monarchie „überhaupt keine Form von bürgerlicher Regierung sein kann“ (II § 89) und sich auch nicht durch freiwillige
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Zustimmung rechtfertigen lässt: Da „der Mensch keine Gewalt über sein eigenes Leben hat, kann er sich weder durch einen Vertrag noch durch seine eigene Zustimmung zum Sklaven eines anderen machen. Er kann sich auch ebensowenig unter die absolute und willkürliche Gewalt eines anderen stellen, die es jenem erlauben würde, ihn zu töten, wenn es ihm gefiele“ (II § 23). Nur freiwillige Zustimmung also legitimiert eine Regierung, und diese Zustimmung muss eine qualifizierte sein: Um das Individuum besser zu stellen als im Naturzustand, hat die Regierung seine Selbsterhaltung zu sichern, und ihre Macht darf nicht schrankenlos sein wie im Absolutismus, sondern muss „auf das öffentliche Wohl der Gesellschaft beschränkt“ bleiben (II § 135). Locke geht wie seine kontraktualistischen Vorgänger davon aus, dass die Etablierung staatlicher Institutionen einen Rechtsverzicht des Einzelnen voraussetzt – seine „exekutive Gewalt“ (II § 89) zur Durchsetzung der natürlichen Gesetze wird aufgegeben: „Politische Gewalt ist jene Gewalt, die jeder Mensch im Naturzustand hatte und die er in die Hände der Gesellschaft und innerhalb der Gesellschaft an die Regierungen gegeben hat, die die Gesellschaft über sich eingesetzt hat“ (II § 171). Dieser Verzicht ist aber ein konditionaler, er erfolgt „mit jenem ausdrücklichen oder stillschweigenden Auftrag, daß [die politische Gewalt] zu seinem Wohl und zur Erhaltung seines Eigentums angewandt werde“ (ebd.).
7.4.2 „Gewalt, die auf Vertrauen [„trust“] beruht“ Wie kommt nun dieser „Auftrag“ zustande? Die genannte Übertragung der politischen Gewalt vom Individuum „in die Hände der Gesellschaft“ vollzieht sich durch den „ursprünglichen Vertrag“ (II § 97), diejenige „innerhalb der Gesellschaft an die Regierungen“ erfolgt jedoch ohne Vertrag. Es gibt also einen Gesellschaftsvertrag, der die Glieder der politischen Gesellschaft untereinander verbindet; Locke sieht aber keinen Vertrag zwischen der politischen Gesellschaft und der Regierung vor. Die Beziehung zwischen Gesellschaft und Regierung besteht vielmehr in einem Vertrauensverhältnis: Die Gesellschaft ist der Treugeber. Sie überträgt der Regierung Rechte, welche diese im Interesse des Treugebers ausüben soll („Fiduciary Power“, II § 149). Die Regierung fungiert demnach als Treuhänder; sie handelt zu treuen Händen der Gesellschaft. Alle Macht der Regierung beruht auf dem Vertrauen der Gesellschaft („Power given with trust“, II § 149) und ist durch den Zweck begrenzt, den die Gesellschaft ihr gegeben hat – die Erhaltung von Freiheit und Eigentum (II § 131).8 Auf den ersten Blick sieht das nach einer politisch naiven Konstruktion aus: Wäre es nicht sicherer, die Regierung durch einen Vertrag zur Erfüllung ihres Zweckes zu ver8 Zu Herkunft und Fortleben des Konzeptes von „trust“: Hennis 2000, bes. 130 f.
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pf lichten? Ein Verhältnis, das auf Vertrauen („trust“) basiert, macht einen wesentlich instabileren Eindruck als ein vertragliches, und es scheint ein ideales Regierungspersonal vorauszusetzen, das sich des Vertrauens tatsächlich würdig erweist. Aber: Ein einseitiger Vertrag zwischen Gesellschaft und Regierung zugunsten der Regierung, wie ihn Vertreter der absolutistischen Vertragstheorie propagieren, kann Locke zufolge nicht legitim sein, weil man sich der absoluten Gewalt eines anderen gar nicht freiwillig unterwerfen darf (siehe Fußn. 2). Und ein wechselseitiger Vertrag zwischen Gesellschaft und Regierung, der auf beiden Seiten Rechte und Pf lichten festlegt, ist mit bestimmten Nachteilen verbunden: Ein Vertrag wird beispielsweise die Pf lichten der Regierung klar bestimmen, und zwar ausgehend von dem Kenntnisstand, der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gegeben war. Locke betont jedoch die Abhängigkeit politischer Vorsichtsmaßnahmen von der Erfahrung der Gesellschaft (vgl. II §§ 107, 111). In der Anfangszeit der Staaten hatten die Menschen noch keinerlei Übergriffe durch politische Autoritäten erlebt und begegneten ihren Oberhäuptern mit kindlichem Vertrauen. Erst als sie allmählich schlechte Erfahrungen mit ihren Regierungen machten, erkannten sie die Notwendigkeit, sich vor Machtmissbrauch zu schützen (II § 107). Würde nun ein Vertrag geschlossen, in dem die Pf lichten der Regierung klar definiert wären, riskierte man, im Falle nie da gewesener Formen von Machtmissbrauch die Regierung nicht zur Verantwortung ziehen zu können; die neuen und möglicherweise völlig überraschenden Übergriffe der Staatsmacht wären im Vertrag ja noch gar nicht erfasst worden. Die scheinbare Schwäche eines auf Vertrauen basierenden Verhältnisses zwischen Gesellschaft und Regierung – die mangelnde Festlegung von Rechten und Pf lichten – erweist sich angesichts der fehlenden Flexibilität von Verträgen, neuen Erfahrungen gerecht zu werden, als Stärke. Durch „trust“ werden freilich ebenso wie durch Verträge auch Grenzen („Bounds“, II, § 142) gezogen, und dass Locke sich damit begnügt, sie grob zu umreißen, ist kein Versäumnis, sondern liegt darin, dass die Figur des „trust“ die f lexible Alternative zum starreren Modell des Vertrages darstellt. Durch „trust“ wird eine bessere, weil den sich ändernden Realitäten angepasste Kontrolle der Macht erreicht, als das mit Hilfe von Verträgen möglich wäre. Was sind nun Locke zufolge die Grenzen, die das Vertrauen der Gesellschaft der Regierung setzt? Zur Vermeidung von Missverständnissen ist es wichtig, sich die Bedeutung des Begriffes „Regierung“ bei Locke vor Augen zu führen. Während man heute „Regierung“ überwiegend als Synonym von „Exekutive“ versteht, fasst Locke „unter government die gesamte staatliche Rechts- und Institutionenordnung“.9 Die erste Gewalt, die im Zuge der Etablierung dieser Rechts- und Institutionenordnung eingesetzt wird, ist die Legislative (II § 134), für die folgende Grenzen gelten: Sie muss erstens „nach öffentlich bekanntgemachten, festen Gesetzen regieren“, zweitens „sollen diese Ge9 Zum Begriff „government“ siehe den Kommentar von Ludwig Siep in Locke 2007, 203: „[...] government umfaßt [...] alle Staatsgewalten. Insofern behandeln die beiden Treatises Lockes den Staat, nicht die Regierung“.
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setze auf keinen anderen Zweck als das Wohl des Volkes ausgerichtet sein“, drittens „darf sie keine Steuern auf das Eigentum des Volkes erheben ohne die Zustimmung des Volkes selbst oder seiner Abgeordneten“ und viertens darf die „Legislative die gesetzgebende Gewalt nicht auf irgendeinen anderen übertragen oder in andere Hände legen, als es das Volk getan hat“ (II § 142). Die Legislative ist die „höchste Gewalt“ („supream power“, II § 134) des Staates. Obwohl die Exekutive die Macht hat, die Legislative ein- und abzuberufen, ist sie wie auch die föderative und die prärogative Gewalt der Legislative untergeordnet. Ebenso wie für die Legislative gilt für Exekutive, Föderative und Prärogative, dass ihre Macht nur eine zum Wohl des Volkes ihnen „anvertraute Befugnis“ darstellt („Fiduciary Trust“, II § 156, zum „trust“ in Bezug auf die Prärogative II §§ 164, 167, 210). Zwischen der Gesellschaft und allen politischen Gewalten herrscht demnach ein auf Vertrauen basierendes Verhältnis; und in allen diesen Kontexten dient die Rede von „trust“ dazu, die Träger politischer Funktionen auf nicht willkürliches, berechenbares Handeln im Sinne des Gemeinwohls festzulegen („Salus Populi Suprema Lex“, II § 158). Gerade weil die Pf lichten der Regierung durch den „trust“ nicht eindeutig bestimmt werden, muss die Regierung sehr wachsam sein, das Vertrauen der Gesellschaft nicht zu verletzen. Man mag sich den Unterschied zu einem wechselseitigen Vertrag am Beispiel eines Arbeitsverhältnisses vor Augen führen, bei dem kein Vertrag über die Dauer des Arbeitsverhältnisses geschlossen wird und dem Arbeitnehmer klar ist, dass er genau so lange beschäftigt sein wird, wie der Arbeitgeber mit ihm zufrieden ist. Der an einer Weiterbeschäftigung interessierte Arbeitnehmer müsste in allen Belangen größte Aufmerksamkeit an den Tag legen, um den Vorstellungen des Arbeitgebers gerecht zu werden, und jederzeit mit dem Ende der Anstellung rechnen. Was angesichts der zumeist schwachen und abhängigen Position des Arbeitnehmers auf erpresserische Ausbeutung hinausläuft, ist im Falle der enormen Macht, die politischen Gewalten zukommt, für Locke zu rechtfertigen. Gerade weil es keinen wechselseitigen Vertrag gibt und das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Regierung auf Vertrauen beruht, muss sich die Regierung konstant bemühen, dieses Vertrauen nicht zu enttäuschen. Das ist anspruchsvoller, als sich an festgelegte Aufgaben zu halten; durch „trust“ wird der Regierung ein über bloße Pf lichterfüllung hinausgehendes Verhalten abverlangt, und ihre Funktionsträger müssen ein feines Sensorium dafür haben, was in der Gesellschaft als Bruch des Vertrauens empfunden werden könnte. Das Konzept des „trust“ verfügt aus Lockes Perspektive über einen weiteren Vorteil: Ein wechselseitiger Vertrag zwischen Gesellschaft und Regierung würde eben auch den Bürgern Pf lichten gegenüber der Regierung auferlegen, allen voran die Pf licht zum Gehorsam, welcher die Pf licht der Regierung entspräche, den Schutz der Bürger zu gewährleisten. Die Regierung hätte so auch das Recht, die Bürger zu ermahnen, ihrer Pf licht zum Gehorsam nachzukommen. Der Witz am Konzept von „trust“ dagegen besteht darin, dass die Regierung mangels vertraglicher Bindung der Gesellschaft gar keine Handhabe hat, jene zur Pf lichterfüllung anzuhalten. Streng genommen gibt es überhaupt keine Pf lichten der Gesellschaft
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gegenüber der Regierung, aber Locke geht davon aus, dass die Gesellschaft einer Regierung, die ihren Zweck erfüllt, selbstverständlich Gehorsam leisten wird – schließlich liegt diese Zweckerfüllung in ihrem eigenen Interesse. Durch „trust“ wird folglich ein einseitiger Kontrollmechanismus etabliert: Die Gesellschaft überwacht, ob die Regierung ihren Aufgaben nachkommt; die Regierung dagegen kann nicht die Gesellschaft insgesamt einer Pf lichtverletzung ihr gegenüber bezichtigen.10 Handelt die Regierung nicht im Sinne des „trust“, hat das schwerwiegende Konsequenzen: Sie „verwirkt [...] durch einen solchen Vertrauensbruch [„breach of Trust“] die Macht, die das Volk ihr zu völlig entgegengesetzten Zielen übertragen hatte“ (II § 222),11 und das bedeutet die Auf lösung der Regierung (II § 221). Um eine solche Auf lösung herbeizuführen, bedarf es noch nicht einmal besonderer Maßnahmen durch die Gesellschaft, wie am Beispiel des Königs deutlich wird, welcher „höchster Inhaber der Exekutive“ (II § 222) ist: Bricht der König das in ihn gesetzte Vertrauen, „entthront“ er sich (II § 239), er setzt sich selbst ab, ohne dass die Bürger dafür eigens Hand anlegen müssten („a King may Unking himself“, II § 235). Wenn diese dem König keinen Gehorsam mehr leisten und es dadurch zu Unruhen kommt, dürfen diese Probleme nicht den Bürgern angelastet werden: Erstens sind es nicht die Bürger, welche die Regierung beseitigt haben; diese hat sich vielmehr durch den Vertrauensbruch selbst abgeschafft und trägt somit die Verantwortung für die Folgen. Zweitens kann man einem unschuldigen Menschen keinen Vorwurf machen, wenn er sich gegen einen Übergriff wehrt – kommt dabei jemand zu Schaden, ist das die Schuld des Angreifers, nicht die der Person, die sich verteidigt. Und das gilt laut Locke unabhängig davon, ob man es mit einem Raubüberfall oder mit politischer Unterdrückung zu tun hat (II § 228). Wer gegen eine Regierung aufbegehrt, die ihrem Zweck nicht gerecht wird, ist kein Rebell: Der Rebellion schuldig macht sich vielmehr die Regierung, die das in sie gesetzte Vertrauen verletzt (II § 227). Das Konzept des „trust“ also legt der Regierung eine Bringschuld gegenüber der Gesellschaft auf; die Regierung muss ohne Unterlass nachweisen, das Vertrauen der Gesellschaft zu verdienen, ohne dafür eine Gegenleistung einfordern zu können.
10 Die Regierung („government“) hat in Form der Exekutive („executive power“) selbstverständlich das Recht, einzelne Bürger oder Gruppen für Gesetzesverletzungen zur Rechenschaft zu ziehen; dieses Recht ist ihr von der Gesellschaft verliehen worden. Die Regierung („government“) insgesamt genommen kann aber nicht die Gesellschaft allgemein ihr gegenüber ‚in die Pf licht nehmen‘. Eine solche Pf licht der Gesellschaft gegenüber der Regierung gibt es bei Locke nicht. 11 Laut Locke gilt das, was er „hier ganz allgemein über die Legislative gesagt“ hat, auch für die Exekutive (II § 222). Weil der König im politischen System Englands zu Lockes Zeiten Anteil an der Legislative hat und gleichzeitig „höchster Inhaber der Exekutive“ („supreame Executor“) ist, genießt er sogar ein „zweifaches Vertrauen“ („double trust“, II § 222). Je größer das Vertrauen, desto gravierender ist laut Locke der Vertrauensbruch (II § 202). Demnach bildet das „zweifache Vertrauen“ zwar die Grundlage für die Machtfülle des Königs, es impliziert jedoch auch, dass die Gesellschaft mit doppelter Strenge kontrollieren wird, ob er dem „trust“ entsprechend agiert.
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7.4.3 Zustimmung: stillschweigend („tacit“) oder ausdrücklich („express“)? Worin zeigt sich nun aber dieses Vertrauen der Gesellschaft? Die Legitimität einer Regierung von Vertrauen abhängig zu machen, scheint problematisch – eine despotische Macht könnte alle Kritik unterdrücken und behaupten, sie genieße das Vertrauen der Gesellschaft, weil es schließlich keine öffentlichen Äußerungen von Misstrauen gebe. Locke betont dementsprechend, dass Stillschweigen allein noch keinen Grund zur Annahme liefert, die Gesellschaft unterstütze die Regierung. Weil „jeder Mensch von Natur aus frei ist und ihn nichts als allein seine eigene Zustimmung einer irdischen Macht unterwerfen kann“, muss laut Locke geprüft werden, „was als eine hinreichende Erklärung der Zustimmung eines Menschen verstanden werden soll, um ihn den Gesetzen irgendeiner Regierung zu unterwerfen“ (II § 119). Seinen Überlegungen legt er die gängige „allgemeine Unterscheidung zwischen einer ausdrücklichen [„express“] und einer stillschweigenden Zustimmung [„tacit consent“]“ zugrunde (ebd.). Die „ausdrückliche Zustimmung“ mache den Menschen zu einem „vollwertigen Glied dieser Gesellschaft“; schwieriger sei es, zu bestimmen, was eine „stillschweigende Zustimmung“ ist und „wieweit sie bindet“ (ebd.). Locke zufolge gibt jeder Mensch seine „stillschweigende Zustimmung“, „der irgendwelchen Besitz hat oder sich irgendeines Teiles der Herrschaftsbereiche eines Staates erfreut [...]“, und „solange er sich dieses Besitzes erfreut, ist er den Gesetzen dieser Regierung [...] zum Gehorsam verpf lichtet“ (ebd.). Dieses „Erfreuen“ kann im lebenslangen Wohnen auf seit Generationen in der Familie befindlichem Grundbesitz bestehen, aber auch im zeitweiligen bloßen Aufenthalt im Staatsgebiet. Birgt dieses Konzept von „stillschweigender Zustimmung“ nun nicht die genannte Gefahr des Missbrauchs durch die Regierung, welche etwa bereits die Nutzung der Infrastruktur – Lockes Beispiel ist das Reisen auf der Landstraße – als Affirmation auslegen könnte? Wenn die Individuen gar keine andere Wahl hätten, als sich „irgendeines Teiles der Herrschaftsbereiche eines Staates“ zu bedienen, wäre die Behauptung, diese Nutzung sei Ausdruck von Zustimmung, tatsächlich eine Farce.12 Locke beeilt sich jedoch, hinzuzufügen, dass es Alternativen gibt: Wer nur seine „stillschweigende Zustimmung“ gegeben hat, dem steht es „frei, zu gehen und sich irgendeinem anderen Staatswesen einzuverleiben oder sich mit anderen über die Begründung eines neuen zu verständigen in vacuis locis“ (II § 121); hinzu kommt, dass sich die Gesellschaft bei Locke beispielsweise nicht mit einer schlechten Regierung abfinden müsste, sondern über legitime Mittel verfügt, sie durch eine bessere zu ersetzen. Nutzt jemand diese Möglichkeiten nicht, den Staat entweder zu verlassen oder aber zu bleiben und die Regierung zu ändern, dann kann sein Verhalten tatsächlich als „stillschweigende Zustimmung“ gewertet werden. Die 12 David Hume kritisiert in seinem Essay Of the Original Contract dieses Konzept von Zustimmung: „Can we seriously say, that a poor peasant or artizan has a free choice to leave his country; when he knows no foreign language or manners, and lives from day to day [...]?“ (Hume 1987, II, 12, 475).
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„stillschweigende Zustimmung“ jedoch macht einen Menschen nicht zu „einem Glied dieser Gesellschaft und zu einem ständigen Untertan dieses Staatswesens“ – Reisende oder auch Fremde, die dauerhaft in einem Staat leben, werden durch ihren Aufenthalt im Staatsgebiet schließlich auch noch nicht zu Vollbürgern des betreffenden Staates. Für sie wie auch für im Staatsgebiet heimische, lediglich stillschweigend zustimmende Menschen gilt, dass sie zwar keine Glieder des Staates sind, sich aber dennoch dessen Gesetzen unterwerfen müssen. Nur durch „ausdrückliche Zustimmung“ wird jemand „zu einem vollwertigen Glied dieser Gesellschaft [...], zu einem Untertan dieser Regierung“ (II § 119), und anders als im Fall der „stillschweigenden Zustimmung“ darf die Person, die ihre „ausdrückliche Zustimmung“ gegeben hat, diesem Staat nicht den Rücken kehren13 (II § 121). Eine Form von „ausdrücklicher Zustimmung“ besteht darin, eine Erbschaft von Grundbesitz anzunehmen (II §§ 116, 117). Auf den ersten Blick hat es den Anschein, als ginge es in den Erbschaft thematisierenden Paragraphen 116–120 darum, dass erbende Kinder an Abmachungen gebunden werden dürften, die ihre Väter einst getroffen haben. Locke macht jedoch deutlich, dass ein Vater „durch keinerlei Vertrag seine Kinder oder Nachkommen binden“ kann (II § 116). Er erinnert vielmehr daran, dass der Grund dafür, sich überhaupt zu einer Gesellschaft zusammenzuschließen, der Schutz des Eigentums ist, und es ein „direkter Widerspruch“ wäre, „wenn jemand zur Sicherung und Regulierung des Eigentums in die Gesellschaft anderer eintritt und dennoch annimmt, dass sein Grund und Boden, dessen Eigentum nach den Gesetzen der Gesellschaft geregelt werden soll, von der Rechtsprechung jener Regierung ausgenommen sein sollte“ (II § 120). Dementsprechend sind es nicht die Väter, die ihre Erben binden; der Staat ist es, der den Erben sagt: ‚Wenn du das Erbe antreten willst, musst du Mitglied des Staates werden, dessen Schutz du für deinen geerbten Grund und Boden in Anspruch nehmen möchtest‘ (vgl. II §§ 73, 120). Es mag so aussehen, als würde dieser Schritt ohne Zustimmung vollzogen, Locke zufolge trügt dieser Eindruck jedoch: Wenn jemand eine solche Erbschaft annimmt und dadurch Mitglied des Staates wird, geschieht das durch Zustimmung, die laut Locke aber kaum wahrgenommen wird, weil sie nicht im „Kollektiv“ erfolgt, sondern Einzelne sie jeweils dann geben, wenn sie erwachsen werden und dieser Schritt individuell für sie ansteht (II § 117). Was Locke mit diesen Überlegungen vor allem bezweckt, ist eine Zurückweisung der unter anderen von Filmer vertretenen Auffassung, alle Menschen würden immer schon in einen Staat hineingeboren. Dieser Idee zufolge besitzt niemand die Freiheit, „sich zu vereinigen und eine neue Regierung zu begründen“ (II § 113), weil man von Geburt an „unter der ewigen Verpflichtung von Untertänigkeit und Gehorsam“ steht (II § 114). Gegen diese Theorie „natürlicher Untertänigkeit“ (II §§ 113–118) betont Locke wie auch schon an anderen Stellen (z. B. II §§ 4–6) der Zweiten Abhandlung, dass den Menschen „nichts als allein 13 Ausnahmen sind die Auf lösung der Regierung oder der Ausschluss des Bürgers (II § 121).
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seine eigene Zustimmung einer irdischen Macht unterwerfen kann“ (II § 119), und dass eine „ausdrückliche Zustimmung“ die Voraussetzung dafür ist, dass jemand zu einem „vollwertigen Glied [„perfect member“] dieser Gesellschaft“ wird (II § 119). Dass Locke das Antreten einer Erbschaft von Grundbesitz als Beispiel für „ausdrückliche Zustimmung“ heranzieht, bedeutet aber nicht, dass nur Landeigentümer „vollwertige Glieder“ sein könnten, zumal auch andere Formen „ausdrücklicher Zustimmung“ möglich sind, etwa das zu Lockes Lebzeiten gängige Ablegen von Eiden.14 In der Locke-Forschung gibt es eine intensive Beschäftigung mit der These, Locke sei als Vertreter eines „Besitzindividualismus“ anzusehen, der Menschen ohne Eigentum an Grund und Boden keine Vollbürgerschaft zugestehen wolle.15 Locke jedoch geht es bei der Diskussion der Erbschaftsthematik nicht darum, bestimmte besitzlose Schichten auszuschließen beziehungsweise eine Gesellschaft von Grundbesitzern zu etablieren.16 Diese Diskussion steht in der Gliederung der Zweiten Abhandlung wie auch systematisch im Kontext der Frage nach „stillschweigender“ und „ausdrücklicher Zustimmung“, und diese Frage dient Locke dazu, gegen Filmer deutlich zu machen, „daß ein Kind weder als Untertan eines Landes noch einer Regierung geboren wird“ (II § 118). Dass Locke „ausdrückliche Zustimmung“ etwa im Fall einer Erbschaft zur Bedingung für die vollwertige Mitgliedschaft im Staat macht, hat den Zweck, der Regierung Zügel anzulegen: Keine Regierung soll behaupten können, die innerhalb des Staatsgebietes lebenden Individuen seien ihr allein deshalb unterworfen, weil sie in diesen Staat hineingeboren wurden oder weil sie durch ihren bloßen Aufenthalt ihre „stillschweigende Zustimmung“ geben. Gewiss: Wer sich im Staatsgebiet aufhält, muss sich an die Gesetze halten, und dafür genügt „stillschweigende Zustimmung“. Allein mit Personen jedoch, die nur ihre „stillschweigende Zustimmung“ geben, ist kein Staat zu machen: Auch wenn nicht alle im Staatsgebiet lebenden Individuen „ausdrücklich“ zuzustimmen brauchen,17 muss es eine kritische Masse an „ausdrücklich“ Zustimmenden geben, 14 Zu Eiden äußert sich Locke in II §§ 151, 195. Zur verbreiteten Praxis des Eidablegens zu Lockes Zeiten siehe Dunn 1980, 41. Die verschiedenen Möglichkeiten ausdrücklicher Zustimmung behandelt Dunn 1969, 140 f.: „Any express declaration is sufficient to commit a man to membership of the society and if some may be required to make such declarations on more ceremonial occasions and others may never be required to make them at all, there are enough occasions in any man’s life in which he uses verbal formulae which imply a recognition of his membership in the national society to which he belongs for any adult to be held to have made some express declaration of such membership.“ 15 Diese Diskussion wurde durch C. B. Macphersons Buch The Political Theory of Possessive Individualism (1962) befeuert; zur Frage der Bürgerschaft siehe ebd., 248–251. 16 Macpherson 1962 wirft Locke vor, einen „class state“ legitimieren zu wollen (250); seine Theorie sei Ausdruck des Individualismus‘ der „emerging capitalist society“ (256). Ashcraft 1980, 38 hebt demgegenüber hervor, Locke sei Vertreter einer „antiaristocracy coalition“. 17 Dass Locke betont, „ausdrückliche Zustimmung“ sei die notwendige Bedingung für Vollbürgerschaft, diese aber nicht allen im Staatsgebiet lebenden erwachsenen Männern (Frauen kommen dafür nach dem Urteil Lockes und der politischen Denker seiner Zeit nicht in Frage) abverlangt, ist eine Reaktion auf die unter anderen
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die sich „auf ewig und unwiderruf lich verpf lichtet“ haben, Untertanen dieses einen Staates zu sein (II § 121). Und zu solchen vollwertigen „Untertanen oder Gliedern dieses Staatswesens“ werden die Individuen nur durch „wirkliche[n] Eintritt“ in dieses Staatswesen, der sich laut Locke „durch positive Verpf lichtung und ausdrückliches Versprechen und Vertrag“ vollzieht (II § 122). Die „ausdrückliche Zustimmung“ der Bürger ist damit der entscheidende Prüfstein für die Legitimität einer Regierung. Eine Regierung, die nicht nachweisen kann, diese „ausdrückliche Zustimmung“ zu besitzen, ist illegitim. Mehr noch: Eine solche Regierung verfügt streng genommen über gar keine Untertanen, die sie regieren könnte – ist es doch erst die „ausdrückliche Zustimmung“, die einen Menschen zum Glied und Untertan des Staates macht.
7.5 Schluss Ohne „ausdrückliche Zustimmung“ kann es keine legitime Regierung geben; das ist Lockes Botschaft an die Adresse aller, die entweder behaupten, Zustimmung sei überhaupt keine Bedingung legitimer Herrschaft, oder aber sich auf die „stillschweigende Zustimmung“ der Bürger berufen. Dabei handelt es sich zunächst einmal um die Verteidiger von de facto-Herrschaft, denen daran gelegen ist, dass die faktisch existente Regierungsform oder Regierung nicht in Frage gestellt wird. Eine solche Begründung von de factoHerrschaft kann genetischer Natur sein und die Absicht bedienen, durch Verweis auf die historischen Wurzeln der bestehenden Herrschaft Diskussionen darüber zu unterbinden, ob die aktuelle Regierungsform beziehungsweise Regierung legitim ist. Beispiele für derartige genetische Begründungen sind die Idee eines Divine Right of Kings, Filmers Theorie eines auf Adam zurückgehenden väterlichen Herrschaftsrechts und die Ableitung von Herrschaft aus der Eroberung eines Landes18 . Mit all diesen Theorien setzt sich Locke in den Zwei Abhandlungen auseinander, und die Stoßrichtung bleibt von Filmer vorgebrachte Kritik, all jene, die von einer natürlichen Freiheit der Menschen ausgingen und die deren Zustimmung zur Bedingung legitimer Herrschaft machten, müssten zugeben, „there cannot be any one man chosen a king without the universal consent of all the people of the world at one instant, nemine contradicente“ (Filmer 2004, 140). Demgegenüber will Locke zeigen, dass seine Theorie auch ohne Annahme einer „ausdrücklichen Zustimmung“ aller Menschen auskommt (wie auch im Falle der Eigentumstheorie, dazu Ludwig 2001, 80). 18 In II § 177 bezieht sich Locke auf die sogenannte „Brady-Controversy“: „Man sagt uns, daß sich die englische Monarchie auf die normannische Eroberung [im Jahre 1066, Anm. M. R.] gründet und daß unsere Fürsten daher einen Rechtsanspruch auf absolute Herrschaft hätten.“ Gegen diese Position des Royalisten Robert Brady und seiner Anhänger vertritt Locke die Auffassung, „daß die Regierung eines Eroberers, die den Unterworfenen gewaltsam aufgezwungen wird, denjenigen, gegen die er kein Recht eines Krieges hatte oder die nicht an dem Krieg, zu dem er berechtigt war, gegen ihn teilnahmen, keinerlei Verpflichtung auferlegt“ (II § 187). Zur Debatte um rechtlichen Status und Konsequenzen der normannischen Eroberung im 17. Jahrhundert siehe Skinner 2002, 239–247 und Weston 1991, 404–409.
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dabei immer dieselbe: Jeder Versuch, die aktuelle Regierungsform oder die aktuelle Regierung durch Ereignisse aus der Vergangenheit zu begründen, wird zurückgewiesen, weil zum Beispiel eine Entscheidung selbst dann, wenn sie im jeweiligen historischen Moment von den Zeitgenossen akzeptiert worden sein mag, die Nachgeborenen nicht binden kann (vgl. II §§ 116, 177, 182). Selbst wenn die Geschichten über den Ursprung von Herrschaft durch Gottes Gnaden, durch Vererbung seit Adam oder durch Eroberung tatsächlich wahr wären, bliebe die Regierungsform oder Regierung, die mit ihrer Hilfe rechtfertigt werden soll, mangels Zustimmung der ihr hier und jetzt Unterworfenen illegitim. De facto-Herrschaft kann aber auch rein instrumentell begründet werden, im Sinne eines Appells, sich der bestehenden Regierungsform oder Regierung zu unterwerfen, ganz einfach deshalb, weil sie funktioniert. Eine solche instrumentelle Begründung von de facto-Herrschaft wäre etwa, die Herrschaft eines Königs gutzuheißen, der den Thron auf fragwürdigem Weg bestiegen hat, dem es aber gelingt, für Ordnung zu sorgen, wie das zu Lockes Zeiten im Laufe der „Allegiance Controversy“ diskutiert wurde.19 Demgegenüber will Locke zeigen, dass eine Herrschaft de facto nicht ausreicht: Eine Regierung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung der Bürger, die ihr attestieren, legitim zu sein.20 Neben den Verteidigern von de facto-Herrschaft werden jene kritisiert, die ohne „ausdrückliche Zustimmung“ der Bürger auszukommen glauben, indem sie sich auf die 19 Das in der „Allegiance Controversy“ diskutierte Thema umreißt Skinner 2002, 270 f.: „The problem of political obligation became a major issue at two moments in the constitutional upheavals of the seventeenth century. The first was in 1649, immediately after the execution of Charles I and the establishment of the Commonwealth. The second was in 1689, immediately after the removal of James II and the acceptance of William and Mary. At both these junctures the new government raised the issue in an acute form by requiring oaths of allegiance to be sworn to its authority [...]. One suggested answer, put forward in 1649 and again in 1689, was that everyone should regard themselves as politically obliged on the grounds that the new government was based on accepting the people’s ultimate sovereign power, and stemmed from the removal of a ruler who had tyrannously sought to deny their rights“, das war die Antwort u. a. von Locke. Die zweite Antwort laut Skinner war eine „providentialist defence of de facto power“ (z. B. Francis Rou, The Lawfulness of Obeying the Present Government, 1649): „The Pauline injunction to obey ,the powers that be‘ was taken to include all successfully constituted political authorities, whether or not they could be shown to possess a just or even a legal title to rule“ (Skinner 2002, 271). 20 Das ist der Hintergrund der von Locke in seinem Vorwort zu den Zwei Abhandlungen geäußerten Hoffnung, sein Werk möge dazu beitragen, „to establish the Throne of our Great Restorer, Our present King William; to make good his Title, in the Consent of the People [...]“ (Locke 1988, 137, dazu Den Hartogh 1990, 115). Weil umstritten war, ob William III. und Mary II. rechtmäßig auf den Thron gelangt waren, wurde in der Formulierung des ihnen zu leistenden „oath of allegiance“ auf jede Behauptung verzichtet, ihre Herrschaft sei „rightful“ (Nenner 1993, 200). Die Whigs, darunter auch Locke, plädierten jedoch „for an enhanced oath of allegiance, with the ‚rightful and lawful‘ clause reinstated“ (Goldie/Wokler 2006, 45). Locke selbst befürwortete die Herrschaft von William III. und Mary II., er war während seines Exils in Holland sogar zu ihrem Vertrauten geworden (Fox Bourne 1876, Bd. 2, 57 f.), doch er hielt es für unzureichend, wenn ihre Herrschaft nur de facto anerkannt wurde: „[...] Locke insisted on explicit oaths renouncing jure divino doctrine (because it did not base allegiance on the justice of William’s invasion [...])“ (Tully 1991, 633).
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Legalität des Herrschaftserwerbs stützen. Für Locke ist auch eine in der Gegenwart etablierte Regierungsform oder Regierung illegitim, die zwar mit dem geltenden positiven Recht in Einklang steht, aber nicht mit dem Naturrecht übereinstimmt. Mit dieser Auffassung vertritt Locke auch ein handfestes politisches Interesse im Rahmen der sogenannten „Exclusion Crisis“:21 Von 1679 an versuchten die Whigs, zu deren Kreis Locke gehörte, den Bruder von König Charles II. – den Duke of York und späteren James II.22 – von der Thronfolge auszuschließen, obwohl sie nicht bestritten, dass er der legale Erbe des Throns war. Sie befürchteten, der katholische Duke of York würde den Katholizismus einführen (vgl. II § 210). Das galt ihnen vor allem deshalb als Bedrohung, weil Katholizismus und Unterdrückung miteinander identifiziert wurden, wie es das unter den Zeitgenossen populäre Diktum des Whig-Protagonisten Shaftesbury zeigt: „Popery and Slavery, like two Sisters, go hand in hand“.23 Versklavung droht laut Locke nun aber bereits dann, wenn jemand die bloße Absicht erkennen lässt, absolute Gewalt über jemanden zu erlangen (II § 17). Die Botschaft ist eindeutig: Der Duke of York mag zwar der legale Thronfolger sein, dennoch ist seine Herrschaft nicht legitim, weil sie dem Zweck jeglicher Regierung – dem „Schutz ihres Lebens, ihrer Freiheiten und ihres Vermögens“ – zuwiderliefe (II § 123); und Menschen haben mangels Gewalt über ihr eigenes Leben gar nicht das Recht, sich der willkürlichen Gewalt eines absolutistischen Herrschers zu unterwerfen (II §§ 23, 168). Wann auch immer eine Regierung entweder selbst absolute Gewalt ausübt oder nach ihr strebt, oder aber versucht, absolute Gewalt „in die Hände eines anderen zu legen“ (wie das im Fall des Duke of York befürchtet wurde24 ), ist Widerstand gerechtfertigt (II § 222), und zwar nicht nur im Sinne eines Rechts auf Selbstverteidigung des Einzelnen, sondern auch eines Rechts auf Beistand für andere.25 Das Urteil darüber, ob eine Situation vorliegt, die zum Widerstand berechtigt, liegt laut Locke beim Volk selbst (II §§ 240, 242). Bedeutet das, 21 Die „conventional textbook wisdom“, die Zwei Abhandlungen seien eine Rechtfertigung der Glorious Revolution (Goldie/Wokler 2006, 47), gilt mittlerweile als widerlegt. Auch wenn die genaue Entstehungszeit nach wie vor umstritten ist, scheint weitgehend Einigkeit über folgende These zu bestehen: „Two Treatises is an Exclusion Tract, not a Revolution Pamphlet“ (Laslett in Locke 1988, 61; diese These vertreten u. a. auch Ashcraft 1980, 44 und Dunn 1984, 31). 22 Der Duke of York (1633–1701) erhielt bei seiner Krönung 1685 die Titel James II., König von England und Irland sowie James VII., König von Schottland. 23 Shaftesbury in seiner Rede vor dem „House of Lords“ vom 25. 3. 1679 (Shaftesbury 1688, 2). Locke war Sekretär und enger Vertrauter Shaftesburys (zu ihrem Verhältnis siehe Laslett in Locke 1988, 25–36 und 41– 45). 24 James II. stand unter dem Verdacht, England einer katholischen Fremdherrschaft durch Rom oder Frankreich unterwerfen zu wollen (Ashcraft 1980, 50). 25 Mit dieser Verteidigung des Rechts, z. B. auch einer unterdrückten Minderheit gegen die Regierung zur Hilfe zu kommen, geht Locke deutlich weiter als Naturrechtslehrer vor ihm, die in der Regel nur die individuelle Notwehr legitimierten (siehe II §§ 129, 135, 159 und Lockes Anmerkung zu II § 91. Dazu Tully 1991, 627).
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dass Locke ein Advokat der Volkssouveränität avant la lettre ist? Gegen diese Annahme spricht, dass Locke deutlich macht, „das Volk könne nicht in der Weise Richter sein [...], daß es nach der Verfassung der Gesellschaft eine höhere Gewalt besitzt, um den Fall zu entscheiden“ (II § 168). Zwar besitzt die Gemeinschaft die „höchste Gewalt für sich, um sich vor den Angriffen und Anschlägen einer Körperschaft, selbst ihrer Gesetzgeber, zu sichern“ (II § 149). Das ist aber nicht im Sinne der Regierungsform zu verstehen, weil diese „höchste Gewalt“ der Gemeinschaft erst dann zum Tragen kommt, wenn die Regierung aufgelöst ist (II § 149, auch II §§ 157, 243). Obwohl Locke demnach keine Volkssouveränität „nach der Verfassung“ (II § 168) vertritt,26 geht er doch davon aus, dass dem Volk „nach einem Gesetz, das allen positiven Gesetzen der Menschen voraufgegangen und weit über diese erhaben ist, jene letzte Entscheidung“ darüber zukommt, ob es „den Himmel anrufen“ darf („Appeal to Heaven“), wenn es keine „Berufungsmöglichkeit auf Erden“ („Appeal on Earth“) gibt (II § 168). Das gilt insbesondere dann, wenn die Regierung selbst, die doch für Gerechtigkeit sorgen sollte, ihre Bürger unterdrückt (II § 20), was bei absolutistischer Herrschaft per definitionem der Fall ist (II § 91). Dass man unter diesen Umständen den „Himmel anrufen“ soll, ist gerade kein Aufruf zu resignativer Duldung, im Gegenteil: Wer den Himmel anruft, stellt damit fest, dass sich die Regierung ihm gegenüber in den Kriegszustand versetzt hat (II § 21), und das berechtigt ihn dazu, „sich dem Angreifenden zu widersetzen“ (II § 232). Die Regierungsform, die Locke in der Zweiten Abhandlung präsentiert, ist diejenige seiner Zeit: das System des King in Parliament. Das Volk besitzt also nicht in dem Sinne „höchste Gewalt“, dass diese im Regierungssystem zu verorten wäre, etwa in einer Volksversammlung als oberster Instanz im Staat. Es ist jedoch die „höchste Gewalt“ gemäß dem Naturrecht (II § 149), und das Naturrecht bildet den Maßstab für alle positiven Gesetze, wobei das wichtigste natürliche Gesetz lautet, „die Erhaltung der Menschheit“ zu fördern (II § 135). Die Reichweite des Naturrechts ist größer als die des positiven Rechts (II §§ 12, 135), weshalb die Befolgung der natürlichen Gesetze nicht in vollem Umfang vor einem irdischen Richter eingeklagt werden kann. Dass das Verhältnis zwischen Gemeinschaft und Regierung nicht auf einem Vertrag beruht, sondern auf „trust“, hat eben auch damit zu tun, dass das natürliche Gesetz der „Erhaltung aller“ der Zweck der Regierung ist (II § 159). Ob dieser Zweck erfüllt wird, lässt sich nun nicht allein mithilfe der positiven Gesetze überprüfen, die Gegenstand von Verträgen sein könnten: Das Vertrauen des Volkes verdient die Regierung nur, wenn sie in Einklang mit den natürlichen Gesetzen handelt (II § 135). Dass Locke
26 Locke hätte die Vorstellung von „popular democracy“ laut Dunn 1969, 128 „grotesquely dangerous and practically absurd“ gefunden.
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diese natürlichen Gesetze als Ausdruck des Willens Gottes sieht (II § 195), zeigt seine Verwurzelung in der christlichen Naturrechtslehre.27 Damit wird deutlich, dass sich Locke im Streit zwischen Liberalismus und Republikanismus keineswegs eindeutig der Seite des Liberalismus zuschlagen lässt. Er vertritt keinen liberalen Prozeduralismus, zumal er betont, dass Zustimmung nur eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung legitimer Herrschaft ist: Eine legitime Regierung ist diejenige, welche die Zustimmung der Gemeinschaft besitzt und mit dem Naturrecht übereinstimmt – und das Recht, einer dem Naturrecht widersprechenden Regierung zuzustimmen, kommt der Gemeinschaft überhaupt nicht zu.28 Locke interessiert sich eben nicht nur für die in der politischen Philosophie der Neuzeit prominente Frage, wie Herrschaft angesichts der Gleichheit der Menschen überhaupt legitimiert werden kann. Wie die politischen Denker der Antike und des Mittelalters fragt er auch danach, was gute Herrschaft ausmacht. Von schlechter Herrschaft – darunter fällt zuallererst der Absolutismus – kann man Locke zufolge im Grunde gar nicht sprechen, denn schlechte Herrschaft ist eigentlich gar keine Herrschaft:29 Der Absolutismus stellt keine Regierungsform dar (II § 90), und ein König, der nicht das Vertrauen des Volkes genießt, ist keiner (II § 239). Er hat überhaupt keine Bürger, die er regieren könnte, weil volle Bürgerschaft auf ausdrücklicher Zustimmung beruht, die dem absolutistischen Herrscher fehlt (II § 122). Absolutismus ist damit nach Lockes Urteil eine Herrschaft von Wahnsinnigen für Wahnsinnige: Es ist Wahnsinn, sich als Bürger dem absolutistischen Löwen zum Fraß anzubieten (II § 93). Wahnsinn ist es aber auch, sich als Herrscher zu gebärden, wenn es in Wahrheit weder Staat noch Bürger gibt, die man regieren könnte.
Literatur Ashcraft, Richard 1980, The „Two Treatises“ and the exclusion crisis: The problem of Lockean political theory as bourgeois ideology, in: Pocock, J. G. A./Ashcraft, Richard, John Locke. Papers read at a Clark library seminar, 10 December 1977, Los Angeles: William Andrews Clark Memorial Library, 27–114 Burns, J. H. 1991, Conclusion, in: Burns, J. H. (Hrsg.) mit Goldie, Mark, The Cambridge History of Political Thought 1450–1700, Cambridge u. a.: Cambridge University Press, 653–656 27 Nicht nur, dass sich die Regierung an den in den natürlichen Gesetzen ausgedrückten Willen Gottes halten muss; Regierende und Bürger dürfen keine Atheisten sein, weil diese weder moralisch noch rechtlich verpf lichtet werden können: „Promises, covenants, and oaths, which are the bonds of human society, can have no hold upon or sanctity for an atheist [...]“ (Locke 1968, 135). 28 S. o. FN 2. 29 Dieser Gedanke ist ein Beispiel für Lockes „second-hand scholastic philosophy“ (Burns 1991, 655) – Thomas von Aquin etwa vertritt die Vorstellung, wenn z. B. ein Gesetz seinem Zweck nicht gerecht werde, handle es sich nicht um ein schlechtes Gesetz, sondern überhaupt nicht um ein Gesetz (Summa Theologica, Prima Secundae, qu. 95, Art. 2, Resp.).
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Den Hartogh 1990, G. A., Express consent and full membership in Locke, in: Political Studies, 38, 1, 105–115 Dunn, John 1980, Consent in the political theory of John Locke, in: ders., Political obligation in its historical context. Essays in political theory, Cambridge u. a.: Cambridge University Press, 29–52 Dunn, John 1984, Locke, Oxford u. New York: Oxford University Press Dunn, John 1969, The political thought of John Locke. An historical account of the argument of the „Two Treatises of Government“, Cambridge: Cambridge University Press Filmer, Robert 2004, Patriarcha and other writings, hrsg. v. Johann P. Sommerville, Cambridge: Cambridge University Press Fox Bourne, H. R. 1876, The life of John Locke, London: Henry S. King & Co. Goldie, Mark/Wokler, Robert (Hrsg.) 2006, The Cambridge History of Eighteenth-Century Political Thought, Cambridge: Cambridge University Press Hennis, Wilhelm 2000, Amtsgedanke und Demokratiebegriff [1961], in: ders., Politikwissenschaftliche Abhandlungen, Band 2: Politikwissenschaft und politisches Denken, Tübingen: Mohr Siebeck, 127–147 Hume, David 1987, Essays moral, political, and literary, hrsg. v. Eugene F. Miller, Indianapolis: Liberty Classics Locke, John 1968, Epistola de Tolerantia/A Letter on Toleration, hrsg. v. Raymond Klibansky, mit einer Einl. und Anmerkungen von J. W. Gough, Oxford: Clarendon Press Locke, John 1988, Two Treatises of Government, hrsg. u. eingel. v. Peter Laslett, Cambridge: Cambridge University Press Locke, John 2007, Zweite Abhandlung über die Regierung, übers. v. Hans Jörn Hoffmann, kommentiert von Ludwig Siep, Frankfurt am Main: Suhrkamp (Suhrkamp Studienbibliothek; 7) Ludwig, Bernd 2001, Arbeit, Geld, Gesetz. Eine Neubestimmung von Aufgabe und Ziel der Eigentumstheorie John Lockes, in: Politisches Denken. Jahrbuch 2001, hrsg. v. Karl Graf Ballestrem, Volker Gerhardt, Henning Ottmann u. Martyn P. Thompson, Stuttgart u. Weimar: J. B. Metzler, 69–104 Macpherson, Crawford B. 1962, The political theory of possessive individualism. Hobbes to Locke, Oxford: Oxford University Press Nenner, Howard 1993, The later Stuart age, in: J. G. A. Pocock (Hrsg.), The varieties of British political thought, 1500–1800, Cambridge: Cambridge University Press, 180–210 [Shaftesbury, Anthony Ashley Cooper 1688] The English States-man the Protestant Oracle being the Earl of Shaftesbury’s Famous Speech [in the House of Lords, March 25. 1679], London Skinner, Quentin 2002, Visions of politics, Band 3: Hobbes and civil science, Cambridge: Cambridge University Press Thomas von Aquin 1977, Summa Theologica. Die deutsche Thomas-Ausgabe, hrsg. v. d. PhilosophischTheologischen Hochschule Walberberg bei Köln, Bd. 13: Das Gesetz (Prima Secundae, qu. 90–105), komment. v. Otto Hermann Pesch, Heidelberg: Kerle; Graz/Wien/Köln: Styria Tully, James 1991, Locke, in: Burns, J. H. mit Goldie, Mark (Hrsg.), The Cambridge History of Political Thought 1450–1700, Cambridge u. a.: Cambridge University Press, 616–656 Weston, Corinne C. 1991, England: ancient constitution and common law, in: Burns, J. H. (Hrsg.) mit Mark Goldie, The Cambridge History of Political Thought 1450–1700, Cambridge u. a.: Cambridge University Press, 374–411
8 Ludwig Siep
Der Zweck des Staates und die Legitimation seiner Gewalten (Kap. 9)
8.1 Die Stellung des 9. Kapitels innerhalb der Zweiten Abhandlung Lockes Zweite Abhandlung über die Regierung ist bekanntlich keine Abhandlung über die „Regierung“ in unserem heutigen deutschen Sprachgebrauch, also die Spitze der Exekutive eines Staates. Zu Beginn des 9. Kapitels, in § 123, spricht er von der Vereinigung der Menschen in „Commonwealths“1 und von deren Ordnung der Rechte und Gewalten, die er „government“ nennt. Da wir „Staat“ und „Staatsordnung“ im Deutschen kaum unterscheiden, kann man von einer Abhandlung über den Staat sprechen (vgl. Siep 2007, 202–204), auch wenn Locke für bestimmte Perspektiven auf den Staat – als Gesamtheit der Bürger, individuellen Akteur oder Körperschaft – andere Ausdrücke gebraucht („commonwealth“, „political society“, „civil society“, „body politic“ etc.). Diese Abhandlung enthält drei Hauptteile. Die ersten sechs Kapitel und der erste Teil des 7. Kapitels handeln vom Naturzustand und der natürlichen Gemeinschaft der Familie – in der aristotelischen Tradition des Hauses (oikos) als Lebenserhaltungs- und Fortpf lanzungsgemeinschaft. Mit § 86 des 7. Kapitels wendet sich Locke der politischen Gemeinschaft bzw. dem Staat zu. Der zweite Teil, die Kapitel 8 bis 15, behandeln die Entstehung und den Zweck des Staates, die Legitimation und Ordnung seiner Gewalten sowie die Staatsformen (Kap. 10). „Entstehung“ meint hier nicht primär einen historischen Vorgang. Es geht darum, ob und wie man sich die Zustimmung der Bürger zum Leben in einer politischen Gemeinschaft, die zumindest einen Teilverzicht auf ihre natürlichen Rechte voraussetzt, freiwillig und damit rechtmäßig (volenti non fit injuria) vorstellen kann. Man kann es nach Locke nur, wenn man diesen Verzicht mit einem Auftrag („trust“) an die politi1 Im Folgenden zitiere ich Lockes Text der Zweiten Abhandlung in der englischen Fassung nach der Edition Lasletts (²1970), in der deutschen nach der überarbeiteten Übersetzung von H. J. Hoffmann in Locke 2007.
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sche Gemeinschaft verbindet, den Schutz dieser Rechte zu garantieren. Die folgenden Kapitel des zweiten Teiles (10–15) erörtern, durch welche Ordnung staatlicher Gewalten und durch welche Staatsformen dieser Auftrag rechtmäßig ausgeführt werden kann. In Kapitel 15 resümiert Locke die Unterschiede zwischen väterlicher, politischer und despotischer Gewalt – immer im Hinblick auf seinen Hauptgegner Robert Filmer, der diese Unterschiede bestreitet. Im dritten Teil, den Kapiteln 16–19, geht es dann um die verschiedenen Formen der Auf lösung eines Staates und der Legitimation zum Widerstand gegen staatliche Gewalt. Im Zentrum stehen die Rechte der Bürger und des Volkes in Fällen der Nichterfüllung des Auftrages, d. h. beim Bruch des Gesellschaftsvertrages und Verstößen gegen das Naturrecht. Die Basis dafür, das natürliche Recht auf Selbstverteidigung gegen einen Aggressor, auch einen schein-legitimen staatlichen, hat Locke schon in den ersten 15 Kapiteln immer wieder antizipierend erörtert. Um den Gang von Lockes Argumentation bis zum 9. Kapitel, seine Konstruktion des Naturzustandes und die im 8. Kapitel erörterten Gründe für die Entstehung des „politischen“ Staates durch Rechtsverzicht und Vertrag, richtig zu verstehen, muss man sie vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit dem politischen Denken seiner Zeit sehen. Dafür sind in den Kapiteln 8 und 9 vor allem drei Philosophen maßgeblich, von denen Locke sich absetzt oder auf die er sich stützt. Beides ist der Fall mit Bezug auf Thomas Hobbes (1588–1659). Hobbes’ Theorie legitimiert eine absolute, durch keine Gesetze gebundene Souveränität, allerdings kein Gottesgnadentum und auch nicht unbedingt eine Monarchie. Locke teilt mit Hobbes den Ausgang von Naturzustand und Gesellschaftsvertrag, wendet sich aber scharf gegen die Legitimierung absoluter Souveränität.2 Historisch hängt das mit seiner Verbindung zum Kreis um Shaftesbury und dessen Opposition gegen die Thronfolge eines am Absolutismus Frankreichs orientierten katholischen Stuarts (James II.) zusammen. Deutlicher als auf Hobbes stützt er sich in der gesamten Abhandlung, wie auch die Zitate zeigen, auf Richard Hooker (1554–1600), den Verteidiger der englischen Hochkirche unter Elisabeth I. Mit Hooker teilt er eine Synthese aus aristotelischen und vertragstheoretischen Grundsätzen, aus der auch bei Hooker die Bindung des Souveräns an Naturrecht und Bürgerrechte folgt (Hooker 1989, 91–96).3 Lockes Berufung auf Hooker hat auch taktische Gründe, er selbst ist ein Kritiker der anglikanischen Royalisten (vgl. Goldie 1983).
2 Locke musste sich in der Zweiten Abhandlung schon deshalb mit Hobbes auseinandersetzen, weil sein Gegner Filmer das ausführlich tut. Dass der Text kaum Hinweise auf Hobbes Schriften enthält (Laslett 1970, 68–75), ist kein Einwand dagegen. 3 Wood (1992, 665) weist aber darauf hin, dass bei Hooker das Volk als unsterblicher Körper gedacht ist, dessen Zustimmung über Jahrhunderte bindend sein kann (vgl. Hooker 1988, 93).
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Eindeutig der Gegner Lockes in beiden Abhandlungen ist Robert Filmer (1588– 1653). Filmers Schriften waren seit 1679 im Streit um den Ausschluss des katholischen Thronfolgers (exclusion crisis, vgl. Ashcraft 1980) als Legitimation unbegrenzter Königsrechte herangezogen worden. Gegen Filmers Theorie des von Gott an Adam verliehenen und auf alle rechtmäßigen Könige vererbten Herrschaftsrechts richtet sich Lockes Konzeption des Naturzustandes. Gott hat alle Menschen als gleichberechtigte Mitglieder der Gattung geschaffen und mit ursprünglichen Rechten ausgestattet. Nur ein Vertrag zum Schutz dieser Rechte kann einen Staat legitimieren. Filmers Adams-Nachfolger verstoßen gegen menschliche und göttliche Rechte.4 Locke trennt nicht so streng wie vor ihm Hobbes und nach ihm Kant zwischen dem Gedankenexperiment von Naturzustand und Gesellschaftsvertrag einerseits und historischen Prozessen – oder mythischen, wie in den biblischen Berichten – der Entstehung des Staates aus kleineren Gemeinschaften andererseits. Das hat zwei Gründe: Einmal, weil er anders als Hobbes den Naturzustand nicht prinzipiell als status belli begreift, als Zustand permanenter Gewaltbereitschaft („kalter Krieg“). Er kann unter günstigen Bedingungen ein friedlicher und für eine gewisse Zeit stabiler Zustand sein. Für Locke ist das Recht in einem Zustand ohne staatliches Gewaltmonopol und öffentliche Gesetze (status naturalis) nicht nur ein Recht auf Selbsterhaltung, das jedem die unbegrenzte Wahl über seine Mittel dazu freilässt – also wie bei Hobbes ein jus in omnia, das aber keine Verpf lichtung der anderen und keine Durchsetzungsgarantien enthält, insofern ein jus in nullum darstellt. Der Naturzustand ist vielmehr mit klaren Rechten und Pf lichten versehen, weil Gott seinen Geschöpfen einen erkennbaren Auftrag zur Selbst- und Gattungserhaltung mitgegeben hat.5 Der zweite Grund, weshalb Locke im 8. Kapitel zusätzlich zur rechtsphilosophischen Hypothese auch eine Geschichte des anfangs friedlichen Naturzustandes „erzählt“, liegt in seiner Auseinandersetzung mit Robert Filmer, der weitgehend biblisch und historisch argumentiert. Locke kann ihm zugestehen, dass die meisten Staaten Monarchien oder monarchischen Ursprungs sind – weil sich nämlich aus der Herrschaft über Familie, Sippe und Stamm allmählich und mit stillschweigender Zustimmung der Beherrschten Königsherrschaften entwickelt haben. Auch diese sind also durch Zustimmung der „Untertanen“ gerechtfertigt, nicht durch göttlichen Auftrag an Adam und seine Nachfolger. Historisch braucht man einen Gesellschaftsvertrag erst, wenn Monarchien in Willkürherrschaft und Verletzung der Untertanenrechte ausarten. Ein solcher Vertrag erschafft die Herrschaft nicht aus dem Nichts, wie in der Hobbesschen Konstruktion – soweit sie nicht von Unterwerfungsverträgen mit bestehenden Herrschern oder Eroberern han4 Zur Widerlegung von Filmers Einwänden im 8. Kapitel vgl. Laslett 1970, 67–70, 75–78. Zu Filmers Einwänden gegen die Vertragstheorie vgl. auch Sommerville1991, XXIII f. 5 Zu den theologischen Voraussetzungen und Lockes Begriff des Naturrechts vgl. in diesem Band Kap. 3. Vgl. dazu auch Ashcraft 1969 sowie Müller 2011.
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delt – sondern er stellt bestehende Herrschaften auf eine rechtliche Basis und begrenzt ihre Befugnisse auf die Erfüllung eines Auftrages. Das achte Kapitel erörtert die Bedingungen eines rechtmäßigen Vertrages, durch den sich Bürger einem politischen Gemeinwesen ein- und unterordnen. Zu dessen Handlungsfähigkeit ist Mehrheitsherrschaft notwendig. Ein solcher Vertrag kann nicht, wie bei Hobbes, eine Souveränität dazu autorisieren, alle Mittel zur Sicherung der Gewaltfreiheit zwischen Bürgern zu ergreifen. Er muss den entstehenden Staatsorganen vielmehr einen Auftrag („trust“) erteilen, die ursprünglichen Rechte („property“) der Bürger zu schützen.6 Denn das ist der Grund für einen jeden, dem Staat beizutreten und der Zweck, an den dessen Legitimität gebunden ist. Das genauer auszuführen ist Gegenstand des 9. Kapitels, das mithin eine zentrale Funktion in der Mitte der Abhandlung einnimmt.
8.2 Die Gliederung des 9. Kapitels Trotz seiner Bedeutung ist das Kapitel eines der kürzesten der gesamten Abhandlung. Es umfasst nur neun Paragraphen. Die ersten fünf behandeln die Gründe, die für jeden Menschen dafür sprechen, den Naturzustand zu verlassen. Aus ihnen folgt, dass die staatliche Gemeinschaft, in die er sich begeben sollte, notwendig verschiedene Gewalten enthalten muss, um die Mängel des Naturzustandes zu überwinden. Ohne die „Ausdifferenzierung“ solcher Gewalten kann der Staat seinen Zweck nicht erfüllen und es gibt keinen legitimen Grund, Menschen seiner Gewalt zu unterwerfen. Die nächsten vier Paragraphen haben es mit diesen Gewalten zu tun. Locke unterscheidet in den ersten Paragraphen drei Gründe für das Verlassen des Naturzustandes. Bei genauer Lektüre enthält der Text des gesamten Kapitels aber noch deutlich mehr (s. u. 8.3). Der Anfang des Kapitels stellt die Frage, die auch bei Hobbes zentral ist: Warum sollten Menschen einen Zustand der unbegrenzten Freiheit und Selbständigkeit aufgeben und sich einer fremden Herrschaft unterwerfen, die ihre Gebote notfalls mit Zwang durchsetzt? Als Antwort reicht Locke aber nicht Hobbes’ These, dass die Menschen nur so ihre Selbsterhaltung und ein Leben ohne ständige Gewaltdrohung sichern können. Sie haben vielmehr von Natur etwas zueigen („property“), bestimmte Rechte, auf die sie nicht verzichten, sondern die sie sichern wollen. Die These Lockes, im Naturzustand verfüge jeder in gleicher Weise über seine „Person“ und sein „Eigentum“ („Person and Possession“), hat zu den Auslegungen geführt, Locke betrachte den Staat nur als Schutzeinrichtung für das vorstaatliche Eigentum bzw. die Eigentümer. Diese Auslegungsrichtung reicht von den amerikanischen Ver6 Zu den zeitgenössischen Quellen dieser Konzeption vgl. Lösch 1999, v. a. S. 237, 273.
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fassungsvätern bis zur „neomarxistischen“ Interpretation von C. B. Macpherson.7 Sie trennt aber nicht klar genug zwischen einem engeren und einem weiteren Sinn von „property“. Besonders deutlich bezieht Locke sich auf den weiten Sinn am Ende des ersten Paragraphen des 9. Kapitels: Die Menschen vereinigen sich zu einem Staat oder schließen sich einem bestehenden an „zum gegenseitigen Schutz ihres Lebens, ihrer Freiheiten und ihres Vermögens, was ich unter der allgemeinen Bezeichnung Eigentum zusammenfasse“ (II § 123). Staatszweck ist also die Sicherung des, wie Kant später sagt, „rechtlich Meinen“ (meum juris, Kant 1968, Bd. VI., 247) und zu den „Liberties“ gehören eine Reihe der Rechte, die man später Menschen- und Bürgerrechte, oder in der gegenwärtigen deutschen Verfassung „Grundrechte“ nennt.8 Dazu gehört das Recht, Eigentum zu erwerben, aber auch etwa die Religionsfreiheit (Laslett 1970, 100–106; Viner 1963). Für das Eigentumsrecht an Sachen und Dienstleistungen benutzt Locke in der Regel die Begriffe „possession“ oder „estate“ (wie am Anfang und Ende von § 123), manchmal aber auch „property“. Auf die Frage der Rangfolge der Grundrechte komme ich noch zurück (s. u. S. 123 f.).
8.3 Die Mängel des Naturzustandes (II §§ 123–127) Der Naturzustand der gleichen Rechte muss in jedermanns Interesse verlassen werden, weil er unsicher ist. Diese These teilt Locke mit Hobbes und vielen anderen Zeitgenossen (z. B. Hooker und Spinoza). Zumindest einen der Gründe für Hobbes kann Locke indes nicht teilen: Die Unsicherheit liegt nicht daran, dass die Rechte aller Menschen im Naturzustand unbegrenzt sind (jus in omnia). Für Locke gibt es klare Grenzen, die aus dem Gebot der Gattungserhaltung folgen: Gegenüber den Mitmenschen gehört dazu das Verbot der Schädigung durch Gewalt oder indirekt durch Entzug von Lebensmitteln – daher das Verbot der Monopolisierung lebensnotwendiger Güter und das Gebot, Lebensmittel, die man anderen entzieht, auch zu gebrauchen. Grenzen der Freiheit gegenüber sich selbst sind das Verbot der Selbsttötung und die Begrenzung des Rechts, sich freiwillig in die Sklaverei zu begeben – das ist nur als letztes Mittel zur Lebensrettung erlaubt.9 Der Naturzustand ist daher nicht per se Kriegszustand, wie Locke in II 7 Vgl. Macpherson 1973, 281, 294; kritisch dazu Laslett 1970, 307; Ashcraft 1980; Waldron 2002, Kap. 4 u. 5; Siep 2007, 313 f. 8 Zum Eigentum an grundlegenden Rechten bei Locke vgl. Simmons 1992 sowie zu den Quellen Lockes Schüßler 2007. Auch Lockes Sequenz von „life, liberty und estate“ hat Vorläufer bei Grotius und im England der ersten Hälfte des 17. Jh. (vgl. Schüßler 2007, 262). 9 Es gibt für Locke anders als für Hobbes auch im Naturzustand keinen Unterwerfungsvertrag (weder individuell noch kollektiv). Die Versklavung des in einem gerechten Krieg Besiegten ist nur eine stillschweigende Duldung, die jederzeit von beiden Seiten gewaltsam beendet werden kann (status belli). Gleichwohl scheint mir Lockes Rechtfertigung der Sklaverei in Kap. 5 letztlich inkonsistent; vgl. dazu Siep 2007, 227–232.
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§ 19 den Hobbesianern einschärft. In den schlichten Anfängen der menschlichen Gemeinschaft hat er durchaus auch ohne explizite politische, d. h. auf Zustimmung und Gewaltmonopol beruhende Gewalt „funktionieren“ können, wie im 8. Kapitel ausgeführt wird.10 Er kann aber leicht in einen Zustand der Gewaltanwendung umschlagen, und in dieser Unsicherheit liegen die Mängel, derentwillen ihn jeder freiwillig verlässt. Diese Mängel und ihre gezielte Überwindung sind Thema des 9. Kapitels. Locke unterscheidet in den nächsten drei Paragraphen drei Mängel des Naturzustandes: Der erste ist das Fehlen einer festgesetzten, auf allgemeiner Zustimmung beruhenden Rechtsordnung – „Law“ in Lockes Worten bezeichnet diese Ordnung, nicht nur ein einzelnes Gesetz. Die wichtigsten Rechte sind zwar als Naturrecht, das von Gott stammt (vgl. dazu in diesem Band Kap. 3), allen rationalen Wesen verständlich und klar („plain and intelligible“), aber die Menschen sind im Naturzustand aus zwei Gründen nicht fähig, seine Verbindlichkeit stets anzuerkennen und zu befolgen: Zum einen sind ihnen ihre eigenen Interessen näher als das Recht aller,11 zum anderen bemühen sie sich wenig um seine Kenntnis („ignorant for want of study of it“). Der zweite Mangel ist das Fehlen einer anerkannten richterlichen Autorität, die alle Streitigkeiten gemäß den Gesetzen entscheiden kann. Zwar hat im Naturzustand nach Locke jeder das Recht und die Pf licht, Verletzungen des Naturrechts zu ahnden (vgl. dazu in diesem Band Kap. 3). Das Naturrecht ist also nicht, wie bei Hobbes, bloß eine unverbindliche innere Überzeugung, die erst durch die Gesetzgebung und Durchsetzung eines Souveräns Verbindlichkeit erhält. Es gibt ferner für die naturrechtliche Strafe bereits Maße, die auch den staatlichen Herrscher binden – während bei Hobbes der Herrscher auch in Bezug auf die Strafen über den Gesetzen steht. Aber nicht nur als Richter „in eigener Sache“, sondern auch als „Rächer“ („revenge“) für das Unrecht anderer schießt der Mensch oft über das Ziel hinaus. Das liegt an der perspektivischen Wahrnehmung und parteiischen Affektivität, die einem den eigenen Schaden (und den der Freunde) größer erscheinen lässt und einen mehr aufregt („too much heat“ II § 125) als der fremde. Wenn jeder über Recht und Unrecht sowie die verdienten Strafen selber entscheidet, darin sind sich auch Hobbes und Hooker sowie später Kant oder Hegel einig, kommt es statt einer Durchführung des Rechts zu einer Spirale von Unrecht und Vergeltung. Der dritte Mangel ist die fehlende Macht der Durchführung eines Urteils über Gesetzesbrüche. Die berechtigte „private“ Durchführung der Strafjustiz im Naturzustand kann auch für den, der sie zu vollstrecken sucht, ein gefährliches Unternehmen sein. Es fehlt also an einer sicheren Durchsetzungsgewalt bzw. an einem Monopol der legitimen 10 Vgl. Hooker 1989, 90: „There being no impossibility in nature considered by itself, but that man might have lived without any public regiment.“ 11 Der Begriff „bias“ („biassed by their interest“) ist heute ein terminus technicus für Befangenheit oder Voreingenommenheit.
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physischen Gewaltausübung. Ohne objektiv festliegende Gesetze, unabhängige Richter und ein Gewaltmonopol zur Durchsetzung des Naturrechts ist die Friedlichkeit dieses Zustandes gefährdet und sein Verlassen für jeden von Vorteil. Wenn der Beitritt oder das Zusammentreten zu einem Staat diese drei Mängel verhindern soll, dann muss ein solcher Staat offenbar über drei Gewalten verfügen: die legislative, judikative und exekutive. Locke spielt schon bei der „Mängelliste“ des Naturzustandes auf die Gesetzgebung, die Rechtsprechung und die Exekutive an.12 Am Ende des Kapitels, in II § 127, nennt er sie ausdrücklich als Gründe, den Naturzustand zu verlassen, und zugleich als Begrenzung der staatlichen Gewalt. Gleichwohl gilt in der Regel nicht Locke, sondern Montesquieu als Begründer der modernen Gewaltentrias. Der Grund ist, dass Locke in der Zweiten Abhandlung noch von anderen Staatsgewalten spricht, nämlich der Gewalt, den Staat nach außen zu vertreten und zu verteidigen (Föderative) oder der Legitimation für vorübergehende übergesetzliche Handlungen durch die Spitze der Exekutive (Prärogative, „executive privilege“). An anderen Stellen, so auch im § 127 des 9. Kapitels, spricht Locke nur von zwei zentralen Staatsgewalten („Legislative and Executive Power“) und führt sie auch auf zwei Gewalten jedes Menschen im Naturzustand zurück. Wichtig ist aber, dass das ursprüngliche Recht der Staaten notwendig mit dem der besonderen Staatsgewalten verbunden ist: „Und hierin sehen wir das ursprüngliche Recht und den Ursprung von beiden, der legislativen und exekutiven Gewalt wie auch der Regierungen und der Gesellschaften selbst“ (II § 127).
8.4 Die Übertragung der beiden positiven Gewalten auf den Staat (II §§ 128–130) Locke legitimiert im Folgenden die staatlichen Gewalten nicht nur als Mittel der Überwindung der Mängel des Naturzustandes, sondern führt sie auch und vor allem auf die natürlichen Rechte zurück, die jeder Mensch im Naturzustand hat. Das sind nach II § 128 „two Powers“, zwei legitime Gewalten: Die eine besteht in der Berechtigung, alles das zu tun, was die eigene Selbsterhaltung und die aller Mitglieder der Gattung fördert. Das Naturrecht der gemeinsamen Selbsterhaltung schließt alle Menschen zu einer Gemeinschaft („one community“) zusammen. Gäbe es nicht verdorbene Menschen, die sie stören, könnte diese Gemeinschaft bestehen bleiben. Dass es solche Menschen gibt, führt Locke allerdings nicht, wie Hooker und die christliche Tradition, auf den Sündenfall und die dadurch verdorbene Gattung zurück (vgl. Hooker 1989, 91). Es liegt auch an äußeren Umständen, z. B. der Einführung der Geldwirtschaft, die ein Streben nach mehr als den notwendigen Subsis12 „established [...] law“ II § 124, „indifferent Judge with Authority“ II § 125, „Power to […] give it due Execution“ II § 126. Locke nennt aber die Judikative nicht ausdrücklich als Staatsgewalt.
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tenzmitteln erst interessant macht. Sie entfesselt damit zwar die menschlichen Laster, beruht aber auf stillschweigendem Konsens und fördert den Lebensstandard insgesamt, stellt also kein Unrecht dar (Schüßler 2007, 279; Siep 2007, 221–224, 235 f.). Im 8. Kapitel hatte Locke gezeigt, dass in einfachen Gesellschaften nur wenige Gesetzesübertretungen stattfinden und sich Vorformen des Politischen auf wechselseitiges Vertrauen gründen lassen. Das 9. Kapitel geht vom Verlust dieses Vertrauens aus. Locke schildert hier nicht mehr die Entstehung großer Staaten aus Sippenverbänden und Stämmen (im 8. Kapitel werden die Indianer genannt), sondern umgekehrt die Herauslösung von einzelnen Staaten aus der umfassenden menschlichen Gemeinschaft. Das ist auch eine Reaktion auf Filmer, für den nur mit dem göttlichen (über Adam vererbten) Recht der Könige solche Staatsbildung erklärbar war. Hätten alle Menschen gleiche Rechte, so wäre die Herausbildung besonderer Staaten durch bestimmte Gruppen nicht auf rechtliche Weise erklärbar. Die Mehrheit des entstehenden Staates würde die Minderheit unterwerfen, die natürlichen Rechte ihrer Mitglieder verletzen.13 Locke antwortet darauf mit grundsätzlichen Argumenten, die erklären sollen, warum es im Interesse jedes Menschen liegt, sich entweder einer bestehenden Gemeinschaft unter staatlichen Gewalten anzuschließen, oder eine solche durch Vereinbarung zu gründen. Aufgrund der Existenz lasterhafter, aggressiver und habsüchtiger Menschen müssen die Menschen sich aus der Gesamtgemeinschaft trennen und kleinere Gemeinschaften („smaller and divided associations“, II § 128) bilden, nämlich die einzelnen Staaten. Diesen müssen sie außer der Gewalt, unumstrittene Regeln für die Selbsterhaltung aller zu erlassen, auch die zweite Gewalt übertragen, die sie im Naturzustand haben: die schon erwähnte Befugnis, Verletzungen des Naturrechts zu bestrafen. Locke unterscheidet in den nächsten beiden Paragraphen aber deutlich zwischen dem Umfang, in dem der einzelne auf die beiden Gewalten verzichtet: Die erste, die Gewalt über alles für die eigene Selbsterhaltung und die der Gattung Notwendige zu entscheiden, gibt er nicht – wie bei Hobbes – vollständig auf. Die Regelungskompetenz der Gesellschaft bleibt vielmehr beschränkt auf das, was für seine Selbsterhaltung und die der übrigen Mitglieder der Gesellschaft notwendig ist. Wenn Gesetze darüber hinausgehen, ist der Einzelne nicht dazu verpf lichtet, sie einzuhalten. Locke denkt an die Fälle, in denen die Exekutive oder auch die Legislative durch Gesetze und Handlungen, die in die Grundrechte der Bürger eingreifen, die Vertragsgrundlage verlassen und die Bürger in einen vorstaatlichen Kriegszustand zurückversetzen. Über einen solchen Fall entscheidet der Bürger letztlich selbst, wenngleich in Absprache mit einer hinreichenden Zahl ebenso betroffener Mitbürger. Wenn das Unrecht ein beträchtliches Ausmaß und eine entsprechende Dauer erreicht hat und alle „Rechtswege“ erschöpft sind, bleibt 13 Filmer richtet diese Einwände gegen Bellarmin, Suarez und Hooker, die vor Locke die These vertraten, Gott habe alle Menschen gleich geschaffen, daher gehe auch von allen die Herrschaftsgewalt aus und müsse per Vertrag übertragen werden. Vgl. Filmer 1991, 5–7, 19–24.
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ihnen der Anruf des göttlichen Richters im Gewissen und der Widerstandskampf (Simmons in diesem Band; Laukötter/Siep 2010, 156 f.). Diese Abwägungen behält sich jeder sozusagen naturrechtlich vor, er verzichtet im Gesellschaftsvertrag nicht darauf. Neben dieser Grenze des Rechtsverzichts hat Locke möglicherweise auch den „Rest“ der Gattung im Blick, der außerhalb der eigenen Gemeinschaft lebt. Auch in dieser Hinsicht hat der eigene Staat keine Regelungsbefugnis – und vom Völkerrecht ist bei Locke, anders als bei dem von ihm gepriesenen Hooker, keine Rede (Hooker 1989, 96–98). Das zweite Naturrecht, das auf den Staat übertragen wird, das Recht auf Bestrafung von Rechtsverletzungen – des eigenen wie des Rechts anderer – wird dagegen restlos auf den Staat übertragen („he wholly gives up“, II § 130). Hier gibt es kein „so weit wie notwendig“ („so far forth […] as require“, II § 129). Offenbar denkt Locke an die Ersetzung von Privatjustiz durch die öffentliche Judikative und Exekutive im Fall privater Rechtsverletzungen. Der erwähnte Widerstand gegen unrechtliche Staatsgewalt fällt nicht darunter, obgleich er nach Locke auch Widerstand gegen einzelne autorisierte Personen („Beamte“) eines solchen Staates umfassen kann (II § 201; vgl. Siep 2007, 294, 370 f.). Offenbar handelt es sich in Lockes Sicht in solchen Fällen nicht um Bestrafung, sondern um naturrechtlich gerechtfertigte Notwehr. Die vollständige Aufgabe des natürlichen Strafrechts – im Unterschied zur an Bedingungen geknüpften Beschränkung des Rechts auf Entscheidung über die Mittel der Selbst- und Gattungserhaltung – formuliert Locke in einer Weise, die für Hobbes die Rechtsübertragung im Gesellschaftsvertrag insgesamt charakterisierte: als eine Verpf lichtung, die eigenen Kräfte der Exekutive („Executive Power of the Society“, II § 130) zur Verfügung zu stellen, soweit es das Gesetz der (zukünftigen) Gesellschaft verlangt. Der unterschiedliche Umfang der Übertragung dieser beiden Gewalten vom Einzelnen auf den Staat kann leicht übersehen werden, wenn man die Zweite Abhandlung über die Regierung nicht im Ganzen im Blick behält: Es gibt nur wenige Paragraphen, in denen Locke nicht die Begrenzung der staatlichen Gewalten und das Recht der Staatsbürger auf Widerstand gegen Tyrannei im Auge hat. Jede Begründung von Rechten und Pf lichten, die dem Widerstandsrecht zuwiderlaufen könnte, muss vermieden werden. Das ist Locke seinem politischen Ziel, dem Widerstand gegen die Restauration einer katholisch-absolutistischen Monarchie, ebenso schuldig wie der Schlüssigkeit seiner „liberalen“ Staatskonzeption.
8.5 Staatszweck: Eigentumsschutz oder Gemeinwohl? (II §§ 130, 131) Wenn die Überwindung der Mängel des Naturzustandes durch die Übertragung der beiden Gewalten, die das Naturrecht jedem Menschen verleiht, der Grund für das Verlassen dieses Zustandes ist, dann ist auch die Gewalt des entstehenden Staates begrenzt
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auf die Behebung dieser Mängel bzw. die Vorsorge dagegen („providing against those three deficits“, II § 131). Die staatlichen Gewalten, die aus dieser Übertragung hervorgehen, haben einen bestimmten Zweck, nämlich die Freiheitsrechte der Bürger besser zu schützen als im Naturzustand. Ohne diesen wäre der Staatszustand schlechter als der Naturzustand – und kein rationales Wesen tauscht freiwillig Besseres gegen Schlechteres (II § 131). Ist der Staat Lockes dann ein „Nachtwächterstaat“, der nur das Eigentum seiner Bürger gegen mögliche Übergriffe schützt – wie ihn etwa moderne „ultraliberale“ Philosophen sehen (vgl. Nozick 1976)? Oder gehören auch „überindividuelle“ Güter zum Staatszweck – man denke an heutige Theorien des „public good“, des „communal good“ oder des Republikanismus (vgl. Waldron 1993; Petitt 1997; Honneth 2011, Kap. A. III., Siep 2005). Die drei letzten Paragraphen des 9. Kapitels (II §§ 129–131) enthalten für diese Frage wichtige Hinweise. Man muss sie genau betrachten, wenn man entscheiden will, wie „individualistisch“ Lockes politische Philosophie ist (vgl. Grant 1991). Locke zählt außer dem Schutz der individuellen Rechte („property“) noch andere Vorteile auf, die für den Einzelnen den partiellen Verzicht auf seine Freiheiten beim Verlassen des Naturzustandes überwiegen – also Gegenstand eines gemeinsamen Tauschvertrages mit dem dadurch legitimierten Staat sein können. In § 130 nennt er „Arbeit, Hilfe und Gesellschaft anderer in dieser Gemeinschaft“ sowie „das Wohl, das Gedeihen und die Sicherheit der Gesellschaft“. Im letzten Paragraphen (II § 131) erwähnt er noch einmal „den Frieden, die Sicherheit und das öffentliche Wohl des Volkes“. Zu den Gütern des sicheren Zusammenlebens, und damit zum Staatszweck, gehören also auch die Arbeit aller, die Unterstützung und die Zusammengehörigkeit, das Gedeihen bzw. die Prosperität, der Friede und die Sicherheit nach innen und nach außen. Das Gewaltmonopol des Staates verlangt ja auch, Übergriffe von außen („Inroads and Invasions“, II § 131) abzuwehren, zum Schutz des Einzelnen und, wie spätere Kapitel über Eroberung und Usurpation erläutern werden (Kap. 16 u. 17), auch zur Erhaltung der gemeinsamen Selbstbestimmung. Locke spricht also durchaus von Aspekten des Gemeinwohls, die über den Schutz der individuellen Rechte hinausgehen. Von der aristotelischen Tradition des bonum commune, nämlich Vervollkommnung und Tugend der Bürger, wie sie sich noch bei Hooker findet (Hooker 1989, 88f., 98f.), ist aber bei ihm kaum noch die Rede. Man kann zwar darauf verweisen, dass für Locke zu den Bedingungen für die ersten Gesellschaftsgründungen die aristotelischen Tugenden der Freundschaft und des wechselseitigen Vertrauens gehören.14 Aber diese Bedingungen werden durch die kulturelle 14 Vgl. § 107: Man müsse voraussetzen, „daß diejenigen, die sich gegenseitig so mochten, um sich in einer Gesellschaft zu vereinigen, ziemlich bekannt und befreundet miteinander waren und sich auch gegenseitig vertrauten“. Für Waldron 2002 gehört dies zum „communitarian strand in Locke’s thought“ (125). In § 107 ist aber nur an frühe Stufen der gesellschaftlichen Entwicklung gedacht (in der Tradition der platonischen Unterscheidung zwischen einfacher und luxurierender polis).
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Entwicklung, die Geldwirtschaft und das dadurch geförderte Gewinnstreben weitgehend hinfällig. Das Bedürfnis nach gesetzlicher Gewalt und unabhängiger Judikative entsteht erst, wenn auf sie nicht mehr gerechnet werden kann. Locke denkt, wie Machiavelli und Hobbes, an „moderne“ Staaten, die vom Egoismus ihrer Bürger und der Neigung zu Gesetzesübertretungen („Schwarzfahren“) ausgehen müssen. Daher spricht er im 9. Kapitel von den „schlechten Menschen“, gegen deren Bedrohung es staatlichen Schutzes bedarf. Indirekt werden dadurch freilich auch die Tugenden der Besonnenheit und Mäßigung gefördert, nämlich durch die staatlichen Gesetze gegen Gewalt und ungerechte Übergriffe – und dadurch, dass sich die versittlichende Arbeit lohnt. Zwar spricht Locke in II § 130 primär von der „Arbeit der anderen“ als Bedingung der Steigerung von Prosperität. Nicht nur die Arbeitsteilung, auch die Steigerung der Fruchtbarkeit des bearbeiteten Bodens oder die Viehzucht gehören dazu. Darin liegt ja eine der Rechtfertigungen des Privateigentums als nützlich für das Gemeinwesen und die Gattung insgesamt. Dass Locke der Arbeit aber auch für den sie Verrichtenden eine durch Fleiß und Askese moralisch verbessernde Wirkung zuschreibt,15 geht aus vielen seiner Schriften hervor, bis zu den von heute aus eher skandalösen Stellungnahmen zur Lage der Armen in England.16 Das Gemeinwohl wird also bei Locke primär dadurch gefördert, dass sich „Arbeit lohnt“, weil Privateigentum möglich und stabilisiert wird. Es geht ihm um die Verbindung von privater Autonomie und gesellschaftlichem Wohlergehen. Heute würde man sagen, er geht von einem „trickle down“-Effekt der Wertschöpfung und indirekten Verteilung durch den Markt aus. Aber man kann durchaus auch kompensatorische Aufgaben des Staates bei Locke erkennen. Jeremy Waldron hat vor allem auf § 42 der Ersten Abhandlung hingewiesen, in dem es heißt: „As Justice gives every Man a Title to the product of his honest Industry, and the fair Acquisition of his Ancestors descended to him; so Charity gives every Man a Title to so much out of anothers Plenty, as will keep him from extream want, where he has no means to subsist otherwise“ (I § 42). Waldron folgert daraus, dass die christliche caritas (das „principle of charity“ in diesem Sinne) eine Grundlage der Lockeschen Staatsphilosophie und Eigentumslehre sei (Waldron 2002, 177).17 „Charity“ ist für ihn nicht nur eine Tugend, sondern begründet auch einen Rechtsanspruch, der seinerseits zu den Bedingungen und Begrenzungen des Eigentumsrechts gehöre: „But if poor people have the rights which the First Treatise says they have, then in order to uphold all property entitlements a Lockean government may have to be 15 In II § 34 spricht Locke von den „Fleißigen und Verständigen“, beides ist wohl nicht nur Ursache, sondern auch Folge eigener Arbeit (im Gegensatz zu den „Zänkischen und Streitsüchtigen“, ebd.). 16 Vgl. Locke, An Essay on the poor law, 1997, 182–198 (vgl. 184: „begging drones“, 185: „idle vagabonds“). 17 Waldrons Deutung nimmt Locke weitgehend aus der Tradition der Philosophie des säkularen Staates und seiner moral-neutralen Vertragsbasis heraus. Lockes Toleranz-Idee schließt für ihn aber alle Theisten ein, auch den Islam (229). Dann fragt sich, ob die Grundrechte und die Staatsgewalten auf das christliche Prinzip der Nächstenliebe begründet werden dürfen.
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continually interfering to redistribute surplus goods from the rich to the most needy“ (ebd. 178). Waldrons Argumentation kann hier nicht im Einzelnen erörtert werden.18 Im § 42 der Ersten Abhandlung geht es Locke primär darum, dass das Eigentumsrecht nicht indirekt ein Recht über Leben und Tod oder auch Versklavung der verarmten Mitmenschen rechtfertigen kann. Ein permanenter Umverteilungsauftrag kann daraus nicht gefolgert werden. Wohl aber kann man schließen, dass auch die Gesetzgebung, die auf das Gemeinwohl („publick good“, II § 135) und die Erhaltung („preservation“) aller gerichtet ist, nicht zur Verarmung und zur Versklavung beitragen darf.19 Das bestätigt Kapitel 9 (II § 130), in dem unter den Vorzügen des Staates auch die wechselseitige Unterstützung („assistance, and society of others“) genannt wird. Das heißt nicht nur, dass man Unterstützung bei der Verteidigung des Eigenen gegen Angriffe von außen erwartet. Die Zustimmung zum Verzicht auf die eigene Entscheidung über die Mittel der Selbsterhaltung darf nicht dazu führen, in einem das Eigentum schützenden Staat in existentielle Notlagen zu geraten. Die Gleichheit aller vor dem Gesetz verlangt, dass auch die Einfachsten und Ärmsten („the meanest Men“, II § 94) an Gedeihen („prosperity“, II § 130) und Sicherheit der Selbsterhaltung, nicht nur gegen Gewalt, teilhaben. Steuerliche Belastung, vielleicht auch Enteignung gegen Entschädigung, widerspricht nicht dem Eigentumsschutz.20 Locke hätte es den Lesern der Zweiten Abhandlung in dieser Frage allerdings leichter gemacht, wenn er die unter „property“ zusammengefassten Grundrechte, nämlich Leben, Grundfreiheiten, Eigentumsrecht etc. in eine klare Rangfolge gebracht hätte. Gegen eine solche Gemeinwohlorientierung des Staates sprechen für manche Interpreten Lockes Aussagen zum Wahlrecht und zur stillschweigenden Zustimmung („tacit consent“, vgl. Wood 1992). Indessen geht aus seinen Äußerungen in der Zweiten Abhandlung nur hervor, dass gesetzliche Besteuerung die Zustimmung der Steuerzahler bzw. deren Repräsentanten voraussetzt.21 Ferner, dass das Wahlrecht abgestuft sein sollte nach dem Beitrag zum Gemeinwohl, der auf besteuerbares Vermögen und „Zahl der
18 Problematisch erscheint mir etwa seine Auslegung des § 28 der Zweiten Abhandlung, „the right to consent or withhold consent can be trumped by desperate need“. Es geht beim „consent“ hier nur darum, dass Menschen verhungern würden, wenn im Naturzustand ihre Aneignung von Gütern von der Zustimmung aller abhinge. 19 Bei dem „destroy, enslave […] impoverish“ von § 135 geht es allerdings auch primär um Eigentumseingriffe der Legislative. 20 Vgl. Laslett 1970, 105, 366, sowie Ashcraft 1994, 237 f. Locke hat in einem Manuskript des Toleranzbriefes von 1667 dem Staat ein gesetzliches Recht zur Übertragung des Eigentums von einem auf den anderen zugesprochen (vgl. Laslett, 366). Im Toleranzbrief von 1689 spricht er dem Staat das Recht zu gesetzlichen Eingriffen in das Eigentum nur aus Religionsgründen ab, da der Staat “for the peace, riches and public commodities of the whole people“, nicht aber für das Seelenheil zuständig sei (Ed. Ebbinghaus, S. 84). 21 Nach § 142 bedarf es bei „ständig amtierenden“ legislativen Versammlungen der Zustimmung des Volkes bei Steuergesetzen. Bei denen, deren Mitglieder wenigstens zum Teil „von Zeit zu Zeit von ihm selbst gewählte“ Abgeordnete sind, ist die Zustimmung gesichert.
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Bevölkerung“ (also auch der Soldaten) zurückgeht.22 Sicher hat Locke die Zustimmung der Bürger nicht so explizit an das Wahlrecht gebunden wie die radikal-demokratischen Levellers im englischen Bürgerkrieg. Das Prinzip „one man, one vote“ gilt für Locke so wenig wie in Theorie und Praxis des Wahlrechts in den meisten Staaten bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Er hat aber auch niemanden generell vom Wahlrecht „des Volkes“ ausgeschlossen, um die politische Mitbestimmung auf einen kleinen Kreis von Eigentümern zu beschränken (Macpherson 1973, 280).23 Zu dem „Volk“, von dem Locke spricht, gehören nicht nur Menschen, die von ihrem Eigentum an Sachen oder der Verfügung über die Arbeit anderer leben. Die Gesetze, die dem „Wohl des Volkes“ dienen sollen, sind für alle gleich, „für den Günstling am Hof ebenso wie für den Bauern am Pf lug“ (II § 142). Sie gelten nicht nur für alle, sondern müssen auch die Zustimmung aller haben. Gehört zum Staatszweck, zum Gemeinwohl, zum „salus populi“ (II § 158) also mehr als der Schutz der Individualrechte? Gehört dazu auch die Verwirklichung der politischen Natur des Menschen in einem Gemeinwesen, in dem – nach aristotelischer Tradition – über Recht und Unrecht gemeinsam und öffentlich diskutiert wird? Man kann nicht sagen, dass dies im Zentrum der politischen Philosophie Lockes stünde. Bei den Grundfreiheiten ist weniger von Mitwirkungsrechten die Rede als von Schutz- und Abwehrrechten. Aber gemeinsame Selbstbestimmung gleichberechtigter Bürger ist sicher ein Grundbestandteil der Lockeschen Konzeption. Wenn alle von Natur frei und gleich sind, dann können sie es auf Dauer und im Laufe der Kulturgeschichte nur bleiben, wenn sie sich einer gemeinsamen Gesetzgebung unterwerfen. Der Autonomiegedanke, den Rousseau und Kant sicher deutlicher formulieren, klingt zweifellos bei Locke schon an. Freiheit und Gleichheit als Wesen und Bestimmung des Menschen, so wie sie sich in der Konstruktion des Naturzustandes zeigt, erfordert die Einrichtung „politischer“ Gesellschaften bzw. Staaten, in denen grundsätzlich jeder einen Anteil an der Gesetzgebung hat – also mit Rousseau formuliert, zugleich „Souverän“ und „Untertan“ („sujet“) ist. Das kann nicht, wie bei Hobbes, durch einen Souverän geschehen, dessen Entscheidungen ein für allemal durch die Bürger autorisiert sind – und in diesem Sinne als „ihr Wille“ gelten –, der aber durch seine eigenen Gesetze nicht gebunden ist (lege absolutus). Zwar kann bei Locke die fortdauernde und vererbbare „Spitze“ der Exekutive, der Monarch, Teil der gesetzgebenden Gewalt sein. Aber nur als dieser Teil, zusammen mit dem Parlament („king in parliament“) ist er die höchste Gewalt, nicht ohne und über
22 Kriterium für die Repräsentation sind nach § 158 „Reichtum und Bevölkerungszahl“ sowie der „Beistand“, den jemand „der Öffentlichkeit leistet“. Historisch geht es um die Abschaffung der alten Repräsentationsrechte von inzwischen verlassenen und verfallenen Siedlungen („rotten borroughs“). 23 Für Waldron fordert Locke in der Zweiten Abhandlung nur: „the owners of any property liable to taxation […] must be represented“ – nicht, dass alle anderen vom Wahlrecht ausgeschlossen werden müssen (2002, 119).
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ihm.24 Dass zumindest ein Teil der Gesetzgebung vom Volk als Ganzem beauftragt ist, gehört zur Rechtmäßigkeit einer Staatsordnung. Die Legislative ist innerhalb der Ordnung der Staatsgewalten prinzipiell die höchste. Sie kann vom Volk zur Rechenschaft gezogen und neu errichtet werden – wenn sie sich widersetzt, auch durch gewaltsame Widerstandshandlungen (vgl. II § 222). Insofern diese Teilhabe an der Gesetzgebung zur „politischen Natur“ des Menschen gehört, ist nicht nur der Schutz von „property“ im Sinne der Freiheiten zu „privaten“ Tätigkeiten und Gütern als Zweck des Staates zu betrachten. Es geht auch um das Gemeinwohl im Sinne des gesellschaftlichen Reichtums („prosperity“) und der wechselseitigen Unterstützung („assistance“), sowie um die Selbstbestimmung durch Anteil an der Gesetzgebung eines souveränen Staates. In ihm darf niemand Gesetze oder staatliche Handlungen zum exklusiven Wohl von Einzelnen oder Gruppen „manipulieren“. Die republikanischen und „kommunitaristischen“ Elemente der politischen Philosophie sind bei Locke sicher schwächer ausgebildet als die liberalen des Schutzes der individuellen Freiheit, aber sie fehlen nicht. Sieht man auf die etwas „unauffälligen“ Teile der Bestimmung des Staatszwecks im 9. Kapitel, dann gehört zum Staatszweck der Schutz der Grundfreiheiten, die Hilfe für die Schwachen und die Gewaltenteilung einschließlich einer das Volk repräsentierenden Gesetzgebung. Das ist gewiss nicht wenig für eine politische Philosophie des 17. Jahrhunderts.
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Volkssouveränität als Herrschaftsbegrenzung: Lockes Theorie des Verfassungsstaats (Kap. 10–14)
Das vorrangige Thema der Zweiten Abhandlung ist die Begrenzung politischer Herrschaft. In nahezu allen Kapiteln spricht sich Locke gegen unbeschränkte und willkürliche Herrschaft aus. Seine Kritik der Sklaverei, die Idee natürlicher Rechte einschließlich der Eigentumstheorie, die naturrechtliche Bindung der Obrigkeit, die konditionale Überantwortung von Regierungsbefugnissen, schließlich auch die Rechtfertigung von Widerstand und Revolution im Enttäuschungsfall verfolgen dasselbe Ziel: Sie dementieren, dass Staatsgewalt notwendigerweise absolut sein muss. Es muss daher überraschen, dass Lockes institutionelle Konzeption der Herrschaftsbeschränkung in der Zweiten Abhandlung, seine Theorie von Verfassungsstaat und Gewaltenteilung in den Kapiteln 10 bis 14, auf wenig Interesse trifft und in der Literatur kaum erörtert wird. Die Interpreten tendieren dazu, von der Naturrechtslehre gleich zu Ausnahmezustand und Widerstandsrecht überzugehen, ohne Lockes konstruktive Theorie politischer Institutionen zu würdigen (Euchner 1969, Dunn 1969, Franklin 1978). Dennoch liegen hier zwei der wichtigsten Innovationen Lockes begründet: eine Konzeption verfassunggebender Volkssouveränität und ein Modell funktionaler Gewaltenteilung mit Gesetzesbindung der Exekutive. In den Kapiteln 10 bis 14 erörtert Locke eine Reihe von Kompetenzen, die in der Tradition der Staatsphilosophie von Jean Bodin über Thomas Hobbes bis Robert Filmer im Begriff der Souveränität zusammengefasst werden. Die Einrichtung der Staatsverfassung, die Verfügung über Gesetzgebung und oberste Exekutivgewalt, die Berufung und Absetzung der obersten Beamten, Begnadigung von Straftätern, Entscheidungen über Krieg, Frieden und Bündnisse mit anderen Staaten sowie die zeitweise Suspendierung der Gesetze gelten der Tradition als Elemente und Merkmale souveräner Herrschaft. Bodin, Hobbes und Filmer hatten argumentiert, dass diese Kompetenzen letztlich in einer Hand liegen müssen. Locke bestreitet nun nicht einfach die These von der notwendig unitarischen und unbegrenzten Souveränität, sondern beantwortet die Frage
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nach der Ansiedlung ihrer Kompetenzen durch die Ausdifferenzierung von drei politisch-institutionellen Feldern, in denen nicht nur unterschiedliche Befugnisse, sondern auch Befugnisse auf unterschiedlichen Ebenen vergeben werden. Das erste Feld betrifft das Verhältnis zwischen dem Volk und den staatlichen Gewalten, das durch eine Unterscheidung zwischen konstituierenden und konstituierten Akteuren geprägt ist. Das durch den Gesellschaftsvertrag geeinte Volk überträgt seine ursprüngliche Gewalt auf politische Organe und bestimmt durch die Vergabe der legislativen Gewalt die Staatsform. Das zweite Feld betrifft die Arbeitsweise der vom Volk eingerichteten Gewalten, die Locke zufolge von der strikten Überordnung der Legislative und der rechtsstaatlichen Gesetzesbindung der Exekutive charakterisiert ist. Legislative und Exekutive unterscheiden sich in ihren Funktionen: Während die Gesetzgebung allgemeine und dauerhafte Normen erzeugt, ist die Exekutive für deren Anwendung auf besondere Fälle zuständig. Lockes Vorschlag unterscheidet sich aber in zwei Punkten von der heute etablierten dreifachen Unterteilung der Staatsgewalt in Legislative, Exekutive und Judikative. Erstens verzichtet er darauf, eine judikative Gewalt eigens auszuweisen. Stattdessen führt er eine föderative Gewalt ein, die die rechtlichen Beziehungen zum Ausland aus der Kompetenzordnung von Legislative und Exekutive herauslöst. Zweitens weist Lockes Konzeption die Besonderheit auf, dass sie die Theorie funktionaler Gewaltenteilung mit der traditionellen englischen Mischverfassung kreuzt, in der der Monarch die gesetzgebende Gewalt mit der Volksvertretung teilt. Die resultierenden Konzeptionen der Gewaltenteilung unterscheiden sich ums Ganze und begründen auch unterschiedliche Verhältnisse zwischen konstituierender und konstituierter Politik. Das dritte Feld schließlich betrifft die Suspendierung von Rechtsstaat und Gewaltenteilung in Not- und Ausnahmefällen, die Theorie der Prärogative. Die Prärogative nimmt die vorher eingeführten Differenzierungen für bestimmte Situationen wieder zurück, ohne dass dafür in jedem Fall antizipierende verfassungsmäßige Vorkehrungen getroffen werden können. Lockes Beweisziel in den Kapiteln 10-13 liegt vorrangig darin zu zeigen, wie das Zusammenwirken zwischen der konstitutiven Gewalt des Volkes und der ordnungsgemäßen Aufteilung von Herrschaftsfunktionen zumindest in den Fällen eine hinreichende Eingrenzung staatlicher Herrschaft erlaubt, in denen sich verfassungsmäßig ermächtigte Akteure innerhalb der Grenzen ihrer Befugnisse bewegen. Dies unterscheidet die Beweisführung von den Kapiteln 15-19, in denen es um Inhaber der Staatsgewalt geht, die diese Autorisierung nicht besitzen und die Grenzen nicht einhalten. Kapitel 14 zur Prärogative ist ein Scharnierkapitel, das die Einhaltung der Verfassungsordnung durch autorisierte Akteure unterstellt und ihnen zusätzliche Mittel jenseits des rechtsstaatlichen Rahmens in die Hand gibt, um den Verfassungszustand zu erhalten. In den folgenden Abschnitten soll zunächst die Unterscheidung zwischen verfassunggebender und verfasster Gewalt erörtert werden (1.), bevor die verschiedenen Kompetenzen der Legislative (2.), der Exekutive, Föderative und Prärogative (3.),
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schließlich das Problem der Mischverfassung in der Rangordnung der Gewalten (4.) zum Thema werden. In einer abschließenden Ref lexion (5.) gehe ich auf das Schicksal naturrechtlicher Ansprüche im Lockeschen Verfassungsstaat ein.
9.1 Konstituierende Gewalt und konstituierte Staatsform Die erste Aufgabe der im Gesellschaftsvertrag begründeten politischen Gemeinschaft ist es, der Ausübung staatlicher Herrschaft eine Form zu verleihen. Die grundlegende Entscheidung betrifft die Frage, wem die gesetzgebende Gewalt anvertraut werden soll; sie legt zugleich die Staatsform oder, was dasselbe ist, die Regierungsform fest. Die gesetzgebende ist mithin eine abgeleitete Gewalt, da ursprünglich die gesamte Gewalt der politischen Gemeinschaft im Volk liegt und unter bestimmten Bedingungen auch wieder an das Volk zurückfällt. In diesem Fall kann das Volk „eine neue Form der Regierung konstituieren“.1 Bei der ursprünglichen und obersten Gewalt des Volkes handelt es sich also um die Macht, eine verfasste Ordnung staatlicher Kompetenzen einzurichten und sie unter bestimmten Bedingungen abzuändern. Zwar verzichtet Locke, wenn er dem Volk die verfassunggebende Gewalt zuspricht, auf den Ausdruck Volkssouveränität, um den es der Sache nach geht. Seine Skepsis dem Souveränitätsbegriff gegenüber resultiert aus den Assoziationen unitarischer, allumfassender und willkürlicher Herrschaft, die mit dem Ausdruck verknüpft sind (II § 83), auch wenn es ihm nicht widersinnig erscheint, von Souveränität auch in einem sehr eingeschränkten Umfang zu sprechen (II § 108). Wenn Locke dem Volk die konstituierende Gewalt zuschreibt, will er jedes voluntaristische Missverständnis vermeiden und zeigen, dass die hierarchische Anordnung Volk – Legislative – Exekutive dem absoluten und willkürlichen Gebrauch der Staatsgewalt gerade entgegengesetzt ist. Locke betont, dass die Entscheidung über die einzurichtende Verfassung bei der Mehrheit des Volkes liegt. Die Mehrheit ist hier zu verstehen als das Prinzip, nach dem der politische Körper überhaupt tätig werden kann, ohne dass bereits eine bestimmte Aggregationsform vorgesehen oder beschlossen sein könnte (II § 95). Wenn sie nicht dem Mehrheitsprinzip folgen, sind Kollektivakteure zur Untätigkeit verdammt (II § 98), so dass es vor aller verfassungsförmigen Festlegung von Abstimmungsmodalitäten Geltung beansprucht. Obwohl Locke sich bemüht, dem Mehrheitsprinzip eine fiktive Rückendeckung als notwendige Implikation des Gesellschaftsvertrags zu verschaffen (II § 99, Waldron 1999a, 108), so erscheint doch eine nicht konventionalistische, sondern eher physikalistische Lesart der verfassunggebenden Gewalt angemessen, deren Ausübung nicht nur als rechtliche Kompetenz, sondern auch als Ausdruck sozialer Macht zu verstehen ist. Die Vorstellung einer Physik des Gemeinwesens, das 1 II § 132, Übers. geändert. Die Kursivierungen des Originaltextes wurden durchgehend weggelassen.
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sich mehrheitlich zu einer bestimmten Verfassungsordnung hin bewegt, unterscheidet sich sowohl von Lockes Forderung allseitiger Einstimmigkeit bei der Gründung der politischen Gemeinschaft als auch von seiner Überzeugung, die Entscheidungsfindung innerhalb verfasster Gewalten müsse im Zweifelsfall dem Mehrheitsprinzip folgen. Die Mehrheitsregel innerhalb der Gesetzgebung kann ihrerseits positivrechtlich modifiziert werden (II § 140, vgl. II § 96), während eine solche einheitliche Festlegung für die Aktivität der verfassunggebenden Gewalt, die allen Abstimmungsregeln vorausliegt, ungereimt wäre. Die Zweite Abhandlung äußert sich nicht zu den Artikulationsformen, in denen verfassunggebende Gewalt legitim zur Geltung gebracht werden kann,2 doch die letztlich physikalische Lesart des Mehrheitsprinzips deutet darauf hin, dass es verfehlt wäre, Locke ein ausgeklügeltes System von Initiativen oder Delegationsregeln zu unterstellen. Auch für den Fall, dass die verfassunggebende Gewalt kanalisiert und delegiert werden sollte, kann sie sich doch nicht in solchen Festlegungen erschöpfen. Locke schließt sich der traditionellen numerischen Einteilung der Staatsformen an, die zwischen Monarchie, Oligarchie und Demokratie nach der Anzahl der Inhaber der gesetzgebenden Gewalt unterscheidet (einer, einige, alle). Die Gesetzgebungsgewalt ist das Ordnungsprinzip der Staatsformen, weil sie die höchste Gewalt im „verfassten Staat“ ist (II § 149). Da sie sich aus der ursprünglichen politischen Gewalt des Volkes ableitet, kann das Volk sie entweder selbst ausüben, indem es sich zur „vollkommenen“ Demokratie konstituiert, oder an eine Person oder Institution vergeben, etwa durch die Einrichtung einer Wahl- oder Erbmonarchie oder einer gewählten oder von einer Erbaristokratie besetzten Versammlung. Die gesamte Gewalt kann selbst im Fall der vollkommenen Demokratie nicht beim Volk verbleiben. Entschließen sich die Bürger zur Selbstgesetzgebung, so bedeutet dies gleichzeitig, dass diese Gesetze nicht durch sie selbst, sondern „durch Beamte ihrer eigenen Wahl“ vollstreckt werden (II § 132). Obwohl es ursprünglich alle politische Gewalt innehat, kann das Volk nicht alle Gewalt ausüben: Auch im Fall einer direkten Volksgesetzgebung muss es die gewaltenteilige Vollstreckung der Gesetze garantieren. Damit geht Locke einen entscheidenden Schritt sowohl über die attische Demokratie als auch über die bei Hobbes durchaus vorgesehene, aber akademisch gebliebene Vorstellung legitimer demokratischer Herrschaft hinaus. Weder die griechische Tradition noch die absolutistische Staatsphilosophie hatten Vorbehalte dagegen, die gesetzgebende Versammlung gleichzeitig mit exekutiven und judikativen Befugnissen auszustatten. In Lockes Vorstellung eines „vollkommen“ demokratischen Verfassungsstaates ist dagegen die Gewaltenteilung bereits eingezogen. Sie bereitet damit die Theorien republikanischer Volksherrschaft bei Rousseau und
2 James Tully berichtet von einem Brief Lockes an Edward Clark, in dem er zur Überantwortung der Regierungsgewalt an Wilhelm von Oranien im Jahr 1689 eine verfassunggebende Versammlung fordere (1993, 12). Aber niemand wird davon ausgehen, dass sich Locke zufolge die Ausübung der verfassunggebenden Gewalt in den Jahren des Umsturzes in der Arbeit einer Versammlung hätte erschöpfen können.
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Kant vor, für die ebenfalls die Gewaltenteilung eine Prinzipienfrage sein wird, während die Entscheidung über direkte oder repräsentative Gesetzgebung pragmatischen Überlegungen folgen kann (Eberl/Niesen 2011, 217–9). In einem entscheidenden Punkt allerdings ist Lockes Verfassungsschema durch die englische Tradition vorgeprägt – hier werden später Rousseau und Kant aus systematischen Gründen von ihm abweichen. Bei der Einsetzung einer gesetzgebenden Gewalt genießen die Bürger nicht nur völlige Freiheit darin, ob sie sie überhaupt aus der Hand geben und wem sie sie überantworten, sondern auch, ob sie sie einem oder mehreren selbständigen Akteuren anvertrauen. Für Locke kann die politische Gemeinschaft „nach Belieben zusammengesetzte und gemischte“ Gesetzgeber schaffen (II § 132), während die spätere republikanische Tradition auf dem europäischen Kontinent sich von der Mischverfassung entschieden absetzen wird. Lockes Unterscheidung zwischen formender Macht und geformten Mächten begründet eine Tradition der Verfassungstheorie, die über Emmanuel Joseph Sieyes’ Unterscheidung zwischen dem pouvoir constituant und den pouvoirs constitués bis zur zeitgenössischen Unterscheidung zwischen „konstitutioneller“ und „gewöhnlicher“ Politik bei Bruce Ackerman und John Rawls reicht (Ackerman 1991; Rawls 2007, 123). Die Pointe der Unterscheidung ist, dass politische Institutionen in ihrer Gesamtheit vom Verfasssunggeber abhängig sind und nur von diesem verändert werden können. Politische Prozesse und Prozesse der Rechtsetzung können entsprechend daraufhin unterschieden werden, in welchem von zwei Modi sie stattfinden, im ordentlichen Modus der Verfassung oder im außerordentlichen Modus der Verfassunggebung oder Verfassungsänderung. Locke nimmt mit der Unterscheidung zwischen der ursprünglichen und formgebenden Gewalt des Volkes und den Gewalten des verfassten Staates ein Begriffspaar des Klerikers George Lawson auf, die Unterscheidung zwischen realer und personaler Majestät. Unter realer Majestät oder Souveränität versteht Lawson die Gewalt, die im gesamten Gemeinwesen liegt und die unter keinen Bedingungen abgetreten werden kann, unter personaler Majestät die Ausübung konstituierter Herrschergewalt in drei Formen: als Legislative, Exekutive und Judikative (Lawson [1659] 1992, 51 f., Franklin 1978, 67). Wie Lawson mehr als zwanzig Jahre zuvor im Ausgang von englischer Revolution und Bürgerkrieg, so verfolgt auch Locke in der sich zuspitzenden Krise um 1680 eine realpolitische Pointe mit seiner Unterscheidung. Indem er die Vergabe der gesetzgebenden Gewalt der konstituierenden Gewalt des Volkes anvertraut, unterläuft Locke die Parteienopposition im Verfassungskonf likt der Gegenwart: Er weist den Monarchen als begrenzt ermächtigtes Verfassungsorgan in seine Schranken und verwirft gleichzeitig die Vorstellung, das reguläre Parlament sei auch souveräner Verfassungsgesetzgeber, denn „[a]llein das Volk kann die Staatsform festsetzen“. Abgetreten hat es nur die „Gewalt, Gesetze zu geben, nicht aber Gesetzgeber zu schaffen“ (II § 141). Die Zweite Abhandlung signalisiert den Konf liktparteien, dass keine übertragene Gewalt an den Bedingungen ihrer Übertragung etwas ändern
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kann (Maus 2011, 126). Unternimmt es nur eine der verfassten Gewalten, ihre Kompetenzen einseitig zu verändern, so kehrt die unumschränkte Kompetenz der Neueinrichtung zum Volk zurück. Dennoch schreckt Lockes Konzeption verfassunggebender Gewalt vor weitergehenden republikanischen Schlussfolgerungen zurück. Dies lässt sich an der Frage aufzeigen, welche anhaltende Rolle die unveräußerliche konstituierende Macht im verfassten Staat spielt. Denn einerseits behält sich die Gesellschaft die Befugnis vor, „die höchste Gewalt, die Legislative abzuberufen oder zu ändern“ (II § 149). Andererseits lässt Locke keinen Zweifel daran, dass die Legislative „geheiligt und unabänderlich in den Händen [liegt], in welche die Gemeinschaft sie einmal gelegt hat“: Das Volk hat „seine politische Gewalt der Legislative übertragen und kann sie nicht wieder zurückfordern“ (II §§ 134, 243, vgl. 157) – es sei denn, die Gesetzgebung hätte das Vertrauen des Volkes verwirkt. Aber im gegenwärtigen Zusammenhang geht es um die reguläre Artikulation der verfassunggebenden Gewalt im Verfassungsstaat, nicht um den Widerstandsfall. Der von Locke vorgesehene Fall, in dem die konstituierende Macht aktiviert wird, betrifft Situationen, in denen die befristete Verleihung gesetzgebender Gewalt abläuft, nämlich „[w]enn die Mehrheit die legislative Gewalt zuerst einer oder mehreren Personen nur für ihre Lebenszeit oder für einen begrenzten Zeitraum überträgt, und die höchste Gewalt danach wieder an sie zurückfällt“ (II § 132). Diese Position ist unbefriedigend, denn erstens kommen auch Erbmonarchien und Erbaristokratien für Locke als legitime Staatsformen in Frage. Für den Fall, dass die Regierenden die verfassungsförmigen Vorgaben einhalten, sind diese offenbar revisionsfest. Zweitens ist der reguläre Rückfall der höchsten Gewalt insofern unterspezifiziert, als nicht zwischen der personellen Neubesetzung der Legislative und ihrer Neueinrichtung unterschieden wird. Locke will ja keinesfalls behaupten, dass mit jedem Ablauf der Legislaturperiode die Neueinrichtung des Parlaments oder der Staatsform insgesamt auf der Tagesordnung steht (II § 243). Eine reformistische, nicht allein auf verfassungswidriges Handeln der Staatsmacht reagierende Ausübung der verfassunggebenden Gewalt kann daher vom Volk nur unter der Voraussetzung aktualisiert werden, dass es selbst ein Revisionsdatum der Staatsform festgelegt hat. Der Verfassunggeber hat es sonst nicht einmal in der Hand, den Staat von einer Monarchie zur Oligarchie, oder von einer Oligarchie zur Demokratie zu reformieren. Noch kann er aus einer gemischten Legislative, an der das Staatsoberhaupt beteiligt ist, eine einheitlich parlamentarische Gesetzgebung machen. Für Locke ist eine einmal ins Leben gerufene Verfassungstradition für Veränderungen auf den kollektiven Widerstandsfall angewiesen. Seine halbherzige Haltung verdankt sich, wie wir weiter unten noch sehen werden, dem Festhalten an der Mischverfassung mit monarchischen Anteilen.
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9.2 Die Reichweite der Legislativgewalt Das grundlegende Verfassungsgesetz regelt die Einsetzung der Legislative, die allen anderen Gewalten im Staate übergeordnet ist. Die Legislative ist Locke zufolge „die Seele, die dem Staat Form, Leben und Einheit verleiht. Von ihr empfangen die einzelnen Glieder ihren gegenseitigen Einf luss, das gegenseitige Mitgefühl und den Zusammenhalt“ (II § 212). Sie soll bestimmen, „wie die Macht des Staates zur Erhaltung der Gemeinschaft und ihrer Glieder gebraucht werden soll“ (II § 143), indem sie höchstrangige Verpf lichtungen für die Staatsbürger erzeugt und eine untergeordnete Exekutivgewalt einsetzt und kontrolliert. Angesichts dieser herausragenden Stellung ist es ungewöhnlich, dass Locke die Kompetenzen der Legislative zunächst negativ bestimmt. Locke will zeigen, dass die Macht der Gesetzgebung nicht absolut und willkürlich ist, sondern einer Reihe von Beschränkungen unterliegt. Er nennt insgesamt vier Grenzen, die die Gesetzgebung respektieren muss: Sie ist inhaltlich vom Naturrecht eingeschränkt (1), auf die Herstellung stabiler und unparteilicher Normen festgelegt (2), sie kann auf das Privateigentum der Untertanen nicht ohne deren Zustimmung zugreifen (3) und darf schließlich die ihr anvertraute Befugnis nicht weitergeben. Der letztgenannte Punkt gehört systematisch zur verfassunggebenden Gewalt und ist oben bereits behandelt worden. Während die inhaltliche Naturrechtsbindung sich gegen die Absolutheit politischer Herrschaft richtet (1), sollen formale und prozedurale Bindungen ihrer willkürlichen Ausübung entgegenwirken (2, 3). (1) Alle staatliche Gewaltausübung operiert unter Beschränkungen des Naturrechts. Sämtliche naturrechtlichen Ansprüche der Individuen, also die Ansprüche auf Selbsterhaltung, Freiheit und den Schutz ihres Sacheigentums, die sie im Naturzustand erheben, sollen im staatlichen Zustand aufrechterhalten werden. Das Naturrecht gilt „als ewige Regel für alle Menschen, für Gesetzgeber wie auch für alle anderen“ (II § 135). Die Naturrechtsbindung der Legislative ist hier keine rein äußerliche Einschränkung der Gesetzgebung aus übergeordneten objektiven Prinzipien. Sie beruht auf den ihrerseits naturrechtlich umschriebenen Autorisierungsbedingungen der Gesetzgebung. Die Macht der Gesetzgebung resultiert aus ihrer einseitigen Einsetzung und Beauftragung; es handelt sich bei ihr um eine „Fiduciary Power“, die auf der Basis einseitigen Vertrauens („trust“) operiert. Jede legitime Gesetzgebung muss daher mit der naturrechtskonformen Zustimmung der Akteure verträglich sein, die sie eingesetzt haben (II § 134). Dies führt dazu, dass die Gesetzgebung einige denkbare Ergebnisse als von vornherein unverträglich mit ihrem Auftrag erkennen und ausschließen kann. Die Grenzen autorisierter Gesetzgebung werden für die unterschiedlichen naturrechtlichen Ansprüche, für Fragen der Selbsterhaltung und Freiheit und für Fragen des Eigentums, unterschiedlich begründet. Gegen den Anspruch auf Selbsterhaltung darf die Gesetzgebung nicht verstoßen, weil die Individuen selbst nicht über ihn verfügen. Die Entscheidungsbefugnis über das eigene Leben könnten die Individuen gar
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nicht dem Gesetzgeber überantworten, selbst wenn sie es wollten. Ebenso argumentiert Locke gegen die Möglichkeit der Selbstversklavung, dass Personen kein Eigentum an der eigenen Person besitzen, das sie nach Wunsch aufgeben könnten (II §§ 23, 135). Die naturrechtlichen Grenzen der Verfügungsgewalt über sich selbst können nun allerdings nicht das Eigentum betreffen, das ja gerade willkürlich veräußert werden können soll. Gegen die Erhaltung des Sacheigentums soll legitime Gesetzgebung aus dem anders gelagerten Grund nicht verstoßen können, dass in sie kein vernünftiger Mensch einwilligen würde. „[M]an kann von keinem vernünftigen Wesen voraussetzen, dass es seine Lebensbedingungen mit der Absicht ändere, sie zu verschlechtern“ (II § 131, vgl. § 137). Die Gesetzgebung kann nicht über Leben und Freiheit der Subjekte verfügen, weil sie nicht überantwortet werden können, und nicht über ihr Eigentum, weil dieses Recht von rationalen Personen nicht überantwortet werden würde. Weil die Legislative nicht unterstellen kann, die Individuen hätten ihr diese Rechte übertragen, kann sie „niemals das Recht haben, sie zu vernichten, zu unterjochen oder mit Vorbedacht auszusaugen“ (II § 135). Allerdings verdient festgehalten zu werden, dass seine naturrechtliche Autorisierung den Gesetzgeber nicht in allen Fällen davon abhalten wird, in Rechte der Bürger einzugreifen. Wenn beispielsweise alle Ansprüche auf Selbsterhaltung unveräußerlich wären, würde Locke in Widerspruch zu seinen Konzeptionen der Todesstrafe und der militärischen Landesverteidigung geraten. Sein Argument besagt nur, dass der Gesetzgeber in keinem Fall unterstellen darf, die Bürger hätten ihre Einwilligung erteilt (Simmons 1993, 104). Er muss sich besonderen Begründungsanforderungen stellen, wenn ihm Eingriffe in Lebens- und Freiheitsrechte zugunsten des öffentlichen Wohls notwendig erscheinen. Locke betont, dass die Verpf lichtungen des natürlichen Gesetzes nicht in der Gesellschaft aufhören, sondern „in vielen Fällen nur enger gezogen“, also präziser formuliert und mit klaren Konsequenzen versehen werden (II § 135). Die Verpf lichtungen des Naturrechts halten an, und die zentrale Aufgabe der positiven Gesetzgebung ist es, eine autoritative Interpretation des natürlichen Gesetzes vorzulegen. Gesetzgebung bedeutet für Locke, „ein öffentliches Urteil darüber zu fällen, was das Naturrecht erfordert […] und dieses Urteil zur Basis der gesellschaftlichen Koordination und Erzwingung zu machen“ (Waldron 1999b, 308, Übers. P. N.). Die Gesetzgebung hat bei Locke also weniger die Aufgabe, Gesetze zu machen im Sinne eines Erfindungsprozesses; sie soll sich vielmehr beschränken auf die Präzisierung derjenigen naturrechtlichen Pf lichten, unter denen wir ohnehin stehen (II § 87–9, 123, 136). Die Erfolgsbedingungen eines naturrechtsepistemisch verstandenen legislativen Prozesses sollen weiter unten erörtert werden (5.). (2) Richtete sich die Verpf lichtung des Gesetzgebers auf seine naturrechtskonforme Autorisierung gegen die Absolutheit und Unumschränktheit politischer Herrschaft, so richtet sich Lockes Gesetzestheorie gegen ihre Willkür. Sie beansprucht, Willkürherrschaft bereits durch formale Eigenschaften der Gesetze ausschließen zu können. Un-
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ter einem Gesetz versteht Locke eine vom Gesetzgeber erlassene, sanktionsbewehrte äußere Handlungsvorschrift, die von Dauer ist, öffentlich bekannt gegeben wird und auf unbestimmte Fälle gleich anzuwenden ist (II § 142). Die höchste Gewalt im Verfassungsstaat kann nicht durch unbestimmte, spontane, nicht-öffentliche Entscheidungen regieren – sie muss berechenbare Handlungsvorschriften produzieren, etwa indem sie die Strafen festsetzt, die bestimmte Verstöße nach sich ziehen, oder indem sie allgemeine Regeln für das Erbrecht festsetzt. Eine allgemeine Befolgungserwartung kann es nur gegenüber einer Autorität geben, die ihre Anforderungen gesetzesförmig formuliert und jenseits der Gesetze die Bürger keinen politischen Verpf lichtungen unterwirft. Stehende, etablierte, veröffentlichte Regeln verringern die Ungewissheit, die im Fall einer Berufung auf ungeschriebenes Recht ausgenutzt werden kann. Denn wie das Gesetz der Natur ist auch das ungeschriebene positive Recht, etwa das von Überlieferungen und Präzedenzentscheidungen geprägte englische Common Law, schwer zu erkennen. Leidenschaften und Interessen können dazu führen, dass es falsch ermittelt und angewendet wird (II § 136, vgl. Grant 1987, 187). Über die allgemeinen Erwägungen zu stehenden Gesetzen hinaus lassen sich drei weitere formale Merkmale von Lockes Gesetzesbegriff identifizieren, die für die Unparteilichkeit der Gesetzesherrschaft bürgen sollen. Erstens sind alle Bürger, auch die Inhaber der gesetzgebenden Gewalt, dem Gesetz unterworfen (II § 94). Für eine nur periodisch tagende Gesetzgebung spricht, dass dann die Gesetzgeber zumindest zeitweise auf nicht-triviale Dauer „selbst jenen Gesetzen unterworfen sind, die sie geschaffen haben“ (II § 143). Zwar unterliegen sie auch als ständig tagende Legislative ihren eigenen Gesetzen, allerdings steht es ihnen immer frei, ein Gesetz, das sie als Einschränkung empfinden, umgehend rückgängig zu machen. Im Unterschied zur Rousseau-Kantischen Tradition, die in der politischen Selbstgesetzgebung ein Ideal der Selbstbestimmung verfolgt, wird bei Locke die Unterwerfung unter das selbst gegebene Gesetz also eher als Anreiz zur Selbstbeschränkung, als „neue und starke Verpf lichtung“ eines ansonsten womöglich aktivistischen Gesetzgebers verstanden (II § 143). Zweitens sind alle demselben Gesetz unterworfen. Entscheidungen ergehen „nach festen stehenden Regeln, die unparteilich und für alle dieselben sind“ (II § 87, Übers. geändert). Das dritte Unparteilichkeits-Merkmal geht über die ausnahmslose und gleiche Geltung des Gesetzes, d. h. die Gleichheit vor dem Gesetz, hinaus und verlangt auch die Gleichheit im Gesetz, also seine semantische Allgemeinheit. Locke betont, die Legislativgewalt müsse „durch öffentlich bekannt gemachte, feste Gesetze regieren, die nicht im Einzelfall abgewandelt werden dürfen, und für reich und arm nur eine Regel („one rule“) haben, für den Günstling am Hofe wie für den Bauern am Pf lug“ (II § 142, Übers. geändert). Das ist unverträglich damit, unter den Akten der Legislative auch „Sondermaßnahmen, die einem engeren Personenkreis oder Einzelpersonen gelten“ zu verstehen (Euchner 1969, 216). Einzelmaßnahmen sind nicht Aufgabe der Legislative, sondern der Exekutive.
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(3) Eigentumsrechte genießen für Locke einen derart stringenten Schutz, dass sie für die Eigentumsgesetzgebung nicht nur formale, sondern auch institutionelle Folgen haben, die über die Vorkehrungen für den Schutz von Leben und Freiheit hinausgehen. Alle Steuergesetzgebung ist dem Vorbehalt „der Zustimmung der Majorität, die sie entweder selbst oder durch ihre gewählten Repräsentanten erteilt“, unterworfen (II § 140). Diese Bedingung verändert die Staatsformenlehre, weil die Zustimmung des Volkes zur Besteuerung, sei es direkt oder durch seine Vertreter, auch in Staaten erforderlich ist, in denen es keinen regulären Anteil an der Gesetzgebung hat. In monarchischen und erbaristokratischen Staaten ohne parlamentarische Vertretung ist legitime Besteuerung grundsätzlich ausgeschlossen, so dass der Grundsatz gilt: No taxation without representation. Damit ergibt sich eine Asymmetrie zwischen der Steuergesetzgebung und allen übrigen naturrechtlich sensiblen Gesetzen. Während es in Monarchien ohne gewähltes Parlament nicht ausgeschlossen ist, dass sie ihre Bürger auf legitime Weise hinrichten, einsperren oder in den Krieg schicken, können sie sie doch in keinem Fall zur Steuerzahlung heranziehen. Umstritten ist, ob Locke auch die Umkehrung des steuerpolitischen Beteiligungsgrundsatzes – no representation without taxation – vertritt, so dass nur Besitzbürger als Wähler der Legislative in Frage kommen. In II § 140 heißt es, dass Regierungen finanziert sein wollen, so dass „jeder, der seinen Anteil an ihrem Schutz genießt, aus seinem Vermögen auch einen angemessenen Anteil zu ihrer Unterhaltung beitragen muss“. Eine weitere Passage scheint anzudeuten, es gebe einen Unterschied zwischen denjenigen Bürgern, „die ein Recht haben, eigens vertreten zu werden“ („to be distinctly represented“, II § 158, Übers. geändert) und anderen, die womöglich nur ein Recht haben, mitvertreten zu werden. Dem lässt sich zwar entgegenhalten, dass „das Volk seine Vertreter nach gerechten und unleugbar gleichen Maßstäben“ wählen solle, aber die „unleugbar gleichen“ Maßstäbe lassen sich selbst so verstehen, dass jeder Bürger einen Anspruch auf Repräsentation „lediglich im Verhältnis zu dem Beistand beanspruchen kann, den er der Öffentlichkeit leistet“ (II § 158). Locke macht also in der Zweiten Abhandlung keine Einwände gegen ein Zensuswahlrecht oder gegen die Exklusion nicht steuerzahlender Staatsbürger von der Bestellung der Gesetzgebung geltend. Damit ist aber die systematische Frage noch nicht entschieden, ob es einen notwendigen oder wenigstens einsichtigen Zusammenhang zwischen Besitz- und Wahlbürgertum bei Locke gibt. Um diese Frage beantworten zu können, muss zunächst geklärt werden, auf welcher der drei Ebenen der Lockeschen Architektonik ein legitimes Gemeinwesen seine besitzlosen Mitglieder vom Wahlrecht ausschließen könnte: im verfassten Wahlrecht, in der Ausübung der verfassunggebenden Gewalt oder bereits beim Abschluss des Gesellschaftsvertrages? Die Deutung, schon beim Abschluss des Gesellschaftsvertrags könne auf die Zustimmung der Besitzlosen verzichtet werden (Macpherson 1962, 232), ist mit den Autorisierungsbedingungen der Gesetzgebung unverträglich. Bereits in der Ers-
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ten Abhandlung wird betont, dass politische Herrschaft nicht ohne einen vorgängigen Konsens aller Beherrschten zustande kommen kann. Selbst Bettler unterwerfen sich politischer Autorität zwar unter ungünstigen Bedingungen, aber freiwillig. „[D]ie Unterwerfung des bedürftigen Bettlers hatte ihren Ursprung nicht im Besitz des Herrn, sondern der Einwilligung des Armen, der es vorzog, eher Knecht zu sein, als zu verhungern“ (I § 43). Ist ein Ausschluss der Armen auf der Ebene des Gesellschaftsvertrages damit ausgeschlossen, so könnte das geeinte Volk immer noch übereinkommen, den Besitzlosen die verfassunggebende Gewalt vorzuenthalten (Cohen 1986, 318). Eine politische Aktivität der Gemeinschaft vor ihrer Ausübung der verfassunggebenden Gewalt ist aber nicht vorgesehen, so dass schwer zu sehen ist, wie es zu einer bindenden Entscheidung über die Teilhabe an der verfassunggebenden Gewalt kommen kann. Deren erste, fundamentale Aufgabe liegt ja darin, mehrheitlich Entscheidungsverfahren zu instituieren. An einmal bestimmte Delegationsregeln zu einer verfassunggebenden Versammlung etwa kann die verfassunggebende Gewalt selbst nicht dauerhaft gebunden sein: Sie stehen im Fall ihres Rückfalls ans Volk wieder auf dem Prüfstand. Die verbleibende Frage lautet also, ob die verfassunggebende Gewalt, die im Volk, also in der Gesamtheit der Besitzenden und der Besitzlosen liegt, die Nichtbesitzenden vom Wahlrecht ausschließen kann. Hier lautet eine Antwort, es sei „extrem unwahrscheinlich“, dass eine verfassunggebende Urversammlung die Gruppe der Besitzlosen „von jeder späteren Teilnahme am politischen Leben ausschließen“ würde (Brocker 2009, 38, Übers. P. N.). Diese Antwort kann aber aus zwei Gründen nicht überzeugen. Erstens lässt sich fragen, unter welchen Bedingungen die Entmachtung der Armen im Prozess der Verfassunggebung als unwahrscheinlich, die Selbstentmachtung aller jedoch, etwa durch die Einrichtung einer Erbmonarchie, als wahrscheinlich gelten soll. Wenn die verfassunggebende Gewalt sich, wie oben ausgeführt, als soziale Mehrheitsmacht zur Geltung bringt, wird ihre Ausübung den historischen Stand politischen Bewusstseins dokumentieren und Auffassungen über politische Gleichheit und Ungleichheit widerspiegeln. Es erscheint verfehlt, sich die Ausübung verfassunggebender Gewalt in der Festlegung des Wahlrechts als Aufgabe aus dem Lehrbuch rationaler Verfassungswahl vorzustellen. Zweitens werden die Armen auch im für sie ungünstigen Fall, in dem sie in der Ausübung verfassunggebender Gewalt zunächst politisch entmündigt werden, nicht „von jeder späteren Teilnahme“ am politischen Leben ausgeschlossen, sondern nur bis zur nächsten Verfassungskrise. So haben jedenfalls Lockes Gegner die Implikationen seiner Theorie verstanden. In dem Moment, in dem die politische Gewalt ans Volk zurückfällt, sind ihre Inhaber „not only landed men, and others with whom the balance of power has rested by the constitution, but copy-holders, servants, and the very faeces Romuli which would not only make a quiet election impractical but bring in a deplorable confusion“.3 Egalitäre Reformen des von Locke akzeptierten inegalitären, 3 William Atwood, The Fundamental Constitution of the English Government (1690), zit. nach Tully 1993, 43.
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auf besteuerbaren Besitz gegründeten englischen Wahlrechts sind also in jeder neuen Verfassungskrise möglich und, je nach historisch erreichtem Bewusstsein, wahrscheinlich.
9.3 Die Exekutiv- und Föderativgewalt, die Prärogative und die fehlende Judikative Locke verleiht der Legislative das Recht festzulegen, wie die gesamte Staatsmacht zugunsten des Gemeinwohls eingesetzt werden soll, untersagt ihr aber nicht nur in der vollkommenen Demokratie die gleichzeitige Ausübung der vollziehenden Gewalt. Er nennt für diese Trennung vier Gründe. Erstens müsste sie dazu dauerhaft im Amt bleiben. Zweitens könnten ihre Mitglieder versucht sein, sich selbst begünstigende Gesetze zu erlassen oder sich drittens selbst von der unparteilichen Vollstreckung der Gesetze auszunehmen. Viertens schließlich könnte die Legislative ein institutionelles Eigeninteresse entwickeln und es auf Kosten des Volks verfolgen. Die Exekutivgewalt wird daher von Locke als funktional selbständige, organisatorisch unterschiedene und einer anderen zeitlichen Logik folgende eingeführt. Sie ist permanent im Amt, weil die Gesetze „beständig vollstreckt oder befolgt“ und Entscheidungen jederzeit umgehend getroffen werden müssen (II § 143–4). Das Verhältnis zwischen Legislative und Exekutive ist in seiner einfachen Form eines der Verantwortlichkeit und bedingungslosen Unterwerfung. Nicht nur ist die Exekutive in ihrer Amtsausübung ausschließlich von Gesetzen autorisiert und daher an deren Einhaltung gebunden, die Legislative kann sie auch nach Belieben einsetzen, absetzen, strafen und ihre Einrichtung neu ordnen. Zwar ist die Exekutive dauernd im Amt, aber die Legislative behält sich vor, die vollziehende Gewalt „aus diesen Händen zurückzunehmen, sobald sie einen Grund dazu findet“ (II § 153). Unter einer unitarischen (nicht-gemischten) Gesetzgebung wird die Dominanz der Legislative auch dadurch ausgedrückt, dass die Einrichtung der Exekutive keinen Verfassungsrang genießt, sondern Veränderungen durch einfach-gesetzliche Regelung unterliegt (II § 152). Ihre Befugnisse werden allerdings, wie im folgenden Abschnitt erörtert werden soll, massiv zurückgenommen für den Fall der gemischten Verfassung nach englischem Muster. Ist der Inhaber der Exekutive selbst Teil der Legislative, ist er ihr nicht verantwortlich und kann weder in seiner gesetzgebenden noch vollziehenden Funktion abgesetzt oder bestraft werden. Auch eine Neuordnung der Exekutivgewalt muss über den Verfassunggeber vermittelt werden. Neben der Exekutivgewalt sieht Lockes Konzeption der Gewaltenteilung nicht ausdrücklich eine richterliche, jedoch eine eigene föderative Gewalt vor. Die Föderativgewalt ist Lockes sichtbarste Innovation innerhalb seines Gewaltenteilungsschemas und gleichzeitig diejenige Position, die in der Rezeptionsgeschichte am wenigsten Interesse
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gefunden hat (Armitage 2009, 41). Die Föderative ist für die Beziehungen mit fremden Bürgern und Staaten sowie zwischen eigenen Bürgern und fremden Bürgern und Staaten zuständig: Bei ihr ist die Kompetenz angesiedelt, Verträge zu schließen, Bündnissen (lat. foedera) beizutreten, internationale Konf likte zwischen Privaten zu entscheiden, den Krieg zu erklären und Frieden zu schließen. Diese Fragen sind in vielen Fällen nicht von der Gesetzgebung vorentschieden. Dennoch untersteht die Föderative wie die Exekutive der nachträglichen Kontrolle der Legislative und kann von ihr abgesetzt und bestraft werden (II § 153). Wie die Legislative ist sie in ihrer Ausübung an das Naturrecht gebunden und darf nur „zur Verhütung und Sühne fremden Unrechts und zum Schutz der Gemeinschaft vor Überfällen und Angriffen“ eingesetzt werden (§ 131). Die Ermächtigung einer eigenständigen föderativen Gewalt liegt in der nur unvollkommenen Beendigung des Naturzustandes begründet. Der Naturzustand und damit die Bedingungen einseitiger Konf liktbeilegung sind ja nur lokal, innerhalb des Staates überwunden. Die funktionale Ausdifferenzierung der Föderative ist notwendig, um die Selbstbehauptung des Staates nach außen zu garantieren, über selbständige Regelungsgewalt verfügt sie außerhalb der Mischverfassung nicht. Exekutive und Föderative sollen im Gegensatz zur Legislative nicht Versammlungen anvertraut werden, sondern in der Hand einer Person liegen; unerwünscht sind in ihrem Fall auch die gegenseitigen Hemmungen, die im Falle der Mischverfassung in die Legislative eingezogen werden. Exekutive und Föderative liegen außerdem „fast immer vereinigt“ in ein und derselben Hand (II § 147–8). Schwierig wäre es Locke zufolge, wenn Exekutive und Föderative getrennt oder im offenen Konf likt miteinander handelten, weil beide auf die „Macht der Gesellschaft“ in Form der Staatsgewalt zurückgreifen müssen (II § 148). Dass Locke die Trennung von Polizeigewalt und Armee für nahezu, nicht aber schlechthin für undurchführbar halten muss, liegt wiederum in der Unterordnung beider Gewalten unter die Legislative begründet, die Organkonf likte untergeordneter Gewalten entscheiden kann. Exekutive und Föderative unterliegen beide verfassungsförmigen und gesetzlichen Festlegungen und dort, wo der Gesetzgeber eine Versammlung ist, der parlamentarischen Kontrolle. Die Prärogative schließlich steht teilweise außerhalb des Verfassungsrahmens. Sie wird zunächst als Recht zu nicht gesetzlich gedeckten, annullierbaren Eilentscheidungen eingeführt. Der Inhaber der Exekutivgewalt darf im Bedarfsfall solange unabhängig von gesetzlichen Richtlinien handeln, bis sich die Legislative der Entscheidung annehmen kann. Die Legislative ist auch in der Lage, die Prärogative „durch ausdrückliche positive Gesetze einzuschränken“ (II § 162) – dies verschiebt ihre außergesetzliche Ausübung allerdings nur auf den Ausnahmefall. Die Prärogative umfasst auch das Recht, gegen bestehende Gesetze zu verstoßen, wenn es für die Erhaltung der Mitglieder des Gemeinwesens erforderlich ist. Ein Beispiel ist die Gefahrenabwehr, die privatrechtliche Ansprüche außer Kraft setzen kann: Droht ein Brand außer Kontrolle zu geraten, darf das Eigentum Unbeteiligter zerstört werden. Die Prärogative ist mithin die
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„Gewalt, ohne Vorschrift des Gesetzes, zuweilen sogar gegen das Gesetz, nach eigener Entscheidung für das öffentliche Wohl zu handeln“ (II § 160). Ihre Ausübung ist dem öffentlichen Wohl, mithin dem Naturrecht (II § 159), nicht aber der Verfassung unterworfen. Die Prärogative unterscheidet sich darin von der Exekutiv- und Föderativgewalt, dass sie nicht dem Gesetzgeber, sondern dem Verfassunggeber Rechenschaft schuldet. Allerdings hat sie selbst keinerlei verfassung- oder gesetzgebenden Befugnisse, man kann sich ihre außergesetzliche Tätigkeit also jeweils nur ausnahmsweise begründet und zeitlich befristet vorstellen. Wo ist die richterliche Gewalt in Lockes Theorie des Verfassungsstaats angesiedelt? Hat Lockes Versäumnis, die Judikative ausdrücklich zur separaten Staatsgewalt zu erklären, systematische Gründe? Übersehen konnte er sie nicht, da ihm George Lawsons Werk bekannt und die dreifache Unterscheidung zumindest rhetorisch seit dem englischen Bürgerkrieg in aller Munde war (Vile 1967, 21). Zudem ist das übergreifende Argument der Zweiten Abhandlung dem Problem geschuldet, dass im Naturzustand jeder in eigener Sache Richter sein muss (II § 13). Eine erste Antwort kann daher lauten, dass richterliche Anordnungen wie die Festnahme und Verurteilung von Beschuldigten zur Vollstreckung des Gesetzes und damit zur Exekutive gehören. Dass die Rechtsprechung systematisch der Exekutive eingeordnet wird, ordnet sie ihr jedoch nicht unter. Locke lässt keinen Zweifel daran, dass die Rechtsprechung in unabhängigen Händen liegen und durch „anerkannte, autorisierte“, „unparteiische und aufrechte Richter“ ausgeübt werden soll (II §§ 136, 131). In einem zweiten, übergreifenden Sinn lässt sich dagegen argumentieren, dass alles Regieren als solches einen judikativen Charakter hat (Laslett 1988, 97). Diese Lesart akzentuiert zu Recht die naturrechtliche Bindung von Lockes Verfassungstheorie. Wenn Locke im Staatsrecht die Legislative zur autorisierten Interpretin des Naturrechts bestellt, bezeichnet er sie als „fest eingesetzten Richter“ (II § 136). Alternativ bestimmt er die Aufgaben von Gesetzgebung (Rechtserkennung) und Exekutive (Rechtserzwingung) zusammengenommen als richterliche Tätigkeit (II § 89). Allerdings dementiert die Gleichsetzung der Judikative mit dem „government“ insgesamt letztlich die selbständige Bedeutung von Lockes Gesetzgebungstheorie. Seine mehrdeutige Rede von richterlicher Tätigkeit im engeren und weiteren Sinn lässt sich daher womöglich eher ordnen, indem man an die gelegentliche, tastende Verwendung des Ausdrucks Schiedsrichter („umpire“) erinnert. Während es im „government“ um legale, also gewaltenteilige Herrschaft geht, nehmen Passagen zum Widerstandsrecht die außer-gesetzliche Bedeutung des Schiedsrichterwesens auf. Im Widerstandsfall ist das Volk „umpire“, nicht „judge“, weil eben nicht nach stehenden Regeln entschieden werden kann (II § 242).4 Die Etablierung institutioneller Verfahren ersetzt nun den Schiedsrichter in der Einheit von Gesetzgebungs- und Gerichtswesen. Die Aus4 Die unterschiedliche Verwendung von umpire und judge ist allerdings in der Zweiten Abhandlung nicht durchgängig stabil.
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differenzierung in Legislative und Exekutive dementiert daher die in den Ref lexionen zum Naturzustand in den Kapiteln 1–6 noch vorgesehene, jedenfalls offen gelassene Möglichkeit, durch die Einführung eines Schiedsrichters eine unparteiliche Beilegung der Konf likte des Naturzustandes zu gewährleisten. Die Staatsaufgabe Konf liktentscheidung, so lässt sich das Argument der Kapitel 10–13 verstehen, kann erst durch die Unterscheidung zwischen prospektiv-legislativer und gesetzesanwendender Gewalt, inklusive der richterlichen Gewalt im engeren Sinn, auf nicht-willkürliche Weise erfüllt werden.
9.4 Die Rangordnung der Gewalten im Staat und das Problem der Mischverfassung Das Rangordnungskapitel erörtert die Komplikationen, die für Lockes Gewaltenteilungslehre aus ihrer Anwendung auf eine gemischte Verfassung resultieren. Daher beginnt es nicht zufällig mit der Erinnerung daran, dass die höchste Gewalt letztlich nicht bei der Legislative, sondern beim Verfassunggeber liegt. Scheinbar entgegen der bisherigen Systematik behauptet Locke, auch der Inhaber der Exekutive könne unter bestimmten Bedingungen „in einem durchaus statthaften Sinn“ als Höchster („Supream“) bezeichnet werden, nämlich dort, wo er Mitinhaber der legislativen Gewalt ist (II § 151). Seine Teilhabe an der Legislative durchkreuzt also den Sinn der bisherigen Unterscheidung zwischen Legislative und Exekutive, da von der Unterwerfung des Monarchen unter eine Gesetzgebung, in der er selbst über ein Vetorecht verfügt, keine Rede sein kann. Dies wirft die Frage auf, ob Lockes konstruktive Aufnahme der Mischverfassung als legitime Regierungsform die Anpassung an unabänderlich scheinende Vorgaben der englischen Tradition spiegelt, oder ob sich auch normative Gründe dafür auffinden lassen, die Gesetzgebung in die Hände mehrerer Teilhaber zu legen. Die Prinzipien der gemischten Verfassung werden manchmal irrtümlich als Prinzipien der Gewaltenteilung verstanden. In Wirklichkeit tragen sie aber zwei ganz andere Gesichtspunkte in die Staatstheorie hinein. Der erste Gesichtspunkt ist die repräsentative Funktion der Mischverfassung als Vertretung aller gesellschaftlichen Stände in der Gesetzgebung. Die englische Verfassung spiegelt die Ständeordnung, indem sie drei selbständige Akteure an der Gesetzgebung beteiligt: einen erblichen Monarchen, eine Versammlung des Erbadels sowie eine Versammlung von Repräsentanten des Bürgertums (II § 213). Die Idee der Ständeordnung hat aber bei Locke keine Bedeutung. Das Oberhaus etwa übernimmt keine selbständige systematische Rolle. Auch dem monarchischen Prinzip schreibt Locke keinen Eigenwert zu. Der zweite Gesichtspunkt ist der der Machtteilung; ihm kommt bei Locke eine erwähnenswerte, wenn auch keine überragende Rolle zu. Während die funktionale Gewaltenteilung hierarchisch angeordnet
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und nach Entscheidungstypen spezifiziert ist, so dass sie die einzelnen Tätigkeitsformen vollständig bei unterschiedlichen Organen ansiedelt, führt die Mischverfassung verschiedene selbständige Organe in ein und derselben Aufgabe zusammen. Damit wird die Erwartung verbunden, dass sich die Akteure gegenseitig ausbalancieren und hemmen (Riklin 2006). Insbesondere dort, wo starke gesetzgeberische Eingriffe in die Gesellschaft vermieden werden sollen, kann die wechselseitige Obstruktion verschiedener Teilhaber an der Legislative den status quo stützen. Lockes sparsame normative Stellungnahmen zur Mischverfassung konzentrieren sich darauf, dass sie geeignet sei, Anreizen zum Machtmissbrauch entgegenzuwirken. Zwar müsse man legislative Versammlungen „nicht so sehr“ fürchten wie allein herrschende Monarchen, da sie periodisch aufgelöst werden können. Dennoch laufen auch Versammlungen Gefahr, ein institutionelles, „von der übrigen Gemeinschaft gesondertes Interesse“ auszubilden und zu verfolgen (II § 138). Auch kritisiert Locke „fortwährende und häufige Zusammenkünfte der Legislative und langwierige Dauer ihrer Versammlungen“, die „dem Volk lästig werden und [...] gefährlichere Übelstände hervorrufen“ können. Hier balanciert das Auf lösungs- und Einberufungsrecht des Monarchen die Machtfülle des parlamentarischen Gesetzgebers, ohne dass dessen „Vorrang“, d. h. seine Position in der hierarchischen Gewaltenteilung, damit in Zweifel gezogen würde (II § 151, 156). Nun könnte man einwenden, dass das Auf lösungs- und Einberufungsrecht nicht intern mit der Teilhabe des Monarchen an der Gesetzgebung verknüpft ist und von ihr abgetrennt werden kann. Das entspräche aber nicht Lockes Systematik, wie sich an der Konstruktion der Verantwortlichkeit im Weigerungsfall erschließt. Der Monarch schuldet nicht etwa dem Parlament Rechenschaft, wenn er versäumt, es einzuberufen, sondern dem Volk (II § 215). Er unterliegt in diesem Fall nicht parlamentarischer Kontrolle, sondern der Korrektur durch die verfassunggebende Gewalt. Der andere Fall, in dem sich Locke für weitgehende normsetzende Befugnisse des Monarchen ausspricht und sie nicht nur aus der Tradition aufnimmt, betrifft die Reform des Wahlrechts. Trotz oder womöglich wegen der Ungereimtheiten, die sich historisch in der Einteilung der Wahlkreise verfestigt haben, traut Locke dem Parlament nicht zu, eine Wahlkreisreform entsprechend der Bevölkerungsentwicklung vorzunehmen. Er ermächtigt den Monarchen, dem skandalösen Zustand abzuhelfen, dass die „Vertretung im Laufe der Zeit sehr ungleich wird und nicht mehr im richtigen Verhältnis zu den Gründen steht, aus denen sie zuerst eingesetzt wurde“ (II § 157). Nun stellt sich angesichts der Unterscheidung zwischen konstituierender und konstituierter Politik die Frage, ob eine solche Reform nicht verfassungsändernden Charakter hat, da sie offenbar die Bedingungen der Übertragung der Legislativgewalt ändert. Locke dreht den Spieß um und behauptet, dass nicht die Reform, sondern der schleichende Verfall politischer Gleichheit die Verfassungsänderung darstellt, der der Monarch bloß entgegenwirkt. Es handle sich nicht um eine neue Einrichtung der Legislative, sondern nur um die „Wiederherstellung der alten und wahren“ (II § 158, vgl. Kelly 2007, 120). Im Gegensatz zum Einberufungs-
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recht ist hier weniger klar, ob die Initiative des Monarchen systematisch unverzichtbar ist, schließlich sei „völlig gleichgültig“, wer dem Volk ermögliche, seine Vertreter nach Grundsätzen der Gleichheit zu wählen (II § 158). Selbst wenn man Lockes halsbrecherischem Versuch folgt, den ungeschriebenen Prinzipien der Tradition anstelle der verbrieften Wahlkreiseinteilung Verfassungsrang zuzuschreiben, so erscheint es doch nicht zwingend, dass der Monarch zur Aufrechterhaltung der Verfassungsprinzipien besser platziert sein soll als die legislative Versammlung. Festzuhalten bleibt, dass in beiden Fällen – der Auf lösung und Einberufung des Parlaments ebenso wie der Wahlkreisreform – die Ermächtigung des Monarchen der Entwicklung parlamentarischer Eigeninteressen entgegensteht. In beiden Fällen entsteht ein riskantes Zusammenspiel zwischen dem Inhaber der Exekutive und der Allgemeinheit unter Umgehung des Parlaments. Wenn die „Bedürfnisse der Öffentlichkeit verlangen, dass alte Gesetze verbessert oder neue Gesetze erlassen werden oder dass irgendwelche Unzuträglichkeiten, die auf dem Volk lasten oder es bedrohen, beseitigt oder verhindert werden“, so können sich Forderungen des Volks in der Mischverfassung an den Inhaber der Exekutivgewalt richten (II § 154). Zwar ist die Ermächtigung eng umschrieben und auf die Erhaltung der bestehenden Verfassung begrenzt – der Monarch dürfte sich also nicht etwa auf naturrechtliche Prinzipien berufen, um eine Verfassungsreform herbeizuführen. Dennoch ist Locke bereit, dem Monarchen in der Mischverfassung einen erheblichen Vorschuss darin einzuräumen, die teils ungeschriebenen Prinzipien der geltenden Verfassung zu identifizieren und zu implementieren, ohne die verfassunggebende Gewalt selbst mit der Klärung zu befassen. Insgesamt droht also die gemischte Ausübung der Legislativgewalt die Gewaltenteilung zur Makulatur zu machen. In der englischen Mischverfassung setzt nicht, wie von Locke vorgesehen, die Legislative die Exekutive ein, die Macht der Exekutive ist nicht von der Legislative abgeleitet (II § 150). Bei Kompetenzüberschreitungen der exekutiven oder föderativen Gewalten – ganz zu schweigen von der prärogativen Gewalt – kann die Legislative sie nicht zur Verantwortung ziehen, absetzen oder strafen. Selbst dort, wo die parlamentarische Verantwortlichkeit vorgesehen bleibt, muss die Kontrolle wirkungslos bleiben, wenn der Gegenstand der Untersuchung gleichzeitig über ein Vetorecht bei allen Entscheidungen verfügt (II § 151). Indem sie die ordentliche Legislative gegenüber dem Monarchen entmachtet und die Parlamentskompetenzen beschneidet, stärkt gleichzeitig die Mischverfassung den Rückbezug auf die verfassunggebende Gewalt des Volkes. Verstößt ein Teilhaber der Legislative gegen seinen Auftrag, oder stehen ihre Teilhaber miteinander im Konf likt, kann keine verfasste Institution, sondern nur das Volk eine Entscheidung herbeiführen (Franklin 1978, 123). Im 13. Kapitel der Zweiten Abhandlung erhält die verfassunggebende Gewalt daher eine dezidiert defensive Lesart; sie verschanzt sich geradezu in der Selbstverteidigung „vor den Angriffen und Anschlägen einer Körperschaft, selbst ihrer Gesetzgeber“ im Plural (II § 149). Lockes Stärkung der verfassunggebenden Gewalt auch gegen das Parlament muss da-
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her als Kompensation der Schwäche der Legislative in der Mischverfassung angesehen werden. Frauke Höntzsch hat in einer scharfsinnigen Interpretation die These formuliert, dass sich Gewaltenteilung und Widerstandsrecht bei Locke zueinander komplementär verhielten, weil das Widerstandsrecht Defizite der Gewaltenteilungslehre auffange: Wo Gerichte fehlen, um für eine wechselseitige Kontrolle zwischen Legislative und Exekutive zu sorgen, müsse die politische Gewalt an das Volk rückgebunden werden (2010, 166, vgl. 175). Tatsächlich muss der Rückfall der politischen Macht an die verfassunggebende Gewalt dort provoziert werden, wo es keine regulären Interorgankontrollen gibt (Löwenstein 1964, 144). Die Kritik, das Konzept der Gewaltenteilung beinhalte in Lockes Konzeption kein verfassungsrechtliches Instrumentarium, um Verstöße zu sanktionieren (Höntzsch 2010, 181), trifft aber nur teilweise zu. Sie gilt nur für die Mischverfassung, während die unitarische parlamentarische Gesetzgebung Föderative und Exekutive kontrollieren und die Prärogative zumindest im Zaum halten kann. Das Widerstandsrecht reagiert auf die Konkurrenz machtbewusster ungebundener Gesetzgebungsakteure und auf die Sabotage der gewaltenteiligen Kontrollbefugnisse durch die Teilhabe des Monarchen an der Legislative, die ihn als Chef der Exekutive und Föderative unantastbar und als Inhaber der Prärogative unkontrollierbar macht. Ebenso steht, wie oben erörtert, die Beteiligung des Königs in der Mischverfassung einer reformistischen Verfassungsperspektive entgegen. Eine einmal eingesetzte Erbmonarchie ist zur Blockade aller regulären Verfassungsrevision imstande, so dass jede Verfassungsreform auf den Widerstandsfall angewiesen ist. Komplementär zueinander verhalten sich daher nicht Gewaltenteilung und Widerstandsrecht, sondern Mischverfassung und Widerstandsrecht einerseits, und Gewaltenteilung und verfassunggebende Volkssouveränität andererseits. Locke ist noch unentschieden, welcher der beiden Entwicklungslinien der Vorzug gebührt und bezieht eine letztlich instabile Zwischenposition.
9.5 Parlamentarischer Grundrechtsschutz Die Zweite Abhandlung enthält keinen Grundrechtskatalog, keine Bill of Rights mit einer präzisen Aufzählung der natürlichen Rechte, die in jedem legitimen Gemeinwesen, zur Not auch gegen den parlamentarischen Gesetzgeber, geschützt werden müssten, und sieht offensichtlich keine verfassungsgerichtliche Überprüfung der Gesetzgebung vor. Sie enthält in ihren Kapiteln 1–6 einen naturrechtlichen Teil, der die bedrohten individuellen Ansprüche des Naturzustands, die Rechte auf Leben, Freiheit und Eigentum entwickelt, und in ihren Kapiteln 10–14 einen öffentlich-rechtlichen Teil, der ein institutionelles und außerinstitutionelles System der Ausübung legitimer Herrschaft skizziert. Es ist aber nicht von vornherein klar, ob und wie die späteren Kapitel eine Lösung des früher entwickelten Problems darstellen. Obwohl Locke mehrfach festhält, dass die
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Rechte des Naturzustands auch im Zustand der bürgerlichen Gesellschaft weiterhin in Kraft sind, erklärt er nicht ausdrücklich, wie er sich ihren Schutz vorstellt. Nach der oben entwickelten Interpretation sollen Volkssouveränität und Gewaltenteilung unter Bedingungen der Einhaltung der Verfassungsordnung durch die Regierenden vielleicht keine hinreichenden, aber doch günstige Bedingungen dafür bereitstellen, dass die natürlichen Rechte der Individuen respektiert werden. Solange der Verfassunggeber nicht selbst tätig wird, liegt die Verantwortung für den Grundrechtsschutz bei der Legislative. Jeremy Waldron hat darauf hingewiesen, dass Locke die Legislative in den Händen einer Versammlung mit „zahlreichen“ Mitgliedern (II § 160) am besten aufgehoben scheint. Für die Privilegierung großer legislativer Versammlungen lassen sich vor allem epistemische Gründe geltend machen. Die Tätigkeit der Gesetzgebung erfordert, dass die Versammlung „die Freiheit hat, das zu erörtern, und die Muße hat, das zu vollenden, was der Gesellschaft zum Wohl gereicht“ (II § 215, Übers. geändert). Insbesondere unter Bedingungen rapiden gesellschaftlichen Wandels würden nicht-parlamentarische Rechtsetzungsprozesse von der Komplexität der Verhältnisse überfordert. Sie würden „die Öffentlichkeit jenes Vorteils berauben, der nur durch eine reif liche Beratung erlangt werden konnte“ (II § 156).5 Zwar schießt Waldron über das Ziel hinaus, wenn er den Naturrechtler Locke als „proto-theorist of deliberative democracy“ bezeichnet (1999a, 82). Wenn die Aufgabe der Gesetzgebung sich darauf beschränkt, eine autoritative Interpretation präexistierender naturrechtlicher Ansprüche zu geben, so steht ja alle demokratische Willensbildung im Dienste des naturrechtlichen Intuitionismus. Lockes Verdienste für eine deliberative Demokratietheorie liegen vielmehr darin, dass er naturrechtlich disponierten Bürgern eine Interpretationsmöglichkeit des parlamentarischen Prozesses gibt, die sie zur loyalen Beteiligung an ihm befähigen kann. Aber die Pointe, dass die Naturrechtsbindung der Gesetzgebung bei Locke nicht anders als durch die Einführung normativer Argumente in die parlamentarische Beratung sichergestellt werden soll, trifft dennoch zu. Die Argumentation des Kapitels 5 etwa, die die Grundlagen und Grenzen gerechter Aneignung von Sacheigentum aus der Appropriation durch Arbeit entwickelt, kann man sich vorstellen als Redebeitrag, der innerhalb des Parlaments zugunsten oder zuungunsten einer bestimmten Eigentumsordnung vorgebracht wird (Waldron 1999a, 69). Eine vorgängige, und sei es naturrechtliche, Festlegung der Parlamentarier vor der Debatte ist dagegen nicht statthaft. Die Vertreter des Volkes müssen „frei handeln und beraten können, wie es nach Prüfung und reif licher Erörterung die Bedürfnisse des Staates und das öffentliche Wohl zu verlangen scheinen. Dazu sind aber diejenigen nicht imstande, die ihre
5 Epistemische Argumente für die Aufteilung der Gesetzgebung in der Mischverfassung und die Beteiligung des Monarchen an ihr sucht man in der Zweiten Abhandlung vergebens. Locke scheint nicht zu vermuten, dass die Qualität der Gesetzgebung, gemessen etwa an der Wahrscheinlichkeit der Naturrechtserkenntnis, durch die Inklusion selbständig legitimierter gesetzgeberischer Akteure steigt.
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Stimme abgeben, bevor sie die Debatte hören und die Gründe auf allen Seiten abgewogen haben“ (II § 222). Dass das Parlament als Erkenntnisorgan naturrechtlicher Ansprüche erfolgreich sein kann, hängt sicher auch von informellen normativen Bindungen der Parlamentarier, etwa ihrer Einbettung in eine „politische Kultur“, ab (Waldron 1999a, 64). Dennoch scheint es irreführend zu behaupten, dass verfassungsförmige Vorgaben der Legislative gänzlich abwesend seien. Das Parlament berät nicht nur im Schatten der Hierarchie einer verfassunggebenden Gewalt, die sich die Möglichkeit der außerordentlichen Auf lösung der Legislative vorbehält, sondern auch in verfassungsmäßig vorgegebenen Verfahren. Dazu gehören institutionelle Zwänge wie die Befassung des Parlaments mit Steuerfragen, ganz gleich in welcher Staatsform. Die Verfassung kann detaillierte Regeln über die befristete Vergabe und Neubesetzung der gesetzgebenden Gewalt beinhalten (II § 153–7), so dass sowohl ihre personelle Zusammensetzung als auch die Befristung der Legislaturperioden nach naturrechts-epistemischen Gesichtspunkten optimiert werden können. Weiterhin ließe sich die Möglichkeit verfolgen, bestimmte Fragen einer „vollkommen“, also unmittelbar demokratischen Behandlung und Entscheidung vorzubehalten. Schließlich bemerkt Locke ausdrücklich, dass Versammlungen durch positive Verfassungsnormen Supermajoritäten abverlangt werden können (II § 96, 99). Jede einzelne Kombination solcher Verfahren wird selbst unter günstigen Bedingungen nicht die Konformität der Gesetzgebung mit natürlichen Rechten garantieren können. Das dynamische Verhältnis zwischen der verfassunggebenden Gewalt des Volkes und den Beratungs- und Entscheidungsverfahren einer parlamentarischen Legislative vermag aber Bedingungen bereitzustellen, unter denen das Gemeinwesen in der Neueinrichtung seiner Institutionen aus Fehlschlägen lernen kann.
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10 A. John Simmons
The Right of Resistance1 (chapt. 16–19)
It is seldom noticed that Locke in fact employs two distinct lines of argument in justifying a general (popular) right of resistance to oppressive government, either of which would be sufficient by itself to justify resistance in some kinds of cases. The two lines are run together and intertwined in the text, a fact that is easy to understand when we see that both appeal to moral limits on the use of force and both centrally utilize the idea of forfeiture. But while there is no logical inconsistency involved in using both styles of argument, we (and Locke) would do well to distinguish them more carefully. For their forces and implications seem quite different. First line: State of war. Locke frequently justifies general resistance on the ground that under certain conditions a state of war exists between the people and their government. Here Locke most often has in mind the case of a tyrannical executive power (such as Charles II or James II), but the legislative may also introduce a state of war with the people: „using force upon the people without authority, and contrary to the trust put in him“ creates „a state of war with the people“ (II § 155; see also, e.g., II §§ 222, 227).2 Remember the causes and consequences of the state of war. Warmakers are those who kill or enslave innocents (or demonstrate the intention of doing so). They straightforwardly breach the most basic requirements of the law of nature, and in thus committing crimes deserving death, they forfeit all rights under that law (and may themselves be law1 Printed originally in: A. John Simmons, On the Edge of Anarchy. Locke, Consent, and the Limits of Society, Princeton: Princeton University Press 1993, chapt. 6.2., 155–166. 2 Von Leyden distinguishes those events that create a state of war from those that create the state of war, and takes this distinction to be important to understanding Locke’s views on dissolution (Von Leyden 1981, 183– 84). I do not really understand the distinction Von Leyden has in mind, nor does he cite any evidence from the text in support of his claim that Locke intends to draw it. In my view, keeping in mind that the state of war is a relational concept for Locke adequately explains Locke’s use of „a“ (to refer to a particular relation of war) and „the” (to refer to more widespread relations of war).
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fully killed or used at will by any other person). Lesser criminals (e. g., pickpockets or muggers) are not warmakers and forfeit only some of their rights by their wrongdoing. Second line: Breach of trust. While Locke often writes as if breach of trust and creating a state of war are one and the same (e. g., II § 222), the two ideas are clearly quite different. The government is entrusted with certain rights for the pursuit of a particular end. When governors act contrary to the terms of this trust, „by this breach of trust they forfeit the power the people had put into their hands“ (II § 222). But a breach of trust need not involve either a basic breach of natural law or the (consequent) forfeiture of all natural rights. The forfeiture at issue is only the forfeiture of the entrusted rights, not any others; and the act by which this forfeiture is accomplished can be in itself quite innocent. If you trust me to manage certain funds, and I merely invest them in a way that is specifically forbidden by the terms of the trust, I may forfeit the entrusted rights. But by my act I neither create a state of war between us (I only break a sort of promise), nor make lawful your killing or enslaving me (or perhaps even imposing any serious punishment at all). If I subsequently (i. e., after the trust is withdrawn) continue to use the funds, you may be justified in using force to recover them. But this subsequent crime is logically distinct from the mere breach of trust itself (which forfeited only the trustee’s entrusted rights, not necessarily any of those rights to which the trustee was born). There are, then, two conceptually distinct kinds of forfeiture at issue in Locke’s justification of general (popular) resistance. Governors who act to kill or enslave their subjects forfeit their rights to be dealt with as persons under the law of nature. Governors who breach their trust forfeit those rights entrusted to them by their subjects, and reduce themselves to the status of ordinary persons without authority (II § 239). But the second kind of forfeiture does not necessitate the first. It brings about the first only if it is a particularly vile sort of breach of trust, or if it is followed by acts of aggression without authority (perhaps in an attempt to retain or regain the previously enjoyed position of lawful power). Now Locke seems to believe that the second kind of forfeiture, in the case of governments at least, does necessitate the first. The trust a government enjoys is an especially vital kind of trust, since it concerns the people’s freedom and well-being. Any breach of this trust, any hindering or altering of government functions intended by the people, threatens the „safety and preservation of the people“ (II § 155). Such breaches are identified by Locke with attempts to wield absolute power, to reduce the people to slavery (II § 222). Even the lesser breaches of trust can be read as signs of „ill designs“ by government (II §§ 149, 225, 230, 239),3 designs that we are presumably supposed to equate with the „sedate, settled design“ (II § 16) that initiates a state of war.
3 Although Locke seems to say that only if lesser breaches occur in „a long train of actings [that] show the councils all tending that way“ (II § 210) can we conclude from them a design to attain absolute power.
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These claims by Locke, however, are not very plausible as they stand, even on his own terms. For if a state of war is only begun by a sedate, settled design on another’s life or freedom, breaches of trust that are passionate and ill-planned, breaches that are minor or isolated, and even major breaches that are just the result of hopeless incompetence,4 should not be taken to begin a state of war between governor(s) and governed. Such breaches will forfeit the trust and will perhaps forfeit other rights as well (justifying punishment of the governor[s]); but they will not entail a forfeiture of all rights by those who govern, nor will they initiate war. Strictly speaking, Locke’s justification of resistance does not require his central use of the concept of the state of war at all. Breach of trust will justify withdrawing the trust and recovering the entrusted rights; wrongful coercive acts by governors subsequent to the trust’s withdrawal will justify resistance and punishment (as between equals in the state of nature); and wrongs done by governors in breaching the trust (both including and beyond the wrong of the breach itself) will be punishable in proportion to their seriousness (which may include the death penalty, for those governors who make war on their subjects). Notice that nothing in this argument gives the state of war a central place in the justification of popular resistance. It seems reasonable to conclude that it was Locke’s rhetorical needs and practical political ambitions that caused the state of war to appear in its starring role in his arguments for the right of resistance. If a state of war exists, of course, it is eminently clear that we may not only oppose, but oppose with arms those who oppress us (II §§ 155, 204).5 And if a state of war exists, we need not debate the question of how serious a punishment the oppressors deserve. Their crimes clearly merit death. The state of war’s unnecessarily large role in Locke’s argument clearly ref lects his view of the specific nature of the breaches of the
4 Incompetent breaches, not resulting from any settled design, cannot consistently be said by Locke to initiate war. Locke says that the people will tolerate „great mistakes“, „slips of human frailty“, „wrong and inconvenient laws“ (etc.), provided there is no „design“ visible to them (II § 225). This suggests, as I have suggested in the text, that even significant breaches of the trust may not introduce a state of war, although they will certainly justify withdrawing the trust and placing it in abler hands (even if the patient people opt not to exercise that right in their role as settlor of the trust). Von Leyden, incorrectly on my view, specifically mentions incompetence as a possible source of a state of war between government and governed (Von Leyden 1981, 181). 5 Locke says very little about the justifiability of the use of violence, either in this context or in general. But his view that unjust war justifies violence by those attacked seems consistent with all but the most ardently pacifist positions on the subject; so his appeal to the (unjust) state of war at this point in his argument serves well his practical aims. In general, Locke’s position on the use of violence seems to be that it is permissible only in response to rights-violations and only then in proportion to the severity of the violation (since it is the forfeiture of the violator’s own rights that makes permissible the use of violence against him). Violence (in varying degrees) will thus routinely be morally permitted to defend against rights-violations, to punish them, or to secure reparations for them. Locke’s chief problem in applying this view to his theory of resistance is this: if governors do not always initiate a state of war when they breach the people’s trust, the unlimited violence against them that war would justify may not always be justified. Violence against them is permissible only in proportion to the moral seriousness of their offenses.
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trust in his own England, and it appears on its face to be an effort on Locke’s part to justify tyrannicide.6 If the preceding analysis is correct (or even nearly correct), it should be reasonably clear what Locke’s right of popular resistance („revolution“) is. It is simply that „right of self-defense“ that all persons possess naturally (as part of their „natural freedom“ or right of self-government) (II §§ 205, 239), that right that each possesses in a state of nature to be free of and to actively resist invasions of life, liberty, health, and estate. This individual right is for each citizen limited by his entrance into civil society, since some of each person’s rights are given up to society and can no longer be exercised or defended by the individual. Society then possesses the right to resist invasions of its rights (i. e., those rights transferred to it by individual members), a right that is again transferred by the entrusting of society’s rights to government. When this trust is breached, the entrusted rights are returned to society (and perhaps to individuals), which can again defend itself against violations of them by removing its oppressors from power and installing a new government (chosen by the majority) designed to better secure those rights (II §§ 222, 227, 239, 243).7 The right of resistance, then, is neither an inalienable right nor a „right of war“ (since war is not necessarily involved in such a breach of trust). It is not even the executive right, although that right to punish may also be exercised against deserving tyrants (the executive right having been returned to the people by the breach of trust). It is rather the simple right to freely determine the course of our lives (within the bounds of 6 See Ashcraft’s different, but also convincing, argument to this same conclusion (Ashcraft 1987, 220–24), as well as Ryan’s remarks on the subject (Ryan 1965, 52). Locke scholars have frequently taken II, 205–6 as evidence of Locke’s prohibition of violence against the king. Even Franklin, whose reading of Locke’s Treatises is rare in acknowledging that work’s radical implications, takes Locke to be opposed to tyrannicide (Franklin 1968, 95). But as Ashcraft observes (ibid., 222), the passages in question seem clearly to allow that if a state of war exists between a king and his people, all bets are off („who can tell what the end will be“ [II § 205]). It is impossible to read (e. g.) II §§ 235 and 239, and all of Locke’s colorful remarks on the state of war, without concluding that his audience would certainly have taken Locke’s argument to sanction tyrannicide („what shall hinder them from prosecuting him who is no king, as they would any other man who has put himself into a state of war with them“ [II § 239]). 7 That Locke thus espouses the right of the people to change their government, rather than a right for inferior magistrates or the people’s representatives (in Parliament generally, or in Commons) to do so, constitutes an important departure from many earlier views (which were developed in fear of democratic revolutions) (see Franklin 1968, 1–2; and Lessnoff 1986, 31, 34, 38). That Locke (as I argue below) allows for individual rights of resistance makes his theory of resistance even more radical. – Locke is often taken to be attacking the very idea of sovereignty in his work (e. g., Barker 1947, „Introduction,“ xxv–xxvi; and Aaron 1971, 281); but there is a fairly clear sense in which he takes the people (society) to be sovereign. While the legislative acts within its trust, it is the „one supreme power“; but the people retain „a supreme power to remove or alter the Legislative,“ so that „the community may be said in this respect to be always the supreme power“ (II §§ 149, 150). The sovereign power possessed by the community is simply the power of a settlor to judge the performance of and withdraw the authority of his trustees. Franklin argues that this is the only adequate solution to the problem of resistance in a mixed constitution (ibid., ix–x, 123), and that Locke is in this offering a theory that corresponds to Lawson’s view of sovereignty (ibid., 89–95). See also Gough 1973, 109–13.
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morality) and to resist encroachments upon it, a right entrusted in part to government, and returned (along with the executive right) by government’s forfeiture of its trust.8 This forfeiture occurs not just on the occasion of an actual, completed breach of trust, but also in the event of a planned breach, anticipated by the people.9 I have thus far characterized Locke’s justification of popular political resistance simply in terms of the government’s breach of the trust that gives it political power. But capturing the full content of Locke’s account of the right of resistance requires that we complicate considerably this simple picture. For individual and minority rights of resistance are not based simply on governmental breach of trust. And the justification of majority resistance turns importantly on the idea of a moral collapse by government that can occur in a variety of ways. Locke’s account of the justification for resistance, then, is in fact considerably more complex than my initial discussion has suggested. Locke prominently distinguishes, for instance, between external causes of the dissolution of government (such as conquest) and internal ones (altering or hindering the legislative, exceeding the trust, etc.). And the idea of „dissolution“ is useful in understanding both individual and majority rights of resistance. But Locke also gives several other quite general formulations of the conditions that justify resistance, formulations that apply to both individual and majority resistance. First, Locke frequently subsumes justified political resistance under the general heading of justified responses to the use of „force without right“ (e. g., II §§ 168, 202). Any time another employs force against us without the right to do so, we may lawfully resist, and this includes occasions when our political superiors exceed their rights (or act as authorities subsequent to the dissolution of government).10 This general for8 The power of society to withdraw its trust is not, of course, equivalent to the power of individuals to withdraw their consent to society. Locke thus avoids the concern of Filmer; that the people’s right to judge would lead straight to anarchy and discord (Patriarcha, II, 17). Locke also argues, of course, that the people will in any event be slow to act against their government (see below). 9 Persons „have not only a right to get out of [tyranny], but to prevent it“ (II § 220; see also II §§ 210, 239; and Grant, 1991, 150–1). Andrew argues that since the public trust can dissolve before actual violation of rights by the government (i. e., even when the people merely judge such a violation to be part of government’s designs), „Locke’s argument that the government not the people initiates rebellion seems questionable“ (Andrew 1988, 110). This criticism of Locke is hard to accept, for criminal conspirators can surely be said to have initiated conf lict with society, even when society’s agents apprehend them prior to any criminal attempts. 10 Locke sometimes goes further, claiming that „whosoever in authority exceeds the power given him by law […] may be opposed as any other man who by force invades the right of another“ (II § 202; my emphasis). This cannot be correct, since Locke allows that prerogative may sometimes be legitimately used „against the direct letter of the law“ (II § 164). (On the necessity of prerogative, Locke and Filmer seem to be largely in agreement [see Patriarcha, III, 8].) Political power (right) or authority is not strictly, but only largely, limited by law; its strict limit is set by the terms of the trust. – Locke distinguishes two ways in which our governors may use „force without right“: „usurpation is the exercise of power which another hath a right to; […] tyranny is the exercise of power beyond right, which nobody can have a right to” (II § 199; my emphases). I will not discuss this distinction further, beyond noting two of the complications raised by it: (1) Are acts of tyranny really confined
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mulation, conjoined with a f lawed and wishful definition of the state of war, allows Locke to claim that any breach of trust by government begins a state of war.11 Second, Locke suggests that cases of justified resistance are ones where the possibility of legal redress for wrongs done is absent: „where the injured party may be relieved and his damages repaired by appeal to the law, there can be no pretence for force, which is only to be used where a man is intercepted from appealing to the law“ (II § 207; see also II §§ 168,176). The problem to which Locke points, of course, is that where the legislative body is not allowed to serve as court of appeals for wrongs done by the executive, or where the legislative (or the people) is itself the culprit, the people (or individuals) have no appeal but to heaven. Their „umpirage“ is taken from them and avenues of peaceful conf lict resolution disappear (II § 227). Being deprived of their umpire, the common judge over them all, the people might seem (given the point of leaving the state of nature for civil society) to be returned to the state of nature by their government’s misconduct. On the other hand, Locke quite explicitly and prominently distinguishes between the dissolution of government and the dissolution of the political society it governed.12 „The usual and almost only way“ the political society itself is dissolved „is the inroad of foreign force making a conquest upon them.“ Such conquest dissolves the union of the people, so that „everyone return[s] to the state he was in before, with a liberty to shift for himself“ (II § 211). The dissolution of society (and the return of each person to the state of nature [simpliciter]), in this case, causes as well the dissolution of the society’s government. Each person has returned to exercises of power that nobody (i. e., no legitimate authority) could rightfully perform (as Locke seems to say), or do they include all exercises of power beyond the rights of the individual governor (which could be all that Locke means here, if the second clause in the quoted definition of tyranny simply means [redundantly] „nobody can have a right to the exercise of power beyond right“)? If the former, Locke needs a third class of uses of force without right (i. e., uses of power that a person could have a right to, but which happen to be beyond the rights of the governor in question). If the latter, usurpation is logically a subclass of tyranny (any usurper exercises power beyond his rights). Locke’s ambiguity on this point is merely one ref lection of his more general tendency to equate all uses of force beyond right (including relatively harmless breaches of trust) with morally monstrous acts of war (which are beyond the rights of any person). (2) Some acts that dissolve government seem to be neither acts of usurpation nor of tyranny (however one defines tyranny), although Locke writes as if he intends the dichotomy to exhaust the possibilities. The failure of the executive to enforce the laws (II § 219), for instance, seems to involve neither exercising power that by right belongs to another nor acting in excess of one’s (anyone’s) assigned rights. It involves rather the failure to perform an assigned (entrusted) duty. 11 As we have seen before, Locke (unconvincingly) tries to define the state of war in terms of „any use of force without right“ (II §§ 155, 181, 227, 232). Since many minor crimes, intended neither to kill nor enslave their victims, involve the use of force without right, I take this definition to be dramatically inconsistent with Locke’s earlier account (in II § 16). His use of the new definition in these sections thus seems to be more for rhetorical than philosophical reasons. 12 And it is hard to see what the point of Locke’s central presentation of the distinction could be except to maintain that in some cases governments are dissolved by misconduct without the destruction of society and the return of each to the state of nature.
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to him his full natural freedom (including his natural right of self-defense), and may lawfully resist the conqueror’s use of force against him (provided this force is not an imposition of just punishment) (II § 192). But „besides this overturning from without, governments are dissolved from within“ (II § 212).13 This „dissolution from within“ occurs when the legislative is altered – by the executive substituting his arbitrary will for the laws (II § 214), by the executive hindering the legislative from assembling or acting freely (II § 215), by the executive changing „the electors or ways of election“ contrary to the people’s interest (II § 216), or by the people being delivered „into the subjection of a foreign power“ (II § 217).14 Similarly, dissolution from within occurs when the executive power fails to enforce the laws (II § 219),15 or when either branch of government acts contrary to its trust (II § 221). Actually, the last listed cause of dissolution (breach of trust) includes all of the others, since all of the other causes are either contrary to the executive’s „double trust“ (II § 222) or more generally contrary to the general good (which is in all instances the limit of the people’s trust). Internal dissolution, then, can without distortion be said to occur as a result of governmental breach of trust.16 When the people resist the efforts of a dissolved government to retain its power, then, they cannot properly be said to be resisting civil government at all. Civil government has authority entrusted to it by its citizens; a dissolved government, by breach of its trust, has forfeited its authority. Since „rebellion“ is „an opposition, not to persons, but authority“ (II § 226), those who resist a dissolved government are not „rebels“ in the strict sense. They are only free persons, exercising their natural rights. It is rather those in government who betray their trust who „are truly and properly rebels“ (II § 226); for they use force against the people without any right (having forfeited their authority), and thus oppose the „authority“ that the people have to secure their rights (e. g., II §§ 204, 227–28, 230). Indeed, such governors are far more guilty than any ordinary person who uses force without right. They not only do this wrong, but they breach a trust and they show themselves to be „ungrateful“ for the „greatest privileges and advantages which 13 This aspect of Locke’s theory of resistance involved his embracing yet another radical position. As Franklin observes, among Locke’s contemporaries the Tories tended to favor theories of „constructive abdication“ while the moderate Whigs favored views that regarded the tyrant’s throne as „vacant“. It was the radicals who argued that tyranny resulted in the dissolution of government (Franklin 1968, 98–105). 14 Each of these causes of dissolution, of course, was exemplified (Locke believed) in the recent behavior of England’s own executive. For summaries of the relevant historical events, which explain the ways in which Locke’s theory of resistance constituted a practical political recommendation to his contemporaries, see Ashcraft 1986, 192–93, 314–21, 546–47, and 1987, 215–16; Seliger 1986, 354–59; Parry 1978, 138–39. 15 Locke has in mind here a systematic failure of execution, which creates virtual anarchy. Executive prerogative may allow the failure on some particular occasions to enforce the law, where the common good can in those cases be advanced by acting contrary to law. 16 One other cause of dissolution of government, mentioned only in passing by Locke, is neither „from within“ the government nor „from without“ the political society. This is where the people „have set limits to the duration of the legislative“ (II § 243).
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the people have given them“ (II § 231). There is a sense, then, in which it is not the people who dissolve their tyrannical governments at all. These governments actually „dissolve themselves“, leaving the people morally free to seek new avenues for securing their rights.17 Since Locke employs the notions of dissolution of government and society in order to explain his view of the moral and social consequences of revolution, we should try to understand precisely what he means by them. This is not as easy as at first blush it seems. Dissolution of government seems a reasonably clear notion: it is the loss of a government’s authority, its entrusted rights, its political power. Dissolution is thus a moral idea. Locke could hardly have had in mind that „dissolution“ referred to the physical demise of government, its loss of the physical power to control society or a breakdown of its organization or internal coherence. For none of the causes of dissolution he mentions, save one, is a cause of physical dissolution (indeed, Locke’s view of his own government was that it was dissolved, in spite of its continuing to function and wield physical power). But the one exception just noted is troubling. Conquest causes a dissolution of government (II § 211). Here, however, Locke must mean by „dissolution“ the physical demise of the government, for a conqueror cannot by force deprive a just government of its rights, but only its physical power (and Locke nowhere suggests that only a lawful conquest dissolves government). Similarly, the dissolution of society appears to be a nonmoral notion. For conquest also dissolves society, by which Locke seems to have in mind the physical „mangling to pieces“ of a society which follows conquest (II § 211). Civil society is a moral notion (as we have seen); but the dissolution of civil society appears not to be, since a conqueror cannot by force sever the moral bonds (political obligations) by which members of a legitimate society are connected. We can try to deal with this problem in a variety of ways. It could, of course, be dismissed as just one more case of Locke’s having become muddled about the concept of „power“, confusing the loss of moral right (political power) with the loss of physical capability. Or we could rewrite the text a bit, saying that Locke must have meant that society and government are dissolved only by a just conquest, where the conquered society has forfeited (by warmaking) its rights (political power), and can thus no longer persist as a moral body. But the likeliest reading of the text, and one that makes perfectly good sense in its own right, is that Locke believed that certain kinds of „physical dissolution“ 17 Locke is in fact not as clear on this point as one would like him to be. Does a government dissolve when it actually breaches its trust or only when the people somehow (performatively) judge it to be in breach? The former view suggests that governments can dissolve themselves and become illegitimate even when the people are uninterested in their transgressions and continue to freely obey them. The latter view suggests that the people may be patient and keep a government in (lawful) power even when it frequently breaches its trust (as Locke may have in mind in II § 225). Both views have their attractions, since Locke may want to affirm both the power and options of the people as settlor of the trust and the illegitimacy of tyranny even where a sluggish people seems unconcerned about it.
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cause „moral dissolution“ to occur. If we understand the contract (or consent) that binds persons together in civil society to be an agreement „with other men to join and unite into a community, for their comfortable, safe, and peaceable living one amongst another […] and a greater security against any that are not of it“ (II § 95), then (à la Hobbes) when the body is no longer able to provide domestic peace or security against invaders (at a level superior to what could be enjoyed without civil society), the contract no longer binds persons together. The society’s physical demise breaks the moral bond among its members (i. e., effective power is necessary but not sufficient for political legitimacy18 ). Similarly, a government is entrusted with the task of securing its citizens’ rights. When it can no longer do so (at an acceptable level), the trust is breached (albeit, perhaps, unintentionally), and the government dissolves. Even conquest, then, may cause dissolution of government only through the government’s breach of trust. In this way, it is possible to read Locke’s notion of dissolution as throughout a moral notion (equivalent to loss of right or authority – i. e., „power“ in its moral sense), even though the conquests that cause it are only brute, physical takings that in themselves cannot deprive society or government of their rights. If this reading of the idea of „dissolution“ is correct, the dissolution of government always occurs as a result of its failure (from inability, incompetence, ambition, or corruption) to carry out its trust to secure the rights of its citizens (better than they could secure those rights themselves). And the dissolution of society likewise results from its failure to do better for its members than they could do in fending for themselves. (This parallel is hardly surprising, given that the political power given up by each member to society is identical to the power entrusted to government.) Locke never discusses the possibility that society itself (rather than just its government) might be so corrupt or effete as to cause its own dissolution („from within“), but I take it that this must be allowed by Locke as a possibility. Popular accounts of the fall of Rome might count as an example of such a dissolution. Similarly, natural disasters (earthquakes, famines, f loods, etc.) go unmentioned by Locke as possible sources of a society’s dissolution, yet they can clearly have as dramatic an effect as foreign conquest on a society’s ability to „maintain and support themselves as one entire and independent body“ (II § 211). Locke’s allowing that conquest is „the usual and almost only way“ in which society is dissolved (II § 211; my emphasis), of course, leaves logical space for the kinds of causes of dissolution I have just mentioned. He seems also to have believed that dissolution of government is likely to cause dissolution of society in some cases – more likely in cases of alteration of the legislative (II § 212) than otherwise. But I doubt that he thought this a necessary consequence of the dissolution of government in any kind of case.19 18 Raz 1986, 76. 19 Contrary to the view of Grant, who argues that for Locke alterations of the legislative dissolve not only government but society as well, while simple breaches of the trust (Locke’s „second way“ [II § 221]) dissolve
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It was important to Locke that this doctrine of dissolution be seen not to be a dangerous doctrine, one that „lays a ferment for frequent rebellion“ (II § 224) when preached. It was important to him not only as part of his response to Filmer,20 but also because of his constant concern for consequences. In fact, Locke contends, his doctrine „is the best fence against rebellion, and the probablest means to hinder it“ (II § 226), and he offers a set of considerations in support of this claim. First, the people are slow and averse to change (II §§ 223, 230), and they will not rise up except when the government creates great inconveniences (II § 168) and „a long train of abuses, prevarications, and artifices“ (II § 225; see also II §§ 208–10). Second, no matter what doctrine is preached, „the people generally ill treated, and contrary to right, will be ready upon any occasion to ease themselves of a burden that sits heavy upon them“ (II § 224). Neither of these reasons, of course, really has any special connection with Locke’s doctrine, regardless of what his remarks suggest. They could be offered equally plausibly on behalf of any doctrine of resistance, including Filmer’s (since they really only consist of social facts that include no consideration of what doctrine of resistance is being preached). A third consideration Locke advances, however, is more closely tied to the virtues of his specific position: the best („properest“) way to prevent tyrannical excesses by government is to let the government see „the danger and injustice of them“, by openly acknowledging the people’s right to remove tyrants by force (II § 226).21 The problem with this third argument, however, is that it seems inconsistent with the first two. If those in power know the people are slow to resist, and know they will resist at a certain point no matter what doctrine is preached, then those in power are unlikely to be specially deterred by advocacy of Locke’s doctrine. The argument makes sense only if Locke means that preaching his doctrine will make the people less slow to resist than they would otherwise be. And since Locke’s practical political aims were (in part) precisely to rouse a sluggish people to resist tyranny, we can safely suppose this is what he had in mind. This will mean, of course, that preaching Locke’s doctrine may make resistance likelier than preaching a doctrine like Filmer’s, at least until those in power get the message and are deterred by it (making necessary resistance less likely in the long run than were Filmer’s doctrine believed). But the temporary „trouble“ this would cause would be no more trouble than justice generally causes (and is worth) (II § 176). I think, finally, that an important point of Locke’s distinction between the dissolutions of society and only government (Grant 1987, 151–54). Tarcov also reads Locke in this way, and suggests that Locke’s „usual and almost only“ remark about conquest is intended to leave room for cases where the legislative is altered (Tarcov 1981, 206–10). 20 Filmer, of course, had contended vigorously that such a doctrine would encourage anarchy (see, e. g., Patriarcha, II, 14–17). 21 See Grant 1987, 165; Parry 1978, 145. Von Leyden offers a slightly different list of Locke’s arguments for the „efficiency“ of his doctrine of resistance (von Leyden 1981, 188); the one I offer here seems to me more concisely to capture the force of Locke’s claims.
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government is precisely to counter Filmerian fears about the anarchic consequences of Locke’s doctrine of popular resistance. For if the dissolution of government still leaves society intact, Locke’s doctrine cannot be read as promoting the chaos and anarchy of a state of nature (which Locke’s contemporaries were still prone to think of in terms of a Hobbesian war of all against all). Since the order of society remains even after its government is removed, degeneration into life at the mercy of the mob is not to be feared whenever resistance to tyranny is urged.
Literatur Aaron, Richard 1971, John Locke (3rd ed.), Oxford: Clarendon Press Andrew, Edward 1988, Shylock’s Rights: A Grammar of Lockian Claims, Toronto: University of Toronto Press Ashcraft, Richard 1987, Locke’s „Two Treatises of Government“, London: Allen & Unwin Ashcraft, Richard 1986, Revolutionary Politics and Locke’s „Two Treatises of Government“, Princeton, NJ: Princeton University Press Barker, Ernest (ed.) 1947, John Locke: „An Essay concerning the true Original, Extent, and End of Civil Government“, in: Ernest Barker, Social Contract: Essays by Locke, Hume and Rousseau, London and New York: Oxford University Press (World’s classics ; no. 511) Franklin, Julian H. 1978, John Locke and the Theory of Sovereignty. Mixed Monarchy and the Right of Resistance in the political Thought of the English Revolution, Cambridge: Cambridge University Press Gough, John W. 1973, John Locke’s political Philosophy, Oxford: Clarendon Press Grant, Ruth W. 1987, John Locke’s Liberalism, Chicago: University of Chicago Press Lessnoff, Michael H. 1986, Social Contract, London: Macmillan Locke, John 1988, Two Treatises of Government, ed. Peter Laslett, Cambridge: Cambridge University Press Parry, Geraint 1978, John Locke, London/Boston/Sydney: Allen & Unwin (Political thinkers; 8) Raz, Joseph 1986, The Morality of Freedom, Oxford: Clarendon Press Ryan, Alan 1965, Locke and the Dictatorship of the Bourgeoisie, in: Political Studies 13 (1965), 219–230 Seliger, M. 1968, The liberal Politics of John Locke, London: Allen & Unwin Tarcov, Nathan 1981, Locke’s „Second Treatise“ and „The Best Fence Against Rebellion“, in: The Review of Politics 43, 198–217 Von Leyden, Wolfgang 1981, Hobbes and Locke: the Politics of Freedom and Obligation. London: Macmillan
11 Michael Schefczyk
John Locke – ein verkannter Republikaner. Argumente gegen einige Deutungsklischees
In zahllosen philosophischen und politiktheoretischen Darstellungen wird die Zweite Abhandlung als liberaler Klassiker charakterisiert. Manfred Brocker verweist auf ihren „Ruf als paradigmatische Begründungsschrift des politischen Liberalismus“ (Brocker 2007, 271), eine Sichtweise, die sich ganz ähnlich auch bei Hauke Brunkhorst (Brunkhorst 2000, 226) findet. Gerald Gaus nennt Locke und John Stuart Mill die beiden „großen klassischen Liberalen“ (Gaus 2000, 93) und Jean Hampton zieht eine Linie von Locke über die Gründerväter der Vereinigten Staaten bis hin zu Benjamin Constant und Wilhelm von Humboldt (Hampton 1997, 171). Solche Einordnungen haben eine lange Tradition. Schon vor einigen Jahrzehnten verwies Walter Euchner auf das „undifferenzierte, im wesentlichen aber zutreffende Lehrbuch-Klischee, nach dem Locke die Theorie des liberalen Verfassungsstaates begründet habe […]“ (Euchner 1977, 43). Von führenden Kommunitaristen wird diese Sichtweise metaphysisch erweitert und vertieft. So diagnostiziert Charles Taylor bei Locke eine liberale Konzeption „negativer Freiheit“ (Taylor 1985/1992, 149 ff.), die er auf dessen Vorstellung von einem „atomistischen Selbst“ (Taylor 1989, 159–176) zurückführt. Verstärkt wurde Lockes Ruf, ein liberaler Vordenker zu sein, durch Robert Nozicks Anarchie, Staat und Utopie, das einige tragende Theorieelemente der Zweiten Abhandlung aufgreift.1 Doch sollte die gewohnheitsmäßige Einordnung Lockes in die liberale Tradition nicht dazu verführen, das ausgeprägt republikanische Element der Zweiten Abhandlung zu übergehen. Ein solcher Hinweis steht freilich im Widerspruch zu einer weiteren ideengeschichtlichen Konvention, der zufolge Liberalismus und Republikanismus als unvereinbare Idealtypen politischer Theorie zu sehen sind. Ich nenne diese Konvention 1 Wie viele andere hat Taylor keine Bedenken, eine ungebrochene Traditionslinie von Locke zu Nozick zu ziehen. In der Locke-Forschung besteht allerdings Einigkeit, dass Locke kein Libertärer im Sinne Nozicks war. Aus der natürlichen Pf licht zur Erhaltung der Menschheit folgt die staatliche Pf licht, die Eigentumsordnung entsprechend zu regulieren. Siehe hierzu etwa: Tully 1984/1993, 300.
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das Gegensatz-Schema: Der Liberalismus beruht ihm gemäß auf einem negativen, der Republikanismus auf einem positiven Verständnis politischer Freiheit. Der Erzklassiker des Liberalismus ist Lockes Zweite Abhandlung; der Erzklassiker des Republikanismus ist Rousseaus Gesellschaftsvertrag. Rousseau rückt die Volkssouveränität in den Mittelpunkt – Locke die unverlierbaren Rechte des Individuums; Rousseau geht es um den seine Privatinteressen überschreitenden, gemeinwohlorientierten Staatsbürger – Locke geht es um den vom Staat in seinen Privatinteressen geschützten Besitzbürger; Rousseau denkt Freiheit als Teilhabe am Gemeinwillen – Locke denkt Freiheit als ungestörte Ausübung der individuellen Rechte (Habermas 1988/1992).2 Dem Gegensatz-Schema widersprechend, werde ich argumentieren, dass der Argumentationsgang der Zweiten Abhandlung Motive aus der republikanischen und der liberalen Tradition beansprucht. Locke betrachtet individuelle Rechte und Volkssouveränität als zusammengehörig, wenn auch nicht als „gleichursprünglich“, um einen Begriff von Jürgen Habermas zu bemühen (Habermas 1992/1998, 155). Er gehört eindeutig nicht zu jenen liberalen Individualisten, die keine Verwendung für einen republikanischen Begriff des Volkes haben. Das Volk ist ihm zufolge Ursprung sowie Hüter der Verfassung und stellt „immer die höchste Gewalt“ dar, weil es die staatliche Ordnung auf lösen und neu formieren kann. Es ist jene souveräne politische Gemeinschaft, der die vereinigten Individuen durch ihre ausdrückliche Zustimmung unwiderruflich zugehören; in seinen Händen liegt der Schutz der individuellen Rechte.3 Der Staat ist lediglich ein Instrument, dessen sich das Volk bedient, um die natürlichen Rechte besser zu schützen. Doch es muss immer bereit sein, die Kontrolle über den Staatsapparat auszuüben und ihn im Zweifel durch einen besseren zu ersetzen. Anders als in der an Rousseau anknüpfenden republikanischen Tradition fehlt in der Zweiten Abhandlung zwar die Vorstellung einer sich in der politischen Partizipation erfüllenden positiven Freiheit. Im Anschluss an Quentin Skinner und Philip Pettit werde ich jedoch davon ausgehen, dass diese Vorstellung kein Definitionsmerkmal des Republikanismus ist. Daher spricht das Fehlen einer Konzeption positiver Freiheit nicht dagegen, Locke als einen Republikaner zu charakterisieren.
2 Dass solche großzügig formatierten ideengeschichtlichen Tableaus den historischen Texten und Autorenabsichten im Detail kaum gerecht werden, versteht sich von selbst (siehe hierzu: Dunn 1969/1995, 28 und 203 ff.). 3 Zur Unwiderruf lichkeit: „die Gewalt, die jedes Individuum der Gesellschaft übertrug, als es sich mit ihr vereinigte, kann niemals wieder an die Individuen zurückfallen, solange die Gesellschaft besteht, sondern sie wird stets in der Gemeinschaft verbleiben“ (II § 243); „Wer dagegen einmal durch tatsächliche Einwilligung und ausdrückliche Erklärung seine Zustimmung gegeben hat, einem Staatswesen anzugehören, hat sich auf ewig und unwiderruf lich verpf lichtet, sein Untertan zu sein und unabänderlich zu bleiben“ (II § 121).
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11.1 Kritik des Gegensatz-Schemas Begriffsgeschichtlich betrachtet, scheint zwischen dem Republikanismus und jenem liberalen Verfassungsstaat, als dessen geistiger Vater Locke gilt, keine grundsätzliche Unverträglichkeit zu bestehen. Zu den Strukturelementen des Verfassungsstaates rechnet man den Gedanken einer Bindung des Souveräns an unveräußerliche individuelle Rechte, die Idee einer durch Zustimmung legitimierten politischen Ordnung, den Vorrang der Legislative vor der Exekutive und die Beauftragung der Staatsgewalt mit dem Schutz der Individuen und ihrer Rechte. All dies scheint die Ablehnung der Monarchie – nach Quentin Skinner die Grundbedeutung des Begriffs „Republikanismus“ (Skinner 1998, 22) – weder zwingend erforderlich zu machen noch grundsätzlich auszuschließen. Wenn Locke in der Zweiten Abhandlung nicht als kategorischer Gegner des Königtums in Erscheinung tritt, so gibt ihn dies zwar als Nicht-Republikaner (in der Grundbedeutung) zu erkennen, aber dies folgt nicht aus der liberalen Anlage seiner Theorie. Versteht man Republikanismus dagegen in einem schwächeren Sinne als Ablehnung einer absoluten Monarchie oder bestimmter Legitimationsfiguren, wie der des Gottesgnadentums, so sind es gerade die liberalen Elemente der Zweiten Abhandlung, die sie zu einer republikanischen Schrift machen. Auch hier besteht also kein begriff licher Gegensatz zwischen Liberalismus und Republikanismus; mehr noch, der Liberalismus schließt den Republikanismus ein. Ein ähnlicher Befund ergibt sich auch bei einer weiteren Verwendung des Begriffs „Republikanismus“, die sich in der philosophischen Tradition findet und die Locke geradezu als dessen Gründervater erscheinen lässt. Im ersten Definitivartikel seiner Schrift zum Ewigen Frieden fordert Kant, die bürgerliche Verfassung in jedem Staate solle republikanisch sein; dabei denkt er an die Trennung von gesetzgebender und ausführender Gewalt und die Bindung der Exekutive an die Legislative (Böckenförde 1987/2001, 374). Dies wiederum ist ein Merkmal des liberalen Verfassungsstaates, das sich in der Zweiten Abhandlung bündig in II § 131 niedergelegt findet. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass zwischen Liberalismus und Republikanismus in der Grundbedeutung kein Widerspruch besteht und dass sie in den beiden weiteren betrachteten Verwendungen des Begriffs „Republikanismus“ Hand in Hand gehen. Das Gegensatz-Schema ist eine ideengeschichtliche Konstruktion des neunzehnten Jahrhunderts, das sich versuchsweise mit dem Erscheinen von Benjamin Constants Essay „Über die Freiheit der Alten im Vergleich zu der der Heutigen“ im Jahre 1819 genauer datieren lässt. In ihm unterscheidet Constant die demokratischen Freiheiten der Alten von den liberalen Freiheiten der Modernen. Für die Modernen bestehe Freiheit darin, „nur den Gesetzen unterstellt zu sein“, während sie für die Alten darin bestand, „gemeinsam mit anderen […] einen erheblichen Teil der gesamten Souveränität auszuüben“ (Constant 1819/1972, 367, 368). Wenn Habermas schreibt, der „auf Locke zurückgehende Liberalismus hat die Gefahr tyrannischer Mehrheiten
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beschworen“ (Habermas 1994/1996, 299), und damit ein von Tocqueville und Mill formuliertes Problem des neunzehnten Jahrhunderts in den Begriff einschreibt und auf Locke zurückführt, zeigt sich deutlich der Einf luss des von Constant vorgegebenen und später von Isaiah Berlin weiter entwickelten Interpretationsschemas. Der Republikanismus wird nun zum schillernden Gegenkonzept der liberalen Sorge um die Freiheit der Privatleute. Schillernd, weil man im Republikanismus nun etwas zugleich Begrüßenswertes und Gefährliches erkennt. Begrüßenswert scheint der Gedanke, dass der politische Bürger tugendhaft seine Privatinteressen im Namen des Gemeinwohls zurückstellt; gefährlich, dass hier eine Unterordnung des Individuums unter die Gemeinschaft gefordert wird, die man im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert als Tyrannei der Mehrheit, Kollektivismus und Totalitarismus zu fürchten gelernt hat. Dieses Schema wird im Grunde auch in den gelegentlichen Versuchen angewendet, ein rousseauistisch-republikanisches Element der Zweiten Abhandlung herauszuarbeiten. Am radikalsten ist in dieser Hinsicht wohl Willmore Kendalls These, die Abhandlung sei im Kern kollektivistisch gewesen und rechtfertige die uneingeschränkte Herrschaft der gesetzgeberischen Mehrheit (Kendall 1941/1959, 90–123, insb. 104–105). Er verwies dabei unter anderem auf II § 88, wo es in einer vage an Rousseau gemahnenden Formulierung heißt, der Einzelne müsse seine Kraft zur Vollstreckung der Urteile des Staates beanspruchen lassen, denn diese „sind ja in Wahrheit seine eigenen Urteile“. Hier vollzieht Locke nach Kendall eben jene Aufhebung der privaten Freiheit in die öffentliche Autonomie, die nach dem gebräuchlichen Interpretationsschema im Zentrum des Rousseauschen Republikanismus steht und ihn in Widerspruch zum liberalen Individualismus bringt. So umstürzlerisch Kendall als Locke-Interpret gewesen sein mag – was sein Verständnis des Verhältnisses von Republikanismus und Liberalismus betrifft, bewegt er sich in vertrauten Bahnen: Der Gehalt des modernen Republikanismus ist an Rousseaus anti-liberal interpretiertem Gesellschaftsvertrag zu eichen. Der Volkssouverän ist als Quelle allen Rechts an kein höheres Recht gebunden. Doch ist die Ausschließlichkeit dieses Interpretationsschemas sowohl aus ideengeschichtlicher als auch aus theoriesystematischer Hinsicht fragwürdig. Ideengeschichtlich ist zu bezweifeln, dass man einem englischen Denker des siebzehnten Jahrhunderts gerecht wird, wenn man ihn an einer Republikanismus-Konzeption misst, die aus dem Werk eines Genfer Philosophen des achtzehnten Jahrhunderts gewonnen wird. Theoriesystematisch ist mit der Möglichkeit zu rechnen, dass das Interpretationsschema, aufgrund dessen Locke die Rolle des Liberalen (und ipso facto Nicht-Republikaners) zugewiesen wird, eine wesentliche Option verstellt, den Begriff politischer Freiheit zu denken. Im Anschluss an Arbeiten von Quentin Skinner hat Philip Pettit argumentiert, dass uns die Ausschließlichkeit der Unterscheidung zwischen Advokaten der positiven und der negativen Freiheit schlechte Dienste geleistet habe (Pettit 1997, 18, 19). Denn im siebzehnten Jahrhundert kommt es in England unter Rückgriff auf die römische Antike zur Entwicklung einer eigenständigen Form von Republikanismus, die
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von anderem Zuschnitt ist als die politische Theorie Rousseaus. In den amerikanischen Kolonien wurde dieses Denken im achtzehnten Jahrhundert aufgegriffen und schlug sich in der Unabhängigkeitserklärung und der US-Verfassung nieder. Was Pocock die transatlantisch-republikanische Tradition nennt (Pocock 1975/2002),4 lässt eine in konventioneller Manier vorgenommene scharfe Abgrenzung republikanischer und liberaler Motive kaum zu. Dies erklärt, wie Thomas West zu der Behauptung gelangen kann, dass nicht ein einziger der Gründerväter der Vereinigten Staaten bezweifelt habe, Locke sei ein Republikaner gewesen (West 1990, xxiv) – die moderne Auffassung, dass Liberalismus und Republikanismus unvereinbare politische Philosophien seien, war noch nicht entwickelt. Wenn ich im Folgenden das republikanische Element der Zweiten Abhandlung untersuche, so werde ich ein ‚transatlantisches Verständnis‘ zugrunde legen und von der Unterscheidbarkeit, aber nicht von der Gegensätzlichkeit republikanischer und liberaler Gehalte ausgehen.
11.2 Die Zweite Abhandlung und die Monarchie Der transatlantische Republikanismus ist nicht durch eine kategorische Ablehnung der Monarchie in jedweder Gestalt definiert. Algernon Sidney, der als einer seiner paradigmatischen Vertreter gezählt wird, hat nichts gegen Monarchen einzuwenden, solange sie in eine angemessen strukturierte Mischverfassung („well-mixed government“) eingebunden sind (Sidney 1698/1990, II § 19). Ein vergleichbares Bild ergibt sich bei Locke. Er verweist auf die Möglichkeit gemäßigter Monarchien (II § 159) und lehnt auch die Beteiligung eines die Exekutivgewalt ausübenden Königs an der Gesetzgebung nicht ausdrücklich ab (II § 151). Jedoch entspricht die Beteiligung eines Königs an der Gesetzgebung kaum dem Verfassungsideal der Zweiten Abhandlung, wie Locke vorsichtig in II § 152 andeutet. Denn die Mischverfassung führt de facto aller Wahrscheinlichkeit nach zu einer Aufhebung des Supremats der Legislative. Der Inhaber der höchsten Exekutivgewalt ist in einer derartigen Ordnung nur den Beschränkungen derjenigen Gesetze unterworfen, denen er selbst zugestimmt hat. Er ist der Legislative „also nicht mehr untergeordnet, als es ihm selbst gut scheint, und das wird, wie man sicher schließen darf, nur sehr wenig sein“ (II § 152). Es scheint daher etwas missverständlich, wie Rawls und andere, zu sagen, Locke sei es um die Rechtfertigung des Widerstandsrechts gegen die Krone unter einer gemischten Verfassung gegangen (Rawls 2007/2008, 192). Insbesondere Robert Faulkner hat sorgfältig nachgezeichnet, dass die Zweite Abhandlung auf das grundsätzlich Problematische einer Mischverfassung verweist (s. vor allem Faulkner 2001, 25 ff.). Sie ist bestenfalls unter den gegebenen historischen Bedingungen hinnehmbar. Wie Locke im neunzehnten Kapitel ausführt (II §§ 213–218), tendiert 4 Skinner bevorzugt die Bezeichnung ‚neu-römische‘ Tradition, weil er den Begriff Republikanismus für die Grundbedeutung (Gegnerschaft zur Institution der Monarchie) reserviert (Skinner 1998, 22).
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eine gemischte Verfassung zur Auf lösung durch den Fürsten. Ihr vorzuziehen ist daher in jedem Falle die gemäßigte Monarchie, in welcher der König lediglich über exekutive Gewalt (II § 159) verfügt. Freilich gesteht Locke dem König oder der Königin in einer gemäßigten Monarchie bemerkenswerte Machtbefugnisse zu (§ II 158, §§ II 159–168). Die königliche Prärogative füllt das Machtvakuum, das entsteht, wenn „die gesetzgebende Gewalt nicht ständig in Funktion ist“ (II § 160) – Letzteres scheint Locke jedoch ratsam, um den Machtmissbrauch durch die Legislative zu verhindern. Zudem meint er, das Volk habe keine Einwände gegen die Prärogative, solange sie erkennbar zu dessen Wohl genutzt wird (II § 161); der König könne auch nicht auf die Prärogative wie auf ein Recht pochen, sondern habe diese Machtvollkommenheit nur vom Volk anvertraut bekommen (II § 163). Faulkner meint, die Monarchie sei bei Locke derart depotenziert, dass der König in der Lockeschen Verfassung – wenn überhaupt – nur noch dem Namen nach existiere (Faulkner 2001, 33). Schließt man sich dieser Sichtweise an, so kann man Locke sogar als einen Republikaner in der Grundbedeutung des Wortes interpretieren.
11.3 Republikanische Freiheit Die Wurzeln des transatlantischen Republikanismus liegen in der römischen Antike, weshalb zuweilen auch von der ‚neu-römischen‘ oder ‚klassisch-atlantischen Tradition‘ die Rede ist. Als den normativen Kern hat insbesondere Philip Pettit im Anschluss an Quentin Skinner eine spezifische Vorstellung von Freiheit herausgearbeitet (zum Folgenden: Pettit 1997, 27–31). Die Autoren der römischen Republik verstanden Freiheit als Unabhängigkeit von willkürlicher Herrschaft und bestimmten sie als Grundlage und Ziel eines guten Gemeinwesens. Das Ideal der Unabhängigkeit ist nur in der Gemeinschaft gleicher Bürger zu verwirklichen, weil nur sie Schutz vor der Macht des Stärkeren bietet. Freiheit galt den römischen Republikanern daher als ein politisch-rechtlicher Status, der dem Versklavt-Sein gegenübergestellt wurde. Diese Vorstellung von Freiheit als einem politisch-rechtlichen Status der Unabhängigkeit von willkürlicher Herrschaft wurde von Machiavelli wiederbelebt und im siebzehnten Jahrhundert aufgegriffen und fortgeführt. Sie bildete die Grundlage der Rhetorik der Versklavung, mit der die republikanischen Autoren im England des siebzehnten Jahrhunderts die Macht des absoluten Monarchen angriffen. In Algernon Sidneys Diskurs über die Regierung – wie Lockes Erste Abhandlung eine beißende Kritik an Robert Filmers Patriarcha – heißt es bündig: „To depend on the will of a man is slavery“ (Sidney 1698/1990, I § 5).5 Ein Volk, das von einem absoluten Monarchen beherrscht wird, befindet sich ipso facto in einem Zustand der Skla5 Locke und Sidney arbeiten gleichzeitig an ihren Werken, wenn auch die Discourses Concerning Government erst fünfzehn Jahre nach der Hinrichtung Sidneys veröffentlicht wurden.
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verei, auch wenn der Monarch wohlwollend und weise ist.6 Dieser Gedanke führt im transatlantischen Republikanismus zu einem Verständnis nicht-personaler Herrschaft. In einer Republik herrschen nicht Menschen über Menschen, sondern feststehende, neutrale Gesetze.7 Um die Abhängigkeit vom Willen anderer auszuschließen, reicht es aber nicht aus, die Bindung der Staatsgewalt an Recht und Gesetz zu fordern; vielmehr ist auch dafür zu sorgen, dass die Gesetze nicht zu bloßen Herrschaftsinstrumenten werden. Es muss sichergestellt sein, dass die „Herrschaft der Menschen über die Menschen“ nicht auf dem Wege einer strategischen Manipulation der Gesetze seitens der Mächtigen wiederhergestellt wird. Um die Unterwanderung des Gesetzes durch einf lussreiche Sonderinteressen zu verhindern, muss die Legislative zum einen an präzise bestimmte, allgemein zustimmungsfähige Ziele gebunden werden, namentlich den Schutz der gleichen Freiheit als eines politisch-rechtlichen Status; zum anderen ist institutionell zu gewährleisten, dass die Legislative diese Ziele auch tatsächlich verfolgt. Dies setzt voraus, dass das Volk Kontrolle über den Gesetzgebungsprozess ausübt. Solche Kontrolle kann unterschiedliche Formen annehmen. Als ein für den transatlantischen Republikanismus idealtypisches Modell sei auf James Harringtons Commonwealth of Oceana verwiesen: Das Volk bestellt einen Senat, dem die Klügsten und Weisesten angehören sollen – Harrington nennt sie eine „natural aristocracy“ (Harrington 1656/1992, 23). Es handelt sich um eine Art Expertengremium, das Gesetzesvorlagen ausarbeitet, aber nicht verabschieden kann. Diese werden vielmehr der politischen Gemeinschaft zur Entscheidung vorgelegt. Die Weisen und Experten können und sollen nicht bestimmen, worin das Interesse des Volkes liegt.8 Da ein Volk als Ganzes nicht versammelt werden könne, müsse es durch eine Körperschaft angemessen repräsentiert werden. Neben dem deliberierenden Senat und der entscheidenden Volksvertretung sieht Harrington den ausführenden Magistrat vor. Ein wohlgeordneter Staat umfasst so aristokratische, demokratische und monarchische Strukturelemente.9 Aus dem Gesagten ergeben sich vier Grundelemente des transatlantischen Republikanismus: gleiche bürgerliche Freiheit (im Sinne der Unabhängigkeit von willkürlicher Herrschaft); Rechtsstaatlichkeit (im Sinne der Bindung der Staatsgewalt an neutrale und feststehende Gesetze); Gewaltenteilung (im Sinne einer Absicherung der Bürgerschaft gegen Machtmissbrauch); Repräsentation (im Sinne einer Bindung der Gesetzgebung 6 „But as liberty consists only in being subject to no man’s will, and nothing denotes a slave but a dependence upon the will of another; if there be no other law in a kingdom than the will of a prince, there is no such thing as liberty“ (Sidney 1698/1990, III § 16). 7 „[G]overnment […] is the empire of laws and not of men“ (Harrington 1656/1992, 8, 20). 8 „As the wisdom of the commonwealth is in the aristocracy, so the interest is in the whole body of the people […]“ (Harrington 1656/1992, 24). 9 : „[…] the commonwealth consisteth of the senate proposing, the people resolving, and the magistracy executing, whereby partaking of the aristocracy as in the senate, of the democracy as in the people, and of monarchy as in the magistracy […]“ (Harrington 1656/1992, 25).
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an den Willen der politischen Gemeinschaft). Die beträchtliche Überschneidung des transatlantischen Republikanismus mit den Prinzipien des liberalen Verfassungsstaates wirft nun die Frage auf, wie das spezifisch republikanische Element begriff lich zu fassen ist. Skinner und Pettit argumentieren, dass die liberale Tradition Freiheit in negativer Weise als die Abwesenheit von Zwang und Einmischung versteht. Als Kronzeugen führt Skinner Henry Sidgwick an, der in The Elements of Politics Unfreiheit als die äußere Einschränkung des Willens („restraint on volition“, Sidgwick 1891, 42) definiert (Skinner 1998, 98–99). Diese Definition fasst Freiheit nicht – wie der transatlantische Republikanismus – als einen rechtlichen Status, sondern als einen vorliegenden Zustand (das Verhältnis von Wille und äußeren Gegebenheiten). Wenn eine Person keine Einschränkung ihres Willens erfährt, so gilt sie als frei; und zwar auch dann, wenn sie Untertan eines absoluten Herrschers ist, der eine Politik des Nicht-Eingreifens verfolgt. Die Pointe des republikanischen Freiheitsverständnisses war dagegen, dass ein solcher Untertan im Zustand der Sklaverei lebt, weil er dem möglichen Eingriff des Herrschers kein Recht entgegenzusetzen hätte. Mir scheint jedoch diese (auch von Pettit favorisierte) Art, die spezifische Differenz zwischen Republikanismus und Liberalismus zu markieren, irreführend zu sein. Sidgwick und alle anderen Liberalen des neunzehnten Jahrhunderts dürften selbstverständlich davon ausgegangen sein, dass die Freiheit des Individuums rechtlich garantiert sein muss und dass diese rechtliche Garantie unvereinbar ist mit jeglicher Form absoluter Herrschaftsbefugnis. Die suggerierte Vereinbarkeit von liberal verstandener Freiheit und absolutistischer Herrschaft missdeutet in f lagranter Weise Geist und Buchstaben der liberalen Tradition. Während sich Republikanismus und Liberalismus in der Ablehnung absoluter Herrschaft einig sind, lassen sie sich jedoch anhand ihrer Auffassungen über die Bedeutung politischer Teilhabe und die Reichweite legislativer Befugnisse unterscheiden. Im Rahmen der transatlantischen oder neo-römischen Tradition hat diese Unterscheidung jedoch einen graduellen Charakter. Der Liberalismus kommt nicht ohne den Gedanken der Volkssouveränität aus; und der Gedanke der Volkssouveränität bleibt im transatlantischen Republikanismus auf den Schutz individueller Freiheit bezogen.
11.4 Neu-römische Freiheit und die Zweite Abhandlung In Lockes Definition der natürlichen Freiheit finden sich deutliche Anklänge an das neu-römische Motiv der Unabhängigkeit vom Willen anderer. Die Menschen verfügten im Naturzustand über sich und ihren Besitz, „wie es ihnen am besten scheint, ohne dabei jemanden um Erlaubnis zu bitten oder vom Willen eines anderen abhängig zu sein“ (II § 4).10 Nichts sei einleuchtender, so Locke, als dass die Menschen „ohne Unter10 Eine ähnlich lautende Formulierung findet sich bei Algernon Sidney: „[…] liberty consists in an independency upon the will of another […]“ (I § 5, Hervorhebung M. S.).
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ordnung oder Unterwerfung einander gleichgestellt leben sollen“ (II § 4, Hervorhebung M. S.). In II § 20 und II § 57 wiederholt Locke, die Freiheit liege darin, zu tun, was einem gefällt, „ohne dabei dem eigenmächtigen Willen eines anderen unterworfen zu sein“.11 Im Naturzustand sei der Mensch absoluter Herr seiner eigenen Person und Besitztümer, „dem Größten gleich und niemandem Untertan“ (II § 123). Wie gesagt, wird in der neu-römischen Literatur ein solcher Freiheitsbegriff benutzt, um das Leben unter einer absoluten Monarchie als Sklaverei zu denunzieren. Die Hinrichtung Karls I. sah John Milton als die Selbstbefreiung eines versklavten Volkes (Skinner 2000/2009, 197). Zwar lag das britische Volk nicht in Ketten; aber hatte Karl I. nicht seine Steuereintreiber ausgesandt, um ein willkürliches erhobenes „Schiffsgeld“ abzupressen? Ein Volk, das solche Willkür über sich ergehen lassen muss, ist nicht frei. Die Zweite Abhandlung ist durchtränkt von diesem Topos der republikanischen Autoren: In II § 91 präzisiert Locke, die Menschen seien nicht die Untertanen, sondern „vielmehr Sklaven eines absoluten Fürsten“. Sie haben keinen gemeinsamen Richter, weil der absolute Herrscher überhaupt keinen Richter und kein Recht über sich duldet. Ein solcher Staat sei schlimmer als der „gewöhnliche Naturzustand“, weil der Fürst über erschreckende Machtmittel verfüge und sie nutze,12 um dem Einzelnen die Freiheit zu rauben, „über sein Recht zu urteilen und es zu verteidigen“. In II § 93 fragt Locke rhetorisch nach der Sicherheit, die es gegen die Gewalttätigkeit und Unterdrückung eines absoluten Herrschers gebe. Allein diese Frage zu stellen, so Locke, werde als Stimme des Aufruhrs und der Rebellion betrachtet (s. a. II § 13). Zugleich fällt aber auf, dass die an das neu-römische Konzept gemahnenden Formulierungen in der Zweiten Abhandlung im Kontext der Schilderung des Naturzustands auftauchen. Wenn Locke in II § 129 darauf hinweist, dass die Gesetze der Gesellschaft die natürliche Freiheit in vieler Hinsicht einschränkten, könnte er damit meinen, dass der Mensch nur im Naturzustand sein eigener Herr sei. Die Freiheit des gesellschaftlichen Zustands müsse dagegen mit anderen begriff lichen Mitteln beschrieben werden. Eine solche Auslegung lässt sich aber mit Bestimmtheit ausschließen. Wie im neunten Kapitel (II § 123–131) deutlich wird, dient die Abtretung der zweiten natürlichen Gewalt an die politische Gemeinschaft der Absicherung der ersten (II § 128): Das natürliche Recht, als eigener Herr die Statthaftigkeit von Handlungen zu beurteilen und Verbrechen zu bestrafen (die zweite Gewalt), wird aufgegeben, um einen besseren Schutz jener natürlichen Rechte zu erreichen, die
11 Bemerkenswert ist dabei, dass Locke den Freiheitsbegriff normativ rahmt. Freie Handlungen müssen sich im Einklang mit den natürlichen Gesetzen befinden. Siehe hierzu: Tully 1993, 281–314. 12 Zu den Machtmitteln des Fürsten: „Wenn jemand der willkürlichen Gewalt eines einzelnen Mannes, der Hunderttausend andere beherrscht, ausgesetzt ist, so befindet er sich in einer viel schlechteren Lage als jemand, der sich der willkürlichen Gewalt von hunderttausend einzelnen Menschen gegenübersieht. Denn niemand kann sicher sein, dass der Wille dessen, der eine solche Gewalt besitzt, besser sei als der eines anderen Menschen, während seine Macht dagegen hundertausendmal größer ist“ (II § 137).
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Locke unter dem Begriff Eigentum fasst und auf die sich die erste Gewalt bezieht. Zum Eigentum gehören nach Locke nach II § 123 Leben, Freiheiten und Vermögen. Die Abtretung der zweiten Gewalt bezweckt somit den besseren Schutz der Freiheit im Sinne der ersten Gewalt. Man könnte nun sagen (und Locke sagt es in II § 129 auch selbst), dass mit dem Verzicht auf die zweite Gewalt die Freiheit eingeschränkt werde. Doch betrachtet Locke die im Naturzustand bestehende Befugnis, Eigentumsverletzungen selbst zu sanktionieren, lediglich als eine notwendige Bedingung dafür, von natürlichen Rechten überhaupt sprechen zu können.13 Die Übertragung der zweiten Gewalt muss daher keineswegs mit einem Verlust an individueller Freiheit verbunden sein. Sie ist es nur dann, wenn sie zugunsten eines absoluten Monarchen oder einer anderen Form absoluter Herrschaft aufgegeben wird (II § 13). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Locke den normativen Leitgedanken, dass die Menschen „ohne Unterordnung oder Unterwerfung einander gleichgestellt leben sollen“ (II § 4), auch auf den zivilen Zustand anwendet. Hier kommt abermals ein Motiv des transatlantischen Republikanismus zum Tragen. Freiheit heißt im zivilen Zustand, der Herrschaft von Gesetzen und nicht von Menschen unterworfen zu sein. Entsprechend fordert Locke in II § 131, dass nach öffentlich bekannt gemachten und „festen, stehenden Gesetzen“ regiert werde. Rechtsstreitigkeiten sind „durch unparteiische und aufrechte Richter“ auf gesetzlicher Grundlage beizulegen; im Inneren darf die Macht der politischen Gemeinschaft „nur zur Vollziehung dieser Gesetze“ beansprucht werden. Die Zweite Abhandlung teilt mit dem transatlantischen Republikanismus sowohl das Freiheitsverständnis als auch die daraus folgende Forderung nach einer Bindung der Staatsmacht an Recht und Gesetz. Doch es fragt sich, wie weit die Gemeinsamkeiten darüber hinaus reichen. Allgemein formuliert, eint den transatlantischen und den rousseauistischen Republikanismus, dass keine bindenden Gesetze unter Ausschluss des Volkes verabschiedet werden können. Wie das Volk in den legislativen Prozess eingebunden ist, wird jedoch sehr unterschiedlich konzipiert. Die Vorstellungen reichen von einer Gesetzgebung durch das räumlich versammelte Volk bis zu verschiedenartigen Repräsentationsmodellen. In dem folgenden Abschnitt wende ich mich daher der Frage zu, ob die Zweite Abhandlung die Gesetzgebung in einer als republikanisch zu charakterisierenden Weise konzipiert.
11.5 Partizipation und Bürgertugend Das an Rousseau geeichte Verständnis, wie man es bei Charles Taylor oder Jürgen Habermas findet (s. Taylor 1989/1995, 126; Habermas 1990/1992, 640), betrachtet als 13 „Denn das Gesetz der Natur wäre, wie alle anderen Gesetze, die den Menschen auf dieser Welt betreffen, nichtig, wenn im Naturzustand niemand die Macht hätte, dieses Gesetz zu vollstrecken, um somit den Unschuldigen zu schützen und den Übertreter in Schranken zu halten“ (II § 7).
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hervorstechendes Merkmal des Republikanismus‘ den Gedanken, dass sich die Freiheit des Individuums in der staatsbürgerlichen Teilhabe verwirklicht. Der Staatsbürger im republikanischen Sinne ist bereit, seine privaten Interessen zurückzustellen und politische Angelegenheiten aus der Perspektive des Gemeinwohls zu betrachten und zu entscheiden. Dagegen sieht der Staatsbürger im liberalen Sinne den politischen Prozess als einen Mechanismus des bloßen Abgleichs privater Interessen. Während dem Liberalismus die Idee der das je eigene Interesse übersteigenden Bürgertugend fehlt, sieht der Republikanismus die „Partizipation an der Selbstregierung als das Wesen der Freiheit“ (Taylor 1989/1995, 126). Man könnte nun versucht sein, das Gegensatz-Schema einfach auf das Verhältnis von transatlantischem und rousseauistischem Republikanismus auszudehnen: Der transatlantische Republikanismus ist im Wesentlichen eine Form des Liberalismus und als solche unvereinbar mit dem echten Republikanismus. Schreibt nicht Quentin Skinner, dass im transatlantischen Republikanismus die politische Partizipation eine instrumentelle Rolle spiele und nicht als Verwirklichung eines höheren Selbst oder als eine tiefere Form von Freiheit verklärt werde? Sie wird als eine notwendige Bedingung verstanden, um die Herrschaft der Mächtigen zu unterbinden und den freien Gebrauch individueller Rechte zu schützen (Skinner 1998, 74–75). Einem solchen „individualistisch-instrumentalistischen“ Ansatz stehe das „kommunitaristisch-ethische“ Denken des rousseauschen Republikanismus gegenüber. Doch wäre eine solche Ausweitung des Gegensatz-Schemas missverständlich.14 Aus der Tatsache, dass man der Partizipation keinen „inhärenten Wert“ zuschreibt, folgt nicht, dass der ethische Gedanke der Bürgertugenden aufgegeben wird. Eben weil das Mitgestalten einer gemeinwohlorientierten Politik keinen Beitrag zur Selbstverwirklichung darstellt, werden sich nur diejenigen politisch beteiligen, die bereit sind, ihr Eigeninteresse zurückzustellen. Denn die Legislative soll so gestaltet sein, dass eine Sonderinteressen dienende Gesetzgebung möglichst ausgeschlossen ist. Es gibt insofern keine materielle Partizipationsprämie. Auch in dieser Hinsicht lässt sich ein klares republikanisches Profil in der Zweiten Abhandlung ausmachen. Der Neutralisierung von Sonderinteressen dient etwa, dass die Mitglieder der Legislative „gleich allen übrigen Menschen Untertanen der allgemeinen Gesetze ihres Landes sind“ (II § 138). Locke geht jedoch nicht davon aus, dass rein institutionelle Vorkehrungen ausreichen, um die Unparteilichkeit der Gesetze sicherzustellen. Wenn die Mitwirkung an der Gesetzgebungspraxis nicht mit persönlichen Vorteilen verbunden ist, so ist der Anreiz groß, anderen die Erfüllung dieser Aufgabe zu überlassen. Wie bei anderen Kollektivgütern auch, werden rein an ihrem Eigeninteresse orientierte Akteure versuchen, die Vorteile einer auf das Gemeinwohl gerichteten Politik zu nutzen, aber die Kosten zu vermeiden. Insofern kann auch Locke nicht auf den Gedanken der Bürgertugend verzichten, wenn er auch von anderem Zuschnitt ist als bei den Kommunitaristen 14 Habermas 1990/1992, 640.
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des zwanzigsten Jahrhunderts. Die Entgegensetzung „individualistisch-instrumentalistisch“/„kommunitaristisch-ethisch“ verdunkelt insofern, dass die Differenzen auf der Ebene der politischen Moral und der Psychologie liegen. Locke geht illusionslos davon aus, dass die Legislative immer der Gefahr unterliegt, das in sie gesetzte Vertrauen zu missbrauchen. Das Volk kann nur dann Ursprung und Hüter der Verfassung sein, wenn es bereit ist, sich an den natürlichen Gesetzen zu orientieren und für deren Einhaltung einzutreten. Locke merkt einschränkend an, dass das Volk keinen Widerstand gegen naturrechtswidrig ausgeübte Staatsgewalt leisten werde, wenn es sich in seiner Gesamtheit „nicht davon berührt fühlt“ (II § 208). Anders liege der Fall, wenn die Mehrheit von ungesetzlichen Akten betroffen sei oder wenn Einzelfälle Präzedenzcharakter für die Allgemeinheit hätten (II § 209). In solchen Fällen sei Widerstand zu erwarten. Es wäre ein grobes Missverständnis, Lockes Rede vom Erkennen oder Empfinden des Volkes (pars pro toto: II §§ 209–210) in kollektivistischer Manier zu interpretieren. Doch zeigt die Selbstverständlichkeit, mit der er das Volk als politisch handlungsfähige Instanz anspricht, dass er die Individuen zwar als endliche, fehlbare und eigeninteressierte Wesen ansieht, ihnen aber grundsätzlich auch die Fähigkeit und Bereitschaft zuspricht, im und als Kollektiv ihren natürlichen Pf lichten zu genügen – und zu diesen Pf lichten und Befugnissen gehört gegebenenfalls auch, die natürlichen Rechte anderer zu verteidigen.15 Darauf baut das staatliche Recht gegen jeden Bürger auf, „zur Vollstreckung der Urteile des Staates seine Kräfte in Anspruch zu nehmen“ (II § 88). Das zur Erhaltung der Menschheit verpf lichtende Grundgesetz der Natur (II § 16) wird in der politischen Gemeinschaft in eine Form von bürgerschaftlicher Solidarität überführt – eine Solidarität jedoch, die sich auf die Sicherung der natürlichen Rechte und Pf lichten der Individuen bezieht. Pointiert gesagt, nimmt in der transatlantischen Tradition die Bürgertugend die Form des Pathos individueller Freiheit an.
11.6 Inklusion in die politische Gemeinschaft Ein weiteres Merkmal republikanischer Theorien besteht in der herausgehobenen Bedeutung, die sie der Gleichheit beimessen. Im Wesentlichen ist dies schon durch den neo-römischen Freiheitsbegriff vorgezeichnet. Wenn Freiheit einen politisch-rechtlichen Status der Unabhängigkeit darstellt, so ist sie unvereinbar mit Abhängigkeit erzeugender Vormacht. Dass Menschen, in den Worten Lockes, „ohne Unterordnung oder Unterwerfung einander gleichgestellt leben sollen“ (II § 4), heißt auch und vor 15 Dass Locke die Verteidigung der natürlichen Rechte anderer als eine Pf licht ansieht, wird durch folgende Formulierung nahegelegt: „Wie ein jeder verpflichtet ist, sich selbst zu erhalten und seinen Platz nicht vorsätzlich zu verlassen, so sollte er aus dem gleichen Grunde, und wenn seine eigene Selbsterhaltung nicht dabei auf dem Spiel steht, nach Möglichkeit auch die übrige Menschheit erhalten“ (II § 6; zweite Hervorhebung M. S.).
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allem, dass sie sich als Gleiche begegnen können. Diese Gleichheit ist keine bloße Konvention, kein Resultat rechtlicher oder politischer Vereinbarungen, nichts Gemachtes oder Aufgesetztes, sondern nach Locke der natürliche Zustand der Menschheit. Auch in dieser Hinsicht scheint er republikanisch zu denken. Crawford B. Macphersons einf lussreiche Studie hat in der Zweiten Abhandlung jedoch eine völlig andere Zielsetzung ausgemacht (zum Folgenden: Macpherson 1962/1990, 194–262). Er behauptet, Locke ziele nicht auf die Rechtfertigung einer Ordnung, die einem Ideal natürlicher Gleichheit entspräche. Die Zweite Abhandlung diene dem ideologischen Zweck, den seinerzeit verbreiteten neo-römischen Freiheitsgedanken seiner republikanischen Implikationen zu berauben. Gleiche Freiheit ist bei Locke nicht das normative Leitbild, an dem die politische Ordnung gemessen wird. Vielmehr wird die Vorstellung eines gleichgestellten Lebens „ohne Unterordnung und Unterwerfung“ in eine bestimmte Phase des Naturzustands abgeschoben, die bereits mit der Einführung des Geldes und der daraus resultierenden wirtschaftlichen Ungleichheit endet. Weder für die Verteilung von Vermögen nach der Einführung des Geldes, noch für die gleiche Repräsentation innerhalb der Legislative gesteht Locke dem neo-römischen Freiheitsgedanken gestaltende Kraft zu. Die Konstitution der politischen Gemeinschaft und die darauf folgende Etablierung der staatlichen Ordnung bedeutet die Absicherung und Legitimation wirtschaftlicher und rechtlich-politischer Ungleichheit in einer frühkapitalistischen Marktgesellschaft. So vollendet die Zweite Abhandlung, was Macpherson den bürgerlichen Besitzindividualismus nennt, eine politische Theorie, die er auch bei Hobbes, Harrington und anderen diagnostiziert. Der Besitzindividualismus zeichnet sich durch die These aus, dass der Mensch Eigentümer seiner Person und seiner Vermögen sei und dass er als ein solcher Selbsteigentümer über sich verfügen dürfe. So läuft die individuelle Freiheit für die Masse der Bevölkerung auf das Recht hinaus, die eigene Arbeitskraft zu verkaufen. An die Stelle der natürlichen Freiheit und Gleichheit tritt für die Besitzlosen die Lohnabhängigkeit. Da die Lohnarbeitenden von politischer Repräsentation ausgeschlossen seien, ist die Zweite Abhandlung nach Macpherson im Kern die Rechtfertigung eines frühkapitalistischen Klassenstaates.16 Es ist hier nicht der Ort, die Kritik an dieser Deutung im Einzelnen nachzuzeichnen.17 Vielmehr möchte ich untersuchen, ob sich wirtschaftliche Ungleichheit bei Locke in der von Macpherson behaupteten Weise in politische Ungleichheit übersetzt. Ihm zufolge stand Locke vor dem Problem, das Majoritätsprinzip mit dem Eigentumsschutz zu verbinden. Gestünde man den Besitzlosen volle politische Partizipationsrechte zu, so würden sie das Mehrheitsprinzip dazu nutzen, um die Eigentumsordnung zu ih16 Macphersons Locke-Deutung gilt zwar in der Forschung als überholt; John Rawls stimmt aber – bei aller Kritik – mit ihm in dem wichtigen Punkt überein, dass die Zweite Abhandlung die Rechtfertigung eines Klassenstaates einschließt. Siehe: Rawls 2007/2008, 215–240. 17 Hierzu: Tully 1989/1993, 71–95.
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ren Gunsten zu ändern. Locke löst dieses Problem nach Macpherson, indem er die Bevölkerungsmehrheit der Besitzlosen von der politischen Repräsentation ausschließt (Macpherson 1962/1990, 252). Rawls hat sich in seiner Geschichte der politischen Philosophie dieser Deutung im Wesentlichen angeschlossen (Rawls 2007/2008, 218–220). Wenn Locke in II § 142 davon spricht, dass die legislative Gewalt keine Steuern auf das Eigentum des Volkes erheben dürfe ohne die Zustimmung des Volkes selbst oder seiner Abgeordneten, so sind dieser Auslegung zufolge mit „Volk“ allein die Vermögenden gemeint. Denn nur sie bilden die politische Gemeinschaft. Die Textgrundlage für diese Auslegung findet sich in den II §§ 140 bis 158. In II § 140 postuliert Locke, dass die Erhebung von Steuern der Zustimmung der Mehrheit des Volkes bedarf. Wäre es der Regierung möglich, das Volk ohne dessen Zustimmung zu besteuern, so liefe dies auf eine Aufhebung des natürlichen Eigentumsrechts hinaus. Die Regierung würde sich nehmen, was und wie viel ihr beliebt. Allerdings findet sich in II § 140 kein Hinweis darauf, dass (a) die Besitzlosen dem Volk nicht angehörten und (b) daher nicht stimmberechtigt wären. (a) Was die erste Teilthese betrifft (Die Besitzlosen gehören dem Volk nicht an), ist festzuhalten, dass bei Locke die Zugehörigkeit zur politischen Gemeinschaft ausdrückliche Zustimmung voraussetzt (II § 122). In II § 87 erklärt er, diejenigen Menschen seien zu einem politischen Körper vereinigt und bildeten zusammen eine bürgerliche Gesellschaft, die „eine allgemeine feststehende Gesetzgebung und ein Gerichtswesen haben“ (II § 87). Eine spezielle Eigentumsvoraussetzung für den Beitritt zu einer politischen Gemeinschaft findet sich nicht. Vorausgesetzt ist lediglich die ausdrückliche Anerkennung eines gemeinsamen Richters (s. a. II § 19). Locke kommt auf die Frage des Besitzes im Zusammenhang der stillschweigenden Zustimmung zu sprechen (II § 119). Doch hier geht es um die Gehorsamspf licht gegenüber den Gesetzen und nicht um die Mitgliedschaft in der politischen Gemeinschaft. Könnten die Besitzlosen keine Mitglieder des Volkes sein, so hätten sie den Status von Fremden (II § 122). Eine Konsequenz wäre, dass die politische Gemeinschaft die Kräfte der Besitzlosen nicht für die Landesverteidigung oder andere, dem öffentlichen Wohl dienende Zwecke in Anspruch nehmen könnte (II §§ 3, 89). Daher scheint es unwahrscheinlich, dass Locke ein exklusives Modell der Zugehörigkeit zum Volk entwickeln möchte. Alles, was erforderlich ist, um in ein gemeinsames Staatswesen überzutreten, ist – wie gesagt – die explizite Anerkennung eines gemeinsamen, mit hinreichender Autorität ausgestatteten Richters (II § 89, II § 122). (b) Könnte es sein, dass die Zweite Abhandlung das potentiell inklusive Modell der Volkszugehörigkeit mit einem exklusiven Modell der politischen Repräsentation kombiniert?18 Gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts waren zwischen 4/5 und 3/5 der männlichen Bevölkerung vom Wahlrecht ausgeschlossen, und Rawls meint, Locke 18 Ich schreibe „potentiell inklusiv“, weil Locke möglicherweise davon ausging, dass viele Bewohner des Staatsgebietes gar kein Interesse an einer Mitgliedschaft in der politischen Gemeinschaft haben – zum Beispiel, weil
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heiße dies in der Zweiten Abhandlung gut (Rawls 2007/2008, 218). Wenn in II § 140 in Verbindung mit II § 142 davon die Rede ist, dass Steuern nur mit Zustimmung der Majorität des Volkes erhoben werden dürfen, so zielt dies möglicherweise auf diejenigen, die über ein Vermögen von mindestens 40 Schilling verfügen (loc. cit.). Auf diesem Wege, dem der politischen Exklusion, werden Mehrheitsprinzip und Eigentumsschutz versöhnt. Denn wenn nur die Vermögenden über Steuern abstimmen, können sie nicht zur Umverteilung gezwungen werden. Im Verhältnis zu der beachtlichen Tragweite dieser These erweist sich die Textgrundlage als recht dünn. Es ist zwar richtig, dass Locke den Schutz des Eigentums immer wieder zum Zweck der politischen Gemeinschaft erklärt. Doch umfasst der Eigentumsbegriff bei ihm bekanntlich auch das Leben, die Freiheiten und das Vermögen der Individuen (II § 123). Mit den Passagen zum Eigentumsschutz lässt sich insofern nicht ohne Weiteres begründen, dass die Funktion des Staates bei Locke im Schutz der Vermögenden und ihrer Interessen liegt. Zusätzliche Stützung könnte diese Lesart allerdings durch II § 138 erfahren, in dem Locke zu fordern scheint, dass die Menschen, die in die Gesellschaft eintreten, „Eigentum haben sollen“.19 Locke will hier jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht sagen, Vermögen sei Vorbedingung der politischen Repräsentation. Vielmehr unterstreicht er, dass die Menschen zum Schutz des Eigentums in die Gesellschaft eintreten und dass es daher ungereimt wäre, wenn der Staat das Recht bekäme, es ihnen ohne Zustimmung der Mehrheit zu nehmen.20 Rawls begründet die These vom Klassenstaat im Wesentlichen mit dem II § 158 (in Verbindung mit II § 157 und II § 140). Dort argumentiert Locke, die Repräsentation solle „im Verhältnis zu dem Beistand“ stehen, den ein Gebiet „der Öffentlichkeit leistet“. Es könne nicht angehen, dass eine arme und entvölkerte Gegend „ebenso viele Repräsentanten in die große gesetzgebende Versammlung entsendet wie eine ganze Grafschaft mit zahlreicher Bevölkerung und mächtigen Reichtümern“ (II § 157). Daher müsse die Prärogative das Recht umfassen, die Stimmbezirke neuen Gegebenheiten anzupassen, um so für eine angemessene Repräsentation zu sorgen. Nun ist in II § 157 von „zahlreicher Bevölkerung“ und „mächtigen Reichtümern“, von Bevölkerungszahl und wirtschaftlicher Bedeutung eines Stimmbezirks die Rede. Ein Ausschluss der Besitzlosen von der politischen Resie nicht „auf ewig und unwiderruf lich verpf lichtet“ sein wollten, deren „Untertan zu sein und unabänderlich zu bleiben“ (II § 121). Bernd Ludwig danke ich für den Hinweis auf diese Möglichkeit. 19 Die genaue Formulierung lautet: „Denn da die Erhaltung des Eigentums der Zweck der Regierung und das Ziel ist, weshalb die Menschen in die Gesellschaft eintreten, so muss auch notwendigerweise vorausgesetzt und verlangt werden, dass sie Eigentum haben sollen“ (II § 138). 20 „Und das wäre doch wohl zu absurd, als dass es irgend jemand zugestehen könnte“ (II § 138). In diesem Zusammenhang stellt sich auch die grundsätzliche Frage, inwieweit die politische Gemeinschaft überhaupt befugt ist, in Eigentumspositionen einzugreifen, die im Naturzustand aufgebaut wurden. Ich möchte dieses Problem für den Moment zurückstellen, weil es die naturrechtlichen Grenzen politischer Macht und nicht die Frage der politischen Repräsentation betrifft.
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präsentation lässt sich hier nicht herauslesen (s. a. Dunn 1969/1995, 56). Nicht nur scheint die These vom Klassenstaat textlich unzureichend motiviert; ihr stehen zudem zentrale Äußerungen direkt entgegen. So erklärt Locke in II § 94, in einer bürgerlichen Gesellschaft sei „jeder einzelne, der geringste Mann ebensosehr wie irgendein anderer, jenen Gesetzen untertan, die er selbst als ein Teil der Legislative erlassen hatte“ (Hervorhebung M. S.). In II § 99 führt er aus, dass die Vereinigung zu einer politischen Gesellschaft nichts anderes ist als die Abtretung der Macht an die Mehrheit, und in II § 132 heißt es: „Die Mehrheit erhält (…) durch die Vereinigung der Menschen zu einer Gesellschaft naturgemäß die gesamte Gewalt der Gemeinschaft.“ Diese Aussagen sind nur schwer mit der Klassenstaats-These vereinbar. Zu der politischen Gemeinschaft gehören alle Menschen, die sich ausdrücklich einem gemeinsamen Richter unterstellt haben, auch die Besitzlosen; und folglich haben auch sie an der Ausübung der höchsten Gewalt teil. Da das Volk verfassungsgebende Gewalt hat, besteht jede mögliche Staatsform nur aufgrund der Zustimmung der Mehrheit. Und das Volk ist nur denjenigen Gesetzen verpf lichtet, die „von jenen Männern beschlossen werden, die es erwählt und ermächtigt hat, ihm Gesetze zu geben“ (II § 141). Macpherson behauptet, Lockes Anliegen sei gewesen, die Besitzlosen von der politischen Repräsentation auszuschließen, um die Vermögenden vor einem revolutionären Umsturz der Eigentumsverhältnisse zu bewahren. Doch Lockes Einschätzung war eine völlig andere. Er ging davon aus, dass das Volk konservativ sei und an den althergebrachten Institutionen festzuhalten tendiere (II § 230); und zwar auch dann, wenn andere Staatsformen (und ich ergänze: Eigentumsverhältnisse) möglicherweise vorteilhafter für es wären. Mit Blick auf die Prärogative bemerkt Locke: Das „Volk nimmt es selten oder nie sehr genau in diesem Punkt“ (II § 161). Diese Einschätzung gilt wohl für Lockes Sicht des Volkes insgesamt. Es nimmt es in Verfassungsdingen nicht sehr genau. Es kalkuliert und maximiert nicht; das Bekannte und Bewährte ist ihm in vielen Hinsichten gut genug. Es ist sogar bereit, an einer gemischten Verfassung festzuhalten.21 Solange es nicht zu offenkundigem und unerträglichem Machtmissbrauch oder -versagen kommt, besteht es nicht darauf, die volle Kontrolle über die Legislative zu übernehmen und die „Gesetze durch Beamte der eigenen Wahl vollstrecken zu lassen“ (II § 132). Nach Locke wählt das souveräne Volk Staatsformen unter instrumentellen Gesichtspunkten aus, wobei die demokratische Selbstherrschaft eine der möglichen Optionen darstellt. Nimmt man die im Vorangegangenen genannten Punkte zusammen, so kann meines Erachtens kein Zweifel daran bestehen, dass sich in der Zweiten Abhandlung ausgeprägt republikanische Elemente finden. Lockes Vorstellungen von Freiheit, Volkssouveräni-
21 „Die Trägheit und Abneigung des Volkes, seine alten Einrichtungen aufzugeben, hat uns in den vielen Revolutionen, die unser Königreich in dieser Zeit wie auch in früheren Zeiten erlebt hat, auch weiterhin an unserer alten Legislative von König, Lords und Bürgern (Commons) festhalten lassen oder uns, nach einer kurzen Periode fruchtloser Versuche, wieder zu ihr zurückgeführt“ (II § 232).
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tät und politischer Repräsentation lassen sich zwanglos in die transatlantische Tradition einordnen. Vor diesem Hintergrund sollten wir uns von den Zwängen des GegensatzSchemas befreien und die Zweite Abhandlung als Klassiker eines liberalen Republikanismus lesen.22
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Personenverzeichnis
Ackerman, Bruce 135 Adam 10, 17, 67, 97, 100, 109 f., 117, 122 Ames, William 42 Andreas de Novo Castro 41, 44 Aristoteles 12, 21, 39 f., 68, 91 Astell, Mary 22 Augustinus 39 f. Berlin, Isaiah 168 Bodin, Jean 131 Boyle, Robert 45 Brady, Robert 109 Burnet, Thomas 35, 37 f. Charles I. 110 Charles II. 2, 4, 111, 153 Charleton, Walter 45 Chaucer, Geoffrey 43 Constant, Benjamin 165, 167 f. Cudworth, Ralph 41, 44 f. Duns Scotus 42 Elisabeth I. 116 Filmer, Robert 6–10, 17–19, 24, 29, 58, 66–68, 73–75, 79 f., 86, 96 f., 100 f., 107–109, 116 f., 122, 131, 157, 162 f., 170 Gassendi, Pierre 45 Gouges, Olympe de 22 Grotius, Hugo 25, 29, 55, 74, 79–81, 86, 119 Habermas, Jürgen 166–168, 174 f. Harrington, James 171 Hobbes, Thomas 8 f., 19, 25, 46, 55 f., 57–59, 66– 68, 70–75, 116–120, 122 f., 125, 127, 131, 134, 161, 177 Hooker, Richard 68, 116, 119–124 Humboldt, Wilhelm von 165 Hume, David 72, 106
Levellers 127 James II. 2–4, 111, 116 James VII. 3, 111 Machiavelli, Niccolò 125, 170 Macpherson, Crawford B. 13, 89, 108, 119, 127, 140, 187 f., 190 Mary II. 110 Mill, John Stuart 165, 168 Milton, John 2, 6 f., 74, 173 Montesquieu 121 Morus, Thomas 28 f. Newton, Isaac 45 Nozick, Robert 90, 124, 165 Pettit, Philip 166, 168, 170, 172 Pierre d’Ailly 41 f., 44 Pufendorf, Samuel 25, 77, 79 f. Rawls, John 135, 169, 177–179 Rou, Francis 110 Rousseau, Jean-Jacques 10 f., 62, 127, 134 f., 139, 166, 168 f., 174 Shaftesbury, Anthony Ashley Cooper 2, 5, 7, 26, 49, 88, 111, 116 Sidgwick, Henry 172 Sidney, Algernon 9, 12, 18, 167, 170, 172 Sieyès, Emmanuel Joseph 135 Skinner, Quentin 18, 109 f., 116, 167–170, 172 f., 175 Smith, Adam 80 Spinoza, Baruch de 119 Suárez, Francisco 41 f., 122 Taylor, Charles 165, 174 f. Thomas von Aquin 39 f., 42, 113 Tocqueville, Alexis de 168 Tyrrell, James 9 Vitoria, Francisco de 27
Kant, Immanuel 62, 72, 117, 119 f., 127, 135, 139, 167
Whigs 1–4, 10, 110 f., 169
Lawson, George 8, 135, 144, 156
Wilhelm von Ockham 36, 41–48 William III. 5, 7, 110
Sachverzeichnis
Abschreckung 28, 60 f. Absolutismus 2 f., 8 f., 57, 73, 95 f., 100–103 112– 113, 116, 123, 134, 172 Allegiance Controversy 110 Aneignung 29, 81–84, 87 f., 126, 149 Anrufung 63, 100, 158 – des Himmels 74, 112, 158 – des göttlichen Richters 73, 123 Appeal siehe Anrufung Arbeit 10, 24, 79, 80–85, 90, 124 f., 127, 149, 177 Autonomie 14, 125, 127, 168 Besitzindividualismus 108, 177 Body politic siehe Körper, politischer Bounds siehe Grenzen Brady-Controversy 109 Common Law 3, 53, 139
Commonwealth siehe Staatswesen Compact siehe Vertrag Consent siehe Zustimmung Demokratie 11, 127, 134, 136, 142, 149 f., 167, 171, 180 Divine Right of Kings 109 Ehe 21–24, 32 Eid 108 Eigentum 13, 19 f., 23–28, 31, 68, 74, 76, 79–91, 96, 98 f., 101 f., 104, 107 f., 109, 118 f., 124–128, 131, 137, 138, 140, 143, 148 f., 165, 174, 177–180 Erbschaft 21, 107 f., 110, 117, 122, 127 Erhaltung der Menschheit 28, 54, 57, 62 f., 69, 80, 96, 112, 165, 176 Eroberung, normannische 109 Exclusion Crisis 3, 7, 12, 111, 117 Exekutive 102–105, 115, 121–123, 127, 131–135, 139, 142–145, 147 f., 167 Föderative 104, 121, 132, 142–144, 147 f. Force without Right siehe Gewalt ohne Recht Frau 17 f., 21–26, 29, 31 f., 108 Freiheit 4, 10 f., 13 f., 18 f., 21, 25 f., 29, 67–69, 73, 75, 80 f., 90, 95–102, 106 f., 108, 111, 118 f., 124, 126–128, 135, 137 f., 140, 148 f., 165–168, 170–177, 179 f.
Geld 80, 82, 83–91, 121, 125, 173, 177 Gemeinschaft 28, 31, 65, 67, 71, 76, 80, 97–99, 112 f., 115–118, 120–124, 133–137, 141, 143, 146, 166, 168, 170–174, 176–180 Gemeinwohl 89, 104, 124–128, 142, 166, 168, 175 Gesellschaft 11, 17 f., 21, 23–27, 29–31, 53, 55 f., 58, 62 f., 65, 70, 74, 76, 79, 82 f., 85–87, 89–91, 97–100, 102–108, 112 f., 121–128, 136, 138, 143, 145 f., 149, 156–163, 166, 173, 177–180 Gesetz, natürliches 14, 19–21, 24, 27 f., 37, 47, 53–60, 63, 65, 67–77, 95 f., 98, 101 f., 112 f., 120 f., 138–140, 153 f., 173 f., 176 Gesetz, positives 29, 72, 79, 85, 90, 95 f., 101, 103–108, 112 f., 122 f., 125–128, 139 f., 142– 144, 147, 167, 169, 171, 173–175, 178, 180 Gewalt ohne Recht 71 f., 96 f., 157–159 Gewalt 9, 20, 65, 70–73, 75 f., 101, 115, 118–128, 137–139, 142–147, 167, 169–171, 173, 176, 178, 180 – absolute 8, 25–27, 73, 97, 102 f., 111, 131, 154 – elterliche 18, 20 f., 97 – G.-Monopol 117, 119–121, 124 – höchste 11, 49, 104, 112, 127 f., 134, 136, 139, 145, 156, 166, 169, 174, 180 – politische 17 f., 21, 23, 79, 97 f., 102–104, 116, 121–128, 131 f., 134, 136, 141, 148, 166 – über Leben und Tod 13, 25, 96, 97, 102, 111 – väterliche 17–21, 23, 97, 116 – verfassunggebende 132–137, 140 f., 146–148, 150, 180 Gewaltenteilung 11, 128, 131 f., 134 f., 142, 145– 149, 171 Gleichheit 13, 19, 21–23, 31 f., 65, 67 f., 70, 76, 97 f., 100, 113, 117–119, 122, 126 f., 139–141, 146 f., 170 f., 173–177 Glorious Revolution 3, 6 f., 111 Gott 10, 13, 20, 65, 67–71, 73 f., 80–82, 89, 101, 110, 113, 116 f., 120, 122 f., 167 Government siehe Regierung Grenzen 19, 27, 30 f., 53, 67, 79, 82, 88, 103, 119, 132, 137 f., 149, 156, 179 Grundrechte 13, 119, 122, 125 f., 148 f. Haus 3, 17 f., 23 f., 29, 88 f., 91, 97, 115
SachverzeichniS Herrschaft 1 f., 4, 9–11, 13, 17–19, 21–24, 26, 28, 31 f., 66 f., 75, 80, 82, 89, 95, 97f ., 101, 106, 109–113, 117 f., 122, 131–134, 137–139, 141, 144, 148, 168, 170–172, 174 f., 180 Indianer 28–30, 122 Individualismus 60, 108, 124, 166, 168, 175–177 Intellektualismus 4, 12, 35–38, 40 f., 45, 47, 49 Judikative 121, 123, 125, 132, 134 f., 144
King in Parliament 112, 127 Kolonisierung 88, 144 König 2–4, 6, 18, 21, 76, 96 f., 105, 110 f., 113, 117, 122, 148, 167, 169 f., 180 Körper, politischer 55, 58, 99, 112, 115, 133, 147, 171, 178 Kommunitarismus 128, 165, 175 f. Kriegszustand 17, 25, 28, 65–67, 71–75, 96 f., 112, 119, 122, 153–156, 158 Law of Nature, siehe Gesetz, natürliches Legislative 2, 103–105, 121 f., 126, 128, 132 f., 135–140, 142–150, 153, 156–159, 161 f., 167, 169–172, 174–178, 180 Liberalismus und Republikanismus 12 f., 18, 79, 113, 124, 128, 134–136, 165–177, 180 f. Mehrheit 99, 118, 122, 133 f., 136, 141, 167 f., 177–180 Membership siehe Staatsbürgerschaft Mensch 9–11, 13, 18–21, 23–25, 27 f., 30 f., 65– 71, 73–77, 79–84, 86–88, 95–98, 100–103, 105– 109, 111–113, 115, 117–123, 125–128, 137 f., 165, 171–180 Mischverfassung 132 f., 135 f., 143, 145–149, 169 Monarchie 2, 10, 17, 21, 24, 30, 43, 58, 95, 100 f., 109, 116 f., 123, 127 f., 132, 134–136, 140 f., 145–149, 167, 169–171, 173 f. Mutter 18, 20 f., 97 Nachtwächterstaat 124 Natur des Menschen 77, 127 f. Naturrecht 11–14, 20, 25, 27 f., 31 f., 69–71, 73 f., 76 f., 79 f., 83, 85, 90, 91, 96, 111–113, 115–117, 120–123, 131, 133, 137 f., 140, 143 f., 147–150, 166, 173 f., 176, 179 Naturzustand 19, 27, 66–76, 80 f., 95–102, 115–124, 126 f., 137, 143–145, 148 f., 172–174, 177, 179 Nominalismus 36, 40, 43–45, 49
Obligation siehe Verpflichtung
189
oikos siehe Haus Oligarchie 134, 136 Papismus 3, 111 Parlament 2, 127, 135 f., 140, 143, 146–150 Patriarchalismus 8, 18, 22 f., 97, pouvoir constituant – pouvoir constitué 135 Power, supream/supreme siehe Gewalt, höchste Prärogative 104, 121, 132, 142–144, 147 f., 170, 179 f. Preservation of Mankind siehe Erhaltung der Menschheit Property siehe Eigentum Prozeduralismus 113, 137 Rache 60, 76, 95, 120 Rassismus 27, 31 f. Rationalismus 35, 38–40 Rebellion 5, 9, 105, 157, 159, 162, 173 Recht 2, 9 f., 13, 18–21, 24 f., 27–29, 31 f., 67–77, 81 f., 84, 86, 88 f., 96–98, 102–105, 107, 109, 111–113, 115–128, 131, 134 f., 138–149, 166– 179 Rechtsstaatlichkeit 132, 171 Regierung 1, 3, 5, 11, 17, 20 f., 24, 26 f., 32, 58, 66, 74–76, 79 f., 90, 95, 97, 99–113, 115, 121, 123, 126, 133, 140, 144, 153–163, 169 f., 175, 178, 179 Regierungsformen 11, 90, 100 f., 109–113, 133, 145 Reparation siehe Wiedergutmachung Repräsentation 126–128, 135, 140, 145, 171, 174, 177–181 Republikanismus und Liberalismus 12 f., 18, 79, 113, 124, 128, 134–136, 165–177, 180 f. Resistance siehe Widerstand Restauration 1 f., 123 Restraint siehe Abschreckung Richter 71–74, 76, 95 f., 100, 112, 120 f., 123, 142, 144 f., 173 f., 178, 180 Sanktion siehe Strafe Schiedsrichter 144 f., 158 Selbsterhaltung 11, 69, 80 f., 83, 90, 96, 102, 117 f., 121 f., 126, 137 f., 176 Selbstjustiz 95 Sexismus 31 f. Sklaverei 13, 17 f., 23–32, 68, 96, 101 f., 119, 131, 172 f. Society siehe Gesellschaft Souveränität 11, 112, 116, 118, 131, 133, 135, 148 f., 166, 167, 172
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Sachverzeichnis
Staatsbürgerschaft 13, 98, 108, 123, 137, 140, 160, 166, 175 Staatsform 97, 115 f., 132–136, 140, 150, 180 Staatswesen 58, 68, 79, 98 f., 106 f., 109, 166, 171, 178 State of war siehe Kriegszustand Steuer 104, 126, 140, 142, 150, 173, 178 f. Strafe 4, 20, 27 f., 31, 69 f., 74, 76, 120, 122, 139, 142, 147, 174 Subjection siehe Unterwerfung Sündenfall 76 f., 121 Todesstrafe 20, 25, 70, 97, 138 Trust siehe Vertrauen Tyrannenmord 73
Verfassung 11, 17, 21, 79, 84–91, 112, 119, 131– 137, 139, 141–150, 166 f., 169 f., 172, 176, 180 Verpflichtung 37 f., 43 f., 53, 80, 107, 109 f., 160, 176 Vertrag 22–25, 29, 66, 79–81, 85 f., 90, 102, 104, 107, 109, 124, 143 – im Naturzustand 70, 98, 119 – ursprünglicher 98 f., 102, 116 f., 123, 132 f., 140 f. – zw. Gesellschaft und Regierung 21, 66, 74, 86, 102–104, 112, 116–118, 122 f., 132 f. Vertrauen 13, 70, 95, 98, 102–106, 112 f., 115, 118, 122, 124, 135–137, 153–161, 176 Volkssouveränität 11, 112, 131, 133, 148 f., 166, 168, 172, 180 f. Voluntarismus 35–38, 41, 44 f., 47 f., 133
Überschuss 82–85, 87, 90
Umpire siehe Schiedsrichter Ungleichheit 23, 97 f., 141, 146, 177 Untertänigkeit 4, 9, 20, 21, 89, 98, 107, 117, 127, 137, 166, 172 f., 175, 178, 180 Unterwerfung 18, 21, 40, 48, 75, 95 f., 98–101, 103, 106–108, 110 f., 117–119, 122, 127, 139, 141 f., 145, 159, 173 f., 176 f.
Vengeance siehe Rache
Wahlrecht 126 f., 140–142, 146, 178 Wiedergutmachung 29, 56 f., 59–62, 72, 155 Widerstand 2, 7, 13, 19, 28 f., 111, 116, 123, 128, 131, 136, 144, 148, 153–159, 162 f., 169, 176 Wohl, öffentliches 79, 102, 124, 144, 149, 178 Zustimmung 6, 11, 13, 21, 23–25, 28, 81, 85–87, 90, 98, 100–102, 104, 106–110, 113, 115–117, 120, 126 f., 137, 140, 161, 166 f., 171, 178–180
Hinweise zu den Autoren Wolfgang von Leyden, 1911–2004, Reader für Philosophie an der Durham University. Wichtigste Buchveröffentlichungen: John Locke, Essays on the Law of Nature: The Latin Text with a Translation, Introduction and Notes (1954), Seventeenth-Century Metaphysics: In Examination of some main Concepts and Theories (1968), Hobbes and Locke: The Politics of Freedom and Obligation (1981) Bernd Ludwig, Professor für Philosophie an der Georg-August-Universität Göttingen. Wichtigste Buchveröffentlichungen: Kants Metaphysik der Sitten (1986 u. ö.), Was ist Eigentum? (mit A. Eckl, 2005), Kants Rechtslehre (1988, 2 2005), Die Wiederentdeckung des Epikureischen Naturrechts. Zu Hobbes’ philosophischer Entwicklung von ‚De Cive‘ zum ‚Leviathan‘ im Pariser Exil (Frankfurt 1998). Peter Niesen, Professor für Politische Theorie und Ideengeschichte an der Technischen Universität Darmstadt und Principal Investigator des Exzellenzclusters „Herausbildung normativer Ordnungen“, Goethe Universität Frankfurt/M. Wichtigste Veröffentlichungen: Kants Theorie der Redefreiheit (2. Auf l. 2008), Kommentarband zu Immanuel Kant, Zum ewigen Frieden (mit Oliver Eberl, 2011). Aufsätze zu Habermas, Kant, Bentham und Mill. Francis Oakley, em. Professor für Ideengeschichte am Williams College in Williamstown, Massachusetts. Senior Fellow am Oakley Center for Humanities and Social Sciences, Williams College. Jüngste Buchveröffentlichungen: The Conciliarist Tradition: Constitutionalism in the Catholic Church 1300–1870 (2008), Empty Bottles of Gentilism. Kingship and the Divine in Late Antiquity and the Early Middle Ages (2010), The Mortgage of the Past: Reshaping the Ancient Political Inheritance 1050–1300 (2012). Birger P. Priddat, Professor auf dem Lehrstuhl für Politische Ökonomie an der Universität Witten/Herdecke. Wichtigste Veröffentlichungen: Hegel als Ökonom (1991), Theologie, Ökonomie, Macht. Eine Rekonstruktion der Ökonomie John Lockes (1998), Theoriegeschichte der Ökonomie (2002), Strukturierte Individualität. Institutionenökonomie (2004), Karl Marx. Kapitalismus zweiter Ordnung (2008), Zuwenig Kapitalismus? (2011). Etliche Veröffentlichungen zur ökonomischen Theoriegeschichte. Michaela Rehm, Juniorprofessorin für Philosophie an der Universität Bielefeld. Wichtigste Buchveröffentlichung: Bürgerliches Glaubensbekenntnis. Moral und Religion
H A
in Rousseaus politischer Philosophie (2006). Aufsätze v. a. zur praktischen Philosophie der Frühen Neuzeit. Michael Schefczyk, Professor für Praktische Philosophie an der Leuphana Universität Lüneburg. Wichtigste Veröffentlichungen: Verantwortung für historisches Unrecht (2011), Umverteilung als Legitimationsproblem (2005). Zahlreiche Aufsätze zur Praktischen Philosophie und zu J. S. Mill. Ludwig Siep, em. Professor für Philosophie und Seniorprofessor am Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Universität Münster. Wichtigste Buchveröffentlichungen zu John Locke und zur praktischen Philosophie der Neuzeit: John Locke, ‚Zweite Abhandlung über die Regierung‘. Kommentar (2007). Aktualität und Grenzen der Praktischen Philosophie Hegels (2010, mit S. Laukötter). A. John Simmons, Professor für Philosophie und für Recht an der University of Virginia, Charlottesville. Wichtigste Buchveröffentlichungen: The Lockean Theory of Rights (1993), On the edge of anarchy. Locke, consent, and the limits of society (1993), Justification and Legitimacy. Essays on Rights and Obligations (2000), Political Philosophy (2008). Simone Zurbuchen, Professorin für moderne und zeitgenössische Philosophie an der Universität Lausanne. Wichtigste Veröffentlichungen: Naturrecht und natürliche Religion. Zur Geschichte des Toleranzbegriffs von S. Pufendorf bis J.-J. Rousseau (1991), Herausgeberin: S. Pufendorf, On the Nature and Qualification of Religion, in Reference to Civil Society (2002), S. Pufendorf, The Divine Feudal Law: or Covenants with Mankind, Represented (2002), zahlreiche Aufsätze zur politischen Philosophie der Frühen Neuzeit sowie zur zeitgenössischen Ethik und politischen Philosophie.