Johann Ludwig Ewald (1748-1822): Rettung eines theologischen Zeitgenossen 9783666551710, 3525551711, 9783525551714


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Johann Ludwig Ewald (1748-1822): Rettung eines theologischen Zeitgenossen
 9783666551710, 3525551711, 9783525551714

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V&R

Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte

Herausgegeben von Adolf Martin Ritter

Band 62

Göttingen · Vandenhoeck & Ruprecht · 1996

Johann Ludwig Ewald (1748-1822) Rettung eines theologischen Zeitgenossen

von

Johann Anselm Steiger

Mit 6 Abbildungen

Göttingen · Vandenhoeck & Ruprecht · 1996

Die Deutsche Bibliothek -

CIP-Einheitsaufnahme

Steiger, Johann Anselm: Johann Ludwig Ewald: (1748-1822); Rettung eines theologischen Zeitgenossen / von Johann Anselm Steiger. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1996 (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte; Bd. 62) (Veröffentlichungen des Vereins für Kirchengeschichte in der Evangelischen Landeskirche in Baden; Bd. 52) Zugl.: Leipzig, Univ., Habil.-Schr., 1994 ISBN 3-525-55171-1 NE: 1. GT; Verein für Kirchengeschichte in der Evangelischen Landeskirche Badens: Veröffentlichungen des Vereins ...

Zugleich Leipziger kirchen- und dogmengeschichtliche Habilitationsschrift und unverkäufliche Vereinsveröffentlichung: Veröffentlichungen des Vereins für Kirchengeschichte in der Evangelischen Landeskirche in Baden, Band 52

© 1996 Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen. Printed in Germany. - Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Satz: Text & Form, Pohle Druck und Bindearbeiten: Hubert & Co., Göttingen

Johann Ludwig Ewald, Kuperstich von H. Lips. Kurpfälzisches Museum Heidelberg S 1881

Vorwort Diese Arbeit lag der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig 1993/94 als kirchengeschichtliche Habilitationsschrift vor. Das Verfahren kam im Sommer-Semester 1994 zum Abschluß. Die Gutachten erstellten Prof. Dr. Dr. Kurt Nowak, Prof. Dr. Dr. h.c. Helmar Junghans DD, beide Leipzig, und mein verehrter Lehrer Prof. Dr. Gottfried Seebaß, Heidelberg. Ihnen allen sei an dieser Stelle für ihre Mühe gedankt. Für die Drucklegung wurde die Arbeit ergänzt und überarbeitet. Mein Dank gilt den Mitarbeitern derjenigen Archive und Bibliotheken, die mir bei meinen Recherchen hilfreich zur Seite standen und mir die Auswertung der Quellen erleichterten. Die Universitätsbibliothek Heidelberg, die Hunderte von Fernleihen reibungslos erledigte, sei hier stellvertretend genannt. Frau Dr. Claudia Hoffleit danke ich für ihre Hilfe in schwierigen bibliographischen und sonstigen Fragen. Ich danke Herrn Prof. Dr. Adolf Martin Ritter für die Aufnahme dieser Arbeit in die Reihe „Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte". Der Verein für Kirchengeschichte in der Evangelischen Landeskirche in Baden hat diese Arbeit dankenswerterweise ebenfalls in seine Schriftenreihe aufgenommen und durch diese Kooperation die Drucklegung entscheidend gefördert. Weiter danke ich der Lippischen Landeskirche für einen Druckkostenzuschuß und dem Verlag Vandenhoeck & Ruprecht für die verlegerische Betreuung. Leipzig, Himmelfahrt 1995

Johann Anselm Steiger

Inhalt

EINLEITUNG

Johann Ludwig Ewald - zur Geschichte einer Forschungslücke. Methodische Vorüberlegungen zur Aufgabe der Kirchengeschichtsschreibung auf dem Hintergrund des Vergessens

13

KAPITEL I

Johann Ludwig Ewalds Biographie: Stationen seines Lebens und Wirkens nach den gedruckten und ungedruckten Quellen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18.

Jugend - Studium in Marburg - Carl Wilhelm Robert Ravolzhausen - Offenbach - Katechismus Goethe - familiäre Verhältnisse Philipp Matthäus Hahn - Abkehr von Neologie und Moralismus Gemeindeaufbau - Kritik an Gesangbuchrevisionen Justus Christoph Krafft - Berufung nach Detmold Detmold - Schulwesen - Bibelgeschichte - Realienunterricht Die Zeitschrift,Urania' und andere Schriften Politische Aufklärung - Streit mit der lippischen Ritterschaft Berufung nach Bremen In Detmold liegengebliebene Pläne: Reform der Pfarrerausbildung - Predigerseminar Der Briefseelsorger Bremen - christologischer Streit mit Johann Jacob Stolz Der Streit mit Karl Johann Heinrich Hübbe Ewalds und Häfelis Bürgerschulprojekt in Bremen Kontakt mit Pestalozzi - Reise nach München-Buchsee Pestalozzi-Rezeption und -kritik Reform der Bremer Trivialschulen ,Christliche Monatschrift' - Bremer Schriften Professur für Pastoraltheologie und Moral in Heidelberg Ruf nach Karlsruhe - General-Studien-Kommission - Schulwesen

28 33 44 46 59 66 76 81 87 90 91 99 101 105 111 113 116 122

10

Inhalt

19. Studienplan für die theologische Ausbildung - Notwendigkeit der ,kirchlichen Dogmatik' - die Heidelberger Professorenschaft im Urteil Ewalds .'. 20. Kritik an der Berufung von Heinrich Eberhard Gottlob Paulus nach Heidelberg 21. Ewald und die Pestalozzi-Rezeption in Baden 22. Die Schmähschriften gegen Ewald 23. Karlsruher Schriften - Johann Heinrich Jung-Stilling 24. Arbeit an einer Bibelgeschichte - Konflikt mit Johann Peter Hebel 25. Zeitschrift zur Nährung christlichen Sinnes' Basler Christentumsgesellschaft - Badische Bibelgesellschaft 26. Katechismusstreit mit Friedrich Heinrich Christian Schwarz 27. Apologie des Judentums - Union - Lebensende

127 129 132 134 138 143 153 156 159

KAPITEL II

Ewald und die Erleuchtung der Aufklärung durch eine biblisch-narrative Theologie reformatorischen Zuschnitts 1. Ewalds Biblische Theologie I: Die Narrativität der Offenbarung 2. Standortbestimmung der Theologie Ewalds I: Ewalds Konzept von der Bibel als des Menschen Biographie und der Einfluß J.C. Lavaters und J.G. Hamanns auf Ewald 3. Ewalds Biblische Theologie II: Bibel und Katechismus biblische Pädagogik 4. Verortung der theologischen Pädagogik Ewalds I: Die biblische Pädagogik der orthodoxen Theologen J. Hübner und G. Hoffmann und Ewalds Verwandtschaft mit ihr 5. Standortbestimmung der Theologie Ewalds II: Die aufgeklärten Katechismen von J.B. Basedow, F.E. Rochow, W. Crichton, C.F. Bahrdt und anderen 6. Ewalds Revitalisierung zentraler reformatorischer Theologumena: Die Kritik am zeitgenössischen Moralismus und dessen christologische und rechtfertigungstheologische Aufarbeitung 7. Ewalds Biblische Theologie III: Die claritas der Heiligen Schrift als Motor der Aufklärung und die kritische Rezeption der historischen Kritik durch Ewald 8. Ewalds Biblische Poimenik: Ein Trost den durch Aufklärung und Revolution Angefochtenen

165

176 184

196

218

240

277 297

Inhalt

11

KAPITEL III

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 1. Ewald als Apologet des antijudaistisch angefeindeten Judentums im Kontext der sog. Juden-Emanzipation 2. Ewalds Biblische Theologie IV: Die positive Rezeption der kritischen Philosophie Immanuel Kants und Ewalds biblische Metakritik an dessen Ethik 3. Ewald, die Menschenrechte und die progressive Kritik am politischen Status quo 4. Ewald im Kontext der zeitgenössischen RevolutionsSchriftstellerei 5. Ewald und die Vorwegnahme von Gedankengängen Kants, Schleiermachers und Hegels 6. Standortbestimmung der Theologie Ewalds III: Die Wunderkritik aufgeklärter Theologie und Ewalds Metakritik des Glaubens an derselben

315

352 375 385 403

414

KAPITEL I V

Bibliographie der Druckschriften Ewalds und der Archivalien 1. Vorbemerkungen 2. Bibliographie der Druckschriften Ewalds 3. Bibliographie der Autographen Ewalds und des archivalischen Materials 4. In der Bibliographie verwandte Abkürzungen

447 448 498 517

KAPITEL V

Quellentexte Text 1: Akte über die Berufung Ewalds nach Offenbach Text 2: „Entwurf der fürnehmsten Lehren und Pflichten des Christenthums." Text 3: „Instruction für den Prediger Ewald zu Offenbach zum General Superint. alhier" Text 4: Ewald an Herder, 7.10.1792 Text 5: Ewald an Joseph Maria von Radowitz, 19.5.1791

519 520 524 526 527

12

Inhalt

Text 6: „Antrag, die Einrichtung der theologischen Kollegien für künftigen Winter, in Heidelberg, betr." Text 7: „Pflichtmäsiger Vortrag die Berufung des Konsistorial Raths Paulus betrf." Text 8: „Gutachten über die, ad interim, bis zu Einführung der neuen Schulplane neu aufzulegenden Hübnerischen [!] Bibelgeschichte."

530 534

538

KAPITEL V I

Thesen und Anhang 1. 2. 3. 4. 5.

Thesen Abbildungen Verzeichnis der sonstigen Quellen Verzeichnis der Sekundärliteratur Namenregister

539 551 557 572 589

EINLEITUNG

Johann Ludwig Ewald zur Geschichte einer Forschungslücke Methodische Vorüberlegungen zur Aufgabe der Kirchengeschichtsschreibung auf dem Hintergrund des Vergessens

Wer Kirchengeschichte schreibt, hat es zu tun mit einigen wenigen Inseln im großen Meer der Vergessenheit, mit einigen Ausschnitten nur der Geschichte, die sich neben der Masse an unwiederbringlich Verlorenem, Vergessenem und Versunkenem geradezu dürftig ausnehmen. Die Enzyklopädie des Versunkenen, die nicht mehr geschrieben werden kann, jedenfalls übertrifft die Enzyklopädie des noch Zugänglichen um ein Vielfaches. Johann Ludwig Ewald ist vergessen worden. Aber er ist nicht in das Meer der unwiederbringlich Versunkenen hinein verschwunden, sondern er gehört zu dem Teil der nichtbeachteten Geschichte, deren Quellen noch zum Sprudeln gebracht werden können, deren Schätze noch aus der Versenkung gehoben werden können, deren Sprachlosigkeit noch in Sprachreichtum verkehrt werden kann. „Und eben gerade die nichtbeachtete Geschichte rächt sich an uns, indem sie uns in Fesseln schlägt"1. Deswegen tut eine Rettung im Lessingschen Sinne not, die Rettung eines theologischen Zeitgenossen der Aufklärungszeit, der mehr war als ein Aufklärer nur. Ewald zu retten heißt, einen Rettungsring in das Meer der Vergessenheit auszuwerfen, um dieser übermächtigen Wasserflut noch einige wichtige Quellen abzuringen, die Fesseln eines Vertreters der Wolke der Zeugen zu lösen, ehe die Vergangenheit ihn mit eisernen Gewichten ganz hinabzieht und an sich kettet. Ewald zu retten, heißt darum auch, zur Auflösung der von Ebeling genannten Ketten der nichtbeachteten Geschichte beizutragen, die uns gefangennehmen. Wer Ewald dem Meer entreißt, merkt bald, daß er mehr ist als das, was vorher - gebrochen durch die ihn deckenden Wasserfluten - von ihm erkennbar war: Volksaufklärer und Prediger der biblischen Aufklärung der Offenbarung, aufgeklärter Publizist und rechtgläubiger Erbauungsschriftsteller, reformierter Theologe und Luther-Rezipient, Kämpfer für das Wort vom Kreuz und liebevoll-kämpferischer Apologet des angegriffenen Judentums, revolutionärer Streiter für die Menschenrechte im Reich der Welt und Prediger der 1

Ebeling, Kirchengeschichte, p4.

Einleitung

14

Rechtfertigung des Sünders durch Gott, entschiedener Kritiker der Ständegesellschaft und Partisan für das Reich Gottes, vom aufgeklärten Rationalismus abgefallen und dennoch kein Apostat und Verächter der Vernunft, Theologe der biblischen Narrativität und philosophisch gebildet, Polyhistor und Polygraph, Verfechter der modernen pädagogischen Methodik und Schüler der biblischen Erziehungsmethode Gottes, Metakritiker der Wunder- und Dogmenkritik: wundersame Erscheinung der Aufklärungszeit. Ewald von den Fesseln der Nichtbeachtung zu befreien, heißt, ihn im Geflecht seiner Zeit, in der Verstrickung mit der geistesgeschichtlichen Situation des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts vorzustellen: in seiner Beziehung zu J. C. Lavater, Ph. M. Hahn, I. Kant, J. W. v. Goethe, J. G. Herder, J. H. Pestalozzi, J. H. Jung-Stilling, H. E. G. Paulus, F. H. Chr. Schwarz u.v.a. Die Theologie- und Kirchengeschichtsschreibung ist an Ewald vorbeigegangen und über ihn hinweggegangen und hat ihn dort, wo sie ihn überhaupt in den Blick genommen hat, nur im Vorbeigehen und über seinen Kopf hinweg gewürdigt. Eine Forschungsgeschichte in Sachen Ewald gibt es daher nicht, aus der zu berichten wäre, sondern nur die Geschichte einer Forschungslücke, zu deren Auffüllung bisher nur vereinzelte Beiträge geleistet worden sind. Eine Monographie über Ewald gab es bisher nicht. In den meisten Standardwerken zur Theologiegeschichte findet Ewald nicht einmal Erwähnung, dort jedoch, wo er sie findet, wünscht man sich, er hätte sie nicht gefunden. So erscheint Ewald in Gustav Franks , Geschichte der Protestantischen Theologie' als ein bloß einer Nebenbemerkung würdiger Epigon des eingehend vorgestellten Lavater, als „ein eifriger Anhänger des Züricher Sehers, dessen Ausdrücke er oft wörtlich copirte", als ein „polygraphischer Erbauungsschriftsteller"2, der der den Rationalismus kontrastierenden Erscheinung der „Gefühlsvertiefung"3 zuzuordnen sei. Auch die meisten einschlägigen theologischen Nachschlagewerke schweigen zu Ewald, wobei die RGG eine Ausnahme bildet4. Die älteren, im .Deutschen Biographischen Archiv' zusammengetragenen Lexikonartikel über Ewald allerdings bieten reiches Material, sind jedoch gespickt mit fehlerhaften biographischen Angaben und enthalten durchweg nur unvollständige und fehlerhafte Bibliographien. Etwas anders gestaltet sich das Bild, das sich aus den Arbeiten zur Geschichte der Homiletik ergibt. Karl Heinrich Sacks ,Geschichte der Predigt in der deutschen evangelischen Kirche' nennt Ewald einen „Nachfolger Lavaters", der „die christologischen Grundgedanken, entgegen einer entleerenden Neologie, schriftmä2

Frank, G„ Bd. 3, p230. Ebd. Der Abschnitt „Lavater und seine Freunde" (p223ff) wird unter der Rubrik „Gefühlsvertiefung" abgehandelt (pl90ff). 4 Katz, P., Sp. 799. 3

Johann Ludwig Ewald - zur Geschichte einer Forschungslücke

15

ßig" vorgetragen und vor allem den „Begriff des Glaubens"5 festgehalten habe. Nur einen winzigen Teil der Ewaldschen Schriften kennend, spricht Sack allerdings eine ganze Reihe von unzutreffenden Verdikten über Ewald aus. Pejorativ heißt es, Ewalds Predigten seien geprägt von einer „sehr große[n] Ausbreitung der Empfindung"6, seine Theologie sei „ohne tiefere Einsicht" und unsystematisch, seine Sprache zwar „nicht ohne eine gewisse Frische, aber nachlässig"7. Unzulässigerweise zählt Sack Ewalds „Predigten über Naturtexte"8 zu den homiletischen Früchten eines Deismus, der sich auch in Heinrich Gottlieb Zerenners Naturpredigten finde und bemerkt nicht, daß Ewald seine Predigten über Naturgegenstände erklärtermaßen als ein Vehikel benutzt, sich an die Gebildeten unter den Verächtern der Offenbarungstheologie zu wenden und sie für dieselbe wiederzugewinnen9. Zudem - so Sack - seien auch diese Predigten in einem „z.Th. nachlässigen, empfindsamen Tone gehalten"10. Richard Rothes .Geschichte der Predigt, von den Anfängen bis auf Schleiermacher' stellt Ewald in die Reihe von Lavater, Johann Konrad Pfenninger, Johann Jacob Heß und Johann Jacob Stolz, ohne ihn überhaupt eingehender zu behandeln11. Lediglich unkritisch von Sack abgeschrieben hat Werner Schütz in seiner , Geschichte der christlichen Predigt', wenn er Ewalds Predigten über Naturtexte zu den „extremen Formen rationalistischer Predigt" zählt, „die den Übergang zum platten Utilitarismus darstellen"12. Daß hier jemand meint, eine Geschichte der Predigt schreiben zu können, ohne - jedenfalls i.b. auf Ewald - überhaupt Quellen zu Rate zu ziehen, erhellt daraus, daß die in Rede stehenden Predigten Ewalds bei Schütz einfach einen neuen Titel bekommen: ,„Über die Naturgesetze'"13. Des öfteren wird Ewald in Einzeldarstellungen zu verschiedenen Themen Gegenstand der Betrachtung, so z.B. in Reinhard Krauses Arbeit über die Predigt der Spätaufklärung, die sogar recht ausführliche Teile zu Ewald enthält. Um so mehr verwundert es jedoch, daß Krause nicht im Stande ist, das seit Sack grassierende Vorurteil bezüglich der Naturpredigten Ewalds zu differenzieren, und daß er obendrein den Vorwurf der platten Erbaulichkeit perpetuiert. Noch widersinniger allerdings ist es, daß Ewald bei Krause auf einmal als ein Prediger der aufgeklärten Meinung erscheint, Jesus sei bloß ethisches Vorbild und Tugendmuster gewesen14. Dies nun ist eine absolute Fehleinschätzung, die keinerlei Anhalt an den Schriften Ewalds findet, denn Ewald hat zeit seines Lebens gegen das gekämpft, was Krause für eine 5

6 7 8 Sack, K.H., pl60. Ebd. Ebd., pl61. Bibl. Nrr. 51f. Sack, K.H., p240. Sack beachtet nicht, daß Ewald seine Naturpredigten erklärtermaßen „nur für solche Personen" herausgibt, „denen das eigentlich Christliche wenig ist, die aber Sinn für die Schönheit der Natur haben" (Ewald, Bibl. Nr. 52a, Heft 1, pH (Vorrede)). 10 11 12 Sack, p241. Rothe, R„ p449f. Schütz, W„ pl68. 13 14 Ebd. Krause, R„ p72-75. 9

16

Einleitung

Grundaussage der Ewaldschen Predigten hält: nämlich gegen die Bezeichnung Jesu als einen bloßen „Aufklärer und Weisheitslehrer"15 und gegen die „Entdogmatisierung des Christusbildes"16. Zudem geht Krause völlig ein Blick dafür ab, daß Ewald durch seine Rede von der durch Jesus gestifteten Aufklärung nach Joh 8,12 eine Möglichkeit findet, die biblische Aufklärung der Offenbarung gegen eine alle übernatürliche revelatio leugnende Vernunftreligion neu zurückzugewinnen. Es ist nie das Ziel Ewalds gewesen, , Jesus als die größte Persönlichkeit, als einen idealen Weisheitslehrer und Urheber der Aufklärung darzustellen"17, sondern er hat gerade gegen diese Lehrverkürzungen sich wendend die Rechtfertigungs- und Versöhnungslehre sowie die klassische Christologie neu artikuliert. Die Behauptung also, daß bei Ewald „aus dem Versöhner und Heiland ein Mentor der Tugend"18 werde, ist genauso unhistorisch wie sachlich falsch, wenn man betrachtet, wie sehr Ewald darum bemüht war, die in der Aufklärungszeit weitenteils abhanden gekommene Rede vom Opfer Christi neu einzuüben. In Zukunft wird man nicht mehr einfach sagen können, daß bei Ewald „die Bedeutung Jesu Christi [...] auf Belehrung und Vorbild, allenfalls auf eine Unterstützung der eigenen sittlichen Initiative beschränkt"19 bleibe. Otto Wenigs Arbeit über Nationalismus und Erweckungsbewegung in Bremen' spricht von Ewalds ,,mildere[m] [...] Rationalismus"20, ohne zur Untermauerung dieser These jedoch etwa aus Ewalds mannigfaltigen Bremer Predigtentwürfen Belege anzuführen, die dort allerdings auch nicht zu finden sein werden. Ewalds Streit mit dem Rationalisten Johann Jacob Stolz um die Inhalte der Christologie widmet Wenig nur ein paar beiläufige Bemerkungen. Ewalds augenfälliger Beitrag zur geistlichen und pädagogischen Erneuerung in Bremen ist in keiner Weise angemessen gewürdigt. Und auch hier fehlt jedenfalls i.b. auf Ewald - die Quellenarbeit, wobei von Ewalds „zwar leicht rationalistischen, aber doch christusinnigen Verkündigung"21 zu sprechen, entschieden zu kurz greift. Den weiterführendsten Beitrag zur Erforschung Ewalds hat bisher Volker Wehrmann geleistet22, der die Quellen sehr gründlich auswertend Ewalds Arbeit an der Reform des lippischen Schulwesens nachgezeichnet hat. Zudem hat sich Wehrmann auch in einer ganzen Reihe von kleineren Studien mit Ewald beschäftigt, etwa mit seiner Bedeutung für die Einrichtung eines politischen Unterrichtes23 oder seiner soziologischen und volkspädagogi15

16 17 18 Ebd., p73. Ebd., p74. Ebd., p75. Ebd., p79. Ebd., p80. In der thematisch verwandten Arbeit von Schott, Chr.-E., wird das umfangreiche Predigtwerk Ewalds nicht in die Betrachtung eingeschlossen. 20 Wenig, O., p589. 2 1 Ebd., p48. 22 Wehrmann, V., Aufklärung. 23 Ders., Von dem Versuche. 19

Johann Ludwig Ewald - zur Geschichte einer Forschungslücke

17

sehen Einschätzung des Bauernstandes24. Allerdings geht der in vielerlei Hinsicht wertvollen pädagogischen Untersuchung Wehrmanns ein wenig das Gespür dafür ab, daß Ewalds aufgeklärte Begeisterung für die pädagogische Reformarbeit nur zu verstehen ist, wenn man ihren biblisch-theologischen und damit inhaltlich-reformatorischen Kontext beachtet, was sicherlich mitunter damit zusammenhängt, daß der Autor keine dezidiert theologie-historische Arbeit verfassen wollte. Beide aber, aufgeklärter und reformatorischer Geist, stehen bei Ewald in einer produktiven Spannung zueinander. Ein ähnliches Manko findet sich auch in Hans Sprengers kurzer und gründlichen Untersuchung über Ewalds Trivialschulwesen, in der der unzutreffende Eindruck entsteht, als habe sich Ewald mit seiner biblischen Pädagogik von der orthodoxen Lehrmethode völlig abgesetzt25. Dennoch ist Sprenger der erste gewesen, der in Sachen Ewald gründliche Recherchen durchgeführt hat, vor seinem Tode aber nur noch einen kleinen bruchstückhaften Vorentwurf zu seiner geplanten Ewald-Biographie ausarbeiten konnte. Sprengers Nachlaß lag mir vor26. Nicht zu Unrecht hat Martin Brecht die übliche Zuordnung Ewalds zum aufgeklärten Rationalismus kritisiert27. Einleuchtend hat Brecht überdies den Kontakt zwischen Ewald und Philipp Matthäus Hahn nachgezeichnet, hat Ewald dann jedoch zu wenig differenziert als Spätpietisten bezeichnet, ohne zu beachten, daß Ewald aufgrund eines biblisch-theologischen Anstoßes durch Hahn, Heß und Lavater sich immer stärker der reformatorischen Theologie zugewandt hat und hierbei Hahn an den entscheidenden Punkten nicht gefolgt ist, ihn vielmehr deutlich kritisiert hat. Johannes Arndt hat in seiner gelungenen Untersuchung über das Fürstentum Lippe in den Jahren 1770-1820 einen wichtigen Einblick in und Überblick über die politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Prozesse in Lippe zur Zeit der Wende des 18. zum 19. Jahrhundert gegeben und dabei auch die programmatische Rolle Ewalds insbesondere innerhalb der Etablierung der modernen Pädagogik skizziert. Da es sich hierbei jedoch um eine historische, nicht so sehr um eine theologische Arbeit handelt wenngleich der Autor auch diesbezüglich durchaus Urteilskraft beweist - , gelangt Arndt nicht zu einer wirklichen theologischen Profilierung Ewalds, weswegen er Ewald sich an Brecht anschließend einen Vermittler „zwischen 24

Ders., Der lippische Landmann, bes. pl37f. Sprenger, H„ pl69. 26 Er befindet sich im Besitz von Herrn Dr. Volker Wehrmann, Detmold. 27 Brecht, M., Spätpietismus, pl35 merkt zurecht an, es sei „irreführend, Ewald unter die Bremer Aufklärer einzuordnen." Vgl. ders., Pietismus, bes. p75f. Zu Brechts Erforschung der Korrespondenzbücher Philipp Matthäus Hahns vgl.: Ders., Correspondierende Pietisten. 25

18

Einleitung

radikaler Aufklärung und pietistischen Ideen"28 nennt. Etwas zu einlinig ist daher auch die Behauptung, die Aufklärungstheologie neologischer und rationalistischer Prägung ( - auch hier müßte stärker differenziert werden - ) sei in Lippe mitunter durch Ewald veranlaßt zum Durchbruch gekommen29. Nimmt Arndt diese Einschätzung wenig später wenigstens teilweise wieder zurück, indem er sagt, Ewald habe „dem reinen Rationalismus eine Absage erteilt"30, so kommt es doch nicht zu einer Thematisierung der scharfen Kritik Ewalds am theologischen Rationalismus und des höchst dialektischen Gepräges seiner theologischen Existenz. Horst Weigelt hat in seiner Arbeit ,Lavater und die Stillen im Lande' in knapper Weise die Beziehung Lavaters zu Ewald beschrieben. Zwar reflektiert Weigelt selbst über die „Problematik" seiner Entscheidung, die Vertreter der Frömmigkeitsbewegungen, deren Kontakt mit Lavater dargestellt werden, als , Stille im Lande' zu bezeichnen31, es darf jedoch hier noch viel deutlicher und vorab gesagt werden: Die Tatsache, daß es in der Forschung um Ewald bisher sehr still gewesen ist, ist noch lange kein Grund, ihn selbst als einen Stillen zu bezeichnen. Ewald hat vielmehr immer die Öffentlichkeit gesucht, immer wieder als ein Rufer in der von ihm als Wüste verstandenen einseitigen Aufklärungszeit das Wort ergriffen. Und nicht nur seine politische Schriftstellerei hat ihn zu einem unüberhörbar ,Lauten' im Lande werden lassen. Weigelt beginnt zumindest damit, den Briefwechsel zwischen Lavater und Ewald auszuwerten, wenngleich nicht er, sondern vor ihm bereits Sprenger ihn entdeckt hat. Schmerzlich allerdings sind die fehlerhaften biographischen Angaben zu Ewald: Er ist nicht 1770, sondern 1774 als Pfarrer nach Offenbach gekommen und war von 1781 an Generalsuperintendent in Detmold und nicht zunächst bloß Superintendent32. Edward Dixon Junkin ist in seiner Untersuchung über die Reaktionen protestantischer Theologen auf die Französische Revolution recht stark auf Ewalds Revolutions- und Volksaufklärungsschriften eingegangen. Junkin beobachtet sicherlich zutreffend, daß Ewald einer der wenigen Geistlichen gewesen ist, die sich im Geiste der französischen Aufklärung für die konkrete Umsetzung der Menschenrechte eingesetzt haben33. An Ewald - so Junkin -

28

Arndt, pl76. Vgl. auch p383. Vgl. ebd., p378f. 30 Ebd., p383. 31 Weigelt, H., Stille im Lande, ρ 12. 32 Ebd., pl70. Allerdings wird diese Fehleinschätzung durch die irreführenden Angaben auf den Titelblättern von Ewald Bibl. Nrr. 10. 12. 19 nahegelegt, wo zu lesen ist, Ewald sei Superintendent. Das Unzutreffende dieser Angaben geht am deutlichsten aus der im Anhang (Text 3) dieser Arbeit abgedruckten Quelle hervor. 33 Vgl. Junkin, p667f. 671 u.ö. 29

Johann Ludwig Ewald - zur Geschichte einer Forschungslücke

19

werde deutlich, daß man in Deutschland trotz der meist strengen Zensur seine kritischen politischen Gedanken auch als Geistlicher an die Öffentlichkeit bringen konnte34, daß man sich aber gleichzeitig in Gefahr brachte, wenn man es wagte, am politischen status quo zu rütteln35. Richtig ist sicher, daß Ewald in politicis ein Aufklärer gewesen ist. Junkin jedoch ist zu wenig fähig, zwischen Aufklärung im politischen und theologischen Kontext zu unterscheiden. Recht einseitig, ja theologiegeschichtlich und theologisch gleichermaßen undifferenziert stellt Junkin Ewald in eine Reihe mit Theologen wie Christian Gotthilf Salzmann, Johann Gottlob Marezoll u.a.36, die als konsequente Aufklärungstheologen gerade zu den erklärten Gegnern Ewalds gehört haben. Völlig zu Unrecht hält Junkin Ewald für einen Vertreter der Benthamschen eudämonistischen Ethik, die die moralische Perfektibilität des Menschen und dessen irdische Glückseligkeit vornehmlich im Blick habe37. Auch die pauschale Behauptung, den politisch progressiven Geistlichen - also auch Ewald - sei nur die Religion und die Ethik Jesu' wichtig gewesen, nicht aber die traditionellen Dogmen und Zeremonien38, kann so nicht hingehen. Die unhinterfragte und unzutreffende Prämisse Junkins, politisch-aufgeklärte Theologen seien notwendigerweise auch in theologischer Hinsicht aufgeklärte Rationalisten - eine Prämisse, die sich ähnlich auch bei Friedrich Wilhelm Graf findet39 - verstellt ihm den Blick für die Dialektik der Ewaldschen Existenz, der im Reich der Welt ein gemäßigter Aufklärer und Reformer ist, im geistlichen Bereich jedoch als Metakritiker der Aufklärungstheologie für die Wiederanverlobung einer biblischen und reformatorischen Theologie wirbt. Erwähnenswert sind noch Hans Kiewnings sehr eingehender Aufsatz über Ewalds Streit mit der lippischen Ritterschaft40 und Sommerlads Arbeit über das Schulwesen in Offenbach am Main41, die u.a. einen Einblick gewährt in Ewalds früheste Schaffensphase als Pädagoge. Zu nennen ist weiter die Edition einer kleinen Sammlung von Briefen Ewalds42, die bisher die einzige ihrer Art ist. Ist insgesamt die Bedeutung und Tragweite des ungewöhnlich umfangreichen Lebenswerkes Ewalds noch in keiner Weise und nicht einmal ansatzweise entdeckt, so gilt dies insbesondere auch für die sonst an sich rege badische 34

35 36 Ebd., p680. Ebd., p679. Vgl. z.B. ebd., p732. 38 Vgl. ebd., p733f. Ebd., p734. 39 Vgl. Graf, F.W., Protestantische Theologie, pl7, der meint, daß die mit der Aufklärung einhergehende Individualisierung notwendigerweise auch „die kritische Infragestellung überkommener Geltungsansprüche" nach sich zieht, die automatisch auch die .traditionelle' Dogmatik betreffe. 40 Kiewning, H. Vgl. u. Kap. I, 8 und p375-384 dieser Arbeit. 41 Sommerlad, F.W. Zur Sache vgl. Kap. I, 2 dieser Arbeit. 42 Vgl. p515 dieser Arbeit. 37

20

Einleitung

Territorial-Kirchengeschichtsschreibung. Auffällig ist, daß man sich dort über die Verlegenheit hinweg hilft und sich damit tröstet, daß Ewald schließlich nicht so interessant sei wie andere. Zwar hat Gustav Adolf Benrath recht, wenn er anmerkt, daß Ewald niemals eine solch starke Breitenwirkung wie Lavater und Jung-Stilling gehabt habe43, was zunächst einmal aber gar nichts zu bedeuten hat als nur, daß der spätere Umkreis der Pietisten nicht bereit gewesen ist, Ewald als einen der Ihrigen anzusehen und im Gedächtnis zu behalten. So ist die im Fall Ewald im Unterschied zu Jung-Stilling fehlende Wirkungsgeschichte etwa im Kontext der Erweckungsbewegung weniger ein Argument für Ewalds vermeintlich nur stark herabgesetzte Bedeutung, sondern allenfalls ein Gegenargument gegen Brechts oben skizzierte Einordnung Ewalds in die Reihen des Spätpietismus. Aber daß Ewald „von weicherem, leicht beeinflußbarem Wesen" gewesen sei und ihn „seine allzu virtuose geistige Produktivität" daran „gehindert" habe, „zur Vertiefung und Geschlossenheit seiner Lebensleistung zu gelangen"44, kann man nicht behaupten, solange man sich nicht in umfassender Weise mit dem Werk Ewalds als einem geschlossenen Ganzen beschäftigt hat. Künftig jedenfalls wird einem die Abstempelung Ewalds als wenig bedeutenden Vielschreiber, als Spätpietist oder bloßen Epigonen Lavaters nicht mehr so leicht über die Lippen gehen. Die Kirchengeschichte hat es zu tun mit dem Lauf der Wolke der Zeugen durch die Geschichte. Die Kirchengeschichtsschreibung hat darum den dritten Artikel, die Rede von der communio sanctorum, die creatura verbi divini ist, mit zu reflektieren. Denn in dieser communio sind alle Glieder gleichzeitig miteinander: die Gestorbenen, die Zeitgenossen und die erst noch Kommenden, die in der Vorhersehung Gottes bereits ihren Platz haben. Ein vergessenes Glied der communio sanctorum in Erinnerung zu bringen, ist daher auch und zuvörderst Glaubensakt, nämlich Sichtbarwerdung der geglaubten Kirche, der una sancta ecclesia. Mit Karl Barth ist daher die Kirchengeschichte als Teil der Ekklesiologie zu begreifen: „Die Geschichte sind die lebendigen Menschen, die gerade, wenn sie gestorben sind, gerade weil ihr Werk dem guten Willen unserer Auffassung und Deutung wehrlos ausgeliefert ist, schon den Anspruch auf unsere Ritterlichkeit haben, den Anspruch, sich mit ihrem eigenen Anliegen hören lassen zu dürfen"45. Die Kirchengeschichte gehört jedoch genauso in die Prolegomena zur Dogmatik, wenn es denn stimmt, daß „Kirchengeschichte die Geschichte der Auslegung der Heiligen Schrift"46 ist - eine Formulierung, die Gerhard Ebeling allgemein bekannt hat werden lassen, sie jedoch von Hanns Rückert 43 45 46

Vgl. Benrath, G.A., Entstehung, p88. Barth, K„ 19. Jahrhundert, p8. Ebeling, Kirchengeschichte, p22.

44

Ebd.

Johann Ludwig Ewald - zur Geschichte einer Forschungslücke

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übernommen hat47. Gerade an Ewalds Auseinandersetzung mit solchen entschieden aufgeklärten Theologen, die die Akkommodationslehre zum Anlaß nahmen, um die biblischen Inhalte ,beiseite zu setzen' - wie Ewald sagen würde - ist zu sehen, daß die Kirchengeschichte nicht nur (wenn auch häufig mißverstandene) Auslegung der Heiligen Schrift ist, sondern daß die Kirchengeschichte es immer wieder auch mit der gewaltsamen Unterdrückung der Heiligen Schrift zu tun hat. Deswegen ist zu fragen nach der Bewegung, in der sich die Schrift der Kirche immer wieder neu imponiert, die Kirche also letztendlich durch die Schrift ausgelegt wird48. Denn Ausleger seines Wortes ist zunächst Gott selbst, der sich in die vorfindlichen Verhältnisse hinein auslegt, um sie zu verändern, und sich als Christus praesens immer neu vergegenwärtigt. Deswegen hat die Kirchengeschichte auch im zweiten Artikel ihren Platz. Denn wenn die Kirchengeschichte die „Gegenwärtigkeit von etwas Vergangenem", die „Gegenwärtigkeit des unter Pontius Pilatus gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus"49 voraussetzt, dann gehört es zum Geschäft eines Christenmenschen, dem fernen, vergessenen Nächsten ein Christus zu werden und ihn zu vergegenwärtigen - so weit dies menschlich möglich ist. Daher ist auch die biblische Hermeneutik der Grundstock der kirchengeschichtlichen. Und die biblische Geschichtsschreibung ist Grundstein und Modellfall der Geschichtsschreibung der Kirche. Bibel und Kirchengeschichte gemeinsam stiften Erinnerung und versuchen, dem Vergessen vorzubauen, die Vergessenheit des Menschen vergessen zu machen, die die Grundsünde Davids und der Menschheit insgesamt ist. Denn das Vergessen ist es, das den Menschen von Gott trennt, durch das der Mensch Gott aus seinem Gesichtskreis setzt. Schon die deuteronomischdeuteronomistische Geschichts-Theologie ist daher von dem Geschichtsschreibung im umfassenden Sinne erstmals überhaupt stiftenden Appell getragen: ,So hüte dich, daß du nicht des Herrn vergissest, der dich aus Ägyptenland, aus dem Diensthaus, geführt hat' (Dtn 5,12)50. Erinnerung ist 47

MdL Mitteilung von Frau Dr. Renate Steiger, Heidelberg. Vgl. Bayer, O., Autorität, p53: „Denn die Schrift ist das Buch, das Kirche schafft. In der Formel von der, Kirchengeschichte als Geschichte der Auslegung der heiligen Schrift' ist der Genitiv sachlich zuerst als genitivus auctoris zu verstehen: Die heilige Schrift ist das Subjekt der Auslegung der Kirche und damit meiner selbst. Nicht ich lege die Schrift aus; vielmehr werde ich von ihr ausgelegt." 49 Ebeling, Kirchengeschichte, p27. Im Sinne Ebelings hinzuzudenken, aber noch einmal eigens zu nennen, ist die Tatsache, daß „die KG als Geschichte der theoretischen und praktischen Auslegung [...] der Schrift" immer auch Geschichte der „Mißverständnisse der Schrift" ist. So Schindler, Α., pl50f. 50 Martin Noth hat gezeigt, daß das sog. Deuteronomistische Geschichtswerk (DtrG) das erste Geschichtswerk in der Weltgeschichte darstellt, das diesen Namen verdient. Die jüdische Hermeneutik des Erinnerns ist somit Grundstein der Geschichtsschreibung überhaupt. Noth, ρ 12. 48

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Einleitung

das Geheimnis der Erlösung. Und es gehört zur historischen Gewissenhaftigkeit, die grund-jüdische, alttestamentliche Mahnung und Lockung zur Erinnerung innerhalb der Erforschung des Lebens und der Theologie Ewalds ernst zu nehmen, der seinerseits in Zeiten der antijudaistischen Anfeindung des Judentums biblische Erinnerungsarbeit leistete und erneut ins Gedächtnis rief, daß die Christen auf den jüdischen Stamm aufgepfropft sind und ihre Erlösung derjenigen göttlichen Verkündigung zu verdanken haben, die Juden an ihnen geleistet haben. Bis zum Jüngsten Tag allerdings bleibt die Kirche auch insofern corpus permixtum, als sie gezeichnet ist von immer wieder neu in Angriff genommener commemoratio, aber auch von unvermeidlicher oblivio. Bis zur endgültigen Stiftung von Erinnerung im göttlichen Gericht, das alles Vergessene rehabilitieren, neu fragwürdig machen und beantworten wird, ist es die aus der Auferstehungshoffnung sich speisende und konkretisierende Aufgabe der kirchengeschichtlichen Disziplin, Erinnerung zu stiften - zumindest dort, wo die Quellen noch sprechen oder zum Sprechen gebracht werden können. Bei Ewald ist dies der Fall. Er hat ein höchst umfangreiches, vielseitiges, gedrucktes und ungedrucktes Werk hinterlassen, das in vorliegender Arbeit in seinem historischen und theologischen Kontext, in seiner Prägnanz und Brisanz vorgestellt werden soll. Daher soll diese Arbeit ein kleiner Beitrag zur proleptischen Gestaltwerdung der Auferstehung vor der Zeit sein und zum Sprechen bringen, was vorher stumm war, und sichtbar werden lassen, was vorher verborgen war. Gerade die Eschatologie, die Hoffnung auf das dereinst in die Zeit hereinbrechende Ende der Geschichte am Jüngsten Tag wird - wie Jürgen Moltmann gezeigt hat - „zum Motor, zur Triebfeder [...] der Geschichte. Das Wort der Verheißung provoziert unablässig Geschichte, und die Hoffnung hält die Erfahrung der Wirklichkeit als Geschichte offen"51. Daher ist es die aus der Auferstehungshoffnung dem Historiker zuwachsende Aufgabe, „auf den Totenfeldern der Geschichte ,den Funken der Hoffnung zu entfachen'" 52 , wie Moltmann im Anschluß an Walter Benjamin sagt. Und mehr noch: Einen vergessenen Zeitgenossen vergangener Zeit coram publico - und d.h. auch: der Forschung gegenüber - zu rehabilitieren, heißt: mit der Rechtfertigung des Sünders vor Gott Ernst zu machen und der Hoffnung auf den letztgültigen Urteilsspruch Gottes im Jüngsten Gericht hier und jetzt schon Ausdruck zu verleihen. Und noch in einer weiteren Hinsicht ist die Beschäftigung mit Ewald von zentraler Bedeutung für die Hermeneutik der Kirchen- und Theologiegeschichtsschreibung. Denn seitdem die Theologie der Aufklärungszeit Gegen-

51 52

Moltmann, J., Ende, p68. Ebd., p73. Vgl. auch: Ders., Hoffnung, p210-243.

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stand der Arbeit der Forschung geworden ist, hat man sich in besonderer Weise leiten lassen von dem Interesse an solchen Theologen, die sich in kritischer Weise von dem Konsens der reformatorischen Theologie abgesetzt und auf diese Weise Aufsehen erregt haben. Dabei allerdings ist der Reichtum derjenigen Theologie, die im Konflikt mit der Aufklärung stehend um die Bewahrheitung und Bewahrung der reformatorisch-biblischen Inhalte gerungen hat, in unzulässiger Weise aus dem Blickfeld geraten und mitunter als ,frommes Außenseitertum' in ein unverdientes Abseits geraten53. Es wird in Zukunft stärker darauf ankommen, die Kontinuität der reformatorisch-kirchlichen Verkündigung in den Veränderungen zu beobachten, die die Epoche der Aufklärungszeit theologisch gezeitigt hat. Die zuweilen recht starr angewandten Kategorien Nationalismus', ,Supranaturalismus' und .Pietismus' werden für diese nicht nur durch Ewald artikulierte Kritik neu zu öffnen und dann offen zu halten sein. Denn es wird von der communio sanctorum her denkend noch einmal neu zu fragen sein nach der Geschichte des consensus de doctrina in den Zeiten der erwachenden und sich entwickelnden aufgeklärten Kritik, nach derjenigen Metakritik, die die Kirchengeschichte der Aufklärungszeit eine Geschichte der reformatorischen Auslegung der Heiligen Schrift werden läßt. Ansätze jedenfalls zur Bildung eines Gespürs für diese Erscheinung sind gerade in der jüngsten Zeit nicht zu übersehen54. In dieser Hinsicht kann die Erforschung Ewalds zu einem Beitrag werden zu der von Walter Delius programmatisch geforderten „Geschichte der Kirche Jesu Christi"55, vorausgesetzt natürlich, daß der letztgültige

53

Vgl. Hirsch, E., Geschichte, Bd. 4, pl66ff. Hirsch handelt unter dem Titel „Die frommen Außenseiter" von all denjenigen, die er nicht unter die Rubriken .Neologie', .Rationalismus' oder ,Supranaturalismus' subsumieren kann. Zu den frommen Außenseitern zählt er etwa F.Chr. Oetinger, J.G. Hamann, M. Claudius und J.C. Lavater. Schon Hirsch sieht, „daß ihre epochenmäßige Einordnung schwierig ist" (pl66), leitet aus dieser Beobachtung jedoch kein intensiveres Interesse für die eben Genannten ab. „Die frommen Außenseiter" gehören vielmehr zu „den Seitenströmen des geistigen Lebens" (ebd.). 54 Jüngst hat sich G. Ebeling der Person und Theologie Lavaters gewidmet: Er beobachtet, daß „es Lavater um die Glaubensgewißheit als den Kardinalpunkt" (Ebeling, Genie, p96) geht: „Unzweifelhaft aber hat Lavater uns eine Frage hartnäckig aufgegeben, die mitten im Zerfall des Christentums das Zentrum des christlichen Glaubens betrifft" (ebd., p97). Die hier geäußerte Beobachtung gilt in ähnlicher Weise auch für Ewald wie für eine ganze Reihe mir im Zuge meiner vorliegenden Arbeit begegneten Theologen, die entweder ganz vergessen sind, oder von denen man bestenfalls noch den Namen kennt. Eine intensive Weiterarbeit an dem Thema des erneuten Aufblühens der reformatorischen Grundinhalte im Kontext der Aufklärung würde sich auf jeden Fall als ein fruchtbares Feld erweisen. Vgl. auch die von Pestalozzi, K., und Weigelt, H., hgg. Beiträge über Lavater. 55 Delius, W„ p38.

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Einleitung

Prüfstein die Schrift selbst bleibt, die die Kirche als creatura verbi überhaupt erst konstituiert56. So wie die Hoffnung auf die allgemeine Auferstehung der Toten Anlaß werden kann, das in der Forschung Vergessene, bisweilen auch Verdrängte neu erstehen zu lassen - wobei mit H.-G. Gadamer im Gedächtnis zu behalten ist, daß das Vergessen positiv bestimmt Bedingung der Möglichkeit des erinnernden Erneuerns ist57 - , so könnte auch die Rede von der Entäußerung Christi in die Niederungen menschlichen Lebens Anlaß für die kirchliche Geschichtsschreibung werden, zwischen den Biographien etwa der „Großen Deutschen"58 und Bekannten nach den vielleicht auf den ersten Blick weniger bedeutenden Theologen demütig zu forschen, in die Niederungen der Forschungslücken hinabzusteigen, um diejenigen Schätze zu heben, die nicht schon beim ersten Anblick als spektakuläre erscheinen, sondern es erst durch andauernde Arbeit werden. Auf diese Weise wird es die Geschichtsschreibung als kirchliche Wissenschaft damit zu tun bekommen, der Wirkungsgeschichte des „satis est consentire de doctrina" (CA 7) nachzuspüren: der Geschichte der Umsetzung der Theologie auf den kirchlichen Handlungsfeldern der Predigt, Seelsorge, Erbauungsschriftstellerei und des Unterrichts. Dann wird es augenscheinlich werden, daß die Epoche der Aufklärungstheologie eine in sich reflektiertere ist, als oft zugegeben wird: Daß sie zwar eine Epoche ist, die ihre Idealtypen hat, noch lange aber nicht in solcher Typisierung aufgeht, daß es vielmehr einen kräftigen Strom in dieser Zeit gibt, der quer zu dem verläuft, was consensus communis der Zeit zu sein scheint. Und so vermag es die Arbeit an Ewald, eine Teilantwort auf die von Heinrich Karpp formulierte Grundfrage der Kirchengeschichtsschreibung zu geben, wie nämlich „die sich wandelnde jeweils geübte Verkündigung sich zu dem behaupteten unveränderlichen depositum fidei verhält"59, oder: „Wie hat sich die Botschaft der Kirche bewahrt, und wie hat sie sich bewährt?"60 Bei Ewald nämlich ist ein Strom des reformatorischen consensus de doctrina zu beobachten, der unterirdisch und damit zunächst unsichtbar verläuft, sich dann aber doch wie ein Platzregen ergießt und den zeitgenössischen aufgeklärten consensus communis in Frage stellt und biblisch-reformatorische Anfragen an ihn richtet. Wenn es wahr ist, „daß im Sinne der Reformation die Kirchengeschichte als 56

Vgl. Bornkamm, K., bes. p458f. Gadamer, H.-G., pl3: „Das Gedächtnis muß gebildet werden. Denn Gedächtnis ist nicht Gedächtnis überhaupt und für alles [...] Nur durch das Vergessen erhält der Geist die Möglichkeit der totalen Erneuerung, die Fähigkeit, alles mit frischen Augen zu sehen, so daß das Altvertraute mit dem Neugesehenen zu vielschichtiger Einheit verschmilzt." 58 Vgl. den gleichnamigen Titel des biographischen Werkes: Heimpel, H., u.a. (Hgg.), Die großen Deutschen. 59 Karpp, H., pl60. 60 Ebd., pl63. 57

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,Gelegenheitsgeschichte' der Verkündigung des göttlichen Wortes [...] begriffen werden muß, wie es Luther selbst unter dem klassischen Bild des fahrenden Platzregens für Gottes Wort und Gnade tat"61, wie Martin Schmidt Ebelings berühmte Formulierung präzisierend sagt, dann muß Ewalds Theologie und Lebenswerk als ein solcher Platzregen begriffen werden: als eine geschichtlich gewordene Gelegenheit der reformatorischen Verkündigung im Kontext der Aufklärung. Es ist richtig, daß neben dem göttlichen Wort auch die Wanderung des Volkes Gottes durch die Fremdlingsschaft ein Urdatum der Kirchengeschichtsschreibung, also Teil der theologia viatorum insgesamt ist62. Aber gerade deswegen ist es die Aufgabe der theologia viatorum, der ecclesia militans, alle Kraft daran zu setzen, daß nicht auch noch die Glieder am Leibe Christi, die Väter und Mütter des Glaubens, vollkommen zu Fremdlingen werden. Es ist Teil der Wanderung durch die Fremdlingsschaft, sich die Fremdgewordenen in den eigenen Reihen erneut bekannt zu machen und immer neu zu entdecken, daß „die eine wahre Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen [...] uns in unerschöpflicher Fülle in der Kirchengeschichte begegnet"63. Oder anders: Die Kirchengeschichtsschreibung steht selbst drin in der Dialektik von ecclesia visibilis et invisibilis64, indem sie einerseits exempla von Bezeugungen der geglaubten una sancta ecclesia vorstellt, gleichzeitig aber die Erinnerung an die sichtbare Kirche wacherhält und damit verhindert, daß die empirische Kirche in eine unreflektierte Unsichtbarkeit hinein verschwindet, die letztendlich auch das , credo ecclesiam' erstickt. Auch insofern gilt - um eine Formulierung von Bernd Jaspert aufzunehmen: „Kirchengeschichte ist die Wissenschaft von der Erfahrung der Kirche in der Welt"65, oder: Kirchengeschichte ist die Geschichte Gottes, der sich durch seine menschlich gewordene Verkündigung je und je neu in Erfahrung bringt, Gegenstand also der hoffenden experientia fidei wird66.

61

62 63 Schmidt, M., Ursprung, pl3. Vgl. ebd., pl3ff. Bornkamm, K„ p465. Vgl. ebd., p456: „Anders als für das katholische Kirchenverständnis ist die Unterscheidung von sichtbarer und unsichtbarer Kirche für das evangelische konstitutiv." Die katholische Kirchengeschichtsschreibung grenzt sich von der augustinisch-reformatorischen Unterscheidung (nicht Trennung!) der sichtbaren und der unsichtbaren Kirche scharf ab. Vgl. etwa Iserloh, E., p23: „Auf dem Boden des katholischen Kirchenbegriffs, der das Sichtbare, Institutionelle zum Wesen der Kirche rechnet, Kirchengeschichte als Theologie zu betreiben, birgt allerdings wesentlich größere Spannungen in sich als überall da vorhanden sind, wo man spiritualistisch die vera ecclesia als verborgene, geistige Wirklichkeit von der ecclesia manifesta trennt. Das gilt schon für das Luthertum [...]." 65 Jaspert, B., pl02. 66 Vgl. ebd., pl03. 64

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Einleitung

„So wird die theologische Biographie zur Aufgabe"67, zur immer neuen Aufgabe, weil allein mit ihr eine Möglichkeit an die Hand gegeben wird, die Lehre von der Rechtfertigung im Kontext der Hermeneutik der Kirchengeschichtsschreibung zum Tragen kommen zu lassen68 und Gerechtigkeit denjenigen widerfahren zu lassen, denen eine solche in der bisherigen Wirkungsund Forschungsgeschichte noch nicht zuteil geworden ist.

67 Schmidt, Ursprung, p21. Wer, wie Hanns Rückert, p l l es fordert, als Historiker die Väter des Glaubens zunächst einmal „ganz einfach: als Menschen" sieht, der wird sich erneut der alten Gattung der Biographie bedienen, um seine Forschungsergebnisse vorzustellen. Deswegen wird diese Arbeit in Kap. I zunächst das Leben Ewalds nachzeichnen, Stationen also seines Lebens und Wirkens vorstellen. 68 Vgl. Schindler, Α., pl51.

KAPITEL I

Johann Ludwig Ewalds Biographie Stationen seines Lebens und Wirkens nach den gedruckten und ungedruckten Quellen

Wer sich über Ewald ein Bild machen will, muß studieren nicht nur, sondern auch reisen. Reisen an die mannigfachen Stätten seines Wirkens in den verschiedensten Teilen Deutschlands, reisen in die verschiedensten Bibliotheken und Archive einer ganzen Reihe von Städten in Deutschland und der Schweiz. Wer sich über Ewald ins Bild setzen will, um ihn ins Bild zu setzen, ihn der Forschung bekannt zu machen und vorzustellen, der muß ihm selbst nachreisen, sich auf eine Bildungsreise begeben. Aus den mannigfachen versteckten Akten, aus den an vielen Orten verstreut aufzufindenden Briefen Ewalds und nicht zuletzt aus der von ihm verfaßten Flut von Büchern, Zeitschriften und Aufsätzen setzt sich dann langsam mosaiksteinartig ein Bild zusammen, das mit dieser Arbeit der Öffentlichkeit und der weiteren wissenschaftlichen Arbeit an diesem Thema zugänglich gemacht wird. Abgesehen von ganz vereinzelten Aufsätzen und eher beiläufigen Nennungen Ewalds in größeren Gesamtdarstellungen gab es bisher nichts über Ewald zu lesen. Auch seine Werke mußten erst gründlich bibliographiert werden und durch mannigfaltige Recherchen ausfindig gemacht werden. Anders zudem als andere Charaktere seiner Zeit wie etwa Johann Heinrich Jung-Stilling1 hat Ewald keine Autobiographie hinterlassen, die als Gerüst für die Erforschung seines curriculum vitae dienen könnte. Seine vielfältigen Beziehungen zu Zeitgenossen müssen daher aus seinen Schriften und Briefen erschlossen werden. Die Quellenlage muß - abgesehen von Ewalds Jugendzeit - als außergewöhnlich gut bezeichnet werden.

1

Vgl. Jung-Stilling, J.H., Lebensgeschichte und zum literarischen Genre: Niggl, G.

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Kapitel I

1. Jugend - Studium in Marburg - Carl Wilhelm Robert Die erste und kürzeste ,Biographie' über Ewald findet sich in den Kirchenbüchern2 der reformierten Gemeinde Dreieichenhain, die auf halbem Wege zwischen Frankfurt am Main und Darmstadt liegt3. Aus ihnen geht hervor, daß Ewald am 16.9.1748 geboren wurde und nicht, wie in den meisten Lexikonartikeln falsch zu lesen ist, am 16.9.1747. Johann Ludwig ist anscheinend das erste Kind der Eheleute Georg Ernst Ewald und Maria Charlotte, das die Geburt und die früheste Kindheit überlebt hat. Ludwig Christian dagegen war am 31.5.1747 geboren, am 15.10.1747 jedoch bereits gestorben. Der Vater Georg Ernst Ewald war ein gehobener Beamter in der Verwaltung seines Landesfürsten Wolfgang Ernst I. von Isenburg-Birstein, der von 1711 bis zu seinem Tod 1754 regierte4. Als Amtskeller war Ewalds Vater verantwortlich für die Requisition, Lagerung und Verwertung des Fruchtzehnten, aber auch für die Eintreibung des Steuergeldes. Er betrieb sein Geschäft als landesherrlicher Vermögens Verwalter im „Hayn der Dreieich" seit 1743. Und er tat dies anscheinend mit peinlichster Genauigkeit und Zuverlässigkeit. Nach Auskunft der Kirchenbücher starb er am 26.8.1772 und wurde am 29.8. zu Grabe getragen. „Herr Georg Ernst Ewald geweßener Fürstl. Ysenburg. AmtsKeller dahier, ein treuer redlicher Diener Gottes und seines Fürsten, wurde still begraben"5. Zu dieser Zeit sollte sein Sohn Johann Ludwig sein Studium der Theologie bereits abgeschlossen haben und als Erzieher am Fürstenhaus Hessen-Philippstal tätig sein. Doch zurück in Ewalds Jugend. Der Pfarrer Herrmann Gudenus war es, der Ewald in Dreieichenhain getauft hat. Sein Nachfolger F. C. Spies konfirmierte den Zwölfjährigen zusammen mit seinem Bruder (geb. am 29.10.1750) am Pfingstfest des Jahres 17616. 2

LKA Darmstadt, Kirchenbücher Dreieichenhain, Film 1237, 51: „1748. Baptizati [...] Eltern Paten Septbr. Johann Hr. Georg Ernst Ewald Die Fr. Räthin Vigelius geb[oren] 16 Ludwig Hochfürstl Ysenbg. zu Birstein als get[auft] 17 AmtsKeller und Fr. GroßMutter und Hr. Maria Charlotte Vigelius Joh. Christian Ewald Eheleute zu Birstein und deßen Ehefrau als Großeltern." 3 Vgl. zur Geschichte dieser Gemeinde die einen sehr guten Überblick bietende Arbeit von Nebel, W. 4 Vgl. Simon, G., Bd. 2, p339-342. 5 LKA Darmstadt, Kirchenbücher Dreieichenhain, Film 1237, 578. 6 „1761. festo Pentecost. [...] Johann Ludwig Ewald Söhne des Hrn. Wilhelm Ernst Ewald Amts Kellers dahier". (Ebd., 369).

Johann Ludwig Ewalds Biographie

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Einige Anzeichen gibt es dafür, daß Ewald unter der religiösen Erziehung durch seinen Vater, der wohl der pietistischen Frömmigkeit - damals im Hessischen stark verbreitet - nahestand, sehr gelitten hat. Ewald, der später zu einem der bedeutendsten Bibel-Theologen und -Pädagogen werden sollte, wurde die Bibel zunächst durch eine biblizistische Erziehung und durch mechanische Lektüre der biblischen Texte völlig verleidet. Aus seiner Erziehung mag sich daher auch Ewalds Hinwendung zur aufgeklärten Neologie erklären, die sich spätestens während seiner Studienzeit in Marburg vollzog. Noch im Jahre 1783 schreibt Ewald auf seine religiöse Frühsozialisation zurückblickend: „Ich schreibe da keine Satire; ich red' Ihnen aus eigner Erfahrung. Vier, fünfmal hatt' ich die Bibel auslesen müssen. Vom Spiel, vom frohem [!] Naturgenus must' ich weg an die Bibel. Ich muste weglesen Propheten, wie Patriarchengeschichte; Brief an die Römer, wie die Evangelien. Hinten drauf etwas aus Valentin Wudrians Kreuzschule; natürlich war diese Stunde eine Kreuzschule für mich. Die Bibel war mir so zuwider, daß ich nicht übertreibe, wenn ich sage: der bloße Anblik des Bandes machte einen widerlichen Eindruk auf mich [...] Nun kam ich in Freiheit, und lies sie liegen so lang ich konnte"7. Solche erzwungene Bibellektüre und die Kreuzschule Wudrians8 haben Ewalds Hinwendung zur aufgeklärt-neologischen Theologie mitbedingt. Aber - und das ist der wichtigere Aspekt: Ewalds Abwendung von der Bibel ist doppelt reflektiert Bedingung der Möglichkeit davon geworden, daß er sich als junger Offenbacher Pfarrer unter dem Einfluß von Johann Caspar Lavater, Philipp Matthäus Hahn und Justus Christoph Krafft der biblischen Theologie und in der Folgezeit den reformatorischen Inhalten des Glaubens wieder zugewandt hat. Doch zunächst zu Ewalds Studienzeit. Laut Auskunft der Marburger Matrikelbücher immatrikulierte sich Ewald am 4.10.1766 achtzehnjährig an der Universität Marburg9. Daß Ewald neben der Marburger auch die damals als fortschrittlicher und moderner geltende Göttinger Universität besucht haben soll, ist zwar in manchen Lexika zu lesen, ist jedoch unzutreffend. An der reformiert geprägten theologischen Fakultät lehrten zu Ewalds Studienzeit drei Ordinarien, nämlich David Samuel Daniel Wyttenbach (1706-1779) und Heinrich Otto Duysing (1719-1781). Erst 26 Jahre alt war der dritte im Bunde, der auf Ewald den meisten Einfluß haben sollte, nämlich Carl Wilhelm Robert (1740-1803). Zudem wird Ewald bei Johann Wilhelm Krafft (1696-1767) studiert haben, dem Vater von Justus 7

Ewald, Briefe über den Gebrauch der Bibelgeschichte (Bibl. Nr. 10), p75f. Wudrian, SCHOLA CRUCIS. 9 „Octobris d. 4. [...] Joannes Ludovicus Ewald, Ysenburgicus" (Birt, Catalogus, p356). 8

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Kapitel I

Christoph Krafft, mit dem Ewald in seiner Offenbacher Zeit in Kontakt treten wird 10 . Wyttenbach ist vor allem durch sein damals weitverbreitetes Lehrbuch „Compendium Theologiae dogmaticae et moralis" bekannt geworden, das über Jahrzehnte hinaus ein Standardwerk reformierter Theologie g e w e s e n ist. Wyttenbach liebte es, die Theologie immer wieder in verschiedenen kompendienartigen Büchern zusammenzufassen", wobei er an den ihm vorgegebenen Lehrinhalten zu rütteln nicht gewillt war. Die Lehren von der Erbsünde und besonders von der Stellvertretung und Versöhnung des Sünders durch das Geschäft Christi werden nicht angetastet 12 , die Lehre von der iustificatio und der imputatio des meritum Christi ist bei Wyttenbach geradezu als Kernpunkt anzusehen 13 . Eine gründliche Ausbildung in dem theologischen Fach, das Ewald später lange vor Karl Barth, Kirchliche Dogmatik' nennen wird 14 , wird Ewald besonders bei Wyttenbach erfahren haben. Dennoch ist Wyttenbach insofern Kind seiner Zeit, als er wie Siegmund Jacob Baumgarten auf lutherischer Seite die Übereinstimmung der Offenbarungs-Inhalte mit dem Lichte der Vernunft behauptet 15 . 10 Vgl. zur damaligen Professorenschaft in Marburg: Gundlach, F., CATALOGUS sowie die zeitgenössischen Marburger Vorlesungsverzeichnisse. S. Bibliographie A 50. Zum Kontakt Ewalds mit J.Chr. Krafft vgl. u. Kap. I, 5 dieser Arbeit. 11 Vgl. Wyttenbach, Compendium; ders., Auszug. Letzterer Titel ist ein Exzerpt aus: Ders., Entwurf. 12 Mit größter Klarheit faßt Wyttenbach, Auszug, pl4 die Lehre vom munus sacerdotale und der intercessio Christi zusammen: „Was hat Er [seil. Christus; A.S.] ferners müssen thun? Vornehmlich die Schuld der Straffe [...] von uns wegnehmen, und denn noch das ewige Leben erwerben, darum er als Hohepriester [!] 1. auf Erden durch Leiden und Tod sich aufgeopffert, daneben das Göttliche Gesätz vollkommen gehalten hat, so heisset sein ganzer Gehorsam: 2. noch allezeit im Himmel Fürbitt thut." Die ZweiNaturen-Lehre steht mit der Versöhnungslehre im engsten orthodoxen Konnex, wenn es heißt: „GOtt mußte er seyn, damit seyn Leiden wäre von einem unendlichen Werth: denn wo er nicht fürtrefflicher wäre als alle Creaturen, wie hätte sein Leiden können gleichgeschätzet werden den Straffen so vieler Menschen? [...] Zugleich mußte er solches seyn, oder GOtt und Mensch in einer Person, weil sonst kein Heil hätte erworben werden können" (Wyttenbach, Entwurf, p78). 13 „Wie heisset nun die Befreyung von der Strafe, samt dem Recht zum ewigen Leben, so der Glaube suchet? Gerechtsprechung, die denn bestehet in Zurechnung dessen, was Christus erworben hat. 83. Wodurch und um wes willen kan und muß also der Mensch gerechtgesprochen werden? Durch den Glauben, doch nur als durch ein blos Mittel, um des Gehorsams Christi willen als der verdienstlichen Ursache" (Wyttenbach, Auszug, pl6). 14 Vgl. u. Kap. I, 19. 15 Wie Siegmund Jacob Baumgarten hält Wyttenbach die orthodoxen Lehrinhalte für mit dem natürlichen Licht der Vernunft übereinstimmend. Daher hält er fest, „daß jedoch die Lehren der Offenbahrung nicht streiten wider das Licht der Vernunfft" (Entwurf, pi 1).

Johann Ludwig Ewalds Biographie

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Entschiedener allerdings geht Robert von der Vernunft als dem alle Theologie durchwaltenden Prinzip aus, wenngleich auch er keineswegs einen Deismus vertritt, sondern die meisten klassischen Lehrinhalte ,vernünftig' interpretiert beibehält. Robert hat neben einem ethischen Lehrkompendium und einer theologischen Enzyklopädie u.a. auch einen Katechismus mit dem Titel „Entwurf der vornehmsten Wahrheiten der Religion" verfaßt, der als Grundlage für die „Catechetischen Uebungen"16 diente, an denen wahrscheinlich auch Ewald teilgenommen hat. Robert hält in diesem Lehrkompendium an der klassischen Trinitätslehre, der Christologie und an der Erbsündenlehre fest17, sogar die Lehre vom Endgericht wird nicht aufgelöst18. Allerdings ist ihm die Vernunft der alleinige Maßstab, an dem die Offenbarung zu messen sei. Programmatisch beschließt Robert daher seine Vorrede zum genannten Werk mit den Worten: „GOTT cröne diesen Entwurf mit seinem Seegen, und lasse ihn ein Mittel zu einem vernünftigen Glauben [...] werden"19. Orthodoxer Lehrinhalt und rationalistisches Gepräge sind hier eine merkwürdige Synthese eingegangen, derzufolge etwa die Rede vom Opfer Christi nicht aufgegeben wird, dennoch aber gesagt wird, daß Jesu Geschäft es zuvörderst war, „eine reine Sittenlehre die sich auf eine vernünftige Glaubenslehre gründet, vorzutragen"20. Im Jahre 1778, als Ewald längst schon Pfarrer in Offenbach geworden war und seine Abkehr von der ihm auch durch Robert vermittelten Aufklärungstheologie vollzogen hatte, legt Robert alle seine kirchlichen Ämter und das des Professors der Theologie nieder, um sich der juristischen Wissenschaft zuzuwenden. Er wurde fünftes Mitglied der juristischen Fakultät und Professor für praktische Philosophie. Hintergrund dafür war nicht nur der Gesundheitszustand Roberts, sondern vor allem auch seine Abkehr von dem Restbestand an .Positivem' in seiner Theologie insgesamt21. Während seiner Studienzeit war Ewald Mitglied der von Robert 1766 gegründeten Literatur-Gesellschaft, die 1772 eine neue Verfassung erhielt, was Robert durch eine kleine Schrift zur Anzeige brachte: „Carl Wilhelm Robert, der Gottesgelahrtheit ordentlicher Lehrer, Consistorialrath, der reformirten Kirchen in Oberhessen und der Fürstlichen Stipendiaten Aufseher, zeiget an, daß die Litteratur=Gesellschaft nach der getroffenen neuen Einrichtung auf höhern Befehl am 27ten d.M. des Nachmittags um 1 Uhr im philosophischen Hörsaale feyerlich werde eröfnet werden." In dem „Verzeichniß der Herren die außer mir seit dem Jahre 1766 Mitglieder der hiesigen Die orthodoxe Lehre, daß die Inhalte der Offenbarung nach dem Fall nicht nur über, sondern auch gegen die Vernunft sind, ist bereits fallengelassen. 16 17 Robert, Entwurf, pA2v. Vgl. ebd., p27. 42. 57f. 18 19 Vgl. ebd., p72. Ebd., p3. 20 Ebd., p47. 21 Vgl. Maurer, Bd. 1, pl8-21 und die Artikel im DBA zu Robert.

Kapitel I

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Litteratur=Gesellschaft gewesen sind"22 findet sich auch Ewalds Name sowie der seines Freundes Jakob Ludwig Passavant, mit dem Ewald später in Detmold zusammenarbeiten wird. Ziel der Gesellschaft war es, literarische Bildung zu vermitteln. „Die Liebe zur Litteratur und die Ueberzeugung von der Nothwendigkeit und von dem Nutzen einer genaueren Bekanntschaft mit derselben vereinigten damals mit mir verschiedene hiesige Gelehrte und Studenten [...], um unsere gerechte Wißbegierde zu befriedigen"23. Um die zeitgenössische Literatur zugänglich zu machen, wurden „die wichtigsten Englischen, Französischen und Teutschen gelehrten Zeitungen und Journals und mit Ihnen manches brauchbare Buch"24 angeschafft und studiert. Es ist zu vermuten, daß Ewalds literarische Interessen nicht nur, sondern vor allem auch seine spätere Tätigkeit als Publizist und Herausgeber von Zeitschriften durch seine Mitgliedschaft bei dieser Gesellschaft eine entscheidende Prägung erfahren haben. Man traf sich einmal in der Woche, und ab und an „wurden Reden oder Vorlesungen gehalten und beurtheilt"25. Der Vorlesungsbetrieb an der Universität Marburg während der Studiensemester Ewalds läßt sich nur bruchstückhaft nachzeichnen, da die zeitgenössischen Vorlesungsverzeichnisse nur lückenhaft erhalten sind26. Auffallend ist, 22

Robert, Litteratur=Gesellschaft, p23. 24 25 Ebd., p20. Ebd., p21. Ebd. 26 Vgl. AVDITIONUM TABULAE (Bibliographie A50). Im Winter 1766, Winter 1767, Sommer 1768 und im Winter 1771 lasen folgende Lehrer folgende Vorlesungen: 23

Winter 1766 Wyttenbach: „Theologiam elenchticam [...] Theologiam dogmaticam [...] lus ecclesiast. [...] Hermeneut. S." Johann Wilhelm Krafft: „Theologiae moralis Sciagraphiam [...] Institutiones didáctico elenchticas [...] Exegesin realem ep. I Petri [...] institutiones practicas in alteram partem SI. van Till methodum concionandi" [seil. Salomo van Til, METHODUS CONCIONANDI; A.S.] Duysing: „introductionem in controversias theologicas historicam [...] praelectiones Propheticas" Robert: „praecepta homiletica et catechetica [...] epístolas Pauli [...] Theologiam moralem" Winter 1767 Wyttenbach: „theol. dogmat. [...] Hermeneuticam S. [...] Theologiam elencht." Krafft: „sciagraphiam Theologiae moralis [...] institutiones practicas [...] SI. Van Till methodum concionandi [...] lectionem exegeticam" Duysing: „introductionem in N.T. [...] Theologiam dogmaticam [...] quaestiones et repetitiones" „CAROLVS GVILIELMVS ROBERT [...] privatim hora VIII-IX Pauli ad Hebraeos epistolam interpretabitur, hora X-XI vero Ethices Christianae principia denuo tradet. Horas promeridianas studio homiletico atque catechetico dicabit; publice disputatorium, quod semestri praeterito ineepit, hoc quoque aperiet."

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in welch geradezu enzyklopädischer Art damals jeder einzelne theologische Lehrer die verschiedensten Teildisziplinen abzudecken und zu lehren fähig war. Eine gründliche Ausbildung wird Ewald in jedem Fall genossen haben, wenngleich doch auffällig ist, daß die Kirchen- und Theologiegeschichte nicht in eigens dafür vorgesehenen Vorlesungen abgehandelt wurde, während der Bezug zur Praktischen Theologie in den meisten Vorlesungen sehr deutlich zu bemerken ist. Nach vollendetem Studium übernahm Ewald zunächst eine Stellung als Hauslehrer in Kassel. Ein Jahr später arbeitete er für zwei Jahre als Erzieher am Hofe des Fürsten von Hessen-Philippstal, also in den Jahren 1772 und 1773. Allerdings fehlen zu diesem Abschnitt des Lebens Ewalds jegliche Primärquellen und autobiographische Zeugnisse27.

2. Ravolzhausen - Offenbach - Katechismus Im Jahre 1773 berief der Landesfürst Wolfgang Ernst II. von IsenburgBirstein28 Ewald als Prediger in ein kleines Dorf in der Nähe von Hanau nach Ravolzhausen. Am 3.10.1773 ist Ewald dort ordiniert worden, und am 10.10. hat er dort seine Antrittspredigt gehalten29. Ravolzhausen gehörte damals mit Sommer 1768 Wyttenbach: „lectiones theol.-dogmatic. [...] lus ecclesiast. [...] exercitium concionator. [...] disputator. [...] examinatorium" Duysing: „origines et facta celebrorum sectarum [...] praelectiones dogmaticas [...] Praelectiones elenchticas" Robert: „Theologiam Pastoralem [...] exercitium oratorium [...] Epístolas Catholicas [...] Ethices Christianae principia [...] Horas promeridianas, institutionibus homileticis atque catecheticis, vti solet, consecrabit" Winter 1771 Wyttenbach: „Lectiones theol. dogmaticas [...] exercitium disputator. [...] Lectiones hermeneuticas" Duysing: „interpretabitur librum aliquem historicum Vet. Testamenti, priuatim hora XI-XII Exegesin in Librum classicum Prophetae Esaiae denuo instituet" Robert: „non solum tradet Encyclopaediam theologicam ad ductum sui compendii, sed etiam Exercitium oratorium sacrum bono cum Deo continuabit [...] Ethicae Christianae compendium [...] ad Hebraeos epistolam [...] Horas promeridianas institutionibus et exercitiis catecheticis, homileticis nec non Theologiae Pastorali consecrabit." 27 StA Marburg 301, Archiv des Landgrafen von Hessen-Philippstal wäre ein möglicher Fundort für die bislang fehlenden Primärquellen. Vgl. jedoch Anm. bei Bibliographie A 51. 28 Vgl. Simon, Bd. 2, p342-344. 29 „Es ist der Pfarrer Ewald nach erprobter Tüchtigkeit in examine gestern in hiesiger Reformirten Kirche zum Prediger zu Ravolzhausen ordentlich ordiniret und bestätiget

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Kapitel I

Langenselbold und Langendiebach, obgleich umschlossen von der Grafschaft Hanau, zum isenburgischen Besitztum, jedenfalls bis zum Jahre 181530. Über dem Portal der evangelischen Kirche in Ravolzhausen findet sich deswegen auch das Isenburg-Birsteiner Wappen. Die Information vieler Lexikon-Artikel, Ewald sei zunächst Pfarrer in Götzenhain gewesen, ist unzutreffend und findet keinerlei Anhalt an den dortigen Kirchenbüchern. Wohl möglich ist es, daß Ewalds Landesherr prüfen wollte, „ob er [seil. Ewald; A.S.] demüthig genug sei, eine so kleine Stelle anzunehmen"31. Denn bereits einen Monat, nachdem Ewald seine Antrittspredigt in Ravolzhausen gehalten hatte, wurde ihm am 10.11.1773 eröffnet, daß Wolfgang Ernst II. entschieden hatte, Ewald auf die zweite Predigerstelle der deutsch-reformierten Gemeinde nach Offenbach am Main zu berufen32. Ewald sollte hier an die Stelle Conradis treten, der zum Hofprediger befördert worden war. Ein Bericht über die Entscheidung des Fürsten, Ewald nach Offenbach zu berufen, findet sich wiederum im Staatsarchiv Marburg. Ewald sollte seine Stelle zum 1.1.1774 antreten und neben den gewöhnlichen pfarramtlichen Geschäften sich vor allem auch um die Verbesserung des Religionsunterrichtes, die Reform der Offenbacher Latein-Schule und die Förderung des Nachwuches für den Lehrerberuf kümmern. Diese Ewald aufgetragene katechetisch-pädagogische Aufgabe sollte ein entscheidender Meilenstein in Ewalds Biographie werden. Denn forthin wird sich Ewald bis zu seinem Lebensende immer wieder um die Verbesserung des Schulwesens und vor allem des Religionsunterrichtes bemühen. Ewald war, als er seine Stelle in Offenbach antrat, 26 Jahre alt. Der Landesherr Wolfgang Ernst II. war ein fortschrittlich-aufgeklärter Regent, regierte in den Jahren 1759-1803, war an einer Modernisierung seines armen worden, mithin kann er zu kiinfftigen Sonntag ist der lOte dieses, seine Eintritts Predigt zu Ravolzhausen halten. Er wird zu dem Ende sich noch diese Woche dort einfinden und sich bey Fürstlm. Amte und dem Pastori Lepper melden. Fürstl. Amt hat dieses der Gemeine Ravolzhausen und dem Pastori von Konsheim bekannt zu machen, und der Pastor Lepper denselben bey der Gemeinde zu Ravolzhaußen den lOten dieses zu introduciren, Fürstl. Amt aber denselben alsdenn der Gemeine vorzustellen und ihm Folge und Gehorsam von den Vorstehern angeloben zu laßen. Fürstl. Amt hat also deswegen cum communicatione huius mit dem Pastore Lepper die nöthige Abrede zu nehmen, und wie alles vollzogen worden, ad acta zu berichten. Offenbach den 4ten Octobr: 1773. Fürstliche Regierung P.J. Pauli Secretarius" (StA Marburg 315 Landeskirchenamt g Spec. Hanau Ravolzhausen I, 1. Bibliographie A 49). 30 Vgl. Hanau Stadt und Land. Diesen Hinweis verdanke ich dem Nachlaß Sprenger. 31 Art. Ewald, in: Allgemeine deutsche Real=Encyklopädie 7 1827, Bd. 3, p693. 32 Das diesbezügliche Aktenstück ist im Anhang, Text Nr. 1 abgedruckt.

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und wirtschaftlich nicht gerade prosperierenden Landes33 interessiert und förderte daher die Ansiedelung von Industrie, so daß Offenbach - von der benachbarten Reichsstadt Frankfurt beneidet und bekämpft - z.B. auf den Sektoren der Tabak-, Seidentextil-, Kutschen- und Waagenherstellung zum führenden süddeutschen Wirtschaftsraum wurde34. Wolfgang Ernst II. und sein Vater Wolfgang Ernst I. schafften Frohnden, Leibeigenschaft, Judenleibzoll sowie den Zunftzwang ab35. Wolfgang Ernst II., mit dem Ewald in ein geradezu freundschaftliches Verhältnis eintrat, setzte sich für die Zusammenlegung der beiden Lateinschulen Birstein und Offenbach in Offenbach ein und plante zudem die Einrichtung einer Realschule36. Am 3.3.1774 forderte Wolfgang Ernst II. dazu auf, mit den Vorarbeiten für die Einrichtung eines neuen Katechismus zu beginnen. Was diesen Vorgang anbelangt, ist man heute zunächst auf den Abdruck der betreffenden Quellen bei Sommerlad angewiesen, da die ihm noch zugänglichen, leider nicht genau nachgewiesenen Akten als Bestandteil des Hessischen Staatsarchivs Darmstadt im Zweiten Weltkrieg verbrannt sind37. Dennoch müssen einige Fehlurteile Sommerlads berichtigt werden. Daniel Pels, Pfarrer an der französisch-reformierten Gemeinde in Offenbach, und Ewald wurden aufgefordert, mustergültige Katechismen, die Vorbildfunktion für einen neu einzurichtenden isenburgischen Katechismus haben könnten, einzusenden. „Weil auch der heidelbergische Catechismus mehr ein Glaubensbekenntniß Unserer Kirche nach seinem Entwurf, als eine Bestimmung zu einem jugendlichen Unterricht ist, Wir aber wünschen, daß die Religion deutlicher, mit Beybringung mehrerer Begriffe und mit eindringenden Beweggründen zur Ausübung gelehret und dazu ein Catechismus in allen Unseren reformirten Schulen und Kirchen egal eingeführet [werde] [...] so soll Unsere Regierung dem Consistorialassessor Pels und Pastori Ewald aufgeben, daß jeder besonders Uns einige von denen Catechismis einschicke, die sie vor die deutlichsten und besten halten [...] darauf Wir weiter resolviren und daraus ein Lehrbuch zum Unterricht der Jugend bis ins 12. Jahr wählen und aus den 33

Vgl. Müller, B., Isenburg, p8f. Das Fürstentum Isenburg war zwar verkehrstechnische Drehscheibe, „ohne daß das Land wirtschaftlichen Nutzen von dem vorbeiziehenden Fernhandel hatte", denn das profitierende Wirtschafts- und Handelszentrum war die Stadt Frankfurt a.M. Die isenburgische Bevölkerung „hatte von der günstigen Verkehrslage nur die Nachteile: jeder Krieg um 1800 brachte diesem Raum Truppendurchzüge, die jeden Halm und jeden Heller mit sich rissen" (ebd., p9). 34 Vgl. Schrod, F., pl6-19. 35 Vgl. ebd., p l 9 und Müller, B„ p l l . 36 Vgl. Sommerlad, F.W., p42f. 37 Es handelt sich um die Pfarrstellenakten in Abt. V C des Hessischen Staatsarchivs Darmstadt.

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Kapitel I

bestgeachteten machen zu laßen, gesonnen sind. Der heidelbergische Catechismus kann nachher mit denen Älteren, die nun schon Begriffe haben, getrieben und derselbe ihnen zur Confirmation gelehret werden"38. Am Bekenntnisstand des Landes sollte nicht gerüttelt werden. Die Planung eines neuen Katechismus für Kinder sollte nicht eine Abrogation des Heidelberger Katechismus darstellen. Dieser sollte vielmehr nicht nur als Bekenntnisschrift, sondern auch als Lehrbuch für den Konfirmanden-Unterricht beibehalten werden. Ewald war an der Planung, den Vorarbeiten und der Ausarbeitung des neuen Katechismus auch deswegen beteiligt, weil es - wie oben gezeigt - zu seinen Dienstobliegenheiten gehörte, an der Lateinschule Religionsunterricht zu halten. Wohl möglich ist, daß Wolfgang Ernst II. es selbst war, der einen Entwurf für den neuen Katechismus erarbeitete und ihn „einigen Geistlichen seines Landes mit dem Auftrage zugehen [ließ], denselben ,unter thunlicher Berücksichtigung seiner Gedanken und Ideen' weiter auszuführen"39. Auch Hofprediger Conradi wurde als Gutachter tätig40. Dennoch ist es Sommerlad nicht gelungen, Ewalds Anteil an der Erarbeitung des Lehrbuches den Tatsachen entsprechend zu würdigen, da ihm der diesbezügliche, in Zürich aufbewahrte Briefwechsel zwischen Ewald und Lavater nicht bekannt war. Denn erst aus ihm geht hervor, daß der Katechismus in seiner Endgestalt als ein Werk hauptsächlich von Ewald anzusehen ist, während Sommerlad Ewald nur zu den Vorarbeitern rechnet. Am 12.7.1774 sandte Ewald einen Katechismus-Entwurf nach Absprache mit dem Landesfürsten an Lavater, der mit dem Fürstenhause in regem Kontakt stand. Ewald forderte Lavater zur Stellungnahme auf 41 . Wohl schon in dieser Arbeitsphase ist die 38

Zit. nach Sommerlad, p45f. Zit. nach ebd., p52. 40 Vgl. ebd. und Winkelmann, E„ pl6: „Daraufhin gibt Conradi am 1. August 1774 folgendes Gutachten ab: das neue Lehrbuch habe sich mit Metaphysik und Ethik zu befassen, jedoch müsse alles ,auf eine herablassende Art' den Kindern beigebracht werden. Er habe sich deswegen auch mit seinem Amtsbruder Ewald besprochen." Winkelmann weiß jedoch nichts von dem 1775 erschienenen Katechismus Ewalds. 41 „Der Fürst von Isenburg, der die Religion, die aufgeklärte und beßernde Religion der Christen stützt, und es bald einsah, wie wenig sie zur Aufklärung, zur Beßerung des Volks beitragen könne, wenn sie nach dem sogenannten Heidelbergischen Katechismus den Kindern vorgetragen wird, von dem sie die Helfte nicht verstehen, und der schlechterdings das Herz nicht beßera kann; haben deswegen einigen Predigern in Ihrem Lande aufgetragen, ein neues Lehrbuch für die Schulen zu machen, worinnen hauptsächlich auf die frühe Bildung des Herzens gesehen, so viel möglich bei zweifelhaften oder wenigstens bestrittenen Lehren mit der Bibel geredet, doch aber nichts gegen die herrschende Lehre unsrer Kirche gesagt würde. Ich habe einen Entwurf zu diesem Katechismus gemacht, der, wenn er Ihren Beifall erhalten wird, in Frag und Antwort, so leicht und natürlich wie möglich zergliedert, und dann in den Schulen eingeführt werden soll. Der Heidelbergische Katechismus, d:h: die 129 Heidelberger Fragen ohne Erklärung sollen 39

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Abfassung des Katechismus weitgehend in Ewalds Hände übergegangen. Aus dem betr. Brief geht hervor, daß es Ewalds erstes Anliegen ist, der aufgeklärten Theologie in einem neuen Katechismus zum Durchbruch zu verhelfen und vor allem auf sittliche Besserung der Menschen hinzuarbeiten. Die Beibehaltung des Heidelberger Katechismus dagegen solle aus taktischen Gründen vertreten werden, um keinen Anlaß für die Ablehnung des neuen Katechismus zu geben. N o c h im selben Monat antwortete Lavater und äußerte herbe Kritik daran, daß Ewalds Katechismus-Entwurf nicht genügend um Jesus Christus, die Mitte der Schrift, zentriert sei. Lavater war sofort aufgefallen, daß Ewald bei aller Kaschierung einer solchen aufgeklärten Theologie anhing, deren Lehrverkürzungen sich besonders in der Christologie bemerkbar machten 42 .

beigedrukt, und bei der Konfirmation gebraucht werden. Es würde zu viel Aufsehen in der hiesigen Gegend geben, und die gute Absicht unseres Fürsten würde dadurch verhindert werden, wenn man ihn ganz verdrängen wolte. Der Fürst haben unseren Vorschlag, Ihnen, gefühlvoller Mann, diesen Entwurf zuzuschiken, mit dem größten Vergnügen genehmiget; und ich lege ihn hier bei, mit Bitte, ihn bei Gelegenheit durchzugehen und mir gefälligst Ihre Gedanken darüber zu sagen. - Ich setze keine Gründe hinzu, um Sie zu Erfüllung dieser Bitte zu bewegen. Für einen Mann von Ihrem Herzen, der aller Orten seine Brüder findet, und entschloßen ist, gutes zu thun an jederman; für einen solchen Mann müste es, meinem Gefühle nach demüthigend seyn, wenn man ihm so etwas nicht aus eigenem Triebe zutrauete. In den Stunden also, die Sie zu Ems nicht Ihrer Gesundheit, oder höheren Pflichten schuldig sind, werden Sie ihn durchlesen, mir Ihre Meinung darüber sagen und ich werde mit ihrem Briefe zu meinem Fürsten reisen, und wir werden sämtlich Ihre Bemerkungen benutzen." Zentralbibl. Zürich, FA Lav. Ms. 507, 269. Ewald an Lavater, 12.7.1774. Bibliographie A 58. 42 „Nur mit zwey Worten kann ich Ihnen, mein beßter Hr Ewald, den Empfang und meine sorgfältige, wenn gleich schnelle, Durchlesung Ihres Catechismus melden, den ich Ihnen hier mit Dank zurükschike. Ich nahm die Freyheit, einige Ausdrüke und Stellen, von denen ich glaubte, daß sie dem deutlichen und lichthellen Tone, der im ganzen herrscht, nicht angemeßen seyen, anzustreichen. /: Es ist mit Brod leicht wieder auszulöschen :/ Das Übrige hat mir als einzeln betrachtet, Wohlgefallen. Aber - wie kann ich mich in einem Augenblik über eine Sache ausdrüken, darüber eine Woche weggesbrochen [!] werden könnte? - Aber das Ganze - ist meiner Idee von einem christlichen Catechismus sehr zuwieder. Sie sehen, daß ich troken vom Herzen wegrede. Gott weiß, ich ehre und liebe den Verfaßer. Ich habe noch kaum zwey beßre Catechismen gelesen, als diesen; aber dennoch gesteh' ich - daß das Ganze deßelben dem Ganzen der Bibel oder des N.T. /: wovon doch jeder Catechismus ein kindlichbrauchbarer Auszug seyn soll :/ nicht corresbondent [!] finde. Jesus ist die Hauptperson des N.T., alles ist Zeugniß von Ihm. Ist dieß Ihr Catechismus auch so, so ganz, wie das N.T.? Ich habe vor einigen Jahren mit Anstrengung aller meiner Kräfte einen solchen Catechismus zu machen versucht; und ich halte ihn für das beßte Werk das ich jemals gemacht habe. - und dennoch für unwürdig, gedrukt zu werden, so indiskret ich auch sonst mit meinen Schreibereyen gegen das Publicum seyn mag. Ich halte keine Sache in der Welt schwerer, wichtiger, nüzlicher, und ohne göttliche Erleuchtung unmöglicher, als einen Catechismus. Einige von meinen Ideen /: die jetzt aber viel vollständiger, reiner, und fester sind,

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Dieser Brief Lavaters ist in doppelter Hinsicht äußerst interessant. Denn einerseits sehen wir Ewald hier noch vor seiner Abwendung von der aufgeklärten Theologie im Konflikt mit Lavater stehend, der die Ermäßigung der christologischen Inhalte bei Ewald moniert. Zweitens wird aus dem Brief auch deutlich, daß sich die erste Begegnung zwischen Ewald und dem Schweizer Theologen Ende Juli 1774 ergeben hat. Dieser erste Kontakt beider fand auf der Reise Lavaters statt, auf der er auf dem Wege nach Ems Gottlieb Konrad Pfeffel, Jakob Michael Lenz, Johann Georg Schlosser und Johann Wolfgang Goethe begegnete43. Fast 20 Jahre vor dem Besuch Lavaters bei Ewald in Detmold, den Weigelt erwähnt44, sind die beiden also schon zusammengetroffen: in den letzten Tagen des Juli 1774, in denen Lavater u.a. auch in Bockenheim bei Frankfurt eine Predigt gehalten hat45. Ewald hatte seinen Katechismus-Vorentwurf auch an Johann Jacob Heß geschickt, wie aus einem späteren Brief an ihn hervorgeht. In ihm spiegelt sich ebenfalls der Vorgang, daß die zunächst als Gemeinschaftswerk geplante Arbeit mehr und mehr in Ewalds Regie übergegangen ist. „Ich bin einer von den Predigern, die den neuen Catechismus zum Gebrauch der fürstlich Isenburgischen Schulen haben ausarbeiten helfen. Den ersten zusammenhängenden Aufsaz, der auch in Ihren Händen gewesen ist, habe ich, nach vorheriger Besprechung mit den übrigen Herrn - ganz gemacht"46. Das endgültige Ergebnis der Arbeit Ewalds an seinem ersten Schulbuch war bisher lediglich fälschlicherweise als vom Landesfürsten entworfenes Lehrbuch bekannt und als solches bei Sommerlad zitiert. Hans Sprenger hat in seinen Recherchen über Ewald sehr lange nach Ewalds Katechismus gesucht, ihn aber nie gefunden. Auch meine eigenen Nachforschungen waren zunächst lange Zeit erfolglos. Aus reinem Zufall habe ich den fraglichen Katechismus im Hausarchiv der Fürstenfamilie zu Birstein ausfindig machen können. Er liegt versteckt in einer Akte, die nach Ausweis des Findbuches Kirchen- und Schulsachen der Jahre 1700 bis 1754 enthält; der Katechismus jedoch stammt aus dem Jahre 1775. Sein Titel lautet: „Kurzer Unterricht im Christenthum als damals :/ finden Sie in der beyliegenden Copie eines Briefes an die berlinische Gesellschaft, den ich mir zurükbitte, wenn ich das Vergnügen haben werde, Sie etwa in 14. Tagen vermuthlich in Frankfurt zu sehen - Leben Sie recht wohl! Lieben Sie mich! Bitten Sie, ach bitten Sie Gott ausdrüklich für mich, daß ich nicht erliege unter vielen Lasten, die ich trage. - Die Gnade unsers Herrn sey mit uns." Zentralbibl. Zürich, FA Lav. Ms. 558, 83. Lavater an Ewald, Mitte Juli 1774. 43 Vgl. Weigelt, H., Lavater, p25f. 44 Ebd., p61. 45 Diese Predigt ist abgedruckt in: Lavater, Sämtliche kleinere Prosaische Schriften, Bd. 1, pl28-150. 46 Zentralbibl. Zürich FA Heß 1741. 181 e, 292. Ewald an Heß 23.9.1776. Bibliographie A 60.

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zum Gebrauch der Fürstlich Isenburgischen Schulen. Offenbach, gedruckt bey Bonavent. Hauch sei. Witwe, Hochfiirstl. Isenburg. Birstein. Hof=Buchdr., o.J."47 - ein Unikat, wie man bis zum Erweis des Gegenteils anzunehmen hat. Der Katechismus ist anonym herausgegeben worden, und die Vorrede ist auf „Offenbach am 24. April 1775"48 datiert. In ihr ist die theologische Zielsetzung des Katechismus formuliert, der „ächtes Bibel=Christenthum"49 lehren soll, ohne dabei - der Direktive des Landesfürsten folgend - dem traditionellen Bekenntnisstand Eintrag zu tun. „Dieser Katechismus soll nichts Verdrängen, kein neues Religions=System, kein Glaubensbekentniß seyn [...] Der Heidelbergische Katechismus war, wie bekannt, zu einem ganz andern Gebrauche, als zum Unterrichte der Jugend bestimmt; man glaubte also nicht, an die darinnen beobachtete Ordnung gebunden zu seyn. Er ist aber doch beygedrukt, weil er ein gewöhnliches Glaubensbekentniß der reformirten Kirche ist"50. Auch stellt die Vorrede bereits in Aussicht, daß die „Unterscheidungs=Lehren der beiden protestantischen Kirchen"51 keine Beachtung finden werden. Betrachtet man das Werklein jedoch eingehender, so zeigt sich, daß weit mehr als nur diese in Wegfall gekommen sind. Denn Ewalds Katechismus trägt ein Zwittergesicht. Einerseits ist er gekennzeichnet durch einen Aufbau, der auf den ersten Blick durchaus orthodox anmutet. Den loci der klassischen Dogmatik folgend werden nacheinander abgehandelt: die Gotteslehre und die Christologie, die Schöpfungs- und Vorsehungslehre, sowie die Lehre vom Fall. Es schließt sich die Erlösungslehre an, sowie die Pneumatologie. Das Ganze mündet in ein Kapitel „Vom Glauben"52 und einen Abschnitt „Von den Veranstaltungen Jesu zu Fortpflanzung und Erhaltung des Glaubens"53, in die Lehre von den media salutis also. Ein sehr starkes Gewicht liegt auf der nun folgenden Pflichtenlehre, die sehr breit ausgefaltet wird. Der Katechismus schließt mit der Eschatologie ab, bevor dann der gesamte Text des Heidelberger Katechismus geboten wird. Ewald hat die Bibel als Lehrgrundlage sehr stark einfließen lassen und dabei die loci classici, die klassischen Belegstellen der orthodoxen Dogmatik, beachtet und zitiert. Dennoch fällt auf, daß deren vollmundige Zitierung sich in den kommentierenden Begleittexten sachlich nicht fortsetzt. Die zitierten Bibelstellen versprechen mehr, als in der Entfaltung der Lehre dann gehalten wird. Eine eingehende Würdigung der Trinitätslehre etwa fehlt, in der Christologie ist die klassische Zwei-Naturen-Lehre im Grunde verlassen, und die Gottheit Christi tritt in den Hintergrund. Zwar ist 47 48 49 51 53

Vgl. Β ibi. Nr. 1. Ewald, Catechismus 1775, (Bibl. Nr. 1), p4. 50 Ebd. Ebd., p3f. 52 Ebd., p4. Ebd., p50-54. Ebd., p54-60.

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vom Opfer Christi die Rede („Also ist Christus einmal geopfert, wegzunehmen vieler Sünde"54). Die Termini .Versöhnung' und Stellvertretung' jedoch sind bewußt gemieden. Jesu Verkündigung wird als „vernünftige, heilsame und gute Lehre"55 apostrophiert, und der Katechismus als ganzer weist nicht zuletzt eine ethizistische Moral-Lastigkeit auf. Das Buch macht einen unentschiedenen Eindruck, denn es ist längst nicht so konsequent aufgeklärt wie andere zeitgenössische Lehrbücher, die uns unten noch beschäftigen werden. Es ist aber auch nicht von der reformatorischen Schärfe, die einem mit dem im Anhang abgedruckten Heidelberger Katechismus im Kontrast zu demjenigen Ewalds ins Auge springt. Ewald ist später, nach seiner Kehre, mit seinem ersten Katechismus, mit seinen aufgeklärten und nun abgelegten Schlangenhäuten, unerbittlich ins Gericht gegangen. In einem Brief an Friedrich Heinrich Christian Schwarz wirft Ewald seinem Katechismus Sozinianismus und Deismus vor. Nach über 40 Jahren, im Jahre 1816, rechnet Ewald noch einmal mit sich selbst ab: „Vor etlich und dreisig Jahren, erhielt ich von dem frommen Fürst Isenburg, den Auftrag, mit Andern, einen neuen Landeskatechismus zu machen; ich solte aber die Feder führen. Ich machte ein, nach Sozinianismus und sogar Deismus schmekendes Ding; es machte Sensation, und ich wäre in einem Dorf einmal, darüber beinahe gesteinigt worden. Indeß: der Katechismus wurde eingeführt, und man gewöhnte sich an ihn. Vor einigen Jahren sprach der jezt-gewesene Fürst mit mir darüber, ob man ihn nicht verbeßern könne. Ich sagte natürlich, man müße ihn abschaffen, er tauge gar nichts"56. Es ist dies ein wichtiges Selbstzeugnis aus Ewalds Spätzeit, das sich in der recht umfangreichen Briefsammlung Ewalds an Schwarz findet, die noch in anderem Zusammenhang thematisiert werden wird. Auch ein Schreiben von Justus Christoph Krafft, mit dem Ewald in enger Verbindung stand, zeigt, daß sich Ewald bereits in seiner Offenbacher Zeit von seinem Katechismus distanziert hat. „Im Druk ist nichts von ihm, außer der neue Catechismus, der in dem Ysenburgischen eingeführt ist, und der von ihm aufgesezt worden ist. Er ist aber, da sich seine DenkungsArt seit der Zeit verändert hat, selbst nicht mehr damit zufrieden"57. Ein Jahr schon nach Erscheinen seines ersten Katechismus, der gleichzeitig sein erstes Buch überhaupt war, plant Ewald ein neues katechetisches Werk diesmal für den Hausgebrauch. Über die Planung dieser Schrift, die eine

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Ebd., p43. Ebd., p21. 56 UB Basel NL Schwarz XIV, 18. Bibliographie A 3. Ewald an Schwarz 2.7.1816. 57 LKA Detmold Konsistorial-Registratur Rep. II Tit. 13 Nr. 1 (309), Bibliographie A 22. J.Chr. Krafft an Regierungs- und Konsistorialrat Schleicher 21.5.1781. 55

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Mischform von Erbauungsbuch, Katechismus und Bibelgeschichte darstellen soll, läßt sich Ewald in einem Brief an den inzwischen wegen seiner narrativbiblischen Theologie bekannt gewordenen Schweizer Johann Jacob Heß aus. „Es fehlt in unseren Gegenden an einem Christlichen Lesebuch für den gemeinen Mann, das ihm des Sonntags nach den Kirchen, Lektüre, Wiederholung seines Katechismus, der Predigt sey, so ein Buch, nicht ErbauungsBuch im strengsten Sinn, nicht Betrachtung, wie wir deren nur zu viel haben, sondern Inbegriff Christlicher Lehren, Christlicher Pflichten, Religionsgeschichte, eins mit dem Andern durchwebt, Eins durch's andere belebt"58. Grundprinzip dieses Buches soll das einer aus der Bibel selbst hervorgewachsenen Narrativität sein: Was Ewald (auch später) unter ,Religionsgeschichte' versteht, ist nichts anderes als eine sich an den biblischen Geschichten, den Geschichten der christlichen Religion, orientierende biblisch-narrative Theologie. „Christliche Lehren, Pflichten, nicht als Denksprüche an die Wand geschrieben, sondern bei der und der Begebenheit, Gelegenheit, Jesum, Paulum, Petrum ρ sagen laßen, so daß die Geschichte, die Begebenheit [...] Merkzeichen, Bestätigung der Lehre, der Pflicht sey. So ein Buch für den gemeinen Mann möcht' ich gerne schreiben. Ich würde wie die Bibel alles Geschichte seyn lassen, alles erzehlen; nicht selbst lehren, predigen, sondern Jes:, Paul: ρ lehren, predigen laßen, mich nicht mit Beweisen, Vertheidigungen, Aufsuchen göttlicher Absichten beschäftigen - bewahre Gott! nein! - den einfältigen, unumschränkten Glauben des gemeinen Manns voraussezen, und diesem erzehlen"59. Die Erzählweise der Bibel selbst soll Strukturprinzip dieses Buches werden, wobei interessant ist, zu beobachten, wie sich Ewald schon jetzt klar von der deduzierend-beweisenden Methodik aufgeklärter Theologie zu verabschieden beginnt. Daß Ewald in Heß einen Gesprächspartner sucht, ist nicht verwunderlich, da dieser sich selbst mit seinem Buch über die, Geschichte der Patriarchen' und seiner berühmten Lebensgeschichte Jesu, die bereits in mehreren Auflagen erschienen war, ähnlich narrativ versucht hatte. Daher merkt Ewald auch an: „Ihre Geschichte der Patriarchen wird hier sehr stark gelesen. Ich habe sie an Orten gefunden, wo ich nimmermehr so ein Buch gesucht hätte"60. Gleichzeitig wird aus Ewalds Briefen an Heß deutlich, einen wie starken Einfluß die durch Lavaters persönliche Kontakte zu dem Birsteiner Fürstenhaus nach Südhessen vermittelte Schweizer Theologie inzwischen erlangt hat. Jedenfalls wird man sagen können, daß neben Lavater auch Heß in Ewalds theologischem Werdegang eine durchaus einflußreiche Persönlich58

Zentralbibl. Zürich FA Heß 1741. 181 e, 292. Ewald an Heß 23.9.1776. Bibliographie A 60. 59 Ebd. 60 A.a.O., Ewald an Heß 17.10.1776.

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keit gewesen ist, besonders was die Ewalds künftige Theologie prägende Entdeckung der biblischen Narrativität angeht. Nicht einmal einen Monat später, am 17.10.1776, schickt Ewald Heß einen Entwurf, nämlich den Anfangsteil seines Buches, zu. Der Entwurf lehnt sich an Ewalds Katechismus durchaus an, ist aber ohne Frage-Antwort-Wechsel als fortlaufender Erzähltext geschrieben und umfaßt den Komplex von der Schöpfungs- bis zur Abrahamsgeschichte61. Aus dem Begleitschreiben Ewalds an Heß wird deutlich, daß Ewald diesen Entwurf einer narrativ applizierten Bibelerzählung als Kontrastprogramm zu der rationalistischen, deduzierenden Aufklärungstheologie begreift, von der er sich nun immer stärker zu emanzipieren beginnt, indem er „das unwißende, wegklügelnde, wegsophistirende Wesen unserer neuen teutschen Theologen"62 beklagt. Immer deutlicher beginnt sich Ewalds Abkehr von der ihm im Studium besonders durch Robert vermittelten Aufklärungstheologie abzuzeichnen, die eine Hinwendung zur biblischen Aufklärungsmethode Gottes, des Erzählers, bedeutet. Deswegen beginnt Ewald damit, die biblische Erzählmethode Gottes nachzuahmen, die allein die wahre Aufklärung zu bieten im Stande ist: „Ich halte bei'm einfältig glaubenden, unverdorbenen, von Städten entfernten Landmann gar nicht viel auf die sogenannte Aufklärung. Etwas muß freilich seyn, aber eher zu wenig, als zu viel: - Ja, wär's wahre Aufklärung, wie Gott die Menschen aufklärt; Ihnen sagt, wie er will, daß sie die Sachen ansehen sollen, Eins ganz in's Licht sezt, das Andere in heimliches Dunkel hüllt, damit sie - blos um seinetwillen, weil Er es sagte, daran glauben lernen - der müßte nicht Menschenherzen kennen, nie auf Menschenherzen gewirkt haben, der leugnen wolte, daß das der wahre Weg sey, wenn er es auch nicht schon a posteriori glaubte. Aber erklären, und erklären, und alles für den Kopf bringen, alles so plan und simpel, und hübsch begreiflich machen! - mich dünkt, wenn alle die Erklärungen wahr wären, und die Religion so ganz begreiflich, so ganz mit dem bon sens zu faßen, zu umfaßen, zu durchsehen: - so würde, so könnte sie nicht so allgemein auf's Menschengeschlecht wirken, auf's Volk, das nur, oder doch hauptsächlich im Dunkel, im Wunderbaren Gott sieht, Gott findet"63. Schon hier also beklagt Ewald die Kopf- und Vernunftlastigkeit der aufgeklärten Theologie, die nicht wahr haben will, daß alle Offenbarung Gottes immer auch mit Verhüllung und dem ,Dunkel' zu tun hat, ja immer eine Wundertheologie voraussetzt, die allem Rationalismus unerträglich sein wird. Ewald wird inskünftig sein ganzes Leben lang als Kritiker der Wunderkritik 61

Der vollständige Text dieser Quelle ist im Anhang abgedruckt (Text Nr. 2). Zentralbibl. Zürich FA Heß 1741. 181 e, 297. Ewald an Heß 17.10.1776. Bibliographie A 60. 63 Ebd. 62

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auftreten und - wie unten zu zeigen sein wird64 - eine hochreflektierte Wundertheologie des Glaubens entwickeln. In seinem ersten Antwortschreiben, das nicht überliefert ist, hatte Heß Ewald wohl auf die zentrale Bedeutung historischer Erklärungen innerhalb einer Bibelnacherzählung aufmerksam gemacht. Ewald konzediert, „daß etwas Geographie, Geschichte, Alterthiimer manchmal darinnen nöthig sey"65. Dennoch aber berge dies auch eine Gefahr: nämlich diejenige, daß bei zu ausführlicher Berücksichtigung der historischen Hintergründe eine solche Lektüre der biblischen Geschichte verhindert werden könnte, die die Texte zu inszenieren fähig ist. Die Eigenbewegung der Texte selbst und deren selbsttätige Vergegenwärtigung könnten durch zu viel historischen Kommentar behindert werden. Die historischen Erklärungen dürfen also nicht zur Hauptsache werden, sondern nur soweit eingeflochten werden, als sie zum unmittelbaren Verständnis und zur Unterhaltung nötig sind: „Ich denke aber: hauptsächlich zu Unterhaltung. Wie ich mir den gemeinen Mann, die Stimmung seiner Seele vorstelle, wenn so was auf ihn wirkt; so halt' ich das viele Lokale für hinderlich. Er sizt da, und liest eine Geschichte; sie wird seiner Seele gegenwärtig, er denkt sich sie, als wenn sie in seinem Dorf vor seinen Augen vorgegangen wäre, vorgienge. Was schadet das, daß er sie sich modernisirt? - Eben dadurch wird sie ihm näher vor die Augen gerükt. Wird er aber gezwungen, sich zu viel lokales, seinen Sitten fremdes, noch nie gesehenes dazu zu denken - ich weiß nicht, ich habe vielleicht noch zu wenig Erfahrung, um es zu wißen: aber ich fürchte immer, das entfernt sie von ihm, es hindert ihn, sie sich vor die Einbildungskraft zu bringen, und macht sie ihm unintereßanter. Sie sehen, theurester, daß ich Glauben an Ihre Wahrheitsliebe habe, sonst würd' ich nicht so gerade heraus reden. Sagen Sie mir gefälligst Ihre, und Ihrer theuren Freunde Gedanken darüber. Sie sehen leicht, daß es Einfluß in das Buch haben muß, ob ich diese Gedanken behalte, oder nicht. Wie eine Geschichte nicht die Geschichte bleibt, ohne das Lokale, wie z. E. bei dem Weggang Abrahams aus Chana, bei dem Aufenthalt der Israeliten in der Wüste pp da versteht sich's von selbst, daß es seyn muß. So werd' ich keine Geschichte verstellen!"66. Festzuhalten bleibt, daß Ewalds Hinkehr zu einer biblischen Theologie in der Zeit zwischen seiner Arbeit am Katechismus 1774 und der Ausarbeitung eines Lesebuches 1776 aufgrund seines Kontaktes mit Lavater und Heß fortgeschritten ist. Allerdings ist das Lesebuch in der Offenbacher Zeit nicht vollendet worden, und erst in Detmold greift Ewald das Projekt erneut auf. Obgleich der Einfluß der beiden Schweizer Theologen auf Ewald nicht zu unterschätzen ist, darf er auch nicht dahingehend mißverstanden werden, daß 64 65

S.u. Kap. III, 6 dieser Arbeit. 66 Vgl. Anm. 62. Ebd.

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Ewald sich in ein unkritisches, subordiniertes Abhängigkeitsverhältnis etwa zu Lavater begeben hat. Dies jedenfalls ist immer wieder - auch schon zu Lebzeiten Ewalds - behauptet worden. Ewald hat sich vielmehr als einen durchaus selbständigen und selbstdenkenden Streiter in der Angelegenheit verstanden, die auch Lavater und Heß am Herzen lag: nämlich die Wiederentdeckung der Bibel als Grundlage allen Redens von Gott. Das jedoch hatte wie eben gezeigt - nicht zur Folge, daß Ewald kein kritisches Wort gegen die beiden Schweizer zu richten im Stande gewesen wäre. Daher sagt Ewald auch im Jahre 1783 rückblickend in einem Brief an Krafft: „Mein System hab' ich unmittelbar aus der Bibel, und nicht aus Lavaters oder Hessens Schriften geschöpft. Bibelstudium ist hier mein Hauptstudium, und was ich in der Bibel fand, ward mir Wahrheit, mag es Lavater gesagt oder nicht gesagt haben. Darum sehe ich auch Manches anders, als es Lavater sieht"67. Dieses Selbstbewußtsein zeugt nicht von Ewaldscher Hybris, sondern speist sich aus der Kanonizität der biblischen Schriften selbst. Und dieses Selbstbewußtsein setzt Ewald in den Stand, Kritik auch an ungleich bekannteren Köpfen seiner Zeit zu üben, wie sich an seinem Verhältnis zu Philipp Matthäus Hahn in äußerst produktiver Weise noch bestätigen wird.

3. Goethe - familiäre Verhältnisse Nach Ausweis der Kirchenbücher der deutsch-reformierten Gemeinde zu Offenbach heiratete Ewald am 10.9.1775 Rahel Gertraude du Fay aus Frankfurt, die Tochter des Kaufmannes Jakob Friedrich du Fay68. Sie hat ihren Ehemann an alle Orte seines Wirkens begleitet, seine Erfolge und Mißerfolge miterlebt, ohne daß Ewald jedoch - auch in seiner recht umfangreichen Korrespondenz - in ausführlicherer Weise Dinge über seine Frau mitteilte. Zu Ewalds Hochzeit hat kein geringerer als Johann Wolfgang Goethe den frisch Vermählten das später unter dem Titel „Bundeslied"69 bekannt gewordene Gedicht gewidmet. Allerdings erinnert sich Goethe in , Dichtung und Wahrheit' nicht exakt, wenn er meint, dieses Gedicht zu Ewalds Geburtstag verfaßt zu haben. „Dem Geburtstage des Pfarrers Ewald zu Gunsten ward das Lied gedichtet: In allen guten Stunden, / Erhöht von Lieb' und Wein, / Soll dieses Lied verbunden / Von uns gesungen sein! / Uns hält der Gott zusammen, / Der uns hierher gebracht. / Erneuert unsre Flammen, / Er hat sie angefacht" 70 .

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Ewald, Erklärung über einige wichtige Bibellehren (Bibl. Nr. 247), p68. LKA Darmstadt, Kirchenbücher Offenbach, deutsch-reformiert, Film 1219, 397. Bibliographie A 18. 69 70 Goethe, WA 1, pl 17f. Goethe, WA 29, p49. 68

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Goethe pflegte zu jener Zeit enge Kontakte zu Offenbach, so z.B. zu Lili Schönemann, zu dem Komponisten Johann André und etwa auch zu dem Schnupftabakfabrikanten Johann Nicolaus Bernhard71, der 1733 eine Fabrik in Offenbach angesiedelt hatte und damit zum Vorreiter der Industrialisierung des Raumes östlich von Frankfurt wurde72. Im Zuge seiner Besuche in Offenbach muß Goethe auch Ewald kennengelernt haben, über den er in den höchsten Tönen lobend sagt: „Unter den Personen, welche damals den Kreis zu füllen und zu beleben sich höchst thätig erwiesen, ist der Pfarrer Ewald zu nennen, der geistreich heiter in Gesellschaft, die Studien seiner Pflichten, seines Standes im Stillen für sich durchzuführen wußte, wie er denn auch in der Folge innerhalb des theologischen Feldes sich ehrenvoll bekannt gemacht; er muß in dem damaligen Kreise als unentbehrlich, auffassend und erwidernd, mitgedacht werden"73. Im Zuge der späteren Planung seiner Zeitschrift,Urania' hat Ewald versucht, Goethe als Mitarbeiter und Beiträger zu gewinnen, und schreibt an Lavater: „Ob wol Göthe nicht zu bewegen wäre?"74. Und tatsächlich erscheint Goethes Gedicht „Sehnsucht" 1794 im ersten Band der ,Urania'. Allerdings hat Goethe wenig später über Ewald spottend in seinen ,Xenien' geschrieben: „Urania. Deinen heiligen Namen kann nichts entehren, und wenn ihn / Auf sein Sudelgefäß Ewald, der frömmelnde, schreibt"75. So wie sich Goethe im Jahre 1786 endgültig mit Lavater überworfen hatte, so war ihm auch Ewald nach dessen erklärter Abkehr vom aufgeklärten Zeitgeist suspekt geworden76. Insgesamt jedoch ist das Kapitel Goethe und Ewald nur eine Episode geblieben und Goethes Bruch mit Ewald weit weniger theatralisch gewesen als derjenige mit Lavater. Doch zurück nach Offenbach. Nach Auskunft der Kirchenbücher der deutsch-reformierten Gemeinde zu Offenbach wurde am 28.8.1776 Johanna Maria als erstes Kind der Eheleute Ewald geboren. Am 21.7.1778 kam Friedrich Wilhelm, der erste Sohn, zur Welt, der jedoch erst einen Monat alt in der Nacht vom 6. auf den 7.9.1778 starb. Einen Monat später schreibt Ewald über diesen schmerzlichen Verlust an Philipp Matthäus Hahn: „[Ich] habe das hingeben müßen, was mir nach meiner Frau das Liebste auf der Welt war; [...] mein einziges Söhnchen! [...] Doch, es ist gesäet für die Ewigkeit. Es war doch da; es lebte doch! es wird da 71 Vgl. Völker, Α., pl8f. Der Artikel gibt einen guten Einblick in die Kontakte Goethes zu Offenbach. Völker findet jedoch keine Beachtung in dem weniger instruktiven Artikel von Dienst, K., Der ,Bund'. 72 73 Vgl. Schrod, F., ρ 16. Goethe, WA 29, p44. 74 Zentralbibl. Zürich, FA Lav. Ms. 507, 279. Ewald an Lavater 11.2.1792, Bibliographie A 58. 75 Goethe WA 5, p242. 76 Vgl. Weigelt, Lavater, p47f.

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bleiben, wird leben von Ewigkeit zu Ewigkeit. Aus Vaterhand gieng es in Vaterhand, in die Hand ... ach! deßen, der der beste Vater ist, über alles was Kinder heißt im Himmel und auf Erden [seil. Eph 3,15; A.S.]. Als das Kind so da lag in heftigen, lauten Zukungen, da warf ich mich hin zu bäten um seine Auflösung; ich hatte Glauben; wenigstens könnt ich sagen: Ich glaube Herr, hilf meinem Unglauben [seil. Mk 9,24; A.S.]. - ich bätete fast eine Stunde, und sagte: Ich glaube Herr, hilf meinem Unglauben - ich bätete fast eine Stunde, und auf einmal sprach der Geist zu mir: Nein, du wilst nicht mehr darum bitten. Vergebens wird unser Vater dein und sein Kind nicht leiden laßen; und auch dich nicht! Du wilst den Kelch nicht weggeben, wegbeten, austrincken wilst du ihn bis auf die bittere Hefe, und so hatte ich Kraft, fühlbar nicht meine eigene, sondern gegebene, in dem Augenblik gegebene Kraft"77. Dieser Brief an Hahn ist ein biblischer Trostbrief, in dem Ewald in der Verfertigung biblischer Gedanken sich selbst zum Seelsorger wird, indem er an Hahn schreibt. Schon in diesem Brief zeigt sich, wie stark Ewald inzwischen einen Zugang zur Bibel im Rahmen einer biblischen Theologie gefunden hat. Und die Bibel wird ihm zur Leidens- und Trauerzeit jetzt und fortan zum Seelsorgehandbuch, aus dem er Trost nimmt und ihn sich selbst zuspricht. Die zweite Tochter, Elisabetha Marianne, wurde am 3.10.1779 in Offenbach geboren78, während Friedrich Wilhelm, der den Namen seines verstorbenen Bruders bekam, am 18.12.1783 und Charlotte Wilhelmine am 16.7.1786 in Detmold zur Welt kamen.

4. Philipp Matthäus Hahn - Abkehr von Neologie und Moralismus - Gemeindeaufbau Kritik an Gesangbuchrevisionen Ewalds Verhältnis zu dem Pietisten und damaligen Prediger zu Kornwestheim ist ein spannungsreiches und hat zunächst wiederum mit Lavater zu tun. Denn aufmerksam auf Hahn wurde Ewald durch den dritten, 1777 erschienenen Band der „Physiognomischen Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe", in dem als „Dreyzehntes Fragment"79 ein Artikel über Hahn zu finden ist. Über den Theologen und Konstrukteur von

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WLB Stuttgart, cod. hist. 8° 103a. Ewald an Hahn 11.10.-22.10.1778, Bibliographie A 56. 78 LKA Darmstadt, Kirchenbücher Offenbach, deutsch-reformiert, Film 1219, 256. 264. 269. Bibliographie A 18. 79 Lavater, Physiognomische Fragmente, III, p273f.

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Uhrwerken, Waagen und Rechenmaschinen80 ist dort zu lesen: „Seine Sammlung von Betrachtungen über alle sonn= und festtäglichen Evangelien - und sein Fingerzeig - sind mir eine Goldgrube von großen, unerkannten, und wissenswürdigsten Wahrheiten. Ich schäme mich nicht, zu sagen, daß ich mir's nicht verzeihen kann, diese Höhe und Tiefe von Christuserkenntniß in der Einfalt seines hellen, edeln Gesichtes nicht bemerkt zu haben. Ich suchte, das ist wahr, nur den Mechaniker; und den fand ich im Auge. Ich sah auch den großen Theologen - aber bey weitem nicht den großen, den ich nachher in seinen Schriften, deren unser Zeitalter kaum werth ist, gefunden habe"81. Den ersten Anstoß für Ewalds kritischere Sicht der ihm anerzogenen Aufklärungstheologie hat - wie oben gezeigt - Lavater gegeben. Erst Hahns Schriften jedoch sollten in Ewalds theologischer Existenz eine wirkliche Kehre hervorrufen. In seinem zweiten überlieferten Brief an Hahn, der sich als Abschrift in einem Korrespondenzbuch befindet, schreibt Ewald zurückblikkend: „Da laß ich in der Physiognomik von Ihnen und es fiel mir besonders auf, daß Ihre Erklärungen der Evangelien ein Schatz von biblischer Metaphysik seyn solte. - Ich nahm mir vor zu schreiben, wurde einige Wochen, vielleicht Monate aufgehalten, aber es trieb immer stärker in mir; ich schrieb, und Gott und Jesu sey es tausendmahl gedankt, daß ich geschrieben, daß Sie mir geantwortet, daß ich Ihre Schriften gelesen habe"82. Hahns Schriften, die sich Ewald von ihrem Verfasser schriftlich ausgebeten hatte, hinterließen einen tiefen Eindruck bei Ewald. Ja, sie hatten eine geradezu mäeutische Funktion in vielerlei Hinsicht. Denn sie vermochten es, die durch Lavater, Heß und Herder in Ewald erweckten, aber noch unentwickelt in ihm liegenden Gedanken zur Klarheit gelangen zu lassen83. 80

Vgl. Brecht, M„ Art. Hahn, TRE 14, p383f und: Ders., und Paulus, R.F., (Hgg.), Hahn, Echterdinger Tagebücher, hierin: Einleitung (zu Hahns Ingenieurtätigkeit p22-27). Vgl. auch Jennemann, H. Eine Bibliographie zur Hahn-Forschung bietet Prawitt, L. 81 Lavater, Physiognomische Fragmente, III, p273. 82 WLB Stuttgart, cod. hist. 8° 103a. Ewald an Hahn 17.-22.6.1778. 83 Vgl. ebd.: „Schon seit einiger Zeit, bin ich durch Lavaters Schriften, und noch mehr durch einige Unterredungen mit ihm aufmerksam gemacht, und überzeugt worden, daß meine vernünftlende, aufgeklärte, Berlinische Religion keine Religion auf Natur des Menschen gebaut seie, daß sie nicht tauge versunkener MenschenNatur aufzuhelfen [...] ich ward gewahr, daß man sich darauf eben so wenig als auf ein Rohr stützen könne [...] Ich las alles, was Lavater, Herder, Heß schrieb, laß Reden Jesu und der Apostel, Lavater besonders wirkte sehr auf mich; es gieng mir ein ganz neues Licht auf; meine HandlungsArt, meine Predigten all meine Amtsverrichtungen wurden anders, man merkte es auf der Kanzel und am Krankenbett, daß ich betete einfältig, um erhört zu werden: ich konnte aber das ganze noch nicht übersehen, dichtete mir selbst ein ganzes, eine gar nicht üble Hypothese, die zwar auch dahinaus lief, daß alles selig werden solte, die aber mehr aus meinem [...] allgemeine Glückseeligkeit ahndenden Herzen, als aus der Bibel geschöpft war. Oft wünscht ich, eine Art von biblischer Dogmatik von Lavater zu lesen; aber

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Ewald erlebte seine Abkehr vom Rationalismus und seiner durchweg moralistischen Predigtweise als eine Befreiung, die das Evangelium selbst durch die genannten Theologen gestiftet hat. Tief beeindruckt hat Ewald die Lektüre von Hahns „Sammlung von Betrachtungen über alle Sonn= Fest und Feyertägliche Evangelien durch das ganze Jahr, nebst Sechszehen Passions=Predigten. für Freunde der Wahrheit", auf die er durch den genannten Artikel in Lavaters Physiognomik aufmerksam geworden ist. Dennoch ist interessant, daß Ewald aufgrund dieses Einflusses nun kein blinder Anhänger der Theologie Hahns geworden ist, ja, daß er sich zwar von dem Pietisten Hahn hat prägen lassen, dennoch aber selbst nie zum Pietisten geworden ist. Ewald ist nicht in den ihm schon in seiner Kindheit verleideten pietistischen Biblizismus zurückgefallen, sondern hat in zunehmendem Maße den Anstoß, den er vonseiten des württembergischen Pietismus erhalten hat, zum Anlaß genommen, sich den reformatorischen Inhalten des Glaubens erneut zuzuwenden und eine eigenständige, durchdachte Kritik an Hahn zu artikulieren. Auffällig ist nämlich, daß Ewald an all den Punkten der Theologie Hahns Kritik übt, die als typisch pietistisch-Hahnsch zu gelten haben. Diese Kritik trifft besonders Hahns eigentümliche Christologie, die etwa in Caspar Schwenckfeld von Ossig einen prominenten Geistesverwandten in der Reformationsgeschichte hat und die ihre ausgeprägte doketische Tendenz nicht leugnen kann noch will. Die Fleischwerdung des Logos nämlich ist nach Hahn eher ein Durchgangsstadium. Hahn spricht des öfteren sehr herabsetzend von der fleischlichen Hülle Christi, die er mit Tod und Auferstehung abgelegt habe, um forthin den Leib der Kirche an sich zu nehmen. Hahn faßt den Leib Christi also nur ekklesiologisch, nicht aber wirklich sarkisch. Mit dem Leib der Kirche angetan sitzt Christus zur Rechten Gottes. In einem Antwortbrief an Ewald, in dem sich Hahn gegen dessen Kritik verteidigt, schreibt er: „Darum heißt es (Col. 1,22), Er habe die Colosser heilig und ohne Tadel und Anklage dargestellt. Wie? indem Er selbst bei der Auferstehung nicht mehr im alten Sündenrock des Fleisches stand, und also für Seine Gemeinde tüchtig wurde, im Leib Seiner Gemeinde vor Gott im Allerheiligsten zu erscheinen"84. Daß der Logos wirklich Fleisch geworden ist und dies auch als Auferstandener, der die Wundmale noch an sich trägt, und als in den Himmel Aufgefahrener geblieben ist, kann Hahn mit letzter Konsequenz nicht denken. Hahns Grundsatz vielmehr ist es, daß „das Wort .Fleisch', das Er wurde bei der Fleischwerdung des ewigen Wortes und das Er annahm in Maria, in der gehörigen Unvollkommenheit zu verstehen"85 sei. Die klassier schrieb keine!" Unter „Berlinische Religion" versteht Ewald einen besonders durch Wilhelm Abraham Teller und August Friedrich Wilhelm Sack geprägten Rationalismus. 84 Hahn an Ewald 21.8.1778, in: Barth, Chr. G„ Bibliographie A 56. 85 Ebd., p9. Hahn an Ewald März 1778.

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sehe, chalkedonensische Dialektik, derzufolge Gott ganz Mensch geworden ist und dabei doch vollkommen Gott geblieben ist und auch noch sein wird, wenn er als Richter in menschlicher Gestalt erneut epiphan werden wird, ist bei Hahn aufgegeben86. Bemerkenswert nun ist, daß ausgerechnet der sich gerade von seiner Aufklärungstheologie emanzipierende Ewald es ist, der mit erstaunlicher reformatorischer Sicherheit genau auf dieses Defizit in Hahns Theologie aufmerksam macht. An der vollkommenen Menschheit Christi muß auf jeden Fall festgehalten werden, denn die Dialektik von vollkommener Gottheit und vollkommener Menschheit ist der Grundstein der Christologie insgesamt. „Auch die Lehre von Jesu Christo, und seiner Fleischwerdung faß ich noch nicht ganz. Ich denke, man kan das Wort: Fleisch nicht vollkommen genug nehmen; Jesus ward ganz Mensch, reiner unverdorbener Mensch; es sind so viele Züge seiner ganzesten Menschheit im N. T. zE. Er ergrimmete im Geist, und die Augen giengen ihm über Joh. 11.33. [...] Aus meiner Seele herausgefloßen ists dann:, J: habe nicht wie ein Komediant die Rolle eines Menschen nur Gespielt' [...] warum man das Wort: Fleisch in gehöriger Unvollkommenheit verstehen müße, das begreif ich nicht [...] Gottheit war also ganz in dem ganzen Menschen Jesu. - So stell' ich mir die ganze Sache vor"87. Hahn jedoch läßt sich von Ewalds chalkedonensisch-orthodoxer Kritik nicht bereden. Um die irdische Fleischlichkeit Christi für seine Begriffe erträglich zu machen, nimmt Hahn an, daß dieselbe von einem vermeintlich in Joh 6,51.62 bezeugten präexistent-himmlischen Fleisch durchdrungen worden sei88. Von einer Leidensfähigkeit Gottes in Christus zu sprechen, ist daher nach Hahn nicht eigentlich möglich. Der zweite Kritikpunkt Ewalds betrifft den Hahnschen, stark von Bengel beeinflußten Chiliasmus und die damit zusammenhängende Berechnung der Endzeit89. Hahn hatte seine Eschatologie 1772 in seiner Schrift „Die Hauptsache der Offenbarung Johannis oder vielmehr Jesu Christi, aus den Schriften des seel. Dr. Joh. Albr. Bengels ausgezogen, und in deutliche Fragen und Antworten verfasset" als Katechismus in den Druck gegeben. Über dieses Buch schreibt Ewald an Hahn: „Nur Ihre Erklärung der Offenb. Joh: - ich weiß nicht, ist es Schwäche von mir, oder was? ich kan mich noch nicht davon 86

Vgl. Stäbler, W„ pl 17-133, bes. pl31. Vgl. Anm. 83. 88 „Mit dem kommt überein, was Joh. 6 stehet v. 51. 62. da sogar sein Fleisch als himmlisch Fleisch, unterschieden von dem, das er aus der Maria angenommen verstanden wird v. 63. Es war also eine vorweltliche Menschheit. Joh. 17,5 [...] Sein irdisches Fleisch aber das er angenommen, welches das thierische Fleisch, ist von dem himmlischen durchdrungen und gesalbet worden, darum er Gesalbter heißt." WLB Stuttgart, cod. hist. 8° 103a, Hahn an Ewald 16.7.1778. 89 Vgl. Stäbler, p244-270. 87

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überzeugen. Ich zweifle nicht an der Göttlichkeit des Buchs, Geist Gottes scheint mir aus so manchen Stellen so weit daraus entgegen, daß ich darauf nicht merken oder der Wahrheit nicht die Ehre geben müßte, wenn ich zweiflen wolte: aber daß wir jezt schon bestimmen könnten, wohin alle Weißagungen zielen, wie, und wann sie erfüllt werden sollen, oder erfüllt sind, das halte ich für unmöglich: Wie das ganze der Propheten Weissagungen den Juden verschlossen war und seyn solte; so ist, und denke ich, und soll uns das eine Buch noch verschlossen seyn; das ganze wenigstens seiner Weissagungen; damit wir immer von Klarheit zu Klarheit gelangen, biß wir erkennen werden wie wir erkannt sind [seil. IKor 13,12; A.S.]"90. Nicht der zum Scheitern verurteilte Versuch, die Apk durch aus ihr herausgezogene Endzeitberechnungen zu rationalisieren und erklärbar zu machen, ist nach Ewald ein Argument für die Kanonizität des letzten Buches der Bibel. Vielmehr ist die Verschlossenheit der Apk ein Argument für ihre Kanonizität, das das Bewußtsein darum wach erhält, daß die Apk erst noch eschatologisch entschlüsselt und aufgeschlossen werden muß. Daher ist es Ewald anders als Bengel und Hahn nicht möglich, aus der Apk einen infallibilen Fahrplan der Kirchengeschichte herauszuziehen. „Mich dünkt, wer blos mit unbefangener Einfalt die Apok: durchlieset und sich hernach einen kurzen Entwurf von der Bengelischen Erklärung vorsagen ließe, schon der müßte fülen, daß die sich einander wie Waßerwogen drängende, treibende Gesichter, - mögen sie auch bedeuten, was sie wollen - unmöglich eine, Jahrhunderte durch schleppende Chronik der Kirchengeschichte seyn können"91. Zwar hat sich Ewald - das zeigt die Korrespondenz mit Hahn eindeutig mit Bengels Werken auseinandergesetzt. Aber diese Lektüre brachte keine Annäherung an, sondern eine Distanzierung Ewalds von Hahns Endzeitberechnung. „So viel Licht, und Kraft ich aus Ihren Schriften, und besonders den Predigten geschöpft habe, und noch täglich schöpfe, [...] so offenherzig muß ich Ihnen doch gestehen, daß ich in Absicht auf die Apokal: immer verschiedener von Bengel, und Ihnen denke"92. Die Endzeitberechnung zeugt nach Ewald von einer unbiblischen Ungeduld, die dem Endzeitgeschehen vorgreifen will und die eschatologische Verkündigung nicht mit Geduld (vgl. Gal 5,22; Eph 4,2 u.ö.) zü Ohren nimmt. Mit dem orthodoxen Argument aus Mk 13,3293 begründet Ewald daher die Unberechenbarkeit des Jüngsten 90

Vgl. Anm. 83. Ewald an Hahn 3.1.1781, WLB Stuttgart, cod. hist. 8° 103b. 92 Ebd. 93 Vgl. Hutter, L., p387f: „Wan wird denn die Welt zergehen? Solches kan kein Mensch auch kein Engel im Himmel / eigentlich wissen. Denn von dem Tage weiß niemand / auch die Engel im Himmel nicht / auch der Sohn nicht (verstehe auß Eigenschafft der Menschlichen Natur) sondern allein der Vater / Marc. 13/31. und 32." 91

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Tages: , Jesus ist der Herr der Welt deßwegen weil ers nach 1700 Jahren noch nicht ist. - Da kan ich wohl warten. Gott und Jesum will ich danken, wenn mir mehr offenbahrt wird [...] Wußte doch Jesus selbst nicht, wann seine Zukunft seyn würde"94. Und in einer dritten Hinsicht übt Ewald Kritik an Hahns Theologie, die versucht, einen metaphysischen Grund des Versöhnungswerkes und einen physikalischen Zusammenhang des Todes Jesu mit des Menschen Erlösung aufzuweisen. Wieder argumentiert Ewald mit IKor 13, mit einem biblisch formulierten und eschatologisch bedingten erkenntnis-theoretischen Vorbehalt: Hahn wolle schauen, bevor dies möglich sei, und schwäche damit den Glauben. „Ich glaube aus eigener Erfahrung zu wißen, daß der Glauben an das ErlösungsWerk, der nicht schauen will, mehr Kraft und Ruhe erwirkt, als ein System, deßen Theile man noch so gut übersehen kan. Alle GlaubensHelden des A.T. mußten ja so oft Rettung, Hülfe glauben, ohne zu wissen wie? biß es vorbei war, das sind aber die Folgen der Erlösung nicht"95. Weil des Menschen Wissen noch Stückwerk ist, soll der Christ das Versöhnungswerk Gottes durch Christus glauben, sich an die mannigfaltigen biblischen Ausdrucksformen halten und nicht durch die Errichtung eines menschlich erdachten Systems das Wie vor der Zeit völlig einsehen wollen. „Wie kan man sagen, der metaphysische Grund der Versöhnung seie eröfnet, da so vielerlei Ausdrüke diese Versöhnung bezeichnen? Gibt es eine biblische VorstellungsArt des ErlösungsWerks, die alle diese Außdrücke zusammen faßt unter einen Gesichtspunkt, so daß man jetzt klar siehet, wie Jesu Blut uns wirklich rein mache, wie er uns mit Jesus [seil. Abschreibefehler, zu verbessern in: Gott; A.S.] versöhnt habe, wie er ein Opfer, ein Lösegeld ein Bürge für uns geworden sei, wie sein Fleisch uns das Leben gebe? - P. 211, 940. Ihrer Predigten find' ich herrliche Lichtsblike, die mir zu manchem beßeren Verständniß helfen: aber kann ich dadurch schon zur Genüge den physikalischen Zusamenhang zwischen dem Tod Jesu und unserer Versöhnung einsehen? [...] Es gibt einen physischen Zusamenhang einen metaphysischen Grund; er ist aber vielleicht über unsere jetzige Begriffe, die doch hier noch bei aller Erleuchtung Stückwerk sind. 1 Cor. 13,9.12! Wir können vielleicht das Wie? der Versöhnung so wenig einsehen wie wir das eigentl. Wie? der Schöpfung einsehen können"96. Ewalds Kritik trifft genau diejenigen Punkte der Hahnschen Theologie, in denen er von der reformatorischen Lehre abweicht. Daher wird man angesichts der analysierten Korrespondenzbücher nicht mehr von dem Pietisten

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Ewald an Hahn 22.8.1778, WLB Stuttgart, cod. hist. 8° 103a. Vgl. Anm. 83. Ebd.

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Ewald reden können, wie es Martin Brecht getan hat97. Vielmehr wird man Ewalds Lektüre der Lavaterschen Schriften als einen biblisch-theologischen Impuls für Ewald zu würdigen haben, der ihm Anlaß dazu wurde, sich mit Hahn auseinanderzusetzen und über ihn hinausgehend die klassisch-reformatorische Lehre neu zu entdecken. Ewald nämlich teilt Hahns Bereitschaft nicht, einen von Bengel und Oetinger zu erbenden Pietismus gegen die Theologie der Reformation auszuspielen, während Hahn daran festhält, „daß diese zwei verachteten Männer, Bengel und Oetinger, mehr Gewicht haben, als alle bisherigen sächsischen und würtembergischen Theologen"98. Bei allen Differenzen zwischen Ewald und Hahn hat sich Ewald dennoch von dem Württemberger beraten lassen, z.B. was den Gemeindeaufbau vermittels von ,Privatversammlungen' anging. Ewald hatte in Offenbach mit diesem Projekt an zwei Fronten zu kämpfen. Einerseits war „der erste Prediger an unserer Kirche schreklich dagegen eingenommen"99. Andererseits hatte es Ewald mit einer Sekte von separatistisch eingestellten Jacob BöhmeAnhängern zu tun, die allen öffentlichen Gottesdienst und das Abendmahl mieden und geringschätzten. Hahn schlug Ewald aufgrund seiner eigenen Erfahrungen mit Erbauungsstunden vor, die Privatversammlungen allen Gemeindegliedern öffentlich in der Predigt anzubieten, um dem Vorwurf, Separatismus zu betreiben, von vornherein allen Boden zu nehmen100. Daß bezüg97 Gg. Brecht, M., Pietismus und Aufklärung, p83. Brechts Meinung: „Ewald war, als er 1781 nach Detmold ging, zweifellos ein Pietist, der stark durch Hahn beeindruckt worden war, auch wenn er ihm nicht in allem folgte" trifft die Sache nicht. Man kann Ewald schlechterdings nicht nur aufgrund der Tatsache, daß er mit Hahn im Briefwechsel stand ( - die Briefe Hahns in den Süddeutschen Originalien sind Brecht unbekannt - ) , als Pietisten bezeichnen. Alle wirklichen pietistischen Lehr-Eigentümlichkeiten fehlen bei Ewald, in Offenbach wie in späterer Zeit. Man muß den Anstoß Hahns m.E. in differenzierterer Weise würdigen: als biblisch-theologischen Anstoß, der Ewald über den Pietismus hinaus zur reformatorischen Theologie führte. Auch Brechts Bericht über Ewald (ders., Spätpietismus) steht auf einer zu knappen Quellenbasis. Ewald kam nicht erst 1777 mit Lavater in Berührung (pl38), sondern schon 1774; Ewalds Zeitschrift „Ueber Predigerbeschäftigung" erschien nicht nur in drei Heften (pl39), sondern in neun; außerdem gibt Brecht einen falschen Haupttitel an. Auch die Einschätzung, daß Ewald „gewiß kein Parteigänger der Aufklärung" (pl40) gewesen sei, ist zu undifferenziert, da sie nicht beachtet, daß Ewald sehr wohl in einer produktiven, die Aufklärung biblisch-reformatorisch interpretierenden Auseinandersetzung mit dem Zeitgeist stand. Sowohl Ewalds Einordnung als Spätpietist als auch diejenige als Gegner der Aufklärung müssen differenziert und revidiert werden. 98 Hahn an Ewald 16.7.1778, in: Barth, Chr. G., ρ 10, Bibliographie A 56. 99 Ewald an Hahn 11.-22.10.1778, WLB Stuttgart, cod. hist. 8° 103a. 100 „Wie wäre es, wenn Sie bei mancher Gelegenheit öffentlich in den Predigten und sonst behaupten, wie nothwendig es wäre, in der Lehre Jesu recht gegründet zu werden, und wie Sie deswegen bereit wären, Privatunterricht zu geben [...] Sie wollten sie lehren die Bibel lesen und verstehen, Kapitel mit ihnen durchgehen, den Wortverstand zeigen

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lieh separatistischer Bewegungen im Umkreis Ewalds eine recht hohe Sensibilität bestand, nimmt nicht wunder, wenn man bedenkt, daß die Grafschaft Büdingen sich 1712 unter Ernst Casimir inspirierten und chiliastischen Kreisen per Toleranzedikt zwar geöffnet hatte, was vor allem herrnhutischen Kreisen zugute kam, dies aber nur eine vorübergehende Phase der Duldung deswegen bedeutete, weil im Jahre 1738 die herrnhutischen Privatzusammenkünfte verboten wurden und die Herrnhuter schließlich 1750 ausgewiesen wurden101. Ewald befolgte den Rat Hahns und versuchte, die Gemeinde von innen heraus zu erbauen, ohne aber wie die Böhmisten, die ja ähnliche Versammlungen hatten, die Privatversammlungen gegen den sonntäglichen und sonstigen Gottesdienst auszuspielen. Den Fehler der Böhmisten zu kopieren, die „Kirch und Abendmahl und alle Predigten verachten"102, wollte Ewald nicht in Verdacht geraten. Als einen wichtigen Grundsatz gebietet Ewald seinen Versammlungsmitgliedern daher, „öffentlichen Gottesdienst Abendmahl schlechterdings deßwegen nicht zu versäumen, auch nicht blos in meine Predigten zu gehen, überhaupt alles sonderbare im äußern, in Minen, Gang und Kleidung zu vermeiden"103. Als Prediger zwar hat Ewald schon früh weit über Offenbach hinaus gewirkt. Er berichtet: „Von Frankfurt kommen allemahl wenn ich predige einige noch ziemlich junge Leute"104. Mit seinen Versammlungen jedoch war Ewald ein beginnender Erfolg erst im Spätjahr 1779 beschieden. Drei kleinere Gruppen fanden sich vornehmlich zur kursorischen Bibellektüre bei ihm ein105. Wegen seiner Tätigkeit im Gemeindeaufbau hatte Ewald in seiner eigenen Gemeinde scharfe Anfeindungen auszuhalten, ließ sich jedoch nicht beirren und veröffentlichte 1780 in dem von Johann Konrad Pfenninger herausgegebenen „Christlichen Magazin" anonym „Die Geschichte der Privatversammlungen zu N."106. Daß dieser Beitrag von Ewald stammt, läßt sich eindeutig aus zwei Äußerungen abnehmen, die er in Briefen an Hahn und Knifft tut107. etc. Sie wollten keine Pietisten machen, keine Kopfhänger bilden." Auszüge aus Briefen verstorbener christlicher Männer, in: Ewald, Christliche Monatschrift 1803, (Bibl. Nr. 221), Bd. 2, p49. 101 Vgl. Demandi, K.E., p382 und Dienst, K„ Art. Hessen, TRE 15, p271. 102 Ewald an Hahn 27.1.1779, WLB Stuttgart, cod. hist. 8° 103a. 103 104 Vgl. Anm. 100. Ebd. 105 „Alle Donnerstag Abends kommen gewöhnlich 5 - 6 - 7 Männer zu mir, zum Theil von hier, zum Theil von Frankfurth; wir lesen das N.T. in der Ordnung nach Ihrem [seil. Hahns; A.S.] Testament [...] Sonntags nach den beiden Kirchen kommen zuerst 15-16 Mädgens, meist von mir confirmirt [...] nachher kommen Knaben und Jünglinge, etwas 6-7". Ewald an Hahn 28.11.1779, WLB Stuttgart, cod. hist. 8° 103a. 106 Bibl. Nr. 4. 107 „Pfenninger hat mich um eine kurze Geschichte der Versamlung gebeten für sein

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In diesem Beitrag erzählt Ewald von seinen Kontakten mit Hahn, der ihm geraten habe, öffentlich zu den Versammlungen einzuladen. Ewald hat dies getan und bringt einen Predigtausschnitt zum Abdruck - das früheste Predigtstück, das uns von Ewald überhaupt überliefert ist: ,,L[iebe] Br[üder] sagt' ich, es ist noch heut zu Tage nöthig, daß die Lehre Jesu Christi mehr in Umlauf komme, daß man sich mit Wort Gottes mehr beschäftige [...] Kommt zu mir, die ihr verlangt, Jesum und sein Reich näher kennen zu lernen; besuchet mich in meinem Hause"108. Schnell hatte sich das Gerücht verbreitet, Ewald wolle eine Sekte gründen. „Allgemeine Sage war: ich wolle eine Sekte aufrichten, Gemeinschaft der Güter einführen, Kirchen gehen und Sakramente hintansezen etc. Man stritt sich, ob wir Herrenhuter, oder Pietisten, oder Separatisten wären"109. Und tatsächlich hatte Ewald zunächst mit einer gewissen häretischen Eigendynamik der Versammlungen zu kämpfen, da manche die Meinung hegten, als könne man nur in den ,ecclesiolae in ecclesia' rechter Christ sein. Ewald nahm wieder in Predigten die Gelegenheit wahr, dieser Irrmeinung entgegenzuwirken. „Ich hatte gehört, man ziehe alle ernstliche Ermahnungen auf die, die nicht zur Versammlung kämen; man glaube, alles Tröstliche sey nur für die Glieder der Versammlung gesagt. Sanft und liebevoll versichert' ich einmal in einer Predigt das Gegentheil; ließ mein Herz reden von der Liebe zu meiner ganzen Gemeinde - wie sehr ich wünschte, und nichts anders wünschte, sie alle alle zu Gliedern Jesu Christi zu machen"110. Ewald hatte hiermit Erfolg, und es gelang ihm schließlich auch, die böhmistischen Sektierer für den öffentlichen Gottesdienst wiederzugewinnen111. Ewalds sich unter positiver Rezeption der Hahnschen Theologie, aber auch in konstruktiver Kritik an derselben vollziehende Abkehr von der rationalistiMagazin; Sie werden dann mehreres davon lesen." Ewald an Hahn, vgl. Anm. 105. Noch deutlicher: Ewald an Krafft o. Dt. (1781): „Ich habe eine Geschichte der hiesigen Erbauungsstunden, als einen Auszug aus einem Tagebuch in das Christliche Magazin einrüken laßen, weil mich Pfenninger sehr darum bat." Und dann: Ewald an Krafft 2.6.1781: „Die Geschichte, von der ich in meinem Briefe sprach, steht im 3ten Band des Christlichen Magazins." LKA Detmold, Konsistorial-Registratur Rep. II Tit. 13 Nr. 1 (309), Bibliographie A 22. 108 Ewald, Privatversammlungen (Bibl. Nr. 4), p203. 109 Ebd., p206. 110 Ebd., p219f. 111 Vgl. Ewald, Briefe über die alte Mystik (Bibl. Nr. 378), p224: „Ich stand nämlich als Prediger an einer Gemeinde, in der sich viele Böhmisten fanden. Sie besuchten keine Kirche, nahmen keinen Theil am Abendmahl." Ewald berichtet über sein Studium der Schriften Jacob Böhmes und seinen geglückten Versuch, die Böhmisten für das Gemeindeleben, den Gottesdienst und das Abendmahl wiederzugewinnen: .Jetzt gingen mir die Leute in die Kirche; ich bemühte mich manchmal in ihrer Sprache zu reden, popularisirte es aber gleich durch Ausdrücke und Bilder der Bibel, was sich recht gut thun läßt; und so waren sie gewonnen" (ebd., p226).

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sehen Theologie seiner Zeit ging einher mit einer Abkehr Ewalds auch von seiner moralistisch-gesetzlichen Predigtweise. „Ich habe sonst ganz anders geprediget, trockene todte Moral, nach der Sitte dieses Jahrhunderts"112. Dieses war das Predigtziel, an dem Ewald, der Moralist, scheitern mußte: „Gesez zu predigen, deutlich darzulegen, daß das Leben - auch der Besten in dieser Gemeinde noch himmelweit vom Leben eines wahren Christen entfernt sey"113. Vielleicht konnte Ewald später nur deswegen zu einem derart scharfen Kritiker aller falschen, unevangelischen Gesetzlichkeit werden, weil er genau diesen Fehler selbst jahrelang immer wieder begangen hatte. Man wird auf alle Fälle im Blick behalten müssen, daß Ewald, tritt er als Kritiker des aufgeklärten Sittlichkeits-Enthusiasmus und des Moralismus auf, immer auch mit seiner eigenen Vergangenheit ringt114. Über seine vielfältige Tätigkeit hinaus hat sich Ewald in Offenbach im Auftrage seines Fürsten auch um die Einrichtung eines neuen Gesangbuches gekümmert115. Aus dem, was sich über diesen Vorgang in Ewalds Briefen an Hahn spiegelt, läßt sich abnehmen, daß Ewald auch in dieser Frage sich von der seinerzeit recht unbekümmerten und traditionsvergessenen GesangbuchRevidiererei losgemacht hat. „Das Gesangbuch, aus dem ich Lieder behalte, ist das [...] bei Brönner zu Frankfurth 1773 gedruckte], unter dem Titel: Neu vollständiges evangelisches reform: KirchenGesangbuch"116. Die an vielen Orten mittlerweile betriebene Praxis aufgeklärter Revisoren, ihre aufgeklärte Lehrmeinung den Chorälen aufzuzwingen und die Choraltexte dementsprechend gefügig zu machen, ist Ewald zutiefst zuwider. Daher ist es sein erster Grundsatz, „schlechterdings nichts, am wenigsten an alten, oder allgemein bekannten Liedern zu ändern"117. Auch den sehr stark aufgeklärt-lehrhaften Liedern Christian Fürchtegott Gellerts ist Ewald vermehrte Beachtung zu schenken nicht bereit. Es müsse Grundsatz sein, „weniger auf gut gemachte

112

Ewald an Hahn 27.1.1779, WLB Stuttgart, cod. hist. 8° 103a. Ewald, Privatversammlungen (Bibl. Nr. 4), pl99. 114 Vgl. Kap. II, 6, p255 u.ö. dieser Arbeit. 1,5 Es ist nicht zutreffend, wenn Winkelmann, pl7 sagt: „In der reformierten Gemeinde [seil. Offenbachs; A.S.] wurde erst später, 1792, die Gesangbuchfrage akut." 116 Ewald an Hahn, 22.8.1778, WLB Stuttgart, cod. hist. 8° 103a. Gemeint ist das Gesangbuch, das auch 1792 noch unverändert bei Brönner in Frankfurt gedruckt werden sollte: Neu=vollständiges Evangelisch=Reformirtes Kirchen=Gesang=Buch, worinnen sowol die verbesserten Psalmen Davids nach D. AMBROSII Lobwassers Reim=Weise als auch der Kern sämtlicher alter und neuer Kirchen=Gesänge, nach der Ordnung des Heidelbergischen Catechismi, nebst Herrn JOACHIMI NEANDRI Geistreichen Bundes=Liedern, und der Heidelbergische Catechismus, enthalten sind [...] Franckfurt am Mayn, bei Heinrich Ludwig Brönnern, 1792 (Fürstlich-Ysenburgische Bibliothek Büdingen IV d 9/67). 117 Ewald an Hahn 17.-22.6.1778, WLB Stuttgart, cod. hist. 8° 103a. 113

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lehrende Lieder ζ. E. manche Gellertische zu sehen, als auf Herz erhebende, von Herzen zu Herzen gehende Lieder, die Resultate vom gefaßten Lehrbegriff des Christenthums oder einzelner Theile desselben Empfindung Frohlocken darüber, enthalten"118. Die Dogmatik also muß als eine für die Bedürfnisse eines Chorals umgesetzte zum Tragen kommen, sie muß auf eine der Frömmigkeit gerecht werdende Ebene gehoben werden, sie muß fähig werden, die Herzen zu ergreifen. Überdies muß - so Ewald - die Biblizität der Choräle das zentrale Auswahlkriterium sein, weswegen auf den Zusammenhang der jeweiligen Choräle mit den biblischen Texten und Sonntagsevangelien zu achten sei. Daher gehört es auch zu den von Ewald formulierten Grundsätzen, „auf die Evangelien und Reden Christi zu sehen, und zu sorgen, daß für jedes Evangelium für jedes Gleichniß Christi ein paßendes Lied im Gesangbuch gefunden werde"119. Auffallend ist, daß Ewald gerade den zeitgenössischen Choraldichter-Größen gegenüber Vorbehalte hat, wobei nicht einmal Klopstock eine ungetrübt-positive Rezension erfährt: „Gellerts Lieder gefallen mir zu diesem Zweck auch nicht; Lavaters besser, doch wünscht ich mehr Geist und Lichtblick darinnen! Klopfstocks zum Theil gut, zum Theil herrlich"120. Zu einer Einführung jedoch des von Ewald im Auftrag seines Fürsten121 in Angriff genommenen neuen Gesangbuches ist es, soweit ich sehe, nie gekommen. Erst im Jahre 1809 wurde in Offenbach ein neues reformiertes Gesangbuch eingeführt122. In seiner Detmolder Zeit wird Ewald wiederum mit der Einrichtung eines neuen Gesangbuches beschäftigt sein123. Und auch hier wird er wieder für die Beibehaltung der den Menschen zum seelsorglich wichtigen Sprachschatz gewordenen alten Choräle gegen die Gepflogenheiten der Zeit plädieren124. 118

Ebd. Ebd. 120 Ewald an Hahn 22.8.1778, WLB Stuttgart, cod. hist. 8° 103a. 121 Ewald an Hahn 17.-22.6.1778, WLB Stuttgart, cod. hist. 8° 103a: „Ich habe jetzt den Auftrag von meinem Fürsten ein neues Gesangbuch zu veranstalten." 122 Vgl. Winkelmann, pl9. 123 Vgl. Steiger, J.A., Unaufgeklärte Gesangbuchrevision. 124 Vgl. Ewald, Ueber Predigerbildung, Kirchengesang und Art zu predigen (Bibl. Nr. 12), p36-56. Völlig unumwunden und scharf sich gegen die zeitgenössische Lust an der Revidiererei wendend, gibt Ewald zu: „Das viele und oft gewaltthätige Verändern der alten Lieder ist mir denn doch zuwider" (p39). Ewald begreift die Choräle nicht bloß als gottesdienstliche Gebrauchsgegenstände, die der heutigen Sprache angemessen sein müßten, sondern als dichterische Kunstwerke, deren poetische Bedeutung durch Veränderungen unweigerlich leiden müsse. Es ist nicht möglich, an einem poetischen Stück eine Veränderung vorzunehmen, „ohne das Ganze des Dichters unerträglich zu verstümmeln", und besonders der „Schwung und [die] Sprache Luthers und mancher seiner Zeitgenossen" (p40) habe unter den Revisionen zu leiden. Poetische und hymnologische Reflexionen gehören für Ewald zusammen: Um des Kunstwerks willen solle man einem 119

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Und es zeigt sich, daß Ewalds Kehre, die sich auf theologischem Gebiet vollzogen hat, in seinen hymnologischen Reflexionen eine Fortsetzung findet, indem er die Textrevisionen alter Choräle als Vehikel, den aufgeklärten Zeitgeist in das Gesangbuch hineinzutragen, ablehnt. In dieser Hinsicht ist Ewald Johann Gottfried Herder125, Matthias Claudius126, Johann Georg Hamann127 und Johann Peter Hebel128 durchaus verwandt. alten Choral ruhig seine alte Sprachgestalt lassen: „Aber was man von den Alten [seil. Chorälen; A.S.] beibehält, lasse man unverändert, oder nur wenig verändert; man sehe ihm sein Jahrhundert und seine Runzeln immer an. Jeder sieht doch lieber ein altes ehrwürdiges Gesicht, so wies nun Einmal ist, als wenn mans zum Jünglingsgesicht heraus schminken wolte" (p43). Das zweite Argument für die alte Sprachgestalt der Choräle ist das bereits genannte poimenische. Die Choräle haben für den Christenmenschen einen festen Platz in der angewandten Seelsorge, sie haben sich ihm eingebildet und eingeprägt, sind zu seinem Besitz geworden, während die neuen moralisch-rational ausgerichteten Choräle diesen Status nicht haben und wegen ihrer trockenen Sprache ihn auch nicht erlangen können. „Es ist hauptsächlich für den gemeinen Mann, dessen Bibliothek meist aus Bibel und Gesangbuch besteht. Und diesem muß man seine alten Lieder unverändert oder unmerklich verändert lassen [...] Gerade diese Sprache, wie sie in den alten Liedern ist, versteht er am besten; besser, als die neue, bilderlose, populär seyn sollende, die in manchen unsern jezigen Liedern herrscht [...] Die meisten dieser alten Lieder sind ihm bekannt. Er weiß sie ganz oder zum Theil auswendig; und seine Erbauung hängt durchaus an den Worten, die er so oft gesungen, hergesagt, womit er sich und Andere so oft getröstet, gestärkt, ermuntert hat. Gerade an diesen Worten hängt ihm so viel Erinnerung, sie waren ihm etwa in Krankheit vorgesagt worden, oder er hatte sie andern Geliebten vorgesagt [...] die Worte sind ihm heilig, wie Gottes Worte" (p41f). Zudem liege die Schwäche vieler neuer Choräle darin, daß sie der zeitgenössischen Theologie unkritisch das Wort redeten und dem Moralismus und der Entchristologisierung der Lehre aufsäßen (p43) und zudem einen kalten, rationalistischen Eindruck hinterließen (p44). 125

Herder hat in dem von ihm hg. ,Weimarischen Gesangbuch' die alten Choräle erklärtermaßen unverändert beibehalten. Ganz ähnlich wie Ewald sagt er in seiner Vorrede: „Ein Lied, das man in der Jugend auswendig gelernt hat, will man nicht gern im Alter verändert hören; einen Gesang, an dessen kraftvollen Ausdrücken man sein Herz erquickte, an dem der Niedergeschlagene Trost, der Sterbende Hoffnung genoß, wünscht man nicht, etlicher schlechter Reime wegen, in eine andere Form gegossen [...] Man wünscht mit dem Glauben der Väter auch die Lieder beizubehalten, in denen Jene ihren Glauben ausdrückten und stärkten" (pili). Genauso wie für Ewald ist dies jedoch auch für Herder kein Grund, die neuen Choräle prinzipiell abzulehnen. 126 Claudius weiß auch um die poimenische Bedeutung der vertraut-vertraulichen Sprache. Er beklagt die Veränderung des Chorales .Befiehl du deine Wege' von Paul Gerhardt, das die .verbessernde' Feder der Revisoren besonders stark zu spüren bekommen hat und sich im 18. Jahrhundert in fast jedem Gesangbuch in einer anderen revidierten Form wiederfand: „So ein:,Befiehl Du Deine Wege' z.E., das man in der Jugend, wo es nicht so war wie's sein sollte, oft und andächtig mit der Mutter gesungen hat, ist wie ein alter Freund im Hause, dem man vertraut und bei dem man in ähnlichen Fällen Rat und Trost sucht. Wenn man den nun anders montiert und im modernen Rock wiedersieht; so traut man ihm nicht, und man ist nicht sicher: ob der alte Freund noch darin ist - und ich

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Recht häufig blickt Ewald im Rahmen von Selbstzeugnissen auf seine Kehre zurück. Nie allerdings ist von einer ,Bekehrung' die Rede, nie von einem ,Bußkampf', und nie hat Ewald einen Zweifel daran gelassen, daß es nicht in der Macht des Menschen liege, sich für den Glauben aus eigener Kraft zu entscheiden. Ewald ist schlechterdings nie ein Pietist gewesen und nie einer geworden. Dagegen hat er sich je länger desto mehr der reformatorischen Theologie geöffnet und in seiner biblischen Theologie auch immer die Kooperation mit pietistisch geprägten Theologen gesucht, was z.B. auch sein späteres Verhältnis zu Jung-Stilling kennzeichnet129. Lavater, Heß und Hahn haben dazu beigetragen, daß Ewald einen Zugang zur biblischen Theologie erhielt. Ewald hat seine Lehrer jedoch nie an die Stelle der Bibel gesetzt, die ihm forthin die einzige Norm und Richtschnur sein sollte. In seiner Offenbacher Abschiedspredigt vom 9.9.1781 blickt Ewald auf seine Kehre zurück130, und wie dort benutzt Ewald auch im Jahre 1812 noch die Metapher des Schilfrohrs, um seine überwundene aufgeklärte Theologie zu bezeichnen, die ihm zerbrechen mußte, als er sich auf sie stützen wollte. „Ich dachte nemlich nicht immer so über diese Urkunden [seil, die biblischen Bücher; A.S.], wie ich jezt darüber denke. Schon auf Akademieen wurd' ich angeleitet, das wie? von Allem begreifen und erklären zu wollen; es mit Scharfsinn oder Gewalt begreiflich zu machen, wenn es nicht begreiflich war, oder, wenn dieß nicht angieng, es ganz zu verwerfen. Die Bibel war mir ein Räthsel; ich suchte mir alles Unbegreifliche wegzuerklären, fand bald, daß dieß nicht gehe und verwarf sie, wenigstens als Gottesoffenbarung ganz. Statt ihrer sucht' ich mir eine Philosophie zusammen. Ganz anders wurd' es, als durch mancherlei Schicksale dieses Bedürfniß geweckt ward. Ich wollte mich auf meine Philosophie stützen; stützte mich aber auf ein Rohr, das zerbricht"131. In Marburg war Ewald nicht zuletzt durch Robert gelehrt worden, wie die Offenbarungsinhalte rational-deduktiv mit der Vernunft in Übereinstimmung gebracht werden könnten. Die Folge davon war, daß Ewald die Bibel als Zeugnis von der Offenbarung Gottes abhanden kam. Wie eine Befreiung sehne mich denn immer nach dem falschen Knopf und der schiefen Naht" (Claudius, M., Sämtliche Werke, p350). 127 Vgl. Hamann, J.G., Klaggedicht, in Gestalt eines Sendschreibens über die Kirchenmusick; an ein geistreiches Frauenzimmer ausser Landes, in: Ders., Sämtliche Werke, hg. von Nadler, J., Bd. II, pl43-149. Zudem hat Hamann seine Dogmatik als Auslegung von Chorälen in nuce formuliert: Vgl. seine Betrachtungen zu Kirchenliedern, ebd., Bd. I, 250-297. 128 Vgl. Steiger, J.A., Bibel-Sprache, p311-320, sowie ders., Kalendergeschichte. 129 Vgl. Kap. I, 23. 130 S.u.p255f dieser Arbeit. 131 Ewald, Die Religionslehren der Bibel (Bibl. Nr. 313), Bd. 1, pIV.

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beschreibt Ewald daher seine Loslösung von der zwanghaften Methode, die die Texte vernunftgerecht vergewaltigt und das der Vernunft nicht begreiflich zu machende einfach verwirft. Noch einmal berichtet Ewald, die „Schriften von Heß, Hahn und Einiges von Lavater" hätten ihn „wieder auf die, von mir längst hintangesetzte, Bibel aufmerksam gemacht"132. In Offenbach hatte Ewald die Offenbarung wiedergewonnen.

5. Justus Christoph Krafft - Berufung nach Detmold Ein weiterer Mann ist für Ewalds Entwicklung von nicht geringer Bedeutung gewesen: Justus Christoph Krafft, der Sohn des auch noch zu Ewalds Studienzeiten in Marburg tätigen Professors der Theologie Johann Wilhelm Krafft. J.C. Krafft (1732-1795) war seit 1769 als Pfarrer an der deutsch-reformierten Gemeinde zu Frankfurt tätig133. Krafft hat vergleichbar mit Ewald, doch längere Zeit vor ihm, eine Abkehr von der Aufklärungstheologie vollzogen, wobei ihm im Zuge derselben die Lehren von der Rechtfertigung des Sünders durch Gott und die von der Versöhnung zunehmend wichtig wurden, worauf schon Wilhelm Maurer hingewiesen hat134. Ohne dabei viel Aufsehen zu erregen, wandte sich Krafft schon 1765 mit seinen „Abhandlungen über verschiedene Stellen der heiligen Schlifft" u.a. der Exegese des Römerbriefes zu und versuchte, das reformatorische ,sola gratia' erneut einzuüben und populär zu machen. „Wenn es also heißt: Es liegt nicht an jemands Wollen oder Laufen [seil. Rom 9,16; A.S.], sondern an GOttes Erbarmen, so will Paulus damit nichts anders sagen, als, daß es vergebens sey, die Seeligkeit als eine Belohnung durch Wercke verdienen zu wollen, sie müsse als eine blosse Gnade, als ein blosses Erbarmen in Demuth gesucht werden"135. In der Auslegung von Rom 9-11 allerdings gesteht der von seiner Herkunft her reformierte Krafft, daß er „die Lehre der Reformirten von der Gnadenwahl darinnen nicht gefunden habe"136, wenngleich er sich auch nicht entscheiden kann, statt der praedestinatio duplex nun einfach die lutherische Sicht der Dinge zu vertreten. Interessant i. b. auf die Verteidigung der Lehre von der stellvertretenden Versöhnung ist es, wie Krafft Dtn 21,22f auslegt. Die Formulierung , wenn jemand eine Sünde getan hat, die des Todes würdig ist, und wird getötet, und man hängt ihn an ein Holz, so soll sein Leichnam nicht über Nacht an dem Holz bleiben' versteht Krafft dahingehend, daß der zum Tode 132 133 134 135 136

Ebd., pIVf. Vgl. Krafft, J.Chr., Antritts=Predigt. Maurer, pl5f, Anm. 102. Krafft, Abhandlungen, pl28. Ebd., p8.

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Verurteilte zunächst gesteinigt und erst dann aufgehängt wurde. Hieraus schließt Krafft: „Diejenige also, welche zum Aufhängen getödet wurden, waren zwar allemal selbst des Todes schuldig, wie auch das Gesetz vom Aufhängen mit sich bringt; allein nachdem sie den Tod ausgestanden hatten, hatten sie, nach den bürgerlichen Gesetzen, für ihre Sünden bezahlet, sie hatten für ihre Schuld gebüsset, sie konnten demnach als unschuldige betrachtet werden, und waren also vollkommen geschickt, dadurch, daß sie aufgehenckt wurden, fremde Schuld und einen fremden Fluch zu tragen"137. Diese atl. Aussage versteht Krafft als eine Weissagung der Stellvertretung des Sünders durch Christus am Holz des Kreuzes: „Ich habe gezeigt, daß ein Gehenckter einen allgemeinen Fluch getragen, und für die Sünde seines gantzen Volcks gebüsset habe, wem fällt nunmehr nicht die Aehnlichkeit, die sich zwischen ihm und JEsu Christo findet, welcher der gantzen Welt Sünde getragen hat, in die Augen!"138. Mit den Augen des Glaubens liest Krafft hier Dtn 21,22f von Joh 1,29 her und belebt auf diese Weise einen klassischen Auslegungs-Topos typologischer Exegese. Festzuhalten dabei bleibt, daß Krafft - ohne dabei allerdings in den Ewaldschen kämpferisch-polemischen Ton zu fallen - das AT im Interesse der durch die aufgeklärte Kritik angegriffenen Stellvertretungs-Lehre zu lesen versucht. Krafft hat Ewalds Kehre miterlebt, fand in ihm einen Geistesverwandten und vermittelte ihm schließlich die angesehene Stelle eines Generalsuperintendenten in Detmold. Denn der seit 1771 in Lippe tätige Generalsuperintendent Ferdinand Stosch war am 3.6.1780 verstorben139, und Regierungs- und Konsistorialrat Christoph F.A. Schleicher hatte alle Hände voll zu tun, einen Nachfolger zu finden140. Er wandte sich u.a. an Johann Joachim Spalding und an Friedrich Eberhard von Rochow mit der Bitte um Vorschläge141, was jedoch zu keinem Erfolg führte142. Schleicher fragt daher bei Krafft an, „ob Ihnen nicht etwa ein zu Verwaltung dieses Amts geschikter Mann bekannt sei? Sölten Sie selbst Geneigtheit zu deßen Übernahme haben, so würde hierdurch alle unsere Verlegenheit gehoben"143. Auf diese und die weitere Anfrage, ob der Birsteiner Hofprediger Emmerich nicht vielleicht zu bewegen sein möchte, das vakante Amt in Detmold zu übernehmen, antwortet Krafft jedoch, indem er Ewald vorschlägt: „In den Diensten eben dieses Fürsten stehet noch ein anderer Mann, den ich näher kenne, und den ich unter allen, die mir bekannt sind, und von denen mit einiger Wahrscheinlichkeit zu vermuten ist, daß sie sich zu einer Veränderung 137 139 140 141 142

138 Ebd., p25f. Ebd., p36. Falsche Angaben macht Dreves, Α., p37. Vgl. zum folgenden: Sprenger, H. LKA Detmold, Konsitorial-Registratur Rep. II Tit. 13 Nr. 1 (309). 143 Ebd., Nr. 46. Ebd.

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entschließen würden, zu jener Stelle am tüchtigsten halte. Es ist dieses der Prediger Ewald zu Offenbach, eine Stunde von hier; er ist ein Mann von großen GeistesKräften, gesetzter Thätigkeit, unsträflichem Wandel, und ein wahrhaftig evangelischer Prediger, der mit großem Seegen bey seiner Gemeinde steht. Noch vor ohngefáhr 5 oder 6 Jahren gehörte er unter die philosophisch-moralischen Prediger, allein seit der Zeit ist eine große Veränderung in seiner Denkungsart vorgegangen; und so wenig ich vorher mit ihm zufrieden war, so gros ist jetzt meine Liebe und Hochachtung gegen ihn"144. Etwa zwei Monate später, am 7.7.1781 schreibt Krafft erneut nach Detmold, um zu berichten, daß er inzwischen Gelegenheit gefunden habe, Ewald persönlich predigen zu hören, nachdem ihm der Ewald vorauseilende Prediger-Ruhm schon zu Ohren gekommen war. „Meine Erwartung ist nicht nur erfüllt, sondern auch übertroffen worden. H[err] Ewald ist einer der besten und angenehmsten Prediger, die ich je gehöret habe. Was er sagte, war recht aus dem Geiste des Christenthums, so viel ich ihn kenne, hergenommen; alles wichtig, nicht zu viel, nicht zu wenig, und dabey ist sein Vortrag so beschaffen, daß es nicht wohl möglich ist, die Aufmerksamkeit zu verlieren. Es hat mir dieses alles große Freude gemacht"145. Unterdessen hatte es sich bereits in Offenbach herumgesprochen, daß Ewald eine neue, besser dotierte und einflußreichere Stelle in Aussicht gestellt worden sei. Die Gemeinde setzte alle Hebel in Bewegung, um ihren Pfarrer nicht zu verlieren und ihn zum Bleiben zu bewegen146. Ewald muß in Offenbach ein höchst geschätzter und beliebter Seelsorger gewesen sein - über die konfessionellen Schranken hinaus. Sehr offen hat sich Ewald Krafft gegenüber über seine Fähigkeiten und Unfähigkeiten, seine Ausbildung, seine Abkehr von der aufgeklärten Theologie und über seine bisherigen Erfahrungen in der kirchlichen Arbeit geäußert. Aus diesem wertvollen Selbstzeugnis, das Krafft nach Detmold weitergeleitet hat, wo es heute noch aufbewahrt wird, geht u.a. auch hervor, daß sich Ewald bereits in Offenbach um die Lehrerausbildung verdient gemacht hat - eine Arbeit, die er in Detmold erfolgreich fortsetzen sollte, und daß er als junger Theologe Anhänger Semlers und J.D. Michaelis' gewesen ist, sich aber von deren Theologie und Art der Schriftauslegung abgewandt hat147. Ebd., Nr. 48, Krafft an Schleicher 12.5.1781. Ebd., Nr. 68, Krafft an Schleicher 7.7.1781. 146 Krafft berichtet ebd.: „Die Kinder haben bey dem Fürsten eine Bittschrift eingegeben, daß er ihn doch zurükhalten mögte, und die Gemeinde nicht nur, bis auf die Dienstboten, sondern auch Lutheraner selbst haben sich zu einer jährlichen Beisteuer zur Vermehrung seines Gehalts erboten, die er aber nie begehrt hat." 147 Ebd., Nr. 56, Ewald an Krafft o. Datum: „Meine Erziehung war nicht von der Art, daß ich gründliche Einsicht in Sprachen, oder Philologie haben könnte. Ich lernte mein gewöhnliches Latein, Hebräisch, und Griechisch. Auf Akademien sezt' ich es wol fort; aber nicht mit allzu großem Fleiß. In meinem Kandidaten= und Anfänglichen Prediger= 144 145

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Am 19.6.1781 bat Ewald seinen Landesfürsten um Entlassung, und er tat dies schweren Herzens, doch in dem Bewußtsein darum, daß Gottes Führung die richtige sein werde. „Aber wenn Gott mir ruft, so unverkennbar seine Stimme sagt: Geh aus deinem Vaterland, und aus deiner Freundschaft. Darf ich sagen: ich will nicht? [...] Darf ich mein Pfund vergraben? mein Licht unter den Scheffel stellen? Ach! Gott du weißt es, ich darf nicht - Euer Durchlaucht wissen es auch. - Mit Thränen also thu ich die Bitte an Hochdieselben um Entlaßung meiner hiesigen Amtspflichten. - Nicht Entlaßung aus Ihren Diensten"148. Wolfgang Ernst II. hat Ewald nicht gerne gehen lassen und war im Zweifel darüber, ob einen passenden Nachfolger und Ersatz für Ewald zu finden wohl möglich sein wird. Er fand ihn dann allerdings in Johann Jacob Stolz, den Stand laß ich viel Philologisches, war in Michaelis, Semlers ρ und ähnlicher Leute Schriften zu Hauß. Sie wißen, zu welcher Absicht ich las. Dies legte sich eine Zeitlang ganz, nachdem ich das gezwungene Ihrer Erklärungen, ihrer Anwendung des arabischen auf Auslegung der Bibel einsah; und nur seit einigen Jahren hab' ich wieder angefangen, aus dem Grundtext den wahren Sinn der Bibel - mit unbefangenen Augen einzusehen. Alles dieses zeigt Ihnen genug, daß meine philologischen Kenntniße sehr mittelmäsig sind; besonders wenn ich einen (zu korrigieren in: ein; A.S.] gewißes kritisches, und exegetisches Gefühl, das mir meistens vorläuft, nicht mit in Anschlag bringen soll. Von den lateinischen klaßischen Autoren hab' ich die meisten gelesen, aber mehr um der Sachen, oder vielmehr allein um der Sache, und gar nicht um der Sprache willen. Griechische Autoren kann ich nicht lesen, weil meine Kenntniß der Sprache dazu zu gering ist. Detaillirte Aufsicht über die höhere Schulen könnt' ich also nicht haben: über Methode, Sprachen zu lehren, Sinn für alte Autoren einzuflößen, hab' ich aber viel gelesen, und nachgedacht, weil ich auch hier, mit zur Schulinspektion gehöre, und die jezige Einrichtung der Schulen [ist] hauptsächlich nach meinen Planen gemacht worden. Könnte also die Spezialaufsicht über das philologische in den höheren Schulen nicht einem andern Mann gegeben werden, der dann auch allenfalls Schullehrer in diesem Fach examinirte; so wäre ich, von dieser Seite betrachtet, nicht das Subjekt, das man verlangte. Zu Einrichtung und Aufsicht über alle andere Theile des Schulwesens aber, besonders Trivialschulen und Bildung ihrer Lehrer, zu Aufsicht über den philosophischen Theil des Unterrichts, des Unterrichts in lebenden Sprachen, der englischen, französischen, italiänischen; der Bildung in unserer Muttersprache, glaub' ich Kenntniße zu haben, und habe Lust dazu. Ein Schulmeisterseminarium ist auch hier nach meinen Ideen eingerichtet, und es sind auch schon verschiedene von mir unterrichtet, und zu Schuldiensten befördert worden. Keine der übrigen Verrichtungen ist mir neu; ich habe schon öfters in Consistorialsachen gearbeitet, schon Kandidaten, und Schulmeister examinirt, und Instruktionen für leztere entworfen, worinnen die Methode des Unterrichts vorgeschrieben ist. Daß ich nie wieder zu dem neumodischen philosophischen Christenthum zurük fallen werde; das hoff ich von der Gnade des Gottes, der mich durch die beste Menschen, durch ihre Schriften, und Briefe, und Unterredungen, der mich durch mancherlei Schiksale heraus gerißen hat." 148 Ewald an Wolfgang Ernst II. 19.6.1781, Fürst von Isenburgisches Archiv Birstein, Nr. 14 431.

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Lavater vorgeschlagen hatte. Stolz stand damals noch vor seiner Bekehrung zum Neologen. Als solcher wird er uns noch begegnen: in Bremen, wo er sich wegen seiner verkümmerten Christologie mit Ewald wird streiten müssen. Am 23.6.1781 tut Ewald in einem Brief an Schleicher seine Bereitschaft kund, die ihm angetragene Stelle anzunehmen, und erwartet nähere Instruktion i.b. auf seine Dienstobliegenheiten. „Im Glauben an Gott, der mich ohne mein Zuthun zu der wichtigen Stelle eines Generalsuperintendenten berufen ließ, will ich sie annehmen. Euer Wohlgebohrnen [!] glauben mir, daß ich ihre Wichtigkeit tief, tief empfinde [...] Ich erwarte so bald möglich, die nähere Instruktion"149. Diese ging Ewald detailliert und ausführlich, datiert vom 4.7.1781, zu und enthielt einen genauen Dienstplan. Graf Simon August zur Lippe legte in der „Instruction für den Prediger Ewald zu Offenbach zum General Superint. alhier"150 eine ganze Menge von Arbeitsfeldern fest. Ewald hatte Sitz und Stimme im Konsistorium, war mit der Kirchen- und Schulvisitation sowie mit der zu vollendenden Errichtung des Schulmeister-Seminars betraut. Ewald hatte die Aufsicht über alle Bediente in Kirche und Schule inne und die finanziellen Mittel zu verwalten. Zudem war er der erste Prediger in Detmold mit einem festen sonn- und festtäglichen Predigtauftrag. Obwohl man in Detmold starkes Interesse daran hatte, daß Ewald sein Amt möglichst bald antrete, zog sich die Abfahrt der Familie Ewald des längeren hin. Ein Vierteljahr noch in den Diensten seines Landesvaters zu bleiben, war ohnehin Ewalds Pflicht. „Außerdem hab' ich noch Kinder zu konfirmiren, und überhaupt noch so viele angefangene Geschäfte zu vollenden, die unvollendet nicht liegen bleiben können"151. Ewalds Abschiedspredigt in Offenbach fand am 9.9.1781 statt, seine Antrittspredigt in Detmold am 21.10.1781152. In der Zwischenzeit hatte sich Ewald auch um die praktischen, alltäglichen Dinge zu kümmern, die ein Umzug so mit sich bringt, z.B. um die Bestellung von Möbeln. Schleicher muß ein geduldiger Korrespondenzpartner gewesen sein. „So muß ich Sie bitten, mir bei einem Schreiner zu bestellen Eine Bettlade 6% Fuß lang, und 4% Fuß breit. 2 Einschläfriche Bettladen von gewöhnlicher Länge u. Breite 2 Kinder Bettladen, 4% Fuß lang, und 2 Fuß 5 Zoll breit Einen ordinären Tisch, mit Gußfüßen, und tannenem Blat, zum Überziehen, mit Wachstuch. 6 ordinäre Stüle, mit Rohr geflochten"153. 149

Ewald an Schleicher 23.6.1781, LKA Detmold, Konsistorial-Registratur Rep. II Tit. 13 Nr. 1 (309), Nr. 65. 150 Ebd., Nr. 67. Der vollständige Text dieses Aktenstückes befindet sich im Anhang, Text Nr. 3. 151 Ebd., Nr. 65, Ewald an Schleicher 23.6.1781. 152 Sie ist abgedruckt in: Ewald, Die Erziehung des Menschengeschlechts (Bibl. Nr. 9), p9-24. Unzutreffend ist die Angabe von Dreves, Α., p37, derzufolge Ewald schon 1779 als Generalsuperintendent nach Detmold gekommen sein soll. 153 Ewald an Schleicher 14.7.1781, a.a.O. (wie Anm. 149), Nr. 69.

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Es wird dies jedoch nicht der letzte Umzug gewesen sein, den Ewald in seinem, was die örtlichen Veränderungen angeht, sehr bewegten Leben zu organisieren gehabt hat. Obendrein wurde im September 1781 Ewalds gesamte Familie krank: die Ruhr, nichts weniger154. Am 25.9.1781 endlich meldet Ewald schriftlich nach Detmold: „Indeßen hat es jezt alle menschliche Wahrscheinlichkeit, daß wir zukünftigen Montag, als den lten Oktober unsere Reise antreten können"155. Die Einkünfte Ewalds in Detmold betrugen 811 Thaler rheinisch im Jahr, zuzüglich Stolgebühren und Naturalien sowie freie Wohnung mit Garten. Krafft hatte Ewald in Detmold ins Gespräch gebracht. Aber Ewald hat ihm weit mehr zu verdanken als seine gehobenere Stelle in Detmold allein. Denn nach seiner Berufung nach Detmold hat Ewald mit dem Frankfurter Prediger eine Auseinandersetzung geführt, in der sich spiegelt, daß Krafft Ewald klarzumachen versuchte, wie wichtig die Integration und Rezeption der zentralen reformatorischen Theologumena für eine aufklärungskritische Theologie sind. Krafft, der - wie oben angedeutet - die Rechtfertigungslehre als Korrektiv zum theologischen Zeitgeist zu forcieren begann, hatte Ewald vorgeworfen, mit den „Grundwahrheiten unserer protestantischen Kirche"156 nicht sorgfältig genug umzugehen. Ewald antwortete sich verteidigend mit einem Bekenntnis zur reformatorischen Theologie, das er für so wichtig gehalten hat, daß er es über 20 Jahre später in der von ihm herausgegebenen ,Christlichen Monatschrift' zum Abdruck brachte. Aus diesem Bekenntnis geht hervor, daß Ewald in der produktiven Auseinandersetzung mit Krafft einen neuen Zugang zur Lehre von der iustificatio des Sünders durch Gott bekommen hat, die uns unten noch ausführlicher beschäftigen wird157. „Bewußt war ich mir, daß ich keine einzige Grundwahrheit der protestantischen Kirche verlassen hatte, daß ich sie alle von ganzem Herzen und mit täglich wachsender Ueberzeugung glaube"158. Die Rechtfertigungslehre auf den Punkt bringend setzt Ewald die iustificatio sachlich klar über die sanctificatio, nachdem er zuvor, vor seiner Kehre, gesetzlich gepredigt hatte: „Ich glaube von ganzem Herzen, daß Gott gleich bei Anfang der Sinnesänderung einen Menschen um Jesus Christus, und hauptsächlich um seines Todes willen für gerecht erklärt·, nicht, als wenn er nun ganz rein, ganz gerecht wäre, sondern Gott bezeugt ihm Vergebung, neue Gnade, neues Wohlgefallen. Der Mensch kann sich auf diese Gerechtspre154

Ebd., Nr. 73, Ewald an Schleicher Sept. 1781: „Wieder ein Brief, und nicht ich selbst! [...] Meine beiden Kinder, und meine Frau hatten schon Anfalle der Dyßenterie." 155 Ebd., Nr. 74, Ewald an Schleicher 25.9.1781. 156 Ewald, Erklärung über einige wichtige Bibellehren (Bibl. Nr. 247), p51. 157 Vgl. u. Kap. II, 6 dieser Arbeit. 158 Ewald, a.a.O. (wie Anm. 156), p51.

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chung, auf dieses ihm bezeugte Wohlgefallen Gottes verlassen, darauf leben und sterben, und selig sterben, so manche Sünde und Unreinigkeit er noch in sich empfinden möge, wenn er nur mit anhaltender Buße dagegen kämpft. Ich glaube, daß dieß um keines guten Werks, von welcher Art es auch sey, sondern lediglich geschehe um des Glaubens willen an Jesus Christus. Ich setze diese Rechtfertigung vor der Heiligung, die darauf folgt und dadurch erst recht möglich wird"159. Mit seinem Bekenntnis zur Rechtfertigungslehre hängt dasjenige zu der biblischen Lehre von den Affekten Gottes zusammen. Ewald fällt es nicht schwer, von der ira Dei zu sprechen, die das Gegenstück zu seiner Liebe ist, was uns unten noch einmal begegnen wird160. „Ich glaube allerdings nicht blos Liebe, sondern auch Zorn in Gott; oder vielmehr: ich glaube Zorn, weil ich Liebe in Gott glaube. Keine warme Vaterliebe kann ohne Zorn seyn, wie sollt' es die Liebe Gottes seyn können? Ich vermeide diese Ausdrücke gar nicht"161. Und auch, was die Versöhnungslehre anbelangt, sitzt Ewald jetzt sicherer im Sattel als noch zu der Zeit, als er seinen Katechismus abfaßte, wenngleich er nicht gewillt ist, die Rede von der stellvertretenden Genugtuung Christi in ein System zu kleiden - eine Scheu, die Ewald sein ganzes Leben lang beibehalten wird und die ihn von Zeit zu Zeit doch daran hindert, theologischen Systemen welcher Art auch immer einen positiven Sinn abzugewinnen. „Ich suche auch den Begriff einer Versöhnung nicht zu entfernen, so wenig ich den von Opfer, Lebensgebung, Lösegeld entfernen will. Nur liebe ich nicht, wenn man auf Einerlei Art von Ausdrücken ein System baut; ich glaube, daß dies auf Einseitigkeit führt; und dies, und weiter nichts hab' ich sagen wollen, und so deutlich wie möglich gesagt. Wahr ist es übrigens, daß ich alle Vorstellungsarten der Bibel gerne vereinigen möchte"162. Völlig berechtigt jedoch ist Ewalds Kritik an einem solchen depravierten Orthodoxismus, der nicht - wie es von der protestantischen dogmatischen Hermeneutik und ihrer Verhältnisbestimmung von Dogma und Heiliger Schrift her betrachtet ja nötig ist - die Lehrinhalte an den biblischen Texten immer neu überprüft, sondern sie unbesehen als System um des Systems willen übernimmt. Daher kann Ewald lehrend, schreibend und predigend eine Heimat in der orthodoxen Theologie finden, ohne aber mit dem zeitgenössischen Orthodoxismus verwechselt werden zu wollen. „Was ich von Orthodoxie sage, ist so böse nicht gemeynt. Das Wort Orthodoxie hat ursprünglich einen sehr guten Sinn: aber wer weiß nicht, daß es nach dem jetzigen Sprach-

159 160 161 162

Ebd., p53. Vgl. Kap. III, 5, p412 dieser Arbeit. Ewald, a.a.O. (wie Anm. 156), p52. Ebd., p52f.

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gebrauch einen Mann bedeutet, der alles blos darum glaubt, weil es im System seiner Kirche steht?"163. Krafft hat auf Ewald einen entscheidenden Einfluß reformatorisch-rechtgläubiger Art ausgeübt, der dem Lavaterschen und Hahnschen zumindest ebenbürtig ist und Ewalds Interesse und seine Rezeption der Theologie Luthers, die uns unten noch in mannigfaltiger Weise begegnen wird, zumindest vorbereitet hat. Und daher kommt es denn zu dem in der Theologiegeschichte der Aufklärung merkwürdigen Umstand, daß ein Rationalist aufgrund von pietistischen, erweckungsbewegten und reformiert-orthodoxen Anstößen gleichzeitig eine Wandlung durchschreitet, die ihn schließlich zur Theologie Luthers selbst führt.

6. Detmold - Schulwesen - Bibelgeschichte Realienunterricht Als hoffnungsvoller, aber noch unbekannter Prediger aus Offenbach kommt Ewald 1781 als neuer Generalsuperintendent nach Detmold. 15 Jahre später wird er die Stadt wieder verlassen als ein in deutschen Landen bekannter Mann, dessen Verdienste um das Schulwesen publik geworden sind, der sich der theologischen Literaturgeschichte nicht nur, sondern auch der politischaufgeklärten durch fast 80 Buchtitel bereits tief eingeprägt hat und der sich zudem als Publizist im Zeitschriftenwesen einen Namen gemacht hat. Ist die Offenbacher Zeit Ewalds eher als diejenige Phase seines Schaffens anzusehen, in der er mehr im Stillen wirkend theologisch reift und zum Durchbruch zu einer gefestigten theologischen Existenz gelangt, so muß die Detmolder Zeit als diejenige bezeichnet werden, die Ewald zum Durchbruch in der Öffentlichkeit verhalf, den er in Bremen, Heidelberg und Karlsruhe dann noch stark auszubauen wußte. Ewald kam nach Lippe und damit in ein Land, das aufgrund der aufklärerischen Grundhaltung des Grafen Simon August164, der in Lausanne erzogen mit dem Geist der französischen Aufklärung vertraut geworden war165 und denselben mit einem gemäßigt absolutistischen Regierungsstil zu vereinen wußte166, einen beträchtlichen Modernisierungsschub erlebt hatte. So hatte der Graf nicht nur schon 1781 ein Lehrerseminar einrichten lassen167, sondern 163

Ebd., p68. Vgl. zu Simon Augusts Regierungszeit: Fritzemeyer, B. 165 Vgl. Arndt, J„ ρ 157. 166 Vgl. Schaer, F.-W., pl61-163. 199. 167 Es ist nicht wahr, daß Ewald der Gründer des Seminars ist, wie Dreves, p38 behauptet. 164

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u.a. 1767 bereits in pädagogischer wie in sozialpolitischer Hinsicht innovativ eine Schulordnung für die Landbevölkerung168 und 1770 eine Armenverordnung erlassen169. Die Gründung des Lehrerseminars verdankt sich nicht zuletzt dem Einfluß von Simon Augusts Gemahlin Casimire, der geborenen Prinzessin von Anhalt-Dessau, die sich mit der Dessauer philanthropinistischen Reformpädagogik vertraut gemacht hatte, eine entschiedene Verfechterin derselben war170 und mit der Ehefrau von Rochows in Briefkontakt stand171. Dem Kanzler Ferdinand Bernhard von Hoffmann gelang es, die lippische Verwaltung zu reorganisieren und die zerrütteten Staatsfinanzen zu konsolidieren172. Wie in den späteren Jahren auch führte die Reformwilligkeit des Grafen zu einer politischen Stärkung des Bürgertums, besonders der höheren Beamtenschaft173. Auch der nach dem Tod von Simon August wegen der Minderjährigkeit des Erbgrafen Leopold im Jahre 1782 gebildeten Vormundschaftsregierung unter Ludwig Henrich Adolf war an einer „Fortsetzung des Reformwerkes"174 sehr gelegen. Erst unter der Regierung Leopolds I. (1789-1790 und 1794-1802) kam es zu einer deutlichen Krise175, an der nicht nur der ausschweifende Lebenswandel und die sich dann noch einstellende Geisteskrankheit des Regenten schuld waren, sondern auch die Revolutionskriege, die dem Land eine hohe Reichssteuerlast aufbürdeten und der reformerischen Politik engere Grenzen setzten. Die politischen Rahmenbedingungen für Ewalds Tätigkeit sollten also zunächst recht günstig sein, um sich später diffiziler und problemträchtiger zu gestalten. Ewalds Aufgabenbereich umfaßte, wie aus der oben genannten Instruktion schon deutlich wurde176 in besonderem Maße die Verbesserung des gesamten Schulwesens in Lippe, die Wehrmann aus pädagogischer Sicht nachgezeichnet hat177. Schon seit 1775 war in Lippe erwogen worden, ein Schullehrerseminar einzurichten, wie dies andernorts schon längst geschehen war178. Nachdem sich die Gräfin Casimire schon 1774 über die philanthropinische Reformpädagogik hatte unterrichten lassen, hatte man bereits 1779 einen Abgesandten zu Rochow nach Reckahn geschickt, nämlich den Detmolder Gymnasialrektor J.H.T. Hünefeld, um die innovative Arbeit des berühmten Pädagogen kennenzulernen179. Kurz nach Ewalds Ankunft in Detmold wurde

168

Vgl. Schiefer, B., pl33; Fritzemeier, B., pl06. 170 Vgl. Arndt, ρ 159. Vgl. Schiefer, ρ 134. 171 172 Vgl. Fritzemeier, pl07. Vgl. Arndt, pl58. 173 Arndt hat die Beamtenschaft den „innenpolitischen Gewinner" dieser Zeit genannt (ebd., pl61). 174 175 Ebd., pl60. Vgl. ebd., pl64-173. 176 177 Vgl. Anhang Text Nr. 3. Vgl. Wehrmann, V., Aufklärung, passim. 178 179 Vgl. ebd., ρ 134. Vgl. ebd., ρ 136 und Arndt, p403. 169

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das Lehrerseminar am 30.11.1781 eröffnet180. Hünefeld wurde als dessen Leiter installiert und der Theologe Simon Ernst Krücke sein Gehilfe181, der 1785 den Rang des Seminarinspektors erhielt182. Später hat auch Krücke eine umfangreiche Reise unternommen, um sich mit den Fortschritten der Arbeit in den reformpädagogisch geprägten Lehrerseminaren und Schuleinrichtungen in Norddeutschland bekannt zu machen. Über diese Reise hat Krücke ein Tagebuch geführt, das Ewald in seiner pastoral-theologischen Zeitschrift „Ueber Predigerbeschäftigung und Predigerbetragen" abdrucken ließ. Ewald hat sich in die Angelegenheit der Schulreform schnell eingearbeitet, und 1783 bereits erschien seine methodische und praktische Anleitung für die Lehrerschaft des Lippischen Landes mit dem Titel „Kurze Anweisung zum Unterricht der Jugend für die Küster und Schulmeister der Grafschaft Lippe"183. Im Jahre 1782 führte Ewald eine Kirchen visitation durch und erfuhr dabei die Mißstände im Schulwesen hautnah. Dem Konsistorium erstattete Ewald nicht nur Bericht, sondern legte - von ungeheurem Fleiß und schnellem, flexiblem Reaktionsvermögen zeugt dies - gleichzeitig einen Plan vor, wie das Schulwesen von Grund auf zu verbessern sein möchte. Dieser Plan trug den Titel „Vorschläge zu Verbesserung, und zwekmäßigerer Einrichtung der Landschulen"184. Diese Vorschläge waren ein glatter Erfolg, denn sie fanden die Zustimmung des Konsistoriums und des Grafen Ludwig Henrich Adolph, der sie per Verordnung am 23. September 1783 sämtlich in die Tat umsetzen ließ. Eine neue Schulordnung war geschaffen185. Es wurde die alte Lehrmethode von ABC-Büchern zum Lesenlernen durch die Buchstabentafel-Methode reformiert, die nicht zuletzt auch Pestalozzi betrieb186. „Es wurden schwarze Tafeln gemacht, und große Lettern in Leipzig geschnitten, die von allen Kindern an der Tafel gesehen werden konnten"187, und das Buchstabieren- und Lesenlernen konnte nun effizienter betrieben werden. Die Lehrerbesoldung wurde •so Ygj z u r Entstehungsgeschichte des Lehrerseminars: Burre, W., p9-42, der einen guten Einblick in das diesbezügliche Aktenmaterial gibt. 181 Vgl. ebd., p32f; Wehrmann, Aufklärung, pl42 und Geschichte der Stadt Detmold, p233. 182 Vgl. Geschichte der Stadt Detmold, p233. 183 Ewald, Bibl. Nr. 8. 184 Ewald, Ueber Schulhalten (Bibl. Nr. 20), pl05-138. Entspricht StA Detmold L 65 G Sect. I Nr. 7 Bd. 1. 185 Vgl. zum Ganzen: Rauschenbach, L., Die geschichtliche Entwicklung, p36f. 186 vgl. Pestalozzi, J.H., Anweisung zum Buchstabieren- und Lesenlehren, in: Ders., Sämtliche Werke, Bd. 13, pl37-174. In dieser Schrift führt Pestalozzi ausführlich vor, wie die Buchstabentafeln praktisch zu gebrauchen seien. Die Schrift stammt allerdings erst aus dem Jahr 1801. Ewald sagt überdies, daß er erst in seiner Bremer Zeit in Berührung mit der Pestalozzischen Methode gekommen ist. S. u. Kap. I, 14. 21. 187 Ewald, Ueber Schulhalten (Bibl. Nr. 20), pl94.

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verbessert, um die der Lehrtätigkeit nicht zuträgliche Nebenerwerbstätigkeit der Lehrer zu unterbinden188. Gleichzeitig wurde ein Anreiz dafür geschaffen, das neue Lehrerseminar zu besuchen. Denn dort ausgebildete Lehrer erhielten fortan ein Drittel mehr Lohn als diejenigen, die nicht dort in die Lehre gegangen waren. Hinzu kam die Aufrichtung der Schulfreiheit, die der Gegebenheit Rechnung tragen wollte, „daß manche Eltern zu einem Schulmeister außer ihrem Distrikt mehr Vertrauen, als zu dem Schulmeister ihres Distrikts [...] haben"189. Das Schulgeld190 wurde nun zentral eingesammelt, um der Unart mancher Lehrer, aus finanziellen Beweggründen überfüllte Klassen zu unterrichten, zuvorzukommen191. Diese Verordnung wurde am 23.9.1783 erlassen, und im Jahre 1784/ 85 hielt Ewald eine großangelegte Schulvisitation ab, die gleichzeitig eine Werbeveranstaltung für die neue Lehrmethode sein sollte. Die Schulprüfungen wurden daher öffentlich abgehalten, um die Eltern mit den vollzogenen Reformen vertraut zu machen und Vorurteile auszuräumen. „Diese Schulvisitationen wirkten vorzüglich gut. Man sah jezt, daß es mit der Sache Ernst war; eine Menge Landleute wurden für diese Art zu unterrichten eingenommen"192. Ein Hauptaugenmerk Ewalds liegt immer wieder auf dem Kampf gegen das rein mechanische Auswendiglernen von Katechismus-Antworten und Bibelerzählungen. Besonders erfreulich war ihm daher der Fortschritt, der an solchen Schulen erreicht wurde, an denen im Lehrerseminar ausgebildete Kräfte unterrichteten. „Die Kinder buchstabirten und lasen mit einer Richtigkeit und Deutlichkeit, als ob sie Alle gebildet werden sollten, dereinst einen öffentlichen Vortrag zu halten [...] Sie waren so bekannt mit Bibelgeschichte, daß blos ich sie zwei ganze Stunden lang fragte, die ganze Bibelgeschichte im Zusammenhang mit ihnen durchgieng, und auf Alles Antwort erhielt [...] Die Fragen aus dem Catechismus, die zum Zergliedern gewält wurden, verstanden sie völlig; wüsten jedes undeutliche Wort zu erklären, den wesentlichen Inhalt jeder Frage mit den simpelsten, verständlichsten Worten anzugeben, und die in der Frage gelehrte Warheit mit Bibelgeschichte zu bestätigen [...] Was mich aber fast am Meisten freute, war der Geist der Liebe, Freude und Offenheit"193. Ewalds neues Trivialschulwesen ist ganz getragen von der Bibel. Zwar lernen die Kinder das Buchstabieren mithilfe der modernen Buchstabentafeln. Aber das Lesen lernen sie anhand der Bibel, die gleichzeitig Fibel ist, so daß Lesenlernen und katechetischer Unterricht ineinander übergehen und -fließen. Obendrein hatte dieser Unterricht eine Breitenwirkung in die Familien 188

189 Ebd. Ebd., pl95. Einblick in die Geschichte der Besoldung lippischer Lehrer und in deren wirtschaftliche Lage gibt Rauschenbach, L., Volksschullehrerstand, pl91—193. 191 192 Ewald, Ueber Schulhalten, pl96. Ebd., p207. 193 Ebd., p214f. 190

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hinein, war familien-pädagogisches Programm und verband durch die Bibel die Generationen miteinander. Kinder werden Lehrer ihrer Eltern: „,Wir sind aufgewachsen, wie Heiden,' sagten mir Mehrere [seil. Eltern; A.S.], - wir müssen von unsern Kindern lernen. Jezt sehen wir erst, was ein Schulmeister ist. ' - Viele Eltern sezten sich Abends hin, und ließen sich von ihren Kindern die Bibelgeschichten erzälen, die sie des Tags über in den Schulen gehabt hatten; und weinten und freuten sich, je nachdem die Geschichte war"194. Noch aber fehlte es an einem guten Unterrichts-Medium: an einer Bibelgeschichte. In einem kurzen Tätigkeitsbericht an seinen ehemaligen Landesfürsten Wolfgang Ernst II. von Isenburg-Birstein erzählt Ewald von den ersten Erfolgen in der Lehrerausbildung im Seminar und von seinen weiteren Plänen, was zeigt, daß Ewald den Kontakt mit seinem Landesvater gesucht und gepflegt hat. „Sobald ich Zeit gewinnen kann, werd' ich mich an eine biblische Geschichte zum Gebrauch der Landschulen machen; vielleicht ließe sie sich alsdann auch in meinem Vaterland einführen. - Die hiesige Provinzialschule ist nun eingerichtet; es wird noch ein Lehrer angenommen, so daß alle Fache besezt werden können [...] Nun bin ich an den Landschulen [...] Das Seminar hat den besten Fortgang, und es sind schon einige daraus zu Schulmeistern befördert worden, die sich sehr vor anderen auszeichnen"195. Vor Übersendung seiner o.g. Anweisung für die lippischen Lehrer an Wolfgang Ernst formuliert Ewald sein Ziel, den gesamten Unterricht um den biblischen herum zu organisieren und zu gruppieren. Die Bibel soll die Hauptsache sein: „Bibelgeschichte soll mehr in Gang gebracht, und als das Hauptstük des Unterrichts angesehen werden. Die Anweisung für den Schulmeister schike ich Ihnen auch, so bald sie gedrukt ist - Auch in meinem Vaterland wäre Verbeßerung der Landschulen nötig"196. Ewalds zweites Desiderat ist die Einrichtung eines neuen Katechismus, zu dessen Abfassung er 1786 erste Vorschläge unterbreitet197 und in Aussicht stellt: „Vielleicht muß ich dereinst für das Land einen neuen Katechismus machen; das schwerste Werk, was ein Mann meines Standes unternehmen kann"198. Und Ewald weiß sehr wohl, wovon er redet. Denn schon einmal war ihm ein eigener Katechismus als aufklärungs-theologische Eintagsfliege sozusagen über Nacht in den Händen zerronnen. Das erste Interesse aber galt der nun abzufassenden Bibelgeschichte - der ersten von insgesamt dreien, die Ewald in seinem Leben geschrieben hat. 1786 teilt er mit, „daß ich an einer 194

Ebd., p212f. Ewald an Wolfgang Ernst II. 17.4.1782, Fürst von Isenburgisches Archiv Birstein Nr 14 431. Bibliographie A 8. 196 Ebd., Ewald an Wolfgang Ernst II. 4.6.1783. 197 Ewald, Ueber Schulhalten (Bibl. Nr. 20), p234-246. 198 Ebd., p246. 195

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biblischen Geschichte arbeite, die, meiner Ansicht nach, wenn sie fertig ist, als allgemeines Lesebuch in alle Landschulen eingeführt werden solle"199. Seine grundsätzlich-hermeneutischen Reflexionen über die Rolle der Bibel im Religionsunterricht und in der Theologie insgesamt hatte Ewald bereits drei Jahre vorher als „Briefe über den Gebrauch der Bibelgeschichte beim Religionsunterricht"200 bekannt gemacht, wobei interessant ist, zu beobachten, wie Ewald es vermag, seine geplante praktisch-organisatorische Arbeit bereits im Vorfeld durch seine publizistische Tätigkeit vorzubereiten und stark zu machen. Ewalds gesamtes Wirken in Detmold ist jedenfalls nicht ohne das entsprechende publizistische Organ, die von ihm herausgegebene Zeitschrift „Ueber Predigerbeschäftigung und Predigerbetragen" recht zu würdigen. Die Bibelgeschichte für den Schulgebrauch in Lippe erschien zweibändig 1788 im Druck und wurde in die Schulen eingeführt. Das Buch ist als ein Gemeinschaftswerk anzusehen, da Ewald in der Vorrede berichtet, „daß der Herr Inspektor Krüke auf mein Ersuchen von der Geschichte Salomons an, bis auf das Gespräch Jesus mit Nikodemus die Geschichte ausgearbeitet hat, die mit seiner Erlaubniß von mir nur durchgesehen, hin und wieder abgekürzt, und mit meiner Art zu erzälen, so viel möglich, gleichförmig gemacht worden ist"201. Schon dies zeigt, wie intensiv Ewalds Kooperation mit dem Leiter des Lehrerseminars gewesen ist, der als Mitverfasser allerdings nicht auf dem Titel des Werkes erscheint. Die Bibelgeschichte insgesamt zeugt von hoher Erzählkunst, von einer bestechenden Klarheit und kindgemäßen Ausdrucksart, wobei sich Ewald jedoch viel stärker als viele andere Bibelgeschichten vom Ton der Luther-Übersetzung trennt und den Bibeltext in freier Weise bearbeitet. Gleichzeitig hat Ewalds Schulbuch jedoch auch nichts von derjenigen aufgeklärt-rationalistischen Aufdringlichkeit wie die „Moralische Bilderbibel"202 von Kaspar Friedrich Lossius etwa, was sich besonders in der Behandlung der Wundergeschichten zeigt203. Im Jahre 1789 wendet sich Ewald einem neuen pädagogischen Arbeitsschwerpunkt zu: Nach der Installierung des Bibelunterrichts nämlich soll nun auch dem Realienunterricht eine bessere Fundierung und effizientere Gestalt 199

Ebd., ρ 133. Ewald, Bibl. Nr. 10. 201 Ewald, Bibl. Nr. 38, p8. 202 Lossius, K.F., Moralische Bilderbibel. Auch Schultheß, J., Kinder=Bibel paßt sich an den zeitgenössischen Rationalismus viel stärker an. Noch konsequenter moral- und vorsehungstheologisch allerdings ist folgende Bibelgeschichte, die die von den Philanthropinisten verstärkt angewandte sokratische Fragemethode auf den Bibelstoff anwendet: Anonym, Die ältesten Geschichten der Bibel. Mit einer Vorrede von Salzmann, Chr.G. Am ehesten vergleichbar ist Ewalds erste Bibelgeschichte noch mit der später von Heß u.a. verfaßten mit dem Titel: Anonym, Biblische Erzählungen für die Jugend. 203 Vgl. Kap. III, 6 dieser Arbeit. 200

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gegeben werden. Für die Genese des Realschulwesens hat Ewald eine bisher überhaupt nicht gewürdigte Bedeutung, da er es war, der in seiner pädagogischen Arbeit in Detmold, in Bremen und in Baden philanthropinische Anregungen aufnehmend der Frage verstärktes Augenmerk verlieh, wie die Schule als Realschule die spätere Berufsarbeit der Schüler in den Blick bekommen könne. Naturkunde und Ökonomie sollten daher in den Schulen stärker vermittelt werden, die Schule sollte eine sog. industriose Schule sein, die mehr berufsbildende Inhalte zu vermitteln sich auf die Fahne schreibt. Auch hierfür war ein zweckmäßiges Schulbuch erforderlich, das Ewald 1789 plante204. Nachdem „durch rein=biblische Religionskenntniß ein fester Grund gelegt"205 worden sei, solle nun hierauf aufbauend Realienwissen vermittelt werden. Das entsprechende Lesebuch soll „das Nöthigste von der Naturlehre und Naturgeschichte, die nöthigsten Kenntnisse vom Bau des menschlichen Körpers, Anweisung, sich in leichten oder schnell=gefährlichen Körperzufällen zu helfen; Anweisung zum Landbau, zum Gartenbau, Obstbau, zur Bienenzucht, und zu Führung der inneren Haushaltung für die Mädgens enthalten"206. Ewald hat unter Herbeiziehung verschiedener sachkundiger Fachleute und Freunde dieses Buch selbst verfaßt und es als dritten Band neben seinen beiden Bänden Bibelgeschichte dem „Lesebuch für die Landschulen" einverleibt. Dieser dritte Band erschien 1793, und das gesamte schulpädagogische Elementarwerk zeigt, wie eng verbunden die Bibelpädagogik und der empirisch ausgerichtete Realienunterricht für Ewald sind. Ewald war, wie er selbst berichtet, stark als Kompilator tätig. ,ßlumenbach, Göze, Sander, Hellmuth, Funk und Mehrere haben mir die Materialien gegeben; und ich habe sie nach meiner Art und für meinen Zwek verarbeitet"207. 204

Ewald, Fortsezung der Nachricht von den Anstalten zur Bildung der Landjugend (Bibl. Nr. 44), pl26f und passim. Eine Bibelgeschichte, Rochows ,Kinderfreund', ein neuer Katechismus und das Realienbuch zur Volksaufklärung als ein Corpus soll dann „das ganze Elementarwerk für den Landmann" (pl27) darstellen. Vgl. Wehrmann, V., Aufklärung, ρ 165. 205 Ewald, Ueber den Plan, die Einrichtung und den Gebrauch des dritten Theils des Lesebuchs für die Lippischen Schulen (Bibl. Nr. 79), ρ 114. 206 Ebd., p l l 7 f . 207 Ebd., pl 18. Es handelt sich um zu damaliger Zeit bekannte Naturwissenschaftler: Johann Friedrich Blumenbach (1752-1840) lehrte an der Universität Göttingen, sein ,Handbuch der Naturgeschichte' erlebte sehr viele Auflagen (Göttingen 1779, 12. Auflage 1830). Heinrich Sander (1754-1782) war Lehrer am Karlsruher Gymnasium illustre. Bei ihm ging u.a. auch Johann Peter Hebel zur Schule. Aus seiner Feder stammt z.B. die für Ewalds Plan der Weiterbildung der Landwirte nützliche ,Oeconomische Naturgeschichte für den deutschen Landmann und die Jugend in den mittleren Schulen', Leipzig 1782. Carl Philipp Funke (1752-1807) ist v.a. durch seine .Naturgeschichte und Technologie für Lehrer in Schulen und für Liebhaber dieser Wissenschaft', Braunschweig 1790, bekannt geworden. Johann August Ephraim Goeze (1731-1793) - ein Bruder des Ham-

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Ewald hat sich tief in die zeitgenössische Naturkunde und verwandte Gebiete der empirischen Wissenschaften eingearbeitet und ist hierbei ähnlich vorgegangen, wie später Hebel in seinen naturbetrachtenden Kalenderbeiträgen arbeiten wird, der sich großenteils derselben naturwissenschaftlichen Bücher bedient hat wie Ewald208. Ewald trifft alle Vorsorge dafür, daß diese ,moderne' Art des Unterrichts mit seinen naturkundlichen Inhalten auf keinen Fall den Bibelunterricht verdrängen darf. „An diesem Unterricht nehmen jedoch nur diejenigen Schüler und Schülerinnen Theil, die schon mit der biblischen Geschichte ziemlich bekannt sind"209. Das volksaufklärerische Streben nach Effizienz, Vermittlung von Realienwissen und an der späteren Berufswirklichkeit ausgerichteter lebensnaher Bildung soll auf keinen Fall auf Kosten des katechetisch-biblischen Unterrichts gehen. Von Ewalds Realienbuch wurden „1000 Exemplarien auf öffentliche Kosten"210 verteilt, wobei jeder Landschullehrer ein Exemplar bekam. Zunächst jedoch wurde das Buch Gegenstand des Unterrichts, den die Lehrer zu genießen hatten, die im Lehrerseminar eingewiesen wurden, was und wie aus dem neuen Unterrichtsmedium zu unterrichten sei. Neben die Bibelgeschichte tritt somit ein AufklärungsHandbuch, was die Weltoffenheit Ewalds dokumentiert und seine Bereitschaft zeigt, das empirische Wissen aufzunehmen und weiterzugeben und diesen Unterricht zum Bruder der biblischen Unterweisung werden zu lassen. Beides hängt eng miteinander zusammen, denn „man muß , Alles prüfen und das Beste behalten,' sagt der Apostel Paulus [seil. IThess 5,21; A.S.]; und er hat ja wol nicht unrecht [...] Jede Gelegenheit, etwas Gutes zu lernen, schikt Gott, und will, daß wir sie benuzen, wie das Gleichniß von den Knechten mit den verschiedenen Pfunden, Matth. 25; 14=30. lehrt"211. Die Zusammengehörigkeit von biblisch-theologisch gegründeter Unterweisung und Aufklärungs-Tätigkeit zeigt die Dialektik des Ewaldschen Denkens, die uns in mehrerlei Hinsicht wiederbegegnen wird: Daß Ewald nämlich im geistlichen Bereich an den biblisch-dogmatischen Inhalten in ihrer ganzen ,Positivität' festhält, im weltlichen Bereich jedoch als Aufklärer politisch und pädagogisch tätig wird, ohne jemals das eine gegen das andere auszuspielen212. Auf diese Weise gelingt es Ewald - wie sich noch bestätigen wird - , die burger Pfarrers an St. Katharinen Johann Melchior Goeze - hat sich ebenfalls sein Leben lang in einer ganzen Reihe von Schriften der pädagogischen Vermittlung der wissenschaftlich betriebenen , Naturgeschichte' gewidmet. Johann Heinrich Helmuth, Superintendent in Calvörde im Braunschweigischen ist besonders durch seine neunbändige .Volksnaturgeschichte' (Leipzig 1797-1805) als Naturkundler und Volkslehrer hervorgetreten. 208 Vgl. Steiger, J.A., Bibel-Sprache, pl61-173. 209 210 Ewald, a.a.O. (wie Anm. 205), pl24. Ebd., pl22. 211 Ewald, Vorbericht, in: Lesebuch (Bibl. Nr. 38), Bd. 3, plOf. 2,2 Vgl. Kap. III, 1, p339f und III, 3, p382ff.

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reformatorische Lehre und Unterscheidung der beiden Regimente den nun durch die politische und geistige Aufklärung veränderten Voraussetzungen Rechnung tragend zu reformulieren. Ewalds Tätigkeit als Generalsuperintendent und Pädagoge in Lippe ist also ganz geprägt 1) organisatorisch durch die Einrichtung des Lehrerseminars und die Verbesserung der Schulanstalten, 2) religionspädagogisch durch die Durchsetzung der Bibelgeschichte als Fokus allen Unterrichts und 3) allgemein-pädagogisch von der Einführung des Realienwissens in den Fächerkanon der Schule. Daneben hat Ewald auch durch die Einführung des berühmten ,ßekerschen Noth= und Hülfsbüchleins, und die Sammlung der Lippischen Polizeigeseze [...] die Summe der Jugendkenntnisse etwas vermehrt"213. Mit dem zweiten Titel bezieht sich Ewald auf seine Herausgabe des vom Archivrat Christian Gottlieb Clostermeier erstellten ,,Aiiszug[s] aus den Lippischen Landesgesetze für den Bürger und Landmann"214 (1791), mit dem er im Sinne einer aufgeklärt-politischen Erziehung seine Landsleute mit ihren Rechten und Pflichten bekannt machen wollte, überdies in Revolutionszeiten jeglichem Aufstand zuvorzukommen bemüht war215 und zum Begründer eines schulisch-politischen Unterrichts in Lippe wurde216. Was als Aufklärungsbuch für Kinder gut war, sollte den Eltern billig sein. Deswegen erhielten auch sie ein „Hand= und Hausbuch für Bürger und Landleute welches lehret, wie Sie Alles um sich her kennen lernen, sich gesund erhalten, sich in Krankheit helfen, wie sie ihr Land auf die vortheilhafteste Art bauen, ihre Gärten bestellen, sich gutes Obst ziehen, Bienen mit Nuzen halten, und wie Hausfrauen ihre Wirthschaft ordentlich führen sollen [,..]"217. Der Titel schon ist Programm und Inhaltsübersicht. Die Klappentexte standen damals noch auf der Titelseite. Jetzt wandte sich Ewald der schon angekündigten Arbeit an einem Katechismus zu. Am 26.10.1791 trug er seine diesbezüglichen Pläne „im theologischen Klubb"218 vor. Ewald hatte sich „entschlossen [...], selbst einen [seil. Katechismus; A.S.] zu entwerfen"219, der auf die bisherige Schulreform Rücksicht nehmen sollte, nämlich auf den „hier gewälten Plan, Bibelgeschichte bei'm Religionsunterricht zum Grunde zu legen, und darauf zu bauen"220. Der 213

Ewald, Ueber den Plan (Bibl. Nr. 79), pl 14. Ewald, Bibl. Nr. 65. 215 Vgl. Wehrmann, V., Von dem Versuche. 216 Vgl ebd., bes. pllOf: „Mit dem .Auszug aus den Lippischen Landesgesetzen' hatten die Aufklärer einen neuen Lernbereich thematisiert und damit in der Trivialschule den Umkreis der zu vermittelnden Lerninhalte erweitert." 217 Ewald, Bibl. Nr. 92. 218 Ewald, Meine Meinung über die Grundsäze eines Christlichen Catechismus (Bibl. Nr. 80). 219 220 Ebd., pl32. Ebd. 214

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Katechismus soll - Luthers Definition als Auszug der Heiligen Schrift zufolge - ein „populärer, Bibelgeschichte voraussezender, kindlich brauchbarer Auszug aus der Bibel"221 sein, der als „Fortsezung des Schulunterrichts"222 durch den Pfarrer gelehrt wird, nicht jedoch durch den Lehrer in der Schule. Wie es Ewald schon 1776 Heß gegenüber reflektiert hatte223 möchte er auch jetzt das Frage-Antwort-Schema aufgeben224 und den Katechismus nicht der Lokalmethode der Dogmatik folgend aufbauen, sondern ihm eine „historische Ordnung"225 verleihen, ihn also an der Bibel entlanggehend stärker erzählen lassen. Dieser Katechismus scheint sehr weit gediehen zu sein, da das „Journal für Prediger" 1792 meldet: „Herr Superintendent Ewald giebt einen neuen biblischen Catechismus heraus und läßt denselben itzt im Manuscript unter den Predigern seiner Diöces zur Durchsicht circuliren"226. Allerdings ist dieser Katechismus, soweit ich sehe und vielleicht im Zuge der politischen Querelen, denen Ewald in der jetzt folgenden Zeit ausgesetzt sein wird, nie im Druck erschienen, geschweige denn in die Schulen eingeführt worden. Statt dessen bekam das lippische Land erst 1802 mit Friedrich August von Cöllns „Christlichem Lehrbuch zum Gebrauch für die Jugend in Bürger= und Landschulen"227 ein neues Lehrbuch - übrigens ohne Fragen, allerdings den klassischen dogmatischen loci folgend. Zu Ewalds schulreformerischer Tätigkeit gehörte u.a. auch seine Bemühung um die Förderung der Vokalmusik und die Einrichtung eines Chores, mit der er den Kantor Anton Heinrich Pustkuchen, der einer der ersten gewesen ist, die die Ausbildung im neuen Lehrerseminar durchlaufen hatten, im Jahre 1786 beauftragte228. Ewald selbst förderte diese Art der Musikpädagogik durch , Fünfzig auserlesene Lieder bei Sonnenschein und Regen, beim Heumachen, Kornbinden und Erndtekranz, Flachs= Spinn= und Liebeslieder, daheim und in freier Luft zu singen, wenn man gerne froh ist'229. Ewalds pädagogische Arbeit erschöpfte sich jedoch nicht im Grundschulwesen. Er hat auch dem Detmolder Gymnasium eine neue Verfassung gegeben230 und z.B. „eine Lesegesellschaft für Schulmeister"231 eingerichtet, um den Bildungsstand der Lehrer zu heben und deren Weiterbildung zu fördern. Es wurden für die Lehrer Bücher angeschafft, die sie selbst nicht hätten bezahlen können, denn Bücher waren auch zu damaliger Zeit trotz der Exten221 223 225 226 227 228 229 230 231

222 Ebd., pl34. Ebd., pl35. 224 S.o. p41. Ewald, a.a.O. (wie Anm. 218), pl37. Ebd., pl35. Journal für Prediger 25 (1792), p231. Von Cöllns Katechismus erschien 1802 bei Meyer in Lemgo. Vgl. Geschichte der Stadt Detmold, p300. Bibl. Nrr. 89, 89a, 89b. Ewald, Einführung neuer Geseze bei dem Detmolder Gymnasium (Bibl. Nr. 33). Ewald, Eine Lesegesellschaft für Schulmeister (Bibl. Nr. 100).

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sivierung des Buchdrucks im 18. Jahrhundert und der mit ihr einhergehenden Senkung der Buchpreise immer noch sehr kostspielig232. Die Bücher zirkulierten dann unter den Mitgliedern der Lesegesellschaft. Um der Fortbildung der Lehrerschaft willen bedient sich Ewald eines im Zuge der Aufklärung entstandenen Vereinstyps, der ein höchst wichtiges Podium bürgerlicher Meinungsbildung und eine zentrale Organisationsform bürgerlicher Emanzipation darstellt233. Der Lemgoer Justus Conrad Mensching hatte im Jahre 1771 die erste Lesegesellschaft im lippischen Land ins Leben gerufen, und Gräfin Casimire gründete eine solche in Detmold234. Ewald jedoch gelingt es, in dieser Tradition stehend die moderne Vereinsform speziell und berufsspezifisch in Lehrerkreisen zu etablieren. Daneben hat sich Ewald u.a. auch um die Bildung des Prinzen Casimir von der Lippe gekümmert, zu dessen Konfirmationsunterricht er eigens einen Katechismus verfaßte, der später als Religionslehrbuch für Kinder gebildeter Stände gedruckt wurde235. Mit der Institutionalisierung der Ewald vorschwebenden geschlechterspezifisch zu differenzierenden Mädchenerziehung hatte der Generalsuperintendent eine weniger glückliche Hand. Die 1784 gegründete Mädchenschule unter der Leitung von Johannette Auguste Kroll ging wenig später wieder ein, und auch ein zweiter diesbezüglicher Versuch scheiterte236.

7. Die Zeitschrift,Urania' und andere Schriften Schon 1791 plante Ewald, stärker publizistisch an die Öffentlichkeit zu treten - mit einer eigenen Monatszeitschrift, zu der er versuchte, Köpfe mit Rang und Namen aus Deutschland und der Schweiz an einen Schreibtisch zu bekommen. Am 25.4.1791 wendet sich Ewald mit seiner „Idee zu einer neuen Monatsschrift" an Lavater, den er zur Mitarbeit einlädt. „Sie verstehen mich; begreifen aber auch, daß Sie dazu unentbehrlich sind; daß die Schrift ohne Sie nicht zu Stande kommen kann. Ich hoffe die besten Köpfe Teutschlands und 232

Vgl. Stützel-Prüsener, M., p72. Vgl. Dann, O., Einleitung, p9, der „die konstitutive Bedeutung der Lesekultur in Verbindung mit neuen Formen gesellschaftlicher Organisierung" hervorhebt. Vgl. weiter zur soziologischen Bedeutung der Zeitungslektüre in der Aufklärungszeit: Welke, M. Zur Rolle Carl Friedrich Bahrdts als Organisator einer Lesegesellschaft, die zugleich Buchgesellschaft und Autorenkollektiv mit revolutionär-politischer Absicht war: Mühlpfordt, G. 234 Vgl. Arndt, p429. Die von Ewald gegründete Lesegesellschaft allerdings kennt Arndt nicht, weswegen er sagt: „Später wurde Seminarinspektor Krücke als Leiter einer Lesegesellschaft genannt; allerdings ist ungewiß, ob es sich hierbei um die Fortsetzung der gräflichen Gesellschaft handelte oder um eine Neugründung" (ebd.). Es handelt sich um eine Neugründung - eben um die Ewaldsche. 235 236 Vgl. Bibl. Nr. 74 und 77. Vgl. Arndt, p407f. 233

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der Schweiz, die Sinn für so Etwas haben, zu Mitarbeitern zu bekommen; ich gebe aber die Idee auf, wenn Sie keinen Theil daran nehmen wollen"237. Am 11.5.1791 antwortet Lavater und sagt seine Mitarbeit zu238, ist in der Folge jedoch mit der Einsendung der versprochenen Beiträge saumselig. Monate später beschwert sich Ewald daher bei ihm, berichtet andererseits aber von seinem sonstigen Erfolg bei seiner Requirierung von Beiträgern unter den Gebildeten der Nation. „Sie versprachen mir alle Woche einen Bogen für die Monatschrift; und seit der Zeit sah ich keine Zeile von Ihnen [...] [Karl] Reinhard hat mir geschrieben, mir Melodieen geschikt; - und Sie nichts! [Johann Georg] Schloßer hat mir geantwortet, mir Ideen gegeben; - und Sie nicht! [Friedrich Heinrich] Jakobi hat mir den lezten Brief geschrieben; [Johann Friedrich] Kleuker, [Johann Heinrich] Jung[-Stilling] , [August Rudolph] Warlich (ein zweiter Stilling) haben mir geschrieben; und Sie nicht! - Und Sie nicht!"239. Jacobi hatte tags zuvor versprochen: „Als einen Bettler will ich auch wohl in Ihrer Monatsschrift mich zufällig anmelden, sogar Ihnen im voraus versprechen, daß ich in dieser Eigenschaft erscheinen will"240. Auch an Johann Gottfried Herder wandte sich Ewald mit einem Brief, der recht eingehend das Konzept der projektierten Zeitschrift zeigt241. Herder sagte seine Mitarbeit zu, was aus einem Brief Ewalds an den Dichter Gerhard Anton von Halem hervorgeht242, der jedoch - im Unterschied zu Herder - in der Folge wirklich Beiträge lieferte. Ebenso bemüht war Ewald um die Mitarbeit Johann Georg Zimmermanns, Hofrat und königlich-großbritischer Leibarzt zu Hannover, der nicht zuletzt durch sein Werk „Über die Einsamkeit" bekannt geworden war. „O! schäzbarer Mann, war je eine Koalition für Christenthum, Sittlichkeit, Menschlichkeit und vernünftige Freiheit unter den ächten Christokraten Deutschlands nöthig; so ist sie es jezt"243. Ewald wollte keine theologische Fachzeitschrift begründen, die sich nur an Theologen wendet, sondern eine weltläufige und weltoffene Monatsschrift, durch die es zu einer Koalition der wahren Bibelchristen kommen sollte, aus welchen geisteswissenschaftlichen Sparten die Alliierten auch immer kom237 Ewald an Lavater 25.4.1791, Zentralbibl. Zürich, FA Lav. Ms. 507, 275. Bibliographie A 58. 238 Lavater an Ewald 11.5.1791, Zentralbibl. Zürich, Ms. 558, 89. 239 Ewald an Lavater 11.1.1792, Zentralbibl. Zürich, FA Lav. Ms. 507, 278. 240 Jacobi an Ewald 10.1.1791, in: Jacobi, F.H., Briefwechsel, Bd. 2, Nr. 199. 241 Der gesamte Text des Briefes wird im Anhang, Text Nr. 4 mitgeteilt. 242 Ewald an von Halem 11.1.1793, in: von Halem, G.A., Selbstbiographie, pl53: „Dalberg, Jacobi, Schlosser, Herder, Lavater, Jung, Rehberg, Kosegarten und Mehrere werden mit arbeiten." Autograph in der LB Oldenburg, Bibliographie A 55. 243 Ewald an Zimmermann 19.2.1793, Niedersächs. LB Hannover Ms XLII, 1933 A II, 20. Bibliographie A 33.

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men mochten: aus der literarischen, philosophischen, geschichtswissenschaftlichen, theologischen und medizinischen. Ewalds Ziel war eine Koalition derjenigen, die am positiven Christentum festhalten, sich aber doch des modernen publizistischen Mediums einer Zeitschrift bedienen wollen, um der Berliner Aufklärung244 und ihrem theologischen Rationalismus ein Gegengewicht entgegen zu setzen. An Zimmermann schreibt Ewald daher: „Und ich muß doch, auch für die arme Urania mehr thun. Sie wird schon vor ihrer Geburt verfolgt [...] In Berlin wurden von der Censur manche Aufsäze verworfen; ich urtheile nicht darüber, mit welchem Recht: Auch der Herr Verleger näselte über Manches, was ihm zu wenig sozinianisch und deistisch war. Ich nahm also das Manuskript von da weg, und gab's in der Geschwindigkeit der Helwing'schen Handlung in Hannover. Gestern hör' ich, das Berliner Ministerium habe nach Hannover geschrieben und gebeten, man möge doch den Druk nicht erlauben. Nun ist es zwar nicht zu erwarten, daß sich das feste Hannöverische Ministerium erst von Berlin aus werde belehren laßen, was Arznei oder Gift sey: aber schon der Aufenthalt, den es geben könnte, macht mich verlegen. Wolten Sie nicht, verehrungswürdiger Mann, die Arme, Verfolgte in Ihren bedeutenden Schuz nehmen? nicht für Sie ein gutes Wort reden?"245. Nicht deistisch und sozinianisch genug war der Berliner Zensur Ewalds Monatsschrift, und man merkte in Berlin genau, daß in der,Urania' ein Wind wehen sollte, der dem Berliner Geiste mit aller Vehemenz entgegenschlagen könnte. Die Aufklärung, die sich die Pressefreiheit mit großen Lettern auf die Fahne geschrieben hatte, war nicht zimperlich in der Handhabung der Zensur, wenn es darum ging, Andersdenkenden den Zutritt zum Podium der Öffentlichkeit zu erschweren: Paradox, aber historische Wirklichkeit. Nicht bei Unger in Berlin, auch nicht bei der dortigen Frankeschen Buchhandlung, die am 9.2.1793 in der Allgemeinen Literatur-Zeitung' eine Vorankündigung abdrucken ließ246, sondern bei Helwing in Hannover erschien schließlich die ,Urania'. Und Helwing ließ es sich nicht nehmen, die unlauteren Gepflogenheiten der Berliner Zensur an die Öffentlichkeit zu bringen: „Die strenge Berliner theologische Censur verhindert indess den Herrn General-Superin-

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Einen Einblick in die geistesgeschichtliche Situation in der Hochburg der deutschen Aufklärung Berlin gibt anhand von Studien zu Friedrich Nicolai: Möller, H. 245 Ebd. (wie Anm. 243). Aus einem Brief Ewalds an von Halem geht zudem hervor, daß die .Urania' auch in Hannover bei den Zensoren in Ungnade gefallen ist. Anscheinend wurde sie nur wieder freigegeben, weil Zimmermann sich als Hofrat für sie eingesetzt hat. „Und in Hannover war sie [seil, die Urania; A.S.] auch schon verboten, ist jedoch wieder frei gegeben worden." Ewald an von Halem 19.3.1793, LB Oldenburg, Bibliographie A 55. 246 Intelligenzblatt der ALZ 9.2.1793, Sp. 84.

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tendent Ewald, den Verlag der angezeigten Urania der Frankeschen Handlung in Berlin zu überlassen, und Er hat ihn uns [...] übertragen"247. Ebenfalls in der ALZ hatte Ewald in Aussicht gestellt, daß die Urania auch zu politischen Fragen nicht schweigen werde, „da die grossen Revolutionen in der politischen Welt mit ihren wichtigen Folgen für Denkfreyheit, Religion, Sittlichkeit und Glück, natürlich eine Hauptangelegenheit der Meisten meiner Zeitgenossen sind"248. Da ist sie wieder, die Spannung, die Ewald kennzeichnet und ihn so spannend macht. In theologischer Hinsicht ist er biblischorthodox, was der Berliner Zensur nicht verborgen bleiben konnte; politisch jedoch ist Ewald begeistert und beseelt von dem Geist der Aufklärung, so sehr er jeglichen aufgeklärt-theologischen Deismus und Sozinianismus bekämpft. Drei Jahre lang erschien die ,Urania' und hatte manches zu bieten. Für Poetisches sorgten u.a. Goethe, von Halem und Hölderlin und der Rügener Dichtertheologe Ludwig Theobul Kosegarten. Einen Beitrag zur Ästhetik bot Karl Theodor A.M. von Dalberg, theologische Beiträge lieferten Lavater, Jung-Stilling249 und Ewalds Detmolder Freund von Cölln. Johann Friedrich Kleuker findet sich unter den Beiträgern, ein bedeutender, aber heute auch eher unbekannter Theologe, den Frank Aschoff jüngst in Erinnerung gerufen hat250. Kleukers Übersetzung des Werkes Piatons ist über derjenigen Schleiermachers vergessen worden. Kleuker hat ähnlich wie Ewald den Mittelweg zwischen Neologie und Orthodoxismus beschritten, sich besonders der biblischen Apokalyptik gewidmet und in der Erforschung des Werkes Tertullians eine nicht unbedeutende Rolle gespielt, über den sich denn auch ein Aufsatz in der Urania findet. Friedrich Bouterwek, der spätere Göttinger Professor für Philosophie aus dem Kreise Jacobis, arbeitete mit an der ,Urania', ebenso Johann Georg Schlosser, der Schwager Goethes. Nicht nur Schleiermachers Schwester schätzte die neue Zeitschrift sehr251. Neben Ewalds pädagogischer und publizistischer Arbeit, dürfen seine politisch-philosophischen, homiletischen und poimenischen Aktivitäten nicht vergessen werden. Aus seiner Predigttätigkeit als erster Prediger in Detmold erwuchsen bis zum Jahr 1796 allein 17 kleinere und größere Predigtsammlun247

Ebd. Intelligenzblatt der ALZ 21.12.1793, Sp. 1109f, hier: Sp. 1109. 249 Zu Stillings Mitarbeit vgl. Schwinge, G., p58f. 250 Auf die geistige und theologische Nähe Kleukers zu Ewald geht Aschoff allerdings nur am Rande ein. 251 Vgl. Schleiermacher, F.D.E., Briefwechsel 1796-1798, p22. Schleiermachers Schwester hatte ihren Bruder auf die ,Urania' aufmerksam gemacht: „Mache dich mit unserm lieben Ewald bekant [...] O! wie manichfaltige Stellen wünschte ich mir mit Dir zu lesen." Vgl. ebd., p61. Von seiner Schwester bekam Schleiermacher einige Abschriften aus Ewalds Zeitschrift zugesandt (vgl. ebd. pl49), auf die Schleiermacher würdigend, wenngleich nicht überschwenglich reagierte (vgl. ebd., pl71). 248

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gen, darunter besonders hervorzuheben das breit angelegte Projekt der „Predigten über die wichtigste und eigenthiimlichste Lehren des Christenthums"252. Ewald steht hier ganz in der Tradition der Katechismuspredigt, indem er nach den klassischen loci der Dogmatik sich in freier Weise richtend den Gläubigen eine Laiendogmatik in Form einer Predigtreihe an die Hand gibt. Ewald wendet sich an die Christenmenschen, die durch die aufgeklärte Bibel- und Dogmenkritik, die sich zunehmend auch auf den Kanzeln breit machte, an der Bibel irre geworden sind und der Vergewisserung bedürfen. „Ein Solcher solte dann über die verstellte Lehre Eine dieser Predigten zur Hand nehmen, und daraus sehen, was eigentlich die Bibel darüber lehrt und nicht lehrt, was menschliche Vorstellungsart ist, die man bei Seite sezen kann, und was eigentliche Gottesoffenbarung ist, die man nicht bei Seite sezen darf' 253 . Katechetisches Interesse an der Vermittlung einer christlichen Grundbildung und seelsorgliche Bemühung um die durch die zeitgenössische Theologie verwirrten Gläubigen treten hier dergestalt zusammen, daß der Katechismuspredigt im Kontext der Aufklärungszeit eine neue poimenische Relevanz zuwächst. Gewißheit zu stiften, ist daher immer wieder das erklärte Ziel des Ewaldschen Schaffens254. Könnten die umfangreichen Predigtsammlungen Ewalds noch als Nebenprodukt seiner ihm sowieso abgeforderten Predigttätigkeit angesehen werden, so zeugen seine Arbeiten auf dem Gebiet der Erbauungsliteratur von seinem ungeheuren Fleiß und von seiner fast unbändigen Produktivität, die stets darum bemüht war, Theologie als eine solche zu betreiben, die sich auf der Ebene der praktizierten Frömmigkeit und im Leben der Gemeinde Christi zu bewahrheiten hat, ohne dabei jedoch in Verflachungen zu verfallen. 1786 erschien ein Lese- und Erbauungsbuch über die Gleichnisse Jesu255, 1790 ein Seelsorgehandbuch mit dem Titel „Lazarus. Für gebildete Christusverehrer, besonders für Leidende"256. 1794 folgte ein Lesebuch über die Apk, in dem sich Ewald klar von allem Chiliasmus und aller Endzeitberechnung erneut distanziert, dennoch aber die revolutionären Zeitläufte als einen Vorschein der Endzeit begreift257. Ähnlich versucht Ewald in „Gesinnungen und Trostgründe des Christusverehrers in unserer bedenklichen Zeit"258 angesichts der Französischen Revolution Trost zu spenden, indem er Gott hinter den Umstürzen eschatologisch handeln sieht, der das Hohe erniedrigt und das Niedrige erhöht259. 1795/96 erschien ein bibel-narratives Erbauungsbuch über die 252 253 254 255 257 258

Vgl. Bibl. Nrr. 27-29, 55, 56, 66, 69, 134, 185, 293, 294. Ewald, Der Geist des Christlichen Gebätes (Bibl. Nr. 26), p9. Zur Relevanz der Gewißheit in Ewalds Theologie vgl. u. pl75 u.ö. 256 Bibl. Nr. 21. Bibl. Nr. 49. Ewald, Die lezten Scenen (Bibl. Nr. 114). 259 Bibl. Nr. 90. Vgl. Kap. II, 8 dieser Arbeit.

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Davidsgeschichte260; weitere Schriften widmen sich der Wahrung der christlichen Lehrinhalte angesichts der Lehrverkürzungen durch weite Teile der Aufklärungstheologie. Hinzu kommen noch viele kleinere Schriften und Beiträge z.B. in Boies ,Deutschem Museum' und in Beneckens Jahrbuch für die Menschheit'261 u.a. Organen. 1790 betrat Ewald das Podium der aktuellen philosophischen Diskussion, denn es erschien sein Buch über die Kantische Philosophie262, das eine eingehende Befassung ihres Verfassers mit Kants kritischer Philosophie verrät und andererseits eine durchaus eigenständige Kritik an Kant formuliert, ohne dabei die Ergebnisse des Denkens Kants einfach zu verwerfen. Die Art und Weise, in der Ewald Kant rezipiert, aber dennoch versucht, mit Kant über Kant hinauszugehen, wird später zu thematisieren sein263. Friedrich Heinrich Jacobi jedenfalls wußte sich in der Kritik an Kant mit Ewald zumindest teilweise eins. Sich für die Übersendung des Ewaldschen Buches bedankend hatte Jacobi bereits vermutet, daß man sich in Königsberg bestenfalls peripher mit Ewalds Kritik beschäftigen würde: „Mich verlangt zu sehen, wie die Leute des Mannes von Königsberg es mit dem Büchlein halten werden. Wahrscheinlich tadeln sie nur dieses oder jenes an Ihrer Darstellung des Kantischen Lehrbegriffs und übergehen Ihre Instanzen, als wenn diese damit aufgehoben wären"264. Daß Kant jedoch überhaupt nicht oder vielmehr mit absolutem Stillschweigen reagieren würde, hat nicht einmal Jacobi zu vermuten gewagt. So jedoch kam es. Eine von Ewald sicherlich erwünschte Kommunikation zwischen Königsberg und Detmold kam nicht zustande, weder polemisch noch freundschaftlich. Nur Jacobi bescheinigte Einigkeit mit Ewald: „Es ist Ihnen ergangen, wie es mir anfangs bei der Kritik der reinen Vernunft erging: Sie konnten sich die Sache so arg nicht vorstellen, wie sie ist"265.

8. Politische Aufklärung - Streit mit der lippischen Ritterschaft Berufung nach Bremen 1790 begann Ewald damit, als aufgeklärt-politischer Schriftsteller tätig zu werden: mit einem Buch „Über Volksaufklärung; ihre Gränzen und Vortheile"266, das ein Jahr später bereits eine zweite Auflage erlebte. In seinem Buch „Über Revolutionen, ihre Quellen und die Mittel dagegen"267 wurden Ewalds Äußerungen politisch konkreter, womit er sich einen Streit mit der lippischen 260 262 264 265

261 Bibl. Nr. 117. Vgl. Bibl. Nrr. 3 9 ^ 1 . 263 Bibl. Nr. 53. Vgl. Kap. III, 2 dieser Arbeit. Jacobi an Ewald, Thomastag 1790, in: Jacobi, F.H., Briefwechsel, Nr. 193. 266 267 Ebd. Bibl. Nr. 57. Bibl. Nr. 68.

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Ritterschaft einhandelte268: Der Adel habe durch freiwillige Verzichtleistung auf seine Privilegien dafür Sorge zu tragen, daß Revolutionen verhindert werden. Innerhalb von zwei Jahren erlebte diese Schrift drei Auflagen. Äußerst kämpferisch im Ton und mitreißend geschrieben verficht auch Ewalds Buch „Was sollte der Adel jetzt thun?"269 diese Forderung, durch die Ewald mit beißender Kritik die Ständegesellschaft in ihren Mißständen angreift und danach ruft, endlich die Vernunft auf den Richtstuhl zumindest in weltlichen Dingen zu erheben. So sehr Ewald den Rationalismus in der Theologie als Selbstzweck bekämpft, so sehr ist er auch hier wieder auf der anderen Seite, nämlich im Reich der Welt, ein Kämpfer für die Durchsetzung der politischen Vernunft270. Anlaß für die genannte Schrift gab u.a. die Weigerung der lippischen Ritterschaft, einen finanziellen Beitrag zur Verteidigung des Reiches gegen die französischen Revolutionsheere zu leisten. Die Ritterschaft reklamierte vermeintliche Privilegien271. Ewald wetzte das Messer gegen den sich verweigernden Adel und wurde daher über Nacht zum Tagesgespräch im gesamten Reich. Ein Republikaner ist Ewald nicht, aber er verficht die Idee von einer aufgeklärten monarchischen Verfassung, die sich durch Reformen von oben den aufgeklärten, menschenrechtlichen Grundideen und dem Naturgesetz gemäß von innen heraus zu reformieren hat, um weiterhin und legitim den Anspruch auf politische Herrschaft erheben zu können. Die lippische Ritterschaft wußte, was die Stunde geschlagen hatte, und unternahm einen Gegenschlag. Zunächst beschwerte man sich bei der fürstlich-lippischen Regierung über Ewald, ohne dabei jedoch einen Erfolg für sich verbuchen zu können272. Es folgte eine Appellation an den Reichshofrat in Wien - das schwerste Geschütz, das man gegen Ewald aufzufahren vermochte. Die Beschwerde lautete dahingehend, daß Ewald dem revolutionären Ungeist der Zeit das Wort rede und das Volk gegen die rechtmäßigen Herrscher aufwiegele - eine Behauptung indes, die in Ewalds Schriften keinen Anhalt fand. Zu stark hatte der sich nämlich solche Vorwürfe ahnend mitunter durch die Herbeiziehung von Rom 13, Iff abgesichert. Obwohl sich Ewald des Schutzes seiner Regierung sicher sein und wissen durfte und er tatsächlich in ihr eine schätzbare Verteidigerin hatte, fühlte sich dieselbe im Laufe der Zeit dann doch dazu gedrängt, gegen ihren Generalsuperintendenten aufgrund einer Verfügung aus Wien einen Verweis auszusprechen. Dies geschah am 25.8.1794. Und dieser Verweis traf Ewald völlig unerwartet, da er weder von der Anklage überhaupt wußte, noch auch jemals in dieser Angelegenheit von 268 vgl. zum Zusammenhang: Kiewning und Arndt, p382-388. 269 270 271 272

Bibl. Nr. 93. Vgl. u. Kap. III, 3, p375f. Vgl. ebd., p377-379. Vgl. Kiewning, pl69.

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der Regierung angehört worden war. Tags darauf wendet sich Ewald daher mit einer Beschwerde an die fürstliche Regierung 273 . Und wenig später reichte Ewald eine umfangreiche Verteidigungsschrift ein. Die Ritterschaft allerdings klagte Ewald im November 1794 erneut in Wien an mit der Begründung, Ewald habe in der ,Lippstädter Zeitung' 274 eine neue Schrift gegen den Adel angekündigt, wovon jedoch überhaupt nicht die Rede sein konnte 275 . Ewald reagiert 276 : „An Fürstliche Regierung. Mit Verwunderung habe ich aus einem Reskript Fürstlicher Regierung v o m 8ten dieses gesehen, daß die Ritterschaft dieses Landes abermals bei einem Höchstpreislichen Kaiserlichen Reichshofrath gegen mich eingekommen ist, und, daß ich eine neue Schrift gegen den Adel angekündigt habe, vorgegeben hat. D a Ich nun weder eine solche Schrift angekündigt noch solche zu schreiben, den Gedanken gehabt habe: so muß ich inständigst um Communikation der neuen Ritterschaftlichen Klage ehrerbietigst und dringend bitten, um gegen diese, mir unbegreifliche Angabe mich vertheidigen zu können. Detmold den I l t e n November, 1794.

273

Ewald."

StA Detmold L 77 A 153. Bibliographie A 20: „Es ist mir so unerwartet, als äußerst kränkend gewesen, von Fürstlicher Regierung Namens eines Hochpreißlichen Kaiserlichen Reichshofraths, über meine Schrift: ,was solte der Adel jezt thun?', unterm 25ten dieses, einen so harten Verweiß zu erhalten, da ich in der ganzen Sache noch gar nicht gehört, also mit einer, für jeden Ehrliebenden äußerst drükenden Strafe, ehe ich mich noch verantworten konnte, belegt worden bin. Da ich indeß, eben daraus, daß nach dem Willen eines so gerechten höchsten Reichsgerichts auf diese Art mit mir verfahren worden, schließen muß, dieses Urteil sey durch die Einseitige Vorstellungen der hiesigen Ritterschaft erschlichen worden, indem ich mir bei der ganzen Schrift keiner andern, als einer guten, menschenfreundlichen Absicht bewußt bin: so wird Fürstliche Regierung ehrerbietigst gebeten, die sämtlichen Eingaben der hiesigen Ritterschaft gegen mich, mir nicht nur bald zu kommuniziren, sondern mir auch eine hinlängliche [!] Frist zu meiner Verantwortung zu bestimmen. Da auch, dem Vernehmen nach, von Fürstlicher Regierung an die hiesige Ritterschaft schon ein Bescheid in der Sache ertheilt worden: so bitte ich auch um Mittheilung dieses Bescheids, um mich ganz in dieser, für mich so unerwartet-kränkenden Sache orientiren zu können. Detmold den 26ten Aug. 1794. Ewald." 274 Vgl. Bibl. Nr. 97. 275 Vgl. Arndt, p388: „Tatsächlich hatte Ewald sich nur gegen einen anonymen Kritiker seiner Adelsschrift zur Wehr gesetzt und in diesem Zusammenhang auf weitere Ausführungen hingewiesen. Da das Erscheinen des Artikels vor der Erteilung des Verweises lag, stieß der Vorwurf gegen ihn, fortgesetzte antiadlige Agitation zu betreiben, ins Leere." 276 StA Detmold L 77 A 244.

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Ewald hatte sich nämlich lediglich erlaubt, auf ein anonym erschienenes Buch mit dem Titel „Ein Wort eines Adelichen an den Adel"277 zu antworten, das sich u.a. vorgenommen hatte, Ewalds „Vorwürfe zu entkräften und ganz kurz zu zeigen, ,daß der Adel (auch in der jetzigen Zeit), seine, von seinen Vorfahren rechtmäßig erworbenen Vorrechte (ohne Ausnahme) als sein wirklich legales Eigenthum [...] bewahren, und gegen jeden mit Blut und Leben vertheidigen solle' (S. 284.)"278. Zudem ging in Detmold das Gerücht um, daß Ewald „mit 50 Louisd'or bestochen worden sey; gegen den Adel zu schreiben"279. Daher ließ Ewald einen kurzen Artikel in die ,Lippstädter Zeitung' einrücken280, um sich gegen diesen Vorwurf zu verwahren. Und in diesem von der lippischen Ritterschaft angegriffenen und zum Anlaß für eine neuerliche Anklage in Wien genommenen Artikel hatte Ewald lediglich angekündigt, sich über eine spezielle pädagogische Frage einmal ausführlicher zu äußern, nämlich über „die Geschichte und die fehlerhafte Erziehung des Adels"281. Dringend fordert Ewald daher von seiner Regierung, für „Satisfaction und genugthuende Erklärung"282 zu sorgen. Dies jedoch hat nie stattgefunden, und die fürstliche Regierung war nicht gewillt, überhaupt noch irgendetwas in dieser ihr lästigen Streitsache zu unternehmen. Obendrein wurde Ewald, aber auch der ebenfalls unter dem Verdacht antiadliger Agitation stehende Jakob Ludwig Passavant, durch die Ritterschaft im gesellschaftlichen Leben diskriminiert283. Daher zog Ewald die Konsequenzen, da er nicht mehr im Dienste einer Obrigkeit stehen wollte, die ihn fallengelassen und damit auch seiner Vertrauenswürdigkeit als erstem Geistlichen des Landes einen Schlag versetzt hatte. Ewald beantragte seine Entlassung. Seine Entlassungsurkunde284 ist datiert auf den 5.12.1796, nimmt jedoch keinen Bezug auf die wirklichen Gründe für das von Ewald gewünschte Ausscheiden aus den Diensten in Lippe-Detmold. Der Ruf nach Bremen jedenfalls kam Ewald wie gerufen.

277

Die Schrift erschien in Karlshaven 1793. 279 StA Detmold L 77 A 256. Ebd., A 257. 280 281 Bibl. Nr. 97. StA Detmold L 77 A 257. 282 283 Ebd., A 259. Vgl. Arndt, p388. 284 LKA Detmold, Konsistorial-Registratur Rep. II Tit. 13 Nr. 1 (309), Nr. 81. Bibliographie A 22: „Von Gr. G. Wir Friedrich Wilhelm Leopold d.J. Urkunden und bekennen hiermit, [...] daß Unser bisheriger Consistorialrath und Generalsuperintendent Herr Ewald Uns unterthänigst zu erkennen gegeben, daß er wegen eines aus der Kayserl. freyen Reichsstadt Bremen als Prediger dorthin erhaltenen Berufs veranlaßet sey, um die Entlaßung aus seinen Uns am Consistorio, auch durch Predigen bey hiesiger und Aufsicht auf die übrigen reformirten Kirchen Unseres Landes und deren Lehrer bisher geleisteten Diensten zu bitten." 278

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Ewald wurde bescheinigt, daß er „mit besonderer Treue und Fleiß zu Unserem gnädigsten Wohlgefallen"285 seine Dienste verrichtet habe. Dennoch: Was so versöhnlich klingt, ist in Wahrheit der Abschluß einer mit vielen Verletzungen einhergegangenen Resignation Ewalds. Der Ruf an die zweite Pfarrstelle von St. Stephani in Bremen war ihm nur ein willkommener Anlaß, dem lippischen Land den Rücken zu kehren. In seinem letzten Circulare wendet sich Ewald noch einmal an die gesamte Pfarrerschaft, dankt für die fruchtbare Zusammenarbeit und ist demütig genug, jedenfalls nach außen, in den ihm nicht günstig gesinnten Zeitläuften die göttliche Führung und einen göttlichen Wink zu sehen: „Wertheste Herren Brüder; Dieß ist das letzte Circulare, daß ich an Sie erlaße, und ich erlaß es nur Ihnen zu sagen, daß es das letzte ist. Ein Zusammenstoß von Umständen, den ich nicht anders, als für Wink deßen ansehen konnte, der bisher immer mein Schicksal durch solche Winke regieret hatt, bestimmte mich und muß mich bestimmen, meine hiesige Stelle niederzulegen, und meinen schönen Wirkungskreiß zu verlaßen. Ich thue es mit blutenden Herzen und mit thränenden Augen, Aber in Gehorsam gegen meinen Herrn, der mir zeigte, daß ich hier nicht mehr, aber wohl an einem andern Orte wirken könne und solle"286. Was seine theologische und pädagogische Arbeit angeht, verließ Ewald Detmold als Sieger. Er hatte in 15 Jahren eine ganze Reihe von Erfolgen auf den verschiedensten Gebieten erlangt, war inzwischen ein in Deutschland zu gewissem Ruhm und Anerkennung gelangter Theologe geworden, der im Rampenlicht der Öffentlichkeit stand. Politisch aber hatte Ewald eine Niederlage einstecken müssen. Und er ging nach Bremen, nicht zufällig in eine Stadt, in der es eines zumindest nicht gab: eine Ritterschaft. Eineinhalb Jahre nach seinem Fortgang aus Detmold äußert sich Ewald dem Fürsten Leopold Friedrich Franz von Dessau gegenüber, mit dem er in regem brieflichem Kontakt stand, recht verbittert über die Art und Weise, in der der Adel ihn aus seiner Position in Detmold herausgedrängt hat. „Der Hass des Adels, den ich mir durch meine gutgemeynte, aber unvorsichtige kleine Schrift zugezogen hatte, war stark genug, mich aus meinem großen, schönen Wirkungskreise zu vertreiben. Wenigstens glaubte ich, es der guten Sache schuldig zu seyn, jenes Amt niederzulegen, weil diese Sache um meinetwillen gehaßt wurde, also durch mich litt, da ich alles in der Welt gethan hätte, um ihr noch mehr aufzuhelfen. Ich schied also freiwillig heraus und lebe jezt in meinem kleinen, aber auf Einen Punkt konzentrirten Kreise, ruhig und zufrieden, bis es etwa 285 286

Ebd. LKA Detmold, Pfarrarchiv Schwalenberg Nr. 149, Bibliographie A 26.

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dem Herrn meines Schiksals gefällt, meine Kräfte mehr zu brauchen, bin aber auch zufrieden, wenn es ihm nicht gefallen solte"287. Es ist eben doch ein großer Unterschied, der erste Geistliche in Lippe zu sein, oder hernach zum zweiten Prediger einer Bremer Gemeinde abzusteigen - ein Abstieg, den Ewald nicht so leicht verkraftet hat. Aber immerhin war Bremen nicht irgendein Ort in Deutschland. Denn die Hanseaten waren selbstbewußt und die Ansgari-Gemeinde z.B. nicht zu bescheiden, dem berühmten Lavater im Jahre 1786, als dieser am Zenit seines Ruhmes angelangt war, die dritte Predigerstelle anzubieten und ihn auf dieselbe zu berufen. Lavater allerdings hatte damals nicht zugesagt288. Nachfolger Ewalds als Generalsuperintendent in Lippe wurde sein Freund Ludwig Friedrich August von Cölln289, ein Landeskind. Von der lippischen Lehrerschaft Abschied nehmend, die Ewald natürlich auf eine besondere Weise ans Herz gewachsen sein mußte, anempfiehlt Ewald derselben von Cölln in einem Artikel in den ,Lippischen Intelligenzblättern'290 auf das dringlichste291. Von Cölln jedenfalls wußte die von Ewald in Lippe begonnene Arbeit mit aller Kraft in dessen Geiste auf fruchtbare Weise weiterzuführen292. Persönliches über Ewalds Zeit in Detmold ist nur recht spärlich zu erfahren. Im Sommer 1793 gab es ein Treffen zwischen ihm und seinem Freund Lavater in Detmold, wovon ein kleiner Reflex in einem Brief Ewalds an Lavater zu finden ist293. Lavater befand sich auf der Durchreise nach Kopenhagen, die er in seiner Schrift „Reise nach Kopenhagen im Sommer 1793. Auszug aus dem Tagebuch"294 beschrieben hat, was jedoch Fragment geblieben ist und über den Aufenthalt in Detmold nichts berichtet. Sehr eng scheint Ewalds Freundschaft mit seinem ehemaligen Studienkollegen aus Marburger Zeit Jakob Ludwig Passavant gewesen zu sein, der seit 1787 zweiter Prediger in Detmold war. Über seine Freundschaft mit ihm schreibt Ewald einmal an Lavater: „Und Sie sind so oft der Gegenstand unserer traulichen Unterhaltungen, wenn Paßavant im Schlafrock durch meinen Garten zu mir schleicht, oder ich zu ihm; und auch hier hat sich ein Kreiß edler Menschen gebildet und vereinigt, der Sie liebt und sich an Ihren Schriften labt"295.

287 Ewald an Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau 18.5.1798, in: van Kempen, W„ pl76. 288 289 Vgl. Lüdecke, F. Vgl. Dreves, p38f. 290 Zu diesem Organ, das speziell in der Pfarrerschaft des lippischen Landes einen breiten Leserkreis hatte, vgl. Huneke, F. 291 292 Bibl. Nr. 133. Vgl. Wehrmann, V., Aufklärung, passim. 293 Ewald an Lavater 25.5.1794, Zentralbibl. Zürich FA Lav. Ms. 507, 284. 294 Lavaters Reisebeschreibung erschien ohne Orts- und Jahresangabe 1794. Vgl. Weigelt, H„ Stille im Lande, pl90. 295 Ewald an Lavater 28.4.1791, Zentralbibl. Zürich FA Lav. Ms. 507, Nr. 275.

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Mit Schmerz hat Ewald die Abkehr Johann Jacob Stolz' vom biblischen Christentum hin zur Neologie registriert. Stolz entstammte dem Kreise um Lavater, war Ewalds Nachfolger in Offenbach geworden und trat später als Kollege Ewalds in Bremen in einen erbitterten Streit mit ihm über die Inhalte der Christologie296. Und auch Johann Caspar Häfeli begann, der Neologie immer mehr Zugeständnisse zu machen - jener Häfeli, mit dem Ewald später gemeinsam das Schulwesen in Bremen reformieren sollte. Zornig und enttäuscht gleichermaßen schreibt Ewald am 12.12.1795 an Lavater: „Stolz und Häfely haben öffentlich auch mit Cölln gebrochen, und er mit ihnen. Ich find' es recht! Was sollen Menschen, die Christus bei Seite schieben, und Menschen, denen Er Alles ist, neben und miteinander?"297. In der zweiten Hälfte des Jahres 1795 hatte Ewald an einer schweren Erkrankung zu leiden, ob in Folge jahrelanger Überarbeitung oder des kraftund nervenaufreibenden Streites mit der lippischen Ritterschaft oder von beidem, läßt sich wohl kaum ausmachen. „Längst hätt' ich dir geantwortet, lieber, theurer L[avater]; hätt' ich mich nicht 1/2 Jahr lang, unaufhörlich bereit halten müßen, vor unserem Herrn zu erscheinen, und Ihm zu antworten. Ich war an Bluthusten, Brustschmerzen und faktischem Fieber sehr krank; bin aber völlig hergestellt, und es scheint, ich soll noch eine Zeitlang in Entfernung von ihm wirken. Sein Wille geschehe!"298. Wegen seiner Krankheit sah sich Ewald u.a. genötigt, die Zeitschrift,Urania' aufzugeben299.

9. In Detmold liegengebliebene Pläne: Reform der Pfarrerausbildung - Predigerseminar Wegen seines Wegganges aus Detmold mußten indes auch einige angefangene Arbeiten liegen bleiben, so z.B. die von Ewald ergriffene Initiative, die praxisorientierte Zurüstung der künftigen Pfarrer zum Predigt- und Seelsorgeamt in die Hände der Kirche selbst zu legen. Ewald hat nicht nur ein Lehrerseminar eingerichtet, sondern sich ernsthaft auch um die Einrichtung eines Seminars für Prediger gekümmert. Die Folgen nämlich der Etablierung der historisch-kritischen Wissenschaft und der mit ihr erwachsenen Neologie, die bei Ewald immer wieder philosophisches' Christentum genannt wird, 296

Vgl. Kap. I, 11 dieser Arbeit. Ewald an Lavater 12.12.1795, Zentralbibl. Zürich FA Lav. Ms. 507, Nr. 290. 298 Ebd. 299 Ebd.: „Es ist der Korrespondenz zu viel; ich soll dabei in jedes Stiik [seil, der Zeitschrift; A.S.] einen Aufsaz liefern, und das vermag ich oft bei meinen vielen anderen Arbeiten nicht. Ich will nun sehen, ob ich meinen Zwek auf eine andere, für mich weniger belastende Art erreichen kann." 297

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ohne daß Ewald darum gegen die Philosophie überhaupt voreingenommen wäre, waren im Hinblick auf die Pfarrerausbildung nicht zu übersehen. Die vom Studium zurückkehrenden Kandidaten, die Ewald nun zu examinieren hatte, hatten nicht nur eine Ausbildung genossen, die mit der Praxis wenig zu tun gehabt hatte. Die besondere Schwierigkeit liege vielmehr darin, daß die auf die Universitäten ziehenden jungen Menschen ihre von zu Hause mitgebrachte naiv-kindliche Bibelfrömmigkeit durch die historische Kritik einbüßten, was nicht so einschneidend wäre, wenn nicht der traurige Umstand immer wieder zu beobachten sei, daß die vor allem negativ-destruierende Kritik nicht dazu fähig sei, etwas Positives an die Stelle dessen zu setzen, was vorher durch die Kritik ausgeschieden worden ist. Es komme also zu keiner Doppelreflexion, mittels deren nach Beschäftigung mit der historischen Kritik eine Wiederanverlobung der biblischen Theologie und Frömmigkeit erreicht würde. „Er [seil, der junge Student; A.S.] hat gute religiose Grundsäze von Hause mitgebracht; glaubt einfältig der Bibel, als Gottes Wort, aber jezt hört er, das sey alles ganz anders! Diese und diese Bücher der Bibel gehören - wie längst erwiesen - gar nicht in den Kanon; in diesen und jenen Stellen stehe - wie längst erwiesen - gar nicht, was er immer darinnen gesehen; an diesen und jenen Lehren, die ihm so wichtig beschrieben worden, die er für so wichtig gehalten, sey - wie längst erwiesen - wenig oder gar nichts. - Es sey so gar zweifelhaft, und erfordere großen Beweis, in wie ferne gewisse Geschichten wirklich geschehen, oder nur, um gewisse Warheiten zu insinuiren, oder sich nach gewissen Vorurteilen zu akommodiren, seien erzält worden [...] Sein einfältiger Glaube an die Bibel schwindet allmälig"300. Ewald ruft daher schon im Jahre 1784 die Kirche seines Landes auf, die für die speziell kirchliche Tätigkeit der künftigen Pfarrer notwendige Ausbildung selbst in die Hand zu nehmen, um sich nicht in eine institutionelle und theologische Abhängigkeit von den Universitäten und der auf ihnen gerade aktuellen und modernen Lehrart zu begeben. Diese kirchliche Ausbildung soll ein Gegengewicht zu der sich hauptsächlich negativ den kirchlichen Lehren gegenüber verhaltenden Kritik bilden. In konstruktiver Weise soll eine intensive Beschäftigung mit den biblischen Texten und der kirchlichen Dogmatik auf das Predigt- und Seelsorgeamt vorbereiten. Diese Ausbildung soll eine doppelte Gestalt haben. Sie soll erstens im Sinne einer Meisterlehre den künftigen Studenten der Theologie zunächst einem Pfarrer an die Seite stellen. Dieser würde ihn „in den wichtigsten Bibelwarheiten fest sezen; mit der heutigen Verfassung der Theologie bekannt werden"301 lassen. Denn erst eine solche nicht mehr nur unmittelbar-naive Bekanntschaft mit den Inhalten der 300 301

Ewald, Ueber Predigerbildung (Bibl. Nr. 12), pl6f. Ebd., pl9.

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kirchlichen Lehre würde eine kritische Rezeption der kritischen Theologie, die auf der Universität gelehrt wird, ermöglichen. Dennoch - so Ewald müsse das Konsistorium solche Universitäten empfehlen, auf denen „die Lehrart am evangelischsten ist"302. „Denn, kanns einem Christlichen Landesherrn gleichgültig seyn, welche Grundsäze die einsaugen, die zu Verkündigung des Evangeliums bestimmt sind? Ob sie Christum für einen Philosophen, oder für den Sohn Gottes; die Bibel für Gottesoffenbarung, oder für eine Samlung veralteter, gutgemeinter Geschichten und Märchen halten?"303. Darüber hinaus müßten vom Konsistorium „öffentliche Hofmeister"304 bestellt werden, die sich in den Universitätsstädten aufhalten sollen, um den Studenten als studienbegleitende Mentoren zur Verfügung zu stehen. Nach dem Studium - so Ewald - sei es nicht zweckmäßig, die Kandidaten zunächst als Hauslehrer tätig werden zu lassen, wie es damals weitverbreitete Sitte war. Hier mag sich Ewalds eigene negative Erfahrung mit seiner Tätigkeit als Hauslehrer und Erzieher von Fürstenkindern spiegeln. Hier gehe die wichtige Zeit verloren, „die er [seil, der Kandidat; A.S.] weit zwekmäßiger, mit Bibelstudium, Uebung im Katechisiren, Predigen etc. ausfüllen könnte und ausfüllen müste"305. Und hierin besteht der zweite Vorschlag, den Ewald macht: Parallel zu dem Schullehrerseminar muß auch „eine Art von Predigerseminar" eingerichtet werden306, das die Kandidaten nach ihrem Studium zu besuchen hätten, „um das Gelernte zu ordnen, zu prüfen, zu verdauen; um sich in manchen Predigergeschäften zu üben"307. Ziel der sich an die Universitätsausbildung anschließenden Studien am Predigerseminar sei es, eine auf die praktische Umsetzung in Predigt, Seelsorge und Unterricht bezogene biblisch-theologische Existenz zu begründen. Hierbei kommt dem „kursorischen Bibellesen" der erste Rang zu, weil - wie immer wieder bei den Examina festzustellen war - , junge Leute auf Akademien gerade mit der Bibel am wenigsten bekannt werden"308. Danach müßten die künftigen Pfarrer dazu angehalten werden, sich in der ganz von der Bibel herkommenden biblischen Dogmatik zu bilden, um die Bibel selbst als Richtschnur und Prüfstein i.b. auf das an der Universität bei diesem oder jenem Lehrer erlernte dogmatische System zur Anwendung gelangen zu lassen. Der Kandidat soll „sich ein System, eine Dogmatik so vollständig wie möglich, aber durchaus selbst, und allein auß der Bibel ausziehen" 309 .

Alle diese Vorschläge blieben zunächst neben den andern wichtigen Arbeiten Ewalds liegen. 1794 griff er sie wieder auf und schlug obendrein die Erarbeitung eines Studienplanes vor und meinte, ein halbes Jahr kirchliche Ausbildung am Predigerseminar müsse ausreichen, in dem die Kandidaten 302 304 307

Ebd., p20. Ebd., p21. Ebd., p22.

303 305 308

Ebd. Ebd., p23. Ebd., p28f.

306 309

Ebd., p27. Ebd., p31.

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„im Catechisiren, im Predigen, im öffentlichen Vortrag geübt, und zu zweckmäßiger Jugendbildung und Aufsicht über Schulen angeleitet werden"310. Aber Ewald „verließ das Land, und - es blieb Alles beim Alten!"311. Doch in seiner Karlsruher Zeit wird sich Ewald erneut um das Studienwesen zu kümmern haben und hier tatsächlich einen Studienplan entwerfen312.

10. Der Briefseelsorger Ewald hat sein Leben lang - hierin vergleichbar mit Lavater und JungStilling313 - Briefseelsorge betrieben. Aus der Menge an Material, das hier angeführt werden könnte, sei ein besonders gelungenes Beispiel ausgewählt, das zeigt, wie Ewald auf durch und durch biblische Weise die Kernpunkte der reformatorischen Theologie seelsorglich zu versprachlichen im Stande ist. Der in Rede stehende Brief wird heute in Krakau aufbewahrt und ist gerichtet an Joseph Maria von Radowitz, dessen Leidensgeschichte in Johann Samuel Fests ,Beiträgen zur Beruhigung und Aufklärung über unangenehme Dinge' mitgeteilt ist. In den Text des Briefes, der im Anhang ganz abgedruckt ist314, soll hier nur kurz kommentierend eingeführt werden. Ewald tritt von Radowitz als Seelsorger gegenüber, indem er gleichzeitig Gott als ein für den Leidenden Fürbittender gegenüber tritt. Ewald anempfiehlt dem Leidenden die Bibel als Trostbuch und bringt sie als solches in seinem Brief selbst schon zur Sprache. Dies geschieht etwa dadurch, daß Ewald den alten Trosttopos der reformatorischen Seelsorge, der in seiner Poimenik an vielen Stellen wiederkehrt315, nämlich Mt 10,30, predigt und zuspricht: „,Kein Haar fällt von Eurem Kopfe ohne den Willen des Vaters'." Ganz ähnlich spricht Ewald Rom 11,32 (,denn Gott hat alle beschlossen unter den Unglauben, auf daß er sich aller erbarme'), Joh 5,28 (,es kommt die Stunde, in welcher alle, die in den Gräbern sind, werden seine Stimme hören'), Joh 12,26 (,wo ich bin, da soll mein Diener auch sein') und IKor 15,43 (,es wird gesät in Schwachheit und wird auferstehen in Kraft') in die Situation des Leidenden hinein und wendet auf diese Weise den Blick des 310

Ewald, Kleine, vermischte Schriften (Bibl. Nr. 186), p42. Ebd., p45. 312 Vgl. Kap. I, 19 dieser Arbeit. 313 Vgl. Hahn, O.W., Jung-Stilling, pl29.178. 185. Es wären wahrscheinlich viel mehr Briefe Ewalds an Jung-Stilling erhalten geblieben, hätte derselbe nicht im Jahre 1807 vor seinem Umzug von Heidelberg nach Karlsruhe ca. 15000 an ihn gerichtete Briefe vernichtet (vgl. ebd., pl86). Ewald hat Stillings Tätigkeit als Briefseelsorger sehr geschätzt. Vgl. Kap. I, 23 dieser Arbeit. 314 Vgl. Anhang, Text Nr. 5. 315 Vgl. hierzu Kap. II, 8, p298. 31 lf dieser Arbeit. 311

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Kranken weg von sich selbst auf die dem Leidenden durch Gott gegebene Verheißung. Das Leid wird so sub contrario zum um so dringlicheren Träger der eschatologischen Verheißung, daß Gott am Ende der Zeiten alles Leid in ewige Freude verwandeln wird. Daher spricht Ewald in seinem Brief auch nicht die Theodizee-Frage im Leibnizschen Sinne an, sondern stellt die Theodizee-Frage biblisch und gibt eine biblische Antwort. Nicht der Mensch muß Gott rechtfertigen durch die poimenisch gesehen zu schwache Hypothese, daß die Welt doch als solche, wie sie ist, die beste aller möglichen sei, in der das Leid nur die notwendige Kulisse sei, auf deren Hintergrund der Welt Güte nur um so klarer erscheine. Sondern: Leid und Unglaube sind paulinisch-biblisch gesehen selbst Teil des Planes Gottes, der alle unter den Unglauben beschließt, um sich aller zu erbarmen. Rom 11,32 ist nach Ewald die göttliche Antwort auf die biblisch gefaßte und in Szene gesetzte Theodizee. Nur daher kann Ewald von Radowitz darauf weisen, daß nicht die abstrakte Sinnfrage an sich, sondern nur das tröstlich sein könne, „unter Zweifeln über den verkehrten Gang der Welt die große Theodizee in wenig Worten zu finden: ,Gott hat Alle! unter den Unglauben beschloßen, auf daß Er sich Aller erbarme!'" Wie sehr es Ewald um eine erneute Entdeckung der Rechtfertigungslehre zu tun ist, muß sich sachgemäß gerade in seinen Trostbriefen zeigen; so auch hier. Ewald schneidet die Rechtfertigungsbotschaft auf die Leidenssituation von von Radowitz zu und schwingt sich zu der Zentralaussage seines gesamten Briefes auf, daß Gott dem Leidenden und Kranken seine Krankheit nicht imputiere. „Werfen Sie sich die, von Ihnen unabhängigen Folgen einer Krankheit nicht vor! - Gott imputirt sie Ihnen nicht!" In diesem (und nur in diesem) Kontext versteht sich auch die Aussage Ewalds, daß nicht „die jämmerliche Tugend", sondern nur der Glaube, das „Zutrauen" zu Christus, Trostgrund überhaupt sein könne. Nicht anders als genuin reformatorisch kann es denn auch verstanden werden, daß Ewald von Radowitz tröstet, indem er ihm zusagt, der Sohn Gottes habe umsonst gelitten, wenn die Verheißung, Gott werde alle Gebrechen heilen, nicht wahr sei.

11. Bremen - christologischer Streit mit Johann Jacob Stolz Ewald zieht nach Bremen um. Aus den Akten des Bremer Staatsarchivs geht hervor, daß Ewald am 6.9.1796 schriftlich mitgeteilt hat, daß er die ihm angetragene Stelle eines zweiten Predigers an St. Stephani zu Bremen anzunehmen gewillt sei316. Am 14.12.1796 wurde Ewald „ersucht [...], am 316

Der diesbezügliche Aktenvermerk vom 14.9.1796 lautet: „Ewald, Joh: Ludwig [...] Antwortet auf das an Ihn erlaßene [...] Berufungs Schreiben, daß Er die Ihm angetragene

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künftigen Sontag Nachmittag in U[nserer] L[ieben] F[rauen] Kirche seine Prob Predigt zu halten"317. Am 18.12.1796 (und nicht am 18.9., wie Prüser meint318) hat Ewald seine Probepredigt gehalten, die er 1809 in einem Sammelband im Druck erscheinen ließ319. Ewald war für diese Stelle unter 32 Bewerbern ausgewählt worden320. Interessant ist, daß sich unter denselben noch neun weitere Hessen befanden321; auch Ewalds Nachfolger Nicolaus Kiesselbach sollte wieder ein Hesse sein. Am 4.12.1796 hatte Ewald in Detmold322 seine Abschiedspredigt gehalten, am 25.12.1796 hielt Ewald seine „Eintrittspredigt bey der Gemeine zu St. Stephan in Bremen"323 über Joh 1,29-34. „Zum Erstenmal! - Am Tage, da der Stifter aller Christengemeinden als Mensch auf der Erde erschien, tret' ich zum Erstenmal hier auf, ich, der vom [!] Ihm zeugen soll. Sein Geburtstag ist - ich möchte sagen: der Geburtstag meiner Amtsführung unter Euch"324. Kurz nach seiner Abreise aus Detmold nach Bremen hatte die Universität Marburg Ewald ehrenhalber zum Doktor der Theologie promoviert. Akten über diesen Vorgang und die Begründung dieser Promotion scheint es in Marburg nicht mehr zu geben. Nahe liegt es jedoch, anzunehmen, daß Ewald diese Auszeichnung wegen seiner Verdienste um das Schulwesen und um die theologische Schriftstellerei erhalten hat. Schon in seinen letzten beiden Detmolder Jahren und in den vier ersten in Bremen erwies sich Ewald als ein streitbarer Theologe, der der rationalistischen Neologie schonungslos die Klinge zeigte und mit aller Schärfe besonders auf deren Defizite in der Christologie aufmerksam machte. Ewald kämpfte gegen einen Vertreter der Meinung, derzufolge von einer Präexistenz Christi nicht eigentlich die Rede sein könne, nämlich gegen Johann Jacob Stolz. Stolz war 1784 als zweiter Prediger an St. Martini berufen worden325. Damals schien Stolzens .Bekehrung' zur Neologie noch nicht von statten gegangen zu sein, denn damals konnte er noch sagen: „Wenn also nach dem Ausdruk Johannes Gott ein Licht ist, und Jesus das Licht ist, so ist Jesus eine Gott gleiche Person [...] Was man also von Gott sagen kann, das gilt auch von Stelle eines Zweyten Predigers bey der hiesigen Stephani Gemeine annehmen und sich bald thunlichst hieher verfügen wolle." StA Bremen, 2-P. 6.a.g.c.3.b.56, fol. 387. 317 318 Ebd., fol. 159f. Prüser, F., p615. 3,9 Ewald, Wie wird Menschenerwartung erfüllt? Eine Prüfungspredigt über den aufgegebenen Text: Malachi [!] 3; 1. gehalten in Bremen, in der Kirche zu unserer lieben Frauen, den 18ten December, 1796, in: Ders., Gast= und Gelegenheitspredigten (Bibl. Nr. 292). 320 Prüser, p255. 615. 321 Ebd., p256. 322 323 Bibl. Nr. 139. Bibl. Nr. 140. 324 Ewald, Eintrittspredigt (Bibl. Nr. 140), p4. 325 Stolz hatte seine Probepredigt am 19.12.1784, seine Antrittspredigt am 26.12.1784 gehalten. Vgl. Stolz, J.J., Probepredigt.

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Ihm"326. Christus ist für Stolz hier noch „wahrhaftiger Gott"327, denn: „Wenn nämlich in Jesus das ewige Wort Gottes verehrt werden soll, durch das Gott von jeher würkte, und sich offenbarte - wenn durch Ihn alles, und ohne Ihn nichts gemacht ward, so hatten von jeher alle Menschen, die in diese Welt kamen, Ihm ihr Leben, Ihm das Licht ihrer Augen, Ihm das Licht ihres Verstandes [...] zu danken"328. Genau diese hier so schön homiletisch zusammengefaßten Grundsteine der Christologie jedoch, die selbst biblische Rede von der Offenbarung Gottes durch den Logos von Ewigkeit her und der Schöpfermacht Christi selbst, sollte Stolz wenige Jahre später auf das schärfste verneinen und bekämpfen. Der Streit Ewalds mit Stolz begann, als Ewald in der zweiten Auflage seines Buches über die Gleichnisse Jesu329 Stolzens Übersetzung des Neuen Testaments330 als Ausgangstext benutzte und bemerkte, daß besonders diejenigen Texte im neologischen Sinne entstellt worden waren, die von der Präexistenz Jesu und seiner Teilnahme am Schöpfungswerk sprechen. Wenn Ewald bemängelt, es sei in der Übersetzung von Stolz nicht mehr von der,Größe' Jesu die Rede, dann versteht Ewald unter ,Größe' Jesu den Lehrzusammenhang von Präexistenz, Teilnahme am Schöpfungswerk und wahrer Gottheit Christi. Ewald kritisiert in der Vorrede seines Buches, „daß der Herr Verf. [seil. Stolz; A.S.] in der Uebersezung gewisse Lehren, z.B. von der Größe Jesus, bei Seite zu bringen, sich die unglükliche und verunglükte Mühe gegeben hat. Sie könnte sonst Eine von unseren besten Uebersezungen des Neuen Testaments seyn"331. Der sich an dieser Aussage Ewalds entzündende Streit sollte fünf Jahre dauern und wurde in aller Öffentlichkeit geführt. Zunächst stritten sich Ewald und Stolz in einem längeren Schlagabtausch in den ,Rintelschen Theologischen Annalen', wobei es auf beiden Seiten nicht zimperlich zuging und der Streit immer persönlicher und verletzender wurde, wobei Stolzens Wehleidigkeit derjenigen Ewalds jedoch weit überlegen war. Obendrein begann die ALZ damit, den Streit genau zu dokumentieren und beiden Streitpartnern geradezu Kolumnen einzurichten - ein höherer Grad an Publizität war in der gelehrten Welt jener Zeit wohl kaum denkbar. Am 10.12.1796 wirft Stolz Ewald vor, er habe ihn völlig zu Unrecht und grundlos „verketzert"332. Stolz forderte seinen Kontrahenten heraus, indem er ihn aufforderte, seine Behauptung, er, Stolz, leugne die zentralen christologischen Wahrheiten, unter Beweis zu stellen. „Ich fodre Sie auf [...] zu beweisen, ,dass ich mir Mühe 326 329 330 331 332

327 328 Ebd., p27f. Ebd., p35. Ebd., p34. Ewald, Der Blick Jesus (Bibl. Nr. 21). Stolz, J.J., Sämmtliche Schriften des NT. Ewald, Der Blick, pIX. Intelligenzblatt der ALZ, 10.12.1796, Sp. 1424.

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gegeben habe, gewisse Lehren des Evang. z.B. von der Grösse Jesus, auf die Seite zu bringen'"333. Stolz nämlich sah sich jetzt schon in der Rolle „eines unverdienter Weise Beleidigten"334. Schneller als es Stolz überhaupt lieb sein konnte, nämlich sechs Wochen darauf gab Ewald am 18.2.1797 seine Antwort in den Druck. In ihr wirft Ewald Stolz ausführlich und mit aller Schärfe vor, daß er seine neologische Vorentscheidung, Jesus könne nicht wahrer Gott gewesen sein, könne daher auch nicht präexistent sein, gewaltsam den biblischen Texten übergestülpt und die Bibel damit vergewaltigt habe. Ewald illustriert diese Kritik an vielen Beispielen aus Stolzens NT-Übersetzung, von denen hier nur einige genannt seien: „Im Vorbeigehen muß ich doch auch auf die Uebersezung der Stelle Koll. 2;9 aufmerksam machen, obgleich ihre Beschränkung noch erträglicher ist. Im Griechischen heißt es: ότι έν αύτω (χριστώ) κατοικεί παν το πλήρωμα της θεοτητος. Wörtlich, so wie es Luther übersezt hat: ,denn in Ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig'. Man fühlt dem Ausdrukke leicht an, daß Paulus in seinem ganzen Sprachvorrathe zusammengesucht hatte, um das Allergrößte von Jesus zu sagen, was sich nur irgend sagen ließ [...] Das weiß Herr Pastor Stolz so gut wie ich. Und doch übersezt er: Jesus ist der Innbegriff aller göttlichen Weisheit!' Hat denn Paulus das, und weiter nichts als das gesagt?"335. „Coli. 1 ; 15. steht im Griechischen: ός (υιος) έστιν πρωτοτοκος πάσης κτίσεως. Wörtlich: ,dieser Sohn ist der Erstgeborne aller Kreatur'. Herr Pastor Stolz übersezt es: dieser Sohn ist das Oberhaupt dieser ganzen Umschöpfung"336. ,Joh. 17,v.5, steht im Griechischen: ή (δοξη) [!] ειχον, προ του κοσμου είναι παρα σοι. Wörtlich übersezt: ,die (Herrlichkeit) die ich hatte, vor dem Daseyn der Welt, bei dir'. Dies übersezt Herr Pastor Stolz: die Würde, die dein Rathschluß schon vor Weltbeginn mir bestimmte '. Hat das Jesus gesagt? Steht auch ein Wort davon da? Ich finde kein Beispiel, daß έχειν (haben) von demjenigen gebraucht werde, was man nicht hat, sondern was einem erst bestimmt ist"337. Viele weitere Stellen aus Stolzens NT-Übersetzung belegen, daß er die Präexistenz, Gottheit und Teilnahme Christi am Schöpfungswerk gewaltsam beseitigt. Dies alles bestärkt Ewald in seinem Urteil, „der Uebersezer [...] habe gewisse Lehren nicht in der Bibel finden wollen, die man jezt nicht in der Dogmatik wissen will; er habe sie aus irgend einem Grunde bei Seite zu

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334 Ebd. Ebd., 31.12.1796, Sp. 1520. Ewald, Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe (Bibl. Nr. 145), p25f. 337 Ebd., p21. Ebd., pl8.

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bringen gesucht, wie man jezt alle positive Lehren des Christenthums, durch mancherlei kritische, philologische, philosophische, auch wol gar - si dis placet, moralische Gründe, - bei dem aufgeklärten Publikum, - bei Seite gebracht hat"338. Ewald erteilt Stolz eine Lektion in Sachen Hermeneutik des Übersetzens, wenn er sagt: „Man muß nicht übersezen, damit die kirchliche Dogmatik Stüzen erhalte-, aber auch nicht, damit sie Stiizen verliere"339. Grundsatz müsse vielmehr - nicht um irgendeiner gewaltsam am Leben zu erhaltenden Orthodoxie, sondern um der biblischen Texte selbst willen - sein und bleiben: „Der heterodoxeste Uebersezer muß den orthodoxesten Sinn in einer Bibelstelle klar ausdrüken"340. Schon diese zunächst einmal philologische Maxime hat Stolz nicht befolgt. Wichtig zu realisieren ist bei dieser Streitsache, daß es hier nicht um den Streit zwischen zwei eher beliebigen Standpunkten zweier eher für unbedeutend gehaltenen Theologen geht. Vielmehr geht es hier um die Perversion einer berechtigten Bibelkritik, die darin besteht, daß sie bereits vor der kritischen Lektüre der biblischen Texte rationale Prämissen aufstellt und fortan die biblischen Texte diesen Prämissen gefügig macht. So wenig Ewald einen orthodoxistischen Systemzwang leiden kann, so wenig kann er sich auch mit diesem durchaus vergleichbaren rationalistischen Zwang abfinden. Und Ewald weiß genau, daß er sich gegen eine breite Vertreterschaft derer zu verteidigen hat, die aus vermeintlich kritischen Grundsätzen heraus die Bibel von der traditionellen Dogmatik bereinigen zu müssen glauben. „Schon längst haben Theologen und Philosophen geglaubt, gewisse christliche Glaubenslehren um der guten Sache der Sittlichkeit willen, in Schatten stellen, und - es koste was wolle! - auch aus der Bibel ausmerzen zu müssen, wo man sie, mit Recht oder Unrecht, zu finden glaubte"341. Noch im selben Jahr veröffentlichte Stolz seine „Nöthige Antwort auf Herrn D. Ewalds: , Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe'". Sicherlich differenzierter als Ewalds Meinung, ein Übersetzer dürfe nicht interpretieren und habe sich an den Wortlaut der Urschrift treu zu halten und nichts als ihn allein in die deutsche Sprache hinüberzutragen, ist Stolzens Hinweis darauf, daß jede Übersetzung bereits unvermeidlich eine Interpretation des übersetzten Textes beinhalte342. Unreflektiert dagegen ist es, daß Stolz offenbar nicht zu 338

339 Ebd., p l l . Ebd., pl3. 341 Ebd., pl5f. Ebd., p36. 342 Stolz, J.J., Nöthige Antwort, p36: „Wie es nun möglich sey, Uebersetzer zu seyn, ohne zugleich jemals Ausleger zu seyn, das heißt, wie es möglich sey, den Sinn eines Schriftstellers aus einer Sprache in die andere überzutragen, ohne den dem Uebersezer wahrscheinlichsten oder gewissen Sinn vestzusetzen, dies wäre ich in der That begierig, zu vernehmen." 340

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unterscheiden weiß zwischen einer möglichst textnahen Übersetzung, die im Bewußtsein darum geschieht, daß damit eine Auslegung vor sich geht, die aber am zu übersetzenden Text selbst einen Anhalt haben muß, und einer Übersetzung, die ihre Abneigung gegen die dogmatischen Inhalte generell zur Vorentscheidung erhebt und somit eine Auslegung wie einen Schleier über den Text legt, die an demselben keinerlei Anhalt findet. Im Stile eines wissenschaftsgläubigen Oberlehrers geht Stolz nicht wirklich auf die von Ewald angeschnittene Wahrheitsfrage ein, sondern bescheinigt ihm platt Unkenntnis der ,modernen' exegetischen Forschungsergebnisse, sprich: Hypothesen, als seien dieselben über jede erneute Überprüfung anhand der auszulegenden Texte selbst infallibil erhaben. Die exegetischen Hypothesen pervertieren hier zu ein für allemal dekretierten Dogmen im schlechten Sinne: „Und es thut mir recht sehr leid; Hrn. D.E. eine außerordentliche Unbekanntschaft mit den Fortschritten der Exegese in den letzten dreyßig Jahren zuschreiben zu müssen"343. An die Stelle der Bemühung darum, die christologischen Dogmen selbst als Ergebnisse biblisch-exegetischer Arbeit zu würdigen, tritt bei Stolz eine vermeintliche, rein wissenschaftliche Vorurteilslosigkeit, die sich bei näherem Hinsehen jedoch als das Gegenteil dessen entpuppt, was sie vorgibt zu sein. Stolz beteuert: „daß ich auf keine vestgesetzte Dogmen bey meiner Arbeit Rücksicht nehmen könnte, indem ja die Auslegung den Lehrsatz, nicht dieser jene bestimme"344. Stolz verteidigt sich weiter gegen Ewalds Vorwurf, eine vorsätzliche Entdogmatisierung des zweiten Artikels zu betreiben, mit dem Argument, daß er den „Laien das Testament verständlicher machen wollte" und deswegen „tropische (figürliche) Redensarten in deutlichere, unsrer Sprache angemeßenere"345 umgesetzt habe. Mit aller Schärfe deckt Ewald in seiner Antwortschrift diese vorgeblich um die unmündigen ,Laien' besorgte Haltung Stolzens als reinen Vorwand für die Hintansetzung der biblischen Christologie auf und bescheinigt seinem Kontrahenten überdies, die Aufrichtung eines rationalistisch-neologischen Papismus zu betreiben, der meint, daß ohne die kritische, nur durch Exegeten zu betreibende Festsetzung des eigentlich hinter den biblischen Tropen liegenden Sinnes ein wirklich zeitgemäßes Verständnis der Bibel nicht möglich sei. Dieser Vorwurf wird bei Ewald des öfteren wiederkehren. Und Ewald hält gegen dieses aufgeklärt-neopapistische Lehramt an der reformatorischen Lehre von der claritas der Heiligen Schrift mit ihren hermeneutischen und ekklesiologischen Konsequenzen fest - wie sich auch unten zeigen wird346: „Eine Gottesoffenbarung, allen Christen gegeben, die nur von wenigen Gelehrten verstanden wird, verdient ja wol den Namen einer 343 345 346

344 Ebd., p47. Ebd., p39. Ebd., p49. Vgl. Kap. II, 7 dieser Arbeit.

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Offenbarung kaum!"347. Nicht zufällig merkt Ewald hierzu noch an: „Man sehe unsere Dogmatiken und Polemiken; Erstere im Kapitel de claritate Scrr. S. und die Letzteren, contra pontificios. Enthus. etc."348. Ewald belehrt Stolz über den Unterschied zwischen Übersetzung und Kommentar, indem er ihm nun differenzierter sich artikulierend als in seiner vorhergehenden Schrift ausgerechnet die hermeneutisch jedenfalls sauberere Arbeit derjenigen vor Augen hält, auf die sich Stolz selbst immer wieder beruft: Johann August Ernesti, Johann Salomo Semler, Johann David Michaelis349. Ewald zeigt sehr gründlich auf, daß er den Vorwurf Stolzens, die neuere exegetische Literatur nicht zu kennen, nicht auf sich sitzen zu lassen braucht. Ewald jedenfalls vertritt diejenige Vorurteilslosigkeit, die ihre Voraussetzung in der Bibel allein hat und deswegen anders als eine im System erstarrte Orthodoxie, anders aber auch als eine vorurteilsbeladene Neologie nichts bereits darum glaubt, weil es in irgendeinem System steht, sondern - wie es reformatorisch geboten ist - alle Lehrinhalte anhand der Bibel als letzter und entscheidender Instanz überprüft. „Ein Weg, der zwischen sogenannter Orthodoxie, und sogenanntem Neologismus, mitten durch, und, wie ich gewiss glaube, zur Wahrheit führt"350. Auf diesem Mittelwege bekommt Ewald einen neuen Zugang nicht nur zur reformatorischen Lehre und Hermeneutik der claritas scripturae sacrae, sondern auch zu Luthers Bibelübersetzung, die ihm in einer Zeit der Überflutung des Marktes mit neuen Übersetzungen ans Herz gewachsen bleibt. „Ich glaube, dass er [seil, der ,Laie'; A.S.] das Ganze, den eigentlichen grossen Sinn Johannes und Paulus, aus der wörtlichen Uebersetzung Luthers noch besser fassen wird, als aus mancher neuen sogenannten Uebersetzung, die uns die Meinung des Uebersetzers, statt der Meinung Paulus und Johannes giebt"351. In einer kurzen Summe hält Ewald das Wesentliche der biblischen Christologie fest, das darin besteht, „dass sich das Daseyn des Sohns Gottes, der als Mensch, unter dem Namen Jesus, im Jahre 1, auf der Erde auftrat, vor Schöpfung der Welt, seine Herrlichkeit bey dem Vater, seine Theilnahme an der Schöpfung, dass es sich überhaupt aus dem N.T. mit Gewissheit erkennen lasse, Jesus sey das Werkzeug, wodurch der Vater Alles offenbart, gewirkt, ausgeführt habe, was ausgeführt ist, und wodurch Er Alles ausführen wird, was noch ausgeführt werden soll"352. Ewalds Theologie ist nicht nur ein Bekenntnis zur orthodoxen Lehre, sondern: Seine Theologie spricht selbst die Sprache des Bekenntnisses.

347 348 350 352

Ewald, Ueber die Grösse Jesus (Bibl. Nr. 152), p2. Ebd., pl3, Anm. 1. 349 Ebd., pl5ff. 30ff. 351 Ebd., p36. Ebd., p9. Ebd., pl05.

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Bemerkenswert ist überdies, daß sich Ewald im Zuge seines Streites mit Stolz auch dogmengeschichtlichen Studien zugewandt hat. Schon 1798 sagt er, daß die stereotyp angeführte Tatsache, daß um das Dogma von Nicäa (325) immer wieder gestritten worden sei, kein Argument gegen die sachliche Richtigkeit desselben ist. „Aber weil ein Dogma in allen Jahrhunderten bestritten worden ist [...] kann es darum kein wahres, nützliches, und mit Sittlichkeit genau zusammenhängendes Dogma seyn?"353. Grund für seine dogmengeschichtliche Arbeit war nicht zuletzt die Behauptung eines Rezensenten in der ALZ, derzufolge zwar das Dogma von Nicäa von der Gottheit Christi spreche, nicht aber die vornizänischen Kirchenväter, jedenfalls nicht alle354. Ewald kommt zu dem Schluß, daß aufgrund der Tatsache, daß Irenäus z.B. von einer Unterschiedenheit Gottes und des Sohnes spricht, nicht gefolgert werden könne, daß Irenäus Christus nicht für einen wahren Gott gehalten habe. „Wenn Irenäus in der angeführten Stelle (contr. Haeres. L. III. C. 16.) sagt: ,unus igitur Deus, Pater, et unus Christus'; so kann dies, wie man es auch verstehen mag, doch schlechterdings nicht beweisen, dass Irenäus Jesus nicht für Gott gehalten habe"355. Nach umfangreicher Betrachtung der einschlägigen Schriften von Justin, Irenäus, Orígenes, Euseb und Augustin kommt Ewald zu der Einsicht: „Dass aber die Kirchenväter, von den frühesten bis auf spätere Zeiten, Christus, Gott genannt haben, daran kann Niemand zweifeln, wer sie nur manchmal überblickt hat"356. Der Versuch also, für eine aufgeklärt-subordinatianische Christologie bei den rechtgläubigen Kirchenvätern Gewährsmänner zu finden, muß nach Ewald scheitern. Interessant ist Ewalds Beschäftigung mit der Dogmengeschichte auch deswegen, weil sie i.b. auf die von ihm vertretene Christologie eine Klärung zu bringen vermag. Denn manchmal entsteht bei Ewald der (unzutreffende) erste .Eindruck, als wende er eine sich aus Hebr 1 speisende Apaugasma-Christologie gegen die chalkedonensisch-nicänische Rechtgläubigkeit357. Das allerdings ist nicht richtig. Denn Ewald spricht davon, daß „die ύποστασις Gottes" sich „in Jesus abgedrückt"358 habe, daß Christus aber dennoch „gleiches Wesens mit Ihm [seil. Gott-Väter; A.S.]"359 und „also gleicher Natur mit dem Vater"360 sei. In seiner Schrift „Was dachten die alten Juden von dem Logos? und was dachten die Vornizänischen Väter von der Gottheit Jesus?" wendet sich Ewald noch intensiver der dogmengeschicht353 354 355 356 358 359

Ebd., pl41. ALZ Ergänzungsblatt Nr. 15, 1801. Ewald, Ueber die Grösse Jesus, Fortsetzung (Bibl. Nr. 159), p75. 357 Ebd., p77. Vgl. hierzu p267f dieser Arbeit. Ewald, Ueber die Grösse Jesus, Fortsetzung, p94. 360 Ebd., p95. Ebd.

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lichen Entwicklung von Trinitätslehre und Christologie zu, um zu zeigen, daß das Dogma von der Homoousie des Sohnes mit dem Vater durchaus, wenn auch in weiterentwickelter Terminologie festgehalten, die Meinung eines Irenäus, Tertullian, Cyprian, Laktanz u.v.a. genuin vertrete und spiegele. Als Ergebnis hält Ewald fest: „Allein man kann jetzt den Ausdruck: ομοούσιος sicher statt Gleichartigkeit, Unitas qualitatis brauchen [...] In dieser Voraussetzung wird man also wohl behaupten können, daß die sämtlichen Vornizänischen Väter, höchstwahrscheinlich auch Orígenes, den Sohn für ομοούσιος mit dem Vater gehalten haben"361. Der Streit Ewalds mit Stolz sollte allerdings zu dieser Zeit schon zu Ende, wenn auch nicht ausgefochten, sein. Denn am 28.6.1800 erschien im Intelligenzblatt der ALZ folgende gemeinsame Erklärung der beiden Kontrahenten, in der es heißt, daß der „Zwist ein Ende hat"362. „Wir haben uns völlig dabey beruhigt, und finden nun keine Ursache mehr, uns über einander zu beschweren; namentlich ist Dr. Stolz jetzt überzeugt worden, dass er von Dr. Ewald auf keinerley Weise verdächtig gemacht werden sollte"363. Zwar ist jetzt versöhnlich von dem ,,ehemalige[n] Mißverständniss" die Rede. Aber die gesamte Erklärung gibt zu erkennen, daß beide Theologen nur einen Waffenstillstand geschlossen, die persönlichen Verletzungen und Beleidigungen ausgeräumt haben und anzeigen, fortan nicht mehr gewillt zu sein, den Streit überhaupt und schon gar nicht in der Öffentlichkeit weiter auszufechten. Die theologische Differenz allerdings ist geblieben, wenngleich Stolz 20 Jahre später eine überarbeitete Version seiner NT-Übersetzung herausgab, die einen gemäßigteren Ton anschlug. Noch am 19.2.1800 allerdings hatte sich Ewald bei Lavater über Stolz beschwert, Stolz predige über alles andere als über biblische Texte, nämlich über die Begebenheiten des zuendegehenden Jahrhunderts. „Stolz predigt jezt, über die Begebenheiten des bald verfloßenen Jahrhunderts; ,he predigt ut der Tidung' (Zeitung) sagen die Bremer"364. Die in Rede stehenden Predigten hat Stolz dann als „Predigten über die Merkwürdigkeiten des achtzehnten Jahrhunderts in Bremen gehalten" drucken lassen.

12. Der Streit mit Karl Johann Heinrich Hübbe Noch war der Streit mit Stolz am Schwelen, als Ewald bereits die nächste Klinge schärfte, nämlich gegen den Leiter des neuen Waisenhauses in Hamburg, Karl Johann Heinrich Hübbe (1764-1830), der in der Zeit von 1791— 1802 als Katechet daselbst tätig war. Mußte Ewald im Streit mit Stolz in 361 362 364

Ewald, Was dachten die alten Juden von dem Logos? (Bibl. Nr. 239), p76f. 363 Bibl. Nr. 180. Ebd. Ewald an Lavater 19.2.1800, Zentralbibl. Zürich, FA Lav. Ms. 507, 293.

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dessen Augen als ein vermeintlich verknöcherter Orthodoxer gelten, der sich von der alten Dogmatik nicht frei machen könne, so sah ihn Hiibbe nun ganz anders: nämlich als unwillkommenen pädagogischen Modernisten. In seinen „Fantasieen auf einer Reise durch Gegenden des Friedens"365 beschreibt Ewald die moderne bauliche Anlage des Waisenhauses, stellt aber mit Erschrecken und mit sicherem Blick eines erfahrenen Pädagogen fest, daß die moderne äußerliche Anlage und Einrichtung des Waisenhauses in absolutem Kontrast stehe zu der dort praktizierten, völlig veralteten „Methode des Unterrichts [...] Alles geht noch nach der alten Art. Es sind keine Buchstabentafeln da; es werden nicht mehrere Kinder auf einmal beschäftigt; die Lehrbücher sind nicht gut gewählt. Kurz: der ganze Unterricht steht mit dem Gebäude in dem auffallendsten Kontraste"366. Hiibbe reagierte empfindlich, weil beleidigt. Ewald hatte ihm zwar angeboten, die Sache privatim durch Korrespondenz zu besprechen und zu regeln. „Ich erhielt aber die Antwort, daß es zu spät sey, daß er auch zu einer Correspondenz mit mir über diesen Gegenstand weder Zeit noch Lust habe"367. In seiner ersten Antwort „Ueber das Schulwesen im Hamburgischen Waisenhause, veranlasst durch die Fantasieen auf einer Reise" zeigte sich Hübbe uneinsichtig und aller pädagogischen Reformtätigkeit gegenüber verschlossen. Schließlich könne man auch ohne Buchstabentafeln lesen lernen, und die alten Lehrbücher seien bisher auch zureichend gewesen. In seiner Erwiderung „Erklärung über die Schrift des Herrn Katecheten Hübbe in Hamburg"368 konstatiert Ewald, daß Hübbe in seiner Antwortschrift lediglich den von ihm, Ewald, beschriebenen empirisch sich darbietenden Sachverhalt bestätigt habe, weswegen Hübbe eigentlich keinen Grund dazu habe, Ewald eine Verleumdung vorzuwerfen. Hübbe verteidige die alte Lehrmethode, ohne sich vorher mit den Fortschritten der Pädagogik bekannt gemacht und sie geprüft zu haben. Hübbe antwortete noch einmal öffentlich: „Antwort auf Herrn Ewalds Erklärung über meine Schrift, vom Schulwesen im Hamburgischen Waisenhause", worauf Ewald mit seiner Schrift „Etwas über Lehrmethode in Trivialschulen; mit Rüksicht auf die Antwort des Herrn Katecheten Hübbe"369 replizierte. In ihr wirft Ewald dem Hamburger vor, daß er sich zu unrecht anmaße, „über Dinge zu urtheilen, bis zur Lächerlichkeit, absprechend zu urtheilen, von denen er nichts versteht"370. Ein Einblick in Schulreformen generell wie auch zeitgemäße, pädagogisch-methodologische Refle365

366 Bibl. Nr. 155. Ebd., p64. Ewald, Erklärung über die Schrift (Bibl. Nr. 157), p5. 368 Bibl. Nr. 157. Hübbes diesbezügliche Antwortschrift trägt den Titel: Antwort auf Herrn Ewalds Erklärung über meine Schrift, vom Schulwesen im Hamburgischen Waisenhause. 369 370 Bibl. Nr. 158. Ebd., p35. 367

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xionen gingen Hiibbe völlig ab. Die sich hierin äußernde Meinung, „daß man keine Buchstabentafeln brauche, daß es überflüssig sey, Anstalten zu gemeinschaftlicher Beschäftigung der Kinder, in den Schulen, zu treffen, überhaupt überflüssig, eine bestimmte Lehrmethode einzuführen kurz: daß man am Besten Alles beim Alten lasse"371, ist Ewald zutiefst unverständlich und ist es auch geblieben, als Johann Christoph Petersen Hübbe beisprang und von neuem versuchte, die gegen die im Waisenhaus geübte und veraltete pädagogische Methode lautgewordene Kritik zu entkräften372. Aus diesem Grunde berichtet Ewald aus seiner Erfahrung und Arbeit an der Schulreform in Lippe und aus derjenigen in Bremen, die er mit Häfeli zusammen in Angriff genommen hat. Und die methodologische Arbeit erscheint Ewald je länger desto mehr als ein mit der Frage nach der Inhaltlichkeit des Unterrichts gleichberechtigtes Anliegen, das nicht vernachlässigt werden darf.

13. Ewalds und Häfelis Bürgerschulprojekt in Bremen Als Ewald nach Bremen kam, hatte bereits ein anderer festgestellt, daß das Bremische Schulwesen insgesamt in einem katastrophalen Zustand sich befinde und dringend einer grundlegenden Verbesserung bedürfe. Johann Caspar Häfeli, 1754 im Kanton Zürich geboren, Freund und Schüler Pfenningers und Lavaters, kam nach seiner Tätigkeit als Prediger zu Wörlitz und als Prediger und Konsistorialrat in Dessau 1793 nach Bremen, wo er am 21.7.1793 seine Antrittspredigt als dritter Prediger zu St. Ansgarii gehalten hat373. Im selben Jahr (1805) wie Ewald verließ Häfeli Bremen wieder und folgte einem Ruf nach Bernburg. Mit in Dessau geschärftem, philanthropinischem Blick bemerkte Häfeli bald, daß die Misere des Schulwesens besonders darin ihren Grund hatte, daß jegliche Kooperation zwischen Lehrern und 371

Ebd., p6. Vgl. Petersen, J.C. Petersen, der von 1795 an bis zu seinem Tod 1818 Lehrer am Waisenhaus war, meint, daß Ewalds „Urtheil über unsere Schulen [...] zu hart, und höchst beleidigend ist, indem die meisten seiner Behauptungen ganz falsch, und die übrigen wenigstens nur halb wahr sind" (p4). Um zu beweisen, daß die Lehrmethode im Waisenhaus sehr wohl bereits reformiert worden sei, macht Petersen geltend, daß es auch hier schon zu einer Ausdifferenzierung des Fächerkanons gekommen sei, die die Realien verstärkt berücksichtige (plOf), eine „zweckmäßigere Fibel" ( p l l ) eingeführt sei und überhaupt das Lernen alles andere als mechanisch vor sich gehe (pl2). An Ewalds Vorwürfen entlanggehend versucht Petersen jeweils eine Widerlegung. Ewald jedenfalls hat keinen Anlaß gesehen, nochmals zu antworten. 373 Vgl. Häfeli, J.K., Antrittspredigt. Ein von J.J. Stolz verfaßter biographischer Abriß über das Leben Häfelis findet sich in: Häfeli, Nachgelassene Schriften, Bd. 1, ρ VIIXXXVIII. Zur Geschichte der Ansgarii-Gemeinde vgl. Paniel. 372

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Predigern fehlte. „Weder die Hauptschule des Kirchspiels, noch die übrigen in dem Umfange desselben befindlichen kleinern, oder sogenannten Heckschulen, standen unter seiner [seil, des Pfarrers; A.S.] Aufsicht; er hatte [...] keine eigentliche Befugniß, die Schulen zu besuchen"374. Ewald machte ganz ähnliche Erfahrungen, und so entstanden die Zusammenarbeit und die Freundschaft zwischen Ewald und Häfeli, die sich um die Schulreform verdient zu machen begannen, obgleich das Schulwesen von Haus aus nicht zu ihrem Aufgabenbereich gehörte. Am 25.11.1798 hielt Ewald einen Vortrag im Bremer Museum, der ortsansässigen Lesegesellschaft375, in dem er die Bremische Bürgerschaft und geistige Elite aufforderte, sich für die Einrichtung einer Bürgerschule, sprich einer Realschule, gewinnen zu lassen. Kurz darauf, am 11.12.1798, gaben Ewald und Häfeli gemeinsam ihre „Vorstellung an Bremens patriotische und edelgesinnte Bürger die Errichtung einer Bürgerschule betreffend"376 in den Druck. Bemerkenswerterweise machen sich die beiden Prediger als Motto die Worte Luthers zueigen, mit denen er sich im Jahre 1524 an die Ratsherren der deutschen Städte gewandt hatte mit der Bitte, Schulen einzurichten und bestehende Schulen zu halten377. Als Vertreter des geistlichen Regiments nehmen Ewald und Häfeli die weltliche Obrigkeit in die Pflicht, für die Ermöglichung von Schulbildung und Erziehung verantwortlich zu sein, wie es einst Luther getan hat. Eine Schule sollte gegründet werden, die diejenigen Schüler, die zuvor eine Kirchspielschule besucht haben, durch Realienunterricht auf ihre künftige berufliche Tätigkeit vorbereiten soll. Sie soll also „dem künftigen Handwerker, Profeßionisten, Fabricanten, Künstler"378 dienlich sein, als industriose Schule mitunter den Schritt in die jeweilige Berufsausbildung vorbereiten und erleichtern. Die zu lehrenden Inhalte sind dementsprechend: Naturgeschichte, Naturlehre und Technologie [...] Bekanntschaft mit dem Bau des menschlichen Körpers [...] Populäre Seelenlehre"319. Aber auch die ,ßiblische Geschichte"38° gehört dazu. Das Projekt soll auf drei Jahre angelegt sein; und die beiden Prediger rufen die Bremer Bürger dazu auf, die Einrichtung dieser Schule finanziell durch Spenden zu unterstützen. Am 6.5.1799 schon können Ewald und Häfeli berichten, daß der Erfolg des Spendenaufrufs unerwartet groß gewesen sei381. „Wir erhielten aber auch so viel, wie wir brauchten; denn die 374

Ewald und Häfeli, Entstehung (Bibl. Nr. 183), p l l 5 f . 376 Ebd., pl31. Bibl. Nr. 150. 377 Luther, An die Rathsherren aller Städte deutsches Lands, daß sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen (1524), WA 15, p9-53. 378 Ewald und Häfeli, Vorstellung (Bibl. Nr. 150), p4. 379 380 Ebd., p6 . Ebd. 381 Ewald und Häfeli, Ausführlicher Plan (Bibl. Nr. 154), p4. 375

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Subskription brachte für die drei Jahre etwas über 3000 Thaler ein"382. In den diese Sache betreffenden Akten im Bremer Staatsarchiv befindet sich u.a. folgender berichtender Vermerk: „Eine große Anzahl edeldenkender Menschen und Bürgerfreunde, habe sich zur Aufbringung der zu einer solchen Anstalt auf drei Jahre erforderlichen Unkosten bereitwillig erkläret, und den Wunsch geäußert, dieselbe sobald wie möglich zu stände gebracht zu sehen"383. Am 24.4.1799 bereits hatte der Senat der Stadt beschlossen, daß Ewald und Häfeli „zu auctorisiren seyen die angezeigte Bürgerschule nach der, in Anlage überreichten Vorstellung, auf 3 Jahre hieselbst zu errichten, und wird denenselben zugleich hiemit während solcher Zeit, die Inspection dieser Schule von Obrigkeitswegen übertragen"384. Diesen Beschluß teilten die beiden Projektleiter ebenfalls mit und ferner, daß bereits ein „Hauptlehrer"385 gefunden sei. Dieser Lehrer hieß Anton Heinrich Fricke und war an dem von Ewald mitbegründeten Detmolder Schullehrerseminar ausgebildet worden386. Ewald und Häfeli gaben jetzt die rechtliche Verfaßtheit der neuen Schule bekannt, die für „Söhne Bremischer Bürger" eingerichtet ist, „die das 12te Jahr zurückgelegt haben"387. Sie sollen bereits lesen, schreiben und rechnen können. An der ersten Stelle des Lehrplans rangiert Ewalds pädagogischen Grundsätzen gemäß, die er auch in einer staatlichen Schule nicht aufzugeben gewillt ist, „eine populäre, mit den nöthigen Erläuterungen verbundene Bibel=Geschichte"3i%. Wie stark der Lehrplan etwa auf den Umstand Rücksicht nimmt, daß Bremen eine Handels- und Hafenstadt ist, zeigt sich darin, daß die Fähigkeiten, „Briefe zu schreiben, Quittungen, Vollmachten, Kontrakte etc. gehörig zu entwerfen"389 das zweite Lernziel nach der Bibelgeschichte darstellen. Daneben treten Erdbeschreibung [...] Geschichte dieser Stadt [...] Schlözers Weltgeschichte"390 und anderes, wobei Ewald dem Unterricht u.a. auch sein eigenes für die lippischen Schulen konzipiertes Lehrbuch zugrundelegt. 1803 führten Häfeli und Ewald die letzte Visitation der Bremer Bürgerschule durch und erklärten das Projekt für beendet. Die beiden Theologen hatten alles erreicht, was sie sich vorgenommen hatten, denn ihre Bürgerschule hatte Schule gemacht, und in drei Kirchspielschulen waren ihre Ideen aufgenommen und in die Tat umgesetzt worden. Daher begreift Ewald seine Tätigkeit als eine derjenigen des Täufers analoge, wenn er Joh 3,30 auf das Bremer Schulwesen anwendend sagt: „So war diese Bürgerschule gewis nur 382 383 384 386 388 390

Dies., Entstehung, pl32. StA Bremen, 2-T. 5. b. 5. m. (Nr. 2), 13.2.1799. 385 Ebd., 24.4.1799. Ewald und Häfeli, Ausführlicher Plan, p4. Vgl. Wulff, H„ p2. 387 Ewald und Häfeli, Ausführlicher Plan, pl3. 389 Ebd., pl6. Ebd., pl7. Ebd., pl7f.

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der Vorläufer weit besserer und wirksamerer Anstalten; - ein Johannes vor einem Christus, eine Wassertaufe vor einer Feuertaufe·, und wir wollen mit eben der selbstlosen Liebe zum Guten, sagen: ,Die besseren Anstalten müssen wachsen; diese muß abnehmen'"391. Schon zu Beginn des Bürgerschulprojektes hatte Ewald gehofft, daß diese Institution als Anstoß für eine Reform der Kirchspielschulen in den kirchlichen Bereich zurückwirken würde392. Ewald hatte sich daher auch der Reform der Kirchspielschule an seiner Gemeinde zugewandt, innerhalb deren er mit dem dortigen Lehrer Johann Heinrich Lange (1755-1815) intensiv und kollegial zusammenarbeitete393. Die Anerkennung, die Ewald Lange zollt, ist groß; er nennt ihn einen „Mann, der sich durch seine Talente, seine vielseitigen Kenntnisse, und seinen warmen Eifer vor tausend seines gleichen auszeichnet. Ich kenne wenigstens bis jezt keinen Schulmann in diesem Fache, der ihn darin überträfe, und sehr Wenige, die ihm gleich kommen"394. Und auch in dieser Reform spielen wieder Ewalds bereits bekannte Forderungen nach Buchstabentafeln, nach möglichst intensiver Beschäftigung der Schüler, Abschaffung des rein mechanischen Auswendiglernens und Einführung neuer Schulbücher eine zentrale Rolle. In seiner die letzte Visitation der Bürgerschule abschließenden Rede gibt Ewald auf die Frage „Was fehlt unseren Trivialschulen noch?" mehrere Antworten. Er beklagt die unzureichende Besoldung der Lehrer, durch die sie veranlaßt werden, Nebentätigkeiten auszuüben, die der Konzentration auf ihre eigentlichen Berufsgeschäfte abträglich seien395. Außerdem müsse endlich dafür gesorgt werden, daß der Unterricht nicht mehr in den „schmuzigefn], stinkendefn] Löcher[n]"396 stattfinden müsse, da hierunter die Gesundheit der Kinder und der Lehrer unweigerlich leide. Ewald wünscht daher „geräumigere, hellere und gesundere Stuben"291. Und für ebenso notwendig hält Ewald eine geregelte Altersversorgung der Lehrerschaft398, eine Forderung, die Lange später im Rahmen einer Selbsthilfemaßnahme zur Durchführung gelangen ließ399. Außerdem sei die Errichtung eines Schullehrerseminars längst überfällig400. Allein die Gelder fehlten. Aber die Bremer Bürgerschaft war beileibe nicht knickerig und stiftete als Reaktion auf Ewalds die noch 391

Ewald und Häfeli, Was fehlt (Bibl. Nr. 241), p23. 393 Dies., Ausführlicher Plan, p9. Vgl. Prüser, p490ff. 394 Ewald und Häfeli, Ausführlicher Plan, p7f Anm. 395 Ewald und Häfeli, Was fehlt (Bibl. Nr. 241), p24f. ,,Α/fe Schullehrer und Schullehrerinnen [...] müssen mehr Einnahmen haben, wenn es mit unseren Schulen gut gehen soll. Das Schulgeld, und die Besoldungen wurden in Zeiten bestimmt, wo Alles um die Hälfte, um zwei Drittel wohlfeiler war, als jezt." 396 397 Ebd., p27. Ebd. 398 399 Ebd., p28. Vgl. Prüser, p618. 400 Ewald und Häfeli, Was fehlt, p29. 392

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bestehenden Mißstände benennende Rede „1000 Thaler, zum Anfang eines Fonds, für ein solches Seminar"401. Obendrein beschlossen die Stifter der Bürgerschule, „einen jungen, dazu tüchtigen Mann, von welcher Confeßion er sey, auszuwählen, und ihn nach Burgdorf zu schicken, um sich dort in dem Pestalozzischen Institute selbst, mit dieser Lehrart, bekannt zu machen"402. Ermöglicht durch diese Gelder begann Ewalds zunächst indirekter und später persönlicher Kontakt mit Johann Heinrich Pestalozzi.

14. Kontakt mit Pestalozzi - Reise nach München-Buchsee Pestalozzi-Rezeption und -kritik In Bremer Zeit begann Ewald damit, sich intensiv mit den Schriften Pestalozzis zu beschäftigen403, und bemerkte bei der Lektüre von „Wie Gertrud ihre Kinder lehrt"404, „daß wir besonders in der Bremer Bürgerschule Manches mit dem besten Erfolg hatten üben lassen, was ganz im Geist der Pestalozzischen Vorschläge war"405. Das Interesse Ewalds an Pestalozzi und dessen Pädagogik ist vermutlich nicht zuletzt durch Johann Friedrich Herbart geweckt worden, der sich in den Jahren 1800-1802 in Bremen aufhielt406 und, ähnlich wie Ewald es i.b. auf sein Bürgerschulprojekt getan hatte, das Bremer Museum zum Podium wählte, um seine „Beurtheilung der Pestalozzischen Methode"407 darzutun. Auch in der Folgezeit setzte sich Herbart mit Pestalozzi auseinander408, und Ewald nahm später die Gelegenheit wahr, mit Herbart in 401

Ebd., p37. Vgl. StA Bremen, 2-T. 5. b. 5. m. Nr. 4, (Bibliographie A 15), wo von einem Beschluß „der Herren Subscribenten zu der Bürgerschule" berichtet wird. 1000 Taler sollen „als ein kleiner Fond zu einem [...] Seminar für Schullehrer und Schullehrerinnen" bereitgestellt werden. 402 StA Bremen, 2-T. 5. b. 5. m. Nr. 4. 403 Vgl. Copei, F., ρ 18, wo allerdings nicht klar genug herausgearbeitet wird, daß Ewald erst in seiner Bremer Zeit damit begann, sich mit Pestalozzis Schriften auseinanderzusetzen, wenngleich seine schulreformerische Tätigkeit in Detmold bereits Züge aufweist, die der pestalozzischen Pädagogik durchaus verwandt sind. 404 Pestalozzi, Sämtliche Werke, Bd. XIII, pl81-359. Die Schrift war 1801 in Zürich erschienen. 405 Ewald, Geist und Vorschritte (Bibl. Nr. 290), Bd. 3, pXII. 406 Joppien, H., Art. Herbart, TRE 15, p57-62, hier: p58. Herbart war während seines längeren Aufenthaltes in der Schweiz öfters bei Pestalozzi in Burgdorf gewesen, war dann nach Bremen gekommen, bevor er 1802 an die Universität Göttingen ging. 407 Herbart, J.F., Ueber den Standpunct der Beurtheilung der Pestalozzischen Unterrichtsmethode [,] eine Gastvorlesung gehalten im Museum in Bremen, Bremen 1804. 408 Vgl. ders., Ueber Pestalozzis neueste Schrift: Wie Gertrud ihre Kinder lehrt (1802), in: Ders., Sämmtliche Werke. Bd. 1, Leipzig 1882, pl53—168. Und: Ders., Pestalozzis Idee eines ABC der Anschauung untersucht und wissenschafüich ausgeführt (1802/4), ebd., ρ169-291.

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einen Austausch in dieser Angelegenheit zu treten. „[Ich] unterredete mich darüber mit Doktor Herbart, damals in Göttingen, der bey Pestalozzi gewesen war, und wurd' immer mehr von ihrer [seil, der Methode; A.S.] Richtigkeit im Ganzen überzeugt"409. 1801 hatte Ewald den erst achtzehnjährigen Jacob Blendermann als Hilfslehrer an die Bürgerschule geholt410, der nun ausgewählt wurde, als Gesandter nach Burgdorf zu Pestalozzi zu reisen. Der Schweizer nahm ihn freundlich auf, bildete ihn aus und schickte ihn dann nach Bremen zurück „mit dem, von allen Lehrern unterschriebenen Zeugniß, daß er gut genug mit der Methode bekannt sey, um sie ohne weitere Anleitung ausüben zu können"411. Im Sommer 1802 war Blendermann in die Schweiz aufgebrochen und übernahm im Jahre 1803 nach Bremen zurückgekehrt „die Elementarklasse in dem hiesigen reformirten Gymnasium"412. Durch Blendermanns Unterricht wurde Ewald nun aus eigener Anschauung mit der Pestalozzischen Methode bekannt. Blendermann wurde hernach ein nicht unbedeutender Pädagoge, der auch über Bremens Grenzen hinaus gewirkt hat. Im Lippischen Literaturarchiv findet sich ein Empfehlungsschreiben für Blendermann413, das Ewald ihm aufgesetzt hat, u.U. für eine Reise, die Blendermann auch nach Detmold führte. Aus einem Brief Ewalds an Pestalozzi, in dem er für die Aufnahme und Ausbildung Blendermanns in Burgdorf dankt, geht klar hervor, daß Ewald der Pädagogik des Schweizers zunächst sehr skeptisch gegenüberstand. Ewald fürchtete in dessen Methode eine gewisse Vernunft-Einseitigkeit und war darum erleichtert, von Blendermann zu hören, daß Pestalozzi bereits selbst über eine solche Gefahr nachgedacht habe. „Aber - was mich am meisten freute, liebe Bruderseele, das ist: daß Sie selbst die Einseitigkeit dieser Methode erkennen, und den Schaden, den sie stiften könnte, wenn sie einseitig betrieben würde. Hoch habe ich aufgejauchzt, als ich von Blendermann hörte, daß auch sie die Vernunftbestien und die Vernünftele/ kennen. Diese 409

Ewald, Geist und Vorschritte, pXIIIf. Vgl. Wulff, p3. 411 Ewald, Geist und Vorschritte, pXIII. 412 Ebd. 413 „Neuer Empfehlungsbrief, an Vorsteher von Unteirichts= und Erziehungsinstituten, und an meine Freunde und Bekannten, für den braven Jüngling, Jacob Blendermann, der sich dem Unterrichte in den Elementarkenntnißen widmet, und sich in Burgdorf, unter Pestalozzi, in deßen Methode geübt hat. Was sie ihm thun, will ich ansehen, als hätten Sie es mir gethan. Bremen, den 13ten Jan: 1803 J:L: Ewald Doktor, Profeßor und Prediger." Lippisches Literaturarchiv Detmold, Bibliographie A 27. 410

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Einseitigkeit zu vermeiden, dem Mißbrauch vorzubeugen, dem Ihre Methode dadurch ausgesetzt ist [...] das muß Ihr und unser aller Bestreben sein"414. Im folgenden wird deutlich, was Ewald inhaltlich in der Methode Pestalozzis fehlt: nämlich eine christlich-biblische Komponente. So sehr Ewalds in Detmold und in Bremen in die Schulen eingeführte Methode deqenigen Pestalozzis ähnlich und vergleichbar ist, so besteht doch hier ein grundlegender Unterschied. Ewald arbeitet wie der Schweizer mit Buchstabentafeln und leitet die Kinder psychologisch-empirisch reflektiert innerhalb einer Stufenfolge vom Buchstabenlernen zum Silbenlesen, zum Wörterlesen bis zur Lektüre größerer Textzusammenhänge415. Doch dort, wo bei Pestalozzi nach dieser Stufenfolge gleich der Realienunterricht folgt, dem als pädagogisches Prinzip das der die menschlichen Sinne affizierenden Anschaulichkeit zugrunde liegt416, kommt bei Ewald nicht zufällig vorher die Bibelgeschichte zu stehen417, die vor dem Realienunterricht den ersten Rang einnimmt. Aber Ewald wendet sich hiermit nicht platt ablehnend gegen Pestalozzi. Vielmehr versucht er, ihn darauf aufmerksam zu machen, daß in der Bibel selbst eine Lehrmethode zu erkennen ist, nämlich die göttliche Lehrmethode, die auf biblische Weise eine Strukturanalogie zu dem bildet, was Pestalozzi selbst abseits von biblischer Reflexion für das Proprium seiner Methode hält. Denn - so Ewald - auch die Bibel als Erziehungsbuch Gottes geht von der Anschaulichkeit aus und macht die Menschen in einer Stufenfolge mit den göttlichen Wahrheiten bekannt. Ewald will beides: die Pestalozzische Methode rezipieren und die Bibel dabei nicht vergessen. Oder anders: Ewald will die Pestalozzische Methode von der biblischen Methode Gottes her in den Blick nehmen und sie biblisch einer Relektüre unterziehen. Deswegen sagt Ewald: „Ich bin ein decidirter Bibelchrist" und: „[Ich] befördere Ihre Methode mit aller Macht"418 und entwickelt dann seine Grundidee: „Aber, lieber Bruder, die Menschheit in Masse [...] kann nicht ohne positive Religion, unser Europa nicht ohne die beste aller positiven Religionen, ohne Christenthum, bestehen [...] Das Christenthum faßt den Menschen nicht bloß 414

Ewald an Pestalozzi, Pfingsten 1803, in: Pestalozzi, Briefe, Bd. 4, p575. Vgl. Pestalozzi, Der natürliche Schulmeister, in: Ders., Sämtliche Werke, Bd. XV, pl-166. Das Sprechen- und Lesenlernen beginnt wie bei Ewald mit „einzelnen Tönen" und „einsilbige[n] Wörterfn]". Dann werden die mehrsilbigen Wörter vorgenommen und ein „Wörtervorrath" ausgebildet (p4). Dem Prinzip der Anschauung gemäß soll das Kind nun die Dinge der Wahrnehmung durch die Sprache bezeichnen lernen (p4f). Hier ist die Brücke vom Silben- und Lesenlernen zum Realienunterricht schon geschlagen: „Wenn das Kind also die Sprache durchloffen, das ist, ihre einzelnen Thöne und die ganze Massa der Worte und Fügungen, Wendungen und Verbindungen (sich zu) eigen gemacht (hat), so fangt denn natürlich der Realunterricht an" (p6). 416 Vgl. Steiger, J.A., Bibel-Sprache, ρ 155-160. 417 Vgl. o. Kap. I, 6. 418 Ewald an Pestalozzi Pfingsten 1803, in: Pestalozzi, Briefe, Bd. 4, p575. 415

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bei der Vernunft, die zwar in Büchern, aber nicht in den Thaten den Menschen regiert, es faßt ihn bei Kopf und Herz [...] Denken Sie nun einmal darüber nach, ob nicht nach der Bibel den Menschen religiöse Ideen, religiöser Sinn eingeflößt wird, gerade auf eben die Art, wie nach Ihrer Methode dem Menschen intellektuelle Bildung gegeben wird? Ebenso von Anschauungen angefangen, in den kleinsten Stufenfolgen fortgegangen, Hauptideen öfters wiederholt, dabei beharrt, bis sie sich unvergeßlich eingeprägt haben [...] Kurz: das Christenthum ist eine pestalozzische Methode, religiöse Begriffe zu entwickeln, religiösen Sinn zu bilden, oder Ihre Methode ist eine christliche Methode, das intellektuelle Vermögen zu bilden - oder vielmehr: beide haben aus einer Quelle geschöpft, aus der menschlichen Natur und ihren Bedürfnissen"'19. In seinem Brief vom 12.2.1804 an Ewald gibt Pestalozzi zu erkennen, daß ihn dieser Grundgedanke sehr beschäftigt hat. Pestalozzi beginnt nun damit, seine eigene Methode im Ewaldschen Sinne mit der biblischen in Beziehung zu setzen und zu vergleichen. „Alle Tage wird es heiterer, daß die Elementarlehre des Geistes [...] in ihrem Wesen mit der Elementarlehre des Herzens, mit der Jesus Christus Arme und Elende im Volke zur Heldenkraft des Glaubens erhob, ein und eben dieselbe Sache ist"420. Jetzt endlich entschied sich Ewald, „in den Ferien eine Reise zu Pestalozzi [zu] machen"421. Ewald bereitete sich intensiv vor, indem er mit Ernst Karl Kleinschmidt in eine Korrespondenz eintrat und seine Schriften las422. Mit ihm wird Ewald in seiner Karlsruher Zeit noch eng in Sachen Pestalozzische Methode zusammenarbeiten423. Außerdem las Ewald die Schriften von Carl Wilhelm Passavant, der nicht mit Ewalds gleichnamigem Freund Jakob Ludwig Passavant verwechselt werden darf. Ersterer hatte ebenfalls Pestalozzi in Burgdorf besucht und seine Eindrücke und Erfahrungen 1804 in einem Buch424 festgehalten. Es war die Zeit, in der man aus den verschiedensten Teilen Europas zu Pestalozzi pilgerte. Ewalds eigene Pilgerreise fand im Jahre 1804 statt. Er machte sich auf die Reise, „sah vorher die Pestalozzische Schule, die der würdige Pfarrer [seil. Johann Georg; A.S.] Gesner in Zürich errichtet hatte"425, und gelangte dann nach München-Buchsee, wohin Pesta-

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Ebd., p576. Pestalozzi an Ewald 12.2.1804, in: Pestalozzi, Briefe, Bd. 4, pl86. 421 Ewald, Geist und Vorschritte, pXIV. 422 Vgl. ebd., pXVII-XXIV. 423 Vgl. u. Kap. I, 21. 424 Passavant, C.W., Darstellung. 425 Ewald, Geist und Vorschritte, pXIVf. Seine genaue Reiseroute ist aus einem Brief Ewalds an seinen Freund von Halem detailliert ersichtlich, dem er kurz vor seiner Abreise schreibt: „Ich reise mit meiner Familie bis Frankfurt; dann mit einem jungen Zögling von 420

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lozzi inzwischen mit seinen Anstalten aus Burgdorf kommend umgezogen war. Von dort nach Bremen zurückgekehrt hielt Ewald im Winter 1804 „öffentliche pädagogische Vorlesungen", in denen er „unter andern die Pestalozzische Methode"426 vorstellte. Diese von „Müttern, Vätern, Lehrern und Lehrerinnen"427 angehörten Vorlesungen wurden gedruckt, erschienen insgesamt in drei Auflagen und stellen eine wichtige Etappe in der PestalozziRezeption in Deutschland dar. Sie wußte der Schweizer selbst zu würdigen, der auf die Übersendung von Ewalds Buch „Geist der Pestalozzischen Bildungsmethode, nach Urkunden und eigener Ansicht"428 reagierend nach Bremen schreibt: „Ihr Buch wird würken [...] Auch dafür danke ich, daß Sie die Notablen von Europa durch Ihr Buch auf mein Thun aufmerksam gemacht haben; bey einigen wird es gewiß Folgen haben, und ich glaube, daß dieser Schritt für die Beförderung des Zweckes [...] höchst wesentlich seye. Unabhangend von allem äußern Erfolg wollen wir treu und redlich am Wesen der Sache fortarbeiten"429. Gleichzeitig bildet diese erste Phase der Beschäftigung Ewalds mit der Pädagogik Pestalozzis den Grundstein für seine später in Baden in Angriff genommene Anwendung dieser Methode auf das dortige Schulwesen. In seinem Pestalozzi-Buch verteidigt Ewald den Schweizer Pädagogen gegen den (allerdings auch in seinen Augen nicht ganz unberechtigten) Vorwurf, daß seine Methode die Anschauung in einer recht einseitigen Weise gegen den Glauben ausspiele. „Weil Pestalozzi die Bildung des ganzen Denkvermögens auf Anschauung gründet, so fürchtete man, daß die Kinder unfähig zum Glauben gemacht werden, wo es nichts zu schauen gibt"430. Ewald konzediert, daß sich Pestalozzi „wol gegen manche gewöhnliche Vorstellungsarten christlicher Dogmen etwas derb ausgedrückt hat"431 und man ihn daher für einen Unchristen gehalten hat. Gleichwohl - so Ewald - sei in alle Schriften Pestalozzis „ächte Herzensreligion verwebt"432. Wenngleich Schröter, weiter, jenseits des Rheins herauf, über Stutgard, Bodensee, Konstanz nach Schafhausen, Zürich, Bern, nach Pestalozzi, der jezt in einem Kloster mit seinen Zöglingen lebt. Dann nach dem Genfer See, bis Vevay, herunter in das Val de Lis, Chamounythal, an den Fuß des Mont-Blanc, und nach verschiedenen Jean-Paulischen Digreßionen, über den Thuner See zuriik nach Bern, auf Basel, und so über Strasburg, Carlsruhe Heidelberg zuriik. Nicht wahr? es ist eine schöne Reise." Ewald an von Halem 8.6.1804, LB Oldenburg, Bibliographie A 55. Vgl. auch Ewald, Auszüge aus Reisebriefen (Bibl. Nr. 278). Hier beschreibt Ewald eine Reiseetappe (von Ulm über Konstanz nach Stein am See). 426 Ewald, Geist und Vorschritte, pXV. 427 428 Ebd. Bibl. Nr. 259. 429 Pestalozzi an Ewald Herbst 1805, in: Pestalozzi, Briefe, Bd. 5, p44f. 430 Ewald, Geist und Vorschritte, p217. 431 Ebd., p218. 432 Ebd.

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auch Ewald bemerkt und dies Pestalozzi gegenüber ja auch kritisch geäußert hat, daß die Bibel bei ihm nicht die zentrale pädagogische Funktion hat, die eigentlich wünschenswert wäre, so sieht Ewald doch in der Methode der Anschauung und der Anknüpfung klarer Begriffe an die Anschauung einen zutiefst christlich-biblischen Ansatzpunkt, den es stark zu machen gelte. Deutlich wird dabei aber, daß Ewald bemüht ist, Pestalozzi einer theologischen Interpretation zu unterziehen und in derselben mit Pestalozzi über Pestalozzi hinauszugehen. So wie sich bei Pestalozzi der Sprachunterricht an die Anschauung und damit an das, was die Natur selbst lehrt, anknüpfen soll433, so soll sich auch das in den Kindern zu weckende Gefühl der Liebe Gottes zu den Menschen an das Gefühl der Mutter- und Väterliebe anknüpfen434. Ähnlich kann sich auch Pestalozzi z.B. im „Buch der Mütter" äußern435. Aber - und darauf kommt es an - eine wirkliche biblisch-theologische Einholung dieses Ansatzes hat nicht Pestalozzi, sondern erst Ewald geleistet, indem er in seiner Pestalozzi-Interpretation die Christologie als zentrales Interpretationsmittel ergreift und anwendet. Denn auch Gott - so Ewald - hat diese Methode gewählt, indem er seinen Sohn Mensch werden ließ und damit die Liebe Gottes zu den Menschen und der Menschen zu Gott an die Anschauung anknüpfte. Denn in Christus „wurde die Gottheit anschaulich, empfindbar, genießbar, so weit sie es nur irgend Menschen werden kann"436. So 433 Pestalozzi, Sämtliche Werke, Bd. XIII, pl98. „Es braucht nur, daß wir mit psychologischer Kunst, Sprache an dieses Bewußtseyn anketten, um dasselbe ihnen [seil, den Kindern; A.S.] zu einem hohen Grade von Klarheit zu bringen, und sie dadurch in den Stand zu setzen, beydes die Fundamente vielseitiger Kunst und vielseitiger Wahrheit an das, was sie die Natur selbst gelehrt, anzuketten, und hingegen das, was sie die Natur selber gelehrt, als Erläuterungsmittel aller Fundamente der Kunst und der Wahrheit, die man ihnen beybringen will, zu benutzen." 434 Vgl. Ewald, Geist und Vorschritte, p221: „An dem, was ihm [seil, dem Kind; A.S.] die Mutter ist, lernt das Kind erkennen, was ihm Gott ist, nur in höherem Sinn, in erweitertem Verhältniß [...] Ohne Mutterliebe keine Kindesliebe, und ohne Kindesliebe keine Religion! Wenn aber dieser Grund gelegt ist, so wird ihm Gott genannt, bei allem Wolthätigen, Rührenden, Erquickenden, Erfreuenden, was es genießt, bei allem Schönen, Angenehmen, was es sieht." 435 Pestalozzi, Sämtliche Werke, Bd. 15, p387f: „Mutter! Mutter! Sie führt dich zu der Quelle deiner Wahrheit, sie führt dich zu der Quelle deiner Kraft, sie führt dich zu deinem Gott und zu deinem Schöpfer, sie führt dich zu deinem ewigen Vater, zum ewigen Vater deines Kindes; in der Umarmung deines Kindes zeigt sie dir Gott [...] Mutter! [...] du sprichst den Namen deines Gottes kaum aus, und es lächelt des Namens deines Gottes; aber spreche ihm diesen Namen nicht vor, laß es diesen Namen nicht nachsprechen, ohne im innigsten Zusammenhang mit den Gefühlen der Liebe." 436 Ewald, Geist und Vorschritte, p226. Sein Ziel, mit Pestalozzi gemeinsam über ihn selbst hinauszugehen, formuliert Ewald auch in einem Brief an von Halem, 8.6.1804 kurz vor seiner Abreise: „Méin Hauptzwek ist indeß, bei Pestalozzi, den Geist seiner Methode, von seinen steifen Gewändern zu entkleiden [...] Könnte ich, gemeinschaftlich

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wechseln bei Ewald Würdigung der Methode Pestalozzis und Ergänzungen derselben einander ab. Ewald würdigt das Unterfangen, die religiöse Bildung von den Elementen her zu betreiben. Allerdings reiche die abstrakte Bildung des religiösen Sinns noch nicht aus, sondern ein Bibelunterricht müsse folgen, gegen den Pestalozzi jedoch nur allzu oft als einen reinen Buchstabendienst polemisiert hat437. Weiter kritisiert Ewald den Sittlichkeits-Enthusiasmus des Schweizers, der voraussetzt, die Vernunft könne die Leidenschaften überwinden438. Und auch in Pestalozzis Sicht der Dinge, der Lehrer sei zuvörderst Tugendmuster, wittert Ewald einen gewissen Ethizismus, den er als gesetzlich ablehnt439. Insgesamt zeigt sich also, daß Ewalds Pestalozzi-Rezeption eine durch und durch selbständige und kritische gewesen ist, die darum bemüht war, die Schwachpunkte der neuen pädagogischen Methode nicht zum Anlaß zu nehmen, die Ideen des Schweizers einfach zu verwerfen. Vielmehr hat es Ewald unternommen, Pestalozzis Entwurf theologisch zu interpretieren, was ihm mithilfe der Christologie auch gelungen ist, um Pestalozzis (wenn auch von ihm selbst unbemerkt gebliebenen) implizit-biblischen Ansatzpunkte zu wahren.

15. Reform der Bremer Trivialschulen Neben dem Bürgerschulprojekt hat Ewald in Bremen gemeinschaftlich mit Häfeli auch entschieden an der Verbesserung des Trivialschulwesens gearbeitet, worauf hier nur im Überblick eingegangen werden kann. Am 16.12.1798 fragte der mit den Schulangelegenheiten betraute Senator A.G. Denecken bei Ewald und Häfeli an, ob sie bereit seien, die vom Senat beschlossene Reform und Verbesserung der Heckschulen440 durchzuführen und zu leiten. Am 21.12. signalisieren die beiden Pfarrer ihre Bereitschaft, diese zusätzliche schulorganisatorische Aufgabe zu übernehmen441.

mit P:, ihn selbst höher stellen, so daß er das Gebiet der Wißenschaften, der Moral und Religion, mit seinem Stral erleuchtete: so würd' ich zurük kommen, wie jene Königin von Saba, von Salomo zurükkam" (LB Oldenburg, Bibliographie A 55). 437 Vgl. Pestalozzi, Sämtliche Werke, Bd. XIII, p308. 338. 438 Ewald, Geist und Vorschritte, p210ff. 439 Ebd., p226. 440 StA Bremen 2-T. 5. b. 5. k. 1. b. (Nr. 8), 16.12.1798, Bibliographie A 14. 441 „Mit schuldiger Zurüksendung der, uns gütigst mitgetheilten Protokollextrakta, nehmen wir also den, im Namen mehrgedachter Kommißion, von Euer Wolgeborenen, uns gethanen Antrag willig an, und bezeugen uns bereit, nach unserem Vermögen, zu Beförderung dieses heilsamen Zweks mitzuwirken." Ebd., Nr. 10, 21.12.1798.

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Noch im Dezember 1798 fanden die ersten Sitzungen der vom Senat eingesetzten Kommission mit Ewald und Häfeli statt442, und am 2.1.1799 stellten beide ihre ersten Reformpläne in gebündelter Form schriftlich vor443. Am 4.3.1800 reichten sie ihre „Gedanken über die hiesigen Heckschulen und ihre Verbeßerung"444 beim Senat ein. Am 15.3.1800 wurde der am 21.1. gefaßte Senatsbeschluß veröffentlicht, „sämtliche dem ersten Unterrichte der Jugend bestimmte Schulen in der Altstadt, Neustadt und den Vorstädten durch eine deshalb angeordnete Commission untersuchen zu lassen"445. Noch im selben Jahr erschien die ebenfalls von Ewald und Häfeli gemeinsam abgefaßte „Kurze Anleitung für Schullehrer und Schullehrerinnen in niederen Schulen, wie sie zweckmäßig unterrichten und ihre Schulen in Ordnung erhalten können"446 - eine pädagogisch-methodische Handreichung für die Trivialschullehrer, die Ewalds zum selben Zweck in Detmold herausgegebenem Handbuch sehr ähnlich ist. Lavater gegenüber berichtet Ewald von seinem Auftrag, den er mit Häfeli gemeinsam durchführt447, und von seiner freundschaftlichen Zusammenarbeit mit ihm. „Ich bin sehr gut mit ihm; wir betreiben das hiesige niedere Schulwesen gemeinschaftlich"448. Anscheinend nicht ohne Ewaldschen Einfluß kehrte Häfeli, der sich seit einiger Zeit dem Rationalismus angenähert hatte, zum, wahren Bibelchristentum' zurück, indem er, wie Ewald berichtet, einen neuen Weg zur Versöhnungslehre fand. „Häfely hat am Charfreitag öffentlich erklärt, daß er jezt nach allen Bemühungen finde, die Lehre von der Versöhnung sey Bibellehre, und nicht gegen die Vernunft"449. 442

Ebd., Nr. 11. Ebd., Nr. 11. Diese Akte folgt auf die in der vorangegangenen Anm. genannte; ,Nr. 1Γ ist zweimal vergeben. 444 445 Ebd., Nr. 18, 4.3.1800. Ebd., Nr. 38. 446 Ewald und Häfeli, Kurze Anleitung (Bibl. Nr. 192). Zentrale Bedeutung messen Ewald und Häfeli hier wiederum den Buchstabentafeln bei (pl8f) und zeigen die „Mittel" auf, „die Kinder gemeinschaftlich beschäftigt zu erhalten" (pl7). Kristallisationspunkt des Unterrichts ist auch hier der narrative Bibel-Unterricht. Das Handbuch enthält eine Beispielkatechese zu Mt 13,1-8.18-23 (p83ff), aber z.B. auch Schulgebete. Neben der praktischen Einweisung in eine zweckmäßigere Lehrmethode dient die Schrift auch der Werbung um Mitarbeit an der pädagogischen Reform. Lehrer müssen zu ihrem Beruf ausgebildet werden, so wie auch Handwerker eine Ausbildung genießen, bevor sie sich verantwortungsvoll ihrem Geschäft zuwenden: „Man lernt Leder und Wolle bereiten, Schuhe und Kleider machen. Sollte man nicht lernen, Kinder unterrichten, Kinderbegriffe entwickeln, Kinderherzen bilden? [...] Der schlechte Schuhmacher verschneidet doch nur Leder; der schlechte Schneider Zeug und Tuch [...] Aber der schlechte Schul=Lehrer verkrüppelt Menschenseelen, verdreht Menschenbegriffe, verdirbt Menschenherzen" (p8). 447 Ewald an Lavater 20.4.1800, Zentralbibl. Zürich FA Lav. Ms. 507, 294. Bibliographie A 58. 448 Ewald an Lavater 19.2.1800, ebd., Nr. 293. 449 Ebd., Nr. 294. 443

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In Bremen ist Ewald dann schließlich neben seinem Pfarramt auch als Lehrer tätig geworden. Denn im Jahre 1802 (und nicht erst 1805, wie häufiger in Lexikonartikeln zu lesen steht) ist er als Professor für praktische Philosophie an das Lyceum in Bremen berufen worden450.

16. »Christliche Monatschrift' - Bremer Schriften In Bremen nahm Ewald seine publizistische Arbeit wieder auf und gründete seine dritte Zeitschrift, die „Christliche Monatschrift", die 1800 erstmals erschien. Geplant hatte sie Ewald schon lange vorher, denn bereits am 14.2.1796 schreibt er an Lavater, daß er eine Zeitschrift zu gründen gedenke, die Pfenningers ,Christliches Magazin' zum Vorbild haben, es jedoch in Anlage und Inhalt übertreffen solle. „Lieber; ich habe viel Veranlaßung zu einer eigentlich Christlichen Monatschrift für alle Konfeßionen; etwa wie das Christliche Magazin; nur vielseitiger, höher und tiefer"451. Der Plan blieb jedoch liegen - zu viele Geschäfte überhäuften Ewald mit Arbeit. Am 6.12.1799 jedoch schreibt Ewald wieder an Lavater, daß er den Entschluß gefaßt habe, die Zeitschrift jetzt zu Stand und Wesen zu bringen452. Ewald bittet seinen Züricher Freund um Beiträge und fordert ihn auf, seinen Schwiegersohn Johann Georg Gessner und Johann Jacob Heß als Mitarbeiter zu gewinnen zu suchen. Ewald hat eine Koalition der wahren Bibelchristen vor Augen, einen Schulterschluß der an der Offenbarung festhaltenden Christen; er wollte erneut ein Gegengewicht gegen den Rationalismus bilden. Diesen Rest zu sammeln, soll ein Organ geschaffen werden, um, wie Ewald im Anschluß an lKön 19,18 sagt, „das Häuflein Christen von allen Denkungsarten zu vereinigen, und in dem Glauben zu stärken, daß noch Tausende sind, die ihre Knie nicht gebeugt haben, vor dem Gözen unserer Zeit"453. Lavater antwortet am 25.6.1800, daß Heß zwar zu überlastet sei, um etwas liefern zu können, aber: „Geßner wird Dich nicht vergeßen. Ich habe Manches für Dich in Bereitschaft, besonders Epigramme wider Hardmayer, den antichristischen Prediger in Bayreuth, ein Zürcher von Kopf und Kraft, der Christum auf der

450 Intelligenzblatt der ALZ Nr. 118,24.7.1802, Sp. 960: „Der Senat in Bremen hat Hn. D. Ewald die Stelle eines ord. Professors der praktischen Philosophie; Hn. D. Stolz die eines ord. Professors der Theologie, und zwar ausdrücklich mit Rücksicht auf seine Uebersetzung des N.T, und Hn. D. Häfeli ebenfalls die eines ord. Prof. der Theologie, Hn. D. Meister aber das beständige Rectorat ertheilt." 451 Ewald an Lavater 14.2.1796, Zentralbibl. Zürich, FA Lav. Ms. 507, 291. 452 Ewald an Lavater 6.12.1799, ebd., Nr. 292: „Lieber Bruder; ich möchte eine Christliche Monatschrift herausgeben, im Geiste des Christlichen Magazins." 433 Ebd.

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Kanzel zum Schwärmer und das Christenthum zu Wahnsinn macht"454. David Kaspar Hardmeyer wirkte 1796-1799 als reformierter Prediger in Bayreuth und bemühte sich, bis er aus seinem Amt schied und begann, in der Schweiz zu privatisieren, seine Hörer von der „ewigen Religion der Vernunft"455 zu überzeugen. Am 26.4.1800 war Ewald mit seinem Plan einer „.Monatsschrift für Christen aus allen Kirchen, und von allen Denkarten'"456 an die Öffentlichkeit gegangen - der endgültige Titel stand noch nicht fest. Und auch hier formuliert Ewald seine Kampfansage gegen den theologischen Zeitgeist, bzw. Ungeist, wenn er sagt: „Und es muss eine ganz eigene Art von Freude seyn, zu sehen, wie viele Verehrer des ächten Bibel-Christenthums es noch in allen Gegenden Deutschlands giebt." Der Katechismus soll Ewalds Plan zufolge in die Gattung der Zeitschrift hineinwachsen: Ein Magazin soll mit den christlichen Lehren neu vertraut machen, die durch die aufgeklärte Kritik meistenteils in Abgang gekommen sind - ein Anliegen, das Ewald schon mit seinen ,Katechismus-Predigten' verfolgt hatte. Daher soll die Monatsschrift die „eigenthümlichen Bibellehren" vorstellen, „den christlich-religiösen Sinn nähren und stärken", mit „dem Geiste der Bibel" vertraut machen und „biblische Belehrungen" über die „Zeichen der Zeit"457 geben. Auf diese Weise bedient sich Ewald der aufgeklärten Publizistik, um dem poimenischen Bedürfnis der Menschen nach Gewißheit und katechetischer Belehrung gerecht zu werden. Ewald verfolgt mit seiner neuen Zeitschrift durchaus ein ökumenisches Anliegen. Aber nicht ein solches, das eine rein natürliche Theologie zum Anlaß nimmt, sich über die konfessionellen Grenzen hinwegzusetzen, sondern: Gerade durch die erneute Hinwendung zur Bibel als Grundlage aller Theologie soll die Ökumene in ihrem Gegensatz zur alles nivellierenden Aufklärungstheologie wachsen458. Neben seinen Tätigkeiten als Prediger, Pädagoge, Reformer des Schulwesens, Publizist, Pestalozzi-Rezipient und Professor am Lyceum ist Ewald auch in seiner Bremer Zeit als Autor einer ganzen Flut von Schriften hervorgetreten. Sein erfolgreichstes Buch, „Die Kunst ein gutes Mädchen, eine gute Gattin, Mutter und Hausfrau zu werden"459 erschien 1798 in Bremen und 454

Lavater an Ewald, 25.6.1800, Zentralbibl. Zürich Ms. 558, 105. Bibliographie A

59. 455

Hardmayer, D.K., Sechs letzte Predigten, Titel. Intelligenzblatt der ALZ, Nr. 55, 26.4.1800, Sp. 450f. 457 Ebd. 458 Ewald, Einleitung (Bibl. Nr. 161), p8: „Es wird darum meinen Mitarbeitern und mir, angelegen seyn, den Blick wegzuleiten, von dem Wenigen, worin die christlichen Partheien verschieden denken, auf das weit Mehrere, worüber sie gleich denken." 459 Bibl. Nr. 151. 456

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erlebte bis in das Jahr 1827 fünf Auflagen, mehrere Nachdrucke und eine ganze Reihe von Übersetzungen in die verschiedensten Fremdsprachen. Es war das richtige Buch zur rechten Zeit, in der man begann, für die Mädchenerziehung andere Maßstäbe zugrunde zu legen und den Geschlechtsspezifika in der unterschiedlichen Entwicklung von Knaben und Mädchen Rechnung zu tragen. Ewald wendet sich an das weibliche Geschlecht als an den „zurückgesetzten Theil der Menschheit [...], um wenigstens den guten Willen zu zeigen, etwas von dem zu erfüllen, was unser Geschlecht dem Ihrigen schuldig ist"460. Ewald will einen Beitrag zur Abhilfe des Mißstandes leisten, daß Mädchen eine Vorbereitung auf ihren Beruf als Hausfrau und Mutter oft nicht wirklich erhalten, während das männliche Geschlecht zu seinen jeweiligen Berufsverrichtungen viel intensiver ausgebildet werde461. Diese Leistung Ewalds müßte einmal eigens im Kontext der zu seiner Zeit auflebenden geschlechtsspezifisch weiblichen Erziehung gewürdigt werden. 1804 erschien das Buch „Der gute Jüngling, gute Gatte und Vater"462, und in den Jahren 1810-13 vollendete Ewald seine familienpädagogische Trilogie mit dem Werk „Eheliche Verhältnisse und Eheliches Leben"463. Neben diesen romanhaften Erziehungslehren verfaßte Ewald in Bremer Zeit u.a. ein christliches Hausbuch464, das seine gattungshistorische Herkunft aus der Hauspostillen- und Erbauungsbuch-Tradition nur schwer verleugnen kann und gar nicht will. 1803 erschien die „Christliche Sonntagsfeier"465, ebenfalls ein postillenartiges Buch, das hauptsächlich Betrachtungen über die Bergpredigt enthält, und im selben Jahr folgte noch ein „Erbauungsbuch für Frauenzimmer aller Konfessionen"466. Ewalds Predigertätigkeit in Bremer Zeit ist recht vollständig dokumentiert, da er seine Predigten als „Entwürfe zu den Sonn- und Festtagspredigten in der Kirche zu St. Stephani in Bremen gehalten"467 jahrgangsweise in den Druck gab. Daneben erschien ein „Christliches Kommunionbuch"468, das der Präparation auf das Abendmahl dienen sollte. Zudem hat Ewald zwei Kalender469 mitbearbeitet und herausgegeben und eine weitere Schrift über die Notwendigkeit einer pädagogisch reflektierten Volksaufklärung verfaßt470. Außerdem versuchte sich Ewald auf dem Gebiet der Reisebeschreibungen, die 1797 bzw. 1799 erschienen471, aber nicht zum Stärksten seiner Produktion gerechnet werden dürfen.

460 463 466 468 471

Ebd., Bd. 1, p l . Bibl. Nr. 305. Bibl. Nr. 238. Bibl. Nr. 190. Bibl. Nrr. 146. 155.

461 464 467 469

462 Ebd., p3f. Bibl. Nr. 240. 465 Bibl. Nr. 147. Bibl. Nr. 236. Bibl. Nrr. 149, 156, 185, 189, 215, 242, 260. 470 Bibl. Nrr. 216-220. Bibl. Nr. 184.

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17. Professur für Pastoraltheologie und Moral in Heidelberg Im Jahre 1805 verließ Ewald Bremen nach einer Zeit von neun Jahren Wirksamkeit in der Hansestadt. Grund für sein Ausscheiden war nun nicht politischer Zwist, der ihn zum Verlassen der Stadt Detmold einst gezwungen hatte, sondern in erster Linie ein gesundheitlicher. Seine „kranke Brust" - so Ewald in seiner Abschiedspredigt, die er am 4.8.1805 hielt, vertrage „das Predigen in dieser Kirche nicht mehr"472. Erst in seiner Abschiedspredigt spricht Ewald einen Mißstand an, der noch nicht in Angriff genommen worden ist: nämlich, endlich die Besoldung der Pfarrer an die drastisch gestiegenen Lebenskosten anzupassen473. Außerdem stehe auch noch eine liturgische Reform aus474. In den Personalakten der St. Stephani-Gemeinde findet sich ein Aktenvermerk vom 26.4.1805, demzufolge dem Antrag Ewalds auf Entlassung aus den Diensten seiner Gemeinde stattgegeben worden ist475. Ewald selbst hatte sich wohl nicht zuletzt wegen seiner Krankheit an seinen Landsmann, den badischen Staatsrat Johann Nikolaus Friedrich Brauer (1754—1813) gewandt476, der ihn sodann als Nachfolger des jüngst verstorbenen Heidelberger Professors Daniel Ludwig Wundt (1741-1805) ins Gespräch gebracht hatte. Der gesamte Vorgang ist in den betr. Akten detailliert und recht vollständig dokumentiert. Überhaupt läßt sich aus den Akten des Generallandesarchivs im Verein mit den spärlicheren Beständen des Landeskirchlichen Archivs in Karlsruhe ein recht genaues Bild der Tätigkeit Ewalds in Heidelberg und Karlsruhe zusammensetzen. Im März 1805 erhielt Ewald ein Anschreiben, in dem ihm die Bereitschaft des Großherzogs signalisiert wurde, ihn, Ewald, als Nachfolger Wundts zu berufen477. In seinem Antwort472 Ewald, Abschiedspredigt (Bibl. Nr. 262), p5. Vgl. Ewald an von Halem 18.5.1805, LB Oldenburg, Bibliographie A 55: „Auch war ein solcher Deus ex machina sehr nöthig, da mir mein Arzt schon mehrmals gesagt hatte, daß mein Amt u. meine Gesundheit in Collision miteinander wären, welches ich auch nur zu lebendig empfand, da ich nach jeder Predigt Blut aus werfen mußte, und mein Athem immer kürzer ward." 473 Ewald, Abschiedspredigt, p23. 474 Ebd., pl9. 475 „Dr. u. Prof. Ewald wird als Prediger zu St. Stephani, auf Vorstellung des Herren Präsidenten entlassen." StA Bremen, 2-T. 4. a. 4. d. 2. a., 26.4.1805, Bibliographie A 13. 476 GLA Karlsruhe 205/225, Nr. 2, Bibliographie A 37. 477 Ebd., Nr. 3, 17.3.1805: „Der reformirte Profeßor und Kirchenrath Wund in Heidelberg ist gestorben, und Se Fiirstl. Durchlt. sind entschloßen, Ihnen die dadurch erledigte ordentliche Profeßor=Stelle der protestantischen Moral= und Pastoraltheologie samt Sitz und Stimme auf der theologischen Bank des reformirten Kirchenraths daselbst [...] zu conferiren. Die damit verbundene Besoldung bestehet l)tens in Eilfhundert Gulden Rheinisch aus dem Universitätsfond, sodann 2)tens in drey hundert Gulden und zehen Malter Korn und zwanzig Malter Holz aus dem Fond des gedachten Kirchenraths."

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schreiben versucht Ewald, sich bessere als die ihm angebotenen Bedingungen für die Witwenversorgung auszuhandeln. Daneben bietet sich Ewald dazu an, zusätzlich zu den ihm abverlangten pastoral- und moraltheologischen Vorlesungen auch Kollegien über die ihm ans Herz gewachsene biblische Dogmatik zu halten: „Ich seze nur noch hinzu, daß ich im Fach der biblischen Dogmatik der Akademie wol noch dienen, und auch durch Predigen, wenn es nicht oft, und in einer nicht gar großen Kirche geschähe, vielleicht nuzen könnte"478. Der Geheime Referendar Johann Baptist Hofer, der die Korrespondenz in Sachen Berufungsverhandlung mit Ewald führte, fragte in einem Brief vom 10.4.1805 bei Ewald an, ob er überdies dazu bereit sei, kirchengeschichtliche Vorlesungen zu halten. „Ein allgemeiner Überblick der Kirchen Geschichte, d.i. eine gedrängte geschichtliche Darstellung der göttlichen Führung, seiner geoffenbarten Religion von dem ersten Anfange der Offenbarung bis auf die heutige Zeit"479 sei erwünscht. Ewald jedoch gibt zu erkennen, daß er eine solche Vorlesung erst von Grund auf neu ausarbeiten müßte: „Allein im Ersten Jahre bin ich wenigstens nicht im Stand, ein solches Collegium anzufangen, da ich es neu ausarbeiten müßte"480. Am 25.4.1805 sind die Berufungsverhandlungen beendet, und Ewald nimmt die ihm angetragene Stelle an: „Ich nehme die Stelle unbedingt an, in dem Glauben, daß ich dort mit dem Gehalte, als ein ehrlicher Mann werde leben können; und weiter verlange ich nichts"481. Ewald wurde allerdings nicht als direkter Nachfolger Wundts berufen. Man hatte vielmehr den bisher zweiten Professor der reformierten Theologie Karl Daub an die Stelle des verstorbenen Wundt gesetzt und Ewald die ehemalige Stelle Daubs übertragen. Ewald wurde also zweiter reformierter Professor der Theologie. Das geht aus den bereits genannten Akten hervor, wird aber auch in der ALZ berichtet482. Dem „Auszug Kürfürstl. UniversitätsCuratel Amts Prot, vom 6. May 1805"483 zufolge erging der Beschluß, die Berufung Ewalds offiziell ausgehen zu lassen. Am selben Tag bestätigte der Staatsminister Georg Ludwig Freiherr von Edelsheim Ewald dessen Berufung schriftlich484. Die Berufung auf die Heidelberger Professur „der protestantischen Moral= und Pastoraltheologie 478

479 Ebd., Nr. 4, 31.3.1805. Ebd., Nr. 6, 10.4.1805. 481 Ebd., Nr. 12, 29.5.1805. Ebd., Nr. 8, 25.4.1805. 482 Vgl. Intelligenzblatt der ALZ, Nr. 117, 27.7.1805, Sp. 955: „Mit der Anstellung der Hn. Daub und Ewald zu Heidelberg verhält es sich folgendennassen : Hr. Daub, bisher zweyter Professor der Theologie reform. Seits, ist zum wirklichen Kirchenrathe auf der geistlichen Bank des reformirten Kirchenraths Collegii und zum ersten Professor der Theologie reformirten Antheils, Hr. Ewald aber zum ausserordentl. wirkl. Kirchenrathe und zum zweyten theologischen Professor reformirten Antheils ernannt worden." 483 GLA Karlsruhe 205/225, Nr. 9, 6.5.1805. 484 Ebd., Nr. 10, 6.5.1805. 480

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samt Sitz und Stimme auf der theologischen Bank des reformirten Kirchenraths daselbst"485 war damit perfekt. Obendrein wurde Ewald das Ephorat und damit die Betreuung der Studenten der theologischen Fakultät übertragen. Überdies geben die Akten Einblick in den Umzug der Familie Ewald. Ewald verkaufte sein Mobiliar in Bremen, und die Transportkosten für die übrigen Dinge wurden ihm erstattet. Er reichte eine Kostenaufstellung und sämtliche Quittungen der von ihm beauftragten Fuhrunternehmen ein, die noch bei den Akten liegen486. Seine Übersiedelung nach Heidelberg führte den mittlerweile 56-jährigen Ewald in eine Region, die sich im Um- und Aufbruch befand. Heidelberg war inzwischen großherzoglich-badisch geworden und wurde wie das übrige nun territorial gesehen vergrößerte Baden in den notwendigen Sog politischliberaler Modernisierung hineingezogen, die in die Aufrichtung der badischen Verfassung 1818 mündete, Baden zum liberalen Vorreiter und Musterstaat für die deutsche Verfassungsbewegung werden ließ, dem Volk eine vergleichsweise starke Einflußnahme auf die Politik gewährte und die Macht dés Großherzogs einschränkte487. All dies wird Ewalds in die aufgeklärt-liberale Richtung gehenden politischen Anschauungen sehr entgegengekommen sein, wenngleich Ewald seit seiner Auseinandersetzung mit der lippischen Ritterschaft offenbar entschieden hatte, sich in politische Fragen, die nicht direkt mit seiner Amtsausübung und der Kirchen- und Bildungspolitik zusammenhingen, nicht mehr einzumischen. Dies wird u.a. ein Grund dafür gewesen sein, warum Ewald anders etwa als H.E.G. Paulus einen Sitz im badischen Parlament weder anstrebte noch innehatte. Als Ewald nach Heidelberg kam, fand er eine Universität vor, die dank der Bemühungen Karl Friedrichs von Baden488 zur Reorganisation der Hochschule in neuer Blüte stand. Dem Kurfürsten war im Verein vor allem mit dem Staatsrat Johann Nikolaus Friedrich Brauer und dem Geheimrat Sigismund von Reitzenstein489 an einer wirtschaftlichen, verwaltungstechnischen und bildungspolitischen Modernisierung seines Landes gelegen. Die , Neugründung' der seit dem Reichsdeputationshauptschluß 1803490 zu Baden gehörenden Hochschule in Heidelberg war Teil der politisch liberal ausgerichteten Verwaltungsorganistation und Verfassungsbewegung im Großherzogtum491. 485

Ebd., Nr. 3, 17.3.1805. Ebd., Nrr. 14ff. 487 Vgl. Gall, L„ p8. 21f. 488 Zum Wirken Karl Friedrichs in seiner Zeit als Markgraf (bis 1803) vgl. das Standardwerk des badischen Geheimrates von Drais, C.W.F.L., dem Vater des bekannten Erfinders. Sowohl Ewald als auch Hebel sind im „Subscribenten=Verzeichniß" genannt. 489 Vgl. Schumann, H.; Andreas, W„ p237-314 und Gall, L„ pl3f. 490 Vgl. Schaab, Bd. 2, p250. 491 Zum Ganzen vgl.: Andreas. Zur Reform des Bildungswesens ebd., p76-80. 486

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Die Universität war finanziell saniert, die alten Privilegien der Lehrenden waren abgeschafft und die Besoldung der Professoren verbessert worden. An allen Fakultäten gelangen Berufungen bedeutender Gelehrter, und die Studentenzahl stieg an492. Ewald trat an der Theologischen Fakultät ( - eigentlich muß man von drei theologischen Fakultäten sprechen493 - ) in ein ProfessorenKollegium ein, das recht heterogen war. Der bekannteste unter seinen Kollegen wird schon damals der Schelling-Schiiler Karl Daub (1765-1836) gewesen sein. Daub hatte zunächst unter dem starken Einfluß von Kants Moralphilosophie494 gestanden, wandte sich dann Schelling zu und betrieb eine vom deutschen Idealismus durchdrungene philosophische Theologie der Offenbarung495, die Ewald recht entschieden kritisieren wird496, und öffnete sich später der Hegeischen Philosophie497, was ihm schon zu Lebzeiten den Ruf einbrachte, sein Mäntelchen nach dem jeweils wehenden philosophischen Modewind zu drehen. Daub war bemüht um spekulative Einholung der traditionellen Lehren und meinte, die konfessionell unterschiedlichen Positionen spekulativ miteinander vermitteln und in eine Nationalreligion ohne Konfessionsschranken hineinwachsen lassen zu können498. Heute zwar eher unbekannt, zu damaligen Zeiten jedoch zu recht großer Bekanntheit und Breitenwirkung gelangt war Ewalds lutherischer Kollege Friedrich Heinrich Christian Schwarz (1766-1837), der ein Jahr vor Ewald 1804 nach Heidelberg berufen worden war. Mit ihm schloß Ewald enge Freundschaft, sah er doch in ihm einen Mitstreiter nicht nur in pädagogischer Hinsicht, sondern auch im Hinblick auf eine neue, biblische Rückgewinnung des kirchlichen Lehrbegriffs. Neben seinen pädagogischen Tätigkeiten, der Einrichtung eines pädagogischen Seminars an der Universität Heidelberg, der Auseinandersetzung u.a. auch mit der Pestalozzischen Methode499 und einer erstaunlich breiten Veröffentlichungstätigkeit pädagogischer Schriften hat Schwarz in seiner Lehrtätigkeit es unermüdlich unternommen, seine Studenten die klassische protestantische Dogmatik mit starker Rücksicht auf die Dogmengeschichte zu lehren. Dies spiegelt sich besonders in seinem Lehr492

Vgl. Wolgast, p87-95 und Hautz, Bd. 2, p309f. Vgl. Benrath d.Ä., p3: „Drei theologische Fakultäten - vereinigt als .kirchliche Sektion' - erhielt die Universität Heidelberg durch den Grundriß ihrer Neugründung, das 13. Organisationsedikt vom 13. Mai 1803." 494 Besonders deutlich sinnenfällig wird dies in Daubs , Predigten nach Kantischen Grundsätzen'. 495 Sie spiegelt sich in mannigfachen dogmatischen Werken, etwa in Daubs .Einleitung'. 496 Vgl. Kap. I, 19. 497 Vgl. Wagner, F. und Stübinger, E. 498 Vgl. Stübinger, pl59. 499 Schwarz, F.H.Chr., Pestalozzis Methode. 493

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buch „Grundriß der kirchlich=protestantischen Dogmatik. Zur Bildung evangelischer Geistlichen, zunächst zum Gebrauche bey Vorlesungen"500. Überdies übernahm Schwarz, der Schwiegersohn Jung-Stillings, die Leitung der evangelisch-lutherischen Stadtschule und wurde als Herausgeber der, Heidelbergischen Jahrbücher für Literatur' tätig. Schon kurz vor seinem Wegzug aus Bremen hat Ewald brieflich den Kontakt mit Schwarz aufgenommen501, der forthin nicht mehr abbrechen sollte. Acht Professoren zählte das theologische Kollegium in Heidelberg: Zwei reformierte (Daub und Ewald), zwei lutherische (neben Schwarz der Orientalist und Exeget Georg Lorenz Bauer (1755-1806)) und vier katholische: nämlich Thaddäus Dereser (1757-1827), der bekannteste unter ihnen, und Kübel, Schnappinger und Werk502. Diese an der Heidelberger Universität herrschende konfessionelle Parität war ein nicht unwichtiger vorbereitender und von Staatsrat Brauer initiierter Schritt hin zur Bekenntnisunion503. Zudem lehrte Karl Gottlieb Horstig (1763-1835) nach seiner Tätigkeit als Konsistorialrat, Pfarrer und Superintendent in Bückeburg als Privatdozent in Heidelberg. Zum Sommersemester 1807 begannen der 27jährige Philipp Konrad Marheineke (1780-1846) und Wilhelm Martin Leberecht De Wette, ebenfalls

500

Zuerst lateinisch: Schwarz, Sciagraphia, 1808. Nach Übersendung der 2. Aufl. durch Schwarz bedankt sich Ewald und freut sich „über die Bekanntschaft mit den Kirchenvätern und unseren alten Theologen [...], die nicht sehr gewöhnlich ist" (Ewald an Schwarz 23.12.1816, UB Basel, NL Schwarz XIV, 20. Bibliographie A 3). 501 Ebd., Ewald an Schwarz: „Bremen, den 23ten May [180]5. Wär' es nicht Unsinn, jemand um seine Freundschaft zu bitten; so läsen Sie, theurer Mann, eine solche Bitte von mir in diesem Briefe. Die meisten Ihrer Schriften, besonders aber Ihre Pädagogik, hat mich sehr angezogen. Der freie, gesunde Blik auf die menschliche Natur; die, auch nach meiner Ansicht, so richtige Erfaßung des Menschen, an seinen bedeutendsten Berührungspunkten, und die weise praktische Tendenz, hat mich sehr belehrt und erbaut. Ich trete jezt in Ihren näheren Kreiß; möge ich auch Ihrem Herz näher werden! Das ist mein herzlicher Wunsch. Ich werd' wenigstens Alles thun, was die Diskretion thun darf, um mir diesen Genuß zu verschaffen. Sagen Sie, wenn Sie können, ein freundliches Wort Ihrem treu-ergebensten Ewald." 502 Matthäus Kübel (1742-1809) war zunächst Professor für Mathematik in Heidelberg (1783), dann für kanonisches Recht (1785). Bonifaz Martin Schnappinger (1762-1832) war seit 1800 Professor für Dogmatik in Heidelberg, von 1804 an auch für Dogmengeschichte. Franz Xaver Werk (1769-1856) war seit 1804 Professor der Moral und Pastorallehre. Dereser, Schnappinger und Werk wurden 1807 im Zuge der Verlegung der katholischen Abteilung der Theologischen Fakultät nach Freiburg i.B. gemeinsam dorthin versetzt. Vgl. Wolgast, p90. 503 Vgl. Benrath d.Ä., pl2-19, bes. pl3.

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27jährig (1780-1849) 5 0 4 , ihre Lehrtätigkeit in Heidelberg. Fachidiotie jedenfalls kann man keinem dieser theologischen Lehrer vorwerfen. Schwarz z.B. las außer der Pädagogik selbstverständlich Dogmatik, Auslegungen verschiedenster biblischer Bücher, Ethik und Homiletik. Marheineke versah nicht nur die Kirchengeschichte, sondern auch die Dogmatik und die Homiletik. Ebenso breit war Ewalds Vorlesungs-Menü gestreut, und: 10 bis 16 Stunden pro Woche waren die Regel, obgleich Ewald als Kirchenrat noch andere Dinge zu tun hatte, z.B. Schulvisitationen abhalten. Nach Auskunft der zeitgenössischen Vorlesungsverzeichnisse las Ewald neben seinen homiletischen und katechetischen Vorlesungen und seinen rhetorisch-homiletischen ,Deklamationsübungen' Kollegien zu folgenden Themen: Biblische Dogmatik, Ethik, Pastoral-Anthropologie, „kritische Prüfung der historischen B e w e i s e für die Wahrheit des Christenthums, verbunden mit der Literatur seiner Feinde und Vertheidiger" 505 , Biblische Pflichtenlehre, Theologische Encyclopädie und Methodologie 506 . Ewald deckte damit den 504

Vgl. Bernhardt, K.-H., Art. De Wette, TRE 8, p616f. Vgl. die zeitgenössischen Vorlesungsverzeichnisse: Anzeige der Vorlesungen, hier: SS 1807, p5. 506 Ewald hielt in seinen Heidelberger Semestern folgende Lehrveranstaltungen: 505

WS 1805/06 „Die angewandte christliche Moral trägt [...] Herr Kirchenrath Ewald Montags, Dienstags, Donnerstags und Freitags von 8-9 Uhr nach eigenen Dictaten vor [...] Herr Kirchenrath Ewald wird ebenfalls öffentlich Montags, Mittwochs und Freitags von 9-10 Uhr Übungen im Kanzelvortrage mit vorausgeschickten kurzen Regeln flir dieselben anstellen. Herr Kirchenrath Ewald [wird montags, mittwochs, freitags; A.S.] von 11-12 Uhr, nach Niemeyer, Unterricht ertheilen." [Das bei der letztgenannten Veranstaltung zugrunde gelegte Buch ist: Niemeyer, A.H., Leitfaden.] SS 1806 biblische Dogmatik - Herr Kirchenrath Ewald nach seinem eigenen Entwürfe, von 8-9 Uhr, sechsmal die Woche [...] Pflichtenlehre - Herr Kirchenrath Ewald, nach seinem eigenen Entwürfe, Dienstags, Mittwochs, Donnerstags und Freitags, von 11-12 Uhr. Homiletik - Herr Kirchenrath Ewald, größtentheils nach Niemeyer, wobei Ausarbeitungen gemacht, und nach der vorgetragenen Theorie verbessert werden, Dienstags, Mittwochs und Freitags von 1-2 Uhr. Derselbe verbindet damit und setzt fort die Declamationsiibungen, nach einer vorgetragenen kurzen Theorie, Montags, Donnerstag [!] und Samstags von 4-5 Uhr öffentlich." WS 1806/07 „Menschenkenntniß und Menschenbehandlung, hauptsächlich für Religionslehrer {Pastoral-Anthropologie) lehrt Herr Kirchenrath Ewald, nach Dictaten, viermal in der Woche von 8-9 Uhr [...] Die Grundsätze der Homiletik und Katechetik, mit Ausarbeitungen und Übungen lehrt Herr Kirchenrath Ewald dreimal in der Woche von 4-5 Uhr [...] Declamationsiibungen und Übungen im freien Vortrage [...] hält Herr Kirchenrath Ewald dreimal in der Woche von 4-5 Uhr, öffentlich."

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Bereich der Praktischen Theologie und den der Moraltheologie ab, sowie den der Dogmatik und der theologischen Prinzipienlehre. Neben dieser breit gefächerten Lehrtätigkeit hatte Ewald sich auch um das Schulwesen zu kümmern, Visitationen abzuhalten und bei der Schulreform mitzuwirken, w o v o n verschiedene Akten Zeugnis ablegen 507 .

18. Ruf nach Karlsruhe - General-Studien-Kommission Schulwesen Insgesamt sollte Ewalds Tätigkeit als Hochschullehrer in Heidelberg nur Episode bleiben. Denn im Zuge der Aufrichtung der Verwaltungsunion in Baden und der Zusammenlegung des reformierten Kirchenrates in Heidelberg mit dem lutherischen in Karlsruhe durch das erste Konstitutions-Edikt im Jahre 1807 508 wurde Ewald auf Befehl des Großherzogs als „Mitglied Unseres SS 1807 „Herr Kirchenrath Ewald bestimmt eine Stunde wöchentlich Montags von 4-5 Uhr zu einer kritischen Prüfling der historischen Beweise für die Wahrheit des Christenthums, verbunden mit der Literatur seiner Feinde und Vertheidiger [...] Homiletik lehrt gleichfalls Herr Kirchenrath Ewald, Dienstags, Mittwochs und Freitags von 11-12 Uhr zum Theile nach Niemeyer, und verbindet damit Ausarbeitungen. Ebenderselbe stellt öffentlich Dienstags, Mittwochs und Freitags von 4-5 Uhr declamatorische Übungen von allerlei Art des Vortrags an, verbunden mit der nöthigen Theorie, leztere nach eigenen Dictaten [...] Herr Kirchenrath Ewald [trägt] die biblische Pflichtenlehre viermal wöchentlich von 8-9 Uhr nach seinem eignen Entwürfe vor [...] Katechetische Übungen stellt ebenfalls Herr Kirchenrath Ewald Dienstags und Freitags von 10-11 Uhr nach Graffe [seil. Gräffe, J.F.Chr., Grundriß; A.S.] an, und gibt zugleich Anweisung zu Leitung des Schulunterrichts nach eignen Dictaten." WS 1807/08 „Die theologische Enzyklopädie und Methodologie verbunden mit der Geschichte der theologischen Wissenschaften lehrt Herr Kirchenrath Ewald nach Thym [seil. Thym, J.F.W., Encyklopädie; A.S.], viermal wöchentlich von 4-5 Uhr [...] Die Homiletik: Herr Kirchenrath Ewald, nach Niemeyer, Dienstags, Mittwochs, Donnerstags und Freytags, von 8-9 Uhr [...] Die Katechetik lehrt Herr Kirchenrath Ewald, nach Gräffe, Dienstags und Donnerstags, von 10-11 Uhr [...] Im äusserlichen Vortrage stellt Herr Kirchenrath Ewald Uebungen an, Montags und Donnerstags, von 3-4 Uhr, öffentlich." Die für das WS 1807/08 angekündigten Veranstaltungen hielt Ewald wegen seiner Versetzung an den Oberkirchenrat nach Karlsruhe nicht mehr ab. 507 GLA Karlsruhe 145/215. Bibliographie A 40. 508 Vgl. Erstes ConstitutionsEdict, p26: „Für beide Confessionen besteht nur ein einiger solcher Kirchenrath der aus geistlich und weltlichen Gliedern von beiden Confessionen in verhältnißmäßiger Gleichheit besetzt sey, und von dessen beiden Vorstehern jederzeit der eine aus der einen, der andere aus der andern Confession seye." Text auch bei Rieger, J.H., Bd. 1, pl-23, hier: pl5. Vgl. Vierordt, Bd. 2, p421f.

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Ober Kirchenraths dahier"509 nach Karlsruhe berufen. Die Besoldung des neuen reformierten Oberkirchenrats mit „Eintausend sechshundert Gulden" jährlich nebst Naturalien sollte mit dem 23.10.1807 beginnen. Ewald war nun der erste Geistliche der reformierten Kirche in Baden, sein lutherischer Kollege war Nikolaus Christian Sander d J . (1750-1824). Kurz nachdem Ewald nach Karlsruhe gekommen war, vollendete er sein 61. Lebensjahr. Doch es sollten noch 14 Jahre intensivster Arbeit folgen, bevor Ewald kurz nach Aufrichtung der badischen Bekenntnisunion im Jahre 1822 starb. Schon in seiner Heidelberger Zeit hatte sich Ewald wieder einmal der Reform der Trivialschulen zugewandt und - ähnlich wie während seiner Detmolder und Bremer Tätigkeit - ein Handbuch „für die reformirten Schullehrer in der, unter großherzoglich Badischer Herrschaft stehenden Rheinpfalz"510 verfaßt. In Karlsruhe setzte Ewald als Ministerial- und Oberkirchenrat seine schulorganisatorisch-pädagogische Arbeit fort, indem er als Mitglied der General-Studien-Kommission tätig wurde, die am 15.12.1807 auf Befehl des Großherzogs konstituiert worden war und an der breitangelegten Neugestaltung des gesamten badischen Schulwesens mitzuarbeiten hatte, die im Jahre 1813 mit dem 13. und letzten Konstitutionsedikt zum Abschluß kam511. Somit kam in Baden derjenige pädagogische Modernisierungsschub an sein Ziel, der mit der Einführung der Schulpflicht 1755/59, der Gründung des Karlsruher Lehrerseminars 1768 und der Einführung neuer Richtlinien für den Unterricht nach Basedowschem und Pestalozzischem Vorbild begonnen hatte512. Im Landeskirchlichen Archiv in Karlsruhe lagert ein Rechenschaftsbericht513, der von den Kommissions-Mitgliedern Sander, Ewald, Jakob Friedrich Ladomus und dem Ministerialrat Philipp Joseph Brunner abgefaßt ist. Zunächst war es nötig, eine empirische Bestandsaufnahme zu betreiben, „eine möglichst genaue Kenntniß von dem doktrinalen, personalen, lokalen [...] Befund aller in Eurer Königlichen Hoheit Eigenthümlichen und Hoheitslanden befindlichen Land= und Mittelschulen"514 zu erwerben. Dann wurden „Plane für sämtliches Land- und Mittelschulwesen, so wie einer centralen obersten Leitung desselben"515 erarbeitet. Bevor es an die Neueinrichtung der vorhandenen Schulen und Aufrichtung neuer Schulen überhaupt gehen konnte, mußte gründliche organisatorische Planungsarbeit betrieben werden. „Die 509

GLA Karlsruhe 76/2091, Nr. 1. Bibliographie A 36. Das Aktenstück ist datiert auf den 9.4.1808. Hier muß wohl ein Fehler liegen, da davon die Rede ist, daß Ewalds Besoldung mit dem 23.10.1807 beginnen soll. 510 Ewald, Kurze Anweisung (Bibl. Nr. 282), p3. 511 512 Vgl. Andreas, p76f. Vgl. Gall, L„ pi 1. 513 LKA Karlsruhe, GA 1257, Bibliographie A 45. 514 515 Ebd., pl2. Ebd., pl4.

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Entwerfung und Ausarbeitung dieser Generalplane für die Landschulen mit allen Appertinentien derselben, Sontags- Abend- und Industrieschulen, für die Mittelschule in allen ihren Zweigen und Aufstufungen bis an die Hohen Landesschulen, für die polytechnische Schule, und für die Bildungsanstalten der Landschullehrer wurde nun unter vielfältiger vorgängiger Besprechung darüber unsre nächste, angelegentlichste Beschäftigung"516. Die Kommissionsmitglieder hatten einen Sitzungs-Marathon durchzustehen, wobei „tägliche vierstündige Konferenzen anderthalb Monate lang"517 nur langsam und schleppend eine Einigung und Ergebnisse brachten. Aufgabe der Kommission war u.a. die „Vereinigung alter [seil. Schulen; A.S.] von verschiedenen Konfeßionen, wie das Gymnasium zu Heidelberg und das zur Vollständigkeit gebrachte Lyceum zu Mannheim"518. Das Lyceum in Mannheim wurde am 10.11.1807 eröffnet, und Ewald hielt die Festrede519. Am 21.11.1808 war die Arbeit am Zusammenschluß des katholischen und des reformierten Gymnasiums in Heidelberg abgeschlossen, und Ewald hielt auch hier die Festansprache. In ihr hebt er besonders den ökonomischen Vorteil der erreichten Vereinigung hervor. Zudem sei es unsinnig, den Unterricht in den klassischen Sprachen etwa konfessionell getrennt abzuhalten, da er doch die konfessionell verschiedenen dogmatischen Inhalte nun wirklich nicht tangiere. Die religiöse Unterweisung allerdings „wird für jede Confession besonders gegeben von einem Religionslehrer dieser Confession"520. In Mannheim, aber auch in Heidelberg, wurde an den betr. Schulen nun der „Religionsunterricht in drei Lehrzimmern" gehalten (reformiert, lutherisch und katholisch) und die „Neue Geschichte in zwei Lehrzimmern" (protestantisch und katholisch)521. Das Direktorium der Schule sollte wechselweise von Katholiken und Protestanten bekleidet werden. Indes war diese Art der toleranten Schulpolitik nicht bei allen auf Begrüßung gestoßen, was ein Blick in die ALZ vom 13.4.1810 verrät. Der Rezensent der Rede, die Ewald bei der Vereinigung der Heidelberger Gymnasien gehalten hatte, wirft ihrem Verfasser vor, daß er „die Schulen durchaus nicht als kirchliche Institutionen gelten lassen will, und doch waren sie es ihrer ersten Bestimmung nach"522. Der Rezensent fürchtet eine drohende katholisierende Überfremdung des Unterrichts, der durch die vorgenommene Vereinigung Vorschub geleistet werden könnte. Zudem sei die Entlassung des Schulwesens aus dem Kontrollbereich der Kirchen problematisch. Ewald zeigt in seiner Antwortschrift zwar Ver516 519 520 521 522

517 518 Ebd., pl4f. Ebd., p23. Ebd., pl7f. Ewald, Schluß=Rede (Bibl. Nr. 283). Ewald, Rede bei Vereinigung (Bibl. Nr. 296). Ewald, Einige leitende Ideen (Bibl. Nr. 284), Falttafel am Ende des Heftes. ALZ 13.4.1810, Sp. 806f.

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ständnis für die Befürchtung der Katholisierung. Sie lasse sich - blicke man in die Leidensgeschichte der Protestanten in der Pfalz, die unter einer katholischen Obrigkeit weitenteils zu leben hatte, zurück - nur zu gut erklären. Aber dennoch könne deswegen nicht die alte, konfessionell verfeindete Schulpolitik betrieben werden, da sich die Situation nun einmal geändert habe523. Zudem habe sich seit dem Reichsdeputationshauptschluß auch die rechtliche Lage grundsätzlich gewandelt524. Bei aller sicher berechtigten Verteidigung des überkonfessionellen Unterrichtes mußte Ewald im Jahr 1810 jedoch selbst bemerken, daß in der Befürchtung seines Rezensenten, die Kirche verliere ihren Einfluß auf das Schulwesen immer mehr und schließlich ganz, zumindest ein wahrer Kern war. Denn im Januar 1810 wurde die General-Studien-Kommission aufgelöst, und die großherzogliche Regierung plante, die Leitung des Landschulwesens aus dem Zuständigkeitsbereich der Kirche herauszunehmen und nach französischem Vorbild die Kreisdirektoren mit dieser Aufgabe zu betrauen. Die aufzulösende Kommission stellt fest: „Ganz und ohne Ausnahme ist uns jezt das Landschulwesen den ihm so natürlich verwandten Kirchenregierungen entnommen, und in die Hände der künftigen Kreis-Direktorien, eines Jeden in seinem Kreise, gegeben. Zum größern und wichtigern Theil trift dasselbe Loos auch das gesammte Mittelschulwesen, und den Kirchen Departements bleibt nur der Titul der obersten Aufsicht über Beides ohne alle organische Wirkung durch die Theile auf das Ganze"525. Sodann artikuliert die Kommission ihren entschiedenen Protest gegen diesen Plan, der es über kurz oder lang unweigerlich mit sich bringen werde, daß man hinter die durch die allgemeinen pädagogischen Reformen erreichten Fortschritte zurückfallen werde. Wenn die Leitung des Schulwesens aus den Händen der theologisch gebildeten Pädagogen genommen und in diejenigen der Kreisdirektoren gelegt werde, so müsse ein Verfall des Schulwesens insgesamt notwendig folgen. Die nun folgende wichtige Passage des betr. Gutachtens zeigt, mit welchem berechtigten Selbstbewußtsein man auf seiten der Kirche der Obrigkeit entgegentrat und die pädagogische Kompetenz als eine kirchliche reklamierte und auch zu verteidigen wußte. „Mit einer konzentrirten Leitung wird und muß auch Einheit des Ganzen fallen, und jeder Plan für das Ganze ohne gleichförmige Leitung seiner Ausführung ein leerer Nähme werden. Aus rein technischem Gesichtspunkt muß seit mehrerer Zeit das gesammte Schulfach angesehen werden. Selbst das Landschulwesen, dessen wohl Jeder kundig und Meister zu seyn glauben mag, hat die gerechteste Forderung an diese Ansicht, seitdem man angefangen hat, auch Bauern523 524 525

Ewald, Noch ein Wort (Bibl. Nr. 306), p25. Vgl. ebd., p26. LKA Karlsruhe, GA 1257, p26f.

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kinder nicht zu bloßen Lese- Schreib- und Rechenmaschinen mit dem Stok in der Hand, wozu wohl ein abgebrauchter Bediente, oder ein Invalid u.d.gl. hinlänglich ist, sondern zu Menschen zu erziehen, und zu bilden, deren Denkvermögen frühe schon mannigfaltig, und zwekmäßig angeregt, der Thätigkeitstrieb zur Verhütung vieler sogenannten, und nur mit dem Stok gebändigten Unarten immer und zugleich beschäftigt, das kindliche Gemüth von Schulvätern, nicht von Schuldespoten kindlich geleitet, und Wohl und Zufriedenheit bei ihrer künftigen Bestimmung durch die dazu gehörigen, und mit Weisheit darauf zu bemeßenden Kenntniße begründet werden soll. Aus technischem Gesichtspunkt sollte daher auch alle Organisation der leitenden und aufsehenden Stellen des gesammten Schulwesens ausgehen, wie dieses z.B. der neuesten Organisation des Forstwesens so glüklich geworden ist, deßen Leitung und Geschäfte an, und durch keine Behörde gehen, welche nicht Sachkenner ist, oder einen solchen zur Seite hat. Tief sank in allen Landen das Schulwesen, sobald es zum grösten Theil aus den Händen der Pädagogen genommen wurde, leicht und glüklich hob es sich, wenn, und wo es in ihre spezielle Leitung gegeben wurde"526. Die Schärfe des Tons ist unüberhörbar, wenn die Kommission mit folgenden Worten die Inkompetenz der Kreis-Direktoren in pädagogischen Fragen benennt. „Bescheidene Nachsicht und Schwäche, oder anmaßende Inkompetenz der Leitung wird die Folge davon seyn; und im Kampf der sich selbst nicht Gerechtigkeit leistenden Macht mit der beßern Einsicht wird die Erstere immer siegen, die Sache es büßen"527. Und wieder einmal reagierte Ewald schnell. Er verfaßte eine Schutzschrift für die Bürgerschulen auf dem Lande528 und bat seinen Freund Schwarz darum, sie in seinem,Heidelbergischen Jahrbuch' bekannt zu machen. „Unseren armen Bürgerschulen in kleinen Städten droht Auflösung. Ich habe deßwegen eine kleine Broschüre geschrieben, die bei Zimmer gedrukt wird. Machen Sie sie doch bekannt - nicht um ihres Werths willen [...] sondern um ihres lokalen und temporellen Zweks willen"529. Diese Schrift ist im Februar 1810 erschienen, und Ewald hat sie „allen Ministern persönlich überreicht"530. Aus Gründen der Rationalisierung und Vereinfachung hatte die Regierung geplant, „alle Bürgerschulen aufzuheben, zehen Lyceen und nur Trivial-

526

Ebd., p28-31. Ebd., p33. 528 Ewald, Sind in kleinen Landstädten Bürgerschulen nöthig? (Bibl. Nr. 307). 529 Ewald an Schwarz 3.2.1810, UB Basel NL Schwarz XIV, 7. Bibliographie A 3. Die von Ewald erbetene Rezension wurde von Schwarz prompt abgefaßt und erschien in: Heidelbergische Jahrbücher der Literatur. Dritter Jahrgang. Erste Abtheilung. Theologie, Philosophie und Pädagogik. Erster Band, Heidelberg 1810, pl43f. 530 Ewald an Schwarz, 10.2.1810, NL Schwarz XIV, 8. 527

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schulen zu errichten"531, was Ewald für eine Katastrophe für das Bildungswesen, besonders für die „mittleren Stände" hält. Um die schulische Infrastruktur gerade auf dem Lande zu schützen, nimmt sich Ewald des „verwaisten Schulwesens" an, „das unter den Händen der Kreißdirektoren, und bei den Planen, die man hat, bald zu Grund gehen muß"532. Die Proteste hatten im Jahre 1812 Erfolg, als „alle Kirchen- und Schulangelegenheiten, die den Kreisdirektorien übertragen worden waren, an die beiden Kirchenkollegien"533 zurückgegeben wurden. Im Jahre 1810 ist Ewald erneut damit beschäftigt, einen Katechismus auszuarbeiten, zum erstenmal für beide protestantischen Konfessionen. Er tat dies, nachdem Johann Peter Hebel mit seiner Umarbeitung des Herderschen Katechismus wenig erfolgreich gewesen ist534, und schreibt an Heß: „Von dem hiesigen Ministerium des Inneren ist mir der Auftrag geworden, einen Landeskatechismus für die beiden protestantischen Konfeßionen zu entwerfen; ich habe die Prinzipien dazu, und einen kurzen Entwurf übergeben, der auch im Ganzen genommen, genehmigt worden ist"535. Besagter Entwurf konnte nicht aufgefunden werden. Im Druck ist in dieser Zeit ein Ewaldscher Katechismus nicht erschienen. Allerdings spricht sich Ewald in seinem Brief an Heß über seine Maximen aus, die uns jedoch bereits bekannt sind: In der Schule soll Bibelgeschichte getrieben werden; und der Pfarrer soll dann hierauf aufbauend mit den Kindern den Katechismus treiben.

19. Studienplan für die theologische Ausbildung Notwendigkeit der , kirchlichen Dogmatik' die Heidelberger Professorenschaft im Urteil Ewalds Schon in Detmolder Zeit hat Ewald darauf gedrungen, daß von der Kirche ein Studienplan entworfen werden müsse, damit die Studenten an den Universitäten nicht nur mit den modernen, z.Zt. geläufigen Hypothesen und Lehrsystemen bekannt gemacht würden, sondern auch ein Interesse an einer biblischen Dogmatik und an der kirchlichen Lehre entwickelten. In seiner Karlsruher Zeit ist Ewald erneut in dieser Sache tätig geworden und hat - nun aus eigener, wenn auch kurzer Lehrerfahrung in Heidelberg heraus - ein Grundgerüst für einen solchen Studienplan entworfen, der besondere Rücksicht auf die künftigen Aufgabenbereiche der späteren Prediger und Seelsorger nimmt. Die 531

532 533 Ebd. Ebd. Rückleben, H„ p635. Vgl. Steiger, J.A., Bibel-Sprache, pl50-152. 535 Ewald an Heß 21.4.1810, Zentralbibl. Zürich, FA Heß 1741. 181 au, 105. Bibliographie A 62. 534

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Beschäftigung mit den biblischen Texten soll diesem Plan zufolge nicht als Selbstzweck betrieben werden, sondern als Grundlage für eine aus der Bibel zu entwickelnde biblische Dogmatik. Sie jedoch kommt in Ewalds Plan nicht an die Stelle eines vermeintlich veralteten kirchlichen Lehrbegriffs zu stehen. Vielmehr begreift Ewald, ähnlich wie es später Karl Barth tun wird, die Theologie als eine kirchliche Wissenschaft, die von der Kirche immer schon herkommend nach der Bewahrheitung der biblischen Botschaft in den Lebensäußerungen der Kirche fragt und mit dieser Bewahrheitung der Lehre im kirchlichen Kontext der Verkündigung hauptsächlich zu tun hat. Daher fordert Ewald nach der Beschäftigung mit der Theologie- und Dogmengeschichte das Studium der „kirchlichen Dogmatik", die als Fundament für die Ausübung des Predigtamtes unerläßlich ist und durch keinerlei philosophisches System ersetzt werden kann. Gleichzeitig möchte Ewald der Gefahr vorbeugen, daß die Studierenden aus Unwissenheit heraus die neologische Dogmenkritik als Vorwand für eine völlige, nur vermeintlich kritische Ablehnung der kirchlichen Lehre überhaupt mißbrauchen. An das Studium der kirchlichen Dogmatik schließt sich nach Ewalds Plan das der Ethik und der praktischen Theologie an. Im zweiten Teil seines diesbezüglichen Gutachtens charakterisiert Ewald kurz die verschiedenen, z.Zt. in Heidelberg lehrenden Professoren, die er in Heidelberg Gelegenheit hatte, kennenzulernen. Es ist dies ein für die Heidelberger Universitätsgeschichte höchst interessantes Zeugnis, das zeigt, wie man kirchlicherseits es durchaus vermochte, die Situation der Lehre kritisch zu beurteilen. Das Gutachten, aus dem im Anhang536 die wichtigsten Passagen abgedruckt werden, findet sich im Generallandesarchiv in Karlsruhe. Bemerkenswert ist überdies, daß gerade derjenige Lehrer der theologischen Fakultät von Ewald am positivsten gewürdigt wird, der heute am unbekanntesten ist: Schwarz nämlich. Aus der Beurteilung der anderen Professoren, besonders Daubs, erhellt, daß Ewald mit der den deutschen Idealismus besonders Schellingscher Provenienz rezipierenden Theologie nicht viel gemeinsam hatte und zudem deren bloß scheinbare Übereinstimmung mit der kirchlichen Lehre kritisierte. Dennoch würdigt Ewald Daubs Theologie dahingehend, daß sie zumindest nicht geneigt sei, die Studenten aktiv und vorsätzlich von der kirchlichen Dogmatik abzubringen. Marheineke erfährt eine positive Rezension: In Ewalds Augen ist er ein zwar noch junger, aber sehr kenntnisreicher Kirchenhistoriker, der zudem ein großes Talent als Prediger habe. An De Wettes Art der Schriftauslegung537 kritisiert Ewald deren Hypothesen-Lästigkeit. Zur Unterstützung der praktischen Ausbildung schlägt Ewald die Hinzuziehung des an der Heilig536 537

Vgl. Anhang Text Nr. 6. Vgl. Smend, R.

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geistkirche in Heidelberg tätigen Pfarrers Johannes Bähr vor. Zudem solle dieser zusammen mit Schwarz und Marheineke für die Einrichtung eines Predigerseminars in Heidelberg Sorge tragen. Die biblische Dogmatik und Ethik solle von Schwarz versehen werden, Kirchen-, Dogmengeschichte und kirchliche Dogmatik von Marheineke. Daub solle Ethik, Dogmengeschichte und philosophische Religionslehre lesen.

20. Kritik an der Berufung von Heinrich Eberhard Gottlob Paulus nach Heidelberg Kurz vor Jahresende wurde im Dezember 1810 in Karlsruhe allgemein bekannt, daß die theologische Fakultät der Universität Heidelberg entschieden hatte, Heinrich Eberhard Gottlob Paulus nach Heidelberg zu berufen. Er war seit 1804 als ordentlicher Professor der Theologie an der Universität Würzburg und als kurpfalz-bayerischer Landesdirektions- und Konsistorialrat tätig. 1809 war Paulus Kreisschul- und Konsistorialrat in Nürnberg geworden. Geradezu berüchtigt war Paulus zu dieser Zeit bereits wegen seiner streng rationalistischen Bibelerklärung geworden, mit der er schon in seiner Zeit als Professor in Jena seit 1794 an die Öffentlichkeit getreten war538. In der von ihm herausgegebenen Zeitschrift „Memorabilien" etwa hatte Paulus rationalistisch die Unmöglichkeit des Gehens Jesu auf dem Meer (Mk 6,45-50) erwiesen und dabei die Philologie zur Sklavin seiner vorausgesetzten rationalistischen Wunderkritik erniedrigt539. Paulus kommt zu dem Ergebnis, „daß wir das Gehen Jesu auf dem Meere wohl nur für ein - Wunder der Exegese halten können"540, denn: „Em und das hebräische bv bedeutet eben so oft: bei, neben, an, als auf, und dies bei der Construktion mit einem Genitiv sowohl, als mit dem Accusativ"541. Und auch Petrus sei darum Jesus nicht auf dem Meer entgegengegangen, sondern geschwommen: „Eben so eilt mit liebevoller Ungedult Petrus schwimmend zu Jesu ans Ufer"542, so, wie es ja auch in Joh 21,7 erzählt sei. Nur kurz vor Erreichen des Strandes sei Petrus „noch in 538

Vgl. zu Paulus den instruktiven Artikel von Burchard, Chr. Er hat u.a. eine Bibliographie erstellt (mit M. Hoffmann) und Paulus' Lehrveranstaltungen aufgelistet. Der Artikel ist Grundlage für alle weitere Paulus-Forschung. Zudem bietet Burchard eine eingehende, dicht gedrängte Einführung in Paulus' Werk als Exeget und in seine exegetisch entwickelte Theologie. Vgl. weiter Schweitzer, Α., p49-58 u.ö. Biographisches bei: von Reichlin-Meldegg, K.A. Über Ewalds Gegnerschaft gegen Paulus wird hier jedoch nichts ausführliches vermeldet. 539 Vgl. Burchard, p247: „Hier wird die Philologie zur Hure der Theologie, übrigens nicht nur hier." 540 541 Paulus, H.E.G., Von Jesu Gehen, p83. Ebd., p77. 542 Ebd., p80.

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Gefahr [gekommen], in der starken Brandung unterzusinken"543. Die vermeintlichen biblischen Wundererzählungen sind nach Paulus eigentlich nur „philologische Wunder"544, d.h. Ergebnisse einer nicht kritisch genug betriebenen Exegese, die der Wundersucht aufgesessen ist. Entscheidender jedoch als diese rationalistisch-philologischen, wenn auch ernst gemeinten Spielereien, die zudem bei Paulus meist jeglicher Originalität mangeln, da sie bei Carl Friedrich Bahrdt bereits vorgegeben sind545, sind die Folgen dieser Wunderkritik für die traditionellen Lehrinhalte, besonders für die Christologie. So wie für Bahrdt, Schreger u.a. Wunderkritiker, die noch näher zu betrachten sein werden546, sind auch für Paulus sämtliche Geschichten von Totenauferweckungen bloße Erzählungen davon, wie Scheintote ins Leben zurückgebracht worden seien. Diese These führt Paulus etwa anhand von Joh 11 in seinem „Philologisch-kritischen und historischen Commentar über das neue Testament"547 vor. Auf das engste hiermit hängt die Behauptung Paulus' zusammen, daß Jesus am Kreuz nicht wirklich gestorben, sondern völlig entkräftet in die Grabeshöhle gelegt worden sei, wo er durch die Dämpfe der Salben wieder zu Bewußtsein gelangt sei. Für Paulus steht fest, „dass der durch Marter, Wunden und Erstarrung entseelte Leichnam nach der Abnahme vom Creuz, vermöge der jüd. Bestattungsgebräuche in Leinwand gehüllt und reichlich mit flüssigen Spezereyen umgeben worden war [...], dass verschlossene Holen wie Keller etc. im März und April eher warm als kalt zu seyn pflegen, und eine für die allmähliche Auflösung flüchtiger Reizmittel passende Temperatur haben"548. Gegen Bahrdt sich wendend bezweifelt Paulus allerdings, daß es sich um einen von Jesus selbst geplanten und organisatorisch geschickt betriebenen Scheintod gehandelt habe, was zeigt, daß auch der radikale Rationalismus keine in sich homogene Erscheinung darstellt, sondern daß hier durchaus graduelle Unterschiede in der ,Konsequenz' der Anwendung der rationalistischen Methode bestehen549. Im Generallandesarchiv in Karlsruhe wird ein Gutachten550 aufbewahrt, das Ewald und Sander gemeinsam als Stellungnahme zur Berufung von Paulus abgefaßt haben. Mit aller Entschiedenheit protestieren beide gegen diese Berufung und beklagen sich darüber, daß der Oberkirchenrat in dieser Sache zu keiner (sonst üblichen) gutachtlichen Stellungnahme aufgefordert worden ist. Durchaus selbstbewußt und kritisch ziehen die beiden Männer mit den

543 545 547 548 550

544 Ebd., p83. Ebd., p81. 546 Vgl. Kap. III, 6. S. Kap. III, 6, p426-429. Paulus, H.E.G., Commentar, Bd. 4/1, p566ff. 549 Vgl. ebd., Bd. 3, p804f. Ebd., Bd. 3, p798. Vgl. im Anhang Text Nr. 7.

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höchsten kirchenleitenden Positionen hier gegen den mächtigen Minister Reitzenstein zu Felde, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, Paulus für die Heidelberger Theologische Fakultät zu gewinnen551. Ewald und Sander argumentieren zunächst ausgehend von Paragraph 9 der von Brauer abgefaßten Kirchenratsinstruktion des Jahres 1797552 kirchenrechtlich. Die bei Paulus studierenden künftigen Pfarrer würden geradezu dazu prädisponiert, in ihrer späteren Verkündigung „die Ausdruksformen unserer ersten Reformatoren"553 und die biblischen Texte mit Füßen zu treten und die kirchliche Lehre insgesamt zu mißachten. Diejenigen Kandidaten, die bei den Examina die Paulusschen Hypothesen vortrügen, müßten daher schon aus kirchenrechtlichen Gründen abgewiesen werden. Schlimmer aber noch wäre es, wenn die Kandidaten bei den Examina ein Festhalten an der positiven, kirchlichen und bekenntnisgemäßen Offenbarungstheologie heuchelten, um dann in den Gemeinden die Bibel nicht als Grundlage des Glaubens zur Anwendung zu bringen, sondern sie als ein Buch voller Irrtümer hintanzusetzen, um historisch-kritische Vorträge über den hinter den irrigen Texten liegenden eigentlichen Sinn derselben zu halten, anstatt zu predigen. Unabsehbare Folgen müßte dies für den gelebten Glauben, die Frömmigkeit und auch für die Sittlichkeit haben, da mit der Leugnung der Glaubwürdigkeit der biblischen Erzählungen unweigerlich auch die materiale biblische Ethik in Abgang kommen müsse. Ewald und Sander machen darauf aufmerksam, daß die von Paulus vertretene Lehre die Inhalte besonders der Christologie in gefährlicher Art und Weise tangiert und beklagen sicher nicht zu unrecht seine „alles Christenthum zerstörende BibelErklärungs Art". Nur die Tatsache, daß die Staatsbehörden mit ihr nicht genügend und rechtzeitig bekannt gewesen seien, - so die Gutachter - habe zur Berufung von Paulus führen können, die ein schwerer Mißgriff sei. Zudem stellen Ewald und Sander in Aussicht, daß sie als die beiden ersten Geistlichen der lutherischen und reformierten Kirchen in Baden ihren Pfarrern die Empfehlung geben werden, ihre Söhne nicht in Heidelberg, sondern außerhalb Badens in Tübingen studieren zu lassen. Das Gutachten ist ein wertvolles Dokument, das zeigt, mit welcher sowohl systematisch-theolo551

Vgl. Reichlin-Meldegg, Bd. 1, p422f. 426. Markgräflich Badische Kirchenraths=Instruction. Vgl. Ehmann, J., p49ff. 553 Vgl. Kirchenraths=Instruction, pl9f: „Niemals ist zu gestatten, daß derjenige, wer bei gewissen Sachen die Ausdrucks=Formen unserer ersten Reformatoren nicht passend achtet, nun von der ganzen dadurch bezeichneten Lehre abstrahire, mithin auch die Biblische Darstellung] derselben, weil sie ihm etwa auch nicht convenient dünkt, hinterhalte, oder wohl gar seine eigene abweichende Vorstellungs=Arten und Denk=Formen, in jenen Vorträgen, die er etwa öffentlichen Amts und Berufs wegen hält, den Gemeinden unserer Lande als Glaubens=Lehren vortrage." Vgl. hierzu: Merkel, F., pl59f und Bauer, J., Bekenntnisstand, pl 1—17. 552

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gischen als auch kirchenrechtlichen Präzision und mit welch sorgevollem, an der Gemeindewirklichkeit orientierten praktischen Blick Ewald und Sander fähig sind, auf einen staatlicherseits betriebenen und zu verantwortenden Vorgang von Seiten der Kirche zu reagieren, ohne sich dabei jedoch in das staatliche Geschäft ungebührlich einzumischen. Obendrein läßt das Gutachten auf eine intensive Auseinandersetzung Ewalds und Sanders mit der Theologie des Paulus schließen und gewährt sub contrario auch einen Einblick in Ewalds eigene Stellung zur Wunderfrage und -kritik, die unten Gegenstand einer eingehenden Betrachtung werden wird554. Ob jedoch der kirchliche Widerstand gegen die Berufung Paulus' nach Heidelberg bzw. die Kritik an derselben weitere Konsequenzen nach sich zog, ist ungewiß, zumal sowohl Paulus selbst in seinen autobiographischen Skizzen als auch sein Biograph von Reichlin-Meldegg zu diesem Thema schweigen555.

21. Ewald und die Pestalozzi-Rezeption in Baden Eine wichtige Tätigkeit Ewalds in seiner Karlsruher Zeit bestand darin, den von der badischen Regierung gewünschten Kontakt mit Pestalozzi zu organisieren und mitzuverantworten. Geplant war, die Methode des Schweizers für das zu reformierende badische Schulwesen fruchtbar zu machen. Am 16.12.1810 schreibt Ewald an Schwarz: „Es solten Leute zu Pestalozzi geschickt werden, durch deren Bildung man in den Stand gesezt wird, nach und nach die Pest: Methode, nach ihrer jezigen Herauf= und Ausbildung einzuführen. Dazu wird ein Mann oder ein Paar Männer erfodert, die schon mit dem Geiste der Methode vertraut sind, und nur die Fortschritte zu beobachten brauchen"556. Ewald war es, der in seiner Korrespondenz mit Pestalozzi die Bildung einer Delegation und deren Aufenthalt in Iferten plante. Leider sind nur die jeweiligen Antwortbriefe Pestalozzis erhalten, der sehr erfreut darüber ist, daß die badische „Regierung unsrem hiesigen Thun und Lassen Aufmerksamkeit schenkt"557: „Ich danke Gott, noch am Ende meiner Laufbahn mit so vielen, sich mit Liebe und Weisheit für die Erziehung unsers Geschlechts intressirenden Mäneren [!] bekandt zu werden und mein noch neues Thun von ihnen mit Edelmuth und sogar mit Vorliebe ins Aug gefaßt zu sehen"558. Aus Ewalds Briefen an Schwarz geht zudem hervor, daß sich Schwarz angeboten hatte, die Delegation, die in die Schweiz geschickt werden sollte, 554 555 556 557 558

Kap. III, 6. Vgl. Paulus, Skizzen; von Reichlin-Meldegg, Bd. 1, p420-431. Ewald an Schwarz 16.2.1810, UB Basel NL Schwarz XIV, 9. Bibliographie A 3. Pestalozzi an Ewald ca. 18./20.2.1810, in: Pestalozzi, Briefe, Bd. 7, p31. Pestalozzi an Ewald 24.2.1810, ebd., p36f.

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zu begleiten. Schwarz hatte sich mit Pestalozzis Methode intensiv auseinandergesetzt und u.a. zwei Schriften über dieselbe verfaßt559, ohne jedoch das in ihnen Verhandelte aus eigener Anschauung zu kennen560. Pestalozzi allerdings wünschte sich solche Abgesandte, die neben einem Interesse für die Sache selbst auch genügend Zeit mitzubringen im Stande wären: „Es fodert große Unbefangenheit und betrechtliche Zeit, um nicht bloß by dem oberflächlichen Anschein der Sach still zu stehen, sonder ganz in seinen Geist einzudringen und den vielseitigen Detail des Gegenstands in diesem Sinn aufzufassen"561. Daher wünscht Pestalozzi, Jakob Friedrich Ladomus (1782-1854) und Ernst Karl Kleinschmidt (1775-1847) als badische Delegierte begrüßen zu dürfen, die seine Methode bereits aus eigener Anschauung kannten. Zu einem längeren, von Pestalozzi geforderten Aufenthalt - („ein halb Jahr mehr oder minder muß ihnen frey gelassen werden"562) - hätte Schwarz wegen seiner mannigfachen Geschäfte in Heidelberg sich nicht befreien können, weswegen Ewald ihm vorschlägt, doch einmal eine Ferienreise in die Schweiz zu unternehmen563. Zu dieser Reise jedoch ist es - auch den autobiographischen Zeugnissen Schwarzens zufolge - nie gekommen. Ladomus hatte bereits 1804 einen Besuch in Burgdorf und Münchenbuchsee genutzt, um die neue Lehrmethode kennenzulernen, und hatte seine Erfahrungen in seiner Tätigkeit als Pädagoge in Leipzig und Stettin versucht, in die Praxis umzusetzen. Ladomus hatte in Stettin eine nach Pestalozzischen Grundsätzen eingerichtete Schule geleitet. Tulla, der durch die von ihm initiierte Rheinkorrektur berühmt geworden ist und bei dem Ladomus in die Lehre gegangen war, sorgte dafür, daß dieser als Professor der Mathematik an die neugegründete Ingenieurschule nach Karlsruhe berufen wurde564. Hier lernte er Ewald kennen, und die Zusammenarbeit beider begann, indem Ewald Ladomus etwa die Visitation der ebenfalls nach Pestalozzischen Grundsätzen eingerichteten Schule von Kleinschmidt in Pforzheim über559

Schwarz, F.H.Chr., Pestalozzis Methode und: Ders., Gebrauch der Pestalozzischen Lehrbücher. 560 Jedenfalls geht aus Schwarzens autobiographischen Zeugnissen nichts dergleichen hervor, daß er Pestalozzi jemals persönlich begegnet wäre. 561 Pestalozzi an Ewald 24.2.1810, in: Pestalozzi, Briefe, Bd. 7, p37. 562 Ebd., p38. 363 Ewald an Schwarz 22.2.1810, UB Basel, NL Schwarz XIV, 9: „Indeß hab' ich eine andere Idee, die ich dem Kabinet, als Anlage und Unterstüzung Ihres Wunsches, vorlegen werde. Sie als akademischer Lehrer, als Lehrer der Pädagogik, müßten den ganzen Zustand, und die Fortschritte der Methode genau kennen; müßten dann die künftigen Pfarrer des Landes, damit bekannt machen, damit sie einst ihre Schullehrer gehörig leiten könnten. Ich denke also vorzuschlagen, daß man Sie in den Ferien, als akademischer [!] Lehrer dahin schiken möge." 564 Vgl. zum Ganzen: Silberer, G.

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trug565. Ladomus übernahm die Leitung der besagten Delegation und brach im Herbst 1810 in die Schweiz auf. Kleinschmidt, der - wie zunächst geplant ebenfalls mit nach Iferten reisen sollte, war 1807 reformierter Pfarrer in Pforzheim geworden und richtete dort eine Privatschule ein. Für seine Verdienste um das Schulwesen und die Pädagogik erhielt er 1809 die goldene Verdienst-Medaille vom Großherzog. 1810 wurde er Gymnasialprofessor an dem von Ewald vereinigten Gymnasium in Heidelberg, später Pfarrer an der Peterskirche daselbst566. Kleinschmidt schickte seine Schüler Michael Bensei und Karl Ludwig Leitz mit Ladomus auf die Reise. Der ebenfalls mitreisende Oberlehrer Wilhelm Wittmer verfaßte nach der Rückkehr der Delegation einen Bericht567. Neben seiner Rezeption der Pestalozzischen Methode zu Bremer Zeit war Ewald also auch an der badischen Fruchtbarmachung der modernen Pädagogik in maßgeblicher Weise beteiligt. Sicher kein Zufall ist es, daß Ewalds frühere Pestalozzi-Schrift just in dieser Zeit zwei erweiterte Neuauflagen erlebte568. Damit hat Ewald für die später nach seinem Tode in den 20er und 30er Jahren in Baden Platz greifende „kraftvolle Erneuerung des .Elementarschulwesens' im Geiste Pestalozzis"569 einen entscheidenden, nicht lediglich vorbereitenden Beitrag geleistet.

22. Die Schmähschriften gegen Ewald Leicht hat es Ewald in seinem Leben nicht gehabt. Immer wieder traten Umstände auf, die ihm das Leben schwer machten. Der oben beschriebene Streit mit der Ritterschaft in Lippe hatte Ewald aus Detmold vertrieben; sein Leben in Bremen war - wie aus seiner dortigen Abschiedspredigt hervorgeht - von finanzieller Knappheit geprägt; und auch in seiner Zeit in Heidelberg und Karlsruhe mußte Ewald bei der großherzoglichen Regierung um finanzielle Zulagen bitten570. Im Jahre 1813 dann wurde Ewald Opfer öffentlicher Verspottung. Gleich zwei Schmähschriften über ihn wurden in Umlauf gebracht, in denen Ewald vorgeworfen wurde, Umgang mit der in Karlsruhe stadtbekannten Hure Mäuerle zu pflegen. Wie in einem Bericht des Innenministeriums an den Großherzog vom November 1813 zu lesen ist, erschien die erste Schmähschrift „am 13ten 14ten und 15. Oct" im Umlauf, die zweite am „20. Oct."571. Aus der peinlichen, genau in den Akten belegten, nun folgenden 565 567 568 570 571

566 Ebd., p567. Vgl. Braasch, E.-O., p701f. GLA Karlsruhe 234/1041-1044. Bibliographie A 44. 569 Bibl. Nrr. 290. 290a. Silberer, p570. GLA Karlsruhe 205/225, Nr. 5, 17.5.1808. Bibliographie A 37. GLA Karlsruhe 76/2091, Nr. 16, 8.11.1813. Bibliographie A 36.

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Untersuchung geht hervor, daß Ewald in Karlsruhe bereits wegen ähnlicher vorgeblicher „unanständiger Verhältnisse mit dem weiblichen Geschlecht"572 ins Gerede gekommen sei, und überdies die Tatsache, daß eine Dienstmagd, die in Ewalds Haus angestellt war, schwanger geworden war, für gehörigen Klatsch gesorgt hatte. Staatsrat Nikolaus Friedrich Brauer und Ministerialdirektor Johann Friedrich Eichrodt fordern Ewald daher am 17.10.1813 schriftlich dazu auf, seine „Ehre öffentlich und genügend wider solche Angriffe der Verläumdung - wenn sie, wie wir hoffen, durch einen freilich vor der Hand uns unbegreiflichen Zusammenschluß von Umständen, aus unschuldigen Veranlaßungen entstanden sind - zu retten"573. Bis dahin - so wurde verordnet - solle Ewald keinen Gebrauch von seinem Predigtamt machen und sich von den übrigen Amtsgeschäften ebenfalls entbinden lassen. Einen Tag später weist Ewald alle Anschuldigungen entschieden zurück und macht gleichzeitig seiner Empörung darüber Luft, daß er seine Geschäfte ruhen lassen solle. „Ich bitte, nur vorerst, das Verbot, in den Seßionen zu erscheinen, zurükzunehmen, weil ich heute gerade viel vorzutragen habe"574. Die beiden Schmähschriften, von denen sich Abschriften bei den Akten finden und die Anlaß für monatelangen Ärger gegeben haben, haben folgenden Wortlaut: „Lied über den Kirchenrath Ewald Jüngst wollt' ein dicker Seelenhirt / Des Nachts spazieren geh'η - / Er gieng und wurde angeschmiert - / Vernehmt nur was gescheh'n. // Er gieng auch dießmal nicht allein / Nach seines Standes Würde - / Am Arm führt er das Mäuerlein*) / Der gute Seelenhirte. // Es gieng nicht weit, er wollt' sie schon / Was meint ihr? Etwa küßen? // O Nein! er sah nach ihrer Krön, / Ganz oben an den Füßen. // Doch eh' es noch zum Treffen kam - / Halt - Wer da! rief's von Ferne / Und, gut Freund hin und gut Freund her - / Wo hast du die Laterne. - // Und fort mit ihm die Schloßwach zu - / Es half kein Bitten Flehen / Das Mägdlein sah betrübt dazu - / Es mußte auch mitgehen. // Es wurde zwölf, es wurd halb Eins / Noch saßen sie verstumet - / Und endlich seufzt das Mäuerlein / der dicke Priester brummet. // Doch endlich wurde angezeigt - / die Freiheit diesem Paare / das Mägdlein hat sich sehr geneigt, / der Pfaff strich sich die Haare. // Denn naß als wie ein Pudelhund / war er am ganzen Leibe - / Er denkt sein Lebtag an die Stund, / Wo er gefehlt die Scheibe. // Nun gute Nacht du liebstes Kind, / Sprach er zu der Betrübten - // Bedenke daß wir Sünder sind. - / so geht's oft den Verliebten. - // Was denkt ihr nun von diesem Streich / der diesem Pfaff begegnet / Ich glaube sein Gehirn war weich / Als er sich z'Bett hat g'lagert. // Doch damit war es noch 572 574

Ebd., Nr. 9, 17.10.1813. Ebd., Nr. 10, 18.10.1813.

573

Ebd.

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nicht aus - / O ! Höret meine Kunde - / die Stadt spricht's laut, es ist ein Graus - / Es geht von Mund zu Munde NN: Auf dem andern Original stand noch folgende Strophe: Doch geschehen was geschehen ist, / Es sollte nicht so seyn / Wer also reines Herzens ist / Und wer nicht gleicher Sünder / Der werf auf ihn den ersten Stein."575 *) eine schon mehrmals aus der Stadt gewiesene H. Die zweite Schmähschrift erschien in Form eines Theaterzettels mit dem Titel: „Großherzogliches Hoftheater / Sonntag den 24ten Oct. wird aufgeführt: Die Nacht eines Wüstlings oder Kirchenrath Ewald auf der Hauptwache[,] Oper in 2. Acten." Unter den dargestellten Personen finden sich „Herr Kirchenrath Ewald" und „Mamsell Mäuerle deßen Geliebte"576. Am 6.11.1813 liegt das Ergebnis der polizeilichen Untersuchung vor, das die Unwahrheit der gegen Ewald erhobenen Beschuldigungen dartut577. Nicht eindeutig zu klären jedoch ist die Frage, ob man Ewald von Seiten der Staatsregierung decken wollte. Das zumindest behauptet kein geringerer als der preußische Gesandte in Baden Karl August Varnhagen von Ense: „Es war nämlich kein Geheimnis, daß der frömmelnde Kirchenrat, der eine kranke Gattin und erwachsene Töchter hatte, im Stillen kleinen Liebschaften nachging, deren Flüchtigkeit doch bisweilen dauernde Folgen hinterließ, wobei der Anschein der Ehrbarkeit nur mühsam gerettet wurde"578. Das klingt ziemlich deutlich. Unklar jedoch ist, ob Varnhagen, der Ewald nicht besonders mochte, die Gerüchte nicht gerade wie gerufen kamen, um sein negatives Ewald-Bild auch durch sie noch zu komplettieren. Mit dem Ergebnis der polizeilichen Untersuchung jedenfalls war die Sache noch lange nicht abgeschlossen und ad acta gelegt. Denn im März 1814, über ein Vierteljahr später, wurde Ewald erneut auferlegt, sich von Kanzel und Altar fernzuhalten, was Ewald natürlich nicht anders denn als Affront gegen seine Person verstehen konnte. Ewald, der überdies „von einem schlagartigen Zufall"579 unter einer Lähmung seiner rechten Hand und der ganzen rechten Seite zu leiden hat, 575 576 577 578 579

Ebd., Nr. 7, undatierte Abschrift. Ebd., Nr. 8, undatierte Abschrift. Ebd., Nr. 12, 6.11.1813 und Nr. 14,9.11.1813. Varnhagen von Ense, K.A., Denkwürdigkeiten, Bd. 3, p65. GLA Karlsruhe 76/2091, Nr. 24, 18.3.1814.

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schreibt mit zitteriger Hand einen empörten Brief an Eichrodt, in dem er sich über seine Exkommunikation mit aller Schärfe beschwert und sein völliges Unverständnis für diese Strafe artikuliert, zumal die bereits abgeschlossene polizeiliche Untersuchung doch ein klares, ihn entlastendes Ergebnis erbracht habe580. Ewald beklagt, daß man ihn nicht angehört und ihm keine Möglichkeit eingeräumt habe, sich zu verteidigen und fragt: „Scheint man denn den frechen Verleumdern nicht recht zu geben, indem man so bestraft, als ob sie die Wahrheit gesagt hätten? Giebt man den unschuldig Verleumdeten nicht den schuldigen Verleumdern preiß?"581. Es folgt ein längerer Briefwechsel zwischen Ewald und Eichrodt, an dessen Ende die Streitsache anscheinend auf mündliche Weise ausgeräumt ist. Denn Ewald entschied sich, nun doch nicht mit seiner von ihm zuvor angedrohten Bitte um Pensionierung Ernst zu machen. „Nach reifer Prüfung vor Gott glaub' ich, unrecht zu handien, wenn ich um meine Pensionirung, (und solte mir auch mein ganzes Gehalt, mit der Pension für meine Frau gelaßen werden) bitten wolte"582. Ewald kündigt an, er wolle sich an den Staatsminister Carl Christian Freiherr von Berckheim selbst wenden, damit dieser die Auflage, Ewald solle sich von Kanzel und Altar fernhalten, für einen bloßen Rat erkläre, „den ich dann, so lange es nöthig ist [...] ehrerbietig befolgen werde"583. Außerdem will Ewald endlich wissen, ob diese Auflage bedeute, daß er exkommuniziert sei, oder ob sie dahingehend zu verstehen sei, daß er lediglich das Abendmahl nicht austeilen dürfe. „Zugleich werde ich um eine Erklärung bitten, ob der Ausdruk: ,ich solle mich des Altars enthalten,' blos sagen wolle, ich möge das H: Abendmal nicht austheilen oder: ich solle gar keinen Theil daran nehmen"584. 580 Ebd.: „Mit welchen Empfindungen ich diese Nachricht gelesen habe, können Sie denken oder vielmehr, nicht denken. Man muß 40 Jahre lang, die verschiedensten Ämter, ohne Vorwürfe vielmehr mit allgemeinem Beifall, versehen haben, und dann, im 66 Jahre, einen solchen Entschluß, wegen solcher Vergehungen vernehmen, um sie nachzufülen. Die Sprache hat kein Wort dafür. Die Maasregel der Hohen Regierungskommission scheint mir unerhört hart, und ist mir unbegreiflich. Einem Staatsdiener, dem ersten Geistlichen der reformirten Kirche die Kanzel verbieten, ihn zu exkommunizieren, das ist, nach einer Kriminalstrafe, das Härteste, was ihm begegnen kann. Sie ächtet ihn vor dem ganzen Publikum, dem (wenigstens hier) die Sache gewis bekannt wird [...] Und dieser Beschluß wird gefaßt, ohne den Verurtheilten, auch nur zu fragen, vielweniger zu hören. Man fängt mit etwas an, womit man, nach meiner Einsicht, nach einer Untersuchung, wenn sie gegen den Verleumdeten ausfiel, hätte endigen können. Unbegreiflich ist mir auch in anderer Hinsicht das Verfahren. Im vorigen Herbst erscheint eine Pasquille gegen mich, und wird als vorzügliche Lüge, nach Untersuchung anerkannt. Mit unerhörter Schaamlosigkeit, erscheint die zweite, die sich auf die nemliche, als Lästerung dokumentirte Thatsache gründet." 581 582 Ebd. Ebd., Nr. 34, 14.4.1814. 583 584 Ebd. Ebd.

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Mit diesem Schreiben endet die Akte, und es ist zu vermuten, daß Ewalds Vorschlag stattgegeben wurde, da er nach diesem Zeitpunkt dann und wann wieder als Prediger in Erscheinung getreten ist. Dennoch: Ewalds gesundheitlicher Zustand war an einem Tiefpunkt angelangt; sein Arzt untersagte ihm jegliche weitere Aufregung. Ewalds Ansehen hatte gelitten, und sein Verhältnis zur Regierung wird seither kein ungebrochenes mehr gewesen sein. Dennoch sollte Ewald noch acht weitere Jahre als erster Geistlicher der reformierten Kirche in Baden im Dienste dieser Obrigkeit stehen, ohne daß den überlieferten Quellen nach zu urteilen - irgendeine Form der Verbitterung bei ihm zu bemerken wäre. In diesen acht Jahren hat Ewald noch viel geleistet: Er hat eine ganze Menge von Schriften verfaßt, die Weichen für die Ausarbeitung einer neuen Bibelgeschichte gestellt, ist mit einer neuen Zeitschrift an die Öffentlichkeit getreten, hat bei der Planung eines neuen Katechismus entschieden für die in Zweifel gezogene Notwendigkeit eines solchen sich eingesetzt und hat mit größter Klarheit, Vehemenz und theologischer Treffsicherheit im Urteil als Apologet des angefeindeten Judentums das Wort ergriffen. Überdies hat Ewald an der Gründung der badischen Bibelgesellschaft entscheidenden Anteil, und auch das Zustandekommen der Union verdankt sich seiner Mitarbeit, wenngleich er sie nur um einige Wochen überlebt hat. Doch nun der Reihe nach.

23. Karlsruher Schriften - Johann Heinrich Jung-Stilling Beginnen wir mit dem Kleinsten: Mit Ewalds in Karlsruher Zeit verfaßten Vorreden. An ihnen nämlich ist abzulesen, eine wie hohe Bedeutung man Ewald inzwischen zumaß, indem man meinte, er sei als Persönlichkeit bekannt genug, daß man ihm eine empfehlende Vorrede abverlangen könne. So verfaßte Ewald eine Vorrede zu einer Sammlung von Erzählungen JungStillings585, zu dem in der Folgezeit berühmt gewordenen und in vielen Auflagen erschienenen Morallesebuch „Beyspiele des Guten"586, zu Philipp H. Haabs biblischem Lehrbuch587 und zu einem weiteren, anonym erschienenen Morallesebuch588. Ewald ist zu Lebzeiten zu einem recht hohen Bekanntheitsgrad gelangt, der sich jedoch merkwürdigerweise nicht in die theologische und historische Forschung hinein fortgesetzt hat. Dies mag damit zusammenhängen, daß Ewald keine stromlinienförmige Person seiner Zeit gewesen ist und keiner bestimmten theologischen Partei zuzurechnen war. Das zeigt sich besonders

585 587

Bibl. Nr. 324. Bibl. Nr. 353.

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Bibl. Nr. 297. Bibl. Nr. 317.

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auch in den sehr mannigfaltigen Rezensionen seiner Werke, z.B. in der ALZ. Einerseits deuten sie darauf hin, wie sehr Ewald bekannt gewesen ist und zu den Persönlichkeiten gehörte, über die man sprach. Andererseits aber zeigt sich auch, daß man für Ewald im Kreise der entschieden aufgeklärten Geister eher nur ein müdes Lächeln übrig hatte: für einen vermeintlich starr orthodoxistischen, empfindelnden und mit der Lavater-Plakette abgestempelten abergläubigen Vielschreiber. Die Hochnäsigkeit, mit der man Ewald zeit seines Lebens zumindest in einem Teil der gebildeten Welt begegnete, ist geradezu abstoßend. Diese Hochnäsigkeit indes hat sich dann unkritisch in ein Schweigen der Forschung verwandelt, wobei nun allerdings auch die häufig über Ewald zu hörenden positiven Stimmen verstummen mußten. In dem bienenfleißigen und mit Herder, Goethe und Wieland eng befreundeten Publizisten Karl August Böttiger allerdings hatte Ewald einen Fürsprech nicht nur, sondern auch einen geneigten Rezensenten589. Ewald war in seiner Karlsruher Zeit ein bekannter Mann nicht nur, sondern auch ein nicht mehr ganz junger. Und wie es älteren Menschen oft ergeht: Ewald mußte auf sein inzwischen bereits fortgeschrittenes Alter u.a. auch deswegen aufmerksam werden, weil er zunehmend als Verfasser von Nekrologen in Erscheinung treten mußte: Ewalds Bekannte und Freunde traten langsam von der Bühne ab. Der Tod Lavaters im Jahre 1801 hat Ewald gewiß zutiefst berührt. 1813 mußte Ewald einen Nachruf auf den badischen Staatsrat und Protagonisten der modernen Erneuerung Badens Brauer verfassen, der wie Ewald im Isenburgischen geboren war - sechs Jahre später als Ewald in Büdingen. Brauer hatte einst entscheidenden Anteil an der Berufung Ewalds nach Heidelberg gehabt und u.a. den Code Napoleon für die badischen Verhältnisse bearbeitet und dessen Einführung ermöglicht590. Sein Leben als Christperson - so Ewald - stand unter der frommen und das Bengelsche Motto radikalisierenden Maxime: „Bey ihm war nicht bloß nulla dies, sondern nulla hora sine linea"591. Nicht unbedeutend ist zudem Brauers Bedeutung als Choralautor. Als solcher nämlich hatte er entscheidenden Anteil an der Ausarbeitung des neuen „Carlsruher Gesangbuch[s]"592. Im Jahre 1817 dann hatte Ewald die Aufgabe, einen doppelten Nekrolog zum Tode des mit ihm befreundeten593 Ehepaars Jung-Stilling abzufassen. 589

Vgl. Ewald an Böttiger 7.8.1812, Germ. Nationalmuseum Nürnberg, Archiv, Autograph Böttiger K. 6. Bibliographie A 53: „Die Rezensenten hab' ich nicht für mich, weil ich in Hinsicht auf Christliche Religiosität, mich zu den nemlichen Grundsäzen bekenne, zu denen sich auch Ihr treflicher Reinhard bekennt, und weil ich sie eben so freimiithig äußere, wie er. Freilich, die Einzigen Stiike, in denen ich ihm ähnlich bin." 590 591 Vgl. Andreas, p217f. Ewald, Nekrolog (Bibl. Nr. 318), p96. 592 Ebd., p99. 593 Schwinge, p266 nennt Ewald „Jung-Stillings engste[n] Freund", was m.E. wegen der diese Freundschaft nur sehr spärlich belegenden Quellenlage etwas gewagt ist.

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Jòhann Heinrich Jung-Stilling war am 2.4.1817 mittags 76-jährig gestorben, seine Frau nur 10 Tage vorher am 22.3.1817. Stilling hatte Ewald im Frühjahr 1793 nach einem Besuch in Preußisch-Minden auf der Rückreise nach Marburg sich befindend in Detmold kennengelernt594, hatte ihn 1798 noch einmal in Bremen besucht595 und pflegte mit ihm in der gemeinsamen Karlsruher Zeit engen Kontakt. In seinem Nachruf würdigt Ewald besonders Stillings intensive Tätigkeit als Briefseelsorger: „Außer dem seel. Lavater hat wohl kein Privatmann eine so weit ausgebreitete, vielseitige Correspondenz unterhalten, als er"596. Großen Eindruck hat Stilling zudem auf Ewald gemacht, weil ihm es gelang, nicht nur als Seelenarzt allein, sondern die Medizin mit der Seelsorge verbindend auch als Augenarzt zu wirken. „Er hat an beynahe 3000 Blinden ihr Gesicht wieder gegeben, worunter nicht ganz wenige Blindgeborene waren. Nie forderte er etwas für seine Operationen, außer dem Reisegeld"597. Ewald versteht seine Aufgabe als Nekrologe nicht dahingehend miß, daß er nun einfach unkritisch eine Lobrede hielte, die alle Differenzen und Meinungsverschiedenheiten verschweigt. Ewald lehnt auch jetzt noch Stillings Endzeitberechnungen im Stile Bengels ab, so wie er dies auch Hahn gegenüber getan hat. „Wenn der Selige die Zukunft des Herrn, nach der Apokalypse, zu berechnen versuchte: so war das, auch nach meiner Ueberzeugung, ein Irrthum, den man aber auch bey Newton, Bengel und mehreren gelehrten Theologen findet"598. Denjenigen jedoch, die Stilling deswegen als einen Schwärmer bezeichnen zu müssen glauben, hält Ewald die Einsicht unübersehbar vor Augen, daß es zur Bestimmung des Glaubens schlechthin dazu gehört, die Parusie Christi für näher zu halten, als sie ist. Die Endzeitberechnung nämlich als Ausdruck der brennenden Naherwartung ist selbst biblisch. „Ueberhaupt aber haben die wärmsten Anhänger Jesus oft seine Zukunft näher geglaubt, als sie ist. Ach! was der Mensch wünscht, das glaubt er so gerne! Gewiß gefallen sie indeß dem erwarteten Herrn besser, als die Satten, Trägen, Schlummernden, die nur immer sagen: ,Der Herr verzeucht, zu

5,4

Jung-Stilling, Lebensgeschichte, p486. Ebd., p521. 596 Ewald, Leben und Tod eines christlichen Ehepaars (Bibl. Nr. 352a), p5. 597 Ebd., pl2. Vgl. Propach, G. 598 Ebd., p9. Zu Stillings Endzeitberechnung vgl. Benrath, G.A., Art. Jung-Stilling, TRE 17, p467-470, bes. p470 und Steiger, Bibel-Sprache, p233-235. Vgl. zudem zur theologischen Einordnung Stillings zwischen Aufklärung und Pietismus und zur Genese seiner Hinwendung zur Erweckungsbewegung: Hahn, O.W., Jung-Stilling zwischen Pietismus und Aufklärung, sowie: Ders., Jung-Stilling, pllOff. 167-175, und Geiger, M., Aufklärung und Erweckung. Zur Auseinandersetzung Stillings mit der Berliner Aufklärung, insbesondere Friedrich Nicolais: Vinke, R., Jung-Stilling und die Aufklärung. 595

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kommen'"599. Das Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen anführend nimmt Ewald Stilling gegen die freudlosen Prediger der Parusieverzögerung in Schutz. Von ihnen nämlich falschen Beifall für seine Kritik an der Endzeitberechnung Stillings zu bekommen, wollte Ewald sich nun gar nicht gefallen lassen. Auch Stillings „Theorie der Geisterkunde", der Ewald nicht zustimmt und innerhalb deren Stilling meinte, zeigen zu können, „die Geister der Verstorbenen könnten noch auf der Erde erscheinen"600, gibt nach Ewald noch keine Berechtigung, Stilling als Schwärmer zu verketzern. „Ist seine Theorie nicht richtig: so ist dieß der Fall mit vielen andern Theorieen, deren Erfinder man darum nicht Schwärmer genannt hat"601. Auch dies zeigt wieder einmal, wie sehr sich Ewald darum bemüht hat, innerhalb eines Schulterschlusses der von ihm als wahre Bibelchristen Apostrophierten das Verbindende zu suchen und mit etwaigen heterodoxen Meinungen tolerant zu verfahren, ohne sich dabei jedoch verbieten lassen zu wollen, zu den Lehrdifferenzen das entscheidende und auch kritische Wort zu sprechen. Bei allen Unterschieden in Sachen Endzeitberechnung, aber auch, was die Judenmission angeht, deren Notwendigkeit Stilling vehement behauptet hat602, hatte Ewald dennoch Grund genug, in Stillings vollendetem Leben seine eigene Biographie wie in einem Spiegel zu betrachten. Denn auch Stilling hatte sich in einem längeren Prozeß von der frommen Aufklärungstheologie eines Johann Joachim Spalding abgewandt, wobei die Kantsche Philosophie und die Aufweisung der der theoretischen Vernunft gesteckten Grenzen hierzu den ersten Anstoß gegeben haben, woraufhin sich Stilling 1789 durch Georg Ludwig Sartorius von der Notwendigkeit der Integration der Versöhnungs- und Rechtfertigungslehre innerhalb einer wahrhaft zeitgenössischen Theologie hat überzeugen lassen603. Verwandt sind Ewald und Stilling auch darin, daß sie beide die Gattung Zeitschrift' als erbauungsschriftstellerisches Medium604 benutzten und darin Lavater und Pfenninger nacheiferten. Nicht zuletzt auch den prägenden Einfluß Lavaters teilten Stilling und Ewald.

599

Ewald, Leben und Tod eines christlichen Ehepaars, p9. 601 Ebd., p8. Ebd. 602 603 Hahn, Jung-Stilling, pl74. Ebd., pl 19-121 u.ö. 604 Vgl. zu Stillings Tätigkeit als Erbauungsschriftsteller: Schwinge, G. Zum Verhältnis Ewalds und Stillings vgl. ebd., pl69—173. Wiewohl zwischen beiden Theologen sicherlich gravierende Unterschiede bestehen, hat es m.E. dennoch wenig Sinn, beide derart voneinander abzusetzen, wie Schwinge es tut, indem er im Anschluß an die sonst üblichen verfehlten Einordnungen Ewalds von dem ,,geruhsame[n], milde[n] Geist einer aufgeklärten Religiosität, wie er zu dieser Zeit das Normale war" (ebd., pl73) spricht, der sich in Ewalds , Christlicher Monatschrift' spiegele. 600

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Neben einer ganzen Reihe von Erbauungsschriften und katechetischen Büchern hat Ewald in seiner Karlsruher Zeit im Jahre 1814 zwei politische Flugschriften zum Befreiungskrieg verfaßt605, die einmal eine eigene Behandlung im Kontext der großen Menge von Schriften dieser Gattung zum selben Anlaß erfahren müßten. Neben einem kleinen, zweiaktigen Drama über „Metíala, die Jephtaidin"606 finden sich Schriften verschiedenster Axt, von denen besonders das von hoher theologischer Bildung und genauer Quellenkenntnis zeugende Buch „Briefe über die alte Mystik und den neuen Mysticismus"607 hervorzuheben ist. Es nämlich legt Zeugnis davon ab, wie tief Ewald in den Quellenschatz mystischer Literatur eingedrungen ist: in die Schriften Bernhards von Clairvaux, Johannes Taulers, Sebastian Francks, Jakob Böhmes u.a. Ewald entdeckt in der Biblizität der Mystik, die schließlich auch Luther dazu geführt habe, die ,Theologia deutsch' herauszugeben, aus dessen Vorrede Ewald zitiert608, ein wichtiges Korrektiv zu einer solchen zeitgenössischen Theologie, die die Bibel oft hintansetzt. Nach dem Grundsatz verfahrend, daß jede Sekte zumindest an einem Punkt eine Hauptwahrheit christlichen Glaubens zurecht anmahnt, sucht Ewald nach dem wahren Kern mystischer Theologie. Den zeitgenössischen, weitverbreiteten Moralismus angreifend sagt Ewald: „Etwas Höheres, Kräftigeres, Eingreifenderes als unsere kalte, kaltlassende Moral, muß in dem Menschen aufgeregt werden"609. Sodann benennt Ewald den Punkt, an dem man angesichts dieses Mankos bei der Mystik in die Schule gehen könne: „Dies Höhere, Eingreifendere finden nun die Mystiker in der Liebe zu Gott oder Christus, die natürlich, wenn sie da ist, wie alle Liebe und mehr als jede andere hoch erheben, jede Faser unseres Wesens beleben muß"610. Angesichts trockener Moral von der Liebe in ihrer Vielgestaltigkeit als Liebe zu Gott, zum Nächsten und zu sich selbst erneut sprechen zu lernen, wird uns unten auch als Grundanliegen der Ewaldschen Kritik an Kant wiederbegegnen611. Als treibende Kraft jedoch dieser Liebe bezeichnet Ewald die fides612 worin sich abermals zeigt, wie stark Ewald in seiner MystikRezeption auf den Spuren Luthers wandelt. Selbst die verpönte und in der mystischen Schriftauslegung oft übertriebene und um ihrer selbst willen betriebene allegorische Schriftauslegung - so Ewald - hat trotz ihres abusus doch ihren berechtigten usus, was er an einem Vergleich der Leidensgeschichte Josephs mit derjenigen Christi ausführlich veranschaulicht: ,Joseph war der Lieblingssohn seines Vaters. - Jesus auch. Joh. 3,16. [...] Joseph, ein 605 607 609 611 612

606 Bibl. Nrr. 319. 322. Bibl. Nr. 286. 608 Bibl. Nr. 378. Ewald, Briefe über die alte Mystik, p200. 610 Ebd., pl36. Ebd., pl36f. S. u. Kap. III, 2. Ewald, Briefe über die alte Mystik, p246 u.ö.

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Mitglied der heiligen Familie, wurde von seinen Brüdern, auch Mitgliedern der heiligen Familie, an Unheilige für zwanzig Silberlinge verkauft. - Jesus um dreißig [...] Joseph, der Gefangene, diente den Gefangenen. - Jesus, der Leidende, ward es zum Vortheil der Leidenden [...] Sie sehen doch wohl, daß hier nichts Hineingetragenes, Hineingekünsteltes ist, wenn es auch, wie man gewöhnlich sagt, von ohngefähr so passend seyn sollte"613. Um der Bibel willen rezipiert Ewald die mystische Theologie, lernt von ihr die allegorische Methode der Bibelauslegung als eine solche zu würdigen, die im Stande ist, die beiden Testamente in ihrer Zusammengehörigkeit zu sehen, und unterwirft die Mystik einer reformatorischen Interpretation vom Glauben her. Demzufolge erreicht der Mensch die unio mystica mit Gott auch nicht durch ein durch den Menschen zu bewerkstelligendes Aufstreben zu Gott und Absterben von der Welt und allem Kreatürlichen. Vielmehr sind der Glaube und die aus ihm fließende Liebe die einzigen Bedingungen der Möglichkeit für die unio mystica: „Vereinigung mit irgend einem geistigen Wesen, also auch mit Gott ist nur durch Glauben und Liebe möglich. Dieser Glaube muß aber nicht bloßes Fürwahrhalten, weil wir etwas erkennen, Gründe dafür einsehen, sondern unumschränktes Zutrauen, Glaube auf das Wort Gottes oder Jesus seyn"614. Ewald war - ähnlich wie weite Kreise innerhalb der Basler Christentumsgesellschaft - sehr stark an der Rezeption der quietistischen Mystik Fénelons und der Madame Guyon615 interessiert und meinte, hier einen neuen Impuls für die in der aufgeklärten Rationalität zu ersticken drohende Frömmigkeit finden zu können616. Beeindruckt von der in der Mystik sich artikulierenden unbedingten Gottesliebe und der Intensität der frommen Innerlichkeit nimmt Ewald Fénelon und Madame Guyon vor dem Vorwurf in Schutz, sie seien bloße „Maschinen Gottes"617 gewesen.

24. Arbeit an einer Bibelgeschichte, Konflikt mit Johann Peter Hebel Im Jahre 1813 wurde in Baden entschieden, die alte Bibelgeschichte von Johann Hübner618 durch eine neue zu ersetzen, was jedoch erst 1824 mit der Einführung der neuen ,Biblischen Geschichte' von Johann Peter Hebel ge6,3

614 Ebd., p89-91. Ebd., p61. Vgl. Heitmann, K„ Art. Fénelon, TRE 11, p81-83; Schmidt, M„ Art. Guyon, RGG3, Bd. 2, Sp. 1919f. 616 Vgl. Ewald, Briefe über die alte Mystik, pl46-170 u.ö. 6,7 Ebd., pl46. 618 Hübner, J., Zweymahl zwey und funffzig Auserlesene Biblische Historien. Ercken6,5

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schah. Hierüber ist bereits öfter geschrieben worden. Allerdings ergaben sich hierbei - auch aufgrund einer etwas einseitigen, auf Hebel fixierten Betrachtungsweise - historische Fehlurteile, die jetzt ausgeräumt werden müssen. Es lohnt sich also, die ganze Sache noch einmal neu aufzurollen und die in den verschiedenen Archiven mitunter undatierten und chronologisch ungenau eingeordneten Quellen erneut zu betrachten - gründlicher als bisher. Ewald hat im März 1813 ein Gutachten abgefaßt, in dem er im Hinblick auf eine neu einzuführende Biblische Geschichte nach Sichtung des bereits vorhandenen Materials vorschlägt, eine überarbeitete Fassung der Bibelgeschichte des Erlanger Theologen Georg Friedrich Seiler zu diesem Behufe zu wählen. Ewald merkt allerdings sogleich an, daß das Seilersche Lehrbuch nur das geringste aller Übel darstelle. Interessant nun ist, daß Ewald seine eigene Bibelgeschichte, von der oben bereits die Rede war619, ins Gespräch bringt, wenngleich er auch sie als durchaus verbesserungswürdig bezeichnet620. Der Vorschlag, Seilers Bibelgeschichte einzuführen, wurde nicht weiter verhandelt. Aber, was bisher nicht bekannt war: Über die Möglichkeit, Ewalds Detmolder Biblische Geschichte in Baden in den schulischen Gebrauch einzuführen, wurde sehr wohl verhandelt. Die Auseinandersetzung zwischen Ewald und besonders Hebel hatte zwei Phasen. Zuerst stritt man sich über Ewalds „Lesebuch für die Landschulen" und später erst über die Ewald aufgetragene Umarbeitung der katholischen Bibelgeschichte von Christoph von Schmid. In den bisherigen Untersuchungen zum Thema wurde zwischen beidem nicht unterschieden. Aus einem Gutachten Ewalds geht hervor, daß Hebel in einer Sitzung mündlich gegen Ewalds Detmolder Bibelgeschichte Einwände vorgetragen hat, die nicht überliefert sind und auf die Ewald nun schriftlich reagiert. Das undatierte Gutachten Ewalds muß in der Zeit zwischen Ende März 1813 und Juni 1814 abgefaßt sein. Daß es hier um Ewalds altes Lesebuch geht und nicht bereits um seine ihm im Juni 1814 erst aufgetragene Umarbeitung des Buches von von Schmid, geht klar aus dem Gutachten hervor, das Ewald - wie er versichert - nicht aus eigensüchtigen Beweggründen abfaßt, „um mein biblisches Geschichtsbuch zu rechtfertigen"621. Die Quintessenz festhaltend formuliert Ewald sein Gutachten abschließend: „Ich wiederhole noch Einmal: diese Erklärung geb' ich nicht, um mein Lesebuch diesem Land aufzudringen. Mir ist nur daran gelegen, daß bald, ein solches gemacht oder gewählt werde"622. brecht, Α., p76-79 hat die Diskussion um die geplante Ersetzung der Hiibnerschen Bibelgeschichte nicht berücksichtigt. 619 S. o. Kap. I, 6. 620 Der Text des Gutachtens wird im Anhang (Text Nr. 8) mitgeteilt. 621 LKA Karlsruhe GA 2707, 68. Bibliographie A 46. 622 Ebd.

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Wie sich aus Ewalds Gutachten unschwer rekonstruieren läßt, da es an Hebels Kritikpunkten entlanggehend sich aufbaut, hatte Hebel vor allem darauf aufmerksam gemacht, daß sich Ewalds , Lesebuch für die Landschulen' sehr weit vom vertrauten Ton der Luther-Bibel entfernt habe. Ewald repliziert, daß er dies u.a. auch in seinen Predigten absichtlich und aus pädagogischem Interesse heraus getan habe, um unverständliche und unverstandene Wörter und Wendungen verständlich zu machen. „Ich bekenne mich freimiithig zu dieser Sünde, und muß sogar gestehen, daß ich sie ganz absichtlich, und auch, in Predigten begangen habe." Seine lange Erfahrung nämlich habe gezeigt, „daß von Vielen, Einzelne Ausdrüke und Redensarten der Bibel, nicht verstanden, oder ganz mißverstanden werden, die sie viele hundertmal gehört, und nachgesprochen, und mit unter weil sie die Ausdrüke so oft gehört und nachgesagt haben, die Ausdrüke: Buse, Himmelreich, Rechtfertigung, neue Geburt, Geist, Waßer und Geist, Täufer, Vorläufer, Heiland [...] versteht das Volk durchaus nicht oder falsch, wenn man sie ihm nicht erklärt [...] Ich bin in der Bibelgeschichte und in Predigten diesen Worten, aus diesem Grund ausgewichen, und habe Andere dafür gebraucht, die [...] von unserm Volk, nicht so leicht mißverstanden, oder ohne etwas dabei zu denken, hingesagt werden können." Den berechtigten Vorschlag, solche Ausdrükke der Luther-Sprache nicht einfach zu ersetzen, sondern sie epexegetisch zu erklären - eine Methode, die Hebel später mit Bravour in seiner Bibelgeschichte angewandt hat - lehnt Ewald etwas vorschnell ab. „Es wurde in der Seßion gesagt: ,Man erkläre dann diese Ausdrüke! ' aber ich bitte: was soll uns denn ein Buch, das für Kinder hauptsächlich geschrieben ist, und in dem doch so vieles wieder erklärt werden muß?" Hebel hatte Ewald vorgeworfen, er bringe die Kinder von der Bibel ab, wenn sie nicht mit dem Ton und der Sprache der gebräuchlichen und weitverbreiteten Luther-Bibel bekannt gemacht würden. Ewald jedoch verwahrt sich hiergegen und stellt heraus, daß er nie einen Zweifel daran habe lassen wollen, daß allein die Bibel „Quell alles Lichts, alles Trosts, aller Gewißheit und aller Beruhigung" sei. Allerdings genehmigt sich Ewald eine größere Freiheit dem Luther-Wortlaut gegenüber, indem er Buchstaben und Inhalt recht stark trennend behauptet, daß „das Beßemde, Stärkende, Erhebende der Bibel, also sie selbst, nicht in den Worten, sondern in den Sachen, Geschichten, Lehren und Vorschriften zu finden" sei. Ewald kommt daher zu dem Fazit, von dem er auch in der Folge nie abgelassen hat: „Bei keinem Kind macht Bibelgeschichte, den gehörigen Eindruk, wenn er [seil, der Lehrer; A.S.] sie blos mit Luthers, also mit fremden Worten erzält und erzälen kann. Er muß sie in seiner eigenen Sprache vortragen." Daß es zu einem sprachbildenden Prozeß der Aneignung der Luther-Sprache in durchaus freier Weise kommen könnte, bezieht Ewald hier nicht in seine Reflexionen ein. Festzuhalten bleibt, daß schon in diesem nur fragmentarisch in den Quellen

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dokumentierten ersten Streit zwischen Ewald und Hebel nicht das reformatorische Schriftprinzip zur Disposition steht - auch bei Ewald nicht. Dennoch ist unübersehbar, daß Hebel in seiner Wertschätzung der vertrauten, zum Sprachschatz der Menschen gewordenen Luther-Sprache, die es auch für eine Bibelnacherzählung zu bewahren gelte, in seiner hermeneutisch hochreflektierten Luther-Rezeption bereits weitergekommen ist als Ewald623. Ewald tendiert dazu, die Inhaltlichkeit der Bibel zu sehr vom Buchstaben und der Frage nach der Art und Weise der sprachlichen Vermittlung zu abstrahieren. Er läuft Gefahr, sich der Frage nicht wirklich zu stellen, wie es gelingen könne, über eine Erklärung der unverstandenen Dinge durch Synonyma auch zu einer neuen Anverlobung der jetzt besser verständlichen Luther-Sprache selbst hindurchzudringen. Merkwürdigerweise bleibt Ewald hier auch recht inkonsequent hinter dem zurück, was er über die poimenische Bedeutung der fest geprägten und vertraut gewordenen Choräle sagt, die er - besonders die Choräle Luthers - in ihrem alten Sprachduktus erhalten wissen will624. Anscheinend war Ewald nicht gewillt oder fähig, diese hymnologische Einsicht in seiner bibelpädagogischen Arbeit hermeneutisch zu applizieren. Wenngleich Ewald immer wieder an den entscheidenden Angelpunkten seiner Theologie zu einer besonders für einen reformierten Theologen erstaunlichen Luther-Rezeption sich durcharbeitet, so spiegelt sich in seinem eher gleichgültigen Verhältnis zur Sprache der Luther-Bibel vielleicht doch sehr stark seine reformierte Herkunft. In dieser Frage jedenfalls hat Hebel das weitaus sicherere Urteil. Andererseits wiederum ist Ewald in seiner Luther-Rezeption bereits höher reflektiert als sein lutherischer Kollege Hebel, nämlich in der Frage der Kontextualität der Bibel. Hebel hatte bezweifelt, daß es den von Ewald behaupteten, allen biblischen Büchern zugrundeliegenden Erziehungsplan Gottes gebe, der den inneren Zusammenhang der biblischen Texte konstituiert. Ewald belehrt Hebel, daß diese Aussage nicht erst seit Johann Jacob Heß zu einem fest geprägten Theologumenon geworden ist625, sondern daß sich

623

Vgl. Steiger, J.A., Bibel-Sprache, bes. p307-329. 342-345 und passim. Vgl. o. Kap. I, 4. 625 Ewald bezieht sich hier auf: Heß, J.J., Von dem Reiche Gottes. Schon im Einleitungskapitel entfaltet Heß seine sein ganzes Buch durchziehende Grundidee, „daß es eine zusammenhangende Reyhe göttlicher Führungen nach einem bestimmten und überschaubaren Entwürfe" (p21) gebe. Dies ist der systematische Ansatz Heß', der sich allein aus der Bibel speist (pl9) und Freiheit dem dogmatischen System-,Zwang' gegenüber für sich beansprucht (hierin liegt eine Gemeinsamkeit Ewalds mit Heß, aber auch die Gefahr einer gemeinsamen Schwäche), wenngleich die Abhängigkeit Heß' von der reformierten Föderaltheologie Johannes Coccejus' auf Schritt und Tritt sinnenfällig wird (vgl. zum Zusammenhang: Goeters, J.F.G., Art. Föderaltheologie, TRE 11, p246-252). Im Auge zu 624

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z.B. auch in der reformierten Föderaltheologie Vergleichbares finde, da „unsere größten Theologen, wenn sie diesen Punkt berührten, von den Zeiten an, wo man noch von einem Werk= und Gnadenbund sprach, bis auf die unseligen, wo man von einem göttlichen Erziehungsplan spricht, dieß behauptet haben; da besonders Heß, in seiner Schrift: vom Reich Gottes, so viele Gründe dafür, aus der Bibel selbst, vorgebracht hat, daß es schwer abzusehen ist, wie sie widerlegt werden können, was auch noch Niemand versucht hat." Bemerkenswert ist, daß Ewald im folgenden eine ganze Reihe von LutherZitaten anführt, um Hebel gegenüber die Notwendigkeit aufzuzeigen, der Zusammengehörigkeit und Kontextualität der beiden Testamente und der biblischen Texte insgesamt, die sich gegenseitig erklären, große Beachtung zu schenken. „,Die Schrift ist wie ein Ring,' sagt Luther, ,wenn der an Einem Ort bräche, wär' er nimmer ganz. ' - ,Es ist kein Wort im N.T, das nicht hinter sich sähe, in das Alte. Durchs Evangelium sind die Propheten aufgethan. Wir sollen hinterrück laufen, und das Neue aus dem Alten gründen; wir müssen zurükstudieren, und aus dem Neuen das Alte lernen.' - ,Wir sind oft wie eine Magd, die mitten in Blumen säße, und keine wolte abbrechen, und einen Kranz darausflechten'"626.An diesem Punkt konnte Hebel, der Lutheraner, gewiß über Luther etwas von dem reformierten Ewald lernen. Und Hebel hat dies wirklich getan, was deutlich wird, wenn man seine Bibelgeschichte betrachtet, in der er tatsächlich auf den inneren Zusammenhang der einzelnen Erzählungen große Rücksicht genommen hat und seinem Lesebuch einen biblischen Erzählfaden zugrundegelegt hat627. Ewald dagegen hat, was Hebels Erinnerung an die hermeneutisch-poimenische Relevanz der Luther-Bibel anlangt, die Bedeutung also des Buchstabens, von der der biblische Inhalt nicht abstrahiert werden kann, nicht von Hebel gelernt. Sein hohes Alter mag hier mitunter eine Rolle gespielt haben. In der Folge wurde davon abgesehen, Ewalds Lesebuch für den Schulgebrauch in badischen Landen umzuarbeiten. Ewald erhielt vielmehr per Erlaß der evangelischen Prüfungskommission von der Evangelischen Sektion beim badischen Innenministerium den Auftrag, die katholische Bibelgeschichte behalten ist zudem, daß Heß ein bislang viel zu wenig gewürdigter direkter Vorläufer Johann Christian Konrad von Hofmanns und der von ihm begründeten Erlanger Schule ist. 626 Die zitierten Luther-Passagen finden sich (der Reihenfolge nach): WA 54, pl58, Z. 12f (nicht ganz wörtlich); WA 10, 1/1, pl81, Z. 20f; WA 12, p274, Z. 27f; WA 17, II, p317, Z. 24f (vgl. WA 15, p801, Z. 12-14); WA 17, II, p319, Z. 16f (vgl. WA 15, p802, Z. lf). Für diese Information danke ich Frau Dr. Ursula Stock, Institut für Spätmittelalter und Reformation in Tübingen. 627 Vgl. zum christologischen Erzählfaden in Hebels Bibelgeschichte: Wunderlich, R., p302 und zum schöpfungstheologischen Erzählfaden des Buches der Natur: Steiger, J.A., Bibel-Sprache, p89-93.

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von Christoph von Schmid einer Umarbeitung zu unterziehen628. Bereits vier Wochen später, am 31.8.1814, legt Ewald der Kirchen- und Prüfungskommission den ersten Teil seiner Bearbeitung vor: „Meinen verehrten Herrn Kollegen in der Prüfungs= und Kirchenkommißion, lege ich hierbei das Erste Heft von der überarbeiteten Schmidtischen Bibelgeschichte, zum Durchsehen und mittheilen Ihrer Bemerkungen, vor"629. Ziemlich deutlich gibt Ewald jedoch zu erkennen, daß er nicht bereit sei, etwaigen völlig anderen pädagogischen und theologischen Gegenmeinungen durch eine erneute umfangreiche Neubearbeitung Rechnung zu tragen: „Würde aber Einer oder der Andere meiner Herrn Kollegen, es für seine Pflicht halten, etwas nach seiner Art ausgedrükt haben zu wollen, was ich nach meiner Art ausgedrükt habe [...] daß eine neue Überarbeitung nöthig würde: so erkläre ich freimütig, doch sine ira et studio, daß ich alsdann die ganze Arbeit ablehnen, und sie einem Andern, meiner Herrn Kollegen überlaßen werde"630. Daß viele Köche den Brei verderben müssen, hatte bereits Hebel erfahren müssen, der über die ihm aufgetragene Bearbeitung des Herderschen Katechismus gestolpert war631, woran Ewald sicher nicht ohne Grund abschrekkend erinnert: „Ich glaube aber auch, es erklären zu müßen, da ich die Akten von Bearbeitung des Herderschen Katechismus gelesen habe. Vestigia me terrent"632. Zunächst ließ man Ewald an seinem Auftrag weiterarbeiten, und erst ein halbes Jahr später ergriff Hebel erneut das Wort und artikulierte seine grundsätzliche Kritik an der Vorlage der Ewaldschen Umarbeitung, nämlich an der Schmidschen Bibelgeschichte: Reichlich spät, da man längst beschlossen hatte, Schmid als Gegenstand einer Neubearbeitung zu wählen. Erst jetzt benennt Hebel jedoch seinen hauptsächlichen Kritikpunkt: daß nämlich der bewahrenswerte Ton der Luther-Bibel naturgemäß verlorengehen müsse, wenn man eine katholische Bibelnacherzählung zur Grundlage für eine Umarbeitung für evangelischen Gebrauch wähle633. 628

GLA Karlsruhe 243/740, 30.7.1814. Bibliographie A 42. LKA Karlsruhe, GA 2707, 31.8.1814. 630 631 Ebd. Vgl. Steiger, Bibel-Sprache, pl50f. 632 LKA Karlsruhe,.GA 2707, 31.8.1814. 633 „Der ganze lutherische Bibeltext ist aus dieser Bibelgeschichte bis auf die lezte Spur verschwunden, und ich spreche hier mein Geständniß aus, daß alles, was in einem solchen Buch, mit Worten der Bibel gesagt werden kann, mit keinem [!] andern gesagt werden sollte. Sie sind nicht nur lebendig, u. kräftig, auch noch in Luthers Übersetzung. Sie sind auch für eine große Menge die einzige Bürgschaft für die Warheit u. Heiligkeit der Geschichte, und das Volk glaubt so leicht etwas Anderes zu hören, wenn es das Nemliche nimmer mit den nemlichen Worten hört. Wenn aber der Bibeltext in Luthers Wort nimmer gut ist, so machen wirs auch nimmer beßer." GLA Karlsruhe 234/740. Dieses Gutachten ist undatiert. Einstweilen gedruckt zugänglich in: Katz, P., Ein Gutachten Hebels. 629

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Hebel, der - wie ich aufzuzeigen versucht habe634 - sein ganzes Leben daran gearbeitet hat, die Luther-Sprache zum Konstituens seiner Poetik, Kalender-Prosa und Predigten zu machen, mußte dies der entscheidende Punkt sein, an dem alle wie gut auch immer gemeinten ökumenischen Anliegen an ihre Grenze stoßen müssen. Von einer „ächten und edlen Popularität"635 könne bei Schmid nicht die Rede sein, vergleiche man sein Werk mit der Bibel, die für Hebel das „Muster der Popularität" ist. Überdies erlaube sich Schmid „viele Nachlässigkeiten im Stil" und fange hier und dort an, die biblischen Texte unbiblisch zu illustrieren. Zuweilen „supponirt [er] etwas, wozu wir, wenigstens wir Protestanten, keine Quellen haben", so daß man an vielen Stellen fragen müsse: „Woher weist Du das?" Hebel kommt zu dem Schluß, es sei übereilt gewesen, daß man Ewald den Auftrag gegeben habe, die Schmidsche Bibelgeschichte umzuarbeiten. In seinem Gegengutachten vom 7.3.1815 ist Ewald empört darüber, daß man in der Prüfungs- und Kirchenkommission offensichtlich der Meinung sei, daß man ihn, Ewald, über ein halbes Jahr an einer Umarbeitung dürfe arbeiten lassen, um dann völlig verspätet bereits gefaßte Beschlüsse wieder anzufechten. Ewalds Empörung ist deswegen so groß, weil er die ihm ja offiziell aufgetragene Arbeit bereits zu Zweidritteln abgeschlossen hat. „Seit dieser Zeit, also seit mehr als 6 Monaten, hab' ich alle meine, mit laufenden Geschäften nicht ausgefüllte Zeit [...] auf die Umarbeitung dieser Geschichte verwendet. Schon 7 Hefte, die ganze Geschichte des sogenannten alten Testaments, und zwei Hefte vom neuen, haben bei den Gliedern der Prüfungskommißion, auch bei dem Herrn Kirchenrath Hebel zirkulirt"636. Gleichzeitig erhellt aus diesem Gegengutachten, daß Ewald schon vor der von der Prüfungs- und Kirchenkommission ihm aufgetragenen Bearbeitung des Schmid im Auftrage des Herder-Verlages an einer Bibelgeschichte zum Gebrauch für Katholiken gearbeitet hat, die dann als Prachtbibel mit vielen Kupfern erschien637. Ewald hat die Arbeit an ihr im Interesse der protestantischen Bibelgeschichte zurückgestellt, obgleich die Arbeit für den HerderVerlag ihm viel Geld einbrachte. „Ich hatte, um diese Arbeit schneller zu vollenden, sogar eine andere, mir von einem katholischen Buchhändler aufgetragene, sehr gut honorirte Bibelgeschichte vorerst zurükgelegt." Schon das zeigt, eine wie offenherzige, liberal-ökumenische Stimmung zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Baden herrschte, die sich in konzentrierter Form in Ewalds Person spiegelt. Er bearbeitet eine katholische Bibelgeschichte für den Gebrauch im protestantischen Religionsunterricht und arbeitet gleichzeitig eine katholische Bibelgeschichte für den Herder-Verlag aus. Zunächst hatte Ewald dem Verlag vorgeschlagen, einen „besonderen Text für 634 636

Steiger, Bibel-Sprache. Ebd., 7.3.1815.

635 637

GLA Karlsruhe 234/740. Bibl. Nr. 339.

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Katholiken, neben dem meinigen schreiben zu laßen, wozu ich ihm den Profeßor Sailer in Landshut vorschlug". Ewald nahm mit Johann Michael Sailer Kontakt auf, der jedoch seinerseits ökumenisch genug gesinnt war, um zu antworten, „er begreife nicht, warum ein besonderer Text zu einer Bibelgeschichte, für Katholiken geschrieben werden solle, da die Bibelgeschichte doch weder protestantisch, noch katholisch sey." All dies hält Ewald Hebel vor, dem die ökumenische Begeisterung Ewalds - in diesem Ausmaße zumindest - unverständlich blieb. Während Hebel in seinem Gutachten keinen Grund sieht, eine katholische Bibelgeschichte zu wählen, sagt Ewald: „Der durchgreifendste Grund, ist ganz einfach, weil gerade Protestanten, als solche, den Grundsaz haben, wenigstens haben Sölten, ,Alles zu prüfen und das Beste zu behalten,' und weil ich so lange behaupten werde, daß die Schmidtische Bibelgeschichte, ohnerachtet ihrer Auswüchse, die beste sey, die wir haben, bis man mich mit einer beßeren bekannt macht." Unprotestantisch dagegen sei es, wenn man aus konfessionalistischen Gründen eine schlechte protestantische einer besseren katholischen Bibelnacherzählung vorziehe. Noch einmal legt Ewald ein Plädoyer für Schmid ab, der mit der Herzlichkeit und Kindlichkeit seines Erzähltons selbst Ewalds eigene Bibelgeschichte aus Detmolder Zeit weit übertreffe. Was Hebels die Luther-Sprache betreffende Hauptkritik angeht, so antwortet Ewald mit den aus der ersten Phase des Streites bereits bekannten Gegengründen. Bei aller Schärfe in der sachlichen Diskussion jedoch äußert Ewald immer wieder im Verlauf des Streites seine tiefe Verbundenheit mit Hebel638. Dennoch läßt es Ewald sich nicht nehmen, mit aller Vehemenz über die „Zumuthung" seiner Kollegen zu klagen, „die voraussezt, daß wir Alle, sehr übereilt gehandelt haben als wir Schmidts Bibelgeschichte wälten, und daß ich meine Zeit nicht beßer zu nuzen wiße, als ein halbes Jahr, mühsam etwas zu bearbeiten, was, wie hintennach, ein Mitglied eines Collegii findet, nicht gebraucht werden kann." Ewald hatte sich jedoch nicht nur gegen Hebel zu verteidigen, sondern kämpfte an mehreren Fronten, z.B. auch gegen Jakob Friedrich Gerstner, der zwar in der Ablehnung des Schmid-Projektes mit Hebel einig war, jedoch aufgrund von ganz anderen Voraussetzungen zu ihr gelangt war. Gerstner war ein Rationalist, wie man ihn sich nicht konsequenter und typischer vorstellen kann. Er lehnte den Schmid deswegen ab, weil in ihm keine „zwekmäsige Auswahl der zwar edlen, aber oft noch sehr unvollkommenen Denkmale der Religiosität und des Jugendeifers eines früheren Menschengeschlechtes"639 638 „[...] weil ich meinen Herrn Collegen Hebel schäze und liebe, ihn auch, ohnerachtet der Verschiedenheit der Meynungen, über Schmidt und Geschäftsgang, immer schäzen und lieben werde." 639 LKA Karlsruhe, GA 2707, 57.

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gewährleistet sei. Ganz im Geiste Johann Salomo Semlers plädiert Gerstner für eine streng unter moralischen Gesichtspunkten getroffene Auswahl nur solcher atl. Geschichten, die „Triebfeder ihrer [seil, der Kinder; A.S.] Handlungen werden kann". Die atl. „Begebenheiten und Handlungen streng moralisch [zu] beurteilen", müsse daher erstes Gebot sein. So stellt Gerstner eine ganze Liste von solchen Geschichten auf, die ihres unmoralischen' Inhalts wegen ausgeschieden werden müßten und nicht mehr erzählt werden dürften: z.B. die Geschichte von der Vertreibung Hagars und Ismaels und die EstherGeschichte. Und auch die „Wunder, die mit reineren Religionsbegriffen unvereinbar sind", dürften nicht erwähnt werden. Völlig unerträglich ist es Gerstner zudem, daß Ewald in der Geschichte von dem Besuch der drei Männer bei Abraham im Hain zu Mamre eine typologische Vorabbildung der Menschwerdung des Logos erkennt. Zudem hatte Gerstner noch weniger Manieren als Hebel in dieser Sache an den Tag gelegt hat: Denn er artikulierte seine Kritik an der zu bearbeitenden Vorlage erst, nachdem Ewald die gesamte Umarbeitung schon abgeschlossen und sein Werk die zweite Zirkulation hinter sich gebracht hatte. Indes war auch die Streitsache mit Hebel noch nicht ausgeräumt. Denn dieser antwortete ausführlich auf Ewalds Gegengutachten und mahnte an, daß es nicht zuvörderst um Termine und zu beklagende Verspätungen gehen könne, sondern um die Sache selbst und um (wenn auch spät gewonnene) bessere Einsicht640. Er habe seine Kritik deswegen so lange zurückgehalten, weil er erst in der Ewaldschen Bearbeitungsweise der ntl. Geschichten gemerkt habe, „wie Hr. Kirchenrath Ewald gegen die Auswüchse und Mißgriffe [seil. Schmids; A.S.] [...] schonender zu werden schien, als im A.T. geschah." Noch einmal antwortete Ewald schriftlich auf Hebel mit „Noch ein Paar Worten, zu den Paar Worten meines Herrn Collegen Hebel"641. Daraufhin wurde am 5.4.1815 entschieden, Ewald vorzuschlagen, seine die während der zweiten Zirkulation laut gewordenen Veränderungsvorschläge berücksichtigende Umarbeitung zu vollenden, um dann erneut in dieser Sache zu verhandeln. Diesen Vorschlag jedoch verbittet sich Ewald, „da ihm nach Billigkeit, nicht zugemuthet werden kann und wird, es auch seiner ganzen Natur zuwider ist, nach einer, vielleicht ganz vergeblichen, sechsmonatlichen Arbeit, noch mehrere Monate, auf's Ungewiße zu arbeiten, am Wenigsten aber, eine Arbeit vorzunehmen, die nicht blos Fleiß und Achtsamkeit, sondern Lust und Freude

640

„Ein eigenes Urtheil über einen Gegenstand zu haben, wenn es auch dem mehrzäligen oder einstimmenden Urtheil des Publikums, oder einer gelehrten Parthie, oder eines Collegii ganz entgegen seyn sollte, muß erlaubt sein." Hebel, Noch ein paar Worte, GLA Karlsruhe 234/740, undatiert. 641 Ewald, Noch ein Paar Worte, zu den Paar Worten, GLA Karlsruhe 234/740.

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an dem Geschäft erfordert, die natürlich bei solchen Beschwehrungen, unmöglich ist"642. Und, was bisher nicht bekannt war: Ewald gewann die Streitsache gegen Hebel - zunächst jedenfalls. Denn am 13.5.1815 wurde Ewald per „Erlaß der evangel. Kirchen- und Prüfungskommission" 643 aufgetragen, seine Arbeit zu vollenden, damit das Lesebuch dann in die Schulen eingeführt werden könne. Ewald schloß seine Arbeit ab, erntete jedoch von neuem Kritik: von Jakob Friedrich Zandt, der sich nicht zurückhalten konnte, Ewalds zugegebenermaßen in einigen Hinsichten merkwürdige Orthographie zu kritisieren. Ewald fühlte sich auf oberlehrerhafte Weise wie ein „Sekundaner" behandelt und antwortete: „Ein Mann von meinen Jahren, der seit mehr als 40 Jahren, als Schriftsteller, in ganz Deutschland bekannt ist, und an dem man oft, besonders seine Darstellungsgabe gerühmt hat. - ich darf es hier sagen, weil ich es sagen muß - dürfte doch wol, von dem Zartgefül seiner Kollegen erwarten, daß sie ihm seine Rechtschreibung ließen"644. Als man entschied, Ewald eine erneute, dritte Überarbeitung aus orthographischen Gründen abzuverlangen, riß Ewalds Geduldfaden, und er trat - der letzten Lust, ein Kinderbuch zu verfassen, verlustig gegangen - von dem Projekt der Bibelgeschichte zurück645. Seine fertiggestellte Umarbeitung des Schmid indes erschien im HerderVerlag in Freiburg i.B. - parallel zu der anderen Bibelgeschichte, die Ewald 642

643 Ebd., 20.4.1815. Ebd., 13.5.1815. 645 LKA Karlsruhe, GA 2707, 59. Ebd., 20.9.1816: „An die Evangelische Prüfungs= und Kirchenkommißion. Ich müßte mir vorwerfen, daß ich die, so nöthige und so lange verzögerte Einführung einer Bibelgeschichte für die Trivialschulen dieses Landes, auch an meinem Theil, noch verzögerte, wenn ich nicht die sämmtlichen, zur Schmidtischen Geschichte gehörigen Materialien, der Evangelischen Kirchenkommißion übergäbe, wie es hierdurch, in den Paketen A und B, so wie in zwei Akten Faszikeln geschieht. Da meine Herrn Kollegen, erst, nachdem der größte Theil derselben schon zweimal überarbeitet war, also abermals so spät, auf einer nochmaligen Überarbeitung derselben bestehen, weil die, mir gewöhnliche Orthographie, von ihnen nicht gebilligt wird, diese dritte Überarbeitung, mir aber aus den, in meinem lezten Voto angeführten Gründen nicht, und jezt um so weniger zugemutet werden kann, da ich seit einiger Zeit, sehr an Augenschwäche leide, die, durch eine so mechanische, mir natürlich, sehr unangenehme Arbeit, zu vermehren, wol Niemand gegen seine eigene Ansicht, zugemutet werden kann; so bitte ich, dieß Geschäft, so wie überhaupt, die ganze Überarbeitung, einem Andern, meiner Herrn Kollegen, zu übertragen, indem ich freimütig beteure, daß mir durch den ganzen Gang des Geschäfts, auch alle Lust dazu, und jene Freudigkeit, genommen ward, die zum Abfaßen einer Schrift für Kinder, unentbehrlich ist. Dem, bei der Kirchenkommißion, neuerlich eingeführten Geschäftsgang kann dieß nicht entgegen seyn, da das Referat, über die neuen Perikopen, erst kürzlich, sogar ohne mein Vorwißen, mir abgenommen, und einem andern Referenten, gegeben worden ist. Kruhe am 20. Sept. 1816. Ewald." 644

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im Auftrag desselben Verlages geschrieben hat - und konnte im dortigen Verlagsarchiv samt zwei Übersetzungen aufgespürt werden646. Am 16.5.1818 wurde dann Hebel die Ausarbeitung eines biblischen Lehrbuchs aufgetragen. Das Werk erschien im Dezember 1823 bei Cotta, mit dem Jahreszahleindruck , 1824'647.

25.,Zeitschrift zur Nährung christlichen Sinnes' Basler Christentumsgesellschaft - Badische Bibelgesellschaft In einem Brief an den Sekretär der Deutschen Christentumsgesellschaft Christian Friedrich Spittler (1782-1867) in Basel vom 14.8.1813 schreibt Ewald: „Sehr gerne würd' ich zu Ihrem Sonntagsblat etwas beitragen, wenn ich nur nicht so sehr arm wäre, an Geist und an Zeit. Außerdem hab' ich mich mit mehreren Wiirtenbergern und Schweizertheologen zu einer Christlichen Zeitschrift für gebildete Christen verbunden, die mit dem künftigen Jahr anfangen soll"648. Das erste Heft der „Zeitschrift zur Nährung christlichen Sinnes"649 jedoch erschien erst 1815; Mitherausgeber war Carl Christian Flatt, der sich unter dem Einfluß Gottlob Christian Storrs einer gewissen Neo-Orthodoxie zugewandt hatte, die ihre supranaturale Lehre möglichst weitgehend als eine vernünftig faßbare darbieten wollte650. Es sollte noch ein Jahr dauern, bis Ewald recht enttäuscht über seine Beobachtung, daß die Tübinger Theologen die Neigung hätten, ihr rational-orthodoxes System der biblischen Grundlage aller Dogmatik vorzuordnen, an Schwarz schreiben wird: „Bei aller Treflichkeit der Tübinger Gelehrten, sind ihre Ansichten immer etwas beschränkt gewesen. Das hab' ich bei der Censur meiner biblischen Dogmatik recht erfahren, wo sie mich zu ihrer System-Orthodoxie bekehren wolten"651. Auch diese Bemerkung zeigt erneut, wie wenig Ewald einer bestimmten zu seiner Zeit herrschenden theologischen Strömung zugerechnet werden kann. Zwar hat Ewald unermüdlich und immer neu den engeren Kontakt sowohl mit dem Tübinger Supranaturalismus, der Erweckungsbewegung, der Basler Christentumsgesellschaft und dem Lavater-Kreis gesucht, aber er mußte immer wieder erfahren, wie wenig es ihm vergönnt war, in einem dieser Kreise 646

Bibl. Nr. 380. Die noch von Reents, Chr., ,Gute Mutterhand [...]', p266, Anm. 14 verschollen geglaubte Ewaldsche Bearbeitung des Schmid ist damit aufgefunden. 647 Vgl. die kritische Edition: Hebel, J.P., Sämtliche Schriften, Bd. 5. 648 Ewald an Spittler, StA Basel, PA 635, V (Nachl. Spittler), 14.8.1813. 649 Bibl. Nr. 325. 650 Vgl. Hinfurtner, K.-H., Storr, sowie Pältz, E.H., Art. Flatt, RGG3, Bd. 2, Sp. 972f. 651 Ewald an Schwarz 20.1.1816, UB Basel, NL Schwarz XIV, 15.

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wirklich heimisch zu werden. Ewald war letztenendes (bei aller Kommunikativität!) Einzelgänger. Deswegen läßt sich seine theologische Existenz zwar im Kontext zeitgenössischer theologischer Strömungen verorten, nie aber letztgültig ,herleiten'. Trotz Ewalds klarer und wohl auch enttäuschter Abkehr vom Tübinger supranaturalistischen Rationalismus erschien die Zeitschrift noch bis in das Jahr 1819 hinein. Als Beiträger rangieren neben Ewald und Flatt Personen mit Rang und Namen wie Johann Christian Steudel (1779-1837), der seit 1815 wie Flatt als theologischer Lehrer an der Universität Tübingen arbeitete, Friedrich Leopold Graf zu Stolberg (1750-1819), Jung-Stilling und etwa auch Johann Friedrich von Meyer (1772-1849), der in seinem Beruf als Politiker, Jurist und Diplomat in Frankfurt/M. sich seit dem Jahre 1801 verstärkt der Theologie zugewandt hatte, ein Anhänger Stillings geworden war, neben seiner theologisch-erbaulichen Schriftstellerei von 1816 an als Präsident der Frankfurter Bibelgesellschaft fungierte und 1819 ein umfangreiches Bibelwerk herausgab. Daneben nahm auch Carl Philipp Conz (1762-1827) teil, der Dichter und Tübinger Professor für klassische Literatur. Carl Friedrich Steinkopf (1773-1859), ehemaliger Sekretär der Basler Christentumsgesellschaft und Sekretär der Britischen Bibelgesellschaft, rundet die Liste der Beiträger in Ewalds neuer Zeitschrift ab. Wieder einmal war es Ewald mit seinem letzten Zeitschriften-Projekt gelungen, namhafte Geister zusammenzuführen, die - bei aller Verschiedenheit - gemeinsam von einem nicht lassen wollten: von der Offenbarung Gottes, durch die er sich den Menschen biblisch zu erkennen gegeben hat und zu erkennen geben wird. Und wieder einmal konnte es sich die ALZ in einer Rezension der ersten beiden Hefte der neuen Zeitschrift nicht verkneifen, über die von ihr längst totgesagte und -geglaubte Bibel-Orthodoxie ein absprechendes Urteil auszusprechen: „Wir wollen nicht mit den Herausgebern rechten, dass sie christlichen Sinn bey denen nicht anzuerkennen scheinen, welche das Christenthum nur zur Erweckung und Belebung der Vernunftreligion zu benutzen wisse[n], sondern dass sie dazu die Annahme der positiven Lehren des Evangelii, als der Vernunft unbekannter unmittelbar von Gott geoffenbarter Wahrheiten erfordern"652. Ewalds neues Zeitschriften-Projekt legt Zeugnis davon ab, daß er sich in seiner Spätzeit der Erweckungsbewegung, der Basler Christentumsgesellschaft und der neuen Idee des Bibelgesellschafts-Wesens angenähert hat wenngleich nicht unkritisch und eine gewisse Distanz immer wahrend. Ewald selbst jedoch war nie Mitglied der Basler Christentumsgesellschaft, sondern der,Haager Gesellschaft zur Verteidigung der christlichen Religion'653, der er 652 653

ALZ, Nov. 1816, Nr. 253, Sp. 417-421, hier: Sp. 417. Oosterzee, J.J. van, Art. Haager Gesellschaft, RE2, Bd. 5, p485^87.

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wohl 1802 beigetreten ist. Kein Wunder ist es daher, daß Ewald nicht nur wegen seiner geplanten Zeitschrift mit Steinkopf in Kontakt trat. Dieser nämlich hatte bei der Entstehung der .British and Foreign Bible Society' tatkräftig mitgearbeitet, war deren Sekretär geworden; und nicht zuletzt aufgrund seines missionarischen und bibelverbreitenden Eifers sind in Deutschland alienorten die Bibelgesellschaften wie Pilze aus dem Boden geschossen654. Auch die vergleichsweise spät gegründete , Großherzoglich Badische Bibelgesellschaft' verdankt sich nicht zuletzt dem Einflüsse Steinkopfs, der in dieser Sache bereits 1812 mit Baden und v.a. mit Ewald in Verbindung getreten war. Ewalds Anteil an diesem kleinen Ausschnitt eines wichtigen Vorgangs im zeitgenössischen Kirchenwesen ist ausnahmsweise recht gründlich bearbeitet und recherchiert worden, nämlich von Hermann Erbacher655. Er hat gezeigt, daß die grundsätzlichen Weichenstellungen von Ewald vorgenommen worden sind, „denn er war zweifellos ebenfalls in dem Kreis um Jung-Stilling mit der antreibende Motor gewesen"656. Zwar hatte man sich in Baden schon 1815 um die Errichtung einer Bibelgesellschaft bemüht, jedoch kam sie erst im Jahre 1820 endgültig zustande. Dieser neuen Gesellschaft, deren wichtigstes Ziel es war, für die Verbreitung von LutherBibeln zu sorgen, sollte eigentlich Ewald Vorsitzen, der jedoch aus Gründen des Alters und der Gesundheit dieses Amt nicht mehr übernehmen wollte. Daß Ewald - ähnlich übrigens wie Lavater657 - Distanz zur Basler Christentumsgesellschaft und zur Basler Traktatgesellschaft658 gewahrt hat, liegt nicht zuletzt daran, daß ihm in der Art, wie man in diesen Kreisen Theologie zu treiben pflegte, die wirklich kritische bzw. metakritische Auseinandersetzung vor allem mit dem theologischen Rationalismus fehlte und er fürchten mußte, daß die radikal-konservative und mitunter unreflektierte und pauschale Verketzerung aller Aufklärung und der Französischen Revolution in eine bodenlose Niveaulosigkeit abzugleiten Gefahr läuft. Ewald war gerade als politischer und pädagogischer Schriftsteller viel zu sehr vom unwiderruflich 654

Vgl. den in historischer Hinsicht sehr eingehenden Artikel von Schoell, C., Bibelgesellschaft, britisch-ausländische, RE2, Bd. 2, p368-375. Noch näher am historischen Geschehen selbst ist der Art.: Bibelgesellschaften, in: Allgemeine deutsche Real=Encyclopädie für die gebildeten Stände (Brockhaus), Leipzig 6 1824, Bd. 1, p739741 und: Gundert, W. (zu Ewald pl56). Zur Badischen Bibelgesellschaft vgl.: Hundert Jahre Bibelsache. 655 Erbacher, H., Landesbibelgesellschaft. 656 Ebd., p501. 657 Vgl. Weigelt, Stille im Lande, pl 14—116. „Lavater stand seinerseits in dieser Zeit dem Zentrum der Christentumsgesellschaft distanziert gegenüber. Er bemängelte bei allem Positiven ihr konservatives, unkritisches, kleinliches Denken" (ebd., p l l 5 f ) . 658 Vgl. Geiger, M„ Art. Basel, Christentumsgesellschaft, TRE 5, p276-278.

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durch die Aufklärung in positiver Hinsicht Gesetzten überzeugt und geprägt, als daß er den mitunter an zu geringem Reflexionsniveau krankenden Basler Orthodoxismus hätte gutheißen können. Als wenig weiterführend beurteilte Ewald daher auch die oft von theologisch ungebildeten Verfassern abgefaßten und von den Traktatgesellschaften verbreiteten Schriften. „Die Absicht der Stifter [seil, der „Tractaten=Gesellschaft"; A.S.] war gut, die Ausführung war es aber weniger, weil eine Menge unberufener Menschen aus allen Ständen sich mit Schreiben abgaben"659.

26. Katechismusstreit mit Friedrich Heinrich Christian Schwarz Im Jahre 1816 trat Ewald in eine Auseinandersetzung über den zu erarbeitenden und die Union vorbereitenden Katechismus mit seinem Freund Schwarz ein, die sich in den Briefen Ewalds an ihn detailliert spiegelt. Schwarz vertrat in Sachen Katechismus eine durchaus merkwürdige Ansicht. Als orthodoxer Lutheraner nämlich verteidigte er einerseits die Beibehaltung getrennt konfessioneller Katechismen, also des Heidelberger und des Kleinen Lutherschen, jedoch nur im Sinne von Bekenntnisschriften, während es andererseits den Pfarrern überlassen werden solle, sich nach ihrem Gutdünken für den von ihnen zu erteilenden Religionsunterricht entweder selbst einen Katechismus zusammenzustellen oder einen bereits vorhandenen eigener Wahl zu benutzen. Hierfür sei kein landeseinheitliches Buch, kein Landeskatechismus notwendig. Für diese Mischung allerdings aus orthodoxem Festhalten an Luther und absoluter Liberalität im pädagogischen Bereich hatte Ewald wenig Verständnis. Seiner Ansicht zufolge könne es nämlich nicht das Ziel des Religionsunterrichts sein, hauptsächlich die konfessionellen Unterscheidungslehren zu lehren. Hiermit hat Ewald sicherlich in gewisser Hinsicht recht, ohne aber zu bedenken, daß der Kleine Katechismus Luthers im Unterschied zum Heidelberger Katechismus gerade nicht hauptsächlich die sog. Unterscheidungslehren abhandelt. An gewissen Punkten jedenfalls zeigt sich eine gewisse Indifferenz bei Ewald, wenn er die Religionsspaltungen der Reformationszeit nicht mehr von ihren sachlich-inhaltlichen Gründen her wirklich verstehen will, sondern beklagt, „aus welchen Kleinigkeiten und menschlichen Schwächen, sonst großer Männer, die Trennung der beiden protestantischen Kirchen entstand"660. Reflektierter dagegen ist Ewalds Reaktion auf Schwarzens Meinung, man könne es jedem Pfarrer unbesehen überlassen, wie er auf selbstverantwortli-

659 660

Ewald, Briefe über die alte Mystik, p359. Ewald an Schwarz 7.6.1816, NL Schwarz XIV, 17.

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che Weise den Kindern die biblische Lehre zu vermitteln gedenke. Ewald besteht daher darauf, daß die katechetische kurze Form auf jeden Fall notwendig sei - im Sinne einer regula fídei: „Sie sezen, idealisiren sich unsere Prediger; nicht wie sie sind, sondern, wie sie seyn solten. Wer sie aber [...] genauer kennt, wie ich sie zu kennen, Gelegenheit hatte, und noch täglich habe; der wird die Nothwendigkeit einer Anleitung, was und wie man das Wesentliche der Bibelreligion, Kindern vortragen solle, sicher fiilen. Wer unsere Kirchenvisitationsprotokolle, unsere Konvents= und Synodal=Verhandlungen und Abhandlungen, gelesen hat, deren ich so viele, zu lesen und zu beurtheilen habe (die Synodalverhandlungen Alle) dem kann es warlich nicht einfallen, zu behaupten, daß die Geistlichen Alle, ,aus der Quelle schöpfen gelernt haben, und man ihnen das Zutrauen schuldig sey, daß sie ganz freie Hand haben müßen, vom Christenthum zu lehren, was sie wolten'"661. In seinen Briefen an Schwarz gibt Ewald einen wertvollen Einblick in die Arbeit an einem Landeskatechismus und in die mit ihr einhergehenden theologischen Streitigkeiten in Baden. Wenn - so Ewald - nicht einmal die Pfarrer, die sich nach verschiedenen Moden richtende Katechismusentwürfe eingereicht bzw. vorgeschlagen haben, fähig sind, aus der biblischen Quelle im eigentlichen Sinne zu schöpfen, wie die Ergebnisse eindeutig zeigen, wie sollen es dann die übrigen Pfarrer können? „Nun sind hyperorthodoxe, kirchlich-orthodoxe, sozinianische und deistirende Katechismen vorgeschlagen, und die Gutachten sind von der Art, daß (zwei etwa ausgenommen) kein Einziger, Aufmerksamkeit verdient. Und diesen Leuten soll man zutrauen, daß sie aus der Quelle zu schöpfen wissen?!?!"662. Im übrigen zeigt sich, in welchem grundsätzlichen Streit sich Ewald noch in dieser Zeit mit einem handfesten Deismus befand und sich gegen ihn durchzusetzen hatte663. In einem zweiten Brief an Schwarz in dieser Sache gibt Ewald zu bedenken, daß derjenige, der einen Landeskatechismus ablehne, der unreflektierten 661

662 Ebd. Ebd. Ebd.: „Ich habe schon Synodalabhandlungen widerlegen müßen, worin man zu beweisen versucht hat, ,daß jede positive Religion, die Sittlichkeit verunreinige,' daß es Herabwürdigung (ich glaube gar, es hieß: Lästerung) Gottes sey, zu behaupten, die natürliche Religion [...] sey nicht zureichend, für den Menschen, daß Jesus als Jude, keine andere Ansicht, wie ein Jude habe haben können; daß Er sich über sich selbst getäuscht, diese Täuschung aber (vermuthlich von Ohngefehr) manches Gute ! ! gewirkt habe.' Und solchen Geistlichen solte man es zutrauen, daß sie aus der Quelle zu schöpfen wißen? Mit nichten! Das soll und darf die obere kirchliche Behörde nicht. Ich bin für mich überzeugt, durch vieljährige Erfahrung, daß man dem Christenthum, keinen größeren Schaden thun kann, als man unseren, durch zum Theil unchristliche Lehrer, gebildeten Predigern, es ganz überläßt, was sie den Menschen, für Christenthum geben wolten; so gut auch diß Freiheitlaßen, gemeint seyn mag." 663

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Beliebigkeit der Lehrinhalte Tor und Tür öffne und zudem einem solchen Pfarrer Vorschub leiste, der „de Wettische, oder Paulusische Hypothesen, statt Bibelreligion vorträgt"664. Ähnlich wie schon in Detmolder Zeit und in seinem Gutachten zur Situation der Lehre an der Heidelberger theologischen Fakultät macht Ewald den kläglichen Bildungsmißstand an den Universitäten dafür verantwortlich, daß die künftigen Pfarrer zu allem anderen als dazu herangebildet werden, selbstverantwortlich aus der Schrift zu schöpfen, aus der alleinigen Quelle der Theologie, anhand deren sich alles zu verantworten und zu bewahrheiten hat. Ewald beklagt den „Zustand unserer Akademien, auf denen beinahe alles Andere, ernstlicher getrieben wird, als gerade das, was einen Jüngling zum Christlichen Prediger bilden kann? Daß ich Sie, für eine rühmliche Ausnahme halte, wißen Sie längst: aber wer, außer Ihnen thuts? ,Alle sind der Quelle gleich nahe', sagen Sie, a priori. So solt' es seyn! Aber ich sage aus Erfahrung, da ich länger als 20 Jahre, Kandidaten geprüft habe: keine Quelle theologischer Wißenschaften, ist unseren Kandidaten, ferner, als die Bibel; aus keiner verstehen sie weniger zu schöpfen als aus der Bibel. Wortklaubereien, billige, mitunter auch scharfsinnige Hypothesen, Philosophumena, mit Bibelstellen verbrämt, Verdrehungen durch sogenannte höhere Kritik findet man wol manchmal; aber vom Geist der Bibel, der von Allem diesem, unabhängig ist, selten, auch nur eine Erscheinung. Wenn schon junge Leute, durch ein biblisches Lehrbuch, nicht erst selbst, mit diesem Geist bekannt werden; so können sie Andere nicht damit bekannt machen. Mich dünkt, darüber kann man nicht leicht, zweierlei Meinung seyn"665. In einem weiteren Brief stellt Ewald Schwarz vor Augen, wie es aussehen möchte, wenn man den Pfarrern durch absolute Lehrfreiheit geradezu den Freibrief dazu in die Hand gäbe, auch nach ihrem Studium, das die Bibel nur am Rande zum Gegenstand des Interesses hatte, im Amte lieber die angelernten Hypothesen an die Kinder weiterzugeben und dies zu einem Vorwand dafür zu stilisieren, mit den biblischen Texten selbst möglichst wenig in Berührung zu kommen. „Soll denn der Prediger, die Kinder lehren dürfen, [...] Jesus habe seine Thaten, blos für Wunder ausgegeben; Er sey nur von einem Scheintod erwacht; die Apostel haben die Thaten in ihrer Unwißenheit, blos für Wunder angesehen, und ausgegeben pp - das sollen Prediger lehren dürfen, (was hier im Lande schon geschehen ist) weil sie Protestanten heißen und wenigstens vorgeben, es in der Bibel zu sehen? Nein; wäre dieß; so solte mich Gott bewahren, ein Protestant zu bleiben. Ich würde mich dann lieber, zu der Brüdergemeinde flüchten, oder gar katholisch werden"666. Die Lehre in die absolute Beliebigkeit hinein aufzulösen, bedeutet nach Ewald, den das protestantische Kirchenwesen konstituierenden consensus de 664 665

Ewald an Schwarz 2.7.1816, UB Basel, NL Schwarz XIV, 18. 666 Ebd. Ebd.

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doctrina aufzugeben. Geschähe dies, so würde Ewald lieber noch zum Pietismus oder gar zum Katholizismus abwandern. Paradox nur ist, daß Ewald diese Auseinandersetzung über eine falsch verstandene Liberalität nicht nur mit den entschieden aufklärungs-theologischen Kräften in Baden zu führen hatte, sondern just mit seinem Freund Schwarz, dessen an den reformatorischen Inhalten ausgerichtete Lehre Ewald zeit seiner Bekanntschaft mit Schwarz sehr geschätzt hat und in ihm einen lutherischen Kollegen gefunden hat, der mit ihm zusammen nach einem gangbaren Weg zurück zu den Kernpunkten der reformatorischen Theologie nicht nur gesucht, sondern ihn auch beschritten hat. Gegenwind erfuhr Ewald ein weiteres Mal von einem anonymen Gegner, der seine scharfe Kritik öffentlich äußerte und einen vermeintlich bloß autoritär „von oben herab vorgeschriebenen neuen Katechismus"667 ablehnte. In der ALZ antwortete Ewald seinem Rezensenten, indem er dessen Vorwurf, er wolle einen papiernen Papst aufrichten - eine seit Lessings Bibliolatrievorwurf längst bekannte und inzwischen stereotyp verwandte Invektive - scharf zurückwies und darauf aufmerksam machte, daß eine Kirche, die zu keinem Konsens in der Lehre mehr fähig sei, als eine solche nicht mehr bezeichnet werden könne noch sich selbst so zu bezeichnen ein Recht habe. „Wenn der Ree. glaubt, es gehöre zur Lehrfreyheit, allen Predigern zu überlassen, was sie lehren wollen, so muss er sehr wenig Erfahrung haben [...] Ein gedruckter Papst, ist freylich auch ein Papst; aber eine Kirche, in der Jeder lehren kann, was er will, ist keine Kirche mehr"668. Aber fast schon humorvoll fügt Ewald dann noch hinzu - als einer, der seit Jahrzehnten nicht gerade verwöhnt ist, was positive Rezensionen angeht: „Doch, es ist die Recension einer Schrift von mir in den theologischen Annalen. Da muss ja wohl von Allem, was ich behaupte, das Gegentheil behauptet werden. Das weiss man vorher"669.

27. Apologie des Judentums - Union - Lebensende Ewalds letzte Lebensjahre standen ganz im Zeichen der Verteidigung des Judentums gegen den nach dem Wiener Kongreß verstärkt hervortretenden Antijudaismus. Auf die diesbezüglichen Schriften Ewalds und den Kontext der Judenemanzipation und des neu erwachenden Antijudaismus wird unten ausführlich einzugehen sein670. Hier sei nur noch darauf hingewiesen, daß Ewald den Auftrag zur Abfassung seiner ersten Juden-Schrift von der badi-

667 668 669

Neue Theologische Annalen, Juni 1817, p521-523. Ewald, Ein paar Worte (Bibl. Nr. 346), Sp. 83f. 670 Ebd., p84. Vgl. Kap. III, 1 dieser Arbeit.

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sehen Regierung bekommen hatte, was nur aus einem Brief Ewalds an Schwarz hervorgeht, nicht aber aus der betreffenden Schrift selbst671. Das politisch liberale Baden ist nicht nur im Zuge der rheinbündischen Reformen Vorkämpfer in Sachen Judenemanzipation gewesen, sondern ist es in Zeiten der Reaktion auch geblieben. Und man schien in Regierungskreisen zu wissen, daß eine schnelle Abwehr der Angriffe gegen das Judentum nötig sei. Die Bitte um eine Schutzschrift für die Juden und das gesamte diesbezüglich einschlägige Aktenmaterial erreichten Ewald zu einem Zeitpunkt, da er sich zur Kur in Baden-Baden aufhielt672. Die erste Schutzschrift für die Juden ist denn auch dort von ihm aufgesetzt worden. Sie und die drei noch folgenden Schriften in dieser Sache gehören zu den Glanzpunkten in Ewalds Lebenswerk, die in ihrer Bedeutung, theologischen Treffsicherheit und ihrem mitreißend-kämpferischen Ton bislang noch nicht angemessen gewürdigt worden sind, obgleich es an Untersuchungen diesen Gegenstand betreffend nun wirklich nicht fehlt. Am 7.7.1820 genehmigte der Großherzog von Baden die Einberufung einer Generalsynode, die die Aufgabe hatte, über die Vereinigung der beiden protestantischen Kirchen in Baden zu beraten673. Hebel als Prälat und Sander als Ministerial- und Kirchenrat standen an der Spitze der lutherischen Deputation der Synode, Ewald jedoch an der Spitze der reformierten Deputation674. Zwar hat Ewald auch die Unionsurkunde675 am 26.7.1821 mitunterzeichnet, aber seine Mitarbeit an der Aufrichtung der Union ist längst nicht so entschie-

671 Ewald an Schwarz 2.7.1816, UB Basel, NL Schwarz XIV, 18: „Es ist jezt eine Schrift von mir, über die Organisation der Juden in Christlichen Staaten unter der Preße, die auch den menschenfeindlichen Fanatismus des, sonst so [...] achtungswerthen Frieß gehörig würdigen wird. Da im Badischen die Juden, volle Staatsbürgerrechte erhalten haben; so bin ich selbst von dem Gouvernement, dazu aufgefodert und alle nöthige Aktenstüke, sind mir hierher geschikt worden." 672 Ebd. 673 Vgl. . Anordnung der General-Synode 1821', in: Erbacher (Hg.), 150 Jahre, p l l f . 674 Ebd., pl8. Vgl. zur Sache: Benrath, G.A., Die Entstehung. Zugang zu einigen Aktenstücken aus Ewalds Hand in Sachen Union bietet immerhin: Bauer, J., Zur Geschichte des Bekenntnisstandes, p46. 58. Es zeigt sich, daß Ewalds religionspädagogisches Konzept, das er nicht zuletzt - wie gesehen - mit Schwarz kontrovers diskutiert hatte, z.T. in die Tat umgesetzt worden ist. Ewalds Argumentation für die Notwendigkeit eines Landeskatechismus setzte sich durch, nicht jedoch seine Forderung, daß in den Schulen nur Bibelgeschichte getrieben werden solle, der Katechismus jedoch dem Unterricht durch den Pfarrer vorbehalten bleiben solle (p58). Vgl. auch noch Bauer, J., Die Union 1821 und: Ehmann, J. 675 Vgl.: Evangelische Kirchenvereinigung, p6. Unter den „Ev. Luther. Geistliche[n]" sind Prälat Hebel und Kirchenrat Sander, unter den „Ev. Ref. Geistliche[n]" ist Ewald zuerst genannt. Vgl. Hering, C.W., Bd. 2, p469-473.

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den und bedeutend gewesen wie die seines lutherischen Kollegen Sander676. Ewalds Gesundheitszustand hatte sich inzwischen derart verschlechtert, daß er nicht mehr tatkräftig an dem Unionswerk mitarbeiten konnte wie Sander. Dennoch aber meldete sich Ewald mit einer recht grundsätzlichen Schrift im Jahre 1821 - kurz vor Abschluß der Union - zu Wort. Sie zeugt von intensiver Beschäftigung mit der Reformationsgeschichte und den innerprotestantischen Lehrdifferenzen, aber auch von einem recht vorschnellen Abscheu Ewalds den ,Unterscheidungslehren' gegenüber - ein Reflexionsdefizit, das Ewald sein ganzes Leben lang nie abgelegt hat. Gerade, was die Abendmahlslehre angeht, fällt bei Ewald eine gewisse Gleichgültigkeit auf, die davon zeugt, daß er zumindest in diesem Punkte seine Reformulierung der reformatorischen Theologie in der Frontstellung gegen den aufgeklärten Rationalismus nicht konsequent zuende geführt hat. Dies verwundert um so mehr, als Ewald bisweilen doch fähig ist, die Luthersche Lehre von der leiblichen Anwesenheit Christi im Abendmahl vermittels der Synekdoche-Erklärung zu vertreten677. Doch hat Ewald diese Abendmahlslehre anders als seine neu gewonnene reformatorische Rechtfertigungslehre und anders vor allem als seine reformatorische Bibelhermeneutik und orthodoxe Christologie nie zum Deuteprinzip seiner Theologie insgesamt erhoben. Dennoch hat sich der alte Ewald während der Vorbereitung der Union gutachtlich z.B. über die Bekenntnisschriften geäußert und mit Johann Friedrich Abegg „eine fortbestehende Anhänglichkeit an die sog. symbolischen] 676

Vgl. Ehmann, J„ p230ff. Es ist schon erstaunlich, wie Ewald in seinem .Christlichen Hand= und Hausbuch' (Bibl. Nr. 147) - als würde er Luther zitieren - der Sache nach die Synekdoche-Erklärung anwendend an der Gegenwart von Fleisch und Blut Christi im Abendmahl festhält und zudem - wie Luther - den Glauben zum Zentrum seiner Abendmahlstheologie erhebt (Bd. 4, p69f): „Wie meine Vorstellungsart vom Abendmahl Jesus auch sey, es ist Brod, bei dessen Darreichung Jesus sagte ,Das ist mein Leib!' Wein, bei dem Jesus sprach: ,Das ist mein Blut! ' ,Das ist mein Leib für euch gegeben, mein Blut für euch vergossen. ' Hat Jesus den Jüngern gar nichts anders, als Brod und Wein geben wollen; allen Christen nichts anders, die im Glauben essen und trinken [...] so - verzeihe mir Herr, daß ich dem Scheine nach, unehrbietig von dir rede - so hat Er zu viel geredet, nicht wie der Mund der Wahrheit reden soll. Ein Kaufmann, ein Großer kann mir ein bloßes Papier geben und mir sagen: das sind tausend Thaler - Ist das Papier aber nicht so gut, als wenn ich sie baar hätte; kann ich sie nicht dafür haben; ist es bloßes Papier, keine Versicherung: - so hat mich der Kaufmann betrogen; so konnte er in keiner Sprache der Welt sagen: ,das sind tausend Thaler. Und das kann Jesus nicht, in dessen Mund kein Betrug erfunden ward. Ich will also nicht zu wenig von diesem Abendmahl glauben; ich will es nicht blos für eine förmliche Erinnerung an Jesus halten. - Genieß ichs im Glauben [...] so wahr Gott Gott, und diese Bibel sein Wort ist, ich kann das Fleisch Jesus essen und sein Blut trinken; ich erhalte innere Kraft und Belebung, und ewiges Leben durch seinen Tod, so gut, als wenn dies Brot sein Fleisch, dieser Wein sein Blut wäre. - [...] auf Glauben allein kommt es an, ob mir dies Abendmahl etwas oder nichts ist." 677

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Büfcher]"678 reformierter und lutherischer Provenienz gefordert und dadurch einen wichtigen Beitrag zu der bis in die Unionsurkunde hineinwirkenden Entscheidung geleistet, nicht eine so oder anders zu verstehende Schriftgemäßheit gegen die reformatorischen Bekenntnistexte auszuspielen679, wie dies etwa in der Aufrichtung der Konsensunion in der Pfalz geschehen ist. Darüber hinaus hat Ewald in seiner Schrift ,Unmaasgebliche Vorschläge zu Verbesserung des evangelischen Kirchenwesens'680 u.a. Möglichkeiten liturgischer Reformen im Geiste der Union vorgestellt. Am 19.3.1822 starb Ewald in Karlsruhe. Ewalds Witwe beantragte bei der großherzoglichen Regierung die Gewährung der ihr zustehenden Witwenpension. Ewalds Frau starb wenig später681. Ewald ist zeit seines Lebens ein ungeheuer arbeitsamer Mensch gewesen, der sich und seiner Schaffenskraft viel abverlangte und mit sich selbst nicht zimperlich umgesprungen ist. Dennoch war Ewald auch ein lebenslustiger Mensch, der dem geselligen Leben gegenüber nicht abgeneigt war, sondern in ihm einen Ausgleich suchte und auch fand. So zeugen etwa Ewalds Briefe an seinen Freund von Halem von gemeinsamen Reisen an die Nordsee und anderen Unternehmungen. Zudem unternahm Ewald Bäderreisen, z.B. nach Bad Pyrmont. Auf dieser Reise traf Ewald u.a. mit Christian Wilhelm von Dohm, Matthias Claudius und Friedrich Nicolai zusammen682. Dieser lebens- und vor allem auch gaumenfreudige Mensch Ewald mußte nach einiger Zeit der Bekanntschaft allerdings erst - dem ähnlich disponierten Dichtertheologen und Kirchenmann Hebel sympathisch werden. Hebel hatte Ewald 1804 auf dessen Rückreise aus der Schweiz nach Bremen kennengelernt und war ihm zunächst mit der Abneigung gegenübergetreten, die er auch Jung-Stilling entgegenbrachte683. Im Jahre 1809 allerdings revidierte Hebel 678 Gutachtentext bei Bauer, J., Bekenntnisstand, p46. Vgl. auch Ewalds Ablehnung der Einführung eines Katechismus in den Schulunterricht: ebd., p58. 679 Vgl. Schwab, W„ p43f. 680 Β ibi. Nr. 359. 681 GLA Karlsruhe 205/226, Bibliographie A 38. 682 Ewald an von Halem 3.11.1799, LB Oldenburg, Bibliographie A 55: „In Nenndorf brachten wir einen treflichen Tag mit Dohm zu, der mir so viele ärgerliche und lächerliche Anekdoten von Rastadt erzälte. In Pyrmont sprach ich viel mit Nikolai über seine Phantasmen, mit Mamsell Rudolphi über Menschennatur und Kindernatur, und mit Claudius frei über Alles, was im Himel und auf Erden ist. Mein Demokratensinn stieß mit seinem Aristokratismus heftig aneinander." 683 Hebel an Friedrich Wilhelm Hitzig Sept. 1804, in: Hebel, Briefe, Bd. 1, p214: „Wenn Ew. nicht von Bremen von seiner Reise und von sich sprach, so wars als ob man zusammen gekommen wäre, um sich gegenseitig zu verstehen zu geben, daß man die par neuesten Bände der beri. Bibliothek auch durchgeblättert, und die Universitätschronik in dem Intell. Blatt der Lit. Zeit, gelesen habe. Ich glaube, daß wir alle den wirklichen, aber nicht den wahren D. Ewald gesehen haben. Auf mich that er wenigstens nicht die

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sein Ewald-Bild und schrieb die vielleicht treffendste Kurz-Charakteristik Ewalds, die jemals geschrieben worden ist: „Ein anderes Kind des Lichtes, oder ein Kind anderes Lichtes ist Ewald, den wir zu tief herabgesezt haben, weil er nicht so hoch stand als wir ihn im Schein der Ferne dachten. Man muß ihm gut seyn, wenn man billig ist, aber man muß eine Zeit lang mit (ihm) umgegangen seyn, und ihn beobachtet haben, bis man den Mittelpunkt findet, wo alle Dissonanzen sich in eine ganz liebenswürdige Harmonie vereinigen. Er will kein Felsenmann, kein Schwärmer, kein Herrenhuther, kein Märtyrer seyn [...] Er verzehrt eine Gansleber Pastete zu viel Burgunder mit der nemlichen Innigkeit und Liebe und Warheit, mit der er auf das selige Reich Gottes wartet, ein durchschaulicher Mensch ohne Falsch und Mißtrauen, dem heiterer Umgang und Freundschaft liberal Bedürfniß ist, er geizt darnach und kargt damit, ein Kind an Unbefangenheit, an Leichtsinn, an Rechthaben und Nachgeben, an Glauben und Hingeben, und Eß-Lust. Ich muß ihn dir so in den Fokus stellen, um eine Ungerechtigkeit an ihm gut zu machen, denn du weist, was ich dir von ihm geschrieben habe, als Vermuthung, eh' ich ihn so kannte, wie ich ihn wenigstens iezt kenne"684. Dennoch war Ewalds geselliges Leben nicht einfach nur ein Ausgleich für seine berufliche Tätigkeit - beides gehörte vielmehr in einer höheren Einheit zusammen. Denn eine der Hauptaufgaben, die sich Ewald immer wieder neu gestellt hat, war die Teilnahme an der öffentlichen Meinungsbildung - durch die Herausgabe von Journalen etwa. Hierzu gehört z.B. seine Vortragstätigkeit im Bremer Museum über aktuelle Fragen, mit denen sich Ewald an die gebildeten Stände der Bremer Bürgerschaft wandte685. Im Jahre 1809 gründete Ewald gemeinsam mit Sander das Karlsruher Museum, eine Institution, die Lesegesellschaft, Gesellschaftslokal, Podium für Vorträge und Ort geselligen Vergnügens gleichzeitig war. Es wurden Journale, Zeitungen und andere Druckwerke angeschafft. Und im Hof des Gebäudes befand sich eine überdachte Kegelbahn - wie das ,Morgenblatt für gebildete Stände' zu berichten weiß686. Auch darin war Ewald Aufklärer: daß er sich der modernen Kommunikationsformen des ,geselligen Jahrhunderts'687 zu bedienen wußte und an gelehrtkulturellem Austausch und politischer Meinungsbildung auf dem typisch Wirkung, wie andere Geweihte vom heiligen Reich Gottes, die wie aus einer andern Welt zu uns zu kommen scheinen, und die Bürgschaft einer andern Welt uns mit Blick und Ton und Wort ins Herz zu legen wissen." 684 Hebel an Hitzig 6.4.1809, ebd., p416. 685 Vgl. Ewald, Bibl. Nrr. 160. 259. Beides sind Titel, die aus Ewalds Vortragstätigkeit im Bremer Museum erwachsen sind. Vgl. o. pl02. 109. 686 Morgenblatt für gebildete Stände, Jhg. 1809, Nr. 201. Vgl. Steiger, J.A., Ein neu aufgefundener Erstdruck. 687 Vgl. den gleichnamigen Titel: Im Hof, U., Das gesellige Jahrhundert.

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bürgerlichen Forum und Podium der Lesegesellschaft und des Museums interessiert war und solchen Austausch als Gründer entsprechender Gesellschaften auch mitinitiiert hat. Zuweilen aber wurde das Karlsruher Museum auch Ort gemeinschaftlicher Besäufnisse der Lehrerschaft des Karlsruher Gymnasiums und der Mitglieder des Kirchenrates, wie aus einem Brief Hebels hervorgeht: „Aber hochproteusisch und unter gigantischen Entwasungen der burgunder und champagner Flaschen wurde vorgestern bey einem Mittagsmal von sämmtlichen Lehrern des Lycei unter erbetener Anwohnung der Studienräthe Sander und Ewald der Schluß des Semesters und Examens gefeiert. Man war im 4ten Stock des Museums allein und vor Beobachtung sicher. Man hatte sich von Peterson an bis zu Ewald hinauf um 10 bis 40 Jahre zurück und in gleiches Alter getrunken [...] Sdr. und Ewald waren gerne dabei"688. Nach Ewalds Tod zog Hebel in dessen Wohnung und blickte bereits selbst auf seinen letzten Umzug zum Vater in den Himmel voraus: „Zu Ende künftiger Woche oder Anfang der nächst künftigen ziehe ich aus meiner bisherigen Wohnung aus und zwar gerades Weges ins B(ühler) Thal mit meinem Herrenhuther Büchlein und dann durch ein anderes Thor wieder hinein in meine neue Wohnung, aus welcher K. R. Ewald hinaus gestorben ist. So lästig das Ziehen ist, so gemüthlich angenehm und wehmüthig wird es mir wenn ich einen großen Maßstab daran lege und denke, daß wir hier alle nur Quartierträger des großen Hausvaters sind, und daß solche Aus- und Einzüge im Kleinen nur Vorübungen des Großen und lebhafte Erinnerungen sind, daß wir hier keine bleibende Stätte haben"689.

688 689

Hebel an Hitzig 1.10.1809, in: Hebel, Briefe, Bd. 1, p438. Hebel an Gottfried Haufe, ebd., Bd. 2, p677f.

KAPITEL II

Ewald und die Erleuchtung der Aufklärung durch eine biblisch-narrative Theologie reformatorischen Zuschnitts 1. Ewalds Biblische Theologie I: Die Narrativität der Offenbarung Grundlage und Fundament der Theologie Ewalds und seiner Pädagogik und Bildungsmethode ist die Bibel. Sie bildet den Punkt in allen Bemühungen Ewalds, auf den er immer wieder zurückkommt, von dem er immer wieder neu ausgeht, um Bildung der Kinder zu stiften, sie mit den Lehren des Christentums bekannt und vertraut zu machen, die christliche Moral und Sittlichkeit biblisch-ethisch zu begründen, ja auch, um Aufklärung unter dem Volk zu stiften. Dabei bewegt sich Ewald in einer Zeit, die der Bibel nicht unbedingt geneigt war, die vielmehr in vielen ihrer Vertreter meinte, eine rein auf natürliche Religion und auf Vernunft sich gründende christliche Moral entwickeln zu können. Es entstand so eine ganze Flut von neuen Katechismen, die erklärtermaßen von aller ,positiven' Religion, von allem Offenbarungsglauben und damit häufig auch von jeglichem Bibelgebrauch Abschied nahmen und die Theologie auf eine Morallehre engführten, der der bloße Mensch Jesus bestenfalls noch ein moralisches Vorbild und ein Lehrer christlicher Sittlichkeit und als solcher ein Aufklärer sein konnte1. In diesem Grundtenor sind z.B. die Katechismen von Carl Friedrich Bahrdt und des Philanthropen Friedrich Eberhard von Rochow gehalten, von denen noch ausführlich die Rede sein wird2. Ganz im Gegensatz zu dieser moralisierenden Tendenz, die Jesus als ein exemplum zwar ständig vor Augen führt, nicht aber auch als ein donum, im Gegenzug zu der Engführung rationalistischer Theologie, die Jesus in seinem Amt als Prophet und Lehrer zwar noch ernstnahm, nicht aber in seinem Amt als Priester, will Ewald die Bibel als Fundament allen Redens von Gott wiedergewinnen. Ewald verhilft dem reformatorischen Schriftprinzip zu neuem Leben, indem er eine biblisch-narrative Theologie und Pädagogik ent1 2

Vgl. Kap. II, 5. Vgl. ebd.

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Kapitel II

wirft, die der Sache nach in vielerlei Hinsicht Gemeinsamkeiten mit der genuin orthodoxen Bibelpädagogik hat, der Methode nach jedoch einige charakteristische Eigenarten hat und in der reformpädagogischen Fortentwicklung des Schulwesens unter neuen Vorzeichen steht, nämlich der Entwicklung des Realschulwesens, an der Ewald selbst tatkräftig mitgewirkt hat3. Die lebendige narratio ist für Ewald Grund- und Eckstein aller christlichen Pädagogik, wenngleich er darüber die argumentado nicht vergißt, sondern gründliche, argumentative Fundierung auch einer narrativen Pädagogik für unumgänglich hält. Ewald wählt die Bibelgeschichte als Ausgangspunkt allen Religionsunterrichtes und nicht den Katechismus, obgleich er diesen nicht verwirft, wie es etwa Pestalozzi oder dann auch Gottfried Keller getan haben. Ewald entwickelt eine hochreflektierte und -entwickelte Bibelpädagogik, in der Bibel und Katechismus, Erzählung und Lehre, narrative doctrina und lehrhafte narratio wechselseitig aufeinander bezogen sind und sich gegenseitig zur Voraussetzung haben. Zwar klingt es zunächst so, als wende sich Ewald grundsätzlich wie viele seiner Zeitgenossen gegen die Zusammenfassung von Lehrstoff in Kompendien, wenn er fragt: „Hätt' Er [seil. Gott; A.S.] nicht äußerst unzweckmäßig gehandelt, da er uns die Bibel gab, die nicht dogmatisirt, nicht moralisirt, sondern meist erzält? Warum hätt' Er uns denn kein Kompendium, entweder der Dogmatik, noch der Moral gegeben?"4. Doch äußert Ewald hier keine pauschale Kritik, sondern eine, die sich gegen den Mißbrauch der summarischen und kompendarischen Lehrformen und -mittel richtet. „Ist das wol ohne Absicht geschehen, daß Gott uns statt abstrakter Lehrsätze, wie Einige wollen, oder statt Sittensprüche, wie Andere, für besser halten, - Geschichte erzälen läßt?"5. Alle Dogmatik und jedes System von Lehrsätzen darf sich nach Ewald nicht loslösen von der Bibel, sondern beides muß immer wieder neu biblisch narrativ erhoben und erklärt werden. Denn alle Dogmatik und Ethik muß aus der Bibel heraus entwickelt werden, da beides in sie hinein als Text verwoben ist. Daher bleibt die Bibel je und je das Primäre. „Und was auch Dogma oder Moral ist, - sehen Sie doch, wie es mit Geschichte verwebt ist! wie es immer von Geschichte ausgeht, auf Geschichte zurückführt, ohne Geschichte kaum verstanden werden kann!"6. Die Lehren als kurze Formen der biblischen Erzählungen sind nach Ewald das Allgemeine, das nur in seiner Beziehung und ständig neuen In-Beziehung-Setzung mit der Bibelgeschichte verstanden werden kann. Gegen die die Lehre verabsolutierende Forderung „,man dürfe sich nicht zu lange bei Bibelgeschichte aufhalten; man müsse zu den Hauptsachen, zu den Lehren übergehen'" 7 wendet sich Ewald scharf, indem er das 3 4 5

Vgl. o. Kap. I, 6. 15. 18 und Wehrmann. Ewald, Bibelgeschichte das einzig wahre Bildungsmittel (Bibl. Nr. 361), p3. 6 7 Ebd., p2f. Ebd., p2. Ebd.,p71.

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Schriftprinzip starkmachend die Bibel und nichts anderes als Hauptsache allein anerkennen will und sagt: „In aller Welt, was ist denn Hauptsache in der Bibel, wenn es nicht die Geschichte ist? Sind denn die Lehren etwas anders, als allgemeine Säze aus dem Besondern, Einzelnen der Geschichte gezogen?"8. Ewald führt die gegnerische Argumentation ad absurdum, indem er sie auf den Naturkundeunterricht überträgt: „Wie? wenn ich einem jungen Menschen Betrachtung, Beobachtung, Studium der lebendigen Natur abraten wollte, mit dem Grunde: er dürfe sich nicht zu lange dabei aufhalten; er müsse nun zur ,Hauptsache' zu Linne's Natursystem übergehen? Oder von Beobachtung des Menschen, um ihn desto eher zu einer systematischen Seelenlehre zu führen?"9. Es kann nicht darum gehen, um eines Systems willen die Bibel preiszugeben, da sie es ist, die allein Vertrauen und Liebe zu Gott, dem Schöpfer, evozieren kann. „Und noch gieng es an, wenn ich aus dem Menschen einen Naturforscher bilden wolte. Aber wenn mir's blos darum zu thun wäre, ihn für die Natur und ihren Urheber, für den Menschen und seinen Schöpfer zu interessiren; Freude an Gott und Vertrauen zu Gott, Sinn für Macht und Weisheit und Liebe Gottes zu ihm zu erregen; wäre da auch noch ein Natursystem, oder eine systematische Seelenlehre ,Hauptsache'7"10. Es geht Ewald also nicht darum, ein Schriftprinzip einfach zu behaupten oder gewaltsam zu repristinieren. Es ist nicht eine abstrakte ,Lehre' von der Schrift, die als solche und aus sich heraus ein Recht hat, zur Geltung kommen zu dürfen. Vielmehr ist die Offenbarung Gottes durch die Bibel der Grund für deren Geltung, weil man allein aus der Bibel den handelnden und lebendigen Gott und dessen Eigenschaften, die narrativ expliziert werden, kennenlernen kann. Daher ist die narrative Grundstruktur aller Theologie nicht einfach eine bloß äußere Form für einen dogmatischen oder ethischen Inhalt, die genauso gut könnte vernachlässigt werden. Weder Dogmatik noch Ethik sind als das Eigentliche gegen die Form und die Gattungen der biblischen Texte ausspielbar, es gibt kein Destillat der Bibel, das die Bibel selbst überflüssig machen könnte. In den biblischen Texten sind Form und Inhalt, Buchstabe und Geist derart aufeinander bezogen und ineinander verwoben, daß weder von dem einen noch von dem anderen abstrahiert werden könnte, ohne daß die Balance und die Ausgewogenheit zwischen beidem Schaden litte. Das gesamte Kunstwerk, das nur lehrt, wenn es auch erzählt, und nur erzählt, indem es lehrt, würde sonst auseinanderbrechen. „Der Saz: Bibelgeschichte ist nur Gewand der Wahrheit, ist so willkührlich angenommen, widerspricht so dem ganzen Ton der Bibel, daß man nicht weiß, wo man anfangen soll, dagegen zu reden, und eigentlich nichts dagegen sagen mögte, weil man zu viel sagen könnte"11. 8 10

Ebd., p71f. Ebd.

9 11

Ebd., p72. Ebd., p23f.

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Kapitel II

Ewald wendet sich deshalb gegen die zu seiner Zeit weit verbreitete These, die Erzählweise der biblischen Texte sei auf das Konto einer Akkommodation an den unaufgeklärten Geist der Erstleser zu buchen, heute jedoch sei man aufgeklärt und bedürfe dieser Zeugnisse aus der Kindheit des Menschengeschlechts eigentlich nicht mehr, abgesehen von einigen wichtigen zeitlos-wahren moralischen Wahrheiten. „Das wolt' ich gar nicht sagen, daß bei Bibelgeschichte blos elementarische Methode sei, um die damalige, noch ganz unaufgeklärte Menschen, oder jezt noch, unaufgeklärte Kinder gewisse Wahrheiten zu lehren, die sie noch auf keine andere Art fassen konnten; Gerüst also, deutsch zu reden, das zu Aufführung des Baus nothwendig war, aber unnüz wird, sobald der Bau aufgeführt ist. Ich wolte Sie nur vorerst aufmerksam machen auf die Methode Gottes, ohne darum zu glauben, Bibelgeschichte sei etwa, wie Aesops Fabeln, blos um der Moral willen da [...] Wirklich wüßt' ich nichts Zwekwidrigeres, als die Bibel, wenn sie blos das solte. Man könnte viele ihrer Helden in kein schieferes Licht stellen, als wenn man sie zu Tugendmustern, oder zu Beispielen von den Folgen des Lasters machen wolte"12. Maßstab für die Verhältnisbestimmung von erinnerndem Erzählen von Geschichte einerseits und lehrhaften Extrakta andererseits ist nach Ewald die Bibel selbst in ihrer Methode, der „Methode Gottes"13, beides miteinander zu vereinbaren. Ewald entdeckt in diesem Zusammenhang die auf die Geschichte des Volkes Israel zurückblickenden Stücke der Bibel, die Abschiedsreden und die Geschichtspsalmen und stellt fest, daß diese, wie auch Jesu eigene Erinnerungen an die Geschichte Gottes mit seinem Volk, auf die Geschichte und die vorangegangenen Erzählungen nicht als auf eine bloße Hülle zurückblicken, sondern sie als lebendige Erzählung neu vergegenwärtigen. Mose wird zum erzähl-hermeneutischen exemplum gewählt, der genau darum wußte, daß es nicht reicht, die Kinder Israel an die Gebote allein zu erinnern, sondern daß es einer Erinnerung an die Machttaten Gottes vor und bei dem Auszug aus Ägypten bedarf. Die Taten Gottes sind der notwendige Kommentar zu seinen ethischen Forderungen: Hierin besteht die .Methode Gottes': „An jenem feierlichen Tag, da Moses Abschied nahm, von seiner Nation [...] weiß er nichts wichtigeres, als sie zu erinnern, an das, was Gott, in Aegypten und bei ihrem Auszug aus Aegypten, was er vierzig Jahre lang, in der Wüste an ihnen gethan, wie Er sie gegen mächtige Feinde beschüzt, und ihnen ihr Land gegeben habe. Und auf diese Geschichten gründet er den Bund, der jezt geschlossen werden, die Verbindlichkeit zu dem Eid, den sie jezt ihrem Gott schwören solten, Ihn allein zu verehren, und seine Geseze zu befolgen [seil, vgl. Dtn 29; A.S.]. Josua macht es nicht anders [seil. vgl. Jos 24; A.S.]"14. Ewald zeigt anhand der Geschichtspsalmen Ps 78; 105 und 106, daß auch hier 12

Ebd., p22f.

13

Ebd., p23.

14

Ebd., p24.

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die erzählende Erinnerung an die Taten Gottes, daß auch hier die zwar summarische, aber doch narrative Struktur nicht einfach bloßes Gewand ist. Vielmehr müßte eine jede Bibelpädagogik von dieser Art, an die Geschichte Israels zu erinnern, lernen. „Und denken Sie etwa, es war' im neuen Testament Anders? Hier bedürfe man dieses Gerüstes nicht mehr? Stephanus war wenigstens anderer Meinung"15. Ewald nennt hier die Rede des Stephanus Apg 7 sowie die weiteren großen Redenstücke der Apg. Erinnerung im biblischen Sinne - so beobachtet Ewald exegetisch zutreffend an den die Geschichte rückblickend reflektierenden Stücken der Bibel kann nur da wirklich geschehen, wo das Vergangene dergestalt vergegenwärtigt wird, daß es immer wieder neu erzählt wird. „Auch find' ich keine Spur, weder im Alten, noch im Neuen Testament, nicht den entferntesten Wink, daß die Geschichte nur Schale, und gewisse Lehren der Kern seyn solten. Im Gegentheil! Moses weiset auf die Geschichte der Patriarchen, David und die Propheten auf die Geschichte unter Moses, Jesus auf die Geschichte des Alten Testaments, und die Apostel auf die Geschichte Jesus, - nicht als auf Einkleidung gewisser Lehren, sondern als auf Gegenstände des Glaubens zurück"16. Hierin besteht also das eigentliche Recht der biblischen Erzählungen, das sie vor einer Herabwürdigung zu einer bloßen Einkleidung für das eigentlich Wichtige bewahrt: Daß sie nicht nur von den Taten Gottes erzählen, sondern die Geschichte auch der Menschen darstellen, die durch dieselben zum Glauben gekommen sind, daß sie also an die exempla fidei erinnern und sie aufbewahren. Ewald wirft denjenigen, die meinen, man müsse von dem biblischen Fundament erst abrücken und auf eine zweite von ihm unterschiedene Ebene steigen, um das Eigentliche, die Lehre, zu formulieren, vor, daß sie den dogmatischen Gehalt der Bibel selbst nicht zu entdecken fähig sind. „Als der, nach Wahrheit dürstende Heide Cornelius, zum Christenthum heraufgeleitet werden solte, trug ihm Petrus, statt aller Beweise, die Geschichte von dem Leben, dem Tod, und der Auferstehung Jesus vor, und Cornelius wurd' eingeweiht zum Christenthum, durch höhere Gotteskraft [seil. vgl. Apg 10; A.S.]. Paulus nicht anders. Als er in Antiochien öffentlich reden solte, trug er keine künstliche Beweise, für die Wahrheit des Christenthums vor. Er erinnert' an die ältere Geschichte und an die Geschichte Jesus. Das war die Dogmatik, die er lehrte. ,Und viele Heiden wurden glaubig, und das Wort Gottes, wurde ausgebreitet, durch die ganze Gegend' [seil. Apg 13,48f; A.S.]"17. Ewald dringt in dieser Schrift durch zu einer Abrechnung mit seinen theologischen Zeitgenossen, die theologiegeschichtlich gesehen höchst relevant ist. Denn er kritisiert all diejenigen, die meinen, man müsse hinter den 15

Ebd., p25.

16

Ebd., p23.

17

Ebd., p26.

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Text der Bibel zurückblicken, um zum eigentlich Wahren vorzudringen. Ewald trifft hiermit alle, die meinen, man könne durch Subtraktion aller .Akkommodationen' an den damaligen vermeintlich unterentwickelten, unaufgeklärt-jüdischen Geist die eigentlichen Lehrmeinungen Jesu und der Apostel erheben. Er trifft alle, die glauben, man müsse alle moralisch relevanten Sätze als die allein gültigen aus der Bibel herausklauben, da Moral und Sittlichkeit die einzigen Konstituenten der Religion seien. Ewalds Kritik trifft aber auch all diejenigen, die behaupten, ein Kompendium dogmatischer Lehrsätze trage seine Gültigkeit in sich selbst, ohne wiederum in einen lebendigen Austausch und Dialog mit der Bibel treten zu müssen. Alle diese Gruppen von Theologen klagt Ewald an und zeigt deren unbewußte, aber verräterisch offen zu Tage liegende Verwandtschaft auf, indem er Orthodoxisten und ,moderne' Theologen gleichermaßen an ihrer Schwachstelle packt und sagt: „Sonderbar! Jeder kann bemerken, daß sich die alten Orthodoxen, und die neueren Heterodoxen, die sonst so sehr verschieden denken, in diesem Punkt mit einander vereinigen, Bibelgeschichte soll nicht Grund des Religionsunterrichts seyn. Die Einen wollen ein zusammenhängendes, wolbewiesenes System der Dogmatik, und etwas weniges Moral; die Andern ein zusammenhängendes, wolbewiesenes System der Moral, und etwas weniges Dogmatik [...] ich werde nie aufmerksamer auf ein Buch, als wenn ich höre, daß die sogenannten Orthodoxen und die Neologen zugleich dagegen schreien"18. Daß Ewald hier nicht die Orthodoxie insgesamt undifferenziert verwirft, zeigt sich darin, daß er erstens von „sogenannten Orthodoxen"19 spricht, und zweitens darin, daß er sich zudem selbst einen ,,Altglaubige[n]"20 nennt. Alle diejenigen also, die meinen, man müsse das wie immer auch geartete Destillat aus der Bibel gegen dieselbe ausspielen, kritisiert Ewald scharf und setzt sie mit den römischen Papisten gleich, die ebenfalls den Christen das Lesen der Bibel am liebsten verböten. „Müßte man sich wirklich erst durcharbeiten durch so manchen Wust jüdischer Vorstellungsarten und Aberglaubens, wozu sich die Verfasser der Bibel, und Jesus selbst, (der Menschenliebe unserer neuen Reformatoren gerad entgegen gesetzt!) [...] herabließen [...] müßte man erst alle Wundergeschichten, und überhaupt alle Geschichte bei Seite sezen, bis man zu der reinen Philosophie des Christenthums, zu der allgemeinen Jesusreligion käme: so wäre nichts in der Welt konsequenter und wolthätiger, als, wie es nicht die ächte Katholiken, aber die Päpstler machen das Lesen der Bibel dem Laien ganz zu verbieten"21. 18

19 20 Ebd., p68. Ebd. Ebd., plO. Ebd., p28f. Vgl. auch Ewald, Ueber Bibelstudium (Bibl. Nr. 19), p9f, wo Ewald das römisch-katholische und das historisch-kritische .Lehramt' angreift, das die Gemeindeglieder entmündigt, indem es ihnen einen eigenständigen Umgang mit der Bibel abspricht: „Es ist doch, bei Gott! wahrer Köhler=Glaube [...], wenn man auf das Ansehn 21

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Schärfer könnte die Kritik am theologischen Zeitgeist kaum sein: Ewald wirft seinen Zeitgenossen vor, daß sie ein neues Lehramt aufrichten in der Meinung, aufklärend wirkende Theologen zu sein. Schärfer könnte auch der Widerspruch nicht sein, den Ewald hier aufdeckt. Er zeigt, daß die aufgeklärtrationalistische Theologie, die sich den Menschen vom Aberglauben zu befreien und ihm richtige Religionsbegriffe zu geben auf die Fahnen geschrieben hatte, genau das Gegenteil zu erreichen Gefahr läuft. Die aufgeklärte Theologie pervertiert, indem sie in ihrer historischen und moralischen Gelehrsamkeit die Glaubenden aus dem Priestertum aller Gläubigen entläßt und ihnen das Recht bestreitet, rechtmäßige Ausleger der Bibel zu sein. Die Aufklärung droht in eine Verfinsterung hinein abzugleiten, eine neue fides implicita zu lehren, einen neuen Köhlerglauben, der die Menschen aus der Verantwortung herausdrängt, ihren Glauben selbst vor Gott in der letzten Stunde und vorher zu verantworten. Konkret sich gegen Johann Bernhard Basedow und dessen Exzerpt des AT22 wendend, schlägt Ewald ironisch vor, die Bibel und damit die Offenbarung Gottes in Archive einzuschließen: „Man könnte dann das Erbauliche, allgemein Brauchbare herausziehen, das etwa ein Paar gedrukte Bogen geben könnte - wie es ja auch Basedow mit dem Alten Testament, seinen Grundsäzen ganz gemäs, gethan hat, - und die Bibel selbst in Bibliotheken verwahren, wie man etwa alte Urkunden und Chroniken verwahrt, zum Gebrauch des Geschichtforschers und Geschichtschreibers"23. Hiergegen erinnert Ewald an die göttliche Autorenschaft und die aus ihr resultierende auctoritas der Schrift, indem er fortfährt: „Ich für meine Person gesteh' aber freimüthig, daß ich mich schämen würde, ein Buch für - göttliche Offenbarung an das Menschengeschlecht zu halten, das auf ein paar tausend Seiten abergläubischen und irgend eines Menschen hin etwas annimmt, was man eben so gut wie er untersuchen könnte, und untersuchen solte. Untersuchen könnte, weil man so gut wie Döderlein und Steinbart eine Bibel im Hause hat, und alle wesentliche, wichtige Lehren des Christenthums gar weißlich an so vielen Orten stehen." Ewald sieht also das allgemeine Priestertum gefährdet, das sich im allgemeinen Amt der Bibelauslegung konkretisiert. Und hiermit steht gleichzeitig die libertas Christiana als ganze auf dem Spiel, denn wer „ohne Prüfung das annimmt, was ihm sowol als dem Philosophen und dem Theologen offenbart ist, der hat seine protestantische Freyheit verleugnet, und macht sich selbst einen Papst; und wer das fodert, wie es heut zu Tage häufig geschieht, wo man die Bibel so gerne verdrängen, und dafür willkührliche Auszüge und gereinigte Christenthumsphilosophien einführen möchte, der will eben so wol Papstthum einführen, wie es von je her der Geist der Hierarchie gewolt hat" (ebd., pi 1). Diese Kritik an der modernen Bibelwissenschaft, die historische, philologische und philosophische Gelehrsamkeit zu conditiones sine qua non der Bibelauslegung insgesamt erhebt, kehrt in Ewalds Werk ständig wieder. Ganz ähnlich z.B. auch Hamann, Briefwechsel Bd. 5, p416. 22 Basedow, Religion Israels. 23 Ewald, Bibelgeschichte, p29.

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läppischen Zeugs, vielleicht fünf, sechs Bogen Gutes und Brauchbares enthielte. Wenn der Hauptinhalt der Bibel für uns veraltet ist, warum nicht die ganze Bibel? Das denn freilich Mancher im Herzen gerne genug zugeben mag"24. Wenn alle Wunder bzw. Wundererzählungen und aller sog. Aberglaube nur den Sinn gehabt hätten, den Menschen „durch dies Vehikulum gewisse Vernunftwahrheiten beizubringen, die sie ohne dies Mittel nicht begriffen hätten"25, dann sollte man die gesamte Bibel außer Kraft setzen, dann sollten wir „uns an unsere allgenugsame Vernunft halten"26 und nicht zwanghaft versuchen, die Bibel durch Exzerpieren und Verkürzen mit den schon vorher feststehenden vernünftigen Inhalten in Einklang zu bringen. „Wozu das Scheiden und Sondern, das Drehen und Wenden, um sie [seil, die Bibel; A.S.] mit unserer Vernunftreligion in Uebereinstimmung zu bringen? Ward sie ja fiir uns nicht geschrieben! - Es wird Pflicht, sie völlig außer Kurs zu sezen"27. Ewald fragt nach dem Maßstab, anhand dessen zu entscheiden sein soll, was nun für den Erstleserkreis und daher in notwendiger Akkommodation an dessen Vorstellungen geschrieben ist, und was für die zeitgenössischen Leser. Wieso kann die Bibel überhaupt noch Gültigkeit beanspruchen, wenn sie in den meisten ihrer Teile nicht für uns gültig ist, weil sie sich an den Geist früherer Zeiten anpaßt? Ewald erinnert an den Akt der göttlichen Autorenschaft, an die göttliche Offenbarung, über deren Gültigkeit Menschen kein Recht haben, zu Gericht zu sitzen. Vielmehr müßte es wiederum der Macht Gottes und seiner Offenbarung obliegen, das Zeitbedingte und heute Ungültige außer Kraft zu setzen. Gott jedoch hat das, was heute oft als bloßes Hilfsgerüst für die Erbauung eines Lehrsystems bezeichnet wird, stehen gelassen und bewahrt. Daher fragt Ewald: „Oder, soll sie auch uns, und für alle Zeiten göttliche Offenbarung seyn, warum ließ sie Gott blos fiir jene Zeiten einrichten? Warum ließ Er das Gerüst stehen, da der Bau - wie man sagt - längst aufgeführt ist? [...] Konnten wir aus der Bibel allein sehen, was allgemeine oder temporelle Wahrheit, was Schale oder Kern ist? Oder war etwa die Bibel bestimmt, daß bloß die Weisen und Gelehrten sie lesen, die Schale von dem Kern absondern, und so erst den Einfältigen geniesbar machen solten? - Gottes sehr würdig wär' es ja wol freilich, - den Menschen eine Offenbarung zu geben, bei der aber die Menschen erst selbst zusehen müßen, was göttliche Offenbarung und Aberglaube darin sei ! Nicht? - Verzeihen Sie, Lieber; ich wolte nicht spotten und nicht eifern; und ich fürchte, ich habe beides gethan. Wenn bei irgend etwas das Difficile est, satyram non scribere gilt, so gilts hier"28. Der Mensch kann nach Ewald, was die Bibel angeht, nicht entscheiden über Kern und Schale. Es ist nach Ewald un-

24 27

Ebd. Ebd.

25 28

Ebd., p30. Ebd., p30f.

Ebd.

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möglich, aus der Bibel selbst eine methodische Direktive zu gewinnen, um zu entscheiden, was Gerüst und was Gebäude ist. Vielmehr bleibt am Ende nur die Gefahr, daß sich die vermeintlich Gelehrten zu den wahren Schriftauslegern erheben und hierbei eine von der bloßen Vernunft diktierte Hermeneutik zur Anwendung bringen, die der Bibel nicht gerecht wird. Zudem - so Ewald - sei diese Einstellung kleingläubig, weil sie als Prämisse annehmen muß, daß Gott seine Offenbarung so habe einrichten müssen, daß Menschen erst darüber zu entscheiden haben, was gültig und was ungültig sein solle. Ewald unternimmt den Versuch, die Bibel als Grundbuch der Christenheit wiederzugewinnen. Er weiß darum, daß die Erzählung von den exempla fidei, die Erinnerung an die Biographien der in der Wolke der Zeugen Versammelten (Hebr 11,Iff), in deren Leben Gott eingebrochen ist und sie zum Glauben gerufen hat, am ehesten fähig ist, wiederum Glauben zu befördern, zu stiften und zu erhalten. Kein aus dem Zusammenhang der narratio herausgelöster Satz oder Vers der Bibel, kein bloßer Kernspruch ( - wird er nicht wieder mit dem Kontext in Beziehung gesetzt - ) kann derart Glauben wecken, wie eine Erzählung davon, wie Gott Menschen aus Elend errettete, wie Jesus Sünden vergab, Tote auferweckte, wie er tröstete und Heil stiftete. Ewald ruft nach einer lebendigen narrativen Verflüssigung der dogmatischen Begrifflichkeit, begreift das Erzählen biblischer Geschichten als Glauben stiftende Verkündigung und folgt damit der reformatorischen Grundeinsicht, daß der Glaube aus dem Gehör kommt (Rom 10,17). „Nehmen Sie das herrlichste, was uns von Christus gesagt wird: ,Er sei uns Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung, Herr über Leben und Tod; Er wolle den Geist senden, der tröste, beruhige, und in alle Wahrheit leite, ' - kann uns das so stark zu Ihm hinziehen, als die Erzälungen, wie Er den Seinigen, Weisheit und Gerechtigkeit gab, wie Er sie wirklich heiligte, wie Er Tausende von der Sünde und jeder Folge der Sünde erlösete; wie Er Todte wirklich erwekte, den Geist wirklich sandte, durch den seine Anhänger wirklich getröstet, beruhigt, in alle Wahrheit geleitet wurden. Warlich [...] mir ist's unbegreiflich, und wird mir täglich unbegreiflicher, wie man Bibelgeschichte beim Religionsunterricht so zurüksezen, gleichsam als Nebensache, als Fabel, um Moral daraus zu spinnen, behandlen konnte. Was kann doch der Prediger anders wollen, als Glauben und Liebe zu Gott, zu Christus weken [...] O, wenn wir das immer bedächten, wenn das unsere Hauptfrage bei all unseren Predigten und Katechisationen wäre: kann dadurch Glaube und Liebe zu Christus [...] gewekt oder vermehrt werden"29. Um Glauben zu wecken, ergreift Ewald immer wieder das Wort zum Thema ,biblischer Unterricht', bleibt hierin jedoch nicht bloßer Theoretiker, sondern schreibt selbst mehrere Bibelnacherzählungen, entwirft einen pädagogischen Plan, wie solcher Bibelunterricht zu erteilen sei, den er den 29

Ebd., p58-60.

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Lehrern in den Schulen an die Hand gibt30. So will Ewald die Biblizität in allen Bereichen der Verkündigung wiedergewinnen, weil allein die Bibel als Bezeugung des Wortes Gottes solchen Glauben zu stiften im Stande ist. Ewald entwirft eine biblische Theologie der Verkündigung und des Unterrichtes, die er in einem ungemein breiten Lebenswerk in einer Vielzahl von Schriften verschiedener Gattungen umgesetzt hat. „Wenn wir jede Predigt, jede Stelle darinn ausstrichen, jede Katechisation bei uns selbst tadelten, die nicht auf diesen Zwek hinarbeitete [seil, auf die Stiftung von Glauben; A.S.]; wie viel anders, wie viel christlicher, biblischer würde unser Predigen und Katechisiren werden!"31. Mit dieser Programmatik reagiert Ewald seelsorglich auf einen im Zuge der Aufklärung entstandenen casus conscientiae: Es geht um die Gewißheit, die droht, durch die Bibelkritik unter dem Volk verloren zu gehen. Der historischen Kritik wirft Ewald, allerdings ohne ein Verdikt über sie auszusprechen, vor, daß sie wenig oder gar nicht über die Folgen ihrer kritischen Lektüre der Bibel reflektiere. Ewald ist hierin wirklicher Aufklärer, weil er als Volksaufklärer versucht, die kritischen Exegeten über die auch von ihnen wohl kaum intendierten negativen Folgen der Bibelkritik auf der Ebene der Volksfrömmigkeit aufzuklären. „Wirklich kenn' ich nichts Widersinnigeres, und zugleich Menschenfeindlicheres, als, wenn man dem Volk unter der Hand zu verstehen giebt: - diese oder jene, längst geglaubte Religionslehre sey nicht wahr! Das stehe nicht in der Bibel, was es Jahrhunderte lang darin gesehen hat! Es sey nicht Alles so zu nehmen, wie es da stehe! Jesus und seine Apostel haben Manches bestimmt gesagt, das doch blos jüdisches Vorurtheil sey, u.d.g. - Und war' es auch ganz wahr, welche Unklugheit, es dem Volk zu sagen! Welcher Schade, wenn es so etwas glaubt!"32. Ewald will hier nicht hinter die durch die Bibelkritik in mancherlei Hinsicht gewachsenen Einsichten zurücktreten oder sich ihnen gegenüber blind stellen, sondern er mahnt an, daß es einer pädagogischen Reflexion darüber bedarf, wie die Bibelkritik zu ihrem Recht kommen kann, ohne daß die Glaubensgewißheit der Menschen verlorengeht, ohne daß aus der berechtigten wissenschaftlichen Skepsis eine Zweifelssucht unter dem Volk und in den Gemeinden entsteht. Denn die Gefahr ist folgende: „Nicht blos, dass nun die Eine Warheit bezweifelt wird; dass das Volk nun diese oder jene Aeusserung der Bibel verwirft: es bezweifelt nun alle Warheiten; glaubt der Bibel gar nicht mehr recht"33. Ewald fragt also nach der Vermittlung zwischen einerseits berechtigter und zeitgemäßer Bibelkritik, die er auch selbst betreibt34, und einer seelsorg30 31 32 33

Vgl. u. pl92-195. Ewald, Bibelgeschichte, p60. Ewald, Über Volksaufklärung (Bibl. Nr. 57), p22f. 34 Ebd., p23. Vgl. Kap. III, 6.

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lieh motivierten Umsetzung derselben auf der Ebene der Frömmigkeit. Hier, und nur hier, erweist sich nach Ewald, ob die Bibelkritik und die auf sie gründende Dogmenkritik um ihrer selbst willen betrieben werden, oder ob sie sich wiederum vermitteln lassen mit einer Glauben und Gewißheit stiftenden Vergewisserung durch die Predigt des Wortes Gottes. Ewald greift hier im Dialog mit der aufgeklärten Theologie stehend auf ein reformatorisches Theologumenon zurück und thematisiert die Frage neu, wie der coram Deo stehende Mensch zu freudiger Glaubensgewißheit gelangen kann und den Zweifel durch die Anrede durch das verkündigte Wort überwinden kann35. Nur ein seines Glaubens gewisses Gewissen kann den Zweifel bekämpfen. Aber ein durch eine pervertierte kritische Exegese zur Zweifelssucht verführter Bauer z.B. wird keinen Trost und keine Gewißheit finden können. „Er wird Zweifler seyn und Zweifler bleiben, und aus religiösem Grund nichts thun und nichts unterlassen; Religion wird ihm keinen Trost geben, wenn er Trost bedarf, weil ihm die Gewisheit fehlt, die allein zu Thätigkeit aufspornen und Trost und Ruhe geben kann"36. Ewald entdeckt die Bibel als Erzählbuch neu, indem er aus ihr lernt, sie nicht nur als ein Buch von Exempeln des Glaubens zu lesen, sondern sie auch als ein Buch zu begreifen und zu lesen lernt, das von exemplarischen Biographien voll ist. Die Bibel erzählt nicht von abständigen, rein historischen und darum vergangenen Dingen, vielmehr spricht sie von typischen Begebenheiten, durch die derjenige, der die Bibel liest, sich selbst erkennen und lesen lernt. Wer die Bibel liest - so Ewald - der liest exemplarische Geschichten und damit seine eigene Biographie. Ich habe also nicht nur exempla in der Bibel vor mir, sondern mich selbst in eben diesen exempla. Die immer neue Aktualität der Bibel liegt hierin begründet, daß sie bei aller historischer Bedingtheit doch idealtypisch-biographische Grundsituationen beschreibt. Und hierdurch hat die Bibel als Gottes Wort die Kraft, sich ständig neu zu vergegenwärtigen. Um diesen bibel-hermeneutischen Ansatz eingehender zu erheben, bedarf es eines Blickes auf die Abhängigkeit Ewalds von Johann Caspar Lavater.

35

Die Gewißheit spielt nicht zuletzt in der reformatorischen Theologie und Seelsorge eine zentrale Rolle. Durch die Predigt des Evangeliums wird dem Menschen die christliche Freiheit geschenkt, die sich als freudige Gewißheit des Glaubens manifestiert. Gewissen und Gewißheit gehören also auf das engste zusammen. So hängt Luthers GewissensTheologie ab von dem, was er über die Vergewisserung des Christenmenschen sagt, die ja eine ,,certissima[m] [...] ac firmissima[m] conscientiae assertione[m]" darstellt (Luther, De servo arbitrio, StA 3, pl81). Vgl. Krüger, F., Art.: Gewissen III, TRE 13, p219-225. 36 Ewald, Über Volksaufklärung, p22.

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2. Standortbestimmung der Theologie Ewalds I: Ewalds Konzept von der Bibel als des Menschen Biographie und der Einfluß J.C. Lavaters und J.G. Hamanns auf Ewald Die Geschichten, die die Bibel erzählt, die Biographien der in der Bibel auftretenden Personen und Aktanten haben exemplarischen Charakter. Ewald liest die Bibel als eine ,pro me' sich auslegende und als eine mich auslegende. Wer die Bibel liest, dem offenbart sie, „daß die Geschichte der Bibel, Geschichte unsers Herzens, Geschichte des Menschen in seinen höchsten Höhen und tiefsten Tiefen sei; - Darstellung der ganzen menschlichen Natur mit all ihren, oft widerstrebenden, oft zu Einem Zwek sich vereinigenden Kräften; Darstellung des Göttlichen, des Thierischen und des Teuflischen im Menschen"37. Die Bibel ist ein anthropologisches Lehrbuch, denn sie lehrt die Dialektik der menschlichen Existenz als Geschöpf und Ebenbild Gottes einerseits und Sünder andererseits erkennen, sie erzählt von des Menschen „Gottheit und Menschheit, Tugend und Laster, Glauben und Unglauben, Erleuchtung und Verblendung [...] u.s.w."38. In der Bibel lernt der Mensch sich als im reformatorischen Sinne simul iustus et peccator39 kennen; obwohl er eine fremde Biographie liest, wird sie ihm zur Autobiographie; obwohl sie von einem anderen Menschen jeweils erzählt und obwohl ich als Leser meine Autobiographie noch nicht verfaßt habe, legt sich die Bibel als eine solche in mein Leben hinein aus. „Ich sag' Ihnen, daß ich den Menschen, und mich selbst weit besser aus der Bibel kennen lerne, als aus irgend einem andern Buch und das ist ganz natürlich. Die Bibel enthält Darstellung guter und böser, starkerund schwacher, gebesserter und verschlimmerter Menschen, mit all den verschiedenen Mischungen, wie sie sich in der Natur befinden"40. Und gerade der Verfremdungscharakter ist es, die Tatsache, daß ich meine eigene Geschichte und eigenen Geschicke unter anderen Vorzeichen und Namen lese, was mich um so stärker und klarer auf die Analogie meiner Biographie zu derjenigen biblischer Personen hinweist. „Hundertmal ist's Einem, wenn man Josephs oder Moses oder Davids oder Judas oder Petrus Geschichte lieset, wie Geschichte eines Menschen lieset, als sei's aus unserm Herzen, aus der Geschichte unsers Lebens, unserer Schwachheiten, unserer Kämpfe und Siege und Niederlagen, abkopirt; man erschrikt manchmal ordentlich, als wenn ein Stük unserer Lebensgeschichte mit veränderten Namen und Umständen erzält würde"41.

37 39 40

Ewald, Bibelgeschichte, p33. Luther, Römerbriefvorlesung, BoA 5, p241. Ewald, Bibelgeschichte, p33f.

38

Ebd.

41

Ebd., p34.

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Hierin liegt das seelsorgliche Moment der biblischen Geschichten, daß die Heiligen und die biblischen Personen gerade darin Trostspender sind, daß auch sie schwach geworden und gefallen sind, sie also keine unerreichbaren moralischen Vorbilder sind, sondern gerade in ihrer Schwachheit und ihrem Gefallensein Hoffnung stiften, daß auch wir wie sie Vergebung erlangen werden. So wie die biblischen Personen uns davor bewahren, in Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit zu sinken, so auch davor, übermütig zu werden und uns in falscher Sicherheit zu wähnen. „Oft findet man Gelegenheit, sich zu freuen, daß man in Schwachheit etwas Aehnliches mit Moses oder David, mit Petrus, mit Johannes habe, - und das macht Mut. Aber wenigstens eben so oft findet man Ursache, sich zu betrüben, weil man Aehnlichkeit mit den Pharisäern, mit Pilatus, mit Judas in sich findet, die man sich unter dem Lesen nicht verbergen kann. So etwas demütigt denn wieder, wenn man etwa stolz werden wolte"42. Wieder greift Ewald auf ein reformatorisches Theologumenon zurück, nämlich auf die von der reformatorischen Schrifthermeneutik herkommende neue Fassung der Lehre von den Heiligen. Die Heiligen sind ihr zufolge nicht moralisch besonders hoch durch eigene Werke qualifizierte Personen, sondern als Mitglieder am als ganzen heiligen Leib Christi exempla tentationis. Sie sind Prediger dessen, daß Gott dem Sünder gegenübertritt und ihn gnädig um seines Glaubens willen rechtfertigt43. Und hierin liegt die poimenische Relevanz der biblischen Heiligen-Geschichten, daß sie mich in einem um so deutlicheren Licht erscheinen lassen, Grund zur Freude und der Erhebung des Herzens, aber auch zur Demut sind, Grund also sind einer Gegenbewegung, die Luther in einem etwas anderen Zusammenhang ebenfalls kennt44. „Die besten und die schlechtesten Menschen [seil, in der Bibel; A.S.] haben immer noch Etwas, woran wir erkennen, sie seien .Fleisch von

42

Ebd. Vgl. etwa Oslander, Α., Zwei Predigten über Heiligenverehrung und über Verstorbene, in: Gesamtausgabe, Bd. 8, p887: „Dann das müssen wir wissen und fur ungezweyfelt halten, sie [seil, die Heiligen; A.S.] seien, wie heilig sie wollen, so sein sie vom anfang gleich so wol sünder gewest als wir." „Darnach sol man auch die lieben heiligen darüber loben und preysen, das sie ire sünd nicht veracht, sondern ernstlich zu hertzen genommen haben und doch nicht darin verzagt und verzweifelt sein, sonder gnad begert und gesucht haben" (ebd., p888f). 44 Die Demut ist bei Luther nie Selbstzweck, sondern hat ihr Gegenstück im Hochmut des Glaubens, im Keckwerden des Christenmenschen, von dem oft in Verbindung mit der biblischen Rede von der geistlichen Waffenrüstung Eph 6 die Rede ist. Demut und Hochmut als Gegenbewegungen zu fassen, legt sich nicht zuletzt auch in liturgischer Hinsicht nahe, wo Sündenbekenntnis und Sursum corda einander kontrastieren, aber zusammengehören wie exinanitio und exaltatio im christologischen Kontext. Nicht zuletzt Luthers Trostbriefe sind voll von Aufforderungen zur Demut und zum Hochmut. Vgl. zum Thema: zur Mühlen, K.H., Art. Demut VI, TRE 8, p474-478. 43

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unserm Fleisch' [seil. Gen 2,23; A.S.]. Die Guten sind nicht so gut, daß wir verzweiflen müßten, je wie sie zu werden; und die Bösen sind nicht so böse, daß wir sicher wären, nie so versinken zu können"45. Diese Exemplarizität der in der Bibel erzählten Geschichten eröffnet die Möglichkeit, mit der Bibel gleichzeitig zu werden und seine eigene Geschichte in ihr lesend zu entdecken. Und so findet Ewald zu der auch in der orthodoxen Pädagogik zentralen und häufig anempfohlenen Methode, jeden Bibeltext in Anwendung auf sich selbst zu lesen, jeden Bibeltext also in ein ,Soliloquium'46 zu verwandeln und so das ,pro me' in der Auslegung zur Geltung kommen zu lassen. „Sie [seil, die Gemeinden; A.S.] müßten die Bibel mit Anwendung auf sich selbst lesen; und das heißt ja wol, Bibel mit Anwendung auf sich selbst lesen, wenn man sie liest als Geschichte der Menschheit als Geschichte seines eigenen Herzens"47. Daher ist die narrative Struktur der biblischen Texte für Ewald nicht eine bloße Form, die auch vernachlässigt werden könnte, denn hier wird zwar von einzelnen Menschen gesprochen, dabei aber allgemeingültige Dinge in hamartiologischer und soteriologischer Hinsicht ausgesprochen. Darin besteht auch die Eigenbewegung der Texte, daß sie sich aus eigener Kraft neu in die Biographie des Lesers hinein zur Sprache bringen und nicht als zeitbedingte Zeugnisse vergangener Zeiten tot bleiben. Implizit kommt hier bei Ewald die Rede von der efficacia48 der Hl. Schrift neu zum Tragen, obwohl er sie als solche nicht nennt, die gemeinte Sache aber benennt. Der Hl. Schrift eignet eine Dynamik, durch die sie sich vergegenwärtigt und in Erinnerung bringt und als Biographie tut, was sie sagt, indem sie zu meiner Biographie wird. Diese efficacia der Schrift ist auch das Medium, das die Individualität der biblischen Personen in Beziehung setzt mit der Universalität anthropologischer Grundwahrheiten, die individuell-exemplarisch ausgesagt werden. „Lieber P. ich weiß wol, daß jeder Mensch ein eignes Individuum ist; ein Mensch, wie's nie einen gegeben hat, und nie einen geben wird: aber Sie werden mir doch daraus nicht schliessen wollen, Darstellung eines Menschenindividuums trage nichts zur Kenntniß des Menschen bei? Ich wüßte

45

Ewald, Bibelgeschichte, p34f. Vgl. zum Soliloquium bei Hoffmann u. p205. 47 Ewald, Bibelgeschichte, p35. 48 Die efficacia zählt zu den affectiones scripturae sacrae. Die Lehre von der efficacia besagt, daß das Wort Gottes in Gestalt seiner biblischen Bezeugung und in der Predigt tut, was es sagt, und sagt, was es tut. Insofern kann diese Lehre als eine Übertragung der Schöpfungslehre auf diejenige von der Schrift gelten. Denn das biblische Verständnis von dem durch sein Wort schaffenden Gott (vgl. Joh 1,1.3; Hebr 1,2; Ps 33,6) wird übertragen auf die Bestimmung der Wirksamkeit des biblisch bezeugten Wortes. Vgl. etwa Gerhard, J., Loci theologici, tom. 2, p284f, vgl. torn. 1, p8. 46

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wirklich nicht, woraus man den Menschen besser kennen lernte, als aus Lebensbeschreibungen einzelner Menschen"49. Ewald hat sich für diesen hermeneutischen Entwurf von ,¿avaters Pontius Pilatus"50 anstecken lassen, allerdings darum wissend, daß nicht Lavater, sondern die Bibel selbst diese Methode entworfen hat, denn „das Buch [kann] auf keinen Menschen wirken, auf den die Geschichte der Bibel nicht wirkt"51. Lavater, der auf Ewald einen nicht unerheblichen Eindruck recht früh gemacht hat, scheint Ewald, was seine Pilatus-Schrift angeht, bis ans Lebensende unvergeßlich geblieben zu sein. Denn die Hermeneutik der Lektüre der Bibel als Biographie des Menschen hat Ewald von Lavater übernommen. Lavater begreift die Pilatus-Geschichte als „eine Bibel im Kleinen"52, als eine Geschichte eines einzelnen Menschen, die aber die Menschheit als Gattung thematisiert. Miniatur und Vergrößerung sind nach Lavater in der Pilatusgeschichte miteinander dialektisch vermittelt, indem sie als Bibel im Kleinen „den Menschen im Großen vorstellen"53 will - „in dem Volke Israel, den Hohenpriestern, in Pontius, in Christus"54. Wie für Ewald zeigt sich auch nach Lavater die Dialektik der menschlichen Existenz in der Einzelperson Pilatus in einer „Darstellung der Höhe und Tiefe, der Würde und des Verfalls der menschlichen Natur"55. Das von Pilatus ausgesprochene ,ecce homo!' (Joh 19,5) bezieht sich als Ausspruch des Pilatus nicht nur auf Christus, sondern auch auf Pilatus selbst. Das ,ecce homo' ist nach Lavater generell die Überschrift der Pilatusgeschichte, die den Menschen in seiner Zerrissenheit darstellt. „Es sollte Alles in Einem sein; ein historisches, politisches, moralisches, philosophisches, theologisches, religiöses, biblisches, sinnbildliches, predigerliches Ecce Homo! Seht den Menschen! Ein Menschen-Buch; eine Schrift zur Schande und zur Ehre unsers Geschlechtes [...] kurz: ein Seht! das ist der Mensch! - für alles was Mensch heißt!"56 Lavater nun beschreibt die menschliche Zerrissenheit mit biblischen Kategorien, indem er die Satans-Sohnschaft, von der Jesus in Joh 8,44 den Juden gegenüber spricht, als Bestimmung auch der Heiden auf Pilatus überträgt. Indem Pilatus von Gott zum „Richter des Richters aller Richter und aller

49

Ewald, Bibelgeschichte, p35. Vgl. ders., Die Erziehung des Menschengeschlechts nach der Bibel (Bibl. Nr. 9), p79: „Die Geschichte der Bibel ist die Geschichte unsers Herzens; du liesest, Mensch, deine eigene Lebensgeschichte, wenn du die Bibel liesest." 50 51 Ewald, Bibelgeschichte, p32. Ebd. 52 (Lavater, J.C.), Pontius Pilatus. Zit. wird nach: Ders., Ausgewählte Schriften, Bd. 3, hier: p30. Vgl. zur Predigttätigkeit Lavaters: Sauer, K.M., Predigttätigkeit und ders., Öffentlicher Lehrer. Dennoch bleibt in der Lavater-Forschung noch viel zu tun. So auch Weigelt, H„ Art. Lavater, TRE 20, p506-511. 53 Lavater, Ausgewählte Werke, Bd. 3, p30 54 55 56 Ebd. Ebd. Ebd.

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Gerichteten"57 bestellt wird, wird er „zum Werkzeuge bestimmt, zu vollführen die allerwichtigste, einzigste, unvergleichbarste Gottes- und Satansthat, die je gethan ward"58. „War Er nicht der Mund [...] aller Satanskinder und aller Gotteskinder? Sprach nicht die Hölle durch Ihn: ,Er werde gekreuzigt! ' - Und der Himmel: ,Ich finde keine Schuld an diesem Menschen!'"59. In dieser coincidentia oppositorum ist Pilatus „Mensch im Großen"60 und als einzelner Repräsentant der ganzen Gattung,Menschheit' : „Wer ist mehr einzig in seiner Art, und wer mehr allgemein?"61. Nach Lavater ist die Bibel ein Buch, das voll von archetypischen Geschichten ist und deshalb überall das ,ecce homo' als ein ,ecce humanitas' ausspricht. Daher kann Lavater auch die Geschichte vom Sündenfall „wie die von Pontius Pilatus" als eine „Bibel im Kleinen und die Menschheit im Großen"62 bezeichnen. Und deswegen kann die Geschichte Israels als eine wiederum exemplarische Geschichte gefaßt werden, von der aus jede andere erst verständlich wird. Denn die Geschichte des Volkes Gottes ist „das teleskopische Medium wodurch das Dramatische in allen Geschichten gemeiner Völkerschaften, Familien, Personen angesehen werden könnte"63. Darum ist Pilatus für Lavater eine so hoch bedeutsame und zentrale Figur, weil er die Gegensätze von Satanischem, Menschlichem und Göttlichem in sich vereinigt und ein urtypisch-dramatischer Akteur in einem „alle vorhergehenden und künftigen Dramen in sich schließenden, einzigen, ewigen Drama" ist64. Pilatus rückt daher in die Nähe der Person Christi, bildet diese spurenhaft ab, da auch Christus von einer ganz ähnlichen Dialektik bestimmt ist. Denn er ist derjenige, der sich der klassischen Zwei-Naturen-Lehre zufolge als der Erhöhte in der Erniedrigung befindet, als Mensch (,ecce homo') doch selbst Gott ist. „Jetzt einfältig und arm, doch königlich unter dem Hosianna als ,der Sohn Davids im Namen Jehovah kommend' [seil. Mt 21,9; A.S.], und dann in wenigen Tagen:, Kreuzige, kreuzige Ihn ! Wir haben keinen König, als nur den Kaiser!' [seil. Joh 19,15; A.S.]"65. Diese Spannung äußert sich v.a. in dem Titlos, in der Aufschrift über dem Kreuz (Joh 19,19: Jesus, der Nazarener, König der Juden'), mit der die Dialektik des seiner Gottheit entäußerten und in Bethlehem geborenen Christus und des dennoch im munus regale immer allmächtig wirkenden Gottessohnes benannt ist. Gegensätze werden hier miteinander versöhnt. „Zwei unvereinbar scheinende Ideen: Nazareth und König der Juden, standen gleich Anfangs in den Gemüthern seiner Nation wie Feuer und Wasser gegen einander, und dennoch sollten sich diese zwei Dinge in Ihm, wie Himmel und Erde, versöhnen und Eins werden! Symbol, Siegel dieser Vereinigung des Unvereinbarscheinenden war das Punctum finale der menschlichen Lebensgeschichte Jesus, die Ueberschrift am Kreuze [...] das 57 60 63

Ebd., p35. Ebd., p36. Ebd., p48.

58 61 64

Ebd. Ebd. Ebd., p49f.

59 62 65

Ebd. Ebd., p44. Ebd., p52.

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Erhabenste und Niedrigste immer neben einander, in einander, Eines vom Andern verschlungen"66. Der Titlos benennt die Dialektik, die Christus als wahren Menschen und wahren Gott ausmacht, bezeichnet aber gleichzeitig auch die Dialektik, unter der ihr Verfasser, nämlich Pilatus, steht. Denn auch in Pilatus begegnen und durchdringen sich menschliche Schwachheit und göttliche Macht, indem er mehr ausspricht (,ecce homo') und mehr schriftlich niederlegt (Jesus [...] König der Juden'), als er je beabsichtigt hatte. „Wie sprach Er so unendlich viel höher, tiefer [...], als Er zu sprechen dachte? Wie viel mehr schrieb Er, als Er selbst verstand?"67. Hier spricht in Pilatus „die menschliche Schwachheit [...] stark, wie die Gottheit"68. Lavater bezeichnet Pilatus daher implizit als den ersten Missionar, als denjenigen, der das erste Bekenntnis zu Jesus, dem König der Juden, schriftlich abgelegt hat und vergleicht ihn mit dem Hohenpriester Kaiphas, der ebenfalls, ohne es zu wissen, zum Propheten wurde (Joh ll,50f) 69 . Bemerkenswert nun ist, daß die Pilatus-Schrift Lavaters und deren Entwurf einer Hermeneutik, die versucht, die Bibel als Biographie und Geschichtsschreibung der Menschheit und mithin meiner selbst zu fassen, die Ewald dann eigenständig ausgebaut hat, veranlaßt ist durch eine Korrespondenz zwischen Lavater und Johann Georg Hamann. Auf sie nimmt Lavater in seiner Schrift selbst Bezug, nennt Hamann aber nur verschlüsselt als seinen Korrespondenzpartner70. Brieflich hatte Lavater Hamann aufgefordert: „Nennen Sie mir ignoranten den weisesten Schriftsteller und dunkelsten Propheten"71. Hamann gibt Lavater daraufhin die ungewöhnliche Auskunft, Pilatus sei dieser dunkelste aller Propheten und spiegelt sich selbst in dessen Person und Rolle des epigrammatischen Schriftstellers des Titlos über dem Kreuz Jesu: „Mir Ignoranten ist, nächst dem Prediger des alten Bundes [seil. Kohelet; A.S.], der weiseste Schriftsteller und dunkelste Prophet, der Executor des 66

67 68 Ebd., p51f. Ebd., p36. Ebd. Vgl. Hamann, Briefwechsel, Bd. 4, p8. Lavater an Hamann Anfang Febr. -14.4.1778. Ähnlich spricht auch Ewald vom prophetischen Amt des Pilatus: „Welche Ideen kamen durch seine Ueberschrift in Umlauf! [...] Pilatus war ihnen [seil, den Juden; A.S.] also, trotz seiner Bitterkeit, und eben durch diese Bitterkeit, ein Evangelist" (Ewald, Zufallige Gedanken (Bibl. Nr. 348), pl). 70 Lavater, Ausgewählte Werke Bd. 3, p31f. Lavater nennt Hamann nicht explizit, deutet aber eindeutig auf ihn hin, wenn er ihn einen „Freund aus Norden" nennt (p31) und damit auf den ,Magus in Norden' anspielt. „Der Geschlechtsname dieses Freundes steht mehrmals mit eben so viel Buchstaben in dem kleinsten aller Romane, seit Schriftsteller auf Erden gewesen, und Liebes= und Frauengeschichten geschrieben worden sind" (p32). Auch dieses Rätsel deutet auf Hamann hin, indem es den im Esth-Buch auftretenden Haman bezeichnet. 71 Lavater an Hamann 26.10.1777, Hamann, Briefwechsel, Bd. 3, p396. 69

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neuen Testaments, Pontius Pilatus. Ihm war vox populi vox Dei, ohne sich an die Träume seiner Gemahlin zu kehren. Sein güldenes: Quod scripsi, scripsi ist das Mysterium magnum meiner epigrammatischen Autorschaft: was ich geschrieben habe, das decke zu; was ich noch schreiben soll, regiere du!"72. Dies scheint auf Lavater derart Eindruck gemacht zu haben, daß er sich schon im Antwortbrief Hamanns Worte zu eigen macht und in „Pontius Pilatus α γεγραφα γεγραφα" 73 „unserefn] Erzautor"74 sieht. Gleichzeitig verbindet Lavater jedoch das epigrammatische Verkündigungs- und Prophetenamt des Pilatus mit einem Gedanken, der Pilatus in pfingstlichem Kontext sieht und ihn zudem mit dem Hohenpriester Kaiphas und dessen ungewolltem Prophetenamt in Beziehung setzt: „Mich dünkt, auch Er [seil. Pilatus; A.S.] war deßelbigen Jahres Hoherpriester [seil. vgl. Joh 11,51; A.S.] im Namen, nicht der 144000 [seil. vgl. Apk 7,4; A.S.], sondern der Zungen u. Völker, die niemand zählen kann [seil. vgl. Apg 2,4ff; A.S.]"75. Interessant nun ist, daß Lavater durch diese Anregung Hamanns sein Konzept von der Bibel als des Lesers Biographie entwirft, das Ewald dann ausgebaut hat. Denn Hamann selbst hat ganz ähnlich Gott als den Autor seiner Lebensgeschichte entdeckt. Schon 20 Jahre vor seiner Korrespondenz mit Lavater hatte Hamann seine zu Lebzeiten unveröffentlicht gebliebene Schrift „Gedanken über meinen Lebenslauf476 verfaßt. Herkommend von der biblischen Einsicht, daß Gott zu erkennen nur möglich ist, wenn man bereits von Gott erkannt ist (Jetzt erkenne ich's stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleich wie ich erkannt bin'; IKor 13,12), hatte Hamann in der Geschichte des Exodus Israels seine Lebensgeschichte entdeckt. „Wer die Reisekarte Israels mit meinem Lebenslauf vergleichen will, wird sehen wie genau sie miteinander übereinkommen. Ich glaube, daß das Ende meiner Wahlfart durch die Gnade Gottes in das Land der Verheißung mich führen wird"77. Selbsterkenntnis und Gotteserkenntnis gehören notwendig zusammen, und so wird der Mensch in die Bewegung der nova creatio hineingenommen, indem er sich zwar erkennen lernt, sich aber doch als ein gerechtfertigtes und damit neues Geschöpf vor Gott kennenlernen darf. „Mein Sohn! gieb mir dein Herz! [seil. Prv 23,26; A.S.] — Da ist es mein Gott! Du hast es verlangt, so blind, hart, felsicht, verkehrt, verstockt es war. Reinige es, schaffe es neu, und laß es die Werkstatt deines guten Geistes seyn"78. Wer seine Biographie in der Bibel entdeckt und damit sich findet als ein vor Gott stehender Sünder, der der Rechtfertigung bedarf, tritt in einen Dialog mit sich und mit Gott gleichzeitig 72 73 74 76 77

Hamann an Lavater 18.1.1778, Hamann, Briefwechsel, Bd. 4, p4. Lavater an Hamann, Anfang Febr. - 14.4.1778, ebd., p8. 75 Ebd. Ebd. Hamann, Werke, (zit. ,N' mit Bd.- und Seitenzahl), hier: Ν II, p9-54. 78 Ebd., p42. Ebd., p42f.

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und in das eschatologische und darum gerechtsprechende Gerichtsverfahren ein. „Ich habe in denselben [seil. Gedanken über meinen Lebenslauf; A.S.] mit Gott und mit mir selbst geredt. Den ersten in Ansehung meines Lebens gerechtfertigt, und mich angeklagt, mich selbst darin angegeben und entdeckt - alles zum Preise des allein guten Gottes, der mir vergeben hat, in dem Blut seines eingebornen Sohnes"79. Dergestalt ist Gott nicht nur der Autor meiner Lebensgeschichte, sondern mehr noch: Der erste Lektor derselben. Indem er schreibt, liest er mich und hat mich erkannt, noch lange bevor ich meine Biographie als die Biographie der biblischen Personen begreife. Hamann entdeckt analog zu Luther Christus als die Mitte der Schrift80, auf die alle Geschichten Alten und Neuen Testaments zulaufen. „Ich fand die Einheit des göttlichen Willens in der Erlösung Jesu Christi, daß alle Geschichte, alle Wunder, alle Gebote und Werke Gottes auf diesen Mittelpunkt zusammenliefen"81. Deswegen bezieht Hamann die Erzählung vom Brudermord Kains an Abel, in der der Mensch sich als Kain erkennt, durch eine soteriologische Reflexion auf Christus, die Mitte der Schrift. Von der Predigt dessen, daß Gottes Sohn um meinetwillen gestorben ist, werde ich frei zum Sündenbekenntnis, daß ich als Kainsperson der Mörder meines Bruders Christus bin. „Ich erkannte meine eigenen Verbrechen in der Geschichte des jüdischen Volks, ich las meinen eignen Lebenslauf, und dankte Gott für seine Langmuth mit diesem seinen Volk, weil nichts als ein solches Beyspiel mich zu einer gleichen Hoffnung berechtigen konnte [...] Mit diesen Betrachtungen, die mir sehr geheimnisvoll vorkamen, las ich den 31. März [seil. 1758; A.S.] des Abends das V. Capitel des V. Buchs Moses, verfiel in ein tiefes Nachdenken, dachte an Abel, von dem Gott sagte: die Erde hat ihren Mund aufgethan um das Blut deines Bruders zu empfangen [...] ich konnte es nicht länger meinem Gott verheelen, daß ich der Brudermörder, der Brudermörder seines eingeborenen Sohnes war"82. Das ist neu bei Hamann, daß sich ein Sündenbekenntnis als Lektüreakt vollziehen kann. Aber in diesem Sündenbekenntnis, das darin besteht, die Kainsgeschichte als die eigene zu lesen, bringt sich schon der Trost zur Anwendung. Denn dem Sünder ist die Langmut und Vergebung Gottes verheißen. Wer sich also die Sündengeschichte Kains appropriiert und zueignet, der darf auch von dieser Beispielgeschichte aus hoffen, daß ihm der Trost von Gott zugeeignet wird. „In den Augenblicken, worinn die Schwermuth hat aufsteigen wollen, bin ich mit einem Trost überschwemmt worden, 79

Ebd., p42. Nach Luther liegt die Mitte der Schrift in den Stücken, die .Christum treiben'. Vgl. WA DB 7, p385: „Auch ist das der rechte Prüfstein, alle Bücher zu tadeln, wenn man siehet, ob sie Christum treiben oder nicht." Vgl. Bornkamm, H., Luther und das Alte Testament, ρ 128. 81 82 Hamann, Ν II, p40. Ebd., p40f. 80

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dessen Quelle ich mir selbst nicht zuschreiben kann und den kein Mensch im Stande ist so überschwenglich seinem Nächsten einzuflößen"83. Dies ist die Bewegung der sich selbst auslegenden Schrift, die der Ausleger nur auslegen kann, weil er von der Schrift schon ausgelegt ist und diese Auslegung nur noch entdecken muß. Auf ganz ähnliche Weise haben Ewald, Lavater und Hamann diese die Biographie eines jeden Menschen begründende Bewegung entdeckt und damit die Narrativität als eine Form der biblischen Sprache wiedergefunden, von der keine rein ethischen und dogmatischen Satzwahrheiten abstrahiert werden können. Denn die Lebensgeschichte läßt sich nun einmal nur narrativ explizieren84.

3. Ewalds Biblische Theologie II: Bibel und Katechismus - biblische Pädagogik Der Sache nach läßt Ewald durch sein von Lavater beeinflußtes Konzept der Bibelgeschichte als allgemein-menschlicher, exemplarischer Biographie die alte Exempel-Hermeneutik reformatorischer Provenienz wieder aufleben. Ihm sind die biblischen Biographien insofern von Bedeutung, als sie als exempla fidei et tentationis vom Glauben Zeugnis ablegen und neuen Glauben stiften können. Dabei bedarf der Mensch gerade dieser Biographien, da seine eigene Biographie ihm jene nicht ersetzen kann. Jene nämlich haben den unvergleichlichen Vorzug, daß in ihnen Gott sichtbar und sinnenfällig handelt und zwar nicht nur in den großen Zusammenhängen, sondern auch in den kleinen im Sinne der Providentia specialis und peculiaris. „Die Bibelgeschichte hat noch etwas Vorzügliches, das keine Geschichte in der Welt bis auf einen solchen Grad hat, und das Jedem gleich auffällt; nemlich: Gott ist überall sichtbar, hörbar, mit im Spiel. Und nicht als müßiger Zuschauer, sondern als Führer, Lehrer, Erzieher, als Väter im vollsten Sinn des Worts. Er redet, Er befielt, Er verbietet, Er ordnet an, Er beschüzt, Er hilft; nicht im Allgemeinen, durch gewöhnliche Wege, sondern durch Eingriffe seiner Allmacht, in den allereinzelnsten Fällen"85. Wer die Bibel liest, dem gewährt der sich in ihr offenbarende Gott einen Einblick in die Providentia Dei und in seinen Ratschluß, der sieht „in das Kabinet Gottes" und der sieht „die Maximen seiner Regierung, seine Manier, seine Handlungs= und Erziehungsart"86. 83

Ebd., p41. Vgl. Bayer, O., Autorität und Kritik, pl5f u.ö. und: Ders., Wer bin ich? Vgl. auch Spam, W., Dichtung und Wahrheit, in: Ders. (Hg.), Wer schreibt meine Lebensgeschichte?, p l l - 2 9 und überdies auch D. Ritschis Konzept von der .story' des Menschen: Ritsehl, D., Zur Logik, p45-54 u.ö. 85 86 Ewald, Bibelgeschichte, p38. Ebd., p39. 84

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Hierin liegt ein Proprium der Theologie Ewalds, daß er die orthodoxe Lehre von der Vorsehung Gottes verbindet mit seiner Pädagogik, derzufolge Gott der erste und eigentliche Erzieher des Menschen ist, wobei Gotthold Ephraim Lessings Rede von der ,Erziehung des Menschengeschlechts' wie auf viele von Ewalds Zeitgenossen auch auf ihn stark gewirkt hat, er sie aber doch in wesentlichen Punkten bibel-hermeneutisch modifiziert hat. An den Geschichten Abrahams und Davids entlanggehend erhebt Ewald, wie Gott durch seine Verheißungen Glauben stiftet, ihn stärkt, aber auch anficht. „Nehmen Sie nur einmal die Geschichte Abrahams vor, um vorzüglich auf die Handlungsart Gottes zu merken. Sehen Sie, wie Er auf jede That, die von Glauben zeugt, Glaubensstärkung folgen läßt [...] wie Er Erfüllung verzögert, daß selbst der Glaube der Glaubigsten schwach wird. Und das Versprechen doch am Ende [...] pünktlich, buchstäblich erfüllt, zu einer Zeit, wo man dachte, es sei unmöglich, daß es jezt noch erfüllt werden könne"87. Dennoch ist diese Anfechtung keine Verderbensmacht, sondern hat als eine gottgewirkte ihr pädagogisches Maß. Ewald sieht hierin eine „Bestätigung des tröstlichen Worts.,Gott versucht nicht über Vermögen' [seil. IKor 10,13; A.S.]"88. Wer diese Geschichten als seine eigenen zu lesen gelernt hat und in dieser applicatio dieselben als tröstende narrationes entdeckt, der wird ihren seelsorglichen Gehalt immer stärker spüren. Denn so wird die promissio Gottes wirksam, indem sie die Situation des angefochtenen Lesers ver-spricht mit dem biblischen Trost. „Nun denken Sie einmal nach, wie viel Lichtgebendes, Wärmendes, Stärkendes, Tröstendes, für jedes unserer Schiksale, unserer Zeiten etc. etc. allein in diesen beiden Geschichten [seil, der Abrahams- und Davids-Geschichte; A.S.] liegt"89. Ewald, selbst reformierter Herkunft, greift in seiner hier entwickelten Narrationshermeneutik auf die Theologie Luthers zurück, nach dessen Ansicht Exempel-Geschichten deswegen einen unschätzbaren Wert haben, weil sie das Vergangene so vergegenwärtigen und lebendig werden lassen, als sei man selbst Teil der Handlung und in sie hinein verwoben und verstrickt. Nicht von ungefähr kommt es daher, daß Ewald aus Luthers Vorrede zur , Historia Galeatii' 90 zitiert und somit den Reformator als Zeugen für die von ihm vorgestellte narrative Pädagogik und biblische Theologie anruft. „Lesen Sie also vorerst, was der Stifter der evangelischen Kirche in Deutschland, Luther überhaupt, von dem Werth der Geschichte sagt [...],Darum ists ein so köstlich Ding - um die Historien; denn was die Philosophi [...] lehren oder erdenken kann, das zum ehrlichen Leben nüzlich sei, das giebt die Historien, mit Exempeln und Geschichten, gewaltiglich, und stellet es gleich für die Augen,

87 90

88 Ebd., p39f. Ebd., p41. Luther, WA 50, p383-385.

89

Ebd., p42.

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als wäre man dabei und sehe es also geschehen [...] Und wenn man's gründlich bestimmt, so sind aus den Historien und Geschichten, fast alle Rechte, Kunst, guter Rath, Warnung, Dreiren, (Drohen) Schreken, Trösten, Sterken [...] als aus einem lebendigen Brunnen gequollen. Das macht, die Historien sind nichts Anders, denn Anzeigung, Gedechtniß und Merkmal göttlicher Werk und Urtheil, wie Er die Welt, sonderlich die Menschen, erhelt, regieret, hindert, fördert, strafet und ehrt, nach dem ein jeglicher verdienet, Böses oder Gutes"91. Ewald erkennt völlig richtig, daß das, was Luther hier über die exemplarische Funktion von Begebenheiten der Profangeschichte sagt, der Sache nach auch die Grundeinsicht von Luthers biblischer Hermeneutik ist, für die Ewald den Reformator ja als Zeugen heranzieht. Ewald weiß darum, daß er mit dieser inhaltlich orthodoxen Pädagogik, die bei der Bibel dem Schriftprinzip folgend ihren Ausgangspunkt nimmt, bei denjenigen, die die Lehre auf Kosten der Bibel gehen lassen, für unorthodox gelten, und bei denen, die in der Moral das einzig notwendige Destillat der Bibel sehen, für hyperorthodox gehalten werden wird. Ewald führt deswegen den zitierten Luther-Text an, für den Fall, daß „man mich wegen dieser Behauptung, etwa nicht für ächt-orthodox halten solte. - Denn das geschieht mir wol auch, ob ich gleich bei Anderen, für hyperorthodox gelte"92. Und gerade dies macht Ewald zu einer schillernden Gestalt mit ganz eigenständigem theologischen Profil, daß er nicht einfach einer bestimmten Gruppe oder Partei von Theologen zuzurechnen ist: Weder den rationalistischen Neologen, noch den in ihrer Auseinandersetzung mit diesen selbst gefangenen reaktionären Orthodoxen. Zudem ist interessant, daß Ewald selbst um seine Stellung jenseits aller gängigen zeitgenössisch-theologischen Parteiungen weiß. Und hier wird mitunter auch ein Grund dafür liegen, daß sich Ewald zwar zu Lebzeiten und auch nach seinem Tod großer Beliebtheit erfreut hat, daß er aber keine seiner Bedeutung adäquate Rezeption erfahren hat. Auch das theologiegeschichtliche Interesse ist u.a. wegen dieser Schwierigkeiten, Ewald einzuordnen, an ihm so gut wie vorbeigegangen. Bemerkenswert ist, daß Ewald bei all seinen Ansätzen, auf die Bibel selbst zurückzugreifen und sie als „das Fundament aller christlichen Glaubenslehren"93 zur Geltung kommen zu lassen, nun keineswegs alle dogmatischen Bemühungen im pädagogischen Prozeß ablehnt. Sondern gerade durch den Rekurs auf die Bibel gewinnt Ewald auch wieder ein positives Verhältnis zur Auslegung der Schrift in der Glaubenslehre und der Dogmatik, in Bekenntnis und Katechismus. Ewald kann nicht als ein Theologe und Pädagoge betrachtet werden, der die Bibelgeschichte gegen den Katechismus ausspielt. Die 91 92 93

Ewald, Bibelgeschichte, pl58f. Ebd., pl58. Ebd.

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Bibelgeschichte ersetzt ihm nicht die kurze dogmatische Form des Katechismus, der Rekurs auf die Bibel ist keine indifferente Flucht vor den vermeintlich obsolet gewordenen dogmatischen Artikulationen. Vielmehr gibt es ein lebendiges Miteinander von Bibel und Katechismus, ja es ist eine Neuentdekkung des Katechismus von der Bibel her bei Ewald zu beobachten. Abgeschreckt von starren Moral-, Sitten- und Lehrkompendien zeitgenössischer Theologen greift Ewald auf die Bibel selbst zurück und findet so einen neuen Zugang zum Katechismus, besonders zu den Katechismen der Reformationszeit. Daher sollte der Katechismus-Unterricht nach Ewald auf die Unterweisung in biblischen Stoffen aufbauen und dieselbe fortführen. „Ich wolte Sie blos überzeugen, daß wir am besten, und der Absicht Gottes am angemessensten handelten, wenn wir Bibelgeschichte bei allem Religionsunterricht zum Grund legten, und darauf Katechismus, Systemunterricht, oder was man für nötig hält, bauten. Das Fundament zu einem Bau ist ja noch nicht der Bau selbst"94. Daher verwahrt sich Ewald gegen einen möglichen Vorwurf: „Mir ist nicht eingefallen, die Katechismen herabzusezen"95. Allerdings hat Ewald gegen das mechanische Auswendiglernen besonders des ihm als reformierten Theologen nahestehenden Heidelberger Katechismus Vorbehalte. Des öfteren weist Ewald darauf hin, daß der Heidelberger Katechismus ursprünglich als eine Bekenntnisschrift konzipiert gewesen ist und daher schon von seinem Entwurf her als Schulbuch für Kinder nur bedingt tauglich ist96. Auch meint Ewald, daß die als Antwort auf die Ausbildung der römisch-katholischen Lehre auf dem Tridentinum im Heidelberger Katechismus besonders scharf gegen dieselbe gerichtete Polemik nicht nur nicht zeitgemäß, sondern auch in einem Lehrbuch nicht unbedingt von nöten ist97. 94

Ebd., ρ 109. Ebd., pl08. Vgl. Ders., Etwas über Catechismen, pl3f: „Man muß nur möglichst dafür sorgen, daß es [seil, das katechetische Lehrbuch; A.S.] recht lang eingeführt, und bei neuen Auflagen, unverändert bleibe. Wird nun dieß Lehrbuch, wie es wol am besten ist, auf Bibelgeschichte gegründet [...] so wird es weder den Kindern noch dem Volk ganz neu seyn, es wird leichter, als jedes Andere, einheimisch unter ihnen werden." 96 Vgl. Ewald, Ueber Schulhalten (Bibl. Nr. 20), p234f. Zunächst lobt und ehrt Ewald den Heidelberger Katechismus, besonders seine „Kürze, [s]eine Energie, [s]eine Precision, die ich bewundere" (p234). Aber - so Ewald - dieser Katechismus war eigentlich als Bekenntnisschrift konzipiert und nicht als Kinder-Lehrbuch: „Aber das Buch hat nur den Fehler, daß es kein Katechismus für Kinder ist, und auch nach seiner Absicht, wie bekannt, gar nicht seyn solte" (p235). Vgl. Lauterburg, M., Art. Katechismus, Heidelberger oder Pfälzer, RE3 10, pl64-173. 97 Ewald beobachtet richtig, daß der Heidelberger Katechismus stärker von der theologia polemica geprägt ist als der Kleine Katechismus Luthers. Nicht zuletzt deswegen ist der HK viel umfangreicher und gleichzeitig ein beredtes Zeugnis einer protestantischen Reaktion auf die katholische Reaktion, die auf dem Tridentinum stattgefunden hat. In der Tat muß man sagen, daß Luthers Konzept pädagogisch elementarer ist. Denn ihm war 95

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Wichtig aber ist, daß Ewald die summarische, elementarisierende und prägnante Eigenart des Heidelberger Katechismus erneut zu entdecken vermag, indem er Formulierungen mit neuen Augen sieht, „die ich wegen ihrer Kürze, Bestimmtheit und ihres Nachdruks, im eigentlichsten Sinn bewundere, und das Meiste davon läßt sich auch Kindern mehr oder weniger verständlich machen, wenn man sie nicht eine Erklärung darüber auswendig lernen läßt, sondern den Katechismus wirklich zergliedert und erklärt"9*. Wie nun ist der Katechismus zu erklären? Dadurch, daß er wiederum auf das Fundament der Bibel zubewegt und biblisch expliziert werden soll. Denn er ist als Summarium auf die Bibel notwendig bezogen - der Katechismus ist das Skelett, an das biblisches Fleisch gesetzt werden muß - , und es zeigt sich, „daß der wesentliche Inhalt des Heidelbergischen Katechismus [...] nichts als Resultate von Bibelgeschichten seien"99. Ewald unternimmt daher eine kurze und exemplarische Erklärung verschiedener Fragen des Heidelberger Katechismus von der Bibel her. „,Ich glaub' an den heiligen Geist.' Wir wissen vom heiligen Geiste nichts, wenigstens nichts Anschauliches, wenn wir nicht die Geschichte seiner Ausgießung, Erzälungen von Reden und Thaten so mancher Leute hätten, die voll heiligen Geistes waren. Ohne Bibelgeschichte wüßte Keiner, was er mit den Worten sagte: ,Ich glaub' an den Heiligen Geist'"100. Was Ewald anstrebt, ist also, ein narratives Wechselspiel und -Verhältnis zwischen Katechismus und Bibel herzustellen: „.Vergebung der Sünden.' ,Sei getrost, mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben' [seil. Mt 9,2; A.S.] ,Dein Glaube hat dir geholfen, gehe hin mit Frieden' [seil. Mt 9,22; A.S.] ,Heute wirst du mit mir im Paradies seyn' [seil. Lk 23,43; A.S.] - Ich denke, wer diese Geschichten weiß und glaubt, weiß, wann und bei welcher Gelegenheit Jesus diese Worte sprach, und die übrigen, die ihnen ähnlich sind, der weiß so ziemlich das Wesentliche von diesem Artikel"101. Auch Luthers Kleinen Katechismus bezeichnet Ewald als „Resultate der Bibelgeschichte"102 und meint, Luther habe mit den fünf Hauptstücken103 wirklich die wichtigsten Inhalte der Bibel erfaßt. „Er [seil, der Kleine Katechismus; A.S.] ist ganz auf die fünf, mit Recht sogenannten Hauptstüke gegründet, geht den Gang des

klar, daß es im Katechismus zuvörderst darauf ankommt, in positiven Formulierungen das festzuhalten, was Glaubensgrundlage ist, ohne jedoch die jeweiligen theologischen Streitigkeiten in diese Glaubensgrundlage hineinzutragen. So ist es auffällig, daß z.B. der heftige Streit um das Abendmahl keinen Niederschlag im KK Luthers gefunden hat: Es findet sich keine Polemik weder gegen Zwingli, noch gegen Karlstadt, Schwenckfeld oder andere. Ewald richtet sich gegen die Polemik des HK in: Bibelgeschichte, p l 0 9 und in: Etwas über Catechismen, p36ff. 98 Ewald, Bibelgeschichte, pl09. 99 100 ,0 Ebd., p73. Ebd., p75f. ' Ebd., p76. 102 103 Ebd., p80. BSELK, p499-527.

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Heidelberger Katechismus, jedoch ohne dessen Polemik"104, was Ewald, um einen fruchtbaren Dialog mit der katholischen Kirche zu ermöglichen, sehr sympathisch ist. Zudem entdeckt Ewald, daß er in Luther einen Fürsprech und Mitstreiter hat, wenn es darum geht, den Konnex zwischen der .kurzen Form' und der Bibel selbst in Erinnerung zu bringen. Ewald verweist auf Luthers Vorrede zum Großen Katechismus: „Zum Ueberfluß, sagt Luther, in seiner Vorrede zu demselben: ,ein Katechismus solle der ganzen heiligen Schrift, eine kurze Summe und Auszug seyn'"105. Ganz ähnlich wie Luther und ihn zitierend verlangt Ewald angesichts der bevorstehenden und geplanten badischen Bekenntnis-Union nach einem Katechismus, der sich sprachlich einprägt, zum tiefverwurzelten Schatz der Glaubenden also werden kann. Denn „die ihnen bekannten Bibelaussprüche, Lieder, Verse, Sentenzen, wirken weit kräftiger auf ihr Gemüth, als unbekannte, neue [...] Ein bekannter Bibelspruch, zu rechter Zeit, dem Kranken, schwehr-leidenden gesagt, stärkt, erquickt ihn mehr, als das beste, treffendste Wort, das ihm vorher nicht bekannt war"106. Ewald verweist darauf, daß die Einführung eines neuen Lehrbuches poimenisch auch deswegen sehr problematisch ist, weil der Katechismus als ein Buch, das Generationen verbindet, so nicht mehr zum Tragen kommen kann. „Mit einem, für lange Zeit eingeführten Lehrbuch hat man Kindern, und endlich auch Eltern, etwas tief= Eingreifendes, mit ihrem Wesen, sich Amalgamirendes gegeben, das sich Niemand nehmen läßt, die Lehren desselben, in der gewöhnten Form, begleiten den Menschen, in alle wichtige Lagen seines Lebens, wo die Erde, Erdenhülfe Erdentrost, ihm nicht genügt"107. Ähnlich wie Luther sieht Ewald die poimenische Kraft des bekannten Katechismus, der in Notsituationen des Lebens zum Seelsorge-Handbüchlein werden kann. Daher zitiert er ausführlich wiederum aus der Vorrede zu Luthers Kleinem Katechismus: „, Aufs erst, das der Prediger für allen Dingen sich hüte vnd meide, mancherley oder anderley Text und Form der zehen Gebot, Vater Vnser, Glauben, der Sacrament etc. sondern neme Einerley Form für sich, darauf er bleibe, vnd dieselbige jmer treibe, ein Jar wie das ander, denn das junge vnd alber Volk, muß man mit einerley gewissen Text vnd Formen leren [...]"'108. Ewald entdeckt also die alten reformatorischen Katechismen in ihrer starken Biblizität wieder und zwar in einer Zeit, die nicht anders denn als eine Zeit der Katechismuskrise bezeichnet werden kann109. Der Aufklärungszeit mangelt es zwar nicht an Katechismen, es ist vielmehr zu beobachten, daß eine ganze Flut von Katechismen neu entsteht, die aber oft in falsch verstandenem Orthodoxismus erstickten oder aber sich dem Zeitgeist moralistisch104 106 108

Ewald, Bibelgeschichte, p80. Ewald, Etwas über Catechismen, p9. Ebd., plO (=BSELK p502f).

105 107 109

Ebd. (= BSELK p552). Ebd., plOf. Vgl. Kap. II, 5.

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vernünftig ergaben und anpaßten, so daß von einer lebendigen Umsetzung der biblischen Botschaft in vielen Katechismen der Aufklärung nicht die Rede sein kann. Daher kann Ewald urteilen - und dies ist in der theologiegeschichtlichen Behandlung der katechetischen Tradition bisher noch nicht gesehen: „Sie sehen, daß die älteren Katechismen, wenigstens in so weit, einen Vorzug vor den neueren hatten, als sie sich mehr an Bibelgeschichte hielten. Sie verwahrt unter Andern, am sichersten, auch vor ziemlich allgemeinen Verirrungen in der Dogmatik und Moral"110. Dennoch will Ewald, obwohl er sich in katechetisch-theologischer Hinsicht zum Schüler Luthers machen läßt, nicht einfach Luthers Kleinen Katechismus mit Gewalt am Leben erhalten, sondern ihn zum Vorbild für die Einrichtung eines neuen Lehrbuches erheben. Luther gilt ihm als Lehrer, von dem man lernen kann, nicht in „stroherne Spekulation [...] oder trockene Moral" zu verfallen, „wahres Bibelchristenthum"111 zu lehren, damit nicht „verschleierter Deismus gelehrt wird"112. Daher bedarf es eines Katechismus, der fernab von theologischen Modeströmungen der Zeit, die keine Gewißheit stiften können, die grundlegenden Glaubenslehren auf biblische Weise festhält und an den die Glaubenden gewöhnt werden sollen. Dabei muß die „Gefahr" gemieden werden, „hin und her bewegt zu werden, von dem Wind der herrschenden Lehre, von der Zeit= und Modephilosophie, von Furcht und Vorliebe für Paläologie oder Neologie"113. Wie sehr Ewald der Gefahr aus dem Weg gehen will, die Kantsche Prinzipienethik zu taufen, wird später noch eingehend behandelt werden114. Aber schon hier warnt Ewald davor, die originär christlichen Lehrinhalte zugunsten einer ,,popularisirte[n], kantische[n] Metaphysik der Sitten, mit Bibelstellen, nach so genannter moralischer (eigentlich aber lügenhafter, also sehr unmoralischer) Interpretation" aufzugeben oder „eine zusammengestückelte Chrestomathie aus orthodoxen und neologischen Vorstellungsarten"115 zu verabsolutieren. Angesichts der bevorstehenden Aufrichtung der Union ist es nötig, „einen Katechismus einzuführen", der nicht „zu sehr nach Luthertum, nach Kalvinismus oder Zwinglianismus schmeckt"116, was zeigt, daß Ewald jeglichem starren Konfessionalismus abhold gewesen ist. Er verweist darauf, daß Luther seine Katechismen nicht zum Dogma erhoben, sondern zur selbständigen Abfassung von Katechismen geradezu aufgerufen und ermutigt hat. ,„Und nimm abermal für dich, dieser Tafeln Weise, oder sonst eine kurze, einige Weise, welche du willst und bleibe dabei'"117. Rüther sagte also nicht etwa, 110 111 1,2 115 116

Ewald, Bibelgeschichte, p82. Ders., Etwas über Catechismen, p7. 113 Ebd. Ebd., pl5. Ewald, Etwas über Catechismen, pl7. Ebd., pl6. \

114

Vgl. Kap. III, 2.

117

Ebd., p l 9 (=BSELK p502).

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man solle bei seiner kurzen, Einigen Weise bleiben. Er wäre nicht Luther, wäre mit sich selbst in Widerspruch gewesen, wenn er so etwas gewollt hätte. Wollte er ja keinen Papst; und ein gedruckter Papst ist auch Einer!"118. Daher bleibt Ewalds Verhältnis zu Luther doch ein zweischneidiges. So sehr er in grundsätzlich hermeneutisch-katechetischen Fragen bei ihm in die Schule geht, will es ihm doch nicht gelingen, zu der unnachahmlichen Sprachkraft der Lutherschen Katechismen und deren Einprägsamkeit ein positives Verhältnis zu bekommen. Dies mag mitunter auch daran liegen, daß Ewald nicht einsah, warum ein Katechismus, der selbst bereits eine Erklärung der Bibel darstellt, wiederum in einer nun doppelten Vermittlung seinerseits erklärt werden soll. Daher war Ewald ein Gegner der sog. .exponierten' Katechismen119, der Versuche also, an Luthers Kleinem Katechismus festzuhalten und ihn einer Erklärung zu unterziehen, wie es etwa Johann Gottfried Herder120 getan hat oder der Hannoversche Katechismus121. In der Weise, wie Ewald eine Verhältnisbestimmung von Bibelgeschichte und Katechismus vornimmt, die Bibel zum Grundstein aller Theologie und Pädagogik neu erhebt und ein Programm der gegenseitigen Explikation von Katechismus und Bibel entwirft oder zumindest anlegt, ist er mit der Pädagogik von orthodox-lutherischen Theologen wie Johann Hübner und Gottfried Hoffmann durchaus zu vergleichen122. Allerdings zeigt sich ein gravierender Unterschied: Benennt Hoffmann den Katechismus als den Ausgangspunkt aller pädagogischen Bemühungen, von dem aus die biblischen Geschichten weiterführend behandelt werden sollen, um diese wiederum in das Gerüst des Katechismus einzufügen, so kehrt Ewald diese Reihenfolge um. Ihm ist die Bibelgeschichte das Fundament der katechetischen Unterweisung. „Sie wissen, daß ich den Katechismen, als Lehrbüchern, ihren Werth gar nicht streitig machen will. Hab' ich mich ja öffentlich dafür erklärt! Aber nicht durch einen Katechismus, sondern durch Bibelgeschichte, muß der Grund zu religiöser Bildung gelegt werden. Bibelgeschichte soll man nicht auf einen Katechismus, sondern den Katechismus auf Bibelgeschichte bauen"123. Daher möchte 118

Ebd., p57. Vgl. Fraas, H.-J., Art. Katechismus, TRE 17, p710-721. 120 Herder, J.G., Luthers Katechismus, zuerst 1798. Vgl. ders., Werke, Bd. 30, p302-392. 121 Katechismus der Christlichen Lehre. Der Hannoveraner Katechismus bietet zunächst die fünf Hauptstücke, allerdings ohne Luthers Erklärung, fährt fort mit einer „Ausführlichen Erklärung der Christlichen Lehre" (p6-146) in acht weitläufigen Abschnitten, wobei der Aufbau eindeutig aus der Loci-Dogmatik übernommen ist. Es folgt eine „Kurze Religionsgeschichte" (pl47-167) und eine Auswahl von Choralversen zu den einzelnen Fragen (pl67-180). Im Anhang daran erst taucht Luthers Erklärung der fünf Hauptstücke auf (pl80ff). Das Buch endet mit einer Einmaleins-Tafel. 122 Vgl. Kap. II, 4. 123 Ewald, Bibelgeschichte, ρ 153. 119

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Ewald dem Katechismus seinen ursprünglichen, reformatorischen Sitz im Leben wieder anweisen: nämlich die Katechisation durch den Pfarrer. Für sie nämlich waren die reformatorischen Katechismen konzipiert worden und sind erst mit dem Aufkommen der sog. Küsterschulen in den Schulbetrieb gelangt. Daher möchte Ewald, „daß in den Schulen [...] gar kein Katechismus gebraucht, sondern blos Bibelgeschichte erzählt, und gewählte Bibelstellen, auch schöne Verse aus den [!] Gesangbuch auswendig gelernt"124 werden. Ewald weiß darum, daß die Hinübernahme des Katechismus in die Schule die Lehrer oft rein inhaltlich überforderte, daß daher der Katechismus manchenorts zum reinen Pauk- und Memorierbuch wurde. Daher gilt vom Katechismus: „Seine Erklärung muß den Predigern überlassen werden, und die Kinder sollten ihn in der Schule auch nicht auswendig lernen, weil er ihnen hier nicht erklärt werden kann"125. Auch hierin greift Ewald auf die reformatorische Pädagogik zurück, indem er neu thematisiert, inwiefern der Katechismus sein notwendiges Korrelat in der Gattung der Katechismus-Predigt hat. Ewald selbst hat diese Gattung neu zur Geltung gebracht, indem er seine „Predigten über die wesentlichsten und eigenthümlichsten Lehren des Christenthums"126 nicht nur an den klassischen dogmatischen loci entlanggehend hielt, sondern sie auch als Vorbild für andere Pfarrer sowie für den Hausgebrauch in zwölf recht umfangreichen ,Heften' edierte127. Deswegen also soll der Katechismus-Unterricht dem Pfarrer vorbehalten bleiben, „weil die Lehrer in den Trivialschulen meist zu wenig Kenntniß von dem Geist der Religion haben, um diesen Unterricht geben zu können. Die Kathechisation der Prediger, ihre Vorbereitungen zur Konfirmation sind auch eine Art von Schulen; aber wie viel Gutes haben sie schon gewirkt!"128. Ewald benennt nicht bloß das Desiderat, daß Bibellektüre und narrative Vermittlung der biblischen Inhalte in der Schule betrieben werden müßten, sondern er entläßt sich nicht aus der Verantwortung, auch konkrete Anweisungen und Ratschläge für Lehrer zu geben, wie man nun solchen Unterricht zu 124

Ders., Etwas über Catechismen, p55. Ewald, Kurze Anweisung (Bibl. Nr. 282), p25. 126 Bibl. Nrr. 27-29. 55. 56. 66. 69. 134. 185. 293. 294. 127 Ewald verhandelt hier die wichtigsten klassischen loci der Dogmatik im Sinne einer von ihm angestrebten biblischen Dogmatik in homiletischer Umsetzung. Die Erlösungslehre und die Christologie nehmen recht breiten Raum ein (Heft 2, 3 und 5). Die Schöpfungs- und Sündenlehre wird in Heft 9 und 10 abgehandelt, die Eschatologie in Heft 11 und 12. Heft 6 thematisiert die Pneumatologie und Heft 8 die vocatio und conversio des Menschen zum Glauben, von dem eigens in Heft 4 bereits die Rede ist. Heft 1 enthält Katechismuspredigten zum Vaterunser, Heft 7 behandelt die Wunder und die zeitgenössische Kritik an ihnen (vgl. u. Kap. III, 6). Vgl. zum Zusammenhang: Jetter, W., Art. Katechismuspredigt, TRE 17, p744-786, wo Ewald allerdings keine Beachtung findet. 128 Ewald, Geist und Vorschritte (Bibl. Nr. 290), p242. 125

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konzipieren hat. Hatte Luther nicht nur die ,Einfältigen' zu Schülern des Katechismus gemacht, sondern den lehrenden Pfarrern ebenfalls einen Katechismus geschrieben, damit auch sie zu Schülern würden, so bemüht sich Ewald nun nicht nur um biblisch-katechetische Schulbücher für die Schüler, sondern er ergänzt diese Bemühungen dadurch, daß er auch die Pädagogen selbst unterweist. Daher entwirft Ewald mit seiner Schrift „Kurze Anweisung auf welche Art die Jugend in den niederen Schulen zu unterrichten ist" ein kurzgefaßtes Programm einer materialen Pädagogik für die Trivialschulen129, mit der er sich als Pädagoge an die Pädagogen wendet. Dabei geht Ewald grundsätzlich von der Bibel aus, indem das Lesen vornehmlich anhand von biblischen Texten gelernt werden soll. Die Trivialschule umfaßt drei Klassen; in der untersten wird das Buchstabieren gelernt, in der mittleren das Zusammensetzen der Silben und in der obersten das flüssige Lesen von biblischen Texten. Das Lesenlernen ist nach Ewald kein bloß formaler Lernakt, sondern ist bereits inhaltlich ausgerichtet auf die Bibel. Lesenlernen ist zuerst die Befähigung dazu, später die Bibel selbständig lesen zu können. Die Lehrer sollen darauf achten, daß die Kinder von Anfang an dazu angehalten werden, auch zu verstehen, was sie lesen, damit nicht durch ein verfehlt mechanisches Lesenlernen eine mechanische Bibellektüre im Erwachsenen-Alter vorprogrammiert wird. „Wenn sie größer werden, so lesen sie wol manchmal eine halbe Stunde in der Bibel, und wissen nicht, was sie gelesen haben. Und das wisset Ihr doch selbst, daß alles Lesen gar nichts helfen kann, wenn man nicht verstehet, was man lieset"130. Geleitet wird Ewalds Bibelpädagogik also von der biblischen Kontrollfrage verstehest du auch, was du liesest' (Apg 8,30), die Philippus dem Mohren stellte und ihm die gelesene Stelle (Jes 53,7f) auslegte. Der gelesene Bibelabschnitt soll nach Ewald redundant eingeprägt werden, und zu diesem Lernschritt soll eine andere Lehrform gewählt werden sowie eine andere Textform. So soll der Lehrer den soeben gelesenen Bibelabschnitt mit eigenen Worten nacherzählen, wobei ihm das von Ewald verfaßte biblische Lesebuch131 als Vorbereitung der eigenen Erzählung dienen soll. Schon hier zeigt sich also, daß Ewald seine verschiedenen Bibelgeschichten nicht als einen Ersatz für die Bibel ansieht, sondern daß es ihm um ein Miteinander von beidem geht. In der Nacherzählung biblischer Texte soll die Bibel amplifiziert und dabei um so stärker auf den biblischen Text selbst verwiesen werden. „Die Geschichte, die eben ist gelesen worden, erzälet Ihr nun den Kindern. Nicht, daß Ihr sie wieder aus der Bibel herleset [...] das würde lange nicht so viel Eindruck auf die Kinder machen, als wenn Ihr sie ihnen so erzälet, wie 129 130 131

Vgl. zum Thema: Sprenger und o. Kap. I, 6. 13. 18. Ewald, Kurze Anweisung, p21. Ders., Lesebuch für die Landschulen (Bibl. Nr. 38).

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eine andere Geschichte, die etwa in einem benachbarten Städtchen oder Dorfe, vor kurzer Zeit geschehen wäre"132. Auch hier geht es Ewald also um eine Veranschaulichung des biblischen Stoffes durch Vergegenwärtigung und Verlebendigung der jeweiligen Geschichte. Dabei ist zu beachten, daß Ewald seine Bibelgeschichte nicht primär oder nicht nur als eine Fibel verstanden wissen will, sondern auch als Material, das der Präparation des Lehrers auf seine selbständige Nacherzählung des jeweiligen biblischen Textes dienen soll. Ewalds Lesebuch ist also Schulbuch und Lehrerheft gleichzeitig: „Ihr müßtet Euch Ewalds Lesebuch oder eine andere biblische Geschichte anschaffen, in der die nöthigen Erläuterungen gleich in die Erzälungen eingeflochten sind. Des Abends vorher müßtet Ihr die Geschichte in diesem Buche oder in der Bibel durchlesen, daß sie Euch recht bekannt wird [...] Wenn ihr sie aber einmal wisset, so kommt es auf die Worte nicht an, mit denen Ihr sie erzälet. Denn nicht in den Worten unsrer Bibelübersetzung, sondern in den Sachen liegt die Fürtrefflichkeit und Göttlichkeit der Geschichten"133. Ewald plädiert also für ein Wechselspiel zwischen Textbindung in der ersten Lektüre des biblischen Wortlautes und einer sich frei hieran anschließenden narrativen Repetition desselben durch die Nacherzählung des Lehrers, die mit eigenen Worten geschieht. Ewald will dabei von den Lehrern die Kontextualität der einzelnen Geschichten beachtet wissen, „daß er [seil, der Lehrer; A.S.] aus der Bibelgeschichte keine abgerissene Stücke mache, sondern sie zusammenhängend darstelle"134. Notwendiges erzählerisches Mittel ist - damit die oft recht knappen biblischen Perikopen nicht an den Kindern vorbeirauschen - das der amplificado. „Die Geschichte darf also nicht obenhin und kurz, sie muß mit allen kleinen Umständen erzält werden. Die Menschen müssen reden und sagen, was sie in der Bibel sagen"135. Daher gilt als Prinzip in methodischer Hinsicht, wörtliche Reden nicht in indirekte umzuarbeiten, sondern sie um der lebendigen Erzählung willen zu belassen. Eine Vergegenwärtigung des Stoffes, der erzählt werden soll, ist nur möglich, wenn der Erzähler sich zunächst selbst in die Geschichte hineinbegibt und zum Zeugen des in der Geschichte Vorgehenden wird. „Und der Lehrer muß sie erzälen, als ob er selbst gegenwärtig gewesen wäre"136. An die Nacherzählung soll ein in Frage und Antwort sich vollziehendes Unterrichtsgespräch angeschlossen werden, um den Lernertrag zu sichern und die Geschichte dem Gehirn einzuprägen. Am folgenden Tag soll die Geschichte dann noch einmal thematisiert werden. „Wiederholet immer die Geschichte den folgenden Tag"137. Obendrein sollen die Kinder durch Hausaufgaben dazu angehalten werden, sich die Geschichte zu Hause noch einmal 132 133 136

Ders., Kurze Anweisung, p21. 134 Ebd., p21f. Ebd., p22. 137 Ebd., p23. Ebd., p24.

135

Ebd., p22f.

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in Erinnerung zu rufen. Schließlich mündet jeder Lernvorgang zu einer jeden Geschichte in das Memorieren von Kernstellen. Bei aller Abneigung Ewalds gegen ein bloß mechanisches Auswendigpauken darf nicht übersehen werden, daß er sehr wohl der Meinung ist, daß eine so intensiv biblisch sich gestaltende Pädagogik notwendigerweise ein Ziel auch in der Übung des Gedächtnisses hat. „Allein es ist doch immer besser, wenn sie auch verstehen, was sie auswendig lernen, weil sie sonst das Gelernte nicht wie Menschen, sondern wie Papageien hersagen"138. Verstand und Gedächtnis müssen daher gleichermaßen geschult werden. Gegenstand des Auswendiglernens sind „deutliche, kräftige, vielumfassende Bibelstellen, und recht kräftige, sowohl belehrende als warnende, ermunternde und tröstende Lieder, aus einem Gesangbuch"139. In dieser Hinsicht steht Ewald sehr stark in der Tradition der orthodoxen Bibelpädagogik, die die Gattung der Kernspruchsammlung als pädagogisches Mittel eingesetzt hat, darüber aber genauso wenig den biblischen Kontext vergessen hat140. Und auch hierin ist Ewalds biblische Methode orthodox, daß sie die sich auf 2Tim 3,16 und Rom 15,4 gründende usus-Lehre übernimmt und Warnung, Ermunterung, Tröstung und Lehre als die wahre Gestaltwerdung der applicatio biblischer Texte nennt141. Zusammenfassend ist zu sagen, daß Ewald eine höchst intensive Bibelpädagogik entwirft, in der in durchaus orthodoxer Weise die Bibel als Fundament aller materialen Pädagogik zum Tragen kommt. Es ergänzen sich hier die Lektüre des Bibeltextes, die Nacherzählung, das Lehrgespräch und das Gesangbuch gegenseitig. Biblische Redundanz ist wie in der orthodoxen Pädagogik das vornehmliche Stilmittel, das zum pädagogischen Prinzip erhoben wird. Dabei bilden die pädagogischen Medien Bibel, Bibelgeschichte und Katechismus, sowie das Gesangbuch eine unauflösbare Einheit wie in der orthodoxen Lehrmethode auch. Es ist lediglich eine leichte Akzentverschiebung zugunsten einer Vorrangstellung der Bibelgeschichte vor dem Katechismus zu konstatieren. Die bisher gängige Behauptung jedoch, Ewald habe als bloß aufgeklärter Pädagoge den Katechismus fallen gelassen, um sich von dogmatischem ,Ballast' zu befreien, ist verfehlt und hat keinen Anhalt an den Quellen.

138

139 140 Ebd. Ebd., p25. Vgl. Kap. II, 4. Vgl. etwa Piscator, J., EXEGESIS, pl4: „2.Tim.3.v.l6. Tota scriptum divinitus est inspirata [...] Rom. 15.V.4. Quae antè scripta sunt, ad nostram doctrinam antè scripta sunt: ut per patientiam & consolationem scripturarum spem illam teneamus." 141

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4. Verortung der theologischen Pädagogik Ewalds I: Die biblische Pädagogik der orthodoxen Theologen J. Hübner und G. Hoffmann und Ewalds Verwandtschaft mit ihr An Johann Hübners „Zweymahl zwey und funffzig Auserlesene[n] Biblischein] Historien Aus dem Alten und Neuen Testamente, Der Jugend zum Besten abgefasset" kann gelernt werden, wie stark die Pädagogik eines Vertreters der altprotestantischen Orthodoxie versuchte, den Katechismus auf die Bibel zu beziehen und ihn biblisch zu erklären. Denn Hübner ist derjenige Theologe gewesen, der die katechetische Frage-Antwort-Methodik auf die Bibelgeschichte übertragen hat. Hübner schließt sich an Luther an, indem er den Kleinen Katechismus als einen Auszug der Heiligen Schrift versteht. Der Katechismus darf nicht alleine bleiben, sondern steht aufgrund dieser Einsicht von vorneherein in einem hermeneutischen Konnex mit der Bibel. Zwischen Bibel und Katechismus gibt es eine ständige Wechselwirkung und wechselseitige Auslegung. „Wie der Catechismus ein kurtzer Auszug der gantzen heiligen Schlifft ist: Also will er auch hauptsächlich durch Schrifft erkläret seyn"142. Der Katechismus ist die Struktur, nach der die biblischen Inhalte und Lehren geordnet und zusammengefaßt werden können. Aber die kurzen Sätze müssen wieder in die biblische und breite Materialität entlassen werden. Der Katechismus-Unterricht ist daher nach Hübner ein erzählerisch-spielerischer. Hübner bezieht sich auf seine eigenen pädagogischen Erfahrungen, in denen er immer wieder gemerkt habe, „was [...] die Biblischen Historien dem Catechismo vor ein Licht geben"143. Hübner weiß sehr genau, daß der Katechismus Luthers in der Gefahr steht, mißbraucht zu werden. Der Mißbrauch, den Hübner konkret vor Augen hat, besteht darin, daß der Katechismus stur auswendig gepaukt wird, ohne daß die Schüler sich einen Begriff davon machen können, worin die Bedeutung der angesprochenen Sache liegt. Die Kritik daran, daß der Katechismus bloß nach dem Buchstaben gelehrt wird, ist also keine Erfindung aufgeklärt-kritischer Geister, sondern wird schon lange vorher bei Hübner laut. „Wir können es ja dem seligen Luthero nicht genung verdancken, daß er uns den lieben Kinder=Catechismum in Frage und Antwort gestellet hat"144. Hübner wendet sich gegen einige Lehrer und deren mechanische und unreflektierte Lehrmethode. „Es hat aber dieses theure Büchlein gar offte das Unglücke, daß es von den Kindern nur überhin auswendig gelernet, aber denselben nicht gründlich erkläret wird"145. Hübner kritisiert diese Oberflächlichkeit, die bewirkt, daß „erwachsene Leute ertappet [werden], die eins und das andere aus dem 142 144

Hübner, Vorrede, p2r. Ebd., plv.

143 145

Ebd. Ebd.

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Catechismo entweder gar nicht verstehen, oder sich doch eine gantz falsche Auslegung nach ihrem eignen Sinne darüber gemacht haben"146. Hübner schreibt seine Biblischen Historien, um den Katechismus Luthers in Kraft zu setzen, ihn zur Geltung zu bringen und ihn erzählerisch vor dem Mißbrauch zu bewahren. Denn es gilt, „um des lieben Catechismi willen keine Zeit [zu] versäumen [...], den Kindern die Biblischen Historien bekannt zu machen"147. Deswegen überträgt Hübner die klassische Lehrmethode des Katechismus, nämlich den dialogischen Frage-Antwort-Wechsel auf die Bibelnacherzählung und führt so eine Synthese von Katechismus und Bibelgeschichte herbei. Dabei geht es Hübner mit seinen „Deutlichen Fragen", den „Nützlichen Lehren" und den „Gottseligen Gedancken", die er einer jeden Nacherzählung anhängt, nicht darum - wie man auf den ersten Blick vermuten könnte - , das sture Auswendigpauken nun doch wieder durch die Hintertüre einzuführen. Sondern er will einen selbständigen Umgang der Schüler mit den Bibeltexten ermöglichen. „Darnach habe ich unter dieser Historie vom verlohrnen Sohn sechs und zwantzig Fragen beydrucken lassen, aber ohne Antwort, damit sie nicht etwan zum auswendiglernen sollen gemißbrauchet werden"148. Die Fragen dienen vielmehr dazu, daß die Schüler nach der ersten Lektüre am Leitfaden der Fragen entlang in den Text der Geschichte zurückfragen können. Jede einzelne Frage bezieht sich konkret auf einen bestimmten Vers oder Satz der Geschichte. „Solcher gestalt kan sich erstlich ein iedwedes Kind, das nur die Ziffern kennt, selber Raths erholen, was es auf eine und die andere Frage zu antworten hat"149. Die Fragen dienen dem Lehrer weiter dazu, einen Dialog mit den Schülern zu eröffnen und die Erzählung zum Gegenstand eines Gespräches zu machen. Erstes pädagogisches Mittel ist das der Redundanz. Die Geschichte soll wiederholt gelesen werden, und für jede Historie ist eine eingehende Behandlung geplant, denn auf eine Woche Schulunterricht entfällt jeweils eine einzige Historie. Durch diese ständige Wiederholung, die ergänzt wird durch die repetierenden Frage-Antwort-Wechsel, prägt sich die Geschichte den Kindern ein, so daß sie endlich zum Gut und Besitz der Kinder wird, das sie auch auswendig hersagen können. „Ich habe dieses mit vielen Kindern selber probiret, und habe es offt bey guten Köpffen so weit gebracht; daß sie mir in wenig Tagen eine gantze Historie, ohne die geringste Beschwerung ihres Gedächtnisses, von Worte zu Worte auswendig haben hersagen können"150. Die sich an die Fragen anschließenden Lehren dienen dazu, den „Verstand des Kindes" zu üben, „daß es einer solchen Geschichte nachdencken, und die darinnen verborgenen Wahrheiten durch den Gebrauch seiner Vernunfft her146 148 150

Ebd. Ebd., p3r. Ebd., p3v.

147 149

Ebd., p2r/v. Ebd.

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aus suchen lernet"151. Der Schulunterricht hat nach Hübner sein Korrelat und seine Kontinuität im Hausunterricht, in dem das Priestertum aller Gläubigen Gestalt gewinnt. Der Stoff der in der Woche in der Schule thematisierten Bibelgeschichte soll am Wochenende zu Hause repetiert werden. Hübner hat kein bevormundendes Verständnis von Pädagogik, sondern ein freiheitliches, denn es geht ihm darum, die jungen Menschen zu einem eigenständigen Umgang mit der Bibel anzuleiten. Sie sollen in der Schule dazu vorbereitet werden, daß sie sich auch mit noch fremden, unbekannten Bibelgeschichten bekannt machen können. Die Bibelgeschichte ist also ein Medium, das zu eigenständigem Lesen und Verstehen der Bibel führen soll, ohne dabei den Katechismus auszuschalten. Bemerkenswert ist, daß Hübner eine einfache, aber eine in ihrer Einfachheit bestechende und hochreflektierte Bibelpädagogik entwickelt. Zunächst wird die jeweilige Bibelgeschichte gelesen, dann kann sich der Schüler durch Rückfragen in den Text auf das Lehrgespräch vorbereiten; die Geschichte wird immer wieder gelesen, der Inhalt derselben durch Fragen wiederholt, um dann die Lehren des Textes wieder ausgehend von der Textgrundlage zu erheben. Der Verfasser der ministerial-hamburgischen Vorrede zu Hübners Biblischen Historien weist eigens noch einmal auf das pädagogische Proprium Hübners, auf den Frage-Antwort-Wechsel, hin. Diese Methode wird hier als diejenige dargestellt, die sich in der Bibel selbst schon findet, nämlich in der Geschichte vom zwölfjährigen Jesus im Tempel. „Es hat hiebey auch das Kind JEsus insonderheit jungen Leuten ein erbauliches Exempel geben wollen, wie sie von Kind auf mit leichter Mühe die heilige Schlifft lernen und wissen möchten, und dadurch die Unterweisung zur Seligkeit zu erlangen, durch den Glauben an Christo JEsu, 2.Tim.3.v.l5. nemlich, wenn sie sich lassen angelegen seyn, fleißig nach GOttes Wort zu fragen"152. Gott ist selbst Mensch und Kind geworden, um die Frage-Methode einzuüben, eine Methode, die auch in der jüdischen Lehrart eine gewichtige Rolle spielt153, wiewohl Jesus nicht selbst des Unterrichtes bedurfte, da er ja nach der göttlichen Natur allwissend schon als Knabe war. Jesus fragte die Lehrer im Tempel „nicht, daß er Unterweisung bedürffte, denn in ihm lagen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkäntniß, Col.2 v.3. welches auch bald aus seiner Verwunderungs-würdigen Antwort erhellete"154. Der Vorredner würdigt Hübner in seinem Geschick, Fragen stellen zu können, denn schon diese Befähigung, eine Frage formulieren zu können, bedarf einer vorangegangenen Reflexion der Sache, die erfragt werden soll. „Daher die alten und neuen Weltweisen eine 151 152 153

Ebd. Ebd., Ministerialvorrede, p6v. 154 Ebd., p5v. Ebd., p6r.

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kluge Frage schon als eine halbe Wissenschafft rechnen, und wann die begründete Antwort hinzu kommt, so wird dem Erkänntniß unvergleichlich geholffen"155. Diese Frage-Antwort-Methode, die vom Katechismus-Unterricht herkommend auf die Pädagogik der Bibelerzählung übertragen „eine sonderbahre und fast neue Art"156 ist, ist dazu geeignet, den Kindern die Bibel „gleichsam spielend beyzubringen"157. Auch hier wird noch einmal unterstrichen, daß die Fragen nicht Gegenstand mechanischen Auswendiglernens sein sollen, sondern zur Relektüre der jeweiligen Bibelgeschichte anleiten sollen. „Wenn aber diß geschehen, und nachher die Fragen hinzu gethan werden, so findet sich in der Geschichte zugleich begründete Antwort, die man mit Lust zum andernmahl lieset, und sie also dem Gedächtniß desto fester einverleibet"158. Wie später bei Ewald ist also die Redundanz das erste pädagogische Gebot, und das Memorieren ergibt sich hieraus von selbst. Hübner wendet sich dem reformatorisch-hermeneutischen Prinzip zu, demzufolge Bibeltexte durch Bibeltexte auszulegen sind, und macht darauf aufmerksam, daß der Katechismus als Auszug der Hl. Schrift durch biblische Texte zu explizieren sei. Eher die eigene Ablehnung gegen den Katechismus offenbarend als sich auf den Quellenbefund stützend behauptet Christine Reents, es sei zusammenfassend. [...] festzustellen, daß Hübners Biblische Historien von der katechetischen Tradition des Pfarramtes unabhängig"159 seien, „auch wenn sich gelegentlich Hinweise auf Luthers Kleinen Katechismus finden"160. Ohne eine Untersuchung des theologischen Gehaltes der Historien im eigentlichen Sinne vorgelegt zu haben, meint Reents, Hübner „zwischen lutherischer Orthodoxie und Frühaufklärung"161 verorten zu können, um ihn andernorts dann doch wieder als im Gegensatz zu solcher Frühaufklärung stehend zu sehen. „Die Intensivierung des Bibelgebrauchs in der Erziehung in der Epoche nach dem Dreißigjährigen Krieg läßt sich als Zusammenspiel religionspolitischer, biblisch-theologischer und pädagogischer Bestrebungen verstehen und damit zugleich als eine Antwort auf den Pluralismus der Frühaufklärung"162. Reents sieht den Zweck der von ihr behaupteten Bibelrenaissance in einer sehr vereinseitigenden Art in staatstragender Funktion, wobei hier ein verkürztes Verständnis der Lehre von den 155

156 Ebd., p6v/7r. Ebd., p7r. Ebd. Vgl. die Bedeutung des Spieles bei Luther, der anstrebt, „das die Kinder mit lust vnd spiel leren künden / es seyen sprachen odder ander künst odder historien" (An die Ratsherren aller Städte deutsches Lands, BoA 2, p457). Vgl. auch Comenius, J.A., Große Didaktik, p83: „Es ist also gut, auch in die tägliche Arbeit irgendwelche Erholung durch Plaudern, Spielen, Scherzen, Musizieren und ähnliches, was die äußeren und inneren Sinne erquickt, einzuschalten." 158 Hübner, Historien, Ministerialvorrede, p7r. 159 Reents, Chr., Nachwort, p22. 160 161 162 Ebd. Ebd., pl9. Ebd., p7. 157

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beiden Regimenten durchbricht. Bibelkenntnis sei „staatsnotwendige Bildungsvoraussetzung der lutherischen Untertanen"163 gewesen, denn „dem Christentum lutherischer Prägung kam staatstragende Funktion zu"164, und hierbei sei es wichtig gewesen, „zur Abwehr religiöser Privatmeinungen"165 zuzurüsten. Daß es Hübners Absicht gewesen sein könnte ( - die er ja in seiner Vorrede sehr deutlich zum Ausdruck bringt -), die Menschen ihres Glaubens durch biblisch-katechetische Bildung zu vergewissern, ihnen das zum Glauben und mithin zur Seligkeit notwendige Wissen in Gestalt der Hl. Schrift zu vermitteln, kommt in der abständigen Betrachtung durch Reents nicht in den Blick. Reents sieht die Bibel einseitig „als moralisches Fundament des bürgerlichen und politischen Lebens"166 und trägt damit einen Moralismus in die Betrachtung der theologischen Pädagogik Hübners hinein, der als angemessenes Vorverständnis der Biblischen Historien Hübners jedoch nicht angesehen werden kann. Geltung kann die Bibel nach Reents nicht als ein Buch beanspruchen, das Glaubensgewißheit vermittelt; und obendrein besteht die moralische Geltung der Bibel ihrer Meinung zufolge auch nur aufgrund der analogen soziologischen Struktur, die sowohl zur Zeit der Abfassung der biblischen Texte als auch in der vorindustriellen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts herrschte, „zumal die agrarischen Lebensverhältnisse in biblischer Zeit auf mitteleuropäische Verhältnisse noch direkt übertragbar schienen"167. Daß eine Notwendigkeit, die Bibel immer neu zu erzählen, gerade deswegen bestehen könnte, weil Gott in ihr sichtbar und geschichtlich handelt und sie sich nur deswegen in heutige Kontexte hinein in Erinnerung bringen kann, vermag Reents nicht zu sehen. Es ist obendrein schon rein historisch betrachtet unzutreffend, daß es erst im vermeintlichen Gegenzug zur Frühaufklärung und deren Pluralismus zu einer Intensivierung der Bibelpädagogik gekommen ist. Es trifft auch nicht zu, daß die Einrichtung der Biblischen Historien Hübners bloß eine Reaktion auf die soziale Gegebenheit gewesen ist, daß sich im Zuge der Frühindustrialisierung (Anfang des 18. Jahrhunderts!) das häusliche und berufliche Leben voneinander zu entfremden begannen168. Denn es ist immer wieder das Bestreben schon der Reformatoren Luther und Bucer etwa gewesen, gegen die elterliche Trägheit anzugehen, die ihre Kinder lieber nur in leiblicher, nicht aber in seelischer Hinsicht erziehen wollten, und zur biblisch-katechetischen Erziehung der Kinder auch durch die Eltern aufzurufen169. 163

164 165 Ebd., p3. Ebd., p2. Ebd., p3. 167 168 Ebd., p4. Ebd. Reents, Chr., Bibel, p38-41. 169 Schon Bucer mußte vehement über die schon in den ersten Jahrzehnten nach Einführung der Reformation in Straßburg gähnend leeren Kirchen und Katechismusstunden klagen. Die permanente Bemühung der reformatorischen und orthodoxen Pädagogik kämpft nicht gegen ein vermeintliches frühindustrielles Auseinandertreten des familiären 166

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Eine Intensivierung der Bibelpädagogik war indes auch aus dem einfachen Grund nötig geworden, weil der Dreißigjährige Krieg das kirchliche Leben zum Darniederliegen gebracht hatte. So konstatiert Justus Gesenius schon einen schwerwiegenden Mangel an Bibelkenntnis und konzipiert eine Pädagogik, in der wie später bei Hübner ebenfalls Katechismus und Biblische Geschichte aufeinander bezogen sind. „Solchen grossen Mangel abzuhelffen / und das Christenthumb desto besser fort zu pflanzen" haben die Landesherren von Braunschweig und Lüneburg angeordnet, „daß all und jede Jugend (Knaben und Mägden) in den Städten und auf dem Lande / (nachdem es leider in den KriegsJahren sehr in Abgang kommen war) den Catechismum mit Verstände beten / und gedruckte Schlifft lesen lernen sollen"170. Katechismusund Bibel-Kenntnis sind nach Gesenius die notwendigen Grundlagen für den Gottesdienstbesuch und das Verstehen der Predigt171. Daher hatte Gesenius bereits Katechismusfragen zu Luthers Kleinem Katechismus herausgegeben, um dieses Lehrbuch wieder in Gebrauch zu bringen172. Durch diese Medien zugerüstet können die Kinder „mit grösserem Nutzen die Historien aus der Bibel auf öffentlicher Cantzel" hören und werden „Lust und Begierde bekommen [...] in der Bibel selbst / unnd zwar nicht allein die Historien / sondern auch die andern und übrigen darin begriffenen Schrifften fleißig nachzulesen"173. Ähnlich wie Hübner will auch Gesenius durch seine Bibelnacherzählung die Schüler zur selbständigen Bibellektur anleiten. Zwar bietet Gesenius nicht wie Hübner einen Fragekatalog, anhand dessen die Lektüre der Geschichten repetiert werden könnte. Aber doch legt Gesenius den Pädagogen eben diese Methode nahe. Wegen des einprägenden Effekts empfiehlt Gesenius den Frage-Antwort-Wechsel. Die Kinder sollen „hernacher [...] examinirt und befraget [werden] / damit sie nicht allein mit rechter und ernster Auffmerckung sie [seil, die Historien; A.S.] anhören / besonders auch vermittelst solcher Fragen und Antworten / die Geschichte desto fester in / Gedächtniß zu und beruflichen Lebens, sondern gegen die dem Menschen nun einmal eignende Trägheit insgesamt: „Denn ob wol vnsere kirchen mitt ettwas duechtigen vnd treuwen Dienern, wie wir hoffen, gnugsam noch zur zeit versehen ist, So ist doch jnn den andern stucken großer mangel. Die predigen werden gar vnvleissig besuchtt, das kirchen gesang gadt schier gar ab, keine ernstliche bettag werden, wie wol von nöten, gehaltten, die kinder vnd andere jugent wirt zum Catechismo wenig vnd schwerlich brachtt, das man zur selbigen zeit ein größern hauffen vff der gaßen hin vnd widder finden soltt dann in der kirchen. Das almusen zu vnderhaltung der durfftigen wirt karcklich gegeben" (Bucer, M., Deutsche Schriften, Bd. 17, pl80). 170 Gesenius, J., Biblische Historien, pallv. 171 Ebd., palllr. 172 Ders., Catechismus=Fragen. 173 Gesenius, Biblische Historien, palVr/v.

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fassen genöthiget wird"174. Im Grunde hat Hübner nur das als Fragen zu einer jeden Historie explizit ausformuliert, was Gesenius noch den Lehrern überlassen hat, wenn er fordert, daß „der Lehrmeister oder die Lehrmeisterinne darauff fleißige Nachfrage halte / zum Exempel / wie hieß dieselbige Person / die das und das thete?"175. Gesenius, der - ebenfalls in der Tradition des Kleinen Katechismus Luthers stehend - wie später Hübner und Ewald seine Bibelgeschichte einen „Auszug"176 aus der Schrift nennt, ermahnt die Lehrer dazu, beim Nachfragen, beim Katechisieren der Geschichten auf die Fassenskraft der Schüler zu achten, da es auch Schwächere gebe. Gesenius denkt von den Schülern her und von deren verschieden stark ausgeprägten intellektuellen Gaben. Hier steckt ein seelsorgliches Motiv in der Pädagogik Gesenius', wenn er die typisch reformatorische Ermahnung, die Schwachen zu schonen und nicht zu verwirren177, auf die Pädagogik überträgt und die Lehrer daran erinnert, daß sie „nicht allein die Schafe / sondern auch die Lämmer weiden müssen / und vergebens auff folgige und gehorsame Schafe warten / wenn sie nicht auch der Lämmer zu gehöriger Zeit haben gebührlich pflegen helffen wollen"178. Schon mit der Lektüre der Bibelgeschichte will Gesenius die Kinder möglichst nahe an die Luther-Bibel heranführen, damit der Übergang zur eigenständigen Lektüre der Bibel ein gleitender sein kann. Daher erklärt sich die sehr starke Anlehnung von Gesenius' Bibelauszug an den Text der LutherBibel. „Wer demnach diß Buch lieset / der wird damit von der Bibel nicht weggebracht / sondern er lieset die Bibel / weil das jenige / das drinnen stehet / alles mit einander von Worten zu Worten aus der Bibel genommen ist"179. Gesenius hat sowohl das AT als auch das NT in 54 Historien abgeteilt, damit alles bequem in einem Jahr - jeweils sonntags - gelesen werden könne. Die Zahl von zwei mal 54 entsteht dadurch, daß je eine atl. und ntl. Geschichte auch auf Himmelfahrt und Ostermontag entfallen180. Es könnte aber - so Gesenius - auch anders verfahren werden: Man könnte auch in einem Jahr nur z.B. die atl. Historien behandeln und parallel dazu den Katechismus durchgehen, was noch einmal die enge Verschränkung von beidem in der orthodoxen Pädagogik veranschaulicht. Auch Gesenius entwirft kein starres System mit zwanghafter Methode, sondern er ist sich dessen bewußt, daß die Lehrformen alterieren müssen, um die Aufmerksamkeit der Schüler zu erhalten und zu fördern. Lesen, FrageAntwort-Dialog und Singen von Chorälen sollen einander abwechseln, da „es umm das Gehör des Menschen ein zartes und eckelhaftes Ding ist / und 174 177 178 180

175 176 Ebd., pbVv/VIr. Ebd., pbVIr. Ebd., pbVIIr. Vgl. Luther, Invokavitpredigten, StA 2, p520-558. 179 Gesenius, Historien, pbVIr. Ebd., pbVIv. Vgl. ebd., pblllv.

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dasselbe lange zuzuhören leichtlich müde wird. Damit nun eine Abwechselung mit lesen und singen gehalten werden könte / und die attention und Aufmerckungen durch das dazwischen singen erfrischet / und das Gedächtnüß desto weniger beschweret werden möchte; so habe ich eine solche Theilung gemacht / daß jede Lection zwey Theile hat"181, nämlich Lesen und Gesang von Chorälen, die Gesenius zweckmäßig zu einer jeden Lektion ausgesucht und aufgelistet hat. Es mag sein, daß das Lehrbuch von Hübner mißbraucht worden ist und somit genau dem Mißbrauch zum Opfer gefallen ist, den Hübner selbst hatte verhindern wollen. Aber kein Lehrbuch kann als Buch verhindern, daß es gegen seine pädagogische Intention benutzt wird. Jedenfalls wird man nicht so leicht wie Reents aus einem einzelnen Bericht über eine inadäquate Benutzung des Hübnerschen Lehrbuches182 darauf schließen dürfen, daß der von diesem Buch ausgegangene Unterricht überhaupt und generell ein starrer gewesen ist. „Bei Hübner fragt der Lehrende, nicht der Lernende, dieser antwortet nur in einem eng umgrenzten Rahmen, er entwickelt nichts Neues, nichts Eigenständiges. Nach heutigem Urteil handelt es sich um eine ermüdende Selbsttätigkeit in engen Grenzen"183. Reents übersieht hier, daß sich die Methodik Hübners nicht in diesem repetierenden Fragen erschöpft, sondern daß es Hübners Ziel ist, die Verstandestätigkeit des Kindes anzuregen. Hübner richtet seine Methodik auf die drei anthropologischen Grunddaten ein: Auf Gedächtnis, Verstand und Willen. „Ein iedwedes Kind hat von seinem Schöpffer empfangen erstlich ein Gedächtniß, daß es etwas auswendig lernen kan: Darnach einen Verstand, daß es einer Sache nachdencken kan; und endlich einen Willen, daß es sich einen Vorsatz fassen kan"184. Auf das Gedächtnis zielen dabei die ,,Deutliche[n] Fragen", auf den Verstand die „Nützlichefn] Lehren" und auf den Willen die „Gottseligen Gedancken", die meist einen ethischen Vorsatz formulieren. Die Anthropologie, die Hübner hier zur Grundlage seiner Pädagogik macht, ist eine trinitätstheologisch motivierte. Er übernimmt hier ein Theologumenon Augustins, demzufolge sich im Selbstbewußtsein des Menschen vestigia trinitatis finden. Die Existenz der drei göttlichen Personen spiegelt sich in memoria, intellectus und voluntas185. Dies ist der theologiegeschichtliche Hintergrund dessen, daß auch

181

182 Ebd., pbIVr. Reents, Bibel, p53f. 184 Ebd., p53. Hübner, Historien, pXX2v. 185 So wie Augustin zufolge Gott-Vater, Sohn und Heiliger Geist una substantia sind, aber dennoch tres personae, können von der Trinitätslehre herkommend vestigia trinitatis auch im Menschen gefunden werden. So wird die Trinitätslehre zum Ausgangspunkt und Bezugspunkt der Anthropologie. „Haec igitur tria, memoria, intelligentia, uoluntas, quoniam non sunt tres uitae sed una uita, nec tres mentes sed una mens, consequenter utique nec tres substantiae sunt sed una substantia." Augustin, De trinitate Χ,ΧΙ,Ιδ. 183

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Hübner Gedächtnis, Verstand und Willen des Kindes als Grunddaten einer hierauf aufzubauenden Pädagogik sieht, was Reents übersieht. Die Fragen und Lehren, die zur Aneignung der biblischen Inhalte als media salutis verhelfen, dienen der „Gelehrsamkeit" und damit der „Gottseligkeit"186, während die ,,Gottselige[n] Gedancken" eine vorrangig ethische, sich auf die voluntas richtende Zielbestimmung haben und dafür sorgen, daß das Kind „in der Ehrbarkeit unterwiesen wird"187. Das Kind soll zur eigenschöpferischen Verstandestätigkeit angehalten werden, es soll selbst nachdenken188 und selbst den Sinn der jeweiligen Geschichte „durch den Gebrauch seiner Vernunfft heraus suchen"189. Dies darf nun aber nicht wieder sofort Anlaß geben, beim Hören des Stichwortes .Vernunft' Aufklärung in einer Frühestform zu vermuten. Vielmehr ist die Vernunft des Kindes ja bereits eine durch die biblische memoria unter die Wirkung des Heiligen Geistes gekommene, so daß das Wort Gottes es ist, das das Kind und dessen Vernunft erleuchtet. „Es würde ihr [seil, der Kinder; A.S.] Verstand durch das bey wohnende Licht des göttlichen Wortes, und durch die mitwirckende Krafft GOttes des Heiligen Geistes dermassen erleuchtet werden, daß sie darnach selber, gleich als wie die Bienen, aus einem iedweden Blümlein des Wortes GOttes, eine Honig=süsse Seelen=Speise zu sammlen würden geschickt werden"190. Bemerkenswert ist, daß es zwar nicht der Schüler Christian Weises Johann Hübner war, der eine ausführliche Hermeneutik zur Methode und Vorgehensweise des biblischen Unterrichts verfaßt hat, aber ein anderer Theologe aus der Weise-Schule, nämlich Gottfried Hoffmann. Seine Bibelhermeneutik könnte in vielerlei Hinsicht als eine Ausführung dessen angesehen werden, was Hübner nur im Ansatz formuliert hat. Gleichzeitig zeigt dieses Buch, daß es an die Methode des Bibelunterrichtes reflektierenden Hilfsmitteln hermeneutisch-didaktischer Art zur Zeit Hübners nicht gefehlt hat, der Mißbrauch der Hübnerschen Bibelgeschichte also nicht dem Buch selbst, sondern der Nachlässigkeit mancher Lehrer in didaktischen Fragen anzulasten ist. Hatte Hübner die Frage-Antwort-Methode des Katechismus auf die Gattung, Bibelgeschichte' übertragen, so war es vor ihm schon Hoffmann, der eben diese Methode auf die altbekannte Gattung der Kernspruch-Sammlung angewandt hatte. In seinem Buch „Außerlesene Kern=Sprüche Heiliger Schlifft / Durch kurtze Fragen deutlich erkläret und nützlich angewendet" bietet Hoffmann 40 Kernsprüche der Bibel, die in jeweiligen ,,Erklärung[en]" durch mehrere Fragen mit dazugestellten Antworten expliziert werden, worauf die „Anwendung[en]" folgen, die nach 2Tim 3,16 und Rom 15,4, den grundlegenden loci classici der Bibelhermeneutik der Orthodoxie, in der „Befestigung meines

186 188

Hübner, Historien, pXXlv. 189 Ebd., pXX3v. Ebd.

187 190

Ebd. Ebd., pXX5r.

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Glaubens und Wiederlegung irriger Meinungen"191 und in „Vermahnung / Strafe und Warnung" sowie im „Trost"192 bestehen. Daraufhin folgt auf jede applicatio ein abschließendes Gebet, das als ,Soliloquium' formuliert ist. Dieser Auslegung wichtiger Kernstellen hat Hoffmann eine kurzgefaßte biblische Hermeneutik vorangestellt: „Eine deutliche Einleitung Zum Bibel=Lesen"193. Schon die Vorrede läßt erkennen, daß Hoffmann eine ganz ähnlich strukturierte Pädagogik zur Anwendung bringt wie Hübner. Spricht Hübner von der Aktivierung von Gedächtnis, Verstand und Willen, so sagt Hoffmann einleitend: „IN den Schulen ist die nöthigste und nützlichste Arbeit / daß die Jugend in Zeiten die vornehmsten Biblischen Sprüche mit Verstände zu nützlichem Gebrauche in das Gedächtniß bringen lerne / und hiernechst zu einer guten Art die Schrifft zu lesen / durch Regeln und Exempel angeführet werde"194. Ähnlich wie Hübner hat auch Hoffmann den Mißbrauch des sturen Auswendigpaukens im Blick und wendet sich gegen ihn. „Es ist nicht gnug / daß man die Jugend in Schulen viel Sprüche aus der heiligen Schrifft auswendig lernen lasse; auch ist nicht gnug / daß man ihnen solche Sprüche deutlich erkläre / und zeige / wie sie zur Lehre / Vermahnung und Trost anzuwenden seyn"195. Vielmehr ist es auch für Hoffmann erstes Ziel der Lehrmethode, die Selbsttätigkeit des Verstandes der Kinder anzuregen, da es nur so zu einer wirklichen Aneignung des Stoffes kommen und der Inhalt der biblischen Botschaft zum Eigentum der Kinder werden kann. Deswegen sollen nach Hoffmanns Rat nur die Bibelsprüche, nicht aber die Anwendungen dazu auswendig gelernt werden. „Vor das andere bildeten sie sich meine Auslegung und Anwendung bloß in das Gedächtniß ein / und diese Einbildung dürffte hernach manchen hindern / daß er der Sache nicht weiter nachsinnete / sondern stets bey meinem von ihm auswendig gelernten Concepte bliebe"196. Dies ist schon deswegen nicht wünschenswert, da Hoffmann mit der Möglichkeit rechnet, daß die Schüler bei eingehender Beschäftigung mit dem einen oder anderen Spruch durch selbsttätiges, sich jedoch auf die Schrift gründendes Nachdenken eine Auslegung finden könnten, die über die von ihm selbst gegebene weit hinausgehen könnte, „da er [seil, der Schüler; A.S.] doch mit der Zeit durch sein eignes Nachsinnen leichte tieffer / als ich / in den Verstand des Spruches hinein sehen / und auch wohl mehr Porismata / als von mir geschehen / heraus ziehen könte"197. Deswegen gelte als pädagogischer Grundsatz, daß gerade um der sich selbst auslegenden Schrift willen nur die Grundlage dessen, was ausgelegt werden soll, der biblische Text nämlich, 191 192 194 196

Hoffmann, G., Kern=Sprüche, p225 und passim. 193 Ebd., p226 und passim. Ebd., pc2rff. 195 Ebd., pa4r. Ebd., pa7r/v. 197 Ebd., pb6v. Ebd.

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Kapitel II

Gegenstand des Memorierens sein kann, nicht aber die Auslegung und applicatio. „Man soll in Schulen allemahl Res memoriae von den rebus judicii bey ieder Lection genau unterscheiden und absondern / damit nicht das Gedächtniß mit Dingen beladen werde / welche das Judicium durch Nachsinnen selbst finden kan / sondern daß vielmehr so wohl dem Gedächtnisse / als dem Judicio, iedem sein gehöriges Pabulum, gegeben und gelassen werde"198. Die Selbsttätigkeit eines jeden Christenmenschen im Prozeß der Auslegung der Heiligen Schrift ist nach ihrem eigentlichen Verstand keine, die sich aus einer jedem Menschen so oder anders angeborenen Autonomie oder Freiheit ergibt. Sondern die selbständige Auslegung biblischer Texte gründet sich auf die Selbstauslegung der Schrift, die das Geschäft Gottes ist und hat ihre Zielbestimmung im Priestertum aller Glaubenden. Das sture Auswendigpauken paßt von vornherein nicht zu einer Theologie reformatorisch-orthodoxen Zuschnitts, weil es dieser völlig fernlag, auf mechanische Weise eine neue fides implicita aufzurichten. Hoffmann wendet sich also gegen eine falsche Vereinseitigung des Memorierens einerseits, genauso jedoch gegen die verfehlte Annahme, als könne ohne sachliche und lehrhafte Grundlage völlig frei eine Wahrheit aus dem Kind heraus entwickelt werden. Textbezug und Freiheit bedingen sich gegenseitig, keines kann auf Kosten des anderen verabsolutiert werden. Nur die Bibelsprüche sollen auswendig gelernt werden: „Man lasse die Untergebenen bloß die Sprüche auswendig lernen"199. In der Auslegung der Schrift jedoch sollen die Schüler zur Mündigkeit erzogen werden; sie sollen daher nicht einfach eine autoritär gesetzte Auslegung auswendig lernen, da die Schrift allein die eigentliche Autorität darstellt. „Die Erklärung und Anwendung derselben dürffen nicht memoriret / sondern nur dabey gelesen werden / doch also / daß man ihnen nicht allein die Fragen etwas erkläre / sondern auch hierauf durch fleißige Wiederholung forsche / wie viel sie von der Sache verstanden und gefasset haben"200. Aber auch in diesem Lehrgespräch soll die redundant motivierte Wiederholung des Stoffes nicht vorgefaßte Antworten reproduzieren, sondern die Repetition des Stoffes geschieht als eine, in der die Schüler „denn allemahl mit ihren eignen Worten ausreden mögen"201. So ist die Selbsttätigkeit der Schüler nicht eine einfach festgesetzte Voraussetzung, die der Erziehungsmethode Hoffmanns unreflektiert zugrundeläge. Vielmehr ist die Selbsttätigkeit selbst ein Erziehungsziel, zu dem die Schüler erst vorbereitet werden müssen durch eine rezeptive Lernphase, in der biblischkatechetische Inhalte zuvor angeeignet werden müssen, bevor ein Gespräch über diese Texte stattfinden kann. In diesem pädagogischen Grundentwurf

198 200

Ebd. pb6v/7r Ebd.

201

Ebd., pb4v. Ebd. (Hervorhebung von mir).

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sind die beiden Weise-Schüler Hübner und Hoffmann eng verwandt. Beide wenden sich gegen ein stures Auswendiglernen und reflektieren ihre Pädagogik jeweils von der sich selbst auslegenden Schrift her. Hübner wendet sich gegen das „nur überhin auswendig"202 lernen, Hoffmann gegen das Lernen, das nur „obenhin [ge]trieben"203 wird, weil hiermit die verfehlte römischkatholische Meßlehre in die reformatorische Pädagogik Einzug erhielte: „Ich befand aber dabey / daß die meisten die Sprüche ohne Verstand bloß in das Gedächtniß einstopfften / und das Bibel=Lesen auch nur meist als ein Opus operatum [...] trieben"204. Hier wird nicht einfach aus frühbürgerlich-aufgeklärtem Interesse heraus die Bedeutung des Kindes entdeckt, wie Reents etwa meint205. Vielmehr hatte die reformatorische Pädagogik schon lange vorher das Kind entdeckt. Denn die Zielbestimmung, daß das Kind zur eigenständigen Auslegung angehalten werden soll, ergibt sich aus der reformatorischen Ekklesiologie, derzufolge es die Gemeinde ist, die die Lehre urteilt und zu dieser Urteilskraft befähigt werden muß durch katechetischen Unterricht206. Auch hier steht Ewald in der Tradition der orthodoxen Pädagogik, indem er daran erinnert, daß die Auslegung der Schrift die Aufgabe aller Christenmenschen ist, und diese Einsicht gegen die drohende Etablierung einer historisch-kritischen Vormundschaft wendet. Diese ekklesiologische Sicht der Dinge ist wiederum eine Folge der reformatorischen Hermeneutik, derzufolge der scriptura sacra selbst die Kraft innewohnt, sich auszulegen und sich in die applicatio zu entlassen. Denn die Freiheit des Kindes im Umgang mit der Bibel wird erst dadurch ermöglicht, daß es die Schrift ist, die diese Freiheit vermittelt und als befreiendes Wort Gottes stiftet. So wird hier nicht eine abstrakt freiheitliche Schüler-Anthropologie entworfen, sondern zunächst eine freiheitliche biblische Hermeneutik, die das „scriptura sacra sui ipsius interpres"207 zum Inhalt und zur Voraussetzung hat, von der aus sich erst eine Freiheit auch des Schülers in dieser Schriftbindung entwickeln kann. Freiheit und Bindung sind hier in dialektischer Weise aufeinander bezogen. Erst in der Bindung an die Schrift und deren Botschaft als verbum externum gewinnt der evangelische Freispruch Gestalt, erst in der Bindung an die Schrift oder an den Katechismus kann sich ein freierer Umgang mit beidem ergeben, worauf Luther z.B. in seiner Schrift

202

203 Hübner, Historien, pXXlv. Hoffmann, Kern=Sprüche, pb2r. 205 Ebd. Reents, Nachwort, p6. 206 Vgl. zur Frage des allgemeinen Priestertums aller Christen, die sich der Grundlagen ihres Glaubens sollen verantworten können: Luther, Das eyn Christliche versamlung odder gemeyne recht vnd macht habe / alle lere tzu vrteylen, StA Bd. 3, p72-84. 207 Luther, WA 7, p97. Von der scriptura sacra gilt, das sie sei „per sese certissima, facillima, apertissima, sui ipsius interpres, omnium omnia probans, iudicans et illuminans, sicut scriptum est psal. c.xviii." 204

208

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an Meister Peter, den Balbierer, hinweist208. Denn auch die evangelische Freiheit ist eine, die ihren Grund hat in der Bindung des Gewissens an das Evangelium209. An Hoffmanns populärer Hermeneutik ist zu lernen, daß der orthodoxen Pädagogik ähnlich wie der loci-Dogmatik orthodoxer Theologen vornehmlich eine Ordnungsfunktion zukam. Die loci-Dogmatik versuchte, durch begriffliche Schärfe den Schatz der reformatorischen Lehre lehrbar und lernbar zu machen sowie für den homiletischen Gebrauch zuzubereiten. Ähnlich versucht Hoffmann als Pädagoge, die verschiedenen hermeneutischen Einsichten Luthers zu bündeln und für den häuslichen und schulischen Gebrauch an die Hand zu geben. Gerade anhand von Hoffmann läßt sich beobachten, wie stark man bemüht war, die von Luther etwa in ,De servo arbitrio' entwickelte Schriftlehre in pädagogisch umgearbeiteter Form in Gebrauch zu bringen. „Der sicherste und von GOtt selbst angewiesene Weg ist / daß man Schrifft durch Schrifft erkläret / und die duncklen Sprüche durch hellere und leichtere Schrifft=Stellen ausleget. Denn gute Parallelen sind der beste Commentarius, und das schönste Adminiculum, dadurch man den Verstand der Schrifft finden kan"210. Daher führt Hoffmann in seinem Lehrbuch eine reformatorische Hermeneutik vor, die sich als biblische Kombinatorik gestaltet, in der verschiedene 208 Luther, WA 38, p358-375. Nur weil es in katechetischer Hinsicht einen verbindlichen Text gibt, zu dem u.a. die aus der Bibel als norma stammenden Stücke der Zehn Gebote und des Vaterunsers gehören, kann sich dialektisch vermittelt hiermit eine freiheitliche Meditation der Katechismus-Stücke ergeben. Luther selbst geht an denselben entlang „wie die kinder thun" (p359), ohne sich dabei jedoch an den Buchstaben zu binden. Denn wenn die Gedanken etwa im Vaterunser beginnen abzuschweifen, dann verwandelt sich das Gebet, das Sprechen des Menschen mit Gott, in eine Rede Gottes zum Menschen durch den Heiligen Geist. Gerade also in der aus der Bindung entstehenden Freiheit ist das Ziel des Umgangs mit der Bibel sowohl als auch mit dem Katechismus zu sehen, da der Geist hier zum Prediger wird und den Menschen im Gebet zum Schüler Gottes werden läßt. „Denn ich auch selber mich an solche wort und sillaben nicht binde, sondern heute so, morgen sonst die wort spreche [...] Kompt wol offt, das ich jnn einem stücke oder bitte jnn so reiche gedancken spacieren kome, das ich die andern Sechse lasse alle anstehen, Und wenn auch solche reiche gute gedancken komen, so sol man die andern gebete faren lassen und solchen gedancken räum geben und mit stille zuhören und bey leibe nicht hindern, Denn da predigt der Heilige geist selber, Und seiner predigt ein wort ist besser denn unser gebet tausent" (p363). 209 Die Freiheit des Gewissens ist keine gegenstandslose, sondern sie konstituiert sich in der Bindung des Gewissens an seinen wahren Bräutigam, nämlich Christus (WA 8, p606f). Und indem das glaubende Gewissen an Christus hängt, ist es frei und gewiß: „Est itaque libertas Christiana seu Evangelica libertas conscientiae, qua solvitur conscientia ab operibus, non ut nulla fiant, sed ut in nulla confidat [...] Atque ita heret fidelis conscientia in solis operibus Christi absolutissime." 210 Hoffmann, Kern=Sprüche, pb3v.

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Bibeltexte gegeneinander gehalten werden, die sich sodann wechselseitig beleuchten und auslegen. Dabei folgt Hoffmann der uralten auch von Luther rezipierten Grundregel, bei den leichten, klaren Bibelstellen anzuheben und von ihnen ausgehend die dunklen, schweren Texte zu beleuchten. „Es werden die schweren Schrifft=Stellen dir künftig schon heller und deutlicher werden / wenn du andere und leichte Sprüche / durch welche die schweren erkläret werden / sambt den Redens=Arten der Schlifft zuvor recht wirst gefasset haben"211. Hoffmann will bei seinen Lesern bzw. Schülern zumindest ein Verständnis der klaren Stellen wecken und bietet deswegen eine Sammlung von Kernsprüchen samt Auslegung, damit die Schüler künftig die schwereren Texte auf diese Kernstellen zubewegen können und durch diese Kombinatorik zu einer Auslegung auch dieser Texte gelangen können. Daher formuliert er als „XIII. Regel"212: ,J^ege die deutlichen Sprüche und Schriffi=Stellen zum Grunde der schweren / und lerne einen Spruch oder Text durch den andern erklären"213. Hoffmann zitiert zum Beleg Luther und legt damit Zeugnis ab von einem eben schon benannten wichtigen rezeptions-hermeneutischen Phänomen: Daß nämlich die Luthersche Hermeneutik nicht zu einer allein universitär-pfarramtlichen Angelegenheit geworden ist, sondern ihr notwendiges Korrelat und ihre Rezeption in der Gemeindepädagogik gehabt hat. Schriftauslegung ist Sache aller Christen im Sinne des allgemeinen Priestertums und hat sich in lebendiger Wechselbeziehung zur pfarramtlichen Schriftauslegung befunden. „Das ist wohl wahr / etliche Sprüche der Schlifft sind dunckel / aber in denselben ist nichts anders / denn eben was an andern Orten in den klaren offenen Sprüchen ist"214. Vorbilder für diese biblische Kombinatorik sind die atl. Zitate im NT. Sie sind grundsätzlich in ihrem Kontext im AT nachzuschlagen. „Wenn du nun solche [seil. atl. Zitate im NT; A.S.] bey Lesung des neuen Testaments findest / so schlag sie im alten Testamente selber auf / und ließ das vorhergehende und nachfolgende"215. Die Lektüre ntl. Texte soll also zu einer Relektüre des AT führen, und das AT wird somit nicht als bloßer Steinbruch für mögliche dicta probanda im NT mißbraucht. Aus dem hermeneutischen Grundsatz des ,scriptura sacra sui ipsius interpres' folgt für Hoffmann notwendig eine kontextuelle Lektüreanweisung, die nicht nur auf die atl. Zitate im NT Anwendung findet, sondern auch auf seine eigene Kernspruchsammlung. Genauso wenig, wie ein Katechismus oder eine Bibelgeschichte nach Hübner oder Gesenius die Bibel ersetzen, sondern ganz im Gegenteil elementarisierend auf sie zuführen soll, soll auch die Kernspruchsammlung, die Hoffmann zusammenstellt, zu den biblischen Texten in ihren originären Zusammenhän211 2,4 215

212 213 Ebd.,pl79. Ebd.,pl81. Ebd., pl81f. Ebd., ρ 182. Das Luther-Zitat entstammt der Altenburger Ausgabe, Bd. 1, fol. 824a. Hoffmann, Kem=Sprüche, ρ 182.

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gen führen. Daher ist jede sezierende Methode, die einzelne Sprüche ohne jede Hinsicht auf den Kontext auslegt, abzulehnen. Hoffmann jedenfalls kann der Vorwurf, der der Orthodoxie meist aus Unkenntnis ihrer Inhalte gemacht wird, sie betreibe lediglich eine dictum-probans-Methode, nicht treffen, da für ihn die Kernstellen nur summarische Wegweiser in den narrativen und kontextuellen Zusammenhang der Schrift sind. „Erwege bey Betrachtung einer Materie / Spruches oder andern Biblischen Textes / so wohl das / was vor derselben vorher gehet / als auch / was darauf folget / und siehe wohl zu / wie die Versicul an einander hangen / und wie eines auf das andere folge"216. Hier zeigt sich, daß sich Ewald durchaus an einen orthodoxen Grundsatz hält, wenn er gegen jede Verabsolutierung von überspitzt orthodoxistischen Lehrkompendien einerseits und von moralistischen Sammlungen von Satzwahrheiten andererseits an die Narrativität und die kontextuellen Zusammenhänge der biblischen Geschichten erinnert. Gleichzeitig zeigt sich, daß der Vorwurf, mit bloßen dicta probanda zu operieren, eigentlich nicht die orthodoxen Theologen trifft, sondern diejenigen Theologen, die als aufgeklärt sich gelierende die Lehre von der Akkommodation vertreten. Denn die orthodoxen Theologen hoben bestimmte loci classici nur hervor, um auf das Zentrale zu zeigen. Die biblischen dicta jedoch blieben im Konnex mit ihren jeweiligen Kontexten stehen, durch die sie jeweils in Predigt und Choral etwa erklärt werden mußten. Die Lehre von der Akkommodation erst meinte, hinter die Bibel und deren Textoberfläche zurückgreifen zu können, um das Eigentliche zu entdecken, es von den bloßen Zeit-Vorstellungen abheben und sich so von den biblischen Kontexten verabschieden zu können. Eine eingehende Beschäftigung mit einzelnen Teiltexten ist nach Hoffmann nur dann gerechtfertigt, wenn sie durch eine jeweils parallel dazu geschehende kursorische Lektüre ergänzt wird. „Denn man muß alle Biblische Materien im Contextu ansehen / und sich nicht die Freyheit nehmen / etliche Worte / oder einen Spruch aus der Bibel heraus zu zwacken und denselben nach Gefallen / und wie es etwan extra Contextum geschehen kan / zu erklären / und ihm einen Verstand und Deutung anzutichten"217. Auch hier beruft sich Hoffmann auf Luther218. Damit dieser Grundsatz auch wirklich beherzigt wird, schlägt Hoffmann drei Lektüregänge vor, die aufeinander aufbauen und einander ergänzen sollen. „Theile das Bibel=Lesen in drey unterschiedene Lectiones ein; Die erste kan Lectio cursoria, die andere Lectio accuratior und die dritte Lectio geminata genennet worden [!]"219. In der kursorischen Lektüre wird die

216 218 219

217 Ebd., pl73. Ebd., pl73f. Luther, Altenburger Ausgabe, Bd. 6, fol. 829b (Galaterbriefvorlesung 1535). Hoffmann, Kern=Sprüche, pl60.

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gesamte Bibel einmal durchlaufen, während der Leser sich bei der lectio accuratior bestimmte Teile des NT besonders einprägen soll, da er hier die Mitte der Schrift, nämlich Christus, findet und auf diese Weise auch einen Zugang zum AT bekommt. „Ja wie es heist: Scriptura Scripturam explicat, eine Schrijft erkläret die andere: so wirstu inne werden / daß / wie dich das N. Testament / wenn du es sorgfältig liesest / in den Verstand des alten Testaments einleitet: also wird dir hinwiederum das alte Testament dienen / das neue gründlicher und besser zu verstehen"220. Das AT wird hier nicht einfach dem NT untergeordnet als bloße Abschattung beliebiger allegorischer Auslegungen. Sondern die Testamente sind wechselseitig aufeinander bezogene Kommentare. Die Texte des AT und NT werden nicht gewaltsam miteinander in ihrer Bedeutung gleichgeschaltet, vielmehr verstärken sie sich durch wechselseitige Lektüre gegenseitig. Ziel ist es, lectio cursoria und lectio accuratior miteinander zur lectio geminata zu kombinieren. Jetzt wird eine Schrift, z.B. ein Brief aus dem Corpus Paulinum, einer intensiven Lektüre unterworfen, die sich nach den von Hoffmann im zweiten Teil seiner Schrift vorgeführten Regeln der explicatio und applicatio richtet. Gleichzeitig und begleitend, um sich den Blick für die restlichen Schriften nicht zu verstellen, bedarf es einer ergänzenden Lektüre größerer Textzusammenhänge, was schon der oben dargestellte Grundsatz der Kohärenz erforderlich macht. „Der Nutzen aus solcher gedoppelten Lection wird dieser seyn: Durch das erste gründliche und sorgfältige Lesen eines eintzeln Biblischen Buches begreiffestu die rechte Art die gantze H. Schrifft nützlich zu lesen. Durch Lectionem cursoriam aber / die nebenbey getrieben wird / verhütestu / daß dir der einmahl gemachte general Concept und Verlauf der Dinge / so in beyden Testamenten nach einander beschreiben [!] werden und derer Cohaerentiam man mercken soll / nicht wiederum aus dem Gedächtnüß entfällt"221. Hoffmann ist ständig darum bemüht, seine hermeneutischen Unterweisungen anschaulich zu machen, indem er sie alltäglich-phänomenologisch abbildet und durch Gegebenheiten aus der Erfahrungswelt kommentiert. Anscheinend ist er in dieser Hinsicht, was die lebendige Bildlichkeit angeht, auch bei Luther in die Schule gegangen. Ähnlich wie Luther z.B. das Verhältnis der klaren Stellen zu den dunklen Textteilen der Bibel dergestalt ins Bild setzt, daß er sagt, wenn es auf der Gasse dunkel sei, so könne man nicht behaupten, daß auf dem Marktplatz die Sonne nicht scheine222, so wählt 220

221 Ebd., ρ 162. Ebd., pl64. Luther, Altenburger Ausgabe, Bd. 3, fol. 166b: „Was liegt nun dran? Wenn das Häupt=Stück der gantzen Schrifft durch klare dürre Sprüche am Tag ist / als durch die Epistel zum Römern / ob etliche Sprüche / die doch von derselbige Sache reden / noch tunckel sind. Denn daß ich ein Gleichnis gebe: Wenn ein gemeiner Brun öffentlich auff den Marckt ist / wer wolt so närrisch seyn und sagen / er währe nicht am Tage öffentlich 222

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Hoffmann ein ganz ähnliches Bild, um die Notwendigkeit anschaulich zu machen, die Bibel in ihrer Kontextualität zu erfassen: „Ich will dir ein Gleichnüß geben: Du bewohnest in einer Stadt ein besondern und eigenes Hauß / in demselben durchlaufstu täglich alle Zimmer und Gemächer / also daß dir nicht das geringste darin verborgen bleibet. Du gehest aber auch täglich auf den Gassen herrum / und durchstreichst also offt die gantze Stadt"223. Hübner hatte Katechismus und Bibelgeschichte als aufeinander bezogen und miteinander verschränkt gesehen. Hoffmann überträgt diese Verhältnisbestimmung auf die Relation von Katechismus und Bibel-Kernspruchsammlung im Beziehungsgeflecht mit der Schrift selbst. „Denn der Catechismus und andre Theologische Bücher / darin die Glaubens=Articul und Lebenspflichten in einiger Ordnung stehen / sind ein kleiner Auszug der Bibel / und dienen also einem Bibel=Leser zu nützlicher Anleitung"224. Der Katechismus ist daher vor der Bibellektüre zu lernen, denn diese rezeptive Lernphase ist die Bedingung der Möglichkeit, später selbst die Schrift auszulegen. Grundsatz bei der Bibelauslegung später soll die analogia fidei sein (Rom 12,7); und diese Fähigkeit, Analogien zu finden, muß zunächst durch die Einbildung des katechetischen Stoffes begründet werden. Denn um eine Analogie finden zu können, bedarf es eines Bezugspunktes, von dem aus sich die jeweiligen Analogien definieren. Und wieder wählt Hoffmann ein Gleichnis aus der Erfahrungswelt, um den Katechismus mit einer Reisebeschreibung zu vergleichen, anhand deren man eine Reise in ein unbekanntes Land vorbereiten kann. „Ich will ein Gleichnüß geben. Wann einer in ein frembd Land reisen [...] will / so lieset er gemeiniglich zuvor ein Buch / darin eines und das andere von solchem ihm zur Zeit noch unbekandten Lande ordentlich beschrieben worden ist. Wenn er nun in das Land selber kommet / so dienet ihm das gelesene so weit / daß er nach allem und iedem desto fleißiger sich umbsiehet / und alles desto genauer betrachtet. Also hilfft der Catechismus und ein iedweder kurtzer Abriß der Glaubens=Articul einem Bibel=Leser / daß er dieses H. Buch mit desto grösserer Aufmercksamkeit lieset / und im Lesen desto besser fortkommet"225. Eigentliches Ziel ist es jedoch, eine biblische Fähigkeit zu stiften, aus der heraus die Kinder ihren Katechismus biblisch explizieren können. „Damit lernen sie bald ihren Catechismum aus der Bibel selber erklären / und ihre bereits gelernete Glaubens=Sätze mit Schrifft=Stellen bewähren"226. Auf der anderen Seite kann der Katechismus bei der Bibellektüre als Ordnungsprinzip benutzt werden. „Und wenn man hernach die Kinder / ob etliche die im Winckel wohneten / denn nicht sehen?" Vgl. Hermann, R. und Rothen, B. Zur Rezeption dieser Hermeneutik durch Ewald s.u. Kap. II, 7. 223 Hoffmann, Kern=Sprüche, pl64f. 224 225 226 Ebd., p3 . Ebd., p3f. Ebd., p4.

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zum Bibel=Lesen selbst anführet / so muß man sie allemahl fragen / wohin sie eines und das andre / was sie lesen / in ihrem Catechismo setzen wollen"227. Der reformatorischen Unterscheidung zwischen norma normans und normae normatae folgend muß Hoffmann darauf achten, daß der Katechismus als Teil der Sammlung der Bekenntnisschriften nicht der Bibel übergeordnet wird, sondern vielmehr in seinen erklärenden, also selbst nicht biblischen Teilen, sich eine je und je neu sich vollziehende Überprüfung anhand der Schrift gefallen lassen muß. Getragen von eben dieser Unterscheidung ist der Rat Hoffmanns, schriftliche oder sonstige Auslegungen biblischer Texte zu Rate zu ziehen, dabei aber nicht der Gefahr zu unterliegen, die Autorität bekannter Theologen mit derjenigen der Schrift zu verwechseln. „Endlich so mustu keine Auslegung der Schlifft bloß wegen der Autorität des Auslegers annehmen / sondern du must sehen / ob du in dir selbst durch deine eigene Betrachtung der Schlifft überzeuget wirst / daß die Auslegung richtig sey / und mit dem göttlichen Sinn übereinkomme"228. Die Unterscheidung zwischen norma normans und normae normatae zieht die unumgängliche Differenzierung zwischen Schrift und Tradition nach sich. Der Sache nach hat Ewald diese Unterscheidung rezipiert und sie angesichts einer veränderten theologiegeschichtlichen Situation durchgehalten. Auch er erinnert daran, daß der Schrift der sachliche Vorzug gebührt; und auch bei ihm erwächst hieraus eine sich auf die Schrift stützende Kritik an den theologischen Autoritäten seiner Zeit, die von der Autorität der Schrift herkommt. Der Katechismus gilt als Meßlatte für die Auslegung der Schrift per analogiam fidei, und gleichzeitig ist er gewissermaßen ein Geländer, das den Leser dazu anhält, bei der Lektüre der Schrift möglichst lange beim sensus literalis zu verharren. „Denn wenn nur ein fleißiger Bibel=Leser sich in der Analogia Fidei und Aneinanderhangung der Glaubens=Articul und der Lebens=Regeln feste setzet / so wird es ihm stets leichter / ohn Anstoß der Glaubens=Aehnligkeit viel Usus [...] aus einem Texte hervor zu suchen"229. Eine allegorische Auslegung muß entweder von dem selbst allegorischen Charakter des auszulegenden Textes her motiviert sein oder von der analogia fidei her: „Indessen ist doch gewiß / daß es in der H. Schlifft durch und durch mit den Worten so beschaffen sey: da stehet eines bald in seinem natürlichen / bald in verblümten Verstände. Da soll man nun nicht eher (daß wir wieder auf unsre Haupt=Regel kommen / ) von dem natürlichen Verstände abweichen und auf die verblümte Deutung fallen / biß uns die Sache selber / oder ein gewisser Glaubens=Articul darzu zwinget"230. Auch hier kann sich Hoffmann breit auf Luther stützen231.

227 230

Ebd. Ebd., pl86f.

228 231

229 Ebd.,pl91. Ebd., pl96. Vgl. Luther, Altenburger Ausgabe, Bd. 2, fol. 301a.

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Kapitel II

Für Hoffmann ist die Frage nach der biblischen Hermeneutik eine ekklesiologische Angelegenheit, denn für ihn bilden die Christen eine Auslegungsgemeinschaft, eine congregatio, deren einzelne Glieder allesamt auf die Schrift bezogen sind. Gleichzeitig aber ist die congregatio auch erst ein Produkt dieses Wortes, eine creatura verbi. Deswegen gehen nach Hoffmann die gemeindepädagogischen Bemühungen zu Hause und in der Schule Hand in Hand mit den homiletischen im Gottesdienst. Die Homiletik selbst ist ein Teil der Gemeindepädagogik, denn zur Zurüstung zum selbständigen und kritischen Bibelstudium gehört auch das Hören der Predigt. „XIX. Regel. Ließ auch andere Bücher / die über die H. Bibel oder über gewisse Schrifft= Stellen von gottseligen und gelehrten Männern geschrieben worden seyn / und höre hiernechst Prediger und andere geübte Bibel=Leser fleißig an"232. Ähnlich - das haben wir schon gesehen - versucht auch Ewald, seine gemeindepädagogischen Bemühungen immer auch in die Predigten hinein fortzusetzen233. Homiletik und Pädagogik bei Hoffmann jedenfalls greifen insofern ineinander, als die Predigt vorzuführen geeignet ist, wie man bei der Lektüre der Bibel sich selbst eine Auslegung und Anwendung des jeweiligen Textes erstellen kann. „Bemühe dich iedweden Text / wenn du desselben Verstand erforschet hast / hierauf anzuwenden zur (1) Befestigung des Glaubens / (2) Wieder=Legung irriger Lehre / (3) Vermahnung zu gottseligen Leben / (4) Warnung vor Sünden und Bestrafung derselben / (5) und zum Trost"234. Durch die Predigt des Wortes wird jeder Mensch gelehrt, wie er sich in der Lektüre der Bibel selbst diese usus nach 2Tim 3,16 und Rom 15,4 zurichten kann, sich also selbst gewissermaßen zum Prediger werden kann: „Wenn ein Zuhörer auf diese Anwendungen eines in der Predig[t] erklärten Textes fleißig Achtung giebet; so lernet er desto eher und leichter die H. Schrifft zu Hause auf solche erbauliche Weise lesen"235. So gewinnt auch Ewald die Zielbestimmung der biblischen Lektüre ähnlich wie Hoffmann darin, die Bibel mit Anwendung auf sich selbst zu lesen236. Wie sehr Hoffmanns Pädagogik getragen ist von der Lehre vom Priestertum aller Glaubenden zeigt sich darin, daß er sein Buch zwar für diejenigen Schüler schreibt, die später nicht Theologie studieren werden ( - wiewohl er auch den Nutzen seines Buches als Grundwissen für spätere studiosi theologiae hervorzuheben weiß237 -), dennoch aber Luthers bekannte Definition eines Theologen als Wesensbestimmung aller Christenmenschen zur Geltung kommen läßt. „Tria faciunt Theologum, Oratio, Meditatio & Tentatio, d.i. drey Dinge machen einen guten Theologum, das Gebete / das Nachsinnen (in

232 234 236

233 Hoffmann, Kern=Sprüche, pl89. S. o. p l 9 2 und dort Anm. 127. 235 Ebd., ρ 192. Ebd., pl93. 237 S. o. Kap. II, 2. Hoffmann, Kern=Sprüche, pa4v.

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Auslegung der heiligen Schrifft) und die Anfechtung"238. Zwar sagt Hoffmann zunächst noch einschränkend: „Doch dieses habe ich bloß denjenigen / die studiren / und sonderlich das Studium Theologicum zu ergreiffen gedencken / zu gefallen erinnern / und hierdurch ihnen den Fleiß / allen Dingen nachzusinnen / recommendiren wollen"239. Im Laufe seines Buches jedoch wendet Hoffmann der Sache nach diese drei den Theologen ausmachenden Grundbefindlichkeiten auch auf diejenigen Theologen an, die die Theologie nicht als Fach studieren bzw. studiert haben. Hoffmann rät nämlich, bei der eigenständigen meditatio der Bibeltexte und der Formulierung der usus, diese in ein Gebet zu verwandeln. „Wenn du die Usus oder Porismata, sonderlich die Vermahnungen / Warnungen und Trost / aus einem Texte ziehest / so kanstu dieselbe auch in ein Gebete verwandeln"240. Auch die tentatio vergißt Hoffmann nicht. Hier folgt er Luther, der die tentatio als die intensivste Schule des Hl. Geistes bezeichnet241, in der das Lesen der Schrift gelernt wird und die glaubende Aneignung des Wortes Gottes sich am wirksamsten vollzieht. „Das liebe Creutze und die geist= und leibliche Anfechtung"2*2 werden zum Fokus der biblischen Hermeneutik. So wie Luther die theologia crucis zum Mittelund Ausgangspunkt alles theologischen Denkens gemacht hat, so hat er mit seiner Lehre von der tentatio das Kreuz als Ausgangspunkt seiner Hermeneutik fruchtbar gemacht. In dieser Hinsicht ist die Luthersche Schriftlehre eine Anwendung der Kreuzeslehre und mithin der Christologie auf die Pädagogik243. „Denn allein die Anfechtung lehret aufs Wort mercken / saget der Geist Gottes selber durch den Esaiam Cap. XXVIII, 19"244. Nach Luther, dem sich Hoffmann anschließt, ist die tentatio deswegen die beste Lehrerin des Wortes, weil sie die potestas und die efficacia desselben als Trost sinnenfällig und erfahrbar werden läßt. „Wenn die Menschen Friede und Sicherheit haben / verachten sie und setzen hindan das Wort [...] So fühlen auch (spricht er weiter) die Gläubigen nicht die Krafft und Frucht des Wortes / ohn allein in der Versuchung. Gottes Wort (fähret er fort) verstehen erst die Unverständigen / wenn sie wohl geängstiget werden mit Leiden / Creutz / Anfechtung / Trübsal und Wiederwärtigkeit: Christi Creutze ist die einige Unterweisung des Wortes Gottes und die allerreinste Theologia"245. So wird das Kreuz in der Anfech238

239 240 Ebd., pa7r. Ebd. Ebd., p211. Luther, Tröstlicher Unterricht, wie man in Leibesschwachheit der Kleinmütigkeit und anderer Teufels-Anfechtung fliehen möge, Altenburger Ausgabe Bd. 6, fol. 338a341b. 242 Hoffmann, Kem=Sprüche, p214. 243 Vgl. zur Bedeutung der tentatio für Luthers Pädagogik: Asheim, I., bes. pl24-137 und passim. 244 Hoffmann, Kern=Sprüche, p214. Zur Bedeutung von Jes 28,19 für die Seelsorge Ewalds vgl. u. p292. 245 Hoffmann, Kern=Sprüche, p214f. 241

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Kapitel II

tung dem Angefochtenen zur wahren Katechismus-Schule und -Predigt, „weil er", wie Hoffmann fortfährt, „durch das Creutze angetrieben wird sich in der H. Schrifft nach Sprüchen umbzusehen / die sich auf seine Noth und Anliegen schicken; wodurch er denn genöthiget wird / auf das Wort zu mercken / bey allen Versiculn deswegen länger stille zu stehen / und wie Lutherus redet / an iegliches Sträuchlein zu klopfen / ob auch einige Beerlein herunter fallen wolten"246. Die Anfechtung ist deswegen die beste Unterweisung zum Bibellesen, nicht etwa, weil sich hierin die vom Menschen zu betreibende imitatio Christi vollendete. Vielmehr ist die tentatio darum die beste Schule, weil sie dem Angefochtenen die Augen dafür öffnet, daß durch Christi Tod alle Sünde bereits vergeben, der Tod überwunden und gleichzeitig alle Medizin gegen die geistliche und leibliche Anfechtung und damit aller Trost gegeben ist. Daher gestaltet sich das pädagogische Kompendium Hoffmanns als ein durch und durch seelsorglich motiviertes, das die Kräuter, die in der Hl. Schrift wachsen, lehrt, zur Arznei zuzubereiten und vorbeugend bzw. heilend anzuwenden. Daher schreibt Hoffmann Bezug nehmend auf das Titelkupfer: „Erstlich samlet man sie [seil, die Kernsprüche der Schrift, d.i. die Kräuter; A.S.] aus der heil. Bibel / als aus einem geistlichen Horto medico. Hierauf werden sie in fleißige Betrachtung gezogen / und / als wie in einer geistlichen Apothecke / schöne ausgearbeitet / also / daß man sie nicht allein recht gründlich verstehen lernet / sondern auch höret und siehet / wozu sie gebrauchet und angewendet werden können"247. Hoffmanns und Hübners Bemühungen um eine orthodoxe Bibel-Pädagogik zeigen, daß die orthodoxe Dogmatik und ihre in den Prolegomena verhandelte Schriftlehre nicht allein geblieben ist und claritas, auetoritas, sufficientia und efficacia der Schrift einfach lehramtlich dekretiert hat, sondern ihre biblische Hermeneutik auch lehrend in Kirche und Schule praktisch umgesetzt hat. Der gesamten Bibelpädagogik von Hoffmann, Hübner und Gesenius liegt ein freiheitliches Verständnis des Lernens und Lesens der Bibel zugrunde. Aber diese Freiheit weiß darum, daß es eine Autorität geben muß, durch deren bindende Geltung ,Freiheit' erst definiert werden kann. Dieser Rückblick in die lebendige biblische Pädagogik dreier orthodoxlutherischer Theologen des 18. Jahrhunderts zeigt, daß das landläufige, nicht nur von Reents und Wehrmann etwa vertretene Vorurteil nicht haltbar ist, demzufolge die Orthodoxie nur einen starren Katechismus-Unterricht gekannt haben soll, während es erst mit der beginnenden Aufklärung und im Zuge der Dogmenkritik zu einer Wiederentdeckung der Bibel gekommen sei. Das Urteil Wehrmanns „es ist eine merkwürdige Erscheinung in der Geschichte des Religionsunterrichts, daß in der nachreformatorischen Zeit die 246

Ebd., p215.

247

Ebd., pb8r.

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Biblische Geschichte ganz hinter Katechismus und Gesangvers zurückgetreten war"248, ist unzutreffend und zeugt von Unkenntnis des breiten Quellenmaterials orthodoxer Pädagogik. Schon ein Blick auf die pädagogischen Bemühungen Hübners und Hoffmanns zeigt, daß es in der Orthodoxie sehr wohl die vom Schriftprinzip her geleitete Anstrengung gegeben hat, Katechismus und Bibel in ihrem notwendigen Wechselverhältnis zu sehen. Beide Gattungen hängen hier miteinander zusammen wie auch bei Ewald: Die katechetisch-summarischen Lehren müssen wieder in die Biblizität entlassen werden, und die Kernsprüche müssen mit den jeweiligen biblischen Kontexten immer wieder neu in Beziehung gesetzt werden. Weiter hat Ewald mit den orthodoxen Pädagogen das Konzept gemeinsam, einem sturen Auswendiglernen vorzubeugen und eine freiheitliche Pädagogik zu entwickeln, die bei aller nötigen Textbindung zum eigenständigen Umgang mit der Bibel zurüsten will. Das Prinzip der biblischen Redundanz, das sich in der Lehrmethode als Abwechslung verschiedener aufeinander aufbauender Schritte spiegelt, die alle das Ziel haben, den biblischen Stoff anschaulich und einprägsam zu machen, verbindet Ewald mit Hübner und Hoffmann. Besonders der von 2Tim 3,16 und Rom 15,4 gespeiste Grundsatz, die Bibel mit Anwendung auf sich selbst zu lesen, sowie die Zielbestimmung, Gedächtnis und Verstand müßten in gleichem Maße beschäftigt werden, stellen Verbindungslinien zwischen Ewald, Hübner und Hoffmann dar. Einig sind alle drei auch in dem Grundsatz, daß die Bibel sachlich wie inhaltlich die Grundlage aller pädagogischen wie theologischen Bemühungen zu sein hat. Nur der pädagogische Ansatzpunkt ist verschieden: Ewald beginnt die Unterweisung mit der Bibelgeschichte, während Hoffmann den Katechismus als Ausgangspunkt wählt. Doch allen drei Theologen ist klar: Es geht nicht darum, zugunsten des einen oder anderen Lehrbuches eine Alternative zwischen Bibel und Katechismus aufzurichten, sondern um eine Inbeziehungsetzung von beidem. Dabei spielen sowohl bei den orthodoxen Pädagogen als auch bei Ewald die Kontextualität und die sich auf dieselbe richtende Lektüre eine eminent wichtige Rolle. Weiter gibt es eine Verbindungslinie zwischen den Orthodoxen und Ewald in der Art, wie sie jeweils in ihrer eigenen Weise die reformatorische Schrift-Hermeneutik pädagogisch fruchtbar machen und sie konkret umsetzen.

248

Wehrmann, Aufklärung, p251.

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Kapitel II

5. Standortbestimmung der Theologie Ewalds II: Die aufgeklärten Katechismen von J.B. Basedow, F.E. Rochow, W. Crichton, C.F. Bahrdt und anderen Die Katechismen der Aufklärungszeit und die übrigen Lehrbücher dieser Epoche sind wichtige Quellen, in denen sich die Theologie der Aufklärungszeit geradezu kompendienartig spiegelt. Um Ewalds Kritik an den meist rein moralistischen Katechismen einerseits und an den trockenen Lehrkompendien andererseits besser verstehen zu können, ist eine Sichtung exemplarischer Katechismen notwendig. Gleichzeitig muß hier ein Vorstoß in eine forschungsgeschichtliche Lücke vorgenommen werden, da Arbeiten zur Geschichte der Lutherschen Katechismen in der Aufklärungszeit zwar vorliegen249, die Geschichte und der theologische Inhalt der neben ihnen sich entwickelnden aufgeklärten Katechismen jedoch noch nicht erschöpfend erhellt sind250. Mit Johann Bernhard Basedow beginnt die fundamentale, aufgeklärte und philanthropische Kritik vornehmlich an Luthers Katechismen und an dem auf sie aufbauenden Religionsunterricht laut zu werden, was Johann Schmitt eingehend gezeigt hat251. Nach einer langen Zeit der Blüte der reformatorischen Theologie in einer Vielzahl von unterschiedlichen Katechismen in der Zeit der Orthodoxie252 hebt nun eine neue Epoche an, in der es zur Abfassung einer ganzen Flut von Katechismen im Geiste der Aufklärung kommt. Basedow selbst ist bereits als Verfasser mehrerer katechetischer Werke hervorgetreten. Obgleich sich Basedow noch nicht derart grundsätzlich gegen die überlieferten Dogmen richtet wie später etwa Friedrich Eberhard Rochow, sind bei ihm die Grundlinien der Aufklärungstheologie bereits vorhanden und erkennbar. Dennoch zeigt sich an ihm, daß es eine homogene, sich aus der Dogmenkritik und der kritischen Bibelwissenschaft ergebende Aufklärungstheologie als in sich geschlossene Größe nie gegeben hat. Denn die Kritik an den klassischen Theologumena artikuliert sich bei Basedow noch höchst

249

Vgl. die grundlegenden Arbeiten von Fraas, H.-J., Katechismustradition und Cohrs, F. Dies gilt trotz der zum Standardwerk gewordenen Arbeit von Schmitt, J. Auch bei Fraas, H.-J., Art. Katechismus 1/1, TRE 17, p710-721 spiegelt sich das Defizit, das i.b. auf die Erforschung der Katechismen der Aufklärungszeit besteht. 251 Schmitt, pl77ff. 252 Auch dieses Gebiet ist ein Stiefkind sowohl der kirchengeschichtlichen als auch der praktisch-theologischen Forschung. Vgl. jedoch zumindest: Frenzel, O., Zur katechetischen Unterweisung im Zeitalter der Reformation und Orthodoxie. Und ders., Zur katechetischen Unterweisung im 17. und 18. Jahrhundert, Leipzig 1920, sowie: Hahn, F., der die Fülle des Materials sichtet, aber nicht bis in die Zeit der eigentlichen Orthodoxie vorstößt, da er sich auf das 16. Jahrhundert beschränkt. 250

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vorsichtig, wie sich noch zeigen wird. Dennoch ist seine katechetische Theologie bereits von einer sehr ausgeprägten und markanten Engführung auf die Vernunft hin geprägt. Dies wird sichtbar nicht zuletzt in seinem bekanntesten Werk „Philalethie. Neue Aussichten in die Wahrheiten und Religion der Vernunft bis in die Gränzen der glaubwürdigen Offenbarung dem denkenden Publico eröffnet". Vorrangiges Interesse Basedows ist es, die Menschen zu selbständigem Nachdenken über die Wahrheiten der Religion anzuleiten und ihre Vernunft zur Richterin in der Verhandlung der Frage zu erheben, inwieweit die offenbarte Theologie glaubwürdig sei. Klar erkennbar wird hier die Überordnung der Vernunft über die Inhalte der Offenbarung und die Emanzipation der Vernunft von der revelatio. Denn die Vernunft wird nun zur richtenden Instanz erhoben, die darüber zu befinden hat, was als mit ihr übereinstimmende Offenbarung angesehen werden kann und was nicht. Basedow hat sich vorgenommen, seine Leser durch eigenes Nachdenken zur Selbsterkenntnis zu führen und sie „alsdann durch die natürliche Erkenntniß des allgemeinen Vaters [...] bis in die Gränzen derjenigen Offenbarung zu bringen, welche einem nachdenkenden Forscher die wahre ist, und ihn ferner, ohne von besondern Kirchen Gesetze anzunehmen, in alle ihm nöthige Erkenntnisse leiten wird"253. Maßstab für den Geltungsbereich der theologia revelata ist demnach die natürliche Theologie, was sich auch in dem von Basedow selbst angefertigten Exzerpt seiner „Philalethie" zeigt, im „Grundriß der Religion, welche durch Nachdenken und Bibelforschen erkannt wird, in Fragen und Antworten nebst einigen Zusätzen". Basedow nennt dieses Lehrbuch - offensichtlich mit dem Anspruch, den Kleinen Katechismus Luthers zu beerben einen ,,kleine[n] Catechismus"254. Die natürliche, durch die Vernunft konstituierte Theologie wird der offenbarten übergeordnet, indem diese nur so weit eine Berechtigung hat, als sie die erstere bestätigt und verstärkt. „69) Was glaubt ihr von einer göttlichen Offenbarung? Wir glauben, daß eine göttliche Offenbarung möglich und nützlich sey [...] und daß es unsre Pflicht sey, zu untersuchen, ob in der Bibel wahre göttliche Offenbarungen enthalten sind, deren Inhalt der natürlichen Religion nicht widerspricht"255. Zu Basedows Grundsätzen gehört es nicht mehr, daß erst aufgrund der revelatio und der sie bezeugenden biblischen Predigt eine analogia fidei entstehen kann, mittels deren man die Geister prüfen kann. Vielmehr lehrt Basedow eine analogia rationis, durch die der Mensch von vornherein dazu befähigt ist, vernünftig zu entscheiden, was als Offenbarung anzunehmen sei und was in der Bibel bloß als solche ausgegeben wird, ohne es in Wirklichkeit zu sein. Für Basedow kommt nicht in Betracht, 253 255

Basedow, Philalethie, I, p*5r/v. Ebd., p31.

254

Ders., Grundriß, p3.

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daß die revelatio in der Schrift eine den Verstand des Menschen erst erleuchtende Funktion haben könnte, sondern es steht fest, daß „die im neuen Testament vorgetragenen Lehren, weder mit der natürlichen Religion noch mit der alten Israelitischen Offenbarung streiten, sondern dieselben vielmehr bestätigen"256. Die Theologie Basedows ist dementsprechend eine individualistisch-aufgeklärt durchdrungene, in der das Ich des Menschen zum Anfangsgrund einer philosophia Christiana erhoben wird und der Mensch hauptsächlich in seiner Selbstbezogenheit gesehen wird. Glaubensgegenstand ist nun nicht mehr die göttliche Offenbarung, sondern vielmehr die unfehlbare Vernunft und deren intellektuellen Grundsätze. „1) Wie vielerley Arten von Wahrheiten glaubt ihr? Wir glauben unsre eigenen Erfahrungen durch die Sinne, und durch das Bewußtseyn unserer selbst; wir glauben die unleugbaren Grundsätze der gesunden Vernunft, und ihre klaren Folgen"257. Es ist schon auffällig, daß die ,credo'-Formulierungen, die ihren Sitz im Leben bisher in den altkirchlichen Haupt-Symbola gehabt haben, hier als auf die Vernunft und die Empirie bezogene auftauchen. Die Loslösung der Vernunft von aller positiven Religion wird auch darin sinnenfällig, wie Basedow das Verhältnis von Glaubenslehre und Ethik definiert. Für ihn folgt die konkrete Ethik nicht mehr aus der Glaubenslehre, die Früchte der guten Werke folgen nicht mehr aus dem Glauben, wie es die reformatorische Theologie lehrt (CA 6. 20258), sondern in klar moralistischer Tendenz wird die Ethik von der Dogmatik gelöst und ihr vorgeordnet. Noch bevor Basedow die die Vernunft im Nachhinein bestätigende Dogmatik thematisiert, handelt er die Grundpflichten des Christentums ab, wobei eine biblische Fundierung derselben kaum erkennbar wird. Wie sehr sich Basedow von der materialen biblischen Ethik verabschiedet hat und ein moralisches Exzerpt der Bibel gegen dieselbe zu richten beginnt, zeigt sich darin, daß er z.B. das Doppelgebot der Liebe (Dtn 6,5; Lev 19,18; Mt 22,39) zwar übernimmt, dennoch aber nicht einmal die biblischen Belegstellen angibt - wohlgemerkt in einem Buch, das katechetische Grundlagen im Sinne eines , Kleinen Katechismus' legen soll. „Die Hauptpflicht gegen andere ist, daß wir gegen sie handeln, wie wir wünschen, daß mit uns gehandelt werde; daß wir einen jeden wie uns selbst lieben, und ohne gemeinnützige Ursachen keinen Unterschied der Person machen"259. Bemerkenswert ist, daß Basedow sich auch darin von der biblischen Ethik löst, als für ihn das Nächstenliebe-Gebot eben nicht mehr seinen eigentlichen Grund in dem Gebot der Gottesliebe hat. Dtn 6,5 erscheint nicht mehr im Sinne von Mt 22,39 als der Bezugspunkt von 256

257 Ebd., p33. Ebd., p7. „Item docent, quod fides illa debeat bonos fructus parere et quod oporteat bona opera mandata a Deo facere propter voluntatem Dei" (CA 6). Vgl. CA 20. 259 Basedow, Grundriß, p24. 258

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Lev 19,18. Die Frage also ist bei Basedow nicht beantwortet, von woher die Nächstenliebe als Pflicht motiviert wird. Ewald wird auf dieses Defizit schonungslos hinweisen260. Immer wieder zeigt sich in Basedows Schriften, daß er die Bibel in ihren kontextuellen Zusammenhängen und in ihrer narrativen Struktur aus den Händen gelegt hat und die Bibellektüre denjenigen Schülern vorbehalten sein läßt, die ein höheres, gymnasiales Bildungsniveau anstreben. Denn die Bibellektüre findet dem pädagogischen Entwurf Basedows zufolge erst statt in den „Schulen derer Kinder, die zu höhern Graden der Erkenntniß gelangen müssen"261. Die Bibel ist daher bei Basedow nicht mehr dasjenige Grundbuch der Christenheit, das die Glaubenden wie ein Band vereinigt und zusammenhält, sondern Lektüregegenstand der gebildeteren Schicht. Bei aller aufgeklärtbegeisterten Verkündigung der Gleichheit aller Menschen schleicht sich bei Basedow eine gegenläufige Tendenz in seine Ekklesiologie ein, die nun zwei Klassen von Christen kennt: Eine hauptsächlich in der Moral unterrichtete und eine bibellesende. Um so erstaunlicher ist es da, daß Basedow dennoch völlig inkonsequent die Bibel „die einzige entscheidende Richtschnur des Glaubens und Lebens der Christen"262 nennen kann. Dennoch ist diese Diastase Ausdruck dafür, daß sich Basedow auf einer Gratwanderung der in Deutschland verspätet beginnenden theologischen Aufklärung befindet. Im Sinne eines reinen Lippenbekenntnisses hält Basedow an der unveräußerlichen Schriftautorität noch fest, ohne sie aber dementsprechend auch zur Geltung kommen zu lassen. Mutiger dagegen ist Basedow schon 1764 gegen die klassische Christologie und die Zwei-Naturen-Lehre vorgegangen, wenn er mit subordinatianischer Tendenz behauptet: „Dieser Jesus Christus ist nicht Gott von sich selbst, sondern Gott von Gott, dem Vater unterthan, den er seinen Gott nennt"263. Zwar ist nicht zu übersehen, daß Basedow hier die nicänische Formulierung θεός αληθινός έκ θεού αληθινού264 noch im Kopf zu haben scheint, das unveräußerliche Attribut,wahrhaft' jedoch fortläßt und Jesus einen Untertanen Gottes nennt. Andererseits aber hält Basedow an der klassischen Rechtfertigungslehre und der Lehre von der imputatio fest, und auch das Theologumenon der Erbsünde bleibt erhalten265. „Was verstehet ihr durch die Erbsünde? Wir verstehen durch das Wort Erbsünde, das Verderben des menschlichen Geschlechts an Seel und Leib, welches durch Adams Sünde entstanden ist, und durch jede Zeugung fortgepflanzt wird"266. Gleichzeitig aber ist Basedows Theologie unübersehbar bereits von einem derart grundsätzlichen Mißtrauen 260 262 265

261 S. Kap. II, 6. Basedow, Philalethie, I, p325. 263 264 Ders., Grundriß, p35. Ebd. BSELK, p26. Vgl. Basedow, Grundriß, p41. 266 Ebd., p43f.

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gegen die Orthodoxie getragen, daß er für deren eigentliche Lehrinhalte kaum mehr einen Blick hat, vielmehr den „falschen Schein der Orthodoxie"267 überwinden will und sich „wider einige hier oder anderswo autorisirte Irrthümer, die nemlich von mir dafür erkannt werden"268 wendet. Wie unausgereift Basedows Entwurf einer aufgeklärten Theologie ist, zeigt sich auch darin, daß er zwar in einem eigenen Kapitel seiner „Philalethie" auf die Schwächen der natürlichen Religion deuten kann, jedoch nicht fähig ist, ein wirkliches Miteinander von theologia naturalis und theologia revelata zu entwerfen. Nach Basedow hat die natürliche Religion „gewisse Schwächen und Mängel"269, denn der Mensch ist bestimmt von einem grundlegenden „Trieb, an einigen Hauptwahrheiten der natürlichen Religion zu zweifeln"270. In solchen Situationen des Zweifels ist es notwendig, daß die natürliche Religion „auch bestätiget wird durch ein Zeugniß der Instruction, welche für göttlich anzunehmen ist"271. Basedow erkennt also die Gefahr, daß der Mensch und dessen selbstgenügsame Vernunft in ihrer incurvatio in se allein bleiben und daher im Zweifel gefangen bleiben könnten. Aber Basedow leitet aus dieser wichtigen Beobachtung nicht ab, daß seine beim Ich des Menschen und seiner Vernunft anhebende Anthropologie einer Revision unterzogen werden müßte. Basedow lehnt es daher ab, den Menschen als einen coram Deo stehenden zu begreifen, der erst durch die Offenbarung konstituiert wird und sich von Gott her neu zu sehen und zu definieren lernt. Basedow bemerkt nicht, daß es gerade die in die Welt hineingesprochene Offenbarung sein könnte, die den Menschen aus seiner verzweifelten Selbstbezogenheit herausholen könnte. Das Erkanntsein des Menschen durch Gott wird daher von Basedow nicht als die Bedingung der Möglichkeit der menschlichen Selbsterkenntnis gefaßt. Sondern für Basedow ist die Offenbarung eine nachträgliche und akzidentielle, die die Lücken füllen muß, die die natürliche Theologie hinterläßt. So verliert die Offenbarung als Lückenbüßer ihre wahre Bedeutung insofern, als sie zu einem rein temporär dann und wann notwendig werdenden supranaturalen adiutorium im Hinblick auf die natürliche Religion wird. Dies spiegelt sich bei Basedow etwa darin, daß er „die abstracte Denkart, worinnen die ganze natürliche Religion besteht"272, zwar nennt, sich selbst aber nicht zu einer biblisch-narrativen Konkretisierung der natürlichen Religion durch die Offenbarung durchringen kann. Das ist das Defizit, das wie bereits gesehen - Ewald später mit aller Vehemenz kritisieren wird. Ähnlich steht es mit der Basedowschen Ethik. Auch sie muß - das erkennt Basedow richtig - notwendig abstrakt bleiben, solange sie sich nur auf die natürliche Religion gründet. „Hierzu kömmt die vierte Schwäche, der Moral 267 269 271

Ebd., p5. Ders., Philalethie, I, p595. Ebd.

268 270 272

Ebd. Ebd. Ebd., p597.

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in der blossen natürlichen Religion. Man muß stärker philosophiren, als die Meisten zu thun fähig sind, wenn man kräftig genug einsehen soll, daß man auch Feinde um Gottes Willen thätig lieben müsse"273. Aber trotz dieser Einsicht hat Basedow seine Ethik nicht wirklich biblisch untermauert. So sehr sich Basedow vorgenommen hatte, „von der Nutzbarkeit und dem unvergleichlichen Werthe einer Offenbarung"274 zu sprechen, so sehr ist dieses Vorhaben schon verräterisch, da es unter stark utilitaristischen Gesichtspunkten pointiert nur danach fragt, wie die revelatio nutzbar gemacht werden kann, um für die Schwächen der natürlichen Religion in die Bresche zu springen. Eine wirkliche Offenheit, auf die Offenbarung und die Anrede Gottes durch sie zu hören, ist bei Basedow nicht zu finden. So sehr Basedow also die Offenbarungstheologie retten möchte, so offensichtlich ist gleichzeitig, daß sie bei ihm bereits zu einem uneigentlichen Appendix zur Vernunft verkommen ist. Je mehr Basedow in apologetischer Weise auf die Übereinstimmung zwischen Vernunfterkenntnis und Offenbarung weist, desto mehr wird sie implizit von ihm als überflüssig apostrophiert. Die moralische Engführung der katechetischen Theologie Basedows durchdringt auch sein Werk „Examen in der allernatürlichsten Religion und in andern practischen Lehren von Bürgerpflicht, Toleranz und Tugend im gleichen von Vernunft und ihrer Gotteskenntniß", das erst am Ende „Die allernatürlichste Religion in Fragen und Antworten"275 bietet und vorher „Das bürgerliche Leben und den Staat", „Das Wichtigste der Tugendlehre", „Vernunft im Denken, Vermuthen und Fürwahrhalten", „Die philosophisch=behandelte natürliche Religion"276 u.a. thematisiert. Mitunter verficht Basedow hier die in der Aufklärung weit verbreitete und z.B. auch von Christian Fürchtegott Geliert und Johann Joachim Spalding vertretene Auffassung, die Affekte seien durch die Aufbietung der Vernunft zu überwinden277. Hier ist beispielhaft zu

273

274 Ebd., p598. Ebd., p594. 276 Ders., Examen, Kapitel VI. Ebd., p5ff. 277 Vgl. Geliert, Chr.F., Sämmtliche Schriften, 6. Teil, p217: „In der Stunde der heftigen Leidenschaft [...] verliert der Verstand seine Stärke. Die angenehme Empfindung, oder auch die unangenehme, nöthiget ihn, in das Verlangen des Herzens zu willigen. Man muß also dem ersten Gefühle zeitig durch Gründe der Weisheit und Tugend widerstehen, sich aus seiner eigenen Erfahrung, oder aus fremden Beyspielen belehren, wie betrüglich das Urtheil der Sinne und der Einbildungskraft sey." Vgl. auch Spalding, J.J., Bestimmung, p28f: „Es kommen freylich Zeiten, da Leidenschaften und besondere Neigungen diesen klaren glänzenden Anblick verdunkeln. Aber [...] wenn ich mich über das falsche Licht, welches sinnliche oder partheyische Begierde verursachen, hinweg, in den heiterem Standpunkt der frey urtheilenden Vernunft setze [...] dann verschwindet der Dunst, und ich erblicke die Wahrheit." Zu Ewalds positiver Würdigung der Leidenschaften und des Gefühls innerhalb seiner Ethik vgl. u. Kap. III, 2. 275

224

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erkennen, wie sich Basedow von der sehr stark auf den Affekt des Mitleides und der Sympathie gestützten biblischen Ethik entfernt hat. Der Philanthropinist Friedrich Eberhard Rochow278, zehn Jahre jünger als Basedow, führt auf konsequentere Weise das weiter, was Basedow begonnen hatte. Rochows „Catechismus der gesunden Vernunft oder Versuch, in faßlichen Erklärungen wichtiger Wörter, nach gemeinnützigsten Bedeutungen [...] zur Beförderung richtiger und bessernder Erkenntniß"279 ist ein Lehrbuch, das sich an der Vernunft genügen läßt, kein einziges der klassischen ,Hauptstükke' enthält und nicht eine Bibelstelle explizit zitiert. Rochow bietet hier ausgewählte Begriffserklärungen und Definitionen von Verben und sieht hierin die elementare Lehrart. Schon aufgrund dieser Konzeption ist klar, daß Rochows Methode nicht zuerst auf Narrativität ausgerichtet ist, sondern auf ein Begriffsdenken. Dennoch darf nicht übersehen werden, daß Rochow selbst als Lesebuch-Autor tätig geworden ist, und daß sein „Kinderfreund" weite Verbreitung erfahren hat. Auch Ewald empfiehlt den Lehrern, mit den Kindern aus diesem Buch zu lesen280. Dennoch war es Ewalds Meinung zufolge nicht hinreichend, so wie Rochow die Narrativität nur in einem mit ethischen Beispielgeschichten gespickten Lesebuch zur Geltung kommen zu lassen und die biblische Narrativität dabei außer acht zu lassen. In Rochows Katechismus werden im traditionellen Stile Fragen gestellt und die jeweiligen Antworten hinzugesetzt. Anstelle der früher üblichen Anführungen von biblischen Belegstellen stehen bei Rochow „Beispiele": „Frage. Was heißt, können? Antwort. Etwas auszurichten oder zu erlangen fähig oder tüchtig seyn. Beyspiele. Einige Thiere als der Hund, das Pferd, der Hase etc. können schnell laufen. Der Vogel kann fliegen"281. Ähnlich wie schon Basedow282 wendet sich auch Rochow gegen „die verkehrte und nicht bessernde Lehrart der Jugend, nach welcher, allerley Redesätze, blos ihrem Gedächtniß eingeprägt wurden"283. Eindeutig stellt Rochow seine eigene 278 Rochow hat sein Wirken als Pädagoge selbst in seiner .Geschichte meiner Schulen' beschrieben. Vgl. Reble, Α., Art. Rochow, RGG3 Bd. 5, Sp. 1132f und ders., Art. Philanthropinisten, RGG3 Bd. 5, Sp. 329f (dort weitere Lit.). Vgl. auch den instruktiven Überblick über Rochows Schaffen bei Göbels, H. 279 Überdies hat Rochow zehn Jahre später einen weiteren Katechismus verfaßt: Rochow, Summarium. Noch im selben Jahr erschien: Ders., Zusätze zu dem Summarium. 280 vgl. Ewald, Kurze Anweisung (Bibl. Nr. 282), ρ 17. In der Elementarschule sollen die Kinder das Buchstabieren nach Rochows Kinderfreund lernen oder nach einem „andern zweckmäßigen Buche." 281 Rochow, Catechismus, p22. 282 Vgl. Basedow, Philalethie, I, p322f: „Ist es überhaupt vernünftig, mehrentheils mit Zwang, etwas dem Gedächtniße einzubläuen, das man erst spät und oft nie verstehen lernet [...] Warum soll man das Vater Unser eher lernen, als man es versteht?" 283 Rochow, Catechismus, p7.

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Lehrmethode in scharfen Kontrast zu der vermeintlich orthodoxen, die nur auswendig habe lernen lassen: „Denn, daß man wichtige Wörter früh erklärt, und verstehen hilft, ist eine Lehrart. Daß man viel auswendig lernen läßt, und nicht verstehen hilft, ist eine Lehrart. Daß man durch Geschichte, Gleichnisse, und wohlgewählte Dichtungen die Lehren anschaulich macht, ist eine Lehrart [...] Aber eine Lehrart bessert mehr als die andre"284. Rochow verwirft den althergebrachten Unterricht völlig, indem er ihn als einen Unterricht an den Pranger stellt, der vermeintlich nicht den Verstand der Kinder bemüht, sondern nur das Gedächtnis, der unnarrativ und deswegen unanschaulich ist und kein lebendiges Gespräch mit den Schülern aufkommen läßt. Rochow mag genügend viel Mißbräuche der eigentlichen, oben skizzierten orthodoxen Pädagogik vor Augen haben. Dennoch ist nicht zu übersehen, daß Rochow in einer sehr einseitigen Art und Weise den Mißbrauch zum willkommenen Anlaß nimmt, um einen radikal-aufklärerischen Traditionsabbruch durch ihn zu rechtfertigen. Daher kann sich Rochow dem Vorwurf nicht entziehen, daß er vieles schon deswegen als Ballast abzuwerfen bereit ist, weil es .traditionell' ist. Rochow ist hierin Vertreter einer Aufklärung, der die Einsicht in die Tatsache fehlt, daß sie selbst auf den Schultern der vorhergehenden Generationen von Theologen steht und selbst nur als eine geschichtlich gewordene zu verstehen ist. Rochow vermag es bei aller Begeisterung für die Aufklärung nicht zu fassen, daß die Aufklärung nur als eine aufgrund von traditioneller Vermittlung zustande gekommene zu verstehen ist. Hätte Rochow sich einen stärkeren Einblick in die eigentliche Methode orthodoxer Pädagogik verschafft, dann hätte er bemerken können, daß die Aktivierung des Verstandes, die Unterredung als Lehrgespräch und die Narrativität sehr wohl als Grunddaten dieser Methode bezeichnet werden dürfen, wie oben an Hoffmann und Hübner gezeigt worden ist285. Rochow will den narrativen Unterricht zu neuem Leben erwecken, indem er sich gegen einen starren, orthodox-pervertierten Unterricht wendet. Er formuliert als Grundsatz, „daß man durch Geschichte, Gleichnisse, und wohlgewählte Dichtungen die Lehren anschaulich"286 machen soll. Rochow selbst jedoch löst diesen Grundsatz in seinem Katechismus nicht ein, da er hier bloße begriffliche Verstandesbildung anstrebt. Rochows bleibende Bedeutung liegt darin, daß er sich um die Verbesserung der Schulbildung, des Schulwesens und der Lehrerbildung gekümmert, ja das preußische Landschulwesen überhaupt erst begründet hat - all das hat er selbst in seiner Schrift „Geschichte meiner Schulen" schön beschrieben. Hierin besteht durchaus eine geistige Verwandtschaft zwischen Rochow und Ewald, der selbst in Lippe, Bremen und Baden das Schulwesen half zu 284 286

Ebd. Rochow, Catechismus, p7.

285

Vgl. Kap. II, 4.

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Kapitel II

verbessern, u.a. nach Rochowschen Vorbild Lehrerseminare einrichtete und sich dafür einsetzte, daß die Lehrerschaft besser besoldet würde. Weiter ist Rochow hoch anzurechnen, daß er eine in sich geschlossene Pädagogik ausgebildet hat, deren Geschlossenheit sich vor allem auch in seinen verschiedenen, aufeinander bezogenen Schulbüchern spiegelt: Katechismus und ,Kinderfreund' für die Kinder, ein „Hand=Buch in katechetischer Form für Lehrer die aufklären wollen und dürfen"287 für die Lehrer288. Dennoch kann all dies nicht darüber hinwegtäuschen, daß Rochow die biblische Narrativität völlig aus dem Auge verliert, indem er sich an einer bloß natürlichen Religion genügen läßt. Zwar will Rochow den narrativen Unterricht in moralischethischer Hinsicht wiedergewinnen, was ihm auch gelingt, aber er richtet dieses Vorhaben gegen die biblische Erzählart. Rochows narrativer Unterricht ist also kein sich auf die Bibel gründender, sondern ein sich ,emanzipatorisch' von derselben entfernender, der im Gegensatz zu der Pädagogik Ewalds nicht fähig noch willens ist, bei der Bibel und den biblischen Pädagogen in die Schule zu gehen. Rochow denkt als aufgeklärter Theologe prinzipiell von den der Vernunft des Menschen eignenden Fertigkeiten und seiner moralischen Perfektibilität her. Dieser Moralismus mündet in einen sehr starken, eigenartigen Synergismus, wobei hier die Theologumena der reformatorischen Gnaden- und Rechtfertigungslehre verloren gehen. Teilweise schleicht sich anstatt dessen die aristotelisch-ethisch beeinflußte Begrifflichkeit der scholastischen Gnadenlehre ein, ohne daß jedoch in der Sache eine wirkliche Übereinstimmung zwischen der aufgeklärten Moralreligion und der scholastischen Rechtfertigungslehre entstünde. Das wird noch zu zeigen sein. Sehr stark engt Rochow die Gotteslehre auf die Bedeutung Gottes als eines Morallehrers ein. Gottes Handeln als gnädiger Erbarmer, Versöhner und Erlöser kommt kaum mehr in den Blick. Gott ist primär derjenige, der darüber belehrt, wie der Mensch zur Glückseligkeit gelangt. „Es war Gottes Sache, zu machen, daß die Menschen wissen konnten, was ihnen zur Glückseeligkeit hilft, und Er that das Seine: Nun ists der Menschen Sache, das ihre zu thun, das

287 Rochow, Hand=Buch in katechetischer Form. Darüber hinaus ist noch Rochows .Versuch eines Schulbuchs für Kinder der Landleute oder Unterricht für Lehrer in niedern und Landschulen' zu nennen, das 1776 bereits in zweiter Auflage bei Friedrich Nicolai in Berlin erschien. Ähnlich wie Ewald, der sich u.a. um die Verbesserung des Landschulwesens verdient gemacht hat, wendet sich auch Rochow lehrend sowohl an die Kinder wie an die Lehrer, die er als Pädagoge zu Schülern macht. Auch Ewald hat ein .Lesebuch für die Landschulen' verfaßt (Bibl. Nr. 38), das aber - anders als dasjenige Rochows - viel stärker von der Bibel ausgeht. 288 Vgl. Rochow, Catechismus, pl 1, wo Rochow selbst auf die Zusammengehörigkeit dieser seiner Schulbücher und pädagogischen Schriften verweist.

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ist, sich zu bemühen, daß sie es lernen, was Gott sie hat lehren lassen"289. Wer die moralische Lehre Gottes annimmt, die nicht anders als durch die Vernunft allein zu fassen ist, setzt sich dadurch selbst in den Stand, die Rechtschaffenheit als Ziel allen Tuns aus eigener Kraft zu erreichen. „Ein rechtschaffenes Wesen, heißt eine regelmäßige Art zu handeln, und das zu verrichten, was Gott von einem solchen Menschen fordert, als ein jeder von uns, nach seinem Beruf und Stand in der Welt ist"290. Dieser Anschauung zufolge ist der Mensch das handelnde Subjekt, das durch Rechtschaffenheit seine Glückseligkeit zu besorgen aufgerufen ist. „Geistlich gesinnet seyn, heißt, für seine Seele sorgen, daß sie ewig glücklich werden könne"291. Es sind bei Rochow nicht mehr die klassischen media salutis292, die dem Menschen Glauben einstiften und somit zur Seligkeit helfen; es ist nicht mehr das gepredigte verbum externum, nicht mehr Taufe und Abendmahl, die glaubensstiftend und damit rechtfertigend wirken. Vielmehr erhebt Rochow das Gesetz zum einzigen medium salutis: Das Gesetz, das vom Menschen vernünftig begriffen wird. Das Gesetz, von dem nach paulinischer und reformatorischer Anschauung gilt, daß es den Menschen anklagt und ihn seiner Sünde überführt, nicht aber in der Lage ist, den Menschen zu retten, erhält bei Rochow als Vernunftgesetz den ersten Platz im Erlösungsgeschehen. „Nach Gottes Geboten sich sorgfältig richten, ist ein Mittel glücklich zu werden"293. Es ist nicht der evangelische Freispruch, der dem Menschen als glaubensstiftender in der Predigt von Gott selbst zugesprochen wird, sondern der verdienstliche Gebotsgehorsam, der in den Stand der Glückseligkeit versetzt. „Nur der kann glückselig seyn, der sich nach Gottes Geboten richtet; also will ich mich nach Gottes Geboten richten"294. Hatte Rochow oben noch den Gebotsgehorsam als „ein Mittel glücklich zu werden"295 bezeichnet, so stellt er denselben später als das einzige und singuläre Mittel dar, wobei sich Rochow offensichtlich gegen die klassische Lehre wendet, das ,Treiben' des göttlichen Wortes stifte seligmachenden Glauben. „Wer erkennt und sich überzeugen gelernt hat, Gottes Gebote halten, sey das einzige Mittel um glücklich zu werden, der bemüht sich, sie zu wissen, zu verstehen, und zu befolgen, und denkt nicht, daß das bloße Auswendiglernen und Hersagen derselben, ihn schon beglücken könne"296. In dieser Hinsicht ist Rochows Ethik von einem schroffen Legalismus geprägt, der nach einem eindeutigen ,do ut des'-Schema das moralische Verhalten der Menschen zur Bedingung der Ermöglichung von Heil überhaupt erhebt. Dabei ist nicht zu übersehen, daß hier nicht einfach die reforma289 292 293 295

290 291 Ebd., p46f. Ebd., p48. Ebd., p49. Vgl. zu Ewalds Stellung zu den Heilsmitteln u. p279. 294 Rochow, Catechismus, p51. Ebd., p58. 296 Ebd., p51. Ebd., p63.

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torischen Grundlagen der Rechtfertigungslehre zugunsten einer erneuten Etablierung der katholischen Gnadenlehre aufgegeben werden. Denn der scholastischen Gnadenlehre eignet die Unterscheidung zwischen gratia praeveniens seu infusa seu operans und gratia subsequens seu acquisita seu cooperans. Erstere setzt den Menschen als zuvorkommende und unerworbene Gnade erst in den Stand, durch nachfolgenden Gebotsgehorsam und Befolgung der Consilia evangelica ein homo operans zu werden, der bei der Erlangung der habituellen Gnade durch die gratia cooperans unterstützt wird297. Bei Rochow dagegen gibt es weder eine ohne Verdienst geschenkte Anfangsgnade noch auch eine den Menschen wenigstens unterstützende und begleitende Gnade im meritorischen Prozeß. Nach thomistischer Auffassung wird der Mensch durch die gratia operans dazu befähigt, sich durch eigene Übung die 'έξις im aristotelischen Sinne298 zu erwerben, nämlich die habituelle Gnade299. Nach Rochow dagegen ist die moralische Fertigkeit des Menschen nicht eine im Sinne des Aristoteles durch Übung erworbene, sondern die moralische Fertigkeit haftet dem Menschen bereits von Natur aus und von Geburt an an. Es bedarf nur noch der rechten Anwendung derselben. „Wer die Fähigkeit seiner unsterblichen Seele, Gott immer ähnlicher an Weisheit und Güte zu werden, recht anwendet, der erlangt endlich Fertigkeit im Guten" 300 . Es kommt nach Rochow nur darauf an, die im Menschen angelegten moralischen Fähigkeiten durch bloßes Anwenden zur Fertigkeit werden zu lassen, die Übung spielt dabei nicht die zentrale Rolle. „Wo Fähigkeiten sind, da sollen Fertigkeiten werden, das ist, alle Gaben Gottes, soll man, seinen [!] Willen gemäß, anwenden [...] Der Mensch kann immer Gott ähnlicher, das ist, vollkommener und besser werden, also soll er das auch"301. Während also die scholastische Gnadenlehre lehrt, daß die moralische Fertigkeit des Menschen ihre Bedingung insofern in der göttlichen Gnade hat, als diese es ist, die zumindest als Mitwirkung noch zum Heil hilft, fällt diese schon sehr herabgesetzte Bedeutung der Gnade bei Rochow ganz weg. Jeder Mensch hat „einen 2,7

Vgl. Thomas von Aquin, s. th. I, II, 111,2: „Respondeo dicendum quod, sicut supra dictum est, gratia dupliciter potest intelligi: uno modo, divinum auxilium quo nos movet ad bene volendum et agendum; alio modo, habitúale donum nobis divinitus inditum. Utroque autem modo gratia dicta convenienter dividitur per operantem et cooperantem." 298 Vgl. Aristoteles, Ethica Nicomachea, 1139a, 33f. 299 Vgl. Thomas, s. th. I, II, 94, 1. Schon die lex naturalis und die synderesis, d.h. das Gewissen, das als infallibil-göttliche Instanz im Menschen tätig ist und den Menschen zum Handeln antreibt, ihn verklagt und verteidigt, ja den göttlichen Richterspruch in sich trägt, sind habitus. „Synderesis est habitus quidam [...] Ergo lex naturalis est habitus." Vgl. zum habitus, zur „firmitas", die der Mensch durch Übung zu erwerben hat: Thomas, s. th. I, II, 100, 9. 300 Rochow, Catechismus, p54. 301 Ebd., p57.

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freyen Willen"302; und um gut zu werden, muß der Mensch ihn nur aufbieten: „Es ist möglich, gut zu werden, denn man darf nur recht ernstlich wollen"303. Und in gewisser Weise bricht hier bei Rochow dann doch etwas durch, was mit der gratia cooperans vergleichbar ist, nämlich die typisch aufgeklärte Lehre vom göttlichen Beistand im Prozeß der moralischen Perfektionierung des Menschen. Denn Rochow fährt fort: „[...] und wie man es anfangt, um gut zu werden, hat Gott lehren lassen, und hilft gern dazu"304. Nach dem bisher an Rochow Beobachteten ist es nicht verwunderlich, daß die Christologie bei ihm eine noch viel stärkere Ausdünnung erleidet als bei Basedow. Hatte dieser an der Lehre vom Opfer Christi festgehalten, also die klassische Unterscheidung von oboedientia activa und passiva305 noch mitvollzogen, so geht diese bei Rochow verloren. Dies ist eine Folge des legalistischen Synergismus eigenen Gepräges bei Rochow, den Basedow in dieser Weise nicht vertreten hat, da ihm an der Bewahrung des Theologumenons der imputatio noch gelegen war. Nach Rochow dagegen ist es Jesu Aufgabe, lediglich ein moralisch-perfektes Vorbild für die Menschen abzugeben. Nur die oboedientia activa, Jesu Erfüllung des Gesetzes durch seinen aktiven Gebotsgehorsam also, ist von Bedeutung für Rochows Christologie, nicht aber Christi oboedientia passiva, sein Leiden, durch das er die Vergebung der Sünden erworben hat. Von Jesus steht fest, daß er „sich in allen Stücken nach Gott gerichtet"306 hat. Jesus ist aber nicht als der eschatologisch zurückkehrende Richter anzusehen, der im letzten Gericht das gerechtsprechende Wort ergehen lassen wird. Eine von Christus erworbene Gerechtigkeit, die dem Menschen zugeeignet werden könnte, gibt es bei Rochow nicht. Hieraus folgt bei Rochow ein sich eschatologisch ausprägender legalistischer Rigorismus, der den Grund der biblischen Botschaft des Gleichnisses der Arbeiter im Weinberg etwa (Mt 20,Iff) völlig verläßt und das kleinliche Aufrechnen beginnt. „Frage. Was ist unwahrscheinlich? Antwort. Das Gegentheil des vorigen, oder was mehr Gründe wider als für seine Glaublichkeit oder Erwartung hat. Beyspiele. Es ist unwahrscheinlich [...] daß wer erst spät angefangen hat, sich zu bessern, es einst eben so gut haben soll, als wer von Jugend auf, sich nach Gott gerichtet hat"307. Rochow hat das ,sola fide' aufgegeben und kann deswegen auch nicht mehr zu der biblischen Verkündigung stehen, daß auch ein schwacher Glaube Gott angenehm ist und dem Glaubenden wie dem Schächer am Kreuz (Lk 23,42f) den Gnadenspruch zukommen läßt. Rochows Vernunftprinzip hat kein Sensorium dafür, daß das, was der Vernunft zufolge unwahrscheinlich, ja unerhört ist, biblisch gesehen gerade zur Gewißheit erhoben wird: Daß es nämlich Gottes freie Treue den Menschen gegenüber ist, 302 305 307

303 Ebd., p59. Ebd., p67. Vgl. Basedow, Grundriß, p40. Ebd., p69.

304 306

Ebd. Rochow, Catechismus, p75.

230

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den selig werden zu lassen, der sich zu ihm kehrt - auch, wenn es erst spät geschieht. So gehen bei Rochow der Verlust der Bibel und das Aufkommen eines moralistischen Legalismus miteinander Hand in Hand. Jedoch ist zu beobachten, daß Rochow in seinen früheren Büchern zumindest noch stärker biblische Theologie betrieben hat308. Es gelingt Rochow nicht, den Menschen aus seiner bloßen Selbstbezogenheit herauszuholen, da es ihm nicht möglich ist, den Menschen coram Deo im Jüngsten Gericht zu sehen. Daher verlegt Rochow das extremum iudicium in den Menschen hinein, indem er es als ein im Gewissen und der Vernunft ergehendes faßt. „Moralität der Handlungen und des Denkens ist die innere Be= und Entschuldigung, wobey die Vernunft Richter ist"309. Die reformatorische Einsicht, daß das Gewissen zunächst einmal ein sich selbst verklagendes ist, das der Kraft des Freispruches ermangelt und deswegen zum Richterstuhl Gottes fliehen muß310, ist Rochow abhanden gekommen. Ähnlich sieht auch das 1772 in Leipzig erschienene Lehrbuch „Practischer Catechismus zur christlichen Sittenlehre für das Landvolk" das Gewissen als eine infallibil-göttliche Richterinstanz. „Endlich hat auch ein jeder Mensch ein Gewissen, dessen Urtheile und Empfindungen, nach der Absicht des Schöpfers, mit Aufmerksamkeit wahrgenommen werden müssen. Dasselbe sagt uns, bey unsern Handlungen, Reden und Gedanken, ob etwas Recht oder Unrecht, gut oder böse, klug oder thöricht, ehrbar oder schändlich, löblich oder sträflich sey"311. Die reformatorische Auffassung des Gewissens ist hier verlorengegangen, derzufolge das Gewissen erst durch das Evangelium befreit und ein fröhliches und befreites werden muß, bevor es eine Befähigung zum iudicare darüber bekommt, welche Werke aus dem Glauben fließen und welche nicht. Erst vom Evangelium aus, das nun im Gewissen Wohnung bezogen hat, wird das Gewissen zu einem richtenden, indem es nun einen konkreten und begrenzten Bereich zugewiesen bekommt, in dem es entscheidet. Die Aufgabe des Gewissens nach der Befreiung ist es nicht, abstrakt zu be- und zu entschuldigen, sondern es wird dazu befähigt, zu unterscheiden, welche Werke aus dem Glauben fließen und welche nicht312.

308

Das trifft besonders auf Rochows .Versuch eines Schulbuchs' zu. Rochow, Summarium, p23. 310 Vgl. Luther, Römerbriefvorlesung, BoA 5, p227f: „Ac sic ,Deus maior est corde nostro'. Maior est defensor quam accusator, etiam in infinitum. Deus defensor, cor accusator." 311 Practischer Catechismus, pi 1. 312 Vgl. etwa Luther, De votis monasticis, WA 8, p607. Erst das befreite und freudige Gewissen kann auch wieder urteilen und richten, d.h. zwischen Christi und den eigenen Werken unterscheiden. „Sic ergo discernit et iudicat inter opera Christi et sua." Also steht Luthers Gewissenslehre im engsten Zusammenhang mit seiner Rechtfertigungslehre. 309

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Wie Rochows katechetische Theologie ist auch der ,Practische Catechismi^' gekennzeichnet durch einen deutlichen Moralismus, eine aufgeklärte Lohnlehre und durch eine legalistische Tendenz. Dabei spielt die Bibel hier zumindest noch die Rolle, die sie auch bei Basedow innehat: Sie ist als göttliche Offenbarung ein Appendix zur natürlichen Religion und bestätigt das, was Vernunft und Gewissen ohnehin schon aus sich selbst wissen. „Der Wille Gottes an uns, und von dem, wie wir leben und wandeln sollen, ist uns sehr deutlich offenbaret, daß man es gleich weiß, was der Herr haben will, so bald wir seinen Befehl hören oder lesen [...] Unser Gewissen stimmet auch damit überein, es urtheilet von unsern Handlungen, es billiget oder bestrafet dieselben, und empfindet so gleich, was Gott nothwendig verboten, oder befohlen hat: Ingleichen, was er erlaubet haben mag, oder nicht"313. Der Vf. wird nicht müde, diese Gleichsetzung von Gewissen und Vernunft einerseits und Offenbarung andererseits immer wieder bis an die Grenze der Stupidität einzuhämmern. „Unser Gewissen sagts uns, daß wir eine solche Verbindlichkeit auf uns haben, und die Bibel beweiset uns dieses also, daß wir dergleichen nicht läugnen können"314. Eine seelsorgliche Reflexion darüber, wie das Gewissen ein in Anfechtung irrendes und ein in seiner Selbstverstrickung gefangenes sein könnte315, stellt sich dieser Art von Aufklärungstheologie nicht. So kann auch dieser Katechismus nicht begreifen, daß die Bibel eine Funktion im Hinblick auf das Gewissen haben könnte, durch die das Gewissen vom göttlichen Wort her neu konstituiert wird. Dies ist verlorengegangen: Die Rede davon, daß das biblische Wort Gottes den Menschen mit seinem gefangenen Gewissen zur neuen Kreatur werden läßt; daß die Bibel also mehr ist als eine das Gewissen und seine ,Erkenntnis' ständig nur bestätigende und bekräftigende Instanz. Eindeutig ist im ,Practischen Catechismus' eine legalistische Überordnung der sanctificatio über die iustificatio zu beobachten. Die Heiligung folgt nicht aus dem Glauben, der wiederum aus dem Gehör des Predigtwortes fließt, sondern der Glaube erhält seine Definition erst von der Heiligung her, denn „ohne solche [findet] kein wahrer Glaube, und keine gegründete Hofnung der Seligkeit, statt"316. Ähnlich wie bei Rochow kommt auch hier den Sakramenten nicht die reformatorische Bedeutung als media salutis zu. Die 313

Practischer Catechismus, p25f. Ebd., p33. 315 Nach Luther ist das menschliche Gewissen - anders als in der scholastischen Theologie - keine infallibile Richterinstanz, die dem Menschen habituell eignet, sondern es unterliegt dem Irrtum, solange nicht das befreiende und gewiß machende Wort im Gewissen seinen Platz eingenommen hat. Daher kann folgender Imperativ als die Grundfeste Lutherscher Seelsorge-Theologie überhaupt angesehen werden: „Last vnns zu(o)sehen das wir nit die schwachen Conscientien verfüren" (Invokavitpredigten, StA 2, p538). 316 Practischer Catechismus, pl09. 3,4

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Sakramente stiften keinen Glauben, stärken ihn auch nicht, sondern mit den Sakramenten wird lediglich eine supranaturale Dynamik gestiftet, durch die der Mensch zur Heiligung getrieben wird. „Hierbey und durch dieselben wirket Gottes übernatürliche Kraft, zur wahren Heiligkeit, daß wir im Guten wachsen und zunehmen, je mehr und getreuer wir, bey dem Gebrauche derselben, uns redlich verhalten"317. Dementsprechend ist bei der Taufe nicht Gott das eigentlich handelnde Subjekt, sondern der Mensch. So steht es fest, daß der Mensch Gott gegenüber „kindlichen Gehorsam und die tiefste Ehrerbietung, nach seiner Taufzusage, schuldig sey"318. Es ist nicht primär Gott, der bei der Taufe dem Menschen eine Zusage im Sinne einer promissio leistet, sondern der Mensch sagt Gott seinen Gebotsgehorsam zu. Nicht so sehr das, was pro me in der Taufe geschieht, ist hier von Interesse, sondern das, was sich als ethische Verpflichtung und Aufgabe aus ihr für den Menschen ergibt. Bei allen drei bisher betrachteten Vertretern tritt die Frage in den Hintergrund, wie der Mensch überhaupt durch den Glauben befähigt wird, die von Basedow, Rochow und dem Anonymus aufgesetzte Ethik zu befolgen. Die Ethik emanzipiert sich hier eindeutig von der Glaubenslehre. Dies ist eine Parallelbewegung zu der Entwicklung, in der sich die Inhalte der aufgeklärten Theologie zunehmend von den biblischen Grundlagen emanzipieren. Gerade was die nicht gestellte und also auch nicht beantwortete Frage angeht, wie die göttliche Liebe überhaupt als Voraussetzung für die Liebe des Menschen zu seinem Nächsten begriffen werden kann, wird Ewald in ein durch die Aufklärungstheologen geschaffenes Vakuum stoßen und mit ihnen schonungslos abrechnen. So wie bei Rochow das Gesetz zum einzigen medium salutis mutiert und an die Stelle der Predigt und der Sakramente tritt, so auch in diesem Katechismus. Der Vf. spricht nicht eigentlich von Mitteln, die Glauben und damit Seligkeit zu stiften in der Lage sind, sondern davon, wie die christliche Religion als moralische Tugendlehre Mittel zur Tugendübung ist. „Sie, die christliche Religion, giebt uns die höchste Kraft, und zeiget die sichersten Mittel, ja auch die nachdrücklichsten Bewegungsgründe, welche uns zur Ausübung einer wahren Tugend unentbehrlich sind"319. Daher ist das Wort Gottes zuvörderst „Mittel", durch das „man zur wahren Tugendübung gelangen"320 kann; es ist „das Mittel, Gutes zu lernen, auszuüben, darinnen zu wachsen, dem Bösen zu widerstehen, und also in Heiligkeit und Frömmigkeit vor Gott zu leben"321. Das göttliche Wort ist also medium sanctificationis im verengt ethischen Sinne und nicht eigentlich medium salutis im reformatorischen Sinne. Höchstens noch in der aufgeklärten Bedeutung ist das Wort dann

3,7 320

Ebd., ρ 104. Ebd., ρ 102.

318 321

Ebd. Ebd.

319

Ebd., pl6.

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doch Mittel auch zur Seligkeit: insofern, als es diejenigen moralischen Direktiven gibt, deren Befolgung in meritorischer Hinsicht die Voraussetzung der Seligkeit des Menschen ist. Die nomistische Tendenz des vorliegenden Katechismus ist nicht hinwegzudeuten: „Begreifet also aus dieser Anmerkung, daß ein Christ [...] nicht hoffen kann, daß er glücklich und gesegnet leben könne, wenn er nach seinen Befehlen und Gesetzen sich nicht richten [...] noch sein Leben nach denselben anstellen will. Glauben, daß uns Gott segnen soll, ohne, daß wir ihm gehorsam seyn müssen, ist eine leere Einbildung, und bloße Erdichtung"322. Der Vf. definiert die Liebe Gottes als eine, die es zu erwerben gilt: „Ingleichen, daß er seine Liebe den Frommen, in vorzüglichen Gütern, als Belohnungen ihrer guten Werke, zu erkennen giebet"323. Die Belohnung guter Werke durch Gott ist ein Antrieb zu sittlichem Verhalten: „Einen mächtigen Trieb, zur dauerhaften Tugendübung, giebt also dem Christen die Ewigkeit der verheissenen Belohnungen"324. Allerdings lebe der Christ nicht darum, daß er belohnt werde, sondern er richtet sich nach Gottes Befehlen um ihrer selbst willen. „Er lebt auch deswegen nicht fromm, daß er belohnet werde, sondern, daß er dem Befehle seines Herrn folge, und gehorsam sey"325. Hatte die reformatorische Ethik den Glauben als das Fundament gefaßt, von dem aus bona opera motiviert sind, das Evangelium also zum Ausgangspunkt aller Ethik erhoben, so definiert dieser Katechismus die Lehren des Gesetzes als Grundlage der Ethik. „Inmittelst bleibt es doch darbey, da Gott uns sein Gesetz gegeben, solches auch will beobachtet wissen, und die Gehorsamen belohnen, daß solche Lehren den Grund der Religionssittenlehre ausmachen, in denen das Wesen der ganzen Tugend und Heiligkeit, auf den Gehorsam und die Liebe gegen Gott, gegründet ist"326. Luther hatte den Menschen nach der iustificatio im eschatologischen Prozeß als einen kooperierenden definiert und hierzu kritisch gegen die scholastische Gnadenlehre das Verhältnis des Arztes zu seinem Patienten herangezogen, der beim Heilungsgeschehen mitarbeitend das Seinige zu demselben beiträgt327. Dies geht in diesem Katechismus verloren, indem nun ähnlich wie bei Rochow Gott als cooperator erscheint. „Zu allen [!] giebt ihm [seil, dem Menschen im Heiligungsgeschehen; A.S.] Gott seinen Beystand"328. Die Aufgabe des Menschen ist, „seinen Beystand an[zu]nehmen"329. Zwar kann der Vf. sagen, daß „das ganze Werk der Heiligung, welches Gott in uns anfängt, fortsetzet und vollendet, sein Werk, ein Geschäfte Gottes"330 ist. 322

323 324 Ebd., p22. Ebd., p35 . Ebd., p45. 326 Ebd., p43. Ebd. 327 Vgl. hierzu und zu Ewalds Rezeption dieses Gleichnisses und der in ihm implizierten Sache u. p275. 328 329 Practischer Catechismus, p73. Ebd. 330 Ebd., p72. 325

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Aber diese Aussage ist derart unausgewogen und steht in einem unklaren Verhältnis zu den Stellen, an denen der Vf. wiederum nur vom „übernatürlichen Beystand"331 spricht. Synergismus und Lohngedanke einerseits und ein eingeschränkter Supranaturalismus andererseits paaren sich hier, wobei der Supranaturalismus jedoch wie überhaupt die Offenbarung zur Vernunft nur als ein akzidentieller Appendix hinzutreten. So sind hier theologische Prinzipienlehre und Gnadenlehre gleichermaßen vom aufgeklärten Individualismus durchdrungen. Die Bibel spielt in diesem Moralkatechismus kaum eine Rolle; sie wird weder für die Ausbildung einer materialen Ethik herangezogen noch auch in ihrer Narrativität als Exempel-Buch zur Sprache gebracht. Der Vf. begreift die Bibel als ein Buch, aus dem im Sinne von Extrakten Satzwahrheiten herausgezogen werden können, ohne daß dieselben wiederum mit der Bibel in Beziehung gesetzt werden müßten. Eine ganz ähnliche Richtung aufgeklärter Theologie vertritt das 1788 in Königsberg erschienene, von Wilhelm Crichton332 verfaßte und anonym herausgegebene katechetische Lehrbuch „Grundriß eines vernunftmäßigen Religionsunterrichts für guterzogene Jünglinge". So wie Basedow teilt Crichton seinen Katechismus in „Hauptstücke"333 ein, ohne daß aber die klassischen Hauptstücke behandelt würden. Im Aufbau des Katechismus ist eine Anlehnung zumindest an den klassischen Aufbau der loci-Dogmatik noch erkennbar. Auch gibt sich Crichton sichtlich Mühe, seine Lehren durch jeweils hinzugesetzte Bibelstellen zu illustrieren. Aber das Lehrbuch ähnelt in seinem Aufbau, seiner durchaus nicht leicht zugänglichen Begriffssprache und v.a. in seiner Ausführlichkeit und gelehrten Eloquenz eher einem aufgeklärt-dogmatischen Lehrkompendium als einem Katechismus im klassischen Sinne. Nicht nur Crichton, sondern alle anderen bisher betrachteten katechetischen Autoren haben die ,kurze Form' verlassen. Es ist schon auffällig, daß im sog. pädagogischen Zeitalter des ausgehenden 18. Jahrhunderts pädagogisch eigentlich unverträgliche Katechismen entstanden sind, die die formale, sprachliche aber auch inhaltliche Prägnanz der Katechismen von Luther und Johannes Brenz334 z.B. aufgegeben haben. Auf oft mehr als 150 engbedruckten Seiten wird von vielen aufgeklärten Theologen die vermeintliche Grundlage christlicher Lehre vorgetragen. Das Bewußtsein dafür, daß eine summarisch331

Ebd. Wilhelm Crichton (1732-1805), zunächst Rektor des reformierten Gymnasiums in Halle, dann Prof. der Theologie, Philologie und Rhetorik an der Universität Frankfurt/ Oder, bis zu seinem Tode Hofprediger in Königsberg/Ostpr., gehört eindeutig zur rationalistischen Richtung der Aufklärungstheologie. 333 Crichton, Grundriß, Inhaltsverzeichnis. 334 Zu Brenz' Katechismen vgl. Weismann, Chr. 332

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biblische Exemplarizität möglich und nötig ist, geht in dem Maße verloren, wie die biblische Sprache aus den Katechismen immer mehr verschwindet. Auch bei Crichton ist eine starke sachliche Überordnung der Ethik über die Glaubenslehre festzustellen - ähnlich wie bei den zuvor thematisierten Katechismen. Die ernsthaft angestrebte sanctificatio ist auch hier die Voraussetzung für wirkliche Vergebung. „Jesus hat nicht nur die Vergebung der Sünden unter gewissen Bedingungen angekündigt; sondern auch dem menschlichen Geschlecht die Gewißheit verschaffet, daß alle, die der Heiligung ernstlich nachstreben [...] gänzliche und ewige Vergebung erlangen sollen"335. Die sittliche Vervollkommnung des Menschen ist die conditio sine qua non für die Begnadigung, ohne daß jedoch danach gefragt würde, auf welchem Wege der Mensch zur Heiligung gerufen wird. Crichtons Meinung, „daß Gott allen, die der Heiligung mit rechtem Ernst nachstreben, durch Jesum vollkommene und ewige Begnadigung verheissen und verschaft habe"336, wird nicht durch eine Reflexion darüber ergänzt, wie Gott zum Motor der sanctificatio durch den Glauben je und je neu wird. Zwar führt dieser Katechismus im Unterschied zu denjenigen von Rochow und Bahrdt etwa recht ausführlich Bibelstellen an. Es ist aber nicht zu übersehen, daß gerade hiermit eine sachliche Entfremdung von den klassischen Inhalten der Dogmatik kaschiert werden soll. Die Aussage etwa, daß dem Menschen ohne weiteres ein freier Wille eigne, ist Crichton so unumstößlich, daß er daraus vernünftig die Unmöglichkeit der Erbsünde ableitet. „Sünde erben [ist] ein offenbarer Widerspruch. Denn die Sünde ist die Wirkung des freyen Willens; aber Erbschaft, zumal, wie sie hier genommen wird, natürlich nothwendige, hängt von niemandes eigenem Willen ab"337. Crichton sieht es nicht wirklich als seine Aufgabe an, in einem Katechismus die grundlegenden Glaubenswahrheiten einfach und faßlich und v.a. kurz auf den Punkt zu bringen. Vielmehr bestimmt Crichton auf weite Strecken rein negativ, welche dogmatischen Inhalte nicht Gegenstand des Glaubens sein dürfen. So wird die Trinitätslehre mit einem Federstrich beseitigt338, die Rede vom göttlichen Zorn rational,überwunden' 339 und die Lehre vom Opfer und vom Priestertum Christi als reine Akkommodation ,entlarvt'340. Die

335

336 Crichton, p69. Ebd., pl06. 338 Ebd., p62. Vgl. ebd., p23. 339 Ebd., p33: „Es ist vernunftwidrig, Gott als ein zorniges, oder gar unerbittliches Wesen zu gedenken. In Gott kann, weil in ihm keine Abwechselung ist, auch keine Gemüthsbewegung seyn, am allerwenigsten menschenfeindlicher, Unglück wünschender und stiftender Zorn." Diese Argumentation stimmt mit derjenigen Schleiermachers weitgehend überein. Vgl. dazu und zu Ewalds Beibehaltung der Rede vom göttlichen Zorn p65.411f. 340 Crichton, Grundriß, p66. 337

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Unausgeglichenheit dieses katechetischen Werkes besteht darin, daß es zwar recht viele Bibelstellen zitiert, darum aber noch lange keine wirklich biblische Theologie betreibt. Daraus erhellt, daß die Theologen der Aufklärung hier in der Gefahr stehen, die weithin eher als Charakteristik der orthodoxen Theologie zu Unrecht gilt: in der Gefahr nämlich, eine dictum-probans-Methode zu betreiben, die den lehrhaften und erzählerischen Zusammenhängen der Bibel nicht gerecht wird. So wird etwa behauptet, der Dekalog sei nicht zureichend für die Formulierung der christlichen Ethik, daher habe Christus das Gesetz vervollständigt, was in eklatantem Widerspruch zu Mt 5,17 steht, wo eindeutig von der Erfüllung und nicht von der Ergänzung der Tora die Rede ist. „Die zehn Gebote enthalten nicht alles, was wir zu thun haben. Alle mosaische Verordnungen waren nach den Bedürfnissen des damaligen Volks und Zeitalters eingerichtet. Jesus hat das Gesetz und die Propheten vervollständiget. Vor seiner Zeit war nie die vollkommene Sittenlehre, die man hernach aus seinem Unterricht gezogen, auf seinen Grundsätzen erbauet hat"341. Auch die Sakramentslehre erfährt eine ethisch-moralistische Beschneidung ihrer Inhalte. Nachdem Crichton behauptet hat, daß „die Sakramente nicht wesentliche Stücke der Religion"342, demnach „also nicht schlechterdings nöthig zur Seligkeit"343 seien, also keine media salutis darstellten, werden die Sakramente in ihrer bloß kommemorativ-signifikativen Bedeutung gewürdigt. „Das Wasser ist ein sehr schickliches Zeichen der innern Reinigung der Seele"344. Jedoch ist die bezeichnete Reinigung nicht primär diejenige, die Gott am Menschen vornimmt, sondern es wird die Reinheit bezeichnet, die der Mensch selbst erst noch anzustreben hat. „Der Mensch verpflichtet sich bey der Aufnahme in die Kirche, einer immer größeren Reinigkeit des Herzens nachzustreben, und das nach der Lehre und den Geboten Jesu zu thun"345. Auch die Abendmahlslehre wird auf diese signifikative Bedeutung zurückgestutzt. „Brod und Wein sind sehr schickliche Erinnerungszeichen des Todes Jesu"346. Fluchtpunkt der die Sakramentslehre kennzeichnenden Lehrverkürzungen ist wiederum eine gewisse Monadisierung der Ethik, wonach Taufe und Abendmahl vornehmlich als Handlungen der Menschen gesehen werden. Das Abendmahl hat seine eigentliche Bedeutung in der gegenseitigen Verpflichtung zur Bruderliebe. „Jesus wollte auch durch diesen Gebrauch die Bekenner seines Namens zur brüderlichen Liebe genauer vereinigen"347. Keine Rede ist davon, daß Christi Leib und Blut selbst im Abendmahl gegenwärtig sind, von einer im Sakrament wirksam applizierten Sündenvergebung genauso wenig, und die Stärkung oder gar Stiftung des Glaubens kommt ohnehin nicht vor. 341 344 347

Ebd., pl09. Ebd. Ebd.

342 345

Ebd., pl26. Ebd., pl27f.

343 346

Ebd., pl27. Ebd., pl29.

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Carl Friedrich Bahrdt gehört nach seiner Konversion von der Orthodoxie zum Deismus348 zu den radikalsten Vertretern einer rein vernünftigen natürlichen Theologie. Bahrdts grundsätzliche, in vernünftig-allegorische Methode abgleitende Wunderkritik, wie sie radikaler nicht gedacht werden kann, wird uns unten noch beschäftigen sowie Ewalds Gegenkritik an ihr349. Bahrdts Deismus hat u.a. Gestalt gewonnen in einem Lehrbuch mit dem Titel „Katechismus der natürlichen Religion, als Grundlage eines jeden Unterrichts in der Moral und Religion, zum Gebrauche für Eltern, Prediger, Lehrer und Zöglinge". Der Sache nach führt Bahrdt nur das konsequent weiter, was Theologen wie Basedow, Rochow u.a. bereits begonnen hatten. War für diese die Offenbarung nur Garant und Bestätigung dessen, was dem Menschen schon aus seiner Vernunft bekannt ist, so sieht Bahrdt von dieser rein akzidentiell gefaßten Offenbarungslehre herkommend keine Notwendigkeit, sie überhaupt noch aufrecht zu erhalten. Merkwürdig ist, eine welch unüberwindbare Diastase bei Bahrdt zwischen einer andauernd äußerst prinzipiell geforderten Toleranz einerseits und einer höchst intoleranten Polemik gegen alles, was auch nur im entferntesten mit einer Offenbarungstheologie zusammenhängen könnte, besteht350. Zwar gibt es bei Bahrdt keine Erbsünde im klassischen Sinne, die neue Ursünde jedoch sieht er darin, daß Lehrer Kinder mit einer positiven Religion überformen und sie mit einer Offenbarungs-Religion indoktrinieren. „Was Kinder, nach Vollendung dieses moralischen Unterrichts, noch für eine positive Religion erlernen oder bekennen wolten, müßte billig ihrer freien Wahl überlassen werden. Alle Eltern sündigen, welche ihren Kindern ihren Glauben dadurch aufzwingen, daß sie ihnen von Jugend auf, denselben einbläuen lassen, ehe sie reif genug sind, Wahrheit und Irthum zu unterscheiden und ihrer eignen Vernunft zu folgen"351. Jede Art von Theologie, die nur im entferntesten eine Offenbarung annimmt, verwirft Bahrdt und setzt sie mit dem Aberglauben gleich. Für Bahrdt gibt es nur christliche Moral als wahre Religion einerseits und abergläubisch-unaufgeklärte Offenbarungstheologie andererseits. Es steht fest, „daß es aller guten Menschen erste Sorge seyn solte, zur moralischen 348

Vgl. zu Bahrdt dessen Autobiographie: Dr. Carl Friedrich Bahrdts Geschichte seines Lebens, seiner Meinungen und Schicksale. Vgl. auch den äußerst informativen Art. über Bahrdt, in: Real=Encyclopädie oder Conversations=Lexicon, 6. Aufl. 1824, Bd. 1, p501-503 und Röwenstrunk, G., Art. Bahrdt, TRE 5, pl32f und ders., Anfangsschwierigkeiten. 349 Vgl. Kap. III, 6, p426-429. 350 Vgl. Bahrdt, Katechismus, pl3: Aus der Vernunft sei „die Regel der Toleranz" zu ziehen, „welche darin besteht, daß jeder dem andern seine Freiheit lassen muß, zu glauben, was er wil und kan." 351 Ebd., p7f (Vorrede).

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Ausbesserung der Menschheit überhaupt und zur Ausrottung alles Aberglaubens und alles dessen, was dem freien Gebrauche der Vernunft hinderlich ist, so viel möglich mitzuwirken, und vernünftige Religion aus allen Kräften zu verbreiten"352. Bahrdt strebt nicht mehr wie Basedow, Rochow und Crichton das Ziel an, Vernunft und Offenbarung von den Prämissen der Vernunft her miteinander auszusöhnen, sondern Bahrdts Theologie lebt von einer einzigen Vorentscheidung: Eine außerordentliche Offenbarung Gottes ist schlechthin unmöglich. „22. Aber wie, wenn Gott selbst dich etwas lehrte? Ich glaube nicht, daß Gott dies je thun wird. Denn er hat einmal mir und allen Menschen Sinne und Vernunft, als die Quellen der Wahrheit angewiesen, die ich befolgen sol. Warum solte er von diesem Wege abgehen und durch ausserordentliche Belehrungen seinen ordentlichen Unterricht für unzureichend erklären? Ferner, warum solte er mir oder irgend einem Menschen zur Glükseligkeit unentbehrliche Erkentnisse mittheilen (und solche müsten es doch wohl seyn), die er den übrigen Menschen verborgen hätte? Endlich, wie sol ich mir eine ausserordentliche Belehrung Gottes vorstellen, die nur mit einiger Sicherheit verbunden wäre?"353. Die menschliche Vernunft in ihrem Monismus wird bei Bahrdt eindeutig zu einer Instanz, die meint, sich aus eigener Kraft zum Richter darüber aufschwingen zu können, wie Gott zu wirken habe und wie er auf keinen Fall wirken könne. Ewald wird diese Überstrapazierung der Vernunft mit sicherem Blick entlarven354. Bahrdt jedoch meint, Jesus als den Protagonisten einer Aufklärung darstellen zu können, die das jüdische Volk von allem Aberglauben an eine Offenbarung, an Wunder und an einen politischen Messias ,befreien' wollte355. Auch Bahrdts Lehrbuch muß bei allem grundsätzlichen pädagogischen Anspruch, den es erhebt, als ein in didaktischer Hinsicht überaus ungeschicktes Buch bezeichnet werden. Auf über 200 Seiten werden in 418 Fragen und Antworten Gegenstände aller Art behandelt: Die Herkunft und Begründung des Naturrechtes und dessen Inhalt356, sowie die bürgerlichen Rechte, die konstitutionelle Monarchie357 und Fragen der sittlichen Lebensführung358. So sehr die aufgeklärte Pädagogik an einer Elementarisierung der katechetischen Lehre interessiert war, so wenig hat sich dieses Desiderat in den entsprechenden Lehrbüchern niedergeschlagen. Je mehr verschiedene ethische Fragen verhandelt werden, desto mehr fällt dabei gleichzeitig auf, daß eine langatmige Spracharmut entsteht. In auf weite Strecken ermüdender Langeweile schlägt sich hier der Geist der Aufklärung nieder, dem die biblische Vermittlung christlicher Lehrinhalte abhanden gekommen ist. Die lebendige Sprache der biblischen narratio ist verloren, und ein unzureichender Ersatz ist allen352 355 357

Ebd., p48. S. u. p427f. Ebd., pl 16.

353 356 358

354 Ebd., plO. S. u. Kap. II, 6 u.ö. Bahrdt, Katechismus, pl04ff. Ebd., p89ff.

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falls in den Morallesebüchern von Rochow und Joachim Heinrich Campe zu erblicken. Immer wieder ist es die Lehre von der Akkommodation, die zum Anlaß genommen wird, eine prinzipielle Phobie allem Biblischen gegenüber zu entwickeln. August Hermann Niemeyer z.B. plädiert dafür, die biblische Sprache überhaupt und vollständig zu überwinden. Dies sei nötig „für die würkliche Fortbildung der jetzigen Christen [...], die schon allzulange durch den für unverletzlich gehaltenen Religionsdialekt des ersten Jahrhunderts aufgehalten sind"359. Niemeyer begreift die biblische Sprache nicht als eigentliche Rede, sondern nur noch als Artikulationsweise einer schon lange vergangenen Epoche. Unerträglich sind Niemeyer die vermeintlich groben und sinnlichen Bilder der biblischen Texte, die es gelte zu vergeistigen. Schon die Schriftsteller des NT hätten sich vorgenommen gehabt, „die groben Ideen des Judenthums in feinere umzugestalten, die sinnlichen Bilder der Propheten zu vergeistigen und den erwarteten Nationalhelfer als einen Gottwürdigen Meßias darzustellen"360. Die eigentliche Aufgabe, in der Niemeyer jedoch gleichzeitig eine „Schwürigkeit bey dem Gebrauch des Neuen Testaments"361 sieht, besteht darin, zu „entscheiden, wie viel darin Form oder Einkleidung war, wie viel hingegen zum Wesen der Wahrheit selbst gehörte. Dies ist sehr häufig der Fall in denen Theilen des Neuen Testaments, welche gewisse Lehren des Christenthums enthalten"362. Ewald dagegen begreift die erzählerische und - wie er sagt,historische' Seite der biblischen Geschichten nicht als eine bloße Form, die man vernachlässigen könne363. Vielmehr sind Form und Inhalt bei Ewald untrennbar aufeinander bezogen und bedingen sich gegenseitig. Niemeyer jedoch will radikal vom biblischen Wortlaut abstrahieren und zu allgemeingültigen und vernünftigen Begriffen christlicher Lehre gelangen. Daher spricht er von der „Notwendigkeit allgemeiner Begriffe"364 und hält es für unumgänglich, „daß man die Natur und das Wesen der Verdienste und Wohltaten Jesu, von den biblischen Bezeichnungen derselben absondere, und über gewisse allgemeine Begriffe selbst einig werde"365. Nach der „Entdeckung des Lokalen, Nationalen und Temporellen in den Red= und Vorstellungsarten"366 könne man zur Ausscheidung derselben übergehen. So ist z.B. die gesamte paulinische Rede von der Befreiung des Menschen vom Gesetz auszuscheiden, weil nur damalige Menschen, nicht aber die heutigen eine Knechtschaft in dieser Art kennen. Daß dies eine anthropologische Grundbefindlichkeit sein könnte, daß der Mensch sich ohne Hilfe Gottes als einen von der Tora geknechteten begreift, 359 361 363 365

360 Niemeyer, A.H., Handbuch, I, p288f. Ebd., p289. 362 Ebd.,p280. Ebd., p281. Vgl. o. Kap. II, 1. 364 Niemeyer, Handbuch I, p282. 366 Ebd. Ebd., p283.

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da er bei allem guten Willen derselben doch immer wieder untreu wird und daher der Rettung durch Gott bedarf, kommt nicht in den Blick. „Die Erlösung von dem Gesetz [...] bezieht sich blos auf die, welche unter dem Gesetz waren"367. Im scharfen Widerspruch hierzu ist es Ewald, der dem aufgeklärten Moralismus den Spiegel vorhält und ihm Gesetzlichkeit vorwirft368. Während Ewald im hermeneutischen Rekurs auf die Bibel fähig wird, deren Anschaulichkeit und Bildhaftigkeit als pädagogisch motiviert neu zu entdecken, kann Niemeyer dieselben nur als ein lästiges Übel bezeichnen. Niemeyer fordert dazu auf, „das Bildliche und uneigentliche abzusondern und solche Ausdrücke zu wählen, welche [...] den jetzigen Begriffen angemessen sind"369. Mit dem Verlust der Narrativität stellt sich auch bei Niemeyer eine Moralisierung des Religionsunterrichtes ein, denn „die Geschichte des Neuen Test, [wird] dann am populärsten behandelt, wenn sie überall auf praktische Anwendung zurückgebracht wird"370. Glaubensstiftung und Erweckung von Liebe gegen Jesus jedenfalls spielen bei Niemeyer nicht die Rolle, die ihnen bei Ewald zukommt371.

6. Ewalds Revitalisierung zentraler reformatorischer Theologumena: Die Kritik am zeitgenössischen Moralismus und dessen christologische und rechtfertigungstheologische Aufarbeitung Mit erstaunlicher Treffsicherheit wendet sich Ewald gegen die z.B. von Niemeyer, aber auch von Kant vertretene These, der .historische Glaube' und die erzählerische Einkleidung der Sittenlehre Jesu seien nur ein heute überflüssig gewordenes Zugeständnis an die damals noch nicht derart wie heute aufgeklärte Vernunft der Menschen372. Nach Ewald kann die Narrativität der biblischen Texte nicht einfach abrogiert und beiseite geschafft werden. Denn die Vertreter dieser Ansicht - so Ewald - legen keine Rechenschaft darüber ab, woher sie den Maßstab nehmen, um unzweifelhaft das Zeitbedingte von dem Allgemeingültigen abzusondern. Ewald mahnt daher an, daß hier bloß historische Argumente nicht ausreichen, sondern daß eine Sachdiskussion geführt werden muß. Daher äußert Ewald den begründeten Verdacht, die Akkommodationslehre sei ein willkommener Vorwand, um alles, was dem Zeitgeist nicht gemäß ist, unschädlich zu machen und so zu einer Glättung aller Theologie im Sinne der aufgeklärten Prämissen zu gelangen. „So könnte 367

368 Ebd., p284. S. u. p248ff. 370 Niemeyer, Handbuch I, p227. Ebd., p285. 371 Dies wird besonders auch in Niemeyers .Lehrbuch für die oberen Religionsclassen' sowie in seinen .Erläuternden Anmerkungen' deutlich. 372 Vgl. u. p370fu.ö. 369

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herrschender Zeitgeist, oder herrschende Leidenschaft, Alles in der Bibel, was diesem Zeitgeist oder dieser Leidenschaft angenehm ist, unter irgend einem Vorwand, als für uns nicht passend, somit uns nicht angehend, beseitigen, und das Evangelium wäre nichts als eine Jüdische Sitten und Meinungen angepaßte Natur= oder Vernunft=Religion, Natur= oder Vernunft=Moral, wie sie das Zeitalter gerade verlangt"373. Schärfer könnte diese Kritik sich nicht artikulieren: Ewald wirft den Theologen wie Niemeyer und vielen anderen vor, daß sie die Akkommodationstheorie erdacht hätten, um durch sie ihre bereits vorher festgesetzte Vernunfttheologie in die biblischen Texte hinein zu projizieren und der Bibel hiermit Gewalt anzutun. Ewald wirft der Akkommodationslehre also vor, sie habe sich ohne weitere hermeneutische Reflexion selbst einen Freibrief geschaffen, jede beliebige Modetheologie in die Evangelien einzutragen. Die Akkommodationslehre dient nach Ewald nicht wirklich dazu, das Zeitbedingte in den Evangelien vom wirklich wichtigen Moralinhalt abzuheben. Vielmehr will sie gegen die Bewegung der biblischen Texte der biblischen Botschaft das Aufgeklärt-Zeitbedingte überstülpen. Ewald wirft der Akkommodationslehre also vor, sie habe nicht wirklich im Sinn, die Anpassungen Jesu und der Apostel an den jüdischen Geist auszuscheiden, sondern sie wolle die Bibel der aktuellen Mode-Moral und -Theologie akkommodieren. Der aufgeklärten Theologie mußte die Einsicht in die ein für allemal durch die Offenbarwerdung des Wortes Gottes gewährte Gültigkeit der Grundlehren christlichen Glaubens verlorengehen, da sie Jesus nicht mehr als Christus praesens zu denken bereit war. In dem Maße, wie die Aufklärungstheologen Jesus zu einer historischen Person herabsetzten, mußte ihnen die Einsicht verlorengehen, daß es der sich je und je neu vergegenwärtigende lebendige Christus ist, der die Inhalte der Offenbarung immer wieder neu als Hermeneut erklärt. Ewald jedenfalls hält an den Grundaussagen des Credo fest, nicht, weil sie ihm als bloße Lehren schon eine Autorität von sich aus haben. Vielmehr ist es Christus, der der Eckstein der Gültigkeit seiner Verkündigung ist. „Das ist Lehre für das erste Jahrhundert und für alle Jahrhunderte bis an das Ende der Tage. Das war den zwölf ersten Schülern Jesus gesagt, und ist uns gesagt. Wenn es zu den Zeiten Johannes und Paulus Wahrheit war, so ist sie es noch, und wird es bleiben, so lange Christus, Christus ist"374. Die im Titel dieses Aufsatzes angegebene Frage „Gibt es Lehren, Verheißungen, Vorschriften, die nur für eine gewisse Zeit gelten und gelten sollen? Und sind sie uns nichts?"375 beantwortet Ewald aufgrund dieser christologischen Reflexion entschieden negativ. „Wenn Sie also bestimmt fragen: gibt es denn

373 374

Ewald, Ein Wort Uber die Frage (Bibl. Nr. 356), pl67. 375 Ebd., pl68. Ebd., pl66.

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Lehren, Verheissungen, Vorschriften, die es nur für die Apostel oder die ersten Christen seyn sollten? Und sind sie uns nichts mehr? So antworte ich bestimmt: keine solche Lehren gibt es in den Reden Jesus und in den Schriften der Apostel"376. Dennoch unterliegt Ewald nicht einem platten Biblizismus. Er bezieht nun nicht einfach die extreme Gegenposition, um sich bloß am Buchstaben zu orientieren; Ewald behauptet nicht, alles, was in der Bibel steht, sei unmittelbar ohne hermeneutische Reflexion aus sich selbst heraus schon wahr. Ewalds Hermeneutik verflacht trotz der Frontstellung nicht in eine biblizistische. Vielmehr weiß Ewald, daß es immer einer Interpretation der biblischen Texte bedarf, wobei er zur Veranschaulichung mitunter die Geschichte vom reichen Jüngling heranzieht (Mt 19,16ff). Ewald will keine Buchstaben-Knechtschaft begründen, die aus jedem biblischen Text unmittelbar eine Fülle von Handlungs- und Verhaltens-Direktiven abnimmt. Sondern ähnlich wie z.B. der Reformator Andreas Oslander fragt Ewald nach der Bedeutung der biblischen Botschaften angesichts der Tatsache, daß die Christen hier und jetzt auch als Weltpersonen im Sinne der Zwei-Reiche-Lehre leben. Sowohl Oslander als auch Ewald sprechen die Botschaft in die konkreten Lebensbezüge und in das jeweilige Berufsleben der Christen hinein, die nicht vernachlässigt werden dürfen377. „Offenbar ist also der Geist dieser Vorschrift [seil., verkaufe, was du hast [...]'; Mt 19,21; A.S.] für alle Zeiten und alle Christen: Wenn dich etwas abhält, deine Christenpflichten zu erfüllen, so mußt du es wegschaffen, so lieb und werth es dir seyn mag. Je lieber es dir ist; desto mehr kann es dich abhalten; desto nöthiger ist es, daß du es wegschaffest. ,Dein rechtes Auge mußt du ausreißen, deine rechte Hand abhauen, wenn sie dich zur Sünde verführt.' Das versteht Jedermann, ob es gleich Niemand einfallen wird, sich zu verstümmeln, um ein Christ bleiben zu können"378. Nicht also, um die Pflichten der Christen zu verschweigen, legt Ewald die Bibel auf diese Art aus, sondern vielmehr, um die Menschen auf die Pflichten hinzuweisen, die sie mit Hinblick auf ihre tatsächlichen Lebensbezüge wirklich haben. Der Grund für die Geltung der Lehren und Verheißungen Jesu liegt in der Gültigkeit der sich immer neu zur Geltung bringenden biblischen Texte selbst. Und deren Geltung liegt begründet in dem Charakter der evangelischen Botschaft 376

Ebd., pl67. Vgl. Oslander, Α., Gesamtausgabe, hierin: Zwei Predigten über Heiligenverehrung und über Verstorbene (1543), Bd. VII, p879-908. „Ja, wir sollen nicht allein iren Sünden nicht nachfolgen, sonder wir sollen auch iren wercken nicht allen nachvolgen, ob sie gleich auffs allerpest sein, sonder wir sollen ein yeder auff sein beruff mercken [...] Dann das würd sich in keinem weg leiden, wann ein paur seinen acker wolt stehn lassen und des heiligen Pauli exempel nachfolgen und im land umbherziehen und predigen, wann er nicht darzu beruffen wer" (p891f). 378 Ewald, Ein Wort über die Frage, pl70. 377

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selbst, die sich unüberhörbar als eine allgemeine und an alle Völker sich richtende zu erkennen gibt. „Ja! wenn nur Jesus nicht gesagt hätte:,lehret und taufet alle Völker! lehret sie halten, Alles was ich euch befohlen habe.' Und: ,Ich bitte nicht allein für sie (die Zwölf) sondern für Alle [...] auf daß si e Alle Eins seyn'"379. Das ist der Vorwurf, den Ewald der Akkommodationslehre macht: Daß sie sich nicht bemüht, die Wahrheitsfrage zu stellen und ihr gerecht zu werden, die z.B. im Taufbefehl und im sog. Hohepriesterlichen Gebet (Joh 17) artikuliert wird. Da das Evangelium die gesamte Heidenwelt umspannt und erfassen will, kann nicht behauptet werden, daß nur das gültig ist, was nach rationaler Abstraktion und nach vorangegangener Subtraktion der vermeintlichen Akkommodationen als reine Sittenlehre übrigbleibt. Die Akkommodationslehre ist nach Ewald Produkt einer nicht über sich selbst aufgeklärten Vernunft, die sich anmaßt, darüber entscheiden zu können, was und wie Gott geredet haben kann und wie nicht. Alle Theologie, die versucht, Gottes Handeln vernünftig in seine menschlich ausgedachten Grenzen zu weisen, bezweifelt Gottes Allmacht und Freiheit. Theologen wie Rochow und Bahrdt, die ständig darüber befinden, was Gott tun und nicht tun kann und darf ( - Gott darf z.B. nicht die Naturgesetze durch Wunder unterbrechen und aufheben -), kritisiert Ewald folgendermaßen: „Es gibt überhaupt [...] kaum eine voreiligere Anmaaßung als die, zu bestimmen, was Gott thun und nicht thun, veranstalten und nicht veranstalten könne, was er zulassen dürfe und nicht dürfe. Wir, mit unsern Maulwurfsaugen, wollen seiner Weisheit Gesetze vorschreiben! [...] Der Mensch will zu Gott, oder von Gott sagen: Bis hieher kannst du gehen, und nicht weiter!?"380. Implizit kritisiert Ewald die Vernunfttheologie dahingehend, daß sie sich selbst zu Gott macht, indem sie nämlich Gott in seine Grenzen weist, der es aber selbst nach biblischer Anschauung ist, der dem Meer seine Grenzen setzt (vgl. z.B. Prv 8,29)381. So degeneriert die menschliche Vernunft in reine Un-Vernunft; der überzogene Machtanspruch der Vernunft verkehrt sie in ihr Gegenteil: „Die vernunftstolze Unvernunft sagt: so muß das kommen! so kann und darf es nicht seyn! Die allmächtige Weisheit aber sagt: ,Des Herrn Gedanken sind nicht wie unsere Gedanken; des Herrn Wege nicht wie unsere Wege! [...] Gottes Rath ist wunderbar, aber Er führt's herrlich hinaus'"382. Ewald erinnert somit an die Unvergleichlichkeit der menschlichen und göttlichen Gedanken (Jes 55,8), indem er den als Anrede Gottes an den Menschen formulierten Botenspruch (,denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure 379

Ebd., pl72. Ewald, Kann das Wesentliche (Bibl. Nr. 327), p94. 381 Ewald zitiert in der angeführten Passage Hi 38,11, bezieht jedoch die innerhalb der Gottesrede auf das Meer bezogene Aussage (,Bis hierher sollst du kommen und nicht weiter') auf die menschliche Vernunft. 382 Ebd., p95. 380

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Wege sind nicht meine Wege, spricht der Herr') als eine Aussage über Gott artikuliert. So will Ewald die Vernunft in ihre Schranken weisen, indem er auf die Art verweist, in der die Bibel von den Grenzen menschlichen Denkens und Trachtens spricht. Darum hält Ewald an der Notwendigkeit einer Offenbarung fest, weil die Vernunft ohne revelatio specialis geradezu dazu genötigt wird, sich blasphemisch an die Stelle Gottes zu setzen. Diese Aussage ist ein wichtiges Grunddatum Ewaldscher Verkündigung. „Von Gott wissen wir ohne Offenbarung noch weniger Gewisses; es wäre also thöricht zu bestimmen, was Er schaffen dürfe, oder nicht dürfe, was dem Begriffe von Ihm gemäß, oder entgegen sey [...] Es ist Manches in der Welt geschehen, und wir finden Manches auf der Erde, was uns auch gegen unseren Begriff von Gott angieng; darum geschah es aber doch, und ist es doch"383. Das Festhalten Ewalds an der Offenbarung ist von höchstem Belang, da hierin der Ausgangspunkt auch für Ewalds Kritik am Moralismus der zeitgenössischen Theologie zu sehen ist. Dabei bringt Ewald die Offenbarung nicht aufgrund eines starren supranaturalen Prinzips zur Geltung, sondern vielmehr ist ihm die Soteriologie der Punkt, an dem die Offenbarungs-Theologie spätestens anheben muß. Denn die Natur und mithin die natürliche Theologie können die Vergebung der Sünden nicht wirklich zur Sprache bringen, weil in ihnen der göttliche, mich ansprechende Zuspruch fehlt. Aus seelsorglichen Gründen hat die Offenbarung also eine unverbrüchliche, unveräußerliche Bedeutung, da sie allein Gewißheit im reformatorischen Sinne zu stiften im Stande ist. Die Natur allein „giebt uns keine Beruhigung über Vergebung unserer Sünden; keine Gewisheit über unser künftiges Schicksal [...] Muß sich ein Größerer immer herablassen zu dem Kleineren! Offenbart sich ja der Vater seinem Kind"384. Daher kann die „Gottes=Offenbarung" allein „die wahre Quelle [sein], aus der wir ächte Religionskenntniß schöpfen"385. Denn erst in dieser Herablassung, in dieser Kondeszendenz der Offenbarung wird Gott dem Menschen sinnenfällig und sinnlich erfaßbar. Insofern hängt die Rede Ewalds von der Notwendigkeit einer speziellen Offenbarung über die allgemeine Offenbarung in der Natur hinaus nicht nur mit soteriologischen, sondern auch mit christologischen Reflexionen zusammen. „Die Gottheit wird dem Menschen versinnlicht, seinem Wesen näher gebracht in Jesus Christus"386. Das bleibende Recht der biblischen Sprache und Erzählweise, die von vielen zeitgenössischen Theologen als grob-sinnlich und primitivunaufgeklärt abgelehnt werden, besteht nach Ewald daher, weil Gott selbst in Christus sinnlich faßbar geworden ist.

383 384 385

Ewald, Die Bibellehre von guten und bösen Engeln (Bibl. Nr. 171), p409. Ewald, Ueber den Mißbrauch der wichtigsten Bibel Vorschriften (Bibl. Nr. 115), p8. 386 Ebd. Ebd.

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Bezeichnend für Ewalds Theologie im Konflikt mit der Aufklärungstheologie ist, daß er den Begriff, Aufklärung' nicht einfach der Gegenseite überläßt, sondern ihn derselben von der Bibel aus streitig macht. Nur die Theologie, die sich auf die Bibel als Bezeugung der göttlichen Offenbarung stütze, habe eigentlich einen Anspruch darauf, eine aufgeklärte genannt zu werden. „Und so giebt sichs von selbst, was wahre christliche Aufklärung, oder überhaupt wahre religiöse Aufklärung ist"387. Und scharf sich gegen die Grundsätze z.B. Rochows und Bahrdts wendend sagt Ewald: „Nicht das ist also christliche Aufklärung, wenn man das ganze Christenthum blos auf Vernunft gründen, Vernunft zur einzigen Erkenntnißquelle machen will. Darauf weiset uns nicht Jesus. Er sagt nicht: Eure Vernunft ist das Licht, sondern ich bin das Licht, das die Welt erleuchtet"388. Ewald greift hier auf die in der Aufklärungszeit höchst beliebte Lichtmetaphorik und den Gegensatz von Licht und Finsternis zurück, bindet ihn aber wiederum an die johanneischbiblische Wurzel an. Nicht die Vernunft allein ermöglicht den Ausgang aus der Finsternis, sondern das Licht wird von Christus gegeben, der von sich selbst sagt, er sei das Licht (Joh 9,5). In diesem doppelt reflektierten Sinne könnte auch Ewald sagen, daß Jesus der eigentliche Aufklärer ist, indem er sich offenbart. Deswegen wendet sich Ewald gegen die aufgeklärte Definition dessen, was Gotteserkenntnis sein soll. Der Rationalismus entschränkt die Vernunft, indem er sie zur einzigen Erkenntnisquelle verabsolutiert. Ewald dagegen nimmt eine wirkliche De-finition vor, indem er die Vernunft dadurch bestimmt, daß er deren Grenzen zieht. Von einer wirklich aufgeklärten Vernunft kann nach Ewald nur die Rede sein, wenn sich die Vernunft ihrer Grenzen bewußt geworden ist. „Eben wahre Vernunft klärt den Menschen auf über die Schranken der Vernunft"389. Nur so wird die Aufklärung über sich selbst aufgeklärt. Auch den aufgeklärten Vorwurf gegen die Offenbarungstheologie, hier werde bloß altes Vorurteil und unkritisch übernommener Aberglaube gepredigt, weiß Ewald wiederum gegen die vermeintlich kritische Aufklärungstheologie zu wenden. Er wirft ihr nämlich vor, daß sie darin nicht eigentlich aufgeklärt ist, daß sie sich keine Gedanken darüber macht, inwiefern sie an die Stelle der alten Vorurteile neue Vorurteile gesetzt hat. Deswegen gilt von einem wahrhaft aufgeklärten Christ: „Er strebt, los zu werden, nicht blos von Vorurtheilen der alten Zeit, sondern hauptsächlich seiner Zeiten, nicht blos von Vorurtheilen für Christenthum, sondern auch gegen Christenthum. Er nimmt nichts darum für wahr an, weil man es lange für wahr hielt; hält aber auch darum nichts für falsch, weil man es lange für falsch gehalten hat"390. 387 389

Ebd., plO. Ebd., pi 1.

388 390

Ebd., plOf. Ebd., pl2f.

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Kapitel II

Wahre Aufklärung findet nur da statt, wo der Mensch nicht meint, sich einseitig von aller Tradition emanzipieren zu müssen, sondern dort, wo dem Menschen aus der biblischen Aufklärung auch die Freiheit wird, sich von den unreflektierten Prämissen derer lösen zu können, die den Anspruch erheben, Aufklärer zu sein. Erst diejenige Aufklärung hat nach Ewald Anspruch, sich mit Recht als solche zu bezeichnen, die die Dialektik von natürlicher und übernatürlicher Offenbarung zu begreifen bereit ist. „Wenn du durch die Bibel besser die Natur, und durch die Natur besser die Bibel verstehen lernst, - aus deinem Herzen Gott, und aus dem Gott der Bibel dein Herz [...] Dann bist du ein aufgeklärter Christ"391. Insofern muß Ewald als ein weiterer Vertreter der orthodoxen Hermeneutik des Buches der Natur bezeichnet werden, die um die gegenseitige Auslegung der beiden Bücher und ihre notwendige Bezogenheit aufeinander weiß392. Deswegen kann Ewald in dieser Tradition stehend die Natur als „ein großes, mannigfaltig=belehrendes Buch"393 bezeichnen und fortfahren: „Und ohne Zweifel ist dieß auch die zweckmäßigste Bibel, das passendste Elementarwerk"394. Ähnlich wie dies an Hamann und Hebel zu beobachten war, stellt sich bei der Betrachtung auch der Werke Ewalds heraus, daß er immer wieder die beiden Bücher - liber scripturae und liber naturae aufeinander bezieht und miteinander verschränkt. Glänzend ist es, wie Ewald das selbst biblische Verhältnis von Priesteramt und Prophetenamt auf die Verhältnisbestimmung von Buch der Natur und Bibelbuch überträgt. „Priester beschäftigen sich mit dem Aeuseren der Religion, das aber auch unterrichtend war. Propheten wiesen auf den Geist der Religion. Es war ein Verhältniß zwischen ihnen, wie zwischen Natur und Offenbarung ist. Natur unterrichtet schweigend durch Thaten fort, wie Gott es ihr hieß; Offenbarung macht aufmerksam und erklärt, was die schweigende Handlung sagt. So Priester und 391

Ebd., pl4. Bei aller Unterschiedlichkeit der beiden Charaktere Ewald und Hebel besteht hier eine wichtige Gemeinsamkeit beider miteinander. Vgl. zum Ganzen Steiger, J.A., BibelSprache. Deswegen kann sich Ewald zustimmend auf den „Natur= und Paradiesesdichter Hebel" beziehen (Ewald, Die Religionslehren der Bibel (Bibl. Nr. 313) I, pl67). Natur und Offenbarung sind auch für Ewald aufeinander bezogen und durchdringen sich gegenseitig. Die Natur steht mit der Offenbarung in einem Verhältnis wie es zwischen Priester- und Prophetenamt statt hat (Ueber Geist und Bemühungen Christlicher Volkslehrer (Bibl. Nr. 61), p20). Daher spricht Ewald vom „Evangelium der Natur" (Evangelium. Drei Festtags=Predigten (Bibl. Nr. 30), pA3r). „Mit Gottes Stimmen und Gottesoffenbarungen sind wir umgeben" (ebd., p44). Übertragen auf den Unterricht an Kindern bedeutet dies, daß man „im Früling und Sommer zeugen lassen [soll] die schöne herrliche Natur, und im Winter die Bibel" (Frosinn und Religion ein heiliges Band (Bibl. Nr. 261), p31). Denn es steht fest, „daß die Natur eben so von Ihm zeuge, wie die Bibel, und die Bibel eben so, wie die Natur" (ebd.). 392

393 394

Ewald, Geist und Vorschritte, p92. Ebd.

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Propheten zu ihrer Zeit"395. Die Natur bedarf eines prophetischen Hermeneuten, der sie zu lesen lehrt und sie verständlich macht. Deswegen ist es auch Ewalds Anliegen, in seinem Gleichnisbuch „Der Blick Jesus auf Natur, Menschheit und sich selbst; oder Betrachtungen über die Gleichnisse unsers Herrn. Ein Lesebuch für Christusverehrer"396 Bibelbuch und Natur-Buch und auch das Herz der Menschen zu einem Buch in den einen dafür vorgesehenen Buchdeckel hineinzubinden. Erst diese Zusammenbindung sei fähig, den „Totaleindruk"397 zu bereiten, der auch die von vielen Zeitgenossen verworfene Sinnlichkeit des Menschen affiziert und den der sinnlich gewordene Gott bereitet hat. Schon vor Schleiermacher spricht also bereits Ewald von dem .Totaleindruck'398 in seiner Christologie: „Das hätt' ich gerne, wenn das Lesen dieser Betrachtungen den Totaleindruk machte, den die Gleichnisse Jesus machen; nemlich daß jeder Leser seinen Sinn offener, freier, weiter fülte; daß er mit eben dem Blik auf die Bibel sähe, womit er auf die Natur sieht; daß ihm sein Herz so merkwürdig wie die Geschichte der Menschheit, und diese Geschichte so heilig wie die Bibel würde; daß Alles dieses ihm nur verschiedene Zeugen für Eine Sache; verschiedene Uebersezungen Eines Buchs würden, in dem Alle, das Lesens= und Wissenswürdigste für ihr Geschlecht und ihre Person lesen sollen"399. So gerät die Wiederentdeckung des Zusammenhanges von natürlicher und spezieller Offenbarung bei Ewald zum Grundstein der Ausbildung einer im Kontext der Aufklärung stehenden Herzens-Theologie, worauf später noch einzugehen sein wird. Und immer wieder ist es der Glaube an den, der das Licht der Welt nicht nur bringt, sondern selbst ist, auf den sich die wahre christliche Aufklärung bezieht. „Und willst du zu wahrer Aufklärung in Religion gelangen, laß dich von dem erleuchten, der warlich! kein Praler war, und sich doch das ,Licht der Welt' nennt"400. Ausgehend erst von Christus, der das Licht der Welt ist und gibt, können dann auch die Christen Licht der Welt nach Mt 5,14 sein: „Ihr seid ,das Salz der Erde, Licht der Welt' - so sagt Jesus, -Also: aufzuklären, zu erleuchten, für Verderbniß bewahren, das Unentwikelte zu entwikeln: das ist unser Beruf, denn das thut Licht und Salz"401. Erst von der Offenbarung Gottes durch seinen Sohn ausgehend können Menschen zu wahren Aufklärern werden, die keinen unreflektierten Traditionsabbruch initiieren, sondern sich in der Tradition der biblischen Aufklärer sehen. „Zu allen Zeiten gabs Leute, die gewisse heilsame, zur Aufklärung, und Veredlung 395 396 398 400 401

Ewald, Ueber Geist und Bemühungen (Bibl. Nr. 61), p20. 397 Bibl. Nr. 21. Ebd., pVI. 399 Vgl. u. p406f. Ewald, Der Blick Jesus, pVIf. Ewald, Ueber den Mißbrauch der wichtigsten Bibelvorschriften, pl4. Ders., Ueber Geist und Bemühungen, ρ 10.

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der Menschen nöthige Begriffe erhalten, versinnlichen und verbreiten mußten. So war schon Henoch und Noah und Abraham. Seine Familie war ein Seminar von wahrer Gottesverehrung und Verehrung des wahren Gottes; der Priesterstand des Menschengeschlechts! Moses und Aaron, Josua und Samuel, und die Propheten waren Licht und Salz ihres Volks; Volkslehrer, Volksbild[n]er, so verschieden ihr Stand und ihre Wiirkungsart auch seyn mochte"402. Dieser Überblick über Ewalds Aussagen zur Akkommodationslehre, über Vernunft und Offenbarung, sowie über die wahre Aufklärung ist notwendig gewesen, um die Grundlage und den Ausgangspunkt zu begreifen, von denen aus Ewald die reformatorische Verhältnisbestimmung von Glaubenslehre und Ethik, von Gesetz und Evangelium wiedergewinnt, um von dort aus einen neuen Zugang auch zur klassischen Rechtfertigungslehre zu finden. Ewald wendet sich gegen den zu seiner Zeit gängigen, oben exemplarisch aufgezeigten Moralismus und gegen die Verengung der christlichen Lehre auf eine Ethik, die sich nicht mehr auf die Glaubenslehre stützt. Beißend kritisiert er die moralisch-gesetzlichen Schnürbrüste der Aufklärungstheologie: „Wie deutlich und mit welchem edlen Enthusiasmus hat man nicht den Schaden der Schnürbrüste gezeigt; und die moralischen Schnürbrüste, die Erziehung durch Maximen, Grundsäze, das Modeln am Aeußern duldet man ruhig [...] aber daß ihr [seil, der Kinder; A.S.] Herz zwischen den Wänden der Zeitphilosophie, Zeitmoral, Zeitpädagogik, ohne die gesunde Luft und die allbelebende Sonnenwärme der Religion gebildet wird - ich glaube, das finden [...] nicht Sie, aber viele ihrer Kollegen ganz natürlich, und weit vernünftiger, als die Alltagsmethode, seine Zöglinge wie alle Baurenkinder in der freien Luft gedeihen zu laßen"403. Die Schärfe von Ewalds Kritik besteht z.B. darin, daß er den Vorwurf der aufgeklärten Pädagogik gegen die orthodox-katechetische Methode, im Katechismus-Unterricht würde nur auswendiggelernt, nun gegen die aufgeklärten Moralkatechismen wendet. Ewald wirft ihren Verfassern nämlich vor, in einen neuen Mechanismus verfallen zu sein, in eine bloß von der Vernunft geleitete „Kopf= oder Gedächtniß-Einseitigkeit"404. „Das Kind zält Pflichten und Tugenden her, wie es die Arten der Insekten herzält, und ist hoch zufrieden, wenn es die Pflichten, wie die Berechnung gerader und krummer Linien weiß\ Mir blutet oft das Herz, wenn ich eine so hoch gepriesene, über Alles verbreitete und von Allem nur Namen gebende Erziehung oder Verziehung sehe"405. Ewald nimmt von seiner narrativen Hermeneutik und seiner biblischen Theologie herkommend Anstoß an der Begriffssprache aufgeklärter Pädago-

402 403 404

Ebd., plOf. Ewald, Briefe zu Beförderung (Bibl. Nr. 118), pl8f. 405 Ebd., p24. Ebd.

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gik, wie sie oben beschrieben worden ist406. Durch reine Vernunftgründe und durch Ansammlungen von Begriffen ( - reine Begrifflichkeit hatte nicht nur Niemeyer gegen die Bibel selbst gemeint kehren zu müssen407 - ) wollen die aufgeklärten Theologen zur Moralität erziehen und stranden in einer verhängnisvollen „Einseitigkeit der Bildung"408. Diese Bildung nämlich richtet sich einseitig auf die menschliche ratio und auf die Frage, was der Mensch tun müsse, um selig werden zu können. In dieser Hinsicht läuft der aufgeklärte Moralismus Gefahr, den Menschen rein äußerlich zu bilden, wobei die Bildung des Herzens verlorengeht. Ewald dagegen mahnt an, daß es an der Zeit sei, sich vom aufgeklärten Vernunft-Monismus zu lösen und wieder zu einer ganzheitlichen Anthropologie zu gelangen. Die wahre biblische Anthropologie ist nach Ewald diejenige, die den Menschen in seiner Ganzheit und Ganzheitlichkeit begreift, einen neuen Zugang auch zum Herzen des Menschen erlangt und nicht allein eine äußerliche Erziehung betreibt. Ähnlich hatte schon Luther die Grund-Versuchung aller Pädagogik darin gesehen, den Menschen unter rein äußerlichen, die Seele ausblendenden Gesichtspunkten zum brauchbaren Menschen zu erziehen und sich um das Heil seiner Seele nicht weiter zu bekümmern. Deswegen kritisiert Luther diejenigen Eltern, die ihre Kinder nicht zur Schule halten wollen, sie nur leiblich erziehen, sie aber nicht durch katechetischen und biblischen Unterricht und sonstige Unterweisung geistig bilden wollen409. Eine Strukturanalogie jedenfalls besteht hier zwischen Luthers und Ewalds Kritik an einer vornehmlich am Äußerlichen interessierten Pädagogik. Denn auch Ewald meint, wenn auch in einer anderen historischen Situation und in einer anderen Frontstellung sich befindend, daß die Erziehung und damit die Theologie als ganze auf den ganzen Menschen bezogen sein müsse. Der rational-ethische Aufklärungsunterricht dagegen finde „ohne Berührung des Herzens, ohne Belebung der Phantasie, ohne Wirkung auf den Wahrheitssinn [...] - kurz, ohne Ergreifung des innern, des ganzen Menschen"410 statt. Gegen die Vereinseitigung der aufgeklärten Anthropologie auf die ratio hin sich wendend bringt Ewald in Erinnerung, daß der Mensch ein empfindsames Wesen ist und daß auf Herz und Empfindung nur durch göttliche Liebe gewirkt werden kann. Bei aller Hervorhebung der Empfindung des Menschen bei Ewald und bei aller Beeinflussung Ewalds durch das Sprachgut der 406

407 Vgl. Kap. II, 5 . Vgl. ebd. Ewald, Briefe zu Beförderung, p23. 409 Luther, Ein Sermon odder Predigt das man soll kinder zur Schule halten, BoA 4, pl51f: „Er [seil. Gott; A.S.] hat die kinder geben / vnd narung da zu / nicht darumb / das du allein deine lust an jhnen solt haben / odder zur weit pracht zihen. Es ist dir ernstlich gepotten / das du sie solt zihen zu Gottes dienst / odder solt mit kind vnd allem rein aus gewortzelt werden." 410 Ewald, Briefe zu Beförderung, p23. 408

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Empfindsamkeit Friedrich Gottlieb Klopstocks etwa411 darf nicht übersehen werden, daß Ewald dieser Empfindsamkeit nur so weit gefolgt ist, wie er sie mit der biblischen, vor allem johanneischen Rede von der Liebe in Einklang bringen konnte. Er will den Menschen nicht wiederum einseitig als einen sich in der Empfindelei verlierenden definieren: Das wäre nach Ewald das andere, aber genauso verkehrte Extrem zur Vernünftelei der Aufklärung. Der Mensch ist für Ewald erst in dem Stadium der göttlichen salvatio als ein empfindender zu sehen, in dem die göttliche Liebe den Glauben und somit auch die menschliche Empfindung erregt hat. Deswegen ist Ewald nicht bereit, die Frage nach der Gotteserkenntnis durch die Offenbarung zugunsten einer vermeintlich reinen Empfindung aufzugeben: „,Es kömmt nicht auf Erkenntniß, sondern auf Empfindung an!' sagen Andere. Als ob Empfindung ohne Erkenntniß möglich wäre! Als ob man den lieben könnte, den man nicht kennt!"412. Die menschliche Empfindung ist nach Ewald nichts, was von der biblischen Weckung von Glauben und Liebe abgetrennt werden könnte. Die Empfindung des Christen ist vom Glauben her motiviert und äußert sich als Liebe nach IKor 13,13: ,J)as Wesen des innern Christenthums ist Glaube, Liebe, also Empfindung, wie ja auch Paulus sagt"413. Und die Theologie und die christliche Verkündigung haben nur darin ihren empfindsamen Aspekt, als der Begriff der Empfindsamkeit fähig ist, als ein Synonym von Glauben und Liebe zu fungieren. Die Sichtweise des Menschen als eine empfindende Kreatur ist bei Ewald der Ausgangspunkt für eine positive Einschätzung der Affekte, die sich im Gegensatz zu der von Basedow z.B. vertretenen Auffassung befindet, die Affekte seien durch die Aufbietung der Vernunft zu überwinden414. „Manche schlugen vor, die Leidenschaften des Menschen auszurotten oder zu mäsigen"4iS. Obgleich auch Ewald darum weiß, daß die Leidenschaften überhand nehmen können, so folgt für ihn daraus noch lange nicht, daß sie generell auszurotten sind. Vielmehr sind die Leidenschaften Teil des Menschen und somit Teil der guten Schöpfung Gottes. „Leidenschaften schuf Gott in uns, so gut wie Vernunft, sie sind so wesentliches Erforderniß unserer Natur, wie uns Vernunft ist. Leidenschaft kann mißbraucht werden, das kann aber Vernunft auch - der Mensch, der über nichts warm werden, nichts lieben und hassen nichts aus Neigung thut, aus Abneigung unterläßt, ist eben so wenig ein 411

Vgl. Wodtke, F.W., Art. Empfindsamkeit, RGG3 Bd. 2, Sp. 457-461 und Langen, Α., Der Wortschatz des deutschen Pietismus, p252, wo die Herkunft der Wortfamilie .empfinden' aus der Mystik anschaulich gemacht wird. Zur Bedeutung des Gefühls und der Empfindung bei Ewald, Herder und Schiller vgl. u. Kap. III, 2, bes. p371ff. 412 Ewald, Ueber den Mißbrauch der wichtigsten Bibel Vorschriften, pl7. 4,3 Ebd., p33. 414 Vgl. o. p223f. 4,5 Ewald, Predigten für Unterthanen (Bibl. Nr. 71), p304.

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gesunder Mensch, als der, der seine Vernunft verloren hat"416. Der Mensch „kam mit Leidenschaften aus des Schöpfers Hand"417, und sie sind mitunter Motor der tätigen Nächstenliebe. Insofern ist die aus der Empfindung fließende Leidenschaft bei Ewald die Schwester der aus dem Glauben fließenden Liebestätigkeit. „Wünschetest du es weg aus dem Menschen, das schmelzende Mitleid, das ihn zur Hülfe des Elenden beflügelt, worinnen er sich selbst vergißt, in dem er nur hat, um zu geben, nur ist, um zu retten, und tausendmal mehr that, als kalte Vernunft fordern kann? Solt' er weg seyn, der Enthusiasmus, die Wärme für alles Gute, Große, Edle, die den Menschen so oft über sich selbst hebt, ihn wie mit Gotteskraft begeistert, und ihn zum Gott macht in seinem Kreiß? Weg solte sie seyn die himmlische, aus dem Herzen Gottes unmittelbar genommene, in Menschenherz verpflanzte Liebe, wodurch er sich Eins fült mit Andern, genießt, indem er entbehrt, empfängt, indem er giebt [...] Nein; warlich - verstummelt wäre der Mensch, aber nicht gebessert, wenn man ihm Leidenschaften nehmen könnte"418. Die Leidenschaft und die aus ihr folgende Nächstenliebe erhöhen den Menschen zu Gott, den Ewald selbst als ein beherztes Wesen faßt. Insofern gehört die Rede von der Leidenschaft des Menschen in Ewalds Anthropologie hinein, in der die Ebenbildlichkeit eine zentrale Rolle spielt419. So zeichnet Ewald die Empfindsamkeit in den Kontext seiner Liebes- und Glaubenstheologie ein und läßt sie so zu ihrem eigentlichen Recht kommen. „So hüten Sie sich vor zwei Abwegen, die Ihr Geschlecht leicht betritt vor Grübelei und Empfindelei. Das Christenthum ist so wenig für den Verstand allein, wie für das Herz allein gemacht"420. Oben hatten wir gesehen, daß die aufgeklärte Ethik sich von der materialen biblischen Ethik des Dekaloges verabschiedet hat421 und dies z.B. damit begründet hat, daß die Zehn Gebote die verschiedenen ethischen Fragen nicht wirklich beantworte. Gegen diese Tendenz strebt Ewald die erneute Fruchtbarmachung des alten Katechismus-Hauptstückes an. „Sie sind ja, wie ich, von einem altmodisch=frommen Vater erzogen; und so wissen Sie auch, was die Katechismusreligion, eine ernste Erklärung des siebenten Gebots, worüber jezt unsere aufgeklärte Knaben lachen würden, wirkte [...] geben Sie mir zu, es machte Eindruk, und der Eindruk erhielt sich, wenn auch das, was ihn gemacht hatte, längst geschwunden war. Das fehlt jezt! Man fängt den Religionsunterricht sehr spät an, und dann ist er oft so kül, so demonstrirt, so auf Schrauben gestellt, [...] daß der vierzehnjährige Knabe wähnt, sich eine Uebertretung der Verbote ganz gut erlauben zu dürfen"422. Durch die Wieder416 418 420 421

4,7 Ebd., p305. Ebd., p307. 419 Ebd., p306f. S. u. p267f u.ö. Ewald, Vorlesungen über weibliche Bestimmung (Bibl. Nr. 129), pl69. 422 Vgl. o. Kap. II, 5 . Ewald, Briefe zu Beförderung, p29.

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entdeckung des Gesetzes in seiner positiven, weil eingeschränkten Funktion und der Interaktion des Gesetzes mit dem Evangelium wird Ewald zum Kritiker vieler zeitgenössischer Theologen, die die Lehrinhalte des Christentums veräußert haben und an die Stelle derselben eine rein äußerliche, auf Handlungsdirektiven abzielende Ethik gesetzt haben. Die im Glauben ergriffene Ethik des siebten Gebots hält Ewald daher für angemessener als den Versuch, durch das Tragen von kurzen Hosen und sonstige Abhärtungsübungen dem Überhandnehmen der Sinnlichkeit zuvorzukommen. „Joseph [vgl. Gen 39; A.S.] hatte nicht darin die Kraft, dem Tete - a Tete einer wollüstigen Aegypterin zu entfliehen, weil er ohne Hosen gieng, sondern weil er Gott vor Augen hatte"423. Eine wirkliche Ethik kann erst dann begründet werden, wenn dieselbe aus einer zuvor biblisch gepredigten Glaubenslehre hervorgeht. Daher wirft Ewald dem Moralismus vor, letztendlich zur Unmoralität beizutragen, da ihm das unverrückliche evangelische Fundament fehlt. „Nun so gestehe ich Ihnen denn offen, daß ich Hintansezzung des reinen Bibelchristenthums für eine Hauptursache der Abnahme wahrer Menschlichkeit halte"424. Deswegen kehrt Ewald zurück zu der reformatorischen Verhältnisbestimmung von Glauben und Werken, indem er den Glauben als Voraussetzung wirklich qualifizierter Nächstenliebe bezeichnet. Daher kritisiert Ewald an der moralischen Tugendreligion, daß sie beim Heraustrennen einer bloßen Moral aus der Bibel das Evangelium und somit den Glauben stiftenden Zuspruch einfach wegschneidet. Ewald gibt zu erkennen, „daß es mir wie eine unverzeihliche Verkehrtheit vorkommt, diese humane, auf lauter Glauben und Liebe hinzielende und hinführende Religion nicht beßer zum Vortheil der Humanität zu nuzen, und gar so lange an ihr zu schnizeln und zu beschneiden, bis Alles zu einem Skelet ohne Saft und Leben, ohne Glauben und Liebe wird"425. Die Predigt wirkt „nicht auf Handlungen zunächst, sondern zunächst auf Gesinnungen, die Quellen der Handlungen sind und seyn sollen"426. Ewald greift auf die alte reformatorische Frucht-Metaphorik zurück, die sich z.B. in CA 6 findet427, und transponiert sie in ein Gleichnis. Der Mensch „soll nicht gute Früchte an den Baum anbinden·, die guten Früchte sollen aus den

423

Ebd., p28. Ders., Fortsetzung der Briefe zu Beförderung (Bibl. Nr. 121), plOO. 425 Ebd. 426 Ders., Verborgenes Christenleben (Bibl. Nr. 164), pl74. 427 Die „nova oboedientia", der Gehorsam des durch den Glauben neugewordenen Menschen, besteht darin, daß er „bonos fructus" hervorbringt, wobei sich dieser Sprachgebrauch wiederum aus der Bibel selbst herschreibt, vgl. z.B. Mt 3,8-10, wo die Werke der Buße ebenfalls als .Früchte' bezeichnet werden. Die biblische Wachstums-Metaphorik und die Rechtfertigungslehre sind hier eine Synthese eingegangen. 424

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innersten Säften des Baums hervorwachsen"428. Und diesen Saft und diese Lebendigkeit erhält die Ethik erst dadurch, daß sie eine vom Glauben getragene ist. Zurecht wirft Ewald seinen Zeitgenossen Legalismus vor, da sie meinen, durch das bloße Gesetz auf Menschen wirken zu können. „Durch bloßes Gesetz wird kein Mensch gerecht oder sittlich, wie Paulus sagt [vgl. Rom 3,20; A.S.]"429. Ewald zufolge muß man zuerst nach der Bedingung der Möglichkeit fragen, wie ein Mensch durch den Glauben dazu bewegt werden kann, den Forderungen im Sinne des tertius usus legis430 auch nachzukommen. „Zu den moralischen Wahrheiten, die ja einen wesentlichen Theil einer geoffenbarten Religion ausmachen, gehört auch und hauptsächlich alles, was zu ihrer Befolgung leiten, sie möglich machen, dazu ermuntern, dafür interessiren kann; also in der christlichen Religion das Leben Jesus, so gut wie die Sittenlehre Jesus; Proben seiner Hülfe und Liebe, so gut wie sein Beispiel; Verleihung höherer Kräfte, so gut wie Ermunterung zum Gebrauch eigener Kraft. Der Wegweiser am Wege macht Wagen und Pferde [...] nicht entbehrlich"431. ,Leben Jesu' - das zeigt sich hier - ist bei Ewald noch nicht so zu verstehen wie später bei David Friedrich Strauß. Es ist nicht nach dem Leben des historischen Jesus gefragt, sondern „Leben Jesus" steht bei Ewald im Parallelismus zu „Proben seiner Hülfe und Liebe". Gemeint ist sachlich Jesus als donum. Bevor Jesus als ethisches exemplum verkündigt werden kann, muß zuvor gepredigt werden, inwiefern er mir zum donum geworden ist. Die Predigt dessen, daß Gott selbst um meinetwillen gestorben ist, um mich von meinen Sünden zu befreien und zu erlösen, ist die Voraussetzung für die nun erst nachfolgende Formulierung einer Ethik. Denn der Mensch muß zunächst durch das Wort von der Versöhnung in den Stand gesetzt werden, sich zu den Forderungen des Gesetzes auch freiheitlich verhalten zu können. Die Predigt 428

Ewald, Verborgenes Christenleben, ρ 176. Ders., Kann das Wesentliche (Bibl. Nr. 327), p91. 130 Ygj e t w a p c Epit. VI (De tertio usu legis). Da die „renovatio in hac vita non est omnibus numeris absoluta", (BSELK p794) ist die Predigt des Gesetzes auch den durch Glauben bereits Gerechtfertigten nötig. „Credimus, docemus et confitemur concionem legis non modo apud eos, qui fidem in Christum non habent et poenitentiam nondum agunt, sed etiam apud eos, qui vere in Christum credunt, vere [...] iustificati sunt, sedulo urgendam esse" (ebd.). Insofern kommt dem Gesetz neben dem usus politicus und dem usus paedagogicus seu elenchticus auch eine positive Bestimmung nach dem Rechtfertigungsgeschehen zu, die gleichzeitig darauf hindeutet, daß dasselbe ein eschatologisch sich ereignender Prozeß ist, der bis zum Jüngsten Tag anhält. Deswegen ist die Lehre vom tertius usus legis in der FC nicht einfach nur historisch aus dem Konflikt mit den Antinomern heraus bereits erklärt. Vielmehr muß sie sachlich als Auslegung dessen gelten, was Luther über das Leben eines Christenmenschen sagt: Daß es nämlich eine lebenslange Buße und ein lebenslängliches Zurückkriechen unter die Taufe sei. 431 Ewald, Kann das Wesentliche, p91. 429

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des Evangeliums ist daher die Bedingung der Möglichkeit, auch das Gesetz zur wahren Geltung zu bringen. Dies ist auf jeden Fall festzuhalten: Daß Ewald in der zeitgenössischen Ethik die eminente Gefahr der Gesetzlichkeit erkennt und der Ethik zu ihrem eigentlichen Recht verhelfen will durch einen Rückgriff auf die orthodoxe Verhältnisbestimmung von Gesetz und Evangelium. Wäre es möglich, „Dankbarkeit, Zutrauen, Liebe"432 unumstößlich aufzurichten, „dann könnte man alle moralische Vorschriften, mit ihren Gründen, in so weit sie für einen solchen Menschen nöthig wären, auf ein Octavblatt schreiben"433. Aber weil Glaube an und Liebe zu Gott immer wieder neu geweckt werden müssen, bedarf es der biblisch-narrativen Kontexte, in denen von den Wohltaten Jesu für die Menschheit und der Befreiung derselben gesprochen wird. Nur derart narrativ kann das glaubensstiftende Evangelium zum Tragen kommen; und nur derart narrativ kann das Gesetz in seinem notwendigen, tröstenden Kontext des Evangeliums gültig werden. Die Frage nach evangelischer Predigt ist Ewald zufolge auch eine hermeneutische Frage nach Narrativität. Das Gesetz soll vom Evangelium her gesehen werden, im evangelischen Licht also erscheinen und nicht als knechtische Kette der Unfreiheit und des Zwanges. Daher gilt - und hierin wendet sich Ewald gegen die zeitgenössischen Moralkompendien: „Daß das Wesentliche der christlichen, wie jeder geoffenbarten Religion nur in einer Summe moralischer Wahrheiten bestehe, ist wohl zu viel behauptet"434. Vielmehr hat der Mensch nicht nur das Bedürfnis, vom Gesetz her belehrt zu werden, sondern er hat das Recht darauf, Gott als den in seiner Providentia für die Welt sorgenden und als den Sünden vergebenden und Tote auferweckenden vor Augen gestellt zu bekommen. „Aber der Mensch hat doch offenbar noch mehr Bedürfnisse deren Befriedigung er von einer Gottes=Offenbarung mit Recht erwartet [...] ob Gott blos für das Ganze der Welt und Menschheit sorge, oder ob er auch seine Schicksale mit väterlicher Weisheit leite [...] ob er gewiß ein künftiges Leben zu erwarten habe, ob ihm gewiß seine Sünden vergeben, und die Folgen aufgehoben seyen [...] Und die Wahrheiten, die ihm darüber Gewisheit geben, können doch wohl nicht unter die moralischen gerechnet werden"435. Bei allem Konflikt, den* Ewald mit weiten Teilen der zeitgenössischen Theologie und deren Vereinseitigung hin auf eine bloße Moral austrägt, muß auch ein Blick auf Ewalds eigene Biographie und die Geschichte seiner eigenen theologischen Existenz geworfen werden. Wenn Ewald sich mit seinen Zeitgenossen auseinandersetzt, dann ist dies immer gleichzeitig auch eine Auseinandersetzung Ewalds mit sich selbst. Denn Ewald ist hier in einem

432 434

Ebd., p90. Ebd., p92.

433 435

Ebd., p90f. Ebd., p92f.

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langwierigen Aufarbeitungsprozeß begriffen. Blickt man auf die greifbaren Selbstzeugnisse Ewalds, fällt auf, daß er in der Zeit als Offenbacher Pfarrer im Fürstentum Isenburg-Birstein (1774-1781) eine Kehre436 erlebt hat, in der er sich vom Rationalismus weg hin zu dem gewandt hat, was er selbst .wahres Bibelchristentum' nennt. Anlaß hierfür waren Leiden, die Ewald als gottgeschickte begriff. In solch existentieller Notsituation stehend bemerkte Ewald, daß seine moralistisch-rationalistische Vernunft-Religion keinen Trost zu spenden in der Lage ist. Ein zentrales Dokument hierfür ist die 1781 in Offenbach gehaltene Abschiedspredigt „Des Pfarrer Ewalds lezte Worte an seine Offenbacher Gemeinde" vom 9. September 1781. „Sehe ich zurück auf die ersten Jahre meines unter Euch geführten Amtes; - Gott! wie bin ich beschämt und betrübt! — Wie war ich Redner - Schönredner - aber nicht Seelsorger! - Wie wenig könnt' ich Paulo nachsagen: Ich habe euch nichts verhalten; daß ich euch nicht verkündigt hätte den ganzen Rath Gottes [seil. Apg 20,27; A.S.]. - Immer von Jesu - dem Sittenlehrer, - aber nicht von Jesu - dem Erlöser. - Immer von Pflichten der Menschen; - aber nichts von der Kraft Gottes und dem Beystand des H. Geistes, durch den der Mensch allein diese Pflichten erfüllen kann. - Alles sollten Menschen thun weils ihnen angenehm, weils ihnen vortheilhaft ist: - nichts aber aus Liebe zu Gott, - der sie zuerst geliebet, und seinen Sohn für sie gegeben hat"Ail. Ewald bekennt, daß seine Predigten früher nur fordernd, nicht aber seelsorglich waren, gesetzlich, aber nicht evangelisch. Um zum seelsorglichen und seelsorgenden Prediger werden zu können, mußte Ewald erst an sich selbst im Leiden erfahren, daß seine Moralreligion nicht Stich hält. „Selbstgemachte Leiden, Emde eigener Saat, nöthigten mich, Zuflucht zur Religion zu nehmen. Ich nahm sie zu der Religion, die ich damals hatte. Als einen Staab wollte ich sie anfassen, und mich daran halten; — aber - wie ein Rohr zerbrach mir der Staab in den Händen, und ich fiel ganz zu Boden! — Jesum hatte ich gepredigt; - ihn aber nicht gekannt - nicht als Alleinhelfer - der jedem Schwachen Kräfte geben - jeden Sünder entsündigen - jeden Unreinen reinigen kann. - Jesus lebte mir nur so, wie uns etwa Calvin, Luther, Arndt oder Spener leben - blos in seinen Schriften; er selbst war mir todt"438. Diese Bekehrung hat Ewald nicht zum Pietisten werden lassen, seine Abneigung pietistischen Konventikeln439, dramatisch und öffentlich inszenierten Bekehrungserlebnissen und Bußkämpfen gegenüber440 ist groß und unübersehbar. 436

Vgl. Kap. I, 4. 5. Ewald, Des Pfarrer Ewalds (Bibl. Nr. 6), ρ 10. 438 439 Ebd., pi 1. Vgl. o. Kap. 1,4. 440 Ewald hat - wie oben bereits gezeigt - vom Pietismus wichtige Anstöße bekommen, hat sich dann jedoch aufgrund dieses Impulses biblischer Theologie nicht den pietistischen Lehr-Eigentümlichkeiten geöffnet, sondern seinen eigenen Weg zurück zur 437

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Nein, es war eine Kehre hin zu den reformatorischen Grundlagen der Lehre, die sich besonders als Kehre hin zur biblisch-paulinischen und johanneischen Verkündigung vollzog. Deswegen spiegelt sich Ewald in Joh 6,67-71. Er behauptet also nicht nur, daß jeder Mensch seine Biographie in der Bibel lesen könne, wie oben gezeigt, sondern er vollzieht diese Lektüre seiner eigenen Biographie in der Bibel selbst. „Auch ich muß sagen: es gab eine Zeit, da kannt' ich Ihn nicht! Der Sittenlehrer, Aufklärer, der edle [...] blieb mir zwar nicht verborgen. Aber den Eingebohrnen Sohn Gottes, den Sündenvergeber, Entsündiger, den Richter und Herrn der Menschheit kannt' ich nicht. Schicksale des Lebens zeigten mir indeß, daß der Mensch mehr als einen Aufklärer und Sittenlehrer bedürfe [...] Ich forschte, prüfte, las seine Reden, die Erzälungen von Ihm, die Zeugnisse von Ihm, - und laut sprach mein innerstes Wahrheitsgefühl: , wohin sollt' ich sonst gehen? Er hat Worte des ewigen Lebens' [seil. Joh 6,68; A.S.]"441. Und hieraus erhellt, weswegen Ewald es in seinem Leben immer wieder in Predigten, Erbauungsbüchern, Zeitschriftenartikeln u.a. Schriften unternommen hat, gegen eine Vereinseitigung der Moral vorzugehen: Ewald ist diese biblische Wahrheitsfrage auch in biographischer Hinsicht zu einer zentralen Fragestellung geworden. Und Ewald befindet sich in diesem Konflikt immer auch im Konflikt mit seiner eigenen Vergangenheit. Ewald sieht daher die Theologie als ganze als eine auf einer Gratwanderung sich befindende, die in jeder Generation in eine andere Einseitigkeit zu fallen droht. „Jedes Zeitalter, jede Gegend, jedes Lebensalter hat so eine eigene, einseitige Ansicht"442. Immer wieder läuft die Theologie Gefahr, entweder die Ethik gegen die Glaubenslehre auszuspielen, oder aber umgekehrt die Glaubenslehre gegen die Ethik. „Bald sollte der Mensch ganz verdorben und gar nichts Gutes mehr an ihm seyn, gegen alle Erfahrung. Bald sollte er gar nicht verdorben, ganz gut seyn, - eben so sehr gegen alle

reformatorischen Theologie beschritten. Daher auch sein Urteil: „Pietismus im Übeln Sinne des Worts ist Frömmelei, Aushängen von Frömmigkeit, damit es die Menschen sehen, und nicht den Vater im Himmel, sondern den frommen Menschen preisen. Bei dem falschen Pietismus ist Heuchelei, die frömmer scheinen will, als sie ist, weil sie sich im Aeußern durch fromme Mienen, unmodische Kleider und dergleichen pharisäische Erbärmlichkeiten auszeichnet, und diese Auszeichnung sucht" (Ewald, Das Verderbliche (Bibl. Nr. 329), pl66). Entgegen einem pietistischen Exhibitionismus kann Ewald auch fordern, der Mensch habe seine Bußkämpfe und Bekehrungserlebnisse nicht dauernd zur Schau zu tragen. „Er soll verbergen seine Christenleiden, seine Christenkämpfe, sein Christensehnen unter dem Scheine gewöhnlicher Heiterkeit", so wie Christus selbst hauptsächlich im Verborgenen gewirkt und nur deswegen öffentlich Wirkung erzielt hat (Ewald, Verborgenes Christenleben (Bibl. Nr. 164), pl80). 441 442

Ewald, Eintrittspredigt (Bibl. Nr. 140), p23. Ewald, Welchen Einfluß hat das (Bibl. Nr. 169), p291f.

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Erfahrung [...] Bald war Jesus blos Siindenvergeber, nicht Lehrer und Meister; bald blos Lehrer und Meister, und nicht Quelle der Vergebung unserer Sünden"443. Nach Ewald gibt es nur eine Möglichkeit, dieser Gefahr nicht zu unterliegen und die wahre Verhältnisbestimmung von Dogmatik und Ethik ausfindig zu machen: Den Rekurs auf die Heilige Schrift. Denn es gibt kein Buch, das aller „tödtenden Einseitigkeit so sehr entgegen arbeitet, wie die Bibel. Glaubenslehren und Sittenlehren sind in ihr gar nicht getrennt. Lehren und Vorschriften und Verheissungen sind unter einander vorgetragen; Eins durch das Andere bestimmt, erleichtert, geleitet, möglich gemacht"444. Um nicht in Gesetzlichkeit zu verfallen, ist es nötig, von der Bibel her Gesetz und Evangelium zu unterscheiden. Ähnlich wie Luther sieht auch Ewald hierin eine der schwierigsten Aufgaben eines Theologen445. In einer Ordinationspredigt definiert Ewald den Gegenstand, den ein Pfarrer sein Leben lang zu lernen hat, folgendermaßen: „Du mußt lernen, am rechten Ort warnen, und am rechten Ort trösten; zu rechter Zeit Liebe Gottes in Christus, und zu rechter Zeit Ernst Gottes in Christus verkündigen; - den Schwachen ein Schwacher, den Starken ein Starker, und Allen allerlei zu werden, damit du unter Allen etliche gewinnest [vgl. IKor 9,22; A.S.]"446. Wichtig zu beobachten und festzuhalten ist, daß Ewald seinen Rekurs auf die reformatorische Theologie nicht dadurch vollzieht, daß er einfach auf eine bereits vorhandene Lehre zurückgreift und rein statuarisch deren Gültigkeit behauptet. Solchem Positivismus steht Ewald fern, so daß er es nur sehr selten für nötig hält, theologische Gewährsmänner explizit zu zitieren. Vielmehr lebt Ewald derart in der biblischen und reformatorischen Verkündigung, daß er sie im Rekurs auf die Bibel als immer schon angewandte und in die applicatio entlassene vergegenwärtigt und verlebendigt. Ewald entdeckt in dieser von der Bibel selbst in Gang gesetzten Bewegung, daß die Christologie und das reformatorische ,solus Christus' der Eckstein der Ethik ist. Eine unter Absehung von Christologie und Soteriologie formulierte Ethik kann nach Ewald nicht beanspruchen, eine christliche genannt zu werden. Die Versöhnungslehre, die Lehre vom meritum Christi, die „Lehren von der Göttlichkeit Jesus, von seinen Verdiensten und seinem verdienstlichen Tode" sind „der Grund aller Christlichen Sittenlehre"447. „Das, was Jesus uns von seiner Person sagt, und von seinen Gesinnungen gegen uns, baut unsere Sittlichkeit auf einen reinen Grund"44*. Innerhalb der 443

444 Ebd., p292. Ebd., p292f. Luther, Galaterbriefvorlesung, WA 40/1, p207: „Qui igitur bene novit discernere Evangelium a lege, is gratias agat Deo et sciat se esse Theologum." 446 Ewald, Ueber Geist und Bemühungen (Bibl. Nr. 61), p44. 447 Ders., Welchen Einfluß hat das, p300. 448 Ebd., p298. 445

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Bezogenheit von lex und euangelium aufeinander kommt dem Evangelium die sachliche Priorität zu. Denn das Gesetz kann erst zu seiner wahrhaften Bestimmung gelangen, wenn vorher gepredigt worden ist, was Gott für uns, pro nobis, getan hat. Gott tritt uns als der entgegen, der uns von der Knechtschaft der Sünde und des Gesetzes befreit durch das donum seines Sohnes, bevor er sich als legislator wirklich artikulieren kann. „Das Christenthum ist also nicht Gesez, sondern Evangelium. Ja wol Evangelium; frohe, froheste Botschaft, die mir verkündigt werden konnte! Gott foderi nicht zuerst, sondern giebt zuerst. Wir sollen nichts für Gott thun; Gott thut viel, alles für m/ií"449. Daher gilt: „So gewiß ich auf sein Wort hin, Manches thun soll, bis ans Ende der Welt; so gewiß soll ich auch auf sein Wort etwas erwarten"450. Der aufgeklärte Moralismus hatte die Fähigkeit verloren, von der Sünde als der stärksten Verderbensmacht in der Welt zu reden. Der Sündenbegriff wurde oft auf eine reine Tatsündenlehre reduziert, wobei der Mensch aus freiem Willen sich gegen jede Sünde zu verwahren fähig ist451. Ewald dagegen gewinnt das Gesetz in seiner Funktion wieder, den Menschen seiner Sünde zu überführen und sie ihm überhaupt erst bewußt zu machen. Allerdings ist schon die Verkündigung des Gesetzes durch evangelische Verheißungen begleitet: Ähnlich wie für Luther gibt es also schon im alten Bunde, in der Tora selbst, Evangelium. „Erst werden ihm [seil, dem Menschen; A.S.] Geseze vorgelegt, und mit Verheissungen und Drohungen begleitet, um ihn auf seine falsche Thätigkeit aufmerksam zu machen, und ihn in wahre Thätigkeit zu sezen. Dann wird Liebe zu Gott und Jesus auf die Einzige Art, wie Liebe gewekt werden kann, durch glaubwürdige Verkündigung der höchsten, zuvorkommendsten Liebe in ihm gewekt"452. Ewald bestimmt die eigentliche Aufgabe der lex dadurch, daß er sie als eine begrenzte und in sich reflektierte faßt. So wie Ewald die Vernunft in ihr eigentliches Amt einsetzt, indem er ihre Grenzen bestimmt, so zeigt er auch die Grenze des Gesetzes auf, die es von der Lehre des usus elenchticus her hat. „Der Mensch war versunken in Sünden, ohnmächtig zum Guten, wüßt' aber kaum mehr, daß er Sünde that. Da ließ ihm Gott Gesez predigen unter göttlichem Ansehen; Gesez mit aller Strenge - damit alles Böse in ihm recht aufgeregt werde, recht zu Tage komme, und er auf diesem Weg erkenne die Tiefe seines Verfalls"453. Höchst geschickt vermeidet Ewald die Gefahr der Gesetzlichkeit, die er in so mannigfacher Ausprägung vor Augen hat, vermeidet aber wiederum, einfach in das platte Gegenteil dessen zu verfallen, was er 449 450 451 452 453

Ders., Der Christ, gebildet (Bibl. Nr. 163), p79. Ders., Christliches Hand= und Hausbuch (Bibl. Nr. 147), IV, 410. S. o. p237u.ö. Ewald, Religion, Sittlichkeit (Bibl. Nr. 112), pl4. Ders., Predigten für Unterthanen, p313f.

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bekämpft. Ewald unterliegt nicht einem unreflektierten Antinomismus, sondern reformuliert die oft mißbrauchte sehr differenzierte reformatorische Lehre vom Gesetz. Dazu gehört auch, daß Ewald einen neuen Zugang zur Lehre vom tertius usus legis bekommt, die ihm besonders durch seine reformierte Tradition vorgegeben ist, sich aber auch im Luthertum findet454. Wieder redet Ewald nicht abstrakt von dieser Lehre, indem er sie einfach benennt, sondern er entläßt sie in die Anwendung, wenn er sagt, daß der Mensch als ein von Gott bejahter fähig wird, sich aus freien Stücken in die Bindung an das Gesetz zu begeben. „Das ist die Liebe zu Gott, daß wir seine Gebote halten; und seine Gebote sind nicht schwehr [vgl. Uoh 5,3; A.S.]"455. Daß Ewald auf die reformatorische Theologie zurückgreift, zeigt sich auch darin, wie er das Christusgeschehen zum Ausgangspunkt für die Nächstenliebe erhebt, und darin, wie er das Verhältnis von Glauben und Werken von der Liebe her faßt. Die Nächstenliebe und die Befolgung der Gebote der zweiten Tafel des Dekaloges ergeben sich nicht platt aufgeklärt aus der allgemein-vernünftigen Einsicht des Gewissens in die ihm obliegenden Pflichten. Auch geht Ewald die optimistisch-aufgeklärte Begeisterung für die moralische Perfektibilität des Menschen ab, die zu erreichen der Mensch nur seinen freien Willen aufbieten müsse. Die Nächstenliebe folgt aber auch nicht aus einer Autorität, die mit dem Gesetz als solchem einfach schon gesetzt wäre. Vielmehr kann die Tora nach Ewald nur dann wirklich befolgt werden, wenn sie um Christi willen aus dem Glauben heraus in die Tat umgesetzt wird. Der Nächste wird erst dadurch wirklich liebenswürdig, daß seine Menschenwürde mit den Augen des Glaubens gesehen wird: Als eine Menschenwürde, die erst in der Liebe Gottes zu mir und meinem Nächsten sichtbar wird und sich darin manifestiert, daß sich Christus für mich und für meinen Nächsten zum Opfer dahingegeben hat. „Der, der mich liebt, liebt auch sie [seil, meine Nächsten; A.S.] ! Der, der sein Leben für mich aufgeopfert hat, hat es auch für sie aufgeopfert! Mein Gott ist auch ihr Gott"456. Immer wieder greift Ewald daher auf die biblische Einsicht zurück, daß der Ermöglichungsgrund unserer Liebe dem Nächsten gegenüber darin besteht, daß wir zuvor bereits schon von Gott geliebt sind (lJoh 4,19). Und diese Einsicht leitet Ewald zu der nächsten: Daß nämlich erst vom Kreuz und von Jesu Opfertod aus das Band erkennbar wird, das die verschiedenen Glieder des Leibes Christi zusammenhält und sie zur tätigen Liebe als Band befreit. „Hand in Hand wandeln wir Einen Weg, tragen Einerley Last, genießen Einerley Er454

Vgl. Calvin, Institutio II, 7,12-17, wo Calvin seine Lehre vom usus legis in renatis entwickelt. Vgl. FC VI und Mau, R„ Art.: Gesetz V, TRE 13, p82-90, bes. p86f und Meyer, H.Ph. 455 Ewald, Der Christ, gebildet, p92. 456 Ebd., p94.

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quikung, streben nach Einem Ziel. Ein Glaube, Eine Taufe, Ein Heiland, Ein Herr, der da ist über uns Allen, und durch uns Alle, und in uns Allen - welch ein sanftes, heiliges, festes Band!"457. Auf diese Weise gelangt Ewald aus der Frontstellung gegen den zeitgenössischen Moralismus heraus zu einer erneuten Thematisierung der theologia crucis, die eine Wiederentdeckung der paulinischen Ekklesiologie nach Eph 4,5f nach sich zieht458. Die Brücke zwischen beidem - das wird sich zeigen - ist eine unaufdringlich biblisch vorgetragene Rechtfertigungslehre reformatorischen Zuschnitts, die sich besonders stark der joh. Liebesmetaphorik bedient. Dem Gesetz kommt dabei, wie eben schon gesehen, die Aufgabe des Pädagogen auf Christus hin zu (Gal 3,24), der den Menschen ihre Erlösungsbedürftigkeit überhaupt erst bewußt macht, denn „den alten Menschen, der mit mir aufwuchs, halt' ich nur gar zu leicht für meine wahre Menschheit"459. Erst aus dem Glauben an und Liebe zu Christus folgen fructus bonorum operum nach CA 6. „Wie sollt es mir nicht leichter, natürlicher werden, gut zu seyn, da mich Liebe zu einem solchen Wesen [seil. Christus; A.S.] dazu treibt [...] kann ich je noch sittlich werden; so werd' ichs auf diesem Wege"460. Zwar spricht Ewald nicht derart extensiv die Sprache der reformatorischen Rechtfertigungslehre, so daß er z.B. die imputatio der iustitia Christi nicht so sehr in den Vordergrund rückt. Dennoch ist es bemerkenswert, daß Ewald die hierin liegende Sache sehr wohl in seine Theologie aufgenommen hat, indem er recht explizit vom Tausch und Wechsel spricht, durch den Christus meine Sünden zugeeignet werden und mir seine Gerechtigkeit. Daher steht tröstlich fest, „daß unsere Sünden, wie seine Sünden, und seine Gerechtigkeit, wie unsere Gerechtigkeit, angesehen werden soll. (2 Cor. 5,21.)"461. Ist es bei Luther die communicatio idiomatum, die, auf das Verhältnis von Menschen und Christus übertragen, das Medium des Tausches und Wechsels ist462, so ist es bei Ewald wieder das Band der Liebe, das diesen Tausch ermöglicht. Daher formuliert er: „Er [seil. Jesus Christus; A.S.] verband sich so innig mit dem Menschengeschlechte, daß ihre Sünde wie seine 457 458

Ebd. Zumindest damals mußte der Eph-Brief Ewald noch als genuin paulinisch erschei-

nen. 459

Ewald, Der Christ, gebildet, p89. Ebd., p91f. 461 Ewald, Entwürfe 1797 (Bibl. Nr. 148), ρ 182. 462 Luther, Von der Freiheit eines Christenmenschen, StA 2, p277: „Hie hebt sich nu der fro(e)lich wechßel vnd streytt / Die weyl Christus ist gott vnd mensch / wilcher noch nie gesundigt hatt / vnd seyne frumkeyt vnu(e)birwindlich / ewig / vnd almechtig ist / ßo er denn der glaubigen seelen sund / durch yhren braudtring / das ist / d(er) glaub / ym selbs eygen macht vnd nit anders thut / den(n) als hett er sie getha(n) / ßo müssen die sund ynn yhm vorschlunden(n) vn(d) erseufft werden." 460

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Sünde, und sein Verdienst, wie ihr Verdienst angesehen ward. Joh. 15,1 etc. Eph. 4,15.16"463. Ähnlich wie aus diesem Tausch bei Luther auch eine communicatio idiomatum innerhalb der Gemeinde folgt, sieht auch Ewald einen solchen Tausch in der Gemeinde als dem Leib Christi vor sich gehen. Hatte Luther464 gesagt, daß die Gemeindeglieder insofern alle Gaben und Lasten gemeinsam haben, als die Wesensbestimmung des einen im Sinne der paulinischen Sympathie auch dem anderen zugeeignet wird, so gelangt auch Ewald zu dieser Rede vom Tausch, deren Motor die Liebe Christi ist. „Der Andere hat Manches, was ich nicht habe, ich habe Manches, was er nicht hat. So fühl' ich denn bald, daß ich des Andern bedarf, und glaub' es leicht, daß der Andere auch mich bedarf [...] So entsteht denn das schöne, wechselseitige Verhältniß, in dem man giebt und annimmt, bittet und dankt; ein Band, das Menschenherzen verbindet, wie sie nicht leicht durch irgend etwas anders^ verbunden werden könnten [...] Sein Schmerz wird mein Schmerz; meine Stime erheitert sich bei seinen Freuden; wohlthätig öfnet sich mein Herz, wenn es ihm wohl ist"465. Liebe, Glaube, Liebe ist die Reihenfolge, die der Rechtfertigungslehre Ewalds zugrunde liegt. Denn die Verkündigung, die Glauben schafft, ist diejenige, die die Liebe zum Inhalt hat, die Gott selbst ist. „Gott ist die Liebe!"466 (lJoh 4,16). Und aus dieser Glauben stiftenden Liebesverkündigung folgt der Glaube, der in der Liebe tätig wird. „Es wird die höchste Liebe verkündigt; sie wird glaublich gemacht; es wird alles gethan, um Glauben an diese Liebe zu weken"467. „Und wie könnt ich lieben, ohne Glauben an Liebe? Wie Gott lieben, ohne Glauben an seine Liebe? Wie daran glauben an Liebe Liebe Gottes ohne das, was mir das Evangelium sagt, ohne Verkündigung der Liebe Jesus?"468. Hier zeigt sich, daß Ewald in einem durchaus eigenständigen Rückgriff auf die Bibel als Grundlage aller Lehre die Rechtfertigungstheologie erneut zur Geltung bringt. Allerdings stützt sich Ewald hierfür stärker auf die joh. Liebes-Diktion und weniger auf die loci classici wie etwa Rom 3,28. Dennoch kann hierin kein Gegensatz gesehen werden, denn es ist nicht zu übersehen, daß Ewald in der Sache mit den reformatorischen Wurzeln christlicher Lehre übereinstimmt, weil er mit den Reformatoren vor allem die biblischen Wurzeln gemeinsam hat. 463

Ewald, Entwürfe 1798 (Bibl. Nr. 149), p31. Vgl. was Luther in seiner Schrift ,Tessaradecas consolatoria' im dreizehnten Bild über das innerhalb der Gemeinde vor sich gehende commercium sagt: „Itaque dum ego patior, patior iam non solus, patitur mecum Christus et omnes Christiani [...] Atque ita vere gloriali possum in aliorum bonis tanquam meis propriis" (WA 6, pl31). 465 Ewald, Der Christ, gebildet, p81. 466 Ebd., p87. 467 Ebd. 468 Ebd., p88f. 464

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Kapitel II

Daß Ewald aufgrund von Rom 3,20 und Gal 3,24 predigt, daß aus der Predigt des Gesetzes im Sinne des usus paedagogicus die Erkenntnis der Sünden folgt, haben wir eben gesehen. Gleichzeitig ergibt sich eine sachliche Übereinstimmung Ewaldscher Predigt mit der reformatorischen Verkündigung auch darin, wie Ewald die Grenze des Gesetzes definiert: daß ihm die Kraft fehlt, die Menschen zu bessern. Das Gesetz überführt, erlöst aber nicht von Sünden. „Gott rechnete nicht darauf, daß der Mensch durch dies strenge Gesez gebessert werde; aber er solte dadurch so weit kommen, daß er sich nach Hülfe ausstrekte, und ihm der wünschenswerth und Bedürfniß werde, den Gott zu seinem Helfer gesandt hat"469. Ähnlich wie Luther begreift Ewald das Gesetz als zum opus alienum, zu Gottes Werk zur Linken, gehörig470. Aber gerade in diesem fremden Werk und in der Bestimmung des Gesetzes, eine Verderbensmacht zu sein, die Gott dazu anwendet, den Menschen durch die Anklage hindurch zu Christus und so zum Heil zu führen, kommt dem Gesetz die positive Aufgabe zu, die Sünde übergroß zu machen, damit die Gnade auf diesem Hintergrund um so deutlicher epiphan werden kann (vgl. Rom 5,20; A.S.). „Das Gesez kam, und die Lust wurde stärker durch das Gesez. Der Mensch wolte nun gar nicht gehorchen, weil er durchaus gehorchen solte. Das Gesez kam; und es entfernte die Menschen noch mehr von Gott. Furcht zog ihr Wesen zusammen; sie vertrauten Ihm nicht, liebten Ihn nicht; denn,Furcht ist nicht in der Liebe' [seil. lJoh 4,18; A.S.]"471. Insofern hat das Gesetz die Aufgabe, die Verkündigung dessen, daß der Mensch ohne Verdienst gerecht wird, zu unterstreichen und zu verstärken. „Und nun läßt Er ihm [seil. Gott dem Menschen; A.S.] volle Sündenvergebung ankündigen, gerade da der Mensch am lebendigsten fült: ich verdien's nicht!"472. So rezipiert Ewald die paulinische Hamartiologie neu, indem er Rom 11,32 folgend das Handeln Gottes durch das Gesetz als eines darstellt, durch das Gott „Alles recht, unter den Ungehorsam beschloß, damit Er sich Aller erbarme'"473. Auf diese Weise wird Ewald auch die libertas Christiana zu einem zentralen Verkündigungsinhalt. „Denk' auch Keiner, Christenthum enge den Menschen ein; es nehm' ihm die Freiheit, dazu er doch geschaffen sey. Ja; es könnte der Fall werden, wenn dir Jesus blos Sittenlehrer, Gesezgeber wäre, wenn durch seine Thaten und Schiksale, durch seine Lehren und Verheisungen keine Anhänglichkeit an seine Person in dir gewekt ist"474. Auch Ewalds Lehre von der christlichen Freiheit erhält darin ihr besonderes Gepräge, wie er sie gegen den aufgeklärten Freiheitsbegriff setzt. Denn 469 470 471 472 474

Ders., Predigten für Unterthanen, p314. Vgl. Luther, WA 24, p356. Vgl. Althaus, P., pl52. 154. Ewald, Predigten für Unterthanen, p377. 473 Ebd., p314. Ebd., p378. Ebd., p l l 4 .

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zwar ist der Mensch auch nach Ewald zur Freiheit von Anfang an bestimmt, aber die Freiheit ist nichts, was dem Menschen voraussetzungslos naturrechtlich anhaftet, sondern eine heilsgeschichtlich durch Gott gewirkte. So verhilft Ewald der aufgeklärten Lehre von der Freiheit, die dem Menschen von Natur aus eignet, zur Aufklärung über sich selbst. Denn Ewald macht deutlich, daß die aufgeklärte Theologie gerade darin unausgereift ist, daß sie trotz ihrer Freiheits-Prämisse die Menschen doch durch ihre Morallastigkeit zu unfreien Menschen macht, die unter dem Gesetz geknechtet sind und nichts von Erlösung und Liebe wissen. So wird das aufgeklärte Verlangen nach Freiheit und Emanzipation für Ewald gerade zu einer Brücke, um die reformatorische Lehre von der libertas Christiana erneut zu etablieren. Die christliche Freiheit ist dort bedroht, wo das Gesetz sich anmaßt, über die Herzen zu regieren. „Dann wirst du auch im Christenthum gefangen gehalten unter äuseren Sazungen, und sie sind schwerer als alle, weil sie auch dem Herzen befehlen wollen"475. Dort, wo Luther von dem durch das Gesetz geknechteten Gewissen spricht, von der Verwirrung des Gewissens durch das Gesetz, das im Gewissen keinen Platz hat476, spricht Ewald von der Verknechtung des Herzens durch das Gesetz. Weist Luther dem Gesetz nach der Befreiung des Gewissens von der lex die Hände als den Ort an, an dem es zu seiner wahren Bestimmung kommt477, so will Ewald ebenfalls dem Gesetz seine das Leben der Menschen in Nächstenliebe regulierende Funktion geben. Sie kann das Gesetz aber erst dann haben, wenn der Mensch sich aus glaubender Freiheit heraus auch freiheitlich zum Gesetz verhalten kann478. Die Wiederentdeckung der Dialektik von Gesetz und Evangelium hängt bei Ewald, wie bereits gesehen, aufs engste zusammen mit der Predigt, daß Christus donum und exemplum gleichermaßen ist. Ewald sieht Jesus nicht 475

Ebd. Vgl. Luther, De servo arbitrio, StA 3, pl97: „Vulgus coercendum est externa ui gladij, ubi male egerit, sicut Paulus docet Roma. 13. non autem conscientiae eorum falsibus legibus irretiendae sunt [...] Solius enim Dei praecepto conscientiae ligantur." Allerdings sagt Luther dann besonders in der großen Galaterbrief-Vorlesung, daß zumal die angefochtenen Gewissen mit dem Gesetz - auch mit dem von Gott selbst gegebenen nichts zu schaffen haben sollen. Vgl. WA 40/1, p214: „Conscientia nihil habeat commercii cum lege [...] conscientia habeat suum sponsum, thalamum, ubi Christus debet solus regnare." Vgl. ebd., p209: „Quando peccatum et lex venit in conscientiam, so stosst man alle beide buben hin aus: nescio de lege et peccato. Si econtra, Euangelium hin auff, non es gast in dem seu stai." Dem liegt wieder die Unterscheidung von opus alienum Dei und opus proprium zugrunde, die sich auch in Apol. CA 12 zeigt: „Alienum opus Dei vocat, cum terret, quia Dei proprium opus est vivificare et consolari" (BSELK p261). 477 Vgl. Luther, WA 40/1, p235. Der Glaubende ist einer, „qui habet legem in manu." 478 Nach Ewald steht fest, daß das „Gesez allein den Menschen nicht bessere" (Predigten für Unterthanen, p315), vielmehr - so Ewald - muß „alles Verdienst wegfallen" (ebd., p317), denn „der Mensch muß unverdiente Gnade fiilen" (ebd.). Vgl. u. p274—276. 476

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einseitig als denjenigen, der die interpretatio legis vollzieht, sondern er predigt ihn auch unablässig als den, der durch seinen Tod Vergebung der Sünden erworben und geschenkt hat. „Jesus muß öffentlich bekannt werden von seinem Verehrer, wo und wann und so oft es nöthig ist. Der Christ muß es laut, bestimmt und unmißverstehbar sagen, daß er diesen Jesus nicht für einen Judenlehrer, Sittenlehrer, für einen edlen Mann, für einen Märtyrer [!] der Wahrheit, sondern daß er Ihn für den Herrn des Himmels und der Erde halte, dem der Vater Alles unterworfen hat, sich allein ausgenommen"479. An der Lehre vom munus regale muß nach Ewald festgehalten werden, so wie an der vom munus sacerdotale: „Wäre kein Erlöser, was hülfe der Lehrer? Was hilft's dem Kranken, wenn du ihm sagst: er solle aufstehen, und diese und jene Geschäfte - so und so verrichten - so lang er krank ist? Wäre kein Erlöser, was hülfe das Muster? Was hilft's dem Kranken, wenn du vor ihm herum gehst, und mit der größten Leichtigkeit und Geschiklichkeit Geschäfte verrichtest? du Gesunder! - Wird er's darum sogleich auch können, der Kranke?"480. Nach Ewald kann von Christi munus propheticum, zu dem neben der Verkündigung der göttlichen promissiones auch die der lex gehört, nur gesprochen werden, wenn gleichzeitig vom munus sacerdotale die Rede ist. „Jesus gab, half [...] litt und starb, - nicht zunächst, damit wir dieß und das äusserlich thun, sondern zunächst, daß wir Vertrauen zu Ihm fassen und Ihn lieben sollen"481. Wer eins vom anderen trennt, die alte munera-Lehre also aufgibt, der zertrennt Christus, was nicht schriftgemäß ist. „Wer ihn blos als Lehrer, blos als Muster, blos als Sündenvergeber, blos als Fürsprecher bei dem Vater annimmt, der hat Christum zertheilt, und ein zertheilter Christus ist kein Christus - ist nicht das, was Gott uns in ihm geben wollte"482. So hat die Lehre von der Versöhnung und der Erlösung des Menschen bei Ewald die sachliche Präponderanz vor der ethischen Didaskalia Jesu. Sie wiederum kann nur von dieser Voraussetzung her zur Sprache kommen. Auffällig ist nun, daß dieser starke Zusammenhang der verschiedenen muñera Christi gleichzeitig der Punkt ist, von dem aus Ewald zu einer Neuformulierung der theologia crucis durchdringt. Denn für Ewald ist das Kreuz gewissermaßen der archimedische Punkt, in dem er wie in einem Fokus Christus als Lehrer und Erlöser gleichzeitig betrachten kann. Nur am Kreuz sieht man den ganzen Christus: „Nirgends sieht man so den ganzen Christus, als am Kreuz. Darum glaubte auch Paulus, glaubt jeder ächte evangelische Lehrer, ,er wisse nichts anders, nichts höheres, als Jesum Christum den gekreuzigten' [seil. IKor 2,2; A.S.]"483. So gelangt Ewald zurück in die 479 480 481 482

Ewald, Verborgenes Christenleben (Bibl. Nr. 164), pl81f. Ders., Die Erziehung (Bibl. Nr. 9), pl7. Ders., Verborgenes Christenleben, ρ 176. 483 Ders., Die Erziehung, pl6. Ebd., p21.

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heimatlichen Gefilde reformatorischer Theologie, indem sich ihm die Gültigkeit reformatorischer Theologie im Rekurs auf die biblische Botschaft als Fundament aller Lehre imponiert. Das, was Paulus vom λόγος τοΰ σταυροΰ (lKor 1,18) sagt, drängt sich Ewald erneut auf. „Diesen Christus also hat er allein verkündigt. Kein anderer Grund brauchte und konnte gelegt werden, als allein Er [seil. IKor 3,11; A.S.]"484. Und Ewald begreift sein eigenes Predigtamt als ein allein von diesem Kreuzeswort getragenes und gefülltes. Ewald selbst steht damit in der Kontinuität der Predigt des göttlichen Wortes durch Paulus, wobei diese Kontinuität durch das ,solo Christo' gestiftet wird. „Ihr sehet, meine Theuresten, - der gekreuzigte Christus war der Mittelpunkt, das Einzige und Alles der Lehren Pauli. Er soll auch der Mittelpunkt meiner Lehren seyn. Mit Verkündigung dieses Christus fieng er sein Lehramt zu Korinth an - wie könnt' ich mein Lehramt hier in Detmold besser anfangen, als mit ,1hm, außer dem kein Heil, und keine Seligkeit zu finden ist?' Ich will Euch - nach dem alten, aber unverbesserlichen Ausdruk - diesen Christum ganz, und allein zu predigen suchen. Gott geb' uns allen dazu seinen Geist, um reden und hören zu können, wie geredet und gehört werden soll"485. Ewald liest hier wieder einmal seine Biographie biblisch, indem er den Antritt seines Amtes in dem biblischen Zeugnis darüber wiedererkennt, wie Paulus seine Verkündigung brieflich in Korinth begonnen hat. Auf diese Art gelingt die Verschränkung des Jahres 1781, in dem Ewald von Offenbach nach Detmold berufen wurde, mit der biblischen Zeit. Und hierin zeigt sich, daß Ewalds Rezeption des ,sola scriptum' in seiner narrati ven Bibelhermeneutik ihr notwendiges Korrelat in der Trägerschaft dieses Wortes hat: Im ,solus Christus'. Die Rechtfertigungslehre Ewalds, das wurde oben bereits sichtbar, hat ihren Angelpunkt im Glauben an die Liebe, die Gott selbst ist (lJoh 4,16). Aus diesem Glauben fließen dann die Liebeswerke. Diese Rechtfertigungslehre steht bei Ewald im Zusammenhang mit einer Versöhnungslehre, die das meritum Christi als ein doppeltes kennt. Christus hat nicht nur durch sein Blut und durch seinen Opfertod als sacerdos im Sinne von Hebr 9,25 ein meritum erworben, sondern obendrein hat sich Christus als der Retter der Menschheit durch seine Liebestätigkeit an den Menschen die menschliche Gegenliebe erworben. Ewald spricht nicht nur von „seinem [seil. Christi, A.S.] verdienstlichen Tode"486, nicht nur davon, daß Christus durch sein Blutvergießen dieses meritum erworben und die Menschen dadurch als sein Eigentum erworben hat: „Es ist eine Gemeinde Gottes [...] Es sind Wesen, für die Jesus gestorben ist; eine Gemeinde, die Er mit seinem Blute erworben hat [seil. Apg 20,28; A.S.]"487. Vielmehr gehört es nach Ewald zu der Lehre vom meritum Christi 484 486 487

485 Ebd. Ebd., pl4f. Ders., Welchen Einfluß, p300. Ders., Abschieds=Predigt (Bibl. Nr. 139), p20.

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hinzu, daß Christus die Liebe der Menschen erworben hat, um sie zu gewinnen. „Gott sezt voraus, der Mensch thue etwas am leichtesten auf das Wort eines Wesens hin das sich sein Vertrauen, und Liebe erworben habe - und jeder gute Unterthan, jedes gute Gemeindsglied [!], jedes gute Kind - jede Familie zeigts"488. Nur durch Christi Leiden, seinen Tod und seine Auferstehung konnten Glauben und Liebe bei Menschen geweckt werden, indem Christus solches erwarb. „Darum litt und starb Er - damit wir glauben diese Liebe, und den wieder lieben, der uns zuerst geliebt, und seinen Sohn für uns dahin gegeben hat"489. Dieses Proprium Ewaldscher Theologie ist darum so wichtig zu beobachten, weil sich die Verbindung von meritum-Lehre und der biblischen Rede von der Liebe in die Pädagogik Ewalds hinein verlängert. So wie Gott bzw. Christus durch zuvorkommende Liebe sich die Gegenliebe des Menschen erworben haben, so sollen auch Lehrer und Eltern als Stellvertreter Gottes den Kindern gegenüber die Liebe der Kinder erwerben. Die von Gott erworbene Liebe der Menschen ist die Bedingung der Möglichkeit dafür, daß Gott als Pädagoge des Menschengeschlechts tätig werden kann. Der Erwerb der Liebe der Kinder durch die Eltern ist Voraussetzung dafür, daß die Eltern ihre Kinder bilden können. „Das erste und Hauptmittel ist, daß sie [seil, in diesem Fall: die Lehrer; A.S.] sich Zutrauen und Liebe bei den Kindern zu erwerben suchen"490. Ewalds Pädagogik hat hier einen eminent wichtigen theologischchristologischen Grund, wenn er den Lehrern rät, „daß Ihr ja freundlich und liebreich mit den kleinen Kindern umgehet, sie nicht hart anfahret, wenn sie auch nicht aufmerksam sind, noch vielweniger sie schlaget. Es ist natürlich, daß alsdann ein Kind sogleich die Lust zum Lernen und zum Schulgehen verliert"491. Diese Lehrart hat nicht um ihrer selbst willen als .sanfte' Methode ihre Berechtigung. Sondern sie hat ihre Berechtigung insofern, als hier die Pädagogik selbst bei der Lehrmethode Christi in die Schule gegangen ist. Der beste Ausgangspunkt für einen freien Gehorsam der Kinder, der nicht aus Zwang und Furcht fließen soll, ist die elterliche Liebe, aufgrund deren ein Kind folgsam ist um der Eltern willen und aus Liebe zu ihnen. Hier transponiert Ewald sein Konzept von der eschatologisch durch Christus wieder aufgerichteten Tora, der die Glaubenden um Christi willen folgen, auf die Pädagogik. „Also kommt alles darauf an, daß Väter und Mutter dem Kind' eine recht werthe Person, daß des Vaters, der Mutter Wort ihm wichtig wie Gottes Wort werde. Und wodurch könnt' es ihm wichtiger werden, als durch Liebe? Und wodurch könnte Liebe besser in ihm erwekt werden, als durch 488 489 490 491

Ders., Predigten für Unterthanen, p318. Ders., Ueber den Mißbrauch der wichtigsten Bibelvorschriften, p33f. Ders., Kurze Anweisung (Bibl. Nr. 282), p41. Ebd., pl5.

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Geben und Erfreuen, durch Mittheilen und Segnen nach dem Sinn und Geschmak des Kinds?"492. In dieser Hinsicht wird „die Erziehungsart Gottes ein Muster für uns"493. Denn Gott ist der erste Pädagoge und damit auch der Eckstein, der alle menschliche Pädagogik zusammenhält und ermöglicht. Wer von diesem Eckstein aus als Erzieher tätig wird, im Namen Gottes also erzieht, den leitet die Einsicht: „Durch nichts in der Welt werdet Ihr mehr bilden als dadurch; denn es giebt kein größeres Bildungsmittel als Liebe. In solcher Verbindung wird jeder Sinn gewekt, jede Kraft geübt, das Wesen des Menschen erhöht, gereinigt, veredelt, so leicht, wie es auf keinem andern Weg werden kann. ,Wer lieb hat ist aus Gott geboren; und kennt Gott.' [seil. lJoh 4,7; A.S.] - O! was thätest du an deinem Kinde, wenn du es zu Gotteskenntniß führtest, Gottes Kind aus ihm bildetest durch Liebe!"494. Dennoch analogisiert Ewald nicht einfach göttliche und menschliche Liebe. Auch Ewald zufolge gibt es hier einen qualitativen Unterschied. Aber doch ist es nötig, daß die Liebe Gottes in und durch die menschliche epiphan wird. Denn die Liebe Gottes an sich, gewissermaßen die Liebe Gottes in ihrer Aseitas, ist eine zu geistige, als daß sie der Mensch und das Kind fassen könnten. Es bedarf daher eines Abglanzes der Liebe Gottes, eine Abschattung dessen, was Gott selbst ist. Und diesen Abglanz findet sie im Angesicht der liebenden Eltern. Denn auch hier fängt die göttliche Bildungsmethode unten an, damit das Kind dazu gebildet werde, im Angesicht der Eltern zunächst die vestigia der Liebe Gottes zu erfassen. Dies entfaltet Ewald besonders in dem Buch, in dem er Pestalozzis Methode aufgreifend diese im theologischbiblischen Sinne weiterbildet. „Die eigentliche Gottheit ist zu geistig, zu groß für das Kind, für den Menschen. Es kann sie nicht fassen, so wenig wie das Auge gerade in die Sonne sehen kann. In ihrem mildern Abglanz, im Mondschein, wird sie ihm genießbarer; und eines Abglanzes der Gottheit bedarf auch der Mensch, um menschlich anzuschauen die Macht und Weisheit und Reinheit und Liebe Gottes. So ein Abglanz, ein Bild waren dem Kinde seine Aeltern"495. Auch hier macht Ewald die Christologie für die Pädagogik fruchtbar. Im Sinne der biblischen Apaugasma-Christologie von Hebr 1,3 definiert Ewald die elterliche Liebe als eine versinnlichte, die den kindlichen und menschlichen Sinnen nur auf diese Weise faß- und fühlbar werden kann. Dennoch ist diese Abglanz-Liebe bei Ewald nicht einfach mit der Liebe Gottes identisch. Vielmehr ist sie ein Propädeutikum, das auf die Erfassung und Ergreifung der Liebe Gottes selbst vorbereitet. Liebe Gottes und Menschenliebe können nicht einfach identifiziert werden, da die Eltern selbst noch gefallene Kreaturen sind, sich selbst also noch in der Bildungsanstalt befin492 493 495

Ders., Predigten für Unterthanen, pl51. 494 Ebd., pl37. Ebd., pl93. Ders., Geist und Vorschritte, p224f.

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den, in der Gott durch Liebe erzieht. „So ein Abglanz, ein Bild waren dem Kinde seine Aeltern; aber das können sie ihm nicht immer seyn, dürfen es ihm nicht immer seyn wollen, weil sie doch beschränkte, unvollkommene Menschen sind"496. Der Abglanz der Liebe Gottes im Antlitz der Eltern ist die Vorschule, die durchlaufen werden muß, um dann in die Schule dessen gehen zu können, der selbst Abglanz und Ebenbild Gottes ist (Kol 1,15), ohne daß in ihm die Liebe Gottes durch Sünde getrübt wäre. „Es bedarf eines andern, menschlichen, Menschen faßlichen Ebenbildes, das aber aus dem Uebersinnlichen ausgehen, von dem Menschen nicht willkührlich gewählt, nicht Götze, sondern als solches ihm gegeben, mit Vollmacht sich offenbarend, gegeben werden müßte"497. In dieser Hinsicht ist Ewald aus pädagogischen Reflexionen heraus fähig gewesen, die Abglanz-Christologie zu rezipieren. Scharf an der Grenze des dogmatisch Möglichen kann Ewald sagen, daß in Christus die „Gottheit durch Menschheit gemildert"498 sichtbar werde. Ewald ist dabei aber nicht in einen Subordinatianismus verfallen, da er an der klassischen Zwei-NaturenLehre nie gezweifelt hat. Mit christologischen Kategorien entwirft Ewald eine Elementar-Methode, in der in verschiedenen aufeinander folgenden Schritten das Kind der Liebe Gottes entgegengeführt wird. Somit hat Ewald Pestalozzis Methode zum säkularen Modell genommen, um in Pestalozzis Bildungsmethode der organisch aufeinander folgenden Schritte die Bildungsmethode Gottes selbst wiederzuerkennen. Ewald ist daher nicht ein Epigone des viel bekannteren Schweizers, sondern ein eigenständiger theologischer Pädagoge, der durch biblische Reflexion weit über das von Pestalozzi Erreichte hinausging499. Durch die erneute Thematisierung der Liebe als Grunddatum der Theologie emanzipiert sich Ewald von dem aufgeklärten Subjektivismus, dem in idealistischer Hinsicht das Ich des Menschen als der Ausgangspunkt allen Denkens überhaupt galt. Ewald greift im Gegenzug auf die reformatorische Anthropologie zurück, die von der Nächstenliebe, Gottes- und Selbstliebe her denkend den Menschen als einen begreift, der das, was er ist, erst in Relation zu Gott, sich selbst und anderen Menschen je und je neu wird. Ähnlich wie 496 Ebd., p225. Um die Stellvertretung Gottes durch die Eltern im Erziehungsprozeß zu veranschaulichen, kann Ewald auch das Verhältnis von Eltern und Lehrern mit demjenigen Gottes zu Christus vergleichen und sagen: „Wenn Aeltern die höchste Gottheit der Kinder sind, wie es die Naturbildung zu Religion erfodert, so sind die Lehrer ihr Christus; von den Aeltern gewählt, beglaubigt, um ihre Stelle zu vertreten, Liebe zu Aeltern zu mehren, sie zu verklären, zu heiligen in dem Gemiithe jedes Kindes" (Schluß=Rede, in: Kurze Darstellung der Lyceums=Feierlichkeit zu Mannheim (Bibl. Nr. 283), p35). 497 Ders., Geist und Vorschritte, p225f. 498 Ebd., p226. 499 Vgl. Kap. I, 14. 21.

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Luther den Menschen in seinem jeweiligen Amt seinem Nächsten gegenüber begreift, ist für Ewald eben diese Relation für die Konstituierung seiner Pädagogik von höchstem Belang. „Der Lehrer [...] soll den Zögling nicht blos interessiren als sittlich=guter Mensch, sondern als Lehrer, Bilder, Wohlthäter [...] Nicht hauptsächlich das, was ein Mensch als Mensch oder als Tugendmuster, als Ideal der Menschheit, sondern das, was er in Beziehung auf uns ist, gibt ihm den hohen Grad der Wichtigkeit für unser Herz. Nur durch diese Beziehung und durch Anschauung dieser Beziehung können sich die Elemente aller Sittlichkeit und Religion [...] entwickeln"500. Analog gilt dies von der Beziehung, in der der Mensch zu Gott und umkehrt Gott zum Menschen steht. Christus muß „in seiner besondern Beziehung auf die Menschen, also auch auf das Kind, als Wohlthäter, Helfer, Beglücker, als Haupt und Herz der Menschheit dargestellt werden"501. Auch hier zeigt sich Ewalds höchst dialektische Position zwischen aufgeklärter, Pestalozzischer Methode einerseits und den reformatorischen Lehrinhalten andererseits. Ewald läßt sich auf die Bildungs- und Elementarmethode Pestalozzis ein, beginnt seine Erziehung ebenfalls mit der Anschaulichkeit, der Übung der Sinne und der hierauf aufbauenden Begriffsbildung502. Aber gleichzeitig ist er fähig, die klassische reformatorische Anthropologie und das Biblische hiermit in eine Synthese übergehen zu lassen. Denn Ewald verhilft der Methode Pestalozzis durch reformatorische Einsichten zu einem Erkenntniszuwachs, weswegen sich Ewald auch nicht gegen Pestalozzi richtet oder gegen ihn argumentiert, sondern sich als einen Theologen begreift, der die Pädagogik des Schweizers fortschreibt. Deswegen trägt Ewalds diesbezügliches Buch den Titel „Geist und Vorschritte der Pestalozzischen Bildungsmethode". So unterscheidet Ewald zwischen der Erziehung des Menschen coram hominibus und coram Deo. Ewald zeichnet hier die Einsicht, daß wir als Gottes Kinder wirklich auch Kinder bleiben dürfen, in die Pädagogik ein, die von der Frage geleitet wird, wie Menschen zu erwachsenen und selbständigen Individuen erzogen werden können. Ewald bezieht hier die Naivität als zweite und evangelisch wiedergewonnene auf die pädagogische Reflexion über das Erwachsenwerden. „,Aber wir sollen nicht immer Kinder bleiben!' Freilich Menschen gegenüber nicht: aber auch nicht Gott, oder seinem Stellvertreter Jesus? Er sagt wenigstens das gerade Gegentheil: ,So ihr nicht werdet wie Kinder, so habt ihr keinen Theil an meiner Bildungsanstalt; der Himmel bleibt 500

Ewald, Geist und Vorschritte, p226f. Ebd., p227. 502 Vgl. hierzu besonders Pestalozzi, Wie Gertrud ihre Kinder lehrt, ein Versuch den Müttern Anleitung zu geben, ihre Kinder selbst zu unterrichten, in: Pestalozzi, Sämtliche Werke, Bd. 13, pl81—359, in der der Schweizer das, was er .Elementarmethode' nennt, eher narrativ-diskursiv entwickelt. Darüber hinaus: Ders., Die Methode. Eine Denkschrift, in: Ebd., plOl-125. 501

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euch verschlossen.' [vgl. Mt 18,3; A.S.] [...] Welchen Begriff müßte man haben von der Gottheit und von sich selbst? Ehre genug für uns, daß wir ihre Kinder sind, daß sie uns durch Zutrauen leiten will, wie ein Vater, eine Mutter ihr Kind leitet?"503. So bringt Ewald wie in seiner Rechtfertigungslehre auch in seiner Pädagogik die Liebe zur Geltung, reflektiert beides von der biblischen Verkündigung der Liebe Gottes her. Die Liebe Gottes zu den Menschen ist der Ermöglichungsgrund dafür, daß der Mensch frei wird, coram Deo ein Kind zu bleiben. Hierin ist die typisch Ewaldsche Übertragung und Anwendung der Rechtfertigungslehre auf die Pädagogik zu sehen. Gleichzeitig spiegelt sich in dieser Anwendung die Anwendung, die Ewald von der reformatorischen Theologie in der Aufklärungszeit macht. Festgehalten werden muß jedoch in jedem Fall auch folgendes: Bei aller Betonung der Liebe in Ewalds Rechtfertigungstheologie ist ihm doch die Liebe nichts, was nun an die Stelle des Glaubens träte. Der Glaube wird nicht von der Liebe her übertüncht oder ihr untergeordnet. Das spiegelt sich besonders in den fünf Predigten „Von der Natur, und dem hohen Werth der Liebe". Hier faßt Ewald den Glauben in orthodoxer Weise als eine Macht, die sich das Schöpferwort Gottes zueigen macht und somit an Gottes Allmacht Teil hat. „Den Glauben, der Berge versezt, diese Theilnehmung an Allmacht Gottes, an Herrschaft über die Natur, wer kann sie anders geben, als der Herr über die Natur ist? So ein Glaube ist warlich nicht jedermanns Ding, Gott wirkt ihn! und das alles kann ein Mensch haben"504. Gleichzeitig bringt Ewald selbst mit glaubenden Augen die Botschaft vom Glauben zur Anwendung, indem er sagt: „Träte so ein Mensch unter uns auf, der voraus sagte: so wird's hie, und so wird's dort gehen! diese Stadt wird in der Zeit zertrümmert werden! dein Schicksal wird ein solches Ende nehmen! - und das alles geschähe; vor unseren Augen würde die Weißagung erfüllt - geböt er dem Mühlberg: hebe dich von Frankfurt hinweg, und setze dich dort bei Hanau hin; er spräche, und [es] geschäh', er geböt', und es stünde da - wie würden wir ihn verehren, als Gottesmann, als Theilhaber an Allmacht, und Weisheit, und Allwissenheit Gottes!"505. Ewald behauptet nicht nur, daß der Glaube die Allmacht Gottes ergreift, indem er Berge zu versetzen fähig wird (IKor 13,2; Mk 11,23), sondern Ewald veranschaulicht dies auch dadurch, daß er den in der Tradition meist schöpfungstheologisch ausgelegten Ps 33 in seine Predigt einbaut (,Denn so Er spricht, so geschieht's; so Er gebeut, so stehet's da'; Ps 33,9). Daß Ewald im Kontext aufgeklärter Theologie stehend nicht einfach positivistisch auf die reformatorischen Bekenntnisse zurückgreift, sondern in

503 504 505

Ewald, Versuch der Beantwortung (Bibl. Nr. 326), p84. Ewald, Von der Natur (Bibl. Nr. 5), plO. Ebd.

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einer eigenständigen Weise diese Theologie neu durchdringt und sie durch unablässige und intensive exegetische Arbeit wieder erringen muß, zeigt sich auch an folgendem. Ewald forciert die Rechtfertigungslehre eigenständig dahingehend, daß er sie auf die Satanologie überträgt. Dadurch nähert er sich unübersehbar der Apokatastasis-Lehre. Auf den ersten Blick könnte man meinen, daß Ewald insofern in einer Verbindungslinie mit dem württembergischen Pietismus506, vor allem mit Bengel, Oetinger, Johann Michael Hahn, aber auch mit Jung-Stilling und Lavater507 steht. Dies ist auch insofern richtig, als Ewald aus dieser Tradition wesentliche Impulse erfahren hat besonders von Lavater - und sich ähnlich wie sie der Lehre von der Wiederbringung aller Dinge angenähert hat. Dennoch darf nicht unterschätzt werden, daß Ewald diesen Impuls zwar aus dem Kreis der Pietisten empfangen hat, dennoch aber seine apokatastatische Tendenz anders begründet als die oben genannten Theologen. Während sie herkommend von Jakob Böhmes theosophischer Mystik508 die Wiederbringung annehmen509, hebt Ewald diese Frage auf ein anderes Reflexionsniveau. Ihm stellt sich diese Frage zuerst von der Gotteslehre, der Dialektik von Gesetz und Evangelium, der Rechtfertigungslehre sowie der Rede von der Macht des Glaubens aus. Darin könnte nach Ewald der .Triumph der Gnade'510 zum Durchbruch kommen, daß sich der Satan am Ende der Zeiten freiwillig unterwirft. „Nie wird ein größeres Jubelfest im Himmel seyn, als an dem Tage, da sich auch Satan unterwirft und

506

Vgl. Groth, F. Vgl. zum Thema Lavater und die Apokatastasis: Shimbo, S. 508 Ewald hat es in seiner Offenbacher Zeit selbst mit einer böhmistisch-separatistischen Sekte zu tun gehabt. Vgl. dazu o. Kap. I, 4. Zu Böhme vgl. Bornkamm, H., Art. Böhme, 2., RGG3 Bd. 1, Sp. 1340-1342, und ders., Art. Jakob Böhme, in: Die großen Deutschen, Bd. 1, p516-529, und ders., Luther und Böhme. 509 Liithi, K., p364, Anm. 3, spricht mit Recht davon, daß Böhme zum erneuten Aufleben der Lehre von der Apokatastasis im Pietismus einen wichtigen Anstoß gegeben hat. Vgl. zum Ganzen Staehelin, E., und Andresen, C., Art. Wiederbringung Aller I, RGG3 Bd. 6, Sp. 1693f, und Breuning, W. 510 Vielleicht ist es auch im Zusammenhang mit Ewald besser, mit Karl Barth gegen C.G. Berkouwer zu sagen: „Darum ist: Jesus ist Sieger!' in unserem Zusammenhang besser als: ,Der Triumph der Gnade'" (KD IV, 3, pl98). Barth selbst hat - hierin in Ewald einen Vorläufer habend, ohne es jedoch zu wissen - zwar die Apokatastasis als einen notwendigen Prozeß strikt abgelehnt, hat sich jedoch lieber der Gefahr ausgesetzt, sich an die Lehre von der Wiederbringung aller Dinge anzunähern, als Gott unter ein menschlich erdachtes Gesetz ohnmächtiger Gnade zu stellen. „Die Kirche soll dann keine Apokatastasis, sie soll dann aber auch keine ohnmächtige Gnade Jesu Christi und keine übermächtige Bosheit des Menschen ihr gegenüber predigen, sondern [...] die Übermacht der Gnade und die Ohnmacht der menschlichen Bosheit ihr gegenüber" (KD II, 2, p529). Allerdings illustriert Barth diesen Gedanken dann anhand der Judas-Geschichte und nicht im Zusammenhang mit der Frage nach dem Satan, wie es bei Ewald geschieht. 507

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gebessert, selbst veredelt, wieder hineintritt in seinen erhabenen Weg. Wenn die Gnade mächtiger seyn soll, als die Sünde; (Rom. 4,20.)"511. Ewald spricht hier nicht von der Notwendigkeit, eine Apokatastasis anzunehmen, er selbst gebraucht dieses Wort auch gar nicht. Vielmehr bezeichnet Ewald es implizit als eine Sache, die in Gottes Freiheit steht, auch den Satan zu erlösen. Gott ist frei dergestalt, daß er allmächtig die Predigt des Gesetzes als eine auch den Teufel seiner Sünde überführende zur Anwendung bringen könnte. „Und mich dünkt, diese Sinnesänderung und dieser Glaube könne auch bey ihm [seil, bei dem Teufel; A.S.] auf keinem andern Wege bewirkt werden, als wie es bey Menschen bewirkt wird durch Gesez und Evangelium. Unter dem Gesez hat er schon lange geschmachtet; wird, wer weiß, wie lange noch schmachten, wüthen, toben, schäumen. Aber auch der Hartnäkigste wird mürbe; auch die Wuth des Wüthendsten nimmt ein Ende [...] Die Zeit des Evangeliums kömmt, denk ich, auch für Satan"512. Hier überträgt Ewald die Lehre von Gesetz und Evangelium auf die Satanologie, indem er es als der Allmacht Gottes möglich bezeichnet, durch das Gesetz auch den Teufel zur Erkenntnis der Sünden zu bringen und in ihm rechtfertigenden Glauben zu stiften. „Aber mich dünkt, es kann auch für ihn [seil, für den Teufel; A.S.] keinen andern Weg zur Rettung geben, als den, den es für die von ihm verführten Menschen gab: Sinnesänderung und Glauben"513. Ewald steht hiermit im scharfen Kontrast zu der orthodoxen Lehre, derzufolge der Teufel keine Erlösung zu erwarten hat. „Haben die Teuffei auch eine Hoffnung der Erlösung und Seeligkeit? Durchaus keine. Dann sie selbst können für ihre Sünde nicht gnug thun: So gehet auch die Gnugthuung unnd Verdienst CHristi sie nichts an [...] Derowegen bleiben sie mit ewigen Ketten der Finsterniß verstrickt"514. Ganz anders Ewald: „Da sehen wir dann Satan entwikelt, wieder hergestellt durch Jesus, das Haupt des Menschen, und durch den Gang und die Wiederherstellung des Menschengeschlechts"515. Dennoch fügt Ewald eine Bemerkung darüber bei, daß er sich dessen bewußt ist, sich an die Grenze dessen begeben zu haben, was biblisch-theologisch und damit gewiß gelehrt werden kann. „Noch einmal: was ich hier sagte, ist nicht Bibellehre; es sind Ideen, Vermuthungen aus den Winken, die die Bibel giebt"516. Wieder einmal befindet sich Ewald in mehreren Konflikten gleichzeitig. Auf der einen Seite versucht er, den Konflikt auszutragen, in dem die eschatologische Aussicht, daß Gott endzeitlich alles Untertan sein wird und er alles in allem sein wird (IKor 15,28), mit der klassischen Satanologie steht. Zweitens befindet sich Ewald wieder einmal im Konflikt mit der Aufklä5,1 512 515 516

Ewald, Die Bibellehre von guten und bösen Engeln (Bibl. Nr. 171), p405. 5,3 514 Ebd., p406. Ebd., p405. Hutter, p68. Ewald, Die Bibellehre von guten und bösen Engeln, p408. Ebd.

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rungstheologie, die die gesamte Angelologie überwinden wollte517. Ihr gegenüber greift Ewald auf den locus ,de angelis'518 zurück519, indem er auch Motive der Apokatastasis-Lehre aufnimmt, die ihm in pietistischer Form vorliegen. Endlich aber reformuliert Ewald im Dialog mit dem Pietismus stehend die Lehre von der Wiederbringung aller, indem er sie nicht als Teil der mystischen Vereinigung mit Gott faßt, sondern die reformatorische Rechtfertigungslehre auf sie anwendet. Die Rede von der Apokatastasis als Möglichkeit Gottes ist bei Ewald eine Funktion der reformatorischen Rechtfertigungslehre. In dieser Hinsicht, wie auch in vielen anderen Hinblicken, die in diesem Kapitel aufgezeigt worden sind, ist Ewald ein Theologe, der darin seine Eigenständigkeit und Produktivität beweist, daß er keiner Gruppe von Theologen wirklich und berechtigt zugeordnet werden könnte: Nicht der aufgeklärten Theologie, nicht dem Pietismus, nicht dem prinzipiellen Orthodoxismus, der sich dem wirklichen Dialog mit der Aufklärung nicht stellt. Darin ist Ewald eine so schillernde Figur, daß er von allen theologischen Richtungen Ideen- und Lehrgut übernimmt und sie einer Synthese und Reformulierung von den reformatorischen Wurzeln her unterzieht. Ewald ist ein wahrer Vermittlungskünstler, ohne sich dabei der Wahrheitsfrage zu entziehen oder in einen der Sache unangemessenen Indifferentismus zu verfallen. Ewald prüft die Geister; deswegen müssen sich die Geister an ihm scheiden. Und Ewald ist auch deswegen ein Vermittlung suchender Theologe, weil er in jeder Schrift 517

Die Angelologie wurde im Verein mit den Wundererzählungen gleichzeitig zum Gegenstand der Kritik. Vgl. hierzu u. Kap. III, 6. Ein beredtes Zeugnis hiervon legt auf der Ebene pädagogischer Umsetzung etwa Lossius in seiner Kinderbibel ab, wo sämtliche atl. Geschichten, in denen Engel vorkommen, einfach ausgeschaltet bzw. entsprechend geglättet worden sind. Das beginnt schon damit, daß die Vertreibung Adams und Evas aus dem Paradies nicht die Tat eines Engels gewesen ist, sondern die Wirkung eines Donnerwetters. „Schon rollte der Donner über ihren Häuptern: das ist die Stimme Gottes, des Rächers des Bösen! dachten sie [...] Lange irrten sie umher [...] bis nach und nach der Donner verhallte [...] und sie sich nun mit Erstaunen in einer Gegend sahen, die mit wilden Gesträuchen bewachsen [war]" (p46). Ewald hat sich durchaus mit seinen Gegnern beschäftigt: Er findet sich in der Subskribentenliste zu diesem Buch verzeichnet. 518 In der altprotestantischen Orthodoxie ist die Angelologie innerhalb der Schöpfungs- und Vorsehungslehre verortet. Bei Hutter etwa folgt der „Locus Quintus DE ANGELIS BONIS & MALIS" (p57) auf den „Locus Quartus De CREATIONE" (p52) und bildet damit den Übergang zur Providenzlehre, was sachlich durchdacht ist, da die Engel ja zu den media gehören, durch die Gott die Geschicke auf Erden regiert. 519 Um ein Wiederaufleben der Engellehre hat sich besonders die Haager Gesellschaft zur Verteidigung der christlichen Religion verdient gemacht. Vgl. Oosterzee, J.J. und Gerth von Wijk, J.A., Art. Haager Gesellschaft, RE3 Bd. 7, p273-276. Ewald war - was jedoch aus diesem Artikel nicht hervorgeht - Mitglied dieser Gesellschaft. Vgl. o. Kap. I, pl54f.

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sein überaus hoch anzusetzendes Reflexionsniveau immer als ein in Praxis umgesetztes verbalisiert hat. Die Forschung ist wohl nicht zuletzt deswegen über Ewald fast spurlos hinweggegangen: Ewald steht zwischen allen klar abgrenzbaren ,Strömungen' und ,Schulen'; und seine Theologie läßt sich deswegen nicht kurz und bündig auf den Punkt bringen, nicht zuletzt auch deswegen, weil er kein sog. Schultheologe ist. Nicht unterschätzt werden darf, daß sich obendrein in Sachen Ewald wegen seiner besonderen Position eine Rezipienten-Klientel nur schwer finden ließ. Denn sich an Ewald als Pietist oder Aufklärer zu spiegeln, ist kaum möglich, da Ewald nur als eine vielschichtige Persönlichkeit begriffen werden kann, die in mehreren Konflikten und an vielerlei Fronten gleichzeitig stehend eine zentrale Frage stellt und sie auch unüberhörbar und unablässig beantwortet: Wie nämlich die reformatorische Theologie und Hermeneutik in der Moderne zur Geltung gebracht werden können, ohne dabei zu vergessen, daß den Errungenschaften der Aufklärung Rechnung getragen werden muß. Die Gefahr, auf gesetzliche Weise in Werkgerechtigkeit abzugleiten und die Gewissen zu beladen, wo sie befreit werden wollen, ist Ewald zufolge nicht eine typisch protestantische Phobie, sondern eine Verkehrung der Theologie, die von der Zeit unabhängig immer wieder virulent wird. „Es ist sonderbar, daß zu allen Zeiten die reine Lehre des Evangeliums so verkannt und herabgesezt wurde, daß man ihr immer etwas Gesetzliches, eine Art von Menschenverdienst unterschieben oder aufbürden wolte. Durchaus solte Besserung des Menschen nicht damit anfangen, daß Er blos an Liebe Gottes in Jesus glaubte [...] Der Mensch solte schon vorher auch etwas thun; auch sich ein Verdienst bei Gott machen; der menschliche Stolz wolte nicht, daß seine Wiederherstellung blos Gnade sey"520. Der Kampf des Paulus gegen den Moralismus der Galater - so Ewald - der Kampf Luthers gegen die scholastische Gnadenlehre und Ewalds eigene Auseinandersetzung mit dem aufgeklärten Moralismus sind Kritik an ein und derselben Irrmeinung, die nicht wahrhaben will, „daß dem Menschen um Jesus, besonders um des Leidens und Todes Jesus willen, die Sünden vergeben werden können; daß dies nicht Folge seines Verdienstes, seiner bessern Thaten, sondern blos Folge seiner Reue und seines Vertrauens auf Jesus sey"521. Ewald bestimmt hier orthodox-reformatorisch CA 12 folgend fides und contritio als die Voraussetzungen für die Vergebung, wobei die satisfactio operum im Gegensatz zur scholastischen Lehre keine konstitutive Rolle spielt: „Constat autem poenitentia proprie his duabus partibus: altera est contritio seu terrores incussi conscientiae agnito peccato, altera est fides, quae concipitur ex evangelio seu absolutione et credit

520 521

Ewald, Ueber den Mißbrauch reiner Bibellehren, p64f. Ebd., p66.

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propter Christum remitti peccata"522. Und dieser hierdurch eingeleitete Vorgang, den Ewald explizit „Rechtfertigung" nennt, besteht nicht lediglich darin, daß die Folgen der Sünde durch Gott behoben werden, wie etliche aufgeklärte Theologen meinen, sondern es handelt sich um „Vergebung, Versicherung, daß die Sünde wie ungeschehen betrachtet, Strafe der Sünde erlassen seyn solle"523. Und in diesem rechtfertigenden Handeln Gottes ist „durchaus alles eigene Verdienst abgeschnitten", und es ist daran festzuhalten, „daß die ganze Vergebung der Sünde blos Sache der Gnade ist"524. Für Ewald ist das Festhalten an der Rechtfertigungslehre nicht deswegen nötig, damit ein wie auch immer geartetes orthodoxes Lehrsystem traditionalistisch aufrechterhalten werde, sondern weil sie sich als die zutreffende Auslegung der biblischen Inhalte im Vollzug der Auslegung je neu erweist. Es geht Ewald auch nicht darum, um Luthers willen sich an die Lehre von der iustificatio zu klammern. Es geht Ewald um die Sache; und darum kann er mit Luther sprechen, ohne ihn zu zitieren, weil Ewald Luther für einen testis der Wahrheit der biblischen Theologie hält und ihn als solchen neu ins Gespräch bringt. Daher kann Ewald analog zu Luthers Vergleich des rechtfertigenden Handelns Gottes am Menschen mit dem eines Arztes an einem Kranken eben dieses Bild aufnehmen, um daran zu erinnern, daß es nicht auf das Tun des Menschen ankommt, sondern zuerst auf dasjenige Gottes. So wie Luther in seiner Auslegung von Rom 4 davon spricht, daß der Arzt dem Patienten zuvor die Genesung versprechen muß, damit sich der Kranke dann der Verheißung Glauben schenkend in ein kooperatives Verhältnis zum Arzt setzt und seine Anordnungen befolgt525, so erinnert auch Ewald daran, daß der Mensch im Prozeß der Rechtfertigung erst dann tätig wird, wenn Gott durch seine Verheißung bereits an ihm tätig geworden ist. „Erst muß man dem Kranken Hofnung zur Wiedergenesung einflößen; erst muß der Verschuldete Muth haben, daß er aus seinen Schulden kommen könne, eh' er nur seine Kräfte brauchen, und thun wird, was er kann"526.

522

BSELK, p66f. Ewald, Ueber den Mißbrauch reiner Bibellehren, p67. 524 Ebd., p74. 525 Luther, Römerbriefvorlesung, BoA 5, p240f: „Est enim simile sicut cum egroto, qui promittenti medico certissimam sanitatem credit et precepto eius obediens interim in spe promisse sanitatis abstinet ab iis, que prohibita sunt ei, ne promissam sanitatem impediat et morbum augeat [...] Iste enim egrotus nunquid sanus est? Immo egrotus simul et sanus. Egrotus in rei veritate, sed sanus ex certa promissione medici, cui credit, qui eum iam velut sanum reputai, quia certus, quod sanabit eum, quia incepit eum sanare nec imputavit ei egritudinem ad mortem." Ebenso ist der glaubende Mensch „sanus perfecte in spe, in re autem peccator" (p241), hat aber damit auch real „initium iustitie" (ebd.). Zur Rezeption der Rede von der ,imputatio' bei Ewald vgl. auch o. Kap. I, 10, p91. 526 Ewald, Ueber den Mißbrauch reiner Bibellehren, p68f. 523

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Kapitel II

Ewald beruft sich auf Luther, um sich so gegen diejenigen zu wenden, die die „Bibel als Gottesoffenbarung und all' ihre eigenthiimlichen Lehren wegreformiren" und anstatt dessen eine „Allgenugsame Vernunft unterschieben wollen; weil nicht mehr [...] Christus und Glaube an Ihn, sondern angenommene Philosophie, und Werkgerechtigkeit, gegen die Luther so sehr eiferte, Mittelpunkt" 527 aufgeklärter Theologie ist, die die biblische Aufklärung nicht anzunehmen im Stande ist. So breit wie sonst selten läßt Ewald Luther hier zu Wort kommen und gewährt gleichzeitig einen Einblick in sein Luther-Studium, das er mithilfe der „Jen. Ausgabe von 1604" 528 betrieben hat, also einer der berühmten orthodoxen Ausgaben der Werke Luthers. Drei Zitat-Blöcke 529 bietet Ewald, um zu belegen: „Kein Mensch schrieb so derb gegen die Unvernunft der Vernunft, und gegen das Verdrehen der Bibel; kein Mensch foderi so kindlichen Glauben an Bibelaussprüche, als Gottes Wort, Niemand erklärte so stark den Nazarener Jesus für Hauptgegenstand des Christlichen Glaubens, und Sein Leiden, und Seinen Tod, und Seinen Geist für die Haupt-

527

Ewald, Soll und kann, Fortsetzung, pl34f. Ebd., pl37. 529 Zunächst zitiert Ewald eine Passage aus Luthers „Erklärung des zweiten Glaubensartikels" (Jenaer Ausgabe Bd. 6, p64. 67 = WA 37, p44f ) und wendet Luthers Worte gegen diejenigen aufgeklärten Theologen, die meinen, mit der vermeintlich allgenugsamen Vernunft in Ansehung göttlicher Dinge alles ausrichten zu können. .„Denn wir sehen und bekennen selbst, und sind (Gottlob) so grob nicht, daß uns die Klügler erst müßten lehren, wie der Topf nicht der Töpfer ist, und haben eben so viel Vernunft, die da schließt, daß Eines nicht Drei, und Drei nicht Eines ist. Mensch ist nicht Gott, und Schöpfer ist nicht die Creatur [...] Darum sagen wir, ja es ist, wenn wir reden von Töpfer und Schuster, und den Dingen, die die Vernunft verurtheilen soll und kann. Aber das gilt nicht, daß mans will hierher ziehen, in die Kunst die nicht aus unserem Kopf wächst: sondern Gotteswort ist vom Himmel herab offenbart; sondern es heißt schlecht, dein Hiitlin abziehen, und ja dazu sagen, und wahr lassen seyn, als das nicht aus deinem Verstand kommen ist'" (Ewald, Soll und kann, pl38f). Gegen die vermeintlich modern-wissenschaftliche Gepflogenheit, sich auf die mens auctoris der biblischen Autoren zurückzuziehen, wendet Ewald ein Zitat aus der „Auslegung vieler tröstlicher Sprüche über Jes 55,11" (Jenaer Ausgabe Bd. 8, p323 = WA 48, pl02): ,„Aber der verfluchte Unglaube und das leidige Fleisch läßt uns nicht sehen noch achten, daß Gott mit uns redet in der Schrift, oder daß es Gottes Wort sey; sondern gedenken, es sey Esaias, Paulus, oder sonst ein schlechter Mensch, der nicht habe Himmel und Erde geschaffen'" (Ewald, ebd., pl40). Zuletzt schlüpft Ewald in die Worte Luthers aus der „Erklärung des 14. Kap. Johannes" (Jenaer Ausgabe Bd. 7, p57 = WA 45, p497 ) und kritisiert mit ihr die Herabsetzung Jesu zu einem bloßen Morallehrer durch viele Vertreter aufgeklärter Theologie: „,Denn das heißt nicht der Weg, die Wahrheit und das Leben seyn [...] daß man allein gute Lehre und Exempel giebt. So wäre damit auch all sein Leiden, Sterben und Auferstehen an uns umsonst, daß es nicht könnte heißen: für uns gekreuziget, gelitten, gestorben u.s.w. - Darum hüte dich für solchem schändlichen und verführlichen Geschwäz und Trügerei, so dir Christum allein als einen Werklehrer fürhält'" (Ewald, ebd., pl41). 528

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mittel zu Wiederherstellung des Menschen, als Luther"530. Und hier wird es explizit, daß Ewald Luther dahingehend völlig recht versteht, daß seine Werke nicht um seinetwillen gelesen werden wollen, sondern um dessentwillen, der die Mitte der Schrift bildet: „Jeder versteht, daß ich nun diese Lehren nicht für wahr halte, weil sie Luther für wahr hält. Das wäre der ärgste Antiprotestantismus, ich möchte sagen Antilutherianismus, den es geben könnte. Der freie, und für Freiheit kämpfende Mann sagt selbst: (im 3. Th. S. 437.) ,Ich bin nicht gesinnet, Gott soll mich auch dafür behüten, daß ich mich über andere Prediger Gewalt unterwinde, Richter oder Regierer zu seyn, daß ich nicht auch ein Papstthum anfange; sondern will sie Christo empfehlen, welcher allein regieren soll über seine Prediger in der Christenheit'"531. Nota bene: Ewald ist ein reformierter Theologe, der zum Vorläufer der LutherRenaissance sich durchgearbeitet hat, der jedoch - anders als diese mitunter Luther weder deutschnational mißversteht, noch an Luther als solchem ein Interesse gehabt hat, der nicht mehr als ein Zeuge des Evangeliums verstanden wird, sondern nur noch als Zeuge der geistesgeschichtlichen Größe seiner selbst.

7. Ewalds Biblische Theologie III: Die claritas der Heiligen Schrift als Motor der Aufklärung und die kritische Rezeption der historischen Kritik durch Ewald Es hat sich bereits oben gezeigt, daß sich in Ewalds biblisch-narrativer Theologie die reformatorische Hermeneutik des sola scriptura im Kontext der Aufklärung als kritisches Potential neu zur Geltung bringt. Eine zentrale und neue Rolle spielt bei Ewald die reformatorische Exempel-Hermeneutik, die den Leser der Bibel in die biblischen Geschichten hineinlaufen und sie mit ihnen gleichzeitig werden läßt. Von hier ausgehend gelingt Ewald auch eine positive Verhältnisbestimmung von Bibel und Katechismus, die der Sache nach der orthodoxen Unterscheidung zwischen der Bibel als norma normans und den Dogmen als normae normatae Rechnung trägt. Ewald fragt danach, wie die Dogmen als geronnene Interpretamente der biblischen Botschaft verstanden werden können, und wendet sich so gegen eine sich vom Inhalt der christlichen Lehre distanzierende Dogmen- und Bibelkritik. Auffällig besonders für einen von Haus aus reformierten Theologen bleibt, daß Ewald in seinen hermeneutisch-biblischen Reflexionen immer wieder auf Luther zurückgreift. Ebenso hat sich herausgestellt, daß Ewalds Aufklärung sich von der göttlichen Offenbarung her definiert, daß Jesu Selbstprädikation als Licht 530

Ebd., pl36.

531

Ebd., pl43.

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Kapitel II

der Welt (Joh 8,12) nach Ewald das Fundament einer durch die revelatio gestifteten Aufklärung ist. Immer wieder predigt Ewald, daß um der Gewißheit willen eine Offenbarung nötig ist, weil dem Menschen sonst die von außen kommende, ihn ansprechende Vergewisserung fehlte. „Warum sollte der Mensch nicht nach Offenbahrung eines höheren Wesens streben, wenn er sich Trotz aller Anstrengung zu so wenig Wahrheit und Gewißheit durchdenken kann, da doch sein Wesen weit mehr bedarf?"532. Offenbarung, Gewißheit und Bedürfnis gehören bei Ewald als Begriffstrias zusammen, indem es nämlich nur die revelatio ist, die dem in seiner Erlösungs- und Versöhnungsbedürftigkeit gefangenen Menschen das Bedürfnis nach Gewißheit stillen kann533. Bemerkenswert nun ist, daß sich Ewald nicht bloß in eine ablehnende Position dem Deismus gegenüber begibt, sondern versucht, die Bezeichnung ,Deismus' für das an der revelatio festhaltende wahre Bibelchristentum zurückzugewinnen. Nicht derjenige ist Deist, der eine revelatio specialis et supranaturalis sowie die Lehre von der Providentia specialis ablehnt, sondern derjenige, der von Gottes Nähe zu den Menschen in seinem heilsgeschichtlichen Plan zu sprechen fähig ist: „Wenns zu Josephs 2. Zeit Menschen gegeben hätte, die das Volk beredet hätten, der Kaiser könne es nicht leiden, wenn man mit Ihm rede, Ihm etwas vorstellte, Ihn um etwas bitte; so wäre das ja wol ein Anti=Josephiner gewesen. Und wenn es jetzt Philosophen und Theologen giebt, die die Menschheit bereden wollen, Gott könne nicht in menschlichen Gesichtskreis gerükt werden; man müsse sich gar nichts Menschliches an Ihm denken; Er sorge nur fürs Ganze, zu Ihm dürfe man nicht reden, nicht beten u.s.w. Das wären ja wol - nicht Deisten, sondern Antideisten: That ja Gott Alles, um sich den Menschen menschlich zu offenbaren!"534. Ewald ist fähig, seine Rede von der durch die Offenbarung gestifteten Aufklärung einerseits und seine Wiederentdeckung der Bibel als Grund aller 532

Ewald, Etwas über Menschenbedürfnisse (Bibl. Nr. 104), p28. Ewald spricht sehr oft von den ,,Bedürfnisse[n], zu deren Befriedigung Jesus erschien" (Entwürfe 1798 (Bibl. Nr. 149), pl4). Es ist dies das Bedürfnis des Menschen nach Heilung, Erlösung und Gottesnähe, das auf ähnliche Weise ja auch im atl. Begriff der näphäsch zum Ausdruck kommt. So gehört es nach Ewald im Anschluß an die paulinische Theologie auch zur Aufgabe des usus elenchticus des Gesetzes, das Bedürfnis nach dem Messias zu wecken. „Aber für den, dem der innerste Geist des Gesezes vorschwebt: Liebe Gott über Alles, und deine Mitmenschen wie dich selbst; für den konnte Paulus nicht besser vorbereiten, was er vorbereiten wolte: - die Menschheit sehnt sich nach einem Helfer, Retter, Erlöser - sie bedarf Ihn, und fühlt, daß sie Ihn bedürfe" (Ewald, Die Erziehung, pl81). Dies ist das Bedürfnis des Menschen nach einem „liebevollen Arzt, der unsere ganze, durch Sünde und ihre Folgen äußerst kranke Natur wieder heile, inneres und äußeres Leben gebe" (ebd.). Vgl. auch ders., Zweifel über Bibelauthentie (Bibl. Nr. 84), p262 und passim. 533

534

Ewald, Miscellaneen (Bibl. Nr. 131), p238f.

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Theologie andererseits einer Synthese entgegenzuführen. Und wiederum ist ein Rückgriff auf Luthers Theologie das verbindende Glied. Die Bibel selbst ist es nämlich nach Ewald, die jedem Menschen Licht und damit Aufklärung stiftet: Der Grundstein aller wirklichen Aufklärung ist daher die claritas der Hl. Schrift, die dem Menschen vermittels des testimonium internum spiritus sancti den Geist schenkt und so Erleuchtung stiftet. Hierin kann das Calvinsche Erbe bei Ewald gesehen werden, daß Ewald ähnlich wie Calvin seine Pneumatologie vornehmlich auf ein neben die efficacia der Schrift tretendes testimonium des Geistes baut, ohne es jedoch von der Frage nach der Schrift in ihrer Eigenbewegung abzutrennen. „Es ist der belebende Geist, der zu dem Innern redet, und Zeugniß giebt, daß der Mensch ein Kind Gottes sey, und wers erfuhr, ist auch überzeugt genug, daß es dieser Geist war"535. Der Geist ist nach Ewald nicht an die mediale Wirkart durch die media salutis gebunden. Wiewohl der Geist durch diese media salutis wirkt, gibt es doch auch noch eine freiheitlich vom Geist direkt ergriffene Wirkung auf die Herzen der Menschen. „Freilich wird oft auch er durch ein Mittel zuerst in ihm gewekt. Auch durch Predigt, Gebät, Abendmal, Freunde. Aber nicht diese Mittel allein sind's, die diesen Antrieb erhalten, so stät erhalten konnten; denn tausendmal hat er sie angewendet ohne Erfolg. Es ist der belebende Geist, der ihn so trieb, das Gesez des Geistes, das allein frei machen kann vom Gesez der Sünde, und des Todes·, und der, ders erfahren hat, weiß auch wol, daß es dieser Geistes= und Gottesantrieb war"536. Hierin zeigt sich das reformierte Erbe, daß Ewald ausdrücklich auf diese unvermittelte Geisteswirksamkeit hinweist, wiewohl zu beachten bleibt, daß auch die lutherische Theologie immer an dem „ubi et quando visum est Deo" (CA 5) festgehalten hat. Jedenfalls unterliegt Ewald keiner spiritualistischen Versuchung, sondern hält sich der Sache nach sehr wohl an das sich immer in Predigt, Gebet und Sakramenten vermittelnde verbum externum; denn sonst wäre eine derart stark von der Bibel durchdrungene Hermeneutik wie die Ewalds nicht denkbar. Daher erklärt sich auch, warum Ewald die Wirkweisen Gottes fast analog zu den Schmalkaldischen Artikeln formulieren kann, denen zufolge „Gott reich [ist] in seiner Gnade: erstlich durchs mundlich Wort, darin gepredigt wird Vergebung der Sunde in alle Welt, welchs ist das eigentliche Ampt des Evangelii, zum andern durch die Taufe, zum dritten durchs heilig Sakrament des Altars, zum Vierden durch die Kraft der Schlüssel und auch per 535

Ewald, Ueber Geist Geistesempfánglichkeit (Bibl. Nr. 66), p89. Vgl. besonders Calvin, Inst. l,7,4f. Calvin gilt als der Begründer der Lehre vom testimonium internum (seu arcanum) spiritus sancti. Allerdings wurde sie nicht nur von der reformierten, sondern auch von der lutherischen Orthodoxie rezipiert. Vgl. als Überblick: Schmid, H., Die Dogmatik der evangelisch-lutherischen Kirche, p31. 536 Ewald, Ueber Geist, p90.

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Kapitel II

mutuum colloquium et consolationem fratrum"537. Ewald schneidet dieselbe Frage ähnlich an, indem er sie von Joh 6,44 (,es kann niemand zu mir kommen, es sei denn, daß ihn ziehe der Vater, der mich gesandt hat') aus beantwortet, das Schlüsselamt allerdings nicht eigens nennt, vielmehr die Schicksale des Menschen hinzusetzt. „Der Mensch allein ändert seinen Sinn nicht. ,Es kann Niemand zu Jesus kommen, es ziehe ihn denn der Vater, der diesen Jesus gesandt hat. ' (Joh. 6; 44). Aber an diesem Zuge des Vaters fehlt es nicht. Gott hat so viele Mittel, wodurch er auf Dich wirken kann, und in der That wirkt. Die Bibel, Predigten, andere gute Bücher, das Abendmal Jesus, deine christlichen Freunde, und besonders die Schicksale deines Lebens ermuntern, erschüttern, und beleben dich zum Guten, so oft und auf so mancherley Art"538. Hervorzuheben ist jedoch, daß Ewald hierin im guten Sinne überkonfessionell zwischen reformierter und lutherischer Theologie vermittelt, nicht, indem er die sog. Unterscheidungslehren nun grundsätzlich einfach ausklammert und damit den Sachfragen nicht gerecht wird. Vielmehr versucht er, sein reformiertes Erbe in ein lebendiges Gespräch zu bringen mit Luthers Theologie selbst, das geleitet wird von der gemeinsamen Basis, nämlich von der Bibel. Ewalds Beitrag „Ueber Aufklärung in der Religion; eine Auffoderung und Erklärung" in der von ihm selbst zu Detmolder Zeiten herausgegebenen pastoraltheologischen Zeitschrift „Ueber Predigerbeschäftigung und Predigerbetragen", deren emsigster Autor Ewald selbst gewesen ist, spiegelt eine Auseinandersetzung Ewalds mit einem anonymen Autor über das Verhältnis von neuzeitlicher Bibelkritik zur Kritik, die die Reformatoren an der scholastischen Lehre äußerten. Ausgangspunkt ist eine Aussage Ewalds in seinem Buch „Über Volksaufklärung", auf die oben schon eingegangen wurde. Dort hatte Ewald sich gegen die historische Bibel- und Dogmenkritik gewandt und eine poimenisch höchst zentrale Anfrage an dieselbe gerichtet. Wie nämlich so fragt Ewald - kann Bibelkritik betrieben werden, ohne daß den Menschen die biblische Botschaft als ganze suspekt und ungewiß wird? An dieser Kritik, die Bibelkritik reflektiere nicht darüber, daß sie Glaubensungewißheit anstelle von Glaubensgewißheit schaffe, hält Ewald auch jetzt noch fest. Ewalds anonymer Kontrahent allerdings, der mit seiner Aufforderung an Ewald, sich in dieser Sache eindeutiger zu erklären, recht ausführlich zu Wort kommt, meint, daß ja auch Luther und die anderen Reformatoren die überlieferten Lehren bezweifelt und kritisiert hätten, ohne dabei aber die Bibel als ganze in Zweifel zu ziehen. Folglich sei diese Vorgehensweise der Kritik auch heute noch gerechtfertigt und erlaubt. Der Kontrahent sagt, indem er sich Ewalds Worte zueigen macht und sie in seinem Sinne umformuliert: Rüther und 537 538

BSELK, p449. Ewald, Christliches Hand= und Hausbuch (Bibl. Nr. 147), IV, p96.

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Calvin haben doch sehr laut gesagt, , diese und jene längst geglaubte Religionslehre sey nicht wahr; das stehe nicht in der Bibel, was man Jahrhunderte lang darin gesehen habe u.s.w. ' Bezweifelten deswegen Luther's und Calvin 's Anhänger alle Warheiten? Glaubten sie nun der Bibel gar nicht mehr recht?'"539. Der Duktus der Kritik ist deutlich: Wenn Luther u.a. in ihrer Zeit an den traditionellen Lehren Kritik üben konnten und durften, um wie viel mehr muß dies heute erlaubt sein, ohne sich vorwerfen lassen zu müssen, man ziehe die gesamte Bibel in Zweifel. Diese Anschauung hat neben vielen anderen z.B. auch der Rationalist und Kontrahent Ewalds Johann Jacob Stolz vertreten: Luther habe die Menschen zur vernünftigen Prüfung der ihnen vorgetragenen Lehren aufgerufen und damit die kritische Vernunft in das ihr zustehende Recht eingesetzt. Protestant sei daher derjenige, der die Bibel nach Grundsätzen der Vernunft auslege540. Implizit ist hier bereits die Anschauung virulent, die später unter den liberalen Theologen z.B. Albrecht Ritsehl vertreten hat, derzufolge nach der Aufklärung das eigentliche Anliegen der Reformation in dogmenkritischer Hinsicht wieder aufzunehmen sei, um die Reformation zu vollenden und sie von den noch nicht abgelegten Eierschalen endgültig zu entkleiden541. Denn auch schon der Kontrahent Ewalds entdeckt hierin das Ziel einer wirklich aufgeklärten Theologie, während er Ewald den Vorwurf macht, er mache mit der Gegenaufklärung gemeinsame Sache. „So werden auch die Gegner der Aufklärung diese Stelle für sich nüzen, und Hr. Ewald als ihren Gewehrsmann und Parteihalter, anführen"542. Ewald nun hält in seiner Antwort zunächst einmal fest, daß er sich nicht gegen die Aufklärung überhaupt wende, sondern „gegen die Aufklärung, die zu Grübelei und Zweifelsucht verführt"543. Ewald macht Ernst mit der Kritik, die sich gegen ein poimenisches Reflexionsdefizit der aufgeklärten Theologie richtet, die nicht wahr haben will, daß Fragen der Umsetzung der Kritik auf 539

Ders., Ueber Aufklärung in der Religion (Bibl. Nr. 83), p246. Vgl. Stolz, J.J., Sectengeist, in: Ders., Erläuterungen, Heft 1, p50. 541 Vgl. Ritsehl, Α., Die christliche Lehre von der Rechtfertigung und Versöhnung, Bd. 1, pl46ff. Hier meint Ritsehl aufzeigen zu können, daß die sonst dogmenkritische Haltung der reformatorischen Theologie auf dem Gebiet der Trinitätslehre und der Christologie nicht konsequent durchgeführt worden sei. Ritsehl selbst begreift sein Schaffen als konsequente Vorantreibung dessen, was mit der Reformation begonnen hat, was sich besonders in der Entdogmatisierung und Ethisierung der Inhalte der Sündenvergebung, der Christologie und der Lehre vom Reich Gottes zeigt. Vgl. Barth, K., Die protestantische Theologie im 19. Jahrhundert, p598-605, und Schott, E., Art. Ritsehl, I. Albrecht, in: RGG3 Bd. 5, Sp. 1114-1117. Vgl. auch Walther, Chr. Ritsehl selbst faßt seine Theologie kompendienartig zusammen in: Unterricht in der christlichen Religion. 542 Ewald, Ueber Aufklärung in der Religion, p246. 543 Ebd., p248. 540

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die Frömmigkeitsebene selbst Teil der Selbstkritik sein müssen. „Oft will man - mit Recht oder Unrecht - Eine, bisher geglaubte Religionslehre verdrängen, und braucht Gründe, die das ganze Ansehen der Bibel untergraben; wenigstens bei dem Volk nothwendig untergraben müssen [...] Ich sage nur: diese Art von Aufklärung ist dem Volke schädlich, moralisch schädlich. Sie macht ihm die Bibel ungewis, die - ihm wenigstens durchaus gewis, Wort, Offenbarung Gottes seyn und bleiben muß"544. Hermeneutisch gekonnt zeigt Ewald weiter auf, daß die Kritik der Reformatoren an der mittelalterlichen Scholastik und die aufgeklärt-vernünftige Kritik nicht einfach auf derart formalisierte Weise miteinander analogisiert werden können. Zu fragen ist nach Ewald vielmehr nach der Qualität der Kritik im Hinblick auf deren sachliche Fundierung in ihrer Ausrichtung auf die biblisch-theologische Wahrheitsfrage. Wer nach der Berechtigung von Sachkritik fragt, muß ebenfalls die Wahrheitsfrage stellen, ohne die das erstere eine Spiegelfechterei bleiben muß. Und nur, wenn man so fragt, zeigt sich, daß Luthers Kritik an der scholastischen Lehre sich erstens immer aus der Bibel selbst speiste, ja durch sie überhaupt erst veranlaßt wurde, und daß Luthers Kritik zweitens dem Menschen überhaupt erst die Bibel als Gegenstand eigenständiger Lektüre in die Hand gegeben hat. Hierin also besteht der fundamentale Unterschied zwischen Luther und der Mehrzahl der aufgeklärtkritischen Theologen, der es ihnen verbietet, sich derart ungebrochen auf Luther zu berufen. Luther nämlich hat die Menschen unablässig des Inhalts der biblischen Botschaft vergewissert, indem er Kritik geübt hat, während so mancher aufgeklärte Theologe gerade das Gewißheit Stiftende, die Heilige Schrift, in Zweifel zieht. Ja, Luther hat den Menschen durch diese Kritik die Bibel überhaupt erst eröffnet, während sich die Aufklärungstheologie in vielerlei Hinsicht gegen den Inhalt der biblischen Botschaft selbst richtet, so z.B. gegen die biblische Verkündigung vom Opfertod Christi, gegen die Wundererzählungen und vieles mehr. Die aufgeklärt-vernünftige Kritik mag formal betrachtet Analogien zur reformatorischen Kritik aufweisen. Da sich erstere jedoch gegen die biblischen Inhalte selbst richtet, ist damit eine völlig andere Qualität der Kritik erreicht. „, Aber' - sagen Sie - ,Luther und Calvin haben doch sehr laut gesagt; diese und jene längst geglaubte Religionslehre sey nicht wahr; das stehe nicht in der Bibel, was man Jahrhunderte lang darinnen gesehen habe, u.s.w. - Bezweifelten deswegen Luthers und Calvins Anhänger alle Warheiten? [...]' Das thaten sie allerdings; und sie konnten ja nicht Luthers und Calvins Anhänger seyn, wenn sie der Bibel nicht recht glaubten. Jene Männer, besonders Luther, thaten ja Alles, um gerade das Ansehen der Bibel, als der Einzigen Quelle aller Religionslehren, wieder herzustellen; um die Ungültigkeit aller andern vorgeblichen Quellen zu zei544

Ebd., p249f.

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gen. Wenn sie laut sagen: .diese oder jene, längst geglaubte Religionslehre sey nicht wahr; ' so beweisen sie klar aus der Bibel, daß sie nicht wahr sey. Wen[n] sie behaupteten, ,es stehe nicht in der Bibel, was man Jahrhunderte lang darinnen gesehen habe,' so gaben sie dem Laien die Bibel in die Hand, damit er mit eigenen Augen sehe. Kein Wink, auch nicht der entfernteste, der das Ansehen der Bibel bei dem Volk schwächen konnte; kein Wort, das voraus sezte, die Bibel sey ohne Hülfe der Gelehrten nicht verständlich; der einfältige Landmann könne sich an sie, wie sie da sey, nicht halten. - Nichts von Allem diesem! Im Gegentheil: sie schrieben immer, und thaten Alles, um dem Volk die Bibel selbst in die Hand zu geben"545. Hieran zeigt sich, wie stark Ewald im Kontext der Aufklärung stehend sich der reformatorischen Schriftlehre verpflichtet und von der Wahrheitsfrage her verbunden fühlt. Dies ist nicht eine wehmütige, bloße Reminiszenz, die Ewald mit dem reformatorischen Schriftprinzip verbindet, sondern die Einsicht in die Tatsache, daß damals wie heute der „Hauptstreitpunkt"546 folgender ist: „Ob die Bibel für Jeden Einzige Richtschnur des Glaubens und Lebens seyn könne"547. Ewald greift hier die auch in der Orthodoxie innerhalb der Prolegomena der Dogmatik immer wieder zum Ausdruck gebrachte Lehre auf, daß die Kanonizität der Hl. Schrift gerade darin besteht, daß sie einzige Richtschnur ist548. In der Reformationszeit - so Ewald - war dies der zentrale Streitpunkt zwischen den Papisten und Luther. Heute ist dies der Hauptstreitpunkt zwischen den aufgeklärten Kritikern und Ewald, der sich als ein in der Nachfolge der Reformatoren stehender Theologe versteht. In der Sache fühlt sich Ewald mit Luther einig, denn die umkämpfte Sache verbindet beide über die Jahrhunderte hinweg. Daher gibt Ewald in seiner Argumentation das Wort an Luther weiter:,Rüther vertheidigt sich einmal gegen den Vorwurf, daß er neue Lehre aufbringe, und sagt: ,Ich predige nicht neue Dinge. Ich sage, daß alle Christliche Dinge seien bei denen untergegangen, die es solten haben gehalten [...] Es muß ja die heilige Schrift klärer, leichter und gewisser seyn, denn aller andern Schrift; sintemal alle Lehrer ihre Reden durch dieselben, als durch klärer und beständiger Schrift bewähren, und wollen ihre Schrift durch sie befestigt und erklärt haben. So mag ja Niemand eine dunkele Rede durch eine mehr dunkele Rede beweisen. Derhalben uns die Noth dringt, mit aller Lehrer Schrift in die Biblien zu laufen, und allda Gericht und Urtheil über sie zu holen; denn sie ist allein der rechte Lehenherr und Meister über alle Schrift und Lehre auf Erden'"549. 545

546 547 Ebd., p251f. Ebd., p252. Ebd. Vgl. Hutter, Compendium, der von der Schrift als ,,unfehlbare[r] Regel und Richtschnur Göttlicher Warheit" (pl) spricht. Die Kanonizität der Schrift besteht also darin, daß sie für alle Begründung und Anwendung von Theologie überhaupt Richtschnur ist. 549 Ewald, Ueber Aufklärung in der Religion, p252f. Ewald zitiert hier eine Passage 548

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Kapitel II

Ewald bringt den Unterschied zwischen Luther und der aufgeklärten Dogmenkritik auf den Punkt, indem er - hierin der Sprache Luthers durchaus verwandt - ein Bild zur Illustration benutzt: „Urtheilen Sie selbst, ob ein Mann, der so von der Bibel schrieb, mit Leuten verglichen werden kann, die ,unter der Hand' zu verstehen geben, diese oder jene Lehre sey nicht wahr, und dazu Gründe brauchen, die der Bibel, bei dem Volk wenigstens allen Kredit nehmen müßten, wenn es sie glaubte? Von einem Tempel die Gerüste und Kramläden wegreißen, die ihn verstellen; und durch Aufschnizeln das Fundament schwächen, worauf er ruht: das halten Sie gewis nicht für Einerlei!"550. „Damit Feinde der Aufklärung mich nicht von ihrer Parthei glauben"551, erobert Ewald den Begriff der Aufklärung zurück, indem er ihn von der Lutherschen Definition der Bibel als einer klaren, einfachen und gewissen her neu füllt und somit reformuliert. Deswegen bindet Ewald die in die Prolegomena christlich-reformatorischer Lehre gehörende Schriftlehre, die Lehre von den affectiones scripturae sacrae mit seiner biblisch motivierten Definition von .Aufklärung' zusammen, indem er erklärt, „daß ich endlich den wesentlichen Inhalt der Bibel, oder das, was dem Menschen darinnen zu glauben und zu thun vorgeschrieben ist, für unabhängig von aller Sprachkunde und Gelehrsamkeit und jedem aufmerksamen Leser für verständlich halte. Ich denke, diese Erklärung ist offen und freimüthig genug, um nicht mißverstanden, und so Gott will! auch in sich konsequent genug, um nicht für feindseelig gegen wahre Aufklärung gehalten zu werden"552. Daß Ewald wie Luther hier nicht dem Mißverständnis unterlegen ist, wegen der Klarheit der Schrift sei nun im biblizistischen Sinne keine Hermeneutik notwendig, zeigt sich immer wieder in seinem gesamten Lebenswerk, das als gesamtes als eine große Leseanweisung für die Bibel und als eine einzige und vielgestaltige Einübung in die Lektüre der Bibel zu gelten hat. Aufklärung also muß nach Ewald biblisch fundiert und befördert sein, wobei die bereits von Luther beobachtete claritas, simplicitas und infallibilitas der Schrift hier die motorischen Momente sind, die die Aufklärung im biblischen Sinne initiieren und vorantreiben. Und erst diese Metakritik an einer selbstgenügsamen historischen Kritik ist die Grundlage dafür, daß Ewald in einer sich hieraus ergebenden Gegenbewegung dann doch ein positives Verhältnis zu dieser noch jungen Wissenschaft bekommt. Nicht nur in seinen „Biblischen Erzählungen" beweist Ewald, daß er die historische Wissenschaft, die Erforschung orientalischer Bräuche u.ä. betrieben und sie aus Luthers Schrift,Grund und Ursach aller Artikel D. Martin Luthers, so durch römische Bulle unrechtlich verdammt sind' (1521) (WA 7, p299^57). Das Zitat findet sich: WA 7, p313, Z. 7 - p317, Z. 8. Ewald zitiert Ausschnitte. Beim Auffinden der Belegstelle war Frau Dr. Ursula Stock beim Luther-Register/Tübingen behilflich. 550 551 552 Ebd., p253f. Ebd., p254. Ebd., p256.

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sich auch angeeignet hat, um sie für die Nacherzählung der Bibel fruchtbar zu machen. So läßt er des öfteren Erklärungen in seine Bibelnarrationen einfließen, die die historischen, sozialen und kulturellen Umstände erläutern, aus denen heraus die biblischen Schriftsteller erzählt haben. Die göttliche Aufforderung an Mose, am Dornbusch seine Schuhe auszuziehen (Ex 3,5), kommentiert Ewald: „Wo etwas Göttliches erschien, da war die Gegend umher heilig. Da mußte man, wie in dem Vorhof des Königs, die Schuhe ausziehen, was damals ein Zeichen der Ehrfurcht war"553. Andernorts läßt sich Ewald bei der Nacherzählung der Geschichte von Jakob und Esaù etwa viel Zeit, um das Recht des Erstgeborenen zu erklären und damit zum Verständnis des soziokulturellen Kontextes der Geschichte beizutragen. „Der Erstgeborene war der Vornehmste in der Familie nach dem Vater. Er nahm Theil an der Herrschaft über die jüngern Geschwister, und war nach des Vaters Tod eigentlich ihr Herr, Priester der Familie und der Haupterbe. Im Mosaischen Gesetz wurde sein Theil in der Folge auf eine doppelte Portion bestimmt"554. Häufig beschreibt Ewald atl. Bewirtungsgeschichten als Beispiele allgemein-orientalischer Gastlichkeit, die ihren Ursprung im nomadischen Leben habe. Die Beherbergung Abrahams durch Lot erfährt daher die Kommentierung: „Gastfreiheit war allen Hirtenfamilien [...] eigen"555. Ewald fügt aber hinzu, daß die Geschichte in dieser Art von Historisierung nicht aufgeht: „[...] besonders aber dieser Familie"556. Die ntl. Geschichte von Jairi Töchterlein nimmt Ewald zum Anlaß, auf die jüdischen Trauerriten zu sprechen zu kommen557, und er kann auch knappe chronistisch-historische Anmerkungen einfügen558. Dennoch läßt sich beobachten, daß Ewald diese Art von historisch-kritischer Wissenschaft nicht um ihrer selbst willen betreibt, sondern nur dort sehr behutsam Anmerkungen aus der Altertumswissenschaft anführt, wo sie für das Verständnis des Textes unbedingt als Illustrationen notwendig sind. Daher erklärt sich auch, warum Ewald sich gegen die zeitgenössische Tendenz richtet, die Altertumswissenschaft zum Hauptgeschäft des Exegeten zu erheben. Denn wieder parallelisiert Ewald diejenigen Exegeten, die meinen, die Bibel sei nur aus einer umfassenden Kenntnis der Zeitbedingtheit und der hebräischen Altertumswissenschaft heraus verstehbar, mit dem päpstlichen Lehramt, das behauptet, als Verwalterin der nicht schriftlich niedergelegten

553

Ders., Biblische Erzählungen, Bd. 1, pl39. 555 Ebd., p92. Ebd., p65. 556 557 Ebd. Ebd., Bd. 2, pl41. 358 Vgl. z.B. ebd., pl61, wo Ewald die Erzählung vom Petrusbekenntnis auf dem Weg nach Caesarea Philippi folgendermaßen kommentiert: „Darum, als Er auf dem Weg nach der Stadt war, die der Vierfürst Philippus so verschönert, und darum Kaiserstadt genannt hatte, - eine Gegend, in der Er noch nicht oft gewesen war, fragte Er seine Schüler, wofür Ihn denn die Leute wohl hielten?" 554

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Tradition auch die einzig rechtmäßige Auslegerin der Schrift zu sein. „Ich kann wirklich nicht errathen, ob dieser Einwurf von Ihnen selbst, oder von Ihrem Nachbar herrührt; denn es hat alte Theologen gegeben, die so redeten, und es giebt neue, die so reden. Die Lezten haben ihre Ursachen dazu, wie die Ersten, und die Papisten. Wenn man ohne Gelehrte, Sprach= und Alterthumskenner, die Bibel nicht verstehen kann; so muß man ihnen auf ihr Wort glauben, was darin stehe. Freilich werden diese, sich ihr gelehrtes Papstthum nicht nehmen lassen. Aber Sie, und Ihren ehrlichen Nachbar hoff' ich doch zu überzeugen. Unterscheiden Sie nur Bibelgeschichte, wie sie für den Ausleger, den Alterthumsforscher, für den Gelehrten, und wie sie für den Menschen als Mensch vorgetragen werden muß. Wollen Sie ein gelehrtes Kollegium über Bibelgeschichte lesen, oder einen Kommentar für Gelehrte darüber schreiben: so brauchen Sie allerdings jene Wissenschaften"559. Ewald bestreitet nicht das Recht zur historisch-kritischen Erforschung der biblischen Texte, aber er wehrt sich dagegen, daß diese für Gelehrte interessanten Gegenstände nun zur Grundvoraussetzung eines jeden Bibelverständnisses überhaupt erhoben werden, dagegen also, daß die Hilfswissenschaften über den eigentlichen glaubensstiftenden Zweck der Bibel erhoben werden. Ewald sieht die Gefahr, sich in Quisquillen zu verlieren und das eigentliche sachlich-inhaltliche Anliegen der Texte darüber aus den Augen zu verlieren. „Ich weiß leider! wol, daß noch so manche Prediger nur alsdann einen historischen Text erläutert zu haben glauben, wenn sie ihn in einer Brühe von Alterthumskenntnissen ersäufen. Gar manchmal hab' ich mich in Passions=Predigten betrübt und geärgert, wenn ich hörte, wie die rührendste, menschlichste und göttlichste Geschichte so unerträglich zerstükt, benagt, mit philosophischem, historischem, antiquarischem Geifer besudelt wurde"560. Mit scharfer Polemik greift Ewald hier diejenigen Prediger an, die nicht zwischen historisch-kritischer Exegese und kerygmatisch-homiletischer Versprachlichung der Inhalte biblischer Texte unterscheiden können, sondern ausschließlich oder hauptsächlich ihre historische Gelehrsamkeit auf die Kanzeln bringen. Bemerkenswert ist, daß Ewald an dieser Stelle die ZuhörerReaktionen in seine Beobachtungen miteinbezieht. „Sie erinnern sich wol noch der Predigt über die Umstände des Todes Jesu, und besonders über sein leztes Trinken, wie da die Hauptbetrachtung auf den Schwamm, und das Rohr, und den Ysop ging [...] Aber man sieht's auch an dem Gähnen, der Schläfrigkeit und den herumflatternden Augen der Zuhörer, daß eine Bibelgeschichte nicht für den Menschen dargestellt wird"561. Die erste Auflage der „Briefe über den Gebrauch der Bibelgeschichte" hatte Ewald direkt nach Erscheinen Lavater zugesandt. Insgesamt würdigt Lavater Ewalds Werk: „Sie haben sich, 559 560

Ewald, Bibelgeschichte (Bibl. Nr. 361), pl 12f. 561 Ebd., pl 14. Ebd.,pll4f.

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däucht mir, überhaupt auf den rechten Gesichtspunkt emporgeschwungen bisweilen unverbeßerlich klar und unwiderleglich das dargethan was Sie darthun wolten"562. Allerdings zeigt Lavater wenig Verständnis für den bei Ewald herrschenden kämpferischen Ton, wenn er fortfährt: „hin und wieder von dem würdigsten Ton ein wenig entfernt - wozu ich zum Ex. ,Das ersäufen in einer Brühe von Alterthumskenntnisen - ,und den antiquarischen Geifer' S. 92. und 93 - rechne"563. Zwar sagt Ewald durchaus nuancierend und abwägend, daß „manche [seil, antiquarischen Erläuterungen; A.S.] zum Verstand gewisser Geschichten unentbehrlich"564 sind. Dennoch greift Ewald auch hier implizit auf die orthodoxe Schriftlehre zurück, indem er der Sache nach darauf hinweist, daß die Schrift dennoch als eine in sich genügsame zu gelten habe. „Aber wenn so viele Erläuterungen, so viele Gelehrsamkeit dabei nötig wäre, daß uns ohne diese alle Bibelgeschichte nichts seyn könnte: so hätte Gott entweder die Bibel müssen anders schreiben lassen, oder Er hat nicht gewolt, daß wir Alle die Bibel lesen solten; denn daß das Hauptsächlichste - und nicht auch das Leichteste? in der Bibel, Geschichte sey, das fällt doch in die Augen"565. Ewalds Kritik richtet sich besonders gegen die historisch-kritische Unart, nebensächliche Dinge aus einem historisch vereinsamten Interesse heraus derart in den Vordergrund zu heben, daß der eigentliche Erzählfaden und mithin der jeweilige Bibeltext als kohärente Erzählung in seiner Spannung nicht mehr zum Tragen kommt. Zur Veranschaulichung wählt Ewald die Geschichte von den drei Männern bei Abraham im Hain von Mamre und scheut sich nicht, den großen Exegeten Johann David Michaelis zwar ungenannt, aber doch öffentlich anzugreifen. Will man die sicherlich interessanten, aber doch nicht derart zentralen Nebenumstände der Geschichte erklären, so muß man „bei dem Besuch der Engel bei Abraham die damaligen Hütten, die Art zu kochen, zu baken, zu essen beschreiben"566 wie Michaelis es tut. Dagegen verweist Ewald auf die eigentlichen Skopoi der Geschichte, indem er die Gastfreundschaft Abrahams und v.a. in orthodoxer Weise den sich auf menschliche Weise offenbarenden Gott in den Vordergrund hebt: „Brauchte das Alles, wenn Sie diese Geschichten als menschliche Geschichten blos für den Menschen erzälen? Kann sich der Mensch, das Kind nicht laben an Gottes Besuch bei Abraham, an der Gastfreiheit des treuherzigen alten Manns, an seiner Geschäftigkeit, in Eil etwas auf den Tisch zu bringen, an der Menschlichkeit Gottes, der den Abraham ordentlich mit sich akordiren läßt, ob er Sodom strafen solle, oder nicht? - Kann das keinem Menschenherzen wol thun, ohne daß er das Rezept weiß, wie Sarah die Aschenkuchen gebaken, 562 563 565

Lavater an Ewald 2.7.1783, Zentralbibl. Zürich, Ms. 558, 84. 564 Ebd. Ewald, Bibelgeschichte, ρ 115. 566 Ebd. Ebd., pl 13.

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oder sich erläutern kann, wie frisch geschlachtetes Kalbfleisch doch habe zart seyn können?"567. Die ungenannte Quelle, auf die sich Ewald hier kritisch bezieht, findet sich in Michaelis' „deutschefr] Uebersetzung des Alten Testaments, mit Anmerkungen für Ungelehrte", die alle Kraft daran setzt, die in Gen 18 genannten Realien zu erläutern, ohne dem theologischen Duktus der Erzählung dabei auch nur entfernt gerecht zu werden: Aschkuchen) Eine Art von Kuchen, die noch jetzt die Araber auf folgende Weise backen: man macht im Sande ein Feuer, wenn es ausgebrannt ist, legt man den Teich in den heißen Sand, und die heisse Asche und Kohlen darüber. Auf die Art bekommt man geschwind einen Kuchen, dessen Inwendiges sehr wohlschmeckend ist [...] V. 7. noch junges) eigentlich, ein zartes [seil. Kalb; A.S.] [...] Es pflegt manchen Lesern, die die Geschichte nach unserer deutschen Kochart der Städte beurtheilen, fremd vorzukommen, daß das kaum geschlachtete Kalb sogleich gebraten wird. Es ist aber dieses im Orient ganz gewöhnlich, und wenn man nur ein solch frisch geschlachtetes Kalb nicht erst kalt werden läßt, sondern es sogleich ans Feuer bringet, so ist es gar nicht zu besorgen, daß das Fleisch zähe werde, sondern es soll vielmehr wohlschmeckender seyn, als unsere Kälberbraten"568. Ewald kritisiert an Michaelis' Exegese, daß er lediglich die Nebenumstände der Geschichte erläutert, nicht aber die Erzählung von der Epiphanie Gottes zu interpretieren vermag. Diese Kritik hat Ewald jedoch nicht davon abgehalten, das genannte Werk von Michaelis für die Abfassung seiner zweiten Bibelnacherzählung zu verwenden569. Zuweilen benutzt Ewald sogar die Übersetzung des AT von Michaelis als Predigttext570. An anderer Stelle jedoch wendet sich Ewald wiederum scharf gegen den berühmten Exegeten und Orientalisten, indem er ihm Gefühllosigkeit im Umgang mit den biblischen Texten vorwirft und ihm Jesuitenkasuistik vorhält. „Lesen Sie, zum Beispiel, die Erklärung des gelehrten Michaelis, über das herrliche Wort:,Fleisch von meinem Fleisch' ! Vater und Mutter wird man verlassen, und seinem Weib anhängen.,- Wer Lust hat, die heiligsten Verbindungen zu trennen, und doch mit Maaßen sündigen will, der übertrete lieber das vierte Gebot, und verlasse Vater und Mutter hülflos: allein so weit gehe er nicht, die Ehe zu trennen, und seine Frau zu verlassen.' Sagen Sie: ist es möglich, den Ausdruk des tiefsten, menschlichen Gefüls, so sinn- und gefül567

Ebd., p l l 3 f . Michaelis, J.D., deutsche Uebersetzung des Alten Testaments, mit Anmerkungen für Ungelehrte, Teil 2, p87 (zitiert wird jeweils aus den „Anmerkungen", die sich an den ersten Teil, der die Übersetzung enthält, anschliessen und eine eigenständige Paginierung haben). 569 Vgl. Kap. III, 6, p431f u.ö. 570 Z.B. in: Ewald, Gesinnungen und Trostgründe (Bibl. Nr. 90), p5f. 568

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los, in das Gutachten eines Jesuitischen Kasuisten zu verwandten?"571. Die nichtgenannte Quelle, auf die sich Ewald hier bezieht, ist wiederum das o.g. Werk von Michaelis, in dem es zu Gen 2,24 heißt: „Moses, der in seinen bürgerlichen Gesetzen die Ehescheidung wegen der Herzens=Härtigkeit der Israeliten erlaubt lassen mußte, stellet sie hier als eine recht große Sünde vor, die noch größer sey, als die Uebertretung des vierten Gebots, und die Trennung des natürlichen Bandes zwischen Eltern und Kindern: so daß man lieber Vater und Mutter verlassen solle, als seine Frau [...] Wer Lust hat, die heiligsten Verknüpfungen zu trennen, sagt Moses, und doch noch mit Maßen sündigen will, der übertrete lieber das vierte Gebot, und verlasse Vater und Mutter hülflos: allein so weit gehe er nicht, die Ehe zu trennen, und seine Frau zu verlassen"572. Diese zuweilen äußerst scharfe Kritik an der historisch-kritischen Exegese kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß Ewald sie nicht aus anachronistischen Ressentiments heraus pauschal abgelehnt hat. Vielmehr gesteht er ihr im Sinne einer Hilfswissenschaft ein begrenztes Recht zu und rezipiert sie positiv, indem er sie gleichzeitig mit der orthodoxen Schrifthermeneutik verbindet und versöhnt. Dies zeigt sich besonders auch in der Weise, wie Ewald die historische Kritik rezipiert, um eine allen Extremen abholde Wundertheologie zu formulieren573. Festzuhalten bleibt jedoch, daß Ewald als von seiner Herkunft her reformierter Theologe einen Rekurs auf die Bibel und die sich aus ihr ergebende Hermeneutik initiiert, der sich aus einer für seine Zeit ungewöhnlich starken authentischen Luther-Rezeption ergibt, mit der Ewald schon lange vor der Neuentdeckung Luthers im Zuge der 300jährigen Jubelfeier der Reformation 1817 begonnen hatte. Ähnlich wie bei Hamann schimmert bei Ewald an sehr vielen Stellen seines Werkes ein intensives Studium der Werke Luthers hindurch, und es läßt sich zeigen, daß Ewald im Gespräch über aktuelle Fragen seiner Zeit Luther als Gesprächspartner hinzuzieht und ihn auf eine mögliche Hilfestellung hin befragt. Und hierzu gehört auch, daß Ewald es nicht unternimmt, Luther gewaltsam den Bedürfnissen der Aufklärung entsprechend zu aktualisieren, sondern daß er durch seine Luther-Rezeption die Frage nach der Aufklärung im Sinne der aufklärungstiftenden claritas der Schrift um einen wichtigen Aspekt bereichert. Die wichtigste Aufklärungsschrift ist nach Ewald die Bibel selbst, denn ihr eignet die claritas, die Licht spendet auch in der Finsternis. In dem Beitrag „Etwas über dunkle Bibelstellen. Nach 2 Cor. 4,6." setzt Ewald dieses reformatorische Theologumenon gegen die Behauptung vieler aufgeklärter Exegeten, die behaupten, es sei nur die historische und philologische Gelehrsamkeit 571 573

Ders., Bibelgeschichte, pl28f. Vgl. Kap. III, 6.

572

Michaelis, Anmerkungen, 2. Teil, p20.

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fähig, die obscuritas der Bibel wettzumachen. In gewisser Weise wiederholt sich hier der Streit, den Luther mit Erasmus in ,De servo arbitrio' geführt hat, im Kontext der Aufklärungszeit zwischen Ewald und der historischen Bibelwissenschaft. Und wieder parallelisiert Ewald dieselbe mit der römischkatholischen Auffassung, die Bibel sei den Glaubenden nur durch eine bindende und normativ gesetzte Auslegung eines Lehramtes zu erschließen. „Sie ist endlich nicht ohne Gefahr, die unrichtige Behauptung, daß das Evangelium dunkel, schwer zu verstehen sey, darum erklären sich manche Katholiken für einen Statthalter Christus, der die Lehren giebt, die angenommen werden sollen. Darum reden so manche neue Schriftgelehrten so viel von den Schwierigkeiten, Kenntnissen, die es erfordert, die Bibel zu erklären. Wäre dies so, so hinge es von den Schriftgelehrten jedes Zeitalters ab, was für eine Gottesoffenbarung wir haben sollen"574. Hiergegen setzt Ewald die selbst biblisch gegründete Hermeneutik, die von dem locus classicus zur biblischen Begründung der Lehre von der claritas der Schrift herkommend (2Petr 1,19) sagt: „Nein, nein! alle Schriftgelehrte können nichts ändern an irgend einer Lehre, die uns Gott offenbart hat. Dafür hat Gott gesorgt, der einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben hat, durch sein Evangelium. Die Nacht ist vergangen etc. der Tag ist angebrochen; und man sieht bei Tag, was man zu sehen hat, ohne die Lampe der Schriftgelehrten!"575. Seelsorgend wendet sich Ewald an seine Leser, indem er sie davor bewahren will, den zugegebenermaßen in der Schrift vorhandenen dunklen Stellen zu viel Wert beizumessen, und ihnen rät, sich an die hellen und klaren zu halten. „Dunkle Stellen sind also nicht die Wichtigsten [...] Man kann ein vom Herrn Geliebter seyn, ohne eine einzige zu verstehen"576. Um Gewißheit und nicht Grüblersinn zu evozieren, stellt Ewald als hermeneutischen Grundsatz der Bibellektüre für alle Christen folgende regula auf: „daß man auf diese schwere Stellen nicht zu viel Werth lege; dahin seinen Blick hauptsächlich wende. Nein, nicht sie, sondern die leichtesten, einfachsten haben für uns den meisten Werth"577. Diesen Rat hat nicht nur Luther immer neu zu geben versucht, sondern im Anschluß an ihn auch die orthodoxen Theologen. Ähnlich wie Ewald behandeln auch sie den möglichen Einwurf von schriftgelehrter Seite, „verba sacrae Scripturae non possunt esse perspicua (1) qvia dantur multae in Scriptum sacra amphiboliae (2) multae historologiae (3) multi tropi & figurae (4) multae Antilogiae sive contradictiones apparentes"578. Zwar leugnet z.B. Hollaz nicht, daß es mannigfaltige Passagen der Schrift gibt, die nicht auf den ersten Blick klar sind. Aber Hollaz unterscheidet zwischen ,perspicuitas' und ,evidentia', indem er von inevidentiae in der Schrift spricht, die aber der 574 575 577

Ewald, Etwas über dunkle Bibelstellen, pl63f. 576 Ebd., pl64. Ebd., pl65. 578 Ebd., pl68. Hollaz, Examen, vol. I, p237.

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perspicuitas der Schrift als ganzer keinen Abbruch tun können. „Distingvendum est inter perspicuitatem verborum & evidentiam (stricte dictam) rerum. Res pottissimae in sacris literis comprehensae sunt inevidentes [...] Proinde clara dicitur scriptura sacra non ratione rerum, sed verborum; quia res inevidentes etiam clans & Perspicuis Verbis proponi possunt"579. So wie die orthodoxe Dogmatik hält Ewald an dem Grundsatz fest, daß das, was einem jeden Menschen zu wissen notwendig ist, um die Seligkeit zu erlangen, in der Schrift offen zu Tage liegt und klar ist. Nur deswegen kann er eng an die orthodoxen loci classici angelehnt formulieren: „David im 119. Psalm sagt: ,Dein Wort sey meines Fußes Leuchte, ein Licht auf meinem Wege.' Jesus sollte verkündigen ,ein Licht den Heiden und dem Volke.' (Apostelgesch. 26,23.) Selbst die Weissagungen nennt Petrus, ,ein Licht, das da scheint in der Finsterniß.' (2 Petr. 1,19.) [...] Der Augenschein zeigt's auch. Das Evangelium ist Verkündigung der Liebe Gottes und Christus; Verkündigung dessen, was Christus für uns gethan hat, thun will, was er von uns fordert. Und ist's möglich, klärer davon zu reden, als Jesus und die Apostel geredet haben?"580. Im Anschluß an Luther581 sind besonders Ps 119,105 und 2Petr 1,19 zu den klassischen biblischen Belegstellen für die biblisch-theologische Fundierung des dogmatischen Redens von der claritas scripturae sacrae geworden, wie sich etwa in der Dogmatik von Johann Adam Scherzer zeigt: „Verbum divinum est lucerna (ergo sine tenebris & obscuritate) pedibus nostris (ergo homini viatori, sufficienter monstrat viam salutis. Adeoque satis clara est scriptura in rebus fidei ac morum) & lumen semitis nostris (sive sufficienter ac claré monstrat viam ad aeternam patriam.) Ps. CXIX. 105. Sermo Propheticus V.T. [...] in N.T. [...] est lucerna splendens in obscuro loco 2. Pet. I,18.19"582. Und erst aufgrund dieses hermeneutischen Grundsatzes, der sich den orthodoxen Dogmatikern wie auch Ewald in der lebendigen Auslegung der Bibel selbst imponiert hat, kann dann in einem zweiten Schritt auch von der Dunkelheit der Schrift gesprochen werden. Jedoch erhält dieses Thema nun seine Behandlung von der festgehaltenen Einsicht her, daß die klaren Texte der Bibel an sich schon völlig ausreichend seien und daß nur aufgrund dessen

579

Ebd., p229. Ewald, Etwas über dunkle Bibelstellen, ρ 162. 581 Zum Gebrauch der späteren loci classici Ps 119,105 und 2Petr 1,19 bei Luther vgl. De servo arbitrio, StA 3, p223: „Et quid in uniuerso ueteri testamento, maxime uno ilio Psalmo. 118. dicitur in laude scripturae frequentius, quam ipsam esse lucem certissimam (et) euidentissimam? sic enim célébrât ille claritatem eius, Lucerna pedibus meis uerbum tuum, (et) lumen semitis meis [...] Petrus quoq(ue) ait. 2.Petri. 1. certum ualde habemus sermonem Propheticum, cui attendentes sicut lampadi lucenti in loco caliginoso, benefacitis." Vgl. Hermann, R„ bes. plOl-108. 582 Scherzer, J.A., Breviarium, p53. 580

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danach gefragt werden kann, wie die dunklen Stellen ausgehend von den hellen erschlossen werden können. So wie Luther im Zuge seiner Unterscheidung zwischen claritas externa und interna auch zwischen einer äußerlichen und einer innerlichen obscuritas unterscheidet583, spricht auch Ewald von einer solchen doppelten Schwierigkeit im Umgang mit der Bibel. „2. Das Schwierige, Dunkle der Bibel, liegt zum Theil in dem Buche selbst, zum Theil in den Lesern, a. Im Buche selbst. Die Bibel ist ein altes Buch [...] b. Das Dunkle der Bibel, liegt aber auch oft in den Lesern, in uns selbst. Unsere Vorurtheile machen uns oft das Deutlichste dunkel"584. Die innere Dunkelheit hat ihren Grund „in dem Mangel alles geistigen Sinnes"5*5, dem nur durch den heiligen Geist abgeholfen werden kann. Gleichzeitig aber gehört diese innere obscuritas zur tentatio, die einen jeden Christenmenschen prägt und erzieht. Denn die Anfechtung ist es, die e contrario den Menschen um so mehr das Licht und die Erleuchtung suchen und auch finden läßt. Ganz analog zu den orthodoxen Seelsorgern lehrt Ewald, solche tentatio der Verdunkelung der Schrift als göttliches Geschäft zu begreifen, durch das Gott den Menschen umso sicherer zum Licht führen wird, weswegen der Angefochtene Gott danken soll, daß er ihn einer solchen tentatio für würdig befunden hat. „Anders ist es mit dir, versuchte, angefochtne Seele! Dir wird manchmal Alles dunkel und schwankend; du findest nicht mehr das Licht, die Klarheit in den Verheißungen, die du sonst darin fandest, und die dir auf deinem dunkeln Wege so nöthig ist. Bleibe still und warte! Nur die besten Menschen werden so versucht; halte dich auch im Dunkeln an den Herrn. Sind dir seine Verheißungen dunkel, klage es ihm, daß sie dir dunkel seyen. Fühlst du dich von Gott verlassen, klag' es ihm! Halte dich still! harre aus! Und aus der Finsternis wird dir Licht, aus dem Tode wird dir Leben geboren werden; diese Höllenfahrt geht vor der Himmelfahrt her. Du wirst mehr lernen durch diese Dunkelheit, als du je durch Licht gelernt hast"586. Der angefochtene Mensch steht also nicht unter einem in die desperatio stürzenden fatum, einem abstrakten Schicksal, sondern ihm soll die Gewißheit werden, daß auch hier Gott handelt, der aus der Finsternis Licht schaffen kann und Tote lebendig macht. Ähnlich wie Luther bezeichnet Ewald die tentatio als die eigentliche und effizienteste Schule des Heiligen Geistes, in der der Mensch zum Glauben gebildet wird. Jes 28,19 zitierend587 faßt Ewald 583 Vgl. Luther, StA 3, ρ 186: „Duplex est claritas scripturae, sicut (et) duplex obscuritas, Vna externa in uerbi ministerio posita, altera in cordis cognitione sita." 584 Ewald, Etwas über dunkle Bibelstellen, pl65-167. 585 586 Ebd., pl68 . Ebd., pl69. 587 Neben Jes 28,19 kann auch Luther z.B. Jes 26,16 dazu benutzen, um aus diesen Stellen die Lehre zu ziehen, daß die tentatio die eigentliche und wahre Schule sei, in der man ein Christ wird. „Hie gehören nu alle andere Erfahrungen und Versuchungen her / denn es kan keiner mit Gedancken und lehren alleine ein Christ werden [...] Denn die

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seine Pädagogik der tentatio so: „Aber da weiß uns Gott in Umstände zu sezen, daß wir die Unentbehrlichkeit solcher Gottesverheissungen fühlen; in Umstände, wo unsere Kraft und Anderer Kraft nicht zureicht, wo uns Gottes Hülfe Bedürfniß wird wie Brod - , , Anfechtung muß uns lehren aufs Wort merken,' [...] Und nun ist uns erst Bibel rechtes Gotteswort"588. So lebt der Christ nach Ewald wie nach Luther zwischen oratio, tentatio und meditatio, indem er durch die tentatio in die oratio, in die Klage vor und Bitte an Gott und zur Bibellektüre gerufen wird, die allein Grund allen Trostes sein kann. So wie Luther dem Angefochtenen rät, sich Christus fürzubilden und sich seine Worte selbst vorzusprechen und in Erinnerung zu bringen589, betreibt auch Ewald Seelsorge an Angefochtenen, indem er sie dazu instruiert, sich selbst zu Predigern zu werden: „Aber wenn du stille bist; den Blik nicht weg wendest von Gott - vergegenwärtige dir die einleuchtendsten, klarsten Verheißungen Gottes; ihre Bestimmtheit und Göttlichkeit. Sage dirs selbst vor, was Jesus sagt: ,bittet so wird Euch gegeben; Alles was Ihr den Vater bitten werdet in meinem Namen das wird Er Euch geben'"590. Herkommend von Joh 16,23 rät Ewald den Angefochtenen, sich in der biblischen meditatio zu üben, die es im Verbund mit der oratio vermag, die tentatio auf biblische Weise, d.h. mit Gottes Wort selbst zu vertreiben. Dort, wo Luther in seiner Seelsorge vom erneuten Fürbilden und Einbilden der erinnernden Gebets- und Meditationstätigkeit spricht, redet Ewald von der biblischen Vergegenwärtigung. Denn allein dieses applikative Lesen der Bibel, allein diese erneute Hinwendung der biblischen Botschaft auf das ,pro me' kann die größte Anfechtung überwinden, die darin besteht, daß der Mensch daran zweifelt, daß die promissiones Dei auch ihm gelten591. „Vergegenwärtige dir die früheren Führungen Anfechtunge / wie Esaias sagt / giebt uns den Verstand / daß wir schreyen / Ach HErr / es ist mit uns aus / komm uns zu Hülfe" (Luther, Auslegung über den CXXIV. Psalmen, Altenburger Ausgabe 7, fol. 539a.b). 588 Ewald, Lazarus (Bibl. Nr. 49), pl02. 589 Einbilden und Fürbilden gehören in der Theologie Luthers auf das engste zusammen. Das Einbilden ist zunächst ein katechetischer Akt, der die Bedingung der Möglichkeit dafür darstellt, das zu Zeiten der Gesundheit Gelernte in Grenzsituationen des Lebens erneut fürzubilden. Vgl. Luther, Sermon von der Bereitung zum Sterben, StA 1, p235f. Zu Lebzeiten kommt es darauf an ( - so Luther in der seelsorgenden Anrede an den Leser -), daß „du dir diß bild eynbildest / vnd ansihest", nämlich Christus, der das „eytell leben" ist. Auch in Luthers Trostbriefen spielt dieser Akt des Glaubens, der im Für- und Einbilden vor sich geht, eine entscheidende Rolle. Im Trostbrief an Barbara Lißkirchen (30.4.1531) sagt Luther, daß dies das höchste Gebot ist, daß wir „seinen lieben Son vnsern (herrn Jhesum Christum sollen für) vns bilden [...] Denn es ist Gots ernst gebot, das wir den Son vns einbilden" (WA Br 6, p87; Brief Nr. 1811). Vgl. zur Thematik Mennecke-Haustein, U. 590 Ewald, Vermischte Christliche Ideen (Bibl. Nr. 116), Bd. 2, pl21. 591 Hier lebt der alte Topos der Prädestinations-Angst und der Tröstung in solcher

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Gottes, die du aus der Bibel kennst. Denke wie Assaph ,an die Thaten des Herrn, an seine vorige Wunder. Rede mit dir von allen seinen Werken, und sage dir von seinem Thun. ' [seil. Ps 77,12f; A.S.] Leidest du Mangel, denke an Israel in der Wüste. Wirst du von Feinden verfolgt; denke an Israel unter Pharao, an David unter Saul. Bist du gefangen, eingeengt, denke an Joseph [...] Vergegenwärtige dir's recht, wie die Menschen auch zu Gott bäteten, wie Gott schwieg und wie schnell und ganz, und durch welch einen kleinen Umschwung Gott doch half' 592 . An dieser Stelle fließen Ewalds katechetische und poimenische Theologie zusammen, indem er den Angefochtenen als Seelsorger auf den ihm katechetisch zugeeigneten Schatz des biblischen Trostgrundes verweist. Die katechetische Unterweisung ist daher umgekehrt eine poimenisch ausgerichtete und motivierte, da sie es ist, die den Grund allen Trostes im Menschen heranbildet, damit er in Grenz- und Notsituationen des Lebens auf sie zurückgreifen kann. Nur ist dieser Rückgriff auf die biblischen Exempelgeschichten und Gebete kein rein kognitiv-mnemotechnischer Akt, sondern ein eminent wichtiger homiletischer Vorgang. Denn der Angefochtene soll dazu angeleitet werden, sich den biblischen Trostgrund erneut vorzuhalten, indem er sich zum Prediger wird, in ein poimenisches Gespräch mit sich selbst gerät, wobei die Bibel die gesprächsführende Instanz bildet. Deswegen baut Ewald das Ps 77,12fZitat (,Und ich rede von allen deinen Werken, und sage von deinem Thun') in dieser reflexiv-homiletischen Weise um und bildet folgenden Imperativ: „,Rede mit dir von allen seinen Werken, und sage dir von seinem Thun'"593. Auch in dieser Hinsicht ist Ewald als Theologe der Aufklärungszeit ein Rezipient zentraler hermeneutischer und poimenischer Theologumena der Reformation geworden, zu deren Proprium es geradezu gehört, die Katechetik poimenisch anzulegen, die Menschen biblisch zu unterrichten, damit sie in Zeiten der Anfechtung wiederum empfänglich werden können für den biblischen Trost und ihn sich selbst vorzusprechen fähig werden. Dies läßt sich besonders an den mannigfaltigen Seelsorgehandbüchern der nachreformatoAnfechtung weiter. Der Trost, den die Reformatoren bei solcher Anfechtung, die Verheißungen könnten mir nicht gelten, geben, besteht meist in dem Rat, im Glauben die Verheißung zu ergreifen und sich so anzueignen. „Es möcht aber einer sagen: Ja lieber, du hast gut darvon reden, wie aber wann [...] der Teuffei dem gewissen fürwürfft und spricht: Ey, dise götliche sprüch gehen dich nichts an, sie gehen allein die frommen an, du aber bist ein sünder [...] so bistu villeicht nit zu der seligkayt versehen" (Brenz, J., Frühschriften, hierin: Wie man sich christenlich zu dem sterben beraytten sol, hier: p73). Brenz rät, durch ein Sündenbekenntnis zunächst den Vorwurf des Teufels, man sei ein Sünder, sich anzueignen, und dann darauf zu trotzen, daß gerade deswegen dem Sünder die göttlichen Verheißungen gelten. „Ja, wir erkennen, das wir die grösten sünder sein, wir nemen den zunamen an, darumb steet uns auch zu, das den Sündern versprochen ist" (ebd., p74). 592 593

Ewald, Vermischte Christliche Ideen, Bd. 2, pl21f. Ebd. (Hervorhebung von mir).

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rischen Zeit ablesen, durch die Theologen wie Caspar Huberinus, Urbanus Rhegius, Michael Bock u.v.a. in dieser Hinsicht katechetisch, poimenisch und homiletisch tätig wurden594. Ewald weiß darum, daß die Anfechtung so stark sein kann, daß auch das biblische Wort bei aller vorher angewandten katechetischen Kunst dunkel bleibt. „Natürlich wendet man sich zum Worte Gottes. Aber Alles ist verschlossen, todt, als sey's nicht Gottes Wort, als geh' es uns nicht an. Was uns sonst hob, belebte, Trost und Licht war - ist uns nichts mehr [...] Und nun der peinigende Gedanke: Gott hat dich wol verlassen - gewiß verlassen! Sieht nicht mehr auf dich - Und warum? Warum? - Ein schreckliches Warum?"595. In einer solchen Situation gibt es nach Ewald nur eine eiserne Ration, einen letzten Trostgrund, einen einzigen kurzen Auszug aus der biblischen Geschichte: Nämlich die Erzählung von der vom Sohn Gottes am Kreuz getragenen Anfechtung. „So eine Stunde der Anfechtung kam über den Göttlichsten und Menschlichsten, der versucht ward allenthalben, auf daß Er könne Mitleid haben mit unserer Schwachheit [seil. Hebr 4,15; A.S.], als Er rief: ,mein Gott, mein Gott! warum hast Du mich verlassen?! [seil. Mt 27,46; A.S.]'"596. Denn nur dieses Fürbilden des Kreuzesgeschehens kann den Angefochtenen in dieser Situation und seelischen Verfassung trösten, indem ihm die compassio Christi gepredigt wird: Und diese Predigt der compassio Christi versteht den Genitiv als genitivus subjectivus, also nicht als ein Mitleiden mit Christus, in das der Mensch sich schicken soll, sondern als ein sympathisches Verhalten Christi, als ein Mitleiden Christi mit dem Menschen in seinem Leiden. Denn nur dieses Mitleiden Christi kann im eigentlichen Sinne tröstlich sein, da Christus am Kreuz in die tiefsten Leiden hinabgesunken ist, die nie ein Mensch je wird erfahren können und müssen. „So mitleidig kann kein Mensch seyn, als Er ist; so gut kann keiner deine Schmerzen verstehen; so gerne hilft niemand als der, der sein Leben gab für die Brüder"597. So setzt sich die ganz von der theologiá crucis herkommende reformatorische Seelsorgetheologie, derzufolge Christus auch nach der exaltatio weiter leidet, indem er mit den Leidenden und Angefochtenen, Kranken und Sterbenden mitleidet598, 594

Vgl. Steiger, J.A., Die Geschichts- und Theologie-Vergessenheit. Ewald, Vermischte Christliche Ideen, Bd. 2, p l l 6 f . 596 Ebd., ρ 114. 597 Ders., Predigten bei allerlei Gelegenheiten (Bibl. Nr. 23), p47. 598 Die compassio wird von Ewald wie häufig in der reformatorischen Theologie nicht zuerst als eine solche des Menschen mit Christus im Sinne der Kreuzesnachfolge gefaßt, sondern vom .Tausch und Wechsel' her neu interpretiert als eine compassio Christi mit den leidenden Menschen. Vgl. Steiger, J.A., Geschichts- und Theologie-Vergessenheit, p80f und vor allem Luther, Tessaradecas consolatoria, besonders das, was im 13. Bild gesagt ist. „Quare si dolemus, si patimur, si morimur, hue feratur intutus, et fortiter credamus ac certi simus, quod non nos aut non soli sed Christus et Ecclesia nobiscum 595

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bei Ewald fort. Er will Glauben und Vertrauen zu „dem mitleidsvollen Heiland" stiften, der am eigenen Leibe das Leiden des Leibes Christi, der Gemeinde, erfährt und mitleidet, sich nach der Himmelfahrt somit immer noch im Stande der Entäußerung befindet. „Das ist wahr, meine Lieben! Aber er fuhr auf gen Himmel, zwar als verklärter Mensch, doch als Mensch. - Das Mitleiden mit unserer Schwachheit, den menschlichen Sinn, der jeden Funken Vertrauen und Liebe kennt - o, den hat Er nicht abgelegt! den hat Er mit in [den] Himmel genommen"599. Indem Ewald sich abkehrt von einer früher von ihm selbst vertretenen, ganz auf die Ethik und die Vernunft des Menschen ausgerichteten Theologie, entdeckt er im Akt der Relektiire der Bibel die biblische Narrativität als Grundlage und Strukturprinzip der Theologie wieder. Gleichzeitig wird Ewald durch diese Relektiire für die reformatorische Bibel-Hermeneutik empfänglich gemacht, von der er besonders die biblische Exempel-Predigt und die Lehre von den affectiones scripturae sacrae in den Vordergrund seiner Auslegungstätigkeit stellt. Die claritas der Schrift wird ihm zum Motor der eigentlichen, durch den Heiligen Geist gestifteten Aufklärung. Die Pneumatologie wird an dieser Stelle von der Schriftlehre herkommend als kritisches Potential in die aufgeklärt-theologische Situation hineingesprochen. Endlich nimmt Ewald den so gewonnenen Aufklärungsbegriff in seine Poimenik hinein, wobei er auch hier von der Bibel geleitet einen sachlich dringend nötigen, wenn auch unzeitgemäßen Anknüpfungspunkt gewinnt, um die reformatorische Seelsorgetheologie zu beerben. Tentatio, meditatio und oratio sind die drei Bildungsmittel Gottes, die die Wichtigkeit der theologia crucis auch in Zeiten aufgeklärten Umbruches in Erinnerung bringen und eine aufklärungskritische Theologie dazu veranlassen, die compassio Christi und damit die Christologie als ganze zum Dreh- und Angelpunkt zu machen für eine Theologie der Aufklärung und Tröstung der Herzen durch die Heilige Schrift. Es soll nun eine Strukturanalyse und theologische Interpretation einer Predigt Ewalds vorgenommen werden, die in poimenisch-orthodoxer Weise versucht, angesichts der sich durch Aufklärung und Revolution wandelnden Welt consolatio zu stiften, indem sie die vorfindliche historische Situation mit der biblischen Text- und Trost-Welt verspricht, den biblischen Trost in sie einspricht und dadurch das Versprechen Gottes, die promissio, laut werden läßt.

dolet, patitur, moritur" (WA 6, pl32). Der Auferstandene und Erhöhte also leidet in statu exinanitionis sich befindend mit den Leidenden. 599 Ewald, Predigten bei allerlei Gelegenheiten, p49.

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8. Ewalds Biblische Poimenik: Ein Trost den durch Aufklärung und Revolution Angefochtenen „Gesinnungen und Trostgründe des Christusverehrers in unserer bedenklichen Zeit"600 heißt die Schrift Ewalds, mit der er durch drei Predigten biblischen Trost spenden will denen, die durch die Zeitläufte der Französischen Revolution, die Hinrichtung Ludwigs XVI. und allgemein durch die überall spürbaren Veränderungen angefochten sind. Seelsorglich predigend wendet sich Ewald an die „Menschen in meinem näheren und ferneren Kreise, die unsre aufruhrdrohende kriegerische und verwirrte Zeiten von der religiösen Seite betrachten; denen sie Anlaß zu mancherley Betrachtungen, Erweckungen, Zweifel und Besorgnissen ist"601. Auf poimenische Weise will Ewald die biblische Botschaft in die Lebenskontexte der Menschen hineinsprechen, indem er die Zeitläufte und die Situation des Jahres 1793 biblisch gebrochen an biblischen Texten abbildet: nämlich an der Geschichte von Davids Flucht vor seinem Sohn Absalom und an einer Fülle von kleineren Teiltexten Neuen und Alten Testaments. Die erste Predigt dieser Trilogie, die hier eingehend betrachtet werden soll, hat einen planvollen, ja kunstvollen Aufbau. Zunächst bietet Ewald eine expositio, ein Exordium im klassischen, orthodox-homiletischen Sinn, das der Textverlesung entgegenführt. Es schließt sich ein zweiter Teil der expositio an, aus dem heraus Ewald die dispositio seiner Predigt in vier Teile gewinnt, worauf eine Abhandlung der vier Sub-Themata in nahezu gleicher Ausführlichkeit folgt. In Teil I der expositio gelangt Ewald auf einem Umweg zu seiner zentralen homiletischen Invention. Er hebt an mit einigen Reflexionen zur theologia naturalis, indem er an die in der Natur allgegenwärtige Stimme Gottes erinnert. „Leise wirkt gewöhnlich Gott in der Natur, und der fühlende Mensch hört doch seine Stimme und versteht seinen Geist und wird hingezogen zu Ihm"602. Das Wirken Gottes in der Natur faßt Ewald mit abendmahlstheologischen Kategorien, indem er das aus der Abendmahlsliturgie bekannte Diktum Ps 34,9 (vgl. IPetr 2,3) in seiner Naturbetrachtung zur Anwendung bringt, indem er formuliert: „Wenn im Früling der Saft leise und unmerkbar in die Bäume heraufgepumpt wird, und Laub und Blüte sich entwickelt; wenn der milde Sonnenschein die ganze Natur belebt; - dann fühlt, schmeckt und sieht jeder, wie freundlich Gott ist"603. Schon die Aufnahme von Ps 34,9 in die Liturgie (,Sehet und schmecket, wie freundlich der Herr ist') läßt die Tendenz 600 602

Β ibi. Nr. 90. Ebd., p4.

601 603

Ebd., p3. Ebd.

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erkennen, die Freundlichkeit des Herrn auch als eine den Gesichtssinn des Menschen affizierende Güte zu umschreiben. Ewald tut ein weiteres, indem er die Freundlichkeit Gottes als eine auch das Gefühl des Menschen ergreifende hier auslegt: „[...] fühlt, schmeckt und sieht jeder [...]". Ähnlich wie in der Natur ist auch in den Schicksalen des Menschen die Stimme Gottes allenthalben hörbar. Alle „Schicksale des Lebens"604 weisen auf die Vorsehung Gottes, die sich biblisch durch die Worte von Mt 10,30 in Ewalds Predigt zu Wort meldet. „Auch die kleinste Wohlthat, auch das kleinste Leiden fühlt der religiöse Mensch, und blikt dabey auf Gott, ohne den ihn [!] kein Bissen Brot werden kann und kein Haar von seinem Haupte fallen kann"605. Mit der Aneignung dieses schon in der reformatorischen Trostliteratur sehr häufig auftauchenden biblischen Topos bereitet die Predigt den letzten Teil ihrer selbst (Teil IV) vor, der einen seiner Skopoi in der Wendung findet: „und wenn man dir allen Trost raubt! - der Trost bleibt dir: ,daß deine Haare alle gezählt sind'"606. Neben der Sprache der Natur und der der Schicksale stellt die Predigt ein weiteres Sprachmedium Gottes vor, nämlich die völlig unerwartete Situation der Umbrüche, der Veränderungen, die überraschend auftreten. Jetzt geht es nicht mehr um einzelne Schicksale einzelner Personen, sondern um das Geschick einer ganzen Epoche. Ganz eindeutig gewinnt Ewald hier nun den eigentlichen thematischen Ansatz für seine Predigt über einen Umweg; und er zeigt an, daß er über die Französische Revolution reden will, indem er die Akzeleration der revolutionären Ereignisse benennt. „Aber wenn die unerwartetste Veränderungen um uns her Eine immer schneller als die andere erfolgen [...] dann wacht doch wohl der Sicherste auf, und der Leichtsinnige denkt ernsthaft nach"607. Aber wie Ewald in den beiden ersten Gedanken der expositio eine biblische Fundierung gewonnen hat, indem er auf IPetr 2,3 und Mt 10,30 zuging, so beginnt er auch hier bereits damit, die Revolution mit biblischen Mitteln zu lesen. Denn als Einschub wählt er folgende Formulierung: „[...] wenn das Größte gestürzt und das Niedrigste erhöhet wird [..,]"608. Hiermit ist in der expositio bereits der zentrale Gedanke des Teils II vorbereitet, der das Loblied der Hanna (lSam 2,1-10) als Folie benutzt, um die Bedeutung der Französischen Revolution deutlicher - und d.h. nach Ewald biblisch - erkennen zu können. „Wenn Menschen vom erhabensten Stande erniedrigt, wenn Leute von Jedermann gefürchtet, [...] herabgestoßen würden unter die Niedrigsten ihres Volks; welche eindringende Predigt über den Text: ,Du erniedrigst und erhöhest! ' "609. Die Revolutionsgeschichte wird zur biblischen Predigt.

604 607

Ebd. Ebd., p5.

605 608

Ebd., p4f. Ebd.

606 609

Ebd., pl9. Ebd., pl3.

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Es folgt die Textverlesung von 2Sam 15,14-16.23-26, an die sich der zweite Teil der expositio anschließt, in dem Ewald das bereits angeklungene Diktum aus dem Loblied der Hanna (lSam 2,7) noch einmal aufnimmt und nun in Davids Geschichte folgendermaßen Gestalt gewinnen läßt: „Diese Demuth, mit der er sich Gott so ganz unterwirft, konnte nicht anders, als dem Gott gefallen, der ihn bisher geleitet und erzogen hatte. Nie verdient' er mehr, König des Volks Gottes zu seyn, als jezt, da ihm die Krone genommen war"610. David kommt nach Ewald die wahre Königswürde gerade darin zu, daß er als König entmachtet ist und Demut und Reue zeigt wegen des an Bathsebas Gatten Uria begangenen Mordes: Eine brisante Aussage, wollte man sie auf die im Gesamtduktus der Predigt ja an der Davidsgeschichte gespiegelte Französische Revolution direkt übertragen! Ewald tut dies jedenfalls (noch) nicht, sondern ist zunächst einmal daran interessiert, aus der Umschreibung der Lage Davids die dispositio seiner Predigt organisch hervorwachsen zu lassen.

Situation Davids als exemplarische:

Allgemeinmenschliche Situation:

„der Umschwung seines Schicksals (a) hatt' ihn so gestimmt (b). Jezt hatte sich Manches in ihm entwikkelt, was vorher nicht so entwickelt (c). Jezt sah er mit anderem Blick auf die Königswürde, auf Gott und auf sich selbst" (p7).

„Und so gehts mit den Menschen izt. Sie werden ganz anders gestimmt (b'), wenn sich ihr Schicksal plötzlich ändert (a') [...] Lasset uns dann sehen: Was sich hauptsächlich in dem Menschen entwickelt (c'), wenn er großen Umschwung in seinem Schicksal oder [...] seiner Zeitgenossen erfährt" (p7f).

„Man lernt sich selbst besser kennen (I), man fühlt lebendig daß Alles von Gott abhängt. (II) Man fühlt die Vergänglichkeit aller Erdendinge. (III) Man fühlt den Werth dessen, was uns bleibt (IV)." Daß Ewald Pädagoge ist, zeigt sich auch in dieser Predigt, in der er seine Gedanken organisch und einer Stufenfolge gemäß aufbaut, indem er seine Hörer von der Selbsterkenntnis zur Erkenntnis Gottes als causa aller Dinge führt und von der Betrachtung der Vergänglichkeit zur Wertschätzung dessen, was ewig bleibend ist. In Teil I nimmt Ewald auf redundante Weise den abschließenden Gedanken aus expositio I auf, indem er nun aber die Sprache Gottes durch Einzel610

Ebd., p7.

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schicksale und durch weltgeschichtliche Veränderungen nicht mehr getrennt voneinander behandelt, sondern sie zusammennimmt und damit den Boden für seine weiteren Predigtteile schafft, in denen er immer das eine durch das andere beleuchten wird. Dem Glaubenden wird alles in der Welt zur Sprache Gottes. Denn „sein Fallen wie sein Aufstehn"611 vergegenwärtigen den, der ,gesetzt wird zu einem Fall und Auferstehen vieler in Israel' (Lk 2,34). Alles wird ihm Sprache Gottes, „seine Fehler wie sein Gutes [...] seine Schwäche wie seine Kraft", denn den Kindern Gottes muß „gewiß Alles zum Besten dienen" (vgl. Rom 8,28). Die Gotteskindschaft ist also der Grund, aus dem heraus Gott sich in allen Dingen und Vorgängen der Welt der Glaubensanalogie gemäß (Rom 12,7) versprachlicht und artikuliert. „Hier redet Gott eine Sprache, die jeder versteht; - Eine Sprache, die aber doch Jedem das sagt, was ihm gesagt werden muß; wie die Sonne Ein Licht, Eine Wärme hat, und doch auf millionenfache Art Belebung ist, für jedes Wesen nach seiner Art"612. In dieser mannigfaltigen Sprache hat Gott auch die Möglichkeit, so unüberhörbar und nachdrücklich zu sprechen, daß selbst der von ihm Entfernteste ihn hören muß. „Dem leisen Ohr und feinen Sinn spricht Gott leise; dem groben Sinn stark. Oft aber auch so allgemein erschütternd, daß auch der Sicherste bebt, der für alle Gottes=Stimmen Taube und Todte erwachen muß"613. Ein solches Sprachmedium ist die Umkehrung der Verhältnisse, wobei wiederum lSam 2,7 durch den Text der Ewaldschen Predigt schimmert: „Wenn klein wird was groß, und groß was klein war; wenn plötzlich auch das vergeht, was ewig zu seyn schien; wenn Dinge geschehen, deren Möglichkeit man vorher gar nicht geahndet hatte. Dann erwacht unser Inneres aus seinem tiefen Schlafe"614. Ewald ist fähig, die Richtung, in die er hineinspricht, zunächst verborgen zu halten. Er bereitet seine Hörer langsam darauf vor, die von ihm verkündigte biblische Botschaft als das Primäre zu begreifen, zu der die gegenwärtigen Zeitläufte einen Kommentar bilden. Aber Ewald erspart sich und seinen Hörern eine politische Predigt, die platten Identifikationen verfällt. Vielmehr spricht Ewald im guten Sinne persuasiv, indem er durch qualitatives Schweigen die Kommentarhaftigkeit der Revolutionszeit nur benennt, aber das Lesen in diesem Kommentar seinen Hörern überläßt, die zu wirklichen Hörern herangebildet werden, indem sie gehalten werden, das tertium comparationis selbst zu finden. Daher erklärt es sich, daß erst mit zunehmendem Progreß dieser Predigt Ewalds Synopse von biblischer Botschaft und Revolution deutlicher wird. Deswegen bleibt es im Teil I zunächst bei der Predigt dessen, daß Gott sich die Geschichte als Verkündigungs-Medium erwählen kann, damit um so klarer und eindeutiger am Ende die Botschaft gehört werde: „Etwas Unver611 613

Ebd., p8. Ebd., p9.

612 614

Ebd., p8f. Ebd., plO.

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gängliches, Ewiges will unser Herz - und jede Zeitung die kömmt, sagt's uns auf eine neuerschütternde Art: ,das Sichtbare ist zeitlich;' und die Bibel sagt es uns auf jedem Blat: ,das Unsichtbare ist ewig! ' Lasset uns dann nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare; aber weil das Sichtbare zeitlich, das Unsichtbare aber ewig ist. Amen"615. Von der biblischen Botschaft von 2Kor 4,18 aus wird die Zeitung zur biblischen Illustrierten, zur Illustration der Bibel. Ewald hatte in der expositio der Predigt von der Selbsterkenntnis gesprochen, die dem König David aus seinem Schicksal erwuchs, und sie als eine Vorbereitung der Gotteserkenntnis skizziert. Diesen Gedanken bringt er in Teil I zur applicatio, indem er die Sprache des menschlichen Schicksals folgendermaßen zu Gehör bringt: „Dann erwacht unser Inneres aus seinem tiefen Schlafe; dann betrachten wir uns selbst und gehen unsern Sinn und unser Leben [...] durch"616. Das Leben des Menschen wird hier gewissermaßen zum Beichtspiegel. Gott spricht durch die Veränderungen im Leben der Menschen in deren Leben hinein, und Ewald ist als seelsorgender Prediger eine Verständnishilfe in diesem Erkenntnisprozeß, indem er als Beichtvater in der Predigt die göttliche Sprache der menschlichen Schicksale biblisch deutet und übersetzt. Hierzu benutzt Ewald eine Zitatverkettung von Hebr 12,6 und 12,11 und erinnert daran, „daß alle Züchtigung, wenn sie da ist, zwar nicht Freude sondern Traurigkeit zu seyn scheint, aber hernach bringen wird eine friedsame Frucht der Gerechtigkeit, denen die dadurch geübt sind; daß Gott gerade den züchtigt, den er lieb hat"617. Diese aus der Davidsgeschichte gewonnenen Gedanken, die eine Anwendung auf die Hörer der Predigt erfahren, bindet Ewald dann jedoch wieder an die Davidsgeschichte zurück, indem er Ps 51 und Ps 119,67.71 anführt. „Wie hatte sich David kennen gelernt, als jene große Veränderung in seinem Schicksale vorgegangen war. Im 51. Psalm ergießt er seine Empfindungen über sein Vergehen; und wie tief blickt er in sich [...] ehe ich gedemüthigt war, irrete ich, aber nun halte ich deine Gebote; Es ist mir lieb, daß du mich gedemüthigt hast, auf daß ich deine Rechte lerne. Ps. 119,67=71"618. Es ist also nicht das bloße fatum eine Schule der Selbstund Gotteserkenntnis, nicht eine anonyme Macht, die hinter der Lebensgeschichte eines Menschen steht, sondern Gott wird in den Züchtigungen epiphan, sein Werk zur Linken gewissermaßen. Der Teil II der Predigt thematisiert Gottes gubernatio der Geschicke und der Geschichte der Welt. Veränderungen, Umschwünge und Schicksale veranschaulichen, „daß Alles von Gott abhänge; daß ohne Ihn kein Reicher reich, kein Großer groß, kein Weiser weise, kein Gesunder gesund seyn, kein König König bleiben könne"619. Dieser damit eingeleitete zweite Predigtteil ist durch 615 617

Ebd., p23. Ebd., plOf.

616 618

Ebd., plO. Ebd., pi If.

619

Ebd., pl2.

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und durch kunstvoll komponiert, wobei auffallt, daß sich besonders drei biblische Bezugspunkte beobachten lassen, die nicht nur immer wieder auftauchen, sondern zum Strukturprinzip dieses Teiles überhaupt werden. Es sind dies eine Allusion an Gen 2,7 (,und er blies einen lebendigen Odem in seine Nase'), ein Zitat aus Prv 8,15 (,Durch mich regieren die Könige, und die Ratsherren setzen das Recht') und eines aus lSam 2,7, das bereits im Exordium der Predigt angeklungen war (,Der Herr macht arm, und machet reich; er niedriget, und erhöhet'). Diese drei Zitate bilden das Rückgrat dieses Predigtteils, der sich graphisch folgendermaßen darbietet:

Teil II „Aber der Mensch fühlt auch alsdann lebendig, daß Alles von Gott abhänge [...]" „Gott erhält den lebendigen Oden [!] in unserer Nase, (vgl. Gen 2,7) durch ihn regieren Könige, und die Ratsherrn sitzen im Gericht; (Prv 8,15) Er machet reich und arm; Er erniedrigt und erhöhetfides Das Alles ist ihm bekannt, und er verehrte als Gottes=Wort.

Jeder glaubt einen Gott, Wer glaubt nicht, daß Gott allwißend sey; Wenige zweiflen daran, daß Gott Alles regiere;

(lSam 2,7)

tentatio

Aber wie oft glaubt der Mensch etwas, und handelt doch so, als wär' es nicht, weil es ihm nicht lebendig ist! und wie viele handeln doch, als sey kein Gott. aber wie oft thun wir, als werd' es uns verborgen bleiben, weil es die Welt nicht kennt. aber viele bangen und zagen doch, als würden sie vom blinden Ohngefehr regiert.

Wer weiß es nicht, daß ein anderes einziges Leben folge nach diesem Leben; und wie viele leben doch, als geb' es nichts Anders, als das was gegenwärtig ist? Es muß ihm lebendig, anschaulich gemacht werden; es muß Eindruck auf seine Sinnlichkeit, auf sein ganzes Wesen machen.

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Veranschaulichung Und das geschieht dann, wenn wir schnelle Veränderungen um uns her, oder gar von unserm eignen Schicksal erfahren. Wenn wir Reiche sehen, die im Ueberfluß lebten, und nun kaum Brod zu essen haben; wenn ihnen auch das fehlt, was sonst ihre geringsten Diener hatten; oder wenn wir selbst wol gar in diesem Falle sind, wie wahr fühlen wir's dann: du machst arm, und du machst reich!

(lSam 2,7)

Wenn Menschen vom erhabensten Stande erniedrigt, wenn Leute von Jedermann gefürchtet, nun herabgestoßen, nicht mehr gefürchtet, vielleicht gar verachtet, herabgestoßen würden unter die Niedrigsten ihres Volks; welche eindringende Predigt über den Text: ,Du erniedrigst und erhöhest!'

(lSam 2,7)

Wenn ein Mensch verständig, weise war und auf einmal entsteht ein Fehler in seinem Gehirn, eine Zerrüttung in seinem Körper und der Mensch kann nichts ordentliches mehr denken [...], wie viel tiefern Eindruck macht das als wenn wir es blos in der Bibel lesen: ,du erhältst dem Weisen seine Weisheit und dem Verständigen seinen Verstand!' (Dan 2,21) Wenn ein Mensch gesund und wol war, und auf Einmal wird seine Brust beklemmt; Sticken und Höllenangst befällt ihn, daß er nach Luft ächzt; ich dächte da durch dräng' es uns das Gefühl: ,Gott erhält den lebendigen Oden [!] in unserer Nase!'"

(vgl. Gen 2,7)

(applicatio auf die Davidsgeschichte: „Und ich dächte, das hätte sich bei David so recht entwickeln müssen [...]") „und so predigten es ihm ja alle seine Sinne, daß er alle Macht von Gott habe, daß durch Gott allein Könige regieren. (Prv 8,15) Nichts war natürlicher, [...] daß er demüthig sagte: ,Er mach' es mit mir, wie es Ihm gefällt.'" EKG 315,1

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Die Gen 2,7-Allusion greift tief in das Innere des Teils II hinein, nämlich bis zu der Stelle, an der Ewald zur Anwendung der angestellten Gedanken auf die Davidsgeschichte übergeht. Diese Rahmenbildung wird ergänzt durch eine weitere, zu deren Medium Ewald Prv 8,15 wählt, um den gesamten Teil in sich abzurunden und unter ein einheitliches Thema zu fassen: Nämlich unter das der conservatio nicht nur des menschlichen Lebens durch Gott, sondern auch des politischen Lebens. Kreatiirliches und politisches Leben stehen gleichermaßen unter der allmächtigen Vorsehung Gottes und unter seiner Leitung. Daß die Regenten ebenfalls unter der Providentia Dei stehen, bedeutet nun aber nicht, daß ihre Regentschaft eine hierdurch bereits als ewig und unanfechtbar qualifizierte wäre. Vielmehr sind die Könige und Ratsherren als Herren selbst Gott gegenüber Untertanen - Untertanen dessen, in dessen Kompetenz allein es liegt, die Herren zu stürzen und ihrer Regentschaft ein Ende zu setzen. Darum setzt Ewald hart neben die positive Aussage über die weltliche Obrigkeit von Prv 8,15 das Zitat aus 1S am 2,7 : „Er machet reich und arm; Er erniedrigt und erhöhet"620. Auch ist auffällig (und aus der Graphik zu ersehen), daß eben dieses Zitat verglichen mit den anderen derart häufig redundiert, daß es sich am tiefsten in das Gedächtnis der Hörer (und des Lesers) einprägt. Denn Ewald greift das Zitat im folgenden wieder auf, indem er es zweigeteilt in seine Gedanken einbaut und es dabei im Gebetsstile als Anrede an Gott in die 2. Pers. Sg. transponiert: „du machst arm, und du machst reich [...] Du erniedrigst und erhöhest"621. Hiermit ist ein wichtiger Hintergrund der Predigt geschaffen, auf dem die durch die Französische Revolution bedingten Umstürze biblisch beleuchtet werden und auf diese biblische Weise in das gesamte Gemälde von der sich konkretisierenden Vorsehung Gottes eingezeichnet werden. Doch bevor Ewald die konkreten Aktualisierungen der Botschaft von lSam 2,7 aufzeigt, schaltet er einen dialogischen Block von Gedanken ein, in dem er den Glauben mit den jeweiligen entgegenstehenden Zweifeln in ein Gespräch bringt. Ist die Predigt als ganze bereits durch und durch von diesem dialogischen Prinzip gekennzeichnet, da sie ja als ganze einen Dialog darstellt zwischen der Davidsgeschichte und den Umbrüchen in der zeitgenössischen Situation, so verlängert sich diese gesprächsartige Komposition bis in einzelne Textteile hinein. Der Zwischendialog läßt bereits erkennen, daß Ewald den biblischen Trost gerade darin sieht, daß hinter den revolutionären Umstürzen und den daraus erwachsenden Kriegen nicht ein „blindes Ohngefehr"622 zu entdecken ist, sondern das Handeln des treuen Gottes, der seine Macht auf diese Weise sub contrario um so stärker erkennbar und sinnenfällig macht. So wie Ewalds Pädagogik ihr vornehmliches Ziel darin hat, den Menschen in seiner Gesamtheit und Ganzheitlichkeit zu erfassen - nicht nur 620

Ebd.

621

Ebd., pl3.

622

Ebd., pl2f.

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seine ratio, sondern alle seine Sinne - , so wie Ewald deswegen in seiner Pädagogik alles auf eine biblische Anschaulichkeit ankommen läßt, so verfährt er auch hier als Prediger als Pädagoge, der um die Anschaulichkeit des Verkündigten bemüht ist. Denn Gott selbst ist es ja, der auf pädagogische Weise seine Macht und sein Wirken in die historische Konkretion und Anschaulichkeit entläßt und damit den Menschen sinnenfällig wird. Daher formuliert Ewald geradezu emphatisch und wiederum redundant: „Es muß ihm lebendig, anschaulich gemacht werden; es muß Eindruck auf seine Sinnlichkeit, auf sein ganzes Wesen machen"623. Ewald wählt dabei die historische Anschaulichkeit, um lSam 2,7 biblisch-anschaulich zur Aneignung gelangen zu lassen. Daher nennt Ewald zunächst vier casus, indem er vier parallele Konditionalsätze bildet, die durch viermalig vorangestelltes „wenn [...]" eine Anapher bilden. Insgesamt enthält der vorliegende Teiltext acht solche „wenn"-Sätze, deren Abfolge durch vier Bibelzitate unterbrochen wird. Die Häufung der Konditionalsätze nimmt linear ab (4 - 2 - 1 - 1 ) , wobei die Intensität des Höreindrucks, den die Bibelzitate haben, dadurch zunimmt. Dabei münden die „wenn"-Sätze ebenfalls in ähnlich strukturierte Hauptsätze: „[...] wie wahr fühlen wir's dann:" „[...] welche eindringende Predigt über den Text:" „[...] wie viel tiefern Eindruck macht das [...]" „[...] da dräng es uns das Gefühl [auf] :" Besonders die ersten beiden Blöcke von Konditional-Satzgefügen und die biblischen Zitate, in die sie hineinmünden, zeigen, daß Ewald bei aller Ablehnung jeglicher Revolution und Aufsässigkeit in den zeitgenössischen Geschehnissen doch Gottes Finger und seine Handlung erkennen kann. Hierzu ist aber der Weg der biblischen Vermittlung notwendig, denn diese offenbarende Qualität hat die Geschichte nicht schon an sich, sondern sie erwächst erst aus einer Betrachtung unter biblischem Blickwinkel: Von der Geschichte der Flucht Davids vor Absalom, vom Loblied der Hannah und von anderen biblischen Texten her. Auf diese biblische Weise kann die Französische Revolution als ein Merkzeichen verstanden werden, das auf Gottes allmächtiges Handeln hindeutet. So wird die Profangeschichte zum Spiegel der sich auf biblische Weise in die Gegenwart hinein verlängernden Heilsgeschichte. Wie in Teil I so wendet Ewald auch in Teil II seine Betrachtungen auf die Davidsgeschichte an, von der er immer schon herkommt. Der Aufruhr seines Sohnes Absalom ist es, der es David sinnenfällig werden läßt, „daß Gott ihm die Krone gegeben habe [...] daß Gott auch dieß über ihn verhengt habe"624. Und auf den Rahmenteil am Anfang zurückgreifend schließt die Predigt mit einem 623

Ebd., pl3.

624

Ebd., pl4.

306

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entsprechenden, rahmenden Ende, das noch einmal Prv 8,15 in Erinnerung ruft: „Und so predigten es ihm ja alle seine Sinne, daß er alle Macht von Gott habe, daß durch Gott allein Könige regieren"625. Gottes Erziehungsmethode ist es, den Menschen mit all seinen Sinnen zu erfassen. Den endgültigen Abschluß dieses Teils bildet ein Choralzitat aus dem Choral ,Ich hab mein Sach Gott heimgestellt' von Johann Leon (EKG 315,1). „Nichts war natürlicher, als daß er [seil. David; A.S.] [...] blos auf Gott blickte, daß er demüthig sagte: ,Er mach' es mit mir, wie es Ihm gefallt'"626. Die Betrachtung also der Vergänglichkeit irdischer Macht, irdischen Reichtums und revolutionärer Umstürze transponiert sich hier auf die Ebene der Sprache der Sterbenskunst, der ars moriendi, und wählt sich die Choral-Sprache. Gleichzeitig wird mit diesem Zitat der gesamte Choral zur Kommentarebene der Predigt, wenn z.B. die vierte Strophe in diesem Kontext auf einmal in die Revolutionszeit hineinspricht: ,Es hilft kein Reichtum, Geld noch Gut, kein Kunst noch Gunst noch stolzer Mut, für'η Tod kein Kraut gewachsen ist; mein frommer Christ, alles, was lebet, sterblich ist'. War Teil II von dem sich durchhaltenden vorsehungs-theologischen Gedanken getragen, daß alle Dinge, die geschehen, von Gott abhängen, so thematisiert Teil III nun aus der entgegengesetzten Richtung kommend die „Vergänglichkeit aller Erdendinge"627. Ganz analog zu Teil I wählt Ewald auch hier ein biblisches Strukturprinzip, wobei er sich noch stärker als in Teil I in der Auswahl von Bibelzitaten beschränkt, um ein einziges besonders einzuschärfen: IKor 7,31 (, [...] und die dieser Welt brauchen, daß sie derselbigen nicht mißbrauchen; denn das Wesen dieser Welt vergehet'). Mit der Nennung der „Vergänglichkeit aller Erdendinge"628 gewährt der Text bereits einen nominal gewandten Vorausblick auf die dreimal auftauchende verbialbiblische Nennung dieser Vergänglichkeit anhand von IKor 7,31. Im Stile einer Antithese setzt Ewald in einem ersten Gedankenblock das allgemeine Wissen der Menschen um den Sachverhalt, daß Reichtum und Stand keine unvergänglichen Güter sind, gegen die Tatsache ab, daß die Menschen sich mit der Zeit doch daran gewöhnt haben, daß es Standesunterschiede und gewisse Privilegien gibt. Die Gewöhnung ist schuld daran, daß die Botschaft von IKor 7,31 „nur Gedanke des Kopfs, selten aber Gefühl des Herzens [ist]"629. Der Gedankengang läßt sich graphisch folgendermaßen darstellen, wobei sich wiederum zeigt, wie klar Ewald seine Gedanken in eine streng durchgeführte Komposition entläßt und wie deutlich er immer wieder bemüht ist, biblisch zu predigen.

625 628

Ebd., pl5. Ebd.

626 629

Ebd. Ebd.

Ebd.

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Teil III I I I I ι ι ι ι ι ι ι ι ι ι ι ι ι ι ι I ι ι ι ι ι ι ι ι ι ι ι I

„Auch die Vergänglichkeit aller Erdendinge fühlt man ja wohl zu einer solchen Zeit lebendig genug. Zwar zweifelt auch daran kein Mensch. Niemand denkt im Ernst, daß der Reiche immer reich, der Vornehme immer vornehm, das Große immer groß bleiben, daß der Mensch ewig leben werde. Aber wenn denn doch ein gewisser Stand, eine gewisse Familie viele Jahrhunderte durch gewisse Vorzüge hatte; so ist es uns ungewöhnlich worden, auch hier an Vergänglichkeit zu denken, Weil man Könige und Fürsten so lange wie Wesen höherer Art angesehen hat; so wird's unserem Gefühl leicht so, als müssen sie immer so angesehen werden, Und sind wir selbst gar eine lange Zeit an gewisse Vorzüge gewöhnt: so ist es oft nur Gedanke des Kopfs, selten aber Gefühl des Herzens, daß auch dieses Wesen der Welt vergehe !

( 1 Kor 7,31)

Aber wenn sich Alles um uns her verändert f...] wenn der Reiche seine Reichthümer verliert, oder gar wir selbst: wenn die Vorzüge eines Staats nicht mehr gelten, ob sie gleich Jahrhunderte lang gegolten haben; wenn man Fürsten und Könige wie andere Menschen ansieht, ihre Fehler wie an andern Menschen, und wol noch schärfer als an andern Menschen tadelt; oder wenn der Blühend=Gesunde auf Einmal kränklich und elend, der Verständige, Scharfsinnige stumpf und dumm, der Geliebte, Vorgezogene zurückgesezt und gehaßt wird. Dann drükt sichs uns lebendig ein:

— P - ,Das Wesen dieser Welt vergeht! '

(IKor 7,31)

Es spricht aus unsern Herzen: Alles Irdische fährt dahin, wie ein Strom, und ist wie ein Schlaf. Gleich wie Gras das bald welk wird. Das frühe blühet und bald welkt, und des Abends abgehauen L wird und verdorret. Ps. 90.5[.]6" (Ps 90,5f) (applicatio auf die Davidsgeschichte: „Wenige konnten das wol so innig fühlen als David [...]") „Einem so reizbaren Herzen wie Seines (seil. Davids; A.S.) kann man's leicht zutraun, wie tief er es gefühlt hat, daß das Wesen dieser Welt vergeht." (IKor 7,31)

Kapitel II

308

Die Gewöhnung thematisiert Ewald, indem er Temporal-Adverbial-Bestimmungen wählt, die die Länge und Dauer dieser Gewöhnungszeit anschaulich machen: „[...] viele Jahrhunderte durch [...]", „[...] so lange [...]", „[...] gar eine lange Zeit [...]"630. Die drei parallel hierzu komponierten und abhängigen „so"-Sätze artikulieren den Sachverhalt der Gewöhnung, daß IKor 7,31 nur noch in kognitiver Hinsicht eine Möglichkeit darstellt, daß aber mit der Vergänglichkeit von Standesunterschieden und Privilegien nicht eigentlich gerechnet wird. Parallel zu Teil I setzt Ewald nun aber vier „wenn"-Sätze antithetisch gegen diese Rede von der Gewöhnung, indem er die mit der Aufklärung und der Revolution einhergehenden Veränderungen als Aktualisierungen des Inhaltes von IKor 7,31 zu verstehen lehrt. Dabei bezieht sich nur der letzte „wenn"-Satz nicht auf die Geschehnisse der Revolution. Der Verlust des Reichtums, die Abschaffung der Privilegien und die Durchsetzung des Menschenrechtes der voraussetzungslosen Gleichheit aller Menschen in rechtlicher Hinsicht sind Verlebendigungen von IKor 7,31. So aktualisiert sich die biblische Botschaft, und auch umgekehrt: Die biblische Verkündigung aktualisiert die aktuellen geschichtlichen Ereignisse dahingehend, daß die Veränderungen nun in tröstlicher Hinsicht betrachtet werden können, ja selbst zum Trostgrund werden, da sie nun auf dem tröstlichen Grund der Bibel gründen, von der her sie beleuchtet werden. Epexegetisch setzt Ewald neben den erneuten lebendigen Eindruck von IKor 7,31 („Dann driikit sichs uns lebendig ein: ,Das Wesen dieser Welt vergeht!'") die Herzensstimme, die Ps 90 betet: „Es spricht aus unsern Herzen: Alles Irdische fährt dahin, wie ein Strom, und ist wie ein Schlaf. Gleich wie Gras das bald welk wird. Das frühe blühet und bald welkt, und des Abends abgehauen wird und verdorret. Ps. 90,5[.]6"631. Wie in den beiden vorangegangenen Teilen wendet Ewald diese Gedanken nun wieder auf die Davidsgeschichte an („Wenige konnten das wol so innig fühlen als David"632), um analog zu Teil II auch den Teil III mit einer von IKor 7,31 gestifteten Rahmenbildung abzuschließen. Teil IV ist das am stärksten seelsorglich ausgerichtete Stück der vorliegenden Ewaldschen Predigt. Nach Reflexionen über die Vergänglichkeit aller Dinge und den Illustrationen dieser biblischen Meditation mithilfe der geschichtlichen Zeitläufte erhebt Ewald nun die Sehnsucht des Menschen nach dem Bleibenden und Ewigen angesichts der sonst überall herrschenden Vergänglichkeit. „Aber wie natürlich ist es dann, daß sich der Mensch nach etwas anders sehnt, was ihm nicht genommen werden kann [...] Der Mensch ist einmal zu etwas Bleibenden gemacht. Ewigkeit wohnt in seiner Brust"633. Nicht das Vergängliche soll der Mensch suchen, sondern die ihm in Ewigkeit 630 632

Ebd. Ebd.

631 633

Ebd., ρ 16. Ebd., pl7.

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bleibenden promissiones Dei, die Ewald in diesem Teil seiner Predigt breit aus- und anführt und die er nach Mt 6,19f die „Schätze" nennt, „die weder Motten noch Rost fressen, wornach auch die Diebe nicht graben, die ewig bleiben im Himmel"634. Schon in den bisherigen Teilen seiner Predigt hatte Ewald seelsorglich gepredigt, indem er die Umstürze und Veränderungen seiner Zeit als einen Anknüpfungspunkt verstehen lehrte, an den biblischer Trost anzuknüpfen sei. Gott wirkt gerade durch diese Veränderungen hindurch und zieht die Menschen über das Vergängliche hinweg zum Ewigen und Bleibenden. Doch war bisher nur von dem Menschen an sich und dem allgemein menschlichen ,man' die Rede. Jetzt dagegen wendet sich Ewald direkt an seine Hörer, indem er sie tröstlich und tröstend in der 2. Pers. Sg. anspricht. Bisher hatte Ewald als Prediger auf der Seite der Menschen stehend Gott in der 2. Pers. Sg. angesprochen und sich in der Gebetssprache geübt. Nun aber tritt er als Verkündiger des göttlichen Wortes an die Stelle Gottes und spricht den Menschen an, indem er ihn coram Deo und damit aus göttlicher Sicht ansieht. So bleibt Ewald Anwalt des Hörers vor Gott und Anwalt und Stellvertreter Gottes in dessen Predigtauftrag dem Menschen gegenüber. Nun tritt Ewald predigend dem Hörer gegenüber und spricht ad hominem und bringt so die poimenische Dynamik, die er im Verlauf der bisherigen Predigt aufgebaut hat, zur applicatio. Ähnlich wie in Teil II bringt Ewald die tentationes ins seelsorgliche Gespräch mit den biblischen Tröstungen, die jeweils auf die genannten Fälle bezogen sind. Und wieder ist dieser Teiltext der Predigt streng durchkomponiert und planmäßig angelegt, indem jeweils in einer konditionalen Protasis die Anfechtung genannt wird und im Nachsatz jeweils ein biblischer Trostspruch in die Anrede an den Angefochtenen hinein formuliert wird. Dieses dialogische Prinzip, das nun schon des öfteren in dieser Predigt aufgefallen ist, wird durchkreuzt von einem zweiten Dialog. Nicht nur der Prediger kommuniziert mit den verschiedenen Gewissensfällen, sondern aus diesem poimenischen Gespräch ergibt sich das Gespräch, in das der Angefochtene als Getrösteter mit Gott fällt: In ein Dankgebet, das sich nun den biblischen Trost nicht mehr nur sagen läßt, sondern selbst diese Sprache des Getrösteten aufgreift und sie in der Gebetsform nachspricht. Folgende Graphik veranschaulicht diese Komposition, nennt die biblischen Sprüche, die als Tröstung angeführt werden und die dogmatischen Topoi, die den Hintergrund der biblischen consolatio bilden:

634

Ebd., pl8.

310

Kapitel II

Auszug Teil IV ¿ 2 ξ Ι§ ··®

. casus conscientiae

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consolatio biblica

verbum

„Wenn du nun Alles zu verlieren furchten mußt, wenn du auf nichts mehr bauen kannst und du ließt die Bibel; wie offenbar wirst du es an deinem Herzen erfahren, ,daß Himmel und Erde vergehen kann, aber sein Wort (Mt 24,35) nicht! omniscien- und wenn man dir allen Trost raubt! der Trost bleibt dir: daß deitia Dei (Mt 10,30) ne Haare alle gezählt sind, und daß denen die Gott lieben, alle Dinge zum Besten (Rom 8,28) dienen. oratio

praedestinatio

adoptio filiorum

Und wenn man dir alle Hülfsmittel genomdas Gebet kann man dir nicht men hätte; nehmen, das so viel vermag (Jak 5,16) wenn es ernstlich ist! Wenn man auch deinen Namen aus dem Buche der Vornehmen, der Adlichen, der Bürger auslöschte; das bleibt dir, daß dein Name (Lk 10,20) im Himmel angeschrieben (Hebr 12,23) ist. Und wenn dir deine Erbschaft, dein Vermögen genommen ward, und du Verstössen wurdest von deiner Familie, aus deinem Vaterland: das nimmt dir Niemand, daß du Kind und Erbe Gottes und (Rom 8,17) Miterbe Jesus Christus bist. Und wenn der Mensch nun recht gelernt hat, daß ihm das gerade durch den Verlust ward; wenn er fühlt, es sey ihm so wol, als es ihm kaum sonst war: dann ist's natürlich, zu sagen: responsorium: gratiarum actio ,Ich danke dir daß du mich gedemüthigthast, da du mich demüthigtest, machtest du (Ps 118,21; Hi 22,29) mich gros!'

Ewald und die Erleuchtung der Aufklärung

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mors et Und wenn du klar einsiehst, du habest das resurrectio Alles dem gestorbenen und auferstandenen Christi Jesus zu danken: dann quillt dies ja wol aus dem Herzen: Ich danke dir Gott daß du mich wiedergeboren hast zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Je(lPetr 1,3) sus von den Todten."

Zunächst weist Ewald auf den einen Grund hin, auf den aller Trost sich gründet: nämlich auf das biblische verbum, das bis in alle Ewigkeit bleibt (Mt 24,35). Hiermit ist der Boden geschaffen, auf dem die gesamte dialogische Tröstung ruht, die nun folgt. Betrachtet man die Trostsprüche näher, fällt auf, daß es sich größtenteils um Kernstellen handelt, mehr noch: Die meisten sind aus der reformatorischen Trost- und Seelsorge-Literatur bekannt. Das zweite Zitat der Reihe, nämlich Mt 10,30, hatte Ewald bereits im Exordium seiner Predigt strukturell vorbereitet und greift es hier nun wieder auf. Leonhard Hutters dogmatisches Kompendium, das als ganzes eine stark seelsorgliche Ausrichtung besitzt, was nicht zuletzt die Vorrede erkennen läßt635, nennt unter der Überschrift „De CRUCE ET CONSOLATIONIBUS"636 Mt 10,29f als ersten Trost der Schrift gegen die Anfechtung. „Quinqué potissimum consolationum argumenta ex Scripturis peti possunt. Primum est, bona Dei voluntas: Non enim casu aut fortuito, sed Deo sic ordinante affligimur, Matth. 10, 29. & 30. Non unus passerculus cadit super terram sine patris vestii volúntate: omnes autem capilli capitis vestri sunt numerati: Ne igitur timeatis, multis passeribus meliores estis"637. Zwar bildet die Frage nach den Anfech635

Die katechetisch ausgerichtete Beschäftigung mit der Dogmatik ist nach Hutter Teil sowohl einer ars vivendi als einer ars moriendi: „Wer hie auff Erden recht und wol leben / und einmahl seliglich aus dieser Welt abscheiden wolle / müsse vor allen dingen auß H. Göttlicher Schrifft / rechte Erkäntniß Gottes / und seines heiligen Willens / wol gestudiret und gelernet haben" (Hutter, Compendium, pXI). Insofern muß Hutter hier als Nachfolger Luthers gelten, der ebenfalls gefordert hat, daß ein jeglicher Christenmensch unterrichtet sein muß, damit er Rechenschaft über seinen Glauben ablegen kann, wenn es zum Sterben kommt. „WJr seindt allesampt zu(o) dem tod gefodert / vnd wirt keyner für den andern sterben [...] In die oren künden wir woll schreyen. Aber ein yeglicher mu(o)ß für sich selber geschickt sein in d(er) zeyt des todts [...] Hierjnn so muß ein yederman selber die hauptstück so einen Christen belange(n) / wol wissen vnd gerüst sein" (Invokavitpredigten, StA 2, p530). 636 Hutter, p334. 637 Ebd., p337f. Einen Artikel „De calamitatibus et de cruce et de veris consolationibus" kennen auch die Loci praecipui theologici (1559) von Philipp Melanchthon, p622650. Zur Verwendung etwa von Mt 10,29 vgl. p634.

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Kapitel II

tungen z.B. bei Johann Gerhard und bei Hollaz keinen eigenen locus, findet sich aber als solcher z.B. bei dem großen dänischen lutherisch-orthodoxen Theologen Caspar Erasmus Brochmand. Unter der Überschrift „DE CRUCE, AFFLICTIONIBUS, TENTATIONIBUS, ET PECCATI POENIS"638 nennt er mannigfaltige Trostsprüche, zu denen u.a. auch wiederum der Kernspruch Mt 10,29f gehört: „Hinc autem quomodo se solari debeant pii, argumento sumpto jam a provida Dei cura, jam a Dei omnipotentia [...] Matth. 10. V.29.30. Nolite timere. Capilli enim vestri numerati sunt, nec unus ex iis decidit sine patris vestri qui in coelis est [...] volúntate"639. Nicht zufällig ist auch, daß Ewald die beiden Zitate aus Mt 10,30 und Rom 8,28 miteinander verbindet. Denn Rom 8,28 stellt nach Hutter den zweiten biblischen Trostgrund dar. „Quod est alteram [seil, consolationum argumentum ex Scripturis; A.S.]? Alterum est, finis bonus calamitatum: Rom. 8,28. Seimus, quod diligentibus Deum, omnia cooperentur in bonum"640. Die Zitate, die Ewald hier zusammenbindet, stellen bereits in der Tradition ein Hendiadyoin dar. Der konkrete Zeitbezug wird im vierten und fünften genannten Anfechtungs-Fall am deutlichsten. In scharfe Antithese zueinander treten hier das „Buch der Vornehmen" und das Buch des Lebens, in das der Glaubende eingeschrieben ist und aus dem er durch keine Revolution gestrichen werden kann. In eine ähnliche Antithese stellt die Predigt die irdische „Erbschaft" und die Erbschaft, die dem Menschen von Gott verheißen ist, nämlich die Kindschaft (Rom 8,17). Der fünffache Trost durch das biblisch-göttliche verbum, durch die omniscientia Dei und die Verheißung Gottes, Gebete zu erhören, durch die Verheißungen der unverrückbaren göttlichen praedestinatio und der Gotteskindschaft hat sein Fundament in Christus, der gestorben ist um der Menschen willen und auferstanden ist von den Toten. Daher schließt Ewald das als Predigt gefaßte Seelsorge-Gespräch ab, indem er seinen Hörern ein Gebet in den Mund legt, das von IPetr 1,3 her bestimmt ist: „Und wenn du klar einsiehst, du habest das Alles dem gestorbenen und auferstandenen Jesus zu danken: dann quillt dies ja wol aus dem Herzen: Ich danke dir Gott daß du mich wiedergeboren hast zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesus von den Todten"641. Ähnlich wie dies oben in Ewalds Ausführungen zur tentatio und zur claritas der Schrift zu beobachten war, zeigt sich auch hier, daß Ewalds seelsorgliche Theologie ganz um die Christologie zentriert ist. Dennoch ergibt sich hier kein aufdringlicher Christozentrismus, sondern vielmehr eine Christologie, die auch in der Geschichte sub contrario Spuren des Christus-Geschehens erkennen kann. Ewald betreibt hier also keine natürliche Theologie im schlechten Sinne, sondern kann die biblisch beleuch638 639 641

Brochmand, C.E., torn. II, p4074. 640 Ebd., p4081f. Hutter, p338. Ewald, Gesinnungen und Trostgründe, p20.

Ewald und die Erleuchtung der Aufklärung

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tete Geschichte als Hinführung zu Christus fassen. Eine remoto Christo betriebene Geschichts-Theologie kennt Ewald nicht. Die Geschichte an sich hat noch keine offenbarende Qualität, wenn in ihr nicht das biblische Wort hörbar, anschaulich und handgreiflich wird. Wie in allen Teilen der Predigt wendet Ewald auch jetzt das Gesagte auf die Davidsgeschichte an („Und gewiß hat sich dieser Sinn auch in David entwickelt"642) und schließt diese applicatio wiederum mit einem Psalm-Zitat ab: „Aber es war Warheit in David: ,Wenn ich nur dich habe, so frag' ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch meines Herzens Trost und mein Theil! "l643. Jedoch schwingt sich Ewald nicht zum Richter über die Menschen auf, die von den Umstürzen der Revolution betroffen sind und getroffen wurden. Er setzt sich nicht an die Stelle des göttlichen Richters, indem er gesetzlich und moralistisch Verurteilungen ausspräche oder die gerechte Strafe für gekommen hielte. Vielmehr sind die Ereignisse der Revolution wiederum in ihrer Zeichenhaftigkeit wahrzunehmen. Und in diesem Sinne werden sie in Ewalds Predigt zum Bußruf und zum Anlaß eines Sündenbekenntnisses. Geleitet von dem urtypischen, biblischen Sündenbekenntnis (,ich bin nicht besser als meine Väter'; lKön 19,4) wird nun die confessio laut: „Wir sind doch wohl nicht Alle besser als jene Alle die Freiheit und Eigenthum verloren in Gefängnissen schmachten, oder wol unter den Mordmessern fühlen mußten"644. Und ausgehend von der nun konkreten Nennung der Hinrichtung Ludwigs XVI. am 21.1.1793 ruft Ewald zur Selbstprüfung auf. Ein jeder solle sich selbst prüfen, wo und wann er gegen die Menschenrechte verstoßen habe. „Gewiß hat mancher Große in seinem Kreise mehr gedrückt, als der unglückliche König und Er hat jezt seinen Kopf hergeben müssen wie der größte Missethäter unter uns. Vielleicht hat sich Mancher unter uns eben so sehr an Freiheit und Eigenthum Anderer vergriffen, als die, die auf die schrecklichste Art ihr Leben verlohren haben. Vielleicht ist Geist der Wiedersezlichkeit, des Unglaubens, der Härte, der Unmenschlichkeit in Vielen unter uns eben so gut, als er in Jenen ist, die keinen Augenblick ihres Lebens sicher sind. Lasset uns in uns hineinblicken, uns erforschen, aus den Früchten den Baum kennen lernen [seil. Mt 12,33; A.S.], lasset uns ändern unsern Sinn, damit uns nicht etwas Aergers wiederfahre [seil. Joh 5,14; A.S.]"645. Die schwerste Sünde, nämlich der Unglaube, hat nach Ewald ihre Geschwister in den Vergehungen nicht zuletzt auch gegen den Katalog der Menschenrechte. Hier fließen biblische Hamartiologie und zeitgemäß-aufgeklärte Ethik ineinander, bilden eine neue Einheit. Und noch einmal bedient sich Ewald des Stilmittels der Antithese, indem er sechs Aussagen hart neben einander stellt, wobei er den Höreindruck 642 644

Ebd. Ebd.

643 645

Ebd., p21. Ebd., p21f.

Kapitel II

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der Antithese dadurch noch verschärft, daß er ein adversatives ,aber' jeweils nicht gebraucht. ,JLudewig war der unumschränkteste König; und Er mußte bitten um ein Buch, um ein anders Bedürfniß, das jeder Mittelmann in seinem Reiche hat. Ihn umgab ein glänzender Hof, und Alles beeiferte sich, ihm Freude zu schaffen; und schon lange hatt' er keinen Menschen, mit dem er reden konnte, der frei reden durfte mit ihm. Das Leben von Tausenden hing von seinem Wink ab; und er mußte sein Leben verlieren durch Henkers Hand"646. Das, was Ewald zunächst hauptsächlich biblisch chiffriert zur politischen Situation in Frankreich gesagt hatte, indem er z.B. lSam 2,7 als Brechung benutzte (,der Herr macht arm und machet reich; er niedriget, und erhöhet'), wird nun aufgedeckt und die Chiffre somit aufgeklärt. Aufgeklärt wird sie jedoch nicht, ohne gleich wieder biblisch eingekleidet zu werden in die Sprache des Buches Hiob: „Welches lautsprechende Beispiel, daß alle menschliche Herrlichkeit aufgehet wie eine Blume und abfällt, fliehet wie ein Schatten und bleibt nicht! [seil. Hi 14,2; A.S.]"647. So wie Ewald viele positive biblische Exempelgeschichten kennt und anzuführen weiß, so gibt es auch negative Exempel in der Bibel, aber auch in der Geschichte: negative Beispiele in der Profangeschichte, die auf einen positiven Sachverhalt der Heilsgeschichte umso stärker hindeuten. Ludwig XVI. ist ein solches „lautsprechendes Beispiel"648 in der Profangeschichte und David, der Ehebrecher, in der Bibel. Deswegen schließt Ewald seine Predigt mit dem Ruf aus Kol 3,2 ab: „O lasset uns unser Herz nicht hängen an die Erdenfreuden, der Erdenehre, den Erdengenuß, der uns so leicht und so bald genommen werden kann; - Lasset uns trachten nach dem was droben ist, und nicht nach dem was hier unten auf Erden ist!"649. Das ist der Offenbarungsinhalt von Bibel und Geschichte. Doch kann Ewald diesen Gedanken nicht stehen lassen, ohne ihn zu korrigieren: Die Geschichte kann nur die Vergänglichkeit ihrer selbst und aller irdischen Dinge offenbaren, von der Ewigkeit dessen, was droben ist, vergewissert einen nur die Bibel. Deswegen stellt Ewald zwar das Buch der Geschichte und das Bibelbuch nebeneinander, nicht ohne aber die Beschränktheit des Inhaltes des Buches der Geschichte gleich mit zu benennen. „Etwas Unvergängliches, Ewiges will unser Herz — und jede Zeitung die kömmt, sagt's uns auf eine neuerschütternde Art: ,das Sichtbare ist zeitlich; ' und die Bibel sagt es uns auf jedem Blat: ,das Unsichtbare ist ewig!' Lasset uns dann nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare; aber weil das Sichtbare zeitlich, das Unsichtbare aber ewig ist. Amen"650. Anders gewandt: Die Zeitung predigt das Gesetz, aber in seiner positiven Bestimmung, auf das Evangelium vorzubereiten. Als Pädagoge. 646 649

Ebd., p22. Ebd., p23.

647 650

Ebd. Ebd.

648

Ebd.

KAPITEL III

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung

1. Ewald als Apologet des antijudaistisch angefeindeten Judentums im Kontext der sog. Juden-Emanzipation In seiner letzten Lebensphase, in der zweiten Hälfte seiner Karlsruher Zeit ( 1 8 1 6 - 1 8 2 1 ) , ist Ewald durch die im Zuge der v o m Wiener Kongreß ausgehenden politischen Reaktion, die eine sehr breite antijudaistische Schriftstellerei aus sich heraussetzte, zum Apologeten des Judentums geworden. Obgleich es zum Thema der sog. Judenemanzipation eine sehr breite wissenschaftliche Diskussion gibt, ist die Ewaldsche Position und Rolle in diesem Streit noch nicht herausgearbeitet worden. Entweder wird Ewald überhaupt nicht genannt 1 , oder Ewalds Verteidigung des Judentums wird nur unzureichend umrissen. S o kennen z.B. die Standardwerke von Dubnow und Graetz 2 , aber auch die neueren Darstellungen zur jüdischen Geschichte der fraglichen Zeit 3 nicht einmal alle in der Juden-Sache von Ewald verfaßten Schriften und dringen in keiner Weise in seine originäre Argumentation ein. In den meisten Werken entsteht der unzutreffende Eindruck, als habe Ewald 1

Weder bei Battenberg, F., noch bei Elbogen, I., Sterling, E., Poliakov, L., Bd. 5, wird Ewald überhaupt genannt. Insgesamt ist zumindest die Tendenz festzustellen, daß man an den antijudaistischen Äußerungen mehr Interesse zeigt als an denjenigen, die die Juden in Schutz genommen haben. So entsteht bei Kampmann, W., pl54ff der unzutreffende und unhistorische Eindruck, als hätten die Judengegner Riihs und Fries nur durch den Exegeten Paulus Widerstand erfahren. Ebensowenig geht aus der Arbeit von Adler, H.G., p56ff hervor, daß Rühs ( - Fries wird nur kurz genannt - ) in einer Kontroverse mit Ewald stand. 2 Dubnow, S., Bd. 9, pl9, nennt nur unvollständig und ungenau zwei der vier von Ewald in der Judensache verfaßten Schriften und geht auf ihn ohnehin nur sehr beiläufig ein. Graetz, H., Bd. 11, Leipzig 21900 (1870) kennt Ewald auch nicht viel besser. Auch bei ihm fehlt diesbezüglich eine gründliche Quellenkenntnis (vgl. p324). 3 So wird Ewald z.B. bei Brammer, A.H., wieder nur im Vorbeigehen erwähnt, und es bleibt bei einem bloßen Verweis; eine Sachdiskussion fehlt. Sterling, E.O., nennt bloß Ewalds Namen und nicht einmal seine Schriften, meint aber, unter der Überschrift „Apology for the Jews" (pi 17) sagen zu können: „The strong voices of hate were countered by weak and apologetic defenders of the Jews" (ebd.). Nicht viel aufschlußreicher ist auch das Buch von Rosenthal, B., obwohl Ewalds Tätigkeit als Apologet der Juden in seine Karlsruher Zeit fallt.

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Kapitel III

gegen die Vorwürfe der Judengegner lediglich an der aufgeklärt-projüdischen Haltung eines Christian Konrad Wilhelm von Dohm festgehalten und hauptsächlich von der Einsicht in die Gleichheit der Rechte aller Menschen und der Religionsfreiheit her argumentiert. Daß es ein theologisches Proprium in Ewalds Verteidigung der Juden geben könnte, ist bisher nicht einmal vermutet worden. Es gilt also, diese schwerwiegende Lücke in der Geschichtsschreibung i.b. auf das Judentum in der Neuzeit durch eine Untersuchung der Quellen, die Ewalds Werk bietet, und des Kontextes, in den er hineinspricht, zu füllen. Zu den dunkelsten Kapiteln der Geschichte der Judenemanzipation gehört die Zeit der nach dem Ende der napoleonischen Vorherrschaft in Deutschland beginnenden Reaktion, die sich als zunächst literarische Fehde gegen das Judentum äußerte, um schließlich in die sog. Hep-Hep-Bewegung zu münden4. Die Bemühungen um die bürgerliche Gleichstellung der Juden, angefangen bei der aufgeklärt-liberalen Gesetzgebung Josephs II. und dem epochemachenden Buch von von Dohm „Ueber die bürgerliche Verbesserung der Juden"5, wurden nun in einer anti-französisch und anti-jüdisch in gleichem Maße aufgeheizten Stimmung zunichte gemacht6. Die Zeit des jüdisch-christlich gemeinsamen Kampfes gegen die Unterdrückung der Juden - kein geringerer als Moses Mendelssohn hatte den Anstoß für die Abfassung des von Dohmschen Buches gegeben7 - war nun zu Ende. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, daß die in den Jahren 1781— 1812 erreichte Verbesserung der rechtlichen Lage der Juden selbst schon eine gewisse Schwäche in sich trug, die der mit Vehemenz sich äußernden Reaktion zu wenig entgegenzusetzen hatte. Das „Edikt, betreffend die bürgerlichen Verhältnisse der Juden in dem Preußischen Staate. Vom 11. März 1812"8 z.B. hatte zwar dem liberalen Geist seines Mitverfassers Karl August von Hardenberg gemäß festgesetzt, daß die Juden „gleiche bürgerliche Rechte und Freiheiten mit den Christen genießen" und daß sie „akademische Lehr= und Schul= auch Gemeinde=Aemter, zu welchen sie sich geschickt gemacht haben, verwalten"9 dürfen. Dennoch nahm das Edikt selbst die bereits von 4

Zur Hep-Hep-Bewegung vgl. die genannten Standardwerke und Sterling sowie Rohrbacher, S. und Katz, J., The Hep Hep Riots. 5 Zur Bedeutung von Dohms innerhalb der Geschichte der Emanzipation vgl. neben den Standardwerken: Riirup, R. sowie Katz, J., Aus dem Ghetto, und Brandt, H.-H. 6 Vgl. Seebaß, G . , p l l f . 7 Vgl. Albrecht, M„ pl40-148 und Dambacher, I. 8 Die Aktenstücke die preußische Judenemanzipation betreffend sind gesammelt bei: Heinemann, J. Das genannte Edikt findet sich pl-5. Zur Geschichte und Entstehung dieses Ediktes vgl. die minutiöse Arbeit von Freund, I., die im zweiten Band eine Fülle von Quellenmaterial bietet. 9 Heinemann, p2.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 317 von Dohm geforderte Einschränkung in seinen Text auf, daß Juden zu höheren Staatsämtern zunächst nicht zugelassen werden sollten. Daher wurde ein diesbezüglicher Vorbehalt formuliert: „In wie fern die Juden zu andern öffentlichen Bedienungen und Staats=Aemtern zugelassen werden können, behalten Wir Uns vor, in der Folge der Zeit, gesetzlich zu bestimmen"10. Zu beachten bleibt obendrein, daß die bürgerliche Verbesserung nur den „in Unsern Staaten jezt wohnhaften, mit General=Privilegien, Naturalisations=Patenten, Schutzbriefen und Konzessionen versehenen Juden"11 zugute kam12. Zwar waren durch diese und ähnliche Bestimmungen in anderen Ländern viele Juden nun nicht mehr „Schutzjuden"13, sondern Bürger geworden. Dennoch ist im allgemeinen die Tendenz zu beobachten, daß die betreffenden Edikte durch Vorbehalte und v.a. durch eine Flut von Ausführungsbestimmungen teilweise wieder zurückgenommen wurden. Insgesamt herrschte die Meinung, den Juden könne die völlige Gleichberechtigung nur Stück für Stück zuwachsen, da sie diese erst noch durch ihre moralisch-sittliche Verbesserung zu erwerben hätten. In den meisten Ländern wurde die Forderung erhoben, „die Juden hätten sich zu Ehre und Sittlichkeit emporzuläutern, wenn sie als vollwertige Staatsbürger anerkannt werden wollten"14. Diese merkwürdige Synthese von Fortschrittlichkeit bei gleichzeitiger Unentschiedenheit kennzeichnet auch das noch vor dem preußischen ergangene badische Edikt vom 13.1.1809, das ebenfalls die moralische Vervollkommnung der Juden, die sie erst noch von den Christen als Vorbildern zu erlernen hätten, als einen General-Vorbehalt geltend macht. „Diese Rechtsgleichheit kann jedoch nur alsdann in ihre volle Wirkung treten, wenn sie [seil, die Juden; A.S.] in politischer und sittlicher Bildung ihnen [seil, den Christen; A.S.] gleichzukommen allgemein bemüht sind "15. Eine weitere Schwierigkeit bestand darin, daß man zwar bestrebt war, das Grund- und Menschenrecht der Religionsfreiheit zum Durchbruch zu bringen, daß aber die meisten Befürworter dieser aufgeklärten Position teils insgeheim, teils recht offen ihre Überzeugung äußerten, daß die bürgerliche Gleichstellung der Juden über kurz oder lang auch eine Eingliederung der Juden in das Christentum zur Folge haben werde. Besonders von Dohm, aber auch Diez waren der Meinung, daß die Juden nur solange Anlaß haben könnten, an ihren dunklen und unvernünftig-archaischen Zeremonien, Schriften und Bräuchen festzuhalten, als sie durch äußeren Druck dazu genötigt 10 12 13 14 15

11 Ebd. Ebd., pl. Vgl. Schoeps, J.H., p91. Vgl. Battenberg, F., Art. Schutzjuden, in: HRG, Bd. 4, Sp. 1535-1541. Schoeps, p93. Vgl. auch Katz, J., Die Entstehung. Heinemann, p476.

318

Kapitel III

werden. Übersehen werden darf jedoch auch nicht, daß selbst jüdische Vorkämpfer der Emanzipation wie Moses Mendelssohn und David Friedländer von einer gewissen „Accommodationsfähigkeit der Juden an den christlichen Staat"16 überzeugt waren, wenn sie auch einen völligen Bruch mit ihrer jüdischen Tradition für in keiner Weise wünschenswert hielten. Wenn Johann Caspar Lavater sich öffentlich an Moses Mendelssohn wendet, um ihn zur Konversion zum Christentum aufzufordern, so läßt Lavater hier im Grunde nur das laut werden17, was die meisten in der Judenemanzipation tätig gewordenen Christen zumindest insgeheim dachten: Daß nämlich der Weg aus dem Ghetto die Juden irgendwann auch konsequenterweise an den Taufstein führen würde, und daß die Emanzipation letztenendes in die Verschmelzung des Judentums mit dem Christentum münden würde18. Bei allen Unterschieden zwischen den Vertretern der aufgeklärt-emanzipatorischen Judenpolitik und den nach den Befreiungskriegen auftretenden Reaktionären muß festgehalten werden, daß zumindest in diesem Punkt eine gewisse Affinität zwischen beiden Lagern bestand. Mit dem Abschütteln der napoleonischen Fremdherrschaft erwachte das deutsche Nationalbewußtsein, das mit einem Mal Front machte gegen alles Französische nicht nur, sondern überhaupt gegen alles Fremde. Da Napoleon für eine konsequente Emanzipation im Königreich Westfalen, das er selbst geschaffen hatte, und z.B. auch in Frankfurt a.M. gesorgt hatte, mußte nun im Jahre 1814 nach den Befreiungskriegen die gesamte Begünstigung der Juden als französisch-verwerflich und deren Abschaffung als ein urdeutsches Unterfangen gelten. Im Gegenzug zu der der christlichen Religion nicht gerade positiv gesonnenen französischen Revolution entstand nun mitunter das Ideal des monarchisch verfaßten, christlich durchdrungenen Staates der Koalition von Thron und Altar, der nur den Christen, nicht aber den Juden Vorteile und Rechtsschutz zu bieten habe19. Als eine unvermeidliche Konsequenz des Sieges über die französische Fremdherrschaft mußte daher der erfolgreiche Kampf gegen den noch gebliebenen französischen Ungeist der Judenemanzipation erscheinen. Programmatisch, aber gut getarnt gewann dieser antijudaistische Geist Gestalt in der auf dem Wiener Kongreß ausgearbeiteten Bundesakte. Gut getarnt war er insofern, als er sich in der Abänderung nur einer Partikel verbarg. Zunächst wurde 16

Reuß, F., p39. Vgl. zu diesem Vorgang: Mendelssohn, M., Schreiben an den Herrn Diaconus Lavater zu Zürich, in dem Mendelssohn auf die Aufforderung Lavaters reagiert, sich angesichts des bevorstehenden tausendjährigen Reiches taufen zu lassen. Lavaters Reaktion ist seinem Büchlein .Antwort an den Herrn Moses Mendelssohn zu Berlin' zu entnehmen. Vgl. auch Albrecht, ρ 102-111. 18 Vgl. Rengstorf, K.H., p28f. 19 Vgl. Dubnow, Bd. 9, p l l f f . 17

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 319 folgende Formel vorgeschlagen: „Die Bundesversammlung wird in Berathung ziehen, wie auf eine möglichst übereinstimmende Weise die bürgerliche Verbesserung der Bekenner des jüdischen Glaubens in Deutschland zu bewirken sey, und wie insonderheit denselben der Genuß der bürgerlichen Rechte, gegen die Übernahme aller Bürgerpflichten in den Bundesstaaten werde gesichert werden können; jedoch werden den Bekennern dieses Glaubens bis dahin, die denselben in den einzelnen Bundesstaaten eingeräumten Rechte erhalten"20. Schon dieses Ergebnis wäre für die Juden enttäuschend gewesen, die dem Wiener Kongreß hohe Erwartungen entgegengebracht hatten. Im Grunde wurde die ganze Frage zur Regelung durch die Bundesversammlung nach Frankfurt überwiesen. Dabei bestand der einzige hoffnungsvolle Trost darin, daß die Juden sicher sein konnten, daß der nicht zuletzt auch durch Napoleon erreichte Status quo erhalten bleiben sollte, bis die Bundesversammlung die gesamte Frage neu aufgreifen würde. Aber es kam anders. Denn die endgültige Fassung des Artikels 16 der Bundesakte sprach nicht mehr von einer Zusicherung der den Juden „in den einzelnen Bundesstaaten"21, sondern lediglich von der Garantie der den Juden „von den einzelnen Bundesstaaten bereits eingeräumten Rechten"22. „Dadurch gewann man die Möglichkeit, den Artikel in dem Sinne auszulegen, daß den Juden ausschließlich die ihnen ,νοη' den einzelnen Bundesstaaten, d.h. von deren legitimen Herrschern, eingeräumten Rechte gewährleistet seien, nicht aber diejenigen, die sie ,in' dem einen oder anderen Staat einer provisorischen oder gar fremden Regierung zu verdanken hatten"23. Auf diese Weise waren nur noch die oben genannten Edikte Badens und Preußens eine den Juden zugesicherte Rechtsgrundlage. In genau diese Zeit der Reaktion und Restauration zwischen dem Sieg über Frankreich 1814 und der pogromartigen Hep-Hep-Bewegung des Jahres 1819, sowie in deren Folgezeit fällt die Auseinandersetzung des nun schon alten Ewald mit dem Berliner Historiker Friedrich Rühs und dem zu dieser Zeit zunächst in Heidelberg als Professor der Philosophie und Physik tätigen, 1816 wieder nach Jena berufenen Jakob Friedrich Fries. Dabei war Ewald keinesfalls der einzige, der als Verteidiger der Juden auftrat, sondern hatte Vorläufer und Mitstreiter, etwa den Fürstlich-Thurn und Taxisschen Rat und Bibliothekar August Krämer24 in Regensburg, der jedoch an Ewalds theologi20 21 22

Zit. nach Baron, S„ pl64. Ebd. Ebd., pl70. Vgl. hierzu kritisch: Paulus, H.E.G., (Hg.), Beiträge, hierin: Vorwort,

pIXf. 23

Dubnow, Bd. 9, pl5. Vgl. Krämer, Α., Die Juden. Krämer kennt Ewalds erste Juden-Schrift noch nicht: „Herr Kirchenrath Ewald zu Carlsruhe hat auch ein Werk über die bürgerliche Verbesserung der Juden angekündiget, welches aber, so viel ich weiß, noch nicht erschienen ist. 24

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sehe Reflexionskraft weder heranreichen konnte noch wollte. Von jüdischer Seite griff z.B. David Friedländer zur Feder, um in seinem ,Beitrag zur Geschichte der Verfolgung der Juden im 19ten Jahrhundert durch Schriftsteller' sein Volk vor dem sich verbreitenden reaktionären Antijudaismus in Schutz zu nehmen. Auch Heinrich Eberhard Gottlob Paulus - vom politischen Liberalismus in Baden geprägt - versuchte, sich judenfreundlich zu zeigen. Doch bei aller Mühe stand ihm doch sein theologischer Rationalismus derart im Weg, daß das ursprünglich gut Gemeinte ihm zum ungewollten Antijudaismus geriet. Denn Paulus konnte aufgrund seiner theologischen Prädispositionen weder an den jüdischen Zeremonien, noch am Talmudismus Gefallen finden25 und behauptete gar, weder das eine noch das andere habe überhaupt einen Grund im AT. Die apologetisch-schriftstellerische Tätigkeit Ewalds für die Juden hat vier Phasen: Zunächst antwortet Ewald mit seiner Schrift „Ideen, über die nöthige Organisation der Israeliten in Christlichen Staaten" im Jahr 1816 auf den erstmals 1815 in einer Zeitschrift erschienenen und 1816 als Broschur gedruckten Beitrag von Rühs „Ueber die Ansprüche der Juden an das deutsche Bürgerrecht". Die genannte Gegenschrift Ewalds bezieht sich jedoch auch auf die Schrift von Fries „Ueber die Gefährdung des Wohlstandes und Charakters der Deutschen durch die Juden", die eine Rezension der zitierten Schrift von Rühs darstellt. Die zweite Phase des Eintretens Ewalds für die Juden, in der sich seine theologische Kritik zu systematischer Konsequenz verdichtet, liegt im Jahre 1817, in dem Ewald wiederum eine Gegenschrift gegen Rühs mit dem Titel „Der Geist des Christenthums und des ächten deutschen Volksthums, dargestellt, gegen die Feinde der Israeliten. Bemerkungen gegen eine Schrift des Hrn. Prof. Rühs in Berlin" verfaßt. Diese Schrift nimmt Bezug auf die Gegenschrift, die Rühs als Antwort auf Ewalds erste Gegenschrift verfaßt hatte und den Titel trägt „Die Rechte des Christenthums und des deutschen Volks. Vertheidigt gegen die Ansprüche der Juden und ihrer Verfechter". In einer dritten Phase sieht sich Ewald im Jahre 1820 nach den Hep-Hep-

Von einem so würdigen Manne läßt sich gewiß nur etwas Treffliches erwarten" (pVI). Krämer bietet eine instruktive Bibliographie der in der von ihm verhandelten Sache erschienenen Schriften (pVf), konnte jedoch anscheinend auf die im selben Jahr gedruckten Schriften von Rühs und Fries noch nicht reagieren. 25 Vgl. Paulus, (Hg.), Beiträge, hierin: Vorwort, pXVf: „Der Geist oder Ungeist der meisten unter den teutschen Rabinern ist immer noch für eben die pharisäische Knechtschaft unzähliger Ceremonien und kleinlichster Vorschriften, welche schon Jesus [...] bekämpfte [...] Ein solches Uebel weicht nicht von selbst", weswegen Paulus die „Austilgung desselben" zur Bedingung der „Gleichstellung mit den übrigen Staatsbürgern" erhoben wissen will. Die bürgerliche Gleichstellung sei nur denjenigen Juden zu gewähren, die diese Bedingung erfüllen (vgl. ebd., pXVII-XIX).

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 321 Pogromen aufgrund eines Zeitungsartikels zur Abfassung einer Schrift genötigt mit dem Titel „Einige Fragen und noch mehr unläugbare Wahrheiten, Juden= und Menschennatur, Juden= und Menschenbildung betreffend", und ein Jahr vor seinem Tode begibt sich Ewald in einer vierten Phase in einen Disput mit dem großherzoglich-badischen Staatsminister Ernst Philipp Freiherr von Sensburg, indem er seine Schrift „Beantwortung der Fragen: Was sollten die Juden jetzt, und Was sollte der Staat für sie thun?" in den Druck gibt. Mit aller Deutlichkeit hat Ewald in seiner letzten Schrift kurz vor seinem Tode den Staat äußerst deutlich dazu aufgefordert, den Juden endlich sämtliche Staatsämter zu öffnen. Hierin war Ewald den Entwicklungen um Jahrzehnte voraus. Wie stark die Aversion gegen die Juden in Deutschland nach den Befreiungskriegen angewachsen war, zeigt sich schon in Rühs' erster Schrift. Rühs zufolge sind die Bestrebungen der Aufklärung nach einer Gleichberechtigung der Juden schandvoller Ausdruck einer „charakterlosen Lauheit und Toleranz einer erschlafften Zeit"26. Diese Lauheit und Schwachheit aber könne sich ein neu erstarktes und zu neuem Selbstbewußtsein gelangtes Deutschland in keiner Weise mehr leisten. Rühs bezichtigt sich selbst, indem er zugibt, vor einigen Jahren dieselben schwächlich-toleranten Ansichten geäußert zu haben. Doch das wertfreie und vorurteilslose Studium der Geschichte habe ihn vom Gegenteil überzeugt. „Ich nehme keinen Anstand, zu gestehn, daß ich in frühern Jahren selbst jenen allgemeinen Humanitätsideen gehuldigt habe [...] nur ein sehr sorgfältiges Studium der jüdischen Geschichte [...] hat das Grundlose und Verkehrte in der herrschenden Ansicht aufgedeckt"27. Die These, die sich durch das gesamte Büchlein hindurchzieht, ist folgende: Daß die Juden niemals im eigentlichen Sinne von Christen unterdrückt gewesen seien, sondern entweder selbst die Unterdrücker gewesen seien, indem sie die ihnen zugestandenen Vorrechte mißbraucht haben, oder aber aus eigenem Verschulden den berechtigten Haß der Christen auf sich gezogen hätten. Ganz zu Unrecht haben sich Rühs zufolge aufgeklärte Menschen wie von Dohm „als Vertheidiger der Unterdrückten"28 aufgespielt, denn sie waren bloß „von ihrem menschenfreundlichen Eifer hingerissen und verblendet"29. Größte Mühe macht sich Rühs, um aus der Geschichtsbetrachtung erweislich zu machen, daß die Grundthese des epochalen Werkes von Dohms falsch ist, derzufolge die zugegebenermaßen vorhandenen Abarten unter den Juden, „die schlimme Seite, die der jüdische Charakter im Allgemeinen zeigt [...] lediglich eine Folge der Unterdrückung sey[en]"30. Denn schon zu ptolemäischer Zeit, in einer Zeit, in der die Juden Rühs' Meinung nach nicht unter-

26 28

Rühs, Ueber die Ansprüche, ρ 14. 29 Ebd., p2. Ebd.

27 30

Ebd., pV. Ebd., p6.

322

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drückt gewesen sind, sei bereits „der Wucher und Schachergeist ein allgemeines Kennzeichen"31 der Juden gewesen. Die gesamte Schrift ist gespickt mit Antisemitismen, die in völlig zufälliger Reihenfolge und ohne jegliche Sachlichkeit in der Art der Darstellung aufeinander folgen. Da wird gegen „die Kenntniß der fratzenhaften und geistlosen Art der Gelehrsamkeit"32 der Rabbinen polemisiert. Dann wird behauptet, „alle Arbeit erscheint den Juden als eine Strafe"33, weswegen es nie dazu kommen könne, daß Juden Ackerbau oder Handwerke betreiben werden34. Den Stolz der Juden darüber, daß sie das Erstlingsvolk Gottes sind, kann Rühs überhaupt nicht verstehen. Denn eine biblische und damit eigentlich christliche Sichtweise des jüdischen Volkes als des zuerst von Gott in seinem heilsgeschichtlichen Plan erwählten geht Rühs völlig ab. Es ist für ihn bloß ein Ausdruck von „Hochmuth" zu behaupten, „daß die Juden das erste und vorgezogenste Volk Gottes sind"35. Rühs möchte das Rad der Geschichte gerne zurückdrehen in die Zeit, bevor Joseph II. damit begann, die Verbesserung der Lage der Juden herbeizuführen. Daher spricht Rühs in anachronistischer Weise von der vorbildhaften „alten deutschen Verfassung", deren „gerechten und milden Sinn" er „nicht genug bewundern" kann36. Hier ist der Punkt erreicht, an dem Rühs' unsystematisch vorgetragene Antijudaismen in ein durchdachtes System übergehen, das konkrete politische Forderungen erhebt. Die im Titel seiner Schrift angerissene Frage nämlich, welche , Ansprüche' die Juden an das deutsche Bürgerrecht hätten, wird rein negativ beantwortet. „Die Beantwortung der Frage: was können die Juden fordern"37 lautet: nichts! Denn das deutsche und christliche Volk „muß alle fremdartigen Theile, die es nicht innig und ganz in sich aufnehmen kann, zu entfernen und auszuscheiden suchen, dies ist der Fall mit den Juden"38. Für Rühs sind die Adjektive ,deutsch' und .christlich' Synonyma. Deutschtum und Christentum setzen sich gegenseitig voraus; einen deutschen Juden kann es daher nicht geben, es sei denn, er wird Christ. Denn ein Jude ist überhaupt nicht berechtigt, mit christlichen Deutschen deren Recht zu genießen, weil dieses wiederum selbst zutiefst christliches Recht ist. „Der größte Theil unsrer bürgerlichen Rechte und Verpflichtungen fällt unmittelbar mit unserm Glauben zusammen, und es ist von der wahren Aufklärung zu erwarten, daß sie immer genauer wieder mit demselben in Verbindung gesetzt werden"39. Hier zeigen sich die Folgen der mit dem Wiener Kongreß einsetzenden Reaktion bei Rühs. Das, was als christlich zu gelten hat, zeigt sich nach Rühs zuerst und am eindeutigsten in einer monarchischen Staatsverfassung und in 31 33 35 37

32 Ebd., pl2. Ebd., p24. 34 Ebd., p30. Vgl. Erb, R. Rühs, Ueber die Ansprüche, p24. 38 Ebd., p32. Ebd.

36 39

Ebd., pl5. Ebd., p39.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 323 einer Koalition von Thron und Altar, die die unchristlich-revolutionären Neuerungen vom christlichen Abendland fern halten. Das Christliche geht in Riihs' Sicht der Dinge in einer bestimmten staatlichen Organisationsform auf, nämlich in der monarchischen, wobei dem Staat und seiner rechtlichen Verfaßtheit zuvörderst das Epitheton ,christlich' zukommt. Eine differenzierende Unterscheidung des geistlichen und weltlichen Regiments im Sinne der ZweiRegimenten-Lehre ist aufgegeben. Die beiden Reiche werden vermischt, wobei der weltlichen Obrigkeit in immanentistischer Weise eine Offenbarungsqualität zukommt, die mit der ursprünglichen Bestimmung der weltlichen Obrigkeit im reformatorischen Sinne, über äußerliche Dinge, die des Menschen Leib und Gut, die Erhaltung von Frieden und Gerechtigkeit betreffen, gesetzt zu sein, nicht mehr zu vereinbaren ist. Auf diese Weise wird die vermeintlich christlich geprägte Rechtsverfaßtheit des Staates zum Exponenten des ,Christlichen' überhaupt; und die Tendenz ist vorherrschend, die Kirche nicht mehr als ein Gegenüber zum Staat in ihrem eigenen Gepräge zu sehen. Rühs' Programm mündet in konkrete politische Handlungsanweisungen, die eine doppelte Zielsetzung erkennen lassen: erstens, die möglichst weitgehende Konversion der Juden zum Christentum, ihre völlige Assimilation also zu erreichen. Denn erst ein Jude, der Christ geworden ist, ist auch als Deutscher zu bezeichnen. Daher müsse man „die möglichste Erleichterung und Beförderung des Uebertritts zum Christenthum als der ersten und unumgänglichen Bedingung, wodurch sie zu Deutschen werden können"40 anstreben. Hierzu sei es notwendig, „eine neue Bekehrungsanstalt für die Juden"41 einzurichten, eine großangelegte und vom Staat eingeleitete und organisierte Judenmission also zu betreiben. Zweitens müsse man jede Zunahme des jüdischen Bevölkerungsanteils unterbinden durch „die Verhütung ihrer Vermehrung durch äussere Einwanderung"42. Eine Vertreibung der Juden jedoch sei zu „grausam"43. Nicht grausam dagegen ist es nach Rühs' Meinung, den Juden jeglichen Anspruch auf rechtliche Gleichstellung zu nehmen. Man kann nicht gleichzeitig Jude und „Theilnehmer christlicher und deutscher Rechte"44 sein. Juden sind daher nur „Metoiken"45, die den rechtlich völlig ungesicherten Status „eines geduldeten Volks"46 haben. Als Erkennungszeichen sollen Juden nach Rühs inskünftig „ein eignes Zeichen, eine Volksschleife"47 tragen. Gegen eine aufgeklärte Argumentation von Dohms und anderer Vertreter, den Juden sei aufgrund der auch ihnen von Natur aus zukommenden Menschenrechte eine rechtliche Gleichstellung zu gewähren, tritt mit Rühs das 40 42 45

Ebd., p32. Ebd., p32. Ebd., p33.

41 43 46

Ebd., p37. Ebd. Ebd.

44 47

Ebd., p39. Ebd.

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324

entgegengesetzte Extrem auf den Plan, das nun in christlicher Sicht vermeint, die christliche Staatlichkeit als Bollwerk gegen eine solche Gleichberechtigung aufbieten zu müssen. Allerdings muß festgehalten werden, daß auch von Dohm und Diez etwa, so gegensätzlich ihre Anschauungen zu denen von Riihs auch zu sein scheinen und in vieler Hinsicht auch sind, letztendlich hierin einig sind: Über kurz oder lang wird es zu einer Assimilation der Juden an das Christentum kommen, in der die Juden ihre Eigenarten vollständig aufgeben werden. Rühs will diese Verschmelzung aktiv betreiben und macht auf radikale Weise die Taufe zur Vorbedingung der Gleichberechtigung. Von Dohm dagegen fordert die Gleichberechtigung der Juden jetzt, meint aber, daß die Juden von ihren sonderbaren religiösen Bräuchen und Lehrinhalten umso mehr abkommen würden, je mehr sie rechtlich und bürgerlich anerkannt und gleichberechtigt seien. Aus völlig verschiedenen Voraussetzungen heraus kommen beide Seiten zu ähnlichen Ergebnissen. Eine Ehrfurcht vor und eine Hochschätzung der jüdischen Tradition geht beiden Seiten in gleicher Weise völlig ab. Der Heidelberger Professor für Philosophie und Physik Fries, den Ewald noch aus seiner Zeit als Hochschullehrer an der Heidelberger Universität kannte, hat in seiner Rezension der behandelten Schrift von Rühs dieselbe konsequent radikalisiert. Völlig unumwunden und unversteckt spricht Fries davon, daß es nur eine Möglichkeit geben könne, eine bürgerliche Verbesserung der Juden anzustreben: nämlich die Ausrottung des Judentums. Hierbei unterscheidet Fries zwischen Juden' und der ,Judenschaft', indem er unter ,den Juden' die von ihrem eigenen unvernünftigen und archaischen Relikt des unaufgeklärten Judentums noch nicht befreiten, potentiellen künftigen Christen versteht. „Nicht den Juden, unsern Brüdern, sondern der Judenschaft erklären wir den Krieg. Wer den Pestkranken liebt, muß der nicht wünschen, daß er von der Pest befreyt werde? Und schmäht der den Pestkranken, der über die Schrecken der Pest klagt und räth, wie man sie vertreibe? Die Judenschaft ist ein Ueberbleibsel aus einer ungebildeten Vorzeit, welches man nicht beschränken, sondern ganz ausrotten soll. Die bürgerliche Lage der Juden verbessern heißt eben das Judenthum ausrotten"48. Ähnlich wie Rühs setzt auch Fries einen aufgeklärten christlichen Glauben voraus. Ein vernünftiges, aber an den positiven Inhalten der christlichen Religion festhaltendes Christentum ist es, das im Bewußtsein der eigenen Vernünftigkeit die Sinnlichkeit des jüdischen Kultus und der jüdischen Religion insgesamt meint feststellen und kritisieren zu können. Es sind „der für unsre Zeit ebenfalls ganz unpassende Cerimoniendienst"49, der „Aberglauben und Cerimoniendienst"50, die dem Judentum die Kritik von Fries eintragen, es sei noch ganz

48

Fries, J.F., plO.

49

Ebd., pl3f.

50

Ebd., pl5.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 325 unaufgeklärt und befangen in der sinnlich-unvernünftigen Religionsstufe, die jedoch schon längst nicht mehr zeitgemäß sei. Fries geht jegliche biblisch-hermeneutische Befähigung ab, das Alte Testament zu betrachten. Und gleichzeitig zeigt sich bei Fries, in welche Perversion hinein sich die seit Johann Salomo Semler betriebene neologische Ablehnung des AT in der Form der bis zur Stupidität durchgeführten Akkommodationstheorie verdrehen läßt. Seiner ignoranten Aversion gegen das AT macht Fries nämlich auf folgende Art Luft: „Kein Unbefangener kann verkennen, daß schon die Umbildungen alter Mythologie zu Ebräischen Familiengeschichten, wie sie in der Tora enthalten sind, mit dem Geiste ihrer Krämerkaste und mit Rabbinismus verfälscht sind. Wo hat ein anderes Volk auf einer ähnlichen Bildungsstufe solche elende, für die Dichtung bedeutungslose, heilige Geschichten, die überall mit angerühmten Diebereyen durchwirkt sind?"51. Dies ist das Ergebnis einer moralistisch enggeführten Bibelexegese, die die atl. Geschichten nicht mehr als Erzählungen von dem geschichtlich an seinem Volk handelnden Gott begreifen und lesen will, sondern aus allen Geschichten entweder eine positiv zu formulierende Moral abhebt, oder aber die in dieser Hinsicht unbrauchbaren Geschichten als unmoralisch abqualifiziert. Daß Gott frei ist, sich in seiner Bundestreue zunächst in eine im Friesschen Sinne verächtliche Familiengeschichte hineinzubegeben, kann Fries überhaupt nicht begreifen. Eine Moralisierung der Theologie, eine Monadisierung der Vernunft und ein Staatsverständnis, das die Unterscheidung der Reiche völlig negiert, führen bei Rühs und Fries zum Antijudaismus. Daß Ewald auf der einen Seite sein Leben lang um die narrative Vermittlung der christlichen Botschaft gekämpft hat und dabei an einer Hochschätzung des AT im Sinne der viva vox evangelii immer festgehalten hat, und auf der anderen Seite in hohem Alter zum entschiedensten Verteidiger des Judentums geworden ist, sind zwei Seiten der einen biblisch-theologischen Medaille. Fries nennt die Judenschaft eine „verschworene Krämer= und Trödlerkaste"52. Sie leiste „weder materiell, noch geistig eine productive Arbeit", sei vielmehr eine „Schmarotzerpflanze"53. Die Juden „waren und blieben immer dieselben schmutzigen und rohen Schacherer"54. Radikaler als Rühs verteidigt Fries nicht nur dessen Idee von einer Einwanderungsbeschränkung55, sondern hält die planmäßige Vertreibung der Juden für eine erstrebenswerte Angelegenheit. Nur die Juden, die zur Vernunft gebracht werden - und d.h. in diesem Fall: aus vernünftigen Gründen die Konversion zum Christentum vollziehen - verdienen den Schutz des christlichen Staates. „Wenn unsere Juden nicht dem Greuel des Cerimonialgesetzes und Rabbinismus gänzlich 51 54

Ebd., pl4. Ebd., pl6f.

52 55

Ebd., pl5. Ebd., p21.

53

Ebd., pl6.

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entsagen und in Lehre und Leben so weit zur Vernunft und Recht übergehen wollen, daß sie sich mit den Christen zu einem bürgerlichen Verein verschmelzen können, so sollten sie bey uns aller Bürgerrechte verlustig erklärt werden, und man sollte [...] sie zum Lande hinaus weisen"56. Die Vertreibung der Juden, die Rühs noch als zu ,grausam' nicht in Erwägung ziehen wollte, wird bei Fries Teil eines Planes, der wie ein Vorausblick auf den Holocaust anmutet, wenn bei Fries von der Ausrottung der Juden mit Stumpf und Stiel die Rede ist. „Das ist also das wichtigste Moment in dieser Sache, daß diese Kaste mit Stumpf und Stiel ausgerottet werde, indem sie offenbar unter allen geheimen und öffentlichen politischen Gesellschaften und Staaten im Staat die gefährlichste ist"57. Anders als Rühs spricht Fries von einer aktiv zu betreibenden „Verminderung"58 der Judenschaft. Einwanderungs- und Heirats-Beschränkungen allein reichten nicht aus, vielmehr müsse man wie damals Pharao in Ägypten vorgehen, der die Juden dezimierte, indem er die neugeborenen Knaben umbringen ließ. „Aber alle diese Gesetze zur Beschränkung ihrer [seil, der Juden; A.S.] Zahl können nicht auf Dauer Bestand haben, wenn wir nicht das Polizeygesetz des Pharao nachahmen wollen, dem Moseh seinen Namen verdankte"59. Hier verdeutlicht sich, daß der Antijudaismus des beginnenden 19. Jahrhunderts durchaus solche antisemitische Gedanken in sich trägt, denen zufolge ein Genozid am jüdischen Volk bereits als wirksamstes Mittel bezeichnet wird, das gegen die ,Judenkaste' eingesetzt werden könne. Zwar spricht Fries nur am Rande von dem jüdischen Volk als einer „Rasse"60. Aber es bleibt auffällig, daß er ausgerechnet die von Lavater betriebene Physiognomik bemüht, um den sittlichen und abergläubischen Verfall des jüdischen Volks als einen solchen darzustellen, der sich auch in körperlichen Verunstaltungen der Juden den Blicken darbietet. „Wem muß es nicht auffallen, daß die meisten Judenkinder so ausgezeichnet schön und geistreich aussehen, und daß doch unter den Erwachsenen nur so sehr wenige einen edeln Ausdruck behalten, indem die schöne Grundgestalt durch einen Ausdruck feiger List verbunden mit dem eines heimlichen geistlichen Hochmuths verunstaltet wird"61. „Unser Volk von dieser Pest zu befreyen"62, muß das erklärte Ziel des christlichen Staates sein, dem zur Erreichung dieses Ziels alle Möglichkeiten offenstehen. Diese Art von offen zutage tretendem Antijudaimus war Ewald entschieden zu viel, so daß er in der für ihn typischen Schnelligkeit eine programmatische Schrift von fast 200 Seiten Stärke noch 1816 veröffentlichte, in der er nicht nur die Vorurteile von Rühs und Fries aufdeckte, sondern auch durch beste56 59 62

Ebd., p23. Ebd., p23. Ebd., pl9.

57 60

Ebd., pl8. Ebd., p22.

58 61

Ebd., p21. Ebd., p l l .

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 327 chende Quellenkenntnis die Unzulänglichkeit der historischen Urteile beider aufzeigte. Obendrein artikuliert Ewald eine hochreflektierte theologische Kritik und demaskiert auf diese Weise am unerbittlichsten die unbiblischen und unchristlichen Irrmeinungen von Rühs und Fries. Ewald verficht vehement die bürgerliche Gleichberechtigung der Juden im Sinne des natürlichen, vor allem kodifizierten Recht nun einmal gesetzten Naturrechtes. Hiermit schließt sich Ewald durchaus an von Dohm an. Aber hierbei läßt Ewald es nun nicht bewenden, sondern kennzeichnet die Judenemanzipation als eine zuvörderst pädagogisch-theologische Aufgabe: Nicht als eine allgemein-pädagogische Aufgabe nur, derzufolge der Staat die Verantwortung an der Bildung des Menschen überhaupt hat, sondern als eine Aufgabe, die gerade dem von Rühs und Fries andauernd bemühten christlichen Staat aus der Heilsgeschichte Gottes mit den Juden und den Heiden heraus zuwächst. Christen tragen eine Verantwortung für die Bildung der Juden, weil es die Juden gewesen sind, die die Heiden zu Gott gebracht haben, ihnen Gott verkündigt haben und sie so den Monotheismus gelehrt haben. „So wären christliche Staaten, schon nach allgemeinen Staatsmaximen, und noch mehr darum verpflichtet, für ihre [seil, der Juden; A.S.] Bildung und Beßerung zu sorgen, weil sie ihre Hauptbildung, dieser Nation verdanken"63. Das jüdische Volk ist Bildner der Heiden; allein durch das jüdische Volk sind die jetzigen Christen das geworden, was sie sind. Die Juden haben im göttlichen Auftrag aus Heiden Christen werden lassen. Das AT ist daher von größter Bedeutung für alle Christen, weil in ihm davon die Rede ist, wie Gott die Familie Abrahams als eine „Pflanzschule der Verehrung des wahren Gottes"64 erwählt hat. Hier hat Gott mit seiner ihm eigenen göttlichen Erziehungsmethode begonnen, das Volk zu bilden, das dereinst die Heiden bilden sollte. Christen haben darum den Juden gegenüber Ehrfurcht zu üben und eine pädagogische Verantwortung zu übernehmen, weil sie ihre christliche Existenz der pädagogischen Verantwortung verdanken, die Juden schon viel früher an ihnen wahrgenommen haben. „Diese Wahrheiten haben noch mehr Gewicht, wenn man sie auf die jüdische Nation anwendet. Sie muß jedem Menschen wichtig seyn, der Interesse für Menschen= und Völkerbildung, also auch für die erquickendste Frucht derselben, für ächte Religiosität und ihr Produkt, wahre Humanität hat. Von dieser Nation gieng bekanntlich, alle Religiosität aus, die diesen Namen verdient, weil in ihr die Lehre von einem einzigen Gott erhalten und auf andere Nationen verbreitet wurde, ohne die kein Zutrauen zur Gottheit, keine Dankbarkeit [...] gegen Gott, möglich ist"65. Auf diese Weise entdeckt Ewald die Dialektik der jüdisch-christlichen Pädagogik, die Juden und Christen gegenseitig als Pädagogen aneinander 63 64

Ewald, Israeliten (Bibl. Nr. 343), p24. 65 Ebd., p8. Ebd., p6f.

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tätig werden läßt. Es gelingt Ewald, die heilsgeschichtlich begründete, messianische Aufgabe des jüdischen Volkes in pädagogischer Hinsicht zu fassen und sie einem Antijudaismus entgegenzuhalten, der im Judentum nicht mehr das Volk Gottes und seine erste Bildungsinstitution sehen konnte, sondern lediglich eine in vernünftiger Hinsicht längst überwundene niedere Stufe unvernünftiger und sinnlicher Religiosität. Und nur, weil Rühs und Fries die Bibel beiseite gelegt haben und daher Gottes Bund zunächst mit dem jüdischen Volk nicht mehr als einen bereits in der Abrahamsgeschichte über sich selbst auf die dereinstige Erwählung auch der Heiden hinausweisenden fassen können, müssen sie notwendigerweise gegen den vermeintlichen jüdischen Partikularismus polemisieren. Rühs und Fries unterliegen damit der in der Aufklärungszeit weit verbreiteten unbiblischen Meinung, Gott sei rein vernünftig betrachtet ein Gott aller Menschen, weswegen die jüdische ,Idee' und ,Vorstellung' von der Erwählung eines einzelnen Volkes widersinnig und hochmütig sei. Vergessen ist schon bei Tindal, aber auch bei Reimarus66, daß Gottes Plan biblisch betrachtet induktiv vorgeht, um sein Handeln an allen Menschen als ein solches in die Geschichte eingehen zu lassen, das bei dem Volk Israel anhebt, um dann zur rechten Zeit die Heiden diesem Bund zu assoziieren. An diesen biblischen Sachverhalt erinnert Ewald die Theologie der Aufklärung: Daß Gott ein Gott aller Völker ist, ist keine von einer natürlichen Theologie als Selbstverständlichkeit zu formulierende Tatsache, sondern dieser Sachverhalt mußte geschichtlich werden und verdankt sich der Verkündigung, die Gott beim Volk Israel anheben ließ, um sie dann auf die Völker auszuweiten. Darin, so Ewald, liegt ja gerade die positive Bestimmung Israels, aufgrund eines Bundes zunächst aus den Heidenvölkern herausgehoben worden zu sein, damit dann auch die Heiden durch die Juden das göttliche Licht bekämen. Daß Gott die Juden vorzog, ist keine hochmütige Behauptung der Juden, sondern ein Akt der Erziehung, weswegen Ewald den Vorzug der Juden als eine Vorerziehung faßt und damit den Vorzug der Juden festhält, aber gleichzeitig als einen solchen faßt, der im Hinblick auf die Erziehung der Heiden zu Gott geschah. „Herr Fr[ies] sagt ferner: ,Nach acht mosaischer Lehre, ist Jehova ein bloßer Nationalgott der Juden; alle andere Völker, sind bloße Goim und nicht ihres Gleichen. Daß die Juden sich für besser als andere Völker gehalten haben, und wol noch halten, ist richtig. Andere Völker waren auch wirklich, nicht ihres Gleichen [...] Auch war Jehova, wirklich, in sofern ein Nationalgott der Juden, daß er diese Nation, andern Völkern vorerzog, aber zum Besten dieser Völker vorerzog; daß ihnen ein Licht, ein Schuz, eine Hülfe wurde, die andere Völker vorerst nicht erfuhren [...] Aber daß das Licht,

66

Vgl. Borinski, L.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 329 der Segen, die Wolthaten, was Anfangs, auf ein Volk beschränkt war, sich auch auf andere Völker, eben durch die Juden ausdehnen solle; das ist so deutlich und häufig, von den Propheten voraus verkündigt worden, daß man es nicht verkennen kann, daß es auch von den Juden nicht verkannt worden ist"67. Ausgehend von Gen 22,18 („Und schon Abraham war verheissen, ,daß in seinem Saamen,' durch seine Nachkommen, alle Völker der Erde gesegnet werden sollen"6*) belegt Ewald sehr breit aus dem AT, wie die Propheten diese Verheißung immer wieder neu aufgegriffen haben, wobei Jes 9; 11 ; Jer 31 und Joel 3 die hierfür zentralen Texte sind. Ewald erinnert die Judenhetzer Rühs und Fries daran, daß sie völlig vergessen haben, daß Jesus selbst ein Jude gewesen ist, und daß deswegen die Aversion gegen die Juden sich gegen das Volk richtet, dem Jesus als Nachkomme Davids entstammt. „Wie unnatürlich, daß Juden gehaßt werden sollen, von Menschen, die sich nach dem Namen dessen nennen, der selbst Jude war und blieb, der das heiligste Symbol seiner Menschenrettung, so innig verband mit dem Symbol der großen Rettung seiner Nation"69. Selbst wenn das jüdische Volk völlig verdorben und heruntergekommen wäre - was nach Ewald so pauschal nicht behauptet werden kann, wie es von Fries und Rühs behauptet wird - selbst wenn dem so wäre, so war, ist und bleibt das jüdische Volk doch das Volk der Herkunft nicht nur der Patriarchen und der Propheten, sondern es bleibt auch das Volk, in dem Gott beschlossen hat, Mensch zu werden. Diese biblisch-heilsgeschichtliche Argumentation jedoch war auf Seiten der Apologeten des Judentums zu Beginn des 19. Jahrhunderts alles andere als gang und gäbe, wie sich z.B. an August Krämer zeigt70. Gerade also von der Christologie her fällt ein ehrfurchtvolles und liebevolles Licht auf das jüdische Volk, in dem jeder Christ die Juden - notfalls auch gegen den empirisch sich darbietenden Augenschein! - zu betrachten gehalten ist. Denn das jüdische Volk ist und bleibt die Nation, „die einen Abraham, Joseph, David, Salomo, einen Esaias, Jeremias, Daniel, unter sich zälte [...] in welcher der große Gottes= und Menschensohn Jesus geboren wurde"71. Um dem Einwand zuvorzukommen, diese Zeit sei nun aber schon längst vorbei und die 67

Ewald, Israeliten, pl8f. 69 Ebd., p22. Ebd., pl56. 70 Krämer zeigt zwar aus dem ,,lehreiche[n] Buch der Geschichte" (p66), daß das jüdische Volk zu hoher Kultur und Bildung fähig ist, und will so „die ungerechten und lieblosen Urtheile" (p64) über die vermeintlich so verdorbenen Juden entkräften. „Wer kennt nicht den großen Polyhistor Maimonides, den tiefsinnigen Spinoza, den edlen Moses Mendelsohn [...] den würdigen Weltweisen Maimón, den wackern Bendavid, den gelehrten Arzt Friedländer, und noch so viele andere ausgezeichnete Juden!" (p68). Seine Argumentation aus dem Buch der Geschichte ergänzt Krämer jedoch nicht durch eine solche aus dem Bibelbuch. 71 Ewald, Israeliten, p92. 68

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Kapitel III

Juden seien heute eben zu einer Krämerkaste herabgesunken, die nur noch mit der Pestkrankheit verglichen werden könne, nennt Ewald die zeitgenössischen jüdischen Philosophen und Pädagogen mit der von ihm aufgeführten biblischen Wolke der Zeugen in einem Atemzug. Denn das jüdische Volk ist es, das „in späteren Zeiten, einen Moses Maimón, Moses Mendelssohn, WesseIi, Bendavid, Friedländer in ihrem Schoos erzeugte"72. Und wieder einmal an einem entscheidenden Punkt seiner Theologie wird Ewald zum Rezipienten Luthers, indem er ihn, „der bekanntlich, kein Freund der Juden war"73, zitiert und ihn als Gewährsmann dafür heranzieht, daß es Juden waren, die die ersten Heiden zum Gott Israels bekehrt haben. Ewald liest Luther gegen Luther, indem er dessen späte Aussagen über die Juden nicht einfach der Gegenseite überlassen will, ohne vorher den judenfreundlichen Luther zu Wort kommen zu lassen: „ ,Wenn die Apostel, die auch Juden waren, also hätten mit uns Heiden gehandelt, wie wir Heiden, mit den Juden, es wäre nie ein Christ unter den Heiden geworden. (Wie wahr!) Haben sie denn mit uns Heiden brüderlich gehandelt, so sollen wir wiederum brüderlich mit den Juden handien. - Aber nun wir sie nur mit Gewalt treiben und gehen mit Lügentheidingen um, und geben ihnen schuld, sie müssen Christenblut haben, daß sie nicht stinken, und weiß nicht, was des Narrenwerks mehr ist, daß man sie gleich, für Hunde hält, was solten wir Guts mit ihnen schaffen?'" 74 . Die von Rühs und Fries geforderte zwanghafte Judenmission als ein durch Menschenhand zu bewerkstelligendes Unterfangen lehnt Ewald völlig ab. Zwar hält Ewald an der eschatologischen Hoffnung fest, daß die Juden sich dereinst zu Christus bekennen werden: „ - ich als Bibel Verehrer, glaube es, wegen Rom. 11 - "75. Aber dies wird nicht ein Werk sein, das durch Menschenhand und Zwang vollbracht wird, sondern allein in Gottes Freiheit steht es, zu entscheiden, wann die Juden zu Christus gezogen werden werden. „Soll einmal eine Zeit kommen, wo sich die Juden zum Christenthum bekehren; ich als Bibelverehrer, glaube es, wegen Rom. 11 - aber wird es durch Menschenplane, und durch solche Menschenplane geschehen? Ist je dadurch eine allgemeine Volksbekehrung bewirkt worden?"76. Das einzige, was Christen tun können, ist, den Juden gegenüber Liebe zu erzeigen, denn: „Nur, in Handlungen bewiesenes Zutrauen, kann Zutrauen weken. Nur thätige Liebe, kann Liebe bewirken"77. Deswegen erhebt Ewald Joh 6,44 (,es kann niemand zu mir kommen, es sei denn, daß ihn ziehe der Vater') zum biblisch formulier72

73 Ebd. Ebd., pl59. Ewald zitiert hier, ohne die Belegstelle anzugeben, aus Luthers Schrift ,Daß Jesus Christus ein geborner Jude sei', 1521. Die Zitate befinden sich WA 11, p315, Z. 14—22 und p336, Z. 24-27 (Ewald, Israeliten, pl59f). 75 76 77 Ebd., pl57. Ebd., pl57f. Ebd., pl59. 74

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 331 ten Toleranzprinzip, das als biblische Kritik an aller zwanghaften Judenmission nicht überhört werden darf. „Der Stifter des Christenthums sprach kein Wort dagegen, als Ihn mehrere seiner Anhänger verließen [...] Er sagte die ewig merkwürdigen, den tiefsten Grund aller Toleranz und Liberalität gegen Anderer Ansichten enthaltenden Worte: ,Es kann Niemand zu mir kommen, es ziehe ihn denn der Vater, der mich gesandt hat'. Und wir, seine Nachfolger, wollten durch absichtlich-erhaltenen Druk, die jüdische Nation bewegen, Christen zu werden? Wäre das etwa, Zug des Vaters zu Jesus? Man sollt' also die Juden, in das Christenthum hinein drüken, quälen! durch halbe oder vierteis Sklaverei sollte man sie zur Religion der Freiheit führen ! Wäre das, im Geist Jesus gehandelt?"78. Hier zeigt sich schon, daß Ewald im Umgang mit dem Judentum eine sicherere Hand bewiesen hat als Lavater, dem er in anderer Hinsicht viel zu verdanken hat. Ewald hat in allen seinen Schriften zur Juden-Verteidigung nicht nur gründliche theologische Arbeit geleistet, sondern obendrein auch gründlich und eingehend recherchiert. Allen Arbeiten ist eine konzentrierte Beschäftigung ihres Verfassers mit der jüdischen Geschichte, mit dem statistischen Material, das die sozialen Verbesserungen der Juden seit der Formulierung der Toleranzedikte betrifft79, anzumerken. Weiter hat sich Ewald mit den aktuellen Fortschritten in der modernen jüdischen Pädagogik beschäftigt80, aber 78

Ebd., pl57. Vgl. ebd., p49f. Ewald weiß zu berichten, daß schon mehr als hundert Juden eine Handwerkslehre angetreten haben, daß Juden bereits Ackerland gepachtet haben und daß die Einrichtung eines Seminars „zu Bildung jüdischer Trivialschullehrer" (ebd., p49) in Mannheim bereits vorangeschritten ist. Im ganzen Lande würden jüdische Schulen eingerichtet. Vgl. auch Ewald, Geist des Christenthums, p24ff. 80 Vgl. Ewald, Israeliten, p33. 50. 61. 64; ders., Juden= und Menschenbildung (Bibl. Nr. 373), pl2und ders., Was sollten die Juden (Bibl. Nr. 376), pl2 und passim. Ewald zeigt in seinen Schriften immer wieder seine Bekanntschaft v.a. mit folgenden jüdischen Pädagogen: J. Johlson war Religionslehrer an der Bürger- und Realschule der israelitischen Gemeinde in Frankfurt/M. und hat z.B. einen jüdischen Katechismus und ein deutsches Gesangbuch für Israeliten verfaßt (1814 bzw. 1816). Jacob Wolf war Oberlehrer der israelitischen Franz-Schule in Dessau und hat dieser 1797 gegründeten Schule zur Blüte verholfen. Eduard Israel Kley hat ebenfalls einen jüdischen Katechismus verfaßt (1814), sowie ein jüdisches Gesangbuch (1818) und hat sich besonders für das jüdische Schulwesen in Hamburg eingesetzt. Karl Siegfried Günsburg war entscheidend an der Gründung der deutschen Synagoge in Berlin 1816 beteiligt. M. Hess war Oberlehrer an der israelitischen Bürger- und Realschule in Frankfurt/M. und hat in seiner 1821 erschienenen Schrift ,Ueber den Religionsunterricht in der Schule der israelitischen Gemeinde' einen Rechenschaftsbericht abgelegt. Jeremias Heinemann hat eine Vielzahl von jüdischen Schulbüchern geschrieben, darunter auch: .Religionsbekenntnis für Israeliten, in Fragen und Antworten', Kassel 1810. Er war tätig als Lehrer in Berlin, wo er später zwei Schulen leitete. David Fränkel war wie Wolf Lehrer an der Franz-Schule in Dessau, bevor er 1821 mit G. Salomon eine jüdische Schule in Hamburg gründete und 79

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Kapitel III

und hierin liegt ein wichtiger Punkt der Ewaldschen Verteidigung der Juden er hat sich selbst dem Studium der jüdischen Tradition zugewandt, um die immer wieder gegen die Juden erhobenen Anklagen zu entkräften. Aus dem Rühs und Fries verhaßten und abergläubischen' Talmud selbst entkräftet Ewald etwa das Vorurteil, die Juden hätten grundsätzlich eine aus dem Talmud sich herschreibende arbeitsscheue Abneigung gegen das Handwerk und den Ackerbau81. Insgesamt kommt Ewald aufgrund seines Talmud-Studiums zu dem Schluß: „Von dem Talmud hat man überhaupt meist, ganz unrichtige Begriffe"82. Und nur weil sich Ewald dem Studium der jüdischen Tradition zugewandt hat, kann er sich in seinen Gedanken zur Verbesserung des jüdischen Schulwesens von der weit verbreiteten aufgeklärt-christlichen Prämisse lösen, derzufolge die Juden dazu angehalten werden müssen, im Zuge ihrer Emanzipation ihre Tradition aufzugeben. Joh 6,44 und Ewalds Ehrfurcht vor der jüdischen Tradition sind die Grunddaten, von denen ausgehend er als Christ eine pädagogische Bemühung eingeleitet wissen will, in der christliche Pädagogen den Juden bei der Einrichtung einer zweckmäßigen Schulbildung behilflich sein sollen. Die Christen haben diese Bildungsverantwortung wahrzunehmen, weil die Juden sie gebildet haben. Die Christen jedoch sollen diese Aufgabe erfüllen, ohne den jüdischen Unterricht judenmissionarisch zu durchsetzen und zwanghaft mit christlichen Inhalten zu überformen. Vielebenfalls mit Salomon eine Schrift mit dem Titel ,Die Erziehungsschule' verfaßte (1821). Die angeführte Schrift von Hess nennt Ewald, Israeliten, p61 und schlägt sie als Leitfaden für die Einrichtung weiterer jüdischer Schulen vor. Mit Johlsons Katechismus ist Ewald ebenfalls bekannt (Israeliten, p64). 81 Ewald, Israeliten, p33f: „Ich will aus dem Bne=Zion, dem gebrauchtesten, in den Oesterreichischen Staaten schon seit 1810 eingeführten religiös=moralischen Lesebuch, und andere Stellen aus dem Talmud hieher sezen, um den darin herrschenden Geist von einer andern Seite kennen zu lernen, als wie ihn Herr Rühs, nach einigen herausgehobenen giebt. Aboth, 21 Abschn. Es ist verboten, den Thieren aus Mutwillen Schmerz zu machen, sie zu reizen oder zu ängsten / Es ist schön bei dem Gesezforschen auch ein Handwerk zu treiben, die Verwendung auf beide verscheucht alle sündliche Gedanken. / Derjenige, welcher seinen Sohn nicht in irgend einem Handwerk unterrichten laßt [!], ist zu betrachten als weise er ihn zum Diebstal an. / Ein großer Rabbi, welcher sich von seiner Hände Arbeit nährte, rief einmal aus: wie heilsam ist doch die Arbeit! Sie ernährt [!] und wärmt zugleich. / Rabbi Elieser sagt, ein Mann, der keinen Ackerbau hat, ist kein Mensch. Rabbi Papa sagt: ziehe dir dein Getreide selbst und kaufe es nicht, wenn es dir auch eben so theuer zu stehen kommt; denn in selbst gezogener Frucht stekt mehr Segen [...]". Es folgt eine Fülle weiterer Belege dafür, daß den Juden keineswegs der Ackerbau und die Viehzucht verboten sind. Hieran zeigt sich, wie stark Ewald sich Mühe gegeben hat, aus dem Wissen darum, daß das Judentum seine Tradition nicht aufgeben dürfe, sich selbst in diese Tradition einzuarbeiten, um die Grundlagen für ein wirkliches Gespräch mit Juden zu legen, ohne wie Rühs und Fries ständig Vorurteile zu perpetuieren. 82 Ebd., p32.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 333 mehr sollen Christen als erfahrene Pädagogen mit Juden gemeinsam eine kindgemäße und den jüdischen Inhalten des Glaubens angemessene Methodenorganisation des Unterrichts ausbilden. „Ein Christlicher Pädagoge müßte Mitarbeiter seyn; nicht darum, weil er ein Christ, sondern weil und in so fern' er ein Pädagog ist, und weil die jüdischen Gelehrten, wenigstens in den meisten Ländern, weder Anlaß noch Gelegenheit gehabt haben, Pädagogik zu studiren"83. Festgehalten werden muß, daß Ewald anders als in der aufgeklärten, aber auch anders als in der reaktionären Diskussion um die Art, wie mit den Juden umzugehen sei, die nun einmal gesetzte sachlich-theologische Spannung zwischen jüdischem und christlichem Glauben nicht auflösen will. Sondern es ist dies eine Spannung, die ausgehalten werden muß. Ewald vertritt weder das reaktionäre Modell einer zwanghaften Judenmission, das die Juden durch Repressalien von ihrer Tradition abbringen will, noch strebt er einen aufgeklärten Scheindialog mit dem Judentum auf der Basis einer Vernunftreligion an, die weder der jüdischen noch auch der christlichen Tradition gerecht wird. Ähnlich wie sich Ewald auf der christlichen Seite gegen eine im Orthodoxismus erstarrte Theologie und gegen eine unbiblische, traditionsvergessene theologische Aufklärung gleichzeitig wendet, so lehnt er auch auf jüdischer Seite beide Extreme ab. Es könne nicht länger als zweckmäßig angesehen werden, den Judenkindern bereits Mischna und Gemara vorzusetzen. Genauso wenig aber könne es das Ziel sein, ein sich zwanghaft aufgeklärt und modern gerierendes Judentum zum Vorbild eines jüdischen Religionsunterrichtes zu erheben. „Die Lehrer wissen entweder gar nichts von dem, was ein Lehrer zu lehren hat, und was Kinder lernen sollen; bringen also den Kindern den größten Aberglauben bey; oder sie wollen aufgeklärt erscheinen, spotten über jüdische Religionsgebräuche, und glauben Freidenker zu seyn, wenn sie öffentlich Schinken fodern, und mit Christen Trinkgelage halten"84. Ähnlich wie Ewald sich auf christlicher Seite sein Leben lang gegen gewisse Mißstände im Schulwesen gewandt hat und sie zu beheben sich zur Lebensaufgabe gesetzt hat, so wendet er sich auch auf jüdischer Seite gegen die Depravationsformen jüdischen Unterrichts, ohne dabei wie Rühs und Fries gegen die jüdische Schriftgelehrsamkeit und die jüdische Tradition absprechende, haßerfüllte Urteile auszusprechen. Ewald will den Juden ein Jude werden und ihnen als Christ seine pädagogische Erfahrung zur Verfügung stellen, um den Juden zu raten, wie sie ihren Kindern am wirksamsten ein Wissen um die atl. Geschichte und die jüdische Tradition vermitteln können. Um die Judenkinder in ihrer Tradition heimisch werden zu lassen, bedarf es eines ,,Auszug[es] aus der Geschichte des Judaismus, der jüdischen Geseze, Glaubenslehren und Gebräuche [...] einen Auszug, bei dem man blos 83

Ebd., p68f.

84

Ebd., p39f.

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Kapitel III

auf die geistigen, sittlichen und religiösen Bedürfnisse der jüdischen Kinder, Rüksicht genommen hat"85. „Das Lesebuch enthielt die Quintessenz des gesezlich=geltenden Talmuds für Kinder, wie unsere christliche Bibelgeschichten, Spruchbücher und Katechismen, die Quintessenz unserer Bibel enthalten, die uns heiliger, wie den Juden ihr Talmud ist, wenigstens seyn sollte"86. Daß Ewald den jüdischen Unterricht nicht einmal in solch formaler Hinsicht christlich zu überformen bereit ist, zeigt sich darin, daß er auf die kindgerechten Unterrichtsbücher verweist, die „für die Seesener, Dessauer, Berliner, Jüdische Schulen [...] gemacht worden"87 sind, und besonders auf das von Joseph von Obernberg und Majer-Bretzfeld verfaßte Lehrbuch „Der Kultus der Juden" aus dem Jahr 1813 verweist88. Es hat aber auch christlich-seelsorgliche Gründe, die es den Christen gerade verbieten sollten, judenmissionarisch in den jüdischen Religionsunterricht einzugreifen. Denn auf die Glaubensgewißheit, die im Leben eines jeden Christenmenschen eine so eminent wichtige Rolle spielt, haben auch die Juden ein Anrecht. Ewald wendet sich hier gegen den Mißbrauch, der vielenorts an den christlichen Schulen betrieben wird. Denn viele judenemanzipatorische Edikte hatten bis zur Aufrichtung selbständiger jüdischer Schulen eine Übergangslösung darin gefunden, daß die Judenkinder für diese Interimszeit christliche Schulen besuchen sollten. Von vielen Lehrern wurde dies als eine willkommene Möglichkeit mißbraucht, judenmissionarisch tätig zu werden. Ewald wendet sich gegen diese Praxis, da zwar „denkende Köpfe [...] durch Zweifel zur Gewisheit gelangen"89, man diese Fähigkeit jedoch nicht von Judenkindern verlangen könne, solange sie Kinder sind. In poimenischer Hinsicht ist es ein Vergehen, die Judenkinder ihres Glaubens ungewiß werden zu lassen und sie in Zweifel zu stürzen. Denn „die ganze Wirkung jeder Religion ist darauf berechnet, daß man fest glaube, was man glaubt, ganz sei, was man ist"90. Es muß christliche Verpflichtung sein, auch Juden gegenüber insofern poimenisch tätig zu werden, als man sie nicht ihrer Glaubensgewißheit verlustig gehen läßt. „Die jüdischen Kinder, durch Bekanntschaft mit der neutestamentlichen Bibelgeschichte, allmälich zum Christenthum zu leiten; das werden doch ächte christliche Theologen und Pädagogen nicht wollen. Nein, der Stifter des Christenthums sagt: ,Es kann Niemand zu mir kommen, es ziehe ihn denn der Vater, der mich gesandt hat;' und durch einen frommen oder vielmehr gottlosen Betrug zieht der Vater der Wahrheit nicht"91. Daher soll der Staat nach Ewald auch dafür sorgen, daß endlich Fonds zur Finanzierung eines jüdischen Schulwesens bereitgestellt werden und oben85

86 87 Ebd., p63. Ebd., p64. Ebd., p63. Ebd., p64. (Hier handelt es sich um einen Druckfehler, wenn von „Joseph von Obernburg" die Rede ist.) 89 90 91 Ebd., p59. Ebd. Ebd., p59f. 88

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 335 drein die Bedingungen für eine bessere Ausbildung jüdischer Lehrer geschaffen werden92. Um einen echten Dialog zwischen Juden und Christen also geht es Ewald, der anders als bei von Dohm nicht die Entfernung sowohl der Christen als auch der Juden von ihren traditionellen Wurzeln zur Voraussetzung hat. Genauso wie Ewald scharfe Kritik am christlichen Deismus übt, so überträgt er diese Kritik auch auf den jüdischen Deismus, der sich auf der Basis einer natürlichen Theologie mit dem Christentum verständigen will. Deswegen kritisiert Ewald manche Erscheinungen des jüdischen Bildungswesens, „aber gewis nicht, um den wahren Judaismus dadurch weder zu zerstören noch zu untergraben, was ich am Wenigsten beabsichtigen kann, da mich alle Christianisirende Juden, und alle Deistisirende Christen so wie alle Religionsmengerei anekelt, und ich Allen, wie dort Elias den Juden, zurufen mögte: ,Was hinket Ihr auf beiden Seiten? Ist Jehovah Gott, so wandelt Ihm nach; ist aber Baal Gott, so folget ihm'"93. Ein Judentum, das sich den Inhalten eines christlichen Deismus annäherte, hätte sich nach Ewald bereits selbst aufgegeben und würde sich dem aufgeklärten Indifferentismus einer „Religionsmengerei" preisgeben. Dies aber ist nichts anderes, als eine moderne Form des von Elia bekämpften Baalismus. Deswegen ist Ewald Kämpfer an zwei Fronten. Er kritisiert die liberal-aufgeklärten Verteidiger der Judenemanzipation, weil sie der theologischen Wahrheitsfrage indifferent gegenüberstehen und eben eine vernünftig-deistische „Religionsmengerei" für das Ziel einer Verständigung mit einem Judentum ansehen, das seine Wurzeln aufgibt. Und er kritisiert die konservative Reaktion, die die Juden entweder bekehren, oder sie aber des Landes verweisen oder gar ausrotten will. Die Reaktionären - so Ewald - haben von Gottes heilsgeschichtlichem Erwählungsplan und von der Bibel insgesamt nichts begriffen. Ewald verfolgt in allen seinen Juden-Schriften eine doppelte Argumentationslinie, indem er neben den hier vorgestellten theologischen Gründen immer auch die allgemeinen Menschenrechte als auch für Juden geltende in Anschlag bringt. Gleichzeitig jedoch weiß Ewald darum, daß dieser Argumentationsstrang für sich genommen nicht ausreicht. Denn die Juden sind mit den Augen des Glaubens betrachtet für die Christen mehr als nur Mitmenschen. Dennoch kann Ewald seine Begeisterung für die Menschenrechte, deren Formulierung er für eine Errungenschaft der Aufklärung hält, hinter die niemand zurück kann, in seine theologische Argumentationslinie einzeichnen. „Man behandle sie [seil, die Juden; A.S.], wie der Mensch, jeden Men92

Vgl. ebd., p24f. 47f. V.a. ist es nötig, daß „Provinzialkassen aus gewissen Abgaben angelegt, und aus diesen vorerst hauptsächlich jüdische Lehrer gebildet und jüdische Schulen unterstützt würden" (p71f)· Vgl. passim. 93 Ebd., p79.

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sehen behandlen solte, schon darum, weil e r - e i n Mensch ist"94. Kämpferisch ist dabei der Ton, in den Ewald seine Apologie der Juden einkleidet. Durchaus selbstbewußt setzt Ewald den als Schelling-Schüler und Kant-Interpreten in Deutschland allgemein bekannten Philosophen Fries mit den fanatischen Schwachköpfen gleich, die in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder die Juden verfolgt haben. Bezug nehmend auf die Forderung von Fries, die Juden mit Stumpf und Stiel auszurotten, repliziert Ewald: „Man ist dergleichen Redensarten zwar schon gewohnt. Immer haben Fanatiker, und durch Hierarchie, Despotismus, Egoismus, Ehrgeiz, Herrschsucht, zum fanatisieren der Schwachköpfe, getriebene Inquisitoren, von der heiligen Angelegenheit der Religion, von Erhaltung ihrer Reinheit, von Eifer für die Ehre Gottes gesprochen. Aber daß ein Philosoph, diese Sprache führt, ist neu"95. Noch im selben Jahr verfaßte Rühs eine Gegenschrift. In ihr geht er nicht wirklich ein auf die von Ewald geäußerte Sachkritik, sondern forciert seine These von dem zuvörderst durch seine Christlichkeit definierten Staat. Da deutsches Recht in diesem Hinblick christliches Recht sei, könne Juden das Bürgerrecht nicht gewährt werden. Höhnisch bezeichnet Rühs Ewalds pädagogische Vorschläge als unchristlich und schleudert Ewald den Vorwurf entgegen, er sei kein Christ. Über Ewalds pädagogische Gedanken sagt Rühs: „An und für sich mögen sie recht klug, ersprießlich und jüdischreligiös seyn, selbst ihre heilsamen Folgen will ich nicht läugnen, und sie werden desto gewisser seyn, wenn der ehrwürdige Ewald die Gelegenheit zu einem neuen erklecklichen Verdienst benutzt und - was keiner so gut kann als eben er - die jüdische Welt mit der Kunst, ein guter Jude und eine gute Jüdinn zu werden, beschenkt"96. Rühs macht sich an dieser Stelle über Ewalds Bemühungen um eine auf weibliche Bedürfnisse zugeschnittene Pädagogik in seinem weit verbreiteten Buch „Die Kunst ein gutes Mädchen, eine gute Gattin, Mutter und Hausfrau zu werden" lustig. Rühs zählt Ewald zu den „Judenadvocaten", die „hofften, daß die Begünstigung des Judenthums ein Mittel seyn werde, um den christlichen Gottesdienst allmählig zu stürzen"97. Die Vermischung des weltlichen und des geistlichen Regiments treibt Rühs in dieser seiner zweiten Schrift noch weiter voran, indem er das Christentum als das erste und wichtigste Fundament des Staates bezeichnet, das es per definitionem nicht zuläßt, Nicht-Christen, die deswegen gleichzeitig auch Nicht-Deutsche sind, gleiche Rechte einzuräumen. „Ohne die christliche Religion würden alle unsere Staaten aufhören, es zu seyn"98. Alles, was auch nur im Verdacht steht, die christliche Reinheit des Staates verunreinigen zu können, muß daher abgewehrt werden. Das Judentum gilt dabei als der Feind 94 96 97

95 Ebd., p87f. Ebd., p89f. Rühs, F., Die Rechte des Christenthums, p5. 98 Ebd., p7. Ebd., p9.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 337 des christlichen Abendlandes schlechthin. „Christliche Staaten dürfen daher durchaus nichts dulden, vielweniger befördern, was auf irgend eine Weise die christliche Religion stören kann"99. Der Staat ist nicht mehr im Sinne der Zwei-Reiche-Lehre als solcher definiert, der durch äußere Maßnahmen die Tätigkeit der Kirche unterstützt und ermöglicht, sondern der Staat ist bei Rühs schlechthinniger Exponent dessen, was überhaupt unter Christentum zu verstehen ist. Deswegen ist es auch mit diesem Ideal eines Christentums-Staates nicht zu vereinbaren, jüdische Schulen einzurichten. „Ein christlicher Staat kann aber durchaus keine andre Bildung anerkennen, vielweniger begünstigen, als die christlich ist; daher ist die Forderung des Herrn Ewald's, daß der Staat Judenschulen anlegen soll, mit der Idee eines christlichen Staats im Widerspruch"100. Alle Bemühung Ewalds, durch biblisch-theologische Argumentation auf die Β ildungsVerantwortung der Christen den Juden gegenüber hinzuweisen, hält Rühs für eine Ansammlung von „unchristlichen Vorschlägen"101 eines „liederlichen Allerweltstheologen und Manteldreher[s]"102. Rühs „will nicht fürchten, daß einem solchen Geistlichen erlaubt ist, eine christliche Kanzel zu besteigen"103. Auf Ewalds theologische Argumentation geht Rühs nicht anders als von vornherein ablehnend ein, aber auch Ewalds Geltendmachung des Naturrechtes wird überhaupt nicht in Betracht gezogen: „Natürliche Rechte gegen die Deutschen haben die Juden gar nicht"104. Wie sehr bei Rühs der Haß gegen die nun abgeschüttelte französische Fremdherrschaft mit „der allgemeinen antijüdischen Stimmung des deutschen Volks"105 eine Synthese eingegangen ist, zeigt seine Ansicht, derzufolge die französische Besatzungsmacht die Juden planmäßig begünstigt habe, um das deutsche National- und Volksempfinden zu verletzen. „Die französische Unterjochung war in manchen Gegenden Deutschlands für die Juden eine goldene Zeit; die französischen Machthaber machten Grundsätze herrschend, die den Rechten des deutschen Volks ganz zuwider waren. Die Gleichstellung der Juden lag ganz in einem System, das alle Volksgefühle, jede ächte Nationalität zu vernichten suchte"106. „Es war daher natürlich, daß sobald die Freiheit hergestellt war, auch die von den Franzosen begründeten Verhältnisse aufhören mußten"107. Schon im Jahr 1817 holt Ewald zum Gegenschlag gegen die unveränderte Position von Rühs aus, indem er eine umfangreiche Schrift gegen Rühs' Gegenschrift verfaßt, die erkennen läßt, daß Ewalds Argumentation im Streit mit Rühs zu stärkerer Klarheit und Sicherheit im Urteil durchgedrungen ist. Die biblisch motivierte Ehrfurcht vor den Juden als dem Volk, mit dem Gott seinen Erziehungsplan anfing, gründet Ewald jetzt noch stärker paulinisch. 99

100

102

103

Ebd. Ebd., pl3. 105 Ebd., p31.

106

Ebd., plO. Ebd., pl2. Ebd., p35f.

101 104 107

Ebd., p l l . Ebd., p28. Ebd., p36.

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Schon auf dem Titelblatt seiner zweiten Schrift zugunsten der Juden zitiert Ewald - gewissermaßen als Untertitel - Rom 11,17: „Ob du, da du ein wilder Oelbaum warst, bist unter die Zweige gepfropft, und theilhaftig worden, der Wurzel und des Safts im Oelbaum: so rühme dich nicht wider die Zweige. Rühmst du dich aber wider sie; so sollst du wissen, daß du die Wurzel nicht trägst, sondern die Wurzel trägt dich. Paulus"108. Vermittels der Botschaft des Römerbriefes erinnert Ewald die Christen daran, daß das Christentum kein geschichtsloses Ding ist, das rein vernünftig erfaßt werden könnte. Vielmehr verdankt sich das Christentum einer Geschichte, zu der auch und besonders das jüdische Volk gehört. Und Gott hat es gefallen, die Heiden auf diesen Stamm aufzupfropfen. Zwar hat die Pflanze dadurch eine Veredelung erfahren - auch Ewald ist der Überzeugung, daß das Christentum eine fortgeschrittene Stufe der Religiosität darstellt. Aber gerade weil das Christentum dies ist, so bedarf es um so mehr und dringender des Saftes, der durch die Wurzel und den Stamm in die aufgepfropften Zweige aufsteigt. Die noch größere Klarheit, mit der Ewald in dieser zweiten Schrift argumentiert, zeigt sich auch darin, wie er implizit die Inhalte der Lehre von den zwei Regimenten rezipierend das Konzept des Christentum-Staates bei Rühs und Fries kritisiert. Ewald führt nämlich die Unterscheidung der beiden Reiche durch, indem er die Deutschen in zweierlei Hinsicht anspricht: als Welt- und als Christpersonen. Als Weltperson habe ein jeder Mensch die Rechte der Juden aufgrund der im weltlichen Bereich geltenden und formulierten Menschenrechte zu verteidigen. Andererseits müsse man als Christperson die Juden ausgehend von der biblischen Botschaft in biblischen Schutz nehmen. Ewald ruft hierzu nicht nur auf, sondern indem er aufruft, vollzieht er selbst diese Verteidigung der Juden im Geiste der Menschenrechte und im Geiste der biblischen Verkündigung. Als Weltperson „muß Jeder reden, der reden kann, muß Unrichtigkeiten berichtigen, Menschenrechte vertheidigen, zu Billigkeit, Regentenpflicht, zu Menschenbildung ermuntern"109. Direkt im Anschluß spricht Ewald seinen Leser als Christperson an: „Als Christ ist er es noch mehr verpflichtet, wenn es die jüdische Nation betrifft, da diese Nation der Stamm ist, auf den das Christenthum gepfropft ward [seil. Rom 11,17; A.S.]; da wir ihr die Erhaltung und Verbreitung der Ersten wesentlichen Lehre der Religion verdanken"110. Diese Erinnerung an die Unterschiedenheit der beiden Reiche, die sich in der Verteidigung der Juden niederzuschlagen hat, hierin geradezu ihren Testfall hat, setzt sich bei Ewald konsequent fort in der Art, wie er Rühs' und Fries' Konzept vom christlichen' Staat kritisiert. Mit aller Vehemenz nämlich demaskiert Ewald Rühs' Staatsideal als ein solches, das droht, alles Christliche in einer rein äußeren Organisationsform menschli108 109

Ewald, Geist des Christenthums (Bibl. Nr. 347), Titel. 110 Ebd., p5. Ebd.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 339 chen Zusammenlebens aufgehen zu lassen. Das Christentum dagegen kann nicht derart veräußerlicht werden, da es sich einem höheren, geistigen Ursprung verdankt, der sich nicht immanentistisch auflösen läßt. Indem Ewald an Joh 18,36 (,mein Reich ist nicht von dieser Welt') und 2Kor 4,18 (,die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare') erinnert, macht er neu geltend, daß das geistliche Regiment ewig ist, das weltliche dagegen zu den äußerlichen und vergänglichen Dingen gehört. „Der Geist unserer Religion ist über den Staat, über die Erde erhaben. Sein Reich, wie das Reich ihres Stifters, ist nicht von dieser Welt. Der Blik der Christen, als solches, geht nicht auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare; nicht das Gegenwärtige, sondern das Zukünftige ist's, was er sucht [vgl. Hebr 13,14; A.S.]. Christenthum, das diesen Namen verdient, ist eine Sonne, die hoch über der Erde schwebt, alles erleuchtet, erwärmt, reift"111. Aber gerade weil der Staat das Zusammenleben der Menschen äußerlich regelt, bedarf er gerade nicht der Fülle des Geistes, die dem christlichen Glauben eignet. „Aber diesen hohen Geist des Christenthums bedarf der Staat als Staat nicht"112. Mit großer Treffsicherheit läßt Ewald gegen die vermeintlich ,christliche' Staatsauffassung der Koalition von Thron und Altar die eigentliche reformatorische Anschauung zu neuer Geltung kommen, derzufolge die weltliche Obrigkeit ihr Amt in äußerlichen Dingen hat, indem sie für Frieden und Gerechtigkeit sorgt, sich aber nicht als Herrscherin an den Seelen der Menschen vergreifen darf. Dies verhandelt Ewald in einem direkten Dialog mit Rühs: „,Das Höchste, was ein Volk behaupten muß, (auf einem Landtag) sind seine Religion und seine Volksthümlichkeit.' (Religion? Ist denn bei einer Versammlung der Stände in der Regel, von Religion die Rede? Ist Stände=Versammlung eine Synode?) ,Die Juden können daher, nichts Anders vertreten, als das Judenthum und die Jüdischheit?' (Wirklich macht Herr Rühs die Landtage zu Synoden, aus den mittlem Jahrhunderten, wo über Glaubenslehren disputirt und entschieden wurde, , mithin gerade das Gegentheil, (von dem) was die deutschen Stände wollen [...] Freilich, wenn auf unsern Landtagen die Frage besprochen werden sollte, ob Jesus der wahre Meßias sei; dann möchte Herr Rühs Recht haben. Ich hab' aber etwas von der Art noch in keinen Landtagsverhandlungen gefunden [...] Es ist in Versammlungen der Stände, weder von Judenthum noch von Christenthum die Rede, sondern von gehöriger Vertheilung der gesezgebenden und ausübenden Gewalt, von Civillisten, Steuern, Bürgerfreiheit, Kassenverwaltung, Einheit der deutschen Militairverfassung u.s.w. das weiß Jeder, und kann es wissen, wenn er auch kein Professor der Geschichte ist, und keinen tiefen Blik, in das Leben der Völker geworfen hat"113. Es ist nicht die Aufgabe der weltlichen Obrigkeit, über die

111

Ebd.,p32.

112

Ebd.

1,3

Ebd., p43-45.

Kapitel III

340

Messianität Jesu zu streiten, sondern sich um die äußerlichen Belange zu kümmern, z.B. um die Art der Gewaltenteilung, das Steuerrecht u.ä. Hier zeigt sich, wie Ewald fähig ist, die Grundidee der Zwei-Reiche-Lehre zu rezipieren, indem er gleichzeitig die Bestimmung der weltlichen Obrigkeit von den nun in aufgeklärter Weise veränderten Bedingungen her neu füllt. Der Staat hat die Aufgabe, die äußerlichen, den Leib und das Gut betreffende Dinge gesetzlich zu regeln, wobei nun nach der politischen Aufklärung auch die Frage der Teilung der Gewalten zu diesen äußeren Belangen gehört. Nur weil Ewald die Unterscheidung der Regimente in die nun nach der politischen Aufklärung veränderten Bedingungen einzeichnet, kann er den Staat als Hüter der Menschenrechte fassen. Im Reich der Welt betrachtet hat ein Jude wie „jeder Mensch in jedem Staat ein Recht auf Sicherheit seines Lebens, seiner Freiheit, seines Eigenthums"114. Der Staat ist hier als Exekutiv-, Legislativ· und Judikativ-Organ Garant für die aus den Menschenrechten sich herschreibenden Grundrechte. Vom geistlichen Regiment aus betrachtet jedoch sind die Juden als Pädagogen der Heiden hin auf Christus zu würdigen, wobei diese Sichtweise, die sub specie fidei geschieht, die Argumente für die bürgerrechtliche Eingliederung der Juden unterstützt. „War nicht Judenthum eine Erziehungsanstalt zum Christenthum?"115. Und in der von allen Christen den Juden gegenüber geforderten Ehrfurcht wendet sich Ewald an die Juden, indem er sich ad homines sprechend ihnen zuwendet und ihre Rolle als Bildner der Heiden noch einmal hervorhebt: „Ihr werdet und könnet nicht daran zweifeln, daß ich es ehrlich und gut mit der Nation meyne, der wir so viel, in Hinsicht auf religiöse Bildung, und natürlich daraus fliessende Sittlichkeit, verdanken, die uns das Fundament aller ächten Religion, die Lehre, von einem einzigen Gott, in der Welt erhalten hat. Ohne Rüksichten und Nebenabsichten hab' ich zu Eurer Vertheidigung geschrieben, als Irrthum, Vorurtheile, und Fanatismus, Eure Nation herabwürdigen, sie als schädlich für die Staaten darstellen wollte; in einer Zeit, wo es in manchen Ländern, eben entschieden werden sollte, ob man Euch, wie Eingeborene, behandeln könne oder nicht"116. Diese doppelte, originär Ewaldsche Argumentation ist das Moment, das Ewald von den liberalen Judenemanzipatoren und von den reaktionären Judenhetzern unterscheidet. Von Dohm hatte gefordert, man solle von den allgemein geltenden Menschenrechten nun auch Anwendung auf die Juden machen. Von Dohm wollte keine Partei für die Juden als Juden mit ihren spezifischen Wurzeln ergreifen, sondern er setzte sich für die Juden bloß ein, insofern sie Menschen waren. Hierfür erhielt er sogar noch ein Lob von Moses Mendelssohn: „Seine [seil, von Dohms; A.S.] Absicht ist, weder für

114

Ebd., p38.

115

Ebd., p44.

116

Ebd., pl34.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 341 das Judenthum, noch für die Juden eine Apologie zu schreiben; er führt bloss die Sache der Menschheit und vertheidigt ihre Rechte. Ein Glück für uns, wenn diese Sache auch zugleich die unserige wird, wenn man auf die Rechte der Menschheit nicht dringen kann, ohne zugleich die unserigen zu reclamiren"117. Ewald ist hier zu höherer Reflexion und zu tieferer Durchdringung des Problems gelangt. Indem er die Zwei-Reiche-Lehre rezipiert und sie als methodisch-argumentative Grundlage erneuert, wird er fähig, das nachzuholen, was von Dohm und Mendelssohn erklärtermaßen nicht wollten: nämlich zum biblisch-theologischen Apologeten und Fürsprecher des Judentums zu werden, ohne dabei die Argumentation mithilfe der Menschenrechte zu vergessen. Eine bloße Befürwortung dessen, daß die Menschenrechte auch auf die Juden anzuwenden seien, mußte sich angesichts der reaktionären Ansichten von Fries und Rühs als die schwächere erweisen. Und nur, wenn man für die Juden mithilfe der biblischen Botschaft Partei ergreift, wenn man sie also der Analogie des Glaubens gemäß zu sehen lehrt, kann die Forderung nach der Geltung der Menschenrechte auch für Juden zu ihrer nötigen Schärfe gelangen118. Im Jahre 1820 meldet sich Ewald in der Judensache wieder zu Wort, indem er einem Artikel der „Karlsruher Zeitung"119 scharf entgegentritt, der die in der zweiten Kammer des badischen Landtages verhandelte „Frage, über die schuzbürgerliche Annahme der Juden" kommentiert. Beschlossen wurde dort am 10.8.1820, „die künftige Annahme der Israeliten zu Schuzbürgern [...] lediglich den Gemeinden zu überlassen". Der anonyme Kommentator sieht hierin die „große Vorsicht", die die Regierung in der Judensache walten lasse. Diese Vorsicht sei darum geboten, weil die moralische und zivilisatorische Entwicklung der Juden noch weit hinter dem christlichen Status zurückbleibe. Mehr noch: Die Juden selbst verhindern ihren eigenen diesbezüglichen Fortschritt. „Eben darum muß die Regierung große Vorsicht anwenden bei einer Kaste, in welcher sich die Bedingungen einer gleichförmigen Entwiklung mit den übrigen Staatsangehörigen nicht finden, die, in nationellen Eigenheiten, fest gewurzelt ist, und, indem sie sich selbst noch als Volk betrachtet, für alles Fortschreiten der höhern Zivilisation geschlossen dasteht." Dies ist das alte Argument, mit dem nicht nur die Einschränkung der avisierten Gleichberechtigung' der Juden in Baden 1809 und andernorts begründet worden ist, sondern auch das Argument, mit dem die Aufhebung der schon erreichten Gleichberechtigung in der Zeit der Reaktion betrieben worden ist. Auch 117

Mendelssohn, M„ Schriften, Bd. 2, p477f. Zu Ewalds Position i.b. auf die Geltung der Menschenrechte im Reich der Welt s. u. p375ff. 119 Karlsruher Zeitung, Nr. 222. Freitag, den 11. Aug. 1820. Der Artikel findet sich auf der ersten Seite der genannten Ausgabe, Sp. 1. 118

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Kapitel III

H.E.G. Paulus hatte noch im Jahr 1817 vorgeschlagen, nicht der gesamten Judenschaft auf einmal die bürgerliche Gleichstellung zu gewähren, sondern nur solchen einzelnen jüdischen Individuen oder Familien, die sich durch ihr Verhalten und ihre moralische Integrität dafür als würdig erwiesen haben120. Als der genannte Artikel in der ,Karlsruher Zeitung' erschien, war die pogromartige Ausschreitung gegen die Juden im Jahr 1819 noch in guter Erinnerung. Die sog. Hep-Hep-Bewegung war besonders radikal in Heidelberg und Mannheim gegen die Juden vorgegangen. Diese Pogrome bildeten den erschreckenden Höhepunkt einer durch Mißernten, Inflation, Lebensmittelknappheit und Hochwasser geprägten Krisenzeit121. Mit aller Vehemenz tritt Ewald dem Redakteur der .Karlsruher Zeitung' in einer kleinen Schrift entgegen und wirft ihm unentschuldbare Unverantwortlichkeit vor. Ja, er wirft ihm vor, die Hep-Hep-Bewegung neu anheizen zu wollen und offene Judenhetze betrieben zu haben. Der Artikel enthalte „Behauptungen, die man [...] am allerwenigsten in einem öffentlichen Blatt lesen sollte, das in die Hände des Volkes kommt, das noch vor kurzem den Grad seiner Humanität gegen die Juden, auf eine so empörende Art bethätigt hat. Solche Grundsätze, wie sie der Artikel ausspricht, sind eine Art von Ermunterung zum Hepp, Hepp, die, nach meiner Meinung, in keinem Zeitungsblatt geduldet werden sollten, wenn nicht Alles geduldet wird"122. Wieder einmal hat sich Ewald mit der Ideologie des ,christlichen' Staates auseinanderzusetzen und wieder einmal muß Ewald auf die unleugbaren Fortschritte in der jüdischen Pädagogik hinweisen, die „die jüdischen Männer Johlson, 120

Heinemann,

Kley, Heß, Fränkel, Zunz und Andere" 123 gebracht

Vgl. Paulus, (Hg.), Beiträge, hierin: Vorwort, pXVII: „Der erste Grundsatz, dünkt mich, wird also dieser seyn müssen, daß nicht der Judenschaft überhaupt bürgerliche und politische Rechte frei gegeben und gleichsam entgegen gebracht werden sollen. Wenn Einzelne, durch ihre Erziehung, und gesammtes Betragen sich in der That den Guten unter den übrigen Bürgern gleich stellen, so ist es Gerechtigkeit, solchen bestimmten Personen oder Familien auch die gleichen bürgerlichen oder politischen Rechte zu gewähren." 121 Diese Krisensituation spiegelt sich u.a. in den Predigten der Zeit. Im Frühjahr 1817 hielt z.B. der Mannheimer reformierte Pfarrer Philipp Karbach Predigten über die „Theuerung und Wassersnoth". „Selbst in den gesegneten Ländern am Rhein fühlte man daher schon im Anfange des Winters [seil. 1816; A.S.] den Druck der Theuerung" (ebd., pIV), die durchschnittlich 50 % betrug, und besonders für die Armen eine existentielle Notlage bedeutete. 122 Ewald, Juden= und Menschenbildung (Bibl. Nr. 373), p7f. 123 Ebd., ρ 12. Ewald nennt hier sechs jüdische Pädagogen, die durch ihr Wirken das jüdische Schulwesen entscheidend verbessert haben. Vgl. zum Thema Busch, R., Die jüdischen Reformschulen, der einen guten Einblick in die Aufbruchsstimmung der jüdischen Pädagogik zur fraglichen Zeit gibt. Vgl. überdies Friedländers Schrift ,Ueber die durch die neue Organisation der Judenschaften in den Preußischen Staaten nothwendig gewordene Umbildung 1) ihres Gottesdienstes [...] 2) ihrer Unterrichts=Anstalten', die

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 343 haben. Die deutschen Staaten hätten dieser Entwicklung jetzt endlich Rechnung zu tragen und die Ausbildung eines jüdischen Bildungswesens organisatorisch wie finanziell zu unterstützen124. Nur auf diese Weise kann ein echtes Gespräch zwischen Juden und Christen stattfinden: wenn auch die Juden ihre Wurzeln wiedergewonnen haben und in ihrer Tradition heimisch sind. Und wieder äußert Ewald seine Abneigung gegen ein Judentum, das sich zu seiner Tradition nicht mehr positiv verhalten will: „Ich kenne mehrere ehrwürdige, von dem Geist ihrer Religion durchdrungene, ächt fromme Rabbinen, die auf Disziplin und Legalität halten [...] Die Meisten sind mir sogar lieber, als die zwischen Deismus und Mosaismus schwankenden, im Grund aber, gegen alles Religiöse gleichgültigen Reformatoren, die eine gewisse, sogenannte Aufklärung wie einen Modefrack anziehen, und ihn eben so bald wieder ablegen würden, wenn etwas anders Mode wäre"125. Ein Jahr vor seinem Tode greift Ewald ein letztes Mal zur Feder, um das ihm erst im hohen Alter zugewachsene Amt eines christlich-theologischen Apologeten des Judentums zu vollenden. In seiner vierten Juden-Schrift begibt sich Ewald in einen Disput mit dem großherzoglich-badischen Staatsminister Ernst Philipp Freiherr von Sensburg, der sich über die seiner Ansicht nach noch vorhandenen Hindernisse der Judenemanzipation geäußert hatte126. 1812 anonym erschien. Zwar meint Friedländer ähnlich wie von Dohm, daß die jüdische „Anhänglichkeit an das Alte" (p7) zuvörderst Folge der Unterdrückung der Juden sei, bemüht sich aber gleichzeitig um ein „Streben nach wohl eingerichteten Lehranstalten" (plO) und ruft nach einem „Lehrbuch der Israelitischen Religion" (pl5). Dies zeigt schon, daß Ewalds Vorschläge zur Verbesserung des jüdischen Schulwesens nicht von außen an die Judenschaft herangetragen sind, sondern auf innere Entwicklungen in der jüdischen Reform-Pädagogik aufbauen und sich an sie anschließen. Wenn Ewald die Einrichtung eines jüdischen Katechismus vorschlägt, schließt er sich ebenfalls an Vorschläge jüdischer Pädagogen an. 124 Vgl. Ewald, Juden= und Menschenbildung, p l l f f . 125 Ebd., p24. 126 Von Sensburg, E. Ph., Welche Hindernisse. Von Sensburg macht die bürgerliche Verbesserung, d.h. die Gleichstellung in bereits ,traditioneller' Weise abhängig von einer sittlichen Läuterung der Juden: „Die natürliche Bedingung der bürgerlichen Verbesserung der Juden ist: daß sie sich vorerst physisch, politisch, und moralisch bessern" (p6). Anders als Ewald befürwortet von Sensburg kein eigenes jüdisches Schulwesen. Vielmehr „sollten keine besondere jüdische Elementarschulen bestehen. Die jüdische Jugend sollte ihren Unterricht im deutschsprechen, lesen und schreiben, im Rechnen und auch in der allgemeinen Moral, welche Bekennern jeden Glaubens gleich eigen seyn muß, in den christlichen Elementarschulen [...] erhalten" (p34). Eine solche Lösung hält Ewald allenfalls für den Übergang für eine mögliche und denkbare. Den größten Anstoß nimmt von Sensburg jedoch am jüdischen Talmudismus und sieht hierin den eigentlichen Verhinderungsgrund einer bürgerlichen Gleichstellung der Juden. Die Juden seien „an gewisse Talmudistische Albernheiten beynahe so fest, wie an die Tafeln Moses gekettet" (p4f). Und: „Die aufgeklärten Juden mögen die tückischen Lehren der ältern Talmudisten

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Kapitel III

Unter diese Hindernisse - so von Sensburg - gehöre u.a. auch der Talmudismus. Ewald dagegen macht geltend, daß diese Frage für den Staat schlechterdings kein Politikum sein könne, da es seine Kompetenzen klar überschreite, hier eine Abkehr der Juden vom Talmud zu fordern oder in irgendeiner Hinsicht zu befördern. Wiederum der Lehre von der Unterscheidung der beiden Regimente und deren Kompetenzen folgend, mahnt Ewald an, daß dies bedeuten würde, über die Gewissen der Menschen regieren zu wollen. Das jedoch sei als Grenzüberschreitung des Staates strikt abzulehnen. Denn der Staat hat keine Macht über die Gewissen127. „Eingriff in die heilige Menschenfreiheit und in die heiligste Gewissensfreiheit wäre es allerdings, wenn eine Obrigkeit sich anmaßen wollte, den Juden vorzuschreiben, wie viel oder wenig sie von dem Talmud halten sollen"128. Ewalds Apologie für das Judentum ist epochemachend, weil sie neben der menschenrechtlichen Argumentation wieder einen Zugang zu einer theologischen Stellungnahme im eigentlichen Sinne von den reformatorischen Wurzeln her gewinnt. Ewalds letzte Schrift hat jedoch auch eine epochale Bedeutung darin, daß sie den Staat auffordert, endlich die seit von Dohm geforderte Beschränkung der Judenemanzipation fallen zu lassen: nämlich die Nichtzulassung von Juden zu höheren Staatsämtern. Es kann - so Ewald - nicht länger die Forderung nach höherer Bildung der Juden als Verhinderungsgrund einer Beschäftigung der Juden im Staatsdienst geltend gemacht werden. Vielmehr müsse nun umgekehrt den Juden der Staatsdienst geöffnet werden, damit aufgrund dieser Änderung mehr Juden dazu angereizt werden, sich für diese Ämter auch ausbilden zu lassen. Hierin besteht der „Wunsch" Ewalds, „von dessen Erfüllung die ganze Bildung der jüdischen Nation abhängt"129. Denn erst, wenn der Anreiz gegeben sein wird, Staatsämter bekleiden zu dürfen, werden sich die Juden auch positiv zu dieser neuen Aufgabenstellung verhalten und eine Ausbildung anstreben, die sie geschickt zu diesen Ämtern machen wird, wodurch das Bildungsniveau der Juden überhaupt gesteigert werden wird. Denn: „Wer wird sich denn anstrengen, einen Berg zu erklimmen, wenn man ihm vorher sagt, daß er die Spitze, um derentwillen Andere verbergen und verkleistern, wie sie wollen, sie mögen auch einige rein moralische Sätze daraus anführen, im Ganzen taugen sie nicht für ein gemeingeselliges Leben" (pl2). Hieran wird sich Ewalds Kritik entzünden. 127 Genau hier liegt auch die Grenze, durch die Luther den Kompetenzbereich der weltlichen Obrigkeit begrenzt. Denn das weltliche Schwert hat nicht das Recht, „die schwache(n) gewissen mit gewallt" zu treiben (Luther, StA Bd. 3, p55). Denn „das welltlich regiment hatt gesetz / die sich nicht weytter strecken / denn vber leyb vnd gu(o)tt / vnd was eußerlich ist auf erden. Denn vber die seele kan vnd will Gott niemant lassen regirn / denn sich selbs alleyne" (ebd., p51f). 128 Ewald, Was sollten die Juden (Bibl. Nr. 376), plO. 129 Ebd., p37.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 345 den Berg ersteigen, nie erreichen werde?"130. Damit fordert Ewald dazu auf, die Einschränkungen der z.B. in Preußen 1811 ergangenen Gleichberechtigung der Juden und deren Ausschluß vom Staatsdienst endlich fallen zu lassen und Juden nur noch darum nicht mit einem Amt im Staate zu betrauen, „nicht darum, weil er ein Jude, sondern weil er nicht hinlänglich gebildet ist"131. Denn erst, wenn diese verwaltungstechnische Repressalie gegen die Juden gefallen sein wird, könne der Staat von sich behaupten, daß er in keinerlei Weise bestrebt sei, die Juden auf diesem Wege zur Konversion zum Christentum zu bewegen. „Die Juden in das Christenthum hineinbestechen, hineinschmuggeln, durch fortgesetzte Entziehung der ihnen gebührenden Bürgerrechte hineinzwängen, ist dem Geiste des Christenthums ganz zuwider"132. In überaus fortschrittlicher Weise greift Ewald hier einen politischen Konsens mit aller Schärfe an, denn selbst der liberale von Dohm hatte den Grundsatz verfochten, „daß, wenn ein Jude mit einem gleich geschickten Christen sich zeigte, dieser einen Vorzug vor jenem verdiente"133. Christliche Bewerber seien auf jeden Fall jüdischen vorzuziehen, auch wenn diese dieselben Qualifikationen mitbringen. Und überhaupt werde „der noch zu kaufmännische Geist der meisten Juden besser durch starke körperliche Arbeit als durch die stillsitzende des öffentlichen Bedienten gebrochen"134. Überdies sei es nicht ratsam, den Juden einen Anreiz zu verschaffen, sich für die Übernahme eines Staatsamtes ausbilden zu lassen. „Der beste Mittelweg würde vermuthlich seyn, wenn man die Juden, ohne sie zu ermuntern, auch nicht abhielte, die Kenntnisse, die zum Dienst des Staats leiten, sich zu erwerben, und wenn man sie in den Fällen, da sie sich vorzüglich fähig bewiesen, auch gebrauchte, wäre es auch nur, um dem ohne Zweifel noch lange herrschenden Vorurtheil entgegen zu arbeiten"135. Ewald ist seiner Zeit weit voraus, und er selbst hat die sich aus seiner heilsgeschichtlich reflektierten Pädagogik ergebende Forderung nach der Öffnung der Staatsämter für Juden nicht mehr erlebt. Es sollte noch fast ein halbes Jahrhundert dauern, bis erst im Vorfeld der Reichseinigung 1869 unter der Regierung des preußischen Königs Wilhelm I. dieser Meilenstein erreicht wurde136. Und wieder ruft Ewald nach einem doppelten Schulsystem, das der Tatsache Rechnung trägt, daß sowohl christliche als auch jüdische Kinder in der Schule mit den Grundlagen ihres Glaubens katechetisch bekannt gemacht zu werden ein Recht haben. Alle anderen aufgeklärt-indifferenten Vermittlungsversuche werden der Schärfe der Wahrheitsfrage nicht gerecht, die sowohl die Juden an die Christen als auch die Christen an die Juden zu stellen haben. 130 133 135

131 132 Ebd. Ebd., p38. Ebd., p41. 134 Von Dohm, Bd. 1, pl 19f. Ebd., pl 19. 136 Ebd. Vgl. Dubnow, Bd. 9, p340.

346

Kapitel III

„Das Schwanken zwischen den zwey Religionen zerstört alle Religiosität. Es entstehen Zweifel in dem Kinde, die es sich nicht auflösen kann, und Religion duldet solche Zweifel nicht. Das Element aller Religion ist Glaubens=Gewißheit, oder sie ist gar nichts"137. Und immer wieder zeigt sich in dieser Sache, daß Ewald nicht einseitig Partei ergreift, sondern sich mit der gleichen Schärfe, in der er sich gegen die reaktionäre Doktrin vom christlichen Staat und dessen Judenmission und Kampf gegen das Judentum wendet, auch gegen eine deistisch-vernünftelnde Gleichmacherei zwischen beiden Religionen wendet. „Sucht man einen sogenannten Aufgeklärten oder Aufklärling, der etwas darein setzt, öffentlich Schinken zu essen, die Kirchen berühmter christlicher Prediger zu besuchen, den Tod Jesu bey voller Musik mitzusingen, über alle Speise= und Ceremonial=Gesetze der Juden, die oft, als Zaun um das Gesetz, sehr heilsam sind, zu spotten: so würden sich solche leichtfüßige und leichtsinnige Absprecher auch noch auffinden lassen; und noch leichter als jene Talmudisten, weil diese doch noch irgend eine Art von Wissen eingesammelt haben, da die Aufklärlinge eigentlich nur schwätzen, sprechen und absprechen können"138. Nicht solche Aufklärlinge braucht das Judentum, die ihre Tradition einem Vernunftglauben zum Opfer bringen und sich so selbst verleugnen, sondern Lehrer, die in ihrer Tradition fest gewurzelt durch ihre Lehrtätigkeit diese Verwurzelung und Beheimatung anderen vermitteln können: „Männer, die wirklich Ehrfurcht vor ihrer Religion haben [...], die den Talmud zu würdigen wissen [...]; die zugleich so viel Lehr=Weisheit haben, um die Menschen durch ein zu grelles Licht nicht aufzuklären, sondern zu blenden; Männer, die neben einem gründlichen Studium der mosaischen Theologie auch Bekanntschaft mit den nöthigen Hülfs=Wissenschaften"139 haben. Gerade aus der bürgerlichen Gleichberechtigung der Juden und aus der Rezeption der modernen Pädagogik wird sich auf Seiten des Judentums ein neues Aufblühen ihrer traditionellen Lehrinhalte in neuem Kontext ergeben. Auch hierin unterscheidet sich Ewald nicht graduell, sondern grundsätzlich von von Dohm, der geradezu monoton immer wieder behauptet, daß das Festhalten der Juden an ihren religiösen Wurzeln lediglich eine Folge ihrer Unterdrückung sei. „Drückung und Verfolgung sind der fruchtbarste und nährendste Boden des Aberglaubens und geheiligter Vorartheile. Ohne sie würde von manchen Secten kaum noch der Nähme übrig seyn, und gewiß auch der jüdische Glaube sich längst schon mit andern verschmolzen oder wenigstens [...] seine schneidende Ecken abgeschliffen"140 haben. Der jüdische Glaube hat nach von Dohm keinerlei sachlich-inhaltliche Relevanz, 137 138 140

Ewald, Was sollten die Juden, p25. 139 Ebd., p31. Ebd., p31f. Von Dohm, Bd. 2, pl73.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 347 sondern er wird von ihm zu einem bloßen Exponenten der rein äußerlichen Unterdrückung herabgenehmigt, die sich auf solche abergläubische Weise geistig verbräme. Deswegen habe die Gleichberechtigung der Juden notwendigerweise das Ende ihrer besonderen Religion zur Folge. ,„Aber dann werden die Juden aufhören eigentliche Juden zu seyn?' - Mögen sie doch! Was kümmert dieses den Staat [,..]?"141. Eine aufgeklärte Vernunft-Religion könne den Juden als emanzipierten Bürgern eine neue religiöse Beheimatung geben, die sie dann mit den aufgeklärt-christlichen Bürgern gemeinsam hätten. Denn: „Die Religion der Vernunft ist auch die des Juden. Sie rein und nur aus ihrer eignen Quelle erkennen, und die Zusätze, womit sie bisher für ihn beladen war, von ihr absondern, ist also kein neuer Glaube, kein schwerer Uebergang für ihn"142. Die Schwäche, die sich bei Rühs und Fries gezeigt hat, die Regimente nicht genug unterschieden zu haben, wird auch bei von Dohm deutlich, wenn er meint, daß es Sache des Staates sein könne, durch die Gleichberechtigung der Juden einer Vernunft-Religion zum Durchbruch zu verhelfen, die Juden und Christen miteinander vereine. „Ich gestehe daß ich es auch noch für eine neue glückliche Folge der bessern Behandlung der Juden halten würde, wenn dadurch die Zahl der öffentlichen freyen Bekenner der natürlichen Religion gemehrt und hiedurch die Veranlassung ihrer religiösen Vereinigung gegeben wäre, welches, wie mich dünkt, kein geringer Fortschritt zu der Verbesserung und Aufklärung des menschlichen Geschlechts überhaupt seyn dürfte"143. 141

142 Ebd., ρ 174. Ebd., pl80. Ebd., pl83f. Im Ergebnis ist die Position von Heinrich Friedrich Diez ähnlich, die er in seinem Buch ,Ueber Juden. An Herrn Kriegsrath Dohm in Berlin' entwickelt. Zwar wendet er sich gegen die von Dohmsche Behauptung, es sei nötig, die Juden zunächst nicht zum Staatsdienst zu reizen. „Es war Unglück, daß man wähnte, den Juden nur nach Bekennung zum Christenthum in bürgerliche Gesellschaft aufnehmen zu können" (pl 1). Aber ähnlich ungeschickt sei die Einschränkung der Gleichberechtigung, die von Dohm vorschlage. „Unter gesitteten Völkern sollte man nie dahin kommen, zu fragen, mit welchen Einschränkungen Juden in bürgerliche Rechte und Freyheiten eingesezzt werden könnten?" (plO). Einer Meinung mit von Dohm ist Diez jedoch in der Hinsicht, daß durch religiöse und bürgerliche Gleichberechtigung das Judentum nicht mehr gezwungen werde, an seiner eigentümlichen und abergläubischen Religion festzuhalten. „Dies wird ganz ungezweifelt den blinden Eifer mildern, mit dem der Jude bisher dem alten Testament, seinem Talmud und Rabbinen angehangen hat [...] Kurz, er wird bald finden, daß neue Wahrheiten besser sind, als alte Irrthümer" (pl3). Denn „nach Natur der Dinge wird ein gebürgerter Jude allmählich Gebräuche verlaßen, unter die er sich bisher sklavisch gebeugt hatte" (p33). Der Diezsche Idealjude ist derjenige, der die Vernunft aufbieten wird, um seine Offenbarungsreligion vernünftig zu interpretieren.,Der Jude' „wird weiter gehn, und aus dem alten Testament ein System heraussichten, welches Vernunft und Offenbarung zu vereinigen dienen soll, eben so wie man seit einiger Zeit Christenthum zu läutern sich bemüht hat" (ebd.). Dies jedoch werde nur eine Durchgangsstufe sein. Später 143

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Kapitel III

Wie sehr jedoch dieser von Dohmsche Indifferentismus auf jüdischer Seite nicht nur konsensfähig war, sondern sich gar einem aufgeklärten jüdischen Vernunftglauben verdankte, zeigt ein Blick auf Mendelssohn. Denn er war es, der in seiner Schrift „Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum"144 die Behauptung aufgestellt hatte, der jüdische Glaube verdanke sich in keiner Weise einer übernatürlichen Offenbarung, sondern lediglich der vernünftig zu erfassenden natürlichen. Lediglich das Gesetz sei durch übernatürliche Intervention Gottes gegeben. „Ich erkenne keine andern ewigen Wahrheiten, als die der menschlichen Vernunft nicht nur begreiflich, sondern durch menschliche Kräfte dargethan und bewährt werden können [...] Um es mit einem Worte zu sagen: ich glaube, das Judenthum wisse von keiner geoffenbarten Religion, in dem Verstände, in welchem dieses von den Christen genommen wird"145. Lessing folgend unterscheidet Mendelssohn „ewige Wahrheiten"146, die sich nur auf Vernunft gründen und allein zur Erlangung des Heils zu wissen nötig sind, und „zeitliche, GeschichtsWahrheiten"147, die durch Zeugen bezeugt und durch Schrift und Wort bekannt gemacht werden. Im Judentum gibt es lediglich eine „geoffenbarte Gesetzgebung"148, die jedoch nur Anknüpfungspunkt für „einen unergründlichen Schatz von Vernunftwahrheiten"149 ist. Eine positive Würdigung des Handelns Gottes, durch das er Israel erwählte und einen Bund mit Israel aufrichtete, um die Juden aus den Heidenvölkern herauszuheben, bietet Mendelssohn (im Unterschied zu Ewalds Apologien des Judentums) nicht. Vielmehr teilt Mendelssohn die Schwäche der auch auf christlicher Seite immer wiederkehrenden deistischen Argumentation, derzufolge es eine Diskrepanz zwischen Gottes Güte und seiner Allmacht anzunehmen bedeute, wolle man behaupten, daß Gott zunächst die Glaubenswahrheiten nur einem Volk, nämlich dem jüdischen, zugänglich gemacht habe. „Die dieses behaupten, sprechen der Allmacht oder der Güte Gottes auf der andern

werde sich das Judentum einer rein vernünftigen Naturreligion anpassen und in ihr aufgehen. „Und wenn auch dieser Schritt geschehn ist, wird er [seil, der Jude; A.S.] anfangen, Offenbarung selbst zu bezweifeln und sich von ihrer Unmöglichkeit zu überzeugen; er wird sich begnügen, aus ihr nur allgemeine Sittenlehren zu übernehmen [...] kurz er wird sich zur Religion der Natur oder endlich zur Sittenlehre der Vernunft bekennen" (p33f). Diez also erwartet nicht eine Assimilierung des Judentums an die positive Religion der Christen, aber eben doch eine Assimilierung der Juden an eine von Christen unter Verlust ihrer eigenen Wurzeln entworfenen deistischen Religion. 144 Mendelssohn, Schriften, Bd. 2, p365-471. 145 Ebd., p419. 146 Ebd., p420. Vgl. Lessing, G.E., Vom Beweis des Geistes und der Kraft, in: Ders., Werke, Bd. 8, ρ 12: „Zufällige Geschichtswahrheiten können der Beweis von notwendigen Vernunftswahrheiten nie werden." 147 Mendelssohn, Schriften, Bd. 2, p420. 148 149 Ebd., p427. Ebd., p429.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 349 Seite ab, was sie auf der einen Seite seiner Güte zuzulegen glauben. Er war, nach ihrer Meinung, gütig genug, den Menschen diejenigen Wahrheiten zu offenbaren, von welchen ihre Glückseligkeit abhängt, aber nicht allmächtig, oder nicht gütig genug, ihnen selbst die Kräfte zu verleihen, solche zu entdecken"150. Die Erzählungen „von den Lebensumständen der Stammväter der Nation, von ihrer Erkenntniss des wahren Gottes, ihrem Wandel vor Gott [...] von dem Bunde, den Gott mit ihnen errichtet, und von der Verheissung, die er ihnen so oft wiederholt, aus ihren Nachkommen dereinst eine ihm geweihte Nation zu machen"151, gehören lediglich zu den Geschichtswahrheiten, die im Vergleich mit den heilsnotwendigen Vernunftwahrheiten nur akzidentielle Bedeutung haben. Zwar lehnt Mendelssohn eine Auflösung des Judentums in ein vernünftiges Christentum' ab und unterscheidet sich hierin von von Dohm. „Glaubensvereinigung ist nicht Toleranz, ist der wahren Duldung gerade entgegen"152. Dennoch ist der religiöse Pluralismus, den Mendelssohn anstrebt, geprägt von einer Nivellierung des jüdisch-christlichen Unterschiedes von den Prämissen einer rationalistisch geprägten Theologie her, die zumindest die Gefahr in sich birgt, sich von den biblisch-alttestamentlichen Grundlagen zu entfernen und dadurch das jüdisch-christliche Gespräch sachlich zu entschärfen. Ewald jedenfalls hat sich - wie gezeigt - gegen jegliche offene oder verdeckte ,Religionsmengerei' gewandt, um zwischen den Fronten stehend weder die Fehler der reaktionären Kräfte noch die der Liberalen zu begehen und zu wiederholen. Ewald ruft Juden und Christen gleichermaßen zu ihren Wurzeln zurück, damit Juden und Christen in der jeweils ihnen eignenden Identität miteinander das gleichberechtigte bürgerliche Leben meistern und so das Gespräch suchen, in dem es weder darum geht, die Juden gewaltsam zu verchristlichen, noch auch darum, die nun einmal vorhandenen Unterschiede hinwegzuvernünfteln. Diese Sicht der Dinge unterscheidet Ewald nicht zuletzt auch von Schleiermacher. Dieser setzt sich in seinen .Briefen bei Gelegenheit der politisch theologischen Aufgabe und des Sendschreibens jüdischer Hausväter' im Jahre 1799 für eine konsequente bügerliche Gleichberechtigung der Juden ein153 und wendet sich gegen das mitunter auch von Friedländer für möglich gehaltene Unterfangen, ein rein natürlich-theologisches Judentum vernünftig zu deduzieren, damit die Juden sich auf diesem Fundament mit einem ebenfalls rein natürlich-theologischen Christentum vereinigen können154. Schleiermacher erweckt zunächst zumindest den Anschein, als sei ihm wie später Ewald

150 153 154

151 152 Ebd., p423. Ebd., p459. Ebd., p470. Vgl. Schleiermacher, Briefe bei Gelegenheit, p7. Vgl. ebd., pl7.

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daran gelegen, die jüdische Identität in Glaubensdingen zu wahren155. Der von Friedländer in einer Anfrage an Teller für wünschenswert gehaltene Plan jedoch, die Juden aufgrund eines naturalistischen Minimalbekenntnisses zur Taufe zu führen und damit in die Kirche aufzunehmen, um ihnen so den Weg zur völligen bürgerlichen Gleichberechtigung zu eröffnen156, ist Schleiermacher nicht hauptsächlich darum zuwider, weil die Juden auf diese Weise ihrer angestammten Religion verlustig gehen könnten, sondern v.a. darum, weil eine solche Aufnahme der Juden in die christlichen Gemeinden nicht nur Heuchelei und Irreligiosität befördern157, sondern auch unweigerlich zu einer Judaisierung der Kirche führen könnte158. So projüdisch und progressiv auch die Forderung Schleiermachers ist, daß den Juden die bürgerliche Gleichstellung bei gleichzeitig zugestandener freier Religionsausübung zu gewährleisten sei159, so antijudaistisch ist doch seine Ablehnung alles Jüdischen innerhalb der Kirche, die vorgibt, es verdanke sich dieselbe nicht den jüdischen Wurzeln, und obendrein behauptet, daß alles Jüdische prinzipiell genau das krasse Gegenteil von demjenigen sei, was als eigentlich christlich zu gelten hat. „Ja! ein judaisirendes Christenthum das wäre die rechte Krankheit, die wir uns noch inokuliren sollten! Sie sind nicht so sehr Laie in der Kirchengeschichte, daß Sie Sich nicht daran erinnern können, wie alles Unheil in den alten und neuen Zeiten des Christenthums gänzlich aus dieser Quelle entsprungen ist"160. Daß Schleiermacher mitunter aus einer antijudaistischen Haltung heraus die Gleichstellung der Juden befördert, wird ganz offensichtlich spätestens in seiner Forderung, die Juden müßten, um dieses Ziel zu erreichen, 1. ihr „Ceremonialgesez - nicht durchaus ablegen, sondern nur den Gesezen des Staats unterordnen"161 ( - was aufgrund juristischer Sachzwänge noch am ehesten entschuldbar ist -), 2. „der Hofnung auf einen Meßias förmlich und öffentlich entsagen"162 und 3. den ,,Glaube[n], daß sie irgend einmal wieder eine eigene Nation ausmachen werden"163, ablegen. Nur diejenigen Juden, die diese Grundsätze vertretend und öffentlich und für den Staat nachprüfbar

155 Gegen Nowak, K., Nachwort, p78, der m.E. zu einlinig sagt: „Der Glaube Israels war als eigenes Religionsindividuum zu respektieren." „Beachtenswert" dagegen ist tatsächlich, daß Schleiermacher Friedländer in dessen Bereitschaft, „das Kultgesetz fallen zu lassen, entgegengetreten ist" (ebd.). Theologisch konsequent wäre es nur gewesen, wenn Schleiermacher diese Kritik an Friedländer auch an dem Punkt produktiv fortgeführt hätte, wo es um die Abrogierung der jüdischen Eschatologie ging. 156 Zum historischen Kontext vgl. ebd. p73-76 und Nowak, Frühromantik, pl04f. 157 Vgl. Schleiermacher, Briefe bei Gelegenheit, p33. 158 159 Vgl. ebd., p36. Vgl. ebd., p40. 160 161 Ebd., p36f. Ebd., p46. 162 163 Ebd., p47. Ebd., p48.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 351 bekennend sich zu ,,eine[r] besondere[n] Kirchengesellschaft"164 vereinigen, können dann - so Schleiermacher - zum Genuß der vollen bürgerlichen Rechte gelangen. „Lachen Sie nur, es ist mein voller Ernst mit dieser neuen Sekte"165. Daß dies mitunter auch von jüdischer Seite für einen gangbaren Weg gehalten wurde166, macht die Sache nicht besser. Denn Schleiermacher treibt hier - ähnlich wie H.E.G. Paulus übrigens - nicht nur einen Keil in die Judenschaft, sondern verlangt von den Juden obendrein, daß es seine Messiaserwartung und die Hoffnung auf die dereinstige Wiederherstellung Israels und damit die den jüdischen Glauben überhaupt erst konstituierende Eschatologie aufgeben soll. Auch bei Schleiermacher offenbart sich ein Reflexionsdefizit in Sachen Zwei-Reiche-Lehre, weil er nicht wahrhat, daß das Warten der Juden auf die eschatologische Erneuerung ihres Volkes schlechterdings kein Hinderungsgrund für das bürgerliche Leben im Reich der vergehenden Welt ist, zumal dann ja auch das Warten der Christen auf die endzeitliche Vollendung des Reiches Gottes ein Hinderungsgrund für das Leben eines Christen in der bürgerlichen Gesellschaft sein müßte. Doch spiegelt sich in dieser Haltung auch ein Defizit Schleiermachers in Sachen christliche Eschatologie. So wie er in seiner Glaubenslehre meint, die Hoffnung auf den wiederkehrenden Christus könne nicht zum Lehrbestand der Dogmatik im eigentlichen Sinne gehören und damit die Christologie um ihre eschatologische Komponente einfach beschneidet167, so fordert er vom Judentum im Grunde nur, diesen Akt der Enteschatologisierung des Glaubens nun auch in seinem Kontext nachzuvollziehen. Anders als Ewald jedenfalls ist auch Schleiermacher nicht bereit, die Differenz zwischen jüdischem und christlichem Glauben auszuhalten, weil er die bei aller Differenz bestehende Gemeinsamkeit nicht denken kann, die darin besteht, daß Juden und Christen gerade in der Eschatologie und im Warten auf die dereinstige Vollendung aller Dinge bei der Ankunft des Messias bzw. bei dessen Wiederkunft verwandt miteinander sind. Bemerkenswert ist, daß Ewalds Apologien des Judentums zwar in der christlichen Rezensentenwelt wenig Zustimmung erfahren haben, um so stärker jedoch auf jüdischer Seite geschätzt worden sind, was ein Blick in die grundsätzliche Schrift von Jakob Wolf und Gotthold Salomon ,Der Charakter des Judenthums' zeigt, die im Jahr 1817 erschien und bereits nach acht Wochen eine Neuauflage erfuhr: „Der rühmlichst bekannte Kirchenrath Hr. 164

165 166 Ebd., p50. Ebd., p51. Vgl. Nowak, Nachwort, p80. Vgl. Schleiermacher, Der christliche Glaube, Bd. 2, pl 14. Christus ist „der Gipfel der Weissagung. Aber ebenso wie der Gipfel auch das Ende. Denn die wesentliche Weissagung ist nun gänzlich erfüllt, seitdem auch der Geist ausgegossen ist; und es ist nichts zu denken, was dem Reiche Gottes noch Wesentliches fehlen könne, sondern wer auf etwas neu Bevorstehendes hinweisen wollte, der müßte ein anderes Evangelium verkündigen." 167

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Ewald hat sich in seiner unlängst erschienenen Schrift von neuem als einen sehr würdigen Geistlichen gezeigt, der, vertraut mit dem Geiste der Religion, die er lehrt, die Rechte der unterdrückten Menschheit vertheidigt, und hierdurch zugleich alle die, welchen es nicht an Kraft und Gelegenheit fehlt, aufgefordert, ungescheuet ihre Stimme für das Gute und Bessere zu erheben"168. Nicht verwunderlich in diesem Zusammenhang ist es auch, daß Ewald als Autor in einem jüdischen, von Jeremias Heinemann herausgegebenen Almanach auftaucht, sowie in dessen Zeitschrift ,Jedidja'169.

2. Ewalds Biblische Theologie IV: Die positive Rezeption der kritischen Philosophie Immanuel Kants und Ewalds biblische Metakritik an dessen Ethik Ewald hat sich nicht nur der zeitgenössischen Bildungsaufgabe gestellt, die darin bestand, die Kantische Philosophie zu rezipieren, sondern er hat sie obendrein pädagogisch zu vermitteln und verständlich zu machen versucht. Deswegen hat Ewald ein Buch verfaßt, in dem er die Quintessenzen der „Kritik der reinen Vernunft", der „Kritik der praktischen Vernunft" und der „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten" einem solchen intellektuellen Publikum zugänglich machen will, das sich dem Studium der Schriften Kants selbst nicht oder noch nicht widmen will. Ewald wählt die von ihm sehr geliebte Form des Briefes an eine fiktive Person und verfaßt ein Buch mit dem Titel „Über die Kantische Philosophie mit Hinsicht auf die Bedürfnisse der Menschheit. Briefe an Emma", das 1790 erschien170, also nach der zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft des Jahres 1787 und vor Erscheinen von „Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft" im Jahre 1798. Zwar ist die philosophische Kritik an Kant - etwa die eines Friedrich Heinrich

168 Wolf, J., Salomon, G., Der Charakter des Judenthums, pl38. Die Schrift wendet die meiste Mühe darauf, die moralische Integrität der jüdischen Religion aufzuweisen, und setzt sich dann wie Ewald mit Rühs und Fries auseinander. Ähnlich wie Ewald erinnern die beiden Autoren an die heilsgeschichtliche Bedeutung des Volkes Israel, ohne dies jedoch zur zentralen Argumentation zu erheben: „Daß die Juden das erste und vorgezogenste Volk Gottes zu sein glauben, ist in so fern gegründet, daß ihnen die heilige Schrift diesen Vorzug einräumt, und zwar deshalb, weil sie die Einzigen waren, welche in einer sehr finstern Zeit, wo alle Völker Götzendiener waren, die Begriffe von einem einzigen wahren Gott und den damit verbundenen ewigen Wahrheiten in ihrer Reinheit besaßen, und durch sie auf andere Völker verbreitet wurden" (ebd., pl79). 169 Vgl. Β ibi. Nrr. 360. 374. 170 Bibl. Nr. 53.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 353 Jacobi171 oder die eines Johann Georg Hamann172 - bereits nachgezeichnet worden. Eine umfassende Darstellung jedoch der philosophischen und theologischen Kant-Rezeption steht noch aus173, so daß auch die kritische Position Ewalds Kant gegenüber bisher noch nicht zum Gegenstand des wissenschaftlichen Interesses geworden ist. Sie zu beachten, wird jedoch eine wichtige Teilaufgabe einer Untersuchung der Geschichte der Wirkung Kants sein müssen. Obgleich Ewald nämlich zu denjenigen gehört, die versuchen, die Ergebnisse der Kantschen Philosophie pädagogisch verständlich zu machen, ist er doch nicht mit Girtanner174 etwa zu vergleichen, der es bei dieser Aufgabe im wesentlichen bewenden ließ, und keine originäre Kritik an Kant artikulieren zu müssen glaubte. Vielmehr unternimmt es Ewald, in seiner Kant-Rezeption auf eigenständige und originäre Weise, aus Kants Gedanken selbst heraus eine konstruktive Kritik an Kant zu entwerfen, die keine platt widersprechende ist, sondern die versucht, sich als eine mitdenkende ins Gespräch zu bringen. Überall - und nicht nur in dem genannten Buch über Kant, sondern immer wieder auch in kleineren Exkursen und Aufsätzen - ist bei Ewald der Wunsch zu bemerken, Kant nicht einfach einer zerstörenden Kritik anheimzugeben, sondern ihn so weit wie möglich aufzunehmen, um dann fortführende Gedanken theologischer Art anzufügen, die sich jedoch aus Kants philosophischem Entwurf gesprächsweise und organisch ergeben. Besonderes Interesse hat Ewald als Kritiker der theologischen Aufklärung und des mit ihr einhergehenden Rationalismus an der Kritik der reinen Vernunft Kants, in der Kant der spekulativen Vernunft die ihr gesetzten Grenzen aufweist. Für Ewald ist Kant ein Gewährsmann für eine Kritik an einer solchen Vernunft, die - ständig über die Grenze des Erfahrbaren hinausgreifend - das Dasein Gottes natürlichvernünftig durch einen physikotheologischen Gottesbeweis etwa beweisen und deduzieren will. Mit Kant macht Ewald darauf aufmerksam, daß der Fehler aller Metaphysik darin liege, daß sie meint, ein Ding könne erkannt werden, wie es an sich ist, und daß es - um mit Jacobi zu sprechen - „keine

171

Zu Jacobis Kant-Rezeption und -Kritik vgl. Homann, K., aber auch Kuhn, J., bes. pl48-156ff. 4 2 5 ^ 8 8 . Vgl. ferner Baum, G„ Art. Jacobi, TRE 16, p434-438. 172 Vgl. etwa Bayer, O., Autorität und Kritik, p59-82, und ders., Art. Hamann, TRE 16, p395-403, bes. p399f, und ders., Die Geschichten der Vernunft. 173 Vgl. Malter, R., Art. Kant, TRE 17, p570-581, hier: p579: „Eine Gesamtwürdigung der Wirkung Kants auf die Theologie kann nur im Rahmen einer - in der Kantforschung noch ausstehenden - umfassenden Darstellung der .Geschichte der Kantischen Philosophie' erfolgen." Vgl. jedoch das alte Werk von Flügge, Chr. W., wo Ewalds Kant-Buch zumindest aufgeführt wird (Bd. 1, p325). 174 Vgl. Girtanner, Chr., Ueber das Kantische Prinzip für die Naturgeschichte. Ein Versuch.

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natürliche Philosophie des Uebernatiirlichen geben"175 könne. Die „transzendentale Ästhetik" 176 Kants sich aneignend weist Ewald auf, daß jedes Ding nur als solches zu erkennen ist, wie es in Raum und Zeit erscheint und gegeben wird, ohne damit jedoch behaupten zu wollen, daß es das Ding an sich nicht gebe. Raum und Zeit sind als Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis überhaupt Grundbedingungen des spekulativen Gebrauchs der Vernunft. Die theoretische Vernunft hat es nach Kant mit Gegenständen der Erfahrung zu tun, und Erkennen transzendental-logisch heißt Begriffe verzeitlichen, d.h. ein Ding mithilfe der Kategorien unter Beachtung der reinen Anschauungsformen Raum und Zeit erkennen. Logik und Anschauung werden also aufeinander bezogen, denn: „Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind. Daher ist es ebenso notwendig, seine Begriffe sinnlich zu machen, [...] als seine Anschauungen sich verständlich zu machen" 177 . Die theoretische Vernunft überschreitet jedoch die ihr gesetzten Grenzen, wenn sie in Ansehung von Gott, Freiheit und Unsterblichkeit etwas außerhalb des Erfahrungsbereiches spekulativ ausrichten will. „Daß Raum und Zeit nur Formen der sinnlichen Anschauung, also nur Bedingungen der Existenz der Dinge als Erscheinungen sind, daß wir femer keine Verstandesbegriffe, mithin auch gar keine Elemente zur Erkenntnis der Dinge haben, als sofern diesen Begriffen korrespondierende Anschauung gegeben werden kann, folglich wir von keinem Gegenstand als Ding an sich selbst, sondern nur sofern es Objekt der sinnlichen Anschauung ist, d.i. als Erscheinung, Erkenntnis haben können, wird im analytischen Teile der Kritik bewiesen; woraus denn freilich die Einschränkung aller nur möglichen spekulativen Erkenntnis der Vernunft auf bloße Gegenstände der Erfahrung folgt"178. Ewald nimmt diese kritische Selbstreflexion der Vernunft auf und übt etwa in seiner Schrift „Ist es jetzt rathsam, die niederen Volksklassen aufzuklären?" 179 Kritik an einer pervertierten Aufklärung, die nicht um die Grenzen der Vernunft weiß, indem er sich auf die eben zitierte Stelle aus der Vorrede zur zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft bezieht: „Durch wahre Aufklärung werden die Menschen bewahrt vor der Anmaassung, die Dinge an sich, den tiefsten Grund der Dinge erkennen zu wollen, zu wissen, was die Gottheit an sich ist, und zu ergrübein, die Bestimmung des Menschen in jener Welt, und die Natur und Beschaffenheit dieser Welt. Wahre Aufklärung zeigt ihnen, dass diess über die Grenzen des menschlichen Erkentnissvermögens gehe, oder dass, wie Kant sagt: ,alle nur mögliche Erkenntniss der spekulativen Vernunft auf blosse Gegenstände 175 176 177 179

Jacobi, F.H., Werke, Bd. IV/1, p75. Kant, Kritik der reinen Vernunft, (zit.: KrV), p63-93. 178 Ebd., p95. Ebd., p25. Ewald, Ist es jetzt rathsam (Bibl. Nr. 184).

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 355 der Erfahrung eingeschränkt sey'"180. Wahre Aufklärung - so Ewald im Anschluß an Kant - befördert keine „trockene Schwärmerei", keinen „Grübelsinn" und keine „anmaassende Ueberweisheit"181, sondern sie ist bezogen auf die nahen und naheliegenden Dinge der Erfahrung und damit des alltäglichen Lebens. „Aufklärung ist der Zustand, in dem man die Gegenstände der Erkenntniss, die es für uns sind, und seyn sollen, in einem zureichenden Grade von Deutlichkeit und Richtigkeit erkennt; ein aufgeklärter Mensch, ein aufgeklärtes Volk heisst ein Mensch, ein Volk, das in diesem Zustande lebt"182. Schon zwei Jahre, bevor Ewald sein Kant-Buch schrieb, hat er im Jahre 1788 aufgrund seiner Kant-Lektüre dessen Grundideen der Kritik der reinen Vernunft in seine theologische Kritik am theologischen Rationalismus integriert. In dem Buch, in dem Ewald am stärksten die Allmacht des Glaubens in reformatorischem Interesse gegen die vermeintlich allgenugsame menschliche Vernunft setzt183, zitiert er eingangs drei Abschnitte aus Schriften Kants, wobei er nur Kant als Autor nennt, nicht aber die Belegstellen anführt. Im ersten Zitat ist Ewald mit Kant einer Meinung darin, daß ein nur spekulativer Gebrauch der Vernunft zu keiner Theologie je führen kann. Hierzu führt Ewald ein Zitat aus dem Abschnitt der Kritik der reinen Vernunft an, der sich an die Darlegung der „Unmöglichkeit eines ontologischen (eines kosmologischen und eines physikotheologischen) Beweises vom Dasein Gottes"184 anschließt und in epexegetischer Weise das vorher Gesagte zusammenbindet und -faßt. „Ich behaupte nur, daß alle Versuche eines blos speculativen Gebrauchs der Vernunft in Ansehung der Theologie gänzlich fruchtlos, und ihrer inneren Beschaffenheit nach, null und nichtig sind; daß aber die Principien ihres Naturgebrauchs ganz und gar auf keine Theologie führen [...] könne"185. Um den theologischen Rationalismus zu entkräften also, hat Ewald Kant rezipiert, der gezeigt hat, daß sich die spekulative Vernunft in unauflösbare Paralogismen und Antinomien verliert, wenn sie es mit Dingen zu tun hat, die sie nicht im Sinne der transzendentalen Logik verzeitlichen kann, d.h. in Raum und Zeit mithilfe der verzeitlichten Kategorien faßbar machen kann186. Dennoch hat die Vernunft mit ihren drei Ideen von Gott, Freiheit und Unsterblichkeit nach Kant einen gewissen Hang zur Metaphysik187. Diese Ideen jedoch haben keine konstitutive, objektive Bedeutung, sondern lediglich eine regulative, wobei sich die theoretische Vernunft nur zu einem

180

181 182 Ebd., pl4. Ebd., pl2f. Ebd., p8f. Ewald, Ueber die Natur und den hohen Werth des Glaubens (Bibl. Nr. 29). 184 Kant, KrV, p567-596. 185 Ewald, Ueber die Natur und den hohen Werth des Glaubens, p6. Das Zitat findet sich: Kant, KrV, p600. 186 Vgl. Kant, KrV, p370-466. 187 Vgl. Kant, Prolegomena, pi 19. 183

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negativen Glauben durcharbeiten kann, demzufolge jeder Mensch das Dasein Gottes und ein zukünftiges Leben zumindest fürchten muß, da er deren NichtSein nicht gewiß dartun kann. „Denn hierzu wird nichts mehr erfordert, als daß er [seil, der Mensch; A.S.] wenigstens keine Gewißheit vorschützen könne, daß kein solches Wesen [seil. Gott; A.S.] und kein künftig Leben anzutreffen sei, wozu, weil es durch bloße Vernunft, mithin apodiktisch bewiesen werden müßte, er die Unmöglichkeit von beiden darzutun haben würde, welches gewiß kein vernünftiger Mensch übernehmen kann. Das würde ein negativer Glaube sein"188. Ewald nimmt diese strenge Begrenzung der Fähigkeit der reinen Vernunft auf, indem er mit Kant davon spricht, daß die spekulative Vernunft nie zur Gewißheit gelangen könne, sondern höchstens zu einem negativen Glauben. „Ist das aber Alles, wird man sagen, was reine Vernunft ausrichtet, indem sie über die Grenzen der Erfahrung hinaus Aussichten eröffnet? nichts mehr als zwei Glaubensartikel? (Es ist ein Gott, und es giebt ein künftiges Leben. Nach reiner Vernunft hat der Mensch daran einen negativen Glauben; er muß es wenigstens fürchten; er kann nicht beweisen, daß es keinen Gott und kein künftiges Leben gebe. So meynt Kant.)'"89. In der gesamten Kritik der reinen Vernunft ist Kant damit beschäftigt, die Grenzen der spekulativen Vernunft aufzuzeigen und auf die Unzulänglichkeit aller Spekulation angesichts der Dinge zu weisen, die außerhalb des Erfahrungsbereiches liegen. Das theoretische Wissen erfährt durch Kant eine Begrenzung, durch die jedoch gleichzeitig die Voraussetzung dafür geschaffen wird, Gott, Freiheit und Unsterblichkeit, angesichts deren die theoretische Vernunft zu keiner Gewißheit gelangen konnte, als nun in moralischer Hinsicht unabhängig von der empirisch vorfindlichen Situation geltende Vernunft-Postulate im Bereich der praktischen Vernunft zu setzen. Denn die praktische Vernunft hat es nicht mit der Frage zu tun, was zu erkennen möglich sei, sondern mit den Fragen: Was soll ich tun, und was darf ich hoffen? Die praktische Vernunft fragt nicht nach dem, was ist, sondern danach, was sein soll, und manifestiert sich nicht, indem sie erkennt, sondern indem sie verwirklicht. Der sich aus dem a priori dem Menschen eingegebenen moralischen Vernunftgesetz speisende VernunftGlaube hat es mit der moralischen Gewißheit zu tun, mit einer Gewißheit, die die theoretische Vernunft nicht hat erreichen können. „Nein, die Überzeugung ist nicht logische, sondern moralische Gewißheit, und, da sie auf subjektiven Gründen (der moralischen Gesinnung) beruht, so muß ich nicht einmal sagen: es ist moralisch gewiß, daß ein Gott sei usw., sondern, ich bin moralisch gewiß usw. Das heißt: der Glaube an einen Gott und eine andere Welt ist mit meiner

188 189

Kant, KrV, p747. Ewald, Ueber die Natur und den hohen Werth des Glaubens, p7.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 357 moralischen Gesinnung so verwebt, daß, so wenig ich Gefahr laufe, die erstere einzubüßen, ebensowenig besorge ich, daß mir der zweite jemals entrissen werden könne"190. Um diesen moralische Gewißheit stiftenden Vernunftglauben vom a priori gegebenen Vernunftgesetz her überhaupt erst thematisieren und erheben zu können, war es vorher nötig, eine vernünftige Kritik an der spekulativen Vernunft vorzunehmen: eine Kritik, die „uns zuvor von unserer unvermeidlichen Unwissenheit in Ansehung der Dinge an sich selbst belehrt, und alles, was wir theoretisch erkennen können, auf bloße Erscheinungen eingeschränkt hätte"191. Ewald beschreitet in seinem Buch über den Glauben und dessen Macht einen ähnlichen Weg, indem er die Verloren- und Verlassenheit der menschlichen Vernunft aufzeigt, um daran anschließend von der Macht des christlichen Offenbarungsglaubens zu sprechen. So wie Kant durch seine kritischidealistische Philosophie - wie er selbst sagt - das Wissen aufhebt bzw. die vernünftige Spekulation in ihre Grenzen einweist, um für den moralischen Vernunftglauben Platz zu bekommen, so bekommt Ewald in einer ähnlichen Bewegung der Aufhebung erneut Platz für den biblischen Glauben an den sich den Menschen offenbarenden Gott. Deswegen stellt Ewald seiner Schrift über die Macht des Glaubens unkommentiert die berühmt gewordene Formulierung aus der Vorrede zur zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft voran: „Ich kann also Gott, Freiheit und Unsterblichkeit zum Behuf des nothwendigen, practischen Gebrauchs meiner Vernunft nicht einmal annehmen, wenn ich nicht der speculativen Vernunft zugleich ihre Anmaaßung überschwenglicher Einsichten benehme. Ich mußte das Wissen aufheben, um zum Glauben Plaz zu bekommen, und die Dogmatik in der Metaphysik, d.i. das Vorurtheil, in ihr ohne Critik der reinen Vernunft fortzukommen, (das Vorurtheil, als ob speculative Vernunft über nie erfahrne oder nie erfahrbare Dinge irgend etwas Positives wissen könne) ist die wahre Quelle alles der Moralität widerstreitenden Unglaubens, der jederzeit gar sehr dogmatisch ist. (Ja wol! ja wol! - ,das kann nicht seyn! ' das muß so seyn! ' - Wie oft ist nicht mit solchem prätensionsvollen Dogmatismus Erfahrung und Geschichte und klarer Bibelausspruch weg philosophirt? worden! - ) Kant"192. Schon hier zeigt sich also, daß Ewald die kritische Philosophie Kants zum Anlaß genommen hat, um an sie eine theologische Kritik am Rationalismus anzuschließen. Da, wo Kant die Grenzen der theoretischen Vernunft zieht, um für den Glauben Platz zu bekommen, rezipiert Ewald die Kantsche Kritik an der Vernunft, die ihre Grenzen nicht kennt, um für eine Glaubenslehre Platz zu bekommen, die sich den Wurzeln der reformatorischen Theologie und der biblischen Rede vom Glauben verdankt. In dieser Hinsicht ist Ewald durchaus 190 192

191 Kant, KrV, p746. Ebd., p27. Ewald, Ueber die Natur und den hohen Werth des Glaubens, p8f.

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zu denjenigen Theologen zu zählen, die wie Gottlob Christian Storr und seine Schüler Johann Friedrich Flatt, Carl Christian Flatt und Johann Christian Friedrich Steudel193, aber auch wie der Philosoph des Glaubens Jacobi durch die Kantsche Kritik einen Freiraum entstehen sahen, „den nur eine übernatürliche und unmittelbare göttliche Offenbarung ausfüllen kann"194. Deutlicher noch hat sich Ewald über die Geistesverwandtschaft des aufklärungskritischen Theologen mit dem kritisch-idealistischen Philosophen in seinem Buch über Kant erklärt und in ihm gleichzeitig auch seine grundsätzliche Kritik an Kants Ethik artikuliert. In positiver Hinsicht ist zunächst festzuhalten, daß Ewalds Würdigung Kants nicht bloß in rein negativer Hinsicht darin aufgeht, daß er Kant in der Weise beipflichtet, wie er die Grenzen der theoretischen Vernunft aufzeigt. Denn positiv gewandt hat diese Grenzbestimmung nicht einen Ungewißheit stiftenden Skeptizismus zur Folge, sondern gerade umgekehrt einen umso zweckmäßigeren Gebrauch der spekulativen Vernunft innerhalb der ihr gesetzten Grenzen, wodurch zur Vergewisserung des Menschen beigetragen wird. In der Abwehr jeglichen Skeptizismus' sieht Ewald eine der Stärken Kantscher Philosophie: „Warheit ist ihm viel zu heilig, als dass er den unseeligen Skeptizismus dadurch hätte befördern wollen. Er behauptet im Gegentheil, und mich dünkt mit dem grössten Recht, dass nur durch gründliche Untersuchung der Rechte und Gränzen der speculativen Vernunft einmal für allemal dem Skandal vorzubeugen sey, das über kurz oder lang selbst dem Volk aus den Streitigkeiten aufstossen muss, in welche sich Metaphysiker ohne Kritik unausbleiblich verwikkeln; - dass also nur durch sorgfältige Kritik der reinen Vernunft dem Skeptizismus die Wurzel abgeschnitten werden könne"195. Das Unternehmen Kants, „die spekulative Vernunft in ihre wahre Gränzen zurük zu weisen"196, ist nach Ewald gerade Teil seines positiven Vorhabens, die Gewißheitsfrage nicht nur abständig anzuschneiden, sondern selbst Gewißheit zu stiften und die Grundlagen für eine moralische Gewißheit zu legen197. Ewald, der - wie bereits gezeigt - an vielen Stellen der Aufklärung gegenüber anmahnt, sie dürfe den Anspruch des Menschen auf und Wunsch nach Glaubensgewißheit nicht außer acht lassen, mußte Kant in dieser Hinsicht interessant werden. Und es ist nicht zufällig, daß Ewald als in dieser Sache in der reformatorischen Theologie beheimateter Theologe immer wieder auf Vermittlung von Gewißheit insistiert und deswegen Kant mit Luther parallelisiert: „So einem Unwesen zu steuern, die Bodenlosigkeit all der philosophischen Schwärmereien zu zeigen, auf die man fast [...] schwören musste, wenn man eine 193 195 196 197

194 Vgl. Hirsch, Bd. 5, p72f. Ebd., p73. Ewald, Kant (Bibl. Nr. 53), pl7f. Ebd., pl8. Zur moralischen Gewißheit bei Kant vgl. KrV, p741. 746.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 359 rechtgläubige Vernunft haben wollte; das war ja wol Verdienst genug. Schon das erhob Kant zu einem Luther in der Philosophie"198. An dem Punkt jedoch, wo die praktische Vernunft ausgehend vom a priori gegebenen Moralgesetz die in der theoretischen Vernunft als problematisch, d.h. nicht unmöglich übriggebliebenen Ideen von Gott, Freiheit und Unsterblichkeit nun auf den moralischen Gebrauch der Vernunft gründet und als Postulate der praktischen Vernunft artikuliert und als unabhängig vom empirischen Augenschein als vor aller Erfahrung gesetzt faßt, erhebt sich Ewalds Kritik an Kant. Zwar würdigt Ewald Kants Bestreben, die problematischen Ideen der theoretischen Vernunft nun in praktisch-vernünftiger Hinsicht neu als Postulate zu fassen, aber - und hierin liegt die Kritik - es ist dies zwar eine Art von moralisch gefundener Gewißheit, aber doch eine solche, die nicht bleibend ist, weil sie dem Menschen nicht von außen eingestiftet ist. „Das ist also nicht zu leugnen: der gesundfülende Mensch schliesst von reinem, ungesuchtem, natürlichem Bedürfniss, auf etwas, das diess Bedürfniss befriedigt. Nein; schliesst nicht: der Glaube durchblizt ihn mit himmlischer Klarheit in manchem Moment. Es wär' ihm so unmöglich, in solchen Stunden an Gottes Existenz und Unsterblichkeit zu zweifeln, wie er an seiner eigenen Existenz zweifeln kann. Aber das sind Momente, Stunden; den Nachklang im Herzen mitgerechnet, höchstens Tage. Es ist keine Gewisheit, die bleibt-, nichts festes, woran man sich immer auch in dürren, todten Stunden halten kann"199. Es ist also bei Ewald nicht der Vernunftglaube, der sich bei Kant als moralisch vernünftiger aus dem Menschen selbst entwickelt, indem er aus dem ihm eingegebenen moralischen Gesetz hervorquillt. Vielmehr der Glaube ist der wahre Glaube, den Gott dem Menschen einstiftet und damit den ganzen Menschen erfaßt und nicht nur dessen praktische Vernunft. „Und eben darum dünkt es mich, darf diess Verlangen der Seele, dieser Glaube, der so eigentlich gegeben ist, nicht entwikkelt, in Vernunftpostulate aufgelöset werden; und auch ein Kant dürft' es nicht, und könnt' es nicht. Ein elektrischer Schlag lässt sich nicht auf's Papier zeichnen; und durch den Verstand lässt sich die Innigkeit einer Empfindung nicht empfinden, nicht mittheilen"200. Es ist gerade das Gefühl des Menschen, das Kant als der Sinnlichkeit und nicht der moralischen Vernunft angehörig hatte ausscheiden wollen201, das es verbietet, das Verlangen des Menschen nach Gott, Freiheit und Unsterblichkeit, das den Menschen in seiner Ganzheit ergreift, in bloße Postulate der Vernunft aufzulösen. Das „Streben nach Gewisheit"202 ist auf das engste verbunden mit dem „Gefül des Bedürfnisses" und artikuliert sich als solches, indem es als „heisses

198 201 202

199 200 Ewald, Kant, p22. Ebd., p44f. Ebd., p45. Vgl. Kant, Kritik der praktischen Vernunft, (zit.: KpV), p46 und das folgende. Ewald, Kant, p41.

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Verlangen der Seele"203 laut wird. Dieses Verlangen, das des Menschen Kopf und Herz gleichermaßen angeht und -rührt, macht es unmöglich, dieses im ganzen Menschen und in all seinen Teilen webende und sich regende Grundbedürfnis nur in die eine Provinz der Vernunft hineinzulegen. Im Unterschied zu Kant will Ewald den Menschen gerade, was den Glauben angeht, als ein Individuum im ursprünglichen Sinn des Worts betrachtet wissen, das nicht zergliederbar ist. Der Glaube an Gott, der seinen Sitz im Herzen, im Gefühl, im Inneren des Menschen hat, läßt sich nicht als ein Postulat der ratio allein fassen, da die Vernunft niemals diese Dringlichkeit zergliedern kann, weil hier eine Anthropologie zugrunde gelegt wäre, die den Menschen zergliedert, der nicht zergliedert werden kann. „So wenig es eine Oefnung giebt, die ans Herz, oder in die innerste Werkstäte des Denkens und Empfindens führt; so wenig giebt's ein Wort für das höchste, heiligste im Menschen. Widernatürliche Grausamkeit wär' es, das öfnen und zergliedern wollen bei lebendigem Leibe. Man kann es; aber Tod folgt darauf. - Mich dünkt, ein solches unzergliederbares Gefül, das heisse Verlangen nach Gott und Unsterblichkeit, hat Kant bei seinen Beweisen für diese Warheiten zum Grunde gelegt; hat es in Postulate der praktischen Vernunft verwandelt [...] In Postulate der Vernunft verwandelt? - O! was könnte die Vernunft nicht alles postuliren? was hat sie nicht schon postulirt; sie die in unsern Tagen besonders so üppig geworden ist? - In Postulate der Vernunft verwandelt? Ein Vernunftpostulat ist nie so innig, so dringend, so angeboren, dass man Erfüllung desselben mit Sicherheit erwarten könnte"204. An die Stelle der Vernunftpostulate setzt Ewald daher das aus dem Innern und aus dem Gefühl des Menschen quillende Herzenspostulat. „Aber Herzenspostülate sind bei Millionen Menschen dringend und angeboren, und führen zum Glauben an Befriedigung dessen, was das Herz foderi"205. Dabei verliert sich Ewald jedoch nicht in eine unreflektierte Empfindsamkeit oder Empfindelei, die nun die rationalistische Einseitigkeit durch das entgegengesetzte Extrem beantwortete. Nein, ,Herz' ist für Ewald im biblischen Sinne Synonym für und Kommentar zu ,Seele', die den Menschen als ein integrales Ganzes begreift. Das Herzenspostulat ist „das heisse Verlangen der Seele nach einem Gott, und einer Unsterblichkeit"206. Und dieses Verlangen hat Kant einseitig „vor das Departement einer andern [seil. Seelenkraft; A.S.] gebracht, vor der es nichts ist, und nichts seyn kann"207, nämlich vor die Vernunft. Nicht Vernünftelei und nicht Empfindelei, sondern eine den Menschen mit Kopf und Herz erfassende Anthropologie ist es, die Ewald entwirft, weswegen er auch von einem „Postulat meines Kopfs und meines Herzens"208 sprechen kann. Dennoch kann kein Postulat - wie immer es nun geartet sein möchte - die eigentliche Befriedigung des Bedürf203 206

Ebd., p43. Ebd.

204 207

Ebd., p46-48. Ebd.

205 208

Ebd., p48. Ebd., p55.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 361 nisses bieten, nämlich die Beruhigung. Das vielmehr kann einzig und allein die revelatio: „Aber du weisst: Postulate beruhigen mich nicht; ich liebe Offenbarungen"209. Am meisten Raum in Ewalds Schrift über Kant nimmt die Abhandlung seines „Moralprinzips", des kategorischen Imperativs, ein sowie die Frage nach den die moralischen Handlungen motivierenden Triebfedern, wobei auch hier die Frage nach der Sinnlichkeit des Menschen wieder eine herausgehobene Rolle spielt. Der kategorische Imperativ in seinen verschiedenen Formulierungen, von denen Ewald zwei nennt210, wird von Ewald als „ein trefliches Ideal" gewürdigt, das die „hundertfach sich durchkreuzenden Pflichten in den tausendfachen Lagen der Menschen so natürlich unter Einem Gesichtspunkt"211 zusammenfaßt. Wohl sieht Ewald die Schwierigkeit des kategorischen Imperativs darin, daß er keine materiale, an den konkreten Lebensbezügen ausgerichtete Ethik bietet. Eine solche zu formulieren jedoch sei auch nicht die Absicht Kants gewesen212. Ewald nimmt in gewisser Weise die spätere Kritik Hegels an Kants Ethik vorweg, wenn er danach fragt, wie es möglich sein soll, daß ein einzelner Mensch darüber entscheiden können soll, ob die Maxime seines Handelns allgemeines Gesetz werden könne. „Ich soll so handeln, dass meine Handlungsart allgemeines Naturgesez werden könnte. Ich muss also, eh' ich handle, fragen: wär' es [...] gut, wenn die Maxime, wornach du handelst, zum Gesez würde? Und kenn' ich alle vernünftige Wesen? Weiss ich, was für sie gut wäre?"213. Hegel handelt die Kantsche Moralphilosophie in seiner „Phänomenologie des Geistes" unter der Überschrift „Der seiner selbst gewisse Geist. Die Moralität"214 ab und würdigt Kants kategorischen Imperativ dahingehend, daß sich in ihm die Bewegung des Geistes, seine Selbstentäußerung, vollzieht, da der Mensch aus seiner Unmittelbarkeit heraustritt, sich als einzelner in die Allgemeinheit hinein entäußert, indem er fragt, ob die Maxime des Handelns eines einzelnen allgemeines Gesetz werden könne. „Denn es ist wesentlich die Bewegung des Selbsts, die Abstraktion des unmittelbaren Daseins aufzuheben und sich Allgemeines zu werden"215. Hegel sieht in der 209

Ebd. „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde" (Kant, Grundlegung, p44). „Handle so, als ob die Maxime deiner Handlung durch deinen Willen zum allgemeinen Naturgesetz werden sollte" (ebd.). „Handle so, daß du die Menschheit, sowohl in deiner Person als in der Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst" (ebd., p54). Ewald zitiert die an zweiter und dritter Stelle angeführten Formulierungen des kategorischen Imperativs: Ewald, Kant, p57. 211 212 213 Ebd., p56f. Ebd., p59. Ebd., p62. 214 Hegel, G.W.F., Phänomenologie des Geistes, (zit.: PhG), p423ff. 215 Ebd., p424. 210

362

Kapitel III

Kantschen Ethik „die Vermittlung", „die sich bewegende Sichselbstgleichheit", „die Reflexion in sich selbst"216 zumindest anfänglich vor sich gehen, die das eigentliche Geschäft des Geistes ist, der seine Substanz in der Veränderlichkeit und in der Bewegung hat: „Die Kraft des Geistes ist nur so groß als ihre Äußerung, seine Tiefe nur so tief, als er in seiner Auslegung sich auszubreiten und sich zu verlieren getraut"217. Dennoch vollzieht sich die Vermittlung von Einzelnem und Allgemeinem bei Kant doch nicht eigentlich, weil z.B. „die reine Pflicht gleichgültig gegen allen bestimmten Inhalt"218 bleibt und weil es obendrein „kein moralisch vollendetes wirkliches Selbstbewußtsein"219 gibt, da die allgemeine Pflicht immer eine solche bleibt, ohne von einem einzelnen Menschen jemals erfüllt werden zu können. Schwerwiegender jedoch als diese eher in formaler Hinsicht ähnliche Kritik von Ewald und Hegel an Kant, die die Frage nach der Vermittlung von Einzelnem und Allgemeinem betrifft, ist die inhaltliche Gemeinsamkeit in der Art, wie sowohl Ewald als auch Hegel das Auseinandertreten von Vernunft und Sinnlichkeit bei Kant kritisieren. Nach Kant muß das moralische Sittengesetz allein die Triebfeder zur Befolgung desselben sein. Und diese Triebfeder muß von allem Sinnlichen frei sein. Keinerlei Neigung, Selbstliebe oder gar ein eudämonistisches Streben nach Glückseligkeit darf die reine Triebfeder verunreinigen. „Das Wesentliche aller Bestimmung des Willens durchs sittliche Gesetz ist: daß er als freier Wille, mithin nicht blos ohne Mitwirkung sinnlicher Antriebe, sondern selbst mit Abweisung aller derselben und mit Abbruch aller Neigungen, so fern sie jenem Gesetze zuwider sein könnten, blos durchs Gesetz bestimmt werde"220. Die Moralität ist eine rein praktischvernünftige Angelegenheit, in der die Neigungen und das Gefühl nichts zu suchen haben und dem amor sui Abbruch getan wird. „Die reine praktische Vernunft thut der Eigenliebe blos Abbruch"221, und es kann höchstens eine solche „vernünftige Selbstliebe"222 geben, die sich ganz vom Sittengesetz leiten läßt. So kann Kant die „Achtung fürs moralische Gesetz ein Gefühl"223 nennen, das sogar „Notwendigkeit" 224 hat. Doch ist der Unterschied dieses Gefühls zu allen anderen darin zu sehen, daß es sich in keiner Weise aus der Sinnlichkeit ergibt, sondern seinen Ursprung allein in der praktischen Vernunft hat. „Dieses Gefühl (unter dem Namen des moralischen) ist also lediglich durch Vernunft bewirkt"225. Um einen einseitigen Eudämonismus abzuwehren, wollte Kant das Streben nach Glückseligkeit nicht mit den Maximen 216 218 220 221 223 225

217 Ebd., p21. Ebd., pl5. 219 Ebd., p430. Ebd., p433. Kant, KpV, Akademie-Textausgabe, Bd. 5, p72. 222 Ebd., p73. Ebd. 224 Ebd. Ebd. Ebd., p76.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 363 der sittlichen Handlung vermischt wissen, weswegen notwendigerweise eine „Demüthigung auf der sinnlichen Seite" mit einer „Erhebung der moralischen, d.i. der praktischen Schätzung des Gesetzes selbst, auf der intellectuellen"226 einhergehen muß. Die moralische Selbstschätzung muß abnehmen, damit das einzig wirkliche und berechtigte Gefühl, nämlich die Achtung für das Sittengesetz, um so stärker werde. Hegel sieht hierin später den Wunsch Kants danach, daß der „Widerstreit der Vernunft und der Sinnlichkeit [...] sich auflöse, und als Resultat die Einheit beider hervorgehe"227. Dennoch ist die durch Kant erreichte Einheit nach Hegel nur eine scheinbare, da sie auf Kosten der Sinnlichkeit geht. „So scheint die hervorgebrachte Einheit nur durch das Aufheben der Sinnlichkeit zustande kommen zu können [...] Diese Einheit ist gleichfalls ein postuliertes Sein, sie ist nicht da; denn was da ist, ist das Bewußtsein, oder der Gegensatz der Sinnlichkeit und des reinen Bewußtseins"228. Eine wirkliche Aussöhnung von Sinnlichkeit und Vernunft - so Hegel - findet bei Kant nicht statt. Der Sache nach nimmt Ewald diese Kritik Hegels an Kant vorweg, begründet sie jedoch theologisch-biblisch. Zwar sieht Ewald sehr deutlich die Front, an der Kant steht und gegen die „Weisheit so vieler Moralisten, und auch christlicher Moralisten"229 kämpft, die „nur selbstsüchtige Menschen"230 bilden. Aber Ewald hält die Ethik Kants deswegen für unvereinbar mit der vorfindlichen Verfaßtheit des Menschen, weil Kants Lehre von der Reinheit der Triebfedern „alle Selbstliebe, alle Rücksicht auf sich selbst, ausschliesst"231. Mit aller Schärfe wirft Ewald Kant daher Schwärmerei vor: „Aber eigenes Glük ganz bei Seite sezen, und behaupten, auch sichere Aussicht auf Glük, als Folge der Tugend, verunreinige die Tugend: das lautet edel, ist aber - lass mich es sagen, wie ich es füle - baare blanke philosophische Schwärmerei"232. Und wieder erinnert Ewald daran, daß nicht nur eine biblisch gegründete Theologie den Menschen in allen seinen Teilen ganzheitlich erfassen muß, sondern auch eine philosophische Ethik. Kant jedoch faßt den Menschen, indem er seine Sinnlichkeit ausklammert und von ihm verlangt, „ohne Rüksicht auf Ruhm, Ansehn, ohne Eigensinn und ohne Liebe"233 zu handeln. Ein solches Moralprinzip jedoch „fasset den Menschen nicht"; und der hier von Kant vorgestellte Mensch ist biblisch mit Gen 2,23 gesprochen - „nicht Fleisch [...] von meinem Fleisch"234. Dennoch bezieht Ewald nun nicht einfach die entgegengesetzte Position eines Eudämonismus wie etwa Jeremy Bentham, sondern er versucht, das positiv bei Kant Gegebene biblisch weiterzudenken, wobei er aber nun nicht platt-konfessorisch eine christliche Ethik gegen die Kantische setzt, sondern 226 229 232

Ebd., p79. Ewald, Kant, p64. Ebd.

227 230 233

Hegel, PhG, p427. Ebd. Ebd., p65.

228 231 234

Ebd., p428. Ebd. Ebd.

364

Kapitel III

versucht, die biblische Botschaft in das philosophische Gespräch mit Kant einfließen zu lassen. Hierbei nimmt Ewald einen positiven Ausgangspunkt in Kants Eigenart wahr, in Relationen zu denken, will aber von der biblischen Botschaft her diese Relationalität als eine vielgestaltiger sich ausprägende und als eine in sich reflektiertere fassen, als es Kant tut. Kant definiert den Menschen als einen in Relation zu anderen stehenden, dessen Handeln stets die Freiheit des anderen befördern soll. Gleichzeitig aber fordert Kant diesen in Beziehungen lebenden Menschen auf, von seiner eigenen Glückseligkeit und von der Selbstliebe, mithin von dem Verhältnis, in das jeder Mensch mit sich selbst hineingestellt ist, abzusehen. Ewald dagegen sucht nach der positiven, reflexiven Relation des Menschen zu sich selbst, in die er durch die Beziehung zu anderen Menschen erneut gestellt wird; d.h.: Ewald sucht nach einer positiven Bestimmung des amor sui, die sich doppelt reflektiert aus der Liebe dem Nächsten gegenüber erneut ergibt. Und Ewald findet diesen verbindenden Faden zwischen dem coram hominibus und dem coram se ipso im Doppelgebot der Liebe. Es ist das biblische Doppelgebot der Liebe (Mk 12,30f), mit dem Jesus „den feinen Faden [fand], durch den unser Glük mit Anderer Glük zusammengeknüpft werden kann"235. Hierin liegt die „so genau für Menschennatur berechnete Methode Jesu"236, die den ganzen Menschen anspricht und ergreift, die „nicht einen Theil des Menschen, sondern den ganzen Menschen fasst und fest hält"237. Und diese Methode versteht es, vom Menschen nicht zu verlangen, Neigungen und Sinnlichkeit aufzugeben, sondern beides neu werden zu lassen und durch diese Neuwerdung zu ihrer eigentlichen Bestimmung gelangen zu lassen. Jesus begann sein Geschäft, indem er „auf den Menschen - durch Liebe"238 wirkte. Und auf diese Weise „bracht' Er Selbstliebe mit ins Spiel, und nahm ihr alle Selbstsucht"239. Die Unterscheidung von Selbstliebe und Selbstsucht nimmt Ewald dabei begrifflich von Kant auf240, bildet sie jedoch nun biblisch ab und entdeckt dabei, daß die Selbstliebe durch die zuvorkommende göttliche Liebe in ihr eigentliches Amt eingesetzt wird. So kommt es nicht darauf an, mit Kant die Selbstliebe mit allem Gefühl und aller Neigung von der alleinigen Triebfeder des moralischen Vernunftgesetzes fernzuhalten, sondern darauf kommt es an, den amor sui als einen solchen wiederzugewinnen, der durch die zuvorkommende Liebe Jesu eine Katharsis erfahren hat. „So reinigt' Er die Triebfeder der Selbstliebe, die nun einmal der Mensch bedarf; denn nicht dadurch wird unsere Tugend verunreinigt, dass wir durch dieselbe wirklich unser Glük befördern-, sondern nur dadurch, dass wir es uns bewust sind, wir handeln blos für unser Glük"241. 235 238 241

Ebd., p68. Ebd., p69. Ewald, Kant, p68f.

236 239

Ebd., p70. Ebd., p68.

237 240

Ebd. Vgl. Kant, KpV, p73.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 365 Auf diese Weise erinnert Ewald daran, daß es nicht nur Aufgabe der verwirklichenden praktischen Vernunft ist, die Maxime ihres Handelns in Beziehung zu setzen mit der jeweils in Betracht zu ziehenden Kontrollfrage, ob man wollen könne, daß hieraus ein allgemeines Gesetz formuliert werde. Sondern Ewald bringt erneut ins Gespräch, daß eben auch die Aufgabe des Herzens in diesem ethischen Kontext zu beachten bleibt, die Liebe Gottes gegen mich nicht nur als den Ursprung meiner Liebe zu Gott und nicht nur als Quelle meiner Liebe gegen meinen Nächsten, sondern auch einer neu hieraus erwachsenden Selbstliebe zu begreifen und zu empfinden. Ewald hat an dieser biblisch gegründeten Relationalität von Liebe, Gegenliebe und Selbstliebe nicht aus irgendeiner Gefiihligkeit heraus ein Interesse. Vielmehr ergeben sich gerade aus dieser Liebe heraus Konsequenzen für die Ethik, denn „wenn ein Mensch ganz nach dem Kantischen Moralprinzip, blos um des Prinzips willen, lebte; so wird doch der Mensch voll Menschenliebe grösser handeln"242. Denn viel organischer folgt die Handlung aus der Liebe, während Kant „die Vorschriften Jesu zur Nächsten- und Feindesliebe, in Vorschrift zu kalter Wolthätigkeit aus Pflicht verwandelt"243. Nicht das Ausscheiden des Gefühls und der Liebe und nicht die Formulierung einer Ethik als Moralität der kalten Pflicht, sondern die aus Erbarmen fließende Nächstenliebe, in der die Liebe zu Gott Gestalt gewinnt, ist die biblische, sinnliche, durch Gottesliebe gereinigte Triebfeder ethischen Handelns. Denn auch beim biblischen Gleichnis-Exempel des barmherzigen Samariters (Lk 10,30-37) „fängt die Nächstenliebe nicht mit kalter Pflicht, sondern mit Erbarmen an:, ihn jammerte der Mensch'"244. Barmherzigkeit und liebendes Mitleiden sind die biblischen Daten, die in einer theologischen Ethik nicht veräußert werden können und die im Diskurs mit der philosophischen Ethik erneut thematisiert werden müssen, weil Jesus selbst „manchmal in Thränen aus[brach], welche kalte Pflicht noch nie erpresst hat"245. Interessant nun ist, wie Ewald sich im Gespräch mit Emma, an die er seine Briefe über die Kantische Philosophie richtet und dabei wirklich eine befreundete Dame vor Augen hat246, nicht einfach ablehnend ihr gegenüber beträgt, sondern sie in Schutz nimmt und auf diese Weise das, was an Kants Ethik als Kritik anzumelden ist, nicht nur abstrakt benennt, sondern in der Art seiner Kritik Gestalt werden und sich vollziehen läßt. Denn Ewald bemängelt 242

243 Ebd., p72. Ebd., p73. 245 Ebd., p74f. Ebd., p75. 246 Vgl. Ewald an Ungenannt, Detmold 14.2.1790 (Bibliographie A 66): „Das Ganze ist mit vielem Individuellen verwebt; fast wie Fragmente eines philosophischen Romans; und dieß gewis desto natürlicher, weil ich wirklich eine schwesterliche Freundin dabei vor Augen hatte." 244

Kapitel III

366

nicht lediglich, daß Liebe und Barmherzigkeit bei Kant keine Rolle spielen, sondern er erzeigt Kant gegenüber Liebe und Barmherzigkeit, indem er Kant Emma gegenüber verteidigt und sagt: „Und warum nimmst du den sechs und sechzigjährigen Greis nicht so, der im spekulativen Denken alt geworden ist? Wenn ihm nun Neigung nichts seyn kann; soll er anders davon reden, als er redet? Muss ein Mensch gerade durch das in Bewegung zu sezen seyn, wodurch der andere in Bewegung zu sezen ist? Kann er darum nicht viel Wahres, Trefliches, Allbrauchbares sagen? Und soll uns das darum nichts seyn?"247. Überhaupt ist es Ewalds Bestreben, Kant so weit wie möglich von Kant her und durch ihn zu kritisieren und erst danach eine biblische Kritik anzumelden, die er aber ebenfalls möglichst weitgehend an Kant anzuschließen bemüht ist. Damit greift Ewald auf die Methode i.b. auf Kant zurück, die Kant i.b. auf die Vernunft zur Anwendung gebracht hatte. Kant hatte die Vernunft als reine Vernunft zur Kritik an sich selbst geleitet; Ewald dagegen ahmt diese Selbstreflexion nach, indem er Kant zur Kritik an sich selbst anleiten will. Dies zeigt sich besonders dort, wo Ewald mit Kant die Frage verhandelt, ob ein EthikUnterricht sachgerecht sei, in dem sittliche Vorbilder vorgestellt werden. Kant hatte es abgelehnt, durch solche Sitten-Exempel etwa einen ethischen Unterricht zu erteilen. „Kindern Handlungen als edele, großmüthige, verdienstliche zum Muster aufzustellen, in der Meinung, sie durch Einflößung eines Enthusiasmus für dieselbe einzunehmen, ist vollends zweckwidrig"248. Bei einem solchen Unterricht handele es sich wiederum nur um eine „vermeinte Triebfeder"249, da auch sie von Sinnlichkeit nicht frei sei. Ewald dagegen verlangt Veranschaulichung der Ethik durch sinnenfällige und der Erfahrung sich darbietende Exempel, denn nur so kann es im ethischen Unterricht zu „Leben, Anwendbarkeit, Anschaulichkeit, Popularität"250 kommen: nur „durch ein wirklich handelndes Muster"251. Und hier ist der Punkt erreicht, an dem Ewald Kants Kritik der reinen Vernunft als kritisches Potential gegen die Kritik der praktischen Vernunft wendet, indem er im Bestreben, mit Kant über Kant hinauszugehen, ihn an seine intensive Bemühung um die Anschauung als dem Grund aller menschlichen Erkenntnis überhaupt erinnert, die er in der Kritik der reinen Vernunft vorgeführt hat. Ewald begibt sich in die Gedankengänge Kants selbst hinein und mahnt an, daß Kant das in der Kritik der reinen Vernunft über die Ästhetik Gesagte mit Fug und Recht auch in der Kritik der praktischen Vernunft hätte zur Anwendung gelangen lassen können. Hatte Kant selbst herausgestellt, daß Begriff und Anschauung streng aufeinander zu beziehen seien, weil Begriffe ohne Anschauung leer und Anschauungen ohne

247 249

Ewald, Kant, p79. Ebd.

248 250

Kant, KpV, pl57. Ewald, Kant, pl06.

251

Ebd.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 367 Begriffe blind seien252, so mahnt Ewald nun der Sache nach an, daß auch eine Ethik, gleichgültig welcher Provenienz, leer und blind bleiben müsse, solange sie sich nicht um eine materiale Veranschaulichung bemühe. „Und woher hätten wir denn dies hohe Ideal sittlicher Vollkommenheit, dessen Original nie ein Auge gesehen hat? War es angeborner Begrif; warum kamen die Weisesten so vieler Völker Jahrtausende lang nicht darauf? Ist es ,Idee, die die Vernunft a priori von sittlicher Vollkommenheit entwirft?' Wie kann sie das ohne Erfahrung, ohne das Anschauen irgend eines Musters sittlicher Vollkommenheit? Sagt nicht Kant selbst, und sehr wahr: ,alle menschliche Erkenntniss fangt mit Anschauungen an, geht von da zu Begriffen, und endigt mit Ideen?' Es ist eine dunkle Ahnung von moralischer Vollkommenheit allerdings in uns; aber kann und soll die zarte, von Gottes Hand verschlossene Knospe in ein Moralprinzip entwikkelt werden?"253. So wie Ewald die Sinnlichkeit in der Wiederentdeckung der zu ihrer Eigentlichkeit durchdringenden biblischen Selbstliebe wiedergewinnen will, so will er auf der anderen Seite auch die Versinnlichung und Veranschaulichung des moralischen Vernunftgesetzes mit Hilfe der transzendentalen Ästhetik Kants selbst zurückerobern und den Ethik-Unterricht durch ExempelGeschichten anreichern. Bis in die Ethik hinein also verlängert sich Ewalds biblische Pädagogik der exempla; und daher nimmt es nicht Wunder, daß Ewald die Herausgabe eines Buches durch eine Vorrede unterstützt hat, das den Titel „Beyspiele des Guten. Eine Sammlung edler und schöner Handlungen und Charakter=Züge aus der Welt= und Menschen=Geschichte aller Zeiten und Völker"254 trägt und mannigfaltige moralische Exempel narrativ vorstellt. Gleichwohl pflichtet Ewald Kant in der Behauptung bei, daß Beispiele das sittliche Ideal insofern verderben, da Menschen immer nur partiell und deswegen defektiv allenfalls in mancherlei Hinsicht Muster sein können, nie aber als suffiziente Vorbilder angesehen werden können255. Aber gerade weil kein Mensch in erschöpfender Weise Muster sein kann, ist es ihm Bedürfnis, ein solches zu finden. „Mich dünkt aber immer: es würde der Menschheit etwas fehlen, wenn sie kein Wesen hätte, das von allen Seiten Muster seyn könnte"256. Und ein solches Muster, das allein einen solchen sittlichen Totaleindruck zu machen fähig ist, findet der Christenmensch in Jesus. „Wenigstens das ist gewis: Jesus wolt' ein solches sittliches Muster seyn, und Er glaubte nicht, dass Sittlichkeit dadurch verdorben würde"257. Aber auch hier fällt Ewald nicht zurück in den Fehler, den z.B. viele aufgeklärte Katechismen258 in ihrer Sittenlehre begangen haben, indem sie Jesus 252 254 255 256

253 Kant, KrV, p95. Ewald, Kant, pl04f. Vgl. Bibl. Nr. 297. Ewald, Kant, pl05. Vgl. Kant, Grundlegung, p42. 257 Ewald, Kant, pl06. Ebd., pl08.

258

Vgl. o. Kap. II, 5.

Kapitel III

368

zum bloßen Muster gemacht haben. Denn nur und v.a. darin ist Jesus vollkommenes Muster, daß er mehr ist als nur das. Nur weil Ewald es nie unterlassen hat, Jesus immer wieder als donum zu predigen, als den Erlöser der Menschheit, der für die Menschen gelitten hat und gestorben ist, kann er aus dieser Doppelreflexion heraus Jesus nun auch wieder als ein moralisches exemplum vorstellen, das die biblische Ethik veranschaulicht und versinnlicht, indem es Gott offenbart. „Beispiel ist versinnlichte, verkörperte Vorschrift, und ohne Versinnlichung, Verkörperung kennt, fasst und liebt der Mensch nichts. Es existirt für ihn nicht. Der unsichtbare Gott, in so fern er unsichtbar und ein Moralprinzip ist, kann dem Menschen nichts seyn. Jesus von Nazareth kam deswegen, um uns beides durch That und Leben zu offenbaren, geniessbar zu machen; beides zu verkörpern"259. Und hier zeigt es sich, daß für Ewald die Inkarnation das Datum ist, das gewissermaßen den theologisch-kategorischen Imperativ bildet, alle Theologie als eine sinnlich-anschauliche zu formulieren. Denn von der sachlich ersten und wichtigsten Veranschaulichung, Versinnlichung und Genießbarwerdung, von der Inkarnation, kann nicht anders als sinnlich und anschaulich zugleich gesprochen werden. Kant hatte die Forderung erhoben, auch Jesu Ethik müsse zunächst mit dem a priori gesetzten moralischen Gesetz verglichen und anhand desselben überprüft werden, bevor Jesus dann auch als Beispiel unter anderen Beispielen gelten könne. „Selbst der Heilige des Evangelii muß zuvor mit unserem Ideal der sittlichen Vollkommenheit verglichen werden, ehe man ihn dafür erkennt"260. Ewald dagegen führt hier das kritische Potential der biblischen theologia revelata an, indem er auf die eben zitierte Passage aus Kants .Grundlegung' Bezug nehmend Jesus nicht nur als ein im Unterschied zu anderen Mustern allgenugsames Muster vorstellt, sondern auch an der Offenbarung festhaltend Jesus, den Sohn Gottes, als Ursprung der Moralität überhaupt kennzeichnet. „Weit entfernt auch, dass Sein Beispiel erst nach Prinzipien der Moralität beurtheilt werden müsste, ob es auch würdig sey, Muster zu werden. Es giebt vielmehr den höchsten Grad der Moralität; höher als irgend ein Moralprinzip, das theoretische oder praktische Vernunft ersinnen kann"261. Und wieder einmal spielt auch in der Diskussion mit Kant und in der in ihr entwickelten Ethik die Gottebenbildlichkeit des Menschen die vornehmliche Rolle, aus der heraus Ewald sein Moralprinzip entwickelt: „Dass es unser Ziel wäre, als Gottes Bilder den Allvater zu verherrlichen, wie es Sein [seil. Jesu; A.S.] ersehntes und erreichtes Ziel war — Ich dächte, liebe Emma, wir bedürften weiter kein sittliches Ideal, kein anderes Moralprinzip!"262. Indem Ewald „das höchste Moralprinzip Jesu, und das Moralprinzip Kants gegen einander"263 setzt, erhebt er im Vergleich die Unterschiede beider. Das 259 261

Ewald, Kant, pl07. Ewald, Kant, pllOf.

260 262

Kant, Grundlegung, p29. Ebd., p l l 2 f .

263

Ebd., pl 15.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 369 Moralprinzip Jesu, das ,„Liebe Gott über alles; deinen Nächsten wie dich selbst'"264 lautet, ist nach Ewald anders als Kants kategorischer Imperativ fähig, Allgemeines und Besonderes miteinander zu vermitteln, denn: „Das Moralprinzip Jesu ist allgemein, foderi aber von jedem nur so viel, als er vermag"265. Jesu Ethik also trägt der anthropologischen Gegebenheit Rechnung, daß die Menschen jeweils unterschiedliche Gaben besitzen und unterschiedlich prädisponiert sind, daß in den Menschen „verschiedene Empfänglichkeit und verschiedene Kräfte"266 liegen. Kants Ethik dagegen gilt zwar „auch allgemein", entläßt sich aber nicht in die jedem Menschen eignende Besonderheit, sondern tut so, „als hätten alle gleiche Empfänglichkeit, und gleiche Kraft"267. Die jesuanisch-biblische Ethik bringt eine ganzheitliche Anthropologie zur Anwendung, indem sie weder die Vernunft noch auch die Empfindung vereinseitigt. Kant dagegen spricht mit seinem moralischen Vernunftgesetz nur eine Provinz im Menschen an, während Gefühl und Sinnlichkeit nur als Verunreinigungen der Triebfeder gelten. „Das Moralprinzip Jesu fasset den ganzen Menschen, ist Ziel für den ganzen Menschen; in der Voraussezung, dass Vernunft und Empfindung, Kopf und Herz zugleich gefasst werden müsse, wenn man stark auf den Menschen wirken will. Das Moralprinzip Kants ist Regel für die Vernunft, fasset einseitig die Vernunft; in der Voraussezung, dass sich bei dem Menschen alles nach der Vernunft bequemen werde"268. Eine grundlegende Gemeinsamkeit erkennt Ewald darin, daß sowohl die biblische, im Doppelgebot der Liebe zusammengefaßte Ethik als auch die Kantische der Selbstsucht entgegenarbeiten, nur mit dem Unterschied, daß dies bei Kant unter Ausschluß der Selbstliebe geschieht: „Das Moralprinzip Jesu - schliesst das Ich mit ein, weil Liebe glüklich macht; arbeitet aber der Selbstsucht entgegen, weil Liebe blos in Anderer Glük eigenes Glük findet. Das Moralprinzip Kants - schliesst jede Hinsicht auf sich selbst aus; arbeitet also freilich der Selbstsucht auch entgegen"269. Und eine solche Ethik, die der Sinnlichkeit und der durch die zuvorkommende Liebe Gottes zu den Menschen gereinigten Selbstliebe Rechnung tragen will und das von Gott geknüpfte „heilige Band zwischen seinem [seil, des Menschen; A.S.] Kopf und Herzen"270 respektiert, hört mit dem vernünftigen Demonstrieren auf und entdeckt in der narratio ihr wahres Sprachmedium. „Lass du uns wie bisher, an den halten, der uns den Allvater in seiner Person so nahe brachte, wie wir Ihn bedurften; der uns höchstes Moralprinzip - nicht demonstrirte, sondern war; der uns Auferstehung und höheres Leben zeigte in seiner Person. Wir lassen uns ja wol beide - lieber erzälen, als

264 267 270

Ebd., pl 16. Ebd. Ebd., pl25.

265 268

Ebd. Ebd., p l l 7 f .

266 269

Ebd., pl 17. Ebd., pl20.

370

Kapitel III

demonstriren von einer unsichtbaren Welt, nach der sich unser Wesen sehnt"271. Die Kantsche moralische Vernunftreligion tritt gegen den statuarischen Kirchenglauben an, um dessen „Afterdienst Gottes in einer statuarischen Religion"272 zunichte zu machen, der sich u.a. auch in „einem historischen (Offenbarungs-) Glauben"273 manifestiert. Die narrative Einkleidung der aus der Bibel zu exzerpierenden moralischen Wahrheiten soll daher in Wegfall kommen, „denn selbst das Lesen dieser heiligen Schriften oder die Erkundigung nach ihrem Inhalt hat zur Endabsicht, bessere Menschen zu machen; das Historische aber, was dazu nichts beiträgt, ist etwas an sich ganz Gleichgültiges, mit dem man es halten kann, wie man will. - (Der Geschichtsglaube ist ,tot an ihm selber', d.i. für sich, als Bekenntnis betrachtet, enthält er nichts, was einen moralischen Wert für uns hätte)"274. Ewald dagegen ist auch durch und in seiner Auseinandersetzung mit dem Scheidekünstler Kant, der das Notwendige von der bloßen narrativen Einkleidung so gerne trennen möchte, durch die Wiederentdeckung der Sinnlichkeit und Anschaulichkeit zu einer weiteren Fundierung seiner narrativ-biblischen Theologie durchgedrungen, die im zeitgenössischen Konflikt stehend an der Narrativität und damit an der Kanonizität der Bibel festhält und damit die Bibel als einzige Regel und Richtschnur der Theologie gegen die Anwürfe behauptet. Ewald ist also durch seine Neurezeption der reformatorischen Schriftlehre zu einer hochreflektierten biblisch-anschaulichen Ästhetik der Narrativität gelangt, die es anders als Schillers Neudentdeckung der aisthesis vermag, an den Inhalten christlicher Theologie festzuhalten, während Schiller das Zusammenfließen von Sinnlichkeit und Sittlichkeit zuerst in der Kunst gesucht und gefunden hat, sich aber von den Wurzeln des christlichen Glaubens dabei entfernt hat275. Konsequenz dieser biblisch-ästhetischen Theologie bei Ewald ist es, den Menschen nicht als von vornherein ganzheitlichen zu begreifen, sondern ihn als ein solches Wesen zu fassen, das sich als ein mit Kopf und Herz ganzheitliches erst erfährt, indem es als Geschöpf coram Deo steht. Deswegen kann Ewald der Kantschen Sicht der Dinge, derzufolge dem Menschen in sittlicher Hinsicht Autonomie eignet, nicht beipflichten, sondern muß daran festhalten, daß sich aus dem Stehen des Menschen vor Gott, seinem Schöpfer und Gesetzgeber, notwendig eine Heteronomität ergibt, die ihren Grund im extra nos hat. „Sowol die Quelle des Judaismus als des Christianismus geben ein reines Grundprinzip für den Menschen an. Es ist zwar nicht das Kantische, das bekanntlich die Formel des Gesezes selbst enthält. Dafür aber appellili es an den Gesezgeber, ohne den sich, wie es 271 273 275

272 Ebd., pl29f. Kant, Religion, pl87. 274 Ebd., p i l i . Ebd., pl22. Vgl. Hirsch, Bd. 5, p329ff.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 371 scheint, so wenig ein Gesez im eigentlichsten Sinn, als ein Geschöpf ohne Schöpfer denken läßt. Es weiset den Menschen auf den, der das Gesez, die Formel des Gesezes, und das Ideal der Sittlichkeit, woraus es abstrahirt ist, in den Menschen gelegt hat"276. Ähnlich wie in seiner Kant-Schrift hält Ewald auch in diesem Beitrag in seiner Zeitschrift „Urania für Kopf und Herz", die sich die Verfechtung einer ganzheitlichen Anthropologie ja bereits auf die Fahne ihres Titels geschrieben hat, daran fest, daß es nicht darauf ankomme, die in der Sinnlichkeit gründenden Neigungen auszuschließen bzw. zu überwinden. Vielmehr müsse danach gefragt werden, wie die Neigungen des Menschen gerade durch die durch Offenbarung gesetzte göttliche Heteronomität für das göttliche Gesetz gewonnen werden können. Es muß also zwischen verkehrten Neigungen und den durch Gottes Offenbarung aus ihrer Verkehrtheit herausgerissenen und neugewordenen Neigungen des Menschen coram Deo unterschieden werden. Denn nur dann kann „die volleste Eintracht in dem Menschen herrschen, weil seine Neigung für das, durch den erklärten Willen des Gesezgebers höchst bestimmte und also von allen verkehrten Neigungen unabhängige Gesez der Sittlichkeit gewonnen ist"277. Und jetzt kann Ewald einen kategorischen Imperativ formulieren, der die biblische Heteronomität nicht nur, sondern auch die tiefste Neigung, nämlich die Liebe zu Gott, als Prüfstein in sich aufnimmt: „Thue Alles, und unterlasse Alles, was dich Liebe zu Gott, deinem obersten Gesezgeber, thun und unterlassen heißt"278. Ewald ist in der Ausbildung seiner die Ästhetik der Bibel aufnehmenden Theologie mitunter bei Johann Gottfried Herder in die Schule gegangen, aus dessen Schrift „Vom Erkennen und Empfinden der menschlichen Seele. Bemerkungen und Träume"279 er in seinem Kant-Buch folgende zentrale Passage zitiert: „, Siehe die ganze Natur, betrachte die grosse Analogie der Schöpfung. Alles fült sich und seines gleichen. Leben wallet zu Leben. Jede Saite bebt ihren Ton; jede Fiber verwebt sich mit ihrer Gespielin; Thier fült mit Thier; warum solte nicht Mensch mit Menschen fülen? Nur er ist Bild Gottes, ein Auszug und Verwalter der Schöpfung: also schlafen in ihm tausend Kräfte, Reize und Gefüle [...] Dies edle allgemeine Gefül wird also eben durch das, was es ist, Erkenntniss - die edelste Kenntniss Gottes und seiner Nebengeschöpfe durch Wirksamkeit und Liebe. Selbstgefül soll nur der Klumpen bleiben, der uns auf unserer Stelle festhält; nicht Zwek, sondern Mittel. Aber nothwendiges Mittel; denn es ist und bleibt wahr, dass wir unsern Nächsten

276

Ewald, Religion, Sittlichkeit und Glükseeligkeit (Bibl. Nr. 112), p l l . 278 Ebd., pl5 . Ebd., p l l . 279 Herder, Werke, Bd. 8, pl65-235. Die Vorentwürfe zu dieser Schrift finden sich ebd., p236-333. 277

372

Kapitel III

nur wie uns selbst lieben [...] Im Grad der Tiefe unseres Selbstgefüls liegt auch der Grad des Mitgefüls mit Andern; denn nur uns selbst fülen wir in Andere hinein'" 280 . Ähnlich wie später Ewald hat sich schon vor ihm Herder gegen eine rationale Vereinseitigung und Verarmung der aufgeklärten Anthropologie gewandt, indem er Vernunft und Herz, Erkennen und Empfinden als Einheit zu begreifen suchte, die durch das vermittelnde, offenbarende Handeln Gottes geschaffen sei und deswegen nicht auseinandergerissen werden könne. Es ist der „Mittler=Gott"281 der die „feine, geistige, unsichtbare Bande"282 zwischen Kopf und Herz knüpft. „Durch Zwischenkunft eines himmlischen Wesens wird Haupt und Herz, der denkende und reizbare, der äußerliche und innere Mensch, die Welt um uns und in uns Eines"283. In auffälliger Weise benutzt Herder hier die Soteriologie und die Rede vom mediator, der in Christus auf den Plan getreten ist, indem er sie auf die erste Person der Trinität anwendet und sie als eine Kopf und Herz des Menschen stets vermittelnde darstellt. Herder sieht Gott insofern als den Mittler an, als er durch seine göttliche Sprache auf den Menschen wirkt, die alle seine Sinne ergreift und umgreift. Gott wirkt auf das Erkenntnisvermögen des Menschen nur durch diese notwendige sinnliche Vermittlung, die schon deswegen nicht als nebensächlich abgetan werden kann. Gott hat „für jeden Sinn eine Hülfssprache"284 und hat überdies „durchs Nervengebäude" „die zarten Silberbande" geschaffen, durch die er „den Reiz des Herzens und die Idee des Gehirns knüpfet"285. Hier zeigt sich, wie Herder fähig ist, die moderne Physiologie in den Dienst einer von der Schöpfungstheologie her reflektierten Anthropologie zu nehmen, die den Menschen ganzheitlich zu verstehen sucht und damit einer Vereinseitigung der ratio vorbaut. Und so ist es das Handeln Gottes als Schriftsteller, der den Menschen durch das Einschreiben der „Flammenschrift des Schöpfers"286 in das Nervensystem hinein zu einem Menschen macht, der durch keinerlei Diastase, auch nicht durch die von Kopf und Herz gekennzeichnet ist. Auf solche Art entsteht „die Ehe, die Gott zwischen Erkennen und Empfinden"287 schließt, indem Kopf und Herz nun die zween Brennpunkte der Ellipse [sind], um die unsre Lebenskugel sich reget"288. Ähnlich wie später Ewald im Gespräch mit Kants Kritik der praktischen Vernunft hat Herder schon vor Veröffentlichung derselben gemeint, daß „die Worte,Gewissen, Moralisches Gefühl', über die so viel behauptet und gestritten worden"289 ist, ihr notwendiges Gegengewicht nur in der Liebe haben können. Eine Ethik kann nur dann ausbalanciert sein und den Menschen als

280 281 284 287

Ewald, Kant, p76-78. Die zitierte Passage findet sich: Herder, Werke, Bd. 8, p200. 282 283 Herder, ebd., p286. Ebd. Ebd. 285 286 Ebd., p285. Ebd. Ebd., p287. 288 289 Ebd., p297. Ebd. Ebd., p296.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 373 ganzen wirklich angehen, wenn sie die Liebe als „das edelste Erkennen: die Gottähnlichste Empfindung"290 mitbedenkt. Denn nur durch die Liebe wird der Mensch als erkennender und empfindender zugleich Gott ähnlich, der der einige Mittler zwischen Kopf und Herz, zwischen Rationalität und Sensibilität sein kann. Und so gewinnt Herder einen neuen Zugang auch zur Selbstliebe, indem er das Doppelgebot der Liebe ( - das nebenbei bemerkt ja eigentlich ein ,Dreifachgebot' heißen müßte - ) in Erinnerung bringt und hierin Ewalds Metakritik an Kant vorgreift. „,Liebe deinen Nächsten, dein Nächstes, dein zweites Ich, wo und in welcher Gestalt du es auch siehest, als dich selbst' wird also Flammenschrift im Herzen und Lichtsprache in der Seele: Nachhall jeder zitternden Fiber und Harmoniengesang aller brüderlichen Wesen"291. Analog zu Ewalds Kritik an Kant artikuliert Herder seine Kritik an der Kälte der vernünftigen Spekulation und der sich aus ihr ergebenden aufgeklärten Moral. Indem er fast unbemerkbar Anleihen bei der Katechismussprache Luthers macht, formuliert er: „Wasser allein thuts nicht, und die liebe kalte spekulirende Vernunft wird dir deinen Willen eher lähmen, als dir Willen, Triebfedern, Gefühl geben. Wo sollte es in deine Vernunft kommen, wenn nicht durch Empfindung? würde der Kopf denken, wenn dein Herz nicht schlüge?"292. Besonders also an diesem Punkt zeigt sich, daß Ewald durchaus Geistesverwandte in seiner Zeit hatte, mit denen er sich ins Gespräch begeben hat und deren Einfluß sich seine Theologie mitunter verdankt. Es zeigt sich aber auch, daß Ewald die geistigen Kräfte und v.a. die Originalität besaß, in eigenständiger Arbeit das von Vorbildern Übernommene in neuen Situationen zur Anwendung und Durchführung zu bringen: nämlich in der Auseinandersetzung mit Kant. Vergleichbar einem Hamann, der seine Metakritik am Purismus der reinen Vernunft in dem biblischen Verbot der Ehescheidung zusammenfassen kann293, benutzt auch Herder eine entsprechende Allusion an Mt 19,6, um der unzulässigen Scheidung von Ästhetik und Logik, von Sinnlichkeit und Vernunft mangelnde Reflexion vorzuwerfen. Herder spricht von den ,,laue[n] Weisen, die Erkennen von Empfinden und Vernunft von Begierde sondern: sie trennen, was Gott untrennbar verband. Erkenntniß ohne Empfindung und Reiz des Gegenstandes, ist Spinnweb, das in der Luft flattert, wie das Medium solcher Erkenntniß, Wort ohne Sache, Bild ohne Wesen"294. In diese Metakritik an der Scheidekunst stimmt auch Ewald ein, wenn er Kant vorwirft, die Sinnlichkeit in die Rationalität hinein aufzulösen, und Claude Adrien Helvétius kritisiert, umgekehrt die Rationalität in die Sensibilität hinein aufgelöst zu haben. „Es ist ein heiliges Band zwischen seinem Kopf und Herzen, 290 292 294

291 Ebd. Ebd. 293 Ebd., p201. Vgl. Bayer, Autorität und Kritik, p60. Herder, Werke, Bd. 8, p293f.

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zwischen seinem Geist und seiner Sinnlichkeit. Das Band ward von Gott geknüpft, und was Gott zusammen gefügt hat, solte der Mensch nicht scheiden. Aber er that es leider! nur zu sehr; und so wurden sinnliche Menschen, ohne Kopf und Herzen; Empfindler ohne Kopf, und Denker ohne Herz. Helvetius schrieb für jene - Sinnler hätt' ich bald gesagt; manche schreiben für die einseitigen Empfindler, und Kant für die einseitigen Denker"295. Ewald also gehört wie Herder und Hamann zu denjenigen Köpfen, die die vernünftige Kritik der Vernunft an sich selbst in eine Metakritik überführen wollen und auf diese Weise ein aufgeklärtes Kontrastprogramm zum Rationalismus bieten, das von der Doppelreflexion lebt und in ihr die Ästhetik auf je eigene Weise wiedergewinnt. Durchaus vergleichbar hiermit hat z.B. auch Friedrich Schiller das Ideal „einer schönen Seele"296 vor Augen, in der ratio und aisthesis sich in einem ausgesöhnten Verhältnis zueinander befinden, „wo Sinnlichkeit und Vernunft, Pflicht und Neigung harmonieren, und Grazie ist ihr Ausdruck in der Erscheinung"297. Dann nämlich wird sogar „dem Affekt die Leitung des Willens ohne Scheu überlassen"298 werden können. Dieser Grazie der schönen Seele jedoch steht die Kantische Ethik nach Schiller diametral entgegen. Dort, wo Ewald und Herder von der Kälte des moralischen Vernunftgesetzes sprechen, klagt Schiller die Härte desselben an. „In der Kantischen Moralphilosophie ist die Idee der Pflicht mit einer Härte vorgetragen, die alle Grazien davon zurückschreckt"299. Auch Schiller beklagt die Trennung dessen, was nicht getrennt werden kann, begründet diese anthropologische Kritik jedoch nicht biblisch wie Ewald. „Die menschliche Natur ist ein verbundeneres Ganze[s] in der Wirklichkeit, als es dem Philosophen, der nur durch Trennen was vermag, erlaubt ist, sie erscheinen zu lassen"300. Allerdings muß festgehalten werden, daß Kant zumindest in seinen Spätschriften selbst einen neuen Zugang zur Sinnlichkeit erhalten hat, indem er dem Christentum eine gewisse Liebenswürdigkeit bescheinigte, eine sinnliche Ausrichtung der christlichen Religion also positiv zu würdigen wußte, diese jedoch nicht zum eigentlichen Bestand der wahren moralischen Vernunftreligion rechnen konnte301.

295 296 297 300

Ewald, Kant, ρ 125. Zu Helvétius, vgl. Ueberweg, F., p434. Schiller, F., Über Anmut und Würde, in: Ders., Gesamtausgabe, Bd. 18, p36. 298 299 Ebd. Ebd. Ebd., p33. 301 Ebd., p35. S. hierzu Kap. III, 5, p403-405 dieser Arbeit.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 375

3. Ewald, die Menschenrechte und die progressive Kritik am politischen Status quo Die positive Rezeption der Kritik der reinen Vernunft Kants, die der spekulativen Vernunft die ihr gesetzten Grenzen aufzeigt, ist bei Ewald Bedingung der Möglichkeit dafür, unter gleichzeitiger neuer Rezeption der Zwei-ReicheLehre der Vernunft ihre wahre Aufgabe im weltlichen Bereich zuzuweisen. Denn Ewald verwirft die Vernunft nicht, sondern leitet dazu an, sie auf differenziertere Weise zu sehen. So sehr nämlich die Vernunft in geistlichen Dingen unfähig ist, solange sie allein bleibt und ihr nicht durch die göttliche Offenbarung aufgeholfen wird, so hat sie doch im weltlichen Bereich ihren angestammten Bereich, in dem sie zu urteilen und zu handeln nicht nur fähig, sondern auch aufgerufen ist. Obgleich Ewald also die Autonomie der Vernunft in geistlichen Dingen ablehnt und deswegen dem theologischen Rationalismus jeder Form abgeneigt gegenüber steht, so ist ihm doch die Vernunft des Menschen eine unerläßliche Instanz für alles politische Handeln besonders angesichts der neuen, durch die Formulierung der Menschenrechtskataloge aufgeworfenen Sachfragen, die im Zusammenhang mit der politischen Aufklärung entstanden sind. Ja, die Vernunft ist der Motor der politischen Aufklärung, so wenig sie jedoch im geistlichen Bereich eine Aufklärung im eigentlichen Sinne zu initiieren fähig ist. Wie schon aus der Position Ewalds zur Judenemanzipation erhellte, zeigt sich auch anhand seiner politischen Schriften, daß er der reformatorischen Lehre von den beiden Regimenten insofern zu neuer Geltung verhilft, als er sie unter den Bedingungen der mit der Aufklärung neu entstandenen Situation reformuliert302. Ewald verficht die „Pressfreiheit", da durch Zensur „keine Revolution verhindert"303 wird, spricht vom „Gefühl ihrer [seil, der Völker; A.S.] natürlichen Menschenrechte"304, reklamiert die „Ersten Grundsätze des Naturrechts"305, die ein jeder Herrscher zu beachten habe, macht aufmerksam auf den „Durst nach Freiheit"306, der in jedem Menschen brennt, und spricht - hierin Fichte vergleichbar - allen durch Druck erpreßten oder aus Unwissenheit geschlossenen Verträgen, die wider die Menschenrechte sind, alle Gültigkeit ab307. Unablässig ist Ewald daher in seiner Schrift „Was sollte der Adel jetzt thun? Den privilegirten deutschen Landständen gewidmet"308 aus dem Jahre 1793 damit beschäftigt, im politischen Bereich den „Richterstuhl der Vernunft und 302 303 304 305 306 308

S. o. Kap. III, 1 dieser Arbeit. Ewald, Über Revolutionen (Bibl. Nr. 68), pl69. Ebd., pl72. Ewald, Was sollte der Adel (Bibl. Nr. 93), p69. 307 Ebd., pl2. Vgl. ebd., p65f. Bibl. Nr. 93.

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Billigkeit"309 aufzurichten, von dem des öfteren die Rede ist, die Emanzipation der Vernunft also aufgeklärt zu betreiben, ohne dies jedoch mißverstanden einfach auf die Theologie zu übertragen. Zentrales Anliegen in pragmatischer Hinsicht ist es für Ewald, die zu Zeiten der Revolutionskriege erneut virulent gewordene Frage vor dem Richterstuhl der Vernunft zu verhandeln, ob die vom Adel in Anspruch genommenen Befreiungen von der Entrichtung der Kriegssteuer angemessen sind oder nicht. „Echt-adeliger Sinn"310 - so Ewalds Antwort - könne sich nur artikulieren „durch freiwilliges Verzichtthun auf manche erworbene oder erschlichene Rechte" 31 '. Die reichsunmittelbare Ritterschaft müsse, um der fortschreitenden politischen Aufklärung und den von ihr mit aller Deutlichkeit formulierten Menschenrechten Rechnung zu tragen, dem Vorbild des sächsischen, hannoveranischen und hildesheimischen Adels folgen und freiwillig auf manche Privilegien Verzicht leisten. Von der Radikalität, die Abschaffung aller Privilegien auf einmal zu fordern, ist Ewald jedoch weit entfernt, wenngleich er sie im Innersten für wünschenswert, aber realpolitisch noch nicht für durchführbar gehalten haben mag. Diese Forderung schärft Ewald mit einer Dringlichkeit ein, die sich aus der Überzeugung speist, daß eine Revolution in Deutschland nur zu verhindern sein wird, wenn der Adel gewissermaßen durch Reformen von oben die aufrührerische Gefahr abwendet312. Bereits 1792 hatte sich Ewald an die Landesherren gewandt und sie dazu aufgefordert, sich selbst, die sie unumschränkte Monarchen sind, zu eingeschränkten zu machen, um so eine Revolution zu verhindern, aus vernünftiger Einsicht heraus also die absolutistische Regierungsform aufzugeben: „Jetzt habe ich weiter nichts zu sagen. Fürsten ! verhindert auf alle Art die grässliche Krankheit der Revolution, wovon Frankreich ein so einziges Gemälde darstellt [...] und solltet Ihr Euch selbst zu eingeschränkten Monarchen machen, da Ihr bisher uneingeschränkte wäret; alles tausendmal besser, als diess fürchterliche Faulfieber der Empörungssucht"313. Und nun richtet Ewald sein Wort an den niederen Adel: „Aber laut, vor ganz Deutschland will ich auch Sie bitten, wie ich schon die Regenten gebeten habe, unbilligen, erschlichenen, gegen die Ersten Grundsätze des Naturrechts anstossenden Freiheiten freiwillig zu entsagen, den Druck des Volks zu erleichtern, und auf diesem einzigen Wege unserm Vaterlande die Ruhe zu erhalten, in der es so lange gelebt hat"314. Nicht darin also kann angesichts der veränderten, aufgeklärten Lage die Freiheit des Adels gesehen werden, Privilegien zu haben, sondern 309

Ebd., p63. 65, vgl. p76. Ebd., p21. 311 Ebd., p20. 3,2 Zum Thema der freiwilligen Verzichtleistung vgl. auch noch ebd., pl8. 69. 75. 79. 81f. 85. 313 Ewald, Revolutionen, p214f. 314 Ders., Was sollte der Adel, p69. 310

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 377 nur darin, durch Politik der Verzichtleistung und Freiwilligkeit in kleinen Schritten der allgemeinen Freiheit und Gleichheit näher zu kommen. Ewald schließt sich mit dieser Forderung als Geistlicher an den aufgeklärten Literaten Christoph Meiners an, der in seinem Werk „Geschichte der Ungleichheit der Stände unter den vornehmsten Europäischen Völkern" zur Verzichtleistung auf Privilegien aufrief: „Viele Gebildete von Adel erkannten es gewiß schon lange, daß es kein anderes Mittel gebe, den Adel vor fernerem Verfall zu bewahren, als wenn man ihn in die Nothwendigkeit setze, sich mit eben dem Eifer nützliche Kenntnisse zu erwerben, womit es die vom dritten Stande thun, und daß dieses unmöglich sey, so lange der Adel unverdiente Vorrechte genießt"315. So wie Ewald meint auch Meiners, daß es in der Hand der Regierungen sei, in Deutschland Revolutionen auf diese Weise zu verhindern, denn „wenn also weit um sich greifende Revolutionen entstehen sollten, so sind es einzig und allein solche, welche durch unüberlegte Schritte der Regierungen selbst gleichsam erkünstelt, oder erzwungen werden"316. Das Bewußtsein um die bürgerliche Rechtschaffenheit erwacht auch bei Meiners, wenn er anmahnt, daß es nicht länger angehen könne, daß Menschen „bloß um ihrer Geburt willen"317 anderen vorgezogen werden. Unüberhörbar wird dieses neu gewonnene bürgerliche Selbstbewußtsein auch bei Ewald im kämpferischen Ton laut, „dass dem höheren Verdienst die höhere Stelle gebühre"318. Alle Menschen sind frei und gleich geschaffen: Deswegen ist der Adel nicht schon durch Geburt legitimiert, sondern genauso wie der dritte Stand nur durch sein Verdienst und seine Rechtschaffenheit. „Ja, wenn Stolz auf hohe Geburt, Erziehung und Beispiel so viel beim Adel wirkt, dass er sich über die Bürgerlichen durch wirkliches Verdienst erhebt: so ziehe man ihn vor. Aber nicht darum, weil es Adel ist, sondern weil er Verdienst hat"319. „Vorzüge ohne Verdienst"320 kann es von den Menschenrechten her nicht geben, mit denen endlich Ernst gemacht werden müsse. Im selben Jahr wie Fichte321 fordert auch Ewald nach dem Vorbild des 1789 durch die Französische Revolution Erreichten die Aufhebung der „unnatürliche[n] Leibeigenschaft [...], die den Menschenverstand so gut als die Men-

315

Meiners, Bd. 2, p637. Vgl. auch ebd., p634: „Am besten wäre es, alle unverdiente und schädliche Vorrechte von Personen und Geschlechtern [...] abzuschaffen, und ein für allemahl zu erklären, daß man bey der Austheilung von Würden, Ehrenbezeugungen und andern Belohnungen auf keinen andern, als den natürlichen und durch Verdienste erworbenen Adel Rücksicht nehmen, und daß man die Nachkömmlinge von berühmten und verdienstvollen Vorfahren bloß um ihrer Geburt willen niemahls solchen Männern, die selbst grosse Verdienste besitzen, vorziehen werde." 316 317 Ebd., p645. Ebd., p634. 3,8 319 Ewald, Was sollte der Adel, p55. Ebd., p56. 320 321 Ebd., p77. Vgl. Fichte, Beitrag, pl72.

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schenwürde schändet"322. Und die Vehemenz, mit der Ewald hier als politischer Aufklärer auftritt, bildet sich besonders in seiner kämpferischen Sprache ab, wenn er z.B. den Adeligen den Spiegel und folgendes Bild vorhält: „Es ist ja wol leicht, sie zu überzeugen, dass man jemand darum noch nicht für grösser als Andere hält, weil er auf Stelzen geht; sondern dass er dadurch nur unbehülflicher wird, und leichter auf die Nase fällt"323. Ähnlich bildlich warnt Ewald aus den französischen Erfahrungen heraus vor ,,neue[n] Einschränkungen und neue[r] Gewalt"324: „Wird auch der Strom darum nicht mehr fliessen, weil man ihm einen Damm vorsetzt? wird die Gährung keinen Fortgang mehr haben, wenn man gewaltthätig das Gefäss ganz verstopft? wird nicht der Strom am Ende den Damm zerbrechen; die gährende Masse das stärkste Gefäß zersprengen, und der eingeengte Menschengeist sich mit Gewalt Luft machen, eben weil man ihn so gewaltthätig und so lange eingeengt hat?"325. Den aktuellen historischen Hintergrund für Ewalds Schrift an den niederen Adel - wohlgemerkt: nicht an den lippischen bloß, sondern den gesamten deutschen - bildet die Weigerung der lippischen Ritterschaft, angesichts des Reichskrieges gegen die französische Revolution freiwillig althergebrachte Steuerprivilegien aufzugeben. Die Ritterschaft hatte, um zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen - nämlich um die Städte zu bewegen, die diesbezügliche beim Reichshofrat in Wien gegen den niederen lippischen Adel anhängige Klage niederzuschlagen, und um dabei gleichzeitig die Steuerprivilegien zu wahren - sich kompromißbereit gezeigt und die Koalitionskriege durch Geldgeschenke unterstützt326. Die bei aller Kompromißbereitschaft der Ritterschaft jedoch nicht revidierte prinzipielle Behauptung der Freiheit „von allem KostenBeitrag"327 hatte schon ein anonymer Autor in „A.L. Schlözer's Stats=Anzeigen" scharf kritisiert. Und auch die fürstliche Regierung in Lippe hatte gegen die Ritterschaft Position bezogen und verdeutlicht, „daß die Freiheit des Adels von Steuern und andern öffentlichen Kosten, nicht von dieser außerordentlichen Ausgabe zu verstehen sei [...] daß die bereits ser belasteten Bewoner des platten Landes und der Städte, im Fall jene Ausname verlangt würde, zu hart gedrückt, in Narungs=Verlegenheiten geraten, und vielleicht, für die allgemeine Ruhe bedenkliche Folgen entstehen dürften"328. Schließlich sei der Reichskrieg ja auch von eminent wichtigem Nutzen für die lippische Ritterschaft, da das französische Revolutionsheer den Auftrag habe, „den Adel selbst, aufzuheben"329. Und so stehe fest, „daß, ohneingedenk aller übrigen Zwecke des gegenwärtigen ReichsKrieges, dieser auch zum Vortheil 322 324 327 328

323 Ewald, Was sollte der Adel, p29. Ebd., p83. 325 326 Ebd., pl8. Ebd., pl9f. Vgl. Arndt, p385. Anonym, Gesinnungen des Adels in der Grafschaft Lippe=Detmold, pl68. 329 Ebd., pl68f. Ebd., pl70.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 379 des Adels gefürt wird"330. Als nun Ewalds Adelsschrift erschien, mußte unter den Rittern der Verdacht aufkommen, Ewald sei auch der Verfasser des o.g. Artikels in den ,Staats-Anzeigen'. Die Ritterschaft jedenfalls fühlte sich bedroht und klagte Ewald schließlich beim Reichshofrat in Wien an, konnte jedoch die Konfiszierung der Adels-Schrift nicht erreichen, sondern nur einen Verweis an Ewald, der 1796 zwar nicht gezwungenermaßen, jedoch von der Ritterschaft aus dem Lande geekelt und von der Regierung, die ihn zunächst verteidigt hatte, fallengelassen nach Bremen zog331. Daß Ewald nicht nur von der lippischen Ritterschaft als Gefahr und Aufrührer angesehen wurde, sondern auch andernorts, zeigt sich z.B. in der 1796 anonym erschienenen Schrift, Stolz, Eigennutz und Pressfreyheit, als die drey grössten Feinde des Staats, oder Antwort auf Johann Ludwig Ewalds Frage: Was sollte der Adel jetzt thun? Von einem Adelichen aus uraltem Geschlecht'332. Der Anonymus, der sich nur als Sachse zu erkennen gibt333, droht an, bräche im Lippischen eine Revolution aus, würde er als Verteidiger der dortigen Ritterschaft dem Revolutionär Ewald „mit dreysig Reutern [...] eine freundliche Visite" abstatten, um „alle unsaubere Quellen der fürchterlichen Detmoldschen Staatsumwälzung auf ewig zu verstopfen"334. Sich über die „unseligen Aufklärungsschriften"335 in genere beklagend lehnt der Vf. alle Forderung nach rechtlicher Gleichheit ab und meint, sie sei „nichts anderes, als ein unglückseliger Stolz"336: „Freyheit und Gleichheit sind also eine blosse Fratze, weil die Gesinnungen der Menschen nicht gleich sind"337. Gegen die Forderung Ewalds, der Adel solle freiwillig auf Privilegien Verzicht leisten, verdeutlicht der Anonymus seine reaktionär-konservative Ansicht, die Vorrechte des Adels und somit auch der Reichsritterschaft bestünden zurecht, „weil die Fürsten nicht ohne Grund voraussetzten, dass diejenigen Personen, die adelicher Abkunft wären, und deren Vorfahren sich einst durch Treue, Tapferkeit und Vaterlandsliebe auszeichneten, am allerersten, und eher als jeder Anderer [!], in die rühmlichen Fusstapfen ihrer Ahnherren treten"338. Auch suche der bürgerliche Stand nur seinen Eigennutz, da er die Gleichberechtigung fordere, weiterhin aber die Adligen auf dem Schlachtfeld bluten lassen wolle339. Um dem sich in deutschen Landen ausbreitenden revolutionären Geist wirksam entgegenzutreten, müsse die Pressefreiheit eingeschränkt werden. „Eine Quelle des Unglücks der Staaten ist ferner die so hochgepriese330

Ebd. Vgl. zum Hergang der Streitsache zwischen Ewald und der lippischen Ritterschaft o. Kap. I, 8 dieser Arbeit, sowie: Kiewning und Arndt, p382-388. Gerade zu diesem Ausschnitt sind immer wieder kleinere (ungedruckte) Arbeiten entstanden: Knop, G., Wagner, C., Böck, A. 332 333 334 Anonym, Stolz. Vgl. ebd., p33. Ebd., p75. 335 336 337 Ebd., p83. Ebd., p21. Ebd., p22. 338 339 Ebd., p32. Vgl. ebd., p44. 331

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ne Druck- und Pressfreyheit, wodurch trotz aller Einwürfe, die ihr mir machen könntet, so viel Uebel in der Welt, besonders seit jener Revolution Frankreichs, sich so allgemein verbreitet hat"340. Auf die nicht nur von Ewald, sondern auch von dem „literarischen Tribunen"341 Rebmann342 u.v.a. immer wieder hingewiesene empirisch belegbare Tatsache, daß durch Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit sich aufgeklärte oder auch revolutionäre Schriften nur um so schneller verbreiten, geht der Anonymus nicht ein, was verdeutlicht, wie wenig er den geistigen und politischen Wandel der Aufklärung wahrhaben will und gleichzeitig durch seinen Verdacht, Ewald wolle eine Revolution herbeiführen, das von Ewald wirklich Intendierte völlig falsch einschätzt. Daß Ewald jedoch, was seine Adelsschrift angeht, auch positive und zustimmende Rezeption erfahren hat, verdeutlicht die ebenfalls anonym erschienene Schrift ,Was sollten Deutschlands Regenten jetzt thun? Ein Seitenstück zur Ewaldschen Schrift: Was sollte der Adel jetzt thun?'343. Allerdings verdeckt der Titel, daß der Anonymus Ewalds Forderungen nicht wirklich folgt, sondern dem Adel rät, aus Klugheitsgründen (nicht aus vernünftiger Einsicht!) nur so lange auf die Inanspruchnahme bestimmter, weniger Privilegien zu verzichten, bis die Gefahr eines Aufruhrs, der Notfall also, vorbei sein wird. Der Adel soll nur „während der Dauer dieses Kriegs [seil, des Koalitionskrieges; A.S.]"344 Kriegssteuern zahlen. Es geht dem Anonymus anders als Ewald um reine Taktik, die es dem Adel ermöglichen möge, seinen bisherigen gesellschaftlichen und politischen Einfluß zu konservieren: „Sollt' es ihnen zu viel dünken, jetzt dieses geringen Theils für den Augenblick gutwillig zu entbehren, da sie sonst vielleicht gewaltsam das Ganze zu verlieren in Gefahr sind?"345. Ewald dagegen hat nie einen Zweifel daran gelassen, daß es ihm um dauernde tiefgreifende Reformen geht und nicht lediglich um temporäre Zugeständnisse an die Erfordernisse der derzeitigen Situation. Daher kommt das Argument Ewalds, daß der Adel, bleibt er reformunwillig, u.U. eine Revolution hervorruft, in dieser Schrift nicht in der Ewaldschen Schärfe vor, und es fehlt überall der Ewaldsche liberale Kampfgeist. Zudem verrät der Anonymus eine viel größere Distanz zum Geist der französischen Erklärung der Menschenrechte als Ewald, wenn er die natürlichen Rechte des Menschen 340

Ebd., p83. So wird Rebmann von Voegt, H., pl 12. 129 genannt. 342 Vgl. Rebmann, G.F., Bruchstücke aus meinem politischen Glaubensbekenntnis, in: Ders., Werke, Bd. 2, bes. pl3, wo Rebmann berichtet, „daß es nichts Seltenes ist, Leute in Buchhandlungen zu treffen, welche Listen von solchen verpönten [seil, von der Zensur verbotenen; A.S.] Schriften in der Hand haben und darnach kaufen!" 343 Anonym, Was sollten. 344 Ebd., p35. Ähnliche Einschränkungen werden gemacht: p42. 56. 76. 345 Ebd., p56 (Hervorhebung von mir). 341

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 381 einfach mit dem Geist des Umsturzes in einen Topf werfend schimpft und sagt: „Unstreitig sind ja die Verbreitung falscher Ideen über Freiheit und Gleichheit, über Volksherrschaft und Republicanismus die Hauptwaffen, deren sich Frankreichs Emissarien und deutsche Sansculotten bedienen, um die innere Erhaltung und Verfassung deutscher Staaten zu bekämpfen, die Hauptmittel, um die untere Volksclasse zu blenden und zu täuschen"346. Hieran zeigt sich, daß Ewald offenbar auch von der falschen Seite Beifall bekommen hat, nämlich von Kreisen, die konservativer waren, als es ihm um der zu erreichenden politisch-reformerischen Sache willen lieb sein konnte. Anders als der in seinen frühen Jahren revolutionär-progressive Fichte, der dem traditionellen Kirchenglauben von Kant beeinflußt äußerst kritisch begegnete, die Möglichkeit einer Offenbarung auf philosophische Weise negierte, die Pflichterfüllung als das einzige Mittel zur Seligkeit ansah und so zusammen mit Forberg für die Entstehung des ,Atheismusstreites' sorgte, gelingt es Ewald, im politischen Bereich fortschrittlich aufgeklärt zu denken, im geistlichen Bereich jedoch an der Bewahrheitung der alten Glaubensinhalte zu arbeiten. Indem Ewald vor dem oben umrissenen historischen Hintergrund seine programmatischen Aufklärungsschriften verfaßt, zeigt er sich nicht nur als ein der Welt und den aktuellen Zeitfragen zugewandter Geistlicher, sondern der Sache nach gleichzeitig als Theologe von reformatorischem Geist, da er die Vernunft in das ihr zustehende Geschäft einsetzt, nämlich in das politische. Denn auch nach Luther regiert im geistlichen Regiment Gott allein durch seine Gnade und seine Offenbarung, und die Vernunft hat hier keine Gewalt, solange sie nicht durch die Kraft des Glaubens wiedergeboren ist. Keine weltliche Gewalt darf in das geistliche Regiment eingreifen oder die Gewissen mit dem Schwert regieren, dringen oder belasten. Im weltlichen Regiment allerdings ist die Vernunft am rechten Orte, indem sie äußerlich für Frieden und Gerechtigkeit sorgen soll und dem Naturgesetz gemäß Urteile aussprechen soll. „Also / das alltzeyt vber alles recht / regire vnnd das vberst recht vnnd meyster alles rechten bleybe / die vernunfft"347. Die Vernunft ist es nach Luther, die im weltlichen Regiment die Instanz darstellt, die das Naturrecht zur Geltung bringt und deswegen allem kodifizierten Recht übergeordnet ist. So wenig die natürliche Vernunft als unerleuchtete in Glaubenssachen etwas ausrichten kann und hier zunächst einmal Hure des Teufels348 ist, so sehr

346

Ebd., p86. Luther, Von weltlicher Obrigkeit, StA Bd. 3, p63. 348 Vgl. etwa Luther, Wider die himmlischen Propheten, W A 18, p l 6 4 in der Auseinandersetzung mit Karlstadt: „Hynfurder leret er [seil. Karlstadt; A.S.] uns, was fraw hulde, die naturliche vernunfft, zu diesen Sachen sagt, gerade alls wüsten wyr nicht, das die vernunfft des teuffels hure ist und nichts kan denn lestern und sehenden alles, was Gott redt und thut." 347

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kann sie doch in Fragen des äußerlichen, leiblichen Lebens im Sinne einer theologia naturalis Empfängerin der natürlich sich hörbar machenden Stimme Gottes sein. „Aber solch frey vrteyl gibt die liebe vn(d) naturlich recht / des alle vernunfft voll ist. Auß den bu(e)chern komen gespannen vn(d) wanckende vrteyl"349. Luther führt die Exempel-Geschichte der natürlich-vernünftigen Weisheit Karls von Burgund an350 und kommentiert sie: „Sihe eyn solch vrteyl hette yhm keyn Bapst / keyn Jurist noch kein bu(o)ch gebe(n) mu(e)ge(n) / Sondern es ist auß freyer vernunfft vber aller bu(e)cher recht gesprungen / so feyn / das es yderman billichen muß / vn(d) bey sich selb findet ym hertzen geschrieben / das also recht sey. Des gleyche(n) schreybt auch S(ankt) Augustin ynn ser(mo) do(mini) in monte. Darumb sollt man geschriebene recht vnter der vernunfft hallten / darauß sie doch gequollen sind / als auß dem rechts brunne(n) / vn(d) nit den brun(n) an seyne floßlin bynden / vnd die vernunfft mitt buchstaben gefangen füren"351. In dieser Hinsicht war für Ewald in der reformatorischen Theologie ein Ansatzpunkt gegeben, um einerseits zum entschiedenen Kritiker jeder bloß vernünftigen Theologie zu werden, die nicht wahrhaben will, daß die Vernunft allein in geistlichen Dingen nichts auszurichten hat, andererseits aber im Reich der Welt unter den modernen, von der Aufklärung her gesetzten Bedingungen zum feurigen Verfechter aufgeklärter Politik zu werden, indem die Vernunft in einem begrenzten Bereich frei wird, die ihr gestellten Aufgaben zu erfüllen. Und bei der Bestimmung dieser Grenze führt Ewald die Kantische Philosophie in eine Synthese mit der Lutherschen Zwei-ReicheLehre hinein, woran sich zeigt, in einem wie intensiven Gespräch er sowohl mit der zeitgenössischen Philosophie als auch mit der traditionellen Theologie steht. Es ist aber nun nicht so, daß der Katalog der Menschenrechte an die Stelle des in den weltlichen Bereich hineinragenden Evangeliums rückt. Ganz im Gegenteil verrechnet Ewald die Aufklärung nicht im Sinne einer Christentumsgeschichte, derzufolge das Christliche nun in dieser säkularen Form seine dem Geschichts verlauf gemäße Konstitution gefunden hat. Vielmehr bleibt die biblische Botschaft und das in ihr - besonders in Rom 13 - entwickelte Verständnis des Staates die Voraussetzung für die Fundierung eines modernen Staates. Denn diese Botschaft allein kann bewirken, daß der Obrigkeit gegenüber auch Folge geleistet wird, da sie allein auf die hinter dieser staatlichen Verfaßtheit stehende göttliche Autorität verweisen kann. „O Aufklärung! Weisheit! Menschlichkeit! natürliches Menschenrecht! - Und was soll die Stelle dieser, durch Religion geheiligten Ehrfurcht gegen die Obrigkeit, er-

349 350 351

Luther, StA Bd. 3, p71. Ebd. Ebd.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 383 setzen? Worauf will man den, doch so nothwendigen Gehorsam gegen ihre Befehle gründen? auf Vernunft? auf demonstrirte Menschenrechte?"352. Nein, eine wirkliche Ehrfurcht und ein echter Gehorsam gegen die Obrigkeit können - so Ewald - nicht dadurch erreicht werden, daß man den Menschen die Menschenrechte vordemonstriert, sondern dies wird nur durch eine christliche Erziehung gewährt. „Christenthum wirkt in wichtigen Fällen noch am meisten auf das Volk; und es giebt noch immer keine sicherere Stütze der Obrigkeit, als diese Religion, die den Regenten als Stellvertreter Gottes darstellt, und Gehorsam gegen ihn im Namen Gottes fodert. Der Landmann im Ganzen genommen, lernt Euch den Contract social nicht verstehen [...] Und wenn er sich auch wie die Pariser Refsträger eine déclaration des droits des hommes vorlesen lässt; er versteht nichts davon, als dass er - nichts zu bezahlen brauche, und so gut wie ein Anderer zu befehlen habe. Aber das versteht er, wenn ihm aus einem Buche, das er für Gottes Wort hält, gesagt wird: , Jeder sey unterthan der Obrigkeit; es ist keine Obrigkeit, ohne von Gott!' [...] sicher fällt ihm der Befehl schwer aufs Herz, wenn es zu einem Aufruhr kommen soll"353. Immer wieder hat Ewald darum besonders in den 90er Jahren des 18. Jahrhunderts während der Französischen Revolution über Rom 13 gepredigt354, wobei auffällt, daß in keiner der Predigten - im Unterschied zu Luthers Sichtweise - von dem Recht eines Christenmenschen die Rede ist, gegen die weltliche Obrigkeit zumindest passiv Widerstand leisten zu dürfen. Das, was Ewald später im Zusammenhang mit seiner Apologie der Juden gesagt hat, nämlich, daß der Staat nicht über die Gewissen zu herrschen befugt sei, ist in der 1790er Zeit noch nicht derart entwickelt. Dennoch ist in allem, was Ewald als Kirchenmann zur politischen Aufklärung zu sagen hat, spürbar, daß er um

352

Ewald, Über Revolutionen, p21. Ebd., pl2f. Ein ,Refsträger' ist ein wandernder Händler, vgl. Grimm, J. und W., Deutsches Wörterbuch, Bd. 14, Sp. 491. 354 Gerade weil Ewald sich immer wieder vehement für die politische Aufklärung eingesetzt hat, hat er auf der anderen Seite es besonders in den Revolutionsjahren nie unterlassen, Rom 13 zu predigen. Er hat dies nicht nur getan, um sich vor dem Vorwurf, ein Aufrührer zu sein, zu schützen, sondern auch von der grundsätzlichen Einsicht her, daß die politische Aufklärung nur unterstützt von einem biblischen Staatsverständnis wirkliche Gestalt gewinnen kann. Allerdings tritt im Zuge eines gewissen apologetischen Interesses die bei Luther vorgesehene Möglichkeit passiven Widerstandes gegen eine Obrigkeit, die ihre Grenzen überschreitet, indem sie über die Gewissen herrschen will, bei Ewald zumindest in den Hintergrund. Vgl. zur Ewaldschen Art, Rom 13 und verwandte Texte zu predigen, v.a.: Predigten für Unterthanen und Eltern (Bibl. Nr. 71), Ueber Regieren und Gehorchen (Bibl. Nr. 72), eine Predigt, die Ewald 1792 anläßlich des Todes des Kaisers Leopold II. gehalten hat, aber auch: Deutschlands Erwartungen und Dank (Bibl. Nr. 58), eine Predigt, die 1790 nach der Krönung Leopolds II. gehalten worden ist. 353

384

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das Gegenüber von Kirche und Staat nicht nur weiß, sondern das Wächteramt auch wirklich wahrgenommen und ausgefüllt hat, das er als Geistlicher dem Staat gegenüber zu bekleiden hat, wenn er darüber auch nicht zum entschiedenen Republikaner geworden, sondern stets Anhänger der aufgeklärten Monarchie vom Zuschnitt Josephs II. geblieben ist. Ewald ist nie ein Jakobiner355 gewesen, hat nie in deren Art und Weise zur Revolution aufgerufen, wenngleich er von seinen Gegnern oft mit diesen radikalen Kräften wie den Hamburger Jakobinern356 Heinrich Christoph Albrecht oder Heinrich Würzer völlig zu Unrecht als auf einer Linie stehend gesehen wurde. Auffällig jedenfalls ist, daß Ewald nach seinem Weggang von Detmold nach Bremen anscheinend niemals mit dem gerade in Norddeutschland sehr ausgeprägten Kreis der Jakobiner z.B. um Friedrich Wilhelm von Schütz oder Heinrich Würzer in Kontakt getreten ist, was jedoch bei näherem Hinsehen nicht sehr verwunderlich ist. Denn waren die eher liberal-reformerische und die demokratisch-kämpferisch-jakobinische Richtung in Deutschland357 zunächst oft kaum zu unterscheiden, so wurde dies spätestens seit der Hinrichtung Ludwigs XVI. anders, als sich die eher liberale Haltung des reformerisch denkenden Bürgertums von derjenigen der demokratisch-jakobinischen Kräfte deutlich zu distanzieren begann358. Ewald jedenfalls hatte sich, als er nach Bremen kam, schon viel zu wenig begeistert und zu kritisch über die Hinrichtung Ludwigs XVI. geäußert, als daß er im jakobinisch-norddeutschen Dunstkreis auf Interesse hätte stoßen können.

355

Ewald ist eher in das liberal-reformerische als in das ,„jakobinisierte' Modell der öffentlichen Meinung" einzuordnen. Vgl. zur Verwendung dieses Terminus Segeberg, H., p524. 356 Vgl. Grab, W., Leben und Werke; ders., Norddeutsche Jakobiner; zum Thema vgl. auch die von Hörz, H., hg. Beiträge, die Zeugnis davon ablegen, daß man nicht nur im Westen, sondern - unter anderen Akzentsetzungen - zumal in der DDR an der Erforschung des Jakobinismus interessiert war. 357 Einen quellennahen Überblick über die hier angesprochene Frage an ausgewählten Texten bietet: Garber, J., (Hg.), Revolutionäre Vernunft. 358 Vgl. Grab, Norddeutsche Jakobiner, p25: „Bis zur Hinrichtung des französischen Königs waren die grundsätzlichen Differenzen zwischen der liberalen und der demokratischen Richtung innerhalb der deutschen Opposition noch mehr oder minder verdeckt [...] Die Guillotinierung des französischen Königs am 21. Januar 1793 zog einen deutlichen, unverwischbaren Trennungsstrich zwischen der revolutionären Demokratie und dem obrigkeitshörigen Liberalismus in Deutschland." Diese Beobachtung ist sicherlich zutreffend, auch wenn man Grabs etwas zu offensichtliche politische Vorliebe für den Jakobinismus nicht unbedingt teilt. Hier müßte stärker differenziert werden, da Ewald sicherlich zur liberalen Seite gehört hat, ohne deswegen ,obrigkeitshörig' gewesen zu sein - ganz im Gegenteil.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 385 Ewalds Äußerungen zur politischen Aufklärung, zu Reform und Revolution stehen in einem breiten literarischen Kontext359, der im folgenden skizziert werden soll360.

4. Ewald im Kontext der zeitgenössischen Revolutions-Schriftstellerei „Denn ein solches Phänomen in der Menschengeschichte vergißt sich nicht mehr"361 hat Kant362 über die Französische Revolution gesagt - mit Sympathie für dieses epochale Ereignis, durch das hindurch die Menschheit zu einem moralischen Fortschritt aufgebrochen sei, gleichzeitig aber auch mit scharfer Kritik an diesem gewalttätigen Epochenbruch, in dem Menschen die eigentliche moralische Triebfeder durch ihre nach eigenem Nutzen und Vorteil strebende Leidenschaft verunreinigt haben. Die Französische Revolution, in der „gleich als durch Zauberei alte, glänzende Staatsgebäude verschwinden"363, ist ein „Fortschreiten zum Besseren", ja läßt darauf „nicht allein hoffen", sondern ist „selbst schon ein solches"364. Und trotz des durch die Radikalisierung der Revolution entstandenen ,,Elend[s]" und trotz aller „Greuelthaten" finde - so Kant - dieses Ereignis Sympathie in der Öffentlichkeit, was „keine andere als eine moralische Anlage im Menschengeschlecht zur Ursache haben kann"365. Die bürgerliche, republikanische und auf das Naturrecht aufgebaute Verfassung ist für Kant die angemessene Organisationsform und Konkretion des moralischen Sittengesetzes, auch wenn die Einmischung der Leidenschaften und Affekte, die sich im Revolutions-Enthusiasmus offenbare, „nicht ganz zu billigen ist"366. Dennoch ist Kant der Meinung gewesen, daß die Revolution zu wahrer Aufklärung unfähig ist, mehr noch: Revolution und Aufklärung widersprechen einander. Denn die Revolution zeitigt gerade keinen „Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit"367, indem sie

359 Koopmann, H., hat zwar nicht die Revolutionsschriftstellerei im engeren Sinne betrachtet, aber eine instruktive Arbeit über die Reflexe auf die Französische Revolution in den Werken Schillers, Friedrich Schlegels, von Kleists, Mörikes u.a. vorgelegt. Vgl. zur Frage, wie sich die Ereignisse der Französischen Revolution in der Lyrik der deutschen Jakobiner spiegelt: Grab, W.; Friesel, U., Noch ist Deutschland nicht verloren, ρ 17—49. 360 Einen knappen, aber instruktiven Überblick über die deutsche Revolutionsschriftstellerei gibt z.B. Bertaux, P., bes. p20-49. 361 Kant, Akademie-Ausgabe, Bd. 7, p88. 362 Zu Kants Verhältnis zur Französischen Revolution vgl. Burg, P. 363 Kant, Akademie-Ausgabe, Bd. 7, p85. 364 365 Ebd. Ebd. 366 367 Ebd., p86. Kant, Werke, Bd. 6, p53.

386

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Vorurteile wegschafft, sondern sie ersetzt die alten Vorurteile nur durch neue; und so kann „niemals wahre Reform der Denkungsart zu Stande kommen"368. Eine Revolution kann nur einen „Abfall von persönlichem Despotism und [...] herrschsüchtiger Bedrückung"369 bewerkstelligen, die Menschen aber nicht zum öffentlichen Gebrauch der Vernunft erziehen noch befreien. Denn wahre Aufklärung kann nur langsam wachsen, evolutionär370, nicht revolutionär erreicht werden, „wozu wohl gehören möchte, daß der Staat sich von Zeit zu Zeit auch selbst reformire und, statt Revolution Evolution versuchend, zum Besseren beständig fortschreite"371. Lange vor diesen Äußerungen Kants hat bereits Ewald mit vielen anderen die Überzeugung gehegt, daß das in Frankreich mitunter durch Umsturz, Aufruhr und Gewalt Gesetzte in deutschen Landen durch eine vernünftige, für die moderne aufgeklärte Staatslehre aufgeschlossene Politik monarchischer Liberalität auf reformerischem Wege durch Reformen von oben zu erreichen sei - zumal hier doch der Geist solcher aufgeklärter Monarchen wie Friedrichs des Großen und Josephs II. herrsche. Dieser Ansicht waren nicht nur die Ehrenbürger der Französischen Republik Joachim Heinrich Campe und Friedrich Gottlieb Klopstock, sondern auch der Oldenburger Justizrat und Dichter Gerhard Anton von Halem, mit dem Ewald eng befreundet war, sowie der junge Johann Gottlieb Fichte, den einen Jakobiner zu nennen wohl doch etwas zu weit greift372. Ganz im Unterschied nämlich zu dem Mainzer Jakobiner und Vater der mainzischen Republik Georg Forster, der nicht nur die Welt umsegelte, sondern auch nach Paris reiste, um dort für den Anschluß von Mainz an die Französische Republik zu plädieren373, und im Unterschied auch zu dem theologisch wie politisch gleichermaßen radikalen Carl Friedrich Bahrdt und zu Georg Friedrich Rebmann haben die Obengenannten eine allmähliche Durchdringung des politischen status quo mit aufgeklärten Prinzipien angestrebt, ohne dabei die Legitimität der monarchischen Regierungsform in Zweifel zu ziehen, was die bürgerliche Verfassungsbewegung in Paris zunächst ja ebenfalls nicht getan hat. Um so enttäuschter jedoch gaben viele jegliche Sympathie für das in Frankreich vor sich Gehende auf 374 , als im Zuge der jakobinischen Radikalisierung der Revolution der französische König zunächst gefangengesetzt und dann enthauptet wurde und sich Robespierre 368

369 370 Ebd., p55 . Ebd. Vgl. Burg, pl 15-119. Kant, Akademie-Ausgabe, Bd. 7, p93. 372 Gegen Willms, B., Einleitung, in: Fichte, Schriften zur Revolution, pXVIII. Zur Agitation und zu den Revolutionsaufrufen deutscher Jakobiner wie Eulogius Schneider u.a., von deren Radikalität Fichte (wie Ewald) doch weit entfernt ist, vgl. die Textsammlungen von Grab, W., Freyheit und Scheel, H. 373 Zu Forster und den Vorgängen in Mainz, zur Gründung des dortigen JakobinerClubs und der Wahl des rheinisch-deutschen Nationalkonvents vgl. Schneider, P. 374 Vgl. Grab, W., Politische Ideale und Illusionen. 371

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 387 schließlich mit diktatorischen Vollmachten ausstattete. Die Koalition gegen das revolutionäre Frankreich war keine bloß militärische, sondern auch eine geistig-schriftstellerische Bewegung früherer Sympathisanten. Und sie fand sich zusammen, als es jedem klar werden mußte, was es mit der zerstörerischen revolutionären Eigendynamik auf sich hat, die Friedrich Hegel später „die Furie des Verschwindens"375 nennen wird. Gefahr jeder Form von Aufklärung und Revolution - so Hegel, der mit Hölderlin zur Revolutionszeit „die Zeitungen, Zeitschriften und Pamphlete der Zeit eifrig"376 gelesen hat - ist es, daß sie sich in ihrer Kritik am Gegebenen als rein negativ gegen alles Überlieferte und Inhaltliche erweisen, also nur der abstrakten Negation fähig sind, nicht aber dessen, was Hegel die bestimmte Negation nennt, in der das Negierte in neuer Form aufgehoben und aufbewahrt bleibt. Diese „unerfüllte Negativität des Selbsts"377 ergeht sich nicht nur in der Aufrichtung der „absoluten Freiheit", die in ihrer Absolutheit die Negativität als Kennzeichen doppelt reflektiert in sich trägt, sondern auch in der Stiftung des „Schreckens des Todes"378, der das Leben der politischen Gegner durch die Guillotine ins Nichts verschwinden läßt. „Seine Negation ist der bedeutungslose Tod, der reine Schrecken des Negativen, das nichts Positives, nichts Erfüllendes in ihm hat"379. In der absoluten Freiheit wird der Tod zum „absoluten Herrn"380, indem er die Herrschaft des Verdachts aufrichtet und nach der Negation des alten monarchischen Absolutismus eine neue Form des Absolutismus schafft. „Kein positives Werk noch Tat kann also die allgemeine Freiheit hervorbringen; es bleibt ihr nur das negative Tun, sie ist nur die Furie des Verschwindens"381. Bei all dieser Kritik jedoch hat Hegel darum gewußt, daß durch die Französische Revolution der Geist einen Sprung auf eine neue Ebene getan hat, einen „Ruck"382, wie Hegel sagt, und die Ausbildung eines politischen Bewußtseins des dritten Standes auf dem Hintergrund seiner wirtschaftlichen und geistigen Potenz nicht einfach wieder rückgängig gemacht werden kann. Denn durch die Arbeit des Geistes, der sich durch die Entfremdung und Selbstentäußerung zum absoluten Geist bildet, ist die Freiheit nun ein für allemal gesetzt. Daher hat die Französische Revolution welthistorische Bedeutung. Deswegen hat Hegel - wie Joachim Ritter einleuchtend aufgezeigt hat383 - auch alle romantizistischen Versuche, dieses 375

377 Hegel, PhG, p418. 376 Bertaux, p50. Hegel, PhG, p421. 379 380 Ebd., p419. Ebd., p421. Ebd., p420. 381 382 Ebd., p418. Vgl. Ritter, J„ p32. 383 Vgl. ebd., p36f: „Nicht die Restauration, sondern die Revolution vertritt daher das Prinzip der europäischen Geschichte. Darum leidet die politische Restauration an einem inneren Widerspruch; ihre Verkehrtheit besteht darin, daß sie sich antithetisch dem gegenwärtigen Prinzip entgegenstellt und so die geschichtliche Substanz selbst verneint, die sie doch bewahren und wiederherstellen will [...] Die restaurative falsche Bewahrung ist daher für Hegel die eigentliche Gefahr der Zeit." 378

388

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geschichtliche Ereignis wenn nicht ungeschehen, so doch vergessen zu machen, auf das schärfste abgelehnt und nachgewiesen, daß ein solcher Romantizismus sich dem geschichtlich nun einmal Gewordenen gegenüber ebenso falsch rein und abstrakt negativ verhalte, wie dies die Französische Revolution dem Tradierten gegenüber getan habe. Hier liegen beide vor der Hand als völlig gegensätzlich erscheinende Geistesrichtungen, die revolutionäre und die restaurative Theorie, im selben Spital krank. Die Beobachtung der Gefahr der bloß abstrakten Negativität der Aufklärung gegen alles (auch in theologischer Hinsicht) Positiv-Inhaltliche und Überlieferte haben dann später Horkheimer und Adorno zum Anlaß genommen, um die Dialektik der Aufklärung zu charakterisieren, die darin besteht, daß dieselbe gerade in der Kritik an allem Überlieferten irgendwann an einem Punkt anlangt, an dem die „rastlose Selbstzerstörung der Aufklärung"384 alle Mythologie und allen vorgeblichen Aberglauben zerstört hat und sich deswegen nun selbst zerstört, indem sie das Hervorwachsen einer neuen Mythologie geradezu erzwingt: der Faschismus entsteht und ist selbst Produkt und Kind einer nicht über sich selbst und die Gefahr der abstrakten Negativität aufgeklärten Aufklärung. Auf dem Hintergrund der Rousseauschen Vertragstheorie385 unter Hinzuziehung der Kantschen Moralphilosophie hat der junge Fichte, der lange Zeit zugunsten des späteren ,konservativen' Verfassers der,Reden an die deutsche Nation' in den Hintergrund gedrängt worden und erst aus naheliegenden aktuell-politischen Gründen Ende der Sechziger Jahre unseres Jahrhunderts mitunter veranlaßt durch Bernard Willms386 in Erinnerung gerufen worden ist, im Jahre 1793 zur Rezeption revolutionären Gedankengutes beigetragen. Eine besonders wichtige Rolle kommt hier der anonym erschienenen Schrift „Beitrag zur Berichtigung der Urteile des Publikums über die französische Revolution"387 zu. Ähnlich wie Ewald im selben Jahr fordert Fichte den Adel zu freiwilliger Verzichtleistung auf Privilegien auf: „Daß es öfters Pflicht sei, seinen ganz richtig verstandnen Vorteil aufzuopfern"388. Daß Privilegien vererbt werden - so Fichte - widerstreite dem Grundsatz der Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz389; Privilegien seien daher abzuschaffen, und die 384

Horkheimer, M., und Adorno, Th.W., pl. Vgl. Buhr, M., und Losurdo, D., pl7: „Was ihm [seil. Fichte; A.S.] dabei vorschwebt, ist: den .Contrat social' zu vollenden, indem er die Lehren Rousseaus von den ihnen anhaftenden Widersprüchen befreien will.,[...] wir werden den Widerspruch lösen', schreibt er, ,wir werden Rousseau besser verstehen, als er selbst sich verstand, und wir werden ihn in vollkommener Übereinstimmung mit sich selbst und mit uns antreffen'." 386 V g l willms, B., Einleitung; ders., Die totale Freiheit; aber auch bereits Buhr, M., sowie Buhr und Losurdo. 387 In: Fichte, Schriften zur Revolution, p34-212. 388 389 Ebd., p47. Ebd., pl27. 385

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 389 Adligen müßten dazu genötigt werden, ihrer Pflicht nachzukommen, ihre Kräfte zum allgemeinen Wohle zu nutzen und einen bürgerlichen Beruf zu erlernen. Der Leibeigenschaft - auch hierin ist Fichte mit Ewald einig - müsse ein Ende gesetzt werden. Und für die Besetzung von Staatsämtern kann nach Fichte wie nach Ewald nur die Tauglichkeit des Bewerbers, nicht aber dessen Geburt ausschlaggebend sein390. Stärker jedoch als Ewald rezipiert Fichte in seiner ihm eigenen Revolutionsschriftstellerei die Kantsche Moralphilosophie, insbesondere in seiner Auseinandersetzung mit dem Engländer Edmund Burke, dem entschiedenen Gegner der Französischen Revolution, dessen Schriften durch den ähnlich gesinnten Friedrich Gentz ins Deutsche übersetzt worden sind. Burke hatte gegen revolutionsbegeisterte Kreise in England, insbesondere gegen Richard Price (1723-1791), geltend gemacht, das Volk könne in England niemals das Recht zur Regentenwahl und zur Absetzung mißliebiger Regenten haben, da die ,Declaration of Rights' nun einmal eine Klausel enthalte, die eine solche Möglichkeit für alle Zeiten ausschließe391. Sicherlich nicht ohne vom englischen Empirismus auf das stärkste beeinflußt zu sein, argumentiert Burke empirisch aus der Geschichte, die er für normativ hält. Politische und soziale Normen werden seiner Ansicht nach durch die Historie hervorgebracht. Wahre Staatskunst beruht auf Erfahrung und Klugheit, nicht auf einem vermeintlichen Naturrecht, da ein jeder Mensch durch den Gesellschaftsvertrag dem Fundamentalrecht, für sich selbst zu entscheiden, ein für allemal entsagt hat. Und kein Mensch könne im natürlichen und im gesellschaftlichen Zustand gleichzeitig leben392. Reformen sind zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, sie müssen aber jeweils nach der Analogie der Vergangenheit eingerichtet werden393. Gut Kantisch dagegen argumentiert Fichte, daß die Begründung aller Ethik notwendigerweise vor aller Erfahrung liegt und sich vom apriorischen Sittengesetz herschreibt394. Wenn Burke meint, es sei klüger, die alte ständische Sozialordnung beizubehalten, dann verkennt er, daß die Klugheit allenfalls einen Rat geben, nie aber ein allgemeines und notwendiges Gesetz aussprechen kann, das schlechterdings befolgt werden muß. Das kann nur die Vernunft395. Weil der Mensch in sittlicher Hinsicht ein autonomes Individuum ist, das sich nur selbst ein Gesetz geben kann, hat ein Volk auch das Recht, seine Staatsverfassung durch Mehrheitsbeschluß abzuändern396. Jede Klausel aber, die besagt, eine bestimmte Staatsverfassung sei unabänderlich, ist gegen die Menschenrechte. Denn das erste Menschenrecht ist die Freiheit, durch bessere Einsicht seinen Willen zu ändern und sich dadurch zu vervollkommnen. Kein 390 393 396

Ebd., pl76. Ebd., p43. Ebd., p64f.

391 394

Burke, E„ p25. Fichte, Schriften, p47.

392 395

Ebd., p88. Ebd., p59.

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390

Mensch jedoch hat das Recht, auf diese sein Menschsein ausmachende Möglichkeit der Perfektibilität, bessere Einsicht zu gewinnen, Verzicht zu tun397. Ganz ähnlich und sicher nicht ohne Einfluß auf Fichte hat auch Thomas Paine in seinem Werk ,The Rights of Man' gegen Burke argumentiert, das von den Zensuren in Deutschland verboten in deutscher Übersetzung in Kopenhagen erschienen war. „Nie war, und nie kann und wird ein Parlament oder ein Stand oder ein Geschlecht von Menschen in irgend einem Lande leben, welches das Recht oder die Macht besäße, bis ans Ende der Zeit die Nachkommenschaft zu binden, oder für immer anzuordnen, wie die Welt regiert werde, und wer sie regieren soll: folglich sind alle Klauseln, Acten oder Erklärungen, wodurch die Urheber sich etwas anmaaßen, welches zu thun sie weder Recht noch Macht, und noch weniger Gewalt haben dessen Nachlebung zu erzwingen, an sich selbst null und nichtig"398. Gegen die Burkesche repressiv-konservative Interpretation dessen, was Rousseau über den Gesellschaftsvertrag gesagt hat, hält Fichte daran fest, daß niemand das Recht haben kann, unveräußerliche Menschenrechte zu veräußern399. Deswegen - so Fichte - setzt der Gesellschaftsvertrag voraus, daß alle Bürger lediglich einzelne ihrer veräußerlichen Rechte aufgeben - eine Ansicht, die dem ursprünglich von Rousseau Intendierten sicher näher kommt als die Burkesche Interpretation. Fichte sieht mit der Revolution die einmalige Möglichkeit gegeben, daß ein Volk in kürzester Zeit einen gewaltigen Sprung nach vorne und einen immensen Fortschritt erreichen kann. Aber die Gefahr, in unkontrollierte Barbarei zu fallen, ist groß. „Durch Sprünge, durch gewaltsame Staatserschütterungen, und Umwälzungen kann ein Volk während eines halben Jahrhunderts weiter vorwärtskommen, als es in zehn gekommen wäre [...] aber es kann auch [...] in die Barbarei des vorigen Jahrtausends zurückgeworfen werden"400. Wie Ewald u.v.a. hält auch Fichte darum den evolutionär-reformerischen Weg für den realpolitisch gesehen besseren. „Sichrer ist allmähliches Fortschreiten zur größeren Aufklärung, und mit ihr zur Verbesserung der Staatsverfassung"401. Bei allen Gemeinsamkeiten Fichtes und Ewalds jedoch gibt es doch einen gravierenden Unterschied, der grundsätzlicher nicht gedacht werden kann. Fichte hat anders als Ewald die Kantische Philosophie - besonders die, Kritik der praktischen Vernunft' und die Religionsschrift - zum Anlaß genommen, aller Offenbarungsreligion den Abschied zu geben und eine rein vernünftige Moralphilosophie an die Stelle der positiven Religion zu setzen. Daher hat Fichte Friedrich Karl Forberg mit aller Entschiedenheit verteidigt, dessen Satz: „es ist nicht Pflicht, zu glauben, daß eine moralische Weltregierung oder 397 399 401

Ebd., p80. Fichte, Schriften, ρ 18. Ebd.

398 400

Paine, Th., Die Rechte, Bd. 1, p9. Ebd., pl2.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 391 ein Gott, als moralischer Weltregent, existiert, sondern es ist bloß und allein dies Pflicht, zu handeln, als ob man es glaubte"402 den Atheismusstreit heraufbeschwor. Gegen alle sinnlichen Vorstellungsarten eines persönlichen Gottes403 verficht Fichte die allein im Gewissen sich artikulierende Stimme Gottes. Nur die Pflichterfüllung könne den Weg zur Seligkeit eröffnen. „Als das einzige, aber untrügliche Mittel der Seligkeit zeigt mir mein Gewissen die Erfüllung der Pflicht; nicht, daß nur überhaupt das Pflichtmäßige geschehe, sondern daß es lediglich um der Pflicht willen geschehe"404. Die typische, für Ewald charakteristische Dialektik, nämlich in politischer Hinsicht aufklärerisch-reformerisch-progressiv zu denken und auf theologischer Seite um die Neuartikulation der zentralen Glaubensinhalte bemüht zu sein, geht Fichte ab. Fichtes frühe Schriften die Französische Revolution betreffend sind zudem aus der Abwehr derjenigen Haltung heraus entstanden, die der Hannoverische geheime Kabinettsrat August Wilhelm Rehberg in seinen Untersuchungen über die Französische Revolution' an den Tag gelegt hat. Rehbergs Schicksal ist es zeit seines Lebens gewesen, den wirklich konservativen Kräften in Deutschland als Revolutionär zu erscheinen, da er die Reformabsichten der frühen Nationalversammlung in Paris unterstützte, gleichzeitig aber den wirklichen revolutionsbegeisterten Kreisen in Deutschland als Royalist vorzukommen. Rehberg hat sich nicht so sehr grundsätzlich theoretisch im Stile Fichtes, Rebmanns oder Forsters zur Revolution geäußert, sondern ist immer praktischer Realpolitiker geblieben. Die unreflektierte und von offensichtlichem Untertanengeist geprägte Haltung Burkes hat Rehberg genauso wenig vertreten wie einen ebenso einseitigen Revolutions-Enthusiasmus, was sich auch noch in seiner späteren Schrift ,Über den deutschen Adel' aus dem Jahre 1803 spiegelt. Ganz ähnlich wie Ewald über ein Jahrzehnt vorher fordert Rehberg hier den Adel zur freiwilligen Verzichtleistung auf Privilegien auf, besonders auf dasjenige der Befreiung von Kriegssteuern405. Sehr deutlich markiert Rehberg die Diastase, daß der Adel zwar einerseits ererbte Rechte reklamiert, andererseits aber nicht mehr den mit ihnen ursprünglich verbunden gewesenen ererbten Pflichten nachkommt406. Andererseits jedoch nimmt Rehberg den Adel auch in Schutz, indem er öffentlich die Gefahr markiert, daß die unteren Schichten aus bloßem Neid heraus den Adel oft für finanziell potenter halten, als er wirklich ist, und daher mit überzogenen Forderungen an ihn herantreten407. Deswegen wendet sich Rehberg gegen alle übereifrige revolutionäre Gleichmacherei, aber auch gegen jeglichen Privilegismus. „Die 402

Forberg, in: Fichte, Werke, Bd. 3, pl46. Vgl. ebd., ρ 180: „Mir ist Gott ein von aller Sinnlichkeit und allem sinnlichen Zusätze gänzlich befreites Wesen." 404 405 Ebd., pl66. Rehberg, p98. 101. 406 407 Ebd., pl02. Ebd., pl04f. 403

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Sache darf weder nach den vorgefaßten Meinungen der Gleichmacher, noch mit verstockter Vorliebe für die oft schlecht begründeten oft aber auch rechtmäßigen Vorzüge der Gutsherrschaften behandelt werden"408. Dieser Rehbergsche Mittelweg des reformerisch-politischen Pragmatismus hat sowohl die Unterdrückung von oben als auch den Neid von unten gleichermaßen kritisiert409 und Adelige wie Nichtadelige in die Pflicht zu nehmen versucht, nicht gegeneinander, sondern füreinander zu arbeiten410. Ähnlich gemäßigte Argumentationsgänge finden sich auch bei Ewald, wenngleich sich schon aus dem Vergleich der literarischen Machart der Schriften beider Autoren ergibt, daß das typische Feuer der Ewaldschen Schriften Rehberg abgeht. Das ändert nichts daran, daß Rehberg und Ewald fast unisono den aber auch sonst recht verbreiteten Rat gegeben haben, die Regenten müßten Reformen durchführen, um „gewaltsamen Convulsionen zuvor zu kommen"411. Einen sicherlich nicht unerheblichen Einfluß auf Ewald haben die in Deutschland zwar verbotenen, aber gerade darum zu weiter Verbreitung gekommenen Schriften Thomas Paines gehabt. Paine (1737-1809), gebürtiger Engländer, begeistert von der Unabhängigkeitsbewegung in Nordamerika, 1774 nach Philadelphia übergesiedelt, Sekretär der Nationalversammlung Pennsylvania, hatte 1793 mit Condorcet die neue französische Verfassung ausgearbeitet und vergeblich gegen die Hinrichtung Ludwigs XVI. gekämpft, was ihn verdächtig werden ließ, so daß er der Enthauptung unter Robespierre nur knapp entging. Besonders der Gedanke, daß durch repressive Gewalt und Unterdrückung entstandene und konservierte soziale Ungleichheiten Revolutionen kausieren, wird nicht zuletzt durch den Paineschen Einfluß in Ewalds Gedankengut Eingang gefunden haben. „Indem man einige Menschen unnatürlich erhebt, werden andre unnatürlich erniedrigt, bis das Ganze aus seinem Gleichgewicht gebracht ist"412. Die Radikalisierung der Revolution kann nicht einfach moralisch desavouiert werden, da sie ihren Grund in der Unterdrückung hat, die vor der Revolution bereits stattgefunden hat. „Diese Gewaltthätigkeiten waren nicht die Würkung der Revolution, sondern der Herabwürdigung, welche vor der Revolution existirte, und auf deren Verbesserung die Revolution abzwekt. Schreibet sie also der rechten Ursache zu, und nehmet den Vorwurf, den sie verdient, nur auf euch selbst!"413. Viel weiter als Fichte und Ewald ging Paine jedoch in seiner Ansicht, allein das Montesquieusche Modell der Gewaltenteilung und die konsequente Durchsetzung der Volkssouveränität könne Zielpunkt einer wahren Aufklärung im politischen Bereich sein. Radikaler auch als die deutschen aufgeklärten Prediger der Toleranz wie Lessing u.a. hat Paine darauf insistiert, daß nicht Toleranz, sondern Gewissensfreiheit zu gewähren sei. Denn: „Toleranz ist nicht das 408 411

Ebd., pl07. Ebd., plO.

409 412

Ebd., pl70. Paine, Bd. I,p40.

4,0 413

Ebd., pl82f. Ebd.,p41.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 393 Gegentheil von Intoleranz, sondern ihr Nachbild. Beide sind Despotismus. Der eine maaßt sich des Rechts an, die Gewissensfreiheit zu rauben, die andre, sie zu gewähren. Die eine ist der Pabst, mit Feuer und Scheiterhaufen bewafnet; die andre der Pabst, der Ablas verkauft oder verschenkt. Jene ist Kirche und Staat, diese Kirche und Handel"414. Paine versucht an diversen Stellen, seine Argumentation biblisch zu untermauern. Das Argument der unverbrüchlichen Geltung des Naturrechtes z.B. erhärtet Paine durch ein christologisches Argument: So wie die Genealogie Christi bis auf Adam zurückgeht, so auch diejenige der menschlichen Grundrechte. „Zwar will ich keine Religionsgrundsätze irgend einer Sekte berühren, doch halte ich es der Bemerkung werth, daß die Genealogie unsers Christus bis zu Adam hinaufgeht. Warum führen wir denn nicht die Rechte des Menschen bis zur Schöpfung hinauf?"415. Mag Paine hier biblisch und sogar unter Hinzuziehung des zweiten Artikels argumentieren, so darf dabei nicht übersehen werden, daß er sich v.a. in seinem Werk ,The Age of Reason', aber auch bereits 1776 im ,Common Sense', als Anhänger des englischen Deismus entpuppt hat, dem am Aufgeben von möglichst vielen als ,unnütz' entlarvten kirchlichen Dogmen gelegen war. Paine hat nicht nur die Voltairesche These vom Priesterbetrug fast bis zur Unerträglichkeit ausgewalzt, er hat auch die Lehre von der Erbsünde in einem Atemzug mit der Erbfolge außer Kraft zu setzen versucht416. Das AT, der Deisten ohnehin nicht liebstes Buch, erhält besonders, was die Erzählungen über die Entstehung des Königtums lSam 8-12 anlangt - eine schlechte Zensur. Gott habe die Monarchie immer abgelehnt, und alle promonarchischen Stellen der Bibel seien bloß menschliche Vorstellungsart. „Alle antimonarchischen Stellen der Bibel sind [...] von monarchischen Regierungen allmählich und sehr vorsichtig beseitigt worden"417. Bei allem direkten oder indirekten Einfluß, den Paine auf Ewald gehabt haben mag, hat Ewald doch nie eine solche grundsätzliche Kritik an der Monarchie als Institution geäußert und hat auch nie den theologischen Deismus Paines gutheißen können. Mit uneingeschränkter Begeisterung hat Georg Forster die Französische Revolution als das welthistorische und epochale Ereignis schlechthin gefeiert418. Den Lessingschen Begriff der Erziehung des Menschengeschlechts auf 414

415 Ebd., p87. Ebd., p52. 4,7 Paine, Common Sense, p25. Ebd., pl7. 418 Rödel, W., pl25-142 stellt dar, wie Forster im Gegensatz zu Friedrich August Lichtenberg je länger je mehr im Rahmen einer ,,progressivere[n] Entwicklung" (pl37) die Notwendigkeit einer bürgerlichen Revolution statt einer Kantschen Revolution von oben eingesehen hat. Allerdings fällt auf, wie stark Forster hier in ein marxistisches geschichtsphilosophisches Bild gepreßt wird. Anders als Forster begann sich Lichtenberg spätestens im Jahre 1792 von der Französischen Revolution und damit auch von Forster zu distanzieren (vgl. ebd., pl63-176). 416

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seine Revolutionsbetrachtung anwendend hat Forster die Ereignisse in Frankreich in seinen ,Parisischen Umrissen' als Epiphanie der Vorsehung bezeichnet419. Mit mindestens genauso großer gedanklicher Schärfe wie Kant in seiner Aufklärungsschrift hat Forster darum gewußt, daß die Aufklärung mit einem „Strukturwandel der Öffentlichkeit"420 einhergeht, indem sie eine neue Form von öffentlichem Bewußtsein und öffentlicher Meinung auch durch die publizistischen Medien421 schafft. Mitunter durch die Tätigkeit der „politischen Broschüreschreiber, die zu Hunderten jetzt die Wunden des Staats sondirten", entstand - so Forster - schon vor Beginn der eigentlichen Französischen Revolution im engeren Sinne eine gewisse „Denkfreiheit" und „eine entschiedene öffentliche Meinung"422. Eine Gemeinsamkeit von Forsters und Ewalds Äußerungen zur Französischen Revolution besteht gewiß darin, daß beide sich des eschatologischapokalyptischen Sprachmaterials bedienen, um eine Ausdrucksmöglichkeit für das anders vielleicht nicht Beschreibbare zu gewinnen. In seiner ,Rede über die Vereinigung des rheinisch=deutschen Freistaats mit der Frankenrepublik', in der Forster für den Anschluß der mainzischen Republik an die Republik Frankreich wirbt, sieht er das Jüngste Gericht sich in den revolutionären Ereignissen vollziehen. Es ist „der schreckliche Tag des Gerichts"423, der die Tyrannen zu Boden schlägt. „Das Maas der Ungerechtigkeit ist voll; darum wird auch die Schale des göttlichen Zorns ausgegossen über die ganze Erde und schwemmt bis auf die lezte Spur die Tirannei hinunter in den Abgrund des Verderbens und ewiger Vergessenheit"424. Die Aufrichtung der „Volks-Souverainität" hat für Forster eine ähnliche Offenbarungsqualität wie die Geburt Jesu, weswegen er die gegenwärtige „Epoche der Befreiung des Menschengeschlechts" für genauso wichtig hält „als jene, von welcher vor achtzehnhundert Jahren unsere Zeitrechnung anfieng"425. Im Vergleich mit der Ewaldschen Betrachtung der revolutionären Ereignisse, der ähnlich apokalyptisch sprechen kann, ist doch auffällig, daß Forster die historischen Ereignisse mit der Offenbarung des Jüngsten Gerichts identifiziert, während Ewald dieselben stärker mithilfe der biblischen Analogie des Glaubens als Vorabschattungen der Endzeit betrachtet und sich vor den Forsterschen Identifizierungen von Offenbarung und Geschichte hütet. Auch der für Ewald und für die klassische Gerichtspredigt typische Gedanke, daß politische u.a. Kata419 Forster, Bd. 10,1, p600. Forster ist „überzeugt [...], daß unsre Revolution, als Werk der Vorsehung, in dem erhabenen Plan ihrer Erziehung des Menschengeschlechts gerade am rechten Ort steht." Zu Forsters auch in seinen .Ansichten vom Niederrhein' sich artikulierender Begeisterung über die Französische Revolution vgl. Peitsch, H. 420 Vgl. den gleichnamigen Titel von Habermas. 421 Vgl. zum Thema: Welke, M., Deutsche Publizistik und ders., Gemeinsame Lektüre. 422 423 Forster, Bd. 10, 1, p603. Ebd., p463. 424 425 Ebd., p464. Ebd.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 395 Strophen nicht einfach als Bestrafung einer bestimmten Gruppe von Menschen - etwa der Tyrannen - verbucht werden können, sondern als Mahnung und Bußaufruf an das gesamte sündige Menschengeschlecht ergehen, fehlt bei Forster völlig. Und eine weitere Differenz zwischen Forster und Ewald liegt darin, daß Forster sich erhofft, die nun neubeginnende Epoche würde auch ein rein auf die Ethik und Sittlichkeit abgestelltes Christentum zeitigen, das ohne Dogmen und sonstigen traditionellen Ballast auskommt. „Und was die Reformation in Deutschland bisher nicht hatte bewirken können, das echte, anspruchlose Christenthum des Herzens und des Geistes, ohne alle Ceremonie, ohne alle Meisterschaft, ohne Dogmen und Gedächtnißkram, ohne Heilige und Legenden, ohne Schwärmerei und Intoleranz, als eine praktische Moralphilosophie mit den Palmen einer frohen Ahndung, wird anfangen aufzukeimen"426. Der Philanthropinist und zur damaligen Zeit als braunschweigisch-lüneburgischer Schulrat in Braunschweig tätige Joachim Heinrich Campe reiste im Juli 1789 mit Wilhelm von Humboldt, dessen Hauslehrer er einst gewesen war, nach Paris und besuchte dort u.a. die Sitzungen der Nationalversammlung. Campe fühlte sich selbst als einen ,,Deputirte[n] der Menschheit"427. Seine unter dem Eindruck der bürgerlichen Verfassungsrevolution und aus großer Begeisterung heraus geschriebenen,Briefe aus Paris' wurden zunächst im,Braunschweigischen Journal' und später als Buch veröffentlicht. Im Jahre 1792 erhielt Campe die Ehrenbürgerschaft der Französischen Republik - wie Klopstock, Schiller, Pestalozzi, Washington u.a. In Campes Augen ist die Französische Revolution das größte umwälzende Ereignis seit Luthers Reformation. Es war Campes „Ueberzeugung, daß diese französische Staatsumwälzung die größte und allgemeinste Wohlthat ist, welche die Vorsehung, seit Luthers Glaubensverbesserung, der Menschheit zugewandt hat, und daß daher das ganze weiße, schwarze, braune und gelbe Menschengeschlecht, rund um den Erdball herum, ein allgemeines feierliches Herr Gott dich loben wir dafür anstimmen sollte"428. Die Einschätzung, daß das in Frankreich blutig Errungene in Deutschland seit der Reformation und die durch sie verbreitete oder zumindest vorbereitete Aufklärung schon virtuell angelegt sei, festigte in Campe die Meinung, in Deutschland könne man dem französischen Vorbild unblutig nacheifern, ja man lebe eigentlich schon im Zustand der Gleichberechtigung, Aufklärung und Freiheit, der nur noch gefestigt werden müsse. „Und wenn ihr morgen erwacht, so vergeßt nicht, euch des Glücks zu freuen, in einem Lande zu leben, wo ihr das, was man hier [seil, in Frankreich; A.S.] erst durch Menschenblut erkaufen mußte - Ruhe, Sicherheit und auf Vernunft gegründete Freiheit - unentgeldlich habt"429. 426 428

Ebd., p607f. Ebd., p325.

427 429

Campe, J.H., Briefe, pl99. 430 Ebd., p80. Ebd., p4.

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Kapitel III

Campe feiert die Revolution als „Wiedergeburt"430, nennt Paris die „Wiege der neugebohrnen französischen Freiheit"431 und begrüßt „den Sieg der Menschenrechte über die unnatürlichen Anmaßungen des Despotismus"432. Ganz ähnlich wie Ewald sieht Campe nun den „Richterstuhl der Vernunft"433 ein für allemal aufgerichtet und begrüßt die Verzichtleistung des ersten und zweiten Standes auf alle bisher geltenden Privilegien434. „Kein Amt und keine Ehrenstelle soll künftig mehr für Geld zu haben seyn; jeder Bürger, wes Standes er auch immer seyn mag, soll von nun an zu jeder Würde im Staat, sie sey bürgerlich oder militärisch, fähig seyn, sobald nur seine Verdienste ihn dazu fähig machen werden"435. Wie wenig Campe aufgrund seiner Begeisterung fähig war, die Revolution als ein in sich heterogenes Geschehen von vernünftiger Aufklärung einerseits und gleichzeitiger Gefährdung der jungen Errungenschaften durch Gewaltpotentiale andererseits zu werten, zeigt seine These, daß Staatsumwälzungen zwar immer durch Gewalttaten begleitet würden, sie aber desto geringer seien, je mehr Aufklärung unter dem betreffenden Volk herrsche436. Enthusiastisch ruft Campe aus: „So lange die Welt steht, hat sich wol noch nie eine so schnelle und allgemeine Umwälzung eines so großen Reichs ereignet, die so wenig Menschenblut gekostet hätte, als die französische bis auf den Augenblick, da ich dieses schreibe, gekostet hat"437. Die Ereignisse der folgenden Monate und Jahre sollten diese These betreffend gründliche Ernüchterung bringen. Dennoch lehnte Campe eine überstürzte Durchsetzung aufklärerischer Prinzipien ab und war der Meinung, „daß es vernünftiger sey, in einem alten, auch etwas baufälligen und unbequemen Hause, wohnen zu bleiben, als aus unweiser Veränderungssucht die Grundlage desselben auf einmal wegzureissen, und es sich und den Seinigen auf dem [!] Kopf stürzen zu lassen"438. Auffällig ist, daß Campe zur Untermauerung dieser Argumentation genau dasselbe Gleichnis wie später Ewald439 verwendet. Hier eine Abhängigkeit Ewalds von Campe anzunehmen, liegt schon deswegen nahe, weil Ewald dessen ,Briefe aus Paris' kannte. Weder abhängig noch überzeugt jedoch war Ewald von Campes Ansicht, der deutsche Protestantismus werde noch vieles zu lernen haben von dem neuen französischen ,Vernunft-Protestantismus', der unweigerlich über kurz oder lang nach der Niederlage des römischen Katholi431

432 Ebd., p29. Ebd., ρ 134. 434 Ebd., pl48. Vgl. ebd., p82. 435 436 Ebd., p82f. Vgl. ebd., pl 15. 437 438 Ebd. Ebd., pIXf. 439 Vgl. Ewald, Über Volksaufklärung, p24: „Wenn auch wirklich der Ekpfosten an einem Hause weit besser behauen und geformt seyn könnte; der weise Baumeister lässt ihn lieber wie er ist, eh' er das Haus in Gefahr sezt, einzustürzen. Wenn auch unser Nachbar in einer elenden Hütte wohnt; es ist ja doch wol weder Weisheit, noch Menschenliebe, ihm sein Häuschen abzubrechen, dass er auf der Strasse schlafen muss!" 433

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 397 zismus im revolutionären Frankreich entstehen müsse und der nach den Prinzipien des Rationalismus die Ketten der Dogmen abschütteln werde440. Friedrich Gottlieb Klopstock, der spätestens seit dem Beschluß der Nationalversammlung vom 24. Mai 1790, keine Eroberungskriege mehr zu führen, ein begeisterter Verfechter der Ideale der Französischen Revolution war441, artikulierte seinen Enthusiasmus anders als Campe nicht nur prosaisch in seiner .Deutschen Gelehrtenrepublik'442, sondern lyrisch in einer Reihe von Oden. Nicht die Ermordung Ludwigs XVI., sondern erst der militärische Einfall der Franzosen in Deutschland hat in Klopstock die von vielen schon viel früher empfundene Enttäuschung über die Ausartung des so glücklich in Frankreich Begonnenen aufkommen lassen443, wenngleich er immer der Meinung geblieben ist, daß nur einzelne unfähige Führungskräfte schuld an der Radikalisierung der Revolution seien444. Gerhard Anton von Halem, der Ewalds (allerdings erst 1790 und in den folgenden Jahren erschienenen) Stellungnahmen zur Französischen Revolution und seine reformerischen Forderungen gut kannte, gehört wie Campe zu denjenigen, die durch ihre Begeisterung für die in Frankreich vor sich gehenden Neuerungen zu Pilgern in das revolutionäre Paris wurden445. Im Jahre 1790 unternahm er eine Reise nach Paris, die er in , Blicke auf einen Theil Deutschlands, der Schweiz und Frankreichs bey einer Reise vom Jahre 1790' beschrieb. Auch von Halem besuchte die konstituierende Nationalversammlung und versuchte, sich ein Bild vom politischen Leben des Jakobinerclubs zu verschaffen, und fand - wie er berichtet - Paris in relativer Ruhe vor, wenngleich mitzubedenken ist, daß von Halem unmöglich von allem, was in Paris zu dieser Zeit vor sich ging, einen objektiven Eindruck haben konnte446. Auffallend jedenfalls ist, daß von Halem etwa die während seines Aufenthaltes in Paris verabschiedete Zivilkonstitution des Klerus überhaupt nicht erwähnt447. Von Halem lernte in Paris den später durch seine Revolutionsge440

Campe, Briefe, p222-225: „Man wird zu einer Art von katholischem Protestantismus kommen, d.i. man wird einige katholische Dogmen und Gebräuche, für den Liebhaber, beibehalten; aber, protestantischer als wir, allen Glaubens= und Gewissenszwang verbannen, und alle symbolischen, concilianischen und päpstlichen Geistesketten eben so muthig abschütteln, als man die politischen abgeschüttelt hat. Dann werden wir andern lutherischen und reformirten Protestanten nach Frankreich gehen müssen, um von diesen katholischen Protestanten zu lernen, was wahrer Protestantismus sey, nämlich: Protestation gegen allen Glaubenszwang, und ausschließende Anerkennung der Vernunft und der Schrift als alleinigen Quellen der Glaubenslehren." 441 Vgl. Sauer, E„ bes. p556. 442 Vgl. Dzwonek, U., Ritterhoff, C., Zimmermann, H. 443 444 Vgl. Sauer, E„ p557. Vgl. ebd., p558. 445 Vgl. Witte, K., der jedoch auf einen möglichen Einfluß Ewalds auf von Halem nicht eingeht. 446 447 Vgl. Hinrichs, E., p46f. Vgl. ebd., p47.

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Kapitel III

schichte (,Luzifer oder gereinigte Beiträge zur Geschichte der Französischen Revolution') zu relativer Bekanntheit gekommenen Konrad Engelbert Oelsner kennen. Anders als dieser jedoch legte von Halem seinen Revolutionsenthusiasmus erst viel später und zögerlicher ab448. Stärker als Ewald war von Halem bereit, Gewalttätigkeit und unkontrolliertes Ausufern des Fortganges der Revolution mithilfe des Hinweises auf die frühere Unterdrückung zu entschuldigen, die nun einen kräftemäßigen Ausgleich erlebe. Von Halem hat sich eingehend mit Forsters ,Ansichten vom Niederrhein' beschäftigt und dieselben exzerpiert449; und tatsächlich stand er Forster in politischer Hinsicht viel näher als Ewald. Johann Caspar Lavater reagierte auf die Proklamation der neuen Verfassung durch die Pariser Nationalversammlung begeistert mit der Abfassung des ,Lied[es] eines Schweitzers über die französische Revolution. Im Jahr 1791 '450. Dieses Lied legt Zeugnis ab von Lavaters Freude über die Aufrichtung der Menschenrechte und des Völkerrechts, der Freiheit und der Gerechtigkeit, ja auch von der Beglückung darüber, daß nun in Frankreich Werte zu herrschen beginnen, die in der eidgenössischen Schweiz bereits auf eine lange Tradition zurückblicken durften. „Jahrhunderte genossen wir / Der Freyheit Ruh' und Glück! / Jahrhunderte genießt nun Ihr, / Ihr Franken, auch dies Glück!"451. Und als ob Lavater den kurze Zeit später sich gegen die Priesterschaft und den Adel entladenden Haß schon in der Luft hat liegen spüren, ruft er zu Milde und Barmherzigkeit den früheren Unterdrückern gegenüber auf, indem er warnt: „Und zürnt nicht mit der Priesterschaar, / Nicht mit dem Adelsheer - / Wer stolz, und hart, und herrschend war - / War's nur, und ist's nicht mehr"452. Bereits im Oktober 1792 nach der Abmetzelung der Schweizergarde, der Absetzung und Verhaftung Ludwigs XVI. jedoch parodiert Lavater völlig ernüchtert sein eigenes Revolutionslied, klagt die neu entstandene Demokraten-Tyrannei an sowie den Mißbrauch der Gewalt. „Nein! Demokraten=Tyranney / Ist Recht nicht, Freyheit nie! / Nicht Kannibalen= Barbarey, / Nicht Greuel=Anarchie. // Dem Staate Segen, der mit Muth / Und Weisheit Freyheit ehrt! Doch Fluch der Jakobinerbrut, / Die Ruh' und Eintracht stört!"453. Besonders enttäuscht - man muß schon sagen: geschockt war Lavater darüber, wie sich die in Frankreich so verheißungsvoll begonnenen Dinge fortentwickelten. Denn die Verfassungsbewegung, deren Ziel die Aufrichtung gleicher Rechte für alle gewesen war, wurde vom Jakobinismus entthront, der besonders für den Adel und die Priesterschaft absolute Rechtsunsicherheit mit sich brachte. Im selben Monat, in dem Lavater seine Parodie aufgesetzt hat, prangert er in einer Predigt die juristischen Mißstände in 448 450 451

449 Vgl. Müller, K.-P., p63. Vgl. ebd., p64. Lavater, Nachgelassene Schriften, Bd. 1, p358-370. 452 453 Ebd., p362. Ebd., p366. Ebd., p369.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 399 Frankreich an: „Wie viele Menschen werden widerrechtlich, wenigstens ohne Verhör, ohne Gesetz, ohne Ordnung abgeschlachtet, gefänglich eingezogen, verbannt, ihrer Güter beraubt und außer alle Vertheidigungsmöglichkeit gesetzt"454. Für Lavater ist klar, daß in Frankreich die Verbreitung dessen, was er den Geist der Irreligiosität nennt, auch den Aufruhr gegen die Obrigkeit mitbedingt hat. Wenn die Einschätzung „wo Irreligion herrscht, muß Gesetzlosigkeit, Sittenlosigkeit, Jammer und Zerrüttung herrschen"455 auch in ihrer monokausalen Art das vielgestaltige Bedingungsgeflecht der Radikalisierung der Französischen Revolution sicherlich nicht hinreichend erklärt, so zeugt sie doch von der Sorge Lavaters, daß eine aufgeklärt-deistische Aushöhlung der Glaubensinhalte für Tyrannei und Aufruhr eine Mitverantwortung trägt. Sarkastisch und ironisch gleichermaßen fordert Lavater Frankreich auf, sich noch weiter ins Verderben zu stürzen: „O Frankreich! Frankreich! verjage nur alle deine Priester! Zerstöre und verkaufe nur deine Tempel! Verwandle deine christlichen Feyertage nur in Schauspiele, und deine heiligen Altäre der Freyheit! Rathschlage, ob man das Wort Vorsehung noch dulden soll und predige die Religion der Epikuräer: .Lasset uns essen und trinken, denn morgen sterben wir!' auf deinen noch übrigen Kanzeln! Und dann laß uns sehen, was endlich aus dir werden wird! O laßt uns die Augen öffnen, weil wir sie noch öffnen können! Irreligion, die Greuel zeugte, sey ein Greuel uns!"456. Die Distanzierung Lavaters von seiner früheren Revolutionsbegeisterung nahm noch zu, als Ludwig XVI. am 21.1.1793 auf das Schafott geführt wurde. Nicht zufällig wählt Lavater am 3.2.1793 lSam 26 zum Predigttext - die Erzählung davon, wie David den ihn verfolgenden König Saul verschonte, obgleich Saul in seiner Hand war und er sich seiner hätte entledigen können und predigt über „Davids Großmuth und religiose Gewissenhaftigkeit gegen Saul"457. David - so Lavater - war gnädig gegen Saul, weil er es nicht wagte, seine Hand an den Gesalbten des Herrn zu legen. Der „blutdürstige Geist unsers Zeitalters"458 aber kennt weder die Saul durch David erzeigte Gnade noch dessen religiöse Gewissenhaftigkeit. „Schreckliches Zeitalter! du thust Thaten, vor denen vorige Zeitalter erbebten, und welche die künftigen kaum glauben werden! Du lehrest Grundsätze, wer kann's läugnen? Du verbreitest auf alle mögliche Weise Grundsätze, wer kann's läugnen? Du befolgest, wer kann's läugnen? Grundsätze, die Davids seinen schnur=gerad entgegen stehen, wer kann's läugnen, und wer gleichgültig, wer ohne Warnung zusehen?"459. Auch Ewald hat die Ermordung Ludwigs XVI. verabscheut, hat sie aber - vielleicht aus größerem Abstand heraus - in seinen Predigten kurz nach 454 455 457 458

Lavater, Ausgewählte Werke, Bd. 4, pl8. 456 Ebd., p20. Ebd., p20f. Lavater, Nachgelassene Schriften, Bd. 4, p279-306. 459 Ebd., p296. Ebd.

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diesem Ereignis differenzierter betrachtet als Lavater. Während Ewald die Hinrichtung Ludwigs XVI. zum Anlaß nimmt, auf biblische Weise über die Vergänglichkeit der irdischen Dinge nicht nur, sondern auch über die Freiheit Gottes zu predigen, das Erhabene zu stürzen und das Niedrige zu erhöhen, zeigt Lavater nur reinen Abscheu. Ewald begreift die Hinrichtung als Zeichen des göttlichen Gerichts und nimmt dasselbe zum Anlaß, eine eschatologische Bußpredigt zu halten und die Menschen aufzufordern, durch Umkehr und wahren Glauben Gott von seinem Zornesgericht Abstand nehmen zu lassen. Lavater dagegen hält den Königsmördern eine Gerichtspredigt. Insgesamt jedoch hat sich Lavater öfter als Ewald genötigt gefühlt, zu mit der Revolution in Zusammenhang stehenden Ereignissen Stellung zu nehmen, was nicht zuletzt auch daran liegt, daß die Umwälzungen in Frankreich sehr bald auch in der Schweiz ganz konkrete und unmittelbar spürbare politische Folgen zeitigten. Ende Oktober 1793 z.B. wendet sich Lavater an seinen Freund Marie Jean Hérault de Séchelles, der mit der Ausarbeitung der dann später nie wirklich in Kraft getretenen neuen Verfassung betraut worden war, und klagt an: Man habe „die bewegliche Köpfmaschine an die Stelle der zerstörten Bastille"460 gesetzt und der alten Tyrannei nur ein neues Gewand angezogen. „O französische Gleichheit, zehnmal bist du häßlicher als die Ungleichheit, die vormals herrschte"461. Im Jahre 1798 schließlich - in einer Zeit, zu der Ewald es längst hatte am eigenen Leibe spüren müssen, daß ein Aufklärungsschriftsteller zu sein mit einiger Gefahr verbunden ist - wendet sich Lavater mit seinem ,Wort eines freyen Schweizers an die große Nation' an Jean-François Reubell und beklagt sich über die der Schweiz von Frankreich aufgezwungene Einheitsverfassung, die das Völkerrecht breche und zudem die schweizerischen demokratischen Traditionen mit Füßen trete, und über die auferlegten Kontributionszahlungen in Millionenhöhe. „Ihr hattet die nie erhörte Frechheit, die freyen demokratischen Cantone zur Annahme Eurer Konstitution, mit trotzend hohnsprechender Waffenübergewalt zu zwingen! Sie, die Jahrhunderte, ehe Frankreich an Demokratie dachte, demokratischer waren, als Euere kolossalische Republik je werden kann"462. Lavater kommt zu dem Schluß, daß Frankreich nicht die große, sondern die kleinlichste nur denkbare Nation geworden ist463. Der preußische Diplomat Konrad Engelbert Oelsner464, der sich zu Revolutionszeiten ebenfalls in Paris aufhielt, konnte die Hinrichtung Ludwigs XVI. ebenfalls nicht gutheißen, wenngleich er lange nicht so scharf wie Lavater Kritik geübt hat, sondern als vor Ort sich aufhaltender Kenner der vielschichtigen Zusammenhänge und als Verfasser einer Geschichte der Revolution um 460 461 463

Lavater, Ausgewählte Werke, Bd. 4, p42. 462 Ebd., p44. Ebd., pl42. 464 Ebd., ρ 144. Vgl. Deinet, K.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 401 eine ausgewogenere Beurteilung dieser Angelegenheit bemüht war. Oelsner ist der Ansicht, daß der König völlig zurecht des Hochverrats beschuldigt worden sei465, ja er geht sogar noch weiter: „Ich sage nicht, Ludwig sey unschuldig gestorben"466. Kritik allerdings übt Oelsner daran - und hier unterscheidet er sich nicht so sehr von Lavater, wenngleich der Ton ein völlig unterschiedlicher ist - daß die von der Revolution selbst formulierten Menschenrechte auf den König keine Anwendung gefunden haben. Ludwig „ist nach keiner vorhandenen Form, nach keinem vorgeschriebenen Gesetze gerichtet worden; denn die natürlichen Rechte des moralischen Individuums Gesellschaft - sind, so lange zu ihrem Gebrauche die Vollmacht eines öffentlichen Uebereinkömmnisses fehlt, Gewaltthätigkeiten deren Anwendung nur allein zur Nothwehr erlaubt seyn darf; noch mehr, man hat, wenn in dem Prozesse Ludwigs von positiven Gesetzen die Rede gewesen ist, nur bloss was sie Nachtheiliges enthielten, auf ihn angewandt"467. Mit aller Deutlichkeit wirft Oelsner dem Konvent vor, sich „allen zwei und dreissig Winden der Demagogik preisgegeben"468 und seine ureigenen Rechtsgrundsätze auf schändlichste Weise konterkariert zu haben. Oelsners Betrachtung der Revolution war abwägend und reflektiert genug, um zu bemerken, daß die Radikalisierung mitunter durch den außerfranzösischen Druck der Koalition mitbedingt gewesen ist. „Die Ereignisse des Innern, in deren Gefolge ein Meer von Blut rauscht, konnten nur durch einen Druk von Aussen zur Wirklichkeit gedeihn. Jeder Wohlgesinnte suchte den Druk abzuwehren. Wer hat ihn verliehn? die königliche Thorheit der Koalition"469. Aber Oelsner war jedenfalls in stärkerem Maße als von Halem - kritisch genug, um mithilfe dieses Argumentes nun nicht jede Ungerechtigkeit zu billigen. Denn „nicht, indem sie Ludwig tötete, sondern indem sie ihm das Leben ließ, hätte die Republik in Oelsners Augen demonstriert, daß sie keinen König mehr brauchte"470. Zwar hat auch Ewald Rousseaus Schriften gekannt, was z.B. daraus erhellt, daß er dessen These übernommen hat - ob primär oder sekundär, ist nicht eindeutig nachzuweisen - daß, wer unterdrückt ist, irgendwann den Gesellschaftsvertrag stillschweigend aufkündigt, durch den er gewisse Rechte an die Allgemeinheit abgetreten hat, und sich in sein natürliches Recht zurückversetzt471. Dennoch ist nicht zu übersehen, daß die Rousseau-Rezeption bei Ewald nicht die programmatische Rolle wie bei anderen Revolutionsschriftstellern spielt - wie etwa bei Saul Ascher. Er nämlich übernimmt nicht nur die 465 466 468 470 471

Oelsner, K.E., Luzifer, Bd. 2, p372. Vgl. Deinet, pl92. 467 Oelsner, Luzifer, Bd. 2, p374. Ebd. Vgl. Deinet, pl93. 469 Oelsner, Luzifer, Bd. 2, p380. Ebd., Bd. 1, pXII. Deinet, pl95. Vgl. Ewald, Über Revolutionen (Bibl. Nr. 68), pl71.

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grundlegende kulturkritische These aus Rousseaus zweitem Diskurs, daß der Ursprung der Ungleichheit der Menschen im Aufkommen von Besitz und Eigentum liegt472, sondern auch dessen Ansicht, daß eben das Aufkommen von Besitz die Notwendigkeit schuf, Verträge zu schließen, wodurch die Menschheit aus dem ursprünglichen besitzlosen Naturzustand in den geselligen Zustand überging473. Und eben dazu seien Revolutionen nötig, um die Vernunft beim Übergang vom natürlichen zum gesellschaftlichen Zustand in ihren eigentlichen Wirkungskreis einzusetzen und gegen die sonst übermächtig zu werden drohende Sinnlichkeit zu schützen474. Wenn Menschen nun Verträge durch äußeren Druck aufgezwungen werden, dann sorgt die politische Revolution für einen Kräfteausgleich und dafür, daß deqenige Zustand der menschlichen Natur zurückkehrt, der vor dem Übergang in den gesellschaftlichen Zustand schon einmal dagewesen ist475. Triebfeder einer jeden Revolution aber sei der Druck, der die menschliche Natur an ihrer Tätigkeit hindere476 - eine Ansicht, die sich ähnlich auch bei Ewald findet, wenngleich er diesen Themenkomplex nicht derart theoretisch abhandelt wie Ascher. Die Französische Revolution hat nach Ascher darin ihre epochale Bedeutung, daß sie gezeigt hat, daß auch im gesellschaftlichen Zustand nach Prinzipien der Freiheit zu leben möglich sein kann477. Aber um diese vollkommene Ordnung zu erreichen, war eine vorherige vollkommene Verwirrung nötig so wie auch in der Natur Revolutionen wie Gewitterstürme den notwendigen Ausgleich bringen. Rousseau ist für Ascher daher der wichtigste zeitgenössische politische Vordenker, weil er als erster die republikanische Verfassung als den einzig möglichen Grundpfeiler aller Regierungen aufgewiesen hat478. Eine Regierung muß auf eine Konstitution aufgebaut werden, um rechtmäßige Regierung überhaupt sein zu können. Bisher jedoch - das habe Rousseau klar gezeigt - ist umgekehrt die Konstitution auf die althergebrachte Autorität der Regierung gegründet worden. Wie eigenständig Ascher versucht hat, das bei Rousseau Vorgefundene nicht einfach nachzusprechen, sondern nach der nun zusätzlich gesammelten geschichtlichen Erfahrung demokratisch weiterzuentwickeln, zeigt sich in seiner produktiven Kritik an Rousseau. Da Rousseau noch nicht die notwendige politische Kultur beim französischen Volk habe annehmen können, die es in den Stand gesetzt hätte, sich selbst eine Verfassung zu schaffen, habe er „seine Zuflucht zu einem Deo ex machina, zu einem Gesetzgeber"479 nehmen müssen. Dieses Stadium der intensiven, kritischen und weiterführenden Auseinandersetzung mit dem Gedankengut Rousseaus jedenfalls hat Ewald nicht erreicht, was einmal mehr zeigt, eine 472 473 476 479

Ascher, S„ p22. Vgl. Rousseau, 2. Diskurs, pl91. 267 u.ö. 474 475 Ascher, p24f. Ebd., pl6f. Ebd., p75. 477 478 Ebd., p76. Ebd., pl58 . Ebd., pl70. Ebd., ρ 183.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 403 wie vielschichtige und höchst individuell unterschiedliche literarische Produktion und Geistigkeit im Zusammenhang mit und im Gefolge der Französischen Revolution in Deutschland entstanden ist, an denen Ewald einen bisher kaum beachteten wichtigen Anteil hat.

5. Ewald und die Vorwegnahme von Gedankengängen Kants, Schleiermachers und Hegels Insgesamt zeigt sich, eine wie stark kommunikativ geprägte und in Kommunikation lebende Figur Ewald ist, und zwar in dreifacher Hinsicht. Erstens tritt Ewald in ein Gespräch mit der zeitgenössischen Theologie und der Philosophie seiner Zeit gleichermaßen. Zweitens steht Ewald hierbei immer auch in einem Gespräch mit der reformatorischen Theologie, auf die er an den entscheidenden Stellen seiner Theologie wie auf Angelpunkte zurückgreift, wie bereits an Ewalds Hermeneutik, seiner Rechtfertigungslehre, an seinem Verhältnis zum Judentum und zur Zwei-Reiche-Lehre gezeigt worden ist. Drittens jedoch tritt Ewald in eine kommunikative Beziehung mit der Zukunft, indem er als eine unzeitgemäße Figur eine ganze Reihe von Gedanken, die später zur Durchführung bei anderen Denkern gelangen werden, vorab darbietet und damit vorwegnimmt. So hat Ewald z.B. in seiner im Gespräch mit Kant entstandenen Frage, wie mit der Anschauung i.b. auf die praktische Vernunft Ernst gemacht werden könne, im Jahre 1790 bereits auf eine Entwicklung im Denken Kants selbst vorgegriffen. Denn auch Kant wird in den folgenden Jahren fähig, die Frage nach der Vermittlung von Anschauung und Sinnlichkeit einerseits und dem moralischen Vernunftgesetz andererseits zu stellen und zu beantworten. Denn Kant fragt nun - besonders in seinen Schriften „Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis"480, „Das Ende aller Dinge"481 und „Zum ewigen Frieden" 482 - nach dem sinnenfällig werdenden Vollzug des Vernunftgesetzes in der Geschichte, wenn er z.B. nun damit anfängt, gewissermaßen die geschichtliche Verlaufsform des a priori gegebenen Vernunftgesetzes im Völkerrecht und in denkbaren Formen eines Friedensschlusses zu beobachten. Zudem begreift Kant nun viel stärker noch als in der Kritik der praktischen Vernunft die sinnlichen, ja sogar in der Selbstsucht gegründeten Neigungen als Hilfsmittel, die die Vernunft um der Praxis willen in ihren Dienst nehmen kann. So kann z.B. der sinnliche, weil auf Eigennutz bedachte „Handels480

Kant, Über den Gemeinspruch, in: Ders., Werke, hg. von Weischedel, W., Bd. 6, pl27-172. 481 Kant, Das Ende aller Dinge, in: ebd., pl75-190. 482 Ders., Zum ewigen Frieden, in: ebd., pl93—251.

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geist"483 zu einer Triebfeder werden, deren sich die praktische Vernunft bedient, um dadurch Kriege zu verhindern. „Auf die Art garantiert die Natur, durch den Mechanism in den menschlichen Neigungen selbst, den ewigen Frieden"484. Kant sieht nun selbst, daß um einer materialen Ethik willen die Frage nach einer möglichen Indienstnahme der menschlichen Sinnlichkeit unumgänglich ist, da die praktische Vernunft sonst ohnmächtig und zur Praxis untauglich bleibt. „Aber nun kommt die Natur dem verehrten, aber zur Praxis ohnmächtigen allgemeinen, in der Vernunft gegründeten Willen, und zwar gerade durch jene selbstsüchtige Neigungen, zu Hülfe"485. Zwar gilt auch jetzt noch, daß der pursuit of happiness nicht das oberste Gesetz allen politischen Handelns sein kann. „Die politische Maximen müssen nicht von der, aus ihrer Befolgung zu erwartenden, Wohlfahrt und Glückseligkeit eines jeden Staats, also nicht vom Zweck, den sich ein jeder derselben zum Gegenstande macht (vom Wollen), als dem obersten (aber empirischen) Prinzip der Staatsweisheit, sondern von dem reinen Begriff der Rechtspflicht (vom Sollen, dessen Prinzip a priori durch reine Vernunft gegeben ist) ausgehen, die physische Folgen daraus mögen auch sein, welche sie wollen"486. Aber dennoch vollzieht sich die Anwendung des auf die politischen Verhältnisse bezogenen kategorischen Imperativs nicht anders als sinnenfällig. Zwar bleibt der kategorische Imperativ das Erste, da er unabhängig von der empirisch sich darbietenden Situation gilt, da nicht beim „Zweck [...] der Anfang gemacht werden"487 könne; und es heißt immer noch: „Handle so, daß du wollen kannst, deine Maxime solle ein allgemeines Gesetz werden (der Zweck mag sein welcher er wolle)"488. Aber Kant wendet sich doch stärker der Sinnlichkeit zu, indem er Mt 6,33 in seinem Sinne auslegend davon überzeugt ist, daß das Trachten nach dem Moralgesetz den praktisch-geschichtlichen Vollzug eben dieses Gesetzes als die Erreichung des ewigen Friedens zur Folge haben wird und aus sich heraussetzen wird. „Da heißt es denn: .trachtet allererst nach dem Reiche der reinen praktischen Vernunft und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch euer Zweck (die Wohltat des ewigen Friedens) von selbst zufallen'"489. Und auf diese Weise kann sich Kant dann auch der Providenzlehre christlichen Zuschnitts zuwenden, denn „von dem, was die menschliche Natur in und mit uns tun wird, um uns in ein Gleis zu nötigen", nämlich „von der Vorsehung allein"490 kann der Progreß zum Guten befördert und beschleunigt werden. Daß Kant hier vom „Mechanism der Natur", von dem Menschen „als Sinnenwesen" und von der ,,(göttliche[n]) Vorsehung"491 spricht, ist der Kritik der praktischen Vernunft gegenüber ein Novum, das 483

486 489

Ebd.,

p226.

Ebd., p242. Ebd., p240.

484 487 490

Ebd., p226f. Ebd., p239. Ebd., ρ 169.

485 488 491

Ebd., p223. Ebd. Ebd., p217 Anm.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 405 zeigt, daß Kant sich um eine schon 1790 von Ewald angemahnte eingehendere Würdigung der Sinnlichkeit des Menschen auf eigene Weise bemüht hat, wiewohl man einen direkten Anstoß Ewalds hierzu nicht wird annehmen dürfen, da eine Reaktion Kants auf Ewalds Schrift nicht vorliegt. In eben diesem Zusammenhang kann Kant auch die „moralische Liebenswürdigkeit, welche das Christentum bei sich führt"492, hervorheben. Es handelt sich hierbei nicht um „die Liebenswürdigkeit der Person" Jesu, sondern um die „der sittlichen Verfassung"493, wobei jedoch die bereits aus der Kritik der praktischen Vernunft bekannte „Achtung [...] ohne Zweifel das Erste"494 ist, also der Liebenswürdigkeit qualitativ vorgeordnet bleibt. Im Verhältnis zum Sittengesetz bleibt die Liebe bei Kant zwar etwas Akzidentielles, aber sie ist immerhin „ein unentbehrliches Ergänzungsstück"495. Auch hier zeigt sich, daß Kant eine von Ewald bereits angemahnte Fragestellung aufgegriffen hat, nämlich die Frage nach der Liebe als einem Motor der Ethik, Kant sich Ewalds Ergebnissen jedoch nur angenähert hat, indem er nämlich nicht eigentlich dahin durchgedrungen ist, die Liebe zum Angelpunkt zu erheben. Weiter gelingt es Kant nicht, seine Hinwendung zur Sinnlichkeit in eine biblische Eschatologie hinein zu entlassen, weil er in ihr weiterhin eine unzulässige „Versinnlichung"496 sieht. In einer weiteren Hinsicht befindet sich Ewald in einer auf die Zukunft vorausverweisenden, antizipatorischen Kommunikation mit derselben. Denn noch vor Schleiermacher ist er es, der das Gefühl zu derjenigen Instanz erhebt, mithilfe deren das Verhältnis des Menschen zu Gott am angemessensten gedeutet und beschrieben werden kann. Gott erschließt sich dem Menschen völlig, indem er ihn mit Kopf und Herz erfaßt, wodurch das Gefühl als ein den Menschen ganz umfassendes zu der eigentlichen Provinz wird, in die hinein sich Gott offenbarend begibt, wobei der Mensch von diesem Gefühl rationalkognitiv keinen Grund angeben kann. „Gerade, was der Mensch am innigsten fült, warum er etwas am festesten glaubt; davon kann er keinen Grund angeben; soll es aber auch nicht"497. „Diess innige, heilige Gefül zu zergliedern in Worte"498, ist unmöglich, da man hier den Menschen selbst zergliedern müßte, wenn man sein Gefühl als göttliche Provinz im Menschen rational zerlegen wollte. Dieser Ewaldschen Sicht der Dinge fast entsprechend hat Schleiermacher später in seiner Glaubenslehre die Relation des Menschen zu Gott als eine durch das Gefühl der schlechthinnigen Abhängigkeit499 konstitu492

493 494 Ebd., ρ 189. Ebd., pl87. Ebd. 496 497 Ebd., ρ 188 . Ebd., pl77. Ewald, Kant, p45f. 498 Ebd., p46. 499 Schleiermacher, F., Glaubenslehre, Bd. 1, p23: „Das Gemeinsame aller noch so verschiedenen Äußerungen der Frömmigkeit, wodurch diese sich zugleich von allen andern Gefühlen unterscheiden, also das sich selbst gleiche Wesen der Frömmigkeit, ist 495

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Kapitel III

ierte beschrieben, wobei das Gefühl - ähnlich wie bei Ewald - der Ort der ursprünglichen Gottesoffenbarung ist. „Insofern kann man wohl auch sagen, Gott sei uns gegeben im Gefühl auf eine ursprüngliche Weise; und wenn man von einer ursprünglichen Offenbarung Gottes an den Menschen oder in dem Menschen redet, so wird immer eben dieses damit gemeint sein, daß dem Menschen mit der allem endlichen Sein nicht minder als ihm anhaftenden schlechthinnigen Abhängigkeit auch das zum Gottesbewußtsein werdende unmittelbare Selbstbewußtsein derselben gegeben ist"500. Und wie bereits bei Ewald ist auch bei Schleiermacher die Rede davon, daß von diesem Gefühl kein rationaler Grund angegeben werden könne, weil das Gefühl der schlechthinnigen Abhängigkeit ursprünglich sei und nicht ein nachgängiges Produkt einer vorgängigen rationalen Konstituierung eines Gottesbegriffes. „Nächstdem ist zu bemerken, daß unser Satz der Meinung entgegentreten will, als ob dieses Abhängigkeitsgefühl selbst durch irgendein vorheriges Wissen um Gott bedingt sei"501, weswegen Schleiermacher auch auf dem Titelblatt der zweiten Auflage seiner Glaubenslehre das Anselmsche Zitat aus dem „Proslogion" anführt: „Neque enim quaero intelligere ut credam, sed credo ut intelligam"502. Und vergleichbar mit Ewald sich gegen eine rein rationalistisch gegründete Theologie verwahrend, die das Gefühl des Menschen als bloße Sinnlichkeit verlacht, merkt Schleiermacher an: „Und dies mag wohl um so nötiger sein, da viele [...] eben das Gefühl, welches uns für die Grundform aller Frömmigkeit gilt, als etwas fast Untermenschliches weit von sich weisen"503. In dieser Hinsicht wird Ewald zum Vorläufer Schleiermachers, indem er bereits früher als dieser das religiöse Gefühl als ein jenseits aller rationalen Begründung liegendes bezeichnet. Obendrein hat Ewald die anthropologisch gewandte Begrifflichkeit des Totaleindrucks aus Lavaters Physiognomik aufgenommen, um sie auf die Bibel - also in hermeneutischem Interesse - anzuwenden, wobei Schleiermachers Rede vom Totaleindruck, den Christus macht, ein begriffsgeschichtliches Vorspiel hat, ähnlich wie Schleiermacher ja auch den Begriff der Schlechthinnigkeit bereits vorgefunden hat504. dieses, daß wir uns unsrer selbst als schlechthin abhängig, oder, was dasselbe sagen will, als in Beziehung mit Gott bewußt sind." 500 Ebd., p30. 501 Ebd., p29. Vgl. hierzu auch ders., (Zwei) Sendschreiben über seine Glaubenslehre an Lücke, pl5, wo sich Schleiermacher gegen Tzschirner und Bretschneider gleichermaßen wendend sagt: „So muß ich mich wieder darauf zurückziehen, daß, was ich unter dem frommen Gefühl verstehe, gar nicht von der Vorstellung ausgeht, sondern die ursprüngliche Aussage ist über ein unmittelbares Existentialverhältnis." 502 Schleiermacher, Glaubenslehre, Titelblatt, Bd. 1, p4. 503 Ebd., p29. 504 vgl. z u r Übernahme des Adverbs ,schlechthinnig' von Ferdinand Delbrück ebd.,

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 407 Dennoch dürfen die wesentlichen Unterschiede zwischen Ewald und Schleiermacher nicht übersehen werden. Zwar hat Schleiermacher die Sinnlichkeit des Menschen zu neuem Recht kommen lassen, indem er meint, daß das höchste Selbstbewußtsein, das sich als schlechthinniges Abhängigkeitsgefühl artikuliert, um der Beharrlichkeit willen nur mit der nächstniedrigen Selbstbewußtseinsstufe, nämlich der sinnlichen, zusammen bestehen könne. Denn: „Die Forderung einer Beharrlichkeit des höchsten Selbstbewußtseins kann nur aufgestellt werden unter der Voraussetzung, daß zugleich mit demselben auch das sinnliche Selbstbewußtsein gesetzt sei"505. Denn hier gehe kein „Verschmelzen" vor sich, sondern „ein Zugleichsein beider in demselben Moment"506. Dennoch wird der Sinnlichkeit des Menschen dann doch Eintrag getan, indem Schleiermacher die biblische Rede von einem gegenständlich werdenden und damit wahrnehmbar sich darbietenden Gott ablehnt, wobei z.B. die .Vorstellung' von der Möglichkeit einer Theophanie Gottes unwürdig wäre. „Die Übertragung jener Vorstellung auf irgendeinen wahrnehmbaren Gegenstand, wenn man sich derselben nicht als einer rein willkürlichen Symbolisierung bewußt wird und bleibt, ist immer eine Korruption, sei es nun eine vorübergehende Übertragung, also Theophanie, oder eine konstitutive, in welcher Gott als ein wahrnehmbares beharrliches Einzelwesen vorgestellt wird"507. Anders als bei Ewald ist also von einer Veränderlichkeit, von einer Kondeszendenz, einer Sinnenfällig- und Wahrnehmbarwerdung Gottes nicht die Rede, wenngleich Jesus im Rahmen einer aus Hebr 1,1 ff derivierten Apaugasma-Christologie der „Totaleindruck"508 zugeschrieben wird, den er den Menschen von Gott zu geben gekommen ist. In der Art jedoch, wie Schleiermacher seine Lehre vom Gefühl der schlechthinnigen Abhängigkeit mit derjenigen von den attributa divina verbindet, besteht ein weiterer Unterschied zwischen Ewald und dem großen Theologen des Neuprotestantismus. In der Lehre von den göttlichen Eigenschaften nämlich - so Schleiermacher - ist zu beachten, daß durch die Art und Weise, wie ich Gott Eigenschaften beilege, kein durch Lust und Unlust etwa bedingter Gegensatz in Gott angenommen wird. Daher gilt: „Alle Eigenschaften, welche wir Gott beilegen, sollen nicht etwas Beson-

p23 (Anm.). Das Wort ,Totaleindruck' hat sich u.a. durch Lavaters weithin bekannte Physiognomik in allgemeinen Gebrauch gebracht. Zumindest dürfte Ewald den Begriff von dort her haben. Vgl. Lavater, Physiognomische Fragmente, 3. Versuch, p93. 505 Schleiermacher, Glaubenslehre, Bd. 1, p35. 506 Ebd. 507 Ebd., p30. 508 Vgl. ebd., Bd. 1, p72 und Bd. 2, p88, wo Schleiermacher entwickelt, „daß der Glaube an Jesum als Erlöser nicht aus Einzelheiten entstanden ist, sondern sich aus einem Totaleindruck entwickelt."

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deres in Gott bezeichnen, sondern nur etwas Besonderes in der Art, das schlechthinnige Abhängigkeitsgefühl auf ihn zu beziehen"509. Die biblische Weise, Gott via eminentiae und via negationis Eigenschaften beizulegen, lehnt Schleiermacher daher genauso ab510 wie die traditionelle Gewohnheit, „Gott ebenfalls in das Gebiet des Gegensatzes"511 dergestalt zu stellen, daß man annimmt, er könne zornig und barmherzig, gerecht und gütig gleichermaßen sein512. „Was immer bisweilen mit scheinbarem Tiefsinn über das Geheimnisvolle des göttlichen Zorns [...] vorgetragen worden ist, läßt sich auf kein klares Bewußtsein zurückbringen"513. Wer Gott als barmherzig, zornig oder gütig bezeichnet, arbeitet unzulässigerweise mit „anthropopathischen Ausdrücken"514, durch die etwas „in Gott selbst Différentes gesetzt"515 würde, wodurch auch das schlechthinnige Abhängigkeitsgefühl gestört würde, das sich nun als ebenfalls zerrissenes auf einen leidentlich zerrissenen Gott beziehen müßte516. Es bleibt daher nur die via causalitatis übrig, um die göttlichen Eigenschaften zu finden, da „der Begriff der Ursächlichkeit mit dem schlechthinnigen Abhängigkeitsgefühl selbst im genauesten Zusammenhang steht"517. Nur ,Liebe' und ,Weisheit' sind fähig, die göttliche Ursächlichkeit angemessen begrifflich zu erfassen, ohne Gott, der selbst die unveränderliche causa ist, unter irgendeinen leidentlichen Gegensatz zu stellen518. So sehr Schleiermacher also einerseits in seiner Anthropologie die Sinnlichkeit hervorhebt und

509

510 Ebd., Bd. 1, p255. Vgl. ebd., p259. 512 Ebd., p257. Vgl. ebd., p458. 513 Ebd., p455. Vgl. etwa auch die anläßlich der Feier des Jubiläums der CA 1830 gehaltene Predigt „Daß wir nichts vom Zorne Gottes zu lehren haben", in: Schleiermacher, Kleine Schriften und Predigten, Bd. 3, pl23—135. Die Rede vom Zorn Gottes ist - so Schleiermacher - ein unvollkommenes Relikt eines noch nicht zur Klarheit durchgedrungenen Glaubens. „Nun [...] gehört zu denjenigen Unvollkommenheiten unseres Glaubensbekenntnisses [seil, es geht um die CA!; A.S.], weswegen ich nicht gerade wünschte, daß wir es gleichsam aufs Neue seinem ganzen wörtlichen Inhalt nach als unser eignes annähmen und bestätigten, auch dieses, daß darin noch viel zu viel die Rede ist von einem Zorne Gottes [...] Daher möchte ich dieses zum Gegenstand unserer heutigen Betrachtung machen, daß wir gar keine Veranlassung haben, und gar keine Anweisung diese Vorstellung von einem Zorne Gottes als in dem Christenthum begründet, als ein wesentliches Stükk unseres Glaubens, als eine eigenthümliche Lehre aufzustellen" (ebd., pl23f). Die „Vorstellung von einem Zorne Gottes" (ebd., pl24) wird von Schleiermacher einfach dadurch aus dem Weg geräumt, daß er die gesamte Frage historisiert und schlicht behauptet, Jesus als historische Person habe niemals vom Zorn Gottes gesprochen. „So müssen wir uns vor allen Dingen daran erinnern, daß der Erlöser selbst dieses niemals gethan hat, daß es kein einziges uns von ihm aufbehaltenes Wort giebt, worin von dem Zorn Gottes die Rede wäre" (ebd.). 514 Ders., Glaubenslehre, Bd. 1, p458. 515 516 Ebd., p258. Vgl. ebd. 517 5,8 Ebd., p259. Vgl. ebd., Bd. 2, p446ff. 511

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 409 um das Gefühl zentriert, so sehr will er doch Gott, der das Woher dieses Gefühls ist, von allen sinnlichen Bestimmungen fernhalten. Dabei werden besonders die jüdisch-sinnlichen' Gottes Vorstellungen' ausgeschieden; und Schleiermacher will von Gott nicht als von einem kondeszendent in die Geschichte eingehenden und in ihr sinnlich erfaßbar werdenden sprechen. Aufgabe der Glaubenslehre war es daher „von Anfang an, [...] diese Vorstellungen zu regeln, so daß das Menschenähnliche, welches sich mehr oder weniger in allen findet, und das Sinnliche, das so manchen beigemischt ist, möglichst unschädlich gemacht werde"519. Die sinnliche Vorstellungsweise sei „aus dem Judentum überkommen"520, weswegen die Bibel nicht Grundlage sein könne, eine Lehre von den attributa divina auszubilden. Hier zeigt sich, wie stark Schleiermacher - anders als Ewald - einem spinozistischmetaphysischen Gottesbegriff einerseits und der aufgeklärten Akkommodationslehre andererseits noch verhaftet ist, die auch bei ihm zum Grund dafür wird, das Alte Testament nicht mehr als kanonischen Text zu würdigen, sondern es als ein eigentlich nur in den Anhang zum Neuen gehörendes verstümmeltes Buch herabzugenehmigen521. Die Tatsache, daß Schleiermacher ähnlich wie später z.B. auch Albrecht Ritsehl522 die biblische Rede vom Zorn Gottes ablehnt, hat weitreichende Folgen für die Versöhnungslehre. Denn nun kann nicht mehr in reformatorischer Weise davon die Rede sein, 519

520 Ebd., Bd. I,p256. Ebd. Vgl. zum Verhältnis Schleiermachers zum AT: Steiger, J.A., Schleiermacher. Auffällig ist schon, daß Schleiermacher die Schriftlehre nicht, wie in der altprotestantischen Orthodoxie üblich, an hervorgehobener Stelle in den Prolegomena verhandelt, sondern innerhalb der Ekklesiologie. Die Schrift ist nicht als eine die Kirche schaffende verstanden, die Kirche ist mithin nicht creatura verbi. Vielmehr ist die Bibel Exponent dessen, was unter Kirche zu verstehen ist. So ist die Bibel als ekklesiologisch sich darbietendes „Abbild seiner [seil. Jesu; A.S.] prophetischen Tätigkeit" (Glaubenslehre, Bd. 2, p283) zu verstehen im Sinne einer „Fortsetzung der Tätigkeiten Christi" (ebd.). Die Lehre von der sufficientia scripturae sacrae wird von Schleiermacher auf eine sufficientia des NT verkürzt. „Die neutestamentischen Schriften sind ihrem Ursprung nach authentisch und als Norm für die christliche Lehre zureichend" (ebd., p299). Das AT dagegen unterliegt da es auch in seinen christologisch relevanten Verheißungen lediglich „bloße Ahndung" enthält - einem Prozeß des „immer weiteren Zurücktretens" (ebd., p307). Nur historische Gründe, nämlich u.a. die „geschichtliche Treue und Vollständigkeit" (ebd., p308), gebieten es, Propheten und Psalmen als in den Anhang zum NT gehörige historische Zeugnisse der nun erfüllten Ahndungen beizubehalten. „Dies trifft aber fast nur die prophetischen Schriften und die Psalmen; und dadurch rechtfertigt sich die Praxis, diese dem Neuen Testament als Anhang beizufügen" (ebd.). Das AT gehört für Schleiermacher also nicht eigentlich zum biblischen Kanon, es ist vielmehr Teil des „geschichtlichefn] Apparates] zur Erklärung des Neuen Testamentes" (ders., Kurze Darstellung des theologischen Studiums, p56). 522 Vgl. Ritsehl, Α., Rechtfertigung und Versöhnung, Bd. 2, ρ 140, der meint, „daß die christliche Religion an der Vorstellung vom göttlichen Zorn kein Interesse [...] mehr hat." 521

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daß Christus die Vergebung der Sünden dadurch erworben hat, daß er am Kreuz in das göttliche Gericht bereits vorgelaufen ist und den gesamten Zorn Gottes und die volle Sündenstrafe für die Menschen erlitten hat, ja, die ewige Verdammnis einen Augenblick lang gefühlt hat523. Schleiermacher zufolge ist es unvorstellbar, daß Christus die „Summe von Übeln" 524 erlitten haben soll. Von einer „Unendlichkeit des Leidens" könne genauso wenig die Rede sein w i e davon, „auch die göttliche Natur in ihm habe mitgelitten" 525 . Genauso wenig wie ein Zorn Gottes angenommen werden kann, der folgerichtig auch nicht am Kreuz auf Jesus gelegen haben kann, genauso wenig kann nach Schleiermacher eine communicatio idiomatum stattfinden, mittels deren die Leiden der menschlichen Natur auch der göttlichen übereignet werden. Denn wenn man bereits der ersten trinitarischen Person eine Leidentlichkeit abgesprochen hat, kann man auch nicht an einer Leidensfähigkeit der göttlichen Natur in Christus festhalten. Das Kreuz tritt daher bei Schleiermacher weit hinter seine zentrale reformatorische Bedeutung zurück, und Jesu Schrei ,mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?' ist nicht Kennzeichen seiner tiefsten Erniedrigung und Gottverlassenheit, sondern lediglich betender Ausdruck seines frommen Selbstbewußtseins 526 . Christus ist nicht wirk523

Luther, Operationes in Psalmos, WA 5, p693 zu Ps 22,2: „Cum autem percussio dei, qua pro peccatis percutit, non solum poena mortis sit, sed et pavor atque horror perturbatae conscientiae, quae iram aeternam sentit et sic habet, ac si inaeternum esset derelinquenda et proiicienda a facie dei [...] certe pronum sequitur, et ipsum fuisse passum pavorem horroremque conscientiae perturbatae et iram aeternam gustantis." Daß Christus am Kreuz nicht nur die Todesstrafe, sondern den ewigen Zorn Gottes gefühlt hat, ist für Luther eine Konsequenz der altkirchlichen Zweinaturenlehre, die er hier dergestalt zuende denkt, daß „summum gaudium et summa tristitia" (ebd., p602) nur dann in Christus wirklich zusammengedacht werden können, wenn Christus für uns stellvertretend den ewigen Zorn Gottes erleidet und schmeckt und ihn dadurch in sein Gegenteil verkehrt. 524 Schleiermacher, Glaubenslehre, Bd. 2, pl29. 525 Ebd. 526 Vgl. ders., Einige Empfindungen des sterbenden Jesu, die auch wir uns für unsere letzten Augenblikke wünschen sollen. Am Charfreitage, in: Ders., Kleine Schriften und Predigten, Bd. 1, pl79—191. Es ist nach Schleiermacher nicht wirklich leiblicher Schmerz, der Jesus Ps 22,2 beten läßt, sondern lediglich der Schmerz darüber, daß er sein irdisches Geschäft nicht weiterführen dürfe. „Möchten wir Alle sterben mit demselben Schmerz über unvollendete Thaten, der sich in dem traurigen Seufzer des Erlösers: mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen, so deutlich offenbaret. Oder meint Ihr, das körperliche Leiden habe Ihm diesen Ausruf abgepreßt?" (pl81). Eine doketische Tendenz in Schleiermachers Christologie ist nicht zu übersehen. Vgl. auch ders., Ueber den Gemüthszustand des Erlösers in seinen lezten Stunden, Sämmtliche Werke, II. Abt., 2. Bd., Berlin 1834, p399^16. Jesus könne das Ps 22-Zitat am Kreuz unmöglich ernstgemeint haben. Er habe sich lediglich Worte aus der üblichen Frömmigkeitssprache geliehen (p401) und den hoffnungsvollen Ausgang des Psalmes konnotiert (p405). Ausdruck seines Leidens jedenfalls sei Jesu Schrei nicht.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachftagen der Aufklärung 411 lieh für uns zur Sünde gemacht worden (2 Kor 5,21), hat auch nicht das Gericht totaliter erlitten. Was übrigbleibt, ist ein bloßes „Mitgefühl"527 Jesu; und eine stellvertretende satisfactio kann nur im Sinne der oboedientia activa, nicht aber als eine leidende vorgestellt werden528. Allein Jesu „Mitgefühl mit der Sünde" war hinreichend, „um die zur Aufnahme aller Menschen in seine Lebensgemeinschaft hinreichende erlösende Tätigkeit hervorzubringen"529. Ewald dagegen versucht, die theologia crucis zu reformulieren, und hält auch an der Rede von der durch Christi Leiden erworbenen Vergebung der Sünden fest, wenngleich auch er - hierin zumindest wie viele Aufklärungstheologen eine Schwäche zeigend - einen von Christus am Kreuz erlittenen Zorn nicht annehmen kann und hier seine Luther-Rezeption nicht konsequent zu Ende geführt hat530. Am schärfsten zeigt sich bei allen Gemeinsamkeiten, die Ewald und Schleiermacher miteinander haben, der Unterschied zwischen beiden darin, was beide jeweils über das Gebet zu sagen haben. Der betende Mensch dringt nach Ewald in Gottes Plan ein und bewegt Gott die Verheißung Gottes für sich reklamierend zu einer gnädigen Wandlung531 - ein Gedanke, der für Schleiermacher von der Voraussetzung seiner Gotteslehre her ausgeschlossen ist, da Gott nicht als veränderlich gedacht werden kann532. Während bei Schleiermacher also insofern eine Diastase zu beobachten ist zwischen seiner Anthropologie, in der er die Sinnlichkeit zum Maßstab für seine Aussagen über den Menschen in dessen Beziehung zu Gott macht, und seiner Gotteslehre, in der alle sinnlichen Bestimmungen von Gott ferngehalten werden sollen, hat Ewald an dieser biblisch-sinnlichen Rede von Gott keinen Anstoß genommen, sondern sie hermeneutisch hochreflektiert betrieben und verteidigt, da sie ihm das notwendige bibelhermeneutische Korrelat zur Lehre von der Inkarnation war. Die Sinnlichkeit, die der biblischen Gotteslehre zugrundeliegt, ist nicht eine überwundene niedere, gar bloß jüdische' Stufe der 527

Ders., Glaubenslehre, Bd. 2, pl29f. 529 Vgl. ebd., pl30. Ebd., pl31. 530 Vgl. Ewald, Ueber die großen Zwecke des Todes Jesu (Bibl. Nr. 27), p l l : ,„Die Bibel sagt nicht, Gott sey auf Jesus erzürnt gewesen; Er hab' ihn wirklich als einen Sünder angesehen, als einen Sünder bestraft.' Das hab' ich nie in der Bibel finden können, und Niemand hat mir's daraus bewiesen." 531 Vgl. Kap. III, 6, p440f. 532 Vgl. Schleiermacher, Glaubenslehre, Bd. 2, p381. Die Lehre von der Gebetserhörung kann Schleiermacher „nur für einen Übergang in das Magische erklären", und es ist nicht möglich zu denken, daß man „durch das Gebet eine Einwirkung auf Gott ausüben" könne, „indem sein Wille und Ratschluß durch dasselbe gebeugt werden". Auch diese Ansicht ist letztendlich Folge der Ablehnung der communicatio idiomatum, die zwischen Gott und Mensch stattfindet. Denn die biblische Verheißung, daß Gott die Gebete erhört, „streitet gegen unsere erste Grundvoraussetzung, daß es kein Verhältnis der Wechselwirkung gibt zwischen Geschöpf und Schöpfer" (ebd.). 528

412

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Religiosität. Sondern in ihr spiegelt sich die Sinnlichwerdung Gottes, der schon vor der Inkarnation in die Geschichte mit den Menschen wahrnehmbar hineingetreten ist als ein Gott, der aus der Aseität und dem abstrakten causaSein heraustritt und sich den Menschen kondeszendent und damit sinnlich im eigentlichen Sinne zu erkennen gibt. Denn nur auf diese Weise - so Ewald kann Gott zum wahren Philanthropen werden. „Eben so gleichgültig kann es uns seyn, wie sich Gott eigentlich die Welt vorstellt, wie Er sich erkennt, was Er an sich ist; wenn wir nur wißen, was Er uns ist, und seyn will. Darum ist es mir schon lange unerträglich gewesen, daß man mit solcher Inhumanität die Humanität des Bibelgottes wegkritisirt, wegexegesirt; oder wegphilosophiren will; [...] Nehmen wir die Bibel, wie sie ist, und Gott, wie er da gegeben wird; so finden wir bald, daß die Art, Ihn darzustellen, äußerst human ist, und nothwendig humaner macht. Der Bibelgott ganz menschlich; ein wahrer Philanthrop, wenn es je Einen gab, - und der Mensch, - Gottes Bild! Ein menschlicher Gott und ein göttlicher Mensch!"533. Und da sich Gott als Philanthrop höherer Ordnung menschlich offenbart und genießbar macht, muß man ihm, gerade weil er selbst die Liebe ist, doppelt reflektiert auch den Zorn als eine Eigenschaft zuschreiben, die diese Liebe sub contrario zum Ausdruck bringt. Nur weil Ewald im Gegensatz zu Schleiermacher diese Grundaussage nicht veräußert hat, daß Gott gegenständlich und menschlich zu werden die Freiheit hat, kann Ewald folgenden Brief an seinen Freund Lavater richten, über den er sehr erzürnt gewesen ist, weil Lavater lange Zeit die versprochenen Beiträge für die Zeitschrift,Urania' nicht geschickt hatte: „Detmold den 11 Febr: [17]92. Mein Herz dankte Ihnen schon, lieber L:, als ich Ihre Hand und Ihr Siegel erkannte; eh' ich ein Wort Ihres Briefs gelesen hatte. Sicher eifert man doch am heftigsten gegen die, die man recht liebt! Ich denke darum, man muß - da uns Gott doch immer so menschlich gegeben wird - etwas Analoges von Zorn in Gott annehmen; eben darum, weil man so hohe Liebe von Ihm glauben soll. Das εμβριμειν Jesus floß wenigstens aus Liebe!"534. Und noch in einer dritten Hinsicht ist Ewald bedeutsam durch seine Antizipation späterer geistesgeschichtlicher Entwicklungen. Denn noch bevor sich Georg Friedrich Wilhelm Hegel in seiner Zeit als Hauslehrer in Frankfurt a.M. an der Wende zum 19. Jahrhundert aufgrund eines wichtigen Anstoßes von Seiten Friedrich Hölderlins535 anschickt, die Fichte-Schellingsche Identitäts533

Ewald, Fortsetzung der Briefe zu Beförderung (Bibl. Nr. 121), pl05f. Zentralbibl. Zürich, FA Lav. Ms. 507, 279. Bibliographie A 58. 535 Henrich, D., Hegel und Hölderlin, in: Ders., Hegel im Kontext, bietet einen trefflichen Einblick in die Abhängigkeit Hegels von Hölderlin und in seine dennoch eigenständige Verarbeitung dieses Einflusses. 534

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 413 philosophie aus den Angeln zu heben, und hierbei die Vermitteltheit von völliger Vereinigung und gleichzeitiger Entgegensetzung in der Liebe entdeckt, hat Ewald auf biblisch-theologische Weise eine Möglichkeit gefunden, mithilfe des Doppelgebotes der Liebe einen Sachverhalt zu beschreiben, demzufolge der Mensch in der Nächstenliebe, in der Liebe zu einem ihm entgegengesetzten Menschen, eine Möglichkeit hat, sich erneut zu finden, sich mithin im Fremden selbst zu lieben. In den „Entwürfe[n] über Religion und Liebe"536 sieht Hegel „eine Verdoppelung seiner selbst"537 in der Liebe vor sich gehen, die es ihm erlaubt, Trennung und Einheit zusammen zu denken. „In der Liebe ist das Getrennte noch, aber nicht mehr als Getrenntes, (sondern) als Einiges"538. Denn „diese Vereinigung der Liebe ist zwar vollständig", aber dennoch ist sie eine „Beziehung mit Entgegengesetzten"539. Dadurch, daß der eine Liebende dem anderen gibt, empfängt er gleichzeitig. Zwar nicht in dieser sich bei Hegel langsam ausbildenden typischen Begrifflichkeit, aber dem Inhalt nach durchaus vergleichbar mit der angesprochenen Sache, spricht Ewald von der Liebe als von einer ,,süsse[n] Täuschung, dass der Mensch glaubt, alles für andere zu thun, und doch alles für sich thut [...] Durch Liebe, die anderer Glük mit eigenem Glük verbindet, anderer Zwek zu eigenem Zwek macht"540. Vorausdeutend auf Hegel, der in der Liebe das findet, was er später , Geist' nennen wird, nämlich die Vermittlung von Sein bei sich selbst und der hierfür notwendigen Selbstentäußerung in ein Entgegengesetztes hinein, sieht Ewald in der Liebe den „feinen Faden" zwischen dem Ich und dem Fremden, so „dass Anderer Wol und sein Wol Eins sind"541. Nicht so deutlich wie später Hegel definiert Ewald die bestehen bleibende Getrenntheit in der Vereinigung, benennt sie aber der Sache nach. Hegel faßt das, was er vorher als Liebe bezeichnet hatte, im Systemfragment542 aus dem Jahre 1800 als „Geist", der immer auch „zugleich außer sich"543 ist, und ist damit zu derjenigen Grundkategorie der sich entäußernden Bewegung des Geistes hindurchgedrungen, die er in der „Phänomenologie des Geistes" als die Arbeit des Geistes in der Geschichte ausführen wird544. Auch Ewald hat den Gedanken der Koinzidenz des Selbst mit seinem Nächsten weitergebildet, indem er 24 Jahre nach seiner Kant-Schrift über sich selbst hinausgehend das

536

537 Hegel, G.W.F., Werke, Bd. 1, p239-254. Ebd., p246. 539 Ebd. Vgl. p249. Ebd., p249. 540 541 Ewald, Kant, p69f. Ebd., p66. 542 543 Hegel, Werke, Bd. 1, p419-427. Ebd., p421. 544 Hegel, PhG, p27f: „Weil die Substanz des Individuums, weil sogar der Weltgeist die Geduld gehabt, diese Formen in der langen Ausdehnung der Zeit zu durchgehen und die ungeheure Arbeit der Weltgeschichte [...] zu übernehmen", nimmt der Geist durch die Entäußerung hindurch Gestalt an und kommt so zu sich selbst in doppelt reflektierter Hinsicht. 538

414

Kapitel III

Nächstenliebegebot folgendermaßen übersetzen kann: „Dein Nächster sey dein Selbst, dein Ich"545. Denn in der Liebe - so Ewald durchaus vergleichbar mit Hegel - wird der Geliebte zum Selbst, zum Ich des Liebenden. „Die Liebe geht nie auf ein Selbst; der Geliebte ist ihr Selbst"546. So wie Hegel die Liebe und später den Geist dadurch bestimmt sieht, daß beide außerhalb ihrer selbst - also in der Entäußerung - sie selbst sind, so sagt auch Ewald: „Zur Liebe gehört wesentlich, ein Herausgehen aus sich, ein Vergessen seiner selbst"547, das jedoch biblisch gewandt ein Sichselbstaufgeben auf Hoffnung hin ist: eben auf die Hoffnung hin, im Geliebten sein Ich wahrhafter zu erfahren, als dies vorher möglich war. „Selbstliebe verliert sich in Menschenliebe, und verliert nichts, sondern sie gewinnt an Gliikseligkeit und Genuß, ob sie es gleich nicht will, und eben darum, weil sie es nicht will"548.

6. Standortbestimmung der Theologie Ewalds III: Die Wunderkritik aufgeklärter Theologie und Ewalds Metakritik des Glaubens an derselben Ewalds Stellung innerhalb der Geschichte der Wunderkritik und der Verteidigung der Wunder ist eine besondere. Denn - das soll nun gezeigt werden - er lehnt die aufgeklärte Wunderkritik nicht rundweg ab, sondern rezipiert sie in begrenztem Maße. Gleichzeitig versucht Ewald nicht, nun seinerseits wie viele sog. supranaturalistische Theologen die Möglichkeit von Wundern rational zu beweisen. Beide radikalen Gefahren vermeidend stellt Ewald die Wundertheologie in ihren angestammt-biblischen Kontext mit der Christologie, verbindet sie mit einer Glaubenskritik an der Wunderkritik und findet so auf reformatorische Weise das eigentliche Wunder in der Anthropologie: Nämlich in der gottgegebenen Möglichkeit, daß dem glaubenden Menschen mit dem aus Glauben fließenden Gebet eine Handhabe geschenkt ist, wunderbar in Gottes Plan einzudringen und ihn zu einer barmherzigen Wandlung zu bewegen. Um diese besondere Ewaldsche Position erheben zu können, ist zunächst ein Blick auf das Wunder innerhalb der Aufklärungstheologie zu werfen. Baruch Spinoza (1632-1677) war es, der in vielerlei Hinsicht auf Ergebnisse der deistisch-christlichen Aufklärungstheologie Vorgriff und in seinem „Tractatus theologico-politicus" eine scharfe Wunderkritik formulierte. Dabei leitet Spinoza seine Lehre von den attributa divina nicht vornehmlich aus der Bibel ab, sondern erkennt dieselben in der Natur vorgezeichnet, die die 545 546

Ewald, Menschenbestimmung (Bibl. Nr. 320), Bd. 2, pl3. 547 548 Ebd., pl2. Ebd. Ebd., pl6.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 415 eine Ursubstanz ist, wobei Gott als ein von dieser Substanz unterschiedener nicht gedacht werden kann. Zum Wesen dieser Substanz gehört es, daß sie als eine unendliche, unteilbare und unveränderliche vorgestellt werden muß, die nach unverbrüchlich geltenden Naturgesetzen wirkt und hierbei nur durch sich selbst bestimmt ist und durch nichts außerhalb ihrer selbst liegendes. Aeternitas und immutabilitas Dei sind aus den ewigen und unveränderlichen Naturgesetzen nicht nur abzulesen, sondern beides läßt sich überhaupt nicht voneinander trennen. Die Unveränderlichkeit der natürlichen Gesetzmäßigkeit ist vielmehr die göttliche immutabilitas, denn es gibt nur eine Substanz. „At quoniam naturae leges (ut jam ostendimus) ad infinita se extendunt, et sub quadam specie aeternitatis a nobis concipiuntur, et natura secundum eas certo atque immutabili ordine procedit, ipsae nobis eatenus Dei infinitatem, aeternitatem et immutabilitatem aliquo modo indicant"549. Es steht fest, „[seil, naturam) aeternum fixum et immutabilem ordinem servare"550 und daß deswegen nichts gegen die Naturgesetzlichkeit geschehen kann. Aus dem Obersatz, daß zwischen intellectus Dei und voluntas Dei kein Widerspruch bestehen könne, leitet Spinoza ab: „Quare eadem necessitate, qua ex natura et perfectione divina sequitur Deum rem aliquam, ut est, intelligere, ex eadem sequitur Deum eandem, ut est, velie"551. Daher bilden die Naturgesetze nicht nur die eine, göttliche substantia ab, sondern Spinoza setzt die Naturgesetze mit der Gott eignenden Natur gleich. Von Gott zu verlangen, „contra leges naturae agere", würde bedeuten, von ihm zu erwarten, „contra suam naturam agere"552. Geschähe etwas gegen die Naturgesetze, so würde es also gleichzeitig und notwendigerweise „decreto et intellectui et naturae divinae"553 zuwiderlaufen. Daher setzt Spinoza auch „virtus et potentia naturae" und „ipsa Dei virtus et potentia"554 miteinander gleich. Das, was in der Bibel als Wunder bezeichnet wird, ist nach Spinoza durchgehend keine Reihe von Veranstaltungen, die den Naturgesetzen zuwiderlaufen, sondern Dinge, die natürliche Wirkungen von natürlichen Ursachen sind. Nur habe zu biblischer Zeit die Fähigkeit zur Einsicht in diese Kausalzusammenhänge gefehlt555. Schließlich sei es ja bereits Mose gewesen, der gelehrt habe, daß aus vermeintlichen Wundern Gott nicht zu erkennen sei. Denn schon Dtn 13,2f nenne die Wunder als Kennzeichen, anhand deren die falschen Propheten erkannt würden556. Obgleich der Empirist David Hume (1711-1776) einer der schärfsten Kritiker des spinozistischen metaphysischen Systems und des ihm inhärierenden Substanzbegriffs war, gibt es doch in der Wunderfrage durchaus Gemeinsamkeiten zwischen beiden, die gerade aus der radikalen Entgegensetzung beider Denker sich speisen. Im Unterschied zu Descartes hatte Spinoza nicht 549 551 554

Spinoza, B., Opera, Bd. 1, p200. 552 Ebd., ρ 192. Ebd. 555 Ebd., ρ 194. Vgl. ebd., pl94f.

550 553 556

Ebd., ρ 190. Ebd. Vgl. ebd., p202-205.

416

Kapitel III

zwei voneinander unterschiedene Substanzen - res cogitans und res extensa557 - angenommen, sondern nur eine, die causa sui ist und Gott genannt wird. Hume dagegen formuliert seine sich nicht nur gegen Spinoza richtende, sondern im Grunde alle metaphysischen Systeme treffende Kritik dahingehend, daß er die These aufstellt, der Begriff der Substanz komme dem menschlichen Denken lediglich durch Gewohnheit zu. Die Annahme, eine Wirkung müsse eine Ursache haben, ist uns als Ergebnis einer Reihe von sinnlichen Wahrnehmungen nur zur Denkgewohnheit geworden. Der bloß angenommene Kausalzusammenhang jedoch besteht nicht mit Notwendigkeit. Dementsprechend unterschiedlich ist auch die wunderkritische Argumentationsweise Humes derjenigen Spinozas gegenüber. Denn Hume fragt zunächst nach der Evidenz des schriftlichen Zeugnisses, das von Augenzeugen herrührt, und nach der Vertrauenswürdigkeit dieser Augenzeugen im Vergleich mit der eigenen Wahrnehmung. Wir wissen von Wundern nur durch doppelte Vermittlung, nämlich durch die der Augenzeugen und die des schriftlichen Zeugnisses. „Die Evidenz, welche die Wahrheit der christlichen Religion für uns hat, ist also schwächer als die Evidenz bei der sinnlichen Wahrheit"558. Einem doppelt vermittelten Bericht jedoch mehr Glauben zu schenken als der eigenen Wahrnehmung, derzufolge keine Wunder geschehen, ist nach Hume unsinnig und unvernünftig: „Niemand kann in ihr [seil, der Augenzeugen; A.S.] Zeugnis gleiches Vertrauen setzen wie in den unmittelbaren Gegenstand seiner Sinne. Eine schwächere Evidenz kann aber niemals eine stärkere zerstören"559. Obwohl also „die Erfahrung unser einziger Führer bei Denkakten"560 ist, muß doch damit gerechnet werden, daß die Zeugen der vermeintlichen Wunder einer Sinnestäuschung unterlegen sind. Und eine starke Prädisposition, einer solchen Sinnestäuschung zu unterliegen, ergibt sich aus der geringen Bildung (besonders der Menschen zu biblischer Zeit)561, sowie aus den ,,Affekte[n] der Überraschung und des Staunens"562, aus der ,,starke[n] Hinneigung der Menschen zum Außerordentlichen und Erstaunlichen"563. Hinzu kommt die empirische Tatsache, daß die Menschen zu allen Zeiten Lügner gewesen sind564. Die Testfrage also, mit der jede Wundererzählung hinterfragt werden muß, muß lauten: Ist es wahrscheinlicher, daß sich Wunder wirklich zugetragen haben, oder aber, daß der Wunder-Erzähler einem Betrug aufgesessen ist oder gar selbst ein Betrüger ist?565 „Ich wäge das eine Wunder gegen das andere ab, und je nach der Überlegenheit, die ich entdecke, fälle ich meine Entscheidung und verwerfe stets das größere Wunder"566. Angewandt auf die biblischen Wunderberichte 557 558 561 564

Vgl. Descartes, R., Meditationes, p46. 54. 559 Hume, D„ pl28. Ebd. 562 Vgl. ebd., pl36. Ebd., pl37 . 565 Vgl. ebd., pl40. Vgl. ebd., pl35f.

560 563 566

Ebd., pl29. Ebd., pl38. Ebd., pl36.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 417 hat diese Testfrage also zu lauten: „Nun bitte ich einen jeden, Hand aufs Herz und nach reiflicher Erwägung zu bekennen, ob es ihm dünkt, daß die Falschheit eines solchen Buches, das durch solches Zeugnis gestützt wird, außerordentlicher und wunderbarer sein würde als alle die Wunder, die es berichtet"567. Hieraus folgt nun, „daß ein auf menschliches Zeugnis gestütztes Wunder mehr ein Gegenstand des Spottes als der Widerlegung sei"568. Nicht die metaphysische Argumentation mithilfe der" aus der Natur geschlossenen Un Veränderlichkeit Gottes wie bei Spinoza führt bei Hume zur Ablehnung der Wunder, sondern die von empiristischen Reflexionen geleitete Frage, ob es wahrscheinlicher ist, daß ein Wunder geschieht oder der Wunder-Zeuge ein Betrogener ist. Im Ergebnis jedoch sind beide Arten der Wunderkritik gleich. Beide führen zur völligen Ablehnung einer supranaturalen Wirkweise Gottes. Nachhaltig wirksam ist auch die Wunderkritik des französischen Pädagogen und Philosophen Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) gewesen, die er in gebündelter Form im „Glaubensbekenntnis des savoyischen Vikars" seines Erziehungsromanes „Emil oder über die Erziehung" äußert. Annehmen zu wollen, Gott durchbreche die Naturgesetzlichkeit, würde nur Zweifel an der Existenz Gottes hervorrufen. „Die unwandelbare Ordnung der Natur allein zeigt uns am besten die weise Hand, die sie regiert. Gäbe es viele Ausnahmen, so wüßte ich nicht mehr, was ich davon halten soll"569. Ähnlich wie Hume kritisiert Rousseau an dem biblischen Zeugnis von der Augenzeugenschaft, daß sie Gott in eine derartige Menschenferne durch doppelte Vermittlung rückt, daß mit der Möglichkeit des Betruges ständig gerechnet werden müsse. „Er [seil. Gott; A.S.] hat andere beauftragt, dir seine Worte mitzuteilen! Ich verstehe: Menschen werden mir sagen, was Gott gesagt hat. Mir wäre lieber, Gott selbst gehört zu haben. Das hätte ihm nicht mehr Mühe gemacht und ich wäre vor Verführung sicher gewesen. Er schützt dich davor, indem er die Sendung seiner Boten bezeugt! Wie denn? Durch Wunder! Und wo sind diese Wunder? In den Büchern! Wie, immer wieder menschliche Zeugnisse! Immer nur Menschen, die mir berichten, was andere Menschen berichtet haben? Wie viele Menschen zwischen mir und Gott!"570. Zudem bedeute es, dauernd einen unerträglichen Zirkelschluß vorzunehmen, nämlich einerseits die Wunder durch die Lehren zu bestätigen, um sodann andererseits die Lehren durch die Wunder zu beweisen. „Also muß das Wunder erst wieder durch die Lehre bewiesen werden, nachdem die Lehre durch das Wunder bewiesen wurde [...] Was hältst du von diesem Zirkelschluß?"571 Glaubwürdig - so Rousseau könnten Weissagungen und Wunder nur dann sein, wenn sie den Ansprüchen

567 569 571

Ebd., pl55. Rousseau, J.-J., Emil, p316. Ebd., p316f.

568 570

Ebd., pl45. Ebd., p315.

418

Kapitel III

mathematischer Exaktheit genügten, was aber auf die in der Bibel erzählten Wunder nicht zutrifft572. Siegmund Jacob Baumgarten versucht, der sich emanzipierenden Vernunft insofern Rechnung zu tragen, als er die orthodoxen Lehrinhalte dem Subsumtionsverfahren Christian Wolffs folgend als der menschlichen ratio gemäße und rational nachprüfbare darbieten will. Zwar kann Baumgarten noch wie die alten orthodoxen Dogmatiker sagen, daß die Gewißheit des Glaubens nicht von einer Beweiskraft der Wunder abhängig sei. Vielmehr könne sich aus der Betrachtung der Wunderwerke lediglich eine „Bestätigung der Richtigkeit, Gewisheit und Götlichkeit bekant gemachter Warheiten"573 ergeben. Allein durch die Betrachtung der Wunder gelangt niemand zum Glauben; die Wunder können nur testes der Wahrheit sein, die Glaubensgewißheit also nur bestätigen und vermehren, sie aber nicht stiften. Allerdings hält Baumgarten diese alte Definition574 nicht durch, sondern setzt recht unvermittelt neben sie sein vernünftig-durchsichtiges Schlußverfahren, durch das er rational aus Ober- und Untersatz deduzierend zu einem Schluß kommt, der ihm nun doch als Hauptbeweis der Gottheit Christi dient. Insofern besteht hier ein Bruch zwischen der Behandlung der Wunderfrage in dem zur Schöpfungslehre gehörigen locus der Vorsehung im ersten Band der Baumgartenschen Dogmatik und der erneuten Thematisierung derselben Frage innerhalb der Christologie. Denn ganz gegen seine erste Einsicht, Wunder könnten keine Glaubensgewißheit begründen, führt Baumgarten nun im Abschnitt „von der Person CHristi"575 als „Hauptbeweis der Gottheit Christi"576 folgendes an: „I. Der Obersatz bey diesem Beweis ist so abzufassen: Wem in der heiligen Schrift götliche Eigenschaften beigelegt werden, der mus wahrer Gott seyn [...] II. Der Untersatz mus so abgefasset werden: Die Ewigkeit, Almacht, Alwissen572 Ebd. p319f: „Und warum haben Weissagungen keine Beweiskraft für dich? Der Aufklärer: Weil dazu drei Dinge gehören, deren Zusammentreffen unmöglich ist; nämlich: Ich muß Zeuge der Weissagung sein; ich muß Zeuge des Eintreffens sein, und man muß mir beweisen, daß das Zusammentreffen des Ereignisses und der Weissagung nicht zufällig ist. Denn wäre sie auch genauer, klarer, einleuchtender als ein geometrischer Satz, so beweist diese Erfüllung, wenn sie wirklich eintritt, nichts für denjenigen, der sie vorausgesagt hat, weil die Deutlichkeit einer aufs Geratewohl gemachten Voraussage die Erfüllung nicht unmöglich macht." 573 Baumgarten, S.J., Glaubenslehre, Bd. 1, p845f. 574 Vgl. Gerhard, J., Loci theologici, tom. 12, p93. Gerhard hält kein miraculum für eine „infallibilis ecclesiae nota" (p93), denn: „Miracula ecclesiae non conveniunt semper" (pl04). Deswegen sind Wunder überhaupt unnütz, wenn sie nicht mit der Verkündigung des göttlichen Wortes, mit der doctrina, einhergehen: „Miracula, si non habeant doctrinae veritatem conjunctam, nihil probant" (ρ 107). Deswegen sind Wunder auch keine „sufficienta fidei testimonia" (pi 16). 575 Baumgarten, Glaubenslehre, Bd. 2, p6ff. 576 Ebd., p46ff.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 419 heit und Algegenwart sind götliche Eigenschaften, und werden in der heiligen Schrift Christo beigelegt [...] III. Der Schlussatz: folglich, wenn diese Prämissen ihre Richtigkeit haben, mus JEsus der Christ, Mariä Sohn, wahrer GOtt seyn"577. So sehr Baumgarten also versucht, an den orthodoxen Lehrinhalten festzuhalten, so sehr ergibt sich doch durch die Rationalisierung der orthodoxen Lehre, durch ihr ,Erweislichmachen', wie Baumgarten es nennt, eine methodische Spannung innerhalb seiner Glaubenslehre, die auf einmal die Wunder zu beweiskräftigen und rational nachprüfbaren Argumenten erhebt, was sie in der orthodoxen Dogmatik nie gewesen sind. Unversehens wird damit die Funktion der Wunder derartig forciert, daß ohne sie der christlichen Lehre eine wichtige Beweisführung fehlte. Erst indem hier innerhalb der sog. vernünftigen Orthodoxie die Wunder ein solches Gewicht bekommen, ist damit der Ausgangspunkt für eine ebenso rational begründete Kritik an eben dieser Wichtigkeit der Wunder geschaffen. Baumgarten präfiguriert geradezu den rationalen Streit, ja, ruft ihn mit hervor. Baumgarten erhebt die Wundererzählungen zu Beweisen der Gottheit Christi und rückt hiermit doppelt reflektiert das eigentliche Wunder in den Hintergrund, auf das alle anderen nur hindeuten können: Das Wunder der Weihnacht, die Inkarnation. Baumgarten versäumt es, darüber nachzudenken, wie es in einem more geometrico durchgeführten Schlußverfahren überhaupt möglich sein soll, durch Wunder die Menschwerdung Gottes erweislich zu machen, die ihrerseits ein Wunder ist. Ihm ist schlicht das Wunderwirken Jesu ein Beweis seiner Gottheit. In orthodoxer Weise definiert Baumgarten das Wunder: Es besteht in „Wirkungen, welche in den Veränderungsgesetzen der Geschöpfe und den zufälligen natürlichen Kräften derselben nicht eigentlich oder hinreichend gegründet sind"578. Klassisch ist auch die Zuordnung der Wunderlehre zur Lehre von der Providentia extraordinaria, die von der Providentia ordinaria unterschieden wird. Gott handelt in seiner Providentia ordinaria durch die Naturgesetze und auf eine ihnen gemäße Weise, während er in seiner Providentia extraordinaria sich über sie hinwegsetzt, indem er sie für eine gewisse Zeitspanne aufhebt. „Ad gubernationem extraordinariam miracula pertinent, seu mutationes, quae in viribus rerum creatarum legibusque mutationum atque proinde natura rerum non fundantur"579. Dementsprechend teilt z.B. auch der orthodoxe Theologe David Hollaz die Vorsehung Gottes ein „in ordinariam & extraordinariam. Illa est, qva DEUS juxta praefinitam naturae legem agit: Haec est, qva DEUS supra constitutum naturae ordinem operatur"580. Die Wunder sind Wirkweisen Gottes, die zum letzteren Teilbereich der Providenz gehören: „Omnia miracula sunt effecta providentiae DEI extraordi577 579

Ebd., p38-45. Ebd., p835.

578 580

Ebd., Bd. 1, p640. Hollaz, Examen, vol. 1,1 p658.

420

Kapitel III

nariae"581. Allerdings läßt sich schon an der viel größeren Breite, in der das Wunder-Thema bei Baumgarten abgehandelt wird, ablesen, daß hier eine bereits strittig gewordene Sache verhandelt wird, die im Zuge dieses Streites zu einer dringlichen Wichtigkeit erhoben worden ist, die sie von Haus aus jedenfalls nicht hat, und die sie ohnehin nicht abgesehen von der Behandlung der Frage hat, wer nun der durch die zeichenhaften Wunder Bezeichnete ist. Auffällig ist, daß Baumgarten bereits gewisse Zugeständnisse an die Wunderkritik macht, die die Grundthese vertritt, es gezieme Gott nicht, die Naturgesetze zu durchbrechen, da dies hieße, daß Gott nicht allwissend und allmächtig sei. Denn sonst hätte er bei Grundlegung der Welt die Naturgesetze so einrichten müssen, daß eine Durchbrechung derselben niemals notwendig geworden wäre. Als Spiegelung dieser Kritik läßt sich bei Baumgarten eine Verschiebung im Verhältnis von Providentia ordinaria und extraordinaria feststellen. Hatten die Wunder bei Hollaz etwa ihren Platz in letzterer, versucht Baumgarten bereits, sie möglichst weitgehend in der Providentia ordinaria zu lozieren und damit die Vernunftunverträglichkeit der Wunder so weit wie möglich zu entschärfen. Darin zeigt sich, daß Baumgarten zwar das orthodoxe Begriffsmaterial übernimmt, es aber anders füllt und so der aufgeklärten Kritik bereits Zugeständnisse macht, die erst auf den zweiten Blick sichtbar werden. Die Wunder möglichst vollständig innerhalb der Providentia ordinaria zu sehen und sie durch die Naturgesetze erklärlich zu machen, ist so Baumgarten - deswegen nötig, „weil es der Weisheit GOttes gemässer ist, daß auch die ausserordentlichen und wunderthätigen Begebenheiten der Natur so nahe kommen, oder mit den ordentlichen Begebenheiten so übereinstimmig seyn, als nur möglich ist"582. Die Tendenz also, die biblischen Wunder natürlich zu erklären, entwickelt sich bereits bei Baumgarten, so daß er schon als indirekter Initiator der natürlichen Wunderkritik eines Johann Friedrich Wilhelm Jerusalem583 etwa zu gelten hat. Doch die Verschiebung zugunsten der Providentia ordinaria in Baumgartens Dogmatik geht noch weiter, denn er unterscheidet zwischen Wundern im Reich der Natur und in dem der Gnade. Im Reich der Natur ist nur ein Wunder denkbar, nämlich das eine am Anfang der Welt: die Schöpfung. „Um des blossen Reichs der Natur willen ist niemals ein Wunderwerk nötig, als blos das erste Wunderwerk der Schöpfung; daher es der Weisheit GOttes nachtheilig seyn würde, zu behaupten, wie von einigen geschehen, daß GOtt die erschöpften Kräfte der Natur, den Lauf der Natur, zuweilen wunderthätig und unmittelbar ersetzen müsse, so eine unvolkommene Bestimmung des ordent581 582 583

183ff.

Ebd. Baumgarten, Glaubenslehre, Bd. 1, p840. Vgl. zu Jerusalems wunderkritischer Haltung: Steiger, J.A., Bibel-Sprache, p l 7 9 -

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 421 liehen Laufs der Natur anzeigen würde"584. Das Reich der Gnade dagegen ist eine „ununterbrochene Reihe und Folge zusammenhängender Wunderwerke"585. Dennoch bringt Baumgarten sofort wieder eine Einschränkung und relativiert damit die Freiheit Gottes wieder, die darin besteht, daß er frei ist, auf übernatürliche Weise zu wirken: Denn von den Wunderwerken gilt, daß sie „den natürlichen Wirkungen so nahe kommen, als es möglich ist"586. Immer weiter wird die Möglichkeit von wirklichen Wundern durch Baumgarten eingeschränkt. Denn Gottes Wirkweisen durch die media salutis seien ebenfalls nicht eigentlich als Wunder zu bezeichnen, da es ja eine Ordnung auch im Reich der Gnade gebe. Vielmehr ist nur noch dies als ein Wunder im eigentlichen Sinne zu bezeichnen: Wenn Gott unabhängig von den media salutis Glauben stiftet und Menschen beruft. „Weil aber diese Veränderungen und Wirkungen [seil, im Reich der Gnade; A.S.] auch ihre Ordnung haben, d.i. nach einer beständigen Aenlichkeit, in einer genauen Uebereinstimmung auf einander folgen, oder ihre Veränderungsgesetze haben, die dabey beobachtet werden, so daß es auch einen Lauf der Gnade giebt, wie einen Lauf der Natur: so wird im Reich der Gnaden nur dasjenige ein Wunderwerk genant, wenn diese Veränderungsgesetze des Gnadenreichs aufgehoben werden; als z.E. wenn GOtt ohne Gnadenmittel, bey unverschuldeter Ermangelung derselben, die sonst daran gebundene Gnade ertheilet, ohne Gebrauch des Worts und der Sacramente einen Menschen bekehret"587. Daß Gott Mensch wird, durch Predigt und Sakramente Glauben stiftet und die Menschen beruft und neu werden läßt, ist nach Baumgarten als eine ordentliche und deswegen vernunftgemäße Einrichtung anzusehen, die - anders als innerhalb der reformatorischen Theologie gewiß - nicht als wunderbar anzusehen ist. Die Providentia ordinaria erhält auf diese Weise ein derartiges Übergewicht, daß von einer außerordentlichen Providenz nur noch in einer äußerst minimierten Randprovinz die Rede sein kann. Zwar nennt Baumgarten zwei Gefahren, die zu vermeiden sind: die Wundersucht, die darin besteht, daß der Mensch überall Wunder sucht, auch dort, wo keine sind einerseits, und die unüberlegte Wunderleugnung andererseits588. Dennoch kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, daß Baumgarten selbst bereits der letzteren Gefahr weitgehend unterlegen ist. So bleibt seine Dogmatik von diesem merkwürdigen Widerspruch behaftet: Einerseits rational die Wunder zu Beweisen der Gottheit Christi erhoben und forciert zu haben, andererseits aber die Wunder insgesamt aus ebenfalls rationalistischen Gründen an den Rand gedrängt zu haben.

584

Baumgarten, Glaubenslehre, Bd. 1, p841f. 586 587 Ebd., p842. Ebd. Ebd. 588 Vgl. ebd., p846. Vgl. zum Ganzen: Schloemann, M., wo Baumgarten als Vorläufer der rationalistischen Wunderkritik allerdings von weniger zentralem Interesse ist. 585

422

Kapitel III

Johann Salomo Seniler ist als Schüler Baumgartens und als Herausgeber von dessen Dogmatik gleichzeitig einer der prominentesten Kritiker seines Lehrers. In seinem Werk „Abhandlung von freier Untersuchung des Canon" bestreitet Semler die rationale Beweiskraft der Wunder und wendet sich damit zumindest implizit gegen seinen Lehrer. „Die reinen Grundsätze des Christentums" beruhen „gar nicht auf Wundern, sondern auf den Sachen selbst, auf dem Inhalte"589. Den Wundern kann die Beweislast nach Semler nicht aufgebürdet werden, da sonst die göttlichen Lehren in den Hintergrund träten590. Damit trennt sich Semler von dem Versuch seines Lehrers Baumgarten, mithilfe der Wunder durch ein Subsumtionsverfahren etwa die Gottheit Christi erweislich zu machen. Das heißt aber nun nicht, daß Semler einen neuen Zugang bekäme zu der reformatorischen Hermeneutik, derzufolge die Wunder als eine Kommentarebene zur Verkündigung Jesu im Sinne von verba visibilia zu verstehen wären. Vielmehr verbindet Semler seine Sicht der Wunder mit seiner Akkommodationslehre, wonach Jesus Wunder getätigt hat, um seine Lehren denen glaubhaft zu machen, die noch solcher Bestätigungen bedurften. Nach Semler nämlich sind die Wunder „um der Ungläubigen willen, daß sie nemlich aus ihrer trägen Gewonheit aufgeweckt werden"591, erzählt worden. Schon damals habe es „sehr viele fähige Christen"592 gegeben, die der Wunder nicht bedurften, denn „sie gehörten für σαρκικούς und ασθενείς, denen Paulus im Anfange auch solche Erzälungen mittheilete"593. Gegen eine Rezension von Johann David Michaelis sich verteidigend hält Semler an der Kombination seiner Wunder- mit seiner Akkommodationslehre fest: „Z.E. [...] sol ich wider die eigene Erklärung des Johannis, Kap. 20, 30.31. sagen, daß eben darum Johannes wenig von den Wundern JEsu erzäle, weil es für jüdische Anfänger gehöre, den Glauben auf die Wunder zu gründen. Ich kan nicht sagen, daß ich einen Grund wüste, warum dieses, was ich von den Wundern behaupte, sehr wider Johannis eigene Erklärung seie"594. Dennoch muß festgehalten werden, daß die Akkommodationslehre Semler eine Möglichkeit bot, anders als Reimarus zumindest auf einer herabgesetzten, propädeutischen Ebene an den Wundern festzuhalten, wenngleich nicht ganz klar ist, weswegen Semler nicht folgerichtig auch die Berichte von der Auferstehung Jesu als Akkommodationen an den jüdischen Geist ansieht, der nun einmal der Wunder bedürfe. Ähnlich wie Semler richtet sich auch Lessing gegen die Praxis der vernünftigen Orthodoxie, aus den Wundererzählungen infallibile Beweise zu deduzieren. Dieses Unterfangen hat Lessing nicht nur zur Veröffentlichung der 589 590 592 594

Semler, J.S., Abhandlung, Bd. 3, p350. 591 Vgl. ebd. Ebd., p468. 593 Ebd. Ebd. Ebd., p471f.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 423 Fragmente des ungenannten Reimarus veranlaßt595, in den sich dann z.B. Michaelis einmischte und meinte, die von Reimarus aufgedeckten Widersprüche innerhalb der Auferstehungserzählungen ließen nicht darauf schließen, daß ein Betrug vorliege, sondern nur, daß „die Evangelisten [...] keine untrügliche, keine von Gott inspirirte Geschichtschreiber [seien] [...] also, die gewöhnliche Lehre unserer Dogmatiken [...] von der Inspiration der vier Evangelisten muß eine Veränderung leiden"596. Lessing selbst hat an der gleichen Front wie Semler stehend und sich gegen die Wunderbeweise richtend strikt unterschieden zwischen den Wundertaten Jesu, die allerdings Glauben zu stiften fähig waren, und den historischen Nachrichten von eben diesen Wundern, die dazu nicht fähig sind. Trotz der berechtigten Kritik Semlers und Lessings an den vernünftigen Beweisen eines Baumgarten mithilfe der Wundererzählungen sind beide Kritiker nicht durchgedrungen zu einer Wiederaufnahme der reformatorischen Sicht der Dinge, derzufolge die eigentliche Wundermacht im Glauben zu sehen und die Wundertaten Jesu in ihrem hermeneutischen Konnex mit und als sinnenfällige Kommentarebene zu Jesu Verkündigung zu sehen wären. Insgesamt ergibt sich bei Semler eine Abwendung von den Wundererzählungen, die er stark historisierend als bloß äußerliche Dinge bezeichnet, die heute nicht auf das Innere des Menschen wirken können. „Wie können äusserliche Merkmale, die ehedem von andern möchten oder könten seyn bemerket worden, für uns weiter einen Grund unserer Ueberzeugung abgeben?"597. Und diese Abwendung von den Wundern bedeutet auch eine Abwendung von der Hl. Schrift insgesamt, die sich in Semlers scharfer Unterscheidung zwischen Wort Gottes und Bibel manifestiert598, wobei Semler die Mitte der Schrift eher in den ethischen Inhalten der Bibel sieht, die zur moralischen Verbesserung der Menschen beizutragen fähig sind. Gottfried Leß gehört zu denjenigen Theologen, die die Wunder vernünftig verteidigen. Leß setzt sich u.a. mit Hume auseinander, dessen Wunderkritik er jedoch immerhin insofern zu würdigen weiß, als sie dazu beitrage, einem unreflektierten Wunder-Fanatismus vorzubauen599. Die rationalistische Prä595

Vgl. Hirsch, Bd. 4, pl20-165; Boehart, W.; Desch, J. Michaelis, J.D., Erklärung der Begräbnis= und Auferstehungsgeschichte, pXXXX. 597 Semler, Abhandlung, Bd. 3, p344. 598 Vgl. ebd., Bd. 1, p75 und Bd. 2, p598. Vgl. zur Sache: Hornig, G„ Hermeneutik und Bibelkritik. 599 Leß, G., Wahrheit der Christlichen Religion, p368f: „Indessen enthält diese Schrift [seil. Humes Enquiry; A.S.] doch auch viele schöne und gründliche Bemerkungen. Man kann sie wie einen Beweis betrachten: - daß man bei Prufung [!] der Zeugnisse für ein Wunder viel vorsichtiger und mißtrauischer, als sonst bei irgend einer andern Begebenheit seyn müsse." Dennoch spricht Leß von dem ,,fürchterliche[n] Grundsatz" Humes (ebd., p369). 596

424

Kapitel III

misse, die im Gefolge von Hume immer wieder stereotyp vorgetragen wird, Gott könne die ein für alle Mal von ihm festgesetzten Naturgesetze nicht durchbrechen, teilt Leß nicht, sondern hält sachgemäß an der Freiheit Gottes zu einer solchen Aufhebung fest. „Da die Gesetze der Natur von der freien willkürlichen Anordnung Gottes, ihres Urhebers, abhängen: so muß also ein Wunderwerk eben so wohl möglich seyn, als eine jede gemeine und gewönliche Begebenheit"600. Nicht dies bedeutet nach Leß eine Einschränkung der Allmacht und -wissenheit Gottes, von Gott zu lehren, daß er die Naturgesetze nicht durchbrechen könne, sondern im Gegenteil: Es ihm abzusprechen, heißt, der Allmacht Gottes Eintrag zu tun. Nicht zu übersehen ist jedoch, daß Leß zwar auf den ersten Blick in orthodoxerWeise an der Freiheit Gottes auch zu Wundertaten festhält, sich dabei jedoch in seiner Argumentation aufgeklärten Prämissen annähert. Gegen das Argument Humes, es sei vernünftiger, einen Betrug als die Möglichkeit eines Wunders anzunehmen, behauptet Leß einfach, es sei vernünftig, von Gott Wunder zu erwarten. „Niemand aber kann vernünftiger Weise glauben, daß der Schöpfer an diese Ordnung [seil, der Naturgesetze; A.S.] gebunden sey; und weder Macht noch Freiheit habe, zuweilen durch Seine Dazwischenkunft auch Dinge, welche die Kräfte der Geschöpfe übersteigen, oder Wunderwerke, zu thun"601. Vernunft steht hier gegen Vernunft: eine Konstellation, die auf beiden Seiten, bei beiden Streitparteien zu einer Starrheit und zu monoton wiederkehrenden Argumentationsschemata führt, ohne daß sich die Streitpartner dessen bewußt würden, daß sie von ähnlichen Denkstrukturen ausgehen - eine Konstellation, die aus dem Streit zwischen Lessing und Johann Melchior Goeze sattsam bekannt ist602. Nicht verwunderlich ist es daher, daß sich auf vernünftig-orthodoxer Seite sowohl, z.B. bei Leß, als auch auf wunderkritischer Seite der dogmatische Kontext, in dem die Wunderfrage behandelt wird, eindeutig in dieselbe Richtung hinein verschiebt. Wunder sind nun nicht mehr hindeutende Zeichen auf das hereinbrechende Reich Gottes, das der menschlichen Vernunft offenbarend gegenübertritt. Sondern die aufgeklärten Theologen beider Parteien erheben nun die Lehre von den attributa Dei zum Testfall für die Wunderlehre. Die Frage ist auf beiden Seiten nicht: Inwiefern gewinnt mit den Wundern das Reich Gottes proleptisch hier und jetzt bereits Gestalt, und inwiefern sind sie sinnlich faßbare Kommentare zu der der Vernunft ebenfalls anstößigen Verkündigung des Reiches Gottes? Sondern die Frage nach der Möglichkeit von Wundern wird innerhalb der Gotteslehre loziert: Sind Wunder mit den Eigenschaften Gottes wie Allmacht, Allwissenheit und Ewigkeit vereinbar oder nicht? Gleichzeitig ist bei Leß neben der Rationalisierung der 600 601 602

Ebd., p370f. Ders., Christliche Religions=Theorie, pl90. Vgl. Freund, G„ p217f u.ö.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 425 Wundertheologie auch eine typisch aufgeklärte Moralisierung derselben zu beobachten. Denn im eigentlichen Sinne kann nach Leß nur von solchen übernatürlichen Einwirkungen Gottes die Rede sein, die ihre Zielbestimmung in der moralischen Besserung der Menschen haben. „Doch scheint Seine [seil. Gottes; A.S.] Weisheit diese [seil. Wunderwerke; A.S.] auf unserer Welt, nur bei der moralischen Regierung der Menschen zu gestatten [...] Aberglaube und Schwärmerei ist es folglich, ausser jener Uebernatürlichen moralischen Besserung, irgend einige Wunder zu hoffen [...] Und das um so mehr, da Wunderwerke, Gott bei weitem nicht so verherrlichen, als der gewönliche Lauf der Natur"603. Die orthodoxen Dogmatiker dagegen hatten hier keine Stufenfolge sehen können, sondern haben gelehrt, daß sowohl die Schöpfung, als auch die Vorsehung und Gottes Wunderhandeln innerhalb derselben ein und denselben finis ultimus haben: die gloria Dei. Denn alle Dinge, die geschehen, dienen der Verehrung Gottes604. Immerhin darf jedoch nicht übersehen werden, daß Leß die reformatorische Zuordnung von Glaube und Wunder neu ins Gespräch bringt, wenngleich er den Glauben nicht zum Zentrum seiner Wundertheologie macht. „Jesus schreibt die Wirkung seiner Wunder=Kraft dem Glauben zu. ,Dein Glaube hat dir geholfen! Dir geschehe wie du gegläubet!' war ihm ein sehr gewönlicher Ausspruch bei seinen Wunder Thaten. Matth. 9,22. Marci 10,52. u.a. Matth. 8,13,15,28"605. So gibt es bei Leß zumindest einen schwachen Anknüpfungspunkt für Ewald, der neu bei der fides einsetzt, um dadurch den Wunderstreit seiner rationalistischen Prämissen zu entkleiden. Vergleichbar mit Baumgarten lehrt auch Franz Volkmar Reinhard. Er schließt sich einerseits an das orthodoxe Distinktionsmaterial an, füllt es jedoch aufgeklärt dahingehend, daß er den Wundern nur noch marginale Bedeutung zuteil werden läßt. Zwar unterscheidet Reinhard „providentiam naturalem und gratiosam, seu supernaturalem. Jene ist illa cura divina, quae per cursum naturae ordinarium efficax est. Diese hingegen ist ea cura divina, quae per religionem extraordinario modo revelatam operatur"606. Dennoch ordnet Reinhard wie Baumgarten die revelatio aufgrund der ihr inhärierenden Gesetzmäßigkeit in die Providentia ordinaria ein. Die Offenbarung verdient es also auch bei Reinhard nicht eigentlich, ein Wunder genannt zu werden, da sie den Naturgesetzen zumindest analog weil gesetzmäßig abläuft. Harmonie von 603

Leß, Christliche Religions=Theorie, pl90. Hollaz, Examen, vol. 1,1 p657: „Finis providentiae divinae ultimus est gloria DEI." Gleiches gilt von der Schöpfung, die wie die Vorsehung eine actio totius trinitatis, eine actio trinitatis ad extra, ist (vgl. 1,1 p510). „Finis creationis ultimus est gloria bonitatis, potentiae & sapientiae divinae a creaturis agnoscenda & depraedicanda" (1,1 p524). 605 Leß, Wahrheit, p383. 606 Reinhard, F.V., Vorlesungen, p231. 604

426

Kapitel III

Offenbarung und Vernunft wie auch Zusammenspiel von natürlicher und offenbarender Gesetzmäßigkeit darzustellen, ist Reinhards Grundanliegen. Deswegen gilt, daß „die geoffenbarte Religion durch eine ausserordentliche Veranstaltung Gottes, praeter ordinem naturae, in die Reihe der gewöhnlichen Ursachen eingerückt worden ist"607. Zu würdigen bleibt aber, daß Reinhard zumindest die aufgeklärte Prämisse hinterfragt, derzufolge Wunder nur insoweit möglich sein sollen, als sie sich in den Lauf der Natur einfügen. Zurecht nämlich zweifelt Reinhard - jedoch seinerseits vernünftig argumentierend - an der hier gemachten Voraussetzung, als sei der Mensch überhaupt fähig, alle Naturgesetze und alle verschiedenen Verknüpfungen derselben untereinander zu erkennen. Reinhard macht aufmerksam darauf, daß „wir nun in demjenigen, was durch die Kräfte der Natur möglich oder nicht möglich ist, so äusserst unwissend sind", und daß Gott nach einer der Natur gemäßen Art handeln könne, „die uns nicht begreiflich ist, da wir die Natur so wenig kennen"608. Auch dieses Argument wird bei Ewald wiederkehren, woran sich zeigt, daß er seine Kritik an einer einseitigen Aufklärungstheologie nicht nur rein reformatorisch fundiert, sondern durchaus auch einer Kritik Raum und Geltung verschafft, die innerhalb der die aufgeklärten Prämissen teilenden Theologie selbst laut geworden ist. Andererseits zeugt es wiederum von einer stark rationalistischen Verhaftung des Reinhardschen Supranaturalismus, wenn er in seinem „System der Christlichen Moral"609, das als Kommentar zu Reinhards Dogmatik immer herangezogen werden sollte, die Möglichkeit Gottes, übervernünftig und übernatürlich zu wirken, ihrerseits für vernünftig hält und darin mit Leß einer Meinung ist; Reinhard spricht von einem „vernünftigen Glauben an Wunder"610, der Teil der „Pflicht des vernünftigen Glaubens"611 ist. Die Wundersucht dagegen verstößt gegen diese Pflicht, wobei hierin nach Reinhard eine Sünde zu sehen ist, nicht, weil der Mensch gegen ein Gebot Gottes verstieße, sondern gegen seine eigene Vernunft612. Als einer der schärfsten Wunderkritiker in Deutschland wird der Rationalist Carl Friedrich Bahrdt gelten müssen, der die Wunderkritik derart konsequent betrieb, daß selbst der in dieser Sache nicht zimperliche Heinrich 607

608 Ebd., p232. Ebd., p234. Reinhards ,System der Christlichen Moral' erschien in den Jahren 1788-1815, 5 Bde., wobei die ersten drei Bde. bis zu vier Neuauflagen erfuhren. Anders als Ewald ist Reinhard des öfteren zum Gegenstand des Interesses kirchengeschichtlicher und praktisch-theologischer Erörterungen geworden. Vgl. Schott, C.-E., der das höchst umfangreiche Predigtwerk Reinhards untersucht hat. 610 Reinhard, System, Bd. 2, p234. 611 Ebd., p235. 612 Vgl. ebd., Bd. 1, p433: „Beyde Arten der Wundersucht sind übrigens für die Vernunft entehrend, und schon darum Sünde." 609

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 427 Eberhard Gottlob Paulus sich von ihm distanzierte613, wenngleich in eindeutig apologetischem Interesse. Bahrdt artikulierte seine radikale natürliche Erklärung aller Wundererzählungen der Evangelien in dem anonym erschienenen Werk „Ausführung des Plans und Zweks Jesu. In Briefen an Wahrheit suchende Leser", einem romanhaften ,Leben Jesu' in zwölf Bänden614. Bahrdt hält Wunder grundsätzlich für unmöglich: „Die Geseze der Natur sind ewig und unveränderlich. Wunder heben sie auf. Also sind Wunder unmöglich"615. Im Unterschied zu anderen Wunderkritikern findet bei Bahrdt eine Diskussion überhaupt nicht statt. Vielmehr dekretiert Bahrdt seine Meinung in einer Weise, die nicht anders als dogmatistisch genannt werden kann. Dabei sind die Evangelisten nach Bahrdt keine Betrüger, sondern sie konnten aufgrund ihrer kulturgeschichtlich bedingten Geistesverfassung nicht anders, als auf Wunder schließen. „Ihr sehet wohl, lieben Brüder, daß ich die Evangelisten keinesweges zu Betrügern mache. Sie haben als die redlichsten Männer erzählt, was sie gesehn und aus dem Geschehenen nach ihrer Art geschlossen haben"616. Bahrdt selbst erzählt eine - zugegebenermaßen spannend zu lesende - Geschichte, die in ihrer eigenartigen Komposition und in ihrem Spannungsablauf streckenweise wirklich kunstvoll geschrieben ist: eine Geschichte von Jesus, dem Anführer einer esoterischen Sekte, zu der keiner seiner zwölf Jünger gehörte, sondern nur Haram, Joseph von Arimathia, Nikodemus und Selima. Sie bilden die sog. „Mutterloge"617, den eingeschworenen Kreis, der mit dem Plan Jesu vertraut war und zu dem die Jünger und also auch die späteren Evangelisten keinen Zugang hatten. Den Plan Jesu im Überblick bietet Bahrdt selbst in der Einleitung zum dritten Band seines Werkes. Und immer wieder wird deutlich, daß sich Bahrdt als radikaler, naturalistischdeistischer Aufklärungstheologe in der von ihm vernünftig-fiktional geschaffenen Figur Jesus spiegelt. Jesus nämlich wollte als Aufklärer allen Offenbarungsglauben, der mit Aberglauben gleichbedeutend ist, abschaffen. „Der Zwek Jesu war: das einzige entscheidende Hinderniß der Vervolkommnung der Menschheit und einer fortsteigenden Vermehrung der algemeinen Glükseligkeit, den Aberglauben - welcher auf Glauben an Wunder und Priesterschaft beruhte - zu zerstöhren: alle positive Religion - welche sich auf unmittelbare Offenbarungen stüzte - zu verdrängen: - der Vernunft ihre Rechte wieder zu geben [...] und, durch Vereinigung der Menschen zur Gemeinschaft eines

613

Paulus, H.E.G., Philologisch-kritischer [...] Commentar, Bd. IV/1, p804f. Paulus wendet sich hier gegen die von Bahrdt vertretene Scheintod-Theorie. 614 Vgl. Schweitzer, Α., p38—44. Vor seiner Hinwendung zum radikalen Naturalismus hat Bahrdt eine Übersetzung der Evangelien und der Apg hg.: Die neusten Offenbarungen Gottes in Briefen und Erzählungen verdeutscht. 615 617 Bahrdt, Plan, I, p351. 616 Ebd., X, p205. Ebd., X, pl87.

428

Kapitel III

vernünftigen Glaubens an Gott, Vorsehung und Unsterblichkeit, auch ihre Herzen zu vereinigen"618. Um den Aberglauben und die Bevormundung durch die Priester abzuschaffen, war es - so Bahrdt - notwendig, die Vernunft „an die Stelle der vorgeblichen Offenbahrungen [zu] sezen, und sie allein auf den Richterstuhl der Wahrheit [zu] erheben"619. Jesus war ein bloßer „Weiser", „kein Inspirirter und kein Wunderthäter"620. Jesu Plan gliederte sich in einen „Lehrplan" und in einen „Wirkungsplan"621. Ersterer sah vor, daß zunächst Johannes auftreten und „den Messias verkündigen" sollte als „einen Mann, welcher Aufklärung und moralische Besserung der Menschen"622 brächte. Danach sollte Jesus selbst erscheinen, um die „Vernunftwahrheiten von Gott, dem Vater aller Menschen, und von einer alwaltenden Vorsehung, mit Voraussezung der Lehre von der Unsterblichkeit der Seele"623 zu predigen. Dabei mußte sich Jesus den unaufgeklärten Vorstellungen der damaligen Menschen akkommodieren, nicht so sehr (wie bei Semler) aus pädagogischen Gründen, sondern eher aus politischer Notwendigkeit, um kein Aufsehen zu erregen und um so den Plan desto sicherer zur Durchführung bringen zu können. Daher wollte Jesus Aufklärung verbreiten, „ohne dabei die positive Religion geradezu anzugreifen"624. Der „Wirkungsplan" nun sieht die Gründung einer „Gesellschaft [...] unter dem Namen Gottesreich" vor, in die man durch ein „Gelübd der Wahrheit"625, nämlich durch die Taufe, eintreten können sollte. Jesus selbst wollte sodann seine Verbindungen zum Hohenrat nutzen, um seine Verhaftung und seine (scheinbare) Hinrichtung zu lancieren „durch eine von ihm selbst veranlaßte Verhaftnehmung und Hinrichtung"626. Der ,Tod' Jesu hat nicht etwa den Zweck, die Vergebung der Sünden zu erwerben, sondern lediglich, den Aberglauben an einen irdischen Messias und die Offenbarungsreligion überhaupt ein für alle Mal auszurotten. Wenn Jesus von seiner künftigen Auferstehung redet, bedeutet dies nach Bahrdt nichts anderes, als „in einen neuen Wirkungskreis treten"627, ein „Uebergang in ein neues Leben"628. Es verstehe sich, „daß Auferstehung auch 1 Kor. 15. aus der symbolischen Sprache erklärt werden"629 muß. Und also folgt: „Jesus ist hingerichtet worden: er hat alle Leiden eines Missethäters, alle Quahlen des Todes ausgestanden, aber - er hat sie auch überstanden - er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen - er ist aus der Begräbnißhöhle, in welche er zwar nicht tod, aber dem Tode nahe und äuserst entkräftet - durch die Vorsorge seiner Vertrauten erhalten und verpflegt - am dritten Tage nach der Hinrichtung - als

618 621 624 627

Ebd., III, p480. Ebd., p485. Ebd. Ebd., X, pl92.

619 622 625 628

Ebd., Ebd., Ebd., Ebd.,

p481f. p483. p485. pl86.

620 623 626 629

Ebd., p483. Ebd., p484. Ebd., p486. Ebd.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 429 ein völlig hergestellter wieder aus der Grabhöhle heraus gegangen"630. Fortan hat Jesus - nach seiner ebenfalls fingierten Himmelfahrt - in der Mutterloge gelebt und durch sie die Geschicke der Jünger geleitet, „bis es Gott gefiel, ihn abzurufen"631. Ähnlich vergewaltigt Bahrdt auch die Erzählung von der Himmelfahrt Jesu, indem er sie naturalisiert und rationalisiert: Tatsächlich nämlich sei Jesus nur in tiefhängenden Wolken verschwunden, als er den Ölberg hinaufging, um von dieser Zeit an den Mitgliedern der esoterischen Loge Anweisungen zu geben, wie sie die aufgeklärte Religion weiter zu befördern hätten. „Jesus geht den Berg hinan - wendet sich noch einigemal um und ruft ihnen zurück: Gott segne euch! ! - Die Jünger sehen ihm nach [...] Er gehet immer tiefer in die Wolke hinein, welche den Berg bedeckte. Endlich entzieht die Wolke seinen Anblick gänzlich. Darum heißts, er ward aufgehoben zusehends (es sähe nicht anders [aus], als wenn er in die Wolken hinauf stiege und sich in den Himmel erhübe), eine Wolke nahm ihn weg von ihren Augen"632. Interessant nun ist, daß Ewald in seiner zweiten Bibelgeschichte, die als Lesebuch für gebildete Stände konzipiert war, polemisch ablehnend genau auf diese natürliche Erklärung der Himmelfahrt durch Bahrdt Bezug nimmt: „,Friede sey mit Euch!' sprach Er feyerlich, legt' ihnen die Hände auf, und segnete sie. Kaum hatt' Er den Segen ausgesprochen, als Er - nicht in den Wolken verschwand, sondern sichtbar aufgehoben, und ihren Augen entrückt wurde"633. Ewald erzählt in der Nacherzählung der Himmelfahrt vom Christus praesens, dessen Gegenwart bis zum Ende der Welt kontrafaktisch in seinem sichtbaren Abschied zu erkennen ist. „Noch schwankt ihre [seil, der Jünger; A.S.] Mine, zwischen Neugierde, Trennungsschmerz und Freude des Wiedersehens! - Ja, Wiedersehens! Jesus hatte ihnen nicht blos gesagt, Er werde bey ihnen seyn, alle Tage, bis an's Ende der Zeiten [...] sondern es wurd' ihnen auch hier bestätigt. Als sie nemlich, immer so hinaufsahen, nach dem Himmel, wo Jesus ihren Blicken geschwunden war, traten zwey Männer mit glänzen630

Ebd. X, pl87. Daß Jesus nicht wirklich gestorben ist, sondern alle Strapazen durchgestanden hat, hat er besonders der Vorbereitung auf die Kreuzigung und der Pflege nach derselben durch seine Freunde zu verdanken: „Ich denke mir also z.B. einen Lukas, Haram, Joseph von Arimathia, Nikodem u.s.w. als die verborgnen Triebfedern seiner Geschichte. Ich denke mirs, wie er mit Zuziehung dieser Freunde, seinen Körper durch stärkende Mittel vorbereitet, um die entsezlichen Mishandlungen, Umherschleppungen, Prügel, und endlich die Kreuzigung selbst aushalten zu können [...] Ich denke mir, wie Nikodem indes in der Grabhöhle, wo Jesus, wenn seine Rettung nicht verrathen werden sollte, beigesezt werden muste, alles im voraus veranstaltete, was zur Pflege und Herstellung des so übel zugerichteten Körpers Jesu erfodert wurde" (ebd., X, p206f). Vgl. zum Thema: Heymel, M. 631 632 Bahrdt, Plan, X, pl88. Ebd., XI, p42f. 633 Ewald, Biblische Erzählungen (Bibl. Nr. 339), Bd. 2, p366.

430

Kapitel III

dem Gewand zu ihnen [...] ,Er wird wieder kommen, wie Ihr Ihn gesehen habt, gen Himmel fahren'"634. So wird die Engelerscheinung zur Prolepse der Parusie. Und über diese Tröstung der Jünger durch die Engel, die sie Gott loben und preisen ließ, sagt Ewald noch einmal sich gegen Bahrdt wendend: „Schwerlich wären sie in diese Stimmung gekommen, wenn Jesus in einer Wolke verschwunden wäre, und wenn sie keine Engel gesprochen hätten"635. Es fällt auf, daß Ewald diese Kritik an der Wunderkritik erst in seiner zweiten Bibelnacherzählung sehr häufig äußert, nicht so stark jedoch in seiner ersten aus Detmolder Zeit636. Dennoch hat sich Ewald immer wieder, auch in seinen früheren Schaffensphasen, mit der Wunderkritik auseinandergesetzt. Dabei steht Ewald der natürlichen Wundererklärung keineswegs grundsätzlich feindlich gegenüber, sondern er rezipiert sie, so weit er meint, sie dazu benutzen zu können, um ein Abgleiten in eine fundamentalistische und biblizistische Wundersucht zu verhindern. An den entscheidenden Punkten jedoch, wo die Wunderkritik die zentralen Inhalte der Christologie, Soteriologie und Eschatologie aus rationalistischer Selbstgenügsamkeit heraus zu destruieren droht, begegnet Ewald derselben mit scharfer Kritik. So vermag Ewald in seiner Nacherzählung von lKön 13,1-10, in der Geschichte von Jerobeams verdorrter Hand und von deren Heilung, kein Wunder zu erkennen. „Der Altar war in der Geschwindigkeit aufgebaut, und da nun zum Erstenmal, darauf geopfert werden sollte, stürzt' er - von ohngefehr ein. Durch das heftige Ausstrecken des Arms, hatte sich in Jerobeam, etwas verrenkt; er war einen Augenblick steif. So etwas vergeht indeß schnell. Das wüßt' auch wohl der Prophet. Da nun Jerobeam seinen steifen Arm, als eine Strafe ansah, war dieß dem Propheten genug. Er sagte also, der Arm werde wieder beweglich werden, und es geschah, - was ohnehin geschehen wäre"637. Höchstwahrscheinlich hat Ewald hier das von Bernhard Gottlob Schreger verfaßte, aber anonym herausgegebene Buch ,Medizinisch=hermenevtische Untersuchung derer in der Bibel vorkommenden Krankengeschichten' benutzt und es in seine Bibelgeschichte eingearbeitet. Auch Schreger nennt einen vorübergehenden Starrkrampf als Ursache für die Unbeweglichkeit von Jerobeams Hand. „Jene Starrkrämpfe sind, der Erfahrung zufolge, von langer Dauer, wenn sie eine bleibende, im Körper oder Seele fortwirkende Ursache erregt hat, aber von kurzer, wenn ihre Ursache vorübergehend ist, daß sie leicht in einen entgegengesetzten Zustand übergehen kann"638. Jerobeam sei über den Krampf erschrocken, wobei die Umwandlung des Affektes des Zorns in den der Furcht eine Erschlaffung und somit die Lösung des Starrkrampfes her634 636 637 638

635 Ebd., p366f. Ebd., p368. Ewald, Lesebuch für die Landschulen (Bibl. Nr. 38). Ewald, Biblische Erzählungen, Bd. 1, p333. Schreger, B.G., pl44.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 431 beigeführt habe639. Dennoch hat Ewald diese rationalistische Erklärung nur am Rande einfließen lassen, während Schreger sie zum einzigen Interesse der Geschichte erhebt. Dies vielmehr bleibt bei Ewald durchaus dem Text lKön 13 gemäß die Erzählung vom Zorn Gottes über den Götzenkult, den Gott, wenn auch auf natürliche Weise, nicht ungestraft läßt. Was die Nacherzählung der Sintflutgeschichte durch Ewald angeht, läßt sich etwas ähnliches beobachten, wobei sich gleichzeitig erheben läßt, daß sich Ewald hier in ein Gespräch mit dem Exegeten Michaelis begibt. „Die See trat aus ihren Ufern, und überschwemmte das trockene Land. Vermuthlieh wurde durch Vulkane unter der See der Meerboden gehoben, und das Meer auf das feste Land gedrängt"640. Ganz ähnlich nimmt auch Michaelis in seinem damals weit verbreiteten Werk „deutsche Uebersetzung des Alten Testaments, mit Anmerkungen für Ungelehrte" eine natürliche Ursache der Sintflut an, deren sich Gott bedient habe. Michaelis spricht von ,,große[n] Höhlen und unterirdische [n] Seen"641, in die das Wasser der Meere langsam und deswegen unbemerkt absickere, bis die Hohlräume angefüllt seien. Durch eine unterirdische Erhitzung sei es denkbar, daß sich die Wassermassen den Gesetzen der Schwerkraft zum Trotz auf die Erde ergießen. „Gewisse Gattungen von dichten Körpern, setzen das Wasser in die allergrößte Hitze, und Kochen, wenn sie sich mit ihm vermischen: wird es erhitzt, und kochet es, so lehrt uns ohne tiefe Naturkunde die Erfahrung, die wir bey jedem kochenden Theekessel machen können, daß es mehr Raum einnehme, als vorhin, in die Höhe steige, und überlaufe"642. In der Nacherzählung der Geschichte vom Untergang Sodoms schließt sich Ewald ebenfalls an die natürliche Erklärungsweise Michaelis' an. Nicht Feuer und Schwefel seien vom Himmel gefallen, sondern: „Und gerad' in dem nemlichen Augenblicke schlugen Blitze an mehreren Orten in die Erde. Es war nur eine dünne Erdrinde, und unter ihr ein See voll Harz und Schwefel. Durch die Blitze wurde dieser See entzündet, und nun brannte die ganze Erde [...] alle Bewohner des Thals kamen um, auch Lots Frau"643. Ähnlich Michaelis: „Allein Sodom stand [...] auf einem unterirdischen Meer, in welches sich der Jordan, der sonst keinen Ausfluß hat, verlor: dis Meer läßt noch jetzt beständig Erdpech in die Höhe steigen [...] Dis Erdpech ist im hohen Grad brennbar, und fängt leicht Feuer, wenn es noch frisch ist [...] Ward nun durch die häufig einschlagenden, oder, wie Moses sagt, regnenden Blitze, und durch den Brand der Städte, diese Lage von Pech, angezündet, so mußte der ganze 639 640 641 642 643

Vgl. ebd., pl45. Ewald, Biblische Erzählungen, Bd. 1, p39. Michaelis, Anmerkungen, Bd. 2, p41. Ebd., p42. Ewald, Biblische Erzählungen, Bd. 1, p67f.

432

Kapitel III

Boden des Landes in Brand gerathen"644. Einig sind sich beide auch darin, daß Lots Weib nicht wunderbar zur Salzsäule erstarrte, sondern von eben diesem aufsteigenden Erdpech überzogen worden sei645. Obendrein - so Michaelis, aber auch der anonyme Vf. des Buches Ausführliche Erklärung der sämmtlichen Wundergeschichten des alten Testaments aus natürlichen Ursachen' - ist der Grund dafür, daß Lots Weib mit Erdpech überzogen worden ist, nicht ihr Umschauen, sondern die Tatsache, daß sie in die Stadt umgekehrt war646. In der .Ausführlichen Erklärung' wird auch das Tränkungswunder Ex 17 rational erklärt. Mose kannte die Gegend und wußte, daß hier eine, wenn auch vertrocknete Quelle sein müsse. „Er ließ daher nachgraben und einer verborgenen Quelle Luft machen. Da war wieder Wasser in Menge vorhanden. Um die glückliche Entdeckung bekannt zu machen, gab er dem Volk mit seinem Schlangenstab ein Zeichen"647. Mose wußte nämlich aus der Lage der Witterung, daß es in einiger Entfernung schon geregnet haben müsse und das Wiederaufbrechen der Quelle zu erwarten sei648. Dieser Erklärung nun möchte sich Ewald nicht mehr anschließen, da für ihn die hauptsächliche Frage nicht ist, wie Gott den Israeliten in der Wüste Wasser verschafft hat, auf natürliche oder übernatürliche Weise. Sondern das ist ihm vielmehr das eigentliche Wunder, daß Gott die Israeliten versorgt im Lande, da nichts wächst. „Mochte vorher eine Quelle hier und jetzt nur verstopft gewesen seyn, oder mochte jetzt zum Erstenmal Wasser aus dem Felsen fließen; immer war es höchst auffallend, daß auf ein Wort von Moses, gerade in dem Augenblick, da es das Volk so sehr bedurfte, und da er es wollte, eine solche Menge trinkbaren Wassers sich ergoß. Offenbar sollte den Israeliten gezeigt werden, daß Gott sie tränke, so wie Er sie speisete, und sie aus Egypten geführt hatte, daß sie ihrem Jehovah Alles zu danken hätten, was ihnen Gutes ward"649. In diesem Sinne löst Ewald die rationalistische Einseitigkeit der rein natürlichen Wundererklärung auf und versucht, den Wunderbegriff dahingehend neu zu fassen, daß er 644

Michaelis, Anmerkungen, Bd. 2, p95. Ewald, a.a.O., p68. 646 Es wird einfach so getan, als stünde in Gen 19,26 statt un: aittr da. „Lots Weib, die sich unterwegs verweilt hatte, oder auf dem Rückweg nach Sodom wieder war, um noch etwas zu retten, kam in den schrecklichen Naturauftritt" (Anonym, Ausführliche Erklärung, I, pl22). Michaelis, a.a.O. kommentiert Gen 19,26 so: „Auch dis ist vermuthlich nicht von einem bloßen Zurückwenden der Augen, sondern von einem Zurückgehen, um noch etwas zu retten, zu verstehen" (p96). Schon an diesem Beispiel zeigt sich, wie gewaltsam die sonst auf höchste philologische Genauigkeit ausgerichtete historische Kritik mit den Texten zuweilen umgeht, um sie rationalistisch verträglich zu machen. 647 Anonym, Ausführliche Erklärung, I, p206. 648 Ebd.: „Wie er die Ankunft des Wassers nahe glaubte, gab er mit seinem Wunderstab das Signal zur Errettung aus der Wassernoth." 649 Ewald, Biblische Erzählungen, Bd. 1, pl61. 645

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 433 die Wunder jeweils als zeichenhafte Erscheinungen begreift, die auf außerordentliche göttliche Taten Gottes innerhalb seines heilsgeschichtlichen Handelns hindeuten und auf dieselben aufmerksam machen. Das Prinzip der Sparsamkeit der Wunder wird von Ewald auf die heilsgeschichtliche Theologie angewandt, so daß Wundertaten Gottes nun als Merkzeichen für besondere Höhe- und Wendepunkte der Geschichte Gottes mit den Menschen angesehen werden können. „Gott führt alles durch natürliche Mittel aus wenn Er nicht einen höhern Zweck hat"650. In dieser Hinsicht differenziert Ewald zwischen eher beiläufigen Wundern, die sich allerdings auch natürlich erklären lassen, einerseits, und den wirklichen Wundern, die an den entscheidenden Wende- und Einschnittpunkten der Geschichte Gottes mit den Menschen geschehen. Und deswegen kann Ewald die Ergebnisse der Wunderkritik teilweise übernehmen, ohne aber die Prämisse etwa der .Ausführlichen Erklärung' zu teilen, die grundsätzlich derjenigen von Bahrdt gleicht: „Die Gesetze der Natur sind ewig und unveränderlich [...] Wunder heben sie auf. Also sind Wunder unmöglich"651, weswegen Gott „nicht anders als durch die Natur wirken"652 könne. Hinzu kommt, daß Ewald die von ihm anerkannte eingeschränkte Berechtigung der Wunderkritik dort an ihre nicht überschreitbare Grenze stoßen sieht, wo atl. Begebenheiten zum Gegenstand einer rationalistischen Kritik werden, die in einer typologischen Beziehung zu zentralen Inhalten und Aussagen des NT stehen. Die Ausführliche Erklärung' etwa stellt i.b. auf die Geschichte von der Auferweckung des Sohnes der Witwe durch Elia (lKön 17,17-24) lapidar fest: „So wird es deutlich, daß wir hier nur einen Scheintodten vor uns haben"653. Seine Wiederbelebung habe durch die Übertragung von Körperwärme und die gleichzeitige Einwirkung von Sonnenwärme stattgefunden654. Schreger macht sich ähnliche, vom Magnetismus655 derivierte Erklärungen dienstbar: „Es entstand also hierdurch die nämliche Wirkung, die wir noch jezt und oft mit Erfolg abzwecken, indem wir scheinbar Todte wechselweis auf die Brust und den Unterleib drücken, um [...] den Umlauf des Blutes durch die Lungen, und den ganzen Körper und das Athemholen zu erregen suchen"656. Auch der von Elisa auferweckte Knabe sei nicht wirklich tot gewesen, sondern habe lediglich unter einem Sonnenstich gelitten, wobei die von Elisa 650

651 Ebd., pl86. Anonym, Ausführliche Erklärung, II, p6. 653 Ebd., p8. Ebd., pl62. 654 Ebd., pl64f. 655 Vgl. Art. Magnetismus (thierischer), in: Allgemeine deutsche Real=Encyklopädie für die gebildeten Stände. Bd. 7, Leipzig 7 1839, p35-37. Besonders Anton Mesmer hat sich in der magnetistischen Wunderheilung versucht. 656 Schreger, ρ 170. 652

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Kapitel III

angewandte Heilungsprozedur dieselbe wie die des Elia gewesen sein soll657. Daß Ewald sich mit diesen Theorien über die Wiederbelebung der beiden Knaben auseinandersetzt, zeigt sich besonders anhand seiner Nacherzählung von 2Kön 4,19-37. „Der Prophet verschließt sich auf dem Zimmer und betet, hier, in Gegenwart der Wittwe. Nach dem Gebet, legt er sich über den Knaben hin, Mund auf Mund, Aug' auf Auge, Hand auf Hand. Jetzt ist der Körper des Knaben erwärmt, aber noch nicht wieder lebend. Elisa läßt den Körper, ein[e] Zeit lang liegen, geht in der Stube herum, und betet wieder. - Man sieht wohl, worauf er sein Vertrauen setzt. Er hätte mit Erwärmung, unermüdet fortgefahren, wenn er davon hauptsächlich etwas erwartet hatte [!]"658. Nicht die Heilprozedur allein, sondern Elisas Gebet um die allmächtige Hilfe Gottes ist es gewesen, die dem Knaben neues Leben verschafft hat und ihn in das Leben hat zurückkehren lassen. „Wir sehen, es ist von Gebet, und nicht etwa, von Magnetismus die Rede"659. An diesem Punkte spätestens mußte Ewald sich von der Wunderkritik trennen, da ihm die Auferweckungsgeschichten in den Königebüchern der Sache nach nicht nur Zeugnis dessen sind, daß Gott allein Herr über Tod und Leben ist, sondern auch, weil diese Geschichten vorausverweisen auf die Auferstehungsgeschichten von Lazarus, des Jünglings zu Nain und Jesu selbst. Insofern erbt Ewald die alte Methode der typologischen Auslegung, in der und durch die sich die atl. und ntl. Texte gegenseitig stützen und einander verstärken. Die typologische Auslegung benutzt Ewald als innerbiblisches, hermeneutisches Korrektiv zur Wunderkritik. Das zeigt sich u.a. auch in der Geschichte von den drei Männern bei Abraham im Hain von Mamre (Gen 18). Die .Ausführliche Erklärung' löst alle interpretatorischen Fragen einfach mit der allenorten anwendbaren Betrugstheorie auf. „Jene drei Männer, worunter der eine einen besondern heiligen Schein heuchelt, waren nichts weiter als drei Betrüger"660. Daß Gott selbst auf die Erde herabgekommen sein soll, ist nicht denkbar, sondern eine bloße Einbildung Abrahams, Produkt also seiner Leichtgläubigkeit661. Ewald dagegen bietet in seiner Nacherzählung die klassische typologische Auslegung in trinitäts-theologi657

Vgl. ebd., pl73f. Es steht fest, „daß Elisa durch physische Wege dem Knaben Hülfe verschafte" (pl74). Auch der Jüngling zu Nain war lediglich scheintot und gelangte durch „die lauten Klagen der neben dem Sarge hergehenden Mutter" und durch den „Zuruf Jesu, verbunden und unterstützt von der zugleich erfolgenden, durch das Gedränge des Volks verursachten körperlichen Erschütterung" (pl89) wieder zu Bewußtsein. 658 Ewald, Biblische Erzählungen, Bd. 1, p368. 659 Ebd., p369. 660 Anonym, Ausführliche Erklärung, I, ρ 105. 661 Vgl. ebd., pl07: „Weil dieser Fremdling mit so vieler Divination sprach, so erwünschte Versicherungen that und dabei eine so heilige, bedeutende Mine und Sprache annahm: so schien er Abraham eine Gottheit zu seyn, die sich in eine menschliche Gestalt gehüllt habe."

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 435 scher Hinsicht, indem er in dem „vornehmere[n] Gast - ja; die Geschichte nennt ihn immer Jehovah"662 den in Joh 1,Iff verkündigten präexistenten Logos bereits wirken sieht. „Es scheint, der, der dem Abraham und überhaupt in den Zeiten des alten Bundes erschien, war immer der, der später als Mensch auftrat, den darum auch Johannes das Wort, den Logos, oder das Werkzeug nannte, durch das der Vater immer gewirkt habe"663. Den Verfechtern der Scheintodtheorie wirft Ewald vor, daß sie bis zur eigentlichen, radikalen Tiefe des Problems überhaupt nicht vorzudringen in der Lage seien. Denn sie haben nicht begriffen, daß vor Christus als wahrem Gott der Tod nicht nur ein Scheintod ist, daß vielmehr der Tod dergestalt seine Macht verliert, daß er nichts anderes mehr ist als ein bloßer Schlaf. In dieser Weise interpretiert Ewald die Geschichte von Jairi Töchterlein (Mk 5,22ff) von der Lazarus-Geschichte her (Joh 11), indem er sie intertextuell liest und dann zu der von der Einsicht ,der Tod ist mein Schlaf worden' geleiteten narratio gelangt: „Aber schlief denn wirklich das Mädchen nur? Und sagte Jesus mit so viel Ernst zu dem Vater, er solle nur glauben, so werde seine Tochter gerettet werden, - vom Schlaf? Auch von Lazarus sagte Er: ,Er schläft;' und doch wußte Er, daß Lazarus wirklich gestorben sei [...] Schlaf, Scheintod war Ihm kein Tod; aber Tod war Ihm Schlaf. Und das war Wahrheit. Ihm war's ja so leicht, Jemand vom Tod zu erwecken, als ihn zu wecken aus dem Schlaf. Ihm war wirklich der Tod nur ein Schlaf, und konnte Ihm nichts Anderes seyn"664. Nicht hierin wird nach Ewald der Ernst der Sache erfaßt, daß man gegen die biblischen Texte behauptet, dort sei eigentlich nur von Scheintod die Rede. Sondern erst dort ist die Tragweite des Evangeliums wirklich erfaßt, wo an der Paradoxie festgehalten wird, daß der Tod, wo Jesus auftritt, nur noch ein Schlaf ist. Der Tod darf also nicht als Scheintod rationalistisch erträglich gemacht werden, sondern der Tod muß in seiner Bezeichnung als Schlaf biblisch anstößig bleiben. Deswegen gelingt es Ewald, die gleichnishafte, zeichenhafte Bedeutung der Wunder im klassischen Sinne wiederzugewinnen und damit ihren Verweisungscharakter. Die Wunder in ihrer Anstößigkeit weisen auf das eigentlich Anstößige hin: auf das Skandalon, das darin besteht, daß Gott der Welt gegenübertritt, in sie hineintritt als einer, der nicht in ihr aufgeht. Die äußerlichen Wunderheilungen sind nach Ewald im Sinne dieses den Wundern eignenden Verweisungscharakters bildlich-sinnliche Kommentare zu der Heilung des inneren Menschen durch das Kreuzesgeschehen. Der Sache nach betrachtet Ewald die Wunder als verba visibilia, als bildliche Bestätigungen der heilsstiftenden Verkündigung Jesu. „Diese äussern Heilungen waren und

662 663

Ewald, Biblische Erzählungen, Bd. 1, p61. 664 Ebd. Ebd., Bd. 2, pl41f.

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sollen Sachbild seyn, daß Er auch innerlich Blinde sehend, innerlich Taube hörend machen, innerlich Aussätzige reinigen, innerlich Todte beleben könne. Die [...] Hülfe, die nicht in die Augen fallen konnte; das, was Er an den Blinden, Lahmen, Aussätzigen that, [war] Sakrament von dem, was Er an Zachäus, an Maria Magdalena, an Nathanael, an Nikodemus, und wer weiß, noch an wie Vielen gethan hatte, und was durch seinen Geist am Pfingsttag geschah"665. Nicht zufällig führt Ewald hier die Sakramentslehre an, derzufolge die Sakramente als verba visibilia notwendige Korrelate des sacramentum audibile, der Predigt, sind. So ist die Sakramentslehre für Ewald eine Brücke zu einer biblischen Wundertheologie, die sich einer reformatorischen Glaubenslehre erneut öffnen kann, nachdem sie durch die kritische Rezeption der aufgeklärten Wunderkritik bereits hindurchgegangen ist. Ewalds Wundertheologie öffnet sich auch erneut der Christologie und der Lehre von den status Christi. Denn die Wunder in den ntl. Erzählungen deuten nicht nur auf die Erhabenheit und Majestät Jesu hin, sondern v.a. auch auf seine Erniedrigung: so etwa das Wunder, daß ein Engel vom Himmel kam, um Jesus, den Erhabenen, in seiner Erniedrigung zu stärken (Lk 22,43). „Jesus im Umgang mit Engeln, mit Bewohnern der unsichtbaren Welt! So wunderbar es uns von der unsichtbaren Welt jetzt Geschiedenen, so unglaublich es den Wunderscheuen vorkommen mag; was könnt' im Grund natürlicher seyn? Sind ,Engel ausgesandt zum Dienst derer, die die Seligkeit ererben sollen;' [seil. Hebr 1,14; A.S.] wie vielmehr zum Dienst dessen, durch den Seligkeit über die Menschen kommen sollte! Es scheint ein Zeichen von Erhabenheit zu seyn, was hier so kurz erzählt wird; und doch war's ein Zeichen von Erniedrigung, daß Er von Engeln etwas empfieng, da Er Engeln und Erzengeln geben konnte; daß Er späterhin von einem Engel gestärkt wurde, da Er stärker als alle Engel und Erzengel war. Nur darin wurd' Er nach seinem Rang behandelt, daß Engel Ihm dienten, da Ihn ,alle Engel Gottes anbeten' sollten [seil. Hebr 1,6; A.S.]"666. So bereichert Ewald den Streit um das Wunder um einen neuen Aspekt: Während die meisten Theologen der Aufklärung hauptsächlich danach fragen, ob sich die Annahme von Wundern mit der Allmacht Gottes vertragen könne, und diese Frage entweder positiv oder negativ beantworten, hebt Ewald sie auf eine neue Ebene, indem er die Wunderfrage im Kontext der Christologie und Angelologie behandelt. Und so wird Ewald in den Stand gesetzt, zu erkennen, daß die wunderbare Erscheinung der Engel nach der Versuchung Jesu durch den Satan und in seiner tiefsten Anfechtung am Ölberg (Mt 4,11; Lk 22,43) Gottes exinanitio und Ohnmacht thematisieren. Ewald entdeckt also, daß die Wundertheologie gerade innerhalb des zweiten Artikels auf dem Prüfstand steht und hier zur Bewahrheitung kommen muß.

665

Ebd., pl26.

666

Ebd., p78f.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 437 Die Wunder weisen also über sich selbst hinaus, indem sie im Sinne eines sacramentum audibile wirksam werden und darüber hinaus auf die Inhalte der Christologie verweisen. Hinzu kommt jedoch noch ein weiterer Verweisungscharakter: nämlich derjenige der Wunder Neuen und Alten Testaments aufeinander. Denn indem Ewald von der wunderbaren Versorgung Jesu in der Wüste erzählt, quillt ihm der Mund über von dem, des sein Herz voll ist; und er bildet eine renarratio der atl. Wundergeschichten, die vergleichbare Situationen beinhalten und somit zum typologischen Spiegel der Versuchungsgeschichte Jesu werden können. So imponieren sich Ewald die Wunder als Strukturprinzipien der biblischen Erzählungen insgemein, als prägende Elemente der biblischen Zeit überhaupt. „Getränk brachten sie [seil, die Engel; A.S.] Jesus. Und woher nahmen sie es? Woher kam das Mannah und die Wachteln in der Wüste? Woher die Speise bei Elias? Woher erhält' er Nahrung, der Baum, der aus einer dürren Mauer, aus der Ritze eines Felsen hervorwächst? Woher der Vogel im Winter, wenn Alles mit Schnee und Eis bedeckt ist? Gottes Vorrathskammer ist unerschöpflich,,Gottes Brünnlein hat Wassers die Fülle.' [seil. Ps 65,10; A.S.] Auch in der Wüste weiß Er Tausende zu erhalten. Auch aus dem trockensten Felsen Wasser hervorfließen zu lassen. Vor Gott ist kein Ding unmöglich, und Engel sind seine Diener; sie richten aus seinen Befehl"667. Aufgrund der Nacherzählung des Wunders der Versorgung Jesu durch die Engel beginnt Ewald eine kontextuelle Lektüre des AT und NT und nimmt eine commemoratio in Angriff, die die zentralen biblischen Geschichten zum Gegenstand hat, die von einer wunderbaren Erhaltung und Versorgung sprechen. Ewald erinnert an Ex 16, die Speisung Israels mit Mannah und Wachteln, an die Wüstenwanderung Elias, auf der er von einem Engel versorgt wurde (lKön 19,5ff), und an die Tränkung des Volkes Israel in Raphidim (Ex 17): „Auch in der Wüste weiß Er Tausende zu erhalten. Auch aus dem trockensten Felsen Wasser hervorfließen zu lassen"668. Illustriert wird das Ganze durch ein Zitat aus Ps 65,10 und durch ein Naturbild, das zeigt, daß Gott auch den Naturgesetzen gemäß die Schöpfung erhalten kann, so wie er dies wunderbar tun kann. Und auch deswegen ist an den Wundererzählungen nach Ewald festzuhalten: Weil sie es nicht nur hörbar, sondern auch sichtbar werden lassen, daß Gott vornehmlich um der Menschen willen in die Welt gekommen ist. Denn das ,pro nobis' reformatorischer Theologie steht und fällt nicht zuletzt mit der Wunderfrage, denn: „Getränk brachten sie Jesus ! Und warum verschaffte Er sich das nicht selbst? Der, der mit so wenigen Broden mehrere tausend Menschen speisete, konnte Er sich jetzt nicht Nahrung verschaffen? War er jetzt noch nicht so mächtig, wie Er es nach einem Jahr ward? Nein; das Alles

667

Ebd., p79f.

668

Ebd., p79.

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nicht. Er wollte nie ein Wunder thun für sich, sondern immer nur für Andere. , War Er ja nicht gekommen, sich dienen zu lassen, ' oder zu dienen durch seine Wunderkraft,, sondern selbst zu dienen, und selbst das Leben aufzuopfern für Viele!' [seil. Mt 20,28; A.S.]"669. Die Wunder bilden also bei Ewald eine weissagende Kommentarebene zur biblischen Versöhnungslehre. Schon die Wunder, die Jesus immer nur für andere tut, nie aber für sich selbst oder in eigenem Interesse, lassen vorausblicken auf Jesu freiwillige Aufopferung am Kreuz. In vielerlei Hinsicht also erhebt Ewald die Wunderfrage zu höherer Bedeutung dogmatischer und biblischer Provenienz, indem er sie in die ihr zuwachsenden Kontexte hineinstellt. Damit gibt Ewald zu erkennen, daß er an einem solchen Streit über die Möglichkeit oder Unmöglichkeit von Wundern nicht teilnehmen will, der meint, man könne die Wunderfrage losgelöst und abgetrennt von den christologischen, soteriologischen und hermeneutischen Fragen aus Prämissen der Vernunft beantworten. Darum hält Ewald an der Einheit und Zusammengehörigkeit von Jesu Verkündigung, seiner Didaskalia, und seinen (Wunder-)Taten fest. Beides nämlich setzt einander voraus und beleuchtet sich wechselseitig. „Noch etwas Eigenthümliches der Thaten Jesus war die genaue Verbindung, in der sie mit seinen Lehren stand. Mit Recht war voraus gesagt: ,Er sey gesandt, Blinden das Gesicht zu geben, und Armen das Evangelium zu verkündigen;' [seil. Mt 11,5; A.S.] mit Recht werden Lehren und Thaten in einander gemischt. So wars auch wirklich bei Jesus. Er half, indem Er lehrte; Er lehrte, indem Er half. Ohne seine Lehren kann man seine Thaten nicht recht verstehen, und ohne seine Thaten ist seine Lehre nicht einleuchtend. Eins erklärte, bestimmte, bestätigte das Andere"670. Dieser Ansatz unterscheidet Ewald nicht nur von den rationalistischen Wunderkritikern, sondern auch etwa von den orthodoxistisch-rationalistischen Verteidigern der Wunder wie Gottfried Leß oder Gottlob Christian Storr671, die zwar die Freiheit Gottes zur Durchbrechung der Naturgesetze 669

Ebd., p80. Ewald, Ueber Weißagung (Bibl. Nr. 69), pl08f. 671 Vgl. Storr, G. Chr., Hat Jesus seine Wunder für einen Beweis seiner göttlichen Sendung erklärt? Storr verteidigt die Wunder rational, indem er sagt: „Es ist also vernünftig, die Wunder Jesu und seiner Freunde als eine absichtliche, aber von ihrer eigenen Willkühr unabhängige, Bestätigung der von ihnen behaupteten göttlichen Sendung und Würde Jesu anzusehen" (pl85f). Für Storr sind die Wundertaten unbedingt nötige Bestandteile der Beweisführung, die Jesu Messianität glaubhaft machen sollte. Die Lehren Jesu vollenden erst den Beweis, der auf den Wundertaten aufruht. „Die im Evangelium enthaltenen Lehrbehauptungen Jesu, daß er ein göttlicher Gesandter, und zwar der Messias sey, und daß diese wundervolle innere Verbindung, worin er mit Gott zu stehen behaupte, durch seine äusseren Wunderwerke bekräftigt werde, vollenden ja erst den, auf seine Wunderthaten gegründeten, Beweis für seine göttliche Sendung und Messiaswürde" (p228). 670

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 439 behaupten, nicht aber die hermeneutische gegenseitige kommentarhafte Beziehung zwischen Verkündigung und Wunder sehen. Anders als Leß und Storr gelingt es Ewald zudem, von seinem reformatorischen Ansatz aus die fides erneut zum Deuteprinzip dessen zu machen, was in biblischer Hinsicht über die Wunder zu sagen ist. Denn der Glaube ist nach Ewald die eigentliche Wundermacht, weil erst der Glaube das Wunder ergreift und sich zueigen macht. Hierin besteht das wahre Wunder des Glaubens, von dem aus erst alle Wunder Jesu begreifbar werden. „Wer Hülfe wolte, mußte nicht gerad' aus Galiläa, aus Judäa; nicht etwa unschuldig an seinem Elend, kein besonders guter frommer Mensch seyn. Er solte nur Glauben, Zutrauen fassen, was man warlich, nach all den Thaten und dem ganzen Wesen Jesus so leicht fassen konnte. Fast bei jeder That, fragte Jesus entweder vorher: , Glaubst du auch, daß ich dir helfen könne?' oder er sagte hernach: ,Dein Glaube hat dir geholfen ! dein Glaube ist gros ! ' "672. Als Exempel-Geschichte führt Ewald die Erzählung von der Witwe zu Sarepta und die von der Heilung des Naeman (lKön 17; 2Kön 5) durch Elisa an673, um dann die Geschichte vom kanaanäischen Weib vor Augen zu malen: „Zwar sagt Er zu jener heidnischen Frau: ,Er sey nur gesandt zu den unglüklichen Juden,' und das war sein voller Ernst. Es sollt' erst in diesem engeren Kreise gewirkt werden, wie immer gewirkt wird, wenn etwas zu Stande kommen soll. Aber ihr Glaube überwand Alles; ihrem Glauben konnte Niemand widerstehen. Selbst Jesus könnt' es und wolt' es nicht!"674. Die fides bringt Ewald neu zur Geltung und sagt, daß die Frage nicht nur lauten kann, ob Gott fähig und frei sei, die einmal festgesetzten Naturgesetze zu durchbrechen. Sondern das Unerhörte der biblischen Wundertheologie besteht darin, daß der Mensch durch den Glauben fähig wird, weit mehr zu durchbrechen als den Gang der Natur allein: „Aber ihr Glaube überwand Alles; ihrem Glauben konnte Niemand widerstehen"675. Ewald transponiert die Wunderlehre also in eine Glaubenslehre hinein. Und dabei ist es nun nicht der unangefochtene, starke und vermeintlich zum Besitz und zur Auszeichnung des Menschen gewordene Glaube, dem diese Wunderkraft innewohnt. Vielmehr ist Gottes Macht in den Schwachen mächtig (2Kor 12,9); und deswegen partizipiert gerade der schwachgewordene Glaube an der Allmacht Gottes. In seinem Erbauungsbuch über die Gleichnisse Jesu „Der Blick Jesus auf Natur, Menschheit und sich selbst"676 entläßt Ewald das eschatologische Bekenntnis aus lJoh 3,2 (,es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden; wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, daß wir ihm gleich sein werden') in

672 674 676

Ewald, Ueber Weißagung, pl 1 lf. Ebd., p l l 2 f . Bibl. Nr. 21.

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Ebd., pl 12. Ebd.

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die tröstliche Anrede der 2. Pers. Sg. : ,„Noch ists nicht erschienen, was du seyn wirst, aber wenns erscheinen wird, dann wirst du Ihm, Jesus, gleich seyn, und Ihn sehen wie Er ist'"677, und verbindet diese Aussage dann mit der biblischen Wachstumsmetaphorik der Gleichnisse von Senfkorn und Sauerteig (Mt 13,31-33), gestaltet hieraus jedoch nicht eine Aussage über das Reich Gottes, sondern spricht gleichnishaft vom wachsenden Glauben: „Der schwächste Glaube ist Samkorn zu dem Glauben, der die Welt überwindet. Glaub' es, denn Christus hats gesagt, auch bei dir muß und wird der Sauerteig so lange gähren, ,bis er den ganzen Teig durchsäuert hat'"678. Anders als Lavater, der sich immer wieder an der Herbeiführung äußerlich-sichtbarer Wunder versucht hat679, aber wiederum ähnlich wie Luther möchte Ewald nicht einfach gegen den Augenschein behaupten, daß solche Wunder auch heute noch möglich seien. „Freylich jezt geschehen so auffallende Dinge nicht, wie damals geschahen. Aber darum ist uns doch der nicht genommen, der zum Retter der Menschen, nicht für ein Paar Jahre, sondern für immer bestimmt war"680. Daß heute keine solchen Wunder geschehen wie zu biblischer Zeit, macht die Verheißungen Gottes nicht zunichte und die Präsenz seines Sohnes auch nicht. Ähnlich wie Luther bezieht Ewald die von der Glaubenslehre her reflektierte Wunderfrage auf die Anthropologie des inneren Menschen und bildet das Wunder an der Kraft des Gebetes aus Glauben und der ihm zukommenden Gebetserhörung ab. Wunderbar im eigentlichen Verstände ist es, daß dem glaubenden Menschen mit oratio und fides eine Macht in die Hand gegeben ist, Gott zu einer Wandlung zu bewegen, ja, in seinen scheinbar gesetzlichen Plan einzudringen. „Unser dringendes, anhaltendes, aus wirklicher Bedürfniß geflossenes Gebet bewegt also Gott, uns zu helfen, noch weit eher, als die Bitte eines Freundes den Freund, die Bitte eines Kindes den Vater bewegt. Das ist die unaussprechlich=tröstliche Wahrheit, die uns Jesus hier gelehrt hat"681. Während Schleiermacher wegen seiner Ablehnung alles Anthropomorphismus und aller Wandelbarkeit Gottes auch dem Gebet keine eigentliche Bedeutung mehr zukommen lassen kann, sieht Ewald gerade in dieser Wandelbarkeit, in dieser Barmherzigkeit Gottes ein Kernstück des seelsorgend wirkenden christlichen Glaubens. Gott, der bei Schleiermacher als der unbewegte vorgestellt wird, gerät bei Ewald in Bewegung, wird ein bewegter 677

Ewald, Der Blick Jesus, p l l 2 . Ebd., p l l 2 f . 679 Lavater hat sich im animalischen Magnetismus und dessen Heilmethoden durch Hypnose ausbilden lassen und diese Methode selbst praktiziert. Vgl. zur Sache Weigelt, H., Johann Kaspar Lavater, p41-47. 680 Ewald, Ueber Weißagung, p94. 681 Ders., Der Blick Jesus, p270. 678

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 441 Beweger; und das bewegende Moment ist das Gebet. „Gott lässet sich durch Gebet erbitten zu etwas, was er sonst nicht gethan hätte; unser Gebet bewegt Gott zur Hülfe, wie die Bitte des Freundes seinen Freund, und die Bitte des Kindes den Vater bewegt"682. Es gibt kein göttliches decretum absolutum, weil dies nicht vereinbar wäre mit der biblischen Rede von Gottes Barmherzigkeit. Sich in eine Grenzaussage hineinwagend kann Ewald sogar sagen, daß dem Menschen durch den Glauben und das Gebet die Macht gegeben ist, Gott willenlos zu machen. Und zur biblischen Untermauerung dieser hochreflektierten Lehre von dem attributum divinum der Willenlosigkeit wendet Ewald wiederum seine Exempel-Hermeneutik an und erinnert an das Gespräch Abrahams mit Gott über den Untergang von Sodom (Gen 18,23-33): „Immer hat Er [seil. Gott; A.S.] auf Gebeter gehört und Bitten erhört. Nie war er unerbittlich, das ja auch warlich die höchste Liebe nimmermehr und in Ewigkeit nicht seyn kann. Immer hat Er sich durch ernstliches, dringendes Gebet bewegen und erweichen lassen. Bei dem Bittenden und Gläubigen hat Gott gleichsam keinen Willen. ,Er thut, was die Gottesfürchtigen begehren, und hört ihr Schreien und hilft ihnen.' [seil. Ps 145,19; A.S.] O! leset das menschliche, trauliche Gespräch, das Er mit Abraham über Sodom hält; wie Abraham mit Demut immer anhält, und Gott [...] nachgiebt"683. So ist dem Glaubenden die Macht von Gott gegeben, an seinem Ratschluß teilzunehmen, ein Partizipient der Vorsehung also zu werden. Und wieder gelingt es Ewald, die Balance zu halten, indem er doppelt reflektiert diese Möglichkeit des Glaubenden, in Gottes Plan sich einzumischen, nicht als etwas begreift, was Gottes Plan zuwiderläuft. Denn es gehört zu Gottes ewigem Ratschluß hinzu, daß er nicht als decretum absolutum ein für alle Mal festgesetzt worden ist, sondern die Barmherzigkeit ist Teil des Planes Gottes selbst: Das Abrücken Gottes von seinem Plan ist selbst Heilsplan. Deswegen rät Ewald, vergleichbar mit Luther684, nicht in Gottes praedestinatio eindrin682

683 Ebd.,p271. Ebd., p275. Es gehört zu den typischen poimenischen Ratschlägen der Reformatoren, den Angefochtenen zu raten, nicht in die praedestinatio und in den ewigen Ratschluß eindringen zu wollen, sondern sich an die naheliegenden Dinge, etwa die Predigt und die Sakramente, zu halten, in denen Gott hörbar und wahrnehmbar am Menschen handelt. „Der ewigen fürsehung halben sol sich niemandt bekümern, was Got in seinem heymlichen rath beschlossen hab, sonder wir sollen allein achthaben, wie er seinen guten, gnedigen und veterlichen willen gegen uns durch sein heylig wort und sacrament anzeyget. Dann wann wir das wort und sacrament wolten auß den äugen und gedancken setzen und uns dargegen umb die versehung bekümern, das were gleich als der an einer layttern auffsteygen solt und wolt auff den obersten sprüssel ee tretten dann auff die untern" (Oslander, Α., Unterricht an einen sterbenden Menschen, in: Gesamtausgabe, Bd. 6, p497). Schon vor Oslander hat etwa Johannes Brenz in seinem Sterbesermon einen ganz ähnlichen Rat gegeben, wobei auch er die Leiter als ein Gleichnis heranzieht. „Was soll 684

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gen zu wollen. „Wenn durch Glauben an einem [!] Menschen und durch Liebe dieses Menschen so viel sonst unausbleibliches Elend abgewendet wird, ohne daß sich am Plan Gottes etwas zerrüttet; soll denn nicht durch Glauben an Gott und durch Liebe Gottes auch Manches abgewendet werden können, ohne daß Gottes Plan zerrüttet wird? Ich dächte immer, wir thäten am besten, wenn wir uns nicht kümmerten um das, wovon wir nichts wissen, und beteten, suchten und anklopften im Glauben an das Wort unsers Herrn"685. Hierin liegt die Bedeutung Ewalds, der anders als die rationalistische Wunderkritik und anders als der ebenfalls dem Rationalismus verhaftete Supranaturalismus den Wunderstreit zum Anlaß nimmt, um ihn auf eine andere Ebene zu heben und so auf die Mitte der Schrift zu beziehen: auf die Lehre vom Glauben des Menschen, der vor Gott steht. Auf diese Art artikuliert sich bei Ewald eine Metakritik an der Wunderkritik in Gestalt einer Glaubenslehre, die sich ebenfalls (zumindest implizit) gegen einen Wunderenthusiasmus Lavaterscher Prägung richtet, dabei jedoch gleichzeitig der Wunderkritik - wie gezeigt - ein begrenztes Recht zugesteht. Deswegen verläßt Ewald die von den Wunderkritikern und den Verteidigern der Wunder meist geteilte Prämisse, ein Wunder sei dadurch definiert, daß es die Naturgesetze durchbreche. Denn Ewald kann aufgrund seines biblischen Okulars per analogiam fidei auch in den Dingen, die den Naturgesetzen völlig gemäß sind, Gottes wunderbares Wirken erkennen. Dies hängt nun nicht damit zusammen, daß Ewald der aufgeklärten Tendenz folgend die Wunder möglichst weitgehend als dem Naturlauf analoge vorstellen will. Sondern in der entgegengesetzten Bewegung wird ihm das Wunder des Glaubens und die hierin gründende Wiedergewinnung der übernatürlichen Wunder zum Anlaß und zur Quelle dafür, auf biblische Weise den Naturlauf selbst als einen wunderbaren mit neuen Augen zu sehen. Denn sobald der Mensch die Natur und die Wunder sola fide betrachtet, hört er auf, zwischen beidem zu trennen, und beginnt, beides bei aller berechtigten Unterscheidung in eins zu sehen, „,1hm, dem Allmächtigen, kostets nicht mehr, einen Menschen erweken zu lassen von den Todten, als es der Mutter kostet, ihr Kind zu erweken vom Schlaf; nicht mehr Zehen tausend zu sätigen, als es den Reichen kostet, Einem Hungrigen den Hunger zu stillen. Warlich! es ist eben so viel Wunderbares in der Art, wie man aber dazu thon, wann im gewissen wirt fürgeworffen, wir seyen villeicht nit zu der Seligkeit versehen [...] Dysem handel ist auch gutt zu radten, denn dye ewig fiirsehung ist wol in dem Vater verborgen, sol oder mag von keinem menschen ploß in ihm ergründt und erforscht werden" (Brenz, J., Frühschriften, Teil 2, p74). Das „buch der lebendigen" (ebd.) jedoch hat Gott zumindest anfänglich in Christus aufgeschlossen. Also soll der Angefochtene sich zuerst an ihn halten, weil man nur „auff Christo als auff einer leittern gen himel" (p75) steigen kann: „Finden wir uns dann durch den glauben in Christo, so werden wir uns auch in der götlichen fiirsehung finden" (ebd.). 685 Ewald, Der Blick Jesus, p279.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 443 Pflanzen und Thiere entstehen, als in der Art, wie Jesus heilte. Gehört das Eine in den Plan Gottes, warum nicht auch das Andere [...] Auserordentlicher Donner, Erdbeben, ungewöhnlich zerstörender Hagel, Kälte oder Hize von ungewöhnlich hohem Grad - sind, im gewissen Sinn, auch Wunder der Natur"686. Zwar richtet sich Ewald an vielen Stellen kritisch gegen die Wunderkritik mit dem Argument, Gott habe sehr wohl die Freiheit, in die Maschine der Naturgesetzlichkeit einzugreifen, und vertritt hiermit die Meinung etwa von Leß. Auch rechnet Ewald damit, daß das, was der Natur nicht gemäß ist, gerade Gott als einer höheren Natur durchaus gemäß sein kann687. Und des öfteren kehrt auch die von manchen supranaturalistischen Verteidigern angeführte Argumentation wieder, daß der Mensch die Natur nicht genug kenne, um überhaupt beurteilen zu können, was dem Naturlauf gemäß sei und was nicht688. Aber das Besondere in Ewalds Wundertheologie liegt - wie gezeigt doch darin, daß er dieselbe verbindet mit der Soteriologie, der Glaubenslehre und der Christologie. Dies unterscheidet Ewald auch von Johann Jacob Heß, mit dem er in anderer Hinsicht vielerlei Verwandtschaft hat und mit dem er in intensivem, freundschaftlichem Kontakt stand. Zwar hat sich auch Heß einer biblischen Theologie befleißigt, die sich wie bei Ewald narrativ umsetzt. So hat auch Heß eine romanhafte Bibelgeschichte verfaßt689 und an einer Kinderbibel mitgearbeitet690. Dennoch bleibt Heß gerade in der Wunderfrage den aufgeklärt-rationalistischen Prämissen viel stärker verhaftet als Ewald. In viel stärker apologetischem Interesse ist bei Heß immer wieder zu lesen, daß Wunderwerke vornehmlich übernatürliche Beglaubigungen der biblischen 686

Ders., Ueber Weißagung, pl44f. Ders., Psychologie (Bibl. Nr. 333), p374f: „Die Wunder der Bibel werden nicht für Wirkungen gewöhnlicher Menschennatur, sondern für Wirkungen höherer Naturen ausgegeben. Nicht Menschen mit gewöhnlichen Menschenkxäften, sondern Engel oder Menschen durch Gotteskraft sollen die ausserordentlichen Thaten gethan haben. Diese Thaten sollen ja gerade beweisen, daß in jenen Menschen Gotteskraft gewohnt habe." Hier zeigt sich, daß Ewald ähnlich wie Storr von den Wundern als Beweisen der göttlichen Gesandtschaft sprechen kann. Allerdings geht seine Argumentation hierin nicht schon auf. Es liegt nicht einmal das Hauptinteresse Ewalds darin. 688 Ebd., p373: „Und - was noch eine Hauptsache ist! wissen wir denn so gewiß, daß die Wunder Jesu und seiner Gesandten gegen die Gesetze der Natur seyen? Wir kennen sie bei weitem noch nicht die ganze Natur, - nicht einmal die Gesetze der sichtbaren." Vgl. auch ders., Ueber Weißagung, pl43: „Und der Mensch, der noch bei Weitem nicht das Sandkorn, seine Erde kennt; der noch lange zu studiren hat an den Gesezen, die hier befolgt werden, und von Allen andern nichts weiß; der will bestimmen, was den Gesezen der großen Natur im Ganzen entgegen oder gemäs ist?" 689 (Heß, J.J.), Geschichte der drey letzten Lebensjahre Jesu. 690 Biblische Erzählungen für die Jugend. Zu Heß vgl. die erste Arbeit, die sein gesamtes Lebenswerk in Augenschein nimmt: Ackva, F. 687

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Zeugen durch Gottes unmittelbares Einwirken seien. Aus den Wunderwerken lasse sich also rational die Legitimität der Zeugen ablesen. „Wunderwerke sollen Werke seyn, aus welchen sich sicher schliessen läßt, daß der, so sie verrichtet, von GOtt abgeordnet oder bevollmächtigt sey"691. So ist auch Jesu Verrichtung von Wundern für Heß zuerst eine Beweisführung. „Daß JEsus Christus die Person sey, welche Todte auferwecken kann, wird durch Proben bewiesen"692. Damit avanciert das Wunder zu einer rational einsehbaren Erweislichmachung des Zusammenhanges von Verheißung und Erfüllung, wobei vom Glauben - zumindest in diesem Kontext - nicht die Rede ist. An Ewalds Verhältnis zu Heß erhellt wie an dem zu Lavater, wie sehr er von beiden zwar wichtige Impulse erfahren hat, dennoch aber durch stärkere Hinwendung zu den Inhalten reformatorischer Theologie beide überwunden hat. Kritisch gegen Ewalds Metakritik könnte dabei noch eingewandt werden, daß er seine Wundertheologie im Vollzug der Schriftauslegung und Predigttätigkeit entwirft, sie aber nicht derart systematisiert, daß sie den vorherrschenden Systemen der Wunderkritik bündig gegenübergestellt werden könnte. Das betrifft besonders die Frage, wie die Wunder als biblisch-hermeneutisches Strukturprinzip des Alten wie des Neuen Testaments und damit als Kennzeichen der biblischen Zeit insgesamt begriffen werden können. Der Sache nach bringt Ewald die Wundererzählungen als wichtige Zugänge zu einer biblischen Theologie beider Testamente zwar zur Geltung, jedoch fehlt es dann doch an einigen Stellen an einer faßlich-theoretischen Zusammenfassung und Systematisierung des bereits Vollzogenen. Gleichzeitig liegt hierin jedoch wiederum eine Stärke, die sich analog zu der Stärke der biblischen Texte selbst auswirkt. Denn das hermeneutische Plus, das sich systematisch schwerlich fassen läßt, liegt ja gerade in der applicatio: So wie die Bibel immer schon die applicatio ihrer selbst ist, so ist auch Ewalds Theologie immer nur als eine narrativ, homiletisch, katechetisch und in vielen anderen Gattungen bereits applizierte zu fassen. Die Tatsache also, daß Ewald innerhalb der Kirchen- und Theologiegeschichtsschreibung so wenig Beachtung gefunden hat, mag man u.a. der Schwäche Ewalds zuschreiben, die darin besteht, seine Gedanken nicht im Sinne einer Schultheologie festgehalten und dargeboten zu haben. Bei näherer Betrachtung jedoch zeigt sich, daß die vermeintliche Schwäche Ewalds eigentlich eine Schwäche der Kirchengeschichtsschreibung selbst ist, die, wenn sie stärker biblisch motiviert wäre und stärker von der applicatio her dächte, doch gerade an der Frage interessiert sein müßte, wie sich die Geschichte systematisch entwickelter Theologie jeweils auf der Ebene der praktischen Umsetzung spiegelt oder - wie bei Ewald - ein Gegengewicht findet. 691 692

Heß, Geschichte, Bd. 2, pVII. Ebd., pXXX.

Ewalds metakritische Beiträge zu zentralen Sachfragen der Aufklärung 445 Denn erst, wenn die Kirchengeschichte als Wissenschaft ein stärkeres Interesse an solchen Persönlichkeiten entwickelt, die zeit ihres Lebens die biblische Botschaft als Fundament der Theologie umgesetzt, gepredigt und gelehrt haben, wird sie als Kirchengeschichte Anspruch darauf haben können, die Geschichte der Auslegung der Heiligen Schrift genannt zu werden693. Dann wird sich die Kirchengeschichte als Wissenschaft dessen rühmen dürfen, daß sie vom Theologumenon der communio sanctorum her denkt und forscht und daher erklärtermaßen auch die vergessenen Glieder am Leib Christi in Erinnerung bringt.

693

Vgl. Ebeling, G., Kirchengeschichte.

KAPITEL I V

Bibliographie der Druckschriften Ewalds und der Archivalien 1. Vorbemerkungen zur Bibliographie der Werke Johann Ludwig Ewalds Bisher gab es keine Bibliographie der Werke Ewalds, die diesen Namen verdient hätte. Alle bisherigen , Werkverzeichnisse' zu Ewald waren fehlerhaft, lückenhaft und wiesen die unselbständigen Schriften Ewalds meist gar nicht oder ungenügend aus. Rechnet man die mannigfachen Übersetzungen und Neuauflagen nicht mit, so ergibt sich eine Sammlung von 381 Titeln. Bei der nun folgenden Bibliographie handelt es sich um eine autoptisch kontrollierte und sparsam annotierte Bibliographie. Das heißt: Jeder Titel ist durch meine Hand gegangen und in Autopsie genommen worden. Ist dies nicht möglich gewesen, so wird dies ausdrücklich in einer Annotation angemerkt, aber dennoch nach Möglichkeit ein bibliographischer Nachweis geliefert. Zu jedem Titel werden Standorte verschiedener Bibliotheken angegeben, höchstens aber drei. In den Annotationen finden sich Belegstellen von Rezensionen der Werke Ewalds in der Allgemeinen Literatur Zeitung'. Ist die Verfasserschaft Ewalds zweifelhaft und nicht gesichert, wird dies vermerkt und nötigenfalls diskutiert. An einigen Stellen der Bibliographie wird auf den Text vorliegender Arbeit verwiesen. Die Titel von Zeitschriftenbeiträgen sind grundsätzlich nach dem Wortlaut des sich jeweils über dem Beitrag befindlichen Titels aufgenommen, nicht nach demjenigen im jeweiligen Inhaltsverzeichnis. Kleinere Anmerkungen Ewalds zu fremden Artikeln in den von ihm herausgegebenen Zeitschriften wurden nicht aufgenommen. Ich habe zwar Vollständigkeit angestrebt, bin mir aber dessen bewußt, daß es noch weitere Schriften Ewalds, besonders Zeitschriftenbeiträge, geben könnte.

448

Kapitel IV

2. Bibliographie der Druckschriften Ewalds 1775 1.

2.

(Anonym), Kurzer Unterricht im Christenthum zum Gebrauch der Fürstlich Isenburgischen Schulen. Offenbach, gedruckt bey Bonavent. Hauch sei. Witwe, Hochfürstl. Isenburg. Birstein. Hof=Buchdr., o.J. (1775), 150 S. (Fürst von Isenburgisches Archiv Birstein, Nr. 4704). (Zur Verfasserschaft Ewalds vgl. p33-39 dieser Arbeit). (Anonym), Vorbericht des Herausgebers, in: Lavater, Johann Caspar, Drey Predigten, gehalten zu Ems, und zu Bockenheim bey Frankfurt, Frankfurt und Leipzig: o.V. 1775, p35-38. (HAB Wolfenbüttel Th 1564). (Eine briefliche Äußerung Ewalds deutet auf seine Herausgeberschaft hin. Sie ist aber nicht eindeutig beweisbar). 1776

3.

(Anonym), Etwas statt einer Recension, oder Antwort auf Johann Caspar Lavaters Schreiben an alle seine Freunde, in: Frankfurter gelehrte Anzeigen. Nro. XXXVII. u. XXXVIII. Den 7 und 10 May 1776, p289-302. (UB Heidelberg H 380). (Eine briefliche Äußerung Ewalds deutet auf seine Verfasserschaft hin. Sie ist aber nicht eindeutig beweisbar). 1780

4.

(Anonym), Die Geschichte der Privatversammlungen zu N. Aus einem Tagebuche gezogen. Von O.E., in: Pfenninger, Johann Konrad, (Hg.), Christliches Magazin. Dritten Bandes. Erstes Stük, o.O. 1780, ρ 197-226. (UB Tübingen Ν 664). (Zur Verfasserschaft Ewalds vgl. p53f dieser Arbeit). 1781

5.

6.

Von der Natur, und dem hohen Werth der Liebe. Fünf Predigten über I. Cor. 13., Offenbach am Main: Ulrich Weiß 1781, 97 S. (Lippische LB Detmold Th 2672.e; BSB München Horn. 449 d; UB Bonn Sm 162). Des Pfarrer Ewalds lezte Worte an seine Offenbacher Gemeinde. Den 9ten September 1781, Offenbach am Main: Ulrich Weiß 1781, 29 S. (Lippische LB Detmold Th 2745; LB Schwerin Be VII 3 1348). 1782

7.

Ankündigung des, am I ten May dieses Jahrs erfolgten Ablebens des weil. Hochgeborenen Grafen und Herrn, HERRN Simon August, regierenden

Bibliographie der Druckschriften Ewalds und der Archivalien

449

Grafen und Edlen Herrn zur Lippe etc. unseres innigst geliebtesten Landesvaters; in einer am 5ten d.M. zu Detmold gehaltenen Predigt, Lemgo: mit Meyerschen Schriften o.J. (1782), 28 S. (Lippische LB Detmold LC 91; L 3064). 1783 8.

9.

9a.

10.

(Anonym), Kurze Anweisung zum Unterricht der Jugend für die Küster und Schulmeister der Grafschaft Lippe, Lemgo: Meyer 1783, 86 S. (Lippische LB Detmold LP 1). (Zur Verfasserschaft Ewalds vgl. p68f dieser Arbeit). Die Erziehung des Menschengeschlechts nach der Bibel. Sechszehn Predigten, Lemgo: Meyer 1783, 414 S. (Lippische LB Detmold Th 2702; BSB München Horn. 448n). niederländisch: De opvoeding van het menschdom volgens den bijbel, in leerredenen. Uit het Hoogduitsch. Nieuwe druk, Amsterdam: J. van der Hey en Zoon 1799, 2 din. (Bibliographischer Nachweis: NB 1790-1831. Ein bibliographischer Nachweis der Erstauflage fehlt. Titelaufnahme nicht autoptisch). Ueber Predigerbeschäftigung und Predigerbetragen. Erstes Heft. Briefe über den Gebrauch der Bibelgeschichte beim Religionsunterricht, Lemgo: Meyer 1783, 108 S. + 4 S. (unpag. Inhaltsverz.). (Theol. Bibl. der Lipp. Landeskirche Wu 385; UB München 8° Theol. past. 630/1). (Vgl. die erweiterte und veränderte Neuausgabe: Nr. 361). (Fortsetzungen: Nrr. 12, 16-20, 31-36, 42-46, 61-63, 78-86, 98-103). 1784

11.

12.

Christliche Familienpredigten für mittlere Stände mit Anmerkungen und Zusätzen, Lemgo: Meyer 1784, 269 S. (Lippische LB Detmold Th 2746; SUB Bremen 41. c. 171). Ueber Predigerbeschäftigung und Predigerbetragen. Zweites Heft. Ueber Predigerbildung, Kirchengesang und Art zu predigen. Erfahrungen, Bemerkungen und Wünsche, Lemgo: Meyer 1784, 220 S. + 2 S. (unpag. Inhaltsverz.) + 2 S. (unpag. Korrekturverz.). (Theol. Bibl. der Lipp. Landeskirche Wu 385; UB München 8° Theol. past. 630/2). (ALZ 26.12.1784). 1785

13.

Leiden, Tod und Auferstehung unseres Herrn von ihrer menschlichsten Seite betrachtet; nach der Erzälung seines Freunds und Schülers Johannes. Ein Erbauungsbuch für fülende Christusverehrer, Lemgo: Meyer 1785, 6 S. (unpag.) + 360 S. + 2 S. (unpag. Zusätze) + 2 S. (unpag. Korrekturverz.).

450

Kapitel IV

(Theol. Bibl. der Lipp. Landeskirche Wgda 584). (ALZ Supplement Nr. 70, 1785). 13a. niederländisch: (1. Aufl.) Overdenkingen over het lijden, den dood en opstanding van Jesus. Volgens het verhael van zijnen vriend en leerling Joannes. Uit het Hoogduitsch vertaeld, Utrecht: De Wael en Zoon o.J. (Stads- of Athenaeumsbibliotheek Deventer 47 F 69). 13b. Dass., 2. Aufl.: (KB Den Haag 3065 E 24). 14. Rede bei öffentlicher Einführung des Magister Köhlers, zum Prorektor bei der Detmolder Provinzialschule. Pfingsten 1784. von dem Generalsuperintendent Ewald, in: Deutsches Museum Bd. 1, 1785, pl25-130. (HAB Wolfenbüttel Za 324). 15. Zeugniss von dem Werth der Lehre Jesu; eine Predigt über Luc. 10,38-41, Frankfurt am Main 1785. (Kein Standort bekannt. Bibliographischer Nachweis: Hamberger/Meusel 5. Aufl. Bd. 2, 1796).

1786 16.

17. 18. 19.

20.

21.

21a.

Etwas aus der Lebensgeschichte eines jungen, thätigen Landpredigers, D. von Cölln, zu Oerlinghausen, in: Ueber Predigerbeschäftigung und Predigerbetragen. Drittes Heft. Mancherlei besonders über Predigerthätigkeit und Predigerwürde, Lemgo: Meyer 1786, p5-55. (Standorte vgl. Nr. 10). Gedanken über wahre und falsche Predigerwürde, in: a.a.O., pll4—151. Die edelste und vollkommenste Art zu regieren. Fragment einer Rede bei Einführung eines neuen Schuldirektors, in: a.a.O., pl52-160. Ueber Bibelstudium, in: Ueber Predigerbeschäftigung und Predigerbetragen. Viertes Heft. Ideen über Bibelstudium und Jugendbildung mit Versuchen und Erfahrungen, Lemgo: Meyer 1786, p5-92. Ueber Schulhalten, Schulaufsicht und Katechisationen, nebst Nachricht von der Landschuleinrichtung im Gräflich Lippischen, von ihrem Fortgange, von den gehaltenen Schulvisitationen, ihren Folgen und ihrem Nuzen, in: a.a.O., p93-248. (Vgl. die Fortsetzung: Nr. 44). Der Blick Jesus auf Natur und Menschheit oder Betrachtungen über die Gleichnisse unsers Herrn. Ein Lesebuch für Christusverehrer, Leipzig: o.J. Göschen 1786, VI S. (unpag.) + 426 S. (LB Schwerin Be VIII, 1 832). (ALZ 28.6.1787). Dass., 2. Aufl.: Der Blick Jesus auf Natur, Menschheit und sich selbst; oder Betrachtungen über die Gleichnisse unsers Herrn. Ein Lesebuch für Christusverehrer. Zweite, verbesserte und vermehrte Auflage, Hannover: Hahn 1796, XVI S. + 503 S.

Bibliographie der Druckschriften Ewalds und der Archivalien

21b.

21c.

2ld.

22.

22a.

23.

451

(LB Oldenburg Theol. III Db / 470; StA Detmold J 4). (ALZ 27.1.1796 und 27.12.1797). Dass., 3. Aufl.: Der Blik Jesus auf Natur, Menschheit und sich selbst; oder Betrachtungen über die Gleichnisse unsers Herrn. Ein Lesebuch für Christusverehrer. Dritte, verbesserte und vermehrte Auflage, Hannover: Hahn 1812, XI S. + 446 S. (NSLB Hannover I 8° 659 z6; Stabi Berlin Bq 4100). niederländisch: 2. Aufl.: Jezus menschenkennis, of overdenkingen over de Gelijkenissen van onzen Heiland. Uit het Hoogduitsch door Ysbrand van Hamelsveld. Tweede druk. Amsterdam: van der Hey 1810. (KB Den Haag 252 D 13). niederländisch: 3. Aufl.: De Gelijkenissen van onzen Heiland, in overdenkingen. Uit het Hoogduitsch door Ysbrand van Hamelsveld. Derde druk. Amsterdam 1845. (KB Den Haag 252 C 50). (Die erste niederländische Auflage erschien vermutlich 1788, Standort nicht bekannt). Jesus von Nazareth, Was solt' Er uns seyn, nach der Bibel? und Was ist Er uns? Sechs Predigten, Lemgo: Meyer 1786, 112 S. (Gesamthochschulbibl. Kassel III 66 h 8 FWBH Arolsen (2)). niederländisch: Jezus van Nazareth. Wat moest Hij voor ons zijn volgens den bijbel? en wat is Hij voor ons? Amsterdam: van der Hey 1813. (Bibl. nat. Paris D27607). Predigten bei allerlei Gelegenheiten und für allerlei Gemüthslagen, Frankfurt am Mayn: Johann Gottlieb Garbe 1786, XII S. (unpag.) + 390 S. (Fürst von Isenburgische Bibliothek Birstein (Privatbibl.) Na 66).

1787 24.

25.

26.

26a.

Der Arzt und die Kranken. Eine Parabel, in: Deutsches Museum. Zweiter Band. Julius bis December 1787, Leipzig: Weygand o.J., p547-551. (HAB Wolfenbüttel Za 324). Berichtigung der Nachricht von einem Teufelsbanner in der Grafschaft Lippe=Detmold, in: Deutsches Museum. Erster Band 1787, Leipzig: Weygand o.J., p587f. Predigten über die wichtigste und eigenthümlichste Lehren des Christenthums. Erstes Heft. Der Geist des Christlichen Gebäts oder Predigten über das Gebät unsers Herrn, Lemgo: Meyer 1787, 104 S. (Theol. Bibl. der Lipp. Landeskirche Wgaa 1537; Gesamthochschulbibl. Kassel, III 68 h 41 FWHB Arolsen; BSB München Horn 449 b). (Fortsetzungen: Nrr. 27-29, 55, 56, 66, 69, 134, 185, 293, 294). (ALZ 5.12.1787). niederländisch: De geest van het christelijk gebed, of Leerredenen over het

452

27.

Kapitel IV gebed des Heeren. Uit het Hoogduitsch, met een voorrede door Β. Verwey, Amsterdam: van der Heij 1814. (Bibliographischer Nachweis: Pica/GGC Databank Nr. 34). (Keine autoptische Titelaufnahme). Predigten über die wichtigste und eigenthiimlichste Lehren des Christenthums. Zweites Heft. Ueber die großen Zwecke des Todes Jesus, Lemgo: Meyer 1787, 128 S. (Standorte vgl. Nr. 26). (ALZ 5.12.1787).

1788 28.

Predigten über die wichtigsten und eigenthümlichsten Lehren des Christenthums. Drittes Heft. Ueber die verschiedenen Gesinnungen gegen Jesus. Sieben Predigten, Lemgo: Meyer 1788, 146 S. (Standort vgl. Nr. 26). (ALZ 8.6.1791). 28a. niederländisch: Karakterschetsen van sommige personen, voorkomende in de lijdens geschiedenis van Jezus. Met betrekking tot hunne gezindheden jegens hem. Uit het Hoogduitsch, Amsterdam: J. van der Hey 1809. (KB Den Haag 252 D 40). 28b. niederländisch, 2. Aufl.: Groningen: J. Oomkens 1841. (KB Den Haag 3034 F 48). 29. Predigten über die wichtigsten und eigenthümlichsten Lehren des Christenthums. Viertes Heft. Ueber die Natur und den hohen Werth des Glaubens. Sechs Predigten, Lemgo: Meyer 1788, 126 S. + 2 S. (unpag. Inhaltsverz.). (BSB München Horn. 449 b; Fürst von Isenburgische Bibl. Birstein (Privatbibl.) Na 66). (ALZ 8.6.1791). 30. Evangelium. Drei Festtags=Predigten, auf Verlangen herausgegeben, Lemgo: Meyer 1788, 62 S. (BSB München Horn. 448 m; SUB Bremen Brem. c. 2364. Nr. 8). (ALZ 27.8.1788). 30a. niederländisch: Verwachtingen van den christen, of overdenkingen over de opstanding, het laatste oordeel en eeuwige leven. Uit het Hoogduitsch (vertaald door Bernardus Verweij), Amsterdam: J. van der Hey 1815. (KB Den Haag 3065 E 25). 31. Noch einige Anmerkungen des Herausgebers [seil, zu: Krücke, Simon Ernst, Eine pädagogische Reise durch einen Theil des nördlichen Teutschlands. Auszüge aus Briefen an den Herausgeber; A.S.], in: Ueber Predigerbeschäftigung und Predigerbetragen. Fünftes Heft. Etwas von Schulanstalten und Liturgieen, Lemgo: Meyer 1788, pl 10-128. (Theol. Bibl. der Lipp. Landeskirche Wu 385; UB München 8° Theol. past. 630/5). 32. Ideen und Projekte, einige Verbesserungen des öffentlichen Gottesdienstes betreffend, in: a.a.O. (Nr. 31), pl29-157.

Bibliographie der Druckschriften Ewalds und der Archivalien 33.

453

Einführung neuer Geseze bei dem Detmolder Gymnasium, in: a.a.O. (Nr. 31), pl58—179. 34. Vorgehabte Reinigung des öffentlichen Gottesdienstes. Abschaffung der Kirchenopfer. Aus den Akten, in: a.a.O. (Nr. 31), ρ 180-218. 35. Notiz einiger Bücher für Prediger, oder Candidaten des Predigtamts, in: a.a.O. (Nr. 31), p219-265. 36. Ueber Rezensionen. Fragment eines Briefs an einen Freund, in: a.a.O. (Nr. 31), p265-268. 37. Soll und kann die Religion Jesus allgemeine Religion seyn? Parallele zwischen Christenthum und Kosmopolitismus, Leipzig: Georg Joachim Göschen 1788, 77 S. (Theol. Bibl. der Lipp. Landeskirche Qa 344 (Kopie); Lippische LB Detmold Th 1210; BSB München Polem. 929 g). (Vgl. die Fortsetzung dieses Titels: Nr. 54). (ALZ 3.1.1790). 37a. niederländisch: Moet en kan de godsdienst van Jesus algemeen zijn? Uit het Hoogduitsch vert., Amsterdam: Roos 1805. (Bibliographischer Nachweis: Pica/GGC Databank Nr. 54). (Keine autoptische Titelaufnahme). 38. Lesebuch für die Landschulen auch zum Gebrauche der Landleute in ihren Häusern. Erster bis Dritter Theil, Lemgo und Duisburg: Meyer 1788 / 1788 / 1793, 702 S. (Teil 1 und 2), 374 S. (Teil 3). (Lippische LB Detmold PP 761; LB Schwerin Dg 720). (ALZ 28.8.1788, 6.4.1789). (Teil 1 und 2 enthalten Ewalds erste Bibelgeschichte Alten und Neuen Testaments. Sie ist als ein Gemeinschafts werk mit Simon Ernst Krücke anzusehen. Vgl. dazu p71 dieser Arbeit. Teil 3 ist ein von Ewald kompiliertes Aufklärungshandbuch. Vgl. p72 dieser Arbeit. Von Ewald selbst stammt in Teil 3 die Vorrede mit dem Titel:) Vorbericht und Bitte an die erwachsenen Landleute, in: a.a.O. (Nr. 38), Dritter Theil, p3-12. 38a. Dass., 2. Aufl.: Lesebuch für die Landschulen auch zum Gebrauche der Landleute in ihren Häusern. Erster und Zweiter Theil, Lemgo und Duisburg: Meyer 1826, 608 S. (beide Teile zus.). (Privatbesitz; StA Detmold J 182; Lippische LB Detmold PP 762). (Daß es sich um die 2. Aufl. handelt, ist auf dem Titelblatt nicht ausgewiesen. Sie enthält nur noch die Bibelgeschichte, nicht aber das Aufklärungshandbuch. Textbestand identisch). 39. Ueber Lebensgenuß. Ein Stückchen Philosophie des Lebens. In Briefen an einen Freund, in: Benecken, Friedrich Burchard, (Hg.), Jahrbuch für die Menschheit, 1. St. 1788, p70-87; 1. St. 1789, pl4-34; 4. St. 1790, p321353. (Stadtbibl. Trier).

454

Kapitel IV 1789

40. 41.

42.

43. 44.

45.

46. 47.

Vorschlag zu einer moralischen Inokulation. Brief an den Herausgeber, in: a.a.O. (Nr. 39), 7. St. 1789, pl9-27. Aus einer Trauungsrede, bey der Vermählung des Grafen Moriz von Bentheim=Teklenburg mit der Gräfinn Philippine von Ysenburg=Büdingen Philipseich, gehalten von Ewald, in: a.a.O. (Nr. 39), 9. St. 1789, p275-278. Bemühungen um Verbesserung der weiblichen Erziehung in Detmold, in: Ueber Predigerbeschäftigung und Predigerbetragen. Sechstes Heft. Mancherlei; besonders über Jugendbildung und Armenversorgung, Lemgo: Meyer 1789, pl7-57. (UB München 8° Theol. past. 630/6; Εν. Kirche von Westfalen, Bibl. (Bielefeld) Pt 125). Verbesserung des Armenwesens in Detmold, in: a.a.O. (Nr. 42), p58-106. Fortsezung der Nachricht von den Anstalten zur Bildung der Landjugend in der Grafschaft Lippe, in: a.a.O. (Nr. 42), pl07-153. (Dieser Beitrag ist eine Fortsetzung von Nr. 20). Irenischer Epilog (zu: Berichtigung der im 5ten Stük der Predigerbeschäftigung befindlichen Beschreibung der Hauptschule und Seminarienanstalt in Dessau, in: a.a.O. (Nr. 42), pl68-193), hier: pl91-193. Rezensionen, in: a.a.O. (Nr. 42), pl94-240. Predigten auf alle Sonntage und Feiertage des Jahrs. Erster und Zweiter Band, Leipzig: Crusius 1789, VIII + 358 S. / VI + 330 S. (Lippische LB Detmold Th 2668. a; Ev. Kirche von Westfalen, Bibl. (Bielefeld) Ρ 543 (nur Bd. 2)). (ALZ 2.3.1790).

1790 48.

Ueber Menschlichkeit, in: Benecken, Friedrich Burchard, (Hg.), Jahrbuch für die Menschheit, 5. St. 1790, p444-457. (HAB Wolfenbüttel Wa 867). (= ein Teilabdruck aus Nr. 51, Heft 2). 49. Lazarus, für gebildete Christusverehrer, besonders für Leidende, Berlin: Johann Friedrich Unger 1790, VI + 137 S. (UB Tübingen Gi 1308. 8°; UB München 8° Ascet. 2303; Stabi Berlin Et 6638). (ALZ 2.4.1792). 49a. niederländisch: Lazarus voor lijdenden. Uit het Hoogduitsch, Amsterdam: van der Hey, o.J. (ZB Middelburg). (Titelaufnahme nicht autoptisch. Bibliographischer Nachweis: Pica/GGC Databank Nr. 67). 50. (Ankündigung von Nr. 54), in: Intelligenzblatt der ALZ, Nr. 14, 30.1.1790, Sp. 109.

Bibliographie der Druckschriften Ewalds und der Archivalien 51.

52.

52a.

52b.

52c. 52d.

53.

53a. 53b.

54.

55.

56.

455

Predigten über Naturtexte. Erstes - Viertes Heft, Hannover: Christian Ritscher 1789 / 1790 / 1790 / 1791, 92 S. / 92 S. / 99 S. / 96 S. (WLB Stuttgart HB 7747). Neue Predigten über Naturtexte. Erstes - Viertes Heft, Hannover: Christian Ritscher 1791-1793, 86 S. + 96 S. (PTS Heidelberg Pr E 121). (Hier nur Heft 1 und 2 vorhanden. Sonstige Standorte nicht bekannt. Titelaufnahme nicht vollends autoptisch). 2. Aufl. von Nrr. 51 und 52: Predigten über Naturtexte Erster Band oder Erstes bis viertes Heft. Zweite verbesserte Auflage, Hannover: Ritschersche Buchhandlung 1806, XIV + 92 S. / 92 S. / VI + 98 S. / 96 S. (ULB Halle AB: Β 02466; LB Schwerin Be VII 3, 1349/5). Dass., Zweiter Band oder Fünftes bis achtes Heft. Zweite verbesserte Auflage, Hannover: Ritschersche Buchhandlung 1806, VI (unpag.) + 86 S. / II (unpag.) + 96 S. / II (unpag.) + 92 S. / 109 S. (ULB Halle AB: Β 02466; LB Schwerin Be VII 3, 1349/5). niederländisch: Körte natuur-preeken. Uit het Hoogduitsch vert, door A.M. Moens, Amsterdam 1804. Dass., 2. Aufl.: Amsterdam: van der Heij 1814. (Keine autoptische Titelaufnahme. Bibliographischer Nachweis: Pica/GGC Databank Nr. 32. Über die Kantische Philosophie mit Hinsicht auf die Bedürfnisse der Menschheit. Briefe an Emma, Berlin: Johann Friedrich Unger 1790, 130 S. (UB Heidelberg M 496; Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar 19 A 1124; Stabi Berlin Nm 276). (Sehr große Verbreitung). Dass., Reprint: Michigan / USA 1985. niederländisch: Brieven aan Emma over der philosophie van Kant. Uit het Hoogduitsch, Utrecht: W. van Yzerworst 1793. (Bibliographischer Nachweis: NB 1790-1831. Titelaufnahme nicht autoptisch). Soll und kann die Religion Jesus allgemeine Religion seyn? Fortsetzung und Erweiterung, Leipzig: Georg Joachim Göschen 1790, 192 S. (Wessenberg Bibl. Konstanz 5525; LB Coburg Ρ III 11/10). (Fortsetzung von Nr. 37). (ALZ 7.5.1791). Predigten über die wesentlichsten und eigenthümlichsten Lehren des Christenthums. Fünftes Heft. Jesus der Mensch und für die Menschen. Sechs Predigten, Lemgo: Meyer 1790, 108 S. (Theol. Bibl. der Lipp. Landeskirche Wgaa 1537; BSB München Horn. 449 b; Lippische LB Detmold Th 2668. b). (ALZ 13.8.1791). Predigten über die wesentlichsten und eigenthümlichsten Lehren des Christenthums. Zwölftes Heft. Ueber die Erwartungen der Christen in jener Welt. Sechs Predigten, Lemgo: Meyer 1790, 128 S. (Theol. Bibl. der Lipp. Landeskirche Wgaa 1537; BSB München Horn. 449 b).

456

Kapitel IV

(ALZ 13.8.1791). Über Volksaufklärung; ihre Gränzen und Vortheile. Den menschlichsten Fürsten gewidmet, Berlin: J.F. Unger 1790, XIV (unpag.) + 158 S. (Lippische LB Detmold St 469; LB Oldenburg Jur Β VII, 2/254). (ALZ 21.9.1791). (Sehr große Verbreitung). 57a. Dass.: Fraktur-Ausgabe: Über Volksaufklärung; ihre Gränzen und Vortheile. Den menschlichsten Fürsten gewidmet. Eine Provinzialschrift, Berlin: J.F. Unger 1790, 92 S. (Stadtarchiv Offenbach/M. Ρ 195; BSB München Pol. g. 291). (Darauf, daß zwischen den Nrr. 57 und 57a differenziert werden muß, und auf den zweiten Standort hat Reinhart Siegert mich aufmerksam gemacht). 57b. Dass., Fraktur-Ausgabe, 2. Aufl.: Ueber Volksaufklärung. Ihre Gränzen Und Vortheile. Den Menschlichsten Fürsten gewidmet, Berlin und Leipzig 1791, XVI (unpag.) + 158 S. (WLB Stuttgart A 12 / 478; Gesamthochschulbibl. Kassel III 9 4 e 19 FWHB Arolsen). 57c. Reprint der 1. Aufl. (Nr. 57): Über Volksaufklärung, ihre Grenzen und Vorteile. Berlin 1790. Scriptor Reprints. Sammlung 18. Jahrhundert, hg. von Garber, Jörn, Königstein/Taunus 1979. 57d. niederländisch: Over volks-verlichting, haare grenzen en voordeelen, Amsterdam 1793. (Titelaufnahme nicht autoptisch. Bibliographischer Nachweis: Pica/GGC Databank Nr. 66). 57e. niederländisch: De volks-verlichting, Utrecht: de Weduwe, S. de Waal en Zoon 1793. (Titelaufnahme nicht autoptisch. Bibliograph. Nachweis: NB 1790-1831). 57f. schwedisch: Öfwer folkuplysning, des gränsor och fördelar. De mänskligaste Förstar tilägnadt. Öfwersat frän Tyskan af Johan Lutteman, Lund: J. Lundblad 1792. (UB Lund; Kungl. Biblioteket Stockholm Underv. Allm. 1700-1829; UB Greifswald Ji 221 4°). 57.

1791 58.

59. 60.

Deutschlands Erwartungen und Dank. Eine Predigt nach der Wahl und Krönung Sr. Majestät des Kaisers Leopold des Zweiten über Ps. 72; 1-7 gehalten zu Detmold am 24ten October 1790, Duisburg am Rhein: Hei wing 1791, 24 S. (Lippische LB Detmold, Kps 83/867). (ALZ 19.7.1792). (Ankündigung einer Postille von Ludwig Friedrich August von Cölln): Intelligenzblatt der ALZ, Nr. 98, 10.8.1791, Sp. 803f. Antikritik (gegen eine Rezension von Nr. 57), in: Intelligenzblatt der ALZ, Nr. 138, 23.11.1791, Sp. 1126-1128. (Diese Antikritik richtet sich gegen: ALZ Nr. 255, 21.9.1791, Sp. 610-616).

Bibliographie der Druckschriften Ewalds und der Archivalien 61.

457

Bibelgeschichte, als allgemeines Bildungsmittel betrachtet. Vorgelesen in der theologischen Gesellschaft, im April 1791, in: Ueber Predigerbeschäftigung und Predigerbetragen. Siebentes Heft. Ueber Geist und Bemühungen Christlicher Volkslehrer. Ideen und Erwekungen, Lemgo: Meyer 1791, pl47-159. (Standorte vgl. Nr. 10). 62. Ueber Geist und Sinn Christlicher Volkslehrer, in: a.a.O. (Nr. 61), p5-73. 63. Anzeige einiger, für Prediger nüzlichen Schriften, in: a.a.O. (Nr. 61), pl60-194. 64. Ueber den Mißbrauch reiner Bibellehren. Ein Lesebuch für Christusverehrer, nach den Bedürfnissen unsrer Zeit, Hannover und Osnabrück: Christian Ritscher 1791, VI + 191 S. (UB München 8° Theol. 3997; Bibl. der Hansestadt Lübeck theol. 8° 6597). (ALZ 4.5.1792). (Vgl. die Fortsetzung dieses Titels: Nr. 115). 64a. niederländisch: Over het misbruik eeniger hoofdwaarheden van den christelijken godsdienst. Een leesboek voor de vereerers van Christus overeenkomstig de behoeften van onzen tijd. Uit het hoogduitsch vertaald, Utrecht: J. de Waal 1794. (KB Den Haag 1175 C 59). 65. Vorbericht für die Schullehrer besonders auf dem Lande, in: Clostermeier, Christian Gottlieb, Auszug aus den Lippischen Landesgesetzen für den Bürger und Landmann, Lemgo: Meyer 1791, p3-19. (Lippische LB Detmold LE 13). 66. Predigten über die wichtigsten und eigenthümlichsten Lehren des Christenthums. Sechstes Heft. Ueber Geist Geistesempfänglichkeit und Geisteswirkung. Sieben Predigten, Lemgo: Meyer 1791, 134 S. (BSB München Horn. 449 b; LB Schwerin Be VII 3 1349; Theol. Bibl. der Lippischen Landeskirche Wgaa 1537). 67. Ewalds Rosenmonde. Beschrieben von ihm selber, und herausgegeben von Tellow (= Kosegarten, Ludwig Theobul), Berlin: Christian Friedrich Himburg 1791, VIII+ 336 S. (BSB München P. o. germ. 336; Privatbesitz). (Die Frage der Verfasserschaft ist m.E. hier nicht eindeutig zu klären. Es handelt sich um eine Liebesgeschichte eines jungen Hauslehrers zu einem der von ihm zu unterrichtenden Mädchen. Biographisches kann ich in diesem höchst fiktionalen Roman nicht entdecken. Allerdings legt die Anm. des Herausgebers ρ 187 die Verfasserschaft Ewalds recht nahe: „Vermöge der Wärme seiner Einbildungskraft und des Feuers seiner Empfindung, hing Ewald damalen sehr zu einer mystischen beschaulichen Gefühls=Theologie hinüber, die grade um diese Zeit in Lavaters Schriften zu glühen begann [...]." Glaubt man dem Vorwort des Herausgebers, müßte Ewald die ,Rosenmonde' im Jahre 1776 geschrieben haben). 67a. niederländisch: Ewalds Rozenmond. Uit het Hoogduitsch vertaald, door G. Paape, Rotterdam: J. Meyer 1792. (Bibliographischer Nachweis: NB 1790-1831).

458

Kapitel IV 1792

68.

Über Revolutionen, ihre Quellen und die Mittel dagegen. Den menschlichsten Fürsten gewidmet, Berlin: J.F. Unger 1792, XVI (unpag.) + 328 S. (Lippische LB Detmold St 237; Gesamthochschulbibl. Kassel III 93 e 53 FWHB Arolsen; BSB München Pol. g. 287 + 288). 68a. Dass., 2. Aufl.: Über Revolutionen, ihre Quellen und die Mittel dagegen. Den menschlichsten Fürsten gewidmet. Zweite Auflage, Berlin: J.F. Unger 1793, XIV (unpag.) + 217 S. (HAB Wolfenbüttel Sf 554; Gesamthochschulbibl. Kassel III 94 e 49 FWHB Arolsen; BSB München Pol. g. 289). (ALZ 16.8.1794). 68b. Dass., 3. Aufl.: Über Revolutionen, ihre Quellen und die Mittel dagegen. Den menschlichsten Fürsten gewidmet. Dritte Auflage, Berlin (o.V.) 1793, XIV + 115 S. (UB Freiburg i.B. Ρ 2953, aa; Wiener Stadt- und LB A 145.797; BSB München Pol. g. 290). 68c. niederländisch: Over staatsomwentelingen, derzelver brennen en behoedmiddelen. Uit het Hoogduitsch vertaald, door J. van Loo, Utrecht: W. van Yzerworst 1793. (Titelaufnahme nicht autoptisch. Bibliographischer Nachweis: NB 17901831). 69. Predigten über die wesenüichsten und eigenthümlichsten Lehren des Christenthums. Siebentes Heft. Ueber Weißagungen und Wunder im Neuen Testamente. Sieben Predigten, Lemgo: Meyer 1792, 150 S. (Theol. Bibl. der Lipp. Landeskirche Wgaa 1537; BSB München Horn. 449 b; Hess. Landes- und Hochschulbibl. Darmstadt 47/729). 70. Einige Wünsche an Tonkünstler, die sie erfüllen können, in: Musikalisches Wochenblatt. XXII. 1792, pl69-172. (Musikwissenschaftliches Seminar der Universität Bonn). 71. Predigten für Unterthanen und Eltern, Lemgo: Meyer 1792, XII (unpag.) + 386 S. (zwischendurch fehlerhaft paginiert). (WTS Heidelberg S Bh 30 Magaz.). (ALZ 12.3.1795). 72. Ueber Regieren und Gehorchen; bei dem Tode Leopolds des zweiten Römischen Kaisers, Hannover: Christian Ritscher 1792, 16 S. (NSLB Hannover I 8° 415 z88). 73. Empfehlung eines Buchs [seil. Brandes, Ernst, Über einige bisherige Folgen der französischen Revolution in Rücksicht auf Deutschland; A.S.], in: Lippische Intelligenzblätter vom Jahr 1792. Nebst vermischten Abhandlungen, Lemgo: Meyer o.J., pl49-152. (Lippische LB Detmold LZ 31. 1792). 74. Entwurf des Religionsunterrichts den der Prinz Casimir August von der Lippe bisher erhalten hat, o.O. (Hannover), o.V. (Hahn) 1792, X (unpag.) + IV + 208+ 1 S. (unpag. Korrektur-Verz.).

Bibliographie der Druckschriften Ewalds und der Archivalien

75,

76,

459

(Lippische LB Detmold Th 2608; Theol. Bibl. der Lippischen Landeskirche Qa 346 (Kopie)). Stellen aus Ewalds Lazarus, in: Lavater, Johann Caspar, (Hg.), Hand-Bibliothec für Freunde, Bd. 5, 1792, pl32-150. (BLB Karlsruhe 50 A 1421, Ma 5). (Auszüge aus Nr. 49). Vermischte Gedanken aus Einer Abhandlung von der Lehre von der Versöhnung durch Christus, in: a.a.O., pl95—199. (Standort vgl. Nr. 75). 1793

77,

78.

79.

80.

81.

82.

83. 84. 85. 86.

87.

88.

Entwurf eines christlichen Religionsunterrichts für die Jugend in gebildeten Ständen, Hannover: Christian Ritscher 1793, VI (unpag.) + IV + 208 + 1 S. (unpag. Korrektur-Verz.). (NSLB Hannover I 8° 415 z88 (1)). (Außer der Vorrede ist der Textbestand derselbe wie in Nr. 74). (ALZ 6.8.1796). Ueber Kasualpredigten Einige Ideen und Proben, in: Ueber Predigerbeschäftigung und Predigerbetragen. Achtes Heft. Ideen über Kasualpredigten und Volksbildung, Lemgo: Meyer 1793, p8—110. (Standorte vgl. Nr. 10). Ueber den Plan, die Einrichtung und den Gebrauch des dritten Theils des Lesebuchs für die Lippischen Schulen, in: a.a.O. (Nr. 78), pili—125. (Beitrag bezieht sich auf Teil 3 von Nr. 38). Meine Meinung über die Grundsäze eines Christlichen Catechismus für die Landjugend. Vorgelesen im theologischen Klubb am 26 Okt. 91, in: a.a.O. (Nr. 78), pl26—138. Ziel und Streben des Jugendlehrers; eine Rede am Gedächtnißtage der Einweihung des Seminars, in: a.a.O. (Nr. 78), p227-234. Was dachten Jesus und seine Apostel von den Erzälungen des Alten Testament [!] ?, in: a.a.O. (Nr. 78), p235-244. Ueber Aufklärung in der Religion; eine Auffoderung und Erklärung, in: a.a.O. (Nr. 78), p245-255. Zweifel über Bibelauthenthie [!] und Weissagungen. Aus einem Briefe an D.M., in: a.a.O. (Nr. 78), p256-263. (Wiederabdruck: Nr. 270). Ueber einige Zweifel gegen die Bibellehre von dem erlösenden Tode Jesus, in: a.a.O. (Nr. 78), p264-271. Anzeige einiger neuer Schriften, in: a.a.O. (Nr. 78), p272-310. (Eine Anzeige), in: Intelligenzblatt der ALZ, Nr. 102, 25.9.1793, Sp. 816. (In der Unterschrift unter dieser Anzeige findet sich ein Druckfehler. Statt „J.C. Ewald." muß es ,J.L. Ewald.' heißen). Nachricht, in: Intelligenzblatt der ALZ, Nr. 139, 21.12.1793, Sp. 1109f. (Ewald kündigt seine neue Zeitschrift,Urania' an).

460 89.

Kapitel IV

Fünfzig auserlesene Lieder bei Sonnenschein und Regen, beim Heumachen, Kornbinden und Erndtekranz, Flachs= Spinn= und Liebeslieder, daheim und in freier Luft zu singen, wenn man gerne froh ist in sechs Sammlungen. Lemgo: Meyer 1793, 80 S. (Stabi Berlin, la: Yd 5336) 89a. Dass., Neuausgabe: Erndtekranz 1793 Auserlesene Lieder bei Sonnenschein und Regen, beim Heumachen, Kornbinden und Erndtekranz Flachs=, Spinn= und Liebeslieder, daheim und in freier Luft zu singen, wenn man gern froh ist, leicht zu singen und angenehm zu hören, neu herausgegeben von Schramm, Willi, Bärenreiter=Ausgabe 889, Kassel: Bärenreiter 1935, 32 S. (Lippische LB Detmold Mus-h 5 E 3). 89b. Fünfzig Melodien zu den fünfzig auserlesenen Liedern bei Sonnenschein und Regen, beim Heumachen, Kornbinden und Erndtekranz, Flachs= Spinn= und Liebeslieder, daheim und in freier Luft zu singen, wenn man gerne froh ist; leicht zu singen und angenehm zu hören, Lemgo: Meyer 1793, 96 S. (Lippische LB Detmold Mus-n 10756). 90. Gesinnungen und Trostgründe des Christusverehrers in unserer bedenklichen Zeit, drei Predigten, Hannover: Christian Ritscher 1793, 58 S. (NSLB Hannover I 8° 415 z 88 (2); BSB München Horn. 449; UB Bonn Gm 163). (ALZ 12.3.1796). 90a. Dass., 2. Aufl.: Gesinnungen und Trostgründe des Christusverehrers in unserer bedenklichen Zeit. Drei Predigten. Zweite Auflage, Hannover: Christian Ritscher 1798, 71 S. (SUB Bremen Brem. c. 2364. Nr. 7). 91. Glaubensbekenntniß und Vorsäze des Prinzen Casimir August zur Lippe bei Seiner öffentlichen Konfirmation am 23ten Sept. 1792 nebst den Reden, die dabei gehalten worden, Lemgo: Meyer 1793, 24 S. (Lippische LB Detmold LC 92; Bibl. der Großen Kirche zu Emden Theol. 8° 1391; Ev. Kirche von Westfalen, Bielefeld, Bibl.). 92. Hand= und Hausbuch für Bürger und Landleute welches lehret wie sie Alles um sich her kennen lernen, sich gesund erhalten, sich in Krankheit helfen, wie sie ihr Land auf die vortheilhafteste Art bauen, ihre Gärten bestellen, sich gutes Obst ziehen, Bienen mit Nuzen halten, und wie Hausfrauen ihre Wirthschaft ordentlich führen sollen nebst noch vielerlei guten Ratschlägen, aus vielen Schriften und Aufsäzen geschikter Landwirte, Lemgo und Duisburg am Rhein: Meyer 1793, 378 S. (Theol. Bibl. der Lipp. Landeskirche Qa 348). (ALZ 7.4.1794). (Ewald war hier v.a. als Kompilator und Editor tätig. Einleitend findet sich eine Vorrede mit dem Titel:) 92a. Vorbericht und Bitte an die erwachsenen Landleute, in: a.a.O. (Nr. 92), p3-12.

Bibliographie der Druckschriften Ewalds und der Archivalien 92b.

461

Dass., 2. Aufl.: Hand= und Hausbuch für Bürger und Landleute welches lehret wie sie alles um sich her kennen lernen, sich gesund erhalten, sich in Krankheit helfen, wie sie ihr Land auf die vortheilhafteste Art bauen, ihre Gärten bestellen, sich gutes Obst ziehen, Bienen mit Nutzen halten, wie Hausfrauen ihre Wirthschaft ordentlich führen sollen, nebst noch vielerley guten Rathschlägen, aus vielen Schriften und Aufsätzen geschickter Landwirthe zusammengetragen und herausgegeben [...] Neue, mit einer kurzen Beschreibung der österreichischen Staaten vermehrte Auflage. Lemgo und Duisburg: o.V. 1795, 384 S. (Privatbesitz). 93. Was sollte der Adel jetzt thun? Den privilegirten deutschen Landständen gewidmet, Leipzig: Paul Gotthelf Kummer 1793, 86 S. (Lippische LB Detmold St 238; LB Coburg O III 10/11; Stadtarchiv Offenbach/M. Slg. Hecht Nr. 1985). (Auf diese Schrift antwortete ein aufgebrachter adeliger Anonymus aus Sachsen mit dem Titel: Stolz, Eigennutz und Pressfreyheit, als die drey grössten Feinde des Staats, oder Antwort auf Johann Ludwig Ewalds Frage: Was sollte der Adel jetzt thun? Von einem Adelichen aus uraltem Geschlecht, Frankfurt und Leipzig 1796. (UB Marburg XVII C 225b)). (Ebenfalls eine direkte Reaktion auf Nr. 93 ist: Anonym, Was sollten Deutschlands Regenten jetzt thun? Ein Seitenstück zur Ewaldschen Schrift: Was sollte der Adel jetzt thun? Der hohen deutschen Reichsversammlung gewidmet, Leipzig: o.V. 1794 (UB Augsburg IV 14 8° 361)). 93a. Reprint: Was sollte der Adel jetzt thun? Den privilegirten Deutschen Landständen gewidmet. Leipzig 1793, Scriptor Reprints. Sammlung 18. Jahrhundert. Herausgegeben von Garber, Jörn, Königstein / Taunus 1982. 93b. niederländisch: Wat behooren Adel en Grooten thans de doen? Eene beantwoordde vraag, Amsterdam: W. Holtrop 1793. (Bibliotheek der Koninklijke Nederlandse Akademie van Wetenschappen E 4020; KB Den Haag Pamflet 22207). 94. Ueber Ewalds Revolution, in: Lavater, Johann Caspar, (Hg.), Hand-Bibliothec für Freunde, Bd. 5, 1793, p41-63. (BLB Karlsruhe 50 A 1421, Ma 5). (Es handelt sich um Auszüge aus Nr. 93). 95. Aus Ewalds Broschüre: Was sollte der Adel jezt thun? in: a.a.O., p263f. (Standort vgl. Nr. 94). (Auszug aus Nr. 93). 96. Stellen aus Ewalds Lazarus, in: Lavater, Johann Caspar, (Hg.), Christliches Sonntagsblat. Eine Wochenschrift, Heft 2, 1793, Zürich: Ziegler und Weiß 1793, p27-30. (BSB München Per. 179 / 1-3) (Auszüge aus Nr. 49).

462

Kapitel IV 1794

97.

98.

99. 100. 101. 102. 103. 104.

105. 106. 107. 108. 109. 110. 111. 112. 113. 114.

114a.

(Ein Artikel in:) Lippstädter Zeitung, Nr. 42, 14.3.1794. (Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Reichshofrat: Obere Registratur, Nr. 559/1). (Vgl. zum historischen und thematischen Zusammenhang Kap. I, 8 und III, 3 dieser Arbeit). Einige Bemerkungen und Erinnerungen über die Klugheit eines Landpredigers bei Führung seines Amtes, in: Ueber Predigerbeschäftigung und Predigerbetragen. Neuntes Heft. Mancherlei Beherzigungswerthes für Prediger, Lemgo: Meyer 1794, p8-29. (Standorte vgl. Nr. 10). (Einige Anmerkungen zu:) Schwager, Ueber den Aberglauben, in: a.a.O. (Nr. 98), p82-139, hier: pl38f. Eine Lesegesellschaft für Schulmeister mit einem Wunsche des Herausgebers, in: a.a.O. (Nr. 98), pl40-157. Man solte auf dem Lande wieder die Homilieen einführen, in: a.a.O. (Nr. 98), ρ 187-194. Eine Homilie über einen Theil der Leidensgeschichte Jesus, in: a.a.O. (Nr. 98), p265-278. Anzeige von einigen nüzlichen Schriften, in: a.a.O. (Nr. 98), p279-300. Etwas über Menschenbedürfnisse, statt Einleitung, in: Urania für Kopf und Herz, herausgegeben von J. L. Ewald, Bde. 1 und 2, Hannover: Helwingsche Hofbuchhandlung 1794, 1. Bd., 1. St., pl-31. (UB Marburg I C 1740Vollkommenheit und Glück. Eine Erzälung, 1. Bd., 1. St., p59-66. Ein schwehres Problem, leicht aufzulösen, 1. Bd., 2. St., p93-106. Freyheit und Frechheit. Aus einer Rede an Jünglinge, 1. Bd., 2. St., pl27—131. Die Erscheinung, 1. Bd., 2. St., pl41-146. Die verschiedenen Religionen. Aus einem Briefe an C., 1. Bd., 3. St., ρ 184-190. Die Weiber und das Menschengeschlecht, eine Parallele durch Milton veranlaßt. Aus einem Briefe an P., 1. Bd., 3. St., p223-237. Die Revolutionen. Naturzeichnung oder Vision, wie man will, 1. Bd., 4. St., p355-359. Religion, Sittlichkeit, und Glükseeligkeit; auch eine Dreieinheit, 2. Bd., 1. St., pl-23. Französische Revolution. 1793, 2. Bd., 1. St., p66-71. Die lezten Szenen vor der Wiederkunft Jesus, nach der Offenbarung Johannes. Für denkende aber ungelehrte Bibelchristen, Frankfurt und Leipzig: Perrenonische Buchhandlung bey F. Platvoet 1794, XVI + 264 + 4 S. (unpag. Korrekturverz.). (LB Oldenburg Theol. III D b / 643). niederländisch: De laatste tooneelen voor de wederkomst van Jezus,

Bibliographie der Druckschriften Ewalds und der Archivalien

463

volgens de Openbaring van Johannes. Een boek voor denkende maar ongeleerde Bijbelchristenen. Uit het Hoogduitsch door W. Goede, Groningen: W. van Boekeren 1817. (KB Den Haag 252 D 35). 115. Ueber den Mißbrauch der wichtigsten Bibelvorschriften. Eine Fortsetzung der Schrift: Ueber den Mißbrauch reiner Bibellehren, Hannover und Osnabrück: Christian Ritscher 1794, X + 274 S. (LB Eutin Ri 63). (Dieser Titel ist eine Fortsetzung von Nr. 64). 116. Vermischte Christliche Ideen und Empfindungen. Erstes und Zweites Bändchen, Hannover: Christian Ritscher 1794 /1795, VIII + 246 S. / VIII + 248 S. (Stadtbücherei Hameln R VI a 1100; ULB Sachsen-Anhalt, Halle Im 944 GK (nur Bdchen. 2); Landeskirchenamt der Ev.-luth. Landeskirche Hannover, Bibl., Β IV 4596 (nur Bdchen. 2). 116a. niederländisch: Gedachten en gevoelens van eenen Christen. Naar het Hoogduitsch, 2 din., Groningen: W. van Boekeren 1820. (KB Den Haag 3065 E 11, 12). 1795 117. David. Erster und Zweiter Band, Leipzig und Gera: Wilhelm Heinsius 1795 und 1796, XVI + 248 S. / VIII + 334 S. (Fürstlich Ysenburgische Bibl. Büdingen IV c 1/21; LB Coburg Ρ III 11 / 7. 8; LB Oldenburg Theol. II Β 1 / 171; Forschungs- und LB Gotha Hist. 6953 /l). 117a. niederländisch: 1. Aufl.: De geschiedenis, lotgevallen en het karakter van David. Vert, uit het Duits, o.O. 1801-1802. (Keine autoptische Titelaufnahme. Bibliographischer Nachweis: Pica/GGC Databank Nr. 18). 117b. niederländisch: 2. Aufl.: De geschiedenis, lotgevallen en het karakter van David. Uit het Hoogduitsch vertaald door E. Tinga. Nieuwe uitgave, Amsterdam: van der Heij 1818, 2 din. (KB Den Haag 252 D 18). (Keine autoptische Titelaufnahme). 118. Briefe zu Beförderung der Menschlichkeit, An den Direktor eines Erziehungs=Instituts, in: Urania. Herausgegeben von J. L. Ewald, Bd. 3, Leipzig: Voß und Compagnie 1795, 1. St., p9-50. (UB Marburg I C 1740119. Urania, über die Weltbegebenheiten, a.a.O. (Nr. 118), 3. Bd., 1. St., p74-79. 120. Antwort an den Herrn H. J. zu H., 3. Bd., 2. St., p81-90. 121. Fortsetzung der Briefe zu Beförderung der Menschlichkeit, An den Direktor eines Erziehungsinstituts, 3. Bd., 2. St., p91—108. (Dieser Titel ist die Fortsetzung von Nr. 118). 122. Die Babylonier. Ein historisches Gemälde, dessen Gegenstük sich leicht finden wird, 3. Bd., 2. St., pl39-150.

464

Kapitel IV

123. 124. 125.

Miscellaneen, 3. Bd., 2. St., pl56-159. Miscellaneen, 3. Bd., 3. St., p234-239. Ueber die Vollkommenheit des menschlichen Charakters und dessen Bildung, in Briefen an einen studierenden Jüngling, mit einigen Anmerkungen von dem Herausgeber, 3. Bd., 4. St., p266-313. 126. Miscellaneen, 3. Bd., 6. St., p474-476. 127. Einige Stellen aus Ewalds christlichen Ideen und Empfindungen, einer der empfehlungswürdigsten Schriften unsers Zeitalters, in: Lavater, Johann Caspar, (Hg.), Christliche Monat-Schrift für Ungelehrte, Bd. 1, Zürich: Ziegler und Ulrich 1795, p339-345. (Deutscher Caritasverband, Bibl. Freiburg i.B. 2390). (Auszüge aus Nr. 116).

1796 128. Erklärung über die Erklärung des Herrn Pastors Stolz zu Bremen, im Intelligenzblatt der Allg. Lit. Zeit., Nro. 142, in: Intelligenzblatt der ALZ, Nr. 156, 23.11.1796, Sp. 1328. 129. Vorlesungen über weibliche Bestimmung und weiblichen Beruf, in: Urania. Herausgegeben von J. L. Ewald, Bd. 4, Leipzig: Voß und Compagnie 1796, 1. St., ρ 1-53; 3. St., pl61-178; 4. St., p241-267; 5. St., p370-386. (UB Marburg I C 1740(Teilweiser Vorabdruck von Nr. 151). 130. Miscellaneen, 3. Bd., 1. St., p77-79. 131. Miscellaneen, 3. Bd., 3. St., p237-239. 132. Miscellaneen, 3. Bd., 5. St., p398-399. 133. An die sämmtlichen Schullehrer dieses Landes, in: Lippische Intelligenzblätter vom Jahr 1796. Nebst vermischten Abhandlungen, Lemgo: Meyer O.J., p388f. (Lippische LB Detmold LZ 31. 1796). 134. Predigten über die wichtigsten und eigenthümlichsten Lehren des Christenthums. Achtes Heft. Leitungen zum Christenthum. Sieben Predigten, Lemgo: Meyer 1796, 134 + 2 S. (unpag. Inhaltsverz.). (Theol. Bibl. der Lipp. Landeskirche Wgaa 1537; BSB München Horn. 449 b). 135. Kantate, als Seine Durchlaucht, unser regierende Fürst mit Höchstderoselben Frau Gemalin, der Fürstin Pauline Christine Wilhelmine zum erstenmal die Kirche besuchten; in der Kirche zu Detmold gesungen. Die Verse sind von dem Generalsuperintendent Ewald die Komposition ist von dem Kantor Pustkuchen, Lemgo: Meyer 1796, 4 S. (unpag.). (Stadtarchiv Lemgo 1626). 136. Prolog am Geburtsfeste Unsrer Fürstin zu dem Schauspiele von Kotzebue: Armuth und Edelsinn im Character der Luise gesprochen von Hannchen Ewald am 23ten Febr. 1796, Lemgo: Meyer o.J., 3 S. (unpag.). (Lippische LB Detmold 8 an: LC 88).

Bibliographie der Druckschriften Ewalds und der Archivalien

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(Die Verfasserschaft Ewalds ist nicht zweifelsfrei zu beweisen. „Hannchen Ewald" ist seine Tochter). 137. Antwort auf die nöthige Erklärung des Herrn Pastor Stolz, in den theol. Annalen d. J. S. 703 u. f., in: Annalen der neuesten Theologischen Litteratur und Kirchengeschichte. Achter Jahrgang 1796, Rinteln / Leipzig / Frankfurt a.M. O.J., p734-736. (UB Heidelberg Q 33). (Antwort Ewalds auf Stolz, Johann Jacob, Nöthige Erklärung, in: a.a.O., p703f. Zur Streitsache vgl. Kap. I, 11 dieser Arbeit). 138. Erklärung, in: Annalen der neuesten Theologischen Litteratur und Kirchengeschichte. Achter Jahrgang 1796, Rinteln / Leipzig / Frankfurt a.M. o.J., p816. (UB Heidelberg Q 33). (Antwort Ewalds auf Stolz, Johann Jacob, An Hrn. Gen. Superint. Ewald in Detmold. (Antwort auf seinen Brief an mich in den theol. Annalen d. J. S. 734-736.), in: a.a.O., p766-768. Gleichzeitig Ankündigung der Schrift Bibl. Nr. 145).

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Abschieds=Predigt an meine liebe Detmolder Gemeinde gehalten am 4ten Dec. 1796 über Apostelgesch. 20; 25. 26. 27. 28. 31. 32., Lemgo: Meyer o.J. (1797), 28 S. (Lippische LB Detmold LC 29; Theol. Bibl. der Lipp. Landeskirche Wgaa 1534 (Kopie)). Eintrittspredigt bey der Gemeine zu St. Stephan in Bremen gehalten am ersten Christtage 1796. Zum Besten der St. Stephani Armenkasse, o.O. (Bremen), o.V., o.J. (1797), 30 S. (SUB Bremen Brem. c. 813. Nr. 5; Brem. c. 2364. Nr. 6). An Cölln, in: Lippische Intelligenzblätter vom Jahr 1797. Nebst vermischten Abhandlungen, Lemgo: Meyer o.J., pl31. (Lippische LB Detmold LZ 31. 1797). An die sämtlichen Schullehrer des Landes, in: a.a.O. (Nr. 141), ρ 131 f. (Dieser Titel ist zwar der Überschrift nach mit Nr. 133 identisch, nicht jedoch dem Inhalt nach). Predigten, zur Beförderung der Liebe zu Jesus, für Christen aller drey Kirchen. In zweyen Theilen. Herausgegeben von J. L. Ewald. Münster und Osnabrück: Franz Platvoet 1797, IX (unpag.) + 160 S. / 1 4 9 S. (HAB Wolfenbüttel Th 727). (Die ersten beiden Predigten dieser Sammlung stammen von Ludwig Friedrich August von Cölln, alle weiteren von Ewald). (Bekanntgabe des Erscheinens von Nr. 145, in:) Intelligenzblatt der ALZ, Nr. 60, 6.5.1797, Sp. 500. Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe, oder versprochene Erklärung eines Urtheils über die Uebersezung des N. Testaments von dem Herrn Pastor Stolz, Hamburg: (o.V.) 1797, 40 S.

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Kapitel IV (LB Eutin Rm 194; SUB Bremen Brem. c. 439 und c. 881. und c. 1311. Nr. 1). (ALZ 11./12.9.1797). Fantasieen auf der Reise, und bei der Flucht vor den Franken, von E. R V. B. Herausgegeben von J. L. Ewald, Berlin: Johann Friedrich Unger 1797,258 + 2 S. (unpag. Inhaltsverz.). (UB Heidelberg G 5887-1; LB Coburg J II 11/27; Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar 19 A 1764). (ALZ 28.8.1797. Das Werk ist sehr stark verbreitet. Ewald ist eindeutig der Verfasser, da der Inhalt z.T. biographischer Art ist. Das Kürzel „E. R V. B." heißt vermutlich: ,νοη Einem Prediger Von Bremen'). Christliches Hand= und Hausbuch. Oder: Betrachtungen auf alle Tage im Jahre; zu Beförderung des Glaubens an Jesus, und der christlichen Gottseeligkeit. Erster-Vierter Theil, Hannover: Hahn 1797-1798, XVI + 464 S. / 410 S. / 375 S. / XXXII + 437 + 4 S. (unpag. Korrektur-Verz.). (UB Marburg XIX e C 2351; WLB Stuttgart HB 7743; UB Tübingen Gi 1315 b. 8°). (ALZ 19.2.1796; 8.1.1799; 13.4.1799). Dass., 2. Aufl.: Christliches Hand= und Hausbuch. Oder: Betrachtungen auf alle Tage im Jahre; zu Beförderung des Glaubens an Jesus, und der christlichen Gottseligkeit. Erster und Zweiter Theil. Zweite verbesserte und wohlfeilere Ausgabe, Hannover: Hahn 1806, XII + 668 S. / 584 + XXX S. (NSLB Hannover I 8° 659 z88). Dass., Nachdruck der 2. Aufl.: Christliches Hand= und Hausbuch. Oder: Betrachtungen auf alle Tage im Jahre; zur Beförderung des Glaubens an Jesus, und der christlichen Gottseligkeit. Erster und Zweiter Theil. Neue verbesserte und mit des Verfassers Bildniß versehene Auflage, Reutlingen: J.J. Mäcken 1810, VIII + 656 S. / 550 + XXXII S. (WLB Stuttgart Theol. 8° 4981; UB Tübingen Gi 1315. 8°). (Es handelt sich um einen Neusatz). Dass., 3. Aufl.: Christliches Hand= und Hausbuch. Oder: Betrachtungen auf alle Tage im Jahre; zur Beförderung des Glaubens an Jesus, und der christlichen Gottseligkeit. Erster und Zweiter Theil. Dritte verbesserte und mit des Verfassers Bildniß versehene Ausgabe. Hannover: Hahn 1811, VIII + 656 S. / 550 + XXXII S. (Gesamthochschulbibl. Kassel III 67 h 12 FWHB Arolsen). niederländisch: 1. Aufl.: Christelijk huis- en handboek, of Bespiegelingen voor elken dag des jaars: ter bevordering van geloof in Jezus Christus en christelijke godzaligheid. Uit het Hoogduitsch vert, door J. Clarisse, Rotterdam: Ν. Cornel; Amsterdam: W. Brave, le Nederlandse uitg. 1801-1805. (Keine autoptische Titelaufnahme. Bibliographischer Nachweis: Pica/GGC Databank Nr. 36. Außerdem besteht hiervon noch ein zweiter Druck aus dem Jahre 1813). Dass., niederländisch: 2. Aufl.: Christelijk huis- en handboek of bespiegelingen voor elken dag des jaars. (Uit het Hoogduitsch vertaald door Johan-

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nes Ciarisse). Nieuwe uitgave. Eerste - Vierde Deel. Amsterdam: J. van der Hey en Zoon 1826. (KB Den Haag 3065 C 17-20). 148. Entwürfe zu den Sonn= und Festtagspredigten, In der Kirche zu St. Stephani in Bremen Im Jahr 1797 gehalten, Bremen: Friedrich Wilmans 1797, 248 S. (SUB Bremen Brem. c. 882; PTS Heidelberg Pr E 120,1). (ALZ 15.10.1798). (Fortsetzungen: Nrr. 149, 156, 182, 189, 215, 242, 260).

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Entwürfe zu den Sonn= und Festtagspredigten, in der Kirche zu St. Stephani in Bremen im Jahr 1798 gehalten, Bremen: Friedrich Wilmans 1798, 216 S. (PTS Heidelberg PrE 120, 2 ; SUB Bremen Brem. c. 883). (mit Häfeli, Johann Caspar:) Vorstellung an Bremens patriotische und edelgesinnte Bürger die Errichtung einer Bürgerschule betreffend, Bremen: Friedrich Meiers Erben o.J., 8 S. (SUB Bremen Brem. c. 741. Nr. 1 und Brem. c. 2159). (Vermutlich ist diese Schrift noch im Dezember 1798 erschienen. Die Schrift ist datiert auf den 11.12.1798 (vgl. p8). Dieser Titel ist ohne Verfasser-Nennung auf dem Titelblatt erschienen. Die Verfasser sind p8 genannt). Die Kunst ein gutes Mädchen, eine gute Gattin, Mutter und Hausfrau zu werden. Ein Handbuch für erwachsene Töchter, Gattinnen und Mütter. Erstes und Zweites Bändchen. Mit Kupfern von J. Penzel und Musick von F. Fraenzl, Bremen: Friedrich Wilmans 1798, VIII + 215 S. / V (unpag.) + 268 S. (HAB Wolfenbüttel Pb 82; Lippische LB Detmold FP 77). (Dieses Werk Ewalds hat bei weitem die stärkste Verbreitung, die meisten Neuauflagen und Übersetzungen erfahren). Nachdruck der 1. Aufl.: Die Kunst ein gutes Mädchen, eine gute Gattinn, Mutter und Hausfrau zu werden. Ein Handbuch für erwachsene Töchter, Gattinnen und Mütter, veränderte und verbesserte Ausgabe. Erstes und Zweytes Bändchen, Wien: J. D. Hummel 1799. (Österr. Nationalbibl. Wien 660. 511 - A). Dass., 2. Aufl.: Die Kunst, ein gutes Mädchen, eine gute Gattin, Mutter und Hausfrau zu werden. Ein Handbuch für erwachsene Töchter, Gattinnen und Mütter. Erstes und Zweites Bändchen. Zweite vermehrte und verbesserte Auflage. Mit neuen Kupfern von Ramberg und Ridley und neuer Musik von Franzi, Bremen: Friedrich Wilmans 1801, XVI + 336 S. / VIII + 257 S. (Stadtarchiv Offenbach Slg. Hecht Nr. 2210 / 1 + 2; NSLB Hannover IV 5 a 8° 776 a l ; HAB Wolfenbüttel Pb 83). (Intelligenzblatt der ALZ 17.12.1800 und 24.1.1801; ALZ 11.11.1801). Dass., 3. Aufl.: Die Kunst ein gutes Mädchen, eine gute Gattin, Mutter und Hausfrau zu werden. Ein Handbuch für erwachsene Töchter, Gattinnen und

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Kapitel IV Mütter, Erstes (und Zweites) Bändchen. Dritte vermehrte und verbesserte Auflage mit neuer Musik von Franzi, Frankfurt a.M.: Friedrich Wilmans 1804, XXVI + 336 S. / VIII + 263 S. (Hochschulbibl. Essen 07 HYX 7 9 2 - 1. 2). Dass., 4. Aufl.: Die Kunst ein gutes Mädchen, eine gute Gattin, Mutter und Hausfrau zu werden. Ein Handbuch für erwachsene Töchter, Gattinnen und Mütter. Erstes - Drittes Bändchen. Vierte vermehrte und verbesserte Auflage mit neuen Kupfern von Jury, Frankfurt am Mayn: Friedrich Wilmans 1807, XXII + 260 S. / II + 294 S. / IV + 222 S. (UB Freiburg i.B. Β 8006 me 1/3; Gesamthochschulbibl. Kassel II 191 a 14 FWHB Arolsen; Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar Ν 30 579 a c). Dass., 5. Aufl.: Die Kunst ein gutes Mädchen, eine gute Gattin, Mutter und Hausfrau zu werden. Ein Handbuch für erwachsene Töchter, Gattinnen und Mütter. Fünfte von Friedrich Jacobs herausgegebene Auflage. Erster bis Dritter Band, Frankfurt a.M.: Friedrich Wilmans 1826, X + 235 S. / 273 S. / 206 S. (HAB Wolfenbüttel Pb 84; UB Heidelberg MUS 608). Nachdruck der 5. Aufl.: Die Kunst, ein gutes Mädchen, eine gute Gattinn, Mutter und Hausfrau zu werden. Ein Handbuch für erwachsene Töchter, Gattinnen und Mütter. Herausgegeben von Friedrich Jacobs. Nach der fünften Original=Ausgabe, Wien: Mausberger 1827. (Wiener Stadt- und LB A 184. 040). dänisch: Den Kunst at blive en god Pige, Hustru, Moder og Huusmoder. Haandbog for voxne D0ttre, Hustruer og M0dre, skrevet af Johan Ludvig Ewald. Oversat ved Κ. L. Rahbek, Professor. F0rste - Andet Bind. Ki0benhavn: Frederik Brummers Forlag 1805. (Statsbiblioteket Ârhus; Det kongelige Bibliotek Kopenhagen). schwedisch: (nach der 4. dt. Aufl.): Konsten Att blifva En God Flicka, En god Maka, Mor och Matmor. En Handbok För Vuxna Döttrar, Makar och Mödrar. Öfversättning Frân fjerde Tyska Upplagan. Första - Tredje Delen. Örebro: Nils Magnus Lindh 1811. (Kungl. Biblioteket Stockholm; UB Lund; UB Greifswald Hh 173 8°). Dass., schwedisch, 2. Aufl. : Konsten Att blifva En God Flicka, En god Maka, Mor och Matmor. En Handbok För Vuxna Döttrar, Makar och Mödrar. Öfversättning Frân fjerde Tyska Upplagan. Första Delen, Örebro: N. M. Lindh 1842. (UB Lund (nur der erste Teil von dreien)). (Übersetzer ist Joh. P. Wâhlin). niederländisch: De kunst om een goed meisje, eene goede echtgenoote, moeder en huisvrouw te worden. Een handboek voor huwbare dochters, echtgenoten en moeders. Uit het Hoogduitsch vert, (door Α. Simons), Haarlem: F. Bohn 1801-1802, 2 dl. (Keine autoptische Titelaufnahme. Bibliographischer Nachweis: Pica/GGC Databank Nr. 62). niederländisch, 3. Aufl.: De kunst, om een goed meisje, eene goede echtge-

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noote, moeder en huisvrouw te worden. Eerste - Tweede en laatste deel. Derde vermeerderde druk, Haarlem: Francois Bohn 1816. (KB Den Haag 366 Β 5). (Die zweite Aufl. ist mir nicht bekannt). 15 Im. französisch: L'Ami des jeunes demoiselles, ou Conseils aux jeunes Personnes qui entrent dans le monde, sur les devoirs qu'elles auront à remplir dans le cours de leur vie. Tome premier - second, Paris: P. Blanchard o.J. (1816). (Bibliothèque nationale Paris R. 35449 - 35450). (Übersetzer: Ch. Bing). 15In. Dass., 2. Aufl.: Paris: P. C. Lehuby oJ. 1835. (Bibliothèque nationale Paris R. 54376 - 54377). (Übersetzer: Ch. Bing). 15lo. Dass., französisch-schweizerisch: Conseils maternels ou Manuel pour les jeunes filles, les épouses, les mères et les maîtresses de maison. Extrait et traduction libre d'un ouvrage allemand De feu J. L. Ewald, Prof, de Théologie a Heidelberg, d'après la quatrième edition. Par Madame Gauteron. Genève: J. J. Paschoud, Paris 1825, 376 S. (Bibliothèque nationale Paris R. 35451). 151p. Dass., 2. Aufl.: Manuel des jeunes femmes, ou Conseils maternels, Par J.-L. Ewald, Traduit de l'allemand par Madame Gauteron, Paris / Genève: Ab. Cherbuliez et Cie 1834. (Bibl. nat. Paris R. 35452). 15 lq. russisch: (Teile 1-4) vgl. Abbildungen p554f (Russische Nationalbibliothek St. Petersburg). 152. Ueber die Grösse Jesus und ihren Einfluss in seine Sittenlehre, nebst einigen hermeneutischen Ideen, Hannover: Helwing 1798, VIII + 156 + 2 S. (unpag·)· (BSB München Exeg. 338). (Intelligenzblatt der ALZ 5.9.1798; ALZ 14.9.1798). (Vgl. die Fortsetzung Nr. 159). 153. Die Wilhelmshöhe, bey Cassel. Schreiben an eine Freundin, in: Hennings, August, (Hg.), Der Genius der Zeit. Ein Journal. Achtzehnter Band. September bis December. 1799, Altona: J. F. Hammerich o.J., p395—411. (UB Heidelberg Zs 513 A (Reprint)). (Der Beitrag ist unterschrieben: „Brfemen] im August 1799. Efwald]". Daß es sich um einen Beitrag Ewalds handelt, geht aus einem Brief Ewalds an von Halem hervor (3.11.1799, LB Oldenburg)). 1799 154. (mit Häfeli, Johann Caspar:) Ausführlicher Plan der äussern und innern Einrichtung des Instituts zum Unterricht junger Bürgersöhne, Bremen: (o.V.) 1799, 45 S. (SUB Bremen Brem. c. 741. Nr. 2; NSUB Göttingen 8° H. urb. Hans. I, 2545).

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Kapitel IV

155. Fantasieen auf einer Reise durch Gegenden des Friedens, von Ε. P. v. B. Herausgegeben von J. L. Ewald, Hannover: Helwing 1799, XIV + 398 S. (Pfálz. LB Speyer 2 / 3828; LB Coburg J II 11/28; Stadtarchiv Offenbach Slg. Hecht Nr. 320). (Intelligenzblatt der ALZ 6.3.1799). (Ewald ist eindeutig der Verfasser dieses Titels, nicht bloß Herausgeber. Das geht schon aus Nr. 157 hervor und aus der gesamten Geschichte der Streitsache mit Johann Heinrich Hübbe. Vgl. hierzu Kap. I, 12 dieser Arbeit. Zur Auflösung des Kürzels im Titel vgl. Nr. 146). 156. Entwürfe zu den Sonn= und Festtagspredigten, in der Kirche zu St. Stephani in Bremen im Jahr 1799 gehalten, Bremen: Friedrich Wilmans 1799, 258 S. (SUB Bremen Brem. c. 884). 157. Erklärung über die Schrift des Herrn Katecheten Hübbe in Hamburg, eine Stelle in meinen neuesten Reisefantasien betreffend, Hamburg: F. H. Nestler 1799, 16 S. (StA Hamburg, Bibliothek Nr. 5 in Sammelband A 551 - 2). 158. Etwas über Lehrmethode in Trivialschulen; mit Rüksicht auf die Antwort des Herrn Katecheten Hübbe, Bremen: Friedrich Wilmans 1799, 52 S. (SUB Bremen Brem. c. 741 Nr. 3 und Brem. c. 1311 Nr. 3). (ALZ 1.2.1800). 159. Ueber die Grösse Jesus und ihren Einfluss in die christliche Sittenlehre. Erste Fortsetzung, welche die Beantwortung verschiedener Einwürfe enthält, Gera und Leipzig: Wilhelm Heinsius 1799, 124 S. (Franckesche Stiftungen Halle, Hauptbibl. 93 G 46 (2)). (ALZ Ergänzungsblatt Nr. 15, 1801, diese Schrift ist eine Fortsetzung von Nr. 140). 160. Wie nützt man am besten den Geist seines Zeitalters? Eine philosophischhistorische Abhandlung, Bremen: Friedrich Wilmans 1799, 176 S. (LB Oldenburg Jur Β VII, 2/265; UB Freiburg i.B. Β 4942 gd; SUB Bremen Brem. c. 1311. Nr. 3). (ALZ 20.9.1799). 1800 1

161. Einleitung, in: Christliche Monatschrift, zur Stärkung und Belebung des christlichen Sinns. Herausgegeben von Johann Ludwig Ewald. Jahrgang 1 Die Titel sind grundsätzlich nach dem über dem jeweiligen Beitrag stehenden Titelwortlaut zitiert. Die Verfasserschaft Ewalds läßt sich nur durch das jeweilige Inhaltsverzeichnis erheben. Eine vollständige, alle Jahrgänge umfassende Ausgabe dieser Zeitschrift mit kompletten Inhaltsverzeichnissen findet sich nur in: UB München (8° Theol. 2457). Das Exemplar SUB Bremen Brem. c. 1331-1338 ist zwar vollständig, es fehlen jedoch sämtliche Inhaltsverzeichnisse, daher zur Eruierung der Verfasserschaften unbrauchbar. Erschienen sind die Jhgg. 1800,1802-1805, nie jedoch ein Jhg. 1801, da der erste Jhg. bis in das Jahr 1801 im Erscheinen begriffen war.

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1800. Erstes - Sechstes Stiik (= Bd. 1), Nürnberg: Raw'sche Buchhandlung 1800, 1. St., pl—10. (UB Tübingen Gi 1317 a. 8°) (Ergänzungsblatt der ALZ 9. / 11. / 13.12.1806). niederländisch: Christelijk tijdschrift tot opwekking en sterking van den christelijken zin. 2 stukken, Utrecht: de Weduwe J. van Terveen en Zoon 1802. (Titelaufnahme nicht autoptisch. Bibliographischer Nachweis: NB 1790-1831). Anfragen und Beantwortungen. 1. St., p61-66. Der Christ, gebildet und beseeligt durch Liebe. 2. St., p75-100. Verborgenes Christenleben. 3. St., pl74-187. Beyträge zu den Zeichen der Zeit. 3. St., p213—217. Nach Endigung einer christlichen Erbauungsschrift. 4. St., p244f. Die Reise nach der Quelle. 4. St., p264-273. Dunkle und heitere Aussichten, Fragment eines Fragmentes. 4. St., p274-276. Welchen Einfluß hat das, was Jesus von seiner Person gesagt hat, auf die Sittenlehre, die Er vortrug? nach Matth. 28,18-20. 4. St., p291-300. Anfrage und Beantwortung. 4. St., p308-311. Die Bibellehre von guten und bösen Engeln, mit einer Einleitung und Vermuthungen. 5. und 6. St., p326-338. 395-417. Christliche Ideen bey dem Lesen mancher Schriften. 5. St., p380f. Aufforderung und Antwort, in: Christliche Monatschrift, zur Stärkung und Belebung des christlichen Sinns. Herausgegeben von Johann Ludwig Ewald. Jahrgang 1800. Siebentes - Zwölftes Stük (= Bd. 2), Nürnberg: Raw'sche Buchhandlung 1800, 7. St., p41. (UB Tübingen Gi 1317 a. 8°). Haben wir bessere Zeiten zu hoffen? und Wann werden sie kommen? Eine Reihe von Briefen. 8., 9. und 11. St., pl09-132. 195-213. 340-361. Auszüge aus Briefen nebst Beantwortung. 8. St., pl54-159. Züge von tiefer Versunkenheit der Menschen aus älterer und neuerer Zeit. 10. St., p295-302. Briefauszug. H. den 12. December 1800. 10. St., p316-320. (Bekanntgabe des Erscheinens von Nr. 159, in:) Intelligenzblatt der ALZ, Nr. 11, 18.1.1800, Sp. 87. (Zum Projekt von Nr. 161, in:) Intelligenzblatt der ALZ, Nr. 55, 26.4.1800, Sp. 450f. Erklärung, in: Intelligenzblatt der ALZ, Nr. 93, 28.6.1800, Sp. 784. (Eine gemeinsame Erklärung von Ewald und Johann Jacob Stolz, die Beendigung ihres Streites betr. Vgl. zur Sache Kap. I, 11 dieser Arbeit). (Anonym), Die Göttlichkeit des Christenthums, so weit sie begriffen werden kann. Vom Verfasser der Briefe an Emma über die Kantische Philosophie, Bremen: Friedrich Wilmans 1800, XI + 278 S. (Stadtbibl. Trier F 8° 3095).

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Kapitel IV (Der Untertitel deutet klar auf Ewald hin. Vgl. Nr. 53. Auch die Tatsache, daß das Buch bei Ewalds Verleger Wilmans erschienen ist, deutet auf eine Verfasserschaft Ewalds hin. Dennoch machen auf der andern Seite Stil und Inhalt der Schrift eine Verfasserschaft Ewalds m.E. unmöglich. Hinzu kommt, daß die Bibliographie von Kayser (1750-1832) Georg Ludwig Bekenn als Verfasser angibt. Allerdings ist mir schleierhaft, warum Bekenn sich eines auf Ewald hindeutenden Pseudonyms bedient haben sollte und sich obendrein nirgends eine Erklärung Ewalds findet, daß diese Schrift nicht von ihm stammt. Ein endgültiges Urteil in dieser Sache zu fällen, ist nach dem Stand der Quellen m.E. nicht möglich). Dass., 2. Aufl.: 1804. (Standort nicht bekannt. Bibliographischer Nachweis: Kayser 1750-1832). Entwürfe zu den Sonn= und Festtagspredigten, in der Kirche zu St. Stephani in Bremen im Jahr 1800 gehalten, Bremen: Friedrich Wilmans 1800, 244 S. (SUB Bremen Brem. c. 885). (mit Häfeli, Johann Caspar:) Ueber die Entstehung der neuen Bürgerschule in Bremen, und die erste öffentliche Prüfung der Schüler. Von Doktor Ewald, und Doktor Häfeli, in: Smidt, J., (Hg.), Hanseatisches Magazin. Vierter Band, Bremen: Friedrich Wilmans 1800, pl 15—155. (StA Bremen b 106 Zb). (Innerhalb des Artikels ist genau gekennzeichnet, welche Abschnitte von welchem der beiden Verfasser stammen). Ist es jetzt rathsam, die niederen Volksklassen aufzuklären?, Leipzig und Gera: Wilhelm Heinsius 1800, XIV + 206 S. (HAB Wolfenbüttel Va 88; Stabi Berlin la: FB 13091Ì ; UB Augsburg). Dass., 2. Aufl.: Ist es rathsam, die niederen Volksklassen aufzuklären? Und: Wie muss diese Aufklärung seyn? Vermehrte Auflage, Leipzig: Heinrich Büschler in Elberfeld 1811, XVI + 287 S. (BSB München Ph. pr. 432; UB München 8° Polit. 806a; Sächs. LB Dresden 8° 1 A 1517). Predigten über die wesentlichsten und eigenthümlichsten Lehren des Christenthums. Elftes Heft. Ueber Auferstehung der Todten und letztes Gericht. Sechs Predigten, Lemgo: Meyer 1800, 110 + 2 S. (unpag. Inhaltsverz.). (Theol. Bibl. der Lipp. Landeskirche Wgaa 1537; BSB München Horn. 449 b). Kleine, vermischte Schriften. Erstes Bändchen. Fromme Wünsche, für Menschenwol, größtentheils aus Akten, Duisburg am Rhein: Helwing 1800, VI (unpag.) + 117 S. (UB Bonn Fa 805 (1)). (ALZ 30.3.1802). (Dieser Band enthält neben anderen Beiträgen die Nrr. 24 und 107. Daß auch ein zweites Bändchen erschienen wäre, ist mir nicht bekannt). Salomo. Versuch einer psychologisch=biographischen Darstellung, Leipzig und Gera: Wilhelm Heinsius 1800, XXVII + 3 4 7 + 1 S. (unpag. Korrekturverz.).

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(UB Tübingen Ge 866. 8°; UB Regensburg BC 6980 E94; LB Oldenburg Theol. II Β m/4). 187a. niederländisch: De geschiedenis, lotgevallen en het karakter van Salomo. (Uit het Duitsch vertaald door Eelco Tinga), Groningen 1806. (KB Den Haag 252 C 31). (Keine autoptische Titelaufnahme, sondern nach Titelkarte des Zettelkataloges der genannten Bibl.). 1801 188.

Beweis, dass manche Recensenten in der A. L. Z. Unwahrheiten sagen, und sich durch neue Unwahrheiten vertheidigen, Leipzig und Gera: Heinsius 1801, 36 S. (Kein Standort bekannt). (Titelaufnahme nach Intelligenzblatt der ALZ 3.4.1802. Vgl. die Auseinandersetzung des Rezensenten mit genannter Schrift a.a.O.). 189. Entwürfe zu den Sonn= und Festtagspredigten, in der Kirche zu St. Stephani in Bremen im Jahr 1801 gehalten, Bremen: Friedrich Wilmans 1801, 228 S. (SUB Bremen Brem. c. 886). 190. Christliches Kommunionbuch. Mit einer Vorrede die durchaus vorher gelesen werden muß, Bremen: Friedrich Wilmans 1801, VIII + 383 S. (UB Tübingen Gi 1309. 8°; SUB Bremen Brem. c. 888; WLB Stuttgart HB 7748). (ALZ 8.1.1803). 190a. Dass., 2. Aufl.: Christliches Kommunionbuch Mit einer Vorrede die durchaus vorher gelesen werden muß. Zweite, vermehrte und verbesserte Auflage, Frankfurt am Mayn: Friedrich Wilmans 1813, XII + 394 S. (Kirchen-Ministerial-Bibl. Celle X Lb 26). .(Ergänzungsblatt der ALZ Sept. 1813). 190b. Dass., 3. Aufl.: Dritte vermehrte und umgearbeitete Auflage von Dr. Gerh. Friedrich, Frankfurt am Main: Friedrich Wilmans 1826. (Standort nicht bekannt). (Bibliographischer Nachweis: Kayser 1750-1832). 190c. niederländisch: De godvruchtige avondmaalganger, of Overdenkingen tot regt gebruik van het Heilig Avondmaal. Uit het Hoogduitsch door Β. Verwey, Workum: I. Verweij 1803, XVI + 236 S. (Titelaufnahme nicht autoptisch, Bibliographischer Nachweis: Pica/GGC Databank Nr. 58). 190d. niederländisch: 2. Aufl.: De godvruchtige Avondmaalganger, of Overdenkingen tot regt gebruik van het Avondmaal. Uit het Hoogduitsch door Bernardus Verweij. Tweede druk, Amsterdam 1814. (KB Den Haag 1172 A 65). (Titelaufnahme nicht autoptisch, sondern nach Zettelkatalog der genannten Bibl.). 190e. niederländisch: 3. Aufl.: Derde druk. Amsterdam 1834.

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192a. 193.

194.

Kapitel IV (KB Den Haag 1172 A 12). (Titelaufnahme nicht autoptisch, sondern nach Zettelkatalog der genannten Bibl.). Gemeingeist. Ideen zu Aufregung des Gemeingeistes, Berlin: Johann Friedrich Unger 1801, 212 S. (Stadtbücherei Berlin Wilmersdorf 5208 G; Sächs. LB Dresden 8° 1A1516; Stabi Berlin F 14012 RAR 8°). (ALZ 27.3.1802). (mit Häfeli, Johann Caspar:) Kurze Anleitung für Schullehrer und Schullehrerinnen in niederen Schulen, wie sie zweckmäßig unterrichten und ihre Schulen in Ordnung erhalten können. Unter Obrigkeitlicher Authorität verfaßt von D. J. L. Ewald und J. C. Häfeli, Bremen: Friedrich Meier 1801,99 S. (SUB Bremen Brem. c. 142. Nr. 1 und Brem. c. 2159. Nr. 4. und Brem. c. 741. Nr. 4). russisch: vgl. Abb. p555. (Russische Nationalbibliothek St. Petersburg). Sechs Lieder, in Musik gesetzt von Ferdinand Fränzel, Bremen: Friedrich Wilmans o.J. (1801). (HAB Wolfenbüttel Un Sammelbd. 12 (43)). Meine Sommer=Reise; an ..., in: Irene, Deutschlands Töchtern geweiht, herausgegeben von von Halem, Gerhard Anton. Sechstes Stück. Berlin: Ungers Journalhandlung 1801, p55-93. (LB Oldenburg Spr XIII 1/35). 1802

195. Bedarf der Mensch Vergebung seiner Sünden? und: Was lehrt die Bibel darüber?, in: Christliche Monatschrift, zur Stärkung und Belebung des christlichen Sinns. Herausgegeben von Johann Ludwig Ewald. Jahrgang 1802. Erstes - Sechstes Stück (=Bd. 1), Leipzig: Paul Gotthelf Kummer 1802.1. Bd., 1. St., p5-24; 2. St., p81-94; 3. St., pl61-177; 4. St., p241-277; 5. St., p321-341. (UB München 8° Theol. 2457). (Intelligenzblatt der ALZ 25.11.1801. Ergänzungsblatt der ALZ 9. / 11. / 13.12.1806). (Vgl. Nr. 214: Separatdruck hiervon). 196. Ueber die Verheißungen von positiven Gebetserhörungen, ein Brief des Herrn Geheimenrath Brauers in Carlsruhe, an den Herausgeber, nebst dessen Antwort. 1. Bd., 1. St., p25—43; 2. St., p95-107. 197. Etwas über Mystik. Aus den Schriften der Madame Guyon. 1. Bd., 2. St., pl08—114. 198. Empfehlung einiger christlichen Schriften. 1. Bd., 2. St., pl57-160. 199. Antwort des Herausgebers an Herrn Geheimenrath Brauer in Carlsruh. 1. Bd., 3. St., pl78-195. 200. Trost bey dem Selbstmord eines Geliebten. 1. Bd., 3. St., p234-238. 201. Der Herausgeber an seine Korrespondenten. 1. Bd., 3. St., p240.

Bibliographie der Druckschriften Ewalds und der Archivalien

475

202. Mutter=Frage. (Aus einem Briefe.) 1. Bd., 4. St., p314-316. 203. Ahnungen, im May. 1. Bd. 5. St., p392. (Ewalds Verfasserschaft nachgewiesen in: Jhg. 1803, p78). 204. Fürbitte an das christliche Publikum. 1. Bd., 5. St., p400. 205. Ueber willkührliche Veränderung der Liturgieen. 1. Bd., 6. St., p432-435. 206. In das Stammbuch eines Jünglings, der eine weite Reise antrat. 1. Bd., 6. St., p443. (Verfasserschaft Ewalds nachgewiesen in: Jhg. 1803, p78). 207. (Bemerkungen zu:) Verordnung über die Art meiner Beerdigung (von von Hoffmann). 1. Bd., 6. St., p475f. 208. An den fleißigen Leser der christlichen Monatschrift in Leipzig, in: Christliche Monatschrift, zur Stärkung und Belebung des christlichen Sinns. Herausgegeben von Johann Ludwig Ewald. Zweiter Jahrgang 1802. Zweiter Band. Erstes - Sechstes Stück, Leipzig: Paul Gotthelf Kummer 1802, 4. St., p320. (UB München 8° Theol. 2457). 209. Am Copulationstage einer lange, hoffnungslos liebenden Christin. 2. Bd., 5. St., p388. (Verfasserschaft Ewalds nachgewiesen in: Jhg. 1803, p78). 210. An die unbekannte Unverheirathete, auf einen Brief, im August dieses Jahrs geschrieben. 2. Bd., 5. St., p399. 211. Aus der Antwort an einen fragenden, jungen Prediger. 2. Bd., 5. St., p400. 212. Brief einer Unbekannten, Unverheiratheten, an den Herausgeber, mit Antwort Num. 1. 2. Bd., 6. St., p453-462. 213. (Eine Anzeige in der Streitsache mit einem Rezensenten:) Intelligenzblatt der ALZ, Nr. 73, 19.5.1802, Sp. 600. 214. Bedarf der Mensch Vergebung seiner Sünden? und: Was lehrt die Bibel darüber? Eine historisch=dogmatische Abhandlung, Leipzig: Paul Gotthelf Kummer 1802, 149 S. (Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar Bb, 4: 317; KiHo Naumburg (seit 1972 verloren)). (Wiederabdruck von Nr. 195). 214a. niederländisch: Behoeft de mensch vergeving van zijne zonden? en Wat leert ons de bijbel daaromtrent? Gevolgd naar het Hoogduitsch. Utrecht: W. van Yzerworst 1803. (Titelaufnahme nicht autoptisch. Bibliographischer Nachweis: Pica/GGC Databank Nr. 57). 215. Entwürfe zu den Sonn= und Festtagspredigten, in der Kirche zu St. Stephani in Bremen gehalten. Sechster Jahrgang. 1802, Bremen: Carl Seyffert 1803, 249 S. (SUB Bremen Brem. c. 887). 216. Vorrede, in: Neuer Calender für das Jahr 1802. Oder Handbuch für den Bürger und Landmann, herausgegeben von Johann Ludwig Ewald. Zehnter Jahrgang. Mit einem Kupfer, Hannover: Hahn 1802, pI-VI. (Lippische LB Detmold FP 694; NSLB Hannover C 5419; LB Coburg Alm 417).

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Kapitel IV Etwas Allgemeines über Luft, Wasser und Erde, in: a.a.O. (Nr. 216), p44-66. Etwas vom menschlichen Körper, und den Mitteln, ihn gesund zu erhalten, in: a.a.O. (Nr. 216), p86-146. Etwas von dem Leben des Kommerzraths Höpfner, in Hannover, in: a.a.O. (Nr. 216), pl-25. 1803

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Neuester Volkskalender oder Beiträge zur nützlichen, lehrreichen und angenehmen Unterhaltung für allerlei Leser, zunächst für den Bürger und Landmann. Von Dr. J. L. Ewald in Bremen. Hannover: Hahn 1803. (ULB Halle AB 37029 und 36454). (Anders als in Nr. 216 ist in diesem Kalender kein Beitrag von Ewald zu finden. Sein Anteil am Kalender beschränkt sich auf das Editorische). (Intelligenzblatt der ALZ 6.11.1802). Vorwort, in: Christliche Monatschrift, zur Stärkung und Belebung des christlichen Sinns. Herausgegeben von Johann Ludwig Ewald. Jahrgang 1803. Erstes - Sechstes Stück, Leipzig: Paul Gotthelf Kummer 1803 (=Bd. 1). 1. Bd., l.St., p3-6. (UB München 8° Theol. 2457). (Intelligenzblatt der ALZ 26.2.1803. Ergänzungsblatt der ALZ 9. / 11. / 13.12.1806). Bericht über den Protestantischen Religions=Zustand Frankreichs. 1. Bd., 2. St., p81-95. Das Geburtsfest, eine unwahrscheinliche, aber wahre Geschichte. 1. Bd., 2. St., p96-102. Antwort an die Unbekannte, Unverheiratete. Zweiter Brief. 1. Bd., 2. St., pllO-116. Anzeige einiger christlichen Schriften. 1. Bd., 3. St., p207-215. Wahrheitshaß. Nach Apostelgesch. 5, 33. 1. Bd., 3. St., p224-233. Wie verwandelt man Wasser in Wein? Freie Ideen über Joh. 2. 1-11. 1. Bd., 4. St., p313-318. Wiedergeburt. Aus einer Predigt über Joh. 3; 3,5. 1. Bd., 5. St., p383-392. Menschenfurcht. Nach Joh. 3,1.2. in: Christliche Monatschrift zur Stärkung und Belebung des christlichen Sinns. Jahrgang 1803. Zweiter Band. Erstes Sechstes Stück, Leipzig: Paul Gotthelf Kummer 1803 (=Bd. 2), 1. St., ρ 1624. (UB München 8° Theol. 2457). Die Babylonier. Ein historisches Gemälde, dessen Gegenstük sich leicht finden lassen wird. 2. Bd., 2. St., p81-94. Ist es gleichgültig, was wir von der Person Jesus halten? Aus einem Briefe. 2. Bd., 3. St., pl61-170. Das Treibhaus im Morgenland und ein Brief über Humanität. 2. Bd., 4. St., p277-292. Bis hierher, und nicht weiter! Nach Daniel 11, 36-39, und 44, 45. 2. Bd., 5. St., p384—396.

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Gott helfe dir! Was soll es wirken? Und was wirkt es? 2. Bd., 5. St., p399f. Nachricht an das Publikum. 2. Bd., 4. St., p317-320. Christliche Sonntagsfeier oder Christensinn und Christenseeligkeit, in Betrachtungen auf alle Sonntage im Jahre, Bremen: Carl Seyffert 1803, VI + 600 S. (UB Tübingen Gi 1311. 8°; SUB Bremen Brem. c. 889; Stabi Berlin, Kriegsverlust). (ALZ 31.10.1803). niederländisch: Christelijk zondagsboek, of Stichtelijke overdenkingen op alle zondagen in het jaar. Uit het Hoogduitsch vert, door Β. Verwey, Amsterdam: J. Tiel (Stücke 1-3), J. van der Heij (Stück 4), 4 stukken. (Bibl. nat. Paris D 2 7604). Mitverfasserschaft Ewalds: Eine Schrift, die einige Bremer Pfarrer gemeinsam verfaßt haben, höchstwahrscheinlich anonym hg. haben und deren Manuskript (ein Bogen) Ewald an von Halem übersendet, damit dieser sie in den Druck gibt und die fertigen Drucke an den Verleger Seyffert in Bremen schickt. Mir ist diese Schrift bisher unbekannt geblieben. Die klaren Hinweise finden sich in einem Brief Ewalds an von Halem, 22.10.1803 (LB Oldenburg): „Ich und einige meiner Kollegen fanden die Erklärung nöthig, zur Selbstvertheidigung, und um dem abscheulichen Geist des Fanatismus und der Sektiererei entgegen zu arbeiten, der durch N. verbreitet wird [...] Ich wünschte in der ganzen Sache nicht genannt zu seyn, darum wend' ich mich an Sie." Die Schrift muß Ende Okt. bzw. Anfang Nov. 1803 gedruckt worden sein. Ewald bedankt sich für von Haiems Mühe in einem Brief vom 5.11.1803. Es muß sich um eine derjenigen Schriften handeln, die im sog. Nicolaischen Kirchenstreit erschienen sind und im StA Bremen (T.-3. b. 10. b. Nr. 15a-15d) gesammelt sind. Nur für die Identifikation gibt es zu wenig Anhaltspunkte. Vgl. zur Sache: Wenig, Otto, Rationalismus und Erwekkungsbewegung in Bremen, Bremen 1966, p66f, und: Kühtmann, Alfred, Der Nicolaische Kirchenstreit, die Rechte der Domgemeinde betr., zwischen dem Bremischen Rathe und den Diakonen des Doms, in: Bremisches Jahrbuch 11 (1880), p58-95. Erbauungsbuch für Frauenzimmer aller Konfessionen. Zwei Bände. Mit einem Kupfer, Hannover: Hahn 1803, 244 + 255 S. (HAB Wolfenbüttel Th 726; SUB Bremen Brem. c. 1180). (ALZ 28.6.1803). Dass., 2. Aufl.: Erbauungsbuch für Frauenzimmer aller Konfessionen. Zwei Bände. Neue wohlfeilere Ausgabe. Hannover und Leipzig: o.V. 1808, zus. 470 S. (Stadtarchiv Offenbach/M. Ρ 195 / 1; WLB Stuttgart Theol. 8° 4930). niederländisch: Godsdienstig handboek voor christen-vrouwen en dochters. Uit het Hoogduitsch, Amsterdam: J. van der Hey 1809. (KB Den Haag 3066 D 8).

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Kapitel IV Was dachten die alten Juden von dem Logos? und was dachten die Vornizänischen Väter von der Gottheit Jesus? Ein kleiner Beitrag zur Beantwortung dieser Fragen, mit einem Intelligenzblatt an die Redaktion und gegen einen Rezensenten in der Allg. Lit. Zeitung, Leipzig: Paul Gotthelf Kummer 1803, 120 S. (LB Oldenburg Theol. II C g / 260; UB Regensburg BN 5300 E 94; UB Tübingen Gf 1886. 8°). 1804

240.

Der gute Jüngling, gute Gatte und Vater, oder Mittel, um es zu werden. Ein Gegenstück zu der Kunst ein gutes Mädchen zu werden. Erster und Zweiter Band, Frankfurt a.M.: Friedrich Wilmans 1804, XXIV + 415 S. / XVI + 432 S. (HAB Wolfenbüttel Pb 81; UB Heidelberg Τ 225; Gesamthochschulbibl. Kassel II 194 • 5 FWHB Arolsen). (ALZ 2.3.1805; Ergänzungsblatt zur ALZ 22.3.1806). (Mit diesem Titel setzt Ewald sein Werk Nr. 151 fort). 240a. niederländisch: De goede jongeling, echtgenoot en vader, of middel om zulks te worden, 2 din., Amsterdam: ten Brink en de Vries 1805. (Titelaufnahme nicht autoptisch. Bibliographischer Nachweis: NB 1790-1831). 241. (mit Häfeli, Johann Caspar:) Was fehlt unseren Trivialschulen noch? Zwei Reden, bei dem Schlüsse der Bürgerschule gehalten, mit einer kleinen Vor= und Nachrede, Bremen: o.V. 1804, 38 S. (SUB Bremen Brem. c. 741. Nr. 5; Brem. c. 530; NSUB Göttingen 8° Polit. IV 7863). 242. Entwürfe zu den Sonn= und Festtagspredigten, in der Kirche St. Stephani in Bremen gehalten. Siebenter Jahrgang 1803, Bremen: Carl Seyffert 1804. (Kein Standort bekannt). (ALZ 7.11.1805). 243. Eintracht, empfohlen und gewünscht in einer Predigt über 2 Kor. 13. v. 11. am Ersten Tage des Jahrs 1804, Bremen: Carl Seyffert o.J., 16 S. (SUB Bremen Brem. c. 466. Nr. 7; Brem. c. 823). (ALZ 16.6.1806). 244. Vermischte Gedanken, in: Christliche Monatschrift, zur Stärkung und Belebung des christlichen Sinns. Herausgegeben von Johann Ludwig Ewald. Jahrgang 1804. Erstes - Sechstes Stück, Leipzig: Paul Gotthelf Kummer 1804, (= Bd. 1), 1. Bd., 1. St., p33-36. (UB München 8° Theol. 2457). (Ergänzungsblatt zur ALZ 9. / 11. / 13.12.1806). 245. Anfrage. 2. Über die Krämer in dem Gleichniß Jesus Matth. 25. mit einer vorläufigen Beantwortung des Herausgebers. 1. Bd., 1. St., p73f. 246. Notizen. 1. Bd., 1. St., p75. 247. Erklärung über einige wichtige Bibellehren, aus Briefen des Herausgebers

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an den sei. Prediger Kraft in Frankfurt am Mayn. Mit Anfragen des Herausgebers. 1. Bd., 1. St., p51-70. Jesus als Naturbeobachter, Bibelerklärer und Lehrer der Gelehrten. Nach Joh. 3, 1-15. 1. Bd., 3. St., pl89-206. Anzeige einiger christlichen Schriften. 1. Bd., 3. St., p225-227. Was soll uns Jesus? Nach Joh. 10,11. 1. Bd., 4. St., p241-253. Plan Gottes zu Beseligung der Menschheit. Nach Rom. 5,12-21. 1. Bd., 5. St., p321-337. Gedanken über christliche Sterbenslust (Heimweh des Christen), und den Unglauben daran, (mit einer Nachrede von dem Herausgeber). 1. Bd., 5. St., p387. Schreiben eines Unbekannten an den Herausgeber, den Unterschied der ersten und der jetzigen Christen betreffend, (mit einer kleinen Nachrede des Herausgebers). 1. Bd., 6. St., p416f. Aus dem Brief einer fernen Freundin, über eben diesen Gegenstand, (mit einer vorläufigen Antwort und Erklärung des Herausgebers). 1. Bd., 6. St., p424. Bekanntschaft mit Jesus, in: Christliche Monatschrift, zur Stärkung und Belebung des christlichen Sinns. Herausgegeben von Johann Ludwig Ewald. Zweiter Band. Erstes - Sechstes Stück, Leipzig: Paul Gotthelf Kummer 1804, 1. St., p31-34. (UB München 8° Theol. 2457). Ist eine positive Religion denkbar? Von Paläologus, mit einer Nachrede von dem Herausgeber. 2. Bd., 2. St., p81-88. Die Freunde im Leben und Tod. in: Irene. Eine Monatschrift, herausgegeben von von Halem, Gerhard Anton, Dritter Band. 1804, Münster: Peter Waldeck O.J., p58-65. (LB Oldenburg Spr XIII 1/35). 1805

258. Denkmal des Andenkens und der Liebe, an Christen, von einem Christenlehrer, Bremen: Henrich Meier 1805, 80 S. (SUB Bremen Brem. c. 887; Brem. c. 833; Brem. c. 852). (Ergänzungsblatt der ALZ 28.10.1806). 259. Geist der Pestalozzischen Bildungsmethode, nach Urkunden und eigener Ansicht. Zehn Vorlesungen, Bremen: Carl Seyffert 1805, XXVI + 308 S. (BLB Karlsruhe Gym 1317; UB Tübingen Ah I. 13. 8°; SUB Bremen Brem, c. 1178 und VIII. A.c. 885). (ALZ 27.9.1806). (Verändert und erweitert wieder abgedruckt in Nr. 290, Bd. 3). 260. Entwürfe zu den Sonn= und Festtagspredigten, in der Kirche zu St. Stephani in Bremen gehalten. Achter Jahrgang. 1804. Bremen: Carl Seyffert 1805, 246 S. (SUB Bremen Brem. c. 887).

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Kapitel IV Frosinn und Religion ein heiliges Band. Abschiedsrede an meine Zuhörerinnen und Zuhörer nach Endigung pädagogischer Vorlesungen ihnen gewiedmet, Bremen: o.V. 1805, 40 S. (LB Eutin Rm 185; SUB Bremen Brem. c. 466. Nr. 7). (ALZ 16.6.1806). (Im ersten Wort des Titels handelt es sich wohl um einen Druckfehler. Mit dieser Rede schloß Ewald die Vorlesungsreihe ab, die in Nr. 259 gedruckt vorliegt). Abschiedspredigt, in der Stephans Kirche in Bremen, gehalten, den 4 ten August 1805, Bremen: o.V., o.J., 32 S. (SUB Bremen Brem. c. 813. Nr. 18). Rüge der Rüge des Herrn D. Wachler's in Marburg, gegen D. Ewald in Bremen. (Theol. Nachr. 1804. Num. 45, S. 431,432.), in: Intelligenzblatt der ALZ, Nr. 5, 9.1.1805, Sp. 39f. Noch drey Fragen an den Herrn Dr. Wachler in Marburg zum Schluss. (S. theolog. Nachr. 1805. Nr 5.), in: Intelligenzblatt der ALZ, Nr. 46,20.3.1805, Sp. 373. Christenfreundschaft. Nach Apostelgeschichte 2,46.47. in: Christliche Monatschrift, zur Stärkung und Belebung des christlichen Sinns. Herausgegeben von Johann Ludwig Ewald. Jahrgang 1805. Erster Band. Erstes Sechstes Stück, Leipzig: Paul Gotthelf Kummer 1805, 1. St., p6-29. (UB München 8° Theol. 2457). Giebt es einen Unterschied zwischen den ersten und jetzigen Christen? Von einem katholischen Geistlichen. Mit Beantwortungen von dem Herausgeber, 1. Bd., 2. St., p81-108. Auch ein Wort über den Unterschied der erstem und spätem Christen (siehe Nr. VI. Bd I Jhg 1804 dieser Monatschrift) Mit einem Worte des Herausgebers. 1. Bd., 4. St., p269f. Wann und in welcher Hinsicht braucht der Christ Rücksicht auf den Einfluß Satans zu nehmen? (Aus einem Briefe.). 1. Bd., 2. St., pl04—111. Storrs Leben und Tod. 1. Bd., 4. St., p271-276. Zweifel über Bibelauthentie und Weissagungen. Aus einem Briefe an D.M. 1. Bd., 4. St., p312-317. (= Nr. 84). Ueber Jesus letztes Wort an Judas. Luc. 22,48. Aus einem Briefe. 1. Bd., 5. St., p371-375. Ueber einige Zweifel gegen die Bibellehre von dem Erlösungstode Jesus. 1. Bd., 5. St., p388-393. Warnungen an eine christliche Freundin. Aus einem Briefe, in: Christliche Monatschrift, zur Stärkung und Belebung des christlichen Sinns. Herausgegeben von Johann Ludwig Ewald. Jahrgang 1805. Zweiter Band. Erstes Sechstes Stück, Leipzig: Paul Gotthelf Kummer 1805, 1. St., p45f. (UB München 8° Theol. 2457). Ohne Jesus keine Gottesnähe. Nach Joh. 14,6. 2. Bd., 2. St., p81-92. Etwas über dunkle Bibelstellen. Nach 2 Cor. 4,6. 2. Bd., pl61-171.

Bibliographie der Druckschriften Ewalds und der Archivalien

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276. Liebe, Abendmahl und Christensinn, nach 1 Joh. 4,7-12. 2. Bd., 5. St., p321-325. 277. Christenblick und Christensinn, nach Paulus. Rom. 14,7.8.9. 2. Bd., 6. St., p401-406. 278. Auszüge aus Reisebriefen, im Sommer 1804. in: Irene. Eine Monatschrift, herausgegeben von von Halem, Gerhard Anton. Zweiter Band. 1805, Oldenburg: Schulz'sche Buchhandlung o.J., p73f. (LB Oldenburg Spr XIII 1/35). (Der Beitrag nennt nicht den Namen des Verfassers, ist aber mit „E." unterschrieben. Ewald beschreibt hier eine Etappe seiner Reise in die Schweiz zu Pestalozzi; vgl. hierzu Kap. I, 14 dieser Arbeit). 1806 279. Geist und Tendenz der christlichen Sittenlehre. Eine Rede wie sie an Akademiker gehalten werden könnte, Heidelberg: Mohr und Zimmer; Frankfurt a.M.: J.C.B. Mohr 1806, 58 S. (UB Heidelberg Q 7825). (ALZ 4.4.1808). 279a. niederländisch: Geest en strekking der christelijke zedekunde; naar het Hoogduitsch, Leeuwarden: J. Proost 1808. (Titelaufnahme nicht autoptisch. Bibliographischer Nachweis: NB 17901831). 280. Geist und Würde des christlichen Religionslehrers. Eine Rede, als Einleitung zu homiletischen Vorlesungen, Heidelberg: Mohr und Zimmer 1806, 24 S. (UB Heidelberg Q 8160). 1807 281. Der Christ, bei den großen Weltveränderungen. Ein Noth=, Trost= und Hülfsbüchlein für Christen, Frankfurt am Main: Johann Christian Hermann 1807, X + 227 S. (Fürst von Isenburgische Bibl. Birstein (Privatbibl.) Na 65; UB Tübingen Gi 1312. 8°; ULB Sachsen-Anhalt Halle AB: 124931 und 50 A 10/d 20). 281a. niederländisch: De Christen, bij de groote wereldveranderingen. Een nood-, troost- en hulpboekje voor Christenen. Uit het Hoogduitsch. Amsterdam: J. van der Hey 1807. (KB Den Haag 471 F 47). 282. Kurze Anweisung auf welche Art die Jugend in den niederen Schulen zu unterrichten ist, Mannheim und Heidelberg: Schwan und Götz 1807, 68 S. (UB Heidelberg Ν 1040; WLB Stuttgart Paedag. 8° 955; ULB SachsenAnhalt Halle AB 140520). 282a. niederländisch: Körte handleiding voor het onderwijs der jeugd in de Lagere Scholen. Uit het Hoogduitsch vertaald en met eenige aanmerkingen vermeerderd door J. van Wijk, Roelandszoon, Amsterdam: J. van der Hey 1807. (KB Den Haag 553 H 33).

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Kapitel IV

282b. niederländisch: 2. Aufl.: Körte handleiding voor het onderwijs der jeugd in de Lagere Scholen. Geheel omgewerkt en met aanteekeningen vermeerderd. Tweede druk (door P.J. Prinsen en Ν. Anslijn), Amsterdam: J. van der Hey 1816.

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282d.

283.

284.

(KB Den Haag 366 D 5). niederländisch: 3. Aufl.: (Keine autoptische Titelaufnahme. Standort und bibliographischer Nachweis unbekannt). niederländisch: 4. Aufl.: Amsterdam 1826. (KB Den Haag 366 Κ 24). (Keine autoptische Titelaufnahme). Kurze Darstellung der Lyceums=Feierlichkeit zu Mannheim, bei dessen Eröffnung am lOten November 1807, nebst den Lyceums=Gesetzen und Anzeige der Vorlesungen, Mannheim O.J., o.V. Hierin: Schluß=Rede des Herrn Kirchenraths Ewald, p33-36. (UB Heidelberg Batt. 518). (ALZ 23.9.1808). Einige leitende Ideen ueber das richtige Verhaeltniss zwischen religioeser, sittlicher, intellektueller und aesthetischer Bildung Zur Ankündigung des in Mannheim zu errichtenden Lyceum. Nebst einem beygefügten Schematismus der Lectionen, Mannheim: Schwan und Goetz 1807, 31 S. + Falttafel. (UB Leipzig 8. Paedag. 10860; ULB Jena 8. Diss, philos. 68 (10); SSB Augsburg 8° Bild 651). (ALZ 23.9.1808). 1808

285. Erbauungsbuch für die Jugend beiderlei Geschlechts, mit Betrachtungen auf jeden Morgen und Abend eines jeden Wochentags, Fest= Confirmations= Abendmahlsandachten und für das Krankenbett. Allen gutgesinnten Kindern gewidmet, Hannover: Hahn 1808, XIV + 162 S. (Theol. Bibl. der Lipp. Landeskirche Qa 349; Lippische LB Detmold Th 2564. a; UB Tübingen Gi 1310 a. 8°). 285a. niederländisch: Godsdienstig handboekje bijzonder voor de jeugd. Uit het Hoogduitsch, Amsterdam: J. van der Hey en Zoon 1808. (Titelaufnahme nicht autoptisch. Bibliographischer Nachweis: NB 17901831). 286. Mehala die Jephthaidin Drama mit Chören, in zwei Akten, Mannheim: Schwan und Götz 1808, II (unpag.) + 53 + 1 S. (unpag. Korrekturverz.). (UB Heidelberg G 5887; Reiß-Museum Mannheim Mh 163; WLB Stuttgart A 21 Ci 2144). 287. Christliche Erweckungen auf alle Tage in der Woche, in Freuden und Leiden, in Gesundheit und Krankheit; auch Fest=, Abendmahls= und Erntebetrachtungen, Hannover: Hahn 1808, VI + 220 S. (Theol. Bibl. der Lipp. Landeskirche Wgda 193; Lippische LB Detmold Th 2888. r).

Bibliographie der Druckschriften Ewalds und der Archivalien

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287a. Dass., 2. Aufl.: Christliche Erweckungen auf alle Tage in der Woche, in Freuden und Leiden, in Gesundheit und Krankheit; auch Fest=, Abendmahls= und Erndtebetrachtungen. Zweite mit einem Anhange verbesserte Auflage, Hannover: Hahn 1822, XII + 230 S. (Ev. Predigerseminar Wittenberg 89 - 345). 287b. Dass., 3. Aufl.: Christliche Erweckungen am Morgen und Abend, in Freuden und Leiden, in Gesundheit und Krankheit; auch Fest=, Abendmahls= und Erndtebetrachtungen. Dritte verbesserte und vermehrte Auflage von G.C. Breiger, Superintendenten zu Dransfeld, Hannover: Hahn 1824, XII + 159 S. (NSUB Göttingen 8° Theol. past. 450/46; Bibl. der Großen Kirche zu Emden Theol. 8° 4463). 287c. niederländisch: Christelijke opwekkingen op alle dagen der week. Uit het Hoogduitsch, Amsterdam: J. van der Hey en Zoon, 1811. (Titelaufnahme nicht autoptisch. Bibliographischer Nachweis: NB 1790-1831). 288. Die drei Flaschen; Gegenstück zu Lessings drei Ringen, in: Zeitung für die elegante Welt. 37. Freitags den 5. März 1808, p288. 289. Skizzen aus einem Tagebuche etc., in: Zeitung für die elegante Welt. 59. Dienstags den 12. April 1808, p465-468. (HAB Wolfenbüttel Za 4° 127). 290. Vorlesungen über die Erziehungslehre und Erziehungskunst für Väter, Mütter und Erzieher. Erster - Dritter Band, Mannheim (Bd. 3: Mannheim und Heidelberg): Schwan und Götz 1808 /1808 / 1810, XII (unpag.) + 248 S. / VI (unpag.) + 221 S. / XXXII + 383 S. (Der dritte Band trägt auch folgenden Titel:) Geist und Vorschritte der Pestalozzischen Bildungsmethode, psychologisch entwickelt; ein Versuch, Mannheim und Heidelberg: Schwan und Götz 1810. (Bd. 3 ist eine erweiterte Neuauflage von Nr. 259). (UB Heidelberg Schwarz 71; Reiß-Museum Mannheim Mh 256; UB Tübingen Ahl. 14. 8°). 290a. Dass., 2. Aufl.: Vorlesungen über die Erziehungslehre und Erziehungskunst für Väter, Mütter und Erzieher. Erster - Dritter Band. Neue wohlfeilere Ausgabe, Mannheim: Schwan und Götz 1816, XII (unpag.) + 248 S. / VI + 221 S. / XXVII + 383 S. (UB Freiburg i.B. Β 7374, 1-3; Reiß-Museum Mannheim Mh 257; Gesamthochschulbibl. Kassel 8 Paedagog. 7430 (nur Bde. 1 und 3)). (Rezension zu Bd. 1 und 2 der Erstauflage: ALZ 20.1.1810. Bd. 3 der Erstauflage (Exemplar UB Heidelberg) enthält eine handschriftliche Widmung an Schwarz: „Seinem Freund, / dem Herrn Kirchenrath Schwarz / zu Heidelberg, / zum Zeichen seiner hohen Achtung / von dem Verfasser"). 290b. niederländisch: Voorlezingen over de opvoeding der jeugd. Uit het Hoogduitsch vertaald door J. van Wijk, Amsterdam: J. van der Hey 1809-1810, 2 din. (KB Den Haag 366 D 20).

484 291.

Kapitel IV (Selbstrezension:) Vorlesungen über die Erziehungslehre und Erziehungskunst, für Väter, Mütter und Erzieher, von Johann Ludwig Ewald. Erster und zweyter Band. Mannheim in der Schwan= und Götzischen Buchhandlung. 1808, in: Heidelbergische Jahrbücher der Literatur. Theologie, Philosophie und Pädagogik. Zweyter Jahrgang (= 1809). Siebentes Heft, p47f. (UB Heidelberg H 415 RES).

1809 292.

Gast= und Gelegenheitspredigten, Elberfeld und Leipzig: Heinrich Büschler 1809, IX + 173 S. (UB Düsseldorf Ev. G. 1082; UB Tübingen Gi 1314. 8°; Dombibl. Minden). (Ergänzungsblatt zur ALZ 11.4.1811 ). 292a. niederländisch: Liefde- en gelegenheids-leerredenen, Amsterdam: J. van der Hey 1810. (KB Den Haag 1172 C 30). 293. Predigten über die wesentlichsten und eigenthümlichsten Lehren des Christenthums. Neuntes Heft. Schöpfung der Erde und des Menschen. Fünf Predigten, Lemgo: Meyer 1809, 78 + 2 S. (unpag. Inhaltsverz.). (Theol. Bibl. der Lipp. Landeskirche Wgaa 1537). 294. Predigten über die wesentlichsten und eigenthümlichsten Lehren des Christenthums. Zehentes Heft. Der Erste Ungehorsam des Menschen, mit seinen Folgen. Sieben Predigten, Lemgo: Meyer 1809, 110 + 2 S. (unpag. Inhaltsverz.). (Theol. Bibl. der Lipp. Landeskirche Wgaa 1537). 295. Rede bei Einweihung des Museums in Karlsruhe, den 12ten Mai 1809. in: Zeitung für die elegante Welt. 113. Donnerstags den 8. Juni 1809, Sp. 897902. (HAB Wolfenbüttel Za 4° 127). 296. Rede bei Vereinigung des reformirten und katholischen Gymnasiums in Heidelberg, gehalten in dem kleinen katholischen Seminarium am 21 November 1808, Heidelberg: Mohr und Zimmer 1809, 29 + 2 S. (unpag. Korrekturverz.). (UB Heidelberg F 2186). (ALZ 13.4.1810). 297. Vorrede, in: Beyspiele des Guten. Eine Sammlung edler und schöner Handlungen und Charakter=Züge aus der Welt= und Menschen=Geschichte aller Zeiten und Völker. Der Jugend und ihren Freunden gewidmet. Nebst einer Vorrede von Herrn Joh. Ludw. Ewald. Erster - Dritter Theil. Mit einem Titel=Kupfer. Zweyte, sehr verbesserte und vermehrte Auflage, Stuttgart: Johann Friedrich Steinkopf 1809. (WLB Stuttgart Paed. 8° 2487, 1-3). (Ewald ist nicht, wie oft angegeben, Verfasser dieses Buches, sondern hat nur die Vorrede geschrieben. Sie erschien schon in der Erstauflage 1808.

Bibliographie der Druckschriften Ewalds und der Archivalien

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Das Buch erlebte in der Folge viele Auflagen: 3. Aufl. 1813; 7. Aufl. 1845. Editor und Kompilator dieses Titels ist Johann Christian Friedrich Steudel). (Herausgeberschaft:) Knittel, Gottlieb August, Was können und sollen Eltern für die religiöse Bildung ihrer Kinder thun? Eine Predigt am zweiten Sonntage nach dem neuen Jahr in der Schloßkirche gehalten über das Evangelium: Luc. 2,41-52. Allen Vätern und Müttern gewidmet, herausgegeben von Johann Ludwig Ewald, Mannheim: Schwan und Götz, 22 S. (UB Heidelberg Q 8637; UB Freiburg i.B. Ν 9410). (Ergänzungsblatt zur ALZ 19.2.1810). Ueber Deklamation und Kanzelvortrag. Skizzen und Ergüsse; auch zum Leitfaden akademischer Vorlesungen brauchbar, Heidelberg: Mohr und Zimmer 1809, 123 S. (UB Heidelberg Q 8161; Landeskirchl. Bibl. Karlsruhe F 153; UB Tübingen Gi 1313. 8°). niederländisch: Over de uiterlijke kanselwelsprekendheid. Uit het Hoogduitsch, met breedvoerige aanteekeningen door J. Clarisse, Zutphen: H.C. A. Thieme 1814. (Stads- of Athenaeumbibliotheek Deventer 47 F 73; KB Den Haag 1172 C 31). niederländisch: 2. Aufl.: Voorlezingen over de uiterlijke kanselwelsprekendheid. Nieuwe, overgewerkte uitgave, Arnhem: C.A. Thieme 1839. (KB Den Haag 1172 C 8). Predigten der vorzüglichsten Gottesgelehrten Deutschlands, in: Heidelbergische Jahrbücher der Literatur für Theologie, Philosophie und Pädagogik. Zweyter Jahrgang. Zweyter Band, Heidelberg: Mohr und Zimmer 1809, p28-34. 214-224. (UB Heidelberg H 415 RES). (Daß Ewald der Verfasser dieser Sammelrezension ist, geht aus einem seiner Briefe an Schwarz hervor: UB Basel NL Schwarz XIV, 3. Rezensiert werden Predigten von Schleiermacher, H.G. Demme u.a.). (Rezension zu:) Allgemeines Lehrbuch der biblischen und Religionsgeschichte für Kinder, von Dr. Johann Ludwig Wilhelm Scherer, Mannheim 1807. in: a.a.O., pl39-141. (Daß Ewald der Rezensent ist, ergibt sich wiederum aus einem seiner Briefe an Schwarz: UB Basel NL Schwarz XIV, 6: „Eine Rezension von mir, über Scherers elende Bibelgeschichte ist noch zurük. Sie wird doch nicht zurükgelegt werden, weil sie scharf ist. Sie verdient es in hohem Grad; denn nichts kann die herrliche Bibelerzälung eher ekelhaft machen, und eher zu Irreligiosität führen, als ein solches elendes, todtes und tödtendes Machwerk, das der Trumpf der Aufklärerei ist.") (Rezension zu:) Von dem christlichen Religionsunterricht. Von Johann Georg Müller, Winterthur 1809. in: a.a.O., p225-227. (Ewalds Verfasserschaft ergibt sich ebenfalls aus: UB Basel NL Schwarz XIV, 6). Edelwald an das liebe Ehepaar in Grenzau, in: Nro. 224. Morgenblatt für

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304.

Kapitel I V gebildete Stände. Dienstag, 19. September, 1809, p893f und Nro. 225. Mittwoch, 20. September, 1809, p898-900. (UB Heidelberg H 441). (Ein vorab veröffentlichter Ausschnitt von Nr. 305). Nekrolog, (auf Frau Wilhelmine Rosine Meyer, geb. Maler), in: Nro. 308. Morgenblatt für gebildete Stände. Dienstag, 26. December, 1809, pl231f. (UB Heidelberg H 441). (Der Beitrag ist mit „E." unterschrieben. Es handelt sich um einen Nekrolog auf eine Karlsruherin. Dies und sprachlich-stilistische Indizien machen eine Verfasserschaft Ewalds sehr wahrscheinlich).

1810 305.

Eheliche Verhältnisse und Eheliches Leben, in Briefen. Fortsetzung von den beiden Schriften für Mädchen, Gattinnen und Mütter sowol, als für Jünglinge, Gatten und Väter. Erster - Vierter Band. Mit (je) 1 Kupfer, Leipzig: Bei Heinr. Büschler in Elberfeld 1810/1810/ 1811 / 1813, X X + 271 S./XIV + 373 S. / X V I + 479 + 1 S. (unpag. Korrekturverz.) / X I V + 301 + 1 S. (unpag. Korrekturverz.). (Fürstlich Ysenburgische Bibl. Büdingen IVi 11/16-19; UB Tübingen A f 220. 8°; SUB Bremen Brem. c. 1181-1183 (nur Bde. 1-3)). (Ergänzungsblatt zur A L Z 25.6.1811; Ergänzungsblatt zur A L Z Dez. 1813). (Mit diesem Werk schließt Ewald seine mit den Nrr. 151 und 240 begonnene familienpädagogische Trilogie ab). 305a. Dass., 2. Aufl.: Zweite verbesserte Auflage, Elberfeld: Büschler 1821, X X I V + 279 S. / XII + 387 S. / X V I + 479+ 1 S. (unpag. Korrekturverz.) / X I V + 501 + 1 S. (unpag. Korrekturverz.) (UB Oldenburg Man I 222 JA 0108). 305b. niederländisch: Huwelijks-betrekkingen en huwelijks-leven, in brieven. Uit het Hoogduitsch, 5 deelen, Amsterdam: J. van der Hey en Zoon 1810-1814. (Bibl. nat. Paris Y 2 33377, BSB München Film Ρ 191-825 (beide Exemplare unvollständig)). (Bibliographischer Nachweis: NB 1790-1831; Pica/GGC Databank). 305c. (auch unter dem Titel:) De bestemming des huisselijken levens, ter bevordering van huisselijke deugd en huisselijk geluk. Naar het Hoogduitsch, Groningen: W. van Boekeren 1819. (KB Den Haag 1172 Β 39). 305d. Dass., 2. Aufl.: Groningen: W. van Boekeren 1824. (Keine autoptische Titelaufnahme. Bibliographischer Nachweis: NB 1790-1831). 305e. Huwelijks-betrekkingen en huwelijks-leven. (Uit het Duitsch vertaald door A. Wassenbergh), Leeuwarden 1858. (KB Den Haag 9207 E 25). (Titelaufnahme nicht autoptisch, sondern nach Zettelkatalog der genannten Bibl.).

Bibliographie der Druckschriften Ewalds und der Archivalien

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306. Noch ein Wort über Vereinigung protestantischer und katholischer Gymnasien, besonders derer in Mannheim und Heidelberg, Heidelberg: Mohr und Zimmer 1810, 32 S. (UB Heidelberg F 2186; Reiß-Museum Mannheim M 3458; UB Freiburg i.B. Β 8145). 307. Sind in kleinen Landstädten Bürgerschulen nöthig? Eine leichte Frage, einfach beantwortet. Heidelberg: Mohr und Zimmer 1810, 29 S. (UB Heidelberg Ν 1055; UB Freiburg i.B. Β 7698; BSB München Paed. th. 1297). (ALZ 24.5.1810; Ergänzungsblatt zur ALZ 9.10.1810). 308. (Rezension zu einer Reihe von Schriften des Pädagogen Friedrich Ehrenberg zur Erziehung des weiblichen Geschlechts), in: Heidelbergische Jahrbücher der Literatur. Dritter Jahrgang. Erste Abtheilung. Theologie, Philosophie und Pädagogik. Erster Band, Heidelberg: Mohr und Zimmer 1810, p272-283. Zweyter Band, p27-34. (Ewalds Verfasserschaft ergibt sich aus einem Brief an Schwarz: UB Basel, NL Schwarz XIV, 3). 309. (Referenzen von Ewald, Jung-Stilling und Bentzel-Sternau zu:) Nachricht an Aeltern, die ihren Töchtern eine zweckmäßige Bildung außer dem älterlichen Hause wünschen, in: Intelligenz=Blatt zum Morgenblatt für gebildete Stände 1810. Nro. 7, p25f.

1811 310. Kurze Lebensgeschichte des zwölfjährigen blinden Violinspielers Franz Conradi, aus Erzählungen und Dokumenten, in: Süd=Deutsche Miscellen für Leben, Literatur und Kunst. Herausgegeben von P.J. Rehfues. Erster Jahrgang (= 1811), Nro. 17. Den 27. Februar 1811, Karlsruhe: C.F. Müller 1811, p67. (Stadtbibl. Trier Pq 12 (1)). 311. Gesang, als Mittel zur Volks= und Menschenbildung, in: a.a.O. (Nr. 310), Nro. 16. Den 23. Februar 1811, p61-63. (Standort vgl. Nr. 310). 312. Epilog auf die Geburt der am 5. Juni geborenen Prinzessin von Baden; gesprochen nach Aufführung der Zauberflöte am Geburtstag Sr. königl. Hoheit des jetzt regierenden Großherzogs am 8. Juni 1811, in: Badisches Magazin. Nro. 95. Freitag, den 21. Juni 1811, p379f. (BLB Karlsruhe). 1812 313. Die Religionslehren der Bibel, aus dem Standpunkt unserer geistigen Bedürfnisse betrachtet. Erster Band, welcher die Religionslehren der älteren heil. Schriften enthält. Zweiter Band, welcher die Religionslehren der neueren heil. Schriften enthält, Stuttgart und Tübingen: Cotta 1812, X + 259 S. / XXVI + 324 + 3 S. (unpag. Korrekturverz.).

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Kapitel IV

(WLB Stuttgart Theol. 8° 4932-1 und -2; Ev. Stift Tübingen 8° 2217; UB München 8° Hofm. 230). (ALZ Nov. 1813. Vgl. die Fortsetzung dieses Titels: Nr. 323). 313a. niederländisch: De godsdienstleer van den bijbel uit het standpunt van onze geestelijke behoeften beschouwd. Uit het Hoogduitsch vertaald, door G.C. Spaan, Dordrecht: A. Blussé & Zoon 1817-1818, 2 din. (KB Den Haag 252 D 38, 39). 314. Auch ein Wort über Erziehungs=Institute, Pestalozzische Methode und Schmidts Ansichten, in: Nro. 10. Morgenblatt für gebildete Stände. Freitag, 11. Januar, 1811, p37f. 1813 315. Der Christ, gebildet und beseligt durch Liebe, Elberfeld: Schönian 1813. (Titelaufnahme nicht autoptisch. Bibliographischer Nachweis: Kayser 1750-1832. Wohl ein Separatdruck von Nr. 163. Standort nicht bekannt). 315a. schwedisch: En Christen, Bildad och saliggjord genom Kärkelen. Öfwersättning, Christianstad: F. F. Cedergréen 1814. (UB Lund). 316. Ehestandscenen. Als Folgen liebevoller Weisheit und eigensüchtiger Thorheit, dargestellt. Erster und Zweiter Band. Mit (je) 1 Kupfer, Elberfeld: Heinrich Büschler 1813, V + 480 S. / 301 S. (Stabi Berlin la: Yw 7312; UB Augsburg 02 / III. 8. 8. 2039). 317. Vorrede, in: Parabeln und andere moralische Erzählungen zur Belebung des religiösen und sittlichen Gefühls für Kinder und Kindlichgesinnte. Nebst einem Titelkupfer. Zweyte, stark vermehrte und ganz umgearbeitete Auflage, Stuttgart: J. F. Steinkopf 1813, pV-VIII. (WLB Stuttgart 1933 G 465). 317a. Vorrede, in: Schule der Weisheit und Tugend. Eine Auswahl vorzüglich schöner Parabeln und anderer moralischer Erzählungen. Ein Geschenk für die Jugend. Mit einer Vorrede von Hrn. Dr. Joh. Ludwig Ewald. Erster und Zweyter Theil. Nebst (je) einem Titelkupfer und einer Erklärung der im Buche vorkommenden fremden Wörter. Dritte, stark vermehrte Auflage, 1813/1814 Stuttgart: Joh. Fried. Steinkopf 1819, hier: 1. Teil, pV-VII. (BSB München Paed. pr. 4403 n-1 und -2). 317b. niederländisch: School van wijsheid en deugd. Een nieuw geschenk voor de jeugd. Naar den tweeden druk uit het Hoogduitsch (door Willem Goede), Amsterdam: J. van der Hey en Zoon 1817. (KB Den Haag 1090 Β 79). (Titelaufnahme nicht autoptisch, sondern nach Zettelkatalog der genannten Bibliothek). 318. Nekrolog (anläßlich des Todes von Johann Nikolaus Friedrich Brauer), in: Heidelbergische Jahrbücher der Literatur, Intelligenzblatt Nro. XI, 1813, p95-99.

Bibliographie der Druckschriften Ewalds und der Archivalien

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(Diesen Nekrolog muß es auch als Separatdruck geben, den ich jedoch nicht in Autopsie nehmen konnte). 1814 319. Krieg und Friede, aus dem Standpunkt des Christen betrachtet, mit Hinsicht auf die jetzige Zeit, o.O., o.V. 1814, 64 S. (UB Tübingen Gi 1316. 8°; UB Heidelberg Β 4398^1; BSB München Pol. g. 1025,2). (Ergänzungsblatt zur ALZ Nov. 1818, Nr. 128). 319a. niederländisch: Oorlog en vrede uit het standpunt van den Christen beschouwd. Uit het Hoogduitsch vertaald, Amsterdam: J. van der Hey 1814. (KB Den Haag 1172 C 26). 320. Menschenbestimmung und Lebensgenuß. Moralische Unterhaltungen. Erster und Zweiter Band, Elberfeld: Heinrich Büschler 1814/1815, VIII (unpag.) + 204 S. / X + 330 + 2 S. (unpag. Inhaltsverz.). (Wessenberg Bibl. Konstanz 11363; LB Schwerin Bd VIII 3 115; Stabi Berlin la: Np 14, 456 8°). (ALZ Juli 1815, Nr. 165; Ergänzungsblatt zur ALZ Dez. 1816, Nr. 142. Das Exemplar der Wessenberg Bibl. enthält eine Widmung: „Seiner Excellenz, dem Herrn Generalvikar, Freiherrn von Wessenberg in Konstanz. Kleines Zeichen seiner großen Verehrung, von dem Verfaßer.") 320a. niederländisch: Menschenbestemming en levensgenot. Zedekundige voorlezingen, 2 din., Amsterdam: J. van der Hey 1814/1815. (KB Den Haag 1172 C 32, 33). 321. Predigten und Reden an feierlichen Tagen, Carlsruhe und Heidelberg: Braunsche Buchhandlung 1814, VIII + 312 S. (UB Freiburg i.B. O 4279; Β LB Karlsruhe 71 A 3339). 322. Zwey Weissagungen von 1803 und eine Dichterahnung von 1806, erfüllt in den Jahren 1813 und 1814. Für fromme Krieger und Nicht=Krieger, o.O. o.V. 1814, 48 S. (HAB Wolfenbüttel Gl 1282; UB Heidelberg Β 4398-4; UB Tübingen Gi 1317. 8°). (Wiederabdruck von Nrr. 230 und 233. Ewald sieht seine dort geäußerten Vorausahnungen ( - daß Frankreich nämlich ähnlich wie einst Babylonien fallen wird - ) nun erfüllt). 323. Nöthiger Anhang zu der Schrift: Die Religionslehren der Bibel, aus dem Standpunkt unserer geistigen Bedürfnisse betrachtet, welcher einige Wahrheiten mehr erläutert, und manche Behauptungen gegen Einwürfe vertheidigt, Stuttgart: Joh. Friedr. Steinkopf 1814, 103 S. (WLB Stuttgart Theol. 8° 4933). (Eine Fortsetzung von Nr. 313). 324. Vorrede, in: Erzählungen von Heinrich Jung genannt Stilling. Erstes Bändchen, Frankfurt am Main: Joh. Christ. Hermann 1814, pVf (unpag.). (UB Heidelberg C 5846 1/20).

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Kapitel IV 1815

325. Religiöse Privatfeier zum Andenken an die Leipziger Völkerschlacht den 18ten Oktober 1814. in: Zeitschrift zur Nährung christlichen Sinnes. Herausgegeben von Dr. J.J. (sie!) Ewald und Dr. C.C. Flatt. Erstes Heft, Stuttgart: Joh. Fried. Steinkopf 1815, p44-59. (Stadtbibl. Lübeck SZA 131; UB München 8° Theol. 4742). (ALZ Nov. 1816, Nr. 253). (Beide Exemplare umfassen alle Jahrgänge dieser Zeitschrift. Allerdings ist das die Verfasser ausweisende Inhaltsverzeichnis im Münchener Exemplar bruchstückhaft, im Lübecker dagegen vollständig). 326. Versuch einer Beantwortung der Frage: ,Kann die christliche Sittenlehre, oder die Art, wie Jesus und die Apostel moralische Wahrheiten vortragen, von den Sätzen des historischen Glaubens, oder von dem Geschichtlichen in den Evangelien, von der Lebensgeschichte Jesus getrennt werden?', 1. Heft, p74-88. 327. Kann das Wesentliche der christlichen, wie jeder geoffenbarten Religionswissenschaft nur in einer Summe von moralischen Wahrheiten bestehen, die mit den Wahrheiten der reinen Vernunftreligion auf das vollkommenste harmoniren?, 1. Heft, p88-95. 328. An eine kinderlose Gattin. 1. Heft, pl08-115.

1816 329. Das Verderbliche, Eckelhafte der Lauheit, nach Offenbarung Johannis 3,1420. in: Zeitschrift zur Nährung christlichen Sinnes. Herausgegeben von Dr. J.L. Ewald und Dr. C.C. Flatt. Zweites Heft, Stuttgart: Joh. Fried. Steinkopf 1816, pl6I—180. 330. Rede bei der silbernen Hochzeit des Freundes Jung=Stilling, am 19. Nov. 1815. in: Zeitschrift zur Nährung christlichen Sinnes. Herausgegeben von Dr. J.L. Ewald und Dr. C.C. Flatt. Drittes Heft, Stuttgart: Joh. Fried. Steinkopf 1816, p297-304. 331. Der Abend des Lebens nach Hiob 5,26. 3. Heft, p304-308. 332. Die Natur erklärt mir die Bibel und mein Herz, nach Joh. 12,24. 3. Heft, p308-313. (Fortsetzung.): 3. Heft, p313-318. 333. Psychologie des Christenthums, oder die tiefe Menschenseelenkenntniß, die dem Christenthum zum Grund liegt. (In Briefen an eine, zum Christenthum hinneigende aber noch nicht ganz davon überzeugte Freundin.) 3. Heft, p350-375. (Fortsetzung: Nr. 355). 334. Anrede an die Zöglinginnen des Gr...sehen Erziehungs=Institutes, bey dem Abschiede einer sehr christlichen und sehr geliebten Zöglingin. 3. Heft, p426-431. 335. An Jung=Stilling, an seinem Geburtstage den 12. Sept. 1815. Die Zöglinge Gottes. 3. Heft, p438-440.

Bibliographie der Druckschriften Ewalds und der Archivalien 336. 337. 338. 339.

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Einer Freundin in ihre Bibel gelegt bey dem Abschiede. 3. Heft, p440f. Einer sehr lebhaften Freundin. 3. Heft, p447. Einer Freundin, mit einem Band ausgewählter Predigten. 3. Heft, p447f. Biblische Erzählungen des alten und neuen Testaments. Altes Testament. Erstes - Zwölftes Heft. Mit 100 Kupfern, Freiburg: Herder o.J. Biblische Erzählungen des alten und neuen Testaments. Neues Testament. Erstes - Zwölftes Heft. Mit 100 Kupfern, Freiburg: Herder o.J. Dass. auch unter dem Titel: Erklärung der Hundert Kupfer der heiligen Schriften des Alten (bzw. Neuen) Testaments, Freiburg: Herder o.J. Dass. auch unter dem Titel: Die heiligen Schriften des Alten und Neuen Testaments, in je 100 biblischen Kupfern dargestellt. Gestochen unter der Leitung von Carl Ludwig Schuler, Freiburg: Herder o.J. (UB Freiburg i.B. L 3121, i; L 3121, id). (Diese Bibelgeschichte erschien in den Jahren 1814-1818 in wiederholten Abdrücken. Vgl. hierzu: Herder, Haupt-Katalog, Sp. 466. Offensichtlich wurde die Bibelgeschichte sowohl mit den Schulerschen Kupfern zusammengebunden angeboten als auch selbständig. Die Kupfer von Schuler wurden später auch als Lithographien veröffentlicht. Vgl. hierzu Weiß, Albert M., und Krebs, Engelbert, Im Dienst am Buch. Bartholomä Herder, Benjamin Herder, Hermann Herder, Freiburg i.B. 1951, p23). Dass., 2. Aufl.: Biblische Erzählungen des alten und neuen Testaments. Altes (und Neues) Testament. (Je) Erstes - Zwölftes (bzw. Dreizehntes) Heft. Zweyte Ausgabe, Freiburg: Herder o.J. (HAB Wolfenbüttel Tb 349). (Das AT besteht aus 12, das NT aus 13 Heften mit je 8 Kupfern, also 200 Kupfern insgesamt). niederländisch: Bijbeltafereelen uit het Oude en Nieuwe Testament, naar daarby gevoegte platen door Dr. L. Ewald. Volgens de tweede Hoogduitsche Uitgave, 2 din., Rotterdam: J. Pippyn 1830. (KB Den Haag 252 D 42). Zugabe an die Leser. Auszug eines Briefes von dem gelehrten und hocherfahrnen Christus=Verehrer J. L. Ewald, über die Frage: Wann und in welcher Hinsicht braucht der Christ Rücksicht auf den Einfluß des Satans zu nehmen?, in: Dieck, Friedrich Wilhelm, Belehrende Warnungen an die Leser der Altonaer Bibel; oder Sendschreiben an den Herrn Pastor und Ritter N. Funk über verschiedene Noten und Anmerkungen in seiner zum Druck gebrachten Bibel. Mit einer Zugabe von J. L. Ewald, Kiel: Academische Buchhandlung 1816, pl72-176. (UB Kiel Ca 6572). (Ergänzungsblatt zur ALZ Dez. 1816, Nr. 136). (Es handelt sich um einen Neuabdruck von Nr. 268). Etwas über Catechismen überhaupt, über Ursins und Luthers Catechismen insbesondere, und über Vereinigung der beiden evangelischen Confessionen, Heidelberg: Mohr und Winter 1816, 64 + 1 S. (unpag. Korr.-Verz.).

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343a.

344.

Kapitel IV (UB Heidelberg B. Schwarz 297; UB Tübingen Gi 1318. 8°; Wessenberg Bibl. Konstanz 6092). Ankündigung, in: Literarischer und artistischer Anzeiger zum Freimüthigen für 1816, pl5. (Ewald kündigt die folgende Nr. an). Ideen, über die nöthige Organisation der Israeliten in Christlichen Staaten, Karlsruhe: D.R. Marx 1816, XII + 198 S. (UB Heidelberg J 4552; LB Oldenburg Jur Β II, 7a / 267; Theol. Bibl. der Lipp. Landeskirche Gb 248; Lippische LB Detmold St 493). (ALZ Mai 1817, Nr. 105 und 106; Ergänzungsblatt zur ALZ Okt. 1821, Nr. 109). niederländisch: Gedachten over de vorming der Israelieten in christelijke staten. In het Nederduitsch overgebragt door W. Goede, Groningen: W. van Boekeren 1817. (KB Den Haag 3193 D 24). Ankündigung, (von Nr. 343), in: Intelligenz=Blatt zum Morgenblatt für gebildete Stände, Nr. 15, 1816, p59. (UB Heidelberg Η 441).

1817 345. Der Fürstliche Menschenfreund Friedrich Markgraf von Baden. Züge aus seinem Leben. Gedruckt zum Besten des Armenvereins, o.O.: Kaufmann 1817, 35 S. (GLA Karlsruhe Cx 486; Reiß-Museum Mannheim Slg. Bass. Β 33; Fürstlich Fürstenbergische Hofbibl. Donaueschingen II Gi 2 b). 346. Ein Paar Worte Antwort auf die Recension meiner kleinen Schrift, über Katechismen, in den theologischen Annalen, Junius 1817. in: ALZ, September 1817, Nr. 219, Sp. 83f. 347. Der Geist des Christenthums und des ächten deutschen Volksthums, dargestellt, gegen die Feinde der Israeliten. Bemerkungen gegen eine Schrift des Hrn. Prof. Rühs in Berlin. Carlsruhe: D.R. Marx 1817, 141 + 1 S. (unpag. Korrekturverz.). (UB Heidelberg J 8590-4; Lippische LB Detmold St 493; UB Mainz Β 9156). (Ergänzungsblatt zur ALZ Okt. 1821; Nr. 109). 348. Zufällige Gedanken bey einem Stück der Leidensgeschichte Jesus. Joh. 19, 19-27. in: Zeitschrift zur Nährung christlichen Sinnes. Herausgegeben von Dr. J.L. Ewald und Dr. C.C. Flatt. Zweiten Bandes Erstes Heft, Stuttgart: Joh. Fried. Steinkopf 1817, pl-7. (Stadtbibl. Lübeck SZA 131). 349. Freude über die Nähe des Herrn, nach Phil. 4, 4-6. 1. Heft, p8-15. 350. Denkblatt für unsere Confirmanden. 1. Heft, p71f. 351. Leben und Tod eines christlichen Ehepaars. 1. Heft, p80-94.

Bibliographie der Druckschriften Ewalds und der Archivalien

493

(Nekrolog zu Johann Heinrich Jung-Stilling und seiner Frau. Wieder abgedruckt in: Nr. 352). 352. Leben und Tod des frommen Ehepaars, Jung Stilling, in: Sammlungen für Liebhaber christlicher Wahrheit und Gottseligkeit. Achtes Stück (1817), p225-239. (UB Tübingen Gi 2969. 8°). (Wiederabdruck von Nr. 351. Allerdings sind die beiden Nekrologteile hier umgestellt worden). 352a. Dass., Separatdruck: Leben und Tod eines christlichen Ehepaars, Herrn Dr. J. H. Jung=Stilling Großherzogl. Baden'schen Geheimen Hofraths, und dessen Gattin. Aus der „Zeitschrift zur Nährung christlichen Sinnes" besonders abgedruckt, Stuttgart: Joh. Fried. Steinkopf 1817, 16 S. (Fürstlich Fürstenbergische Hofbibl. Donaueschingen I Fr 11 b; (Kopie davon:) BLB Karlsruhe OK 47, 25). 353. Vorwort, in: Religionsunterricht durch Bibel=Geschichten von Phil. Heinrich Haab. Erster Theil. Glaubenslehre. Zweiter Theil. Pflichtenlehre, Stuttgart: Joh. Friedr. Steinkopf 1817 / 1818, 2 Bde., hier: Bd. 1, p3-6. (WLB Stuttgart Theol. 8° 6975/1-2).

1818 354.

354a.

355.

356.

357.

358.

Christliche Betrachtungen auf alle Abende im Jahr. Erster und Zweiter Theil, Frankfurt am Main: Hermann 1818, XVI + 396 S. / XII + 444 S. (LB Schwerin Be VIII 2 277 (nur Teil 1). Standort von Teil 2 unbekannt). (Ergänzungsblatt zur ALZ Nov. 1818, Nr. 126. Bibliographischer Nachweis: Kayser 1750-1832). niederländisch: Christelijke overdenkingen op alle avonden des jaars. Uit het Hoogduitsch (vertaald door Bernardus Verweij), Amsterdam: J. van der Hey 1818. Eerste + Tweede deel. (KB Den Haag 3065 E 22-23). Psychologie des Christenthums. (Fortsetzung der Briefe, im 3. Hefte, des ersten Bandes. S. 350. u. ff.), in: Zeitschrift zur Nährung christlichen Sinnes. Herausgegeben von Dr. J.L. Ewald und Dr. C.C. Flatt. Zweiten Bandes Zweites Heft, Stuttgart: Joh. Fried. Steinkopf 1818, pl51-166. (Standort vgl. Nr. 348). (Dieser Aufsatz ist eine Fortsetzung von Nr. 333). Ein Wort über die Frage: „Gibt es Lehren, Verheißungen, Vorschriften, die nur für eine gewisse Zeit gelten und gelten sollen? Und sind sie uns nichts?" 2. Heft, pl66-173. Die innige Verbindung der Christen mit Christus, nach Joh. 15, 1-6. Eine Erbauungsrede auf Verlangen gehalten in Stuttgart, im Juny 1814. 2. Heft, p216-228. Bey Trennung von geliebten Menschen. 2. Heft, p237-243. Hier 3 Gedichte: Die Abendröthe. p237-239. Zweifel und Auflösung. p239f.

494

Kapitel IV

Zuruf an Freund Jung. Aus Jes. 40,31. p241-243. 359. Unmaasgebliche Vorschläge zu Verbesserung des evangelischen Kirchenwesens, der Königl. Preuß. Regierung ehrerbietig vorgelegt, Berlin: Maurer 1818, XVI +139 + 2 S. (unpag. Korrekturverz.). (UB Heidelberg Q 9405; Stadtbibl. Lübeck theol. pract. 8° 10428; UB Tübingen Hf 470. 8°). (ALZ Nov. 1818, Nr. 280). 360. Einige Handzeichnungen nach Natur und Bibel, in: Almanach für die israelitische Jugend auf das Jahr der Welt 5579 [d.i. 1818/19][.] Herausgegeben von Heinemann, J[eremias], Berlin: [Heinemannsche Erziehungsanstalt], pl87—191. (Stadtbibl. Braunschweig I 20/554). 1819 361. Bibelgeschichte das einzig wahre Bildungsmittel zu christlicher Religiosität. Briefe an Aeltern, Prediger, Lehrer und Lehrerinnen und die es werden wollen, Heidelberg: August Oswald 1819, IV (unpag.) + 188 S. (PTS Heidelberg Κ III b 6; UB Heidelberg Schwarz 298; UB Freiburg i.B. O 1657). (Bei diesem Titel handelt es sich um eine überarbeitete und erweiterte Neuausgabe von Nr. 10). 361a. Dass., 2. Aufl.: Bibelgeschichte das einzig wahre Bildungsmittel zu christlicher Religiosität. Briefe an Aeltern, Prediger, Lehrer und Lehrerinnen, und die es werden wollen. Zweite Ausgabe, Heidelberg: August Oßwald 1823, 190 S. (UB Freiburg i.B. O 1657a). 361b. niederländisch: De bijbelsche geschiedenis het eenige echte middel, om den mensch tot waarlijk christelijke godsdienstigheid op te leiden. In brieven aan ouders, predikanten en onderwijzers der jeugd. Uit het Hoogduitsch, door W. Goede, Amsterdam: J. van der Hey 1819. (KB Den Haag 532 D 37). 362. Weisheit, die den Weisen als Thorheit erscheint, nur von Einfältigen als Weisheit erkannt wird. Briefe an die Gr. von St. in: Zeitschrift zur Nährung christlichen Sinnes. Herausgegeben von Dr. J. L. Ewald und Dr. C. C. Flatt. Zweyten Bandes Drittes Heft, Stuttgart: Joh. Fried. Steinkopf 1819, p277298. (Standort vgl. Nr. 348). 363. Gott ist größer als unser Herz. Fragmente einer Predigt. 3. Heft, p310-317. 364. Rede bey der Taufe eines Mohren und einer Mohrin. 3. Heft, p317-324. 365. Eheliche Weisheit und eheliche Liebe. Erinnerungen an meine neuverheiratheten Kinder. 3. Heft, p337-345. 366. Einer wohlthätigen Dame, die ihren eben so wohlthätigen Gatten verloren hatte. Am Weihnachtstag. 3. Heft, p345f. 367. Die Mutter. Nach Raßmann. 3. Heft, p347f.

Bibliographie der Druckschriften Ewalds und der Archivalien

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368. Denksprüche von Verschiedenen an Verschiedene. 3. Heft, p348-350. 369. Der Ruf des Erlösers in die Heimath, Bey dem Tod einer jungen christlichen Tochter und Mutter. 3. Heft, p350-352. 370. Pflichten gegen Verstorbene. 3. Heft, p365-368. 371. Christenthums Geist und Christen=Sinn, allen gebildeten Christen, besonders dem weiblichen Geschlecht dargelegt. Erstes und Zweites Bändchen, Winterthur: Steiner 1819, XIV + 240 S. / VIII + 213 S. (UB Tübingen Gi 1319. 8°; Sächs. LB Dresden 29. 8° 4862; Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar Ν 2 925). 372. Einige Ideen über weibliche Erziehungs=Anstalten, 24 S. o.O., o.V., o.J. (angebunden an Nr. 371. Standorte vgl. ebd.). 372a. niederländisch: Geest des Christendoms en christelijke gemoedsgesteldheid, geschetst voor beschaafde christenen en inzonderheid voor de vrouwelijke sekse. Uit het Hoogduitsch (vertaald door Wilhelm Goede), Amsterdam 1819, 2 din. (KB Den Haag 3058 C 32, 33). (Titelaufnahme nicht autoptisch, sondern nach Zettelkatalog der genannten Bibl.). 1820 373. Einige Fragen und noch mehr unläugbare Wahrheiten, Juden= und Menschennatur, Juden= und Menschenbildung betreffend, Karlsruhe: D.R. Marx 1820, 29 S. (UB Heidelberg UB 1, 1511 Theol.; Theol. Bibl. der Lipp. Landeskirche Gb 248; Β SB München Jud. 20xa). (Ergänzungsblatt zur ALZ Okt. 1821, Nr. 109). 374. Die verschiedenen Religionen. Aus einem Briefe an C., in: Jedidja, eine religiöse, moralische und pädagogische Zeitschrift. Herausgegeben von Heinemann, Jferemias], Dritter Jahrg. 5580-81. (1820-21.) Sechster Band, Berlin: Büreau für Literatur und Kunst o.J., p86-93. (UB Tübingen K. b. 63). 375. Ein schweres Problem, leicht aufzulösen, in: a.a.O., pl95-209. (Standort vgl. vorangegangene Nr.). 1821 376. Beantwortung der Fragen: Was sollten die Juden jetzt, und Was sollte der Staat für sie thun? Mit einigen Bemerkungen über die merkwürdige Schrift des Hrn. Staats=Raths v. Sensburg, diesen Gegenstand betreffend, Stuttgart: Joh. Fried. Steinkopf 1821, 42 S. (WLB Stuttgart Kirch.G. oct Κ 498; Lippische LB Detmold St 493; Theol. Bibl. der Lipp. Landeskirche Gb 248). 377. Einiges Geschichtliche woran bei einer bevorstehenden Vereinigung der beiden protestantischen Kirchen wohl erinnert werden darf, mit Winken auf

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Kapitel IV ihre Zweckmäßigkeit. Der Badenschen General=Synode vorgelegt, Heidelberg: August Oswald 1821, IV (unpag.) + 41 S. (UB Heidelberg Q 3124-1; UB Freiburg i.B. Ν 3266 ad). 1822

378. Briefe über die alte Mystik und den neuen Mysticismus, Leipzig: F.A. Brockhaus 1822, XXXII + 367 S. (Lippische LB Detmold Th 1371; UB Mainz Β 9380; LB Oldenburg Theol. HIB 1/11). 1824 379. Auch in den schwersten Leiden kannst du dich glücklich fühlen, als Christ. Eine Betrachtung für Leidende zum neuen Jahre 1824, Straßburg: G.L. Schuler o.J., 8 S. (Bibl. nat. Paris D2. 7602). (Leicht veränderter Separatdruck der zweiten in Nr. 281 erstmals gedruckten Predigt). 1832 380. Biblische Geschichte des alten und neuen Testaments mit 120 Abbildungen, frei bearbeitet nach Christoph Schmidt. Erster Theil. Altes Testament. Zweiter Theil. Neues Testament. (2 Bde.) Zweite Auflage. Freiburg: Herder o.J., 156 + II S. (unpag. Inhaltsverzeichnis) + 60 Abb.; 196 + II S. (unpag. Inhaltsverzeichnis) + 60 Abb. (Verlags-Archiv des Herder-Verlages Freiburg i.B.). (Es handelt sich eindeutig um die lange Zeit verschollen geglaubte, von Hebel als protestantisches Schulbuch verhinderte Bibelgeschichte Ewalds, vgl. dazu Kap. I, 24 dieser Arbeit. Bibliographisch nachgewiesen ist dieses Werk bei Kayser, Bd. 2, p356 und in: Herder, Haupt-Katalog, Sp. 454. An beiden Stellen jedoch ist Ewald nicht als Vf. genannt. Wann die erste Auflage erschienen ist, ist nicht bekannt. Es ist jedoch zu vermuten, daß sie bald nach Fertigstellung des Manuskripts 1816 parallel zu der anderen von Ewald erarbeiteten Bibelgeschichte (vgl. Nr. 339) erschienen ist). 380a. Dass., französisch: Histoire de l'ancien et du nouveau Testament accompagnée de 120 tableaux, imitée de Christophe Schmid, par T. Derome, 2 voll., Paris: Herder 1832, VI + 188 S. + 60 Abb. / IV + 232 S. + 60 Abb. (Bibliographischer Nachweis: Herder, Haupt-Katalog, Sp. 454. Standort nicht bekannt). 380b. Dass., französisch, 2. Aufl.: (Bibliographischer Nachweis und Standort unbekannt). 380c. Dass., 3. Aufl.: Histoire de l'ancien et du nouveau Testament, imitée de Christophe Schmid, par J. Derome, Précédée d'une introduction de M. l'Abbé Deguerry, et ornée de 60 tableaux dessinés et gravés d'après les

Bibliographie der Druckschriften Ewalds und der Archivalien

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peintres les plus célèbres. Troisième édition. Ancien Testament. Avec 30 tableaux. Nouveau Testament. Avec 30 tableaux, 2 voll., Paris: Herder et Cie 1836, XIV + 256 S. + 31 Abb. + 1 Karte / IV + 318 S. + 31 Abb. + 1 Karte. (Verlags-Archiv des Herder-Verlages, Freiburg i.B.). 380d. Dass., italienisch: Storia del vecchio e del nuovo Testamento scritta da Cristoforo Schmidt canonico augustano. Versione libera dell' originale tedesco, ornato di 120 tavole intagliate. Vecchio Testamento, sessanta tavole. Nuovo Testamento, sessanta tavole, 2 voli., Paris: Tipografia franco-alamannica 1834, II + 240 S. + 60 Abb. / II + 294 + 60 Abb. (Verlags-Archiv des Herder-Verlages, Freiburg i.B.). Nachtrag: 381. Die Königsschrift. In: (Anonym), Parabeln und andere moralische Erzählungen zur Belebung des religiösen und sittlichen Gefühls für die Jugend. Nebst einem Titelkupfer. Dritte, stark vermehrte Auflage, Stuttgart: Joh. Friedr. Steinkopf 1819, pl81f. (PTS Heidelberg Κ I h 59 [Kopie]). Berichtigung: Die Schrift .Dankpredigt nach dem glorreichen Einzüge der verbündeten Mächte in Paris. Gehalten den 24sten April 1814 und auf Verlangen in den Druck gegeben' stammt nicht von J.L. Ewald, sondern - wie das Titelblatt eindeutig ausweist - , von J.G. Ewald, Königl. Superintendenten und Oberprediger in Rathenau' (Berlin: W. Dieterici; 21 S. (ULB Halle AB: 50 A 5 I Gi 3)). Die bibliographische Auskunft von Kayser (1750-1832) ist also falsch. Auch der Titel , Eleusis, oder über den Ursprung und die Zwecke der alten Mysterien. Zweiter Theil. Die Allgegenwart Gottes', Gotha 1819 (Sächs. LB Dresden 1 A 2362) stammt nicht von J.L. Ewald, wie oft angegeben, sondern von Schack Hermann Ewald.

Appendix Folgende Titel stellen Kompilationen aus verschiedenen Werken Ewalds dar und lassen sich nicht eindeutig einem deutschen Titel als Übersetzung zuordnen: De oplettende natuurbeschouwer. Naar het Hoogduitsch, 2de druk, Amsterdam: J. van der Hey en Zoon 1791. (Titelaufnahme nicht autoptisch. Bibliographischer Nachweis: NB 1790-1831). De oplettende bijbelbeschouwer. Uit het Hoogduitsch, door J.A.S. Hoekstra, Iste deel, Utrecht: de Weduwe S. de Waal en Zoon 1793. (Titelaufnahme nicht autoptisch. Bibliographischer Nachweis: NB 1790-1831).

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Kapitel IV

De mensch het verhevenste wezen in het werk der natuur. Gevolgd naar het Hoogduitsch, Utrecht: de Weduwe S. de Waal en Zoon 1793. (Titelaufnahme nicht autoptisch. Bibliographischer Nachweis: NB 1790-1831). Het Evangelie of overdenkingen over de verzoening, het geloof en den Heiligen Geest. Uit het Hoogduitsch, Amsterdam: J. van der Hey 1817. (KB Den Haag 1172 C 28). Denkbeeiden over de geschiedenis van Jezus verschijning aan twee van zijne leerlingen op den weg naar Emmaus enz., uit het Hoogduitsch vertaald, door G.C. Spaan, Dordrecht: Blussé en van Braam 1819. (Titelaufnahme nicht autoptisch. Bibliographischer Nachweis: NB 1790-1831). Dooprede, Dordrecht: Blussé en van Braam 1819. Nachweis: NB 1790-1831). (Titelaufnahme nicht autoptisch. Bibliographischer De goddelijke voorzienigheid blijkbaar in de ontmoetingen en omstandigheden van sommige menschen en gebeurde daadzaken. Uit het Hoogduitsch, 2 din. Amsterdam: C.L. Schleyer 1828. (KB Den Haag 830 Κ 45, 46).

3. Bibliographie der Autographen Ewalds und des archivalischen Materials Staatsarchiv des Kantons Basel-Stadt: AI: PA 212 F 11,27,4. Ein Brief Ewalds an Jakob Sarasin-Battier, Detmold, 9.5.1795. A2: PA 653, V (Nachlaß Spittler). Ein Brief Ewalds an Pfr. D. Chr. Huber, Heidelberg, 27.2.1806. 4 Briefe Ewalds an Christian Friedrich Spittler. Offenbach, 11.4.1806. Karlsruhe, 14.8.1813. Karlsruhe, 20.3.1821. Karlsruhe, 1.11.1821.

Öffentliche Bibliothek der Universität Basel: A3: Nachlaß Schwarz XIV, 1-24. 24 Briefe Ewalds an Friedrich Heinrich Christian Schwarz aus der Zeit vom 23.5.1805 bis 12.11.1821.

Bibliographie der Druckschriften Ewalds und der Archivalien

499

Bremen, 23.5.1805. Karlsruhe, 31.12.1807. Karlsruhe, 6.1.1809. Karlsruhe, 22.4.1809. Karlsruhe, 28.4.1809. Karlsruhe, 2.6.1809. Karlsruhe, 3.2.1810. Karlsruhe, 10.2.1810. Karlsruhe, 16.2.1810. Karlsruhe, 22.2.1810. Karlsruhe, 30.3.1810. Karlsruhe, 16.12.1810. Karlsruhe, 29.8.1813. Karlsruhe, 25.9.1814. Karlsruhe, 20.1.1816. Karlsruhe, 1.5.1816. Baden-Baden, 7.6.1816. Baden-Baden, 2.7.1816. Karlsruhe, 22.9.1816. Karlsruhe, 23.12.1816. Karlsruhe, 11.12.1817. Karlsruhe, 23.12.1817. Karlsruhe, 24.1.1818. Karlsruhe, 12.11.1821. (Neben den Sammlungen von Briefen Ewalds an Lavater und von Halem das bedeutendste und umfangreichste erhaltene Corpus von Ewald-Briefen.) A4: Nachlaß Schwarz VIII, 6-8. 1 Brief Ewalds an Johann Heinrich Jung-Stilling, Karlsruhe, 25.6.1811. 2 Briefe Ewalds und seiner Ehefrau Rahel Gertraud an denselben. Karlsruhe, 10.6.1811. Karlsruhe, 16.6.1811. Staatsbibliothek

zu Berlin, Preußischer (Unter den Linden):

Kulturbesitz

A5: Sammlung Autographa. 1 Brief Ewalds, o.O., o.Dt., an Ungenannt. 1 Brief Ewalds an Ungenannt, Karlsruhe 11.9.1817. (Beim zweiten Brief handelt es sich um ein Begleitschreiben bei Übersendung der französischen Übersetzung der , Kunst, ein gutes Mädchen zu werden'. Vgl. Bibl. Nr. 151m). Weitere Autographa der genannten Bibliothek befinden sich aufgrund kriegsbedingter Auslagerung in Krakau. Vgl. Nr. A47.

500

Kapitel IV

Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz (Potsdamer Str.): A6: Nachlaß Nicolai 20. 2 Briefe Ewalds an Christoph Friedrich Nicolai, Bremen, 5.11.1802. Bremen, 8.12.1803. 1 Entwurf eines Antwortschreibens Nicolais, Berlin, 24.12.1803. A7: 2 c 1805 (2) Ewald. 1 Brief Ewalds an Buchhändler J. Chr. Hermann in Frankfurt/Main, Heidelberg, 23.4.1807. (Anforderung von Belegexemplaren und Buchbestellung). 1 Brief Ewalds an Ungenannt, Bremen, 21.4.1805 (Abschriftf?]).

Fürst von Isenburgisches Archiv Birstein: A8

Nr. 14 431. 10 Briefe Ewalds an seinen Landesfürsten Wolfgang Ernst II. von IsenburgBirstein aus derZeit vom 18.7.1780 bis 20.3.1800, aus Offenbacher, Detmolder und Bremer Zeit also. Offenbach, 18.7.1780. Offenbach, 22.8.1780. Offenbach, 19.6.1781. Offenbach, 30.6.1781. Offenbach, 3.7.1781. Offenbach, September 1781. Detmold, 11.12.1781. Detmold, 17.4.1782. Detmold, 4.6.1783. Bremen, 20.3.1800. (Eine wichtige Sammlung von Briefen, in denen sich Ewalds Berufung von Offenbach nach Detmold spiegelt, in denen er u.a. Rechenschaft über seine pädagogische Arbeit in Detmold ablegt und in denen sich Ewalds enger Kontakt mit seinem Landesherrn spiegelt. Von großer theologischer Bedeutung ist zudem Brief Nr. 2 (22.8.1780), in dem Ewald Fürbitte für den Amtmann Linde vor seinem Landesherrn hält, indem er gleichzeitig Fürbitte für Wolfgang Ernst II. vor Gott hält). 1 Brief an die Gemahlin Wolfgang Emsts II., Offenbach, 29.9.1781. A9: Nr. 4704. Kirchen= und Schulsachen 1700-1754. Diese Akte enthält Ewalds ersten Katechismus aus dem Jahre 1775. Vgl. Bibl. Nr. 1. AIO: Nr. 4663. Einige Anmerkungen zur näheren Aufklärung unsers Katechismus und Beförderung des Glaubens an Christenthum. (Nicht von Ewalds Hand. Akte enthält u.a. einen Vorentwurf zu einem Katechismus. Es ist nicht zu erkennen, von wem dieses Stück aufgesetzt worden ist, noch aus welcher Zeit es genau stammt).

Bibliographie der Druckschriften Ewalds und der Archivalien Staatsarchiv

501

Bremen:

A l l : Nachlaß Dräseke. 1 Brief Ewalds an Johann Heinrich Bernhard Dräseke, Karlsruhe, 24.8.1817. (Ewald übersendet Dräseke eine Subskriptionsanzeige für seine neueste Schrift (u.U. Bibl. Nr. 354), mit deren Erlös er eine notleidende Frau unterstützen will. Diese karitative Aufgabe war ein Gemeinschaftswerk Ewalds und Karl Wilhelm Freiherr von Humboldts, der für die Notleidende eine kleine Pension gestiftet hatte. Um dieselbe Angelegenheit geht es auch in Ewalds Brief an Schwarz Nr. 21 (vgl. StA Basel)). A12: 2 - P. 6. a. g. c. 3. b. 56. Hierin Aktenvermerke über Ewalds Berufung nach Bremen und seine Entlassung aus den Bremer Diensten: fol. 299, 387, 519f. A13: 2 - T. 4. a. 4. d. 2. a. St. Stephani=Kirche. A14: 2 - T . 5. b. 5. k. 1. b. (Umfangreiche Akte, in der sich Ewalds und Häfelis Arbeit an der Reform des Bremer Trivialschulwesens detailliert spiegelt. Akte enthält eine ganze Reihe von Stücken von Ewalds Hand. Vgl. als Überblick vorliegende Arbeit Kap. I, 15). A15 2 - T. 5. b. 5. m. Bürgerschule der Herren Prediger Ewald und Haefeli, 1799. (Vgl. vorliegende Arbeit Kap. I, 13). Niedersächsisches

Staatsarchiv in Bückeburg:

A16: Κ 2 Κ Nr. 175. 3 Briefe Ewalds an Fürstin Juliane zu Schaumburg-Lippe, geb. HessenPhilippstal, Detmold, 4.8.1792. Detmold, 13.11.1792. Detmold, 27.11.1792. (Es geht in den Briefen v.a. um die Neubesetzung der Predigerstelle in Cappel (Amt Blomberg). Als Generalsuperintendent in Lippe-Detmold war Ewald auch zuständig für die kirchlichen Angelegenheiten in den Gebieten der Linie Schaumburg-Lippe). A17: F I A XXXV 20b. J 37. 6 Briefe Ewalds an Fürstin Juliane zu Schaumburg-Lippe, geb. HessenPhilippstal, aus der Zeit vom 10.9.1787 bis 12.8.1798. 1 Kopie eines Antwortschreibens der Fürstin Juliane an Ewald vom 14.1.1789. (Der Briefwechsel spiegelt Ewalds Bemühungen um die Verbesserung des Schulwesens in Schaumburg-Lippe, z.B. in Cappel. Aus dem letzten Brief geht u.a. hervor, daß sich Ewald im August 1812 von Bremen gekommen in Detmold aufhielt).

502

Kapitel IV Darmstadt, Evangelische Kirchen in Hessen und Nassau, Archiv:

A18: Kirchenbücher Offenbach, deutsch-reformiert, Film 1219. A19: Kirchenbücher Dreieichenhain, reformiert, Film 1237. Nordrhein-Westfälisches Staatsarchiv Detmold: A20: L 77 A. (Diese Akte enthält wichtige Quellen zur Auseinandersetzung Ewalds mit der lippischen Ritterschaft. Vgl. Kap. I, 8 vorliegender Arbeit. Von Ewalds Hand finden sich hier fünf Briefe an die fürstliche Regierung aus der Zeit vom 26.8.1794 bis 20.8.1796 sowie eine umfangreiche Verteidigungsschrift). A21: L 65 G Sect. I Nr. 7 Bd. 1. (Diese Akte gewährt Einblick in Ewalds Verbesserung des lippischen Landschulwesens. Abgedruckt in Bibl. Nr. 20, pl05—138. Weitere Ewald betreffende Akten aufgeführt und ausgewertet bei: Wehrmann, Volker, Die Aufklärung in Lippe. Ihre Bedeutung für Politik, Schule und Geistesleben, Lippische Studien 2, Detmold 1972).

Archiv des Lippischen Landeskirchenamtes Detmold: A22: Konsistorial-Registratur Rep. II Tit. 13 Nr. 1 (309). Akten die Berufung Ewalds nach Detmold betreffend. Korrespondenz Justus Christoph Kraffts mit Regierungs- und Konsistorialrat Christoph F.A. Schleicher. 5 Briefe Ewalds an Krafft. Offenbach, 16.10.1780. Offenbach, 10.1.1781. Offenbach, 23.1.1781. O.O., o. Datum. Offenbach, 2.6.1781. 4 Briefe Ewalds an Regierungs- und Konsistorialrat Christoph F.A. Schleicher. Offenbach, 23.6.1781. Offenbach, 14.7.1781. Offenbach, Sept. 1781. Offenbach, 25.9.1781. (Weiter enthält die Akte die Dienstinstruktionen an Ewald (s. p67. 522f vorliegender Arbeit), einen Bescheid über die Besoldung des neuen Generalsuperintendenten, sowie die von Friedrich Wilhelm Leopold unterzeichnete Entlassungsurkunde Ewalds aus dem Jahr 1796 (s. p84f dieser Arbeit). A23: Pfarrarchiv Lüdenhausen Nr. 37 (Depositum). Akten die 1782 abgehaltene Visitation der Gemeinde Lüdenhausen betreffend.

Bibliographie der Druckschriften Ewalds und der Archivalien

503

A24: Pfarrarchiv Heiligenkirchen Nr. 195. Akten die Visitation der Gemeinde Heiligenkirchen des Jahres 1784 betreffend, die in Gegenwart Schleichers und Ewalds abgehalten wurde. A25: Pfarrarchiv Lüdenhausen Nr. 39 (Depositum). 1 Schreiben die Einrichtung und Verwaltung der Armenkasse betreffend, von Ewald unterzeichnet, datiert vom 13.6.1787. A26: Pfarrarchiv Schwalenberg Nr. 149. Das letzte Circulare Ewalds an die gesamte Pfarrerschaft des Landes vom 3.8.1796, vgl. p85 dieser Arbeit. Das erste Circulare des neuen Generalsuperintendenten Ludwig Friedrich August von Cölln. Lippisches Literaturarchiv

Detmold:

A27:16 Briefe von Ewalds Hand. 1 Brief Ewalds an Ungenannt, Okt./Nov. 1809 (?), Fragment. 1 Brief Ewalds an Verleger Friedrich Wilmans in Frankfurt/Main, Heidelberg, 23.1.1806. 1 Brief Ewalds an Ungenannt, Detmold, 20.11.1794. (Adressat ist Verfasser eines Artikels in der Zeitschrift ,Urania'. Ewald beklagt, daß sich bisher nur 500 Abonnenten seiner Zeitschrift gefunden haben). 1 Empfehlungsschreiben Ewalds für Jacob Blendermann, Bremen, 13.1.1803. (Vgl. Kap. I, 14 dieser Arbeit). 1 Brief Ewalds an eine ungenannte Dame vom 1.10. o.J. (Wohl bei Übersendung des Buches ,Die Kunst, ein gutes Mädchen [...]' (Bibl. Nr. 151)). 1 Brief Ewalds an ungenannten Verleger, Karlsruhe, 23.-25.2.1814. (Das Schreiben betrifft den Druck von Bibl. Nr. 319, die ebenfalls keinen Verleger nennt). 1 Brief an ungenannten Verleger (= G.J. Göschen), Offenbach 1.8.1785 bei Übersendung des Manuskripts von Bibl. Nr. 21. (Ewald muß sich also auf einer Reise befunden haben, auf der Offenbach eine der Stationen war). 1 Brief an Göschen, Detmold, 25.10.1788. (Das Schreiben betrifft Ewalds Schrift Bibl. Nr. 37). 1 Brief Ewalds an Ungenannt, Detmold, 3.1.1788. 1 Brief Ewalds an Göschen, Detmold, 26.9.1788. 1 Brief Ewalds an Göschen, Detmold, 30.8.1790. (Es geht um Ewalds Schrift Bibl. Nr. 54). 1 Brief Ewalds an Göschen, Detmold, 10.2.1790. (Aus dem Brief geht hervor, daß Ewald seine Schrift über Kant (Bibl. Nr. 53) gerne bei Göschen verlegt gesehen hätte, wozu es in der Folge jedoch nicht kam. Sie wurde bei Unger in Berlin verlegt). 1 Brief Ewalds an Göschen, Detmold, 5.2.1794.

504

Kapitel IV (Die Neuauflage von Bibl. Nr. 21 betreffend, die jedoch nicht bei Göschen, sondern bei Hahn in Hannover erschienen ist). 1 Brief Ewalds an Göschen, Detmold, 9.7.1790. (Ewald fragt an, ob sein Manuskript über Lazarus bei Göschen verlegt werden könne. Es ist dann jedoch bei Unger in Berlin erschienen: Bibl. Nr. 49). 1 Brief Ewalds an Ungenannt, Detmold, 14.12.1792. 1 Brief Ewalds an Hofrat Dr. D. Schütte in Bremen, Karlsruhe, 7.1.1810. (Diese Briefsammlung ist hauptsächlich verlagsgeschichtlich interessant, da aus ihr hervorgeht, wie Ewald mit seinen Verlegern verhandelt hat und besonders von Göschen des öfteren auf die Übersendung seiner Manuskripte ablehnende Antworten erhalten hat). Goethe-Museum

Düsseldorf:

A28: 1 Brief Ewalds an Zacharias Werner, Berlin, 29.1.1806. (?) (Es geht in diesem Brief um die Einrichtung einer Erziehungsanstalt für Kinder aus höheren Ständen in Berlin. Daß Ewald der Verfasser dieses Briefs sein soll, halte ich für sehr unwahrscheinlich. Erstens kann die Handschrift nur schwerlich diejenige Ewalds sein, zweitens fehlt eine vollständige Unterschrift ( - der Brief ist nur mit „E." gezeichnet -). Auch hatte Ewald in seiner Zeit als Professor und Kirchenrat in Heidelberg alles andere zu tun, als eine Erziehungsanstalt in Berlin zu gründen. Obendrein gibt es kein Anzeichen dafür, daß sich Ewald im Jahre 1806 in Berlin aufgehalten hat). 1 Brief Johann Caspar Lavaters an Ewald, Zürich, 10.5.1797. (Dieser Brief ist eine wichtige Ergänzung zu den sonst in Zürich aufbewahrten Briefen Lavaters an Ewald. Lavater rät Ewald, in der Streitsache mit Johann Jacob Stolz in der Sache nicht nachzugegeben, dennoch aber Milde und „duldsame Liebe" walten zu lassen. Vgl. zur Sache Kap. I, 11 dieser Arbeit). Eutiner

Landesbibliothek:

A29: A V, 14. (Ein 16 Seiten umfassendes, stark durchgearbeitetes Manuskript. Erschien 1801 in der von Gerhard Anton von Halem hg. Zeitschrift Irene (vgl. Bibl. Nr. 194). Stadt- und Universitätsbibliothek

Frankfurt am Main:

A30: Autogr. J.L. Ewald. 1 Brief Ewalds an Verleger Johann Christian Hermann in Frankfurt/Main, Karlsruhe, 13.11.1807 (Buchbestellung). Universitätsbibliothek A31: Nachlaß von der Goltz Nr. 95.

Greifswald:

Bibliographie der Druckschriften Ewalds und der Archivalien

505

1 Brief Ewalds an Philipp Matthäus Hahn, Detmold 5.1.1784. 7. Correspondenzbuch, p63-65. „Ein Wort an Herrn Pf. Hasenkamp". Ein Schreiben Ewalds o. Datum, wohl aus dem Jahr 1784. 7. Correspondenzbuch. „Ein Wort an Hahn und Heß". O. Ort, o. Datum. 7. Correspondenzbuch, pl21—123. (Genannte Quellen sind eine wichtige Ergänzung zu den Korrespondenzbüchern, die in Stuttgart aufbewahrt werden).

Senat der Freien und Hansestadt Hamburg, Staatsarchiv: A32: Sammlung Ulex, Mappe 56. 1 Brief Ewalds an Buchhandlung Mohr und Zimmer in Heidelberg, Karlsruhe, 24.8.1808. (Buchbestellung: Dante, Divina comedia und Pestalozzis Zeitschrift). 1 Brief Ewalds an Buchhandlung Mohr und Zimmer in Heidelberg, Karlsruhe, 23.12.1808. (Dringende Bitte um baldigen Druck der Schrift Bibl. Nr. 296). 1 Silhouette Ewalds.

Niedersächsische Landesbibliothek Hannover: A33: Ms XLII, 1933 A II, 20. 1 Brief Ewalds an Johann Georg Zimmermann, Detmold, 19.2.1793. (Planung der Zeitschrift .Urania'. Vgl. Kap. I, 7 dieser Arbeit).

Universitätsbibliothek Heidelberg: A34: Heid. Hs. 783. 1 Brief Ewalds an Johann Christian Hermann, Heidelberg, 11.12.1806. (Ewald bietet dem Verleger ein Manuskript an: Bibl. Nr. 281). A35: Heid. Hs. 854. 1 Brief Ewalds an Heinrich Eberhard Gottlob Paulus, Karlsruhe, 8.5.1817. (Ratschlag Ewalds an Paulus, sich eilends mit einer .Vorstellung' an das Konsistorium zu wenden in einer Angelegenheit, deren Kontext aus dem Brief nicht hervorgeht).

Generallandesarchiv Karlsruhe: A36: 76/2091: „Dienste Den Kirchenrath Johann Ludwig Ewald betreffend." (Akten die Berufung Ewalds von Heidelberg nach Karlsruhe und die Besoldung betreffend. Akten die Streitsache wegen der Schmähschriften gegen Ewald betreffend. Vgl. hierzu Kap. I, 18. 22 dieser Arbeit. Mannigfaltige Schreiben Ewalds an Staatsrat Eichrodt in dieser Sache). A37: 205/225: „Dienste Den Kirchenrath und Professor der protestantischen Moral und Pastoral Theologie, Doctor Ludwig Ewald betreffend."

506

Kapitel IV

(Akten die Berufung Ewalds nach Heidelberg betreffend. Vgl. Kap. I, 17 dieser Arbeit. Einige Schreiben Ewalds in dieser Sache. Umzugsrechnungen. Besoldungsangelegenheiten). A38: 205/226: „Das Pensions-Gesuch der Kirchenrath Ewald'schen Wittwe betr 1822."

A39: 205/1056. (Akten, die theologische Fakultät in Heidelberg betreffend. U.a. „Anzeige der Vorlesungen, welche im Winterhalbenjahre 1805-1806 auf der Kurfürstlich Badisch Ruprecht=Karolinischen Universität zu Heidelberg gehalten werden, Heidelberg: Gutmann o.J." Ein Protokoll der theologischen Fakultät vom 5.9.1807 von Ewalds Hand, unterzeichnet von Ewald, Daub, Schwarz und Marheineke). A40: 145/215: 1 Schriftstück von Ewalds Hand, betitelt: „Relation u Antrag zu Resolution betreffend das Konventsprotokoll der Inspekt: Oberheidelberg, vom 12ten Sept: 1804 [...]" 2 weitere Schriftstücke Ewalds in Konventsangelegenheiten. A41: 148/261: „Diöces Carlsruhe. Generalia. Kirchen- und Schul-Visitationen." 1 Schreiben Ewalds an das Spezialat Karlsruhe, Karlsruhe, 24.1.1810. 1 Schreiben Ewalds an das Landamt und Spezialat Karlsruhe, Karlsruhe, 10.3.1810. Verschiedene Beschlüsse der Evangelischen Sektion beim Ministerium des Inneren von Ewalds Hand aufgesetzt, aus den Jahren 1815-1819. A42: 234/740: „Bücher Sache Die Einführung von Schmids Biblischer Geschichte in den Evangelischen Landschulen des Großherzogsthums nach vorheriger Umarbeitung durch Kirchenrath Ewald betr." (Vgl. zum Zusammenhang Kap. I, 24 dieser Arbeit. Die Akte enthält wichtige Quellen den Streit zwischen Ewald und Johann Peter Hebel über die Bibelgeschichte betreffend. Vgl. LKA Karlsruhe). Beauftragung Ewalds zur Umarbeitung der Schmidschen Bibelgeschichte. Karlsruhe, 30.7.1814. Hebel, „Meine Bemerkungen über das mit Abänderungen in unsern Schulen einzuführende biblische Geschichtbuch von Schmidt." (Korrigierte Fassung; vgl. LKA Karlsruhe). O. Datum. Ewald, „Meine Erklärung über das, von dem Herrn Kirchenrath Hebel in der Prüfungskommißion abgelesene Promemoria, die Überarbeitung von Schmidts Bibelgeschichte betr." (eigenhändig). Karlsruhe, 7.3.1815. Hebel, „Noch ein paar Worte zu Herrn Kirchenraths Ewald Erklärung in Betreff der Schmidtischen Bibelgeschichte." O. Datum. Ewald, „Noch ein Paar Worte, zu den Paar Worten meines Herrn Kollegen Hebel." O. Datum. 2 weitere Beschlüsse der Kirchen- und Prüfungskommission und 2 Beschlüsse der Evangelischen Kirchensektion. 1 Schreiben Ewalds an die Kirchen- und Prüfungskommission, Karlsruhe, 20.4.1815.

Bibliographie der Druckschriften Ewalds und der Archivalien

507

A43:435/867: „Heidelberg. Studien. Das evangl. theologische Lehrfach auf der daßigen Universität [...] betr." (Akten die Berufung Ewalds nach Heidelberg betreffend. Vgl. jedoch ausführlicher GLA 205/225). Urlaubsgesuch Ewalds und Bewilligung eines 14-tägigen Urlaubs für eine Reise nach Offenbach, Sept. 1816. Akten die Versetzung Ewalds von Heidelberg nach Karlsruhe betreffend. Akten die Diskussion um die Einrichtung einer weiteren theologischen Professur in Heidelberg betreffend. Ein Gutachten Ewalds betitelt: „Antrag, die Einrichtung der theologischen Kollegien für künftigen Winter, in Heidelberg, betr." o. Datum. (Eine sehr wichtige Quelle. Vgl. Kap. I, 19 und Text Nr. 6 im Anhang). 1 Brief Ewalds an das Geheime Polizeidepartement, o.O., o. Datum. (März 1805). (Pensionsangelegenheiten betreffend). 1 Antwortschreiben in dieser Sache vom 15.4.1805. 2 Schreiben Ewalds reformierte Etatfragen betreffend. 1 Gutachten Nikolaus Christian Sanders (d.J.) und Ewalds betitelt: „Pflichtmäsiger Vortrag die Berufung des Konsistorial Raths Paulus betr.", Karlsruhe 31.12.1810. (Nicht von Ewalds Hand, sondern von derjenigen eines Kanzleischreibers. Wichtiges Zeugnis in theologischer wie kirchenrechtlicher Hinsicht. Vgl. Kap. I, 20 und Text Nr. 7 im Anhang). A44: 234/1041-1044: Akten die Reise der von Jakob Friedrich Ladomus geleiteten badischen Delegation zu Pestalozzi betreffend. (Vgl. zum Zusammenhang Kap. I, 21 dieser Arbeit). Evangelischer Oberkirchenrat Karlsruhe, Landeskirchliches Archiv: A45: GA 1257: „Die Errichtung der Generalstudienkommission und deren Geschäftsgang betr." 1 Schreiben der Generalstudienkommission an das Innenministerium, Karlsruhe, 26.1.1810. 1 Schreiben des Innenministeriums an die Generalstudienkommission, Karlsruhe, 29.1.1810. Eine ausführliche Schrift der Generalstudienkommission ohne Titel, Karlsruhe, 20.1.1810. (Alle Schriftstücke betreffen die Auflösung der Generalstudienkommission, der Ewald angehörte. Die Kommission legt einen ausführlichen Tätigkeitsbericht vor und warnt vor den unabsehbaren Folgen ihrer Auflösung. Vgl. zu Inhalt und Zusammenhang Kap. I, 18 dieser Arbeit). A46: GA 2707: „Bücher Die Hübnersche, Schmidt'sche und Hebeische Biblische Geschichte betr."

508

Kapitel IV (Umfangreiche Akte zur strittigen Bibelgeschichts-Sache. Vgl. GLA 234/740 und Kap. I, 24 dieser Arbeit. Die Akten befinden sich nicht in chronologischer Reihenfolge. Irgend jemand hat zudem Verwirrung stiftende numerisch-chronologische Anmerkungen in die Akten geschrieben, die falsch sind). 1 Gutachten Ewalds, von Ewalds Hand, betitelt: „Gutachten, über die, ad interim, bis zu Einführung der neuen Schulplane neu aufzulegenden Hübnerschen [!] Bibelgeschichte." (Nr. 53). (Eintrag von anderer Hand:) „von Κ Rat Ewald Zw. 12 u. 28.3.1813." 1 Schriftstück Ewalds betitelt: „Promemoria", Karlsruhe, 31.8.1814 (Nr. 56). (Ewald legt das erste Heft der überarbeiteten Schmidschen Bibelgeschichte vor). Nr. 57: Kritik Jakob Friedrich Gerstners (vgl. Kap. I, 24 dieser Arbeit). Ein Gutachten Ewalds betitelt: „Ein Paar Worte über die Bemerkungen meiner Herrn Kollegen.", o. Datum (vor Sept. 1816 zu datieren). 1 Gutachten Hebels betitelt: „Meine Bemerkungen Über das mit Abänderungen in unseren Schulen einzuführende biblische Geschichtbuch von Schmid." (Unkorrigierte Version; vgl. GLA 234/740). (Nr. 58). 1 Schreiben Ewalds an die Evangelische Prüfungs- und Kirchenkommission, Karlsruhe, 20.9.1816. (Ewald tritt endgültig von der Bearbeitung der Schmidschen Bibelgeschichte zurück; Abdruck in Kap. I, 24). 1 Brief Gottlieb Bernhard Fechts an Hebel, o. Datum. 1 Erklärung Ewalds, ohne Titel, nicht von Ewalds Hand, sondern von der eines Schreibers, Nr. 68. (Eintragung von anderer Hand: „Gehört zeitlich hinter 59." Das ist falsch. Die Quelle muß vielmehr in die Zeit kurz nach Nr. 53 derselben Akte eingeordnet werden. Vgl. hierzu Kap. I, 24 dieser Arbeit). Biblioteka Jagielloriska Krakau (ehemals Staatsbibliothek zu Berlin):

A47: 1 Brief an Johann Gottfried Herder, Detmold, 4.11.1787. 1 Brief an Herder, Detmold, 7.10.1792. (S. Kap. I, 7 und Text Nr. 4 im Anhang. Ewald bittet Herder um Mitarbeit an der Zeitschrift,Urania'). 1 Brief an Joseph Maria von Radowitz, Detmold, 19.5.1791. (Ein wichtiger Trostbrief Ewalds. Vgl. Kap. I, 10 und Text Nr. 5 im Anhang). 1 Brief an von Radowitz, Karlsruhe, 20.5.1816. (Begleitschreiben bei Übersendung der Schrift Bibl. Nr. 341). 1 Brief an Christoph Friedrich Nicolai, Bremen, 13.9.1799. (Empfehlungsschreiben für eine in Not geratene, ungenannte Familie). 1 Brief Ewalds an seinen Enkel Fritz Dreves, o.O., o. Datum. 1 Brief an Ditmar, Detmold, 14.11.1795. (Die Bestellung eines Spiegels betreffend).

Bibliographie der Druckschriften Ewalds und der Archivalien

509

1 Brief an C. H. G. Frh. v. Meusebach, o.O., o. Datum. 1 Gedicht Ewalds für seine Tochter. 1 Brief Ewalds an Helmina von Chezy, Karlsruhe, o. Datum. 5 Briefe Ewalds an Karl August Varnhagen von Ense aus den Jahren 1816 und 1817: Karlsruhe, 1816. Karlsruhe, 5.5.1817. Karlsruhe, 2.7.1817. Karlsruhe, 1817. Karlsruhe, 18.7.1817.

Schiller-Nationalmuseum / Deutsches Literaturarchiv, Cotta-Archiv (Stiftung der Stuttgarter Zeitung), Marbach am Neckar: A48: Cotta Vertr. 2. 1 Vertrag, aufgesetzt von Ewalds Hand, vom 20.10.1811 seine Schrift Bibl. Nr. 313 betreffend.

Hessisches Staatsarchiv Marburg: A49: 315 Landeskirchenamt g Spec. Hanau Ravolzhausen 1,1. (Akten die Berufung Ewalds auf seine erste Predigerstelle in Ravolzhausen betreffend (1773). Vgl. Kap. I, 2 und Text Nr. 1 im Anhang). Akten die Berufung Ewalds auf die 2. Predigerstelle in Offenbach betreffend (1773/74). Vgl. Kap. I, 2 dieser Arbeit). A50: XIIIA 259. „AVDITIONVM TVM PVBLICARVM TVM PRIVATARVM IN VNIVERSITATE LITTERARIA MARBVRGENSI PER SEMESTRE HIBERNVM ANNI 1766 (HIBERNVM ANNI 1767; AESTIVVM ANNI 1768; HIBERNUM ANNI 1771) HABEND ARVM TABVLA". (Die Vorlesungsverzeichnisse aus der Studienzeit Ewalds sind nicht vollständig erhalten. Vgl. Kap. I, 17 dieser Arbeit). A51: 301. Archiv des Landgrafen von Hessen-Philippstal. (Dieser Bestand besteht aus 169 Paketen und ist nicht verzeichnet. Ich habe den Bestand nicht durchsucht. Es ist aber zu vermuten, daß sich in ihm u.U. Akten über Ewalds Anstellung als Erzieher in Hessen-Philippstal finden lassen).

Bayerische Staatsbibliothek München: A52: Autogr. Ewald, Johann Ludwig. 1 Brief Ewalds an den Buchhändler Friedrich Wilmans in Frankfurt/Main, Heidelberg, 6.11.1806. (Bibl. Nr. 193 betreffend).

Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Archiv: A53: Autograph Böttiger K. 6.

510

Kapitel IV 1 Brief Ewalds an Karl August Böttiger, Karlsruhe, 7.8.1812. (Ewald klagt über die ihm mißgünstige Rezensentenwelt).

Evangelischer Kirchengemeindeverband Offenbach a.M.: A54: Eine Benutzung des Archivs der genannten Institution ist derzeit aus Gründen der Mittelknappheit und -Streichung nicht möglich. Es ist jedoch zu vermuten, daß sich hier noch Archivalien zu Ewalds Tätigkeit in Offenbach finden lassen. Eine weitere Schwierigkeit liegt jedoch darin, daß mit einer Verzeichnung der Archivbestände zwar begonnen worden ist, sie aber noch nicht abgeschlossen ist.

Landesbibliothek Oldenburg: m

A55: Cim I 88 . 41 Briefe Ewalds an Gerhard Anton von Halem aus der Zeit vom 11.1.1793 25.4.1809. (Es handelt sich um die größte erhaltene Sammlung von Briefen Ewalds). Detmold, 11.1.1793. Detmold, 19.3.1793. Detmold, 14.10.1793. Detmold, Juli 1794. Detmold, 7.10.1794. Detmold, 13.11.1795. Detmold, 12.12.1795. Detmold, 20.4.1796. Bremen, 9.3.1797. Bremen, 7.6.1798. Detmold, o. Datum. Bremen, 14.7.1798. Bremen, 17.7.1798. Bremen, 4.1.1799. Bremen, 3.11.1799. Bremen, 26.6.1800. Bremen, 5.9.1800. Bremen, 9.10.1800. Bremen, 21.11.1800. Bremen, 26.11.1800. Bremen, 14.10.1801. Bremen, 26.3.1803. Bremen, 2.4.1803. O.O., 15.4.1803. O.O., 6.5.1803. Bremen, 25.8.1803. Bremen, 22.10.1803. Bremen, 5.11.1803.

Bibliographie der Druckschriften Ewalds und der Archivalien

511

Bremen, 9.5.1804. Bremen, 8.6.1804. Bremen, 13.10.1804. O.O., 25.12.1804. Bremen, 7.2.1805. Bremen, 14.4.1805. Bremen, 18.5.1805. Bremen, 21.7.1805. Bremen, 3.8.1805. Heidelberg, 9.6.1806. Heidelberg, 11.12.1806. Karlsruhe, 28.10.1807. Karlsruhe, 25.4.1809.

Württembergische

Landesbibliothek

Stuttgart:

A56: cod. hist. 8° 103a. b. 7 Briefe Ewalds an Philipp Matthäus Hahn, O.O. (Offenbach), 9.3.1778. Offenbach, 17722.6.1778. Offenbach, 22.8.1778. Offenbach, 11.-22.10.1778 Offenbach, 27.1.1779. Offenbach, 28.11.1779. Offenbach, 3.1.1781. (Es handelt sich bei fast allen Briefen um Abschriften. Nur der letzte Brief stammt von Ewalds Hand. Die Briefe sind höchst bedeutend, was Ewalds Abkehr vom Rationalismus, seine begrenzte Beeinflussung durch Hahn, aber auch seine Distanz zu ihm angeht). 6 Briefe Philipp Matthäus Hahns an Ewald, Kornwestheim, 16.7.1778. Kornwestheim, 7.1.1779. Kornwestheim, 6.1.1780. Kornwestheim, 31.8.1780. Kornwestheim, 22.12.1780. Kornwestheim, 16. 2.1781. Ergänzend hierzu: Briefe von Pfarrer Hahn und Anderen, in: Barth, Christian Gottlieb, Süddeutsche Originalien, Bd. 4, pl-66, WLB Stuttgart W. G. oct. 197. Hierin folgende Briefe Hahns an Ewald: Kornwestheim, März 1778. Kornwestheim, 16.7.1778. Kornwestheim, 16.7.1778. Kornwestheim, 31.8.1778. Kornwestheim, 6.1.1780.

512

Kapitel IV (Vgl. zum Verhältnis Hahns und Ewalds und deren Auseinandersetzung Kap. I, 4 dieser Arbeit). 1 Brief Johann Anton Andrés an Ewald, Offenbach 21.1.1781.

Österreichische Nationalbibliothek Wien: A57: Autogr. 48/59 (1-2). 1 Brief Ewalds an Buchhändler Chr. F. Voß in Leipzig, Detmold, 2.6.1796. 1 Brief an Ungenannt, Karlsruhe, 23.7.1812 (an Friedrich Wilmans). (Begleitschreiben bei Übersendung des Manuskripts für die 2. Auflage des „Kommunionbuches", Bibl. Nr. 190a. Ewald wünscht Neuauflage von Bibl. Nr. 240, die aber - so weit ich sehe - nie erschienen ist. Aus dem Inhalt des Briefes geht also eindeutig hervor, daß es sich um ein Schreiben an den Verleger Friedrich Wilmans in Frankfurt handelt).

Zentralbibliothek Zürich (Kantons-, Stadt- und Universitätsbibliothek): A58: FA Lav. Ms. 507, 266-294. 29 Briefe Ewalds aus den Jahren 1774-1800. Ewald an J.L. Benzler, 8.8. o.J., o.O., Nr. 266. (Wohl eine Abschrift eines Briefes Ewalds an Benzler, die Benzler hergestellt und an Lavater weitergeschickt hat. Das Schreiben ist in das Jahr 1793 zu datieren, da in ihm von Lavaters Besuch in Detmold die Rede ist). Ewald an Lavater, o. Datum, o.O., Nr. 267. (Terminus a quo ist der 7.11.1775 (Goethes Umzug nach Weimar). Claudius ist noch nicht nach Darmstadt umgezogen (31.3.1776). Brief ist noch vor dem Jahreswechsel geschrieben). Ewald an Lavater, o. Datum, o.O., Nr. 268. (Von fremder Hand, wohl eine Abschrift. Von noch einer anderen Hand stammt die Datierung auf den 20.4.1774, die jedoch falsch ist. Ewald ist nämlich bereits verheiratet (Hochzeit 10.9.1775). Brief im Frühling geschrieben, also Frühjahr 1776). Ewald an Lavater, Offenbach, 12.7.1774, Nr. 269. Offenbach, 17.7.1778, Nr. 270. Offenbach, 14.7.1781, Nr. 271. Offenbach, 22.7.1781, Nr. 272. Detmold, 22.9.1783, Nr. 273. Detmold, 11.12.1783, Nr. 274. Detmold, 28.4.1791, Nr. 275. O.O., 1.5.1791, Nr. 276. Detmold, 4.8.1791, Nr. 277. Detmold, 11. - 12.1.1792, Nr. 278. Detmold, 11.2.1792, Nr. 279. Detmold, 3.10.1792, Nr. 280.

Bibliographie der Druckschriften Ewalds und der Archivalien

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Detmold, 25.12.1792, Nr. 281. Detmold, 31.10.1793, Nr. 282. Detmold, 22.3.1794, Nr. 283. Detmold, 25.5.1794, Nr. 284. Detmold, 20.10.1794, Nr. 285 (Fragment). Detmold, 14.12.1794, Nr. 286 (Briefende fehlt). Detmold, 8.1.1795, Nr. 287. Detmold, 12.1.1795, Nr. 288 (Ewald hat den Brief Nr. 287 noch einmal geöffnet und dieses Schreiben beigelegt. Fragment (?)). Detmold, 9.5.1795, Nr. 289. Detmold, 12.12.1795, Nr. 290. Detmold, 14.2.1796, Nr. 291. Bremen, 6.12.1799, Nr. 292. Bremen, 19.2.1800, Nr. 293. Bremen, 26.4.1800, Nr. 294. A59: Ms. 558, 83-105. 23 Briefe Johann Caspar Lavaters aus den Jahren 1774-1800. Lavater an Ewald, o.O. (wohl Ems), o. Datum, o. Unterschrift, Nr. 83. (Auf Mitte Juli 1774 zu datieren. Antwort auf Ewald Nr. 269). Lavater an Ewald, Teinach, 2.7.1783, Wildbad, 4.7.1783, Giersberg (?)/ Schaffhausen 13.7.1783. (Ein Brief auf der Reise geschrieben, fragmentarisch), Nr. 84. Zürich, 4.10.1783, Nr. 85. Zürich, 19.11.1783, Nr. 86. Richterschweil, 23.3.1784, Nr. 87. Zürich, 18.8.1784, Nr. 88. Zürich, 11.5.1791, Nr. 89. Zürich, 1.6.1791, Nr. 90. Zürich, 21.1.1792, Nr. 91. Zürich, 23.2.1792, Nr. 92. Zürich, 25.8.1793, Nr. 93. Zürich, 25.-26.8.1793, Nr. 94 (Begleitschreiben zu Nr. 93). Zürich, 31.10.1794, Nr. 95. (Ort?), 9.-11.8.1795, Nr. 96. O.O., 30.12.1795, Nr. 97. O.O., 27.2.1796, Nr. 98. O.O., 14.11.1796, Nr. 99. O.O., 25.12.1796, Nr. 100 (ein Gedicht). Zürich, 23.3.1797, Nr. 101. O.O., 3.6.1797, Nr. 102. Zürich, 20.10.1797, Nr. 103 (Empfehlungsschreiben). O.O., 11.3.1800, Nr. 104. Baden, 25.6.1800, Nr. 105. (Bei der Aufgliederung von A58 und A59 war hilfreich: Die Kopie des

514

Kapitel IV

Briefwechsels Ewald / Lavater, die sich im StA Detmold befindet (D 71, Nr. 536) und von Hans Sprenger knapp kommentiert ist). (Der erste Brief ist zwar undatiert, stammt aber mit Sicherheit aus dem Jahr 1774, wahrscheinlich Mitte Juli. Die Briefsammlung stellt nicht den gesamten Briefwechsel zwischen Ewald und Lavater dar. Zumindest eine kleine Ergänzung befindet sich in Düsseldorf; vgl. daselbst. Vorliegende Briefsammlung ist in theologischer und in historischer Hinsicht äußerst bedeutend. Es ist dies eigentlich der einzige Fall, in dem wir es mit einem überlieferten Briefwechsel zu tun haben. Vgl. zum Inhalt der Briefe, die in vorliegender Arbeit nicht vollständig ausgewertet werden können, Kap. I, 2.4 u.ö.). A60: FA Heß 1741. 181 e, 292, 297. 2 Briefe Ewalds an Johann Jacob Heß. Offenbach, 23.9.1776. (Vgl. hierzu Kap. I, 2 dieser Arbeit). Offenbach, 17.10.1776. (Dieser Brief enthält als Beilage einen Entwurf eines biblischen Lesebuches. Vgl. Text Nr. 2 im Anhang). A61: FA Heß 1741, 181 ak, 31b. 1 Brief Ewalds an Johann Jacob Heß, Bremen, 20.2.1800. A62: FA Heß 1741. 181 au, 105. 1 Brief Ewalds an Johann Jacob Heß, Karlsruhe, 21.4.1810. (Vgl. Kap. I, 26 dieser Arbeit). 1 Entwurf einer Antwort Heß' an Ewald, Zürich, 19.12.1810. A63: Autogr. Ott. 1 Brief Ewalds an die Buchhändler Gebrüder Wilmans in Frankfurt/Main, Karlsruhe, 8.6.1817. (Es geht um den Druck von Bibl. Nr. 371. Ewald hatte das Manuskript erst Wilmans angeboten, der jedoch nicht nur nicht zur Aufnahme des Titel in sein Verlagsprogramm bereit war, sondern obendrein sich gar nicht meldete. Ewald ist erbost. Die Schrift erschien dann - wie im Brief bereits angedroht bei Steiner in Winterthur/Schweiz). A64: FA Lav. Ms. 593. Abschriften von Briefen Ewalds (nach Auskunft von H. Weigelt/Bamberg von der Hand Ulrich Hegners). Briefe sind undatiert. Sie sind gerichtet an Lavater. A65: FA Lav. Ms. 599. Undatierte Abschriften von Briefen Ewalds an Lavater (nach Auskunft von H. Weigelt von der Hand Ulrich Hegners). Privatbesitz Adrian

Braunbehrens

A66: 1 Brief Ewalds an Ungenannt, Detmold, 14.2.1790. (Ewald bittet einen ungenannten Mittelsmann, dem Pädagogen und Inhaber der Braunschweigischen Schulbuchhandlung Joachim Heinrich Campe sein Manuskript „Kants Philosophie, mit Hinsicht auf die Bedürfniße der

Bibliographie der Druckschriften Ewalds und der Archivalien

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Menschheit. Briefe an Emma" anzubieten und stellt Forderungen den Erscheinungstermin (Ostern 1790), die Ausstattung des Buches und das Honorar betr. (1 Louisd'or pro gedruckten Bogen). Die Schrift erschien dann allerdings noch im selben Jahr bei Johann Friedrich Unger in Berlin (vgl. Bibl. Nr. 53)). A67: 1 Brief Ewalds an die Meyersche Buchhandlung in Lemgo, Karlsruhe, 26.3.1810. Ewald beschwert sich, daß er die Manuskripte von Bibl. Nrr. 293 und 294 betreffend noch keine Nachricht vom Verlag erhalten hat. Ewald weiß nicht, daß beide Predigtbände bereits 1809 erschienen sind, vermutet aber, daß sie schon „abgedrukt" sind und fordert daher sein Honorar und Autorenexemplare an.

Autographen Ewalds,

ediert:

20 Briefe an Fürst Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau, aus den Jahren 1790-1794/1798. Hg. von Kempen, Wilhelm van, Die Korrespondenz des Detmolder Generalsuperintendenten Ewald mit dem Fürsten Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau 1790-1794/1798, in: Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde 33 (1964), pl35-177. (Die Edition enthält auch einige Antwortschreiben). 1 Brief Ewalds an Johann Heinrich Pestalozzi, Bremen, Pfingsten 1803. In: Pestalozzi, Johann Heinrich, Sämtliche Briefe, hg. vom Pestalozzianum und von der Zentralbibliothek Zürich, Bde. 1-13, Zürich 1946-1971, hier: Bd. 4, p575f. 6 Briefe Pestalozzis an Ewald aus der Zeit von Juni 1803 bis 24.2.1810. Juni 1803, O.O., Bd. 4, Nr. 904. 12.2.1804, O.O., Bd. 4, Nr. 951. Herbst 1805, o.O., Bd. 5, Nr. 1108. Ende September 1805, o.O., Bd. 5, Nr. 1114. ca. 18/20.2.1810, o.O., Bd. 7, Nr. 1963. 24.2.1810, o.O., Bd. 7, Nr. 1965. 2 Briefe Friedrich Heinrich Jacobis an Ewald. Pempelfort, am Thomastage 1790. Pempelfort, 10. Jun. 1791 (muß ,Jan.' heißen, wohl Lesefehler). In: Friedrich Heinrich Jacobi's auserlesener Briefwechsel. In zwei Bänden. Zweiter Band, Nrr. 193 und 199, Leipzig 1827 (UB Heidelberg M 514). 7 Briefe Ewalds an Gerhard Anton von Halem aus der Zeit vom 21.1.1793 bis 3.11.1799. In: von Halem, Gerhard Anton, Selbstbiographie nebst einer Sammlung von Briefen an ihn, Oldenburg: Schulze 1840 (Reprint Bern 1970), Nrr. 137, 141, 154, 165, 168, 188, 195 (LB Oldenburg MB 1661).

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Kapitel IV

2 Briefe an Johann Gottfried Röderer vom 3.2. und 2.8.1784. In: Stöber, August, (Hg.), Johann Gottfried Röderer von Straßburg und seine Freunde. Biographische Mittheilungen nebst Briefen an ihn von Goethe, Kayser, Schlosser, Lavater, Pfenninger, Ewald, Haffner und Blessing, in: Stöber, August, (Hg.), Alsatia. Beiträge zur elsässischen Geschichte, Sage, Sitte, Sprache und Literatur. Neue Reihenfolge. 1868-1872, Colmar 1873, pl-131, hier: pl26-131.

Bibliographie der Druckschriften Ewalds und der Archivalien

517

4. In der Bibliographie verwandte Abkürzungen A (+Nr.) ALZ Bibl. Bibliograph. Bibl. nat. Bibl. Nr. BLB BSB HAB Herder, Hauptkatalog

Kayser

KB KiHO LB NB

NSLB NSUB o.Dt. o.O. o.V. Pica / GGC PTS StA Stabi SUB UB ULB LB WTS

Bezugnahme auf die Liste der Archivalien Allgemeine Literatur-Zeitung Bibliothek Bibliographie, bibliographisch Bibliothèque nationale (Paris) Bezugnahme auf die entsprechende Nummer der Bibliographie der Werke Ewalds Badische Landesbibliothek (Karlsruhe) Bayerische Staatsbibliothek (München) Herzog August Bibliothek (Wolfenbüttel) Herdersche Verlagshandlung zu Freiburg im Breisgau. Gegründet 1801. Hauptkatalog reichend bis Ende 1912 mit Jahresbericht 1913. Mit systematischem Verzeichnis und Register, Freiburg i.B.: Herder 1914. Kayser, Christian Gottlob, Vollständiges Bücher=Lexicon enthaltend alle von 1750 bis zu Ende des Jahres 1832 in Deutschland und in den angrenzenden Ländern gedruckten Bücher, Leipzig 1834. Koninklijke.Bibliotheek Den Haag Kirchliche Hochschule Landesbibliothek Alphabetische naamlijst van boeken, welke sedert het jaar 1790 tot en met het jaar 1831, in Noord-Nederland zijn uitgekomen [...], s' Gravenhage en te Amsterdam 1832. Niedersächsische Landesbibliothek Hannover Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen Ohne Datumsangabe. Ohne Ortsangabe. Ohne Verlagsangabe. Projekt integrierte Katalog Automatisierung / Gemeinschaftlicher automatisierter Katalog Praktisch-Theologisches Seminar (der Universität Heidelberg) Staatsarchiv Staatsbibliothek (Berlin) Staats- und Universitätsbibliothek (Bremen) Universitätsbibliothek Universitäts- und Landesbibliothek Württembergische Landesbibliothek (Stuttgart) Wissenschaftlich-Theologisches Seminar der Universität Heidelberg

KAPITEL V

Quellentexte

TEXT 1

Akte über die Berufung Ewalds nach Offenbach1 „Serenissimi Nostri Hochfiirstl. Durchl haben gnädigst resolviret, die durch Fortrückung des Herrn Hofpredigers Conradi, vacant werdende 2te Prediger Stelle bey der hiesigen Teutschen Reformirten Kirche, dem Pfarrer Ewald dergestalt anzuvertrauen, daß er davon die in der angeschloßenen Designation Specificirte Besoldung von 500 fl. genießen, die Accidentien aber und die dagegen zu verrichtende actus ministeriales der Herr Hofprediger Conradi eben so allein haben und behalten solle, wie solche von dem verstorbenen Herrn Inspector Heusling genoßen worden. Zur Wohnung aber solle er das vacante Pfarr-Hauß erhalten, welches der Herr Inspector Heusling bewohnt hat, jedoch mit dem Anhange, daß die Frau Inspectorin noch wenigstens auf Jahr und Tag die Zimmer worinn die Bibliothec ist, zur Verwahrung der Bibliothec so lange behalte, bis sie solche als das übrig habende Vermögen mit Nuzen zu versilbern vermag. Es wird also dieses dem Pfarrer Ewald und dabey ferner bekannt gemachet, daß da Serenissimi Nostri Hochfürstl. Durchlcht. observiret, wie in den wenigen Monathen, daß die Kinder zur confirmation praepariret werden, der Grund zur Religion theils nicht hinlänglich geleget, theils wenn er auch geleget, bey der flüchtigen Jugend zu geschwind vergeßen werde, Höchstdieselben nöthig achten, ihm mit aufzugeben, daß er die Kinder welche über 10. Jahr alt, und also zu mehreren [fol. lv] Begriffen fähig, auch in den ersten Gründen bereits buchstäblich unterrichtet sind, wöchentlich 3. bis 4. Stunden in den Gründen des Christenthums unterrichte, und ihnen also die Religionsgründe und Pflichten völlig beybringe, und sie darinn verständig und geübt zu machen suche. Desgleichen ob wohl die Aufsicht auf die Lateinische Schule insbesondere dem Herrn Hofprediger Conradi um so mehr anvertrauet ist, als derselbe darinn ehedem seine Sorgfalt und application schon zu Serenissimi Zufriedenheit erprobet hat, so sehen doch Serenissimi Nostri Hochfürstl. Durchlt. gerne, wenn der Pfarrer Ewald sich die Verbeßerung der in den lezten Zeiten sehr verfallenen Lateini1

StA Marburg 315 Landeskirchenamt g Spec. Hanau Ravolzhausen I, 1. Bibliographie A 49.

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Kapitel V

sehen Schule nach angetretenen hiesigem Amte demnächst mit annehmen, und da er außer der mithabenden Kinder Confirmation keine actus ministeriales regulariter bey der Gemeine zu verrichten hat, selbst junge Leute herzuzuziehen gelegentlich suche und zu mehrer Aufnahme der Schule selbst 4. Stunden darinn die Woche Unterricht zu geben, bedacht wäre, besonders aber wünschen Serenissimi Nostri Hochfürstl. Durchl. daß wenn solche Subjekte in die Schule giengen, die dermahleins Schulmeister zu werden gedächten, diese dahin gebildet, und unterrichtet würden, daß sie mit Zuverläßigkeit jüngern Kindern Unterricht demnächst zu geben vermögten. [fol. 2r] Diese Gesinnungen Serenissimi Nostri, werden dem Pfarrer Ewald bekannt gemacht, mit dem Anhange, daß er seine Einrichtung so zu machen suchen solle, damit er gleich nach NeuJahr hier die 2te Prediger Stelle anzutreten vermöge. Deswegen er wegen seiner Antritts Predigt dahier mit Herrn Hofprediger Conradi das erforderliche abzugleichen, und darnach seine Abschieds Predigt demnächst in Ravolzhausen einzurichten, davon aber Bericht zu geben hat, damit im Fall der noch nicht erfolgten Wieder-Bestallung man die interims-Versorgung der Gemeine Ravolzhausen jemand auftragen könne. Offenbach den lOten Novembr: 1773 Fürstliche Regierung Datur copia Amt Selbold ad Notitiam Offenbach eodem. Fürstl. Regierung P.J. Pauli Secretarius".

TEXT 22

„Entwurf der fürnehmsten Lehren und Pflichten des Christenthums. Einleitung: Lieben Mitbrüder, laßt es Euch nicht verdrießen, manchmal in diesem Büchlein zu lesen, das aus Liebe zu Euch ist geschrieben, und gedrukt worden. Zwar kann es Euch nicht reicher machen, soll Euch nicht lehren, wie Ihr Euren Aker bauen, oder in Eurem Handwerk geschikter werden könnt: das müßen Andere Leute thun. Aber glaubet gewis, es lehret Euch noch etwas wichtige2

Zentralbibl. Zürich FA Heß 1741. 181 e, 292. Ewald an Heß 23.9.1776. Bibliographie A 60.

Quellentexte

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res, etwas beßeres! Denn denkt doch selbst, wenn Ihr auch noch so reich seid, alles vollaufhabt, Eure Arbeit noch so gut versteht, währt denn das so immer fort? - ihr werdet alt, mit der Arbeit will's nicht recht mehr gehen, die Kräfte nehmen ab; das scharfe Gesicht, das feine Gehör, alles vergeht. Kommt nun noch eine Krankheit herzu, so begreift ihr wohl, daß der Tod nicht mehr weit seyn kann. - Was können Euch jezt Eure Äker, Eure Wiesen helfen? Euer Geld, Eure Geschiklichkeit? - Wer in der Welt kann Euch helfen? - Wenn Euch angst wird für dem Tod, wenn Ihr nicht wißet, wo Ihr hin kommen werdet, wenn Euch alles verläßt - nicht wahr, da fehlt Euch noch Etwas? Da möchtet Ihr etwas haben, das Euch trösten könnte. - nun seht, das will ich Euch hier geben. Ihr habt die Bibel; aus ihr will ich Euch alles das ganz kurz sagen, was Euch nöthig ist, um ruhig und getrost zu sterben, und auch nach dem Tod gliiklich zu seyn. Die Lehre von Gott. Ihr habt wol schon vielerlei künstliche und schöne Sachen gesehen, und Euch darüber verwundert. Wem eine Uhr zum erstenmal vor die Augen komt, der erstaunt, daß sie sich so ordentlich von sich selbst bewegt. Wer eine Mühle zum erstenmal sieht, der wird sich gewis darüber wundern, daß sie so selbst eingerichtet ist. Aber lieben Brüder, Ihr selbst, Eure Hände, Eure Füße Eure Augen, Eure Ohren sind künstlicher als das alles. - Das scheint Euch nicht so, weil ihr's zu oft gesehen habt: aber denkt einmal! wenn Einer in Eurem Orte so ein Ding gemacht hätte, das sich von selbst bewegte, wohin er es haben wolte, das hören, sehen, reden könnte - wie würdet Ihr Euch verwundern? wie künstlich würde Euch das vorkommen? - Nun; Ihr könnet ja sehen, hören, riechen, schmeken, fühlen, Ihr könnt gehen, Euch auf tausenderlei Art bewegen. Ihr könnt noch weit mehr! Wenn Ihr etwas recht betrachtet, oder oft gesehen habt, so könnt Ihr Euch noch vorstellen, wie es aussieht, wenn Ihr es schon jezt nicht sehet: Zum Exempel, Euren Aker Euren Nachbar, die Stadt Frankfurt. Das thun doch Eure Augen nicht; denn jezt, da Ihr das leset, sehet Ihr ja die Sachen nicht. Habt Ihr etwas gesehen, oder gehört, so könnt Ihr sagen, ob es Euch gefallen habe, oder nicht; ob Ihr es haben möchtet, oder nicht haben möchtet. Das alles können Eure Augen und Ohren nicht thun; das thut Eure Seele! Sie erinnert sich, was ihr gesehen, und gehört habt; sie urtheilt, ob es gut oder schlimm, schön oder häßlich gewesen, und thut vielerlei unbegreifliche Sachen. - Nun sehet über Euch, und um Euch. Da den großen, großen Himmel, mit den unzählbaren vielen Sternen, die Euch klein scheinen, weil Ihr weit von ihnen seid, die aber doch gros sind. Sehet die Erde an, die vielerlei Bäume, von denen jeder seine eigene Frucht trägt, die tausenderlei [fol. lv] Arten von Gras und Kräutern, die kein Mensch ohne Samen so frisch, so wachsend machen kann. Denkt an die vielerlei große

Kapitel V

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Thiere, die auf der Erde sind, und seht erst einmal die viel tausenderlei Kleine, die auf der Erde herumkriechen, oder in der Luft fliegen und doch alle leben, und sich bewegen. Wenn Euch nun jemand sagte: Das alles wäre von einem gar geschikten, verständigen, mächtigen, und guten Mann gemacht worden, das würdet Ihr gewis gerne glauben: denn es ist so natürlich, als wenn Euch jemand sagt, das Haus ist von verständigen Leuten, oder diese Mühle ist von einem geschikten Zimmermann gemacht worden. Das ist ja ganz natürlich, daß es jemand gemacht haben muß: denn von selbst baut sich kein Haus und keine Mühle, vielweniger der Himmel und die Erde, mit allem, was drauf ist. Nun seht! wir haben ein gar altes glaubwürdiges Buch, das sagt uns: Gott der allmächtige weise Gott habe das alles gemacht. Es nennt ihn Jehovah, den Vater der Menschen. Es sagt: die Menschen seien auch von ihm geschaffen worden. Von Anfang aber sey nur Ein Paar auf der Erde gewesen. Diesen habe Gott die Genüsse der Erde zur Speise gegeben, und sich ihnen auf mancherlei Art offenbaret. Auszug der biblischen Geschichte. Wir nennen dies Buch die Bibel, das heißt: eine Büchersammlung, weil es viele Bücher in sich enthält, die aber alle von Gott, und von göttlichen Sachen handien. Fromme, rechtschaffene Leute haben diese Bibel geschrieben, die zum Theil vor vielen hundert, zum Theil gar vor einigen tausend Jahren gelebt haben. Ihr wißt alle, daß sie zwei Haupttheile enthält: Das Alte, und das Neue Testament. In dem ganzen Buch ist von einer sehr großen, und wichtigen Person die Rede, die der Meßias, oder Jesus heißt. Die Bücher nun, die vor der Ankunft dieses Meßias sind geschrieben worden, heißen das Alte T:, die aber, die nach seiner Ankunft geschrieben wurden, heißen das N:T: Wir haben jezt die Bibel teutsch; so ist sie aber von Anfang nicht geschrieben worden, sondern ein frommer, gottesfürchtiger Mann Doktor Luther, von dem Ihr alle werdet gehöret haben, hat sie so übersezt. - Ihr alle habt gewis oft in dieser Bibel gelesen, und wißt, daß sie größtentheils Geschichten, Historien enthält. Es wird darinnen erzehlt, wie Gott den Menschen erschienen sey, wie er sich ihnen offenbaret, was er mit ihnen gemacht habe; wie die Menschen3 böse, und Gott immer gut gewesen sey; so gut, daß er ein Mittel gefunden, das ganze menschliche Geschlecht glüklich zu machen. Gott schuf zwei Menschen, den Adam, und die Eva, die Eva aus der Rippe oder der Seite des Adams, damit sie sich lieben solten, wie ihr eigenes Fleisch. Diese zwei Leute sezte Gott in eine herrliche, fruchtbare Gegend, in das Paradies. Da wuchsen die lieblichsten, wolschmekendsten Früchte von aller3

Gestrichen: gut

Quellentexte

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lei Art, und von Allen durften sie eßen. Nur Ein Einziger Baum stund im Paradies, der ihnen verboten war. Welches Tages ihr davon eßet, sagte Gott, werdet ihr des Todes sterben. Aber wie die Menschen sind! Immer haben sie [fol. 2r] mehr Lust zu etwas, das ihnen verboten ist! Sie sahen den Baum an, und seine Frucht; stellten sich vor, was das ein herrliches Eßen seyn müßte, wenn es nur nicht so schädlich wäre. Da kam aber ein listiger Verführer, eine Schlange, die verführte sie die Frucht sey gar nicht schädlich, sondern wenn sie davon äßen, würden sie Gott gleich werden: Geschwind that die Eva, was sie schon lange gern hätte thun mögen. Sie aß, und gab dem Adam auch davon, und er aß. Angst war ihnen dann doch jezt, und sie hatten es auch Ursache. Gott nicht zu glauben, Gott nicht zu gehorchen; der Schlange mehr zu glauben, mehr zu gehorchen, denkt selbst, wie schreklich das war. Gott verkündigte ihnen auch allerlei Schmerzen und Elend, und sagte ihnen deutlich, jezt würden sie sterben müßen. Das geschah auch; Adam sowol, als seine Nachkommen mußten sterben, und was dieser erste Mensch gethan hatte, das thaten die Andern auch; sie glaubten und gehorchten Gott gar oft nicht. Meint Ihr aber, Gott hätte deswegen aufgehört, für sie zu sorgen, und Ihnen Gutes4 zu thun? - Gar nicht; die Sonne schien wie vorher, es regnete zu seiner Zeit, und die Erde brachte alles hervor, was die Menschen ernehren konnte. Einstmal aber waren sie gar zu böse worden, sie wollten sich den Geist Gottes gar nicht mehr regieren laßen, und da schikte Gott eine große Waßerflut, die ersäufte alle Menschen und Thiere auf Erden, bis auf Noah und seine Familie, und die Thiere, die bei ihm in dem Schiff waren, das er nach der Anweisung Gottes gebaut hatte. Durch sie wurde das menschliche Geschlecht erhalten, das aber bald wieder eben so schlimm wurde, als es vor der Sündflut gewesen war. Ja; einige liebten und ehrten gar ihren Schöpfer nicht mehr, sondern bäteten allerlei Geschöpfe an, als wenn sie Götter wären. So schlimm aber waren sie doch nicht alle, sondern es gab auch noch Leute, die Gott glaubten, und Gott gehorchten. Das that besonders ein Mann, Namens Abraham, dem auch Gott sehr gut war, und sich ihm offenbarte. Er war der Erste, dem es deutlich verkündigt wurde, daß Gott die Menschen vom Tod und Verderben erretten, und sie glüklich machen wolle. Höret, wie wunderbar ihm das Gott zu erkennen gab! - Abraham, und sein Vater Terah zogen mit ihren Heerden in einem Lande herum, das wohl Weide für das Vieh hatte, aber doch nicht in Überfluß - (hier fände etwas Lokales Plaz) Gehe aus, sagte ihm Gott, aus deinem Vaterland, und aus deiner Freundschaft, in ein anderes Land, das ich dir zeigen will: Dort solst du glüklich werden. Abraham glaubte, und gehorchte Gott, wie er immer that, und zog mit seinen Heerden in das Land Kanaan, das klein, aber sehr fruchtbar war. Hier erschien ihm Gott auf's neue, und versprach ihm seinen Schuz und Beistand. Abraham, und seine Frau Sara 4

Gestrichen:

thun

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Kapitel V

waren beide schon so alt, daß sie sich keine Kinder mehr vermutheten; sie hatten auch noch keine Kinder, welches man damals für ein Ungliik, und für eine Schande hielt. Gott aber versprach ihnen einen Sohn; durch den solten sie viele Nachkommen haben, und diese solten dies schöne, fruchtbare Land als ihr Eigenthum besizen. Durch Einen ihrer Nachkommen aber solte das ganze menschliche Geschlecht glüklich werden. So wenig das auch Abraham begreifen konnte, so glaubte er es doch, weil er ein vor allemal alles glaubte, was ihm Gott sagte."

T E X T 35

„Instruction für den Prediger Ewald zu Offenbach zum General Superint. alhier" „U.G.G. Wir Simon August Reg. Graf und Edler Herr zur Lippe [...] Urkunden und bekennen hiemit daß Wir den Wol-Ehrwürdigen und Hochgelehrten, Ewald, Prediger bei der Gemeinde zu Offenbach im Fürstentum Isenburg-Birstein, zu Unserem Consistorial Rath, General Superintendenten und ersten Prediger hieselbst angenommen haben, und hiemit dergestalt annehmen, daß Er 1) als Consistorial Rath und General-Superintendent Size und Stimme nicht nur bei Unseren wöchentlichen, sondern auch dem General Consistorio6, wenn solches gehalten werden wird, haben und deßen Seßionen, beiwohnen,7 2) in den vorkommenden Kirchen Visitations und Schul Sachen den Vortrag thun, und alles was zu Verbeßerung des Kirchen- und Schul-Wesens gereichen kann, in Vorschlag bringen, auch sowol das8 Examen und Ordination der neuen Prediger, als das Examen der Candidaten9 Küster und Schulmeister nach Vorschrift Unserer Kirchen Ordnung volziehen sole. 3) Soll Er die Aufsicht und Visitation hiesiger Provinzial Schule, ebenfals nach Vorschrift gedachter Kirchen Ordnung [fol. lv] so wie auch die über das hieselbst jezt errichtet werdende Schulmeister Seminarium haben, und vornehmen, und alles dasjenige was zu dessen Aufnahme und Beförderung gereichen kann, in Vorschlag bringen

5

LKA Detmold, Konsistorial-Registratur Rep. II Tit. 13 Nr. 1 (309), Nr. 67. Es handelt sich um einen Entwurf, nicht um eine Ausfertigung. 6 Gestrichen: hab 7 Gestrichen: sole 8 Gestrichen: examen und Ordinai 9 Candidaten] eingefügt

Quellentexte

525

4) Soll Er, als general Superintendent besonders die Visitationen der Kirchen in den Detmoldischen, und wenn es besondere Ursachen nötig machen auch in den übrigen Klaßen, nach Maasgabe des dazu von Uns zu erteilenden Gewalt-Briefes und der darin erwehnten Kirchen- und Consistorial Ordnungen verrichten, und davon jedesmal dem Consistorio Bericht erstatten, auch 5) eine algemeine Aufsicht auf alle Prediger, Kirchen und Schul-Bediente Unsers Landes wie nicht minder auf die Verwaltung der Kirchen und Armen Mittel, nach Anleitung der Kirchenf-] und übrigen deshalb von Uns erteilten Verordnungen haben, 6) Soll Er als erster hiesiger Prediger alle Sonn= und FestTage die HauptPredigten, die Predigten an den Monatlichen Bättagen und die Vorbereitungs Predigten aber mit dem zweiten und dritten hiesigen Prediger Wechsels weise halten, und eben so mit diesen zugleich das h. Abendmal austeilen, außer diesen aber und der mit Besuchung der kranken Glieder der Gemeinde in der Stadt, keine weitere Ministerialia zu verrichten haben. 7) Dagegen 10 versprechen Wir demselben, daß, wann Er diese algemeinen Vorschriften 11 nebst den daraus fliesenden besondern Pflichten genau erfüllen, und überhaupt sein Amt zu Beförderung der Ehre Gottes und der Wolfart seiner Kirche so verwalten wird, wie Er es vor dem Richter Stul des Allerhöchsten und auch Uns allemal verantworten kann, Ihn nicht nur in seinem Amt jederzeit kräftigst zu schüzzen,12 sondern bewilligen13 14 Jhm auch15 järlich nebst einer freien Wohnung und Garten, welche beide auf 60 fl. angeschlagen sind, ein in baarem Geld bestehendes Gehalt zu Neunhundert und Vierzig Rthl [...], zu deren Erhebung Ihm eine Anweisung von Unserm Consistorio erteilt werden wird. Des zu Urkund haben Wir diese Instruction und Bestallungs Brief eigenhändig unterschrieben und mit Unserm Gräfl. Consistorial Siegel bedrukken laßen, so geschehen Detmold den 4. Jul. 1781. S."

10 11 12 13 14 15

Gestrichen: versic [?]. Gestrichen: genau befolgen Gestrichen: auch bewilligen] Eingefügt Gestrichen: auch auch] Eingefügt

526

Kapitel V TEXT 4 1 6

Ewald an Herder, 7.10.1792 „Detmold den 7t. Okt: 92. Verehrungswürdiger Herr; Es giebt Handlungen, die für den gewöhnlichen Menschen allen Schein von Zudringlichkeit haben, und im Grunde doch weiter nichts als gerades, einfaches Zutrauen eines Menschen zu einem Menschen sind, und von dem, der sich seine Kindlichkeit erhalten hat, auch ganz so genommen werden. Dieß ist jezt mein Fall; ich kann aber natürlich bei Ihnen nicht fürchten, daß Sie meine Bitte für Zudringlichkeit nehmen werden. Schon lange trag' ich mich mit der Idee einer Monatschrift, die für die höheren Bedürfniße der Menschheit arbeiten, und zunächst jene großen und allgemeinen Bedürfniße - Durst nach Warheit, Gewisheit, Liebe, Freiheit und Ruhe im Auge haben solte. Alles, was Menschen mit solchen Bedürfnißen wichtig und intereßant seyn kann, solte der [fol. lv] Hauptgegenstand der, darinnen enthaltenen Aufsäze werden. Natürlich also - Erzälungen wie jene Bedürfniße gewekt oder erstikt, geleitet und mißleitet, genährt, befriedigt oder bis zum verzehrendsten Durst exaltirt worden sind; wie Religion, Erziehung, Philosophie, Geist unserer Zeit und jeder Zeit, Lebensart, Liebe, Freundschaft, geheime Gesellschaften dazu wirkten; und Aufsäze jeder Art und in jeder Form, die irgend einem Menschen mit solchen Bedürfnißen irgend etwas seyn und geben können. Ich bin jezt so weit, daß die Schrift angekündigt werden kann, und mit Neujahr 1793 in Ungers Verlag ihren Anfang nehmen soll. Viele der besten Köpfe Deutschlands und der Schweiz haben mir Aufsäze versprochen und zum Theil schon eingesandt; und unter diesen Umständen werden Sie selbst, verehrungswürdiger Mann, es sehr natürlich [fol. 2r] finden, daß ich mich an Sie wende, und vorzüglich Sie um Beiträge bitte. Ferner ahnde ich, daß Sie sich nicht gerne aßoziiren: aber ich denke, diese Gesellschaft soll und wird Ihnen keine Schande machen; und Sie selbst werden überzeugt seyn, wie gut der Zwek ist, und daß unsere Legionen von Monatschriften ihn nicht zu befriedigen vermögen. Vereinigung zu einer Licht= und Kraftmaße, hat immer Gutes gewirkt, wenn freie Männer sich frei vereinigten; und warum wolten Sie von diesen Männern keiner seyn? Ich muß nur noch hinzusezen, daß jede Art von Polemik ganz außer dem Plane der Schrift17 liegt; daß Christliche und Nicht Christliche Aufsäze darin16 17

Biblioteka Jagiellonska Krakau, Bibliographie A 47. der Schrift] über die Zeile geschrieben und eingefügt

Quellentexte

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nen Plaz finden, und daß nur das vermieden wird, was irgend einem edlen Menschen weh thun, oder ihn positif irren könnte. Und nun wiederhole ich meine ehrerbie- [fol. 2v] tige und dringende Bitte, mir doch etwas von Ihren hingeworfenen Ideen und kleinen, fliegenden Blättern, was zu diesem Zwek dient, zuzuschiken. - Daß Sie ausdrüklich für die Schrift etwas ausarbeiten sollen; diese Bitte wage ich nicht. Es giebt gewiße Dinge, die man hoffen kann, aber nicht bitten muß. - Könnt' ich aber gleich für das Erste Stük einen Aufsaz erhalten; in welcher Form er auch sey: so wäre mirs große Freude. Ungern rede ich von Geld, wenn von solchen Sachen die Rede war. Da man indeß auf Kosten der Billigkeit fair18 delikat seyn kann: so sage ich nur, daß mir der Verleger für den gedrukten Bogen 2. Louisdor bezalt, die ich gerne auch gebe, wenn sie mir etwas schiken können. Wäre Herr Müller, Verfaßer der philosophischen Aufsäze zu bereden, Theil an der Schrift zu nehmen? Ich frage nur, und will mich gerne an ihn wenden, wenn ich nach seiner, mir unbekannten Lage darauf rechnen kann. - Und nun noch die lezte Bitte: um eine baldige Antwort, und um Ihre Liebe, in so ferne sich darum bitten läßt. Das können Sie wenigstens wißen, daß Sie meine Verehrung und Liebe längst haben. Ewald."

TEXT 5

Ewald an Joseph Maria von Radowitz, 19.5.179119 „Detmold den 19ten May 1791. Gestern gab mir eine edle, verehrungswürdige Dame Fests Beiträge für Leidende, machte mich aufmerksam auf Ihre Geschichte, die im 2 Bande, im 2 Heft von S: 462 an erzält wird, und bat mich, sie auch zu lesen. Ihr Leiden hatte sie so gerührt, daß sie die Bitte hinzusezte, ich möchte doch versuchen, ob ich Ihnen ein tröstliches Wort durch Herrn Pastor Fest sagen könne. Wenn das Herz warm vor Mitleid ist; von welcher Schwachheit erwartet es nicht Hülfe? Eben an diesem heitern Frülingsmorgen habe ich die Fragmente Ihrer Briefe gelesen, und ich füle Ihre Leiden wenigstens so tief, daß ich mir nicht einbilde, Sie trösten zu können. Wahre, tiefe Leiden muß man wegnehmen können, wenn man trösten will. Man füll die Lage des Elenden nicht, wenn man ihn durch Worte zu trösten denkt. Stillschweigen und eine Thräne wahrer Theilnehmung ist das Einzige, was der schwache Mensch dann vermag. Aber 18 19

fair] unsichere Lesart Biblioteka Jagielloiiska Krakau, Bibliographie A 47.

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Kapitel V

mit dieser Thräne steigt auch oft ein Seufzer zu dem Allmächtigen, der ja wol bei Ihm so viel vermag, als Fürbitte der Liebe bei einem guten Menschen vermag. So war mirs bei Erzälung von Ihren Leiden, edler, ungliiklicher Mann. Ich bin kein Greiß, aber auch kein Jüngling, besonders im Leid. Meine Haare sind vor der Zeit grau worden; und ob ich gleich von der Art Leiden wenig erfuhr, was Sie drükt, so darf ich doch wol mitreden. Eine lange Reihe von Jahren hat mich eingeweiht, [fol. lv] Und laßen Sie mich Ihnen immer ein Paar Bemerkungen mittheilen, die sich mir beim Lesen Ihrer Briefe aufdrängten. Ich weiß, es thut schon wol, wenn wir nur die Bemühung sehen, uns Leidenden unsere Leiden erleichtern zu wollen, so ohnmächtig sie auch seyn mag! Gefül von Theilnehmung, von Menschlichkeit Anderer ist oft das Einzige wolthätige Gefül, was uns übrig bleibt. Und so, denke ich, thut es auch Ihrem Herz wol, wenn ein Unbekannter wenigstens Ihr Leiden erleichtern möchte. Liebe auch ohne Kraft ist ja doch Liebe! Hofnung giebt mirs, aus Ihren Briefen zu sehen, daß Sie wißen, es ist Krankheit, was Sie drükt. Das ist noch der gesunde Kopf, der das sagt; der richtige Blik in Ihre Lage, von dem sich etwas erwarten läßt. Ich habe ähnlich Leidende gesehen, die sich auch das nicht mehr sagten; die alle Zerrüttungen in ihrer Seele suchten, die in ihrem Körper waren. Und nun waren sie erst recht unglüklich! - Erhalten Sie sich doch diesen Blik, so viel es möglich ist, mein unglüklicher Bruder. Suchen Sie nicht in Ihrer Seele, was in ihren Nerven, vielleicht in Ihrem verstopften Unterleibe liegt. Werfen Sie sich die, von Ihnen unabhängigen Folgen einer Krankheit nicht vor! - Gott imputirt sie Ihnen nicht! Bei dem grösten Ekel an sich selbst, bei der peinlichsten Bänglichkeit über Ihre Lähmung sagen Sie sichs am Meisten, daß diese Hülle drükt; daß die Werkzeuge verdorben sind, wodurch der Geist wirken muß. Die [fol. 2r] Mittel dagegen wenden Sie ja wol ohnehin an! - Und hauptsächlich, lieber unglüklicher Bruder; laßen Sie uns freuen der Zeit, wo unser Geist entbunden ist von diesem Erdenleib! Wo die schwehrfallige Raupe sich frei emporheben und leicht dabei schweben kann! Der innere Trieb nach Wärheit und Reinheit, jezt Quell Ihres Leidens - der ist Ihnen Pfand, was Sie dann finden und seyn werden. ,Es wird gesäet in Schwachheit und auferstehen in Kraft.'Und - erlauben Sie mir noch Eine Frage: ist Ihnen Christenthum nichts? reines, von Systemen und Philosophie des Jahrhunderts und aller Jahrhunderte unabhängiges; nicht für mäßige Spekulation, sondern für tiefe Menschenbedürfniße kalkulirtes BibelChristenthum nichts? Mich dünkt, gerade für solche Leidende müßte es viel seyn, wenn sie sich davon überzeugen können. Im Gewirr von tausend Zweifeln, was Warheit sey; - wie wol muß es thun, einen Ausspruch des Warhaftigen zu finden, der uns klar und bestimmt sagt: das ist Warheit! Unter Zweifeln über Vorsehung auf einen Mann zu sehen, der

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es durch unleugbare Thaten zeigte, daß Er in Verbindung mit der Gottheit stehe, und der uns versichert: ,kein Haar fällt von Eurem Kopfe ohne den Willen des Vaters! ' - Unter Zweifeln über den verkehrten Gang der Welt die große Theodizee in wenig Worten zu finden: ,Gott hat Alle! unter den Unglauben beschloßen, auf daß Er sich Aller erbarme!' - die sich durch Geschichte der Bibel so entzükend bestätigt! Unter Zweif- [fol. 2v] len über künftiges Leben die feste, bestimmte Versicherung zu lesen: ,Alle, die in den Gräbern sind sollen meine Stimme hören, und leben.' - ,Wo ich bin; da sollen die Meinigen auch seyn!' - Vor einem Manne, der Todten aufwekte und selbst nach seiner Vorabsagung von den Todten auferstand! Wenn wir das Erbärmliche, von tausend äuseren Dingen Abhängige unserer Tugend fülen; ich dächte gerade da wäre es Trost, zu hören, daß wir nicht durch diese jämmerliche Tugend, sondern blos durch Zutrauen zu Ihm, etwas werden sollen - wie es jedes gute Kind wird. Wenn20 die Zerrüttung, die unheilbare Krankheit unseres Wesens uns drükt; welches Evangelium für uns: - der Allmächtige will dich heilen! Darum gab sich der Näheste des Vaters hin, damit du geheilt würdest! Es wäre so widersinnig, zu denken, du würdest nicht geheilt, als es widersinnig wäre, zu glauben, der Geliebteste des Vaters habe vergebens gelitten! - Und im Drang unerträglichen Schmerzes, wo alle Hofnung beßerer Zukunft uns nicht für Verzweiflung über die21 Gegenwart bewahren kann - wie wolthätig die Überzeugung: du darfst Ihm Alles klagen! Er versteht dich, hört dich, und erhört deine Bitte! ! - Wenigstens kann ich mit Warheit sagen: wären diese Worte nicht ein Trost gewesen, ich wäre manchmal vergangen im Elend! - Und der Kranke bietet so gerne einem andern Kranken an, was ihm selbst geholfen hat. Nehmen Sie, edler, unglüklicher Mann, mit Liebe an, was aus einem Herzen voll Liebe floß. Kann ich etwas mehr für Sie thun; laßen Sie mich einen Wink sehen, und ich thue, was ich kann. Wenn ich Gott nach dem besten in meinem Herzen beurtheilen darf - und warum solte ich nicht? - wie nahe muß Er dem Leidenden seyn! Welches Intereße hat der Unglükliche für Ihn! Leben Sie wol; und Gott gebe Ihnen Glauben an sich selbst, oder vielmehr: Glauben an Ihn, der aus Finsterniß Licht schaffen kann. J:L: Ewald."

20 21

Gestrichen: wir die] über die Zeile geschrieben und eingefügt

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Kapitel V TEXT 6 2 2

„Antrag, die Einrichtung der theologischen Kollegien für künftigen Winter, in Heidelberg, betr. Dem, von dem Hochverehrlichen Collegio mir ertheilten Auftrag, in Gemäsheit eines Erlaßes des Geh: Polizeidepartements, Vorschläge dahin zu thun, wie für den künftigen Winter die theologische Collegia in Heidelberg23 eingerichtet werden könnten, glaube ich, nicht 24 gründlicher entsprechen zu können, als wenn ich demselben, meine Ansicht über die, den gewöhnlichen, Theologie Studirenden, nöthige 25 Wißenschaften und Fertigkeiten, zur geneigten Prüfung 26 , und dann, meine Personalkenntniß der, jezt in Heidelberg dozirenden Theologen, gewißenhaft und mit der Offenheit vorlege, die dem27 Mitglied eines Collegii, Pflicht ist [...]. Das Erste 28 wäre wol, Bekanntschaft mit den Quellen der Christlichen Religionserkenntniß, also mit der Bibel, und besonders mit dem so genannten N: T:. Hermeneutik, oder Innbegriff der Regeln einer guten Erklärung deßelben, Einleitung, in die beiden Haupttheile der Bibel, um die Entstehung und den nächsten Zwek der Einzelnen Bücher, die Entstehung und Erhaltung29 des Ganzen, sowol als die Zeiten und Zeitumstände kennen zu lernen, unter denen sie verfaßt wurden, würde dazu erfodert. Aber auch, so genannte Exegetica über Einzelne Bücher des A: und N:T: sind nöthig [...]. An dieses Studium wird sich am besten 2) eine biblische Dogmatik anschließen, die die Resultate, den Geist der ganzen Bibel, habe30, ohne wißenschaftliche Form, nach der elementarischen Ordnung der Bibel [...]. 3) Kirchengeschichte, und 4) Dogmengeschichte ohne welche beide Collegia, die jezt vorzutragende 5) Kirchliche Dogmatik nicht gründlich verstanden werden kann. Sie ist jedem Theologen, der Prediger werden will, durchaus nothwendig, und kann weder31 durch eine, noch so philosophische Religionslehre noch durch das gründlichste Studium der Bibel, für ihn ersezt werden, weil aus ihr,32 nicht nur in den Religionsschriften aller Konfeßionen, 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32

GLA Karlsruhe 435/867. Bibliographie A 43. in Heidelberg] marginal eingefiigt Gestrichen: beßer Unlesbare Streichung Gestrichen: vorlege Gestrichen: einem Darüber geschrieben: dem Gestrichen: Be und Erhaltung] marginal eingefiigt habe] marginal eingefügt weder] über die Zeile geschrieben und eingefugt aus ihr,] marginal eingefügt

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in den Katechismen, Erbauungsbücher [!] p, sondern auch in die Gemüther der Menschen33 viele Vorstellungs=Arten,34 sich eingestiftet haben, deren Werth oder Unwerth, deren wahres Verhältniß zu den biblischen Vorstellungsarten, der Prediger gar nicht beurtheilen kann, wenn er nicht seine kirchliche Dogmatik, gründlich studirt hat, also mit der Entstehung des kirchlichen Lehrbegriffs35 in allen seinen Theilen, und 36 Einzelnen Bestimmungen sowol als mit den Ursachen der lezten, bekannt ist. Er wäre in Gefahr, ohne Grund an manchen Vorstellungsarten der kirchlichen Katechismen, hängen zu bleiben, wie so manche alte Theologen thun, oder in der noch größeren, - alle diese Vorstellungsarten, aus Unwißenheit zu verwerfen37, wie so manche neuere thun, wenn er nicht, die Entstehung dieser Vorstellungen, und die 38 besten Gründe dafür, sich historisch nachweisen könnte. Aus diesem Zwek des Studiums dieser Dogmatik erhellt39, daß der Lehrer derselben, jezt nicht seine Ansichten, sondern die Ansicht seiner Kirche zu geben habe [...]. 6) Christliche Sittenlehre, könnte zugleich mit, oder vor, oder nach der kirchlichen Dogmatik gehört werden. 7) Und nun würde mit einer philosophischen Religionslehre der wißenschaftliche Theil der Theologie geschloßen [...]. Jezt fiengen die praktische Collegia, und die, darauf gegründete Übungen an, wobei ich jedoch die Deklamationsübungen ausnehme, die, weil40 dadurch ein hoher Grad von Fertigkeit erworben werden muß, und weil41 bei dem sinnlich-geistigen Menschen so viel auf den Vortrag ankommt, wenigstens durch42 drei Semester fortgesezt,43 also früher angefangen werden müßten. Theorie der Homiletik, oder Regeln, wie die mannigfaltige Bibeltexte, nach44 ihrer Natur, 45 dem jedesmaligen Zwek des Predigers, und dem 46 Bildungsgrad der Gemeinde sowol, als ihrer religiösen Tendenz47 bearbeitet,

33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47

sondern [...] Menschen] marginal eingefügt Gestrichen: aus ihr Gestrichen: , Gestrichen: mit verwerfen] verbessert aus: entwerfen Gestrichen: Gr erhellt] marginal eingefiigt weil] Gestrichen: da Darüber geschrieben: weil weil] Gestrichen: da Darüber geschrieben: weil durch] über die Zeile geschrieben und eingefügt Gestrichen: werden nach] über die Zeile geschrieben und eingefügt Gestrichen: nach Gestrichen: Grad des Unlesbare Streichung

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Kapitel V

wie die Predigt ordentlich und behältlich disponirt und jeder48 Theil49 derselben, sowol in Hinsicht50 der Sachen als des51 Styls, dem Hauptzwek, angepaßt werden können [...]. Auch über Katechetik ist eine ähnliche Theorie vorzutragen; es ist aber auch durchaus nöthig, daß katechetische Übungen angestellt, und die junge Theologen 52 zu der Gewandheit, Geschwindigkeit, sich in die kindliche Vorstellungsarten53, Ideenfolgen und Ideenverbindung zu versezen, aus ihrer Seele heraus, das Dunkle zum Klaren, und das Klare, zum deutlichen Bewußtseyn zu entwikeln, so wol wie zu Erhaltung der kindlichen Aufmerksamkeit und Erwekung des Intereße, gebildet werden, wobei Vorbild und Muster unentbehrlich ist. Die ganze Pastoraltheologie, nemlich Liturgik, Seelsorge und Leitung des Schulunterrichts, könnte in einem Collegio vorgetragen werden; wird aber mehr aus Erfahrung, als aus Grundsäzen geschöpft werden müßen. Daß zu diesen praktischen Collegiis, ein praktischer Mann erfodert werde54, d:h: ein Mann, der mit Erfolg das selbst ausgeübt hat, zu deßen Ausübung er junge Theologen bilden will, wird wol nicht leicht bezweifelt werden [...]. Die Männer, die sich in Heidelberg befinden, um diese 55 Bedürfniße zu befriedigen, sind 1) Kirchenrath und Profeßor Daub, ein scharfer, tiefer und origineller Denker, und ein gründlich-gelehrter Theologe; was aber noch mehr ist, ein Mann von hohem, religiösem Sinn, von ächter Frömmigkeit, und unermüdetem, uneigennüzigem Amtseifer, dem die Sache, die er treibt und wofür er wirkt, allein anliegt. Dabei hat er 56 in hohem Grad die Gabe, diesen reinreligiösen Sinn, würdig auszusprechen [...] Dabei hat das System, das er vorträgt, für den uneingeweihten Jüngling, so ganz den Schein einer ächt orthodoxen Christlichen Dogmatik, und ist doch, durch Grundsäze der neuesten Philosophie so scharf= und tiefsinnig begründet, daß die Jünglinge von allen Seiten angefaßt werden, von denen sie anzufaßen sind, und gewonnen werden für die Sache des Christenthums, wie sie wenigstens ehrlich glauben und glauben müßen. Allein dem ohnerachtet ist Daubs System, das er vor-

48 49 50 51 52 53 54 55 56

jeder] Gestrichen: alle Über die Zeile geschrieben und eingefügt: jeder Theil] verbessert aus: Theile in Hinsicht] über die Zeile geschrieben und eingefligt des] verbessert aus: dem Gestrichen: in Ausübung der gegebenen Regeln geübt kindliche Vorstellungsarten] marginal eingefügt erfodert werde] marginal eingefügt Gestrichen: Zweke Gestrichen: die Gabe

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trägt, nichts weniger, als das System der Bibel,57 und noch weniger das kirchliche System. Zwar wird von dem Sohne Gottes, von der Dreieinigkeit, Versöhnung, von Engeln und Teufeln, darin auch geredet, und dieß Alles aus der Natur und dem Wesen Gottes bewiesen: aber alle diese Ausdrüke werden durchaus in einem ganz anderen Sinne genommen, als sie das kirchliche System und die Bibel nimmt [...]. 2) Kirchenrath und Profeßor Schwarz, ein redlicher, frommer, für alles Gute eifriger und thätiger, mit dem Geist der Bibel vertrauter58, aber durchaus praktischer, fürs Praktische gebildeter, und ganz im Praktischen lebender Mann. Es fehlt ihm gar nicht an wißenschaftlicher Bildung, die er auch fortsezt. Allein zum eigentlichen Gelehrten ist er nicht gebildet, und bei den Arbeiten, wozu ihn seine Erziehungsanstalt nöthigt, hätte er auch nicht Zeit, sich jezt noch zum eigentlichen Gelehrten zu bilden. Desto brauchbarer ist er aber für alles Praktische, als Prediger, Katechete, Erzieher [...]. 3) Prof: Marheineke, ein junger, volständig gebildeter, in Kirchen= Dogmen= und Religionsgeschichte ganz lebender, mit bedeutenden Kenntnißen schon reichlich ausgestatteter, und mit dem größten Eifer sich darin fortbildender auch ein sehr guter, und selbst für schon gebildete Theologen nüzlicher Dozent. Ich belege dies mit einem, von dem Kirchenrath Daub auf meine Anfrage erhaltenen Brief, den ich zu den Akten gebe59. [...] Er arbeitet seine Predigten sehr gut aus; sein Vortrag ist aber etwas ängstlich, und eben darum etwas steif, ob er gleich recht gut deklamirt. Er war schon 60 Lehrer an dem Predigerseminar in Erlangen, das Ammon dirigirte. 4) Prof: de Wette, ein geistvoller, von Geist und Leben sprudelnder, oft übersprudelnder junger, in Sprachen, besonders orientalischen, sehr gelehrter, auch in gemeiner und der sogenannten höheren Kritik, sehr geübter Mann, der aber bei Erklärung der Bibel, von den kühnsten Hypothesen überfließt, zu ihrer Verkündigung seinen ganzen, großen Scharfsinn, und alle seine Gelehrsamkeit aufbietet [...] so wäre mein, durch das Vorhergehende begründeter Vorschlag 1) daß die, den Theologen, die sich zu Predigern bilden wollen, nöthige Collegia auf folgende Art unter die Profeßoren vertheilt würden a) Exegese, in Hinsicht auf Sprache und Wortverstand, de Wette, Lauter, Wilken. In Hinsicht auf den Geist der Bibel, besonders des N:T:, Schwarz, Abbegg?, Bökh? b) Biblische Dogmatik, Schwarz. c) Kirchengeschichte, Marheineke. 57 58 59 60

Gestrichen: oder mit [...] vertrauter] marginal eingefügt auch ein sehr guter [...] zu den Akten gebe.] marginal eingefiigt Gestrichen: Mitglied des

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Kapitel V

d.) Dogmengeschichte, Daub, abwechselnd mit Marheineke e.) Kirchliche Dogmatik, Marheineke. f.) Christliche Sittenlehre, Daub, abwechselnd mit Schwarz. g.) Philosophische Religionslehre, Daub. h.) Homiletik, abwechselnd, Schwarz, Marheineke und Inspektor Bähr. i.) Deklamationsübungen, Marheineke, abwechselnd mit Insp. Bähr. 1.) Katechetik mit Übungen, Schwarz und Bähr abwechselnd. m) Pastoraltheologie, Schwarz [...]. 2) Daß unter der Direktion von Schwarz, und Mitwirkung des Prof: Marheineke und Insp: Bähr, ein Predigerseminar errichtet, die Einrichtung deßelben, auch von diesen Männern, oder der theol. Fakultät vorgeschlagen werde. 3) Daß den Landestheologen ein Studien Kurs vorgeschrieben werde, den sie pünktlich befolgen 61 und worüber sie Zeugniße beibringen müßten, weil die Erfahrung mich häufig belehrt hat, wie unordentlich und zwekwidrig, oft blos nach Laune und kleinlichen Nebenabsichten, sich die jungen Leute bestimmen laßen, diese oder jene Collegia zu hören. 4.) Daß vorerst kein neuer Profeßor der Theologie berufen werde, weil alle Fächer mit den, schon vorhandenen, besezt werden können, außer etwa das Fach, das mit dem Geist der Bibel vertraut macht, wozu sich aber doch schwehrlich ein beßeres Subjekt, als Schwarz, finden möchte. [...]"

TEXT 762

„Pflichtmäsiger Vortrag die Berufung des Konsistorial Raths Paulus betrf. Dem sichren Vernehmen nach ist der Konsistorial Rath Paulus als Profeßor der Exegese nach Heidelberg berufen worden. Wir maßen uns nicht an, bei der Wahl eines Profeßors der Theologie eigentliche Stimme zu haben, obgleich in früheren Zeiten dem obern kirchlichen Collegio wenigstens ein Gutachten darüber abgefordert worden ist. Wäre dieses auch jezt63 geschehen, so würden wir uns, da die Sorge für einen rein christlichen Lehrvortrag in unserm, von dieser Seite längst schon rümlich bekannten Lande, uns, den zwei einzigen Geistlichen in der obersten

61 62 63

Gestrichen: müßt GLA Karlsruhe 435/867. Bibliographie A 43. jezt] über die Zeile geschrieben und eingefügt

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kirchlichen Stelle obliegt, in unserm Gewißen [fol. 96v] für verpflichtet gehalten haben, unserm Departement folgenden Antrag zu machen: In der noch immer mit Recht64 als Norm bestehenden gewiß auch von dieser Seite sehr liberalen, und von dem reformirten Theil des Landes freiwillig angenommenen KirchenRaths Instruction von 1797. § 9 ist vorgeschrieben: .niemals zu gestatten, daß derjenige, wer bey gewißen Sachen die Ausdruksformen unserer ersten Reformatoren nicht paßend achtet, nun von der ganzen dadurch bezeichneten Lehre abstrahire, mithin auch biblische Darstellung derselben, weil sie ihm auch nicht convenient dünkt, hinterhalte, oder wohl gar seine eigene Vorstellungs Arten und Denkformen, in jenen Vorträgen, die er etwa öfentlichen Amts und Berufs wegen hält, den Gemeinden des Landes als Glaubens Lehre vortrage.' Dieses Übel ist aber nicht nur sehr zu befürchten, sondern fast unvermeidlich, wenn junge, zur ernstern Prüfung noch nicht fähige Leute auf Akademien solche abwendende, ja den Grund des Christenthums und aller positiven Religion gänzlich [fol. 97r] untergrabende, mit Scharfsinn und einem gewißen Apparat von Sprachgelehrsamkeit durchdrungene Ideen hören. Bey dem KonsistorialRath Paulus ist dies der Fall. Er hat sich in mehreren kleinen Schriften, durch Herausgabe des bekannten Spinoza und die öfentlichen Äußerungen die er sich über deßen System erlaubt, besonders aber in seinem angefangenen Commentar über das N. T. zum Theil so deutlich ausgesprochen, zum Theil so merklich, Manches insinuirt, daß es unverkennbar wird, auch unter Theologen und gebildeten Weltleuten allbekannt ist, er neige zu einem philosophischen System, das eine, von der Welt noch unterschiedene Gottheit nicht kennt, er halte auch den historischen Theil des N. T. nicht für glaubwürdig; er glaube, die Verfaßer derselben seien leichte und abergläubige Leute gewesen, die leicht eine blose Sage aufgenommen und überall Wunder gesehen haben, wo blos Einbildung oder ein natürliches Mittel gewirkt habe. So läugnet er alle EngelErscheinungen, und die damit innig verbundenen Erzählungen, hält jene für blose Einbildungen oder geistige Intuitiva, (Komm 1 Th. S. 14.-19.) erklärt alle [fol. 97v] Wunder Jesus entweder für natürliche Wirkungen des Zutrauens, das auch auf den Körper wirke. (1 Th. S. 436.2 Th. S. 374, 375. S. 540-43. S. 270. und f.) oder natürlicher Heil Mittel. (1 Th. S. 437.) oder daß die Krankheit keine Krankheit, und der Tod nur ein Schein Tod gewesen sey. (: Erkl: von Math. 9; 1-8.) Selbst Lazarus Auferwekung, über die sich Jesus so bestimmt erklärt, ist ihm nicht Auferwekung, sondern nur Veranstaltung, einen Schein Toden wieder in das Leben zu bringen; wobei die Erzählung auf eine empörende Art theils verdreht, theils ihr geradezu wider64

mit Recht] über

die Zeile geschrieben

und eingefiigt

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Kapitel V

sprachen wird. (Erkl: von Joh. 11.). Er sucht zu insinuiren, daß Jesus nicht wirklich tod gewesen, vor dem Stich in die Seite vielmehr noch synkoptisch, der Stich aber ein HeilMittel gewesen, daß er also nach Herders Ausdruck, nur vor göttlichem und menschlichem Gericht gestorben sey. 3 Th. S. 792.-806. [fol. 98r] was freilich Niemand versteht. Er kann also auch keine wiirkliche Auferstehung annehmen, wie er denn auch die ganze Erzählung, Matth. 28; 1.-15. gerade zu für ein Unfactum erklärt, das der Erzähler blos aus einer Sage genommen habe, was gar nicht im 15 Vers gesagt wird. Jesus und seine Gesandten berufen sich öfters auf diese Wunder, als auf Beweise seiner höhern Sendung. z.B. Joh: 10, 25. 37, 38. Matth: 11. 2-5. s. wie sich denn 65 selbst die Apostel, vor ungläubigen Juden öfentlich und ohne Widerspruch darauf beriefen. Apost. Gesch. 9.2.23.10.38 s. Der Konsistorial Rath Paulus stellt also diesen Jesus entweder als einen vorsäzlichen Betrüger, oder, da er gegen diesen Vorwurf in dem Gefühl, daß er sehr nahe liege, so oft protestirt, wenigstens als einen so phantastischen Schwärmer vor, dem man nicht auf sein Wort hin glauben kann. Er verwirft also nicht etwa kirchliche, menschliche VorstellungsArten, sondern die historische Wahrheit der Schriftsteller des N.T., mit der das Christenthum steht oder [fol. 98v] fällt. Wir können ohnmöglich glauben, daß die obersten StaatsBehörden einen solchen Mann zum Lehrer künftiger Christenthums Lehrer für dieses Land ausersehen haben könten, wenn sie mit seiner alles Christenthum zerstörenden BibelErklärungs Art bekannt gewesen wären. Denn, wenn er als Lehrer der künftigen Christenthums Prediger angestellt wird, so haben seine Schüler entweder kein Zutrauen zu ihm, besuchen also auch seine Collegia nicht, lernen nichts von ihm, und das große Gehalt ist umsonst ausgegeben; oder sie lernen von ihm den natürlichen Sinn der Bibel verdrehen, allen Glauben an die BibelErzälungen zerstöhren; sie kommen vom Christenthum und aller positiven Religion ab, durch die sie einst Sittlichkeit und Ehrerbietung vor allem Heiligen, in ihrem Kreiße [fol. 99r] verbreiten solten; kommen sie zur öfentlichen Prüfung, und tragen ehrlich ihre antichristische Meinungen vor, so müßen sie nach § 10 der KirchenRathsInstruction abgewiesen werden, weil das an einem Candidaten nicht geduldet werden darf, was Anlaß zu Renovirung eines schon angestellten Predigers geben kann. Oder sie fügen sich für diese Zeit, wenigstens zum Schein, in die christliche Denkungsart, fangen also an Heuchler zu werden; das Schlimmste, was ein Geistlicher und ein Mensch werden kann. Im PredigtAmt sezen sie entweder diese Vorstellung fort, und müßen notwendig immer tiefer sinken, was [!] sie als heilig das behandlen, was ihnen doch nicht heilig, nicht einmal wahr ist, sie also, nach ihrer Ansicht, ihre Gemeinden immer täuschen müßen; 65

Gestrichen: die

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der Gemeinde wird dies früher oder später merklich, daß wenigstens ihr Prediger ganz gleichgültig bei seinen eigenen [fol. 99v] religiösen Vorträgen sey, und werden so gleichgültig dagegen wie er selbst; oder sie fühlen sich gedrungen, entweder aus der guten Absicht, ihren Gemeinds Gliedern Wahrheit zu verkündigen, oder was noch öfter der Fall seyn dürfte, aus Aufklärereisucht, und um Vorurtheile zu verbannen, der Gemeinde die neue Lehre zu verkündigen, daß die Bibelgeschichten Unfacta, oder deutlicher: unwahr seyen; und daß nichts so zu verstehen sey, wie es da stehe. Es läßt sich leicht ermeßen, welche Folgen dies für das Volk haben müße, bey dem natürlich, besonders bey aufgeregter Lust und Leidenschaft, der Gedanke sich aufdringen muß, die Vorschriften werden wohl eben so wenig buchstäblich zu nehmen seyn, wie die Geschichten, und man brauche einem Menschen, wie Jesus, der sich so oft selbst gerirrt habe, nicht zu folgen. So wird denn alle positive Religion vertilgt werden, von denen, die sie erhalten, und dadurch Sittlichkeit in ihrem Kreise befördern sollten. Und es ist bekannt, daß wenigstens das Volk, ohne positive Religion, so wenig sittlich erhalten, als ohne positive Geseze, ein Staat regiert [fol. lOOr] werden kann. Der gröbste roheste Libertinismus wird die Folge davon seyn, der sich, besonders im Preußischen unter solchen Lehrern, und durch sie, ofenbahret hat. Auf diese, in der Natur der Sache liegenden, und schon oft durch die Erfahrung bestätigten Folgen der Anstellung eines Mannes von des KonsistorialRaths Paulus bekannter DenkungsArt, das Departement aufmerksam zu machen hätten wir für unsere unerläßliche Pflicht gehalten. Da diese Vorstellung jezt zu spät kommen würde, indem wir hören, daß der Ruf an den KonsistorialRath Paulus schon abgegangen sey; so bitten wir nur, sie zu den Akten zu nehmen, weil uns das Vertrauen der LandesGeistlichkeit zu theuer und zu notwendig ist, als daß wir uns in Gefahr sezen sollten, es durch unser Stillschweigen, zu einer Maasregel zu verlieren, die sicher die christlich Gesinnte unter ihnen - was, Dank sey es der bisherigen kirchlichen Ordnung - vielleicht mit Ausnahmen weniger, alle sind, tief betrüben wird und muß; [fol. lOOv] die dann auch ihre Söhne sicher nicht auf diese Landes Akademie, sondern weit lieber und zwekmäsiger nach der, mit lauter Gelehrten und christlichen Lehrern besezten Akademie in Tübingen oder anderswohin schiken werden und können. Außerdem wünschen wir, daß dieser unser Antrag einem hohen General Direktorium vorgelegt, und demselben anheim gegeben werde, ob nicht der Profeßor Paulus anzuweisen sey, den Sinn der Schriftsteller des N. T. ohne seine individuelle Ansichten darzulegen, und es seinen Zuhörern zu überlaßen, wie sie66 sich die erzälten Thatsachen selbst vorstellen wollen.

66

Karlsruhe den 31 Dezember. 1810. Sander. Ewald." sie] über die Zeile geschrieben

und eingefügt

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Kapitel V T E X T 867

„Gutachten über die, ad interim,68 bis zu Einführung der neuen Schulplane neu aufzulegenden Hübnerischen Bibelgeschichte. Nach Pflicht und Gewißen kann ich auf eine neue Auflage der Hübnerschen Bibelgeschichte nicht eintragen, weil sie die schlechteste unter allen ist. Ich würde etwas Überflüßiges thun, wenn ich dieß weitläufig zu beweisen suchte, da ohne Zweifel alle Glieder der verehrlichen Kommißion, so gut, wie ich, davon überzeugt sind. Solte der Beweis aber gefodert werden; so bin ich bereit, ihn überhinreichend zu führen. Aufrichtig muß ich zwar gestehen, daß ich auch unter den übrigen, mir bekannten, von Seiler, Henke, Scherer ρ keine finde, die mir ganz zwekmäßig für Kinder zu seyn scheint, die durchaus in69 einem richtigem Gesichtspunkt gestaltet, denen die Geschichten vergegenwärtigt, popularisirt und ihrem Gemüth angeschmiegt werden muß, wenn sie gehörig wirken sollen. Eine 70 von einem Katholiken, Namens Wagner, die auch von der ehemaligen Gfeneral] Studienkommißion vorgeschlagen ist, hat zwar große Vorzüge, vor allen, mir bekannten, selbst vor der, die ich selbst, für Landschulen bearbeitet habe. Aber der Verfaßer lebt noch; sie dürfte also demselben nach dem neuesten Landrecht, nicht nachgedrukt,71 also müßte seine Einwilligung erst eingeholt, außerdem müßte sie für Protestanten, etwas überarbeitet [fol. 53v] werden, welches Alles zu umständlich seyn und den Druk weit hinausschieben mögte. Unter den schlechtem ist immer noch die Seiler'sehe die beste. Seiler ist todt, also hat Niemand noch ein Recht,72 gegen 73 einen Nachdruk zu protestiren. Wolte sich Einer von den verehrten Mitgliedern dieser Kommißion, die Mühe geben, sie durchzusehen und die, etwa nöthigen Abänderungen zu machen, oder wolte man dieß Geschäft einem, dazu geeigneten, nicht stark beschäftigten Geistlichen, mit Darlegung gewißer Grundsäze übertragen: so könnte noch eine Auflage von 2-3,000 Exemplarien gemacht werden. Ewald."

67 68 69 70 71 72 73

LKA Karlsruhe GA 2707, Nr. 53. Bibliographie A 46, Gestrichen: ne in] über die Zeile geschrieben und eingefiigt Unlesbare Streichung Unlesbare Streichung Gestrichen: auf Gestrichen: die

KAPITEL V I

1. Thesen 1. Wollte man das Ergebnis vorliegender Arbeit in nur einer These zusammenfassen, so müßte dieselbe wohl so lauten: Betrachtet man die bislang als , fromme Außenseiter' allzu schnell abgetanen Theologen wie Ewald, Klopstock, Claudius, Chr.F.D. Schubart u.a. näher, dann zeigt sich, daß abseits vom sog. Rationalismus und Supranaturalismus die Wirkung der reformatorischen Theologie in der Aufklärungszeit eine viel stärkere gewesen ist, als man bislang in der Forschung anzunehmen und einzusehen bereit war. Wenn die Kirchengeschichtsschreibung Ewald und seine Geistesverwandten rettet, bekommt sie einen tieferen Einblick in die theologische und historische Dialektik der Aufklärung. 2. Über Ewald arbeiten heißt, einen von der theologischen Forschung bislang übersehenen und vergessenen Theologen coram publico zu rehabilitieren und zu retten, ihn als ein Glied am Leib Christi in Erinnerung zu bringen und so der Auferstehungshoffnung Ausdruck zu verleihen. Eine Arbeit über Ewald ist daher selbst Glaubensakt und Zeugnis dessen, daß kirchengeschichtliche Arbeit ekklesiologisch, rechtfertigungstheologisch und eschatologisch bedingt und motiviert ist. 3. Wer über Ewald arbeitet, tut dies als Mitglied des wandernden Gottesvolkes: Er muß dem Lebensweg Ewalds nachreisen und in mannigfaltigen Bibliotheken und Archiven des In- und Auslandes Ewalds Werke, Autographen und sonstige Archivalien suchen. Aufzuspüren waren eine Menge von Briefen, wichtige Gutachten, handschriftliche Entwürfe, Personalakten u.a. 4. Die nun erstmals vorliegende Bibliographie Ewalds umfaßt 380 Titel, wenn man die große Anzahl der Übersetzungen und Neuauflagen nicht mitrechnet. Die Erforschung von Leben und Werk Ewalds ist darum auch ein Beitrag zur bibliographischen Grundlagenforschung in Sachen Aufklärungszeit und ein wichtiges Teilstück der Erforschung des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts, einer Zeit, die in vielerlei Hinsicht noch im Dunkeln liegt. 5. Ewald ist ein homme de lettres, der nicht nur für die Theologie- und Kirchengeschichtsschreibung in hohem Maße bedeutsam ist, sondern eine zentrale Bedeutung innerhalb der Geistesgeschichte insgesamt hat.

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Anhang

6. Ewald nämlich ist ein in höchst vielseitiger Hinsicht produktiver Mensch gewesen. Seine Schriften umfassen Predigten, aber auch Romane, Erbauungsbücher, aber auch aufgeklärte Streitschriften zu politischen Tagesund Grundsatzfragen, pädagogisch-populäre Handbücher, aber auch philosophische Traktate, Kinderbücher für den Schulgebrauch, aber auch theologiegeschichtliche Untersuchungen, Zeitschriftenartikel und auch akademische Vorlesungen, Kalenderbeiträge, aber auch Gedichte. 7. Ewald ist eine schillernde Gestalt im positiven Sinne und vereint mit großer integrativer Kraft eine ganze Menge von scheinbaren Widersprüchen in sich. 8. Ewalds gesamte und nicht nur theologische Existenz wird getragen von einer seltenen, wenn nicht gar einmaligen Spannung. Ewald ist Volksaufklärer und Prediger der biblischen Aufklärung durch die Offenbarung, er ist aufgeklärter Publizist und rechtgläubiger Erbauungsschriftsteller, Theologe reformierter Herkunft und Luther-Rezipient, Kämpfer für das Wort vom Kreuz und liebevoll-kämpferischer Apologet des antijudaistisch angegriffenen Judentums, revolutionärer Streiter für die Menschenrechte im Reich der Welt und Prediger der Rechtfertigung des Sünders durch Gott, entschiedener Kritiker der Ständegesellschaft und Partisan für das Reich Gottes, vom aufgeklärten Rationalismus abgefallen und dennoch kein Apostat und Verächter der Vernunft, Theologe der biblischen Narrativität und philosophisch gebildet und nicht zuletzt: Polyhistor und Polygraph. 9. Ewald war eine im höchsten Maße kommunikative Persönlichkeit, die in vielgestaltiger Weise mit den unterschiedlichsten geistigen Strömungen der Zeit verflochten war. 10. Ewald unterhielt und pflegte freundschaftliche und intensive theologische Verbindungen zu J.C. Lavater, J.J. Heß, Ph.M. Hahn, J.Chr. Krafft, F.H.Chr. Schwarz, J.H. Jung, genannt Stilling, G.A. von Halem und J.P. Hebel. Darüber hinaus stand Ewald in Kontakt mit J.W. von Goethe, J.G. Herder, J.H. Pestalozzi und stritt sich ausgiebig mit dem Neologen J.J. Stolz und dem Exegeten H.E.G. Paulus. 11. Ewald litt in seiner Jugend unter einer ziemlich stark pietistisch-biblizistisch geprägten religiösen Frühsozialisation und wandte sich in seiner Marburger Studienzeit dann der aufgeklärten Neologie zu. 12. Nicht zuletzt im Zuge seines Kontaktes mit dem Pietisten Ph.M. Hahn, aber auch mit J.C. Lavater und J.J. Heß kehrte Ewald als junger Offenbacher Pfarrer dem Rationalismus und dem aufgeklärten Moralismus den Rücken.

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13. Diese Abkehr Ewalds von der Aufklärungstheologie wird besonders dann sinnenfällig, wenn man seinen nun wiederentdeckten ersten Katechismus aus dem Jahr 1775 mit seinen späteren bibel-theologischen Schriften vergleicht und zudem die (mitunter handschriftlichen) Selbstzeugnisse Ewalds hinzuzieht, in denen er seiner theologischen Frühphase selbst Deismus und Sozinianismus vorwirft. 14. Ewald hat sich von Hahn, insbesondere von dessen biblischer Theologie, beeindrucken und prägen lassen, hat jedoch diesen wichtigen Impuls zum Anlaß genommen, zu den Wurzeln der reformatorischen Theologie zurückzukehren. Ewald selbst ist nie ein Pietist geworden und hat daher sein Leben lang etwa Hahns und Jung-Stillings Endzeitberechnungen abgelehnt und Hahns Geistchristologie von der chalkedonensischen ZweiNaturen-Lehre her kritisiert. 15. Grundlage der Theologie Ewalds bildet die reformatorische Bibelhermeneutik und damit die Offenbarung Gottes in der Heiligen Schrift. Die Bibel allein vermag es, Glaubensgewißheit und Trost zu stiften, da nur der Schrift claritas eignet, die aufklärende Kraft der Offenbarung also. 16. Bibelkritik ist bei Ewald die Kritik, die die kanonische Heilige Schrift an einer einseitigen Aufklärungstheologie zu leisten vermag. 17. Die Bibel ist der Ausgangspunkt und das inhaltliche Material der Ewaldschen Metakritik an der Aufklärung. Denn die Schrift ist der Motor einer Aufklärung höherer Ordnung, die die Vernunft aus sich heraus zu stiften nicht fähig ist. 18. Ewald rezipiert zwar die Ergebnisse der zeitgenössischen historisch-kritischen Bibelwissenschaftler (etwa J. D. Michaelis'), kritisiert aber die Selbstgenügsamkeit der historischen Kritik, die sich seiner Meinung nach allzu oft in historische und altertumswissenschaftliche Quisquillen verliert und damit die Eigenbewegung der biblischen Texte aus dem Gesichtsfeld rückt. 19. Mit aller Entschiedenheit kämpft Ewald 1) gegen die Akkommodationstheorie, die alles der Vernunft nicht Greifbare als bloße unaufgeklärtjüdische Vorstellungen ausscheidet, und 2) gegen alle aufgeklärten Versuche, moralisch-ethische oder auch vernünftig-dogmatische Exzerpte der Bibel gegen die Narrativität der biblischen Texte auszuspielen. 20. Eine narrativ-biblische Theologie ist nach Ewald das sicherste Mittel gegen jeglichen Legalismus. Nur wer erzählt und predigt, was Gott durch Leiden und Tod seines Sohnes bereits für die Menschen getan hat, kann dann vom Evangelium aus auch das Gesetz nun nicht mehr nur in seiner

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Anhang überführenden Funktion geltend machen, sondern auch als konkrete ethische Weisung predigen.

21. Eine besondere Rolle in Ewalds narrativ-biblischer Theologie spielt die reformatorische Hermeneutik der exempla fidei und die Aneignung der biblischen Geschichten durch den Glauben. Ziel der Lektüre der Bibel ist es nach Ewald, das in ihr erzählte Handeln Gottes mit den Menschen glaubend zu ergreifen, die biblischen Texte also mit Rücksicht und Anwendung auf sich selbst zu lesen und im Sinne Lavaters und Hamanns seine eigene Biographie in der Heiligen Schrift wiederzuentdecken. 22. In Ewalds theologischer Pädagogik vereinigen sich reformatorische Grundsätze und aufgeklärte Reformansätze des Philanthropinismus in einander produktiv ergänzender Art: Bibel und Katechismus bilden in reformatorischer Weise die inhaltliche Grundlage des Unterrichts in Trivial- und Realschulen. Gleichzeitig aber sorgt Ewald innerhalb seiner Tätigkeit als Schulreformer in Lippe-Detmold, Bremen und Baden für verstärkte Vermittlung von Realienwissen, für eine praxis- und berufsbezogene Ausbildung der Schüler in sog. industriösen Arbeitsschulen, für die Stiftung von Volksaufklärung, für eine effizientere pädagogisch-methodologisch fundierte Ausbildung der Lehrerschaft und für die Einrichtung von Lehrerseminaren. 23. Im Zuge der Weiterentwicklung seiner sowohl reformatorischen als auch aufgeklärt-reformerischen Pädagogik unternahm Ewald eine Reise in die Schweiz, besuchte Pestalozzi und rezipierte die reformpädagogischen Ansätze des Schweizer Pädagogen, insbesondere dessen Grundsatz von der Anknüpfung der vernünftigen Begriffsbildung an die Anschauung. Ewald ging aber gleichzeitig über Pestalozzi hinaus, indem er dessen Pädagogik theologisch interpretierte und sie so mit seiner eigenen durch und durch biblischen Pädagogik kompatibel zu machen versuchte. 24. Im scharfen Gegensatz zur konsequent-aufgeklärten Ethisierung der Theologie stehend kommt es bei Ewald durch seinen Rekurs auf die Bibel und die theologia crucis zu einer ungewöhnlichen Revitalisierung der reformatorischen Rechtfertigungslehre. Ausgerechnet als von seiner Herkunft her reformierter Theologe dringt Ewald zu einer zwar unzeitgemäßen, aber inhaltlich höchst bedeutenden Luther-Renaissance hindurch und entlarvt die unevangelische Gesetzlichkeit des weit verbreiteten zeitgenössischen Moralismus. 25. Ewalds biblische Theologie und insbesondere das Theologumenon der imputatio gelangen u.a. in seinen seelsorglichen Briefen zur tröstlichen Anwendung. Ewalds Theologie insgesamt nämlich ist konsequent auf die

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applicatio hin ausgerichtet und somit auf die Bewahrheitung in Predigt, Seelsorge und Unterricht angelegt. 26. Um den von Ewald selbst als .wahres Bibelchristentum' bezeichneten Glauben neu einzuüben, bediente er sich immer wieder des modernen publizistischen Mediums der Zeitschrift. Mit großem Geschick organisierte Ewald als Herausgeber mehrerer Zeitschriften den Schulterschluß derjenigen Theologen, Pädagogen, Philosophen und Schriftsteller, die an der Offenbarung Gottes festhielten und dem aufgeklärten Rationalismus ein Gegengewicht entgegensetzen wollten (Lavater, Jung-Stilling, J. F. Kleuker, L.Th. Kosegarten, K.Th.A.M. von Dalberg, F. Bouterwek, C.C. Flatt, J.C. Steudel, C.F. Steinkopf u.a.). 27. In sozialgeschichtlicher Hinsicht ist von Bedeutung, daß Ewald es verstanden hat, durch Gründung von Zeitschriften und Lesegesellschaften dem aufklärerischen Strukturwandel der Öffentlichkeit Rechnung zu tragen und gleichzeitig dem rechten Glauben ein neues Podium in der sich stark ausdifferenzierenden und pluralisierenden Welt der öffentlichen Meinungsbildung zu verschaffen. 28. Bei der Frontbildung gegen die rationalistische Aufklärungstheologie treten die innerprotestantischen sog. Unterscheidungslehren in ihrer Bedeutung stark zurück. Bei aller sonstigen Differenz liegt hierin eine Gemeinsamkeit der Theologie Ewalds und des Rationalismus. 29. Mit großer Vehemenz kritisierte Ewald die Entdogmatisierung der Christologie und trat darum in einen jahrelangen Streit mit J.J. Stolz ein, der die Präexistenz Christi, seine wahre Gottheit und seine Teilnahme am Schöpfungswerk nicht nur anzweifelte, sondern diese Lehrartikel auch in seiner Übersetzung des Neuen Testaments aus den biblischen Texten auszuscheiden versuchte. 30. Ewald hingegen bemüht sich, die dogmatische Terminologie der Christologie und der Trinitätslehre als Auslegung der biblischen Texte im eigentlichen Sinne neu verstehen zu lehren, und beschäftigt sich daher intensiv mit der altkirchlichen Dogmenbildung. 31. Von seinem entschiedenen Einsatz für die traditionelle kirchliche Lehre zeugt auch ein bisher unbekanntes Gutachten Ewalds und N. Sanders, in dem scharfe Kritik an der Berufung des Rationalisten H.E.G. Paulus nach Heidelberg, sowie an dessen Wunderkritik und an seiner Theorie vom Scheintod Jesu geübt wird. Ewald gibt zu bedenken, daß die exegetischen Hypothesen Paulus' die künftigen Pfarrer geradezu dazu prädisponierten, den Kern des christlichen Glaubens außer Kraft zu setzen.

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32. Im Interesse einer am Predigt- und Seelsorgeamt ausgerichteten theologischen Ausbildung entwickelt Ewald einen stringent durchstrukturierten Studienplan, demzufolge nach intensiver exegetischer Beschäftigung mit der Bibel zunächst biblische Dogmatik gelehrt werden soll. Besonderes Augenmerk liegt sodann auf dem sich hieran anschließenden Studium der Kirchen- und Dogmengeschichte. Nur durch gründliche Kenntnis der kirchlichen Lehrentwicklung könne gewährleistet werden, daß die Studierenden ein positives Verhältnis zu der für ihre Amtsausübung höchst wichtigen , Kirchlichen Dogmatik' bekommen und auch der aufgeklärten Dogmenkritik urteilskräftig und kritisch begegnen können. 33. Mit seiner Verteidigung der,Kirchlichen Dogmatik' wendet sich Ewald 1) gegen diejenige Dogmenkritik, die die rationalistischen Prämissen einer bloß natürlichen Theologie in die Bibel hineinträgt und auf diese Weise den Lehrbestand aushöhlt, aber 2) auch gegen einen solchen Orthodoxismus, der am kirchlichen Lehrbegriff nur um des dogmatischen Systems willen seinerseits rationalistisch argumentierend bloß apologetisch und reaktionär festhält. 34. Ewald steht damit abseits von Orthodoxismus und Neologismus und gewinnt daher die Freiheit, die zentralen Anliegen der reformatorischen Theologie und Hermeneutik neu zu Gehör zu bringen. 35. In einer Vielzahl seiner Schriften, Predigten, Erbauungsschriften und katechetischen Werke betreibt Ewald selbst biblische Dogmatik, indem er die Dogmen, die normae normatae, in eine neue lebendige Beziehung zur Schrift als norma normans der Dogmatik setzt und auf diese Weise immer neu nach der Bewahrheitung der , Kirchlichen Dogmatik' fragt. 36. Von zentraler theologiegeschichtlicher Bedeutung ist hierbei, daß in der Beschäftigung mit dem Werk Ewalds immer wieder erkennbar wird, daß die mitunter zum, frommen Außenseitertum' (E. Hirsch) herabgewürdigte Schar derjenigen Theologen, denen es um die Bewahrheitung der reformatorischen Theologie in der Aufklärungszeit zu tun war, stärker gewesen ist, als man bisher angenommen hat. 37. Auch innerhalb der aufgeklärten Diskussion um die Wunderkritik und die Wundertheologie nimmt Ewald eine besondere Stellung ein. Ewald gehört nämlich weder zu derjenigen Partei rationalistischer oder gar deistischer Theologen, die aus den unverbrüchlich geltenden Naturgesetzen die Unmöglichkeit von Wundern überhaupt beweisen wollen, noch auch zu der Partei von Supranaturalisten, die ihrerseits durch rationalistische Argumentation beweisen wollen, daß Wunder vernünftig betrachtet sehr wohl geschehen könnten (G. Leß, F.V. Reinhard, G.C. Storr).

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38. Ewald hebt den Wunderstreit auf eine höhere Ebene, indem er die biblischen Wunder im Sinne von verba visibilia als die Sinnlichkeit der Menschen affizierende Kommentare zur Verkündigung Jesu zu begreifen lehrt und zudem in reformatorischer Weise den Glauben als die wichtigste und erste Wundermacht bezeichnet. Es ist gerade der schwache Glaube, der an der Allmacht Gottes partizipiert. 39. Ewald betreibt seine Metakritik an der Wunderkritik als Glaubenskritik. Die eigentliche und zentrale Frage der biblischen Wundertheologie ist Ewald zufolge nicht, ob Gott vernünftig betrachtet fähig ist, die Naturgesetze zu durchbrechen, sondern ob der Mensch fähig ist, als Glaubender in den Plan der göttlichen Vorsehung einzudringen und Gott durch das Gebet zu einer barmherzigen Wandlung zu bewegen. 40. Ewalds besonderes Interesse an der Wundertheologie folgt u.a. auch aus seiner Hochschätzung des AT. Denn zumal im AT wird Gottes Einbrechen in die Geschichte seines Volkes und der Glaubenden insgesamt besonders in den Wundergeschichten sinnenfällig, anschaulich, erfahrbar und erzählbar. 41. Die biblisch-reformatorische und daher besonders auch das AT als viva vox evangelii würdigende Theologie Ewalds setzt sich sowohl theologisch als auch konkret politisch fort in seiner entschiedenen Apologie des Judentums, des von Gott erwählten Erstlingsvolkes, das in der Zeit der Reaktion nach dem Wiener Kongreß unter schwersten antijudaistischen Anfeindungen zu leiden hatte. 42. In Sachen Judenemanzipation nimmt Ewald eine in vielerlei Hinsicht eigenständige, theologisch hochreflektierte und originäre Position ein, die aufgeklärt-menschenrechtliche, biblisch-theologische und reformatorische Denkansätze miteinander vereinigt. 43. Ewald wendet sich einerseits gegen die zwar fortschrittliche, aber einlinige Forderung C.W. von Dohms und anderer, den Juden sei aufgrund der allgemein geltenden Menschenrechte die bürgerliche Gleichberechtigung zu gewähren, wobei die Juden sich durch moralische Besserung hierfür würdig zu erweisen hätten und dann auch über kurz oder lang ihren unaufgeklärten und abergläubischen Offenbarungsglauben und Zeremoniendienst ablegen und sich der allgemeinen und natürlichen Vernunftreligion anschließen würden. 44. Andererseits kritisiert Ewald die unverhohlene Judenhetze von F. Rühs und J.F. Fries und deren Meinung, den Juden könne nur dann eine rechtliche Gleichstellung gewährt werden, wenn sie Christen würden, da deut-

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sches Recht notwendigerweise christliches Recht sei. Andernfalls seien die Juden des Landes zu verweisen oder gar mit Stumpf und Stiel auszurotten. 45. Ewald bekämpft jede Art von ,Religionsmengerei', indem er sich einerseits gegen all diejenigen wendet, die sich von der Gleichberechtigung der Juden deren Hinkehr zur reinen Vernunftreligion versprechen, indem er gleichzeitig aber auch diejenigen scharf kritisiert, die die Bekehrung der Juden zum christlichen Glauben zur Bedingung der bürgerlichen Gleichberechtigung gewaltsam erheben wollen. 46. Gegen das anti-revolutionäre, reaktionäre Modell des christlichen Staates und der engen Koalition von Thron und Altar erinnert Ewald im Sinne einer nun von den durch die politische Aufklärung veränderten Bedingungen her reformulierten reformatorischen Zwei-Reiche-Lehre daran, daß es die alleinige Aufgabe des Staates sei, sich um äußerliche und rechtliche Belange zu kümmern, nicht aber in Glaubenssachen einzugreifen oder gar die Verchristlichung des Staatswesens anzustreben. 47. Als Weltperson - so Ewald - müsse sich jeder Christ für die Gleichberechtigung der Juden im Sinne der allgemein und natürlich geltenden Menschenrechte einsetzen. Als Christperson dagegen muß nach Ewald jeder Christ für die Juden verteidigend eintreten, weil die Juden der Stamm sind, auf den die Heiden aufgepfropft sind (Rom 11,17), und weil die Juden die Heiden den Glauben an den einen Gott gelehrt haben und ihnen zu Predigern geworden sind. 48. An der heilsgeschichtlich-biblischen Sicht der Juden als Bundesvolk und Augapfel Gottes ist nach Ewald in jedem Fall, nötigenfalls auch gegen den sich empirisch darbietenden Augenschein, festzuhalten. 49. Juden und Christen haben eine gegenseitige Bildungsverantwortung füreinander. Da die Juden die Heiden zum Monotheismus gebildet haben, haben nun die Christen die Verpflichtung, als die erfahreneren Pädagogen den Juden bei der Einrichtung eines eigenen Schulwesens kompetent beratend zur Seite zu stehen. Die Christen dürfen das neu einzurichtende jüdische Schulwesen nicht christlich noch missionarisch durchsetzen, da sonst die auch den Judenkindern in jedem Fall nötige Glaubensgewißheit eigener Art in empfindlicher Weise tangiert werde. 50. Ein wirklicher Dialog zwischen Juden und Christen ist nach Ewald nur dann möglich, wenn sowohl Juden als auch Christen zu ihren je eigenen traditionellen Wurzeln ein positives Verhältnis haben und behalten. Der christliche Glaube ist nur so lange ein lebendiger, als er ein liebendes Verhältnis zu seiner im jüdischen Glauben liegenden Wurzel pflegt.

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51. Ewald lehnt daher jede durch Menschenhand betriebene und gewaltsame Judenmission ab, da die endzeitliche Bekehrung der Juden zu Christus nur von Gott allein bewerkstelligt werden kann. Ebenso jedoch lehnt Ewald eine etwa von M. Mendelssohn betriebene aufklärerische Entfremdung der Juden von ihren Glaubensgrundlagen ab. 52. Aufgeklärt im eigentlichen Sinne ist die Vernunft nach Ewald erst dann, wenn sie über die ihr gesteckten Grenzen aufgeklärt und sich im Klaren ist. Daher kann Ewald der Vernunft im Sinne der Lehre von den beiden Reichen den politischen Bereich als das ihr angestammte Aufgabenfeld zuweisen, in dem sie berufen ist, für die Durchsetzung der Menschenrechte und für das bürgerliche Miteinander legislativ, exekutiv und judikativ zu sorgen. 53. So sehr Ewald also im geistlichen Bereich jeden selbstgenügsamen Rationalismus ablehnt, so sehr fordert er in revolutionär-kämpferischer Weise, daß die Vernunft im weltlichen Bereich nun endlich auf den,Richterstuhl' zu heben sei, die Privilegien des Adels abzuschaffen seien und Pressefreiheit gewährt werden müsse. Nicht ererbte Verdienste sollen mehr gelten, sondern nur wirkliche Verdienste bürgerlicher Rechtschaffenheit. 54. Sozialgeschichtlich muß Ewalds politische Publizistik als im Kontext der mentalen, sozialen und wirtschaftlichen Erstarkung des Bürgertums im Zeitalter der Aufklärung begriffen werden. 55. Die reformatorische Zwei-Reiche-Lehre bildet die Bedingung der Möglichkeit dafür, daß Ewald in politicis ein der Welt zugewandter Aufklärer ist, in theologischer Hinsicht sich jedoch den protestantischen Wurzeln verpflichtet weiß, ohne sich dabei jedoch den geistigen, sozialen, die Gesellschaft demokratisierenden und pädagogischen Errungenschaften der Aufklärung unreflektiert zu verschließen. 56. Ewald hat wie Lavater und Pestalozzi Gewalttätigkeit und jakobinischen Umsturz verworfen und die Radikalisierung der Französischen Revolution scharf kritisiert. Dennoch vermochte er es, per analogiam fidei, mit den Augen des Glaubens also, hinter den revolutionären Ereignissen - und zumal hinter der Enthauptung Ludwigs XVI. - Gottes endzeitlich wirkende und die Verhältnisse umkehrende Hand zu erkennen. Ewald selbst hat weit entfernt davon, ein Republikaner vom Zuschnitte Georg Forsters oder Carl Friedrich Bahrdts zu sein - auf die Fähigkeit der aufgeklärten Monarchien gehofft, sich aus vernünftiger Einsicht und von innen heraus Schritt für Schritt zu reformieren. 57. Wie Johann Gottlieb Fichte, Joachim Heinrich Campe, Gerhard Anton von Halem u.v.a. hoffte Ewald, daß sich die französischen Errungenschaf-

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ten in Deutschland ohne Revolution im Zuge einer reformerischen Evolution durchsetzen würden. 58. Auf der Suche nach einer solchen vernünftigen Aufklärung sich befindend, die im Bewußtsein über die ihr gesteckten Grenzen zur wahren Aufklärung wird, hat Ewald sich mit Kants kritischer Philosophie beschäftigt, deren transzendentaler Ästhetik zufolge sich die theoretische Vernunft in unauflösbare Paralogismen und Antinomien verliert, wenn sie es mit Dingen zu tun bekommt, die sie nicht im Sinne der transzendentalen Logik verzeitlichen, d.h. in Raum und Zeit mithilfe der verzeitlichten Kategorien faßbar machen kann. Ewald entdeckte hier ein kritisches Potential gegen die rationalistische Theologie und v.a. gegen den physikotheologischen Gottesbeweis. 59. In der Kantschen Abwehr des Skeptizismus und in Kants positiver Bestimmung dessen, was die theoretische Vernunft mit Gewißheit erkennen kann, sieht Ewald die Gewißheitsfrage Luthers auf philosophische Weise neu gestellt und nennt Kant daher auch den Luther der Philosophie. 60. Auch Kants Formel, er habe das Wissen aufheben müssen, um für den Glauben Platz zu bekommen, interpretiert Ewald im Sinne der Jacobischen Philosophie des Glaubens von Luther her und sieht auf diese Weise in Kant einen Mitstreiter im Kampf gegen den einseitigen Rationalismus, der der verfehlten Meinung ist, es könne eine natürliche Philosophie des Übernatürlichen geben. 61. An Kants ,Kritik der praktischen Vernunft' dagegen übt Ewald intensive Metakritik. Es ist nach Ewald nicht die praktische Vernunft, die die von der reinen Vernunft als problematisch übriggelassenen Ideen Gott, Freiheit und Unsterblichkeit jetzt als Postulate setzt, sondern vielmehr die Offenbarung Gottes, die weit mehr als nur die Vernunft anspricht. Die göttliche revelatio steht der Autonomie der Vernunft diametral entgegen und erfaßt den Menschen in seiner Totalität von Vernunft, Herz und Sinnlichkeit. 62. Ewald zufolge kommt es nicht darauf an, mit Kant Selbstliebe und Sinnlichkeit als Triebfedern für die Befolgung des vernünftigen Sittengesetzes auszuscheiden. Vielmehr muß - so Ewald - die Selbstliebe in einer theologischen Ethik als eine durch die zuvorkommende Liebe Gottes neu definierte im Sinne des Doppelgebotes der Liebe gefaßt werden. 63. So wie die Offenbarung Gottes den Menschen ganzheitlich ergreift, so ist der Mensch nach Ewald auch in seinem ethischen Handeln als ganzheitlich definiertes Individuum gefordert: Gefühl und Liebe können hier nicht ausgeschieden werden, da sonst eine bloße Moralität der kalten Pflicht entsteht. Vielmehr müssen die aus Erbarmen fließende Nächstenliebe, die

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Liebe Gottes zu den Menschen, die Liebe der Menschen zu Gott und die Selbstliebe Gestalt gewinnen. Die Liebe in ihrer mannigfaltigen Gestalt muß Grundstein einer biblisch-theologischen Ethik sein, in der die Sinnlichkeit die durch die Liebe Gottes gereinigte Triebfeder ist. 64. Dennoch hat Ewald Kants Philosophie nicht einfach einer vernichtenden Kritik unterzogen, sondern ist in ein lebendiges theologisch-philosophisches Gespräch mit Kant eingetreten, in dem er versuchte, mit Kant selbst zu einer konstruktiven philosophischen und dann erst auch biblischtheologischen Kritik an Kant zu gelangen. 65. Wenn Ewald etwa danach fragt, wie mit Anschauung und Sinnlichkeit i.b. auf die praktische Vernunft Ernst zu machen sein möchte, dann erinnert Ewald im Grunde nur an die eminent wichtige Bedeutung, die Kant selbst der Anschauung im Bereich der theoretischen Vernunft beimißt. So hat Kant denn auch in späterer Zeit auf eigene Weise selbst damit begonnen, nach der geschichtlichen und damit sinnlich faßbar und anschaulich werdenden Verlaufsform des a priori gegebenen Vernunftgesetzes im Völkerrecht etwa zu fragen. 66. Ewalds Werk stellt eine wichtige, bisher unbekannte Etappe innerhalb der theologischen Kant-Rezeption dar, deren Geschichte bislang noch nicht nachgezeichnet worden ist. 67. In seiner auf Ästhetik, Empfindung und Selbstliebe bedachten Anthropologie ist Ewald bei J.G. Herder in die Schule gegangen, der ebenfalls gegen jeden vereinseitigenden Rationalismus sich wendend die Ganzheitlichkeit des Menschen, die von Gott in seinem Schöpfungswerk gestiftete Zusammengehörigkeit von Kopf und Herz, von Rationalität und Sensibilität geltend machte. 68. F.D.E. Schleiermacher wird später - hierin mit den meisten Aufklärungstheologen einer Meinung - die biblische Rede vom Zorn Gottes als eine Gott unwürdige jüdische Vorstellung ablehnen; denn in Gott einen leidentlichen Gegensatz von Zorn und Barmherzigkeit zu denken sei nicht möglich, da Gott keiner Wandelbarkeit unterliege. Ewald dagegen erhebt die Christologie zum Testfall für die Gotteslehre, indem er den Zorn Gottes sub contrario als notwendige Ausdrucksform der göttlichen Liebe neu verständlich macht und die anthropomorphen Attribute Gottes im Kontext der Sinnlichwerdung, Offenbarung, Inkarnation und Kondeszendenz Gottes begreift. 69. Über Ewald arbeiten heißt, einen Theologen zu entdecken, der im Konflikt mit den verschiedensten theologischen, philosophischen und geistigen Strömungen seiner Zeit stehend nach der Bewahrheitung der Mitte der reformatorischen Theologie gefragt hat, ohne sich dabei den neu entstan-

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Anhang denen aufgeklärten Sachfragen gegenüber in orthodoxistischer oder gar bornierter Weise zu verschließen.

70. Ewald ist darum ein theologischer Zeitgenosse, der auf dem Wege der indirekten Mitteilung zum Gesprächspartner der heutigen Theologie wird, die vor die Aufgabe gestellt ist, im Kontext der zweiten Aufklärung stehend die alte evangelisch-reformatorische Wahrheit neu - aber wirklich neu - nachsprechen zu lernen. 71. Über Ewald arbeiten heißt auch, während eines breit angelegten Studiums von bisher nicht herangezogenen handschriftlichen und gedruckten Quellen mosaiksteinartig die bisher nur sehr bruchstiick- und fehlerhaft bekannte Biographie eines Zeitgenossen der Aufklärungszeit zusammenzusetzen und ausgewählte Quellen erstmals zugänglich zu machen. 72. Über Ewald weiterarbeiten schließlich hieße, wichtige Quellen aus seiner Feder zu edieren und damit zu einer differenzierteren kirchengeschichtlichen Betrachtung und Erforschung der Wende des 18. zum 19. Jahrhundert auch weiterhin intensiv und innovativ beizutragen.

Abbildungen

2. Abbildungen

Aquarellierte Bleistiftzeichnung von J. Fehrmann, 1803 (Bremer Landesmuseum für Kunst- und Kulturgeschichte)

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Ölgemälde, Lippisches Landeskirchenamt Detmold

Abbildungen

Staatsarchiv Hamburg, Sammlung Ulex, Mappe 56

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Ewald, Die Kunst, ein gutes Mädchen ... zu werden, russisch (Bibl. Nr. 15 l q )

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3. Verzeichnis der sonstigen Quellen (neben den Werken Ewalds)

Allgemeine Deutsche Biographie (ADB), 56 Bde., hg. durch die historische Commission bei der Königlichen Akademie der Wissenschaften, Berlin 1875-1912. Allgemeine deutsche Real=Encyklopädie für die gebildeten Stände. (Conversations=Lexikon.) In zwölf Bänden. Siebente (und Achte) Originalauflage, Leipzig: Brockhaus 1827 bzw. 1833-1837. Allgemeine Literatur-Zeitung, Jhgg. 1785-1821. Anonym, Ausführliche Erklärung der sämmtlichen Wundergeschichten des alten Testaments aus natürlichen Ursachen. Durchaus begleitet mit philologischen, kritischen und historischen Anmerkungen, nebst einer Abhandlung über Wunder und Offenbarung. Ein Gegenstük zu Ecks Erklärung der Wundergeschichten des neuen Testaments, 2 Theile, Berlin 1800 / 1805 (UB Göttingen 8° Theol. Bibl. 566/20). Anonym, Biblische Erzählungen für die Jugend. Altes und Neues Testament. Von einer Gesellschaft von Jugendfreunden. Neue verbesserte Auflage 1801 (PTS Heidelberg Κ III c 4). Anonym, Die ältesten Geschichten der Bibel für Kinder in Erzählungen auf Spaziergängen. Mit einer Vorrede von Herrn Prof. Christian Gotthilf Salzmann, Erfurt 1784 (Privatbes.). Anonym, Gesinnungen des Adels in der Grafschaft Lippe=Detmold, über den Beitrag zum KreisContingent in dem gegenwärtigen ReichsKrieg: Decemb. 1792, in: A.L. Schlözers Stats Anzeigen. Heft LXX, pl66-173 (UB Heidelberg Β 118). Anonym, Practischer Catechismus zur christlichen Sittenlehre für das Landvolk. Nebst Moralischen Regeln zur feinern Bildung desselben, Leipzig 1772 (PTS Heidelberg Κ V b 9). Anonym, (Rezension zu: Bibl. Nr. 341), in: Neue Theologische Annalen Juni 1817, p521-523 (UB Heidelberg Q 33). Anonym, Stolz, Eigennutz und Pressfreyheit, als die drey grössten Feinde des Staats, oder Antwort auf Johann Ludwig Ewalds Frage: Was sollte der Adel jetzt thun? Von einem Adelichen aus uraltem Geschlecht, Frankfurt und Leipzig 1796 (UB Marburg XVIIC 225"). Anonym, Was sollten Deutschlands Regenten jetzt thun? Ein Seitenstück zur Ewaldschen Schrift: Was sollte der Adel jetzt thun? Der hohen deutschen Reichsversammlung gewidmet, Leipzig 1794 (UB Augsburg IV 14 8° 361). Anzeige der Vorlesungen, welche im Winterhalbenjahre 1805-1806 (im Sommerhalbenjahre 1806) auf der Kurfürstlich Badischen Ruprecht=Karolinischen Universität zu Heidelberg gehalten werden, Heidelberg o.J. (UB Heidelberg Res. F 2115).

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Anhang

Anzeige der Vorlesungen, welche im Winterhalbenjahre 1806-1807 (im Sommerhalbenjahre 1807; im Winterhalbenjahre 1807-1808) auf der Großherzoglich Badischen Ruprecht=Karolinischen Universität zu Heidelberg gehalten werden sollen, Heidelberg o.J. (UB Heidelberg Res. F 2115). Aristoteles, Ethica Nicomachea, Scriptorum Classicorum Bibliotheca Oxoniensis, Oxford 1959 (1894). (Ascher, Saul), Ideen zur natürlichen Geschichte der politischen Revolutionen, o.O. 1802, Reprint Kronberg/Taunus 1975, Scriptor Reprints, hg. von Garber, Jörn. Augustin, Aurelius, De trinitate libri XV, CCSL 50, Turnholt 1968. Bahrdt, Carl Friedrich, Ausführung des Plans und Zweks Jesu. Erstes bis Zwölftes Bändchen, Berlin 1784-1791 (Fürstl. Hofbibl. Donaueschingen I C 1499). Ders., C.F. Bahrdt - ein Abenteurer der Aufklärungszeit. ,Dr. Carl Friedrich Bahrdts Geschichte seines Lebens, seiner Meinungen und Schicksale', Abenteuerliche Lebensläufe 11, Heidenheim 1972. Ders., Die neusten Offenbarungen Gottes in Briefen und Erzählungen verdeutscht. Erster und Zweyter Theil, Riga 1773 (WTS Heidelberg KG Mk 11 Mag.). Ders., Katechismus der natürlichen Religion, als Grundlage eines jeden Unterrichts in der Moral und Religion, zum Gebrauche für Eltern, Prediger, Lehrer und Zöglinge, Halle 1790 (PTS Heidelberg Κ V b 12). Barth, C.G., Süddeutsche Originalien, Hahn, Hosch und Andere. In Fragmenten gezeichnet von ihnen selbst. Herausgegeben von M.C.G. Barth, Pfarrer in Möttlingen in Würtenberg. Viertes Heft, Stuttgart 1836 (WLB Stuttgart W. G. oct. 197). Basedow, Johann Bernhard, Examen in der allernatürlichsten Religion und in andern practischen Lehren von Bürgerpflicht, Toleranz und Tugend imgleichen von Vernunft und ihrer Gotteskenntniß, Leipzig 1784 (HAB Wolfenbüttel Tg 13). Ders., Grundriß der Religion, welche durch Nachdenken und Bibelforschen erkannt wird, in Fragen und Antworten nebst einigen Zusätzen, Altona 1764 (HAB Wolfenbüttel Te 61). Ders., Philalethie. Neue Aussichten in die Wahrheiten und Religion der Vernunft bis in die Gränzen der glaubwürdigen Offenbarung dem denkenden Publico eröffnet, Alton [!] 1764 (HAB Wolfenbüttel Te 59). Ders., Religion Israels, in einem Auszuge ihrer heiligen Bücher, Altona 1766 (LB Speyer HV 3342). Baumgarten, Siegmund Jacob, Evangelische Glaubenslehre. Erster und Dritter Bd. Mit einigen Anmerkungen, Vorrede und historischen [!] Einleitung hg. von Semler, Johann Salomo, Halle 1759f (PTS Heidelberg D II e 20, 1.3). Ders., Evangelische Glaubenslehre. Zweiter Band. Mit einigen Anmerkungen, Vorrede und historischen [!] Einleitung hg. von Semler, Johann Salomo, Zwote Auflage, Halle 1765 (PTS Heidelberg D II e 20, 2). Die Bekenntnisschriften der evangelisch=lutherischen Kirche. Herausgegeben im Gedenkjahr der Augsburgischen Konfession 1930, Göttingen 21952. Birt, Theodor, Catalogus studiosorum Marpurgensium ex serie recentiore depromptus fasciculus complectens, Marburg o.J.

Verzeichnis der sonstigen Quellen und der Sekundärliteratur

559

Blumenbach, Johann Friedrich, Handbuch der Naturgeschichte. Achte Auflage, Göttingen 1807 (UB Heidelberg O 471). Brenz, Johannes, Frühschriften. Teil 2, hg. von Brecht, Martin, Tübingen 1974. Brochmand, Caspar Erasmus, SYSTEMATIS Universae Theologiae TOMUS SECUNDUS, Leipzig o.J. (Privatbes.). Bucer, Martin, Deutsche Schriften, hg. von Stupperich, Robert, Bd. 17, Gütersloh 1981. Burke, Edmond, Betrachtungen über die französische Revolution. Nach dem Englischen des Herrn Burke neu=bearbeitet mit einer Einleitung, Anmerkungen, politischen Abhandlungen, und einem critischen Verzeichniß der in England über diese Revolution erschienenen Schriften von Gentz, Friedrich. In Zwei Theilen, Berlin 1793 (Priv.bes.). Calvin, Johannes, Institutio Christianae Religionis 1559, in: Ders., Opera selecta, ed. Barth, Peter, und Niesei, Wilhelm, voll. 3-5, München 21957-1962. Ders., Unterricht in der christlichen Religion. Institutio Christianae Religionis. Nach der letzten Ausgabe übersetzt und bearbeitet von Weber, Otto, Neukirchen 1955. Campe, Joachim Heinrich, Briefe aus Paris zur Zeit der Revolution geschrieben. Aus dem Braunschweigischen Journal abgedruckt, Braunschweig 1790 (UB Heidelberg 71 A 686 (Kopie)). Claudius, Matthias, Sämtliche Werke, hg. von Geiger, Hannsludwig, München o.J. von Cölln, Ludwig Friedrich August, Christliches Lehrbuch zum Gebrauch für die Jugend in Bürger= und Landschulen, Lemgo 1802 (Theol. Bibl. der Lipp. Landeskirche). Comenius, Johann Amos, Große Didaktik. Übers, und hg. von Flitner, Andreas, Stuttgart 7 1992. ConstitutionsEdict(e), Erstes-Siebentes, Karlsruhe 1807-1809 (PTS Heidelberg KR I f 12). (Crichton, Wilhelm), Grundriß eines vernunftmäßigen Religionsunterrichts für guterzogene Jünglinge, Königsberg 1788 (PTS Heidelberg Κ V b 11). Daub, Carl, Die dogmatische Theologie jetziger Zeit oder die Selbstsucht in der Wissenschaft des Glaubens und seiner Artikel, Heidelberg 1833 (PTS Heidelberg D I f 3). Ders., Einleitung in das Studium der christlichen Dogmatik aus dem Standpunkte der Religion, Heidelberg 1810 (PTS Heidelberg D II f 60). Ders., Judas Ischariot oder das Böse im Verhältnis zum Guten, 2 Hefte, Heidelberg 1816-1818.

Ders., Predigten nach Kantischen Grundsätzen, Königsberg 1794. Descartes, René, Meditationes de prima philosophia, hg. von Gäbe, Lüder, PhB 250a, Hamburg 1959. Deutsches Biographisches Archiv (DBA), hg. von Fabian, Bernhard, München 1982-1984. (Diez, Heinrich Friedrich), Ueber Juden. An Herrn Kriegsrath Dohm in Berlin, Dessau und Leipzig 1783 (UB Heidelberg J 454910). von Dohm, Christian Wilhelm, Ueber die bürgerliche Verbesserung der Ju-

560

Anhang

den, 2 Bde., Berlin und Stettin 1781-1783 (Reprint: Hildesheim/New York 1973). von Drais, Carl Wilhelm Friedrich Ludwig, Geschichte der Regierung und Bildung von Baden unter Carl Friedrich. Aus Archiven und andern Quellen bearbeitet, 2 Bde., Karlsruhe 1816-1818 (PTS Heidelberg KG III f 5). Evangelische Kirchenvereinigung im Großherzogthum Baden nach ihren Haupturkunden und Dokumenten, Karlsruhe 1821 (PTS Heidelberg KR I f 21). Fest, Johann Samuel, Beiträge zur Beruhigung und Aufklärung über unangenehme Dinge, 5 Bde., Leipzig 1788-1797 (PTS Heidelberg Ζ II a 12). Fichte, Johann Gottlieb, Schriften zur Revolution, hg. von Willms, Bernard, Klassiker der Politik 7, Köln/Opladen 1967. Ders., Werke. Auswahl in sechs Bänden, hg. und eingel. von Medicus, Fritz, PhB 127-132, Leipzig o.J. Flatt, Johann Friedrich, (Hg.), Magazin für christliche Dogmatik und Moral, deren Geschichte, und Anwendung im Vortrag der Religion, Jhgg. 1797-1800, Tübingen (PTS Heidelberg D II e 120). (Flügge, Christian Wilhelm), Versuch einer historisch=kritischen Darstellung des bisherigen Einflusses der Kantischen Philosophie auf alle Zweige der wissenschaftlichen und praktischen Theologie, Hannover 1796-1798 (Reprint Hildesheim/New York 1982). Forster, Georg, Werke, 10. Bd.: Revolutionsschriften 1792/93, bearb. von Popp, Klaus-Georg, Berlin 1990. Fränkel, David, Salomon, G., Die Erziehungsschule, 1821. Friedländer, David, Beitrag zur Geschichte der Verfolgung der Juden im 19ten Jahrhundert durch Schriftsteller. Ein Sendschreiben an die Frau Kammerherrin von der Recke, geb. Gräfin v. Medem, Berlin 1820 (Hochschule f. jüd. Studien Heidelberg 84/471). Ders., Ueber die durch die neue Organisation der Judenschaften in den Preußischen Staaten nothwendig gewordene Umbildung 1) ihres Gottesdienstes in den Synagogen, 2) ihrer Unterrichts=Anstalten und deren Lehrgegenstände und 3) ihres Erziehungs=Wesens überhaupt. Ein Wort zu seiner Zeit, Berlin 1812 (Neudruck Berlin 1934) (Hochschule f. jüd. Studien Heidelberg 87/745). Fries, Jakob Friedrich, Ueber die Gefährdung des Wohlstandes und Charakters der Deutschen durch die Juden. Eine aus den Heidelberger Jahrbüchern der Litteratur besonders abgedruckte Recension der Schrift des Professors Rühs in Berlin: , Ueber die Ansprüche der Juden an das deutsche Bürgerrecht. Zweyter verbesserter Abdruck etc.', Heidelberg 1816 (UB Heidelberg Q 3188). Funke, Carl Philipp, Naturgeschichte und Technologie für Lehrer in Schulen und für Liebhaber dieser Wissenschaft, 2 Bde., Braunschweig 1790 (UB Heidelberg O 367). Garber, Jörn, (Hg.), Revolutionäre Vernunft. Texte zur jakobinischen und liberalen Revolutionsrezeption in Deutschland 1789-1810, Skripten Literaturwissenschaft 5, Kronberg/Taunus 1974. Geliert, Christian Fürchtegott, Sämmtliche Schriften. Sechster Theil. Neue verbesserte Auflage, Leipzig 1775 (Privatbes.).

Verzeichnis der sonstigen Quellen und der Sekundärliteratur

561

Gerhard, Johann, Loci theologici, ed. Johann Friedrich Cotta, 21 tom., Tübingen 1767-1789. Gesenius, Justus, Biblische Historien Altes und Neues Testaments. Der Jugend und den Einfältigen zu gute [...], Braunschweig 1656 (HAB Wolfenbüttel Th 960). Ders., Catechismus=Fragen / Uber den Catechismum des Seel. Herrn D. M. LUTHERI [...], Helmstedt 1710 (PTS Heidelberg Κ I V c 14a). Girtanner, Christoph, Ueber das Kantische Prinzip für die Naturgeschichte. Ein Versuch diese Wissenschaft philosophisch zu behandeln, Göttingen 1796 (Priv.bes.). Goethe, Werke (WA), Weimar 1887-1990. Goeze, Johann August, Belehrungen über gemeinnützige Natur= und Lebenssachen für allerley Leser. Ein Anhang zu dem Werke: Natur, Menschenleben und Vorsehung. Nach dem Tode des Verfassers hg. von Donndorff, Johann August. Neue Auflage, Leipzig 1796 (Priv.bes.). Gräffe, Johann Friedrich Christoph, Grundriß der allgemeinen Katechetik nach Kants Grundsätzen, Göttingen 1796. Häfeli, Johann Caspar, Antrittspredigt in der Kirche zu St. Ansgarii in Bremen. Sonntags den 21. Julius 1793, Bremen 1793 (SUB Bremen Brem. c. 813 Nr. 3). Ders., Nachgelassene Schriften. Hg. mit einer Vorrede von Stolz, Johann Jakob. Erster Band, Winterthur 1813 (PTS Heidelberg Pr Η 20a). (Vgl. diejenigen Schriften Ewalds, an denen Häfeli als Mitverfasser tätig war: Bibl. Nrr. 150. 154. 183. 192. 241). (Hahn, Philipp Matthäus), Auszüge aus Briefen verstorbener christlicher Männer. Zweiter Brief, von dem seligen Pfarrer Hahn in Echterdingen im Würtenbergischen. in: Ewald, (Hg.), Christliche Monatschrift 1803 (Bibl. Nr. 221), p47-50. Hahn, Philipp Matthäus, Die Echterdinger Tagebücher 1780-1790, hg. von Brecht, Martin, und Paulus, Rudolf F., Texte zur Geschichte des Pietismus Abt. VIII, Bd. 2, Berlin/New York 1983. (Hahn, Philipp Matthäus), Die Hauptsache der Offenbarung Johannis oder vielmehr Jesu Christi, aus den Schriften des seel. Dr. Joh. Albr. Bengels ausgezogen, und in deutlichen Fragen und Antworten verfasset. Neue Ausgabe, Reutlingen 1827 (1772) (WLB Stuttgart Theol. oct. 1403). (Ders.), Sammlung von Betrachtungen über alle Sonn= Fest und Feyertäglichen Evangelien durch das ganze Jahr, nebst Sechszehen Passions=Predigten. für Freunde der Wahrheit, o.O. 1774 (UB Tübingen Gi 3115a. 8°). von Halem, Gerhard Anton, Jesus der Stifter des Gottesreichs. Ein Gedicht in zwölf Gesängen. Erster und Zweyter Band, Hannover 1810 (LB Oldenburg Spr XIII4 c 682). Ders., Selbstbiographie nebst einer Sammlung von Briefen an ihn, Oldenburg 1840 (Reprint Bern 1970) (LB Oldenburg MB 1661). Hamann, Johann Georg, Briefwechsel, Bde. 1-3, hg. von Ziesemer, Walther, und Henkel, Arthur, Wiesbaden 1955-1957, Bde. 4-7, hg. von Henkel, Arthur, Wiesbaden bzw. Frankfurt a.M. 1959-1979. Ders., Sämtliche Werke, Bde. I-VI, hg. von Nadler, Josef, Wien 1949-1957.

562

Anhang

Hardmayer, David Kaspar, Sechs letzte Predigten, oder letzte, unverkennbare Bemühung, seine bisherigen Zuhörer zur allein wahren ewigen Religion der Vernunft zu führen, o.O. 1800. Hartleben, Theodor, Statistisches Gemälde der Residenzstadt Karlsruhe und ihrer Umgebungen, Karlsruhe 1815, hierin: Anhang: Litterärisches Karlsruhe oder Alphabet. Verzeichniß aller seit dem Jahre 1813 zu Karlsruhe und in dessen Umgebungen befindlichen Schriftsteller [.··] (BLB Karlsruhe O 48 A 171). Hebel, Johann Peter, Briefe. Gesamtausgabe, hg. und erläutert von Zentner, Wilhelm, 2 Bde. Karlsruhe 1957. Ders., Meine Bemerkungen über das mit Abänderungen in unsern Schulen einzuführende biblische Geschichtbuch von Schmidt, hg. von Katz, Peter, Ein Gutachten Hebels, in: ThZ 15 (1959), p267-287, hier: p270-276. Ders., Sämtliche Schriften. Kritisch hg. von Braunbehrens, Adrian, Benrath, Gustav Adolf, und Pfaff, Peter, bisher Bde. 2 und 3, Karlsruhe 1990, Bd. 5, Karlsruhe 1991. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich, Phänomenologie des Geistes, hg. von Hoffmeister, Johannes, PhB 114, Hamburg 61952. Ders., Werke 1, Frühe Schriften, Frankfurt a.M. 1971. Heinemann, Jeremias, Religionsbekenntnis für Israeliten, in Fragen und Antworten, Kassel 1810. Ders., Sammlung der die religiöse und bürgerliche Verfassung der Juden in den Königl. Preuß. Staaten betreffenden Gesetze, Verordnungen, Gutachten, Berichte und Erkenntnisse. Mit einem Anhange, welcher die Gesetze fremder Staaten enthält, Glogau 21831 (Reprint Hildesheim 1976). Helmuth, Johann Heinrich, Volksnaturgeschichte, 9 Bde., Leipzig 1797-1805. Herbart, Johann Friedrich, Sämmtliche Werke. In chronologischer Reihenfolge hg. von Kehrbach, Karl, Leipzig 1882ff. Ders., Ueber den Standpunct der Beurtheilung der Pestalozzischen Unterrichtsmethode eine Gastvorlesung gehalten im Museum in Bremen, Bremen 1804 (SUB Bremen Brem. c. 178 a Nr. 3). Herder, Johann Gottfried, Sämtliche Werke, hg. von Suphan, Bernhard u.a., 33 Bde., Berlin 1877-1913 (Reprint Hildesheim 1967-1968). (Ders., Hg.), Weimarisches Gesangbuch. Nebst einem Anhang, enthaltend einige Gebete zur öffentlichen und häuslichen Andacht, Weimar o.J. (Heß, Johann Jacob), Geschichte der drey letzten Lebensjahre Jesu. Nebst einer Einleitung, welche die Jugendgeschichte Jesu enthält. Erster - Dritter Band, Dritte durchaus verbesserte Auflage 1774 (Priv.bes.). Ders., Von dem Reiche Gottes. Ein Versuch über den Plan der göttlichen Anstalten und Offenbarungen, Zürich 31796 (1774) (WTS Heidelberg S Bh 33). Hess, Michael, Freimüthige Prüfung der Schrift des Herrn Professor Rühs, über die Ansprüche der Juden an das deutsche Bürgerrecht, Frankfurt am Main 1816 (Stadt- und UB Frankfurt a.M. Jud 642). Ders., Ueber den Religionsunterricht in der Schule der israelitischen Gemeinde, Frankfurt a.M. 1821. Hoffmann, Gottfried, Außerlesene Kern=Sprüche Heiliger Schlifft / Durch kurtze

Verzeichnis der sonstigen Quellen und der Sekundärliteratur

563

Fragen deutlich erkläret und nützlich angewendet / nebst einer ausführlichen Einleitung zum Bibel=Lesen [...], Leipzig 1705 (Priv.bes.). Hollaz, David, EXAMEN THEOLOGICUM ACROAMATICUM UNIVERSAM THEOLOGIAM THETICO-POLEMICAM COMPLECTENS, Stargard 1707 (Reprint Darmstadt 1971), 2 voll. Hübbe, Karl Johann Heinrich, Antwort auf Herrn Ewalds Erklärung über meine Schrift, vom Schulwesen im Hamburgischen Waisenhause, Hamburg 1799 (StA Hamburg, Bibliothek A 551 / 2 (6)). Ders., Ueber das Schulwesen im hamburgischen Waisenhause. Veranlaßt durch: Fantasien auf einer Reise durch Gegenden des Friedens, von E.P.v.B. Herausgegeben von J.L. Ewald. Hannover 1799. 8., Hamburg 1799 (StA Hamburg, Bibliothek A 551 / 2 (4)). Hübner, Johann, Zweymahl zwey und funffzig Auserlesene Biblische Historien Aus dem Alten und Neuen Testamente. Der Jugend zum Besten abgefasset, Leipzig 1731 (Reprint Hildesheim/Zürich/New York 1986). Ders., Zweymal zwey und fünfzig auserlesene Biblische Historien aus dem Alten und Neuen Testamente, der Jugend zum Besten abgefasset. Aufs neue revidirt von M. Joh. Gottfr. Fleck, Leipzig 1787 (Priv.bes.). Ders., Auserlesene Biblische Historien aus dem Alten und Neuen Testamente, der Jugend zum Besten abgefasset. Verbesserte Auflage, Carlsruhe 1811 (Priv.bes.). Hume, David, Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand, hg. von Richter, Raoul, PhB 35, Hamburg 1961. Hutter, Leonhard, COMPENDIUM LOCORUM THEOLOGICORUM, EX SCRIPTURIS SACRIS ET LIBRO CONCORDIAE Antehac collectum OPERA ET STUDIO LEONHARDIHUTTERI [...] Ist aber jetzo / allgemeiner Christenheit / und sonderlich der lieben Schul=Jugend / zum besten / Die Deutsche Version / Wie sie der Herr Autor Seel. selbst übersetzet hat / auff jedem Blat hiebey gefüget, Braunschweig 1661 (HAB Wolfenbüttel Te 607). Jacobi, Friedrich Heinrich, Auserlesener Briefwechsel. Erster und Zweiter Band, Leipzig 1825-1827 (UB Heidelberg M 514). Ders., Werke, 6 Bde., Leipzig 1812-1827 (WTS Heidelberg S Rek 1, 1-6). Journal für Prediger, Jhgg. 1770-1803 (PTS Heidelberg Ζ II c 13). Jung-Stilling, Johann Heinrich, Lebensgeschichte. Vollständige Ausgabe, mit Anmerkungen hg. von Benrath, Gustav Adolf, Darmstadt 1976. Ders., Johann Heinrich Jung's, genannt Stilling, sämmtliche Werke. Neue vollständige Ausgabe, 12 Bde., Stuttgart 1841f (WTS Heidelberg Ml 28, 1-12 Magaz.). Kant, Immanuel, Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, hg. von Vorländer, Karl, PhB 45, Hamburg 61956. Ders., Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, hg. von Vorländer, Karl, PhB 41, Leipzig 31947. Ders., Kritik der praktischen Vernunft, hg. von Vorländer, Karl, PhB 38, Leipzig 1951 (='1929). Ders., Kritik der reinen Vernunft, hg. von Schmidt, Raymund, PhB 37a, Hamburg 1956. Ders., Prolegomena, hg. von Vorländer, Karl, PhB 40, Hamburg 1957.

564

Anhang

Ders., Werke. Akademie-Textausgabe. Unveränderter photomechanischer Abdruck des Textes der von der Preußischen Akademie der Wissenschaften 1902 begonnenen Ausgabe von Kants gesammelten Schriften, 9 Bde., Berlin 1968. Ders., Werke in zwölf Bänden, hg. von Weischedel, Wilhelm, Frankfurt a.M. 1964. Karbach, Philipp, Zur Erinnerung an die Zeit der Theuerung und Wassersnoth im Frühjahre 1817. Worte der Ermahnung, des Trostes und des Dankes, zu der reformirten Gemeinde in Mannheim, Mannheim o.J. (PTS Heidelberg KG III g 32). Karlsruher Zeitung, Nr. 222. Freitag, den 11. Aug. 1820 (UB Heidelberg R 520). Katechismus der Christlichen Lehre. Zum Gebrauch in den Evangelischen Kirchen und Schulen der Königl. Braunschw. Lüneb. Churlande. Die dritte Auflage mit stehenden Schriften, Hannover 1792 (PTS Heidelberg Κ IV c 192). Kleuker, Johann Friedrich, Ausführliche Untersuchung der Gründe für die Aechtheit und Glaubwürdigkeit der schriftlichen Urkunden des Christenthums, Leipzig 1793 (Priv.bes.). Klopstock, Friedrich Gottlieb, Messias, 10 Bde., Gotha/New York 1828 (Priv.bes.). Krämer, August, Die Juden, und ihre gerechten Ansprüche an die christlichen Staaten. Ein Beytrag zur Milderung der harten Urtheile über die jüdische Nation, Regensburg 1816 (Wessenberg-Bibl. Konstanz). Krafft, Justus Christoph, Abhandlungen über verschiedene Stellen der heiligen Schlifft, Cassel 1765 (UB Marburg XIX b C 285). Ders., Antritts=Predigt bey der Reformirten deutschen Gemeinde zu Frankfurt am Mayn, die sich zu Bockenheim versammlet. Gehalten den 9. Julii 1769, Frankfurt a.M. o.J. (UB Marburg XIX e Β 1415x (a)). Ders., Ermunterungen zum Lobe Gottes. Vorgetragen in einer Predigt am Sonntage den lOten Februar 1788, Frankfurt am Main 1788 (UB Marburg XIX e C 2148 "> (3))· Ders., Sammlung einiger Predigten, Marburg 1764 (UB Marburg XIX e C 2177). Krücke, Simon Ernst, Eine pädagogische Reise durch einen Theil des nördlichen Teutschlands. Auszüge aus Briefen an den Herausgeber, in: Ewald, Bibl. Nr. 31, p5-109. Lange, Johann Heinrich, Bremisches Liederbuch für Schulen, oder: Auswahl von Gesängen für die Jugend, Bremen 1819 (SUB Bremen Brem. c. 2315). Ders., Choralbuch zu dem neuen bremischen Gesangbuch betitelt: Christliches Gesangbuch zur Beförderung öffentlicher und häuslicher Andacht, Rinteln 1821 (SUB Bremen VIII. A. b. 152). Ders., Lehrbuch der bürgerlichen Arithmetik, Bremen 4 1821 (SUB Bremen Brem, c. 1064). Ders., Melodieenbuch zum neuen bremischen christlichen Gesangbuch zur Beförderung öffentlicher und häuslicher Andacht, Rinteln o.J. (SUB Bremen Brem. c. 3157). Lavater, Johann Caspar, Antwort an den Herrn Moses Mendelssohn zu Berlin, Berlin/Stettin 1770 (HAB Wolfenbüttel Te 830). Ders., Ausgewählte Schriften, hg. von Orelli, Johann Kaspar, Bde. 1-8, Zürich 3 1860 (1841f).

Verzeichnis der sonstigen Quellen und der Sekundärliteratur

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Ders., Ausgewählte Werke, hg. von Staehelin, Ernst, 4 Bde., Zürich 1943. Ders., Nachgelassene Schriften, hg. von Geßner, Georg, 5 Bde., Zürich 1801f (Priv.bes.). Ders., Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Dritter Versuch. Mit vielen Kupfern, Leipzig/Winterthur 1777 (Reprint Zürich 1969). (Ders.), Pontius Pilatus. Oder die Bibel im Kleinen und Der Mensch im Großen, 2 Bde., Zürich 1782f (PTS Heidelberg D II e 90, 1.2). Ders., Reise nach Kopenhagen im Sommer 1793. Auszug aus dem Tagebuch. Durchaus bloß für Freunde von Johann Caspar Lavater, o.O., o.J. (Dt. Literaturarchiv Marbach/N.). Ders., Sämtliche kleinere Prosaische Schriften vom Jahr 1763-1783. Erster Band, welcher die bereits gedruckte Predigten allgemeineren Innhalts enthält. Zweyter Band, Gelegenheits=Predigten, Winterthur 1784 (PTS Heidelberg Pr L 52, 1.2).

Leß, Gottfried, Christliche Religions=Theorie fürs gemeine Leben, oder Versuch einer praktischen Dogmatik. Zweite gebesserte und vermehrte Auflage, Schaffhausen 1781 (PTS Heidelberg D II e 111). Ders., Die christliche Lehre vom Gebet und der Bekehrung, nebst einem Anhange, Schaffhausen 1778 (PTS Heidelberg Pr L 100). Ders., Paßions=Predigten Nebst einem Anhange, Göttingen 1779 (PTS Heidelberg Pr L 97). Ders., Wahrheit der christlichen Religion. Zweyte sehr geänderte und vermehrte Ausgabe, Göttingen/Bremen 1773 (PTS Heidelberg D II e 110). Lessing, Gotthold Ephraim, Werke, 8 Bde., hg. von Göpfert, Herbert G., Darmstadt 1970-1979. Lossius, Kaspar Friedrich, Moralische Bilderbibel mit Kupfern nach Schubertschen Zeichnungen und mit Erklärungen, Gotha 1805 (Priv.bes.). (Luther, Martin), Des Thewren Seeligen Manns GOTTES D. MARTINI LUTHERI Teutsche Schrifften aus denen Wittenbergischen Jehni- und Eislebischen Tomis auff des Durchleuchtigsten Hochgebornen Fürsten und Herrn Friedrich Wilhelms Hertzogen Zu Sachsen, gnädigsten befehl Zusammen getragen und in Zehen Theilen verfasset, Altenburg in Meissen 1661-1664 (HAB Wolfenbüttel Li 4° 272: 1-10). Ders., Studienausgabe, bisher 5 Bde., hg. von Delius, Hans-Ulrich, Berlin 19791992 (zit: StA). Ders., Werke in Auswahl, 8 Bde., hg. von Clemen, Otto, u.a., Berlin 1950 (zit.: BoA). Ders., Werke. Kritische Gesamtausgabe (WA), Weimar 1883ff. Markgräflich Badische Kirchenraths=Instruction. Durch Anhang und Beylagen auf den jezigen Landeszustand angewendet. Neue Auflage, Carlsruhe 1804 (PTS Heidelberg KR I f 10). Meiners, Christoph, Geschichte der Ungleichheit der Stände unter den vornehmsten Europäischen Völkern. Erster und Zweyter Band, Hannover 1792 (UB Heidelberg Β 1435).

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Anhang

Melanchthon, Philipp, Loci praecipui theologici (1559), hg. von Engelland, Hans, Gütersloh 1953. Mendelssohn, Moses, Schreiben an den Herrn Diaconus Lavater zu Zürich, Berlin/ Stettin 1770 (HAB Wolfenbüttel Te 830). Ders., Schriften zur Philosophie, Aesthetik und Apologetik. Mit Einleitungen, Anmerkungen und einer biographisch-historischen Charakteristik Mendelssohns hg. von Braasch, Moritz, 2 Bde., Leipzig 1880 (Neudr. Hildesheim 1968). Michaelis, Johann David, COMPENDIVM THEOLOGIAE DOGMATICAE, Göttingen 1760 (PTS Heidelberg D II e 125). Ders., deutsche Uebersetzung des Alten Testaments, mit Anmerkungen für Ungelehrte, 13 Teile, Göttingen und Gotha bzw. Göttingen 1769-1786 (Priv.bes.). Ders., Erklärung der Begräbnis= und Auferstehungsgeschichte Christi nach den vier Evangelisten. Mit Rücksicht auf die in den Fragmenten gemachten Einwürfe und deren Beantwortung, Halle 1783 (Priv.bes.). Neu=vollständiges Evangelisch=Reformirtes Kirchen=Gesang=Buch, worinnen sowol die verbesserten Psalmen Davids nach D. AMBROSII Lobwassers Reim=Weise als auch der Kern sämtlicher alter und neuer Kirchen=Gesänge, nach der Ordnung des Heidelbergischen Catechismi, nebst Herrn JOACHIMI NEANDRI Geistreichen Bundes=Liedern, und der Heidelbergische Catechismus, enthalten sind [...], Franckfurt am Mayn 1792 (Fürstlich-Ysenburgische Bibl. IV d 9/67). Niemeyer, August Hermann, Briefe an christliche Religionslehrer. Erste Sammlung. Ueber populäre und praktische Theologie, Halle 1796 (PTS Heidelberg K I g 138). Ders., Erläuternde Anmerkungen und Zusätze zu dem Lehrbuch für die oberen Religionsclassen gelehrter Schulen. Nebst einer Abhandlung über die Methodik des Unterrichts. Zum Gebrauch der Lehrer herausgegeben, Halle 1801 (HAB Wolfenbüttel Pb 617). Ders., Handbuch für christliche Religionslehrer. 2 Theile, Halle 1799 (HAB Wolfenbüttel Pb 620). Ders., Lehrbuch für die oberen Religionsclassen gelehrter Schulen. Erste und Zweyte Abtheilung. Zweyte Auflage, Halle 1802 (HAB Wolfenbüttel Pb 623). Ders., Leitfaden der Pädagogik und Didaktik. Zum Gebrauch akademischer Vorlesungen für künftige Hauslehrer und Schulmänner, Halle 1802 (Priv.bes.). Ders., Timotheus Zur Erweckung und Beförderung der Andacht nachdenkender Christen. Erste-Dritte Abtheilung. Zweyte mit einer dritten Abtheilung vermehrte Auflage, Leipzig 1789 (Priv.bes.). von Obernberg, Ignaz Joseph, Majer-Bretzfeld, Der Kultus der Juden, München 1813 (BSB München Jud. 42). (Oelsner, Konrad Engelbert), Luzifer oder gereinigter Beiträge zur Geschichte der Französischen Revolution erster (und zweyter) Theil, o.O. 1797-1799, Reprint Kronberg/Taunus 1977, Scriptor Reprints, hg. von Garber, Jörn. Oslander, Andreas (d.Ä.), Gesamtausgabe, hg. von Müller, Gerhard, und Seebaß, Gottfried, bisher Bde. 1-9, Gütersloh 1975-1994.

Verzeichnis der sonstigen Quellen und der Sekundärliteratur

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Anhang

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Verzeichnis der sonstigen Quellen und der Sekundärliteratur

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Bremen gehalten. Erster Band, Altenburg und Erfurt 1801 (SUB Bremen Brem, c. 1743). Ders., Probepredigt gehalten in der Kirche zu U. L. Frauen und Antrittspredigt gehalten in der Kirche zu St. Martini am 19. und 26. December 1784, Bremen 1785 (SUB Bremen Brem. c. 824 Nr. 11). Ders., Sämtliche Schriften des Neuen Testaments, 2 Theile. Neue Ausgabe, Zürich/ Leipzig 1795. Ders., Die sämmtlichen Schriften des Neuen Testaments. Nach Griesbachs Ausgabe des griechischen Textes übersetzt. Eine ganz neue Arbeit, nicht eine Erneuerung einer der frühern Ausgaben, Hannover und Leipzig 1820 (PTS Heidelberg Β I b 149). Ders., Vermächtniß seiner Christen= und Lehrer=Gesinnungen gewiedmet seiner ersten Gemeine zu Offenbach am Mayn. Oder dessen sieben letzte Predigten bey dieser Gemeine, Frankfurt am Mayn 1785 (SUB Bremen Brem. c. 824 Nr. 10). Storr, Gottlob Christian, Hat Jesus seine Wunder für einen Beweis seiner göttlichen Sendung erklärt? Eine historische Untersuchung, in: Flatt, Johann Friedrich, (Hg.), Magazin für christliche Dogmatik und Moral, deren Geschichte, und Anwendung im Vortrag der Religion. Viertes Stük, Tübingen 1798, pl78-251 (PTS Heidelberg D II e 120). Thomas von Aquin, Summa Theologiae, ed. Caramello, Petrus, 4 tom., o.O. 1952-1956. Thym, Johann Friedrich Wilhelm, Encyklopädie und Methodologie, Halle 1797. van Til, Salomo, METHODUS CONCIONANDI illustratae COMMENTARIO & EXEMPLIS. Quibus additae sunt ejusdem Auctoris BIBLIOTHECA THEOLOGICA, ET ALIAE DISSERTATIONES, Utrecht 1717 (UB Freiburg i.B. O 2374). Varnhagen von Ense, Karl August, Denkwürdigkeiten des eignen Lebens, hg. von Feilchenfeldt, Konrad, Frankfurt a.M. 1987. Varnhagen, Rahel, Gesammelte Werke, hg. von Feilchenfeldt, Konrad, Schweikert, Uwe, und Steiner, Rahel E., 10 Bde., München 1983. Wolf, J., und Salomon, Gotthold, Der Charakter des Judenthums nebst einer Beleuchtung der unlängst gegen die Juden von Prof. Rühs und Fries erschienenen Schriften. Zweite vermehrte und verbesserte Auflage, Leipzig 1817 (UB Konstanz gsh 892 / w 65 (2)). Wudrian, Valentin, SCHOLA CRUCIS & Thessara Christianismi; Das ist: EJn außführlicher / Christlicher Vnterricht von dem lieben Creutze / welches ist aller wahren Christen HoffFarbe / wie nütze / heilsam vnd notig es sey / Vnd wie sich ein jeglicher darin schicken vnd verhalten solle [...], Hamburg 1639 (HAB Wolfenbüttel Th 2864). Wyttenbach, Daniel, Auszug aus dem Kurzen Entwurf der ganzen Christlichen Religion für die ersten Anfanger. Zweyte etwas vermehrte Auflage, Franckfurt am Mayn 1756 (UB Marburg XIX c C 736 (2)). Ders., Compendium Theologiae dogmaticae et moralis, in usum tyronum adornatum, in quo veritates tum ordine naturali dispositae tum locis Scripturae S. in

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textu origin, appositis, probatae exhibentur, Frankfurt a.M. 1754 (PTS Heidelberg D II e 220). Ders., Kurtzer Entwurf der gantzen Christlichen Religion In natürlicher Ordnung und Deutlichkeit verfasset. Zweyte, vermehrte und verbesserte Auflage, Franckfurt am Mayn 1756 (UB Marburg XIX c C 736 (1)). Zeitung für Landprediger und Schullehrer, Jhgg. 1793-1795 (PTS Heidelberg Ζ II c 12).

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585

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586

Anhang

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Verzeichnis der sonstigen Quellen und der Sekundärliteratur

587

Jahrhundert: Zeitungslesen in Deutschland, in: Dann, Otto, (Hg.), Lesegesellschaften und bürgerliche Emanzipation. Ein europäischer Vergleich, München 1981, p29-53. Wenig, Otto, Rationalismus und Erweckungsbewegung in Bremen. Vorgeschichte, Geschichte und theologischer Gehalt der Bremer Kirchenstreitigkeiten von 1830 bis 1852, Bonn 1966. Willms, Bernard, Die totale Freiheit. Fichtes politische Philosophie, Köln/Opladen 1967. Ders., Einleitung, in: Ders., (Hg.), Fichte, Johann Gottlieb, Schriften zur Revolution, Klassiker der Politik 7, Köln/Opladen 1967, pVII-XXXIV. Winkelmann, Erich, Beiträge zur evangelischen Kirchengeschichte der Stadt Offenbach am Main, Teil I: 1734-1848, Offenbacher Geschichtsblätter 9, Offenbach a.M. 1958. Witte, Karsten, Reise in die Revolution. Gerhard Anton von Halem und Frankreich im Jahre 1790, Stuttgart 1971. Wodtke, Friedrich Wilhelm, Art.: Empfindsamkeit, RGG 3 Bd. 2, 457-161. Wolgast, Eike, Die Universität Heidelberg 1386-1986, Berlin/Heidelberg 1986. Wulff, Hinrich, Pestalozzi und Bremen. Ein Beitrag zur Geschichte der Pestalozzischen Bewegung im ersten und zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts, Bremen 1927 (Sonderabdruck aus: Bremische Lehrerzeitung, Jhg. IV, Nrr. 1-3). Wunderlich, Reinhard, Johann Peter Hebels .Biblische Geschichten*. Eine Bibeldichtung zwischen Spätaufklärung und Biedermeier, Arbeiten zur Religionspädagogik 7, Göttingen 1990.

5. Namenregister (Biblische Namen und Namen von Herausgebern, Verlegern und Druckern wurden nicht aufgenommen, es sei denn, sie sind Empfanger von Briefen Ewalds oder es ist von ihnen auch außerhalb der Werkbibliographie die Rede. Im Literaturverzeichnis vorkommende Namen wurden ebenfalls nicht berücksichtigt, es sei denn, sie kommen in den Titeln der dort genannten Schriften vor.)

Abegg, J. F. 161 Ackva, F. 443 Adler, H. G. 315 Adorno,T.W. 388 Aesop 168 Albrecht, H. Chr. A. 384 Albrecht, M. 316 Althaus, P. 262 Ammon, Chr. F. von 533 André, J. 45.512 Andreas, W. 118.123.139 Andresen, C. 271 Anhalt-Dessau, Leopold Friedrich Franz von 85f. 515 Anselm von Canterbury 406 Anslijn, N. 482 Aristoteles 226. 228 Arndt, Johann 255 Arndt, Johannes 18. 66f. 76. 82-84. 378f Ascher, S. 402 Aschoff, F. 79 Asheim, I. 215 Augustin, A. 25. 98. 203. 382 Baden, Carl Friedrich von 118. 560. 573 Bähr, J. 129.534 Bahrdt, C. F. 76. 130. 165. 218. 235. 237f. 243. 245. 386. 426-Φ29. 433. 547. 578. 580. 582

Baron, S. 319 Barth, Chr. G. 511 Barth, K. 20. 30. 128. 271. 281 Basedow, J. B. 123. 171. 218-224. 229. 231 f. 234. 237f. 250. 580 Battenberg, F. 315.317 Bauer, G. L. 120. 125. 175 Bauer, J. 131.160.162 Baum, G. 353 Baumgarten, S. J. 30. 418^123. 425. 583 Bayer, O. 21. 184. 353 Becker, Z. 74 Bekenn, G. L. 472 Ben David, A. 329f Benecken, F. B. 81.453f Bengel, J. A. 49f. 52. 139f. 271. 561 Benjamin, W. 22 Benrath d. Ä„ G. A. U9f Benrath d. J., G. A. 20. 140. 160 Bensei, M. 134 Bentham, J. 19.363 Bentheim-Tecklenburg, Graf Moritz von 454 Bentzel-Sternau, C. Chr. Graf von 487 Benzler, J. L. 512 Berckheim, C. Chr. Frhr. von 137 Berkouwer, C. G. 271 Bernhard von Clairvaux 142 Bernhard, J. N. 45 Bernhardt, K.-H. 121

590

Anhang

Bertaux, P. 385.387 Bing, Ch. 469 Birt, Th. 29 Blendermann, J. 106. 503 Blessing, J. P. 516 Blumenbach, J. F. 72 Bock, M. 295 Böck, A. 379 Böckh, A. 533 Boehart, W. 423 Böhme, J. 52-54. 142. 271. 573 Boie, H. Chr. 81 Böttiger, Κ. A. 139. 509f Borinski, L. 328 Bornkamm, H. 183,271 Bornkamm, K. 24f Bouterwek, F. 79.543 Braasch, E.-O. 134 Brammer, Α. H. 315 Brandes, E. 458 Brandt, H.-H. 316 Brauer, J. N. F. 116. 118.120. 131.135. 139. 474. 488 Braunbehrens, A. 514 Brecht, M. 17.20.47.52 Breiger, G. C. 483 Brenz, J. 234. 294. 441f. 586 Bretschneider, K. G. 406 Breuning, W. 271 Brochmand, C. E. 312 Brönner, H. L. 55 Brunner, P. J. 123 Bucer, M. 200f Buhr, M. 388 Burchard, Chr. 129 Burg, P. 385 Burgund, Karl von 382 Burke, E. 389-391.567 Burre, W. 68 Busch, R. 342 Calvin, J. 255. 259. 279. 28lf Campe, J. H. 239. 386. 395-397. 514 Chezy, H. von 508

Clarisse, J. 466f. 485 Claudius, M. 57. 162. 512. 539 Clostermeier, Chr. G. 74. 457 Coccejus, J. 146 Cohrs, F. 218 Cölln, L. F. A. von 75.79.86f. 450.456. 465. 503 Comenius, J. A. 199 Condorcet, M. J. Α. N. 392 Conradi 34. 36. 519f Conradi, F. 487 Conz,C. Ph. 154 Copei, F. 105 Cotta, J. F. 153.487.509 Crichton, W. 218. 234-236. 238 Cyprian von Karthago 99 Dalberg, K. T. A. M. 77. 79. 543 Dambacher, I. 316 Dann, O. 76 Dante Alighieri 505 Daub, C. 117. 119f. 128f. 506. 532534. 585f De Wette, W. M. L. 120f. 128.158. 533. 573. 584 Deguerry, M. l'Abbé 496 Deinet, Κ. 400f Delbrück, F. 406 Delius, W. 23 Demandt, Κ. E. 53 Demme, H. G. 485 Denecken, A. G. 111 Dereser, T. 120 Derome, J. 496 Derome, T. 496 Descartes, R. 415f Desch, J. 423 Dieck, F. W. 491 Dienst, K. 45. 53 Diez, H. F. 317. 324. 347f Ditmar 508 Döderlein, Chr. A. 171 Dohm, Chr. W. von 162. 316f. 321. 323f. 327. 335. 340f. 343-349. 545. 559. 574. 582

Namenregister Drais, C. W. F. L. von 118 Dräseke, J. H. B. 501 Dreves, A. 60. 63. 66. 86 Dreves, F. 508 Dubnow, S. 315. 318f. 345 Duysing, H. 0 . 29. 32f Dzwonek, U. 397 Ebeling, G. 13. 20f. 23. 445 Eck, J. Chr. F. 557 Edelsheim, G. L. Frhr. von 117 Ehmann, J. 131. 160f Ehrenberg, F. 487 Eichrodt, J. F. 135. 137. 505 Elbogen, I. 315 Elieser (Rabbi) 332 Emmerich 60 Erasmus, D. 290 Erb, R. 322 Erbacher, H. 155 Erckenbrecht, A. 143f Ernesti, J. A. 97 Euseb von Caesarea 98 Ewald, C. W. 46 Ewald, Ε. M. 46 Ewald, F. W. 45f Ewald, G. E. 28 Ewald, J. Chr. 28 Ewald, J. G. 497 Ewald, J. L. passim Ewald, J. M. 45. 464 Ewald, L. Chr. 28 Ewald, M. C. 28 Ewald, R. G. 499 Ewald, Sch.H. 497 Ewald, W. E. 28 Fay, J. F. du 44 Fay, R. G. du 44 Fecht, G. B. 508 Fehrmann, J. 551 Fénelon, F. de Salignac de la Mothe-F. 143. 578 Fest, J. S. 90.527

591

Fichte, J. G. 375. 377. 381. 386. 388392. 412. 547. 574 Fietz, R. 576 Flatt, J. F. 358 Flatt, K. Chr. 153f. 358. 490. 492^94. 581 Flügge, Chr. W. 353 Forberg, F.K. 381. 390f Forster, G. 386. 391. 393-395. 398. 547. 581f Fraas, H.-J. 191.218 Franck, S. 142 Frank, G. 14 Fränkel, D. 331.342 Fränzl, F. 467. 474 Frenzel, O. 218 Freund, G. 424 Freund, I. 316 Fricke, A. H. 103 Friedländer, D. 318. 320. 329f. 342f. 349f Friedrich der Große 386 Friedrich, G. 473 Fries, J. F. 160. 319f. 324-326. 328330. 332f. 336. 338. 341. 347. 352. 546. 571 Friesel, U: 385 Fritzemeyer, B. 66f Funk, N. 491 Funke, C. Ph. 72 Furet, F. 576 Gadamer, H.-G. 24 Gall, L. 118.123 Garber, J. 384.456.461 Gaß, F. W. J. H. 576 Gauteron, J. M. de 469 Geiger, M. 140. 155 Geliert, Chr. F. 55f. 223 Gentz, F. 389 Gerhard, J. 178.312.418 Gerhardt, P. 57 Gerstner, J. F. 150f. 508 Gerth von Wijk, J. A. 273 Gesenius, J. 201-203. 209. 216

592

Anhang

Gessner, J. G. 108.113 Girtanner, Chr. 353 Göbels, H. 224 Goede, W. 463. 488. 492. 494f Goethe, J. W. von 14. 38. 44f. 79. 139. 504.512.516. 540. 575. 586 Goeze, J. A. 72 Goeze, J. M. 73. 424. 573. 576 Göschen, G. J. 450. 453. 455. 503f Goeters, J. F. G. 146 Grab, W. 384-386 Graetz, H. 315 Graf, F.W. 19 Graffe, J. F. Chr. 122 Griesbach, J. J. 571 Grimm, J. 383 Grimm, W. 383 Groth, F. 271 Gudenus, H. 28 Gundert, W. 155 Gundlach, F. 30 Günsburg, K. S. 331 Guyon, J.-M. von 143. 474 Haab, P. H. 138.493 Habermas, J. 394.501 Häfeli, J. C. 87. 101-104. 111-113. 467. 469. 472. 474. 478. 501 Haffner, I. 516 Hahn, F. 218 Hahn, J. M. 271 Hahn, O. W. 90. 140 Hahn, Ph. M. 14.17.29.44-55.58f. 66. 140. 505. 51 If. 540f. 558. 574. 579. 581. 585 Halem, G. A. von 77-79. 108-110.116. 162. 386. 397f. 401. 469. 474. 477. 479. 481. 499. 504. 510. 515. 540. 547. 578. 581. 587 Hamann, J. G. 23. 57f. 171. 176. 181184. 246. 289. 353. 373f. 542. 573 Hamberger, G. Chr. 450 Hamelsveld, Y. van 451 Hardenberg, K. A. von 316 Hardmayer, D. K. 113f

Hartleben, Th. 562 Hasenkamp, F. A. 504 Hauch, B. 39.448 Haufe, G. 164 Hautz, J. F. 119 Hebel, J.P. 57.72f. 118. 127. 143-153. 160. 162-164. 246. 496. 506-508. 540. 585. 587 Hegel, G. W. F. 119.361-363.387.403. 4 1 2 ^ 1 4 . 578. 582 Hegner, U. 514 Heimpel, H. 24 Heinemann, G. 578 Heinemann, J. 316f. 331. 342. 352. 494f Heitmann, K. 143 Heller, J. 578 Helmuth, J. H. 73 Helvétius, C. A. 373f Helwing, Chr. F. 78.456.462.469f. 472 Henke, H. Ph. Κ. 538 Hennings, Α. 469 Henrich, D. 412 Herbart, J. F. 105f. 576. 579 Herder, Bartholomä 491 Herder, Benjamin 491 Herder, H. 491 Herder, J. G. 14. 47. 57. 77. 127. 139. 148. 191. 250. 371-374. 508. 526. 536. 540. 549. 573 Hering, C.W. 160 Hermann, J. Chr. 481. 489. 491. 493. 500. 504f Hermann, R. 212.291 Hess, M. 331f. 342 Heß, J. J. 15. 17. 38.41-44.47. 58f. 71. 75. 113. 127. 146f. 443f. 505. 514. 540. 572 Heusling 519 Heymel, M. 429 Hinfurtner, K.-H. 153 Hinrichs, E. 397 Hirsch, E. 23. 358. 370. 423. 544 Hitzig, F.W. 162-164 Hoekstra, J. A. S. 497

Namenregister Hofer, J. Β. 117 Hoffleit, C. 7 Hoffmann, F. B. von 67. 475 Hoffmann, G. 178. 191. 196. 204-217. 225 Hoffmann, M. 129 Hofmann, J. Chr. K. von 147 Hölderlin, F. 79. 387. 412. 573. 578 Hollaz, D. 290. 312. 419f. 425 Homann, K. 353 Höpfner, Chr. C. L. 476 Horkheimer, M. 388 Hornig, G. 423 Horstig, K.G. 120 Hörz, H. 384 Hübbe, K. J. H. 99-101. 470. 567 Huber, D. Chr. 498 Huberinus, C. 295 Hübner, J. 143f. 191. 196-205. 207. 209. 212. 216f. 225. 507f. 538. 582 Humboldt, W. von 395. 501 Hume, D. 415-417. 423f Hünefeld, J. Η. T. 67f Huneke, F. 86 Hutter, L. 50. 272f. 283. 311f im Hof, U. 163 Irenäus von Lyon 98 Isenburg-Birstein, Wolfgang Ernst I. 28. 35 Isenburg-Birstein, Wolfgang Ernst II. 33-36. 62. 70. 500 Iserloh, E. 25 Jacobi, F. H. 77. 79. 81. 353f. 358. 515. 548. 573. 578f Jacobs, F. 468 Jaspert, B. 25 Jean-Paul (Richter) 109 Jennemann, H. 47 Jerusalem, J. F. W. 420 Jetter, W. 192 Johlson, J. 331f. 342 Joppien, H. 105

593

Joseph II. (Kaiser) 278. 316. 322. 384. 386 Jung-Stilling, J. H. 14. 20. 27. 58. 77. 79. 90. 120.138-141.154f. 162.271. 487. 489f. 493f. 499. 540f. 543. 573. 576f. 584. 586 Junghans, H. 7 Junkin, E. D. 18f Jury, W. 468 Justin 98 Kampmann, W. 315 Kant, I. 14. 81. 119. 141f. 190. 240. 336. 352-375. 381f. 385f. 388-390. 394. 403-405. 413. 455. 471. 503. 514. 548f. 559-561. 573f. 580 Karbach, Ph. 342 Karlstadt (Andreas Bodenstein) 188. 381 Karpp, H. 24 Katz, J. 316f Katz, P. 14. 148 Kayser, Chr. F. 516 Kayser, Chr. G. 472f. 488. 493. 496f. 515f Keller, G. 166 Kiesselbach, N. 92 Kiewning, H. 19.82.379 Kleinschmidt, Ε. K. 108. 133f Kleist, H. von 385 Kleuker, J. F. 77. 79. 543. 572 Kley, Ε. I. 331.342 Klopstock, F. G. 56.250. 386. 395.397. 539. 575. 583. 585 Knittel, G. A. 485 Knop, G. 379 Köhler 450 Koopmann, H. 385 Kosegarten, L. Th. 77. 79. 457. 543 Kotzebue, A. von 464 Kraemer, H. 579 Krafft, J. Chr. 9. 29f. 40. 44. 54. 59-61. 64. 66. 479. 502. 540. 585 Krafft, J. W. 29. 32. 59 Krämer, A. 319f. 329

594

Anhang

Krause, R. 15f Krebs, E. 491 Kroll, J.A. 76 Krücke, S. E. 68. 71. 76. 452f Krüger, F. 175 Kübel, M. 120 Kuhn, J. 353 Kühtmann, A. 477 Ladomus, J. F. 123. 133f. 507 Laktanz, L. C. F. 99 Lange, J. H. 104 Langen, A. 34 Lauter, G. Chr. 533 Lauterburg, M. 187 Lavater, J. C. 14f. 17f. 20. 29. 36-38. 41. 43-48. 52. 56. 58f. 63. 66. 76f. 79. 86f. 90. 99. 101. 112-114. 139141. 153. 155. 175f. 179-182. 184. 271. 286f. 318. 326. 331. 398-401. 406. 412. 440. 442. 444. 448. 457. 459. 461. 464. 499. 504. 512-514. 516. 540. 542f. 547. 566. 575. 580f. 583f. 586 Leibniz, G.W. 91 Leitz, K. L. 134 Lenz, J. M. 38 Leon, J. 306 Leopold II. (Kaiser) 383. 456. 458. Lepper 34 Leß, G. 423-426. 438f. 443. 544 Lessing, G. E. 13. 159. 185. 348. 392f. 422-424. 483. 573. 575f Lichtenberg, F. A. 393. 582 Linde 500 Linné, Κ. von 167 Lippe, Casimir August, Graf zur 76. 458. 460 Lippe, Casimire, Gräfin zur 67. 76 Lippe, Friedrich Wilhelm Leopold d. J., Fürst zur 67. 84. 502 Lippe, Ludwig Henrich Adolf, Graf zur 67f Lippe, Pauline Christine Wilhelmine, Fürstin zur 464. 579

Lippe, Simon August, Graf zur 63. 66f. 448. 524. 576. 583 Lips, Η. 5 Lißkirchen, Β. 293 Lobwasser, Α. 55. 566 Loo, J. van 458 Lossius, Κ. F. 71.273 Losurdo, D. 388 Lücke, F. 406. 569 Lüdecke, F. 86 Ludwig XVI. (König) 297. 313f. 392. 397^01. 567 Luther, M. 13.25.56.66.71.75.94.97. 102. 142. 145-150. 155f. 161. 175177. 183. 185-191. 193. 196f. 199202. 207-211. 213-216. 218f. 230f. 233f. 249. 253. 255. 257f. 260-263. 269. 274-277. 279-284. 289-293. 295. 311. 330. 344. 358f. 373. 381383. 395. 41Of. 440f. 491. 522. 540. 542. 548. 572-574. 576. 578. 580. 583 Lüthi, K. 271 Lutteman, J. 456 Maimón, M. 329f Maimonides (Moses ben Maimun) 329 Majer-Bretzfeld 334 Malter, R. 353 Marezoll, J. G. 19 Marheineke, P. K. 120f. 128f. 506. 533f Mau, R. 259 Mäuerle (Hure) 134-136 Maurer, W. 31.59 Mehnert, V. 580 Meiers, K. 580 Meiners, Chr. 377 Meister, Chr. G. L. 113 Melanchthon, Ph. 311 Mendelssohn, M. 316. 318. 330. 340f. 348f. 547. 564. 572 Menken, G. 583 Mennecke-Haustein, U. 293 Mensching, J. C. 76 Merkel, F. 131

Namenregister Mesmer, Α. 433 Meusebach, C. H. G. Frhr. von 509 Meusel, J. G. 450 Meyer, H. Ph. 259 Meyer, J. F. von 154 Meyer, W. R. 75 Michaelis, J. D. 61f. 97.287-289.422f. 43lf. 541 Milton, J. 462 Moens, A. M. 455 Möller, H. 78 Moltmann, J. 22 Montesquieu, Ch. de Secondât de 392 Mörike, E. 385 Mosheim, J. L. 583 Mühlen, K.-H. zur 177 Mühlpfordt, G. 76 Müller, B. 35 Müller, C. F. 487 Müller, J. G. 485.527 Müller, K.P. 398 Napoleon Bonaparte 139. 316. 318f Neander, J. 55. 566 Nebel, W. 28 Neuser, W. 581 Newton, H. 140 Nicolai, J. D. 477. 579 Nicolai, F. 78. 140. 162. 226. 500. 508. 580. 586 Niemeyer, A. H. 121f. 239-241. 249 Niggl, G. 27 Noth, M. 21 Nowak, K. 7. 350f Obernberg, I. J. von 334 Oelsner, K. E. 398. 400f. 574 Oetinger, F. Chr. 23.52.271 Oosterzee, J. J. van 154. 273 Orígenes 98f Oslander, A. 177. 242. 441 Paape, G. 457 Paine, Th. 390. 392f Pältz, E. H. 153

595

Paniel, K. F. W. 101 Papa (Rabbi) 332 Passavant, C. W. 108 Passavant, J. L. 32. 84. 86. 108 Pauli, P.J. 34.520 Paulus, H. E. G. 14.118.129-132.158. 315. 319f. 342. 351. 427. 505. 507. 534-537. 540. 543. 567. 574. 577 Peitsch, H. 394 Pels, D. 35 Penzel, J. 467 Pestalozzi, J. H. 14. 68. 105-111. 114. 119. 123. 132-134. 166. 267-269. 395. 479. 481. 483. 488. 505. 507. 515. 540. 542. 547. 562. 567. 570. 574. 584. 587 Pestalozzi, K. 23 Peter (Balbierer) 208 Petersen, J. Chr. 101 Petersen, J. E. 580 Petersen, J. W. 580 Peterson, Κ. Chr. 164 Pfeffel, G. K. 38.585 Pfenninger, K. 15. 53f. 101. 113. 141. 448. 516 Piscator, J. 195 Poliakov, L. 315 Prawitt, L. 47 Price, R. 389 Prinsen, P.J. 482 Prüser, F. 92. 104 Pustkuchen, Α. H. 75.464 Raabe, P. 581 Raapke, H.-D. 581 Radowitz, J. M. von 90f. 508. 527 Rahbek, K. L. 468 Ramberg, J. H. 467 Rassmann, Chr. F. 494 Rauschenbach, L. 68f Reble, A. 224 Rebmann, G. F. 380. 386. 391 Reents, Chr. 153. 199f. 203f. 207. 216 Rehberg, A. W. 77. 391f Rehfues, P. J. 487

596

Anhang

Reichardt, R. È. 582 Reichlin-Meldegg, K. A. Frhr. von 129. 131f Reimarus, H. S. 328. 422f. 573. 575 Reinhard, F. V. 139. 425f. 544. 584 Reinhard, K. 77 Reitzenstein, S. von 118. 131. 584 Rengstorf, K. H. 318 Reubell, J.-F. 400 Reuß, F. 318 Rhegius, U. 295 Richet, D. 576 Ridley, W. 467 Rieger, J. H. 122 Ritsehl, A. 281.409.584.586 Ritsehl, D. 184 Ritter,A.M. 7 Ritter, J. 387 Ritterhoff, C. 397 Robert, C.W. 2 9 . 3 1 - 3 3 . 4 2 . 5 8 Robespierre, M. de 386. 392 Rochow, F. E. von 60. 67. 72. 165. 218. 224-233. 235. 237-239. 243. 245. 582 Rödel, W. 393.582 Röderer, J. G. 516 Rohrbacher, S. 316 Rosenthal, B. 315 Rothe, R. 15.586 Rothen, B. 212 Rousseau, J.-J. 388. 390. 401f. 417 Röwenstrunk, G. 237 Rückert, H. 20.26 Rückleben, H. 127 Rudolphi, K. Chr. L. 162 Rühs, F. 315. 319-330. 332f. 336-339. 341. 347. 352. 492. 545. 560. 562. 571 Rürup, R. 316 Sack,A.F.W. 48 Sack, K. H. 15 Sailer, J. M. 150 Salomon, G. 331f. 351f Salzmann, Chr. G. 19. 71. 557

Sander, H. 72 Sander, N. Chr. d. J. 123. 130-132. 160f. 163f. 535 Sarasin-Battier, J. 498 Sartorius, G. L. 141 Sauer, E. 397 Sauer, K.M. 179 Schaab, M. 118 Schaer, F.-W. 66 Schalk, F. 583 Schaumburg-Lippe, Juliane, Gräfin zu 501 Scheel, H. 386 Schelling, F. W. J. von 119. 128. 336. 412 Scherer, J. L. W. 485.538 Scherzer, J. A. 291 Schiefer, B. 67 Schiller, F. 250. 370. 374. 385. 395. 509 Schindler, A. 21.26 Schlegel, F. 385 Schleicher, Chr. F. A. 40. 60f. 63f. 502f Schleiermacher, F. D. E. 15. 79. 235. 247. 349-351. 403. 4 0 5 ^ 1 2 . 440. 485. 549. 581-583. 585 Schloemann, M. 421 Schlosser, J. G. 38.77.79.516 Schlözer, A. L. 103.378.557 Schmid, Christoph von (bzw. Schmidt) 144. 148-152. 496f. 506-508. 562 Schmid, H. 279 Schmidt, M. 25f. 143 Schmitt, J. 218 Schnappinger, B. M. 120 Schneider, E. 386 Schneider, P. 386 Schöll, C. 155 Schoeps, J. H. 317 Scholder, K. 584 Schott, Chr.-E. 16.426 Schott, E. 281 Schreger, B. G. 130. 430f. 433 Schrod, F. 35.45 Schubart, Chr. F. D. 539. 585

Namenregister

597

Schultheß, J. 71 Steinkopf, C. F. 154f. 543 Sterling, E. O. 315f Schumann, H. 118 Steudel, J. Chr. F. 154. 358. 485. 543 Schütte, D. 503 Stock, U. 147.284 Schütz, F. W. von 384 Schütz, W. 15 Stolberg, Friedrich Leopold Graf zu 154 Schwab, W. 162 Stolz, J. J. 15f. 62f. 87.91-99.101.113. Schwager, J. M. 462 Schwarz, F. H. Chr. 14. 40. 119-121. 281. 464f. 471. 504. 540. 543 126. 128f. 132f. 153. 156-160. 483. Storr, G. Chr. 153. 358. 438f. 443. 480. 485. 487. 492. 494. 498f. 501. 506. 544 Stosch, F. 60 533f. 540 Schweitzer, A. 129.427 Strauß, D. F. 253 Schwenckfeld von Ossig, C. 48. 188 Stübinger, E. 119 Schwinge, G. 79. 139. 141 Stützel-Prüsener, M. 76 Seebaß, G. 7.316 Sütterlin, B. 585 Séchelles, M. J. Hérault de 400 Segeberg, H. 384 Tauler, J. 142 Seiler, G. F. 144.538 Teller, W. A. 48. 350 Semler, J. S. 61f. 97. 151. 325. 422f. Tertullian, Q. S. F. 79. 99 Thomas von Aquin 228 428. 578 Thym, J.F.W. 122 Sensburg, E. Ph. von 321. 343f. 495 Til, S. van 32 Seyffert, C. 475.477^179 Tindal, M. 328 Shimbo, S. 271 Tinga, E. 463.473 Siegert, R. 456 Tulla, J. G. 133 Silberer, G. 133f Tzschirner, H. G. 406 Simon, G. 28.33 Simons, A. 468 Smend, R. 128 Ueberweg, F. 374 Snell, J. R L. 570 Unger, J. F. 78.454-456.458.466.474. Sommerlad, F. W. 19. 35f. 38 503f. 515. 526 Spaan, G. C. 488.498 Ursinus, Z. 491 Spalding, J. J. 60. 141. 223 Spam, W. 184 Varnhagen von Ense, Κ. Α. 136. 508 Spener, Ph. J. 255 Varnhagen, R. 571 Spies, F. C. 28 Verwey, Β. (bzw. Verweij) 452. 473. Spinoza, B. 329. 414-417. 535 477. 493 Spittler, Chr. F. 153.498 Vierordt, K. F. 122 Sprenger, H. 17f. 34. 38. 60. 193. 514 Vigelius, M. C. 28 Stäbler, W. 49 Vinke, R. 140 Staehelin, E. 271 Voegt, H. 380 Steiger, J. A. 5. 56. 58. 73. 107. 127. Völker, A. 45 140. 146-149. 163. 246. 295. 409. Voltaire (eigentl. F. M. Arouet) 393 420 Voß, Chr. F. 463f. 512 Steiger, R. 21 Steinbart, G. S. 171 Wachler, J. F. L. 480

598

Anhang

Wagner, C. 379 Wagner, F. 119 Wagner, L. H. 536 Wáhlin, J. P. 468 Walther, Chr. 281 Warlich, A. R. 77 Washington, G. 395 Wassenbergh, A. 486 Wehrmann, V. 16f. 67f. 72. 74. 86. 166. 216f. 502 Weigelt, H. 18. 38. 45. 86. 155. 179. 440. 514 Weise, Chr. 204 Weismann, Chr. 234 Weiß,A.M. 491 Welke, M. 76. 394 Wenig, O. 16 Werk, F. X. 120 Werner, Z. 504 Wessely, N. H. 330 Wessenberg, I. H. K. von 455. 489. 492 Wieland, Chr. M. 139 Wyk, J. van 481. 483 Wilhelm I. (König von Preußen) 345 Wilken, F. 533 Willms, B. 386.388

Wilmans, F. 467f. 470-474. 478. 503. 509. 51 lf. 514 Winkelmann, E. 36. 55f Witte, K. 397 Wittmer, W. 134 Wodtke, F. W. 250 Wolf, J. 331. 35 lf Wolff, Chr. 418 Wolgast, E. 119f Wudrian, V. 29 Wulff, H. 103. 106 Wunderlich, R. 147 Wundt, D. L. 116f Würzer, H. 384 Wyttenbach, D. 29f. 32f Ysenburg-Biidingen, Ernst Casimir von 53 Ysenburg-Büdingen, Gräfin Philippine von 454 Zerenner, H. G. 15 Zimmer, J. G. 126. 481. 484f. 487. 505 Zimmermann, H. 397 Zimmermann, J. G. 77f. 505 Zunz, L. 342 Zwingli, H. 188

Forschungen zur Kirchen -und Dogmengeschichte Herausgegeben von Adolf Martin Ritter Eine Titelauswahl

64 Athina Lexutt Rechtfertigung im Gespräch Das Rechtfertigungsverständnis in den Religionsgesprächen von Hagenau, Worms und Regensburg 1540/41.1996. 299 Seiten, geb. ISBN 3-525-55172-X 63 Volker Leppin Geglaubte Wahrheit Das Theologieverständnis Wilhelms von Ockham. 1995. 365 Seiten, geb. ISBN 3-525-551738 61 Ute E. Eisen Amtsträgerinnen im frühen Christentum Epigraphische und literarische Studien. 1996. Ca. 280 Seiten, geb. ISBN 3-525-55170-3 60 Rudolf Keller Die Confessio Augustana im theologischen Wirken des Rostocker Professors David Chyträus ( 1 5 3 0 - 1 6 0 0 ) 1994. 239 Seiten, 1 Abb., geb. ISBN 3-525-55168-1 59 Ralf Kötter Johannes Bugenhagens Rechtfertigungslehre und der römische Katholizismus Studien zum Sendbrief an die Hamburger (1525). 1994. 489 Seiten, geb. ISBN 3-525-55167-3 58 Wolfram Kinzig Novitas Christiana Die Idee des Fortschritts in der Alten Kirche bis Eusebius. 1994. 702 Seiten, geb. ISBN 3-525-55166-5 57 Adriaan H. B. Breukelaar Historiography and Episcopal Authority in Sixth-Century Gaul The Histories of Gregory of Tours interpreted in their historical context. 1994. 391 Seiten, geb. ISBN 3-525-55165-7

56 Holger Strutwolf Gnosis als System Zur Rezeption der valentinianischen Gnosis bei Orígenes. 1993.405 Seiten, geb. ISBN 3-525-55164-9 55 Matthias Schlicht Luthers Vorlesung über Psalm 9 0 Überlieferung und Theologie. 1993. 183 Seiten, geb. ISBN 3-525-55163-0 54 Griet Petersen-Szemerédy Zwischen Weltstadt und Wüste: Römische Asketinnen in der Spätantike Eine Studie zu Motivation und Gestaltung der Askese christlicher Frauen Roms auf dem Hintergrund ihrer Zeit. 1993. 239 Seiten, geb. ISBN 3-525-55162-2 53 Miikka Ruokanen Theology of Social Life in Augustine's „De civitate Dei" 1993. 179 Seiten, kart. ISBN 3-525-55161-4 52 Gerhard Graf Gottesbild und Politik Eine Studie zur Frömmigkeit in Preußen während der Befreiungskriege 1813-1815. 1993. 166 Seiten mit 21 Textbeilagen, 7 Abb., kart. ISBN 3-525-55160-6 51 Anneliese Bieber Johannes Bugenhagen zwischen Reform und Reformation Die Entwicklung seiner frühen Theologie anhand des Matthäuskommentars und der Passions- und Auferstehungsharmonie. 1993. 330 Seiten mit 23 Abb., kart. ISBN 3-525-55159-2

V&R

Vandenhoeck &_Ruprecht

Denkerzwischen Mittelalterund Neuzeit Klaus Goßmann / Henning Schröer (Hg.)

Auf den Spuren des Comenius Texte zu Leben, Werk und Wirkung. Sammlung Vandenhoeck. 1992. 174 Seiten, 22 Abb., kartoniert. ISBN 3 - 5 2 5 - 0 1 6 1 3 - 1

Aus Anlaß des 400. Geburtstages von Johann Amos Comenius wird eine Auswahl aus seinen Schriften zu pädagogischen und theologischen Themen wie Schulreform, Friedenspädagogik, Theologie der Schöpfung, Ökumenisches Lernen, Ganzheitliches Denken u.a. vorgelegt. Sie dokumentiert die Aktualität dieses bedeutenden europäischen Erziehers und Bischofs der Böhmischen Brüderunität.

Karl-Hermann Kandier

Nikolaus von Kues Denker zwischen Mittelalter und Neuzeit. 1995. 171 Seiten mit 8 Abbildungen, kartoniert. ISBN 3 - 5 2 5 - 5 5 4 3 0 - 3

Nikolaus von Kues (1401-1464) gilt vielfach als „Pförtner einer neuen Zeit". Als solcher fasziniert er gerade heute und regt Philosophen und Theologen an. Er überwand die Scholastik und regte naturwissenschaftliches Denken an; er bemühte sich um die Einheit der Kirche und um die Reform des Reiches. Als Kirchenpolitiker geriet er zwischen alle Fronten. Nach einer kurzen Biographie und Werkbeschreibung wird seine Lehre dargestellt und auf seine Wirkungen auf spätere Denker hingewiesen.

Johann Anselm Steiger

Bibel-Sprache, Welt und Jüngster Tag bei Johann Peter Hebel Erziehung zum Glauben zwischen Überlieferung und Aufklärung. Arbeiten zur Pastoraltheologie Band 25. 1993. 380 Seiten, kartoniert ISBN 3 - 5 2 5 - 6 2 3 3 4 - 8

Das Gesamtwerk des Theologen, Dichters, Pädagogen und Kirchenmannes Johann Peter Hebel (17601826) wird zum ersten Mal einer breiten theologischen Interpretation unterzogen. Gefragt wird dabei hauptsächlich nach Hebels Beitrag zu einer biblischen Schöpfungstheologie (Buch der Natur), nach seiner Neubelebung der Rede von den letzten Dingen (Tod, Auferstehung, Jüngster Tag) und nach der Bedeutung der biblischen Sprache und Botschaft in Hebels Schriften insgesamt. Diese Arbeit wurde mit dem RuprechtKarls-Preis der Stiftung Universität Heidelberg ausgezeichnet.

VÔR

Vandenhoeck &_ Ruprecht