Interpretierte Eisenzeiten: Fallstudien, Methoden, Theorie. Tagungsbeiträge der 2. Linzer Gespräche zur interpretativen Eisenzeitarchäologie [2] 385474174X, 9783854741749

Im November 2006 fand im Landesmuseum in Linz die zweite Tagung der "Interpretierten Eisenzeiten" statt, die D

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German, English Pages 320 [322] Year 2007

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Table of contents :
Raimund Karl, Jutta Leskovar / Vorwort
David Stifter / What is the Iron Age?
Sabine Rieckhoff / Die Erfindung der Kelten
Brigitte Röder / Archäologie: die Vergewisserung über die Anfänge
Kerstin Kowarik, Doris Pany, Maria-Christina Zingerle / Unsichtbares sichtbar machen.
Stefan Moser / Dürrnberg Grab 376 – Der archäologische Befund
Jan Kiesslich / Ancient DNA: Y-chromosomal DNA Fingerprinting in Molecular Archaeology – Paternal Pedigrees and their Potential Geographical Correlates
Peter Jud / Die Menschenknochen aus den Flussheiligtümern der Westschweiz
Michael Grabner, Johann Kastner, Hans Reschreiter, Dietmar Salaberger / Dendrochronologische Datierung von Holzfunden aus Hallstatt mit Hilfe der Röntgen - Computertomographie
Andreas W. Rausch / Viele Fotos, wenig Platz – Das große Foto-Puzzle von Hallstatt. Fotografische Dokumentation unter Tage
Katharina C. Rebay, Marie Louise Stig Sørensen / Changing Social Practices of Death in Later European Prehistory
Gabriele Albers / Perspektiven der prähistorischen Gräberforschung am Beispiel der villanovazeitlichen Gräberfelder von Bologna
Greta Anthoons / The origins of the Arras Culture: migration or elite networks?
Raimund Karl / From Head of Kin to King of a Country: the Evolution of Early Feudal Society in Wales
Ursula Naue, Maria-Christina Zingerle / Macht und Prestige: Kategorien der Rekonstruktion urgeschichtlicher Gesellschaften
Julia Katharina Koch / Nur Königstöchter und Krieger? Möglichkeiten der Auswertung mediterraner Schriftquellen des 1. Jahrtausends v.Chr. zum Aspekt "Mobilität" aus der Sicht der mitteleuropäischen Archäologie
Jana Esther Fries / Kleine Brandgräber der Hallstattzeit – Sonderfall oder Normalbestattung?
Matthias Jung / Einige Anmerkungen zum Komplex des Südimportes in hallstattzeitlichen Prunkgräbern
Thomas Stöllner / Handwerk im Grab – Handwerker? Überlegungen zur Aussagekraft der Gerätebeigabe in eisenzeitlichen Gräbern
Karina Grömer / Ein Beitrag zur Handwerksgeschichte: Webtechnische Innovationen am Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit?
Helga Mautendorfer / Schnitttechnische Interpretationen anhand hallstattzeitlicher Darstellungen
Katrin Kania / Die Hose von Thorsberg – ein Meisterwerk eisenzeitlicher Schneiderkunst
Florian M. Müller / Überlegungen zu Funktion, Verzierungen und Fundkontexten daunischer Webgewichte
Manfred Schmitzberger / Urgeschichtliche Pferdefunde aus Österreich
Nils Müller-Scheeßel, Peter Trebsche / Das Schwein und andere Haustiere in Siedlungen und Gräbern der Hallstattzeit Mitteleuropas
Matthias Kucera, Klaus Löcker / Reading the Past – reading the Data
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STUDIEN z u r K u Lt u r G E s c h i c h t E vO n O b E r ö s t E r r E i c h

FOLGE

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Herausgegeben von raimund Karl und Jutta lesKovar

interpretierte eisenzeiten

Fallstudien, metHoden, tHeorie

tagungsbericht der 2. linzer gespräche zur interpretativen eisenzeitarchäologie

13.08.2007 7:37:27 Uhr

Interpretierte Eisenzeiten Fallstudien, Methoden, Theorie Tagungsbeiträge der 2. Linzer Gespräche zur interpretativen Eisenzeitarchäologie

Raimund Karl, Jutta Leskovar (Hrsg.)

Studien zur Kulturgeschichte von Oberösterreich Folge 19 Raimund Karl, Jutta Leskovar (Hrsg.) Interpretierte Eisenzeiten. Fallstudien, Methoden, Theorie. Tagungsbeiträge der 2. Linzer Gespräche zur interpretativen Eisenzeitarchäologie. Herausgegeben vom Oberösterreichischen Landesmuseum Linz 2007 ISBN 978-3-85474-174-9 Medieninhaber: Land Oberösterreich/OÖ. Landesmuseum Museumstrasse 14, A-4010 Linz Direktor: Mag. Dr. Peter Assmann Schriftleiter: Dr. Bernhard Prokisch Graphische Gestaltung: Alexandra Bruckböck Druck: Easy-Media GmbH Linz

Inhaltsverzeichnis Raimund Karl, Jutta Leskovar Vorwort David Stifter What is the Iron Age? Sabine Rieckhoff Die Erfindung der Kelten Brigitte Röder Archäologie: die Vergewisserung über die Anfänge Kerstin Kowarik, Doris Pany, Maria-Christina Zingerle Unsichtbares sichtbar machen. Stefan Moser Dürrnberg Grab 376 – Der archäologische Befund Jan Kiesslich Ancient DNA: Y-chromosomal DNA Fingerprinting in Molecular Archaeology – Paternal Pedigrees and their Potential Geographical Correlates Peter Jud Die Menschenknochen aus den Flussheiligtümern der Westschweiz Michael Grabner, Johann Kastner, Hans Reschreiter, Dietmar Salaberger Dendrochronologische Datierung von Holzfunden aus - Computertomographie

Hallstatt

mit

Hilfe

der

Röntgen

Andreas W. Rausch Viele Fotos, wenig Platz – Das große Foto-Puzzle von Hallstatt. Fotografische Dokumentation unter Tage Katharina C. Rebay, Marie Louise Stig Sørensen Changing Social Practices of Death in Later European Prehistory Gabriele Albers Perspektiven der prähistorischen Gräberforschung am Beispiel der villanovazeitlichen Gräberfelder von Bologna Greta Anthoons The origins of the Arras Culture: migration or elite networks?

Raimund Karl From Head of Kin to King of a Country: the Evolution of Early Feudal Society in Wales Ursula Naue, Maria-Christina Zingerle Macht und Prestige: Kategorien der Rekonstruktion urgeschichtlicher Gesellschaften Julia Katharina Koch Nur Königstöchter und Krieger? Möglichkeiten der Auswertung mediterraner Schriftquellen des 1. Jahrtausends v.Chr. zum Aspekt „Mobilität“ aus der Sicht der mitteleuropäischen Archäologie Jana Esther Fries Kleine Brandgräber der Hallstattzeit – Sonderfall oder Normalbestattung? Matthias Jung Einige Anmerkungen zum Komplex des Südimportes in hallstattzeitlichen Prunkgräbern Thomas Stöllner Handwerk im Grab – Handwerker? Überlegungen zur Aussagekraft der Gerätebeigabe in eisenzeitlichen Gräbern Karina Grömer Ein Beitrag zur Handwerksgeschichte: Webtechnische Innovationen am Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit? Helga Mautendorfer Schnitttechnische Interpretationen anhand hallstattzeitlicher Darstellungen Katrin Kania Die Hose von Thorsberg – ein Meisterwerk eisenzeitlicher Schneiderkunst Florian M. Müller Überlegungen zu Funktion,Verzierungen und Fundkontexten daunischer Webgewichte Manfred Schmitzberger Urgeschichtliche Pferdefunde aus Österreich Nils Müller-Scheeßel, Peter Trebsche Das Schwein und andere Haustiere in Siedlungen und Gräbern der Hallstattzeit Mitteleuropas Matthias Kucera, Klaus Löcker Reading the Past – reading the Data

Zum Geleit

Im November 2006 fand im Landesmuseum in Linz die zweite Tagung der „Interpretierten Eisenzeiten“ statt, die Diskussionsstränge der ersten, im Herbst 2004 stattgefundenen Veranstaltung fortsetzen und entwickeln sollte. Die günstige Aufnahme der Initialtagung ermutigte das Landesmuseum zu dieser Fortsetzung, nicht zuletzt, um dem wissenschaftlichen Diskurs zur Eisenzeitforschung auch in Oberösterreich ein Forum zu bieten. Dass bedeutende Fundorte im Land diesen wissenschaftlichen Schwerpunkt auch in landeskundlicher Hinsicht rechtfertigen, liegt auf der Hand. Auch der vorliegende Band entstand wiederum als Gemeinschaftsprojekt des Oberösterreichischen Landesmuseums und der University of Wales Bangor, mit dem das Landesmuseum einmal mehr sein Bestreben dokumentiert, die ihm anvertraute landeskundliche Forschung in einen internationalen Kontext zu stellen. Unser Dank geht wiederum an alle Kolleginnen und Kollegen, die an der Tagung teilgenommen und Beiträge zum vorliegenden Band beigesteuert haben, vor allem aber an Frau Mag.a Jutta Leskovar und Herrn Mag. Dr. Raimund Karl, die auch diesmal sowohl die Veranstaltung konzipiert und organisiert als auch die Redaktion des Bandes besorgt haben. Ebenso sei Frau Alexandra Bruckböck gedankt, die – in mittlerweile ebenfalls bewährter Art und Weise – für das Layout des Buches verantwortlich zeichnet. Peter Assmann

Bernhard Prokisch





Vorwort Raimund Karl, Jutta Leskovar

Die hier vorliegenden Beiträge repräsentieren die nun schon zum zweiten Mal am Oberösterreichischen Landesmuseum abgehaltene Tagung „Interpretierte Eisenzeiten – Fallstudien, Methoden, Theorie“. Waren der ersten Einladung vor zwei Jahren noch ungefähr 50 Personen gefolgt (wovon knapp 30 eigene Vorträge hielten), so konnten diesmal mehr als 100 Gäste, davon wieder 30 Vortragende, in Linz begrüßt werden. Dieses gesteigerte Interesse hängt naturgemäß mit der nach einer erfolgreichen Tagung und einem rasch ­publizierten Tagungsband (Raimund Karl, ­Jutta ­Leskovar (Hrsg.),Interpretierte Eisenzeiten. ­Fallstudien, Methoden,Theorie.Tagungsbeiträge der 1. Linzer Gespräche zur interpretativen Eisenzeit­archäologie. Studien zur Kulturgeschichte von Oberösterreich, Folge 18. Linz 2005) entstandenen größeren Bekanntheit des Tagungsortes zusammen, spiegelt aus unserer Sicht jedoch auch ein gesteigertes und immer noch steigendes Bedürfnis nach Veranstaltungen dieser Art: der an sich bewährte Rahmen einer Tagung mit aneinandergereihten Vorträgen, deren Auswahl im Zusammenspiel mit der geschaffenen Atmosphäre jedoch beste Diskussionskultur gewährleistet. Dass letztere auch tatsächlich entstand ist natürlich zum Großteil den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu verdanken – sowohl am Podium als auch im Publikum. Diesem Umstand sollte auch der Tagungsband gerecht werden, weswegen die jeweils im Anschluss an die Vorträge mitstenographierten Diskussionsbeiträge hier ebenfalls aufscheinen. An dieser Stelle sei Sonja Prochaska herzlichst für diese umfangreiche Arbeit gedankt. Der Inhalt dieses Bandes unterscheidet sich auf unterschiedliche Art und Weise vom tatsächlich während der Tagung vom 3.-5.11.2006 durchgeführten Programm: manche Beiträge konnten nicht erscheinen, andere wurden zusätzlich hier aufgenommen. Zur

erstgenannten Kategorie gehören folgende Vorträge: Kurt W. Alt, Nicole Nicklisch, Werner Vach, „Biologische Verwandtschaftsverhältnisse im Gräberfeld von Münsingen-Rain“ und Peter Jud, „Das Gräberfeld Münsingen-Rain und die soziale Deutung von Grabfunden“; Harald Gropp, „Einige Gedanken zum Kalender von Coligny“; Miloš Jevti´c, „Miroˇc Karst in the Danube Gorges hinterlands (NE Serbia) – one of the Sacred Mountains of the Triballi“; Raimund Kastler, „Die späthallstattzeitlichen Gräber von Puch – Urstein. Fakten und Fiktion eines virtuellen Rekonstruktionsversuches“;Tessa Poller, „Interpreting Iron Age Settlement in Wigtownshire, SW Scotland“; Peter C. Ramsl, „Latènezeitliche Trachtstruktur – Elitegräber oder Lokalgruppen?“; Martin Trachsel, „Typologischer vs. kultureller Wandel vs. Datierung: Eine Dreiecksbeziehung der komplizierteren Art“; Kurt Zeller, „Neues zur absoluten Chronologie der Späthallstatt-Frühlatènezeit am Fallbeispiel Dürrnberg“; sowie Maria-Christina Zingerle, „Die nomadische Alternative und der Neid der Sesshaften“. Zusätzlich aufgenommen wurde hingegen der Beitrag von Peter Jud, „Die Menschenknochen aus den Flussheiligtümern der Westschweiz“. Diese aus unserer Sicht wichtige Diskussion etwaiger Hinweise auf Menschenopfer an latènezeitlichem Knochenmaterial, die dem Themenbereich der „Interpretierten Eisenzeiten“ voll und ganz entspricht, erscheint zeitgleich in französischer Sprache. Aufgrund der vermuteten Unzugänglichkeit für den deutschsprachigen Raum durch eine gewisse Sprachbarriere entschlossen sich Autor und Herausgeberteam, eine Übersetzung dieses Artikels hier zur Verfügung zu stellen. Ebenfalls zusätzlich aufgenommen wurde der Beitrag von Maria-Christina Zingerle und Ursula Naue über „Macht und Prestige: Kategorien der Rekonstruktion urgeschichtlicher Gesellschaften“. Dieser be-



reits online verfügbare Artikel stand zur Publikation zur Verfügung und bot sich nicht zuletzt durch seinen über das Fallbeispiel „Hallstatt“ hergestellten Bezug zu Oberösterreich für die Aufnahme in diesen Tagungsband an. Diese Art von Flexibilität repräsentiert aus unserer Sicht den Geist der gesamten Tagungsreihe. Was die gehaltenen und hier publizierten Beiträge angeht, so deckte das dichte Programm auch diesmal einen großen Bereich ab: Diskussionen um Begriffe wie „Eisenzeit“ (David Stifter) und „Kelten“ (Sabine Rieckhoff), sowie über die Problematik der Vermittlung unvollständiger Informationen zum Leben in der Eisenzeit (Kerstin Kowarik, Doris Pany, Maria-Christina Zingerle) bilden den Anfang. Naturwissenschaftlichen Ansätzen gewidmet sind Beiträge zu DNA-Analysen (Jan Kiesslich et al.) und zu den spezifischen Herausforderungen, welche der Fundort „Salzbergwerk Hallstatt“ an Dendrochronologie und fotographische Dokumentation stellt (Michael Grabner et al.; Andreas Rausch). Die englischsprachigen Beiträge bieten naturgemäß auch die am weitesten über Mitteleuropa hinausreichenden Einblicke. Die Themen reichen von der Vorstellung eines Projektes über die Veränderungen bronzezeitlicher Bestattungsriten (Katharina Rebay, Marie Louise Stig Sørensen), die Frage des „Ursprungs“ der Arras-Kultur (Greta Anthoons), bis zur Entwicklung früher feudaler Systeme in Wales (Raimund Karl). Geographisch gesehen fällt in diesen Bereich auch die Diskussion villanovazeitlicher Gräberfelder bei Bologna (Gabriele Albers). Das Thema „Mobilität“ wird durch einen Beitrag über mediterrane Schriftquellen des 1. vorchristlichen Jahrtausends behandelt (Julia K. Koch). Das Phänomen der „kleinen Brandgräber“ der Hallstattzeit (Jana Esther Fries), der Südimport in hallstattzeitlichen Gräbern und die unterschiedlichen Möglichkeiten seiner Beurteilung (Matthias Jung), und die Frage, ob Gerätebeigaben in Gräbern immer Handwerker kennzeichnen müssen (Thomas Stöllner) wirft jeweils einen intensiveren Blick auf die archäologische Kategorie „Grab“.



Vier Beiträge widmen sich dem Bereich der Textilherstellung: webtechnische Innovationen am Beginn der Hallstattzeit (Karina Grömer), schnitttechnische Interpretationen anhand der Darstellungen auf den Gefäßen von Sopron (Helga Mautendorfer), die rekonstruierende Herstellung der Hose von Thorsberg (Katrin Kania), und zuletzt eine Diskussion über daunische Webgewichte (Florian Müller) rücken diesen wesentlichen Aspekt eisenzeitlichen Handwerks ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Den letzten Block bilden Beiträge über die Verteilung von Schweineknochen in verschiedenen hallstattzeitlichen Siedlungsräumen (Nils Müller-Scheeßel, Peter Trebsche), sowie die Unterschiede von hallstatt- und latènezeitlichen Pferden (Manfred Schmitzberger). Den Abschluss stellt eine Diskussion über Interpretationsvorgänge innerhalb der Geistes- bzw. Naturwissenschaften (Klaus Löcker, Matthias Kucera) dar. Die rasche Publikation dieser Beiträge ist nicht zuletzt der Disziplin der Autorinnen und Autoren zu verdanken – ihnen allen sei an dieser Stelle dafür und für ihre Beteiligung an der Tagung herzlich gedankt. Was letzteres angeht – die Beteiligung an der Tagung – möchten wir uns auch bei allen übrigen Teilnehmenden vor allem für die intensive Diskussionsbereitschaft und dadurch das Gelingen der Veranstaltung bedanken. Dank gebührt auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des OÖ. Landesmuseums, die sich während der Tagung um das Wohl der Teilnehmenden kümmerten, sowie besonders Alexandra Bruckböck für die nun schon bewährte rasche graphische Bearbeitung der Beiträge. Herzlichst gedankt sei auch Bernhard Prokisch, Leiter des Kulturbereichs, und Peter Assmann, Direktor des Landesmuseums, für die Unterstützung der Tagungsreihe sowie die Möglichkeit, deren wissenschaftliche Ergebnisse jeweils so schnell in der hauseigenen Reihe publizieren zu können. www.schlossmuseum.at /eisenzeiten

Preface Raimund Karl, Jutta Leskovar

This collection contains the papers presented to the „Interpreted Iron Ages – case studies, methods, theories“ conference, which was held for the second time at the Upper Austrian Museum (Oberösterreichisches Landesmuseum) on 3/11-5/11/2006. While the first conference in 2004 was attended by approximately 50 participants (of which c. 30 gave papers), this time we could welcome over 100 participants, of which again c. 30 presented a paper, in Linz. This increased interest at least partially seems to be due to the successful first conference and the rapidly published proceedings (Raimund Karl, Jutta Leskovar (Hrsg.), Interpretierte Eisenzeiten. Fallstudien, Methoden,Theorie.Tagungsbeiträge der 1. Linzer Gespräche zur interpretativen Eisenzeitarchäologie. Studien zur Kulturgeschichte von Oberösterreich, Folge 18. Linz 2005), resulting in wider recognition of the conference venue. In our opinion, however, it also seems to reflect an increased and still growing need for events of this kind: the well established framework of a conference with a series of papers on related topics, combined with a setup creating an atmosphere encouraging intensive discussion. That particularly the latter actually did take place is clearly mainly thanks to the participation of the audience. To reflect this, this volume contains the discussion that followed each paper, printed after the respective article. Here, we want to express our gratitude to Sonja Prochaska, who took on the job of documenting and typing up the discussions. The contents of this volume differ in several regards from the actual programme of the conference: Some papers presented at the conference could not be included here, while some others that were not given at the conference were added. The papers that could not be included were the following: Kurt W. Alt, Nicole Nicklisch,Werner Vach, „Biologische Verwandtschafts-

verhältnisse im Gräberfeld von Münsingen-Rain“ and Peter Jud, „Das Gräberfeld Münsingen-Rain und die soziale Deutung von Grabfunden“; Harald Gropp, „Einige Gedanken zum Kalender von Coligny“; Miloš Jevti´c, „Miroˇc Karst in the Danube Gorges hinterlands (NE Serbia) – one of the Sacred Mountains of the Triballi“; Raimund Kastler, „Die späthallstattzeitlichen Gräber von Puch – Urstein. Fakten und Fiktion eines virtuellen Rekonstruktionsversuches“;Tessa Poller, „Interpreting Iron Age Settlement in Wigtownshire, SW Scotland“; Peter C. Ramsl, „Latènezeitliche Trachtstruktur – Elitegräber oder Lokalgruppen?“; Martin Trachsel, „Typologischer vs. kultureller Wandel vs. Datierung: Eine Dreiecksbeziehung der komplizierteren Art“; Kurt Zeller, „Neues zur absoluten Chronologie der Späthallstatt-Frühlatènezeit am Fallbeispiel Dürrnberg“; and Maria-Christina Zingerle, „Die nomadische Alternative und der Neid der Sess­ haften“. Papers included additionally to those given at the conference are: Peter Jud, „Die Menschenknochen aus den Flussheiligtümern der Westschweiz“. This important discussion of possible evidence for human sacrifice on La Tène period human bone fits nicely with the topics covered by „Interpreted Iron Ages “, and will also be published in French elsewhere. As we assume that the French Version will be difficult to access for archaeologists in the German countries, we were happy to offer the space for a German version of the paper. The second additional paper is the contribution by Maria-Christina Zingerle and Ursula Naue on „Macht und Prestige: Kategorien der Rekonstruktion urgeschichtlicher Gesellschaften“. This paper, which has already been available online fits nicely with others presented at the conference and was particularly interesting to us, because the case study of Hallstatt used in it connects it to Upper Austria and thus the confer-



ence venue. This flexibility where the inclusion of papers is concerned reflects, in our opinion, the spirit of the conference series. Where the papers presented to the conference and included in this volume are concerned, the dense programme once again covered a wide range of topics: Discussions of terms like „Iron Age“ (David Stifter) and „Celts“ (Sabine Rieckhoff), as well as of the problems of presenting incomplete information on life in the Iron Age to the public (Kerstin Kowarik, Doris Pany, Maria-Christina Zingerle) lead into the volume. Scientific approaches are at the core of the contributions on DNA-Analysis (Jan Kiesslich et al.) and on the specific problems faced by dendrochronology and photographic documentation at the Hallstatt salt mines (Michael Grabner et al.; Andreas Rausch). A series of English contributions covers topics that extend the discussion beyond Central Europe. Aspects covered include a presentation of a project studying the changing beliefs in Bronze Age burial practice (Katharina Rebay, Marie Louise Stig Sørensen), the question of the “origins” of the Arras Culture (Greta Anthoons), and an analysis of the evolution of early feudal systems in Wales (Raimund Karl). Another contribution dealing with an area outside of Central Europe is a discussion of Villanova period cemeteries near Bologna (Gabriele Albers). „Mobility“ is the theme of a contribution devoted to an analysis of mediterranean literary sources of the 1st millennium BC (Julia K. Koch). An analysis of the phenomenon of ‘small cremations’ of the Hallstatt period (Jana Esther Fries), of southern imports in Hallstatt period burials and different possibilities to interpret them (Matthias Jung), and of the question whether tools as gravegoods must necessarily indicate that the buried were craftsmen (Thomas Stöllner) focus their attention on funerary archaeology.

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Four contributions focus on textile production: a discussion of innovations in weaving technology at the start of the Hallstatt period (Karina Grömer), of interpretations of tailoring techniques based on images on pottery from Sopron (Helga Mautendorfer), of a reconstructive production of the trousers from Thorsberg (Katrin Kania), and finally of Daunian loom weights (Florian Müller) draw attention to this important aspect of Iron Age craft. The final thematic block is made up of contributions on the distribution of pig bones in different Hallstatt period settlement areas (Nils Müller-Scheeßel, Peter Trebsche), and on differences of Hallstatt and La Tène period horses in Austria (Manfred Schmitzberger). Concluding remarks discuss and compare interpretative processes in the humanities and the sciences (Klaus Löcker, Matthias Kucera). The rapid publication of all these papers has to be attributed to the discipline of the authors, and as such, we want to thank them for their participation in the conference and sticking to our tight deadlines. Where participation in the conference is concerned, we would also like to thank all delegates, who contributed massively to the conference’s success by their active partici­ pation in the discussions as well as the social events. We are also especially grateful to the staff at the Upper Austrian Museum, which have taken care of the participants before and during the conference, and to Alexandra Bruckböck for once again very effectively typesetting the proceedings. Our special thanks go to Bernhard Prokisch, head of cultural studies at, and Peter Assmann, director of the Upper Austrian Museum, for their support of the conference series and the opportunity to rapidly publish the proceedings in the inhouse publication series. www.schlossmuseum.at/eisenzeiten

What is the Iron Age? David Stifter

Zusammenfassung Die in der Archäologie, sowohl in der Fachliteratur, als auch in populären Darstellungen, verwendeten Definitionen von ‘Eisenzeit’ sind zumeist unzulänglich, da sie die Gliederung der (Ur)Geschichte in nach Material definierten Großepochen (Steinzeit, Bronzezeit, Eisenzeit), die universalen Anspruch zumindest erhebt, mit der Gliederung konkreter, lokaler Kultur­bereiche vermengt (z.B. röm. Kaiserzeit). Stattdessen ist eine Definition von ‘Eisenzeit’ vonnöten, die ihr einen Anfang und ein Ende innerhalb desselben Definitionsparadigmas erlauben. In diesem Sinne wird als der Eisenzeit folgende Kulturepoche ein ‘Zeitalter der Schulbildung’ postuliert, dessen lokalhistorische Ausprägung z.B. im Alpenraum die römische Provinzialzeit wäre. Die Definition ist gleichzeitig so gestaltet, dass sie im Fortschreiten der Zeit auch einen Rückschritt in der kulturellen Stufe gestattet. In diesem Sinne wiederum wird die Zeit, die lokalhistorisch als Völkerwanderungszeit und Frühmittelalter bezeichnet wird, als Rückfall in eine Eisenzeit angesehen.

Abstract Those definitions of ‘Iron Age’ that are used in archaeological publications, both scholarly and popular, are more often than not inappropriate, because they confuse the broad periodisation of (pre-)history according to the material dominant in the record (Stone Age, Bronze Age, Iron Age) – a periodisation that has the claim for universal validity – with the periodisation according to concrete cultural areas of local importance (e.g. Roman Imperial Period). Instead of this, a definition of ‘Iron Age’ is asked for that allows fixing its beginning and its end within the same definitory paradigm. In this sense it is claimed that the Iron Age is followed by a cultural period termed ‘Age of School Education’; its emanation in the local history, for example, of the Alpine area would be the Roman provincial period. At the same time, this definition has the advantage to allow for a re-lapse into an earlier cultural period in the progress of time. In this sense, again, the period that is locally called the Age of Migrations and the Early Middle Ages, is regarded as a re-lapse into the Iron Age.

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In academic discourse, and in the discourse of academics with the general public, it is essential that the terms in common use be sufficiently well and unambiguously defined. I want to demonstrate that neither is this the case in respect to the wide-spread use of the term ‘Iron Age’ – at least in the context of central European archaeology –, nor are those existing rudiments of definition sufficiently conclusive or convincing, if not altogether wrong and counterproductive to a deeper interpretation and better understanding of the phenomenon. Coming – as I do – from outside archaeology, I have the disadvantage and the advantage at the same time not to be part of the archaeology-internal discourse. A disadvantage, because I may have missed some terminological discussions within the discipline; an advantage, because I can also speak from the viewpoint of the general public: if these matters that I will touch upon have already been treated exhaustively in archaeology, this fact has surely not penetrated through to the outside world. Nevertheless, let me state at the outset that I do not consider myself an outsider to Iron Age studies at all. This would only be the case if the complex ‘Iron Age’ were something exclusively restricted to the discipline of archaeology. But in a broad discourse outside of it the term ‘Iron Age’ is freely used to refer to phenomena that go far beyond material objects that are first recovered at an archaeological excavation site and that are then interpreted according to archaeological methods. Beyond that, ‘Iron Age’ is a term at least of cultural, social and ideological histories. I am an ‘Iron Age scholar’ in the sense that, as a comparative linguist, I work mainly with those branches and cultures of the Indo-European linguistic family that can be regarded as belonging to the Iron Age in the widest sense. The received definition of the Iron Age in archaeology is that it is the third and last of the prehistoric periods (‘Urgeschichte’) of the materially defined three-period system first set up by Christian Jürgensen Thomsen (notwithstanding chronological refinements made to the three-period system over the course of time; a survey of the intellectual ‘prehistory’ of the three-period system can be found in Daniel 1976), and that it ends with the beginning of early history (‘Frühgeschichte’). (Other, less precise and altogether unsatisfactory definitions can be encountered

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Fig. 1: Christian Jürgensen Thomsen

as well, even in communication with archaeologists: Sometimes only a starting point of the Iron Age is mentioned (the time when iron becomes the standard metal for tool fabrication), but no end is specified. Another definition is that the Iron Age is the period from the 8th century B.C. (± some time) to roughly the birth of Christ. The Österreich-Lexikon (http:// aeiou.iicm.tugraz.at/aeiou.encyclop.e/e416490.htm; version: Feb. 28th 2003) says that the Iron Age, the last of the prehistoric periods, ends with the Roman Age, a definition that mutatis mutandis can be found for other regions as well.) But this is not always consistently applied. This definition, for instance, underlies more implicitly than explicitly the book Der lange Weg zur Geschichte. Die Urgeschichte Österreichs, volume 1 of the multivolume Geschichte Österreichs; but already in the immediately following sentences explanatory remarks are made about written sources on the ethnic groups of the period, remarks that remind one rather of early history than of prehistory (Urban 2000: 225). For this definition to be of scientific value, it stands to be investigated whether a clear cutting-line between prehistory, ear-

ly history and history can be made at all. The distinguishing factor between the three epochs is the type of sources available: only material remains without written documentation in prehistory, scattered written sources in early history, and full written evidence in history proper. (For a precise definition, see Eggert 2001: 33–45). As alluded to above, the application of these criteria in the received periodisation of Austrian history can hardly be called systematic. Some exterior written evidence for historical events in regions belonging to modern-day Austria is extant for at least the last two centuries B.C. (see, e.g., Dobesch 1993). Still, these are not considered extensive enough to include this period into early history. Pre-history in Austria traditionally ends with the Roman annexation of the Noric Kingdom 15 B.C. Why? Do the written sources for the Roman period in Austria yield so much more information than before? What a history, unsatisfying at best, of Austria (or, in a similar vein, of many other countries) in the first centuries A.D. could be written on the basis of the written sources? No local historical records exist until well into the Middle Ages. Going by the type of available sources alone, we have a rather uniform situation with only slight changes from the 2nd c. B.C. until the 8th c. a.d. Thus, the distinction between the three types of history is not of any help for defining the ‘Iron Age’ (or any other period). First, because of the inherent vagueness of the distinction: here written sources, there none. This criterium is fuzzy. The transition from one historical epoch to the other is gradual. (In fact, it would be preferable to have a ‘core’ definition of Iron Age (or of any other period) instead of a definition that operates with absolute lower and upper ends. But in order to arrive at such a ‘core’ definition it is first necessary to have a clear idea what constitutes the Iron Age. Clearly, it cannot be the iron alone.) In Austria, written sources slowly sprinkle in, then become rare again. It is therefore senseless to assign the transition from prehistory to early history to any particular date, even such a prominent one like the Roman annexation of Austria. This only leads to the counterproductive and counterintuitive separation of prehistoric archaeology from Roman provincial archaeology, even though parts of the archaeological record and parts of the research questions remain the same. Second, because of

the inconsistent application of the criteria by scholars (see above). And third, because the availability of source material (‘Quellenlage’) is an abstract, reflecting category that has nothing to do with the real-life material culture (‘Materialkultur’) of a region at a particular period. It is methodologically unsound to mix the concrete definition of periods according to material culture with the meta-level of historical classification according to the types of sources available. (Strictly speaking, the classification according to cultural styles (‘Kulturepochen’) like Hallstatt, La Tène, but also Roman period, etc., constitutes a third, independent classificatory system that is again per se unrelated to material culture and to availability of sources.) The nature of the available sources and the type of material culture constitute two separate classificatory systems, independent of each other. Clinging to the distinction between prehistoric and historic periods is potentially obstructing to the discipline of archaeology, given – as observed by an outsider – the reluctance or downright refusal of archaeologists of different periods, for instance of the Bronze Age, Iron Age or early medieval archaeology, to communicate or to take notice of the findings of the other. If such a rift already goes right through the subdisciplines of archaeology itself, how great will then be the break between archaeology and other historical disciplines? Since Thomsen’s times, material culture lies at the heart of the definition of the Iron Age.The impression conveyed to the general public is that it is the characteristic material for tools in general, the one that prevails

Fig. 2: Urgeschichtsmuseum Asparn an der Zaya/NÖ.

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also in the archaeological record, that is the criterium for differentiating between the Stone, Bronze and Iron Ages (or between their more subtly defined modern variants). Such a definition is a petitio principum, presupposing that the respective material had indeed had a prominent economic significance with far-ranging social implications in the period, whereas the one material – wood – that probably has always been the most important for human technology has no place in the scheme at all. Instead, I was informed by one archaeologist that strictly speaking the definition of the periods builds upon the prevalent material used for cutting implements. (On the other hand, this definition was fervently denied by other archaeologists.) By this definition, we still live in the Iron Age. This is indeed a view held by some, and it is certainly not unfounded. It can be argued that the Iron Age came to an end in Europe only in the 20th century, or that in some remote, backward areas of Europe it is going through its final phases even in our time. (I owe this idea to Wolfgang Lobisser; he meant it with special reference to certain fundamental tools that have been in continuous use since the beginning of the Iron Age, a continuity that has broken off only in the wake of total industrialisation. In rare cases such tools can still be studied in practical use.) In personal communication with archaeologists and non-archaeologists alike an implicit awareness of such a ‘long durée’ of the Iron Age up into our own time can be encountered, although it is hardly ever explicitely formulated in writing (a rare exception is the Urgeschichtsmuseum in Asparn an der Zaya where it can be found on one of the diagrams; see ill. 2). It is, however, quite clear that such a broad definition of the Iron Age, spanning three thousand years, is not very useful and will not add a lot to the understand-

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ing of the phenomena that are associated with, for example, the Hallstatt- and La Tène-cultures. But neither will it suffice to look at these two cultures alone. The Iron Age is more than the sum of Hallstatt and La Tène. A definition is needed that renders comparable similar or related phenomena not only in central Europe, but worldwide, irrespective of the absolute dates. For instance, in western Finland the period up until the middle of the 12th century A.D. is traditionally called the Iron Age, in eastern Finland even up to the 14th century (Wickholm 2005: 32). In ethnology, even modern societies of the 20th and 21st centuries have been said to exhibit features of Iron-Age ways of life, like the Dogon in Mali. These are periods that are totally alien to average central-European Iron-Age archaeologists. It is no wonder, then, that any connection or comparability of these ‘foreign’ Iron Ages with the subject of traditional Iron-Age studies in central Europe has been denied and that narrow-mindedly the existence of a common denominator for all these cultures, viz. ‘Iron Age’, has been termed irrelevant. Like fixing the upper limit of the Iron Age with the beginning of early history, rejecting possible ethnographic parallels deprives the discipline of an invaluable source of comparanda that may help to understand features of one’s own area of research. If the term ‘Iron Age’ were restricted to a specific chronological phase in a specific geographical area (viz. basically central Europe in the 1st mill. B.C. ), it would stay a largely empty label of no more cultural significance than, for instance, terms like ‘5th century B.C. ’, ‘20th century’ or ‘Hundred Years War’. But its definition as a stage in the material-cultural development of mankind implies a much broader applicability and forbids a restriction to a single chronological and cultural group – unless such a restriction can explicetely and with good reason be argued for.

However much or little service the established threeperiod system may have done or may do for the discipline of archaeology, there is the drawback that for people outside the field the sequence Stone Age, Copper Age, Bronze Age, Iron Age suggests a succession of materials, subsequently replacing one another in their everyday use. It is trivial enough to point out that stone, copper and bronze were never replaced as materials. Each of the materials, including iron, stayed an important part of material culture in the subsequent stages. The three-period system speaks about a succession of innovations none of which, however, ousted the former. This is not as trivial as it may sound and has implications for the concept of cultural change. Instead of conveying the impression of successions, one should rather visualise cultural change as a cumulativeadditive model of layers (see ill. 3). At the fading in of a new period, a ‘layer’ of the new material lays itself on top of the preceding one. There must be a transitional phase of considerable duration where it would be impossible to decide archaeologically which cultural traits – those of the the preceding or those of the ensuing period – are more prominent.1 The preceding layer is not replaced, but is still there, with a shift in the functional domains of the materials. It is an implication of the model that it can hardly be called helpful to restrict one’s research to only one period, because techniques and cultural traits of a preceding stage may be present in one own’s area of research, and those of one own’s area of research may still be present in later stages. It is quite absurd to think that a change in burial practice implies an upheaval in all aspects of life and culture. The layer-model also allows for the possibility that a top-layer were removed and that the immediately underlying one surfaced again.To a modern lay person, the layer-model will convey also the picture that, for example, the Iron Age is not a phenomenon of days long gone, but that it is still there at the bottom even of our own society, and that it has relevance to a modern person. The decisive question is: When does the Iron Age end? As demonstrated above, the implicit submission of the materially defined three-period system to the source-defined distinction between prehistory, early history and history cannot lead to useful results. This leaves the concept ‘Iron Age’ ill-defined, since only its

lower end, the beginning, is sufficiently clear; but no upper limit has been set. Naturally, a definition for an upper limit is needed, unless one wanted to broadly include everything up until industrialisation and the current ‘Oil Age’. The concept ‘Iron Age’ needs to be well-defined in order to be applied in a manner as general as possible to different ‘Iron Ages’ in the world, not only to our local one. To address this problem, again the example of Austria shall be used. It is obvious that the advent of the Romans brought a major change in many respects, and it is quite appropriate to recognise this as an epochchange and as a cultural break in some sort – but not in respect to material culture. In the Roman imperial age, too, iron dominates the scene. So what is the essential difference? Socio-politically it could be argued that the cultural difference consisted in the rigid state organisation. But such an argument would be built ex silentio. In order to compare the state organisation of Rome with that of the preceding political entities it would be necessary to have information about their organisation. But no such evidence exists except for general sociological models of so-called ‘primitive’ societies.While such a comparison is already difficult for central Europe, this would be even more difficult or impossible for other areas of the world. On the other hand, there are numerous examples to show that ‘prehistoric’ states could be well organised without the advanced methods of the Romans, for instance, the empires of the Mongols or the Incas. The admittedly good organisation of the Roman Empire is a consequence of other factors, as will be demonstrated. One could also argue that it is the use of writing that meant the end of the Iron Age. At the first glance, there does indeed seem to be a mutually exclusive correlation between Iron Age and the use of writing, but a closer look reveals this to be incorrect. The 1st mill. B.C. saw a number of Mediterranean cultures, generally regarded as Iron Age, for which the use of writing is well documented; not to speak of Bronze-Age cultures in the Near East. But the factor writing brings us closer to a definition of an upper end of the Iron Age. In my opinion, it is not writing as such that constitutes the decisive difference between the Iron Age and the ensuing cultural period, but it is the spread of writing to large portions

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of the population. Of special importance is the fact that reading and writing as active skills become a prerequisite for belonging to the higher echelons of society. In this sense, in the preceding Iron Age reading and writing were a personal hobby at best for members of the political and economic elite. The professional use of writing was restricted to certain classes like scribes, managers or religious functionaries. The decisive point, therefore, is the systematic ‘alphabetisation’ (or whatever term is appropriate for cultures with other modes of writing) of the upper levels of society, and, by emulation or because of economic pressure, in consequence of wider portions of the population, in organised school education. For this reason, I propose the term ‘Age of School Education’ for the period after the Iron Age. (A distinction is here posited between organised school education for all or almost all members of the higher classes and earlier modes of education that were restricted to certain classes or professions, like, for example, ‘druidic’ education, which is reported for 1st cent. B.C. Gaul and Britain.) Against this suggestion it has been objected that it mixes different concepts: whereas raw materials, viz. stone and metals, lie at the heart of the traditional periodisation, in this expanded system a cultural technique is used as a basis. But on the one hand, processing stone and metal can also be viewed under the point of view of a cultural technique; on the other hand, the establishment of educational systems can be viewed under the aspect that here, for the first time, a systematic approach to working with the ‘raw material’ information was introduced. Introducing an ‘Age of School Education’ into the cultural evolution of mankind is not the same as opposing in a traditional manner ‘primitive’ societies to so-called ‘high cultures’. ‘High-culture’ implies a qualitative judgement that can hardly be substantiated by any quantifier, whereas speaking of an ‘Age of School Education’ is a designation that can be assigned objectifyably on the basis of a quantifyable evaluation of the educational level of a society. This definition has several consequences for the classification of historically attested cultures, one of which – relevant for central and western Europe – I want to discuss. For this purpose, I have to return to the layermodel of the three-period system. If the Age of School Education, being the most recent layer, lies on top of

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the Iron Age layer, and if because of political events like, for example, the downfall of the western Roman Empire the social support for wide-spread school education ceases, according to the model the layer below, i.e. the Iron Age, surfaces again (see ill. 4). That means, there is a relapse into the Iron Age. This is what happened in central and western Europe during the Age of Migrations and in the Early Middle Ages, a second or secondary Iron Age. Just like the individualising names for the pre-Roman Iron Age in central Europe are Hallstatt-culture and La Tène-culture respectively, the post-Roman Iron Age can be differentiated, for example, into the Age of Migrations and the Merovingian period, in order to do justice to specific traits and circumstances of the periods in question. But on a more abstract level, the conditioning cultural factors are very similar to that of the pre-Roman period. Cultural achievements of the Roman period that rely on or are conditioned by the wide-spread use of writing are lost. It is true that one big difference between the first and the second Iron Age consists in the fact that for early medieval tribal federations and states there existed the model of the Roman Empire as something to be striven after. But this objection does not invalidate the claim for a cultural step back in this period. Furthermore, this objection operates with a concrete historical-political reality; something that must be avoided in a generally applicable definition.Accepting this objection would entail to attribute the Roman state an exceptional historical role, as if it possessed the status of a unique evolutionary step in human societies. And such an objection also builds on an argumentum ex silentio: it presupposes that in prehistory there existed no larger political units that could serve as a model for succeeding states. It is quite possible that this may have been the case, but due to the lack of historical sources we do not know about it. In fact, in the IronAge societies of the Early Middle Ages there existed a consciousness of what was one of the main differences between the nostalgically idealised order of the Roman Empire and the present times, perceived as poor and as a regression. In the reigns of Emperor Charlemagne and only little later of King Alfred the Great in England, explicit programmes of school education figure prominently among the measures taken by both men for a cultural renaissance (see Einhard’s Vita Karoli

Magni and Alfred’s prologue to the Old-English translation of the Cura Pastoralis). I will try to exemplify the foregoing hypothesis with a concrete case. In Irish philology, for many decades a hot debate has been going on about what can be read into the early medieval Irish sagas and tales, especially the famous Ulidian tales with their literary centre piece Táin Bó Cúailnge ‘The Cattle-Raid of Cúailnge’. A large portion of the tales is set in the pre-Christian era, that is, in that period that by general definition is called Iron Age in Irish archaeology. Therefore the one party in the debate, today usually called ‘nativists’, wanted to see in the tales an invaluable ‘window on the Iron Age’ (this famous slogan goes back to the title of an influential book by Kenneth Jackson 1964 on the subject). The classical formulation of the theory, which no longer has notable adherents in its strict form, says that the tales, put to writing between the 7th and the 9th centuries, faithfully mirror the Iron-Age society of the time shortly before Christianisation. The tales would have been orally transmitted for ca. four hundred years. Because they were supposed to be untinged by all contemporary or Continental European influence and especially because they were supposed to be free of Christian references, they could be taken as sources for prehistory at face value. The opposing party in the debate are the so-called ‘anti-nativists’ who have gained the upper hand in the last decades. Unlike the nativists they maintain that the tales were composed during the Christian period in a monastic environment, even if methodically unprovable they continued pre-Christian motifs. That means that no pagan ideas can be reflected in the tales, and the purpose for their composition was not antiquarian interest in the own national past, but must be sought in

the contemporary socio-political environment. In antinativist discourse, the term ‘Iron Age’  hardly plays any role, but it could be thus integrated into a resumée of strict anti-nativism that all that what seems to be identifiable as Iron-Age cultural items in Irish sagas rather is a literary import from external, i.e. mainly classical sources. Detailed investigation in the material culture and the environment of the Ulidian sagas, undertaken mainly by James Mallory 1992, has yielded the result that they reflect the early medieval period of Ireland. So the question could be considered treated and answered. But from the point of view of literary history, especially that of heroic literature, it is remarkable that these tales contain typical elements of a ‘heroic mindset’ . Elements that broadly speaking are usually associated with Iron Age cultures are present in so great a number that the assumption of mere literary loans seems naïve. This is especially true of a series of well-known parallels with‘heroic-age’ customs, attested for late La Téne Gauls on the Continent, that have their exact counterpart in central motifs of Irish sagas.2 How can the presence of Iron-Age customs in literature from the fully christianised, European-influenced Middle Ages be explained, if these motifs are unlikely to have been transmitted orally for centuries in their attested form? Part of the problem is that traditionally the end of the Iron Age is fixed with the arrival of St. Patrick 432 A.D., i.e. with the coming of Christianity, in yet another example of the mechanical, unreflected confusion of cultural periods with the criterium of availability of historical sources. In fact, there is no indication that the arrival of Christianity in the 5th and 6th centuries and the change of the religious system were accompanied by any substantial change in eve-

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ryday material culture or social structures. The burden of proof lies with those who claim that such a total restructuring did take place. A solution to the problem can be that the Irish heroic tradition does not reflect the long-gone pagan past, but that it reflects the Iron Age Irish present. The Iron Age is not per se pagan or pre-Christian, just like a region is not automatically past the Iron Age simply because the Romans had been there. The presence of an Iron Age culture is independent of available historical sources about a region, likewise it is not correlated with a particular belief system. In Early Medieval Ireland, reading and writing were skills limited to a small monastic caste. According to the definition of the ‘Age of School Education’ above, the Iron Age must therefore be considered to have lasted until far into the High Middle Ages when it was replaced by a more advanced stage of social evolution. The case of Ireland is only part of a much larger package of problems associated with comparative heroic literature research. Put simply, the subject of heroic literature studies is literature, often but not exclusively transmitted in epics, concerned with heroes and their heroic deeds. In heroic literature research there is the concept of the ‘heroic age’ (de Vries 1961: 243 – 259). A typical feature of the heroic age is a model of society in which an aristrocratic elite of land-owners, supported by clients and retainers, pursues its ideal for life in performing heroic deeds, typically of a military nature. This is a mindset that with or without good reason is frequently implied for Iron Age societies. If this is the case (and only if, but this is a question that needed testing in further-reaching investigations of the phenomenon ‘Iron Age’ ), one could develop a hypothesis about other Iron Ages like the Hallstatt- or La Tène-cultures; a hypothesis that has with all reservations some support in artifacts like ‘Fürstensitze’ , large tumuli, etc.

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A paradox or problem with the heroic age is that for some cultural regions it must be dated in absolute terms into chronological phases that are far removed from that what is traditionally regarded as Iron Age in archaeology. For example, in Germanic tradition the heroic age falls into the Age of Migrations; in South Slavic heroic epic literature, we are talking about the 13th – 17th centuries. The layer model of cultural periods permits a more refined distinction.Thus, it is conceivable that up until the most recent times in marginal areas of Europes, like, for instance, in the Balkans, in parts of north-eastern Europe, but also on the western fringes of Ireland, urban or semi-urban centres participated in the common modern-age culture, whereas the adjacent rural, illiterate areas belonged culturally to a kind of late Iron Age. Likewise, in the Roman provinces of central and western Europe we may have a situation where the social macrostructure changes, but where there is continuity with Iron Age in the microstructures. In that way, some of the apparent Iron-Age heroic traits of the South-Slavic heroic poetry, but also of the Germanic heroic tradition may be explained. It looks like Iron Age, because it is Iron Age. The foregoing is necessarily only a sketch, a preliminary critique of the received definitions of Iron Age in archaeology, and a first step towards trying to embrace the phenomenon from a wide range of different disciplines. Many more questions arise: What is the Iron Age, apart from a metal in the excavation record? What are the common denominators of, e.g., the Hallstattculture and so-called Iron-Age societies of the 20th century? Is the assumption correct that similar preconditions result in similar structures? Is there something typically Iron Age in the political, social, economical, material, religious, narrative, cultural, etc., spheres? But all these questions can be subsumed in a single, final question: What is the Iron Age, after all?

1 To get an idea of the duration of the transitional phase between two periods it may be useful to adduce and compare the sociolinguistic model of language replacement. Field studies have shown that language (L) replacement, a.k.a language death, typically takes three generations (G): The first generation (G1) is monolingual in the vernacular language of a region (L1), but for some external (usually: social, political) reason is forced to learn another, dominant language (L2) that intrudes into central areas of communication in society. Members of G1 will be able to communicate to some degree in L2, but they feel at home only in L1. Nevertheless, because of L2’ s dominance, G1 starts to raise their own children (G2) in L2, although to a larger or lesser degree G2 will have familiarity with L1 from usage at home, in private communication. Still, for G2 L2 is their prime medium of communication. They will only transmit L2 to G3; L1 will be only fragmentarily known to G3 from G1, their grandparents‘ generation. After G3, L1 is dead. This model is probably applicable to a large range of situations involving cultural change, although it is not a perfect comparison, in so far as in the case of language replacement there ocurs a complete loss of the earlier state of affairs, whereas cultural change means only a shift in prominence awarded to certain cultural expressions. Still, I think, the model may be useful to show how such shifts take place in societies. 2 Even if one objected, as Rieckhoff 2001: 14 15 does, that some of the parallels were due to loans from classical literature, especially Posidonius, the question arises why exactly those motifs were chosen. Rieckhoff seems to imply that the motifs were taken over because medieval Celtic Irish scholars deliberately transferred literary material about ancient Celtic peoples onto their own culture (‘[...] sondern es wurde auch antikes Wissen über die Kelten auf irische Verhältnisse übertragen.’ ) But this is patently wrong and builds on wrong premises: the medieval Irish did not know that they were Celts and felt no particularly close relationship to any other Celtic people of antiquity or the middle ages (after all, ‘Celtic’ and ‘Celt’  are modern linguistic and classificatory terms). So there was no incentive at all to choose exactly those motifs, unless the Irish authors recognised something in them that they knew from their own culture. But in that case there was no need at all to borrow the motifs since they had already been there in the culture in the first place. Rieckhoff ’ s very broad sweep fails in another, fundamental respect: It implies that the medieval Irish scholars borrowed from the ancient ethnographic tradition about the Celts, like, for example, from Posidonius. This tradition was mainly in Greek. Even if the Irish monks are granted a certain level of education, this is usually grossly overrated. The praised high erudition and education in Irish monasteries must be seen in relation to the miserable state of affairs in the rest of Europe. A knowledge of Greek cannot be argued for Irish­ monks (there is one Irishman in the Early Middle Ages who knew good Greek, Iohannes Scottus Eriugena, and he in fact lived on the Continent!). Before the claim for a literary loan of those motifs from the ancient ethnographic tradition can be made, let alone substantiated, it must first be shown that Irish monks knew this tradition. This has not been demonstrated so far.)

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Diskussion Harald Gropp Stimmt der Aussage des Vortrages zu. Hält das Definitionskriterium Kulturtechnik bzw. soziale Umstände für geeigneter als die bisher für diesen Zweck verwendeten Materialkomponenten. Letztere hätten zwar lange Zeit gute Dienste geleistet; es wäre aber im 21. Jh. notwendig, neue Begriffe zu suchen, die die darzustellenden Einheiten besser charakterisieren. Raimund Karl Die Bezeichnungen mit der Materialkomponente sind ebenfalls nur dadurch möglich, daß durch den systematischen Umgang mit dem Werkstoff „Information“ das Basiswissen für die überregionale Nutzung von anderen Werkstoffen (Bronze, Eisen...) weitergegeben wird. Die Unterscheidung erfolgt also wiederum über die Art der Weitergabe von Wissen - schriftlich oder ohne den Gebrauch von Schrift. David Stifter Die Weitergabe von Information in Schriftform wurde hier als Definitionskriterium gewählt. Die vorgeschlagene „Schulzeit“ zeichnet sich dadurch aus, dass das Speichermedium Schrift in weitem Umfang verfügbar ist; nicht dass Lernen durch Weitergabe von Informationen stattfindet. Es gibt also pro „Zeitstufe“ eine große Anzahl von Personen, die mit dem jeweiligen für die Bezeichnung gewählten Werkstoff umgehen können, sei es ein Metall oder die Schrift. Raimund Karl Die Reihung der Phasen wurde als zeitliche Abfolge dargestellt. Hält aber die „Schulzeit“ nicht für chronologisch nachgeordnet (Bsp.: im nahen Osten wäre in der Bronzezeit bereits „Schulzeit“). Herauszuheben wäre eher die Änderung des Informationsmediators. David Stifter Für den Vortrag wurde eine vereinfachte Darstellungsweise gewählt, die eine Abfolge suggeriert. Die Vorgänge sind natürlich weitaus komplexer und die einzelnen Phasen existieren sowohl neben- als auch durcheinander. Raimund Karl Das Modell ist also als eine Art „Informationsstratigraphie“ anzusehen. Brigitte Röder Die formalisierte Ausbildung unter Einbeziehung von Schrift wurde bisher immer als Definitionskriterium für die sogenannten „Hochkulturen“ angewandt. Wie ist die Abgrenzung der vorgeschlagenen „Schulzeit“ von diesem Terminus „Hochkultur“ angedacht? David Stifter Die Definition von „Schulzeit“ ist sehr nahe an der für „Hochkultur“. Lehnt aber die moralisch wertende Aussage im Begriff „Hochkultur“ ab. Insgesamt ein sehr ähnliches Konzept. Chris Lucianu Hätte strukturelle Verwandtschaften über zeitlich verschobene Kulturen erwartet. Weist auf eine Übersetzung des „Beowulf“ durch Heaney hin,

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der als katholischer Ire dem angelsächsischen Text sehr differenziert gegenübersteht; aber im alten Sprachgut beider Kulturen (irisch, angelsächsisch) ähnliche Vorstellungen widergespiegelt findet. Wie funktioniert time-shift und place-shift? David Stifter Die Fragestellung war eigentlich der Ausgangspunkt der Überlegungen. Hat aber dann festgestellt, dass er einen Schritt zurückgehen muss und zuerst die definitorische Grundlage betrachten. Also zuerst klar festlegen: Was ist Eisenzeit im umfassenderen Sinn (nicht nur in der archäologischen Definition)? Es ist notwendig, zuerst einen klaren Kriteriumskatalog zu erstellen, um denn erst die Phänomene im Detail zu vergleichen (z.B. das Tain mit der Eisenzeit-Archäologie). Harald Gropp Schriftlichkeit/Schriftkultur existiert im nahen Osten schon sehr früh (spätestens im 4.-2. Jt. v.Chr.). Diese müssen mit der Lehre in Form einer Art Schule verbunden sein. Es besteht aber ein gradueller Unterschied in der Anzahl der Lernenden. Hält die These zwar für einen interessanten Ansatz, weist aber darauf hin, dass wir Schulbildung nur schwer nachweisen können (z.B. wenn auf vergänglichem Material geübt wird). David Stifter Es ist klar, dass Schrift nur in Form von Lehre/Lernen weitergegeben werden kann. Es geht in diesem Modell aber nicht nur um einen Berufszweig (Schreiber, Sekretär, ...) sondern darum, dass (mindestens) die Elite diese Kulturtechnik persönlich/selbst/aktiv verwendet; und die Verwendung über den ökonomischen Bereich hinausgeht – die Nutzung von Schrift auch auf die Verwendung in Briefen, Belletristik, etc. ausgeweitet wird. Die von Caesar genannte „Schule für Druiden“ fällt also nicht unter diese Vorgabe, weil es sich dabei um fachspezifische Ausbildung von Spezialisten handelt, nicht um schriftspezifische Grundausbildung. Martin Trachsel Ist unglücklich mit dem Versuch die Definition für Eisenzeit zu globalisieren. Thomsen erstellte die „gewohnte“ Gliederung für das ihm vorliegende Fundmaterial und wählte als Kriterium das Material, aus dem die jeweiligen Schneidewerkzeuge bestehen; unter diesem Gesichtspunkt läuft die Eisenzeit bis heute. Durch die Hinzunahme von kulturellen Phänomenen kommt es zu einer Überprägung, Bsp.: klassisch antike Eisenzeit, frühmittelalterliche Eisenzeit. Was geschieht, wenn nicht alle Punkte des Kriterienkataloges zusammentreffen? Der Blick auf das Wesentliche ist durch das Modell eher verstellt. David Stifter Der Blick ist auch einzuschränken. Es erwächst eine psychologische Barriere gegen Vorurteile und vorschnelle Schlüsse, wenn die betrachtete Periode der „eigenen Zeit“ ähnlicher wird. Es stellt sich die Frage, wo der Begriff Eisenzeit „nur“ angewandt wird (Bsp. nur in Europa). Martin Trachsel Eine Definition unabhängig vom Kontext führt zu weit.

Matthias Jung Was folgt im Modell auf das „Schulzeitalter“? Gilt z.B. die Industrialisierung als qualitativ neu? David Stifter Meint, die Industrialisierung sei eine Folge der Schulausbildung, weil eine größere Anzahl Personen in Administration und Organisation beteiligt ist. Die Schulzeit soll nicht als Ende der Entwicklung ausgewiesen sein; für den Vortrag wurde dieser Ausschnitt aus einer längeren Reihe herausgegriffen.Vorstellbar wären z.B. ein Kapitalzeitalter, Erdölzeitalter, etc. Peter Jud Um eine Gesellschaft zu verstehen, die der unseren völlig unterschiedlich ist, müssten wir alles bisher Geschehene vergessen, um passende Kriterien finden zu können. Hält die Unterteilung in Hoch-/Nieder-Kulturen nicht für passend. Was bringt ein Kriterium, das uns vertraut ist? Es erlaubt nur eine Aussage darüber, ob die betrachtete Kultur fremd/anders ist, oder nicht. Der Gegensatz hier/wir - dort/anders sollte nicht impliziert werden. Wichtig wäre es Kriterien zu finden, die keine Elemente unserer Kultur mit der „fremden“ vergleichen. David Stifter Das Modell soll ja gerade darauf hinweisen, dass es sich nicht um einen wir/fremd Gegensatz handelt. Die jeweils „darunterliegenden“ Lagen sind ja weiterhin vorhanden.Wir befinden uns immer noch zum Teil auch in der Steinzeit/Eisenzeit etc., weil diese weiterhin „dabei“ bzw. im Modell „darunter“ sind. Für eine sinnvolle Untersuchung der z.B. Eisenzeit sollte nicht alles, was seit der Eisenzeit geschehen ist, vergessen werden; für eine Interpretation von z.B. Funden müssen wir vergleichen können (auch mit zeitlich zwischen der Eisenzeit und der Gegenwart Liegendem). Diese Vergleiche müssen auf ihre Zulässigkeit hin abgewogen werden, aber nichtsdestotrotz verwendet werden dürfen.

Zusammenfassung der Diskussion Es herrscht weitgehend Übereinstimmung darüber, daß die „üblichen“ Bezeichnungen nicht alle Aspekte der benannten Kulturen oder auch nur der Intention der Benennung widerspiegeln und über die Begriffe diskutiert werden soll. Das vorgestellte Modell wird als erster Ansatz begrüßt. Unter den vielfältigen Denkansätzen für Definitionskriterien diesbezüglicher Neu- oder Weiter-Entwicklungen finden sich Kulturtechniken, soziale Umstände, Speichermedien für die Informationsweitergabe, Form der Lehre, Menge der Personen, die über Wissen verfügen (können) und eine Weiterführung der überwiegend verwendeten Materialien bis in frühgeschichtliche und geschichtliche Zeit hinein. Die aufgebrachten Kritikpunkte reichen von der zeitlichen und geographischen Enge der betrachteten Räume, über die teils einem moralisch wertenden Beigeschmack Vorschub leistenden Bezeichnungen und demVergleich mit auf einer anderen Basis beruhenden älteren Systemen bis zur Schwierigkeit des Nachweises von „virtuellen Materialkomponenten“. Insgesamt wird die Fragestellung „Was definieren wir als Eisenzeit?“ insofern als wichtig eingestuft, als den einzelnen Forschungen ohne deren Beantwortung eine grundlegende Einigung über den Forschungsgegenstand fehlt.

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Die Erfindung der Kelten Sabine Rieckhoff

Für Piggy zum 3. 11. 2006

Ein „Volk der Kelten“? Im Sommer 2006 fand in Paris eine internationale Tagung statt, auf der eine Bilanz aus 25 Jahren europäischer Keltenforschung gezogen wurde („Celtes et Gaulois, l’Archéologie face à l’Histoire“, 28.-30.7.2006 Collège de France). Diese Bilanz stützte sich auf insgesamt 75 Vorträge, die ein Jahr zuvor an fünf verschiedenen Universitäten gehalten worden waren und inzwischen auch publiziert vorliegen. Das Leipziger Kolloquium war den „Kelten in Geschichte, Historiografie und modernen Ideologien“ gewidmet (Rieckhoff 2006a; 2007a). Mit dieser Bestandsaufnahme nahm die archäologische Keltenforschung erstmals die Möglichkeit wahr, nicht nur den Fortgang ihrer Forschungen nachzuzeichnen, sondern auch die Mechanismen ihrer Konstruktionen aufzudecken und die Wirkungsmächtigkeit tradierter Erzählungen offen zu legen (Rieckhoff 2007b).

One „Celtic people“? In Summer 2006, an international conference took place in Paris, which looked back at 25 years of European research on the Celts („Celtes et Gaulois, l’Archéologie face à l’Histoire“, 28.-30.7.2006 Collège de France). This review was based on 75 academic papers which had been given in the previous year at 5 different universities and which have in the meantime also been published. The Colloquium in Leipzig assessed the “Celts in History, Historiography and modern Ideology” (Rieckhoff 2006a; 2007a).With this assessment, Celtic archaeology for the first time had the possibility not only to retrace the history of its own research, but also to uncover the mechanisms of its own constructs and to assess the impact of traditional narratives (Rieckhoff 2007b).

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Eine Synthese zwischen den zum Teil sehr widersprüchlichen Einzelbeiträgen konnte in Paris leider nicht hergestellt werden. Ich möchte das hier zu einem Thema nachholen, das neuerdings wieder zu den „heißen Eisen“ gehört: die sogenannte „Ethnogenese“ der Kelten. (In der Linzer Diskussion wies R. Karl mit Recht darauf hin, dass der Begriff Ethnogenese insofern problematisch sei, als er präjudiziert, dass eine solche stattgefunden habe. Exemplarisch für die traditionelle Sicht der keltischen Ethnogenese: Fischer 1981; 1986. Beispielhaft für den Paradigmenwechsel: Chapman 1992; Collis 1997; Rieckhoff 2001, 14 (vgl. dazu die hitzige Rezension Zimmer 2004, der sich auf G. Buchanan 1582 (sic!) beruft, den er aber offenbar nicht richtig verstanden hat, und die kühle Gegenkritik an Zimmer von Collis 2007, 115). Einen guten Einstieg in die Forschungsgeschichte bietet die Textsammlung von Carr, Stoddart 2002.) Das Thema ist nicht neu, die Fragen sind bekannt: Waren die Kelten wirklich „eines der großen Völker Alteuropas“ (Bittel 1981: 15; Gebhardt 1993: 2) oder zumindest eine europäische „geistige Kultur“ (Kuckenburg 2004: 7. 78), wie es die Wissenschaftler gerne den Politikern soufflieren? Oder waren die Gallier nur imaginäre Vorläufer der grande nation? Und die antiken Kelten gar nur eine literarische Fiktion? Präziser gefragt: Wann und wo können wir von Kelten sprechen – als Volk, als Ethnie oder noch allgemeiner – wie es L. Pauli 1980 im Katalog der Keltenausstellung Hallein formuliert hat – als „Wir-Gruppe“ (Pauli 1980: 22)? Pauli beantwortete diese Frage letztlich mit Hilfe desselben traditionellen Keltenbegriffes wie alle anderen von ihm kritisierten Forscher. (Das geht aus seiner Karte zu Ursprung und Verbreitung der Kelten hervor (Pauli 1980: 31). Vgl. den kritischen Kommentar zu den den diversen Keltenkarten zugrunde liegenden Konzepten (Collis 2003) und Paradigmen (Rieckhoff 2006b)). Aber er hatte als Erster etwas Wesentliches erkannt – die Bedeutung der Forschungsgeschichte für das Verständnis jeder Art von Keltenbegriff. An diesem methodischen Punkt möchte ich ansetzen, da das Leipziger Kolloquium gezeigt hat, wie im Laufe der Zeit immer wieder neue Theorien zum Ursprung der Kelten als Ergebnis des historischen Diskurses entstanden sind. (Diskurs ist hier nicht im Sinne der Alltagssprache gemeint, d.h. im Sinne der wissenschaftlichen Dis-

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kussion, sondern im ursprünglichen Sinne Foucaults, d.h. im Sinne der historisch spezifischen, institutionalisierten sprachlichen und nicht-sprachlichen Regulierungen, unter denen spezialisiertes Wissen produziert wird: Foucault 1966; 1969.)

Keltenforschung und Kulturbegriff Forschungsstand und Wissenschaftsgeschichte Mit Forschungsgeschichte meine ich hier nicht nur die uns vertraute Rückschau auf den Stand der ­Forschung, die die eigenen Ergebnisse in den Kontext vorangegangener Forschungen einordnet, um ­damit den gegenwärtigen Standpunkt zu bestimmen und von diesem aus modifizierte Forschungsziele zu ­definieren. Zur Forschungsgeschichte gehört auch die Wissenschaftsgeschichte, die Geschichte der epistemologischen Grundlagen der Archäologie. Der Stand der Forschung beschreibt die Akkumulation des Wissens und den Fortschritt der Forschung;Wissenschaftsgeschichte dagegen untersucht die Handlungsspielräume, in denen Wissen produziert und erworben wird. Ziel der Wissenschaftsgeschichte ist die Erkenntnis dessen, was den Paradigmen der Forschung zugrunde liegt – d.h. das, was der Philosoph L. Althusser (1918-1990) die „Ideologien“ genannt und sein Schüler M. Foucault (1926-1984) als das „Wissen“ oder die „episteme“ bezeichnet hat. Die positivistische ­Archäologie hat dieses Erkenntnispotential erst ansatz­weise zur Kenntnis genommen, weshalb man in unserem Fach immer noch auf die Meinung stößt, dass Wissenschaftsgeschichte Selbstzweck sei, sozusagen nur eine Spezialisierung unter vielen. Tatsächlich aber ­ermöglicht nur die kritische Auseinandersetzung zwischen ­ Vergangenheit und Gegenwart die Entwicklung neuer Thesen, unabhängig von bereits bestehenden, und in der Folge Th. Kuhns berühmten Paradigmenwechsel (Kuhn 1962). Keltenforschung Wenn man die Ausstellungskataloge und Gesamtdarstellungen zu den Kelten der letzten 40 Jahre durchblättert, herrscht, von wenigen Ausnahmen abgesehen (z. B. Pauli 1980), eine streng antiquarische Betrach-

tungsweise vor. Schöne Fundobjekte und bedeutende Fundplätze illustrieren die Geschichte der Kelten. Falls Forschungsgeschichte überhaupt Berücksichtigung fand, erschöpfte sich diese in der Aufzählung von sensationellen Entdeckungen oder den Leistungen herausragender Forscherpersönlichkeiten (Bittel 1981; Kruta 2000). Ausgespart blieben Konfliktfelder und Widersprüche, insbesondere solche, die sich an der Ethnizität der Kelten entzündet hatten. Als Interpretationsmuster diente die „archäologisch-linguistische Keltenkonzeption“, die sich – zugespitzt und verkürzt – auf die Formel bringen lässt: Erstens, wer keltisch spricht, ist Kelte; zweitens, die Latènekultur, insbesondere die Latènekunst ist keltisch. Man darf die Entwicklung des Keltenbegriffes nicht isoliert sehen. Er ist Teil eines umfassenderen archäo­ logischen Kulturbegriffes und dessen Paradigma der ethnischen Deutung, das heißt der Interpretation ­ archäologischer Kulturen als historische Ethnien. Das ethnische Paradigma implizierte von Anfang an eine Reihe von Phänomenen, die auch für die ­Keltenforschung signifikant wurden: die Frage nach der Urheimat vonVölkern, derVolksbegriff an sich und die nationalistische Aufladung dieses Begriffes. Wie U. Sommer zeigen konnte, rankten sich fast alle mittelalterlichen ethnogenetischen Erzählungen um Migrationen; erst mit dem Aufkommen des Nationalstaates wurde der Autochthonismus populär (Sommer 2007a). Das „Volk der Kelten“ hat seine Wurzeln im 18. Jahrhundert, als die französische Aufklärung den Mythos von den freiheitsliebenden gallischen Vorfahren – nos ancêtres les Gaulois – als Waffe gegen den Absolutismus des ancien régime einsetzte (Olivier 2006). Nun konkurrierten in Frankreich zwei Vergangenheitsmythen, einerseits die von der Aristokratie geschaffene Legende von den fremden Eroberern und andererseits der Mythos vom gallischen Urvolk. Der Autochthonismus erforderte neue, andere Konstruktionen, um die Vergangenheit möglichst lückenlos erzählen zu können; Kontinuität wurde daher zum Schlüsselbegriff der Nationalgeschichte. Ihre Aufgabe war es Identität herzustellen, den eigenen Standpunkt teleologisch zu untermauern und gegen fremde ­Erinnerungen zu immunisieren; ihr Ziel war Abgrenzung und Ausgrenzung. Archäologie und – nicht zu vergessen – Sprachwissenschaft übernahmen es, die Nationalgeschichte

jenseits der Historie in die­ ­dunklen Tiefen der Vergangenheit zu verfolgen. Kulturbegriff Vor diesem Hintergrund entwickelte sich der bis heute gültige archäologische Kulturbegriff, dessen Väter bekanntlich G. Kossinna (1858-1931) und V.G. Childe (1892-1957) waren, nicht zufällig von Haus aus beide Sprachwissenschaftler. Kossinna war davon überzeugt, dass räumlich scharf begrenzte archäologische Kulturen mit „bestimmten“, d.h. mit historisch bekannten Völkern gleichgesetzt werden könnten; er war überzeugt davon, dass Volk, Kultur, Sprache und Rasse Synonyme seien (Kossinna 1911). Diese Thesen waren zwar unbewiesen und unbeweisbar, aber die ethnische Deutung wurde zum deutschen Exportschlager. Childe meinte das gleiche wie Kossinna, auch wenn er statt von Völkern – lediglich scheinbar neutraler – von „Kulturen“ sprach (Childe 1929), selbst als er sich später von der ethnischen Deutung distanzierte (1956). Übrig blieb eine ideologisch entschlackte, antiquarisch orientierte Nachkriegsarchäologie, die ihre Aufgabe darin sah, die Ereignisgeschichte für schriftlose Zeiten zu schreiben, gepaart mit einem zunehmenden Skeptizismus gegenüber soziologischen Fragestellungen. In den 1970er Jahren stellte die New Archaeology erstmals das ethnische Paradigma in Frage, aber zu einer Diskussion auf breiterer Basis kam es erst vor 10 bis 15 Jahren durch Anregungen aus den englischen Sozialwissenschaften, vor allem in Großbritannien und Spanien. Begriffe wie Volk, Nation, Ethnos, Identität, Zivilisation und Kultur wurden neu definiert. Sie wurden als veränderliche, von historischen Prozessen abhängige Konstrukte erkannt, die von – um es mit Max Weber zu sagen – Glaubensgemeinschaften geschaffen werden (Hoffmann 1991; Sommer 2003). Die „Imaginären Gemeinschaften“ (Anderson 1983) und „Erfundenen Traditionen“ (Hobsbawm 1983) eröffneten der Archäologie neue Sichtweisen: erstens auf die Mechanismen der Konstruktion von ethnischen Identitäten, und zweitens auf den Gebrauch bzw. Missbrauch der Archäologie in Politik und Gesellschaft mit Hilfe solcher Konstruktionen (Rieckhoff, Sommer 2007; Sommer 2007b). Um auf die Kelten zurückzukommen: Sie sind –

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im Spannungsfeld zwischen Herodot und modernem irischem Keltizismus – ein Paradebeispiel für die Mechanismen der Kontinuitätskonstruktion in der Archäologie, und ihre „Ethnogenese“ ist überreich an Identifikationsprozessen auf regionaler (Ruiz Zapatero 2006), nationaler (Olivier 2006), supranationaler (Celts 1991) und neuerdings auch globaler Ebene (Dietler 2006). Dennoch hat die internationale Eisenzeitforschung die Diskussion darüber mehrheitlich noch nicht offensiv aufgegriffen. In Paris kamen daher zwei sehr ungleichgewichtige Positionen zur Sprache: einerseits die kleine Spitze der Kritiker an der archäologisch-linguistischen Keltenkonzeption, andererseits die breite Front traditioneller Thesen zur „Ethnogenese“ der Kelten, die ich hier an drei Beispielen erläutern will (de Marinis 2006; Brun 2006; Krausse 2006). Grundlagen der archäologisch-linguistischen Keltenkonzeption Bevor ich die Qualität dieser Thesen prüfe, betrachte ich zunächst die Quellen aus der Sicht einer kritischen Wissenschaftsgeschichte. In chronologischer Reihenfolge sind dies die antiken, die sprachwissenschaftlichen, die religionsgeschichtlichen und die archäologischen Quellen, die der traditionellen archäo­logisch-linguistischen Keltenkonzeption zu Grunde liegen. Antike Texte Neuere Studien zur antiken Überlieferung hinterlassen den Eindruck, dass der Aussagewert der erhaltenen Quellen hinsichtlich historischer und ethnografischer Informationen bisher erheblich überschätzt worden ist (Tomaschitz 2002; Hofeneder 2005; Urban 2006; 2007; Kistler 2007). Das lag aber sicher nicht am mangelnden philologischen Scharfsinn der Historiker, sondern an deren historistischem Wissenschaftsverständnis. Seit 1824 lastete L. von Rankes Vermächtnis auf den Historikern, dass es ihre Aufgabe sei, zu „sagen, wie es eigentlich gewesen ist“, ein Satz, der in Einführungsvorlesungen noch in den 1970er Jahren zitiert wurde (Ranke 1824). Ranke, der Begründer des Historismus, kanonisierte den Glauben an den unilinearen Prozess der Geschichte, die Vergangenheit und Gegenwart miteinander verbindet, und an die Objektivität

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des Historikers, der diese universale Geschichte umso wahrheitsgemäßer erzählen könne, je mehr Quellen ihm zur Verfügung stünden. Selbst Johan Gustav Droy­ sens Absage an die Objektivität des Historikers zog zu keiner Zeit die Objektivität der Quellen in Zweifel. Nicht einmal die fundamentale Kritik der sozialwissenschaftlichen Geschichtsschreibung der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts am Historismus, die Abkehr von jeglicher hermeneutischer Epistemologie und die Entwicklung einer „strukturanalytischen Geschichtsschreibung“ (Kocka 1975) konnten das Vertrauen in empirische objektivierbare „Fakten“ erschüttern. Im Gegenteil, es wurde eher noch gesteigert durch die mit den Sozialwissenschaften verbundene Einführung neuer quantifizierender Verfahren, die eine exaktere Überprüfung der Quellen ermöglichten – und forderten. Erst seit den 1980er Jahren entwickelte sich daraus ein neuer positivistisch-kritischer Umgang mit den Quellen, der das Bewusstsein dafür schärfte, dass „Geschichte nie identisch ist mit der Quelle, die von dieser Geschichte zeugt“ (Koselleck 1979: 204). Gleichzeitig verschob sich das Interesse von der „Gesellschaftsgeschichte“ auf die „Neue Kulturgeschichte“ (Raphael 2003: 228ff.; Eibach, Lottes 2006: 179ff.). Unter dem Einfluss der Ethnologie wurde die Neugier der Historiker am Marginalen, Unterdrückten, Tabuisierten, mit einem Wort am kulturell „Fremden“ geweckt; politisches Handeln wurde – gerade auch in der Alten Geschichte – unter dem Aspekt seiner kulturellen Einbettung untersucht. Es ist nicht überraschend, dass sich dieser cultural turn in einer Literaturflut zu Form und Funktion der Darstellung des Fremden bei Griechen und Römern, sowohl in der Literatur wie in der Kunst, niederschlug. Allerdings spielten die Kelten darin meist nur eine Nebenrolle, vermutlich, weil sie nicht zu den Mittelmeeranrainern im weitesten Sinne zählten (vgl. die Literaturangaben bei Hölscher 2000; Kistler 2007). Vor diesem Hintergrund ist die Textkritik des Leipziger Beitrags von R. Urban zur Instrumentalisierung des Keltenbegriffes zu sehen (Urban 2006). Erleichtert wurde den antiken Historiografen die Instrumentalisierung dadurch, dass es in der Antike nur einen diffusen Keltenbegriff gab, der nie in irgendeiner Form – durch Territorium, Sprache, Kultur oder Ethnizität – klar definiert war. Nachdem die Griechen im 6.

Jh. v.Chr. zum ersten Mal von den Keltoi gehört hatten, wurde diese Benennung schnell und großzügig auf weite Teile der transalpinen Welt übertragen. Laut Urban gibt es jedoch keinen zwingenden Grund, dass sich dieser Sammelbegriff jemals auf eine homogene Bevölkerung desselben Namens bezogen hat, denn die ersten Einwanderer nach Oberitalien um 400 v.Chr. trugen Stammesnamen: Insubrer, Cenomanen, Boier, Lingonen, Senonen, (Polyb. II,17). 50 Jahre später wurden diese Stämme von den Griechen, aus welchen Gründen auch immer, zu jenen transalpinen Keltoi gezählt. Mit Beginn der römischen Geschichtsschreibung um 200 v.Chr. übernahmen die Römer von den Griechen auch die Namen Galátai und Galli und übertrugen diese auf die fremden Bewohner Oberitaliens und auf deren vermutliche Verwandtschaft jenseits der Alpen. Bereits um 150 v.Chr. verwendete Polybios (205123 v.Chr.) daher Keltoi synonym mit Galli. All dies spräche dagegen, dass ein konkretes „Volk“ mit dem Namen Kelten existiert habe. Die Geschichte der Kelten oder Gallier in Italien verdanken wir an erster Stelle Polybios und Livius (59v. - 17 n.Chr.). Für beide stand außer Frage, dass die Barbaren einst den Etruskern das Land gewaltsam entrissen hätten. Damit boten sie sich von Anfang an als Projektionsfläche für Furcht und Schrecken an. Zwar mussten die Römer, abgesehen von der Eroberung Roms 387/86 v.Chr. (Polyb. I,6,1), keine einzige nennenswerte Niederlage hinnehmen; zwar endeten im Gegenteil alle großen Auseinandersetzungen katastrophal für die Kelten. Aber der metus gallicus, die Furcht vor den Galliern, wurde immer wieder geschickt dazu genutzt, eigene politische Interessen zu verfolgen: von rivalisierenden Familien, von aufsteigenden Politikern, und von Historikern, um Roms brutale Eroberungen zu legitimieren. Vor allem Livius instrumentalisierte das keltische Feindbild, wahlweise durch Dämonisierung oder Abwertung der Barbaren, um die römische Vergangenheit zu einem moralischen Lehrstück zu machen, in dem die Kelten als negative Kontrastbilder zu römischen Helden auftraten (Urban 2006: 68). Das Bild der kriegslüsternen, grausamen, beutegierigen Kelten erweist sich damit als ein Konstrukt, das im kollektiven Gedächtnis der Römer fest verortet gewesen ist und viel über deren Mentalität aussagt, aber nichts über die ethnische Landkarte der Eisenzeit. Die

eigentliche Ironie der Historiografie lag jedoch in ihrer Paradoxie.Während Livius die „Tragödie“ der Vergangenheit inszenierte, konstruierten seine Zeitgenossen schon die „Satire“ mit dem Keltenbild der Zukunft (H. White unterscheidet vier generelle Plotstrukturen – Romanze, Tragödie, Komödie, Satire – die dem Historiker für seine Erzählung zur Verfügung stehen (White 1973)): Augustus und Tiberius war an einer friedlichen Provinz gelegen und daher an Bewohnern, die „begabt und lernwillig“ (Diodor 5,31,1; Strabon, Geogr. 4,4,2) auf die Segnungen der römischen Zivilisation reagierten. Antike Bilder Man darf nicht vergessen, dass unsere wichtigsten Gewährsmänner (Polybios, Caesar, Diodor, Livius, Strabon, Pausanias) von bildlichen Keltendarstellungen umgeben waren, die durchweg negative Botschaften aussandten. Prototypen waren möglicherweise die sogenannten Großen Gallier, lebensgroße Bronzestatuen eines hellenistischen Denkmals in Pergamon, das von Attalos I zur Erinnerung an seinen Sieg über die Galater 238/4 v.Chr. gestiftet worden war. Selbst die römischen Marmorkopien waren von so großartigem künstlerischem Rang, dass die moderne Forschung stets die idealistische Auffassung vertreten hatte, dass hier die heroische Tapferkeit des Feindes in der Stun-

Abb. 1: „Sterbender Gallier“. Römische Marmorkopie nach einer hellenistischen Bronzestatue 230/220 v.Chr. Rom, Kapitolinische Museen.

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Abb. 2: Etruskische Urne mit Kampfszene. Cortona, L. 49 cm (Pirson 2002).

de des Todes geehrt werde (Abb. 1). Seit ca. 20 Jahren interpretiert man die Skulpturen jedoch aus dem Kontext ihrer Aufstellung heraus funktionalistisch als Botschaft pergamenischer Machtpolitik (Schalles 1985). Der „Sterbende Gallier“ wird nun als mitleidlose Schilderung eines qualvollen Todeskampfes gedeutet; der Selbstmord des Galliers, der zuerst seine Frau umgebracht hat, wird nicht mehr als pathetischer Akt der Befreiung gesehen, sondern als panische Reaktion in aussichtsloser Situation, als typisch barbarische Mentalität. Ausgewählte literarische Elemente, die bereits im 4. Jh. v.Chr. topischen Charakter hatten – strubbelige Haare und Schnauzbart, Tracht und Bewaffnung, expressive Haltung und kopfloses Handeln – sind zu einem Keltenklischee zusammengefügt worden, um auf subtile Weise den Feind herabzusetzen und die kulturelle Überlegenheit des Siegers zu formulieren (Fless 2002). Dieselben Klischees beherrschen spätere etruskisch-römische Darstellungen. Beliebt sind stereotype Kampfszenen, die in Heiligtümern spielen, in denen Götter, Dämonen oder schwer gerüstete Reiter nackte Barbaren attackieren, die den heiligen Ort bedrohen, in Bewaffnung und Kampftechnik jedoch von vornherein jämmerlich unterlegen sind. Es ist nicht immer deutlich, ob gigantisierte Kelten oder keltisierte Giganten gemeint sind, aber es finden sich auch durch

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Haar- und Barttracht, Halsring und Schild eindeutig typisierte Kelten. Diese werden als einzige als Plünderer dargestellt, die mit ihrer Beute, sakralen Gefäßen, aus dem Heiligtum zu fliehen versuchen. H.-U. Cain deutet diese Darstellungen als realistische Erinnerung an die beabsichtigte Zerstörung des Kapitols 387/86 v.Chr. und des Apollonheiligtums von Delphi 280/79 v.Chr. und macht diese traumatische historische Erfahrung einer zivilisatorischen Katastrophe für die Entstehung eines spezifisch „keltischen Feindbildes“ verantwortlich, das bis in die Kaiserzeit überlebt hätte (Cain 2006). Gegen diese historisierende Deutung spricht aber vor allem die Tatsache, dass die betreffenden Darstellungen auf Särgen und Urnen 50 bis 250 Jahre später entstanden sind, mehrheitlich zu einer Zeit, als die Kelten schon längst unterworfen oder aus Italien vertrieben waren, so dass auch F. Pirson vermutet, dass das Plündern hier eher ein semiotischer Verweis auf Gier und Raublust eines barbarischen Stereotyps ist (Pirson 2002: 79). Insbesondere diejenigen Szenen, in denen die Vernichtung des sterbenden Barbaren besonders drastisch und demütigend inszeniert wird (Abb. 2), müssen symbolisch gemeint sein, denn was für den modernen Betrachter am Grab eines Angehörigen schwer erträglich wäre, kann in der antiken Sepulkralkunst nur positiv konnotiert gewesen sein – ob als Metapher einer heroischen Ideologie, oder als Metapher für individuellen Status, wissen wir nicht. Doch die Tatsache, dass die Keltomachie im Totenkult just zu dem Zeitpunkt ein beliebtes Symbol wurde, als die Römer in zwei grausamen Schlachten (Telamon 225 und Clastidium 222 v.Chr.) über die Galli triumphierten, dürfte kein Zufall gewesen sein. Fazit: Die öffentliche Repräsentation der Kelten in der Antike war, ob sprachlich oder visuell, weit von jeder historischen und ethnographischen Realität entfernt. Stattdessen ging es den antiken Verfassern, Stiftern und Auftraggebern um Selbstdarstellung und Selbstaufwertung im Spiegel des Fremden, das zu diesem Zweck negativ konstruiert und degradiert wurde. Text und Bild dienten derselben Meistererzählung, der Geschichte der Identitätskonstruktion. (Zur Definition und Funktion der Meistererzählung in Historiografie und materialisierter Erinnerungskultur vgl. Rieckhoff 2007b.) Text und Bild hatten, wie E. Kistler es vor kurzem treffend formuliert hat, die Funk-

tion, „diversen Denkfiguren der griechischen (und römischen; Zusatz S.R.) Identitäts­ideologie eine materielle oder literarische Gestalt zu geben, die bereits vor der eigentlichen Wahrnehmung der Kelten in der mentalen Landschaft begründet worden waren – und zwar in der Absicht, mit ihrer Hilfe als mustergültig erachtete Werte und Normen zu tradieren und zu internalisieren“ (Kistler 2007). Mit den als Kelten bezeichneten Ethnien hatte das wenig oder gar nichts zu tun. Sprache Die sogenannte „keltische“ Sprache galt und gilt bis heute in Fachkreisen und der Öffentlichkeit als das primäre Merkmal keltischer Ethnizität, obwohl diese Behauptung mit archäologisch-historischen Widersprüchen verknüpft ist. Es ist das Verdienst von J. Collis, diese Widersprüche aufgelöst zu haben, indem er die Forschungsgeschichte der Sprachwissenschaft und deren Rolle für die Keltenkonzeption der Moderne analysiert hat. Da seine diesbezüglichen Arbeiten leicht zugänglich sind, beschränke ich mich im Folgenden darauf, seine wichtigsten Argumente zusammenzufassen (Collis 2003; 2006; 2007). Die Anfänge der Sprachwissenschaft lagen nicht zufällig bei Gelehrten, die zu sprachlichen Minderheiten gehörten: bei dem schottischen Humanisten Buchanan des 16. Jahrhunderts (1506-1582), dem bretonischen Mönch Pezron (1639-1706) und dem walisischen Konservator Lhuyd des 17. Jahrhunderts (1660-1709). Buchanan war der erste, der eine von ihm vorsichtig als „gallisch“ bezeichnete Sprache der Ureinwohner Britanniens anhand von Ortsnamen ermittelt hatte. Pezron dagegen war von Anfang an fest davon überzeugt, dass die bretonische Sprache ein überlebendes Zeugnis der Sprachen von Babel und von Caesars Celtae sei (von der wir heute wissen, dass sie im Frühmittelalter aus Britannien mitgebracht worden ist). Aufgrund der Ähnlichkeit zwischen dem Bretonischen und dem Walisischen waren für ihn auch die Waliser Abkömmlinge von Kelten. Das war insofern bemerkenswert, als damit die Kelten zum ersten Mal über Sprache definiert worden waren, d.h. wer „keltisch“ sprach, war ein Kelte. Pezron hatte großen Einfluss auf seine Zeitgenossen, u. a. auch auf den etwas jüngeren

Lhuyd. Diesem ist die erste komparative Studie über das Bretonische, Irische, Walisische etc. zu verdanken. Obwohl er die Einwohner der britischen Inseln als Britons bezeichnete, veröffentlichte er – indem er sich der Autorität von Pezron beugte – seine Ergebnisse als „keltische“ Glossographie, da ihm offenbar kein besserer Begriff einfiel. Damit waren aus den Ureinwohnern Britanniens endgültig Kelten geworden, obwohl – dies sei an dieser Stelle wieder einmal ausdrücklich betont – kein einziger antiker Autor dies jemals behauptet hat, sondern, im Gegenteil, Strabon (2,1,18) es sogar ausdrücklich verneint. Als die Sprachwissenschaft den antiken Ethnosbegriff „keltisch“ verwendete, um eine Sprachfamilie zu klassifizieren, bestand diese aus Iren, Walisern, Schotten und Bretonen, vier unterschiedlichen Nationen, deren Geschichte und Institutionen zu diesem Zeitpunkt wenig gemeinsam hatten und die hinsichtlich ihrer Religionen sogar miteinander verfeindet waren. Da die antiken Kelten, die sogenannten Primary Celts (Collis 2007: 124f. Abb. 2 und 3 stellt die Verbreitung der Primary Celts derjenigen der Secondary Celts gegenüber, um zu zeigen, dass sich beide kaum überlappen), im 6. Jh. n.Chr. aus der Geschichtsschreibung Europas verschwunden waren, wäre ohne Sprachwissenschaft keine dieser Nationen auf die Idee gekommen, sich „Kelten“ zu nennen. Die Frage, wie es schließlich doch dazu kam und wie sich aus der ursprünglich rein akademischen Klassifikation eine ethnische Dynamik entwickelte, die Ende des 18. Jh. in einer gemeinsamen „keltischen“ Identität der Secondary Celts gipfelte, die bis heute Bestand hat, wird unterschiedlich beantwortet (Chapman 1992; Morse 2005; Collis 2007). Collis plädiert für eine multikausale Entwicklung in der aufkommenden Romantik, die ihren Höhepunkt in der europäischen Keltomanie erreichte. Die moderne kritische Linguistik ist sich dieser Forschungsgeschichte bewusst und deshalb ethnischen Zuschreibungen gegenüber vorsichtig geworden (Bernardo Stempel 2006). Methodisch arbeitet sie mit individuellen phonetischen, morphologischen, syntaktischen und lexikalischen Veränderungen einer Sprache, die sich isolieren und lokalisieren lassen. Das Ergebnis sind Sprachkarten mit Isoglossen, deren Grenzen übereinstimmende Veränderungen anzeigen. Aufgrund der Isoglossen steht für die Linguistik

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fest, dass das moderne Irisch, Manx, Gälisch, Walisisch, Cornisch, Bretonisch, ebenso wie die antiken lepontischen und keltiberischen Inschriften zahlreiche Isoglossen mit denjenigen Orts- und Eigennamen teilen, die aufgrund der antiken Überlieferung der von Caesar als Celtae bezeichneten Bevölkerung Mittelgalliens zuzuweisen sind. Daher zählt auch die moderne Linguistik diese Sprachen zur „keltischen“ Sprachfamilie, betont aber, dass es sich dabei um einen rein linguistischen Terminus ohne ethnische Implikationen handelt. Fassen wir zusammen: - Die „keltische“ Sprache ist ein linguistisches Konstrukt des 18. Jahrhunderts; ebenso gut hätte man auch von einer „gallischen“ oder „gälischen“ Sprachfamilie sprechen können. - Die Definition, Kelte ist, wer keltisch spricht, geht ebenfalls auf das 18. Jahrhundert zurück und ist schlicht falsch, denn keltisch wurde auch von Ethnien gesprochen, die in der Antike nicht als Kelten bezeichnet wurden, wie z.B. Britannier und Belgae. - Es gibt zwischen den antiken, den Primary Celts, und den von der Sprachwissenschaft definierten Secondary Celts keine Kontinuität; für die ethnische Deutung der Latènekultur dürfen letztere daher nicht in Anspruch genommen werden. - Alter und Ursprung der „keltischen“ Sprache sind unbekannt. Bernardo Stempel hat ein – einleuchtendes, aber für den Archäologen nicht beurteilbares – Modell entworfen, das ein rudimentär erhaltenes common celtic u.a. im Nordwesten des europäischen Kontinents lokalisiert, jedenfalls nicht im Gebiet der Primary Celts (Bernardo Stempel 2006). (Dagegen lässt sich sehr wohl beurteilen, dass F. Fischers Konzept einer Entstehung der „keltischen“ Sprache zu Beginn des 1. Jt. v.Chr. in einem zentraleuropäischen „Kernraum“ (der nicht zufällig identisch ist mit der späteren Hallstattkultur) ein Zirkelschluss ist, der auf Déchelette’s Keltenkonzeption beruht (siehe dazu unten): Fischer 1981: 58.) Quellen der Religionswissenschaft Die „keltische Religion“ war stets eng an die Sprachwissenschaft gekoppelt.Wo die Linguistik eine keltische

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Sprache identifiziert hatte, fanden die Religionswissenschaftler immer rasch Übereinstimmungen zwischen mittelalterlichen oder gar modernen religiösen Praktiken einerseits und antiken Kulten andererseits. In jüngster Zeit hat aber die Kritik an der archäologisch-linguistischen Keltenkonzeption auch zu einer kritischen Revision religionswissenschaftlicher Dogmen geführt. B. Maier forderte in Leipzig methodologische Konsequenzen, einen kritischeren Umgang mit strukturellen Analogien und die Absage an vorgeblich historische Kontinuitäten (Maier 2006). Konkret hieße das: irische Folklore gilt nicht länger als Reflex vorchristlicher ritueller Praktiken; die mittelalterliche inselkeltische Literatur gilt nicht länger als direkte Fortsetzung kontinentalkeltischer Traditionen; keltische Religion dient nicht länger als Spiegel indoeuropäischer Mythen. Um zwei Beispiele zu nennen: Die Religionswissenschaft hat erkannt, wie fragwürdig die Gleichsetzung zwischen mittelalterlichen irischen Festtagen einerseits und dem kaum bekannten gallischen Kalender andererseits, zwischen literarischen Figuren des mittelalterlichen Irlands einerseits und gallischen Göttern andererseits ist. Das Fazit hat Maier selbst folgendermaßen formuliert: Jedes Studium der keltischen Religion solle daher künftig mit der Archäologie beginnen und „die Texte vor allem dazu benützen, um den archäologischen Befund zu bestätigen oder zu ergänzen.“ Sollte sich dieser Paradigmenwechsel durchsetzen, so könnte am Ende in der Tat ein neues Verständnis von eisenzeitlicher Religion entstehen. Inwieweit die Denkmäler jeweils „keltisch“ zu nennen seien, müsste allerdings von Einzelfall zu Einzelfall erst geklärt werden, sonst wäre dem Zirkelschluss Tür und Tor geöffnet. Déchelette und die archäologisch-linguistische Konzeption der Kelten Im 19. Jh. explodierte die Keltenforschung förmlich. Im Zuge der Industrialisierung und des wachsenden Nationalismus wurden die berühmtesten Fundorte und Meisterwerke entdeckt: in Hallstatt, im Rheinland, in La Tène, in der Champagne, in den Oppida. Das wirkte anregend auf die Forschung. H. Hildebrand, O. Montelius, O. Tischler, P. Reinecke und E. Désor entwickelten einen Konsens über Typologie und Chrono-

Abb. 3: Rekonstruierte Karte zur Erklärung von Déchelette‘s Theorien von 1913 zu Ursprung und Ausbreitung der Kelten nach Collis 2003.

logie der Eisenzeit. Philologie und Sprach­wissenschaft spielten dabei zunächst so gut wie keine Rolle. Erst J. Déchelette hat 1914 historische, sprachliche und archäologische Quellen miteinander kombiniert und damit der Keltenforschung eine neue entscheidende Wendung gegeben. Collis hat diese Kombination rekonstruiert und auf einer Karte visualisiert, die Déchelette nie publiziert hat, die aber dessen Konzeption anschaulich macht und zeigt, wie sehr diese dem Kulturbegriff von Kossinna verpflichtet gewesen ist (Abb. 3; Collis 2003: 87ff. mit Abb. 37). Déchelette definierte die Ausdehnung der Hallstattkultur vor allem anhand von Bestattungssitten. Auf diese Weise konstruierte er eine scheinbar „scharf begrenzte archäologische Kulturprovinz“ (Kossinna 1911: 2) aus homogenen Jenseitsvorstellungen und wies sie den Kelten zu aufgrund

des berühmten Satzes von Herodot: „Die Donau entspringt bei den Kelten“ (Herodot, Hist. II,33,3). Auf diese Hallstattkultur projizierte er die Verbreitung der Frühlatènekunst zwischen Champagne und Böhmen, die er, da sie sich mit jener teilweise deckte, ebenfalls als keltisch bezeichnete. Dabei fiel ihm offenbar nicht auf, dass er damit ein Gebiet als keltisch bezeichnete, in dem es nach den Worten Caesars, unserer einzigen verlässlichen antiken Quelle, gar keine Celtae gab, sondern bestenfalls Belgae. Doch Déchelette sah sich in seiner Interpretation bestätigt durch die typologische Ähnlichkeit des auffälligen Frühlatènestils mit spätlatènezeitlichen Artefakten aus Irland und England, die schon des Längeren als Late Celtic Art bekannt waren – aber dies, wie oben dargelegt, nur deshalb, weil die Sprachwissenschaft bereits 100 Jahre früher die Ureinwohner der britischen

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Abb. 4a und 4b: Die Kelten vom 5. – 1. Jh. v.Chr. nach Megaw, Megaw 1989 und 2001. a: In der Version von 1989 signalisieren die Pfeile konkrete Wanderungen (Irland, iberische Halbinsel, Italien, Balkan, Kleinasien) oder zumindest das massive Eindringen von Tauschobjekten, Beutestücken, Ideen, etc. (Germanen, Skythen). – b: Die Version von 2001 ohne Pfeile ruft einen stärker diffusionistischen Eindruck hervor, aber dafür gehört Irland jetzt zu den eindeutig keltisch besiedelten Gebieten.

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Inseln zu Kelten deklariert hatte! Déchelette stellte die­ se Ureinwohner-Hypothese nicht in Frage, weil sie perfekt in seine Konzeption passte. Diese ist in der Fassung von A. Aymard von 1954 (Collis 2007: 124 Abb. 1) Grundlage der modernen Verbreitungskarten geworden: Sie alle zeigen einen (unterschiedlich definierten) Kernraum, von dem aus sich die „keltische Latènekul­tur“ entweder diffusionistisch verbreitet oder deren Träger persönlich sternförmig in alle Himmelsrichtungen wandern (Abb. 4).Von nun galt nicht nur, wer keltisch spricht, ist Kelte, sondern auch die Latènekultur, insbesondere die Latènekunst ist keltisch. Zum Abschluss soll an drei Fallbeispielen, die in Paris vorgestellt wurden, gezeigt werden, welche Konsequenzen diese rund 90 Jahre alte archäologischlinguistische Keltenkonzeption noch immer für die heutigen Forschungen hat. Drei Fallbeispiele zur Ethnogenese der Kelten aus dem Jahr 2006 Die Golasecca-Kultur Der erste Fall betrifft die „keltisch“-lepontischen Inschriften des 7. – 4. Jh. v.Chr. der Golasecca-Kultur, deren Entwicklung sich kontinuierlich bis in die Bronzezeit zurückverfolgen lässt. Bekanntlich ist die auffällige archäologische Übereinstimmung zwischen den bronzezeitlichen Vorläufern der Golasecca-Kultur einerseits und den zeitgleichen Kulturen am Nordwestrand der Alpen andererseits schon des öfteren Anlass gewesen, eine keltische Einwanderung ins Tessin im 2. Jt. v.Chr. zu postulieren (Pauli 1980: 20). Dieser Einwanderung vorausgegangen sei ein bronzezeitlicher „keltischer Formationsprozess“ nördlich der Alpen (de Marinis 2006). Wie auch immer man sich diesen konkret vorstellen soll – lehrreich an diesem Konstrukt ist vor allem eines: Die unterschiedliche Verbreitung archäologischer und sprachlicher Quellen. Das Lepontische teilt nämlich Isoglossen und Namen nicht mit dem Gallischen, wie zu erwarten wäre, sondern vor allem mit dem Ligurischen und Keltiberischen, d.h. es ist also in die entgegen gesetzte Richtung, nach Südwesten hin orientiert (Bernardo Stempel 2006). Wie auch immer dieser Befund zu erklären ist, deutlich wird, dass auf keinen Fall von der einen Quellengattung auf die andere geschlossen wer-

den darf. (M. E. spiegeln sich darin, genauso wie in der Eisenzeit, Alpenübergänge des Südens auf dem Weg zu den atlantischen Zinnvorkommen, die mit Tauschhandlungen und Gütertransfer verbunden gewesen sind, ohne dass man deshalb gleich wie Pauli (1980: 20) von Einwanderung sprechen muss: vgl. Rieckhoff 2001: 43f.50.57.89.95f.; ähnlich auch Rolley 2006.) Die Glockenbecherkultur Genau das aber findet im zweiten Beispiel statt. P. Brun, der zwar explizit die „perspectives racistes de Gustav Kossina (sic!) et ses épigones“ kritisiert, hat nicht bemerkt, dass er deren Thesen teilweise selbst benützt (Brun 2006: 33ff.). Unter Berufung auf D. Clarke’s „polythetisches Modell“ definierte er einen „complexe culturel nord-alpin“ (gemeint ist realiter in etwa wieder die Hallstattkultur), der sich um 1600 v.Chr. von dem „complexe culturel atlantique“ gelöst habe. Da nach 1600 keine Wanderungen stattgefunden hätten, müsse die Keltisierung Westeuropas älter sein. Ausgehend von der Theorie langfristiger und großräumiger Netzwerk-Systeme verschob Brun den Beginn der „keltischen“ Sprache und „des Ursprungs der Kelten“ konsequent bis in die 2. Hälfte des 3. Jt. v.Chr., in die Zeit der Glockenbecher (Abb. 5). Nur in die-

Abb. 5:Verbreitung der Glockenbecherkeramik, der Kelten nach der antiken Überlieferung sowie der „keltischen“ Sprache nach Brun 2006.

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ser Zeit, weder vorher noch nachher, hätte das riesige Gebiet zwischen Irland und Böhmen so viele gemeinsame kulturelle Züge getragen, dass die Bedingungen einer „Keltisierung“ gegeben gewesen seien. Im Prinzip reflektiert Brun’s holistisches Konzept nichts anderes als Kossinnas These, dass Kultur, Sprache und Ethnos im Falle der Kelten Synonyme seien. Die Westhallstattkultur Auch der dritte Fall, der aus Südwestdeutschland kommt, ist ein klassisches Beispiel für diese Ambivalenz aus theoretischem Konzept und traditionellem Paradigma. D. Krausse definierte, darin W. Kimmig (1983) folgend, eine zeitlich und räumlich begrenzte Kultur, nämlich die Westhallstattkultur, anhand zweier Kriterien, erstens des Südimportes und zweitens anhand der so genannten Fürstensitze und –gräber. (In diesem Sinne zuletzt auch Spindler 2007). Siedlungen und Gräber der Eliten interpretierte er als Ausdruck eines Zentralisierungsprozesses, der in „überregionale Verbände“ geführt habe, von Krausse als Adelsherrschaften oder Königtümer gedeutet. Die Gebiete dieser Verbände seien aufgrund des berühmten Satzes von Herodot von Kelten bewohnt gewesen. Zwischen Späthallstatt- und Frühlatènekultur bestünde eine kulturelle und damit – expressis verbis – auch ethnische Kontinuität, die insbesondere in der Kunst zum Ausdruck komme. Dieser südwestdeutsche Zentralisierungsprozess mündete 450 v.Chr. in einem „gigantischen Integrations- und Akkulturationsprozess“, d.h. in der Entstehung der Latènekultur in West- und Mitteleuropa, mit der die „keltische Ethnogenese“ abgeschlossen gewesen sei (Krausse 2006). Auch D. Krausse beginnt mit einer Philippika gegen Kossinna und dessen Kulturbegriff, ohne zu merken, dass er selbst in die „Kossinna-Falle“ tappt, - wenn er eine archäologische Kultur anhand selektiver Merkmale konstruiert; - wenn er diese Kultur mit einem historischen Ethnos gleichsetzt, indem er sich, wie einst Déchelette, auf Herodot verlässt, obwohl die Wahrscheinlichkeit, dass dieser die Donauquellen richtig lokalisiert hat, in den letzten 90 Jahren weder größer noch kleiner geworden ist; - wenn er die Späthallstatt- und Frühlatènekultur

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noch immer, wie einst Déchelette, einseitig mit den reichen Funden zwischen Mosel und Neckar definiert und die Tatsache ignoriert, dass in Mittelfrankreich – dort, wo Caesar später die Celtae lokalisiert – die Gräber schlichtweg fehlen (Collis 2003: 135 mit Abb. 61); - wenn er die stupenden Grabungsergebnisse in Bourges ignoriert, die diejenigen aus den bekannten Fürstensitzen bei weitem übertreffen und die seit Jahren darauf hinweisen, dass die primären Südkontakte weit westlich der Westhallstattkultur verliefen (Collis 2003: 169f. - www.archeo.ens. fr/fouilles/sites/Bourges); - und wenn er Funde ignoriert, die auf diese Kontakte hinweisen, nämlich Frühlatèneformen in den mittelatlantischen Kulturen, die ihre besten Vergleiche im Languedoc haben und zur selben Zeit auftauchen wie in den nordwestalpinen Regionen, zum Teil sogar schon etwas früher, obwohl es sich hier in Nordwest- und Zentralfrankreich um eine durchweg ländlich strukturierte Region aus Einzelhöfen handelte – ohne urbane Zentralsiedlungen (Milcent 1994; 2006). Milcent’s Forschungen zeigen uns,dass jede Frühlatènekultur auch ihre regionalen Wurzeln hatte und zwingt uns, uns endlich von dem diffusionistischen Modell einer einzigen „Wiege der Latènekultur“ zu verabschieden, wie sie die Verbreitungskarten seit 50 Jahren suggerieren. Krausses „Ethnogenese“ in Form eines „gigantischen Akkulturationsprozesses“ ist daher forschungsgeschichtlich ein Anachronismus. Ausblick Nachdem nun seit etlichen Jahren eine keltische Vergangenheit der Britischen Inseln und Irlands mit guten Gründen bestritten wird und dies eine fundamentale Kritik an allen Karten zu Ursprung und Verbreitung der Kelten in Europa impliziert, ist es an der Zeit, die Konsequenzen für den Keltenbegriff auf dem Kontinent zu diskutieren. Wie das Leipziger Kolloquium gezeigt hat, werden wir nicht umhin kommen, eine neue Keltenkonzeption zu (er)finden. Das setzt jedoch voraus, dass wir die bisher gültigen Modelle wissenschaftsgeschichtlich und wissenschaftstheoretisch analysieren. Zu fragen ist also nach Begriffen („Eth-

nogenese“), Konzepten („archäologische Kultur“), Paradigmen („ethnische Deutung“), Meistererzählungen („kollektive Identität“) und Geschichtsbildern, die die Entwicklung der Modelle bestimmt haben. Zu fragen ist aber auch nach der diskursiven Praxis, d.h. nach schriftlichen und materiellen Repräsentationen, Institutionen, Hierarchien, Autoritäten, Medien, Methoden, Ab- und Ausgrenzungen, durch die die Wissensproduktion reguliert wird. Findet eine solche Diskursanalyse nicht statt, besteht die Gefahr der unbemerkten Wiederholung veralterter Methoden und Theorien unter anderen Vorzeichen, wie die Fallbeispiele zeigen. Trotz der hier referierten Kritik an den Quellen ging es mir keineswegs darum, den Keltenbegriff als solchen aufzulösen. Wenn wir Caesar ernst nehmen – und es gibt in diesem Fall keinen Grund, dies nicht zu tun – gab es vor 2000 Jahren Menschen, die sich selbst Kelten nannten, allerdings nur in einem begrenzten Gebiet. Auch das weist darauf hin, dass es nicht die Kelten gab – egal ob als Volk, Ethnos oder Wir-Gruppe, so wenig wie es die Latènekultur gab, die keltische Kunst, Religion, Sozialstruktur, etc. Eine Differenzierung der Geschichte der mitteleuropäischen Eisenzeit ist dringend notwendig, aber auch möglich und Erkenntnis fördernd, wie das Beispiel der Latènekultur in Nordwestfrankreich zeigt. Dazu brauchen wir nicht mehr, sondern verlässlichere archäologische Quellen: exaktere Chronologien und harte (anthropologische, organische und anorganische) Daten. Für die Interpretation der Quellen brauchen wir allerdings auch die Reflexion. Jede Epoche hat ihre Kelten oder besser gesagt ihren Keltenbegriff neu erfunden, und wir brauchen die Wissenschaftsgeschichte und die Wissenschaftstheorie, um das Wie und Warum dieser Erfindungen zu verstehen: die Kelten als politisches Feindbild der Antike, als gesellschaftliches Modell der französischen Aufklärung, als schwärmerisches Ideal der englischen Romantik, als nationale Identität des 19. Jahrhunderts, als Werbestrategie im europäischen Kulturwettbewerb, usw. (Rieckhoff 2007a).

Abb. 6: „Die Erfindung der Deutschen. Wie wir wurden, was wir sind.“ Titelstory DER SPIEGEL 4/2007.

Keiner dieser Epochen ging es um die Kelten, sondern stets nur um die eigene Identität. Aufgeklärt wie wir sind, neigen wir dazu, diesen Identitätskonstruktionen die Wissenschaftlichkeit abzusprechen – vergessen dabei allerdings, dass wir selbst Teil der Geschichte und damit Teil von Erzählungen und Erfindungen sind. Auch wir erforschen und erzählen Geschichte als Suche nach Identität, auch wir erfinden unsere Vergangenheit (Abb. 6). Wenn wir nicht erkennen, wie abhängig unser akademisches Wissen vom Zeitgeist ist und wie sehr wir dazu neigen, institutionalisierten Traditionen zu folgen, bleiben wir in einem Neuen Antiquarismus stecken.

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Diskussion Jutta Leskovar Die Fundstelle Hallstatt stellt sich also als nicht-keltisch heraus.

Aufgabe. Das Definieren nach selektiven Merkmalen (Bsp. Fürstensitze, Südimport,...) ist nicht zulässig.

David Stifter Stimmt dem Vortrag insgesamt zu. Anmerkung: die Aussage zum Lepontischen ist aus Sicht der Sprachwissenschaft so nicht richtig. Es teilt so viele Isoglossen mit dem Gallischen, dass es von manchen Forschern sogar als Dialekt desselben angesehen wird. Verbindungen zum Iberischen sind nicht vorhanden. Mögliche Verbindungen mit dem Ligurischen sind durch die geographische Nähe und dadurch mögliche Beeinflussungen denkbar.

Gabriele Albers Stimmt dem Ansatz zu. Ähnliche Schwierigkeiten mit Ethnos-Begriffen treten auch in Bezug auf die Etrusker und Villanova zutage. Die Archäologie sollte einen Weg anhand der eigenen Materie finden – also Begriffe auf Basis der Materialkultur verwenden. Es ist nicht legitim ein „Volk“ zu benennen und zu definieren, weil die Basis dafür nicht ausreicht. Es ist also Vorsicht anzuraten, wenn archäologisches Material als „keltisch“ bezeichnet wird, weil dieser Begriff nur in sprachlichem Zusammenhang wirklich korrekt ist.

Sabine Rieckhoff Hat im Vortrag Bernardo-Stempel zitiert, die die vorgelegten Standpunkte vertritt. Die unterschiedlichen Auffassungen anderer Forscher sind bekannt. David Stifter Was ist ein Kelte? Schlägt eine linguistische Definition vor, weil „keltisch“ auf diesem Weg eindeutig definierbar ist. Auf diese Weise ist völlig klar, dass auch die Sprachen der britischen Inseln „keltisch“ sind. Die Antike bezeichnet die Bewohner Britanniens nicht so, weil sie eben nicht linguistisch definiert. Sabine Rieckhoff Es ist zu unterscheiden: die Antike spricht von „Kelten“, die Linguisten von „keltisch“. Dies muss nicht übereinstimmen. Dass die Öffentlichkeit die beiden Begriffe vermischt, führt zu einer archäologisch-linguistischen Keltenkonzeption, obwohl dies nicht so gedacht war. Richtig wäre die Trennung der Begriffe. Es sollte weiters berücksichtigt werden, dass es sich bei den antiken Quellen nicht um ethnographische Beschreibungen handelt. Raimund Karl Missbilligt die Darstellung der Ethnogenese. Stimmt diesbezüglich Collis und James zu. Das „keltische Ethnos“ gibt es nicht. „Keltisch“ ist vielmehr ein klassifikatorischer Begriff (auch wenn er manchmal ein Ethnos beschreiben soll). Sabine Rieckhoff Stimmt zu. Schließlich wird dies z.B. im 19. Jh. so gesehen. Harald Gropp Da die heute benutzten Begriffe aus der Antike stammen, ist es natürlich notwendig die Inhalte zu hinterfragen. Ist es sinnvoll, heute von Germanen, Slawen etc. zu sprechen? Ja, soweit es kulturelle Gemeinsamkeiten zu beschreiben gilt; Nein, wenn dies nur als sammelnder Begriff für verschiedene Zusammenstellungen verwendet wird. Eine Einbeziehung von Kultur und Religion für die Zuordnung zu einer Einheit ist abzulehnen, weil die Ähnlichkeiten zu gering sind. Sabine Rieckhoff Die antiken Autoren schaffen „unbewusst“ für die moderne Wissenschaft einen Kulturbegriff. Die moderne Forschung stellt sich absichtlich dieser

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David Stifter Das Problem zeigt sich gerade im Sprachgebrauch, der zur Verwirrung beiträgt. Es handelt sich in Oberitalien eben nicht um Kelten, sondern um keltisch sprechende Gesellschaften. Brigitte Röder Natürlich ist es wichtig, die Wissenschaftsgeschichte zu kennen. Es muss aber auch über die Rolle der Kelten bei uns reflektiert werden. In welchem Kontext/Keltenbild bewegen sich die aktuellen Wissenschafter? Sabine Rieckhoff Hat im Vortrag nur einen kurzen Überblick zur Konzeption gegeben. Ohne Zweifel müssen all die genannten Punkte weiter ausgeführt werden. Ab und zu werden ja Definitionsprozesse auf supernationaler Ebene in der Forschungsgemeinde ohnehin angesprochen. Brigitte Röder Möchte den Vortrag auch als Aufruf, sich mit dem Thema zu beschäftigen, aufgefasst sehen. Sabine Rieckhoff Genauso war er gedacht. Die Änderungen von Zeit zu Epoche zu Gesellschaft sind ja weiterhin zu beobachten. Martin Trachsel Bei dem Vorgang aus einem archäologischen Material eine Kultur zu definieren und diese dann als „keltisch“ zuzuordnen ist Vorsicht geboten. Im Keltischen ist nur der sprachliche Zusammenhang einer Vielzahl von Kulturen zu sehen. Sabine Rieckhoff Veränderungsprozesse im „keltischen Bereich“ sind überall und verschieden stark zu beobachten. Festzuhalten ist: eine Ethnogenese nur im Neckargebiet gibt es nicht.

Zusammenfassung der Diskussion Die Argumente für eine der vorgestellten folgenden Definition von Kelten (aus den antiken Berichten) und keltisch (auf dem linguistischen Kriterium beruhend) werden um einige Aspekte erweitert. Die Vermischung dieser beiden Begriffe, wie sie v.a. in der Öffentlichkeit häufig geschieht, sollte ebenso vermieden werden, wie die gängige Darstellung einer keltischen Ethnogenese. Kritische Hinweise beziehen sich auf die Bezeichnung von großen in sich aber sehr unterschiedlichen Gruppen anhand weniger Gemeinsamkeiten, auf die Gefahr der unreflektierten Übernahme von in ihren speziellen Denkschemata verhafteten antiken Bezeichnungen für die heutige Forschung, auf den Versuch der Archäologie bei der Definition von Gruppen über die Verwendung der archäologisch gewonnenen Datenbasis hinauszugehen, und auf widersprüchliche Forschungsmeinungen zu den zitierten sprachwissenschaftlichen Ergebnissen (so wird das Lepontische meist eng mit dem Gallischen verwandt angesehen).

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Archäologie: Die Vergewisserung über die Anfänge Brigitte Röder

Zusammenfassung Der Begriff ‚Archäologie’ wird häufig als ‚die Lehre von den Anfängen’ umschrieben. Die Suche nach den Anfängen – und damit auch diejenige nach den Ursprüngen – ist indessen nicht auf die archäologische Wissenschaft beschränkt. Das Nachdenken über Anfänge und Ursprünge scheint vielmehr ein tragendes Element unserer Kultur zu sein: Es ist letztlich ein Akt der Selbstvergewisserung, der sich in zahlreichen Kontexten vollzieht, so z. B. im Rahmen religiöser Weltbilder, in der Esoterik oder auch in Debatten, die um kulturelle und persönliche Identität kreisen. Archäologisches Wissen in diesem weiteren Sinne wird an vielen Orten generiert (die Urgeschichtsforschung ist lediglich einer davon) und fließt in unser Alltagswissen ein. Der Beitrag vertritt die These, dass Alltagswissen und Urgeschichtsforschung in Wechselwirkung stehen und dass die Wissenskonstruktion in der Urgeschichtsforschung insbesondere bei sozialgeschichtlichen Themen in hohem Maße durch Vorstellungen aus dem Alltagswissen beeinflusst wird. Das ist deshalb der Fall, weil sozialgeschichtliche Fragen eng mit Aspekten unserer eigenen kulturellen und persönlichen Identität verbunden sind, bei deren Konstituierung die ‚Vergewisserung über die Anfänge’ von zentraler Bedeutung ist: Das, was als ‚ursprünglich’ und ‚natürlich’ gilt, gilt in der Folge häufig auch als ‚richtig’. Weil die urgeschichtlichen Verhältnisse als die vermeintlich ‚ursprünglichen Formen des Zusammenlebens’ betrachtet werden, ist die Urgeschichte heute ein kultureller Null- und Referenzpunkt, auf den in zahlreichen gesellschaftlichen Debatten der Gegenwart Bezug genommen wird. Der Beitrag soll dazu einladen, über die Funktion und alternative Rollen der Urgeschichtsforschung in gesellschaftlichen ‚Selbstvergewisserungsprozessen’ nachzudenken und zu diskutieren.

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Abstract The term „archaeology“ is frequently described as „the study of the origins”.The search for the origins, however, is not limited to archaeology alone. Rather, considering the origins seems to be a central feature of our culture: it ultimately is an act of self-confirmation, enacted in many different contexts, as in religious thought, in esoteric thinking, and also in the discourses about cultural and personal identity. Archaeological knowledge, in this wider sense, is generated in many different places (prehistory being just one of them), and feeds into general knowledge.This paper argues that general knowledge and prehistoric research interact, and that the construction of knowledge in prehistoric research is strongly influenced by general knowledge, particularly where social archaeological topics are concerned. This is the case as social history is closely associated with aspects of our cultural and personal identity, for the constitution of which the “confirmation of the origins” is a central concern: what is considered as “original” and “natural” is frequently also considered to be “correct”. As prehistoric living conditions are considered as the allegedly “original ways of life”, prehistory today is seen as a cultural reference point for several social discourses of the present. This contribution tries to encourage debate about the function and alternative roles of prehistoric research in such social “self-confirmation processes”.

In populärwissenschaftlichen Kontexten wird ‚Archäologie’ gerne als ‚die Lehre von den Anfängen’ übersetzt. Im Hinblick auf die gesellschaftlichen Funktionen, die insbesondere die Prähistorische Archäologie erfüllt, könnte man Archäologie indessen auch als ‚die Vergewisserung über die Anfänge’ bezeichnen. ­Diese Sicht auf das Fach zu erläutern und zu vertiefen, ist Anliegen dieses Beitrages. Darüber hinaus verfolgt er die These, dass die ‚Vergewisserung über die Anfänge’, welche die Prähistorische Archäologie auf gesellschaftlicher Ebene leistet, fachintern zu einem epistemologischen Fallstrick wird. Um diese beiden Thesen zu untermauern, ist es notwendig, folgende Themen zu untersuchen: 1. Die Darstellung von Geschlechterrollen auf archäo­ logischen Lebensbildern zur Urgeschichte 2. Einblicke in die Realisierung eines Lebensbildes 3. Erste Ergebnisse aus einem Forschungsprojekt über die Wechselbeziehungen zwischen gesellschaftlichen Diskursen und Prähistorischer Archäologie 4. Schlaglichter auf die Selbst- und Fremdwahrnehmung der Prähistorischen Archäologie

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1. Die Darstellung von Geschlechterrollen auf archäologischen Lebensbildern zur Urgeschichte Ein wichtiger Ausgangspunkt für die obigen Thesen war eine Analyse von archäologischen Lebensbildern hinsichtlich der Darstellung von Geschlechterrollen (Röder 2002a; 2004). Das Quellenkorpus umfasst 412 Bilder zur Urgeschichte, die vorwiegend in den Jahren zwischen 1980 und 2000 in der Schweiz erschienen sind. Das Bildmaterial stammt aus Museen sowie aus Fach- und populärwissenschaftlichen Publikationen und ist mittlerweile Bestandteil einer Online-Datenbank (www.musee-suisse.com/lebensbilder). Das Hauptthema der Bilder sind aktive, leistungs­ fähige Männer in ihren besten Jahren. Frauen, Kinder und alte Menschen sind hingegen massiv unter­­­­re­ präsentiert. Neben diesem quantitativen Aspekt gibt es auch qualitative Aspekte, die für die Darstellung der ­Geschlechterrollen auf den untersuchten Lebens­­bildern charakteristisch sind. So ist auffallend, dass die Erwachsenen fast immer arbeitend dargestellt werden und

bei ihren Tätigkeiten einem ­stereotypen geschlechtsspezifischen Muster folgen, das vom ­ Paläolithikum bis zur Eisenzeit Gültigkeit gehabt ­ haben soll. Die ­Lebensbilder vermitteln den Eindruck, dass Männer und Frauen während 400.000 Jahren die anstehenden Arbeiten strikt nach demselben Schema untereinander aufgeteilt hätten. Ungeachtet aller ­kultur- und umweltgeschichtlichen Änderungen, die in diesem Zeitraum nachweislich stattgefunden haben, sollen Frauen und Männer mehrere hunderttausend Jahre lang in ­getrennten Arbeits- und damit auch in weitgehend getrennten Lebenswelten verharrt haben. Die Analyse dieser stereotypen Arbeits- und Rollenteilung ­ergab, dass Männer auf den Bildern Tätigkeiten ausüben, die mit Gefahr, Kraft, Mobilität, der ­Produktion von Mehrwert, mit Öffentlichkeit, ­ Prestige, einer ­Führungsrolle und Kreativität ver­bunden sind. Die ‚Welt der Frauen’ ist dagegen wesentlich ­kleiner: Sie umfasst im Wesentlichen Kinderbetreuung, die Pflege der Privatsphäre und des Haushalts. Obwohl urgeschichtliche Geschlechterverhältnisse von heutigen Lebensrealitäten auf den ersten Blick sehr weit entfernt zu sein scheinen, wirken diese stereotypen Rollenmuster sehr vertraut und leuchten deshalb auch unmittelbar ein: In diesem ­Geschlechtermodell manifestieren sich Auffassungen vom ‚Wesen’, dem ‚Charakter’ und den spezifischen ‚Stärken’ und ‚Schwächen’ von Männern und Frauen, die in dieser spezifischen Ausprägung erstmals im 18./19. Jahrhundert im westlichen Bürgertum als ‚charakteristisch’ festgesetzt wurden. In der bürgerlichen Gesellschaft wurden die Unterschiede zwischen Frauen und ­Männern neu definiert und im so genannten ­Geschlechtscharakter festgeschrieben. Was dieser im Einzelnen umfasst, war beispielsweise unter dem Stichwort ‚Geschlechtscharakter’ in den Lexika nachzulesen, so auch im Brockhaus, dem „Conversationslexikon oder Handwörterbuch für die gebildeten Stände“ aus dem Jahre 1815: „Daher offenbart sich in der Form des Mannes mehr die Idee der Kraft, in der Form des Weibes mehr die Idee der Schönheit. [...] Der Geist des Mannes ist mehr schaffend [...], zu Anstrengungen, zur Verarbeitung ab­ stracter Gegenstände, zu weitaussehenden Plänen geneigter; [...] Das Weib ist auf einen kleineren Kreis beschränkt, den es aber klarer überschaut; es hat mehr

Geduld und Ausdauer in kleinen Arbeiten. Der Mann muss erwerben, das Weib sucht zu erhalten; der Mann mit Gewalt, das Weib mit Güte und List. Jener gehört dem geräuschvollen öffentlichen Leben, diese dem stillen häuslichen Cirkel.” Die Historikerin Karin Hausen hat den ‚Geschlechts­ charakter’ als „ein Gemisch aus Biologie, Bestimmung und Wesen” beschrieben (Hausen 1976: 367). Diese spezifische Art, die Geschlechterdifferenz zu definieren und zu bewerten, ist das Kernstück des bürgerlichen Geschlechtermodells, das auch heute noch zentraler Bestandteil der Geschlechterordnung ist.Wie die Umschreibung Karin Hausens bereits andeutet, wird die Geschlechterdifferenz zum Teil biologisch erklärt: Die Ursachen für die festgesetzten Unterschiede zwischen Frauen und Männern lägen in der Biologie begründet – und seien deshalb als ‚natürlich’ einzustufen. Die Geschlechterdifferenz, die in dieser Form eine ‚Erfindung’ bzw. soziale Konstruktion der bürgerlichen Gesellschaft ist, wird durch den Verweis auf die Biologie naturalisiert und dadurch legitimiert. Eine weitere Legitimationssäule stellt die Urgeschichte dar: Durch die Behauptung, ‚Das war schon immer, seit Anfang an so’ wird das bürgerliche Geschlechtermodell an den Beginn der Menschheitsgeschichte projiziert. Diese Verankerung in der Urgeschichte verleiht ihm den Nimbus des ‚Ursprünglichen’. ‚Ursprünglichkeit’ und ‚Natürlichkeit’ sind bei uns in der Regel positiv besetzt und haben eine starke Legitimationskraft. Was in unserer Gesellschaft als ‚ursprünglich’ und ‚natürlich’ betrachtet wird, gilt denn auch fast automatisch als ‚richtig’ – oder stellt zumindest eine Referenz dar, zu der man sich in Bezug setzen muss. Aufgrund der Strategie, soziale Konstruktionen durch ihre Rückprojektion bis an die ‚allerersten Anfänge’ zu legitimieren, wird die Urgeschichte zu einem fiktiven Null- und Referenzpunkt für die heutigen Formen des menschlichen Zusammenlebens. Doch zurück zur Darstellung urgeschichtlicher Geschlechterrollen auf archäologischen Lebensbildern. Die beschriebene Visualisierung basiert nicht auf konkreten Forschungsergebnissen, denn die Geschlechterforschung und damit die differenzierte Untersuchung von Unterschieden und Gemeinsamkeiten zwischen Männern und Frauen fristet in der Prähistorischen Archäologie nach wie vor ein Nischendasein.

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Abb. 1: So fern – und doch so nah: Die Geschlechterrollen auf Lebensbildern zur Urgeschichte entsprechen dem Geschlechtermodell der bürgerlichen Gesellschaft, das im 18./19. Jahrhundert entstanden ist.

Das gilt auch für andere sozialgeschichtliche Fragestellungen, die über die Rekonstruktion sozialer Hierarchien hinausgehen. Doch woher stammt dann dieses ‚Wissen’ um die urgeschichtlichen Geschlechterrollen, wenn es nicht in der Wissenschaft generiert wurde? Wie der Exkurs in die bürgerliche Gesellschaft des 18./19. Jahrhunderts andeuten sollte, sind diese ‚Gewissheiten’ – ein Ausdruck, der den Sachverhalt wohl besser trifft – deutlich älter als die Prähistorische Archäologie. Bevor diese sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts als Disziplin konstituierte, existierten in der Gesellschaft bereits konkrete Vorstellungen darüber, wie die sozialen Verhältnisse ‚ursprünglich’ und ‚von Anfang an’ waren. Diese Vorstellungen waren letztlich nichts anderes als Spiegelungen zentraler sozialer Institutionen der bürgerlichen Gesellschaft – allen voran des Geschlechter- und Familienmodells –, die durch ihre Rückprojektion in die Urgeschichte legitimiert wurden. Die Analyse der Schweizer Lebensbilder hat gezeigt, dass die auf ihnen dargestellten Geschlechterrollen weitestgehend dem bürgerlichen Geschlech-

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termodell folgen (Abb. 1). Dieser Befund ist übrigens nicht schweizspezifisch, sondern wurde auch für andere europäische Länder und die USA festgestellt (u. a. Gifford-Gonzales 1993; Hurcombe 1995; Karlisch 1998; Sénécheau 2005; 2006; 2007). Die Botschaft der Bilder an die BetrachterInnen ist damit klar und eindeutig: Das bürgerliche Geschlechtermodell ist die ‚ursprüngliche’ und ‚natürliche’ Form des Geschlechterverhältnisses. Damit bestätigen, naturalisieren und legitimieren archäologische Lebensbilder diese soziale Konstruktion des 18./19. Jahrhunderts, die nach wie vor ein zentraler Bestandteil unserer kulturellen Identität ist. Jedoch nicht nur die dargestellten Geschlechterverhältnisse, sondern die sozialen Inszenierungen im Allgemeinen repräsentieren in der Regel Rekonstruktionen der gesellschaftlichen Verhältnisse in der Urgeschichte, die nicht wissenschaftlich abgesichert sind. Vielmehr spiegeln sie heutige Vorstellungen von den ‚ursprünglichen’ Formen des Zusammenlebens wider, die durch ihre stereotype Form den Eindruck ‚geord-

neter Verhältnisse’ assoziieren lassen: ‚Damals war die Welt noch in Ordnung. Die Leute lebten zwar einfach, aber die sozialen Verhältnisse waren noch intakt’ – das ist eine weitere zentrale Botschaft, die von Lebensbildern transportiert wird. Verklärt durch den Nimbus des ‚Ursprünglichen’ und mit dem Gütesiegel der – vermeintlichen – Wissenschaftlichkeit versehen, springt der Aspekt, dass fast schon bis ins Groteske überzeichnete soziale Idyllen inszeniert werden, nicht unmittelbar ins Auge. Sehr viel deutlicher wird dieser Aspekt hingegen auf einem ‚modernen Lebensbild’ aus der Werbung, das zwar die heutige Zeit thematisiert, jedoch dem Darstellungskanon der urgeschichtlichen Inszenierungen folgt (Abb. 2): Unter dem Motto „Betrachten Sie Ihr Leben als Unternehmen in eigener Sache“ präsentiert ein Versicherungskonzern ein Familienidyll im Garten eines stattlichen Wohnhauses. Der Mann sitzt im Business-Anzug am heimischen Grill und wendet

die Steaks, während seine Frau mit einem Tablett und einem strahlenden Lächeln auf ihn zugeht. Die Rollenverteilung wird durch die Beschriftung der Personen klar gestellt: Er ist der „Chairman“, der sich am Grill um den „Stakeholder-Value“ kümmert, sie ist die „Hauptgesellschafterin“. Die abseits dieser zentralen Szene sitzenden Kinder werden als „Spin offs“ bezeichnet, das Baby in einem Kinderwagen im Hintergrund des Bildes figuriert als „Joint Venture“. Ich möchte für meine Interpretation dieses Bildes zu einem Gedankenspiel einladen: Ersetzen wir den Grill durch eine Feuerstelle, ziehen dem Mann statt des Anzugs eine Lederhose und ein Schafwollhemd an, versehen die Frau mit einem Kleid in Tunikaform und drücken ihr statt des Tabletts einen Keramiktopf in die Hand, so könnten wir die Szene nach einigen weiteren kleinen Anpassungen der materiellen Kultur eins zu eins in die Urgeschichte verfrachten und hätten ein klassisches archäologisches Lebensbild. Alles ent-

Abb. 2: Ein ‚modernes Lebensbild’ aus der Werbung. Die Inszenierung folgt gängigen Darstellungsmustern, die sich auch auf archäologischen Rekonstruktionszeichnungen finden: Nach Anpassung der materiellen Kultur liesse sich das Familienidyll auch in einer urgeschichtlichen Kulisse stimmig inszenieren.

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Abb. 3: Lebensbild zu einem eisenzeitlichen Hausbefund aus der Schweiz. Die dargestellten Personen sollen lediglich die Tätigkeiten illustrieren, die nach Ausweis des archäologischen Befundes vor Ort ausgeübt wurden. Unbeabsichtigt erfolgt damit jedoch auch eine Inszenierung der Geschlechterverhältnisse. Diese folgt den Stereotypen des bürgerlichen Geschlechtermodells, das im allgemeinen fälschlich als die ‚ursprüngliche’ und ‚natürliche’ Form des Geschlechterverhältnisses gilt.

spräche perfekt den gängigen Darstellungsmustern auf Lebensbildern – darunter auch die Platzierung von Kindern als Statisten am Rand (Röder 2002b). 2. Einblicke in die Realisierung eines Lebensbildes Die kurz skizzierten Ergebnisse und Schlussfolgerungen, die ich aus der Analyse von Lebensbildern gezogen habe, werfen eine Reihe weiter führender Fragen auf: Wie kommt es zu diesen Projektionen – denen ich selbst lange aufgesessen bin? Wieso werden sie nur selten bewusst – selbst nicht während der akribischen Recherchen, die der Realisierung eines wissenschaftlich begleiteten Lebensbildes üblicherweise vorausgehen? Und weshalb packen uns ArchäologInnen bei der Inszenierung der Geschlechterverhältnisse keinerlei wissenschaftliche Skrupel, wohingegen wir lange über die Dicke von Hauspfosten, die Frage ‚Schindel- oder Schilfdach’ und anderes mehr sinnieren, bevor wir uns dann mit einem etwas flauen Gefühl in der Magengegend zu einer Entscheidung durchringen?

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Ein Artikel über die Realisierung von zwei Lebensbildern zu einem eisenzeitlichen Hausbefund brachte mich den Antworten auf diese Fragen ein Stück näher (Masserey 2002). Unter dem Titel „Formalisation des connaissances: mise en image de l‘habitat de La Tène ancienne d‘Alle Noir Bois“ schildert die Autorin die zahlreichen Überlegungen, die der Realisierung der beiden Lebensbilder vorausgingen und zeichnet deren Komposition schrittweise nach (Masserey 2002, 101; Abb. 4). Hier ein Ausschnitt aus den Erläuterungen zu einem der beiden Bilder (Abb. 3): „Des activités domestiques sont évoquées par la céramique, le foyer, les fosses, dont une utilisée comme dépotoir (un personnage vide un récipient), d’autres à l’intérieur pour le stockage. On a encore voulu montrer d’autres activités comme le filage et le tissage, le façonnage de la céramique à l’aide du panier rempli de terre avec un pot en cours de fabrication. Les activités agricoles sont suggérées par le personnage portant son araire sur l’épaule, rentrant des champs suivi par sa vache.“ Nach den dargestellten Aktivitäten wird die Rekonstruktion von Fauna und Flora erläutert: „Les animaux représentés sont ceux identifiés par l’archéozoologue: bovidé, suidé et caprinés. […] Les résultats de l’étude paléovégétale […] n’étaient pas encore connus; c’est pourquoi les végétaux, meublant la scène, sont indistincts. “ Der Text stellt klar, dass die Rekonstruktion von den ‚Fakten’ ausgeht: vom archäologischen Befund, den gefundenen Artefakten und den bioarchäologischen Quellen. Das Bemühen um wissenschaftliche Korrektheit geht so weit, dass die Vegetation nur diffus angedeutet wird, weil die Ergebnisse der Archäobotanik zum damaligen Zeitpunkt noch nicht vorlagen. Deutlich wird auch, dass das Interesse allein der materiellen Kultur und den wirtschaftlichen Aktivitäten gilt. Die sozialen Verhältnisse werden in der Beschreibung nicht erwähnt. Dennoch sind auf dem Bild Menschen dargestellt, die – das legen die Formulierungen des Textes nahe – jedoch lediglich die Tätigkeiten illustrieren sollen, die aus den archäologischen Funden zu erschließen sind. Scheinbar geschlechtsneutral als „personnage“ bezeichnet, sind die Figuren jedoch eindeutig als weiblich oder männlich zu erkennen: Eine Frau trägt eine Schüssel, ein Mädchen bearbeitet die Oberfläche eines Keramikgefässes, ein Mann entsorgt Abfall in eine Grube und ein anderer kommt

mit dem Pflug über der Schulter und einer Kuh vom Feld zurück. Auch wenn die UrheberInnen des Lebensbildes in ihrer eigenen Wahrnehmung explizit ‚nur’ materielle Kultur und wirtschaftliche Tätigkeiten zeigen, und die dargestellten Menschen lediglich als ‚Veranschaulichungsobjekte’ dienen, präsentiert die Illustration in aller Deutlichkeit auch soziale Verhältnisse. So kann die – völlig unbeabsichtigte – Darstellung von geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung in der Fremdwahrnehmung der BetrachterInnen auch als eine Inszenierung von Geschlechterrollen gelesen werden, die den oben geschilderten Stereotypen folgt und deshalb ‚vertraut’ und ‚stimmig’ erscheint. Kehrte auf dem Bild jedoch eine Frau mit dem Pflug über der Schulter vom Acker zurück oder hielte ein Mann die Schüssel oder – noch irritierender – einen Kochtopf in den Händen, hätte die Szene ihre Selbstverständlichkeit schlagartig verloren. Solange soziale Inszenierungen auf Lebensbildern den in unserem kulturellen Gedächtnis tief verankerten Stereotypen folgen, erscheinen sie ‚wissenschaftlich korrekt’. Die Frage der ‚Richtigkeit’ und die Forderung nach fundierter wissenschaftlicher Begründung stellen sich erst durch die Irritationen, die ‚falsche’, das heißt den Stereotypen widersprechende oder von ihnen abweichende Darstellungen auslösen. Die Übereinstimmung mit den Stereotypen wiegt uns in der trügerischen Gewissheit, uns auf wissenschaftlichem Boden zu befinden. Die ‚Gewissheit’, dass die abgebildeten Stereotypen ‚wahr’ sind, ist indessen so tief und unerschütterlich, dass ‚vergessen’ wird, dass die sozialen Verhältnisse in der Urgeschichte nicht axiomatisch als bekannt vorauszusetzen sind.Vielmehr müssen sie genauso umsichtig erforscht und mit derselben wissenschaftlichen Sorgfalt und Redlichkeit begründet werden wie dies bei wirtschafts- und umweltgeschichtlichen Themen selbstverständlich der Fall ist. Für die Realisierung eines archäologischen Lebensbildes hieße das konkret, dass ArchäologInnen soziale Aspekte mit derselben Sorgfalt recherchieren und reflektieren sollten wie die materielle Kultur, wirtschaftliche Tätigkeiten, Fauna und Flora etc. Gespräche mit IllustratorInnen und KollegInnen, die Lebensbilder wissenschaftlich begleitet haben, haben mir im Gegensatz zu dieser wissenschaftlichen Ide-

alvorstellung den Eindruck vermittelt, dass zwischen WissenschaftlerInnen und IllustratorInnen häufig eine Art Arbeitsteilung besteht: Die ArchäologInnen recherchieren das, was unmittelbar aus dem Quellenmaterial abgeleitet werden kann, und hier gelten die Regeln der Wissenschaftlichkeit. Danach ‚überlassen’ sie es den IlustratorInnen, die Lebensbilder mit Leben zu füllen – das heisst, Menschen ‚sinnvoll’ in den urgeschichtlichen Kulissen agieren zu lassen. Es ist nahe liegend, dass IllustratorInnen bei dieser Aufgabe auf die vertrauten sozialen Stereotypen zurückgreifen, die in Varianten schon unzählige Male auf archäologischen Lebensbildern abgebildet wurden und darüber hinaus zahlreiche Entsprechungen auf Bildern aus anderen Bereichen finden, zum Beispiel in der Werbung. Und so werden die nicht wissenschaftlich fundierten unhinterfragten Grundannahmen über Geschlechterrollen und Männer und Frauen wirksam. Das Ergebnis ist in der Regel für die meisten Beteiligten stimmig: für IllustratorInnen und verantwortliche ArchäologInnen gleichermaßen wie für das Fachkollegium und das breite Publikum. Mit jedem neuen Bild, das – sei es in Archäologie, Werbung, Film, Belletristik oder in einem anderen Kontext – die verbreiteten Vorstellungen von ‚ursprünglichen’, ‚natürlichen’, vom Zivilisationsprozess ‚noch nicht verformten’ und folglich‚ noch intakten’ sozialen Verhältnissen visualisiert, erhalten die damit verknüpften Stereotypen eine erneute Bestätigung und werden so ‚noch ein bisschen wahrer’ und populärer. Die wechselseitigen Bestätigungen, die zwischen den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen erfolgen, werden zu einem Selbstläufer. Die Prähistorische Archäologie, die als Teil unserer Gesellschaft und Kultur zu betrachten ist, ist in diese Wechselbeziehungen integriert: Sie nimmt kulturelle Stereotypen auf und reproduziert sie zugleich in der oben beschriebenen Weise. Provokant könnte man diese Überlegungen in wissenschaftskritischer Manier zu folgender These zuspitzen: Die unreflektierte Integration der beschriebenen sozialen Stereotypen in die Prähistorische Archäologie bildet einen epistemologischen Fallstrick. Sie führt dazu, dass verschiedene sozialgeschichtliche Aspekte wie Axiome behandelt werden, deren Gültigkeit ohne einen für den Einzelfall zu leistenden wissenschaftlichen Nachweis vorausgesetzt wird, anstatt genau

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d­ iese Aspekte einer wissenschaftlichen Untersuchung und Analyse zu unterziehen. 3. Wechselbeziehungen zwischen gesellschaftlichen Diskursen und Prähistorischer Archäo­ logie: Erste Ergebnisse aus einem laufenden Forschungsprojekt Die oben beschriebene zirkuläre Verschränkung von Prähistorischer Archäologie und kulturellem Gedächtnis lässt sich am besten auflösen, wenn die Wechselwirkungen zwischen kulturellen Stereotypen und prähistorischer Forschung transparent gemacht werden. Um die für die Urgeschichtsforschung relevanten Stereotypen klarer identifizieren zu können, ist es hilfreich, zunächst zu untersuchen, in welchen gesellschaftlichen Bereichen – ausserhalb der Prähistorischen Archäologie als wissenschaftlicher Disziplin (wenn nicht anders definiert, wird im Folgenden die Formulierung ‚gesellschaftliche Bereiche’ in diesem Sinne verwendet) – Rückgriffe auf die Urgeschichte gemacht werden. Im Anschluss daran ist zu analysieren, in welchen Bedeutungskontexten die Rückgriffe jeweils stehen, ob sie in wiederkehrende Bedeutungsmuster (Diskurse) eingebettet sind und welchem Zweck sie dienen. In einem nächsten Schritt wäre dann zu untersuchen, wie ­diese Diskurse die prähistorische Forschung beeinflussen. Vor dem Hintergrund der in den ersten beiden Abschnitten präsentierten Ergebnisse und Schlussfolgerungen liegt diesem Vorgehen die Arbeitshypothese zugrunde, dass die Diskurse in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext entstehen und verhandelt werden. Die Prähistorische Forschung ist in diesen Prozess zwar eingebettet, die Diskurse werden aber durch ihre Forschungsergebnisse weder generiert noch massgeblich geleitet, sondern lediglich bestätigt und verstärkt. Das skizzierte Forschungsdesign zielt somit auch auf die Frage der gesellschaftlichen Rolle und Funktion der Prähistorischen Archäologie ab. Als Bestandteil eines grösseren Projektes, das die Entwicklung neuer Grundlagen für sozialgeschichtliche Forschungen in der Prähistorischen Archäologie zum Ziel hat (www. sozialgeschichte.unibas.ch), dient es zugleich der epistemologischen Reflexion von bestehenden und von im Projekt noch zu entwickelnden sozialgeschicht-

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lichen Forschungsansätzen. Gemäss der thematischen Ausrichtung des Gesamtprojektes auf Sozialgeschichte liegt auch der Schwerpunkt des Teilprojektes, das sich den Wechselwirkungen zwischen gesellschaftlichen Bereichen und Prähistorischer Archäologie widmet, auf Diskursen, die sozialgeschichtliche The-

Abb. 4: Werbeartikel der Kantonsarchäologie Zug (CH): „Wir erhellen Ihre Vergangenheit!“ Angesichts der Selbstvergewisserungsprozesse, in die die Prähistorische Archäologie durch ihre Beschäftigung mit den ‚Anfängen’ involviert ist, könnte man ergänzen: und Ihre Gegenwart.

men betreffen. Dazu gehören neben den urgeschichtlichen Geschlechterverhältnissen die Familienformen, die Generationenverhältnisse oder auch die Frage, was den Unterschied zwischen ‚Kindern’ und ‚Erwachsenen’ ausmachte. Des Weiteren sind gesellschaftliche Diskurse von Interesse, die darum kreisen, wie wir uns zu den urgeschichtlichen Menschen in Beziehung setzen: Sind sie ‚Menschen wie du und ich’? Sind die ‚Urmenschen’ unsere Vorfahren? Fühlen wir uns ihnen überlegen oder beneiden wir sie um bestimmte Dinge? Worin unterscheiden sich ‚Urmenschen’ von heutigen Menschen – und wo werden jeweils Trennlinien zu unseren nächsten heute lebenden Verwandten, den Menschenaffen, gezogen? Die genannten Beispiele, die nur einen Ausschnitt des vorhandenen Themenspektrums darstellen, haben eine Gemeinsamkeit: Obwohl sie vordergründig die ferne Urgeschichte betreffen, dienen sie als ein Medium, über das aktuelle Identitätsfragen verhandelt werden. Die Urgeschichte fungiert in diesen Aushandlungsprozessen als Referenz- und ‚kultureller Nullpunkt’, der vermeintlich demonstriert, wie die diskutierten sozialen Formen ‚ursprünglich’ ausgebildet waren. Im Wirrwarr der Meinungen gilt die Urgeschichte als eine Instanz der Orientierung. Eine erste Untersuchung der gesellschaftlichen Funktion der „Urgeschichte als Referenz für Geschlecht und Identität“ wurde 2006 in Kooperation mit Andrea Maihofer, Professorin für Gender Studies in Basel, im Rahmen eines interdisziplinären Seminars durchgeführt. Gemeinsam mit Studierenden aus den Gender Studies und der Ur- und Frühgeschichte wurde die Frage bearbeitet, in welchem Verhältnis Darstellungen von urgeschichtlichen Themen in Bild und Text zu aktuellen Fragen rund um Geschlecht und Identität stehen. Dies geschah anhand aktueller Artikel in Printmedien, auf Basis von Bestsellern, Kinderund Jugendbüchern, Schulbüchern sowie Spiel- und Dokumentarfilmen. Ein erstes Ergebnis war die bemerkenswerte Breite und Vielfalt der Kontexte und Themen, bei denen auf die Urgeschichte Bezug genommen wird. Die Analyse der Rückgriffe auf die Urgeschichte zeigte, dass sie in der Tat meist im Kontext von Identitätsfragen stehen, die verschiedene Ebenen von ‚Identität’ betreffen: Die urgeschichtlichen ‚Jäger und Sammlerinnen’ sind ein Topos, über den Fragen

rund um das Thema Geschlecht verhandelt werden. Die Neandertaler, die im Jubiläumsjahr 2006 in den Medien sehr präsent waren, sowie andere Frühmenschen sind dagegen gefragte Protagonisten, wenn es um nationale („Die ersten Deutschen“, STERN-Serie „Saurier, Neandertaler und Germanen«, Teil 2, 2006) und europäische Identität („Die ersten Europäer“, Planet Wissen 2006) geht. Dass diese anachronistischen Identitätszuschreibungen an urgeschichtliche Menschen auch eine (tages)politische Dimension haben, wird beispielsweise an antiamerikanischen Reflexen deutlich, die die heraufbeschworene ‚europäische Identität’ unterschwellig als ein Gegengewicht zu einer US-amerikanischen Dominanz präsentieren. Im Folgenden möchte ich weitere aktuelle Beispiele dafür benennen, wie und zu welchem Zweck Rückgriffe auf die Urgeschichte gemacht werden, und welche Diskurse sich dabei abzeichnen. Dies geschieht anhand von vier Textauszügen, in denen auf den Topos der urgeschichtlichen ‚Jäger und Sammlerinnen’ Bezug genommen wird. a) „Ganz natürliche Erklärungen“: einfache Lösungen für ein großes Problem Einfache Lösungen für große Probleme verspricht das AutorInnenpaar Allan und Barbara Pease mit ihrem Bestseller „Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken. Ganz natürliche Erklärungen für eigentlich unerklärliche Schwächen“ (Pease, Pease 2000; australische Erstausgabe 1998). Mittlerweile um griffige Kurzformen im Hemdtaschenformat ergänzt (z. B. Pease, Pease 2005), wurden die Bücher des Paares weltweit mehr als 20 Millionen mal verkauft. Das große Problem, das Pease & Pease laut Verlagswerbung durch eine Verbindung „neuester Erkenntnisse der Gehirnund Evolutionsforschung mit aktueller Verhaltenspsychologie“ ergründen, erklären und lösen möchten, ist das Geschlechterverhältnis. Sowohl die Ursachen als auch die Lösungen sieht das AutorInnenpaar ausnahmslos in den „kleinen, aber bedeutsamen Unterschieden zwischen Mann und Frau“ (Verlagswerbung), für die sie „ganz natürliche Erklärungen“ parat haben. Und diese „ganz natürlichen Erklärungen“ schöpfen sie unter anderem aus der Urgeschichte – kompakt nachzulesen in einem Kapitel mit dem griffigen Ti-

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tel „Wie wir das geworden sind, was wir sind“ (Pease, Pease 2005: 16-19). Das Kapitel beginnt im Stil eines Märchens: „Es war einmal vor langer, langer Zeit, da lebten Frauen und Männer noch glücklich zusammen und gingen in Harmonie ihrer Arbeit nach. Der Mann wagte sich Tag für Tag in eine feindliche und gefährliche Welt hinaus, wo er als Jäger sein Leben riskierte, um seiner Frau und seinen Kindern Nahrung zu beschaffen, und zu Hause verteidigte er sie gegen wilde Tiere und andere Feinde.“ Es folgen Aufzählungen der Arbeiten, denen Männer und Frauen „in Harmonie“ nachgegangen sein sollen, und die exakt dem Geschlechter- und Rollenverständnis des bürgerlichen Geschlechtermodells entsprechen. Barbara und Allan Pease lassen mit ihren Schilderungen der urgeschichtlichen Jäger und Sammlerinnen paradiesische Zeiten mit klaren und überschaubaren Verhältnissen erstehen; „Es war ziemlich einfach: Er war der Beutejäger, sie die Nesthüterin.“ Doch die paradiesische Frühzeit der Menschheit ist – zumindest für die ‚zivilisierte Welt’ – vorbei. Und so beenden die AutorInnen ihren Exkurs in die Urgeschichte mit einem Schwenk auf die bedrohlichen Verhältnisse in der Gegenwart: „Die­ se herkömmlichen Regeln wurden jedoch in unserer modernen, zivilisierten Welt abgeschafft, und die Folgen sind Chaos, Verwirrung und Unzufriedenheit.“ (Pease, Pease 2005: 16; 17; 19) b) „Die Emanzipation – ein Irrtum?“ Diese Frage beschäftigt Eva Herman, eine ehemalige deutsche Nachrichtensprecherin, die im Mai 2006 erste Antworten in einem Artikel lancierte, dem Anfang September ein Buch zur selben Grundfrage folgte, das bereits am Erscheinungstag vergriffen war (Herman 2006a; 2006b). Eva Hermans Thesen machen seither in den Feuilletons und Talk Shows Furore – ein Ende der hitzigen Debatten ist noch nicht abzusehen.Wie in den Bestsellern von Allan und Barbara Pease ist auch in den Veröffentlichungen Eva Hermans die Geschlechterdifferenz Dreh- und Angelpunkt der Argumentation, und auch sie greift in ihrer Argumentation auf die vermeintlichen Geschlechterverhältnisse in der Urgeschichte zurück: „Betrachten wir einmal den soziologischen und bio­ logischen Kontext. Der Mann steht in der Schöpfung

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als der aktive, kraftvolle, starke und beschützende Part, die Frau dagegen als der empfindsamere, mitfühlende, reinere und mütterliche Teil. In den zurückliegenden Jahrtausenden richtete die Menschheit ihre Lebensform nach dieser Aufteilung aus, die Rollen waren klar definiert. Der Mann ging zur Jagd, später zur Arbeit und sorgte für den Lebensunterhalt der Familie, die Frau kümmerte sich um das Heim, den Herd, die Kinder und stärkte ihrem Mann den Rücken durch weibliche Fähigkeiten wie Empathie, Verständnis, Vorsicht. Aus dieser Zeit stammt das volksmündliche Sprichwort, dass hinter jedem erfolgreichen Mann eine kluge Frau stehe.Welche Gnade sich in dieser schöpfungsgewollten Aufteilung findet, kann man heute nur noch selten beobachten. Wenn sie aber eingehalten wird, so hat das in aller Regel dauerhafte Harmonie und Frieden in den Familien zur Folge.“ Auch die Schilderung des prähistorischen Geschlechterparadieses von Eva Herman mit seiner „schöpfungsgewollten“ Rollenteilung endet mit einem Schwenk auf die Gegenwart, bei dem sogar der Untergang der menschlichen Spezies als unterschwellige Drohung mitschwingt: „Seit einigen Jahrzehnten verstoßen wir Frauen zunehmend gegen jene Gesetze, die das Überleben unserer menschlichen Spezies einst gesichert haben.“ Im Gegensatz zu Barbara und Allan Pease, die von einer parallelen Veränderung der Frauen- und der Männerrollen ausgehen, präsentiert Eva Herman den einseitigen Ausstieg der Frauen aus dem traditionellen bürgerlichen Geschlechtermodell als Ursache der aktuellen Spannungen im Geschlechterverhältnis. Nach dieser Klärung der Schuldfrage ist klar, wie die Antwort auf die Frage „Die Emanzipation – ein Irrtum?“ ausfallen muss. c) Sedierte Jäger und sammelnde Konsumentinnen Auch Peter Sloterdijk hat präzise Vorstellungen vom ‚Wesen’ und den Aufgaben urgeschichtlicher Männer und Frauen, die er in einem durchaus überraschenden Kontext äußerte. In einem Interview, das während der Fußballweltmeisterschaft im Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL erschien, bezeichnet er die deutsche Nationalmannschaft als „ein Team von Hermaphroditen“ – eine Sichtweise, die er aus seinem Männlichkeitskonzept ableitet, das wiederum auf dem

‚urgeschichtlichen Jäger’ basiert. Das Interview beginnt wie folgt: SPIEGEL: „Herr Sloterdijk, wie gucken Sie sich die WM an, als Fan oder als Philosoph?“ Sloterdijk: „Eher als ein Mensch, der sich für die Archäologie der Männlichkeit interessiert. Das Fußballspiel ist atavistisch, und es ist eine anthropologische Versuchsanordnung. Seit einigen tausend Jahren suchen die männlichen Menschen nach einer Antwort auf die Frage: Was macht man mit Jägern, die keiner mehr braucht? Von unserem anthropologischen Design her sind Männer so gebaut, dass sie an Jagdpartien teilnehmen. Doch haben wir seit gut 7000 Jahren, seit Beginn des Ackerbaus, die Jäger einem riesigen Sedierungsprogramm unterworfen. Je höher die Religion, desto stärker war der Versuch, den inneren Jäger davon zu überzeugen, dass es im Grunde eine Schande ist, ein Mann zu sein, und dass Männer als Männer niemals des Heils teilhaftig werden.“ Die von Peter Sloterdijk postulierte Abweichung vom „anthropologischen Design“ und das „Sedierungsprogramm“ zur Abtötung des „inneren Jägers“ haben für Männer seines Erachtens also gravierende Folgen. Insofern darf man gespannt sein, ob Sloterdijk für Frauen Ähnliches konstatiert: SPIEGEL: „Der Ur-Mann im Mann ist also weitgehend nutzlos und nur im Spiel zu gebrauchen. Haben es die Frauen besser?“ Sloterdijk: „Frauen sind herkunftsmäßig Sammlerinnen, und die braucht man heute mehr denn je, denn aus der Sammlerin wird auf dem kürzesten Weg die Konsumentin. Frauen sind in diesem Punkt viel kapitalismuskompatibler als Männer. In der Konsumentin zeigt sich noch immer diese stille, triumphale Genugtuung der Sammlerin, die in ihrem Korb etwas heimbringt. Daraus ist dieses mysteriöse weibliche Universal der Handtasche entstanden. Ein Mann ohne Speer oder ohne Ball, das geht ja noch, aber eine Frau ohne Handtasche, das ist wider die Natur.“ Entwarnung also für die Frauen, weil sie – im Gegensatz zur Ansicht der oben zitierten AutorInnen – laut Sloterdijk nach wie vor ihrem „anthropologischen Design“ entsprechend leben. In einem Punkt sind sich jedoch alle AutorInnen einig: Die urgeschichtlichen Jäger und Sammlerinnen sind ein zentraler Referenzund Orientierungspunkt in der aktuellen Geschlech-

terdebatte, der illustriert, was Frauen und Männer in ihrem tiefsten Innern eigentlich ausmacht und wie sie mit sich im Reinen und mit dem gegengeschlechtlichen Gegenüber in Harmonie leben können. Abweichungen vom „anthropologischen Design“ der Geschlechter (Sloterdijk), von den „schöpfungsgewollten“ (Eva Herman) beziehungsweise den „natürlichen“ (Allan und Barbara Pease) Geschlechterrollen haben indessen gravierende Folgen: Sie sind die Ursachen für die konstatierten Probleme zwischen den Geschlechtern und für die beklagte Perversion weiblicher (Eva Herman) und männlicher (Peter Sloterdijk) Identität. d) Jäger und Sammlerinnen im Schulbuch Auch in den Medien für den Geschichtsunterricht ist die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung in der Urgeschichte ein wichtiges Thema, was für Deutschland umfassend von Miriam Sénécheau herausgearbeitet wurde (Sénécheau 2005; 2006; 2007). Von wenigen Ausnahmen abgesehen, folgen die Beschreibungen der Aufgaben, die urgeschichtliche Jäger und Sammlerinnen angeblich hatten, dem durch das bürgerliche Geschlechtermodell vorgegebenen Raster. So auch in einem Geschichtsbuch zur Ur- und Frühgeschichte, das die Schilderung der unterschiedlichen Aufgabenfelder von Frauen und Männern mit folgendem Satz abschließt (Lampe 1995: 66): „Das alles wirkte auf die Unterhaltung am Lagerfeuer, wo der Jäger meist mehr zu berichten hatte als die Sammlerin.“ Nach diesem Fazit des aus fachlicher Sicht insgesamt höchst bedenklichen Textes folgen zwei Arbeitsaufgaben an die SchülerInnen, von denen die erste ein gewisses Aufatmen zulässt, da es die zuvor apodiktisch verkündeten ‚Wahrheiten’ relativiert. Die Frage, die von den SchülerInnen bearbeitet werden soll, lautet: „Warum lässt sich die Verteilung auf die Geschlechter nicht beweisen?“ Die zweite Frage macht die geweckten Hoffnungen auf eine Relativierung und Problematisierung des Textes allerdings wieder zunichte: „Warum hat sie dennoch einige Wahrscheinlichkeit für sich?“ Die Art, wie die Frage urgeschichtlicher Geschlechterrollen in diesem Geschichtsbuch behandelt werden, ist symptomatisch für die hier vertretene These. Obwohl außer Zweifel steht, dass die Beschreibungen

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der urgeschichtlichen Geschlechterrollen keine wissenschaftlich abgesicherten Erkenntnisse darstellen, werden sie dennoch fast als Gewissheiten bewertet. Es sind dieselben Gewissheiten, auf die sich auch die oben genannten AutorInnen berufen, und die in die Produktion archäologischer Lebensbilder einfließen. Kern dieser Gewissheiten ist das Postulat einer ‚ursprünglichen’ und ‚natürlichen’ Geschlechterordnung, die auf einer spezifischen Sicht und Bewertung der Unterschiede zwischen Männern und Frauen beruht, die auch heute noch in der Tradition des im 18./19. Jahrhundert kreierten ‚Geschlechtscharakters’ stehen. Die Urgeschichte fungiert als ein fiktiver Ort, an dem diese Geschlechterordnung mit ihren spezifischen Formen weiblicher und männlicher Identität ‚in Reinform’ betrachtet werden kann. In einer Zeit, in der die Geschlechterverhältnisse im Empfinden Vieler kompliziert, verwirrend und problematisch und die herkömmlichen Geschlechterrollen im Wandel begriffen sind, ohne dass schon abzusehen wäre, wohin diese Entwicklung führen wird, ist die Urgeschichte wie ein Fels in der Brandung, an dem man sich orientieren kann: Hier kann man auf die vermeintlichen Anfänge zurückblicken, die historische Entwicklung quasi wieder auf Null setzen und sich so vergewissern, wie Frauen und Männer im postulierten ‚Naturzustand ohne zivilisatorische Verformungen eigentlich sind’ und wie ihr damals ‚noch intaktes’Verhältnis gestaltet war. 4. Schlaglichter auf die Selbst- und Fremdwahrnehmung der Prähistorischen Archäologie Dass Archäologie der Orientierung und Vergewisserung über „letzte Fragen“ dient (Menghin 1931: 1) und in diesem Kontext zuweilen fast schon metaphysische Züge erhält, wird auch in Texten deutlich, in denen sich ArchäologInnen und Nicht-ArchäologInnen Gedanken über die gesellschaftliche Funktion des Faches machen. Mit den folgenden Textausschnitten möchte ich einige Schlaglichter auf solche Reflexionen setzen und zur eigenen Positionierung zu diesen Fragen anregen. „Die geistige Situation unserer Zeit wird vielleicht durch nichts so scharf gekennzeichnet als durch zwei Tatsachen: die absolute Wirrnis der Meinungen über letzte Fragen und das ungeheure Bedürfnis, diese Fra-

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gen eindeutig beantwortet zu sehen. [...] Er [der Wunsch nach Zusammenfassung der Forschungsergebnisse, BR] wird besonders dringlich auch für das Gebiet der Urgeschichte erhoben. Dies ist kein Zufall. Denn gerade von den brennendsten Fragen der Gegenwart stehen viele in einem sehr engen Zusammenhang mit der prähistorischen Forschung. Anfang, Wesen, Berechtigung von Familie, Staat, Eigentum, Kunst, Religion, – Ursprung, Wert, gegenseitiges Verhältnis von Rasse, Sprache und Kultur, – Gesetzmäßigkeit, Bedeutung, Zweck des Geschehens überhaupt – dies nur ein paar der modernen Probleme, die ohne Mitwirkung der urgeschichtlichen Forschung wirklich tiefgründige Behandlung nicht finden können.“ Oswald Menghin, Archäologe, 1931 im Einleitungskapitel „Grundsätzliches zur urgeschichtlichen Wissenschaftslehre“ in seinem Buch „Weltgeschichte der Steinzeit“. „Die Auflösung althergebrachter Lebensformen und traditioneller Zugehörigkeiten, wie zur Kirche, zum Dorf oder zu einer Gemeinde, lässt den heutigen Menschen vermehrt einen Blick in die Vergangenheit werfen. Je weniger wir uns irgendwo eingebettet fühlen, desto größeres Gewicht erhält die Frage: Woher kommen wir?“ Stefan Hochuli,Archäologe, 1992 im Vorwort zur Broschüre über den Dokumentarfilm „Unter dem Boden“, der eine Ausgrabung im Kanton Zug thematisiert. „Es gibt ein Bedürfnis nach Abenteuer in unserer Zeit. Ein Bedürfnis nach etwas, was ich nicht kenne, nach dem Unbekannten, dem Unbewussten. Nach unten graben. Die Wahrheit suchen. Nach unten hoffen, nachdem der Glaube an das Oben schwieriger geworden ist. Eine junge Generation schaut unter den Boden, auf der Suche nach dem Menschen. Graben, schauen, suchen, finden, ergründen, in einer Zeit, wo es scheinbar nichts mehr zu entdecken gibt. Wo alles bestimmt, kalkuliert, berechnet und kauffertig zum Konsum angeboten wird. Wo der eigene Wert immer mehr von außen bestimmt wird. In dieser Zeit gibt es ein Bedürfnis nach dem Subjektiven, nach Erlebnis, nach Sinn. Suchen und graben. Unter den Boden greifen. Begreifen. In der Erde wühlen wie Maulwürfe, Haufen aufstoßen, Schichten freilegen, durchtren-

nen und entblättern. Den Untergrund durchsieben und seinen Gehalt prüfen. Funde befragen und deren Sprache entziffern. Und weiter in die Tiefe schürfen, als ob die Höhen des Himmels verloren wären, um sich zu finden. Woher komme ich? Was für ein Boden trägt mich? »Unter dem Boden« ist meine Begegnung mit der Zeit – ist mein Erlebnis und meine Hoffnung, einen Fund zu machen.“ Erich Langjahr, Filmemacher, 1992 im Vorwort zur Broschüre des oben erwähnten Dokumentarfilms. „Archäologen beschäftigen sich nicht nur mit Funden und Befunden früherer Zeiten, sondern auch mit kollektiven und individuellen Grundfragen nach dem Leben an sich – und spiegeln gleichzeitig ihre Gegenwart.“ Andres Furger, Archäologe, 1998 im Einführungskapitel zum ersten Band der populärwissenschaftlichen Reihe „Archäologie und Kulturgeschichte der Schweiz“. Für die Beantwortung der - „brennendsten Fragen der Gegenwart“ (Menghin), - der „kollektiven und individuellen Grundfragen nach dem Leben an sich“ (Furger), - darunter die Frage „Woher kommen wir?“, (Hochuli) - und für die „Suche nach dem Menschen“ (Langjahr)

sind die ‚Anfänge’ und ‚Ursprünge’ von zentraler Bedeutung. Sich über die ‚Anfänge’ zu vergewissern, verschafft Antworten und Orientierung. In der heutigen Säkulargesellschaft werden die ‚Anfänge’ und ‚Ursprünge’ in der Urgeschichte lokalisiert, und die Prähistorische Archäologie ist somit Teil dieser Vergewisserungsprozesse. Die Kantonsarchäologie Zug hat im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit letztes Jahr ein Streichholzbriefchen produziert, das verspricht: „Wir erhellen Ihre Vergangenheit“ (Abb. 4). Angesichts der Selbstvergewisserungsprozesse, in die die Prähistorische Archäologie durch ihre Beschäftigung mit den ‚Anfängen’ involviert ist, könnte man ergänzen: und Ihre Gegenwart.

Dank Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Projektes „Neue Grundlagen für sozialgeschichtliche Forschungen in der Prähistorischen Archäologie“, das vom Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung finanziert wird. Ulle Jäger (Basel) und Sabine Meister (Berlin) sei herzlich für ihr konstruktives Feedback zu diesem Beitrag und für ihre Anregungen gedankt.

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Literatur Furger, A. (1998), Archäologie und Kulturgeschichte der Schweiz. In: Furger, A., Fischer, C., Höneisen, M., Die ersten Jahrtausende. Die Schweiz von den Anfängen bis zur Eisenzeit. Archäologie und Kulturgeschichte der Schweiz’ Band 1. Zürich: Verlag Neue Zürcher Zeitung: 9-61. Gifford-Gonzales, D. (1993),You can hide, but you can`t run: Representation of women`s work in illustrations of palaeolithic life.Visual Anthropology Review 9: 23-41. Hausen, K. (1976), Die Polarisierung der „Geschlechtscharaktere“. Eine Spiegelung der Dissoziation von Erwerbs- und Familienleben. In: Conze, W. [Hrsg.], Sozialgeschichte der Familie in der Neuzeit Europas. Stuttgart: Klett: 363-393. Herman, E. (2006a), Die Emanzipation – ein Irrtum?. Cicero. Magazin für politische Kultur, Mai 2006. – (2006b), Das Eva Prinzip. Für eine neue Weiblichkeit. München: Pendo Verlag. Hochuli, S. (1992), Gedanken des Archäologen. In: ders., Archäologische Ausgrabungen in der Sennweid bei Steinhausen Zug. Erläuterungen zum Film »Unter dem Boden«. Zug: Kantonsarchäologie Zug: 1. Hurcombe, L. (1995), Our Own Engendered Species. Antiquity 69: 87-100. Langjahr, E. (1992), Gedanken des Filmemachers. In: Hochuli, S., Archäologische Ausgrabungen in der Sennweid bei Steinhausen Zug. Erläuterungen zum Film »Unter dem Boden«. Zug: Kantonsarchäologie Zug: 1. Lampe, K. (1995), Ur- und Frühgeschichte = Band A1 der Reihe: Kirchhoff, H.G. [Hrsg.], Unterricht Geschichte: Themen Materialien Medien. Köln: Aulis Verlag Deubner. Karlisch, S. M. (1998), Das Mama-Papa-Kind-Syndrom – Botschaften über die Fußspuren von Laetoli. In: Auffermann, B., Weniger, G.-C. [Hrsg.], Frauen – Zeiten – Spuren. Mettmann: Neanderthal Museum:141-160. Masserey, C. (2002), Formalisation des connaissances: mise en image de l‘habitat de La Tène ancienne d‘Alle Noir Bois. In: Jud, P., Kaenel, G. [Hrsg.], Lebensbilder – Scènes de vie. Actes du colloque de Zoug (13-14 mars 2001). Documents du Groupe de travail pour les recherches préhistoriques en Suisse N° 2. Lausanne: Kantonales Museum für Urgeschichte Zug: 99-106. Menghin, O. (1931), Weltgeschichte der Steinzeit. Wien: Anton Schroll & Co. Owen, L. R. (2005), Distorting the Past: Gender and the Division of Labor in the European Upper Paleolithic. Tübingen Publications in Prehistory. Tübingen: Kern Verlag. Pease, A., Pease, B. (2000), Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken. Ganz natürliche Erklärungen für eigentlich unerklärliche Schwächen. München: Ullstein-Taschenbuch Verlag. – (2005), Warum Männer nicht zuhören… Ganz natürliche Erklärungen für eigentlich unerklärliche Schwächen. München: Ullstein-Taschenbuch Verlag. Röder, B. (2002a), Botschaften aus der Gegenwart: Die Darstellung von Geschlechterrollen auf Lebensbildern zur Urgeschichte.

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Abbildungsnachweise Abb. 1, links: Ch. Osterwalder und Marc Zaugg (41991), Fundort Schweiz. Band 2: Von den ersten Bronzegießern bis zu den Helvetiern. Solothurn: Aare-Verlag. Abb. 1, rechts: A. Kuhn (1992) (Hrsg.), Die Chronik der Frauen. Dortmund: Chronik Verlag Harenberg. Abb. 2: Werbung des Gerling Konzerns (D). Abb. 3: Massery 2002. Abb. 4: Kantonsarchäologie Zug (CH) 2006.

Diskussion Gabriele Albers Stimmt der Aussage des Vortrags zu. Es ist paradox, dass im Fach ein „Anfang“ nicht klargemacht werden kann. Die Frage:Wann ist das zum ersten Mal passiert? wird zwar gestellt, aber nicht beantwortet. Das „älteste Zeugnis“ von irgendetwas ist über archäologische Quellen nicht festzumachen; aber in der breiten Öffentlichkeit wird jede Aussage als solch ein Fixpunkt empfunden. Clemens Eibner Auch die Verhaltensforschung zeigt Geschlechterrollen; z.B. für die Tiere. Es wird aber nur selten gefragt, woher diese Einflüsse kommen. Es ist derzeit eine Umbruchsphase festzustellen, z.B. in der musealen Darstellung. Es liegt in der Verantwortung des Prähistorikers über die „Urformen“ nachzudenken. Möglicherweise ist es sinnvoll, das Fach nicht so stark zu zerstückeln, um nicht nur fachdetailspezifische Forschungen ohne den größeren Zusammenhang durchzuführen. Jana Esther Fries Zur Frage: Wie war das wirklich damals? haben Nichtarchäologen meist fixe Vorstellungen; die Archäologen selbst treffen selten unverrückbare Aussagen. Es sollte in der Öffentlichkeit intensiver klargemacht werden, dass die Archäologen es nicht so genau wissen und dass viele unterschiedliche Aspekte zu betrachten sind. Brigitte Röder Die Archäologen sollten sich mehr in die öffentliche Diskussion einmischen. Es ist darauf zu achten, dass man sich dabei nicht selbst behindert. Wenn die Archäologen etwas (inzwischen, eigentlich) wissen, sollten sie sich nicht scheuen, frühere Wissensstände zu korrigieren. Sabine Rieckhoff Auch der Blick auf die Ethnoarchäologie soll einbezogen werden. Bisher sprach diese immer von Jägern und Sammlern; seit ein paar Jahren folgt man immer öfter dem Vorschlag von Rieckhoff und Müller-Beck und spricht von Jägern und Sammlerinnen. Es ging hierbei nicht darum, ein Biedermeier-Idyll nachzuzeichnen. Die Aussageform wurde gewählt mit der Begründung, dass Frauen sich um die Kleinkinder kümmern müssen, die für die Jagd zu laut sind, beim Sammeln hingegen keinen „Schaden“ anrichten können. Die Argumente für die Arbeitsteilung weisen der Frau sogar immer wieder den „besseren“, weil wichtigeren Part zu: die Jagd verspricht keinen regelmäßigen Erfolg, wohingegen durch Sammeln eine sicherere, ständigere Nahrungsversorgung möglich ist. Die Ergebnisse der Ethnologie sind jedenfalls mit in Betracht zu ziehen. Brigitte Röder Dies ist bei den Ethnographen des öfteren bereits üblich. Reinhard Eisner Ein weiteres Argument für die Arbeitsteilung ist die Auswirkung, die der Verlust von auf der Jagd verlorenen Kindern hätte; sowie die Größe von Gesellschaften, die notwendig wäre, dass riskiert werden kann, Kinder auf die Jagd mitzunehmen, bzw. die notwendig wäre, um genügend Kinderbetreuung bereitstellen zu können, dass diese nicht mit auf die Jagd genommen werden müssen.

Brigitte Röder Der jeweils aktuelle gesellschaftliche Diskurs ist mit einzubeziehen, weil dieser die Interpretation des Archäologen prägt. Chris Lucianu Wie stark arbeiten Zeichner und Archäologen bei der Erstellung solcher Lebensbilder zusammen? Wessen Klischees werden in den Lebensbildern dargestellt? Die des Zeichners oder die des Archäologen? Brigitte Röder Die Probleme diesbezüglich sind vielfältig. Oft genug erhält der Zeichner auf seine Fragen vom Archäologen nur präzise Antworten, wo der Archäologe präzise sein kann (Funde, Befunde, Pfostendicken, Keramikformen,...), wohingegen für das weitere Umfeld dem Künstler freie Hand gegeben wird. Es kommt auch vor, dass bestimmte Vorgaben von Auftraggebern zu berücksichtigen sind (Ausstellungsdesign, Museumsleitung, ...) oder die Zeichnung von für den Künstler „schwer vorstellbaren“ Vorschlägen „einfach nicht funktioniert“. Andreas Rausch Nimmt nochmals Bezug auf „das älteste xy“. In der Publikation wird oft soweit gekürzt, dass der Leser als Laie nicht erkennen kann, dass es sich hierbei um einen Forschungsstand handelt (das bisher älteste gefundene xy), sondern die Aussage als „letzte Wahrheit“ rezipiert wird. Die Geschichte schreibt sich selbst weiter, aber viele bekommen die nächsten Teile nicht zu hören/lesen. Rein methodisch gibt es immer etwas, das „davor“ war. Jutta Leskovar Jeder Archäologe kommt in die Situation z.B. durch Kürzungen Fehler zu machen, wenn er z.B. auf die Frage des Journalisten das Grab mit der Schwertbeigabe einem Mann/das mit dem Schmuck einer Frau zuweist.

Zusammenfassung der Diskussion In der Diskussion wird vor allem auf einzelne Details der Darstellungen eingegangen, die durch unterschiedliche Hintergründe erklärbar sind. Dabei wird vor allem die Geschlechterrolle akzentuiert (unter Hinweis auf die zoologische Verhaltensforschung, die Sinnhaftigkeit der Zuweisung bestimmter Aufgaben an Männer, die auf der Jagd kein schreiendes Kleinkind verlieren können, und Frauen, deren Sammeltätigkeit der wertvollere weil sichere und regelmäßige Beitrag zur Familienernährung ist). Die bekannten Schwierigkeiten bei der Erstellung von Lebensbildern reichen von Vorgaben des Auftraggebers über zu wenig Zusammenarbeit von Wissenschafter und Illustrator, der Scheu, nicht beweisbare Meinungen zu äußern, und der Diskussionsfähigkeit von Wissenschafter und Publikum, bis zu unbewussten Vorprägungen aller Beteiligten. Obwohl diese Einflüsse nicht völlig auszuschalten sind, sollen sie zumindest bewusst gemacht und diskutiert werden können. Der Wissenschafter muss sich dem Publikum nicht als unfehlbar darstellen, sondern kann darauf hinweisen, dass es gerade die offenen Fragen und immer wieder neuen Antworten sind, die den Reiz und die Aktualität von Forschung ausmachen („das älteste XY“ ist nur „das älteste bisher gefundene XY“).

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Unsichtbares sichtbar machen Kerstin Kowarik, Doris Pany, Maria-Christina Zingerle

Einleitung Unsichtbares sichtbar, verständlich und erfahrbar zu machen ist das Ziel von Vermittlungsarbeit und Thema des vorliegenden, dreigeteilten Artikels. Archäologische Themen erfreuen sich eines starken Interesses in der Öffentlichkeit. Dieses Interesse an Archäologie führt zu der Frage nach seinen Hintergründen und unserem Verhältnis zur Vergangenheit. Auch bietet es die Möglichkeit gesellschaftlich tabuisierte Themen, wie den Tod, öffentlich zu diskutieren. Als Wissenschaft, die sich direkt mit menschlichen Überresten beschäftigt, ist hier in besonderem Maße die Anthropologie gefragt. Schließlich befasst sich der Artikel noch mit einem letzten Aspekt des Sichtbarmachens. Die Sichtbarkeit von Geschichte in einer Landschaft.Wie kann die historische Bedeutung eines Ortes, dessen historische Substanz nicht mehr vorhanden ist (Ausgrabung, Erosion, etc), verankert und bewahrt werden? Zusammenfassung Archäologische Themen stoßen besonders in den letzten Jahren auf verstärktes Interesse. Wollen wir als ArchäologInnen dieses Interesse aufgreifen und unser Fach einem breiten Publikum öffnen, ist es notwendig nach den Hintergründen dieser Aufmerksamkeit zu fragen, die Archäologie weckt. Beschäftigung mit der Vergangenheit ist Arbeit an der Zukunft, meint der Historiker Goertz (Goertz 1995: 15: „ein Historiker, der denkt, löst genaugenommen nicht die Probleme der Vergangenheit, er bemüht sich vielmehr um die Probleme, die uns heute bedrängen.“ und L. Febvre (zit. nach Goertz 1995: 15): „Die Geschichte ist die Wissenschaft von der Vergangenheit und die Wissenschaft von der Gegenwart.“ und erinnert damit an das gesellschaftspolitische Potential, das in historischen Aussagen und in diesem Zusammenhang eben auch in archäologischen steckt.Vermittlung ist immer Interpretation einer bereits vorhandenen wissenschaftlichen Interpretation, die wiederum von den BesucherInnen interpretiert wird. Daher ist die Vermittlung von archäologischen Themen an eine interessierte Öffentlichkeit auch mit Verantwortung verbunden. Damit beschäftigt sich der erste Teil dieses dreigeteilten Artikels. Im zweiten Teil werden die genannten Aspekte aus dem Blickwinkel der Anthropologie, die näher am Menschen selbst ist als die Archäologie, diskutiert. Das Thema Tod und Öffentlichkeit stellt ein Potential dar, welches bisher weithin ungenutzt blieb. Wir alle werden eigentlich jeden Tag in verschiedenen Medien mit dem Thema Tod konfrontiert, und im Fall von AnthropologInnen und ArchäologInnen beschäftigen wir uns auch mehr oder weniger täglich damit. Generell ist dieses Thema jedoch in unserer Gesellschaft, besonders im städtischen Bereich, stark tabuisiert und aus unserem Alltag verdrängt. Kinder, die ins Museum kommen, sehen und hören oft zum ersten Mal von toten Menschen. Bei der öffentlichen Arbeit mit menschlichen Überresten im Museum hat man die Möglichkeit, dieses Thema im wahrsten Sinne begreifbar zu machen und damit zu enttabuisieren. Gleichzeitig übernimmt man

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die Verantwortung, besonders Kindern einen respektvollen Umgang mit Toten und dem Tod nahe zu bringen. Im dritten Teil soll die Sichtbarkeit von Geschichte in der Landschaft diskutiert werden. Uns allen ist bewusst, dass archäologische Ausgrabungen, neben Erkenntnisgewinn und Rettung von Kulturgut, die Zerstörung der Fundstelle bedeuten. Funde und Befunde werden ausgegraben, dokumentiert, inventarisiert, publiziert und ausgestellt. Was passiert unterdessen mit der Fundstelle? Das Materielle (Funde und Befunde) ist weg, lagert in Museen, Depots, im Computer und auf Papier. Aber die Tatsache, dass genau an dieser Stelle einmal Menschen ihre letzte Ruhe fanden, bleibt. Es erscheint sinnvoll dieses Wissen auch in der Landschaft vor Ort zu verankern und sichtbar zu machen. Der Nachbau der Grabmonumente, die Bewahrung und Begehbarmachung eventueller Reste (bsp. Großsteingräber), Hinweistafeln und Themenwege sind erprobte und häufig beschrittene Wege.Weitaus seltener wird auf landschaftsgestalterische Inszenierungen zurückgegriffen. Das Potential solcher Inszenierungen soll anhand von konkreten Beispielen vorgestellt und diskutiert werden. Abstract In recent years, archaeological subjects have encountered reinforced interest. If we as archaeologists want to take up this interest and open our field to a wider audience, it is necessary to ask for the background of this increased interest in archaeology.To be concerned with the past is to work on the future, the historian Goertz has argued, drawing attention to the socio-political potential which historical statements carry, and in this context, also archaeological ones. Mediation is always an interpretation of an already existing scientific interpretation which again will be interpreted by the visitors. Hence, to present archaeological results to an interested general public carries with it a degree of responsibility. The scientific field of anthropology is not very well known in public. Compared to archaeology, it deals with the dead and death “personally”, but those are topics which to an extent are taboo in our modern society. In particular, children are kept away from this topic, in many cases they hear about dead persons for the first time when they visit a museum concerned with human remains. Anthropology can help to make the theme “death” more transparent, and intensive educational work in these museums can make it possible to bring especially children closer to this important issue. The history of a landscape is rarely visible.This concerns especially the prehistoric past given the „mostly invisible nature“ of prehistoric sites. The third part of this paper focuses on visualizing history in the landscape. But going beyond visibility the question arises how to make history and science accessible to all senses. How to go from an abstract scientific hypothesis to something that can be explored by all senses? This part of the paper presents a special approach to the problem: the use of landscape architecture as exemplified by the „Landscape Park of Kalkriese“ (Museum und Park Kalkriese,Varusschlacht) and the „Neanderthal Discovery Site“ (Neanderthal Museum).

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Unsichtbares sichtbar machen Teil 1: Die vielen Gesichter der Archäologie Maria-Christina Zingerle

Archäologie als Abenteuer - Klischees und Stereotype „´Abenteuer Archäologie´ ist ein populärwissenschaftliches Magazin zur Geschichte des Menschen und Erforschung seiner Kulturen. (…) Zu lesen gibt es (…) journalistisch aufbereitete archäologische und kulturgeschichtliche Artikel aus der Feder von Wissenschaftlern (…)“ (Wikipedia, die freie Enzyklopädie). In der Ausgabe 4/2006 (Online-Ausgabe) lesen wir über einen sensationellen Fund in der Mongolei: „Das eisige Grab des Reiterkriegers“. Mit dem Untertitel: „Glück für die Archäologen: Im mongolischen Altaigebirge stießen sie auf das völlig unbeschadete Grab eines Nomadenkriegers.“ Als Überschriften der Kapitel sind u.a. zu lesen: „Blond und tätowiert“ und „Mit Dolch und Pickel“. Eine weitere Sensation gab es in Bolivien, wo ein „Fürstengrab im Barbarenland“ gefunden wurde, und: „Der Ohrschmuck des Fürsten bestand aus den Schuppen des Gürteltiers“. Untermalt war diese Nachricht mit einem beeindruckenden „Porträt“ des „Fürsten“, umrahmt von seinem Ohrschmuck. Gisela Graichen wurde für die Filmreihe „Schliemanns Erben“ für den Deutschen Fernsehpreis „Telestar“ nominiert. Die Kapitel des gleichnamigen Buches enthalten Überschriften wie „Die Suche nach dem geheimnisvollen Kupferland Makan“, „Die Totenstadt am Industal“, „Wüstenzauber“, „Herrin der Meere“, „Jagd nach verlorenem Wissen“, „High Noon im Barbarenland“, „Sibirische Schätze“. Grai-

chen meint außerdem im Umschlagtext „Archäologie geht uns alle an“, weil „Forschungsergebnisse über die Welt von einst Anhaltspunkte für uns heute sein können“, Anhaltspunkte „für unser Verhalten, für unsere Zukunft“ (Graichen 1998). Das „Abenteuer Archäologie“ liege „...im Abenteuer der Entdeckung: von versunkenen Städten, ... aber auch in der Beantwortung neuer Fragen. Wie ist der Mensch in der Geschichte mit seiner Umwelt umgegangen – und damit ist nicht nur die Natur gemeint – und mit welchen Konsequenzen.“ (Graichen 1998: 244). Hinter den Überschriften in Graichens Buch verbergen sich durchaus recherchierte Berichte über unterschiedliche Ausgrabungsstätten und interessante Forschungsergebnisse. Auch die genannten Beiträge aus „Abenteuer Archäologie“ bieten fundierte Informationen über die ausgegrabenen Funde und Befunde. Beiden gemeinsam ist das Spiel mit dem Klischee „Archäologie“ mit Schlagwörtern wie verborgene Schätze, geheimnisvoll, Abenteuer, Jagd nach einem verlorenen Schatz, das Barbarenland, Nomadenkrieger, Fürst. In der Öffentlichkeit ist die Archäologie oft wirklich auf diese Klischees beschränkt (vgl. dazu Holtorfs „A theme: the archaeologist as Adventurer“: Holtorf 2007: 63-75). Der Archäologe – meist ein Mann – ein Abenteurer, für den Archäologie nicht Beruf, sondern Hobby ist und den weder Sonne noch Kälte, weder Regen noch Schnee aus der Ruhe bringen, und Hunger und Durst nicht umbringen können. Immer auf der Suche nach dem sensationellen Fund, wird er das große Rätsel unserer Vergangenheit lösen, und die wissen-

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schaftliche Sensation macht ihn dann zu einem berühmten Professor, um den sich die Universitäten raufen werden. Dieser Darstellung widersprechen VertreterInnen des Fachs in der Öffentlichkeit meist nicht. Die Ausgrabung als die Arbeit von ArchäologInnen an sich bleibt als Bild aufrecht, und Voraussetzungen, die Ausgrabungen vorangehen, werden meist nicht angeführt. Genauso wird es unterlassen, Umstände und Bedingungen zu schildern, unter denen Ausgrabungen überhaupt durchgeführt werden dürfen und können. Über den wichtigsten Bestandteil, durch den eine archäologische Ausgrabung von einer planmäßigen Zerstörung unterschieden wird, nämlich die Dokumentation, ist den meisten Laien wenig oder gar nichts bekannt. Der Weg, der zum Ergebnis und zu den Bildern führt, die dann dem Publikum vorgeführt werden, bleibt ebenfalls verborgen. Eine Abhängigkeit zwischen Archäologie und Öffentlichkeit scheint das Verhältnis dieser beiden Seiten zu bestimmen. Die Archäologie befürchtet Einbußen an Interesse und Popularität, wenn bestehende Klischees und Stereotype nicht aufrecht erhalten bleiben. Die prekäre finanzielle Situation, in der die Archäologie steckt, trägt nicht gerade dazu bei, die Wirkung des Faches nach außen mit Selbstbewusstsein zu überdenken und neu zu positionieren. Archäologie als Metapher Die Verwendung des Begriffs Archäologie in inflationärer Weise zeigt Ebeling auf und gibt Beispiele dafür: „Von der Archäologie der Arbeit bis zur Archäologie der Schreibtischoberflächen und von der Archäologie der Subjektivität bis zur Archäologie des Ostereis reicht das para-archäologische Angebot.“ (Ebeling 2004: 9). Im akademischen (geisteswissenschaftlichen) Bereich ist Sigmund Freud ein bekanntes und viel zitiertes Beispiel für die Verwendung des Begriffes in nicht-facharchäologischem Zusammenhang. Er übertrug die archäologische Methode des Suchens und Forschens auf seinen Fachbereich, benutzte die archäologischen Denkmäler als Metapher. Aus Sigmund Freud „Konstruktionen in der Analyse“ (Freud 1937): „Seine [des Psychoanalytikers] Ar-

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beit der Konstruktion oder, wenn man es lieber so hört, der Rekonstruktion, zeigt eine weitgehende Übereinstimmung mit der Arbeit des Archäologen, der eine zerstörte und verschüttete Wohnstätte oder ein Bauwerk der Vergangenheit ausgräbt. Sie ist eigentlich damit identisch, nur dass der Analytiker unter besseren Bedingungen arbeitet, über mehr Hilfsmittel verfügt, weil er sich um etwas noch Lebendes bemüht, nicht um ein zerstörtes Objekt,... Beiden bleibt das Recht zur Rekonstruktion durch Ergänzung und Zusammenfügung der erhaltenen Reste unbestritten.“ (zit. nach Ebeling, Altekamp 2004: 41-2). Foucault gebrauchte Archäologie „...um eine Form der Analyse zu bezeichnen, die nicht ganz Geschichtsbeschreibung (...) wäre (in dem Sinne, in dem man beispielsweise die Geschichte der Erfindungen oder der Ideen erzählt) ....“. Archäologie steht für Archiv – Archiv verstanden als die „Gesamtheit der tatsächlich geäußerten Diskurse...“, die nicht aufhören zu funktionieren und sich zu transformieren. (Foucault 2004: 50). Er verwendet dabei genau jene Seiten der Archäologie nicht, die sonst schlechthin für sie stehen: die Untersuchung der Anfänge und die Ausgrabungen. Ihn interessieren Definitionen von Relationen und Beziehungen, „die an der Oberfläche der Diskurse liegen; ich versuche sichtbar zu machen, was nur insofern unsichtbar ist, als es allzu sehr an der Oberfläche der Dinge liegt.“ (Foucault 2004: 51). Also nicht das Graben und Forschen in unergründlichen Tiefen, Suchen nach Verlorenem und Unbekanntem, Spurenlesen; Begriffe, die sonst immer gerne von der Archäologie entlehnt werden. Archäologie scheint deshalb ein geeigneter Begriff für seine neue Geschichte zu sein, weil sie seiner Definition nach „keine interpretative Disziplin“ ist, sie sucht nicht einen „anderen Diskurs“, der besser verborgen wäre. Sie wehre sich dagegen, „allegorisch“ zu sein. Weiters suche sie nicht nach dem „kontinuierlichen und unspürbaren Übergang“ zwischen dem was war, ist und sein wird und dessen Transformation. Die Archäologie suche nicht nach dem individuellen Schöpfer eines Werkes und nach der Einheit zwischen Werk und Subjekt, und die Archäologie versuche nicht den Moment eines Ereignisses wieder herzustellen: „was von den Menschen in dem Augenblick, da sie den Diskurs vortrugen, hat gedacht, gewollt, an-

visiert, verspürt, gewünscht werden können“. Sie sei nicht Psychologie, nicht Soziologie und nicht „allgemein Anthropologie der Schöpfung“ (Foucault 1995: 198-9). Abschließend meint Foucault,Archäologie sei „nicht mehr und nicht weniger als erneute Schreibung: das heißt in der aufrecht erhaltenen Form der Äußerlichkeit eine regulierte Transformation dessen, was bereits geschrieben worden ist. Das ist nicht die Rückkehr zum Geheimnis des Ursprungs; es ist die systematische Beschreibung eines Diskurses als Objekt.“ (Foucault 1995: 200). Michel Foucault fand mit „Archäologie des Wissens“ innerhalb der Geisteswissenschaft großen Anklang (z.B.Veyne 1992) – nicht aber in der Archäologie, wo sie laut Detlef Rößler nahezu unrezipiert blieb: „...die Archäologen nahmen die neue >Archäologie< kaum zur Kenntnis, zumindest blieben öffentliche Stellungnahmen weitgehend aus.“ (Rößler 2004: 119). Der Foucaultsche Archäologiebegriff wird im Rahmen dieses Beitrages nur unkommentiert als ein Beispiel für dessen metaphorischen Einsatz im akademischen Bereich genannt, der stark vom üblichen Verständnis abweicht. Eine Diskussion darüber ist für einen späteren Zeitpunkt geplant. In den Medien übernehme der „Archäologe häufig die Rolle eines Magiers oder Zauberers in dessen Person die Vergangenheit und Gegenwart miteinander in direkte Verbindung kommen.“ (Tom Stern, zit. bei Holtorf 2004: 318). Nach Holtorf kommt die Archäologie dem „Verlangen nach kontinuierlicher Standortvergewisserung“ nach, und über die archäologischen Funde werde immer wieder das „menschliche Verlangen nach ­Wissen über die Vergangenheit befriedigt.“ (Holtorf 2004: 317). Archäologie als Selbstreflexion Die Künstlerin Sabine Hiebler und der Künstler Gerhard Ertl realisierten 1993 eine Ausstellung mit dem Titel „Gegenwartsarchäologie“ im historistischen „Theseustempel“, einer Außenstelle des Wiener Kunsthistorischen Museums. Ausstellungsgegenstände waren zerbrochene, wieder zusammengeklebte und z.T. ergänzte Küchengeräte aus Plastik und Bilder

aus unserer modernen Welt, projiziert auf Tontafeln. Im Einleitungstext bezieht sich Wilfried Seipel, der Direktor des Kunsthistorischen Museums Wien, einerseits auf die geschichtsträchtige historistische Ausstellungsstätte und andererseits auf die Schau selbst, indem er sie als eine „...Art Spurensicherung der Gegenwart“ bezeichnet. Der Philosoph, Kunsthistoriker und Soziologe Herbert Lachmayr vermutet in der „Gegenwartsarchäologie“ von Hiebler und Ertl eine Ironie, „die Kritik bedeutet“: „Kunst kann und muss als Kritik am ‚Archäologismus’ der Gegenwart fungieren, an dieser Neigung zum Autohistorismus“ (Hiebler, Ertl 1993). Eine zentrale Funktion und Rolle der Archäologie sehe ich in der eigenen Standortbestimmung und Selbstreflexion, dem Überdenken der eigenen Position. Das trifft nach Holtorf sowohl für den Wissenschaftler zu, „der sozusagen stellvertretend für die Gesellschaft die materiellen Überreste der Vergangenheit als Medium der Selbstdefinition für seine Gegenwart erschließt“, aber auch für „das Laienpublikum (…), dessen Begeisterung für archäologisches Suchen und Entdecken sein eigenes Bedürfnis nach Standortvergewisserung zum Ausdruck bringt.“ (Holtorf 2004: 322). Ähnlich sagt es Michael Shanks, nach dem wir nicht hier in der Gegenwart über einer authentischen und objektiven Vergangenheit, die unter uns in der Tiefe liegt, stünden. Wir graben nicht einfach nach der Vergangenheit, sondern nach uns selbst. („The things we find take us back to dig down for others to which they seem to allude. (...) What I wish to avoid is the notion that the authentic and objective past is down there with ourselves here in the present above. And we are digging down not just to the past but to ourselves. We find ourselves in that deep otherness.“ (Shanks 1992: 63). Aber der Schlüsselsatz für mich ist: „The meaning is what the past can do for the present.” (Shanks 1992: 108). Nach Holtorf dringen wir nicht immer tiefer vor in unsere Geschichte, sondern wir erstellen Kommentare über sie, „die sich verändernde Positionen, Blickwinkel und Haltungen widerspiegeln. Die Archäologie erfüllt somit keine konkreten Bedürfnisse, die zu irgendeinem Zeitpunkt befriedigt sein mögen (…); vielmehr kultiviert sie ein tief empfundenes Verlangen nach Ursprungs- und Vergangenheitssuche und

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bringt es immer neu zum Ausdruck.“ (Holtorf 2004: 317-8). Unsichtbares sichtbar machen durch die Archäologie? Wie geht die Archäologie um mit diesen unterschiedlichen „Gesichtern“? Gibt es innerhalb der Archäologie eine klare Wahrnehmung über ihre Rolle oder ist das diffuse Bild, das in der Öffentlichkeit besteht, ein Spiegel für die Uneinigkeit innerhalb des Faches? An diesem Punkt möchte ich an die Diskussionen erinnern, die bezüglich der Begrifflichkeiten „Urgeschichte – Vorgeschichte – Frühgeschichte – Archäologie“ geführt werden und ohne Einigung geblieben sind (Ament 1996: 5-8; Urban 1996:107-9; Winghart 1996: 1-16; Bernbeck 1997: 9; Fetten 1998: 83; Zingerle 2003: 158-61). Als ArchäologInnen in der Rolle der VermittlerInnen muss uns bewusst sein, was wir dem Publikum weitergeben wollen. Die Zusammenführung der beiden Enden, Publikum und VermittlerInnen, sollte ein Angebot zum Ergebnis haben, das einerseits die Bedürfnisse und Ansprüche des Publikums befriedigt, andererseits aber auch jene Inhalte anbringt, die Anliegen der Archäologie sind. Und ich denke letzteres, nämlich die Anliegen der Archäologie, sollten als erstes zu überdenken sein. Die Archäologie steht nicht außerhalb der öffentlichen Meinung, sie ist im Gegenteil Teil der sogenannten breiten Öffentlichkeit. „..archaeological representations not only feed back into the way we formulate our research questions; they shape ideas we have about ourselves as professionals. Indeed, in many cases … popular representations of the discipline inspire us to study archaeology…” (Moser 2001: 264). So sollte die Darstellung der Archäologie in der Öffentlichkeit nicht nur ein Nebenprodukt der archäologisch-akademischen Forschung sein, wie Moser kritisiert. Eine zentrale Frage ist, ob und wie Kultur und Wissenschaft in Wechselwirkung miteinander stehen und einander beeinflussen, wie es in anderen kulturwissenschaftlichen Disziplinen bereits geschieht (Moser 2001: 264). Ich stimme mit Holtorf überein, dass Archäologie von unserer eigenen Kultur in der Gegenwart handelt.

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Die Archäologie sollte eine Perspektive anbieten, von der aus unsere Gegenwart im Licht der Vergangenheit gesehen werden kann (Holtorf 2005: 15). Bestehende Stereotype weiter zu tragen ist dafür wenig geeignet. Der Schritt weg von gewohnten Bildern hin zu expliziten Darstellungsmodellen von Lebensund Organisationsformen, die Fragen offen lassen, lässt einerseits den Blick auf eine Wissenschaft „in progress“ frei und gestattet den BesucherInnen einen Freiraum für vielleicht weitere Fragen (zum Verhältnis Archäologie bzw. Wissenschaft und Öffentlichkeit vgl. Holtorf 2007: 106-7). Die Archäologie sollte aktiv am Bildungsprozess teilnehmen, anstatt nur zu reagieren und weiter einem Klischee nachzukommen, das weder dem (interessierten) Publikum noch dem Fach selbst nützt. Die Archäologie hat der Öffentlichkeit mehr zu bieten als archäologische Allgemeinplätze einerseits und sehr spezielles, fachinternes Geheimwissen andererseits. Sie sollte sich dieser Möglichkeit und Chance bewusst werden, gleichzeitig aber auch bereit sein, die Verantwortung dafür zu übernehmen. Nach Holtorf wird die Vergangenheit in der Gegenwart und von jeder einzelnen Person immer wieder selbst neu entworfen, anhand der Objekte oder Monumente, die die Vergangenheit repräsentieren (Holtorf 2005: 123). Lowenthal schreibt, dass BesucherInnen von historischen Museen von ihren eigenen Vorstellungen geleitet sind und dementsprechend die gezeigten Dinge nachdatieren. (Lowenthal 1992: 185-6, zit. nach Holtorf 2005: 123). Die Bedeutung der Vergangenheit ist durch uns alle definiert, und nicht ausschließlich durch einige wenige WissenschaftlerInnen, ist Holtorf überzeugt. Und: „At the end of the day, professional archaeologist must provide a service of society” (Holtorf 2005: 159-60). Ich stimme darin mit Holtorf überein, glaube aber, dass die Archäologie beide Seiten einnehmen muss, nämlich sowohl die Seite der Öffentlichkeit und ihrer Ansprüche als auch die Vertretung der Ansprüche der eigenen Profession. Es ist zu wenig, auf die Bedürfnisse des Publikums zu reagieren („...to consider carefully how people actually (prefer to) experience archaeology, the past and its remains …” (Holtorf 2005: 160)), sondern die Anforderungen des Publikums annehmen einerseits und andererseits vor dem Hintergrund ar-

chäologischen Fachwissens dem Publikum mehr anzubieten, als dieses aufgrund seines Wissensstandes fordern könnte. Ich denke es ist eine Möglichkeit, manche festgefügte, (z.B. nostalgische oder im Gegenteil ethnozentrische) Vorstellungen über die Vergangenheit und (weiter gedacht) über für uns fremde und unbekannte Kulturen zu überdenken und neu zu konstruieren.

Eine spannende und aufregende Herausforderung für die Archäologie und deren VermittlerInnen. Danksagung Für Anregungen und Diskussionen zu diesem Thema möchte ich mich bei U. Fornwagner, K. Kowarik, J. Leskovar, D. Pany und O. Pfeiler bedanken.

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Unsichtbares sichtbar machen Teil II: Tot in der Öffentlichkeit Doris Pany

„Das Museum (…) arbeitet am Bild der Toten. Das hilft, die Toten einigermaßen zu begreifen, sie Gestalt annehmen zu lassen (…)“ (Pazzini 2003: 39).

Abstract The scientific field of anthropology is not very well known in public. Compared to archaeology, it deals with the dead and death »personally«, but those are topics which to an extent are taboo in our modern society. In particular, children are kept away from this topic, in many cases they hear about dead persons for the first time when they visit a museum concerned with human remains. Anthropology can help to make the theme »death« more transparent, and intensive educational work in these museums can make it possible to bring especially children closer to this important issue.

Einleitung AnthropologInnen und ArchäologInnen arbeiten direkt mit den Überresten und Hinterlassenschaften früher lebender Menschen. Gräber, Knochen und Fundgegenstände spiegeln sowohl das Leben als auch den Tod wider. In der Öffentlichkeit wird das Thema Tod jedoch selten angesprochen, wir tun uns schwer, damit umzugehen. Die große Zahl an populärwissenschaftlicher Literatur zu diesem Thema belegt jedoch den Diskussionsbedarf. In unserer schnelllebigen Gesellschaft, besonders im städtischen Bereich, ist kein Platz für etwas, das Zeit bräuchte um es zu verstehen und zu verarbeiten. Der Tod wird tabuisiert, man könnte fast sagen, er ist im Alltag „ausgestorben“. Es

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gibt allerdings Orte, an denen es möglich ist, den Toten direkt zu begegnen, z.B. kann man in den meisten naturhistorischen Museen zumindest Skelette sehen. Die wissenschaftliche Disziplin der Anthropologie, die hinter der Erforschung menschlicher Überreste steht, trägt damit in einem bisher wenig beachteten Ausmaß dazu bei, den Tod in der Öffentlichkeit zu vermitteln. Doch zuerst soll das allgemeine Bild des Todes und seine Entstehung in unserer heutigen Gesellschaft beleuchtet werden. Das Todesbild in der Geschichte Die Zeit zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert n.Chr. ist nach Birgit Richard entscheidend bezüglich der

Darstellung des toten Körpers (Richard 1995: 52). Zuerst tauchen die sogenannten „makabren“ Bilder im religiösen Kontext auf. Sie werden verkörpert durch den Darstellungstypus des „transi“, des Verwesenden. (Der Begriff des „transi“ wird von Ariès mit „der Erstarrte“ übersetzt (Ariès 1982: 144). Nach Richard ist er eher mit „transitorisch“ verwandt; Richard 1995: 53). Das Makabre ist jedoch nach Ariès kein Ausdruck besonders starker Todeserfahrung dieser Zeit, die sich aufgrund der hohen Seuchensterblichkeit ergibt. ­Die­se Bilder entstehen in den nördlichen Ländern, wo das Gesicht der Toten bedeckt wird. Auch finden sich in den Darstellungen keine konkreten Hinweise zum Beispiel auf körperliche Veränderungen durch die Pest, obwohl die großen Pestkatastrophen immer wieder als Ursache für die Entstehung des Totentanzes genannt werden (Bringmann 1998: 318). Die Bilder sind daher ein Produkt der Phantasie, da die Verwesungsvorgänge in der Öffentlichkeit verborgen werden und der Mensch sie in der Realität auch nicht wahrnehmen will. Diese Form der Abbildung hat jedoch für die Darstellung vom Verfall des toten Körpers entscheidende Nachwirkungen bis in unser Jahrhundert. In den spätmittelalterlichen Totentänzen – danses macabres – erlangt der Tod zum ersten Mal Autonomie (Richard 1995: 55). Er fordert als Skelett die Lebenden, egal welchen Alters, Geschlechts oder Standes, zum Tanzen auf. Dem Betrachter soll durch das Eindringen des Todes in den Tanz als Inbegriff des Lebens deutlich gemacht werden, dass jeder sterben muss (Abb. 1). Der Tod in den modernen Medien Heute begegnen wir in den Medien wie Zeitung, Fernseh- und Radionachrichten, Filmen oder Computerspielen dem Faktum Tod fast permanent: „Der vermittelte Tod in den Medien ist bis zur Inflationierung gegenwärtig“ (Strobele 2002: 28). Nach Richard existiert dadurch der Tod für die meisten Menschen nur in seiner Reproduktion: „Bilder des Sterbens in der öffentlichen Sphäre dringen über die Medien in die Privatsphäre ein (…) wir wohnen dem öffentlichen Tod von unbekannten Menschen Zuhause bei (…) aber die eigenen Angehörigen werden aus der Privatsphäre ausgelagert und sterben in öffentlichen

Abb. 1: Ausschnitte aus dem Predigertotentanz in Basel. Nach den zur Rekonstruktion aneinandergefügten Kupferstichen von M. Merian von 1621 (aus Bringmann, M. (1998), Der Tod macht alle gleich – Zu Form und Funktion des Totentanzes. In: Stefenelli, N. [Hg.], Körper ohne Leben. Begegnung und Umgang mit Toten. Böhlau Verlag Wien Köln Weimar: 314.).

Institutionen. Auslagerung des Todes der Angehörigen ist Ausdruck der Tatsache, dass man der Bürde des Todes als Individuum nicht gewachsen ist“ (Richard 1995: 22). Das Thema Tod ist in unserer leistungsorientierten Gesellschaft unheimlich und unfassbar: „Der individuelle Tod, der immer weniger einer allgemeinen Sinngebung zugeführt werden kann, wird zum Skandal (…) Die mit dem Tod einhergehende Angst hat keinen Ort mehr. Die Vergänglichkeit wird zu einer Frage der Leistung.Wer sich nicht fit hält, ist selber schuld (…). Der Tod kann fast nur mehr als eine Kränkung und Niederlage gesehen werden“ (Pazzini 2003: 56). Dem modernen Menschen fehlt, nach dem katholischen Theologen R. H. von Strobele „die „ars morien-

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di“, die Sterbekompetenz“ (Strobele 2002: 29). Als ein wesentliches Merkmal des ausgehenden 20. Jahrhunderts wird die Professionalisierung des Umgangs mit dem Tod angesehen. Richard nennt das Verschwinden des Todes aus dem öffentlichen Raum „Desozialisierung“ (Richard 1995: 21). Sie führt dies auf eine Veränderung der Familienstruktur, dem Trend zur „Kleinfamilie“ über Jahrhunderte zurück. Speziell von Kindern wird das Thema Tod ferngehalten, im Glauben, sie davor schützen zu müssen und auch zu können. Durch die Tabuisierung nimmt man ihnen jedoch die Chance, einen natürlichen Umgang damit zu entwickeln. Kommt es dann zu einer direkten Konfrontation, sind alle überfordert, weil es keinen Platz für die Auseinandersetzung mit dem Thema gibt, weder im privaten, noch im öffentlichen Bereich. Hinzu kommt, dass in der heutigen Gesellschaft Rituale, wie öffentliche Begräbnisse, die zur Auf- und Verarbeitung des Geschehenen in einer Gemeinschaft beitragen sollten, immer seltener werden. Fasst man den Leichnam eines Menschen als Symbol auf, so stellt ein Begräbnisritual eine Symbolisierung in ihrer reinsten Form dar. Durch dieses wird der Verstorbene „in den Text der symbolischen Tradition eingeschrieben“ (Richard 1995: 81), was ihm ein ‚Weiterleben‘ im Gedächtnis der Gemeinschaft garantiert. Der Tote kehrt symbolisch in die soziale Gemeinschaft zurück. Bestattungsriten sollten auch als „Kommunikation mit dem Totenreich“ dienen (Richard 1995: 40, Anm. 116). Strobele sieht in den durch die Massenmedien vermittelten Bildern einen unbewussten „Ritualisierungsersatz im Umgang mit dem Tod“ (Strobele 2002: 29). Nach Richard lassen sich zwei „Verschiebungsvektoren“ feststellen. Zum einen werden historische öffentliche Todes- und Opferrituale zum gewaltsamen Unfall- und Katastrophentod in den Medien. Zum anderen verschieben sich die allgemeinen traditionellen Todesbilder der bildenden Kunst, wie z.B. der Totentanz, in das Motiv der wiederkehrenden Toten, der Zombies im populären Film. Grabkulte und die Verehrung der Toten wären demnach Vorsichtsmaßnahmen aus Angst vor der Wiederkehr der Toten als Wiedergänger (Richard 1995: 50). Das Symbolische ist die Möglichkeit einer rituellen Verbindung zwischen Lebenden und Toten. Die mediale Präsenz des Themas

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ist ein Versuch der Gesellschaft, einen Weg zu finden, „den extremen Anblick des toten Körpers in die gesellschaftliche Bildwelt zu integrieren“ (Richard 1995: 76). Das Bild des „Wiedergängers“ ist in unserem Kulturkreis als eine Art Urangst des Menschen bekannt. Jeder kennt mindestens einen Film oder ein Computerspiel, in dem Skelette oder Mumien eine Rolle spielen, oder man nehme das Beispiel Halloween, das sich seit einigen Jahren auch in Europa etabliert hat. Sowohl Richard als auch Strobele kommen zu dem Schluss, dass man nicht von einer allgemeinen Todesverdrängung in unserer Gesellschaft sprechen kann. Es hat jedoch eine Verschiebung stattgefunden – durch die Massenmedien wurden „neue Symbolisierungsorte geschaffen“ (Richard 1995: 90). Die westliche Gesellschaft verdrängt den Tod also nicht generell. Die Öffentlichkeit von Tod und Sterben in den Medien „ist als eine konsequente Entwicklung und Reaktion auf den gesellschaftlichen Wandel der Fragmentarisierung der Gesellschaft zu sehen“ (Richard 1995: 90f.). Der Tod in der Öffentlichkeit am Beispiel Museum Nach Strobele dient in gewisser Weise auch das Museum als öffentlicher Ort als unbewusster Ritualisierungsersatz im Umgang mit dem Tod. Für K. J. Pazzini ist „der Tod im Museum allgegenwärtig. Deshalb ist er fast unsichtbar“ (Pazzini 1989: 124; ders. 2003: 43). Die Institution Museum hat mit dem Erwerb, der Bewahrung und der Vermittlung von Wissen zu tun. Für Museen, die sich mit dem Menschen beschäftigen, bedeutet das: „Ich weiß, wer ich bin, wenn ich weiß, wer ich war“ (Strobele 2002: 131).Tote Körper in Ausstellungen haben eine wohl unbestreitbare Anziehungskraft auf die Lebenden. Man erinnere sich nur an die „Körperwelten“ von Gunther von Hagens (Von Hagens 1999) oder die Eismumie „Ötzi“ (www.archae­ ologiemuseum.it). Für Pazzini sind Museen immer auch Stätten der Erinnerung und des Gedenkens an Menschen und Kulturen vergangener Zeiten: „Die ausgestellten Gegenstände sind dann das, was zurückgelassen wurde, zurückgeblieben ist oder das, dem man die Chance gab zu bleiben (…). Das ist in religiösen oder auch privaten Zusammenhängen identisch mit Reliquien“ (Pazzini 2003: 55).

Ein toter Körper im Museum, noch stärker ein menschliches Skelett, verliert den Bezug zum Leben insofern, als man vergisst, dass diese Person wirklich gelebt hat und eine Lebensgeschichte hat. Strobele nennt das „Verdinglichung“ toter menschlicher Körper (Strobele 2002: 253). Nicht zu unterschätzen ist vermutlich auch ein gewisser „Voyeurismus“ des Besuchers im Museum, wobei es schwierig sein wird, Voyeurismus von Neugier abzugrenzen. Wie aus der Geschichte leicht festzustellen ist, war (und ist) die Veröffentlichung von Leichen, Skeletten oder ihren Einzelteilen, vor allem aber auch die Präsentation von Pathologien oder Missbildungen immer ein Publikumsmagnet. Dies bezeugen nach Strobele auch die ‚Wunderkammern‘, Raritätenkabinette und Menschenschauen von der Renaissance bis ins 20. Jahrhundert, „bei denen nicht wissenschaftlich verantwortete Aufarbeitung des Gezeigten den Besucher bilden wollte, sondern die nur der Kurzweil dienten“ (Strobele 2002: 254). Das Museum stellt diesbezüglich jedoch als Institution der Wissensbewahrung und -vermittlung andere Ansprüche. Ein großer Vorteil von Museen ist, dass mit Originalen gearbeitet wird. Allerdings ist entscheidend, dass die BesucherInnen mit dem Erlebnis der Begegnung mit dem toten menschlichen Körper nicht sich selbst überlassen werden. Einen direkten Berührungspunkt mit den Überresten toter Menschen, ein „sichtbar machen des Todes“, bietet die Physische Anthropologie den BesucherInnen im Museum. Damit kann die Vermittlung von Anthropologie im Museum als Kontaktpunkt zwischen Lebenden und Toten gesehen werden, das Tabuthema Tod wird aufgebrochen. Das Museum bietet denVorteil, dass man als PädagogIn relativ abstrakt und anhand eines Beispieles wie zum Beispiel eines ausgestellten Skelettes über den Tod reden kann, der sich in einem Sicherheitsabstand hinter einer Vitrine verbirgt, und niemand, weder Vermittler­ In noch BesucherIn, ist direkt betroffen. Folgt man gängigen museumspädagogischen Konzepten, muss das Museum lebendig werden. Pazzini bezeichnet daher die PädagogInnen „als Spezialisten für die Bewältigung des Todes“ (Pazzini 1989: 124; ders. 2003: 43). Wichtig ist es, den BesucherInnen eine (Lebens-)Geschichte zu dem toten Menschen/Skelett zu erzählen, die man aus den festgestellten Fakten geschlossen hat.

Das ist genau der Punkt, wo die (physische) Anthropologie ansetzt: generell gilt der Tod in unserer Gesellschaft als „Endpunkt“: für die Anthropologie ist er der Anfangspunkt für die Geschichte des Lebens eines Menschen. Indem das Alter und das Geschlecht bestimmt werden, Hinweise auf Lebensumstände und Krankheiten aufgenommen werden, entwickelt sich rückblickend das Leben des Verstorbenen. Besonders medizinische Details, als einfache Beispiele Karies oder eine Fraktur, können auch Kinder am eigenen Körper nachvollziehen. Die Vermittlung von Wissen über den eigenen Körper im Zusammenhang mit medizinischen Aspekten macht die Anthropologie transparenter. Generell scheint es in der Öffentlichkeit noch leichter zu sein, mit Skeletten oder Skelettteilen umzugehen, als mit Mumien. Auch ist beim Zeigen eines einzelnen Langknochens mit einer Fraktur der direkte Bezug zum lebenden Menschen und dessen Tod nicht so stark gegeben, wie wenn ein Schädel, ein ganzes Skelett oder eine Mumie gezeigt werden. Besonders Kinder, die aus dem städtischen Bereich kommen, sehen und hören oft zum ersten Mal von „echten“ toten Menschen. Aus den Medien kennen sie ja meistens die Darstellungen von Toten, und so kann man sich erklären, dass beispielsweise Kinder zu einer Führung durch die Ausstellung „Mumien aus dem Moor“ (Bergen et al.: 2002) mit der Erwartung kommen, etwas „Gruseliges“ zu sehen. In Dorfgemeinden ist das Thema meist nicht so stark tabuisiert, zumindest hört man meistens, wenn jemand gestorben ist. Im Museum besteht die Möglichkeit, Kindern das Thema im wahrsten Sinne des Wortes begreifbar zu machen und ihnen einen respektvollen Umgang mit Toten nahe zu bringen. Bietet man beispielsweise bei einem Anthropologie-Projekt einer Schulklasse einen echten menschlichen Knochen zum Angreifen an, so reagiert ein Teil der Schüler immer mit Ekel und Abscheu, der andere mit brennender Neugier. Spricht man mit den Kindern, die mit Abscheu reagieren, über das Objekt, erklärt man ihnen, dass die Knochen aus archäo­logischen Ausgrabungen kommen, gewaschen und trocken sind, gelingt es fast immer, ihnen die Furcht vor der Berührung mit echten Knochen zu nehmen. Darüber hinaus tragen auch Gräber und die darin gefundenen Artefakte sowie Siedlungsreste zur Vervollständigung des Lebensbildes eines Menschen bei. Es erscheint sinnvoll, den

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gesamten Zusammenhang eines Grabes und die Untersuchungsergebnisse auszustellen sowie im Text zu erklären. Die Ausstellungsgestaltung und Inszenierung der Objekte ist in diesem Zusammenhang besonders wichtig. Eine Patentlösung für die Ausstellung von menschlichen Überresten gibt es jedoch nicht; vielmehr sollte dies im jeweiligen Kontext diskutiert und gelöst werden. In der Öffentlichkeit wird die physische Anthropologie häufig nicht als eigene Disziplin erkannt. Das Fach ist im Gegensatz zur Archäologie nicht so bekannt, es ist dafür aber auch nicht so vielen Klischees ausgesetzt (siehe oben M.-Ch. Zingerle). Eine einfache Begründung dafür ist, dass sich der Zugang zu echten menschlichen Überresten viel schwieriger gestaltet als zu archäologischen Artefakten (lässt man den Reliquien- und Fossilienhandel außer Acht). Tote Körper und Skelette in Ausstellungen haben etwas Erschreckendes, gleichzeitig üben sie eine Faszination auf die Lebenden aus. Der Tod ist etwas, das wir nicht durchschauen und nicht beherrschen können. Er bleibt geheimnisvoll und besitzt damit eine unheimliche Anziehungskraft. Den Toten in der Öffentlichkeit

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eines Museums kann man sich gefahrlos annähern und versuchen, sie besser zu verstehen: „Museen können aus wissenschaftlicher Verantwortung heraus im gesellschaftlichen Umgang mit Leichnam und Tod positive sichtbare Zeichen setzen und damit Vorbildcharakter bekommen. Sie können (…) zu würdigen Orten gesellschaftlicher Ritualisierung des Todes werden. Damit vermögen sie beizutragen beim Erlernen einer ars moriendi, einer umfassenden Sterbekultur, die Leben und Tod als Aspekte einer Existenz begreift, ohne sie gegeneinander auszuspielen“ (Strobele 2002: 263). Danksagung Für Diskussion und Motivation möchte ich mich bedanken bei M. Berner, K. Kowarik, M. Kucera, J. Leskovar, H. Reschreiter, K. Wiltschke-Schrotta und M.-Ch. Zingerle.

Unsichtbares sichtbar machen Teil III: Geschichten (in) einer Landschaft Kerstin Kowarik

Abstract The history of a landscape is rarely visible. This concerns especially the prehistoric past given the „mostly invisible nature“ of prehistoric sites. The third part of this paper focuses on visualizing history in the landscape. But going beyond visibility the question arises how to make history and science accessible to all senses. How to go from an abstract scientific hypothesis to something that can be explored by all senses? This paper presents a special approach to the problem: the use of landscape architecture as examplified by the „Landscape Park of Kalkriese“ (Museum und Park Kalkriese,Varusschlacht) and the „Neanderthal Discovery Site“ (Neanderthal Museum).

Einleitung Die Geschichte einer Landschaft ist in den seltensten Fällen sichtbar. Die Archäologie ist von diesem Umstand in besonderem Maße betroffen. Archäologische Bodendenkmäler – Gräberfelder, Siedlungen, Grabenanlagen, etc. – sind nun einmal fast immer unsichtbar. Häufig fehlt es ihnen jedoch nicht nur an Sichtbarkeit, sondern auch an Substanz. Denn im Zuge einer archäologischen Ausgrabung werden Funde und Befunde dokumentiert und entnommen, um später – zu-

meist fernab – inventarisiert, publiziert und ausgestellt zu werden. Was geschieht unterdessen mit der Fundstelle? Das Materielle ist verschwunden.Verliert dieser Ort somit seine historische Bedeutung, seine historische Substanz, ist er nun ein „ehemaliger Ort“? Wohl kaum – denn die Tatsache, dass an diesem Ort einmal Menschen lebten und starben, bleibt bestehen und somit auch seine historische Bedeutung. Es erscheint sinnvoll dies auch „am Ort des Geschehens“ sichtbar zu machen.

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Abb. 1: Kalkriese: Überblick über den Landschaftspark mit Germanenwald, Römerweg und Landschaftsschnitt. Foto: K. Kowarik.

Geschichte (in) einer Landschaft Im Grunde kennen wir in Europa fast keine Landstriche, die frei von menschlichem Einfluss dem Auge reine, unberührte Natur präsentieren. Wir leben im Gegenteil in einer ausgeprägten „Kulturlandschaft“ umgeben von Zeugen der Vergangenheit. Doch unterliegt diese einem permanenten Wandel. Altes wird durch Neues ersetzt. Bruchstückhaft und verschlüsselt präsentiert sich Geschichte in der Landschaft. Dementsprechend mangelt es auch nicht an Visualisierungsprojekten. Die Möglichkeiten sind vielfältig. Sie reichen von der Begehbarmachung erhaltener Reste, über Kulturwanderwege und Hinweistafeln, Reenactment-Veranstaltungen zu Rekonstruktionen und Landschaftsgestaltungen. Inszenierte Geschichte Nicht alle Visualisierungsformen beschränken sich auf das Sichtbarmachen einer (prä-)historischen Begebenheit oder Fundstelle. So bewirkt die Teilnahme an einer nachgestellten römischen Abendgesellschaft oder der Spaziergang durch ein nachgebautes jungsteinzeitliches Dorf mehr als die Erweiterung des eigenen Wissenshorizontes. Vielmehr wird abstraktes Wissen sinnlich erfahrbar. Historisches Wissen wird nicht nur dargestellt, sondern „in Szene gesetzt“. Der Begriff „Inszenierung“ entstammt der Welt des

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Theaters. Ein dramatisches Stück „in Szene zu setzen“ bedeutete ursprünglich seine Wirkung und seine Aussage durch äußere Mittel (Bebilderung, Beleuchtung, Musik, etc.) zu verstärken (Müller-Doom, NeumannBraun 1995: 9-23,Wikipedia 2007: Inszenierung). Das heißt eine Inszenierung nimmt darauf Einfluss, wie etwas wahrgenommen wird. Sie lenkt den Blick des Betrachters und schafft eine Stimmung (Balme, Schläder 2002;Wikipedia 2007: Inszenierung). Doch hat die Bedeutung des Begriffes in den letzten Jahrzehnten eine deutliche Ausweitung auf verschiedenste kulturwissenschaftliche Bereiche erfahren (Müller-Doom, Neumann-Braun 1995: 9-23). Ich verwende im Weiteren den Begriff „Inszenierung“ in seinem engeren theaterbezogenen Sinn. Dementsprechend möchte ich nur auf einen Aspekt des neuen, erweiterten Begriffsverständnisses eingehen. Man versteht unter „Inszenierung“ heute nicht mehr nur eine Darstellungstechnik, die etwas, das bereits existiert, untermalend präsentiert. Vielmehr geht man davon aus, dass eine Inszenierung etwas völlig Neues schafft, z.B. eine bestimmte Atmosphäre. Das heißt eine Inszenierung ist als eine eigene Interpretation und nicht als „reine Bebilderung“ zu verstehen (Müller-Doom, Neumann-Braun 1995: 9-23,Wikipedia 2007: Inszenierung). Somit ist auch die Inszenierung einer prähistorischen Fundstelle – beispielsweise in Form eines Grabhügelnachbaus – als (wissenschaftliche) Interpretation zu verstehen und nicht als Darstellung einer Tatsache. Für die Vermittlung (prä-)historischer Inhalte ist die Inszenierung ein wichtiges Instrument, da sie die Möglichkeit bietet, abstrakte Zusammenhänge sinnlich erfahrbar zu machen. Im Folgenden sollen die Möglichkeiten der Inszenierung von archäologischen Bodendenkmälern unter Zuhilfenahme der Landschaftsarchitektur diskutiert werden. Die Landschaftsarchitektur befasst sich mit der Planung und Gestaltung von nicht bebautem Raum. Raumbildende Elemente sind im Wesentlichen Pflanzen, Beläge, Oberflächen, Hecken und Mauern. Eines der zentralen Themen der Landschaftsarchitektur ist die Beziehung Mensch-Natur (Mader 2004: 5-34, Wikipedia 2007: Landschaftsarchitektur). Bei der Inszenierung archäologischer Bodendenkmäler kamen landschaftsarchitektonische Konzepte bislang selten

zum Tragen. Anhand von zwei prominenten Beispielen aus Deutschland möchte ich das Potential „landschaftsgestalterischer Inszenierungen“ diskutieren. Den Begriff „landschaftsgestalterische Inszenierung“ werde ich im Weiteren auf alle Inszenierungsformen anwenden, die sich landschaftsarchitektonischer Methoden bedienen. Museum und Park Kalkriese

Abb. 2: Kalkriese: Im Germanenwald mit Blick auf den Römerweg. Der Germanenwald stellt keine Rekonstruktion der kaiserzeitlichen Pflanzenwelt und Landschaft dar, sondern ist als gestalterisches Element zu verstehen. Foto: K. Kowarik.

Abb. 3: Kalkriese: Auf dem Römerweg mit Blick auf die Stelenreihe und den Germanenwald. Die Stelenreihe markiert den Verlauf der germanischen Wallanlage, die in Teilen ergraben wurde. Foto: K. Kowarik.

Seit der Wiederentdeckung der Schriften des Tacitus im 16. Jh. n.Chr. hat es zahllose Versuche gegeben den Ort der Varusschlacht genauer zu lokalisieren. Wenige „archäologische Fragen“ haben die Gemüter von ArchäologInnen, HistorikerInnen und Laien mehr bewegt als diese. Inzwischen gilt die Kalkrieser-Niederwedder Senke im Teutoburger Wald/Niedersachsen mehr oder weniger gesichert als Austragungsort dieser Schlacht (Schlüter, Wiegels 1999). Hier entstand im Jahr 2000 der 24 Hektar große Landschaftspark und zwei Jahre später ein Museum (Derks 2003: 127-132; Steinberger 2003: 133-138; Planung und Gestaltung von Park und Museum erfolgten durch Gigon und Guyer Zürich, Zulauf und Partner Baden, Integral Concept Paris). Der Park ist in zwei Hauptbereiche gegliedert: den Germanenwald und den Römerweg, getrennt durch eine Stelenreihe (Abb. 1). Die Stelenreihe markiert den Verlauf der germanischen Wallanlage, die in Teilen ergraben wurde. Der Germanenwald ist nicht als eine Landschaftsrekonstruktion zu verstehen. Der Wald soll lediglich eine Vorstellung vom Aktionsraum der Germanen vermitteln und eine Atmosphäre schaffen (Abb. 2). Der Römerweg besteht aus einzelnen Stahlplatten und verläuft über eine Wiesenfläche (Abb. 3). Ein Teil der Stahlplatten wurde mit Zitaten römischer Schriftsteller versehen. Er soll Marschrichtung und Weg des römischen Heeres nachzeichnen. In der Mitte des Parks liegt der Landschaftsschnitt in einem klar abgegrenzten Areal. Hier wird modellhaft die landschaftliche Situation um 9 n.Chr. nachgestellt. Hinzu kommen drei Pavillons (des Hörens, des Sehens, des Verstehens), die die Architektur des Museumsgebäudes aufgreifen (Derks 2003: 127-132; Steinberger 2003: 133-138). Die Pavillons bieten verfremdete akustische und visuelle Eindrücke sowie eine inhaltliche

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Brücke zum aktuellen Zeitgeschehen (Guyer, Lüddemann 2000). Ergänzt wird das gesamte Konzept durch Texttafeln und Überblicksmodelle. Neanderthal Museum 1856 fanden Steinbrucharbeiter im Neanderthal bei Düsseldorf in den Sedimentfüllungen der Kleinen Feldhofer Grotte Knochen eines Skelettes, das später unter dem Namen Neanderthaler weltberühmt werden sollte (Auffermann, Orschiedt 2002: 9-16). In den folgenden Jahren wurde das Tal im Zuge des Kalkabbaus nahezu vollständig zerstört. Lange Zeit galt die genaue Lage des Fundortes als unbekannt. Durch Ausgrabungen 1997 und 2000 wurde eine Annäherung an die ursprüngliche Topographie möglich (Auffermann, Orschiedt 2002). In Folge wurde die Stelle der Auffindung landschaftsarchitektonisch als archäologische Erinnerungslandschaft gestaltet (www.neanderthal.at; Gestaltet durch das Landschaftsarchitekturbüro Lützow 7: Jan

Abb. 5: Neanderthal: Blick auf die inszenierte Fundstelle, im Vordergrund das kaltzeitliche Botanikum, im Hintergrund verschiedene Elemente der Inszenierung (Fluchtstangen, Steinkreuze und –liegen). Foto: Neanderthal Museum.

Wehberg und Cornelia Müller). Die historischen und landschaftlichen Zeugnisse des Ortes wurden mit Unterstützung erklärender architektonischer Elemente zu einer Inszenierung zusammengefügt (Abb. 4).Vom Museumsgebäude führt ein als Zeitachse angelegter Weg zur Fundstelle. Die Achse bildet auch eine Sichtachse zum letzten authentischen Stück Neanderthal, dem Rabenstein. Das Ausgrabungsareal und das Planquadrat der Feldhofer Grotte sind durch Fluchtstangen markiert. Große Steinkreuze zeigen die Lage des Ortes im globalen Messsystem. Hör- und Lesestationen im Areal unterstützen das Gesamtkonzept. Zwei Botanika präsentieren jeweils typische warm- und kaltzeitliche Pflanzen (Abb. 5). Zusammenfassung und Ausblick

Abb. 4: Neanderthal: Blick auf die inszenierte Fundstelle entlang der Zeitachse. Foto: Neanderthal Museum.

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Landschaftsgestalterische Inszenierungen scheinen denkbar geeignet für das Sichtbarmachen und Inszenieren archäologischer Bodendenkmäler. Die Landschaftsgestaltung befasst sich mit der Gestaltung von unbebautem Raum und arbeitet mit verschiedenen Typen raumbildender Elemente. Im Fall der beschriebenen Beispiele sind dies Bepflanzungen,

Bauten im klassischen Sinne und andere architektonische Elemente sowie Landschaftsrekonstruktionen (Landschaftschnitt und Botanika). Durch den Einsatz verschiedener raumbildender Elemente ergeben sich bereits verschiedene Kommunikations- und Informationsebenen. Der Germanenwald wird anders wahrgenommen als die künstlerisch gestalteten Pavillons, das Messraster oder die Zeitachse. Verschiedene Ebenen der Wahrnehmung werden auf diese Weise angesprochen und ein wesentlicher Teil der Information nonverbal kommuniziert. Zusätzlich werden die Inszenierungen in Kalkriese und im Neanderthal durch Text- und Audiosysteme unterstützt. Das große Potential landschaftsgestalterischer Szenarien liegt meiner Ansicht nach darin, dass komplexe und abstrakte Zusammenhänge auf eine Art dargestellt werden können, die sie erfahrbar und spürbar werden lassen – eine lang geschlagene Schlacht, ein verschwundener Fundort. Der klassischeVermittlungsweg für komplexe Informationen läuft über Texttafeln, Audiosysteme und Führungen. Landschaftsgestalterische Inszenierungen erschließen durch neue Kommunikationsebenen neue Vermittlungswege. Den WissenschaftlerInnen und GestalterInnen bietet diese Technik die Möglichkeit, die Wahrnehmung der BesucherInnen in sehr starkem Maß zu lenken, eine ganz spezifische Atmosphäre zu schaffen. Hierin liegt selbstverständlich auch eine Gefahr, denn jede Inszenierung ist eben auch eine Interpretation und im vorliegenden Fall ein wissenschaftliches Modell. Auch diesen Aspekt gilt es zu vermitteln. (Die Integration moderner Kunstwerke und Architektur in die Inszenierung wäre eine Möglichkeit Brechungen zu schaffen, das Gesehene und Erfahrene ein Stück weit zu verfremden.) Selbstverständlich ist die landschaftsgestalterische Inszenierung nicht die einzige Technik die es ermöglicht, Information auch über Sinne und Emotionen zu transportieren. Jede öffentliche Zurschaustellung – jede Ausstellung, jede Führung, jeder Vortrag – ist bewusst oder unbewusst eine Inszenierung, lenkt den Blick. Auch der Weg über andere Wahrnehmungsebenen wird bereits seit langem beschritten. An erster Stelle seien hier Nachbauten prähistorischer Monumente und Rekonstruktionen ganzer Landschaften genannt. Durch den Nachbau wird Wissen sichtbar und erfahrbar gemacht. Landschaftsgestalterische In-

szenierungen stellen in dieser Hinsicht keine revolutionäre Neuerung dar. Dennoch bringen sie neue und wertvolle Impulse ein, die vor allem in Kombination mit anderen Vermittlungsmethoden (Nachbauten, Text- und Audiosysteme, Landschaftsrekonstruktionen, etc.) stark wirken können. Eine Denkmalgruppe, bei der landschaftsgestalterische Inszenierungen von besonderer Bedeutung sein könnten, sind Flachgräberfelder. Hügelgräber und Megalithgräber sind bereits für sich genommen, ob als Nachbau oder im Original, beeindruckend. Natürlich gibt es auch hier Potential für Inszenierungen. So könnten die Legenden, die sich um dieses Monument ranken thematisiert werden oder die Frage nach der Bauweise und den ErbauerInnen. Jedoch ist der Bedarf nach Inszenierungen bei Flachgräberfeldern wesentlich größer, da diese Denkmalgruppe weder im Original noch im Nachbau besonders eindrucksvoll erscheint. In diesem Bereich kann der Einsatz landschaftsgestalterischer Inszenierungen wesentliche Neuerungen bringen. Danksagung: Für Diskussion und Anregungen danke ich J. Coolen, H. Holtorf, U. Leuzinger, D. Pany, H. Reschreiter, M. Schmidt und M.-Ch. Zingerle. Webseiten: www.kalkriese-varusschlacht.de www.neanderthal.de

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Dürrnberg Grab 376 – Der archäologische Befund Stefan Moser

Im Vorfeld geplanter Planiermaßnahmen in der Flur Putzenfeld erfolgte eine archäologische Untersuchung der gefährdeten Fläche von rund 850 Quadratmetern durch ein Grabungsteam des Österreichischen Forschungszentrums Dürrnberg. Der untersuchte Bereich liegt zwischen der großen Talsiedlung des Ramsautales und dem in großen Teilen ergrabenen Gräberfeld der Nordgruppe. Erwartungsgemäß gelang im Zuge der Ausgrabung der Nachweis einer Besiedlung in den Stufen LT B und C, wobei es in diesem Zeitraum zur Anlage großflächiger Steinterrassen und somit zu einer noch heute sichtbaren Gliederung des Geländes kam (Moser 2005: 33f.). Der Ausgrabung war eine geomagnetische Prospektion vorausgegangen, die Hinweise auf eine Vielzahl von Befunden erbrachte. Der Großteil der Anomalien konnte im Laufe der Grabung als Siedlungsstrukturen (Gruben, Pfostenlöcher etc.) erkannt werden. Aus Zeit- und Kostengründen war ein flächiger Abbau der Terrassenschüttung bis auf den gewachsenen Fels nicht möglich und aus denkmalpflegerischer Sicht auch nicht opportun. Dennoch schien es sinnvoll, die Gestalt einiger auf den Messbildern erkennbarer Strukturen zu klären. Zu diesem Zweck erfolgte der maschinelle Abbau der an einigen Stellen bis zu 1,8 m mächtigen Terrassenaufschüttung an mehreren Stellen. Hierbei entpuppten sich die meisten der Anomalien als Einlagerungen lehmigen und sandigen Materials in der Terrassenschüttung. Eine Ausnahme stellte hier eine rund 1,7 x 1,8 m große Struktur im Nordosten der Grabungsfläche, rund 10 m westlich der bereits 1992 erforschten Gräber 308 und 310 dar (Zeller 2003: 525f.). Beim Abbaggern des Schottermaterials fiel ab einer Tiefe von etwa 0,3 m unter der Humusoberkante eine

Struktur aus bis zu 0,25 m langen Steinen auf. Es handelt sich hierbei um die Steinsetzung eines Grabhügels mit einem Durchmesser von etwas über 5 m, dessen nördlicher Teil unmittelbar auf dem anstehenden Fels aufsitzt. Der Hügel wurde bereits in der Antike massiv gestört und war nur mehr in seiner nördlichen Hälfte bis zu 0,6 m hoch erhalten. Ob es sich bei dem deutlich erkennbaren Trichter in der Mitte des Hügels um die Spuren einer gezielten Störung oder Beraubung in der Antike oder um die Folgen der Aufschüttungsarbeiten handelt, muss dahingestellt bleiben. Fest steht, dass zwischen der Anlage des Grabhügels und seiner Überdeckung durch die Siedlungsterrasse rund 100 Jahre vergingen. Nach dem Abbau der Steinbedeckung zeichnete sich eine rechteckige Grabkammer mit den Maßen ­2  x 2 m deutlich ab. An der Ostseite der Grabkammer befand sich das Skelett eines 20-30 Jahre alten, männlichen Individuums in annähernd Nord-Süd orientierter Rückenlage (Für die anthropologische Bestimmung von Sterbealter und Geschlecht sei Frau Dr. Karin Wiltschke-Schrotta am NHM Wien herzlichst gedankt). Das Knochenmaterial war weitgehend erhalten. Lediglich ein großer Teil der Fuß- und Zehenknochen sowie die Schulterblätter waren weitgehend vergangen. Der Schädel ist nach Westen hin verrollt und durch den Einsturz der Kammerdecke stark zerdrückt. Die Arme liegen leicht angewinkelt neben dem Körper, die Beine sind weit gespreizt. Die Lage des Beinskelettes legt nahe, dass der Tote mit angezogenen Beinen niedergelegt wurde. Um ihn in dieser Lage zu fixieren wäre eine Unterstützung im Bereich der Knie und/ oder ein Abstützen der Füße an der südlichen Kammerwand nötig.

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An der rechten Schulter befand sich eine bronzene Drahtfibel mit Koralleneinlage, strichverziertem Bügel und tordierter Spiralkonstruktion (1). Der Fuß der Fibel zeigt einen stark stilisierten Vogelkopf. An der linken Schulter fand sich eine weitere bronzene Fibel mit profiliertem Fuß und Bügel, auch sie mit Korallen versehen (2). Im Halsbereich lag ein rundstabiger bronzener Halsreif mit Ösenring-Verschluss, drei Knoten und profilierten Enden (3), etwa mittig in diesem ein kleiner, einseitig abgeflachter Bronzering (4). Fünf weitere Ringe gleicher Größe fanden sich, dicht aneinander gereiht, an der linken Körperseite (5a-f). Für diese Ringe ist eine Deutung als Haarschmuck denkbar. Am rechten Handgelenk befand sich ein bronzener Armreif mit einem profilierten, rankenverzierten

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Knoten und ebenso gestalteten Enden (6), am rechten Zeigefinger ein einfacher bronzener Blechhohlring (7). Zwei Eisenringe (8 und 9) im Hüftbereich gehören zum Gürtel. Neben dem Kopf stand eine große Tonflasche (12) mit durch Kreisaugen und Girlanden verzierter Schulter, in deren Nähe sich einige wenige Tierknochen fanden. Etwa 0,5 m westlich der Körpermitte war eine stark korrodierte eiserne Schere (?) niedergelegt (10). Neben dieser befanden sich Reste zweier S-förmig profilierter Schalen (13 und 14), eine davon mit Omphalos und Stempelzier. Reste zumindest zweier weiterer Schalen (15 und 16) fanden sich zusammen mit einem nicht näher bestimmbaren Bronzefragment in der Südwestecke der Kammer. Aus der Hügelschüt-

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tung stammen Fragmente einer weiteren Schale (18) und eines Topfes (17). Entlang der Westwand der Kammer waren schwache Reste des hölzernen Kammereinbaus zu beobachten. Das Fundensemble erlaubt eine Datierung des Grabes in die Stufe LT A und findet in seiner Zusammensetzung eine gute Parallele in dem von Grab 108 (Moosleitner et al. 1974: 73f.). Dieses bereits 1928 durch O. Klose auf dem Eislfeld freigelegte Grab beinhaltete neben einer Reihe von Frühlatènefibeln je einen Arm- und Fingerring sowie acht auf Brust und Bauch liegende Bronzeringe. Das Bruchstück eines Kopf- oder Halsrings kann der Bestattung nicht mit absoluter Sicherheit zugewiesen werden. Ausgehend von den beigegebenen Trachtbestandteilen und wohl auch dem Vorhandensein einer Kin-

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derbestattung in diesem Grab wurde das Geschlecht des bestatteten Individuums als „vermutlich weiblich“ bestimmt. Nach rein typologischen Gesichtspunkten wäre wohl auch der Bestattete aus Grab 376 eher als weiblich einzuordnen, fehlen doch auch die in der Regel als eindeutig männlich gesehenen Waffen völlig. Dass aber selbst die Beigabe von Angriffswaffen kein sicherer Geschlechtsindikator sein kann wurde jüngst anhand von Grab 266 eindrucksvoll demonstriert (Zeller 2005: 156f.). Ob die anscheinende Divergenz zwischen dem biologischen und dem aufgrund des Fundgutes angenommenen Geschlecht in den genannten Fällen Rückschlüsse auf eine vom gängigen männlich-weiblich-Schema abweichende Geschlechterrolle erlauben oder nicht sei vorerst dahingestellt.

Ancient DNA: Y-chromosomal DNA Fingerprinting in Molecular Archaeology – Paternal Pedigrees and their Potential Geographical Correlates Jan Kiesslich, 1 Reinhard Schwarz, 2 Jutta Leskovar, 3 Stefan Moser, 3 Kurt W. Zeller und 1 Franz Neuhuber 1

Interfakultärer Fachbereich für Gerichtsmedizin und forensische Neuropsychiatrie, Universität Salzburg, Ignaz Harrerstraße 79, 5020 Salzburg 2 Abteilung für Ur- und Frühgeschichte, OÖ. Landesmuseum,Welserstraße 20, 4060 Linz/Leonding 3 Österreichisches Forschungszentrum Dürrnberg, Pflegerplatz 5, 5400 Hallein 1

Corresponding author: Kiesslich, Jan, University of Salzburg, Department of Legal Medicine and Forensic Neuropsychiatry, DNA Unit, Ignaz Harrer Strasse 79, 5020 Salzburg, Austria, phone: ++43-(0)662-8044-3804, fax: ++43-(0)662-8044-3829, [email protected], www.sbg.ac.at/gem/

Zusammenfassung Ein zentrales Thema der molekularen Archäologie (Alte DNA Analyse) ist die Verwandtschaftsanalyse (z.B. die Rekonstruktion der familiären Verwandtschaft von Individuen, welche in einer Ausgrabung oder in einer Gruft gefunden wurden). Neben den autosomalen Merkmalen (wie sie üblicherweise bei Vaterschaftstests verwendet werden), existieren sog. Lineage Marker (mitochondriale bzw. Y-chromosomale Marker), welche die Rekonstruktion von maternalen und paternalen Erblinien erlauben. Darüber hinaus zeigen diese Marker geographische Korrelationen (wie z.B. auch Familiennamen oder phänotypische Merkmale) aus welchen Rückschlüsse über Migrationsmuster und den ethnischen bzw. geographischen Hintergrund gezogen werden können. Im Folgenden geben wir einen allgemeinen Überblick über die Anwendung der Y-chromosomalen DNA Typisierung in der molekularen Archäologie. Weiters präsentieren wir zwei Fallstudien zu einem männlichen Individuum (Grab I-8) aus einer früheisenzeitlichen Ausgrabung in Mitterkirchen, Oberösterreich, sowie zum Individuum 376 (LaTène A) vom Dürrnberg bei Hallein, Salzburg.

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Abstract One of the central issues of molecular archaeology / ancient DNA research is the identification of kinship, e.g. among individuals found in a burial or a crypt. Aside from autosomal markers that can be used to perform family kinship analysis (as usually applied in paternity testing) so called lineage markers (mitochondrial DNA and Y-chromosomal STRs) allow the reconstruction of maternal and paternal lineages within a finding. Moreover, these markers show geographical correlations (i.e. as seen with family names or phenotypical features) that provide insight into migration patterns and information on ethnic origins of present and past populations. In this paper we present a general overview of possible applications of Y-chromosomal DNA testing on ancient individuals as well as two case reports on a male individual (tomb I-8) found in an early iron age burial site in Mitterkirchen, Upper Austria and in tomb 376 (LaTène A) from the Dürrnberg site near Hallein, Salzburg.

Introduction Biological Background (Butler 2005) The enhancement and maintainance of genetic diversity is a crucial issue in evolution. Several mechanisms are referring to changes in the DNA molecule and the genetic constitution of an individual. Aside from mutational events, so called chromosomal recombination leads to a novel set of genetic markers in each ­generation: In reproduction, the parental chromosomes are randomly assembled to form a new, unique set of chromosomes for the offspring (according to Mendel´s laws). Since humans have 2 sets of 23 chromosomes, the fusion of a sperm cell and an oocyte cell allows 223 X 223 (= 7,03687*1013) different possible combinations – hence, the probability for siblings to inherit the same combination of genetic markers is 7,03687*­­10-13 (except for monozygotic twins: they show an identical genotype) (Krawczak 1994). Due to the fact that only males carry Y-chromosomes, there is no recombination (in contrary to the 22 other, so-called autosomal chromosomes) in heredity transmission – therefore all individuals of a common paternal line reveal the same Y-chromosomal features, or DNA profile, respectively (see fig. 1) because the Y chromosome remains unchanged from one generation to the next except in cases of mutation (Butler 2005). As the Y chromosome is inherited only from father to son, the mitochondrial DNA (a small, extranuclear unit of DNA, located in the mitochondria) is inherit-

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ed from the mother to her children (see fig. 1). Sperm cells carry few mitochondria (at least in humans) that do not enter the oocyte during zygote formation – thus only the mother passes down her mitochondrial DNA. Therefore all individuals with the same mitochondrial genotype are likely to stem from the same maternal line (Butler 2005). In the following we focus on the Y-chromosome and its possible applications in ancient DNA analysis.

Fig. 1: Maternal and paternal pedigree covering 4 generations: circles: female, squares: male. Solid circles sketch a maternal (mitochondrial) and lined squares paternal (Y-chromosomal) lineage.

Ychromosomal markers:

DYS391

DYS389I

DYS439

DYS389II DYS438

DYS437

DYS19 DYS392

individual I-8 (Mitterkirchen)

10

12

11

29

10

16

15

individual 376 (Dürrnberg)

11

13

12

29

12

15

15

DYS393

DYS390

11

14

22

14

14

-

12

-

11

14

table 1:Y-chromosomal genotypes of individual I-8 (Mitterkirchen) and individual 376 (Dürrnberg). Due to the inferior quality of DNA, two markers (DYS392 and DYS390) could not be typed consistently for individual 376.

Ancient DNA analysis – Y chromosomal loci of interest: structure, analysis, data conversion and interpretation Humans have been demonstrated to have an intraspecies variation within their DNA sequences: In terms of the entire genome, an average divergency of approximately 0,3% can be observed in comparing two randomly selected individuals (Butler 2005). To indentify a specific individual, DNA analysis focuses on specific, so called polymorphic, regions or loci of the genome responsible for the intraspecies variation as described above. Modern DNA fingerprinting techniques (in forensics as well as in ancient DNA analysis) focus on so-called length polymorphisms: certain areas of individually different length (comprising of a varying number of short units of tandemly repeated DNA sequences, Short Tandem Repeats, STRs) between constant regiones (present in all individuals of a certain species) (Butler 2005). Using Polymerase Chain Reaction (PCR, an in vitro technique to exclusively and exponentially increase certain areas of interest out of a complex mixture of DNA) allows the detection of even minute amounts of DNA – as is usually the case in ancient DNA analysis. Subsequent capillary electrophoresis (fragment length analysis) assigns the number of repeat units (as described above) – finally these data are transcribed into a table listing the number of repeat units for each locus or marker, respectively (i.e. table 1) (Krawczak 1994; Newton et al. 1994). In case of Y-chromosomal STR analysis, two (male) individuals are likely to belong to the same paternal line if they show the same Y chromosomal DNA profile (same genetic constitution, same number of repeats on each locus / marker analyzed) depending on the frequency of occurrence of the genotype found (www.yhrd.org).

Submission of Y-chromosomal genotypes (i.e. table 1) to „YHRD - Y Chromosome Haplotype Reference Database“ (www.yhrd.org) yields a frequency calculation (either worldwide or within a subpopulation) and a map showing each location and the relative frequency of occurrence of the genotype submitted. Hence, the ethnic and/or geographical background of a certain individual can be estimated by comparing its genotype to all other genotypes registered in the database (www.yhrd.org). Pitfalls, and Limitations and Scopes As mentioned above, requesting a certain Y-chromosomal genotype at www.yhrd.org allows the estimation of the ethnic and/or geographical background of an individual. This is especially true in cases dealing with the DNA data of historical or ancient individuals because the y-chromosomal reference database refers to contemporary patterns of genotype distribution.Throughout history (and the growth of the world population) the number of genotypes has increased due to mutational events. For this reason, the frequency of occurrence and a geographical correlation with an ancient genotype can only be estimated by referring to a contemporary database and by taking into account all common limitations such as migration, mutation, population growth or regional coverage (some countries or regions have little or no record, others are almost fully documented). If the genotype submitted has not yet been found (or registered in the database at www.yhrd.org), no frequency or geographical correlation can be estimated (nevertheless, a frequency of „not present in the database“ can be estimated). However, in these cases an „incomplete request“ may overcome this problem: By submitting an incomplete set of loci and/or markers typed (11 in this study), the accuracy of the request is

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DYS385

Location Lunca de Sus, Romania [Csángó]

# of hits out of # of haplotypes 1 / 84

Miercurea Ciuc, Romania [Székely]

1 / 91

Verona, Italy

1 / 153

Stuttgart, Germany

1 / 453

table 2a: Genotype locations of individual I-8 (11 loci submitted to www.yhrd.org)

reduced and results in an enhanced probability of finding a corresponding genotype, which may allow a geographical correlation. case report #1: Tomb I-8, Mitterkirchen Human skeletal remains from tomb I-8 (early iron age, approx. 700 BC) were recovered under supervision of M. Pertlwieser and V. Tovornik during an excavation from 1981 – 1990 in Mitterkirchen, Upper Austria . Unlike the other tombs found, the central burial I-8 was built into a barrow resulting in remarkably good preservation of the bones and other equipment, e.g. approx. 20 jars, a harness and two spearheads. As reported previously, parental kinship could be shown for Individuals I-8 and X-1 (from the same burial site) by autosomal STR analysis. In that study, we proposed Y-chromosomal genotyping of the male individual as outlined above (Kiesslich et al. 2004). For the male individual I-8 we found a Y-chromosomal genotype as listed in table 1. Submission of the complete genotype (comprising of 11 markers) to www.yhrd.org revealed 4 matches in a European population sample (see table 2a) consisting of 6081 records. Remarkably, two matches are located in Romania (see table 2a). Omitting two markers/loci in the request showed 33 matches in the same European population sample (see table 2b). This incomplete request (as outlined above) resulted in five matches in Romania, a total of 16 in central Europe (five in Bohemia, eight in Italy and three in Southern Germany) and nine on the Iberian Peninsula (Spain and Portugal) referring to a contemporary distribution of Y-chromosomal genotypes.

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case report #2: Individual 376, Dürrnberg The skeletal remains of individual 376 (LaTène A, 450400 BC) were recovered from the Nordgruppe burial ground at the Dürrnberg excavation site (Hallein, near Salzburg) in 2003. In addition to human bones the tomb contained also a necklace, two fibulae, a belt, several bronze rings, an iron knife, one bottle and several jars. Interestingly, the habitus of the remains appeared to be female – contrary to anthropological findings. To ascertain the biological sex of the individual, molecular sex identification was performed, revealing a male genotype (Kiesslich 2005). Additionally, Y-chromosomal genotyping was carried out as described above (see table 1). Due to the inferior quality of the DNA only nine out of 11 markers were unambiguous. Partial genotypes were submitted to www.yhrd.org, resulting in data as listed in table 3a and 3b. Submission of nine markers revealed five matches in a European popula-

Location

# of hits out of # of haplotypes

Miercurea Ciuc, Romania (Szekely)

3/91

Ploiesti, Romania

1/36

Lunca se Sus, Romania (Csango)

1/84

Verona, Italy

5/153

Marche, Italy

3/205

Northern Portugal

3/564

Southern Portugal

1/112

Caceres, Spain

1/91

Andalusia/Extremadura, Spain

3/386

Madrid, Spain

1/152

Central Bohemia, Czech

5/252

Stuttgart, Germany

3/453

Lyon, France

2/125

Ireland

1/152

Budapest, Hungary

1/193

London, UK (Afro Caribbean)

1/290

table 2b: Genotype locations of individual I-8 (9 loci submitted to www.yhrd.org)

Location

# of hits out of # of haplotypes

Bialystock, Poland

1 / 124

Marche, Italy

1 / 205

Northern Portugal

1 / 564

Southern Portugal

1 / 112

Stuttgart, Germany

1 / 453

table 3a: Genotype locations of individual 376 (9 loci submitted to www.yhrd.org)

Location

# of hits out of # of haplotypes

Bialystock, Poland

1 / 124

Bydgoszcz, Poland

1 / 411

Gdansk, Poland

2 / 732

Marche, Italy

2 / 205

Pantelleria, Italy

1 / 21

Sicily, Italy

1 / 199

Troina, Italy

1 / 20

Southern Portugal

1 / 112

Northern Portugal

1 / 564

Andalucia, Extremadura (Spain)

1 / 386

Turkey

1 / 158

Central Anatolia, Turkey

1 / 110

Stuttgart, Germany

2 / 453

Lausanne, Switzerland

1 / 108

Ljubiljana, Slovenia

1 / 180

Tyrol, Austria

1 / 230

table 3b: Genotype locations of individual 376 (8 loci submitted to www.yhrd.org)

Discussion and Conclusion Apart from fluke matches, our analysis showed a contemporary ethnic correlation for individual I-8 in Romania, Iberia and central Europe. Matches for Individual 376 were found in Poland, Italy, Iberia and – remarkably – Turkey. These data remain for discussion in conjunction with all other findings concerning the two individuals analysed in this study. In some (rare) cases, a highly significant ethnic correlation can be found, as reported in a study (Bachmeier et al. 2002; Kiesslich et al. 2006) on family kinship, Y-chromosomal genotyping and ethnic correlation of the putative remains of Adalbert and Ottokar, the legendary founders of the Tegernsee monastery (Bavaria, Germany). These data strongly indicates a common Scandinavian paternal ethnic background for these two individuals. Aside from anthropological and archaeological findings, such as pottery, weapons or other equipment found with a skeleton, the Y-chromosomal geographic correlation shown by DNA analysis may give additional information on the ethnic background of the (male) individual(s) investigated. This approach offers, despite its limitations and pitfalls (as outlined above), the opportunity to confirm (or disprove) “non-DNA” findings, and hence can be considered a valuable supplementary tool to learn about ancient individuals and societies.

Acknowledgements: This study was supported by Gerichtsmedizin GmbH Salzburg. Special acknowledgements to Dr. Maurice Sprague

tion sample (consisting of 6081 genotypes, table 3a) with one match each in Poland, Italy, Southern Germany and two hits in portugal. Omitting one marker (submitting 8) resulted in 17 matches in the same European population sample (table 3b) with four matches in Poland, five hits in Italy, three on the Iberian Peninsula, two in Turkey and five scattered throughout central Europe (Stuttgart, Lausanne, Ljubljana and Tyrol).

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References: Bachmeier, B., Rohrbach, H., Zink, A., A.G., N. (2002), Molecular Analysis of the Human Remains of Two Founders of the Monastery of Tegernsee. Southern Germany 6th International Conference of Ancient DNA and Associated Biomolecules Tel Aviv, Israel Ancient Biomolecules pp. 121 –  2,Vol. 4 (3). Butler, J.M. (2005), Forensic DNA Typing – Biology, Technology, and Genetics of STR Markers. Academic Press: San Diego, San Francisco, New York, Boston, London, Sydney, Tokyo. Kiesslich, J., Neuhuber, F., Meyer, H.J., Baur, M.P., Leskovar, J. (2004), DNA Analysis on Biological Remains from Archaeological Findings - Sex Identification and Kinship Analysis on Skeletons from Mitterkirchen, Upper Austria. In: Karl, R., Leskovar, J. [Hrsg.], Interpretierte Eisenzeiten - Fallstudien, Methode, Theorie - Tagungsbericht der 1. Linzer Gespräche zur interpretativen Eisenzeitarchäologie Linz, Oberösterreichisches Landesmuseum.

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Kiesslich, J. (2005), Ancient DNA - Über die molekularbiologische Analyse archäologischer Funde. Dissertation, Universität Salzburg. Kiesslich, J., Schwarz, R., Grabner, W., Neuhuber, F. (2006), Nuclear STR Based Ancient DNA Genotyping: A Poweful Tool for Quality Control and Data Authentification »Pushing back the limits of ancient DNA analysis: towards an understanding of DNA degradation and preservation during fossilisation«. 2. – 3. Mai 2006, Paris. Krawczak, M. (1994), DNA-Fingerprinting. 144, Spektrum Akademischer Verlag: Heidelberg, Berlin, Oxford. Newton, C.R., Graham, A. (1994), PCR, 223. Spektrum Akademischer Verlag: Heidelberg, Berlin, Oxford.

Diskussion Kurt Alt Die Aussagekraft stößt leider rasch an ihre Grenze.Welche Bedeutung hat die Untersuchung nun für die Archäologie? Es gibt weltweit bisher nur ein Gräberfeld, an dem Forensiker gearbeitet haben und Verwandtschaften nachweisen konnten. Die Interpretationsmöglichkeiten sind, auch wegen der geringen Zahl an vorliegenden Ergebnissen, sehr eingeschränkt. Jan Kiesslich Nukleare DNA ist von der Analyse her schwieriger zu erfassen als mitochondriale DNA, weil letztere häufiger vorkommt, also leichter zu finden ist. Die durchschnittliche Erfolgsquote beträgt 10%; d.h. 10% aller Proben lassen sich typisieren. Es gibt aber eine Bandbreite von 0 bis 40% bei den einzelnen Gräberfeldern. Die eigentliche Analyse ist technisch gesehen bei jeder Probe gleich schwierig; den Unterschied macht, ob man auswertbare DNA findet. Kurt Alt Bestätigt diese Quoten aus eigener Erfahrung. Bei lange belegten Gräberfeldern sind die Aussagemöglichkeiten sehr eingeschränkt. Die Archäologen erwarten sich oft sehr viel, das der DNA-Analyst aber nicht leisten kann. Je früher und fachgerechter eine Probe entnommen werden kann, desto besser sind die Chancen auf deren Auswertbarkeit. Viele Umgebungsmilieus lassen die DNA „verschwinden“ - eine Entnahme bei Graböffnung hat mehr Aussicht auf Erfolg, als der Versuch auswertbares Material zu finden, nachdem die Funde wochenlang mehr Licht und höheren Temperaturen ausgesetzt waren. Jan Kiesslich Bei der Probenentnahme sollten alle Beteiligten aufeinander Rücksicht nehmen. Sonst kann es vorkommen, dass der nicht anthropologisch gebildete Molekularbiologe zufällig gerade jenes Stück für seine Probe entnimmt, das für die Analyse des Anthropologen am geeignetsten wäre. Es kann von Vorteil sein, kurze Zeit abzuwarten, bis sich alle Beteiligten (Archäologe, Anthropologe, Molekularbiologe, ...) abgesprochen haben. Solange die Probe ein geschütztes Umfeld hat, nur langsam austrocknet, nicht anderweitig behandelt wird, kann auch dann noch auswertbare DNA vorliegen.

Kurt Alt Am besten sollte der Archäologe lernen, die Proben selbst zu entnehmen, damit es kein Zeitproblem gibt (für die Kollegen aus den Nachbarwissenschaften, für den Grabungsablauf, ...). Zum Beispiel könnte ein Zahn für zwei Analysen (DNA, Strontium) ausreichen, der bei schonender Behandlung dann dem Befund für den Anthropologen/Archäologen wieder zurückgegeben werden kann. Jan Kiesslich ...obwohl es natürlich einfacher für den Molekularbiologen ist, wenn er die Probe pulverisieren „darf“.

Zusammenfassung der Diskussion Durch die geringe Anzahl der bisher von Forensikern untersuchten Gräber bleibt die Aussagekraft solcher Untersuchungen für die Archäologie vorerst beschränkt. In Voraussicht auf weitere Analysen dieser Art ist darauf hinzuweisen, dass DNA durch unsachgemäße Lagerung oder Behandlung (Licht, zu rasche Trocknung, chemische Behandlung, ...) rasch „verschwindet“. Eine Probenentnahme sollte so rasch als möglich (am besten noch während der Ausgrabung) vom Naturwissenschafter selbst oder wenigstens geschulten Archäologen entnommen werden; immer unter Berücksichtigung aller Beteiligten (sodass z.B. der Molekularbiologe einen Skelettteil erhält, den er im günstigsten Fall auch pulverisieren darf, ohne z.B. dem Anthropologen unwissentlich eine wichtige Datengrundlage zu nehmen). Trotz aller Vorsicht und technischen Möglichkeiten der Analyse sind durchschnittlich nur aus 10% der Befunde überhaupt auswertbare Proben entnehmbar. Oft erwarten sich die Archäologen Wunder von den Biologen, die diese mit ihren Methoden nicht liefern können.

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Die Menschenknochen aus den Flussheiligtümern der Westschweiz Peter Jud

Ihr verdorrten Gebeine, höret das Wort des Herrn! Hesekiel 37, 1,4

Zusammenfassung In den Gewässerheiligtümern von La Tène (Kanton NE), Cornaux (NE) und Port (BE) wurden neben den Opfergaben auch zahlreiche Menschenknochen gefunden (Schwab 1989; Müller 1992). In der vorliegenden Arbeit wird versucht, Umfang und Art dieser Deponierungen zu beschreiben und die Präsenz der Menschenknochen in den Heiligtümern zu deuten.

Abstract In the river sanctuaries of La Tène (Kanton NE), Cornaux (NE) and Port (BE) numerous human remains were found associated with votive offerings (Schwab 1989; Müller 1992).This paper attempts to describe the extent and nature of this depositional practice and to explain the presence of human remains in the sanctuaries.

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1. La Tène 1.1 Die menschlichen Skelettreste Bereits in einer der ersten Publikationen zu La Tène findet sich die Abbildung eines menschlichen Schädels, erstaunlicherweise mit Unterkiefer, der aus der damals noch unter Wasser stehenden Fundstelle gefischt worden war (Desor 1865: 102). Der Pfahlbauforscher Ferdinand Keller erwähnt 1866 „ein(en) Korb voll Knochen von etwa 8 Menschen. Merkwürdiger Weise wurde auch nicht ein einziges Stück eines Schädels gefunden“ (Keller 1866: 295). Nach der Trockenlegung der Fundstelle durch die Absenkung des Wasserspiegels steigt die Zahl der Fundmeldungen schnell an. Emil Vouga gibt uns als erster einen genaueren Fundort: „...Vor dem ersten Gebäude fand ich einen weiteren ganz erhaltenen Schädel einer Frau. Auch vor dem zweiten Gebäude fand ich die Knochen von drei oder vier Personen und drei Schädel, einer davon mit Spuren von Schwerthieben auf dem Scheitel. (...) Vor dem vierten Gebäude dann zwei Unterkiefer und die Knochen von etwa dreissig Personen (...) Vor dem fünften drei ganze Skelette, eines davon mit einer Schnur um den Hals. ( ?) Ausser diesen Schädeln und Knochen, von denen ich den Fundort angeben kann, wurden viele weitere Skelette und verschiedene Knochen gefunden ... “ (Vouga 1885: 31s.; Die von Vouga erwähnten „Gebäude“ sind auf seinem Grabungsplan verzeichnet). Die Angaben seines Kollegen und Rivalen Victor Gross sind weniger genau: „Die Ausgrabungen erbrachten etwa ein Dutzend recht gut erhaltener Schädel und Skelettreste von etwa 30 Individuen“ (Gross 1886: 51, Anm. 1). Drei dieser Schädel „trugen tiefe Einschnitte, alle in der gleichen Richtung, die offensichtlich durch Schwerthiebe entstanden sind“ (Gross 1886: 51). Mit grosser Wahrscheinlichkeit spricht Gross hier von denselben Knochenfunden wie Vouga. Borel, ein Angestellter des Museums von Neuchâtel, hat weder Publikationen noch irgendwelche Notizen zu seinen Unternehmungen der Jahre 1882/83 hinterlassen. Nach Messikomer hat Borel aus einer einzigen Schicht „sieben vollständige Skelette gezogen, die daselbst eines neben dem anderen lagen“ (Messikomer 1884: 28). Einer der Arbeiter Borels erinnerte sich später: „Die Menschenknochen waren so zahlreich, dass wir alle, die nicht von einem besonderen Interesse wa-

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ren, in einem Sack sammelten. Ein junger Mann aus Marin hat sie dann dem Lumpensammler verkauft.“ (Vouga 1943: 120). Als Borel selbst auf diese Geschichte angesprochen wurde, konnte er sich nur noch an drei Skelette erinnern, die er selber gefunden hatte, und von denen eines eine Schnur um den Hals trug (Wavre, Vouga 1908: 62, n.1). Zweifellos handelt es sich bei dem zuletzt genannten Fall um das schon von Emil Vouga erwähnte Individuum. In den Vorberichten von William Wavre und Paul Vouga über ihre Grabungen zwischen 1907 und 1917 ist oft von der Entdeckung menschlicher Skelettreste die Rede: - „Unter den Knochen befand sich die obere Kalotte eines Menschenschädels mit einem Teil des Kiefers, mit sehr schönen Zähnen, dazu mehrere Tibia und Femora.“ (Wavre,Vouga 1908: 67). - „Eine Schädelkalotte bis zum Augenbrauenbogen“; „einige menschliche Knochen“ „Tibia und Femur eines Menschen“ (Wavre,Vouga 1909: 230, 231 und 235). - „zahlreiche Menschenknochen von mindestens zwei Individuen (...), leider nichts vom Schädel“ (Vouga 1910:185). - „Eine menschliche Schädelkalotte, ein Oberarmknochen und ein Wadenbein“. „Das vollständige Skelett eines Jugendlichen, der am rechten Arm einen Ring aus einem doppelten Eisendraht trug (...) Eingeschlossen im Innern des Schädels eine bräunliche, elastische und gestreifte Substanz, die ganz wie ein verwestes Gehirn aussah“ (Vouga 1912: 11). - „Menschliches Skelett ohne Schädel“. „Menschliches Skelett, auf den Rippen zwei Fibeln und am rechten Arm ein sehr schlecht erhaltener Armring aus einem einfachen Eisendraht.“ „2 Schädel und zwei Skelette (eines davon ohne Schädel)“ (Vouga 1914: 58 und 63). In den zitierten Vorberichten werden die Reste von mindestens einem Dutzend Individuen erwähnt. Es ist gut möglich, dass in den originalen Grabungsnotizen, die mir nicht zugänglich waren, weitere Skelettfunde vermerkt wurden. Die Monographie von Paul Vouga über La Tène enthält auch ein Kapitel zu den Menschenknochen, das von Eugène Pittard verfasst wurde, aber leider keinen Katalog aller gefundenen Menschenknochen (Vouga 1923: 135ff). Nach Auskunft aller publizierten Berichte wurden

in La Tène die Knochen von etwa 50 bis 100 Individuen gefunden. 1.2 Anthropologische Beobachtungen In einer ganzen Reihe von Publikationen finden sich Angaben zur Vollständigkeit der Skelette, zum Geschlecht und Alter der Verstorbenen sowie Bemerkungen zu Verletzungen. Bei den Ausgrabungen wurden einerseits scheinbar vollständige Skelette, aber auch isolierte Schädel, ganze Skelette ohne Schädel und Einzelknochen gefunden. Es stellt sich natürlich die Frage, ob die Skelette von der Strömung zerstreut wurden oder ob bereits abgetrennte Körperteile im Fluss deponiert wurden. Ein wahrscheinlich männlicher Schädel aus La Tène konnte 1883 vom berühmten Mediziner Robert Virchow in Berlin untersucht wurden (Abb. 1). An der Schädelbasis und an den Warzenfortsätzen sind wiederholte Schnittspuren zu sehen, die nach Virchow eher von einem Messer als von einem Schwert stammen und «kurz vor oder bald nach dem Tode» beigebracht wurden. Aufgrund verschiedener Überlegungen kam Virchow zum Schluss, dass die von hinten ausgeführte Enthauptung vermutlich erst am bereits toten Individuum vorgenommen wurde (Virchow 1883: 309f.). Virchow konnte zudem auch das vollständige Skelett «einer jüngeren Weibsperson» aus La Tène untersuchen, an dem keine Gewaltspuren festgestellt wurden (Virchow 1883: 311). Im folgenden Jahr konnte Virchow gar neun Schädel aus der Sammlung von Gross und aus dem Museum Neuchâtel untersuchen (Virchow 1884). Er bestimmte fünf als männlich, einen als weiblich, einen weiteren als eher weiblich, bei zwei Schädeln war eine Bestimmung nicht möglich. Zwei Schädel waren von heftigen Hiebwunden gezeichnet (Virchow 1884: 171). Der Medizinprofessor J. Kollmann untersuchte einen Schädel aus der Sammlung von A. Dardel-Thorens, der «wahrscheinlich von einem weiblichen Individuum» stammt (Kollmann 1884: 143). Sieben Schädel, ein ganzes Skelett und einige Einzelknochen aus dem Museum Neuchâtel, die alle aus La Tène stammen, wurden von Eugène Pittard untersucht und in der Monographie von P.Vouga publiziert (1923: 135-142). Nach Pittard sind sechs der acht

Schädel sicher männlich, einer eher weiblich (Vouga 1923: 135). Sicher weiblich ist auch das ganze Skelett einer Heranwachsenden, das 1911 gefunden wurde. Es trug bei der Auffindung einen eisernen Armring, und im Schädel war ein Gehirnrest erhalten. Nach einer späteren Untersuchung ist der Gehirnrest durch eine längere Aufbewahrung an der Luft auf natürliche Weise mumifiziert worden (Vouga 1943: 121). Mehrere einzeln gefundene Humeri und ein Femur stammen wahrscheinlich ebenfalls von weiblichen Individuen (Vouga 1923: 139, 140). Ein Schädel aus dem Museum Neuchâtel trägt die bereits vertrauten Hiebspuren: „Stirn- und Scheitelbein tragen eine ganze Serie von Kerben, die von einer scharfen Schneide stammen, die mit grosser Kraft auf den Schädel ­gehauen wurde“. Nach Pittard zeugen dieseVerletzungen „von einer bemerkenswerten Erbitterung des ­Täters“ ­(Vouga 1923: 136). Auch ein Femur „trägt eine Serie von Hieb­ spuren auf der Aussenseite; einige davon sind auch an der Vorderseite des Knochens zu sehen“ (Vouga 1923: 139).

Abb. 1: Schädel aus La Tène mit den Spuren einer postmortalen Abtrennung. Untersucht und publiziert von Robert Virchow im Jahre 1883.

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1.3 Archäologische Beobachtungen Das von Pittet untersuchte Skelett einer Heranwachsenden trug am rechten Arm einen eisernen Ring (Vouga 1912: 11). Auch das am 2. September 1913 gefundene Individuum trug am rechten Arm einen Ring, und zudem ein Fibelpaar auf der Brust (Vouga 1914: 58). Die Schmuckausstattung der gleichzeitigen Gräber von Münsingen-Rain zeigen, dass es sich bei den beiden in La Tène gefundenen Personen um Frauen handeln muss (Martin-Kilcher 1973). Das von Borel gefundene Skelett mit der Schnur um den Hals wird von mehreren Autoren erwähnt, aber keiner davon hat es mit eigenen Augen gesehen. Dieser Befund erinnert natürlich an die spektakulären strangulierten Moorleichen wie etwa den Lindow Man (Stead 1986). Aber vielleicht hat die Schnur von La Tène nur einen Anhänger getragen oder diente als Kleiderverschluss. 2. Port In Port (BE) kamen die meisten Funde leider bei Baggerarbeiten zum Vorschein, unter Bedingungen, die der Entdeckung menschlicher Knochen nicht förderlich waren. In den archäologischen Berichten werden aber doch einige Schädel erwähnt, die im Fluss gefunden wurden (Wyss, Rey, Müller 2002: 104; Schlaginhaufen 1924). Aber die Datierung dieser Funde und damit ihre Zugehörigkeit zu den Votivgaben ist natürlich in keiner Art und Weise gesichert.

In mehreren Schädeln (darunter auch dem isolierten Schädel 11) wurden Gehirnreste gefunden. Im Gegensatz zum erwähnten Fund aus La Tène sind sie jedoch nicht mumifiziert, und die Leichname gelangten offenbar sehr rasch nach dem Tod in den Fluss (Schwab 1989: 149). Sauter konnte keine Hieb- und Schnittspuren an den Knochen beobachten, aber Schädel 4 trägt die Spuren eines «heftigen, absichtlich geführten Schlages» mit einem stumpfen Gegenstand (Schwab 1989: 140).Tatsächlich ist der in diesem Schädel konservierte Gehirnrest von einem Hämatom gezeichnet, und es ist deshalb sehr wahrscheinlich, dass dieser Mann den heftigen Schlag in vivo, also bei lebendigem Leibe erhielt (Schwab 1989: 155, fig. 7 d). Die Einzelknochen wurden zum Teil auf dem Flussgrund bei den ganzen Skeletten und Schädeln, aber auch auf dem Flussufer gefunden. Leider wurden sie bei der anthropologischen Untersuchung nicht ­gebührend gewürdigt. Sauter zählt zu dieser ­Kategorie 39 isoliert gefundene Einzelknochen sowie das ­Individuum 21, von dem nur 25 Schädelteile und 18 Wirbelfragmente gefunden wurden, verstreut auf einer Fläche von 13 m2 auf dem Flussufer. Es handelt sich wohl kaum um die Reste einer gestörten Bestattung, sondern eher um die Überbleibsel eines Leichnams, der an der Ober­ fläche zerfallen ist. Offenbar wurde ein grosser Teil der Knochen nach der Verwesung der ­Sehnen und ­Bänder entfernt. Auch die übrigen Einzelknochen zeugen von einer gezielten Auswahl, da es sich um 29 Langknochen und nur 10 andere postcraniale Knochen handelt.

3. Cornaux Nur drei Kilometer flussabwärts von La Tène bietet das 1965/66 von Hanni Schwab ausgegrabene Flussheiligtum von Cornaux (NE) die Möglichkeit, die oft unsicheren Befunde von La Tène zu überprüfen (Schwab 1989). Neben der Brücke von Cornaux wurden nach Schwab insgesamt 15 ganze Skelette, vier einzelne Schädel sowie zahlreiche Einzelknochen gefunden. In seinem Untersuchungsbericht spricht der ­Anthropologe M.-R. Sauter jedoch von mindestens 20 Individuen (ohne Einzelknochen), darunter 12 ­Männer, zwei Frauen, zwei unbestimmte ­ Individuen, ein Jugendlicher und zwei Kinder (Schwab 1989: 140).

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4. Was geschah mit den Leichnamen? Die eigentliche Kernfrage nach der Todesursache der in den Heiligtümern gefundenen Individuen muss vorerst offen bleiben. Die Skelette tragen keine deutlichen Zeichen eines gewaltsamen Todes. Die besonders an den Schädeln sichtbaren Hieb- und Schnittspuren können vor oder nach dem Tode entstanden sein – anthropologisch lässt sich das nicht feststellen. Es ist natürlich auch möglich, dass die gefundenen Individuen einen gewaltsamen Tod erlitten haben, der keine Spuren am Skelett hinterlässt, wie Erwürgen, Erdrosseln oder Ertränken. Gegen die letztere Variante spricht al-

lerdings, dass bei keinem einzigen Skelett Anzeichen einer Fesselung bemerkt wurden. Aber was waren das eigentlich für Leute, die nach ihrem Tod in den Flussheiligtümern deponiert wurden? Auch auf diese Frage kann uns die Anthropologie keine eindeutige Antwort geben. Immerhin erfahren wir, dass es sich überwiegend um Männer handelt, aber auch Frauen und Kinder sind ohne Zweifel vertreten. Die in Cornaux und La Tène gefundenen Skelettreste tragen aber offensichtliche Spuren menschlicher Handlungen: einerseits die wohl am relativ frischen Leichnam vorgenommene Schädelabtrennung von La Tène und die Aufteilung von Skeletten nach dem vollständigen Zerfall der Bänder und Sehnen, die sich besonders in Cornaux sicher nachweisen lässt. Der mumifizierte Gehirnrest aus La Tène zeigt, dass dieser Leichnam vor der Deponierung im Fluss längere Zeit unter besonders trockenen Verhältnissen aufbewahrt worden war. Diese Manipulationen an den Leichnamen und Skeletten muten seltsam an. Ein Vergleich mit den Menschenknochen aus dem Heiligtum von Gournay-sur-Aronde und den Siedlungen Manching und Basel-Gasfabrik bringt allerdings etwas Licht in das vorherrschende Dunkel. 4.1 Die Toten von Gournay Die gegen 70 Menschenknochen aus dem Heiligtum von Gournay-sur Aronde (F, Oise) bilden zwar ein zahlenmässig kleines Ensemble, aber die sorgfältige Untersuchung durch François Popelin hat dennoch eine erstaunliche Fülle an Informationen erbracht (Brunaux, Méniel, Popelin 1985: 147ff.). Schon die Zusammensetzung des Ensembles ist bemerkenswert: Die Fragmente von sechs Hinterhauptsbeinen (os occipitale) und 23 Exemplare der obersten drei Halswirbel stellen fast die Hälfte aller gefundenen Knochen. Mit Ausnahme eines Calvariums und von zwei Unterkiefern sind jedoch keine weiteren Schädelknochen vorhanden. Die zweite grössere Gruppe bilden die 20 Langknochen von Armen und Beinen, aber die zugehörigen Hand- und Fussknochen fehlen vollständig. Angesichts dieser bemerkenswerten Auswahl erstaunt es nicht weiter, dass viele der vorliegenden Kno-

chen Zerteilungsspuren aufweisen. Schnittspuren auf den Halswirbeln, auf einem der Unterkiefer und auch auf den Hinterhauptsbeinen zeugen von Enthauptungen, die immer nach dem gleichen Muster vorgenommen wurden: die Wirbelsäule wurde von hinten mit einem Messer freigelegt und dann mit einem einzigen Schlag durchtrennt. Anschliessend wurden die beim Schädel verbliebenen Halswirbel abgetrennt und schliesslich das Hinterhauptsbein abgeschlagen. Es ist offensichtlich, dass die Spuren, die Virchow am Schädel aus La Tène beobachtet hat, von einer sehr ähnlichen Aktion stammen müssen. In Gournay zeugt ein einzelnes, von zahlreichen Schnittspuren gezeichnetes Schlüsselbein vom ungeduldigen Versuch, einen Arm abzutrennen, «ohne sich die Mühe zu machen, ausschliesslich das Gelenk selbst zu durchtrennen» (Brunaux, Méniel, Popelin 1985: 156). Die geschilderten Zerteilungen wurden ohne Zweifel post mortem vorgenommen, und zwar ausserhalb des Heiligtums, da die zahlreichen kleinen Knochen vollständig fehlen. Nur die abgeschnittenen Köpfe wurden ins Heiligtum gebracht und hier von den Halswirbeln und den Hinterhauptsbeinen befreit. Die Schädel wurden später aus dem Heiligtum wieder weggebracht, nachdem sie wohl während einer gewissen Zeit ausgestellt waren. Nach der Zerteilung der entfleischten Skelette wurde auch eine Auswahl der Langknochen in das Heiligtum gebracht und hier im Umfassungsgraben niedergelegt. Von den 12 Oberschenkelknochen wurden fünf als männlich, sieben als weiblich bestimmt. Auf den ersten Blick hat das Knochenensemble von Gournay kaum Gemeinsamkeiten mit den Menschenknochen aus den Flussheiligtümern der Westschweiz. An beiden Orten lassen sich aber ähnliche Manipulationen an den Leichnamen nachweisen, während Hinrichtungen oder Opferungen bisher nicht nachgewiesen werden konnten. 4.2. Die Menschenknochen aus Manching und Basel-Gasfabrik In Manching wurden mehr als 5000 menschliche Einzelknochen gefunden, die von mindestens 400 verschiedenen Individuen stammen (Lange 1983: Hahn 1992). In Basel-Gasfabrik sind die absoluten Fund-

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Manching / Basel-Gasfabrik Siedlung

Transport der Leichname

Schädel Langknochen

(Leichenplatz) Aufbewahrung Verwesung Entfleischung Zerteilung Bruch der Langknochen

Abb. 2: Die Behandlung der Menschenknochen in den Siedlungen Manching und Basel-Gasfabrik.

zahlen ungefähr proportional zur wesentlich geringeren Siedlungsgrösse (Trancik Petitpierre 1996). In beiden Siedlungen stammen die postcranialen Knochen etwa zu gleichen Teilen von Männern und Frauen, zwei Drittel der Schädel aber von Männern, während Kinder ausgesprochen selten sind. Die Anteile der verschiedenen Skelettteile sind weit von den natürlichen Verhältnissen entfernt: In Manching entfallen 34% der Knochen auf die Schädel, und fast 60% auf die Langknochen, in Basel-Gasfabrik 37% auf Schädelknochen und 36% auf Langknochen. Offensichtlich stellen diese Knochen eine bewusst vorgenommene Auswahl dar. Die von Günter Lange 1983 publizierten Untersuchungen, die später durch die Basler Forschungen bestätigt wurden, erlauben eine Rekonstruktion des Handlungsablaufes, der zum beschriebenen Befund geführt hat (Abb. 2). Die Leichname der Verstorbenen wurden aus der Siedlung weggebracht und an einem Ort, den ich als Leichenplatz bezeichnen möchte, längere Zeit oberirdisch aufbewahrt, bis das Fleisch mehr oder weniger verwest war, die Sehnen und Bänder aber noch intakt waren. Nun wurden Köpfe, Arme und Beine vom Rumpf abgetrennt, dann die Hände und Füsse von den Extremitäten. Die Enthauptungen wurden nach dem gleichen Muster wie in La Tène und Gournay vorgenommen (Abb. 3).

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Nach der Abtrennung waren Schädel und Langknochen verschiedenen Gewalteinwirkungen ausgesetzt. In Manching tragen nicht weniger als 15% der Schädel Hieb- und Schnittspuren (Lange 1983: 97; 103; 106), in beiden Siedlungen wurden viele Langknochen mit grossem Kraftaufwand zerbrochen (Abb. 4). Schliesslich wurde zumindest ein Teil der Schädel und Langknochen zurück in die Siedlung gebracht, wo sie nach einer kürzeren oder längeren Aufbewahrungszeit in den Boden gelangten. Die in Gournay vorgenommenen Manipulationen an den Menschenknochen fügen sich nahtlos in den etwas makaberen Handlungsablauf, wie er für die Siedlungen rekonstruiert werden kann. 5. Deutungsversuch Dass es sich bei den Menschenknochen aus den Heiligtümern um die Reste von Menschenopfern handeln soll, gehört zu jenen scheinbar zeitlosen a priori der Archäologie, deren Herkunft sich in den Nebeln des frühen 19. Jh. verliert. Nach der Entdeckung von Gournay ist für viele Archäologen aus dem Verdacht eine Gewissheit geworden. Aber wurden in Gournay wirklich Menschen geopfert, oder etwa die Reste von gefallenen Kriegern ausgestellt? Der Archäologe J.-L. Brunaux scheint seiner Sache

Abb. 3: Basis eines Schädels aus Basel-Gasfabrik, Grube 149. Die Pfeile zeigen auf die Schnittspuren, die insbesondere an den Warzenfortsätzen zu sehen sind. Hinter den Warzenfortsätzen wurde die Schädelwand durchschnitten, anschliessend wurde der Hinterhauptsknochen ausgebrochen (Trancik, Petitpierre 1996: 154).

Abb. 4: Zerbrochene Langknochen aus Basel-Gasfabrik (Kamber et al. 2002: 92).

sicher zu sein, aber der für die Untersuchung der Knochen verantwortliche Anthropologe François Popelin ist nicht dieser Meinung: „Die mehr als wahrscheinliche Präsenz von Frauen spricht gegen die Hypothese der Krieger“. „Und auch die Hypothese des Menschenopfers mit der blanken Waffe ist überhaupt nicht beweiskräftig“ „Die deutlichsten Beweise sprechen für postmortale Manipulationen“ (Brunaux, Méniel, Popelin 1985: 163). Offensichtlich wurden Popelins Argumente bei den archäologischen Interpretationen von Gournay nicht berücksichtigt. Schon zwei Jahre vor der ersten Monographie über Gournay hat Günter Lange seine Untersuchungen über die Menschenknochen von Manching publiziert, die früher oft als Reste von Menschenopfern gedeutet worden waren. Lange wies mit Nachdruck darauf hin, dass allein schon die schiere Masse der von den Leichenzerteilungen betroffenen Individuen (NMI 400) gegen eine Deutung als Menschenopfer spricht. Die immer wieder beobachteten Hiebmarken auf den Schädeln sehen nicht wie typische Kampfver-

letzungen aus. Viele dieser Schädel tragen mehrere, regelmässig angeordnete Verletzungen, wie sie nur angebracht werden können, wenn sich das Opfer in der Zwischenzeit nicht bewegt – also möglicherweise schon tot ist. Auch dass von unterschiedlichen Fundstellen sehr ähnliche Verletzungsmuster vorliegen, spricht für die Hypothese, dass es sich eher um die Spuren ritueller Handlungen handelt (Abb.5). Lange hat deshalb vorgeschlagen, das Vorkommen von menschlichen Einzelknochen in den Siedlungen den Bestattungsbräuchen zuzuordnen. Diese Vermutung wird von vielen neueren Forschungen gestützt, die zeigen, dass Manipulationen am Leichnam auch im Grabbrauch durchaus nachweisbar sind. Zu erwähnen sind etwa die von Rozoy in mehreren Gräberfeldern der Champagne festgestellten Manipulationen (Rozoy 1987), oder der zusätzliche Schädel in Grab 57 von Saint-Sulpice (VD) (Kaenel 1990: 267), weiter die unvollständige Bestattung in Kerzers (FR) Grab 7 (Ramseyer 1997: 129) oder V   evey (VD) Grab 15 (Martin-Kilcher 1981: 142). Die im Friedhof Lamadelaine bestatteten Toten vom Titelberg wurden vor der Kremation längere Zeit zusammen mit den Beigaben im Freien aufgebahrt – und vielleicht gelangte nicht

Abb. 5: Dieser Schädel mit den markanten Hiebspuren wurde bei Lux (Saône-et-Loire) in der Saône gefunden. Der Nagel gehört nicht zum Originalfund (Guillaumet 1990: 73).

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der ganze Körper auf den Scheiterhaufen (MetzlerZens, Méniel 1999: 408). Auch in Acy-Romance (Ardennes) wurden nur bestimmte Teile des Leichnams verbrannt, was natürlich impliziert, dass die Leichen vorher zerteilt wurden (Lambot 1998; Lambot, Méniel 1992: 145-146). 6. Schlussfolgerungen Die menschlichen Knochenreste aus den Flussheiligtümern der Westschweiz unterscheiden sich vor allem durch die Dominanz ganzer Skelette von den entsprechenden Funden aus Gournay und Manching. Die postmortalen Enthauptungen und andere an den Leichnamen oder Skeletten vorgenommenen Manipulationen finden sich nicht nur in Gournay und Manching, sondern auch in La Tène und Cornaux.

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Nach allen Informationen, die uns zur Zeit vorliegen, gehört die Deponierung von menschlichen Körpern und Körperteilen in den Heiligtümern eher in den Bereich der Bestattungssitten. Menschenopfer können nicht ausgeschlossen werden, lassen sich aber auch nicht positiv nachweisen. Aber die Erforschung dieses Phänomens hat eben erst begonnen. Die Aufgabe ist klar: nur eine vergleichende Untersuchung der Menschenknochen im jeweiligen Kontext kann verlässliche Ergebnisse bringen und ist in der Lage, die alten a priori ins Wanken zu bringen. Die kursiv gesetzten Zitate wurden vom Autor aus dem Französichen übersetzt. Die Originalzitate finden sich in der französischen Version dieses Artikels (Jud 2007).

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Dendrochronologische Datierung von Holzfunden aus Hallstatt mit Hilfe der Röntgen-Computertomographie Michael Grabner, Johann Kastner, Johann Reschreiter, Dietmar Salaberger

Zusammenfassung Um Holzgegenstände dendrochronologisch datieren zu können muss die Jahrringstruktur sichtbar gemacht werden. Dies geschieht üblicherweise durch Beprobung und Vermessung der präparierten Oberfläche unter dem Mikroskop. Beprobungen einzigartiger Fundstücke, wie z.B. eisenzeitliche Spanschachteln aus Hallstatt, sind jedoch ausgeschlossen. Eine Möglichkeit der Visualisierung bietet die Mikro-Röntgencomputertomographie. Röntgencomputertomographie wird dazu benutzt, um Objekte dreidimensional zu vermessen und zu digitalisieren. So können interne Strukturen wie auch Oberflächen völlig zerstörungsfrei abgebildet werden. Es ist möglich, Jahresringe in Schnittbildern darzustellen und auch die Abstände zu messen. Eine Herausforderung stellt jedoch immer noch die maximal erzielbare Auflösung dar; diese ist unter anderem auch von der Probengröße abhängig. Bei ersten Versuchen konnte z. B. ein Kochlöffel aus dem Kilbwerk (Inv.Nr. 75855) eindeutig auf 835 v.Chr. bzw. eine Knieholzschäftung mit Waldkante aus dem Christian von Tusch-Werk, Alter Grubenoffen (2002-69) auf das Fälldatum 1378 v.Chr. datiert werden.

Abstract It is necessary to visualize the tree-ring structure of wooden artefacts for dendrochronological dating. Usually, small samples are taken and measured under a reflected light microscope. Where unique artefacts like Iron Age chipwood boxes from Hallstatt are concerned, the taking of such samples, however, is impossible. One possibility in case of such artefacts is the use of micro x-ray computed tomography. X-ray computed tomography is used to measure and to digitize artefacts three-dimensionally. It is possible to visualize the internal structure as well as the surface of artefacts non-destructively. The measurement of ring-width is possible within the slice images. The big challenge is still the maximum resolution, which is in part given by the diameter of the sample. It was possible to date a spoon from the Kilbwerk (Inv.Nr. 75855) to 835 BC and a tool handle to 1378 BC (Christian von Tusch-Werk, Alter Grubenoffen, Inv.Nr. 2002-69).

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Abb. 1: Detail der verzierten Wand einer hallstattzeitlichen Spanschachtel. Foto: A. Rausch.

Der Erhaltungszustand der organischen Funde aus dem Salzbergwerk Hallstatt ist erstklassig. Es gibt in der Archäologie wenig Funde von vergleichbarer Qualität (Abb. 1). Verwunderung und Erstaunen über die perfekte Salzkonservierung wird schon in den ersten Beschreibungen dieser Funde Mitte des 19. Jhs. zum Ausdruck gebracht (Ramsauer 1850 in: Barth 1989: 10). In derselben Arbeit werden sie selbstverständlich mit dem gerade entdeckten Gräberfeld synchronisiert. (Wer sollte diese Stollen getrieben haben, außer die Gemeinschaft, die wir heute im Gräberfeld bestattet finden?) Im Laufe der Forschungsgeschichte werden die Fundpunkte im Bergwerk immer genauer kartiert. 1960 wird von Schauberger eine in den Grundzügen heute noch gültige Kartierung vorgelegt (Schauberger 1960). Er beschreibt als Erster typologische Unterschiede der gefundenen Leuchtspäne und zieht eine zeitliche Abfolge der zu Gruppen zusammengefassten

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Fundstellen in Betracht. Diese Gruppen stellt er wie das Gräberfeld in die ältere Eisenzeit. Die systematischen Grabungen seit 1960 erbrachten viele neue Funde, wodurch die typologischen Unterschiede feiner herausgearbeitet werden konnten (Barth 1967: 1973a). Somit wurde die Frage nach einer zeitlichen Einordnung der sich typologisch stark unterscheidenden Gruppen immer dringlicher. Trotz des großen Fundanfalls, in der Hauptmasse organischer Betriebsabfall der Grubenarbeit, blieben chronologisch aussagekräftige Bronzen und Keramikfunde weitgehend aus. Bis in die 1960er Jahre waren Typologie und ­Stratigraphie die einzigen Möglichkeiten das relative Alter von Funden zu bestimmen, absolute Datierung war nur über die Kulturkontaktmethode möglich. Da sich im Berg die drei Fundgruppen räumlich ausschließen und auch kein Südimport vorhanden ist, blieb als einzige Möglichkeit die Typologie. Diese

grundlegende Methode der Archäologie konnte am Hallstätter ­ Grubenmaterial nicht oder nur bedingt angewandt werden (Barth 1973b: 153). Natürlich ist Hallstatt nicht der einzige Ort, an dem prähistorische organische ­ Reste geborgen werden konnten – es ­würde also prinzipiell Vergleichsmaterial zur Verfügung ­stehen. Die vielen Holzfunde aus den zirkum­ alpinen Feuchtbodenstationen konnten jedoch nicht zum typologischen Vergleich herangezogen werden und daher nichts zur Datierung der Hallstätter Funde beitragen. Diese Holzartefakte sind zwar gut datiert, da sie als Siedlungsfunde mit Bronzen und Keramik vergesellschaftet sind, treten aber „nur“ vom Neo­ lithikum bis in die späte Bronzezeit auf. Überdies ist das Formenspektrum dieser aus Siedlungen stammender Funde mit den „Industrieabfällen“, wie sie aus dem Bergwerk vorliegen, nur bedingt vergleichbar. Da also mit „klassischen“ archäologischen Methoden die Grubenfunde nicht datiert werden konnten, wurden die ersten Möglichkeiten, die eine absolute Datierung versprachen, genutzt. Bereits 1968 und 1971 wurde mit 14C Datierungen begonnen (Grabner et al. 2006: 49) (Barth, Felber, Schauberger 1975). 1974 wurde die erste dendrochronologische Datierung von Hollstein vorgelegt (Hollstein 1974). In der Folge gelang es mit Hilfe weiterer 14C Datierungen eine grobe zeitliche Einordnung der Grubenfunde zu erarbeiten (Stadler 1999).

Nun, 30 Jahre später, ist mit Hilfe der Dendrochronologie der Weg zur lückenlosen Datierung fast abgeschlossen (Grabner et al. 2006; Grabner et al. 2007). Als 1994 mit der Probennahme für das Labor für Dendrochronologie, Zürich (Ruoff, Sormaz 2000), begonnen wurde, war das für die Archäologie noch ein schmerzvoller Vorgang. Denn nur wenige Hölzer aus dem Bergwerk wiesen Schnittkanten auf, über welche die Jahrringe mit Hilfe einer Digitalkamera „aufgenommen“ werden konnten. Versuche mit einem Trockenholz-Kernbohrer waren nur bedingt erfolgreich, so dass aus vielen in Frage kommenden Hölzern Keile herausgeschnitten werden mussten (Abb. 2). Die neuen Beprobungen durch das Dendro-Team der Universität für Bodenkultur Wien seit 2002 wurden mit einem kleineren Trockenholzbohrer (16 mm Außendurchmesser) durchgeführt (Abb. 3). Damit gelang es aus noch in situ im Berg befindlichen prähistorischen Grubenhölzern auswertbare Bohrkerne zu entnehmen. Diese Methode konnte in weiterer Folge auch für Hölzer, die sich bereits in der Sammlung des NHM befanden, angewandt werden. Für feinjährige, kleine Grubenholzteile ist diese Form der Probennahme nicht geeignet. Aus ihnen wurden kleine, 2-3mm breite, Probenkeile mit einer feinen japanischen Säge herausgeschnitten (Abb. 4). So konnten, allein aus dem Christian von Tuschwerk, Alter Grubenoffen, über 500 Grubenhölzer

Abb. 2: Aus einem Grubenholz gesägter Probenkeil zur dendrochronologischen Vermessung. Foto: H. Reschreiter, NHM.

Abb. 3: Durch Bohrung mit dem Trockenholzbohrer beprobtes Grubenholz. Foto: H. Reschreiter, NHM.

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Abb. 4: Beprobung von feinjährigen, kleinen Holzstücken. Foto: H. Reschreiter, NHM.

beprobt werden. Die verwertbaren Dendroproben lieferten ein vorläufiges Bild des zeitlichen Ablaufs in der Grube. Da Grubenholz in einem Salzbergwerk beinahe unbegrenzt haltbar ist, war die Möglichkeit einer Mehrfachverwendung dieser Hölzer in die Auswertungen miteinzubeziehen. Aus diesem Grund wurden die gewonnen Daten durch die Beprobung von Leuchtspänen, bei denen eine sekundäre Verwendung ausgeschlossen werden kann, erweitert. Es wurden mehrere Hundert Leuchtspäne von verschiedenen Fundstellen ausgewertet. Dadurch war erstmals die genaue Datierung der Betriebsphasen möglich.

Für das Christian von Tuschwerk,Alter Grubenoffen, wurde die Datierung bereits abgeschlossen (Grabner et al. 2006; Grabner et al. 2007). Die anderen Grubenbereiche wurden vollständig bearbeitet und die Datierungen stehen kurz vor der Fertigstellung. Trotz dieser bahnbrechenden Erfolge in der Hallstattforschung stellten jene Holzfunde, die weder zerschnitten noch angebohrt oder anderweitig verändert werden dürfen, wie Holzgefäße, Kochlöffel, Kübelböden, weiterhin ein Problem dar. Die relativ neue Methode der Röntgen-Computertomographie bietet die Möglichkeit, zerstörungsfrei Schnittbilder aufzunehmen. Nachdem bereits vor 15 Jahren die ersten Versuche an einem medizinischen Gerät in Leoben unternommnen worden waren (Sperl 1992: 476), war nun die Zeit reif, und so konnten an der FH Wels die ersten Holzgegenstände aus Hallstatt untersucht werden. Gerade bei den Kübelböden zeigte sich, dass sich die Methode nicht nur zum Vermessen der Jahrringe eignet, sondern auch für technologische Untersuchungen ein sinnvoller Weg ist (Abb. 5, 6). In der Dendrochronologie ist das sichere Erkennen jedes einzelnen Jahrringes notwendig. Da sich die Jahrringbreiten unserer Bäume zum Teil unter 1/100 mm bewegen, steht auch die moderne Computertomographie vor ihren derzeitigen Grenzen. Die maximal erzielbare Auflösung hängt von der Probengröße ab. So sind Bearbeitungen größerer Objekte nur dann erfolgreich, wenn diese breitere Jahrringe aufweisen.

Abb. 5: Bruchstück eines bronzezeitlichen Kübelbodens. Foto: H. Reschreiter, NHM.

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Generell war die Bearbeitung von Nadelhölzern gut möglich – hier ist ein großer Dichtekontrast zwischen Früh- und Spätholz vorhanden. Bei Laubhölzern wie Ahorn oder Linde zeichnen sich Jahrringgrenzen nur durch kleine anatomische Details ab; d.h. hier gibt es keinen Dichtekontrast. Bei solchen Holzarten ist das Erkennen der Jahrringgrenzen selbst bei hoher Auflösung sehr schwierig. Es sollen hier nur zwei Beispiele der erfolgreichen Datierung dargestellt werden: Ein Kochlöffel aus dem Kilb-Werk (Inv.Nr.PA 75855) aus Tannenholz mit 51 Jahrringen konnte eindeutig auf 835 v.Chr. datiert werden (Abb. 7). Diese Datierung erfolgte ohneVorhandensein von sogenann­ ter Waldkante; d.h. die Fällung des Baumes, aus dem dieses Objekt herausgearbeitet wurde, erfolgte später. Als zweite erfolgreiche Datierung sei hier die einer abgebrochenen Knieholzschäftung mit Waldkante aus dem Christian von Tusch-Werk, Alter Grubenoffen (Fundnr.PA 2002-69; Rotbuche mit 40 Jahrringen) mit dem Fälldatum 1378 v.Chr. erwähnt. Die Methode der Mikro-Röntgencomputertomographie Radiografische Methoden wie Radioskopie und medizinische Computertomografie werden seit vielen Jahren für archäologische Objekte genutzt. Es wurden Skulpturen,Vasen, Mumien, Schwerter und diverse andere Fundstücke untersucht (Hughes 1993; Goebbels 1994; Rossi 1998). Viele Anwendungen haben aber unter der eingeschränkten Auflösung von ca. 0,5 – 1 mm von medizinischer CT gelitten. Die relativ neue Methode der µ-Röntgen-Computertomografie (µ-CT) wurde bis jetzt relativ wenig für archäologische Anwendungsfälle genutzt. µ-CT ist eine zerstörungsfreie Methode, um Bauteil- und Werkstoffdetails in drei Dimensionen mit sehr guter Auflösung zu lokalisieren und zu vermessen. Ein CT-Scanner mit einer Mikrofokusröntgenröhre und einem Matrixdetektor erzeugt eine Reihe von Röntgen-Absorptionsmessungen, die benutzt werden, um ein rekonstruiertes 3D-Bild des Objektes zu erzeugen. Im Herbst 2004 wurde am FH OÖ Campus Wels Österreichs erster µ-Röntgen-Computertomograf für industrielle Anwendungen (Kastner 2005; Kastner 2006) in Betrieb

Abb. 6: CT Aufnahme des Kübelbodens (Abb.5). Neben der Jahrringstruktur sind auch bisher nicht entdeckte Holznägel zu erkennen. Foto: FH Wels.

Abb. 7: Blatt eines abgebrochenen Kochlöffels. Foto: H. Reschreiter, NHM.

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• Ausstattung mit einer 225 kV Mikrofokus und einer 450 kV Makrofokusröhre und einem 1024x1024 Pixel Flachbett-Detektor • Werkstücke und Bauteile können mit einer Genauigkeit bis zu 5 µm untersucht werden. • Die Bauteile können eine Größe bis zu 0,6 m (Durchmesser) x 1,9 m (Höhe) und ein Gewicht bis zu 80 kg haben. • Die typischen Messzeiten liegen zwischen 20 und 45 min. µ-CT-Anwendungsbeispiele aus der Archäologie

Abb. 8: Bild des Computertomografen der FH OÖ-Wels (links) mit einem Holztrog als Messobjekt und Detailauschnitt des CTs mit der Mikrofokusröhre und drei archäologischen Metallobjekten am Probentisch (rechts). In der Gesamtabbildung des CTs sind links die Granitsäule mit den beiden 225 keV und 450 keV-Röntgenröhren, in der Mitte der Drehtisch mit der zu messenden Probe (Holztrog) und rechts die Granitsäule mit dem Matrixdetektor zu erkennen. Foto: FH Wels.

genommen (Abb. 8). Die wesentlichen technischen Eckdaten des industriellen µ-CTs sind: • Radioskopiemodus mit bis zu 7 Messungen/s

Archivierung und Digitalisierung mittels CT Röntgencomputertomografie kann dazu benutzt werden, um Objekte dreidimensional zu vermessen und zu digitalisieren. Abb. 9 zeigt dies an Hand eines ca. 12 mm großen Bernsteinstempels, in dem verschiedene Zeichen eingeritzt sind. Die Oberfläche des Bernsteins ist im STL-Format (STL=Stereolithografie) dargestellt. Im Detailausschnitt in Abb. 9 sind die einzelnen Dreiecke des Oberflächenmodells zu erkennen. STL ist heute wohl die 3D CAD-Schnittstelle mit den wenigsten Problemen und wird von den meisten 3D-CAD-Systemen erzeugt. STL-Daten können dann mit CAD-Programmen weiterverarbeitet werden oder dazu benutzt werden, um ein Duplikat des Objektes herzustellen.

Abb. 9: Dreidimensionales Bild eines Bernsteinstempels in Form von STL-Daten, die aus CT-Messungen gewonnen wurden. Der Detailauschnitt zeigt die Dreieckstruktur der Oberflächendaten. (Mit Genehmigung von Herrn Martin Schaich, ArcTron 3D-Vermessungstechnik & Softwareentwicklungs GmbH). Foto: FH Wels.

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Darstellung und Analyse der inneren Struktur

Abb. 10: CT-Schnittbilder in drei orthogonalen Ebenen eines Bronzeschwertes. Der rote Pfeil markiert den gleichen markanten Punkt in allen drei Schnittbildern (Mit Genehmigung von Frau Marianne Mödlinger, Universität Wien). Foto: FH Wels.

Abb.10 zeigt CT-Schnittbilder in drei orthogonalen Ebenen eines Bronzeschwertes. An den CT-Bildern ist deutlich zu erkennen, wie die abgebrochene Bronzeklinge im Griff befestigt ist. Die Bronzeklinge weist eine Reihe von Luftporen auf. Form, Position und Anzahl der Poren können mit CT gut analysiert werden. Überraschenderweise sind die Poren relativ rund, was darauf hinweist, dass die Bronzeklinge nicht geschmiedet worden ist. Das nächste Beispiel zeigt, wie man mit CT in das Innere eines Objektes hineinschauen kann, wobei von außen kaum etwas zu erkennen ist. Abb. 11 zeigt links eine fotografische Aufnahme einer Blockbergung eines Metallschuppenpanzers mit einer Länge von ca. 32 cm. Der Panzer ist für die Bergung in Gips eingegossen worden. In der Fotografie ist der Gips außen zu erkennen, während das Innenleben mit dem eigentlichen Panzer nicht sichtbar ist. Das CT-Bild (Abb. 11 rechts) zeigt sowohl die Außenseite als auch das Innenleben der Blockbergung. In der Abbildung ist der Block virtuell aufgeschnitten dargestellt, um den eingebetteten Panzer erkennbar zu machen. Daher sind innen die einzelnen Metallschuppen des Panzers und die Befestigungselemente deutlich zu erkennen.

Abb. 11: Links ist ein fotografisches Bild eines in Gips gegossenen Schuppenpanzers zu sehen. Rechts ist ein 3D-CT Bild des Objektes zu sehen, wobei das Objekt virtuell aufgeschnitten ist. Außen ist die Gipsschicht und innen der Metallpanzer mit den einzelnen Metallschuppen und Befestigungselementen deutlich zu erkennen (Mit Genehmigung von Herrn Mathias Mehofer, Universität Wien). Foto: FH Wels.

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Diskussion

Zusammenfassung der Diskussion

Sabine Rieckhoff Wir haben jetzt viel über den bronzezeitlichen Bergbau gehört, aber was ist mit dem hallstattzeitlichen?   Hans Reschreiter Aus Gründen der Chronologie wurde mit der Bronzezeit begonnen. Das war bisher der Schwerpunkt. Zur Hallstattzeit kommen wir noch. In der Hallstattzeit gibt es wesentlich mehr Material. Es sieht nicht nach einer durchgehenden Chronologie aus.   Kurt Alt Sie sprachen über das Duplizieren von Objekten. Machen Sie auch Stereolithographie?   Dietmar Salaberger Nein. Das steckt noch in den Kinderschuhen und ist deshalb noch sehr teuer, wird aber langsam etabliert.

Der Chronologie folgend wurde mit der Untersuchung des bronzezeitlichen Materials begonnen. In weiterer Folge soll auch das – in größerem Umfang vorhandene – hallstattzeitliche Material untersucht werden.Vorerst wird aus technischen und Kostengründen nicht mit Stereolithographie gearbeitet.

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Viele Fotos, wenig Platz – Das große Foto-Puzzle von Hallstatt. Fotografische Dokumentation unter Tage Andreas W. Rausch

Zusammenfassung Aufgrund der räumlich beengten Verhältnisse eines Bergwerkes ist die fotografische Dokumentation archäologischer Befunde häufig wenig zufrieden stellend, insbesondere bei Profilen. Die prähistorischen Fundstellen im Salzbergwerk von Hallstatt sind im Wesentlichen lediglich durch Stollen erschlossen, sodass für die Interpretation den Profilen größte Bedeutung zukommt. Das Forschungsprojekt „Kernverwässerungswerk“ (1990-1994) von F. E. Barth (NHM Wien) hatte zum Ziel, erstmals einen Gesamtquerschnitt durch einen hallstattzeitlichen Salzbergbau archäologisch zu ergraben. Im Jahr 1993 waren die beeindruckenden Ausmaße von 18 m Höhe und 15 m Breite bereits weitgehend klar. Bis 1997 konnten fragliche Stellen geklärt und die zeichnerische Gesamtaufnahme fertig gestellt werden. Aufgrund des erheblichen Bergdruckes können derartige Befundsituationen jedoch kaum dauerhaft erhalten werden. Im Jahr 2000 wurde daher die fotografische Dokumentation in Angriff genommen. Im Laufe eines Monats wurde das gesamte Profil mit 650 Einzelfotos und 1123 Passpunkten aufgenommen. Anhand der Passpunkte wurden danach alle Fotos einzeln entzerrt und in einer Layout-Software zu einem maßstabsgetreuen Fotomosaik wieder zusammengesetzt. Damit gelang erstmals ein fotografisches Gesamtbild eines derartigen Profils, welches nicht nur eine sehr hohe Detailgenauigkeit aufweist, sondern auch als Diskussionsgrundlage für künftige Fragestellungen dient. Die Auflösung beträgt etwa 1,5 Pixel pro mm.

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Abstract Due to the confined conditions of mines, the photographic documentation of archaeological sites is mostly unsatisfying, especially in the case of profiles. Usually the prehistoric sites in the salt-mine of Hallstatt are characterised by narrow tunnels, making the profiles of the utmost importance for interpretation. The research-project “Kernverwässerungswerk” (1990-1994) by F. E. Barth (Museum of Natural History, Vienna) had the aim to excavate an entire cross-section through an Early Iron Age salt-mine for the first time. In 1993 the impressive size of 18 meters height and 15 meters width was already quite clear. In the year 1997 the investigation was finished and the entire profile was recorded by drawing. The pressure within the surrounding material makes it impossible to preserve such sites. In the year 2000 we started the attempt to record the profile by means of photography. During one month 650 photographs were taken and 1123 reference-points measured. Afterwards every photograph was rectified by the coordinates of the referencepoints.With a special layout-software the single pictures were reassembled along their coordinates to an accurate scale photo-mosaic. For the first time it is possible to get a photographic overall picture of such a profile, which provides a highly detailed accuracy and serves as a basis of discussion for further questions. The full-scale resolution is about 1,5 pixels per millimeter.

1. Bedingungen und Anforderungen Die besonderen Umstände eines Salzbergwerkes für die archäologische Arbeit erfreuen nicht nur durch die exzeptionelle Erhaltung organischer Materialien und sonst ungewohnte Einblicke in prähistorische Technik und Arbeitsweise, sondern erfordern methodisch eine andere Vorgangsweise als bei Grabungen über Tage. Die prähistorischen Fundstellen im Salzbergwerk von Hallstatt sind nur dort bekannt und zugänglich, wo der neuzeitliche Bergbau diese zufällig angefahren hat. Abseits der Kosten sind großflächigere Ausgrabungen in den allermeisten Fällen nicht möglich, da die Verfüllung der mächtigen, prähistorischen Bergbaue aus salzärmerem Heidengebirge bis hin zu taubem Obertagmaterial besteht und gravierende statische Probleme mit sich bringt. Aufbau und Dimension der prähistorischen Bergbaue kann daher im Wesentlichen nur durch Stollen von 80 bis 100 cm Breite erschlossen werden, sodass dadurch den Profilen besondere Bedeutung zukommt. Diese räumliche Beengtheit bringt logistisch und methodisch geänderte Anforderungen mit sich, die im

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Besonderen auch die fotografische Dokumentation betreffen. Sie ist neben der zeichnerischen Dokumentation längst ein fixer Bestandteil jeder archäologischen Ausgrabung, hat bisher jedoch im Fall der Profile keine befriedigenden Ergebnisse gebracht. Die bislang einzigen Möglichkeiten einer Zusammenschau der stratigrafischen Situation waren somit die Zeichnungen. Da die Erhaltung und Zugänglichkeit der Fundstellen aufgrund des steten Bergdrucks nicht dauerhaft möglich ist, entstand der Wunsch, für künftige Fragestellungen eine Diskussionsgrundlage in fotografischer Form zu schaffen. Der erste diesbezügliche Großversuch wurde an der Fundstelle „Kernverwässerungswerk“ unternommen. 2. Das Forschungsprojekt „Kernverwässerungswerk“ Lage und Fundgeschichte Das „Kernverwässerungswerk“ bezeichnet ein Laugwerk, welches im Jahre 1734 projektiert und im darauf folgenden Jahr in Angriff genommen wurde (Barth 1990: 27-31). Es befindet sich zwischen den Abbauhorizonten Kaiserin Christina- und Kaiser Josef-Stol-

len, etwa 110 m unter Tage. Es handelt sich um eine Fundstelle im Bereich der so genannten „Ostgruppe“ (Schauberger 1960), also aus der Älteren Eisenzeit, in direkter Nachbarschaft zu den bekannten Fundstellen Kilbwerk, dem Fundort der Bergmannsleiche von 1734 (Barth 1989), und Stügerwerk, dem bisher einzigen als Hohlraum erhaltenen Teil eines prähistorischen Bergbaues (Barth 1982). Beide gehören ebenfalls der Ostgruppe an. Forschungsgeschichtlich bedeutsam ist die Fundstelle Kernverwässerungswerk deshalb, weil hier der Entdecker des Gräberfeldes von Hallstatt, Johann Georg Ramsauer, im Jahre 1849 die erste gezielte archäologische Untersuchung im Salzbergwerk unternommen hatte (Barth 1990: 9-11). Von den Nachkriegsjahren an war die Fundstelle dann bis 1988/89 nicht zugänglich. Erst im Zuge der Sanierung des benachbarten Josef-von-Seau-Schurfes wurde der Zugang mit Unterstützung der Österreichischen Salinen-AG wieder in Stand gesetzt (Barth 1990: 31-32). Das Forschungsprojekt Nachdem diese bedeutende Fundstelle der Ostgruppe wieder zugänglich war, nutzte Fritz Eckart Barth (NHM Wien) die günstige Gelegenheit für ein umfangreiches Forschungsprojekt. Das neuzeitliche Werk (Kernverwässerungswerk) hatte die prähistorische Fundstelle lediglich mit seinen Zugangsbauten im unteren Bereich angefahren. Die Richtung des prähistorischen Baues konnte sowohl aufgrund der benachbarten Fundstellen, wie durch die Richtung der Salzlagerstätte selbst (Kernstreichen) ermittelt werden. Wie Barth (1990: 31-32) schreibt, erlaubte der zeitliche wie räumliche Zusammenhang zu den bereits erwähnten Kilb- bzw. Stügerwerk nicht nur eine Vorstellung der gewaltigen Länge dieses prähistorischen Baues von 150 – 200 m, sondern bot die Fundstelle erstmals die Möglichkeit ein vollständiges Querprofil durch einen prähistorischen Bergbau der Ostgruppe zu ergraben. Das dafür eingereichte, zweijährige Forschungsprojekt beim Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung wurde 1990 genehmigt, 1993 um ein Jahr verlängert und 1994 folgte eine Kampagne, die aus Drittmitteln finanziert wurde (Barth 1994).

Mit Stollen von etwa einem Meter Breite wurde in neun übereinander liegenden Arbeitsetagen die First des urgeschichtlichen Bergbaues erreicht. Die beeindruckenden Maße des Baues ergaben eine Höhe von 18 m und eine Breite von 15 m. Die ersten Ergebnisse wurden von Barth (1994: 12-14) vorgelegt. Der untere Teil von etwa 5-7 m des prähistorischen Bergbaues ist durch kerniges bzw. rottoniges Heidengebirge verfüllt. Darüber liegt eine bis zu 3 m mächtige Schicht aus Salzschollen und Tagmaterial. Die obere Hälfte des Hohlraums ist zur Gänze mit Tagmaterial verfüllt, das aus einer lehmigen Matrix besteht, in der Kalksteine gleichsam „schwimmen“. Bis 1997 konnten fragliche Stellen geklärt werden und die Zeichnung des Profils abgeschlossen werden. Der unaufhaltsame Bergdruck verengte bis ins Jahr 2000 die Stollenbreite stellenweise auf nur 50 cm, ­wodurch die Zeit drängte, den Versuch zu unter­ nehmen, das Profil fotografisch aufzunehmen. 3. Fotografisches Gesamtprofil eines hallstattzeitlichen Bergbaues Methode Im Wesentlichen handelt es sich dabei um ein FotoPuzzle (Fotomosaik). Das Profil wird demnach mit einander überlappenden Einzelfotos dokumentiert, die anschließend zu einem Gesamtbild zusammengefügt werden. Dies geschieht in unserem Fall mittels Passpunkte, die über ein lokales Koordinatensystem (wie beim Zeichnen mit zwei Koordinaten) eingemessen werden. Auf jedem Foto müssen wenigstens vier Passpunkte sichtbar sein (Abb. 1). Nachdem alle Fotos gemacht und die Koordinaten der Passpunkte aufgenommen sind (dafür empfehlen sich ausführliche Fotoskizzen), wird zuerst jedes Foto mit Hilfe der 4 Passpunktkoordinaten im Bild entzerrt (Abb. 2). Das bedeutet, dass aus dem Foto, welches eine Zentralprojektion ist, mittels einer Software ein so genanntes Orthofoto errechnet wird. Ein Orthofoto ist dadurch gekennzeichnet, dass es die Eigenschaften ­ einer Landkarte hat: es ist eine Parallelprojektion ­ (Orthogonalprojektion), ist maßstabs­ getreu und hat exakte Koordinaten. Damit können die so ­ gewonnenen Einzelteile am Computer zu einem ­Gesamtbild montiert werden (Abb. 3).

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Abb. 1: Beispiel eines unbearbeiteten Profilfotos mit den vier Passpunkten. (Foto: NHM Wien, Andreas W. Rausch).

Abb. 2: Entzerrtes Profilfoto. Perspektive sowie Waagrechte und Senkrechte werden anhand der Passpunkte korrigiert. (Foto: NHM Wien, Andreas W. Rausch).

Abb. 3: Beispiel von vier entzerrten und zusammengesetzten Profilfotos. (Foto: NHM Wien, Andreas W. Rausch).

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Praktische Hindernisse und Adaption der Methode Der ursprüngliche Plan von Klaus Löcker und Andreas Rausch, einen fixen Passpunktraster mit rotem Nagellack am Profil zu markieren und entlang diesem die Einzelfotos zu machen, musste nach wenigen Tagen modifiziert werden. Der Arbeitsfortschritt war deprimierend gering. Die Unebenheit des Profils (vorstehende Hölzer und Steine sowie beginnender Verbruch) und die bereits recht unterschiedliche Stollenbreite (somit unterschiedliche Ausschnittgrößen der Fotos) veranlassten dazu, eine flexiblere Lösung zu suchen. Statt des starren rechtwinkeligen Rasters setzten wir die Passpunkte nach Bedarf, um die unterschiedlichen Verhältnisse beim Fotografieren berücksichtigen zu können. Der Arbeitsprozess hat sich dann schnell eingespielt: Punkte setzen, fotografieren, Punktkoordinaten messen und parallel dazu Skizze und Protokoll führen. Wir fotografierten damals noch mit einer analogen Spiegelreflexkamera mit aufgestecktem Blitz. Der Versuch mit Scheinwerfern und Stativ zu arbeiten, war bei diesen Gegebenheiten ebenfalls nicht zielführend, da das hantieren mit dem zusätzlichen Equipment in der räumlichen Enge zu aufwändig und enervierend war. (Wesentlich ist, die Beleuchtungssituation konstant zu halten, um Unterschiede beim Zusammensetzen gering zu halten.) Wir machten die Fotos aus der Hand, hielten die Kamera dabei möglichst weit weg, an das gegenüberliegende Profil ohne durch den Sucher zu sehen. Das Autofokusmesslicht half beim Zielen. Dies ist im Wesentlichen die Methode, die wir seit dem Jahr 2000 für die fotografische Dokumentation von größeren Befundzusammenhängen anwenden und weiter entwickelt haben. Eine wesentliche Vereinfachung stellt die digitale Fotografie dar, da die Bildkontrolle vor Ort sogleich möglich ist und die Daten ohne Umwege zur Verfügung stehen. Erste Ergebnisse und weitere Hürden Nach einem Monat war im mittlerweile bewährten Zweierteam der dokumentarische Teil der Arbeit geschafft. Etwa 650 Fotos waren gemacht, 1123 Punkte eingemessen und deren Koordinaten protokolliert. Im nächsten Schritt wurden für die weitere Verarbeitung der Daten am Computer alle Fotos gescannt.

Abb. 4: Fotoprofil Kernverwässerungswerk mit Hervorhebung der Einzelfotos. (Foto: NHM Wien, Andreas W. Rausch).

Das Entzerren der 550 ausgewählten Fotos nahm einige Zeit in Anspruch, bis eine erste Darstellung des Gesamtprofils in einem Geographischen Informationssystem (GIS) möglich war. Das Ergebnis war durchaus ernüchternd, da überlappende Bildbereiche optisch sehr störend waren, Ränder und Farben nicht homogen dargestellt wurden und das hierfür nötige Editieren und Beschneiden einzelner Bilder im Rahmen dieser Software nicht möglich war. Der erwünschte Wert eines fotografischen Gesamtbildes war in keinster Weise gegeben. Darauf

folgte ein fataler Festplattenschaden, der schließlich einen großen Teil der Daten vernichtete. Die Fertigstellung des Fotoprofils Erst die Beschäftigung mit anderer Software ließ für das Vorhaben neue Hoffnung schöpfen. Mittels spezieller Layout-Software ist das individuelle Maskieren und das ebenenmäßige Anordnen der einzelnen Fotos möglich, sodass störende Ränder und überflüssige Bildteile ausgeblendet werden können (Abb. 4). Auch der direkte Zugriff auf jedes einzelne Foto sowie de-

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Abb. 5: Fotoprofil Kernverwässerungswerk mit grafischer Überarbeitung. Die Grenze des prähistorischen Bergbaus ist mit einer hellen Linie gekennzeichnet. (Foto: NHM Wien, Andreas W. Rausch).

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ren Bearbeitbarkeit bezüglich Helligkeit und Farbe ist damit gegeben. (Die Qualität der Scan-Daten war diesbezüglich nicht sehr konsistent.) Zudem sind die grafischen Aufbereitungs- und Ausgabemöglichkeiten wesentlich erleichtert. Die Betrachtung und Interpretation wird verbessert, wenn Brüche und Kanten verringert oder grafisch stilisiert werden. Ein Nachteil besteht jedoch darin, dass im Gegensatz zum GIS die Fotos nicht automatisch durch ihre Koordinaten zueinander richtig im Programm positioniert werden, sondern diese händisch und einzeln platziert werden müssen. Dabei können etwaige Fehler jedoch leichter bemerkt und die grafischen Anpassungen sogleich für jedes Bild vorgenommen werden. Auf diese Weise gelang es endlich im Herbst 2004 das Fotoprofil druckfähig fertig zu stellen (Abb. 5).

Auflösung und Genauigkeit Die Rohdaten der Fotos umfassen etwa 800 Millionen Pixel. Nach Reduktion der Datenmenge auf die benötigten Bildausschnitte bleiben etwa 470 Millionen Pixel übrig. Das entspricht durchschnittlich ­einer Auflösung von 1,5 Pixel pro mm im Maßstab 1:1 (etwa 40 bis 50 dpi). Die Lagegenauigkeit des Fotoprofils muss differenzierter betrachtet werden. Einerseits erfolgte eine Überprüfung anhand von geodätisch eingemessenen Fixpunkten. Die Ungenauigkeit bei einer vertikalen Entfernung zweier Fixpunkte von 6 m liegt hier im Bereich von unter einem Zentimeter (Abb. 6). Dieser höchst zufrieden stellende Wert gibt zwar eine Einschätzung für die Genauigkeit über das gesamte Profil hinweg, sagt jedoch noch wenig über die loka-

Abb. 6: Fotoprofil Kernverwässerungswerk. Kontrolle der Genauigkeit anhand geodätisch vermessener Punkte. (Foto: NHM Wien, Andreas W. Rausch).

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Abb. 7: Fotoprofil Kernverwässerungswerk. Beispiel der Detailsauflösung von der vorletzten Arbeitsetage (nicht mehr zugänglich) (Foto: NHM Wien, Andreas W. Rausch).

le Genauigkeit eines Details innerhalb eines oder zwischen zwei benachbarten Fotos aus. Die Ursache dafür liegt in der Methode im Bezug auf die Beschaffenheit des Profils.Wie bereits erwähnt, ist das Profil aufgrund von Steinen, Hölzern und beginnendem Verbruch nicht eben. Dadurch entstehen Maßstabunterschiede innerhalb eines Bildes. Hinzu kommt, dass für das Entzerren der Fotos die vier Passpunkte in ­einer Ebene liegen sollten, was jedoch aus dem ­selben Grund nicht exakt gegeben ist. Durch geschicktes ­Setzen der Passpunkte kann diese Fehlerquelle ­ jedoch weitgehend vermieden werden. Falls die Fotos aus ­ Sicherheitsoder Platzgründen nicht rechtwinkelig zum Profil, sonder schräg aufgenommen werden ­müssen, verstärken sich die genannten Fehlerquellen. Der lokale Fehler beläuft sich in diesem Foto­ profil auf +/- 2 cm, addiert sich jedoch nicht über das ­Gesamtprofil, sonder bleibt auf die kleinräumigen ­Verhältnisse beschränkt.

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Bedeutung und Möglichkeiten Das Fotoprofil stellt nun gemeinsam mit der Zeichnung die einzige haltbare Informationsquelle zur Befundsituation dar. Die obere Hälfte des Profils ist bereits seit zwei Jahren nicht mehr zugänglich. Die Bedeutung der fotografischen Dokumentation liegt besonders darin, dass sie einen Gegenstand mit anderen Mitteln interpretiert als dies die Zeichnung tut. Das Zeichnen stellt einen additiven Prozess dar: Ein ursprüngliches leeres Blatt wird intentionell mit jener Information versehen, die zur Widergabe des Gegenstandes für bedeutsam gehalten wird. Im Gegensatz dazu ist das Fotografieren ein subtraktiver Prozess: Vom realen Gegenstand bildet sich der für die Kamera „sichtbare“ Teil mittels Licht gleichsam von selbst ab. Das heißt, von der gesamten optischen Information manifestiert sich ein bestimmter Ausschnitt. Dieses „Sich-Ablichten“ und die Wirkung der Fotografie, die der optischen Wahrnehmung des Sehens sehr ähnelt,

tragen dazu bei, die Fotografie gerne als „objektiv“ zu empfinden, was sie lediglich relativ gesehen ist. Für die Dokumentation archäologischer Befunde stellen beide Medien einander ergänzende Möglichkeiten dar. Somit gibt eine Zeichnung all jenes sehr deutlich wieder, was in sie hineingelegt wird (bis hin zu schlecht oder nicht sichtbaren Informationen), wohingegen ein Foto alles Sichtbare weitgehend gleichwertig wiedergeben kann. Neue oder künftige Fragestellungen können auf diese Weise in der fotografischen Dokumentation bisher unbeachtete Hinweise gewinnen (Detailansicht, siehe Abb. 7). Im Fall des Kernverwässerungswerkes liegt ein besonderes Interesse an der Beschaffenheit und Struktur der Verfüllung des prähistorischen Bergbaues. Hieran knüpfen sich weitreichende Fragen zu Ur-

sache und Ablauf des Verfüllens, die beispielsweise aus geo­logischer und sedimentologischer Sicht neue ­Modelle zum Hergang und somit zur Geschichte liefern können. Eine weitere Bedeutung dieser Methode des ­Fotomosaiks liegt durch ihre hohe Detailauflösung im Bereich des Denkmalschutzes und auch öffentlichkeitswirksamer Präsentationen. Derart dokumentierte Objekte können in Originalgröße reproduziert werden. Beispiele und unterschiedliche Anwendungen findet man in den letzten Jahren häufig unter den Begriffen „Giga Pixel Projekte“ oder „Giga Pixel Fotografie“. Sie fungieren als Sammelbezeichnungen für mit unterschiedlichen Mitteln erzeugte, hoch auflösende Fotos.

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Literatur Barth, F. E. (1982), Das Stügerwerk im Salzbergwerk Hallstatt, FÖMat.Bl. - (1989), Salzbergwerk Hallstatt. Quellen und Literaturauszüge zum „Mann im Salz“. Musealverein Hallstatt. - (1990), Salzbergwerk Hallstatt. Kernverwässerungswerk Grabung 1849. Musealverein Hallstatt.

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- (1994), Archäologie unter Tage. Grabungen im Heidengebirge des Hallstätter Kernverwässerungswerkes, Arche 6: 12-14. Schauberger, O. (1960), Ein Rekonstruktionsverzeichnis der prähistorischen Grubenbaue im Hallstätter Salzbergwerk, PF 5.

Changing Social Practices of Death in Later European Prehistory Marie Louise Stig Sørensen und Katharina C. Rebay

Zusammenfassung Dieser Beitrag über den Wandel der Bestattungspraxis in der späteren europäischen Urgeschichte widmet sich Fragen, Herangehensweisen und Methodik eines Forschungsprojektes zur Bronzezeit. Im Rahmen des Projektes „changing beliefs of the human body: a comparative social perspective“ an der Universität Cambridge untersuchen fünf parallele Fallstudien zu Schlüsselmomenten in der Geschichte und Urgeschichte, wie und warum Menschen ihre Einstellungen und Vorstellungen über den menschlichen Körper ändern. In unseren Forschungen zu bronzezeitlichen Bestattungssitten am Übergang von der Körper- zur Brandbestattung gehen wir von der Behandlung des menschlichen Körpers selbst aus und versuchen so, über die Betrachtung von Alter, Geschlecht und Status hinauszugehen und Raum für neue Interpretationen von Bestattungssitten zu schaffen. Zu Beginn der Spätbronzezeit reicht eine simple Gegenüberstellung von Brand- und Körperbestattungen nicht aus – zahlreiche Variationen in Details der Körper- und Brandbestattungen bezeugen eine langsame Adaption und schrittweise Anpassung ritueller Vorgehensweisen parallel zur Änderung von Vorstellungen über den menschlichen Körper. Brand- und Körperbestattungen sind in Bezug zur Grabarchitektur, Platzierung des Körpers, sowie Handlungen nach dem Begräbnis ziemlich ähnlich, und nur langsam ändert sich, wie der nun verbrannte Körper von der Bestattungsgemeinschaft wahrgenommen wird. Durch die Analyse, wie der Übergang zur Brandbestattung im Detail stattfand, versuchen wir uns der Frage zu nähern, an welche Konzepte über ihren Körper, das Leben und den Tod die Menschen in der späteren europäischen Urgeschichte geglaubt haben. Nachdem solche Fragen relativ schwierig zu beantworten sind, stellen wir Fragen wie ‚Wie unterscheidet sich ein verbrannter Körper von einem nicht verbrannten?’, ‚Können unterschiedliche Körperteile nach der Verbrennung noch erkannt werden, und wenn ja, werden sie als zu einer Person gehörend behandelt?’ und ‚Wie gingen die Lebenden mit den Überresten ihrer verbrannten und unverbrannt beigesetzten Toten nach dem Begräbnis um?’ . Unsere Fallstudien reichen von der Mittelbronzezeit bis zur frühen Eisenzeit und sind von Dänemark über Vollmarshausen bis Pitten verteilt, zeigen aber doch einige Gemeinsamkeiten und parallele Entwicklungen während der Einführung der Leichenverbrennung.

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The aim of the Bronze Age project embedded in the research program ‘Changing beliefs of the human body: a comparative social perspective’, is to investigate the changes in burial practices that took place during the Late Bronze Age in almost all of Central Europe.The five-year, cross-disciplinary initiative based at Cambridge University includes five parallel studies at critical moments in European prehistory and history, to investigate why and how humans change what they believe about the human body, in literate and nonliterate, high-tech and traditional, as well as ancient and modern societies. The context of the conference ‘Interpreted Iron Ages 2’ provided the opportunity to present the goals and preliminary results of the project. Since research is ongoing, the presentation focused upon the approaches and questions rather than results. Seeing the body itself as the core question directing the investigation of burial data, inspires thinking beyond cultural groups and material culture, as well as specific social differences such as age, gender, or status, and engenders thinking about ways of understanding the meaning of burial practices. A theoretical outline of the project can be found in the Past Bodies publication (Sørensen, Rebay 2007), and a first case study on the cemetery of Pitten will be published in the Archaeologia Austriaca (Sørensen, Rebay 2007). On the threshold between inhumation and cremation, a striking number of variations in burial and grave forms as well as rituals can be investigated within cemetery data – variations that witness changing attitudes to the body and associated beliefs. Simply contrasting inhumations with cremations does not suffice as an analytical framework. Inhumations and cremations cannot be understood as an opposing set of concepts, as black and white.There is a large grey zone as inhumations and cremations share common characteristics in terms of grave architecture, post-funerary rituals and placing of the bodies – all expressions of how the body is perceived. Investigating and demonstrating how the transition to cremation took place in detail get us closer to the main concern ‘What did people believe about bodies, life and death in Later European Prehistory?’ While it is probably not possible to find a straight answer to this question, we can ask a series of data specific questions to gain a better understanding of what cremation was about. We can ask questions like ‘How

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different is a cremated body to a non-cremated one?’, ‘Could different body parts still be recognized after cremation, and if so, were they treated as belonging to an individual?’, ‘How far is the body size and shape remembered and relevant for the construction of inhumation and cremation graves?’ and ‘How did the living engage and interact with the remains of their cremated and non-cremated dead?` Looking at sites widely distributed in time and space, we can discover some common narratives of how the body was understood during the introduction of cremation. In the initial stages, a cremated body is widely perceived and treated in a similar way to a non cremated body. Different body parts could still be recognized in some cases, and although the overall condition of the bones after cremation depends on various factors, many of the bone fragments such as pieces of the skull, the vertebral column, the teeth and the long bones were still easily identifiable. At Pitten (Austria), the body was placed on the funerary pyre in the same way as an inhumation was laid out in the ground, stretched on its back and dressed in everyday attire (e.g. grave 58, Taf. 35, grave 110: Taf. 48, Hampl, Kerchler, Benkovsy-Pivovarová 1981). Even after cremation, it was very clear which burnt bones represented which body part and where grave goods had to be placed. Presumably dress elements were rearranged after the cremation, before covering the cremation site with stones or soil, and they were often placed deliberately to match the body parts. For example, the body from Hvidegård (Denmark; Brøndsted 1938-1940: 107, after Herbst 1848: Fig. 1), became reconstituted through the burial practices after it had been transformed and fragmented on the pyre. The burnt bones were collected and wrapped in textile before they were laid out in an elongated shape in a tree coffin. In this case, the body is outlined, dressed, and equipped with weapons and tools in the traditional manner. Such evidence argues that the cremated body was still perceived and treated like a whole corpse. In addition, the body shape and size of graves were initially important to define the dead body and this emphasis was maintained for the earliest cremations. The shape of the reconstituted body is gradually lost and condensed. Interestingly, this change takes longer than the actual introduction of cremation.The understand-

Fig. 1: Cremation burial from Hvidegård, placed, wrapped and dressed like an inhumation (Brøndsted 1938-1948: 107, after Herbst 1848).

ing of what constitutes a grave lags behind the understanding of what constitutes a body. Although beliefs are manifest and therefore visible through practice, they may be desynchronized. Remains of traditional practices remain integral parts of funerary rites, while new practises take over. In Pitten most of the cremations were left where the funerary pyre was burnt down. For some of the burials of the latest phase in Pitten, the idea of body size and shape was memorised. Stones structures were used to reconstitute the body. On top of the pyre remains, stone chambers were built, that were adjusted to an inhumation rather than a cremation (e.g. grave 121, 123, Taf. 54, grave 191, 192: Taf. 97, Hampl, Kerchler, Benkovsy-Pivovarová 1981). A reminiscence of the body shape can also even when the body is relocated from the actual place of cremation. In the Danish Bronze Age, tree coffins continued to be used for cremations. Looking under the coffin lid, we see examples of the remains being scattered over the whole area, as well as examples where the remains are heaped together, thus condensing the body (e.g. 2962 Frøslev, Ksp. Bov. Grabhügel Sb. Nr. 23, Aner, Kersten 1981, Abb. 24). Examples of oblong graves can be found all over Europe, for example in North Tirol (Austria; e.g. Wilten Grab 68, Wagner 1943: 5) or Vollmarshausen (Germany; Bergmann 1982: Taf. 85-106). Eventually, the body shape became irrelevant for the burial, and

urns were used as a different way of expressing or containing bodily entity. Interaction, social engagement, and communication with the dead did not end with interment and abandonment. The living did engage and interact with the remains of their cremated and non-cremated dead in a variety of ways. The investigation of post funerary activities might shed some light on connected beliefs about bodies, grave goods, and the afterlife. The reopening of graves and removal of grave goods, commonly known as ‘grave robbing’, has been investigated and interpreted in detail for inhumation graves (e.g. Sprenger 1999: 18ff.). Naturally, the disturbance of graves is much harder to trace for cremation graves in the archaeological record. It is, however, common to find green discolouring on cremated bones despite the absence of bronze objects that must have been removed (e.g. Pitten, Teschler-Nicola 1985: 137). ‘Grave robbing’ is so common that it can be considered a repeated and accepted social practice – a ritual. The objects associated with the dead body were probably only necessary to accompany the deceased for a certain time of transition, during which the person in the grave might have been perceived as between life and death. After this time, objects could be legitimately transferred back into the possession of the living (Rittershofer 1987: 5-23).

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Other pieces of evidence for post funerary activities are pottery and remains of offering and feasting next to the graves. Graves with door openings in Pitten stress the importance of physical access to the deceased (e.g. grave 189,Taf. 96, grave 191, 192:Taf. 97, Hampl, Kerchler, Benkovsy-Pivovarová 1981). In Vollmarshausen, we see a peculiar variation on the same theme: The majority of all urns had a deliberate opening on the side, a hole punched into the body of the urn. J. Bergmann proposed that fluids and food were repeatedly offered directly onto the cremated bones in the urns through these openings (Bergmann 1982: 161-165). Whatever the reasons, the repeated, deliberate, and direct handling of the cremated bones proves that the bodily remains do not become meaningless; they were centre and integral part of various activities. Since the direct interaction with human remains was so important, we argue that the meaning of the rituals exceeds celebrating the memory of the deceased. We can only imagine what an extraordinary performance a cremation must have been for prehistoric people (Fig. 2). The fire and smoke would trigger all senses, the cracking of the wood would have been heard, the burning flesh could be smelled, and the light of the fire would have been seen. What is on display is the transformation of the body, marking transition and transgression to the last stage of being human. We do not know the exact motivations, but is seems that performance is the focus of the rituals. The bodily remains hold an ongoing importance. In contrast, the Central European Hallstatt C graves appear in a different light, especially the wealthy ones. The emphasis of funerary rituals seems to shift from performance to display. What is on stage now is the living body, displayed as if it was sleeping or frozen in the best stage of its life. Grave chambers mimic domestic environments

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Fig. 2: Cremation scene ‘Verbrennung mit Leichenbrand’ as illustrated in a popular prehistory book 1874 (Baer 1974).

in a quite realistic way, sets of grave goods provide all a person could ever need.There is much less evidence of grave robbing, feasting, and post funerary rituals. Even when cremation remains the dominant practice, the Hallstatt C graves leave a different impression on the observer. Stage-like arrangements of pottery and grave goods might be used to emphasise status, but more importantly, we seem to witness the development of a belief in a concrete afterlife.

Bibliography Aner, E., Kersten, K. (1981), Die Funde der älteren Bronzezeit des nordischen Kreises in Dänemark, Schleswig-Holstein und Niedersachsen 6. Norslesvig-Syd. Neumünster: Wachholtz. Baer, W. (1874), Der Vorgeschichtliche Mensch. Ursprung und Entwickelung des Menschengeschlechtes. Vollendet u. hrsg. v. F. v. Hellwald. Leipzig: Spamer. Bergmann, J. (1982), Ein Gräberfeld der jüngeren Bronze- und Eisenzeit bei Vollmarshausen, Kr. Kassel. Kasseler Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 5. Marburg: Elwert. Hampl, F., Kerchler, H., Benkovsky-Pivovarová, Z. (1981), Das mittelbronzezeitliche Gräberfeld von Pitten in Niederösterreich. Ergebnisse der Ausgrabungen des Niederösterreichischen Landesmuseums in den Jahren 1967 bis 1973 mit Beiträgen über Funde aus anderen Perioden, Band 1: Fundbericht und Tafeln. Mitteilungen der Prähistorischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 19/20: 1978-1981. Herbst, C.F. (1848), Hvidegårdsfundet, Annaler for nordisk Oldkyndighed og Historie 1848, 336-352: København. Rittershofer, K.-F. (1987), Grabraub in der Bronzezeit, Berichte der Römisch Germanischen Kommission 68: 5-23.

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Diskussion David Stifter Does the said project also look for other practices like exposure to animals e.g. birds of prey? Katharina Rebay There were no finds concerning such practices for the bronze-age up to now. But the project is trying to find every available data for any possible variation. John Collis Names the only one example known to him for scattered cremations and exposure from an excavation in Derbyshire (late neolithic/early bronzeage). Marianne Mödlinger How long is the period between the burial and the robbery? Katharina Rebay(?) Regarding inhumation – the body defleshes in the ground in the course of about two years; the said green bronze-stains can get onto the bones only after that period. Regarding cremation – the stains could appear more rapidly, so the robbery can take place relatively short after the burial and leave the marks. Martin Trachsel It has been proposed, that a cause for closing the urn with a stone or an upside down vessel could be to make it easier to reopen it – to manipulate the remains (add something, touch the ashes, ...)

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Raimund Karl There is evidence of anglo-saxon cremations, where the remains have been filled into the urn in form of a reconstitution of the body (feet at the bottom, skull at the top of the pile). Katharina Rebay Similar settings have not yet been found for the bronze age.

Zusammenfassung der Diskussion The following additional aspects were mentioned in the discussion: The study looks at all kinds of burial practices that can be stated; Up to now there is only one example for shattered cremation and exposure. The period between burial and robbery can be very short concerning cremations, because the green stains can get onto the bones in a short time. For inhumations this period has to be longer, as the green indicators take more time to appear, as the body has to deflesh to a certain degree to allow their formation. A proposal for the cause of having upside-down vessels on the urn/above the remains is offered: this could be done to make it easier to reopen the burial – to manipulate the remains for example. It is pointed out that there is evidence of anglo-saxon cremations, where the remains have been filled into the urn in form of a reconstitution of the body (feet at the bottom, skull at the top of the pile); but similar settings have not yet been found for the bronze age.

Perspektiven der prähistorischen Gräberforschung am Beispiel der villanovazeitlichen Gräberfelder von Bologna Gabriele Albers

Zusammenfassung Der Beitrag basiert auf dem Forschungsprojekt „Tradition und Wandel in der Gesellschaft der Frühen Eisenzeit Oberitaliens“ und hat in erster Linie die Entwicklung der villanovazeitlichen Gräberfelder von Bologna zur Thematik. Chronologisch handelt es sich um die regionalen Zeitstufen Bologna I bis IIIA/„Villanoviano I-III“, die konventionell ab dem 9. Jh., nach den neueren Dendrodaten bereits ab dem späten 11. Jh., und bis in das 1.Viertel des 7. Jh. v.Chr. datiert werden. Berücksichtigt wird zum einen die topographische Situation der Gräberfelder, zum anderen bildet die Beigabenausstattung der Gräber im Sinne der Kombination von Beigabenarten (soweit diese infolge des überwiegenden Brandbestattungsritus nachweislich sind) den hauptsächlichen Gegenstand der Untersuchung. Aus der Entwicklung der Beigabensitten wird ein Prozess kulturellen Wandels erschlossen, der sich graduell und ohne Unterbrechungen über mehrere Jahrhunderte von den frühesten villanovazeitlichen Gräbern bis hin zu den Bestattungen der „etruskischen Periode“ von Felsina vollzieht.Vor diesem Hintergrund werden die hauptsächlichen Fragen zur kulturhistorischen Stellung von Bologna während der älteren Frühen Eisenzeit aufgezeigt. Ferner wird auf die Vorläufertraditionen der villanovazeitlichen Gräber in der Endbronzezeit (12.-11./10. Jh. v.Chr.) eingegangen. Zusammenfassend werden die methodischen Perspektiven herausgestellt, die sich aus dem „idealen“ Fallbeispiel Bologna für die prähistorische Gräberforschung ergeben, insbesondere die Möglichkeiten, anhand der Auswertung von Beigabenkombinationen in synchroner wie diachroner Hinsicht auf Zusammenhänge oder aber Unterschiede zwischen archäologischen Kulturgruppen zu schließen. Abstract The paper is based on the research project “Tradition and change in the society of the Early Iron Age in Upper Italy“ and focuses particularly on the Villanova graves of Bologna.The chronological frame are the regional phases Bologna I-IIIA/„Villanoviano I-III“ dating from the 9th c. according to the conventional chronology, or already from the late 11th c. according to more recent dendrochronological results, and into the earlier 7th c. B.C. The topographical situation of the cemeteries is considered, and the furnishing of the graves with combinations of different kinds of grave goods (as far as are preserved due to the predominant burial rite of cremation) constitutes the main object of the analysis. From the development of the funerary practices a process of cultural change is deduced which continues gradually and with no interruption over several centuries from the earliest Villanova graves to the burials of the “Etruscan period” of Felsina. Against this background, the more significant questions regarding the cultural-historical setting of Bologna during the earlier Early Iron Age are outlined. Further, the older traditions of the Villanova graves in the Final Bronze Age (12th-11th/10th c. B.C.) are considered. In conclusion, the methodological perspectives are presented which arise from the “ideal” case study of the Bologna graves for prehistoric burial analysis, namely that the investigation of combinations of grave goods allows for linking or differentiating interrelated archaeological culture groups in a synchronic and a diachronic respect.

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Einführung Die Entwicklung der villanovazeitlichen Gräberfelder von Bologna bildet den Schwerpunkt eines Forschungsprojekts mit dem Thema „Tradition und Wandel in der Gesellschaft der Frühen Eisenzeit Ober­ italiens“ (vgl. Kossack 1999: 49). Chronologisch handelt es sich um die regionalen Zeitstufen Bologna I bis IIIA/„Villanoviano I-III“ (Malizia u.a. 1990; Panichelli 1990; vgl. Dore 2005), die konventionell ab dem 9. Jh., nach den neueren Dendrodaten bereits ab dem späten 11. Jh., und bis in das 1.Viertel des 7. Jhs. v.Chr. datiert werden (Bartoloni, Delpino 2005; zu Bologna: z.B. Pacciarelli 1996). Indem es gilt, die Vorläufertraditionen für Bologna zu verfolgen, werden aber auch die „Protovillanovakultur“ der Endbronzezeit (12.11./10. Jh. v.Chr.) und die älteren Zeitperioden bis zurück zu der Verbreitung der Brandbestattung bereits in der Mittleren Bronzezeit in die Untersuchung einbezogen (Literatur zu Brand- und birituellen Nekropolen: Peroni, Vanzetti 2006; zu Olmo di Nogara auch Cupitò, Leonardi 2005). Ferner ist die weitere Entwicklung der Gräberfelder von Bologna während des 7. und bis in das 6. Jh. v.Chr. zu überblicken, um den Prozess des Wandels hin zu den Bestattungssitten der „etruskischen Stadt“ Felsina in einem kulturhistorischen Zusammenhang zu erfassen. Im Folgenden wird die Entwicklung der villanovazeitlichen Gräberfelder von Bologna in den wesentlichen Zeitabschnitten (nach der konventionellen Chronologie: vgl. Bietti Sestieri 1997: 375; Taglioni 1999: 41-2 Anm. 19; Malnati, Neri 2001: 13; Dore 2005: 274) aufgezeigt. Berücksichtigt werden zum einen die topographische Situation und zum anderen die Beigabenausstattung im Sinne der Kombination von Beigabenarten (soweit diese infolge des überwiegenden Brandbestattungsritus nachweislich sind), nicht hingegen zahlreiche weitere für die Untersuchung von Gräberfeldern und Bestattungen relevante Kriterien (Peroni 1989: 468-75; Belardelli u.a. 1990; Peroni, Vanzetti 2006; von Eles 2006); denn für eine Auswertung anderer Merkmale in einem Zusammenhang besonders mit den Beigabensitten, die durch alle Zeitstufen gleichermaßen systematisch zu erfolgen hätte, ist die Erhaltung und/oder Dokumentation im ganzen zu lückenhaft (der disparate Forschungs- und

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Publikationsstand kann hier nicht dargelegt werden; zu laufenden neuen Ausgrabungen in Bologna s. von Eles 2006: 73). Vor dem Hintergrund der Entwicklung der Gräberfelder werden ferner die hauptsächlichen Fragen zur kulturhistorischen Stellung von Bologna während der älteren Frühen Eisenzeit sowie zu den Vorläufertraditionen der villanovazeitlichen Gräber, denen in diesem Rahmen nicht weiter nachgegangen werden kann, aufgezeigt. Abschließend werden die methodischen Perspektiven herausgestellt, die sich aus dem „idealen“ Fallbeispiel der villanovazeitlichen Gräber von Bologna, was besonders die Auswertung von Beigabensitten anbetrifft, für die prähistorische Gräberforschung ergeben. Zeitstufen Bologna IA-IB (9. Jh. v.Chr.) Die Gräber der Zeitstufen Bologna IA-IB sind durch die drei Nekropolen von (via) Savena und (via) San Vitale in dem östlichen Stadtgebiet des heutigen Bologna (Abb. 1) sowie (via) Ca’ dell’Orbo in Villanova di Castenaso ca. 10 km weiter im Osten bekannt. Aufgrund der topographischen Situation werden entweder einzelne Siedlungen oder auch eine zusammenhängende Siedlung, der mindestens die Nekropolen Savena und San Vitale gleichzeitig zugehörig waren, in dem Gebiet zwischen dem alten Savena- und dem Idice-Tal angenommen (Malizia u.a. 1990: 73 Anm. 3; Sassatelli 1994: 501-4 Abb. 1-2; Tovoli, Vitali 1994: 10-2 Abb. 2; Sassatelli, Morigi Govi 1996: 12-3; Taglioni 1999: 40-1, 58-9 Anm. 1; neue Siedlungsbefunde: von Eles 2006: 68). Die Beobachtung, dass die Beigabenausstattung der villanovazeitlichen Gräber von Bologna primär geschlechtsspezifisch bestimmt ist, steht in der Forschung im ganzen fest: Vom Beginn der Zeitstufen Bologna IA-IB an handelt es sich um Brandbestattungen in bikonischen Urnen mit Deckschale, von denen jeweils zahlreiche Gräber entweder ein Rasiermesser als spezifisch männliche oder einen Spinnwirtel (bzw. zunächst nur selten auch eine Tonspule) als spezifisch weibliche Beigabe sowie jeweils mögliche weitere Beigaben aufweisen (Malizia u.a. 1990: 51-60). Aufgrund des Auftretens mit einem Rasiermesser werden ferner (Gewand‑)Nadeln als spezifisch männliche Bei-

Pianta di Bologna con indicazione dell‘area dell‘abitato etrusco (linee oblicue) e dei sepolcreti di fase villanoviana (*) e fase felsinea (®). N. 1 =  Benacci-Carprara; n. 2 = S. Paolo di Ravone; n. 3 = Benacci; n. 4 = De Lucca [villanoviano]; n. 5 = Grabinski; n. 6 = Tagliavini; n. 7 = Stradello delle Certosa; n. 8 = Arnoaldi [villanoviano]; n. 9 = Via Vittorio Veneto; n. 10 = Romagnoli Guglielmini, Cortesi, Cremonini e Melenzani; n. 11 = Arnoaldi [Felsineo]; n. 13 = Battistini; n. 14 = Aureli; n. 15 = Certosa; n. 15a = Polisportivo; n. 16 = Via Calori; n. 17 = Via Lame; n. 18 = Via Falegnami; n. 19 = Facoltà die Veterinaria; n. 20 = Carrobbio; n. 21 = Malvasia Tortorelli; n. 22 = Piazza S. Stefano; n. 23 = Via del Casstello; n. 24 = Arsenale Militare; n. 25 = Tamburini; n. 26 = Giardini Margherita; n. 27 = S. Michele in Bosco. (da Giuseppe Sassatelli, Topografia e „sistemazione monumentale“ delle necropoli felsinee, La formazione della città..., 1988). Abb. 1: Bologna: ringförmige Anlage der Gräberfelder von der Villanova- bis zur „etruskischen“ Zeit (Tovoli 1989: Abb. auf S. 15).

gabe, und bestimmte Fibeltypen werden aufgrund des Auftretens mit einem Rasiermesser bzw. einem Spinnwirtel als spezifisch männliche oder weibliche Formen gedeutet. Eine dritte hauptsächliche Ausstattungsgruppe neben den „Rasiermesser-“ und den „Spinnwirtelgräbern“ bilden zahlreiche Bestattungen, die eine oder mehrere Fibeln und mögliche weitere Beigaben, aber kein Rasiermesser bzw. Spinnwirtel aufweisen: Diese „Fibelgräber“ können lediglich im Einzelfall anhand von spezifischen Fibeltypen und/oder anderen Gegenständen als männliche oder weibliche Bestattungen ausgewertet werden. Im übrigen handelt es sich bei den Gräbern auch häufiger um eindeutige oder mögliche Doppelbestattungen. Als charakteristische Beigabenausstattung der Zeitstufen Bologna IA-IB treten die folgenden Gegenstände in unterschiedlichen Kombinationen regelhaft

in den Gräbern auf, und sie repräsentieren daher die Beigabensitten dieser Zeit (Müller-Karpe 1959: 79-83 Taf. 58-82; Pincelli, Morigi Govi 1975; Peroni 1989: 520-2; Malizia u.a. 1990; Tovoli,Vitali 1994: 13-5, 1939; Sani 1994: 125-32; Dore 2005) (Abb. 2): Männergräber: - 1 Rasiermesser, - 1-2 Nadeln, - 1 spezifische Fibel, - 1-3 weitere Fibeln, - (1 Arm- oder auch Ohrring [? „fermatrecce“] als womöglich auch männliche Beigabe), - 1-3 kleine Ringe. Frauengräber: - 1 Spinnwirtel (oder selten auch Tonspule),

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Abb. 2: Zeitstufen Bologna IA-IB, 9. Jh. v.Chr.: regelhafte Beigabenausstattung von Männer- und Frauengräbern (aus: Pincelli, Morigi Govi 1975).

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- Perlen- und Spiralröllchenschmuck, - 1-2 (häufig paarige) spezifische Fibeln, - 1-4 weitere Fibeln, - 1-3 (auch paarige) Arm- und/oder Ohrringe(?), - Ringgehänge, Bronzebuckelbesatz, - 1(-2) „Gürtelhaken“, - 1-2 Pinzetten. Neben dieser regelhaften Ausstattung sind in einigen Gräbern vereinzelt weitere Beigabenarten, die dann in den nachfolgenden Zeitstufen Bologna IIA-IIB regelhaft auftreten, nachweislich, und es zeichnet sich daher in den Zeitstufen Bologna IA-IB ein beginnender Wandel hin zu den Beigabensitten der Folgezeit ab (die Belege sind auf dem vorläufigen Stand des Projekts sowie vorbehaltlich der lückenhaften Publikationslage bislang erarbeitet worden): - Das Frauengrab San Vitale Gr. 491 enthält bereits ein Gürtel-„blech“ gleicher Form wie die bronzenen Gürtelbleche in Frauengräbern der Zeitstufen Bologna IIA-IIB; jedoch ist dieses ältere Gürtel„blech“ aus Hirschgeweih gefertigt. - Die Frauengräber San Vitale Gr. 171, 215 und 555 enthalten bereits eine Mehr- oder Vielzahl von Spinnwirteln bzw. Tonspulen; dabei ist für das Grab mit den zahlreichen (ca. 30) Spulen (Gr. 215) herauszustellen, dass im ganzen Tonspulen in den Frauengräbern der Zeitstufen Bologna IA-IB zunächst selten und dann in den Zeitstufen Bologna IIA-IIB regelhaft auftreten. - Die Frauengräber Savena Gr. 296 und San Vitale Gr. 535 enthalten bereits einen einzelnen (nicht durchbrochenen bzw. auch bereits durchbrochen gearbeiteten) Kugelanhänger aus Bronze. - Während im ganzen das Fehlen tönerner Beigefäße in den Gräbern der Zeitstufen Bologna IA-IB auffällt, enthalten die Gräber San Vitale Gr. 11, 165, 528, 533, 534, 555, 640, 641, 656 und 663 sowie Ca’ dell’Orbo Gr. 44 bereits ein oder zwei einfache Beigefäße (Malizia u.a. 1990: 55, 62-4, 66, 69 [Gr. 656: wohl Doppelbestattung; Tovoli,Vitali 1994: 49 Abb. 7]). Ferner handelt es sich in den Gräbern Savena Gr. 65 und 135 um ein figürliches Beigefäß singulärer Form, von denen das Stiefelgefäß in Gr. 135 zudem Metalllamellendekor aufweist (allerdings ist

die Datierung von Savena Gr. 135 in die Zeitstufen Bologna IA-IB, und nicht vielmehr IIA-IIB, aufgrund des Stiefelgefäßes in Frage gestellt worden: Tovoli 1989: 297 Anm. 655). Schließlich handelt es sich in San Vitale Gr. 531 um ein flaschenförmiges Beigefäß oder aber eine „Rassel“(?) gleichfalls mit Metalllamellendekor (vgl. die zeitgleiche Tonflasche oder „Rassel“[?] mit Metalllamellendekor in Verucchio, Ripa-Lavatoio Gr. 45:Tamburini Müller 1987: 51 Abb. 7; von Eles 1995: 53 Abb. 46). - Der Metalllamellendekor auf den Tongefäßen in den Gräbern San Vitale Gr. 531 und (mit fraglicher Zeitstellung) Savena Gr. 135, wie angeführt, bildet seinerseits ein Merkmal der Beigabenausstattung, das in den Zeitstufen Bologna IA-IB vereinzelt bereits auftritt und dann in den Zeitstufen Bologna IIA-IIB häufiger belegt ist; hinzu kommt möglicherweise, aber mit wiederum nicht gesicherter Datierung, der Spinnwirtel mit Metalllamellendekor in San Vitale Gr. 11 (vgl. Malizia u.a. 1990: 28: „fase Bologna I B“;Tovoli 1989: 297 Anm. 652: „Villanoviano II“). - Das Frauengrab San Vitale Gr. 2 enthält bereits ein Beigefäß aus Bronze (Iaia 2005: 194). Zeitstufen Bologna IIA-IIB (8. Jh. v.Chr.) Die weitere Entwicklung während der Zeitstufen Bologna IIA-IIB besteht zunächst in einer Verlegung der Gräberfelder, indem mit den Nekropolen Benacci und Benacci Caprara in dem westlichen Stadtgebiet des heutigen Bologna ein neues großes Gräberareal angelegt wird. In der Folgezeit wird dieses durch die Anlage der Nekropolen Melenzani-Ruggeri, NanniGuglielmini, Romagnoli, De Luca, Cortesi u.a. (alle Bezeichnungen nach den Grundstückseigentümern) stetig erweitert (Morigi Govi 1996: 5) (Abb. 1). Die drei älteren Nekropolen Savena, San Vitale und Ca’ dell’Orbo im Osten werden aber in geringerem Umfang gleichfalls noch weiter genutzt und erst allmählich aufgegeben (Dore 2005: 264). In der Forschung ist die Verlegung der Gräberfelder ab der Zeitstufe Bologna IIA als Nachweis für die Gründung einer neuen zugehörigen Siedlung zwischen dem Aposa- und dem Ravone-Tal in dem zentralen Stadtgebiet des heutigen Bologna ausgewertet worden; aufgrund von mehreren

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älter bestehenden Siedlungsplätzen in dem Gebiet der neuen Zentralsiedlung ist die Entwicklung im ganzen als Prozess eines Synoikismos seit der Endbronzezeit geltend gemacht worden (Peroni 1989: 517-8; Sassatelli 1994: 501-5 Abb. 1, 3; Sassatelli, Morigi Govi 1996: 12-4; Taglioni 1999: 38-41 Anm. 21; 43-4). In der Beigabenausstattung der Gräber sind während der Zeitstufen Bologna IIA-IIB weitere Entwicklungen feststellbar, die, inVerbindung mit den angeführten Beobachtungen zu vereinzelten neuen Beigabenarten bereits in den Zeitstufen Bologna IA-IB, den Wandel der Beigabensitten erweisen: Zum einen wird die Ausstattung quantitativ zunehmend „reicher“, indem sich in vielen Gräbern die Zahl der Beigaben vergleichsweise beträchtlich erhöht. Zum anderen tritt zu den aus den Zeitstufen Bologna IA-IB bekannten Beigaben eine Vielfalt neuer Beigabenarten hinzu, und die Ausstattung wird damit nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ „reicher“. Im einzelnen handelt es sich um die folgenden (hauptsächlichen) neuen Merkmale der Beigabenausstattung von Männer- und Frauengräbern, bzw. auch Doppelbestattungen, die bis zum Ende der Zeitstufe Bologna IIB regelhaft aufkommen (wobei zeitspezifische neue Typen von älter bekannten Beigabenarten nicht berücksichtigt sind; Müller-Karpe 1959: 83-8; Pincelli, Morigi Govi 1975; Tovoli 1989; Peroni 1989: 522-4; Malizia u.a. 1990: 56-9, 66-8, 70-1; Panichelli 1990; Tovoli, Vitali 1994: 15-6, 19-22, 40-9; Sani 1994: 125, 127, 128-9; Morigi Govi 1996: 12-3; Dore 2005) (Abb. 3): - eine Mehr- oder Vielzahl von tönernen Beigefäßen sowie auch eine Vielfalt der Gefäßformen; damit handelt es sich um die Beigabe ganzer Gefäßsätze. - eine Mehr- oder Vielzahl von Beigefäßen aus Bronze sowie auch eine Vielfalt der Gefäßformen, womit es sich gleichfalls um ganze Gefäßsätze handelt; zudem ist in einigen Gräbern nunmehr auch die bikonische Urne aus Bronze gefertigt (Iaia 2005: 151-219). - eine Mehr- oder Vielzahl der Fibeln, besonders auch solcher mit Glas- und Bernsteinperlenbesatz; zugleich erweist sich in dem Typenspektrum eine zunehmende Größe der Fibeln. - Pferdetrensen, Riemenringe und -haken, Phaleren und sonstige Pferdegeschirrteile, - 1 „Stimulus“ aus Bronze,

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- - - - -

Achsnägel von Wagen, 1 Messer („Profan-“ oder Opfergerät?), 2-3 „Gürtelhaken“, Angelhaken, 1 Nähnadel, Metalllamellendekor besonders auf Tongefäßen (Grab- und Beigefäße), aber auch anderen tönernen Gegenständen (Tovoli 1989: 296-301), - zylindrische ritzverzierte Beinappliken möglicherweise von Möbeln(?). Des weiteren handelt es sich in Männergräbern mit bis zu fünf Nadeln auch um eine zunehmende Zahl sowie zugleich zunehmende Größe der Nadeln, und ferner treten die folgenden Beigabenarten auf: - (selten) 2 Rasiermesser (Nachweis von Dop­pelbestattungen?), - 1 sogenannte „Votivpalette“ aus Bronze bzw. dann auch Eisen (Tovoli 1989: 51-2), - (sehr selten) 1 Schwert mit Schwertscheide (Waffe als Abzeichen?; zu dem weitgehenden Fehlen von Waffen in den Gräbern von Bologna s. Morigi Govi, Tovoli 1993: 32-45; Iaia 2005: 131, 136-7), - 2 Beile (Waffe als Abzeichen? Opfergerät?) sowie 1 „Votivbeil“ (Morigi Govi, Tovoli 1993: 36-40), - 1 „Ahle“, 1 „Pfriem“. In Frauengräbern kann es sich nunmehr um paarige Armringe aus Elfenbein handeln, und ferner treten die folgenden Beigabenarten auf: - eine Mehr- oder Vielzahl der Spinnwirtel bzw. nunmehr regelhaft auch Tonspulen, - 1 Spinnrocken oder Spindel aus Bronze (als Belege für das Aufkommen neuer Techniken der Textilverarbeitung; freundlicher Hinweis K. Grömer), - mehrere Kugel- sowie auch Radanhänger, - 1-2 bronzene Gürtelbleche, - 1-2(?) Bratspieße, wobei möglicherweise auch bereits ein eiserner Spieß nachweislich ist (Tovoli 1989: 188-9, 191). Im ganzen bleibt damit in den Zeitstufen Bologna IIA-IIB einerseits die ursprüngliche Sitte der Ausstattung mit Rasiermesser, Nadeln, Fibeln, (Arm‑ oder Ohrring[?]), kleinen Ringen im Fall von Männergräbern sowie Spinnwirtel oder Tonspule, Perlen- und Spiralröllchenschmuck, Fibeln, paarigen Arm- und/ oder Ohrringen(?), Ringgehängen, Bronzebuckelbesatz und „Gürtelhaken“ (Pinzetten seltener) im Fall von Frauengräbern erhalten, und es handelt sich da-

Abb. 3: Zeitstufe Bologna IIB, bis Ende 8. Jh. v.Chr.: regelhafte Beigabenausstattung von „reichen“ Männer- und Frauengräbern (Morigi Govi, Tovoli 1998: 5-6).

her um eine Kontinuität der Beigabentradition aus den vorangehenden Zeitstufen Bologna IA-IB. Andererseits erweist sich mit den neuen Beigabenarten, der im ganzen zunehmenden Quantität und Qualität sowie dem Auftreten „kostbarer“ Materialien eine Entwicklung der Beigabenausstattung, die als Wandel mit Wohlstand beschrieben werden kann (vgl. Peroni 1989: 523). Die weitere Entwicklung ab der Zeitstufe Bologna IIB2/IIIA (ab Ende 8./Anfang 7. Jh. v.Chr.) Die stetige Erweiterung des großen Gräberareals, das mit Beginn der Zeitstufe Bologna IIA im Westen der neuen Siedlung gegründet worden war, setzt sich über

eine lange Folgezeit fort. Im besonderen werden ab der Zeitstufe Bologna IIIB unmittelbar nördlich anschließend die Arnoaldi- und mehrere weitere Nekropolen, und ferner werden zahlreiche Nekropolen dann auch im Norden, Osten und Südosten der Siedlung angelegt (Morigi Govi 1996: 5) (Abb. 1): Bis in die Zeit der „etruskischen Stadt“ Felsina handelt es sich damit um einen über Jahrhunderte verlaufenden, kontinuierlichen Prozess der ringförmigen Anlage der Gräberfelder um das Siedlungsareal (Sassatelli 1988: 203-6, 219 Abb. 1, 5; vgl.Verucchio: Sassatelli 1996: 255 Abb. 2 [jeweils mutmaßliche Anlage der Gräberfelder an „Gräberstraßen“]). Während die unmittelbare Beobachtung zusammenhängender Siedlungsbefunde infolge der ungünstigen Erhaltungsbedingungen in dem alten Stadtgebiet von Bologna fehlt (Taglioni 1999:

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44, 47-50), ist die Entwicklung der Gräberfelder in der Forschung als Nachweis einer auf die anfängliche Siedlungsverlegung folgenden, stetigen „protourbanen“ Ausdehnung des Siedlungsareals ausgewertet worden. Im ganzen ist daher ein Prozess der „Urbanisation“ bereits seit dem 8. Jh. v.Chr. geltend gemacht worden (Sassatelli 1994: 504-8 Abb. 1, 3; Sassatelli, Morigi Govi 1996: 13-7; Taglioni 1999: 43-7 Karte nach S. 236; Malnati, Neri 2001: 13, 16; vgl. aber Bermond Montanari 1987: XV-VII, 31 Abb. 18; Peroni 1989: 524). Auch in der Beigabenausstattung der Gräber setzt sich der aus den vorangehenden Phasen beobachtete, kontinuierliche Wandel im ganzen fort. Besonders lassen noch in der späten Zeitstufe Bologna IIB(2) oder am Übergang zu IIIA neben der regelhaften Ausstattung, wie angeführt, die folgenden, zunächst noch vereinzelten Beobachtungen an einigen Gräbern die weitere Entwicklung der Beigabensitten bereits absehen (Panichelli 1990: 309-10; Dore 2005; die Belege sind auf dem vorläufigen Stand des Projekts sowie vorbehaltlich der lückenhaften Publikationslage bislang erarbeitet worden): - Auch in „nicht-reichen“ Frauengräbern treten nunmehr häufiger zwei bis drei, statt traditionell nur einem Spinnwirtel auf. - Eine bis drei Nadeln treten nunmehr häufiger auch in Frauengräbern auf. - Ein oder auch zwei Messer treten in Männer- und Frauengräbern nunmehr im ganzen häufiger, und damit nicht nur in „reichen“ Gräbern auf. - Ein Spinnrocken tritt in Frauengräbern nunmehr im ganzen häufiger, und damit nicht nur in „reichen“ Gräbern auf. - Zunehmend treten Beigaben verschiedener Art, besonders auch Fibeln, aus Eisen auf. Ferner treten die folgenden Beigabenarten erstmals auf: - „Tintinnabula“ („Klapperanhänger“ oder „Klingelwerk“ in großer Palettenform) sowie im übrigen einfachere bzw.  kleinere(?) „palettenförmige“ An­­hänger, - Spatulae aus Bein, auch mit Ritzdekor, - ein „schildförmiger“ Deckel der Urne, statt der traditionellen Deckschale, - Stempel- sowie gemalter Dekor auf Tongefäßen

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(Grab- und Beigefäße) (Morigi Govi, Tovoli 1993: 25-9; Morigi Govi 1996: 14-5), - in den Männergräbern Benacci Gr. 447 und 476 ein aes rude, - in dem „reichen“ Frauengrab Benacci Gr. 888 ein italo-geometrischer Skyphos als „etruskisches“ Beigefäß in Imitation einer griechischen Gefäßform (Morigi Govi, Tovoli 1993: 25-6 Anm. 36), - in den Männergräbern Benacci Gr. 519 und 939 ein Dolch mit Beingriff bzw. ein Dolch(?) aus Eisen, - in den Männergräbern Benacci Gr. 127 und 653 eine kleine Fibel aus Silber bzw. Fragmente von Gold als frühe Nachweise auch von Edelmetall in den Gräbern von Bologna. Einen Höhepunkt erreicht die Entwicklung der Beigabenausstattung in dem „Grab mit dem Thron“ von Verucchio, Nekropole Lippi Gr. 89/1972, das in der Forschung unterschiedlich in die Zeitstufen Bologna IIB2 oder IIIA oder aber erst IIIB1 datiert worden ist (Kossack 1992: 234; von Eles 2002: 273-5): Neben einer Vielzahl bereits angeführter Beigabenarten umfasst die überaus „reiche“ Ausstattung dieses Männergrabes – dessen Erhaltungsbedingungen für organische Materialien besonders günstig, für Metalle allerdings ungünstig waren – den bekannten Holzthron mit ge­ schnitzten Bildszenen, weiteres hölzernes Mobiliar, mehrere(!) Schwerter, Helme, Schilde, Lanzenspitzen, zahlreiche(!) Wagenteile, einen Fächergriff aus Holz, stabförmige Zepter mit Bronzeblechauflage,Trachtzubehör aus Silber und Gold sowie Teile von als „Zeremonialtracht“ gedeuteten Textilien; zusammen mit vergleichbaren Gräberbefunden von Verucchio (Gentili 1985; Gentili 2003) sowie Bologna und anderen Fundorten (Morigi Govi, Marchesi 2000) repräsentiert die Ausstattung im ganzen die Beigabensitten der späten Villanova- und der „Orientalisierenden Zeit“ in der südlichen Poebene – wobei auch signifikante Unterschiede zwischen den zwei „Zentren“ Bologna und Verucchio zu verzeichnen sind (Morigi Govi,Tovoli 1993: 33; Sassatelli 1996: 258-62, 267-9; Iaia 2005: 131, 136-9; von Eles 2006). In der Folgezeit wandeln sich die Sitten kontinuierlich weiter hin zu den Beigabensitten der „etruskischen Zeit“ von Bologna-Felsina: Auf die Abschnitte der jüngeren Entwicklung kann hier nicht mehr eingegangen werden; herausgestellt sei, dass die Beigaben­

ausstattung seit dem fortgeschrittenen 6. Jh. v.Chr. besonders durch das regelhafte Auftreten griechischer Keramik und etruskischer Bronzen gekennzeichnet ist. Zugleich sind von den ursprünglichen Beigabensitten der Zeitstufen Bologna IA-IB in den „etruskischen“ Gräbern lediglich noch vereinzelte Bestandteile, die gleichsam rudimentär neben dem reichen Spektrum der neuen Beigabenarten auftreten, erhalten. Als besonders signifikante Veränderung gegenüber der älteren, regelhaften Beigabenausstattung tritt in Bologna, wie Verucchio, das Rasiermesser bereits ab der Zeitstufe Bologna IIIA (1.Viertel 7. Jh. v.Chr.) nur noch selten sowie dann in den „etruskischen“ Gräbern von Bologna nicht mehr auf (Dore 2005: 259-66): An dieser charakteristischen Beigabe von Männergräbern der Villanovazeit erweist sich, dass der kontinuierliche Wandel seit den Zeitstufen Bologna IA-IB, der durch das allmähliche Aufkommen zahlreicher neuer Beigabenarten, die dann regelhaft werden, gekennzeichnet ist, in einem späteren Abschnitt der Entwicklung auch mit einem „Abklingen“ der älteren Beigabensitte einhergeht; durch das ineinandergreifende Aufkommen, regelhafte Auftreten sowie dann auch Abklingen von Beigabensitten bilden sich über Jahrhunderte im wesentlichen neue Sitten heraus, ohne dass für einen bestimmten Zeitabschnitt ein markanter Bruch in der Entwicklung zu beobachten wäre. Fragen zur kulturhistorischen Stellung von Bologna während der älteren Frühen Eisenzeit Die Verlegung und nachfolgende „protourbane“ Ausdehnung des Siedlungsareals, die sich seit den Zeitstufen Bologna IIA-IIB in dem kontinuierlichen Prozess der ringförmigen Anlage der Gräberfelder um die neue Siedlung abzeichnet, sind in der Forschung in einem kulturhistorischen Zusammenhang mit den Vorgängen einer frühen „Urbanisation“ an den Standorten der späteren „Stadtzentren“ Etruriens erklärt worden (Taglioni 1999: 44-6; Sassatelli, Morigi Govi 1996: 115; Sassatelli 2000: 170-2; mit differenzierter Sicht s. aber Peroni 1989: 517-24; zu Etrurien: Bietti Sestieri 1997: 380-5; Pacciarelli 2000: 104-9, 114-6, 128-39, 159-70, 178-9, 277-84; für Tarquinia s. auch die Kartierungen in Moretti Sgubini 2001: Abb. 1, 9-11). Ferner lassen weitere Beobachtungen im Zusammenhang mit der

Entwicklung der Gräber den kulturhistorischen Kontext des Wandels erschließen. Zunächst handelt es sich in dem Frauengrab Benacci Caprara Gr. 38, das in die Zeitstufe Bologna IIB(1?) (2. Hälfte 8. Jh. v.Chr.) datiert – allerdings mit nicht letztlich gesicherter Zugehörigkeit zu dem Grab (freundlicher Hinweis M. Trachsel) –, bei einer Tonschale mit zwei eingeritzten Buchstaben a und x (dem ersten und letzten Buchstaben des etruskischen Alphabets) auf dem Standboden um einen frühen Nachweis von Schrift (Tovoli 1989: 38 Taf. 44: 25). In der Folgezeit treten weitere Schriftzeugnisse auf, und ab der Zeitstufe Bologna IIIB1-2 (Mitte-Ende 7. Jh. v.Chr.) sind auch längere Inschriften belegt (Melenzani Gr. 15-17: „Amphora Melenzani“; Morigi Govi, Marchesi 2000: 332-3): Das Aufkommen und die Verbreitung der etruskischen Schrift dürften eindeutig durch die zeitgleichen Entwicklungen in Etrurien bedingt sein. Auf der als Grabmarkierung dienenden Steinstele von SanVitale Gr. 793, die in die Zeitstufe Bologna IIB (2. Hälfte 8. Jh. v.Chr.) datiert, ist mit der Darstellung einer Behausung erstmals ein gegenständliches Relief­ bild belegt (Pincelli, Morigi Govi 1975: 500-1 Taf. 332). Die Stele von Benacci Caprara Gr. 63, die bereits die figürliche Szene eines Kriegers zwischen zwei Tieren (Pferd und/oder Hund?) zeigt, ist in der Forschung in das Bildrepertoire der späten Villanova- und frühen „Orientalisierenden Zeit“ eingeordnet und damit Ende 8.-1. Hälfte 7. Jh. v.Chr. (Zeitstufen Bologna IIB2-IIIB1) datiert worden (während das Grab selbst wohl erst Ende 6.-5. Jh. v.Chr. datiert; Tovoli 1989: 212-5, 302 Taf. 99; Morigi Govi, Tovoli 1993: 42-3 Abb. 24; Kossack 1999: 50-1; Iaia 2005: 145-7). Ab der Zeitstufe Bologna IIIB1 (2.Viertel 7. Jh. v.Chr.) handelt es sich um das vermehrte Auftreten reich bebilderter Stelen und anderer Grabmonumente („pietre/stele protofelsinee“: Bermond Montanari 1987; Sassatelli 1988: 206-11 Abb. 2; Kossack 1999: 50-3; Morigi Govi, Marchesi 2000: 328-9, 336-45; Huth 2003: 231-9). Zudem sind mit dem geschnitzten Holzthron von Verucchio, Lippi Gr. 89/1972, komplexe szenische Darstellungen, die eine menschliche Gemeinschaft bei Tätigkeiten verschiedener Art zeigen, bereits ab der Zeitstufe Bologna IIB2 oder IIIA oder spätestens IIIB1 (Ende 8. oder 1.Viertel oder Mitte 7. Jh. v.Chr.) auch auf Bildträgern im Kontext der Beigabenausstattung

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der Gräber nachweislich, und vergleichbare Bildszenen finden sich in Bologna noch mit dem „Tintinnabulum“ der Zeitstufe Bologna IIIB2 (letztes Viertel 7. Jh. v.Chr.) in der „Tomba degli ori“, Arsenale Militare Gr. 5 (Kossack 1992: 233-8; Sassatelli 1996: 2625; Kossack 1999: 62-7; Morigi Govi, Marchesi 2000: 333-4; von Eles 2002: 235-72; Huth 2003: 163-4, 20713, 216-7). Das Aufkommen und die weitere Verbreitung der Bildkunst, die im fortgeschrittenen 7. Jh. v.Chr. auch vielfach durch eine „orientalisierende“ Motivik geprägt ist („Orientalizzante settentrionale“), sind in der Forschung gleichfalls in einem Zusammenhang mit den Entwicklungen in Etrurien ausgewertet worden. Schließlich ist in einem Kontext, der auf dem derzeitigen Forschungsstand etwas jünger anzusetzen ist, die kulturhistorische Entwicklung von Bologna und des östlichen Oberitalien sowie des Südostalpenraumes durch das Aufkommen der sogenannten Situlenkunst ab der Mitte des 7. Jhs. (Zeitstufe Bologna IIIB1), mit Fortbestehen und weiterer Verbreitung des Phänomens bis an die Wende zum 4. Jh. v.Chr., gekennzeichnet (Turk 2005: 9-10 Abb. 1): In der Forschung sind Werkstattzentren zunächst in Este, für die Blütezeit dann in Bologna, Krain sowie Südtirol an­ genommen und ist die Herausbildung der Situlenkunst im ganzen als interpretatio atestina bzw. bolognese nach „graeco-etruskischem“ Vorbild gedeutet worden (Kromer in: Kastelic 1964: XVII-IX; Frey 1969; Huth 2003: 160-218). Der mit der Entstehung der ­Situlenkunst verbundene, signifikante Umstand, dass diese in Oberitalien und im Südostalpenraum – dort wohl zunächst durch Importe aus Etrurien sowie auch als lokale Imitation – zeitgleich auftritt (Frey 1969: 87; Turk 2005: 16-22, 47-8, 70 Kat.-Nr. 20-1, I), dürfte als Kulturkontakt mit Akkulturation zu beschreiben sein (und bedarf aber der weiteren Untersuchung). In der Zusammenschau erweist sich ein enger Zusammenhang des – gegenüber dem Wandel vom 9. zum 8. Jh. v.Chr. erneuten – Kulturwandels in Bologna mit den Entwicklungen in Etrurien, indem einerseits der Vorgang einer frühen „Urbanisation“ und ander­ erseits das Aufkommen und die Verbreitung neuer kultureller Errungenschaften seit dem späten 8. und während des 7. Jhs. v.Chr. (Bildstelen, Schrift, Situlenkunst) auf Einflüsse aus Etrurien zurückgehen. Indem

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ferner mit der Brandbestattung in bikonischen Urnen mit Deckschale und gleichartiger Beigabenausstattung (Iaia 1999, zu den Beigabensitten bes. 117-21) vom Beginn der frühen Gräber der Zeitstufen Bologna IAIB an im wesentlichen gleiche Grabsitten gegeben sind (aber s. Peroni 1989: 546-9), stellt sich daher für die Klärung der kulturhistorischen Stellung von Bologna während der älteren Frühen Eisenzeit besonders die Frage nach dem Verhältnis zu den „protourbanen“ Zentren Etruriens. Zugleich stellt sich innerhalb der Region der südlichen Poebene die Frage nach dem Verhältnis zu dem weiteren „Zentrum“ Verucchio, das zeitgleich mit Bologna eine im wesentlichen(!) gleichartige Entwicklung nimmt – die in Verucchio anscheinend noch ausgeprägter Einflüssen aus Etrurien unterliegt. Spätestens im Kontext der Herausbildung der Situlenkunst stellt sich aber auch die Frage nach dem Verhältnis zu dem frühen Werkstattzentrum von Este sowie im ganzen nach dem Beziehungsgeflecht der Kulturgruppen in dem Verbreitungsgebiet der ­Situlenkunst in Oberitalien und im südostalpinen Raum. Schließlich stellt sich hinsichtlich des Spektrums der wechselseitigen Kulturkontakte während der Villanova- und „Orientalisierenden Zeit“ von Bologna die Frage nach dem Verhältnis zur Golasecca-Gruppe im Nordwesten sowie den transalpinen („keltischen“) Kulturbeziehungen zu verschiedenen Regionalgruppen der mitteleuropäischen Hallstattzeit (Bietti Sestieri 2005: 21 Abb. 6). Vorläufertraditionen der villanovazeitlichen Gräber von Bologna Aufgrund der Beobachtung einer regelhaften Beigabenausstattung in den Zeitstufen Bologna IA-IB und des Jahrhunderte währenden kontinuierlichen Wandels der Beigabensitten seit dieser Zeit stellt sich ferner die Frage nach den Ursprüngen der villanovazeitlichen Gräber von Bologna: Zum einen steht anzunehmen, dass auch die ältesten bislang nachweislichen, Bologna IA-IB-zeitlichen Gräber einen Abschnitt des Wandels in den Beigabensitten repräsentieren, der nicht unvermittelt in Bologna einsetzt, sondern dem Vorläufertraditionen vorausgehen. Zum anderen sind in der Forschung bezüglich der Entstehung der „Villanovakultur“ von Bologna unterschiedliche Thesen

Abb. 4: Frattesina di Fratta Polesine, 11. -Anfang 9. Jh. v.Chr.: Beigabenausstattung von Männer- und Frauengräbern (aus: De Min, Peretto 1986: 154- 69).

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aufgestellt worden, die vor dem Hintergrund der Entwicklung der Gräber zu prüfen sind. Als das kulturelle Substrat der „Villanovakultur“ der älteren Frühen Eisenzeit wird in der Forschung die „Protovillanovakultur“ der Endbronzezeit (12.-11./10. Jh. v.Chr.) erachtet (Amann 2005). In der Poebene floriert in dieser Zeit das einzigartige Handwerks- und Handelszentrum von Frattesina di Fratta Polesine, eine Großsiedlung mit Flusshafen, für die die spezialisierte Verarbeitung von Bronze, Glas, Hirschgeweih, Bein, Elfenbein und Straußeneiern sowie – als Station an der „Bernsteinstraße“ von Norden her – der Handel mit Bernsteinerzeugnissen und des weiteren mediterrane Fernkontakte durch (wenige) mykenische Keramikfunde nachweislich sind (Siviero 1986; De Min, Peretto 1986: 117-41; Peroni 1989: 272-7; Bietti Sestieri 1997: 390, 392-6; Bellintani 2000: 50-1; Amann 2005: 19, 23-4). Zu der Siedlung gehörig sind (mindestens) zwei Nekropolen mit zusammen mehr als 1000 Brandgräbern, und es handelt sich bei Frattesina eindeutig um ein Zentrum der Endbronze- bis beginnenden Frühen Eisenzeit in Oberitalien, dessen Funktion dann in der folgenden Villanovazeit von Bologna und Verucchio übernommen wird (Bietti Sestieri 1997: 396-8). Eine Durchsicht der Gräber dieses älteren regionalen Zentrums (De Min 1986; De Min, Peretto 1986: 143-69; De Min 1987; Salzani 1989; Salzani 1990-1) erweist mindestens für den Zeitraum des 11.-Anfang 9. Jhs. v.Chr. eine Beigabenausstattung, die zum einen in der Kombination der Beigabenarten – besonders auch, was das auffällige weitestgehende Fehlen von tönernen Beigefäßen anbetrifft – eindeutig als Vorläufertradition der Beigabensitten der ältesten, IA-IB-zeitlichen Gräber von Bologna bestimmbar ist (Abb. 4). Zum anderen handelt es sich um eine eigene Entwicklung der Gräber von Frattesina, die sowohl hinsichtlich der Beigabenausstattung – so scheint etwa die Rasiermesserbeigabe im Laufe des 10. Jhs. v.Chr. aufgekommen zu sein – als auch der Typologie der Grabgefäße ihrerseits einen Abschnitt eines Wandels kennzeichnet, der sich kontinuierlich hin zu den Sitten der ältesten Gräber von Bologna vollzieht (Peroni 1989: 261-9, 521; Dore 2005: 257-8, mit Hinweis u.a. auf die „kleinen Hacken oder Spaten aus Bein“ in den Gräbern San Vitale Gr. 374 und 417 sowie Ca’ dell’Orbo Gr. 75, die Entsprechungen unter den Sied-

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lungsfunden von Frattesina haben. [In dem Vortrag in Linz waren die Artefakte gemäß den Angaben in Pincelli, Morigi Govi 1975: 228, 257, Malizia u.a. 1990: 27, 72, sowie Tovoli, Vitali 1994: 27, noch als „Votivpaletten“ aus Bein bzw. Horn und damit als Vorläufer der sogenannten „Votivpaletten“ aus Bronze bzw. dann auch Eisen in Männergräbern der Zeitstufen Bologna IIA-IIB angesprochen worden]). In der Forschung ist aufgrund der vielfachen Verbindungen mit Etrurien angenommen worden, dass die Entstehung und Entwicklung des villanovazeitlichen „protourbanen“ Bologna, wie auch Verucchio, auf eine „etruskische Kolonisation“ mit der Intention, die agrarischen Ressourcen der (südlichen) Poebene zu kontrollieren, zurückgehe. Die Datierung für diese erste, ältere „etruskische Expansion“ (gegenüber der jüngeren „Kolonisation“ des 6. Jhs. v.Chr.) ist zunächst am Beginn der Frühen Eisenzeit im 9. Jh., mit dem veränderten Forschungsstand zum Siedlungswesen der „Protovillanovakultur“ dann während der späteren Endbronzezeit um 1000 v.Chr. angesetzt worden (z.B. Bermond Montanari 1987: 207-8; Bietti Sestieri 1997: 396; Morigi Govi, Tovoli 1998: Karte S. 2; Sassatelli 2000: 169-72; Manfredi, Malnati 2003: XI, 1567, bes. 42; zu dem älteren Forschungsstand vgl. z.B. Forte 1994: 10, 14). Vor dem Hintergrund des kontinuierlichen Wandels in den Beigabensitten der Gräber, der sich im Kontext der „Zentren“ Frattesina, Bologna und Verucchio innerhalb der Großregion der Poebene mindestens seit dem 11. Jh. v.Chr. ununterbrochen vollzieht, erscheint die Forschungsthese einer „etruskischen Kolonisation“ während dieses Zeitraumes aus kulturhistorischer Sicht zunehmend wenig plausibel (vgl. Sassatelli 1994: 499-501; Sassatelli, Morigi Govi 1996: 12-3). Die Auswertung anderer Gräberfelder der Endbronzezeit und die weitere Rückverfolgung der Beigabensitten in ältere Zeiten vor der „Protovillanovakultur“, d.h. in den Kontext der mittel- und spätbronzezeitlichen Terramarekultur, stehen im Rahmen des Forschungsprojekts aus. Die Frage stellt sich aber, inwieweit es sich nicht bei der „frühen Urbanisation“ in der Poebene und in Etrurien um parallele, regionale autochthone Entwicklungen handelt, deren wesentliche Gleichartigkeit in dem Umstand begründet liegt, dass das gleiche kulturelle Substrat zugrunde liegt – das sich seinerseits in Oberitalien aus dem vorange-

henden „Palafitte-Terramare-System“ entwickelt hat (Bietti Sestieri, im wesentlichen bereits 1997: 392, 396, zuletzt 2005: 18, 20-1 Abb. 5-6). Perspektiven der prähistorischen Gräberforschung Zusammenfassend erweisen sich in der Beigabenausstattung der villanovazeitlichen Gräber von Bologna, in Verbindung mit den angeführten weiteren Beobachtungen, die folgenden Aspekte der Entwicklung, die im ganzen den Prozess eines stetigen (archäologischen) Kulturwandels erschließen lassen: - regelhafte Beigabenkombinationen des 9. Jhs. v.Chr. = Sitten, - Aufkommen neuer Beigabenarten während des 9. Jhs. und Regelhaftigkeit im 8. Jh. = Wandel, - Aufkommen und  Verbreitung neuer kultureller Er­rungenschaften (Bildstelen, Schrift, Situlenkunst) während des 8.-7. Jhs. = Entwicklung, - Etablierung des Wandels und der Entwicklung bei gleichzeitigem „Abklingen“ der älteren Sitten während des 7.-6. Jhs. = neue Sitten. In methodischer Hinsicht ergeben sich aus dem „idealen“ Fallbeispiel der Gräberfelder von Bologna Per-

spektiven für die prähistorische Gräberforschung (vgl. in Bezugnahme auf Belardelli u.a. 1990 Wirth 1998: 34: „Wichtige Argumente darf man sich von der Gräberkunde für den kulturellen Vergleich zeitlich oder räumlich benachbarter Gruppen versprechen, denn ‘at any given moment burial practices may in some way characterize particular societies.’ [Zitat Ucko 1969, 275]“): Synchron ermöglicht es die Auswertung von Beigabensitten, zunächst intra- sowie dann mit zunehmender geographischer Distanz interregional spezifische Sittenkreise herauszustellen, die ihrerseits für die Erschließung von Zusammenhängen oder aber Unterschieden zwischen zeitgleichen archäologischen Kulturgruppen signifikant sind. Diachron dürften einerseits Beigabensitten, deren gradueller Wandel nach und nach bis hin zu ganz neuen Sitten archäologisch verfolgt werden kann, als ein wesentliches Indiz für kontinuierliche autochthone Kulturentwicklung auszuwerten sein; andererseits sollte ein kultureller Bruch, insbesondere Fremdeinwanderung (Fallbeispiel: Eindringen der Kelten in Oberitalien), archäologisch besonders auch durch unvermittelte Veränderungen in den Beigabensitten widergespiegelt sein.

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Diskussion (Die Diskussion wurde auf englisch geführt, da der ursprünglich auf englisch angekündigte Vortrag im entsprechenden Vortragsblock gehalten wurde.) Thomas Stöllner What were the mentioned bone-plates used for? According to the shape – they could represent something like a tool? Gabriele Albers Objects like these take a significant part in the material culture.There exist later bronze versions too. Up to now it has not been clarified what they were used for. Some scientists tend to a ritual/cult/religious explanation. She herself has not yet decided what to believe, although there is a further argument for the cultic use because similar symbols appear in the rock carvings at Valcamonica. (Corrigendum: The “bone-plates” are now identified by Dore 2005; 257, as “zappette o vanghe d’osso”, i.e. small hoes or spades, and thus tools belonging to the material culture of the Final Bronze Age, e.g. at Frattesina; see the revised statement in the text.) Thomas Stöllner How is the mentioned development interpreted, as a sign of cultural change? Gabriele Albers Italian scientists often speak about princes/an aristocratic part of the society, when referring to all that. Her preferred expression to describe the phenomenon is “Wandel mit Wohlstand”. Thoma Stöllner This being only based on prosperity? Gabriele Albers Changes show both in the rising level of prosperity (affecting not only the chiefs but the whole society) and in changes of organisation of society (the elites become more prominent). The trade centres shift to e.g. Bologna (or other regional centres) and trigger those changes. Katharina Rebay Is there an explanations for the increase of use of pottery?

paring them supra-regional. Perhaps there is a connection to the absence of food provisions in the graves. Katharina Rebay So, it‘s only a regional phenomenon? Gabriele Albers Up to now, due to a lack of similar investigations concerning other graveyards. It is intended to widen the looked-at period to get a broader perspective. But there are no further results available for the time being. Marie Louise Stig Sørensen The later graves become apparently richer and richer, but there are no longer Leit-Typen such as razorblades included. Perhaps the graves differ in the buried objects, because there is no longer a special uniform code of sets of grave goods. Gabriele Albers This could be possible, but up to now there is no proof. It‘s also difficult to establish the “typical” gravegoods for special periods/regions, due to the lack of investigated data. Just as a thought: there could be unitary phases – all graves contain the same sets of gravegoods – and intermediary phases, where the composition varies.

Zusammenfassung der Diskussion Most of the arising questions concern the possible interpretation of the findings. The mentioned bone plates are mostly referred to as religious items (rock carvings at Valcamonica show similar symbols). The mentioned development is interpreted as well as based on cultural change, a rising level of prosperity (affecting not only the chiefs but the whole society) and changes of organisation of society (the elites become more prominent). The trade centres shift to e.g. Bologna (or other regional centres) and trigger those changes. The increase of pottery could be related to a decrease of food provisions in the graves. Perhaps in the later period the tradition of special sets of gravegoods ends; this could explain the greater variation in these burials (at least those in intermediary phases). For the time being all results are merely regional due to a lack of similar investigations concerning other graveyards.

Gabriele Albers There is no answer to that question yet. The said analysis concerns only one region. So there have to be investigations in other regions prior to com-

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The origins of the Arras Culture: migration or elite networks? Greta Anthoons

Summary Opinions on the origins of the Arras Culture are still mixed. Some believe that the tradition of chariot burials and square barrows was brought to East Yorkshire by a small elite group of immigrants from Northern Gaul, whereas others are convinced that these rites were initiated by the contacts of the local aristocracy with the upper-class in Northern Gaul through elite networks. By comparing a set of characteristics, of material and/or ritual nature, between the various areas in Western Europe which produced chariot burials and square enclosures during the La Tène period, this paper attempts to ascertain which explanation is the more plausible. The conclusion is that, although small-scale immigration cannot be excluded, the evidence currently available seems to be in favour of an exchange of ideas and belief systems through elite networks. Future research will elaborate how these networks were established and maintained. Zusammenfassung Zum Ursprung der Arras-Kultur sind die Forschungsmeinungen noch immer geteilt. Einige sind der Ansicht, dass die Tradition der Wagengräber und rechteckigen Grabeinfriedungen von einer kleinen Elitegruppe, die von Nordgallien nach East Yorkshire emigrierte, dorthin gebracht wurde. Andere hingegen sind überzeugt, dass diese Bestattungsriten als Folge von Kontakten der lokalen Aristokratie mit den sozialen Netzwerken der gallischen Oberschichten übernommen wurden. Durch einen Vergleich verschiedener charakteristischer Eigenschaften materieller und/oder ritueller Natur zwischen den verschiedenen Gebieten in Westeuropa, die während der Latènezeit Wagengräber und rechteckige Grab­ einfriedungen kannten, versucht dieser Beitrag zur Entscheidung beizutragen, welche der beiden oben genannten die plausiblere Erklärung ist. Es wird die Schlußfolgerung gezogen dass, obwohl eine Immigration kleiner Gruppen nicht ausgeschlossen werden kann, die im Augenblick zur Verfügung stehende Evidenz eher auf einen Austausch von Ideen und Glaubensvorstellungen in Elitenetzwerken zu deuten scheint. Künftige Forschungen werden versuchen, ein genaueres Bild davon zu zeichnen, wie derartige Netzwerke geschaffen und erhalten wurden.

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In the second half of the first millennium BC, a distinctive burial rite was practised in East Yorkshire, the characterising features being chariot burials and square enclosures. Both phenomena are well known elements of La Tène cultures on the Continent. Many Yorkshire grave goods also have counterparts on the Continent or at least show clear signs of La Tène inspiration and influence. This burial rite stood out against earlier burial rites in East Yorkshire and also seems to have occurred only rarely in any other region of contemporary Britain. During the Late Bronze Age, both inhumation and cremation were practised in East Yorkshire and the graves were typically covered with large round barrows. From the end of the Bronze Age there are still a few cremations known, as secondary burials in earlier barrows (Manby 1980: 319-320). This is followed by a long period of several centuries of an apparent void. The dead must have been disposed of in such a way that it left no traces in the archaeological record. The appearance of chariot burials and other inhumation burials, and of square barrows, represents a clear break with the past. It is usually assumed to have started around 400 BC (Stead 1991: 184), but, as will be discussed below there are good reasons to believe that the initial impetus did not take place until the end of the 4th century BC. When the first chariot burials were found in East Yorkshire in the 19th century (by antiquarians like John Mortimer and William Greenwell) it was believed that the deceased were immigrants from France, where similar chariot burials were found in the Aisne-Marne region. Later it became clear, however, that there were several elements contradicting this theory. Apart from the exotic burial rites, there was a clear continuity in local material culture: the houses remained round according to British tradition and the pottery was indistinctive and nowhere near the refined pottery of the Marne area. Also the chariot burials looked different, in that some of them were dismantled - a feature that was rather unusual on the Continent - but especially the crouched position of the body was unseen in Iron Age Gaul, where bodies were buried extended on the back. Up to today, opinions about the development of the Arras Culture are still mixed and it has not yet proven

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to be possible to determine the exact nature of the relationship between the people of the Arras Culture and those of certain areas in Northern Gaul where similar funerary rites were practised. There are basically two theories. One theory states that in the early days of the La Tène period, a small elite group of people originating from Northern France crossed the North Sea and settled in East Yorkshire. While these people adopted many local habits, their burial tradition grew to dominate the funerary scene. Cut off as they were from their homeland, this burial tradition underwent local developments, which would explain the differences with the Continent. In the second theory the Arras Culture is seen as a local development, initiated by the contacts of the local aristocracy with the upper-class in Northern Gaul through elite networks.The local elite would have adopted the prestigious burial rites but incorporated them into their own indigenous way of life. About 20 chariot burials are known in East Yorkshire, from old and modern excavations. Both dismantled and complete chariots occur, but the dismantled ones seem typical for the Wolds, whereas burials with complete vehicles are from more outlying areas. Some of the chariots were found on the old ground surface, with separate pits for the wheels, but others were accommodated in large grave pits. Chariot burials occur isolated, in small groups or as part of larger cemeteries. In Yorkshire, chariot and other burials are covered by square barrows surrounded by square ditches. Even while square ditched enclosures are known from the Continent, the barrows (if any) are conceived as round, not square. In Yorkshire, however, square shaped barrows have been preserved in certain places.

Fig. 1: Isometric reconstruction of Cowlam barrows following proportions identified for the Wykeham Forest barrows (after Mytum 1995: 33, fig.3.4).

A

B

C

D

Contracted, crouched or flexed

Extended or sometimes flexed

Contracted, crouched or flexed

Both but mostly similar to type A

Body orientation

N/S facing E

E/W

N/S facing E

Both but mostly similar to type A

Type of enclosure

Square

Circular, superficial depth

Square

In ditch or secondary in enclosure

Primary / secondary position

Primary and secondary

Primary and secondary

Primary

Secondary

Coffin

Sometimes

Never

Not usually

Never

Brooches

Yes

No

No

No

Bracelets

Yes

No

No

No

Glass beads

Yes

No

No

No

Other jewelry

Yes

No

No

No

Mirrors

No

No

Possible

No

Pottery

Yes

No

No

No

Sheep

Pig

Pig

None

Vehicle parts / horse harness

No

No

Possible

No

Weapons

No

Yes

Common

No

Tools

No

Yes

No

No

Spindle whorls

No

Yes

No

No

Body position

Animal bones

Table 1: Arras Culture: main types of burials.

The earliest square barrows were fairly large and occur isolated or in very small groups, but by the end of the 3rd and in the 2nd century in some places they had grown out to large cemeteries. The best known cemeteries are those of Wetwang Slack, where the barrows were placed very tightly, and Rudston/Burton Fleming, where “family plots” could be discerned. Social stratification When studied in more detail, different types of burials can be distinguished within the Arras Culture, depending on the grave goods and on the amount of labour that was invested in the construction. Based on the different types of grave goods and on the position and orientation of the deceased, Ian Stead (1991: 179180) established 3 types of burials : A, B & C. A fourth type D was added by John Dent (1995: 73-75) to include burials in secondary positions with none or few

grave goods (Table 1). Stead’s type B burials are all from the end of the Arras Culture (late 1st century BC or 1st century AD). The other types occur simultaneously. Type C burials are the most prestigious: chariot burials belong to this group, but also burials with weapons or mirrors. They always have pig bones, never sheep. The type of animal bone is clearly a distinctive social marker, where pig can be seen as referring to the rulers and sheep to the ruled (Parker Pearson 1999: 56). Further analysis of the individual burials allows to distinguish different subtypes in the C group (Table 2). The same exercise could be done for the other types. The picture that emerges is that of a highly stratified society. Even though a person’s grave contents do not necessarily reflect his material wealth in life, there is certainly a distinctive social hierarchy to be discerned upon death. The question whether the whole community is represented remains open. It is possible that the deceased

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C1 chariot

C2 chariot & weapons

C3 weapons

C4 mirror

Contracted, crouched, flexed or crouched on back

Contracted, crouched or flexed

Contracted, crouched or flexed

Contracted, crouched or flexed

Body orientation

N/S facing E

N/S facing E

N/S facing E

N/S facing E

Type of enclosure

Square

Square

Circular or square

Square

Primary / secondary position

Primary

Primary

Primary

Primary

Coffin

Possible

Possible

Probably not

Possible

Gender

Male / Female

Male

Male

Female

Brooches

No

No

No

No

Bracelets

No

No

No

No

Glass beads

No

No

No

No

Other jewelry

No

No

No

No

Mirrors

Yes with female

No

No

Yes

Pottery

No

No

No

No

Animal bones

Pig

Pig

Pig

Pig

Vehicle parts / horse harness

Yes

Yes

No

No

Weapons

No

Yes

Yes

No

Tools

No

No

No

No

Spindle whorls

No

No

No

No

Body position

Table 2: Arras Culture: different subtypes of type C burials.

in type D burials were not the lowest on the social ladder and that there was a category of people who were not entitled to be buried in the cemetery at all, be it for lack of property or otherwise. Two wheeled vehicle burials in Northern Gaul and Britain There are two main types of chariot burials, which are successive in time. Those of the Early La Tène period consist mainly of inhumations and the vehicle - complete or dismantled - is never burned on the pyre. In the Middle and Late La Tène periods, the vehicle is burned on the cremation pyre and is usually only represented in the grave by one or a few parts, as a pars pro toto.The Arras Culture is an exception, in that inhumation and unburnt vehicles remain the rule until the end.

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When searching for the origins of the Arras Culture, it is important to know at which moment in time it came into existence. The chariot burials of the Arras Culture are not very precisely dated, but by comparing them to those on the Continent, some light may be shed on their earliest roots. An important factor in this respect is the evolution of the iron wheel tyres, which was illustrated by Verger (1994: 504-509) in his study of the chariot burials of the Aisne-Marne region. He could establish a clear evolution from narrow and curved tyres which were secured to the wooden felloe by many nails, to flat and wide tyres without any nails at all. This evolution seems to reflect a progress in mastering the technique of shrinking the tyre onto the felloe by contraction. Only the very latest (LT B2) of the Aisne-Marne vehicles have tyres of this type, but in Yorkshire this type is the rule, as is also the case with the chariots from

LT A1 LT A2 LT B1 LT B2

LT C1

LT C2

Middle Rhine / Moselle

Aisne-Marne

Vehicle usually complete

Vehicle complete

Mainly inhumation

Inhumation

Barrows

Barrows ?

Enclosures exceptional

Some enclosures (often circular)

Belgian Ardennes

Paris

Inhumation Round barrows No enclosures

Vehicle complete Inhumation ? or dismantled No info Inhumation

LT D2

Square enclosures : as from end LT D1

Arras Culture

Vehicle dismantled (Wolds) or complete (other areas)

No barrows

Inhumation

No enclosures

Cremation No obvious barrows

NW France

Vehicle complete

Vehicle burned / Pars pro toto

LT D1

Groupe de la Haine

Vehicle burned / Pars pro toto

Vehicle burned / Pars pro toto

Cremation

Cremation Square enclosures, but no special link with chariot burials

Square barrows Square enclosures

Table 3: Chariot burials of the La Tène period from various regions west of the Rhine.

the immediate surroundings of Paris, e.g. Nanterre ­(Hubert 1902), Bouqueval (Guadagnin 1984, 1985) and Plessis-Gassot (Ginoux, Marti 1999: 22; Ginoux 2002).This seems to indicate that chariot burials made their appearance in Yorkshire at the same time as in the Paris area, and this at a moment when they were no longer popular in the Aisne-Marne. Apart from the evolution in the tyres there are other indications to support the theory that the Yorkshire

chariot burials originated no earlier than LT B2. The evolution of the horse harness in chariot burials also shows interesting parallels. In the early periods on the Continent, the yoke seems relatively unadorned. The Aisne-Marne chariot burials have produced some of the most beautiful phalerae, but the terrets, if any, are not very elaborate, as is for example illustrated by the chariot burial of Sémide (Lambot,Verger 1995). Decorated terrets only appear towards the end of LT B1

Fig. 2: Tyres from the LT A2 chariot burial of Pernant (Dépt. de l’Aisne) © Greta Anthoons.

Fig. 3: Tyres from the LT B2 chariot burial of Beine/Prunay (Dept. de la Marne) © Greta Anthoons.

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Fig. 4: Tyres from the chariot burial of Ferry Fryston (West Yorkshire) © Greta Anthoons.

or in LT B2, with the Waldalgesheim yoke as one of the most famous examples (Joachim 1995).The LT A2 Laumersheim terrets are an early exception to the rule (Kimmig 1944). More attention seems to have been paid to the yoke in general in this period, with yoke caps like those from Waldalgesheim (Joachim 1995: 95, fig. 84) and also from Sberchamps, Au Fersay (Mathieu 1993), one of the few 3rd century BC chariot burials in the Belgian Ardennes, the majority dating from the 5th and 4th centuries. The same attention to the terrets is characteristic for the chariots of the Paris area and of those of the Groupe de la Haine, but also for the Yorkshire chariot burials, although the style is different. Furthermore, there is no compelling reason to date the Arras Culture any earlier than the end of the 4th century BC. The brooch of Marzabotto type inspiration from barrow L in Cowlam (Stead 1979: 64-65; Stead 1991: 180) is often seen as the earliest artefact of

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the Arras Culture, going back to the beginning of the 4th century BC. However, brooches with proportions similar to the Marzabotto type still occur in France late in the 4th and in the 3rd century (Charpy 1998: 215), so the Cowlam brooch need not be earlier.A ­later starting date would also explain the relatively small number of brooches of “LT I construction” which was puzzling Ian Stead (1991: 180). Radiocarbon dating has often given dubious results. A good illustration for this is the case of Ferry ­Fryston where the body was radiocarbon dated to 374-291 cal BC (Boston 2006), whereas the burial contains an ­involuted brooch of considerably later date. Disposal of the dead : inhumation vs. cremation The only (visible) method of disposing of the dead throughout the duration of the Arras Culture was inhumation. On the Continent, however, cremation was already present – together with inhumation – in LT A

in the Middle Rhine / Moselle area (and in the Belgian Ardennes) and as from LT C1 it became the rule. In other areas, like the Aisne-Marne and Paris, inhumation continued until the end of LT C. It is, therefore, more likely that the impetus came from these last two regions. It is also remarkable that when the Continent changed to cremation, the Arras Culture did not follow. If inhumation was adopted from the Continent, it was not copied in every detail. In northern France, bodies were extended on the back, in an east-west orientation (although the east-west orientation did not seem the rule anymore towards the end). In the Arras Culture, bodies were flexed, crouched or even contracted, usually north-south (laying on their left side and thus facing east). Such a position was extremely uncommon on the Continent – in fact in can be seen in some of the pit burials which are for example frequent in the Paris Basin (Delattre 2000) but there is also a crouched inhumation among the burials of a cemetery in Dormans (Marne) (Guillaume 1964: 5152, fig. 3). It was, however, the normal position of a body in the Early Bronze Age cremations in Yorkshire, as in fact it was in several places in the rest of Britain, but also on the Continent. If excarnation was practised during the later Bronze Age and the early Iron Age, then it is possible that the body was placed on the platform in a crouched position, as it was laid in the grave during the Early Bronze Age. When inhumation was picked up again with the Arras Culture, the body would continue to be placed in the grave in the same way. Bevan also assumes that crouched inhumations have “developed from a funerary rite based on excarnation” (Bevan 1999: 124). Towards the end of the Arras Culture (1st century BC), extended east-west burials appeared (type B ­burials – see table 1), which also differed from the north-south burials in other respects (deeper grave pit, more shallow circular/oval ditches, other types of grave goods), but apparently originated within the same families (Stead 1991: 134 fig. 83; 181). At this ­moment, i­nhumation was not practised on the Continent anymore, nor was it common anywhere else in Britain, so no foreign influence can be demonstrated there.

Complete and dismantled chariots Another issue to be discussed is the arrangement of the vehicle in the grave pit. On the Continent most chariots have been put in the grave complete, although there are examples of (partially) dismantled vehicles. In fact already some of the Late Hallstatt wagons were taken apart (wheels taken off etc.). A very clear example of a LT A2 disassembled chariot burial is burial 6 of Bescheid (Haffner, Joachim 1984: 75, 78, fig.7). More examples of chariot burials that have been dismantled to various degrees can be found in the Paris area: in one of the Bouqueval chariot burials the wheels were taken off (Guadagnin 1984: 44) and in Plessis-Gassot the box was lifted from the axle (Ginoux 1999). Parisi ≈ Parisii? Of a completely different nature is the question whether there is a connection between the “Parisi” of East Yorkshire and the “Parisii” of the Paris area. Both names are known from classical sources. The geographical area of the Arras Culture by Ptolemy in his Geography is referred to as being populated by the “Parisi”.The Geography was written between 130 and 170 AD, but is based on earlier sources, in this particular case probably from the 1st century AD (Stead 1965: 78-79).Therefore, it is not unreasonable to assume that the Parisi can be equated with the people of the Arras Culture.The Gallic “Parisii” are mentioned a few times by Caesar, for example with regard to their former alliance with the Senones (DBG VI.3). Is there a link between the Parisi and the Parisii? The shared burial tradition could point in that direction.The name means “The Cauldron People”; unlike names that refer to toponymical features, this name is less likely to have come into use independently. If there is a connection between the two names, chances are that there was a physical move of people from the continent to Yorkshire, rather than someone from Yorkshire having picked up the habit in Gaul. It seems fairly unlikely for a population to adopt another people’s name because they imitate their burial tradition. This physical move may perhaps have involved just a limited number of individuals: maybe the name

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originally referred to just a few influential people originating from Gaul, and was later extended to refer to the population as a whole. Square enclosures Even though several elements point in the direction of a link with the Paris area, there is one serious argument against it: there are no barrows and/or enclosures in the Paris area, whereas this is a common feature in the Arras Culture. Square barrows cannot be traced on the Continent and although their existence cannot be excluded, all that remains to compare are square enclosures. Most square enclosures on the Continent date to LT D. In appearance, the famous cemetery of Wederath-Belginum in the Middle Rhine / Moselle area which covers a time span of no less than 800 years (roughly from 400 BC to 400 AD) looks very similar to East Yorkshire cemeteries like Wetwang and Rudston / Burton Fleming, but the earliest square enclosures are only from the end of LT D1. This makes them at least 200 years later than the first square enclosures in Yorkshire which go back as far as the beginning of LT B2 (ca. 325 BC). If the practice of square enclosures was adopted from the Continent, one should search for areas in Gaul where square enclosures occurred at such an early date. An area with both chariot burials and square enclosures is the Aisne-Marne region. The typical cemeteries with joint square enclosures date from LT C and D, like Ménil-Annelles, Ville-sur-Retourne, La Neuville-en-Tourne-à-Fuy. They seem to be specific for the Remi as they are unknown south of the Marne, nor in the Sénonais or in Picardy (Lambot 2000: 158). The large Arras Culture cemeteries with joint enclosures would be contemporary with these cemeteries, but single square enclosures do also occur at an earlier date in the wider Aisne-Marne region. In the cemetery of Vouzy (South Champagne), an evolution can be seen from Late Bronze Age circular enclosures to Early Iron Age square enclosures (Lambot 2000: 150). Circular enclosures, however, still remained in existence in the Iron Age. A majority of the chariot burials are set within circular enclosures, but many have no enclosures at all. Only a small proportion of the char-

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iot burials are associated with square enclosures.There is a much greater variety in shape: the typical “bouchon de Champagne” enclosures for instance are absolutely unique. An area with no chariot burials but with square enclosures is situated around the confluent of the Seine and the Yonne (Senones country in the 1st century BC). Several examples are attested for the LT B2 period (Lambot 2000: 153, fig.12; Séguier, Delattre 2005: 247, fig.5)). In the Paris region, square enclosures are seemingly absent. In the older excavations (Nanterre, Attichy), possible enclosures may have gone unnoticed, but none of the chariot burials examined under modern conditions were surrounded by ditched enclosures. They were all part of small, aristocratic cemeteries with less than 20 inhumation burials, mostly dating to the 3rd century BC. Particularly in Bouqueval and in Roissy, La Fosse Cotheret the burials were concentrated on a small plot of land, not leaving much space for enclosures, or barrows for that matter; the cemetery of Plessis-Gassot had more space, but there were no ditched enclosures (see Lejars 2005: 81, fig.11). In the large cemetery of Bobigny, Hôpital Avicenne the burials are even more closely packed and there are several intersections. The cemetery covering the 3rd and the 2nd century BC contains over 500 burials, almost all inhumations (Le Forrestier 2005). A flexed burial within a square-ditched (palisaded) enclosure of which the contemporaneity is not attested, is reported on the adjacent site of Bobigny, Les Stades de la Motte (http:// www.atlas-patrimoine93.fr). While funerary enclosures become a recurring feature in adjacent areas like Picardy and the Champagne-Ardennes, they never seem to experience a breakthrough in the immediate surroundings of Paris. No perfect match, so no migration? If the features that are typical for the Arras Culture are the result of a migration from the Continent, the immigrants had no obvious influence on local material culture. They must have been a small group, large enough to gain some kind of control and/or prestige, but without much craftsmanship potential. Furthermore, an explanation needs to be found why the

burial rite that they introduced shows links with different regions on the Continent. Was their group perhaps composed of people from different regions? This in itself could be the result of elite networks. Alternatively, the differences with the Continent could be the result of local development, in which case “better fitting” examples of early date are yet to be unearthed in Yorkshire. Ultimately, perhaps the perfect match on the Continent is still to be found! Assuming that immigrants from Northern France were involved, it is important to examine the situation in their country of origin at the time concerned and in the preceding decades, but this is a precarious matter.The traditional migration model for the AisneMarne region has been challenged by Villes (1995), but “l’installation des Parisii” still seems to go largely uncriticised. This settling down of the Parisii is assumed to be hinted at by Caesar when he writes about the former alliance of the Parisii with the Senones (DBG VI.3), but ending an alliance does not imply a physical movement. Secondly, what needs to be established is the social structure of the land of origin, to judge to what extent migration is an option to deal with internal conflicts or problems. Inheritance laws on property and internal competition may urge young noblemen to leave with their retainers and settle down elsewhere. Finally, a certain degree of exchange of ideas or goods could be expected between the country of origin and the new land (see Kristiansen 1998: 319-320). This cannot clearly be established, certainly not over a long length of time, unlike for example the interaction between Southern Britain and the Continent towards the end of the Iron Age. Elite networks Moving away from the migration model might open the way for other models which could overcome some of the problems encountered above. The “pick and choose phenomenon” for instance could easily be explained in an elite network model, where (simultaneous) contacts with different regions would be a basic characteristic. What should also be considered is that square barrows and chariot burials may not necessarily have been adopted together.

There is, however, one question that must be addressed. The earliest chariot burials in the AisneMarne go back to the third quarter of the 5th century and their hayday in the area can be situated in the decades around 400 BC. Why did it take a 100 years or more for chariot burials to appear in the Paris area and in Yorkshire? Was this the result of intensified contacts during LT B2, and if so, what was the cause of such intensified contacts? This question is too large to address within the scope of this paper, but is certainly worth further investigation. Elite networks are often called upon to explain similarities in art and culture between geographically removed populations, but the attempts to describe their exact nature are much less frequently encountered. How did these networks come about and how were they kept alive? To answer these questions, in a later stage of this project various mechanisms will be studied which are likely to have created bonds between the upper classes across Europe, like political marriages, exchange of hostages, fosterage and clientship. To this purpose classical and early medieval Irish and Welsh sources will be examined, which, although they describe societies which existed several centuries later, will, as palaeoethnographic analogies, allow to set up explanatory models as to how “high society” networks could have been established and maintained. Another issue to be investigated is what the classical and medieval sources can tell us about the role of the druids with regard to the transmission of religious ideas and beliefs over long distances. Maybe Ian Stead’s suggestion that: “Perhaps the immigrant was a wellconnected evangelist” (1991: 184) should be further examined in this respect. Assuming that phenomena as those described above had created bonds between the various regions involved and further assuming that the inheritance system in Yorkshire was similar to that described in the old Irish laws, the following scenario could have taken place. The old Irish Laws state that a woman can inherit a life-interest in land when her father has no sons; if she marries a foreigner, she is the one with the legal status, not her husband, as the normal situation would be (Kelly 2003: 76, 104). This rule may have induced a young heiress in Yorkshire to find a foreign husband. Such a foreign husband could perhaps be found among

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her father’s foster sons, one of which may have been a young nobleman from Gaul, who for some reason was not in a position to inherit land in his country of origin. Marriage would seem like a convenient arrangement for both parties and it would tighten the links between the two families. The marriage may have directly or indirectly led to the adoption of new burial customs. The man himself was perhaps buried in the way of his home country when he died, but alternatively the ritual was taken over at a later stage. In a different scenario, a Yorkshire aristocrat may have gone to visit friends and relatives in various places in Gaul, where he comes to the conclusion that their lavish burial rites are exactly what he needs to boost his family’s prestige. When his father dies he gives him a funeral that will be remembered for ages, and that will soon be copied by neighbouring families exhibiting the same desire for prestige. After a few generations the traditional ties could get looser and even sink into oblivion. Changing circumstances could favour bonds with families or groups in other geographical locations. A chariot burial in Scotland The chariot burial found in 2001 near Edinburgh Airport in Newbridge (Carter, Hunter 2003), was intentionally omitted from the above account. Not only the geographical location, but also certain character-

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istics distinguish it from the Yorkshire chariot burials, although there are several similarities. In this particular case no evidence for a square ditched enclosure was found, but several square enclosures are known from Scotland, mostly through aerial photography (Murray, Ralston 1997; Whimster 1981: 344). The vehicle, radiocarbon dated between 520 and 370 BC, was buried intact.There were separate pits for the wheels, as often occurs in the Aisne-Marne. The tyres had no nails, but they had flanged edges (Fraser Hunter, personal communication) which would also have helped to keep the wooden felloes in place. Taking all this into consideration, this chariot burial could be older than any of the Yorkshire ones. If further chariot burials were to be discovered in Scotland, the possibility should be considered that the immediate origins of the Arras Culture are to be found up North and that there is no direct link between East Yorkshire and the Continent. However, at the current state of knowledge, such a conclusion would be a little premature.

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Diskussion John Collis The peculiarities have to be underlined. Arras is strange in the british context; as is Aisne-Marne in the french one.We know very few burials in “Caesar‘s Gaul”. It should be looked at from another perspective as far as isolation and not changing are concerned. Other aspects of the continental context as e.g. marzabotto brooches exist from all over Britain. The relationship of Britain and the Continent seems quite close in the 7th to 5th century BC and is then falling off. Here another peculiarity of the Arrastime/-culture, that maintains some connection, shows. Greta Anthoons In the study these points are looked at as well. But for the paper some aspects had to be shortened out. Chris Lucianu How about the size range/size distribution of the square barrows? Greta Anthoons The barrows in Yorkshire are not as large as in France – the range extends until 15 x 15 m at the most, the majority being smaller. John Collis In the overall view the earlier barrows tend to be the bigger ones, also erected on the ground surface; as for the later ones are smaller and the burial dug in underneath floor level. Chris Lucianu Is there a connection between burial size and the size of the dead body resp. the chariot? Greta Anthoons Although the chariot size to a certain extent determines the burial size, there is no distinctive striking point about these measurements. Such statistics were not in the centre of attention during this study. Chris Lucianu Referring to studies of bavarian graves, there is a connection between grave size and corpse size.What about orientation?

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Greta Anthoons The graves themselves show no distinctive features concerning orientation. The bodies lie NS orientated (on the continent EW) on their left sides thus facing east. Marie Louise Stig Sørensen The study looks at the chariot burials isolating them from the rest of the graveyard.The correlation to the other graves would be interesting and is to bear in mind when studying these exceptional burials. Further should the cultural landscape also be investigated; e.g. interactions like fosterage, which concern only a few persons out of a society too. Greta Anthoons This and the ritual landscape as well are part of the study as a whole, but were not chosen for this paper. There is e.g. a connection with the near river, as the burials refer to the high water line respecting the floods that raise once a year.

Zusammenfassung der Diskussion The peculiarities of both Arras and Aisne-Marne are emphasized. These two stand out of the general picture of the epoch and their geographical neighbours in several aspects. There is no distinctive striking point concerning the measurements of the graves and the barrows. Average barrows tend to be smaller in Yorkshire (reaching a maximum of approx. 15 x 15 m; and being rather bigger in the early phases, as long as erected on ground level compared to the later ones, with a dug in burial). The graves themselves show no distinctive features concerning orientation. The bodies lie NS orientated (on the continent EW) on their left sides thus facing east. The ritual landscape and the correlation of these exceptional graves to the rest of the graveyards were not mentioned in the paper, but are nonetheless part of the referred to study.

From head of kin to king of a country. The evolution of early feudal society in Wales Raimund Karl

Abstract The first reasonably fully historically attested societies in Wales clearly are feudal societies, with kings, a landed nobility, and a huge number of landless tenants, who work the land of their respective lord and have to pay rent for the privilege.Yet, in the medieval texts which describe this feudal society, the honour-price and wergeld of a pencenedl, ‘head of a kin-group’, exceeds that of a brëyr, ‘noble’. In the same texts, one term used for the feudal vassal is gwas, which also has the secondary meaning ‘lad, boy, young man’. Below the nobility, but above the tenants, we also find the g wr ˆ rhydd, ‘free man’. There is little doubt that middle and early late Bronze Age societies in Wales were primarily organised along lines of kinship. In kinship-based societies rank is frequently determined by social age.The different social ranks that must have existed in such societies could very well be described by the linguistic ancestors that can be reconstructed for the above terms: common Celtic *k ennom kenetlom for the social senior within a kin-group, * iros for the head of a close kin, and * ostos for all social juniors within the kin-group. This paper will analyse the archaeological, historical and linguistic record to construct a model of how middle Bronze Age kinship-based societies slowly evolved into early feudal societies in the Iron Age and later developed into the early medieval Welsh states. This process transformed the successful head of a kin-group into a *mrogir¯ıx, a ‘king of a country’, and transformed the kin-group, *kenetlom, into the nation, cenedl.

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Zusammenfassung Die ersten historisch belegten Gesellschaften in Wales sind eindeutig Feudalgesellschaften, mit Königen, einem landbesitzenden Adel und einer breiten Unterschicht, die am Land ihres jeweiligen Herrn arbeitet und für dieses Privileg Abgaben zahlen muss. In den mittelalterlichen Texten, die diese Feudalgesellschaft beschreiben, wird dem pencenedl, dem ‘Haupt der Verwandtschaft’, ein höherer Ehrenpreis und ein höheres Wergeld zugemessen als dem brëyr, dem ‘Adeligen’. In den gleichen Texten findet sich als Begriff für den feudalen Vasallen auch der Begriff gwas, der als Zweitbedeutung auch ‘Knabe, Bub, junger Mann’ hat. Unter dem Adel, aber über der Unterschicht finden wir auch den g wr ˆ rhydd, den ‘freien Mann’. Es steht weitgehend außer Zweifel dass mittel- und frühe spätbronzezeitliche Gesellschaften in Wales primär als Verwandtschaftsverbände organisiert waren. In Verwandtschaftsverbandsorganisationen wird der gesellschaftliche Rang oft durch das soziale Alter einer Person bestimmt. Die unterschiedlichen Ränge, die in solchen Gesellschaften existiert haben müssen, können gut durch die rekonstruierbaren linguistischen Vorgänger der oben genannten Begriffe beschrieben werden: Keltisch *k ennom kenetlom für den sozialen Senior in einem Verwandtschaftsverband, * iros für das Oberhaupt einer Familie, und * ostos für alle sozialen Junioren im Verwandtschaftsverband. In diesem Beitrag werden archäologische, historische und linguistische Quellen untersucht, um ein Modell zu entwickeln, dass die langsame Evolution von bronzezeitlichen verwandtschaftlich zu eisenzeitlichen feudal organisierten Gesellschaften und später zu den frühmittelalterlichen walisischen Staaten zu erklären vermag. Dieser Prozess verwandelte das erfolgreiche Oberhaupt eines Verwandtschaftsverbands in einen *mrogir¯ıx, ‘Landeskönig’, und den Verwandtschaftsverband, *kenetlom, in den Nationalstaat, cenedl.

Societies are meaningfully constituted (Giddens 1984). To understand or explain any kind of society, whether prehistoric or historic, it thus is imperative to first uncover the meanings that helped constitute the specific kind, or the general type of society studied. In my paper delivered to the first ’Interpreted Iron Ages‘ conference, I examined a specific concept, that of a ’king of a people‘, Celt. *to tor¯ıx, and how it might be applied to archaeology to increase our understanding of Iron Age societies in western, ’Celtic‘ Europe (Karl 2005). In this paper, I will attempt a much wider ranging study, focussing specifically on later prehistoric Welsh societies, and the evolution of these societies from ones based primarily on kinship to such based primarily on ethnicity as the main unit of socio-political self-identification. Particular attention will be paid to the role of the respective ’heads‘ of these societies in the transformation that turned the former into the latter, and how this is reflected in the archaeological, historical and linguistic record. While thus arriving at a social evolutionary meta­

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narrative, it has to be stressed that the transformative processes are local ones, affecting small-scale, localised, individually different societies in individually different ways. The similarities between these societies that nonetheless emerge, and thus allow to generalise individual transformations into a ’unified‘ metanarrative, are the result of statistical laws affecting complex interactive systems which evolve from similar initial conditions, subject to similar ’strange‘ cultural attractors (Ruelle 1992; Prigogine 1997; Marion 1999; Karl 2006a). Material culture may be meaningfully constituted (Hodder 1986; 1989), but the meanings expressed are anything but apparent. In this context, it is particularly baffling that, even though archaeology has taken the so-called ’linguistic turn‘ along with other social scien­ ces, it has consistently ignored historical linguistics as a tool to reconstruct prehistoric meanings. Even colleagues who demand, like Simon James (1999: 67), to let Iron Age people speak for themselves, hardly ever seem to even have attempted as much.To demonstrate

the significance of trying to assess prehistoric meaning via historical linguistics, however, it seems necessary to take a quick look at the role that language is ascribed in sociological theory in the constitution of society. Societies and meaning Modern sociology, of course, is anything but a uniform, monolithic block, characterised by a single, unequivocally accepted communis opinio, but equally diverse and inhomogeneous as modern archaeology (see e.g. Latour 2005 for a somewhat different view than the ones summarised here). The following selection of theories thus is not to be understood as a complete summary, but rather as a subjective choice of those theor­ies which, in my opinion, are relevant to the matter in question. The theories chosen share the common feature that they put great emphasis on the role of communicative, reflexive agency or information exchange, and derive the origin, evolution and tradition of cultural practices, communal institutions and social systems from the meaningful interaction between individual members of any given society. According to Pierre Bourdieu (1977), cultural information is transmitted through the habitus, the „right“ way of behaving in any given situation, which is acquired by the members of a society through social practice. As a consequence, the meaning of habitual actions is intuitively understood by all members of that society. Both habitual actions and actions carried out in opposition to habitual expectations, in turn, take place within the field of the doxa. The doxa are the socially accepted, unquestionable reality, the factual, the natural order of things and the world (Bourdieu 1977: 164). The doxa themselves, however, as the seemingly objective conditions of existence, which help constitute the beliefs of all members of a given social group, are in turn socially constructed. They are constructed through communal practice, but equally through those institutions that shape and are shaped by the collective thinking of the members of the community, especially language, myths, and art: ‘The self-evidence of the world is reduplicated by the instituted discourses about the world in which the whole group’s adherence to that self-evidence is affirmed.’ (Bourdieu 1977: 167). According to Anthony Giddens’ (1984) theory of

structuration, conscious human action is guided by reflexive, meaningful agency. Giddens writes: ‘It is the specifically reflexive form of the knowledgeability of human agents that is most deeply involved in the recursive ordering of social practices. Continuity of practices presumes reflexivity, but reflexivity in turn is possible only because of the continuity of practices that makes them distinctively ‘the same’ across space and time.’ (Giddens 1984: 3), and continues: ‘The durée of day-to-day life occurs as a flow of intentional action. However, acts have unintended consequences; and ... unintended consequences may systematically feed back to be the unacknowledged conditions of further acts.’ (Giddens 1984: 8). The continual flow of everyday life and the unintended consequences of reflexive agency transcend the life of the individual agent and thus constitute the longue durée of the institutions. Agency and structure form a duality, actions reflexively refer to structures, while structures are constituted by the reflexive actions of individual agents (Giddens 1984: 34-7). Giddens himself uses language as a primary example, the reasonably correct use of the English language, as it is used in this contribution, to adapt his example to this paper, unintentionally but regularly helps in the reproduction of the English language as a whole (Giddens 1984: 7-8). The direct relation between cultural tradition and language is also shown by Giddens’ argument that competent agents usually are able to express the intentions and causes of their actions discursively, i.e. explain their actions in a language (Giddens 1984: 67). Language and agency are coupled in a meaningful context. Closely comparable to this is Jürgen Habermas’ (1981) theory of communicative agency, even though there are quite considerably differences between his work and that of Giddens’. These differences, however, need not concern us here. According to Habermas, communicative (=meaningful) agency is the driving force of social evolution and systemic reproduction. The role of language as one of the primary tools of communicative agency is obvious. Even more radical is Niklas Luhmann’s (1984) social systems theory. Luhmann treats social systems as pure communicative systems, as systems which operate with meaning as their central and core element and purpose. According to Luhmann, social systems are autopoietic systems, i.e self-generating and self-organising systems,

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in which communication itself communicates.To Luhmann, humans are part of the system’s environment, the carrier medium, but not part of the system itself (Luhmann 1984: 346). The individual social agents are introduced through the interpenetration of social and mental systems, with language the tool to transform ‘social into mental complexity’ (Luhmann 1984: 368). As a consequence of the interpenetration, and thus interdependence, of mental and social systems, the mental systems of carriers of the same social (= communicative) system show a higher degree of similarity to each other than to those of carriers of different social systems (Luhmann 1984: 286-345). Here, too, the importance of language as one of the – if not the most important – tools of communication in social systems, and as the transformational tool in the interpenetration of social and mental systems, is plainly obvious. From this it would appear that language has to be seriously considered if we try to reconstruct Iron Age meanings. It is all the more surprising that, even though particularly Bourdieu and Giddens are amongst the most frequently quoted modern social theorists in archaeological literature, historical linguistics and the significance of shared language in the (local) constitution of societies has been largely ignored by archaeologists. Meaning made explicit: language We can be reasonably sure that most of those different Iron Age societies that we can observe in the central and western European archaeological record spoke closely related languages, which linguists have decided to call ‘Celtic’ (Ball and Fife 1993). Although we can only estimate the maximum distribution of Celtic languages in Antiquity, we have reasonably good evidence of their core distribution from place names documented in sources from Antiquity (Sims-Williams 2006: map 11.1; fig. 1). Of course, this distribution has to be considered with some caution (for general caveats as well as an explanation of the methodology for establishing this distribution see Sims-Williams 2006): the place name record has gaps in areas where ‘Romanisation’ was less effective, and of course beyond the borders of the Roman Empire. For instance, it is generally assumed that

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at least during some parts of the Iron Age, Bohemia, which was never part of the Roman Empire, had been linguistically predominantly Celtic (Birkhan 1997: 99, 124, 180-1, 251). Equally, we have to take account of the possibility of prehistoric linguistic change. Migrations of speakers of Celtic into non-Celtic-speaking areas, like the historically attested ‘Celtic’ migrations into northern Italy and Turkish Galatia, introduced Celtic languages in areas where they had not been spoken before (Rankin 1987; Dobesch 1993; Tomaschitz 2002). Similarly, migrations in which Celtic-speaking populations ‘abandoned’ areas, like the historically attested abandonment of southern Germany and the attempted Helvetian migration into Gaul (Dobesch 1993; Rieckhoff and Biel 2001: 269-76; Tomaschitz 2002: 194-206), may have led to linguistic replacement of Celtic with non-Celtic languages. Besides migrations, other reasons (economic or political pressure, to name but two) may also have led to in linguistic changes in prehistory, both such that introduced Celtic languages, and such that caused them to be replaced. Nonetheless, while the precise borders of the core and maximum distribution of the Celtic languages in later prehistory may be open to discussion (for instance, whether western Ireland was already predominantly Celtic-speaking during much of later prehistory, or whether it was only thoroughly ‘celticised’ during the latest Iron Age), it is clear from the evidence that much of central and western Europe was predominantly speaking Celtic languages in much of later prehistory. Thus, the Celtic languages may provide us with useful evidence for recovering explicit meanings in which Iron Age people in those areas might have expressed their thoughts. Before we look at actual terms, a second caveat has to be mentioned. Of course, words, as more or less arbitrary signifiers (Saussure 1995), are not fixed to specific meanings either. Rather, the meaning of words changes, much like the form of words also changes over time. As such, if we have a word with a known meaning in a Celtic language attested in the 12th century AD, of which there is an earlier form attested in late prehistory, or where such an earlier form can be reconstructed, we have no guarantee that this earlier form of the word actually had the same meaning as the one attested in

Fig. 1: Likely distribution of Celtic languages in Europe, based on place names documented in sources from Antiquity (adapted from Sims-Williams 2006, map 11.1).

the 12th century AD. And even though our chances to reconstruct the prehistoric meaning of a word – with reasonable probability of being at least roughly correct – are considerably improved if the word exists in several Celtic (or other Indo-European) languages with attested, closely similar meanings, there still remains the possibility that the signified changed, and an old word, meaning something quite different, was similarly associated with the new meaning across all languages. In the latter case, while it is highly likely that the later meaning is, in many regards, similar to the earlier one (as this is, besides the possibility of the word being an unidentified loan-word, the only reasonable explanation why the speakers of several different languages should chose the particular word in question as the signifier for a new meaning), and that these earlier forms in turn were all associated with this earlier meaning,

the earlier meaning is lost. Luckily, it is not a precise meaning that we have to be interested here, a rough approximation should be good enough, at least for the time being. And even though we have to be aware that any reconstructed late prehistoric meanings are, to some extent, conjecture, the fact that such shifts to a new, similar meaning across several languages implies the existence of an earlier, reasonably similar meaning associated with earlier forms of the word, should allow us to arrive at reasonably solid approximations of late prehistoric meanings (although it becomes much more difficult the further we go back in time, see Pokorny 1959; Delamarre 2003: 11-2). Keeping these limitations of reconstructions in mind, we can now try to look at some of the explicit meanings, as expressed through late prehistoric Celtic languages, that late prehistoric people in central and

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western Europe may have used to express some social concepts that need to concern us here. But before we do this, some general words need to be said on the research question of and methodology employed in this paper. Research question and methodology Assessing prehistoric meanings is only possible via explanatory models.To create a model, we first need a research question, which the model tries to answer. The question I try to answer in this contribution is: how are late prehistoric (western) European (specifically Welsh) societies constituted, and (how) do they evolve into those attested in the first historical records? To build a model suited to answer this question, it will be necessary to start at the back end, where terms and their associated meanings are attested. To assess these two elements, terms and meanings, it is necessary to look, on the one hand, to comparative historical linguistics, to reconstruct a likely Iron Age terminology, for the society as well as the social roles that helped constitute the society. On the other hand, it is necessary to look to comparative (legal/social) history, to establish the meanings associated with the attested terms and reconstruct the likely meanings associated with the reconstructed terms.These then can be transformed into a theoretical evolutionary model, which should allow for a logical development from a – at first only relatively dated – earlier state to a later state. This model then can and needs to be tested against reality which, in the case of my specific study, is the later prehistoric Welsh archaeological record.This will allow to establish whether the model is contradicted by reality or not. In other words, the viability (von Glasersfeld 1998: 18-31) of the model will be assessed. In this article, this will be done in conjunction with the development of the theoretical model of social evolution, rather than separately, because this will allow for a better understanding of the transformational processes affecting the evolving societies in later prehistoric Wales. If the model, in the assessment, successfully fits the reality of the archaeological record, the archaeology automatically establishes a time depth for the processes involved, thus turning the relative chronology of

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the theoretical model into an absolute chronology of the applied model. Here, yet another caveat needs to be mentioned: the methodology employed is reconstructive. As such, it is based on a general assumption that there is a considerable amount of continuity between the starting point chosen for this discussion (the late Bronze Age), and the end point, the first reasonably well attested historical societies in early medieval Wales. This, of course, is by no means a given fact. By using the end point of the assumed evolution as the source for creating the model for its starting point, as well as for the proposed processes transforming it into those attested in the sources used to create the model in the first place, I consciously take the risk of creating a circular argument. While the assessment of the archaeology helps to partially overcome this problem of circularity – after all, if the model is not suited to explain the archaeology, the two should, theoretically, not fit – the basic assumption of continuity may result in an imposition of the model upon the data, with the data being made to fit the model, rather than doing so naturally. However, for the approach taken here, this general assumption of a basic continuity underlying the methodology, and the risk of circularity following from it, not only seems a risk worth taking, but a necessity for it to work. More­ over, not only does it fit well with current ideas about the emergence of order in near-chaotic complex interactive systems (Ruelle 1992; Prigogine 1997; Marion 1999), it also fits well with the generally quite high degree of similarities found between early historically attested so-called ’Indo-European‘ societies (Benveniste 1973; Renfrew 1987; Mallory 1989), which must have emerged some time in later prehistory. While the risk to gloss over fundamental discontinuities in the prehistory of Britain that necessarily follows from this approach has to be kept in mind, it is also necessary to point out that no such fundamental discontinuities or differences have so far been fully convincingly demonstrated. Where they have been proposed (e.g. Hill 1995a; b; 2006; James forthcoming, quoting ’personal comments‘ from J.D. Hill), the argument has ultimately been based on the equally problematic, equally preconceived opposite assumption that they must exist (which is usually well hidden), and not been demonstrated independently.Thus,

they depend on the same risky circular logic as this argument. Moreover, they mostly fall into the trap of taking the first historical attestations – if they consider them at all – as evidence demonstrating a fundamental change (sometimes as a result of contact with the Romans, for a criticism of the same assumption regarding late Hallstatt societies in southern Germany see Krausse 1999), without being able to actually provide any kind of mechanism or even only explanatory model how that change supposedly worked. Seemingly, fundamentally different local, small-scale societies suddenly all decided (or were forced?) to change even their most fundamental social institutions, from the social construction of the immediate family to all other aspects of social life – with no explanation whatsoever being given as to how (and why) that should have happened, and happened in very similar ways across much of northern, central and western Europe.There can be

no doubt that prehistory may have been discontinuous, but it is a logical fallacy to assume that just because it may, it necessarily must have been. In fact, where historically attested periods are concerned, both historical scholarship and our own individual life histories seem to tell us that, if at all, fundamental discontinuity is the rare exception, not the rule. As such, until a perfectly convincing argument for fundamental discontinuity (and that, as the rule) can be presented for Welsh later prehistory, as long as this caveat is kept in mind, the approach taken here seems to be justified. The ’ethnic group‘ in later prehistoric Europe The Celtic languages, as well as the Germanic, Italic and several other minor western Indo-European languages provide us with an attested term for the community. Derived from a ‘common Celtic’ root *to t¯a

Fig. 2: Distribution of attestations of terms for the ‘ethnic group’ derived from IE *te teh2

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View publication stats

Celt. *kenetlom

Celt. *to t¯a

Irish

Welsh

Gaulish

Irish

Welsh

Gaulish

territory

fintiu

gwely

?

bruig

bro

brog(i)-

head of community

cenn, cenn fine

pencenedl

(cenn- ?)

rí túath

brëyr, (PN tudor)

toutiorix, brogorix

social senior / ‘lord’

fer

gwr

uiros

flaith, tigern

gwledig, tegyrned, uchwelwr

ulatos, tigerno-

sentry, official

-

-

-

immaig

swyddwr, (amaeth)

ambactos

mab, gwas

maponos, uasselitus

(foss ?), céile

gwas, cilydd ?

uassos ?, cele ?

mab aillt ? mab uar ?

?

bodach (of the hut)

social junior / mac, ‘vassal’ macc beoathar ‘adult son’ / ‘tenant’

macc ailte, macc gor

taeog atextos (of the house) (to the house) mab aillt

Table 1: Related structural elements in Celt. *kenetlom and Celt. *to t¯a

we find the cognates Gaul. teuta, touta; Celtiber. touta, OIr. túath, OCy. tut and MBret. tut, tud; from the ‘common Italic’ root *to t¯a the cognates Sabin. touta, Umbr. tutu and Osc. tauta; from the ‘common Germanic’ root *þeuðô the cognates Goth. þiuda, AS. thiod and OHG. diot; further cognates can be found in Venet. teuta, Lith. tautà and Pruss. tauto (for a distribution map see fig. 2). All of them are derived from IE *te teh2, and refer to the ‘people, ethnic group’ (Pokorny 1959: 1084-5; Delamarre 2003, 295-6), and thus are roughly equivalent to Greek ´ ,  ‘a people, race, tribe’ and Latin civitas, ‘a community of citizens, people’. Gaulish also provides us with terms for the member of the community, Gaul. toutios (Delamarre 2003: 300), with a similar formation in OHG diutisc, ‘member of the people’, which has given NHG Deutsch, ‘German’, and Engl. Dutch (Pokorny 1959: 1084-5; Holder 1904: 1804-5). There are also various attested term for the ‘head of the *te teh2’, in Gaul. toutiorix, toutannorix, with cognates in OCy. tutri, Cym. tudri, PN Tudor, OBret. tuder and Goth. PN þiudreiks (Theoderic), a parallel formation in OIr. rí túaithe and possibly also Gaul. , with a parallel formation in Goth. þiudans, ‘king’ (from *teutonos; Delamarre 2003: 295-6; Karl 2005a). Even though IE *te teh2 can describe groups of var-

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ious sizes, many of the early attestations as well as the later, early medieval Irish and Welsh (i.e. ‘late Celtic’) sources (Kelly 1988: 4; Charles-Edwards 1993: 364; Karl 2006b) seem to be referring to a rather smallish community of several thousand members, only rarely of considerably larger sizes. It has been estimated that in early medieval Irland about 80 (Mac Neill 1935: 96) to 150 (Byrne 1973: 7) túatha existed at any given time, with each túath having no more than approximately 3000 members (Kelly 1988: 4). In Dark Age Wales, communities seem to have been somewhat larger than that, probably based on the legacy of Roman provincial organisation (Dark 1994; 2000, also see further ­below), while a much smaller community size is likely to have existed in the late Iron Age (Karl 2006b). While late pre-Roman Gaulish communities may also have numbered in the tens of thousands, possibly even ­hundreds of thousands, these may also have been historically grown, traditional conglomerates consisting of many semi-independent Celt.­­­*to t¯as under the leadership of one or several interrelated ruling kindreds, much like similar groups which existed in early medieval Ireland, like the Uí Néill and Eóganacht (see Byrne 1974; Charles-Edwards 2000; Jaski 2000; Karl 2006a: 467-90).

Structural similarity, conceptual differentiation: Celt. *to t¯a and *kenetlom One of the key problems in describing social evolution in later European prehistory is the difficulty of understanding the transition from presumably mainly kinship-based, ranked societies into such where kinship became secondary to other forms of association, and which could generally be described as stratified societies (Fried 1967). Attempts at understanding this transition have been published by e.g.Timothy K. Earle (1991) and Kristian Kristiansen (1998: 44-61, 394411), but without regarding linguistic evidence. Yet, the latter seems to be worth considering, particularly the relationship between the Celt. *kenetlom, the ’kin group‘, and the Celt. *to t¯a, the ’ethnic group‘. While clearly conceptually different (tab. 1), the internal structures of both these groups show a surprising degree of structural similarities, which may help us to construct a model of exactly this transition process. A closer examination of the structural similarities between the conceptually differentiated terms at each level is required, to fully appreciate how similar the respective elements of the social associated with them are. I will start from the bottom of the social ladder and proceed upwards through the different elements in table 1. The ’adult son‘ and the tenant A term for a special type of son of a living father, the ’educated son‘, is attested in Old Irish, macc ailte, which finds a cognate in Welsh mab aillt, a term used mostly synonymously with taeog, ’hereditary villein, nativus‘ in the medieval Welsh texts (Charles-Edwards 1993: 568; GPC 73; GPC2 172; Vendryes 1959: A-57). A second kind of adult son of a living father is found in Old Irish as mac gor, literally ’warm son‘, which most likely had a conceptual equivalent in Welsh, possibly mab uar, as can be gathered from the precisely identical terms for yet another special type of son of a living father, and direct opposite of the warm son, Old Irish macc ingor and Welsh mab anwar, both literally ’cold son‘ (Charles-Edwards 1993: 568). Both warm and educated adult sons of living fathers remain dependants of their respective father, much like every other child of a living father

that has not been disinherited (the latter being the case with the cold son, who is evicted by the father) and thereby also evicted from the kin group (Kelly 1988: 80). As social and legal dependants (and as such, parts of the household of their respective fathers), both the warm and the educated son are required to fulfil their filial duties, which mainly are to support their father, which in the very least involves labour in their father‘s household as required for it‘s economic viability, and care and nourishment, particularly if their father is too old to run his household (that is, in most cases, his farm) himself (Kelly 1988: 80; Charles-Edwards 1993: 176). While the warm son in Irish law has just some more rights than a son who hasn‘t yet reached adulthood, but otherwise works directly under the supervision of his father, the educated son is granted partial independence in that he is allowed by his father to set up his own business, whether that is carrying out a craft, or running a semi-independent farm on a part of his father‘s land which has been granted to him by his father as a peculium (Johnston 1999: 31-2), i.e as a loan that can be recalled at any time, or as someone else‘s client on land granted by this other person (Kelly 1988: 80-1). At least the latter two are usually considered to have moved out of their respective father‘s house (OIr. tech) into a hut (OIr. both), thus becoming a OIr. fer midboth, ’man of the middle hut‘ (Kelly 1988: 8, 82, 88, 140; MacNeill 1923: 282-6). If we compare this with the role of the ’tenant‘ in early medieval Welsh (and Irish) law, we find an almost perfect structural match. The tenant also either works directly in the household of his lord, or, more commonly, receives some land from his lord, from which he, however, can be evicted at any time, especially if he does not fulfil his obligations towards the lord. These obligations are, mainly, labour in the service of his lord, and the payment of rent, that is, to provide sustenance for the lord. While the tenant is not property of his lord, i.e. not a slave, he is not a freeman either, but is a social and legal dependant of his lord (Charles-Edwards 1993: 364-411, 570), and thus part of the lord‘s household. The medieval Welsh term for the tenant, taeog, is even derived from a Celt. *teges¯akos, ’of the house, household member‘ (GPC 3411-2; with a close parallel formation in Gaulish atextos, ’belonging to the house, household member‘, Delamarre 2003:

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57). Of course, the tenant does not have a ’house‘ of his own, rather, he is imagined as living in a ’hut‘ – most clearly, this is expressed in Old Irish, where one of the terms frequently used for tenants is bothach, from Celt. *but¯akos, ’of the hut‘ (Kelly 1988: 35; cf. OIr. fer midboth for the educated son who has moved out of his father‘s house into his own dwelling, a hut). The close structural similarity between the educated, adult son of a living father and the tenant also finds a clear expression in Welsh terminology, where, as already mentioned above, the Welsh cognate of OIr. macc ailte, Cymr. mab aillt, is used mostly synonymous with taeog in the Welsh law texts (Charles-Edwards 1993: 568; GPC 73; GPC2 172; Vendryes 1959: A-57). The roles of the adult son of a living father and the tenant thus are almost perfectly identical, yet, relatively clearly different terms are used to describe them. The ’social junior‘ and the ’vassal‘ This relatively specific similarity between the adult son and the tenant is reflected, more generally, in the similarity between ’social junior‘ and ’vassal‘. This is especially clear in Welsh terminology, where the term OCy. gwas has two separate meanings, ’1. boy, lad, young man‘ and ’2. servant, employee, officer, vassal‘ (GPC 1590), with cognates found in Gallo-Latin uassus, ’servant‘, Gaul. PN Uasso, Uassilus and Uassorix (’vassal king‘) and OIr. foss, ’servant‘ (Delamarre 2003: 307-8). The term has also been loaned, via Gallo-Latin, into Germanic feudal terminology, Gallo-Latin *uasselitus, ’boy servant‘ giving French valet and Gallo-Latin uasallus, ’vassal‘, English vassal and NHG Vasall. The social junior is – much like the adult son of a living father – under the command of his senior, even though he is not necessarily a social and legal dependant of his senior, that is, he can be a freeman. For instance, in the medieval Welsh law texts, the bonheddig (a noble who has not yet inherited from his father) can be referred to as a g wr ˆ rhydd, lit. ’free man‘, much like the brëyr or uchelwr (a noble whose father has already died and who therefore already is head of his own household). Yet, the bonheddig is quite clearly also a gwas, who serves in the household of another man (Charles-Edwards 1993: 172-81), either militarily as a member of his household troop, OCy. teulu, or,

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possibly, also quite literally as ’servant boys‘, i.e. ’valets‘, as already described by Diodorus Siculus for Gaul in Antiquity: ’The service at the meals is performed by the youngest of children, both male and female, who are of suitable age‘ (Diod. V, 28.4). In turn, however, the senior supports, feeds, equips and possibly also trains his junior (Charles-Edwards 1993:172-81). The role of the vassal again is pretty much structurally identical to that of the social junior. While he is not necessarily a social and legal dependant of his lord, he definitely is under the command of his lord, whom he owes both ’personal‘ and military service. Personal service may include to act as some kind of court official for the lord (Russell 2000: 282-3), but may also have included all kinds of less prestigious service for the lord, OCy. gwasanaeth, ’service‘, e.g. as a porter or estate manager (Russell 2000: 288-93). In return, however, the lord is required to support his vassal, in the very least to ’feed‘ and ’equip‘ him while being a retainer (either directly or by granting the retainer a fief, cf. Bloch 1961), and possibly also already have trained him while he still was a boy (Contamine 2000; Rösener 2000). This, of course, is pretty much identical to the clientele relationships as described by Caesar for ancient Gaul (b.g.VI, 11.4, 13.2; cf. Karl 2006a: 291-327). The ’sentry‘, ’official‘ While all the other elements discussed here can be found both at the level of the Celt. *kenetlom and Celt. *to t¯a, there is one element, the ’sentry‘ or ’official‘ that only appears at the level of the Celt. *to t¯a, but nonetheless needs to be mentioned here – exactly because this role only appears at the level of the Celt. *to t¯a. The cognate terms OIr. immaig, ’sentry‘, OCy. am­aeth, ’farmer, first among the tenants‘ and Gaul. ambactos, ’retainer, official, ambassador‘, all from Celt. *ambi-akto, ’to act around somebody, on behalf of someone‘, again loaned into the Germanic languages as *ambahtaz and continued in Old High German ambaht, Gothic andbaths, Old English ambiht, all ‘retainer, vassal’, with the modern cognates German Amt, ‘public office’, French ambassade, ‘embassy’, and English ambassador (Birkhan 1997: 1041; Delamarre 2003: 40-1; GPC2 192; Holder 1896: 114-5; Pokorny 1959: 4) all seem to refer to

somebody who is acting on behalf of another person, that is, as a sentry or officer/official. Even the Welsh term amaeth, which already in the medieval period only seems to refer to a tenant farmer, most probably is a result of a loss of social prestige of this specific class of early feudal official during the Romano-British period, a point that I have already discussed elsewhere (Karl 2006a: 323-5), but will return to in some detail further below. Here it should suffice to say that the reconstructible Celt. *ambaxtos, ’sentry, retainer, official, ambassador‘ gives us a term for some kind of institutionalised role of officials in an early feudal social organisation.

Latin sources), who has not yet inherited and lives as a gwas in the household of another man (Charles-Edwards 1993: 172-6).As the head of his ’house‘ he also is the superior of everyone living on or utilising his land, with everyone doing so either being his social and legal dependant or at least subject to his authority (Kelly 1988: 7-12, 26-36; Charles-Edwards 1993: 364-411; Karl 2006a: 291-327). As a OCy. uchelwr, ’lord, lit. high man‘, Cymr. gwledig, ’lord, king, prince, ruler‘ (cf. OIr. flaith, ’lord‘, Gaul. ulatos, ’prince, lord‘; Cymr. gwledig2 ← gwlad + -ig, GPC 1676, 1682) or tegyrned, ’lord, sovereign‘ (cf. OIr. tigern, ’lord, noble‘, Gaul. tigerno, ’lord, chief‘; Delamarre 2003: 296), he is a patron, a dominus, not a client.

The ’senior‘ and the ’lord‘ Let us now return to the structural similarities I started to discuss above, and turn to the roles of ’social senior‘ and ’lord‘. A social senior is someone who owns land (usually acquired by inheritance), who has no remaining living male ancestors in the male line of descent. Such a person is – at least theoretically – legally and socially independent, and thus can act (within certain social limits) without support or at the very least consent of some kind of legal or social guardian (Kelly 1988: 7-33; Charles-Edwards 1993: 172-81; Karl 2006a: 6573, 265-91, 349-56). The social senior is also the head of his own household, the superior of everyone living on and/or utilising his land. Everyone who ’serves‘ on his land is, to a greater or lesser extent his dependant or at least subject to his authority (Charles-Edwards 1993: 172-77). As opposed to the social juniors, who are ’boys‘, a social senior is an adult, OCy. g wr, ˆ ’man‘, OIr. fer, ’man‘, Gaul. uiros, all from Celt. * iros, ’man‘ (Delamarre 2003: 321-2), a ’father‘, not a ’son‘. Again, the role of the lord is structurally almost perfectly identical. A lord owns land, either (and probably most commonly) inherited, or (probably less common) granted as a fief, and is – also at least theoretically – legally and socially independent, and thus able to act, mostly without requiring consent from anyone. He is also head of his own household – quite clearly evident from the distinction between OCy. brëyr and uchelwr (optimas in the Latin Welsh sources), the nobles who already have inherited and thus are heads of their own household, and the OCy. bonheddig (nobilis in the

The ’head‘ of the community The same structural similarities exist at the level of the head of the community. The head of the kin group, OCy. pencenedl, lit. ’head of the kin‘, has some authority over his kin members, but not unlimited, he is a primus inter pares, with his influence over other adult kin ­ members mainly based on his personal abilities, wealth, and similar factors (Charles-Edwards 1993: 201-11; Jaski 2000; Karl 2006a: 135-8, 159-60). Among the powers of the head of the kin are the right to ­discipline his kin members, but also to bring ’any child into the kindred by acknowledging its paternity, he gives the child the formal kiss which is the sign of kinship‘ (Charles-Edwards 1993: 203), and seems to generally have been the head of external affairs of his kin group, including contracts, leader of the group in defence and acts of revenge (blood feuds), and generally the representative of his kin in legal and probably also religious affairs concerning the whole of his kin (Charles-Edwards 1993: 201-11; Kelly 1988: 1214; Karl 2006a: 135-8, 159-60). It is noteworthy that kin groups could be of sizeable memberships, as the medieval Welsh laws occasionally require oaths of several hundred men and kin groups dispersed over more than one major ­kingdom (Charles-Edwards 1993: 201203), while in Ireland the term cognate with OCy. cenedl, ’kin‘, OIr. cenél, refers to major lineages, often royal kindreds (Charles-Edwards 1993: 548). Consequently it is hardly surprising that the wergeld and honour-price of the head of a kindred exceeds that of

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the freeman or noble, the OCy. brëyr, in South Welsh texts even fourfold, where it also exceeds that of the highest royal officials, while in North Wales, it is equal to that of the highest royal officials (Charles-Edwards 1993: 203). The role of the king, OCy. breenhin from Celt. *brigant¯ınos, ’eminent, pre-eminent, outstanding‘, again is structurally very similar to the one of the head of the kin.This similarity becomes even more apparent if we take the PN Tudor, from Celt. *to tor ı¯x, ’king of a people‘ (cf. OIr. rí túaithe; Delamarre 2003: 295-6; Karl 2005a), and OCy. brëyr from Celt. *mrogir¯ıx, ’king of a country‘ (cf. Galat. PN , Gaul. PN Andebrogirix; Delamarre 2003, 91; GPC 321) into account.The king, of course, also has some authority over his people, including the right to discipline his people and to adopt new members into the people, e.g. by granting them land, but again, at least where nobles in his realm are concerned, he is only a primus inter pares, with his influence over at least the nobility based mostly on his personal abilities, wealth, and similar factors (CharlesEdwards 1993: 201-11; Jaski 2000; Karl 2006a: 379-96, 467-90).The king also is the head of external affairs of his realm, i.e. he agrees to state contracts and leads his people in both defensive and offensive war, and also is the representative of his people, at least in religious but at least to as far as inter-kingdom legal affairs exist, also in those. The close similarity between the roles of the head of kin and the king are also, even more clearly, expressed in the Germanic languages, where the term for the king is built from the root Germ. *kun-, ’family, kindred‘ (Lupoi 2000: 232-3). The ’kin land‘ and the ’country‘ Finally, there are also clear similarities between ’kin land‘ and ’country‘. Kin land is held in private possession by individual kinsmen, each of which holds a separate (and usually inherited) plot of the kin land. However, ultimate ownership of the land rests with the general kin group, as such, if a kinsman dies without heirs, the plot he held is redistributed among the rest of the kin, there is even some possibility to redistribute parts of the land of some kin members if other members of the same kin are in need of additional lands because their plots have been reduced below the level of

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sustainability by the equal sharing of inheritance between all eligible heirs of a deceased kin member. Also, to care for all the kin land is a shared responsibility of all adult members of a kindred, which includes the defence of the kin land, but also its optimal use and where possible improvement – in other words, if a kin member who holds a plot of kin land neglects this plot, his more reliable kinsmen can take control of his business (Kelly 1988: 99-110; Charles-Edwards 1993: 259-303; Karl 2006a: 132-53). The country, Cymr. bro from Celt. *mrogi, which finds cognates in a wide range of other IE languages, e.g. in Lat. margo¯ , Goth. marka, OHG marca, Avest. mar za-, Pers. marz, all derived from IE *morgˆ-, ‘border, demarcation, district’ (Pokorny 1959: 738; ­Delamarre 2003: 91), is also in private possession, of the ­community of landowners (who usually will have inherited the land, but may have been granted land by the king or some noble as well). However, if a member of the people dies without any heirs and without any more distant kinsmen who could distribute the land between each other, the land falls back to the community, and can be redistributed by the king to one of his retainers or used in any other way he sees fit. But the land of the community is also, to some extent, a shared responsibility of all (at least all landowning) citizens, again most obviously where its defence is concerned, which is a duty of all (landowning) citizens, but again also where its improvement and optimal use is concerned – if a kin does not care that one of it‘s members neglects his land, it can also be taken over by unrelated neighbours (Kelly 1988: 3-10, 105-9; 1995, 389-437; Charles-Edwards 1993). As can be seen from this discussion of elements of the Celt. *kenetlom and Celt. *to t¯a, there are surprisingly close structural similarities between most of the main social roles in both, as well as in the treatment of and members‘ responsibilities towards the land of the respective community.Yet, there is a relatively clear conceptual differentiation between not only these two groups, but also the respective roles in and land of these two groups. This will require some explanation, but before I try to give one, let us have a short look at the Welsh archaeological record of the Bronze Age, and then start from there by building a model of Welsh later prehistoric social evolution.

Fig. 3: Typical Bronze Age round houses from Wales (Lynch 2000, 88)

Bronze Age settlement and society in Wales Bronze Age Wales is characterised by rather unimpressive, simple settlements. Mostly, they consist of unenclosed, simple round houses of c. 5 m diameter, like in Trelystan, Walton, Stackpole or Brenig (Lynch 2000: 88; fig. 3), only rarely reaching up to as much as c. 10 m diameter, like in Glanfeinion (Lynch 2000: 94). Many stand in the landscape on their own, while others come in relatively small, loose clusters, sometimes integrated into associated irregular field systems (Lynch 2000: 8595). Even though there are some problems with their preservation in lowland environments, it can reasonably safely be assumed – partially based on the distribution of burial and other ritual monuments in the Welsh landscape (Lynch 2000: 82) – that they were roughly evenly distributed in both the Welsh lowlands and uplands, even though many of the upland settlements may have been used only during the summer season for pastoral farming, with arable farming mostly (but

not necessarily exclusively) restricted to the lowlands (Lynch 2000: 80-4). Both the settlements themselves and their reasonably equal distribution throughout much of Wales implies (keeping the usual problems of such an interpretation

Fig. 4: The structure of the kin group

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Fig. 5: Distribution of late Bronze Age and Iron Age ‘hillforts’ in Wales, upland zone hatched

in mind, see Karl 2005b) a relatively egalitarian society: the absence of a significant settlement hierarchy, as well as the limited differences in efforts invested into communal monumentality, seem to indicate that there was not a large amount of social stratification. However, some of the more impressive finds, like the Mold gold ’cape‘ or the Llanwrthwl gold torcs (Lynch 2000: 99-110, pl.13), as well as the change from a communal burial rite to individual burial (Lynch 2000: 1218), emphasising the role of and differences between individual deceased to a greater extent than before, indicate the existence of at least some differences in

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rank of individual members of society. Similarly, relatively large scale mining operations, e.g. on the Great Orme, which resulted in an innovative metal industry with wide-ranging connections all over southern Britain and the Continental coasts across the Channel and North Sea in the early and middle Bronze Age (Lynch 2000: 96-9), must have required some degree of organisation, and as such imply at least some degree of social differentiation as well.Thus, there is little if anything in the archaeological record that would indicate a social organisation beyond the level of the kin group, with rank being mostly determined by gender, social

age and similar factors, a kind of organisation which has in fact been proposed for societies which have produced much more evidence for social complexity, like the late Hallstatt societies of southern Germany (Eggert 1988; 1999; Burmeister 2000). Modelling: The middle/late Bronze Age kin group If we can justly assume, as I tried to demonstrate above, that middle and late Bronze Age societies in Wales were organised as kin groups, we can start to construct the evolutionary model that should be able to explain the structural similarities between Celt. *kenetlom and Celt. *to t¯a. We are reasonably safe to assume that such middle/late Bronze Age kin groups would be living on their own kin land, possibly marked out by the partially observable irregular field boundaries (Lynch 2000: 85-95), and also by the placing of communal ritual monuments, which often seem to be placed in the landscape to demarcate territories or boundaries of some kind (Lynch 2000: 127). We are also reasonably safe to assume that such kin groups were mainly structured by factors like gender and social age, and this also is what we find in the above structures as described for the Celt. *kenetlom (fig. 4): The Celt. *k ennom kenetlom, lit. ’head of kin‘ in such a ranked society would nonetheless not be an absolute ruler, but a primus inter pares, not someone belonging to a class superior to all other members of his kin group, but commanding respect because of his personal qualities. Factors like personal charisma, wealth, leadership qualities, know­ ledge and similar ones would provide such a head of kin with what, in Caesar‘s terms, could be called ’summam auctoritatem‘ (b.g. VI, 11.2). As the leader of his kin, he would represent his group in external affairs, but also, most probably, act as a surety for contracts of kinsmen, and lead his community in defensive and offensive acts of communal violence. As the one with the highest authority amongst his kinsmen, he would also mediate/judge in internal disputes, and can very well be imagined as having some right to discipline antisocial kinsmen, as well as adopting new members into the kin group, whether by ’acknowledging its paternity‘ (Charles-Edwards 1993: 203), or by straightforward adoption.

Imbued with lesser authority than the head of the kin, but still considered a full member of the group would be the Celt. * iros, ’adult male, senior‘, characterised by having no living male ancestors in the male line of descent, by having inherited a share of the kin land and thus being head of his own household. As long as such a full member of the kin behaves reasonably responsibly, first and foremost taking care of his own share of the kin land, but also assisting his kin members where necessary, he is socially and legally independent, even though he might occasionally have to call on his head of kin for assistance, for instance when dealing with members of different kin groups. Every other (male) member of the kin, however, would be a Celt. * ostos, ‘lad, young man’, a ’son of a living father‘, someone who had not yet inherited and thus had no own share of the kin land, requiring him to be part of the household of another man, either that of his father or someone else. If living directly in the house of some senior kin member, he would ’serve‘ this other man, whether literally at meals, or by working under the command of that other man. If, on the other hand, he had been granted some plot of that other man‘s land to farm himself, he would live in his own hut, but would have to support his ’benefactor‘ by assisting him with work and some kind of food rent, particularly if the ’benefactor‘ was unable to produce his own food because he was sick, injured, or to old to be able to farm or otherwise support himself. Yet, while different members of the kin do have differing degrees of influence within their community, this is still a continuum of rank, and the degree of influence any individual member of the kin has on his kinsmen may change rapidly and substantially at any time. For instance, the head of kin might be struck down by a long-term debilitating illness, requiring some other member of the kin, the ’next best‘ one, so to speak, to step in and take over the leadership of his kin group (cf. Jaski 2000 for the different relevant factors in Irish early medieval ruling kindreds). Or the father of a ’lad‘ might suddenly have a heart attack, instantly turning the former lowly ’junior‘ into a ’senior‘ member of the community and potential contestant for the headship of the community. Thus, the status of the individual kin member is not fixed to within certain limits, at least theoretically, any one can become

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Fig. 6: Erw Wen and Moel y Gerddi, early timber and later stone phase shown (Davies & Lynch 2000: 164)

the head of his community, if he is sufficiently successful and charismatic. Late prehistoric climate and the changes during the late Bronze Age to early Iron Age transition During the 9th to 7th century BC, the Welsh archaeological record changes, possibly a result of a drastic deterioration of the climate in the early 1st millennium BC. While much of the 3rd and 2nd millennium BC had been characterised by a quite favourable climate, which allowed for relatively substantial exploitation of the Welsh uplands, at least by pastoral farmers (Lynch 2000: 80-4), even though some cereal pollen from upland sites may hint at even some element of upland arable farming (Caseldine 1990: 57), the early 1st millennium BC was witnessing significantly higher rainfall and considerably lower summer temperatures, with progressive deterioration between c. 1000 and 650 BC (Davies, Lynch 2000: 140; Kristiansen 1998: 31). While evidence from beneath Bronze Age barrows shows that even before that increase in rainfall the upland soils were increasingly being degraded, possibly due to overexploitation, the establishment of near complete blanket peat coverage by the 10th century BC seems to have destroyed the viability of pastoral upland farming (Lynch 2000: 84). In this period, the archaeological record changes in two major ways: ritual monuments, i.e. barrows, stone

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and timber circles, which are frequently found in the uplands, are discontinued (Davies, Lynch 2000: 139), while monumentality now starts to appear in the settlement record, but almost exclusively in the lowlands (fig. 5).While small, open settlements, most often consisting of single, unenclosed round houses, continue without major changes from the Bronze Age into the Iron Age, in the lowlands like at Bush Farm (Longley et al. 1998: 194-204), Prestatyn (Blockley 1989: 13-23), but also in the uplands at Ty Tan y Foel, Cerrig y Drudion (Brassil 1992) and Nant y Griafolen (Lynch 1993: 159-63), two new settlement types appear in the lowlands, the enclosed homestead and the univallate hillfort. The former are relatively smallish sites of rarely more than 50 m diameter, with an outer fence, wall, or shallow ditch and low earthen bank, with one or less commonly more than one roundhouse, often placed at or near the centre of the surrounding enclosure, like in Erw Wen and Moel y Gerddi (Kelly 1988; fig. 6). The latter are usually more than 1 ha in size, often even much larger than that, usually contain many round houses (with some, but not necessarily massive differences in house sizes) and frequently also storage buildings (though not necessarily always contemporary with the round houses), and may be enclosed by as

Fig. 7: The evolving kin group, integrating non-kinsmen into the pre-existing structure of the kin group

little as a wooden palisade like in Moel y Gaer (c. 3 ha; Guilbert 1976), or as much as timber-framed ramparts like on the Breiddin (c. 28 ha; Musson 1991). It is tempting to see the emergence of these new, enclosed settlements as a result of increased social tensions, resulting from population movements from the uplands to lower lying, more favourable areas of Wales, an idea that would find some support in the fact that weapons become increasingly common in this period (Davies, Lynch 2000: 180), possibly indicating a rather violent period, particularly in the northern and central Marches, which have produced the earliest hillforts and where weapons are most common (Davies, Lynch 2000: 150). However, this view might be too limited, and it may well be worth considering whether enclosure is not at least as much an expression of ownership rights and social status as it is of defence needs. Either way, what we now see in the archaeological record is the expression of some sort of distinction between households of different sizes, and probably also of different status of their owners. This allows us to return to our evolving model. Modelling: The late Bronze/early Iron Age transformation of the kin group If the population movements and other changes proposed above did happen, it is quite likely that it came to a transformation of the kin-group. Even if all kin groups had used both lowlands and uplands, it is quite likely that some groups had put greater emphasis on upland pastoralism, while others concentrated more on their lowland arable farming. We thus can reasonably safely assume that some kin groups were more strongly affected by the changes resulting from the deteriorating climate than others. As a consequence, some kin groups who coped better will have been approached by considerable numbers of members of not so successful or lucky kin groups for support or the right to join the better off group. While this is not a phenomenon exclusive to crisis situations – simple population dynamics will occasionally lead to highly reproductive kin groups unable to sustain all their members, while less reproductive groups may have more land than they can actually manage, resulting in one group ceding some of it‘s members to the other – crisis situations

tend to amplify it. If the available land and its agricultural returns dwindle, as we have to assume for the late Bronze Age / early Iron Age climate crisis, population density can quickly become higher than can be sustained by the land available to a given group, even if the population shrinks at the same time. As population density in the Welsh uplands seems to drop radically in this period, and as we cannot assume that the unlucky upland kin groups will universally have accepted the fate of slow starvation, at least some part of the upland population must have gone somewhere – and that somewhere, of course, must have been the lowlands. These, however, already were occupied, and there is no reason to assume that there were large stretches of unclaimed land between that occupied by lowland kin. While some of the upland kin may have decided to move as a group, thereby possibly accounting for an increased need for defensive structures in the lowlands, much of this population movement will have been a slow trickle of individuals rather than a big rush. Lowland kindreds who decided to take refugees in, and particularly those who allowed larger groups of non-kinsmen onto their land, must have coped with such sudden expansions of their group by somehow integrating the ’new‘ members into their own established community structure. As we can be pretty sure that the ’old‘ kinsmen were not particularly keen to allow new, unrelated and untested people to have an immediate share in the kin land, the integration of ’new‘ members probably was easiest by putting them into the already well-established roles of other ’landless‘, but nonetheless adult members of the kin group, the role of ’social juniors‘ (fig. 7).Treating such a ’new‘ kinsman like other, ordinary ’junior‘ kinsfolk will have allowed to easily integrate him into the existing community in two ways: either by giving him a precarium, a (recallable) grant of land, much like that granted to an ’educated‘ adult son of a living father which has been mostly allowed to conduct his own affairs, thereby turning the non-kinsman into a Celt. * ostos, ’1. lad, young man‘, which the term now slowly starting to acquire a secondary meaning, ’2. someone who has received a grant (of land or other property), vassal‘. Or, the ’new‘ kinsman could be directly employed in the household of another man, much like a fully dependent child in the household of his father (but possibly living in his own

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’hut‘), thereby becoming a Celt. *teges¯akos, ‘(member) of the household’, a social and legal dependant. Of course, there is a third option to treat non-kinsmen that have ended up on the land of a kin group, and this may have been the fate of those who participated in violent conflicts for ownership of land and lost: that is to treat the non-kinsmen like cattle or other moveable property owned by kinsmen, with the non-kinsmen turned into a Celt. *magus, ‚slave‘. The ’social seniors‘ into whose households those ’new‘ kinsmen are integrated are slowly transformed into ’lords‘ as a result of this process, particularly if there are many ’new‘ kinsmen that need to be integrated in a relatively short time. Especially biological sons of those ’senior‘ kinsmen who invite non-kinsmen onto their land have a vested interest in keep-

ing their inheritance intact and not having to share it with many newly arrived people who, as everyone at this point still very well knows, are not actually related to the ’senior‘. As such, it is unlikely that many of these ’new‘ kinsmen will actually get a share of the inheritance of the ’senior‘ on whose land they have been allowed, rather, most of them will end up as simple tenants who may at the very most inherit the right to use a plot of land, but not possession, let alone ownership of it. From kin group to *to t¯a The new modes of dominance and subservience generated by this transformation of the kin group soon make a remodeling of the whole community a necessi-

Fig. 8: The early Celt. *to t¯a, ‘ethnic group’

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ty. It is at this point that the Celt. *to t¯a, ’ethnic group‘, emerges, based on the structure of the kin group – the structure every member of the community habitually knows and understands (Bourdieu 1977), the structure agents creating a new community ­reflexively refer to (Giddens 1984).Thus, the Celt. ­­*to t¯a is constructed as an imagined, extended kin group: a ’mythical ancestor‘ is ’invented‘ to include all (cf. Lat. to¯ tus; Szemerényi 1987: 60-3) members of this reformed community, even those biologically unrelated to the original ’core‘ kin group (fig. 8).While the original ’core‘ kin group is constructed as the primary, direct line of descent from this mythical ancestor, biologically unrelated subordinate kin groups or lineages are constructed as more remote lines of descent from that common ancestor. While most ’new‘ members who are integrated into the community will not have brought land with them, some newly integrated members may well have possessed land directly adjacent to or at least reasonably close to that of the dominant group, or the dominant group may have subjected neighbouring kin-groups politically or militarily, and the reformed group now lays claim to the country, the whole territory, Celt. *mrogi, up to the outer borders (cf. IE *morˆg-; Pokorny 1959: 738; Delamarre 2003: 91) of the combined kin lands. While each actual kin group retains it‘s structure as a continuum of rank, still mostly depending on social age, personal charisma and other individual qualities (cf. Jaski 2000 for Irish ruling kindreds), social strata slowly start to develop, probably at first separating ’hereditary tenants‘ from those kinsmen who still can aspire to or already have become head of their own household. Subordinate kin groups, on the other hand, are increasingly tied and tie themselves into the dominant kin group by entering into various relationships which establish artificial or actual kinship between the groups, like marriages or fosterage (Parkes 2003; 2004; 2006; Karl 2005c; 2006: 162-76; CharlesEdwards 1993). Partially, these mechanisms of creating kinship may also have been used to establish and express hierarchical relations between dominant and subordinate kin groups (Parkes 2003; 2006). Nonetheless, members of subordinate groups still can achieve most of, if not all roles within the community, even though it will have been very unusual for members of subordi-

nate groups to achieve the headship of the whole community (at least without a major internal power shift within the Celt. *to t¯a). The role of the ‘head of kin’ in this transformation process With the head of the kin being, if my above assessment has been correct, the representative of the kin group in external affairs, the mediator of internal disputes, and the kinsman with ’summam auctoritatem‘ (b.g. VI, 11.2) within his own group, the individual in this role is in an ideal position to both manage and bene­fit from the integration of ’new‘ members into the kindred. We can assume, as Earle (1991: 73-4) has proposed, that such heads of kin groups had a considerable influence on, if not direct authority over, the distribution of land, or at the very least of access rights to land and other communal resources, especially to unclaimed and/or unused plots of land or resources. We will also be reasonably safe to assume (cf. Jaski 2000) that the individuals who became heads of their respective kindreds would usually have been particularly economically successful and wealthy, and thus may had had the greatest individual share in the kin land and resources in the first place. This will have allowed such, particularly very charismatic, successful and possibly also at least somewhat ruthless heads of kins to distribute sizeable plots, both of their own land and resources, and of unclaimed or unused land and resources, to such ’newcomers‘, thereby gaining retainers more or less independent from their immediate kin. The non-kinsmen who have been given such a ’gift‘ by such a head of kin, who thus become his Celt. * ostoi, ’lads, juniors, vassals‘, become at least morally obliged to return his ’gift‘ in a different form (Mauss 1950), which probably soon became institutionalised in form of an annual rent and the requirement to perform (personal and military) services for their ’benefactor‘.This, of course, not only provides the head of the kin with increasing returns – it is unlikely that he could himself have made economic use of all the land and resources he gives away (Karl 2006a: 291-325), or at the very least allows him to devote more time to other things than making economic use of his land and resources – but also provides him with factual internal and external political,

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military, economic, legal and social support independent of his own actual biological kinsmen. This allows him to progressively separate himself, and with him his own immediate lineage, from the rest of his kinsmen / people (whether biologically related to him or not), establishing his own as the dominant lineage within his kin group (a process that can, although probably less effectively, be duplicated by other relatively successful senior kinsmen, who are potential competitors for the role of head of kin, resulting in several lineages competing for dominance, and possibly taking alternating turns at the role of head of kin, within the dominant kin group in such an early Celt. *to t¯a; cf. Jaski 2000; Charles-Edward 1993: 204-5). However, as so often, success breeds necessities, particularly if competing with other potential candidates for the headship of a community. To keep his retainers satisfied, and to gain even more retainers, possibly at the expense of heads of competing lineages, the head of kin needs to be able to hand out ever more ’gifts‘, particularly if the population increases and more land or resources are needed to satisfy the community, or at least other relatively highly influential kinsmen. With the grass on the other side of the fence always being greener, and internal resources sooner or later (probably more often sooner rather than later) all having been

distributed, kinsmen competing for the role of the head of their kin, and probably also whole communities, will start to look abroad for new resources to distribute. As a consequence, groups become expansive, with successful individuals with still higher ambitions and their retainers starting to try to subject neighbours (who in turn, if actually subjected, also need to be integrated into the expansive community), whether economically, politically or militarily. On the one hand, this increases the need for defence, as expressed in the increasing amount of fortification and the increased number of weaponry finds from the late Bronze Age in Wales (Davies, Lynch 2000: 150-1). On the other hand, however, it also increasingly counterbalances ties of kinship with ’vassalage‘-relationships, slowly but progressively changing the community from one defined by being kinsmen to one defined by sharing a country (cf. Cymry ← Celt. *kom-mrogi-i, ’those sharing a country‘). Similarly, the concept of the head of the community now changes: as the structure of kin groups within the Celt. *towt¯a still remains mostly intact, heads of kin, Celt. *k ennom kenetlom, continue to exist, but being the head of a kin no longer equals being the head of the community as a whole. Rather, with the shift of the main unit of socio-political identification from the

Fig. 9: The *to t¯a-organisation

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The emerging *to t¯a-organisation (fig. 9) still is very strongly based on kinship, and is not yet very stratified: the main distinction between members of the community is still whether somebody already owns land or not.What has mainly changed from the earlier kinship organisation is that there now is also a difference as to who will inherit some land, at least theoretically at some point in the future, and who will not, and as such who is a free born member of the community and who is not. Being born into the ’right‘ family thus starts to become important: no longer are all men equal, rather, there are innate nobles and hereditary villeins.

parts and occasionally also multivallate, frequently of more than 50 m diameter, sometimes even larger than 1 ha in size and often contain several contemporary round houses and storage buildings, like in Woodside, Dan y Coed (Williams 1988; Williams, Mytum 1998) and Collfryn (Britnell 1989). Some of these sites, which have partially also been classified as consumer sites (Caseldine, Holden 1998: 113-7), seem to be more about conscious expression of social status than about defence, as is quite obvious from the defensively useless entrance enhancements of e.g. Woodside (Williams 1998;Williams, Mytum 1998; Karl forthc. b), implying increased status competition in at least the higher strata of society, and possibly also demonstrating the impact of increased manpower available to the heads of high status household to work on their ’fortifications‘ (cf. the requirement of medieval Welsh taeogion to assist in the construction and upkeep of the llys of their lord; Longley 1997: 41-5; Carr 2000: 71; the requirement of clients to help in the construction of the ramparts of early medieval Irish ’ringforts‘; Edwards 1990: 19-33; Stout 1997). Roughly speaking, later 1st millennium BC Welsh archaeology seems to indicate an increasing stratification of society.

Further changes in the late 1st millennium BC

The established *to t¯a: a model

Change does of course not stop there, so let us once again turn to the Welsh archaeological record. From c. 650 BC onwards, climate starts to improve, again reaching pre-crisis conditions in c. the 5th century BC (Kristiansen 1998: 31), and even though it stays somewhat more unstable than before, and even though the uplands largely remain inhospitable, we can reasonably assume that subsistence economy returns increased again. Again roughly contemporary with this, we witness further changes in the Welsh settlement record, with yet new settlement types appearing on top of and partially replacing older settlement types (Davies, Lynch 2000: 144-72). While univallate hillforts now are frequently (but not necessarily) being replaced by multivallate and often also considerably expanded hillforts, like at Pen Dinas, Aberystwyth (Davies, Hogg 1994: 256), strongly enclosed homesteads now start to feature in substantial numbers. The latter are usually surrounded with substantial ditches and earthen ram-

With increasing populations, and as a result increasing returns for those in higher social status positions in emerging Celt. *to t¯as, it is likely that further structural changes took place in such evolving communities. Particularly the Celt. *mrogir¯ıges and the heads of other successful and influential kin groups or lineages – possibly now already referred to as Celt. *o xselo iroi, or­ *­­­ latoi – will have seen resources increasingly agglomerate in their hands, or at least increasingly come under control of their immediate lineages or even families. As we have to assume that joint inheritance between all eligible heirs was common practice in most Iron Age western European, and especially British communities (Charles-Edwards 1993: 61-73, 211-25), small holdings are at particularly risk to drop below the minimum size for economic viability if divided up between two or possibly even several heirs, even if occasionally counterbalanced by redistribution of land between different lineages of the same kindred. And who else

Celt. *kenetlom to the Celt. *to t¯a, and with it to the territory, the Celt. *mrogi, that the community owns, the head of the dominant lineage of the dominant kin – who nonetheless continues to be a Celt. *k ennom kenetlom – the head of the community now becomes a Celt. *to tor¯ıx, a ’king of a people‘, or, as seems to have been preferred in Wales, a Celt. *mrogir¯ıx, a ’king of a country‘. The *to t¯a-organisation

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Fig. 10: The established Celt. *to t¯a

would have the means to pick up the pieces who have become unsustainable than those already commanding substantial resources, a regular source of income from rents of tenants, and considerable influence within their community? As a consequence of this agglomeration of resources, and particularly land, under control of a few dominant and successful lineages or even only families, large estates develop, which can no longer reasonably managed directly by a single person. Thus, the owner of such a large estate needs some kind of middle management, people acting on his behalf and managing those parts of his estate he either doesn‘t want or is unable to manage himself. This is where the Celt. *ambaxtoi, ’sentries, retainers, officials, ambassadors‘ come in (fig. 10), who seem to be fulfilling exactly this role – even the Welsh amaeth, ’farmer, first among the tenants‘ is described as the ’best‘ person amongst those tenants that have teamed up for joint ploughing. He is the one

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who, while not contributing any materials or animals himself, keeps all the oxen and equipment contributed by the different members of the team safe while the contract is executed (Jenkins 1982). And even though he also acts as the ploughman of the team and thus contributes physical labour, his role seems to be more one of a manager than of a simple, poor labourer (Karl 2006a: 323-5). Celt. *ambaxtoi, while being ’servants‘ of their respective lord and thus Celt. * ostoi, ’vassals‘, may well have gained in status by entering into the service of an important lord with significant land holdings. It is thus quite likely that, as Reinhard Wenskus (1961: 330) has already rightly observed for the early Germanic officials, the offices were held by such individuals who were members of an emerging nobility themselves. With increasing agglomeration of property in the hands of only a few lineages or families, and the continual risk of reduction of status, and even loss of independence for smallholdings due to partition of in-

heritance, and with offices in other persons‘ courts becoming available, competition between all members of society, but particularly among members of the upper social strata, will have increased. Going hand in hand with this, the need to maintain and publicly represent a once achieved status will also have increased. It is now primarily the ability to mobilise manpower that distinguishes between different members of the landowning classes – those who control land, but no manpower beyond their immediate family remain common freemen, while those who control manpower beyond their immediate family become nobles (cf. the defining criteria for freeman and noble status in early Ireland; Kelly 1988: 26-36; Charles-Edwards 1993: 305-411; also see Caesar‘s description of status of Gaulish nobles in b.g.VI, 15.2; more generally see Karl 2006a: 291-327; Bloch 1961). Hardly surprisingly, the ability to command manpower becomes more clearly expressed in the Welsh archaeological record in this period: multivallate structures are constructed (Davies, Lynch 2000: 154-72), often with ramparts that make no military sense whatsoever, but require the investment of vast amounts of energy, which can only have been provided by manpower. With the ever larger retinues available, the dominant lineage can establish itself as the ’royal line‘ (stirps regia), or at least some of the main lineages of the dominant kin group can establish themselves as those with a realistic chance of having their respective head ascend to the kingship.Together with the rest of the nobility, they increasingly separate themselves from the other members of the community. While kinship remains important, and kin groups, with their internal continuum of rank, continue to exist, noble, commoner and serf kindreds become more clearly separated (even though some degree of overlap remains), ethnicity now fully replacing the kin as the main political identity group, except for the nobility, which now increasingly establishes kinship or artificial kinship relations with other ’noble‘ kin groups in other Celt. *to t¯as. Competing *to t¯as and ’Romanisation‘ The needs which created the *to t¯a-organisation in the first place, especially the need of competing nobles to please retainers, if anything increase as a result

of the further social differentiation and the increasing separation between kinship and ethnicity in the established Celt. *to t¯a. The established Celt. *to t¯as are at least as expansive as their earlier counterparts, and the increased separation between kinship and ethnicity increases the potential of internal conflict or unrest at the same time as it facilitates attempts of nobility in one ethnic group to replace the local nobility of other ethnic groups with its own members or retainers. As a result of this, economic, political and military competition increases, and the same process of convergence and replacement that transformed kin groups into Celt. *to t¯as starts to take place at the level of the Celt. *to t¯a, with even larger communities forming. These larger communities will, at least for some time, have been inherently unstable, with differing noble lineages or early ’royal‘ dynasties competing with one another for the dominance at regional level.These regions probably developed, at least in Wales, within pre-existing communication zones partially defined by geomorphology, partially by historical processes, and seem to correspond roughly to the distribution of some types of metalwork that existed already as early as the late Bronze Age (Burgess 1980: 249; Davies, Lynch 2000: 184). This process, which is likely to have been going on in late Iron Age Wales, but is only actually observable in late Iron Age southern England (Frere 1987: 1-80; Millett 1990: 9-103; Henig 2002: 21-76; Snyder 2003: 17-53), may well have been amplified by outside influences. Particularly the growing power of Rome in Western Europe may have speeded up convergence processes that were already going on in late Iron Age Britain, and have resulted in many Celt. *to t¯as converging to form the British civitates that are attested in the first historical sources (e.g. b.g. IV, 20-36;V, 8-23). It is these civitates that then are ’frozen‘ as a result of the Roman conquest, thereby forming the basis for the early medieval Welsh states. While romanisation definitely had an effect on Welsh societies, not only seems the impact of Rome, particularly on North-Western Wales (Davies 2000), have been limited at best, much of pre-Roman Welsh society seems to have been very well compatible with Roman ideas about social organisation. A ’noble‘ class of large estate owners, fighting each other for the princi-

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patus in their community, each commanding a large group of hereditary villeins, and a group of smallholders with little influence on the community, but available for military service hardly will have required much twisting and tweaking to fit with early Imperial Roman plans for provincial societies. Many members of the ’noble‘ class on the other hand, particularly those on the losing side of internal disputes shortly before and during the Roman conquest, and some of the more flexible ’nobles‘ that had been in the ascendant before but been soundly beaten by Rome, will have had little problems to integrate themselves with the new authorities. In fact, many members of the noble classes will have been used to serve a (more or less temporarily successful) ruler anyway, as such, a change from a local ruler to one on a truly European scale just opened up more possibilities for social climbers, who now suddenly not only could try to move up the regional social ladder, but beyond that onto the provincial, possibly even the imperial one. And for much of the lower social classes, it must have seemed that life went on as it always had (at least in living memory), perhaps with the odd local lord being replaced by some foreigner from somewhere else in the Empire, which will hardly have changed much for the ’peasants‘ in the local community. The most significant change, it seems, was that the owners of the large estates, which will mainly have been the Celt. *mrogir¯ıges, the ’kings‘ of their respective ’countries‘ in pre-Roman society, now no longer were at the top of society, but were just ’ordinary‘ owners of large estates, of which there were many across the empire. As a result, the status of the Celt. *mrogir¯ıges declined, and with them, that of their estate managers, turning the Celt. *mrogir¯ıx into a nobleman, or even only an ’ordinary‘ freeman, and the Celt. *ambaxtos into a ’simple‘ tenant farmer, still the ’best‘ amongst his fellow tenants, but no longer an important ’official‘. On the other hand, being the head of an important kin, Celt. *kenetlom (Lat. gens), heavily involved in the running of the civitas, possibly holding some of the offices in the regional (or even provincial) administration, became more important again.Thus, we find that in the early medieval Welsh laws, the Cymr. pencenedl, ’head of kin‘ (caput gentis in the Latin Welsh law texts), is awarded a wergeld and honour-price consid-

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erably higher than that of the Cymr. brëyr, ’nobleman, chieftain, lord, baron‘, and equal to or slightly higher than that of the highest royal officials (Charles-Edwards 1993: 203-4). In a similar line – with offices in the ’Latin‘ administration of the civitates now being the most prestigious regional roles, later replaced by offices in early medieval Welsh royal courts – the medieval Welsh term for the royal offices, as well as for the offices in the medieval large kindreds, OCy. swydd, ’office‘ (Russell 2000: 281–2; Charles-Edwards 1993: 204), is loaned from Lat. se¯ des, ’seat, chair‘. 1st millennium AD settlement Before once again returning to my evolutionary model, let us look again at the archaeological record. During the first half of the 1st millennium AD, the settlement hierarchy that had developed during the later 1st millennium BC remains largely in place, even though, of course, there are some changes in architecture. Some architectural developments are taken from the Roman tradition, like in Whitton (Jarrett, Wrathmell 1981), some others can be seen as indigenous developments, like the rectangular North Welsh Romano-British homesteads at e.g. Graeanog and Cefn Graeanog I and II (Fasham et al. 1998). But local traditions also continue: some strongly enclosed farmsteads, like Woodside and Dan y Coed, continue to be occupied – albeit with some discontinuities – throughout the RomanoBritish period and perhaps until as late as the 7th to 8th century AD (Williams, Mytum 1998). Some hillforts, like Tre‘r Ceiri (Hogg 1960: 10-7; Lynch 1995: 75-6) – less than 25 kilometers from Roman Segontium, as the bird flies – carry mostly Romano-British finds, even though it is unclear whether their defences were kept in repair during this period. Others, like Castell Caer Lleion and Garn Boduan (Hogg 1956; 1960; 1975: 1802, 214-6; Lynch 1995: 70-1, 77-8; Longley 1997) seem to have had little ’citadels‘ built into them in the 5th and 6th century BC by the construction of additional internal ramparts.Yet other, defended hilltop settlements are newly founded at roughly the same time, like Dinas Emrys (Edwards, Lane 1988; 55-7; Lynch 1995: 128-9), which is also mentioned by Nennius (Morris 1980: 29-31), and Degannwy (Edwards, Lane 1988: 50-3; Lynch 1995: 145-7; Longley 1997), thought of

Fig. 11: The converged *to t¯as-group organisation

as the court mentioned by Gildas of the most important ruler in North Wales, Maelgwyn Gwyneddd, which – again with some discontinuities – remains of importance until the 13th century AD (Lynch 1995: 145-6; Longley 1997: 44-5). While evidence for high status settlement becomes less common and harder to interpret after the 6th century AD, the settlement hierarchy still seems to continue (Edwards 1997: 2-5; Longley 1997; Johnstone 1997). While the origins of the llysoedd – the courts of the early medieval Welsh nobility – are still unclear, sites like that of the 13th to 14th century AD in Rhosyr (Johnstone 1997: 65-7) and the possible, late Romano-British and early medieval complex rectangular ditch system at Aberffraw (Edwards, Lane 1988: 18-21; White, Longley 1995; Longley 1997; Johnstone 1997: 63), which perhaps could be interpreted as an early llys, may indicate a continuity from rectangular North Welsh late Romano-British homesteads. Open settlements, like the Tˆy Mawr hut group near Holyhead (Smith 1987; Lynch 1995: 84-5), also con-

tinue to at least the 6th century AD, and probably even longer, even though, due to a change in building traditions between 6th and 13th century AD, they have only rarely been recognised archaeologically (Mein 1993; 1994; Mytum 1995; Williams, Mytum 1998). It thus seems that the settlement hierarchy that develops in the late Bronze Age – with some changes in detail – continues relatively unchanged into the early medieval period, until the time of the first historical records. A process of convergence: modelling the *to t¯as-group With this, we can once again return to the evolutionary model, and the competing Celt. *to t¯as that probably were already going through a process of convergence in the later 1st millennium BC, only to be ’frozen‘ in historically determined territories by the Roman civitas-organisation on a regional level. It is worth to mention that the same processes of competition were probably continuing, though mostly with

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Fig. 12: Territorial divisions of 12th and 13th century AD Wales (Pryce 2005, map 1)

political and economic rather than military means during the Romano-British period, or at the very least, they re-emerged after the collapse of the ­Roman ­Empire in the West, with owners of large ­estates – the old Celt. *mrogir¯ıges – and their kindreds competing for the regional principatus, because the internal structures of both kin and community had not fundamentally changed during the Romano-British period.The main difference between the pre-Roman and postRoman situation seems to be that while in the pre-Roman period, ’traditional‘ territories had not yet been strongly institutionalised by long historical ­ tradition, in the post-Roman period, the civitates had a historical pedigree of at least 400 years of mostly ­unchanged existence, and thus formed established units which emerging early medieval kings could ­aspire to rule. The bifurcation of kingship and lordship I have discussed above how the increasing separation of ethnic-territorial and kin affiliation resulted in the emergence of early ’royal‘ dynasties in the later 1st millennium BC, and have also pointed out that the expansive nature of society, that had emerged with the early *to t¯a-organisation had not changed with it‘s establishment, but only been transferred onto the new inter-*to t¯a level. It thus should be easy to imagine how

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the former competition between different kin groups or lineages was now transformed to a competition between the newly emerged ’royal‘ dynasties, dynasties that, during the Romano-British period were ’reduced‘ in status to that of ’ordinary‘ large estate owners competing for offices in the administration of their civitas, let loose again to compete for rulership in their civitas after the collapse of the Roman Empire in the West. In other words, we have Celt. *mrogir¯ıges competing for the top position in society, beyond their immediate Celt. *to t¯a. While these Celt. *mrogir¯ıges all are, at least in principle, equals, a necessary result of such competitive processes is that some more successful ’dynasties‘ will come to dominate less successful ones.Whether already happening in immediate pre-Roman times, or during the Romano-British period with the general reduction of the status of the Celt. *mrogir¯ıges to that of ’ordinary lords‘, or in the immediate post-Roman period with the large estate owning dynasties once again starting to directly compete for regional primacy, some Celt. *mrogir¯ıges will come to dominate others, reducing the submissive Celt. *mrogir¯ıges to mere ’lords‘. Consequently, the meaning of Celt. *mrogir¯ıx, ‘king of a country’, now slowly changes to that of OCy. brëyr, ‘nobleman, chieftain, lord, baron’. The dominant Celt. *mrogir¯ıx in a conglomerate group however, now consisting of several Celt. *to t¯as, mainly held together by personal ties of dependence between dominant and submissive Celt. *mrogir¯ıges (fig. 11), can – at the very least temporarily, but in the post-Roman period, with its historically determined territories, probably on a more permanent basis – establish himself as the ’outstanding, pre-eminent‘ (Celt. *brigantinos) Celt. *mrogir¯ıx among other Celt. *mrogir¯ıges, becoming the OCy. breenhin, ’king, sovereign, monarch; one who has supreme authority or pre-eminence in his own class‘ (GPC 319). ’Frozen‘ civitates and underlying smaller units It is worth at this point to take another look at the ’frozen‘ civitates that make up the early medieval Welsh kingdoms. Of the ’Dark Age‘ Welsh kingdoms, five, possibly even six out of seven seem to correspond almost perfectly with latest Iron Age civitates, in some

cases even continuing their names: medieval Dyfed corresponds to the late Iron Age Demetae, Gwynedd to the Ordovices, Tegeingl to the Deceangli, Powys to the Cornovii, and Glywysing to the Silures (Dark 2000: 192), with Gwent possibly being a part of the former Dobunni territory, and Brycheiniog – the only bit that really doesn‘t correspond to anything in the Iron Age – possibly split off one of the other territories in the early Dark Ages. While these are further split up and their precise territorial boundaries slightly change throughout the early medieval period, they all also consist of smaller territorial units – cantrefi, lit. ’hundred villages‘ – with yet even smaller subdivisions, the cwmwd and the maenol (Longley 1997: 41-2; Pryce 2005: map 1; fig. 12), also existing. As can easily be seen on figure 12, the 53 cantrefi are on average of less than 30 kilometers diameter, often even considerably smaller, with a brëyr at the very most owning no more than one such cantref, but usually much less than that. Even a cwmwd, ideally imagined as half of a cantref (Longley 1997: 412; but often less in reality), might easily have had more than one brëyr. If we account for the fact that brëyr by the Middle Ages had become a term referring to any kind of landowning freeman (much like tudor ← Celt. *to tor¯ıx had become a meaningless – but still highstatus – name), it seems easy enough to imagine the cantrefi as roughly corresponding to the territories of individual late Iron Age Celt. *to t¯as, each ruled by a single Celt. *to tor¯ıx or *mrogir¯ıx, and with no more than several thousand, on average perhaps some 3000 members, as also estimated for the average Irish early medieval túath (Kelly 1988, 4). Each of the civitates that appear in the historical sources and as administrative territorial divisions with the Roman conquest would then have consisted of on average 10-12 such converging Celt. *to t¯as, or roughly 30.000 inhabitants each, with the total population of Wales at around 150.000. This last number – which may have about doubled during the Romano-British period and then come down to roughly that number again in the Dark Ages – seems quite reasonable if not somewhat too high, also if compared to Iron Age population numbers given for more densely settled areas on the Continent (e.g. 368.000 Helvetii,Tulingi, Latobrigi, Raurici and Boii in b.g. I, 29.2.), and population estimates for lates Iron Age, Roman and early medieval Britain (Fowler

2002, 16-8 estimates about 2 million in the 1st century AD, then a peak of about 4-5 million around AD 300, reduced again to about 2 million in the 5th century, then slowly recovering to about 3 million at the time of Domesday Book). As already said above, the roughly 400 years of Roman occupation will mostly have resulted in giving the late Iron Age civitates, which may have been strongly fluctuating until then, a historical pedigree, which gave early post-Roman leaders a relatively fixed territorial unit they could aspire to bring under their rule, which seems to have been rather quickly achieved. Thus, the second half of the 1st millennium AD seems to be mostly dominated by rulers of the kingdoms that had grown out of these civitates trying to achieve dominance over all of Wales, thereby raising the processes of convergence to yet one higher level and resulting, possibly assisted by the building of Offa‘s Dyke, with the emergence of a Welsh national identity, the identity of the Celt. *kombrogii, Welsh Cymry (Davies 1993: 44-161). From kin to nation With dominant Celt. *mrogir¯ıges having established themselves as the ’pre-eminent kings‘ in territories encompassing more than just their own Celt. *to t¯a and it‘s immediate associated Celt. *mrogi, and soon competing for the primacy in the newly firmly established territory west of Offa‘s Dyke, kin is now slowly being transformed into the idea of the nation.And as the new composite *to t¯as-group organisation is still constructed around the invented extended kin group, and the OCy. breenhin still is the head of his own kin as much as he is the head of his people, the term for the kin group, Cymr. cenedl, now also changes its meaning, to become both the ’kin‘ and the ’nation‘, encompassing not only the ruling kin, but all the converged Celt. *to t¯as and all the different kin groups within them. From head of kin to king of a country Welsh later prehistoric societies seem to have evolved slowly from a mainly kinship-based form of social organisation, in which social age, gender and personal abilities were the main factors in determining the sta-

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Fig. 13: From kin to country

tus of any individual in his community, into those feudal, territorial, ethnicity-based communities that we find attested in the medieval historical records.This evolutionary process seems to have been mostly driven by entelechies (Elias 1939), leading to clear structural similarities between kin, Celt. *kenetlom and ethnic group, Celt. *to t¯a. It is mostly a local process, happening independently of major outside influences and transforming different, even though interconnected, societies in Wales in similar ways because they all start out from similar initial conditions, are subject to similar transformational attractors, and are part of the same wider social network. Possibly due to or at least amplified by the late Bronze Age / early Iron Age climate crisis (even though the

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process could possibly have started even without the climate crisis), Welsh kin groups were progressively converging in the late Bronze Age. Particularly lowland kin groups, which probably were able to better cope with the worsening climate, were taking in relatively high numbers – many probably migrating from the uplands down to the lowlands as upland economies failed – of non-kinsmen, which resulted in a transformation of the community as a whole. The Celt. *to t¯a, ’ethnic group, people‘ emerged as an imagined, larger scale, self-similar version of the kin group during the late Bronze Age / early Iron Age transition period and replaced the kin as the main political identity group. While the kin group still was characterised by a continuum of social ranks (fig. 13), as a result

of the convergence and resulting dominant/submissive relationships between different kin groups on the same land, Celt. *brogi, a first level of social stratification emerged. At the level of the emerging Celt. *to t¯a, it became possible to distinguish between landowning and non-landowning lineages or even kindreds within the same ethnic group, creating ’innate nobles‘ and ’hereditary villeins‘. At the same time, successful heads of dominant lineages, by ’granting‘ land to incoming non-kinsmen, can create a retinue independent of their own immediate kinsmen, and thereby establish themselves as institutionalised early Celt. *to tor¯ıges, ’kings of a people‘ or *mrogir¯ıges, ’kings of a country‘. With climate improving again from c. the middle of the 1st millennium BC onwards, and probably increasing population numbers, internal competition between different lineages within the Celt *to t¯a, and between the heads of *to t¯as leads to an accumulation of resources under control of only a relatively small number of people, and to further processes of convergence. With large estates forming, the control over manpower rather than just land becomes the important difference between ordinary freemen, who own just some land, and nobles, who own large estates and command many villeins and retainers. For the management of the large estates, a new function, Celt. *ambaxtos, ’official, sentry‘ ← Celt. *ambi-akto, ’to act on behalf of someone‘ is created, probably from early on held mostly by ambitious junior members of the no-

bility in an attempt to advance their own status. With retainers being the power base of an increasingly institutionalised nobility, competition between rulers of communities lead to larger, yet still highly unstable, regional territorial units forming under the leadership of ’pre-eminent‘, Celt. *brigantinos, kings. These emerging, still strongly fluctuating regional polities, were suddenly ’frozen‘ by the Roman conquest and the administrative districts created mostly based on what regional polities had happened to be in existence at the time of the conquest. Otherwise, however, Roman impact seems to have been limited. The status of large estate owners, and with them that of their officials, somewhat declined, but new offices became available in the civitas and provincial administration that allowed established noble kindreds to preserve their status within their local communities. Following the collapse of the Roman Empire in the West, the civitates became the early Welsh kingdoms, with a successful local noble establishing himself as the OCy. breenhin, ’pre-eminent ruler, king‘ in a former civitas, with his court in place of the former civitas-administration. With competition between the rulers of the different kingdoms as big as that which had earlier existed between the Celt. *mrogir¯ıges, convergence processes at the level of the civitates led to the formation of a new,Welsh national identity as those ’sharing a country‘, Cymry.Yet, this new large community was still imagined as a vastly extended kin group, a cenedl.

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Macht und Prestige: Kategorien der Rekonstruktion urgeschichtlicher Gesellschaften Ursula Naue und Maria-Christina Zingerle

„Machtverhältnisse wurzeln in der Gesamtheit des gesellschaftlichen Netzes.“ (Foucault 1999: 198).

Zusammenfassung Für die Interpretation urgeschichtlicher Befunde und für den Entwurf von Machtstrukturen prähistorischer Ge­ sellschaften wird oft mit Begriffen operiert, deren Inhalte und Bedeutungen fest im bestehenden modernen Gesell­ schaftssystem verankert sind. Ohne vorhergehende Analyse und Definition von Sozialstrukturen werden Herrschaftsverhältnisse für die Urgeschichte angenommen, die eher ein Ausdruck für die vorherrschenden Machtverhältnisse zu sein scheinen. Im Zusammenhang mit der Frage nach Machtgefügen in urgeschichtlichen Gesellschaften wird anhand des Machtbegriffs von Foucault versucht, einen Weg abseits des kulturhistorischen Interpretationsansatzes in der Ur­ geschichte zu zeichnen. Dabei wollen wir untersuchen, in wie weit sich eine Analyse von Machtverhältnissen im Sinne Michel Foucaults von den üblicherweise im Fach angewendeten Interpretationsmustern unterscheidet und was sich dadurch in Bezug auf die Auseinandersetzung mit Gesellschaftsmodellen, Sozialstrukturen und Hierarchien in urgeschichtlichen Gesellschaften ändern kann. Am Beispiel des Gräberfeldes von Hallstatt (OÖ) werden wir versuchen, die Auswirkungen einer derartigen Analyse von Machtverhältnissen auf die Interpretation urgeschichtlicher Funde und Befunde vorzuführen.

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Abstract For the interpretation of prehistoric features and for the reconstruction of power relations in prehistoric societies, we frequently use terms which - in their contents and meanings – are embedded in modern social systems. Without previously analysing and defining social structures, hierarchical relations are proposed for prehistoric societies which seem to be mostly a reflection of predominant power structures. In the context of the question of power relations in prehistoric societies, an alternative approach to the common cultural-historical interpretation of prehistoric societies is attempted, based upon Michel Foucault’s definition of power. The underlying article discusses whether an analysis of power relations in the sense of Foucault differs from those interpretations traditionally employed by archaeology, and how such an alternative approach may alter the discourse on social models, structures and hierarchies in prehistoric societies. Using the cemetery of Hallstatt (Upper Austria) as a case study, the impact of such an approach on the analysis of power relations on the interpretation of archaeological finds and features will be demonstrated.

Einleitung Im vorliegenden Artikel sollen mehrere Fragen diskutiert werden, die wesentlich sind, will man sich mit einer Analyse von Machtverhältnissen im urgeschichtlichen Kontext auseinandersetzen, die sich abseits des urgeschichtlichen Mainstreams der kulturhistorischen Interpretation von Machtverhältnissen bewegt. Im Sinne eines postprozessualistisch-kognitiven (Renfrew 1994) Ansatzes in der Interpretation der Urgeschichte, immer basierend auf einer eingehend analysierten und bearbeiteten Materialbasis, soll der Mensch als handelndes Individuum und aktiver Gestalter seines Lebensraumes gelten (Whitley 1998: 6). Es geht um folgende Fragen: Wie unterscheidet sich eine Analyse von Machtverhältnissen im Sinne Michel Foucaults von den üblicherweise im Fach angewendeten Interpretationsmustern? Worin liegt der „Vorteil“ einer Foucaultschen Herangehensweise an Macht und Machtausübung im Unterschied zur traditionellen urgeschichtlichen Herangehensweise, was kann man also mit einer derartigen Analyse von Machtverhältnissen über Machtstrukturen in der Urzeit erfahren? Was kann sich dadurch in Bezug auf die Auseinandersetzung mit Gesellschaftsmodellen, Sozialstrukturen und Hierarchien in urgeschichtlichen Gesellschaften (am Beispiel der Hallstattkultur) ändern?

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„Oberschicht“, „Fürst“, „Adel“ (Bockisch-Bräuer 1999: 533) beispielsweise sind immer wiederkehrende Begriffe, die einerseits ihrer Bedeutung nach festgelegte Systeme und Inhalte suggerieren, andererseits für die Umschreibung unterschiedlicher Befundsituationen eingesetzt werden. Ihre Anwendung auf urgeschichtliche Verhältnisse muss von einer eingehenden Analyse der urgeschichtlichen Daten, die als Grundlage dienen, ausgehen und erfordert eine klare Definition der einzelnen Elemente, die diese Systeme bestimmen. So werden auch Texte wie die berechtigte Kritik von Babi´c (2002) an der Vorgangsweise im Fach stark relativiert und entkräftet, indem er von bestimmten Definitionen ausgeht (wie hier die Begriffe „Princely tombs/graves“ und „members of the group in power“), ohne zu diskutieren, was die Verwendung dieser Begriffe eigentlich impliziert (Babi´c 2002: 73). Es wird im Folgenden versucht werden, aufzuzeigen, dass mit Hilfe des Foucaultschen Machtbegriffs eine andere Herangehensweise an Machtverhältnisse auch an urgeschichtlichen Befunden durchgeführt werden kann und dass sich dieser Machtbegriff wesentlich vom traditionellerweise in der Urgeschichte angewendeten Machtbegriff unterscheidet. Foucault warnt vor mancherlei Missverständnissen, die der Begriff „Macht“ mit sich bringen könnte, seine Identi-

tät, seine Form und seine Einheit betreffend (Foucault 2002: 113). Michel Foucaults Ausführungen zum Begriff Macht schließen eine Reihe weiterer damit im Zusammenhang stehender wesentlicher Begriffe (wie Regieren, Freiheit, Wissen-Macht-Komplex etc.) ein, die notwendig sind, will man sich Macht, Machtausübung und Machtverhältnissen und deren Interpretation nähern. Die multidimensionale und in den Rahmen einer historischen Entwicklung eingebundene Sichtweise des Begriffs Macht ermöglicht es, Sozialstrukturen und Hierarchien in urgeschichtlichen Befunden kontextbezogener rekonstruieren zu können. Wesentlich ist hierbei, auf zwei Aspekte hinzuweisen, nämlich dass einerseits nur eine konsequente und konsistente Anwendung bestimmter Begriffe zielführend sein kann, geht es darum, den Versuch zu unternehmen, urgeschichtliche Gesellschaften hinsichtlich Fragen von Macht und Prestige (dies gilt jedoch prinzipiell für alle Untersuchungsbereiche und –felder in der Urgeschichtsforschung) untersuchen zu wollen und dass andererseits eine Definition von Macht und Prestige nie allgemein gültig sein kann, dass aber die oben erwähnte Konsequenz in der Anwendung der Begriffe zwar keine Allgemeingültigkeit „herbei zaubern“ kann, immerhin jedoch dadurch eine „Gültigkeit“ innerhalb einer Untersuchung gegeben ist. Im Sinne von Foucault ist Macht eben nicht ein globaler Begriff, der unabhängig von komplexen Realitäten existieren könnte (Foucault 1999: 187). Er hebt auf diese Weise die Bedeutung des Kontexts der „jeweiligen“ Machtausübung und -manifestation hervor. Die Auseinandersetzung mit Macht Über Macht und über das Ausüben von Autorität nachzudenken, bedeutet, sich auf Theorien, Ideen, Philosophien und Formen von Wissen zu stützen, die Teile unserer sozialen und kulturellen Produkte sind (Dean 1999: 16). Das heißt, dass die ForscherInnen – wie in so vielen anderen Bereichen der Auseinandersetzung mit vergangenen Zeiten – meist, ohne sich darüber im klaren zu sein, eigentlich über ihre eigenen Erfahrungen mit einem bestimmten Begriff sprechen und automatisch das eigene Erlebte beziehungsweise das, was gerade zum Thema aktuell ist, einfließen lassen. Dagegen

ist grundsätzlich nichts einzuwenden – solange man sich eben dieser Tatsache bewusst ist und sie sich eingesteht. Problematisch wird es, wenn es zu Interpretationen kommt, die vorgeben, sich ausschließlich mit den zu interpretierenden Befunden auseinander zu setzen und eigentlich aber von rezenten Mustern der Interpretation bestimmter Zusammenhänge oder Ereignisse ausgehen (Whitley 1998: 16). Nach Paul Veyne (1990: 58), ist „ ... unsere Sicht von der Vergangenheit (ist) Ausdruck unserer Situation, und mit der Schilderung unserer Geschichte schildern wir uns selbst.“ Milledge Nelson sieht dies analog: „The differential prestige accorded to women and men in our own society has also had a profound effect on our interpretation of the prehistoric past.“ (Milledge Nelson 1997: 19). Herrschaftsverhältnisse, wie sie meist ohne vorhergehende Analyse und Definition von Sozialstrukturen selbstverständlich für die Urgeschichte angenommen werden, scheinen ein Ausdruck für die vorherrschenden Machtverhältnisse in der archäologischen Forschung zu sein. Nach Olsen (1991) existieren in der Forschung hegemoniale Verhältnisse; Archäologisches Wissen und dessen Verbreitung ist unterschiedlich gewertet je nachdem von welchem Land es stammt. Seine These ist, dass die Bedeutung der archäologischen Forschung nicht nur aus rein archäologisch-wissenschaftlichen Kriterien besteht, sondern vielmehr ist es eine Frage, wie die Archäologie „and the production and exchange of knowledge in general, is related to social, political, and cultural power and dominance in the contemporary world.“ (Olsen 1991: 211). Eine Bestätigung der These Olsens über die ungleiche Wertung und damit auch der Rezeption von Forschungsergebnissen liefert Barbara Sasse (1999: 321-326): Theoretische Ansätze in der Archäologie im Europa der sechziger Jahre beispielsweise konnten sich nicht etablieren, während die Forschung in den USA weltweite Verbreitung fand (Sasse 1999: 325). Dieser Aspekt des Einbeziehens eigener, gegenwärtiger (aber historisch gewachsener) Erfahrungen in die Untersuchung urgeschichtlichen Fundmaterials wird im Artikel ebenfalls diskutiert. Zwei Aspekte prägen gewissermaßen die Auseinandersetzung mit Macht: Es ist dies einerseits die Frage nach dem „Wie“ der

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Macht, die oft auf die Beschreibung der Wirkungen beschränkt bleibt (Foucault 1999: 187) und weder die Ursachen noch die Umstände der Macht betrachtet. Im Falle der Urgeschichte bedeutet dies eine Beschreibung des „Ausdrucks“ von Macht, den man zum ­Beispiel in gehobenen Grabausstattungen zu erkennen glaubt – und das auch noch aus einer rezenten Sichtweise heraus. Es geht im Zusammenhang mit dem „Wie“ nicht um die Frage wie sich Macht manifestiert, sondern wie sie ausgeübt wird (Foucault 1999: 188). Andererseits ist es die verallgemeinernde Darstellung von „der“ Macht, also von Macht als einem globalen Begriff, als etwas, das unabhängig von komplexen ­Realitäten existieren könnte (Foucault 1999: 187). ­Diese Überlegungen führen Michel Foucault zu einer differenzierten Sichtweise des Begriffs Macht, den er als den Namen bezeichnet, „den man einer komplexen strategischen Situation in einer Gesellschaft gibt“ (Foucault 2002: 114). Was ist Prestige? Prestige wird in der Sozialforschung seit den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts für die Umschreibung von Anerkennung und Wertschätzung gebraucht, die ­einer Person, einer Gruppe oder einer Position von anderen Mitgliedern dieser Gruppe zuerkannt wird (Brockhaus Enzyklopädie: 474). Wichtig ist, dass Prestige dadurch sowohl subjektiven (die kultur- und gesellschaftsbedingte Bewertung) als auch objektiven (die sichtbare Bedeutung innerhalb einer Gesellschaft, die eine ­Person oder Stelle durch die Bewertung ­bekommt) Charakter besitzt. So wird Prestige in der Sozial­forschung verwendet, um die soziale Schichtung einer Gesellschaft zu bestimmen. In der archäologischen Forschung ist Prestige wiederum ein sehr beliebter und häufig verwendeter Begriff. Leider fehlt meist eine klare Definition. In den meisten Fällen wird jedoch weniger von Prestige selbst, sondern von Prestigegütern gesprochen und darunter werden meist Gegenstände verstanden, die einer Person oder Personengruppe Ansehen verleihen. Dabei wird allerdings ausschließlich der „objektive“ Charakter der oben gegebenen Definition angegeben.Weiters werden als Prestigegüter immer solche angesprochen,

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die in unserer modernen Gesellschaft als ­solche gelten (z.B. Clausing 1999: 332). Eine Definition gibt Gramsch (1996: 106), indem er den Prestigewert vom Objekt selbst trennt, das Prestigegut werden kann und dadurch auch von der Bewertung innerhalb einer bestimmten Kultur abhängt. Müller (1996: 116f.) setzt Prestige gleich mit Hierarchie beziehungsweise mit einer beginnenden Hierarchie. So auch Eggert (2001: 99), für den Prestigegüter „exotische Güter“ sind durch „deren Verteilung und Vernichtung“ sich eine „politisch führende“ Person „ihre Herrschaft ... behaupt[et]en und festigt[en]“. Eine Prestigegüterwirtschaft basiere auf diesen Prinzipien. Direkt voneinander abhängig seien Status und Prestige – wächst das Prestige wächst auch der Status und umgekehrt. Fried (1967: 32f.) sieht Prestige als die ideologische Komponente von Status, es steht für Fried in unmittelbarer Verbindung mit Symbolik und hängt von der Bewertung von Status der jeweiligen Gesellschaft ab. Zentral für Fried ist, dass Prestige nicht notwendigerweise inVerbindung mit Macht zu verstehen ist. Machtverhältnisse sind nicht „gegeben“, sondern sie ändern sich immer wieder (je nach der Gesellschaft und jeweils in ihrer Beziehung zu Prestige). Frieds Aussagen über Prestige bestätigen somit unsere Kritik an archäo­ logischen Interpretationsmodellen, die gegenwärtige Symbolik und heute gültige gesellschaftliche Werte in die Interpretation von urgeschichtlichen Prestigevorstellungen übertragen. Die Begriffe Macht, Machtausübung und Machtverhältnisse bei Michel Foucault Michel Foucault hat sich ausführlich mit der Frage beschäftigt, wie Macht ausgeübt wird, wobei er zwischen unterschiedlichen Macht-Begriffen unterscheidet (Foucault 1999: 188). Die „eine“ Macht ist jene, die er mit dem Begriff „Fähigkeit“ umschreibt – also die Macht, die auf Fähigkeiten beruht, die direkt körperlich oder über Instrumente vermittelt wird. Die „andere“ Macht bezeichnet hingegen jene, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sie Verhältnisse zwischen Individuen und Gruppen ins Spiel bringt, wobei Foucault diese Ver­hältnisse zwischen „Partnern“ all-

gemein ausgedrückt in einem Ensemble von Handlungen sieht, die sich gegenseitig hervorrufen und be­antworten (Foucault 1999: 188). Foucaults Auseinandersetzung mit dem Begriff Macht hat keinen Theorieanspruch, soll heißen, ist weder als kontextfreie, ahistorische, objektive Beschreibung gemeint, noch als auf die gesamte Geschichte anwendbare Verallgemeinerung. Foucault geht es weniger um eine Theorie als um eine Analytik der Macht (Dreyfus, Rabinow 1994: 216-7). Nach Dreyfus und Rabinow folgt Foucaults Weigerung, eine Theorie der Macht aufzustellen, seiner Einsicht, dass Theorie nur dann existiert und nachvollziehbar ist, wenn sie auf bestimmte kulturelle Praktiken bezogen ist (Dreyfus, Rabinow 1994: 220), wobei Foucault unter Praktik das versteht, „was die Leute tun“ (Veyne 1992: 22).Veyne äußert sich dazu, indem er meint, dass man jene Philosophie, die den Gegenstand als Ziel oder Ursache hat durch eine Philosophie der Relation (wie Veyne Foucaults Philosophie nennt) ersetzen sollte und das Problem bei der Praktik oder beim Diskurs angehen sollte (Veyne 1992: 40, 67-8). Dieser Aspekt der unmittelbaren Kontextbezogenheit sollte in Bezug auf Interpretationen in der Urgeschichtsforschung überlegt werden. Unter Macht versteht Michel Foucault „die Vielfältigkeit von Kräfteverhältnissen, die ein Gebiet bevölkern und organisieren; das Spiel, das in unaufhörlichen Kämpfen und Auseinandersetzungen diese Kräfteverhältnisse verwandelt, verstärkt, verkehrt; die Stützen, die diese Kräfteverhältnisse aneinander finden, indem sie sich zu Systemen verketten – oder die Verschiebungen und Widersprüche, die sie gegeneinander isolieren; und schließlich die Strategien, in denen sie zur Wirkung gelangen …“ (Foucault 2002: 113). Foucault definiert also Machtausübung als „eine Weise der Einwirkung auf die Handlungen anderer“ (Foucault 1999: 193), als eine Weise, das Feld möglichen Handelns anderer zu strukturieren, wobei dies durch das „Regieren“ der Menschen untereinander gekennzeichnet ist (Foucault 1999: 193, 195). Michel Foucault führt aus, dass Machtausübung nicht nur einfach ein Verhältnis zwischen individuellen oder kollektiven Partnern bezeichnet, sondern eben die Wirkungsweise gewisser Handlungen, die andere verändern (Foucault 1999, 191, 193) oder anders for-

muliert, das Wirken politischer Technologien im Gesellschaftskörper (Dreyfus und Rabinow 1994: 216). Macht kann nach Foucault als eine allgemeine Matrix der Kräfteverhältnisse zu einer bestimmten Zeit in einer bestimmten Gesellschaft umschrieben werden (Dreyfus, Rabinow 1994: 217). Macht ist nach Michel Foucault vielseitig gerichtet, sie wirkt von unten nach oben ebenso wie von oben nach unten (Dreyfus, Rabinow 1994: 217; Foucault 2002: 115). Das bedeutet, dass man – will man MachtVerhältnisse rekonstruieren – nicht nur jene Seite betrachten darf, die „die Macht innehat“, sondern auch jene Seite einbeziehen muss, die sich der Machtausübung der anderen fügt und sie gleichzeitig zulässt; kurz, das gesamte „gesellschaftliche Netz“ (Foucault 1999: 198) muss Objekt der Auseinandersetzung sein (Dreyfus, Rabinow 1994: 218). Nach Michel Foucault erfordert eine Analyse von Machtverhältnissen die Feststellung und Untersuchung etlicher Punkte: 1. Das System der Differenzierungen (das dem Einwirken auf das Handeln anderer zugrunde liegt) 2. Die Typen von Zielen (derer, die auf das Handeln anderer einwirken) 3. Die instrumentellen Modalitäten (Machtausübung durch Drohung, ökonomische Ungleichheiten etc.) 4. Die Formen der Institutionalisierung (Formen und Systeme der Machtausübung) 5. Die Grade der Rationalisierung (Machtausübung schreibt sich fort, verwandelt sich, organisiert sich etc.) (Foucault 1999: 196-7). Das Verhältnis von Machtbeziehungen zu Kommunikationsbeziehungen Wichtig ist für Foucault die Unterscheidung „zwischen Machtverhältnissen und Kommunikationsbeziehungen, die eine Information durch eine Spra­che, ein Zeichensystem oder jedes andere symbolische Medium übermitteln“ (Foucault 1999: 188). Foucault meint zwar, dass Kommunizieren immer das Einwirken auf den oder die ande­ren bedeutet, er stellt auch fest, dass das Herstellen und In-Umlauf-Bringen signifikanter Ele­mente sehr wohl Machtwirkungen zum Ziel haben

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kann, er betont dabei jedoch, dass diese nicht einfach ein Aspekt jener sind – die Machtverhältnisse haben ihre Eigenart, ob sie nun durch die Kommunikationssysteme gehen, oder nicht (Foucault 1999: 188). Foucault warnt vor einer Verwechslung von Machtverhältnissen, Kommunikationsbeziehungen und sachlichen Fähigkeiten, betont jedoch das Ineinander-VerschachteltSein dieser Begriffe (Foucault 1999: 188-9). Die Kommunikations­beziehungen, die sich in den Verhältnissen einzelner Angehöriger einer bestimmten Gesellschaftsstruktur zueinander ausdrücken, werden von Machtverhältnissen „überlagert“, die diese „Verhältnisse“ erst nachhaltig erzeugen: die Machtverhältnisse bilden die Basis für die Position der Beteiligten und drücken diese Positionierung in der Hierarchie aus. Diejenigen, die der Gesellschaft „ihre“ Regeln auferlegen (auf welche Weise auch immer, da nach Foucault Machtausübung sowohl auf dem Gebrauch von Gewalt als auch auf dem Vorhandensein von Übereinkunft basiert bzw. basieren kann (Foucault 1999: 192)), beeinflussen durch diese Handlungen sowohl die Struktur der Gesellschaft an sich als auch das Verhalten der anderen Mitglieder der Gesellschaft, was wiederum Auswirkungen auf die Struktur der Gesellschaft mit sich bringt. Hier zeigt sich ein hohes Maß an Komplexität und gegenseitiger Abhängigkeit und Kontextgebundenheit sowie Bedingtheit der einzelnen Akteure „im gesellschaftlichen Netz“ (Foucault 1999: 198) und verdeutlicht die Schwierigkeiten einer Analyse von Gesellschaftsstrukturen. Regierung und Regieren nach Michel Foucault Wie bereits ausgeführt, umschreibt Foucault Machtausübung als eine Weise der Einwirkung auf die Handlungen anderer, wobei dies durch das „Regieren“ der Menschen untereinander gekennzeichnet ist (Foucault 1999: 193). Auf diese Weise wird der Aspekt der Freiheit in die Analyse einbezogen. Macht wird nach Foucault nur auf „freie Subjekte“ ausgeübt und nur sofern diese „frei“ sind. Macht und Freiheit stehen sich also nicht als widersprüchliche Begriffe gegenüber, sondern stehen in einem sehr komplexen Verhältnis zueinander, wobei die Freiheit sozusagen die Existenzbedingung von Macht darstellt: Es bedarf der Freiheit, damit Macht ausgeübt werden kann; anderer-

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seits ist die Freiheit der ständige Träger von Macht, da sonst Macht als Gewalt ausgeübt werden würde (Foucault 1999: 194). Foucaults Aussage, dass es Widerstand gibt, wo es Macht gibt, betont diese doppelte Bedeutung der Freiheit in Bezug auf Macht und er fügt hinzu, dass gerade deswegen, weil es Widerstand gibt, wo es Macht gibt, dieser Widerstand niemals außerhalb der Macht liegt (Foucault 2002: 116). Michel Foucault versteht unter Regierung die ­Gesamtheit der Institutionen und Praktiken, mittels derer man die Menschen lenkt, von der Verwaltung bis zur Erziehung (Foucault 1997: 118). Er konzipiert ­Regierung als Bindeglied zwischen strategischen Machtbeziehungen und Herrschaftszuständen (Lemke et al. 2000: 8) Die Analyse von Regierung in einer Foucaultschen Tradition ist nicht bestrebt, ein Feld von Institutionen, von Strukturen oder funktionalen Mustern zu beschreiben. Vielmehr versucht sie hingegen, Ansammlungen von Gedanken, von Bestrebungen, von Interventionen, von Programmen, von Handlungen und Reaktionen darauf zu diagnostizieren, wobei der Heterogenität der Akteure, die Führung zu beherrschen versuchen, der Heterogenität der Strategien und Ziele sowie der Konflikte zwischen diesen Aufmerksamkeit geschenkt werden (Rose 1999: 21). Der Foucaultsche Regierungsbegriff mag zwar in Bezug auf urgeschichtliche Befunde und deren Interpretation auf den ersten Blick sehr abstrakt sein, bei genauerer Betrachtung zeigt sich aber, dass es gerade dieser Begriff ermöglicht, Hierarchien zu untersuchen, da er Macht und Herrschaft zugleich gegenüberstellt und zusammenführt. Unter Herrschaft („sovereignty“) versteht Foucault eine diskontinuierliche Ausübung von Macht durch Zurschaustellung und Spektakel, Gesetz als Befehl, Sanktionen als negativ und deduktiv (Rose 1999: 23). Herrschaft geht in „discipline“/Disziplinierung (die kontinuierliche Ausübung von Macht durch Überwachung und Individualisierung) über und „discipline“ in „governmentality“ (auf die Maximierung der Kräfte der Bevölkerung, konzentriert in kollektiver sowie individueller Weise) (Rose 1999: 23). Wenn Macht(ausübung) beziehungsweise deren „Ausdruck“ an bestimmten Befunden nachvollzogen werden kann, bedeutet dies noch nicht, Herrschaft al-

leine betrachtet untersuchen zu können; inVerbindung mit einer Untersuchung von Macht jedoch bietet sich auf indirektem Weg eine Interpretationsmöglichkeit. Foucaults Gouvernementalitätsbegriff – Der Wissen-Macht-Komplex Wie bereits weiter oben ausgeführt, beschäftigt sich eine Analyse von Regierung im Foucaultschen Sinne mit der Art und Weise, wie Akteure Führung zu beherrschen versuchen, wie sie sich gegenüber anderen Akteuren „durchsetzen“ und „an die Macht kommen“. Diese Foucaultsche Analyse des Begriffs der Regierung wird durch die sogenannten Gouvernementalitätsstudien aufgegriffen, wobei der Begriff der Gouvernementalität, der von Michel Foucault geprägt wurde, den Macht-Wissen-Komplex Regieren (gouverner) und Denkweise (mentalité) umschreibt (Lemke et al. 2000: 7-8). Dieser Komplex umfasst den auch für die Urgeschichtsforschung relevanten Aspekt der Verbindung der Begriffe Wissen und Macht: Wer Wissen hat, hat gegenüber jenen, die nicht über ein bestimmtes Wissen verfügen, einen Vorteil, kann sich besser im soziopolitischen Feld positionieren und hat daher auch bessere Chancen, zu jenen zu gehören, die Macht über andere ausüben, beziehungsweise Führung übernehmen. Foucault hält fest, dass das Wort Wissen gebraucht wird, um alle Erkenntnisverfahren und –wirkungen zu bezeichnen, die in einem bestimmten Moment und in einem bestimmten Gebiet akzeptabel sind. Der Begriff Macht wird von Foucault in dem Sinn gebraucht, dass er viele einzelne, definierbare und definierte Mechanismen abdeckt, die in der Lage scheinen, Verhalten und Diskurse zu induzieren (Foucault 1992: 32). Wesentlich ist dabei wiederum, dass man nie von „einem“ Wissen oder „einer“ Macht oder gar von „dem“ Wissen und „der“ Macht ausgehen darf.Wissen und Macht bilden nach Foucault ein Analyseraster, es geht nicht darum, zu beschreiben, was Wissen ist und was Macht ist, sondern es geht darum, einen Nexus von MachtWissen zu charakterisieren, mit dem sich die Akzeptabilität eines Systems erfassen lässt (Foucault 1992: 33). Nikolas Rose umschreibt die Analyse von Gouvernementalität folgendermaßen: „To analyse political power through the analytics of governmentality is not

to start from the apparently obvious historical or sociological question: what happened and why? It is to start by asking what authorities of various sorts wanted to happen, in relation to problems define how, in pursuit of what objectives, through what strategies and techniques.” (Rose 1999: 20). Fähigkeiten – Kommunikation – Handeln – Macht Der von Foucault so bezeichnete „Block“ von ­Fähigkeiten, vom Spiel der Kommunikationen und der Machtverhältnisse (Foucault 1999: 190) ist für die Auseinandersetzung mit urgeschichtlichen ­Befunden in Bezug auf die Interpretation von Macht wesentlich, denn es handelt sich hierbei um archäo­logische Daten, daher also um interpretierbares ­Material. ­Traditionellerweise werden diese vier Begriffe ­ auseinander ­ genommen und getrennt betrachtet. Im Sinne ­Foucaults sind sie jedoch eng verzahnt und müssen demen­tsprechend analysiert werden; erst zusammen können sie ein Bild von Machtausübung und Machtverhältnissen zeichnen. Bestimmte Fähigkeiten ­können sich auf die hierarchische Position eines Menschen auswirken und ihm/ihr eine gehobene gesellschaftliche Rolle zuschreiben, ihm/ihr Macht verleihen. Kommunikation drückt einerseits Fähigkeiten aus, andererseits transportiert sie Macht und Machtgefüge, hält sie aufrecht oder verändert sie. Im Handeln drückt sich Fähigkeit und Kommunikation, sowie auch Macht aus.Vor allem der Begriff des Handelns – Foucault betont, dass Macht sich nicht direkt und unmittelbar auf die anderen auswirkt, sondern eben auf deren Handeln (Handeln auf ein Handeln hin) (Foucault 1999: 192) – verweist auf die Bedeutung der ­ horizontalen Komponente und des Kontexts bestimmter „Ausdrücke“ von Macht als „ein Ausdruck auf einen Ausdruck hin“, ­ betont also die Wichtigkeit der Untersuchung des Kontexts von bestimmten ­urgeschichtlichen Befunden. Die vier Begriffe sind also einzeln archäologisch schwer fassbar, zusammen und gemeinsam ergeben sie jedoch indirekt ein Bild der gesellschaftlichen Verhältnisse. Dass man auf diese Weise leicht in einen Zirkelschluss geraten kann, liegt auf der Hand, es kann jedoch nicht übersehen werden, dass auch vermeintlich weniger „interpretierende“ Ansätze ebenso dieser Gefahr ausgesetzt sind.

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Die Bedeutung des Foucaultschen Machtbegriffes für die Interpretation urgeschichtlicher Kontexte Die Definition des Begriffs Machtausübung nach Michel Foucault eröffnet für die Interpretation urgeschichtlicher Gesellschaftsstrukturen und Hierarchien neue Möglichkeiten, denn Machtausübung als Einwirken von Menschen auf Handlungen anderer Menschen (Foucault 1999: 195) lässt Rückschlüsse von archäologisch Feststellbarem auf nicht Feststellbares zu. (Üblicherweise wird eine Grabausstattung mit vielen Beigaben mit gehobener sozialer Position im Leben, sprich mit „Adel“, „Fürstentum“ gleichgesetzt, und auf der anderen Seite Gräber mit geringer Ausstattung mit sozial niedrig positionierten Personen in Verbindung gebracht. Ersteres bedeutet machtvoll, herrschend – zweiteres machtlos, beherrscht.) Mit Hilfe von Foucaults Machtbegriff kann aus einer sehr eindimensionalen Sichtweise der Machtverhältnisse in einer bestimmten urzeitlichen Phase ein multidimensionales Bild (re)konstruiert werden, das jedenfalls gegenüber traditionellen Interpretationsmustern den Pluspunkt aufweist, mehrere Ebenen der gesellschaftlichen Stratifikation in horizontaler sowie vertikaler Weise darzustellen zu versuchen. Denn Foucaults Auseinandersetzung mit Macht zeigt deutlich, dass die Position der einen die Position der anderen beeinflusst und umgekehrt. Machtausübung verläuft nicht nur von „oben“ nach „unten“ (also gleich der Interpretation reiches Grab – hohe Position – Untergebene hierarchisch darunter), sondern zeigt auch das Verhältnis zwischen „oben“ und „unten“ sowie auch das Verhalten „unten“ und das Verhältnis von „unten“ zu „oben“ auf. Wie der Begriff „Machtverhältnisse“ schon sagt, handelt es sich um eine Relation; der Begriff kann nicht nur in eine „Richtung“ der gesellschaftlichen vertikalen Stratifikation gesehen werden (unter mehr oder weniger völliger Ausblendung der anderen Seite, nämlich jener am „unteren“ Ende der Stratifikation), und er kann die horizontale Stratifikation nicht außer Acht lassen, die ebenso wie die vertikale Gliederung ein wesentliches Merkmal gesellschaftlicher Verhältnisse ist und wie die vertikale Gliederung ebenso das Bild der gesellschaftlichen Struktur prägt. An dieser Stelle erscheint es angebracht, kurz über

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Fragen der Dualität und Nondualität nachzudenken. Die Differenzierung zwischen „oben“ und „unten“ als zwei sich gegenseitig ausschließenden und entgegen gesetzten hierarchischen Begriffen beruht auf einem dualistischen Schema, das jedoch durch Foucaults Auffassung der Notwendigkeit der Darstellung des Verhältnisses - der Relation - zwischen diesen Begriffen und gleichsam allen Verhältnissen, die „dazwischen liegen“, durchbrochen wird. „Oben“ und „unten“ sind viel zu eng miteinander verwoben und bedingen sich gegenseitig viel zu sehr, um als zwei getrennte „Blöcke“ dargestellt und interpretiert werden zu können. Diese zwei vermeintlichen Pole eines vielschichtigen und unterschiedlich ausgeprägten Verhältnisses sind eben – wie oben in Bezug auf den Begriff Macht ausgeführt – aufgrund ihrer Beziehung zueinander alles andere als voneinander klar abgegrenzt. David Loy stellt fest, dass das dualistische Denken folgendes Problem in sich trägt: „Das Problem bei einer solchen Art zu denken liegt darin, dass man, auch wenn Unterscheidungen üblicherweise getroffen werden, um sich für das eine oder andere zu entscheiden, das eine nicht ohne das andere haben kann, weil beides voneinander abhängig ist; indem man die eine Hälfte der Dualität bekräftigt, behauptet man auch die andere.“ (Loy 1988: 32-3).Was Loy hier allgemein anspricht, ist also eine Kritik am Denken in zwei einander entgegen gesetzten Kategorien (Loy 1988: 32). Im Fall der hierarchischen Begriffe „oben“ und „unten“ wäre es jedenfalls angebracht, dass das dualistische dem nichtdualistischen Denken Platz macht und der Relation der Begriffe mehr Raum gibt. Loy zitiert Zhuangzi, der genau in diese Richtung argumentiert: „Ein jedes Ding ist „Das“ [Objekt] in Relation zu anderen Dingen und „Dies“ [Subjekt] in Relation zu sich selbst … „Dies“ und „Das“ sind voneinander abhängig; … Aus diesem Grunde verschreibt der Weise sich nicht [der Sichtweise absoluter Gegensätze], sondern sieht die Dinge im Lichte der Natur und nimmt „Dies“ als das, was es ist.“ (Zhuangzi, zit. in Loy 1988: 32). Eine Analyse von Machtverhältnissen muss in jedem Fall sehr komplex angelegt sein, um ein Bild (re)konstruieren zu können, das den tatsächlichen Gegebenheiten nahe/näher kommen kann. Machtverhältnisse als eindimensionalen Begriff hinterfragen

zu wollen, muss aus den oben ausgeführten Gründen scheitern. Abgesehen davon muss man bei einer Untersuchung von Machtverhältnissen bedenken, dass jede Situation der Machtausübung das Ergebnis eines historischen Entwicklungsprozesses darstellt (Foucault 1999: 201). Wylie (1992: 52, zit. in Milledge Nelson 1997: 19) versteht Macht als einen Prozess und nicht als etwas, das man besitzt. Auch Prestige wird als kurzlebig angesehen und ändert sich mit den Systemen, in welche es eingebunden ist. Erst unter diesen Voraussetzungen ist es möglich eine Dynamik, die in Macht und Prestige liegt, zu sehen und zu untersuchen. Andernfalls seien es lediglich einzelne Momentaufnahmen, die Resultate dieser Dynamik, die untersucht werden (Milledge Nelson 1997: 19). Archäologisch gesehen betrachtet man zwar sozusagen eine Momentaufnahme, tatsächlich handelt es sich jedoch um einen Ausschnitt aus einem Prozess. Diese Feststellung schränkt einerseits die Interpretationsmöglichkeit ein, da der Bestand eines Ausschnitts eines Prozesses schwerer interpretierbar erscheint als ein historisch losgelöster Ausschnitt; andererseits ermöglicht aber erst diese Feststellung eine der Situation angebrachte Interpretation. Ein wesentliches Problem der Auseinandersetzung mit urgeschichtlichem Fundmaterial und dessen Interpretation ist gerade diese Nicht-Beachtung des Charakters der Urgeschichte als sich (weiter)entwickelnder Prozess und Vorgang. Es wird angenommen, dass vermeintlich statische Ausschnitte leichter interpretiert werden können als Ausschnitte aus Prozessen, die ein Davor und ein Danach besitzen. Gerade aber bei der Untersuchung von Machtausübung und Machtverhältnissen zeigt sich das Manko dieser Auseinandersetzung mit dem archäologischen Fundmaterial: Es fehlt sowohl die historisch vertikale als auch die historisch horizontale Komponente.Vor allem in Bezug auf die horizontale Komponente wird der Tatsache viel zu wenig Platz eingeräumt, dass Machtverhältnisse und Kommunikationsbeziehungen mit sehr komplexen Situationen zusammenhängen und durch diese erzeugt und weiter getragen werden. Aus der Feststellung, dass sich die Machtverhältnisse ändern beziehungsweise ändern können, ergibt sich auch, dass sich die Gruppe jener, die regiert werden und jener, die regieren, über die Zeit hinweg ändert

(Veyne 1997, zit. in Rose 1999: 40). Genauso, wie es nicht „die“ Macht gibt, gibt es also auch nicht „die“ Regierten oder „die“ Regierenden, denn jede dieser Gruppen ist kontextabhängig. Die Machtverhältnisse können sich kurzfristig ändern, abhängig von den Umständen, welche die Verhältnisse begleiten. Als ein aktuelles Beispiel können politische Wahlen angeführt werden. Die Machthabenden und Regierenden werden während der Vorwahlzeiten und des Wahlkampfes zu „Ohnmächtigen“ und geben ihre Macht an das wählende Volk ab.Wichtig ist jedoch dabei zu bemerken, dass der Status der Regierenden und Machthaber auch während dieser Zeit erhalten bleibt. Ihr Status würde erst dann sinken, wenn sie die Wahlen verlieren würden. Das führt die gegenseitige Abhängigkeit, was die Machtausübung und den Status anbelangt, vor Augen. Meist sind sich jedoch die Regierten ihrer „Macht“ nicht genug bewusst und setzen ihre Position der „Freiheit“ im Kreislauf der Machtverhältnisse nicht genügend ein. Beispiel einer Anwendung des Foucaultschen Analysewerkzeuges für Machtverhältnisse auf urgeschichtliche Daten An einem Beispiel aus der Urgeschichte möchten wir diese Ansätze der Machtanalyse erproben. Vorauszuschicken ist, dass es sicher keine allgemeinen Rezepte geben kann um archäologische Daten zu bearbeiten und zu interpretieren. Jeder Fundort, jedes Fundmaterial stellt die Hinterlassenschaft einer ganz bestimmten Gesellschaft und Kultur dar. Für eine kulturwissenschaftliche Interpretation sind also die archäologischen Funde und Befunde zuerst eingehend zu bearbeiten und aufgrund der Ergebnisse dieser Materialarbeiten die geeigneten Analyse-Werkzeuge einzusetzen, deren Auswahl beeinflusst ist durch den philosophischen und ideologischen Hintergrund des/r jeweiligen Forschers/in. Foucault fragt bei seiner Analyse von Machtverhältnissen nicht in erster Linie nach der Wirkung der ausgeübten Macht, sondern nach dem „Wie“ (siehe oben), d.h. nicht wie sich Machtausübung niederschlägt, sondern „wie“ Macht ausgeübt wird oder in unserem Fall ausgeübt worden ist. Da wir in der Urgeschichte, wenn überhaupt eher die Wirkung der Machtaus-

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übung erkennen können, müssen wir versuchen auf dem Umweg über die Wirkung zum „Wie“ zu kommen. Auf den ersten Blick erscheint das vielleicht als würde es sich von der „traditionellen“ Interpretationsweise nicht unterscheiden. Der ausschlaggebende Unterschied dazu ist jedoch das Machtmodell, das hinter unserer Analyse-Strategie steht. Ein Beispiel, an dem wir Foucaults Machtverständnis erproben möchten, sehen wir im Fundort Hallstatt. Ein über 1000 Bestattungen umfassendes Gräberfeld vor allem aus der älteren Eisenzeit (800 – 300 v.Chr.), das im 19. und in der 1. Hälfte des 20. Jh. ausgegraben wurde, stellt einen Bereich des Fundortes dar. Der zweite Bereich ist das Salzbergwerk, das unter dem Gräberfeld liegt und in dem seit der mittleren Bronzezeit, vielleicht aber sogar schon im Neolithikum Salz abgebaut worden war. Foucaults Aspekte der Machtverhältnisse – Fähigkeiten, Kommunikation, Handeln, Macht – versuchen wir also auf das archäologische Material anzuwenden. Im Fall von Hallstatt wäre der bergmännische Abbau von Salz mit einer bestimmten und speziellen Fähigkeit verbunden, die offenbar kommuniziert worden ist: In den Gräbern finden sich zahlreiche Beigaben, die durchaus nicht üblich sind für die sonst in dieser Periode und Umgebung vertretenen Funde. Hier wären Foucaults Prinzip der Machtausübung im Sinn von „Einfluss nehmen auf das Handeln anderer“ zu erkennen und gleichzeitig Machtverhältnisse zu erahnen. 1. Hallstatt hat Salz und verfügt über die Kenntnisse des Abbaus. 2. Wer hat das Salz abgebaut? Wir gehen davon aus, dass die im Gräberfeld bestattete Bevölkerung auch das Salz abgebaut hat (Pany 2003) (auf die Frage ob auch Kinder arbeiteten – Funde von auffallend kleinen Lederschuhen im Bergwerk ließ die Frage der „Kinderarbeit“ auftauchen – wollen wir in diesem Zusammenhang nicht eingehen); erst in jüngerer Zeit wurde die Siedlung der Salz-Bergleute im Hallstätter Hochtal aufgelassen und die Familien der Bergleute zogen in die Ortschaft im Tal. 3. Wir nehmen an, dass die Menge des abgebauten Salzes über den Eigenbedarf hinausging – d.h. also an andere abgegeben wurde. 4. Wir gehen davon aus, dass wir es dabei nicht mit

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einem Handelssystem zu tun haben wie wir es heute kennen in unseren staatlich organisierten und industrialisierten Gesellschaften. 5. Wir gehen davon aus, dass, wenn Handel vorkommt, dann in Form von Austausch (in welcher Form auch immer – diese unterschiedlichen Formen und Möglichkeiten zu besprechen würde den vorgesehenen exemplarischen Rahmen hier sprengen, wir glauben aber, dass dies in einer Bearbeitung unerlässlich wäre) ohne Münzwirtschaft, jedoch eine Art monetäres System wäre denkbar. Dadurch ergibt sich vorerst folgendes Bild: Die ansässige Bevölkerung aus Hallstatt baute Salz ab und lockte beziehungsweise sprach Menschen an, die das Salz im Tausch mit ihren Objekten erstanden haben. Machtausübung kann jetzt bedeuten, dass die ansässige Bevölkerung von Hallstatt Interesse an jenen Objekten hat, die später in den Gräbern gefunden wurden. Das Salz gibt ihr die Möglichkeit – die Macht – diese (auf welche Weise auch immer) zu erstehen. Die BesitzerInnen der begehrten Gegenstände aber sind ebenfalls in einer Position, Macht ausüben zu können, weil sie eben über die gewünschten Objekte verfügen. Es ergibt sich in einer derartigen Beschreibung der Verhältnisse von Hallstatt ein unserer Meinung nach qualitativ bedeutender Unterschied: alle beteiligten Akteure sind voneinander abhängig und aufeinander angewiesen, die Machtpositionen wechseln sich ab. Beide Positionen sind gleichgestellt. Interpretationen wie jene von Mansfeld („Man trug, was man bekam, und man bekam sicherlich nicht immer das Modernste.“ (1973: 60) und „... da dort der begründete Verdacht besteht, daß die reichen aber wenig kultivierten „Salzherren“ gewissermaßen „Ladenhüter“ aller Kulturprovinzen untergeschoben bekamen, ...“ (1973: 85)) als Erklärung für zeitlich voneinander abweichende Zusammensetzungen der Grabensembles in Hallstatt, die besagt, dass den „hinterwäldlerischen“ Hallstättern nur veraltete und unmodische Produkte untergeschoben worden waren, die sonst niemand mehr wollte, müsste bei so einer Analyse-Methode sehr klar und genau begründet werden, hat bei unserem Modell von „Machtverhältnissen“ eigentlich keinen Platz. Damit ist das Verhältnis zwischen der Gruppe der Hallstätter und der Gruppe der Salzabnehmer skizziert.

Wie sahen die Verhältnisse, genauer die Machtverhältnisse innerhalb der Hallstätter aus? Beeinflussten die Beziehungen nach außen die Strukturen nach innen? Foucault definierte fünf Punkte, die bei einer Analyse von Machtverhältnissen untersucht werden müssen (vgl. oben). 1. Zunächst sollte das System der Differenzierungen erkannt werden, das zugleich Bedingung und Folge von Machtverhältnissen ist. Da wir die in der Urgeschichte – im Hallstatt der Eisenzeit – bestandenen Systeme nicht kennen, sind wir auf Indizien angewiesen, die darauf hinweisen können. Hilfsmittel stellen sorgfältig geprüfte Analogie-Beispiele aus der Ethnographie dar. Für Hallstatt sind auf den ersten Blick Unterschiede in den Grabausstattungen ersichtlich, die ein Differenzierungssystem darstellen könnte. Es könnte a) einen unterschiedlichen Zugang zu bestimmten Gütern darstellen, wenn wir davon ausgehen, dass wir in einer Bestattung ein direktes Abbild der Situation im Leben vor uns haben (der Filter des Grabbrauches ist jedoch eine Unbekannte, der wir uns vielleicht durch stringente Vergleiche innerhalb des Gräberfeldes und wie oben angeführt durch ethnographische Beispiele annähern könnten.) b) es könnte ein Ausdruck unterschiedlicher Funktionen innerhalb der Gemeinschaft aufgrund bestimmter Fähigkeiten (zum Beispiel für den Salzbergbau) und daraus resultierender Tätigkeiten sein. 2. Jene, die das Handeln anderer beeinflussen, handeln nicht ohne Absicht, sie verfolgen ein Ziel oder mehrere Ziele: ein Aspekt, der im Fundmaterial herausgearbeitet werden muss – dazu müssen in der Analyse der Funde die Fragen in diese Richtung gestellt werden: a) als Möglichkeit kann in unserem Fall der Austausch von begehrten Objekten sein, die Prestige verleihen im oben definierten Sinn (vgl. oben). 3. Die explizite Frage nach den Mitteln, die angewandt wurden, um die Macht ausüben zu können, verändert absolut die Herangehensweise, da bei den meisten konventionellen Interpretationen Macht mit Herrschaft gleichgesetzt wird. Von Herrschaft sprechen wir aber erst dann, wenn die Machtausü-

bung mit Gewalt oder Unterdrückung oder durch andere suppressive Methoden erreicht wird und wenn es sich um eine diskontinuierliche Ausübung von Macht handelt. Für Hallstatt gibt es so gesehen keine Hinweise auf herrschaftliche Strukturen, wiederum müssten die Funde auf diese Frage hin untersucht werden. 4. Systeme, manchmal auch sehr komplexe Systeme wie zum Beispiel der Staat entstehen, um Machtverhältnisse aufrecht zu erhalten. Es kann sich dabei um autonome Systeme in einem System handeln wie die Familie, die Schule mit eigenen hierarchischen Strukturen und Regeln. Eine eingehende Untersuchung des archäologischen Fundmateriales müsste auf diese Fragestellung ausgerichtet sein. Beispielsweise eine Sichtung des vollständigen Fund- und Befundmaterials, also nicht nur den Inhalt der Gräber, sondern auch die Grabform miteinander zu vergleichen, diese wiederum mit den Grabensembles verbinden und gruppieren, wäre ein interessanter Versuch. 5. Grade der Rationalisierung nennt Foucault diesen weiteren Analysepunkt, bei dem untersucht werden soll, mit welchen und wie gut wirksamen Mitteln Machtverhältnisse zu deren Aufrechterhaltung eingesetzt werden. Dieser Aspekt würde bei einer urgeschichtlichen Analyse von Machtverhältnissen am Beispiel von Hallstatt wohl schwer überprüft werden können – jedoch könnte er als Überprüfung oder Kontrolle für die Haltbarkeit der Argumentationslinie bezogen auf die Punkte 1-4 gelten. Der bedeutende Unterschied in der Anwendung dieses Verfahrens im Vergleich zu einer konventionellen kulturhistorischen Interpretation ist vor allem ein nachvollziehbares Analyse-System, das als Gerüst dient, an welchem die archäologischen Daten und die Einzel­ergebnisse der Analyse aufgehängt und am Ende zu einem Modell zusammengefügt werden können. Es wird allerdings nicht eine Antwort auf die Frage nach den „tatsächlichen“ Begebenheiten in der Urgeschichte geben können.

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Macht als wesentlicher Aspekt der Rekonstruktion urgeschichtlicher Gesellschaften Wenden wir uns zuletzt nochmals den Fragen zu, die zu Beginn des Artikels aufgeworfen wurden:Wie der vorliegende Artikel zeigt, unterscheidet sich eine Analyse von Machtverhältnissen im Sinne Michel Foucaults deutlich von den üblicherweise im Fach angewendeten kulturhistorischen Interpretationsmustern. Dies beginnt bei der klaren und eindeutigen Definition und Anwendung bestimmter, diesbezüglich relevanter Begriffe, reicht über das Darstellen der komplexen Verhältnisse, die in Machtbeziehungen und im Rahmen von Machtausübung zutage treten bis hin zu der Erkenntnis, dass der „Vorteil“ einer Foucaultschen Herangehensweise an den „Komplex Macht“ darin liegt, die Grenzen der Interpretationen erkennen und dementsprechend handeln zu können. Dieser theoretische Rahmen bedeutet de facto ein Zurückweisen oftmals ausufernder Interpretationen auf ein den Funden und Befunden entsprechendes Maß, und es zeigt sich, dass man mit Hilfe des Foucaultschen Machtbegriffs interessante Details kontextabhängiger Machtverhältnisse (re)konstruieren kann. Der Titel des vorliegenden Beitrags beinhaltet die Begriffe Macht und Prestige als Kategorien der (Re)konstruktion urgeschichtlicher Gesellschaften. Wir haben versucht, aufzuzeigen, dass Macht und Prestige als zwei getrennte Kategorien in urgeschichtlichen Gesellschaften aufzufassen und zu interpretieren sind. Es ging uns darum, darzustellen, dass es nicht notwendigerweise zu einer Korrelation dieser zwei Begriffe kommen muss (wie in der Urgeschichtsforschung oft angenommen und interpretiert), dass es jedoch unter bestimmten Gesichtspunkten zu einer derartigen Korrelation kommen kann. Wir sind der Auseinandersetzung mit Macht in der archäologischen Literatur nachgegangen und haben stellvertretend einige Stellen genannt und fanden unsere modernen Machtstrukturen in vielen Interpretationen urgeschichtlichen Materials wieder. Weiters beobachteten wir, dass Macht und Herrschaft sehr oft gleichgesetzt werden und in einem Atemzug mit Prestige genannt werden. Wir haben die Begriffe Prestige und Macht definiert und unterschieden zwischen Macht, Prestige und Status. Macht nach Michel Fou-

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cault kann nie allein stehen und ist keine „bestehende“ Struktur, sondern es handelt sich immer um Verhältnisse, die aufgebaut und erhalten werden müssen, jedoch nicht konstant sind und fix, sondern einen stetigen Prozess darstellen. Die Ausübung von Macht ist fest verbunden mit drei Aspekten – Fähigkeit, Kommunikation, Handeln – die miteinander vernetzt sind und bei einer Analyse von Macht(verhältnissen) nicht voneinander getrennt werden dürfen beziehungsweise können. Für eine Analyse von Machtverhältnissen oder Machtausübung schlug Foucault ein Verfahren vor, das aus fünf Punkten besteht, die untersucht werden müssten. Ihre Anwendung auf archäologisches Fundmaterial haben wir in einem Kapitel erprobt. Der Fundort Hallstatt mit urgeschichtlichem Salzbergbau und eisenzeitlichem Gräberfeld erschien uns geeignet. Im Rahmen dieses Beitrags konnte keine eingehende Materialanalyse als notwendige Datengrundlage für eine seriöse Interpretation herangezogen werden. Die Anwendbarkeit der Foucaultschen Analyseschritte als Gerüst konnte jedoch vorgezeigt werden. Das wichtigste Ergebnis dieser Arbeit ist die Erkenntnis, dass es keine allgemeine und absolute Macht geben kann, dass wir auch in der Urgeschichte von einem Prozess ausgehen sollten und müssen, von Machtverhältnissen, die geprägt sind von der jeweiligen Kultur und dass Macht nicht gleich Herrschaft bedeutet. Die Darstellung einer urgeschichtlichen Gesellschaft und die Beschreibung von sozialen Strukturen sollte eine Analyse der Art von Machtverhältnissen unbedingt mit einschließen.

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Nur Königstöchter und Krieger? Möglichkeiten der Auswertung mediterraner Schriftquellen des 1. Jahrtausends v. Chr. zum Aspekt „Mobilität“ aus der Sicht der mitteleuropäischen Archäologie Julia Katharina Koch

Zusammenfassung Der Beitrag gibt einen Einblick in einen Aspekt des laufenden Forschungsprojektes „Mobilität der Geschlechter. Zur Einbindung fremder Individuen in bronze- und eisenzeitliche Gesellschaften Mitteleuropas unter Berücksichtigung der sozialen Kategorien Alter und Geschlecht“. Durch die Auswertung historischer Quellen der ersten Hälfte des 1. Jahrtausends. v.Chr. wird im Rahmen des Projektes ein Katalog mobiler Typen erstellt, der eine weiterführende Interpretationshilfe für die Auswertung archäologischer Befunde bietet. In dem vorliegenden Beitrag werden die ersten Ergebnisse der Auswertung der homerischen Epen Odyssee und Ilias vorgestellt, vor allem für welche sozialen Gruppen welche Art der Mobilität erschlossen werden kann. Dabei zeichnet sich hinsichtlich der Mobilitätsmöglichkeiten eine deutliche Geschlechter- und Altersdifferenzierung ab. Während erwachsenen Männern der Oberschicht ein weites Spektrum an Reisegründen offen steht, ist es für andere Alters- und Geschlechtergruppen sehr viel eingeschränkter. Am gegenüberliegenden Ende der Skala stehen Frauen der unteren sozialen Schichten, denen nur eine Mobilität ohne Möglichkeit der Rückkehr zum Herkunftsort zugestanden wurde. Abstract This paper discusses an aspect of the ongoing research project “Mobility of gender. The integration of foreign individuals in Bronze and Iron Age societies in Central Europe in consideration of the social categories age and gender”. By evaluating historical sources of the first half of the first millenium BC, a catalogue of mobility types is being developed which offers an interpretative aid for the evaluation of archaeological features. In this paper, the first results of the evaluation of the homeric epics Odyssey and Iliad are presented, with particular focus on the question of the kinds of mobility that were accessible to different social groups. In this case, the classes of mobility demonstrate a clear differentiation based on gender and age.While a wide spectrum of reasons is available for the mobility of adult men of the upper classes, the possibilities are much more limited for other age and gender groups. At the opposite end of the scale are women of the lower social classes, for whom the only option was a move without the possibility to return to their place of origin.

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Seit mehreren Jahren sind erneut Fragen nach Kulturaustausch und Mobilität von Menschen und Objekten in das Interesse der archäologischen Forschung gerückt, sicherlich nicht zuletzt unter dem Eindruck der globalen Wanderungsströme unserer eigenen Zeit und verbunden mit den damit einhergehenden Fragen an diverse wissenschaftliche Disziplinen. Besonders die verfeinerten Isotopen-Analysemethoden eröffnen neue Möglichkeiten zur Identifizierung konkreter fremder Personen innerhalb der prähistorischen Bestattungsgemeinschaften (Knipper 2004; Schweissing 2004), wie es mit rein archäologischen Mitteln nie möglich wäre. Allerdings bringt diese Entwicklung auf der Seite der Interpretationsmodelle bisher wenig Bewegung mit sich. Zwar kann eine ausführliche Diskussion der bisherigen archäologischen Methoden und Interpretationswege innerhalb des Faches konstatiert werden (zuletzt Prien 2005), dennoch bewegen sich die Gedankenansätze inklusive stereotyper Rollenzuweisung bei identifizierten Fremden im traditionellen Rahmen (Koch 2007). Zu den häufig wiederkehrenden Topoi in der Ansprache fremder Individuen innerhalb einer Bestattungsgemeinschaft gehört derjenige der fremden, aktiven, heroischen Krieger (z. B. Egg 1978; Dörrer 2002). Ergänzt wird es auf der weiblichen Seite mit der in die Fremde verheirateten und mit ihrem Schmuck bestatteten Frauen (z. B. Krämer 1961). Eine Verknüpfung mit Fragen der archäo­logischen Geschlechterforschung hat bisher in den seltensten Studien stattgefunden, sieht man von Ausnahmen wie der Arbeit von Sabine Reinhold (2005) zu Kommunikationsräumen der Männer und Frauen im eisenzeitlichen Kaukasus ab. Forschungsprojekt „Mobilität der Geschlechter“ Mit dem von 2004 bis 2008 laufenden Forschungsprojekt „Mobilität der Geschlechter. Zur Einbindung fremder Individuen in bronze- und eisenzeitliche Gesellschaften Mitteleuropas unter Berücksichtigung der sozialen Kategorien Alter und Geschlecht“ (gefördert von dem Hochschul- und Wissenschaftsprogramm (HWP), dem Freistaat Sachsen und der Universität Leipzig) soll eben diese Verknüpfung zwischen Mobilitätsforschung und Fragen der Geschlechterforschung (Stephan 2006: 52ff. bes. 63ff.) erfolgen. Im Mittel-

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punkt steht dabei die These, dass Einzelpersonen und soziale Gruppen, differenziert nach ihrem durch Geschlecht und Alter definierten Status, ein unterschiedliches, regionales Mobilitätsverhalten aufwiesen und ihnen ebenso differenzierte Integrationskonzepte in den aufnehmenden Gesellschaften zur Verfügung standen. An der Wechselbeziehung zwischen geschlechterspezifischen Mobilitätsstrukturen und kulturellem Wandel in der Frühbronzezeit und Frühen Eisenzeit Mitteleuropas wird diese These überprüft. Mit Hilfe eines diachronen und überregionalen Vergleichs ausgewählter Nekropolen werden für die europäische Bronze- und Eisenzeit die soziokulturellen Auswirkungen rekonstruiert, die von den „Fremden“ ausgegangen sind oder sein könnten. Unter Mobilität werden dabei zunächst sämtliche Möglichkeiten von Wanderbewegungen einzelner Personen und Kleingruppen zusammengefasst, sowohl diejenigen mit Rückkehr zum Ausgangsort als auch diejenigen mit endgültigem Ortswechsel. Dass im archäologischen Material aufgrund der Importobjekte und Bestattungen „in der Fremde“ in erster Linie das Mobilitätsverhalten verbunden mit endgültigem Ortswechsel zu fassen ist, versteht sich von selbst. Letztendlich wird mit dem Projekt angestrebt, anhand historischer Analogien und mit Hilfe von Strontium-Isotopen-Analysen ein methodisches Instrumentarium zu entwickeln, das es erlaubt, die diffusen „Einflüsse“ und „Kulturkontakte“ durch die „Mobilität der Geschlechter“ zu konkretisieren (Abb. 1). Der erste theoretische Abschnitt der

archäologische Befunde und Funde gesellschaftlicher Status, Grad der Integration

mobile Menschen der Bronze- und Eisenzeit historische Texte Motivation, Verlauf der Reise

Strontium-IsotopenAnalysen Herkunft

Abb. 1: Potential verschiedener Quellengattungen für die Rekonstruktion der räumlichen Mobilität bronze- und eisenzeitlicher Menschen.

Arbeit ist der Zusammenstellung der in der bisherigen Fachliteratur vertretenen Rollenvorstellungen sozialer Geschlechter- und Altersgruppen hinsichtlich regionaler Mobilität gewidmet (vgl. Koch 2007). In einem weiteren Abschnitt werden ausgewählte Texte des 2. und 1. Jahrtausends v.Chr. aus dem ostmediterranen Raum als historische Analogien in Hinblick auf die Beschreibung von Reisenden und Fremden und dem mitgeführten Sachgut ausgewertet. Konkret geht es dabei um die Erstellung eines Kataloges der verschiedenen Motivationen für Reisen, der Typen der Reisegruppen und Art der Aufnahme in den Gastländern bis hin zur Integration und/oder Bestattung in der Fremde sowie der Beschreibungen von darin involvierten Sach- und Austauschgütern. Die Gliederung der verschiedenen Mobilitätstypen wird korreliert mit den sozialen Kategorien Alter und Geschlecht. In zwei anschließenden Fallbeispielen wird dieser anhand ­ historischer Quellen gewonnene Typenkatalog mit den Theorien zu Importen und den Ergebnissen der geochemischen Analysen mehrerer ausgewählter Gräbergruppen aus der mitteleuropäischen Frühbronzezeit und Frühen Eisenzeit konfrontiert. Durch die Gegenüberstellung der Ergebnisse aus den verschiedenen Abschnitten des Projektes soll letztendlich die Möglichkeiten der Interpretation der archäologischen Befunde hinsichtlich fremder Individuen innerhalb einer Bestattungsgemeinschaft eingegrenzt werden. Als Ausschnitt aus dem zweiten Arbeitsabschnitt des Projektes sollen an dieser Stelle das Potential der ­ historischen Analogien hinsichtlich Anregungen und ­ Gewinnung neuer Ansätze aufgezeigt werden. Um den Rahmen der Linzer Gespräche einzuhalten, ­erfolgt ­dabei der Bezug auf Quellen aus dem frühen 1. Jahrtausend v.Chr., für das Projekt werden aber ebenso bronzezeitliche Schriftquellen des 3. und vor allem 2. Jahrtausends v.Chr. einbezogen (Koch, im Druck). Historische Analogien für die Eisenzeit? Um sich bei der Interpretation der Funde und Befunde nicht im Kreise zu drehen, sind Interpretationshilfen in Form von Analogien eine gebräuchliche Methode. Um den Rahmen dieses Beitrages nicht zu sprengen, sei hier zum aktuellen Stand der Analogiediskussion auf die Publikationen verwiesen, die der Analogieta-

gung der Theorie-AG 1996 folgten (Gramsch 2000; siehe auch Ethnogr.-Arch. Zeitschr. 37, 1996). Generell widmet sich ein wesentlicher Teil der Diskussion der Frage nach der Eignung der Analogiequellen, d.h. ob und welche ethnographische, ethnohistorische oder historische Quellen zu bevorzugen sind. Dabei ergeben sich bei jeder Auswahl, ob nah oder fern, ob diachron oder zeitgleich,Vor- und Nachteile.Während in der Ethnologie die räumliche und zeitliche Nähe von Analogiesubjekt und –quelle als Gefahrenquelle für Zirkelschlüsse bei sozialen Phänomenen gleichen Ursprungs und damit als „Galtons Problem“ abgelehnt wird (Schweizer 1998: 389f.), birgt eben diese Nähe im archäologischen Kontext durchaus den Vorteil, damit die Rekonstruktion homologer Kulturerscheinungen mittels unterschiedlich tradierter Puzzelstücke ergänzen zu können (Krauße 2000: 125f.). Für eisenzeitliche Kulturgruppen Mitteleuropas sind die nächstmöglichen zeitgleichen Analogiequellen aus dem mediterranen und vorderorientalischen Raum (damit wird hier im weiteren Sinne das Gebiet von Kleinasien über Mesopotamien bis Ägypten umschrieben) schon soweit entfernt, dass trotz der bestehenden kulturellen Kontakte und der Übernahme einzelner Technologien niemand an vollständig homologe Entwicklungen denken mag. Die historischen Analogien können genauso wie ethnographische auf verschiedenen, miteinander ver-

Funde Befunde Monumente

beschriebene Sachgüter und Bauten

Skelette und rekonstruierte soziale Gruppen

involvierte Personengruppen und Einzelpersonen

Modelle zur interkulturellen Kommunikation

Motive und Ablauf der interkulturellen Kommunikation

Analogiesubjekt: archäologische Komplexe

Analogiequelle: historische Texte

Abb. 2: Ebenen der Verknüpfung zwischen Analogiequelle und -subjekt.

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knüpften Ebenen eingesetzt werden (Abb. 2). Die Ebenen lassen sich dem materiellen Kulturgut, den mit diesem Sachgut verbundenen Personen und zuletzt den kulturellen Konstrukten zuweisen. Auf das Thema des vorliegenden Sammelbandes projiziert, lassen sich Fragen wie folgt formulieren: 1. Welche Objektgruppen sind in anderen Kulturen in die interkulturelle Kommunikation vorrangig miteinbezogen worden? Gibt es hier bevorzugte Objektgruppen, betrifft es alle Artefakte gleichermaßen? 2. Welche Personengruppen tragen die interkulturelle Kommunikation? Welche Alters- und Geschlechtergruppen haben in puncto Mobilität welche Möglichkeiten und welches Handlungsspektrum zur Verfügung? 3. Welche Gesellschaften waren überhaupt an einer interkulturellen Kommunikation interessiert? Handelt es sich um ein universelles Gebot, dem man sich nicht entziehen kann? Mit welchen gesellschaftlichen Strukturen waren welche Arten der Mobilität verbunden? – um nur ein paar von möglichen Fragen aufzustellen. Schriftquellen des frühen 1. Jahrtausends v.Chr. Da in der frühen Eisenzeit bereits auf eine Tradition lang anhaltender Kontakte zwischen dem Mittelmeergebiet und Mitteleuropa, wenn auch mit schwankender Intensität, zurückgegriffen werden konnte, wurden für das oben skizzierte Projekt historisch überlieferte Texte aus diesem Gebiet als Analogiequelle gewählt. Für den anvisierten Zeitraum der 1. Hälfte des 1. Jahrtausend v.Chr. stehen Schriftquellen vor allem aus Ägypten und Griechenland zur Verfügung. Aus dem phönizisch-punischen und etruskischen Bereich sind zwar Inschriften und knappe Texte überliefert, darunter auch Reiseberichte wie der Periplus des Hanno (Blomqvist 1979), aufgrund ihrer Kürze und der eingeschränkten Thematik geben sie jedoch keine wesentlichen für die Fragestellung verwertbaren Informationen. Aus dem Alten Ägypten stammen einige bekannte Reiseschilderungen. Der chronologisch jüngste Bericht stammt aus der Umbruchszeit des 11. Jahr-

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hunderts: die Reise des Tempelbeamten Wenamun, der im Libanon Holz einkaufen soll (Schipper 2005). Je nach Intention und Datierungsvorschlag der Bearbeiter wird er als Mobilitätsbeispiel des 2. oder auch des frühen 1. Jahrtausends herangezogen (vgl. Vittmann 2003: 46ff.; Schipper 2005: 6ff.). Da er aber eindeutig noch während der Bronzezeit niedergeschrieben wurde, wird er im vorliegenden Beitrag außer Acht gelassen. Ägypten in der Spätzeit wird vor allem von Pharaonen ausländischer Dynastien geprägt (Vittmann 2003: 1ff., 120ff.). D.h. die ägyptische Gesellschaft steht nun unter vielerlei Einflüssen aus Lybien, Nubien, Persien und zuletzt Griechenland. Zahlreiche Ausländer kommen nach Ägypten, die Gesellschaft wird äußerst multikulturell und mobil. Sie entfernt sich also so weit von traditionellen sesshaften Gesellschaftsformen, dass sie als Vergleich für das früheisenzeitliche Mitteleuropa kaum mehr herangezogen werden kann. Aus dem griechischen Kulturgebiet in geometrischer und früharchaischer Zeit sind vor allem die zwei Epen von Homer, Ilias und Odyssee, erhalten, aufgeschrieben im 8. oder 7. Jh. Diese wurden bereits für zahlreiche vergleichende Studien in der Archäologie als Steinbruch herangezogen, wahlweise für die Untersuchungen zur späten Bronzezeit mit dem Hinweis, dass die Ursprünge des Trojanischen Sagenkreises in der Mykenischen Kultur zu suchen sind, oder auch für die frühe Eisenzeit, da dies der Entstehungszeit entspricht (z. B. Demakopoulou u.a. 1999; Fischer 1973: 454f.). In der richtungsweisenden Analyse der homerischen Gesellschaft von Christoph Ulf (1990: 232ff.) wird deutlich formuliert, dass in den beiden Epen die gesellschaftlichen Strukturen der spätgeometrischen Entstehungszeit in idealisierter Form dargestellt werden. Da in der Studie Analogien zu sozialen Interaktionen und dem damit verbundenen materiellen Kulturgut zusammengestellt werden, werden die beiden Epen Ilias und Odyssee hier als ausschließlich eisenzeitliche Quellen gewertet. Andere Teilepen aus den großen Sagenkreisen „Krieg um Troja“, „Sieben gegen Theben“ oder die „Argonautenfahrt“ gehen zwar ebenfalls auf bronzezeitliche Geschichten zurück, sind aber noch später niedergeschrieben worden, so dass sie nur bedingt als Schriftquellen für die Fragestellung individueller Mobilität in der Frühen Eisenzeit ausgewertet werden

können. Neben den homerischen Epen sind nur wenige zeitgleiche Werke aus dem griechischen Kulturraum vollständig überliefert, von denen das Sach­epos „ “ (Werke und Tage) von Hesiod sowie ein paar wenige Gedichtfragmente Textstellen zu mobilen Menschen außerhalb der mythisch-göttlichen Sphäre beinhalten. Die historische Entwicklung im nordostmediterranen Raum brachte im Zusammenhang mit der griechischen Kolonisation, der Poleisbildung und beginnenden Münzwirtschaft auch einen Wandel in den Strukturen und Möglichkeiten der Mobilität für einzelne Bevölkerungsgruppen mit sich. Damit entfernen sich die dortigen Gesellschaftsstrukturen deutlich von den postulierten traditionellen, stärker reglementierten Strukturen Mitteleuropas, so dass die nach 600 v.Chr. niedergeschriebenen Schriftquellen Griechenlands nicht mehr für die Fragestellung herangezogen werden. Kategorien mobiler Individuen und Gruppen Aber auch die verbliebenen Texte ergeben eine umfangreiche Sammlung an Beispielen für Mobilität in der griechischen Gesellschaft der geometrischen und früharchaischen Zeit. Allerdings muss man dabei berücksichtigen, dass Ilias und Odyssee für eine bestimmte Zielgruppe als Zuhörerschaft verfasst wurden, d.h. für die Männer der Oberschicht, und auch im Wesentlichen nur ihre Lebenswelt dargestellt wird. Man darf also nicht erwarten, durch die Analyse der beiden Epen die Mobilitätsstrukturen der damaligen Zeit vollständig erfassen zu können. Die in den Texten beschriebenen Individuen werden für den Mobilitätskatalog primär nach den Kategorien Alter, Geschlecht und sozialer Stand geordnet, zudem kommt noch das Unterscheidungskriterium mit oder ohne geplanter Rückkehr hinzu. Nach dieser Gliederung ergeben sich für die einzelnen Gruppen deutlich zu unterscheidende Motive. Eine Differenzierung kann auch innerhalb der Alters- und Geschlechtergruppen festgestellt werden.Anhand der oben genannten Quellen können verschiedene Mobilitätsmöglichkeiten für die Folgenden aufgelisteten sozialen Gruppen benannt werde, die da sind: Kinder beider Geschlechter, Mädchen und Jungen der sozialen Oberschicht am

Übergang zum Erwachsenenalter, sowie Männer und Frauen aller sozialen Schichten. Unterschiedliche Mobilitätsmotive können bereits bei den Kindern konstatiert werden. Wie alle Bevölkerungsgruppen waren Kinder, egal welcher sozialen Herkunft, im Kriegsfall von Gefangenschaft mit anschließender Sklaverei oder von Flucht zusammen mit ihren Familien und einem Dasein als Bettler bedroht. In günstigen Fällen ist die Gefangenschaft mit einer möglichen Rückkehr verbunden, wenn materielle Güter als Lösegeld gegen die Gefangenen eingetauscht werden können. Während die Gefangenschaft mehrfach bei Homer angesprochen wird (Hom. Od. 15, 362-369; 402-483; Hom. Il. 9, 594), wird die Flucht oder Vertreibung mit anschließendem sozialen Prestigeverlust und Dasein als Bettler nur von Tyrtaios von Sparta thematisiert (Latacz 1998: 164f.). Bei ihm heißt es im Fragment 6/7 G.-P.,Vers 3-6: IJχȞ į' ĮЁIJȠІ ʌȡȠȜȚʌϱȞIJĮ ʌϱȜȚȞ țĮϠ ʌϟȠȞĮȢ ΦȖȡȠϿȢ / ʌIJȦȤİϾİȚȞ ʌΣȞIJȦȞ σıIJ' ΦȞȚȘȡϱIJĮIJȠȞ, / ʌȜĮȗϱȝİȞȠȞ ıϿȞ ȝȘIJȡϠ ijϟȜϙ țĮϠ ʌĮIJȡϠ ȖνȡȠȞIJȚ / ʌĮȚıϟ IJİ ıϿȞ ȝȚțȡȠϧȢ țȠȣȡȚįϟϙ IJ' ΦȜϱȤУ. (Doch seine Stadt verlassen und die fetten Äcker / und betteln gehen – das ist von allem schlimmste Pein! / Umherirren mit der lieben Mutter und dem Vater, alt schon / und mit den kleinen Kindern – und der angetrauten Frau! [Übersetzung: Latacz 1998: 165]). Opfer des Menschenraubs waren neben den Frauen vor allem die Kinder.Wurde kein Lösegeld verlangt, wurden sie als Sklaven weiterverkauft. Als prominentes Beispiel kann Eumäos genannt werden, bei dem sich der Prestigeverlust durch den Raub deutlich zeigt: Als Königssohn in Syria geboren, wurde er als Kleinkind geraubt und letztendlich Schweinehirt im Oikos des Odysseus auf Ithaka (Hom. Od. 15, 362-369; 402-483). Einer ganz anderen Motivation entspringen die Initiationsreisen am Übergang von Jugend zum Erwachsenenalter. Die Jungen reisen zu Verwandten ihrer Eltern und zu Gastfreunden des Vaters, um ihre Fähigkeiten beweisen zu können, Erfahrungen zu sammeln, überregionale Verbindungen der älteren Generationen zu bestätigen und zu vertiefen, wie die Fahrt Telemachos´ zu den Palästen der Gastfreunde seines Vaters in Pylos und Sparta zeigt (Hom. Od. 3; 4; 15) oder die Reise seines Vaters Odysseus zu dessen Großeltern am

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Parnaß (Hom. Od. 18, 394-466). Die Mädchen können im Zuge ihrer Verheiratung mit Bündnispartnern ihrer Eltern ebenfalls in die Fremde gesandt werden, wie Hermione, Tochter des Menelaos und der Helena, die mit Neoptolemos, Sohn des Achill, verheiratet wird (Hom. Od. 4, 4-14). Bei diesen Initiationsreisen zeigt sich ein wesentlicher Unterschied zwischen den Geschlechtern hinsichtlich der Möglichkeit der Rückkehr, die im Normalfall nur den Jungen offen steht, nicht aber den Mädchen. Zudem können Jungen bei einer erfolgreichen Rückkehr einen Prestigegewinn verzeichnen, der eng mit Quantität und Qualität der mitgebrachten Güter, wie z.B. Gastgeschenke (Wagner-Hasel 2000), verbunden ist. Die Statusveränderung der in die Fremde verheirateten jungen Frauen wird hingegen in den homerischen Epen kaum thematisiert. Hier bleibt die Frage offen, ob in den hier beschriebenen Gesellschaften mit Einfrauehen eine von auswärts stammende Ehefrau eines Mannes der Oberschicht dasselbe Ansehen hatte wie eine Einheimische (vgl. hierzu den geringfügigen Prestigeverlust in Gesellschaften mit Mehrfrauenehen wie die vorderorientalischen Königshöfe; [Koch, im Druck]). Vielfältige Reisemotive sind bei den Männern der Oberschicht zu finden. Zu den eher friedlichen Gründen können Reisen zu Verwandten, speziell zu den in die Fremde verheirateten Töchtern (Hom. Od. 19, 399-412), genannt werden, sowie die Besorgung spezieller Waffen, wie das Pfeilgift, das für Odysseus eine Reise wert war (Hom. Od. 1, 258-264), oder religiöse Motive wie das Einlösen von Opferversprechungen (Hom. Od. 11, 119-133). Auf der kriegerischen Seite stehen Kriegszüge, häufig kombiniert mit Raub von Viehherden inklusive der Hirten oder mit dem Raub von Frauen und Kindern, wie zahlreiche Beispiele im zweiten Gesang der Ilias zeigen. Eine eigene Gruppe bilden die herumreisenden Händler; bei Homer gehören sie überwiegend den Phöniziern an (Hom. Od. 15, 416-479). Ohne Möglichkeit einer Rückkehr sind die bereits erwähnte Vertreibung nach einer Zerstörung der Heimat, dann zusammen mit der Familie, oder die Flucht im Falle eines Verbrechens wie Totschlag oder im Falle eines Streites innerhalb der Familie. Diese Flucht zieht nicht wie die Vertreibung auch unbedingt einen sozialen Abstieg mit sich. Flüchtlinge, die der Oberschicht angehören, können an anderen

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Orten als Gastfreunde aufgenommen werden und ihren Lebensstandard halten, wie es Patroklos widerfuhr, der von Peleus, dem Vater Achills, aufgenommen wurde (Hom. Il. 23, 85ff.). Männer der anderen Bevölkerungsgruppen können auf der einen Seite als Begleitpersonen von Personen der Oberschicht unterwegs sein, so als Krieger eines Heeres (Hom. Il. 2), als Begleiter von Händlern (Hom. Od. 15, 416-479) oder als Diener von in die Fremde verheirateten Frauen (Hom. Od. 4, 735-737). Menschenraub betrifft diese Gruppe insofern, als Hirten zusammen mit ihren Herden entführt werden können (Hom. Od. 21, 18-19). Die Möglichkeiten der Rückkehr richten sich hier nach dem Zweck der Reise, der von der Oberschicht vorgegeben wurde.Versperrt ist die Rückkehr vor allem den Dienern der Frauen. Auf der anderen Seite stehen die Ortswechsel verbunden mit Notsituationen, wie sie von Hesiod und Tyrtaios angesprochen werden: einmal aus einer wirtschaftlichen Notsituation heraus, einmal aufgrund der Zerstörung des Heimatortes (Hes. erg. 634-640; Tyr. Fr. 6/7 G.-P.,V. 3-6). Bemerkenswert ist vor allem die kurze Beschreibung der Biographie von Hesiods Vater, da hier gezeigt wird, dass auch jenseits der von Homer genannten Bevölkerungsgruppen, also der Oberschicht, der Abenteurer sowie der Bettler für die bäuerliche Mittelschicht die regionale Mobilität als Lösungsweg in wirtschaftlich schlechter Situation zur Verfügung stand. Ortswechsel bei Frauen werden sehr viel seltener ­erwähnt. Ein bestimmendes Thema ist die Gefangenschaft im Kriegsfall, detailliert beschrieben von Hektor bei seiner letzten Begegnung mit seiner Ehefrau ­Andromache (Hom. Il. 6, 445-463): Sie müsste als ­Sklavin vor allem am Webstuhl arbeiten und Wasser holen. Die Beschreibungen des archaischen Heereslagers im neunten Gesang der Ilias zeigen zudem, dass gefangene Frauen regelmäßig der sexuellen Gewalt ausgesetzt waren. Die Gefangenschaft zieht also einen deutlichen Prestigeverlust mit sich. Im Falle einer Lösegeldzahlung ist die Gefangenschaft wie der Prestigeverlust nur vorübergehender Natur; als Beispiel kann die Geschichte der wieder ausgelösten Chryseis im ersten Gesang der Ilias genannt werden (Hom. Il. 1, 29-31; 308-312; 366-370; 430-442). Ebenfalls mit dem sozialen Abstieg verbunden wäre eine bereits an-

gesprochene Flucht mit der Familie. Für Frauen jenseits der Oberschicht werden in den Schriftquellen keinerlei Beispiele für einen Ortswechsel mit Möglichkeit der Rückkehr genannt. Endgültige Ortswechsel können mit Gründen verbunden sein, die auch schon mehrfach für andere soziale Gruppen genannt wurden, wie Raub und Gefangenschaft, die Vertreibung oder auch die Begleitung als Dienerin einer Frau der Oberschicht (Hom. Il. 20, 191-194; Hom. Od. 23, 227-228). Als Fazit kann aus der Zusammenstellung dieser ­Beispiele gezogen werden, dass den Männern der Oberschicht das größte Mobilitätsspektrum verbunden mit Rückkehr an den Ausgangsort zur Verfügung stand. Allerdings können auch diese Reisen nicht immer als freiwillige Mobilität angesprochen werden, da bestimmte Reisen wie die Initiationsreise am Übergang der Jugend zum Erwachsenenalter oder die Beteiligung an Kriegszügen der Gastfreunde und Verbündeten zum Verhaltensspektrum der gesellschaftlichen Rolle eines Mannes der Oberschicht gehörten und dementsprechend erwartet wurden. Alle anderen sozialen Gruppen, Männer der unteren Schichten, Frauen und Kinder, zeigen ein deutliche Neigung zu Wanderungsbewegungen, die bestimmt sind von Motiven anderer, teilweise verknüpft mit Erfahrungen von Gewalt, und verbunden mit einem endgültigen Ortswechsel. Involvierte Sachgüter Aus dem Blickwinkel der prähistorischen Archäologie interessiert vor allem, welche Sachgüter in die beschriebenen Wanderungsbewegungen mit einbezogen wurden. Dafür bieten die homerischen Epen durchaus ein reiches Anschauungsmaterial. Katalogartige Sachbeschreibungen darf man allerdings nicht erwarten, teilweise muss man auch zwischen den Zeilen lesen: Werden „schöngegürtete Frauen“ gefangengenommen (Hom. Il. 9, 666-668: нǿijȚȢ πϾȗȦȞȠȢ = die schöngegürtete Iphis), so darf man doch postulieren, dass die unmittelbar am Leib getragene Kleidung sowie der Schmuck an den neuen Aufenthaltsort mitgenommen wurde. Eine besondere Beachtung fand bisher in der archäologischen wie auch in der historischen Forschung der

Austausch der Gastgeschenke, die in der Regel Metallgefäße, Kleidung und Wagen mit Pferden umfassen können. Da dieses Thema erst vor kurzem von der Althistorikerin Beate Wagner-Hasel mit ihrer Habilitationsschrift „Der Stoff der Gaben“ auch unter geschlechterspezifischen Aspekten aufgearbeitet wurde, soll an dieser Stelle darauf nicht detailliert eingegangen werden (vgl. Wagner-Hasel 2000). Ein wichtiges Ergebnis ihrer Arbeit ist der hohe Stellenwert der Textilien im Rahmen der Gastgeschenke, die damit auch einen Anzeiger für Reichtum bilden – ein Reichtum, der von Frauen (von der Herrin bis zur Sklavin) – geschaffen wurde (Wagner-Hasel 2000: 104ff., 122ff.). Die Schriftquellen werden im Rahmen des Projektes gezielt nach Objektgattungen und den angegebenen Gründen für Ortswechsel mit oder ohne damit verbundenen Besitzerwechsel ausgewertet. Exemplarisch seien hier die Waffen angeführt, sowohl Einzelstücke als auch ganze Rüstungen. Für sie werden verschiedenste Gründe genannt, so der Austausch von Waffen unter Gastfreunden (Hom. Od. 21, 13-41), das Eintauschen von Waffen (Hom. Od. 1, 258-264), die Plünderung von toten Kriegern auf dem Schlachtfeld (Hom. Il. 6, 71), das Aufsammeln der Waffen geflüchteter Krieger (Archilochos Fr. 5 West [Latacz 1998: 248f.]) sowie die Aussetzung als Preis bei Wettkämpfen (Hom. Il. 23, 559-562.). Interessant sind für die prähistorische Archäologie auch die Beschreibungen der Bestattungen. Die bekannteste thematisiert die Bestattung des Patroklos im 23. Gesang der Ilias mit Beschreibung des Scheiterhaufens, der Beigaben, der Menschen- und Tieropfer sowie der Wettkämpfe. Darüber hinaus werden namentlich zwei weitere Bestattungen, wenn auch knapper beschrieben: zum einen diejenige von Phrontis, Steuermann auf dem Schiff des Menelaos, dessen Grab am Ufer Attikas errichtet wurde (Hom. Od. 3, 277ff.); zum anderen diejenige von Elpénor, ein Gefährte von Odysseus, der im Oikos der Kirke im Weinrausch vom Dach fällt (Hom. Od. 12, 11-15). Letzterer bekommt auf der Insel der Kirke ein Brandgrab mit seinen Waffen als Beigaben. Als Grabmal fungiert sein in die Erde gestecktes Ruder. Bemerkenswert ist noch der Kenotaph für Agamemnon, der von seinem Bruder in Ägypten errichtet wird, nachdem er dort von dessen Tod erfährt (Hom. Od. 4, 512-537; 584).

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Ausblick Mit den Beispielen zur Mobilität von Kindern, Männern und Frauen aus dem Griechenland Homers soll das Potential historischer Analogien für eisenzeitliche Mobilitäts- und Kommunikationsstrukturen aufgezeigt werden. Auch wenn die Quellen aus einer wahrscheinlich anders organisierten Kultur stammen, so kann doch ein Blick in diese für die prähistorische Archäologie Mitteleuropas benachbarte Region zeigen, welche Gestaltungs- und Handlungsmöglichkeiten für die eisenzeitlichen Menschen in puncto Mobilität durchaus denkbar und durchführbar waren. Dieser Blick über den prähistorischen Tellerrand hilft auch bei der Korrektur eigener Vorstellungen, wie ich selbst erfahren habe.Waren während der Konzeptionsphase des Projektes noch die prähistorischen Individuen als Untersuchungsgegenstand angedacht – da mit den Gräbern auch konkret einzelne Personen zu fassen sind – so hat die bisherige Auswertung der Schriftquellen deutlich gemacht, dass wir wohl eher mit der Mobilität ganzer Gruppen konfrontiert sind. Individuen alleine unterwegs sind nur in Ausnahmefällen zu finden, meist zeigen sie eine Notsituation wie die Verstoßung aus der Gemeinschaft oder Flucht nach einem Verbrechen an – ein soziales Handlungsmuster, das im früheisenzeitlichen Griechenland vor allem erwachsenen Männern offen stand. Hier bedarf es noch einmal der Überprüfung der Interpretationsmodelle für das prähistorische Mitteleuropa, bei denen selten explizit formuliert wird, dass die „in die Fremde verheirateten Frauen“ in Begleitung unterwegs gewesen sein könnten.

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Deutlich wird auch, dass in der griechischen Eisenzeit selbstbestimmtes Reisen und Ortswechsel aus einer im modernen Sinne eigenen Entscheidung heraus noch selten gegeben ist. Gerade die eigene, freiwillige Entscheidung der Protagonisten ist aber ein zentraler Motivationsaspekt, der in vielen soziologischen Migrationsmodellen miteinbezogen wird (vgl. Han 2000: 38-62). Von daher sollten die Migrations- und Mobilitätsmodelle für prähistorische Epochen in Anlehnung der skizzierten Analogien modifiziert werden. Konkret heißt dies, auch nach eigenen Gliederungskriterien und Begriffen zu suchen. Denn z. B. im Falle der schriftlich erwähnten Kriegsgefangenen oder den mit ihren Viehherden verschleppten Hirten die Ursachen für die Mobilität als sogenannte push- und pull-Faktoren zu benennen (s. Han 2000: 13), grenzt fast an eine menschenverachtende Theoretisierung der Geschichte. Hinsichtlich der Individuen, die in den Gräbern fassbar werden, zeigen die griechischen Texte, wie auch andere für die oben skizzierte Fragestellung ausgewertete historische Quellen die verschiedenen Möglichkeiten auf, das Spektrum potentieller Lebensläufe zu rekonstruieren.

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Diskussion Raimund Karl Welche Quellen wurden ausgewählt? Warum wurden gerade diese Quellen herangezogen?

Julia Koch Die griechischen Quellen behandeln vorwiegend innerkulturelle Mobilität. Andere Quellen sagen auch etwas mehr über interkulturelle Bewegungen aus. Diesbezüglich wird auf Ergebnisse der Strontium-Isotopen-Vergleiche gehofft.

Julia Koch Aus dem Zeitraum zwischen ca. 1000 und 600 v.Chr. sind nur diese auf uns gekommen.

Kurt Alt Leider kann die Aussagekraft der Strontium-Analysen oft nicht den Erwartungen entsprechen.

Raimund Karl Worin wird der Vorteil der zeitnahen Quelle gesehen?

Thomas Stöllner Unser aller Problem besteht darin, dass Homer tendenziös ist. Er geht von einem bestimmten engen Gesellschaftsmodell/Gesellschaftsideal aus.

Julia Koch Zuerst werden zeitnahe Quellen verwendet, um möglichst den „damaligen Zeitgeist“ zu erfassen und den modernen des Forschers eher auszuschließen. Wenn die aus der selben Zeit aber ev. anderen Regionen tradierten Quellen ausgeschöpft sind, muss überlegt werden, wie/womit man die Lücken füllen kann. Raimund Karl Es existieren Texte in indogermanischen Sprachen aus späterer Zeit mit einem eigenen Motivkodex, der bereits untersucht ist. Auch hier ist die Frage, inwieweit es sich um reine Erzählmotive handelt, ob nur die enge Sicht einer Oberschicht reflektiert wird, oder ob (wenn ja: welche) Realitäten dargestellt werden. Julia Koch Je mehr Quellen betrachtet werden können, desto besser für das Ergebnis. Karina Grömer Ausgehend vom Fund zur Geschichte zur Kritik – kommt man wieder zurück zur Archäologie? Julia Koch Es ist geplant den Kreis zu schließen. Ein Anschlussprojekt befindet sich bereits im Antragsstadium. Raimund Kastler Es ist auf die Wirtschaftstexte hinzuweisen – es werden in dieser Zeit auch Personen/Gruppen von zentraleren Verwaltungseinheiten „verschickt“. Weiters arbeiten Wanderhandwerker längere Zeit an größeren Aufträgen. Julia Koch Hier wurden ägyptische, hethitische und griechische Texte aneinandergestellt und die Schriftquellen als solche als Ausgangspunkt gewählt, obwohl darin einiges nicht vorkommt, das wir schon anderweitig feststellen konnten. Kurt Alt Wenn das Ziel nicht nur die Beobachtung regionaler Mobilität ist, kann die Naturwissenschaft ebenfalls einen Beitrag leisten. Überregionale Mobilität sollte nicht so schwierig zu differenzieren sein. Eventuell können zuerst überregional die Grundlagen gelegt werden, bevor man regionale Beispiele auswählt.

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Julia Koch Daher sollen im vorgestellten Projekt die archäologischen, historischen und naturwissenschaftlichen Quellen kombiniert werden, um weniger von solchen Einseitigkeiten abhängig zu sein. Christina Schmid Auch die Mittelalterarchäologie kämpft mit diesem Problem. Oft durchkreuzen die Ergebnisse aus Schriftzeugnissen die auf Archäologie basierenden Modelle.Theorien und Ansätze sind zu vergleichen und möglichst alle Potentiale zu nutzen, um die Signalstärke jeder Quelle zu überprüfen (auch über den jeweiligen Blickwinkel des Spezialisten für bestimmte Perioden/Methoden hinaus). Julia Koch Wie überall ist es umso besser je breiter die Basis und die Diskussion ist, um die Quellen zu beurteilen. Als Beispiel: die Strontium-Analysen von Bevölkerungsgruppen in Bezug auf angelsächsische Wanderungsbewegungen liefern kaum brauchbare Aussagen, weil die Ursprungs- und Ziellandschaften einander diesbezüglich zu ähnlich sind.

Zusammenfassung der Diskussion Die Vor- und Nachteile der Auswahl zeitnaher (aber nicht unbedingt kulturnaher) Quellen werden angesprochen. Es bleibt zu hinterfragen, inwiefern die Schriftzeugnisse Realität darstellen, bzw. was, wenn ja, vom Autor oder dem beabsichtigten Leserkreis als Realität empfunden wird, mit welcher Absicht die Verfasser an das Werk herangehen, ob eventuell ähnliche Motivsets auch in anderen Zeiträumen und Kulturen als Vergleich herangezogen werden können, ... In den ausgewählten Quellen fehlen einige Formen von Mobilität, wie z.B. von Autoritäten „verschickte“ Personengruppen oder an verschiedenen Orten arbeitende Handwerker. Bei der Betrachtung überregionaler Mobilität kann auch die Naturwissenschaft z.B. über Strontium-Analysen einen Beitrag leisten, wenn die Profile der untersuchten Gegenden ausreichend unterschiedlich sind. Es sei ein begrüßenswerter Ansatz wie in diesem Projekt die archäologischen, historischen und naturwissenschaftlichen Quellen kombiniert werden, um die auf unterschiedlichen Ansätzen basierenden Modelle und Theorien zu vergleichen und möglichst alle Potentiale zu nutzen, um die Signalstärke jeder Quelle zu überprüfen.

Kleine Brandgräber der Hallstattzeit – Sonderfall oder Normalbestattung? Jana Esther Fries

Zusammenfassung Unser Bild hallstattzeitlicher Bestattungen ist bis heute geprägt von Grabhügelgräbern, besonders von reich ausgestatteten Grablegen mit umfangreichen Geschirrsätzen und mehreren Metallbeigaben. Seit rund 25 Jahren wird jedoch immer deutlicher, dass ein großer Teil der Toten mit sehr viel weniger Aufwand hinsichtlich Beigaben und Anlage des Grabes beigesetzt wurde. Im Mittelpunkt des Beitrages stehen die so genannten Kleinen Brandgräber, kleine Brandgrubengräber mit wenigen bis sehr wenigen Beigaben, die überwiegend zwischen den Grabhügeln einer Nekropole angelegt wurden. Solche unauffälligen Gräber werden seit dem Übergang zu flächigen Ausgrabungen von Nekropolen in großer Zahl entdeckt. Mittlerweile sind 117 derartige Gräberfelder bekannt. Kleine Brandgräber dürften zudem auf vielen Nekropolen bestanden haben, von denen ausschließlich Grabhügel bekannt sind. Überwiegend werden sie als Beisetzungen der unteren sozialen Schichten der Hallstattzeit interpretiert. Zum Teil weisen sie einen hohen Kinderanteil auf. Angesichts der hohen und zunehmenden Zahl derartiger Gräber stellt sich die Frage, ob bislang ein wesentlicher Teil oder gar die Mehrheit der hallstattzeitlichen Bevölkerung der Forschung entgangen ist. Die vollständige Fassung des Vortrages erscheint unter Jana Esther Fries, „Sag mir, wo die Gräber sind“… Kleine Brandgräber der Hallstattzeit und die soziale Pyramide. In:Trebsche, P., Balzer, I., Eggl, C., Koch, J., Nortmann, H., Wiethold, J. [Hrsg.] (2007), Die unteren Zehntausend – auf der Suche nach den Unterschichten der Eisenzeit. Beiträge zur Tagung der AG Eisenzeit in Xanten 2006. Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas, Langenweissbach.

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Summary Our view of Hallstatt period burials is still dominated by monumental barrows, especially those particularly lavishly furnished and equipped with several dining sets and numerous metal grave goods. In the last 25 years however, it has become increasingly obvious that a considerable number of the deceased were buried with much less effort where both the architecture of the grave and its furnishings are concerned. This paper focuses on the so-called “small cremation burials”, small pit burials with few or sometimes even no grave goods whatsoever, which mainly are found between the barrows in Hallstatt cemeteries. Such unspectacular burials have only been discovered in substantial numbers since the change to large scale open area excavations. Currently, 117 cemeteries containing small cremation burials are known. However, they are likely to have also been present in many cemeteries of which only the barrows are known or have been excavated. Predominantly, these small cremation burials are interpreted as the final resting places of members of the lower strata of Hallstatt societies. Some of them also have shown a high percentage of child burials. Given the high and rapidly increasing number of these burials, the question arises whether previous research has missed an essential element, perhaps even the vast majority, of Hallstatt societies. The complete version of this paper will be published as Jana Esther Fries, „Sag mir, wo die Gräber sind“… Kleine Brandgräber der Hallstattzeit und die soziale Pyramide. In: Trebsche, P., Balzer, I., Eggl, C., Koch, J., Nortmann, H., Wiethold, J. [Hrsg.] (2007), Die unteren Zehntausend – auf der Suche nach den Unterschichten der Eisenzeit. Beiträge zur Tagung der AG Eisenzeit in Xanten 2006. Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas, Langenweissbach.

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Einige Anmerkungen zum Komplex des Südimportes in hallstattzeitlichen Prunkgräbern Matthias Jung

Zusammenfassung Aus dem mediterranen Raum stammende und in den Westhallstattkreis importierte Güter, vor allem solche, die in Zusammenhang mit der Kultur des Symposions stehen, werden traditionell interpretiert als Ausdrucksgestalten einer Angleichung von Sozialstruktur und Herrschaftsorganisation der hallstättischen Gemeinschaften sowie der Lebensgewohnheiten ihrer Eliten an südliche Vorbilder. Unter Einbeziehung ethnographischer Fallbeispiele sollen alternative Modelle der Modi einer Aneignung von Objekten skizziert und auf dieser Grundlage die Frage diskutiert werden, ob mit ihrem Besitz und Gebrauch eine Annäherung oder Assimilation an ihre Herkunftskultur einherging oder ob sie nicht vielmehr zum Gegenstand einer Umwidmung und Kreolisierung wurden. Summary Mediterranean objects, which were imported into the Westhallstatt-area, are generally interpreted as an evidence of the assimilation and acculturation of the Hallstatt elite to a greek or estruscan lifestyle. My aim in this paper is, on the basis of ethnographic examples, to outline alternative processes of integrating elements from another culture, which do not lead to an assimilation.

 Für hilfreiche Hinweise danke ich Daniela Euler M.A. (Frankfurt), Prof. Dr. Beate Wagner-Hasel (Hannover) und Sayuri de Zilva M.A. (Frankfurt).

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Das Verhältnis des Westhallstattkreises zu den mediterranen Kulturen, aus denen Gegenstände importiert wurden, stellt sich in den wirkungsgeschichtlich maßgeblichen Texten der Forschung, die sich mit den hallstättischen Sozialstrukturen befassen – als Beispiele seien nur die Texte von W. Kimmig (1969), H. Zürn (1970: 118–128) und F. Fischer (1973) genannt – so dar, dass Potentaten als Abkömmlinge mächtiger Dynastien, deren Residenzen aus stadtartigen Anlagen hervorrag­ ten, den südlichen Machthabern gewissermaßen „auf Augenhöhe“ entgegentreten konnten, und auch wenn sie sich nicht persönlich begegneten, erkannten diese doch jene als ihnen gleichrangig und damit ebenbürtig an. Insgesamt war die, wenn dieses schauderhafte Wort einmal erlaubt ist, „Kulturhöhe“ des Westhallstattkreises vielleicht nicht ganz der des Südens entsprechend, doch der Unterschied gradueller, nicht prinzipieller Natur. Außerdem waren die Angehörigen der Hallstatt-Elite ohnehin im Begriff, den kulturellen Vorsprung des mediterranen Raumes durch Akkulturation wettzumachen. Auch wenn dies in den Texten zumeist nicht so prononciert ausgesprochen wird, bildet es doch den Generalbass, der den Argumentationen zugrunde liegt. Dies ist zunächst freilich nur eine Unterstellung und Verdächtigung, ich würde aber in Anspruch nehmen, dass man das hier skizzenhaft Umrissene in den Texten aufzeigen könnte, wenn man sie einmal auf ihre Implikationen hin analysieren würde. In dem vorliegenden Text ist das nicht zu leisten, daher sei exemplarisch auf eine an anderer Stelle dargelegte Rekonstruktion der Argumentationsstruktur des für die soziologische Interpretation späthallstattzeitlicher Befunde zentralen Kimmigschen Textes „Zum Problem späthallstättischer Adelssitze“ (Kimmig 1969) verwiesen (Jung 2004a). Die südlichen Güter, so der Stand der Forschung, sind wesentlich als Beifracht zum Weinimport zu verstehen, genauer handelte es sich vorrangig um Gegenstände, die nicht nur mit dem Wein verhandelt wurden, sondern die in ihren Herkunftskulturen auch in Zusammenhang mit dem Konsum von Wein standen. Nach der auf älteren Untersuchungen (z.B. Kimmig 1983; 1992; Bouloumié 1982; 1987; 1992a; 1992b; Shefton 1989; Frey 1998; v. Hase 1998) aufbauenden Studie von J. Pape (2000; 2004) lassen sich zwischen 650 und 450 v.Chr. vier jeweils ungefähr 50 Jahre währen-

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de Phasen mediterraner Importströme unterscheiden. In der initialen Phase (650–600) etablierten Händler aus Südetrurien ein Seehandelsnetz im nordwestlichen Mittelmeergebiet, ihr Handelsgut war Wein, zuweilen mit Begleitkeramik, das wichtigste Absatzgebiet war der Löwengolf um die phokäische Pflanzstadt Massalia (Marseille) und deren Hinterland. Zugleich verhandelten nordetruskische Händler Wein über die Alpenpässe nach Norden. Hier finden sich zwar Bronzegefäße, aber keine etruskischen Keramiken, vermutlich weil die Bruchgefahr auf dem Landweg zu groß war, weshalb der Wein auch nicht in Amphoren, sondern in (archäologisch nicht nachweisbaren) Schläuchen transportiert wurde. Ein Ausbau des Handelsnetzes erfolgte in der zweiten Phase (600–550), in welcher der etruskische Weinhandel rhôneaufwärts den Südfuß der Alpen erreichte; gleichzeitig begann der Handel mit attischer Keramik, die von den Etruskern über Relaisstationen auf Sizilien oder in Süditalien bezogen wurde. Massalia war von dem Handel der Etrusker abhängig, die Stadt importierte ihren Wein und die Tischkeramik über etruskische Händler. Eine radikale Umstrukturierung des Handelssystems ereignete sich in der dritten Phase (550–500): Die Weinproduktion Massalias war nun konkurrenzfähig, die Massalioten übernahmen den Weinhandel von den Etruskern, sie begannen mit der Eroberung neuer Märkte im Norden und gelangten so auch zu bedeutenden Hallstattsiedlungen wie dem Mont Lassois und der Heuneburg. Um 520 war die Übernahmephase beendet, Massalia hatte die etruskische Konkurrenz ausgeschaltet. In der vierten Phase (500–450) schließlich brach das massaliotische Handelssystem zusammen, und die Etrusker, die sich seit dem letzten Drittel des 6. Jahrhunderts auf eine Expansion in den Bereich nördlich des Apennin konzentriert hatten, bauten in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts wieder ein eigenes Handelsnetz in der Zone nordwärts der Alpen auf, wodurch die Handelspartner von Massalia auf der Heuneburg und dem Mont Lassois ins Abseits gerieten – die Nord-Süd-Verbindung verlief nun nicht mehr durch das Rhônetal, sondern weiter östlich durch die Zentralalpen. Interpretiert werden die aus dem Süden stammenden Gegenstände traditionell als Ausdruck eines Prozesses der Angleichung der Lebensgewohnheiten, nicht als Ausdruck einer selektiven Übernahme von Elementen

Abb. 1.: Trink- und Speiseservicebeigaben der Prunkgräber im Umkreis des Hohenaspergs (nach Krauße 2004: 197 Abb. 2).

einer anderen Kultur oder einer Kreolisierung, also einer „Mischung lokaler und neuer Konsumgüter, woraus dann neue komplexe Objekte entstehen, die als Ganze im lokalen Kontext bedeutungsvoll sind“ (Hahn 2005: 75; zum Begriff der Kreolisierung vgl. auch Hannerz 1987). D. Krauße etwa sprach 1993 davon, dass die „Hallstattfürsten“ dem griechisch-etruskischen Symposion „nacheiferten“ (Krauße 1993: 195), auch wenn ihre Bemühungen zunächst nur unvollkommene Ergebnisse zeitigten. In einem späteren Text mit dem bezeichnenden Titel: „Komos und Kottabos am Hohenasperg?“ (Krauße 2004; vgl. auch Krauße 2003) äußert sich Krauße differenzierter und konzediert, dass Fundstücke, die im Sinne der mediterranen Symposionskultur als nicht stilecht zu qualifizieren sind (in Hochdorf etwa das Bronzemöbel und die Füllung des Kessels mit Met statt mit Wein), nicht nur

einer noch mangelhaften Kenntnis und Umsetzung geschuldet seien. Den Charakter solcher Ensembles schätzt er nun nicht mehr nur als defizitär im Hinblick auf eine Übernahme von Trinksitten ein, Krauße sieht in ihnen nicht mehr primär einen ungekonnten Nachahmungsversuch, vielmehr zeige sich darin eine durchaus produktiv-eigenständige Amalgamierung mit einheimischen Traditionen: „Bereits das Hochdorfer Grab belegt die Verschmelzung von exogenen Einflüssen und endogenen Traditionen, in deren Synthese etwas Neues, Eigenständiges entstand“ (Krauße 2004: 200). Gleichwohl bilde das Grab von Hochdorf den Auftakt zu einem fortschreitenden Prozess der Akkulturation, der in der Abfolge der um den Hohenasperg zwischen 540 und 440 v.Chr. angelegten „Fürstengräber“ (Hochdorf, Römerhügel, Grafenbühl, Kleinaspergle) abgelesen werde könne (Abb. 1). Fragt man

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nun aber, ob dieser veränderte Blickwinkel Auswirkungen auf das Modell der Sozialstruktur der hallstättischen Gesellschaft hat, dann stellt man fest, dass dies durchaus nicht der Fall ist. Kraußes Ausführungen zu den Gegenständen, die mit gemeinschaftlichem Speisen und Trinken in Zusammenhang stehen, als Zeugen einer „Diffusion und Akkulturation von Ideen“ (Krauße 2004: 193) liegen vielmehr drei von ihm explizit benannte Prämissen zugrunde. Ihnen gemäß hätten diese Objekte auch schon zu Lebzeiten derjenigen Verwendung gefunden, in deren Gräber sie schließlich gegeben wurden; Auswahl und Kombination der Beigaben spiegelten nicht nur Jenseitsvorstellungen wider, sondern auch die Sitten der Lebenden; mit den „Fürstengräbern“ könne „tatsächlich die soziale Elite, also Angehörige jener Gruppen, die im ökonomischen, politischen und damit wahrscheinlich auch religiösen Sinn an der Spitze einer vertikal stratifizierten Gesellschaft standen“ (Krauße 2004: 193; Hervorhebung von mir, M.J.) gefasst werden. Als Prämisse seiner Argumentation sind diese Annahmen einer möglichen Infragestellung durch die Funde und Befunde von vornherein enthoben. Wie auch immer die Rekonstruktion der hallstättischen Aneignungsmodi ausfallen wird, das Modell einer stratifizierten Gesellschaft vermögen sie nicht in Frage zu stellen, weil dieses Modell Krauße zufolge überhaupt erst die Bedingung der Möglichkeit der Rekonstruktion ist. Diese Art der argumentativen Selbstimmunisierung erinnert an die Ausführungen von Kimmig (1969), der zunächst die Annahme einer hallstättischen Adelsschicht als Voraussetzung für die Kategorisierung befestigter hallstattzeitlicher Höhensiedlungen als „Adelssitze“ bezeichnet, dann aber als Ergebnis seiner Untersuchungen dieser Adelssitze postuliert, „mit Sicherheit“ könne von der Existenz einer privilegierten und in sich differenzierten Adelsschicht ausgegangen werden (Kimmig 1969: 110; vgl. hierzu Jung 2004a: 187); allerdings hat Kimmig den stark spekulativen und heuristischen Charakter seiner Überlegungen ausdrücklich hervorgehoben (Kimmig 1969: 97). Für exzeptionelle Stücke unter den Südimporten hat F. Fischer eine Interpretation als Keimelia vorgeschlagen, also als Gaben südlicher Machthaber, die als sinnlich wahrnehmbarer Ausdruck der wechselseitigen freundschaftlichen Beziehungen fungieren

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sollten: „Hierbei waren die Gegenstände selbst die dinglichen Unterpfande, die stets gegenwärtigen und im buchstäblichen Sinne greifbaren memorabilia dieser Bindungen; ihr Anblick rief den Vorgang und die Person, an die man gebunden war, ins Gedächtnis zurück, das Gedächtnis wurde durch Erzählung beim Vorzeigen oder auch bloßen Erwähnen lebendig gehalten; der Austausch solcher Geschenke hatte den Charakter des Vollzugs“ (Fischer 1973: 447). Diese Bedeutungsdimension eines konkreten Gegenstandes ersetzt freilich nicht seine funktionale Primärbedeutung, die etwa darin liegt, Bestandteil eines Objektensembles zu sein, das dem gemeinschaftlichen Konsum von Speisen und Getränken dient, sondern kommt zu dieser Primärbedeutung hinzu. Unlängst hat M. Guggisberg (2004) die Frage nach dem Keimelia-Charakter von Südimporten aufgenommen und ist der Vermutung Fischers nachgegangen, dass als Keimelia anzusprechende mediterrane Güter häufig als Altstücke in die Gräber gelangten; dies deute auf eine längere Thesaurierung der Objekte und eine Funktion derselben in einer „aristokratischen Herrschaftsideologie, die sich mit Bedacht an Vergangenheit und Tradition orientierte“ (Guggisberg 2004: 189), hin. Ein anschauliches Beispiel für die Stationen eines Objektes „vom Beutegut zum Gastgeschenk und vom Gastgeschenk zum Erbstück bis hin zur Waffengabe, die der Unterstützung des Kampfgefährten dient“ (Wagner-Hasel 2000: 99f.) gibt der Eberzahnhelm, den Odysseus von Meriones erhielt: „Einst aus Eleon hatt Autolykos diesen erbeutet,/ Stürmend den festen Palast des Hormeniden Amyntor;/ Jener gab dem Kytherer Amphidamas ihn gen Skandeia,/ Aber Amphidamas gab zum Gastgeschenk ihn dem Molos; Dieser gab ihn Meriones drauf, dem Sohne, zu tragen,/ Und nun barg er umher Odysseus’ Haupt zur Beschützung“ (Homer, Ilias 10,266–271; Übertragung von J.H. Voß). Wesentliche Beiträge zur Theorie derartiger Phänomene einer wechselseitigen Verpflichtung von Individuen oder Gruppen durch Gaben und Gegengaben stammen von M. Mauss (1989), dessen Modell in der Folgezeit ergänzt und weiter differenziert wurde (vgl. z.B. Polanyi 1979; Bohannan, Bohannan 1968; Sahlins 1974). Während Fischer selbst auf Mauss nur beiläufig verweist (1973: 448 Anm. 41), hat M.K.H. Eggert in einer epistemologisch interessierten Diskussion des Kei-

melia-Modells aufgezeigt, in welchem Maße Mauss’ Konzept, vermittelt über das Werk von E. Benveniste (1993), in Fischers Überlegungen einging (Eggert 2003). Zweifellos war das Werk von Mauss außerordentlich bedeutend und folgenreich, doch hat B.Wagner-Hasel zeigen können, wie umfangreich und in der Begriffsbildung fortgeschritten rechtshistorische/ rechtsethnologische und wirtschaftshistorische/wirtschaftsethnologische Vorarbeiten bereits waren (Wagner-Hasel 2000: 27–41). „So stellt denn der ‚Essai sur le don’ von 1925 eine Bündelung der verschiedenen Ansätze dar, die von Mauss jedoch eine besondere Akzentuierung erhielten, indem er die Vielfalt der Gabentauschphänomene unter einen Begriff der Gabe subsumierte und den modernitätskritischen, gegen Individualismus und ökonomischen Liberalismus gerichteten Tenor, den die Nationalökonomen und Germanisten angeschlagen hatten, verstärkte. Er bewegte sich mit seiner Definition der Gabe als einem Vertrag (...) im Rahmen des juristischen Schenkungsbegriffs (...). Stärker als seine Vorläufer machte er jedoch die vormoderne Schenkung als Gegenmodell zur modernen Praxis rezipierbar, da er die urtümliche Form wieder um die moralischen Qualitäten bereicherte, die die Schenkung auf dem Wege der Vereinheitlichung im modernen Recht verloren hatte. Er gründete sie auf jene Gegeninstanz zum modernen Vertragsrecht, die bereits die nationalökonomischen Kritiker des homo oeconomicus herangezogen hatten: auf das Kollektiv“ (Wagner-Hasel 2000: 39). Das Werk von Mauss kann hier weder angemessen diskutiert, noch seine Rezeptionsgeschichte dargestellt werden; daher sei das Spezifische des Gabentausches, soweit es im gegebenen Zusammenhang von Belang ist, in Abgrenzung zu den Formen des ökonomischen Tausches in idealtypischer Zuspitzung kurz beschrieben. Die Logik des Gabentausches ist eine gänzlich andere als die des ökonomischen, d.h. auf einer Gebrauchswertdifferenz beruhenden Tausches von einer Ware gegen eine andere Ware oder gegen Geld. Ein solcher Tauschvorgang besteht typischerweise aus einer einzelnen Transaktion, es erwachsen aus ihm für die beiden tauschenden Parteien keine weiteren Verpflichtungen. Freilich können sich weitere Transaktionen anschließen, wenn der erste Tausch zur Zufriedenheit beider Seiten abgeschlossen wur-

de, doch ist dies nur eine Möglichkeit und eben nicht konstitutiv für den ökonomischen Tausch. Gaben dagegen werden zur Herstellung und Aufrechterhaltung konkreter Sozialbeziehungen getauscht, und dies ist nicht auf archaisch-vormoderne Gemeinschaften beschränkt, sondern eine Universalie menschlicher Sozialität, in der letztlich auch die Formen des ökonomischen Tausches fundiert sind. In diesem Verständnis fällt unter den Gabentausch nicht nur der Austausch von Objekten, sondern zum Beispiel auch von Begrüßungen (vgl. die von U. Oevermann (1983) vorgelegte Analyse von Begrüßungshandlungen). Zur Erläuterung des Gabentausches ein einfaches Beispiel: Zwei Personen beschenken sich jeweils anlässlich ihrer Geburtstage. Wenn Person A Person B zum Geburtstag etwas schenkt, so ist B verpflichtet, anlässlich des Geburtstags von A dasselbe zu tun. Hat nun A Geburtstag, und B kommt seiner Geschenkverpflichtung nach, dann ist A seinerseits wieder in der Pflicht. Die Geschenkverpflichtung ist, mit anderen Worten, nicht stillstellbar, es gibt, ganz anders als bei dem ökonomischen Tausch, immer einen Schuldner und einen Gläubiger (wenn man sich dieser Begriffe aus der Sphäre des ökonomischen Tausches bedienen mag), und auf diese Weise stellt die Verpflichtung zum Gabentausch eine Sozialbeziehung auf Dauer. Diese Verstetigung einer Sozialbeziehung ist die eigentliche Funktion des Gabentausches, der Gebrauchswert der getauschten Güter ist dagegen nachrangig. Analoges gilt für die Frauentauschsysteme, wie C. Lévi-Strauss sie in seiner Studie zu den elementaren Strukturen der Verwandtschaft (Lévi-Strauss 1981) analysiert hat: Gibt die Verwandtschaftsgruppe X an Gruppe Y eine Frau, dann steht Gruppe Y in der Pflicht, ihrerseits eine Frau an Gruppe X zu geben, wenn sie dies aber tut, dann ist die Bilanz nicht ausgeglichen, sondern das Verhältnis von Schuldner und Gläubiger hat sich umgekehrt. Der Kardinalfehler der Marxschen Theorie, zumindest insoweit, als sie beansprucht, eine Konstitutionstheorie menschlicher Sozialität zu sein, besteht darin, dass sie überhaupt erst bei dem ökonomischen Tausch ansetzt. So zutreffend Marx’ Analyse (Marx 1962: 49–98) für diesen ist, wird sie doch dann falsch, wenn man sie generalisiert und die ökonomischen Tauschverhältnisse als die eigentlichen oder ursprünglichen missversteht. Faktisch ist der ökonomische Tausch eine Abstraktion

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und abgeleitete Form des Gabentausches, auch wenn er unter den Bedingungen der Moderne quantitativ dominieren mag. In Anlehnung an die Terminologie von F. Tönnies (1991) könnte man sagen, dass dem ökonomischen Tausch die rollenförmigen Sozialbeziehungen einer Gesellschaft korrespondieren, dem Gabentausch dagegen die nicht rollenförmigen Sozialbeziehungen einer Gemeinschaft. Marx fällt im Übrigen an dieser Stelle weit hinter die von ihm so heftig kritisierte Rechtsphilosophie Hegels (1986) zurück (Marx 1956), in welcher der Sphäre der Gemeinschaft als der des gebrauchswertindifferenten Tausches konzeptionell Rechnung getragen wird; Hegel bezeichnet diese Sphäre als „Sittlichkeit”. Zugleich artikuliert sich in Hegels Modell auch das Wissen um die konstitutionslogische Einbettung des ökonomischen Tausches in Gabentauschverhältnisse, ist doch in seiner Rechtsphilosophie die bürgerliche Gesellschaft als der Bereich, in welchem sich der ökonomische Tausch vollzieht, ein Moment der umfassenden Sittlichkeit. Wenn die Grundlage des Gabentausches in der gegenseitigen Anerkennung der Tauschenden als Gleichberechtigte und Gleichgestellte besteht – und Fischer sagt ausdrücklich, dass die kostbaren Gegenstände „die Potenz darstellten, Bindungen mit Gleichgestellten einzugehen und zu besiegeln” (Fischer 1973: 447) –, dann wird die Frage virulent, welche Gegengaben die mediterranen Machthaber von denen des Westhallstattkreises erhielten, ist doch die Reziprozität des Gebens und Nehmens zwingendes Implikat des Gabentausches. Mag bei Handelsobjekten, die gegen südliche Güter eingetauscht wurden, noch die Überlegung einleuchten, dass sie keine archäologisch nachweisbaren Spuren hinterließen, widerspräche dies im Falle der Keimelia ihrem Charakter als „dingliche Unterpfande”, als dauerhaft sinnlich wahrnehmbare Ausdrucksgestalten der Beziehung. Wenn demnach nur ein einseitiger Fluss exzeptioneller Güter vorliegt, lässt das eine Deutung als Keimelia nicht zu, vielmehr ist eher an eine Form des ökonomischen Tausches zu denken: Mit diesen Objekten wurde etwas er­kauft, zum Beispiel eine Handlung oder auch die Unterlassung einer Handlung. Sind die vermeintlichen Keimelia aber nach dem Modell des ökonomischen Tausches in den Besitz einzelner Personen oder von Gruppen im Westhallstattkreis gelangt, dann ist auch

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der Annahme einer Gleichgestelltheit von Geber und Nehmer, Implikat der Interpretation der Objekte als Keimelia, die Grundlage entzogen, was wiederum folgenreich ist für die auf dieser Annahme beruhenden Vorstellungen über die Komplexität hallstättischer Sozialstrukturen. Freilich ließe sich einwenden, dass, wie Wagner-Hasel zeigen konnte, in den Epen Homers gerade auch hochwertige Textilien als Erinnerungsgaben verwendet wurden. In Anbetracht der fortgeschrittenen Herstellung aufwendiger und prächtiger Textilien im Westhallstattkreis liegt nun die Überlegung nahe, sie, die sich nur in Ausnahmefällen erhalten haben, als Gegengaben anzusprechen. Allerdings sind metallene Objekte und Textilien keineswegs alternativ, denn, wie sich der auch von Fischer (1973: 444) referierten Episode entnehmen lässt, in welcher Telemachos von Menelaos und ­ Helena ­Abschied nimmt (Homer, Odyssee 15,110 – 128), „metallene Erinnerungszeichen werden von Männern, textile Gedächtniszeichen von Frauen gereicht” (Wagner-Hasel 2000: 109). Von Menelaos empfängt Telemachos einen silbernen Krater (den dieser selbst von dem sidonischen König Phaidimos erhielt), von Helena dagegen ein wertvolles Gewand, das dereinst seine Gattin bei der Hochzeit tragen und das in der Zwischenzeit von seiner Mutter verwahrt werden soll. Auf diese Weise werden durch Gaben nicht nur die unmittelbar Beteiligten, sondern „auch die nicht anwesenden oder zukünftigen Familienmitglieder einbezogen” (Wagner-Hasel 2000: 109).Welche Gaben von wem an wen überreicht wurden, war folglich von spezifischen Kontexten abhängig, die sich nicht ohne Weiteres auf einen Gabentausch zwischen den Angehörigen verschiedener kultureller Räume wie dem Mittelmeergebiet und dem Westhallstattkreis übertragen lassen. Überhaupt aber ist zu fragen, ob Fischers Interpretation der Keimelia nicht zu konkretistisch ist – wie der oben erwähnte Eberzahnhelm oder auch Menelaos’ silberner Krater zeigen, wurden diese Gegenstände mehrfach weitergegeben, und die Person des ursprünglichen Gebers lässt keine Rückschlüsse auf die soziale Position desjenigen zu, der sie letztendlich erhielt. Ein unmittelbarer Austausch von Gaben zwischen den „Fürsten” des Westhallstattkreises und „südliche(n) Machthaber(n)” (Fischer 1973: 458) ist schon deshalb als eher unwahrscheinlich einzuschätzen.

Zurück zu südlichen Importgütern als Indikatoren eines Akkulturationsprozesses. Die beiden attischen Trinkschalen aus der in die Frühlatènezeit datierenden Nebenkammer des Kleinaspergles wurden antik beschädigt und repariert (Schaaff 1988: 192f. Abb. 119– 121). U. Schaaff hat bezüglich dieser Beschädigungen mit der gebotenen Zurückhaltung den Gedanken formuliert, „daß die Brüche durch ungeschickte Bewegungen während des Kottabos verursacht sein könnten. Die Kenntnis dieses im 5. Jh. v.Chr. in Griechenland beliebten Gesellschaftsspiels mag vielleicht zusammen mit Trunk und Trinkgefäß den keltischen Adelssitz auf dem Hohenasperg erreicht haben“ (Schaaff 1988: 191). Bei diesem zu Beginn des 6. Jahrhunderts in den griechischen Kolonien auf Sizilien entstandenen Spiel musste mit der Neige aus der Trinkschale eine auf einem Ständer liegende Scheibe aus Metall getroffen werden. Fiel diese Scheibe herab, so traf sie eine weiter unten angebrachte Platte und es ertönte ein klingender Ton (vgl. Hoesch 1990). Krauße hat Schaaffs Überlegungen aufgegriffen und hypothetisch die Übernahme dieses Spieles als „Höhepunkt“ (Krauße 2004: 200) des Akkulturationsprozesses gedeutet, der in der Abfolge der „Fürstengräber“ um den Hohenasperg abgelesen werden könne. Damit wären nicht nur Objekte, sondern auch das Wissen um ihren richtigen Gebrauch bei einem Symposion in Südwestdeutschland angekommen gewesen. Bei einer nüchternen Betrachtung der Brüche im Bereich der Henkel drängt sich jedoch der Einwand auf, dass die Beschädigungen nicht unmittelbar auf Ungeschicklichkeiten in der Handhabung beim Kottabos zurückzuführen sind, vielmehr sind die Henkel als exponierte Stellen der Schalen in besonderer Weise der Gefahr von Beschädigungen ausgesetzt, gerade eingedenk der Tatsache, dass sie auch ohne das Kottabosspiel bei alkoholisch geprägten Geselligkeiten benutzt wurden. Als Beleg für die Durchführung von Kottaboswettbewerben auch im Umkreis des Hohenaspergs eignen sich die Reparaturstellen der Schalen aus dem Kleinaspergle jedenfalls nicht; außerdem ist, soweit ich sehe, aus den frühlatènezeitlichen Gräbern mit Südimporten kein Gegenstand bekannt, der dem zum Kottabos benötigten Ensemble von Gerätschaften zugerechnet werden könnte, und solange dies nicht der Fall ist, können entsprechende Überlegungen zurückgestellt werden.

Auf eine weitere Unstimmigkeit sei in diesem ­Zusammenhang hingewiesen. Krauße merkt an, dass griechische Feinkeramik seit etwa 550 v.Chr. zwar in Siedlungen des Westhallstattkreises verwendet wurde, aber erst nach 500 v.Chr. auch in die ­Gräber ­gelangte (Krauße 2003: 208; 2004: 199). Dieser ­ Befund ist ­jedoch streng genommen nicht vereinbar mit der einen ­Prämisse seiner Argumentation, der zufolge vorauszusetzen sei, die in den Gräbern angetroffenen Ensembles von Gegenständen zum Konsum von Speisen und Getränken repräsentierten die in der „gelebten Realität“ (Krauße 2004: 193) gebrauchten Objektgruppen. Wenn Krauße aufgrund der Grabfunde Transformationsprozesse wie z.B. eine Mediterranisierung in der vergangenen Realität rekonstruieren möchte, so muss er unterstellen, dass die Beigabensitte in dem untersuchten Zeitraum keinen Wandlungen unterlag, denn nur so können die in den Gräbern sich abbildenden Veränderungen tatsächlich auch als Veränderungen in der einstigen Lebensrealität, und nicht nur im ­ Totenbrauchtum, verstanden werden. Nun sind die in Rede stehenden Gegenstände ja in Kraußes Überlegungen keineswegs peripher, sondern spielen in ihnen eine prominente Rolle, wie seine Ausführungen zu den Trinkschalen aus dem Kleinaspergle zeigen. Die Feststellung: „Erst als die Mediterranisierung der ­Elite ihren Höhepunkt erreichte, wurde Importkeramik offensichtlich ‚grabfähig’“ (Krauße 2004: 199) ist aus zwei Gründen verwirrend. Zum einen geht aus diesem Satz nicht mit hinreichender Klarheit hervor, ob die nunmehr erfolgende Beigabe von südlicher ­ Keramik als Folge der Mediterranisierung oder als nur mit ihr koinzidierend verstanden wird, zum ­anderen aber sind die attischen Schalen aus dem Kleinaspergle zentral für eine Argumentation, welche einen Akkulturations­prozess überhaupt erst diagnostizieren möchte – ­erinnert sei nur an die Ausführungen zu der Möglichkeit ­einer Übernahme des Kottabos. So ­entsteht der Eindruck einer eklektischen Vorgehensweise, die Belege für eine formulierte These zusammenträgt, ohne dabei aber auf die Stimmigkeit und Kompatibilität der angeführten Sachverhalte Rücksicht zu nehmen. Die drei Prämissen lassen somit zwar einerseits eine Kritik an bestimmten Implikationen der Ausführungen Kraußes a priori nicht zu, andererseits aber ­unterläuft Krauße selbst diese Prämissen

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dort, wo es ihm zur Stützung seiner Thesen opportun erscheint. Neben dem möglichen Gebrauch der beiden Schalen beim Kottabos ist für Krauße die Übernahme von Möbelstücken, die bei einem mediterranen Symposion Verwendung fanden, ein weiteres Indiz für den von ihm postulierten Akkulturationsprozess: „So wurden z.B. einheimische Liegen à la Hochdorf durch originale griechische Klinen und andere Symposions-Möbel ersetzt“ (Krauße 2004: 200). Krauße rekurriert hier auf den von J. Fischer (1990) vorgelegten Versuch einer Rekonstruktion der Bein-, Elfenbein- und Bernsteinplättchen aus dem Grafenbühl als Einlegearbeiten des Pfostens einer griechischen Kline. Krauße übernimmt ihre Ergebnisse – „Dem Toten wurde bekanntlich eine originale griechische Kline beigegeben“ (Krauße 2004: 197) –, und ausgehend von dieser Rekonstruktion könnten auch zwei keulenförmige Bernsteinplättchen aus dem Römerhügel „überzeugend als Verzierungselemente einer griechischen Kline gedeutet“ (Krauße 2004: 197) werden. Ganz so einfach ist es aber doch nicht. Bezüglich des Hochdorfer Bronzemöbels wurde an anderer Stelle aufgezeigt, weshalb seine Kategorisierung als „Kline“ falsch und systematisch irreführend ist (Jung 2004b), und was das Möbel aus dem Grafenbühl angeht, sei auf eine kleine Studie verwiesen (Jung i. Druck), die darzulegen versucht, dass die Ansprache der Plättchen als Reste ­einer Kline keineswegs zwingend ist. J. Fischer gelang auf der Grundlage eines Klinenfundes in der Athener Kerameikos-Nekropole tatsächlich die überzeugende Rekonstruktion eines griechischen Möbelpfostens, der aber durchaus nicht notwendig von einer Kline stammen muss, könnte er doch auch Teil eines Sitzmöbels, eines Thrones, gewesen sein. Warum wird dies noch nicht einmal als Möglichkeit in Erwägung gezogen? Es hat den Anschein, dass die Bezeichnung des Hochdorfer Bronzemöbels als „Kline“ sich wesentlich der bereits 1970 von H.-V. Herrmann (1970: 29) geäußerten Vermutung verdankt, die Grafenbühl-Fragmente könnten Reste einer griechischen Kline sein, während umgekehrt das Bronzemöbel als Bestätigung dieser Vermutung gewertet wurde. Die beiden Hypothesen, bei denen der erklärende und der erklärungsbedürftige Sachverhalt lediglich vertauscht wurden, stützten sich in der Folgezeit gegenseitig und hatten

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sich, als J. Fischer zu einer fundierten Rekonstruktion der Fragmente ansetzte, bereits zu der Gewissheit petrifiziert, dass ein Pfosten, wenn er überhaupt sich rekonstruieren lässt, nur von einem Liegemöbel, also einer Kline, stammen könne. Zwar ist die Zugehörigkeit der Fragmente zu einer Kline durchaus möglich, aber es ist eben nur eine Möglichkeit neben einer anderen, und der apodiktische Tonfall, mit dem Krauße von griechischen Klinen als Beigaben in den Gräbern des Grafenbühls und Römerhügels spricht, ist nicht gerechtfertigt. Gegenüber dem Belegcharakter dieser Fragmente für den Gebrauch griechischer Klinen und damit für eine „stilechte“ Aneignung der Symposionskultur als Ausdruck eines Akkulturationsprozesses ist somit Skepsis angebracht. Analoges wie für die materiellen Güter gilt nun auch für das eigentliche Handelsgut, den Wein. In seinen mediterranen Herkunftskulturen war er ein Alltagsgetränk für alle Schichten, er ist „neben Getreide und Olivenöl als Grundnahrungsmittel der antiken Bevölkerung anzusehen“ (Gutsfeld, Renger, Ruffing 2001: 424; vgl. ausführlich zur mediterranen Weinkultur Dalby 1998), im Westhallstattkreis dagegen war er ein ausgesprochenes Luxusgut. Ob es einheimische alkoholische Getränke gab, ist wegen der schwierigen archäologischen Nachweisbarkeit zwar nicht mit letzter Bestimmtheit zu sagen, doch gibt es zahlreiche Indizien, die auf eine Herstellung hindeuten (vgl. z.B. Körber-Grohne 1985: 93–100; Rösch 1999; Stika 1996), und da in der Natur Fermentierungsprozesse spontan stattfinden, kann als Normalfall deren Kenntnis zumindest bei Bodenbau betreibenden Gesellschaften unterstellt werden und damit auch die Produktion und der Konsum gegorener Getränke; eine bedeutende Ausnahme stellen die Indianer Nordamerikas dar, denen diese Prozesse unbekannt waren, doch ist dies ein Erklärungsproblem für sich und eben nicht der Normalfall. Schon allein durch die Kostbarkeit des Weines war sein Konsum im Westhallstattkreis etwas Außeralltägliches, d.h. er wurde bei außeralltäglichen Anlässen getrunken oder er war Teil einer außeralltäglichen Lebenspraxis. Selbstverständlich konnte auch in Griechenland nicht jedermann aufwendige Symposien durchführen, allerdings mehren sich nach 530 v.Chr. die Anzeichen für eine Erweiterung des Kreises derjenigen, die an einem Symposion teilnehmen konnten:

„Die Schicht, die jetzt auf den Bankettszenen abgebildet wird, wirkt insgesamt breiter und urbaner. Auch die Gegenstände, die die Symposiasten umgeben, verlieren anscheinend allmählich einiges von ihrem Luxus: Das dargestellte Mobiliar sieht erheblich einfacher und bescheidener aus; teilweise lagern die Symposiasten noch nicht einmal mehr auf den traditionellen Klinen, sondern schlicht auf Matratzen direkt auf dem Fußboden. (...) Die zuvor typisch adelige Beschäftigung des Symposions verlor also auf jeden Fall allmählich einiges von ihrer früheren Exklusivität und wurde nun zu einem Vergnügen, bei dem sich auch andere gesellschaftliche Schichten – auf ihre Weise – amüsieren konnten“ (Stein-Hölkeskamp 1989: 116). Konsultiert man die ethnologische Alkoholforschung (ein Überblick über den aktuellen Forschungsstand findet sich in Heath 2000 und Dietler 2006), so ist insbesondere das Trinkverhalten der nordamerikanischen Indianer gut erforscht (z.B. Feest 1978; 1981; Trenk 2001), die im Unterschied zu den Indianern Mittelund Südamerikas bis zur Ankunft der Europäer keinen Alkohol kannten, deren Trinkverhalten sich dann aber dem mittel- und südamerikanischen Muster anglich. Dieses Muster soll kurz beschrieben werden, lässt sich an ihm doch leicht die Differenz zwischen einem alltäglichen und einem außeralltäglichen Gebrauch von Alkohol verdeutlichen. In den Herkunftskulturen der Seefahrer, die den Alkohol in die Neue Welt brachten, war Alkohol ein alltägliches Nahrungsund Genussmittel, das zu allen Mahlzeiten, oft bereits zum Frühstück, konsumiert wurde. Die nordamerikanischen Indianer dagegen verwendeten Alkohol nicht als alltägliches Getränk, sondern als Festgetränk. „Ihr Trinken war nicht der tägliche Schluck zu den Mahlzeiten und auch nicht das gelegentliche Kneipenbesäufnis, sondern das Trinkgelage, eine tagelange Ausschweifung, die nur durch einen Vollrausch zu Ende kam. Außerdem verstanden sie es, Alkohol in ihre Zeremonien einzubetten, wie es auch in den indigenen Kulturen Lateinamerikas und Nordostasiens üblich war“ (Trenk 2001: 21). Bei den Trinkgelagen wurde die gewöhnliche Ordnung außer Kraft gesetzt und eine rauschhafte Gegenwelt zum Alltag inszeniert, sie dienten der „Entfaltung einer dionysischen Festkultur“ (Trenk 2001: 126). Von den Europäern wurde dieses Trinkverhalten als Versagen gewertet, weil sie

die für sie geltende Norm eines sozialen, moderat-alltäglichen Trinkens übergeneralisierten und darin die Norm menschlichen Trinkens überhaupt sahen (Trenk 2001: 102f.). Beispiele zeigen aber, dass für die Indianer Abstinenz dann aber unproblematisch war, wenn nicht genügend Alkohol für einen Vollrausch zur Verfügung stand (Trenk 2001: 95). Die Algonkin auf Long Island etwa wählten dann einige zum Trinken aus, während die anderen ihnen dabei zuschauen mussten, wie sie sich in das Stadium des Rausches versetzten (Trenk 2001: 96). Eine ähnliche Übergeneralisierung ist in der griechischen Bewertung des Trinkverhaltens von Barbaren zu gewärtigen, das ihnen ungeregelt und unzivilisiert erschien. Thraker, Illyrer, Kelten, Skythen, Inder und Perser tranken in den Augen der Griechen maßlos und ungezügelt durch kulturelle Vorgaben wie etwa den Regeln, die beim Symposion einzuhalten waren (Kaiser 2002: 34f.). Die Möglichkeit, dass es bei diesen Völkerschaften andere regulierende kulturelle Mechanismen gab, die den Umgang mit dem Wein strukturierten, kam für die Griechen von vornherein gar nicht erst in den Blick. Immerhin, und dies ist in unserem Zusammenhang interessant, zeigen diese Einschätzungen, dass die griechischen Trinksitten in den genannten Gebieten offensichtlich keinen Einzug gehalten hatten. Das Beispiel der nordamerikanischen Indianer veranschaulicht, dass die Bedeutung des Genusses eines alkoholischen Getränkes in zwei Gesellschaften, in denen unterschiedliche Trinknormen gelten, erheblich differieren kann. Als weiteres Beispiel ließe sich die in der Frühmittelalterforschung entwickelte Deutung des Formenwandels von Trinkgefäßen im merowingischen Frankenreich anführen: Zunächst in römischer Tradition hergestellte Gefäße mit Standboden wurden in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts ersetzt durch Sturzbecher, auf die im 7. Jahrhundert rundbodige offene Becher, die Tummler, folgten (Koch 1996). Dieser Wandel wird als Ausdruck veränderter Trinksitten gedeutet, denn während die Romanen beim Essen tranken, wobei ihnen durch die stehenden Gläser ein vergleichsweise langsames Trinken gestattet wurde, herrschte Gregor von Tours zufolge bei den Franken die Sitte, (auch) nach dem Essen Wein zu trinken, und zwar bis zum Vollrausch. Die Gläser mussten dabei in einem Zug geleert werden, wofür Sturzbecher

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und Tummler bestens geeignet waren (Kaiser 2002: 75f.). Zunächst also verwendeten die Franken bei ihren Trinkgelagen Gefäße römischer Tradition, bis sich dann allmählich die Gefäßformen den Erfordernissen der schon zuvor etablierten fränkischen Trinksitten anglichen. Freilich war das dionysische Moment, die rauschhafte Selbstentgrenzung, auch Teil der griechischen Kultur und fand vor allem im Komos seinen Ausdruck, im ausgelassenen Umzug der Zecher, der sich an ein Symposion anschließen konnte (Kaeser 1990; Gossel-Raeck 1990). Hier aber zeigt sich im Unterschied zu dem über den Alkoholkonsum der nordamerikanischen Indianer Ausgeführten eine Kontinuität zwischen dem Alltagskonsum von Wein und seiner außeralltäglichen Verwendung als Mittel zu einem rauschhaften Außersichsein, verbunden mit Zügellosigkeit und Ausschweifungen. Das Symposion selbst stellt die Phase des Übergangs von dem geregelten Alltag zum Exzess dar und bezeugt damit die Kontinuität nicht nur im Sinne des physiologischen Zustan-

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des, sondern vor allem auch der kulturellen Kodierung dieses Zustandes. Auch wenn davon auszugehen ist, dass alkoholischen Getränken in der Späthallstatt- und Frühlatènekultur eine große Bedeutung zukam (Dietler 1990; Arnold 1999), wissen wir nicht, welche Trinksitten ihre Träger pflegten. Es gibt daher keinen Anlass, ihren Weinkonsum kurzschlüssig einfach nur als Ausdruck der Übernahme mediterraner Trinksitten und damit mediterraner Lebensgewohnheiten zu deuten. Selbst wenn es ausdrücklich subjektiv ihre Intention gewesen wäre, ihre Lebensführung der einer mediterranen Oberschicht anzugleichen, so wäre die objektive Bedeutung ihres Weingenusses dennoch eine andere als bei denen, die sie sich zum Vorbild nahmen. Daher sollte man sich bei der Erforschung hallstattzeitlicher Sozialstrukturen davor hüten, den Kategorienfehler einer schlechten Wissenssoziologie zu begehen und die expliziten Selbstbilder, die eine Kultur von sich hat, mit ihrer realen Verfasstheit zu verwechseln.

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Diskussion Kurt Zeller Zitiert eine Forschungsmeinung, dass Sturzbecher gewählt wurden, weil diese ständig in der Hand zu halten waren, also nicht für Raufhändel kurzfristig abgestellt werden konnten. Es stellt sich die Frage, welche Objekte gegen die genannten, wie z.B. den Krater von Vix, getauscht wurden. Sklaven im Verhältnis 36 Liter Wein zu 1 Person lassen das Getränk ausgesprochen teuer erscheinen. Belege für eine Weiterführung dieser Tradition fehlen im Latène. Raimund Karl Verweist auf Diodor. Es handelt sich also um ökonomischen Tausch mit italischen Händlern und nicht um Gabenaustausch unter Eliten. Weiters sollten kostbare Stoffe und sonstige organische Dinge in ihrer Funktion als Gabe nicht unterschätzt werden. Auch diese halten „ihre Lebenszeit“ lang als sichtbarer Ausdruck der darzustellenden Beziehung, sind aber im archäologischen Material nicht mehr enthalten. Thomas Stöllner Mengenmäßig kann der Wein nördlich der Alpen nur als Luxusgut dienen, als Rauschgetränk ist eher Bier anzunehmen. Ralf Hoppadietz Es ist zum Gegensatzpaar „ökonomischer Tausch – Gabentausch“ zu ergänzen, dass auch der ökonomische Tausch eine Beziehung begründet, und zwar durch die Kraft, die dem verhandelten Objekt innewohnt. Kurt Zeller Es existiert eine derart große Menge an Südimport, dass nicht alles als durch Gabentausch erworben angenommen werden kann. Als Gaben werden wohl eher eventuell religiöse Dinge zu betrachten sein (z.B. szepterartige Objekte mit religiöser Beifracht), mit denen mehr gegeben wird als der bloße Materialwert. Dieser Aspekt ist natürlich für den Archäologen nicht nachweisbar. Harald Gropp Wo verläuft die Grenze zwischen den Alkohol nicht kennenden Indianern im Norden und den Alkohol habenden im Süden? Wo liegen die Anbaugrenzen für Wein auf dem amerikanischen Kontinent?

Bei den genannten alkoholischen Getränken handelt es sich nicht um indianische Erzeugung sondern um von „Weißen“ importierte/verhandelte Rauschmittel. Was die geographischen Grenzen der wildwachsenden amerikanischen Trauben betrifft, wurden diese für die vorliegende Untersuchung ebenfalls nicht erhoben. David Stifter Als Ergänzung für die Evidenz von Rauschgetränken im keltischen Bereich sind auch die bezugnehmenden Namen wie „Biersucher“ oder „Metgeborener“ zu nennen, die belegt sind. Hans Reschreiter Viele hallstattzeitliche Bronzen tragen Reparatur- und Gebrauchsspuren, die auf intensive Benutzung hinweisen.

Zusammenfassung der Diskussion Es werden einige Ergänzungen zum Vortrag eingebracht. Eine Forschungsmeinung besagt, dass Sturzbecher verwendet wurden, um Raufhändel einzudämmen, weil das Getränk nicht abgestellt werden konnte. Eine vielzitierte Umrechnung von 36 Liter Wein zu 1 Sklaven lässt den Wein sehr teuer erscheinen. Das allgemein übliche Rauschgetränk nördlich der Alpen war Bier. Gegen die gängige Interpretation von Südimport als Gabentausch unter Eliten sprechen Berichte von italischen Händlern, mit denen ökonomischer Tausch betrieben wird. Als Gaben im engeren Sinne sind wohl eher Objekte zu interpretieren, deren Bedeutung über den eigentlichen Materialwert hinausgeht (Szepter als religiöses, politisches Symbol?). Es wird darauf hingewiesen, dass auch Produkte, die für den Archäologen aus Erhaltungsgründen schwer nachzuweisen sind, als Gabe (sichtbares Zeugnis einer ideellen Verbindung) dienen können, wie z.B. kostbare Stoffe. Der strikten Trennung von ökonomischem und Gabentausch wird widersprochen, weil auch dem ökonomisch erworbenen Objekt durch seine innere Kraft eine Bedeutung innewohnt, die über das Kaufobjekt hinausgeht. Weitere Hinweise auf Rauschgetränken im keltischen Bereich finden sich auch in bezugnehmenden Personennamen wie „Biersucher“ oder „Metgeborener“, die belegt sind.

Matthias Jung Der genaue Grenzverlauf von Alkohol kennenden Indianern wurde nicht recherchiert, weil diese nur als ein Beispiel am Rande erwähnt wurden.

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Handwerk im Grab – Handwerker? Überlegungen zur Aussagekraft der Gerätebeigabe in eisenzeitlichen Gräbern Thomas Stöllner

Zusammenfassung Im Gegensatz zu den kupfer- und bronzezeitlichen Handwerkergräbern tritt uns in der Eisenzeit ein offensichtlich weitaus selektiveres Grabbrauchtum vor Augen. Es lässt zweifeln, ob mit der Gerätebeigabe tatsächlich Berufsstände gefasst werden können. So zeigen die Werkzeugsätze im Gräberfeld von Hallstatt, dass es nur selektive Werkzeugsätze sind, sich in mehreren Fällen Metall-, Bein- und Holzhandwerk in unvollständigen Ausstattungen mischen. Es sind die offensichtlich »reichsten« Gräber des Gräberfeldes. Dagegen fehlen bezeichnenderweise solche Beigaben am Dürrnberg in seiner Blütezeit während der späten Hallstatt- und Frühlatènezeit. Und dies obwohl die wirtschaftlichen Abläufe ähnlich komplex differenziert gewesen sind. Ausgehend von den Verhältnissen in der ostalpinen Salzzone werden ähnliche Erscheinungen im eisenzeitlichen Europa besprochen, im früheisenzeitlichen italisch-ostalpinen Kulturraum ebenso wie in der frühlatènezeitlichen Champagne bzw. im spätlatènezeitlichen Westund Mitteleuropa. Immer wieder sind ausgewählte »soziologische« Niveaus erkennbar, die wohl einen Schmied als Mitglied herausragender Eliten charakterisieren, doch sicherlich das Handwerk nicht in seiner gesellschaftlichen Breite. Auch an den Gerätedepots der Spätlatènezeit wird offenbar, dass Geräte in reichen Gräbern und Depotfunden einen komplementären rituellen Zusammenhang haben. Nur Vermutung ist, dass Geräteniederlegungen in Gräbern und Depotfunden auf Votanten und Ritualgemeinschaft zurückwirken sollten. Abstract In contrast to the craftsmen burials of the Copper and Bronze Age, funerary traditions in the Iron Age seem to have been considerably more selective. It has to be questioned whether tools as grave goods allow to identify craft professions. The tool sets found in the Hallstatt cemetery are clearly only selections, in several cases, metal-, bone- and woodworking tools are mixed in incomplete sets. These are found in the most lavishly equipped burials within the cemetery. On the Dürrnberg, on the other hand, such grave goods are absent during its heyday in the late Hallstatt and early Latène period, even though economic processes seem to be similarly differentiated and complex at both sites. Based on the conditions found in the east alpine salt mining area, similar occurances in Iron Age Europe are discussed, both in the early Iron Age italic-east alpine zone and in late Latène Central and Western Europe. Repeatedly, selected sociological “plateaus” are recognisable, which seem to have characterised the smith as a member of the elite, but not craftsmanship in its whole diversity. Similarly, tool depositions of the late Latène period demonstrate, that tools have a complementary ritual context in rich burials and depositions. It can only be guessed that tools in burials and depositions were thought to re-affect those depositing these tools as well as the ritual community.

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I. Auf der Suche nach dem eisenzeitlichen Handwerker Über den Stand der Handwerker, über die Ortsfestigkeit und die Professionalität ihres Tuns oder die soziale Anerkennung der Tätigkeit sind wir in der vorrömischen Eisenzeit Mitteleuropas nur unzureichend informiert (Timpe 1981: 36-62 bes. 58ff.; Dobesch 2002; im Gegensatz zur inselkeltischen Überlieferung: Megaw 1979: bes. 51f.; Birkhan 1997: 593ff. bes. 610f., 1011f.). Und obwohl die archäologischen Quellen reichlich fließen und sich an ihnen mancherlei Detail bestimmen lässt, sind wir über die Einbindung dieser Gruppen in Gesellschafts- und Wirtschaftssysteme aus zeitgenössischen Quellen kaum unterrichtet – fassen wir doch in den archäologischen Befunden meist nur den Niederschlag von Handwerk und nicht den Handwerker selbst. Aus den antiken Quellen tritt z.B. die handwerkliche Kunstfertigkeit der „keltischen“ Handwerker hervor, aber kaum etwas wird über die Gesamtwirtschaft und den sozialen Stand der Handwerker allgemein gesagt. Dass etwa die keltischen Handwerker über ein hohes Maß an technischem Können und Kunstfertigkeit verfügten, steht außer Frage; die Gallier seien ein genus sumus sollertiae, (B.G. VII, 21,1) wie Caesar schrieb. Zu den bekanntesten Beispielen zählen die Kenntnisse im Wagenbau, die sich schon allein aus den mannigfaltigen Bezeichnungen für zweirädrige Streit- und Reisewagen (essedum, covinnus, carpentum, cisium) aber auch für vierrädige Wagen (carrus, carruca, reda) ableiten lassen; aufgrund archäologischer Quellen lässt sich eine mitteleuropäische Wagentradition für zwei- und vierrädrige Wagen seit der Hallstattzeit bis in die spätkeltische Zeit verfolgen (Überblick: Egg, Pare 1993: 209-218; jetzt zur Spätlatènezeit: Schönfelder 2002: 300ff., 324ff.). Oder es ist auf das vielfach zitierte „ferrum Noricum“ zu verweisen, das nach heutigem Verständnis ein frühes, in einem speziellen Rennfeuerprozeß hergestelltes Schmiedeeisen mit Stahlgefüge darstellt (Egger 1961: bes. 33ff.;Vetters 1966: 167-185; Sperl 1985: 410-416; Straube 1996). Caesar unterstreicht beispielsweise verschiedentlich die Kenntnisse der Gallier im Stollenbau, etwa als im Jahr 52 v.Chr. die Biturigen während der Belagerung von Avaricum

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die römischen Belagerungswerke zu unterminieren suchen: „ et aggerem cuniculis subtrahebant eo scientius, quod apud eos magnae sunt ferrariae atque omne genus cuniculorum notum atque usitatum est“ (B.G. VII, 22,2; auch B.G. III, 21,3). Kenntnisse im Untertagebergbau werden von antiken Autoren für den Erzbergbau und explizit für die Goldförderung (Strabo 4,190, 205) beschrieben. Archäologisch sind wir vor allem durch den Goldbergbau im Limousin bzw. den untertägigen Bergbau auf Salz über die speziellen Verhältnisse unterrichtet (zuletzt Cauuet 2004). Das was man aus den antiken Quellen über die soziale Organisation von Handwerk und Handel schließen kann, lässt sich vorab im spätkeltischen Gallien besser und mit indirekten Argumentketten umfassen (Timpe 1981; Dobesch 2002; siehe auch Orengo 2003). Handwerker zählen nicht zu den anerkannten Ständen, doch lässt die Überlieferung mancherlei Bezug der aristokratischen Oberschicht zum Handwerkertum erkennen. Poseidonius und auf ihm fußend Diodorus Siculus (5,28,4-5) ziehen etwa einen Vergleich mit der homerischen Gesellschaft; sie gehen dabei vom Wagenkampf oder den überlieferten Tischsitten der Kelten als Spiegel der Gesellschaft aus (Tierney 1960: 221; Timpe 1981: 60f.; Rankin 1995: 28f.). Handwerker werden im homerischen Epos als abhängige Hofhandwerker oder als autonome Spezialisten charakterisiert, die neben einem breitgestreuten Haushandwerk tätig sind. Daneben erscheint das Handwerk als Mittel der Heroisierung und Idealisierung des Helden, etwa im Sinne des Helden und Künstlers in einer Person (Eckstein 1974: bes. L 42). Trifft diese Vorstellung auch auf die spätkeltische Gesellschaft zu? Ein Hinweis bieten beispielsweise einzelne Handwerkergottheiten wie der berühmte Lugus oder der „Schmiede“gott Sucellus. Sie zählen zu den am meisten verehrten Göttern; ein „dobnoredo gobanno“, nach neuer Lesung der „weltenfahrende Schmied“ (im Sinne von Weltenbaumeister) wird auf der Zinktafel von der Engehalbinsel bei Bern genannt (Birkhan 1997: bes. 600ff., 607ff., 610ff.; Fellmann 1991: 270273; Meid 1996: 307-319, bes. 308ff., 319). Daraus lässt sich jedenfalls etwas von der hohen mythischen Bedeutung des Handwerks ganz allgemein erahnen. Neben den Schmiedegottheiten sind etwa entsprechende Cognomen für gallische Adelige (Gobannitio, der On-

kel des Vercingetorix) zu nennen – sie bezeugen die Wertschätzung des Handwerkes bis in höchste Kreise (Birkhan 1997: 607; allgemein Karl 2006: 271ff.). Doch ist damit noch nichts über die allgemeine gesellschaftliche Stellung der Handwerker gesagt. Genauso gut kann ein althergebrachtes Darstellungsideal des Adels gemeint sein, wie es auch im homerischen Epos geschildert ist: Es konnte auch in die Heroisierung einzelner, herausragender Toter einfließen. Die Schreinerarbeiten des Odysseus sind ein gutes Beispiel. So wird etwa bei H.G. Niemeyer (1984: 70) die Auffassung vertreten, dass die an Prunkbetten wie jenem aus dem Königsgrab 77 von Salamis/Zypern angelehnte Beschreibung des Bettes von Odysseus kaum von jenem selbst gefertigt worden wäre. Eher werden damit wohl die allgemeine Kunstfertigkeit und die Fähigkeiten der Adeligen unterstrichen und in die Nähe göttlicher Attribute gerückt. Es wurde mehrfach betont, dass die Adelsgesellschaft im caesarischen Gallien nicht unbesehen auf ältere Zeiten und andere Regionen zu übertragen sei; es sei darin eine spezielle soziale Verschärfung der gesellschaftlichen Gegensätze in der späten Latènezeit zu sehen (z.B. Dobesch 1996: 13-71 bes. 51ff., 69ff.; Dobesch 2002). Dies lässt sich gerade vom Stand der archäologischen Quellen unterstreichen, wenn wir gewisse Phänomene der Prunkgrabsitte oder auch Siedlungsstrukturen in den großen Oppida über die Zeiten hinweg betrachten. Insofern spiegeln sich im caesarischen Überlieferungsstrang vor allem die zeitgenössischen, gallischen Verhältnisse. Für ältere Zeiten, also etwa die Früh- bis Mittellatènezeit, mag die von Plinius erzählte Geschichte des faber Elico stehen. Dieser kam bekanntlich nach Rom und habe, nachdem er mit Südgütern wie Oliven, Feigen und Wein zurückgekehrt war, die Begehrlichkeiten seiner Landsleute geweckt und schließlich die keltische Wanderung ausgelöst (Plinius, Nat. Hist. 12, 2,5: Köves-Zulauf 1977: 40ff.; Pauli 1978: 443f., Anm. 144; Birkhan 1997: 91f.; Dobesch 1989: 45-86). Dieser Elico kann für eine ältere Zeit (das 5. und 4. Jh.) durchaus als unabhängiger, mobiler Handwerksspezialist begriffen werden. Zweifellos ist er von vornehmem Rang. Bei Livius V,33,2-5 wird die Wandersage mit dem Clusiner Arruns verbunden, der den Wein in Gallien eingeführt und die Gallier herbeigerufen ha-

ben soll (dazu auch Köves-Zulauf a.O.; Dobesch a.O. 41ff., 69ff.). Offensichtlich liegt ein ähnlicher, fabelhafter Erzählkern zugrunde – die Elico-Geschichte wird ja erst spät und vereinzelt überliefert. Insgesamt dürfen wir also von Unterschieden in der sozialen Stellung der Handwerker ausgehen, etwa zwischen den Extremen, ob sie als Klienten des Adels oder unabhängig ihrer Profession nachgingen und diese wenn auch in kleinem Rahmen - eigengewerblich nutzen konnten. Ähnliches gilt für Händler, Bergleute oder reiche Bauern, die wir dann - gleichwohl gesellschaftlich als plebs charakterisiert - als Angehörige einer eigenständig handelnden, frühen Mittelschicht begreifen müssten. In diesem Sinne könnten wir auch Caesar verstehen, der bemerkt, dass sich zu seiner Zeit Freie in ein freiwilliges Abhängigkeitsverhältnis begaben (B.G. 6,13,2.).

Abb. 1: Werkzeugausstattungen aus dem Hallstätter Gräberfeld I, nach Kromer 1959.

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Abb. 2: Werkzeugausstattungen aus dem Hallstätter Gräberfeld II, nach Kromer 1959.

Wir müssen also auch im eisenzeitlichen Mitteleuropa mit den geschickten, umfassend gebildeten Handwerkern rechnen, die für spezielle Aufgaben gerufen werden. In der homerischen Überlieferung werden sie als „tekton“ „skutotomos“ oder „demiourgos“ bezeichnet und von den Handwerkern der adeligen Haushalte („oikos“) geschieden (dazu Eckstein 1974: 23ff. 34ff.). In der vorrömischen Eisenzeit mag man ihn und seine Gehilfen etwa am frühlatènezeitlichen Goldschatz von Erstfeld erkennen (Wyss 1975: bes. 18; zuletzt: Guggisberg 2000) oder an anderen technologischen Zusammenhängen zwischen herausragenden Objektgruppen, die an Wanderhandwerkertum denken lassen (z.B. Megaw 1979; Megaw 1985). Genannt seien im letzteren Sinn etwa die keltischen Schnabelkannen des 5. und beginnenden 4. Jh., die zeigen, dass enge

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Verbindungen zwischen den Handwerkern existierten, die zu vergleichbaren technischen Umsetzungen führten. (Zu den Kannen: Moosleitner 1985; Kimmig 1988: 87ff.; Megaw, Megaw 1990;Vorlauf 1997: 179f.; zur Kanne von Glauberg: Baitinger, Pinsker 2001). Die zeitliche, räumliche und stilistische, an gewisse Kunstlandschaften gebundene Streuung der Werke von mindestens 50 bis 70 Jahren lässt aber weniger einen Handwerker zu, der für diese Stücke verantwortlich zu machen wäre. Eher sehen wir eine genuin keltische Handwerkstradition, die sich auf persönliche Verbindungen und Austausch gründete. Insofern müssten wir mit mündlich tradiertem Wissen vielleicht sogar mit semimobilen „Spezialistenfamilien“ rechnen, ganz so wie man es nach Caesar und Strabo für die keltischen Druiden und Barden annehmen möchte (Strabo 4,4; Caesar, B. G. VI 13 f.; Megaw 1979: 49-54; Megaw, Megaw 1990: 83ff.). All das lässt immerhin möglich erscheinen, dass manche dieser Spezialisten auf eigene Rechnung gearbeitet haben bzw. arbeiten konnten. Hochstehendes Handwerk muss ja nicht unbedingt an Adelshöfe oder feste Plätze, wie etwa die Heuneburg, gebunden gewesen sein. In diese Richtung weist der Befund der erst kürzlich bekannt gewordenen Metallwerkstätte von Sévaz-Tudinges im Kanton Fribourg, Schweiz. Dort wurde ein Werkstattatelier mit Schmiedegrube zusammen mit einem kleinen Wohngebäude scheinbar isoliert von einer größeren Siedlung entdeckt. Die darin gefundene griechische Importkeramik spricht für die unabhängige und durchaus gehobene Stellung der Handwerker - ebenso wie die Lage der Schmiede. Das Fehlen funktionstüchtigen Werkzeuges zeigt, dass es die Handwerker bei Verlassen des Ortes wieder mitgenommen haben dürften, ganz wie man dies bei „semimobilen“ Spezialisten erwarten würde, die nur wenige Jahre an einzelnen Plätzen geblieben waren (abgesehen von einigen Feilenfragmenten: Mauvilly, Antenen, Garcia, Cristobal, Ruffieux, Serneels 1998: 144-154; Ruffieux, Mauvilly 1999: 26-31). Im Folgenden werden solche Zusammenhänge im eisenzeitlichen Europa untersucht. Dabei gehen wir vom Komplex der beiden Salzbergbauorte Hallein und Hallstatt aus: Einerseits sind aus dem Vergleich der Beigabensitten Schlüsse zu ziehen, die den Charakter der Werkzeugbeigabe vor einem regionalen wirtschaft-

lichen Hintergrund schlüssiger beleuchten, andererseits erlaubt das reich mit Werkzeugbeigaben gesegnete Hallstätter Gräberfeld die Entwicklung überörtlicher Kriterien für die soziologische Interpretation. Diese wollen wir schließlich überregional in einem diachronen Vergleich weiterer Beispiele prüfen und sie in weitere Zusammenhänge mit Deponierungsbrauchtum stellen. II. Werkzeugausstattungen in Hallstatt und Hallein-Dürrnberg: Eine früheisenzeitliche Grabsitte zwischen Ostalpen und Italien Bergmännisches Handwerk und mit dem Salzabbau direkt oder indirekt verbundene Handwerke nahmen sicherlich eine dominante Stellung im Wirtschaftstreiben an beiden Orten ein. Nehmen wir etwa die bergmännische Spezialisierung wie sie uns mit spezifischen Gerätschaften, Abbau- und Gewinnungsmethoden vor Augen tritt: In Hallstatt zeigen stellvertretend die hoch spezialisierten Abbaufiguren, die sog. „Herzen“ des Ostgruppenbergbaus, dass mit jahrhundertelanger eigenörtlicher Entwicklung zu rechnen ist (Barth 1976). Schon zu Beginn der Salzgewinnung tritt uns mit den Fundstellen Christian-von-Tusch-Werk sowie der Nordgruppe eine ausgefeilte Gerätetechnik vor Augen, die Fördergeräte, Werkzeuge und hochentwickelte Holzbearbeitungstechnik mit einschloss. Dies änderte sich nicht grundlegend die darauffolgenden Jahrhunderte, selbst wenn man an dem jüngeren Salzbergbau am Dürrnberg bei Hallein mitunter den Eindruck einer standardisierten Verarmung handwerklichen Könnens hat. Dies trifft sicher aber nicht für die vielfältigen Handwerkszweige zu, die an den obertägigen Siedlungsstellen zu Tage treten. Sie umfassen u.a. das Metall- und das Holzhandwerk, die Lederund Fleischverarbeitung, das Textilhandwerk sowie das Glas- und Töpferhandwerk. Die hohe ökonomische Bedeutung dieser beiden Zentren ist unstrittig. Auffällig ist aber, dass es eine den wirtschaftlichen und handwerklichen Gegebenheiten gemäße Darstellung von Handwerk im Grab nicht gibt (Abb. 4). Eine Beigabe von bergbaubezogenen Geräten ist im Salzrevier wie anderswo im Mitteleuropa des 1. Jahrtausends z.B. nicht überliefert. Einzig auffällig sind die besonders in der älteren Hallstattzeit zahlreichen Gräber mit Hand-

Abb. 3: Hallstatt, Ausstattungen mit Fischerei-Gerät; nach Kromer 1959; Wells 1991.

werksgerät, die vordergründig betrachtet eben einen direkten Bezug zum örtlichen Handwerk nahelegen. Doch zugleich stellt sich dann aber die Frage, warum wir sie, an dem vielleicht sogar wirtschaftlich umfassender agilen Dürrnberg, in nicht einem einzigen Fall fassen. Dies umso mehr, stellten wir ein Erwerbsmodell in Rechnung, wie es L. Pauli entworfen hatte (Pauli 1978: bes. 516ff.): Im Vergleich mit mittelalterlichen Verhältnissen gelangte Pauli zur Auffassung, die Dürrnberger Bevölkerung habe gewerkengleich den Bergbau betrieben und den Lohn ihrer harten Arbeit selbst abgeschöpft. Müssten wir dann nicht auch ein ständisches Bewusstsein der Bergleute und Handwerker wie in Mittelalter und Neuzeit erwarten? Dort ist die Standesrepräsentation in Bild und Schrift im Totenbrauchtum üblich. Eine vordergründig funktionale Deutung verbietet sich also.

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Abb. 4: Ostalpine Salzreviere, Werkzeugbeigabe in Gräbern des 8. bis 5. Jh. v.Chr. (siehe Liste I).

Zunächst scheint eine differenzierte Betrachtung der Werkzeugbeigabe nach fünf Ausstattungsgruppen sinnvoll, wie sie sich im Hallstätter Gräberfeld abgrenzen lassen (Gruppen A bis E) (Nummerierung der Gräber nach Kromer 1959; Hodson 1990). Nicht berücksichtigt wurden Geräte wie Spinnwirtel, Webgewichte oder Nähnadeln, die eher zu den persönlichen Geräten gezählt werden und auch aus reich ausgestatteten Hallstätter Gräbern bekannt sind. Webutensilien stammen u.a. aus den Hallstätter Gräbern 28/29 (mit Nähnadel!), 49, 58, 67, 84, 87, 127, 136, 222, 354, 380, 388, 527, 776, Hallberg, Grab I, 11 und 29/1939, den Linzer Gräbern 98 und 136 (Abb. 4). Leider kann bei diesen Objekten nicht ausgeschlossen werden, dass sie

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- wie die Keramik - weniger sorgfältig aufgehoben wurden. Schwieriger ist die Funktionsbestimmung von Ärmchenbeilen, deren Werkzeugcharakter ebenso wie ihre Schäftung (quer oder längs) nicht eindeutig bestimmt werden kann - ich habeVergesellschaftungen in die Liste aufgenommen, wo ein zweites Lappenbeil oder andere Werkzeuge einen Werkzeugcharakter nahelegen (siehe u.a. Wesse 1990: 116ff. - Zweifel zum Waffencharakter: Mayer 1977: 240). Die auffälligste Gruppe („Gruppe A“: Abb. 1) stellen dabei reiche Gräber der einheimischen Führungsschicht dar, die von F.R. Hodson in seine Social groups Sm3-4 gestellt wurden (Hodson 1990). Sie sind regelhaft mit Bronzegefäßsatz, Hallstattschwert oder frühen

Dolchwaffen bzw. einem Dolch Typ Hallstatt ausgestattet und gehören größtenteils in die Spätphase von HaC bzw. in ein frühes und entwickeltes HaD1. Nur drei Gräber reichen in die erste Hälfte des 7. Jh. bzw. die Zeit um 700 zurück (Grab 260, 600, 13/1995). In den Vergesellschaftungen kommen bisweilen auch die bekannten Zierbeilchen vor (Grab 260, 697), die als Status- und Würdezeichen einer bestimmten Gruppe von Männern gesehen werden können. Sie vernetzen unsere Werkzeuggräber mit anderen außergewöhnlichen Grabausstattungen wie jene aus Grab 504 und 505 (beides Mehrfachbestattungen). Die Verbindungen zueinander werden durch den Hallstätter Bronzegefäßsatz (Situla, Breitrandschüsseln), Waffen, Phalerenensemble u.a. unterstrichen. Zweifellos kann auch „Gruppe B“, jene mit sog. Phalerenensembles, an diese Gruppe der Elitegräber angeschlossen werden. Gemeinsame Beigaben - wiederum der Bronzegeschirrsatz oder das Vorkommen von Phaleren in Gruppe A - bestätigen dies. Bei den Phalerenensembles handelt es sich zwar im Grunde um eine unge-

deutete und diskutierte Funktionsgruppe - in ihnen schmückende und repräsentative Ausstattungsteile zu sehen, wird man aber nicht fehlgehen (allgemein Egg 1996: bes. 338ff.; Barth 1980: 211-217; Stöllner 1996/2002: 136ff.). An Werkzeugen sind vor allem Raspeln und Beilkombinationen von Ärmchen- und Lappenbeilen zu nennen (Abb. 1). Beide Geräte deuten auf einen Bezug zum Holzhandwerk, selbst wenn für die bekannten Raspeln eine Verwendung als Musikinstrumente oder Metallfeilen vorgeschlagen wurde (Kromer 1985, 711). Einer Deutung als Metallfeilen (z.B. Teržan 1994: 659f.) widerspricht meist der sehr grobe raspelartige, für den Stoß geeignete Hieb der Geräte. Alles spricht für eine hauptsächliche Verwendung im Holzhandwerk (siehe auch Rieth 1942: 99f.; Jacobi 1974: 16). Unterstützt wird diese Annahme von der Tatsache, dass Raspeln - wenn überhaupt - mit Holzverarbeitungsgeräten wie Dechseln und Stemmeisen kombiniert sind (siehe unten: Gruppe C). Daneben sind noch Geräte der Metallverarbeitung zu nennen, wie

Abb. 5: Hallstatt, Kartierung der verschiedenen Ausstattungsgruppen mit Werkzeugen im Ramsauer’schen Gräberfeldteil.

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Abb. 6: Früheisenzeitliche Handwerkergräber im Ostalpenraum und in Italien, kartiert nach Ausstattungsgruppen der Gräber mit Werkzeug (siehe Liste I).

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etwa eine ­ Federzange, Tüllenmeißel (eher Treibmeißel) und Ambosse in den Gräbern 283, 465/66, 469, 559 und 976. Interessant ist die Kombination in Grab 469 (Abb. 1), wo aufgrund der Untersuchungen Barths und Hodsons Tüllenbeil und -meißel wohl auszuscheiden sind (Hodson 1990: 148). Der kleine Setzamboss und seine Vergesellschaftung mit einer Raspel/Feile deuten aber auf eine Verbindung von Metall- und Holzhandwerk, was auf multiple Betätigungsfelder und entsprechende Konnotationen im Grabritus bedeutender Persönlichkeiten deuten könnte. Nicht umsonst liefert das Grab Hinweise auf doppelte Ausstattung, betrachtet man etwa das an sich unübliche Zusammentreffen von Mindelheimschwert und früher Antennenwaffe. Letztlich ist die Kombination zweier Handwerkszweige in den Hallstätter Gräbern aber nicht üblich, so dass auch eine nicht erkannte Mehrfachbestattung zu erwägen wäre. Nicht geklärt sind die Knochengeräte in den Gräbern 260 und 1015a: Vielleicht kann das Knochengerät in Grab 260 zum Schlachtgerät einer Bankettausstattung im Sinne des Hochdorfer Befundes gezählt werden. Leider fehlen weitere Teile wie das Schlachterbeil (Pauli 1988/89: 291-303; Krauße 1996: bes. 306ff.). Gräber dieser Gruppe sind immer wieder als kennzeichnend für das Gesamtphänomen der Werkzeugbeigabe im Gräberfeld betrachtet worden (z.B. Teržan 1994). Dass dieser Eindruck nur bedingt richtig ist, sei vorweg festgehalten. Auffällig ist das häufige Vorkommen von holzverarbeitenden Geräten, hier vor allem der Raspel. Ab der zweiten Hälfte des 7. Jh. schließlich ist mit Geräten des Metallhandwerks eine Ausweitung des Spektrums zu bemerken. Ein weitere Gruppe („Gruppe C“) stellen Gräber dar, die größtenteils als Männergräber anzusprechen sind, wie Oberarmringe (Grab 217 [?], 444), Waffenbeigabe (Gräber 44, Linz 49, Linz 83) und Mehrkopfnadeln (Linz 49, Grab 1994) nahelegen (Abb. 2). Charakteristische Frauenausstattungen wie sie Hodson gegen typische Männerbeigaben gestellt hatte, fehlen in allen Ensembles (Hodson 1990: bes. 28ff.). Als vereinzelte Statuszeichen können neben den Waffen und Beilen eine typische Hallstätter Situla mit Hals und Tragevorrichtung oder ein großer Satz von 21 Tongefäßen in einem 1994 entdeckten Grab (Liste 1, Nr. 19) ge-

nannt werden. Auffällig ist die Zusammensetzung der Gerätebeigaben, die sich deutlich von den Gruppen A und B unterscheidet: Neben Raspeln sind nun - häufig mit ihnen in Kombination - Säge, ein Stemmeisen, Hohldechsel und Beile (Lappen- und Ärmchenbeile) aufzuführen. Bei den Gräbern 217, Linz 49, Grab 1994 wäre in der Vergesellschaftung von drei Geräten ein regelrechter Werkzeugsatz zu sehen. Es sind nun ausschließlich Geräte zur Holz- und/oder Knochenverarbeitung,wie vielleicht auch zwei Hirschgeweihsprossen in Grab 114 andeuten. Die Metallsägen aus früheisenzeitlichen Gräbern eignen sich neben Holz bestens zum Schneiden von Knochen- bzw. Geweihstücken, durch die eher grobe Zähnung aber nicht für Metall, wie dies von Teržan (1994: 660 Anm. 7) vorgeschlagen wurde. Die Bogensäge aus Grab 1994 wird mit breiterem Rückenteil gegenüber dem Zähnungsteil beschrieben (Kern 1995: 97ff.). Dadurch konnte das Schneidegut leicht aus dem Sägeschnitt gezogen werden. Das Stück ist für Stoß und Zug geeignet. In dieser Gruppe fehlen nun Werkzeuge zur Metallverarbeitung gänzlich (Abb. 2). Interessant ist schließlich das leider nicht geschlossene Grab 49 der Linzer Grabung (Liste 1, Nr.18), das M. Egg schon wegen des mittelitalischen Kammhelmes besprochen hat (Egg 1978). Neben einer in Hallstatt außergewöhnlichen „Rundfeile“ ist die vergleichsweise alte Datierung bemerkenswert. Die Feile aus Hallstatt besitzt Parallelen im südlichen Etrurien (Veji - Casale del Fosso, Grab 1073: Buranelli 1979: Abb. 7b), was die engen Beziehungen des Bestatteten der „oberen Holzlage“ in dieser Gegend weiter stützt. Dass in der italischen Früheisenzeit die Werkzeugbeigabe offenbar weit verbreitet ist und seit dem 8. Jh. v.Chr. auftritt, lässt den Verdacht aufkommen, die Hallstätter Sitte wäre von dort stimuliert. (Allgemein: Jacobi 1974: 18; Kromer 1985; Teržan 1994). Und in der Tat sind die Hallstätter Beziehungen nach Oberund Mittelitalien besonders im 7. Jh. sehr eng. In dieser Zeit der Prosperität häufen sich nicht nur oberitalisch vermittelte Motive oder Schmuckformen sondern eben auch die Masse der Werkzeuggräber (zusammenfassend Stöllner 1996/2002: 415f. 387f.). Die Abweichung in der Beigabenzusammensetzung von Gruppe C macht deutlich, dass die Beigabe von Geräten oder gar Ensembles nicht nur den aus-

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Abb. 7:Veio, Gräber 1038 (a) und 1073 (b) als Beispiele für die Ausstattungsgruppen A/B und C in Mittelitalien (nach Buranelli 1979).

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stattungsreichsten Gräbern der Elite vorbehalten war. Werkzeugensemble und Beschränkung auf die Holzund Knochenverarbeitung lässt es immerhin eher möglich erscheinen, dass in dieser Gruppe tatsächlich auch einige Grabausstattungen von angesehenen Handwerkern, etwa kunstfertigen Tischlern, vorliegen. Sie stehen damit gewissermaßen in einer Reihe mit den späteren Schmiedegräbern. Die Kartierung der Gruppen im Ramsauer’schen Gräberfeldteil bestätigt die Trennung ebenfalls (Abb. 5): Die Gruppen A/B finden sich im alten Zentralkern (nach Hodson 1992) dieses Gräberfeldteiles bzw. an der südwestlichen Peripherie, dort wo sich überhaupt die ausstattungsreichen einheimischen Gräber in HaC und HaD1 häufen. Dagegen liegt Gruppe C abgesetzt eher in Bereichen, wo sich Kindergräber (Kromer 1959: Karte 10) oder westhallstättische Ausstattungsteile (Stöllner 1996/2002: Abb. 174) finden. Gruppe C trennt sich damit deutlich von den Gräbergruppen der reichen Frauen- und „Krieger“gräber ab. Gruppe D der Werkzeuggräber zeichnet sich durch die Beigabe von Pfriemen und Sticheln aus; dabei sind sowohl Männer- wie auch Frauenausstattungen (z.B. Linz Grab 55, Abb. 2) zu beobachten. Auch streuen sie über eine längere Zeit, so dass sich an ihnen keine deutliche soziale und berufsspezifische Gruppierung erkennen lässt. Das Dürrnberger Grab 68/1 ragt unter den sonst durchschnittlicheren Grabausstattungen deutlich hervor. Die uneinheitlichen Grabausstattungen zeigen, dass diese multifunktionalen Geräte eher einem persönlichen als einem beruflich geprägten Milieu zuzurechnen sind. Dafür spricht auch, dass die Beigabe von Pfriemen und Ahlen im „werkzeugreichen“ Beigabenkanon des Südostalpenraumes häufig und in manchen Gegenden gleichsam als charakteristisch für Männergräber gelten kann (z.B. Gräberfeld von Vacˇ e: Teržan 1985: bes. 100, Abb. 8). Stichel- und Pfriembeigabe ist auch bei den westhallstättischen Schwert- bzw. Pferdegeschirrgräbern bekannt, obwohl Werkzeugbeigabe im älterhallstättischen Westhallstattgebiet eigentlich unüblich ist (Gerdsen 1986: 62 Anm. 656; Stöllner 1996/2002: 19 Taf. 4,5 [Gilgenberg, Hgl. 2]). All das unterstreicht den Charakter solcher Geräte als eher persönliche Geräteausstattung - eine Bindung an ein bestimmtes Handwerk kann daher wohl ausgeschieden werden.

Von besonderem Interesse sind schließlich sechs, meist einfach ausgestattete Hallstätter Gräber (Gruppe E), denen ein bis drei Angelhaken, manchmal gefaltete Bronzeblechchen (Nr. 26, 31) mitgegeben wurden (Abb. 3). Letztere könnten als Senker - etwa einer Angelschnur - gedeutet werden. Wir hätten also regelrechte Fischereiausrüstungen vor uns, was in Anbetracht des bis heute fischreichen Hallstätter Sees nicht überrascht. Ob sich in der Beigabe aber eine regelrechte Berufsgruppe spiegelt, ist schon schwerer zu beurteilen. Soweit erkennbar - die Gräber sind eigentlich zu „ärmlich“ ausgestattet - sind wieder Männer und Frauen vertreten. Nach Hodsons Klassifikation wären nur Grab 24 der Mecklenburg Grabung und Grab 241 in seine Statusgruppe Sf2/Sm2 zu rechnen und entsprechen besser den Hallstätter „Pfriemgräbern“ (Gruppe D). Insofern stellen sie im Vergleich zu den Gruppen A-C eine gewisse Ausnahme dar. Lagebeobachtungen liegen durch den meistenteils überlieferten Brandritus nur für Grab 120 vor, wo die Haken auf der Brust der/des Toten gefunden wurden (Abb. 3 oben). Das entspricht der Fundlage der drei etwa gleich großen Angelhaken aus dem Grab von Hochdorf, die in ein Stofftäschchen eingelegt waren. Die Seltenheit der Beigabe in eisenzeitlichen Gräbern war für J. Biel Anlass, dem „Fürsten“ von Hochdorf eine persönliche Vorliebe für das Angeln zuzuschreiben (Biel 1985: 65f. Abb. 40). Das wäre auch für die Hallstätter Gräber nicht von Hand zu weisen, vor allem da Fisch - wie auch Wild - nur eine allzu seltene Ergänzung des eisenzeitlichen Speisezettels war. Doch gerade die Beigabenarmut ist vielleicht ein Indiz dafür, dass es sich tatsächlich um eine Gruppe von gewerbsmäßigen Fischern handelt, selbst wenn Fischen bis in höchste Kreise der Sozialpyramide üblich und geschätzt war und wir darum solche Geräte auch in sehr reichen Gräbern finden. Bei der Untersuchung der Hallstätter Gräber mit Werkzeugbeigabe ist die Verbindung mit italischen und südostalpinen Gräbern der Früheisenzeit evident (Abb. 6). In Hinblick auf gemeinsame Sitten wäre sicherlich zu fragen, ob sich die in Hallstatt gebildeten Kategorien nun auch im weiteren Umfeld verorten lassen. Die hier gebotene Zusammenstellung ist sicher nicht vollständig und hängt wesentlich auch von den angelegten Kriterien für „Gerät“ ab. Auch müss-

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te man den Komplex in ungleich größerer inhaltlicher Tiefe untersuchen und auch Webausstattungen, die ja gerade im eisenzeitlichen Italien sehr zahlreich sind, miteinbeziehen. Betrachten wir aber die jetzt schon gewonnene Liste, so lassen sich dennoch einige Aussagen treffen (Liste 1): Wiederum lässt sich eine grobe Zweiteilung erkennen. Einzelne sehr ausstattungsreiche „Kriegergräber“ lassen umfangreichere Werkzeugensembles erkennen (Vetulonia, Circolo degli Ulivastri; Pontecagno, Grab 3284). Daneben sind aber auch solche zu benennen, die nur mit Feilen und einzelnen anderen Geräten ausgestattet waren (z.B. EsteRicovero, Grab 236;Veio, Grab 1038; Sticˇ na, Grab 72). Sie entsprechen aber insgesamt eher den Werkzeugkombinationen wie Gruppe A/B. In der Regel handelt es sich wiederum um männliche Gräber, die aufgrund bestimmter Ausstattungselemente den Elitegräbern an ihren jeweiligen Orten zuzuweisen sind. Regelrechte Werkzeugsätze sind nach wie vor in Hallstatt nicht zu rekonstruieren, doch gibt es mehrere Kombinationen von Holzwerkzeug in Form von Dechseln und Hohlmeißeln oder Tüllenmeißeln (Pontecagnano Gräber 926, 3284, Tursi, Vaszar, S. Maria Anglona, Grab 105, Pithekussai, Grab 515, Novo mesto, Kandija, Hgl. I/23). Allerdings sind wiederum rudimentäre Ausstattungen mit Metallgeräten, etwa mit Federzangen in den Gräbern von Pontacagnano, Grab 928, und Bologna, San Vitale, Grab 928 zu nennen. Seltener sind Ausstattungen mit Sägen (Bologna-Romagnoli, Grab 4, Metapont 17/71) oder nur mit Tüllenmeißeln wie in Griže-Gornja vas, in Veio Grab 1038, am Poggio alla Guardia in Vetulonia oder in Vulci. Die häufigste Beigabe ist neben Dechseln sicher die Beigabe von Feilen und Raspeln, in Kombination mit anderen Geräten ebenso (Pithekussai, Grab 678,Veio, Grab 1073) wie als einzelne Werkzeugbeigabe in Este, San Stefano (Grab 14, 236), Bad Fischau, Niederrasen, Grab 22, Schandorf, Hg. 41/Grab 1 oder auch in Stiˇcna, Grab 72. Dabei lassen sich die Ausstattungsgruppen A/B mit tendenziell nur eingeschränktem Werkzeugsatz und/oder schwer erklärbarer Gerätekombination von jenen der Gruppe C trennen, die tendenziell eher als sinnfällige Kombinationen von Gerätschaft anzusprechen sind. Beispielhaft zeigt dies ein Vergleich zwischen Gräbern 1038, einem Elitegrab mit Pferdegeschirr und Bronzegefäßen, und dem Grab 1073 mit vollständigerer Werk-

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zeugausstattung aus Veio (Abb. 7). Handelt es sich bei letzterem tatsächlich um einen Handwerker, der mit Teilen seines eigenen Gerätesatzes bestattet wurden? In Veio, Grab 1073 und Uttendorf, Grab 94 fallen Feilen mit verschiedenem Hieb ebenso auf wie die Ausstattungen mit Gerät in Grab 678 von Pithekussai oder jene von Santa Maria d’Anglona. Letztere lassen also insgesamt an einen regelrechten Werkzeugsatz denken und wären darum eher der Zunft der Holzhandwerker, seien es Zimmerer oder Tischler, zuzuweisen. Selbst wenn die Übergänge zu reichen Elitegräbern fließend sind, so fällt an den einfacher ausgestatteten Gräbern der Gruppe C der prinzipiell eher reichhaltigere Werkzeugsatz aus zwei oder mehreren Geräten auf. Ob daraus ein prinzipieller Unterschied in der Beigabensitte zu rekonstruieren ist, bleibt aber eher offen. Immerhin wäre zu denken, dass es sich bei der Beigabe in den Elitegräbern nicht nur um Beigaben handelt, die einen gewissen ständischen oder ideologischen Charakter widerspiegeln. Auffällig ist in dieser Hinsicht etwa die Nachricht, man hätte die Geräte der Tomba delle Navicelle I in Vetulonia aus dem Grabschacht geborgen, dort wo auch die bekannten sardischen Bronzen gefunden wurden (siehe Liste 1, Nr. 69). Handelt es sich dabei um Opfergaben der Angehörigen des frühetruskischen „oikos“, die hier ihrem Herrn stellvertretend für ihre Dienste einige Gerätschaften mitgaben? Einen anderen Hintergrund spiegeln wahrscheinlich die gar nicht seltenen Beigaben von Angelhaken wider: Neben den schon erwähnten Belegen aus Hallstatt und aus Hochdorf sind sie aus ostalpinen und italischen Gräbern ebenso vereinzelt überliefert und zwar sowohl aus reichen Elitegräbern (wie Ancona, Colle di Cappucini, Este, Casa di Ricovero Grab 156; Grab Villa Benvenuti 126) wie auch aus einfachen bis sonst beigabenlosen Gräbern (z.B. Metlika-Boˇritek, aus Tolmin Grab 155 oder auch vom Pestfriedhof bei Bischofshofen). Wie im Falle von Hallstatt wäre auch hier zu erwägen, dass es sich bei letzteren aufgrund der Beigabenarmut tatsächlich um Fischer handelt. Ob es sich bei den reicheren Gräbern dann analog zum Grab von Hochdorf um Nachweise einer persönlichen Vorliebe im Sinne einer „aristokratischen“ Leidenschaft für die Jagd handelt oder eine tiefere Bedeutung zu-

Abb. 8: Golling-Nikolausberg, Gegenstände des Schmiededepots, nach Moosleitner, Urbanek 1991.

grunde liegt, bliebe aber noch zu untersuchen. Wenn wir die Grabbeigabe von Werkzeugen zwischen Ostalpen und Italien während der Früheisenzeit aufs Ganze besehen, so lassen sich zusammenfassend einige Feststellungen treffen (Abb. 6). Wir haben einerseits mit Männergräbern der Elite zu tun, die sich mit einzelnen Werkzeugen, keinesfalls regelrechten Werk-

zeugsätzen, des Holzhandwerks und etwas später auch Metallhandwerks bestatten lassen (Gruppe A/B). Die Sätze sind häufig rudimentär (z.B. Feile ohne Dechsel; Amboss ohne Hammer). Davon lassen sich gleichzeitige Männergräber absetzen, welche nach ihrem Werkzeugsatz und einzelnen Statusbeigaben eher als Handwerker-Spezialisten verstanden werden können

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Abb. 9: Zusammensetzung der latènezeitlichen Depotfunde mit Schmiedegerät in Mitteleuropa, nach Kurz 1995;Vachta 2005.

(Gruppe C). Besonders deutlich tritt in dieser Gruppe das Holzhandwerk vor Augen (Abb. 4).Vor dem Hintergrund der sehr bedeutenden Holzarbeit am Bergwerksort Hallstatt kann es sich dort - allein nach der Zahl - nur um einen Ausschnitt aus der Gruppe der holzverarbeitenden Handwerker handeln. Verbindend zwischen allen drei Hallstätter Gruppen aber ist die Beigabensitte, die offensichtlich aus Italien und von Gedankengut stimuliert ist, wie es auch in den homerischen Epen vor Augen tritt. F. Buranelli und B. Teržan haben die Anklänge an die Zustände in der homerischen Überlieferung herausgestrichen und das Idealbild des Helden als „Künstler/Handwerker“ angesprochen, ein Topos, dem sich die Elite offenbar verbunden fühlte. Darüber hinaus mag man in der Beigabensitte noch den Ausdruck einer gewissen Verfügungs- und Organisationsgewalt über den jeweiligen Handwerksbereich vermuten. Für die ältere Zeit lässt also die Beigabensitte - besonders für Gruppe C - ein gewisses ständisches Bewusstsein einer Gruppe von autonomen Handwerkern und Spezialisten vermuten, die man neben dem Künstler-/Heldenideal ebenfalls in den früheisenzeitlichen Epen Homers erkennen kann (Eckstein 1974: 42ff. Anm. 290).

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Interessant vor dem Hintergrund ritueller Gesamtzusammenhänge ist es allemal, dass sich auch späturnenfelderzeitliche Depotfunde dieses Raumes in diese Ausstattungscharakteristika der drei Gruppen A-C einpassen lassen (siehe Liste 1, 36, 44, 46, 52, 62, 68, 80). Sehen wir vom außergewöhnlich umfänglichen Depotfund von Bologna-San Francesco (Zannoni 1888) einmal ab, so sind es wie in den Gräbern immer sehr rudimentäre Ausstattungen, keinesfalls vollständige Werkzeugsätze. Dass sich die „Fischer“-Gräber oder solche mit Pfriem- und Ahlenbeigabe davon deutlich unterscheiden, und ihre Beigabe in reichen Gräbern eher persönlichen denn beruflichen oder standesmäßigen Charakter hat, unterstreicht den Gedankengang zusätzlich. Keinesfalls fassen wir mit den Werkzeuggräbern das Gesamtspektrum des Handwerks, oder gar einen realistischen Ausschnitt aus dem Wirtschaftstreiben des Ortes - wie vor allem auch das bemerkenswerte Zurückgehen von Beigaben dieser Art in der Späthallstatt- und Frühlatènezeit am Dürrnberg zeigt. Bezeichnenderweise fassen wir dort nun vorläufig überhaupt nur persönliches Gerät und keines, das einen Hinweis auf den Berufsstand des/der Toten gäbe.

III. Die früheisenzeitliche Werkzeugbeigabe in Kontexten der entwickelten und späten vor­ römischen Eisenzeit Dass wir mit der Beigabe von Werkzeugensembles in reichen Gräbern wirklich Handwerker fassen, ließ sich also nicht erhärten. Allerdings verbietet sich eine allzu pauschale Beurteilung. Allein weiterführend kann nur die Einbettung in regionale Brauchtumskreise sein. So vermutete L. Pauli z.B. in der Bestattung von Somme-Tourbe, La Gorge Meillet, dem zuzüglich seiner Statusausstattung (Wagen, Pferdegeschirr, Import, Phalerenensemble, Bratspieße) auch der Werkzeugsatz eines Feinschmiedes mitgegeben wurde, ein Mitglied einer künstlerisch wie religiös und politisch bestimmenden Elite, denen auch die Ausbildung des Frühlatènestils zuzubilligen sei (Pauli 1978: bes. 459; Megaw 1985: bes. 173). Doch ist diese Interpretation, so inspirierend sie auch scheinen mag, nur in einem größeren Zusammenhang schlüssig. Ein weiteres Beispiel, nur diesmal mit Feile, Hohldechsel, Säge und Bohrer kann mit dem Waffengrab von La Chausséesur-Marne, Grab 126 (Jacobi 1974: 35) aus derselben Frühlatèneprovinz genannt werden. Beide Grabausstattungen zählen zu den Raritäten im frühlatènezeitlichen Umfeld:Wohl sind vereinzelt Ausstattungen mit medizinischem Besteck aus der jüngeren Frühlatènezeit („Schamane“ von Pottenbrunn, Grab 562: Ramsl 2002: 141ff.) und aus der Mittellatènezeit bekannt, regelrechte Holzhandwerks- oder Schmiedeausstattungen bleiben aber die Ausnahme. Man könnte also wie L. Pauli einen individuellen Bezug rekonstruieren, würde man nicht gerade in der Champagne und in weiteren Frühlatènegebieten Frankreichs Bezüge zu früheisenzeitlichen „homerischen“ Bestattungsriten erkennen. Dazu zählt zweifellos die Beigabe von Bratspießen im Rahmen umfänglicher Speisebeigaben im Speziellen, wie letztlich die Wagenbeigabe im Allgemeinen. S.Verger hat vor kürzerer Zeit besonders die Niederlegung des Leichenbrandes in den Gebieten zwischen dem Loirebogen, der Senonais, Bourgogne und Teilen des Mittelrheingebiets mit ebensolchen rituellen Bezügen erklärt und damit letztlich eine Kenntnis des Sagenkreises um die trojanischen Helden implizit vorausgesetzt (Verger 1995). Insofern wäre die Beigabe des Handwerksgerätes vor allem als Ausdrucksform

elitärer „rites fastueux“ zu begreifen – etwa im Sinne des oben geschilderten „Helden-Künstler-Handwerker“-Ideals. Im Gegensatz zu anderen kanonischen Elementen des frühlatènezeitlichen Beigabenbrauchtums sind handwerkliche Gerätebeigaben insgesamt so selten (Lorenz 1978), dass individueller Bezug im konkreten Fall trotzdem naheliegt: selbst wenn die Beigabe insgesamt einem idealisierten Wertekanon der frühlatènezeitlichen Eliten entsprochen haben sollte. Werkzeugbeigaben bleiben auch in der jüngeren Latènezeit eher selten. Betrachten wir ihre soziologische Einbettung etwa in zeitgleiche Ausstattungen, so fassen wir mit Werkzeuggräbern von Idria pri Baˇci (Guštin 1991: bes. 59ff.), St. Georgen am Steinfeld (Taus 1963) oder Au am Leithagebirge (Nebehay 1973) wiederum Ausstattungen in sozial gehobenem Niveau. Interessanterweise sind Ausstattungen dieser Art vor allem aus Gebieten bekannt, in denen wir in der Mittel- und Spätlatènezeit noch ein Grabbrauchtum kennen (Abb. 10). Neben den verstreut liegenden Beispielen aus dem südlichen und östlichen Mitteleuropa fallen dabei bestimmte Schwerpunkte auf, z.B. in der jüngerlatènezeitlichen Przeworsk-Kultur (Henning 1991) oder in spätlatènezeitlichen Prunkgrabgruppen in Zentral- oder Nordostgallien (allgemein Schönfelder 2002), etwa im Treverer-Gebiet (Friesen, Wederath: Megaw 1985: 172ff.; auch Jacobi 1974: 33f.). Besonders die reichen Gräber von Léry (Coutil 1921), Dun-sur-Auron (Villard 1993: 245-265) oder Fléré-laRivière (Ferdière,Villard 1993) lassen sich – strukturell gesehen – direkt mit den früheisenzeitlichen oder auch frühlatènezeitlichen Prunkgräbern unserer Kategorie A/B vergleichen: sie beinhalten mit Raspeln/Feilen oder Zangen wiederumVersatzstücke umfangreicherer Werkzeugsätze des Holz- und Metallhandwerks. Auch die Przeworzk-Gräber mit Werkzeug gehören einer gehoben Ausstattungskategorie an (Henning 1991; z.B. das Grab von Wlostowice-Puławy). Insofern ist auch ein anderer Herangang nötig, ist doch kaum mehr damit zu rechnen, dass das Bestattungsritual eine Repräsentativität gleich welcher Art zulässt. Eine Ritualisierung von Handwerk findet im latènezeitlichen Mitteleuropa offensichtlich nicht nur im Grab sondern mitunter auch durch das Deponierungsbrauchtum statt.Denken wir etwa an die überwiegend jüngerlatènezeitlichen Werkzeugdepots (Abb. 8),

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Abb. 10:Verbreitung der jüngerlatènezeitlichen Gerätedeponierungen (Kreise; Quadrate: Gewässerfunde), solchen mit Schmiedegerät (hellgraue Kreise), sowie der Grabfunde mit Schmiedegerät (offene Kreise), zusammengestellt nach Kurz 1995 und Vachta 2005.

die in diesem semantischen Kontext gar nicht so weit entfernt von den älteren ostalpinen Grab­ausstattungen, wie auch den genannten Schmiede- oder ­bekannten „Arzt“gräbern (München-Obermenzing; Dürrnberg, Batina: De Navarro 1955: 231-248; Krämer 1985: 121 Taf. 59; Urban, Teschler-Nicola, Schultz 1985: 13-104; Künzl 1982: 1-131 bes. 126f.) sind. Solche Depotfunde treten vereinzelt seit der Frühlatènezeit auf, prägen aber massiv während LtC/ D unsere Vorstellung von Geräteausstattungen bzw. von Handwerk im Allgemeinen (dazu zusammenfassend: Kurz 1995) (Abb. 9-10): Dabei haben bisherige Ansätze einerseits den profanen Charakter (getrennt von den Massenfunden: Kurz 1995) oder den Weihecharakter (ähnlich Massenfunde, Rybo-

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vá, Motyková 1983; zuletzt Vachta 2005) diskutiert, ohne jedoch zu einer letztendlichen Entscheidung zu ­gelangen. ­ Gerade bei den komplexen Schmiedehorten kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, dass es sich um regelrechte, komplexe Ausstattungen gehandelt hat (Tab. Abb. 9), wie wir sie z.T. auch aus spätest­eisenzeitlichen Prunkgräbern kennen (z.B. aus dem frühkaiserzeitlichen Grab von Flére-la-Rivière). Neben Schmiede- und Holzhandwerk sind landwirtschaftliches Gerät, ­daneben Waffen, Pferdegeschirr, Bankettgerät, ­Metallgefäß und Barren vertreten. Metallschrott gibt es kaum, handelt es sich doch meist um vollständige Objekte: von ­ Altmetallhortungen kann man also nicht ausgehen. Trotz der heterogenen Ausstattung dieser Depots ist also ­ interessant, dass

sich Geräte einer ­gehobenen ­Lebensführung (Waffen, ­Wagen, Pferde­geschirr, Herdgerät) mit Ausstattungen oder Teilausstattungen des handwerklichen Bereiches verbinden. Vor allem am Beispiel der Deponierungen von ­Kappel (Fischer 1959) wurde immer wieder die ­r ituelle ­Zerstörung von Gegenstandsgruppen zur ­Diskussion gebracht, ähnlich wie sie auch für die großen Massenfunde erwiesen sind (allgemein Müller 1990). Die Fundlage der einzelnen Depotfunde ­ westlich von ­ Kappel im Federseemoor in Südwestdeutschland oder auf der Krone des spätlatènezeitlichen Walles auf dem Linzer Gründberg (Urban, Ruprechts­ berger 1997: 34ff.; Dies. 1998: 59-63) könnte zusätzlich auf­ ­ ehemalige ­Aufstellungsorte hindeuten, ganz nach der bekannten Stelle bei Caesar, B.G. VI, 17 „Nach dem Sieg opfern sie die erbeuteten Tiere und bringen die übrige Beute an einen Ort. Bei vielen Stämmen kann man an ­heiligen Stätten ganze Haufen sehen, die ­daraus errichtet sind…“. Dennoch sind diese Funde nicht einfach mit den jüngerlatènezeitlichen ­Massenfunden zusammenzusehen: Häufig fehlen eben genau jene wichtigen Lagebeobachtungen, die eine solche ­Interpretation erhärten könnten; auch sind ­ gerade Gegenstands­zerstörungen nicht ausreichend beurteilt: Häufig bleiben Zerstörungsspuren ambivalent. Einen Hinweis können wieder kulturräumliche Regelhaftigkeiten bringen, wie sie im Bereich der Hortfunddeutung immer wieder herausgearbeitet wurden. Kartiert man nämlich vor allem diese Schmiedegeräte in komplexen Gerätehorten, dann ist unübersehbar, dass diese vor allem die Latènegebiete östlich des Rheins umschreiben (Abb. 10). Auffälligerweise überschneiden sie sich regional nicht mit Gebieten, in denen ein ausgeprägter Grabkult bis in die Spätlatènezeit geübt wird; Schmiedegerät gelangt hier, wenngleich selten, in die Gräber. Damit deutet sich erneut ein Gesamtzusammenhang an, der auch für unsere Diskussion um die Aussagekraft der Handwerksbeigabe nicht ohne Belang ist. Mit den Gerätehorten könnte sich also ein ­spezifischer Brauchtumskreis andeuten, der - wie die Beigabe von Schwertern und Waffenteilen sowie Herdgerät und Wagen andeuten - gleichwohl mit einer tribalen Oberschicht verbunden gewesen sein müsste.

IV. Fazit Fassen wir kurz zusammen, was wir aus den literarischen und archäologischen Quellen zum festlandkeltischen Handwerker zusammentragen konnten. Einerseits ist die hohe mythische und gesellschaftliche Bedeutung handwerklicher Fertigkeiten bzw. Attribute zu betonen; Attribute, die einzelnen Gottheiten zugeschrieben werden, aber auch für den Adel gleichermaßen von Bedeutung sind. Andererseits zeichnen sich aber mehrere gesellschaftliche und wirtschaftliche Ebenen ab, in denen Handwerker und wahrscheinlich auch Bergleute eingebunden gewesen sein konnten. Neben abhängigen Personen ist mit unabhängigen, mobilen Spezialisten zu rechnen. Möglicherweise finden sich gerade in dieser Gruppe auch Angehörige des Adels. Nicht nur im Idealbild einer mythisch begründeten Repräsentation ergäbe sich so eine inhaltliche Klammer, wie sie sich in entsprechenden Ausstattungsregeln in den Gräbern widerspiegelt. Die Übertragung solcher Mythen und von solchem Gedankengut kann mit dem früheisenzeitlichen „homerischen“ Idealbild von Eliten zusammenhängen, wie man dies verschiedentlich vor allem für früheisenzeitliche Gräber vermutet hat (u.a.Teržan 1994). Ergänzend kann vor diesem Hintergrund auf die Untersuchungen von M. Eliade (1956) verwiesen werden: In der afrikanischen, indonesischen und zentralasiatischen epischen Dichtung blickt der Schmied auf eine göttliche Abstammung. Er hat sakralen Charakter z.B. bei Initiationsriten, genießt höchste soziale Stellung und unterhält engste Beziehungen zu den herrschenden Eliten. Schmiede- und Holzhandwerk sind auch im rituellen Kontext des Grabbrauchtums besonders eng an eine männliche, rituelle Sphäre gebunden. Auch die jüngerlatènezeitlichen Gerätedepots lassen sich durch ihren „plakativen“ Verweis auf bestimmte handwerkliche und wirtschaftliche Kontexte vermutlich in einen rituellen Zusammenhang sozial führender Gruppen setzen. Allerdings wird eine solche Interpretation immer stärker umstritten bleiben und bedürfte weiterer subtiler Fund- und Materialbeobachtungen. So gesehen lässt sich die Gruppe der gewissermaßen beruflich arbeitenden Menschen, die große Zahl der sesshaften Handwerker und Bergleute, in den Gräbern überhaupt nicht fassen. Sie sind vorläufig nur anhand

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wirtschaftsarchäologisch relevanter Befunde näher zu umschreiben. Insoweit entspräche die keltische Gesellschaft den Zuständen der griechischen in Homers Epen, wie es die Vergleiche mit der Überlieferung des

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Posidonius und Diodor andeuten (Tierney 1960): Hier werden nur einzelne Spezialisten genannt bzw. schmücken sich die Vornehmen mit speziellen Kenntnissen wozu aber „gewöhnliche“ Arbeit keinesfalls zählt.

Die Hallstätter und Dürrnberger Gräber mit Werkzeugbeigabe Gruppe A. Gehobene Männer mit Schwert- und Dolchbeigabe 1. Ramsauer Grab 260: HaC, Tonwanne, Knochenstab (Schlachterwerkzeug?), Mehrkopfnadeln, Schwert, Siedefleischhaken, Zierbeil und Gegenstockaufsatz, 3 Situlen, Breitrandschale, 2 Bronzeschalen; Kromer 1959: 77f. Taf. 38,4.; Hodson 1990: 144.; Kromer, K., (1974), Siedefleischhaken. Annalen des Naturhistorischen Museums in Wien 78: 69ff. 2. Ramsauer Grab 600: HaC-entwickelt, Tonwanne; Ärmchenbeil und Lappenbeil, 2 Situlen, 1 Breitrandschale, Kreuzattaschenbecken, Mindelheimschwert, 2 Lanzen, Mehrkopfnadel, Wetzstein, Steckkopf aus Bronze, Brillenfibel (weibl. Komponente wohl aus Grab 599 [Doppelbestattung 599/600?]): Kromer 1959: 132 Taf. 112,4.; Hodson 1990: 151. 3. Grab 13/1995: HaC, Brandschüttungsgrab; Raspel; Schwert, 3 Mehrkopfnadeln, Messer, Pfeilensemble, 2 Lappenbeile, Schleifstein ohne Bohrung, Eberhauer, Bronzeschale, 8 Gefäße; Kern, A. (1995), Fundberichte a. Österreich 34: 669. 4. Ramsauer Grab 697: HaC-spät, Tonwanne, Raspel, Zierbeil, 3 Mehrkopfnadeln, Mindelheimschwert, 3 Situlen, figürlich verzierter Deckel, Phalerenensemble, Eisenbeschläge, Tierknochen,Tongeschirr; Kromer 1959: 146f.Taf. 128,4.; Hodson 1990: 153. 5. Ramsauer Grab 462b: vermischt (?); HaC-spät, Ärmchenbeil; Raspel, Schüsselhelmbeschlag, 2 Lanzenspitzen (eine zweifelhaft), 2 Mehrkopfnadeln, Antennendolch (wohl zu Grab 462a); Kromer 1959: 109, Taf. 77, 9-10.; Hodson 1990: 148. 6. Ramsauer Grab 469: HaC-spät - HaD1-früh, Tonwanne, Raspel, Amboss, Tüllenmeißel (zu 976); Mindelheimschwert, Kurzschwert, 2 späte Mehrkopfnadeln (Schüsselhelmfragment zu Grab 78 nach Hinweis F.E. Barth) Ringe, Messer, Tüllenbeil (zu 976), Lanzenspitze, Phalerenensemble mit Tutulus und Panzerblech; Kromer 1959: 110f. Taf. 83,2-3,8.; Hodson 1990: 148. 7. Ramsauer Grab 236: HaC/D1-früh; Brandgrab in Tonwanne, Ärmchenbeil, Lappenbeil, Kurzschwert, Situla, Breitrandschale, Griffangelmesser, Lanzenspitze, Bronzebuckel; Kromer 1959: 74, Taf. 34,1. 8. Ramsauer Grab 559: HaD1, Tonwanne, Tüllenmeißel, Dolch Typ Hallstatt, Gitterfibel, Lanze; Kromer 1959: 125f.Taf. 106,2; Hodson 1990: 150.

Gruppe B, Gräber mit Phalerenensemble 9. Ramsauer Grab 283: HaC, Tonwanne, Amboss, vier rundliche Gegenstände mit einem aufgeschobenen Bronzedraht, Mehrkopfnadeln, 4 Phaleren, Lanzenspitze, Bruchstücke von Tongefäßen und Tierknochen; Kromer 1959: 52 Taf. 44,2,8. 10. Ramsauer Grab 465/466: HaC-spät (?), Raspel, Federzange, der Antennendolch Typ Hallstatt könnte nach Hodson zu einer jüngeren Nachbestattung gehören (wie die Skelettbestattung 464) und eine größere Vorgängerbestattung gestört haben, der auch die Funde von 465 zugerechnet werden müssen:

in diesem Fall würde das Inventar zusätzlich ein Ärmchenbeil, Phalerenensemble, Situla, Wetzstein, Messer, Mehrkopfnadel und Bronzeperle enthalten haben; Kromer 1959: 110 Taf. 79,8, 85,1-2; Hodson 1990: 148. 11. Ramsauer Grab 701: HaC-spät, Brandgrab mit „Tonsarg“; Raspel (nicht erhalten), Phalerenensemble, „verrostete Eisenwaffen“, Bronzegefäße,Tongefäße; Kromer 1959: 147 Taf. 146; Hodson 1990: 153. 12. Ramsauer Grab 976: HaC-spät (nach Hodson: Tüllenbeil und Tüllenmeißel zu diesem Grab; Schlüssel später, ansonsten ein Phalerenensemble; Kromer 1959: 181; Hodson 1990: 156. 13. Hochstetter/Stapf Grab 1015a: HaC-spät, 2 Knochenpfrieme, Lanzenspitze, 2 Mehrkopfnadeln, Wetzstein, Phalerenensemble, Eisendolch (?), Messer, Tongefäß; Kromer 1959: 185, Taf. 193,12-13.

Gruppe C. Männergräber mit Waffenbeigabe, Geräten und einzelnen Statuszeichen 14. Ramsauer Grab 55: HaC, Skelett, Raspelbeigabe, Schleifstein; Kromer 1959: 49 Taf. 6,7. 15. Ramsauer Grab 114: HaC, Brandgrab, Ärmchenbeil, 2 gebohrte Hirschgeweihsprossen, Griffdornmesser, Wetzstein; Kromer 1959: 56, Taf.12,6.9-10; Hodson 1990: 142. 16. Ramsauer Grab 217: HaC; Brandgrab in Tonwanne, Dechsel, stemmeisenartiges Gerät, Ärmchenbeil, gerippter Ring deformiert (Oberarmring?), Situla; Kromer 1959: 70 Taf. 30,4.6.7; Hodson 1990: 144. 17. Ramsauer Grab 444: HaC (?), Brandgrab; Raspel, 2 Messer, Oberarmring, Brillenfibel; Kromer 1959: 105f. Taf. 70,11; Hodson 1990: 147f. 18. Grab 49-Linz: HaC-Mitte; Brand- Skelettgrab; Bronzefeile, 2 Ärmchenbeile, Dechsel, Helmfragment (Kammhelm), 2 Lanzenspitzen, 2 kleine Armringe (Kind?, nach Protokoll nicht zugehörig), Lappenbeil, Mehrkopfnadelfragment; verbrannter Bronzering, ein Armring, zwei Ringe, ein mehrköpfiges Bronzestück, Bronzebecken; das Grabinventar ist nicht gesichert geschlossen; nach der Beschreibung sollte es sich um eine Mehrfachbestattung handeln: Nadel, Werkzeuge, eine Lanze, Ringe, Bronzeschale, bzw. Helmfragment sollen zu einem Skelett gehören, das am „oberen Holzboden“ entdeckt wurde. Zu einem Brandgrab am „unteren Holzboden“ sollen Gürtel- und Brillenfibelteile, ein angeblicher Dolch (nicht vorhanden), ein Armring gehören. Das Inventar spräche eher für eine weibliche Brandbestattung; bei dem Dolch liegt vielleicht eine Verwechslung vor, weil dieser als einziger doch wesentlich jünger wäre. Kromer 1959: 215 Taf. 240,2-3,8, 241,1a; Egg 1978: 37-40. 19. Grab 1994: HaC, Brandschüttungsgrab; Säge, Feile; Lappenbeil, Mehrkopfnadel, Schleifstein, Eisengegenstand, 21 Gefäße; Kern, A. (1994), Fundberichte Österreich 33, 530; Ders. 1995: 97ff. 20. Ramsauer Grab 54: HaD1; Vergesellschaftung unsicher; Skelett, Dechsel, Ärmchenbeil, 2 Lanzen, Drahtringchen, Armreif, Tongefäß; Kromer 1959: 49 Taf. 4,3-4.

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21. Linz Grab 83: HaD2; Dechsel, 5 Lanzenspitzen, 2 Fibeln, Pfeilspitze, Ring mit Ösennadel, dreiflügelige Pfeilspitze, Perle, Bronzering. Kromer 1959: Taf. 249,6.

D. Pfriem- Stichelbeigabe 22. Mecklenburg-Grab 3: HaC; Bronzepfriem, Bronzefragment, Armring, Knopf; Wells 1981: 18, 134 Fig.4.a. 23. Grab 55-Linz: HaD1, Brand, Stichel in gravierter Hülse; Frauengrab, Brillenfibeln, Armringe, Spinnwirtel; Kromer 1959: 215f. Taf. 226,21. 24. Dürrnberg, Grab 68/1: HaD3, Mann, Pfriem, Lanze, Messer, 2 Gefäße, Bronzekessel, Zierscheibe; Moosleitner, Pauli, Penninger 1974: 29ff. Taf. 134,A5. 25. Morton Grab 4-5/1937: LtA-früh; Eisenpfriem, ostalpine Tierkopffibel, Eisenring; Kromer 1959: 193 Taf. 208,33.

E. „Fischer“ 26. Mecklenburg-Grab 24: HaC; Brandgrab, 3 Angelhaken, gefaltetes Bronzeblech (Senkmetall?); Fibel (?) und verschmorte Bronzefragmente; Messer, Beil, Nadel, 5 Gefäße; Wells 1981: 23f. 145 Fig. 25,g.h.n.o. 27. Ramsauer Grab 241: HaC; Brandgrab in Tonwanne („tönerner Sarg“); 2 Brillenfibeln, Armring geperlt, Bronzeperlen, Angelhaken (nicht erhalten); Kromer 1959: 75 Taf. 33. 28. Ramsauer Grab 205: HaC/D; Fisch- oder Fleischhaken (?), Rollenkopfnadel; Kromer 1959: 69 Taf. 24,10. 29. Ramsauer Grab 483: HaC/D; Körpergrab; 2 Angelhaken (einer erhalten), Wetzstein, Bronzeohrring, Tongefäß; Kromer 1959: 112, Taf. 80,8. 30. Ramsauer Grab 120: Skelettgrab, HaC/D, 5 Angelhaken (auf der Brust), Bronzenadel; Kromer 1959: 56, Taf. 13,16; Hodson 1990: 142. 31. Linz Grab 112: HaC/D; Brandgrab, 2 Angelhaken, Bronzeblechchen (Beschwerer?), 8 Tongefäße; Kromer 1959: 222f. Taf. 252,10-12.

F. Sonstige 32. Morton Grab 13/1938: LtA-früh; Körpergrab; Eisenstange gebogen (Werkzeug?); Tierkopffibel, Bronzeohrring, Lanzenspitze, Kromer 1959: 194, Taf. 203. 33. Dürrnberg, Grab 2/3: LtA-spät, Frau, Skelett, Tüllenmeißel nicht sicher zugewiesen; 6 Fibeln, Armringe, Eisengürtelhaken; Penninger 1972: 44f. Taf 3.B11; DIII/2, 633.

Auswahl weiterer Werkzeuggräber der Früheisenzeit in Italien und im Ostalpenraum (nach Teržan 1994, mit Ergänzungen) (Holz- und Metallgerät) 34. Ancona, Colle di Cappuccini, Grab 7. Jh (?, Stufe III); Grab

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mit Macheira, Lanze, Tüllenbeil (Dechsel?), Harpune, Angelhaken; Lollini, D. (1976), La Civiltá Picena. Populi e Civiltà 5, Roma: Fig. 9 (Gruppe E). 35. Bischofshofen, Pestfriedhof, Grab, keine Beifunde, Angelhaken, bisher unpubliziert; frdl. Hinweis A. Lippert, Wien (E) 36. Bologna, San Francesco, Hort, Montelius, O. (1895-1904), La civilisation primitive en Italie. pl. 68, 13-14; Zannoni, A. (1888), La Fonderia di Bologna. Bologna: Tav. 28-29 (Feilen/ Raspeln, Dechsel u.a.). 37. Bologna, San Vitale, Grab 24, Urnengrab, 9. Jh., Bogenfibel, “ascetta” (Dechsel?), Pfriem, Tonurne mit Deckelschale; Pincelli, R., Morigi-Govi, C. (1975), La necropoli Villanoviano di San Vitale. Bologna: 55, Taf. 63; (D); Grab 652, frühes 8. Jh., Vasenkopfnadel, kleine Federzange, „ascetta“, Nadel, 4 Angelhaken, Rasiermesser; Müller-Karpe 1959: 73, Taf. 65 F (A/B, E), Doppelgrab. 38. Bologna, Romagnoli, Grab 4, 8. Jh., Säge; Messer mit Rahmengriff; Il Museo Archaeologico Civico di Bologna (1982) 245 (Gruppe C). 39. Este, S. Stefano, Grab 14, Müller-Karpe 1959: Taf. 94, 4 (Este II früh); 1. Hälfte 8. Jh., Grab mit Beil, Fußschale, Beckentasse, Ringfußknöpfe, Trense, Henkelschalen, Feile (Gruppe A/B). 40. Este, Casa di Ricovero, Grab 156, Brandgrab, zwei Angelhaken, 4 Gefäße, Zweiknopffibel, 7. Jh., Messer, Ohrring, Spinnwirtel, 4 Gefäße, korr. Eisengerät?, Chieco-Bianchi, A.M., Calzavara Capuis, L. (1985), Este I. Mon. Ant. Monogr. 11, Firenze: 116ff. Taf. 63,6-7. (E). 41. Este, Via San Stefano 236, Säge, 2 Feilen, 1 Antennenschwert, Tüllen- und Lappenbeil, 3 Messer, Rasiermesser, Sanguisugafibeln, Nadeln, Situlen; Müller-Karpe 1959: Taf. 97,19-20 (Feile/Raspel); Frey 1969: Taf. 3,19; 6,21; Chieco-Bianchi, A.M., Calzavara-Capuis, L. (1985), Este I. Mon. Ant. Monogr. 11, Firenze: Tav. 200,36; 210,72-73 (Feilen/Raspeln). Chieco Bianchi, A.-M., Tombolani, M. [ed] (1988), I Paleoveneti. Catalogo della Mostra sulla civiltà die Veneti antichi, Padova: Fig. 93 (Gruppe A/B) Werkzeugsatz. 42. Este,Via Benvenuti, Grab 126, Angelhaken. Spätes 7. Jh.; Fraueninventar?, Frey 1969: Taf. 16-19,1-31 (Gruppe E). 43. Bad Fischau-Feichtenboden; Szombathy, J. (1924), Die Tumuli im Feichtenboden bei Fischau am Steinfeld. Mitt. Anthr. Ges. Wien 54: 163-197, Taf. 9,814 (Feile/Raspel) (Gruppe A/B). 44. Goluzzo, prov. Siena, Hortfund, Ende 9. Jh., Müller-Karpe 1959: 73, Taf. 47, Terni II/III, Depotfund mit Fibeln, Bronzegefäßresten, geschweiften Messern, Meißeln, Lappenbeilen und Säge. 45. Griže-Gornja vas (Sv. Lovrenc pri Prebold), Hgl., Tüllenmeißel, Trense, Ringfußknöpfe, Kreuzattaschenbecken; HaC-spät (?); Teržan 1990: 357 Taf. 78,1-13 (Gruppe A/B). 46. Großweikersdorf, Hortfund, Müller-Karpe 1959: Taf. 142B, 9. Jh., 2 Fibeln Typ Großweikersdorf, 2 Tüllenmeißel, Bratspieß, 3 Beile. 47. Metapont, Westnekropole, „La Crucina“, Riccardi, Grab 17/71, Reiterkrieger in Steinsarkophag, 2 Sägen, Dechsel, gestielt, Kurzschwert, Lanzen, Pferdegeschirr, Pfrieme, weitere Eisengeräte, Strigiles, Lekythos, Sporen(?) (Mitte 5. Jh.) (Gruppe A/B).

48. Metlika-Boˇritek, Grab 34, Grab, Ljubljana IIa, 8. Jh., 3 Angelhaken, Eisenstäbchen, Henkeltasse, Schale, 2 Gefäße, Dular, J. (1979), Žamo Grobišˇce na Barštku v Metlika. Arh.Vestnik 30: 65ff. Taf. 10,6-8 (Gruppe E). 49. Niederrasen/Rasun di Sotto (Gräberfeld), Lunz, R. (1974), Studien zur End-Bronzezeit und älteren Eisenzeit im Südalpenraum. Firenze: Taf. 59,9 (Grab 22); Taf. 60,14 (Feile/Raspel) (Gruppe C). 50. Novilara (Gräberfeld), Beinhauer, K.-W. (1985), Untersuchungen zu den eisenzeitlichen Bestattungsplätzen von Novilara (Provinz Pesaro und Urbino). Frankfurt: Taf. 184,2116 (Feile/Raspel) (Gruppe A/B)? 51. Novo mesto, Kandija, Tum. I/Grab 23; Knez, T. (1986), Novo mesto I. Carniola Arch. 1: Taf. 7,11; Dechsel, Tüllenbeil, Lanzenspitzen, Pfeilspitzen Doppelkammhelm, gebuckelte Fußgefäße, Gürtelblech, 6. Jh. (Gruppe A/B). 52. Piediluca, prov. Terni, 8./9. Jh. Müller-Karpe 1959: 73, Taf. 47, Terni II/III, Depotfund mit Waffen, Sicheln, Geräten, Äxten, 3 Meißeln, Fibeln, Messerfragmenten. 53. Pithekussai; Buchner, G., Ridgeway, D. (1993), Pithekoussai I. Mon. Ant. 55, Firenze: Taf. 153-154 (Grab 515: Dechsel mit rechteckiger Tülle, 6 Oinochoen, 1 Kantharos, Tüllenmeißel, spätgeometrisch II, 720-700) (Gruppe A/B?). 54. Pithekussai, Grab 678, Dechsel mit rechteckiger Tülle, Feile?, Tüllenmeißel, weiteres ungedeutetes Gerät (Bratspieße?), eine italische, doppelwindige Schlangenfibel, eine Löwenfibel, spätgeometrisch II (720-700 v. Chr.); Buchner, G., Ridgeway, D. (1993), Pithekoussai I. Mon. Ant. 55, Firenze: Taf. 189-190 (Gruppe C). 55. Pontecagnano, prov. Salerno, S. Antonio, Fossa-Grab 3284, Stufe II/6 (Tüllenmeißel, Dechsel), spätes 9. Jh./frühes 8. Jh.: italische Schlangenfibeln, zweiwindig, 2 Lanzenspitzen, Dolch, Chevron-Skyphos, Olla, Henkelschale, 3 Henkeltassen; Natale, S. de (1992), Pontecagnano II. La Necropoli di San Antonio. Prop. E CI 2. Tombe della Prima Età Del Ferro. Annali Dipartimento di Stud. del Mondo Antico Class. E del Mediterraneo Antico, Sezione di Arch. e Storia Ant. 8, Neapel: 109ff. Taf. 123,14-15 (Gruppe A/B). 56. Pontecagnano, prov. Salerno, Steinplattengrab 926: Agostino, B. d’ (1977), Tombi „principesche“ da Pontecagnano. Mon. Antichi 49: 10f. Abb. 6, R30-32 (Dechsel mit Tülle, Axt, Tüllenbeil, dazu reiche Geschirrausstattung (Impasto, Oinochoe (sog. Phönizische Kanne), Rippenschale, Becken, Skyphos aus Bronze und Silber), spätes 8. Jh. (Gruppe A/B). 57. Pontecagnano, prov. Salerno, Steinplattengrab 928: Agostino, B. d’ (1977), Tombi „principesche“ da Ponecagnano. Mon. Antichi 49: 12ff. Dechsel, Axt, Federzange, 2 Tüllenmeißel, Dreifuß, Rippenschale, Oinochoe, phönizische Silberkanne, Skyphos, Silberkotyle, ägyptische Inschrift, ägyptisch; frühes 7. Jh. (Gruppe A/B). 58. Pfatten/Vadena, aus Gräbern; Nothdurfter, J. (1979), Die Eisenfunde von Sanzeno im Nonsberg. Röm. Germ. Forsch. 38, Mainz: 36, Anm. 193; Marzatico, F. (1997), I materiali preromani della valle dell’Adige nel Castello Buonconsiglio II. Patrimonio Sorico Artistico del Trentino 21,Trient: 748 Taf. 159, 2148. (Gruppe ?).

59. Santa Maria Anglona, Tursi, Basicata, Grab 105, Dechsel/ Kreuzhacke, Meißel, sichelförm. Messer, Henkeltasse, Olla mit zwei Henkeln, Frey, O.-H. (1991), Santa Maria d’Anglona: 23f. (Gruppe C). 60. Schandorf, Gruppe 1, Hgl. 41/Grab 1, Brandschüttung, Hohlmeißel, Bratspieß, 3 Mehrkopfnadeln, HaC-spät, Kegelhalsgefäße, Fußschale, Tonsitula; Barb 1937 (Gruppe A/B). 61. Sticˇ na, Grab 72, Gabrovec, S. (1964-65), Arh. Vestnik 15-16: 21-63; Taf. 6,5. Gabrovec, S. (1966), Germania 44: 1-48, Abb. 8,5; 11 (Gruppe A/B). 62. Treffelsdorf, Hortfund, Müller-Karpe 1959: Taf. 144B; Beile, Nadel, Fibelfragment, Säge, Steigeisen. 63. Tolmin, Grab 155, Angelhaken, Svoljšak, D. (1976), Utrinki o Gospodarstvo v Posocˇ i v Starej ši železni Dobi. Goriški Letnik 3: 65ff. Abb. 1,3. (Gruppe E). 64. Tursi, Valle Sorigliano, Fossagrab 31, Kurzschwert, eiserne Macheira, doppelschleifige, italische Schlangenfibel, Dechsel, schwere Axt, 2 Meißel, 2 Lanzen, 3 Gefäße; Amendolito I (1996), In: I Greci in Occidenti-Greci. Enotri e Lucani nella Basilicata meridionale. Ausstellungskatalog Policoro: 53f. Nr. 1,7.1-16; 1. Hälfte 8. Jh. (Gruppe C). 65. Vaszar-Pörösrét, Kom. Veszprem, Hgl. 5, 1932 durch G. Rhé; 1968-69 von S. Mithay nachgegraben; Meißel mit verziertem Kopf; Pferdegeschirr, 2 Beile, ein Ärmchenbeil, Ringfußknöpfe, 2 Gefäße, Übergang HaD1; Mithay, S. (1980), Gräberfeld und Siedlung von Vaszar aus der Früheisenzeit. Arch. Ért. 107: 76ff.; Patek, E. (1993),Westungarn in der Hallstattzeit. Quellen u. Forsch. z. prähist.u. provinzialröm. Arch. 7, Weinheim: 94 Abb. 76,5 (Gruppe A/B). 66. Veio, Grab 1038, Meißel, Männergrab, Lanze, 3 Mignattafibeln, Bratspieß, Pferdegeschirr, Schöpfer, Feuerbock; frühes 8. Jh., Buranelli 1979: Fig. 1-5. (Gruppe A/B). 67. Veio, Grab 1073, 3 Feilen (verschiedene Größen), Hohleisen, Pfriem, „ascetta“,Wetzstein, Bronzegefäß, Impastogefäß, Buranelli 1979: 1-17 Abb. 6, (Feilen/Raspeln, u.a.) (Gruppe C). 68. Velem St.Vid, aus Depotfunden in der Siedlung (?); Miske, K. v. (1908), Die prähistorische Ansiedlung Velem St.Vid. 24, Taf. 29,9-11 (Feile/Raspel). 69. Vetulonia, Tomba delle Navicelle; Falchi, I. (1900), Not. Scavi: 434ff. Abb. 20; Montelius, O. (1895-1904), La civilisation primitive en Italie. pl. 198,7 (Feile/Raspel, Tüllenmeißel, aus der Einfüllung der Grabgrube); Grabgrube mit zwei Skeletten, in der Einfüllung: dazu 3 sardische Schiffchen, 4 Gürtelhaken, 5 Haken, Bronzeröhre, Riemenkreuzung, Bronzeblechdeckel, Trensenknebel, 2 Spiralarmringe, Bronzezwinge, Bronzeblechfragmente, 7 Eisenlanzenspitzen, 2 Eisenbeile, 2 Eisenringe, Eisenfragmente, Knochenwürfel, Keramik. Auf der Grabsohle: Skelett, 1 Haumesser, 2 Situlen, 2 kleine Situlen, Beinschienen, 1 Phalere, Bronzefragmente; rechtes Skelett: 1 Kettengehänge, 2 Silberspiralen, 3 Silberfibeln, 1 Silberschließe mit Buckeln, Silberröhrenkollier, Knospenring, Fibeln, Fibel mit Elfenbeineinlage, Glasbügelfibel, Bernsteinscheibe, Keramik (Gruppe A/B). 70. Vetulonia, „Poggio alle Guardia“, Brandgrab 12, Meißel mit Tülle, Eisenkurzschwert in Bronzescheide, eiserne Lanzenspitze, halbmondförmiges Rasiermesser, Bronzespirale, Bronze-

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kette, Fibel mit Scheibe, Trensen, Glasfragmente, Spinnwirtel; Falchi, I. (1885), Not. Schavi. 415; Buranelli 1979: 5; Cygielman, M. (1994), Noti preliminari per una periodazzazionbe del Villanoviano di Vetulonia. In: La presenza Etrusca nella Campania meridionale. Atti del Giornati di Studio SalernoPontecagnano, Firenze: Abb. 22 (Gruppe A/B). 71. Vetulonia, „Circolo degli Ulivastri”, Meißel, Bronze mit Griffdorn und Absatz; Grab spätes 8./frühes 7. Jh.; Kalottenhelm, 2 Dechsel, Hohlmeißel; 2 Sanguisugafibeln, 1 Dragofibel, Perle, Goldspirale, Goldarmband, Radanhänger, gerippte ImpastoHenkelschale, zwei Bucchero-Calices, Olla mit Deckel, Pferdegeschirr (Gruppe A/B). Das Inventar vollständig in: Etrusker 1988: 163ff. Nr. 7, 19-20. 72. Vulci, Mandrione di Cavalupo, Grab A, 2. Hälfte 8. Jh., 3 Henkelschalen z.T. gebuckelt, Armringe, 1 Schlangenfibel; zwei hohle Sanguisugafibeln mit kurzem Fuß, Anhänger, Rasiermesser, Imposto-Skyphos, Messer; Tüllenbeil; Hohlmeißel; Falconi-Amorelli, M.T. (1969), Corredi di tre tombe tinventi a Vulci. Studi Etruschi 37: 181ff. Abb. 2,14 (Gruppe A/B). 73.-79. Welzelach; Lippert 1972: Taf. 26 (Grab 23, Dechsel, Situla, 5. Jh.) (Gruppe A/B) Pfrieme und Ahlen auf Taf. 3,3 (Grab 1, Beil, Situla, Pfriem, Gruppe D), Taf. 22,5 (Grab 18, Beil, Situla, Pfriem, Gruppe A/B), 34,1 (Grab 53, Messer, Armring, Pfriem, Gruppe D), 18,9 (Grab 31, Fibel, Pfriem, 5. Jh.), 23,3 (Pfriem, Keramik), 41,5 (Priem, o. Grabzusammenhang) (Gruppe D); Moosleitner 1981: 205-226, 223, Anm. 14. 80. Wildon, Hortfund; Müller-Karpe 1959: Taf. 144A; Fibel, Sichelfragmente, Messerfragmente, Fibelfragment; 3 schwere Äxte. 81. Uttendorf, Grab 6, u.a. mit eisernem Zugmesser, Pfriem, gebogen, Bruchstücke einer Mehrkopfnadel, Eisenmesser mit Textilresten, Eisenniet, Eisenreste, tiefe, S-förmig profilierte Schüssel; Moosleitner 1981: 205-226, 214 Abb. 5,2 (Gruppe C); frdl. Mitt. B. Reiterer/F. Moosleitner, SMCA. 82. Uttendorf, Grab 94, mit Raspel mit grobem Hieb (Bronze), Reste eines Bronzegefäßes, Bronzebeil, Reste geripptes, rundstabiges Objekt (Feile, rundstabig?), Eisenfragmente, Eisenmesserfragment, Klammerreste, Bronzebeil, Scherben eines rot-schwarz bemalten Topfes; Moosleitner 1981: 205-226, 214 Abb. 5,1 (Gruppe C); frdl. Mitt. B. Reiterer/F. Moosleitner, SMCA.

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Diskussion Hans Reschreiter Weist darauf hin, dass die Beile und Sägen aus Hallstatt für Holz mehr oder weniger unbrauchbar sind, sondern sich mehr für Knochen, Elfenbein und ähnliche Materialien eignen. Gabriele Albers Es ist bemerkenswert, dass die Geräte für den Salzbergbau – also die tägliche Lebensgrundlage der dortigen Gesellschaft – in den Gräbern fehlen. In die Gräber gelangen Luxusgegenstände, die im normalen Leben der „Arbeitersiedlung“ nicht benutzt werden. Das Schlagwort „Gräber - Spiegel des Lebens“ ist mit Skepsis zu betrachten. Gräber die dieser Vorgabe entsprechen sind äußerst selten. Die vorgetragenen Ergebnisse stützen diese Skepsis. Thomas Stöllner Bei der Auswahl der Beigaben etc. wird tendenziös vorgegangen.Viele der gezogenen Schlüsse sind wohl nicht zwingend. Kurt Zeller Das Bild des mittelalterlichen Feudalsystems passt nicht auf eisenzeitliche Gesellschaften. Die Anthropologie konnte belegen, dass auch die in reichen Gräbern bestatteten Personen gearbeitet haben. Ein Nachweis für Sklaven liegt nicht vor. Die reichen Bestatteten haben mit großer Wahrscheinlichkeit ebenfalls hart gearbeitet. Dies zeigt sich dann sowohl im erwirtschafteten Reichtum als auch in den Spuren von durch Arbeit und Lebensumstände bedingten Krankheiten etc. David Stifter Bei der Deutung der „Schmied“-Worte aus den Inschriften ist Vorsicht anzuraten. Bisher ist noch nicht sicher, ob diese so zusammenhängen. Thomas Stöllner Hat nur versucht kurz auf alle Aspekte einzugehen, also auch sprachliche Zeugnisse am Rande erwähnt. Kurt Alt Ist die Populationsdichte in Hallstatt groß genug, dass die Arbeitsmenge durch die ansässige Bevölkerung bewerkstelligt werden kann? Zum Beispiel in Bad Nauheim versucht der Bearbeiter eine Art „Gastarbeiter“ nachzuweisen. Thomas Stöllner Es gibt eine Abnahme in der Bestattungsfrequenz, die sich nicht unmittelbar in der Wirtschaftskraft widerspiegelt. Am Dürrnberg wird von 200300 Personen gleichzeitig ausgegangen. In den Dürrnberger Gräberfeldern sind jedenfalls zuwenig Personen bestattet. Sklavenarbeit ist dort nicht nachweisbar. Auf jeden Fall sind die Dunkelziffern in den Populationen noch zu diskutieren. Kurt Alt Für viele Bereiche sind in diesem Zusammenhang noch Hochrechnungen nötig. Z.B. ob die Verpflegung all der für den Bergbau abgestellten Personen logistisch und kostenmäßig abzuwickeln ist.

Brigitte Röder Die Unterschiede im Geschichtsbild sind schon betreffend Neolithikum gegenüber Eisenzeit sichtbar. So wird ein bandkeramisches Grab mit Dechsel nicht automatisch als das eines spezialisierten Handwerkers gedeutet, obwohl es zweifellos Spezialisten gab. Thomas Stöllner Die Deutung von Beigabensitten muss auf die Epoche abgestimmt werden. Was war in der betrachteten Kultur üblich? Eventuell ist auch eine unmittelbare Deutung in speziellen Kontexten die richtige. Julia Koch Die Definition von ‚Handwerk‘ scheint je nach Bereich unterschiedlichen Prämissen zu unterliegen. So werden Gräber mit Spinnwirteln selten als solche von spezialisierten Textilhandwerker/innen bezeichnet. Thomas Stöllner In der vorgestellten Arbeit hat man sich auf Schmiede- und Holzhandwerk konzentriert. Doris Pany(?) Wurden die Skelette aus den Handwerkergräbern vom Dürrnberg anthropologisch untersucht? Thomas Stöllner Es wurden am Dürrnberg keine speziellen „Handwerkergräber“ als solche definiert. Kurt Zeller Ohne Nachweisbarkeit sollte nicht überinterpretiert werden. Auch die Archäologen vom Dürrnberg können nur Lösungsansätze anbieten. Sabine Rieckhoff Es entsteht der Eindruck, die Handwerksbeigabe „adelt“ den Toten. Thomas Stöllner Bei Geräten im Grab bzw. im Depot handelt es sich immer um eine absichtliche Auswahl, die etwas darstellen sollte. Eine ähnliche Ritualisierung zeigt sich über die gesamte Eisenzeit. Sabine Rieckhoff Es ist nach Region und Epoche zu differenzieren. Als Beispiel kann das Kindergrab in Wederath dienen, dem eine Zahnarztzange beigegeben wurde. Geräte zur Eisenverarbeitung in Bestattungen Adliger weisen eher darauf hin, dass der Bestattete über Eisenverarbeitung verfügte, als dass er selbst an der Esse stand. Thomas Stöllner In der vorliegenden Studie werden Gruppen über bestimmte Ausstattungsniveaus und Varianten von Beigabensets definiert. Es soll keine Deutung beinhaltet sein. Sabine Rieckhoff Handwerksgerät kann als Statussymbol angesehen werden.

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Thomas Stöllner Dies ist, wie alle anderen Deutungsebenen, im Bereich des Möglichen. Sabine Rieckhoff Wie ist die soziale Rolle des Handwerks? Wie ist die Stellung des Handwerkers? Wird derjenige ausgezeichnet, der über das Know How verfügt, oder der, der die Spezialisten als Angestellte hat? Der Landbesitzer wohnt in der Viereckschanze und verfügt über die erzeugten Produkte. Thomas Stöllner Stimmt den genannten Details zu. Je größer das Depot desto eher handelt es sich um Erzeugnisse bzw. Besitz mehrerer Personen. Ob die Gerätebeigabe von oder für jemanden aus verschiedenen Gründen erfolgt, ist zu deuten. Eine von der Ökonomie abgehobene Ebene ist immer anzunehmen. Sabine Rieckhoff Wer über die Ressourcen, das Wissen und die Personen verfügt, hat eine soziale Stellung, die das ausdrückt. Thomas Stöllner Wenn im Grab „alles“ dargestellt wird, über das der Bestattete verfügt hat, müssten in den Gräbern in Hallstatt ja vor allem der Bergbau vertreten sein. In den Beigaben fehlen aber sowohl dieser, als auch alle anderen dort mit einiger Sicherheit anzunehmenden Handwerke. Raimund Karl Zur Verwendung des Oikos-Modells: eng verwandte Strukturen mit den ideologischen Implikationen sind auch in frühmittelalterlichen Texten so dargestellt. Kurt Zeller Über die Wertigkeit von Berufsständen finden sich Hinweise in griechischen Texten, z.B. zum Handwerk des Töpfers. Martin Trachsel Der Archäologe kann feststellen, was sich im Grab befindet. Die Gründe und der etwaige Symbolgehalt müssen interpretiert werden. Der Grabinhalt repräsentiert wohl eher ein erwünschtes/kommendes/jenseitiges Leben als ein tatsächlich geführtes. Die Beigaben sind in diesem Fall nicht repräsentativ für die diesseitige Realität. Das Wissen darüber bleibt dem Archäologen verschlossen. Als Beispiel die Theorie, dass die Grabinhalte der reichen hallstattzeitlichen Bestattungen eher mit einem großen Fest zu tun haben – alsoeinen selektiven Ausschnitt eines Lebens darstellen.

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Zusammenfassung der Diskussion In der Diskussion wird vorwiegend auf die Bedeutung von Werkzeugen bestimmter Handwerke in Gräbern eingegangen und über die Rolle des Handwerkers in der prähistorischen Gesellschaft spekuliert. Die Beigabe kann sowohl bedeuten, dass es sich bei dem Bestatteten um einen Ausübenden der betreffenden Tätigkeit handelte, als auch, dass der Tote über Spezialisten und/oder Ressourcen des angedeuteten Handwerks verfügte. Die Beigaben könnten auch gar nichts mit dem realen Alltag zu tun haben, sondern eine besondere Situation oder eine jenseitige Vorstellung repräsentieren (Hinweise darauf sind z.B. die Festausrüstung im hallstattzeitlichen Grab, oder die Tatsache, dass in den Gräbern der Bergbausiedlungen gerade das für den Bergbau benötigte Gerät nicht vorkommt). Ähnlich breit gefächert ist der Interpretationsspielraum bezüglich Depots. Die Definition und Interpretation von Handwerk und dessen Vorkommen in Gräbern ist über die Regionen, Kulturzusammenhänge und Epochen verschieden. Beispielsweise werden weder jungsteinzeitliche Bestattete, denen ein Dechsel beigegeben wurde, automatisch als Zimmerer bezeichnet, noch wird jedes Grab mit Spinnwirtel dem einer auf das Textilhandwerk spezialisierten Person zugeschrieben. Weitere Hinweise beziehen sich auf die genannten Sägen und Beile, die für die Holzverarbeitung relativ unbrauchbar sind, aber für Knochen oder Beinbearbeitung verwendet werden können; darauf dass sprachwissenschaftlich gesehen bisher nicht sicher ist, dass die angeführten „Schmied-Inschriften“ in der genannten Weise zusammenhängen; sowie dass noch einige statistische Daten und Hochrechnungen wünschenswert wären (wieviele Personen arbeiten/leben in der Siedlung; wie können diese ausreichend ernährt werden; welche zusätzlichen Kosten entstehen dadurch; kann man wie in Bad Nauheim von Gastarbeitern sprechen, muss man von Sklavenarbeit ausgehen, damit die Arbeitsleistung erbracht werden kann). Die Ausgräber gehen, auch aufgrund von anthropologischen Erkenntnissen, davon aus, dass auch die reicher bestatteten Personen schwere Arbeit geleistet haben, und es sich bei den Grabbeigaben um erwirtschafteten Wohlstand handelt.

Ein Beitrag zur Handwerksgeschichte: Webtechnische Innovationen am Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit? Karina Grömer

Zusammenfassung Der immer wieder in der Literatur zitierte topos, nach dem am Beginn der Hallstattzeit viele neue hochstehende Textiltechniken erfunden wurden (etwa Schlabow 1976: 44), konnte mittels neuerer Funde widerlegt werden. Diese zeigen, dass viele der in der Hallstattzeit beliebten Techniken ihre Wurzeln bereits in der Bronzezeit haben, jedoch in der Hallstattzeit ihre volle Ausdruckskraft entfalteten. Die Entwicklung der Textiltechnik von der Bronze- zur Eisenzeit in Mitteleuropa ist langsam, teilweise gehen die zaghaften Anfänge verschiedener Web- und Verzierungstechniken bis in die Früh/Mittelbronzezeit zurück. In der Hallstattzeit ist ein auffälliger Aufschwung zu bemerken. Es werden nun freudig alle Techniken ausgeübt, die Stoffe aufzuwerten, sei es beim Weben von sehr feinen Stoffqualitäten oder von einer Fülle komplexer Bindungen. Die hochstehende Handwerkstradition zeigt sich auch bei Musterwebung, beim Einarbeiten von Metallelementen in die Gewebe oder beim Nacharbeiten (Färben im Stoff, Annähen von bunten Borten).

Abstract New research on Bronze and Iron Age textiles in Austria demonstrates that numerous textile techniques (weaving and patterning techniques) have their origin in local Bronze Age traditions, but are only fully represented in the Hallstatt Period. These facts contrast earlier research (i.g. Schlabow 1976: 44), which argued that all higher textile techniques were invented at the beginning of Hallstatt Period about 900/800 BC. The evolution of weaving techniques from the Bronze to the Iron Age is a slow process, with some techniques originating as early as the early/middle Bronze Age. The earliest twills found in Austria come from Hallstatt-Tuschwerk (c. 1400-1250 BC). Patterning with stripes, on the other hand, is first documented in the Early Bronze Age with a textile find from Franzhausen; the earliest textiles with spin pattern date back to the Middle Bronze Age, again from Hallstatt-Tuschwerk and Mitterberg. In the Hallstatt Period we can recognise a technical boom (a lot of complex weaves such as herringbone twill, lozenge twill; an opulence of patterning techniques, strips, checks, dyeing, pattern-weave, tablet-weave). Even the fine quality of the weaves increases rapidly.

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1 Einleitung Die Textiltechniken werden bei der Erforschung prähistorischer Kulturen – bedingt durch die schlechten Erhaltungsbedingungen für organische Materialien – meist nur peripher behandelt. Oft wird nur dem Spinnen und dem Weben am Gewichtswebstuhl nur durch die noch verhältnismäßig zahlreicher vorkommenden keramischen Wirtelfunde und Webgewichte Beachtung geschenkt. Dabei werden jedoch im wissenschaftlichen Diskurs lediglich großteils Fragen nach Typologie und kultureller Zuordnung gestellt, manchmal (vor allem bei Grabfunden) auch Fragen der soziologischen und geschlechtsspezifischen Bedeutung. Die Differenzierung der dahinter stehenden Handwerkstechniken bleibt meist aus. Andererseits sind gerade Bekleidung und textile Techniken bei Visualisierungen im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit wesentlich, sei es als Schaubilder in Museen oder auch in Filmen, wo sehr gerne Frauen beim Spinnen und am Gewichtswebstuhl ihre Abbildung finden. Durch die großen Fundlücken wird für die Bronze- und Eisenzeit oft auf Stereotype zurückgegriffen mit meist auch relativ deutlichem Primitivismus etwa in der Bekleidung. Diese unterscheiden sich meist nur durch jeweils aus der entsprechenden Zeit stammende metallene Trachtbestandteile, und außerdem handeln sie das Bild durch das Zeigen nur der beiden oben genannten Tätigkeiten sehr einseitig ab. In diesem Rahmen sollen anhand bronzezeitlicher und eisenzeitlicher Gewebefunde die Möglichkeiten verschiedener Web- und Verzierungstechniken von Stoffen, aber auch die Entwicklungsdynamiken dazu aufgezeigt werden. 2 Spinnen und Weben, eine jahrtausendealte Notwendigkeit Quellen zur Weberei sind verschiedene überlieferte Geräte, aber auch die Gewebe selbst, die durch diverse technische Details etwas über ihre Herstellung verraten können. So deuten Gewebeanfangskanten bei Stoffen mit gewisser Breite auf eine Fertigung auf einem Gewichtswebstuhl hin. Interessanterweise sind alle jungsteinzeitlichen Gewebefunde, die mittels zweier Seitenkanten eine ge-

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wisse Rekonstruierbarkeit aufweisen, bandförmig, so Gewebe aus Zürich/Utoquai, Feldmeilen/Vorderfeld oder Montelier/Platzbünden mit Gewebebreiten zwischen 10 und 15 cm (Wininger 1995: Abb. 51). So kommen für ihre Herstellung auch einfache Webrahmen in Betracht, sowie einfache Litzenstabgeräte, bei denen die Kette zwischen zwei Fixpunkten festgemacht wird oder auch am eigenen Körper wie beim Rückenwebgerät. Archäologisch sind diese rein aus verschiedenen Stäben bestehenden Geräte schwer nachzuweisen. Daneben gibt es auch den Rundwebstuhl, der zumindest für den nordischen Bereich durch die Konstruktion des rund gewebten Schlauchkleides von Huldremose (Hald 1980) nachgewiesen ist. 2.1 Flächige Gewebe - Gewichtswebstuhl Als Gerät zur Herstellung von Geweben sind daher für webende Tätigkeiten verschiedene Möglichkeiten denkbar. Für Mitteleuropa wird konventionell davon ausgegangen, dass in der Urgeschichte für das Weben flächiger Stoffe meist der Gewichtswebstuhl verwendet wurde, dessen auffälligste archäologische Hinterlassenschaft die Webgewichte sind, die in Mitteleuropa bereits in jungsteinzeitlichen Kontexten vorkommen. Im Idealfall sind noch in situ Webgewichtsreihen vorhanden, etwa – um österreichische Fundstellen zu zitieren – der spätneolithische Befund aus Krems-Hundssteig (Grömer 2006), der urnenfelderzeitliche Webstuhlbefund von Gars-Thunau (Schierer 1987) oder ein erst kürzlich entdeckter aus einer hallstattzeitlichen Siedlung in Freundorf (Blesl, Kalser 2005). Bereits ab dem Neolithikum wurde mit Gewebeanfangskanten gearbeitet, um die Fäden für das Weben in gewünschter Länge vorzubereiten (Kette scheren) und um die Fäden zu ordnen. Dabei wird ein schmales Band gefertigt und die Schussfäden an einer Seite des Gewebes länger belassen und um einen Scherbock herumgeführt. Diese Fäden bilden dann beim Hauptgewebe die Kettfäden, wenn das Anfangsband am oberen Ende des Gewichtswebstuhles befestigt wurde (Schlabow 1937: Abb. 48-50). Die Anfangskanten sind im Neolithikum (Rast-Eicher 2005: Abb. 13-15) und der Bronzezeit (Schlabow 1958: 29-32) in einfachem Rips gefertigt, ab der Bronzezeit gibt es auch geflochtene Kanten, so unter den neueren Funden aus den

Abb. 1:Vereinfachte Darstellung der Entwicklung der Webtechniken in Mitteleuropa (Schwerpunkt Österreich und angrenzende Nachbarländer) von der Bronze- zur Eisenzeit. Die Rohmaterialien (etwa Flachs/Wolle etc.), sowie Details zum Fadenmaterial wurden nicht mit einbezogen, da rein nur der handwerkstechnische Vorgang im Vordergrund steht (Grafik: K. Grömer).

bronzezeitlichen Bergbauen aus Hallstatt-Tuschwerk (Grömer, in Vorbereitung). Ab der Eisenzeit sind auch brettchengewebte Anfangskanten nachgewiesen. Ein besonders eindrucksvoller Fund für diesen webtechnischen Arbeitsschritt ist jene bereits mittels Anfangskante vorbereitete und in diesem Stadium in einem Moor deponierte Webkette von Tegle aus dem 3.-5. Jh. n.Chr. (Schlabow 1937: Abb. 43).

Die einfachste Bindungsart, die an einem Webgerät herzustellen ist, ist die Leinwandbindung. Diese kommt vom Neolithikum und bis in die mittlere Bronzezeit fast ausschließlich vor, abgesehen von einer Abwandlung, der Ripsbindung. Die Funktionsweise des Gewichtswebstuhles bei Leinwandbindung ist denkbar einfach. Die Kettfäden werden am Kettbaum aufgebracht und unten mit den

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Webgewichten beschwert. Jeder zweite Faden wird am Litzenstab (Schaft) angezettelt. So können diese gemeinsam durch Heben und Senken des Litzenstabes bewegt werden, wodurch ein natürliches bzw. künstliches Webfach entsteht, durch das der Schussfaden geführt wird. Diese Webfächer werden zusätzlich mit dem sogenannten Trennstab am unteren Ende des Webrahmens voneinander getrennt. Die Panamabindung unterscheidet sich webtechnisch von Leinwandbindung im Anzetteln am Litzenstab, und beim Weben, indem Doppelfäden bei der Kette und Schuss verwendet werden, was einen „gewürfelten“ Effekt ergibt. Der übrige Herstellungsvorgang gleicht jener der Leinwandbindung. Obwohl relativ einfach herzustellen, gilt Panama schon als komplexere Bindung, die – nach bisheriger Literatur – erst in der Hallstattzeit in Mitteleuropa auftaucht mit dem frühesten Fund aus Uttendorf (Kurzynski 1996: 26). Durch einen Beleg von Panamabindung aus Vösendorf (Grömer, Mehofer 2006) kann nun die Verwendung dieser Bindung schon in die Urnenfelderzeit zurückdatiert werden. Besonders beliebt ist Panama in den antiken Hochkulturen, etwa im antiken Griechenland (Pekridou-Gorecki 1989: 41-44). Auch in der Hallstattzeit kommt sie vor, wenn auch nicht so oft wie die Köperbindung. Für kompliziertere Bindungen, wie dem Köper, muss der Webstuhl ausgebaut werden. Er hat nun (je nach Bindung und Webtechnik) drei bis vier Litzenstäbe mit den entsprechenden Halterungen am Rahmengestell, und der Trennstab – vorher wichtig für das natürliche Fach – verliert seine Funktion. Dies bedeutet einen der größten webtechnischen Fortschritte vor der Einführung des Trittwebstuhles im Mittelalter. Vereinzelt kennt man köperbindige Stoffe schon in der Bronzezeit, so im mittelbronzezeitlichen Tuschwerk des Salzbergbaues Hallstatt (Grömer 2005: Abb. 2-3), oder in der Spätbronzezeit, etwa aus Sublaines und Malanser (HaD) (Hundt 1988). Besonders aber in der Hallstattzeit findet sich eine große Vielfalt von komplexen, am Gewichtswebstuhl hergestellten Bindungsarten, vor allem der Köperbindung mit einigen Varianten unterschiedlichster Schwierigkeitsgrade (Fischgrat-, Spitzund Diamantköper). Ab der Mittellatènezeit ist Köper allgemein seltener (vgl. Banck-Burgess 1999). Köperbindung ist als Flechttechnik schon seit der

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Jungsteinzeit bekannt, belegt etwa durch Mattenabdrücke auf dem Boden von Gebrauchskeramik aus Michelstetten, Lengyelkultur (Grömer 2006: Abb. 13). Um jedoch eine derartige Struktur auf einem Webstuhl – sozusagen mechanisiert – herzustellen, bedarf es eines ausgefeilten Hebe- und Senkmechanismus für die Kettfäden. Dieser ist bei einem Gewichtswebstuhl mit verschiedenen Litzenstäben bewältigt worden (Hoffmann 1964; Schierer 1987). Hierbei wird nicht nur – wie bei Leinwandbindung – jeder 2. Faden an einem Litzenstab angekettelt, sondern bei Gleichgratköper etwa werden 4 Litzenstäbe verwendet, an ­denen jeweils jeder 1., 2., 3. und 4. Faden befestigt wird (möglich ist auch die Verwendung von drei Litzenstäben und einem Trennstab). Durch Heben und Senken der verschiedenen Stäbe in bestimmter Abfolge wird das Webfach gebildet und der Schussfaden durchgeführt. Je komplexer die Bindungsart, etwa bei Fischgratköper oder Rautenköper, desto komplizierter die Zuordnung der einzelnen Fäden zu einzelnen Litzenstäben sowie die Hebe- und Senkabfolge. Es hat sich also durch die komplexere Bindungsart nicht nur der Webstuhl selbst geändert, sondern auch seine Bedienung, sowohl bei den Vorbereitungsarbeiten, als auch beim Weben. Ein besonders komplexer dreischäftiger Gewichtswebstuhl war für die Herstellung des sog. „Prachtmantels von Thorsberg“ aus dem 3. Jh. n.Chr. (Schlabow 1952) nötig, da bei diesem Mantelstoff neben den brettchengewobenen Anfangskanten auch seitlich am Gewebe Brettchenbänder mitgewoben wurden. Dieser so für die Herstellung von Köperstoffen betriebene Aufwand kann einerseits durch die ästhetische Wirkung etwa eines Spitzgrat- oder Rautenköpers erklärt werden, andererseits auch durch die spezifischen Eigenschaften so gewobener Stoffe. Köpergewebe sind etwa elastischer als Leinwandbindung, besonders quer zum Fadenlauf. Interessanterweise kann auch bei archäologischen Webstuhlbefunden (ausgezeichnete Bedingungen vorausgesetzt) indirekt auf das Weben von Köpergeweben geschlossen werden. So konnte etwa Ingrid Schierer, ausgehend von einem urnenfelderzeitlichen Webstuhlbefund von Gars-Thunau aufgrund gezielter Experimente mit Zerstörungsversuchen (an aufgespannten Webstühlen mit verschiedenen Bindungsarten und Fachbildungen) nachweisen, dass sich diese im La-

gebild der Webgewichte auswirken. Die spezifische Fundlage etwa der Webgewichtsreihen von Gars-Thunau deutet demnach darauf hin, dass an eben jenem Webstuhl vor seiner Zerstörung mit Wahrscheinlichkeit Köperbindung gewoben wurde (Schierer 1987: 29ff. zu den detaillierten Versuchsanordnungen).

te 1994: Teil I,2, Taf. 101,2.3). In der Eisenzeit werden dann komplizierte Musterungsarten mit verschiedenen Techniken verwendet. Prominente Beispiele für die ausgefeilten Musterkompositionen finden sich im hallstattzeitlichen Fürstengrab von Hochdorf (BanckBurgess 1999) und auch in den eisenzeitlichen Aufschlüssen von Hallstatt (Grömer 2004).

2.2 Bandwebtechniken Es wurden sowohl in der Bronze- als auch Eisenzeit einige vom Gewichtswebstuhl unabhängige Webgeräte verwendet, so einfache Litzenstäbe oder Webgitter zum Fertigen von schmalen Bändern. Ein archäologischer Nachweis für Ersteres ist schwer zu erbringen, da das komplette Webgerät rein aus einfachen (hölzernen) Stäben besteht, deren Funktion – wenn überhaupt erhalten – nur mit noch anhaftendem Gewebe eindeutig wäre. Ein Webgitter aus Bein für ein Bandwebgerät hingegen ist aus London, 1. Jh. n.Chr. bekannt (Wild 1988: 39). Solche mit Bandwebgeräten gefertigten Ripsbänder gibt es ab dem Neolithikum (v.a. als Anfangskanten), jene aus der Hallstattzeit sind oft mit farbigen Mustern gestaltet, meist Streifen und Schachbrettmuster. Diese wurden durch verschiedenfarbige Kettfäden erzielt. Eine besondere Technik der Bandweberei in der Älteren Eisenzeit ist jene, die bei Geweben mit flottierender Musterkette aus Dürrnberg und Hallstatt angewandt wurde (Grömer 2005). Für die Herstellung dieses Schachbrett-Musters ist ein zusätzlicher Kettfaden nötig, der – bei der einfachsten Webvariante – mit einem Eintragsstäbchen in die gewünscht Position gebracht wird. Ebenso sind in der Hallstattzeit Muster bekannt, die in Brettchenweberei (Collingwood 1982), mittels an den Ecken gelochter Brettchen in komplexer Weise eingewebt wurden. Die Webdynamik, also die Technik der Verbindung der Kett- und Schussfäden beruht hierbei nicht auf der Verkreuzung der Fadensysteme durch Heben und Senken, sondern auf der Verdrehung der durch die Löcher der Brettchen laufenden Fäden. Dabei werden diese durch die Brettchenbewegung zu nebeneinander liegenden Schnüren verdreht, die dann durch den Schuss zu einem Gewebe abgebunden werden. Erste Anklänge dieser Webtechnik gibt es schon in der Spätbronzezeit, etwa Funde von beinernen Webbrettchen in Abri Mühltal I (Gro-

2.3 Gewebefeinheiten Am Beispiel von Hallstatt (Grömer 2005), wo sowohl bronzezeitliche als auch hallstattzeitliche Textilien an einem Fundort vorkommen, kann ein Überblick über die Charakteristika und die statistisch fassbaren chronologischen Tendenzen zu den Textilien in beiden Zeiten gegeben werden. Das dabei gewonnene Bild ist relativ typisch für die Bronze- und Hallstattzeit in ganz Europa. Generell sind die bronzezeitlichen Gewebe in Hallstatt gröber als die eisenzeitlichen, was sich in Fadenstärke und Gewebedichte ausdrückt. So sind die bronzezeitlichen Garne eher bei Stärken um 1-1,5 mm anzusiedeln, wenn auch vereinzelt feine Qualitäten mit 0,3 mm vorkommen. Anders das Bild in der Hallstattzeit, wo die Fadenfeinheit viel höher ist. Der Großteil dieser Fäden hat Stärken von nur 0,5 mm oder darunter. Bei den Gewebedichten sind ein Großteil der eisenzeitlichen Hallstätter Textilien als fein bis sehr fein zu bezeichnen mit 10-15 Fäden pro cm oder noch weit darüber. Die bronzezeitlichen Textilreste sind hingegen etwas gröber, viele haben Gewebedichten zwischen 5 und 10 Fäden pro cm. Es gibt also nicht nur – auch ein forschungsgeschichtlicher Topos – grobe, primitive Stoffe in einfacher Leinwandbindung in der Bronzezeit, gegenübergestellt prachtvollen feinen Geweben in verschiedenen Bindungen in der Hallstattzeit. Gerade in Hallstatt sind auch für die Bronzezeit erste Köperstoffe, feine Textilien, sowie erste gefärbte Gewebe nachgewiesen. 2.4 Verzierungstechniken der Bronze- und Eisenzeit Stoffe wurden, teils bereits in der Bronzezeit, auf verschiedenste Arten verziert und optisch aufgewertet. Ein wichtiges primäres gestalterisches Element der Stoffe ist durch die Gewebebindung gegeben. Es gibt aber

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Abb. 2: Entwicklung der Verzierungstechniken in Mitteleuropa (Schwerpunkt Österreich und angrenzende Nachbarländer) von der Bronze- zur Eisenzeit. (Grafik: K. Grömer).

auch die Möglichkeit, Stoffe durch Farbe, durch verschieden gedrehte Fäden (Spinnrichtungsmuster) oder durch Einarbeiten zusätzlicher Elemente zu gestalten. In der Bronzezeit sind – ob nun erhaltungsbedingt sei dahingestellt – bisher nur wenige Musterungen bekannt, wie sie dann in der Hallstattzeit sehr beliebt werden. Direkt am Gewichtswebstuhl hergestellt werden können durch Verwendung verschiedenfarbener Garne in Kette und/oder Schuss gestreifte und karierte Stoffe. Das bisher aus Mitteleuropa früheste bekannte farbig gestreifte Gewebe stammt aus dem

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frühbronzezeitlichen Gräberfeld Franzhausen (Publ. in Vorbereitung). Bunt eingefärbte und auch farbig gemusterte Stoffe treten dann besonders ab der Hallstattzeit auf, wobei verschiedene eingefärbte Garne beim Weben wirkungsvoll kombiniert wurden. Viele verschiedene Karos sind etwa in den eisenzeitlichen Salzbergwerken von Hallstatt bekannt. Schöne gestreifte Stoffe finden sich auch unter den frühlatènezeitlichen Textilfunden vom Dürrnberg (Stöllner 2002: Farbtaf. 2-8).

Karierte Stoffe tauchen nach derzeitigem Forschungsstand erst ab der Eisenzeit auf. Für ihr Aussehen und ihre Wirkung ist vor allem die Farbe und Anzahl der gruppenweise angeordneten Fäden in Kette und Schuss verantwortlich, wie etwa durch Funde aus Hallstatt belegt (Grömer 2005: Farbtaf. 5-6); etwa ein massives Blockkaro mit breiten hell- und dunkelbraunen Flächen, oder eines mit feinen hellen Streifen auf dunklem Grund. Werden bei Köperbindung gleichmäßig kleine Gruppen von jeder Farbe in Kette und Schuss abgewechselt, dann ergibt das ein Hahnentritt- oder Pepitamuster. Durch neuere Farbstoffanalysen an den Textilmaterialien von Hochdorf (Banck-Burgess 1999: 86-89, Analysen von P. Walton) und Hallstatt (Hofmann-de Keijzer et al. 2005) konnten viele in der Hallstattzeit verwendete Farbstoffe aus den unterschiedlichsten Färbedrogen identifiziert werden, die lichtechte Farben ergeben, welche sich auch beim Waschen nicht verlieren. Zu diesen gehört etwa Färber-Wau für gelb oder Waid für blau, für rot Krapp oder die aus Flechten hergestellte Färbedroge Orseille. Zu den in der Hallstattzeit verwendeten Farben gehören auch wertvolle, importierte Farbstoffe wie die rot färbende Kermesschildlaus aus dem Mittelmeerraum. Es wurden auch verschiedene Färbedrogen und Färbetechniken miteinander kombiniert, um bestimmte Nuancen zu erzielen. Färbung von Stoffen und auch Garnen ist in der Hallstattzeit häufig. Den bislang ältesten, durch Farbstoffanalyse nachgewiesenen stückgefärbten Stoff kennen wir aus dem mittelbronzezeitlichen Grünerwerk in Hallstatt (Hofmann-de Keijzer et al. 2005). Bei der ausgefeilten Musterungstechnik des Spinnrichtungsmusters machte man sich die unterschiedliche Wirkung bei Lichteinfall auf s- und z-gedrehten Garnen zunutze. Dieses ist sowohl bei derVorbereitung der Fäden (Spinnen in verschiedenen Drehrichtungen, sowie Herstellung besonders glatter Garne, damit der Effekt zur Geltung kommt), als auch beim Scheren der Kette sehr aufwändig. Strukturierte Oberflächen durch die Verwendung unterschiedlicher Spinndrehungen finden sich als Einzelstücke bereits in der Mittelbronzezeit, etwa in Mühlbach am Hochkönig/ Mitterberg oder in Hallstatt-Tuschwerk (Publ. in Vor-

bereitung). Bei diesen war jedoch durch Abwechslung von nur je 1-2 s- und z-Garnen offenbar ein anderer Effekt erwünscht, als jene Streifenwirkung, die dann in der Hallstattzeit charakteristisch wird. Die spinnrichtungsgemusterten Textilien sind in der Hallstattzeit sehr beliebt, so stellen sie etwa in Kombination mit Köperbindung den textiltechnischen Leittyp des Osthallstattkreises dar (Typus Vaˇce nach Bender Jørgensen 1989: 144). Eine weitere Musterungstechnik ist jene, bei der Motive mittels „fliegendem Faden“ während des Webens aufgebracht wurden. Ein besonderer Einzelfund der Bronzezeit dafür ist das wohl einst farbige „Kunstgewebe“ von Irgenhausen (Vogt 1937), das früher als neolithisch galt, kürzlich jedoch aufgrund 14C Datierungen in die Mittelbronzezeit gestellt werden konnte (Rast-Eicher 1997: 309). Auch dieses ist mittels flottierender Fäden gestaltet. Für die Eisenzeit ist diese Technik u. a. durch Funde von Hohmichele, Hochdorf (Banck-Burgess 1999) oder Dürrnberg belegt (Kurzynski 1998: Abb. 8). Weitere Ziertechniken, wie das Einarbeiten von Metallen im Gewebe, seien es Bronzeringe (Waldalgesheim) oder Goldstreifen (Hohmichele und Grafenbühel), wurden von Banck-Burgess 1999 ausführlich behandelt.Auch hier ist von der Herstellung zu beachten, dass all diese Techniken bereits während des Webvorganges angewandt wurden. Verzierungstechniken, die erst nach Fertigstellung des Gewebes als Textilveredelung aufgebracht wurden, sind für die mitteleuropäische Bronze- und Eisenzeit nicht sehr charakteristisch. Einzelfunde von Ziernähten gibt es aus Hallstatt (Mautendorfer 2005), der singuläre Fund einer echten Stickerei ist aus dem latènezeitlichen Nové Zamky bekannt (zuletzt Belanová 2005). 3 Tradition, Innovation und Musterboom in der hallstattzeitlichen Weberei Viele der in der Eisenzeit verwendeten Textiltechniken (Web- und Verzierungstechniken) gehen in ihren Ursprüngen auf die (mittlere bis späte) Bronzezeit zurück, wurden jedoch in der Eisenzeit verfeinert und beherrschten dann das textile Geschehen. Diese in verschiedenen Techniken gemusterten Gewebe sind herstellungstechnisch höchst anspruchsvoll und auch

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zeitaufwändig. Auch der Aufwand für die in der Hallstattzeit immer feineren Gewebequalitäten steigt, da diese eine größere Arbeitsleistung sowohl beim Spinnen als auch beim Weben bedingen als etwa gröbere Ware. An diese textiltechnologischen Fakten lassen sich viele Fragestellungen anknüpfen, vor allem die technischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen betreffend, die gerade in der Hallstattzeit einen derart hohen Arbeitsaufwand und geradezu eine „Pracht­ entfaltung“ ermöglichten. Möglicherweise wurde diese Entwicklung auch durch die Herausbildung neuer Technologien und damit verbunden auch neuer Gesellschaftsstrukturen am Beginn der Eisenzeit begünstigt. Zahlreiche Funde vor allem auch aus Hallstatt deuten darauf hin, dass in unseren Raum zu dieser Zeit durch kulturelle Impulse aus dem Süden und aus dem Osten neue Ideen und Lebensmuster eindrangen, die wahrscheinlich auch die religiösen Vorstellungen der Menschen veränderten. Sind nun etwa die aufwändigen, technisch hochstehenden und „kostbaren“ Gewebe der Hallstattzeit Importe? Vieles, vor allem webtechnische Fakten sprechen dafür, dass diese Textiltechniken indigen sind, und nicht als Einflüsse oder Importe aus den antiken Hochkulturen zu sehen sind. Als besonders kostbare Stoffe gelten gemeinhin diejenigen, die aufwändig hergestellt wurden, vor allem solche in komplizierten Köpervarianten und Brettchenwebereien. Diese finden sich zwar, ebenso wie Spinnrichtungsmuster, im Bereich der vor allem durch die von Norden nach Italien einwandernden Italiker geprägten Villanovakultur im 8.-7. Jh. (Masurel 1984). Die wenigen etruskischen Textilien sind leinwand- oder ripsbindig. Die genannten Web- undVerzierungstechniken haben hingegen in Mitteleuropa eine Tradition, die teils weit in die Bronzezeit zurückreicht, sie sind jedoch im antiken Griechenland vor 450 v.Chr. gar nicht gebräuchlich. Die ältesten Brettchenwebereien in Griechenland stammen aus Kerameikos, spätes 5. Jh. v.Chr. (Collingwood 1982: 10-12), also einer Zeit, in der sich Nord-SüdKontakte zwischen Mittelmeerraum und nordalpinem Raum so richtig etabliert hatten. Köperbindung ist im antiken Griechenland anscheinend gar nicht bekannt (vgl. Pekridou-Gorecki 1989). (Zur Brettchenwebe-

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rei in Antiken Hochkulturen: Lange Zeit galten der sog. „Ramses-Gürtel“ aus Ägypten, 1200 v.Chr. und drei Leinenbänder aus der 22. Dynastie (945 - 745 v.Chr). als die ältesten Nachweise für Brettchenweberei. Dies ist jedoch von Peter Collingwood in seinen fundierten Studien widerlegt worden. Die ältesten erhaltenen Brettchengewebe sind demnach die hallstattzeitlichen, bei Collingwood aufgelistet jene aus Hohmichele, datierend in HaD. Der erste brettchengewebte Fund in Griechenland taucht in Kerameikos im letzten Drittel des 5. Jahrhunderts auf. Siehe dazu Collingwood 1982: 10ff. Wie bereits erwähnt, gibt es Funde von Webbrettchen bereits in der Jungbronzezeit in Deutschland (s.o.).) Es lassen sich also für das 1. Jahrtausend v.Chr. in Mitteleuropa Herstellungs- und Verzierungstraditionen feststellen, die sich von jenen der antiken Hochkulturen (bes. Griechenland) unterscheiden. In Mitteleuropa bevorzugt man Verzierungen, die während des Herstellungs-(also Web-)vorganges gestaltet wurden. Das sind etwa komplexe Bindungen (v.a. Köpervarianten), Spinnrichtungsmuster, Muster mit „fliegendem Faden“, farbige Muster wie Karos, Streifen, sowie Bänder mit flottierender Musterkette und Brettchengewebe (siehe oben). Ziernähte und Stickerei tauchen vereinzelt im eisenzeitlichen Mitteleuropa auf, sind jedoch nach derzeitigem Forschungsstand nicht typisch. Die großteils leinwandbindigen griechischen Stoffe zeichnen sich hingegen bei den Verzierungstechniken (Pekridou-Gorecki 1989: 42-45) u. a. durch Kelimstechnik (bzw. „Wirken“) aus. Dies ist durch mehrere gemusterte Gewebe aus reichen Gräbern des 5.-4. Jh. v.Chr. nachgewiesen. Bei dieser Bildweberei wurden sehr oft florale, ornamentale und auch figürliche Muster gestaltet. Aufwändig bestickte Stoffe mit figuralen Motiven aus den Gräbern des nördlichen Schwarzmeerraumes gelten als Erzeugnisse griechischer TextilGestalter. Bemalte Stoffe sind selten, Nachweise gibt es von der Krimhalbinsel. Für die Eisenzeit ist vor allem auch durch die Funde aus Hochdorf (Banck-Burgess 1999) eine großeVielfalt von Rohstoffen festgestellt worden, aus denen Textilien hergestellt wurden; so Schafwolle und Flachs (beide wurden auch an anderen Fundorten häufig nachgewiesen), aber auch Hanfbast und die Haare anderer Tiere,

etwa Roß- oder Dachshaar. Diese finden sich auch bei besonders aufwändigen Brettchenwebereien, die Rohstoffe und auch die von Johanna Banck-Burgess 1999 etwa in Hochdorf nachgewiesenen Produktionsprozesse deuten darauf hin, dass es sich bei den Textilien eher um einheimische Arbeiten handelt. Die in der Literatur immer wieder genannten hallstattzeitlichen Seidenfunde, etwa aus Hohmichele, Hochdorf und im belgischen Altrier, konnten alle durch neuere Analysen mittels Aminosäurenuntersuchung widerlegt werden (Banck-Burgess 1999: 234). Auch manche Textilmuster (etwa die Mäander) wirken auf den ersten Blick mediterran, etwa die Brettchenborten von Hallstatt. Bei der Anwendung der für die Keramikanalyse üblichen typochronologischen Methode wurden die diversen Muster auf Textilien mit denen auf hallstattzeitlicher Keramik verglichen, um zu eruieren, ob die Zierelemente der Textilien dem gängigen Musterschema entsprechen. So konnte nachgewiesen werden, dass etwa das Motiv einer Borte aus Hallstatt durchaus dem Zierschema der ­Keramik der Hallstattkultur angepasst ist und in Hoste/Slowakei seine Entsprechung findet (Grömer 2005: 82). Die geometrischen Muster (Winkelhaken, Zinnen­ mäanderrauten, Flechtband und Hakenkreuze), die bei allen gemusterten Geweben der Hallstattzeit vorkommen, in Hohmichele, Hochdorf oder Hallstatt, gehören zum gängigen Zierschema des Osthallstattkreises, wie eine Studie von Christian Schappelwein (1999) über den Motivschatz der Kalenderbergkultur und angrenzender Regionen innerhalb des Osthallstattkreises gezeigt hat. Zur Villanovakultur sind Entsprechungen zu den Textilmustern und auch zur textilen Tradition der Hallstattkultur gegeben. Wieweit die wechsel­seitigen Beeinflussungen gehen, muss noch untersucht werden. Es kann also als eine begründete Arbeitshypothese gelten, dass der mitteleuropäische Raum in Bezug auf Textiltechnik vom mediterranen Süden unabhängig war und sogar selbst ein Zentrum der Innovationen. Mit dem Beginn der Älteren Eisenzeit kam es durch den neuen Werkstoff Eisen in ganz Europa zu weitgehenden Veränderungen (Urban 2000: 227-229), die nicht nur die Handwerkstechnologien sondern das gesamte gesellschaftliche Gefüge dieser Zeit betroffen haben und eine stärkere Gliederung zur Folge hatte. Die an der Spitze der Hierarchie Stehenden repräsen-

tierten sich an „Herrenhöfen“ durch aufwändige Lebensweise (siehe Beitrag M. Jung in diesem Band), sie sind auch in den „Fürstengräbern“ fassbar. Dies dürfte m. E. die Prachtentfaltung der Textilkunst in der Hallstattkultur begünstigt haben, die doch auch sehr stark im Zusammenhang mit einer zeittypischen Repräsentationskultur zu sehen ist. Womöglich erfolgte hier in besonderem Maße eine Statusdefinition über Textil und Tracht. Die hohe Qualität der hallstattzeitlichen Stoffe lässt teilweise bereits auf professionelle Produktion ­schließen. Inwieweit dies ein Austausch von Produkten und Arbeitsleistung innerhalb einer Gemeinschaft oder auch außerhalb war, bzw. ob die jeweiligen „Spezialistinnen“ und „Spezialisten“ für ihre Tätigkeit völlig von anderen Pflichten innerhalb des Gemeinwesens freigestellt waren, ist für den textilen Bereich noch nicht klar fassbar. Jene aufwändigen Textilprodukte sind jedoch ein Hinweis darauf, dass eine nicht unbedeutende Ressource an Arbeitszeit, hochspezialisiertem Know-how und Können dafür bereitgestellt wurde. Fazit Man kann hier also anhand der archäologischen Funde – bei aller Quellenkritik – eine Entwicklung aufzeigen. Es ist eine interessante Frage, womit dieser Technologiesprung, der schon in der Mittelbronzezeit beginnt, aber so richtig in der Hallstattzeit greift, zu tun hat. Am Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit muss etwas passiert sein, dass eine derartige Fülle von aufwändigen Textiltechniken derart Fuß fassen konnte. Diese Techniken (Brettchenweben, Färben, neue Bindungen, Spinnrichtungsmuster etc.) wurden nicht zu diesem Zeitpunkt erfunden, sie tauchen vereinzelt schon vorher auf. Sie sind also Bestandteil der hiesigen Textilverarbeitungskultur und wurden m. E. auch nicht als hochstehende Techniken aus den Hochkulturen importiert. Festzustellen ist – auch nach sorgfältiger Quellen­ kritik durch große Fundlücken – dass nun in der Hallstattzeit den auch im Zeitverbrauch aufwändigen Techniken gegenüber einfacheren Stücken der Vorzug gegeben wurde. Welche Bedingungen waren zu ­Beginn der Eisenzeit vorhanden (im Gegensatz zur

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Bronzezeit), die einen deutlich größeren Zeitaufwand für die Herstellung von Kleidern zuließen (im Vergleich zur Bronzezeit)? Einerseits gibt es in der Eisenzeit ­offensichtlich mehr technische Möglichkeiten, auch komplexere Gewebe zu gestalten (Webstuhl für Köperbindung, Brettchenweberei), andererseits gibt es aber auch die gesellschaftlichen und materiellen Rahmenbedingungen, die ihre Durchführung ermöglichen. Es musste also besonders in der Hallstattzeit einerseits die Wertigkeit und Wertschätzung dafür gegeben sein, so hochstehende Textilprodukte zu produzieren, andererseits müssen aber auch die Ressourcen dafür

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frei gewesen sein (v.a. ein Mehr an Arbeitszeit, aber auch Kosten durch importierte Farbstoffe). Es ist eine Möglichkeit, dies alles im Zusammenhang mit einer komplexen gesellschaftlichen Entwicklung zu sehen, die diese aufwändigeren Arbeiten zur Herstellung von Textilien ermöglichte oder förderte. Sei es nun durch immer fortschreitendere Spezialisierung als auch etwa durch den Einfluss der „Fürstenschicht“, die schon aus Repräsentationsgründen auf prunkvolle Textilien Wert gelegt hat. Die Vielfalt an Interpretationsmöglichkeiten für dieses anhand des Textilhandwerks fassbare Phänomen sind jedoch damit nicht ausgereizt.

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Diskussion Peter Jud Für die UK fehlen die Stoffe aufgrund der Quellenlage. Eventuell ist auch der Abbruch der Traditionen am Übergang von LtA zu B darin begründet, dass weniger Bronzen ins Grab mitgegeben werden und daher die Wahrscheinlichkeit für die Erhaltung von Textilien geringer wird. Karina Grömer Der Bruch in der Tradition lässt sich eher auf die Grabsitte zurückführen, weil die Menge der Funde mehr oder weniger unverändert bleibt. Peter Jud Die gewählte graphische Darstellung suggeriert dies nicht; ein Hinweis auf die Erhaltungsbedingungen wäre in diesem Zusammenhang hilfreich. Karina Grömer Die Intensität der Prachtentfaltung ist in der Hallstattzeit jedenfalls auffällig höher als in der Latènezeit. Für eine Erklärung dessen sind vielfältige Ansätze vorhanden/denkbar. Gabriele Albers Die vorgestellte Untersuchung liefert einen weiteren begründeten Hinweis darauf, dass sich Mitteleuropa auch „alleine“ entwickelt. Auf welchen Ebenen werden diese Arbeiten durchgeführt? Kann die Produktion von der „einzelnen“ Frau neben ihrem Haushalt mit dem ihr zur Verfügung stehenden Werkzeug geleistet werden oder sind für diese Art und Menge von aufwendig herzustellenden Textilien Spezialisten oder größere Werkstätten vorhanden? Karina Grömer Es wird in jedem Umfeld produziert. Beispiel Hallstatt: individuelles Haushandwerk mit mehr oder weniger Geschick/Aufwand/Geschmack kann anhand der Erzeugnisse unterschieden werden. Beispiel Hochdorf: für die Herstellung dieser komplizierten Textilien ist hohe Konzentration und viel Zeit ohne Ablenkung nötig; viele sonstige Aufgaben können vom Produzenten nicht nebenbei erfüllt werden. Es ist unklar seit wann einzelne Personen (Frauen wie Männer) für die Herstellung besonderer textiler Erzeugnisse freigestellt werden. In der Hallstattzeit sind diese Spezialisten jedenfalls vorhanden. Auch eine Arbeitsteilung für Spinnen, Weben, Färben, Bortenweben, Nähen etc. ist denkbar. Clemens Eibner Berichtet darüber, dass auf der Rückfahrt von einem Kongress in Rom im Jahre 1962 er selbst, seine Gattin und H. Friesinger sich an einer Rettungsgrabung in Frög beteiligt hätten, bei der ein kleines Brandgrab geborgen wurde, das neben einer Keramikplatte mit 3 Löchern, die als Trennplättchen interpretiert wurde, auch 32 Spinnwirtel enthielt. Dies ist als Beispiel zu verstehen, dass Spezialisten der Textilverarbeitung mitunter auch in kleinen Gräbern beigesetzt werden. Thomas Stöllner Fragt nochmals nach dem Bruch in der Textiltradition. Karina Grömer Die genannte Änderung ist ungefähr zwischen LtA und B zu datieren.

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Die untersuchten Funde stammen vorwiegend aus Gräbern, deren Inhalt ab LtB durchwegs einfacher wird. Die Verwendung von komplizierten Verarbeitungstechniken nimmt erkennbar ab. Thomas Stöllner Wie passt der Dürrnberg ins Bild? Karina Grömer Besondere Umfelder wie die Bergwerkssiedlungen nehmen in vielen Belangen eine Ausnahmestellung ein. Der Dürrnberg könnte eine Vorreiterrolle in der industriellen Produktion übernehmen. Thomas Stöllner Es könnte sich aber auch um eine örtliche Tradition handeln. Karina Grömer Die Fundsituation für Textilien ist aufgrund der Erhaltungsbedingungen nicht so flächendeckend beobachtbar wie bei anderen Materialien. Für das Herausarbeiten von regionalen Tendenzen ist sie vorläufig noch nicht breit genug gestreut. Die Forschung steht diesbezüglich erst am Anfang. Brigitte Röder Bezüglich der bronzezeitlichen Keramik in der Schweiz ließ sich feststellen, dass viel Zeit für deren Erzeugung aufgewendet wurde. Ab der Hallstattzeit wird mit der Keramikherstellung weniger Aufwand getrieben. Es wird anscheinend mehr Zeit in die Herstellung von Textilien investiert. Der Prestigecharakter der Keramik tritt gegenüber dem von Stoffen zurück.

Zusammenfassung der Diskussion Die vorgestellten Ergebnisse werden mit großem Interesse aufgenommen. Der Erkenntnisprozess, der anzunehmende Bruch in der Textiltradition und technische Details werden nochmals angesprochen. Es ist nicht auf die Fundlage zurückzuführen, dass die aufwendigen Stoffe ab LtB kaum mehr aufzufinden sind; im Gegensatz zur UK, aus der wenige Belege erhalten sind, bleibt die Fundmenge über die Eisenzeit nahezu gleich, es verändern sich nur die Stoffe. Die Intensität der Prachtentfaltung ist in der Hallstattzeit jedenfalls auffällig höher als in der Latènezeit. Die Herstellung komplizierter Stoffe nimmt ab LtB sichtbar ab. Für eine Erklärung dessen sind vielfältige Ansätze vorhanden/denkbar. Möglicherweise verschiebt sich der Aufwand zu anderen Handwerkserzeugnissen. Die vorgestellten hohen Qualitäten haben keine Parallelen im mediterranen Raum und deuten also auf nördlich der Alpen entwickelte Techniken und einen „eigenen“ Geschmack hin. Es ist unklar, seit wann einzelne Personen (Frauen wie Männer) für die Herstellung besonderer textiler Erzeugnisse freigestellt werden. In der Hallstattzeit sind diese Spezialisten jedenfalls vorhanden. Auch eine Arbeitsteilung für Spinnen, Weben, Färben, Bortenweben, Nähen etc. ist denkbar. Die Fundsituation für Textilien ist aufgrund der Erhaltungsbedingungen nicht so flächendeckend beobachtbar wie bei anderen Materialien. Für das Herausarbeiten von regionalen Tendenzen ist sie vorläufig noch nicht breit genug gestreut. Die Forschung steht diesbezüglich erst am Anfang.

Schnitttechnische Interpretationen anhand hallstattzeitlicher Darstellungen Helga Mautendorfer

Zusammenfassung Ritzzeichnungen auf Soproner Gefäßen zeigen unter Anderem figurale Darstellungen. Diese menschlichen Figuren sind mit ihrem Gewand abgebildet. Die Gestaltung der Kleidungsstücke zeigt Muster, die Entsprechungen zu textilen Strukturen haben wie Karo und Fischgrät. Aber auch nähtechnische Entsprechungen wie Teilungsnähte, angenähte Borten und aufgenähte Knöpfchen sind dargestellt. Es bleibt die Frage offen, ob die verschiedenen Formen und Silhouetten Informationen über die Schnitttechnik der Kleidungstücke enthalten. Ausgangsmaterial für meine schnitttechnischen Interpretationen sind die bekleideten „Grundtypen“ auf Soproner Keramik. Unter Berücksichtigung damaliger Stoffqualitäten, Webbreiten und Nähtechniken versuche ich die Kleidungsstücke zu interpretieren und, aufbauend auf die Methoden der experimentellen Archäologie, praktisch nachzuarbeiten. Als Vergleichsobjekte zu den genähten Teilen ziehe ich vollständige Gewänder der Bronze- und Eisenzeit in Europa heran.

Abstract The Interpretation of Patterns Based on Figures from the Hallstatt Period Illustrations on vessels from Sopron from the Hallstatt period show figures representing humans in their garbs. The structure of the clothes shows patterns resembling herringbone or square patterns. Sewing techniques similar to dividing seams, sewn on braids and small buttons can be recognized, too. However, the question remains: Do these figures contain any information about the patterns of the garbs? Considering the quality of the fabric, the weaving width and the sewing techniques available in the Hallstatt period, a reconstruction of the clothes is attempted, based on the methods of experimental archaeology. As parallels for the tailored clothes, preserved European clothing from the Bronze Age and Iron Age is used. Although the illustrations of human figures on the Sopron vessels appear rather abstract on first sight, it seems that they do not only contain information about the graphical applications but also about the cut of the worn clothes. It is remarkable that the triangular figure can be interpreted as a variety of garments. The bell shaped figure on the contrary allows only a few possible styles of clothing.

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Figürliche Darstellungen Ritzzeichnungen auf Soproner Gefäßen zeigen unter Anderem figurale Darstellungen. Diese figürlichen Darstellungen der Hallstattzeit sind ein Objekt vielerlei Interpretationen. Gerade bei den szenischen Darstellungen auf den Soproner Gefäßen lassen sich die Figuren zum Teil als bekleidet ansprechen. 1891 interpretiert Hoernes (1891: 164) Unterschiede in der Kleidung der dargestellten Figuren. Birkhan (1997: 1075) argumentiert unterschiedliche Kleidungsstücke aufgrund des Soproner Materials. Bei Eibner (1980: 63) ist die Gewanddarstellung neben der Kopfdarstellung, der Hals- bzw. Oberkörperdarstellung, der Armdarstellung und der Beindarstellung ein charakteristisches Merkmal der menschlichen Figuren auf der Soproner Keramik. Der Kleidung als kleines Detail dieser komplexen szenischen Darstellungen möchte ich im folgenden Artikel meine Aufmerksamkeit widmen. Es ist hier nicht mein Anliegen, die szenischen Darstellungen als modisches Spektakel zu interpretieren. Es sollte legendlich eine weitere Informationsebene dieser Darstellungen betrachtet werden, zudem ich davon ausgehe, dass diese komplexen Darstellungen mehrere Informationsebenen beinhalten können. Betrachtet man die figuralen Darstellungen vor allem auf osthallstattzeitlicher Keramik unter dem Aspekt der Bekleidung zeichnen sich fünf Grundtypen von bekleideten Figuren ab. Zur größten Gruppe zählen die Figuren mit dreieckigem Gewand (Dobiat 1982: 297, Abb.13, 300; Nebelsick 1997: 120, 125, Abb. 46; Eibner 1997: 129-132; Eibner 1980: 63). Die meisten bekleideten Figuren folgen diesem Gestaltungsschema, so auch der Großteil der Soproner Darstellungen. Zudem gibt es aus Sopron Figuren mit einem glockenförmigen oder halbrunden Kleidungsstück (Eibner 1980: 65; Birkhan 1997: 1075). Sanduhrförmige Menschendarstellungen stammen aus Nové Košariská, aus Reichersdorf und aus süddeutschen Fundstellen, zum Beispiel Kirchenreinbach, Pettenhofen, Dietldorf (Nebelsick 1997: 125, Abb. 46; Dobiat 1982: 299, Abb. 14, 304). Aus Sopron und Kleinklein gibt es menschliche Darstellungen mit Beinkleidung (Eibner 1980: 63, 65-66; Dobiat 1982: 283, Abb.2) und aus Sopron stammen noch Darstellungen einer leicht trapezförmigen Bekleidung (Eibner 1980: 63). Bei den meisten

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Abb. 1: Stoffmuster (Fotos © NHM Wien, Prähistorische Abteilung, H. Reschreiter; Zeichnung oben: nach Eibner 1997: 134, Abb. 49; Zeichnung unten: nach Dobiat 1982: 297, Abb. 13).

dieser Figuren kann es sich auch um eine stereotype Darstellung „Mensch“ handeln, bei der sich die Frage nach Bekleidung für den Künstler gar nicht gestellt hat. Andere Figuren zeigen wieder graphische Gestaltung, die eindeutiger Kleidung darstellt. Gemeinsam ist diesen Figuren aber, dass sie sich von nackten Figuren unterscheiden. Deutlich sieht man das bei dem Gefäß mit der „Wagenfahrt, Jagd- und Musikszene“ aus Tumulus 28 (neu: 127) (Eibner 1980: Taf. 29). Der Mann, der dem Wagen folgt, ist nackt dargestellt, die anderen Figuren in der Szene sind alle bekleidet. Graphische Gestaltung der Kleidung Die Kleidungsstücke der Figuren aus den szenischen Darstellungen der Soproner Keramik sind im Innenbereich graphisch gestaltet. Man sieht Muster, die an

Karos erinnern,Teilungslinien,Verzierungen mit Kreisen und Strichen. Dieses „Innenleben“ der Kleidung könnte auf den Charakter des Kleidungsstückes hinweisen, vielleicht beschreibt es die verwendeten Stoffe oder Verzierungen.Vergleiche mit Fundmaterial aus dieser Zeit zeigen, dass sich zum Beispiel bei den Textilfunden aus Hallstatt solche Musterungen widerspiegeln. Unter den ca. 200 Textilresten haben beinahe die Hälfte der Stoffe Muster (Grömer 2005: 23). Neben den häufig vorkommenden Spinnrichtungsmustern findet man vor allem karierte Stoffe aus dem hallstattzeitlichen Bergwerk. Weiters sind im Fundmaterial Köpervarianten, zum Beispiel Fischgrätmuster, zum Teil zweifärbig gestaltet, vorhanden. Die Figurinen von den Soproner Gefäßen zeigen im Inneren der dreieckigen Kleidungstücke ebenfalls Strukturen, die an diese Textilmuster erinnern (Huth 2003: 127). Die „Spinnerin“ aus der Webszene trägt ein mit Karos verziertes Kleidungsstück. Dazupassende Funde stammen aus Hallstatt: Das karierte Textil aus brauner und olivgrüner Wolle stammt aus dem Josef Ritschner Sinkwerk (Hundt 1959: 82-85; Inventarnummer des NHM Wien: 73.344) (Abb. 1a). Eine andere Figur aus Sopron zeigt einen Spitzköper. Ein sehr schönes Beispiel für einen zweifärbig gestalteten Spitzköper stammt ebenfalls aus Hallstatt, aus dem Kilbwerk (Hundt 1987: 264; Inventarnummer des NHM Wien: 79.153.) (Abb. 1b). Schraffierte und mit zum Saum parallelen Linien begrenzte schmale Bereiche könnten angenähte Borten darstellen (Mautendorfer 2005: 47-48). Funde solcher angenähten Borten in Gitterwebtechnik sowie in Brettchenwebtechnik kommen ebenfalls im Fundmaterial aus dem Hallstätter Bergwerk vor (Grömer 2005: 24-25; 2001: 49-51) (Abb. 2). Manche der Figurinen, so zum Beispiel die aus der „Opferszene“, weisen unsymmetrisch angeordnete Linien auf. Dieses Detail könnte eine nähtechnische Information beinhalten und somit für ein Kleidungsstück sprechen, das aus mehreren Stoffteilen zusammengefügt wurde (Mautendorfer 2005: 49-50). Auch dieses Phänomen kennen wir aus Hallstatt bei einem Fund aus dem Enderwerk (Hundt 1960: 134-137; Inventarnummer des NHM Wien: 73.347) (Abb. 3). Andere Gewänder weisen kleine Kreisaugen auf – im Inneren des Dreieckes sowie am Rand aufgesetzt.

Abb. 2: Angenähte Borte (Foto © NHM Wien, Prähistorische Abteilung, H. Reschreiter; Zeichnung rechts: nach Eibner 1980: 238, Tafel 29; Zeichnung links: nach Dobiat 1982: 295, Abb. 12).

Abb. 3: Aus mehreren Teilen zusammengenäht (Foto © NHM Wien, Prähistorische Abteilung, H. Reschreiter; Zeichnungen nach Dobiat 1982: 295, Abb. 12).

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Abb. 4: Aufgenähte Knöpfchen (Zeichnung links: nach Eibner 1997: 134, Abb. 49; Fotos: nach Ausstellungskatalog „Prunkwagen und Hügelgrab“, 102-103).

Vor allem die Figurinen der Webszene wurden so gestaltet. Möglicherweise handelt es sich hier um aufgenähte Knöpfchen (Birkhan 1997: 1075). Ein Beispiel für solch eine Verzierung ist der Prachtmantel aus Mitterkirchen/OÖ. Der Mantel aus Leder bzw. Fell war im Schulterbereich sowie am Saum mit unzähligen kleinen Bronzeknöpfchen bestickt (Pertlwieser 1987: 64) (Abb. 4). Schnitttechnik Da sich Parallelen zeigen zwischen den Darstellungen und den Textilfunden, stellt sich die Frage ob nicht auch die Form der Gewänder Aussagen über diese beinhaltet, zudem verschiedene Gewandformen dargestellt werden. Die unterschiedlichen Darstellungsformen weisen auf unterschiedliche Silhouetten hin und in weiterer Folge auf unterschiedliche Kleidungsstücke mit unterschiedlichen Schnittmustern. Der Schnitt ist die zweidimensionale Form des Gewandes. Schnitt und Gewand sind stets abhängig von einander: Der Schnitt eines Kleidungsstückes wirkt sich auf dessen Form und Erscheinungsbild aus. Generell geht man davon aus, dass es zur Entwicklung

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des Schneiderhandwerks im heutigen Sinne erst mit Einführung der an den Körper angepassten Mode in der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts n.Chr. kommt. Die taillierten Kleider verlangten nach einer Verfeinerung der Schnitte mittels Zwickel und Abnäher (Loschek 1994: 31-33). Kania (siehe Beitrag in diesem Band) geht allerdings davon aus, dass schon viel früher Schnitte angewandt worden sind, und belegt das eindrucksvoll, indem sie die eisenzeitliche Hose von Thorsberg nacharbeitet. Dennoch gibt es wenige Exemplare solcher komplexen Kleidungsstücke aus der Bronze- und Eisenzeit. Viele der wenigen Originalgewänder aus dem nordeuropäischen Raum haben ziemlich einfache und kaum körperbetonte Schnitte und wurden durch Gürten an den Körper angepasst. Der Peplos von Huldremose (Thiel 1997: 79, 81), ein gerades, schlauchförmiges Gewand, der eisenzeitliche Wollkittel aus Reepsholt (Nienholdt 1961: 8-9), ein tunikaförmiges Gewand und der Wollmantel aus Damendorf (Nienhold 1961: 9 -11), ein aus zwei Teilen zusammen gesetzter trapezförmiger Mantel, sind Beispiele für einfach geschnittene Gewänder der nordeuropäischen Eisenzeit. Auch die antiken Gewänder aus Griechenland (Pekridou-Gorecki 1989: 72-73; 78-82;

85-87) und Rom (Croom 2002: 19-21; 31-34) haben lockere Gewandformen, ebenfalls durch Gürten an den Körper angepasst. Solche einfachen Gewänder können im zusammengenähten Zustand ohne Erhebungen flach aufgelegt werden. Ihre Schnitte bestehen großteils aus geometrischen Formen und haben oft deckungsgleiche Vorder- und Rückseiten. Geht man davon aus, dass nicht nur das, was man von einem Gegenstand sieht, abgebildet wurde, sondern auch das, was man über ihn weiß (Huth 2003: 21-24), bekommt man relativ viele mögliche Informationen zu den dargestellten Gewändern. So kann zum Beispiel eine dreieckige Gewandform folgende Informationen bezüglich Modell und Schnitt enthalten: Das Gewand hat eine dreieckige Silhouette, das heißt es erscheint dreieckig im getragenen Zustand, es kann auch bedeuten es hat einen dreieckigen Schnitt, ist also im aufgelegten Zustand von dreieckiger Form. Weitere Informationen bezüglich Modell und Schnitt sind: es ist unten sehr weit bzw. weiter als oben. Schnitttechnische Interpretationen der Kleidung auf osthallstattzeitlicher Keramik Vor der eigentlichen Interpretation müssen noch ein paar grundsätzliche Überlegungen vorangestellt werden.Zuerst erfolgte eine Einteilung nach Grundformen der Gewänder, danach die Überlegungen welche Aussagen diese Darstellungen in Bezug auf Silhouette, Schnitt und Gewandweite beinhalten könnten. Vor allem die dreieckigen und glocken- bzw. halbkreisförmigen Gewänder zeigen in ihrer graphischen Gestaltung viele an Textiles erinnernde Strukturen. Ich werde mich im folgendem hauptsächlich mit diesen Gewandformen beschäftigen. Um mehrere Informationen über Fall und Silhouette der Kleidungsstücke zu erhalten habe ich Gewänder nach mehreren Interpretationen nachgearbeitet. Für die nachgenähten Modelle kamen Wollstoffe und Leinenstoffe in Frage, die in der Webdichte Stoffen aus Hallstatt und vom Dürrnberg trotz industrieller Herstellung annähernd entsprechen und somit ein ähnliches Fallverhalten aufweisen.Wichtig für die Auswahl der Stoffe waren damals verwendete Webbreiten. Als Referenz für Webbreiten dienten mir die Befunde von Stillfried mit einer Webstuhlbreite von 0,6 m (Lant-

schner 2000: 13), Gars-Thunau mit einer Gewebebreite von ca. 1 m (Schierer 2005: 101-102), und die Webstuhlbreiten von Großmugl – Flur Todtenweg von 1,80 m (Lantschner 2000: 13), sowie der Webstuhlbefund vom Burgstallkogel bei Kleinklein von 3,70 m (Dobiat 1987: 77). Die große Variationsbreite von Gewebebreiten zeigt, dass es durchaus üblich war bis zu dreieinhalb Meter breite Stoffe zu weben. Als Vergleichsmaterial für meine Konstruktionen zog ich Funde aus der Bronzezeit und der Eisenzeit in Nordeuropa hinzu. Das dreieckige Kleidungsstück Zuerst möchte ich mich der dreieckigen Gewanddarstellung widmen, da die meisten Figurinen mit einem dreieckigen Gewand dargestellt sind. Dieses „Dreiecksgewand“ kommt in verschiedenen Weiten vor. Besonderes auffällig ist das bei der Webszene auf dem Soproner Kegelhalsgefäß aus Tumulus 27 (Eibner 1980: 134-135, 225-226) (Abb. 5): Der „Harfenspieler“ trägt ein deutlich engeres Kleidungsstück als die anderen Figuren in der Szene. Welche Information durch die verschiedenen Weiten mitgeteilt werden soll, ist nicht mehr erfassbar. Die dreieckige Form der Gewänder enthält rein textiltechnisch gesehen, wie oben schon erwähnt, folgende Aussagen:

Abb. 5: Webszene (nach Eibner 1980: 226, Tafel 17).

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Abb. 6: Ausgestellte Tunika (Zeichnung oben: nach Eibner 1997: 134, Abb. 49; Zeichnung unten: Tilke: Tafel 23; Foto © H. Mautendorfer).

- Das Kleidungsstück ist unten sehr weit. - Das Kleidungsstück ist unten weiter als oben. - Das Kleidungsstück hat einen dreieckigen Schnitt. Das heißt das Kleidungsstück erscheint dreieckig im flach aufgelegten Zustand. - Das Kleidungsstück hat eine dreieckige Silhouette. Das heißt es erscheint dreieckig im getragenen Zustand. Folgende schnitttechnische Überlegungen stehen damit im Zusammenhang. Wenn das Kleidungsstück lediglich sehr weit wäre, könnte es sich um ein weites, aber gerades Kleidungsstück handeln, zum Beispiel ­einen Peplos, wie wir ihn aus Dänemark, Huldremose kennen (Thiel 1997: 79, 81). Meiner Meinung nach wäre eine Reduzierung auf ein Dreieck bei diesem Kleidungsstück eine sehr mangelhafte Darstellung. Es ergeben sich zwei Interpretationsmodelle, die Bezug auf die Dreiecksform nehmen. Die erste Interpretation: es handelt sich um eine ­Tunika mit ausgestelltem Saum ähnlich einem A-Kleid

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(Abb. 6). Diese wäre im Saum weiter als im Halsbereich, hätte einen dreieckigen Schnitt und würde auch in getragener Form dreieckig wirken, hätte also auch eine dreieckige Silhouette. Aufgrund dieser Merkmale könnte eine ausgestellte Tunika folgerichtig dreieckig dargestellt werden. Im antiken Raum gibt es manchmal leicht ausgestellte Tuniken (persönliche Mitteilung Pillinger Renate), diese haben allerdings kaum solche weiten Säume. Die meisten Tuniken stammen zudem schon aus frühchristlicher Zeit. Schnitttechnisch lassen sich diese A-Formen so ­lösen: Man schneidet von einem rechteckigen Stoff der gewünschten Länge ein dreieckiges Teil aus, die übrigen zwei Teile dreht man und näht sie zum zweiten Teil zusammen. Das Klappen von Stoffen bzw. das Nichtbeachten des Stoffverlaufs scheint in der Hallstattzeit nicht so abwegig gewesen zu sein, zumindest zeigt das das große zusammengesetzte Textil aus dem Enderwerk (Hundt 1960: 134-137; Inventarnummer des NHM Wien: 73.347). Auch hier wurde der Stoff geklappt und mit dem anderen Teil zusammengenäht. Bei meiner zweiten Interpretation handelt es sich um einen Mantel bzw. Umhang (Abb. 7). Auch hier ist das Kleidungsstück im Saum erheblich weiter als im Halsbereich und weist eine dreieckige Silhouette auf. Im Gegensatz zur ausgestellten Tunika, die als Schnitt eine dreieckige Form aufweist gibt es bei den Umhängen eine Vielzahl an Schnittmöglichkeiten: rund, halbkreisförmig, oval, rechteckig, quadratisch. Durch die übermäßige Weite im Saumbereich wirken diese Umhänge alle dreieckig im getragenen Zustand. Die Abbildung 7 zeigt Beispiele solcher Mäntel. Der erste Umhang ist aus einem quadratischen Tuch von 1,5 m Seitenlänge. Ausgangspunkt war ein Mantel aus Irland / Clongownagh Bog, der aus der römischen Eisenzeit stammt (Wincott Heckett 2001: 91-94) (Abb. 7a). Der zweite Umhang besteht im Vergleich dazu aus einem Halbkreis mit 1,5 m Radius. Eine annähernd halbrunde Form hat der Ledermantel der Moorleiche aus Irland / Clongownagh Bog (Wincott Heckett 2001: 94-96) (Abb. 7b). Der letzte Umhang zeigt einen Originalfund aus Muldbjer. Dieser bronzezeitliche Mantel hat einen ovalen Schnitt (Nienholdt 1961: 1-3). Eine weitere Interpretation, die allerdings nicht auf die Dreiecksform als solche eingeht ist, dass die drei­ eckigen Gewänder mit textiler Textur lediglich das

­ ttribut „Kleidung“ tragen, sich aber nicht auf die A Art von Kleidung bzw. Gewandform festlegen. Die dreieckig gewandete Figur könnte also auch nur ein ­bekleideter Mensch sein ohne Gewandspezifizierung, bzw. kann die Spezifizierung, ob bestimmte Person, bestimmter Stand, oder Funktion usw., für die damalige Zeit ersichtlich nur in der graphischen Gestaltung liegen. Das glockenförmige Kleidungsstück Das glockenförmige Kleidungsstück stellt im Gegensatz zum Dreieck eine kleine Gruppe dar. Die Darstellung von Figurinen mit einem glockenförmigen Kleidungsstück tritt auf dem Soproner Kegelhalsgefäß aus Tumulus 28 (neu: 127) bei der so genannten ­„Wagenfahrt, Jagd- und Musikszene“ gehäuft auf (Eibner 1980: 142, 238) (Abb. 8). Auffällig ist, dass im Gegensatz zu den Figuren mit Beinkleidung auf demselben Gefäß, sowie den Figuren mit Dreiecksgewändern aus der „Webszene“ (Eibner 1980: 134-135, 225-226) keine Beine bzw. Füße dargestellt werden. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass diese nicht sichtbar waren, weil die Gewänder bis zum Boden reichten. Die Darstellung der glockenförmigen Kleidungsstücke weist darauf hin, dass die Kleider am Saum sehr weit waren.

Abb. 8: Wagenfahrt, Jagd- und Musikszene (nach Eibner 1980: 238, Tafel 29).

Abb. 7: Mäntel (a: rechteckiger Mantel: Foto © H. Mautendorfer; Zeichnung: H. Mautendorfer; b: halbrunder Mantel: Foto © H. Mautendorfer; Zeichnung: H. Mautendorfer; c: ovaler Mantel: Foto: nach Nienhold 1961: 3, Abb.2; Zeichnung: H. Mautendorfer).

Die glockenförmige Silhouette erreicht man allerdings nur wenn auch in der Taille ausreichend Stoff vorhanden ist. Diese Details könnten darauf deuten, dass es sich um einen weiten in der Taille gezogenen Rock handelt. Einen Fund solch eines Rockes gibt es zum Beispiel aus Frauengräbern der Bronzezeit. Der Rock aus Borum-Eshøj (Abb. 9a) besteht aus einem langen viereckigen Wolltuch, das faltig um den Körper gelegt wurde und von einer Gürtelschnur in der Taille gehalten wurde (Nienholdt 1961: 4). Dieser Rock ergibt durch die Falten an der Taille eine Aufbauschung des Stoffes. Der Rock ist aus zwei Teilen zusammengenäht und ergibt eine Gesamtweite von 330 cm und eine Länge von 110 bis 120 cm (Hald 1980: 67-69). Ein ähnlicher Fund aus Skrydstrup enthält ebenfalls ein aus zwei Teilen zusammengesetztes Wolltuch in Funktion eines Rockes mit einer Gesamtweite von

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Abb. 9: Weiter Rock (a: Rock von Borum; Eshøj nach Kurzynski 1996: 23, Abb.24; b: vereinfachtes Schnittschema: H. Mautendorfer; c: Trageweise: Foto © H. Mautendorfer).

390 cm und einer Länge von 135-145 cm (Hald 1980: 95-97). Der schematische Schnitt (Abb. 9b)orientiert sich an den Maßen des Rockes aus Borum-Eshøj. Die Zeichnungen der glockenförmigen Kleidungsstücke hat aber noch eine Eigenart. Parallel zur Außenkante des Rockes wurde noch eine Linie gezeichnet. Diese Linie könnte ein Hinweis darauf sein, dass der Rock zweilagig war. Beide Stofflagen wären in einer Aufsicht nicht darstellbar, da sie sich überschneiden, so musste der Zeichner für die zweite Stofflage den Querschnitt wählen. Bei zwei Stofflagen wäre ein weiter gezogener Rock im gleichen Material mit gleicher Weite noch aufgebauschter als der Einfache.

Schnitttechnisch gibt es für den doppellagigen Rock eine einfache und zudem praktische Möglichkeit. Ein gutes Resultat bekommt man, wenn man einen eisenzeitlichen Peplos, wie er aus Huldemose bekannt ist (Thiel 1997: 7, 81; Marx, Meier 1990: 457)(Abb.10a), statt ihn zu gürten und auf den Schultern zu fibeln, nur zu gürten und das „Oberteil“ offen als zweite Rocklage über dem ursprünglichen Rockteil zu tragen (Abb. 10b). Für den schematischen Schnitt hab ich die Maße des Peplos von Huldremose verwendet. Der Peplos ist 264 cm weit und hat eine Länge von 188 cm (Marx, Meier 1990: 457). Die Trägerin hat eine angenommene Körpergröße von 1,60 m. Durch den Über-

Abb. 10: Peplos (a: Peplos von Huldremose nach Thiel 1997: 81, Abb.152; b: Schnittschema und Zeichnung: H. Mautendorfer; c: Trageweise: Foto © H. Mautendorfer).

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schlag ist der Stoff weit größer als die Trägerin, so dass wenn sie das Oberteil lose über den Rock trägt, dieser als Rock mit doppelter Seitenlänge getragen werden kann. Das Foto (Abb. 10c) gibt eine Vorstellung, wie das getragen aussieht. Die Maße des Kleides sind an meine Körpergröße angepasst. Man sieht am Foto deutlich, dass es bei der Taille die gleiche Rundung ergibt wie bei der Zeichnung. Allerdings wirkt der Rock auf der Zeichnung viel weiter, ähnlich wie Kleider aus dem zweiten Rokoko (damals wurden aber Reifröcke getragen um diese Silhouette zu halten). Möglicherweise wollte der Zeichner die Weite des Rockes hervorheben, oder evt. eine Bewegung, denn bei einer Drehung würde der Rock die dargestellte Form haben.

Zusammenfassung Obwohl die Zeichnungen auf der Soproner Keramik ziemlich abstrakt sind, scheint es doch so dass nicht nur die graphische Ausgestaltung, sondern auch die Form Informationen zu den jeweiligen Gewändern enthalten. Auffällig ist, dass das dreieckige Kleidungsstück eine Vielzahl an Gewandformen zulässt. Im Gegensatz dazu kann man die möglichen Gewänder der glockenförmigen Figur eher eingrenzen. Die Interpretationen liefern uns weitere Möglichkeiten, bzw. grenzen vorhandene Möglichkeiten weiter ein, um uns ein Bild über die damals getragene Kleidung zu machen. Sicher werden wir das erst genauer wissen wenn wir Originalgewänder finden.

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Diskussion Martin Trachsel Weitere Denkansätze bieten sich an: Eine unten aufgesetzte Borte kann z.B. durch versteifende Wirkung den Fall des Kleidungsstückes verändern; Es ist möglich, dass nicht die ruhende Silhouette des Kleidungsstücks dargestellt werden soll, sondern die Bewegung der Figur (rasche Drehung bauscht die Röcke). Helga Mautendorfer Hält es für wahrscheinlicher dass tatsächlich verschiedene Kleidungsstücke dargestellt sind, weil der gezeichnete unterschiedliche Fall durch unterschiedliche Schnitttechniken zu erreichen ist. Martin Trachsel Es könnte aber auch nur auf einen anderen Zeichner mit eigenem Stil zurückzuführen sein. Helga Mautendorfer Auch diese Möglichkeit besteht. David Stifter Was trägt die Figur mit der schmalen Silhouette und den dünnen Armen? Helga Mautendorfer Für eine begründete Aussage sind zu wenig Details dargestellt. Es könnte nur eine Änderung in der Perspektive gezeichnet worden sein oder ein gegürtetes Gewand mit separatem Oberteil. Jana Esther Fries Die Figuren sind nicht naturalistisch dargestellt. Bezweifelt, ob die Zeichner tatsächlich auf die getragenen Textilien Rücksicht nehmen. Helga Mautendorfer Die Wahl die Personen in Form von Dreiecken gegenüber skizzenhaften Strichmännchen darzustellen ist eher mit Absicht getroffen worden. Die Zeichner unterscheiden nackte und bekleidete Personen. Clemens Eibner Die geometrische Form des Dreieckes ist in vielen Bereichen vorhanden. Es gibt auch Abbildungen, die als andere Kleidungsstücke wie z.B. Hosen gedeutet werden können. Das Schneiderhandwerk hat eine lange Tradition (mindestens seit „Ötzi“). Das Dreieck hat eventuell mehr Bedeutung als nur einen Hinweis auf den Kleidungsschnitt zu beinhalten. Bezüglich der Glockenröcke ist die Interpretation als Darstellung der Drehbewegung vorzuziehen, weil die gesamte Szene als Tanz gedeutet wird.

dungsinformation hinaus gehen. Viele mögliche Deutungen wurden noch nicht angesprochen. Die Gestaltung der Flächen erweitert den ursprünglichen Inhalt und deutet hier eventuell Textilien an. Clemens Eibner Es gibt eine Zusammenstellung dreieckiger Körper von Dobiat. Das Dreieck kann auch nur ein Symbol sein, dessen Bedeutung wir nicht (mehr) verstehen. Erzsébet Jerem Der Befund von Haus 9 am Burgstallberg in Sopron enthielt eine große Anzahl von verschiedenen Werkzeugen zur Textilverarbeitung. Auch unter den Gräbern sind Frauenbestattungen mit vielen Spinnwirteln. Ein Webstuhl konnte inzwischen rekonstruiert werden. Dazu sei die Ausstellung zur Textilverarbeitung in Sopron zu empfehlen. Die Auswertung ist noch nicht abgeschlossen.Trotzdem zeigt sich, dass es sich bei Sopron nicht nur um ein Keramikzentrum handelte, sondern auch die Textilverarbeitung bedeutend war. Gabriele Albers Schlägt vor, nicht nach realistischen Abbildungen zu suchen, weil vielleicht nur wesentliche Aspekte wiedergegeben sind. Beispiele: langer Rock, kurzer Rock könnte ein Hinweis auf Alter oder Status sein; Glockenrock betont die Stoffmenge, die eine Bedeutung haben kann. Julia Koch Ist skeptisch inwieweit Details herausarbeitbar sind. Ein weiterer Aspekt zur Bedeutung von Tanz ist im Schmuck zu finden. Fußringe unter langen Röcken und Klapperbleche kommen beim Tanzen besonders zur Geltung. Eventuell kann dieser Gedanke auf die Kleidung ausgeweitet werden. Alexandrine Eibner Die Frage ist:Was ist dargestellt? Es kann nicht nur ein Detail untersucht werden, sondern das Gesamtkonzept im Zusammenhang. Zusätzlich zu den Ritzzeichnungen sollten auch die anderen Darstellungen wie z.B. Graphitmalereien herangezogen werden. Unterschiedliche Motivteile können nebeneinandergestellt werden. Weist nochmals darauf hin, dass die Füllung der gezeichneten Flächen als Hinweis auf die Kleidung gedeutet wird. Katharina Rebay Die einzelne Person hat keine unbegrenzte Anzahl von Gewändern zur Verfügung. Möglicherweise sind hier jeweils Individuen durch die Darstellung in ihren persönlichen Kleidern kenntlich gemacht, nicht jeweils neutrale Personen eines bestimmten Alters/Status/Geschlechts.

Helga Mautendorfer Der Informationsgehalt der dargestellten Dreiecke kann über die Klei-

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Helga Mautendorfer Alle Möglichkeiten sind zu berücksichtigen. Derzeit werden einzelne Ideen gelistet, zusammengeführt und sollen dann gruppiert und diskutiert werden. Kerstin Kowarik Die bisherige Diskussion ging immer in Richtung Symbolik hinter der Darstellung.Wieso denkt der Wissenschafter zuerst daran? Die vorgestellte Studie stellt einen spannenden neuen Aspekt dar, indem sie eine pragmatische Erklärung anbietet. Reinhard Eisner Gibt es Anhaltspunkte für Wickelröcke (als einfachste Form des Rockes überhaupt)? Helga Mautendorfer Die bekannten bronzezeitlichen Röcke sind von ebendieser Machart: gefaltet und gegürtet. Anmerkung: Um warm zu sein und gleichzeitig weit genug, um damit gehen zu können, muss sehr viel Stoff verarbeitet werden. Dadurch wird das Kleidungsstück schwer, unhandlich und an der Gürtung relativ „dick“. Dies ist eher unpraktisch. Alexandrine Eibner Dass Untergewänder fehlen ist nicht überraschend. Z.B. im ländlichen Bereich wurden bis ins 19. Jh. keine Untergewänder getragen.

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Zusammenfassung der Diskussion Der Vortrag wird zum Anlass genommen, weitere Interpretationsmöglichkeiten vorzuschlagen: Die Zeichnungen könnten sich nicht auf den Schnitt der Kleidung sondern auf die damit vollführte Bewegung beziehen – eine rasche Drehung bauscht den Rock. Die Darstellungen derart Tanzender bieten auch eine zusätzliche Erklärung für Fußgelenkschmuck und Schmuck mit Klapperblechen, der dann besonders gut zur Geltung kommt. Bei den Dreiecken kann es sich auch nur um Symbole handeln, da sie ja nicht nur bei anthropomorphen Figuren auftreten. Die Art der Füllung der Flächen könnte auf die Textur oder das Muster des Stoffes hinweisen. Bei den unterschiedlichen Figuren kann es sich um individuelle Stile verschiedener Künstler handeln. Die vielfältigen Silhouetten können auf unterschiedliche Perspektiven hinweisen. Möglicherweise handelt es sich nicht um eine rein realistische Wiedergabe von bekleideten Personen, sondern sind auch Hinweise auf Alter/Geschlecht/Status/Funktion in die Darstellungen integriert. Die Notwendigkeit, andere Aspekte wie Tragekomfort, nötige Stoffmenge, schützende und wärmende Wirkung, Materialbeschaffenheit, etc. in die Interpretation prähistorischer Mode und Schneiderkunst einzubeziehen, wird hervorgehoben. Es wird angemerkt, dass im Vortrag über die Studie zu den Röcken/Kleidern aus den Ritzzeichnungen auf Tongefäßen die mit Hosen bekleideten Personen und die Graphitmalereien nicht untersucht worden sind; dass bis ins 19. Jh. in bäuerlichen Gesellschaften keine Unterkleidung getragen wurde; sowie dass in Sopron ein Haus mit einer besonders großen Zahl von Spinnwirteln dokumentiert ist.

Die Hose von Thorsberg – ein Meisterwerk eisenzeitlicher Schneiderkunst Katrin Kania

Zusammenfassung Die sogenannte Thorsberg-Hose, eine Hose mit angeschnittenen Füßlingen aus dem 3. oder 4. Jahrhundert unserer Zeitrechnung, diente als Grundlage für ein Experiment zur Konstruktionsweise und zu den Trageeigenschaften einer solchen Hose. Für die Analyse und die Rekonstruktion diente die Publikation der Hose von Schlabow als Grundlage. Bereits in einem Vorversuch stellte sich heraus, dass der Schnitt der Hose einen sehr körpernahen Sitz ermöglicht, da die Belastungslinien schräg zu Kette und Schuss des Stoffes verlaufen. In mehreren Schritten wurde die mögliche Herstellungsweise des Kleidungsstückes erschlossen, wobei rekonstruierte Vorgehensweisen verwendet werden. Diese unterscheiden sich grundlegend von der Technik moderner Schneiderei. Die reine Nähzeit der Hose war mit knapp 23 Stunden nicht sehr lang; das Resultat ist eine maßgeschneiderte, verblüffend enge Hose, durch deren Stoff sich sogar die Bewegung der Muskulatur abzeichnet.Trotzdem bleibt für den Träger eine Bewegungsfreiheit, die Reiten, Kämpfen oder Rennen problemlos zulässt. Der/die eisenzeitliche Hersteller/in der Hose konnte nicht nur den komplizierten, vielteiligen Schnitt der Hose anpassen und zuschneiden, sondern hat auch Material und Nähtechnik perfekt darauf abgestimmt, um diese Funktionalität zu ermöglichen. Die Hose von Thorsberg gestattet uns damit einen neuen, überraschenden Einblick in die ausgereifte Schneiderkunst und die Mode der Eisenzeit.Waren Männerbeine, dargestellt in hautengen Hosen, ein erotisches Schaustück dieser Zeit?

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Abstract The trousers found in the swamp of Thorsberg, Northern Germany, served as the starting point for a reconstruction of sewing technique and pattern construction of that kind of trousers. This in turn allowed to recreate such trousers, made to measure, and to evaluate their properties and wearability. A first try to sew similar trousers already revealed a very smart basic concept of the pattern: all stress lines run on the bias of the fabric, thus using the natural elasticity of woven fabrics.This permits the cut of a very tight, fitted garment. Reconstruction of the possible production procedure took place in several steps and included multiple test runs to throw light on details of the pattern. For the recreation of the trousers, reconstructed tailoring techniques were employed; these are vastly different from modern tailoring procedures. The net time needed for sewing was a little under 23 hours; the finished trousers are made-to-measure, astonishingly tight leg covers that show the rippling of muscle through the fabric. However, it is still possible to move in those tight trousers, including the movements needed for horseriding, fighting or running. Not only did the iron age maker of these trousers know how to cut and assemble the complicated pattern of the garment, but also knew how to choose the best fabric, thread and sewing technique needed to accomplish this exceptional garment.The trousers from Thorsberg offers a new view on the advanced tailoring in the 3rd or 4th century A.D. and also on the fashion of that age.Were men’s legs, shown off in figure-hugging trousers, the erotic asset of those times?

Archäologische Textilfunde sind leider sehr selten – dies gilt ganz besonders für Funde, an denen noch der Schnitt und die Nähtechnik eines Kleidungsstückes abzulesen sind. Ein Glücksfall in dieser Hinsicht ist die sogenannte „Hose von Thorsberg“, die Mitte des 19. Jahrhunderts als Teil eines größeren Fundkomplexes im Moor von Thorsberg, Süderbrarup, geborgen wurde. Die Hose wurde 1979 von Karl Schlabow im Rahmen seiner Arbeit über Textilfunde der Eisenzeit untersucht und publiziert (Schlabow 1976: bes. 23, 77, Abb. 162-168). Der Stoff der Hose, ein Rautenköper, ist mit etwa 14 Fäden pro Zentimeter in Kette und Schuss als fein zu bezeichnen. (Die Einteilung erfolgt nach Tidow 2004: 148.) Komplexe Köperstoffe wie Rautenköper zeichnen sich durch eine besonders große Elastizität schräg zum Fadenlauf aus, sind für körpernahe Kleidung also sehr gut geeignet. Für die Analyse des Schnittes und die Rekonstruktion der Vorgehensweise bei der Anfertigung der Hose diente die Publikation von Schlabow als Grundlage.

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Leider handelt es sich bei den Schnittzeichnungen von Schlabow nicht um eine Qualität, die einer heute üblichen Schnittvermessung nach restauratorischen Vorgehensweisen entspricht. Es muss also davon ausgegangen werden, dass der Schnitt von Schlabow teilweise begradigt und verzerrt wiedergegeben wird. Kernstück des Hosenschnittes sind die beiden Beinteile, die vom Bund, vermutlich in Hüfthöhe oder etwas darüber, bis zu den Knöcheln reichen. Auffällig ist, dass beide Beinteile eine gerade Kante aufweisen, auf die eine zackig geformte Kante auf der anderen Seite des Beinteils trifft. Dieses Prinzip einer geraden Kante, die mit einer geformt geschnittenen Kante zusammengenäht wird, findet sich auch als Grundprinzip in der Schneiderei des Mittelalters. Am Gesäß sind die beiden Beinteile durch ein trapezförmiges Stoffteil verbunden, an das sich im Schritt ein kleineres Trapez anschließt. Auf der Vorderseite verbindet ein nach oben etwas schmalerer Streifen die beiden Beinteile. Den oberen Abschluss der gesamten Hose bildet ein Bundstreifen mit sechs aufgenähten Gürtelschlaufen.

Abb. 1: Schlabows Schnittzeichnung der Thorsberg-Hose (Schlabow 1976: Abb. 165)

Vom Knie abwärts bis zum Knöchel ist nur ein Bein der Hose vollständig erhalten. Dies ist in dem genannten Bereich nicht durch eine Naht verschlossen, sondern mit vier Paaren von Bindekordeln versehen. Am unteren Rand befindet sich ein schmaler Stoffstreifen, über den das Beinteil mit einem Füßling verbunden ist. Der Füßling besteht aus einem größeren, etwa v-förmigen Stoffteil und einem rautenförmigen Sohlenkeil (Abb. 1). Sämtliche Verbindungen sind mit einem Nähzwirn aus Wolle in der sogenannten „Thorsberg-Naht“ genäht. Diese spezielle Nahtvariante erfasst nicht, wie eine normale Blindnaht, zwei Stoffschichten, sondern vier Schichten auf einmal (Abb. 2). Dadurch wird die Naht sehr viel belastbarer. Schlabow bezeichnet die Hose, den Maßen nach, als „eng anschließende Hose für einen Jüngling“ (Schla-

bow 1976: 77). Ein Ziel meiner Untersuchung war es, herauszufinden, ob es sich tatsächlich um eine enge Hose für einen Mann gehandelt hat. Hauptsächlich galt meine Beschäftigung allerdings der Frage, wie eine derartige Hose in der Eisenzeit angefertigt wurde. Die Untersuchung von Artefakten aus früherer Zeit kann in verschiedene Bereiche gegliedert werden, die

Abb. 2: Schematische Zeichnung der Thorsberg-Naht: die umgeschlagenen Nahtzugaben werden zusätzlich erfasst, so dass der Nähfaden vier statt zwei Stofflagen zusammenhält (K. Kania)

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sich bereits durch die Herangehensweise an das Objekt unterscheiden. Zwei Bereiche davon sind die Analyse von Gebrauchsspuren sowie die Rekonstruktion der Herstellungstechnik. Die Analyse von ­Spuren der Abnutzung kann Einblicke in die Nutzungsart und Nutzungsdauer der Objekte geben, wohingegen die Untersuchung der Herstellungsweisen Einblick in ­Abläufe des Handwerks bieten kann. Für Experimente zum Gebrauch von Objekten ist es ­häufig, wenn auch nicht immer, ausreichend, das ­entsprechende Stück mit modernen Mitteln zu reproduzieren. Bei der ­Arbeit mit Kleidung ist dies leider nicht der Fall: hier haben die Herstellungsweise und die Wahl des Materials einen enormen Einfluss auf das Produkt und dessen Gebrauchsfähigkeit. Um Kleidung im Zusammenhang mit ihrer Her­ stellungstechnik rekonstruieren zu können, ist die Überprüfung durch ein Experiment nahezu unabdingbar. Der Rekonstruktionsvorgang besteht dabei aus mehreren Schritten, die teilweise theoretischer bzw. analytischer, teilweise experimenteller Natur sind. Erster Schritt ist die genaue Betrachtung von ­Kleidungsstück und Schnitt. Dies bedeutet, Informationen zu zahlreichen Punkten zu sammeln, die einen Einfluss auf das fertige Kleidungsstück haben: ­Material, Feinheit und Webart des Stoffes sowie ­eventuelle Nachbearbeitung (walken oder rauhen), Art und ­Material des Nähfadens, Stichtyp und Stichgröße in den Nähten, Vorhandensein und Art einer Ver­säuberung der Schnittkanten mit Stichtyp und Stichgröße, Art der Säume, Anzahl der zugeschnittenen Teile und deren Form sowie der Fadenlauf in den einzelnen Schnittteilen. Der Informationskatalog, der so zusammengestellt wurde, würde im Idealfall bereits eine genaue Reproduktion des originalen Kleidungsstückes ermöglichen. Leider fehlen in vielen Publikationen, auch in solchen, die speziell auf Kleidung ausgelegt sind, einige Angaben. Dabei handelt es sich häufig um Details, deren Fehlen normalerweise nicht auffällt, die für ein originalgetreues Nachnähen aber unbedingt notwendig sind. Auch bei der Thorsberg-Hose in Schlabows Publikation ist dies der Fall: Angaben zu Fadenlauf, Stichlänge und Versäuberung fehlen; Webkanten und Anfangskanten werden von Schlabow zwar erwähnt, ihre Lage ist aber aus seiner Zeichnung nicht abzu­

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lesen; schließlich ist der abgebildete Schnitt der Hose begradigt und schematisiert. Zweiter Schritt ist die Vorbereitung für einen ­Vorversuch. Der Schnitt eines Kleidungsstückes ist zweidimensional, während das fertige Kleidungsstück selbst ein dreidimensionales Objekt darstellt. Um ein Kleidungsstück zu verstehen, muss man sich daher klar werden, wie die zweidimensionalen Stücke Stoff zu dem Gewand zusammengesetzt werden. Dies mag ­banal klingen, ist aber bei Objekten wie der ThorsbergHose durchaus komplex. Im Fall der Thorsberg-Hose wurde die Schnittzeichnung von Schlabow kopiert, die einzelnen Teile ausgeschnitten und mit Klebstreifen zu einem Papiermodell zusammengesetzt. Bevor die ursprüngliche Herstellungstechnik rekon­ struiert werden kann, muss das Kleidungsstück im dritten Schritt in seinen Eigenschaften erfasst werden. Dies geschieht am einfachsten, indem das Stück ­einmal nachgenäht wird – auf der Grundlage des überlieferten, hochskalierten Schnittmusters. Dabei ist, wenn möglich, der Schnitt in seinen Proportionen zu erhalten. Das im vorherigen Schritt erworbene Verständnis des Schnittes ist nun notwendig, um den Schnitt auf die richtige Größe zu skalieren. Dabei wird entweder der Schnitt in Originalgröße auf Papier aufgezeichnet und dann auf den Stoff übertragen, wie auch in der heutigen Schneiderei üblich, oder er wird direkt auf den Stoff gezeichnet. Für die Thorsberg-Hose wurde ein Papierschnitt ­erstellt, der dann auf einen Wollstoff übertragen wurde. Dabei handelte es sich um einen Fischgrätköper, der in Feinheit und Qualität etwa dem Stoff des end­ gültigen Rekonstruktionsversuches entspricht. ­Danach wurden alle Teile zugeschnitten und zu ­ einer Hose ­zusammengenäht. Aus dieser Hose, dem ­Vorversuch, konnten bereits zahlreiche wertvolle Erfahrungen ­gewonnen werden. Der wohl wichtigste Punkt ist die Feststellung, dass bei der Thorsberg-Hose sämtliche Belastungslinien schräg zum Fadenlauf liegen. Das bedeutet, dass sich der Köperstoff an all jenen Stellen maximal elastisch dehnen kann, an denen er bei Bewegung belastet wird. Diese Tatsache ermöglicht es wiederum, die Hose sehr körpernah zuzuschneiden, ohne eine Einschränkung im Bewegungsradius hinnehmen zu müssen – eine Unterstützung von Schlabows These, die Hose sei eng­

anliegend gewesen, und gleichzeitig eine Erklärung für den komplizierten Schnitt der Beinteile. Die Konstruktion des Fußteils bereitete dabei allerdings einige Bedenken. Schlabow schreibt: „Der Zuschnitt dieser Füßlinge scheint aber noch nicht geglückt zu sein, da die Naht direkt unter dem Fuß zu sitzen kommt.“ (Schlabow 1976: 77). Trotz der Befürchtung, der Fußteil würde nahezu untragbar werden, wurde für den Vorversuch der angegebene Schnitt verwendet, allerdings begradigt, also nicht so asymmetrisch wie von Schlabow gezeichnet, und in einem Stück statt in zweien zugeschnitten. Die Naht des fertigen Fußteils verlief in der Mitte des Fußballens unter dem Fuß und dann schräg aus dem Gewölbe des Fußes nach außen, also vollständig unter Stellen, an denen ein gesunder Fuß wenig oder gar nicht belastet wird. Auch die zweite, im Vorversuch ausgelassene, Nahtlinie verläuft unter dem Fußgewölbe und dann an einer Stelle nach außen, die kaum belastet wird. Weniger zufriedenstellend war allerdings der Bund, der viel zu weit geraten war. Grund dafür war der fehlerhafte Zuschnitt des Gesäßteils und des Streifens vorne, die beide am oberen Rand zu breit bemessen wurden; das Gesäßteil entspricht mehr einem Quadrat als einem Trapez. Ein für experimentelle Archäologie geradezu klassischer Fehler ist bei der Fertigung der Hose ebenfalls unterlaufen – verursacht von der tief verwurzelten Überzeugung, dass moderne Menschen mit ihren Hunderten von Jahren an Wissensvorsprung ohnehin schlauer sind als ihre Vorgänger. Anstatt der uns damals seltsam und überflüssig erscheinenden ThorsbergNaht ist die Hose nur mit einer einfachen Blindnaht gefertigt. Die Hose riss bei einem Spaziergang in der Alpenregion beim Bergaufgehen im Schritt auf. Dabei war nicht der Nähfaden das nachgebende Element, sondern der Stoff, der an der entsprechenden Stelle zu schwach gewesen war. Die Thorsberg-Naht, die vier Schichten Stoff erfasst, hätte dieses Malheur verhindert oder zumindest sehr deutlich verzögert. Die nach dem publizierten,skalierten Schnitt nachgenähte Hose kann nun in Trageversuchen Erkenntnisse über den Sinn des Schnittes, die Trageeigenschaften und die – mehr oder weniger gute – Passform bieten.Wie gut das Kleidungsstück passt, ist letzten Endes Glückssache, denn es hängt vollständig davon ab, wie

sehr sich der ursprüngliche Träger und der Träger des nachgefertigten Stückes in Körperform und Proportion gleichen. Trageversuche und Auswerten der Informationen und Erkenntnisse, die sich dabei ergeben, stellen den vierten Schritt dar. Diese Phase mag als verzichtbar erscheinen, trägt aber entscheidend dazu bei, Funktion und Eigenschaften eines Kleidungsstückes zu verstehen. Es hat sich als sinnvoll erwiesen, die Trageversuche in einer Umgebung und bei Tätigkeiten durchzuführen, in denen die Kleidung mutmaßlich eingesetzt wurde. Als fünfter und letzter Schritt kann nun versucht werden, die ursprünglichen Vorgänge bei der Herstellung des Gewandes zu rekonstruieren. Bei moderner Schneiderei ist die Erstellung des Schnittes ein komplizierter Vorgang. Der Kunde wird ausführlich vermessen. Dann wird mit den Maßen unter Zuhilfenahme eines Schnittsystems der Schnitt auf Papier auskonstruiert. Der fertige Papierschnitt wird dann auf den Stoff übertragen. Die einzelnen Teile des Kleidungsstückes werden alle gleichzeitig zugeschnitten und zusammengeheftet, also mit einer vorläufigen Naht verbunden. Dann folgt die erste Anprobe und die Korrektur des Kleidungsstückes. Theoretisch ist das Schnittsystem so exakt und sind alle Maße so genau genommen und so präzise weiterverarbeitet, dass das Kleidungsstück auf Anhieb passt. Da aber gerade am Körper eine gewisse Messungenauigkeit leicht vorkommt und Menschen niemals perfekt und symmetrisch proportioniert sind, ist ein Anprobieren mit Nachkorrektur unumgänglich. Für mittelalterliche und frühere Schneiderei müssen wir von völlig anderen Vorgehensweisen ausgehen. Das Erstellen eines Papierschnittes scheidet für die Eisenzeit – mangels billigen, großformatigen Papiers – sicherlich aus.   Auch Berechnungen anhand von Schnittsystemen und Schnittmusterbüchern sind als Vorgehensweise extrem unwahrscheinlich. Auch die frühesten erhaltenen sogenannten Schnittmusterbücher aus dem 16. Jahrhundert (z.B. de Alcega 1589) stellen mehr eine Anleitung zur ökonomischen Aufteilung des eingekauften Stoffes für die zu schneidernde Kleidung dar als tatsächliche Schnittmuster. Bei der Analyse alter Kleidungsschnitte fällt auf, dass die einzelnen Teile der Schnitte sehr stark auf geometrischen Grundformen basieren – auf Dreiecken,

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Trapezen und Rechtecken. Die Abweichungen von diesen Grundformen sind verhältnismäßig gering, was einen geringen Verschnitt bedeutet. Wenig oder sogar kein Verschnitt bedeutet die bestmögliche Ausnutzung der bereits erbrachten hohen Arbeitsleistung für die Anfertigung des Stoffes – Faservorbereitung, Spinnen,Weben und eventuell Färben sowie Nachbehandlung. Weiterhin ist ein wiederkehrendes Prinzip beim Zuschnitt, eine gerade Kante in den Fadenlauf zu legen und die Anpassungen an die Körperform über die Form der gegenüberliegenden Kante zu erreichen. Das ermöglicht wiederum besseres Ausnutzen des Stoffes und eine höhere Belastbarkeit des Kleidungsstückes, da durch die belastbare Kante im Fadenlauf die weniger feste formgeschnittene Kante deutlich stabilisiert wird. Gleichzeitig bedeutet ein Zuschnitt in dieser Art, dass klassische Belastungslinien im Kleidungsstück schräg im Fadensystem verlaufen. An der geraden Kante können auch Webkanten Verwendung finden, die im Gegensatz zu Schnittkanten nicht versäubert werden müssen und damit Arbeit bei der Anfertigung des Kleidungsstückes sparen. Zudem ist die Webkante besonders stabil und erhöht somit nochmals die Widerstandsfähigkeit des Kleidungsteils. Schließlich lässt sich an alter Kleidung eine Asymmetrie feststellen, die sicherlich auch mit der Fertigungsweise zu tun hat. Die moderne Schnitterstellung geht grundsätzlich von einer vollständigen Symme­trie aus und verändert die Schnitte nur bei deutlichen Abweichungen hin zu körpernahen Maßen. Vollkommene Symmetrie des menschlichen Körpers liegt allerdings niemals vor. Für die Schneiderei des Mittelalters konnte ich eine Vorgehensweise zur Herstellung rekonstruieren, die sich von der modernen Maßschneiderei durch und durch unterscheidet. Die Rekonstruktion dieser Vorgehensweise beruht auf drei Grundvoraussetzungen: Es wurden keinerlei Papierschnitte verwendet; es fand keine komplizierte Berechnung statt; sämtliche Maße können auch ohne ein designiertes Maßband mit einer Maßeinteilung genommen werden. Letzteres wiederum bedeutet, dass abgenommene Längen halbiert, geviertelt, geachtelt oder gedrittelt werden können, bestimmte Bruchteile wie 3/10 oder x Prozent einer Länge für die Konstruktion aber ausfallen, da deren Ermittlung zu komplex wäre. Als Grundlage für

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Abb. 3: Schematische Zeichnung mittelalterlicher Beinlinge, basierend auf den Beinlingen des Bockstensmannes. Innerhalb der dunklen Umrisslinie sind heller die Maßlinien für den Zuschnitt angetragen (Zeichnung nach Nockert 1997: 70).

die Konstruktion verbleibt vor allem der Stoff selbst: da die beiden Systeme Kette und Schuss an jeder Stelle des Stoffes in einem 90°-Winkel zueinander stehen, können an jeder beliebigen Stelle des Gewebes gerade Linien, rechte Winkel und Parallelen gezeichnet oder geschnitten werden. Bei ungleich langen Parallelen ergeben sich von selbst eindeutige schräge Linien. So gibt der Stoff selbst ein rechtwinkliges, quasi beliebig enges Raster vor, auf dem die abgenommenen Maße aufgetragen werden können. Die geraden Linien werden ergänzt durch Kurven, die entweder freihand oder mit Hilfe von Körperteilen wie Händen und Füßen

als Kurvenlineal gezogen werden können. (Zur Verwendung dieser „natürlichen Kurvenlineale“ vgl. Arnold 1976: 80f. ) Bei meinen Versuchen hat sich als sinnvoll erwiesen, die einzelnen Teile nicht wie heute üblich alle gleichzeitig zuzuschneiden, sondern in einer Art „Sinngruppen“ nacheinander. Bei einem Kleid beispielsweise bilden das rechteckige Vorder- und Rückenteil zusammen die erste Sinngruppe, die nächste Sinngruppe stellen die häufig mehrteiligen Ärmel dar, schließlich besteht die dritte Gruppe aus den ergänzenden Keilen. Die Teile werden bei Bedarf mit etwas mehr Zugabe zugeschnitten und erhalten ihre endgültige Passform nach einer Anprobe mit wenigen Heftnähten direkt am Körper. Dabei entsteht die charakteristische Asymmetrie der frühen Kleidung ganz von selbst: hauptsächlich durch die natürliche leichte Ungleichmäßigkeit des menschlichen Körpers, zu einem kleinen Teil aber auch dadurch, dass stets eine Seite zuerst markiert, gesteckt oder angepasst wird. Beim Anfertigen der Kleidung bietet es sich an, modular aufzubauen. Ist die erste „Sinngruppe“ des Kleidungsstückes fertig angepasst, so kann direkt am Körper abgemessen werden, wie groß die nächsten, anschließenden oder verbindenden Teile sein müssen. Durch diese Vorgehensweise kann der Stoff bestmöglich ausgenutzt werden. Für die Rekonstruktion der Thorsberg-Hose bin ich davon ausgegangen, dass diese für mittelalterliche Kleidung rekonstruierten Herangehensweisen bereits in der Eisenzeit verwendet wurden. Als Grundlage für die Reihenfolge und Art der Vorgehensweise habe ich mittelalterliche Beinlinge herangezogen, die deutlich simpler in Schnitt und Herstellung sind. Bei Beinlingen handelt es sich um eine Beinbekleidung, die häufig mit angenähten Füßlingen versehen ist. Sie werden aus Stoff genäht und reichen bis zu einer Stelle zwischen Knie und Hüfte. Die obere Kante der Beinlinge wird mit einem Band oder einer Schnur an einem Gürtel befestigt. Diese Kleidungsstücke lassen sich mit nur wenigen Maßen nach einem einfachen Schema auf den Stoff aufzeichnen. Benötigt werden für die Beinteile, die erste Sinngruppe des Schnittes, nur drei Maße: die gewünschte Länge, vom Boden aus gemessen (beispielsweise bis zur Mitte des Oberschenkels), der Umfang des Oberschenkels an der oberen Kante

und der Umfang vom Rist über die Ferse zum Rist gemessen (der sogenannte Durchstieg). Beim Aufzeichnen auf den Stoff wird die gewünschte Länge schräg zum Fadenlauf eingezeichnet, die beiden anderen Maße liegen im rechten Winkel zur ersten Linie. Dadurch ist der ganze Beinling an den Belastungslinien beim Tragen dehnbar. (Abb. 3) In einer zweiten Sinngruppe werden die Füßlinge zugeschnitten und genäht; notwendige Maße hierfür sind der Fußumfang am Ballen und die Ristlänge (Länge Knöchel bis große Zehe auf dem Fußrücken), sowie in einigen Fällen der Sohlenumriss des Fußes. Die Erfahrungen mit diesem ersten Modell ließen mich vermuten, dass es möglich sein müsste, die Hose noch enger zu nähen. Aus zeitlichen und finanziellen Gründen fand als Hosenstoff ein maschinell gewebter Fischgratköper Verwendung (technische Daten: Fischgratköper 2/2, Fadenzahl Kette 17, Schuss 13 Fäden pro Zentimeter), als Nähfaden ein mit Bienenwachs gewachster Leinenzwirn. Genäht wurde mit sehr engen Vorstichen („stab stitches“, vgl. Abb. 4). Die Konstruktion der Beinteile fand ausgehend von einer Grundlinie statt. Im rechten Winkel zur Grundlinie (Länge des Beines vom Boden bis zur Bundhöhe etwas oberhalb des Beckenkamms) wurden die Maße für den Durchschlupf unten und die Breite des Beinteils oben angetragen. Dann wurden weitere Maße im rechten Winkel zur Grundlinie angetragen: in Höhe des Schrittes der größte Oberschenkelumfang,  in Höhe der Kniekehle und in Höhe der umfangreichsten Stelle der Wade der jeweilige Umfang. Die so gefundenen Punkte wurden mit einer Linie verbunden; der oberste Teil (ab Oberschenkelumfang aufwärts) nach Augenmaß und dem Vorbild des Schlabow’schen Schnittes gezeichnet (Abb. 5). Das Beinteil wurde mit rundum ca. einem Zentimeter Nahtzugabe ausgeschnitten. Beide Beinteile wurden im Bereich des

Abb. 4: “Stab stitches“: enge Vorstiche, bei denen diagonal durch den Stoff gestochen wird, so dass auf der Vorder- und Rückseite eine geschlossene Reihe an Stichen entsteht. Die fertige Naht ähnelt stark einer modernen Maschinennaht, ist aber wesentlich stabiler (K. Kania).

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Abb. 5: Konstruktion der Beinteile. Die Nummerierung gibt die Reihenfolge an, in der die einzelnen Maßlinien angetragen wurden. Die gestrichelte Linie stellt den fertigen Umriss dar (K. Kania)

Oberschenkels, also vom Knie bis zum Schritt, geheftet und nach einer Anprobe mit der Thorsberg-Naht genäht. Als nächster Schritt musste die Größe des Trapezteils im Gesäß ermittelt werden. Dies geschah bei einer weiteren Anprobe, bei der in Bundhöhe der Abstand zwischen den korrekt sitzenden Beinteilen abgemessen wurde. Die restlichen Seitenlängen des Trapezes können ebenfalls bei dieser Anprobe abgemessen werden. Bei der Maßermittlung fand durchgehend ein Vergleich mit dem Schnitt nach Schlabow statt, um möglichst ähnliche Maße und Proportionen zu erhalten. Das kleinere Trapez für den Schritt basiert zum größten Teil auf den Proportionen, die sich aus dem Schnitt nach Schlabow errechnen: etwa die Hälfte der unteren Breite des Trapezes teilt sich auf die beiden

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lappenartigen Fortsätze der Beinteile auf, der Rest der Breite wird durch die breitere Seite des kleinen Trapezes eingenommen. Länge und obere Breite sollten sich von selbst ergeben, wenn das große Trapez hinten und der schmale Streifen vorne eingenäht wurden. Die notwendigen Maße für den vorderen Streifen müssten sich ebenfalls in der Anprobe für das Gesäßteil abnehmen lassen; der Streifen schließt die Hose vorne bis zum Schritt. Bei der hier beschriebenen Anfertigung der Hose wurde die Größe des kleinen Trapezes allerdings nach den publizierten Proportionen gewählt und der vordere Streifen danach eingesetzt. Der nächste Schritt ist die Anbringung von im Fadenlauf geschnittenen Stoffstreifen am Bund und am unteren Abschluss jeden Beines. Dabei wird „überschüssiger“ Stoff an Bund und Knöchel abgeschnitten, wodurch sich die obere und untere Kante des Beinteils von selbst ergeben. Am Knöchel entsteht dabei eine vförmige Schnittlinie; die untere Kante des getragenen Beinteils verläuft dabei jeweils vom Rist zur Mitte der Ferse. Wie der Streifen für den Bund genau angesetzt wurde, ließ sich der Publikation leider nicht entnehmen, die Ausführung in der nachgenähten Hose ist also geraten. Der Zuschnitt der Füßlinge gestaltete sich deutlich schwieriger als erwartet. Der von Schlabow publizierte Schnitt zeigt den Füßling als asymmetrisch zugeschnitten. Um möglichst nahe an diesem Schnitt zu bleiben, ging ich also zunächst davon aus, dass der originale Füßling asymmetrisch zugeschnitten war. Mehrere Versuche, diesen Schnitt nachzubilden, ergaben jedoch keine befriedigenden Ergebnisse: einerseits war die Konstruktion mit den verschiedenen Längenmaßen aufwendig und häufig auch nicht geometrisch eindeutig, andererseits hatten die hergestellten Probefüßlinge keinen guten Sitz – die Nähte zogen sich schräg über den Fuß, und der Fersenteil befand sich schräg seitlich statt mittig über der Ferse. Ein Vergleich mit dem funktionierenden Schnitt des Vorversuch-Füßlings ergab, dass dieser Füßling streng symmetrisch und mit einem etwas vereinfachten Schnitt hergestellt war. Daraufhin wurde ein Probeschnitt mit einer einfacheren Vorgehensweise auf den Stoff konstruiert. Die beiden Maße Fußlänge vom Rist bis zur großen Zehe und Umfang des Ballens wurden im rechten Winkel zueinander auf den Stoff gezeich-

Abb. 6: Konstruktion des Fußteils. Die Nummerierung gibt die Reihenfolge der Maßlinien an (K. Kania)

net; die Position der Linie für den Ballen auf der Ristlinie entspricht dabei der Stelle am Fuß. Die Verbindung der Endpunkte der Ballenlinie zur „Zehenspitze“ auf der Ristlinie ergab den vorderen Teil des Füßlings; dabei wurde die Ristlinie um etwa einen Zentimeter nach vorne verlängert, um im spitz zulaufenden Fußteil noch genügend Platz für die Zehen des Trägers zu haben. Parallel zur Ristlinie wurde nun das Maß vom Ballen bis zur Mitte der Ferse angetragen, was die geraden Seiten des Schnittes ergab. Die Oberkante des Füßlings ergab sich nun von selbst durch die Verbindung der Endpunkte dieser Linien mit dem Endpunkt der Ristlinie. Abgesehen von der Symmetrie und den ebenfalls veränderten Winkeln im rekonstruierten Schnitt unterschied er sich jetzt noch im Fersenbereich des Füßlings vom Schlabow’schen Schnitt: letzterer zeigt hier eine deutliche Abschrägung im Vergleich zur Spitze des rekonstruierten Schnittes. Dieses Problem löste sich jedoch zwanglos bei der Fertigstellung des Probeschnittes.Wird der rautenförmige Fersenkeil einfach auf den Füßling mit spitzen Fersenenden aufgenäht, ist der Füßling im Fersenbereich deutlich zu weit. Für einen guten, körpernahen Sitz des Füßlings über der Ferse müssen die Spitzen abgeschnitten werden, so dass sich wiederum eine Schräge wie bei Schlabow ergibt (Abb. 6). Die zugeschnittenen Oberteile der Füßlinge wurden

von der Spitze ausgehend bis zur Ballenlinie zusammengenäht und dann mit der Oberkante an das Knöchelband genäht. Bei einer Anprobe werden die Maße des Fersenkeils ermittelt: die maximale Breite des Fersenkeils ist das Lot von der Schnittkante des Füßlings über den Auflagepunkt der Ferse auf dem Boden hinten und weiter zur Schnittkante des Füßlings auf der gegenüberliegenden Seite. Die Länge des Keils hinten bis zur breitesten Stelle kann direkt ermittelt werden: ausgehend von der hinteren Naht des Knöchelbandes, wo auch die Spitzen des Füßlingoberteils zusammentreffen, wird der Schnittkante entlang bis zur eben ermittelten Stelle an der Schnittkante gemessen. Nach dem Einnähen des hinteren Teils der Fersenkeile ergeben sich Länge und Winkel des vorderen Teils beim Einnähen ganz von selbst. Als letzter Schritt musste während einer Anprobe die Position der Schnürbänder an der Wade bestimmt werden; gleichzeitig konnte der Saumverlauf entlang der Wade angezeichnet werden. Nach Vollendung dieser Arbeit war die Hose fertig. Um die Schnittkanten des Stoffes vor dem Ausfransen zu bewahren, müssen die Kanten, besonders bei Belastung der Nähte wie bei der Thorsberg-Hose, versäubert werden. Dies kann mit unterschiedlichen Stichen und Vorgehensweisen durchgeführt werden. Für die Thorsberg-Hose direkt wird von Schlabow keine Versäuberung angegeben, er bildet jedoch für den Thorsberg-Kittel, der mit der gleichen Naht und aus ähnlichem Stoff hergestellt ist, eine Versäuberung der einzelnen Nahtzugaben mit Schlingstichen ab (Schlabow 1976: 70, Abb. 141f.). Entsprechend wurden auch die Kanten bei der nachgenähten ThorsbergHose versäubert. Die fertige Hose ist an den Beinen so eng, dass sich das Spiel der Muskeln bei normaler Bewegung durch den Stoff hindurch abzeichnet. Gleichzeitig ermöglicht der Schnitt der Hose volle Bewegungsfreiheit: tiefe Hocke und Grätsche sowie Ausfallschritt sind ohne Probleme möglich (Abb. 7). Auch der Raum im Schritt der Hose ist großzügig genug bemessen, um die männlichen Genitalia nicht einzuengen – möglicherweise ein Indiz dafür, dass es sich bei dem Stück tatsächlich um eine Männerhose handelt. Eine derartig enge Hose aus dem 3. oder 4. Jahrhundert ist im ersten Moment überraschend, beson-

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Abb. 7: Die rekonstruierte Thorsberg-Hose bietet dem Träger volle Bewegungsfreiheit bei erstaunlicher Enge (K. Kania).

ders mit der häufig gelesenen Aussage im Hinterkopf, dass zugeschnittene Kleidung im eigentlichen Sinne erst im späten Mittelalter aufkommt. Sicherlich wäre es möglich, die Thorsberg-Hose weiter zuzuschneiden und damit eine locker sitzende Hose zu erzeugen. Dagegen spricht aber die sorgfältige Abstimmung aller Details der Thorsberg-Hose auf die Voraussetzungen für ein hautenges Kleidungsstück. Dies beginnt bei der Wahl des Stoffes mit einem wollenen Rautenköper, also einer komplizierten Köperbindung mit besonders großer diagonaler Elastizität. Der ausgeklügelte, mehrteilige Schnitt ist nur dann notwendig, wenn tatsächlich Belastung auf den Stoff kommt, bei der die Elastizität von Stoff und Schnitt genutzt wird. Gleichermaßen macht die stabile Thorsberg-Naht eine solche Belastung auf Dauer tragbar. Der proportional weitere Schnitt der Hose im Schritt bewirkt bei einer engen Hose einen bequemen Sitz und volle Bewegungsfreiheit, bei einer weiten Hose wäre der zusätz-

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liche Raum in der Hose nicht notwendig. Für die Anfertigung der Hose wurden 22 Stunden 27 Minuten benötigt.Von dieser Zeit entfällt mit 54% der größte Teil auf das eigentliche Nähen der Hose, knapp ein Drittel der Zeit (32%) wurden für Säumarbeiten und Versäuberung benötigt, die restlichen 14% für den Zuschnitt, Heftarbeiten und das An­bringen der ­Wadenschnürung. Diese Zeiten sind ­allerdings nur ­grobe Anhaltspunkte. Die Anfertigung der ­ diversen Probeschnitte, Anprobezeiten und vor allem die Zeit, die für das Austüfteln des Schnittes an den komplexeren Stellen benötigt wurde, sind nicht in der Auflistung enthalten. Soweit sich von den Bildern der originalen Hose urteilen lässt, kommt die nachgenähte Version dem Original sehr nahe (vgl. Abb. 8). Geht man davon aus, dass ein/e geübte/r Schneider/in, der/dem die Anfertigung einer solchen Hose geläufig ist, für Vermessen und Erstellen des Schnittes nur wenig Zeit benötigte – beispielsweise ein bis zwei

Stunden – so ist es möglich, die Hose innerhalb ­einer relativ kurzen Zeitspanne anzufertigen. Bei einem heute üblichen Achtstundentag wäre die Hose in drei Tagen fertiggestellt, wenn nur an diesem einen Stück gearbeitet wird. Verglichen mit der immensen Zeit, die zur Vorbereitung des Fasergutes, dem Spinnen per Handspindel und dem Verweben sowie möglicherweise ­ Färben benötigt wird, ist dies geradezu rasant schnell. Der Schnitt und damit die Anfertigung der Thorsberg-Hose sind keineswegs trivial. Die Herstellung ­einer derartig engen, maßgeschneiderten Hose bedarf eines umfangreichen theoretischen und praktischen Wissens, da Material, Schnitt und Nähtechnik aufei­nander abgestimmt sein müssen. Erst die optimale Ausnutzung der Möglichkeiten in diesen drei Be-

reichen lässt mit der Thorsberg-Hose eine verblüffend funktionale Beinbekleidung entstehen. Die Thorsberg-Hose bietet dann einen großen Bewegungsumfang trotz der körperbetonend engen Passform. Sie gestattet uns damit einen neuen und überraschenden Einblick in die Mode der Eisenzeit – und wirft gleichzeitig neue Fragen auf. War diese Hose etwas Besonderes, oder wurde sie von einer großen Anzahl Menschen getragen? Wer hatte das notwendige hochspezielle Wissen, um eine solche Hose herzustellen? Wie hat sich der Schnitt der Hose entwickelt, seit wann gab es Bestrebungen, Hosen möglichst eng zu schneidern? Und könnten derartige enge Hosen bedeuten, dass ähnlich wie im hohen Mittelalter auch in der Eisenzeit das Bein des Mannes sein erotisches Schaustück schlechthin war?

Abb. 8: Gegenüberstellung der originalen Thorsberg-Hose und der nachgenähten Hosen. Links der Vorversuch, mittig die originale Hose und rechts die hier vorgestellte Rekonstruktion (Hald 1980: 329; K. Kania).

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Literatur de Alcega, J. (1589), Tailor‘s Pattern Book. Herausgegeben von Bean, Ruth. Carlton, Bedford. Arnold, J. (1976), An Edinburgh Tailor‘s Story: Mr Daniel Nelson interviewed by Janet Arnold. Costume, The Journal of the Costume Society 10: 74-85. Hald, M. (1980), Ancient Danish Textiles from Bogs and Burials. A Comparative Study of Costume and Iron Age Textiles. Kopenhagen.

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Nockert, M. (1997), Bockstensmannen och hans dräkt. Borås. Schlabow, K. (1976), Textilfunde der Eisenzeit in Norddeutschland. Göttinger Schriften zur Vor- und Frühgeschichte, Bd. 15. Neumünster. Tidow, K. (2004), Neue Funde von Webstuhlteilen und Geweben aus Ausgrabungen in Braunschweig (Niedersachsen) und Wiesloch (Baden-Württemberg). In: Maik, J. [Hrsg.], Priceless Invention of Humanity - Textiles. Łódz´: 145-152.

Diskussion Clemens Eibner Die Darstellung von Männerkleidung (auch auf Soproner Gefäßen vorhanden) sollte ebenfalls untersucht werden. Die Tragsäcke aus dem Bergwerk in Hallstatt sind ökonomisch aus Fellen geschnitten und gut genäht. Es verwundert nicht, dass auch die Kleidung sorgfältig geschneidert wurde. Marie Louise Stig Sørensen Who has the knowledge about certain handicrafts? Could such trousers be produced by somebody without a lot of technological knowledge? Suggests that these sort of trousers were each tailored for a specific person. Concerning the highlighted legs: on the scandinavian rock carvings male legs are much emphasized, too. Katrin Kania The making is very sophisticated.To reproduce the special look it has to be done in the right way. Medieval examples show, that the said was only one of many ways to create the output. It must have been at least good semiprofessionals or professionals working on these pieces to make it absolutely efficient in making and use. These trousers are not “bags to put on”, but tailored on the person that is going to wear it. Matthias Kucera Bei Auswertungen in technologischer Hinsicht zeigt sich häufig, dass die untersuchten Handwerker „besser“ waren, als der Forscher erwartet hat. Ebenso ist es bei der Holzverarbeitung: schon die Auswahl des Rohmaterials und die verwendeten Werkzeuge müssen außergewöhnlich sein, damit der spezialisierte Handwerker damit das spezielle Produkt herstellen kann. Katrin Kania Zeit und Material ist auch in früheren Epochen nicht unbegrenzt verfügbar. Es wird ökonomisch mit den Grundstoffen und mit der Arbeitszeit umgegangen, alles durchorganisiert und möglichst effizient gehalten, gezielt gearbeitet um nichts zu verschwenden. Gabriele Albers Viele Handwerksberufe sind ja erst kürzlich ausgestorben, mit all den speziellen Kenntnissen und Fertigkeiten. Seit man etwas herstellt, ist das Wissen darüber vorhanden. In kleineren Dorfgemeinschaften müssen spezialisierte Handwerker nicht völlig von sonstigen Aufgaben freigestellt werden. Das Handwerk kann auch im Nebenerwerb ausgeübt werden und die Arbeitsleistung bzw. Produkte so ausgetauscht, dass alle profitieren. Katrin Kania So hat dann eben zum Beispiel der Schneider ein kleineres Feld. Spezialisiertes Handwerk entwickelt sich, sobald eine Tätigkeit Geschick verlangt. Es gibt sicher auch schon bessere und weniger erfolgreiche Feuersteinschläger.

Sophie Stelzle-Hüglin Was ist der Grund für die Schnürung der Hose an der Wade? Welche Schuhe/Stiefel passen dazu? Katrin Kania Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Die Hose kann auch bis auf ein kurzes Stück am Knöchel (sonst wird sie nicht eng genug) zugenäht werden. In der hier gezeigten Form können die Füßlinge leicht ausgezogen und die Hose aufgekrempelt werden (gegen Schmutz, Feuchtigkeit, bei Hitze,...). Es gibt bisher keinen Beleg, welche – ob überhaupt – Schuhe dazu getragen werden. Hans Reschreiter Handelt es sich eindeutig um eine Männer-Hose? Wie ist die Bewegungsfreiheit? Es gibt auch ungeschickte Produzenten – Beispiel spätbronzezeitliche Keramik, zu der Bauer sogar „Handschriften“ von Töpfern zu unterscheiden versucht hat. Katrin Kania Natürlich erzeugen auch immer Nichtspezialisten. Es sollte hier ein Nachweis erbracht werden, dass es eben auch Spezialisten gibt, wenn etwas besonders gut/passend/schön/... sein sollte. Dies ist ein gutes Beispiel, dass schicke Kleidung nicht unpraktisch sein muss. Trotzdem die Hose sehr eng ist, ist u.a. durch den gezeigten Schnitt beim gewählten Stoff ausreichend Beweglichkeit gegeben. Schön und funktional müssen einander nicht ausschließen. Obwohl es sich rein theoretisch auch um eine Damenhose handeln könnte, wurde aufgrund der schmalen Hüfte und dem gezielt ausreichend geschaffenen Platz für die männlichen Attribute das Kleidungsstück als Männerhose interpretiert. Katharina Rebay Wie viele Hosen besitzt man(n) - gleichzeitig/in einem Leben? Wie lange hält ein solches Kleidungsstück? Katrin Kania Dazu sind klarerweise eine Vielzahl von Umständen zu berücksichtigen. Der vorliegende Schnitt scheint sehr haltbar, die Nähte sind auf starke Belastung ausgelegt, die Wolle verfilzt beim Tragen rasch und wetzt sich nicht so rasch durch. Mehrere Kleidersätze pro Person sind wahrscheinlich – Arbeitskleidung, Festtagskleidung, etc. Im Bregenzerwald zum Beispiel wird die Joppe aus Leinwand nach ihrem Alter für verschiedene Anlässe getragen: die neue für besondere Anlässe, die ältere für den Alltag, die schon abgenutzte für besonders schmutzige Arbeiten, und endet dann noch wahrscheinlich als Putzfetzen oder Füllmaterial. Die Weiternutzung von teurem Gewand ist anzunehmen (womöglich nicht durch den selben Träger).

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Raimund Karl In den frühmittelalterlichen irischen Gesetzestexten aus dem 7./8. Jh. werden als Idealzustand bestimmte Voraussetzungen im Besitz für jeden sozialen Status beschrieben. Der durchschnittliche Bauer verfügt demnach über je vier volle Kleidersätze für sich, seine Frau und seine Kinder.

Zusammenfassung der Diskussion Die Bedeutung der vorgestellten Arbeit für den Abbau von meist unbewussten Vorurteilen über die Kunstfertigkeit und das Wissen spezialisierter prähistorischer Handwerker wird lobend erwähnt. Organisiertes und effizientes Arbeiten hilft in jedem Metier Verschwendung von Material und Zeit sowohl bei der Erzeugung als auch bei der Nutzung der Objekte zu vermeiden. Spezialisiertes (Schneider-) Handwerk ist für diese komplizierten Stücke, zumindest im Nebenerwerb, nötig. Antworten auf Nachfragen beleuchten weitere Details: Trotz des engen Schnittes ist ausreichend Bewegungsfreiheit für alltägliche und weniger alltägliche Tätigkeiten gegeben. Die schmalgeschnittene Hüfte und der Raum, der im Schritt zur Verfügung steht, haben zur Interpretation als Männerhose geführt (ein Tragen durch Frauen ist aber nicht ausgeschlos-

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sen). Die Hose muss mindestens am Fußgelenk geschnürt bleiben, weil sie sonst nicht über die ganze Länge eng anliegen kann. Die Schnürung über die gesamte Wade hat u.a. den Vorteil, dass die Hosenbeine bei Nässe, Schmutz oder Hitze leicht aufgekrempelt werden können. Da sowohl der Schnitt als auch die Nähte besonders haltbar ausgeführt sind und der benutzte Wollstoff relativ rasch verfilzt und sich dann erst langsam durchwetzt, kann eine solche Hose über längere Zeit getragen und auch stärker beansprucht werden. Wie bis heute vielerorts üblich, wird ein nicht mehr neuwertiges Gewand weiterverwendet oder wiederverwertet (Sonntagsstaat, Alltagsgewand, Arbeitskleidung, Flickenlager für Reparaturen anderer Kleidungsstücke, Putzfetzen, Füllmaterial). Ein solches Kleidungsstück wird jeweils für ein bestimmtes Individuum angefertigt; es handelt sich hier nicht um „Säcke zum Anziehen“. Hinweise auf die Menge von Kleidungsstücken und Kleidersätzen, wenn auch nicht auf deren durchschnittliche Haltbarkeitsdauer finden sich in späteren Texten – z.B. geben frühmittelalterliche irische Gesetzestexte als Voraussetzungen für den sozialen Status des durchschnittlichen Bauern den Besitz von je vier vollen Kleidersätzen für sich, seine Frau und seine Kinder an.

Überlegungen zu Funktion, Verzierungen und Fundkontexten daunischer Webgewichte Florian M. Müller

Zusammenfassung Die Kultur der Daunier lässt sich in Nordapulien in die Zeit zwischen dem 8./7. und dem 4. Jh. v. Chr. datieren. Im folgenden Artikel soll das Augenmerk auf eine bis dahin im daunischen Bereich eher wenig beachtete Fundgruppe, nämlich die Webgewichte gerichtet und dabei zwei zentralen, in ihrer Erforschung immer wieder intensiv diskutierten Fragestellungen nachgegangen werden. Während die primäre Funktion von Webgewichten in der Textilherstellung heute als unbestritten gilt, wird die Frage nach möglichen anderen Verwendungszwecken sowohl im praktischen wie auch kultisch-religiösen Bereich immer wieder aufgeworfen und ist z.T. auch stark umstritten. Eine Antwort darauf soll ein Blick auf die verschiedenen Fundumstände im Siedlungs- bzw. Hausbereich, in Heiligtümern und Gräbern liefern. Als Zweites soll auf den Formen- und Verzierungsreichtum daunischer Webgewichte eingegangen und dieser anhand von Beispielen vorgestellt werden. Der Großteil ist zwar unverziert, gelegentlich können sie aber einen mehr oder weniger komplexen Dekor aufweisen. Bemerkenswert erscheint dabei v.a. die große Breite der Motivpalette. Auch hier soll die Frage nach der Bedeutung und dem Sinn, solche Zeichen auf Webgewichte anzubringen, erörtert werden.

Abstract The culture of Daunia in the North of Puglia can be dated to between the 8/7th and the 4th century BC. This paper deals with a specific field of study that has been scarcely noticed in Daunian culture, the loom weights. On the one hand their function in textile industry is undisputed, but on the other hand there could have possibly been other purposes regarding practical as well as ritual use. The nature of the discovery and the findings at settlement areas, sanctuaries and graves could lead us to an answer. Beside this it is also important to have a closer look at the shape and decoration of the Daunian loom weights. Most of them are undecorated but occasionally they show a more or less complex decoration. Examples of this are presented in this paper. The existence of many different motifs is remarkable. An attempt towards interpreting the meaning of the symbols on some of the loom weights is made.

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Das antike Daunien erstreckte sich in Apulien vom Fluss Fortore im Norden bis etwas über den Fluss Ofanto im Süden hinaus. Die Kultur der Daunier, einer Völkerschaft wohl illyrischer Herkunft, kann hauptsächlich durch Grabfunde in die Zeit zwischen dem 8./7. und dem 4. Jh. v.Chr. datiert werden, denn ganz offensichtlich wurde der Gestaltung und Ausstattung der Gräber großer Wert beigemessen, während die Behausungen aus organischem, vergänglichem Material nur teil­weise auf Steinfundamenten standen und damit ­ archäologisch nur sehr schwer fassbar sind. Ihre Siedlungen hatten dörflichen Charakter mit Gruppen von Hütten, und ihre Gräber befanden sich direkt im Bereich der Wohnstätten. Als kultische Anlagen ­können ­größere Gebäude mit festen Steinfundamenten oder Plätze mit ritueller Niederlegung von Gegenständen und Keramik identifiziert werden (Mazzei 1984). ­ Diese regionale, sog. Subgeometrisch Daunische ­ Keramik stellt zugleich auch die umfassendste materielle Hinterlassenschaft der daunischen Kultur dar (De Juliis 1977; Yntema 1990). Daneben zählen vor allem in der frühen daunischen Periode des 7. und 6. Jhs. v.Chr. anthropomorphe Stelen aus Kalkstein zur bedeutendsten Fundgruppe. Da figürliche Szenen in

der daunischen Kunst weitestgehend ­fehlen, sind die Reliefs auf diesen Stelen wertvolle Quellen für das Alltagsleben, die Riten, den Krieg oder die Jagd (Nava 1988; Nava 2001). Wenn man sich die geringe Anzahl figürlicher Darstellungen in der daunischen Kunst vor Augen führt, scheint die Textilverarbeitung eine nicht unbedeutende Rolle in ihrer Kultur gespielt zu haben, wie zwei Beispiele aus den beiden oben angeführten Objektgattungen illustrieren sollen. Bei dem Bild auf einem subgeometrisch-daunischen Kalathos aus dem 4. Jh. v.Chr. handelt es sich um eine der sehr seltenen figürlichen Darstellungen auf daunischer Keramik (Chamay 1994: 330-331 Nr. 216) (Abb. 1). Zu sehen sind zwei Frauen mit langen Haaren, die beide mit einer Art Bluse und langen weiten Röcken bekleidet sind. Das Gewand wird durch große Fibeln geschlossen, als weiteren Schmuck tragen sie große Ohrringe, die rechte Frau zudem eine Art Polos auf dem Kopf. Diese Art der Darstellung ist auch von kleinen Terrakottafiguren bekannt (Maes 1974: 353-378; Iker 1995: 106-107). Beide Frauen stehen links und rechts von einem Webstuhl mit Webgewichten, wo im oberen Bereich schon ein Stück des gewebten Stoffes mit

Abb.1: Frauen am Webstuhl, SGD-Kalathos, 4. Jh. v. Chr. (Umzeichnung: F. M. Müller).

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Abb.2: Person am Webstuhl sitzend, Daunische Stele, 7./6. Jh. v.Chr. (Umzeichnung: F. M. Müller).

Mäandermuster zu erkennen ist. Die linke Frau hält zudem ein Objekt, möglicherweise ein Webschiffchen oder ein Webschwert in Händen, mit dem der Schussfaden nach oben geschlagen wurde, um den Stoff zu verdichten. Auf einer daunischen Stele des 7./6. Jhs. v.Chr. aus dem Museo Nazionale in Manfredonia wird eine Person, diesmal auf einem Stuhl sitzend, ebenfalls an einem Webstuhl arbeitend gezeigt (Abb. 2). Im Folgenden soll das Augenmerk auf eine bis dahin im Daunischen eher wenig beachtete Fundgruppe, nämlich die Webgewichte, gerichtet und dabei zwei zentralen, in ihrer Erforschung immer wieder intensiv diskutierten Fragestellungen sowie den daraus resultierenden unterschiedlichen Antwortmöglichkeiten nachgegangen werden: Zum einen der Frage nach ihrer Funktion und Bedeutung, die sich am ehesten aus dem Fundkontext ableiten lassen. Zum anderen sollen die zahlreichen Verzierungen und Zeichen auf daunischen Webgewichten vorgestellt und auch hier die Frage nach ihrem Sinn erörtert werden. Wie generell an antiken Fundplätzen zahlreich spielen Webgewichte neben keramischen Funden und wenigen Metallobjekten auch im daunischen Fundmaterial schon allein wegen ihrer Häufigkeit eine bedeutende Rolle. So findet man etliche neben Steinen und Keramikscherben in den gepflügten Furchen der

umliegenden Äcker des in Zentraldaunien gelegenen Ortes Ascoli Satriano (Larcher 2001: 145-177; Larcher-Müller im Druck 2007). In den Jahren 1965/66 konnten während einer Notgrabung beim Verlegen von Erdgasleitungen im Ort Arpi mehrere 50-Kilogramm-Säcke allein mit Webgewichten gefüllt werden (Rutschmann 1988: 46). Bei den damals gebräuchlichen vertikalen Gewichtwebstühlen (Hochwebstühlen) trug ein Holzrahmen den Tuch- oder Kettbaum, von dem senkrecht die durch Webgewichte gespannten Kettfäden herabhingen (Forbes 1964: 209 Abb. 32; Wilson 1938: 16-27). Sie konnten dabei an einzelnen, aber auch an mehreren zusammengefassten Fäden befestigt sein oder aber auch an einem Stab bzw. Balken hängen, an dem wiederum die Fäden angebracht waren. Diese primäre Funktion von Webgewichten gilt heute als unbestritten, wenngleich die Frage nach möglichen anderen Verwendungszwecken immer wieder aufgeworfen wird und z.T. auch stark umstritten ist. Gerade in der frühen Forschung des 19. Jhs. war die Funktion solcher Objekte keinesfalls klar. So beschreibt Schliemann 1873 einen Fund aus Troja und gibt ihn auch in Abbildung wieder: „Auf die Terrakottas zurückkommend, muß ich hervorheben ein oben schmaler und dünner werdendes viereckiges Stück, welches oben auf der Vorderseite zwei ganz geringfügige Vertiefungen in Form von Augen hat und auf der einen Seite durchbohrt ist. Ich gebe die Abbildung dieses sonderbaren Gegenstandes, dessen Gebrauch mir unbekannt ist.“ (Schliemann 1990: 192 Taf. 142). Vielfach wurde eine praktische Funktion dieser Objekte ausgeschlossen, man hat sie für Opfer- und Weihegaben gehalten (Dumont 1872: 50, 405; Maggiulli 1916: 140; Orlandini 1953: 441-444). Auch eine apotropäische Bedeutung wurde angesprochen und sie einerseits mit den aus Metall bekannten Tintinnabula, Schellen oder Glöckchen (Pigorini 1890: 76), sowie Amuletten zur Abwehr von Unheil (Maggiulli 1916: 135), andererseits mit zum Schutz an Hütten angebrachten Idolen in Verbindung gesetzt (Mosso 1909: 73). In Heiligtümern wurden sie auch direkt mit den aus der antiken Überlieferung (Verg. georg. II 389) bekannten Oscilla identifiziert, die bei religiösen Festen auf Bäumen aufgehängt worden waren (Pace 1945:

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460ff.; Orlandini 1953: 441-444). Zudem deutete man Anhäufungen von Webgewichten unterhalb der Laufböden in der Nähe von Fundamentmauern von profanen wie auch sakralen Gebäuden als Gründungsdepots und Bauopfer (Orlandini 1953: 441-444; Orlandini 1962: 352-353, 362-365). Schon früh aber trat v.a. in der deutschsprachigen Archäologie auch die Meinung auf, dass es sich bei ihnen eindeutig um Gewichte für einen vertikalen Webstuhl handelt (Dörpfeld 1902: 410 Fig. 416; Salinas 1863: 16ff.; Santoro 1967: 286). Diese wurde in späterer Folge durch die Untersuchung von griechischen Vasenbildern mit Darstellung von Webstühlen eben mit Webgewichten bestärkt (Di Vita 1956: 40-44; Clark 1983: 91-96). Vereinzelt ging man sogar soweit, ihnen jede rituelle Bedeutung abzusprechen. So würden in Heiligtümern gefundene Webgewichte nur schlicht und einfach belegen, dass man auch hier Stoffe – z.B. als Fenstervorhänge oder für das Kultbild – gewebt hatte (Mingazzini 1974: 208-215). Da Webgewichte allerdings sehr häufig in großer Anzahl vornehmlich in Heiligtümern weiblicher Gottheiten auftauchten, kann man sie hier aber ebenfalls für Zeugnisse eines vorwiegend von Frauen getragenen Kultes ansehen, weil das Weben als eine der wichtigsten Arbeiten der Frauen galt und auch als solche gewürdigt wurde (Kron 1992: 630). Daneben fehlen aber im praktischen Bereich nicht andere mehr oder weniger wahrscheinliche und phantasievolle Interpretationen. So könnte es sich bei größeren Webgewichten um Stützen von Gussgefäßen (Buchner-Rittmann 1948: 40) oder Geschosse handeln (Militello 1960: 20-21, 56). Auch an eine generelle Verwendung als Reib- oder Glättsteine, speziell zum Glätten von Webfäden, wird gedacht (Rutschmann 1988: 54). In Zweitverwendung könnten sie an Kordeln von Vorhängen oder am Strick einer Glocke gehangen oder zur Beschwerung von gewaschener, zum Trocknen ausgebreiteter Wäsche gedient haben (Tunzi Sisto 1988: 15). Weiters wird die Funktion als Waagegewicht angeführt (Zancani Montuoro 1965-66: 76), was aber aufgrund des nicht genau abschätzbaren Gewichtsverlusts des Tones beim Brennen als eher unwahrscheinlich erscheint. Auch eine Funktion als Herstellermarken an Stoffballen oder an Kleidungsstücken sowie als Etiketten an in Säcken ab-

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gefüllter Waren, die ihren Wert oder ihren Besitzer, sei es den Fabrikanten, sei es den Empfänger bezeichnen, wäre denkbar (Wuilleumier 1932: 48ff.). In Gräbern könnten sie zudem als Gewichte zum Beschweren von Leichentüchern oder ebenfalls als Etiketten von Stoffsäckchen gedient haben, in denen sich Reste des Totenmahls oder sonstige verderbliche Beigaben befanden (Mingazzini 1974: 202-220). Pragmatischer wird ihnen häufig eine doppelte Funktion zugestanden. So hätten sie zum einen primär einen praktischen Zweck, d.h. als Webgewichte, erfüllt. Zum anderen könnten sie, da sie eng mit dem häuslichen Wohlstand verbunden waren, im übertragenen Sinn auch dessen Garant sein und daher in zweiter Linie aufgrund ihres Fundortes als Votivgaben (Mertens 1967: 18 Taf. 14; Marconi 1930: 151-154 fig. 107; Rellini 1934-1935: 179-181; Martinelli 1988: 266-267), möglicherweise auch als Oscilla gedient haben (DiVita 1956: 40-44), wie gelegentliche Inschriften auf ihnen nahe legen (Orsi 1906: 673ff. Abb. 509). Dass immer wieder auch Theorien und Interpretationsansätze ohne ernstzunehmende Grundlage, sei es im praktischen, sei es im kultisch-religiösen Bereich, aufgestellt wurden, belegen folgende Beispiele. So sollen diese Objekte zuerst glühend heiß erhitzt worden sein, um sie dann als Sudsteine in einen Behälter von Wasser fallen zu lassen, um dieses wiederum dadurch zum Sieden zu bringen (Truhelka 1904: 35-38). Auch werden Webgewichte aufgrund ihrer optischen Ähnlichkeit in Verbindung mit phallischen Fruchtbarkeitskulten gebracht (Lucatuorto 1980: 365-384). Nach den verschiedenen bisher aufgestellten Deutungs- und Interpretationsmöglichkeiten ihrer Funktion soll nun ein Blick auf die möglichen Fundkontexte von Webgewichten, also Siedlungs- bzw. Hausbereich, Heiligtümer und Gräber geworfen werden. Am häufigsten treten Webgewichte einzeln oder in Gruppen als Oberflächenfunde oder in Ausgleichs- und Verfüllschichten auf und legen somit einen Siedlungszusammenhang nahe. Im bereits erwähnten Ascoli Satriano, wo von Seiten der Universität Innsbruck seit 1997 Feldforschungen durchgeführt werden, konnten auf dem Hauptsiedlungshügel, dem Colle Serpente, die Überreste eines mehrräumigen Gebäudes (Haus 1) freigelegt werden. Im zentralen Raum mit einer Ausdehnung von 3,60 x 4,70 m fand sich neben einer

annähernd kreisförmigen ­Bodenverfärbung mit Holzkohleeinschlüssen, bei der es sich wohl um eine Herdoder Feuerstelle handelte, in der Südost­ecke eine Ansammlung von 26 zum Großteil verzierten Webgewichten, deren Position eindeutig auf einen zusammengebrochenen, ehemals vertikal an der Hauswand stehenden Webstuhl hinweist (Abb. 3 und 4). Die vergesellschafteten Keramikfragmente lassen eine Datierung des Gebäudes ins 4. Jh. v.Chr. zu (Müller 2006). Ein weiterer vergleichbarer Befund konnte auf der Hügelkuppe freigelegt werden, wo eine Ansammlung von 35 Webgewichten, eng beieinander in einer Reihe (NW-SO) liegend, ebenfalls auf den ursprünglichen Aufstellungsort eines Webstuhles in der jüngsten Phase der Besiedelung hinwies (Müller 2005: 269-279). Auch die italienischen Grabungen auf dem Colle Serpente erbrachten zwei ähnliche Konzentrationen von 26 bzw. 37 Webgewichten (Fabbri 2002: 34-36 Abb. 20 und 21, 369; Lo Monaco 2002: 288). Für den daunischen Bereich ist noch ein Fund aus Herdonia anzuführen, wo man 1966-1967 bei einer Sondage der Soprintendenz auf Spuren von Gebäuden und Reste einer Hütte aus Lehmziegeln stieß, in der 40 Webgewichte lagen (Delplace 1968: 211). Auch im Fundmaterial von Heiligtümern tauchen immer wieder Webgewichte auf. Im Heiligtum auf dem Colle San Leucio, welches sich auf dem Ausläufer eines Felsplateaus westlich der Stadt Canosa di Puglia erstreckte, werden durch Gebäudestrukturen unter den Überresten einer Basilika und Votivfunde mehre-

re Phasen vom 6.-4. Jh. v.Chr. belegt. In der Spätphase begegnen wir dort einem Kult griechischen Typs, in dem neben üblichen Weihungen wie Terrakottafrüchten, Miniaturgefäßen usw. auch mehrere Webgewichte pyramidaler Form auftreten (Dally 2000: 212-214). In Gräbern sind Webgewichte in Daunien seltener, v.a. aber in der Spätphase im 4. und 3. Jh. v.Chr. anzutreffen. Zu Füßen des bereits angeführten Colle Serpente in Ascoli Satriano liegt das Areal der Giarnera Piccola, Felder in Hanglage, die die Abhänge der bis über 400 m hohen antiken Siedlungshügel bilden. In diesem Gebiet befand sich ebenfalls eine kleine Siedlung, die wohl von Ackerbautreibenden und Handwerkern, also einer nicht wohlhabenden Schicht, bewohnt war. Im Bereich der Siedlung wurden bisher aber auch 39 Gräber aufgedeckt, die eine gleichzeitige Nutzung dieses Gebietes als Nekropole erkennen lassen (LaimerLarcher 2006: 17-68). Beim Großteil handelte es sich um Flachgräber mit einfacher Grabgrube, drei waren aber dem Typus des Kammergrabes zuzuweisen, darunter Grab 3/99, bei dem allerdings der gesamte obere Teil der Erdgrube durch relativ tiefe Bepflügung des Feldes abgetragen worden war (Larcher 2001: 174-176 Textabb. 9, Abb. 26 und 27; Laimer-Larcher 2006: 4244) (Abb. 5). Dadurch blieb nur der unterste Teil der breitovalen 1,80 x 1,60 m umfassenden Grabkammer erhalten, und es konnte kein Eingangsbereich mehr nachgewiesen werden. Im Grab fand sich eine wahrscheinlich gleichzeitig erfolgte Doppelbestattung mit einem ansehnlichen Inventar von 27 zwischen und zu

Abb.3: Webstuhlbefund, Haus 1, Colle Serpente, Ascoli Satriano, 4. Jh. v.Chr. (Foto: Institut für Archäologien, Universität Innsbruck).

Abb.4: Webgewichte eines Webstuhls mit diversen Verzierungen, Haus 1, Colle Serpente, Ascoli Satriano, 4. Jh. v.Chr. (Foto: F. M. Müller).

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Abb.5: Doppelbestattung mit Webgewicht, Grab 3/99, Giarnera Piccola, Ascoli Satriano, 4. Jh. v.Chr. (Zeichnung: Institut für Archäologien, Universität Innsbruck).

Füßen deponierten Ausstattungsstücken, darunter ein stark korrodierter Bronzegürtel, die eine Datierung in die zweite Hälfte des 4. Jhs. v.Chr. zulassen. Beide Skelette waren in Hockerstellung, den Oberkörper in Rückenlage, Nordwest-Südost orientiert beigesetzt. Unmittelbar im Kopfbereich des östlichen Skelettes fand sich ein unverziertes Webgewicht (Abb. 6). Webgewichte in Gräbern werden, wie auch Spindeln und Spinnwirtel (De Juliis 1984: 448 Nr. 33), gerne als typische Objekte der weiblichen und häuslichen Sphäre angesehen und daher als Beigabe in Frauengräbern vermutet (Graepler 1997: 168; Di Vita 1956: 40-44). Bei der anthropologischen Untersuchung der Skelette ergab sich aber, dass der westlich liegende Körper mit Bronzegürtel und Bronzering eine junge, zartknochige Frau von ca. 19 – 20 Jahren war und es sich bei dem östlichen Skelett – mit dem Webgewicht – um einen etwa 40-jährigen Mann handelte. Mit dem Befund aus Ascoli vergleichbar sind vier Gräber des 4. Jhs. v.Chr. aus der gut erforschten und publizierten Nekropole von Herdonia, in denen immer im Kopfbereich des Skelettes ein einfaches unverziertes Webgewicht lag (Iker 1986: 486-492 t. 119 n. 15, 557-562 t. 135 n. 15, 615-621 t. 149 n. 10, 687696 t. 170 n. 16; Iker 1995: 110). Interessant ist zudem,

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dass Webgewichte in den älteren Gräbern von Herdonia ganz fehlen und erst in den jüngeren des 4. und 3. Jhs. v.Chr. vereinzelt anzutreffen sind. Auch in der Nekropole von Casone in San Severo traten in nur drei Gräbern des 4. Jhs. v.Chr. Webgewichte im Inventar auf, darunter eines ebenfalls unmittelbar im Kopfbereich des Bestatteten (De Juliis 1996: 34-37 t.VIII/70, inv. 7383 n. 7, 96-99 t. 4/71, inv. 7029 n. 19, 108-111 t. 9/71, inv. 7388 n. 16).Webgewichte wurden aber nicht

Abb. 6: Webgewicht im Kopfbereich deponiert, Grab 3/99, Giarnera Piccola, Ascoli Satriano, 4. Jh. v.Chr. (Foto: Institut für Archäologien, Universität Innsbruck).

sagekräftiger und bedeutender jedoch sind konzentrierte Ansammlungen von Webgewichten, die auf das Vorhandensein eines Webstuhls schließen lassen und somit durch ihre Lage möglicherweise die Rekonstruktion desselben und eines antiken Arbeitsplatzes zur Textilherstellung ermöglichen. Diese primäre Funktion von Webgewichten gilt heute, auch aufgrund von Abnutzungsspuren an ihnen, als unbestritten (Davidson 1952: 146ff.), wenngleich die Frage nach möglichen anderen Verwendungszwecken, wie sich zeigte, auch seit mehr als einem Jahrhundert immer wieder aufgeworfen wird. Eine Verwendung im Rahmen von Riten und sakralen Handlungen kann daher auch nicht ausgeschlossen werden, wie die Funde in Gräbern und Heiligtümern nahe legen. So können sie in Gräbern durchaus eine symbolische Rolle besitzen (Iker 1986:

Abb.7: Webgewichte mit unterschiedlichen Verzierungsvarianten aus Herdonia (1-2) und aus Ascoli Satriano (Colle Serpente 3-5, 7-8 / Giarnera Piccola 6) (Zeichnungen: 1-2 nach Rutschmann 1988: 48 / Zeichnungen: 3-8 A. Krassnitzer, S. Rammer, L. Obojes).

nur als Beigaben im Grab selbst deponiert, sondern auch oberhalb des geschlossenen Grabes niedergelegt. So fand sich verstreut im Ackerboden im Bereich des aus dem 4. Jh. v.Chr. stammenden Grabes 98 in Herdonia eine Serie von 22 zum Großteil mit gestempelten Eindrucken verzierten Webgewichten verschiedener Form (Iker 1986: 405-413 Abb. 223 und p. XXXIXa; Iker 1995: 110 Abb. 70) (Abb. 9), die möglicherweise als Zeichen der Anteilnahme von Trauergästen am Grab des Verstorbenen verstanden werden können. Wenn wir nun die Fundkontexte kurz zusammenfassen, zeigt sich, dass Webgewichte, singulär v.a. als Oberflächenfunde oder in Ausgleichs- und Verfüllungsschichten angetroffen, eine Deutung für einen hier vorliegenden Siedlungskontext nahe legen. Aus-

Abb.8: Webgewichte mit unterschiedlichen Verzierungsvarianten aus Ascoli Satriano (Colle Serpente 1-4, 6-8 / Giarnera Piccola 5) (Zeichnungen: A. Krassnitzer, S. Rammer, L. Obojes).

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Abb.9: Bildstempel mit mythologischen Tieren: Hippokamp, Greif, Raubkatze, Greif, Greif oder Chimäre,Vogel (nach Iker 1986: 413 Fig. 223b).

783; Iker 1995: 110) oder auf direkte Aktivitäten des Verstorbenen oder der Gesellschaft, in der er – als produktives Mitglied – lebte, hinweisen (Blundo 1996: 259). Wenn man sie als Etiketten von Waren deutet, leuchtet es ein, dass Warenzeichen zusammen mit den Waren oder stellvertretend für sie als Teil des Besitzes einer Gottheit gestiftet oder dem Toten beigegeben werden konnten. Kommen wir nun zum zweiten Aspekt – der Form und Verzierung. Webgewichte werden üblicherweise aus Ton handmodelliert oder in seltenen Fällen in Pressmodeln geformt, aber auch Stücke aus Stein, Blei und sogar aus Glas sind bekannt. Durch kleine, noch in den weichen Ton gestoßene Holzstäbe, die anschließend nicht entfernt wurden, sondern im Ofen mitverbrannten, wurden sie im oberen Bereich gelocht. Eine weitere Besonderheit daunischer Webgewichte stellt ihr Formenreichtum dar (Rutschmann 1988: 47-50; Tunzi Sisto 1988: 25-28). Am häufigsten treten pyramidenstumpfförmige Webgewichte mit trapez-

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förmigem oder rechteckigem Querschnitt auf (Müller 2005: 272-273, 278-279). Daneben gibt es auch quaderförmige mit parallelen Seitenflächen (Lo Monaco 2002: 295 Nr. 25-30). Beide Gruppen lassen sich noch einmal in Stücke mit quadratischer und/oder recht­eckiger Ober- bzw. Unterseite einteilen. Gelegentlich besitzen sie plastische Ausformungen wie z.B. vier kleine türmchenartige Erhebungen an der Oberseite (Abb. 4 vorne und 7,5). Seltener sind Stücke in Zylinder- (Abb. 7,6) oder Kegelstumpfform mit runder Basis sowie solche in Scheibenform (Wuilleumier 1932: 26-64).Während letztere Variante in Nordapulien eher selten ist, ist sie die am Golf von Tarent am weitesten verbreitete Form. Der Großteil der daunischen Webgewichte ist unverziert, gelegentlich können sie aber auf den Seiten, oftmals der ungelochten, aber auch der Oberseite einen mehr oder weniger komplexen Dekor aufweisen, der in den noch feuchten Ton eingedrückt bzw. später nach dem Brennen in Form von Ritzungen angebracht wurde. Bemerkenswert erscheint dabei v.a. die große Breite der Motivpalette (Tunzi Sisto 1988: 28-33). Zentrales Problem ist aber bisher die Tatsache, dass im daunischen Bereich – außer für Nekropolen – kaum umfangreiche Materialaufnahmen durchgeführt und publiziert wurden. Generell steht die Siedlungsforschung in diesem Bereich erst an ihren Anfängen. So mag es nicht verwundern, dass die bisher umfangreichste Arbeit zur Materialgruppe der daunischen Webgewichte die Vorstellung einer privaten Sammlung darstellt. Hansuli Rutschmann, der sich mit Begeisterung der Sammlung von Webgewichten gewidmet und eine Kollektion von annähernd 900 Stücken zusammengetragen hatte, war der Erste, der auf Basis seiner Objekte versucht hat, eine Systematik der Formen- aber auch Verzierungsvarianten zu erstellen. Wie bei privaten Sammlungen oft der Fall, kann hier aber über das reine Objekt hinaus in Ermangelung von genauen Angaben zu Fundorten und Fundkontexten keine Aussage mehr getroffen werden. Rutschmann gliederte sein System im Wesentlichen nach den Techniken bzw. Hilfsmitteln zur Anbringung von Zeichen und Verzierungen an Webgewichten (Rutschmann 1988: 50-54): A. Abdrücke von Fingerspitzen oder Fingernägeln

B. C.

D. E. E.a. E.b. E.c.

F. G. H.

(Abb. 7,1-2) Abdrücke von Halmen oder Kleinsttierpfoten (Abb. 7,3) Eindrücke von Punzen mit Kreuzen, Punkten, Ringen, Rosetten (einzeln oder gereiht) (Abb. 7,4; 6-8) Ritzungen von Buchstaben, geometrischen und figürlichen Motiven (Graffiti) (Abb. 8,1-4) Stempel Figürliche Stempel über die ganze Fläche der Pyramidenseite (Abb. 9) Stempel mit pflanzlichen Motiven wie Ranken oder Eicheln (Abb. 8,5) Abdrücke von Kleingegenständen des Alltags wie Fibeln, Pinzetten, Schmuckstücken, Schlüssel oder Pfeilspitzen, die in den feuchten Ton gedrückt wurden (Abb. 8,6-8) Geometrische Stempel (Schlagmarken?) Abdrücke von Gemmen (Abb. 10) Plastisch geformte Webgewichte

Zur ersten Gruppe (Gruppe A) gehören Webgewichte mit Eindrücken durch Fingernägel auf der Ober- und der ungelochten Seite, wie zwei Beispiele aus Herdonia zeigen (Abb. 7,1-2). Ein Stück aus Ascoli Satriano (Gruppe B) weist auf zwei Seiten und oben Eindrücke auf, die die Spur eines kleinen Tieres über das Stück nachahmen (Abb. 7,3). Häufig sind Objekte mit Punzierungen (Gruppe C) wie Kreuzen, Punkten, Ringen, Rosetten usw. anzutreffen, die wohl von aus Metall, Knochen oder Holz zu denkenden Stempeln stammen. So sind Kreise und Kreisringe sowie verschiedene Punkte in Reihen und Linien zahlreich an den Webgewichten zu finden (Abb. 7,4; 6-8). Ritzungen (Gruppe D) können sowohl während des Herstellungsprozesses als auch danach angebracht worden sein. Neben einfachen und sich kreuzenden Linien, v.a. auf den Oberseiten, treten häufig geometrische (Abb. 8,1-4), aber auch einfache figürliche Darstellungen und selten Schriftzeichen auf (Santoro 1967: 285-288; Marchesini Velasco 1995: 1359-1386; Iker 1995: 110 Abb. 66). Es zeigt sich, dass offenbar bereits auf dieser einfachen Stufe eine Art Dekorationssprache für Webgewichte bestand. Figürliche Stempel (Gruppe E.a.) über die ganze Pyramidenseite bzw. wohl in Form hergestellte Webgewichte sind um vieles seltener. Während

ein Großteil der Webgewichte sicher aus lokaler Produktion stammt und auch am Herstellungsort Verwendung fand, weisen vereinzelte Funde – v.a. besonders verzierte Stücke – auch auf Handel hin. Drei Stücke aus unterschiedlichen daunischen Fundorten (Herdonia, Arpi und Salapia) mit der Darstellung einer behelmten Frau dürften ursprünglich wohl aus derselben Matrize stammen (Iker 1995: 110 Fig. 69). Neben weiteren figürlichen Darstellungen, hier einzelne rechteckige Bildstempel mit mythologischen Tieren aus Herdonia (Iker 1986: 413 Fig. 223b; Iker 1995: 110 Fig. 70) (Abb. 9), kommen auch pflanzliche Motive wie Ranken und Palmetten vor (Gruppe E.b.), die zumeist bildgleich auf beiden ungelochten Seiten angebracht wurden (Abb. 8,5). Eine große Gruppe (Gruppe E.c.) bilden Stücke, bei denen Kleingegenstände des täglichen Gebrauchs wie Fibeln, Pinzetten, Nadelköpfe, Schmuckstücke (Amulette, Fingerringe), Schlüssel, Pfeilspitzen oder Münzen in den noch feuchten Ton gedrückt wurden. Als Beispiele vom Colle Serpente in Ascoli Satriano seien hier nur ein Ringabdruck auf der Oberseite eines Webgewichts (Abb. 8,7) und der Abdruck einer Fibel angesprochen (Abb. 4 und 8,6). Üblicherweise handelt es sich hierbei um kleine Eisen-

Abb.10: Gemmenabdruck auf dem Webgewicht eines Webstuhls, Haus 1, Colle Serpente, Ascoli Satriano, 4. Jh. v. Chr. (Foto: F.M. Müller).

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oder Bronzefibeln aus dem 4. Jh. v.Chr. Sehr zahlreich in Ascoli Satriano und ausschließlich auf den bereits vorgestellten Webstuhl in Haus 1 (Abb. 3) beschränkt ist die Gruppe mit hufeisenförmigen Eindrücken, die möglicherweise als von einer Pinzette stammend gedeutet werden können (Abb. 4 und 8,8). Häufig und in Daunien sehr beliebt (Gruppe G), direkt aus Grabungsbefunden aber nur kaum bekannt, sind Gemmen (Abb. 10), die in ihren Darstellungen den allgemeinen Motivschatz der hellenistischen Steinschneider zeigen (Rutschmann 1988: 52-54). Plastisch geformte Stücke (Gruppe H) sind um vieles seltener. Ein Webgewicht in Form eines dreifachen Gesichtes und ein weiteres mit einem fast plastisch geformten weiblichen Kopf aus dem 4./3. Jh. v.Chr. wurden in Arpi gefunden (Rutschmann 1988: 46). Bleibt nun abschließend die Frage nach der Deutung und dem Sinn solcher Verzierungselemente. Über eine rein als Elemente des Dekors hinausgehende Bedeutung der Verzierungen lassen sich nur Vermutungen anstellen. So können gerade die ein-

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fachen Zeichen und geometrischen Muster aus dem Herstellungsprozess der Webgewichte stammen und individuell auf bestimmte Hersteller oder Handwerker hinweisen (Marchi 1991: 128; Mingazzini 1974: 209), aber auch mit Arbeitsabläufen der Textilherstellung zu tun haben (Lo Monaco 2002: 288), möglicherweise den Platz der einzelnen Webgewichte am Webstuhl bestimmen. Ritzungen können freilich auch im Nachhinein von den Besitzern angebracht worden sein, um so ihr Eigentum zu kennzeichnen (Iker 1995: 109). Gerade bei besonders verzierten Stücken v.a. aus Grabfunden und Heiligtümern wird man eine symbolische Bedeutung hingegen nicht ausschließen dürfen, da viele der angebrachten Motive durchaus im Sinne von glückbringenden Zeichen als Lebensund Fruchtbarkeitssymbole gedeutet werden können (Rutschmann 1988: 54). Ein klarer Beweis dafür wird beim derzeitigen Grabungs-, Forschungs- und Publikationsstand aber wohl kaum zu erbringen sein.

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Urgeschichtliche Pferdefunde aus Österreich Manfred Schmitzberger

Zusammenfassung Gegenwärtig besitzen wir aus Österreich etliche archäozoologische Nachweise für das Wildpferd, allerdings keinen Hinweis auf lokale Domestikation. Das zur Zeit älteste Hauspferd wird durch einen Radius aus dem spätneo­ lithischen Ossarn (Niederösterreich, Badener Kultur) repräsentiert. Seine morphometrischen Merkmale deuten auf Verbindungen nach Osteuropa. In die selbe Richtung weisen einige bronze- und hallstattzeitliche Funde aus Ostösterreich. Am Übergang von der älteren zur jüngeren Eisenzeit (Hallstatt D / Latène A) taucht plötzlich eine kleinere Pferdeform auf (Widerristhöhen zwischen 121 und 130 cm), die wahrscheinlich auf einen westeuropäischen Pferdetyp bezogen werden kann, während die größeren bronze- und hallstattzeitlichen Pferde (Widerristhöhen von 135 bis 143 cm) in Niederösterreich nun nicht mehr nachweisbar sind. Aufgrund dieser chronologischen Abfolge und der Verteilung der Fundorte wird auf eine (zumindest innerhalb Niederösterreichs) ostwärts gerichtete Expansion der keltischen Pferde geschlossen. Daneben liefert auch die vollkommen verschiedene Morphologie der Pferdeschädel aus Unterhautzenthal (frühe bis mittlere Bronzezeit) und Michelstetten (Latènezeit) einen überzeugenden Hinweis auf das Auftreten einer neuen Pferdeform in Ostösterreich.

Abstract To date, we possess several archaeozoological records for the wild horse from Austria, but there is no evidence for local domestication.The earliest domesticated horse is currently represented by a radius from late neolithic Ossarn (Lower Austria, Baden culture). Its morphometrical traits show connections to Eastern Europe. Some Bronze Age and Hallstatt period finds from eastern Austria point to the same direction. Just at the transition from early to later Iron Age (Hallstatt D / Latène A) smaller horses appear (withers height between 121 and 130 cm). They can be affiliated with a Western European type of horse, while the taller Bronze Age and Hallstatt ones (withers heights from 135 to 143 cm) are no longer detectable in Lower Austria. From this chronological succession and the dispersal of sites an eastward expansion of the Celtic horse can be assumed (at least within Lower Austria). In addition, the completely different morphology of the skulls from Unterhautzenthal (early to middle Bronze Age) and Michelstetten (Latène period) is a good argument for the appearance of a new type of horse in the eastern part of Austria.

301

Einleitung Wie man an den vielen bisher bekannt gewordenen Höhlenmalereien und Knochenfunden aus dem Paläolithikum erkennen kann, spielten Pferde bereits in der Altsteinzeit eine bedeutende Rolle für den Menschen. Nach ihrer Domestikation im Jungneolithikum revolutionierten sie das Transport- und Kriegswesen und man kann davon ausgehen, dass sie von der Bronzezeit bis zur Neuzeit die politische Landschaft Europas (und weit darüber hinaus) wesentlich beeinflussten. Entsprechend groß ist seit langem das Interesse von

Seiten der Archäologie an der Pferd-Mensch-Beziehung, und zahlreiche Prähistoriker und Archäozoologen versuchen seit Generationen den Ort und Zeitpunkt der Domestikation, den Beginn der Nutzung von Pferden als Reit- und Arbeitstiere, die funktionelle Beziehung von Pferd und Wagen, aber auch die Geschichte und Verwandtschaft der heute lebenden Pferderassen zu klären. Die archäologischen Knochenfunde aus Österreich liefern aus heutiger Sicht leider keine wesentlichen Beiträge zur Frage nach der Erstdomestikation. Immerhin tragen aber die bisherigen Wildpferdenachweise ihren

Abb. 1: Fundorte von Knochenresten des Wildpferdes in Österreich. (1) Brunn am Gebirge, (2) Rosenburg, (3) Pulkau, (4) Olgersdorf bei Asparn an der Zaya, (5) Frauenhofen, (6) Falkenstein-Schanzboden, (7) Friebritz, (8) Kamegg, (9) Michelstetten, (10) Leonding. Karte: M. Schmitzberger,Vorlage: E. Pucher.

302

Nr.

Fundort

Kulturhistorische Datierung

Autor, Quelle

Bestimmung

1

Brunn am Gebirge

Ältere Linearbandkeramik

Pucher 1998a

Wildpferd

2

Rosenburg

Ältere Linearbandkeramik

Schmitzberger i.Vorb.

Wildpferd

3

Pulkau

Jüngere Linearbandkeramik

Wolff 1980

Wildpferd

4

Olgersdorf

Jüngere Linearbandkeramik

unpubl.

Wildpferd

5

Frauenhofen

Stichbandkeramik

Pucher 1992

Wildpferd

6

Falkenstein-Schanzbd.

Lengyel-Kultur

Pucher 1986

Wildpferd

7

Friebritz

Lengyel-Kultur

Pucher in Vorber.

Wildpferd

8

Kamegg

Lengyel-Kultur

Schmitzberger i. Druck

Wildpferd

9

Michelstetten

Lengyel-Kultur

Schmitzberger 2000

Wildpferd

10

Leonding

Münchshöfener Kultur

Kunst 2001

Wildpferd

11

Schleinbach

Epilengyel-Kultur

Pucher 1996

Haus-/Wildpferd

12

Ossarn

Badener Kultur

Pucher 2006a

Hauspferd (!)

13

Paura bei Stadl-Traun

Mondsee-Kultur

Beninger 1961

Haus-/Wildpferd

14

Wien - Ober St.Veit

Spätneolithikum

unpubl.

Haus-/Wildpferd

15

Götschenberg

Spätneolithikum

Peters 1992

Hauspferd ?

16

Furth bei Göttweig

Endneolithikum

Kunst 2006

Haus-/Wildpferd

17

Wildon

Spätneol./Frühbronzezeit

Grill 2003

Haus-/Wildpferd

Tab. 1: Neolithische Pferdefunde aus Österreich.

Teil zum besseren Verständnis der holozänen Verbreitung dieses wenig bekannten Wildtieres bei. Darüber hinaus geben die bronze- und eisenzeitlichen Hauspferdreste einen Einblick in die Komplexität der regionalen Domestikationsgeschichte dieses Tieres. Die u. a. in diesem Beitrag vorgestellten neuen Pferdefunde aus Michelstetten (Niederösterreich) sprechen etwa für einen plötzlichen Wechsel des Pferdetyps am Übergang von der Hallstatt- zur Latènezeit in Ostösterreich und lassen – da Pferde meiner Meinung nach als „politische Tiere“ betrachtet werden können – vielleicht auch an eine Verschiebung von gesellschaftlichen Machtverhältnissen denken. Wildpferdenachweise aus dem Alt- und Mittel­ neolithikum Manche Autoren stellten aufgrund der spät- und postpleistozänen klimatischen Veränderungen und der damit verbundenen Wiederbewaldung Europas die Verbreitung von Wildpferden westlich der südrussischen Steppengebiete überhaupt in Frage (Uerp-

mann 1990). Da man in der Regel Steppen und Waldsteppen als bevorzugte Lebensräume des Wildpferdes annahm, war es offenbar schwierig, sich die Existenz von Pferden inmitten der mitteleuropäischen Waldlandschaft vorzustellen. Inzwischen liegt aber dank zahlreicher Faunenbearbeitungen der letzten Jahre und Jahrzehnte ein relativ dichtes Netz an gut datierten Knochenfunden aus weiten Teilen Europas vor (vgl. Benecke 1994a, 1994b; Döhle 1999). Die geographische Verteilung der Fundorte lässt den Schluss zu, dass sich die Verbreitung des Wildpferdes auf planare und kolline Höhenstufen, also Tieflandgebiete und Randbereiche der Mittel­gebirge beschränkte. Außerdem deuten die bisherigen Funde auf ein Ost-West- bzw. Ost-Südwest-Gefälle der Populationsdichte hin, das vielleicht durch die unterschiedlichen natürlichen Habitatvoraussetzungen West- und Osteuropas erklärt werden kann. Auch die osteometrischen und morphologischen ­Merkmale zeigen eine geographisch gerichtete ­Verteilung, ­ indem etwa die durchschnittliche Körpergröße von Osten nach Westen abnimmt, die Schlankwüchsigkeit ­ hingegen zu-

303

nimmt. Dementsprechend erreichten ­ osteuropäische Wildpferde eine Widerristhöhe zwischen 130 und 150 cm, mitteleuropäische hingegen nur 120 bis 135 cm (Benecke 1994a). Die österreichischen Wildpferdnachweise konzentrieren sich auf den Donauraum und den ­pannonisch­ geprägten, hügeligen nordöstlichen Teil Nieder­österreichs (Abb. 1, Tab. 1). Leider handelt es sich bei den Funden aber meist nur um einzelne ­Knochenfragmente oder isolierte Zähne. Mit immerhin 37 Knochen­resten liegt aus der mittelneolithischen ­Kreisgrabenanlage ­Friebritz (Pucher in Vorbereitung) die bisher um­fangreichste Aufsammlung vor, und aus einer stichbandkeramischen Grube in Frauenhofen an der Grenze zwischen ­Wald- und Weinviertel (p. B. Horn, NÖ) konnten sogar Teile einer Hinter­extremität und der Kreuzbein­region eines einzigen Individuums ge­borgen werden (vgl. ­ Lenneis 1986; ­ Pucher 1992). Da die alt- und mittel­neolithischen Funde in eine Zeit ­datieren, für die bislang in Mitteleuropa ­keinerlei ­Spuren einer Pferdedomestikation festgestellt wurden, bestehen an der Wildnatur dieser Tiere ­ keine Zweifel. Die gut ­ erhaltenen ­ Skelettreste aus ­ Frauen­hofen ­deuten auf ein stämmig gebautes Tier mit einer ­Widerristhöhe zwischen 132 und 136 cm hin, ­womit es genau jene morphologische und ­ größenmäßige Stellung ­einnimmt, die hinsichtlich der klinalen Verteilung der europäischen Wildpferde zu erwarten war. Der Anteil einer Wildtierart im archäologischen Knochenmaterial einer Siedlung ist zwar sicherlich nicht eins zu eins mit der natürlichen Populationsdichte dieser Art in der betreffenden Region gleichzusetzen, doch scheint der Bestand in unserem Gebiet allein aufgrund der relativ geringen Anzahl an Fundstellen, an denen Wildpferde bisher nachgewiesen werden konnten, nicht sehr hoch gewesen zu sein. Die österreichischen Funde aus dem Alpenvorland bestätigen aber die Annahme, dass dem mitteleuropäischen Wildpferd Waldlichtungen und Überschwemmungsstreifen geschiebereicher Wildwasserflüsse als Lebensraum ­offenbar ausreichten (Bauer 2001; ­ Uerpmann 1990). H.-P. Uerpmann (1990) und N. Benecke (1994a) gehen sogar davon aus, dass sich aufgrund der im Neolithikum zunehmenden anthropogenen ­Rodungstätigkeit die Populationsdichte des Wildpferdes vergrößert hat. Für Österreich lässt sich diese Vermutung aller-

304

dings (nicht zuletzt aufgrund fehlender mesolithischer Nachweise) nicht bestätigen. Spätneolithische Pferdefunde und das Domestikationsproblem Zur Abstammung und Domestikationsgeschichte der Hauspferde existiert inzwischen ein derart umfangreiches Schrifttum (z. B. Azzaroli 1985; Becker 1994; Benecke 1994a, 1994b, 1999; Bibikova 1969; Bökönyi 1964, 1993, 1994; Levine 1990, 1999; Lundholm 1947; Müller 1993; Nobis 1971, 1974; Spassov, Iliev 1997; Uerpmann 1990; usw.), dass es den Rahmen dieses Beitrages bei weitem sprengen würde, die Forschungsgeschichte dieses Themas genauer zu beleuchten. Bis heute gibt es keine einhellige Meinung über den Ort und den genauen Zeitpunkt der erstmaligen Pferdedomestikation. Zwischen einer und acht wilden Stammformen wurden bemüht, um die archäologischen Knochenfunde und die heutige Rassenvielfalt zu erklären. Es herrscht nur insofern Übereinstimmung, als man den Übergang vom Wildpferd zum Hauspferd in das ausgehende 4. bzw. das beginnende 3. Jahrtausend v.Chr. datiert. Längere Zeit war man der Ansicht, dass die erstmalige Domestikation in den osteuropäischen Steppengebieten stattfand, von wo das Hauspferd dann im Laufe des 3. Jahrtausends v.Chr. über ganz Eurasien verbreitet wurde, doch wird in den letzten Jahren wieder häufig die These vertreten, dass eine Domestikation mehrfach an verschiedenen Orten Europas – jeweils ausgehend von der lokalen Wildform – stattfand. Diese Ansicht wird v. a. durch die Beobachtung gestützt, dass unter den bronze- und eisenzeitlichen Hauspferden Europas ganz analoge klinale Größenunterschiede festgestellt werden können, wie sie für die frühholozänen Wildpferde beobachtet wurden (vgl. Uerpmann 1990; Becker 1994; Benecke 1994a, 1999). Auch genetische Untersuchungen weisen auf die Existenz mehrerer voneinander unabhängiger Domestikationszentren hin (z. B. Vilà et al. 2001), wodurch die Annahme eines „Technologietransfers“ neuen Auftrieb erhält (d. h. es wurden nicht die Hauspferde selbst innerhalb Europas verbreitet, sondern vielmehr das Wissen um die Technik der Zähmung und Domestikation, vgl. Lichardus, Lichardus-Itten 1998). Die archäozoologische Forschung

vermutet solche Domestikationszentren in Mittelasien, Ost-, Mittel- und Südwesteuropa (Benecke 1999), allerdings sind noch einige Untersuchungen an kupferzeitlichen Knochenmaterialien abzuwarten, um diese Fragen endgültig zu klären. Der Kern des Problems ist jedenfalls die Schwierigkeit, die Knochen von wilden und frisch domestizierten Pferden zu unterscheiden. Als Kennzeichen für das Vorliegen von Haustieren werden im allgemeinen die Zunahme der Variabilität der Knochenmaße sowie eine allgemeine Größenminderung und Grazilisierung der Tiere genannt, allerdings lassen sich diese Merkmale oft nur statistisch an entsprechend umfangreichen Materialien feststellen. Ähnlich verhält es sich mit der Häufigkeit von Pferdeknochen im Fundkomplex (ein diachroner Anstieg der Pferdeanteile wird als Indiz für Hauspferde gesehen) oder der Analyse von Populationsstrukturen (Alters- und Geschlechterverteilungen können Hinweise auf die Herdenzusammensetzung bzw. Nutzung der Tiere geben). Die meisten bisher zur Untersuchung gelangten jungneolithischen Fundkomplexe weisen aber nur einen bescheidenen Umfang auf und enthalten – wenn überhaupt – meist nur sehr wenige Pferdeknochen. Aus diesem methodischen Dilemma entwickelte sich die zu Recht häufig kritisierte Praxis, frühholozäne Pferdefunde in jedem Fall dem Wildpferd und bronzezeitliche oder jüngere Funde automatisch dem Hauspferd zuzuweisen. Auf spätneolithische Pferdeknochen lässt sich diese Vorgehensweise natürlich nicht anwenden, sodass viele Bearbeiter eine definitive Bestimmung solcher Funde offen lassen (müssen). Zur Zeit unklare Funde aus unserem Gebiet sind u. a. ein Zehenknochen aus Schleinbach (Epilengyel; Pucher 1996), einige Fragmente aus dem Wiener Stadtgebiet (Spätneolithikum; unpubl.), zehn nur zum Teil sicher datierbare Knochen aus Melk-Spielberg (Mödling-Zöbing-Jevišovice-Kultur; Pucher 2006b), ein Halswirbelfragment und ein Radiussplitter aus Furth bei Göttweig (Endneolithikum; Kunst 2006) und sogar ein fast vollständiger Oberschädel aus der kupfer- bis frühbronzezeitlichen Besiedlungsphase des Wildoner Schlossberges (Grill 2003) (vgl.Tab. 1). Letzterer wird vom Bearbeiter Ch. Grill als kurz und robust, mit breiter flacher Stirn und breitem Nasenrücken beschrieben. Die Ähnlichkeiten zum bisher einzigen bronzezeitlichen Pferdeschädel aus Österreich

(siehe unten) sind relativ gering, und mangels vergleichbarer sicherer Wildpferdeschädel blieb die Bestimmung vorerst offen. Im Zusammenhang mit jungneolithischen Pferdefunden verdient ein jüngst von E. Pucher (2006a) ­pub­lizierter Pferdeknochenfund aus einer Siedlung der Badener Kultur in Ossarn bei Herzogenburg (NÖ, vgl. Abb. 2) besonderes Interesse. Es handelt sich um einen annähernd vollständigen linken Unterarmknochen, aus dessen Größter Länge auf eine Widerristhöhe von etwa 136 cm geschlossen werden kann. Morpho­ metrisch lässt sich das Stück problemlos den bisherigen kupferzeitlichen Hauspferdefunden Ungarns sowie den bronze- und früheisenzeitlichen Funden aus Ostösterreich anschließen, während die metrischen Unterschiede zu Wildpferden deutlich größer sind. Es dürfte sich somit um den bislang ­frühesten Beleg für Hauspferde in Österreich handeln. Die bronzezeitlichen Hauspferde Deutschlands waren dagegen ­etwas schlanker und vor allem etwas kleiner (vgl. Müller 1993; Benecke 1998), sodass sich am ehesten Beziehungen zu den Funden aus dem Karpatenbecken herstellen lassen. Die morphologische Distanz zu den österreichischen Wildpferdefunden ist übrigens derart auffällig, dass eine Abstammung des Ossarner Pferdes von lokalen Wildpferden sehr unwahrscheinlich ist. Das Aussterben der österreichischen Wildpferdepopulation ist bislang vollkommen ungeklärt. Es gibt

Abb. 2: Lage der Fundorte Ossarn, Unterhautzenthal und Michelstetten in Niederösterreich. Karte: M. Schmitzberger.

305

zwar einzelne bronzezeitliche Funde, die aufgrund ihrer Robustizität an die Wildform denken lassen (Pucher 2001: 84f.; Schmitzberger 2001: 157), definitive Nachweise existieren aber nicht. Der oben erwähnte Ossarner Fund spricht jedenfalls dagegen, dass in unserem Gebiet Wildpferde durch Einkreuzungen in Hauspferden aufgegangen sind. Vielmehr ist an eine Einengung des Lebensraumes durch Ausweitung des

Ackerbaus oder an stärkere Bejagung zu denken, die die von vorne herein relativ schwachen Bestände (siehe oben) verschwinden ließen. Aufgrund der methodischen Probleme, Wild- und Hauspferdeknochen sicher voneinander trennen zu können, sowie der bisher spärlichen Datenmenge, muss diese Frage aber vorerst offen bleiben.

Abb. 3: Diachroner Vergleich von Pferderadien (oben) und Tibien (unten) aus Österreich. Alle Aufnahmen im selben Maßstab. Beachtenswert ist die im Vergleich zu den Hauspferdeknochen deutlich massivere Bauweise der Wildpferdetibia aus Frauenhofen (links unten). Die Funde aus Ossarn, Bad Pirawarth, Unterhautzenthal und Michelstetten-Hallstattzeit deuten aufgrund ihrer ähnlichen Größe und Morphologie eine kontinuierliche Entwicklung vom Jungneolithikum bis zur älteren Eisenzeit an, während am Übergang von der Hallstatt- zur Latènezeit plötzlich kleinere Pferde auftreten. Grafik: M. Schmitzberger.

306

Abb. 4:Vergleich der Pferdeschädel aus Unterhautzenthal (Vˇete rˇov-Kultur, Totallänge 54,3 cm) und Michelstetten (späte Latènezeit, Totallänge 48,3 cm). Erklärungen im Text. Photos: M. Schmitzberger.

Bronzezeitliche Pferdefunde Aus der österreichischen Bronzezeit liegen zwar deutlich mehr Pferdenachweise vor als aus dem vorangegangenen Neolithikum, doch handelt es sich ebenfalls meist um wenige, domestikationsgeschichtlich kaum aussagekräftige Fragmente. Eine Ausnahme bildet das von E. Pucher (1992, 2001) beschriebene Teilskelett aus einer früh- bis mittelbronzezeitlichen Abfallgrube in Unterhautzenthal (p. B. Korneuburg, NÖ, vgl. Abb. 2). Der vollständig erhaltene Schädel und die Knochen dieses Tieres deuten auf ein sehr schlankes, grazil gebautes Individuum mit einer Widerristhöhe zwischen 135 und 140 cm hin. Der Schädel ist gestreckt und eher schmal gebaut. Die Zähne sind ausgesprochen klein und durch einfache Schmelzfaltenmuster gekennzeichnet. Bemerkenswert ist das fast gerade Stirn-Nasen-Profil und der an seiner Wurzel ausgesprochen schmale Nasenrücken. Nach ausführlichen Vergleichen kam E. Pucher (1992) zum Schluss, dass auch für diesen Fund am ehesten Affinitäten zu ostmitteleuropäischen Pferdeformen feststellbar sind. Daneben sei an dieser Stelle auf den bisher leider noch unbearbeiteten frühbronzezeitlichen Fundkomplex aus Bad Pirawarth (p. B. Gänserndorf, NÖ) hingewiesen, der sich durch relativ zahlreiche ganz erhaltene Pferdeextremitätenknochen auszeichnet. Eine flüch-

tige Durchsicht und Vermessung dieser Funde durch den Verfasser ergab eine durchschnittliche Widerristhöhe von 137-138 cm, womit sich diese Pferde ebenso wie das Ossarner Tier gut mit frühen ungarischen Hauspferdepopulationen vergleichen lassen. Von Interesse sind auch die Pferdereste aus dem angeblich schnurkeramischen Grab von Föllik bei Großhöflein (Bgld.; vgl. Amschler 1949), die in der Literatur mehrmals als bekanntes Beispiel einer jungneolithischen Pferdebestattung genannt wurden (z. B. Bökönyi 1974; Müller 1994), nach neueren Erkenntnissen aber in die Frühbronzezeit datieren (vgl. Behrens 1962; Benkovsky-Pivorova, Gömöri, Kaus 1987). Leider gelten die Funde inzwischen als verschollen (Pucher mündl.), doch nach den Beschreibungen Amschlers schließen auch diese Pferdereste eng an osteuropäische Formen an. Nach den bisher vorliegenden Funden deutet sich also eine gewisse morphologische Kontinuität der (ost-)­­­ österreichischen Hauspferde vom Jungneolithikum (Ossarn) bis zur Mittelbronzezeit (Unterhautzenthal) mit engen Beziehungen zu ostmitteleuropäischen Pferdepopulationen an (Abb. 3). Über die Entwicklung im westlichen Österreich bzw. dem alpinen Bereich des Bundesgebietes lassen sich allerdings mangels aussagekräftiger Funde vorerst keine Angaben machen und chronologisch gesehen muss für die Spätbronze-

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zeit eine bedauerliche Fund- bzw. Forschungslücke eingestanden werden. Eisenzeitliche Pferdefunde Auch das zur Verfügung stehende eisenzeitliche Pferdematerial sticht nicht gerade durch seine Menge hervor, allerdings weisen die einleitend erwähnten neuen Knochenfunde aus Michelstetten bei Asparn an der Zaya (p. B. Mistelbach, NÖ, vgl. Abb. 2 und Schmitzberger 2003) auf einen bisher wenig beachteten Bruch in der oben erwähnten Entwicklungskontinuität hin (vgl. Abb. 3). Diese Knochen wurden im Rahmen von Rettungsgrabungen des Niederösterreichischen Landesmuseums geborgen und stammen aus Resten von Grubenhäusern bzw. Siedlungsgruben, die zu einem Teil in die jüngere Hallstattzeit, zu einem anderen Teil in die mittlere und jüngere Latènezeit datieren. Im Vergleich zu den übrigen Haus- und Wildtierknochen aus diesem Fundkomplex wurden die Pferdereste nur wenig zerhackt und zerschlagen, sodass wir über mehrere ganz erhaltene Extremitätenknochen und einen fast vollständigen Oberschädel verfügen. Letzterer stammt aus einer spätlatènezeitlichen Verfärbung und stellt zur Zeit den einzigen Pferdeschädel aus der österreichischen Eisenzeit dar. Aufgrund der gut ausgebildeten Eckzähne und dem Abreibungsgrad des vollständigen Ersatzgebisses dürfte es sich um ein ausgewachsenes, vielleicht 9jähriges männliches Tier handeln. Im Stirnhöhlenbereich waren einige schwammartige Knochenauflagerungen zu erkennen, aber es blieb unklar, ob sie mit dem Tod des Tieres in Zusammenhang stehen. Mit einer Gesamtlänge von wenig über 48 cm ist der Schädel relativ klein und wirkt plump und gedrungen. Das Diastema ist ausgesprochen kurz und die Backenzahnreihe vergleichsweise lang. Der Hinterrand der Orbitae steht seitlich etwas hervor. Das Gesichtsschädelprofil ist leicht wellig, wobei sich Stirn und Hirnschädel deutlich über die Profillinie des Nasenrückens erheben. Dadurch ergibt sich eine etwas konkave, fast eingesattelte Form des Stirn-Nasen-Profils. Der Nasenrücken und besonders die Nasenwurzel sind ausgesprochen breit gebaut und der Schädel insgesamt niedrig.Vergleicht man diese Merkmale mit dem bronzezeitlichen Unterhautzenthaler Fund, so lassen

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sich kaum Gemeinsamkeiten finden (Abb. 4). Eine Ableitung des latènezeitlichen Tieres aus Michelstetten vom älteren Unterhautzenthaler Typ ist daher äußerst unwahrscheinlich. Leider liegen aus dem hallstattzeitlichen Teilkomplex von Michelstetten nur zwei Oberkieferfragmente vor, die keine seriösen Vergleiche mit dem latènezeitlichen Material erlauben. Hier helfen aber die zum Teil vollständig erhalten gebliebenen Extremitätenknochen weiter, wobei die latènezeitlichen Stücke nach der Methode von May (1985) eine mittlere Widerristhöhe von 124 cm ergeben (Variation 121-127 cm), die hallstattzeitlichen Pendants hingegen auf eine durchschnittliche Widerristhöhe von 139 cm schließen lassen (Variation 136-143 cm). Dass dieser Widerristhöhenunterschied von 15 cm nicht rein zufällig sein kann, beweisen die übrigen, nicht messbaren Knochenfragmente, bei denen die Größendifferenz rein optisch offensichtlich ist. Bereits vor mehr als 40 Jahren machte S. Bökönyi (1964) darauf aufmerksam, dass die eisenzeitlichen Pferde Mittel- und Osteuropas in ihrer Größe deutlich differieren. Er unterschied eine größer und etwas breiter gebaute östliche Gruppe von einer kleiner- und schlankerwüchsigen westlichen Gruppe. Den Größenunterschied bezifferte Bökönyi mit etwa 10 cm und die Grenzlinie zwischen den beiden Formen vermutete er „irgendwo in Slowenien bzw. Österreich“, denn ein von J. W. Amschler (1949) untersuchtes HallstattC-zeitliches Pferd aus Katzelsdorf bei Tulbing (p. B. Tulln, NÖ) passte mit einer Widerristhöhe von 135 cm noch ausgezeichnet zur östlichen Gruppe, während die Pferde aus dem spätlatènezeitlichen Manching in Bayern mit einer durchschnittlichen Widerristhöhe von etwa 125 cm schon den westlichen Typ repräsentierten. Diese Trennung in kleinere westliche und größere östliche Formen lässt sich übrigens bereits unter den bronzezeitlichen Pferden Mitteleuropas beobachten (Bökönyi 1974; Müller 1993). Auch die hallstattzeitlichen Pferde aus Michelstetten sind aufgrund ihrer Widerristhöhe eindeutig der Ostgruppe zuzuordnen, und die geographische Lage des Fundortes passt gut in das von Bökönyi gezeichnete Bild. Allerdings tauchen wenige hundert Jahre später am selben Fundort deutlich kleinere Pferde auf, die wohl zur westlichen Gruppe gehören. Daraus lässt sich nur der Schluss zie-

hen, dass sich die Grenze zwischen den beiden Formen nach Osten verlagert hat, d. h. die kleineren westlichen Pferde breiteten sich etwas weiter nach Osten aus. Leider liegen aus unserem Gebiet noch nicht allzu viele eisenzeitliche Pferdereste vor, doch passen die vorhandenen Befunde durchaus zu dieser Überlegung. Neben Katzelsdorf und Michelstetten besitzen wir auch aus dem hallstattzeitlichen Großmugl (p. B. Korneuburg; unpubl.) und Göttlesbrunn (p. B. Bruck an der Leitha; Pucher 2004) größere, und damit offensichtlich zur Ostgruppe gehörende Pferdereste. Kleinere Pferde werden in Ostösterreich erst mit dem Übergang Hallstatt D / Latène A nachweisbar, etwa am Pranhartsberg (p. B. Hollabrunn; unpubl., Abb. 3), in Inzersdorf-Walpersdorf (p. B. St. Pölten; Pucher 1998) oder in Perchtoldsdorf-Bachacker (p. B. Mödling; Christandl 1998). Aus der frühen bis mittleren Latènezeit stammen einige Knochen kleiner Pferde aus Maiersch (p. B. Horn; unpubl.), und aus der jüngeren Latènezeit liegen neben den Funden aus Michelstetten auch Reste aus Göttlesbrunn (Pucher 2006c: Abb. 3) vor. In Göttlesbrunn finden wir also genauso wie in Michelstetten an ein und demselben Fundort während der Hallstattzeit deutlich größere Pferde als während der Latènezeit. Natürlich sind für eine endgültige Beweisführung noch weitere, gut erhaltene und vor allem gut datierte Funde wünschenswert, doch belegt die vom Unterhautzenthaler Pferdetyp vollkommen abweichende Morphologie des Michelstettener Schädels, dass es sich bei den kleinen jungeisenzeitlichen Pferden nicht bloß um eine domestikationsbedingte Größenminderung handelt, sondern um eine für Ostösterreich neue Form. Da Pferde sicherlich als „politische Tiere“ bezeichnet werden können, lässt sich darin vielleicht auch eine Verschiebung von soziologischen Verhältnissen vermuten, die möglicherweise mit keltischen Wanderungsbewegungen in Verbindung stehen. Nicht verschwiegen werden sollen allerdings die vereinzelt vor allem in spätlatènezeitlichen Tierknochenkomplexen festgestellten Pferde mit herausragenden Widerristhöhen, die – obwohl eine definitive Interpretation dazu schwierig ist – meist als Importe aus dem römischen Machtbereich gesehen werden. Bekannt sind vor allem die Funde aus dem bayerischen Manching (vgl. Boessneck et al. 1971), aber auch Ch. Grill (2000: 53ff.) zieht für einige besonders

große Pferde vom spätlatènezeitlichen temenos auf dem Frauenberg bei Leibnitz (Steiermark) in Erwägung, dass es sich dabei um Geschenke aus Rom bzw. deren Nachkommen handeln könnte. Auch E. Jerem (1998) berichtet von einer (wahrscheinlich) Latène C2-zeitlichen Bestattung eines für damalige Verhältnisse außergewöhnlich großen Pferdes (Widerristhöhe um die 143 cm) aus Sopron-Krautacker (Ungarn), für das sie aufgrund morphologischer Ähnlichkeiten mit den von A. Riedel (1984) untersuchten venetischen Pferden aus Le Brustolade u. a. Beziehungen nach Norditalien für möglich hält. Ungeachtet dieser Ausnahmefunde scheint sich aber in Ostösterreich der kleinere keltische Pferdetyp in den provinzialrömischen und vor allem germanischen Fundkomplexen fortzusetzen (vgl. Riedel 1996, 2001 und im Druck; Schmitzberger in Vorber.). Zusammenfassung Aus dem österreichischen Alt- und Mittelneolithikum liegen inzwischen mehrere eindeutige Nachweise des Wildpferdes vor. Die Fundorte verteilen sich auf den Donauraum und den pannonisch geprägten, hügeligen nordöstlichen Teil Niederösterreichs. Hinweise auf lokale Domestikationsprozesse konnten bisher nicht festgestellt werden. Ein Unterarmknochen aus der Badener Kultur von Ossarn gilt als der zur Zeit früheste Hauspferdebeleg für Österreich und deutet aufgrund seiner Morphologie Beziehungen zu frühen Hauspferden des östlichen Mitteleuropa an. In die gleiche Richtung weisen etliche Funde aus der Bronzezeit (Unterhautzenthal, Bad Pirawarth, Föllik) sowie Pferdereste aus der Hallstattzeit von Michelstetten. Mit dem Übergang von der älteren zur jüngeren Eisenzeit treten in Ostösterreich plötzlich kleinere Pferde auf (Widerristhöhen zwischen 124 und 130 cm), die sich auf westmitteleuropäische Formen zurückführen lassen. Die größeren bronze- und hallstattzeitlichen Pferde (Widerristhöhen von 135 bis 143 cm) sind nun nicht mehr nachweisbar. Aus dieser chronologischen Abfolge und der Verteilung der Fundorte lässt sich wenigstens innerhalb Niederösterreichs auf eine Expansion der keltischen Pferde Richtung Osten schließen. Als Beweis für das Auftreten eines vollkommen andersartigen Pferdetyps kann neben den

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unterschiedlichen Widerristhöhen auch die vollkommen unterschiedliche Morphologie der Pferdeschädel aus Unterhautzenthal (Früh- bis Mittelbronzezeit) und Michelstetten (Latènezeit) gelten. Die geringe Ähnlichkeit zwischen dem Unterhautzenthaler und dem Michelstettener Schädelfund unterstützt außerdem den Gedanken an eine Abstammung von unter-

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schiedlichen wilden Vorfahren. Entsprechend der von mehreren Autoren vermuteten Existenz mehrerer europäischer Domestikationszentren ließe sich das Unterhautzenthaler Individuum am ehesten von einer östlichen Domestikationslinie ableiten, während sich die keltischen Pferde auf eine westeuropäische Abstammungslinie zurückführen lassen.

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Das Schwein und andere Haustiere in Siedlungen und Gräbern der Hallstattzeit Mitteleuropas Nils Müller-Scheeßel und Peter Trebsche

Der Vergleich von Tierknochenfunden in Siedlungen und Gräbern erlaubt aufgrund des unterschiedlichen Charakters der Quellen differenzierte Aussagen zur ökonomischen und symbolischen Bedeutung der wichtigsten Haustiere Rind, Schaf/Ziege und Schwein: In den Siedlungen sind die Relationen zwischen den Haustieren bis zu einem gewissen Grad durch die naturräumlichen Voraussetzungen für die Viehzucht bestimmt; darüber hinaus variiert der Fleischkonsum aber beträchtlich je nach Siedlungstyp. In jenen Siedlungen, wo eine größere Bevölkerung zu ernähren war (z. B. in sog. Fürstensitzen und Herrenhöfen), dominierte das Schwein als effizienter Fleischproduzent. Hingegen unterlag die Fleischbeigabe in Gräbern offensichtlich kulturellen, regional tradierten Konventionen. Männer erhielten tendenziell häufiger Schwein, Frauen eher Schaf/Ziege. Dies kann als Hinweis auf geschlechtsspezifische symbolische Konnotationen gewertet werden oder aber mit der benötigten Fleischmenge für die Bestattungsfeier zusammenhängen. Die vollständige Fassung des Vortrages wird in der Zeitschrift Germania 85/1, 2007 erscheinen.

The Pig and Other Domestic Animals in Settlements and Burials of the Hallstatt Period in Central Europe The comparison of faunal bone finds in settlements and burials allows differentiated statements related to the economic and symbolic meaning of the most important domestic animals: cattle, sheep/goats and pigs. In settlements, the proportion of individual species is determined by the natural-spatial preconditions for stock breeding. In those settlements where a larger population had to be fed (for example, princely residences or defended farms), the pig predominated as efficient meat-producer. In contrast, cultural, regionally-transmitted conventions apparently underlay meat offerings in burials. Men tended more frequently to receive pork; women were more likely to receive mutton or goat. This can be interpreted as evidence of gender-specific symbolic connotations, or may also be seen in connection with the quantities of meat required for the burial ceremonies. The full version of this paper will be published in the journal Germania 85/1, 2007. (Translation: C. Murray-Seegert).

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Reading the Past, reading the Data. Iron Ages Interpreted? Matthias Kucera, Klaus Löcker

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Physicist – VIAS – Vienna Institute for Archaeological Science, University of Vienna Archaeologist – ArcheoProspections® ZAMG – Central Institute for Meteorology and Geodynamics,Vienna

„Dieses eigentümliche Genügen an Worten trägt mehr als irgendetwas Anderes bei zur Perpetuierung der Irrtümer. Denn gestützt auf die von seinen Vorgängern überkommenen Worte und Phrasen geht jeder getrost an Dunkelheiten oder Problemen vorbei, wodurch diese sich unbeachtet Jahrhunderte hindurch von Buch zu Buch fortpflanzen und der denkende Kopf, zumal in der Jugend, in Zweifel gerät, ob etwa nur er unfähig ist, oder ob hier wirklich nichts Verständliches vorliege.“ Arthur Schopenhauer (Meissner 1992, 7)

Abstract This paper aims to show that there is an epistemological process common to all sciences. In particular, scientific thought in physics and archaeology will be compared to demonstrate the existing similarities. Based on a set of data and the application of a specific method, theories and interpretations are derived and become subjects of academic debates. In an archaeological context, this requires to clearly define the above concepts. To clarify the nature of the archaeological data set, a model of the formation of an archaeological “find” or “feature” is presented. It is shown that the data set is defined by both human (subjective reality) and natural (objective reality) factors during its formation and documentation. All methods applied to the data set to arrive at an interpretation must be fully disclosed to facilitate future scientific debates of results. Only this allows for reproducible and comparable conclusions.

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Zusammenfassung

Ziel dieses Aufsatzes ist es, zu zeigen, dass es eine für alle Wissenschaften gültige Vorgehensweise zum Erkenntnisgewinn gibt. Im Speziellen sollen im Vergleich der wissenschaftlichen Denkweisen der Physik und der Archäologie Ähnlichkeiten veranschaulicht werden. Es soll gezeigt werden, dass ausgehend von einem Datensatz in Anwendung einer Methode Theorien und aus diesen abgeleitete Interpretationen zu einer wissenschaftlichen Diskussion gestellt werden. Dazu ist es notwendig, die einzelnen angeführten Begriffe im archäologischen Kontext klar zu definieren. Zur Klärung der Frage nach der Beschaffenheit des archäologischen Datensatzes wird ein Modell zum Werdegang eines archäologischen „Fundes“ oder „Befundes“ vorgestellt. Es zeigt sich, dass der so definierte Datensatz sowohl durch anthropogene (subjective reality) wie auch durch natürliche (objective reality) Faktoren in seiner Erzeugung und auch in seiner Erfassung eingrenzbar ist. Um nun zu einer Interpretation des so gewonnenen Datensatzes zu gelangen, ist eine lückenlose Offenlegung der dabei angewandten Methoden für eine darauffolgende wissenschaftliche Diskussion der Ergebnisse unabdingbar. Dadurch werden diese Ergebnisse nachvollziehbar und vor allem vergleichbar.

Introduction and Motivation We assume that all sciences are based upon common epistemologies. Therefore it seems useful to compare the theoretical and practical approaches of different sciences in gaining knowlegde. Especially archaeological sciences, commonly understood as a part of the humanities, have been criticized for not being as exact and well defined as e.g. physics. At this point we find it necessary to analyse whether physics truly is an exact science or not. In physics the database is interpreted using well defined methods. Interpretations and results have to be reproducible and comprehensible. Physics requires strict methods for working on this data set, otherwise, its results cannot be exact. But it is a fact that the act of producing the data set by measurements influences the primary data (Pietschmann 1996). In quantum mechanics it is widely accepted that the measurement itself produces the particular state of the particle (Zeilinger 2003; Meissner 1992, 7). To compare results embedded in physical theories it is necessary to keep in mind that this is only possible within a certain and declared frame of reference. In quantum mechanics the philosophical idea of determinism had to be abandoned, although many sci-

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entists are still longing for it. To summarize, in physics it is not the data set itself that is strict, but the methods of producing and dealing with the data set are of common, well defined and declared nature. It is obvious that if the methods of dealing with an archaeologi­ cal data set also are of common, well defined nature, then there is no difference in the accuracy of physics and archaeology. Thus, we want to take a closer look at the archaeological data set. The archaeological data set First of all, it is necessary to define the character of the archaeological data set.As determining its structure directly is very difficult, we want to embed the data set within the description of where it originates from, how it is produced, deposited and documented. In doing so it is possible to separate three phases as shown in Fig.1 (Kucera 2004). In phase 1 archaeological artefacts or features are produced and used. The phase of deposition (phase 2) starts with the deposition itself and ends with the excavation of the object. The interpretation and reconstruction of the circumstances of production and use of archaeological artefacts and features takes place in phase 3. It is obvious that human

Fig.1: Life history of an artefact or archaeological feature. (© M.Kucera)

influence is guaranteed through all phases except phase 2, assuming that the object remains undisturbed. For a precise description of these three phases the difference of subjective and objective reality (Wirklichkeit and Realität) has to be illustrated first.The sciences investigate objective reality. E.g. in physics, general laws should characterize nature, both of which are seen as objective. Subjective reality is formed by every human being, depending on individually perceived experiences, social life and environment (Pietschmann 1990). Imagine that we swim in a lake of subjective reality

where the bottom of the lake is the objective reality we want to observe. It is not easy to describe the bottom of the lake, but with special equipment (snorkel mask) and laws to calculate the refraction of light, we are able to find a close description of it.To make our results reproducible and traceable, we need to tell all the other swimmers that we have used a snorkel mask and the law of refraction to calculate the bottom. On Fig.2, subjective and objective reality are connected with the postulated three phases (Kucera 2004). Phase 1 shows the influence of both factors on an ar-

Fig.2: Changes of the information associated with an artefact or archaeological feature. (© M.Kucera)

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chaeological object. It is obvious that production and use of an object is linked to and limited by physical factors, e.g. the sites of fracture within flintstone, and subjective factors such as tradition, culture and other necessities of life. Therefore we can set a borderline defined by subjective and objective reality to the production and use of an archaeological object. During phase 1, all necessary information about an object is generally known, a knowledge quickly lost after its deposition. One might say that the object has left the human sphere. During deposition information is built up again due to physical factors (objective reality) following the laws of stratigraphy. An excavation being an experiment only possible to be made once destroys the stratigraphy which was built up from the time of deposition to the time of the excavation itself. We are able to reconstruct parts of the stratigraphical information by using well defined methods for interpretation as shown in phase 3.Again methods like comparing artefacts with other archaeological sites, analysis of materials and others allow to define parts of the original borderline composited of subjective and objective reality. It is a fact that the status of phase 1 – all necessary information about an object being known – is irretrievable. This at least partially is also due to personal methodical preferences of individual scientists. As these preferences are subjective, they are linked to subjective reality, but by declaring the methods used for interpreting an archaeological data set, results and interpretations become reproducible, traceable and thus objective (Schülein, Reitze 2002). To summarize, the archaeological data set can be defined as a composite of subjective and objective reality and – like in any other science – has to be interpreted accordingly. Interpretation in Archaeology After this assessment of the nature of an archaeologi­ cal data set we want to discuss phase 3, its interpretation. This phase consists of three sub-phases which comprise of a pre-interpretative, an interpretative and a post-interpretative stage.The pre-interpretative stage means collecting the data which in archaeology usually consists of excavating. The excavation process itself however is also interpretative. Excavating implies the search for stratigraphic units, their borders, dimen-

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sions and topography (Wheeler 1954; Harris 1989). At that point archaeology is very similar to quantum physics: The observer (excavator) produces the particular state of the observed stratigraphic unit by excavating. During the process of excavation we want to find the precise borders, dimensions and topography of such a unit. In fact it is impossible to precisely reproduce these states. But it is – within a certain range – the closest approach to the original stratigraphic unit to be defined. In that way excavating is an interpretative act. The next step in the field would be to document the interpretatively defined stratigraphic units, which is usually achieved with sufficiently great accuracy and thus does not introduce additional errors to the data set. We understand that excavating is an experiment viable only once. Therefore it must use common, well defined and declared excavation and documentation methods which result in comparability and reproducibility. Finally preparing the data – like cleaning finds, sequencing units of stratification or ordering the documentation – concludes the pre-interpretative phase. The character of an excavation and its documentation has to be accepted to be interpretative. A discussion of this “stratigraphic interpretation” should deal with the observation and development of methods, not with the particular contents of the specific interpretation, with the latter being part of a second stage of academic debate. Thus, archaeological research aims to reconstruct past subjective and objective reality based on a primary interpretative data set, which has to be interpreted again in a second stage of the archaeological process, which we would like to call the interpretative stage. The first step of this stage is the phasing of the stratigraphic sequence by find analysis and scientific dating. Then the actual interpretation of the data takes place. Information from the phased sequence and all other analyses of the data set along with comparisons of the results from other sites are combined in a comprehensive interpretation of the past subjective and objective reality of the investigated site. This interpretation usually is incorporated in site reports, papers or other forms of archaeological publication. These interpretations can lead to new archaeological theories as approaches to the past objective reality. In the final post-interpretative stage the interpreta-

tions have to be discussed by the scientific community by means of reflections, reviews and other forms of communication. The interpretative and post-interpretative phases are to be understood as a hermeneutic spiral. The interpretation has to be discussed and analysed and the newly found information has to be incorporated back into the original interpretation. Conclusion and Solution Archaeology can be as accurate as physics if archaeo­ logy uses common, well defined and declared methods of excavation and documentation to get a data set to work with. Otherwise interpreting the data is difficult or impossible. The archaeological database is em-

bedded in subjective and objective reality in the past as well as in the present. An excavation which is needed for collecting archaeological data is an interpretative act by its very nature. If reading the past means reading the data, the process of gathering the data and interpreting has to be made as transparent as possible. In order to guarantee reproducibility, traceability and comparability the used methods have to be communicated and possible errors must be revealed. Once common methods are defined and declared constructive discussion on archaeological interpretations and results can take place.Therefore it is necessary to separate discussions on methods from discussions of results.

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Bibliography Harris, E. (1989²), Principles of Archaeological Stratigraphy. Academic Press London & New York. Kucera, M. (2004), Das Experiment in der Archäologie. Experimentelle Archäologie in Europa, Bilanz 2004, Heft 3: 7–13. Meissner, W. (1992), Wie tot ist Schrödingers Katze? Physikalische Theorie und Philosophie. BI-Wissenschaftsverlag. Pietschmann, H. (1990), Die Wahrheit liegt nicht in der Mitte. Ed. Weitbrecht in K. Thienemanns-Verlag.

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Pietschmann, H. (1996), Phänomenologie der Naturwissenschaften. Springer-Verlag Berlin Heidelberg. Schülein, J.A., Reitze, S. (2002), Wissenschaftstheorie für Einsteiger. WUV Universitätsverlag. Wheeler, M. (1954), Archaeology from the Earth. Oxford University Press. Zeilinger, A. (2003), Einsteins Schleier. Die neue Welt der Quantenphysik.Verlag C.H. Beck, München.