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German Pages 280 [286] Year 2013
Innovationsfähigkeit technologieorientierter Netzwerke Messung - Dimensionen – Zusammenhänge von
Daniel Knödler
Oldenbourg Verlag München
Dissertation Technische Universität Dresden, 2013
Lektorat: Dr. Stefan Giesen Herstellung: Tina Bonertz Titelbild: www.thinkstockphotos.de Einbandgestaltung: hauser lacour Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. © 2013 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 143, 81671 München, Deutschland www.degruyter.com/oldenbourg Ein Unternehmen von De Gruyter Gedruckt in Deutschland Dieses Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. ISBN 978-3-486-77133-6 eISBN 978-3-486-78147-2
Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis
IX
Tabellenverzeichnis
XI
Abbildungsverzeichnis
XIII
Teil I Einleitung
1
1 2 3 4
1 3 6 7
Hintergrund der Arbeit Forschungslücke Zielstellung und forschungsleitende Fragen Aufbau der Arbeit
Teil II Grundlagen 1 2 2.1 2.2 3 3.1 3.2 4 4.1 4.2 4.3 5 5.1 5.2
Wissenschaftstheoretische Grundlage des Forschungsansatzes Forschungseinheit Innovationsnetzwerk Netzwerk als Perspektive, Gegenstand und Einheit der Forschung Merkmale von Innovationsnetzwerken Forschungsgegenstand Innovationsfähigkeit Innovation Innovationsfähigkeit Innovation und Innovationsfähigkeit in der Netzwerkforschung Eingrenzung der Betrachtungsperspektive Einordnung im Forschungsfeld Innovationsnetzwerke Stand der Forschung – Konstrukte der Innovationsfähigkeit aus Netzwerkperspektive Grundlegende Implikationen für ein Konstrukt der Innovationsfähigkeit von Netzwerken Theoretische und konzeptionelle Anschlussstellen Zwischenresumé
Teil III Theoretisch-konzeptioneller Zugang zur Innovationsfähigkeit von Netzwerken 1 1.1 1.2 1.3 2 2.1
Dynamische Fähigkeiten Grundlagen einer ressourcen- und fähigkeitsorientierten Perspektive auf Innovationsfähigkeit Inhaltlich-konzeptionelle Komponenten einer differenzierten Sicht auf dynamische Fähigkeiten Kritik und Implikationen für eine Konzeption der Innovationsfähigkeit aus der Perspektive dynamischer Fähigkeiten Der Relational View Grundlagen einer relationalen Perspektive auf Ressourcen und Fähigkeiten
9 9 12 13 15 22 22 29 31 32 34 38 42 42 45
49 50 50 52 58 64 64
VI 2.2 2.3 3 3.1 3.2 3.3 4 4.1 4.2 4.3
Inhaltsverzeichnis Inhaltlich-konzeptionelle Komponenten des Relational View mit Bezug zur Innovationsfähigkeit Kritik und Implikationen für eine Konzeption der Innovationsfähigkeit aus der Perspektive des Relational View Institutionelle Reflexivität Grundlagen einer reflexiv-verfahrensförmigen Perspektive auf Innovationsfähigkeit Inhaltlich-konzeptionelle Elemente zur Erfassung von Innovationsfähigkeit durch Reflexivität Kritik und Implikationen für eine Konzeption der Innovationsfähigkeit aus der Perspektive Institutioneller Reflexivität Theoretisch-konzeptionelles Zwischenresumé Ressourcen und Kompetenzen als Basis der Innovationsfähigkeit Innovationsfähigkeit aus Regel-, Ressourcen- und Beziehungsperspektive auf Netzwerke Zusammenfassung der Implikationen zu einem reflexiv-relationalen Bezugsrahmen der Innovationsfähigkeit von Netzwerken
Teil IV Modellentwicklung 1 1.1 1.2 1.3 1.4 2 2.1 2.2 2.3 2.4
Modellannahmen Dimensionen der Innovationsfähigkeit Voraussetzungen und Wirkungen der Innovationsfähigkeit Ergänzende Einflussfaktoren Zusammenfassung des Hypothesensystems Modellspezifikationen Reflektive Spezifikation Formative Spezifikation Vorgehen zur Bestimmung der geeigneten Spezifikationsart Spezifikation der zentralen Modellkonstrukte
66 70 73 73 75 81 83 83 84 87 91 91 91 96 100 102 104 107 109 110 113
Teil V Methodik der Datenerhebung und Datenanalyse
119
1 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.3 2 2.1
119 119 119 120 122 124 125 126 127 134 135 137
Methodische Aspekte der Datenerhebung Erhebungsdesign Quantitative Erhebung Erhebungseinheit Grundgesamtheit und Stichprobe Schaffung einer Erhebungsgrundlage Erhebungsinstrument Aufbau des Fragebogens Konstruktoperationalisierungen Skalierung Erhebungsprozess Methodische Aspekte der Datenanalyse Der Partial-Least-Squares-Ansatz zur Analyse komplexer Strukturgleichungsmodelle
137
Inhaltsverzeichnis
VII
2.2 2.2.1 2.2.2 2.3 2.4
139 139 147 150
2.5
Beurteilung von Messmodellen Gütekriterien reflektiver Messmodelle Gütekriterien formativer Messmodelle Beurteilung von Strukturmodellen Mehrdimensionale latente Konstrukte höherer Ordnung in PLSStrukturgleichungsmodellen Mediatoreffekte in PLS-Strukturgleichungsmodellen
153 156
Teil VI Datenanalyse und Ergebnisdarstellung
159
1 1.1 1.2 1.3 2 2.1 2.2 3 3.1
159 159 162 164 169 169 181 184
3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.3 3.4
Datengrundlage der empirischen Analyse Verteilung des Rücklaufs Fallzahl und Behandlung fehlender Werte Netzwerkcharakteristika Gütebeurteilung der Messmodelle Bewertung der reflektiven Messmodelle Bewertung der formativen Messmodelle Wirkungsbeziehungen im PLS-Strukturgleichungsmodell Einfluss von Wissen, Kompetenzen und finanziellen Ressourcen auf die einzelnen Dimensionen der Innovationsfähigkeit Direkte Ressourceneffekte Einfluss der Mediatorvariablen Totale Effekte Wirkungen und Einflussfaktoren der Innovationsfähigkeit als Konstrukt zweiter Ordnung Innovationsfähigkeit als formatives Konstrukt zweiter Ordnung Direkter und vermittelter Einfluss von Wissen, Kompetenzen und finanziellen Ressourcen auf die Innovationsfähigkeit Einfluss der Innovationsfähigkeit auf die Innovationsleistung von Netzwerken Zusammenfassende Darstellung des Gesamtmodells Ergebnisdiskussion und Zwischenfazit
186 188 190 193 196 196 200 202 204 208
Teil VII Schlussbetrachtung
217
1 2 2.1 2.2 3
217 219 219 223 226
Zusammenfassung der Arbeit Implikationen Forschung Managementpraxis Fazit
Quellenverzeichnis
231
Abkürzungsverzeichnis AMOS
Analysis of Moment Structures
Anm.
Anmerkung(en)
ANOVA
Analysis of Variance
BSC
Balanced Score Card
bspw.
beispielsweise
CBV
Competence-based View
CFA
Confirmatory Factor Analysis
DCV
Dynamic Capability-based View
CSO
Composite Second Order
DEV
Durchschnittlich erklärte/erfasste Varianz
ebd.
ebenda
EFA
Exploratory Factor Analysis
et al.
et alii (und andere)
FR
Faktorreliabilität
Hervorheb.
Hervorhebung(en)
insb.
insbesondere
i.O.
im Original
IR
Institutionelle Reflexivität
ITC
Item-to-Total Correlation
KBV
Knowledge-based View
KMU
Kleine und mittlere Unternehmen
LISREL
Linear Structural Relationships
LVS
Latent Variable Score
MANOVA
Multivariate Analysis of Variance
MIS
Management Information Systems
Mgmt.
Management
m.W.n.
meines Wissens nach
NIS
Nationale Innovation System
X
Abkürzungsverzeichnis
o.V.
ohne Verlag
PLS
Partial Least Squares
RBV
Resource-based View
RIS
Regional Innovation System
RV
Relational View
S.
Seite
SEM
Structural Equation Model
SPSS
Statistical Package for the Social Sciences
vgl.
vergleiche
VAF
Variance accounted for (Mediation)
VIF
Variance Inflation Factor
VRIN
Valuable, Rare, In-imitable, Non-substitutable
ZfB
Zeitschrift für Betriebswirtschaft
zfbf
Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung
Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Merkmale von Innovationsnetzwerken
22
Tabelle 2: Stand der Forschung – Aspekte der Innovationsfähigkeit von Netzwerken
43
Tabelle 3: Funktionen und potenzielle Praktiken institutionalisierter Reflexivität
78
Tabelle 4: Bewertungskriterien Institutioneller Reflexivität
79
Tabelle 5: Kontextbezug Institutioneller Reflexivität
80
Tabelle 6: Hypothesen
102
Tabelle 7: Kriterien zur Wahl der Spezifikationsart
113
Tabelle 8: Items – Finanzielle Ressourcenbasis
129
Tabelle 9: Items – Ressourcenspezifität
129
Tabelle 10: Items – Wissen- und Kompetenzbasis
129
Tabelle 11: Items – Ressourcenkomplementarität
130
Tabelle 12: Items – Wissensaustauschroutinen
130
Tabelle 13: Items – Innovationsstrategie
130
Tabelle 14: Items – Kospezialisierung
131
Tabelle 15: Items – Marktinnovationen
131
Tabelle 16: Items – Netzwerkinnovationen
132
Tabelle 17: Items – Institutionalisierte Reflexivität
132
Tabelle 18: Items – Innovationskultur
133
Tabelle 19: Items – Transformationsorientierung der Netzwerkführung
134
Tabelle 20: Gütekriterien reflektiv spezifizierter Messmodelle
147
Tabelle 21: Gütekriterien formativ spezifizierter Messmodelle
149
Tabelle 22: Gütebeurteilung I – Finanzielle Ressourcenbasis
170
Tabelle 23: Gütebeurteilung II – Finanzielle Ressourcenbasis
170
Tabelle 24: Gütebeurteilung I – Ressourcenspezifität
171
Tabelle 25: Gütebeurteilung II – Ressourcenspezifität
171
Tabelle 26: Gütebeurteilung I – Wissens- und Kompetenzbasis
172
Tabelle 27: Gütebeurteilung II – Wissens- und Kompetenzbasis
172
Tabelle 28: Gütebeurteilung I – Ressourcenkomplementarität
173
XII
Tabellenverzeichnis
Tabelle 29: Gütebeurteilung II – Ressourcenkomplementarität
173
Tabelle 30: Gütebeurteilung I – Wissensaustauschroutinen
174
Tabelle 31: Gütebeurteilung II – Wissensaustauschroutinen
174
Tabelle 32: Gütebeurteilung I – Kospezialisierung
175
Tabelle 33: Gütebeurteilung II – Kospezialisierung
175
Tabelle 34: Gütebeurteilung I – Innovationsstrategie
176
Tabelle 35: Gütebeurteilung II – Innovationsstrategie
176
Tabelle 36: Gütebeurteilung I – Marktinnovationen
177
Tabelle 37: Gütebeurteilung II – Marktinnovationen
177
Tabelle 38: Gütebeurteilung I – Netzwerkinnovationen
178
Tabelle 39: Gütebeurteilung II – Netzwerkinnovationen
178
Tabelle 40: Fornell-Larcker-Kriterium
179
Tabelle 41: PLS-basierte mehrfaktorielle CFA
180
Tabelle 42: Gütebeurteilung – Institutionalisierte Reflexivität
181
Tabelle 43: Gütebeurteilung – Innovationskultur
182
Tabelle 44: Gütebeurteilung – Transformationsorientierung der Netzwerkführung
183
Tabelle 45: Direkte Effekte finanzieller Ressourcen
188
Tabelle 46: Direkte Effekte von Wissen und Kompetenzen
189
Tabelle 47: Direkte Effekte von Ressourcenspezifität auf Dimensionen
190
Tabelle 48: Direkte Effekte von Ressourcenkomplementarität auf Dimensionen
190
Tabelle 49: Modellvergleich Mediation auf Dimensionsebene
191
Tabelle 50: Mediatoreffekte auf Dimensionen
191
Tabelle 51: Totale Effekte finanzieller Ressourcen auf Dimensionen
193
Tabelle 52: Totale Effekte von Wissen und Kompetenzen auf Dimensionen
194
Tabelle 53: Bestimmtheitsmaße der Dimensionen
195
Tabelle 54: Mehrfaktorielle EFA der reflektiven Konstruktdimensionen
197
Tabelle 55: Gütebeurteilung – Innovationsfähigkeitskonstrukt
198
Tabelle 56: Modellvergleich Mediation auf Konstruktebene
201
Tabelle 57: Effektstärken
208
Tabelle 58: Zusammenfassende Hypothesenprüfung
213
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Theoretisch-konzeptioneller Bezugsrahmen der Innovationsfähigkeit von Netzwerken
89
Abbildung 2: Untersuchungsmodell
103
Abbildung 3: Korrespondenzregeln
105
Abbildung 4: Beispiel formativer und reflektiver Konstruktspezifikationen
106
Abbildung 5: Reflektive Konstruktspezifikation
107
Abbildung 6: Formative Konstruktspezifikation
109
Abbildung 7: Mögliche Spezifikationsfehler bei Messmodellen latenter Variablen
111
Abbildung 8: CSO-Verfahren zur Messung der Innovationsfähigkeit als formatives Konstrukt 2. Ordnung
155
Abbildung 9: Mediatoreffekt
157
Abbildung 10: Zeitliche Verteilung des Erhebungsrücklaufs
160
Abbildung 11: Geografische Verteilung des Erhebungsrücklaufs
161
Abbildung 12: Verteilung des Rücklaufs nach Beantworter
162
Abbildung 13: Entwicklungsphase der Netzwerke
164
Abbildung 14: Geografische Konzentration der Netzwerke
165
Abbildung 15: Verteilung nach Netzwerkgrößen
166
Abbildung 16: Verteilung nach Netzwerkalter
166
Abbildung 17: Verteilung nach Innovationsfeldern
167
Abbildung 18: Verteilung nach Jahresbudget
168
Abbildung 19: Methodische Submodellaufteilung
185
Abbildung 20: Einflüsse auf die Dimensionen der Innovationsfähigkeit
187
Abbildung 21: Dimensionsbeziehungen zum Innovationsfähigkeitskonstrukt
199
Abbildung 22: Direkte und vermittelte Ressourceneinflüsse auf die Innovationsfähigkeit 200 Abbildung 23: Wirkungen der Innovationsfähigkeit auf das Ausmaß an Innovationen
203
Abbildung 24: Beziehungen im Gesamtmodell
205
Teil I Einleitung 1 Hintergrund der Arbeit Seit Mitte der 1980er Jahre ergänzt die Netzwerkperspektive die betriebswirtschaftliche Organisations- und Innovationsforschung. Traditionell eher auf einzelne Organisationen fokussiert, hatten interorganisationale Beziehungen bis dahin eher eine untergeordnete Rolle. Sie waren vielmehr Kontingenzen in zahlreichen betriebswirtschaftlichen und industriesoziologischen Modellen.1 Im Zuge wachsender Bedeutung von Vernetzung und Kooperation in der betrieblichen Praxis wird dieser Fokus auf die traditionelle Analyseeinheit der Betriebswirtschaftslehre, das einzelne Unternehmen in spezifischen Umweltsituationen2, stärker hinterfragt und erweitert.3 Mitunter wird vom Wettbewerb der Netzwerke gesprochen.4 Dies gilt auch in Bezug auf Innovationen. Ein wachsender Teil der Innovationsleistung wird nicht mehr quasi-autonom in einzelnen Organisationen beziehungsweise Unternehmen erbracht.5 Vielfältige interorganisationale Beziehungsgeflechte wie regionale Cluster6, Netzwerke7, Konsortien und andere Kooperationsformen8 prägen den Innovationsprozess und werden zum „dominant mode of innovative activity“9. Diese „Sichtweise, den Motor für Innovationen nicht nur allein auf der einzelbetrieblichen Ebene zu sehen, sondern einem Netzwerk […] verschiedener Organisationen die wesentliche Rolle zur Innovationsgenerierung zuzusprechen, hat sich in den letzten Jahren zunehmend durchgesetzt.“10 Innovationen beziehungsweise Innovationsfähigkeit wird als ein entscheidender Wettbewerbsvorteil sowohl von Unternehmen als auch Netzwerken gesehen.11 So stellen Miles, Snow & Miles (2000) für das erfolgreiche Unternehmen im 21. Jahrhundert fest: „The ability to innovate [..] comes from a skill that is underdeveloped in most companies: collaboration. Knowing how to collaborate helps a company to create and transfer knowledge. Knowledge creation and utilization, in turn, lead to innovation. Companies that understand this long-linked process, and make the appropriate investments needed to establish and maintain it, will be the big winners in the twenty-first century global economy”12. Auch Roberts (2001) kommt 1
Vgl. Windeler (2001). Vgl. Mintzberg (1989). 3 Vgl. Picot & Reichwald (1994). 4 Vgl. bspw. Powell, Koput & Smith-Doerr (1996); Araujo & Brito (1998); Ritter & Gemünden (2003); Lemmens (2004); von der Oelsnitz & Tiberius (2007); Altmann & Wuddel (2008). 5 Vgl. Rammert (1997); Pyka, Gilbert & Ahrweiler (2003); Hirsch-Kreinsen (2007); de Man (2008). 6 Vgl. bspw. Sydow, Windeler & Lerch (2007). 7 Vgl. bspw. Duschek (2002); Semlinger (1993). 8 Vgl. bspw. Bolz (2008). 9 Ahrweiler, de Jong & Windrum (2003), S. 196. 10 Deitmer (2004), S. 42 f. Innovation als i.w.S. netzwerkbasiertes Phänomen findet sich in Ansätzen jedoch auch schon bei Hayek (1945). 11 Vgl. Gulati, Nohria & Zaheer (2000). 12 Miles, Snow & Miles (2000), S. 1. 2
2
Teil I – Einleitung
im Ergebnis einer Längsschnittstudie zu den Kooperationen von 400 forschungsintensiven Unternehmen zu dem Schluss, dass sowohl ein Trend zu einer zunehmenden Abwicklung von Innovationsaktivitäten in Netzwerken stattfindet und das sich dieses Vorgehen positiv auf das Unternehmensergebnis und die Unternehmensziele auswirkt.13 Organisationen ziehen neue Ideen aus der Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen, Universitäten sowie öffentlichen und privaten Forschungseinrichtungen.14 „Die Zukunft wird zunehmend schlagkräftigen Netzwerken von Unternehmen gehören, die ihre Innovationsprozesse gemeinsam optimieren.“15 In der betrieblichen Innovationspraxis steigt damit zugleich die Bedeutung von Innovationsaktivitäten als auch von Vernetzung und somit von Innovationsnetzwerken.16 Diese sollen es den beteiligten Unternehmen ermöglichen, auf einen Pool komplementärer technologischer Ressourcen, Wissen und Kompetenzen zuzugreifen und gleichzeitig die Risiken, die mit Innovationen verbunden sind, zu reduzieren und untereinander zu verteilen.17 Einer der wesentlichen Gründe für Innovationsnetzwerke wird darin gesehen, dass ein Alleingang bei der Innovationsentwicklung zunehmend unwirtschaftlich wird. Denn die Beherrschung aller notwendigen Technologien, Prozesse und Kompetenzen kann sich für ein einzelnes Unternehmen als zu komplex, unsicher und ressourcenintensiv gestalten.18 Es scheint, „no firm can innovate or survive without a network“19, denn „networks allow it to access key resources from its environment, such as information, access, capital, goods, services and so on that have the potential to maintain or enhance a firm’s competitive advantage”20. Es kommt, so die Zielstellung der Beteiligten, zu interorganisationalen, d.h. gemeinsam entwickelten Innovationen aus Netzwerken heraus.21 „These days, only slightly more than half (55%) of innovation is generated internally.”22 Dies zeigt sich beispielsweise in der sinkenden Entwicklungs- und Produktionstiefe von Unternehmen.23 Dieser Trend setzt sich durch die zunehmende Diversifizierung des Innovationsportfolios vieler Unternehmen eher fort.24 „A crucial implication in modern conceptualizations of innovation lies in the recognition that multiple functions, actors and resources within and between firms’ boundaries are necessary to transform innovative ideas into economically successful innovations.”25 Dass Innovationen in Netzwerken und damit Innovationsnetzwerke von hoher Bedeutung sind, kann folglich als Konsens gelten.26 Die Motive der Beteiligten sind vielfältig und 13
Vgl. Roberts (2001), S. 25 ff. Vgl. bspw. Cantner & Graf (2006), S. 463 mit Bezug zu Powell (1990). Als Open Innovation (Chesbrough (2003)) öffnet sich der Innovationsprozess von Unternehmen sogar mitunter für eine unbegrenzte Zahl unterschiedlicher privater wie kommerzieller Akteure. 15 Duschek (2002), S. 2. 16 Vgl. Gerybadze (2004), S. 192 f.; Rycroft & Kash (2004), S. 194; Hirsch-Kreinsen (2007), S. 122 ff. 17 Vgl. bspw. Ritter (1998). 18 Vgl. Rycroft & Kash (2004), S. 194. 19 DeBresson & Amesse (1991), S. 369. 20 Gulati, Nohria & Zaheer (2000), S. 207. 21 Vgl. Hippe (1996). 22 Jamrog (2006), S. 13. 23 Siehe bspw. Borchert & Hagenhoff (2004), S. 4. 24 Vgl. Dilk et al. (2008); Troy (2004). 25 Sammarra & Biggiero (2008), S. 804. 26 Vgl. Pittaway et al. (2004); S. 161. 14
2 Forschungslücke
3
fanden dementsprechend Berücksichtigung in der Innovations- und Managementforschung.27 Fehlende Ressourcen28, hohe finanzielle Aufwendungen für Forschung und Entwicklung29, Risikoteilung externer Zwänge und Unsicherheiten30, Unterstützung durch staatliche Innovationsförderung31, Synergieeffekte durch Beziehungsrenditen32 und Zugang zu bisher nicht bedienten Märkten sowie das Lernen von Partnern33 sind nur einige Gründe.34 Werden die verschiedenen organisationalen Akteure betrachtet, reichen die Beispiele von Netzwerken unter KMU bis zu großen Automobilherstellern35 und multinationalen Zulieferern.36 Die Bedeutung von Innovationsnetzwerken wird insbesondere in Hochtechnologiebranchen betont, wo Unternehmen in einem dynamischen Umfeld oft und schnell auf neues Wissen und Technologien angewiesen sind.37 Besonders in Phasen mit Technologieschüben und in turbulenten Krisen- und Umbruchzeiten, wie beispielsweise weltweit die Jahre 2007 bis 2012, werden Innovationsnetzwerke als geeignete Form zur Lösung von Innovationsproblemen gesehen.38 Doch „innovation networks are perhaps the most difficult, thought-requiring but important of the types of business network conceivable.”39 Wie also gelingt es, interorganisationale Innovationen in einem solchen Netzwerk zu generieren beziehungsweise was ist unter der Innovationsfähigkeit von Netzwerken zu verstehen? In der Behandlung dieser Frage aus einer Netzwerkperspektive heraus zeigt sich eine wesentliche Forschungslücke.
2 Forschungslücke Die Fragestellung nach einer inhaltlich differenzierten Konzeption der Innovationsfähigkeit interorganisationaler Netzwerke ist aus mehreren Gründen interessant und relevant. Es wird nach wie vor ein hohes Ausmaß an Netzwerkversagen konstatiert.40 Derweil ist die wirtschaftspolitische Förderung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten, beispielsweise durch Mittel von EU-Förderprogrammen, oftmals an die Bildung von Innovationsnetzwerken gebunden.41 Eine bessere Kenntnis über das Wesen der Innovationsfähigkeit von Netzwerken 27
Vgl. Veugelers (1998); Marxt (2004). Siehe bspw. Gulati, Nohria & Zaheer (2000); Mildenberger (2000). 29 Siehe bspw. Günther (2003). 30 Siehe bspw. Pfeffer & Salancik (1978). 31 Siehe bspw. Eickelpasch, Kauffeld & Pfeiffer (2002). 32 Siehe bspw. Dyer & Singh (1998). 33 Siehe bspw. Powell, Koput & Smith-Doerr (1996); Contractor, Kim & Beldona (2001). 34 Weitere sehen die Netzwerkbeziehungen selber als eine der wichtigsten Ressourcen von Unternehmen, beispielsweise Håkansson (1987); Clegg & Hardy (1996); Dyer & Singh (1998). 35 Die Global Hybrid Cooperation der Konzerne General Motors, Daimler, Chrysler und BMW stellt ein prominentes Beispiel dar; vgl. General Motors (2006). 36 Vgl. Hensel (2007). 37 Vgl. Teece (2007). 38 Vgl. Hirsch-Kreinsen (2007), S. 122 ff. 39 Cooke (1996), S. 159. 40 Vgl. bspw. Koch & Fuchs (2000); Park & Ungson (2001); Kale, Dyer & Singh (2002); Sydow (2008); Werle (2011). 41 Vgl. Ahrweiler, de Jong & Windrum (2003), S. 201. 28
4
Teil I – Einleitung
und damit ihrer entscheidenden Gestaltungsparameter hat folglich praktische Relevanz für das Netzwerkmanagement sowie die Netzwerkbeauftragten von Unternehmen, welche sich an Innovationsnetzwerken beteiligen.42 Hier kann eine entsprechende Forschungsarbeit einen anwendungsbezogenen Beitrag leisten. Aus wissenschaftlicher Perspektive bildet die Schnittstelle von strategischer Management-, Organisations- und Innovationsforschung zur Netzwerkforschung einen zentralen Bezugspunkt für die Untersuchung der Innovationsfähigkeit. Insbesondere die Organisations- und Strategieforschung haben sich schon früh mit dem Thema Netzwerk beschäftigt.43 Die Frage nach einer inhaltlichen Konzeption der Innovationsfähigkeit auf Netzwerkebene ist allerdings bislang weitestgehend unbeantwortet und stellt eine deutliche Forschungslücke dar. Es dominiert eine organisationszentrierte Sicht, welche organisationalen Fähigkeiten zur Schaffung von Innovationen beitragen. Unternehmen wird i.d.R. Innovationsfähigkeit attestiert, wenn diese systematisch Innovationen hervorbringen können. Ritter & Gemünden (2003) konstatieren beispielsweise, es sei „timely to discuss the innovation benefits relationships and networks can offer and how to realize these”44 und fragen „how to design organizations so that they can be successful members of networks”45. Somit wird die fördernde Wirkung von Vernetzung und Kooperation auf einzelne Organisationen, deren Innovationsleistung und den Unternehmenserfolg vielfach erforscht.46 Es existieren theoretische wie empirisch untersuchte Konzepte der organisationalen Innovationsfähigkeit im Kontext von Kooperationen beziehungsweise Netzwerken.47 Den in dieser Hinsicht erfolgreichen Organisationen wird oft eine Netzwerkkompetenz zugesprochen.48 Diese Perspektive fokussiert jedoch auf die organisationale Ebene, spiegelt folglich die organisationale Innovationsleistung und -fähigkeit mit Hilfe von Netzwerken wieder. Auf dieser analytischen Mikroebene der egocentric/ego network studies stehen Netzwerk und Innovation für die einzelne Organisation in einem Mittel-Zweck-Verhältnis. Betriebswirtschaftlich ist dies allerdings nur eine relevante Perspektive. Dann aus strategischer, mittel- bis langfristiger Sicht ist die Kenntnis von organisationalen Stellgrößen allein kaum ausreichend, um gemeinsam mit wichtigen Wirtschaftspartnern Innovationen zu schaffen. Im Wettbewerb der Netzwerke genügt es nicht (mehr), wenn ein Unternehmen für sich erfolgreich ist.49 Um
42
Vgl. auch Sydow (2008), der allgemeiner die Frage nach Interessensgruppen einer Netzwerkevaluationspraxis aufgreift. 43 Vgl. Sydow (2010), S. 415. 44 Ritter & Gemünden (2003), S. 695; weiter hierzu auch Ritter & Gemünden (1999). 45 Ritter & Gemünden (2003), S. 695. 46 Allgemein bspw. Büchel et al. (1997); Teece, Pisano & Shuen (1997); Eisenhardt & Martin (2000); Pittaway et al. (2004); Jansen (2006); Rothaermel & Hess (2007). Für Venture Capital siehe bspw. Schefczyk (2001); für joint ventures in Informations- und Kommunikationstechnologie bspw. Keil et al. (2008); für Serviceinnovationen bspw. Agarwal & Selen (2009). 47 Siehe bspw. Lipparini & Sobrero (1994); Meagher & Rogers (2004); Rothaermel & Hess (2007); Rasmus (2012). 48 Vgl. bspw. Ritter & Gemünden (2003a) sowie ähnlich Johnson & Sohi (2003) zu Lernaktivitäten und partnering competence der Organisation. 49 Vgl. bspw. Powell, Koput & Smith-Doerr (1996); Araujo & Brito (1998); Ritter & Gemünden (2003); Lemmens (2004); von der Oelsnitz & Tiberius (2007); Altmann & Wuddel (2008).
2 Forschungslücke
5
langfristige Wettbewerbsvorteile zu erzielen, ist auch Innovationsfähigkeit und Erfolg auf der Verbundebene des Netzwerks notwendig.50 Am anderen Ende des Perspektivenspektrums der netzwerkorientierten Innovationsforschung verorten sich Konzepte auf einer Makroebene. Sie wollen Innovationsfähigkeit von Regionen und Nationen als Regional Innovation Systems respektive National Innovation Systems erklären und messen.51 Auch hierbei werden einzelne Netzwerke jedoch wiederum als Mittel zur Steigerung der Innovationsleistung auf anderer Aggregationsebene betrachtet. Das Innovationsnetzwerk als primäre Forschungseinheit, analytisch folglich zwischen Miround Makroebene, ist in Relation zur organisationszentrierten Perspektive noch weitestgehend unerforscht in Bezug auf Innovationsprozesse52 und insbesondere auf die spezifische Fragestellung nach der Innovationsfähigkeit.53 Dabei steht das gesamte Netzwerk als Forschungseinheit im Fokus. Es wird nicht aus der Sicht einer Organisation auf ihre jeweils individuellen Vernetzungen oder Partnerschaften geschaut. Vielmehr ist das interorganisationale Innovationsnetzwerk i.S.d. Zusammenschlusses der Netzwerkmitglieder zu betrachten. Dabei handelt es sich um „komplex-reziproke und relativ stabile Beziehungen [..], in denen auf kooperative Art und Weise (dauerhafte) Wettbewerbsvorteile generiert werden, die sich in innovativen Produkten und/oder Prozessen ausdrücken.“54 Obwohl solche Innovationnetzwerke kein neues Phänomen sind55 und sich die Netzwerkforschung zunehmend interdisziplinär gestaltet56, fehlt es aus organisations- wie managementtheoretischem Blickwinkel weitgehend an einer inhaltlich differenzierten Betrachtung der Innovationsfähigkeit von Netzwerken.57 Borchert & Hagenhoff (2005) weisen in einer Literaturanalyse darauf hin, dass beispielsweise kaum gestaltungsorientierte Ansätze für das Management von Innovationsnetzwerken vorliegen. Sie sehen eine Ursache darin, dass bis dato keine operationalisierten und theoretisch tragfähigen Konzepte der Innovationsfähigkeit auf dieser Analyseebene vorliegen.58 Dies zeigt den Bedarf zur Aufarbeitung des Themas durch eine inhaltlich differenzierte Konzeption der Innovationsfähigkeit auf Netzwerkebene sowohl für die Managementpraxis als auch für die theoretisch-konzeptionelle Forschungslücke.
50
Vgl. bspw. Dyer & Singh (1998); Lemmens (2004); von der Oelsnitz & Tiberius (2007); Altmann & Wuddel (2008). 51 Bspw. Lundvall (2009); Lundvall (1992); OECD (2005); Reith, Pichler & Dirninger (2006); Scherrer (2006). 52 Vgl. Duschek (2002), S. 34; Kutschker (2005), S. 1135. 53 Auch bei Duschek (2002), eine der wohl am meisten rezipierten Arbeiten zum Thema Innovation im Kontext von Netzwerken in der deutschsprachigen, wirtschaftswissenschaftlichen Netzwerkforschung, erfolgt keine explizite Konzipierung und Definition der Innovationsfähigkeit. Im Fokus steht die Erklärung von rentengenerierenden (Innovations)Prozessen im Wechsel zwischen Organisations- und Netzwerkebene. 54 Duschek (2002), S. 44. 55 Vgl. bspw. Van de Ven (1993), S. 212 ff.; Semlinger (1998), S. 11. 56 Mit Verweis auf die sozialwissenschaftliche Technik- und Innovationsforschung siehe bspw. Berghoff & Sydow (2007); Hirsch-Kreinsen (2007). 57 Eine Übersicht zu Schwerpunkten der Netzwerkforschung liefert Sydow (2006), S. 426. 58 Vgl. Borchert & Hagenhoff (2005).
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Teil I – Einleitung
3 Zielstellung und forschungsleitende Fragen Wenn es um die Frage geht, was die Innovationsfähigkeit von Netzwerken ausmacht, dann liegt das grundlegende Interesse der Arbeit darin, „Veränderungsfähigkeit statt nur Veränderung zu erfassen, basierend auf zwei Prämissen. Erstens: Wenn Erfolgsfaktoren verderblich sind und man nicht weiß, was künftig für Erfolg sorgen wird, nützt es wenig, das Vergangene möglichst genau zu erfassen. Zweitens: Wettbewerbsvorteile, vor allem nachhaltige, lassen sich nicht dadurch erlangen, dass man marktverfügbares Standardwissen anwendet. Zu kopieren, was Erfolgreiche machen (best practice), kann eigentlich nur im «rasenden Stillstand» (Paul Virilio) enden. Man muss eigenes Wissen, eigene Kompetenzen aufbauen, um sich vom Gros des Wettbewerbs zu unterscheiden (Alleinstellungsmerkmale, Einzigartigkeit).“59 Die konkrete Zielstellung der Arbeit basiert auf diesem grundlegenden Interesse und fokussiert auf die geschilderte Problemlage beziehungsweise Forschungslücke. Es soll eine Kozeption der Innovationsfähigkeit von Netzwerken entwickelt werden, welche nicht primär auf Outputgrößen, wie der Anzahl von Patenten60, und nicht ausschließlich auf Inputgroßen, wie den Ausgaben für Forschung und Entwicklung61, basiert. Denn es hilft wenig zu wissen, dass Innovationen entstehen, wenn unklar bleibt, wie dies geschieht. Vielmehr soll daher die innere Beschaffenheit i.S.v. differenzierten Aspekten der Innovationsfähigkeit theoretisch fundiert und konzeptionell in ein Modell überführt werden. Die Modellannahmen werden operationalisiert, um sie anhand einer quantitativ-empirischen Erhebung zu beurteilen. Die Forschungseinheit wird spezifiziert als interorganisationale Innovationsnetzwerke, da diese qua Definition eine Innovationsorientierung aufweisen, Innovationsfähigkeit hier folglich von besonderer Bedeutung ist. Auf Basis der Datenanalyse werden Implikationen für die Managementpraxis sowie die Forschung abgeleitet. Es ist nicht das primäre Anliegen dieser Arbeit, operationale Innovationsmanagementpraktiken zu untersuchen oder eine explizite Theorieanalyse und -entwicklung einzelner Innovationstheorien auf Netzwerkebene zu btreiben. Aus dieser Zielstellung heraus lassen sich die folgenden forschungsleitenden Fragen formulierten: 1. Wie kann die Innovationsfähigkeit von Netzwerken theoretisch-konzeptionell fundiert werden? 2. Welche inhaltlichen Aspekte zeichnen diese Fähigkeit auf Netzwerkebene aus und welche wesentlichen Einflussfaktoren wirken auf sie? 3. Wie lässt sich Innovationsfähigkeit operationalisieren und empirisch erfassen? 4. Welche Implikationen ergeben sich aus der Kenntnis inhaltlich differenzierter Apekte der Innovationsfähigkeit für die weitere Forschung und Managementpraxis?
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Moldaschl (2007), S. 36 (Hervorh. i.O.) mit Referenz zu Virilio (1992). Vgl. bspw. Neely et al. (2001). 61 Vgl. bspw. Henderson & Cockburn (1994). 60
4 Aufbau der Arbeit
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4 Aufbau der Arbeit In Teil I wurden einleitend Forschungslücke und Relevanz des Themas aufgezeigt. Teil II legt zum einen die wissenschaftstheoretischen Grundlagen der Arbeit. Insbesondere widmet sich der Teil einer Beschreibung der Forschungseinheit Innovationsnetzwerk und des Forschungsgegenstandes Innovationsfähigkeit. Damit werden das grundlegende Verständnis und die Perspektive der Arbeit auf Netzwerke dargestellt. Zum anderen werden aus einem Überblick zum Stand der Forschung erste Hinweise auf mögliche inhaltliche Aspekte und theortisch-konzeptionelle Fundierungen der Innovationsfähigkeit gewonnen. Teil III baut auf dieser Basis auf und erarbeitet i.S.d. ersten Forschungsfrage theoretische Bezugspunkte swie deren Implikationen für ein Konstrukt der Innovationsfähigkeit. Dieses wird, der zweten Forschungsfrage folgend, somit inhaltlich differenziert erörtert. Teil IV greift den entwickelten theoretisch-konzeptionellen Bezugsrahmen auf und formuliert Hypothesen sowie ein Untersuchungsmodell für die anschließende empirische Erhebung. Teil V stellt die methodischen Aspekte der Datenerhebung, der Modelloperationalisierung sowie der Datenanalyse dar. Teil VI unternimmt zunächst eine Beschreibung der erzielten Datengrundlage. Die Gtebeurteilung der entwickelten Operationalisierungen von Modellvariablen gibt Aufschluss über die dritte Forschungsfrage. Die empirische Analyse des Untersuchungsmodells und eine Ergebnisdiskussion zeigen, dass der theoretisch-konzeptionelle Bezugsrahmen eine adäquate Fundierung für die Innovationsfähigkeit von Netzwerken darstellt. Die darauf basierenden Hypothesen werden in großem Umfang bekräftigt. Die empirische Analyse gibt somit neben der theoretisch-konzeptionellen Argumentation ebenfalls eine datengestützte Antwort auch auf die erste und zweite Forschungsfrage. Teil VII fasst die Arbeit zusammen, zieht aus den gewonnenen Erkenntnissen Implikationen für Forschung un Managementpraxis und widmet sich damit der vierten Forschungsfrage. Ein Fazit greift alle eingangs formulierten foschungsleitenden Fragen auf und schließt die Arbeit ab.
Teil II Grundlagen Dieser Teil der Arbeit legt die Grundlagen für eine folgende theoretisch-konzeptionelle Fundierung (Teil III) und anschließende empirische Untersuchung (Teil IV–VI) eines Modells der Innovationsfähigkeit von Netzwerken. Hierfür erfolgt zunächst eine wissenschaftstheoretische Einordnung (Abschnitt 1). Anschließend werden zentrale terminologische und phänomenologisch-inhaltliche Aspekte der Forschungseinheit Innovationsnetzwerk (Abschnitt 2) und des Forschungsgegenstands Innovationsfähigkeit (Abschnitt 3) erläutert. Es folgt eine erste Einordnung bestehender Forschungsschwerpunkte im Schnittstellenbereich von Innovation und Netzwerkforschung (Abschnitt 4.1) sowie eine Betrachtung relevanter Arbeiten zu Konstrukten und Merkmalen der Innovationsfähigkeit im Netzwerkkontext (Abschnitt 4.2). Hieraus werden zusammenfassend erste grundlegende Implikationen für eine theoretisch-konzeptionelle Fundierung eines Konstrukts der Innovationsfähigkeit von Innovationsnetzwerken aufgezeigt (Abschnitt 5).
1 Wissenschaftstheoretische Grundlage des Forschungsansatzes Realwissenschaftliche Forschung ist i.d.R. durch grundlegende Annahmen eines Forschungsund Erkenntnisprogramms geprägt, welches als Orientierungssystem für wissenschaftliches Arbeiten dient.1 Hierzu zählen vor allem methodologische und theoretische Leitideen. Die theoretischen Leitideen werden detailliert in Teil III dargestellt. Methodologische Leitideen stellen die grundlegenden, formalen Erkenntnis- und Erklärungswege einer Arbeit dar. Sie werden im Folgenden dargestellt. Grundidee der Erklärung Die realwissenschaftliche Forschung ist bestrebt, Erkenntnisse über reale Phänomene und komplexe Zusammenhänge und Wechselwirkungen zu erlangen.2 Ziel der Arbeit ist es, auf Basis theoretisch-konzeptioneller Fundierung und empirischer Prüfung eines Modells, Aussagen über die Innovationsfähigkeit von Netzwerken zu treffen und Implikationen für weiterführende Forschung sowie die Praxis des Innovations- und Netzwerkmanagements zu formulieren. Die Innovationsfähigkeit stellt i.S.d. Erklärungsidee damit den zu erklärenden Sachverhalt/den Untersuchungsgegenstand dar (Explanandum). Aussagen darüber, was diese Fähigkeit ausmacht, welche Grundlagen, Einflussfaktoren und Randbedingungen Auswirkungen haben (Explanans), sollen theoretisch wie empirisch erörtert werden. Eine erste dskriptive Darstellung des Explanandum geht den erklärenden Untersuchungsschritten notwendiger Weise voraus, ist jedoch gerade bei komplexen, abstrakten Phänomenen wie der 1 2
Vgl. hier und im Folgenden Fritz (1995), S. 17 ff. Vgl. Popper (1966, 1993).
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Teil II – Grundlagen
Innovationsfähigkeit inhaltlich nur begrenzt sinnvoll möglich (vgl. Abschnitt 3.2). Es bedarf für eine detaillierte Abbildung und Erfassung geeigneter Modellvorstellungen und Operationalisierungen. Dies greift die deduktiv-nomologische Erklärungsmethode auf, wonach das Explanandum aus dem Explanans abgeleitet und erklärt wird.3 Basis hierfür sind jedoch i.d.R. deterministische Aussagen oder Gesetzmäßigkeiten, welche sich in den realwissenschaftlich orientierten Wirtschafts- und Sozialwissenschaften kaum treffen lassen und zugunsten stochastischer Hypothesen oder Tendenz- und Wahrscheinlichkeitsaussagen entfallen.4 Als Erweiterung der deduktiv-nomologischen Methode tritt hier der Propensitätsansatz der Erklärung in den Vordergrund.5 Die Ableitung des Explanandum aus dem Explanans ist dabei auch mit Hilfe indeterministischer, d.h. probabilistischer Hypothesen möglich. Deterministische Aussagen stellen demnach nur einen Spezialfall dar, in dem Erklärungshypothesen in jeder Situation und unter allen möglichen Bedingungen sämtliche Ursachen für den zu erklärenden Sachverhalt erfassen. Probabilistische Erklärungen erfassen nicht alle denkbaren Ursachen. Das Erklärungsmodell ist damit situations- und wahrnehmungsabhängig.6 Dies gilt, beruhend auf einer Multikausalitätsannahme realer Phänomene, auch für die vorliegende Untersuchung. Grundannahme der Multikausalität sozio-ökonomischer Phänomene Merkmal eines deduktiv-nomologischen Vorgehens ist die Ableitung theoretisch-logischer Hypothesen, welche auf Basis theoretischer Überlegungen einen Sachverhalt erklären sollen. Insofern stellen die verwendeten Theorien begründete Zusammenhangsannahmen dar, weche dem Erkenntnisinteresse der Arbeit in Form von Modellbildung dienlich sein können. Die deduzierten Erklärungshypothesen werden in ihrer Aussagekraft vom situativen Kontext des Sachverhalts beeinflusst. Der situative Ansatz geht daher davon aus, dass one-best-way Aussagen zugunsten situationsadäquater Annahmen und Aussagen zu relativieren sind. Ziel ist es, „Situationsmodelle bzw. Quasi-Theorien mittlerer Reichweite“7 zu schaffen. Deren Aussagen können nicht allumfassend sein, jedoch unter begründeten Modellannahmen und Situationsbedingungen möglichst realitätsnahe, spezifische, differenzierte Erklärungen mit hohem empirischen Gehalt bereitstellen.8 Hierfür ist die Multikausalität empirischer, realer Phänomene zu berücksichtigen. Entsprechend wird angenommen, dass die Innovationsfähigkeit von Netzwerken auf multiplen Faktoren beruht, welche wiederum durch verschiedene Grundlagen in ihrer Ausprägung beeinflusst werden können. Dies ist bei der Wahl theoretischer Fundierungen entsprechend zu beachten. Theoretisches Vorgehen Die Modellbildung und Erklärung des Sachverhalts kann prinzipiell auf Basis einer einzelnen Theorie (monotheoretisches Vorgehen) oder mehrerer Theorien (theoretischer Pluralismus) geschehen. Für die methodologischen Leitideen der Propensität und Multikausalität wird 3
Auch als Hempel-Oppenheim- und Hempel-Popper-Schema bezeichnet; vgl. Hempel & Oppenheim (1948); Popper (1982). 4 Vgl. bspw. Fritz (1995), S. 21. 5 Vgl. Popper (1995). 6 Vgl. Fritz (1995); Popper & Eccles (1997). 7 Staehle (1981), S. 216. 8 Vgl. Fritz (1995), S. 24.
1 Wissenschaftstheoretische Grundlage des Forschungsansatzes
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i.d.R. auf den theoretischen Pluralismus verwiesen.9 Steht im Vordergrund das Interesse des Erkenntnisfortschritts bezogen auf ein empirisches Phänomen und die Erklärung eines konkreten Sachverhalts, haben Theorien eine dienende Funktion.10 Im Mittelpunkt steht nicht die Prüfung eines einzelnen theoretischen Ansatzes, sondern die Klärung eines praktischen Problems oder einer empirischen Forschungslücke. Im Rahmen einer solch problemgeleiteten Forschung dienen Theorien zur Identifizierung derjenigen Variablen, welche eine Erklärung des Phänomens, seiner Grundlagen und des Zusammenhangs mit situativen Faktoren möglichst adäquat ermöglichen. Kritiker sehen die Nutzung unterschiedlicher theoretischer Ansätze allerdings als problematisch, insbesondere wenn sie von divergierenden Voraussetzungen ausgehen.11 Daher sind die grundlegenden Basisannahmen explizit zu berücksichtigen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden somit nur Ansätze genutzt, weche dem Grunde nach kommensurabel und gegenseitig anschlussfähig sind (vgl. hierzu Teil III.5). Dieses theoretische Vorgehen erlaubt einerseits eine multiperspektivische Betrachtung eines Forschungsgegenstandes und berücksichtigt damit die Annahmen von Situationsabhängigkeit, Probabilität und Multikausalität. Andererseits wird die Gefahr axiomatisch bedingter Ergebnisverzerrungen minimiert. Auf Basis relevanter Literaturbeiträge zeigen sich hier insbesondere ressourcen- und fähigkeitsorientierte Ansätze als vielversprechend (vgl. Abschnitte 4.2, 4.3 & 5). Teil III der Arbeit verdeutlicht jedoch, dass durch die Verbindung mit einer regelorientierten Perspektive die theoretisch-konzeptionelle Erklärungsmöglichkeit verbessert und die Operationalisierung präzisiert werden kann. Die Perspektiven beziehungsweise Ansätze erweisen sich als kommensurabel, da sie zum einen primär organisationale sowie interorganisationale Faktoren in den Vordergrund ihrer Erklärung von Innovation und Veränderung stellen12, jedoch auch einen spezifischen Bezug zu externen Kontextelementen konzeptionell fassen. Gemeinsam sind ihnen des Weiteren die explizite oder implizite Annahme einer grundlegenden Ressourcenbasis sowie insbesondere die Leitidee des methodologischen Individualismus. Liberaler methodologischer Individualismus Der liberale methodologische Individualismus bildet eine weitere wissenschaftliche Leitidee der vorliegenden Arbeit. Dabei werden sozio-ökonomische Phänomene prinzipiell auf das Handeln von individuellen Akteuren zurückgeführt.13 Organisationen beziehungsweise Organisationsformen wie Netzwerke werden jedoch als Quasi-Handlungsträger mit QuasiVerhalten und -Eigenschaften verstanden.14 Dies ermöglicht eine Konzeption von Sachverhalten, hier der Innovationsfähigkeit, auf überindividueller Ebene. Im Gegensatz zum kategorischen Individualismus sind Individualaussagen nicht zwingend nötig, sondern es besteht die Möglichkeit zum Einbezug von institutionellen, regel- und strukturorientierten 9
Vgl. ebd. S. 26. Vgl. Hauenschild (2003). 11 Vgl. bspw. Freiling (2001), S. 15 ff. 12 Von den Basisannahmen hierzu weniger kommensurabel wären bspw. ein marktbasiertes Paradigma (vgl. u.a. Porter (1979); Porter (1985)) oder Konzepte der neoklassischen Mikroökonomie und Transaktionskostentheorie; siehe hierzu auch Freiling (2001a), S. 63. 13 Vgl. Diekmann (2000), S. 102 ff. 14 Vgl. Fritz (1995), S. 28. 10
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Teil II – Grundlagen
Zusammenhängen in einen Erklärungsrahmen. Der liberale methodologische Individualismus erlaubt damit die theoretische Fundierung, Operationalisierung und Analyse der Innovationsfähigkeit von Netzwerken, welche im institutionellen Sinne als sozioökonomische Organisationsformen aufgefasst werden (vgl. Abschnitt 2.2), ohne dabei auf Erklärungsmöglichkeiten auf Basis individuellen Verhaltens verzichten zu müssen, wenn diese theoretisch-konzeptionell sinnvoll sind. Aus dieser Leitidee heraus bilden interorganisationale Innovationsnetzwerke die Forschungseinheit der vorliegenden Untersuchung. Dabei stehen nicht einzelne Unternehmen und ihre individuellen Kooperationsbeziehungen im Fokus. Netzwerke werden nicht primär aus einer rein unternehmensbezogenen Nutzensicht (Mikroperspektive) oder als personale Netzwerke betrachtet, sondern als eigenständige Organisationsformen interorganisationaler Innovationsaktivitäten.15
2 Forschungseinheit Innovationsnetzwerk Interorganisationale Netzwerke stellen, neben Märkten und Unternehmen, eine Organisationsform zur arbeitsteiligen Koordination zumeist wirtschaftlicher Tätigkeiten dar.16 Mitunter als „Organisation of the Future“17 gepriesen, entwickelt sich ein wachsendes wissenschaftliches Interesse an ihnen, so dass sie seit den 1980er Jahren vermehrt in den Fokus der betriebswirtschaftlichen Forschung sowie der managementnahen Literatur gerückt sind.18 Die Verbreitung führt dazu, dass der Begriff des Netzwerks quasi ubiquitär und in vielerlei Hinsicht im alltäglichen, zu wissenschaftlichen Zwecken oft zu wenig differenzierten Sprachgebrauch zur Mode geworden ist. Er ist somit einer starken Heterogenität unterworfen. Mildenberger (1998) beklagt die „babylonische Begriffsvielfalt“, Verwirrung und die Aufweichung der Begriffsinhalte, die mit der steigenden Anzahl von Arbeiten und Untersuchungsansätzen einhergehe.19 Partnerschaften, Kooperationen und Zusammenschlüsse diverser Art von Organisationen und Personen20 werden als Netzwerke betrachtet. Gerum & Stieglitz (2004) folgend reicht „das Spektrum [..] von dyadischen Partnerschaften bis zu mehr als zwei, aber weniger als hundert oder gar tausenden von Akteuren“21. Meist wird jedoch von mindestens drei, eher mehr Akteuren in einem Netzwerk ausgegangen.22 Aus einer interorganisationalen Netzwerkperspektive sind die Akteure verschiedene Organisationen. Daneben werden auch Kooperationen, Koalitionen und Akteurskonstellationen in 15 Damit bedient sich die Untersuchung einer zwischen Mikro- und externer Makroperspektive liegenden internen Makrosicht auf Netzwerke und greift somit die einleitend beschriebene Forschungslücke auf. Diese Betrachtungsebene schlägt beispielsweise Hippe (1996) vor, wenn ein spezifisches Partialinteresse, hier das der Innovationsfähigkeit, von ganzen Netzwerken vorliegt. Zur Unterscheidung von Mikro- externer und interner Makroperspektive auf Netzwerk siehe Abschnitt 2.1. 16 Vgl. Siebert (1999), S. 8. 17 Hinterhuber & Levin (1996), S.43. Ähnlich auch Miles, Snow & Miles (2000). 18 Vgl. Morath (1996), S. 9; Windeler (2001), S. 334. 19 Vgl. Mildenberger (1998), S. 3; ebd. S.15. 20 Siehe bspw. Fliaster (2007) für einen stark personenbezogenen, human- und sozialkapitalbasierten Ansatz der kombinativen Innovation, der allerdings nicht auf interorganisationale (Innovations)Netzwerke als Analyseeinheit Bezug nimmt. 21 Gerum & Stieglitz (2004), S. 145. 22 Siehe bspw. Sydow (1991); Semlinger (1993); Duschek (2002); Klaus (2002).
2 Forschungseinheit Innovationsnetzwerk
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Organisationen mitunter als Netzwerke betrachtet. Hierbei handelt es sich um eine intraorganisationale Netzwerkwerkperspektive auf personale Akteure in Organisationen. Diese Sicht wird hier nicht weiter thematisiert. Die Arbeit bezieht sich auf Innovationsnetzwerke, bestehend aus mehreren organisationalen Partnern. Festzuhalten ist, dass mittels des Netzwerkbegriffs unterschiedliche Phänomene und Gegenstände beschrieben werden. Folglich ist weder ein geschlossenes Begriffsverständnis23 noch eine allgemein akzeptierte Netzwerktheorie24 oder die Netzwerkperspektive auszumachen. Dies gilt für Netzwerke allgemein und für Innovationsnetzwerke im Spezifischen.25 Gerade diese „oftmalige Diffusität vorliegender Netzwerkperspektiven trägt dazu bei, dass der Gegenstand ‚Netzwerk‘ sich einer genaueren Bestimmung entzieht. Umgekehrt findet die Vielschichtigkeit und Vielfältigkeit des Gegenstands seinen Ausdruck in diffusen Perspektiven.“26 Eine Unterscheidung von Netzwerkperspektive, Netzwerke als Gegenstand der Forschung und Netzwerke als Forschungseinheit ist daher essenziell für das grundlegende Verständnis der Arbeit und wird im Folgenden vorgenommen.27 Ohne sie droht eine Beliebigkeit auf der konzeptionellen und phänomenologischen Ebene der Innovationsfähigkeit. Darauf aufbauend wird die Besonderheit von Innovationsnetzwerken als Forschungseinheit mit ihren charakteristischen Merkmalen dargelegt (Abschnitt 2.2).28
2.1 Netzwerk als Perspektive, Gegenstand und Einheit der Foschung Die Netzwerkperspektive drückt aus, wie, d.h. auf welche Weise ein Forschungsgegenstand betrachtet wird.29 Es ist eine „besondere Sicht der Realität, um zu einer Ordnung beobachteter Fakten und Ausprägungen zu gelangen“30. Sie wird zur Untersuchung verschiedenartiger Phänomene genutzt.31 Dabei ist es zweitrangig, auf welcher Betrachtungsebene, d.h. auf welche Forschungseinheit bezogen eine solche Sicht eingenommen wird. Beispielsweise wird die soziale Netzwerkanalyse angewandt, um Kommunikationsprozesse in Unternehmen 23
Vgl. schon früh Barnes (1972), weiter Windeler (2001), S. 16 ff. Vgl. Sydow (1992), S. 125; Windeler (2001), S. 347; Klaus (2002), S. 15 f.; Ritter & Gemünden (2003), S. 695. Für einen Überblick verwendeter ökonomischer, politökonomischer und interorganisationstheoretischer Ansätze der Netzwerkforschung siehe bspw. Sydow (1992), S. 224 ff.; Zentes, Swoboda & Morschett (2005), S. 57 ff. sowie zu sozialwissenschaftlichen Ansätzen bspw. Weyer & Abel (2000); Stegbauer (2008). 25 Vgl. Pyka, Gilbert & Ahrweiler (2003), S. 171. 26 Windeler (2001), S. 33. 27 Siehe ausführlicher hierzu Windeler (2001), S. 33 ff. 28 Dieses Verständnis von Innovationsnetzwerken soll einen adäquaten terminologischen Bezugspunkt und konzeptionellen Bezugsrahmen für das zu entwickelnde Innovationsfähigkeitskonstrukt schaffen. Es liegt mir fern, hier einen Vorschlag zum allgemein gültigen Begriffsverständnis des Netzwerks als Forschungseinheit zu formulieren. Sensu Mildenberger trägt dies möglicherweise zwar zur dargestellten Heterogenität mit einer weiteren Arbeit bei, darf jedoch auch nach Moldaschl (2010) als Beitrag zu einem diskussionsoffenen, pluralistischen Wissenschaftsverständnis gesehen werden. 29 Vgl. Nohria (1992). 30 Bellmann & Hippe (1996), S. 8. 31 Vgl. Betts & Stouder (2004). 24
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Teil II – Grundlagen
oder einzelnen Teams zu untersuchen.32 Es handelt sich hier um eine Netzwerkperspektive auf ein intraorganisationales Phänomen. Forschungsgegenstand sind in diesem Fall Kommunikationsprozesse, Forschungseinheit ist das einzelne Unternehmen respektive Team. Der Forschungsgegenstand wird jedoch aus einer relationalen, d.h. beziehungsorientierten Sicht betrachtet. Dies konstituiert die Netzwerkperspektive. Netzwerke können auch direkt Gegenstand der Forschung sein. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Art und Beschaffenheit eines interorganisationalen Unternehmensnetzwerks aus Sicht von einzelnen Unternehmen analysiert werden. Von Interesse ist hierbei u.a., wie ein Netzwerk vom Management zu gestalten ist, um Zulieferer und/oder Abnehmer stärker an Innovationsprozessen des eigenen Unternehmens zu beteiligen.33 Das Netzwerk ist daher, obgleich reduziert auf die Sicht des zentralen Unternehmens, der Forschungsgegenstand. Die Forschungseinheit hingegen bleibt das Unternehmen oder ggf. einzelne F&E-Abteilungen, in denen die Innovationsprozesse verortet werden. Die Perspektive auf das Netzwerk ist dabei nicht zwingend eine relationale, wenn ausschließlich eine Sicht, die des Unternehmens, auf interorganisationale Beziehungen besteht. Ein Netzwerk bildet eine Forschungseinheit, wenn es den Rahmen für ein zu erforschendes Phänomen i.S.d. Erkenntnisinteresses darstellt. Sind beispielsweise Wissensaustauschprozesse zwischen mehreren kooperierenden Unternehmen zentrales Interesse einer Arbeit und werden diese Prozesse nicht aus der Sicht eines einzelnen dieser Unternehmen sondern in ihrer Gesamtheit betrachtet, dann werden sie als eingebettet in eine Netzwerkstruktur verstanden.34 Forschungsgegenstand sind daher i.d.R. multilaterale Phänomene, weitestgehend independent von einzelnen Netzwerkakteuren, gleichwohl beeinflusst von der Beschaffenheit und den Charakteristika des Netzwerks insgesamt, in welches sie eingebettet sind. Von Belang ist eine Unterscheidung von Netzwerk als Forschungseinheit oder Forschungsgegenstand für diese Arbeit aus zwei Gründen: Sie bezieht sich (1.) auf Innovationsnetzwerke als Forschungseinheit. Im Vordergrund steht damit zunächst eine Beschreibung, was als Innovationsnetzwerk verstanden wird, d.h. eine Darstellung des Netzwerks mit seinen charakteristischen Merkmalen. Sie ist nicht zuletzt für die Stichprobenauswahl einer empirischen Prüfung entscheidend. Primär dient sie hier jedoch zur konzeptionellen Verortung des Forschungsgegenstandes. Denn bezogen auf die Forschungseinheit existiert ein zentrales Erkenntnisinteresse. Dieses stellt den eigentlichen Forschungsgegenstand der vorliegenden Arbeit dar – die Innovationsfähigkeit – welche damit als ein Phänomen auf Netzwerkebene verstanden wird. Sie wird explizit nicht als eine organisationale Fähigkeit eines Unternehmens zur Kooperation oder zum kooperativen Innovationsmanagement betrachtet. Forschungseinheit wäre dann das Unternehmen. Die Arbeit weist damit (2.) eine Netzwerkperspektive auf dieses Phänomen auf, was im Verlauf (vgl. Teil II.5 und insb. Teil III) auch in der relationalen Konzeption des Innovationsfähigkeitskonstrukts deutlich wird. Sowohl Forschungseinheit (Netzwerk) als auch Forschungsgenstand (Innovationsfähigkeit) bedürfen einer terminologischen Spezifikation. Während sich Innovationsnetzwerke dabei in Realiter als empirisches Phänomen beobachten und damit beschreiben lassen, zeigen die 32
Bspw. Cross et al. (2007) und die dort angegebene Literatur. Bspw. Koufteros, Edwin-Cheng & Lai (2007). 34 Vgl. bspw. Sydow (2004); Sydow, Windeler & Lerch (2007). 33
2 Forschungseinheit Innovationsnetzwerk
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Ausführungen in Abschnitt 3.2, dass es sich bei der Innovationsfähigkeit um eine latente Größe handelt. Zwar lässt sich gegebenenfalls die Wirkung von Innovationsfähigkeit beobachten – konkrete Innovationen als Outputgröße – nicht jedoch die Fähigkeit selber als Potentialgröße. Für ihre Erfassung ist ein Konstrukt notwendig. Entwicklung und Test eines theoretischen Modells, welches dieses Konstrukt abbildet, sind die zentralen Anliegen dieser Arbeit. Insbesondere die inhaltlichen Merkmale beziehungsweise Facetten des zentralen Konstrukts werden im Verlauf der Arbeit stärker konzeptionell und theoretisch gestützt herausgearbeitet. Im Folgenden wird zunächst, aufbauend auf den in der Literatur identifizierten charakterisierenden Merkmalen von Innovationsnetzwerken und unter Rekurs auf Typologien interorganisationaler Netzwerke, ein Begriffsverständnis von Innovationsnetzwerken als Forschungseinheit und damit Bezugsrahmen des Innovationsfähigkeitskonstrukts geschaffen.
2.2 Merkmale von Innovationsnetzwerken Duschek (2002) weist auf das Problem hin, dass insbesondere in der Forschung zu Innovationsnetzwerken der Begriff selbst oft nur „implizit in den (Gesamt-)Kontext der jeweiligen Ausführungen eingebettet [ist], so dass sich selten klare Begriffskonturen zeigen.“35 Auffallend ist mitunter das gänzliche Fehlen einer expliziten Definition.36 Für eine systematische Weise der Begriffsexplikation bieten sich Typologien an, da sie i.d.R. einer gegenstandbezogenen Beschreibung dienen. Es sind Darstellungen von Unterscheidungsmerkmalen einzelner Typen in einer Gesamtheit von Objekten. Die relevanten Objekte können damit anhand ihrer jeweiligen Merkmale einzelnen oder mehreren Typen zugeordnet werden. Im Gegensatz zu Theorien, welche primär eine erklärende Funktion haben, dienen Typologien folglich der Deskription.37 Idealtypologien versuchen dabei, Unterscheidungsmerkmale in extremen, reinen Ausprägungen zu erfassen. Real existierende Objekte sind damit nur annäherungsweise zu beschreiben.38 Realtypologien hingegen beschreiben und unterscheiden in der Praxis existierende Objekte. Netzwerktypologien sind solche Klassifizierungssysteme. Sie sollen eine Zuordnung und Unterscheidung unterschiedlicher Netzwerke aufgrund spezifischer Netzwerkmerkmale ermöglichen. Diesbezüglich zeigen Sydow et al. (2003) drei Basiskategorien auf.39 In der Kategorie Prozess werden Spezifika der Entstehung, Evolution, zeitlichen Begrenzung sowie Koordination und Steuerung von Netzwerken zur Differenzierung zugrunde gelegt. Die Kategorie Inhalt umfasst Differenzierungsmöglichkeiten, welche auf Inhaltsaspekte wie Strukturen, Positionen, Beziehungsarten/ -qualität und Eigenschaften der Netzwerkmitglieder fokussieren. In der Kategorie Funktion dienen Aspekte wie Zweck, Ergebnis oder Wirkung der Netzwerktätigkeit als Abgrenzungsmerkmale. Entlang dieser typologischen Basiskatego35 Duschek (2002), S. 35 (Anmerk. DPK). Bellmann & Haritz (2001), S. 285 sprechen daher auch zaghaft vom „Versuch einer Begriffsbestimmung“. 36 Vgl. Duschek (2002), S. 34. 37 Vgl. Hempel (1965). 38 McKelvey (1975), S. 510 sieht Idealtypologien daher auch weniger geeignet „to be used in empirical research because it results in theoretical categories not usually found empirically”. 39 Vgl. Sydow et al. (2003), S. 48 ff. sowie Sydow (2010), S. 379 ff.
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Teil II – Grundlagen
rien werden im Folgenden Merkmale von interorganisationalen Innovationsnetzwerken herausgearbeitet. Dies geschieht aufbauend auf Corsten (2001), der hierfür u.a. die (intendierte) Wirkung des Netzwerks, die Koordinationsrichtung, die Kooperationsrichtung und die Akteurszusammensetzung vorschlägt.40 Innovation als funktionaler Zweck mit eher langfristiger intendierter Wirkung von Innovationsnetzwerken Für Hippe (1996) ist ein entscheidendes Merkmal der Konstitution von Netzwerken, dass die beteiligten Organisationen ein übergeordnetes, gemeinsames Ziel verfolgen. Dieses bestimmt den Kooperationszweck, die intendierte Wirkung beziehungsweise Funktion des Netzwerks.41 Eine Differenzierung nach dieser Netzwerkfunktion stellt eine Möglichkeit der Typisierung dar. Sie kann dabei unterschiedlich konkrete funktionsbezogene Formen annehmen. So existieren reine Informationsnetzwerke, in denen vor allem eine wechselseitige Information und Kenntnisnahme über die jeweiligen Aktivitäten und relevanten (Branchen)informationen stattfinden. Daneben finden sich Wissens- und Lernnetzwerke. Bei diesem Typus steht das gemeinsame Lernen durch Erfahrungsaustausch im Fokus. Sie sollen den Beteiligten zu neuem Wissen verhelfen. Innovationsnetzwerke stellen demgegenüber eine Organisationsform dar, deren Funktion die Generierung von Innovationen ist. Der Definition von Fritsch et al. (1998) folgend, findet dabei sowohl ein Informations- und Wissens- als auch Ressourcenaustausch statt.42 Es sollen konkrete Innovationen – neue Produkte, Dienstleistungen oder Technologien – gemeinsam zum Vorteil der Beteiligten geschaffen werden.43 Diese Zweckausrichtung auf gemeinsame Innovationen grenzt Innovationsnetzwerke beispielsweise von reinen Einkauf- und Vertriebsnetzwerken ab und ermöglicht als ein wesentliches Merkmal von Innovationsnetzwerken damit eine Charakterisierung aus funktionstypologischer Sicht. Unter prozessualen Aspekten stellt die Dauer der gemeinsamen Zielverfolgung ein weiteres Merkmal von Innovationsnetzwerken dar.44 Innovationen können nur solang gemeinsam hervorgebracht und Innovationsprozesse gemeinsam verfolgt werden, wie das Netzwerk besteht. Viele Innovationsprozesse sind ihrer Planung folgend zwar eher temporär angelegt, d.h. sie verfügen über ein mehr oder weniger definiertes Ende: die Zielerreichung mit Fertigstellung einer bestimmten Innovation. Dies gilt für radikale Innovationen sowie inkrementelle Innovationen, wenn sie als Abfolge sukzessiver kleinerer Einzelinnovationen betrachtet werden.45 Beispiele wie das Euregio Bodensee zeigen jedoch, dass auch temporäre Innovationsvorhaben in langfristig angelegten Innovationsnetzwerken verfolgt werden.46 Sie realisieren auf diese Art potentiell mehrere Innovationen und folgen kontinuierlich einer
40
Vgl. Corsten (2001), S. 7 ff. Vgl. Hippe (1996). 42 Vgl. Fritsch et al. (1998), S. 246 f. 43 Vgl. Bellmann & Haritz (2001), S. 285; Duschek (2002), S. 44; Borchert, Goos & Hagenhoff (2004), S. 7. 44 Vgl. Corsten (2001), S. 7 ff. 45 In Realiter ist vielmehr davon auszugehen, dass Innovationen nicht vollständig planbar sowie zeitlich und inhaltlich oft schwer abgrenzbar sind. 46 Vgl. Wüthrich, Philipp & Frentz (1997). 41
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gemeinsamen Zielausrichtung beziehungsweise formulieren eine Innovationsstrategie.47 Daher handelt es sich eher um „eine auf Dauer angelegte Zusammenarbeit […] zum Zwecke der kontinuierlichen Hervorbringung von Innovationen.“48 Ein Innovationsnetzwerk ist somit nicht die sporadische, auf einzelne Projekte im Rahmen der Auftragsforschung beschränkte Zusammenarbeit, welche für einzelne Akteure im Zuge ihrer individuellen innovationsbezogenen Strategieformulierungen opportun erscheint.49 Es kann vielmehr als langfristige, relativ stabile Zusammenarbeit betrachtet werden, deren Funktion die Schaffung einzelner oder mehrerer Innovationen im Rahmen eines gemeinsam zu erbringenden Arbeitsprogramms ist.50 Damit können die jeweiligen Innovationsvorhaben projektartigen Charakter aufweisen, das Netzwerk für diese Projekte besteht jedoch i.d.R. über die einzelnen Projektabschlüsse beziehungsweise Innovationen hinaus.51 Gleichwohl besteht die Möglichkeit, dass im Zeitverlauf einzelne Akteure wechseln und dass die Intensität der konkreten Zusammenarbeit fluktuiert.52 Hierarchische und heterarchische Steuerungsprozesse Netzwerken ist als eher kooperative Organisationsform mehrerer Organisationen eine Koexistenz von Interdependenz und Autonomie inhärent.53 In rein marktlichen Beziehungen sind die Geschäftspartner unabhängig. Innerhalb einzelner Organisationen sind demgegenüber typischerweise hierarchische Beziehungen von (einseitiger) Abhängigkeit prägend. Als Organisationsform zwischen Markt und Hierarchie können Netzwerke Elemente von Abhängigkeit und Unabhängigkeit aufweisen. Die relative Autonomie von Netzwerkpartnern ergibt sich zum einen aus der Freiwilligkeit der Zusammenarbeit, einer grundsätzlich möglichen Austrittsoption aus dem Netzwerk und der rechtlichen Unabhängigkeit der Beteiligten. Des Weiteren können Netzwerke für die Beteiligten die Abhängigkeit vom Marktgeschehen und von weniger planbaren arm’s-length Markttransaktionen reduzieren helfen, indem sie den Handlungsspielraum für einzelne Organisationen, beispielsweise durch Ausgrenzung direkter Wettbewerber, erweitern.54 Dadurch nimmt jedoch gleichzeitig die wirtschaftliche und strategische Interdependenz der Netzwerkpartner untereinander, bezogen auf die gemeinsame Innovationsstrategie und Innovationsvorhaben, zu. Bei diesem „Paradoxon der Kooperation“55 gilt es abzuwägen, ob für die einzelnen Beteiligten der potentielle Netzwerknutzen aus Sicherheit, Synergien und zusätzlichen Kompetenzen und Ressourcen die Nachteile der möglichen Autonomieeinbußen und relativen Einschränkungen der Entscheidungsfreiheit übertrifft.56 Dieses Spannungsfeld von rechtlicher Autonomie und 47
Vgl. Bellmann & Haritz (2001), S. 285. Wohlgemuth (2002), S. 280; ähnlich auch Cooke (1996); Becker & Dietz (2002); Duschek (2002). 49 Vgl. Hagenhoff (2008), S. 44 ff. 50 Vgl. Sauer (1999), S. 21; Schuh & Friedli (1999), S. 224; Becker & Dietz (2002), S. 236; Drewello & Wurzel (2002), S. 20; Gerybadze (2004). S. 199. Zur Innovation als gemeinsames Arbeitsprogramm in Abgrenzung zur Auftragsforschung siehe Hauschild & Salomo (2007), S. 81 f. 51 Vgl. Szeto (2000). 52 Vgl. Schön & Pyka (2012). 53 Vgl. Hirsch-Kreinsen (2002). 54 Vgl. Grabher (1993), S. 8 ff. 55 Boettcher (1974), S. 42. 56 Jarillo (1988), S. 37 spricht von einer Mindestanforderung des Anreiz-Beitrag-Gleichgewichts. 48
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Teil II – Grundlagen
wirtschaftlicher Interdependenz bedingt die Notwendigkeit zur Steuerung und Koordination der Netzwerkakteure und ihrer Aktivitäten und Verpflichtungen.57 Eine grundsätzliche Koordinationsfunktion durch Netzwerkmanager beziehungsweise -koordinatoren kann als prinzipieller Bestandteil interorganisationaler Innovationsnetzwerke erachtet werden.58 Bei der Art der Steuerungsprozesse kann dabei zwischen einer eher hierarchischen und eher heterarchischen Steuerung unterschieden werden.59 Hierarchische Netzwerke sind monozentrisch gestaltet. Die Steuerung geht richtungsweisend von einer oder wenigen fokalen Organisationen aus, welche das Netzwerk dominieren.60 Heterarchische Netzwerke verteilen die Steuerungsprozesse hingegen auf viele oder alle Netzwerkteilnehmer und sind damit polyzentrisch organisiert.61 Die unterschiedliche Richtung beziehungsweise Art der Steuerungsprozesse bietet damit grundsätzlich die Möglichkeit einer prozessualen Typisierung von Netzwerken. So zeigt Jarillo (1988), dass in strategischen Netzwerken eine fokale hub firm die Zusammenarbeit strategisch lenkt.62 In Bezug auf Innovationsnetzwerke konnte dies bis dato nicht geklärt werden.63 Prinzipiell muss davon ausgegangen werden, dass Innovationsnetzwerke sowohl durch eher hierarchische Steuerungsprozesse von einzelnen dominanten Netzwerkpartnern, wie auch durch heterarchische Prozesse verteilt auf viele Akteure ohne Dominanz einzelner geführt werden können.64 Eine Charakterisierung allein anhand einer dieser Ausprägungen ist für Innovationsnetzwerke nicht konstituierend.65
57
Vgl. Klaus (2002), S. 19. Zumeist wird diese Koordination unter den (Management)Mechanismen der Partnerselektion, der Allokation von Aufgaben, Ressourcen und Verantwortlichkeiten, der Regulation i.S.v. Regeln und Routinen der Abstimmung von Aufgaben und Ressourcen aufeinander, sowie der Evaluation der Netzwerkaktivitäten zusammengefasst; vgl. bspw. Sydow (2008), S. 5 ff. 58 Vgl. Hirsch-Kreinsen (2002), S. 108; Pfirrmann (2007), S. 97 ff. 59 Vgl. bspw. Santoro & McGill (2005). 60 Dejung (2007) zeigt beispielhaft die kontextbezogene Nutzung von Hierarchie und netzwerkartiger Kooperation als alternative Steuerungsformen aus Sicht eines individuellen Unternehmens. Gleichwohl geht der Hierarchiebegriff dabei einher mit der (Re)Integration von Aktivitäten in die Organisation und führt in letzter Konsequenz zum Verschwinden des Netzwerks. 61 Vgl. Borchert, Goos & Hagenhoff (2004), S. 6. In heterarchischen Netzwerken kann die Koordination in Abstimmung der Mitglieder auch einem der Partner beziehungsweise einem Netzwerkkoordinator übergeben werden; siehe bspw. Sydow et al. (2003), S. 84. Dies ist nicht gleichbedeutend mit hierarchischer Steuerung durch ein dominierendes Netzwerkmitglied. 62 Vgl. Jarillo (1988), S. 32. 63 Dilk et al. (2008), S. 693 gehen bspw. davon aus, dass eine Mischung hierarchischer und heterarchischer Koordination in Innovationsnetzwerken die Regel ist. 64 Ähnliches gilt bspw. für Franchisenetzwerke, denen bei formal-rechtlicher Selbstständigkeit der Netzwerkpartner (Franchisenehmer) trotzdem oft dominante Franchisegeber quasi-hierarchisch gegenüberstehen. Allein die Wahl der Organisationsform beziehungsweise die Charakterisierung als Franchisenetzwerk lässt damit nicht grundsätzlich auf das Ausmaß hierarchischer oder heterarchischer Steuerungsprozesse schließen; vgl. Rometsch & Sydow (2006). 65 Vgl. auch Stadlbauer, Hess & Wittenberg (2007), S. 268 zum Einsatz von Managementinstrumenten in Netzwerken. Auch hier konnte kein Einfluss der Form der Netzwerksteuerung festgestellt werden.
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Austauschbeziehungen in vertikaler, horizontaler und komplementärer Kooperationsrichtung Austausch- beziehungsweise Kooperationsbeziehungen stellen einen inhaltlichen Aspekt eines Netzwerks dar.66 Ritter (1998) folgend weisen Innovationsnetzwerke insbesondere einen technologieorientierten Austausch von Wissen, Kompetenzen und Ressourcen zwischen den Mitgliedern auf, welcher im Hinblick auf gemeinsame Innovationen relevant ist. Dies folgt der funktionalen Ausrichtung und schließt reine Absatz- oder Beschaffungsbeziehungen aus.67 So finden sich Innovationsnetzwerke vor allem in technologieintensiven Branchen.68 Die Richtung der Kooperationsbeziehungen bezieht sich auf die Positionen der Mitglieder, welche diese in der (industriellen) Wertschöpfungskette primär einnehmen. Vertikale Netzwerke setzen sich aus Mitgliedern direkt aufeinanderfolgender Stufen zusammen. In einem solchen Netzwerk kooperieren Organisationen ausschließlich zwischen vor- und nachgelagerten Stufen.69 Ist hierbei der Zweck die gemeinsame Innovation, dann wird von vertikalen Innovationsnetzwerken gesprochen.70 Sie stellen eine auf den Prozess und die Vermarktung von Innovationen ausgerichtete, koordinierte, eher kooperative Zusammenarbeit zwischen Akteuren dar, welche untereinander in einem Zulieferverhältnis stehen.71 In horizontalen Netzwerken hingegen befinden sich die Mitglieder auf der gleichen Stufe. So sind Netzwerke unter Automobilherstellern genauso möglich wie Netzwerke allein unter Zulieferern.72 Auch hier sind funktional auf gemeinsame Innovationen ausgerichtete Netzwerke möglich.73 Eine diagonale Kooperationsrichtung liegt vor, wenn sich die Zusammenarbeit nicht auf reine horizontale oder vertikale Stufen beschränkt, d.h. wenn jeweils mehrere Organisationen sowohl auf unterschiedlichen als auch der gleichen Stufe kooperieren. Es sind meist Beziehungen zwischen Technikherstellern, Nutzern und Zulieferern, zum Teil aus verschiedenen Branchen.74 Sie werden daher als komplementäre Netzwerke bezeichnet.75 Austauschbeziehungen finden damit sowohl entlang als auch quer zur Wertschöpfungskette statt. Insgesamt ist festzuhalten, dass Innovationsnetzwerke sowohl eine primär horizontale wie vertikale als auch eine komplementäre Ausrichtung der Kooperationsbeziehungen aufweisen können.76
66
Die mathematisch und graphisch geprägte strukturelle Netzwerkanalyse verdeutlicht die inhaltliche Sicht auf Netzwerke als Geflecht. Demnach besteht ein Netzwerk aus Knoten und Kanten, welche die Netzwerkmitglieder und ihre Beziehungen untereinander darstellen. Siehe auch Håkansson (1987), S. 14. 67 Vgl. Ritter (1998); Kowol (1998). 68 Vgl. Schilling (2005), S. 25 f. 69 Vgl. Wildemann (1997), S. 417. 70 Vgl. Fischer & Huber (2005). 71 Vgl. Hippe (1996), S. 25. 72 Prominente Beispiele finden sind u.a. in der Automobilindustrie bei General Motors (2006) beziehungsweise bei Wildemann (1998). 73 Vgl. bspw. Fritsch et al. (1998); Koschatzky (2001). 74 Vgl. bspw. Kowol & Krohn (1995), S. 78; Borchert, Goos & Hagenhoff (2004), S. 7 ff; HirschKreinsen (2007), S. 123. 75 Vgl. Schöne (2000), S. 9. 76 Ähnlich Bellmann & Haritz (2001); Dilk et al. (2008).
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Teil II – Grundlagen
Art und Herkunft der Netzwerkmitglieder Netzwerke lassen sich inhaltlich anhand ihrer räumlichen Ausbreitung charakterisieren. Sie ergibt sich aus der geographischen Verteilung der Mitglieder. Regionale Netzwerke bestehen aus Akteuren einer räumlich relativ eng begrenzten Umgebung. Die Akteure sind typischerweise embedded in regionale Wirtschaftsräume, die meist durch eine ökonomische und soziale Vernetzung gekennzeichnet sind.77 Oftmals streben solche Netzwerke meist aus KMU gemeinsame Größenvorteile, economies of scale, an.78 Prinzipiell können Netzwerke, die ihre Ausdehnung nicht selber beschränken, jedoch auch aus weltweit ansässigen Mitgliedern bestehen. Zur Unterscheidung bietet sich die Abstufung in regionale, überregionale und nationale sowie länderüberspannende, d.h. internationale Netzwerke an.79 Auch Innovationsnetzwerke können grundsätzlich anhand ihrer regionalen Ausbreitung beschrieben werden. Generell kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass sie sich nur einer dieser Ausprägungen zuordnen lassen, dass sie beispielsweise ausschließlich in regional eingegrenzten Kontexten entstehen und aktiv sein können.80 Zwar wird in der Literatur die Bedeutung von räumlicher und kultureller Nähe (proximity)81 u.a. für den Aufbau von Vertrauen und Wissensaustausch in Netzwerken als stabilitäts- und kooperationsfördernder Faktor thematisiert.82 Doch gerade hoch spezialisierte Unternehmen finden mitunter keine geeigneten Kooperationspartner ausschließlich im regionalen Umfeld.83 Innovationsnetzwerke bilden sich insbesondere aufgrund zunehmender Spezialisierung und gleichzeitiger Innovationsdynamik in globalen Wertschöpfungs- und Innovationsprozessen (vgl. Abschnitt 4.2). Die Bedeutung regionaler Nähe für Wissensaustausch, Innovation und Kompetenzsynergien wird daher zunehmend in Frage gestellt.84 Eine spezifische Ausprägung der Regionalität kann folglich nicht als charakterisierendes Merkmal von Innovationsnetzwerken gelten.85 Die Akteurszusammensetzung weist nicht nur einen geographischen Verteilungsaspekt auf, sondern bezieht sich vor allem auf die Art der Akteure. Da es sich um interorganisationale Innovationsnetzwerke handelt, werden hier personale Netzwerke86 sowie Netzwerke in Organisationen ausgeschlossen. Bezugnehmend auf die Art der Organisationen verweist Hirsch-Kreinsen (2007) auf das Vorhandensein von „Akteuren wie wissenschaftlichen Instituten, Normungsausschüssen, Fachcommunities“87 hin. Innovationsnetzwerke umfassen neben Unternehmen damit insbesondere forschungsorientierte Einrichtungen. Sie bestehen 77
Vgl. Granovetter (1985); Morath (1996). Vgl. Klaus (2002), S. 60 ff. 79 Ähnlich bspw. Cooke (1996), S. 161. 80 Vgl. Cooke (1996), S. 161. Eine rein regionale Konzentration wird meist für Kompetenznetzwerke angenommen, siehe bspw. Dieckmann (1999); Nix (2005); Meier zu Köcker (2008). 81 Siehe Boschma (2005); Knoben & Oerlemans (2006). 82 Vgl. bspw. Raueiser (2005); Biggiero & Sammarra (2008); Kauffeld-Monz & Fritsch (2010). Eine kritische Diskussion zum Stellenwert von Vertrauen in Kooperationsbeziehungen findet sich bei Wurche (1994), S. 143 ff. 83 Vgl. Eraydin & Armatli-Köroglu (2005). 84 Vgl. Gertler (2003); Simmie (2003); Boschma (2005). 85 Vgl. auch Lewin & Peeters (2009); Contractor et al. (2012). 86 Bspw. bei Cantner & Graf (2006). 87 Hirsch-Kreinsen (2007), S. 123; ähnlich Kowol & Krohn (1995); Cooke (1996); Kowol (1998); Sauer (1999); Soete, Wurzel & Drewello (2002); Voßkamp (2004); Kirschten (2006); Strebel & Hasler (2007). 78
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damit aus organisationalen Akteuren unterschiedlicher Art.88 Dies wird als weiteres charakterisierendes Merkmal betrachtet. Der relative Anteil von Forschungseinrichtung kann dabei u.U. Einfluss auf das Ausmaß an Innovationen des Netzwerks haben, da der wesentliche Auftrag dieser Akteure neuen Erkenntnissen und Innovationen gilt. Der Forschungsanteil eines Innovationsnetzwerks ist daher im Zuge der Modellentwicklung und -analyse zu berücksichtigen. Begriffsverständnis des Innovationsnetzwerks Insgesamt ist festzuhalten, dass Innovationsnetzwerke sich nicht ausschließlich über eine einzelne Typologie beschreiben lassen. Es kann davon ausgegangen werden, dass in Innovationsnetzwerken grundsätzlich der Zweck beziehungsweise die Funktion der Generierung von Innovationen dominiert. Die organisationalen Akteure verfügen daher über eine gemeinsame Zielausrichtung auf Innovationen. Diese wird tendenziell langfristig verfolgt, da Innovationsnetzwerke langfristige Wettbewerbsvorteile schaffen sollen. Inhaltlich überwiegen technologieorientierte Austauschbeziehungen zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Weitere Merkmale können in unterschiedlicher Ausprägung auftreten, sodass sich Kombination von Merkmalsausprägungen ergeben. Dies ist für empirisch zu beschreibende, d.h. real existierende Phänomene, diese stellen Innovationsnetzwerke als Forschungseinheit dar, insofern zu erwarten, als dass die meisten reinen Typologien idealtypische Differenzierungen vornehmen. Demnach können Innovationsnetzwerke sowohl hierarchisch wie heterarchisch koordiniert werden. Die Mitglieder können sowohl auf vorund nachgelagerten Stufen der Wertschöpfungskette, auf der gleichen Stufe oder komplementär zueinander tätig sein. Auch die regionale Ausdehnung eines Netzwerks kann differieren.89 Die entsprechenden Merkmalsausprägungen werden im Verlauf der Arbeit u.a. bei der Stichprobenbeschreibung (vgl. Teil VI) berücksichtigt. Es ergibt sich folgendes Begriffsverständnis für interorganisationale Innovationsnetzwerke als Forschungseinheit dieser Arbeit: Innovationsnetzwerke sind ökonomische Formen der innovationsbezogenen, relativ stabilen, interorganisationalen Zusammenarbeit zwischen mehr als drei Unternehmen und Forschungseinrichtungen, um auf kooperative Art und Weise Wettbewerbsvorteile zu generieren. Diese drücken sich in innovativen Produkten, Dienstleistungen und/oder Prozessen aus. Innovationsnetzwerke verfügen dafür über eine kollektive, funktionale Zielausrichtung auf Innovationen. Hierzu ermöglichen sie vor allem einen technologieorientierten Austausch von Wissen, Kompetenzen und Ressourcen zwischen den Netzwerkmitgliedern, welche formal selbständig sind, in Bezug auf die Innovationsaktivitäten jedoch wirtschaftlich abhängig sein können.90 88
Dies können staatliche Akteure, wissenschaftliche Institute, Hochschulen, etc. sein; vgl. Duschek (2002), S. 45; Hauschild & Salomo (2007), S. 84. 89 Behnken (2010), S. 381 f. zeigt in Fallstudien Beispiele vertikaler Innovationsnetzwerke der Luftfahrindustrie, die außerdem von zentralen Hub-Firms dominiert und regional konzentriert sind. Sie lassen sich somit unterschiedlichen Typologien zuordnen. 90 Dem Sinne nach vergleichbare Definitionen finden sich in Beiträgen von Sydow (1992); Kutschker (1994); Friese (1998); Hippe (1996); Bellmann & Haritz (2001); Duschek (2002); Borchert & Hagenhoff (2004); Sydow (2006a).
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Teil II – Grundlagen
Kategorie Funktionale Aspekte/ Zweck
Charakteristika Generierung gemeinsamer Innovationen zum Erzielen und Sichern von Wettbewerbsvorteilen organisationale Akteure Unternehmen sowie wissenschaftliche Institute/ Akteure Forschungseinrichtungen eine regional begrenzte Verteilung der Akteure ist möglich, jedoch nicht notwendig Inhaltl. i.d.R. technologiebezogene Austausch- und Nutzenbeziehung von Aspekte Wissen, Kompetenzen und Ressourcen rechtliche Unabhängigkeit der Akteure bei möglicher wirtschaftlicher Beziehungen Abhängigkeit bezogen auf die Innovationsaktivitäten sowohl horizontale, wie vertikale und komplementäre Beziehungen sind möglich hierarchische sowie heterarchische Steuerungsprozesse möglich Prozessuale und zeitliche auch bei befristeten, distinkten Innovationsvorhaben nicht notwendiAspekte gerweise eine zeitliche Existenzbegrenzung des Netzwerks
Tabelle 1: Merkmale von Innovationsnetzwerken Quelle: Eigene Darstellung
3 Forschungsgegenstand Innovationsfähigkeit Innovationen und damit Innovationsfähigkeit werden immer mehr als eine Schlüsselkomponente zur Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und Netzwerken sowie allgemein zum Wohlstand von Nationen betrachtet.91 Hierüber scheint weitgehend Einigkeit zu herrschen. Eine gemeinsam geteilte Definition des Innovationsbegriffs sowie der Innovationsfähigkeit existiert jedoch bis heute weder in der wissenschaftlichen Diskussion noch in der betrieblichen Praxis.92 Eine Ursache kann, wie im Fall der Netzwerkforschung, im Fehlen einer in sich geschlossenen und umfassenden Innovationstheorie liegen.93 Im Folgenden werden daher zunächst die terminologischen Grundlagen für das Verständnis von Innovation (Abschnitt 3.1 ) und Innovationsfähigkeit (Abschnitt 3.2 ) für diese Arbeit dargelegt.
3.1 Innovation Etymologisch ist der Begriff Innovation eine Ableitung des lateinischen innovatio mit der Bedeutung Neuerung, Neuheit, Neueinführung oder Erneuerung.94 Definitionen zur Innovation ist daher das Element der Neuheit und Veränderung eines Zustandes oder Prozesses
91
Vgl. bspw. Ladwig (1996); Tidd, Bessant & Pavitt (2001). Vgl. Greiling (1998), S. 31. 93 Vgl. Duschek (2002), S. 14; einen Überblick liefern bspw. Macharzina & Wolf (2005). 94 Vgl. Vahs & Burmester (1998), S. 45. 92
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gemein.95 Im weitesten Sinne kann Innovation als etwas der Art nach Verändertes betrachtet werden.96 Im Schrifttum haben vor allem die Arbeiten von Schumpeter die Innovationsforschung und das Verständnis von Innovation sowohl in Forschung wie in der betrieblichen Praxis über Dekaden maßgeblich beeinflusst. Für ihn ist Innovation zwar eine Neuerung, gleichwohl nicht jede Neuerung eine Innovation. Entscheidend in Schumpeters Innovationsverständnis ist die endogene Entwicklung. Darunter versteht er „nur solche Veränderungen des Kreislaufs des Wirtschaftslebens […], die die Wirtschaft aus sich selbst heraus zeugt“97. Solch eine Veränderung aus sich selbst heraus ist „eine besonders praktische und gedanklich unterscheidbare Erscheinung, die nicht vorkommt unter den Erscheinungen des Kreislaufs oder der Gleichgewichtstendenz, sondern nur wie eine äußere Macht in sie hineinwirkt“98. Innovation ist demnach die Einführung eines neuen Elements oder die radikal neue Kombination bestehender Elemente und Produktionsmittel im Wirtschaftskreislauf.99 Entwicklungen wären somit vor allem dann als Innovationen zu verstehen, wenn sie diskontinuierlich ablaufen, wenn sie „kraft ihres Wesens einen ‚großen‘ Schritt und eine ‚große‘ Veränderung bedeuten“100. Das traditionelle, von der Nationalökonomie Schumpeters geprägte Verständnis von Innovation ist daher i.d.R. das eines nachweisbaren, eher radikalen Fortschritts. Als Ausgangspunkt hierfür sieht Schumpeter vor allem den schöpferischgestalterischen Unternehmer als Innovator im Wirtschaftskreislauf.101 Der Akt des unternehmerischen Schaffens durch die Einführung des Neuen ist dabei auch an einen destruktiven Prozess der „schöpferischen Zerstörung“102 des Alten gebunden. Für DeBresson & Amesse (1991) ist im Kontext von interorganisationalen Netzwerken „the Schumpeterian legacy [..] self-evident. If innovation consists of new technical combinations, networks provide the flexibility with which to exploit opportunities for the recombination of various components. Networks can be a privileged way of innovating.“103 Eine zu stark individualistische Sicht – die des einzelnen Innovators und Unternehmers – mit Fokus auf technische Merkmale von Innovationen vernachlässigt jedoch beispielsweise sozioökonomische oder strukturelle Aspekte sowie, insbesondere im Hinblick auf Netzwerke, Interaktion i.S.d. Austausches von materiellen und immateriellen Ressourcen und Kompetenzen organisationaler Akteure.104 Entscheidend bei der Betrachtung von Innovation in Netzwerken ist außerdem der funktionale Zielaspekt von Interaktion und Austausch – die Innovationsgenerierung als Zweck von Innovationsnetzwerken (vgl. Abschnitt 2.2). So werden in der Betriebswirtschaftslehre Innovationen zumeist als die am Markt eingeführten Neuerungen verstanden (Innovation im engeren Sinne), welche sich dort bewähren und
95
Vahs & Burmester (1998), S. 43 f. und Hauschild & Salomo (2007), S. 4 f. liefern eine Zusammenstellung ausgewählter Definitionen von Innovation der vergangenen Dekaden. 96 Vgl. Hamel (1996), S. 323 ff. 97 Schumpeter (1964), S. 95. 98 Schumpeter (1964), S. 95. 99 Vgl. Schumpeter (1931), S. 100 f. 100 Schumpeter (1961), S. 109, Hervorh. i.O. 101 Vgl. Schumpeter (1912), S. 140 sowie S. 158. 102 Hauschild & Salomo (2007), S. 11. 103 DeBresson & Amesse (1991), S. 364. 104 Vgl. bspw. Van de Ven, Angle & Poole (1989); Ortmann et al. (1990).
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Teil II – Grundlagen
durchsetzen (Innovation im weiteren Sinne).105 Sie sind somit Zweck beziehungsweise Mittel, um Wettbewerbsvorteile zu erreichen.106 Deutlich wird, ähnlich wie bei Schumpeter, dass als Innovationen solche Neuerungen angesehen werden, welche dem Markt, „dem Konsumentenkreise […], dem betreffenden Industriezweig“107 noch nicht bekannt sind beziehungsweise eine neuartige Problemlösung oder Bedarfsbefriedigung darstellen. Damit wird Innovation zumeist als Produkt beziehungsweise produktbezogene Innovation, i.d.R. resultierend aus Forschungs- und Entwicklungsarbeit, verstanden. Um ein genaueres Verständnis von der Fähigkeit zur Innovation zu entwickeln, greifen rein markt- und produktbezogene Sichtweisen auf das Phänomen Innovation jedoch zu kurz. Denn sozio-kulturelle Neuerungen oder organisatorische Innovationen, beispielsweise neue Managementsysteme und -verfahren, neue Prozesse und Strukturen in Unternehmen und Netzwerken, werden dabei vernachlässigt, sind jedoch ebenfalls in einer Betrachtung von Innovation und Innovationsfähigkeit zu berücksichtigen.108 Denn organisatorische Innovationen sind oft grundlegend für innovative Produkte.109 „… innovation activity […] relies on highly skilled workers, on interactions with other firms and public research institutions, and on an organisational structure that is conducive to learning and exploiting knowledge.”110 Diese breitere Perspektive auf Innovation gibt beispielsweise die Definition des OsloManuals wieder:111 „An innovation is the implementation of a new or significantly improved product (good or service), or process, a new marketing method, or a new organisational method in business practices, workplace organisation or external relations.“112 Sie zeigt, beispielhaft für zahlreiche vergleichbare Definitionen, verschiedene Aspekte des Phänomens Innovation auf. Sie weist zum einen auf den Objektbezug von Innovationen (Produkt, Prozess, Organisation etc.) hin. Zum anderen erlaubt sie eine Differenzierung des Ausmaßes an Veränderung (radikal neu, in Teilen inkrementell verändert). Des Weiteren impliziert sie unterschiedliche Bezugsebenen von Innovation (neu für die Organisation, den Markt, in interorganisationalen Beziehungen beziehungsweise im Netzwerk). Eine solche breite Perspektive ist notwendig, wenn Innovationen im Kontext von technologieorientierten Innovationsnetzwerken als Ergebnis eines sozio-ökonomischen Interaktionsprozesses mehrerer organisationaler Akteure innerhalb von Netzwerkregeln, -strukturen und -prozessen betrachtet werden.113 Die vorliegende Arbeit orientiert sich daher am Verständnis des Oslo-Manuals. Denn mit der Zielstellung, ein Modell der Innovationsfähigkeit von Netzwerken zu entwickeln, muss das Verständnis von Innovation, insbesondere im Hinblick auf die verschiedenen Bezugsebenen, der Komplexität des Phänomens Rech105
Vgl. Vahs & Burmester (2005), S. 44. Vgl. Teece (2007; 2009). 107 Schumpeter (1931), S. 100. 108 Vgl. Stadlbauer, Hess & Wittenberg (2007), S. 268; Knödler & Schirmer (2013). 109 Vgl. Keuken & Sassenbach (2010), S. 5. 110 OECD & Eurostat (2005). S. 28. 111 Das Oslo-Manual ist ein von der OECD erarbeitetes Manuskript, welches „guidelines for the collection and use of data on innovation activities in industry” zusammenstellt; vgl. OECD (2012). 112 OECD & Eurostat (2005), S. 46. 113 Vgl. zu den Merkmalen von Innovationsnetzwerken Abschnitt 2.2. Siehe auch Duschek (2002), S. 23 ff.; zur sozialen und politischen Dimension des Innovationsprozesses siehe bspw. Frost & Egri (1991). 106
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nung tragen. Im Folgenden werden die zentralen Aspekte der Innovation – Objekt, Perspektive, Bezugsebene sowie Intensität – detaillierter dargestellt.114 Innovationsobjekte Innovationsobjekte drücken den Gegenstandsbereich der Innovation (was ist die Neuerung?) aus. Zumeist wird zwischen Produkt- und Dienstleistungsinnovationen sowie Prozess- und Technologieinnovationen unterschieden. Am weitesten verbreitet und mitunter ausschließliches Differenzierungskriterium ist die Klassifizierung in Produktund Prozessinnovationen.115 Seltener werden auch organisatorische Innovationen behandelt.116 Marr (1980) versteht unter Produkt- und Prozessinnovationen im Wesentlichen die „Erweiterung des naturwissenschaftlich-technischen Wissens als Ergebnis erfolgreicher Forschungsund Entwicklungstätigkeit“117. Sie stellen Quellen einer wirtschaftlichen Entwicklung dar. Als Prozessinnovationen werden neuartige Verfahren und Techniken bei der Kombination von Produktionsfaktoren verstanden. Sie beziehen sich zumeist auf die konkrete Herstellung eines bestimmten Gutes und sollen Qualitätssteigerung, Kostensenkung, Risikominderung oder eine Verringerung von Durchlaufzeiten ermöglichen. Sie verändern daher vor allem technische Abläufe der Produkterstellung. Ziel von Prozessinnovationen ist die Effizienzsteigerung der Leistungserstellung.118 Produktinnovationen hingegen sind neue oder merklich verbesserte Produkte, welche am Markt einführt werden. Es sind Veränderungen im Leistungsprogramm, welche sowohl das Ersetzen bisheriger wie auch die Erweiterung und Veränderung bestehender Angebote einschließen. Sie zielen auf die Effektivitätssteigerung i.S. des Markterfolgs.119 Wesentliches Unterscheidungsmerkmal von Produkt- und Prozessinnovationen ist die Betrachtung eines Ergebniszustandes (Produkt) gegenüber einer Ergebniserzielung (Prozess). Diese Unterscheidung ist jedoch nicht trennscharf.120 Eine Vermengung von Produkt- und Prozessinnovationen stellt die Dienstleistungsinnovation dar.121 Dienstleistungen werden verstanden als Bereitstellung oder Einsatz von Leistungsfähigkeit. Diese äußert sich im Prozess der Kombination von internen (Personal, Werkzeug oder Geschäftsräume) und externen Faktoren (der Kunde/Dienstleistungsbezieher und sein Eigentum) mit dem Ziel der Nutzenstiftung (beispielsweise eine Autowartung).122 Dienstleistungsinnovationen beziehen sich folglich sowohl auf die materielle Neuerung von Faktoren, die im Zuge der Dienstleistung zum Einsatz kommen, als auch auf den Prozess und den Kontext ihrer Kombination. Technologieinnovationen unterscheiden sich von Produktinnovationen dadurch, dass ihnen i.d.R. eine definitive Marktpositionierung beziehungsweise Zielausrichtung an spezifischen Marktsegmenten oder Nutzergruppen fehlt. Sie sind stärker generisch.123 Technologie be114
Vgl. auch Gerpott (1999); Hauschild & Salomo (2007); Bolz (2008). Vgl. Marr (1980), S. 950 f.; Brockhoff (1999), S. 37; Hauschild & Salomo (2007), S. 9. 116 Siehe bspw. Pleschak (1996); Brockhoff (1999); Gerpott (1999); Vahs & Burmester (2005). 117 Marr (1980), S. 950 f. 118 Vgl. Biemans (1992), S. 10; Hauschild & Salomo (2007), S. 9. 119 Vgl. Reichwald & Piller (2006), S. 102. 120 Vgl. Homburg & Krohmer (2003), S. 809 ff. 121 Vgl. Hauschild & Salomo (2007), S. 9. 122 Vgl. Meffert & Bruhn (2000), S. 28. 123 Vgl. Phillips (2001), S. 19. 115
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zeichnet hierbei die anwendungsbezogene Nutzung von theoretischen Forschungserkenntnissen. Diese Nutzung kann in vielfältiger Weise in unterschiedlichen Produkt- und Prozessinnovationen zum Tragen kommen, welche auf den neuen Technologien aufbauen.124 Organisatorische Innovationen sind Veränderungen in der Ablauf- oder Aufbaustruktur von Organisationen und Netzwerken.125 Sie beziehen sich auf interne Prozesse, Praktiken, Regeln, Verfahren und Instrumente zu deren Steuerung. Die Abgrenzung von Prozessinnovationen ist zwar nicht überschneidungsfrei, kann jedoch anhand der Zielausrichtung von Prozessinnovationen – Verbesserung der Produkterstellung – erfolgen. Organisatorische Innovationen beziehen sich nicht primär auf einzelne konkrete Produkte, sondern beispielweise auf die Reorganisation von Geschäftsbereichen, die Umstrukturierung von gesamten Order-to-Market Prozessen, die Implementierung neuer Verfahren und Instrumente des Wissensaustausches oder eine stärkere Ausrichtung als Netzwerkorganisation. Ziel dieser Innovationen ist die effektivere und effizientere Gestaltung des Zusammenwirkens individueller und organisationaler Akteure.126 Zwischen den verschiedenen Innovationsobjekten ergeben sich Interdependenzen. So bedingen Produktinnovationen nicht selten Prozessinnovationen sowie organisatorische Neuerungen und Umstrukturierungen. Die unterschiedlichen Gegenstandsbereiche (bspw. interne Prozessinnovationen respektive externe Produktinnovationen) legen außerdem nahe, dass Innovationen auf unterschiedlichen Bezugsebenen und daher als relativ betrachtet werden müssen. Bezugsebenen und Perspektiven Als die drei Bezugsebenen von Innovationen können Organisation, Markt/Branche und Netzwerk unterschieden werden.127 Insbesondere die Darstellung von Prozessinnovationen sowie organisatorischen Innovationen erfolgt meist vor dem Hintergrund einzelner Organisationen oder Organisationseinheiten. Neuerungen dieser Art beziehen sich auf interne Abläufe und Strukturen. Für die Organisation sind beispielsweise neue Managementmethoden, signifikant veränderte Regeln im internen Qualitätscontrolling oder die Umstellung von Reihen- auf Inselfertigung aus subjektiver Perspektive und auf der Bezugsebene der Organisation Innovationen. Dennoch können sie von außen betrachtet, d.h. `objektiv´ in der Wirtschaft beziehungsweise in anderen Organisationen bereits vorhanden sein. „Betriebswirtschaftlich sind [jedoch] alle aus [..]individueller Sicht erstmalig relevanten Neuheiten Innovationen.“128 Insbesondere Produkt- und Dienstleistungsinnovationen werden hingegen meist auf der Bezugsebene des relevanten Marktes oder der Branche betrachtet. Neue Produkte stellen dann Innovationen dar, wenn sie auf bisher nicht vorhandene Weise Bedarfe am Markt decken. Sie sind aus Sicht der Marktteilnehmer, d.h. relevanter Lieferanten, Wettbewerber und Abnehmer, neu. 124
Zum Teil auch als Systeminnovationen bezeichnet; vgl. bspw. Hauschild & Salomo (2007), S. 13 f. Zum Teil auch als Strukturinnovation bezeichnet; vgl. bspw. Vahs & Burmester (2005), S. 79 f. 126 Vgl. Wahren (2004), S. 20; Knödler & Schirmer (2013). 127 Eine individuelle Ebene, d.h. Neuerungen aus Sicht einzelner Mitarbeiter, Experten oder Führungskräfte (vgl. Hauschild & Salomo (2007), S. 24), wird hier nicht weiter diskutiert, da sie im Rahmen der Modellentwicklung auf Netzwerkebene nicht relevant ist. 128 Trommsdorff & Schneider (1990), S. 3 (Hervorh. DPK); ähnlich Hauschild & Salomo (2007), S. 26. 125
3 Forschungsgegenstand Innovationsfähigkeit
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Aus der Netzwerkperspektive stellt das Netzwerk eine Organisationsform dar. Es bildet eine weitere Bezugsebene für Innovationen. So kann eine signifikante Neuerung der Kommunikationsablaufe beim Netzwerkreporting eine organisatorische Innovation auf Netzwerkebene darstellen. Diese Neuerung ist somit für das Netzwerk neu, jedoch nicht notwendigerweise für einzelne Netzwerkmitglieder, d.h. auf der Ebene der jeweiligen Akteursorganisationen. Durch die Differenzierung der drei Bezugsebenen wird erstens die mögliche Interdependenz dieser sowie der Innovationsgegenstände deutlich. Verbessert sich durch oben genannte organisatorische Innovation auf Netzwerkebene beispielsweise der Austausch von Wissen und Ressourcen der Netzwerkpartner untereinander, ist dies eine potentielle Grundlage für Produkt- oder Technologieinnovationen, welche dann netzwerkextern am Markt eingeführt werden können. Zweitens wird ersichtlich, dass keine vom Betrachter und damit der jeweiligen Bezugsebene unabhängige, absolute und in diesem Sinne objektive Perspektive auf Innovation existiert.129 Dies ist auch bei der näheren Betrachtung des Neuheitsgrades von Innovationen zu berücksichtigen. Innovationsintensität Die Innovationsintensität oder der Neuheitsgrad einer Innovation sollen Aufschluss über den Umfang der Veränderungen gegenüber einem bisherigen Zustand geben. Dies wird beeinflusst von der subjektiven Perspektive und Betrachtungsebene, auf welche sich die Innovation bezieht.130 Die Einschätzung der Innovationintensität ist folglich vom Wissensund Erfahrungsstand eines Beurteilenden beim Vergleich eines neuen mit einem bestehenden Objekt zu einem bestimmten Zeitpunkt abhängig.131 Zumeist werden dabei radikale und inkrementelle Innovationen unterschieden.132 Die Einschätzung bewegt sich auf einem Kontinuum zwischen den zwei Extremen sehr geringe Änderung (inkrementell) und fundamentaler Neuerung (radikal).133 Als inkrementelle Innovationen werden dabei Neuerungen bezeichnet, welche auf der Weiterentwicklung bereits bestehender Produkte, Prozesse, Technologien etc. basieren. Das Vorhandene wird funktional verbessert, in veränderter Form oder Art und Weise hergestellt oder, bezogen auf die
129 Vgl. Duschek (2002), S. 15. Eine Ausnahme bildet ein Innovationsverständnis, was auf globaler Ebene basiert. Hierbei wird nur das als Innovation betrachtet, was in der Geschichte der Menschheit erstmalig neu ist. Diese Perspektive scheint für eine betriebswirtschaftliche Netzwerkforschung jedoch ungeeignet (vgl. hierzu Hauschild & Salomo (2007), S. 26). 130 Vgl. Salomo (2003), S. 403. 131 Vgl. Schlaak (1999), S. 16 f. 132 Dies wird kontrovers diskutiert. Hauschild & Salomo (2007), S. 16 ff. geben einen Überblick zur Heterogenität der Mess- und Klassifizierungsansätze des Innovationsgrades. Neben dichotomen Unterscheidungen existieren Ordinalskalen sowie multidimensionale Ansätze und Scoringverfahren (siehe auch Schlaak (1999)). Die Diskussion unterschiedlicher Klassifizierungsmöglichkeiten des Innovationsgrades wird hier nicht fortgeführt. Sie ist für die Entwicklung eines Modells der Innovationsfähigkeit i.S. einer Potenzialgröße nicht zielführend, da sie sich auf Innovationsobjekte als Output bzw. Outcome eines solchen Potenzials bezieht. Die relevanten inhaltlichen Charakteristika der Fähigkeit finden dabei keine Entsprechung. Eine Konzeption der Innovationsfähigkeit anhand ihres Outputs (viele radikale Innovationen als Äquivalenz bzw. Bestimmungsbasis stark ausgeprägter Fähigkeit) unterliegt der einleitend geschilderten Tautologieproblematik. 133 Vgl. Gerpott (1999), S. 43.
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Teil II – Grundlagen
jeweilige Bezugsebene, in einen neuen Kontext gestellt.134 Radikale Innovationen stellen etwas gänzlich Neues dar.135 Sie sind Sprünge oder Brüche in der Entwicklung des Innovationsgegenstands.136 Innovationsverständnis der Arbeit Aus der Gesamtbetrachtung der dargestellten Aspekte, insbesondere unter Berücksichtigung der Bezugsebene Netzwerk und den Charakteristika von Innovationsnetzwerken, ergibt sich folgendes Innovationsverständnis für diese Arbeit: Als netzwerkexterne Marktinnovationen werden Produkte, Dienstleistung und technologische Neuerungen verstanden, welche aus Sicht des Netzwerks neu oder verändert sind und aus dem Netzwerk heraus erfolgreich von Netzwerkmitgliedern am relevanten Markt eingeführt werden. Interne Netzwerkinnovationen sind auf Netzwerkebene eingeführte Neuerungen von Strukturen, Prozessen, methodischen Maßnahmen zur Netzwerkkoordination und -steuerung sowie interne Dienstleistungen für Netzwerkmitglieder, welche aus Sicht des Netzwerks neu oder verändert sind. Eingeschlossen in dieses Innovationsverständnisses sind damit Produkt- und Prozessinnovationen, Technologie- und Dienstleistungsinnovationen sowie organisatorische Innovationen. Diese können von eher inkrementeller Veränderung bis zur radikalen Neuerung reichen. Das Verständnis folgt damit weitgehend dem des Oslo-Manuals. Ergänzend dazu und anders als gängige Definitionen, welche Innovationen vor dem Hintergrund der Forschungseinheit Organisation beschreiben, erlaubt die vorliegende Definition in Bezug auf den besonderen Charakter der Forschungseinheit dieser Arbeit jedoch auch eine explizite Differenzierung in externe Marktinnovationen und interne Netzwerkinnovationen. Eine allgemeine Definition von der Innovation ist hier nicht sinnvoll. Diese Unterscheidung ist zum einen aufgrund der Berücksichtigung unterschiedlicher Bezugsebenen von und Perspektiven auf Innovation notwendig. So sind prozessuale wie organisatorische Innovationen interne Neuerungen aus subjektiver Perspektive einer Organisation. Innovationsnetzwerke als eine Organisationsform unternehmensübergreifender Tätigkeiten weisen jedoch eigene Strukturen, Prozesse, Regeln und spezifische Methoden der Netzwerksteuerung auf. Diese können, wie in einzelnen Organisationen, Veränderungen erfahren oder durch Neuerungen ersetzt werden. Die Bezugsebene solcher internen Netzwerkinnovationen ist das jeweilige Innovationsnetzwerk. Die Neuerung bestimmt sich damit aus subjektiver Perspektive des Netzwerks und auf Netzwerkebene. Demgegenüber beziehen sich neue Produkte, Technologien und Dienstleistungen, welche nicht für die eigenen Netzwerkmitglieder bestimmt sind, auf eine netzwerkexterne Marktebene. Dieser relevante Markt entspricht den Innovationsschwerpunkten des Netzwerks. Da auf dieser Bezugsebene des Marktes eine netzwerkexterne, objektive Einschätzung von Innovationen über alle Branchen hinweg empirisch nicht darstellbar ist, wird auch hierbei die subjektive Beurteilung aus Sicht des Netzwerks gewählt.
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Vgl. Wahren (2004). S. 14 f. Vgl. ebd. 136 Vgl. Bergmann (2000), S. 31. 135
3 Forschungsgegenstand Innovationsfähigkeit
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Des Weiteren impliziert das Verständnis, dass Innovationen nicht zwingend Ergebnis eines geplanten Prozesses oder einer vollkommen rationalen Abfolge von Entscheidungen sein müssen, sondern auch emergent entstehen können. Zwar werden externe Marktinnovationen bewusst am Markt eingeführt, ihre Entwicklung ist jedoch nicht notwendigerweise vollständig geplant. Insbesondere eine Reihe von inkrementellen Innovationen kann einer Emergenz entspringen. Sie beruht unter anderem auf der Wahrnehmung netzwerkinterner und -externer Möglichkeiten oder Notwendigkeiten und den damit verbundenen Problemerkenntnissen, Chancen und Lösungsideen im Zeitverlauf. Dieser Verlauf ist nicht zwingend vorhersehbar. Innovationen stellen lediglich den veränderten Zustand oder die veränderten Eigenschaften eines Produktes, Prozesses, etc. zu einem spezifischen Zeitpunkt dar. Welche Faktoren jedoch zur Erreichung dieses Zustandes förderlich oder notwendig sind, wird im Verständnis von Innovation selber nicht erfasst. Die Fähigkeit zur Innovation, als eigentlicher Forschungsgegenstand dieser Arbeit, ist phänomenologisch wie analytisch und daher auch konzeptionell von der Innovation als Ergebnis zu differenzieren. Aspekte dieser Fähigkeit werden im Folgenden diskutiert.
3.2 Innovationsfähigkeit Der Begriff Fähigkeit bezeichnet allgemein ein latent vorhandenes, handlungsgerichtetes Vermögen, einen bestimmten Vorgang potenziell auszuführen.137 Die zwei Begriffsbestandteile Innovation und Fähigkeit zeigen in ihrer Synthese den spezifischen Bezug, d.h. worauf ein solches Vermögen gerichtet ist: Innovationen als die Ergebnisse von Handlungen wurden in Abschnitt 3.1 beschrieben. Grundlegend stellt Innovationsfähigkeit von Netzwerken damit ein auf die Schaffung von Neuerungen gerichtetes Vermögen dar. Unter Berücksichtigung des Innovations- und Netzwerkverständnisses dieser Arbeit handelt es sich um eine Fähigkeit von Netzwerken, innovative Produkte, Technologien oder Dienstleistungen im Netzwerk zu entwickeln und erfolgreich am externen Markt einzuführen sowie netzwerkintern neuartige Strukturen, Prozesse und Methoden zu etablieren. Dieses grundlegende Verständnis allein ist jedoch problematisch, da es oftmals in einer tautologischen Verwendung des Fähigkeitsbegriffs resultiert, wenn dieser nicht weiter theoretisch-konzeptionell differenziert und operationalisiert wird:138 „A [..] capability to innovate can be thought of as the potential […] to generate innovative outputs.”139 Demnach wäre ein Unternehmen oder Netzwerk innovationsfähig, wenn es Innovationen hervorbringt. Für das Verständnis von Innovationsfähigkeit ist dies nicht ausreichend. Dennoch spiegelt sich die Problematik in zahleichen Ansätzen und Innovationsaudits wider, welche nur wenig konzeptionell gestützt sind und damit i.d.R. kaum eine Argumentation bieten, warum bestimmte Input- und Outputgrößen für die Messung der Innovationsfähigkeit herangezogen werden.140 137
Vgl. Rentzl (2004), S. 32. Vgl. Rasche & Wolfrum (1994), S. 511. 139 Neely et al. (2001), S. 117. 140 Für einen Überblick siehe bspw. Knödler, Schirmer & Gühne (2011). 138
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Teil II – Grundlagen
Outputorientierte Ansätze nutzen Daten über Art, Anzahl und Intensität der Ergebnisse dieses Vermögens eines innovativen Agierens, d.h. die Innovationen selber. Bei Instrumenten dieses Typus werden meist Produkt- und Dienstleistungsinnovationen beziehungsweise als Proxys Patente eines Unternehmens innerhalb eines bestimmten Zeitraums, oft drei Jahre, gezählt. Mitunter wird zudem erfasst, welcher Anteil des Umsatzes oder welche Kosteneinsparungen mit diesen Innovationen verbunden sind. Inputorientierte Ansätze schließen aus dem Vorhandensein bestimmter operationaler Kompetenzen und Ressourcen auf die Höhe der Innovationsfähigkeit. Grundlage sind meist die sogenannten Erfolgsfaktoren von innovativen Unternehmen. Sie reichen u.a. von Unternehmenskultur, finanziellen Ressourcen, Markt- und Kundenorientierung, Lernen und Wissensmanagement über Strategie, Technologie, Prozesse und Strukturen, Kooperationen bis zu Feedbackschleifen und Controllingsystemen. Einen häufig verwendeten Indikator stellen die F&E-Ausgaben als Prädiktor der Innovationsfähigkeit dar.141 Eine solche Konzeption der Fähigkeit, welche bei hohem Input eine meist deterministische Schlussfolgerung auf stark ausgeprägte Innovationsfähigkeit zieht, sagt im Grunde jedoch nichts über die eigentlichen Charakteristika beziehungsweise inhaltlichen Dimensionen der Fähigkeit selbst aus. Eine Ursache wird u.a. in methodischen Problemen bei der Operationalisierung verwendeter Mess- und Strukturmodelle sowie im oftmals mangelnden theoretischkonzeptionellen Rahmen von Fähigkeitskonstruktionen gesehen.142 Auf der anderen Seite ergibt sich insbesondere bei den Ansätzen, welche die Innovationsfähigkeit ausschließlich anhand des Innovationsoutputs messen, wiederum die genannte Tautologieproblematik. Auch sie ermöglichen daher keine Aussagen über den Charakter und die Facetten der zugrundeliegenden Fähigkeit. „… most competence definitions […] are based on functional characteristics, i.e. what are the effects caused by a competence? […] However, this only explains part of the truth about competencies. What about the structural characteristics? What are the elements of a competence and its relations?”143 Das hier dargelegte Verständnis kann folglich nur als erste Arbeitsdefinition und grundsätzliche Basis dienen. Denn zentrales Anliegen dieser Arbeit ist es, die wesentlichen Einflussfaktoren und insbesondere die Dimensionen der Innovationsfähigkeit darzustellen.144 Hierfür reicht eine Betrachtung der In- und Outputseite nicht aus. Mit diesen Indikatoren alleine sind keine fundierten inhaltlichen Aussagen, auf denen Implikationen aufbauen können, möglich.145 Es bedarf der theoretisch-konzeptionellen Fundierung146 und empirischen Analyse147 von inhaltlichen Facetten oder Dimensionen. Dies wird in den Teilen III und IV der Arbeit, respektive Teil VI aufgegriffen. 141
Bspw. Henderson & Cockburn (1994). Vgl. Brown & Eisenhardt (1995); Albers & Hildebrandt (2006). 143 Drejer (2001), S. 135 (Hervorh. DPK). 144 Vgl. 2. Forschungsfrage: Welche inhaltlichen Aspekte zeichnen diese Fähigkeit auf Netzwerkebene aus und welche wesentlichen Einflussfaktoren wirken auf sie? 145 Vgl. 4. Forschungsfrage: Welche Implikationen ergeben sich aus der Kenntnis inhaltlich differenzierter Aspekte der Innovationsfähigkeit für die weitere Forschung und Managementpraxis? 146 Vgl. 1. Forschungsfrage: Wie kann die Innovationsfähigkeit von Netzwerken theoretischkonzeptionell fundiert werden? 147 Vgl. 3. Forschungsfrage: Wie lässt sich Innovationsfähigkeit operationalisieren und empirisch erfassen? 142
4 Innovation und Innovationsfähigkeit in der Netzwerkforschung
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Da weder einzelne Ressourcen, Wissen oder operationale Kompetenzen auf der Inputseite, noch die fertige Innovation als Ergebnis auf der Outputseite gleichbedeutend mit der eigentlichen Innovationsfähigkeit sind, liegt diese analytisch zwischen In- und Output. Auf dieser Zwischenebene scheint es sich um ein Bündel von Faktoren zu handeln, welche sich in der Innovationsfähigkeit vereinen beziehungsweise diese bilden. Greiling (1998) beispielsweise versteht unter Innovationsfähigkeit „aufgrund der fehlenden exakten Definitionsvorschläge in der Literatur […] einen individuellen, gegenwärtigen und/oder zukünftigen Innovationsbedarf zu suchen, zu erkennen, zu bewerten, zu formulieren und ihn zum Abschluss zur Anwendung zu bringen.“148 Dies deutet auf mehrere Aktivitäten oder Elemente hin, welche in ihrem Zusammenwirken Innovationsinputs in Innovationsoutputs transformieren.149 Daraus ziehen Lawson & Samson (2001) die Schlussfolgerung: „Innovation capability is [..] a higher-order integration capability, that is, the ability to mould and manage multiple capabilities.”150 Eine so verstandene Innovationsfähigkeit stellt sich als Metafähigkeit dar, welche Inputs i.S.v. operationalen Kompetenzen sowie Ressourcen als Basis nutzt, steuert, verändert und integriert. Hierfür ist Un (2002) folgend auch Wissen eine entscheidende Grundlage: „innovation capability is [the] ability to mobilize the knowledge embodied in [..] employees and combine it to create new knowledge resulting in product and/or process innovation.”151 Diese ersten Hinweise deuten auf ein komplexes, latentes Konstrukt hin. Als solches ist Innovationsfähigkeit nicht unmittelbar beobacht- oder messbar. Ihre Erfassung bedarf zunächst der theoretisch gestützten Darstellung konzeptioneller Facetten sowie ihrer Grundlagen. Eine darauf aufbauende Operationalisierung verlangt ferner die Wahl relevanter Indikatoren zur Messung dieser. Aus dem folgenden Überblick zum Stand der Forschung im Schnittstellenbereich von Innovation und Netzwerken sollen daher erste Hinweise auf mögliche Elemente und Indikatoren für ein Konstrukt der Innovationsfähigkeit auf Netzwerkebene gewonnen werden.
4 Innovation und Innovationsfähigkeit in der Netzwerkforschung Neben der terminologischen und funktionalen Verbindung – Innovation als funktionaler Zweck und Begriffsbestandteil von Innovationsnetzwerken – werden das Innovieren und Netzwerken zunehmend als treibende Aktivitäten zur Steigerung und Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit von Organisationen gesehen. Es scheint selbstredend, dass eine Verknüpfung dieser beiden Wettbewerbsfaktoren nicht nur für Unternehmen eine betriebswirtschaftliche Überlegung darstellt, sondern auch als Themenfeld in der Forschung von Interesse ist. Der vorangegangene Abschnitt zeigt allerdings die Notwendigkeit einer theoretisch gestützten und inhaltlich differenzierten Konzeption der Innovationsfähigkeit auf. Dies stellt das zentrale Anliegen der Arbeit dar. Eine Einordnung in die Innovationsnetzwerkforschung (vgl. Abschnitt 4.2) sowie eine Analyse zum Stand der Forschung theoretisch-konzeptioneller und 148
Greiling (1998), S. 31. Vgl. auch Mairesse & Mohnen (2002); Wang & Ahmed (2004). 150 Lawson & Samson (2001), S. 380. 151 Un (2002), S. E1. 149
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Teil II – Grundlagen
empirischer Beiträge zu Konstrukten der Innovationsfähigkeit im Kontext von Netzwerken (vgl. Abschnitt 4.3) soll im Folgenden die Grundlagen hierfür bereitstellen. Dafür ist zunächst jedoch zu klären, welche Betrachtungsperspektiven geeignet sind, um konzeptionelle Aussagen über inhaltliche Aspekte von Innovationsfähigkeit zu treffen.
4.1 Eingrenzung der Betrachtungsperspektive Grundlegend lassen sich Makro- von Mikroperspektiven in der Netzwerkforschung unterscheiden.152 Die Mikrosicht fokussiert auf einzelne Netzwerkteilnehmer. Forschungseinheiten sind Organisationen und ihre individuellen, oft dyadischen Kooperationen.153 Diese werden als inter-organisationale154 wie auch inter-personale155 Beziehungen konzipiert und in ihrer Summe als das Netzwerk des Unternehmens betrachtet. Pittaway et al. (2004) fassen die Bedeutung dieser Beziehungen in einem Review wie folgt zusammen: „Networks are critical not only for accessing knowledge to create in-house innovations, or for the diffusion of technological innovation, but they are equally important for learning about innovative work practices that other organizations have developed or adopted”156. Das Netzwerk ist aus einer solchen Mikroperspektive zwar ein Mittel zur Erreichung primär unternehmensspezifischer Innovationsziele. Es stellt u.a. eine potenzielle Quelle für externes Wissen und Ressourcen und eine Möglichkeit der Risikostreuung dar.157 Die Mikroperspektive ermöglicht jedoch nur begrenzt Aussagen über Phänomene auf der gesamten Netzwerkebene, da sie beispielsweise indirekte Beziehungen, d.h. Verbindungen zu Wissen und Ressourcen, welche durch direkte Kontakte nur vermittelt werden, i.d.R. nicht berücksichtigt. Gleichwohl erscheint eine Betrachtung auch von Beiträgen aus der Mikroperspektive lohnenswert, wenn diese relationale Aspekte der Innovationsgenerierung wie die Art und Weise der Interaktion mit einzelnen Partnern berücksichtigen. Zudem ist die Funktion von Innovationsnetzwerken die gemeinsame Schaffung von Innovationen zum Erlangen oder Erhalten von Wettbewerbsvorteilen. Letzter Aspekt wird zumeist eher aus einer Mikroperspektive betrachtet. 152
Ähnlich Hippe (1996), S. 34, der diese Unterscheidung jedoch nur auf strategische Netzwerke bezieht und hierbei insbesondere die dominante Rolle der fokalen Unternehmen hervorhebt. Die Unterscheidung bietet sich jedoch ebenfalls zur Strukturierung der Netzwerkforschung allgemein an. In Anlehnung an Ritter & Gemünden (2003), S. 693 können für die Analyse von interorganisationalen Beziehungen grundlegend fünf Ebenen unterschieden werden: (a) die Einzelinteraktion/Austausch, (b) die dyadische Beziehung zweier Organisationen, (c) ähnliche Beziehungen i.S.e. spezialisierten Beziehungsportfolios einer Organisation, (d) das Netz aller Beziehungen einer Organisation sowie (e) das Netzwerk aus mehreren Organisationen und ihrer multilateralen Interorganisationsbeziehungen in seiner Gesamtheit, ohne von einer individuellen Organisation auszugehen. (a) bis (d) nutzen dabei zwar die Netzwerkperspektive und ggf. methodische Aspekte der Netzwerkanalyse auf empirische Phänomene, verlassen aber die phänomenologische Ebene des interorganisationalen Netzwerks (siehe Sydow (1992), S. 118 ff.) und sind damit der dargestellten Mikroperspektive zuzuordnen. Diese Arbeit betrachtet das interorganisationale Netzwerk jedoch als Forschungseinheit (Ebene e). 153 Vgl. Dyer (1996); Eisenhardt & Schoonhoven (1996); Zaheer, Gözübüyük & Milanov (2010). 154 Bspw. Burt (1992); Becker & Dietz (2002); Borchert, Goos & Hagenhoff (2004). 155 Bspw. Cantner & Graf (2006). 156 Pittaway et al. (2004), S. 145. 157 Siehe bspw. Pfeffer & Salancik (1978).
4 Innovation und Innovationsfähigkeit in der Netzwerkforschung
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Die Makrosicht beleuchtet Netzwerke aus einer globaleren Perspektive.158 Sie lässt sich weiter untergliedern. Die externe Makroperspektive untersucht vom Standpunkt eines externen, objektiven Außenbetrachters gesamte Netzwerke zumeist als abstrakte Elemente eines größeren Innovationssystems. Arbeiten mit Fokus auf nationale und regionale Innovationssysteme (NIS/RIS) thematisieren beispielsweise die Bedeutung gesellschaftlicher und wirtschaftspolitischer Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Netzwerken159 sowie wiederum deren Relevanz für Entwicklung und Innovation im sozio-geographischen Kontext.160 Forschungseinheit ist dabei oft eine Region oder eine (räumlich begrenzte) Industrie. Eine solche Außenperspektive eignet sich jedoch weniger, um Phänomene in einzelnen Netzwerken, d.h. auf Netzwerkebene selber inhaltlich differenziert zu untersuchen. Solche Aspekte der Art und Weise des Netzwerkens sind zentrales Interesse der Netzwerkforschung aus einer internen Makrosicht. Sie stellt eine Innensicht auf das Netzwerk dar, ohne dies aus der selektiven Mikroperspektive eines einzelnen Unternehmens zu tun.161 Zwar können auch hier dominante oder zentrale Netzwerkakteure auftreten, doch ist vielmehr das gesamte Netzwerk von Interesse, d.h. auch Netzwerkverbindungen und Phänomene, welche aus Sicht eines einzelnen Akteurs für ihn nicht direkt relevant erscheinen oder ersichtlich sind. Betrachtet werden u.a. die Abstimmung multilateraler Prozesse des Wissensaustausches zwischen Organisationen, Netzwerkroutinen und Strukturen, die Akteurszusammensetzung von Netzwerken oder die Steuerung der gemeinsamen Leistungserbringung. Die interne Makroperspektive fokussiert damit stärker auf netzwerkspezifische Phänomene und Fragestellungen, ohne dabei primär den Nutzenaspekt für einzelne Akteure hervorzuheben. Aus dieser Sicht stellt daher das Netzwerk die Forschungseinheit dar (vgl. Abschnitt 2.1). Da Innovationsfähigkeit als Forschungsgegenstand der vorliegenden Arbeit grundlegend als ein auf die Schaffung von Neuerungen im Netzwerk beziehungsweise aus dem Netzwerk heraus gerichtetes Vermögen darstellt, ist ihre Betrachtung als interorganisationales Phänomen vor allem auf der Netzwerkebene relevant. Hierfür bieten sich insbesondere die interne Makro- sowie Mikroperspektive an. Der folgende Abschnitt gibt zunächst einen Überblick des Forschungsfelds Innovationsnetzwerke. Damit erfolgt eine erste Einordnung von Innovationsfähigkeit als Forschungsgegenstand und inhaltlichem Aspekt von Netzwerken. Eine detaillierte Betrachtung von Beiträgen speziell zu Konstrukten und Elementen der Innovationsfähigkeit auf Netzwerkebene aus interner Makro- sowie Mikroperspektive erfolgt in Abschnitt 4.3.
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Diese wird mitunter auch als whole networks-Perspektive bezeichnet, vgl. bspw. Provan, Fish & Sydow (2007). 159 Vgl. Furtado (1997); Nooteboom (2000). 160 Bspw. Heidenreich (2000); Koch & Fuchs (2000); Hirsch-Kreinsen (2007). 161 Dieses Perspektivenverständnis stimmt weitestgehend mit Hippe (1996) überein. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird die interne Makrosicht jedoch als neutrale Position eines Betrachters von Netzwerkphänomenen verstanden, um die Unterscheidung von Forschungseinheit und Forschungsgegenstand zu ermöglichen. Die interne Makroperspektive bezieht sich hierbei auf Phänomene in oder von Netzwerken und nicht auf Netzwerke als Phänomen. Innovationsfähigkeit ist folglich verortet auf der Ebene des gesamten Netzwerks und somit ein Phänomen von Netzwerken.
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Teil II – Grundlagen
4.2 Einordnung im Forschungsfeld Innovationsnetzwerke Innovationsnetzwerke sind insbesondere in Hochtechnologiebranchen wie der Biotechnologie und Biomedizin162 oder der Luftfahrtindustrie163 Gegenstand der Forschung. Beiträge finden sich jedoch auch für die `klassischen´ Branchen der Automobilindustrie164 des Hüttenwesens165 und des Bauwesens166. Konzeptionell ist dabei zumeist ein Fallstudiendesign beziehungsweise die Fokussierung auf einzelne Netzwerke festzustellen.167 Vergleichsweise wenige Arbeiten stützen sich dabei auf die Betrachtung mehrerer Netzwerke gleichzeitig.168 Von besonderem Interesse im Rahmen dieser Arbeit sind jedoch nicht die Netzwerke als Forschungsgegenstand, sondern inhaltliche Aspekte von Innovationsnetzwerken, insbesondere die Innovationsfähigkeit. Ein Überblick zu Forschungsgegenständen, welche im Rahmen von Innovationsnetzwerken als Forschungseinheit beziehungsweise aus einer Netzwerkperspektive heraus untersucht werden, bietet sich anhand der Aspekte (1) Ursachen von Innovationsnetzwerken, (2) Management von Innovationsnetzwerken sowie (3) Wirkungen von Innovationsnetzwerken an.169 (1) Ursachen von Innovationsnetzwerken Als Ursache für die zunehmende Bedeutung von Netzwerken zur Generierung von Innovationen wird zum einen ein zunehmender technologischer Wandel in vielen Branchen gesehen.170 Unternehmen sind verstärkt damit konfrontiert, solche Veränderungen schneller und systematischer wahrnehmen und intern verarbeiten zu müssen.171 Damit verbunden sind Innovationsanforderungen sowohl an Produkte als auch an die mit ihrer Herstellung verbundenen technischen und organisatorischen Prozesse. Der durch diese Innovationsdynamik ausgelöste Wettbewerbsdruck wird als weitere Ursache für Innovationsnetzwerke betrachtet.172 Einzelne Marktteilnehmer können mit begrenzten finanziellen Mitteln und Kompetenzen vielfach nicht mehr bestehen.173 Zusammen tragen technologischer Wandel, Innovationsdynamik und Wettbewerbsintensivierung zu kürzeren Produktlebenszyklen sowie zunehmend schneller Obsoleszenz von Wissen bei. Die Folge sind beispielsweise kürzere 162
Vgl. bspw. Dinnie, McKee & Bower (1999); Kilduff & Hongseok (2006); Provan & Sydow (2008); Quéré (2008). 163 Vgl. bspw. Sammarra & Biggiero (2008); Behnken (2010). 164 Vgl. bspw. Dilk et al. (2008). 165 Vgl. bspw. Calia, Guerrini & Moura (2007). 166 Vgl. bspw. Keast & Hampson (2007). 167 Siehe beispielsweise Provan & Milward (1995); Duschek (2002); Deitmer (2004); Sydow (2004); Sydow & Windeler (2004); Franke et al. (2005); Sydow, Windeler & Lerch (2007). 168 Vgl. Provan & Milward (1995). 169 Eine detaillierte Darstellung hierzu bietet auch Duschek (2002), S. 4 ff. 170 Siehe bspw. Barley (1990); DeBresson & Amesse (1991); Kantner & Myers (1991); Saxenian (1991); Ring & Van de Ven (1992); Hagedoorn & Schakenraad (1994); Chesbrough & Teece (1996); Powell, Koput & Smith-Doerr (1996); Wildemann (1998a); Semlinger (2000); Kirschten (2003). 171 Vgl. bspw. Ritter (1998); Rycroft & Kash (2004). 172 Siehe bspw. Badaracco (1991); DeBresson & Amesse (1991); Hagedoorn & Schakenraad (1994); Voigt & Wettengl (1999); Bellmann & Haritz (2001); Borchert, Goos & Hagenhoff (2004); Bossink (2004); Gerum & Stieglitz (2004); Buhl (2009). 173 Vgl. Gulati, Nohria & Zaheer (2000); Mildenberger (2000); Günther (2003).
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Forschungs- und Entwicklungszeiten. Diesem Zeitdruck wird mit stärkerer Arbeitsteilung im Innovationsprozess zwischen Organisationen begegnet.174 Innovationsnetzwerke formieren sich mit dem Idealziel des gegenseitigen Nutzens aller beteiligten Akteure. Durch die skizzierten Entwicklungen ist neben einem zeitlichen Aspekt auch die Zunahme von Komplexität und Interdependenz von Innovationsprozessen zu verzeichnen. Es wird vermehrt nach systemischen Innovationen, welche auf Verknüpfungen von verschiedenen Technologien, Ressourcen und Anwendungsgebieten basieren, gestrebt.175 Damit sind i.d.R. höhere Ressourceneinsätze und ein entsprechendes Risiko verbunden. Diese Anforderungen sollen in Innovationsnetzwerken auf mehrere Beteiligte verteilt werden.176 In der Betrachtung von Ursachen für Innovationsnetzwerke wird insb. ein funktionaler Aspekt deutlich, welcher Innovationsnetzwerken zugeschrieben wird. Sie sollen, dies wird zumindest erwartet, die beteiligten Akteure vor wettbewerblichen Nachteilen und Risiken eines zunehmend komplexer und dynamischer ablaufenden technologischen Wandels schützen. Die Gestaltung dieser Funktionen von Netzwerken wird insbesondere in Arbeiten zum Netzwerkmanagement aufgegriffen. (2) Netzwerkmanagement Beiträge zum Netzwerkmanagement nehmen in der Mehrheit eine Mikroperspektive ein.177 Sie fokussieren damit auf Netzwerkbeziehungen als Teil der Innovationsprozesse eines Unternehmens. Es geht im Kern um die Gestaltung und das Management von (multiplen) Kooperationen und Beteiligungen an Netzwerken aus Unternehmenssicht.178 Hier ist i.w.S. auch das Konzept der open innovation179 einzuordnen, welches ebenfalls primär aus der Mikroperspektive alternative `Beschaffungsoptionen´ für Innovationen und Ideen für das Unternehmen, entgegen der klassischen Innovationsforschung, mit Entstehungslokus außerhalb der Unternehmensgrenzen thematisiert. „… important innovation activities take place outside or across the boundaries of the firm. These perspectives consequently offer congruent (if not parallel) normative proscriptions for 21st-century innovation processes, about the importance to firms of searching outside their boundaries to obtain crucial knowledge (if not complete solutions) both for creating and commercializing innovations.“180 Konzeptionell werden aus der Mikroperspektive heraus oftmals die Steuerung von und Kontrolle über dyadische Innovationsbeziehungen in den Fokus der Forschung gerückt.181 Empirische Arbeiten basieren damit vielfach auf Daten von Kooperations- und Netzwerkverantwortlichen einzelner Unternehmen. 174
Siehe bspw. Saxenian (1991); Rothwell (1992); Bleicher (1996); Semlinger (1998); Engelhard & Sinz (1999); Semlinger (2000); Knack (2006). 175 Vgl. Gerybadze (2004), S. 82 ff. 176 Siehe bspw. Biemans (1992); Hagedoorn (1993); Meyer-Krahmer (1994); Heidenreich (1997); Semlinger (1998); Voigt & Wettengl (1999); Tidd, Bessant & Pavitt (2001); Grün, Hauschildt & Janosch (2008). 177 Entgegen dem Titel zahlreicher Arbeiten bietet sich hier die Unterscheidung in Netzwerk- und Kooperationsmanagement von einzelnen Unternehmen (Mikroperspektive) und Management von Innovationsnetzwerken (interne Makroperspektive) an. 178 Vgl. Lipparini & Sobrero (1994); Haritz (2000). 179 Vgl. Chesbrough (2003). 180 Bogers & West (2012), S. 11. 181 Vgl. Specht, Beckmann & Amelingmeyer (2002), S. 385 ff.; Koufteros, Edwin-Cheng & Lai (2007).
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Arbeiten aus einer internen Makroperspektive betrachten das Management von Netzwerken i.S. der Gesamtheit eines interorganisationalen Beziehungsgeflechts.182 Im Zentrum stehen dabei meist spezifische Aspekte des Managements183, u.a. die Messung und Gestaltung der Beziehungsqualität zwischen Innovationspartnern184, der Informations- und Wissensdiffusionsprozess185, die Vertragsgestaltung zwischen den Partnern186 oder das Projektmanagement187. Daneben finden sich zahlreiche instrumentenorientierte Arbeiten, beispielsweise die Entwicklung von Kennzahlensystemen wie einer Netzwerk-Balanced Score Card, welche z.T. den Besonderheiten interorganisationaler Innovationsnetzwerke angepasst werden.188 Spezifische Beiträge zum Management von Innovationsaktivitäten in Netzwerken aus einer internen Makroperspektive existieren jedoch vergleichsweise wenig.189 (3) Wirkung von Innovationsnetzwerken Ein großer Teil der Arbeiten im Forschungsfeld Innovation und Netzwerke beschäftigt sich mit den Wirkungen von Innovationsnetzwerken. Dies sind zum einen Beiträge, welche Netzwerke unter regionalen Aspekten, beispielsweise der Wirtschaftsförderung, betrachten.190 In der Mehrheit werden jedoch solche Wirkzusammenhänge untersucht, welche sich auf die organisationalen Netzwerkakteure und ihre individuellen Innovationsprozesse erstrecken.191 Diskutiert werden insbesondere der (schnellere) Aufbau von Unternehmens-KnowHow beziehungsweise von materiellen und immateriellen Ressourcen192, die Reduzierung von Innovationskosten und -risiken193, langfristige Wettbewerbsfähigkeit durch die Schaffung von gemeinsamen Industriestandards und Markteintrittsbarrieren194, die Nutzung komplementärer Ressourcen und die Erzielung von Synergieeffekten195 sowie interorganisa-
182
Vgl. Duschek (2002). Einen Überblick bieten bspw. Sydow & Windeler (2000). 184 Vgl. Backhaus (2009). 185 Vgl. Blomqvist et al. (2004). 186 Vgl. Blumberg (1998); Rühl (2001). 187 Vgl. Sydow & Windeler (2004); Borchert (2006). 188 Vgl. bspw. Borchert (2006); Goos (2006). Für einen Überblick siehe Stadlbauer, Wilde & Hess (2007); Aulinger (2008); Behnken (2010). 189 Vgl. Borchert (2006), S. 53 ff. sowie S.70 f.; Behnken (2010), S. 201 ff. Die in Abschnitt 4.3 dargestellten Beiträge weisen z.T. Bezüge zum Innovationsmanagement auf. 190 Vgl. bspw. Valle (1994); Cooke (1996); Koschatzky (1999); Hahn et al. (1995). Des Weiteren existieren zahlreiche Beiträge, welche Instrumente und Wirkungen des Netzwerkmanagements unter dem Aspekt regionaler Netzwerke untersuchen; für einen Überblicke siehe bspw. Deitmer (2004). 191 Vgl. Fischer (2006), S. 53 f. 192 Vgl. bspw. Powell (1990); Kantner & Myers (1991); Ring & Van de Ven (1992); Eisenhardt & Schoonhoven (1996); Ladwig (1996); Duschek (1998); Wildemann (1998); Heidenreich (2000); Tidd, Bessant & Pavitt (2001); Sydow et al. (2003); Matzler (2006); Obermaier & Otto (2006). 193 Vgl. bspw. DeBresson & Amesse (1991); Hagedoorn (1993); Hahn et al. (1995); Ladwig (1996); Kowol (1998); Wildemann (1998a); Herstatt & Müller (2003); Franke et al. (2005). 194 Vgl. bspw. DeBresson & Amesse (1991); Saxenian (1991); Hagedoorn & Schakenraad (1994); Dyer & Singh (1998); Duschek (2002). 195 Vgl. bspw. Lipparini & Sobrero (1994); Helfat (1997); Ritter (1998); Gemünden et al. (1998); Koschatzky (1999); Bellmann & Haritz (2001); Tidd, Bessant & Pavitt (2001); Sydow et al. (2003); Voßkamp (2004); Kirschten (2006); Strebel & Hasler (2007). 183
4 Innovation und Innovationsfähigkeit in der Netzwerkforschung
37
tionales Lernen196. Auch hierbei dominiert somit die Mikroperspektive der Netzwerkforschung.197 Die (rekursive) Wirkung von Netzwerkaktivitäten und -eigenschaften auf das Netzwerk selber wird wenig thematisiert.198 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass insbesondere ressourcen- und kompetenzbasierte Erwägungen unter dynamischen Wettbewerbsbedingungen zur Bildung von Innovationsnetzwerken beitragen. Diese ursächlichen Aspekte geben jedoch keinen Aufschluss über Innovationsfähigkeit auf Netzwerkebene, allenfalls über mangelnde Fähigkeit auf Organisationsebene. Auch das Management von Innovationsnetzwerken beziehungsweise das Innovationsmanagement in Netzwerken sind zunächst abzugrenzen vom Forschungsgegenstand der Innovationsfähigkeit. Insbesondere Arbeiten zum Innovationsmanagement aus Mikroperspektive der Netzwerkforschung nehmen oftmals eine primär produktbezogene, oft theoriearme, instrumentelle Perspektive auf operationale Innovationsprozesse ein. Dabei wird nicht selten auf die Erfolgsfaktorenforschung zurückgegriffen.199 Der Erkenntnisgewinn für die Voraussetzungen und insbesondere inhaltlichen Charakteristika der Innovationsfähigkeit als zentrale Fragestellung der vorliegenden Arbeit ist dabei i.d.R. gering. Des Weiteren zeigt sich, dass Wirkungen von Innovationsnetzwerken vielfach aus einer ressourcen- und fähigkeitsorientierten Perspektive analysiert, dabei jedoch vor allem auf die Netzwerkteilnehmer bezogen werden. Zusammengefasst stellt sich das Erzielen von Wettbewerbsvorteilen durch die Schaffung, Nutzung, Integration und Verknüpfung (komplementärer) Ressourcen und Kompetenzen mit Netzwerkpartnern als wesentliche (angestrebte) Wirkung von Innovationsnetzwerken dar. Innovationsfähigkeit als Forschungsgegenstand, verstanden als komplexes Konstrukt (vgl. Abschnitt 3.2), lässt sich am ehesten unter den intendierten Wirkungsaspekten im Forschungsfeld einordnen. Dies erschließt sich auch in der konstitutiven Zielstellung von Innovationsnetzwerken, der gemeinsamen Generierung von Innovationen zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen (vgl. Abschnitt 2.2). Auffällig jedoch ist, obwohl insgesamt ein Ressourcen- und Fähigkeitsfokus in der Netzwerkforschung vorherrscht, dass das Wesen beziehungsweise die Merkmale von Fähigkeiten selber, insbesondere inhaltliche Facetten von Innovationsfähigkeit, kaum auf der Netzwerkebene, d.h. aus einer internen Makroperspektive, diskutiert werden. Betrachtet werden fast ausschließlich organisationale Ressourcen und Kompetenzen, welche im Austausch der Netzwerkmitglieder untereinander kombiniert und möglicherweise weiterentwickelt werden: „innovation networks […] are the medium through which material and symbolic resources are mobilized and combined“200. Weitgehend unklar bleibt dabei zumeist, wie dies zu Innovationsfähigkeit von Netzwerken führen kann. Diejenigen Arbeiten der Netzwerkforschung, welche sich explizit der Innovationsfähigkeit beziehungsweise Elementen eines Konstrukts widmen, werden im Folgenden diskutiert. 196 Vgl. bspw. Asdonk, Bredeweg & Kowohl (1994); Kowol & Krohn (1995); Powell, Koput & SmithDoerr (1996); Büchel et al. (1997); Duschek (1998); Carlsson (2003); Inkpen & Tsang (2005); Strebel & Hasler (2007); van Wijk et al. (2008); Cowan & Jonard (2009). 197 Vgl. Provan, Fish & Sydow (2007) für einen Überblick. 198 Vgl. Fischer (2006), S. 57; Sydow, Windeler & Lerch (2007). 199 Siehe bspw. Franke et al. (2005). 200 Perry (1993), S. 970; ähnlich auch Lee, Lee & Pennings (2001); Duschek (2002); Hagenhoff (2008).
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Teil II – Grundlagen
4.3 Stand der Forschung – Konstrukte der Innovationsfähigkeit aus Netzwerkperspektive In enger Anlehnung an die im Abschnitt 3.2 aufgezeigte Problemstellung der inhaltlichen Bestimmung von Innovationsfähigkeit werden in diesem Abschnitt Beiträge analysiert, welche Hinweise auf eine theoretische und/oder konzeptionelle Fundierung sowie mögliche inhaltliche Dimensionen der Innovationsfähigkeit von Netzwerken liefern können. Die Auswertung stützt sich auf eine systematische Literaturrecherche mit Hilfe der Datenbanken Business Source Complete des Anbieters Ebsco Host sowie SciVerse-ScienceDirect (Business, Management and Accounting) von Elsevier.201 Dargestellt werden im Folgenden diejenigen Beiträge, welche ein Minimum an inhaltlicher Konzeption der Innovationsfähigkeit oder Hinweise auf einzelne Elemente hierfür enthalten. Es werden sowohl theoretischkonzeptionelle wie auch empirische Arbeiten berücksichtigt. Nicht berücksichtigt werden Arbeiten aus externer Makroperspektive (vgl. Abschnitt 4.1).
201
Lipparini & Sobrero (1994) untersuchen die Bedeutung von Zulieferern im interorganisationalen Innovationsprozess aus einer relationalen Perspektive in zwei Fallstudien. Für eine erfolgreiche Einbindung i.S.d. Innovationsgenerierung sind demnach insbesondere die räumliche und kulturelle Nähe, eine frühe Einbindung, der Wissensaustausch sowie eine aktive innovationsförderliche Rolle von Führungspersönlichkeiten beziehungsweise Unternehmensgründern bedeutend.
Tracey & Clark (2003) sehen in ihrer konzeptionellen Arbeit aus interner Makroperspektive vor allem Flexibilität bei der Netzwerkformation und Transformation von Netzwerkstrukturen als Voraussetzungen innovativer Aktivitäten. Der Beitrag weist keinen expliziten theoretischen Bezugsrahmen auf, verweist jedoch auf Aspekte des double- und triple loop learning.202
Chang (2003) stellt mittels multipler Regressionsanalyse die Bedeutung starker Kooperationsbeziehungen zwischen Unternehmen, Universitäten und Regierungsorganisationen für die Innovationsperformanz dar. Der theoretische Verweis auf die Transaktionskostentheorie ist eher schwach ausgeprägt.
Bossink (2004) zeigt in einer Einzelfallstudie Innovationstreiber verschiedener Bezugsebenen auf. Förderlich sind demnach Umweltdruck und öffentliche Anreize, der Wissensaustausch im Netzwerk, eine Basis technischer Kompetenzen der Partner sowie boundary spanning i.S.v. Innovationspromotoren zwischen Unternehmen. Grundlage der Fallstudie bildet eine Literaturauswertung, jedoch ohne expliziten Theorierahmen.
Die Fokussierung durch zwei Suchdurchgänge mit den Suchbegriffskombinationen (1.) „innovation capability AND network“ in Titel, Abstract oder Schlüsselwörtern sowie (2.) „innovation AND network“ im Titel und gleichzeitig „capability“ im Abstract unter Beschränkung auf akademische Journals mit Publikationsdatum zwischen 01.01.1990 und 31.12.2011 weist insgesamt 60 Beiträge auf. 202 Vgl. Argyris & Schön (1996).
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Blomqvist et al. (2004) konzipieren unter Verweis auf dynamische Fähigkeiten die Kollaboration und den Wissenstransfer mit komplementären Organisationen als Metafähigkeiten für ein F&E-Management unter dynamischen Umweltbedingungen. Es erfolgt keine empirische Prüfung.
Meagher & Rogers (2004) zeigen in einer Simulationsstudie den Einfluss von unternehmensinterner Forschung und des Monitorings anderer Unternehmen auf innovation spillovers zwischen Unternehmen. Die Verweise auf mikroökonomische Ansätze zu F&E-spillovers sind nur schwach ausgeprägt.
Macpherson, Jones & Zhang (2005) stellen anhand einer Einzelfallstudie dar, dass insbesondere eine von den Partnern geteilte Wahrnehmung von upstream und downstream Wissensaustausch in der Lieferkette sowie die direkte face-to-face Interaktion zur Akkumulation von Innovationsfähigkeit beitragen können.
Quintana-García & Benavides-Velasco (2005) entwickeln ein Strukturgleichungsmodell zur Erklärung der Innovationsperformanz durch regionale Cluster. Bedeutende Variablen dabei sind Wissenstransfer, komplementäre Kompetenzen sowie externe finanzielle Ressourcen. Eine explizite theoretische Fundierung ist nicht vorhanden.
Pekkarinen & Harmaakorpi (2006) beschreiben Kernprozesse der Formation von Innovationsnetzwerken zur Exploitation regionaler Ressourcenkonfigurationen aus einer internen Makroperspektive. Aufbauend auf Ansätze der RIS und mit eher schwachem Bezug zur Generierung dynamischer Fähigkeiten zeigen die Autoren in einer Einzelfallstudie, dass die Kernprozesse kollektives Lernen sowie Wissensaustausch einer grundlegenden Basis von Ressourcen und Kompetenzen bedürfen.
Rothaermel & Hess (2007) nutzen ein Panel-Datenset der Biotechnologiebranche, um individuelle, organisationale und netzwerkbezogene Antezedenzien für den Innovationsoutput, konzipiert als Patentanmeldungen, zu prüfen. Theoretisch baut die Arbeit auf dem ressourcenorientierten Paradigma mit Verweis auf die Diskussion um dynamische Fähigkeiten auf. Der Innovationsoutput stellt sich als positive Funktion des intellektuellen Humankapitals, der F&E-Ausgaben sowie von Allianzen mit Technologieanbietern und Akquisitionen von Technologiefirmen dar.
Dooley & O'Sullivan (2007) verstehen relationale Fähigkeiten als Basis für organisationsübergreifende Innovationen. Mittels einer Einzelfallstudie arbeiten sie die wesentlichen Aspekte heraus. Hierzu zählen die technische und soziale Infrastruktur für Wissensaustauschprozesse, die Kompatibilität der Partner, klare Regeln, Rollen und Verantwortungen sowie ein langfristiger Innovationsfokus. Sie stützen sich hierfür auf eine eigene Literaturauswertung, jedoch ohne erkennbaren theoretischen Rahmen.
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Teil II – Grundlagen
Smart, Bessant & Gupta (2007) ermitteln durch Literaturreview und Experteninterviews `Regeln´ für die Konfiguration von Innovationsnetzwerken. Theoretisch bauen diese auf einzelnen Aspekten der dynamischen Fähigkeiten auf. Von Bedeutung sind nach Ansicht der Autoren die gemeinsame Neuproduktentwicklung, ein proaktives, innovationsorientiertes und netzwerkerfahrenes Management, heterogene aber sich ergänzende Kompetenzen und fachliche Disziplinen der Beteiligten, Lern- und Wissensaustauschprozesse, die Berücksichtigung unintendierter Entwicklungen und eine damit verbundene Offenheit für kontinuierlichen wie diskontinuierlichen Wandel.
Koufteros, Edwin-Cheng & Lai (2007) zeigen mittels konfirmatorischer Faktorenanalyse, aufbauend auf Literatur zur sozialen Netzwerkanalyse, dass die Integration von Zulieferern in den Innovationsprozess (embeddedness) i.S.d. gegenseitigen Anpassung von Hersteller und Zulieferer sich positiv auf Produktinnovationen auswirken kann.
Bachmann (2000) schlagen ein konzeptionelles Modell der nachhaltigen organisationalen Entwicklung, aufbauend auf Innovationen, vor. Neben individuellen Fähigkeiten des Managements ist hierfür aus ihrer Sicht auch das Eingehen von Netzwerkverbindungen sowie Erfahrung mit Kooperationen bedeutsam. Das Modell wird literaturgestützt entwickelt. Eine konsistente theoretische Fundierung und empirische Prüfung sind jedoch nicht vorhanden.
Damaskopoulos, Gatautis & Vitkauskaité (2008) sehen die Zusammenarbeit von KMU mit (komplementären) dynamischen Fähigkeiten aus unterschiedlichen Industrien, Märkten und Wertschöpfungsstufen als relevant für die Veränderungsbeziehungsweise Anpassungsfähigkeit regionaler Cluster. Im Rahmen ihrer konzeptionellen Arbeit greifen die Autoren auf den wissensbasierten Ansatz und dynamische Fähigkeiten aus interner Makroperspektive zurück.
Für Agarwal & Selen (2009) stellt die Entwicklung dynamischer Fähigkeiten eine Basis für kollaborative Serviceinnovationen dar. Ihre Strukturgleichungsanalyse baut auf einzelnen Aspekten der dynamischen Fähigkeiten auf, ist jedoch insgesamt eher wenig theoretisch fundiert. Die collaborative innovative capacity wird konzipiert als gegenseitige Anpassung und Integration von Fähigkeiten und Ressourcen über Organisationsgrenzen hinweg.
Isaksen & Kalsaas (2009) beschreiben im Rahmen einer Einzelfallstudie Lernaktivitäten als wesentlichen Faktor für Wissensakkumulation und Innovation in internationalen Produktionsnetzwerken. Diese Lernaktivitäten werden im Wesentlichen stimuliert durch komplementäre Ressourcen zu den strategischen lead firms des Netzwerks. Für einen theoretischen Rahmen nutzt die Arbeit insbesondere Literatur des Supply Chain Managements.
4 Innovation und Innovationsfähigkeit in der Netzwerkforschung
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Bengtsson, Niss & Von Haartman (2010) präsentieren ebenfalls eine Einzelfallstudie zur Wissensintegration und zu Lernprozessen in Führungs- und Folgerrollen innerhalb konzerninterner Produktionsnetzwerke. Hierfür sehen sie insbesondere die Vergleichbarkeit der Kompetenzbasis zur Wissenskombination, die Kooperation von Netzwerkpartnern mit unterschiedlichen Rollen sowie einen Wechsel der Rollen zum Aufbrechen verfestigter Routinen als relevante Faktoren an. Die Fallstudie stützt sich nicht auf eine explizite theoretische Fundierung.
Olsson et al. (2010) beschreiben und analysieren interorganisationales action learning als Basis von Veränderungsfähigkeit aus interner Makroperspektive. Die Einzelfallstudie zeigt gemeinsame Lernprozesse, Vertrauensbildung sowie das Commitment zum Wissenstransfer als wesentliche Bestandteile davon auf.
Patrucco (2011) nutzt die Komplexitätstheorie sowie dynamische Fähigkeiten zur Erklärung des Einflusses von Veränderungen interorganisationaler Innovationsplattformen auf die Innovationsfähigkeit der Mitglieder. Die Spezialisierung und Differenzierung der Mitglieder, eine hohe Komplementarität ihrer technologischen Kompetenzen, der Wissensaustausch sowie die Kompetenz eines Systemintegrators/Netzwerkmanagers zeigen in einer Einzelfallstudie positive Einflüsse.
Perks & Moxey (2011) testen aus einer internen Makroperspektive in sechs Fallstudien die Wirkung von Aufgaben- und Ressourcenteilung sowie der Fähigkeiten von strategischen lead firms auf die Innovationsfähigkeit. Abgeleitet vom ressourcenbasierten Ansatz und unter Verweis auf relationale Aspekte und dynamische Fähigkeiten erzeugt eine starke Aufgaben- und Ressourcenteilung der vor- und nachgelagerten Akteure der Wertschöpfungskette im Netzwerk Innovationsfähigkeit.
Story, O'Malley & Hart (2011) beschreiben drei Rollen für Generierung von radikalen Innovationen, welche die Partner im Netzwerkkontext erfüllen müssen. Connecting bezieht sich auf die Verbreitung von Ideen im Netzwerk. Integrating basiert auf der Koordination von Aufgaben und Verantwortung, Zielformulierung und Prozesskontrolle. Endorsing bedeutet die Einführung und Bekanntmachung neuer Produkte und Technologien auf dem Markt. Die Autoren entwickeln diese Rollen mit Hilfe von fünf Fallstudien, jedoch ohne explizite Theoriefundierung.
Insgesamt zeigt der Überblick zur Innovationsnetzwerkforschung sowie im Speziellen der Stand der Forschung zu konkreten Innovationsfähigkeitskonstrukten, dass bislang keine befriedigenden Konzeptionen der Innovationsfähigkeit von Netzwerken auszumachen sind, welche zugleich inhaltlich differenziert, theoretisch ausreichend fundiert und empirisch gefestigt sind.203 Dies verdeutlicht erneut die existierende Forschungslücke im Schnittstellenbereich von Innovations- und Netzwerkforschung (vgl. Teil I.2).
203
Vgl. auch Borchert (2005).
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Teil II – Grundlagen
Zusammenfassend wird auch deutlich, dass nur vergleichsweise wenige Beiträge existieren, die sich überhaupt explizit mit einem Konstrukt der Innovationsfähigkeit direkt auf Netzwerkebene befassen und dieses inhaltlich differenziert konzipieren. Dies zeigt sich insbesondere in der geringen Anzahl von Arbeiten aus interner Makroperspektive, was jedoch auch bezogen auf andere Forschungsgegenstände in der Netzwerkliteratur zu beobachten ist (vgl. Abschnitt 4.2). Bei den meisten Beiträgen ist außerdem eine eher geringe theoretische Fundierung festzustellen. Innerhalb dieser sind jedoch das ressourcenorientierte Paradigma und Ansätze der dynamischen Fähigkeiten am weitesten verbreitet. Der folgende Abschnitt zieht aus der Betrachtung des Forschungsfeldes erste Implikationen für konzeptionelle Elemente sowie theoretische Bezugspunkte der Innovationsfähigkeit von Netzwerken (vgl. Abschnitt 5.1). Darauf aufbauend erfolgt in Abschnitt 5.2 ein Zwischenresumé für den weiteren Verlauf der Arbeit.
5 Grundlegende Implikationen für ein Konstrukt der Innovationsfähigkeit von Netzwerken 5.1 Theoretische und konzeptionelle Anschlussstellen Aus einer Netzwerkperspektive sind Innovationen und damit Innovationsfähigkeit insbesondere durch relationale, interorganisationale Beziehungen der Netzwerkteilnehmer geprägt. So sehen beispielsweise Borchert & Hagenhoff (2004) „in dem interdisziplinären, funktionsübergreifenden Innovationsprozess […] den Transfer, die neuartige Kombination und die Transformation von sowohl materiellen, immateriellen als auch finanziellen […] Ressourcen. Nur durch die Verknüpfung dieser unterschiedlichsten Ressourcen ist es letztendlich möglich, eine innovative Gesamtleistung zu erbringen.“204 Dieser Fokus auf Ressourcen und deren Anwendung, Verknüpfung und Austausch ist charakteristisch für zahlreiche der betrachteten Beiträge. Grundlegende Ressourcen und operationale Kompetenzen der Partner sind Basis der meisten Konstrukte. Inhaltich konzeptionell scheinen die gegenseitige Anpassung, Integration und Rekombination möglichst komplementärer Kompetenzen und Ressourcen im Netzwerk wesentliche Teilaspekte der Innovationsfähigkeit darzustellen.205 Eine entscheidende Bedeutung kommt damit auch Prozessen des Wissensaustausches zwischen den Akteuren zu.206 Einige Konzeptionen ergänzen Aspekte wie einen längerfristigen, strategischen Innovationsfokus207, die Innovationsförderung durch Promotoren oder entsprechende Strukturen im Netzwerk208, eine 204
Borchert & Hagenhoff (2004), S. 16. Vgl. Blomqvist et al. (2004); Quintana-García & Benavides-Velasco (2005); Damaskopoulos, Gatautis & Vitkauskaité (2008); Agarwal & Selen (2009); Isaksen & Kalsaas (2009); Bengtsson, Niss & Von Haartman (2010); Patrucco (2011). 206 Vgl. Lipparini & Sobrero (1994); Blomqvist et al. (2004); Bachmann (2000); Quintana-García & Benavides-Velasco (2005); Pekkarinen & Harmaakorpi (2006); Dooley & O'Sullivan (2007); Smart, Bessant & Gupta (2007); Bengtsson, Niss & Von Haartman (2010); Patrucco (2011). 207 Vgl. Dooley & O'Sullivan (2007). 208 Vgl. Lipparini & Sobrero (1994); Bossink (2004); Fichter (2009), Story, O'Malley & Hart (2011). 205
5 Grundlegende Implikationen für ein Konstrukt der Innovationsfähigkeit von Netzwerken 43 kulturelle Offenheit für Neues, auch Unbeabsichtigtes, ein Commitment zum Lernen sowie vergangene Netzwerk(management)erfahrungen209 (vgl. zusammenfassend Tabelle 2). Die Innovationsfähigkeit von Netzwerken stellt sich damit als ein mehrdimensionales, komplexes Konstrukt dar, welches sich aus sozio-ökonomischen, kulturellen und strategischen Elementen zum Transfer, zur Rekombination und Transformation von grundlegenden Kompetenzen und Ressourcen bildet. Verknüpfung und Austausch Lipparini & Sobrero (1994) Chang (2003) Bossink (2004) Blomqvist et al. (2004) Macpherson, Jones & Zhang (2005) Quintana-García & Benavides-Velasco (2005) Pekkarinen & Harmaakorpi (2006) Dooley & O'Sullivan (2007) Smart, Bessant & Gupta (2007) Koufteros, Edwin-Cheng & Lai (2007) Bengtsson, Niss & Von Haartman (2010) Patrucco (2011) Perks & Moxey (2011)
Komplementäre RessourNetzwerkcen/ Kompetenzen management/ -führung Chang (2003) Blomqvist et al. (2004) Quintana-García & BenavidesVelasco (2005) Pekkarinen & Harmaakorpi (2006) Rothaermel & Hess (2007) Dooley & O'Sullivan (2007) Damaskopoulos, Gatautis & Vitkauskaité (2008) Agarwal & Selen (2009) Isaksen & Kalsaas (2009) Bengtsson, Niss & Von Haartman (2010) Patrucco (2011) Perks & Moxey (2011)
gegenseitige Anpassung Tracey & Clark (2003) Macpherson, Jones & Zhang (2005) Koufteros, Edwin-Cheng & Lai (2007) Agarwal & Selen (2009)
Lipparini & Sobrero (1994) Bossink (2004) Meagher & Rogers (2004) Dooley & O'Sullivan (2007) Smart, Bessant & Gupta (2007) van Kleef & Roome (2007) Patrucco (2011) Perks & Moxey (2011) Story, O'Malley & Hart (2011)
Strategie Macpherson, Jones & Zhang (2005) Dooley & O'Sullivan (2007) Smart, Bessant & Gupta (2007) Isaksen & Kalsaas (2009) Bengtsson, Niss & Von Haartman (2010) Patrucco (2011) Story, O'Malley & Hart (2011)
Lernen Tracey & Clark (2003) Pekkarinen & Harmaakorpi (2006) Smart, Bessant & Gupta (2007) Isaksen & Kalsaas (2009) Bengtsson, Niss & Von Haartman (2010) Olsson et al. (2010)
Kultur Macpherson, Jones & Zhang (2005) Dooley & O'Sullivan (2007) Olsson et al. (2010)
Tabelle 2: Stand der Forschung – Aspekte der Innovationsfähigkeit von Netzwerken Quelle: Eigene Darstellung Aus theoretischer Perspektive bilden Rekombination und Transformation von Kompetenzen und Ressourcen mit der Zielstellung der Veränderung und Innovation zentrale Elemente in der Diskussion um dynamische Fähigkeiten.210 Diese finden sich zum Teil in den Beiträgen zu Konstrukten der Innovationsfähigkeit im Kontext von Netzwerken (vgl. Abschnitt 4.3).
209
Vgl. Tracey & Clark (2003); Smart, Bessant & Gupta (2007); van Kleef & Roome (2007); Bengtsson, Niss & Von Haartman (2010); Olsson et al. (2010). 210 Vgl. Adams, Bessant & Phelps (2006), S. 30.
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Teil II – Grundlagen
Teece, Pisano & Shuen (1997) definieren dynamische Fähigkeiten als „ability to integrate, build, and reconfigure internal and external resources in creating the higher-order capabilities that are embedded in their social, structural, and cultural context”211. Es handelt sich im Kern um Metafähigkeiten, welche über Umformung, Integration, Rekonfiguration und Erneuerung der operationalen Kompetenz- und Ressourcenbasis die Herausbildung neuer Ressourcenkonfigurationen ermöglichen, die einen innovativen Outcome hervorbringen können.212 Das so erzielte Veränderungsvermögen soll insbesondere unter dynamischen Marktbedingungen jeweils die Kompetenzen und Ressourcen fördern, generieren und nutzbar machen, welche Wettbewerbsvorteile durch neuartige Kombination und Innovation ermöglichen. Dynamische Fähigkeiten werden als eine Grundlage nachhaltiger Wettbewerbsvorteile durch Innovation identifiziert.213 Somit liegt der „focus of dynamic capabilities [..] on innovation (both technical and organizational)”214. Sie werden daher oft im Kontext der Innovationsforschung, beispielsweise bei der Produkt- oder Prozessentwicklung, untersucht.215 „Dynamic capabilities include well-known organizational and strategic processes like [..] product development“216. Mit dem Fokus auf Innovationsfähigkeit als Forschungsgegenstand bietet sich zunächst eine Einordnung des Dynamic Capability-based View (DCV)217 unter die Theorien des Wandels beziehungsweise der Innovationsfähigkeit an.218 Gegenüber Theorien der Innovation als Gegenstandstheorien, welche primär die Frage nach dem «Was ist Innovation?» stellen219, ist ihre Intention das Aufzeigen von Mustern und Deutungen, wie dieses Neue entstehen kann. Ihr Fokus liegt auf den Voraussetzungen und den Prozessen von Wandel und Innovation. Sie stellen somit direkt oder indirekt die Frage «Was ist Innovationsfähigkeit?» in den Mittelpunkt. Wachstumstheorien und Theorien des sozialen Wandels220, u.a. 221 222 Modernisierungstheorien , die Evolutorische Ökonomik und Ansätze der National Innovation Systems/ Regional Innovation Systems (NIS/ RIS)223, sind hier als Beispiele zu nennen. Sie beziehen sich jedoch vor allem auf die (gesamt)gesellschaftliche Betrachtungs211
Teece, Pisano & Shuen (1997), S. 516. Vgl. Schirmer & Ziesche (2010), S. 20. 213 Vgl. Teece, Pisano & Shuen (1997), S. 516. Dieses Grundverständnis von dynamischen Fähigkeiten wird von zahlreichen Autoren geteilt oder in vergleichbarer Form aufgegriffen, bspw. Iansiti & Clark (1994); Galunic & Eisenhardt (2001); Zahra & George (2002); Marsh & Stock (2006); Lazonick & Prencipe (2005); Teece (2007); Daneels (2008); O'Reilly & Tushman (2008); Teece & Augier (2008); Bruni & Verona (2009); Teece (2009). 214 Teece (2009), S. X. 215 Vgl. bspw. Iansiti & Clark (1994); Helfat (1997); Petroni (1998); Eisenhardt & Martin (2000); Verona & Ravasi (2003); Rothaermel & Hess (2007); Lee & Kelley (2008); Macher & Mowery (2009). 216 Eisenhardt & Martin (2000), S. 1118. 217 Bspw. Iansiti & Clark (1994); Teece, Pisano & Shuen (1997); Eisenhardt & Martin (2000); Zollo & Winter (2002); Winter (2003); Schreyögg & Kliesch (2005); Teece & Augier (2008). 218 Vgl. diesbezüglich und im Folgenden Moldaschl (2009), S. 10. 219 Sie suchen Erklärungen dafür, was neu ist beziehungsweise was die Innovation als Gegenstand ausmacht. 220 Als Einführung beispielsweise Strasser et al. (1979). 221 Beispielsweise Beck, Giddens & Lash (1996). 222 Für einen Überblick siehe beispielsweise Lehmann-Waffenschmidt (2002). 223 Für einen Überblick zu NIS/ RIS siehe beispielsweise Lundvall (1992; 2009); Blättel-Mink & Ebner (2009). 212
5 Grundlegende Implikationen für ein Konstrukt der Innovationsfähigkeit von Netzwerken 45 ebene.224 Dies korrespondiert in der Netzwerkforschung zumeist mit einer externen Makroperspektive (vgl. Abschnitt 4.1). Der DCV bezieht sich als Ansatz der strategischen Managementforschung primär auf Organisationen und deren Umfeld. Das Erklärungsziel liegt i.d.R. im Aufzeigen von Fähigkeiten zur Nutzung von Ressourcen und operationalen Kompetenzen als Ursprung von unternehmensspezifischen Wettbewerbsvorteilen. Kooperation, Netzwerke und komplementäre externe Kompetenzen und Ressourcen nehmen im DCV eine entscheidende Stellung ein.225 Unternehmen besitzen i.d.R. nicht alle notwendigen Kompetenzen und Ressourcen selber.226 Sie sind, zumindest teilweise, beschränkt von technologischen Pfaden, Wettbewerbssituationen und organisationalen Routinen.227 Kooperationen und Netzwerke bieten eine Möglichkeit, um externe Kompetenzen und Ressourcen zu nutzen und gemeinsam zu entwickeln. Sie bieten die Chance explorativer Wissensgenerierung und Austauschprozesse zwischen den Partnern. „Co-operation provides a channel for learning via access to new cognitive frameworks, routines, institutional arrangements and cultures.”228 Somit lässt sich festhalten, dass zum einen bereits Forschungsbeiträge zu Konstrukten der Innovationsfähigkeit vorliegen, welche sich auf den DCV stützen (vgl. Teil II.4.3). Zum anderen sind dynamische Fähigkeiten, verstanden als multidimensionale Metafähigkeiten und gerichtet auf Rekombination, Erneuerung und Innovation, grundsätzlich anschlussfähig an das Verständnis von Innovationsfähigkeit der vorliegenden Arbeit (vgl. Abschnitt 3.2). Des Weiteren ist der DCV prinzipiell offen für Kooperations- und Netzwerkbeziehungen. Damit bietet er insgesamt einen möglichen theoretischen Bezugspunkt der Innovationsfähigkeit von Netzwerken.
5.2 Zwischenresumé Die Verknüpfung des DCV mit Innovationsnetzwerken existiert in Ansätzen in der bisherigen Netzwerkforschung.229 Zwar muss für die meisten Beiträge zu Konstrukten der Innovationsfähigkeit im Netzwerkkontext eine geringe theoretische Fundierung konstatiert werden. Verweise auf Ansätze der dynamischen Fähigkeiten sind jedoch am weitesten 224
Die NIS/ RIS bilden in der Innovationsforschung die nationale beziehungsweise regionale Ebene ab, fokussieren also verstärkt auf sozio-geographische und sozio-demographische (Standort)faktoren der Innovation, beispielsweise bei Fritsch et al. (1998), S. 246. Das Vorhandensein von regionalen Netzwerken, beispielsweise in Forschung und Entwicklung, stellt bei den RIS ein Element der Innovationsfähigkeit einer innovativen Region dar. Eine Betrachtung der jeweiligen organisationalen Akteure und findet i.d.R. nicht statt. Bei den in dieser Arbeit betrachteten Innovationsnetzwerken ist zudem nicht davon auszugehen, dass alle Netzwerkteilnehmer zwingend zusammen in einer Region angesiedelt sind, es sich folglich nicht um ausschließlich regionale Netzwerke handelt (siehe Teil II.2.2). Die Analyseeinheiten der RIS bilden jedoch einzelne Regionen. Ansätze der NIS/ RIS sind daher weniger geeignet für das hier verfolgte Anliegen. 225 Vgl. bspw. Hagedoorn, Link & Vonortas (2000); S. 572; Schilke (2007), S. 40; Kupke (2008), S. 84. 226 Vgl. bspw. Smart, Bessant & Gupta (2007), S. 1085 f.; Mason & Leek (2008), S. 776. 227 Vgl. Tidd, Bessant & Pavitt (2001). 228 Chang (2003), S. 427. 229 Siehe auch Chang (2003), S. 426 f.
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Teil II – Grundlagen
verbreitet, oft jedoch ohne detaillierte Ausarbeitung eines theoretisch-konzeptionellen Rahmens beziehungsweise ohne empirische Prüfung eines darauf basierenden Modells (vgl. Abschnitt 4.3). Eine nähere Betrachtung des DCV, insbesondere von inhaltlich differenzierten Konzeptionen dynamischer Fähigkeiten, verspricht wichtige Erkenntnisse in Bezug auf mögliche Elemente eines mehrdimensionalen Innovationsfähigkeitskonstrukts (vgl. Abschnitt 5.1). Da der DCV sich allerdings primär auf die organisationale Ebene bezieht, ist zusätzlich die Berücksichtigung von relationalen Aspekten, d.h. Austauschbeziehungen als konstitutiven Elementen von Netzwerken (vgl. Abschnitt 2.2), notwendig. Hierfür erweist sich im Zuge der theoretisch-konzeptionellen Betrachtungen im folgenden Teil III der Arbeit der Relational View als anschlussfähig, um ein mögliches Konstrukt der Innovationsfähigkeit auf der Netzwerkebene zu verorten. Er stellt ebenfalls einen ressourcen- und fähigkeitsorientierten Ansatz dar. Sein Fokus liegt jedoch im interorganisationalen Kontext. Er hebt besonders die Schaffung, Nutzung und Veränderung von interorganisationalen Ressourcen- und Fähigkeiten für relationale Wettbewerbsvorteile im Netzwerk hervor und ergänzt damit den DCV.230 Des Weiteren wird gezeigt werden, dass beide Ansätze eine verfahrens- beziehungsweise regelorientierte Verankerung von reflexiven Mechanismen zum Umgang mit Unvorhersehbarem und ‚blinden Flecken‘ insbesondere beim Erkennen von Innovationsmöglichkeiten vorschlagen (vgl. Teil III.1.3 & III.2.3). Als ergänzender dritter theoretischer Bezugspunkt zur Fundierung eines relationalen und inhaltlich differenzierten Konstrukts der Innovationsfähigkeit wird daher in Teil III.3 der Ansatz der Institutionellen Reflexivität herangezogen. Er thematisiert den regel- beziehungsweise verfahrensorientierten Umgang mit Dysfunktionalitäten i.S.v. ‚blinden Flecken‘.231 Entscheidend zur Innovationsfähigkeit trägt aus dieser Sicht das systematische Offenhalten von Prozeduren und Voraussetzungen für Revisionen bestehender Praktiken und Routinen durch reflexive Verfahren bei. Für Teil II kann damit zusammenfassend festgehalten werden: Grundlegend stellt die Innovationsfähigkeit von Netzwerken ein auf die Schaffung von Neuerungen gerichtetes Vermögen von Netzwerken dar, innovative Produkte, Technologien oder Dienstleistungen im Netzwerk zu entwickeln und erfolgreich am externen Markt einzuführen sowie netzwerkintern neuartige Strukturen, Prozesse und Methoden zu etablieren. Die kooperative Generierung solcher Innovationen ist ein wesentlicher Zweck von Innovationsnetzwerken. Sie werden als ökonomische Formen der innovationsbezogenen, relativ stabilen, interorganisationalen Zusammenarbeit zwischen mehr als drei Unternehmen und Forschungseinrichtungen verstanden, um Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Sie ermöglichen den Austausch insbesondere technologiebezogener Kompetenzen und Ressourcen zwischen den Netzwerkmitgliedern, welche formal selbständig aber in Bezug auf die Innovationsaktivitäten wirtschaftlich abhängig sein können. Die existierende Forschungslücke bezüglich der Innovationsfähigkeit von Netzwerken aus einer internen Makroperspektive kann durch die wenigen, i.d.R. kaum 230 231
Vgl. Dyer & Singh (1998). Vgl. Moldaschl (2006).
5 Grundlegende Implikationen für ein Konstrukt der Innovationsfähigkeit von Netzwerken 47
theoretisch fundierten Beiträge nicht zufriedenstellend geschlossen werden. Sie weist darauf hin, dass eine inhaltlich differenzierte Betrachtung der Innovationsfähigkeit notwendig ist. Konzeptionell scheinen hierbei eine gegenseitige Anpassung, die Integration und Rekombination komplementärer Kompetenzen und Ressourcen, Prozesse des Wissensaustausches sowie strategische und kulturelle Aspekte der Innovationsförderung von besonderer Bedeutung zu sein. Dies deutet auf ein mehrdimensionales Konstrukt der Innovationsfähigkeit hin. Der DCV betrachtet dynamische Fähigkeiten als solche mehrdimensionalen Konstrukte i.S.v. Metafähigkeiten. Auch hier steht im Fokus die Umformung, Integration, Rekonfiguration und Erneuerung der operationalen Kompetenz- und Ressourcenbasis, was die Herausbildung neuer Ressourcenkonfigurationen und damit einen innovativen Outcome bewirken soll. Dies entspricht dem grundlegenden Verständnis von Innovationsfähigkeit in der vorliegenden Arbeit. Der DCV bietet daher potenziell eine theoretische Fundierung zur inhaltlichen Differenzierung der Innovationsfähigkeit. Er ist im Zuge der folgenden konzeptionellen Ausarbeitung zu ergänzen um relationale und regel- beziehungsweise verfahrensorientierte Aspekte.
Teil III Theoretisch-konzeptioneller Zugang zur Innovationsfähigkeit von Netzwerken Im Folgenden wird ein Bezugsrahmen für die Modellentwicklung und anschließende empirische Untersuchung des Innovationsfähigkeitskonstrukts entwickelt. Er stellt die zentralen theoretisch-konzeptionellen Grundlagen für eine inhaltliche Spezifikation des Forschungsgegenstands Innovationsfähigkeit von Innovationsnetzwerken bereit.1 Dies geschieht zum einen vor dem Hintergrund des grundlegenden Verständnisses von Innovationsfähigkeit, wie es in Teil II.3.2 & II.5.1 dargestellt wurde. Gestützt auf den bisherigen Stand der Forschung haben sich erste Hinweise auf den Dynamic Capability-based View als geeigneten theoretischen Zugang für eine inhaltliche Betrachtung ergeben. Teil III widmet sich daher (1.) der detaillierten Darstellung dieses ersten theoretischen Bezugspunkts, insbesondere des Konzepts der Mikrofundierung dynamischer Fähigkeiten2, welches eine differenzierte Betrachtung verschiedener konzeptioneller Facetten ermöglicht (Abschnitt 1). Zum anderen werden (2.) die Charakteristika der Forschungseinheit Innovationsnetzwerk als interorganisationale und beziehungsgeprägte Form von Innovationsaktivitäten durch den Einbezug von relationalen Aspekten des Relational View als zweiter Bezugspunkt berücksichtigt (Abschnitt 2). Des Weiteren wird (3.) mit dem Ansatz der Institutionellen Reflexivität ergänzend auf eine regelorientierte Perspektive zurückgegriffen (Abschnitt 3). Damit lassen sich Defizite einer rein relational, ressourcen- und fähigkeitsorientierten Konzeption von Innovationsfähigkeit durch die institutionelle Verankerung reflexiver Mechanismen, wie sie auch im Dynamic Capability-based sowie Relational View gefordert werden, ausräumen. Die Darstellung der drei theoretischen Bezugspunkte erfolgt jeweils (1.) anhand ihrer Grundlagen, (2.) ihrer für die vorliegende Arbeit relevanten konzeptionellen Elemente und schließt (3.) mit einer kritischen Betrachtung der daraus resultierenden Implikationen für eine integrative Konzeption der Innovationsfähigkeit von Netzwerken ab. Die Implikationen werden in Abschnitt 4 zu einem theoretisch-konzeptionellen Rahmen zusammengeführt, welcher die Grundlage für die in Teil IV folgende Modellentwicklung bildet.
1
Hierbei stehen nicht Theorien des Netzwerks beziehungsweise Netzwerktheorien im Fokus. Sie behandeln Netzwerke zumeist als Forschungsgegenstand und würden Erklärungsmöglichkeiten vorschlagen, was unter einem Netzwerk verstanden werden kann, warum Netzwerke existieren oder wie und warum sich spezifische Netzwerkbeziehungen und -strukturen entwickeln. Dies ist an anderer Stelle im Schrifttum ausführlich dargestellt und kann nachgeschlagen werden, bspw. bei Sydow (1992) und Zentes, Swoboda & Morschett (2005a). Eine terminologische Spezifikation des Was wurde ohnehin bereits in Teil II unter Rekurs auf entsprechende Forschungsansätze und Typologien geliefert. Sie beschreibt Innovationsnetzwerke als Forschungseinheit der vorliegenden Arbeit. 2 Vgl. Teece (2007).
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Teil III – Theoretisch-konzeptioneller Zugang
1 Dynamische Fähigkeiten 1.1 Grundlagen einer ressourcen- und fähigkeitsorientierten Perspektive auf Innovationsfähigkeit In seiner Entwicklung baut der DCV auf dem Ressource-based View3 (RBV) auf.4 Dieser sieht im Besitz und Einsatz wertvoller, seltener, schwer imitier- und substituierbarer Ressourcen die entscheidenden Quellen von Wettbewerbsvorteilen.5 Die Problematik zur Erlangung dieser wird dabei meist wenig thematisiert. Damit ist auch die Veränderlichkeit einer solchen Ressourcenbasis konzeptionell nicht im eher statischen RBV erfasst.6 In einem durch Veränderungen gekennzeichneten Umfeld, dieses wurde in Teil II.4.1 unter Verweis auf Technologie- und Innovationsdynamik beschrieben, ist das Generieren langfristiger Wettbewerbsvorteile durch Innovationen als ein charakterisierendes funktionales Merkmal von Innovationsnetzwerken mittels einer starren Ressourcenbasis jedoch kaum möglich. Es bedarf folglich spezifischer Fähigkeiten zur Ressourcennutzung und -veränderung. Der RBV betrachtet solch komplexe Fähigkeiten jedoch noch nicht als zentrales Merkmal und damit ausschlaggebend für die Erzielung von Wettbewerbsvorteilen. Zwar thematisiert bereits Penrose (1995) die unternehmensinternen Prozesse der Ressourcennutzung. Der eigentliche Argumentationsstrang in der structural school des klassischen RBV fokussiert jedoch auf strukturelle Rahmenbedingungen in Organisationen für einzigartige Ressourcen beziehungsweise auf die Ressourcenbündel selber. In späteren Ansätzen der process school erlangen Wissen sowie Kompetenzen der Ressourcenkombination (daran anknüpfend auch Knowledge-based View und Competence-based View) stärkere Bedeutung.7 Komplexe Fähigkeiten zur Veränderung dieser Ressourcen- und Kompetenzbasis thematisiert jedoch erst der DCV ausführlich.8 Er folgt damit grundlegend der Tradition des RBV, entwickelt ihn jedoch weiter, indem er eine dynamische Perspektive auf Ressourcen und Kompetenzen einnimmt. Er ist, wie schon der RBV, in einem gemäßigten Voluntarismus9 und liberalen methodologischen Individualismus (vgl. Teil II.1) verankert. Organisationen als kollektiven Akteuren wird dadurch die 3
Insb. Penrose (1959, 1995); Rumelt (1984); Wernerfelt (1984); Barney (1991, 1996); Grant (1991); Peteraf (1994). 4 Bedeutende Einflüsse stammen außerdem vom Competence-based View (u.a. Nelson (1982); Prahalad & Hamel (1990); Amit & Schoemaker (1993); Hamel & Prahalad (1993)) sowie Knowledgebased View (u.a. Cohen & Levinthal (1990); Kogut & Zander (1992); Nonaka, Takeuchi & Mader (1997)), welche selber wiederum auf dem RBV aufbauen. Für einen Überblick zum ressourcen- und kompetenzorientierten Paradigma der Managementforschung siehe Stephan et al. (2010). 5 Valuable, Rare, In-imitable, Non-substitutable (VRIN); vgl. Barney (1991; 1996). 6 Vgl. bspw. Eisenhardt & Martin (2000). 7 Vgl. bspw. Freiling, Gersch & Goeke (2006). 8 Siehe bspw. Teece, Pisano & Shuen (1997); Eisenhardt & Martin (2000); Zollo & Winter (2002); Winter (2003); Zahra, Sapienza & Davidsson (2006); Schreyögg & Kliesch-Eberl (2007); Teece (2007); Wang & Ahmed (2007); Hou (2008); Ambrosini & Bowman (2009); Easterby-Smith, Lyles & Peteraf (2009); Ridder, Hoon & McCandless (2009). 9 Vgl. bspw. Kirsch (1997), S. 286 ff.; Kirsch & Guggemoss (1999), S. 42 ff.
1 Dynamische Fähigkeiten
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Möglichkeit zugesprochen, durch aktives Handeln auf ihre eigene Situation und, innerhalb gewisser Grenzen, auf ihre Umwelt Einfluss zu nehmen. Wettbewerbsvorteile basieren dabei weder ausschließlich auf bestimmten (Anpassungs)Strategien an die Umwelt, wie es ein `structure-conduct-performance-Paradigma´10 beziehungsweise der Market-based View11 vorsieht, noch auf der reinen Verfügbarkeit von Ressourcen. Vielmehr existieren unternehmensspezifische Quellen von Wettbewerbsvorteilen, die im Vermögen der Veränderung und Innovation liegen. Dieses Vermögen wird in eben jenen dynamischen Fähigkeiten ausgemacht, welche sich auf die operationalen Kompetenzen, Prozesse und Ressourcen einer Organisation richten. Dynamisch bezieht sich in diesem Zusammenhang somit nicht auf den Grad der Umweltveränderung, sondern drückt aus, dass diese operationale Basis unter variablen Umweltbedingungen eine Veränderung erfahren kann, dass sie inhaltlich neu kombiniert, transformiert und ergänzt werden kann, um das Risiko von Lock-Ins und Rigiditäten zu verringern.12 Dynamic Capabilities repräsentieren damit komplexe Metafähigkeiten13, welche grundlegend beschrieben werden können als „ability to integrate, build, and reconfigure internal and external competences to address rapidly changing environments. Dynamic capabilities thus reflect an organization´s ability to achieve new and innovative forms of competitive advantage…”.14 Dieses Verständnis weist darauf hin, dass dynamische Fähigkeiten nicht als ad-hoc Problemlösungen oder spontane Reaktionen gelten. Vielmehr handelt es sich um situationsübergreifende, musterhafte, d.h. in Strukturen und Prozessen verankerte, abstrakte Konstrukte, denen intangible und tangible Ressourcen, Kompetenzen und Wissen als Ausgangspositionen zugrunde liegen, und welche sich auf unterschiedliche Art und Weise auswirken können.15 Die durch dynamische Fähigkeiten gesteuerten oder beeinflussten Veränderungen an Ressourcen und Kompetenzen können inkrementeller, regenerativer, transformierender, kombinativer oder kreativer Art sein.16 Auch Innovationen sind im Kern durch ressourcentransformierende Mechanismen gekennzeichnet und bewegen sich auf einem Kontinuum zwischen inkrementell und radikal, können 10
Es geht davon aus, dass die Marktgegebenheiten das Verhalten der Unternehmen am Markt bestimmen. Nur eine daran optimal ausgerichtete, strategische und operative Anpassung führt zu den gewünschten Ergebnissen von Effizienz und Gewinnspanne innerhalt einer Branche. Dabei wird von annähernd vollkommender Homogenität der Unternehmen ausgegangen. Somit werden unternehmensindividuelle Ressourcenausstattungen vernachlässigt. Siehe Bain (1968); Porter (1979). 11 Der Market-based View sieht ein `fit´ spezifischer Strategien als Reaktion auf bestimmte Marktgegebenheiten als ausschlaggebend für den Erfolg. Insbesondere Porter (1985) integriert damit ein dynamisches Element der rekursiven Schleifen von Marktstruktur und Unternehmensverhalten in das Paradigma. Im Kern bleibt es jedoch bei einem industrieökonomisch geprägten Ansatz, der (unternehmens)spezifische Ressourcen und Fähigkeiten im Wesentlichen unberücksichtigt lässt. 12 Vgl. Leonard-Barton (1992). 13 Vgl. bspw. Coombs & Metcalfe (2000), S. 217; Winter (2003), S. 992. 14 Teece, Pisano & Shuen (1997), S. 516. Dieses Grundverständnis von dynamischen Fähigkeiten wird von zahlreichen Autoren geteilt oder in vergleichbarer Form aufgegriffen, bspw. Iansiti & Clark (1994); Galunic & Eisenhardt (2001); Zahra & George (2002); Marsh & Stock (2006); Lazonick & Prencipe (2005); Teece (2007); Daneels (2008); O'Reilly & Tushman (2008); Teece & Augier (2008); Bruni & Verona (2009); Teece (2009). 15 Siehe bspw. Teece, Pisano & Shuen (1997), S. 518 ff.; Zahra & George (2002a), S. 185 f.; Teece (2007), S. 1321; Ellonen, Wikström & Jantunen (2009), S. 755. 16 Vgl. u.a. Ambrosini, Bowman & Collier (2009); Easterby-Smith, Lyles & Peteraf (2009).
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Teil III – Theoretisch-konzeptioneller Zugang
eine Kombination bekannter Elemente oder eine vollständige Neuschaffung sein (vgl. Teil II.3.1).17 Somit bietet der DCV mit seiner Fokussierung auf ein Vermögen zur Veränderung und (Er)Neuerung prinzipiell eine Möglichkeit, Innovationsfähigkeit, ebenfalls i.S.e. Vermögens zur Veränderung und (Er)Neuerung von Strukturen, Prozessen, Technologien oder Produkten (vgl. II.3.2 und 5) verstanden, theoretisch-konzeptionell zu verankern.18 Allerdings ist der DCV kein konzeptionell geschlossener, homogener Ansatz. Vom Ursprung und Hauptanwendungsfeld in der strategischen Managementforschung19 sind verschiedene Dynamic Capability-Konzepte mit diversen Schwerpunkten und Erklärungsgehalt in weitere Felder, u.a. Marketing, Information Systems, Operations Research sowie in die Innovationsund Organisationsforschung, diffundiert.20 Die grundlegende Perspektive auf ein Veränderungs- und Innovationsvermögen als Basis nachhaltiger Wettbewerbsvorteile wurde dabei in zahlreichen unterschiedlichen Konzepten, zum Teil mit explizitem Bezug zu Innovationsfähigkeit21, herangezogen und stärker ausdifferenziert.22 Für einen theoretisch-konzeptionellen Rahmen dieser Arbeit sind insbesondere solche Konzepte von Relevanz, welche sich inhaltlich differenziert mit dynamischen Fähigkeiten auseinandersetzen. Sie zeigen potenziell eine innere funktionale Struktur und Mikrofundierung dynamischer Fähigkeiten auf. Sie können daher Hinweise auf die Ausgestaltung des Innovationsfähigkeitskonstrukts geben und somit zur Modellierung einzelner Facetten beitragen.
1.2 Inhaltlich-konzeptionelle Komponenten einer differenzierten Sicht auf dynamische Fähigkeiten Innerhalb des DCV haben sich in den letzten Jahren entsprechende Konzepte entwickelt, die eine Dekomposition des komplexen Konstrukts dynamische Fähigkeiten vornehmen.23 17
Vgl. Reichert (1994); S. 20; Duschek (2002), S. 45. Auch in Schumpeters (1931) Verständnis der kreativen Zerstörung existierender Ressourcen und Verwendungen, der Kombination neuer funktionaler Kompetenzen und des innovationsbasierten Wettbewerbs finden sich Anknüpfungspunkte von DCV und Innovationsfähigkeit: vgl. u.a. Augier & Teece (2007), S. 179; Easterby-Smith & Prieto (2008), S. 236. 19 Meist wird die Arbeit von Teece, Pisano & Shuen (1997) als wegbereitend gesehen. Allerdings wurde schon 1992 ein gleichnamiges Arbeitspapier der Autoren veröffentlicht, worauf sich u.a. auch Iansiti & Clark (1994) und Teece & Pisano (1994) selber beziehen. Eine Einführung und einen Überblick zur Entwicklung des DCV bieten Katkalo, Pitelis & Teece (2010). 20 Vgl. Di Stefano, Peteraf & Verona (2010), S. 1181. 21 Bspw. Iansiti & Clark (1994); Daneels (2002); Wheeler (2002); Marsh & Stock (2006); Menguc & Auh (2006); Hou (2008); Sammerl, Wirtz & Schilke (2008); Witt (2008); Macher & Mowery (2009); McKelvie & Davidsson (2009); Hung et al. (2010); Pavlou & El Sawy (2011). Pitelis & Teece (2009) sehen hierbei im DCV eine prinzipielle Überlegenheit: „The resource/dynamic capability framework does a better job of capturing this essence than do the classical theories, especially in the context of innovation.” (S. 12). 22 Einen Überblick liefern u.a. Leoncini, Montresor & Vertova (2003); Cavusgil, Seggie & Talay (2007); Schreyögg & Kliesch-Eberl (2007); Wang & Ahmed (2007); Teece (2009). 23 Gerade einige der frühen Konzepte sind zwar ausführlich rezipiert worden, weisen aber zum Großteil eine solche funktionale Struktur oder Mikrofundierung dynamischer Fähigkeiten nicht oder nur in geringem Umfang auf, bleiben vage bezüglich der Komponenten dynamischer Fähigkeiten; vgl. bspw. Teece, Pisano & Shuen (1997); Eisenhardt & Martin (2000); Zollo & Winter (2002). Die neuere 18
1 Dynamische Fähigkeiten
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Dynamische Fähigkeiten werden dabei als Kombinationen verschiedener Komponenten – spezifische Prozesse, Strukturen, Mechanismen oder Routinen – aufgefasst und stellen damit eigenständige Konstrukte dar.24 Es sind Metafähigkeiten, welche konzeptionell von operationalen Kompetenzen unterschieden werden.25 Da ihre übergeordnete Funktion, dem grundlegenden Verständnis des DCV folgend, die Entwicklung, Veränderung, Integration und Transformation eben dieser operationalen Kompetenzen- und Ressourcenbasis ist, wird jedoch von einer Verbindung zwischen Metafähigkeiten und der operationalen Ebene ausgegangen. Dynamische Fähigkeiten sind damit nicht entkoppelt von operationalen Kompetenzen, Prozessen und Ressourcen zu betrachten.26 Die einzelnen Komponenten der dynamischen Fähigkeiten übernehmen verschiedene Unterfunktionen. Sie machen die inhaltliche, funktionale Struktur der sonst komplexen Konstrukte deutlich. Zwar herrscht über den Funktionsumfang und die detaillierte Ausgestaltung auch unter den neueren Konzepten kein abschließender Konsens. Doch es zeigen sich gemeinsame funktionale Schwerpunkte. Dynamischen Fähigkeiten werden drei Grundfunktionen zugeschrieben, welche sich in Mechanismen des Suchens beziehungsweise Wahrnehmens von Chancen, Risiken und Veränderungsbedarf, des Ergreifens von Chancen sowie des Umsetzens von damit verbunden Veränderungen und Transformationen äußern.27 Sie sollen in ihrer Kombination die Innovations- und Veränderungsfähigkeit als Basis von Wettbewerbsvorteilen fördern. Eine der bis dato am weitesten differenzierten Konzeptionen zu den Grundfunktionen dynamischer Fähigkeiten und den sie fundierenden Mechanismen liefert Teece (2007). Er teilt dynamische Fähigkeiten in drei Unterklassen: „For analytical purposes dynamic capabilities can be disaggregated into the capacity (1) to sense and shape opportunities and threats, (2) to seize opportunities, and (3) to maintain competitiveness through enhancing, combining, protecting, and, when necessary, reconfiguring the business enterprise’s tangible and intangible assets.”28 Die drei Unterklassen sind folglich unterschiedlicher, aber sich ergänzender Natur, welche sich jeweils über ihre spezifische Funktion des Wahrnehmens (sensing), Ergreifens (seizing) und Umsetzens (transforming) von Innovationschancen bestimmt. Jede von ihnen wird untermauert von Mechanismen, Prozessen, Strukturen oder Praktiken, die zum Erfüllen der jeweiligen Funktion beitragen sollen.29 Teece trennt auf diese Weise
Entwicklung spezifiziert Komponenten stärker und trägt damit u.a. zur Operationalisierbarkeit bei, was sich zunehmend in empirischen Studien niederschlägt, bspw. Desai, Sahu & Sinha (2007); Rothaermel & Hess (2007); Wang & Ahmed (2007); Daneels (2008); Witt (2008); Agarwal & Selen (2009); McKelvie & Davidsson (2009). 24 Siehe bspw. Teece (2007), S. 1321. Anders im frühen integrativen Ansatz von Teece, Pisano & Shuen (1997), welcher im Wesentlichen herkömmliche organisationale Fähigkeiten mit einem dynamischen Lernelement verknüpft und damit keine eigenständige dynamische Fähigkeitskategorie aufweist. Der Fokus dieses Ansatzes liegt vielmehr in den Voraussetzungen und Begrenzungen dieser Dynamisierung in Form organisationaler Pfade und Positionen. 25 Vgl. Daneels (2002); Winter (2003); Wang & Ahmed (2007); Ambrosini, Bowman & Collier (2009). 26 Vgl. Zahra, Sapienza & Davidsson (2006), S. 927 ff. 27 Vgl. sinngemäß insb. Helfat et al. (2007); Teece (2007); Hou (2008). 28 Teece (2007), S. 1319; (Hervorh. DPK). Die 3. Unterklasse fasst Teece (2007), S. 1342 unter „transforming“ zusammen. Diese Bezeichnung wird im Folgenden verwendet. 29 Vgl. Teece (2007), S. 1321.
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Teil III – Theoretisch-konzeptioneller Zugang
analytisch die Fähigkeit selber (nature) von ihren Grundlagen (microfoundations) und schlägt damit eine inhaltliche Spezifikation der Funktionsbereiche vor. Dies ist für die vorliegende Arbeit von hoher Relevanz. Denn hieraus können mögliche Implikationen für die inhaltlichen Dimensionen der Innovationsfähigkeit als komplexes Konstrukt gewonnen werden.30 Die Nature und Microfoundations werden daher im Folgenden dargestellt. Anschließend werden in Abschnitt 1.3 die Implikationen für den theoretischkonzeptionellen Rahmen kritisch erörtert. (1) Sensing Die nature of sensing ist für Teece vor allem eine „scanning, creative, learning, and interpretive activity.“31 Im Kern geht es um die Gewinnung von neuem, insbesondere organisationsexternem Wissen. Investitionen in entsprechende Aktivitäten der Suche sowie in Forschung und Entwicklung bilden hierfür eine Voraussetzung. Es sollen Innovationschancen aufgezeigt und Markt- sowie Technologierisiken wahrgenommen werden. Diese können markt- und technologieüberschreitend und damit jenseits des bisherigen Operationsbereichs eines Unternehmens liegen. Die Schwierigkeit liegt für Teece daher vor allem im Verlassen etablierter Suchroutinen, bekannter Muster und gängiger Pfade.32 Um dies zu erreichen und die sensingFunktion zu untermauern, wird eine Mikrofundierung aus analytischen Systemen zum Lernen und Wahrnehmen, Filtern und Gestalten von Chancen und Risiken vorgeschlagen. Inhaltlich bestehen diese für Teece im Wesentlichen aus Prozessen der lokalen und vor allem unternehmensübergreifenden Suche im „business ecosystem“33 nach Innovationschancen. Sie sollen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten an neuen Technologien ausrichten sowie Veränderungen im technologischen und wissenschaftlichen Umfeld und in den Kunden- und Marktanforderungen identifizieren. Sie schließen in der externen Suche daher den Austausch mit Zulieferern, Kunden und anderen Marktteilnehmern, ggf. auch Wettbewerbern, sowie staatlichen Einrichtungen und Forschungsinstituten ein: „the impact of exploration is highest when exploration spans organizational […] boundaries.”34 Teece fordert hierfür entsprechende Methoden. Die Aufgaben beziehungsweise Prozesse von Suche und Verarbeitung von Informationen allein einzelnen Akteuren (des Managements) zu überlassen, erscheint ihm zu fehleranfällig für individuelle Routinisierung und damit `blinde Flecken´ der Wahrnehmung. Vielmehr sollen sie als analytische Systeme organisatorisch verankert werden. Bei Teece (2007) wird jedoch nicht deutlich herausgestellt, wie dies geschehen kann.35 „While certain individuals in the 30 Siehe Forschungsfrage 2: Welche inhaltlichen Aspekte zeichnen diese Fähigkeit auf Netzwerkebene aus und welche wesentlichen Einflussfaktoren wirken auf sie? 31 Teece (2007), S. 1322. 32 Zu Pfadabhängigkeit in Organisationen siehe bspw. Badaracco (1991). 33 Teece (2007), S. 1325. 34 Teece (2007), S. 1324. 35 Teece betrachtete zwar alle drei Unterklassen und ihre Mikrofundierungen als gleichwertig und sich jeweils aufeinander beziehend und ergänzend. Dennoch nimmt seine Ausarbeitung des sensing in der Arbeit den geringsten Teil ein. Hier fehlt es insbesondere an der geforderten systematischen/ organisa-
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enterprise may have the necessary cognitive and creative skills, the more desirable approach is to embed scanning, interpretive, and creative processes inside the enterprise itself. The enterprise will be vulnerable if the sensing, creative, and learning functions are left to the cognitive traits of a few individuals.”36. (2) Seizing Die nature of seizing ist als zweite Unterklasse dynamischer Fähigkeiten geprägt durch das Ergreifen von Chancen, welche sich als Resultate der sensing-Funktion zeigen. „Once a (technological or market) opportunity is sensed, it must be addressed through new products, processes or services.”37 An dieser Stelle des Konzepts wird wiederum der explizite Bezug zu Innovationen deutlich. Diese müssen durch rechtzeitige Investitionen in chancenreiche Produkte und Technologien vorangetrieben werden. Auch hierfür ist das Abweichen von bekannten (Investment)Pfaden von Bedeutung. Bisherige Entscheidungsregeln, beispielsweise für Budgets, können unter neuen Bedingungen (veränderter Chancen- und Risikolage) dysfunktional sein. Sie begünstigen als relativ sicher wahrgenommene Investitionsroutinen vor allem bekannte und in der Vergangenheit erfolgreiche Bereiche des Unternehmens zum Nachteil neuer Chancenergreifung. Diese Dysfunktionalitäten sollen überwunden werden, u.a. indem verstärkt interdependente Investmentalternativen als Kombinationen markt- und technologieübergreifend erwogen werden.38 In diesem Zusammenhang verweist Teece auch auf die Bedeutung von Netzwerken.39 In ihnen sieht er wesentliche Einflussfaktoren auf die Entwicklung von technologischen Plattformen beziehungsweise Standards40, welche für einen Innovationserfolg entscheidend sein können.41 Eine etablierte Technologieplattform torischen beziehungsweise verfahrensförmigen Verankerung der Wahrnehmungsfunktion unabhängig von einzelnen Individuen; vgl. Teece (2007), S. 1323. Diese Lücke wird mit dem theoretischkonzeptionellen Bezugspunkt zur Institutionellen Reflexivität (vgl. Moldaschl (2006)) in Abschnitt 3 dieses Teils der Arbeit aufgegriffen. 36 Teece (2007), S. 1323. 37 Teece (2007), S. 1326. 38 Vgl. Teece (2007), S. 1328 f. 39 Vgl. Teece (2007), S. 1326. 40 Siehe auch DeBresson & Amesse (1991); Eisenhardt & Schoonhoven (1996); Voigt & Wettengl (1999). 41 Technologieplattformen sind die Basis für zahlreiche Produkte, die vom Kunden i.d.R. als System wahrgenommen werden. Ein Beispiel stellen PCs dar, deren Rechnerarchitektur die Plattform für verschiedene Betriebssysteme, Systemsoftware, Anwendungssoftware sowie Zusatzgeräte ist. Diese separaten, oft von unterschiedlichen Herstellern verkauften Produkte sind Komplementäre. Für den Kunden ist das Einzelprodukt i.d.R. nicht nutzbar. Seit den 1980er Jahren haben sich mit IBM/Intel und Apple/Macintosh zwei bedeutende, konkurrierende Plattformen entwickelt. Microsoft hat sich bspw. früh für die Entwicklung von Betriebssystemen für eine Plattform entschieden. Dies hat Auswirkungen auf das Geschäftsmodell und die Innovationsstrategie des Unternehmens, da sich gegenseitige Abhängigkeiten aber auch Möglichkeiten von IBM/Intel und Microsoft ergeben. Entwicklungen sind daher notwendigerweise vom jeweils anderen zu verfolgen oder ggf. gegenseitig abzustimmen. Hinzu kommen zahlreiche weitere Hersteller von Hard- und Software, welche die Plattform für ihre Produkte nutzen, im Gegenzug die Plattform selber jedoch auf sie angewiesen ist, um dem Kunden einen Systemnutzen zu ermöglichen.
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Teil III – Theoretisch-konzeptioneller Zugang kann durch ihre entsprechende Verbreitung zu einer dominanten Stellung einzelner Netzwerke führen, welche frühzeitig die entsprechenden Standards gesetzt oder verfolgt haben. Im Falle solcher Netzwerkexternalitäten sind der frühe Anschluss an und ein Commitment zu einem aussichtsreichen Netzwerk sinnvoll. Hierfür ist mitunter die Neugestaltung des Geschäftsmodells des Unternehmens nötig. Organisationsgrenzen werden ggf. neu gezogen, wenn Netzwerkbeziehungen an Bedeutung zu- oder abnehmen.42 Die komplexen Zusammenhänge von Marktchancen und Risiken, Entscheidung(dys)funktionalitäten, Netzwerkexternalitäten sowie mögliche Veränderungen des Geschäftsmodells verlangen nach entsprechenden Strukturen, Praktiken, Mechanismen und Anreizen als Mikrofundierungen zur Erfüllung der seizing-Funktion. Bei der Wahl des Geschäftsmodells sind demnach Technologie- und Zielmarktausrichtung, Produktpositionierung, Investitions- und Verkaufsstrategien sowie damit verbunden insb. Entwicklungs- beziehungsweise Innovationsstrategien wichtige Basiselemente. Eine effiziente und effektive „strategic architecture“43 soll es dem Unternehmen ermöglichen, Innovationsrenten zu erwirtschaften. Bei diesen strategischen Überlegungen müssen Technologieplattformen berücksichtigt werden. Der Einfluss hierauf ist insbesondere dann notwendig, wenn die Produkte und Kompetenzen des Unternehmens von komplementären Produkten, Dienstleitungen oder Kompetenzen weiterer Marktteilnehmer profitieren oder sogar abhängig sind. Damit zusammenhängend sind die Organisationsgrenzen zu bewerten und ggf. zu verändern. Bei besonders essenziellen Komplementären kann eine stärkere Kontrolle hierüber strategisch sinnvoll sein. Finden sich diese Komplementäre in der Wertschöpfungskette an vor- und/oder nachgelagerter Stelle und bilden damit einen möglichen `Flaschenhals´, ist eine Integration dieser Teile in das Unternehmen evtl. notwendig. Bei fehlenden Kompetenzen zur Ergreifung einer Innovationschance besteht des Weiteren im Outsourcing der Umsetzung eine Möglichkeit, diese Chance dennoch wahrzunehmen und Innovationsrenten zu erwirtschaften. Solch strategische Grenz- und Kooperationsentscheidungen sind i.d.R. verbunden mit Investitionen und Risiken, die oftmals zu Gunsten bekannter Alternativen ausfallen. Das Unternehmen benötigt hier korrigierende Mechanismen, die einem solchen Bias entgegenwirken. Eine „corrective strategy“44 fördert Strukturen, Anreize und Prozesse, die kreative und verändernde Praktiken ermöglichen und ggf. alte, chancenverhindernde und innovationshemmende Praktiken beseitigen sollen. Dies kann durch eine entsprechende Kultur, Werte und Normen, eine innovationsförderliche Strategie sowie die Kommunikation des Managements unterstützt werden, um eine verstärkte Innovationsorientierung, ein Commitment zur Innovation, zu erzielen.
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Vgl. Zott & Amit (2009) zu netzwerkbezogenen Geschäftsmodellen. Teece (2007), S. 1330. 44 Teece (2007), S. 1333. 43
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(3) Transforming Die nature of transforming ergibt sich aus der Notwendigkeit organisationaler Anpassungen. Die Ergreifung von Chancen, eine Erweiterung der Organisationsgrenzen, Markt- und Technologieveränderungen sowie Investitionen in neue Produktbereiche führen zu Veränderung und Wachstum von Unternehmen. Unter solchen Bedingungen muss sich auch die Ressourcen- und Kompetenzbasis verändern. „A key to sustained profitable growth is the ability to recombine and reconfigure assets and organizational structures as the enterprise grows”45. Einhergehend mit Wachstum steigt i.d.R. die organisationale Komplexität. Dies findet seinen Ausdruck zumeist in einer stärkeren Hierarchisierung, Zentralisierung, Regulierung und Prozessfixierung. Eine solche Entwicklung kann insbesondere das Top-Management von Markt und Kunden entfernen, es isolieren und so den Blick für sinnvolle oder notwendige Veränderungen verstellen. Dies erschwert potenziell das sensing neuer Chancen und Risiken und birgt damit die Gefahr übermäßiger Routinisierung und zu starker, innovationshemmender Verfestigung von Praktiken und Prozessen. Um dem entgegenzuwirken, schlägt Teece Mechanismen der (Neu)Ausrichtung tangibler und intangibler Vermögenswerte (assets)46 als Mikrofundierung von Rekonfiguration beziehungsweise Transformation von Ressourcen, Strukturen und Prozessen vor. Eine Möglichkeit besteht dabei in der bewussten Dezentralisierung der Organisation. Sie kann Flexibilität, Marktnähe und Reaktion auf Umweltveränderungen der einzelnen Organisationsbereiche erhöhen, was die Wahrnehmung und Ergreifung von Innovationschancen stärkt. Ein entsprechender kollaborativer, wenig hierarchischer Führungsstil wirkt hierbei unterstützend, wenn er Eigenverantwortung, dezentrale Entscheidungen und Motivation zu Veränderung und zur Umsetzung von Neuerungen vermittelt sowie entsprechende Leistungen anerkennt.47 Im Zuge der Dezentralisierung kommt der Anpassung von Ressourcen und Kompetenzen weiterhin eine wichtige Bedeutung zu. Dies beinhaltet neben der Ausrichtung an Umweltveränderungen auch einen `fit´ von Kompetenzen, Strategien und Prozessen der Organisationsbereiche untereinander. Teece schlägt zwar eine Dezentralisierung i.S.e. „near decomposability“48 der Organisation vor, konstatiert jedoch mit Perspektive auf technologische Plattformen und komplementäre Innovationen (siehe seizing), dass Gemeinsamkeiten beziehungsweise eine geteilte Orientierung entscheidende Vorteile bieten. Es geht ihm folglich bei der Vermeidung einer innovationshinderlichen, hierarchischen Vereinheitlichung und Zentralisierung nicht um die vollständige Auflösung der Organisation als Kontrapunkt, sondern um Flexibilität verbunden mit einer Kospezialisierung von 45
Teece (2007), S. 1335. Teece (2007) selber schließt unter assets zwar Wissen explizit ein (S. 1339), erörtert sein grundlegendes Verständnis von assets jedoch nicht weiter. Eine Interpretation als Vermögenswerte i.w.S. umfasst daneben bspw. auch Maschinen, Produktionseinrichtungen, Produktionsverfahren sowie operationale Kompetenzen und Ressourcen als intangible und tangible `Besitztümer´ einer Organisation. Die Begriffe Vermögenswerte und assets werden im Folgenden synonym verwendet. 47 Ausführlich zu Führung im Netzwerkkontext siehe bspw. Winkler (2004) sowie Müller-Seitz (2011). 48 Teece (2007), S. 1336. 46
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Teil III – Theoretisch-konzeptioneller Zugang Vermögenswerten (assets), Strategien, Strukturen oder Prozessen der Organisationeinheiten. „Cospecialized assets are a particular class of complementary assets where the value of an asset is a function of its use in conjunction with other particular assets. With cospecialization, joint use is value enhancing. […] both innovation and reconfiguration may necessitate cospecialized assets being combined …”49 Damit soll auch eine dezentrale Organisation ganzheitliche, systemische Innovationen hervorbringen können. Darüber hinaus kann Kospezialisierung über Organisationsgrenzen hinweg geschehen. Hier nimmt Teece Rekurs auf die beschriebene Einbindung in Netzwerke beziehungsweise Technologiepattformen. Dies gilt u.a., wenn die benötigten Ressourcen oder Kompetenzen intern nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind und der Austausch sowie die Integration von externem Wissen vorteilhaft sind.
Zusammenfassend lassen sich durch die von Teece vorgenommene Disaggregation drei Unterklassen dynamischer Fähigkeiten mit entsprechenden Funktionen ausmachen. Das Sensing stellt im Kern eine Such- und Wahrnehmungsfunktion der Organisation dar. Sie wird untermauert von analytischen Systemen, d.h. Prozessen zum internen und externen Lernen und Wahrnehmen, Filtern und Gestalten von Innovationschancen und Risiken. Seizing bezeichnet die Funktion des Ergreifens dieser Chancen, welche sich als Resultate der sensing-Funktion ergeben. Sie basiert auf entsprechenden Strukturen, Praktiken, Mechanismen und Anreizen, welche die Annahme von Chancen fördern und koordinieren. Transforming stellt eine Funktion der Rekonfiguration und (Neu)Ausrichtung tangibler und intangibler Vermögenswerte (assets), Strategien, Strukturen und Prozesse dar, um die ersten beiden Funktionen zu unterstützen sowie mögliche Gefahren für die Aufrechterhaltung dieser abzuwenden. Sie beruht auf einer Balance von Dezentralisierung und Kospezialisierung, unterstützt von einem entsprechend veränderungsorientierten Führungsstil und Koordinationsmechanismen. Das Gesamtkonzept ist damit ausgerichtet auf die Wahrnehmung von Veränderungsbedarf und das Ergreifen und Umsetzten von Innovationschancen, um diesen zu erfüllen. Damit ergeben sich aus den drei Funktionsbereichen dynamischer Fähigkeiten wichtige Implikationen für ein Konstrukt der Innovationsfähigkeit, welche nachfolgend diskutiert werden.
1.3 Kritik und Implikationen für eine Konzeption der Innovationsfähigkeit aus der Perspektive dynamischer Fähigkeiten Als originärer Ansatz der strategischen Managementforschung wird der DCV zumeist als eine Theorie der Unternehmung verstanden. Diese soll im Kern Unternehmensexistenz und -evolution über das Erlangen und Sichern von Wettbewerbsvorteilen erklären. Als problematisch erweist sich in diesem Zusammenhang eine mögliche Tautologie, die den meisten Konzepten dynamischer Fähigkeiten vorgeworfen wird: Wenn ein Unternehmen dynamische Fähigkeiten besitzt, dann muss es außergewöhnliche Leistungen erbringen. Wenn es diese
49
Teece (2007), S. 1338.
1 Dynamische Fähigkeiten
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Leistungen erbringt, wird daraus auf dynamische Fähigkeiten geschlossen.50 Wird diese Leistung als Gesamtunternehmensperformanz oder Wettbewerbsvorteil verstanden, ist der Vorwurf nur schwer zu widerlegen. Helfat et al. (2007) argumentieren diesbezüglich, dass die Veränderung der Ressourcenbasis durch dynamische Fähigkeiten jedoch lediglich Aufschluss darüber gibt, dass ein Unternehmen etwas anders, aber nicht notwendigerweise besser macht.51 Die Leistung ist somit das Hervorbringen einer Veränderung. Damit sind dynamische Fähigkeiten konzeptionell nicht mehr unmittelbar an Wettbewerbsvorteile gekoppelt. Problematisch hierbei ist, dass oftmals nicht deutlich wird, worin Veränderungen bestehen beziehungsweise worauf sie beruhen und wie sie, auch indirekt, zu Wettbewerbsvorteilen beitragen. Durch die von Teece vorgenommene Disaggregation und Mikrofundierung sind dynamische Fähigkeiten jedoch kein monolithisches Konstrukt mehr, sondern konzeptionell stärker differenziert.52 Veränderungen richten sich im Kern auf Chancen, die der Markt bietet beziehungsweise Risiken, die das Unternehmen bedrohen. Denn als „processes that use resources – specifically the processes to integrate, reconfigure, gain and release resources – to match and even create market change”53 sollen dynamische Fähigkeiten eine mögliche Diskrepanz zwischen (Markt)Anforderungen und Möglichkeiten und den unternehmenseigenen Leistungen und Fähigkeiten aufdecken (sensing des Risikos) und auflösen (seizing & transforming). Diese Disaggregation und Mikrofundierung ermöglicht die (empirische) Erfassung einzelner Komponenten des Konstrukts und damit auch eine potenzielle Falsifikation. Sie kann die gängige Tautologiekritik entschärfen, da Performanzaspekte i.S.v. Gesamtunternehmenserfolg nicht konzeptimmanent sind. Die einzelnen Komponenten des Konzepts (nature und microfoundations) beziehen sich nicht unmittelbar auf eine Gesamtperformanz oder Wettbewerbsvorteile, sondern auf die Erfüllung spezifischer Funktionen zur Wahrnehmung von Chancen und Veränderungsbedarf sowie zur Schaffung von Innovationen und den damit verbunden Voraussetzungen, um diese zu nutzen. Diejenigen Organisationen, welche dies aufgrund der zugrundeliegenden Prozesse, Strukturen, Mechanismen und Praktiken (Mikrofundierung) leisten, können sich über Innovationen mittelbar Vorteile gegenüber Wettbewerbern erarbeiten.
50
Vgl. Cepeda & Vera (2007), S. 427. Helfat et al. (2007), S. 5. 52 Die Trennung ist analytisch motiviert. Dabei überschneiden sich die Mikrofundierungen zum Teil. Teece (2007) konstatiert: „the identification of the microfoundations […] must be necessarily incomplete, inchoate, and somewhat opaque…” (S. 1321) und begründet dies mit ihrer intangiblen Natur als Grundlage der Nichtimitierbarkeit für Wettbewerber, worin letztendlich der entscheidende Vorteil bestehen soll. Dies ist freilich wiederum die empirische Herausforderung des gesamten DCV, hier auf Mikroebene von Prozessen, Strukturen und Praktiken. Eine eindeutige und vollständige Beschreibung aller denkbaren Mikrofundierungen käme einer Operationalisierung und (vergleichenden) empirischen Überprüfbarkeit entgegen, wird jedoch dem Wesen von nicht oder zumindest nur schwer imitierbaren Elementen unternehmerischer Wettbewerbsvorteile aus strategischer Perspektive nicht gerecht. Dies unterscheidet den eher evolutionär geprägten und pfadbewußten DCV von vielen best practiceAnsätzen. Bei letzteren ist fraglich, worin der langfristige Wettbewerbsvorteil bestehen kann, wenn direkte Wettbewerber identische best practices haben oder leicht kopieren können. 53 Eisenhardt & Martin (2000), S. 1107. 51
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Teil III – Theoretisch-konzeptioneller Zugang
Daher ist es nicht verwunderlich, dass Innovationsfähigkeit im einschlägigen Schrifttum als eine dynamische Fähigkeit konzipiert wird.54 „The dynamic capability framework draws […] from the study of innovation and organizations.”55 Dies scheint insbesondere mittels des Konzepts von Teece (2007) vielversprechend. Zum einen liegt ein expliziter Bezug zur Innovationsfähigkeit, u.a. als „capacitiy to […] develop new products“56, vor. Zum anderen liegt seine Relevanz für die vorliegende Arbeit in der Unterscheidung von Fähigkeit und Fähigkeitsbasis beziehungsweise einzelnen Komponenten. Dies ist für eine differenzierte Betrachtung und Operationalisierung von Bedeutung.57 Diesbezügliche Implikationen werden im Folgenden dargestellt. Sensing, seizing und transforming als theoretisch-funktionale Facetten der Innovationsfähigkeit Aus dem Konzept heraus lassen sich Veränderungen vor allem als Innovationen interpretieren, mit denen Unternehmen Chancen ergreifen. „Dynamic capabilities of course require the creation, integration, and commercialization […] of innovation”58. Unter der Prämisse, dass Innovationen für den Erfolg von Unternehmen i.d.R. langfristig vorteilhaft sind, können dynamische Fähigkeiten damit mittelbar über Innovationen Einfluss auf die Performanz haben. Ein Unternehmen, welches auf dieser Basis in der Lage ist, mit innovativen Produkten, Dienstleistungen oder Technologien den jeweils aktuellen Umweltbedingungen beziehungsweise Marktanforderungen zu entsprechen oder sie vorwegzunehmen, kann damit sicherstellen, dass auch zukünftig ein Wettbewerbsvorteil erlangt wird.59 Diese Kernaussage des dargestellten Konzepts verdeutlicht, dass der „focus of dynamic capabilities [..] on innovation (both technical and organizational)…”60 liegt. Alle drei funktionalen Unterklassen dynamischer Fähigkeiten – sensing, seizing und transforming – beziehen sich auf Innovationen: Der Bedarf hierfür (Chancen) ist zu erkennen, mit entsprechenden Angeboten – neuen Produkten oder Dienstleistungen – zu ergreifen und dauerhaft mit Weiterentwicklungen – inkrementellen Innovationen und organisatorischen Anpassungen – zu erfüllen. Grundlage hierfür sind entsprechende Mechanismen (Mikrofundierung), welche die Funktionen operational fassen und ggf. interne Veränderungen beziehungsweise Innovationen veranlassen und umsetzen. Sensing, seizing und transforming stellen damit drei aufeinander
54
Vgl. u.a. Iansiti & Clark (1994), S. 559 ff.; Rasche (1994), S. 163; Teece, Pisano & Shuen (1997), S. 516; Eisenhardt & Martin (2000), S. 1108; Helfat & Raubitschek (2000), S. 961; Lawson & Samson (2001), S. 11; Zollo & Winter (2002). Burr (2003), S. 361. 55 Teece (2009), S. X. 56 Teece (2007), S. 1320. 57 Vgl. Forschungsfrage 2: Welche inhaltlichen Aspekte zeichnen diese Fähigkeit auf Netzwerkebene aus und welche wesentlichen Einflussfaktoren wirken auf sie? sowie Forschungsfrage 3: Wie lässt sich Innovationsfähigkeit operationalisieren und empirisch erfassen? 58 Teece (2007), S. 1343. 59 Dies wird i.d.R. unterstützt beziehungsweise erst ermöglicht durch veränderte, innovative interne Prozesse. 60 Teece (2009), S. X.
1 Dynamische Fähigkeiten
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bezogene theoretisch-funktionale Facetten für eine so interpretierte Innovationsfähigkeit dar.61 Mitunter wird Innovationsfähigkeit allein als eine transformative, umsetzende capacity im Rahmen des DCV konzipiert.62 Zwar sind Innovationen im Kern durch ressourcentransformierende Mechanismen gekennzeichnet.63 Die Beschränkung auf diese eine Unterklasse, die bei Teece (2007) aus analytischen Gründen aus der Disaggregation dynamischer Fähigkeiten entsteht, greift jedoch zu kurz, wenn nicht ausschließlich eine Fähigkeit der (technischen) Produktentwicklung von Interesse ist.64 Innovationsfähigkeit im breiteren Verständnis dieser Arbeit als ein auf die Schaffung von Neuerungen gerichtetes Vermögen, innovative Produkte, Technologien oder Dienstleistungen zu entwickeln und am Markt einzuführen sowie intern neuartige Strukturen, Prozesse und Methoden zu etablieren (vgl. Teil II.3.2), beinhaltet auch die Wahrnehmung von Innovationschancen und -notwendigkeiten als Voraussetzung sowie die Ergreifung entsprechender Maßnahmen. Erst damit kann eine Umsetzung und ggf. Transformation von Ressourcen sinnvoll erfolgen. Sensing und seizing sind damit, wie auch transforming, gemeinsam als Facetten der Innovationsfähigkeit zu interpretieren. Im Detail ist zu Teece (2007) anzumerken, dass zwar diesen drei Unterklassen dynamischer Fähigkeiten jeweils verschieden Funktionen zugewiesen und ihre grundlegenden Eigenschaften (nature) damit verdeutlicht werden, die vorgeschlagenen Mikrofundierungen sich jedoch zum Teil überschneiden65 und ihre Beschreibung nicht immer den Termini in den zusammenfassenden Darstellungen in Teece Arbeit entsprechen.66 Dies kann als Kritikpunkt am bisherigen Entwicklungsstand des Konzepts i.S.e. Theorie der Unternehmung verstanden werden. Für die vorliegende Arbeit ist es jedoch von untergeordneter Bedeutung. Ausschlaggebend sind die analytische Möglichkeit der prinzipiellen Disaggregation dynamischer Fähigkeiten und ihre Interpretation als Innovationsfähigkeit. Sie erlaubt die Darstellung der drei grundlegenden Funktionen mit ihrer jeweiligen nature als Basis theoretischer Facetten der Innovationsfähigkeit. Inhaltlich entscheidender für die Nutzung des Konzepts ist die 61
Sie entsprechen darüber hinaus im Wesentlichen dem klassischen Phasenmodell der Innovation i.w.S. aus Problemerkenntnis/ Idee, Forschung und Entwicklung, Produktion, Markteinführung und Marktdurchsetzung (vgl. bspw. Hauschild & Salomo (2007), S. 26 f.). 62 Bspw. Wang & Ahmed (2007); Hou (2008). Anders wiederum bspw. Verona & Ravasi (2003) sowie Liao, Kickul & Ma (2009). 63 Vgl. Reichert (1994); S. 20; Duschek (2002), S. 45. 64 Diese wäre eher als eine technisch-operative Kompetenz, d.h. als Basis der Innovationsfähigkeit i.w.S. zu verstehen. 65 Insb. die Darstellungen der Mikrofundierungen Kospezialisierung und die auf Technologieplattformen bezogenen Komplementäre (finden sich explizit und implizit sowohl bei seizing und transforming) sowie Entscheidungspraktiken, (dysfunktionale) Entscheidungsroutinen und Vermeidung von Bias und Hybris (sensing und seizing) sind hier zu nennen. Transforming und die damit Verbundene (Neu)Ausrichtung von assets fundiert Teece hingegen zum einen mit Mechanismen der Dezentralisierung, zum anderen mit eher zentralisierenden Governancemechanismen. Letztere gelten jedoch insbesondere der Kontrolle des Managements. Die Darstellung erweist sich damit nur auf den ersten Blick als paradox. Denn Teece geht es bei den Governancemechanismen gerade darum, möglichst die Funktionen des sensing, seizing und transforming vor dem schädlichen Eingriff unfähiger oder unwilliger Manager durch zu starke Zentralisierung und Hierarchisierung zu schützen (vgl. Teece (2007), S. 1340.). 66 Siehe insb. die Mikrofundierungen des seizing sowie die Benennung der dritten Unterklasse (transforming vs. reconfiguration).
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Teil III – Theoretisch-konzeptioneller Zugang
Erörterung zweier Schwachstellen, die Teece zum Teil selber thematisiert. Zum einen ist dies die organisatorische Verankerung beziehungsweise Institutionalisierung der vorgeschlagenen analytischen Systeme des sensing. Zum anderen gilt die Aufmerksamkeit dem zwar vorhandenen und notwendigen (vgl. insb. seizing in Abschnitt 1.2), aber für das Anliegen der Arbeit noch nicht hinreichenden Einbezug relationaler, organisationsübergreifender Aspekte für eine Übertragung der hier gewonnen Implikationen des sensing, seizing und transforming auf die Netzwerkebene. Beides wird im Folgenden erörtert. Systematische organisatorische Verankerung der sensing-Funktion Teece betont an verschiedenen Stellen die Funktion des Managements beziehungsweise sieht die Durchführung und Kontrolle der entsprechenden Mechanismen und Praktiken der Mikrofundierung als eine Hauptaufgabe des Managements an. Dieses wird jedoch durch Strukturen und Prozesse, Routinen und Regeln beeinflusst.67 Als besonders wichtig stellt sich dabei die organisatorische Verankerung von Such- und Wahrnehmungsprozessen dar. Diese sollten weitestgehend nicht individuellen Akteuren und ihren mitunter routinehaften, begrenzten Wahrnehmungsschemata überlassen bleiben. Die Organisation ist „vulnerable if the sensing, creative, and learning functions are left to the cognitive traits of a few individuals.“68 Für den Netzwerkkontext, bei dem nicht von einem starken, hierarchischen Management ausgegangen werden kann (vgl. Teil II.2.2), gilt die Problematik in besonderem Maße.69 Ein Modell der Innovationsfähigkeit muss dies berücksichtigen und Möglichkeiten einer in Prozessen, Methoden und Regeln verankerten sensing-Funktion als Teil der Innovationsfähigkeit aufzeigen. Teece selber bietet hier keine differenzierte Lösung für seine Forderung nach organisatorischer Verankerung, welche dauerhaftes Wahrnehmen gewährleisten kann. Doch er konstatiert: „Situations are dealt with in many ways, sometimes by creating rules which specify how the organization will respond to the observations made. If this path is chosen, then rules may become modified and routinely applied … for certain changes. However, such rules will likely need to be periodically revised for the firm to maintain its dynamic capabilities.”70 Dies gilt für einzelne Organisationen wie auch für Netzwerke als Organisationsformen wirtschaftlicher Innovationstätigkeit. Auch hier „besteht die Gefahr konservativer Strukturierung (lock-in-Effekt).“71 Innovation beruht jedoch auf Veränderung, auf (Er)Neuerung von Produkten, Technologien, Standards, Strukturen, Prozessen und Praktiken. Routinen stellen zwar auf der einen Seite den stabilen Kern effizienter Leistungserstellung und standardisierter Problemlösung dar.72 Sie sind auf der anderen Seite jedoch, individuell wie organisational, mögliche Ursachen für `blinde Flecken´ im Erkennen von
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Siehe insb. Teece (2007), S. 1345 ff. sowie Augier & Teece (2007), S. 185. In früheren Ansätzen vor allem Positionen und Pfade; siehe Teece, Pisano & Shuen (1997). Zum rekursiven und selbstverstärkenden Zusammenhang von Regeln, Akteuren und Praktiken siehe Schirmer, Tasto & Knödler (2013). 68 Teece (2007), S. 1323. 69 Vgl. Tracey & Clark (2003). S. 8. 70 Teece & Augier (2008), S. 1197. 71 Kowol (1998), S. 295; siehe auch DeBresson & Amesse (1991); Semlinger (1998). 72 Bspw. über die Konzeption der Innovationsroutinen von Feldman & Pentland (2003) oder der Suchroutinen bei Nelson (1982).
1 Dynamische Fähigkeiten
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Veränderungsnotwendigkeiten und -chancen (sensing) und führen somit zur „Versteinerung des Netzwerks“73. Es bedarf folglich spezifischer Mechanismen, um ein regelmäßiges Hinterfragen und gegebenenfalls Revisionen von Prozessen, Praktiken, Strukturen und Routinen zu ermöglichen.74 Der Ansatz der Institutionellen Reflexivität macht Vorschläge, solche Reflexionsmechanismen in den Verfahren einer Organisation zu verankern und sie somit weitestgehend von individuellen Akteuren separat zu konzipieren. Der Ansatz wird daher in Abschnitt 3 aufgegriffen und seine Implikationen für den theoretisch-konzeptionellen Rahmen des Modells der Innovationsfähigkeit dargestellt. Explizierung relationaler Bezüge Insgesamt lässt sich festhalten, dass die ressourcen- und vor allem fähigkeitsorientierte Perspektive des DCV Innovation durch die Nutzung, Entwicklung und Transformation von Ressourcen und Kompetenzen erklären kann. Das Konzept von Teece trägt hierzu in besonderem Maße durch seine Differenzierung bei. Es kann daher, ergänzt um Reflexivitätsmechanismen, als inhaltlich-funktionale Darstellung von Facetten innerhalb eines theoretisch-konzeptionellen Rahmens der Innovationsfähigkeit herangezogen werden. Die ausschließliche Anwendung eines organisationsbezogenen Ansatzes würde jedoch vernachlässigen, dass bei hybriden Organisationsformen wie Innovationsnetzwerken vor allem interorganisationale Beziehungen und die gemeinsame Entwicklung und Nutzung von Ressourcen von besonderer Bedeutung sind.75 „While the dynamic capabilities literature recognizes that the external environment affects learning […] and that routines evolve as a result of dialogue and interaction within and across [organizations], these studies have not attempted to adopt a network perspective.“76 Gerade Teece nimmt zwar an verschiedenen Stellen immer wieder Bezug zu einem Netzwerk- beziehungsweise Kooperationskontext. Sensing drückt sich auch im Lernen und Austausch mit Kunden, Zulieferern und Forschungsinstituten aus. Seizing geschieht unter Berücksichtigung technologischer Plattformen und Netzwerkexternalitäten in Kooperation sowie Kospezialisierung auch über Organisationsgrenzen hinweg. Dennoch bleibt das Konzept originär auf Veränderung, Innovation und Entwicklung der einzelnen Organisation fokussiert. Eine inhaltliche Konzeptionalisierung des Forschungsgegenstandes Innovationsfähigkeit auf Basis des DCV ist daher zu erweitern um spezifische Aspekte der Forschungseinheit Netzwerk. Notwendig ist eine stärker relationale Perspektive auf Ressourcen und Fähigkeiten als Ergänzung des theoretisch-konzeptionellen Rahmens.77 Ein ebenfalls ressourcen- und fähigkeitsorientierter Erklärungsansatz, der seinen Fokus im interorganisationalen Kontext hat, ist der Relational View (RV). Er hebt besonders die Schaffung, Nutzung und Veränderung von interorganisationalen Ressourcen- und Fähigkeiten für relationale Wettbewerbsvorteile im Netzwerk hervor.78 Er stellt damit eine 73
Behnken (2010), S. 144. Vgl. bspw. Moldaschl (2006); Schreyögg & Kliesch-Eberl (2007). 75 Vgl. Smart, Bessant & Gupta (2007), S. 1085 f. 76 Mason & Leek (2008), S. 776. 77 Für eine Auseinandersetzung mit der relationalen Perspektive im Kontext von Netzwerken und Innovation siehe beispielsweise Duschek (2002). 78 Vgl. Dyer & Singh (1998). 74
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Teil III – Theoretisch-konzeptioneller Zugang
ergänzende Sicht zum DCV dar. Das gemeinsame Fundament bilden sowohl Ressourcebased als auch teilweise der Competence-based View. Dem Phänomen Innovationsfähigkeit von Netzwerken kann durch die Berücksichtigung von RV und DCV damit konsequent aus einer ressourcen- und fähigkeitsorientierten, interorganisationalen beziehungsweise relationalen Perspektive begegnet werden. Der RV wird im folgenden Abschnitt 2 dargestellt und seine Implikationen herausgearbeitet.
2 Der Relational View 2.1 Grundlagen einer relationalen Perspektive auf Ressourcen und Fähigkeiten Der DCV betrachtet Innovationen als eine Basis für Wettbewerbsvorteile und erklärt sie im Wesentlichen durch Schaffung, Kontrolle, Nutzung, Kombination und Transformation von Ressourcen und Kompetenzen primär innerhalb einzelner Organisationen. Dies birgt Lücken, wenn damit das gleiche Phänomen auf interorganisationaler Ebene erklärt werden soll. Aus der Tradition des RBV begründen einzigartige und nicht imitierbare Ressourcen(kombinationen) einzelner Organisationen nicht in ausreichendem Maße die Existenz und den (Innovations)Erfolg von Netzwerken, zumal diese Ressourcen in der Regel als pfadgebunden, nicht übertragbar und unteilbar verstanden werden.79 An dieser Erklärungsgrenze von RBV und DCV setzt der Relational View (RV) an. Die relationale Perspektive ist eine der jüngsten Entwicklungen auf Basis des ressourcenorientierten Paradigmas mit explizitem konzeptionellem Bezug zum Netzwerk- und Kooperationskontext von Ressourcen und Fähigkeiten. Verglichen mit RBV und DCV ist der RV theoretisch und empirisch daher vor allem in der Netzwerkforschung rezipiert worden.80 Duschek (2002) sieht ihn als ressourcenorientierten Metatheorierahmen mit systematischer Grundstruktur, der kommensurabel zu RBV und DCV ist, da er vergleichbare Basisannahmen bezüglich der grundlegenden Bedeutung einer Ressourcen- und Kompetenzbasis aufweist.81 Gemeinsam mit dem DCV zeichnet den RV das Grundanliegen aus, über Ressourcen und Kompetenzen sowie Mechanismen für deren Kombination und Transformation die Generierung von Wettbewerbsvorteilen zu erklären, welche sich u.a. durch Innovationen ergeben: „the combination of complementary [..] resources or capabilities […] results in the joint creation of unique new products, services, or technologies“82. Sowohl DCV als auch RV zeichnet damit eine Integration von Veränderung, Wandel und Innovation aus. Diese grundlegenden Gemeinsamkeiten machen den RV für einen theoretisch-konzeptionellen Rahmen in Kombination mit dem DCV relevant. 79
Duschek (2002) liefert eine detaillierte Ausarbeitung zum eingeschränkten Erklärungsgehalt des RBV im Netzwerkkontext. 80 Vgl. bspw. Zajac & Olsen (1993); Dyer (1996; 1997); Duschek (2002). 81 Duschek (2002). 82 Dyer & Singh (1998), S. 662.
2 Der Relational View
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In Abgrenzung wird aus relationaler Sicht jedoch konstatiert, dass die bisherigen Ansätze des strategischen Managements meist auf der ihr eigenen, originären Analyseebene der Einzelorganisation verharren. Sie analysieren, wie Organisationen supernormale Renten durch bestimmte (Meta)Fähigkeiten erzielen können. Dabei vernachlässigen sie jedoch, dass Wettbewerbsvorteile einer Organisation beziehungsweise die hierfür verantwortlich gemachten einzigartigen Ressourcen(bündel) und (dynamischen) Fähigkeiten zu ihrer Nutzung und Veränderung oftmals an ein Beziehungsgeflecht gekoppelt sind und damit einer relationalen Einbettung in das Netzwerk der Organisation unterliegen.83 Teece (2007) thematisiert dies an mehreren Stellen seines Konzepts unter Bezug auf externe Innovation84, Lernen durch Allianzen85 und Technologietransfer86, als „business ecosystem [… of] collaborators – 87 customers, suppliers, complementors – that are active in innovative activity“ sowie der Bedeutung von Netzwerken und Externalitäten bei technologischen Plattformen, Kospeziali88 sierung, Komplementären und Investitionen zur Ergreifung von Chancen . Diese Bezüge lassen die Wichtigkeit interorganisationaler Beziehungen auch im DCV erkennen, werden jedoch nicht systematisch differenziert oder inhaltlich konzeptionalisiert. Der RV setzt Ressourcenbündeln und dynamischen Fähigkeiten, die im Besitz einer Einzelorganisation sind und damit von ihr kontrolliert und/oder generiert und transformiert werden können, aus der relationalen Perspektive idiosynkratrische Netzwerkressourcen und -fähigkeiten als Basis relationaler Renten komplementär gegenüber.89 Die ihnen zugrundeliegenden Mechanismen bilden den zentralen Untersuchungsgegenstand des RV.90 Dadurch verschiebt sich die primäre Analyseebene von der einzelnen Organisation zur Kooperation beziehungsweise zum Netzwerk.91 Interorganisationale Beziehungen können damit den (immateriellen) strategischen Ressourcen vergleichbare Merkmale aufweisen. Ähnlich wie das organisationsspezifische Geflecht der Mikrofundierungen dynamischer Fähigkeiten entsteht im Netzwerk ein historisch gewachsenes, teils emergentes, pfadgebundenes und daher für außen Stehende kausal mehrdeutiges Beziehungs- und Interaktionssystem von Ressourcen, Akteuren, Prozessen, Praktiken und Routinen. Es ist in seiner Zusammensetzung einmalig und lässt sich daher nicht außerhalb des Netzwerks replizieren.92 Es ermöglicht den beteiligten organisationalen Akteuren durch Austausch und Kospezialisierung potentiell einen breiten Zugang zu Informationen, Produktionsfaktoren und deren Anwendungen sowie zu Technologien und Absatzmärkten i.S. eines sensing, seizing und transforming im Netzwerk. Auf einer solchen Basis gründende Wettbewerbsvorteile sind damit an die Existenz des Netzwerks und an die Beteiligung der Netzwerkakteure gebunden. Das Beziehungssystem selber kann folglich als 83
Vgl. Duschek (1998), S. 235; Gulati, Nohria & Zaheer (2000), S. 203; Smart, Bessant & Gupta (2007), S. 1085 f. 84 Vgl. Teece (2007), S. 1325. 85 Vgl. ebd., S. 1331. 86 Vgl. ebd., S. 1320. 87 Teece (2007), S. 1324 ff. 88 Vgl. Teece (2007), S. 1326. 89 Vgl. Duschek (2004), S. 61 ff.; Bachmann (2000), S. 1085 f. 90 Vgl. Weissenberger-Eibl & Schwenk (2010), S. 257. 91 Vgl. Dyer & Singh (1998), S. 661 f.; Duschek (1998), S. 235. 92 Siehe auch Bachmann (2000), S. 1085 f.
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Teil III – Theoretisch-konzeptioneller Zugang
eine Ressource für seine Akteure angesehen werden.93 Es ist nicht in einer einzelnen Organisation verankert, sondern kann nur in der Kooperation der Akteure seinen Wert entfalten. Es basiert auf interorganisationalen Mechanismen. Diese werden im Folgenden erläutert.
2.2 Inhaltlich-konzeptionelle Komponenten des Relational View mit Bezug zur Innovationsfähigkeit Vor dem relationalen Hintergrund von Ressourcen und Fähigkeiten in Netzwerken machen Dyer & Singh (1998) vier Quellen beziehungsgebundener Wettbewerbsvorteile aus, welche sich in folgenden Mechanismen ausdrücken: Austauschspezifische Vermögenswerte (assets), interorganisationale Wissensaustauschroutinen, komplementäre Ressourcen und Kompetenzen sowie effektive Koordinationsmechanismen.94 Sie bilden das inhaltlichkonzeptionelle Grundgerüst des RV und können analog zu Teece (2007) als Mikrofundierung relationaler Renten interpretiert werden. Sie werden im Folgenden erörtert, um anschließend Implikationen für die Ergänzung des theoretisch-konzeptionellen Rahmens der Innovationsfähigkeit aufzuzeigen.95 (1) Investition in austauschspezifische Vermögenswerte Dyer & Singh (1998) sowie Kale, Singh & Perlmutter (2000) sehen in beziehungs- oder austauschspezifischen Vermögenswerten einen der wesentlichen Faktoren relationaler Vorteile und eine Möglichkeit zur Begrenzung des Risikos von opportunistischem Verhalten in Netzwerken.96 Dabei handelt es sich um Vermögenswerte, welche nur in Kombination mit entsprechenden Investitionen von Netzwerkpartnern ihre volle Funktion erfüllen. Was auf der einen Seite als strategisches Lock-in betrachtet werden kann97, ist auf der anderen Seite bei reziproker Handlung der Partner eine Basis für die Entstehung von gemeinsamen Vorteilen und Innovationen auf Grund von Kospezialisierung sein.98 So zeigt Asanuma (1989) Produktivitätssteigerungen und Prozessinnovationen entlang der Wertschöpfungskette japanischer Unternehmen auf, 93
So etwa bei Gulati, Nohria & Zaheer (2000). Vgl. Dyer & Singh (1998), S. 663 ff. 95 Dyer & Singh (1998) ergänzen diese konzeptionellen Hauptelemente des RV um mögliche Imitations- und Substitutionsbarrieren, vergleichbar mit den VRIN-Eigenschaften im RBV. Die Autoren setzten sie nicht explizit in Bezug zur Fähigkeitsdimension des RV allgemein oder der Innovationsfähigkeit im Besonderen. Sie werden im Folgenden nicht näher dargestellt, da sie keinen unmittelbaren Einfluss auf Innovation und Innovationsfähigkeit aufweisen und es sich keine inhaltlichen Implikationen ergeben. 96 Vgl. Dyer & Singh (1998), S. 662 ff. sowie Kale, Singh & Perlmutter (2000), S. 220. 97 Lock-in Aspekte bei spezialisierten, regionalen Netzwerken beschreibt Grabher (1993a), S. 260 ff. Auch er kommt zu dem Schluss, dass double-loop learning als Fähigkeit zur Anpassung und Innovation, analog zum DCV, essenziell ist. 98 Analog hierzu Teece (2007), S. 1338 f.; Teece (2009), S. 160 ff. sowie Teece & Augier (2008), S. 1197: „the importance of asset alignment, opportunity identification, access to critical co-specialized assets, and the interrelationship among the various elements […] are all critical elements of [..] dynamic capabilities”. 94
2 Der Relational View
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welche beziehungsspezifische Investitionen eingehen und damit Ressourcen gemeinsam entwickeln und nutzen.99 Eine Investition in so spezifischer Form schafft spezialisierte und an die Netzwerkpartner beziehungsweise an die gemeinsamen Innovationsaktivitäten angepasste Vermögenswerte (assets)100. Diese können (1.) physischer Natur sein, wie beispielsweise Maschinen und Werkzeuge, die sich nicht oder nur sehr eingeschränkt in anderen Bereichen und Aktivitäten als denen im Netzwerk nutzen lassen. Sie können (2.) ortsspezifisch sein, wie beispielsweise eine Produktionsoder Forschungseinrichtung zur Entwicklung und Fertigung von Modulen in unmittelbarer Nachbarschaft zu Partnerunternehmungen, welche dort weitere Module eines gemeinsamen Produktes fertigen. Sie können (3.) personeller Art sein, wie beispielsweise Investitionen in Training und Weiterbildung zum Ausbau des Wissens und der Verbesserung der Kommunikation der an der Partnerinteraktion beteiligten Mitarbeiter.101 Diese können so die jeweiligen Prozesse besser überblicken, steuern, optimieren und mit ihrem organisationsübergreifenden Wissen interorganisationale Prozessinnovationen über mehrere Stufen der Wertschöpfungskette unterstützen.102 Voraussetzung ist die Spezialisierung durch austauschspezifische Investitionen. Diese sind auch Ausdruck von Commitment in Netzwerken. Es findet zwar keine rechtliche Übertragung oder kapitaltechnische Verknüpfung zwischen den Netzwerkakteuren statt. Wohl aber kann es aufgrund der Kospezialisierung zu gegenseitigen Abhängigkeiten kommen, da die Investitionen sich nicht ohne Weiteres umkehren, die Verbindung der Akteure beenden oder die Vermögenswerte anderweitig nutzen lassen.103 Damit kann opportunistisches Verhalten begrenzt und langfristiges Engagement und Zielorientierung der Beteiligten gefördert werden.104 Bezogen auf Innovationen wurden solche Abhängigkeiten bereits als Merkmal von Innovationsnetzwerken beschrieben (vgl. Teil II.2.2). (2) Routinen des Wissensaustausches Eine ökonomische, relationale Rente durch gemeinsame Innovationen entsteht u.a. durch Kospezialisierung. Sie gründet damit auch auf Wissen als immateriellem Vermögenswert beziehungsweise intangibler Ressource. Im Verlauf der Kospezialisierung sowie dem kooperativen Auf- und Ausbau von gemeinsamen Netzwerkressourcen verschiebt sich die Entstehung und Verankerung von Wissen in einen interorganisationalen Raum.105 Die Partner akkumulieren dabei sowohl Wissen übereinander (Partnerwissen), 99
Vgl. Asanuma (1989); ähnlich auch Kotabe, Martin & Domoto (2003). Vgl. Kale, Singh & Perlmutter (2000). 101 Vgl. Williamson (1985). 102 Dies wird vielfach unter boundary spanning roles thematisiert, bspw. Aldrich & Hecker (1977); Gemünden & Walter (1998); Janowicz-Panjaitan & Noorderhaven (2009); Fichter (2009); Bogers & West (2012). 103 Als eine mögliche Konsequenz zeigen Santoro & McGill (2005) am Beispiel von Kooperationen in der Biotechindustrie, dass zwischen Kospezialisierung, unter hoher Ungewissheit bzgl. der Partner sowie der eingesetzten Technologie, und eher hierarchischen Koordinationsformen der Austauschbeziehungen ein positiver Zusammenhang besteht. 104 Vgl. Duschek (2004), S. 65. 105 Vgl. insb. Duschek (2004), S. 64 sowie Wernerfelt (1985). 100
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Teil III – Theoretisch-konzeptioneller Zugang als auch Wissen, welches aus Lern- und Austauschprozessen im Rahmen der gemeinsamen Arbeit entsteht. Aus Sicht des einzelnen Unternehmens kommt hierbei der partnerspezifischen „absorptive capacity“106 entscheidende Bedeutung zu. Sie versetzt die jeweiligen Partner in die Lage, wertvolles Wissen gegenseitig zu erkennen und zu assimilieren.107 Dies kann durch dichte soziale Bindungen und transparente Austauschprozesse untereinander verstärkt werden.108 Aus interner Makroperspektive, d.h. auf der gesamten Netzwerkebene, ist hier jedoch die Existenz sowohl direkter wie auch indirekter Verknüpfungen der Akteure relevant. Eine Organisation kann verschiedene Verbindungen mit unterschiedlichen Partnern innerhalb der Netzwerkgrenzen unterhalten. Indirekte Verknüpfungen sind weniger spezifisch, es erfolgt u.a. keine direkte Kospezialisierung, d.h. nicht jeder Akteur ist mit jedem anderen auf eine Weise verbunden, die gemeinsame Lernprozesse unmittelbar ermöglicht. Um Wissen und Informationen im gesamten Netzwerk zugänglich zu machen, ist daher der Austausch über die begrenzten partnerspezifischen Interaktionen hinaus zu gewährleisten. Dyer & Singh (1998) sehen in diesem Zusammenhang besonders routineschaffende Interaktionsprozesse in Netzwerken von Vorteil.109 Die „knowledge-sharing routines“110 des RV sind von ihrem Wesen interorganisationale beziehungsweise Netzwerkroutinen des Wissensaustausches. Diese können sich beispielsweise in Form von regelmäßigen Netzwerktreffen, gegenseitigen Besuchen oder Erfahrungsberichten manifestieren. Dadurch entsteht gemeinsames und geteiltes, innerhalb des Netzwerks generiertes, (re)kombiniertes und damit netzwerkspezifisches Wissen.111
(3) Komplementäre Ressourcen- und Kompetenzbasis Ein Netzwerk ist zur Generierung von Innovationen und langfristigen Wettbewerbsvorteilen auf eine Beteiligung und Kooperation verschiedener Akteure angewiesen. Dies ist für Innovationsnetzwerke konstitutiver Bestandteil (vgl. Teil II.2.2). Die Netzwerkpartner verfügen über spezifische Ressourcen und Kompetenzen, welche für sich genommen jedoch noch keinen erweiterten Nutzen auf der Ebene des Netzwerks darstellen. Sie mögen für die jeweiligen Unternehmen Vorteile schaffen, sind für die Partner aber nicht notwendiger Weise nutzbar oder für das Netzwerk insgesamt wertvoll. Aus der relationalen Perspektive ist jedoch die Kombination von unternehmensspezifischen Ressourcen und Kompetenzen der Schlüssel zu Wettbewerbsvorteilen im Netzwerk, solange diese zueinander kompatibel sind und sich ergänzen. Solch komplementäre Ressourcen können über die Unternehmensgrenzen hinaus Synergien schaffen und zu neuen Produkten, Dienstleistungen und 106 Dyer & Singh (1998), S. 665 f.; weiterführend siehe insb. Cohen & Levinthal (1990); Tsai (2001); Lichtenthaler (2006; 2009). 107 Teece (2007) thematisiert dies unter dem Aspekt der Transformation/Rekonfiguration intangibler assets durch die Integration externen Wissens, bspw. im Zuge der Kospezialisierung (S. 1339). 108 Dyer & Singh (1998) schlagen bspw. den temporären Austausch von Personal vor und verweisen auf das erfolgreiche Beispiel des Toyota Produktionsnetzwerks (S. 666). 109 Vgl. Dyer & Singh (1998), S. 664. 110 Dyer & Singh (1998), S. 664 ff. 111 Vgl. Di Guardo & Galvagno (2005).
2 Der Relational View
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Technologieinnovationen kombiniert werden.112 Strategisch interpretiert sind diese Komplementäre „more valuable, rare and difficult to imitate than they had been before they were combined.“113 Hierfür ist neben dem Erkennen von Komplementären bei Partnern im Netzwerk vor allem die Nutzung dieser entscheidend für die Schaffung neuer, idiosynkratischer Netzwerkressourcen und Netzwerkkompetenzen. Hierbei können die Routinen des Wissensaustausches sowie weitere Mechanismen der Koordination behilflich sein.114 (4) Koordinationsmechanismen Die Realisierung von relationalen Innovationen durch eine Kombination und Nutzung komplementärer Ressourcen sowie durch Routinen des Wissensaustausches und Kospezialisierung bedarf einer Koordination durch unterstützende Mechanismen auf Netzwerkebene. Hochspezifische, partnergebundene Investitionen in Anlagen, Standorte oder Mitarbeiter setzten die Unternehmung einem größeren Lock-In Risiko beziehungsweise sunk costs aus, als Investitionen in vielfältig einsetzbare, nicht partnerspezifische Vermögenswerte.115 Neben dem Ausfallrisiko eines Partners besteht die Möglichkeit opportunistischen Verhaltens. Dabei tätigt ein Partner nicht in ähnlichem Maße spezifische Investitionen und Risiken. Denn je weniger spezifisch sich ein Partner bindet, in desto mehr Alternativen kann er seine Vermögenswerte gewinnbringend nutzen und verfügt daher über Druckmittel gegenüber stärker gebundenen Partnern. Aus diesen Gründen sind Koordinationsmechanismen innerhalb des Netzwerks zur Minimierung dieser Risiken und zur Koordination des Akteurverhaltens ein wesentliches Element zur Schaffung von Netzwerkressourcen und -fähigkeiten sowie letztendlich relationaler Renten in Form von Innovationen.116 Sie beeinflussen die Entscheidungen und das Engagement der Netzwerkakteure für Kospezialisierung, sind Anreiz für einen Wissensaustausch und die Nutzung von Komplementären.117 Der RV unterscheidet zwei grundlegende Klassen solcher Mechanismen in Netzwerken. Einerseits sind dies legale Kontraktmechanismen. Sie zielen darauf, geschlossene Vereinbarungen der Vertragspartner wenn nötig mit Hilfe einer dritten,
112
Santos & Eisenhardt (2005) sehen gerade unter stark dynamischen Umweltbedingungen mit kausaler Ambiguität und hoher Veränderungsgeschwindigkeit den Einbezug von externen, komplementären Ressourcen als eine Chance, am Markt entstehende Möglichkeiten und Chancen aufzugreifen und Innovationen hervorzubringen: „organizations may rely on resources owned by partner organizations to enter new product/market domains“ (ebd. S. 498). 113 Dyer & Singh (1998), S. 667. 114 Cantner & Graf (2006), S. 464 sehen dies als „The functionality of networks [..] based on the principles of complementarity and reciprocity. This means that firms will only participate in these networks, if they expect to learn from other network members (complementarity).” 115 Auch dies findet sich bei Teece (2007) zu den Ausführungen zu Kospezialisierung von assets (S. 1339 f.). 116 Siehe auch Dyer (1997); Dyer & Singh (1998). 117 Siehe auch Zajac & Olsen (1993), S. 38 f.
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Teil III – Theoretisch-konzeptioneller Zugang außen stehenden Partei einfordern zu können.118 Diese werden jedoch als transaktionskostenintensiv und wenig flexibel erachtet, was ihren Nutzen zur Schaffung relationaler Wettbewerbsvorteile und insbesondere mit Flexibilität verbundene Innovationsvorhaben mindert. Andere Mechanismen hingegen erlauben den Partnern die eigenständige Durchsetzung und Sicherung von Vereinbarungen und Zielstellungen der Kooperation ohne die Beteiligung Dritter. Diese sind ihrerseits in formale und informelle Mechanismen zu differenzieren. Zur ersten Kategorie zählen ökonomische Sicherungsvereinbarungen. Sie können opportunistisches Verhalten durch die Angleichung der finanziellen Aufwendung beziehungsweise des finanziellen Risikos der Partner an der gemeinsamen Transaktion minimieren.119 Die Netzwerkakteure sollen durch symmetrische Investitionen mit gleichem relativen Wert für alle beteiligten Partner zur Kospezialisierung der Vermögenswerte und zur gemeinsamen Nutzung der entstehenden Wettbewerbsvorteile und Renten beitragen. Die tatsächliche Symmetrie der Investitionen ist jedoch an weitere Variablen gebundenen. Für eine kapitalstarke Unternehmung ist gegenüber einer Schwächeren ein Totalverlust ihrer spezifischen Investition mit relativ wenigen Folgen verbunden. Bereits diese ungleiche, geringere Abhängigkeit von einer partnerspezifischen Investition kann zu opportunistischem Verhalten führen, zumal sie nur schwer und kostenintensiv zu überwachen ist. Daher werden insbesondere informelle Mechanismen zur Koordination als vorteilhaft erachtet. Diese können sich beispielsweise in einer entsprechenden kooperations- und vertrauensförderlichen Kultur ausdrücken und sich dabei nicht nur als effektiv, sondern gleichfalls als effizient erweisen. Denn eine auf geteilten kulturellen Werten und Normen basierende Interaktion und Kooperation kann Transaktionskosten senken.120 Ein solcher informeller Koordinationsmechanismus steigert den Wert, welcher aus den netzwerkinternen Transaktionen auf Basis von Kospezialisierung entsteht und kann die Akteure zu partnerspezifischen Investitionen und zum Engagement in gemeinsame Innovationsvorhaben bewegen sowie den Beteiligten längerfristig Sicherheit bieten.121
2.3 Kritik und Implikationen für eine Konzeption der Innovationsfähigkeit aus der Perspektive des Relational View Der RV spezifiziert vier wesentliche Quellen für relationale Wettbewerbsvorteile. Auf den Kontext Innovationsnetzwerke fokussiert, können die ihnen zugrundeliegenden Mechanismen den theoretisch-konzeptionellen Rahmen der Arbeit ergänzen. Denn Austausch, Kombination und Transformation von Ressourcen, als Basis von Innovation, sind wichtige Elemente des RV sowie des DCV. Es lassen sich folgende Implikationen daraus ableiten.
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Dies ist jedoch kein wesentliches Merkmal, das technologieorientierte Innovationsnetzwerke auszeichnet (vgl. Teil II.2.2) bzw. sie von anderen vertraglich geregelten Interorganisationsbeziehungen abgrenzt. 119 Siehe auch Kale, Dyer & Singh (2002), S. 223 f. 120 Vgl. bspw. Barney & Hansen (1994), S. 181 f. 121 Siehe auch Williamson (1985) sowie Clegg et al. (2002).
2 Der Relational View
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Spezifizierung einer grundlegenden Ressourcen- und Kompetenzbasis im Netzwerkkontext Zum einen sind die austausch- und aktivitätenspezifischen Investitionen und assets Grundlage u.a. zur Kospezialisierung. Dies bedeutet auch eine verstärkte Orientierung und Ressourcenbereitstellung der sich spezialisierenden Partner für bestimmte gemeinsame Prozesse, Technologien, Produkte oder Projekte. Für Innovationen, geprägt durch ressourcentransformierende Mechanismen, ist wiederum eine entsprechende Ressourcenausstattung von wesentlicher Bedeutung.122 Eine so verstandene Spezialisierung mit gezielten und gegenseitig abgestimmten Investitionen in gemeinsame Innovationsvorhaben kann daher potenziell zu einer höheren Innovationsleistung beitragen.123 Innovationsspezifische Investitionen beziehungsweise die Verwendung finanzieller Ressourcen hierfür können als eine Grundlage der Innovationsfähigkeit von Netzwerken verstanden werden. Neben innovationsspezifischen Investitionen ist die Beschaffenheit von Ressourcen und Kompetenzen ein grundlegendes Element des RV. Vorteilhaft im Rahmen eines Netzwerks sind dabei insbesondere komplementäre Ressourcen, Kompetenzen und Wissensbestände der Netzwerkpartner. Sie können in der Kombination zu idiosynkratischen Netzwerkressourcen und -kompetenzen führen. Aus der Perspektive des RV erhöht Komplementarität das Potential für die Realisierung gemeinsamer Innovationen und damit für Netzwerkrenten. Ein hohes Maß an komplementären Ressourcen und Kompetenzen stellt folglich eine weitere Grundlage der Innovationsfähigkeit dar. Relationale Mikrofundierung von Facetten der Innovationsfähigkeit Eine weitere Implikation ergibt sich aus dem Austausch von Wissen. Allgemein werden Wissensbestände und deren Veränderung als Ausgangsposition für intraorganisationale Lernprozesse und als eine Grundlage der Innovationsfähigkeit auf organisationaler Ebene angesehen.124 Bei Netzwerken muss Wissen die Organisationsgrenzen überwinden können, um gemeinsame Innovationen zu schaffen. Um dies zu ermöglichen, bedarf es netzwerkweiter Mechanismen. Der RV sieht hierfür die Routinen des Wissensaustausches vor. Sie sollen Anreize liefern und Transparenz in den Austauschprozessen erhöhen, was soziale Interaktionen zwischen den Netzwerkpartnern intensiviert. Mit diesen „institutionalized interfirm processes that are purposefully designed to facilitate knowledge exchange…”125 können Wissen und Informationen im Netzwerk verbreitet werden. Dies soll nach Dyer & Singh (1998) möglichst systematisch geschehen. Sie stellen somit eine Möglichkeit des routinebeziehungsweise regelhaften Suchens, des Lernens, der Wissenskombination und damit auch des Wahrnehmens von Innovationschancen auf Netzwerkebene dar.126 Sie sind folglich als eine Mikrofundierung des sensing i.S.v. Teece (2007) zu interpretieren. Interorganisationale Wissensaustauschroutinen untermauern damit eine Facette der Innovationsfähigkeit von 122
Vgl. Reichert (1994); S. 20; Duschek (2002), S. 45. Studien von Asanuma (1989), Saxenian (1994), Dyer (1996) und Parkhe (1993) beispielsweise zeigen, dass relationale Renten auf Basis partnerspezifischer Investitionen und assets durch stärkere Produktdifferenzierung, weniger Prozessfehler und kürzere Produktentwicklungszyklen erreicht werden können. 124 Vgl. bspw. Sammerl, Wirtz & Schilke (2008). 125 Dyer & Singh (1998); S. 665. 126 Vgl. Duschek (2002), S. 259. Siehe auch Teece (2009), S. 163 zu „Dynamic Capabilities through [..] knowledge sharing …”. 123
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Teil III – Theoretisch-konzeptioneller Zugang
Netzwerken (vgl. Abschnitt 1.3) „A [..] network with superior knowledge-transfer mechanisms […] will be able to „out innovate” [..] networks with less effective knowledgesharing routines.”127 Daneben sieht der RV insbesondere selbstregulierende, informelle Mechanismen der Steuerung und Koordination gemeinsamer Aktivitäten der Netzwerkmitglieder als vorteilhaft an. Explizit werden hierbei kulturelle Aspekte konkretisiert. I.S.e. „culture […] aligning business objectives, generating mutual incentives, sharing risks, pooling strength and building trust”128 können geteilte Werte, Normen und Erwartungen der Kooperationspartner als zugrundeliegende Faktoren gemeinsame Aktivitäten fördern und Opportunismus vorbeugen (vgl. Abschnitt 2.2(4)). Mit Perspektive auf Innovationsnetzwerke und deren konstitutive Zielstellung der Generierung gemeinsamer Innovationen kann ein wesentlicher Mechanismus der informellen Koordination dieser Zielverfolgung in einer gemeinsamen Innovationskultur liegen. Wenn Netzwerkmitglieder sich für Veränderungen engagieren und neue Ideen unterstützen, kann sie zur Ergreifung entstehender Innovationschancen beitragen. Als solche erzeugt sie soziale und normative Anreize und fördert Commitment für gemeinsame Innovationsprojekte. Eine Innovationskultur im Netzwerk untermauert damit die seizing-Facette der Innovationsfähigkeit (vgl. Abschnitt 1.3). Der RV liefert insgesamt einen wichtigen Beitrag zum angestrebten theoretischkonzeptionellen Rahmen der Innovationsfähigkeit. Er ergänzt die stärker funktionalen Elemente des DCV aus einer relationalen Perspektive. Die Interpretation des RV stellt zum einen spezifische Annahmen über die Ressourcen- und Kompetenzbasis als Grundlage der Innovationsfähigkeit bereit: Komplementarität und Innovationsspezifität beim Einsatz. Des Weiteren lassen sich mit Hilfe des RV die funktionalen Facetten der Innovationsfähigkeit sensing, seizing und transforming (vgl. Abschnitt 1.3) konkretisieren: Wissensaustauschroutinen als eine Fundierung des sensing sowie eine innovationsförderliche Kultur als eine Fundierung des seizing von Innovationschancen. Gemeinsam ist dem Konzept von Teece (2007) und dem RV, dass sie institutionelle Arrangements beziehungsweise analytische Systeme von Lernen, Austausch und Wahrnehmen in ihren Konzeptionen integrieren. Während Dyer & Singh (1998) eine „interfirm knowledgesharing routine as a regular pattern of interfirm interactions that permits the transfer, recombination, or creation of specialized knowledge”129 definieren und als „institutionalized interfirm processes that are purposefully designed”130 mit Attributen der Regelmäßigkeit, bewussten Zweckbindung sowie Institutionalisierung näher spezifizieren, erschließt sich die organisatorische Verankerung analytischer Systeme des sensing in den Ausführungen bei Teece (2007) weniger. Deutlich wird lediglich, dass Funktionen des Wahrnehmens und Reflektierens institutionell geregelt werden sollen. Daher scheint eine detailliertere Betrachtung regel- beziehungsweise institutionenorientierter reflexiver Mechanismen relevant für die weitere inhaltliche Konkretisierung der sensing-Facette der Innovationsfähigkeit.
127
Dyer & Singh (1998), S. 664 mit Verweis auf von Hippel (1988) (Hervorh. i.O.). Clegg et al. (2002), S. 327. 129 Dyer & Singh (1998), S. 665. 130 ebd. 128
3 Institutionelle Reflexivität
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Als regelbasierte Verhaltensmuster auf überindividueller Ebene, die interdependente Handlungen in der Organisation oder im Netzwerk darstellen131, werden Routinen im Ansatz der Institutionellen Reflexivität132 thematisiert. Dieser stellt eine analytische Konzeption zum Umgang mit regel- und strukturorientierten Mechanismen und Verfahren der Revision und damit potentiellen Innovation bestehender Praktiken bereit und greift damit das Problem des sensing i.S.v. Reflexivität auf. Er wird im folgenden Abschnitt dargestellt.
3 Institutionelle Reflexivität 3.1 Grundlagen einer reflexiv-verfahrensförmigen Perspektive auf Innovationsfähigkeit Baecker (1996) sieht einen „der wichtigsten blinden Flecken der Managementtheorie [...] in der Unterschätzung jener Mechanismen, mit denen sich ein Unternehmen davor bewahren kann, die eigenen Probleme zu lösen“133 und damit Neuerungen und Innovationen verhindert. Organisationen scheinen mitunter einer Beharrlichkeit hinsichtlich des Wandels und der Veränderung zu unterliegen.134 In der Folge wird nicht erkannt, dass manche Regeln und Praktiken inadäquat (geworden) sind.135 Trotzdem werden sie mitunter bewusst oder unbewusst aufrechterhalten. Entscheidend zur Innovationsfähigkeit trägt nach Moldaschl (2004) jedoch gerade das systematische Offenhalten von Prozeduren und Voraussetzungen für Revisionen bestehender Praktiken und Routinen bei. Mit der Institutionellen Reflexivität136 schlägt er ein analytisches Konzept vor, welches Kriterien für die Beobachtung und Evaluation eben dieser potenziellen Revision liefert. Als Ausgangspunkt nutzt Moldaschl ein Basisdilemma, dass Organisationen Handeln durch Regeln für eine optimale Ressourcennutzung zweckprogrammieren wollen (Effizienzziel der Organisation) und dennoch eine flexible Anpassung ermöglichen sollen (Effektivität).137 Notwendig ist eine adäquate Ressourcennutzung. Sie bedingt als Voraussatzung das Erkennen von inadäquaten Praktiken, welche diese verhindern. Eine Basis für diese Überlegungen findet sich implizit bereits bei Penrose (1959), die schon damals auf die Wichtigkeit von Ressourcen und Ressourcennutzung für Wettbewerbsvorteile verwiesen hat. „It is never resources themselves that are the `inputs´ in the production process, but only the services that the resources can render.”138 131
Vgl. Rasche (1994), S. 98; Freiling (2001a), S. 127ff.; Feldman & Pentland (2003), S. 94ff. Vgl. Moldaschl (2007a). 133 Baecker (1996), S. 71. 134 Vgl. auch Hannan & Freeman (1984). 135 Vgl. Moldaschl (2007b), S. 4 f. 136 Hier in der Großschreibweise `Institutionelle Reflexivität´ bezieht sich Moldaschl (2006), S. 18 auf die analytische Konzeption. In der Kleinschreibweise wird institutionelle Reflexivität phänomenologisch als Eigenschaft organisationaler Praxis verstanden und „beschreibt nicht direkt organisationales Lernen, sondern Verfahren der Selbstbeobachtung und der Selbstkritik, die dazu führen können“ (Moldaschl (2004), S. 12). Dieser Unterteilung folgt auch die vorliegende Arbeit. 137 Vgl. auch Schreyögg & Koch (2007), S. 285 ff. 138 Penrose (1959), S. 25 (Hervorh. i. O.). 132
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Teil III – Theoretisch-konzeptioneller Zugang
Wettbewerbsvorteile werden demnach nicht allein durch die Verfügbarkeit von Ressourcen erreicht, sondern durch ein organisationales Vermögen, diese sinnvoll einzusetzen. Die Sinnhaftigkeit ist bei inadäquaten Praktiken und Routinen jedoch fraglich. Es bedarf einer Reflexion und ggf. Revision der Ressourcennutzung. Theoretisch nimmt Moldaschl Anleihen u.a. an Modernisierungstheorien139 sowie Theorien organisationalen Lernens. Bei letzteren verweist er auf Argyris & Schön. Diese unterteilen organisationales Lernen in single-loop, douple-loop und deutero-learning.140 Während es sich bei den ersten beiden um Prozesse des Anpassungslernens handelt, wird letzteres auch als reflexives Lernen gedeutet, bei dem Lernmodi selbst geprüft und gegebenenfalls zur Disposition gestellt werden.141 Somit sieht Moldaschl die wesentliche Aufgabe seiner analytischen Konzeption der Institutionellen Reflexivität in der Bereitstellung brauchbarer Kriterien für die Beobachtung und Evaluation des Nicht-Lernens beziehungsweise Nicht-Wahrnehmens von Veränderungsnotwendigkeiten oder Chancen. Dies stellt eine Innovationsbarriere dar.142 Für die Konzeption greift er auf drei Bezugspunkte von Reflexivität zurück.143 Zum einen bezieht sich Reflexivität auf Selbstbezüglichkeit, wobei sich eine Organisation i.S.e. sozialen Systems selbst beobachtet und gestaltet.144 Damit eine reflexive Selbstproduktion keiner Tautologie unterliegt145, wird der Begriff `selbst´ dabei subjektfrei konzipiert. Rückwirkungen eines Systemoutputs auf das System selbst sind folglich möglich. Zum anderen werden Prozesse als reflexiv verstanden, wenn (rekursiv) auftretende Nebenfolgen, insbesondere nicht intendierte und unerwartete, darin verarbeitet werden.146 Der dritte Bezugspunkt hebt die Kategorie des Wissens hervor. Demnach werden aufgrund einer zunehmend unüberschaubaren Anzahl von Handlungsoptionen unter komplexer werdenden Umweltbedingungen Entscheidungen in Organisationen situativ auf Grundlage bestehenden Wissens getroffen.147 Daher muss sich die Organisation der eigenen Voraussetzungen und Grenzen diesbezüglich bewusst sein. Diese drei Bezugspunkte vereint Moldaschl unter der für die Institutionelle Reflexivität konstitutiven Annahme, dass eine Praxis reflexiv ist, d.h. Nicht-Lernen und NichtWahrnehmen aufdecken kann, wenn sie mehr als einen der obigen Aspekte aufweist. Dabei ist sie selbst als situiert zu betrachten, denn sie ist nicht frei von Abhängigkeiten struktureller und historisch-kultureller Pfade, von bestehenden Praktiken, Prozessen, Ressourcen und Wissen der jeweiligen Organisation. Sie ist, sofern nicht ausreichend institutionalisiert, ebenfalls nicht wert- oder normenfrei aus Sicht individueller Akteure. Dies macht sie anfällig für mikropolitische Kalküle, negative Routinisierung, `Versandung´ und Inertia148, insbesondere wenn antireflexive Pfadentwicklungen vorliegen, welche produktiver
139
U.a. Beck, Giddens & Lash (1996). Vgl. Argyris & Schön (1978); Argyris & Schön (1996). 141 Vgl. Moldaschl (2004), S. 7. 142 Vgl. Schirmer, Knödler & Tasto (2012), S. 30 ff. 143 Vgl. für das Folgende Moldaschl (2004), S. 4 ff. 144 Hier nimmt Moldaschl Bezug auf Luhmann (1994). 145 Nach Luhmann (1994) kann ein soziales System nicht von außen gesteuert werden. 146 Hier nimmt Moldaschl Bezug auf Beck, Giddens & Lash (1996). 147 Hier nimmt Moldaschl Bezug auf Giddens (1995). 148 Vgl. bspw. Hannan & Freeman (1984). 140
3 Institutionelle Reflexivität
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Selbstbezüglichkeit, Rezeptivität für Unerwartetes und Bewusstseinsschaffung von Entscheidungskontexten auf organisationaler Ebene entgegenwirken.149 Um Reflexivität dennoch zu ermöglichen, liegt der Fokus der analytischen Konzeption Institutionelle Reflexivität auf konkreten, reflexivitätsfördernden, institutionalisierten Praktiken. Solch potenziell reflexive Institutionen stellen Instrumente und Verfahren dar, welche in sich Reflexivität verankern und somit weitgehend unabhängig von einzelnen Individuen ermöglichen sollen. Ergänzend zu einer ressourcenorientierten Perspektive wird hier somit eine institutionen- oder regelorientierte Sichtweise vorgeschlagen, aus der heraus Moldaschl die Frage aufwirft, in wie weit reflexive Managementinstrumente oder Verfahren prinzipiell „die Aufnahmebereitschaft für Erkenntnisse fördern, die zur Revision bzw. Innovation bisheriger Sichtweisen und Praktiken beitragen.”150 Damit kann der Ansatz prinzipiell auch auf die Netzwerkebene übertragen werden. Hier finden sich insbesondere in der Netzwerkmanagementliteratur Anknüpfungspunkte zum (notwendigen) Einsatz reflexiver Verfahren.151 Wie im organisationalen Kontext werden in Netzwerken Managementinstrumente und Verfahren angewandt. Sie bergen als regelgeleitete, institutionalisierte Praktiken der Steuerung und Koordination von Netzwerken ebenfalls ein Reflexivitätspotenzial, welches i.S.d. Konzeption Institutionelle Reflexivität ergründet und dargestellt werden kann.
3.2 Inhaltlich-konzeptionelle Elemente zur Erfassung von Innovationsfähigkeit durch Reflexivität Da theoretisch und praktisch jederzeit die Möglichkeit zu nichtreflexivem Handeln besteht, muss von der Annahme ausgegangen werden, dass Reflexivität nicht per se in Organisationen und Netzwerken vorhanden ist oder entsteht. Entscheidend ist daher ihre institutionelle Verankerung. Eine solche Institutionalisierung geschieht durch eine gezielte „Schaffung von Institutionen, welche Entscheidungen beobachten und evaluieren, professionalisieren und kritisieren.“152 Als reflexive Institutionen i.d.S. werden alle im Regelgerüst verankerten Praktiken, Verfahren oder Managementinstrumente angesehen, die sich selbst und die Organisation systematisch reflektieren.153 Für eine Ermittlung der Qualität und des Ausmaßes von Reflexivität schlägt Moldaschl eine Konkretisierung und Operationalisierung von Reflexivität basierend auf den drei dargestellten Bezugspunkten Selbstbezüglichkeit bezie149
Vgl. Schirmer, Knödler & Tasto (2012), S. 155 ff. Moldaschl (2006), S. 18. 151 Siehe hierzu auch, meist mit Bezug zur Netzwerkevaluation, nicht jedoch Innovation und ohne einer der Institutionellen Reflexivität entsprechenden konkreten Operationalisierung, bspw. Sydow & Windeler (2001); Sydow (2004); Weber (2006); Rometsch (2008); Sydow (2008). 152 Moldaschl (2006), S. 17. 153 Im Folgenden nutze ich zur Darstellung der inhaltliche-konzeptionellen Elemente der Institutionellen Reflexivität den Bezug zur Organisation beziehungsweise zur organisationalen institutionellen Einbettung von Verfahren. Dies entspricht dem Ansatz, wie er von Moldaschl (2004) entwickelt wurde. Gleichwohl gelten die Ausführungen hier ebenso für die Verfahren auf Netzwerkebene, welche eine Einbettung im Regelgerüst des Netzwerks aufweisen, d.h. im Netzwerk institutionell verankert sind und dort als Netzwerkverfahren potenziell reflexiv wirken. 150
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Teil III – Theoretisch-konzeptioneller Zugang
hungsweise Selbstbeobachtung, Nebenfolgenabschätzung sowie Wissensabhängigkeit beziehungsweise Kontextbewusstsein vor.154 In drei Schritten soll damit eine Erhebung und Bewertung institutioneller Reflexivität erfolgen.155 Im ersten Schritt werden hierfür Methoden und Praktiken identifiziert, die anhand formaler Kriterien `unter Reflexivitätsverdacht´ gestellt werden. Es geht um die Frage der Funktionsweise, d.h. wie Reflexivität institutionalisiert beziehungsweise geregelt ist. Im zweiten Schritt werden diese Praktiken anhand weiterer Kriterien daraufhin untersucht, wie sehr sie Reflexivität zulassen beziehungsweise fördern. Im dritten Schritt wird die realexistierende Reflexivität dieser Praktiken ins Verhältnis zu den Kontexterfordernissen gesetzt. Es geht um die Klärung, wie sinnvoll das Maß an Reflexivität ist. Ein Maximierungsprinzip der Reflexivität ist nicht i.S.d. Konzeption. Denn wie der Aufbau und Nutzung von Ressourcen ist auch der Aufbau von Reflexivität beziehungsweise reflexiven Praktiken mit Kosten verbunden. Diese drei Schritte als wesentliche Elemente der Konzeption Institutionelle Reflexivität werden im Folgenden zusammenfassend dargestellt um im Anschluss mögliche Implikationen für den theoretischkonzeptionellen Rahmen der Arbeit abzuleiten. (1) Funktionsweise institutioneller Reflexivität Den ersten Schritt bildet die Identifikation potenziell reflexiver Verfahren und Methoden in einer Organisation.156 Grundlegend sind hier fünf Dimensionen der Funktionsweise institutioneller Reflexivität. Sie lassen sich aus den Bezugspunkten Selbstbeobachtung und -referentialität, Nebenfolgenevaluierung und Kontextbewusstsein ableiten.157 Potenziell reflexive Verfahren weisen eines oder mehrere der folgenden Kriterien auf:158 a)
Institutionalisierung von Selbstbeobachtung und Selbstkritik umfasst Regeln, Routinen und Verfahren, welche einem reflexiven Monitoring der Entwicklung von Organisationen dienen. Es geht um die Wahrnehmung einer Überprüfungsfunktion für vorhandene Praktiken und Routinen. b) Ein systematischer Rückgriff auf Fremdbeobachtung ermöglicht Beobachtung zweiter Ordnung. Damit wird eine weitere reflexive Schleife in der Beobachtung von Beobachtung(spraktiken) konzipiert. Es geht nach der obigen 154
Vgl. Moldaschl (2004), S. 4 ff. Hierzu und im Folgenden Moldaschl (2006), S. 18 ff. 156 An dieser Stelle ist anzumerken, dass es sich bei den beispielhaften Verfahren um bekannte Methoden handelt. Beispielsweise wird der Entwurf alternativer Gegenwarten von Gerstein & Shaw (1994), S. 271 befürwortet, um Denkblockaden aufzuheben und den Übergang von einer bürokratischen zu einer dynamischen Organisation zu erleichtern. Moldaschl entwickelt also keine neuen Managementmethoden, sondern bedient sich beispielhaft bei den in der Praxis bereits eingesetzten. 157 Eine ausgearbeitete Zuordnung beziehungsweise Darstellung, wie diese Herleitung geschieht, liefert Moldaschl allerdings nicht. Weder in den frühen Arbeiten/Arbeitspapieren Moldaschl (2000); Moldaschl (2004); Moldaschl (2005), noch in den Journalpublikationen Moldaschl (2006); Moldaschl (2007) und neueren Beiträgen Moldaschl et al. (2011) sind konkrete Herleitungen dargelegt. Desweiteren zeigen die Dimensionen und ihre inhaltliche Ausgestaltung im Zeitverlauf von Moldaschls Arbeiten eine Weiterentwicklung des Ansatzes (vgl. Moldaschl (2004), S. 9 ff. gegenüber Moldaschl (2006), S. 19 ff.). Die vorliegende Arbeit schließt sich dem aktuellen Stand bei Moldaschl (2006) an. 158 Vgl. Moldaschl (2006), S. 18 ff. 155
3 Institutionelle Reflexivität
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Selbstreferenz hierbei um den Import von Fremdreferenz. Diese kann `blinde Flecken´ vermeiden helfen, indem Signale aus der Umgebung der Organisation aufgenommen und intern verarbeitet werden. Verfahren dieser Art tragen zu Umweltoffenheit und -sensibilität bei.159 c) Kommunikativer Bezug zu Fremdreferenz wird durch Verfahren dargestellt, welche mit den Ergebnissen zweiter Ordnung aus der Fremdbeobachtung umgehen. Es geht Moldaschl um Kommunikation über Kommunikation. Reflexive Verfahren, die dies tun, richten sich an die Umwelt der Organisation und beziehen sich in ihrer Kommunikation (auch) auf Informationen, welche aus ebene jener Umwelt gewonnen werden. d) Offene Evaluierung von Handlungsfolgen geschieht durch Verfahren, welche Aktivitäten von Organisationen und ihre Auswirkungen beziehungsweise Folgen erfassen. Während die ersten drei Dimensionen im wesentlichen Kopplungs- beziehungsweise Rückkopplungskanäle in Form von Verfahren darstellen, wird hier die Entwicklung der Organisation an inhaltlichen Kriterien gemessen. e) Das Entwerfen alternativer Gegenwarten und Zukünfte zeichnet mögliche Szenarien der Organisation nach beziehungsweise vor. Verfahren, welche dies ermöglichen, sollen auf den für die Organisationsentwicklung wichtigen Wissenskontext hinweisen. Entwürfe von Alternativen zeigen auf, welches Wissen vorhanden ist, weisen auf eventuelle Lücken hin beziehungsweise regen zu einem geregelten Umgang mit diesem Nicht-Wissen an. Für jede der fünf Dimensionen zeigt Moldaschl beispielhafte Verfahren beziehungsweise Managementinstrumente der Organisationspraxis auf. Dimension institutioneller Reflexivität
159
Exemplarische Verfahren, Praktiken, Instrumente
Institutionalisierung von Selbstbeobachtung und Selbstkritik
Schaffung von Funktionen/Abteilungen wie Organisationsentwicklung, interne Beratung Einbindung des Controlling in das strategische Monitoring (z.B. mittels BSC) Benchmarking KVP
Systematischer Rückgriff auf Fremdbeobachtung
Kommunikativer Bezug zu Fremdreferenz
Berichtspraktiken (Reporting, z.B. CSR) Reputationsstudien
Offene Evaluierung von Handlungsfolgen
Maßnahmen-Evaluierung Kunden- und Mitarbeiterbefragung
Einsatz externer Berater oder Beiräte Auswertung von Kundenreklamationen Kooperation mit Kritikern, round tables, NGOs Wechselseitige Hospitationen Einsatz von boundary spanners
Vgl. Moldaschl (2006), S. 20 unter Verweis auf Kirsch et al. (1998).
78
Teil III – Theoretisch-konzeptioneller Zugang
Entwurf alternativer Gegenwarten und Zukünfte
Aufgaben-, Abteilungs-, Betriebswechsel Parallele Entwicklerteams, Innovationswettbewerbe Anwendung von Kreativitätstechniken Szenarioplanung, Think Tanks
Tabelle 3: Funktionen und potenzielle Praktiken institutionalisierter Reflexivität Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Moldaschl (2006), S.19. (2) Bewertung des Grades institutioneller Reflexivität Während der erste Schritt die Funktionsweise institutioneller Reflexivität anhand vorhandener Verfahren dargelegt, soll der zweite Schritt den Umfang beziehungsweise Grad an Reflexivität ermitteln. Die Frage nach dem Vorhandensein potenziell reflexiven Praktiken lässt sich relativ leicht beantworten. Einen Nachweis institutioneller Reflexivität kann dies jedoch nicht ohne Weiteres darstellen. Dazu bedarf es einer Aussage über das Ausmaß reflexiver Anwendung. Hierzu werden die folgenden fünf Bewertungskriterien vorgeschlagen, anhand derer sowohl quantitative als auch qualitative Aussagen bezüglich der Reflexivitätsintensität der eigesetzten Praktiken und Methoden getroffen werden sollen.160 a)
Mit der Anzahl von Rückkopplungskanälen und dem Grad der Kopplung ist eine quantitative Erfassung externer Referenzen beziehungsweise Praktiken sowie die Art und Weise ihrer Anwendung vorgesehen. Es geht um die Beurteilung, ob identifizierte Verfahren i.S.e. kritischen Hinterfragung eingesetzt werden. b) Die Reichweite des Einbezugs von Fernwirkungen soll Auskunft verschaffen, welche Akteure und Praktiken in welchem Rahmen und mit welcher Wirkung bei den Verfahren zur potenziellen Revision einbezogen werden. c) Die Erfassung von Möglichkeiten zur Kriterien- und Zielrevision soll prüfen, in wie weit Verfahren Änderungen und Revisionen in den Zielen der Organisation, einzelner Teilbereiche oder Prozesse zulassen. Damit sollen eventuelle Tabuisierungen aufgedeckt werden, die sich einer möglichen Revision entziehen könnten. d) Die Feststellung des Grades der Anwendung beziehungsweise Aussetzung reflexiver Verfahren ist der latenten `Versandung´ und der möglichen machtbezogenen Dimensionen organisationalen Agierens geschuldet. Kenntnis über eine regelmäßige und kritische Anwendung von Verfahren gibt darüber Aufschluss, dass diese reflexiv angewendet werden. e) Mit der Prüfung auf Selbstanwendung soll ermittelt werden, inwieweit als reflexiv angenommene Verfahren und Methoden, welche bestehende Praktiken prüfen, auch sich selbst prüfen. Es geht um Selbstreferenzialität der identifizierten Verfahren. Hiermit wendet sich die Institutionelle Reflexivität sich selbst beziehungsweise operationalisierten Teilen davon zu.
160
Vgl. Moldaschl (2006), S. 21 ff.
3 Institutionelle Reflexivität
79
Die fünf Kriterien zur Bewertung des Reflexivitätsgrades sind in ihrer Art verschieden und unternehmen den Versuch einer Prüfung damit auf Basis unterschiedlicher Erkenntnismöglichkeiten. Die Messung der Zahl von Rückkopplungskanälen beispielsweise kann Hinweise auf die Gesamtreflexivität oder zumindest die Verbreitung potenziell reflexiver Verfahren geben. Die Beurteilung der Möglichkeit von Zielrevisionen oder die Feststellung von Selbstanwendung kann jedoch nur bezogen auf individuelle Verfahren sinnvoll angewandt werden. Diese explizite Unterscheidung zwischen Organisations- und Verfahrensebene findet sich bei Moldaschl allerdings nicht. Es bleibt unklar, worauf sich die Kriterien im Einzelnen jeweils beziehen. Dies drückt sich auch im Datentyp aus, welcher für eine Prüfung prinzipiell zur Verfügung steht. Einige Kriterien können Reflexivität quantitativ ausdrücken, andere wiederum nur qualitativ. Bei manchen ist beides möglich. Einen Überblick gibt Tabelle 4. Bewertungskriterium
Operationalisierungsfragen
Datentyp
Zahl der Rückkopplungskanäle und Grad der Kopplung
Wie viele externe Referenzen bzw. Verfahren werden wie regelmäßig genutzt?
quantitativ
Reichweite des Einbezugs von Fernwirkungen
Welche Akteure und Praktiken werden bezüglich welcher Folgen und in welchem räumlichen und zeitlichen Horizont in eine Überprüfung einbezogen?
quantitativ & qualitativ
Möglichkeit der Kriterien- und Zielrevision
Inwieweit sind diese in potenziell reflexiven Verfahren prinzipiell vorgesehen oder zulässig?
qualitativ
Grad der Anwendung oder Aussetzung reflexiver Verfahren
Welche Konsequenzen hat die Anwendung eines Verfahrens? Wie beeinflusst dies den organisationalen Entscheidungsprozess? Wird eine evtl. Aussetzung begründet?
quantitativ & qualitativ
Selbstanwendung
Inwieweit unterliegt ein reflexives Verfahren selbst der Prüfung? In welchem Umfang werden gescheiterte Verfahren verarbeitet?
qualitativ
Tabelle 4: Bewertungskriterien Institutioneller Reflexivität Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Moldaschl (2006), S. 22. (3) Angemessenheit institutioneller Reflexivität Die Ermittlung der Existenz potenziell reflexiver Praktiken und ihrer Intensität erlaubt Aussagen über das Vorhandensein und das Ausmaß an institutioneller Reflexivität von Organisation beziehungsweise Verfahren, nicht jedoch über dessen Sinnhaftigkeit. Daher ist in einem dritten Schritt eine normative Bewertung der Reflexivität vorgesehen. Moldaschl nennt beispielhaft drei Prüfkriterien mit heuristischem Charakter und spricht von der „Kontextualisierung institutioneller
80
Teil III – Theoretisch-konzeptioneller Zugang Reflexivität“.161 Auf diese Weise kann der Maximierung von Reflexivität vorgebeugt und ein kontextangemessenes Ausmaß angestrebt werden, welches durch Hinterfragen von Funktionalität und Folgen institutionalisierter Reflexivität bestimmt wird. In kleineren Organisationen kann eventuell schon durch räumliche Nähe und einer offenen, ideenorientierten Kommunikationskultur ein reflexives Moment geschaffen werden. Somit ist die Institutionalisierung komplexer Regelsysteme eventuell nicht erforderlich, da Aufwand und Steigerung des Grades an Reflexivität in keinem effizienten Verhältnis stehen.162 Zu bedenken ist außerdem, dass es die Ressourcen und Leistungsfähigkeiten von kleinen und mittelständischen Unternehmen übersteigen kann. In großen Organisationen erscheint das Gegenteil vernünftig zu sein. Konzerne wären ohne Regelsysteme kaum steuerbar, verhelfen sie doch zu mehr oder weniger vorhersehbarem, kontrolliertem Handeln der Organisationsmitglieder.163 Für Moldaschl ist auch die Umweltdynamik als Kontextfaktor von Bedeutung. Mit zunehmender Dynamik des Umfeldes verbindet er eine wachsende Notwendigkeit, organisationale Arrangements regelmäßig zu prüfen.164 Kontextbezug
Operationalisierungsfragen
Datentyp
Form bzw. Verfahrensförmigkeit
Welche Praktiken tragen in kleineren Unternehmen zur Reflexivität bei, wenn formalisierte qualitativ Verfahren und eine institutionelle Form der Reflexivität nicht vorhanden oder angemessen ist?
Funktionalität
Welche Relevanz hat die Revision von bestehenden Praktiken, Regeln und Verfahren unter bestimmten Umweltbedingungen?
Akteursgruppenbezug
Welche Folgen sind mit der Anwendung reflexiver Verfahren für unterschiedliche Akteursgruppen in qualitativ der der Organisation verbunden und welchen Interessen dienen sie?
qualitativ
Tabelle 5: Kontextbezug Institutioneller Reflexivität Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Moldaschl (2006), S. 25. Insgesamt zeugen die institutionentheoretische Verankerung und Differenzierung der drei Bezugspunkte der Reflexivität von einem breiten Reflexivitätsgedanken als konzeptionelle Grundlage. Die drei Schritte zur Darstellung und Erhebung der Funktionsweise, zum Grad und zur Kontextangemessenheit zeigen erste Operationalisierungsansätze beziehungsweise heuristisch geprägte Beispiele. Dennoch hat die Institutionelle Reflexivität als analytische Konzeption bislang vergleichsweise wenig Eingang in empirische Forschungsarbeiten
161
Moldaschl (2006), S. 24 f. Ein gegenteiliges Beispiel zeigen Schirmer, Knödler & Tasto (2012), S. 45 ff. 163 Vgl. Picot, Reichwald & Wigand (2003), S. 35. 164 Vgl. Moldaschl (2006), S. 24. 162
3 Institutionelle Reflexivität
81
gefunden.165 Dies mag der nicht immer eindeutigen Unterscheidung zwischen dem empirischen, organisationalen Phänomen der institutionellen Reflexivität sowie der analytischen Konzeption Institutionelle Reflexivität, welche selber wiederum eine inhaltliche Komplexität aufweist, geschuldet sein. Diese Komplexität zeigt sich u.a. darin, dass die Operationalisierung des zweiten und insbesondere dritten Schritts fast ausschließlich über qualitative Forschungsansätze sinnvoll realisierbar ist.166 Hierdurch ergeben sich weitere Implikationen für den theoretisch-konzeptionellen Rahmen der vorliegenden Arbeit.
3.3 Kritik und Implikationen für eine Konzeption der Innovationsfähigkeit aus der Perspektive Institutioneller Reflexivität Das Offenhalten von Prozeduren und Voraussetzungen für Revisionen bestehender Praktiken begründet ein Vermögen beziehungsweise Potenzial, wenn es systematisch i.S.d. Institutionellen Reflexivität betrieben wird.167 Reflexive Verfahren schärfen den Blick für Dysfunktionalitäten. Sie schaffen Irritation und Anstöße und können damit nachhaltig veränderungsinduzierend wirken. Sie schließen jedoch nicht im gleichen Schritt notwendigerweise die Umsetzung von Neuem ein. Ein vollständiges, systematisches Erklärungsgerüst, was, wieso, wann, für wen und wie, unter welchen Kosten und mit welchen (strategischen und finanziellen) Zielen verändert werden soll, wird nicht automatisch im Zuge der Anwendung Institutioneller Reflexivität beantwortet.168 Die stärker potenzial- als umsetzungsorientierte Sicht der Institutionellen Reflexivität ist zum einen damit zu erklären, dass sich das Konzept implizit hauptsächlich auf interne, organisationale Veränderungsprozesse bezieht.169 Moldaschl selber sieht es als Erklärungsansatz für Veränderungs- sowie Innovationsfähigkeit und nutzt diese Begriffe synonym.170 Dies ist, fokussiert auf interne Innovationen als organisationale Veränderungen und ggf. als Unterstützung von Produktinnovationen, nachvollziehbar. Im Innovationsverständnis der vorliegenden Arbeit stehen interne und externe Innovationen jedoch gleichwertig nebeneinander. Insbesondere Produkt- und Technologieinnovationen erfordern eine (technische) Umsetzung i.S.d. Produktion und letztendlich Vermarktung. Hier sind u.a. Unternehmens-, Geschäftsfeld-, Markt-, Produkt- und damit letztendlich Innovationsstrategien tangiert. Institutionelle Reflexivität erlaubt zwar die quantitative und qualitative Untersuchung vorhandener Verfahren (Dimensionen der Funktionsweise) sowie ihrer reflexivitätsförderlichen Wirkung (Reflexivitätsgrad) und fordert darüber hinaus zu einer Einschätzung der Angemes165
Erste Arbeiten siehe bspw. Manger & Moldaschl (2010); Schirmer & Tasto (2010); Knödler, Schirmer & Gühne (2011); Moldaschl et al. (2011); Schirmer, Knödler & Tasto (2012). 166 Vgl. auch Moldaschl (2006), S. 25. 167 So versteht es auch Moldaschl (2007); siehe Moldaschl et al. (2011) sowie insb. Moldaschl (2011) zum potentialorientierten Ansatz. 168 Die aufgeworfenen Fragen können sich wohl aus der phänomenologischen Perspektive auf Reflexivität ergeben. Die Konzeption Institutionelle Reflexivität stellt sie jedoch im Zuge ihre Analyse nicht explizit. 169 Hierzu liegen von Schirmer, Knödler & Tasto (2012) sowie Knödler & Schirmer (2013) umfassende Fallstudien vor. 170 Vgl. bspw. Moldaschl (2007) vs. Moldaschl et al. (2011).
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Teil III – Theoretisch-konzeptioneller Zugang
senheit auf. Sie untersucht damit inhaltlich Potenzial, Ausmaß und mögliche Wirkung von Reflexivität, schließt die funktionalen Aspekte der betrachteten Verfahren jedoch nicht notwendiger Weise in ihre Analyse ein. Eine Balance Score Card, ein Controlling, eine Strategieentwicklung oder eine Mitarbeiterbefragung haben, neben ihrem Reflexivitätspotenzial, im Kern jedoch originäre Funktionen als Managementinstrumente, die nicht primär der Erzeugung von Reflexivität dienen. Ob beispielsweise überhaupt eine bestimmte Innovationsstrategie sinnvoll ist, beantwortet die Institutionelle Reflexivität nicht. Ferner bedarf institutionelle Reflexivität ihrerseits weiterer Ressourcen. So sind schon die bei Moldaschl (2006) postulierten Verfahren und Instrumente kaum ohne zeitliche, personelle und finanzielle Unterstützung denkbar.171 Folglich liegt auch institutionalisierten Praktiken der Reflexivität eine Basis von Ressourcen und Kompetenzen zugrunde. Operationale Kriterien der Funktionsweise institutioneller Reflexivität als Fundierung einer verfahrensförmigen Wahrnehmung von Innovationschancen Während Reflexivität als empirisches Phänomen zur Unterstützung der Innovationsfähigkeit interpretiert werden kann, trägt Institutionelle Reflexivität als analytische Konzeption nur einen Teil zu dessen Erklärung bei. Wie die Abschnitte 1 & 2 dieses Teils verdeutlichen, können die Interpretationen des DCV und RV bereits wesentliche Aspekte eines theoretischkonzeptionellen Rahmens abbilden. Die analytischen Unterklassen dynamischer Fähigkeiten mit ihrer jeweiligen funktionalen Natur des sensing, seizing und transforming nach Teece (2007) liefern innerhalb dieses Rahmens die theoretische Erklärungsbasis für Facetten der Innovationsfähigkeit. Der RV kann diese aus relationaler Sicht inhaltlich weiter konkretisieren sowie die Ressourcen- und Kompetenzbasis als Grundlage für Innovationen in Netzwerken spezifizieren. In einem solchen Modellrahmen stellt die Konzeption Institutionelle Reflexivität vor allem Hinweise auf eine konkrete Fundierung des sensing bereit. Moldaschl selber formuliert die Aufgabe der Konzeption wie folgt: „(a) die Notwendigkeit und die Grenzen der Notwendigkeit organisationaler Selbstbeobachtung und Selbstbefragung in verschiedenen Kontexten (!) zu begründen; (b) Annahmen zu entwickeln, unter welchen Bedingungen die Besonderung reflexiver Funktionen, also ihre funktionale Abspaltung von den alltäglichen Praxisvollzügen, als sinnvoll, gefährlich oder ambivalent zu beurteilen ist; und (c) Beobachtungskriterien bereitzustellen, mittels derer sich der Grad und die Qualität reflexiven Handelns sowie seine Angemessenheit gegenüber den zu rekonstruierenden Anforderungen empirisch beurteilen lassen…“.172 Von Interesse für die Konkretisierung ist damit insbesondere der letztgenannte Aspekt. Denn die hier vorgeschlagenen Dimensionen der Funktionsweise von Reflexivität bieten eine Möglichkeit, auf regelhafte, institutionell eingebettete und damit nicht individuell abhängige Weise die von Teece (2007) vorgeschlagenen analytischen Systeme des Erkennens und Wahrnehmens von Innovationschancen und Dysfunktionalitäten (sensing) so detailliert zu operationalisieren, wie es der bisherige Entwicklungsstand des Ansatzes von Teece nicht leistet. Der Ansatz der 171
Moldaschl selbst konstatiert diese Ressourcenabhängigkeit eher implizit mit dem Verweis auf die entstehenden Kosten aller Verfahren der systematischen Nutzenbewertung, was ihn u.a. zur Forderung nach Kontextangemessenheit von reflexiven Verfahren bewegt (vgl. Moldaschl (2006), S. 27). Vgl. ähnlich auch Schreyögg & Kliesch-Eberl (2007), S. 928 in Form des Capability Monitoring als separater Prozess. 172 Moldaschl (2004), S. 15 f.
4 Theoretisch-konzeptionelles Zwischenresumé
83
Institutionellen Reflexivität komplettiert damit wirkungsvoll den aufgezeigten theoretischkonzeptionellen Rahmen der Arbeit. Dieser wird in Abschnitt 4 zusammenfassend dargestellt.
4 Theoretisch-konzeptionelles Zwischenresumé 4.1 Ressourcen und Kompetenzen als Basis der Innovationsfähigkeit Dynamic Capabilities sollen innovative Formen nachhaltiger Wettbewerbsvorteile, auch durch (Produkt)Innovationen, erzeugen.173 Schon Teece, Pisano & Shuen (1997) sehen Unternehmen daher nicht als reines Portfolio von Geschäftseinheiten mit formalen Kontrakten174, wie sie etwa bei der Integration von Marktmechanismen in die Organisation entstehen können. Vielmehr besitzt die Organisation idiosynkratische Eigenschaften, die nicht in einem externen Markt repliziert werden können. Diese stellen sich aus der Perspektive des DCV als spezifische Kombinationen und Nutzungsvarianten von Ressourcen, Wissen und Kompetenzen dar. Dynamische Fähigkeiten werden als schwer imitierbare Metafähigkeiten verstanden, welche sich auf die Anwendung, Kombination, Integration und Transformation dieser operativen Ressourcen- und Kompetenzbasis der Organisation als Grundlage von Wettbewerbsvorteilen beziehen. Ähnlich argumentieren Dyer & Singh (1998) mit dem Entwurf des RV. Einzigartige Eigenschaften i.S. beziehungsimmanenter Fähigkeiten und komplementärer Ressourcen finden sich dabei jedoch auf der Netzwerkebene.175 Hier bildet die gemeinsame Anwendung, Kombination, Integration und Transformation einer grundlegenden Ressourcen- und Kompetenzbasis im Netzwerk den Kern der konzeptionellen Argumentation. DCV und RV gehen folglich von den gleichen Basisannahmen aus, unterscheiden sich jedoch in ihrem Bezugssystem (Organisation vs. Netzwerk) und damit im Erklärungshorizont. Dies zeigt, dass sie grundsätzlich kommensurabel sind, wenngleich eine explizite Verbindung beider Ansätze bislang kaum zu beobachten ist.176 Auch der Konzeption der Institutionellen Reflexivität liegt die Annahme einer fundamentalen Ressourcenbasis zu Grunde. Die Einführung und regelmäßige Anwendung reflexiver Verfahren verursacht Kosten, benötigt also (finanzielle) Ressourcen.177 Dies veranlasst Moldaschl zur Forderung einer systematischen Nutzenbewertung und der Kontextangemessenheit von reflexiven Verfahren. Somit kann, wenngleich das Konzept nicht primär
173
Vgl. Teece, Pisano & Shuen (1997), S. 516 und Teece (2007), S. 1320. Vgl. Teece, Pisano & Shuen (1997), S. 517. 175 Vgl. Dyer & Singh (1998). 176 Eine Ausnahme stellt die Arbeit von Weissenberger-Eibl & Schwenk (2010) dar, die jedoch in der Überbetonung des RV, insb. der Wissensaustauschroutinen, und der geringen inhaltlichen Berücksichtigung der Mikrofundierungen dynamischer Fähigkeiten konzeptionell recht einseitig erscheint. 177 Vgl. Moldaschl (2006), S. 27. 174
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Teil III – Theoretisch-konzeptioneller Zugang
ressourcen- oder fähigkeitsorientiert ist,178 auch hier von einer grundlegenden Anschlussfähigkeit ausgegangen werden. Es ist festzuhalten, dass in einer konzeptionellen Verbindung von Regel-, Ressourcen- und Beziehungsperspektive das Vorhandensein einer fundamentalen Ressourcen- und Kompetenzbasis im Netzwerk die Grundlage für Mechanismen, Strukturen, Praktiken und Verfahren bildet, welche zur Innovationsfähigkeit auf Netzwerkebene beitragen.179 Darauf aufbauend können im folgenden Abschnitt die Implikationen der drei theoretischen Bezugspunkte für eine inhaltlich differenzierte Konzeption der Innovationsfähigkeit weiter verdichtet werden.
4.2 Innovationsfähigkeit aus Regel-, Ressourcen- und Beziehungsperspektive auf Netzwerke Den Implikationen der drei betrachteten Ansätze folgend, wird Innovationsfähigkeit als ein Phänomen mit mehreren Facetten verstanden.180 Sensing, seizing und transforming beziehen sich auf Innovationen. Ihre sich ergänzende nature wird jeweils über die spezifischen Funktionen des Wahrnehmens, Ergreifens und Umsetzens von Innovationschancen sowie -risiken bestimmt (vgl. Abschnitt 1.2). Dabei sind Austausch-, Anpassungs- und Integrationsprozesse von grundlegendem Wissen, Kompetenzen und Ressourcen zwischen den Netzwerkpartnern von Bedeutung (vgl. Abschnitt 2.2). Neben diesen Basisannahmen finden sich in den Ansätzen weitere konkrete Hinweise auf deren Kommensurabilität hinsichtlich inhaltlicher Aspekte der Innovationsfähigkeit. Dies unterstützt die Beantwortung insbesondere der zweiten Forschungsfrage – Welche inhaltlichen Aspekte zeichnen diese Fähigkeit auf Netzwerkebene aus und welche wesentlichen Einflussfaktoren wirken auf sie? Die einzelne Organisation ist schon im klassischen integrativen Konzept der Dynamic Capabilities mehr als die Summe ihrer Teile. Einzelne Individuen können die Organisation verlassen oder neue hinzukommen, während Strukturen und Prozesse sowie die wichtigen Ressourcen und Fähigkeiten davon wenig betroffen sind.181 Als Mikrofundierung der Facetten seizing, sensing und transforming sind daher vor allem analytische Systeme, Strukturen, Prozesse, Designs oder Mechanismen entscheidend.182 Diese Sicht kann auch aus dem Blickwinkel des RV eingenommen werden. Hier dominieren Mechanismen der formalen und informellen Netzwerksteuerung und Netzwerkkontrolle, netzwerkweite, interorganisationale und institutionalisierte Routinen für den Austausch und die Kombination von Wissensbeständen sowie die Kospezialisierung der Partner als ressourcentransformierender
178 Für die Konzeption der Institutionellen Reflexivität selber versucht Moldaschl ohne den Rückgriff auf Begriffe wie Fähigkeiten oder Kompetenzen auszukommen, deren herrschendes Verständnis er ebenfalls kritisiert (vgl. Moldaschl (2010)). In jüngeren Publikation konstatiert er jedoch, dass Innovationsfähigkeit aus Sicht der Institutionellen Reflexivität durchaus als Kompetenz aufzufassen sei, nur mit anderem Erklärungsansatz (Moldaschl et al. (2011), S. 15). 179 Vgl. Duschek (2002), S. 42 f. 180 Dies zeigt sich auch im bisherigen Forschungsstand (vgl. Teil II.4.3). 181 Vgl. Teece, Pisano & Shuen (1997), S. 524. 182 Vgl. Teece (2007).
4 Theoretisch-konzeptionelles Zwischenresumé
85
Mechanismus. Auch diese Mechanismen sind nicht an ein einzelnes Netzwerkmitglied gebunden.183 Allerdings können sich solche Mechanismen im Zeitverlauf und bei veränderten Bedingungen am Markt und im Netzwerk als unzureichend, unpassend und überholt erweisen. Sie sind nicht mehr nachhaltig, um die Funktionen des sensing, seizing und transforming zu unterstützten (vgl. Abschnitt 1.3). Nachhaltigkeit wird hier nicht als langfristig schonender Umgang mit natürlichen Ressourcen verstanden, wie dies etwa in der Umweltökonomie der Fall ist.184 Nachhaltigkeit wird vielmehr als reflexives, Dysfunktionalitäten wahrnehmendes Element innerhalb einer Konzeption der Innovationsfähigkeit interpretiert. So verstanden beruht Innovationsfähigkeit nicht auf blinden Routinen oder Standardverfahren.185 Sie enthält auch irritierende Elemente, die bestehende Prozesse und Mechanismen auf ihre Tauglichkeit und Sinnhaftigkeit hinterfragen und auf diese Weise veränderungsinduzierend wirken können, um ein Netzwerk weiterzuentwickeln, d.h. beispielsweise auch netzwerkinterne Prozessinnovationen zu forcieren. Die Wahrnehmung und Interpretation sich verändernder Bedingungen und damit auch der `passenden´ Innovationen kann nicht dauerhaft von einzelnen Individuen, die sich auf bekannte Kontexte stützen, für das Netzwerk geleistet werden (vgl. Abschnitt 1.3).186 „where the roles and behavior of participating firms become routinized and taken for granted, the formulation of [innovation] strategy may be seriously impaired. Under these circumstances, agents can, and often do, become prisoners of their environments by making decisions within fixed frames of reference which effectively take the form of negative feedback loops, reinforcing existing patterns of behavior […] with little latitude for the introduction of new ideas.”187 Teece (2007) sowie Dyer & Singh (1998) haben die Bedeutung von regelgeleiteten, reflexiven Verfahren und Mechanismen zwar erkannt, bieten jedoch außer einer Forderung nach analytischen Systemen, welche reflexive Elemente organisatorisch verankern sollen, beziehungsweise nach Routinen des Wissensaustausches, noch keine operationalisierte und theoretisch fundierte Lösung.188 Hier erweist sich ein Rekurs auf die Institutionelle Reflexivität als geeignete Ergänzung (vgl. Abschnitt 3.3). Moldaschl (2007a) selber kritisiert zwar gängige Erklärungsmuster des DCV, soweit es sich dabei im eine Theorie der Unternehmung handelt: „…performance gets generally attributed to internal potentials […] success is no longer explained by an optimal fit between corporate 183
Relativierend können einzelne Faktoren wie Teilnehmerzahl und Konzentration beziehungsweise Proximität sowie strategische Führerschaft und Zentralität (vgl. in Bezug auf Innovationsnetzwerke Teil II.2.2 der Arbeit) wirken. Die Herauslösung eines das Netzwerk strategisch führenden und damit zentralen Unternehmens ohne redundante Wissensspeicher an anderen Stellen des Netzwerks hätte relativ mehr Auswirkungen als die Herauslösung eines eher dezentralen Netzwerkteilnehmers. Je größer das Netzwerk und je höher die Redundanz von organisationalen Wissensbeständen und Kompetenzen, desto weniger Effekt hat der Wechsel von Teilnehmern. 184 Für einen Überblick siehe Schwarz (2004). 185 Dies mag ein Grund sein, warum viele best practice-Ansätze keine inhaltlich befriedigende und differenzierte Sicht auf Innovationsfähigkeit als komplexes Phänomen ermöglichen (vgl. Teil II.3.2). 186 Siehe allg. hierzu Sundbo (2003), S. 101 f.; Moldaschl (2004) sowie auf Netzwerke bezogen Rycroft & Kash (1999); Smart, Bessant & Gupta (2007); Behnken (2010). 187 Tracey & Clark (2003). S. 8. 188 Dilk et al. (2008) sehen diesen „lack of institutionalized steps to build up collaborative capabilities […] in contrast to the observed importance of innovation networks” (S. 699).
86
Teil III – Theoretisch-konzeptioneller Zugang
strategy and environment…”189. „Specific skills (knowledge, skills) are seen as neglectable compared with „higher order” capabilities.”190 Zum einen berücksichtigt die Kritik jedoch weniger die neueren Entwicklungen, insb. Teece (2007). Hier findet sich mit der Disaggregation und Mikrofundierung dynamischer Fähigkeiten durchaus eine Beachtung spezifischer Kompetenzen und Prozesse, beispielsweise der Wissensakkumulation, des Austausches sowie der Integration und Ausrichtung von Vermögenswerten (transforming). Auch die rein intern bezogene Perspektive kann unter Verweis auf external search und sensing, Kospezialisierung und die Berücksichtigung technologischer Plattformen und Netzwerkexternalitäten (seizing) nicht (mehr) konstatiert werden (vgl. Abschnitt 1.2). Die von Moldaschl ebenfalls kritisierte Operationalisierungsproblematik wird durch die Disaggregation und Mikrofundierung zumindest entschärft.191 Zum anderen liegt der Nutzen des Ansatzes von Teece (2007) für den theoretisch-konzeptionellen Rahmen dieser Arbeit speziell in seinem starken Bezug zu Innovation und Innovationsfähigkeit sowie der inhaltlichen Differenzierung. Er dient daher i.S.e. theoretischen Fundierung der Innovationsfähigkeit (vgl. Teil II.5.1). Ein möglicher Erklärungsanspruch des DCV als Unternehmenstheorie ist hier nicht von Belang.192 In Anbetracht der Kritik mag es zunächst verwundern, dass Moldaschl Reflexivität „als eine zunehmend wichtige Komponente [des] competitive advantage“ 193 versteht. Doch zeigt dies, dass die Konzeption der Institutionellen Reflexivität nicht grundsätzlich diametral ressourcen- und fähigkeitsorientierten Ansätzen entgegensteht, sondern vielmehr als kommensurabel betrachtet werden kann. Moldaschl selber sieht in der konzeptionellen sowie empirischen Kombination sogar ein lohnenswertes Forschungsvorhaben.194 Denn die Institutionelle Reflexivität ist durch ihre evolutorisch geprägte Perspektive interessiert an Regelhaftigkeiten, an der Herausbildung von Routinen und Handlungsmustern und berücksichtigt, wie auch der RV und DCV, Pfadabhängigkeiten.195 Sie stellt somit nur eine Perspektive auf Veränderungs- beziehungsweise Innovationsfähigkeit dar: die der Regeln und institutionellen, verfahrensförmigen Arrangements. Doch ein „so komplexes Phänomen [..] wird man mit keiner der Perspektiven allein ausreichend beschreiben und erklären können.“196 Die ressourcen- und fähigkeitsorientierte Perspektive des DCV und die beziehungsorientierte Sicht des RV mit einem institutionen- beziehungsweise verfahrensorientierten Erklärungsansatz in einem theoretisch-konzeptionellen Rahmen zu kombinieren ist für eine messbare Konzeption der Innovationsfähigkeit von Netzwerken
189
Moldaschl (2007a), S. 2. Moldaschl (2007a), S. 3 (Hervorh. i.O.). 191 Da Moldaschl (2010) zwar das gängige Verständnis von Fähigkeiten und Kompetenzen kritisiert, in jüngeren Publikation jedoch ebenfalls konstatiert, dass Innovationsfähigkeit aus Sicht der Institutionellen Reflexivität durchaus als Kompetenz aufzufassen sei (vgl. Moldaschl (2011), S. 15), bietet sich eine auf den Mikrofundierungen aufbauende Operationalisierung durchaus an. 192 Vgl. zur Unterscheidung Moldaschl (2009), S. 10. 193 Moldaschl (2004), S. 7. 194 Vgl. Moldaschl (2006), S. 26. 195 Beim DCV sowie RV ist die Herausbildung der Metafähigkeiten u.a. abhängig von Ausgangspositionen der Ressourcen und operationalen Kompetenzen, „shaped by the firm’s asset positions and molded by its evolutionary and co-evolutionary paths“ (Teece, Pisano & Shuen (1997), S. 518). 196 Moldaschl (2006), S. 26. 190
4 Theoretisch-konzeptionelles Zwischenresumé
87
daher vielversprechend.197 Von einer grundlegenden Kommensurabilität kann dabei ausgegangen werden (vgl. Abschnitt 4.1).
4.3 Zusammenfassung der Implikationen zu einem reflexivrelationalen Bezugsrahmen der Innovationsfähigkeit von Netzwerken Ein solch kombiniertes „framework, like a model, abstracts from reality. It endeavors to identify classes of relevant variables and their interrelationships.”198 In diesem Sinne werden die relevanten Bezugspunkte, welche sich aus der Betrachtung und den Implikationen der drei theoretischen Ansätze ergeben, hier verdichtet. Dabei behalten die einzelnen Elemente der jeweiligen Ansätze ihren grundlegenden Charakter. Sie werden jedoch ergänzend aufeinander bezogen und ihre Kernaussagen werden vor dem Hintergrund der Forschungseinheit Innovationsnetzwerke relational interpretiert. Der DCV ermöglicht durch die von Teece (2007) vorgenommene Disaggregation ein funktional differenziertes Verständnis von Innovationsfähigkeit. Mit sensing, seizing und transforming werden drei grundlegende theoretische Facetten aufgezeigt (vgl. Abschnitt 1.2 & 1.3). Eine mit Hilfe von RV und Institutioneller Reflexivität an den Netzwerkwerkkontext angepasste Mikrofundierung ermöglicht es, diese Facetten konkreter zu spezifizieren. Ihre jeweils grundlegenden Funktionen Wahrnehmen, Ergreifen und Umsetzen werden analog zu Teece (2007) durch Mechanismen auf Netzwerkebene untermauert. Teece (2007) selber sieht seine vorgeschlagenen Mikrofundierungen als nicht abschließend geklärt sowie nicht umfassend formuliert199 und daher nur als ausgewählte Elemente200 eines „umbrella framework“201. Eine Interpretation im Kontext von Innovationsnetzwerken, d.h. fundiert und gestützt durch die theoretischen Bezugspunkte zum RV und der Institutionellen Reflexivität, ist daher sinnvoll. Auf Basis der in den Abschnitten 1 bis 3 erörterten Implikationen lassen sich somit wesentliche Elemente zur theoretisch-konzeptionellen, inhaltlichen Fundierung der Innovationsfähigkeit ausmachen:
197
Routinen des Wissensaustausches und institutionell verankerte reflexive Verfahren stellen konkrete Mechanismen der systematischen Wahrnehmung von Innovationschancen und -notwendigkeiten dar (vgl. Abschnitt 2.3 & 3.3). Sie übernehmen die abstrakte Funktion des sensing. Eine innovationsförderliche Kultur als informeller Koordinations- und Steuerungsmechanismus (vgl. Abschnitt 2.3) sowie eine auf Veränderung und Innovation ausgerichtete Innovationsstrategie als explizite Steuerung von Netzwerkaktivitäten (vgl. insb. seizing in Abschnitt 1.2) unterstützen die Ergreifung beziehungsweise die Funktion des seizing von Innovationschancen.
Siehe auch Moldaschl (2006), S. 26. Teece (2007), S. 1320. 199 Vgl. Teece (2007), S. 1321 f. 200 Vgl. ebd. S. 1342. 201 Ebd. S. 1322. 198
88
Teil III – Theoretisch-konzeptioneller Zugang
Die Kospezialisierung der Netzwerkpartner als transformierender Prozess (vgl. Abschnitt 1.2 und 1.3) sowie eine transformationsunterstützende Netzwerkführung (vgl. Abschnitt 1.2) wirken als veränderungsleitende Mechanismen. Sie übernehmen somit die Funktion des transforming zur Umsetzung von Innovationschancen.
Diese sechs Mechanismen sind an den Einsatz von grundlegenden Ressourcen, Wissen und operationalen Kompetenzen gebunden beziehungsweise bauen auf ihnen auf (vgl. Abschnitt 2.3). Innovationschancen sind folglich zumindest in Teilen abhängig von der verfügbaren Ressourcen- und Kompetenzbasis im Netzwerk.202 Sowohl DCV und RV als auch die Konzeption der Institutionellen Reflexivität gehen von einer Ressourcen- und Kompetenzbasis als expliziter Grundlage respektive notwendiger Randbedingung aus (vgl. Abschnitt 4.1).203 In einem gemeinsamen theoretisch-konzeptionellen Rahmen bilden finanzielle Ressourcen sowie Wissen und Kompetenzen daher die Basis der Innovationsfähigkeit. Der RV ermöglicht auch bezüglich dieser Basis eine Spezifizierung für den Netzwerkkontext (vgl. Abschnitt 2.3). Er deutet darauf hin, dass nicht der Umfang von Ressourcen, Wissen und Kompetenzen allein in einem quantitativen Sinne entscheidend ist. Vielmehr ist es zum einen auch die qualitative Komplementarität von Wissen und Kompetenzen der Netzwerkpartner, zum anderen der Umgang mit Ressourcen in Form eines spezifischen Ressourceneinsatzes im Rahmen von Innovationsvorhaben des Netzwerks, welcher als vorteilhaft angesehen wird (vgl. Abschnitt 2.2). Abbildung 1 fasst den hier entwickelten theoretisch-konzeptionellen Bezugsrahmen grafisch zusammen. Er stellt die grundlegende Ressourcen-, Wissens-, und Kompetenzbasis sowie ihre entsprechende Spezifizierung dar. Die Funktionen des sensing, seizing und transforming bauen auf dieser Basis auf. Sie werden ausgeübt von Mechanismen der Wahrnehmung, Ergreifung und Umsetzung von Innovationschancen. Diese konkretisieren sich, interpretiert im relationalen Kontext des Innovationsnetzwerks, in Wissensaustauschroutinen, institutionellen reflexiven Verfahren, einer innovationsförderlichen Kultur und Strategie, der Kospezialisierung der Netzwerkpartner und einer transformationsunterstützenden Netzwerkführung. Zusammen bilden sie analog zu Teece (2007) die Mikrofundierung der Innovationsfähigkeit von Netzwerken. Insgesamt tragen die Implikationen des DCV, des RV und der Institutionellen Reflexivität somit zu einem reflexiv-relational geprägten Verständnis der Innovationsfähigkeit von Netzwerken bei. Der Bezugsrahmen integriert damit die Regel-, Ressourcen- und Beziehungsperspektive auf den Forschungsgegenstand der Arbeit (vgl. Abschnitt 4.2). Er bildet die Basis für die im folgenden Teil IV formulierten Hypothesen, welche zusammen in einem Modell die hier implizierten theoretischen Bezugspunkte explizit beschreiben.
202 Das Ressourcen und operationale Kompetenzen die Basis für dynamische Fähigkeiten darstellen kann als Konsens im DCV gelten. Auch neuere Arbeiten gehen davon aus. Der Fokus neuerer Arbeiten liegt jedoch zumeist, im Unterschied zu Teece, Pisano & Shuen (1997) (positions) und anderen früheren Konzeptionen, stärker in der funktionalen und inhaltlichen Auseinandersetzung mit dynamischen Fähigkeiten als Konstrukten; bspw. Wu (2006); Witt (2008); Teece (2007); Wang & Ahmed (2007); Hou (2008); Pavlou & El Sawy (2011). 203 Vgl. Dyer & Singh (1998), S. 661 beziehungsweise Moldaschl (2006), S. 27.
4 Theoretisch-konzeptionelles Zwischenresumé
Abbildung 1: Theoretisch-konzeptioneller Bezugsrahmen der Innovationsfähigkeit von Netzwerken Quelle: Eigene Darstellung
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Teil IV Modellentwicklung Der in Teil III entwickelte theoretisch-konzeptionelle Bezugsrahmen bildet die Basis für die folgenden Modellannahmen. Sie gliedern sich in Hypothesen über einzelne Dimensionen (Abschnitt 1.1) sowie über Grundlagen und Auswirkungen der Innovationsfähigkeit (Abschnitt 1.2). Neben den theoretisch deduzierten Elementen erörtert Abschnitt 1.3 mögliche ergänzende Einflussfaktoren. Ziel ist die Bildung eines kausalanalytischen Modells, welches Wirkungsbeziehungen zwischen Grundlagen, Dimensionen und Auswirkungen der Innovationsfähigkeit von Netzwerken zusammenfassend abbildet (Abschnitt 1.4). Die in Teil V und VI anschließende Operationalisierung, empirische Erhebung und Modellanalyse verlangt des Weiteren eine Spezifizierung der verwendeten Modellvariablen (Abschnitt 2).
1 Modellannahmen 1.1 Dimensionen der Innovationsfähigkeit Die drei im theoretisch-konzeptionellen Rahmen zentralen Facetten sensing, seizing und transforming beziehen sich auf Innovationen. Ihre sich ergänzende nature wird jeweils über spezifische Funktionen des Wahrnehmens, Ergreifens und Umsetzens von Innovationschancen und -risiken bestimmt. Die in Teil III.4.3 konzeptionell zusammengefassten sechs Mechanismen, welche diese Funktionen abbilden, stellen theoretische Mikrofundierungen der Innovationsfähigkeit dar. Für die empirische Analyse gilt notwendiger Weise: „Wer eigene empirische Forschung anstellt, ist zur Reduktion gezwungen, soll das Ergebnis nicht die Beliebigkeit vieler CBV-Studien haben.“1 Die theoretischen Bezugspunkte werden daher hier zu spezifischen Hypothesen konzentriert. Die Mechanismen werden am relationalen Kontext des Innovationsnetzwerks ausgerichtet und als Komponenten beziehungsweise sechs Dimensionen eines mehrdimensionalen Konstrukts der Innovationsfähigkeit von Innovationsnetzwerken detaillierter beschrieben. Dies bildet eine Grundlage zur Beantwortung der dritten Forschungsfrage, wie dieses Konstrukt operationalisiert und empirisch erfasst werden kann. Wahrnehmen von Innovationschancen Die nature of sensing liegt in einer suchenden, wahrnehmenden und erkennenden Funktion. Innovationschancen sowie mögliche dysfunktionale Entwicklungen als Risiko der Wahrnehmung und weiteren Netzwerkentwicklung müssen systematisch verarbeitet werden. Im Fokus stehen damit zum einen Informations- und Wissensgewinnung der Netzwerkmitglieder. Routinen des Wissensaustausches finden sich sowohl im RV als auch im DCV. Der RV sieht sie als entscheidend für die Entwicklung und Nutzung komplementärer Ressourcen und 1
Moldaschl (2010), S. 11.
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Kompetenzen und ihre Kombination zu idiosynkratischen Netzwerkressourcen. Der DCV versteht sie als ein Element dynamischer Fähigkeiten. „One can separate production routines to sustain current operations […] from learning routines designed to achieve improvement […]. Examples include […] knowledge transfer routines.”2 Mit der Disaggregation dynamischer Fähigkeiten nach Teece (2007) können Wissensaustauschroutinen als geregelte Form des sensing von Innovationschancen betrachtet werden.3 Im Kern geht es dabei um die Gewinnung und Kombination von Wissen als ein wesentliches Merkmal von Innovationsnetzwerken.4 Innerhalb dieser Netzwerke können solche Routinen Wissen und Informationen über Technologien und komplementäre Ressourcen, Kompetenzen und Innovationsvorhaben von Kunden, Zulieferern, Wettbewerbern und wissenschaftlichen Einrichtungen als Kooperationspartner im Netzwerk (vgl. Teil II.2.2) für die Mitglieder zugänglich machen und so neue Innovationschancen aufzeigen.5 Routinen des Wissensaustausches sind Teil des Lernens und Wahrnehmens gemeinsamer Innovationschancen auf Netzwerkebene.6 Sie stellen damit eine Dimension der Innovationsfähigkeit von Netzwerken dar. Neben Wissensaustausch ist zum anderen institutionalisiertes, regelhaftes Analysieren beziehungsweise Reflektieren der Netzwerkentwicklung und diesbezüglicher Dysfunktionalitäten ein wesentliches Fundament des sensing. Zahlreiche Arbeiten weisen auf die Beharrungsanfälligkeit, eine „network inertia“7 von Netzwerkstrukturen und -praktiken hin.8 Die von Moldaschl (2006) vorgeschlagene Konzeption von Institutioneller Reflexivität bietet eine Möglichkeit, Reflexivität auf regelhafte, institutionell eingebettete und damit nicht individuell abhängige Weise darzustellen. Reflexive Verfahren bilden die von Teece (2007) nicht näher erörterten analytischen Systeme des Erkennens und Wahrnehmens von Dysfunktionalitäten im Rahmen des sensing. Grundlegend sind hierfür die fünf Dimensionen der Funktionsweise Institutioneller Reflexivität auf Netzwerkebene zu erfassen. Das Vorhandensein institutioneller Selbstbeobachtung und Selbstkritik, ein systematischer Rückgriff auf Fremdbeobachtung, der kommunikative Bezug zu Fremdreferenz, eine offene Evaluierung von Handlungsfolgen sowie das Entwerfen alternativer Gegenwarten und Zukünfte deuten auf potenziell vorhandene institutionelle Reflexivität hin. Ob diese Dimensionen sich in konkreten, regelmäßig angewandten und kritisch genutzten Maßnahmen zeigen, ist empirisch zu erfassen. Grundsätzlich können solch reflexive Verfah-
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Teece (2009), S. 158 (Ergänz. DPK). Für die einzelnen Organisationen ist dies eine Form der externen Suche und Wahrnehmen im Netzwerk, welches das business ecosystem bildet, vgl. Teece (2007), S. 1325. Aus interner Netzwerkperspektive wird das sensing als analytisches System internalisiert. Es lässt jedoch die Möglichkeit für weiteres externes Wissen, welches die Netzwerkpartner außerhalb der Netzwerkroutinen akkumulieren und ihrer Wissensbasis zuführen, sowie für die Integration neuer Mitglieder offen. 4 Vgl. Fritsch et al. (1998), S. 246 f.; Fischer & Huber (2005) sowie Teil II.2.2 der Arbeit. 5 Vgl. Becker & Dietz (2002), S. 240. 6 Das Netzwerk wird zum Locus des Lernens; vgl. Podolny & Page (1998). 7 Tai-Young, Hongseok & Swaminathan (2006), S. 704. 8 Vgl. bspw. Gulati & Westphal (1999); Hirsch-Kreinsen (2002); Sydow (2009); Sydow (2009a). Nur wenige thematisieren explizit Reflexivität, zumal in der hier angenommenen regelverhafteten Form; vgl. Sydow (2005); Weber (2006); Rometsch & Sydow (2010). 3
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ren zum Erkennen von Dysfunktionalitäten damit als eine Mikrofundierung des sensing und somit als Dimension der Innovationsfähigkeit interpretiert werden. Ergreifen von Innovationschancen Die nature of seizing ist geprägt durch das Ergreifen ausgemachter Chancen. Hierzu bedarf es nach Teece (2007) entsprechend koordinierender Mechanismen. Im Kern stellen sich diese als strategische Überlegungen dar, welche der chancenreichen Projekte auf welche Weise vorangetrieben werden sollen und welche technologischen Plattformen beziehungsweise Standards hierfür relevant sind. In der Essenz geht es um eine strategische Koordination von Innovationschancen. Denn während sensing auf offenen, eher dezentralen und reflexiven Such-, Wahrnehmungs- und Lernprozessen basiert, zeichnet sich seizing auch durch Planung, Priorisierung und Selektion der sich ergebenen Innovationschancen aus.9 Nicht alle Möglichkeiten sind im Hinblick auf notwendige Ressourcen und Kompetenzen sowie Marktentwicklungen und Geschäftsmodelle sinnvoll umsetzbar.10 In Netzwerken sind dabei u.a. die jeweiligen Netzwerkmitglieder und ihre Stellung in der Wertschöpfungskette, ihre verfügbaren Mittel, ihr Commitment zur gemeinsamen Innovation und Zeithorizonte für deren Entwicklung mögliche Kontextfaktoren einer strategischen Betrachtung.11 Eine Strategie unterstützt die Ausrichtung des Netzwerks auf angestrebte Ziele. Konstitutiv für Innovationsnetzwerke ist die Zielausrichtung auf gemeinsame Innovationen zum Erzielen und Sichern von Wettbewerbsvorteilen (vgl. Teil II.2.2). Daher stellt insbesondere eine auf Innovationen ausgerichtete Netzwerkstrategie i.S.e. Innovationsstrategie eine Fundierung des seizing dar und bildet somit eine weitere Dimension der Innovationsfähigkeit.12 Ergänzend wirken Anreize, die Commitment zum Ergreifen von neuen Ideen und vielversprechenden Chancen durch entsprechende Werte und Normen auf Netzwerkebene fördern können. Während die Strategie einen formellen Koordinationsmechanismus darstellt, ist Kultur ein informeller Mechanismus zur Unterstützung der Chancenergreifung. Die Unternehmenskultur wird bereits bei Teece, Pisano & Shuen (1997) als Bestandteil dynamischer Fähigkeiten angeführt.13 Sowohl in den Mikrofundierungen bei Teece (2007) (vgl. III.1.2) als auch im RV (vgl. III.2.2) ist sie als nicht-ökonomischer und nicht-struktureller, sozialer Koordinationsmechanismus von Bedeutung.14 Kultur kann durch geteilte Werte und Normen und eine gemeinsame Ausrichtung auf angestrebte Ziele als Leitlinie für Entscheidungsfindung und Handlungsorientierung wirken.15 Im Rahmen des seizing sind insbesondere Aspekte von Kultur von Bedeutung, welche Veränderung fördern, Offenheit für Neues wertschätzen und Innovationsaktivitäten beeinflussen. Eine solche innovationsförderliche Kultur beziehungsweise Innovationskultur richtet den Fokus somit auf die Ergreifung von
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Vgl. Teece (2007), S. 1343. Vgl. ebd. 1329 ff. 11 Vgl. Teece (2007), S. 1331 ff. 12 Vgl. Fischer & Huber (2005). 13 Vgl. Teece, Pisano & Shuen (1997), S. 518 ff. 14 Vgl. Teece (2007), S. 1334 sowie Dyer & Singh (1998), S. 669 ff. 15 Vgl. bspw. Eriksen & Mikkelsen (1996); Sydow & Windeler (2000); Jamrog (2006); Dooley & O'Sullivan (2007). 10
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Innovationsmöglichkeiten.16 Sie stellt folglich neben der entsprechenden Strategie eine weitere Fundierung des seizing dar und bildet eine Dimension der Innovationsfähigkeit. Umsetzen von Innovationen Die nature of transforming ergibt sich im Zuge der Umsetzung von Innovationschancen. Denn ein wesentlicher Grund für das Engagement in Innovationsnetzwerken ist die finanzielle, technische oder kompetenzbedingte Beschränkung der einzelnen Mitglieder für die autonome Schaffung von Innovationen (vgl. Teil I sowie Teil II.4.2). Im Netzwerk erfolgt daher eine innovationsbezogene Arbeitsteilung, deren wesentliches Merkmal die Spezialisierung der Netzwerkteilnehmer ist.17 Sie findet bezogen auf bestimmte Produktionsschritte oder -prozesse, Technologien, Märkte oder, bei systemischen Innovationen18, auf bestimmte Produkte, Module und Dienstleistungen statt. Zusammen mit Netzwerkpartnern sollen so innovative Problemlösungen oder neuartige Produkt-Service-Kombinationen entstehen. Für eine erfolgreiche Umsetzung ist daher mitunter die (Neu)Ausrichtung tangibler und intangibler assets der Partner notwendig (vgl. III.1.2). I.S.v. Teece (2007) ist dies als fortlaufende Anpassung, als fiting zu interpretieren.19 „An [..] ability to identify, develop, and utilize specialized and cospecialized assets […] is a core dynamic capability.”20 Entscheidend für die Umsetzung von Innovationen im Netzwerk ist dabei nicht die Anpassung und Spezialisierung per se. Vielmehr ist es die fortlaufende, gegenseitig abgestimmte Spezialisierung und Anpassung, ausgerichtet an gemeinsamen Innovationsaktivitäten. Über diese Kospezialisierung von Arbeitsabläufen, Prozessen, Produkten oder Dienstleistungen der Netzwerkmitglieder kann die Bildung von Synergieeffekten erzielt werden (vgl. III.1.2 & III.2.2).21 Der Beitrag der Kospezialisierung drückt sich beispielsweise in den Chancen aus, welche im Netzwerk entstehen und umgesetzt werden, die ohne die Kospezialisierung der Netzwerkpartner nicht möglich wären.22 Sie ist „value enhancing“23 auf Netzwerkebene, da sie positiv auf Innovationen wirken kann. „Resource/asset alignment and coalignment issues are important in the context of innovation“24. Kospezialisierung stellt folglich eine Fundierung des transforming entsprechender assets der Partner dar, ist Teil der Innovationsfähigkeit von Netzwerken und bildet somit eine ihrer Dimensionen. Veränderung, Kospezialisierung und letztendlich die Umsetzung von Innovationen als Kern der theoretischen Facette transforming bedürfen entsprechender Unterstützungs- beziehungsweise Führungsmechanismen.25 Führung wird allgemein verstanden als „Beeinflussung der Einstellung und des Verhaltens von Einzelpersonen sowie der Interaktion in und zwi16
Vgl. Kandemir & Hult (2005), S. 435 f. Vgl. Bellmann & Haritz (2001), S. 286. 18 Vgl. Gerybadze (2004), S. 82 ff. 19 Vgl. Teece (2007), S. 1337 ff. 20 Teece (2009), S. 161. 21 Vgl. Johnston & Lawrence (1988). 22 Vgl. Doz & Hamel (1998), S. 81 sowie zur positiven Wirkung von Kospezialisierung auf Innovationen bei Kooperationen in der pharmazeutischen Industrie Orsenigo, Pammolli & Riccaboni (2001). 23 Teece (2007), S. 1338. 24 ebd., S. 1328. 25 Vgl. Teece (2007), S. 1339 ff. Allgemein zu Führung in Netzwerken siehe Müller-Seitz (2011). 17
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schen Gruppen, mit dem Zweck, bestimmte Ziele zu erreichen.“26 Im Innovationsnetzwerk kann nicht von einer einheitlichen beziehungsweise hierarchischen Führung ausgegangen werden, da die Mitglieder rechtlich i.d.R. nicht gebunden sind (vgl. Teil II.2.2) und nicht zwischen allen Mitgliedern direkte Beziehungen bestehen müssen (vgl. II.4.1 & III.2.2). Führung ist hier daher nicht als zentrales Phänomen zu betrachten.27 Vielmehr ist sie auf mehreren Ebenen, d.h. in den konkreten Interaktionen der Netzwerkpartner, beispielsweise in einzelnen Arbeitsgruppen, gemeinsamen Projektteams oder übergeordneten Gremien, bedeutsam.28 Führung kann in diesem Kontext veränderungsunterstützend i.S.d. transforming wirken, wenn sie Eigenverantwortung, dezentrale Entscheidungen und Motivation zur Umsetzung von Neuerungen in den Interaktionen vermittelt. Ohne formale hierarchische Führung liegt der Fokus dabei nicht auf Eigenschaften und Verhalten von Führern29, sondern in der (emergenten) Interaktionsbeziehung zwischen Führungspersönlichkeiten und Interaktionsbeteiligten.30 Unter diesen Bedingungen adressiert „Leadership […] the follower’s sense of self-worth in order to engage the follower in true commitment and involvement […] Transformational leaders motivate others to do more than they originally intended and often even more than they thought possible.”31 Eine solch transformationale oder veränderungsorientierte Führung „…acts to bring about change in others, […] strives to transform, […] induces change, […] challenges the status quo and creates change.“32 Sie sollte i.S.d. transforming im Netzwerkkontext daher die Umsetzung von Veränderungen für eine positive Netzwerkentwicklung und die weitere Wahrnehmung von sensing und seizing fördern. Sie bildet damit eine weitere Dimension der Innovationsfähigkeit. Innovationsfähigkeit als mehrdimensionales Konstrukt Zusammenfassend zeigt sich, dass eine relationale Interpretation der drei theoretischen Facetten sensing, seizing und transforming Aspekte und konstitutive Merkmale der Forschungseinheit Netzwerk mit Hilfe der Implikationen des RV und der Institutionellen Reflexivität aufgreifen muss (vgl. Teil III.4.2). Die geringe hierarchische beziehungsweise weniger einheitliche Steuerung von Netzwerken gegenüber Unternehmen durch ein i.d.R. nicht in gleichem Maße vorhandenes und legitimiertes Topmanagement, welchem bei Teece (2007) hohe Bedeutung zugesprochen wird33, verlangt dabei nach einer stärkeren Fundierung der Facetten in strukturellen, prozessualen und koordinierenden Mechanismen, als sie aus Sicht des DCV vertreten wird. Die konkrete Mikrofundierung der Facetten findet sich auf Netzwerkebene daher in institutionalisierten Verfahren der Reflexivität, Austauschroutinen, Strategie und Kultur als Koordinationsmechanismen sowie Kospezialisierung wieder. I.S.d. 26
Staehle (1999). S. 328; ähnlich Neuberger (2002), S. 11 ff. mit einem Überblick. Vgl. bspw. Winkler (2006). 28 Vgl. hierzu Sydow & Zeichhardt. R. (2008); Sydow et al. (2011), die in der Führungsforschung im Netzwerkkontext nach wie vor eine Forschungslücke ausmachen, auch zehn Jahre nach den ersten Fragen an die Führungsforschung; vgl. Sydow (1999); Sydow (2010a). 29 Vgl. traits and behavioral theories der Führungsforschung; bspw. bei Hernandez et al. (2011), S. 1169 ff. 30 Vgl. Hernandez et al. (2011), S. 1173. 31 Bass (1998), S 4. 32 Conger & Kanungo (1998), S. 9. 33 „Dynamic Capabilities reside in large measure with the enterprise’s top management team, but are impacted by the organizational processes, systems, and structures …” Teece (2007), S. 1346. 27
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Modellentwicklung sind sie auf dieser Ebene als relationale, d.h. beziehungsgeprägte Dimensionen der Innovationsfähigkeit von Netzwerken zu verstehen. Sie werden ergänzt um spezifische Elemente der Netzwerkführung. Dabei wird berücksichtigt, dass in Innovationsnetzwerken konkrete Kooperation und Interaktion und damit wesentliche Aspekte von gemeinsamen Innovationsaktivitäten aufgrund des weniger ausgeprägten hierarchischen Topmanagements i.d.R. nicht zentral gesteuert werden. Vielmehr ist das Führungsverhalten wichtiger Personen in Arbeitskreisen, Gremien oder Projektgruppen relevant.34 Eine entsprechend veränderungs- beziehungsweise transformationsorientierte Führung durch diese Personen wird daher ebenfalls als eine Dimension der Innovationsfähigkeit von Netzwerken verstanden. Einzeln betrachtet ist keine dieser sechs Dimensionen alleine gleichbedeutend mit Innovationsfähigkeit und kann ohne die anderen kein Gesamtverständnis von Innovationsfähigkeit auf Netzwerkebene abbilden. Nur zusammen können sie die Funktionen von Wahrnehmen, Ergreifen und Umsetzen erfüllen (vgl. Teil III.4.3). Insgesamt stellt sich die Innovationsfähigkeit damit als ein mehrdimensionales Konstrukt dar, welches über alle Dimensionen definiert wird. Da diese selber theoretisch gebildete, d.h. latente Variablen darstellen, handelt es sich bei der Innovationsfähigkeit um ein höher aggregiertes Konstrukt auf 2. Ebene. Dies folgt auch den Annahmen des DCV von dynamischen Metafähigkeiten auf höherer Abstraktionsebene (vgl. Teil III.1.1).35 I.S.d. zweiten Forschungsfrage – Welche inhaltlichen Aspekte zeichnen diese Fähigkeit auf Netzwerkebene aus und welche wesentlichen Einflussfaktoren wirken auf sie? – sowie als Grundlage zur Beantwortung der dritten Frage – Wie lässt sich Innovationsfähigkeit operationalisieren und empirisch erfassen? – wird damit folgende zentrale Hypothese formuliert:
H1: Die Innovationsfähigkeit von Netzwerken ist ein mehrdimensionales Konstrukt und wird durch die sechs Dimensionen Wissensaustauschroutinen, Institutionalisierte Reflexivität, Innovationskultur und -strategie, Kospezialisierung sowie Transformationsorientierung der Netzwerkführung definiert.
1.2 Voraussetzungen und Wirkungen der Innovationsfähigkeit Sowohl der DCV als auch der RV bauen auf dem ressourcenorientierten Paradigma der strategischen Managementforschung auf. Anders als im klassischen RBV36 sind die basalen Ressourcen dabei jedoch lediglich ein Fundament für höher aggregierte, komplexere Fähigkeiten.37 Dennoch wird der Ressourcenbasis ein Nutzen beziehungsweise eine grundlegende Wirkung zugesprochen.38 Entsprechend baut auch die Innovationsfähigkeit als theoretisches beziehungsweise latentes Konstrukt aus sechs Dimensionen auf einer fundamentalen Res34
I.S.d. liberalen methodologischen Individualismus (vgl. Teil II.1) ergänzt der Führungsstil als stärker personenbezogene Variable die stärker institutionell fundierten Variablen in einem gemeinsamen Erklärungsrahmen. 35 Vgl. bspw. Coombs & Metcalfe (2000), S. 217; Winter (2003), S. 992. 36 Vgl. Penrose (1959); Barney (1991). 37 Vgl. Coombs & Metcalfe (2000), S. 217; Winter (2003), S. 992. 38 Vgl. Håkansson & Snehota (1995).
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sourcenbasis auf.39 Diese lässt sich durch tangible und intangible Ressourcen beschreiben. Als universale tangible Ressource werden Finanzmittel erachtet. Wissen und operationale Kompetenzen stellen intangible Ressourcen dar.40 Finanzielle Ressourcen des Netzwerks Teece, Pisano & Shuen (1997) sehen finanzielle Ressourcen als eine der wesentlichen Grundlagen – positions – von dynamischen Fähigkeiten.41 Sie bestimmen die Möglichkeiten zur Finanzierung von Innovationsvorhaben, zur Suche, Wahrnehmung und Ergreifung von Innovationschancen.42 Somit wird auch im Rahmen des vorliegenden Modells angenommen, dass das Vorhandensein einer ausreichenden finanziellen Ressourcenbasis eine positive Wirkung auf die Innovationsfähigkeit von Netzwerken hat.
H2: Die finanzielle Ressourcenbasis des Netzwerks bildet eine Grundlage der Innovationsfähigkeit. Sie trägt insgesamt positiv zur Erklärung der Innovationsfähigkeit bei.
Hypothese H2 geht allerdings nur von einem generellen Zusammenhang zwischen finanziellen Ressourcen und Innovationsfähigkeit aus. Da diese jedoch als Konstrukt mit sechs individuellen Dimensionen verstanden wird, kann die generelle Annahme weiter differenziert und auf die einzelnen Dimensionen übertragen werden. Somit wird von einer insgesamt positiven Wirkbeziehung finanzieller Ressourcen ausgegangen, die jedoch nicht zwingend auf alle Dimensionen gleich ausgeprägt sein muss. Sie wird zwar in allen sechs Fällen als positiv angenommen. Doch kann beispielsweise die Wirkung finanzieller Ressourcen für den regelmäßigen Einsatz reflektiver Verfahren und Instrumente stärker ausgeprägt sein als für das Führungsverhalten von wichtigen Personen im Netzwerk. In Ergänzung zu Hypothese H2, die eine Beziehung zwischen Ressourcen und dem Gesamtkonstrukt der Innovationsfähigkeit postuliert, wird daher Hypothese H2a formuliert.
H2a: Die finanzielle Ressourcenbasis des Netzwerks hat einen direkten positiven Einfluss auf die Ausprägung der Dimensionen der Innovationsfähigkeit.
Spezifität des finanziellen Ressourceneinsatzes Insbesondere innovationsspezifische Ressourcen stellen aus der Perspektive des RV Investitionen in die für Innovationsnetzwerke zentrale gemeinsame Zielsetzung der Innovationsgenerierung dar. Sie sind damit auch beziehungsspezifische Investitionen i.S.d. Innovationsbeziehung und der darin bestehenden Abhängigkeit der Netzwerkpartner (vgl. Teil II.2.2). Der Ressourceneinsatz ist folglich von Relevanz für die angestrebten Innovati-
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Diesen Bezug zur Innovationsfähigkeit drücken Eisenhardt & Martin (2000), S. 1107 als „processes that use resources [...] to match and even create market change” aus. 40 Vgl. Teece (2007), S. 1344 f. 41 Vgl. Teece, Pisano & Shuen (1997), S. 521. 42 Auch bei Moldaschl (2006), S. 21 konstatiert, dass „alle Verfahren [der Reflexivität] mit Aufwand, also Kosten verbunden“ sind.
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onsvorhaben und somit für die Innovationsfähigkeit.43 Er ist abhängig vom grundlegenden Vorhandensein finanzieller Ressourcen. Die Spezifität ihres Einsatzes bezogen auf Innovationsvorhaben wird als Ressourcenspezifität bezeichnet. Neben möglichen direkten Einflüssen der grundlegenden finanziellen Ressourcenbasis auf die Innovationsfähigkeit und ihre einzelnen Dimensionen (H2 & H2a) werden auch indirekte Wirkungen vermutet. Die Variable Ressourcenspezifität vermittelt44 den Einfluss finanzieller Ressourcen auf das Gesamtkonstrukt (H3) sowie auf die Dimensionen (H3a).
H3: Die Ressourcenspezifität vermittelt den Einfluss von finanziellen Ressourcen auf die Innovationsfähigkeit. H3a: Die Ressourcenspezifität vermittelt den Einfluss von finanziellen Ressourcen auf die Dimensionen der Innovationsfähigkeit.
Wissen und Kompetenzen der Netzwerkpartner Neben einer tangiblen, finanziellen Ressourcenbasis werden auch intangible Ressourcen wie Wissen und operationale Kompetenzen als wesentliche Grundlage von Innovationsfähigkeit erachtet.45 „… Wissen [spielt] für die Intensität und den Verlauf von Innovationen, die Koordination von Innovationsprozessen und die Handlungsfähigkeit der beteiligten Organisationen und Unternehmen eine zentrale Rolle.“46 Analog zur finanziellen Ressourcenbasis lassen sich die Wirkungsbeziehungen sowohl auf das Konstrukt insgesamt (H4) wie auch auf die einzelnen Dimensionen der Innovationsfähigkeit (H4a) postulieren.
H4: Die Wissens- und Kompetenzbasis der Mitglieder bildet eine Grundlage der Innovationsfähigkeit von Netzwerken. Sie trägt insgesamt positiv zur Erklärung der Innovationsfähigkeit bei. H4a: Die Wissens- und Kompetenzbasis der Mitglieder hat einen direkten positiven Einfluss auf die Ausprägung der Dimensionen der Innovationsfähigkeit.
Komplementarität von Wissen und Kompetenzen Der RV deutet darauf hin, dass die Komplementarität der Netzwerkmitglieder bezogen auf ihr Wissen und ihre Kompetenzen entscheidend für die Chancenwahrnehmung, -ergreifung und -umsetzung in Innovationen ist.47 Unter Komplementarität wird eine mögliche Anschlussfähigkeit und potenziell synergetische Nutzung zwischen den Netzwerkmitgliedern verstanden.48 Dies bedeutet gerade nicht Gleichheit, sondern sich ergänzende Verschieden43
Auch Teece, Pisano & Shuen (1997) gehen davon aus, dass der cash flow zielgerichtet eingesetzt werden muss, um spezifische Pfade einzuschlagen und beispielsweise Rekonfigurationsprozesse zu forcieren; vgl. Teece, Pisano & Shuen (1997), S. 521. 44 Im Modell stellen die vermittelnden Variablen somit Mediatoren zwischen Basis und Innovationsfähigkeit beziehungsweise den einzelnen Dimensionen dar. Zu methodischen Erläuterungen des Mediatoreffekts siehe Teil V.2.5. 45 Vgl. bspw. Kogut & Zander (1992), S. 384; Galunic & Eisenhardt (2001), S. 1229; van Wijk, van den Bosch & Volberda (2003), S. 442. 46 Sydow et al. (2003), S. 138. 47 Vgl. Cowan & Jonard (2009), S. 320. 48 Vgl. Beamish (1988); Harrigan (1988); Harrison & Håkansson (2006).
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heit.49 Sie bietet Anreize zur Kombination im Rahmen des Netzwerks und damit zur Schaffung von Innovationen.50 Auch Teece (2007) konstatiert, dass sensing, sizing und transforming „differ according to the [..] existing positions with respect to the relevant complementary assets.“51 Entscheidend ist es daher u.a., „diese komplementären Kompetenzen zu einem Mosaik zu vereinen und den Rahmen [u.a.] für einen effizienten Wissensaustausch […] zu schaffen.“52 Im Modell wird Ressourcenkomplementarität53 daher auf die immaterielle Wissens- und Kompetenzbasis der Netzwerkmitglieder bezogen, deren grundlegendes Vorhandensein prinzipiell Voraussetzung ist. Komplementarität vermittelt die Wirkung dieser Wissens- und Kompetenzbasis auf die Innovationsfähigkeit (H5) und die einzelnen Dimensionen (H5a).
H5: Die Ressourcenkomplementarität vermittelt den Einfluss der Wissens- und Kompetenzbasis der Mitglieder auf die Innovationsfähigkeit. H5a: Die Ressourcenkomplementarität vermittelt den Einfluss der Wissensund Kompetenzbasis der Mitglieder auf die Dimensionen der Innovationsfähigkeit.
Die finanzielle Ressourcenbasis des Netzwerks und die Wissens- und Kompetenzbasis der Netzwerkmitglieder bilden damit insgesamt die Grundlagen und basalen Voraussetzungen für die Innovationsfähigkeit von Netzwerken. Ihr Einfluss wird insbesondere dann angenommen, wenn Erste innovationsspezifisch eingesetzt wird und Zweite auch über die Organisationsgrenzen hinweg komplementär ist.54 Die Grundlagen und mediierenden, d.h. vermittelnden Variablen sind nicht konzeptioneller Teil des eigentlichen Innovationsfähigkeitskonstrukts bestehend aus den sechs verschiedenen Dimensionen. Sie sind vielmehr dessen notwenige (Ressourcen) und hinreichende (mediierende Effekte) Bedingung. Interne und externe Innovationen als potenzielle Wirkungen der Innovationsfähigkeit Unter Berücksichtigung der Netzwerkbezugsebene von Innovationen wurden netzwerkexterne Marktinnovationen i.S.v. Produkten, Dienstleistungen und technologischen Neuerungen beschrieben, welche aus Sicht des Netzwerks neu oder verändert sind und aus dem Netzwerk heraus erfolgreich am relevanten Markt eingeführt werden. Interne Netzwerkinnovationen sind auf Netzwerkebene eingeführte Neuerungen von Strukturen, Prozessen, methodischen Maßnahmen zur Netzwerkkoordination und -steuerung sowie internen Dienstleistungen für Netzwerkmitglieder, welche aus Sicht des Netzwerks neu oder verändert sind (vgl. Teil 49
Vgl. Kale, Singh & Perlmutter (2000), S. 224. Vgl. Harrigan (1986). 51 Teece (2007), S. 1326 (Hervorh. DPK). 52 Behnken (2010), S. 201 (Anmerk. DPK). 53 Während sich Komplementarität auf eine grundlegende Wissens- und Kompetenzbasis der Netzwerkmitglieder bezieht, stellt Kospezialisierung einen Prozess der weiter intensivierenden, innovationsspezifischen gegenseitigen Anpassung konkreter Produktionsverfahren, Produkte, Technologien, Arbeitsprozesse etc. dar. 54 Dies ist auch i.S.v. Moldaschl und anschlussfähig an die Konzeption der Institutionellen Reflexivität: „Was zur Ressource wird, […] hängt allein davon ab, ob ein materielles oder immaterielles Gut in einem spezifischen oder institutionellen Handeln zweckgebundene Verwendung findet.“ Vgl. Moldaschl (2005a), S. 44 (Hervorh. DPK). 50
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II.3.1). Als Wirkungen der Innovationsfähigkeit von Netzwerken lässt sich damit das Ausmaß dieser internen und externen Innovationen verstehen. Hierin liegt das wesentliche konstitutive Ziel von Innovationsnetzwerken (vgl. Teil II.2.2).
H6: Die Ausprägung der Innovationsfähigkeit von Netzwerken wirkt positiv auf das Ausmaß, in welchem aus dem Netzwerk heraus Innovationen am Markt platziert werden. H7: Die Ausprägung der Innovationsfähigkeit von Netzwerken wirkt positiv auf das Ausmaß, in welchem interne Netzwerkinnovationen eingeführt werden.
1.3 Ergänzende Einflussfaktoren Die theoretisch deduzierten Annahmen zu den Dimensionen, Grundlagen und Wirkungen der Innovationsfähigkeit stellen postulierte Beziehungen zwischen latenten, theoretischen Konstrukten dar. Daneben ergeben sich aus der Darstellung der Forschungseinheit Innovationsnetzwerk (vgl. Teil II.2) weitere Faktoren, welche die Innovationsfähigkeit oder das Ausmaß an Innovationen beeinflussen können. Diese sind nicht theoretisch deduziert, sondern basieren auf sachlogischen Überlegungen. Hierzu zählen das Netzwerkalter, die Netzwerkgröße, die Kooperationserfahrung der Netzwerkmitglieder und die Erfahrung des Netzwerkmanagements sowie der Anteil der Forschungseinrichtungen am Netzwerk. Da diese Faktoren nicht modellimmanent sind, wird für sie keine eigene Forschungshypothese entwickelt. Sie werden jedoch als zu prüfende Variablen im Zuge der Modellanalyse aufgenommen, da sie einen potenziellen Einfluss auf die Innovationsfähigkeit beziehungsweise das Ausmaß an Innovationen haben können. Dieser wird in Relation zum theoretisch deduzierten Modell jedoch als gering angenommen. Alter und Größe des Innovationsnetzwerks Das Ausmaß an internen und externen Innovationen kann sich mit zunehmendem Alter und Größe des Netzwerks verändern. Je mehr Netzwerkmitglieder an Innovationen arbeiten, desto größer ist der potenzielle Innovationsoutput des gesamten Netzwerks. Es können mehrere Innovationsprojekte gleichzeitig verfolgt werden. Ebenso werden mit wachsender Mitgliederzahl interne Innovationen im Netzwerk eher notwendig, um beispielsweise Koordination und Kommunikation zwischen allen Beteiligten zu gewährleisten. Neue Verfahren werden eingeführt und weitere Kommunikationskanäle werden möglicherweise genutzt. Bei einer größeren Mitgliederzahl sind netzwerkinterne Dienstleistungen mitunter finanziell eher sinnvoll als bei einem kleinen internen Nutzerkreis. Je länger das Netzwerk besteht, desto mehr Innovationsprojekte werden potenziell abgeschlossen. Netzwerkalter und -größe haben daher einen möglichen direkten Einfluss auf das Ausmaß an internen und externen Innovationen. Kooperationserfahrung der Netzwerkmitglieder Eine größere Kooperationserfahrung der Netzwerkpartner kann potenziell zum intensiveren Wissensaustausch, der weiteren Kospezialisierung und der Entwicklung einer stärkeren gemeinsamen Innovationskultur und -strategie beitragen, wenn ein `erprobter´ Umgang mit
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Kooperationspartnern besteht.55 „members of the [...] networks [..] who […] have a proven track record of previous relationships, will positively influence […] collaborative innovative capacity…”56 Die Ausprägung der Kooperationserfahrung ist somit zu prüfen, da sie einen möglichen beeinflussenden Faktor der Innovationsfähigkeit von Netzwerken darstellt. Netzwerkmanagementerfahrung Die Koordination von Innovationsnetzwerken geschieht in einem Spannungsverhältnis von innovationsbezogener Abhängigkeit und rechtlicher Autonomie der Netzwerkpartner. Sie kann dabei auf eher hierarchische oder eher heterarchische Weise geschehen (vgl. Teil II.2.2). Während eine bestimmte Ausprägung der Steuerungsform nicht als charakterisierendes Merkmal von Innovationsnetzwerken gilt, kann gleichwohl die Erfahrung des Netzwerkmanagements beziehungsweise des Netzwerkkoordinators einen potenziellen Einfluss auf die Kooperation der Netzwerkpartner und damit auf die als relationales Konstrukt verstandene Innovationsfähigkeit des Netzwerks haben.57 „Those responsible for 58 managing network relationships need to learn core network competencies over time.” Die Netzwerkmanagementerfahrung wird daher ebenfalls als möglicher Einflussfaktor der Innovationsfähigkeit berücksichtigt. Forschungsanteil Nach Hirsch-Kreinsen (2007) ist eine tendenziell wachsende Komplexität mit stärker branchen- und disziplinübergreifender Vernetzung bei Innovationen zu beobachten. Gerade für kleine und mittelgroße Unternehmen sind die Ressourcen hierfür schnell erschöpft (vgl. Teil I.1). Der Wissenschaftsbereich gewinnt mit forschungsintensiveren, grundlagenorientierteren Innovationsvorhaben an Einfluss. Dies legt die Kooperation mit wissenschaftlichen Einrichtungen nahe.59 Innovationsnetzwerke stellen solche Kooperationsformen zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen dar (vgl. Teil II.2.2). Die wesentliche Orientierung und Hauptaufgabe von Forschungseinrichtungen liegt in der Entdeckung und Entwicklung von Neuerungen beziehungsweise Innovationen. Der Anteil wissenschaftlicher Forschungseinrichtungen an interorganisationalen Innovationsnetzwerken wird daher als möglicher Faktor für das Ausmaß an Innovationen betrachtet. Da der Anteil unterschiedlich groß sein kann, wird er als zu kontrollierende Variable aufgenommen.
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Vgl. Doz (1996) zu revealed complementarity; ferner Inkpen & Tsang (2005). Inkpen & Tsang (2005), S. 433 f. 57 Vgl. Pfirrmann (2007), S. 114. 58 Pittaway et al. (2004), S. 158. 59 Vgl. Hirsch-Kreinsen (2007), S. 134 ff. 56
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1.4 Zusammenfassung des Hypothesensystems Die Hypothesen über Zusammenhänge von Grundlagen, Dimensionen und Wirkungen der Innovationsfähigkeit sind in Tabelle 6 zusammengefasst. Eƌ͘
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