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German Pages 263 [264] Year 2023
Immanuel Kant: Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre
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Herausgegeben von Otfried Höffe
Band 19
Immanuel Kant: Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre 2. Auflage
Herausgegeben von Otfried Höffe
ISBN 978-3-11-078108-3 e-ISBN (PDF) 978-3-11-078250-9 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-078262-2 ISSN 2192-4554 Library of Congress Control Number: 2023940186 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2024 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Umschlagabbildung: wynnter/iStock/Getty Images Plus Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com
Inhalt Zitierweise
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Otfried Höffe 1 Einführung
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Allen W. Wood 2 Kant’s Doctrine of Right: Introduction
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Otfried Höffe 3 Der kategorische Rechtsimperativ 33 „Einleitung in die Rechtslehre“ Robert B. Pippin 4 Dividing and Deriving in Kant’s Rechtslehre
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Hans Friedrich Fulda 5 Erkenntnis der Art, etwas Äußeres als das Seine zu haben 69 Erster Teil. Erstes Hauptstück Kristian Kühl 6 Von der Art, etwas Äußeres zu erwerben, insbesondere vom Sachenrecht 93 §§ 10–17 Peter König 7 §§ 18–31, Episodischer Abschnitt, §§ 32–40 Terry Pinkard 8 Kant, Citizenship, and Freedom (Metaphysics of Morals, §§ 41–52)
105
123
Bernd Ludwig 9 Kommentar zum Staatsrecht (II) §§ 51–52; Allgemeine Anmerkung A; Anhang, Beschluss
145
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Inhalt
Jean-Christophe Merle 10 Funktionen, Befugnisse und Zwecke der Staatsverwaltung Zur Allgemeinen Anmerkung zu § 52, B–D 163 Otfried Höffe 11 Vom Straf- und Begnadigungsrecht
177
Alessandro Pinzani 12 Das Völkerrecht §§ 53–61 193 Jörg Paul Müller 13 Das Weltbü rgerrecht (§ 62)
211
Otfried Höffe 14 Ist Kants Rechtsphilosophie noch aktuell? 241
Auswahlbibliographie 249
Personenregister Sachregister
251
Hinweise zu den Autoren
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Zitierweise Kant wird nach der Ausgabe der Preußischen Akademie der Wissenschaften (Berlin 1902 ff.) zitiert, z. B. VIII 289, 11 = Bd. VIII, S. 289, Z. 11. Auf die Metaphysischen Anfangsgründe der Rechtslehre, kurz: Rechtslehre (VI 203–372) wird in der Regel ohne Angabe des Bandes nur mit der Seitenzahl verwiesen. Bei der Kritik der reinen Vernunft werden die Seitenzahlen der ersten (= A) oder zweiten (= B) Auflage angegeben, z. B. B xvii = 2. Aufl., S. xvii. Klassische philosophische Texte werden im Literaturverzeichnis am Ende des Bandes aufgeführt. Auf andere Literatur wird mit dem Namen des Verfassers und dem Erscheinungsjahr Bezug genommen.
Siglen Anfang Mutmaßlicher Anfang der Menschengeschichte (VIII 107–124) Anthropologie Anthropologie in pragmatischer Absicht (VII 117–334) Beweisgrund Der einzig möglich Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes (II 63– 164) Einl. KU Erste Einleitung in die Kritik der Urteilskraft (XX 193–251) Frieden Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf (VIII 341–386) Gemeinspruch Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis (VIII 273–313) Grundlegung Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (IV 385–463) Idee Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht (VIII 15–32) KpV Kritik der praktischen Vernunft (V 1–163) KrV Kritik der reinen Vernunft (A: IV 1–252, B: III 1–552) KU Kritik der Urteilskraft (V 165–485) Op. post. Opus postumum (XXI 1–645, XXII 1–824) Religion Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft (VI 1–202) RL Die Metaphysik der Sitten. Erster Teil: Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre (VI 203–372) RR Reflexionen zur Rechtsphilosophie (XIX 442–613) Streit Der Streit der Fakultäten (VII 1–116) Theodicee Über das Mißlingen aller philosophischen Versuche in der Theodicee (VIII 253–272) TL Die Metaphysik der Sitten. Zweiter Teil: Metaphysische Anfangsgründe der Tugendlehre (VI 373–493) Untersuchung Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen Theologie und der Moral (II 273–301) Vorarbeiten Vorarbeiten zu Die Metaphysik der Sitten. Erster Teil. Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre (XXIII 207–370)
https://doi.org/10.1515/9783110782509-001
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1 Einführung 1.1 Eine späte Entdeckung des Rechts? Im Allgemeinwissen ist Immanuel Kant als Verfasser einer Vernunftkritik bekannt, die die gesamte überlieferte Fundamentalphilosophie, die Metaphysik, destruiert und zugleich eine neue Metaphysik etabliert. Darüber hinaus kennt man ihn, wegen des kategorischen Imperativs, als Moralphilosophen, vielleicht auch noch als Theoretiker der Ästhetik. Eine Rechts- und Staatsphilosophie kommt dabei nicht vor. Wer Kants erstes großes Werk, die Kritik der reinen Vernunft, genauer studiert, bemerkt zwar, daß schon sie, ein Werk zur theoretischen Philosophie, letztlich ein praktisches Interesse verfolgt. Die Vernunftkritik – lesen wir in der Vorrede zur zweiten Auflage – will „die wahre Quelle alles der Moralität widerstreitenden Unglaubens“ aufspüren und „allen Entwürfen wider Sittlichkeit und Religion auf sokratische Art, nämlich durch den klärsten Beweis der Unwissenheit der Gegner, auf alle künftige Zeit ein Ende“ machen (B xxx f.). Mehr noch: die Kritik bereitet Kants kritische Moralphilosophie nicht bloß vor, sondern enthält schon deren wichtigste Gedanken. Der Abschnitt „Von dem Ideal des höchsten Guts“ bietet nicht weniger als einen Schnellkurs in Kantischer Ethik. Die Rechtsphilosophie taucht dabei aber nicht auf. Nur der besonders aufmerksame Leser findet auch in der Kritik rechtsphilosophische Grundgedanken wie den Naturzustand und seine Überwindung durch einen Rechtszustand. Sie fehlen aber in den ethischen Prolegomena, in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten und der Kritik der praktischen Vernunft. Um so überraschender macht in Kants schließlichem System der Moral, in der nur zweiteiligen Metaphysik der Sitten, die Rechts- und Staatsphilosophie einen eigenen, sogar den ersten Teil aus. Man kann sich daher fragen: Hat Kant das Recht als philosophisches Thema erst spät entdeckt und ihm dann, im Eifer der Entdeckung, ein überproportionales Gewicht eingeräumt? Die späte Entdeckung wäre erstaunlich, da sich Kant in der Regel die Philosophie der Neuzeit umfassend erarbeitet und in ihr – von Hobbes über Locke bis Rousseau – das Recht samt seiner öffentlichen Sicherung im Staat ein nicht übersehbares Gewicht erhält. Tatsächlich dürfte Kant schon im Sommersemester 1767 über„Naturrecht“ gelesen haben. Nach den Zeugnissen seiner Bibliothek studiert er rechtswissenschaftliche und rechtsphilosophische Werke mindestens schon in den Jahren 1762–64; und noch einmal 20 Jahre früher hört er während seines Studiums beim Wolff-Schüler Martin Knutzen (1713–51) Vorlesungen über „Naturrecht“. Kant selber liest unter diesem Titel bis zum Jahr 1788 zwölfmal die Rechtsphilosophie. https://doi.org/10.1515/9783110782509-002
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Daraus ergibt sich denn doch eine bis zum Erscheinen der Rechtslehre (1797) sehr lange Beschäftigung mit dem Recht: Seit den ersten Vorlesungen, die Kant hört, sind es etwa 55 Jahre, seit den eigenen Vorlesungen immerhin noch 30 Jahre. Unter dem Naturrecht versteht man im 17. und 18. Jahrhundert das nichtempirische Gegenstück zur empirischen Staatswissenschaft. Es bildet in dieser neueren, offenbarungsfreien und ausschließlich aus Vernunft (freilich nicht immer nur aus reiner Vernunft) begründeten Form eine voll etablierte Disziplin. Als ein Teil der praktischen Philosophie und zugleich Propädeutik der positiven Rechtswissenschaft gehört sie zu beiden Fakultäten, sowohl zur Jurisprudenz als auch zur Philosophie. Und weil die entsprechenden Juristen philosophisch gebildet sind, nimmt es nicht wunder, daß die großen Naturrechtswerke des 17. und 18. Jahrhunderts aus der Feder von Juristen stammen: von Hugo Grotius De iure belli ac pacis (1625), von Samuel Pufendorf De iure naturae et gentium (1672) und von Christian Thomasius Fundamenta iuris naturae et gentium (1705). Freilich sind mit Hobbes, später John Locke und Jean-Jacques Rousseau auch Philosophen vertreten; diese schreiben aber keine Lehrbücher des Naturrechts. Daß Kant, obwohl er sich schon früh mit systematischer Rechts- und Staatsphilosophie befaßt, auf seinen eigenen Entwurf so lange warten läßt, hängt mit seinem großen philosophischen Lebensplan zusammen. Zunächst soll die Philosophie auf eine neue Grundlage gestellt werden; dies geschieht in der Kritik der reinen Vernunft (1781). Erst danach lassen sich die beiden Themenbereiche Notwendigkeit bzw. Natur und Freiheit bzw. menschliche Praxis sachgerecht bearbeiten. Weil die Rechtslehre auf der Kritik und der sich anschließenden Grundlegung der Metaphysik der Sitten aufbaut, gelingt ihr eine im Prinzip transzendental gesicherte Rechtstheorie a priori. Ihre Grundlage bildet die reine Vernunftidee von Recht. Umgekehrt enthält die Kritik, da sich Kant schon lange vorher mit dem Recht befaßt, eine Fülle von Anklängen an den Rechts- und Staatsbereich. Sie beginnen mit dem Titel und seiner Erläuterung durch das Bild des Gerichtshofes und reichen über die Begriffe der Deduktion und der quaestio iuris/facti bis zu den Hinweisen auf die platonische Republik (B 372) und zur Rede vom Zensoramt (B 879). Der erste Text, der das Wort „Recht“ im Titel trägt, erscheint zwar erst im Jahr 1786; Kant rezensiert die ihm zugesandte Erstlingsschrift Gottlieb Hufelands: Versuch über den Grundsatz des Naturrechts. Eine erhebliche rechtsphilosophische Bedeutung hat aber schon die geschichtsphilosophische Abhandlung Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht (1784). Der Fortschritt der Menschheit wird nämlich in Rechtsbegriffen definiert. Danach verschwindet für knapp ein Jahrzehnt die Rechtsphilosophie, um erst in der Religionsschrift (1793) wieder aufzutauchen, ferner in der Abhandlung Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis (1793), die zwei von drei Teilen der Rechtsphilosophie widmet: II. Staatsrecht
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und III. Völkerrecht. Zwei Jahre später erscheint die bis heute überhaupt bedeutendste Friedenstheorie aus philosophischer Feder: Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf. Sowohl im Gemeinspruch als auch in der Friedensschrift fehlt aber, was in Kants Haupttext zur Rechtsphilosophie, der Rechtslehre (1797), den größten Teil ausmachen wird: das Privatrecht; mit dessen Eigentumstheorie hat Kant nämlich noch lange Zeit Schwierigkeiten. Arthur Schopenhauer, sonst ein Bewunderer Kants, sieht in der Rechtslehre „eine sonderbare Verflechtung einander herbeiziehender Irrthümer“, die er sich nur„aus Kants Altersschwäche“ erklären kann (Die Welt als Wille und Vorstellung, 4. Buch, § 62). Namentlich kritisiert er Kants allgemeines Prinzip der äußeren Erwerbung. In Wahrheit sind Kants Gedanken nicht bloß lange herangereift, sondern auch im Vergleich zu den früheren Texten in der Regel differenzierter und problembewußter, so daß sich eventuelle Irrtümer gewiß nicht mit Altersschwäche erklären lassen. Im übrigen stößt ein genaues Nach-Denken auf eine hochreflektierte und über weite Strecken überzeugende Argumentation. Beispielsweise enthalten die Paragraphen 15 (265) und 17 (268 f.) gewichtige Gegengründe gegen die von Locke vertretene und von Schopenhauer erneuerte Formations- bzw. Arbeitstheorie des Eigentums. Wer den Reifungsprozeß der Kantischen Rechtsphilosophie verfolgen will, kann die „Vorarbeiten“ studieren, die als „Kants handschriftlicher Nachlaß“ veröffentlicht sind. (Für die Rechtslehre findet man sie in Band XXIII 207–370.) Lesenswert sind auch die in Band XXVII enthaltenen „Vorlesungen über Moralphilosophie“, benannt nach den Autoren der jeweiligen Nachschrift: Während die „Praktische Philosophie Herder“ (vermutlich Sommersemester 1764) kaum und die „Moralphilosophie Collins“ (Wintersemester 1784 und 1785) wenig auf das Recht eingehen (aber Kap. 7 handelt „Von den Gesetzen“ und Kap. 46 „Von der Billigkeit“), spielt es in der „Praktischen Philosophie Kowalski“ (Sommersemester 1777) eine etwas größere Rolle (Kap. 14–19 von 33 Kapiteln). Kants letztes Kolleg zu diesem Thema dürfte die „Metaphysik der Sitten Vigilantius“ (Wintersemster 1793/94) sein. Sie befaßt sich mit dem Recht in den Paragraphen 17 bis 18 und 24 ff. Interessant sind ferner das „Naturrecht Feyerabend“ (Wintersemester 1784); und die „Moral Mrongovius“ (Wintersemester 1781/82 oder 1782/83) die ,Von den Gesetzen‘ (XXVII 1491 f.) handelt, ,Von dem Gesetzgeben‘ und ,Von Belohnungen und Bestrafen‘ (1433 ff.), ,Von den Pflichten gegen andere‘ (mit der Unterscheidung von Wohlwollen und Gerechtigkeit: 1537 ff.), ,Von Recht und Billigkeit‘ (1552 f.) und erstaunlicherweise des längeren über Pflichten gegen Tiere (1572 ff.); das Naturrecht kommt allerdings nicht vor. Diese neuerdings vielfach benutzten Texte bieten aber lediglich einen Einblick in den Entstehungsprozeß. Das Werk, das nach vielfachem Hin- und Herwenden der Ansätze, Themen und Argumente, das also nach reiflicher Überlegung am Ende zum
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Druck gegeben wird, liegt uns unter dem Titel Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre, kurz: Rechtslehre vor. Es bildet den maßgeblichen Bezugstext für Kants Rechtsphilsophie; Unklarheiten, die bleiben, lassen sich eher durch ein systematisches Mitdenken erhellen als durch einen Blick in den Nachlaß.
1.2 Ein Blick auf die preußische Verfassung Die Anfänge des Kantischen Rechtsdenkens fallen noch in die Zeit des preußischen Königs Friedrich II., des Großen (1740–1786), eines bedeutenden Vertreters des aufgeklärten Absolutismus. In der Verfassungswirklichkeit spielen zwar noch die ständischen Zwischengewalten von Adel und Geistlichkeit eine große Rolle, letztlich läuft aber alle Herrschergewalt in der Krone zusammen. Denn, so Friedrich II. in seinem Politischen Testament (1752/1922, 42): „Eine gut geleitete Staatsregierung muß ein ebenso fest gefügtes System haben wie ein philosophisches Lehrgebäude. … Ein System kann aber nur aus einem Kopfe entspringen; also muß es aus dem des Herrschers hervorgehen.“ In Übereinstimmung mit der bei Aufklärern wie Samuel Pufendorf (1632–1694) und Christian Wolff (1679–1754) vorherrschenden Verpflichtung auf das Gemeinwohl erklärt Friedrich II. zwar auch: „Der Herrscher ist der beste Diener des Staates“ (ebd.). Dagegen skeptisch, sagt Kant in aller Schärfe: „Der Fürst hält sein Volk wie das liebe Vieh, er schiert ihm die Wolle knapp ab, läßt sie nicht nach ihrem sondern seinem Sinn weiden und davor, daß er sie durch seine Hunde wieder [sic] den Wolf bewacht, speiset er sie auf … . Der Oberherr tractiert die Untertanen wie rotzige Jungen, läßt ihnen keinen Verstand als zum Gehorchen und ist der allgemeine Eigentümer … .“ (RR XIX 514). Schon Friedrichs Vorgänger, der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. (1713–40), leitet ein, was sein Sohn fortsetzt: die Entwicklung eines obrigkeitstaatlichen Wohlfahrtstaates, der zwar ein starkes Heer unterhält, aber auch eine merkantilistische Wirtschaftspolitik betreibt, der eine moderne Bürokratie, ein strenges Steuersystem und ein damals vorbildliches Rechtswesen einführt. Durch einschneidende Reformen im Rechtswesen einschließlich des Strafvollzugswesens (beispielsweise wird im Jahr 1754 die Folter abgeschafft) und der Juristenausbildung wandelt sich Preußen zu einem Rechtsstaat mit klarer Gewaltenteilung und wird zu einem der fortschrittlichsten Gemeinwesen der Epoche. Das Adelsprivileg und die Gutsuntertänigkeit der Bauern bleiben freilich erhalten. Das von Friedrich II. in Angriff genommene Allgemeine Landrecht für die preußischen Staaten (1794), eine von Justizminister Graf von Cramer und dem Berliner Aufklärer Carl Gottlieb Suarez bearbeitete Zusammenfassung des gesamten bürgerlichen Rechts und des Strafrechts sowie großer Teile des Staats-, Verwaltungs- und Kirchenrechts, wird, deutlich vor dem Code civil (Code Napoléon,
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1804), von seinem Nachfolger Friedrich Wilhelm II. (1786–97) verabschiedet. Seit dem Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm I. pflegt Preußen konfessionelle Toleranz und heißt Glaubensflüchtlinge, etwa Hugenotten aus Frankreich (1685) und lutheranische Flüchtlinge aus Böhmen und Mähren (schon ab 1623) oder aus dem Salzburgerland (1732), willkommen. Auch die Juden werden aus der Toleranz nicht ausgeschlossen. Nach dem Allgemeinen Landrecht (Theil II., Titel XI., §§ 1–6, hier: § 4) soll niemand wegen seiner Religionsmeinungen beunruhigt, zur Rechenschaft gezogen, verspottet oder gar verfolgt werden. Das mit solchen Rechtsbestimmungen erreichte Maß an religiöser Freiheit wird allerdings unter Friedrich Wilhelm II. durch ein Religionsedikt eingeschränkt, mit dem Kant in Konflikt gerät, allerdings nicht mit seiner Rechtsphilosophie, wohl aber mit seiner Religionsschrift. Kant weiß die relative Fortschrittlichkeit Preußens, namentlich die Toleranz Friedrichs II. durchaus zu schätzen (Was ist Aufklärung? VIII 40). Er kritisiert aber sowohl das Adelsprivileg (329 und 369 f.) als auch die Leibeigenschaft der Bauern (283) und verwirft einen staatlich verordneten Kirchenglauben (368, vgl. XXIII 133). Auf der internationalen Ebene brandmarkt er die Kriegs-, Rüstungs- und Eroberungspolitik (364 ff.), den Kolonialismus (§§ 15 und 58) und die Sklaverei (283, vgl. 348). Wenn er die (reine und wahre) Republik als Vorbild hinstellt (340 f.), so dürfte er an Frankreichs republikanische Verfassung denken (vgl. Streit VII 85 ff.); er verurteilt aber den Terror der Jakobiner, namentlich die Hinrichtung des Königs Ludwig XVI. (320 ff.). Kant unterscheidet nämlich zwischen dem vereinigten Willen des Volkes, dem allein die gesetzgebende Gewalt zukommt (313), und dem Volk im empirischen Sinn und sagt mit allem Nachdruck: „Wider das gesetzgebende Oberhaupt des Staates gibt es also keinen rechtmäßigen Widerstand des Volkes“ (320). Als Schutzschild unverlierbarer Menschenrechte vertritt er das Recht auf öffentliche Kritik; mittels der „Freiheit der Feder“ (Gemeinspruch VIII 304) soll der Herrscher zu Reformen im Namen der Gerechtigkeit gedrängt werden. Darüber hinaus läßt er jenen „negativen Widerstand“ zu, bei dem sich das Volk durch seine Repräsentanten (im Parlament) Finanzforderungen der Regierung verweigert (322). Aber selbst gegen einen „für unerträglich ausgegebenen Mißbrauch der obersten Gewalt“ darf man sich nicht auflehnen (320 ff.). Andererseits hält Kant zwar Revolutionen für unrechtmäßig, trotzdem schulde man der Ordnung, die aus einer gelungenen Revolution hervorgeht, Gehorsam (323).
1.3 Provokationen Im Rechts- und Staatsdenken verhält sich Kant nicht anders als in den bekannteren Teilen seines Denkens: in der theoretischen Philosophie, der Ethik und der Ästhetik. Kant arbeitet sich in die Tradition der Aufklärung ein, die hier etwa von Hugo
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Grotius und Thomas Hobbes über Samuel Pufendorf und John Locke, über Christian Thomasius und Christian Wolff zu David Hume und Jean-Jacques Rousseau, in anderer Weise zu Cesare Beccaria führt. Am Ende geht er aber auf der Grundlage seiner beiden Hauptbegriffe der praktischen Philosophie: Vernunft und Freiheit, wesentlich über diese Tradition hinaus. Insbesondere weist er die häufige Vermengung verschiedenartiger Argumente, etwa biblischer mit rationalen, empirischer mit geschichtlichen, zurück. Ferner unterscheidet er streng zwischen dem, was die Menschen einander schulden, den erzwingbaren, vollkommenen Pflichten des Rechts, und einer darüber hinausgehenden Moral und verpflichtet den Staat streng auf Rechtsaufgaben, mithin auf einen Rechtsstaat im emphatischen Sinn. Das Pufendorf-Wolffsche Prinzip des Gemeinwohls weist er dagegen zurück. An Locke und Hume kritisiert Kant den empirischen Grundzug, da das Recht mit seinen Grundinstitutionen von Eigentum, Staat und Kriminalstrafe sich nicht aus der Erfahrung des Menschen von sich und der Welt ableiten lasse. Die Erfahrung sei nicht nur veränderlich, zudem sehr umstritten. Wolle man moralische Grundsätze aus ihr – und das heißt hier: einer „Glückseligkeitslehre“ ableiten, „so gerät man in Gefahr der gröbsten und verderblichsten Irrtümer“ (215). Das Unheil ist also doppelt, theoretisch (,gröbste Irrtümer‘) und moralisch (,verderblichste Irrtümer‘) zugleich. Wer wie Hume im Recht nur Regeln von Nützlichkeit und Konvention sieht, kann – so das theoretische Defizit – ihren Verbindlichkeitsanspruch nicht begreifen und wird – so das moralische Problem – sich gern einmal davon dispensieren. Auch in der Rechts- und Staatstheorie bietet Kant einen Höhe- und zugleich Wendepunkt der Aufklärung. An ihm kann man über unser heutiges Recht zu philosophieren lernen, freilich stößt man dabei auf mindestens fünf Provokationen: (1) Gegen eine Vorherrschaft empirisch-sozialpragmatischer (utilitaristischer) Theorien vertritt Kant einen kategorischen Rechtsimperativ. (2) Die daraus folgende Rechts- und Staatstheorie besteht in einem politischen (und nicht bloß wirtschaftlichen) Liberalismus, der den emphatischen Rechtsstaat favorisiert, dagegen den Sozialstaat nicht rundum ablehnt, aber doch nur im Dienst des Rechtsstaates zuläßt. (3) Innerhalb seines Weltbürgerrechtes übt Kant nicht bloß scharfe Kritik an allen Formen von Kolonialismus. Die dezidierte Ablehnung von Philanthropie als Rechtsforderung richtet sich auch gegen eine globale Sozialstaatlichkeit und verlangt hier zumindest nach strenger Zurückhaltung. (4) Sowohl im Verhältnis zu vielen Vorgängern, etwa Hobbes und Rousseau, als auch zu heutigen Rechts- und Staatstheoretikern ist Kants Rechtsphilosophie entschieden substanzreicher. Zu Unrecht wird Hegels Vorwurf (Werke in 20 Bänden II, 444, 460, 461, 464; III, 448; VII, 252 f.) ständig nachgebetet, Kants Ethik des kategorischen Imperativs sei ein inhaltsleerer Formalismus und ein abstrakter Universalismus, verbunden mit einer Ohmacht bloßen Sollens. In Wahrheit gewinnt Kant
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durch die Anwendung des kategorischen Imperativs auf Recht und Staat eine schlechthin universalistische Rechts- und Staatsethik, die das Prinzip der Menschenrechte entwickelt, die Institution des Eigentums begründet und schon damals, vor mehr als zwei Jahrhunderten, die bis heute vorherrschende Engführung der Rechts- und Staatsphilosophie vermeidet, indem sie außer der einzelstaatlichen auch eine zwischenstaatliche, sogar globale Rechtsordnung für unverzichtbar erklärt. Außerdem befaßt sich Kant etwa mit der Gewaltenteilung, dem Strafrecht und dem Widerstandsrecht, nicht zuletzt mit der staatlichen Verantwortung für das Armenwesen, die Findelhäuser und das Kirchenwesen. Kurz: Schon durch das weite Themenspektrum widerspricht Kant sowohl anderslautenden Interpretationen als auch der heute verbreiteten sachlichen Ausdünnung der Rechts- und Staatsphilosophie. (5) Gegen die heute vorherrschende Ablehnung aller Metaphysik – für die praktische Philosophie denke man an Patzigs Stichwort „Ethik ohne Metaphysik“ und Rawls’ „politische, nicht metaphysische“ Gerechtigkeitstheorie – läßt Kant nicht bloß Restbestände zu. Er hält die Metaphysik sogar für unverzichtbar; mehr noch, eine Metaphysik zu haben, sei Pflicht (216). Aus Briefen an Herder (9. 5.1767, Nr. 38, X 70 f.), Herz (gegen Ende 1773, Nr. 71, X 139) und Lambert (2.9.1770, Nr. 54, X 92 ff.) wissen wir, daß Kant sein philosophisches Lebenswerk, die Neugestaltung der Philosophie in zwei Teilen, einer transzendentalen Vernunftkritik und einer darauf aufbauenden neuartigen Metaphysik, recht bald konzipiert. Dabei bildet die praktische Metaphysik von vornherein einen der theoretischen Metaphysik gleichberechtigten Teil. Daß dieser erst 30 Jahre nach der ersten brieflichen Ankündigung erscheint, belegt zweierlei: Einerseits pflegt Kant bei seinen Gedanken eine Gelassenheit des Wachsens- und Reifens, die ihm sein hohes Maß an Klarheit und Souveränität ermöglicht. Andererseits hat er zwar schon in der Kritik wesentliche Gedanken seiner praktischen Philosophie vor Augen; es bleiben aber Grundlagenprobleme übrig, deren Lösung erst nach vielen Anläufen und mancherlei Umwegen gelingt. Zum praktischen Teil der Metaphysik gehört die Rechtslehre übrigens nicht bloß in dem thematischen und zugleich trivialen Sinn, daß sie über Praxis handelt. Nach der „Vorrede“ ist sie auch in einem intentionalen Sinn praktisch; denn das Recht ist ein „auf die Praxis (Anwendung auf in der Erfahrung vorkommende Fälle) gestellter Begriff“ (205). Infolgedessen versteht sich die Rechtslehre nicht als ein Selbstzweck, sie zielt vielmehr auf die Praxis ab. Ihretwegen müßte sie sogar „auf die empirische Mannigfaltigkeit“ der entsprechenden „Fälle Rücksicht nehmen“. Weil aber eine Metaphysik, mit Erkenntnissen a priori befaßt, zur empirischen Mannigfaltigkeit keinen Zugang hat, begnügt sie sich mit den zuständigen Prinzipien, behandelt sie also nicht die gesamte Rechtslehre, sondern lediglich deren metaphysische Anfangsgründe (205). (Und wer Aristoteles kennt, findet dessen
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Gedanken eines typô-, eines Umriß- oder Grundriß-Wissens wieder: Nikomachische Ethik I 1, 1094b20; vgl. Höffe, Aristoteles, 1996, Kap. 13. Kants Rechtsphilosophie beschränkt sich auf den normativen Grundriß und überläßt die konkrete Ausgestaltung der durchaus unterschiedlichen Empirie.) Selbst „metaphysische Anfangsgründe“ kommen nicht ohne empirische Elemente, freilich sehr genereller Natur, aus. Infolgedessen empfiehlt sich eine methodische Unterscheidung, die Kant so nicht ausspricht: die Trennung des genuin moralischen Anteils von den zwar generellen, aber doch empirischen Anwendungsbedingungen (vgl. Kap. 3.2). Und der moralische Anteil hat insofern metaphysischen Charakter, als er sich nicht auf die natürliche Antriebskraft der Menschen, die Neigung bzw. das Verlangen nach Glück, beruft, sondern auf deren Überwindung, also auf ein im wörtlichen Sinn über-natürliches, eben meta-physisches Moment: auf eine reine praktische Vernunft. Sieht man von der „Einleitung in die Metaphysik der Sitten“ ab, da sie sowohl der Rechtslehre als auch der Tugendlehre gilt, bestehen die Metaphysischen Anfangsgründe der Rechtslehre aus drei Teilen: aus Prolegomena, nämlich einer „Einleitung in die Rechtslehre“, und den beiden je dreigliedrigen Hauptteilen „Das Privatrecht vom äußeren Mein und Dein überhaupt“ und „Das öffentliche Recht“. Wie in der Eigenschaft des Äußeren anklingt, gibt es auch ein inneres Mein und Dein, ein angeborenes Recht. Systematisch betrachtet steht es neben, sogar vor dem „äußeren Mein und Dein“, verdient daher einen eigenen Hauptteil, so daß sich die Rechtslehre in vier Teile gliedert: in (1) die Prolegomena, die Einleitung in die Rechtslehre, (2) das Privatrecht I: das innere Mein und Dein, (3) das Privatrecht II: das äußere Mein und Dein, und (4) das öffentliche Recht. In der Tat erwartet man für das innere Mein und Dein ausführliche Überlegungen, entspricht es doch dem Gedanken angeborener und unveräußerlicher Menschenrechte. Weil es nach Kant aber nur ein einziges Menschenrecht gibt, handelt er es sehr knapp, auf kaum mehr als einer Seite ab. Wegen der Folge, daß das Privatrecht, „aus zwei dem Inhalte nach äußerst ungleichen Gliedern“ besteht (238), nimmt Kant den ersten Teil, das angeborene Recht schon in die Prolegomena auf, so daß das Privatrecht I nicht als eigener Teil erscheint und die genannten drei Teile übrig bleiben. Dabei finden sich im ausdrücklichen Privatrecht, sowohl im ersten (§§ 8–9) als auch zweiten Hauptstück (§ 15), Vorgriffe auf das öffentliche Recht. Diese Vorgriffe zeugen nicht etwa von einer unklaren Komposition. Sie enthalten vielmehr die wichtige Aussage, daß dem bloßen Privatrecht ein Naturzustand entspricht, der nur ein provisorisches Mein und Dein kennt, während das peremtorische Mein und Dein erst durch das öffentliche Recht zustande kommt.
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1.4 Naturrecht auf der Grundlage von Achenwall Kant hält seine Naturrechtsvorlesung, wie damals üblich und von ihm auch bei anderen Themen gepflegt, auf der Grundlage eines Lehrbuchs. Es ist das 1750 erschienene und danach vielfach aufgelegte Kompendium, die Elementa iuris naturae des Göttinger Juristen Gottfried Achenwall (1719–1772), in den ersten zwei Auflagen mitverfaßt von seinem Göttinger Kollegen Johann Stephan Pütter (1725–1807), der freilich nur die §§ 653–683 schreibt. Die Rechtslehre erwähnt Achenwall zweimal namentlich; sie übernimmt dessen Definition des Geldes (286; vgl. Achenwall § 387), weist aber Achenwalls Gegensatz zum natürlichen Zustand, den gesellschaftlichen, im Namen des bürgerlichen Zustandes zurück (306). Heben wir teils als Quelle für Kant, teils als Kontrast zu ihm einige Besonderheiten des Achenwallschen Naturrrechts heraus: (1) Als Bezugsautoren nennen dessen „Prolegomena“ (§§ 26–27) Grotius, Hobbes – der wegen seiner mathematischen Methode geschätzt wird, dessen Grundsatz aber sehr schlecht sei („ex principio pessimo“) – und Cumberland, mit besonderem Nachdruck Pufendorf, ferner Thomasius und, als von Leibnizschen Grundsätzen beeinflußt, Wolff sowie den heute kaum noch bekannten Heinrich Köhler. Dagegen fehlt Locke, den übrigens auch Kant auch in der Rechtslehre nicht erwähnt, obwohl er sich mit der auf Locke zurückgehenden Arbeitstheorie des Eigentums auseinandersetzt. (2) Auf die vier Bücher der „Prolegomena“ folgen: 1. reines Naturrecht, untergliedert in (a) absolutes und (b) hypothetisches Naturrecht (über erworbene Naturrechte) sowie (c) das Verfolgen des Seinen; 2. kleinere Gesellschaften; 3. Staat; 4. Völker. Von dieser Einteilung weicht Kant ab. Während seine „Prolegomena“, die „Einleitung in die Rechtslehre“, den Begriff und das Prinzip des Rechts entwickeln, besteht die Rechtslehre selbst nur noch aus zwei Teilen, den scharf gegeneinander abgesetzten Bereichen „Privatrecht“ und „öffentliches Recht“, wobei Kants Privatrecht Achenwalls reinem Naturrecht entspricht. Die folgende Abweichung, daß sich an den natürlichen Zustand (Achenwalls Buch I) nicht der gesellschaftliche Zustand (Buch II), sondern der bürgerliche, sprich: staatliche bzw. öffentlich-rechtliche Zustand anschließe (306), könnte man damit erklären wollen, daß Achenwall noch der damaligen Ständestaatlichkeit folge. Kant hat aber einen anderen Grund. Der gesellschaftliche Zustand, den er in Form „ehelicher, väterlicher, häuslicher“ Gesellschaften durchaus anerkennt, gehört für ihn zusammen mit dem natürlichen Zustand in den Bereich des nur provisorisch geltenden Rechts, des Privatrechts. Und diesem steht als einzige Alternative das öffentliche Recht gegenüber, das seinerseits dreigeteilt ist: in ein Staats-, ein Völker- und ein Weltbürgerrecht. Diese Dreiteilung des öffentlichen Rechts ist rechtstheoretisch neu; denn bisher kannte man nur
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Staatsrecht und Völkerrecht. Ein Teil der Sache des Weltbürgerrechts, ein Recht des Fremden, behandelt aber schon de Vitoria in der ersten Relectio de Indiis (1539, 3. Teil, §§ 2 ff.). De Vitoria ist auch der erste, der das Völkerrecht als ius inter gentes bestimmt, als ein Recht, das die Beziehungen der Völker untereinander regelt, und nicht mehr wie in der vorangehenden Tradition als ein ius gentium, als ein Recht, das allen Völkern bekannt ist. (3) Im Verhältnis von (Natur‐) Recht und Ethik schließt sich Achenwall, wie gesagt, nicht Pufendorf und Wolff, sondern Thomasius an und ordnet das Recht nur den erzwingbaren Pflichten zu. Kant wird diese Zuordnung übernehmen und deshalb beispielsweise Billigkeit und Notrecht aus dem strengen Rechtsbegriff aussondern (s. Kap. 3.6). (4) Aus dem vorangehenden folgt, daß es schon im vorstaatlichen Zustand Zwang gibt; gegen Rechtsverletzungen darf sich nach Achenwall jeder mit Gewalt wehren (§ 461). (5) Trotz der Einschränkung des Rechts auf das Erzwingbare übernimmt Achenwall Wolffs erstes natürliches Gesetz für den menschlichen Willen: „Vervollkommne dich“ (§§ 9 und 110), was für Kant klarerweise zu den Tugendpflichten gehört. Weil zur Vervollkommnung gehöre, sich selbst gegen andere zu erhalten (§ 17), gibt es für Achenwall ein subjektives Recht auf alles, was dazu erforderlich ist (§§ 180–182), und eine ihm entsprechende vollkommene Pflicht der anderen (§§ 184–185 und 222), als oberster Grundsatz des Naturrechts formuliert: „Störe nicht die Erhaltung anderer“ (§ 213). Und wegen des durchgängig verfolgten Prinzips Gemeinwohl (salus commune, z. B. §§ 654 ff.) ist Achenwall wie vor ihm schon Wolff weniger der Vertreter eines Liberalismus als ein Utilitarist, freilich avant la lettre. (6) Rechtswissenschaftlich bedeutsam ist das in den Büchern I und II behandelte „Privatrecht“, dessen Stoff größtenteils vom positiven römischen Recht übernommen ist, aber klarer gegliedert und überhaupt „systematisiert“ wird. Beispielsweise finden sich zusammenfassende Darstellungen der allgemeinen Vertragsvoraussetzungen (§§ 334 ff.) und der Rechtsaufhebungsgründe. Auch behandelt Achenwall im Rahmen des Privatrechts ein Straf-, Prozeß- und Zwangsvollstreckungsrecht. Ferner führt er neue Elemente ein, beispielsweise das dem römischen Recht unbekannte Institut des geteilten Eigentums (§ 330). Kurz: Rechtshistorisch gesehen hat das Achenwallsche und überhaupt das vorkantische „Naturrecht das wissenschaftliche Verständnis des positiven Rechts wahrhaft gefördert … . Die Naturrechtslehre wurde damit geradezu zur Dogmatik, zur wissenschaftlichen Theorie des Rechts“ (so J. Schröder in: Achenwall, Naturrecht, 347). (7) Im Unterschied zum Römischen Recht erkennt Achenwall angeborene Rechte an. So hat jeder ein Recht auf seinen Körper, seine Seele (!) und seine Handlungen (§ 238) und auf ein „einfaches gutes Ansehen“ (§ 258); ferner gibt es
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eine ursprüngliche Gleichheit (§ 246) und Freiheit (§ 258). Derartige Rechte sind aber, obwohl angeboren, nicht unveräußerlich (vgl. §§ 671 ff.); weil nach Achenwall der Staat im Namen des Gemeinwohls über das vorstaatliche Naturrecht disponieren darf (s. z. B. § 695), haben sie keineswegs den Rang von Menschenrechten. In Übereinstimmung mit dem Römischen Recht und der zeitgenössischen Gutsuntertänigkeit läßt Achenwall sogar die Sklaverei zu (§§ 635 ff.). Dagegen sagt Kant schon im Gemeinspruch (VIII 304), daß „jeder Mensch seine unverlierbaren Rechte hat, die er nicht einmal aufgeben kann, wenn er auch wollte“. Allerdings räumt Achenwall ein, daß die Untertanen vom Herrscher verletzt werden können, dann nämlich, wenn er die natürlichen oder durch ein Grundgesetz bestimmten Grenzen der Herrschaft überschreitet (§ 757). Weil hier denn doch eine Unveräußerlichkeit erscheint, gibt Achenwall zur Frage unveräußerlicher Rechte keine unmißverständlich klare Antwort. Werden nur in Einzelfällen Rechte verletzt, so können sich die Betroffenen zwar beim Herrscher beschweren, sie dürfen aber nicht den Gehorsam verweigern, so daß „oft als einziger Trost die Hoffnung auf bessere Zeiten bleibt“ (§ 798). Findet aber ein systematischer Herrschaftsmißbrauch statt, „vorsätzlich und durch aktives willentliches Handeln“, wird also der Herrscher zum Tyrannen, „dann übt das Volk sein natürliches Recht gegen den Feind aus und darf auf jede Weise versuchen, seine Sicherheit gegen den Tyrannen zu behaupten“ (§ 799). Hier zieht Achenwall ein kollektives Widerstandsrecht in Erwägung, das Kant in der Rechtslehre jedoch mit Nachdruck ablehnt (320). Und im Gemeinspruch zweifelt er, daß Achenwall oder andere „je in irgend einem vorkommenden Fall zu so gefährlichen Unternehmungen“ – gemeint ist der kollektive Widerstand – „ihren Rat oder Beistimmung würden gegeben haben“ (VIII 301). (8) Nach Achenwall/Pütter wird der Gesellschaftsvertrag von Familien abgeschlossen, gleichwohl – erneut eine gewisse Zweideutigkeit – können einzelne Personen als Gesellschaften auftreten (§ 679, 1.). Auch werden von Achenwall zwei Gesellschaftsverträge angenommen. In einem Vereinigungsvertrag (pactum unionis) schließen sich mehrere Familien zum gemeinschaftlichen Wohl zusammen und bilden dann ein Volk (populus). Dieses lebt zunächst in dem Zustand der Anarchie, die erst durch den Unterwerfungsvertrag (pactum subiectionis), also durch die Einsetzung einer gemeinsamen Herrschaft über sich, überwunden wird (§§ 655 ff.). Hier folgt Achenwall damit noch der Doppelvertragslehre der deutschen Naturrechtstheoretiker Althusius und Pufendorf. Kant tritt dagegen in die Tradition von Hobbes bis Locke ein, für die nur die Herrschaftslegitimation, nicht aber die Gemeinschaftsbildung rechtstheoretisch relevant ist. (9) Achenwall sieht keine Religionsfreiheit vor, aber das Recht Andersgläubiger auf Auswanderung (§ 721, 1., Ende).
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(10) Er kennt nur eine begrenzte Gewaltenteilung, da die Justiz nicht als unabhängige Gewalt, sondern als Teil der Verwaltung gilt (§ 716). (11) Im Völkerrecht vertritt er zunächst ein strenges Gleichheitsprinzip, dem man ein Verbot der Kolonialisierung entnehmen kann: „daß ein von einem Volk bewohntes Land nicht aneignungsfähig (occupari) ist, auch wenn das Volk roh und ungebildet ist, ohne Gesetze und bürgerliche Regierung, bar jeder Kenntnis der Göttlichkeit und Sittlichkeit, ein Volk, das wegen seiner Unwissenheit und Barbarei den fruchtbarsten Boden und noch so viele ander Güter nicht zu nutzen weiß und daher dem Gebrauch des menschlichen Geschlechts entzieht“ (§ 939). (12) Das vierte und letzte Kapitel des Völkerrechts und zugleich der Schlußteil des gesamten Werkes besteht in einem „Kriegsvölkerrecht. Oder: Über die Verfolgung der Seinen unter Völkern“. Achenwall folgt hier der traditionellen Lehre vom gerechten Krieg; als gerecht gilt der Krieg freilich allein bei Verletzung eines Rechtes. Bei einer Vormacht, die die benachbarten Völker zu vernichten droht und diese Drohung schon durch Überfall auf ein unschuldiges Nachbarvolk wahr gemacht hat, bei einer derartigen „furchterregenden“ (tremenda) Vormacht, gilt sogar der Präventivkrieg als gerecht (§ 356). Im gerechten Krieg wiederum ist alles, was zur Erlangung der vollständigen Sicherheit beitragen kann, erlaubt: jeder heimliche und offene Zwang, sowohl gegen Personen als auch gegen Sachen, auch gegen fremde Privatleute, sofern sie „innerhalb der Grenzen des Feindes leben“ (§§ 358 ff.). Kant wird dem vehement widersprechen (§ 57).
1.5 Zur Wirkung Obwohl die Rechtslehre einen Teil der Metaphysik der Sitten bildet, erscheint sie zunächst gesondert, wahrscheinlich Anfang Januar 1797. Der zweite Teil, die Tugendlehre, kommt erst im August heraus. Eine Ausgabe beider Teile in einem einzigen Band erscheint zu Kants Lebzeiten nicht. Schon am 19. Januar bringen die „Königsberger gelehrten und politischen Zeitungen“ die Nachricht, daß Kants „Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre bei Nicolovius“ in Königsberg herausgekommen seien. Kaum zehn Tage später macht der Text in Berlin „außerordentliche Sensation“ (De la Garde an Scheffner, 28. Januar 1797; nach Ludwig 1986, xxii). Wegen der starken Nachfrage wird schon im nächsten Jahr eine Neuauflage nötig. In den ersten Rezensionen herrrschen Sympathie und Zustimmung vor, in den „Gelehrten Anzeigen“ von Tübingen, den „Critischen Nachrichten“ von Greifswald und in den „Gothaischen Gelehrten Zeitungen“. Die „Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen“ reagieren dagegen, wie schon gegen die Kritik der reinen Vernunft, mit deutlicher Kritik. Beginnend mit Johann Adam Bergks Briefe über Immanuel Kants metaphysische Anfangsgründe der
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Rechtslehre, enthaltend Erläuterungen, Prüfung und Einwürfe (Leipzig und Gera 1797, Nachdruck: Brüssel 1968) erscheint in den nächsten Jahren eine Reihe von Kommentaren, unter anderem vom Hallenser Philosophieprofessor Jacob Sigismund Beck. Für die weitere Wirkung müssen hier wenige Stichworte genügen: Obwohl Kant selber Revolutionen als unrechtmäßig ansah, gibt es zumindest in Mainz einige Philosophen, Theologen und Journalisten, die „mit Kant im Kopf“ sich in politischer Revolution versuchen: Felix Anton Blau (1754–1798), Georg Wilhelm Böhme (1761– 1839) und Anton Joseph Dorsch (1758–1819). Und der an Kant geschulte Philosoph Johann Benjamin Erhard (1766–1827) veröffentlicht sogar, freilich noch vor Kants Rechtslehre, eine Theorie der Revolution: Über das Recht des Volkes zu einer Revolution (1795; Kant wird sich im Streit der Fakultäten auf diese Schrift beziehen, aber nicht auf ihr Revolutionsrecht, sondern auf die von Erhard auch genannte, von der Weisheit des Volkes bewirkte Evolution: VII 87). Wie erwähnt, erscheinen vor Kant die wichtigsten Lehrbücher aus juristischer Feder. Da Kant seine Rechtsphilosophie als Beitrag zum Naturrecht versteht, wandert mit und seit ihm die „intellektuelle Führung“ im Naturrecht für etwa eine Generation von der Rechtswissenschaft zur Philosophie: Nach Kants schon in der Idee und im Gemeinspruch enthaltenen Rechtsphilosophie erscheint Fichtes Grundlage des Naturrechts (1796), im folgenden Jahr Kants Rechtslehre, zu Beginn des nächsten Jahrzehnts Hegels Schrift Über die wissenschaftlichen Behandlungsarten des Naturrechts (1802). Und noch Hegels späte Grundlinien der Philosophie des Rechts (1821) tragen zusätzlich den Titel Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse. Dieses Werk bildet einen Höhepunkt, zugleich aber auch den Abschluß der philosophischen „Meinungsführung“ in Sachen Naturrecht und Rechtsbegründung. Nachdem schon im Jahr 1789 Gustav Hugo mit seinem Lehrbuch des Naturrechts als einer Philosophie der positiven Rechts die Ansicht vertritt, es könne kein vom positiven Recht verschiedenes Naturrecht geben, erringt in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts die historische Rechtsschule unter Führung von Friedrich Carl von Savigny den Sieg über die philosophische Rechtsschule. Und um 1840 ist das Wort von der Nichtigkeit des Naturrechts in Deutschland schon ein Gemeinplatz. Unter Kantischem Einfluß stehen auch Naturrechtskritiker wie Gustav Hugo und Friedrich Carl von Savigny, ferner der Staatsmann und Publizist Wilhelm von Humboldt und der große Strafrechtslehrer Paul Anselm von Feuerbach, nicht zuletzt der österreichische Jurist Franz Anton Felix von Zeiller, der als Schöpfer des „Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches“ (ABGB, 1811) gilt. Noch wenig erforscht ist Kants zweifelsohne starker Einfluß auf das deutsche Recht, etwa auf das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), hier vielleicht über Österreichs AGBG vermittelt.
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Während unter Hegels Einfluß Kants Rechtsphilosophie stark zurückgedrängt wird und sie im Neukantianismus, beispielsweise bei Hermann Cohen, nicht im Sinne der Kritik als kritisch gilt, erfährt sie im ersten Drittel unseres Jahrhunderts eine gewisse Renaissance.
1.6 Textumstellungen In der veröffentlichten Form hat Kants Text gelegentlich eine irritierende Abfolge. Beispielsweise steht die „Einteilung einer Metaphysik der Sitten“ vor deren „Vorbegriffen“. Und eine „Einteilung der Metaphysik der Sitten überhaupt“ erwartet man als Ende der entsprechenden Einleitung, der zur Metaphysik der Sitten insgesamt; tatsächlich steht sie am Ende der nur zur Rechtslehre gehörenden Einleitung. Bernd Ludwig (1986) hat deshalb zu Recht einige Umstellungen vorgeschlagen. Ob sie alle überzeugen, ist eine andere Frage; vor allem die Vorschläge zu den beiden Einleitungen, der zur Metaphysik der Sitten und der zur Rechtslehre, sind jedoch in hohem Maße plausibel. Obwohl sich die Rechtslehre seit einigen Jahren einer teils nur philosophiegeschichtlichen, teils auch systematisch orientierten Neuzuwendung erfreut, hat sie bislang noch wenig von jener gründlichen Kommentierung erhalten, die bei Kants anderen Werken längst üblich ist. Der folgende kooperative Kommentar ist aus zwei Symposien zur Rechtslehre hervorgegangen. Ich danke den Referenten und Autoren, ferner meinen Mitarbeitern Dr. Alessandro Pinzani und Tim Wagner und für die finanzielle Unterstützung erneut der Fritz-Thyssen-Stiftung. Tübingen im Wintersemester 1997/98
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2 Kant’s Doctrine of Right: Introduction The first part of Kant’s Metaphysics of Morals – the ‘Doctrine of Right’ or ‘Metaphysical First Grounds of Right’ was first published early in 1797, well in advance of the second part, which came out in August, and the whole work did not appear until the following year. The Preface and Introduction to the larger work (205–228) are followed by a second Introduction laying down the basic principle of right and the structure of the system of right (229–241). But because the first and more encompassing Introduction (which is the topic of this chapter) was written initially as an introduction to its first part alone (the Doctrine of Right), a certain ambiguity infects its contents. It deals with conceptions, both ethical and psychological, that are fundamental to the whole of practical philosophy, but they are sometimes occupied more with the implications of these conceptions for issues of external right than with their general significance for ethics.
2.1 Preface (205–210) The first two paragraphs of Kant’s Preface locate the Doctrine of Right in the system. Kant also anticipates the Introduction, informing us that it will try to prepare us for the “form” of the system which is to follow. Kant envisioned the Metaphysics of Morals as having a role in the system of philosophy analogous to that of the Metaphysical First Principles of Natural Science (1786); one may speculate that he would have written both works at the same time if he had not experienced special difficulties with the foundations of ethics. Most of the Preface, however, is devoted to addressing literary skirmishes in which Kant was involved. He replies respectfully to Christian Garve’s complaint against the obscurity of philosophical writing, but is sharper in his reply to the Wolffian charge (probably made by J. F. Flatt¹) that Kant’s conception of philosophy, and its relation to mathematics, was not new, but had already been anticipated by Wolffians. This is relevant to the contents of the Doctrine of Right insofar as Kant makes important use of the analogy between mathematical construction and right as warranted coercion (232–233). The Preface then moves on to the most bitter of Kant’s polemics, this time against
1 Johann Friedrich Flatt was a Professor in Tübingen, to whom Kant had earlier replied in the Critique of Practical Reason (V 8). https://doi.org/10.1515/9783110782509-003
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the writer and publisher C. F. Nicolai. The Preface concludes with a Table of Contents of the Doctrine of Right (210).
2.2 Introduction to the Metaphysics of Morals (211–228): The textual issue The Introduction to the Metaphysics of Morals as a whole consists of four distinct sections, whose ordering has been a matter of both confusion and controversy. It is clear that the text of the Metaphysics of Morals published in 1797–98 did not in every detail correspond to what Kant intended. This has long been clear with respect to § 6 of the Doctrine of Right (250–251; see Mautner 1981). In his 1986 edition of the Rechtslehre, Bernd Ludwig undertook to correct the text of this work on a far more extensive scale, and made a sizable number of significant emendations, one of which pertains to the structure of the Introduction. Specifically, Ludwig suggested that the four sections of the introduction should be ordered differently from what is given in the original (and all previous) editions of the work. The original order is: I. On the Relation of the Faculties of the Human Mind to Moral Laws II. The Idea of and Necessity for a Metaphysics of Morals III. On the Division of a Metaphysics of Morals IV. Preliminary Concepts of the Metaphysics of Morals (Philosophia Practica Universalis) Even cursory reflection on these titles is enough to make highly plausible Ludwig’s suggestion that a more natural order would be: II, I, IV, III. The right place to begin the Metaphysics of Morals is, namely, with an explanation of the fundamental concept of such a work and the necessity for it. The next two sections explicate some of the basic conceptions used in a Metaphysics of Morals. First we need an account of the faculty of desire, the distinction between will (Wille) and choice (Willkür), the concept of freedom and the kinds of laws which may be addressed to a being with free choice. Then it is natural to deal with the fundamental ethical conceptions relating to the laws of freedom: obligation and duty, the distinctions between persons and things, maxims and laws, required and meritorious duties, and the imputation of acts to persons. The Introduction would naturally end with an account of the further distinction between juridical and ethical duties, and the consequent division of a Metaphysics of Morals into a Doctrine of Right and a Doctrine of Virtue. The contents of the four sections only serve to confirm this impression, and make Ludwig’s account of the Introduction seem more natu-
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ral. Our discussion here will therefore assume that Ludwig is correct in his ordering of the four sections, and will expound the Introduction according to it. Even with this ordering, Kant’s exposition remains somewhat sketchy and desultory, so that for the sake of an orderly presentation, we will not always follow him line by line.
2.3 The Idea of and Necessity for a Metaphysics of Morals (214–218) From the late 1760s onward, Kant closely associated his own approach to ethical theory with the term ‘metaphysics of morals’. But the meaning of this term changed as Kant’s thinking about ethics evolved. In his lectures and reflections of the early 1760’s, and in his prize essay On the Distinctness of the Principles of Natural Theology and Morals (1764), Kant toyed with moral sense theory as found in the writings of Shaftesbury and Hutcheson (Untersuchung II 298–300, Praktische Philosophie Herder XXVII 4–6). His first uses of the term ‘metaphysics of morals’ occur in connection with his rejection of this approach, and his insistence that moral value must be grounded in concepts rather than feelings, yet without any suggestion that the concepts must be a priori. During the 1770s, even after he had begun to use the term ‘metaphysics’ to refer to a priori cognition from concepts, Kant still contemplated the possibility that the a priori formal principle of morality might be only an idea of universality and systematicity applied to empirical material to form a system of happiness (230, 276–282; XIX 172). By the time of the Critique of Pure Reason (1781), however, Kant clearly means by ‘metaphysics’ a body of synthetic a priori principles, and this governs in the Groundwork (1785), where he also clearly rejects the notion that morality can be founded on any idea of happiness. Here Kant conceives of a ‘metaphysics of morals’ as a system of moral principles, or even of moral duties, which would be entirely a priori. The apriority of the moral law. Kant’s arguments in the Introduction for the claim that there is a metaphysics of morals are not new or essentially different from the arguments we find in his earlier works. He alludes to the necessity of moral obligations, which, along with the Humean premise that no experience is sufficient to establish necessity, implies that among the grounds for any moral obligation there must be some that are a priori (215). And here, as earlier, Kant is especially eager to refute the claim that moral obligations can be brought under the principle of one’s own happiness (215–216; cf. KpV V 21–28), as well as to argue that all principles advising us how to obtain happiness are contingent and empirical, and vary from person to person depending each individual’s inclinations; hence
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they are quite unlike the principles of morality, which are the same for everyone, taking no inclinations into account (215; cf. Grundlegung IV 416–420). Yet it is noteworthy that Kant regards a moral theory grounded on empirical principles as not only mistaken or theoretically faulty, but also practically dangerous or even corrupt – “running the risk of the grossest and most pernicious errors” (215). This is not merely a claim about the right structure of moral theory, but involves also some empirical theses about human beings and the propensity of their empirical inclinations. Specifically, it is Kant’s view that we have a tendency (which Kant sometimes calls ‘self-conceit’ and sometimes the ‘radical evil in human nature’) to give our own inclinations priority over the demands of the law (KpV V 73–74, Religion VI 29–32). But as part of the same self-conceit we want to think well of ourselves, creating in us a tendency toward self-deception about the extent to which we have fulfilled our duties, and a disposition to soften the demands of morality so that we can think we are behaving dutifully or even meritoriously while we are actually doing nothing but serving our own inclinations (Grundlegung IV 404–405, KpV V 80–89). Kant therefore thinks that it is of decisive importance to represent the law of duty as entirely distinct from those inclinations, so as to minimize the danger of confusing the two and falling into the corruption to which such confusion typically leads creatures like ourselves. This means, however, that Kant’s basic thesis of the fundamental importance of the metaphysical (or a priori) character of the moral law is actually in part an empirical anthropological thesis, about human nature and its susceptibility to various good and evil motives. The relationship between metaphysics and anthropology in Kantian ethical theory is thus much more subtle and complex than is commonly thought. Metaphysics and anthropology. Within the domain of moral philosophy Kant ordains a strict separation between a ‘metaphysics of morals’ and a doctrine of ‘practical anthropology’ to which the principles of such a metaphysics would be applied. In the Groundwork, Kant even requires a sharp separation of the empirical part of moral philosophy from the moral part, going so far as to suggest that the two might best be carried out by entirely different researchers in order to reap the benefits of a division of intellectual labor (IV 388–389). In this Introduction, Kant does once again assert that moral laws require an a priori foundation, and are completely independent of the pursuit of happiness (214–216), again contrasting the referent of the title of that work with ‘practical anthropology’ (216–217). But the sameness of the terminology may cause us to overlook a major change which has occurred in the way the two parts of moral philosophy are conceived. In the Preface to the Groundwork, a ‘metaphysics of morals’ contains only a priori principles; everything empirical is consigned to ‘practical anthropology’. A metaphysics of morals is, namely, a “pure moral philosophy, completely cleansed of ev-
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erything that might be only empirical and that belongs to anthropology” (Grundlegung IV 389). In the Metaphysics of Morals, however, Kant concedes that the system of duties falling under that title consists of pure moral principles insofar as they are applied to human nature: a metaphysics of morals itself, he says, “cannot dispense with principles of application, and we shall often have to take as our object the particular nature of human beings, which is known only by experience” (217, see Siep 1989). A metaphysics of morals is now bounded on the empirical side only through the fact that it limits itself to duties which can be derived from the pure principle as applied to human nature in general. It eschews only those duties which involve reference to particular conditions of people and special human relationships (468–469).² As the scope of a metaphysics of morals is expanded in the direction of the empirical, that of practical anthropology is correspondingly constricted; it no longer includes the study of the whole of the empirical nature of human beings, insofar as pure principles are to be applied to their actions. Instead, it concerns itself only with “the subjective conditions in human nature that hinder human beings or help them in fulfilling the metaphysics of morals” (217). Kant is in no way withdrawing or modifying his fundamental claim that the supreme principle of morality is wholly a priori and borrows nothing from the empirical nature of human beings, but he is withdrawing his earlier claim that a metaphysics of morals can concern only “the idea and the principles of a possible pure will and not the actions and conditions of human volition generally” (Grundlegung IV 391). Kant now regards a metaphysics of morals as constituted not by a set of wholly pure moral principles, but instead by the system of duties which results when the pure principle is applied to the empirical nature of human beings in general. This change in the boundary marking metaphysics of morals from practical anthropology does, however, justify Kant’s procedure in the next section of the Introduction, which will be to discuss the general features of the human faculty of desire which makes it subject to moral laws.
2 It is doubtful that Kant holds consistently even to this restriction, since in the Metaphysics of Morals he deals with juridical duties arising out of family relationships, and ethical duties pertaining to friendship, as well as the relationship between benefactors and beneficiaries (276–284; TL VI 452–456, 469–473).
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2.4 On the Relation of the Human Mental Faculties to Moral Laws (211–214) Desire. Kant divides the mind’s powers into three basic ones: the faculty of cognition, feeling (pleasure and displeasure), and the faculty of desire (KU V 198). Kant defines this faculty as the capacity to produce an object (or state of affairs) by means of a representation (Vorstellung) of that object (211, cf. KpV V 9). To desire an object (or state of affairs) is simply to have a representation of it, accompanied by a feeling of pleasure (aversion is a representation accompanied by displeasure.) Desire thus involves both a product of our cognitive power (a representation) and also a feeling of pleasure or displeasure. Desire may or may not involve an awareness of our capacity to produce the object; but where this awareness is lacking, desire is called wish (231, cf. Anthropologie VII 251).³ In the case of empirical desire, the feeling of pleasure accompanying a representation comes about through the way the representation of the object affects our susceptibility to feeling, and the feeling is called an impulse or drive (Trieb) (213). When such a sensuous desire becomes habitual it is called an “inclination” (Neigung) (212; Anthropologie VII 251). Everything that has been said so far about the faculty of desire applies equally to rational beings and to brute animals. In the brutes, however, Kant holds that drives operate mechanically, causing the organism to apply its powers to produce the object desired through behavior not selected by the brute, but determined automatically by instinct. A brute cannot resist impulses, so as to deliberate about whether to satisfy a desire or even about whether to use this means or that to satisfy it. Brutes are not only “pathologically affected” by impulses, but “pathologically necessitated” by them (A 534/B 562). Brutes can neither resist their drives nor select means to the satisfaction of a drive. For this reason, they cannot, properly speaking, set ends; setting an end is the prerogative solely of rational nature (Grundlegung IV 437). This is because the setting of an end involves subjecting one’s active powers to rational principles, selecting one action over another because one judges that it serves the end, and submitting to the self-discipline of performing those actions which are judged necessary to achieve the end. By contrast,
3 Even wishes, however, according to Kant, relate to our power of producing the object of our representation, and Kant regards empty wishes of this sort as involving a kind of self-contradiction, as desire sets itself to produce and object which it nevertheless knows to be beyond its capacities. This typically human form of irrationality, he thinks, serves the function of spurring us on to develop our faculties, since if our wishes did not often outrun our abilities to satisfy them, then the capacities of the human species, which are always developing and forever indeterminate in scope, would remain undeveloped (Einl. KU XX 230–231n).
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the teleology in a brute’s behavior is never consciously self-imposed, but is always the result of mechanisms hard-wired into brute’s instinctive behavior repertoire (including learned associations based on them). Even the idea of an “end” with respect to the behavior of animals is the product of our reflective theorizing about the observable arrangement of mechanical causes of what the brute does. The conflict between inclination and duty in Kant’s moral psychology is sometimes depicted (especially by critics of Kantian ethics) as a conflict between something we desire to do and something we are commanded (by the law of duty) to do, as though in the latter case there could be no desire to do it, but only a moral requirement which we necessarily experience as frustrating our desires. But of course the moral law according to Kant’s theory is the law of our own rational will, and it obligates us only because it is legislated by us. It would be strange, therefore, if every obedience to this law came about in the absence of any desire. In the Introduction to the Metaphysics of Morals, Kant makes it clear that the action from the law of duty is by no means action from which desire is absent. Though desire is always a representation accompanied by a feeling of pleasure, Kant notes that the pleasure need not precede the desire, but can come about as its effect (211–212). In other words, when we act from duty, our recognition that the action is required by the law springing from our own reason creates in us a desire to perform the action, the representation of whose end or object is therefore accompanied (as in all desire) by a feeling of pleasure. Kant calls the desire in this case “sense-free inclination (propensio intellectualis)” (213).⁴ Though we desire to do actions done from duty (and take pleasure in doing them, they are nevertheless actions to which we must constrain ourselves. because (according to Kant’s empirical theory of human nature) we have inclinations which tend to resist the law. But the struggle within us is never a struggle between desire and something else, but always a conflict between desires arising from empirical impulse and desires arising from reason. Will and choice. In the Introduction, Kant draws a distinction between the will (Wille, voluntas) and the (power of ) choice (Willkür, arbitrium). He draws the distinction by saying that Willkür is the will considered in relation to an action (the action chosen), while Wille is the will considered in relation to the ground determining choice (213). We could put the point by saying that will is the capacity to determine one’s choices through principles of reason, whereas choice is the capacity to do or refrain from an action, whatever the ground of one’s choice may be.
4 This “intellectual inclination” Kant which he contrasts with sensible inclination or “desire in the narrow sense”; the pleasure we take in such an action (or in its object) Kant calls “intellectual pleasure” (212).
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It is sometimes thought that Kant makes this distinction only in his later writings, but both terms are used in very much the same sense earlier. According to the Critique of Pure Reason, a faculty of desire which directly responds to drives is called a “brute power of choice” (tierische Willkür or arbitrium brutum), as contrasted with the human power of choice, which is “sensitive” (affected by sensuous drives) but also “free” (a freie Willkür or arbitrium liberum) (A 534/B 562).⁵ Not only do human beings have the capacity to resist drives but the human faculty of desire is never determined by sensuous drives in the mechanical way that a brute power of choice always is. In the same vein, the Groundwork describes will as the capacity to act on the representation of laws or on principles (Grundlegung IV 412). “An incentive can determine the will to an action only insofar as the individual has taken it up into his maxim (has made it into a general rule, according to which he will conduct himself )” (Religion VI 24). (This crucial Kantian idea has been emphasized by Henry Allison under the name “the Incorporation Thesis”; Allison 1990, 5–6, and passim.) A maxim is a “subjective principle of action”, that is, a principle which the subject makes for itself to govern its action. Maxims contrast with practical laws, which are objectively valid. Because laws are given by reason, they proceed from Wille, while maxims, as subjective principles, proceed from Willkür (226). A maxim is “valid only for the subject” (binding only on the individual who in fact adopts it, and only for as long as the subject chooses to adhere to it) while a “law”, a principle on which the subject should act (whether it subjectively chooses to or not (Grundlegung IV 400, KpV V 18–19). Interest. When our understanding judges that a feeling of pleasure or displeasure is connected with a certain (kind of ) object according to a rule, Kant calls this an “interest” (212, cf. Grundlegung IV 413, KU V 204). Intellectual pleasure (in an action required by reason, or in its object) creates an interest of reason. Our awareness of sensible inclinations (or habitual sensible desires) creates interests because it enables us to anticipate the satisfaction of our desires and hence to adopt principles leading to their satisfaction. A brute power of choice, which acts from instinctive impulses rather than from principles or toward ends, thus involves no conception of interest. Further, a being with will, when it has a variety of desires to satisfy, has the capacity to adopt a set of principles which take account of the long-term or comprehensive satisfaction of its desires. This involves setting a comprehensive end, an idea of a “sum of satisfaction” or “happiness” (Grundlegung IV 399). “Self-interest” is closely connected to this idea and to principles of action
5 Kant’s distinction was probably based immediately on Baumgarten’s discussion of the free power of choice and the brute soul, Metaphysica §§ 712–719, 792–793.
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corresponding to it. A brute, in Kant’s view, having no conception of itself as an agent, also has no conception of its own self-interest and therefore no capacity to pursue (or even conceive of ) its own happiness. Brutes can be pleased, but never happy; and any conception we may have of a the overall good of a nonrational being must be a theoretical construct by rational beings, part of their theory making the brute’s life processes maximally intelligible to themselves. Freedom. Because a being with will or practical reason acts on a desire only by incorporating it into a maxim of its own devising, every such being must be free in the “negative sense” – that is, it cannot be causally determined or coerced by its sensible drives, but is capable of resisting them and acting contrary to them (213; cf. Grundlegung IV 446–447, KpV V 29–30). But freedom regarded as this negative capacity is closely connected with a more positive ability to act from some incentive other than drive or empirical inclination – a capacity (as Kant puts it) of “pure reason to be of itself practical” (214; cf. KpV V 31). To be free in this positive sense means only that in adopting maxims we are capable of being motivated by something other than empirical desires, namely, by the recognition that acting in a certain way is absolutely or unconditionally rational. Clearly the motive Kant has chiefly in mind here is that of duty or respect for the moral law; but it is worth observing that something like it must be operative even in cases of what Kant calls “hypothetical imperatives” (or what is now called “means-ends” or “instrumental” rationality). For (setting aside cases where we merely obtain theoretical information about how to achieve a desired end) practical reason proper comes into play only when our immediate desire for an end is insufficient to motivate us to take the necessary means to it, and some further incentive is needed to motivate us to do what is necessary to pursue the end we will. The motivating thought here can be represented as a certain conception of ourselves as rational pursuers of the end in question; we take the necessary means because we want to think of ourselves as living up to this self-conception. But then it is not a big leap to ask whether there is not another conception of oneself as a rational being – a conception not tied to the antecedent adoption of any end – which is capable of motivating us in a similar way. Kant thinks that there is: it is the conception of oneself as a self-governing agent, having the dignity of self-legislation. Freedom is a property not of will (Wille) but of choice (Willkür), since only choice is a capacity to do or refrain (213). But Kant refuses to define freedom as a capacity to make choices for or against the law of reason (226). Only the possibility of choosing according to reason is a capacity; choosing contrary to reason is rather the result of an incapacity – not of the capacity of which freedom consists (since in that case actions contrary to law would be unfree and we would not be responsible for them) but of a lack of strength in our Willkür, leading to our failure to exercise the freedom that we have.
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Kant’s claim that a rational being is free (in the above sense) is not the same as his more controversial thesis that a being can be free only if its action is not subject to natural causal laws of any kind. Confusing the two claims leads to a common picture of Kantian ethics as resting on outlandish or preposterously metaphysical claims about ourselves and our rational capacities. Of course, Kant may be correct that we cannot have the freedom we ascribe to ourselves as rational agents unless we have supernatural capacities and are exempt from natural causality. Those who find the latter Kantian thesis implausible, however, should not suppose that its implausibility has to infect his conceptions of practical reason and the freedom it involves.
2.5 Preliminary Concepts of the Metaphysics of Morals (Philosophia Practica Universalis) (221–228) Imperatives, obligation and duty. After a preliminary account of the human will and its general capacities and characteristics, Kant now proceeds to delineate the fundamental moral concepts applicable to beings like ourselves. The title Philosophia practical universalis for this part of an ethical system was borrowed from Baumgarten’s system of ethics, on which Kant regularly lectured (cf. Moralphilosophie Collins XXVII 243–298). Kant’s anthropology takes us to be rational creatures, having will or free choice, who also have empirical desires and are characterized by a tendency to place these desires ahead of the commands of reason. For us, therefore, laws of reason are imperatives, that is, principles which constrain or “necessitate” us to do something we have a natural tendency not to do unless we make ourselves do it (221, cf. Grundlegung IV 413–414). Imperatives are hypothetical if this constraint is conditioned by our having already set some end, to which the action is a necessary means. They are categorical if the necessity is independent of any end, and even capable of constraining us to adopt ends (221). Kant here ignores a third kind of imperative, which he elsewhere calls assertoric or pragmatic, that constrains us to unite our empirical ends into a whole (called ‘happiness’ or ‘well-being’) and to pursue empirical ends under the condition that they contribute to our happiness (Grundlegung IV 414–419, KU V 430, Einl. KU XX 200n). He sometimes seems to think that pragmatic imperatives are only a species of hypothetical imperative, whose force is simply to constrain us to adopt the necessary means to an end we have chosen (see 222, Grundlegung IV 414). But this is plainly not true, since pragmatic imperatives also constrain our adoption of ends them-
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selves, requiring us to form the idea of happiness and to satisfy only those empirical desires which promote the realization of this idea. Kant now goes on to analyze obligation as “the necessity of a free action under a categorical imperative”, and duty as “that action to which someone is bound” (or obligated) (222). These technical meanings do not correspond very well to ordinary usage, since they would forbid us to speak of actions themselves as obligations (obligation being only a property of such actions, namely their necessity under a categorical imperative) and would also (as Kant himself observes) prevent us from describing one and the same obligatory action as required by more than one distinct duty (222). The point of Kant’s somewhat artificial distinction, however, seems to be to call our attention precisely to the fact that the same action (“duty”) can be required or necessitated in more than one way, or we can be bound to perform it by more than one rational ground. The same action, for example, can fall under a juridical duty, insofar as it is required by an external legislation protecting a person’s right, and also under an ethical duty, insofar it is required morally by respect for another as an end. Making use of the fact that a practical law can command either the commission or the omission of an action, Kant employs the notion of obligation (or practical necessitation) to analyze two further related notions: An action is permitted (licitum) if it is not contrary to obligation; it is forbidden (illicitum) if its performance is contrary to obligation (222–223). Some actions, he insists, are such that neither their commission nor their omission is necessitated, and these (he says) are morally indifferent (223). Kant raises the question whether there might be a special class of permissive laws (leges permissivae), in addition to commands (leges prescriptivae) and prohibitions (leges prohibitivae), covering these merely permissible actions (223). Elsewhere he answers the question in the affirmative (Frieden VIII 346–348; cf. KpV V 66). Conflicts of duties. Kant famously argues that there can be no such thing as a conflict of duties, either in the sense that two obligations might cancel each other or in the sense that two opposed rules of action might be necessary at the same time (224). He does allow, however, that two distinct grounds of obligation can oppose one another. In such a case, he says, the stronger ground prevails, and only it truly puts the subject under obligation. Kant clearly says too little here about a highly controversial issue. He makes things too easy for himself by considering duty only under the aspect of the necessity of an action – thus making a conflict of duties look like merely a modal (or rather a deontic) contradiction. But a duty has other aspects beside this – for instance, the failure to do a duty can create a further obligation to apologize or make restitution – which give practical meaning to cases where an agent cannot avoid violating a duty. Kant does not explain how we can be sure that of two conflicting grounds, one must always be stronger than
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the other. He also does not say how he proposes to deal with cases (which plainly can come up on any plausible theory of obligation) in which, through the commission of an action (which may itself be a transgression), I put myself in a situation where I cannot act in any way that is not contrary to an obligation (for example, by contracting to sell the same piece of property to two different buyers). And if such cases can occur as a result of my action, why may they not also occur as a result of someone else’s action, or of other circumstances I did not create? Concepts relating to the imputability of acts and consequences. An action which falls under an obligatory law is called a deed, and the being in relation to whose free choice a deed is considered is called the author of the deed. The deed and its effects are said to be imputed to its author, and imputation itself is the judgment that someone is the author of a deed (227). In legal cases, where the imputation carries the force of right, the person making this judgment is a judge in a court; in matters of morality, it is the agent (in foro interno), who makes a judgment of conscience (TL VI 400–401, 437–440). Beings who are possible subjects of imputation are persons, those to whom nothing can be imputed are things (223). (These conceptions of person and thing, relating to imputability or responsibility, appear to be distinct from the conceptions according to which persons, but not things, are subjects of rights. That the referents of the terms in these two meanings are the same is a substantive claim.) A deed contrary to duty is a transgression (reatus). Some transgressions, however, though imputable to the agent, are unintentional, and such a deed is called a fault (culpa). An intentional transgression is a crime (dolus) (224). An example of a transgression which is a fault rather than a crime would be, for example, an action which violates a person’s right negligently rather than intentionally. Such a deed is contrary to obligation and hence a transgression, imputable to its author, who is at fault and therefore culpable for it and its consequences; but they should not be imputed to the agent as though he had done wrong intentionally or maliciously. Imputability has to do with the relation of the agent to the consequences of a deed, and whether the agent deserves merit or demerit on account of it. When we are guilty of a transgression, we do less than what we owe under the law. But we can also do more than the law asks of us, and then our action is meritorious (227). This is the basis of Kant’s distinction, in the Doctrine of Virtue, between strict (or owed) duties and wide (or meritorious) duties (TL VI 390–394). It may be contrary to common usage to consider an action a duty when its nonperformance is not wrong but its performance is meritorious (many would prefer to call such actions ‘supererogatory’). But Kant regards meritorious actions as duties insofar as we can
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constrain ourselves to perform them.⁶ In fact, he holds that an act is more meritorious the larger the subjective obstacles to performing it, so that the more effort it takes to constrain ourselves to a good action, the greater the merit attaching to it (228). Perhaps Kant’s most controversial thesis here, however, is that “the good or bad results of an action that is owed, like the results of omitting a meritorious action, cannot be imputed to the subject” (228), but the bad results of a transgression can always be imputed, even if they were not intended by the agent (or even contrary to the agent’s intention) (Moral Mrongovius XXVII 1438). This doctrine plays an important role in Kant’s infamous essay on the right to lie, which considers the example of a man who lies to a would-be murderer about the whereabouts of his intended victim with the intention of saving the latter’s life. About this case Kant holds that since the lie is a transgression, the bad consequences of the lie can be imputed to the liar. Thus Kant maintains that if the intended victim (unbeknownst to the liar) attempts to escape and is found and killed as a consequence of the lie, then the death can be imputed to the liar (Über ein vermeintes Recht aus Menschenliebe zu lügen VIII 427).
2.6 On the Division of a Metaphysics of Morals (218–221) The status of the principle of right. The fundamental division in Kant’s system of duties is between the Doctrine of Right and the Doctrine of Virtue. But the precise nature of this division remains somewhat mysterious. It is natural to think that the two systems proceed from a common principle – a categorical imperative from which both duties of right and duties of virtue are derived. Kant seems to be doing this when he proposes to derive all duties from a single simple principle: “Act on a maxim that can also hold as a universal law”, 225). He appears to be doing the same thing when he seems to treat duties of right as a subspecies of moral duties generally, namely, those for which external legislation is possible (239). Kant says explicitly that a right as a capacity to put others under (juridical) duties, is derived from the “moral imperative” (239). Yet as to the “universal principle of right” itself, it is hard to sustain the view that it can be derived from the moral imperative. This principle is: “Any action is right if it can coexist with everyone’s freedom in accordance with a universal law, or if on its maxim the freedom of choice of each can coexist with everyone’s free6 For the best discussion of Kant on wide duty and supererogation, see Baron 1995, Chapters 1–3.
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dom in accordance with a universal law” (230). This principle may bear a superficial resemblance to the Formula of Universal Law: “Act only in accordance with that maxim through which you can at the same time will that it become a universal law” (Grundlegung IV 421, cf. RL VI 225). Like that formula, the principle of right provides us with a test only of the permissibility (in this case, juridical permissibility) of actions (or their maxims), and it does so with reference to some possible universal law. But the principle of right says nothing about willing maxims as universal laws, and the basic concept it explicates (that of right) is not part of the moral principle at all. Later in the Metaphysics of Morals, Kant does seem explicitly to discredit the whole idea that the principle of right is derived from the fundamental principle of morality when he declares that the principle of right is analytic, in contrast to the principle of ethics, which is synthetic (396). The analyticity of the principle of right would render redundant any derivation of the principle from the Formula of Universal Law, since Kant clearly regards the Formula of Universal Law, like all formulations of the supreme principle of morality, as synthetic (Grundlegung IV 447). For it makes no sense to derive an analytic proposition from a synthetic one. But how are we to understand the claim that the principle of right is analytic? Kant says that it is analytic because we do not need to go beyond the concept of freedom to see that external constraint is rightful if it checks the hindering of outer freedom (TL VI 396; cf. RL VI 231–233). This may be correct, but how does it show that in order to do no one wrong, my action must coexist with the freedom of all according to universal laws? In the Doctrine of Right, Kant declares that the concept of right is not made up of two elements, namely an obligation to act in accordance with universal law and an authorization to coerce others in fulfilling this obligation. (This was the main point Kant had made against Gottlieb Hufeland in his review of the latter’s Essay on the Principle of Natural Right (1785) (VIII 128– 129). Hufeland had derived the authorization to coerce those who would violate rights from an alleged natural obligation to increase our own perfection; Kant insisted that this would have the absurd consequence that one may not refrain from enforcing all one’s rights to the full. Instead, he regards the authorization to coerce another who hinders one’s rightful action as analytically contained in the concept of the action as rightful. As for the principle of right itself, I suggest that Kant intended it as an analysis of the concept of an action which is right (i. e. not juridically wrong or unjust) (232).⁷ The principle of right explicates the concept of right, telling us what it
7 Kant does not necessarily use the terms recht and unrecht always in the same sense, though. In
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means for an action to be juridically right (not a violation of anyone’s right to external freedom). Such an analysis would make sense, supposing that our concern with right or justice is fundamentally a concern with external freedom and its protection through law. The only claim here he thinks we might not concede to be analytic is that we have an authorization or warrant (Befugnis) to coerce anyone whose action violates the principle (since this was what Hufe- land had implicitly denied). Concepts of legislation. It would miss the whole distinction between right and ethics, however, to suppose that the principle of right must supply us with a ground (such as a moral one) for respecting the external freedom of others. Every legislation, Kant tells us, involves two basic elements: (1) “a law representing an action to be done as objectively necessary” and (2) “an incentive which connects a ground for determining choice to this action subjectively with the representation of the law” (218). The relation between the two can take either of two forms: Either the law itself, or the idea of obligation involved in the necessity of the action thought in the law, is seen as the incentive, or the incentive is seen as independent of the law, and supplied externally to it. In the first case, where duty must be the ground or incentive for action, we are dealing with ethical duties or duties o virtue; juridical duties or duties of right, by contrast, are precisely those where the incentive need not be duty – it may, for example, be the threat of coercion connected to the law by the legislator who promulgates it (218–219). Given this way of marking off the juridical realm from the ethical, it would be superfluous, and even contradictory to the very concept of the juridical, to include the rational incentive of duty as part of its principle. Because juridical duties are independent of the incentive for doing them, it is not out of place for Kant to refer to the existence of moral incentives for us to respect the right to external freedom which human beings have in virtue of their humanity. But these incentives are no part of the principle of juridical duties. In other words, a civil society based on right does not require a moral commitment on the part of its members to respect one another’s rightful freedom. It requires only a system of external legislation, backed by coercive sanctions sufficient to guarantee that their rights will not be infringed. The moral imperative does, of course, provide us with moral incentives to comply with juridical duties; but these duties are by their concept and principle entirely independent of ethical legislation and the imperative of moral duty in all its formulations. When we obey juridical duties from the motive of duty (as we certainly can), we then treat them (subjectively) as ethical duties rather than juridical du-
one passage he equates this opposition to that between aut fas aut nefas (218), while in another he explicates it as iustum et iniustum (229).
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ties; and it is only in this way, Kant says, that obedience to juridical laws can be considered as virtuous (220). Kant distinguishes the author of a law from its legislator (227). The author of a law is the one whose will grounds the obligation; but the legislator is the one who commands through the law, as by sanctioning its observance with rewards or punishments. In the case of the laws of a state, the two can be the same, because the incentive for obeying the law is indifferent to it. The law may be promulgated by a king or legislative body, which offers coercive sanctions to compel subjects to obey it; this fact makes the will of the monarch or legislature the legislator of the law, and the fact that the sanctions are the incentive for compliance means that the same will is the ground of obligation to obey the law, hence its author as well. In the case of moral laws, however, the legislator and the author of the law may be distinguished. When we conceive of an ideal realm of ends, or belong to a church or ethical community which aims at founding such a realm on earth, we may regard God as the legislator of the moral law (Religion VI 98), but it is always my own will as an autonomous rational agent which is the author of the law; to treat any will but mine – even the divine will – as the author of the moral law is to turn it into a principle of heteronomy, and thus undermine its moral obligatoriness (Grundlegung IV 431, 440–445). Kant, however, resists the reduction of even juridical laws to the commands of any will which has the power to enforce its commands with coercive sanctions. For all juridical laws stand under the principle of right, and derive their objective necessity (or obligatoriness) not from the legislator’s will but solely from the fact that they specify the conditions under which the external freedom of all can coexist according to universal laws. No will, however much coercive force it may possess, is capable of being either author or legislator of any law unless the content of the law brings it under the principle of right. Thus Kant insists (contrary to Hobbes) that subjects have rights over against a head of state, even though against a head of state he thinks these rights cannot be coercively enforced without the commission of wrong (Gemeinspruch VIII 289–307). This is because the civil condition in general, under which juridical laws are possible, is one which respects the right of every will to external freedom, which Kant brings under these three principles: “1. The freedom of every member of society as a human being. 2. His equality with every other as subject. 3. The independence of every member of a commonwealth as citizen” (Gemeinspruch VIII 290–296; cf. Frieden VIII 349–350, RL VI 314). Apparently Kant even holds that not all juridical laws require an author or legislator in order to be objectively obligatory. Kant distinguishes natural laws, which do not require external legislation in order to be binding, from positive laws, which are binding only if they are externally legislated, which further implies that nothing can be a genuine law of either kind unless it is binding according to right (224). Natural laws
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do not appear to require a legislator or an author to be valid as laws. Moreover, Kant even says that positive laws must always rest on a natural law establishing the authority of the legislator (224), so that even where juridical laws have their source in a will (as their author and legislator) they stand under natural law, which does not have its source in any will serving as its author or legislator. This makes it more plausible to claim that “all duties, just because they are duties, belong to ethics” (219). For it suggests that there are juridical duties at all only where there is conformity to natural right, as a condition of the obligatoriness of the duty in general. In the case of positive law, therefore, Kant appears embraces the position associated with the natural law tradition that nothing is a law at all unless it is consistent with natural law and can be grounded in it. In the case of positive laws, however, Kant holds that this consistency and grounding is constituted merely by the legitimate authority of the legislator, together with the proviso that we are not commanded to do anything that is in itself wrong (such as to give false testimony in a court of law, cf. KpV V 30, 155–156). Hence positive laws do not need to be just in their content in order to be obligatory, and to carry with them ethical as well as juridical obligatoriness. This is related to Kant’s famously controversial doctrine that we are morally obligated to obey all positive laws as long as they are juridically binding. This Introduction to the Metaphysics of Morals as a whole (218–221) purports to contain an account of the division of the work as a whole into the Doctrine of Right and Doctrine of Virtue. But Kant returns to this topic, and says some highly illuminating things about it, both in the Introduction to the Doctrine of Right and in the body of the Doctrine of Virtue. In § B of the Doctrine of Right he divides them by opposing the rights of humanity (the topic of in the Doctrine of Right) to the ends of humanity (the topic of the Doctrine of Virtue) (239–241). In the Doctrine of Virtue he both distinguishes right as dealing with actions from ethics as dealing with the maxims of actions (TL VI 388–389) and explains the analyticity of the principle of right (TL VI 396–397). A discussion of these passages, however – and thus a complete account of the principles of the division of a Metaphysics of Morals into a Doctrine of Right and a Doctrine of Virtue – still lies beyond the scope of this chapter.
Bibliography Allison, H. 1990: Kant’s Theory of Freedom, New York Baron, M. 1995: Kantian Ethics Almost Without Apology, Ithaca Mautner, Th. 1981: “Kant’s Metaphysics of Morals: A Note on the Text,” Kant-Studien 72
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Siep, L. 1989: “Wozu Metaphysik der Sitten?” in O. Höffe (ed.): Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Ein kooperativer Kommentar, Frankfurt/M., 31–44
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3 Der kategorische Rechtsimperativ „Einleitung in die Rechtslehre“ Mit diesem Abschnitt beginnt Kants eigentliche Rechtsphilosophie. Die vorangehende „Einleitung in die Metaphysik der Sitten“ betrifft nämlich auch deren zweiten Teil, die „Tugendlehre“. Die „Einleitung in die Rechtslehre“, im folgenden kurz „Einleitung“ genannt, ist der wohl dichteste Abschnitt. Klar und überzeugend gegliedert, bestimmt er den Gegenstand von Kants Rechtsphilosophie: die natürliche Rechtslehre (§ A) und den moralischen Begriff des Rechts (§ B). Er stellt das zugehörige, ebenfalls moralische Rechtsprinzip auf (§ C), rechtfertigt die Zwangsbefugnis (§ D), definiert das (erneut: moralische) Recht in seiner strengen Bedeutung (§ E) und setzt es im „Anhang“ gegen zwei äquivoke Rechtsbegriffe, die Billigkeit und das Notrecht, ab.
3.1 Rechtswissenschaft als Rechtsmetaphysik, als Rechtsethik Wir lesen den Titelausdruck „Rechtslehre“ wie selbstverständlich als eine Untersuchung des Rechts, sogar als dessen Wissenschaft bzw. wissenschaftliche Disziplin oder, wie der Kantianer Hans Kelsen (21960, 1) seine Reine Rechtslehre erläutert, als dessen Theorie. Tatsächlich bezeichnet der Ausdruck keine Disziplin, sondern ihren Gegenstand, den Inhalt. Denn „Lehre“ kann im Deutschen auch „den Gesamtinhalt eines Unterrichts, das was in einem Wissenszweige zusammenhängend gelehrt wird“, bedeuten (Grimm 12, 554). Wie der lateinische Zusatz „Ius“ (Z. 6) bekräftigt, ist die „Rechtslehre“ für Kant der Inbegriff gewisser Gesetze (229, 5) und die natürliche Rechtslehre nicht die Wissenschaft, sondern dieses selbst: Ius naturae (Z. 13 f.). Kant bedient sich der umständlicheren Ausdrücke – „Rechtslehre“ statt „Recht“ und „natürliche Rechtslehre“ statt „Naturrecht“ –, um mit dem Zusatz „Lehre“ den systematischen Anspruch seines Gegenstandes zu betonen. Im übrigen ist der einfachere Ausdruck „Recht“ schon besetzt; analog zum Ausdruck „Wahrheit“ (Z. 22) wird er in § B im ‚moralischen‘ (s. 230, 7 f.) Sinn von „Recht und Unrecht“ verstanden (Z. 25 f.). Deren Erläuterung als ,iustum et iniustum‘ weicht allerdings von den vorhergehenden ,Vorbegriffen‘ ab, die die lateinischen Ausdrücke mit „gerecht“ und „ungerecht“ übersetzen (224, 8), während ,Recht oder Unrecht‘ mit ,rectum aut minus rectum‘ gleichgesetzt wird (223, 35).
https://doi.org/10.1515/9783110782509-004
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Weil sich der moralische Rechtsbegriff auf eine ihm korrespondierende Verbindlichkeit bezieht (230, 7 f.) und diese „die Notwendigkeit einer freien Handlung unter einem kategorischen Imperativ der Vernunft“ meint („Vorbegriffe“: 222, 3 f.), handelt die „Einleitung“ über den kategorischen Rechtsimperativ im Singular, über Begriff und Maßstab des moralisch gebotenen Rechts. Die beiden Hauptteile entwickeln dagegen den kategorischen Rechtsimperativ im Dual, den kategorischen Imperativ des Privatrechts und den des öffentlichen Rechts. Sofern in beiden Bereichen mehrere Imperative auftauchen – nur als Beispiel: im Staatsrecht das Strafrecht als kategorischer Imperativ –, gibt es auf einer dritten Ebene den kategorischen Rechtsimperativ im Plural (vgl. Höffe 1990, bes. Kap. 5). Und schon der Umstand, daß es um einen kategorischen Imperativ geht, der sich seinerseits Kants kritischer Moralphilosophie verdankt, die wiederum in der „Einleitung in die Metaphysik der Sitten“ (bes. Abschn. IV „Vorbegriffe“) rekapituliert wird, spricht gegen die seit dem Neukantianismus beliebte These, Kants Rechtslehre sei von seiner kritischen Philosophie unabhängig. Wie übrigens schon Achenwall (§ 210) setzt auch Kant innerhalb der Rechtslehre den positiven vom natürlichen Teil scharf ab. Dort geht es um die juristische quaestio facti: um das, was Rechtens ist (quid sit iuris), „d. i. was die Gesetze an einem gewissen Ort und zu einer gewissen Zeit sagen oder gesagt haben“ (Z. 22 f; vgl. Z. 6), hier um die quaestio iuris: „das allgemeine Kriterium, woran man überhaupt Recht sowohl als Unrecht (iustum et iniustum) erkennen“ kann (Z. 25 f.). Im Gegensatz zu „dogmatischen“ Rechtspositivisten und ebenso zu „dogmatischen“ Naturrechtstheoretikern räumt Kant weder der positiven noch der überpositiven Rechtsbetrachtung ein Exklusivitätsrecht ein. Auch weiß er, daß die natürliche, nicht die positive Rechtsbetrachtung jener Rechtfertigung bedarf, die er in § B in Form einer offenen Aufgabe liefert: Die positive Geltung, die juristische Legalität, lasse die überpositive Gültigkeit, die moralische Legitimität, ungeklärt. Die Äquivalenz von „natürlicher Rechtslehre“ (§ A) und „Kriterium für Recht und Unrecht“ (§ B) folgt aus demselben Auftrag, „zu aller positiven Gesetzgebung die umwandelbaren Prinzipien her(zu)geben“ (§ A) bzw. „zu einer möglichen positiven Gesetzgebung die Grundlage“ zu errichten (§ B). Und dieser Auftrag enthält eine Prioritätsregel: Die positive Gesetzgebung hat sich nach der natürlichen zu richten, nicht umgekehrt, denn: „Eine bloß empirische Rechtslehre ist (wie der hölzerne Kopf in Phädrus’ Fabel) ein Kopf, der schön sein mag, nur schade! daß er kein Gehirn hat.“ Seit der Frühzeit versteht man hier den Ausdruck „empirische Rechtslehre“ im Sinne der positiven Rechtswissenschaft, so daß ihr Kant „so gerade ins Angesicht hinein“ alles Gehirn absprechen würde (Anonymus 1797, 306). Tatsächlich wendet er sich primär gegen das positive Recht selbst, sofern es sich moralischen Prinzipien entzieht, und bloß sekundär gegen eine positivistische Rechtstheorie, die das Recht
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von allen moralischen Ansprüchen freihält. Darunter fällt auch Luhmanns (z. B. 1993, Kap. 2) These der Selbststeuerung des Rechts. Ein Rechtswesen, dem es nur auf die Abläufe von Verfahren und die dahinter stehende Macht ankommt, das die Frage nach Recht und Unrecht dagegen verdrängt, ist für Kant „gehirnlos“. Der Text unterscheidet sodann vier Arten einer sich steigernden Rechtskompetenz, der es nicht auf eine wachsende Stoffmenge, sondern auf einen zunehmend souveränen Umgang mit dem Recht ankommt. Bei den zwei ersten Stufen besteht die Rechtskunde in einem bloß technischem Wissen, einer juristischen ZweckMittelkenntnis: (1) Wer nur die (stets: äußeren) Gesetze kennt, heißt Rechtsgelehrter (iurisconsultus); (2) wer sie zusätzlich („auch“) auf Fälle anzuwenden versteht, rechtserfahren (iurisperitus). (3) Die Steigerung („auch wohl … werden kann“) zur Rechtsklugheit (iurisprudentia) betrifft das Wohlergehen, da es nach der Grundlegung (IV 416 f.) der Klugheit obliegt, entsprechende Ratschläge zu erteilen. Über Rechtsklugheit verfügt, wer das juristische Wissen in den Dienst des Wohlergehens zu stellen versteht, sei es des eigenen Wohls oder des Wohls dessen, der juristischen Rat einholt. (4) Die epistemisch höchste Stufe, die Rechtswissenschaft (iurisscientia), sieht Kant merkwürdigerweise dort gegeben, wo zugleich ein epistemisches Defizit besteht, wo es nämlich an Rechtserfahrung und Rechtsklugheit mangelt („ohne beide zusammen“). Der Zusatz „bloße“ Rechtswissenschaft besagt, daß sich die Rechtswissenschaft durchaus mit Rechtserfahrung und Rechtsklugheit verbinden kann, die Verbindung aber kontingent ist. Weil Kant die Rechtswissenschaft mit der ,systematischen Kenntnis der natürlichen Rechtslehre‘ identifiziert (Z. 13), kann sie nicht auch eine Wissenschaft des positiven Rechts sein. Im Gegenteil gibt die für Kant einzige Rechtswissenschaft „zu aller positiven Gesetzgebung die umwandelbaren Prinzipien her“ (Z. 14 f.).
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Die Rechtslehre gliedert sich also nach § A folgendermaßen: Die Gliederung leistet nicht bloß eine systematische Ordnung des Rechts. Sie enthält auch drei Thesen, die den Titel der gesamten Schrift und ihren charakteristischen Erkenntnisanspruch erläutern: Als erstes erhöht Kant den Rang der Philosophie, da er den Ehrentitel der Wissenschaft nur ihrem Metier, der Untersuchung vor- und überpositiver, natürlicher Gesetze zubilligt. Man könnte in dieser These ein typisches Vorurteil der Philosophie sehen, über das die Wissenschaftsgeschichte längst hinweg gegangen ist; denn für das positive Recht ist die Wissenschaft wohletabliert, für das Naturrecht dagegen fragwürdig. Was heute Rechtswissenschaft heißt, wird von Kant aber nicht in Frage gestellt. Er hat für die Wissenschaft jedoch den anspruchsvollen Begriff einer systematischen Kenntnis aus Prinzipien (vgl. Z. 13 u. 15; s. auch KrV B 860 ff.; dazu Höffe 1998) und stillschweigend für die Prinzipien ihrerseits einen anspruchsvollen Begriff. Wenn man die Prinzipien lediglich im weiten, zugleich komparativen Sinn als ,allgemeine Sätze‘ versteht, so kann auch eine positive Rechtswissenschaft Kants Wissenschaftsideal erfüllen. Im strengen Verständnis – „schlechthin Prinzipien“ – geht es aber um ,synthetische Erkenntnisse aus Begriffen‘, welche „der Verstand“, auch der Rechtsverstand, „gar nicht verschaffen“ kann (KrV, B 357 f.). Direkt im Anschluß heißt es in der Kritik (B 359): „Es ist ein alter Wunsch, der, wer weiß wie spät, vielleicht einmal in Erfüllung gehen wird: daß man doch einmal, statt der endlosen Mannigfaltigkeit bürgerlicher (im Sinne öffentlich-rechtlicher, O. H.) Gesetze, ihre Prinzipien aufsuchen möge; denn darin kann allein das Geheimnis bestehen, die Gesetzgebung, wie man sagt, zu simplifizieren.“ Auf diesen philosophischen Sinn von Simplifizierung läßt sich Kant in seiner philosophischen Rechtswissenschaft ein. Zwei grundverschiedene Gesichtspunkte führen ihn also zum selben Ergebnis, zu dem für das Recht superlativischen Rang des Naturrechts:
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Das gemäß § A im normativen Sinn höchste Wissen, die Kenntnis der unwandelbaren Vorgaben für alle positive Gesetzgebung, fällt mit dem nach der Kritik im epistemischen Sinn höchsten Wissen, der synthetischen Erkenntnis aus Begriffen, in eins. Zweitens erscheint Kants Auftrag an die Rechtswissenschaft zwar auf den ersten Blick nicht als eindeutig. Er könnte auch deskriptiv gemeint sein und beispielsweise mit der Reinen Rechtslehre des Neukantianers Hans Kelsen die Prinzipien von Recht überhaupt herausarbeiten. Kelsens Prinzipien sind aber nicht im Kantischen Sinn ,unwandelbar‘, da ihnen die Eigenschaft des (synthetischen) Apriori fehlt, die wiederum die Metaphysik auszeichnet, so daß § A der Sache nach Kants provokativen Buchtitel erläutert: Die Rechtswissenschaft ist als Theorie moralischer Ansprüche an das Recht, als Rechtsethik, eine Rechtsmetaphysik, allerdings im Sinne der transzendental-kritischen Metaphysik von Moral. Erhebt Kant mit den ersten beiden Thesen einen hohen Anspruch, so plädiert er mit der dritten in § A enthaltenen These für Bescheidenheit: Die Rechtswissenschaft als solche zeichnet sich durch einen gravierenden Mangel aus: durch das Fehlen von Rechtserfahrung und Rechtsklugheit. Weil man diese von der Philosophie als solcher aber gar nicht erwartet, besagt Kants Hinweis, daß er im Bereich des Rechts das Wissen für keinen Selbstzweck hält. Es steht vielmehr – hier durchaus im Sinne von Aristoteles’ Gedanken einer genuin praktischen Philosophie – im Dienst der „in der Erfahrung vorkommende(n) Fälle“, letztlich des in der Rechtsklugheit angesprochenen und auf die Rechtsmoral des Naturrechts verpflichteten Wohlergehens. Der höchste Zweck der Rechtsphilosophie, die Anwendung ihrer Sache auf die Wirklichkeit, ist ihr als einer bloßen Prinzipienkenntnis verschlossen. Während für die Hier-und-Jetzt-Gerechtigkeit die öffentlichen Gewalten, letztlich das Gerichtswesen, zuständig sind, trägt der Philosoph lediglich eine Mitverantwortung für den öffentlichen Gebrauch der Vernunft (Was ist Aufklärung? VIII 379).
3.2 Sind die Anwendungsbedingungen metaphysisch? Das in § B gesuchte Kriterium für Recht und Unrecht, der moralische Rechtsbegriff, muß nach dem Titel der gesamten Schrift metaphysischer Natur, wissenstheoretisch also ein synthetisches Apriori sein. Nun setzt sich der Begriff aus zwei methodisch grundverschiedenen Momenten zusammen, aus der„Verbindlichkeit“ und aus dem, was sie „betrifft“ (230, 8), den Anwendungsbedingungen. Bestimmt als „Notwendigkeit einer freien Handlung unter einem kategorischen Imperativ der Vernunft“ (222, 3 f.), ist die Verbindlichkeit ein moralischer und wegen seiner Unabhängigkeit
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von empirisch bedingten Antriebskräften metaphysischer Begriff. Weil diese Seite aus den ethischen Prolegomena, der Grundlegung und der zweiten Kritik, bekannt, überdies in den „Vorbegriffen“ erinnert worden ist, befaßt sich der zweite Absatz von § B vornehmlich mit dem anderen Moment, mit den nicht mehr moralischen, vielmehr deskriptiven Anwendungsbedingungen. Statt sie zu rechtfertigen und dabei ihren methodischen Status auszuweisen – sind sie in einem jetzt theoretischen Sinn metaphysisch? – stellt Kant sie schlicht thetisch hin. Man könnte die Anwendungsbedingungen aus dem Begriff der Rechtslehre als dem „Inbegriff der Gesetze, für welche eine äußere Gesetzgebung möglich ist“ (229, 5), ableiten und sie deshalb für analytisch halten wollen, gewonnen mit Hilfe der Frage: Was sind die für eine äußere Gesetzgebung notwendigen und zugleich zureichenden Bedingungen? Tatsächlich bedarf es einer kreativen Überlegung, die ähnlich wie die Aufgabe von § E ,gleichsam die Konstruktion‘ eines Begriffs, nämlich die ,Darstellung desselben in einer reinen Anschauung a priori‘ ist (232, 32 f.). Die Konstruktion der notwendigen und zureichenden Bedingungen für die Anwendbarkeit einer äußeren Gesetzgebung ist für Kant aber keine analytische, sondern eine synthetische Leistung. Falls sie überdies apriorischer Natur ist, gehört sie zur theoretischen Metaphysik, und der Rechtsbegriff setzt sich aus zwei verschiedenen, aber gleichermaßen metaphysischen Momenten zusammen: aus einer genuin praktischen Metaphysik, der moralischen Verbindlichkeit, und aus einer apriorischen Konstruktion, die in den Bereich theoretischer Metaphysik reicht. Da die Konstruktion den Menschen betrifft, ordnet sie sich einer Anthropologie, des näheren: einer Rechtsanthropologie zu. Sie ist aber von jener „moralische(n)“ bzw. didaktischen Anthropologie streng verschieden, die „nur die subjektive, hindernde sowohl als begünstigende Bedingungen der Ausführung der Gesetze … und dergleichen andere sich auf Erfahrung gründende Lehren und Vorschriften enthalten würde“ (217, 10–16). Ebenso unterscheidet sie sich von der Anthropologie in physiologischer Hinsicht, der „Erforschung dessen, was die Natur aus dem Menschen macht“, und der Anthropologie in pragmatischer Hinsicht, die sich mit dem befaßt, was der Mensch „als freihandelndes Wesen aus sich selber macht, oder machen kann und soll“ (Anthropologie VII 119). Die in der Rechtslehre praktizierte Rechtsanthropologie befaßt sich mit der Frage, warum es angesichts der conditio humana überhaupt Recht braucht. Dabei kommt es nicht auf besondere Gattungsmerkmale an, sondern auf den Umstand, daß zurechnungsfähige Personen, die dieselbe Welt miteinander teilen, sich wechselseitig beeinflussen. Das Ergebnis entspricht methodisch den Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft, auf die Kant selber hinweist (205). Deren „Vorrede“ unterscheidet jenen transzendentalen Teil der Metaphysik der Natur, der „ohne Beziehung auf irgend ein bestimmtes Erfahrungsobjekt“ auskommt (IV 469), von zwei Disziplinen einer besonderen Metaphysik, die „jene transzendentalen Prinzipien
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auf die zwei Gattungen der Gegenstände unserer Sinne“ anwenden und dafür elementare, nämlich nicht weiter ableitbare, gleichwohl empirische Begriffe brauchen: In der (metaphysischen) Physik ist es der empirische Begriff einer Materie, in der (metaphysischen) Psychologie der eines denkenden Wesens (IV 470). Und in deren Durchführung kommen weitere Begriffe hinzu. Analog wendet die Metaphysik der Sitten die Prinzipien der Moralphilosophie in der (metaphysischen) Rechtslehre auf eine äußere und in der (metaphysischen) Tugendlehre auf eine innere Gesetzgebung an und gewinnt dort die Moral des Zusammenlebens, die soziale, hier aber die Moral der inneren Einstellung, die personale Moral. Deren Grundaussagen sind erkenntnistheoretisch gesehen ein nicht-reines synthetisches Apriori, das das reine synthetische Apriori, den Moralbegriff, auf ein elementares empirisches Faktum anwendet, im Fall der Rechtslehre auf die nicht weiter ableitbare Koexistenz endlicher Vernunftwesen. Angesichts der räumlich begrenzten Erde haben sie keine andere Wahl, als mit ihresgleichen in Gemeinschaft zu leben. Und dieses Faktum entspricht nach § E der Konstruktion eines kräfteerfüllten Raumes. Bekanntlich hält auch Hume die Knappheit für eine Anwendungsbedingung des moralischen Rechts bzw. der Gerechtigkeit (A Treatise of Human Nature, 1739, Buch 3, Teil 2, Abschn. 2; An Enquiry Concerning the Principles of Morals, 1751, Abschn. 3, Teil 1). Ihm gegenüber nimmt Kant eine erhebliche Vereinfachung vor. Daß die Menschen, wie Hume sagt, einigermaßen ähnliche körperliche und geistige Kräfte haben oder daß eine mäßige Güterknappheit herrscht, erweist sich für die Konstruktion des Rechtsbegriffs als unerheblich. Wie Kants metaphysische Physik so bedarf auch seine metaphysische Rechtslehre weiterer empirischer Elemente: etwa daß der Mensch Leib und Leben hat, die verletzt werden können, daß es Gegenstände im Raum gibt, die man zu Eigentumstiteln machen kann, daß man Verträge abschließt, Geld verwendet, daß es Mann, Frau und Kinder gibt usw. Auch diese Elemente übernehmen aber keine Begründungsfunktion, spezifizieren vielmehr den Anwendungsbereich und beeinträchtigen daher nicht den hinsichtlich der moralischen Verbindlichkeit metaphysischen Charakter.
3.3 Die Anwendungsbedingungen Die den Anwendungsbedingungen zugrundeliegende Frage spricht Kant nicht schon in § B aus, sondern erst beim Übergang vom Privat- zum öffentlichen Recht (§ 42: 307, 9 f.): Was ist die unvermeidbare Sozialbeziehung? Die Antwort entwikkelt § B in drei Schritten:
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(1) Der moralische Rechtsbegriff betrifft erstlich Intersubjektivität in Reziprozität (vgl. 256, 4) nämlich: „nur das äußere, und zwar praktische Verhältnis einer Person gegen eine andere, sofern ihre Handlungen als Fakta aufeinander (unmittelbar oder mittelbar) Einfluß haben können“ (230, 9–11). Diese komplexe, dreiteilige Bestimmung beginnt mit einem rechtsunspezifischen, für die gesamte Metaphysik der Sitten gültigen Moment: (1.1) Von moralischen Verbindlichkeiten läßt sich nur dort sinnvoll reden, wo nicht Naturkräfte, sondern Personen – für Kant: zurechnungsfähige Subjekte (223, 24 f.) – agieren und sich mittels „Fakta“, also mittels zurechenbarer Taten (vgl. 227, 21–23), wechselseitig beeinflussen. Weil sich die Rechtslehre mit Zurechnungsfähigkeit zufriedengibt, ist Isaiah Berlins (1969, 37 ff.) Vorwurf zurückzuweisen, Kant sei gegen den negativen Freiheitsbegriff feindlich eingestellt. Was Berlin für Kant in Abrede stellt, ist in Wahrheit für ihn wesentlich: ein Liberalismus, der sich im Recht der äußeren Freiheit, unabhängig von der nötigenden Willkür anderer beliebiges zu tun und zu lassen, begnügt und die innere oder moralische Freiheit, die Unabhängigkeit des Willens von den Trieben, Bedürfnissen und Leidenschaften, für die Ethik bzw. Tugendlehre reserviert. (1.2) Auch wenn man mit sich selbst im Widerstreit liegen kann, ergeben sich Rechtsprobleme erst, wenn es mehrere Personen gibt (i: Pluralität von Personen), die in einem Verhältnis zueinander stehen (ii: Intersubjektivität), das nicht lediglich ästhetischer oder theoretischer (kontemplativer), vielmehr praktischer Natur ist (iii: Intersubjektivität und Reziprozität); und dies trifft auf Personen in derselben Außenwelt zu (vgl. §§ 42–43). (1.3) Daß das Zusammenleben nie bloß ästhetischer oder bloß theoretischer Natur ist, hängt von zwei weiteren empirischen Bedingungen ab: daß die Außenwelt begrenzt, „der Erdboden eine … sich selbst schließende Fläche“ ist (§ 43: 311, 23 f.; vgl. § 62 und vorher § 13) und daß die Personen nicht reine Intelligenzien („Engel“) sind, vielmehr einen Leib haben, der schon aufgrund seiner Ausdehnung einen Teil der gemeinsamen Welt beansprucht, außerdem zur Befriedigung seiner Bedürfnisse und Interessen Güter der gemeinsamen Welt braucht. Diese drei Teilmomente machen zusammen die erste Anwendungsbedingung einer praktischen Koexistenz zurechnungsfähiger Subjekte aus. Mit ihr hebt Kant in aller Klarheit das Entscheidende hervor, womit er Zusatzfragen überflüssig macht und sowohl an Überzeugungskraft als auch an philosophischer Eleganz gewinnt. Beispielsweise unterläuft er den gegen Hobbes beliebten Einwand, die Theorie hänge von den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen der bürgerlichen Konkurrenzgesellschaft ab. (2) Die nächste Anwendungsbedingung erläutert die schon in der ersten Bedingung genannte Intersubjektivität in Reziprozität: Daß es nicht auf „das Verhältnis der Willkür auf den Wunsch (folglich auf das bloße Bedürfnis) …, sondern
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lediglich auf die Willkür des Anderen“ (230, 12–15), mithin auf Handlungs-, nicht Willensfreiheit, ankommt, stimmt nicht nur mit dem Ansatz bei der Zurechnungsfähigkeit überein. Da bloße Wünsche im Inneren verbleiben und selbst heterogene Innenwelten problemlos nebeneinander bestehen können, tut Kant gut daran, von der Welt der Wünsche abzusehen. Erst die Willkür drängt auf ein Handeln in derselben Außenwelt und schafft die unvermeidliche Sozialbeziehung. Unter den ausgeklammerten Wünschen subsumiert Kant die Bedürfnisse (230, 12 f.), mithin unausgesprochen auch deren Erfüllung, das Glück. Indem er die Sorge um das Wohl der Mitmenschen – „Handlungen der Wohltätigkeit oder Hartherzigkeit“ (Z. 13 f.) – dem Auftrag des Rechts entzieht, wendet er sich gegen jene utilitaristischen Rechtstheorien, die nicht etwa nur im englischen Sprachraum vertreten werden, sondern der Sache nach auch von Samuel Pufendorf (De iure naturae et gentium, 1688, I, 1) und Christian Wolff (Institutiones, 1750, I, 2, § 43). Indem sie nämlich die Pflichten der Menschlichkeit (officia humanitatis) mit hereinnehmen, verwischen sie, so Kant, den Unterschied zwischen dem Rechtsgesetz und den Tugendpflichten der Wohltätigkeit (230, 14). Und ein Souverän, der „das Volk nach seinen Begriffen glücklich machen“ will, behandelt seine Bürger als Kinder und Unmündige und wird selber zum Despoten (Gemeinspruch VIII 302; vgl. Religion VI 96). Kants implizite Utilitarismuskritik hat nicht nur eine rechtstheoretische, sondern auch eine rechtspolitische Bedeutung. Sie schließt aus dem moralischen Rechtsbegriff die Aufgaben des Sozial- und Wohlfahrtsstaates nicht vollständig (s. Allg. Anm. und Anhang 8.), aber doch weitgehend aus. (3) Nach der letzten Anwendungsbedingung, einer weiteren Präzisierung, geht es der Willkür nicht um die Materie, sondern um die Form (230, 16 f.). Was dieser „Formalismus“ meint, wird durch Kants Beispiel deutlich, daß jemand, der eine Ware kaufe, nicht danach gefragt werde, ob sie auch zu seinem Vorteil gereiche. Hier liegt die Willkür im Kaufen bzw. Verkaufen, das Wechselverhältnis im Tausch von Ware und Geld, die – im Innern verbleibende, daher nicht rechtserhebliche – Materie der Willkür in der Absicht, die die Tauschpartner verfolgen. Und die Form des Wechselverhältnisses besteht in einem freien (Z. 21), nämlich dem Zwang und Betrug enthobenen Tausch; dagegen können die Absichten, sofern sie nicht in die Art der Handlung einfließen, außer acht bleiben.
3.4 Rechtsbegriff, Rechtsgesetz und Rechtsprinzip Aus der Verbindung des moralischen Blicks (§ B, 1. Abs.) mit den Anwendungsbedingungen des Rechts (2. Abs.) gewinnt der dritte Absatz den moralischen Rechtsbegriff. Beurteilt man die Koexistenz zurechnungsfähiger Personen nach Kants
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Kriterium der Moral, der allgemeinen Gesetzlichkeit, so erhält man die vielzitierte Formel: „Das Recht ist also der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des andern nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit zusammen vereinigt werden kann“ (§ B, 3. Abs.). Kant leitet das Recht nicht aus dem Prinzip der personalen Moral, der inneren Freiheit oder der Autonomie des Willens ab, sondern aus der gegen die Differenz von personaler und sozialer („rechtlicher“) Moral noch indifferenten reinen praktischen Vernunft mit ihrem Kriterium der allgemeinen Gesetzlichkeit. Das hier erreichte Maß an Klarheit wird im Vergleich zum einschlägigen Paragraphen 83 des Allgemeinen Landrechts Preußischer Staaten deutlich. Dort gilt als „natürliche Freiheit“, „sein eigenes Wohl ohne Kränkung der Rechte eines Andern, suchen und befördern zu können“. Nach Kant kommt es dagegen nicht auf die „natürliche“, sondern auf die „rechtsbestimmte“ Freiheit an, die dem Paternalismus widerspricht und auch „in sein Unglück zu rennen“ erlaubt. Überdies bleibt der Begriff jener Rechte, die nicht gekränkt werden dürfen, noch zu bestimmen, was erst in Kants ,allgemeinem Kriterium‘ (229, 25) geschieht. Dabei ist der Zusatz „allgemein“ nicht explikativ zu lesen. Daß jedes Gesetz, ohne Eigennamen formuliert, einen gewissen Allgemeinheitsgrad enthält, ist allzu offensichtlich, als daß es zweimal (230, 22 und 25) ausgesprochen werden müßte. Kant erinnert vielmehr an sein generelles Moralkriterium; und schließt auch das Recht in sein Programm einer universalistischen Ethik ein. Sowohl auf innerstaatlicher wie auf globaler Ebene läßt Kant den für politischen Liberalismus charakteristischen Pluralismus zu, daß jede Person und jede Gruppe den Anspruch auf ihre Eigenarten hat, selbst auf ihren Eigensinn, solange sie streng allgemeinen Regeln folgen. Diese vom moralischen Recht her gebotene Verträglichkeit von Handlungsfreiheit hat zunächst die negative Seite: daß die Handlungsfreiheit eingeschränkt wird. Den Grund, der noch dem Privat- und dem öffentlichen Recht vorgelagert ist, führt Kant, weil er ihn vielleicht für allzu selbstverständlich hält, nicht eigens an: Sobald mehrere Personen sich dieselbe Außenwelt teilen, kann keiner einen Lebensraum für sich beanspruchen, nicht einmal den Platz auf dem er steht, ohne dadurch den möglichen Lebensraum aller anderen einzuschränken. Nach diesem – bei Kant freilich fehlenden – Argument, dem Gedankenexperiment eines primären Naturzustandes, ist die systematisch erste Freiheitseinschränkung kein moralisches Phänomen, vielmehr eine Zufälligkeit und „Naturvorgabe“, die mit der bloßen Koexistenz unvermeidlich mitgesetzt ist (vgl. Höffe 1987, Kap. 10.4). Stärker ins Auge springt die zweite, positive Seite des Kantischen Rechtsbegriffs: daß die Willkür des einen mit der des anderen „zusammen vereinigt werden“ kann (230, 26). Eine Freiheitseinschränkung nach einem allgemeinen Gesetz beinhaltet als solche eine Freiheitssicherung. Daß nur bei einer allseitigen Limitation
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der Freiheit diese ebenso allseitig geschützt wird, hat die große Tragweite, daß das Zusammenleben zurechnungsfähiger Subjekte, sofern es in einem emphatischen Sinn vernünftig, eben moralisch sein will, Rechtscharakter annehmen muß. Das heißt freilich nicht, jede positive Rechtsbestimmung sei erlaubt oder sogar geboten. Im Gegenteil stellt Kant einen Maßstab auf, mit dem alle positiven Gesetze auf ihre Legitimität hin beurteilt, mit dem genauer ihre drei grundlegenden Prinzipien: ein angeborenes Menschenrecht, ein Recht auf ein äußeres Mein und Dein und das auf eine öffentliche Rechtsordnung als Rechtens ausgewiesen werden. Dieser Maßstab, der kategorische Rechtsimperativ, bildet das juridische Gegenstück zum kategorischen Imperativ personaler Moral. Er verpflichtet die Gemeinschaft äußerer Freiheit genauso auf die allgemeine Gesetzlichkeit wie der kategorische Imperativ personaler Moral den persönlichen Willen. Dabei übernimmt er nicht nur eine rechtsnormierende, sondern zusätzlich rechtskonstituierende Aufgabe. Und die zuständige Disziplin, die Rechtsethik, ist mehr als eine partiale Sozialethik. Aufgrund ihrer Aufforderung, die menschliche Koexistenz überhaupt rechtsförmig zu gestalten, wird sie zu einer Fundamentaldisziplin der Gesellschaft und ihrer Theorie. An den Begriff schließt sich das Prinzip des Rechts an (§ C). Es formuliert denselben Sachverhalt, ein moralisches Recht, lediglich aus einer anderen Blickrichtung: nicht mehr vom objektiven, sondern vom subjektiven Recht aus. Das Rechtsprinzip gibt den moralischen Maßstab für subjektive Ansprüche ab: für die Gesamtheit der Handlungen, zu denen man nach dem objektiven Recht berechtigt ist (230, 29–31). Da diese Ansprüche vor und unabhängig von positiven Rechtshandlungen bestehen, bedeuten sie jene vor- und überpositiven Rechte, die wir angeborene Rechte oder Menschenrechte nennen. Kant läßt sich aber auf keinen Katalog von Menschenrechten ein; denn nach seiner Ansicht ist das angeborene Recht nur ein einziges: „Freiheit (Unabhängigkeit von eines Anderen nötigender Willkür), sofern sie mit jedes Anderen Freiheit nach einem allgemeinen Gesetz zusammen bestehen kann, ist dieses einzige, ursprüngliche, jedem Menschen kraft seiner Menschheit zustehende Recht“ (237, 27–31; vgl. Kap. 14.3). Weil alles, was sich mit dem allgemeinen Rechtsprinzip verträgt, erlaubt ist, erweist sich jede Mehrforderung als rechtlich unerlaubt, einschließlich dem Verlangen, „daß dieses Prinzip aller Maximen selbst wiederum meine Maxime sei“ (231, 3 f.). Jeder Vertrag beispielsweise ist solange gerecht, wie er freiwillig und ohne Betrug zustande kommt. Die Frage, ob man nicht betrügt, weil man andernfalls die Achtung seiner Mitbürger, vielleicht auch seine Geschäftspartner verliert, überdies bestraft wird, oder ob man aus moralischen Gründen ehrlich bleibt, ist für das Recht unerheblich. Ohne es ausdrücklich zu sagen, schließt Kants Rechtsbegriff jedes Gesinnungsrecht und jede Gesinnungsschnüffelei aus.
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Der moralische Begriff des Rechts entspricht der Gerechtigkeit. Von den verschiedenen Arten, die man seit Aristoteles unterscheidet, behandelt Kant weder die Verteilungsgerchtigkeit noch die korrektive (ausgleichende) Gerechtigkeit, sondern nur die Gerechtigkeit der Wechselseitigkeit, die Tauschgerechtigkeit. Getauscht werden allerdings weder Güter noch Dienstleistungen, vielmehr die Einschränkung und gleichzeitige Sicherung von Handlungsfreiheit. Und weil es noch kein Gemeinwesen gibt, wendet sich Kants Rechtsprinzip nicht an einen Gesetz- oder Verfassungsgeber, sondern an Menschen und fordert sie – indirekt – auf, sich gegenseitig als (natürliche) Rechtsgenossen anzuerkennen. Die „Einleitung“ führt schließlich eine dritte Variante der Rechtsmoral, das allgemeine Rechtsgesetz, ein. Weil es die Gestalt eines Imperativ erhält, stellt es den genauen kategorischen Rechtsimperativ dar: „handle äußerlich so, daß der freie Gebrauch deiner Willkür mit der Freiheit von jedermann nach einem allgemeinen Gesetze zusammen bestehen könne“ (231, 10–12). Da aber die Sache, die Kompatibilität von Handlungsfreiheit nach einem allgemeinen Gesetz, schon im Begriff und im Prinzip des Rechts angesprochen ist, können auch sie als Formulierungen des kategorischen Rechtsimperativs gelten.
3.5 Die Zwangsbefugnis Seit dem deutschen Aufklärer Thomasius (Fundamenta juris naturae et gentium 1718, Prooemium, auch § 23) versteht sich die Verknüpfung des Rechts mit der Zwangsbefugnis fast von selbst. Deren Beweis, immerhin die theoretische Lösung einer bis heute aktuellen Grundfrage von Recht und Staat, gelingt aber erst Kant: Warum darf es eine Zwangsbefugnis von Menschen gegen Menschen geben? Kants Antwort weist unausgesprochen die Sozialutopien, die auf allen Zwang zu verzichten fordern, zurück. Ohne jede Zusatzannahme folgt die Zwangsbefugnis direkt aus der Aufgabe des Rechts, das Zusammenleben äußerer Freiheit nach allgemeinen Gesetzen zu ermöglichen: Wo eine rechtliche Befugnis vorliegt, ist es nämlich allen anderen rechtlich verboten, das der Befugnis entsprechende Tun oder Lassen zu verhindern. Positiv formuliert, gehört zum Begriff der rechtlichen Befugnis die Befugnis zweiter Stufe hinzu, das, wozu man befugt ist, zu erzwingen. In dieser einstufigen Legitimation ist die Zwangsbefugnis mit dem Recht „nach dem Satze des Widerspruchs verknüpft“ (§ D; vgl § E und 233, 34 f.). Man könnte diese Legitimation aus einer (Rechts‐)Antinomie heraus entwickeln, aus dem Gegensatz von strengem Rechtspositivismus und strengem Anarchismus. Gemäß der positivistischen These hätte die Rechtsordnung einen Blankoscheck; gemäß der anarchistischen Antithese wäre jeder Zwang verwerflich; und die Auflösung der Antinomie bestünde in jener Legitimation des Zwangs, die zu-
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gleich seine Reichweite einschränkt. In einer derartigen Argumentation, einer Legitimation plus Limitation, träte zwar das charakteristische Profil der Aufgabe besser hervor. Sie würde aber eine Überlegung wiederholen, die schon zu den Anwendungsbedingungen des Rechts gehört, dort von Kant allerdings nicht ausgeführt wird. Es ist das Gedankenexperiment eines primären Naturzustandes, das diesen als in sich widersprüchlich, mithin seine Überwindung als notwendig erweist (vgl. Höffe 1987, bes. Kap. 10). Insofern das Gedankenexperiment in der „Einleitung in die Rechtslehre“ fehlt, schöpft sie die Möglichkeiten der Rechtsethik nicht ganz aus. Kant bereitet die Begründung der Zwangsbefugnis in § C (2. Abs.) vor, führt sie in § D durch und macht in § E die Probe darauf. Wer „Zwang“ hört, denkt zunächst an physische Gewalt. Neben ihr gibt es aber eine Fülle anderer Formen, außerdem nicht nur den direkten, sondern auch jenen indirekten Zwang, der aus gesellschaftlicher Abhängigkeit oder wirtschaftlicher Armut resultiert. Da Kant das weite Spektrum der möglichen Zwangsbegriffe nicht vorstellt, schreibt man ihm gern einen engen, auf physische Gewalt eingeschränkten Begriff zu oder wirft ihm im Gegenteil einen zu vagen Gewaltbegriff vor. In Wahrheit bleibt der Zwangsbegriff zu Recht offen, weil zunächst die grundsätzlichere Frage zu beantworten ist, ob überhaupt und gegebenenfalls inwieweit der Zwang moralisch erlaubt ist. Dabei meint der Zwang weder Rache noch Notwehr noch Strafe; von staatlicher Kriminalstrafe kann erst im öffentlichen Recht die Rede sein. Kants sehr formale Argumentation ist ebenso einfach wie überzeugend: Moralisch legitim ist jeder Zwang, der sich einem illegitimen Zwang, dem Unrecht, entgegenstellt. Damit lehnt er stillschweigend einen strengen Anarchismus, ab; denn Zwang darf sein. Legitim ist er aber nur unter zwei restriktiven Bedingungen, mit denen Kant der These aus der Rechtsantinomie widerspricht. Erstens ist der Zwang nur dort erlaubt, wo es ohnehin schon Zwang gibt, wo nämlich ein anderer in meinen legitimen Freiheitsraum eindringt. Der legitime Zwang greift nicht an, sondern verteidigt sich; er ist kein aggressiver, sondern ein defensiver Zwang. Und dieser Gegen-Zwang, die Unrechtsabwehr, ist zweitens, allein so weit legitim, wie er sich gegen Unrecht wendet. Andernfalls wäre ja ein Dieb, der den Bestohlenen darin hindert, sein Eigentum zurückzugewinnen, moralisch im Recht. Die allein legitime Form, die Unrechtsabwehr, tritt in zwei Gestalten auf: präventiv und restitutiv. Bahnt sich ein Diebstahl an, so darf man ihn verhindern (man fällt etwa dem Dieb in den Arm); wo er stattgefunden hat, darf man sich das Gestohlene wieder zurückholen. Dabei beinhaltet die Unrechtsabwehr zugleich ein Kriterium für den legitimen Gegenzwang: Wer den Dieb bewußt verletzt oder sich mehr als das Diebesgut zurückholt, begeht selbst ein Unrecht. Zur Rechtfertigung der zwangsförmigen Unrechtsabwehr verwendet Kant zwei praktische Negationen: als die einfache Negation eines Handelns das „Hindernis
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einer Wirkung“ und als die doppelte Negation den „Widerstand, der dem Hindernis entgegengesetzt wird“ (vgl. 231, 24 f.). Die einfache Negation eines moralisch legitimen Handelns, das Hindernis, ist ein moralisches Unrecht (vgl. 230, 32–34), während eine Negation dieser Negation die Position wiedergewinnt. Wer einem Unrecht präventiv oder restitutiv Widerstand leistet, hebt das Unrecht auf und erkennt das legitime Recht wieder an (vgl. 231, 28–32). Kant operiert hier lediglich mit den Begriffen von Recht und Unrecht sowie mit einer logischen Operation, der doppelten Negation, mit der man die Position wiedergewinnt. Die Zwangsbefugnis ist daher im Begriff des Rechtsprinzips enthalten. Hier und nicht bei den Anwendungsbedingungen argumentiert Kant analytisch: „mithin ist mit dem Rechte zugleich eine Befugnis, dem, der ihm Abbruch tut, zu zwingen, nach dem Satze des Widerspruchs verknüpft“ (Z. 32–34). Das rechtlich Erlaubte schließt die Erlaubnis zweiter Stufe ein, das auf der ersten Stufe Erlaubte zu erzwingen: Ein subjektives Recht setzt sich nicht „aus zwei Stücken“, aus „der Verbindlichkeit nach einem Gesetze“ und der Zwangsbefugnis zusammen (232, 6–9), sondern „Recht und Befugnis zu zwingen bedeuten also einerlei“ (Z. 29). Im nächsten Paragraphen macht Kant gewissermaßen die Probe. § E geht vom Ergebnis des § D, der Zwangsbefugnis des (moralischen) Rechts aus und fragt nach der „Möglichkeit eines mit jedermanns Freiheit nach allgemeinen Gesetzen zusammenstimmenden durchgängigen wechselseitigen Zwanges“. Die Antwort lautet: Ein derartiger Zwang ist nur als Recht im strengen Sinn des Wortes möglich. In der Erläuterung (232, 30 ff.) vergleicht Kant die Probe mit der in der reinen Mathematik geübten Methode, der Konstruktion eines Begriffs „in einer reinen Anschauung a priori“. Allerdings hebt er nicht auf die reine Geometrie, sondern auf ein Axiom der theoretischen Mechanik ab: auf das dritte Newtonsche Axiom. Wer analog zu diesem Axiom, der Gleichheit von Wirkung und Gegenwirkung, von sich wechselseitig beeinflussenden Wesen ausgeht, entdeckt bei der Konstruktion einer entsprechenden Gemeinschaft, daß sie nur bei einem „durchgängig wechselseitige(n) und gleiche(n) Zwang“ darstellbar sei. Kurz, ohne den entsprechenden Zwang ist die Gemeinschaft gar nicht möglich. Der Rechtsbereich ist auch deshalb mit der Mathematik vergleichbar, weil die Gesetze („Rechtslehre“) jedem das ihm rechtlich Zustehende, das Seine, „mit mathematischer Genauigkeit“ bestimmen müssen, was im Bereich der Tugend „nicht erwartet werden darf“ (Z. 19–21). Diese Differenz von Rechts- und Tugendlehre erinnert an Aristoteles, der die Gerechtigkeit als mathematisch zu bestimmende Mitte (meson pragmatos), alle anderen Tugenden aber als subjektrelative Mitte (meson pros hêmas) bestimmt (Nikomachische Ethik II 5, 1106a29–31 und V 9, 1133b32 f.; vgl. Höffe 1996, Kap. 14). Und zu den Gründen, warum Kant die Billigkeit und das Notrecht aus dem strikten Recht aussondert, gehört das Fehlen mathematischer Ge-
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nauigkeit. Wo die Sache nicht genau zu bestimmen ist, kann nach Kant nicht von zwangsbefugtem Recht und Unrecht gesprochen werden.
3.6 Billigkeit und Notrecht Der „Anhang zur Einleitung in die Rechtslehre“ behandelt zwei Phänomene, die merkwürdigerweise „auf Rechtsentscheidungen Anspruch machen, für die aber keiner, der sie entscheide,“ – weder ein Gesetz (234, 1 f.) noch ein Richter (Z. 6 f.) – „aufgefunden werden kann“ (233, 24 f.). Folgerichtig spricht ihnen Kant die Zugehörigkeit zum strengen, sowohl zwangsbefugten (233, 34 f.) als auch „mit keinen Tugendvorschriften vermengt(en)“ Recht (232, 16) ab. Einen halben Rechtscharakter haben sie aber doch: Die Billigkeit ist „ein Recht ohne Zwang“, das Notrecht ein „Zwang ohne Recht“ (234, 4). In dem von Kant benutzten Kompendium Achenwall fehlen übrigens beide: die gleichsam überobligatorische Billigkeit (aequitas) und das unterobligatorische Notrecht (ius necessitatis); die Sache des Notrechts wird aber als Notstand (favor necessitatis, wörtlich: Gunst der Notwendigkeit) abgehandelt (Achenwall §§ 203–207). Weil die nach Regeln (Gesetzen) vorgehende Gerechtigkeit in besonders gelagerten Fällen nicht gerecht wird, kennt Aristoteles als Korrektiv die Billigkeit (Nikomachische Ethik Kap. V 14; vgl. Rhetorik I 13, 1374a26 ff.). Zuständig ist für die Billigkeit allerdings nicht der Richter (dikastês), sondern die Gegenpartei, die selbst dort zum Nachgeben bereit ist, wo sie das Gesetz auf ihrer Seite hat (Nikomachische Ethik V 14, 1137b34–1138a3), oder eine eigenständige Institution, der Schiedsrichter (diaitêtês: Politik II 8, 1268b4 ff.; Rhetorik I 13, 1374b19–22). Mit gutem Grund hält Kant den persönlichen Verzicht für nicht gerichtlich erzwingbar: Weder könne das Mitglied einer Genossenschaft („Maskopei“), das „mehr getan“ habe, einen größeren Anteil noch ein Hausdiener einen Ausgleich für einen inflationsbedingten (‚verschlechterte Münzsorte‘) Wertverlust seines Lohns verlangen. Nach Kants ,pragmatischem‘ Argument fehlen „bestimmte Angaben“ (234, 22; vgl. Z. 31 f.), um wieviel denn dem Klagenden entgegenzukommen sei; nach seinem grundsätzlichen, freilich nur angedeuteten Argument würde man in vertraglich festgelegte Rechte eingreifen, da ein anderer auf Rechte verzichten müsse (vgl. Z. 34), auf die er aber, so sein Recht, „hartherzig“ beharren darf. Nur ein Richter, der (nicht als natürliche Person, aber in Vertretung der Krone bzw. des Staates) selber den infrage stehenden Schaden trägt, darf sich auf Billigkeitserwägungen einlassen. Im positiven Rechtswesen ist aber die Billigkeit nicht nur aus dem klassischen Athen bekannt. In das Römische Recht dringt sie zwar erst später ein, wird dann aber durch die christliche Tendenz, die Billigkeit in Richtung auf Mäßigung und Milde, sogar Barmherzigkeit zu deuten, verstärkt. Allerdings pflegt es zwischen dem
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strengen Recht („ius strictum“) und dem konkreten Situationen besser angepaßten Billigkeitsrecht („ius aequum“) zu unterscheiden. In Großbritannien entwickelt sich seit dem 14. Jahrhundert eine zweispurige Gerichtsbarkeit, wobei die EquityRechtssprechung das Rechtsinstitut der Treuhand (trust) herausarbeitet, außerdem das (private) Deliktrecht verfeinert. Trotz derartiger Traditionen sieht Kant in einem Gerichtshof der Billigkeit einen Widerspruch (234, 33 f.). Er räumt zwar den – von Cicero (De officiis 1 § 33) her bekannten – ‚Sinnspruch der Billigkeit‘ ein: „das strengste Recht ist das größte Unrecht“, sieht aber, daß „diesem Übel … auf dem Wege rechtens nicht abzuhelfen ist“. Die Billigkeitsforderung betrifft das Gewissensgericht (forum poli, wörtlich: den Markt bzw. Gerichtshof des Himmels), also ein „nur moralisches“ Recht, nicht das irdische Gericht (forum soli) (235, 6–11). Das zweite Sonderphänomen, das Notrecht, setzt Kant nachdrücklich gegen Notwehr ab. Wer ,einem ungerechten Angreifer auf mein Leben‘ zuvorkommt, bleibt rechtlich gesehen unschuldig (235, 19 f.). Das Notrecht ist dagegen nur das „vermeinte Recht …, im Fall der Gefahr des Verlustes meines eigenen Lebens, einem Anderen, der mir nichts zuleide tat, das Leben zu nehmen“ (235). Während die Notwehr sich gegen einen rechtswidrigen Angriff richtet (vgl. § 32 StGB, § 227 BGB), greift das Notrecht in das (legitime) Recht eines Dritten ein. Kant erörtert nicht das viel behandelte Beispiel des Notdiebstahls aus Hungers, bei dem ein ganz unbeteiligter Dritter geschädigt wird, sondern das klassische Beispiel, das bis auf den griechischen Philosophen Karneades (214–129 v.Chr.) zurückgeht: Jemand, „der im Schiffbruch mit einem anderen in gleicher Lebensgefahr schwebend, diesen von dem Brette, worauf er sich gerettet hat, wegstieße, um sich selbst zu retten“ (ebd.; vgl. Hruschka 1992). Weil der andere vorsätzlich getötet wird, liegt nach dem deutschen Strafrecht ein Totschlag vor (§ 212 f. StGB). Wer ein solches Tötungsdelikt begeht, ist zweifelsohne nicht im objektiven Sinn unschuldig (inculpabile, Kant übersetzt mit „unsträflich“). Er kann nach Kant aber „subjektiv“, das heißt hier: „vor Gericht“ (Z. 25), entschuldigt werden. Dabei beruft sich Kant erstaunlicherweise nicht auf einen entschuldigenden, ohnehin nicht auf einen rechtfertigenden Notstand, sondern auf einen Präventionsgedanken, obwohl er ihm in seiner Strafrechtstheorie allenfalls eine sekundäre Berechtigung läßt (s. Kap. 11.2): Weil die „angedrohte Strafe … doch nicht größer sein“ kann als das, was andernfalls sogar mit Sicherheit droht, der‚Verlust des Lebens‘, kann ein Strafgesetz ohnehin „die beabsichtigte Wirkung gar nicht haben“ (Z. 31 f.), so daß die Tat unstrafbar (impunibile) sei. Unter Hinweis auf das Sprichwort „Not kennt kein Gebot“ (236, 5) und in Übereinstimmung mit dem überlieferten Naturrecht von Thomas von Aquin (Summa theologiae, II, II, q. 64, art. 7) über Hobbes (Leviathan, Kap. 14) bis Wolff (Ius naturae, 1740, § 1017) und Achenwall (§§ 203–207; vgl. § 232) wird hier die Selbster-
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haltung zu einem höchsten Recht, allerdings nicht zum Recht im Sinne eines strengen Rechtsbegriffs. Im Gegenteil setzt Kant sich gegen anderslautende Positionen ab: „und diese subjektive Straflosigkeit wird, durch eine wunderliche Verwechslung, von den Rechtslehrern für eine objektive (Gesetzmäßigkeit) gehalten“ (236, 2–4). Im Verhälnis etwa zu Achenwall gibt es einen weiteren Unterschied. Während dieser bei derartigen Problemen eine Kollision von Gesetzen (§§ 115–120) oder von Pflichten (§§ 201–208) gegeben sieht, erklärbar aus der Endlichkeit des Menschen (§ 115), schließt Kant schon in der „Einleitung in die Metaphysik der Sitten“ (Abschn. III „Vorbegriffe“) einen Widerstreit der Pflichten (collisio officiorum s. obligationum) grundsätzlich aus. Kurz: Zu einem überlieferten Problem schließt sich Kant der überlieferten Lösung an, für die er aber die genauere, und von der Überlieferung abweichende Begrifflichkeit bzw. Theorie entwickelt. Eine letzte Bemerkung zum Notrecht: Im Gemeinspruch (VIII 300) erörtert Kant beim Notrecht die Frage eines Widerstandsrechtes, das er jedoch ablehnt. Auch die Rechtslehre diskutiert diese Frage, gewissermaßen ein öffentliches Notrecht, aber nicht in der „Einleitung“, sondern im Staatsrecht. Die „Allgemeine Anmerkung“, A. (321, 35 ff.) nimmt im Vergleich zum Gemeinspruch eine Differenzierung vor. Kant nennt nämlich die erzwungene Entthronung eines Monarchen ein „Verbrechen des Volkes“, das „doch noch wenigstens den Vorwand des Notrechts (casus necessitatis) für sich, niemals aber das mindeste Recht“ hat.
Literatur Anonymus 1797: Rezension von Kants Rechtslehre, in: Tübinger Gelehrte Anzeigen, 39. Stück, 15. 5., 305–310, und 40. Stück, 18. 5., 316–320 Berlin, I. 1969: „Two Concepts of Liberty“, in: ders., Four Essays on Liberty, Oxford, 118–172 Grimm, J. und W. 1984: Deutsches Wörterbuch, 33 Bde. (1854–1971), Fotomechan. Nachdruck, München Höffe, O. 1987: Politische Gerechtigkeit, Frankfurt/M. Höffe, O. 1990: Kategorische Rechtsprinzipien. Ein Kontrapunkt der Moderne, Frankfurt/M. Höffe, O. 1996: Aristoteles, München Höffe, O. 1998: „Architektonik und Geschichte der reinen Vernunft“, in: Mohr, G./Willaschek, M.: Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft. Ein kooperativer Kommentar, Berlin Hruschka, J. 1991: „Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe: Das Brett des Karneades bei Gentz und bei Kant“, in: Goldtammer’s Archiv für Strafrecht 138, 1–10 Kelsen, H. 21960: Reine Rechtslehre, Wien (1. Aufl. 1934) Luhmann, N. 1993: Das Recht der Gesellschaft, Frankfurt/M.
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4 Dividing and Deriving in Kant’s Rechtslehre Kant’s discussion in the “Einteilung der Rechtslehre,” and especially in the “Allgemeine Einteilung der Rechtspflichten” (236–241, especially 236–7) brings into focus a large question about the systematic place of political life in his moral theory, and helps reveal an ambiguity in that theory itself. I want to restate briefly the passage in question, then try to defend the claim that it does raise this large question. The question will be: why doesn’t Kant, as a moralist, worry only about the moral permissibility of the exercise of state power; why does he try to establish that entry into a Rechtsstaat is obligatory? I then turn finally to the ambiguity, the question of what sort of foundational moral claim could support Kant’s political philosophy and that theory of obligation.
4.1 When Kant comes to the point of explaining the basic divisions within the Rechtslehre, his task should be architectonic and relatively straightforward. However, the situation quickly becomes somewhat confusing. The section I am concerned with is announced as “Einteilung der Rechtslehre” and is actually itself divided into two further divisions. (A) is an “Allgemeine Einteilung der Rechtspflichten.” This is already a bit puzzling since the announced divisions in the Rechtslehre proper do not correspond to any division of “duties of justice.” (The Rechtslehre has two parts: a first part on private right – where the main questions concern the acquisition of rights over things, another’s capacity for choice and, in a limited sense, over other persons; or the principles of property rights, contract rights, and domestic rights – and a second part on public right – the problems of state organization, relations among states and cosmopolitan right.) And apart from a brief discussion in his Introduction (219–221)¹, the notion of Rechtspflicht (juridical duty) 1 Keeping promises is Kant’s example of a duty that belongs both to right and morals; the difference being the relevant legislation in each case; that, from the standpoint of right, compliance is conditional on the assurance of reciprocity in the agreement, and this reciprocity can be coerced. From the standpoint of morals, I must keep the promise simple as a duty, even though I am not assured that the other will keep his end of the bargain. This discussion already suggests the ambiguity in Kant’s position: why would we need to secure such promises if we are obligated to keep them anyway? As we shall see, he is thinking of cases where there are inevitable disputes over https://doi.org/10.1515/9783110782509-005
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itself is not a topic we have been much prepared for. Kant had stressed instead the architectonic division between the principles of right (which supposedly concern only the form of external and coercible relations among free subjects, and not obligations or incentives to subscribe to these forms) and the separate problem of ethical duties (where acting dutifully requires acting on a certain maxim). While the notions of right and duty are of course correlated (my having a right entails that others have obligations) (see § B, 230), the main topic of the Rechtslehre is simply “right,” or entitlement, entitlements which are right apart from internal obligation, and which so far have not been described with the more ethical sounding notion of a Rechtspflicht).² Kant then lists three such Rechtspflichten and very briefly comments on their relation to one another. I shall return to that discussion shortly. (B) is then called the “Allgemeine Einteilung der Rechte,” and there the discussion is somewhat more straightforward. Kant explains in this latter section how he understands the difference between innate and acquired right, thereby simply introduces his own formulation of “natural right” theory, and then explains its relation to the general task of the book. There is only one innate right (angeborenes Recht), he notes, a right that is not acquired (erworben) through some agreeing, constituting or otherwise positing activity. A right is to be understood as a kind of title (titulum); the capacity (Vermögen) to place others under obligation. To have a natural right then means that any human being, just qua human being, is thereby morally entitled to a certain general constraint in the external actions of all others. Just by being the beings that we are, others (and I) are placed (place each other) thereby under obligation. This is summarized in a well known definition: “Freedom (independence from being constrainted by another’s choice), insofar as it can coexist with the freedom of every other in accordance with a universal law, is the only original right belonging to every man by virtue of his humanity.” (237) Such a natural right is then said to be the ultimate, normative court of appeal for any acquired right. Since this general principle of right only states the foundational claim that we simply stand, with respect to each other, under the obligation to respect the “Mine and Yours” distinction in all external actions, it is said to serve as the general “Prolegomenon” for the Rechtslehre proper, which we can now see has as its main subject matter: the proper or rightful acquisition of rights (the prob-
property and so the scope and content and interpretation of agreements, making, in effect the ethical duty real, but inapplicable until some means are found to settle (in a way scrupulously fair to each) such disputes. Only the Kantian general will, or the rule of law itself, can do that, he argues. 2 But see 239, where Kant righly notes that the entire Sittenlehre must be regarded as a doctrine of duties, not rights, because any notion of right is derived from the notion of freedom, itself essentially the consciousness of the obligatoriness of the moral law.
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lem, we might say, of how to fix or originally set the mine–yours relation, to determine which free, external actions of mine are compatible with free actions of yours). The problem is therefore how we can be said to acquire rightfully the capacity to place others under specific obligations. Because acquiring a right ipso facto restricts the liberty of another, places him under an obligation to refrain from an action he would otherwise have a right to perform, we need that general principle in order to justify this restriction, the “Universal Principle of Right,” or, “[a]ny action is right if it can coexist with everyone’s freedom in accordance with a universal law, or if on its maxim the freedom of choice of each can coexist with everyone’s freedom in accordance with a universal law.” (230)³ Kant will then try to show that such acquisitions and distinctions are only possible within a civil society, acquisitions and distinctions sanctioned by the coercive force of law. He then goes on to analyze the form of a state which could fulfill these functions. But, to return to the puzzling passage, in (A), the “Allgemeine Einteilung der Rechtspflichten,” he also makes clear that he wants to explain not only how such acquisitions are possible and in what sense securing such acquisitions can be said to be just, or justified by appeal to our innate right. He wants to show something else: that the acquiring and protecting of such rights in some way is not only what it would be (analytically) to secure such rights, and is not only permissible, but is obligatory. This is the claim that will get us to the crucial problem of the legitimate and unavoidable use of force by subjects seeking to act rightfully and that will introduce the problem I want to discuss. That is, when stating his own version of those duties to others that can properly be called duties of justice (i. e. duties for which external compulsion is permitted and necessary), Kant makes use of a threefold scheme he borrows from the Roman jurist Domitius Ulpianus (170–228 AD), and in doing so introduces the argument form that is essential to the structure of the Rechtslehre itself.
3 It is puzzling why Kant adds here “or on its maxim.” The question is the strict compatibility of the action with like possible action by others, and I need know nothing about individually held maxims to assess that. His later reformulation in the section is much clearer. “so act externally that the free use of your choice can coexist with the freedom of everyone, in accordance with a universal law …” (231, 10–12). And he concludes by stressing that this law says nothing about what I should do, what maxim I should adopt, in limiting my freedom in accord with the requirement. The principle just states that my freedom, if it is to be rightfully exercised, is so limited, a constraint that, we learn in the next section, is analytically connected with the authority to coerce its compliance. Bernd Ludwig suggests that this reference to Maxime “… muß daher … als speziell auf äußere Handlungen bezogen verstanden werden: Maxime der Handlung und nicht des Handelden.” (Ludwig 1988, 95)
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(1) “Be an honorable human being (honeste vive)” This is understood to mean: “‘Do not make yourself a mere means for others, but be at the same time an end for them” and will later be shown to be an obligation “from the right of humanity in our own person (lex iusti).” (236, 24–30) (2) The second duty is simply: “Do no wrong to anyone (neminem laede)” which appears to be a relatively unproblematic reformulation of the general Kantian moral injunction. But then comes an interesting remark: “even if, to avoid doing so, you should have to stop associating with others and shun all society (lex iuridica)” (236, 31–33) The question this remark raises is obvious: why should such a rather pessimistic possibility even be relevant, worth stating? It is like saying: don’t violate anyone’s rights; and by the way, you might have to avoid human society completely in order to observe such a duty. And if that is the case, do so. The addition is apparently relevant, because, even though the moral law analyzed a priori in terms of the external relations of mutually affecting beings, requires us to do no others an injustice and even to avoid all human contact in order to observe such a duty, it is obvious that we cannot avoid such contact, and, Kant seems to assume, therewith cannot avoid somehow violating the “neminem laede” duty. And this is why the third duty reads: (3) “(If you cannot help associating with others) enter into a society with them in which each can keep what is his (suum cuique tibue) … ‘Enter a condition in which what belongs to each can be secured to him against everyone else’ (lex iustitiae).” (237,1–8) This last duty clearly announces the basic claim of the Rechtslehre, the argument that can show why for Kant the status of civil law should not be understood as a merely morally permissible, pragmatic coordination problem. On the contrary, the rule of law is a moral requirement; we have a moral duty to enter civil society. Accordingly our obligation to the law is not based on any expectation of advantage, and our authorization of the law to constrain by force the freedom of others is a necessity of any morally righteous life (at least in the minimal sense of: the avoidance of injustice). If this is so, it means that in some way fulfilling our duty to the moral law, which theoretically is strictly unconditional, nevertheless involves Rechtspflichten which cannot be fulfilled except within the rule of law. (None of this of course means that we should expect citizens to be practically motivated by such moral obligations or that the state need have any concern at all with the reasons individuals might have for restraining their freedom; it certainly need not “count on” citizens fulfilling their moral duty. As he had explained in his Introduction, we can be in rightful relations to others, really be fulfilling our Rechtspflichten, even if coerced. But we still need to show what makes them rightful or what justifies calling these constraints juridical duties (Rechtspflichten). Kant’s argument is not, in other words, simply a conceptual explication: e. g., this is how external exercises of freedom could be mutually possible. As this passage shows very clearly, it is a moral
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claim: given (i) our innate duties and corresponding rights, and (ii) our duties in all acquisitions, and corresponding rights, we have (iii) a duty to enter civil society and a right to coerce those who do not, again regardless of what might motivate individuals. The legitimacy and the moral obligatoriness of such coercion depends on such a claim about our Rechtspflichten.) These claims create several puzzles. First, Kant does not explain just what this Einteilung der Rechtspflichten has to do with the main divisions of the Rechtslehre itself. His concluding remark suggests what he had in mind, but also raises problems of its own. He writes: “The above three classical formulae serve also as principles for dividing the system of duties of right into internal duties, external duties, and duties that involve the derivation of the latter from the principle of the former by subsumption” (237, 9–12) Given what he says in (B), he seems to have in mind a division between (i) innate or natural rights (“what is internally mine and yours”), and (ii) rights to aquire “externally,” to claim title in the state of nature (“what is externally mine and yours”). Then, since these acquisitions can only be provisional and always in contention and insecure, (iii) a right to and a duty to enter a civil situation where what is externally mine and yours can be secured and possible injustice avoided.⁴ As noted several times already, most of the philosophical problems concern the move from (ii) to (iii) but several peculiarities with the schema itself should first be noticed. First, the logical relation is obscure. We are to “derive” our general duty to enter civil society (the only way to avoid violating the neminem laede duty) from a “subsumption” of the second external duty under the “principle” of the first (i. e. not the first itself, but the principle which justifies it, or, I assume, something like the “respect humanity as an end in itself” formulation of the moral law). When we supposedly “subsume” the requirement to refrain from injustice to others “under” that “principle,” a further “external duty” is derived (abgeleitet). This is puzzling because the second duty already represents a kind of subsumption under some formulation of the moral law, and because the duty to enter civil society does not appear to follow logically or deductively or subsumptively, but on reflection about whether the second duty can be observed apart from civil society. As Kant had already indicated in § B of the Introduction, the argument about right concerns “the sum of the conditions under which the choice of one can be united with the choice of another in accordance with a universal law of freedom.” (230, 24–26, my emphasis)
4 Cf. the discussion in Mulholland 1990, 197–8. Somewhat the same suggestion has been made by Hans Friedrich Fulda in an unpublished lecture, Fulda s. a.
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Secondly, the “honeste vive” duty does not correspond in any clear way with the principle of natural or innate right. It is not even clear why such a duty to oneself should be listed as a Rechtspflicht at all; and in the “Vorarbeiten zur Tugendlehre”, and the 1793/4 lectures, this first Ulpian principle was not so counted; it was, as it clearly should be, listed as a duty of virtue.⁵ Kant might now mean that it is also a kind of Rechtspflicht and if we follow his explanation of the difference in his Introduction, it must be distinguished here (as a Rechtspflicht) by the particular “giving of positive law” (Gesetzgebung; 229, 15) appropriate to the duty as a duty of justice, by its being a duty we can have and fulfill externally, regardless of motivation. But this is hard to see. It certainly sounds simply like a duty to oneself, a wholly internal and not external matter. (The idea is not: I have an enforceable right not to be treated as a means, but rather: I have a duty not to treat myself as a means). And, most importantly, my duty to myself cannot oblige another and so just cannot be a juridical duty (Rechtspflicht). As regards content, it is also an ambiguous duty; it is not clear if Kant wants to claim simply: do not actively make yourself a means; do not grovel, debase or humiliate yourself (this is, I think, the immediate or surface meaning); or if he wants to insist on a much stronger notion of what is involved when I assert (behaupte) my worth (Wert) as a human being; making myself for others an end (Zweck). (That is, a necessary component of one’s duty to oneself is that one must actively resist all such attempts to treat one as a means.) The importance of such a claim to any Kantian argument for a just social order is already apparent (i. e. being obligated to do what I can to prevent such abuses), but the ambiguity involved, and the question of any justification for the stronger claim, reappears whenever that importance is obvious, as we shall see often in what follows. Finally, it should be noted that the three Latin labels for Kant’s Rechtspflichten – lex iusti, lex iuridica, and lex iustitiae – reappear in § 41, which is titled, the “Transition from What is Mine or Yours in a State of Nature to What is Mine or Yours in a Rightful Condition Generally” and that might again suggest the innate/private/public interpretation of what Kant is getting at in the passage. This is so because the first is glossed as “what conduct is intrinsically right in terms of its form,” (306, 9) the second as “what [objects] are capable of being covered externally by law, in terms of their matter, that is, what way of being in possession is rightful,” (10–11) and the third concerns the determining, in accordance with a law, what falls under the law or not, what is right (cf. 11–13). He also glosses the division a second way. Calling the first and second “condition” (Zustand), the condition of
5 Cf. Wolfgang Kersting’s discussion of the Vigilantius lecture notes, and his own account of this anomalous list of duties (1984, 102–09).
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private right, he says the third concerns the condition of public right (cf. 306, 29– 39). This differs a bit from the suggestion above; it introduces the form/matter-distinction in an odd way, associates both (i) and (ii) with private right, and concentrates in (iii) on the issue of judicial decisions. But the new formulation still doesn’t fit (i) (which again does not concern obligating others but myself ) and does nothing to help us understand what appears to be the relation among the three Rechtspflichten, especially the move to the third.
4.2 I think that the argument form suggested here is puzzling from a general Kantian perspective, not just textually, and before returning to the textual issue in the Rechtslehre, will try to state that general puzzlement. The major Kantian moral categories concern evaluations of the rightness of actions for which individuals may be held strictly responsible as individuals. So the first question one might ask of his political philosophy might be: why concern oneself so centrally with a doctrine of property, punishment, and legitimate state power? More pointedly: why does such a doctrine emerge as one of the two central components in the fundamental structure of a Kantian Metaphysics of Morals, in a way so metaphysically tied to the moral theory itself? Why is this treatment so different from, say, various marginal reflections on possible moral injuries to self-respect in a certain economy or society, in a family structure or why isn’t it similar to Kant’s reflections on the moral purposes of education? ⁶ Such a question – why is a Doctrine of Right (Rechtslehre) a part of a Metaphysics of Morals – also has nothing to do with the question of whether Kant’s moral theory might not be relevant to normative evaluations of various political practices. Of course it is; at least in the same way that, Kant can claim, we may not in the pursuit of any contingent end adopt morally impermissible means. Theft, lying, intimidation through violence, the arbitrary exercise of power, the treating of others as means, the setting of one’s own ends in indifference to the possibility of other’s freely setting their own ends, are all morally unacceptable, whether done by
6 In Pippin 1997 I invoke Kant’s reflections on the summum bonum as a way of understanding the general status of politics and political duty in Kant. I confine myself here as much as possible to the argument of the Rechtslehre itself. In that context, the only answer to the question raised here is that provided by scholars like Mary Gregor and Bernd Ludwig and involves something like the moral necessity of securing property rights and the exclusive provenance of the state in so securing them. This is the argument I discuss below.
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groups or individuals in a political context or not, and Kant’s theory tells us that such practices are wrong and why they are wrong. We might also, as a kind of exercise, identify a particular class of morally relevant interchanges, “the external and indeed practical relation of one person to another, insofar as their actions, as deeds, can have (direct or indirect) influence on each other,” (230, 9–11) and so ask about a particular violation of the required moral form in any action, the “form in the relation of choice on the part of both, insofar as choice is regarded merely as free, and whether the action of one can be united with the choice of another in accordance with a universal law.” (230, 20–23) Anyone acting in some way inconsistent with this principle could then be said to be acting wrongly in a particular way; he is acting “unjustly.” But, all in all, that is just the problem, that obvious relevance, in understanding the place of Kant’s Rechtslehre. The moral theory tells us what is impermissible and thereby obligatory (never doing the impermissible). No one, say, is ever morally permitted to do this or that or whatever, and this claim and its possible realization is unconditional. Subject to the usual casuistic and judgment problems, I can always know what I may not do, and I should simply never do what I may not do, whatever society or form of government I live in. It would not be unreasonable to expect Kant at this point to suggest a certain sort of stoic indifference to the practical affairs of politics⁷, conceiving the latter as a pragmatic problem of cooperation for mutual advantage, something, he once famously suggested, a race of devils (if rational, or rational egoists) could solve. It might turn out to be a nice piece of irony if the rules, constraints, limited use of force, and practices adopted by such egoistic rational cooperators turn out to be those that we would have adopted were we intending to respect each person as an end in itself in our cooperative lives, were we from some moral motivation scrupulously trying to constrain freedom only to allow its greatest possible, mutually consistent exercise. And so again, with politics (the authorized use of force, adjudication of disputes and enforcement of those results) conceived as such a practical problem, morality might then function as it usually, perhaps always does, in Kant, as a constraint; pure practical reason telling us not what to do, but how; what may or may not be done in the pursuit of a contingent end by free subjects (however, for practical reasons, they choose to constrain themselves collectively and enforce those constraints). As citizens or simply moral agents, we are then always in a position to judge the moral acceptability of some proposed practical plan, or law, for the cre7 It is certainly true that there is a stoic strain in Kant generally, an emphasis on self-sufficiency and independence from the vicissitudes of nature and chance. See his remarks on virtue as that which “nobody but man himself can give or take away from himself” in the Gemeinspruch VIII 283n.
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ation or distribution of goods; and as rational cooperators, we are always in a position to judge or discuss its effectiveness. These considerations bring us again to the three steps quoted above and especially to the problematic third: do what you can so that you are not treated as a means; avoid at all costs treating (in external relations) others as a means, or do no injustice to others. (Again, we would thereby have specified our general moral obligations in terms of external actions, actions of ours which materially affect the freedom of others, or by which we are affected). But then comes the properly political assertion. Do not simply refrain from doing wrong; do not merely refrain from violating the proper boundary between mine and yours; but, as a matter of moral duty, enter a society where what belongs to each (by acquisition) can be secured. Why, then, in the context sketched above, is that a Rechtspflicht? Why aren’t (i) and (ii) enough as general principles of “right,” duties specified in terms of external actions, permissible or forbidden simply by virtue of the general relations of freedom assumed in the action, apart from the motives of the participants? Or why shouldn’t the considerations relevant to (iii) be formulated wholly in terms of permissible mutual advantages, whereby the notion of advantages is set so minimally and as so unavoidably desirable that the state’s use of force to secure them is justified; it protects and secures an advantage no one could be presumed to be exempt from wanting? There is, in other words, apparently something morally unacceptable about indifference to this special class of wrongs, violations of the conditions for free external relations of wills (all in a way very different from the case where others around me are not developing their talents or not being very helpful to me. I may not call on the law’s power to force them to help me, although their indifference is morally wrong.) In this sense, if that is so, then “not being indifferent” simply means being obligated to enter civil society, to support the rule of law, sanctioned by coercion. If the Rechtslehre is a metaphysical component of Kant’s theory of right action, then the argument must be: absent such allegiance, given the single empirical assumption that human actors affect and impede each other, I could not truly act as the free, rational, morally bound agent I am. Or, stated more radically: while obligatoriness of the moral law binds unconditionally, nevertheless there can be no real moral life in “the state of nature.” There must be such an argument somewhere, if we are to avoid treating the Rechtslehre as simply a classification of particular kinds of moral wrongs (injustices), treating the necessity of a Rechtsstaat as an unavoidable (but essentially practically necessary) means in the realization of our moral destiny, or ultimately treating the existence of a common state power as a matter of a pragmatic advantage no one could be presumed exempt from.
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4.3 So, the possibility of a particular sort of wrong both allows and morally requires a coercive response. Why? It might seem that we have all we need to explain Kant’s reasoning in Section D, with the assertion “Right is connected with an Authorisation to use Coercicion.” He argues here that resistance against a “hindrance to freedom” (Hindernis der Freiheit; 231, 26) is not itself a hindrance to freedom, but a “hindering of a hindrance to freedom” (“Verhinderung eines Hindernisses der Freiheit” 231, 30–31) and so by double-negation as it were, consistent with freedom, or authorized. But this principle only establishes something broadly permissive and still quite vague. It amounts to saying no more than that coercion (understood as Widerstand) in defense of one’s freedom, one’s basic entitlement to set one’s ends and pursue them⁸, is permissible. The principle obviously entitles everyone to such a broad authorization, and it leaves unclear what might originally count as an unjust constraint on my freedom by another (surely not all interference; we need to know first what is properly “mine”), what sort of counter-force might be appropriate (just enough to stop the hindrance? Only after an actual attack, or in response to a threat?) or who might or must be the proper agent to enact such constraint. (The fact that resistance is permissible need not mean that “vigilante justice” is the only realization of such permissible entitlement.) It leaves unsettled, that is, the original competition in the pre-civil situation and so the fundamental Mine–Yours distinction which Kant now uses as the basis of his claim for (iii) above, for the duty to enter civil society. This argument form is already suggested in the counter-factual raised in (ii) and (iii) as the heart of the problem (that in a pre-civil situation violations of the honeste vive and neminem laede are both unavoidable and morally unacceptable), but that same argument form is presented and defended in several places in slightly different ways
8 I should stress here something that will be quite important later here in Section 4.5. This formulation of natural right, “one’s basic entitlement to set one’s ends and pursue them,” expresses a right that may not be violated according to Kant because there is no universal principle on the basis of which I could consistently act in violating it. Any such violation would be an attempt to make me an exemption from a principle that, if it is to be a reason, must cover all, including me. As we shall see that is a very different, and I believe more strictly Kantian account of what is wrong in such violation than claiming that I do not properly respect some “value,” the value of freedom, or rational agency or whatever. We are obligated to respect such capacities (humanity as an end in itself ) but only because the moral law requires it, because to ignore the equal status of others as agents in the world would be to violate the form of rationality inherent in free action itself.
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throughout the Rechtslehre. It is unusually obscure, although it has been reconstructed with ingenuity by Gregor, Ludwig, Mullholland, Fulda, and others.⁹ It involves a number of controversial issues, but I see no way to understand the passage on the Rechtspflichten, and especially (iii) without considering it. I want only to note here how its general form returns us again to the question of the basis of Kant’s “derivations” of Rechtspflichten. We are finite creatures and cannot achieve our ends by pure will alone. We must make use of means over time to do so. The setting of and pursuit of ends therefore requires “the having of something external as one’s own.” But only a very small number of ends could be pursued if one were limited to objects one could use only while physically possessing them. Besides, such a limitation would be inconsistent with the capacity of freedom itself, which need not allow itself to be determined by objects and the sensible conditions of their possession. And if I am rightfully using an object, it would be self-contradictory to limit such a notion of right (which is a rational concept) to the sensible condition of possessing. So I must be able to posses an object “intelligibly” (possessio noumenon) wherein it remains rightfully mine (not useable by you) even when not in my physical possession (all again as a condition of the possible free exercise of reason in setting ends). If this is required, it is required universally; all must enjoy this right and so each person is capable of putting others under obligation and authorized to use force when this claim is violated. But this equal entitlement must be strictly reciprocal if it is to conform to the universal principle of justice. Then comes the first crucial summation of the argument in § 8: this reciprocity would only be an idea, merely nominal, unless there were some way of actually establishing and enforcing this mutual constraint. I must be able to count on your restraint (just as you must be able to count on mine) or we could never be said actually to fulfill the basic condition of reciprocity necessary for rightful intelligible possession. “I am therefore not under obligation to leave external objects belonging to others untouched, unless everyone else provides me assurance that he will behave in accordance with the same principle with regard to what is mine.” (255, 33–256, 1) Again, the problem is not the pragmatic problem of security, but establishing the reciprocity condition without which mine and yours could not be distinguished, itself the minimal empirical condition of the exercise of freedom. (I could not exercise in the state of nature my innate right “to my own person,” and so acquire rights, under the sole rational condition necessary for that external exercise – an 9 I of course do not mean to suggest that these commentators agree on the details. Perhaps the sharpest disagreement is between Fulda 1997 and Herb/Ludwig 1993. I only mean that there is growing agreement that the great originality, centrality and difficulty of Kant’s political philosophy lies in the peculiar form of his exeundum est e statu naturali argument.
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equal such entitlement for all, – because the terms of that reciprocity would always be in dispute. Whether that instability alone requires Kant’s exeundum is what might most be disputed.) No unilateral will (einseitiger Wille) can serve as such a coercive law for everyone, since any such unilateral will would have to be presumed contingent and incapable of satisfying such a condition. “So it is only a will putting everyone under obligation, hence only a, collective general (common) and powerful will, that can provide everyone this assurance” (256, 8– 10). The original situation is then bleak, but not Hobbesean. Men do not have a right to everything in the state of nature. But they have a “private” right to possess, under the condition of mutual possible possession (cf. Fulda’s helpful account in Fulda 1997, 8). However, again, there is no possible internal or natural criterion of the extent and character of rightful possession, so Locke is of no help either (Kant is well known for his scorn for the labor theory of property) and disputes and violent struggles are inevitable. This situation is bleak because, “[g]iven the intention to be and remain in this state of externally lawless freedom, human beings do one another no wrong at all when they feud among themselves; for what holds for one holds also in turn for the other, as if by mutual consent (uti partes de jure suo disponunt, ita ius est): But in general they do wrong in the highest degree by willing to be and to remain in a condition that is not rightful, that is, in which no one is assured of what is his against violence.” (307–8) This last is the inevitable injustice mentioned in the second and third of the Rechtspflichten in the passage under discussion.¹⁰ Without such a “collective general (common) and powerful will,” (“kollektiv allgemeiner (gemeinsamer) und machthabender Wille;” 256, 9– 10) the mutual struggle to demarcate and effectively claim “mine and yours” rightfully is unsolvable, and it is this situation that is, as it were, morally intolerable. There are a number of problems which this account of the basis of state authority leaves us with. Kant does not give us much guidance as to how such a collective will could justly resolve the disputed questions. All that is important is that there be an enforced resolution. His account of “original acquisition” as a general basis of such disputes is extremely obscure, tolerates vast contingencies and inequalities. The argument form itself so strongly suggests that any civil condition is preferable to the pre-civil, that it entails an absolute duty of obedience to positive law and seems to unreasonably eliminate any right of revolution, and so on.
10 In § 44, Kant backs off a bit and admits that, strictly speaking, there is no real injustice in the state of nature; there is a rather “a state void of regulation by right [Zustand der Rechtlosigkeit] (status iustitia vacuus),” and that, he asserts, is warrant enough, morally unacceptable enough, to require the creation of a common authority. (No one could rationally will to remain in such a situation, and there is only one way to “will oneself out of it.”) He gives no argument for the claim, however.
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But, with enough of the claim in view, we can now return to our original question: how Kant now seems to understand the relation between our general moral obligation and Rechtspflichten, or why he rejects any stoic indifference to political life.
4.4 A great struggle over Mine and Yours lies at the basis of Kant’s claim that we have a duty to enter a Rechtsstaat, to cede authority in decisions over one’s own case and submit to a general will, to authorize such an authority to legislate about and settle claims of possession. This is not primarily because of any empirical uncertainty, and is in no sense a pragmatic decision. The basic argument is that the assurance of reciprocity in the exercise of rights is something we are morally obligated to create and preserve.¹¹ But the whole direction of the argument, despite the language of postulates of reason, intelligible possession and so forth, certainly sounds like a coordination and security problem. (The emphasis on the problem of Sicherstellung suggests this most clearly.) Given that appearance, it still seems difficult to understand the claim for a strict or metaphysical connection between Rechtspflichten and our unconditional obligation to the categorical imperative. Of course, if Kant could show that, in the state of nature, I could not avoid doing injustice or violating the “honeste vive”- duty, a duty to rectify this situation would be defensible. But the situation of unclarity, disputes, confusion, overlapping claims etc., while problematic, cannot be described as one where injustice is unavoidably done. As an individual, I can always preserve a good will in such situations and Kant himself, as noted, calls the situation “Rechtlosigkeit” (void of regulation by right), not “Ungerechtigkeit” (injustice). Absent such a claim, the third Rechtspflicht still appears unmotivated. 11 Indeed, if Kant is right about the moral significance of the Mine–Yours problem, and the unavoidable moral duty to resolve it, one could characterize his position in a more radical way. The basic moral situation is not properly described as, originally, moral individuals struggling within themselves to do their duty, for the content of such duty always already presupposes some great demarcation (a demarcation that must be made, politically and collectively) of what is properly mine and properly yours. The original moral struggle is therefore with others over the question of “property,” where property can cover a great deal of ground, can constitute the very sense of “mine.” This can end up sounding like a kind of original struggle, potentially to the death, for the recognition of such boundaries, the very boundaries of the self. On such a formulation: one is never simply an individual but always already a master or slave, a victor or loser in such a situation, prior to the rule of law. That, of course, has a familiar ring.
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The reason for the appearance of such a gap, however, is that Kant does not actually proceed in any strictly deductive fashion, does not, it would appear, try to go in some a priori way directly from consideration of strictly moral principles to the situation described above. A clear indication of his actual procedure, his reasons for regarding the scenario just described as requiring, as a matter of duty, entry into the rule of law, is given very early in a footnote about his procedure. At 218n. Kant specifies the highest divided concept to the division of right or wrong (“oberste eingeteilte Begriff zu der Einteilung Recht oder Unrecht”) neither as the moral law itself, nor our unconditional obligation to the moral law, but much more broadly, simply as the act of free will simpliciter (“der Akt der freien Willkür überhaupt”). Kant notes that the question of what this highest concept is leads to difficulties (“hat seine Bedenklichkeit”) although he does not clarify in what the difficulties consist. Now if it is indeed the Akt der freien Willkür itself that forms the base for all the subsequent divisions, the structure of the core argument of the Rechtslehre would be immediately more understandable, but, as we shall see, other difficulties would arise. That is, the problem Kant describes in the state of nature seems to concern the possible exercise of choice in general, as a moral as well as non-moral capacity, and the argument for the rule of law seems directly relevant only to this general capacity of Willkür. As a free being, I am capable of resisting inclinations leading me to adopt and pursue ends, reflect on which I want to pursue and adopt them freely, as a matter of individual choice. I can of course only rightfully do so only under the condition that this capacity in others can also be exercised. This cannot occur without the Sicherstellung noted above, etc. At this point it might be possible to argue that Kant’s foundational assumptions in the Rechtslehre are quite modest and rely only on the assumption of such a power of choice, a freie Willkür. On the simple assumptions that we possess such a capacity, cannot live without exercising it coherently, and that we live on a limited sphere, necessarily interacting with and constraining each other’s actions, we might argue that there is simply some sort of incorehence in the resolve to remain in the pre-civil situation. But this would not explain the moral importance of equality and reciprocity in the exercise of external freedom, the notion of a Rechtspflicht, requiring us as a matter of duty to leave such a situation, or indeed such extraordinary assertions as, “… if justice goes, there is no longer any value in human beings’ living on the earth” (332, 1–3). Clearly the argument has something to do with the rational, not prudential conditions for the exercise of Willkür, but the original moral significance of that capacity, and the argument leading from some notion of that significance to a Rechtspflicht, has clearly been assumed. It would then seem that underlying the basic argument is some commitment to what some Kant commentators have taken to calling “the value of rational agen-
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cy itself.”¹² It is our general capacity to set ends freely (where that must mean rationally) that merits unqualified respect, that is the source of our dignity, and the realization of which is impossible in the state of nature, prompting the morally unacceptable situation we must alleviate.¹³ Obviously this brief suggestion opens up many difficult questions, but it certainly is attractive as a suggested direction for resolving the difficulty we have been following. That difficulty (why have a philosophy of right at all) clearly stems from a traditional conception of the supreme principle of Kantian morality, strict universalizability of maxims, or absolute equality of treatment as an end in itself, and a traditional notion of the function of such a principle. That function can be interpreted as a general constraint in the pursuit of any end; or perhaps as establishing a very general “end” of it own (to always try to attend to this constraint on permissiveness and to do what I can to develop the virtues necessary to realize this obligatory end.) But being able to do this is, while unproveable philosophically, a strict requirement of the fact of reason itself, or the practical point of view. So it is unconditionally and always possible, and seems of little help in our “how to get from (ii) to (iii)”-problem. As always in Kant’s case, adopting the general end to do what we can to enhance the chances that we will do our duty when called on might lead us to worry about empirical constraints, obstacles, temptations, etc. and lead us to adopt policies to mitigate such dangers. However, we are not looking here for such ethical duties, but the grounds for Rechtspflichten. However if freedom itself (understood as Willkür, the capacity in general to choose ends) is itself an “absolute value,” then perhaps it is the kind of good that could make foundationally clear what is at stake in, what is substantively important in, a life so constrained by the moral law in the pursuit of any contingent end. Then we would have some explanation for why my incapacity to exercise such agency in general in the state of nature obligates me and all others to leave that state. The state of nature is inherently a state where the single dignity-conferring capacity of human being cannot be realized. Indeed, something like such a claim must be at work in Kant’s argument, for, as we have seen, it is otherwise very
12 I mean here to refer to a variety of recent interpretations, many inspired by Rawls, that make something like this case for Kant as a kind of value theorist: the work of Onora O’Neill, Tom Hill, Nancy Sherman, Christine Korsgaard, and especially in this direction, Barbara Herman. Herman very briefly indicates the possible relevance of this interpretation to the philosophy of right in Herman 1993, 235. 13 Often cited in this connection is the claim from the Tugendlehre, “The capacity to set oneself an end – any end whatsoever – is what characterizes humanity (as distinguished from animality).” (VI 392).
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hard to understand why my inability to be secure in my claims to objects of use should be so morally intolerable. All of which of course introduces far too many, extremely complicated, foundational issues in Kant’s moral theory. But, even so provisionally introduced, the prospects for such an interpretative possibility do not, I think, look good. In the first place, when Kant himself talks about the value of rational agency, or the dignity of man, he always has the moral realization of freedom, autonomy, in mind.¹⁴ What fills him with awe is not our capacity to reflect, balance options, integrate plans of actions, postpone present gratification for future, or to create general cultural ideals, etc. He shows no real interest in doing as much as we can to insure that more and more of this supposed good, rational agency, increasing a capacity to resist inclinations and deliberate, is better distributed among the human race (as we might expect if it were a substantive good). It is the capacity of pure reason to be practical that is so important and there is only one principle of pure practical reason and so only one kind of admirable exercise: the self-imposition of the moral law, and acting just in consideration of its bindingness. Or at least so says the canonical Kant. There are of course other passages and different emphases.¹⁵ But the basic question would still be: Why would exercises of 14 Even Paul Guyer, who makes one kind of case for Kant as a value theorist, concedes that Kant’s “final view is surely that the freedom which is intrinsically valuable is freedom which governs itself by law, or autonomy, and this is a conception which incorporates ideas of both value and duty.” (Guyer 1993, 48) Towards the end of this article, however, Guyer does not seem to restrict his conception of the Kantian value to the exercise of autonomy alone, and in the concluding section writes very generally of our capacity to set our own ends and not simply follow natural inclinations. He seems to admit this directly on p. 67, when he has Kant maintaining that the simple capacity to set and pursue ends possesses absolute value. However, as Guyer himself appears to realize (in his criticism of Korsgaard, 66 ss.) unless the conception of rational agency already reflects moral commitments (which would beg a number of questions at issue), it is difficult to see what would be morally at stake in such a capacity for Kant. Guyer’s later speculations about the ends of Nature as a justification for the claim that freedom is an absolute value would raise the gap problem noted below, why any such consideration of nature’s purpose could count as a reason for me to act. The logic of an “end” which has “intrinsic and absolute value” somehow compelling “any rational being to adopt the principle of morality” (60) is hard to make out as Kantian. 15 However, it would not be correct to say that, in the Tugendlehre, Kant enters into considerations about how to “preserve” and enhance rational agency or to “advance the conditions for the successful exercise of rational agency.” (Guyer 1993, 64). We may not neglect the development of our talents or avoid aid to others because we know that we will need the perfection of those talents and others’ aid in the achievement of anything and we cannot will “as a practical law” a principle inconsistent with that knowledge. Avoiding this requires the adoption of ends, but Kant argues for this adoption on the basis of the formal requirements of the moral law, just as he always does. On this score, I think Onora Oneill’s gloss on the “contradiction in willing” basis for the Tugendlehre is quite right. Cf. Oneill 1975, see also my discussion in Pippin 1997.
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reason and deliberation that, when all is said and done, are still instances of heteronomy, be instances of a Kantian value? It is true, of course, that such activities are instances of a kind of freedom, for which we are responsible. We always act on maxims we have decided to act on; all our action is self-determining in the Kantian sense. But ultimately, it is not freie Willkür which can “determine” the full course of non-moral action. In freely setting contingent ends, we are still acting without full self-determination. This of course just means that our reason is finite; we do not choose ourselves from the ground up, Sartre notwithstanding. And exactly how such heternomous “freedom” still counts as responsible freedom remains, despite the great clarifications effected by the Wille/Willkür distinction, obscure. But if the awe-inspiring instance of rational agency is our unconditional ability to constrain our action in the light of what would be possible for all, then either we are back to our “gap between (ii) and (iii)” problem (since this capacity is threatened nowhere, not even in the state of nature), or we shall need some independent argument, one not based strictly on our capacity to do our duty, to account for the role of “freedom as rational agency” in general in the Rechtslehre. Or, as indicated earlier, we shall, need a fairly extensive reworking of the Kantian notion of value if we want to pursue this reconstruction of the Rechtslehre. Famously, according to Kant, we are not bound to any value just by our being and its being; there is no intrinsic reason why any account of various good things in life ought to be a reason for me to act. There would be such a reason to act based on the value of that good thing, rational agency, if it happened that everyone desired the end of maximum rational agency, or if it were somehow metaphysically true (in Kant’s sense) that I could not exercise my capacity to do the right thing morally unless I could also develop and realize my general ability to set and pursue ends. But Kant is not interested in the former sort of claim and I know of no argument that could show why Kant ought to be interested in my capacity to set ends or in the conditions for that ability, or in threats to it in the state of nature (this all apart from his interest in the ends I must set (virtues) in order to be able to do my duty when called on, but that sort of reasoning just makes my point.)¹⁶ It is true that I
16 There is Korsgaard’s case for freedom as an ultimate value. (All values are conferred and so the unconditioned, ultimate value must be our capacity to confer value, or freedom). But, apart from our capacity to impose the moral law on ourselves and act on its basis, what needs to be shown is why Kant would be interested in any value (or the conditions for valuing) of anything other than “a good will,” the capacity (and the conditions for its realization) to do the right thing because it is right. Given this canonical Kant, it is easy enough to see the force of Herman’s questions (why is making myself an exemption wrong), but (a) the nature of her answer (violating or injuring another’s rational agency) pushes the question back a step (whence the absoluteness of this value) in a way that, I can only suggest here, will return us to the canonical Kant and (b) does not help with our Rechtslehre prob-
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am to respect each as an end in itself, and that dignity is a recognition of the other’s capacity for freedom, the capacity for him to be “his own end,” to chart the course of his own life. But the moral significance here does not stem, for Kant, from any such liberal respect for another’s right. The moral wrong in question for Kant is acting on a maxim that the other could not have, could not freely adopt if I am to have mine; it lies in making myself an exception when I am not, when all are equally subject to the same moral law. This leaves us in an ambiguous situation. The actual argument we have been looking for (from § 2 to § 3) seems to be based on a theory not wholly consistent with the fundamental tenets of Kant’s moral theory. On the other hand, the argument (and the presumed, if unexplained and problematic moral premises on which the Rechtslehre argument is based) not only seems present in the text, it seems to be the only one present in the text. Until we know more how “the highest concept”, freie Willkür, is supposed to function, the place of the Rechtslehre in Kant’s overall moral theory will remain obscure.
Bibliography Kant, I.: The Metaphysics of Morals, transl. M. Gregor, Cambridge 1991 Fulda, H. F. 1997: “Kants Postulat des öffentlichen Rechts (RL § 42),” Jahrbuch für Recht und Ethik, Bd. 5, 1–24 Fulda, H. F. 1997: “‘Deduktion der Einteilung eines Systems’ erörtert am Beispiel ‘Metaphyische Anfangsgründe der Rechtslehre’.” [unpublished lecture] Guyer, P. 1993: “Kant’s Morality of Law and Morality of Freedom,” in R. Dancy (ed.): Kant on Critique, The Hague Herman, B. 1993: “Leaving Deontology Behind,” in The Practice of Moral Judgment, Cambridge Herb, K./Ludwig, B. 1993: “Naturzustand, Eigentum, und Staat. Immanuel Kants Relativierung des ‘Ideal des Hobbes’,” Kant-Studien 83, 282–316 Kersting, W. 1984: Wohlgeordnete Freiheit: Immanuel Kants Rechts- und Staatsphilosophie, Berlin/New York Ludwig, B. 1988: Kants Rechtslehre, Hamburg Mulholland, L. 1990: Kant’s System of Rights, New York Oneill, O. 1975: Acting on Principle: An Essay on Kantian Ethics, New York Pippin, R. 1997: “On the Moral Foundations of Kant’s Rechtslehre,” in Pippin, R.: Idealism as Modernism: Hegelian Variations, Cambridge
lem. She glosses the Rechtslehre is providing “the morally necessary political framework without which our activities cannot give expression to our rational natures” (Herman 1993, 235), and this either returns us to the rule of law as a kind of enabling condition (and so an ethical end we ought to have) or leaves unclear whence this moral necessity, if it is, as it is, unconditionally true that we can always express our deepest rational nature, autonomy.
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5 Erkenntnis der Art, etwas Äußeres als das Seine zu haben Erster Teil. Erstes Hauptstück
5.0 Vorbemerkungen Kant hat – erstmals in der Philosophiegeschichte – die grundlegenden Partien der praktischen Philosophie zu integrieren versucht in eine neuartige Metaphysik, innerhalb deren es nun also eine Metaphysik der Sitten geben soll. Als systematische Lehre ist diese „Metaphysik praktischen Vernunftgebrauchs“ vorrangig nicht eine Erkenntnis von Pflichten oder Befugnissen, sondern eine erkennende Lehre der Gesetzgebung für einen Willen, der dadurch zu etwas verpflichtet oder befugt wird, wobei die Gesetzgebung im Fall der Rechtslehre natürlich eine juridische ist (219). Eine Gesetzgebung aber enthält (218) allemal zwei Stücke: das Gesetz selbst, welches die Pflicht (die es begründet) „objektiv als notwendig vorstellt“ (ebda), und eine Triebfeder, welche den Bestimmungsgrund der Willkür zur pflichtgemäßen Handlung „subjektiv mit der Vorstellung des Gesetzes verknüpft“ (ebda). Im Hinblick auf Behauptungen über beide sind rechtfertigende Erkenntnisschritte erforderlich. Die aber können nur so erfolgen, daß auf die gesetzgebende Tätigkeit der praktischen Vernunft selbst zurückgegangen wird. Fürs erste Hauptstück der Rechtslehre kommen zwei weitere Voraussetzungen hinzu: Zusätzlich zum Rückgang auf den allgemeinsten Gegenstandsbegriff der Rechtslehre muß man vom Begriff des Rechts aus erstens eine decompositio logica vornehmen, durch die der Begriff eines inneren Mein und Dein „in die Prolegomena geworfen“ wird (238), sodaß vom Begriff der „Rechte als … Vermögen, andere zu verpflichten“ (237), nur derjenige des äußeren Mein und Dein übrig bleibt; und an diesem muß zweitens abgesehen werden vom begrifflichen Merkmal des Erworbenseins bzw. Erwerbens der Rechte an solchen Willkürgegenständen. – Es bleibt also ausschließlich die Art übrig, solche Gegenstände als das Seine zu haben. Diese Art ist Thema des ersten Hauptstücks. Es versteht sich, daß damit nicht nur auf Klärung und Verdeutlichung eines Begriffs abgehoben ist, sondern auch auf Nachweis der objektiven praktischen Realität, welche der Begriff einer solchen Art hat, also auf Erkenntnis dieser Art. Damit ergibt sich bereits aus den genannten Voraussetzungen, daß zur Abhandlung des Themas zwei aufeinanderfolgende Schritte erforderlich sind: ein erster, in dem es durch geeignete Definition auszuhttps://doi.org/10.1515/9783110782509-006
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machen gilt, als was man Äußeres, das rechtlich meines oder deines ist, vernünftigerweise, d. h. aufgrund eines dafür geltenden praktischen Prinzips, zu denken hat (§§ 1–5); und ein zweiter, der Auskunft darüber gibt, wie ein solches Mein oder Dein möglich ist (§§ 6–9), sodaß mit diesem Hauptschritt dann auch erkannt wird, auf welche Art jemand einen beliebigen äußeren Gegenstand seiner Willkür rechtlich als den Seinen hat. Zumindest vermuten kann man überdies, wie beide Hauptschritte in sich gegliedert sein werden: Ausgangspunkt dürfte erstens der Begriff eines rechtlich Seinen überhaupt von jemandem sein, und zwar im Hinblick darauf, daß ein solches vielleicht auch in specie äußerer Gegenstand von des betreffenden Willkür ist (§ 1). Dann ist zweitens ein praktisches Prinzip einzuführen und zu begründen, aber auch zur Definition dieses speziellen Begriffs tauglich zu machen (§§ 2 und 3), damit der Begriff mithilfe des Prinzips drittens exponiert und definiert werden kann, wobei die gesuchte Definition des Begriffs eine sein muß, von der sich später zeigen läßt, daß sie zu dessen Deduktion zureicht (§§ 4 und 5). – Die dem zweiten Hauptschritt vorbehaltene Antwort auf die Wie-möglich-Frage, die eine Deduktion verlangt, mag zunächst viertens einen in erster Linie problematischen Schlüsselbegriff deduzieren, der im definierten Begriff enthalten ist (§ 6), und im Anschluß daran fünftens darlegen, wie der deduzierte Begriff anwendbar ist auf Erfahrungsgegenstände, mit denen die Willkür zu tun hat, – womit grundsätzlich Aufschluß über die fragliche Art des Habens gegeben werden kann (§ 7). Als letztes bleibt dann diese Art (und mit ihr der Aufschluß) sechstens für verschiedene Zustände zu spezifizieren, in denen Triebfedern zu konkreten Handlungen, die das Haben begründen, rechtlich wirksam sind (§§ 8 und 9).
5.1 Das rechtlich Meine, das äußerer Gegenstand ist, vom rechtlich Meinen überhaupt aus gesehen (§ 1) Das rechtlich Meine überhaupt ist dasjenige, „womit ich so verbunden bin, daß der Gebrauch, den ein Anderer ohne meine Einwilligung von ihm machen möchte, mich lädieren würde“ (§ 1, Abs. 1). Die Explikation kommt vom Begriff eines angeborenen Rechts oder inneren Meinen aus zustande durch einen unproblematischen Akt der Generalisierung. Im nächsten Absatz wird dann sogleich erwogen, es könnte etwas, das im Verhältnis zu mir Äußeres ist, durch den so explizierten Ausdruck zu bezeichnen sein. Das ist nicht so zu verstehen, als mache Kant sich anheischig, bereits hier den Begriff eines äußeren Mein und Dein definieren zu können. Erst recht nicht löst Kant bereits im Lauf dieses Absatzes die Frage, wie ein äußeres Mein und
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Dein möglich ist, in diejenige auf, wie ein bloß rechtlicher Besitz an solch Äußerem möglich ist. Vielmehr wird nun vom Begriff eines rechtlich Meinen überhaupt aus, der jedenfalls durchs innere Meine erfüllt ist, auf Gesichtspunkte reflektiert, auf die es für die Klärung und Verdeutlichung des Begriffs eines äußeren rechtlich Meinen ankommen dürfte. Wenn über die Art Auskunft zu geben ist, etwas Äußeres als das Seine zu haben, so muß man aufklären, in welchem subjektiven, d. h. die willkürliche Willensbestimmung betreffenden, Verhältnis sich ein solcher Gegenstand zu demjenigen befindet, der ihn als den Seinen hat. Vom angeborenen Recht aus geurteilt scheint dieses Verhältnis nur in einer Spezifikation empirischer Brauchbarkeit des Gegenstandes zu bestehen. Diese Auffassung aber greift, wie die Absätze 2 und 3 zeigen wollen, zu kurz. Ob ich im empirischen, physischen Besitz des Gegenstandes bin bzw. mich, um meinen Willen geltend zu machen, in ihn bringen könnte oder nicht, spielt jedenfalls nicht die Rolle, daß die subjektive Bedingung der Möglichkeit des Gebrauchs, von der jede Lädierbarkeit abhängt, nur bei physischem Besitz erfüllt wäre. Wenn gleichwohl irgendein Besitz subjektive Bedingung der Möglichkeit ist, den Gegenstand irgendwie zu gebrauchen, dann muß man vom physischen, empirischen Besitz eines solchen Gegenstandes einen bloß rechtlichen Besitz desselben unterscheiden, falls es etwas Äußeres gibt, das rechtlich mein ist und im weitesten Sinn für mich brauchbar. Der Gegenstand solchen Besitzes muß dann gedacht werden als ein mir äußerer in dem ganz abstrakten Sinn eines von mir und allem, was zum inneren Meinen gehört, Verschiedenen. Mit all dem ist jedoch nicht ausgemacht, ob der Begriff eines in diesem Sinn Äußeren, das rechtlich meines ist, das Merkmal eines solchen, bloß rechtlichen Besitzes enthält oder ob dieses Merkmal eine im Verhältnis dazu selber äußerliche, bloß subjektive Bedingung der Möglichkeit bezeichnet, den betreffenden Gegenstand zu gebrauchen. Wie sollen wir zwischen den Gliedern dieser Alternative entscheiden, um unseren Begriff wenigstens insoweit festzusetzen? Zweifellos brauchen wir dafür ein Prinzip – ebenso wie zur Beantwortung der Frage, ob der festzusetzende Begriff objektive praktische Realität besitzt. Auf beide Fragen wollen die folgenden Paragraphen eine Antwort geben. Dabei wird zunächst (§ 2) von den herausgearbeiteten Abstraktionen (eines bloß rechtlichen oder intelligiblen Besitzes an einem als bloß von mir verschieden gedachten Gegenstand) noch abgesehen. Denn das juridische Gesetz, das es nun aufzudecken gilt und von dem alle weiteren Schritte abhängig gemacht werden, bindet den empirischen, sich willkürlich bestimmenden Willen. Nur vom Gesetz aus nämlich und im Bewußtsein einer von ihm ausgehenden Verpflichtung können wir einsehen, was es im Fall äußerer Gegenstände mit dem „verbunden“-Sein auf sich hat, ohne welches es weder denkbar wäre noch sein könnte, daß andere uns durch Gebrauch solcher Gegenstände lädieren (vgl. § 1, 1. Satz).
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5.2 Das rechtliche Postulat der praktischen Vernunft als Erlaubnisgesetz (§§ 2 und 3) Das Gesetz muß formuliert werden (1.), und die Behauptung, derzufolge es besteht, bedarf der Begründung (2.). Darüber hinaus müssen Überlegungen zeigen, daß es für seine Funktionen tauglich ist. Erst eine Reflexion auf Triebfedern, die zu seiner Gesetzgebung gehören, führt zu einer Voraussetzung (3.), unter der es zur gesuchten Definition verhelfen kann. 1. Wie soll ein Gesetz – oder Prinzip, aus dem sich das Gesetz ergibt – einem Begriff zur Deutlichkeit verhelfen? Ein Gesetz stellt eine Handlung „objektiv als notwendig vor“ (218) – oder als möglich eine, die geschehen darf. Setzt nicht jedes Gesetz der einen oder anderen Art voraus, daß wir von demjenigen, was es fordert oder erlaubt, deutliche Begriffe bereits haben? Zweifellos, und wenn wir nicht in der Geometrie Beispiele für Spezielleres hätten, würden wir wohl kaum auf den Gedanken kommen, daß Gesetze als praktische Sätze, die eine mögliche oder notwendige Handlung bestimmen, in Bezug auf Gegenstände der Handlungen und Begriffe davon mehr zu leisten vermögen. Aber es ist so. Beispielsweise läßt sich von einigen Begriffen aus (,Ebene‘, ,Punkt‘, ,Strecke‘, ,Ziehen einer Linie‘) fordern, daß man um jeden Punkt auf der Ebene, der zugleich Endpunkt von Strecken ist, durch die gegenüberliegenden Endpunkte aller Strecken gleicher Länge, die ihn gemein haben, eine Linie ziehen kann.Von den Figuren als den Gegenständen, die auf diese Weise zustandekommen, kann man dann sagen, sie würden durch Befolgung des in diesem praktischen Satz geforderten Verfahrens gegeben. Ihr Begriff aber, nämlich derjenige eines Kreises, muß zur Befolgung der Forderung nicht vorausgesetzt werden. Vielmehr kann man sagen, er werde dadurch allererst erzeugt. Man darf nur nicht meinen, durch die Erzeugung werde er auch bereits definiert, d. h. es werde eine sowohl präzise als auch klare Vorstellung seiner Merkmale erzeugt und dargetan. Ein praktischer Satz wie der angeführte ist ein Postulat (vgl. KrV A 234/B 287; Euklid, Die Elemente, 1. Buch). Nach einem solchen, seiner Begründung und seiner Leistung in Bestimmung nicht nur von möglichen Handlungen, sondern auch von ihren Gegenständen werden wir uns nun umzusehen haben. Da die willkürbeschränkende Leistung rechtlich sowie durch den Willen als praktische Vernunft selbst (213) zu erfolgen hat, wird es sich dabei um ein rechtliches Postulat der praktischen Vernunft handeln müssen. Der Inhalt des Postulats wird eine mögliche, d. h. rechtlich erlaubte Handlung und ihren Gegenstand bestimmen. Von der Handlung wird unterm Begriff eines Postulats (vgl. Logik § 38 IX 112) vorausgesetzt,
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daß die Art, sie auszuführen, unmittelbar gewiß sei. Da sich Handlungen, komplex und polymorph wie sie sind, ohnehin auf verschiedene Weise bestimmen lassen, ist nicht verwunderlich, daß das Postulat in verschiedenen Varianten formuliert wird, unter denen jede einen bestimmten Aspekt des zur Gegenstandsbestimmung führenden Verfahrens hervorhebt. Der Kantische Text enthält mindestens fünf solcher Varianten (Nr. 1 und 2 in § 2,1; Nr. 3 in § 2,2 letzter Satz; Nr. 4 in § 2,3; Nr. 5 in § 6, Abs. 10). Die wohl am leichtesten verständliche ist diejenige, die ein Erlaubnisgesetz formuliert: daß wir befugt sind, (4) „allen anderen eine Verbindlichkeit aufzulegen, die sie sonst nicht hätten, sich des Gebrauchs gewisser Gegenstände unserer Willkür zu enthalten, weil wir sie zuerst in unseren Besitz genommen haben“. (§ 2, Abs. 3). Das ist ein spezieller Fall eines Rechtstitels als eines Grundes für ein Vermögen, andere zu verpflichten (237). Man denke nicht, hier werde die Abstraktion vom Merkmal der Erwerbung aufgehoben; in Besitz nehmen ist nicht eo ipso erwerben. Indem einer für äußere Gegenstände solch einen Rechtstitel geltend gemacht hat, hat er diese Gegenstände als seine nur unter der Voraussetzung, daß weitere Bedingungen erfüllt sind. Erst dann hat er eine alle anderen Personen ausschließende, ausschließlich private Verbindung zwischen sich und den Gegenständen hergestellt, sodaß es ihn lädieren würde, wenn ein anderer von ihnen ohne seine Einwilligung Gebrauch machen würde. Das gilt für jeden. Aus solchen Überlegungen, die freilich erst später als in § 2 anzustellen sind, versteht sich, daß der Erlaubnis für alle am Ende die Rechtspflicht aller korrespondiert, (5) „gegen andere so zu handeln, daß das Äußere (Brauchbare) auch das Seine von irgendjemandem werden könne“ (§ 6, Abs. 10). Da eine Befugnis nur besteht, wenn es erlaubt ist, von der Befugnis Gebrauch zu machen, und wenn es verboten ist, daß andere hindern, das Erlaubte zu tun, ergibt sich vorab auch: rechtswidrig handelt, wer will, daß etwas, das äußerer Gegenstand von jemandes Willkür ist, an sich herrenlos sei (d. h. in niemandes private, ausschließliche rechtliche Verfügungsgewalt gelangen dürfe), und sich entsprechend verhält. Rechtswidrig ist hier sogar schon die Maxime solchen Willkürgebrauchs (§ 2, Abs. 1 zweiter Halbsatz): (2) „eine Maxime, nach welcher, wenn sie Gesetz würde, ein Gegenstand der Willkür an sich (objektiv) herrenlos (res nullius) werden müßte, ist rechtswidrig.“ Am ähnlichsten einem euklidischen Postulat, wie Kant es versteht, ist die Formulierung, in welcher das Postulat eingeführt wird: (1) „Es ist möglich, einen jeden äußeren Gegenstand meiner Willkür als das Meine zu haben.“ Die Formulierung sagt, für welchen Gegenstand uns das Postulat einen Begriff zu liefern verspricht: Für das äußere Mein und Dein bzw. den äußeren Gegenstand von irgendjemandes Willkür, der zugleich das rechtlich Seine des betreffenden ist; für genau denjenigen Gegenstand also, dessen Begriff es zu definieren und zu deduzieren gilt.
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Allerdings kann die Formulierung ein Mißverständnis entstehen lassen. Davor soll die nachgeschobene Erläuterung durch Satz (2) bewahren, indem sie deutlich macht, daß von Möglichkeit hier nur im Sinn einer rechtlichen Möglichkeit als Gegenstück zu einem Verbot die Rede sein kann. Daß mit solcher Möglichkeit noch nicht die später zu erkennende Möglichkeit eines Gegenstandes für den zu definierenden Begriff ausgemacht ist, bringt Kant auch zum Ausdruck, wenn er die Conclusio zu seiner Begründung des Postulats lediglich in die Form bringt, es sei (3) „eine Voraussetzung apriori der praktischen Vernunft, einen jeden Gegenstand meiner Willkür als objektiv mögliches Mein oder Dein anzusehen und zu behandeln“ (§ 2, Abs. 2 letzter Satz). Wie könnte, was bloße Voraussetzung ist, schon Erkenntnis (der Möglichkeit eines Gegenstandes für einen Begriff ) sein? Und wie könnte die erkannte Möglichkeit bloß in dem bestehen, was hier ausdrücklich das Vorausgesetzte ist: daß ein jeder äußere Gegenstand meiner Willkür als objektiv mögliches Mein oder Dein anzusehen und zu behandeln ist! Offenkundig ist beides, was hier einander gegenüber gestellt wird, nicht dasselbe. Das Postulat stellt zusammen mit seiner Begründung bestenfalls etwas dar, worauf in einer Deduktion des Begriffs eines solchen Mein und Dein zurückzukommen sein wird, nicht aber diese Deduktion selbst. Der letzte Teil der Argumentation (§ 2, Abs. 2 nach dem zweiten Gedankenstrich) macht sogar eigens darauf aufmerksam, daß für das Postulat und seine Begründung ein Gesichtspunkt noch nicht in Betracht kommt, den zu beachten bei Beantwortung der Frage, wie ein äußeres Mein und Dein möglich ist, unumgänglich werden wird (vg. § 6, Abs. 1 und § 7). 2. Wie kann man das Postulat begründen? Kant macht uns (KrV A 234/B 287) darauf aufmerksam, daß sich der Satz, der postuliert, man könne einen Kreis schlagen, nicht beweisen läßt: „weil das Verfahren, das er fordert, gerade das ist, wodurch wir den Begriff einer solchen Figur zuerst erzeugen“. Für einen eigentlichen Beweis nämlich, d. h. einen direkten und syllogistisch zu führenden, müssen wir von Prämissen ausgehen, die nicht nur wahr sind. Sie müssen auch für wahr gehalten werden dürfen und die hierfür erforderlichen logischen Vollkommenheiten besitzen. Insbesondere müssen die Begriffe, welche prädizierend in die Konklusion eingehen, bereits in den Prämissen auf wohlbestimmte Weise, also definiertermaßen, enthalten sein. Solches aber ist nicht möglich, wenn der zu beweisende Satz ein Verfahren fordert und einen prädizierenden Begriff enthält, den das Verfahren, das er fordert, allererst zu erzeugen hat. Bleibt also nur, „apagogisch“ zu argumentieren, d. h. so, daß ein Opponent „weggeführt“ wird von seiner Gegenthese – was immer er in dieser unvollkommen bestimmt denken mag. Des Weiteren macht Kant geltend, daß das Postulat als Erlaubnisgesetz eine Befugnis gibt, die „wir aus bloßen Begriffen vom Rechte überhaupt nicht herausbringen könnten“ (Abs. 3). Das läßt vermuten, daß das Postulat in seiner ersten Version auch nicht bloß durch Rekurs auf die schon gerechtfertigten Rechtsbegriffe
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und unmittelbaren Schluß daraus zu gewinnen ist. In der Tat, denn aus Begriffen vom Recht überhaupt (§ B) gelangen wir lediglich zum allgemeinen Prinzip des Rechts und von ihm aus zum allgemeinen Rechtsgesetz (§ C): so zu handeln, daß der freie Gebrauch meiner Willkür mit der Freiheit von jedermann nach einem allgemeinen Gesetz der Freiheit zusammen bestehen kann. Diesem Rechtsgesetz aber könnte, solange der Begriff eines allgemeinen Gesetzes der Freiheit nicht inhaltlicher als bis jetzt bestimmt ist, durchaus ein Handeln mit jener Maxime entsprechen, die in der Erläuterung zum Postulat als rechtswidrig bezeichnet wird. Das allgemeine Gesetz der Freiheit, könnte dabei sein, daß jeder, wenn äußere Gegenstände seiner Willkür von anderen noch nicht in Besitz genommen sind, sie zu herrenlosen machen darf (z. B. Kühe oder Wälder, die damit tabu gemacht würden) und daß die anderen dies zu respektieren haben. Ein Handeln nach der entsprechenden Maxime könnte als freier Gebrauch meiner Willkür mit der Freiheit von jedermann sogar zusammen bestehen unter dem allgemeinen Gesetz, daß es keine äußeren Gegenstände geben soll, die das rechtlich Seine von jemandem sind; und die Handlung, dies zum Gesetz zu machen, würde, nach § C allein, recht sein. Das Gesetz wäre gleichbedeutend damit, daß unantastbar für jeden nur der jeweilige physische Besitz eines anderen ist, – also all dasjenige, was bereits zum inneren Mein und Dein gehört. Die Forderung, das einzige angeborene Recht (237,6) zu respektieren, würde mithin ebenfalls nicht über den Begründungsnotstand hinausführen. Die einzige Chance, via indirekte Argumentation doch noch zu einer Begründung des Postulats zu gelangen, dürfte darin bestehen, daß in der Perspektive der ersten Person zurückgegangen wird auf die reine praktische Vernunft, die sich Freiheitsgesetze und unter ihnen auch juridische Gesetze (214) gibt. Die in einem indirekten Argument den Ausgang bildende Annahme des kontradiktorischen Gegensatzes zum Postulat wird also an ihr selbst oder im Hinblick auf Folgen, die sie hat, mit der reinen praktischen Vernunft und ihrer juridischen Gesetzgebung zu konfrontieren sein. Im Fall der Unverträglichkeit aber ist der Opponent von seiner dem Postulat widersprechenden Annahme abzubringen, da nach einer „Kritik der praktischen Vernunft“ kein Anlaß mehr besteht, unseren Begriff juridischer Gesetzgebung zu revidieren. Wohl aber wird dafür Sorge zu tragen sein, daß das Postulat nicht für mehr ausgegeben wird, als es enthält, und daß von seiner Begründung nicht mehr verlangt wird, als sie leisten kann. Nachdem der Reflexionshintergrund der Argumentation aufgehellt ist, läßt sich deren Struktur mühelos identifizieren. Sie besteht aus drei – im Text jeweils durch Gedankenstriche voneinander abgehobenen – Elementen, denen die Erklärung eines Begriffs vorhergeht und die Conclusio folgt. Die Begriffserklärung setzt den Opponenten sogleich in ein ungünstiges Licht. Begonnen wird die Argumentation jedoch erst mit der Annahme eines praktischen Satzes, der dem Postulat in Version
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(1) kontradiktorisch entgegengesetzt ist. Grob umrissen könnte der Satz lauten: in Bezug auf (wenigstens) einen äußeren Gegenstand meiner Willkür sei der Gebrauch jedermann (also auch mir selbst) verboten. Was wäre im Hinblick auf die praktische Vernunft die Folge, wenn wir uns einen solchen praktischen Satz zueigen machen würden? Formaliter würde dabei unsere Willkür im Gebrauch ihrer äußeren Gegenstände mit jedermanns Freiheit nach allgemeinen Gesetzen zusammenstimmen (vgl. § 2, Abs. 2, letzter Teilsatz vor dem ersten Gedankenstrich). Vonseiten des allgemeinen Rechtsgesetzes und der lex justi bestünden insofern wie gesagt keine Bedenken. Aber die Freiheit würde mit ihrem Verbot „sich selbst ihrer Willkür in Ansehung eines Gegenstandes derselben berauben“. Was daran für eine reine praktische Vernunft als gesetzgebende inakzeptabel ist, zeigt die Argumentation mit ihrem zweiten Element. Das umrissene Verbot müßte eine bestimmte Klasse von äußeren Gegenständen meiner Willkür näher spezifizieren. Es dürfte also von „der übrigen Beschaffenheit des Objekts“, dessen Gebrauch nach der gemachten Annahme verboten ist, und vom Zweck, den einer mit dem Objekt zur Absicht haben mag, als einer „Materie der Willkür“ nicht abstrahieren. Die reine praktische Vernunft aber kann ihrer Gesetzgebung „keine anderen als formale Gesetze des Gebrauchs der Willkür zum Grunde“ legen. Sie muß also gerade abstrahieren von solcher Beschaffenheit des Objekts, „wenn es nur ein Gegenstand der Willkür ist“. Andernfalls, d. h. durch ein Verbot wie das angenommene und ein juridisches Gesetz, aus dem es sich ergäbe, käme die äußere Freiheit, deren Betätigung mein angeborenes Recht ist, in einen „Widerspruch mit sich selbst“. Sie würde sich in ihrer selbstgesetzgebenden Tätigkeit destruieren. Ein „absolutes“ (von der Gesetzgebung reiner praktischer Vernunft losgelöstes) Verbot wie das angenommene aufzurichten und damit sich selbst eines Stücks äußerer Freiheit zu begeben ist also meiner empirisch bedingten praktischen Vernunft verboten. Aber nicht deshalb, weil das Verbot äußerlich mit dem Inhalt meines angeborenen Rechts oder mit § C unverträglich wäre; sondern weil bei Errichtung des Verbots meine rechtliche Freiheit zu juridischer Gesetzgebung mit sich selbst uneins würde und meine reine praktische Vernunft solche Gesetzgebung nicht will. Indem sie diese nicht will, gibt sie das formulierte Erlaubnisgesetz und erweitert sich damit über den Willkür-beschränkenden Gehalt des allgemeinen Rechtsgesetzes und der lex justi hinaus. Mit der reductio ad absurdum einer Annahme, welche dem Postulat kontradiktorisch entgegengesetzt ist, ist dieses seinem Gehalt nach begründet, soweit eine Begründung möglich ist. Um den Anspruch zu rechtfertigen, der mit dem Postulat erhoben werden kann, aber auch ihn eindeutig zu machen, ist jedoch noch ein Zusatzargument erforderlich, mit dem einerseits ein möglicher Einwand abgewehrt, andererseits der Anspruch des Postulats begrenzt wird. Wer unterm Einfluß von Lehren des neuzeitlichen vorkantischen Naturrechts steht, könnte gegen das
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bisherige Ergebnis der Argumentation einwenden, um einen äußeren Gegenstand meiner Willkür als meinen haben zu dürfen, müsse ich zusätzlich dazu, daß der Gegenstand physisch in meiner Macht steht, noch die Bedingung erfüllen, daß ich ihn in meiner Gewalt habe, also auch gegen andere verteidigen kann. Diesem möglichen Einwand kommt Kant mit dem Hinweis zuvor, daß ich im Postulat den Gegenstand bloß als einen meiner Willkür denken muß, wofür hinreichend ist, „mir bewußt zu sein, daß ich ihn in meiner Macht habe“. Damit aber wird auch klargestellt, daß mir das Postulat nur sagt, als was ich einen jeden Gegenstand meiner Willkür „anzusehen und zu behandeln“ habe und warum: als ein „objektiv“, d. h. durch juridische Gesetzgebung der reinen praktischen Vernunft, „mögliches Mein oder Dein“, – und zwar deshalb, weil es eine „Voraussetzung apriori der praktischen Vernunft“ ist, ihn als ein solches zu denken. Als was ein in der Erfahrung gegebener äußerer Gegenstand meiner Willkür zu erkennen ist, wenn ich ihn als den meinen „zu haben behaupten will“ (§ 3), ist eine andere Frage. Insbesondere ist bis jetzt noch offen, ob ich ihn als einen erkenne, der sich auszeichnet durch das Merkmal bloß rechtlichen, intelligiblen Besitzes. 3. Ein erster Schritt zur Beantwortung der Frage ist leicht zu machen, wenn man sich vom Postulat in eine Handlungsperspektive versetzen läßt und es ihr entsprechend als Erlaubnisgesetz nimmt. Die mit dem Postulat aufgegebene Strategie reflexiver metaphysischer Rechtserkenntnis muß jedenfalls darin bestehen, daß man den Begriff eines äußeren Mein und Dein von diesem Gesetz aus und im Bewußtsein unter ihm bestehender Verpflichtungen verdeutlicht und dabei festzustellen versucht, was es im Fall äußerer Gegenstände mit dem „verbunden“-Sein auf sich hat, ohne das eine Läsion in Ansehung solcher Gegenstände weder denkbar wäre noch der Fall sein könnte. Man muß also ermitteln, was das Erlaubnisgesetz mit einer Verpflichtung für den zu tun hat, dem es etwas erlaubt, und insofern auch mit einer Triebfeder, der Verpflichtung zu entsprechen. Der Weg dahin ist nicht weit: Das Erlaubnisgesetz bringt für jeden, der von ihm autorisiert wird, anderen eine Verbindlichkeit aufzulegen, die rechtliche Verpflichtung mit sich, von dieser Befugnis nur dann Gebrauch zu machen, wenn er im Besitz des Gegenstandes ist, bezüglich dessen die anderen zum Gebrauchsverzicht verbunden werden (§ 3); und jeder besitzt als Person natürlich auch die Fähigkeit, sich entsprechend zu verhalten. Wie man sich nun selbst klarmachen kann, ist die Feststellung nicht eine, die schon in § 1 gemacht werden konnte oder gar gemacht wurde. Im Hinblick auf die Triebfeder, die mit dem Erlaubnisgesetz verbunden ist und zu seiner Gesetzgebung als zweites Stück gehört, kann man daher sagen: Soweit die Triebfeder wirksam sein kann zur Erfüllung einer Pflicht bei mir selbst, für den die Erlaubnis gilt, ist ihre Wirksamkeit nur gesetzlich in Beachtung der genannten Bedingung. Daß damit keine Willkürbeschränkung für andere verbunden sei, wird nicht behauptet. Es ist
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im Vorblick auf Variante (5) des Postulats sogar höchst unwahrscheinlich. Desgleichen ist (im Hinblick auf §§ 8 und 9) unwahrscheinlich, daß die genannte Willkürbeschränkung die letzte der für mich bestehenden ist. Näheres dazu aber wird sich zweifellos erst ausmachen lassen, wenn für den Besitz, welcher nun als notwendige Bedingung einer Inanspruchnahme des Erlaubnisgesetzes erkannt ist, ein deutlicher Begriff gewonnen und in einer Definition des Begriffs von äußerem Mein und Dein sein logisches Verhältnis zu diesem geklärt ist. Aufs Ziel, das zu leisten, geht die dritte der sechs Phasen, in denen der eingangs bezeichnete Doppelschritt getan werden soll.
5.3 Exposition und Definition des Begriffs eines äußeren Mein und Dein (§§ 4 und 5) Nun gilt es auszumachen, ob der Begriff eines äußeren rechtlich Meinen das Merkmal des Besitzes an einem solchen Äußeren enthält, speziell aber dasjenige eines vom physischen unabhängigen, bloß rechtlichen Besitzes, und ob dieses Merkmal für den Begriff definitorisch ist oder nicht. Dazu muß man auf den ganzen Umfang an Realität reflektieren, die unter dem Begriff zu denken ist, und untersuchen, als was die für meine Lädierbarkeit in Ansehung des Gegenstandes notwendige Bedingung zu gelten hat, welche dieser Besitz ist: Ist sie fürs Denken bloß subjektive Bedingung (der Möglichkeit, den Gegenstand zu gebrauchen) oder ein objektives relationales Merkmal des Gegenstandes, der im Begriff gedacht wird; also auch ein Merkmal, das dem Gegenstand in der ganzen Sphäre möglicher Realität seines Begriffs zuzuschreiben ist? Zu beachten ist dabei, daß man über Merkmale, die nicht schon trivialerweise im fraglichen Begriff enthalten sind, erst Aufschluß bekommt durch den zusätzlichen Gedanken an Pflichten, die für mich mit der Erlaubnis zu einer im Postulat (als Erlaubnisgesetz) bestimmten Handlung bezüglich des Gegenstandes verbunden sind. Erst sie nämlich machen es objektiv notwendig, den Gegenstand ihrem Begriff gemäß zu denken und zu behandeln. Die Möglichkeit, eine strukturelle Aussage über den ganzen Umfang des Gegenstandsbegriffs zu machen, ergibt sich durch die Kategorien, unter denen der Gegenstand etwas im Verhältnis zu meiner Willkür Äußeres ist. Als Kategorien verschiedener Relation dieses Äußeren in sich und zu einer pflichtgemäßen Einschränkung meiner Willkür müssen sie den Gegenstand spezifizieren zu etwas, das im genannten Verhältnis dreierlei sein kann. Näher bestimmen sich die unter den drei Relationskategorien gedachten äußeren Gegenstände meiner Willkür, wenn man zusätzlich berücksichtigt, daß sie jeweils als rechtlich Meines gedacht werden können sollen. Dann nämlich kann es sich im ersten Fall nur um körperliche Sachen
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handeln; im zweiten Fall hingegen nur um Willkürbestimmung eines anderen (oder anderer) zu einer gewissen Tat, d. h. um eine Leistung, die mir rechtlich zusteht, während es sich im dritten Fall um eine Rechtsgemeinschaft handeln muß, deren von mir verschiedene Mitglieder ich rechtlich meine nennen darf (z. B. „meine Kinder“) und die ich nach Gesetzen, die für solche Gemeinschaften gelten, zu behandeln habe. Wird die Untersuchung nach dem umrissenen Reflexionsverfahren vorgenommen und richtet sie sich auf alle drei Bereiche der Sphäre des Begriffs vom äußeren Mein und Dein (§ 4, a–c), so ergibt sich im Hinblick auf das zu erwägende Merkmal übereinstimmend: ich darf den Gegenstand nicht mein nennen, es sei denn, ich dürfte von ihm auch behaupten, daß ich ihn besitze, „obgleich ich nicht im physischen Besitz desselben bin“ (§ 4, a, 1. Satz). Die Gesetzgebung legt mich also generell auf ein Verbunden-Sein mit diesem Gegenstand fest, das nicht in Begriffen raumzeitlicher Beziehung zu denken ist und dennoch dem Gegenstand unter dem Begriff eines äußeren rechtlich Meinen als objektives Merkmal zugeschrieben werden muß. Allein so nämlich erklärt sich, daß ich in Ansehung des Gegenstandes lädierbar bin durch den Gebrauch, den andere ohne meine Einwilligung davon machen. Die für einzelne Gegenstandsbereiche gesondert durchgeführte Untersuchung stellt Merkmale des Begriffs vom äußeren Mein und Dein in ihrem Zusammenhang vor, soweit sie durch die Analyse gefunden worden sind. Im Durchgang durch die Bereiche nähert sie sich einer Definition des Begriffs nur an. Insofern hat sie selbst den Charakter einer Exposition (vgl. Logik § 105 IX 142 f.; Refl. 2925, 2957, 2996). Da sie jedoch durch alle Bereiche hindurch vorgenommen wird und für alle zu einem übereinstimmenden Ergebnis kommt, gelangt man mit ihrem Ergebnis auch zur Definition (§ 5) – d. h. dazu, den auf seinen ganzen Umfang zutreffenden Begriff „in minimis terminis“ (Logik § 99 IX 140) zu erklären. In Auswertung der Exposition kann man somit zum Zweck eindeutiger Unterscheidung sagen, das äußere Meine sei „dasjenige außer mir, an dessen mir beliebigem Gebrauch mich zu hindern, Läsion (Abbruch meiner Freiheit, die mit der Freiheit von jedermann nach einem allgemeinen Gesetze zusammen bestehen kann) sein würde“ (§ 5, 1. Satz). Die Definition würde bestens zu den eingangs (§ 1, Abs. 1) getroffenen Feststellungen passen und den Begriff eines rechtlich Meinen überhaupt für den Fall eines im Verhältnis zu meiner Willkür Äußeren spezifizieren. Allerdings wäre sie nur eine „Nominaldefinition“. Sie wäre wichtig, aber höchst unspektakulär und ist offensichtlich nicht dasjenige, worauf es Kant ankommt (vgl den Konjunktiv im 1. Satz von § 5!). Zur Erkenntnis des Objekts nach seinen inneren Bestimmungen (Refl. 2999) und vorab zur Erkenntnis der Möglichkeit des Gegenstandes (durch Deduktion seines Begriffs) bedarf es einer Realdefinition, welche uns objektive, zum realen Wesen des Gegenstandes gehö-
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rende Merkmale angibt. Wie die Realdefinition relativ zum erreichten Stand der Analyse „nun“ (vgl. § 5, 1. Satz) lauten muß, ist jedoch nicht mehr zweifelhaft: „Das äußere Meine ist dasjenige, in dessen Gebrauch mich zu stören Läsion sein würde, ob ich gleich nicht im Besitz desselben (nicht Inhaber des Gegenstandes) bin“ (§ 5, 2. Satz).
5.4 Der Schlüsselbegriff ,intelligibler Besitz‘ und seine Deduktion (§ 6) Der Titel von § 6 ist eine Provokation. Zu deren Bedeutsamkeit und Tragweite kann hier nur das Nötigste gesagt werden, ebenso wie zu den vielen Formulierungsnuancen der Absätze 1–3¹, 9 und 10. Es muß genügen, von der nun unternommenen Deduktion zu zeigen, was mit ihr auf dem Spiel steht (1.), und ihre Beweisidee zu erläutern (2.), dann aber auch ihren Zusammenhang mit den letzten beiden Gliedern des ganzen ersten Hauptstücks aufzuklären (3.). 1. Kant will den Begriff eines intelligiblen Besitzes und seinen rechtsmetaphysischen Gebrauch rechtfertigen. Wer das von außen wahrnimmt, wird wohl einräumen, daß man von physischem Besitz, den jemand an etwas hat (indem er darüber dank räumlicher Nähe und entsprechender persönlicher Fähigkeit nach Belieben verfügt), einen rechtlichen Besitz unterscheiden muß, wenn man einer Person (sei sie natürlich oder juristisch, privat oder öffentlich) überhaupt Rechte an irgendwelchen ihr äußeren Gegenständen zugestehen will. Was von solchen Gegenständen in meinem physischen Besitz ist (sodaß ich der „Inhaber“ davon bin), muß nicht in meinem rechtlichen Besitz sein; nicht alles, was in meinem rechtlichen Besitz ist, werde ich physisch innehaben; und von all dem, was in die Restklasse meines rechtlichen, nicht aber physischen Besitzes fällt, mag gesagt werden, daß ich es „bloß“ rechtlich besitze. Weshalb aber soll gelten, daß etwas, das ich rechtlich oder bloß rechtlich besitze, auch in meinem intelligiblen Besitz ist – und was soll das überhaupt heißen, von ihm zu sagen, es sei in einem intelligiblen Besitz? Wenn diese Fragen nicht beantwortet werden können, tut man besser, sich definitiv von Kants Rechtslehre zu verabschieden, so unlöslich sind sie mit dieser eins. Bevor man sich mit ihnen abmüht, sollte man jedoch das Sachproblem sehen, um das es dabei geht. Das gelingt wohl am leichtesten anhand der Überlegung, warum wir uns nicht dadurch mit einem Begriff rechtlichen Besitzes begnügen, daß wir solchen Besitz
1 Die Absätze 4–8 gehören nicht in den § 6, sondern sollen Absatz 3–7 von § 16 sein. Die Begründung dafür muß hier unterschlagen werden, obwohl sie relativ leicht zu geben wäre.
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ausschließlich an einer geltenden Rechtsordnung festmachen, also am positiven Recht. Die Antwort kann nur sein, daß wir auf diese Weise unfähig würden, eine solche Rechtsordnung rechtlich zu beurteilen. Nach der Idee des Naturrechts muß es dafür dem positiven Recht vorgeordnete Normen geben. Sonst hinge der Wille des Gesetzgebers, der positives Recht schafft, in der Luft, d. h. er wäre bloß Willkür. Bloße Willkür aber begründet weder Rechtsansprüche noch Rechtspflichten. Es muß also möglich sein, unabhängig vom positiven Recht zwischen rechtmäßig physischem Besitz und einem darüber hinausgehenden, gleichwohl rechtlichen Besitz zu unterscheiden. Wie weit aber und aufgrund wovon soll der letztere über den ersteren hinausgehen dürfen? Das ganze neuzeitliche Naturrecht einschließlich Kants lehrt: daß ein Recht, das jemand hat, mit der Befugnis verbunden ist, es zu erzwingen. Das legt die Antwort nahe, zu welcher das vorkantische neuzeitliche Naturrecht neigte und die Spinoza (Tractatus theologicus-politicus II, § 3) unzweideutig ausgesprochen hat: Wir müssen den Rechtsanspruch und die Befugnis zu zwingen verschmelzen und sagen, die Berechtigung des Besitzes eines äußeren Gegenstands reiche gerade soweit wie desjenigen, der sie geltend macht, klug betätigte, d. h. in Gewalt umgesetzte Macht, den Gebrauch des Gegenstandes für sich zu reservieren. Für den Fall, daß man sich nicht aufs positive Recht stützt, wird sozusagen ein macht- und gewaltrechtlicher Besitz gelehrt. Die Auffassung ist ziemlich konsequent. Das Fatale ist nur, daß damit auch ein politischer Wille nur noch gedacht werden kann als gebunden ausschließlich durch Akte der Klugheit und egoistischen Nutzenmaximierung derjenigen, die ihn zusammen bilden – wobei man von der Frage absehen kann, ob die Bildung politischen Willens durch einen Vertrag oder durch vertragsfreie Ausbildung von Konventionen gedacht wird. Die ganze Auffassung läuft darauf hinaus, den Gesetzgeber, der positives Recht schafft, in seiner Willkür nur durch klugheitstheoretische, jedenfalls aber außerrechtliche Prinzipien zu beschränken.Von solchen Prinzipien aus kann bestehendes Recht nicht überzeugend gerechtfertigt werden. Es wird dadurch letztlich sogar suspekt gemacht. Die Kantische Rede von einem bloß rechtlichen Besitz und der Versuch, diesen als einen intelligiblen zu erkennen, soll aus einer Aporie herausführen, in die sich die vorkantisch-neuzeitliche Naturrechtslehre insgesamt verirrt hatte. 2. Wie kann der Begriff eines bloß rechtlichen Besitzes an Äußerem gerechtfertigt, der Gegenstand dieses Begriffs als intelligibler Besitz erkannt und dessen Begriff präzise bestimmt werden? Nicht anders als im Fall des rechtlichen Postulats der praktischen Vernunft (§ 2) könnten wir uns leicht klar machen, daß die bisherigen Rechtsprinzipien dafür nicht ausreichen.Von ihnen aus stellt sich vielmehr ein Problem. Wenn jemand Gegenstände, die zurecht in meinem physischen Besitz sind, ohne meine Einwilligung gebraucht (also z. B. „mir den Apfel aus der Hand reißt“ – vgl. § 6, Abs. 2), kann ich sagen, daß ich dadurch in meiner Freiheit verletzt
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werde. Wenn dagegen ein äußerer Gegenstand nicht in meinem physischen Besitz ist, ich aber geltend mache, er sei in meinem rechtlichen Besitz, dann kann ich so – prima vista jedenfalls – nicht überzeugend argumentieren. Angenommen, ich brauche den Gegenstand gerade nicht, und er ist vielleicht nicht einmal in meiner Reichweite – warum soll meiner Freiheit bereits dadurch Abbruch geschehen, daß ein anderer ihn in dieser Zeit für sich nutzt? Der andere muß ihn ja nicht für meine künftigen Zwecke unbrauchbar machen. Er könnte ihn dafür sogar brauchbarer machen. Und doch unterstellen wir, daß es für Fälle solchen Besitzes Rechtssätze gibt. Kant bezeichnet sie als synthetische Rechtssätze apriori, weil sie erfahrungsunabhängig ein Recht zu- oder absprechen, das bei demjenigen, der es hat, zum „angeborenen Recht“ (237) hinzukommt. Wir unterstellen auch, daß diese Sätze ihre Verbindlichkeit deshalb haben, weil sie sich ableiten lassen aus Sätzen, die juridische Gesetze formulieren. Wie aber sollen sie als verbindliche Rechtssätze erkennbar sein, wo wir nach allem Bisherigen keine juridischen Gesetze kennen, aus denen sie sich ableiten lassen – ja, bisher nicht einmal sehen können, wie die gesuchten Gesetze sich als Gesetze zu schützender Freiheit sollten verstehen lassen? Das ist das Problem, das wir mit unserem Begriff eines bloß rechtlichen Besitzes haben (vgl. § 6, Abs. 3). Kants Strategie, das Problem zu lösen, besteht grob gesprochen darin, es zu vergleichen mit demjenigen der theoretischen Philosophie, dem die Kritik der reinen Vernunft gewidmet war: zu erkennen, wie (und in welchen Grenzen) synthetische Urteile apriori möglich sind. Dabei werden aber nicht beide Probleme identifiziert oder gleiche Lösungen für beide vorgeschlagen. Es soll vielmehr gezeigt werden, daß das Problem im vorliegenden Fall unter anderen Bedingungen einer Lösbarkeit steht als dasjenige der theoretischen Philosophie und daß daher auch die Lösung anders ausfallen kann: Während diese im Fall der theoretischen Philosophie die Erkennbarkeit von Vernunftgegenständen verneinen mußte, soll deren Erkenntnis nun in einer ganz eigentümlichen Weise realisierbar werden. Man muß in der Rechtslehre auf einen Grundsatz der praktischen Vernunft und ein Verfahren mit ihm zurückgehen. Daraus läßt sich rechtfertigen, daß in synthetischen Rechtssätzen apriori ein bloß rechtlicher Besitz zugeschrieben wird und daß man diesen als einen intelligiblen versteht.² – Andererseits müssen im Hinblick auf Beweisbarkeit mit der Lösung des Problems ganz andere Erwartungen verbunden werden, als in der theoretischen Philosophie am Platz waren. Sonst wird es am Ende befremden, daß diese Erwartungen nicht erfüllt werden.
2 Insofern geht in § 6 der Anfang von Absatz 9 fugenlos mit dem Ende von Absatz 3 zusammen. Es kann keine Rede davon sein, daß nach Entfernung des falschen Texteinschubs der Absätze 4–8 eine Lücke zum Vorschein komme.
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Beim Grundsatz, auf den zurückzugehen ist, muß es sich um einen handeln, der eine Rechtspflicht ausspricht und nicht bloß eine Erlaubnis. Es muß uns etwas Bestimmtes geboten sein, damit wir es in einer bestimmten Weise zu denken haben sowie erkennen können, und zwar geboten nicht nur uns als denjenigen, die sich der Erlaubnis bedienen, sondern schlechthin allen und unabhängig davon, ob sich jemand der Erlaubnis bedient oder nicht. Doch daß in dieser Weise etwas geboten ist, steht außer Frage, wo es ein bestimmtes Erlaubnisgesetz der praktischen Vernunft gibt. Sonst könnte nicht ausgeschlossen werden, daß rechtliche Erlaubnisse und Verpflichtungen miteinander kollidieren. Rechtliche Erlaubnisse auf der einen Seite können nur soweit reichen, als auf der anderen Seite Rechtspflichten bestehen. Aber sie müssen auch (nach dem allgemeinen Prinzip des Rechts, § C) soweit reichen und sie haben in unserem Fall diejenigen Rechtspflichten zu ihrem Komplement, die sich aus Variante (5) des Postulats ergeben. In dieser Variante also haben wir den gesuchten „Rechtsgrundsatz“. Nun ist von ihm nur noch zu untersuchen, wie im Hinblick auf synthetische Rechtssätze apriori mit ihm verfahren wird. Hätten wir es mit einem theoretischen Grundsatz der Vernunft zu tun, so müßten wir – wollten wir ihn aufstellen, ihn rechtfertigen oder als Prämisse gebrauchen – ausgehen von einem gegebenen Begriff des einen oder anderen dessen, was in Raum und Zeit vorkommen mag; und wir müßten dann versuchen, durch Synthesis in einem Urteil mit diesem Begriff, ohne von seinem Inhalt abzusehen, einen anderen, nicht in ihm enthaltenen Begriff zusammenzubringen, und zwar einen Vernunftbegriff. Dies könnte aber, wie die KrV gezeigt hat, nur so geschehen, daß dem gegebenen Begriff eine Anschauung apriori zugrundegelegt würde als ein im Verhältnis zu beiden Begriffen Drittes, das beide umfaßt und daher etwas wäre, was zum Vernunftbegriff hinzugetan werden müßte. Wohlgemerkt aber müßte es eine Anschauung sein, welche auch die Extension des Vernunftbegriffs umfaßt. Also eine Anschauung, die wir gar nicht besitzen. Es kann daher weder einen solchen theoretischen Grundsatz noch ein zu rechtfertigendes Verfahren mit ihm geben. Anders in der Reflexion auf den gesuchten praktischen Grundsatz – und in diesem selbst, sei’s bei seiner Aufstellung, sei’s bei seinem Gebrauch als Prämisse: hier wird insofern umgekehrt verfahren, als wir nun keiner Anschauung apriori bedürfen, also nichts zu unserem Vernunftbegriff hinzuzutun haben, sondern im Gegenteil „alle Bedingungen der Anschauung, welche den empirischen Besitz begründen“, wegschaffen müssen, wenn wir diesen Grundsatz denken oder zur Rechtfertigung verwenden. Was heißt das in Bezug auf uns als diejenigen, für welche der Grundsatz etwas sagt? Zumindest folgendes: Wir spielen im Grundsatz und unter ihm nur noch eine Rolle als Subjekte eines freien, sich zu Zwecken und ihrer Verwirklichung bestimmenden Willens. Zu einem solchen Subjekt gehört ein Willkürvermögen mit
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einer bestimmten, freilich je verschiedenen Macht (potentia, vgl. § 2), durch welche für jeden der Umfang an äußeren Gegenständen seiner Willkür festgelegt ist. An diesem Umfang wird nicht gerüttelt. Wegschaffen hingegen, d. h. für die praktische Nötigung zu gesetzlicher Wirksamkeit einer Triebfeder ausschalten, müssen wir die je spezifischen, sich aus den Machtdifferenzen ergebenden Chancen, äußere Gegenstände unserer Willkür in unseren empirischen Besitz oder gar in unsere Gewalt (potestas) zu bringen. Insofern muß nun bei allen jeder äußere Gegenstand der Willkür bereits vor jeglicher Inbesitznahme so abstrakt „als Sache an sich selbst betrachtet“ (§ 5) werden, wie es unterm Begriff eines äußeren Mein und Dein nach dessen Exposition geschieht. Hinsichtlich der rechtsrelevanten Fähigkeit, äußere Gegenstände von Willkür in Besitz zu nehmen oder in die eigene Gewalt zu bringen, ist somit – nach dem für unseren Umgang mit dem praktischen Grundsatz umrissenen Verfahren – jeder jedem gleichgestellt. Damit sind wir fast schon am Ziel der Deduktion. Denn in der Perspektive dieser Rechtspflicht ist nun gewiß kein macht- und gewaltrechtliches Prinzip mehr möglich wie dasjenige des vorkantisch-neuzeitlichen Naturrechts. Vielmehr ist in der jetzigen Perspektive der rechtliche Besitz an äußeren Gegenständen bei jedem nur eingeschränkt durch verschieden mächtige Willkür und faktische rechtliche Inbesitznahme bzw. verschiedenes Erwerbshandeln (das im ersten Hauptstück nicht Thema ist), nicht aber durch eine Begrenzung der potestas als eines Vermögens, äußere Gegenstände, die brauchbar sind, in der Gewalt zu haben oder in sie zu bringen. Was immer von jemandes wirklichem rechtlichem Besitz zu sagen sein mag, – das mögliche Haben und damit auch das mögliche rechtliche Besitzen hängt nach unserem Grundsatz nicht von der zufälligen Reichweite der physischen Gewalt eines jeden ab, sondern nur von der Macht (potentia, vgl. § 2, Abs. 2) seiner Willkür. Mit einer völlig uneingeschränkten, bis ins Intelligible gehenden Gewalt verbunden wäre solches mögliche rechtliche Besitzen nicht größer, als es bei unseren je verschieden beschränkten Möglichkeiten ist, Gegenstände unserer Willkür in unsere Gewalt zu bringen oder in ihr zu erhalten. Damit aber ist klar, daß der mögliche rechtliche Besitz bei jedem nicht mehr nur ein irgendwie bloß rechtlicher ist; nicht mehr einer, der zwar nicht auf physische Inhabung beschränkt ist, von dem man aber nicht sagen kann, wie weit er darüber hinausgeht. Man kann das nun ganz genau sagen: er ist ein bloß rechtlicher in dem bestimmten Sinn, daß er über physische Inhabung hinaus bis zum Intelligiblen möglicher Betätigung von Macht, d. h. Ausübung von Gewalt, reicht. Er ist also ein bloß rechtlicher Besitz, der zugleich intelligibler Besitz ist. So haben wir den bloß rechtlichen Besitz jedenfalls zu denken. Aber gibt es ihn auch so? Dazu überlege man weiter: Solcher Besitz ist ein Vernunftgegenstand. Aber er ist dennoch keine bloße, theoretische Denkmöglichkeit, sodaß sein Begriff auch leer sein könnte. Denn der Rechtsgrundsatz ist Grund für rechtliche Besitzver-
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hältnisse, welche empirisch zugängliche äußere Gegenstände betreffen. In Relation zu diesem Grund sind äußere, empirisch zugängliche Inbesitznahme- und Erwerbungshandlungen (deren Rechtlichkeit ein späteres Thema ist) bloß ein Anlaß, also äußere Bedingung dafür, daß er als Grund seine Folgen in einer bestimmten, empirisch zugänglichen Weise wirksam werden läßt. Diese Folgen enthalten ihn. Im Hinblick auf innere Bedingungen aber muß man sagen: Für die Befolgung des Rechtsgrundsatzes in Handlungen gemäß synthetischen Rechtssätzen apriori, die sich aus ihm ableiten lassen und in denen jemandem rechtlich ein Besitz zugesprochen wird, ist bloß rechtlicher Besitz die intelligible Bedingung (§ 6, Abs. 10). So wahr der Rechtsgrundsatz zu befolgen ist, ist daher auch diese Bedingung mit seiner Befolgung erfüllt, und die empirischen Fälle rechtlichen Besitzes sind selbst schon Fälle von intelligiblem Besitz. Also gibt es diesen ohne Frage. Damit ist gerechtfertigt, daß in den §§ 3–5 Schritte zur „Sacherklärung“ des Begriffs vom äußeren Mein und Dein unternommen wurden, in denen von empirischen Besitzfällen ausgehend der über bloß physischen Besitz hinausgehende rechtliche Besitz bereits als intelligibler betrachtet wurde (Vgl. § 5). Aber es ist erst damit gerechtfertigt. Die Deduktion des Begriffs eines intelligiblen Besitzes beruft sich daher nicht auf die vorangegangene Exposition des Begriffs vom äußeren Mein und Dein. Sie macht diese Exposition vielmehr allererst zu einer, die für sie tauglich ist; und sie leistet dies dadurch, daß sie sie neu zusammenbringt mit dem rechtlichen Postulat der praktischen Vernunft, nachdem dieses seinerseits zuvor als Rechtsgrundsatz, der eine Rechtspflicht statuiert, in seiner Bedeutung eindeutig gemacht worden ist. So erkennen wir, „wie … ein bloßrechtlicher (intelligibeler) Besitz möglich“ (§ 6, Abs. 1) ist. 3. Was bedeutet das Ergebnis der Deduktion für die Aufgabe des ganzen ersten Hauptstücks? Die Frage war, wie ein äußeres Mein und Dein möglich ist. Nach Auskunft des ersten Absatzes von § 6 löst sie sich auf in die nun beantwortete, wie ein intelligibler Besitz möglich ist. Die soll sich ihrerseits in die dritte Frage auflösen, wie ein synthetischer Rechtssatz apriori möglich ist. Das heißt natürlich nicht, die jeweils vorhergehende Frage verschwinde in der darauffolgenden. Sie soll sich darin eigentlich nicht „auflösen“, sondern ein Problem, das sie enthält, soll darin seine Lösung finden. Aber das ist nicht so zu verstehen, daß mit der Lösung des Problems jeweils auch schon die Frage beantwortet sein muß, in der das Problem steckt. Vielmehr ist die nun beantwortete, zweite Frage nur der Schlüssel zur Beantwortung der ersten. Der Schlüssel wird bereitgestellt, bevor die erste und die dritte Frage voll beantwortet sind und dient ihrer Beantwortung. Zu erwarten ist, daß die Arbeit an den beiden anderen Fragen nun fortgesetzt wird und daß die fortgesetzte Beschäftigung mit der dritten Frage (wie ein synthetischer Rechtssatz apriori möglich ist) diesen Schlüssel braucht, um sowohl zur endgültigen Antwort auf die erste Frage (wie ein äußeres Mein und Dein möglich ist) zu führen als auch
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zur Auskunft über die Art, solch Äußeres als das Meine zu haben. Der Grundgedanke dabei ist, daß ich die Möglichkeit des Gegenstandes für meinen Begriff und die Art, den Gegenstand zu haben, erst erkenne, wenn ich weiß, wie dieser Begriff Anwendung finden kann in synthetischen Rechtssätzen apriori, die ihrer Struktur nach völlig gerechtfertigt sind.
5.5 Anwendbarkeit des deduzierten Begriffs auf Erfahrungsgegenstände (§ 7) Als Schlüssel wäre der deduzierte Begriff ein Prinzip, das es ermöglicht, den Begriff eines äußeren Mein und Dein auf Erfahrungsgegenstände anzuwenden, oder er würde ein solches Prinzip wenigstens mit sich führen (vgl. § 7 Überschrift). Doch mit dem Nachweis, daß der Begriff intelligiblen Besitzes in gewissen synthetischen Rechtssätzen apriori objektive Realität hat, ist noch nicht ausgemacht, wie die Anwendung in solchen Sätzen möglich und beschaffen ist.³ Die Auskunft über dieses „Wie“ ist keine Trivialität. Der Begriff eines intelligiblen Besitzes ist ein Vernunftbegriff. Für den objektiven (konstitutiven) Gebrauch solcher Begriffe sind nach Auskunft der Kritik der reinen Vernunft die Bedingungen theoretischer Erkenntnis nicht erfüllt. Wie können die Bedingungen praktischer Erkenntnis für ihn erfüllt sein? Nach der Kritik jedenfalls nicht bereits durch die Formen möglicher Anschauung und die Kategorien bzw. die Grundsätze des reinen Verstandes. Erst recht aber nicht einfach durch irgend welche empirischen Begriffe, sondern allenfalls mittelbar über den einen oder anderen, von den Kategorien unterschiedenen reinen Verstandesbegriff (vgl. § 7, 3. Satz; KrV B 671,2; 692,2). Welcher Begriff könnte im Hinblick aufs Zu- oder Absprechen von äußerem Mein und Dein der gesuchte reine Verstandesbegriff sein? Wenn überhaupt einer, so gewiß nur ein Begriff, in welchem jemandes Willkür relativ zum Gegenstand qualifiziert ist hinsichtlich der Erfüllung subjektiver Bedingungen, den Gegenstand zu gebrauchen. Nach allem, was wir gesehen haben, kann solche Qualifikation außer dem (physischen oder bloß rechtlichen) Besitz selbst und der Macht (potentia), die nach § 2, Abs. 2 hinreichende Bedingung dafür ist, Äußeres zum Gegenstand der Willkür zu haben, nur noch der dort ausdrücklich beiseite gesetzte
3 Erst damit, daß dies erkannt ist, kann auch die Art erkannt werden, etwas Äußeres als das Seine zu haben. Denn wenn sie sich irgendworin bekundet, so im semantischen Gehalt von Sätzen, in denen jemandem Äußeres als das Seine zu- oder abgesprochen wird, und die den Charakter von Rechtserkenntnissen haben, weil sie sich als „dictamina rationis“ aus erkannten Rechtsprinzipien folgern lassen.
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Begriff einer Gewalt liefern, in welcher jemand den betreffenden Gegenstand hat. Aber inwiefern mag der ein reiner Verstandesbegriff sein? Als der in § 2 ausdrücklich beiseite gesetzte ist er ein empirischer und darum fürs Verfahren nach dem Postulat irrelevant. Wieder kann hier nur die Anweisung (§ 6, Abs. 9) weiterhelfen, nach welcher im oben genannten praktischen Grundsatz zu verfahren ist (vgl. § 7, 2. Satz). Nach der gebotenen Abstraktion bleibt nicht nur von mir und konkreten anderen bloß noch zu denken übrig, daß wir allesamt Personen, d. h. Subjekte sind, denen Handlungen zugerechnet werden können (223). Es bleibt auch, was mein faktisches Verhältnis zum äußeren Gegenstand betrifft, statt einer vorausgesetzten oder geforderten Inhabung als Bedingung der Prädikation des Begriffs intelligiblen Besitzes bloß zu denken, daß ich und der Gegenstand meiner Willkür unter den Begriff des Habens (vgl. dazu KrV A 82/B 108; Vorarbeiten XXIII 325) fallen und daß der Gegenstand dabei charakterisiert ist als einer, der nur überhaupt in meinem Besitz und in meiner Gewalt ist (vgl. § 7, 3. Satz). Das Verhältnis ist ein „intellektuelles“: Als gehabter befindet sich der Gegenstand für mich in einer durch Willkürgebrauch hergestellten Verbindung mit mir; und als einen, der sich in meiner Gewalt befindet, denke ich ihn, indem ich in ihm ein Korrelat meines Zustandes vorstelle, durch vorhergegangenen Akt der Willkür als einziger über ihn zu verfügen. Als äußerer wird er dann nicht in dem Sinn genommen, daß er sich an einem anderen Ort und in einem anderen Zeitpunkt befindet als ich mit meinem Beschluß über ihn, sondern nur im Sinne eines von mir unterschiedenen Gegenstandes (§ 7, 4. Satz). All dies aber läßt sich konsistent denken. Denn die subjektiven Bedingungen, unter denen es der Fall ist, müssen durchaus nicht ausschließlich diejenigen meiner empirischen potestas sein, eine anderen überlegene physische Gewalt auszuüben. Unter der geforderten Abstraktion können sie sogar fürs wirkliche, rechtliche Besitzen nur die soeben beschriebenen sein. Nur so ist bezüglich ihrer Erfüllbarkeit jeder jedem gleichgestellt. Alles, was fürs erste Hauptstück noch zu tun bleibt, wird sich in der Folge somit darauf konzentrieren müssen, diese Bedingungen näher zu spezifizieren (§§ 8 und 9). Doch bereits unabhängig von dieser noch ausstehenden Spezifikation läßt sich nun schon sagen: Es ist kein willkürlicher Verfahrenstrick, sondern Wille der praktischen Vernunft selbst, mit dem Begriff bloß rechtlichen Besitzes wie angegeben zu verfahren, d. h. den Begriff des Mein und Dein in Anwendung auf äußere Gegenstände von sinnlichen Bedingungen seiner Anwendung abgesehen zu nehmen, und ebenso denjenigen des Besitzes solcher Gegenstände (§ 7, 5. Satz). Entsprechend „also“ ist zu reden, wenn Rechtssätze konkrete Besitzverhältnisse geltend machen oder beurteilen (§ 7, 6. Satz). Denn für die Gründe, die Verhältnisse geltend zu machen oder zu beurteilen, kommt es nicht auf die Frage an, wer wann und wo den Gegenstand physisch innehat, sondern nur auf das „intellektuelle Verhältnis“ zum Gegenstand und die Frage, ob es dem Gesetz der äußeren Freiheit
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widerstreitet oder nicht, wenn jemand, der den Gegenstand als seinen Besitz beansprucht, sich dieses Verhältnis zuschreibt (§ 7, 7. Satz). Gerade im Absehen von gegebenen Verhältnissen des physischen Besitzes liegt der Grund dafür, daß ein jemandem zuzuschreibender rechtlicher Besitz für andere gesetzgebend wird, d. h. ihre Willkür verbindlich beschränkt (§ 7, 8. Satz). So läßt sich die dritte der in § 6, Abs. 1 genannten Fragen wenigstens im Umriß beantworten: Ein synthetischer Rechtssatz apriori ist im Prinzip dadurch möglich, daß der in ihm enthaltene Vernunftbegriff intelligiblen Besitzes allemal angewandt wird auf den reinen Verstandesbegriff ,etwas in seiner Gewalt Haben‘ – und daß beim Erheben und Beurteilen von Besitzansprüchen sowohl der Träger des Anspruchs als auch die äußeren Gegenstände, für die der Anspruch erhoben wird, unter diesem Verstandesbegriff gedacht werden in Abstraktion von sinnlichen Bedingungen des Willkürgebrauchs, während hinsichtlich theoretischer Anwendbarkeit auf Gegenstände der Erfahrung zur Feststellung dessen, was der Fall ist, der reine Verstandesbegriff (nach der KrV) als grundsätzlich unproblematisch betrachtet werden darf. – Die noch zu spezifizierenden subjektiven Bedingungen vorerst beiseite gesetzt kann damit auch die (erste) Frage, wie ein äußeres Mein und Dein möglich ist, als im Prinzip beantwortbar gelten. Sie ist wenigstens insoweit zu beantworten, als die Möglichkeit eines äußeren Mein oder Dein überhaupt bzw. dessen absolute Möglichkeit erkannt ist, – wie immer es sich verhalten mag mit der relativen Möglichkeit eines äußeren, gegen das Seine eines anderen abgegrenzten Meinen (vgl. Vorarbeiten XXIII 327!). Insbesondere läßt sich trotz der noch fehlenden Spezifikation jetzt generell die Art charakterisieren, in der jemand einen äußeren Gegenstand als den Seinen hat (§ 7, Abs. 2, 1. Satz). Die Art des Habens besteht darin, daß der Wille gemäß dem Begriff intelligiblen Besitzes und nach dem Verfahren damit, das jedermann geboten ist, dem empirisch gegebenen Äußeren bloß rechtlich zugeordnet wird – sodaß damit der unverwilligte Zugriff eines jeden anderen auf eine von kontingenten, empirischen Gewaltverhältnissen ganz unabhängige Weise unterbunden gedacht wird. Da es bei einer solchen Charakterisierung wieder um Exposition eines Begriffs geht und in diesem Begriff ein Merkmal zu denken ist, das es auch im oben (§ 4) exponierten Begriff eines äußeren Mein und Dein zu berücksichtigen gilt, wird die zunächst generell gegebene Auskunft dann noch expliziert an den drei Bereichen, welche die Begriffsphäre des äußeren Mein und Dein umfaßt (§ 7, Absätze 2–4). – Was aber bedeutet das Ergebnis unter dem Gesichtspunkt, daß etwas mir Äußeres als das Meine zu- oder abzusprechen ist in Abgrenzung vom Seinen anderer und daß dabei von empirischen Verhältnissen nicht abgesehen werden kann? Hierüber legen erst die letzten beiden Paragraphen des ersten Hauptstücks Rechenschaft ab, soweit dies unter Abstraktion vom Erwerben möglich ist.
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5.6 Auf welche Art ein äußeres Mein und Dein möglich ist (§§ 8 und 9) Die Auskunft besteht in zwei Thesen, formuliert als Überschriften, zu denen der Paragraphentext die Begründungen liefert: „Etwas Äußeres als das Seine zu haben ist nur in einem rechtlichen Zustande, unter einer öffentlich-gesetzlichen Gewalt, d. i. im bürgerlichen Zustande möglich“ (§ 8). „Im Naturzustande kann doch ein wirkliches, aber nur provisorisches äußeres Mein und Dein statthaben“ (§ 9). Zum Verständnis der Begründungen muß man sich wieder, wie schon beim Übergang vom Erlaubnisgesetz zur Exposition (§ 3), in die Handlungsperspektive versetzen und überlegen, unter welcher Regel eine Triebfeder, gemäß dem Postulat in seinen hierfür relevanten Versionen, rechtlich wirksam wird. In dieser Perspektive sieht man leicht (vgl. § 8, 1. Satz): Wenn ich vom Erlaubnisgesetz (Postulatversion 4) Gebrauch mache und, hierauf gestützt, „wörtlich oder durch die Tat“ erkläre (vgl. § 3), daß ich etwas Äußeres als das Meine haben will, so kann ich damit ein Vermögen, andere zu verpflichten (237), nur geltend machen und so eine Verbindlichkeit für andere, meinen Rechtsanspruch zu respektieren, nur schaffen, wenn ich mich zugleich dem Postulat als Rechtspflichtsatz (5) füge und meine Unterordnung unter diesen Satz auch zum Ausdruck bringe. Ich muß also bekennen, daß ich mich reziprok zu meinem Anspruch im Fall an mich gerichteter, gleichartiger Ansprüche seitens eines jeden anderen meinerseits verpflichtet weiß. Natürlich genügt dabei kein Lippenbekenntnis, sondern ich (und gleich mir jeder) muß den anderen sicherstellen, daß er sich darauf verlassen kann, – und zwar ohne daß es hierzu seitens des anderen oder eines dritten noch „eines besonderen rechtlichen Aktes bedarf“. Nur bei Befolgung der Handlungsregel, daß einseitige Ansprüche an andere vom Handelnden geltend gemacht werden in Abhängigkeit von gleichzeitigen Akten, anderen die Anerkennung entsprechender Ansprüche zu sichern, schafft meine einseitige Willenserklärung, zu der ich aufgrund des Erlaubnisgesetzes befugt bin, eine Verbindlichkeit für andere. Nun hat einer Äußeres als das Seine nicht bereits dadurch, daß ich diese Handlungsregel befolge; und auch nicht schon dadurch, daß der eine oder andere mitmacht, sondern erst dadurch, daß die Sicherstellung generell geleistet wird. Das kann nur ein allgemeines, notfalls mit Zwang verbundenes Gesetz bewirken. Doch würde es „der Freiheit nach allgemeinen Gesetzen Abbruch tun“, wenn ein einseitiger Wille (und sei’s derjenige mehrerer) mit dem, was er „in Ansehung eines äußeren, mithin zufälligen Besitzes“ fordert, „zum Zwangsgesetz für jedermann“ erhoben würde. Der dem Gesetz seine Verbindlichkeit, aber auch seine Durchsetzungskraft gebende Wille kann daher nur ein „kollektiv-allgemeiner (gemeinsamer) und machthabender“ sein. Der Zustand unter einer Gesetzge-
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bung, die von einem solchen Willen ausgeht, wäre ein rechtlicher, zugleich aber bürgerlicher (vgl. § 41, 1 und 2!). Nur in einem solchen Zustand also kann ein äußeres Mein und Dein existieren, das sichergestellt ist. Die Art, es zu haben, besteht (wie nicht⁴ eigens zu erwähnen) darin, daß sein rechtlicher Besitz peremtorisch, d. h. endgültig ist (vgl. § 9). Auch unterm positiven Recht in einem bürgerlichen Zustand bleiben die Prinzipien des Naturrechts, welche die Rechtslehre darlegt, in Kraft – einschließlich der im vorletzten Absatz erläuterten Handlungsregel. Wenn ich gegen diese Regel willentlich verstoße, so läuft das auf Handeln nach einer Maxime hinaus, mit der es für mich unmöglich wird, einen Gegenstand meiner Willkür als das Meine zu haben, während umgekehrt jedem das Seine gesichert wird, wenn sich in Befolgung der Regel mein Wille mit dem Willen anderer zu einem kollektiv-allgemeinen, gesetzgebenden und machthabenden Willen zusammenschließt – und werde dieser Zusammenschluß auch durch Nötigung anderer bewerkstelligt. Aber die Verfassung, zu welcher der Zusammenschluß führt, sichert als solche jedem das Seine nur. Sie macht es für einen jeden nicht allererst aus und bestimmt es eigentlich auch nicht. Eben deshalb muß ein äußeres Mein und Dein bereits für einen Zustand vor der bürgerlichen Verfassung („oder von ihr abgesehen“) „als möglich angenommen werden“. Denn etwas, das nur zu sichern ist, muß bereits vor dem Zustand, in dem es gesichert wird, bestehen, um gesichert werden zu können. Als im Naturzustand (oder abgesehen vom bürgerlichen Zustand) möglich erkannt wird es aus der für jeden bestehenden Forderung und Möglichkeit, die erläuterte Handlungsregel zu befolgen, wobei deren Befolgung dem äußeren Mein und Dein in diesem Zustand freilich nur eine kontingente und ungesicherte Existenz geben kann. Demselben Erkenntnisgrund können wir auch die Art entnehmen, wie im Naturzustand ein äußeres Mein und Dein möglich ist: Da nach der Regel nur derjenige verfährt, der auf gegenseitige Sicherstellung von Ansprüchen des äußeren Mein für einen jeden hinarbeitet, besteht äußeres Mein und Dein als „Besitz in Erwartung und Vorbereitung“ eines (bürgerlichen) Zustandes endgültiger Sicherung; und physischer (vermutlich auch durch physische Kräfte behaupteter, über den physischen hinausgehender) Besitz „gilt“ in solcher Erwartung „komparativ für einen rechtlichen“ – verglichen mit anderem Besitz nämlich in dem Maße, in dem er zur Herstellung des rechtlichen Zustandes beiträgt. Im Naturzustand ist die Art, etwas Äußeres als das Seine zu haben, daher „mit einem Worte“ „ein physischer Besitz, der die rechtliche Präsumtion für sich hat, ihn durch Vereinigung mit dem Willen aller in
4 Nötig hingegen scheint es, darauf aufmerksam zu machen, daß mit der gegebenen Begründung sowie dem Folgesatz aus ihr (§ 8,2), keine Pflicht abgeleitet wird, einen bürgerlichen Zustand herzustellen oder andere zur Mitarbeit an seiner Herstellung zu nötigen (vgl. § 42).
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einer öffentlichen Gesetzgebung zu einem rechtlichen zu machen“. (§ 9) Die subjektiven Bedingungen hingegen, unter denen Äußeres im Naturzustand oder bürgerlichen Zustand erworben wird, sind Thema des nächsten Kapitels.
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6 Von der Art, etwas Äußeres zu erwerben, insbesondere vom Sachenrecht §§ 10–17 Der Rechtslehre 1. Teil ist das in drei Hauptstücke gegliederte Privatrecht (§ 1–§ 40). § 10 leitet das 2. Hauptstück „Von der Art etwas Äußeres zu erwerben“ (258, Hervorh.: K. K.) ein; er ergänzt das 1. Hauptstück „Von der Art etwas Äußeres als das Seine zu haben“ (§ 1–§ 9, 245–257, Hervorh.: K. K.), in dem bisher nur die Notwendigkeit eines rechtlichen Besitzes durch das rechtliche Postulat der praktischen Vernunft, welches die Möglichkeit eines äußeren Mein und Dein behauptete, begründet wurde. Jetzt geht es um das In-Gang-Setzen dieser Möglichkeit. § 10 behandelt die Erwerbung im allgemeinen und zieht damit Erörterungen „vor die Klammer“, die für alle drei folgenden Abschnitte gelten, d. h. für das Sachenrecht (§ 11–§ 17), das persönliche Recht (§ 18–§ 21) und das auf dingliche Art persönliche Recht (§ 22–§ 30). Deutlich wird dies am Ende von § 10, wo eine „Einteilung der Erwerbung des äußeren Mein und Dein“ (259, 18, Hervorh.: K. K.) nach Materie, Form und Rechtsgrund erfolgt. Die Überschrift von § 10 spricht noch nicht speziell von der ursprünglichen Erwerbung, auch noch nicht speziell von der Erwerbung äußerer Sachen, sondern vom allgemeinen Prinzip der äußeren Erwerbung. Deshalb passen jedenfalls die Absätze 3 und 4 nicht in diesen § 10, da sie sich nur auf das Sachenrecht beziehen, das erst ab § 11 beginnt (so überzeugend Ludwig, 1988, 65). § 10 beginnt mit Definitionen zur Bestimmung jeglicher äußeren Erwerbung: – Erwerbung ist, „wenn ich mache, daß etwas mein“ (258) wird; – die Erwerbung ist eine ursprüngliche, wenn sie „nicht von dem Seinen eines anderen abgeleitet ist“ (258, Hervorh.: K. K.). Zwischen diesen beiden Definitionen steht eine weitere Definition („ursprünglich mein ist dasjenige Äußere, was auch ohne einen rechtlichen Akt mein ist“ [258]), die besser hypothetisch formuliert hätte werden sollen, denn zu Beginn des Absatzes 2 heißt es apodiktisch: „Nichts Äußeres ist ursprünglich mein …“ (258); möglich bleiben soll dagegen eine ursprüngliche, d. h. nicht abgeleitete Erwerbung. Möglich ist auch, obwohl sich Kant hierzu in § 10 nicht äußert, ein ursprüngliches Mein, nämlich das innere Mein, das einzig angeborene Recht der äußeren Freiheit (237). „Nichts Äußeres ist ursprünglich mein …“ (258) leuchtet bezüglich Eigentum an körperlichen Gegenständen (= Sachen i. S. v. § 90 des Bürgerlichen Gesetzbuches) ein, denn sie sind ihrer Definition nach etwas von mir als Subjekt unterschiedenes, https://doi.org/10.1515/9783110782509-007
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das ich erst durch Erwerbung zu dem Meinen machen muß (z. B. einseitig durch Willkür oder z. B. abgeleitet durch Vertrag). Bei geistigem Eigentum hingegen bedarf es keiner Erwerbung; geistige Leistungen müssen nur erbracht werden und genießen dann unter bestimmten Voraussetzungen urheberrechtlichen Schutz. Daß Kant dies möglicherweise gesehen hat, könnte man § 55 Abs. 2 entnehmen, wo es heißt: „Was jemand aber der Substanz nach selbst gemacht hat, davon hat er unbestrittenes Eigentum“ (345). Im geltenden Recht ist es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unbestritten, daß in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie auch die Befugnis der geistig tätigen Menschen fällt, sein geistiges Eigentum wirtschaftlich zu nutzen (Schmidt-Jortzig 1998, 4). Für Sachen aber bleibt es dabei: sie müssen erworben werden! Daran ändert sich auch nichts dadurch, daß man sich eine ursprüngliche „Gemeinschaft des Mein und Dein (communio)“ (258) denkt; jedenfalls dann nicht, wenn man eine historisch tatsächlich gegebene, „uranfängliche (communio primaeva)“ Gemeinschaft annimmt, denn dann gäbe es Individualeigentum nur als ein von dieser Gemeinschaft abgeleitetes Recht. Undeutlich bleibt in § 10 Abs. 2 das Verhältnis der auf den ersten Blick widersprüchlichen Aussagen: – der Zustand der Gemeinschaft des Mein und Dein (communio) kann nie als ursprünglich gedacht, sondern muß (durch einen äußeren rechtlichen Akt) erworben werden; – der Besitz eines äußeren Gegenstandes kann ursprünglich nur gemeinsam sein bzw. kann ursprünglich und gemeinsam sein. Die erste Aussage wird von Kant freilich relativiert: anscheinend kann man sich doch, wenn auch „problematisch“ (258, 19), eine „ursprüngliche Gemeinschaft (communio mei et tui originaria)“ denken; sie soll – wieder undeutlich – nicht auf Geschichte, sondern „auf Prinzipien“ gegründet werden können. Statt diese „Prinzipien“ zu nennen, geht Abs. 3 direkt und unvermittelt auf „das Prinzip der äußeren Erwerbung“ (258) zu. Ohne Klammerzusätze lautet dieses Prinzip: Mein ist etwas unter drei Voraussetzungen: (1) ich muß es in meine Gewalt bringen, (2) ich muß das Vermögen haben, von ihm als Objekt meiner Willkür Gebrauch zu machen, (3) ich muß wollen, daß es mein sein soll. Jede der drei Voraussetzungen wird unter einen Vorbehalt gestellt, der die äußere Erwerbung in die allgemeinen Grundsätze der freiheitlichen Rechtslehre einbindet:
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(1) das „In-Gewalt-Bringen“ muß das allgemeine Rechtsgesetz (und damit die äußere Freiheit anderer) beachten, (2) der „Willkürgebrauch“ muß das Postulat der praktischen Vernunft realisieren, (3) der „Besitzwille“ muß auf die „Idee eines möglichen vereinigten Willens“ zurückgeführt werden können. Für die Erwerbung eines Sachenrechts i. S. der §§ 11–17 enthält die Einteilung am Ende von § 10 (259 f.) drei Vorgaben: – der Materie (dem Objekt) nach geht es um die Erwerbung einer körperlichen Sache, – der Form (der Erwerbungsart) nach geht es um ein Sachenrecht, – dem Rechtsgrunde nach geht es um einen Akt der einseitigen Willkür, wobei Kant einräumt, daß es sich dabei eigentlich nur um ein Moment der Art der Ausübung einer Erwerbung handelt. § 11 beantwortet die Frage: „Was ist ein Sachenrecht?“ (260) Das „Wort: Sachenrecht“ wird als derjenige Ausschnitt des Privatrechts verstanden, der die gesetzlichen Vorschriften enthält, die das „dingliche Mein und Dein“ (261) betreffen. Es grenzt damit ein durch dingliche Rechte ausgezeichnetes Gebiet von anderen Gebieten ab, die es wie das Schuldrecht mit vertraglichen Rechten oder das Familienrecht mit der Regelung persönlicher Beziehungen zu tun haben. „Ein Sachenrecht“ wird gewöhnlich als das „Recht in einer Sache (ius reale; ius in re)“ (260) definiert, das dem berechtigten Eigentümer „gegen jeden Besitzer“ der Sache zusteht. Kant stimmt dem als „Nominaldefinition“ zu, gibt sich damit aber nicht zufrieden, weil in dieser Definition offenbleibt, wie das Verhältnis von Personen zur Sache zu denken ist. Die auch heute im Zivilrecht noch gängige Vorstellung, daß sich das Recht des Eigentümers unmittelbar auf die Sache beziehe, wird mit dem durchschlagenden Einwand zurückgewiesen, daß in Rechtsbeziehungen immer Pflichten den Rechten korrespondieren; Träger von Rechten und Pflichten könnten aber nur Menschen sein, nicht Sachen (z. B. die gestohlene Sache in der Hand des Diebes verweist diesen nicht „verbindlich“ an den Eigentümer). Kant definiert das Sachenrecht des Eigentümers nicht als ein unmittelbar auf die Sache und mittelbar auf deren unrechtmäßigen Besitzer bezogenes, sondern als ein unmittelbares Recht gegen den Besitzer, sich des Gebrauchs der Sache zu enthalten. Das Rechtsverhältnis besteht damit zwischen Eigentümer und Besitzer, und das Eigentum gewährt unmittelbar ein Recht gegen den Besitzer im Hinblick auf die Sache. Das vom Sachenrecht zu regelnde Verhältnis zwischen Personen unterscheidet sich von anderen Regelungen zwischen Personen nur dadurch, daß es sich auf die Verfügungsgewalt über Sachen (körperliche Gegenstände) bezieht. Gegenpol
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einer sachenrechtlichen Beziehung ist damit ein Mensch und nicht eine „rechtlose“ Sache. Dies ist ein Ansatzpunkt für die im Hinblick auf andere Menschen möglicherweise erforderliche Beschränkung der Befugnisse des Eigentümers, die nach § 903 des Bürgerlichen Gesetzbuches darin bestehen, „mit der Sache nach Belieben [zu] verfahren und andere von jeder Einwirkung aus[zu]schließen“. § 11 kann durch die Anmerkung zu § 17 ergänzt werden. Damit taucht der Begriff „Eigentum“ sachgerecht – Eigentum ist das wichtigste Sachenrecht – schon im ersten Paragraphen des Sachenrechts auf (so der Vorschlag von Ludwig 1988, 68). Die auch von Kant mit dem „Eigentum (dominium)“ (270) verbundene umfassende und beliebige Verfügungsgewalt über die Substanz einer Sache erfordert eine gegenständliche Begrenzung auf körperliche Sachen. Ausgeschlossen ist damit der Mensch als Eigentumsobjekt. – Soweit es um die Frage geht, ob ein Mensch „Eigentümer von sich selbst“ (270) sein kann, ist das Eigentum als Sachenrecht nicht betroffen; ob der Mensch „über sich nach Belieben disponieren“ kann (z. B. durch eine Selbstverstümmelung oder gar einen Selbstmord), entscheidet nach Kant das „Recht der Menschheit“, das eine problematische Verantwortlichkeit des Menschen gegenüber „der Menschheit in seiner Person“ kennt (vgl. § 6 der Tugendlehre [TL VI 422 f.]. – Zu dieser Problematik für das Strafrecht näher Kühl 1991, 174; vgl. auch Höffe 1979, 31). – Soweit es um die Frage geht, ob jemand „Eigentümer … von anderen Menschen sein kann“ (270), ist die Antwort ein kategorisches Nein. Unter Berufung auf Eigentum kann nicht über andere Personen nach Belieben bestimmt werden. Die Stoßrichtung gegen überholte Formen der Sklaverei und Leibeigenschaft ist deutlich (vgl. aus der Einteilung der Metaphysik der Sitten überhaupt: „das wären Menschen ohne Persönlichkeit [Leibeigene, Sklaven]“, 241). Ob damit auch heutige Formen der über das Eigentum an Produktionsmitteln vermittelten „Herrschaft über Menschen“ kritisierbar sind, hängt von der Interpretation dieses „Herrschaftsverhältnisses“ ab (vgl. § 30 zum „Gesinde“, das zwar hinsichtlich des Besitzstandes mit einem Sachenrecht verglichen wird, doch können die Hausgenossen vom Hausherrn nicht wie von einem Eigentümer behandelt werden; das ist auch vertraglich nicht zu erreichen, weil ein Vertrag nichtig ist, wenn ein Teil „auf seine ganze Freiheit Verzicht tut, mithin aufhört, eine Person zu sein“ [283], ebenso in Abs. 4 der Allgemeinen Anmerkung D nach § 49 [330] sowie in § 55 Abs. 4 [345]). § 11 Abs. 2 greift die undeutlichen Aussagen des § 10 Abs. 2 zur Denkbarkeit eines ursprünglichen Gesamtbesitzes auf und geht damit die eigentliche Begründung, oder besser: Rechtfertigung des Eigentumserwerbs an. Die Realdefinition des Eigentums lautet: „ein Recht des Privatgebrauchs einer Sache in deren … Gesamtbesitze ich mit allen anderen bin“ (261). Der Gesamtbesitz soll sogar „die einzige Bedingung“ (261) der Möglichkeit von Privateigentum sein! Ohne ihn könne man nicht erklären, daß der „besitzlose“ Ei-
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gentümer durch den Gebrauch der Sache durch Unberechtigte in seinem Recht verletzt werde. Zu dieser Voraussetzung des Gesamtbesitzes muß dann (aber doch noch) eine weitere Bedingung hinzukommen, wenn der Eigentümer anderen die „Verbindlichkeit“ auferlegen will, sich des Gebrauchs seiner Sache zu enthalten. Die Einseitigkeit dieser Forderung schafft „keine Verbindlichkeit“; verbindlich wird die Forderung für andere erst „durch die vereinigte Willkür aller in einem Gesamtbesitze“ (261). Die „vereinigte Willkür aller“ legitimiert Einschränkungen der äußeren Freiheit von jedermann. Soll diese Einschränkung in der Beachtung des Eigentums an einer Sache bestehen, so muß zusätzlich ein „Gesamtbesitz … mit allen anderen“ (261) hinzukommen. „Verbindlichkeit“ gegenüber anderen hinsichtlich Sachen schafft die „vereinigte Willkür“ als Gesamtbesitzer aller Sachen, der befugt ist, einzelne Sachen bestimmten Menschen unter bestimmten Voraussetzungen zur Aneignung freizugeben. Das so entstehende Privateigentum geht aus dem Gesamtbesitz mit Zustimmung aller Mitbesitzer hervor („soziale Fundierung“ des Privateigentums). Sie kann auch eine soziale Einschränkung des Privateigentums legitimieren und bestimmte Sachen wie z. B. den Boden oder z. B. Produktionsmittel der privaten Verfügung entziehen (= Rückführung in den Gesamtbesitz z. B. durch Sozialisierung. – Ausführlicher Begründungsversuch bei Kühl 1984, 307 ff.). Daß der vereinigte Wille den Gesamtbesitz nicht als Gemeineigentum z. B. am Boden zusammenhält (vgl. den Hinweis auf die Mongolei in § 15, wo „der ganze Boden dem Volk … zusteht“ [265]), liegt am individuellen Fundament der Rechtslehre. Ist Ausgangspunkt die äußere Freiheit von jedermann, so muß jedermann jede eigentumsfähige Sache in Besitz nehmen können, wenn dadurch nicht die Freiheit anderer verletzt wird. Kann dann noch das Privateigentum des einen mit dem des/der anderen nach einem allgemeinen Gesetz der Freiheit kompatibel gemacht werden, ist das Privateigentum vorrangig („rationale Fundierung“ des Privateigentums; man könnte auch von der „freiheitstheoretischen Fundierung“ sprechen). §§ 12 und 13 behandeln den ersten und ursprünglichen Erwerb einer bestimmten Sache, nämlich des Bodens. Die hier zu Tage tretende Überschätzung des Bodens im Vergleich zu beweglichen Sachen zeigt die geschichtliche Begrenztheit von Teilen der Kantischen Eigentumslehre. § 13 bezieht das rechtliche Postulat des § 2 auf den Bodenerwerb; danach kann jeder Boden ursprünglich erworben werden. Grund der Möglichkeit dieses Erwerbs ist „die ursprüngliche Gemeinschaft des Bodens überhaupt“ (262). Sie wird nun überraschenderweise durch den Hinweis auf ein Faktum „bewiesen“: durch die Tatsache „der Einheit aller Plätze auf der Erdfläche als Kugelfläche“ (262). Ohne sie könnten sich die Menschen auf eine unendliche Ebene so zerstreuen, daß sie „in gar keine Gemeinschaft miteinander kämen“ (262). Ähnlich heißt es beim „Weltbür-
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gerrecht“ in § 62: „Die Natur hat sie alle zusammen (vermöge der Kugelgestalt ihres Aufenthalts …) in bestimmte Grenzen eingeschlossen …“ (352). Folgt damit Eigentum und möglicherweise sogar Recht überhaupt nicht nur aus der Notwendigkeit der Erhaltung der äußeren Freiheit, sondern auch aus der „Natur der Dinge“, seinen vorgegebenen Lebensverhältnissen als Erdbewohner? Erde als Naturbedingung des Rechts, Erdfläche (als Kugelfläche) als Naturbedingung des Bodeneigentums? Oder handelt es sich nur um eine symbolische Darstellung des Gesamtbesitzes zur Verbesserung der Anschaulichkeit der Vernunftbegründung von Recht und Eigentum? Die Beantwortung dieser Fragen soll hier offenbleiben (vgl. zu den unterschiedlichen Auffassungen von der Bedeutung der Erdfläche als Kugelfläche für die Rechts- und Eigentumslehre Brocker 1987, 107 ff. u. 193 f.); auf die Nichtberücksichtigung des inzwischen ja teilweise erschlossenen Weltraumes sei nur hingewiesen. § 14 bezeichnet in der Überschrift (263) den rechtlichen Akt einer Erwerbung einer körperlichen Sache als „Bemächtigung (occupatio)“. Erst diese Bemächtigung führt zu konkretem Privateigentum an einer Sache. Trotz des Macht-Teils im Wort „Bemächtigung“ geht es bei der Erwerbung von Eigentum nicht um einen Gewaltakt, sondern um einen rechtlichen Akt. Die Einseitigkeit der Bemächtigung macht diese nicht zu einem willkürlichen Realakt, weil sie von der Zustimmung aller getragen ist; „der vereinigte und darum gesetzgebende Wille“ (263) gestattet die Bemächtigung. Die Bemächtigung ist allerdings an eine Voraussetzung, die sich schon aus dem allgemeinen Rechtsgesetz ergibt, gebunden: die „Priorität in Ansehung der Zeit“ (263). Würde diese nicht beachtet, so würde die Bemächtigung die Freiheit desjenigen verletzen, der die Sache zuerst in seinen Besitz genommen hat. Die praktische Bedeutung der zeitlichen Priorität zeigt sich in § 15 (266) bei der Kritik der Errichtung von Kolonien: der zeitlich frühere Bemächtigungs- und Zueignungsakt muß respektiert werden, auch wenn er von „Wilden“ vollzogen wurde. Ob dieser Respekt auch dann noch aufgebracht werden muß, wenn sich die „Wilden“ weigern mit den „Besuchern“ in eine „bürgerliche Verfassung“ zu treten, wird von Kant nicht thematisiert. Die aus § 10 „verbannte“ Behandlung der drei „Momente“ der ursprünglichen Erwerbung von Sachen (258 f.) fächert den Begriff der Bemächtigung einer körperlichen Sache auf (schon deshalb gehören die Bemächtigung und ihre drei Momente nicht in den übergreifenden § 10). Das 1. Moment – die „Apprehension“ – bezeichnet die physische Inbesitznahme einer Sache; sie ist trotz ihrer empirischen Bedingtheit nicht willkürlich, denn sie hat die zeitliche Priorität zu beachten, d. h. sie darf sich nur auf Sachen erstrecken, die noch keinem anderen gehören. Das 2. Moment – die „Bezeichnung (declaratio)“ – meint die Kenntlichmachung, Markierung einer Sache als meiner; sie soll mein Eigentum für andere sichtbar machen und ihnen damit eine Grenze für ihre Freiheitsausübung aufzeigen.
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Beide Momente sind einseitige Akte und deshalb ohne rechtliche Verpflichtungswirkung für andere. Erst das 3. Moment – die „Zueignung (appropriatio)“ – schafft die Verbindlichkeit für andere. Sie ist zwar vom Zueignenden aus gesehen auch nur ein einseitiger Willensakt, doch wird die Zueignung zugleich als „Akt eines äußerlich allgemein gesetzgebenden Willens“ gedacht, „durch welchen jedermann zur Einstimmung mit meiner Willkür verbunden wird“ (259). Sind also alle drei Momente beachtet, schafft die „Bemächtigung“ Eigentum mit Zustimmung aller anderen, die sich verpflichten, sich des Gebrauchs dieser Sache zu enthalten. Ausgeschlossen wird durch die Bemächtigung samt ihrer drei Momente, daß ein empirisches Moment wie die Bearbeitung den Eigentumserwerb legitimiert (§ 15; möglicherweise nur zu den „Vorarbeiten“ gehörend; so Ludwig 1988, 71 ff.). Sie ist für Kant „nichts weiter als ein äußeres Zeichen der Besitznehmung“ (265); weder die Apprehension noch die Bezeichnung schaffen als empirische Akte das Eigentumsrecht als normatives Phänomen. Außerdem beachtet der eine fremde Sache Bearbeitende nicht die Priorität der Eigentumsbegründung durch den Sacheigentümer. Schließlich ist das Eigentum keine unmittelbare Beziehung von Person und Sache, sondern ein Verhältnis zwischen Menschen bezüglich einer Sache, das erst durch die (gedachte, notwendige) Zustimmung aller zu einem anerkannten Rechtsverhältnis wird. Zu beachten ist freilich, daß das geltende Zivilrecht den Verarbeiter einer Sache Eigentum erwerben läßt, wenn er durch Verarbeitung eines Stoffes/mehrerer Stoffe eine neue bewegliche Sache herstellt (§ 950 des Bürgerlichen Gesetzbuches); der bisherige Eigentümer verliert sein Eigentum, hat aber einen Entschädigungsanspruch in Geld gegen den neuen Eigentümer (§ 951 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Mit dieser Regelung findet die „faktische Verarbeitung“ Anerkennung; nicht ist diese Regelung als ein Bekenntnis zum Grundsatz „Arbeit vor Kapital“ zu verstehen (vgl. Schapp 1989, § 13 II). Die §§ 15 und 17 überschneiden sich und gehören ans Ende des Sachenrechts, denn sie thematisieren – wie schon die §§ 8 und 9 für das Haben von etwas Äußerem als dem Seinen – den Übergang von der provisorischen Erwerbung im Naturzustand zur peremtorischen Erwerbung in einer bürgerlichen Verfassung. Zur Vermeidung von Überschneidungen mit der Behandlung der §§ 8 und 9 in diesem Sammelband (s. oben Kap. 5.6) sollen hier nur zwei, mir besonders wichtig erscheinende Punkte herausgegriffen und zur Diskussion gestellt werden: 1. Allein der „a priori vereinigte Wille“ im bürgerlichen Zustand „bestimmt“, „was Recht, was rechtlich und was Rechtens ist“ (267). Ist darin ein Gestaltungsauftrag für den staatlichen Gesetzgeber hinsichtlich der Ausgestaltung der Eigentumsordnung zu sehen? Oder kommt dem Staat nur die Aufgabe zu, das provisorische Eigentum des Naturzustandes zu sichern? Hat der Staat nur die vorstaatlichen Eigentumsgrenzen abzusichern oder muß er positiv auf die Ver-
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wirklichungsbedingungen von Eigentum achten und diese, falls verloren, wiederherstellen? Klar scheint mir nur, daß ein Wohlfahrtsstaat nicht zu einer freiheitlichen Eigentumslehre paßt, da er ständig die Ergebnisse von Freiheitsausübung „umverteilen“ muß. Eine staatliche Pflicht zur gerechteren Verteilung der Freiheitsund Eigentumschancen könnte hingegen in der Konsequenz der Kantischen Eigentumslehre liegen (so mit ausführlicher Begründung Kühl 1984, 264 ff.; in dieser Richtung auch schon Luf 1978, 124 ff. – Zur wohlwollenden bis scharfen Kritik dieser sozialstaatlichen Öffnung der Rechtslehre vgl. Deggau 1983, 248 ff.; Kersting 1984, 243 ff. und 1986, 309; Ludwig 1987, 153; Baumann 1994, 147; Wildt 1997, 159). Einen solchen Staat könnte man einen „freiheitsfunktionalen Sozialstaat“ nennen (Höffe 1981, 255). 2. Geht die Verpflichtung von jedermann, in einen bürgerlichen Zustand zu treten, allgemein von der Freiheitsbedrohung durch einen „Zustand steter Konfliktgefahr“ (Höffe 1979a, 209) in einem geteilten Lebensraum hervor? Oder ist es das provisorische Eigentum, das die Rechtspflicht zum Staatsbeitritt schafft, weil provisorisches Eigentum nach positivrechtlicher Bestimmung verlangt, die „Konfliktträchtigkeit des Naturzustandes“ ihren speziellen Grund „in der Manigfaltigkeit gleichberechtigter Rechtsmeinungen und Privatrechtsinterpretationen“ hat, „die die natürlichen Gesetze des Mein und Dein nach je eigenen Rechtsbegriffen anwenden“ (Kersting 1991, 130)? Zu beiden Fragen soll abschließend in umgekehrter Reihenfolge die eigene Antwort wenigstens ansatzweise gegeben werden. Zu Frage 2: Nach der Architektonik der Rechtslehre sieht es so aus, daß es das im Naturzustand nur provisorische Eigentum ist, das zu peremtorischem Eigentum in einer bürgerlichen Verfassung, und das heißt: in einem Staat, drängt. Die Rechtslehre beginnt mit dem Privatrecht (245) und dieses beginnt mit den beiden Hauptstücken, die das Haben und das Erwerben von etwas Äußerem (245 und 258) betreffen. Im Mittelpunkt beider Hauptstücke steht als das zu habende und zu erwerbende Äußere ein körperlicher Gegenstand: die Sache. Damit wird die Möglichkeit und Rechtfertigung von Sacheigentum zum Einstieg in die Rechtslehre. Bei dieser Behandlung des Privatrechts gibt sich Kant nicht damit zufrieden, Eigentum als ein Vernunftrecht zu begründen, denn dadurch wäre die gerade für das Sacheigentum erforderliche Sicherheit der Berufung auf dieses Recht noch nicht erreicht. Will man dieses Recht vervollkommnen, so bedarf es eines Staates mit Eigentum regelnden Gesetzen und Eigentumsstreitigkeiten entscheidenden Gerichten. Mit anderen Worten: Eigentum verlangt, den Naturzustand zu verlassen; es rechtfertigt sogar, entsprechenden Zwang auf andere provisorische Eigentümer auszuüben. Dementsprechend heißt es in § 8 (1. Hauptstück): „Wenn es rechtlich möglich sein muß, einen äußeren Gegenstand als das Seine zu haben, so muß es auch dem Subjekt erlaubt sein, jeden anderen, mit dem es zum Streit des Mein und
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Dein über ein solches Objekt kommt, zu nötigen, mit ihm zusammen in eine bürgerliche Verfassung zu treten“ (256). Dieser Gedanke wird in § 15 (2. Hauptstück) aufgegriffen und als „Prinzip des Privatrechts“ vorgestellt, „nach welchem jeder zu demjenigen Zwange berechtigt ist, durch welchen es allein möglich wird, aus jenem Naturzustande herauszugehen, und in einen bürgerlichen, der allein alle Erwerbung peremtorisch machen kann, zu treten“ (264). Bestätigt wird dieser Gedanke schließlich im 1. Abschnitt des öffentlichen Rechts, dem Staatsrecht, wo es am Ende der Anmerkung zu § 44 heißt: „Es würde also, wenn es im Naturzustande auch nicht provisorisch ein äußeres Mein und Dein gäbe, auch keine Rechtspflichten in Ansehung desselben, mithin auch kein Gebot geben, aus jenem Zustande herauszugehen“ (313). Das Bindeglied zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht findet sich in § 42: „Aus dem Privatrecht im natürlichen Zustande geht nun das Postulat des öffentlichen Rechts hervor: du sollst im Verhältnisse des unvermeidlichen Nebeneinanders mit allen anderen, aus jenem heraus in einen rechtlichen Zustand, d. i. den einer austeilenden Gerechtigkeit übergehen“ (307). So zwingend die Konstruktion auch erscheinen mag, sie ergibt sich „nur“ als Konsequenz aus dem ungleichgewichtigen Aufbau der Rechtslehre. Das Eigentum steht hier so im Vordergrund, daß die Begründung und Rechtfertigung anderer Rechte wie Leben, Leib, persönliche (und Fortbewegungs‐) Freiheit, Ehre und sexuelle Selbstbestimmung nicht oder fast gar nicht unternommen wird. Hätte Kant den Versuch unternommen, diese hier beispielhaft genannten Rechte zu legitimieren, so wäre er – aller Wahrscheinlichkeit nach für die meisten – zu einem positiven Ergebnis gekommen. Das Ergebnis etwa zur persönlichen Freiheit steht an hervorgehobener Stelle in der Einleitung der Rechtslehre: „Das angeborene Recht ist nur ein einziges. Freiheit (Unabhängigkeit von eines anderen nötigender Willkür), sofern sie mit jedes anderen Freiheit nach einem allgemeinen Gesetz zusammen bestehen kann“ (237). Wichtiger aber als die vernunftrechtliche Legitimierung der einzelnen, von Kant vernachlässigten, Freiheitsrechte ist hier aber die wohl nicht zu bestreitende Einschätzung, daß es auch zur Sicherung bzw. Vervollkommnung dieser Freiheitsrechte einer bürgerlichen Verfassung und damit eines Staates bedarf. Denn auch hinsichtlich dieser Freiheitsrechte können sich die Menschen „niemals vor Gewalttätigkeit gegeneinander sicher sein“ (312); Gewalt und Gewalttätigkeit kommt sogar bei Eingriffen in höchstpersönliche Rechtsgüter häufiger vor als bei Eigentumsangriffen (man vergleiche nur die gewaltlosen Eigentums- und Vermögensdelikte wie Diebstahl, Unterschlagung, Betrug und Untreue mit Gewaltstraftaten wie Nötigung, Freiheitsberaubung und Vergewaltigung). Man kann sich also auch dieser Rechte nur dann sicher sein, wenn ein Staat diese Rechte einschließlich ihrer Grenzen garantiert und diese Garantie vor Gerichten durchgesetzt werden kann. Die Situation, daß jeder tut, „was ihm recht und gut dünkt“ (312), kann auch im
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Umgang zwischen Menschen auftreten, die sich nicht als Eigentümer und rechtloser Besitzer gegenüberstehen; sie muß deshalb auch im nicht-sachbezogenen Umgang zwischen Menschen vermieden werden. Nicht nur Sacheigentum erfordert den Übergang und den Zwang zum Staat, sondern jedes vernunftrechtlich legitimierte Freiheitsrecht. Zu Frage 1: Daß ein „freiheitsfunktionaler Sozialstaat“, der Eigentums- und Freiheitschancen gerecht verteilt, in der Konsequenz der Kantischen Eigentumsund Rechtslehre liegen könnte, ist eine vom Verf. vertretene These, die viel Widerspruch erfahren hat (s. o. S. 126). Dieser Widerspruch basiert im wesentlichen auf dem Text der Kantischen Rechtslehre. Dieser Text sperrt sich in der Tat gegen eine Vertauschung der äußeren Freiheit als Unabhängigkeit von eines anderen nötigender Willkür (237) mit einer Freiheit, die Chancengleichheit hinsichtlich der Ausübung der Freiheit z. B. im wirtschaftlichen Bereich als ihre Basis versteht. Von letzterer ist in der Rechtslehre – zumindest ausdrücklich – keine Rede. Dementsprechend fehlen dort auch – ausdrückliche – Hinweise auf eine sozialstaatliche Komponente des ganz auf Eigentums- und Freiheitsschutz ausgerichteten Rechtsstaats. So heißt es in § 9 (1. Hauptstück): die „bürgerliche Verfassung ist allein der rechtliche Zustand, durch welchen jedem das Seine nur gesichert, eigentlich aber nicht ausgemacht und bestimmt wird“ (256). Etwas einschränkend wird dann zwar in § 15 (2. Hauptstück) für die Erwerbung eingestanden: „Die Unbestimmtheit in Ansehung der Quantität sowohl als der Qualität des äußeren erwerblichen Objekts, macht diese Aufgabe (der einzigen ursprünglichen äußeren Erwerbung) unter allen zur schwersten sie aufzulösen“ (266), doch wird damit keine aktive Aufgabe des Staates zur Herstellung von Chancengleichheit in Eigentumsverhältnissen oder zur Errichtung von Aneignungsschranken formuliert. Trotz dieses eindeutigen Befundes gibt es schon im Text der Rechtslehre Ansatzpunkte für eine Berücksichtigung von tatsächlichen Eigentumschancen und für eine Begrenzung von tatsächlicher Eigentums-Macht. So wird in § 46 von positiven Gesetzen gefordert, daß sie „doch den natürlichen der Freiheit und der dieser angemessenen Gleichheit aller im Volk, sich nämlich aus diesem passiven Zustande zu dem aktiven emporarbeiten zu können, nicht zuwider sein müssen“ (315). Da der „aktive Zustand“ wesentlich an Eigentum geknüpft ist, könnte man aus dieser Forderung ableiten, daß die Chancen, sich zum Eigentümer emporarbeiten zu können, nicht versperrt sein dürfen; ob damit freilich auch tatsächliche Chancen oder nur rechtliche Möglichkeiten gemeint sind, läßt der Text offen. Ähnliches gilt für einen weiteren Ansatzpunkt zur Eigentumsbegrenzung. Verfestigungen von Eigentums- und Vermögenspositionen, wie sie durch sog. Fideikommisse zur Zeit Kants üblich waren, zogen die Kritik der Rechtslehre auf sich, weil sie Schranken für den einzelnen bildeten, sich Eigentum und damit bürgerliche Selbständigkeit zu erarbeiten (näher Kühl 1984, 286 f.). Kant spricht dem Staat sogar
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eine aktive Rolle zu, wenn es um die Abschaffung von Privilegien geht: „Hieraus folgt: daß es auch keine Korporation im Staate, keinen Stand und Orden geben könne, der als Eigentümer den Boden zur alleinigen Benutzung den folgenden Generationen (ins Unendliche) nach gewissen Statuten überliefern könne. Der Staat kann sie zu aller Zeit aufheben, nur unter der Bedingung, die Überlebenden zu entschädigen“ (324). Die naheliegende Folgerung freilich, daß nicht nur rechtliche Privilegien, sondern auch tatsächliche Machtpositionen, die sich in Eigentum verfestigen, im Interesse der Erwerbsmöglichkeit für alle aufgehoben werden dürfen, zieht Kant – zumindest ausdrücklich – nicht. Wichtiger als diese „Ansatzpunkte“ für eine sozialstaatliche Öffnung der Rechtslehre ist die Besinnung auf das entwicklungsfähige Grundprinzip der Rechtslehre, das allgemeine Rechtsgesetz, das auch das Gesetz des vereinigten Willens aller ist (vgl. 267, 16–18). Der Staat als Verkörperung des vereinigten Willens aller muß sich bei der Gesetzgebung auch in Eigentumsfragen an das allgemeine Rechtsgesetz (230) halten. Ob es freilich in diesem allgemeinen Rechtsgesetz nur um die Zusammenstimmung rechtlicher Freiheiten geht, oder ob die Realisierungsbedingungen der Freiheit in diesem mitbedacht sind, ist die verbleibende, jetzt aber eingegrenzte Frage. Nach Kant ist die Gleichheit als „ein Prinzip des allgemeinen Menschenrechts“ mit ihren Befugnissen und rechtlichen Konsequenzen schon „im Prinzip der angeborenen Freiheit“ enthalten, Freiheit und Gleichheit sind „nicht (als Glieder der Einteilung unter einem höheren Rechtsbegriff ) unterschieden“ (238). Stehen also Freiheit und Gleichheit weder als selbständige Prinzipien unverbunden nebeneinander noch gar als konkurrierende Ideen einander gegenüber, so kann die Gleichheit nicht als Gleichheit der jeweiligen Besitzstände verstanden werden, da sonst die Freiheit im Umgang mit Sachen generell ausgeschlossen werden müßte, da sie stets zu Verschiebungen der Besitzstände führt. Die Gleichheit muß sich vielmehr auf die Freiheit beziehen und deren Inhalt dahin präzisieren, daß sie Freiheit für jedermann bedeutet, sofern die Ausübung dieser Freiheit nicht der Freiheitsbetätigung anderer nach einem allgemeinen Gesetz widerspricht. Dazu gehört nicht nur – negativ – die Beseitigung freiheitsbehindernder Privilegien, sondern auch – positiv – die Schaffung der Verwirklichungsbedingungen der Freiheit im gesellschaftlichen, insbesondere im wirtschaftlichen Raum, auch wenn „Fragen nach empirischen Gewährleistungen der Freiheitsverwirklichung“ bei Kant nicht im Vordergrund stehen. Das bedeutet aber, daß Kants Rechtslehre mit ihrem durch die Idee der Gleichheit präzisierten Freiheitspinzip nicht auf die formale Rechtsgleichheit festgelegt ist, sondern auch die Herstellung von Chancengleichheit fordert. Dazu muß die praktische Vernunft nicht über einen „allgemeingültigen Glücksbegriff“ verfügen, denn Chancengleichheit überläßt jedermann die Verwirklichung seiner Glücksvorstellungen.
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Die gesetzmäßig eingeschränkte Freiheit, die zunächst die Möglichkeit des Eigentumserwerbs begründet, gibt zugleich das Prinzip der Begrenzung für erworbenes Privateigentum an. Auf Freiheit begründetes Privateigentum ist wegen dieser Begründung nicht aus dem Freiheitszusammenhang aller Menschen entlassen und sich selbst überlassen. Dies zeigt das allgemeine Rechtsgesetz dadurch an, daß es auf das Zusammenstimmen der Freiheit des einen mit der Freiheit von jedermann abstellt. Damit ist für jede Freiheit, auch für die, die sich im Erwerb von Eigentum, in der Akkumulation von Kapital, manifestiert, die Bedingung der Allgemeinheit und Wechselbezüglichkeit aufgestellt.
Literatur Baumann, P. 1994: Zwei Seiten der Kantschen Begründung von Eigentum und Staat, in: Kant-Studien 85, 147 ff. Brocker, M. 1987: Kants Besitzlehre. Zur Problematik einer transzendental-philosophischen Eigentumslehre, Würzburg Deggau, H.-G. 1983: Die Aporien der Rechtslehre Kants, Stuttgart Höffe, O. 1979: Recht und Moral: ein Kantischer Problemaufriß, in: neue hefte für philosophie 17, 1 ff. Höffe, O. 1979a: Zur vertragstheoretischen Begründung politischer Gerechtigkeit: Hobbes, Kant und Rawls im Vergleich, in: ders., Ethik und Politik, Frankfurt a. M., 195 ff. Höffe, O. 1981: Die Menschenrechte als Legitimation und kritischer Maßstab der Demokratie, in: J. Schwartländer (Hg.), Menschenrechte und Demokratie, Kehl, 241 ff. Kersting, W. 1984: Wohlgeordnete Freiheit. Immanuel Kants Rechts- und Staatsphilosophie, Berlin/New York Kersting, W. 1986: Besprechung von Kühl, 1984, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 40, 309 ff. Kersting, W. 1991: Eigentum, Vertrag und Staat bei Kant und Locke, in: M. P. Thompson (Hg.), John Locke und/and Immanuel Kant Kühl, K. 1984: Eigentumsordnung als Freiheitsordnung. Zur Aktualität der Kantischen Rechts- und Eigentumslehre, Freiburg/München Kühl, K. 1991: Die Bedeutung der Kantischen Unterscheidungen von Legalität und Moralität sowie von Rechts- und Tugendpflichten für das Strafrecht – ein Problemaufriß, in: H. Jung u. a. (Hg.), Recht und Moral, Baden-Baden, 139 ff. Ludwig, B. 1987: Besprechung von Kühl, 1984, in: ARSP 73, 153 ff. Ludwig, B. 1988: Kants Rechtslehre, Hamburg Luf, G. 1978: Freiheit und Gleichheit, Wien/New York Schapp, J. 1989: Sachenrecht, München Schmidt-Jortzig, E. 1998: Eigentum und Privatautonomie, in: Recht – Eine Information des Bundesministeriums der Justiz, 1 ff. Wildt, A. 1997: Zum Verhältnis von Recht und Moral bei Kant, in: ARSP 83, 159 ff.
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7 §§ 18–31, Episodischer Abschnitt, §§ 32–40 7.1 Die systematische Bedeutung dreigliedriger Einteilungen in den „metaphysischen Anfangsgründen der Rechtslehre“ Wie die meisten Schriften Kants besitzen auch die „Metaphysischen Anfangsgründe der Rechtslehre“ einen durch dreigliedrige Einteilungen charakterisierten, streng systematischen Aufbau. So zerfällt nicht nur das Privatrecht in drei Hauptstücke, von denen das erste das Haben eines (äußeren) Rechts, das zweite das Erwerben eines (äußeren) Rechts und das dritte die subjektiv–bedingte Erwerbung durch den Ausspruch eines Gerichts behandelt; auch das 2. Hauptstück besitzt wiederum drei Teile, die das Sachenrecht, das persönliche Recht und das auf dingliche Art persönliche Recht zum Gegenstand haben. Bereits zeitgenössische Kritiker haben aber offenbar die Häufigkeit, mit der solche dreigliedrigen Einteilungen in Kants metaphysischen Schriften verwendet werden, als bedenklich empfunden. Denn Kant selbst sieht sich veranlaßt, in der „Kritik der Urteilskraft“ diese formale Eigenschaft seiner Schriften gegen Bedenken mit dem Hinweis zu verteidigen, sie liege „in der Natur der Sache“ (KU V 197 Anm.). Kant unterscheidet an verschiedenen Stellen zwischen drei Arten der Einteilung: der logischen, der metaphysischen und der empirischen. Während bei der logischen Einteilung vom Objekt der Begriffe abstrahiert und nach dem Satz des Widerspruchs verfahren wird, so daß die Einteilung stets dichotomisch ausfällt (jedes Recht ist entweder ein Sachenrecht oder kein Sachenrecht), wird bei der empirischen und der metaphysischen Einteilung nicht vom Objekt abstrahiert, so daß in ihrem Fall die Einteilung des Begriffs (auf bestimmte oder unbestimmte Weise) polytomisch ist. Anders als bei der empirischen Einteilung, bei der sich die Zahl der Glieder nicht unabhängig von der Erfahrung bestimmen läßt, verfügt man bei der metaphysischen Einteilung über ein Prinzip, durch das die Zahl der Glieder a priori festgelegt ist. Nach Erläuterungen, die Kant in der Kritik der Urteilskraft und in Reflexionen zur Logik gibt (XVI 622 f.; RL VI 357 f.; Logik IX 147 f.), bezieht sich in solchen Einteilungen das erste Glied auf eine Bedingung, das zweite Glied auf ein Bedingtes und schließlich das dritte Glied auf die Ableitung des Bedingten aus der Bedingung bzw. auf eine Vereinigung des ersten und des zweiten Gliedes. Da eine solche Ableitung nur dann zustandekommen kann, wenn man zeigt, daß eine bestimmte Bedingung hinreichend ist, um auch das Bedingte zu setzen, ist mit dem https://doi.org/10.1515/9783110782509-008
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dritten Glied der metaphysischen Einteilung für Kant der Anspruch eines Nachweises systematischer Vollständigkeit verbunden. Für die Einteilungen der metaphysischen Schriften und insbesondere für die Einteilungen der „Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre“ sollte dieser Anspruch auf sachliche Bedeutung der Dreigliedrigkeit ernstgenommen werden und einen Leitfaden der Interpretation an die Hand geben, mit dessen Hilfe sich einige sonderbare Züge des Textes vielleicht besser enträtseln lassen.
7.2 Das persönliche Recht, §§ 18–21: Die Erwerbung durch Vertrag Bei der Einteilung der verschiedenen Arten der Erwerbung in das Sachenrecht, das persönliche Recht und das auf dingliche Art persönliche Recht unterscheidet Kant im Hinblick auf den Rechtsgrund („titulus“) der Erwerbung zwischen einem Akt der einseitigen, der doppelseitigen oder der allseitigen Willkür (260). Die Erwerbung kommt entweder facto („durch die Tat“), pacto („durch den Vertrag“) oder lege („durchs Gesetz“) zustande. Kant knüpft die Erwerbung von Rechten darüberhinaus an zwei Bedingungen: (1) Bei der Beurteilung der rechtlichen Qualität des Erwerbungsaktes muß sich dieser als einheitlicher erweisen, auch wenn er sich, wie bei der Erwerbung durch Vertrag, aus verschiedenen empirischen Akten zusammensetzt. Die Einheit des rechtlichen Aktes der Erwerbung ist erforderlich, weil nur unter der Voraussetzung einer solchen Einheit dieser Akt zugleich als einer gedacht werden kann, der mit einem allgemein gesetzgebenden Willen übereinstimmt; nur aufgrund einer solchen Übereinstimmung aber kann ihm wiederum objektive praktische Realität oder Rechtscharakter zukommen. (2) Die Vereinigung des Willens der verschiedenen Personen ist stets auch Inhalt der Verpflichtung, die von dem (in der Idee gedachten) gesetzgebenden Willen ausgeht. Im Hinblick auf den Akt der Erwerbung durch Okkupation besteht eine Verpflichtung, so zu handeln, daß ein vereinigter Wille möglich ist, im Hinblick auf den Akt der Erwerbung durch den Vertrag, daß eine Vereinigung der Willen wirklich zustandekommt, daß die Vertragspartner sich also durch Abgabe und Annahme eines Versprechens auf die Übertragung eines Rechts einigen, und schließlich im Hinblick auf den Akt der Erwerbung durch das Gesetz, daß ein vereinigter Wille (nämlich der Mitglieder des Hauses) die notwendige Folge einer bestimmten Art von Handlung ist (Vorarbeiten XXIII 300). Die Zahl der Personen, deren Wille als vereinigt gedacht werden muß, ist dabei mit Ausnahme des ersten Falls, bei der es sich allerdings nur um eine mögliche Vereinigung handelt, unbe-
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stimmt. Erst mit dem Übergang vom Naturzustand zum bürgerlichen Zustand kommt es zu einer genauen Bestimmung des Umfangs der Personen, deren Vereinigung aufgrund einer rechtlichen Pflicht notwendig ist: es sind alle diejenigen, die im Zustand eines prinzipiell unvermeidlichen Miteinanders leben. Mit Hilfe dieser Vorklärungen lassen sich die Überlegungen Kants zur Erwerbung von persönlichen Rechten besser verständlich machen. Zunächst ist offenkundig, daß die Erwerbung durch Vertrag keinen ursprünglichen Charakter besitzt, sondern von dem Seinen einer Person abgeleitet und insofern bedingt ist. Das Seine einer Person umfaßt dabei nicht mehr nur die angeborene (negative) Freiheit, sondern auch die durch Sachenrechte bzw. persönliche Rechte synthetisch erweiterte Freiheit, von deren Möglichkeit das 1. Hauptstück handelt. Die Erwerbung durch Vertrag setzt weiterhin voraus, daß Personen bereits im rechtlichen Besitz von äußeren Gegenständen der Willkür sein können, folglich, daß letztlich die Möglichkeit einer ursprünglichen Erwerbung durch Okkupation bestehen muß. Insofern geht aller Erwerbung durch Vertrag als Bedingung voraus: die Möglichkeit, etwas Äußeres als das Seine zu haben, und die Möglichkeit, etwas Äußeres durch Okkupation („durch die Tat“) zu erwerben, auch wenn sie weder aus dem Haben eines äußeren Rechts noch aus der Okkupation notwendig folgt. Da die Erwerbung eines persönlichen Rechts stets von dem Recht einer Person abgeleitet ist, kann der rechtliche Akt, durch den solche Rechte erworben werden, nur ein Akt der Übertragung von Rechten sein. Dieser setzt sich aus genau zwei Akten zusammen. Zum einen muß es auf der Seite des Inhabers des Rechts zur Deklaration des Willens kommen, sein Recht (unter bestimmten Bedingungen) auf eine andere Person zu übertragen und seine Willkür zu einer entsprechenden Leistung zu bestimmen (etwa der Übergabe im Fall der Übertragung eines Sachenrechts); und zum anderen muß es auf der Seite des (potentiellen) Rechtserwerbers zur Deklaration des Willens kommen, das Versprochene anzunehmen. Erst beide Akte zusammen machen den Akt des Vertrags aus. Dieser kann insofern als die Erwerbung eines persönlichen Rechts durch Annahme eines Versprechens definiert werden. Wenn man jedoch die rechtliche Qualität des Aktes der Erwerbung eines persönlichen Rechts erfaßen will, dann genügt es nicht, die Teilakte zu betrachten, aus denen der Vertrag sich zusammensetzt, sondern man muß auch zeigen, wie er als einheitlicher Akt gedacht werden kann. Diese Einheit besteht nicht schon dadurch, daß die eine Person etwas verspricht und die andere das Versprechen annimmt. Denn da beide Akte der Willensdeklaration empirisch sind, werden sie durch eine wenn auch noch so kleine Zeitspanne voneinander getrennt. Es ist daher im Prinzip stets möglich, daß den einen sein Versprechen, den anderen die Annehmung des Versprechens gereut, beide sich die Sache in der Zwischenzeit anders überlegen, das Versprechen oder die Annehmung revozieren und in Wirklichkeit kein die Akte
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der Willkür des einen und des anderen begründender gemeinsamer Wille besteht. Die Einheit des Akts der Erwerbung durch Vertrag wäre nur dann sichergestellt, wenn die Teilakte, aus denen er sich zusammensetzt, im gleichen Augenblick erfolgten. Denn in diesem Fall könnten sie als Akte eines wirklich bestehenden gemeinsamen Willens angesehen werden, die als Akte eines Willens eine Einheit bilden. Aber genau dies ist nach Kant unmöglich: als empirische Akte der wechselseitigen Deklaration des Willens eines jeden müssen sie „einander nothwendig in der Zeit folgen“ (272). Es bedarf daher nach Kant einer „transzendentalen Deduktion der Erwerbung durch Vertrag“, die den Nachweis erbringt, daß durch die Abstraktion von den empirischen Bedingungen des Vertragsaktes sowohl sichergestellt werden kann, daß es sich hierbei um einen einzigen Akt eines gemeinsamen Willens handelt (i. e. „Annahme eines Versprechens“), als auch daß dieser Akt objektive praktische Realität besitzt, was genau dann der Fall ist, wenn ein gemeinsamer Wille wirklich besteht und wenn dieser mit der Idee eines allgemein gesetzgebenden Willens zusammenstimmt (272 f.). Beide Akte müssen einer Verpflichtung unterliegen, die ihrer verbindlichen Kraft wegen nur von einem gesetzgebenden Willen ausgehen kann und die zum Inhalt hat, daß jeder der beiden besonderen Willen, der versprechende und der annehmende, sein jeweiliges Versprechen halten soll, weil nur unter dieser Voraussetzung die äußere Freiheit der Willen untereinander nach einen Gesetz übereinstimmt (273). Sobald einer der beiden Seiten den Vertrag verletzt, ist die andere Seite befugt, Zwang anzuwenden, um die Behinderung des Gebrauchs ihrer durch das Versprechen des anderen synthetisch erweiterten Freiheit zu verhindern (cf. dazu Naturrecht Feyerabend XXVII 1350). Schließlich hebt Kant besonders hervor, daß durch den Vertrag ein Versprechen erworben wird, und zwar sowohl das Versprechen zu einer bestimmten Leistung (etwa der Übergabe der Sache oder der Verrichtung einer bestimmten Arbeit) wie auch das Versprechen zur Annahme dieser Leistung. Jeder Vertrag ist daher durch die zwei Akte des Versprechens und der Annehmung bereits vollständig konstituiert. Die Erwerbung der Sache selbst bzw. der versprochenen Leistung stellt eine vom Vertrag als solche zu unterscheidende rechtliche Folge desselben dar, die erst durch die Übergabe bzw. die Ausführung der Leistung physisch realisiert wird. Die Erwerbung eines Sachenrechts erfolgt insofern nicht unmittelbar mit dem Abschluß des Vertrags, sondern erst dann, wenn die spezifische Leistung erbracht ist, durch die Sachenrechte transferiert werden, d. i. die Übergabe der Sache. Solange die Übergabe nicht stattgefunden hat, ist noch kein Sachenrecht, sondern lediglich ein persönliches Recht erworben worden.
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7.3 Das auf dingliche Art persönliche Recht, §§ 22–30: Die Erwerbung durchs Gesetz In den im 18. Jahrhundert gebräuchlichen Handbüchern des Naturrechts, die auch Kant z.T. seinen Vorlesungen zugrundegelegt hat, folgt auf das Vertragsrecht das Gesellschaftsrecht, das jus publicum universale, das etwa bei Baumgarten oder Achenwall (Achenwall 1995, §§ 535 ff.), aber auch schon bei Pufendorf und Wolff in das Eherecht, das Elternrecht und das Herrschaftsrecht unterteilt wird. Kant übernimmt diese (auf Aristoteles zurückgehende) Einteilung, doch versieht er das Gesellschaftsrecht mit einem neuen Titel und insgesamt auch mit einer anderen Begründung. Nach Kant erwirbt nämlich derjenige, der Rechte im Rahmen des Gesellschaftsrechts erwirbt, „auf dingliche Art persönliche Rechte“, also einen Typ von Rechten, die der Materie nach den Charakter von persönlichen Rechten, der Form nach den Charakter von Sachenrechten besitzen. Erworben wird mit solchen Rechten weder eine Sache noch eine persönliche Leistung, sondern der Zustand einer Person, sofern ein anderer das Recht besitzt, darüber zu verfügen (259). Dieser Zustand ist prinzipiell bestimmt als der in einer Gemeinschaft von Personen, die wechselseitig aufeinander einwirken und die Glieder eines Ganzen (der societas) ausmachen. Das Recht, über den Zustand eines anderen Menschen zu verfügen, ist daher zwar mit der Befugnis verbunden, den Willen des anderen dem eigenen Willen zu unterwerfen und über ihn zu herrschen; doch ist dieses Herrschaftsrecht grundsätzlich unveräußerlich (280) und mit der Verpflichtung verbunden, für die Erhaltung, die Ernährung und den Schutz der anderen Person(en) zu sorgen. Es erlaubt also zwar, etwa das Gesinde „von jedem andern bey dem es sich aufhält zurückzufordern weil es einen Theil des Hauswesens ausmacht anstatt daß ich an diesen nur ein persönliches Recht habe daß er mir was leiste er mag sich aufhalten wo er wolle“ (Vorarbeiten XXIII 229), doch kann es im Unterschied zu einem Sachenrecht oder auch zu einem persönlichen Recht nicht auf eine dritte Person übertragen werden. Betrachtet man die Einteilung der Arten der Erwerbung von etwas Äußerem als dem Seinen unter dem Gesichtspunkt ihrer systematischen Form, so müßte sich diese erst mit der Einführung des auf dingliche Art persönlichen Rechts als vollständig erweisen. Tatsächlich wird erst mit dieser Art von Rechten bestimmt, in welchen Fällen die Ableitung eines persönlichen Rechts (als des Bedingten) aus einem Sachenrecht (als der Bedingung) zustandekommt (281). Was den Rechtstitel der Erwerbung eines solchen Rechts betrifft, so ist zu erwarten, daß es sich dabei um eine besondere Art der Erwerbung „durch die Tat“ handelt, die als solche einseitig geschieht, die aber zugleich so beschaffen ist, daß dadurch eine doppelseitige Erwerbung und damit eine Gemeinschaft der Willen notwendig wird.
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Kants Herleitung der auf dingliche Art persönlichen Rechte enthält implizit eine Kritik an der traditionellen Begründung des Gesellschaftsrechts, bei der der Titel der Erwerbung spezieller Herrschaftsrechte entweder daraus abgeleitet wird, daß sich die Mitglieder der Gesellschaft freiwillig zusammenschließen, um einen Zweck, wie zum Beispiel den der Selbsterhaltung gemeinsam zu verfolgen, oder daraus, daß bestimmte Menschen eine natürliche Überlegenheit über andere Menschen besitzen und daher zur Herrschaft über sie berufen sind. Nach Kant wird die Vereinigung der Willen zu einer Gesellschaft und damit die Unterordnung unter einen gemeinsamen, auf ein bonum commune gerichteten Willen vielmehr durch das im Faktum der Vernunft begründete Sittengesetz vorgeschrieben. In diesem Faktum wurzelt die Würde der Menschheit, an der die Unterwerfung des Willens einer jeden Person durch eine andere notwendig eine Grenze findet (RR XIX 544). Die besondere Art der Erwerbung durch ein Faktum, die Kant beim Erwerben eines auf dingliche Art persönlichen Rechts vor Augen steht, ist zunächst diejenige des empirischen Menschen durch die Vernunft, durch die das Recht der Menschheit an ihm und damit seine Persönlichkeit begründet wird. Denn hierbei handelt es sich um einen Akt der sittlichen Gesetzgebung, durch den die Vernunft jeden Menschen ihrer eigenen Herrschaft unterwirft und zu einem Glied im Reich der Zwecke, d. i. in einer Vernunftgemeinschaft von Personen macht. Dieser Akt ist ein Faktum der Vernunft und erfolgt als solcher durch allseitige Willkür. Zugleich findet sich in allen drei Erwerbungen von auf dingliche Art persönlichen Rechten, die Kant diskutiert, auch ein realer Akt der einseitigen Willkür, nämlich im Fall des Eherechts der Geschlechtsakt, im Fall des Elternrechts die Zeugung, im Fall des Hausherrnrechts die Unterwerfung. Da die Erwerbung einer Person durch eine andere nach dem Axiom der Freiheit strikt verboten ist, wenn dadurch die Freiheit und die Persönlichkeit (das Vermögen der Selbstbestimmung des Willens) aufgehoben wird, muß nach einer Möglichkeit gesucht werden, bei der eine Verfügung über eine Person durch eine andere Person gedacht werden kann, ohne daß dadurch deren Persönlichkeit aufgehoben wird. Kants These lautet, daß die genannten Akte nur erlaubt sind, wenn sie eine wechselseitige Erwerbung der betroffenen Personen zur Folge haben. In diesem Fall ändert sich die rechtliche Qualität der Akte: es sind nicht mehr solche der Okkupation einer Person, durch die diese als Sache erworben wird, sondern solche der Okkupation eines Zustandes der Gemeinschaft mit dieser Person. Erworben wird dadurch ein „auf dingliche Art“ persönliches Recht, nämlich ein Recht gegenüber jedermann (= „auf dingliche Art“), einen Zustand der Willensgemeinschaft (= „persönliches Recht“) herzustellen, zu dem jeder einzelne verpflichtet ist, wenn er bestimmte Handlungen gegenüber einer anderen Person begehen will. Die Vereinigung des Willens, die stets auch Inhalt der Verpflichtung ist, welche vom in der Idee gedachten allgemein gesetzgebenden Willen ausgeht, tritt im auf dingliche Art persönlichen Recht daher nicht mehr nur
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als eine mögliche oder wirkliche, sondern als eine auf, die unter der Bedingung eines bestimmten realen Akts durch das Sittengesetz notwendig vorgeschrieben wird.
7.3.1 Der Ehevertrag Nach dem Recht der Menschheit in der Person eines jeden Menschen steht es niemandem frei, über seine Persönlichkeit willkürlich zu disponieren und sich seiner sittlichen Freiheit (etwa durch Selbsttötung oder durch Kriecherei) zu berauben (cf. dazu die Tugendpflichten aus dem Recht der Menschheit, TL VI 436). In Ansehung des Geschlechtsvermögens ergibt sich daraus eine besondere Schwierigkeit. Denn auf der einen Seite ist der Geschlechtstrieb in jedem Menschen durch die Natur angelegt; andererseits macht sich der Mensch, der „sich aus Interesse als ein Gegenstand der Befriedigung der Geschlechter-Neigung des andern gebrauchen läßt“, zu einem bloßen Mittel der Befriedigung der Bedürfnisse des andern, „zu einer Sache, wodurch der andere seinen Appetit stillt, eben so wie durch den Kalbsbraten seinen Hunger.“ (Naturrecht Feyerabend XXVII 1516). Gerade dadurch, daß er sich zur Sache macht, läuft er Gefahr, das Recht der Menschheit in der eigenen Person zu lädieren, und verstößt damit gegen das Vernunft-interesse eines jeden Menschen, das die Achtung der Persönlichkeit fordert. Für Kant stellt sich daher die Frage, unter welchen Bedingungen eine Befriedigung des Geschlechtstriebes sittlich möglich ist und eine Person sich einer andern hingeben und zugleich sicher sein kann, daß sie dabei als Person geachtet wird. Die in der christlichen Sexualmoral aufgestellte Bedingung, daß die sexuelle Vereinigung erlaubt ist, wenn sie letztlich dem Zweck der Erhaltung der Gattung dient und nicht der eigenen Lust, wird von Kant zwar nicht ausdrücklich, aber implizit verworfen. Denn auch bei einer solchen Begründung wird der Mensch als ein bloßes Mittel (eben der Gattungserhaltung) betrachtet und zur Sache herabgewürdigt. Nur unter einer einzigen Bedingung, so behauptet er stattdessen, vermag die sittliche Freiheit der Personen mit dem Gebrauch ihrer Geschlechtsvermögen zusammenzustimmen. Die Geschlechtspartner müssen sich wechselseitig als Personen ganz erwerben und die Okkupation durch den jeweils anderen durch Reokkupation gleichsam neutralisieren (Naturrecht Feyerabend XXVII 1518). Für Kant hat also die Befriedigung der Geschlechtsneigung, wenn sie unter der Bedingung ihrer sittlichen Möglichkeit betrachtet wird, notwendig die Gründung einer Gesellschaft der Menschen, die eine sexuelle Beziehung aufnehmen, zur Folge, bei der diese wechselseitig für „den ganzen Zustand des Glücks, und alle Umstände, die die ganze Person angehen“, verantwortlich werden (Naturrecht Feyerabend XXVII 1517).
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Aus der Pflicht jedes Menschen gegenüber der Menschheit in der eigenen Person und in der Person eines jeden anderen entspringt somit „ein natürliches Erlaubnisgesetz“, den anderen „auf dingliche Art“ zu erwerben, obwohl eine solche Erwerbung eigentlich ausgeschlossen zu sein scheint, da der andere eine Person (und damit auf unveräußerliche Weise das Seine) ist und nicht als Sache erworben werden kann. Dieses Erlaubnisgesetz besagt: wenn jemand einen Gebrauch von den Geschlechtseigenschaften eines anderen machen will, dann muß es erlaubt sein, sich wechselseitig auf eine dingliche Art erwerben, denn nur unter dieser Bedingung kann die Persönlichkeit beider erhalten bleiben (andernfalls würden sie ihre Persönlichkeit verlieren und zur Sache herabgewürdigt). Entscheidend ist, daß die Erwerbung wechselseitig geschieht (eine bloß einseitige Erwerbung wäre Sklaverei). Daß damit nach Kants Ansicht gegenüber jedermann das Recht besteht, die andere Person, wenn sie sich „verlaufen“ haben sollte, wieder„in seinen Besitz“ zu bringen, darf nicht mißverstanden werden. Es heißt nicht, daß ein Mensch das Recht hat, den anderen als Sache zu behandeln, sondern lediglich, daß er das Recht hat, eine Willensgemeinschaft, die eheliche Gesellschaft, wiederherzustellen, deren besonderen Verpflichtungen auch er selbst unterworfen ist. Es sollte an dieser Stelle hervorgehoben werden, daß alle bisherigen Überlegungen bereits voraussetzen, daß beide Seiten in den wechselseitigen Gebrauch ihrer Geschlechtseigenschaften einwilligen und insofern einen Vertrag schließen. Der sexuelle Gebrauch einer Person ohne ihre Einwilligung verstößt gegen das Axiom der äußeren Freiheit und ist daher grundsätzlich verboten. Kants Argumente zielen darauf ab, zu zeigen, daß beide Seiten nicht in Beliebiges einwilligen können und auf keinen Fall in den Verlust ihrer Persönlichkeit. Insofern ist der Inhalt des durch den Vertrag bestimmten gemeinsamen Willens nicht von dem Willen beider allein abhängig, in dem Sinn, daß diese beim Vertragsschluß völlige Gestaltungsfreiheit hätten; sondern er muß als von dem vereinigten Willen aller (der sittlichen Vernunftgemeinschaft) abhängig angesehen werden, sofern dieser durch das Sittengesetz eine Erhaltung der Persönlichkeit jedes einzelnen verlangt. Beide Seiten müssen daher notwendig in einen bestimmten Inhalt des Vertrages einwilligen: dieser Inhalt bezieht sich auf die Treue gegenüber dem anderen, sowie auf seinen Schutz und seine Erhaltung. Eine Einigung, bei der beide Partner sich wechselseitig als Instrumente ihrer Lust (etwa im Sinn eines „one-night-stand“ oder eines „Konkubinats“) gebrauchen, wird nach Kants Auffassung nicht der Persönlichkeit der Beteiligten gerecht, die als ganze Zweck sein muß. Denn es sei „offenbar“, so heißt es in einer seiner Moralvorlesungen, „daß wenn ein Mensch einen Theil von sich selbst, einem andern überläßt, so überläßt er sich ganz, denn der Mensch ist eine Einheit (…) durch den Concubinat aber habe ich kein Recht auf die ganze Person, sondern nur auf einen Theil derselben, nemlich die Organa sexualia. (…) Wenn ich aber im Concubinat einen Theil vom Menschen genieße, so genieße ich dadurch den
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ganzen Menschen; ich habe aber vermöge des Concubinats kein Recht auf den ganzen Menschen, sondern nur auf einen Theil des Menschen, folglich mache ich eine ganze Person zur Sache.“ (Naturrecht Feyerabend XXVII 1517). Insofern Menschen im Hinblick auf den Gebrauch ihrer geschlechtlichen Eigenschaften im Verhältnis zu anderen nicht in Beliebiges einwilligen können, kann auch die Art des Vertrages, der zwischen den Eheleuten geschlossen wird, genau bestimmt werden. Bei diesem handelt es sich weder um einen wohltätigen Vertrag noch um einen Verdingungsvertrag; sondern um einen Veräußerungsvertrag, der einen vollständigen Tausch zum Inhalt hat (RR XIX 542). Getauscht wird die ganze Person des einen gegen die ganze Person des anderen, so daß das Interesse des einen idealiter vollständig zum Interesse des anderen wird und im Rahmen der Ehegemeinschaft eine wechselseitige Teilnahme am Leben der anderen Person zustandekommt. Da Kant anders als beispielsweise Achenwall die Notwendigkeit eines Eheschlusses nicht über den Zweck begründet, dem der Geschlechtsverkehr zu dienen hat, ist es für ihn im Unterschied zu dessen Auffassung auch nicht verboten, eine Ehe zu schließen, wenn die möglichen Ehepartner (etwa aufgrund ihres Alters oder einer Krankheit) keine Kinder bekommen können.Vielmehr ist die Ehe immer dann notwendig, wenn sich zwei Personen zum wechselseitigen Gebrauch ihrer Geschlechtseigenschaften verbinden, gleichgültig ob aus diesem Verhältnis Kinder entstehen können oder nicht. Wäre Kant nicht der Auffassung, daß die homosexuelle Beziehung ein crimen carnis contra naturam darstellte, müßte er aufgrund seines Ansatzes eigentlich sogar die Forderung erheben, daß auch eine homosexuelle Beziehung zu einer Ehe im Sinn einer vollständigen Willensgemeinschaft verpflichtet. Auch wenn es zum „wechselseitigen Gebrauch der Geschlechtseigenschaften“ notwendig ist, eine eheliche Gemeinschaft einzugehen, bedeutet das nicht, daß diese Gemeinschaft unauflöslich ist. Der oberste Zweck der Gesellschaft, ihre salus suprema, ist zwar die eigene Erhaltung (und darauf bezieht sich letztlich der dingliche Charakter des auf dingliche Art persönlichen Rechts). Aber vorausgesetzt wird dabei, daß die notwendige Einheit des Willens, die in der wechselseitigen Annahme des Eheversprechens zum Ausdruck kommt, nicht durch die Brechung der gelobten Treue verletzt oder durch „die Ungeselligkeit, Uneinigkeit der Personen, wodurch Einheit und Eintracht des Willens der Personen nicht möglich ist“, an ihrer alltäglichen Verwirklichung gehindert wird (Naturrecht Feyerabend XXVII 1519).
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7.3.2 Das Elternrecht Auch der für die väterliche Gesellschaft (societas paternalis) charakteristische Zustand einer bestimmten wechselseitigen Verpflichtung zwischen den Eltern und dem Kind ist ein lege, durch das Gesetz der Natur bzw. der Menschheit erworbener und rechtlich notwendige Folge der Zeugung des Kindes durch die Eltern. Sich vorzustellen, wie ein Kind seiner Persönlichkeit nach durch die Zeugung der Eltern zustandekommt, entzieht sich nach Kant menschlicher Vorstellungskraft. Denn dazu müßten wir verstehen, wie ein freies Wesen erschaffen werden kann (was wir nach Kant nicht können). Also muß das Kind ursprünglich als eine Person angesehen werden, und der Akt der Zeugung ist rechtlich gesehen ein Akt unserer (der Eltern) Willkür, „wodurch wir eine Person ohne ihre Einwilligung auf die Welt gesetzt und eigenmächtig in sie herüber gebracht haben“ (281). Dieser eigenmächtige Akt legt den Eltern eine Verpflichtung auf, die sich aus der Persönlichkeit des Kindes ergibt, verbunden mit dessen Unvermögen, sich aus eigener Kraft in dieser Welt zu erhalten und zu einem moralischen Wesen zu bilden: „Sie haben es procreirt, dieses ist der Actus; sorgen sie nicht dafür, so laediren sie es, so wie der, der einen Menschen im Schlaf an einen unsicheren Ort bringt.“ (Naturrecht Feyerabend XXVII 1380). Die Eltern haben die Verbindlichkeit, für die Zufriedenheit des Kindes in dieser Welt zu sorgen. Weil zur Zufriedenheit einer Person ihre Selbständigkeit gehört, ist die pragmatische und moralische Erziehung des Kindes „eine absolute Naturpflicht der Eltern“ (330). Mit der eigenmächtigen Erwerbung des Kindes durch die Zeugung sind für die Eltern jedoch auch Rechte verbunden, und zwar in zweierlei Hinsicht. Gegenüber jedermann besteht das Recht der Eltern, das entlaufene Kind wieder in ihren Besitz (d. h. nach Hause) zu bringen und die väterliche Gesellschaft wiederherzustellen. Gegenüber dem Kind besteht das Recht der Eltern darin, seine Erziehung und Erhaltung so zu handhaben, wie sie (die Eltern) es für diesen Zweck für richtig halten, und für ihre Anordnungen Gehorsam zu fordern (281, 360). Die Pflicht des Kindes, den Eltern zu gehorchen, solange es noch nicht volljährig und sein eigener Herr ist, leitet sich aus den Bemühungen der Eltern um dessen Unterhalt ab. Da die wechselseitigen Verpflichtungen zwischen den Eltern und dem Kind aus dem „Unvermögen“ des Kindes resultieren, sich als Persönlichkeit zu erhalten, erlischt mit dem Ende dieses Unvermögens jegliche rechtliche Verpflichtung (wenn auch nicht jede moralische): Mit dem Erreichen der Mündigkeit „emancipirt“ sich das Kind und wird, ohne daß dazu noch ein eigener Vertrag geschlossen werden müßte, also ohne daß die Einwilligung der Eltern erforderlich wäre, aus der „bisherigen Abhängigkeit“ entlassen (§ 30; dies wiederum im Unterschied zu Achenwall, der den Eltern das Recht zuerkennt, „den Aufwand für die Erziehung von der Nachkommenschaft zurückzufordern“, Achenwall 1995, § 626).
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7.3.3 Vorbereitung zur Einführung des öffentlichen Rechts Obwohl das auf dingliche Art persönliche Recht zum Privatrecht gehört, bereitet es bereits die Einführung des öffentlichen Rechts vor. Denn auch beim öffentlichen Recht handelt es sich in letzter Linie um die Erwerbung eines Zustandes von Personen, die eine bestimmte Gemeinschaft bilden (eine Rechtsgemeinschaft). Was den Zustand der Hausgemeinschaft vom bürgerlichen Zustand unterscheidet ist weder die Zahl der sich zur Hausgemeinschaft oder zur bürgerlichen Gesellschaft zusammenschließenden Personen noch der besondere Zweck, den sie dabei verfolgen, sondern die Tatsache, daß bei der Hausgemeinschaft keine allgemeine Pflicht besteht, eine Handlung gegenüber einer anderen Person zu begehen, die den Eintritt in einen solchen Zustand notwendig macht. Niemand ist durch das Sittengesetz verpflichtet, eine geschlechtliche Beziehung zu einem anderen Menschen aufzunehmen oder Kinder zu zeugen oder andere seiner häuslichen Befehlsgewalt zu unterwerfen. Dagegen muß bei der bürgerlichen Gesellschaft unterstellt werden, daß die besondere Beschaffenheit des Naturzustandes selbst – sofern dieser einen wechselseitigen Kontakt der Menschen untereinander unvermeidlich macht – den einzelnen dazu verpflichtet, einen Akt zu begehen, durch den der Naturzustand verlassen und ein Zustand der wechselseitigen Verpflichtung unter der Herrschaft eines allgemein gesetzgebenden Willens hergestellt wird (306). Dieser Akt besteht darin, alle Menschen, „die mit einander (auch unwillkürlich) in Rechtsverhältnisse kommen können“ – und dies sind potentiell alle Menschen, die sich das Leben auf der Erdkugel teilen – der Herrschaft unter einen gesetzgebenden Willen zu unterwerfen. Die Notwendigkeit, einen solchen Akt zu begehen, folgt aus der Rechtspflicht des honeste vive: diese fordert, daß jedermann sein Recht gegenüber anderen behaupte, und dies heißt, daß er sein Recht ausüben soll, allgemein gesetzgebendes Glied in einem Reich der Zwecke zu sein.
7.4 Episodischer Abschnitt: Der Übergang zwischen Naturrecht und statutarischem Recht Sowohl in den „Metaphysischen Anfangsgründen der Rechtslehre“ wie in den „Metaphysischen Anfangsgründen der Tugendlehre“ ist jeweils ein „episodischer Abschnitt“ eingeschaltet, der ungeachtet seines bescheidenen Titels eine besondere systematische Funktion besitzt. In beiden Fällen handelt es sich um Abschnitte, in denen die Grenze zwischen der rationalen und der statutarischen (oder empirischen) Rechts- bzw. Tugendlehre überschritten wird. Generell gilt nach Kants Auf-
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fassung, daß der Überschritt von dem rationalen zum empirischen Teil einer Wissenschaft eine Lehre des Übergangs erforderlich macht. Im opus postumum versucht Kant, eine solche Übergangslehre im Hinblick auf die metaphysischen Anfangsgründe der Naturwissenschaft und die empirische Physik auszuarbeiten. Doch auch im Fall der Rechtswissenschaft und der Ethik bedarf es einer Übergangslehre in Gestalt einer Rechtslehre überhaupt (oder Politik) bzw. einer Tugendlehre überhaupt (oder Religionslehre).¹ Charakteristisch für die Rechtslehre überhaupt ist, daß sie sowohl den Bereich des Naturrechts wie den des statutarischen Rechts umfaßt. Es geht daher in ihr nicht um die Frage, wie die naturrechtlichen Bestimmungen in einem statutarischen Rechtssystem verwirklicht werden sollen, sondern wie das Recht insgesamt beschaffen sein muß, sofern man von seinen naturrechtlichen und seinen statutarischen Attributen abstrahieren kann. Für Kant ist es selbstverständlich, daß das statutarische Recht dem Naturrecht nicht widersprechen darf. Aber das heißt nicht, daß alles statutarische Recht Naturrecht ist oder aus dem Naturrecht abgeleitet werden könnte (Vorarbeiten XXI-II 283). Da das statutarische Recht mehr als das Naturrecht enthält, bedarf es eines Begriffs von einem Recht überhaupt, der sich auf eine dem Naturrecht wie dem statutarischen Recht gemeinsame objektive Realität bezieht. Zieht man zum Vergleich die Überlegungen Kants zur Übergangswissenschaft im opus postumum heran, so handelt es sich bei diesem Begriff des Rechts überhaupt um das Pendant zum Begriff der Materie überhaupt, der sich gleichfalls auf eine dem metaphysischen und empirischen Begriff der Materie zugrundeliegende gemeinsame objektive Realität bezieht. Die Überschreitung der Grenze der rationalen Rechtslehre und damit der „episodische“ Charakter des betreffenden Abschnitts ergibt sich folglich zunächst daraus, daß man es mit der Erwerbung „eines Rechts überhaupt“ – und nicht mehr mit der eines Sachenrechts oder eines persönlichen Rechts (oder eines natürlichen oder statutarischen Rechts) zu tun hat (Vorarbeiten XXIII 261). Wodurch zeichnet sich nun ein solches „Recht überhaupt“ aus? Kant gibt darauf keine direkte Antwort. Doch lassen sich gewisse Schlüsse daraus ziehen, daß die Erwerbung eines solchen Rechts idealer Natur ist und nur unter der Bedingung eines öffentlichen rechtlichen Zustandes einen „Effekt“ haben und durchgesetzt werden kann. Ideal ist die Erwerbung, weil sie ohne einen empirischen Akt der Erwerbung von einem erfolgt, der entweder im Fall der „Ersitzung“ noch nicht ist oder im Fall der „Beerbung“ gerade aufhört zu sein oder im Fall des „Nachlasses des guten Namens“ nicht mehr ist. In allen diesen Fällen muß derjenige, der erwirbt, nicht eigens etwas tun, um zu erwerben. Die „Gelangung zum Besitz“ ist daher, wie es an
1 Zum episodischen Abschnitt in der TL: 442–444.
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einer Stelle heißt, „eine bloße praktische Idee der Vernunft“ (291), oder anders ausgedrückt: der Rechtstitel der Erwerbung ist kein Akt der einseitigen, doppelseitigen oder allseitigen Willkür, sondern eine Idee der Vernunft. In allen Fällen der idealen Erwerbung, die Kant diskutiert, handelt es sich daher allenfalls vordergründig um die Erwerbung eines Sachenrechts oder eines persönlichen Rechts. So stützt sich im Fall der Ersitzung derjenige, der „das Eigentum eines Anderen bloß durch den langen Besitz (usucapio)“ (291) erwirbt, allein darauf, daß er im ehrlichen Besitz der Sache ist und keine Kenntnisse von einem früheren Eigentümer haben konnte. Um sich gegenüber einer anderen Person, die möglicherweise einmal in der Zukunft mit dem Anspruch auftreten könnte, der wahre Besitzer der Sache zu sein, gleichwohl im Besitz der Sache zu behaupten, muß weder vorausgesetzt werden, daß dieser in die Erwerbung eingewilligt oder gar seinen Besitz aufgegeben habe (294 f.). Vielmehr resultiert allein aus der Versäumnis des anderen, seinen Besitz durch „einen beständigen Besitzakt“ zu dokumentieren, ein Recht des aktuellen Besitzers, sich in seinem Besitz zu erhalten. Aber dieses Recht, sich in seinem Besitz als ehrlicher und wohldokumentierter Besitzer zu erhalten, ist in der Tat nur indirekt die „Erwerbung“ eines Sachenrechts. Denn genauer handelt es sich um die Erwerbung des Rechts, öffentlich von allen Ansprüchen eines anderen befreit zu sein (292 f.). Daß es sich dabei um ein Recht überhaupt handelt, das zwar erworben wird, dessen Erwerbung aber nicht auf einem besonderen Akt beruht, geht aus folgender Stelle hervor, an der Kant bemerkt: „Ich erwerbe also ohne Beweisführung und ohne allen rechtlichen Akt: ich brauche nicht zu beweisen, sondern durchs Gesetz (lege); und was dann? Die öffentliche Befreiung von Ansprüchen, d. i. die gesetzliche Sicherheit meines Besitzes, dadurch daß ich nicht den Beweis führen darf und mich auf einen ununterbrochenen Besitz gründe.“ (365). Auch im Fall der Beerbung wird nicht eigentlich das Erbe vom Erblasser erworben. Denn zu Lebzeiten kann die Annehmung des versprochenen Eigentums nicht erfolgen, da sonst das Eigentum für einen Augenblick beiden gehört (dem Erben und dem Erblasser), was nicht der Wille des Erblassers ist (294). Also erwirbt der Erbe ein Recht auf ausschließliche Akzeptierung für den Fall des Todes, d. i. „ein eigentümliches Recht an der Verlassenschaft als ein Sachenrecht, nämlich ausschließlich sie zu akzeptiren (ius in re iacente)“, wodurch die Sache nicht herrenlos (res nullius) wird, sondern nur „erledigt (res vacua)“ ist (294). Und zwar erwirbt der Erbe dieses Recht, ohne daß er selbst etwas dazu tun müßte, also wiederum ohne einen rechtlichen Akt. Schließlich gilt auch für den Nachlaß des guten Namens nach dem Tode, daß das Recht auf einen solchen Namen nicht eigens durch einen besonderen Akt, sondern „durch ein tadelloses Leben und einen dasselbe beschließenden Tod“ erworben werde (295). Daß der Mensch überhaupt „ein solches Recht erwerben
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könne, ist“, wie Kant gesteht, „eine sonderbare, nichtsdestoweniger unleugbare Erscheinung der a priori gesetzgebenden Vernunft“. Sie ist sonderbar, weil der Mensch in diesem Fall ja als einer erwirbt, der (in der Zeit und als homo phaenomenon) nicht mehr ist und daher eigentlich auch nichts Äußerliches mehr besitzen kann. Dennoch ist es möglich, daß er auch durch den Tod, der ihm sonst alles, auch das Leben nimmt, etwas „als das Seine, welches ihm übrig bleibt, erwerbe“ (295, Herv. P. K.). Diese Erwerbung ist nicht an besondere tugendhafte Leistungen gebunden, es genügt, daß das Leben „tadellos“ war. Und sie beruht auch nicht auf dem Grundsatz: de mortuis nihil nisi bene, denn wenn „eine gegründete Anklage“ vorgebracht werden kann, dann entfällt der Rechtstitel der Erwerbung (295). Daß dem Menschen auch nach dem Tod etwas „als das Seine“ übrigbleibt, heißt nach Kant aber auch nicht, daß „auf Vorempfindung eines künftigen Lebens und unsichtbare Verhältnisse zu abgeschiedenen Seelen schwärmerisch“ geschlossen oder der Mensch als ein Geist betrachtet werde (296 Anm.). Vielmehr ist nur von „dem reinmoralischen und rechtlichen Verhältnis, was unter Menschen auch im Leben statt hat, die Rede“. Während aber der Mensch sich zu Lebzeiten sowohl selbst gegen den „Ehrenräuber“ verteidigen als auch seine Ehre durch tadelhafte Handlungen verlieren kann, entfällt die Möglichkeit zu beidem nach dem Tod: der Mensch erwirbt daher durch die Vollendung eines tadelfreien Lebens (also wiederum ohne rechtlichen Akt) ein Recht überhaupt in dem Sinn, daß er als Glied in dem „reinmoralischen und rechtlichen Verhältnis“ der menschlichen Vernunftgemeinschaft erhalten bleibt und nicht durch den Tod aller rechtlichen Realität beraubt wird. Auch wenn der Rechtstitel der idealen Erwerbung in einer Idee der Vernunft besteht, handelt es sich bei ihr um keine eingebildete Erwerbung, „denn in rechtlichpractischer Rücksicht“ – so eine Formulierung aus den Vorarbeiten zur Rechtslehre – „können reine Vernunftbegriffe (dergleichen das Recht überhaupt ist) objective Realität haben indem die Folgen derselben in der Erfahrung gegeben werden können.“ (Vorarbeiten XXIII 261). Daß die Folgen in der Erfahrung gegeben werden können, interpretiert Kant selbst so, daß ein öffentlich-rechtlicher Zustand bestehen muß, in dem die jeweilige Erwerbungsart „ihren Effekt haben“ kann. Gleichwohl gründet sich die ideale Erwerbung ihrem rechtlichen Charakter nach nicht auf der Einrichtung eines öffentlich rechtlichen Zustandes oder auf den besonderen Gesetzen eines Landes. Vielmehr ist sie a priori bereits im Naturzustand „denkbar“ und bereits als Naturrecht gültig. Dies bedeutet nach Kant: „daß sie fähig und würdig seien im bürgerlichen Zustande (wenn dieser dereinst eintritt) eingeführt und sanktioniert zu werden“ (294) – aber nicht, weil sie Naturrecht, sondern weil sie Recht überhaupt sind. Der Begriff von einem Recht überhaupt bezieht sich also auf das in der Idee gedachte, reine und ganz intellektuelle Rechtsverhältnis, das allem Naturrecht, aber
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auch allem statutarischen Recht zugrundeliegt (sofern es sich überhaupt um Recht handelt) und das sich durch bestimmte minimale Eigenschaften auszeichnet: absolute (gesetzliche) Sicherheit des Rechts (öffentliche Befreiung von allen Ansprüchen), absolute (gesetzliche) Kontinuität des Besitzrechts (es gibt keine herrenlosen Sachen), absolute (gesetzliche) Vollständigkeit der Rechtsgemeinschaft (alle Menschen sind zur Teilnahme berechtigt). Die Rechtslehre überhaupt gibt auf diese Weise über das Naturrecht hinaus einen Maßstab für die Einrichtung der Gesetze im öffentlichen rechtlichen Zustand und für die Beurteilung ihrer Vernunftmäßigkeit (Op. post. XXI 178).
7.5 Die subjektiv bedingte Erwerbung durch den Ausspruch einer öffentlichen Gerichtsbarkeit: Die praesumtio iuris et de iure Nimmt man Kants Bemerkungen über die sachliche Begründung dreigliedriger Einteilungen in der Metaphysik als Leitfaden der Interpretation, dann müßte im 3. Hauptstück des I. Teils die Ableitung (oder Vereinigung) der Art, etwas Äußeres zu erwerben, von der Art, etwas Äußeres als das rechtliche Seine zu haben, thematisiert und die Einteilung des Privatrechts „vom äußeren Mein und Dein überhaupt“ auf diese Weise vervollständigt werden. Kant behauptet, daß es einige Fälle gibt, in denen ein Gericht bei der Frage, ob etwas Äußeres von dem rechtlichen Besitz des einen in den eines anderen übergangen ist, zu einem anderen Ergebnis gelangt als der einzelne. Dies ist insofern eine bemerkenswerte These, weil das Gericht die Aufgabe hat, jedem das Seine (= die Rechte, die er hat) zu erhalten, nicht aber es ihm zuzuerteilen (237). Es sollte folglich nur zu solchen Entscheidungen über das, was Rechtens ist (nämlich „was und wovon der Ausspruch vor einem Gerichtshofe in einem besonderen Falle unter dem gegebenen Gesetze diesem gemäß (…) ist“, 306) kommen können, die mit dem übereinstimmen, was an sich recht ist. Die lex iuridica und die lex justi sollten inhaltlich völlig übereinstimmen. Tatsächlich weicht jedoch in den vier Fällen, die Kant im 3. Hauptstück behandelt, das Urteil, „was die Privatvernunft eines jeden für sich zu fällen berechtigt ist“, von dem Urteil ab, „wie es ein Gericht fällen müßte“ (300). Zugleich behauptet Kant, daß beide Urteile von ihrem jeweiligen Gesichtspunkt aus wahr sind. Wodurch sind diese Gesichtspunkte charakterisiert und wie läßt sich ihr Rang im Verhältnis zum jeweils anderen bestimmen? Das Urteil, zu dem jeder einzelne gelangt, beruht einerseits auf Prinzipien dessen, was an sich recht ist, (und diese entstammen „der bloßen gesunden Vernunft“, 300), andererseits auf Urteilen über die Anwendungsbedingungen dieser
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Prinzipien in einem konkreten Fall und deren Erfülltsein oder Nicht-erfülltsein. Im Hinblick auf letztere Urteile kann es zu einer Diskrepanz kommen zwischen der Gewißheit, zu der der einzelne aufgrund seiner Kenntnisse gelangen kann, und der Gewißheit, zu der alle anderen und insbesondere die Richter an einem Gerichtshof fähig sind. Es stehen sich hier also Privatvernunft und öffentliche Vernunft in einer (scheinbaren) Antinomie gegenüber, die sich aus dem Grund der Gewißheit ergibt, deren beide fähig sind. Bestimmt werden muß mit Gewißheit, wer welches Recht hat, um entscheiden zu können, wer welches Recht erwirbt (= Ableitung des Bedingten von der Bedingung). So stellt sich im ersten Fall die Frage, ob derjenige, der eine Sache verschenkt, das Recht hat, seine Schenkung zu widerrufen. Nach dem Urteil, das die Privatvernunft jedes einzelnen fällen würde, hängt dies allein davon ab, ob der Betreffende (der Promittent) sich „gedacht hat, daß, wenn es ihn noch vor der Erfüllung gereuet, das Versprechen getan zu haben, man ihn daran nicht binden könne“ (298). Auch wenn die Richter in dem einen oder anderen Fall die Vermutung haben könnten, daß es sich so verhält (d. i. „der Promittent es sich gedacht hat …“), gibt es außer für den Promittenten keine Gewißheit, daß es tatsächlich so ist. Das Gericht präsumiert daher, daß der Promittent ein Recht auf Revokation seines Schenkungsversprechens nur unter der Bedingung hat, daß er es sich ausdrücklich vorbehält. Ähnlich lautet die Argumentation bei den anderen von Kant diskutierten Fällen. Obwohl Kant sich bereits im „Episodischen Abschnitt“ mit einer praesumtio iuris et de iure beschäftigt (292), enthält also erst das dritte Hauptstück eine eigentliche juristische Präsumtionenlehre. Während man es bei den Präsumtionen im Hinblick auf die ideale Erwerbung mit solchen zu tun hat, die nur in einem rechtlichen Zustand (qua Präsumtionen) möglich sind, die Notwendigkeit ihrer Einrichtung sich jedoch aus dem Naturzustand ergibt, kommt es erst bei der subjektiv-bedingten Erwerbung durch den Ausspruch einer öffentlichen Gerichtsbarkeit systematisch zur Verwendung von Präsumtionen, die im Hinblick auf die Beurteilung des Habens oder Nicht-Habens von Rechten zu Ergebnissen führen, die vom Naturzustand abweichen, die sich aber aus dem Gesichtspunkt der „Idee des öffentlichen Rechts“ notwendig ergeben. Obwohl eine Person an sich oder objektiv betrachtet ein bestimmtes Recht hat (bzw. nicht hat) und daran nach dem Urteil seiner eigenen Privatvernunft nicht der geringste Zweifel bestehen kann, erkennt ihm das Gericht aus subjektiven Gründen, d. i. um die praktische Sicherstellung von Rechten zu ermöglichen, dieses Recht „nach einem reinen Prinzip a priori“ ab (bzw. zu) (303). Dieses „reine Prinzip a priori“ ist kein anderes als der „Grundsatz der distributiven Gerechtigkeit“, nämlich „die Rechtmäßigkeit des Besitzes, nicht wie sie an sich in Beziehung auf den Privatwillen eines jeden (im natürlichen Zustande), sondern nur wie sie vor einem Gerichtshofe, in einem durch allgemein-vereinigten
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Willen entstandenen Zustande (in einem bürgerlichen) abgeurteilt werden würde, zur Richtschnur anzunehmen“ (303). Mit der Aufdeckung dieses aller subjektivbedingten Erwerbung zugrundeliegenden Prinzips ist die Grenze des Privatrechts erreicht und zugleich der Übergang zum öffentlichen Recht vorbereitet.
Terry Pinkard
8 Kant, Citizenship, and Freedom (Metaphysics of Morals, §§ 41–52)
8.1 The Problem In the passages in question (§§ 41–52 of the Metaphysics of Morals), Kant raises a crucial issue for all liberal thinkers (broadly construed) of why we should have government or a state at all (keeping in mind that the two are distinct). In particular, he asks whether we have overriding reasons to leave a “state of nature” and enter a juridically constituted “state.” Kant’s own view is, however, troubling. As he puts it, there is a “Postulate of Public Right” which commands that “when you cannot avoid living side by side with all others, you ought to leave the state of nature and proceed with them into a rightful condition (rechtliche Zustand), that is, a condition of distributive justice.” (A307)¹ The problem here has to do with an ongoing interpretive difficulty with Kant’s views. On the one hand, Kant is easily read as having a strictly monadic conception of agency. That is, rational agents are seen as (adult) individuals possessing all the resources they need as individuals to make moral judgments. Kant of course acknowledges the obvious, namely, that our sociality is crucial to who we are. We have to be educated into virtue, learn a language, be taught all kinds of things and learn to exercise self-control, make good judgments and so on. These empirical truisms are, however, incidental to our noumenal status as rational agents. As noumenal – as existing in what Wilfrid Sellars first called the “space of reasons” in contrast to the space of causes,” that is, as objects of rational thought and not just empirical observation) – agents manifest freedom in acting according to rational laws they give to themselves. Since reason is the same across all noumenally conceived agents, each monadic agent in answering to the rationality that is essential to his agency answers to the same moral law as all others. The relation among agents is thus conceived as mediated by a system of rules (somewhat like that of players in a game) and is not a direct relation to the others. To wrong somebody on that monadic conception is to violate a rule about how they are to be treated.² 1 Kant/Gregor 1996, § 42, pp. 121–122 (A307). “Du sollst, im Verhältnisse eines unvermeidlichen Nebeneinanderseins, mit allen anderen, aus jenem heraus, in einen rechtlichen Zustand, d.i., den einer austeilenden Gerechtigkeit, übergehen.” 2 This is adapted out of the discussion in, Thompson 2004, 333–384. https://doi.org/10.1515/9783110782509-009
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On the other hand, there are any number of passages that suggest that Kant has a more “communicative” model of the relation of subjects to each other.³ On that view, we are who we are noumenally in our involvement not just in the space of reasons but in the activity of giving and asking for reasons. In the kingdom of ends, we are both subject and sovereign, and as Kant puts it in an often cited passage from the Critique of Judgment, in speaking of aesthetic judgment, we have “a faculty for judging that in its reflection takes account (a priori) of everyone else’s way of representing in thought, in order as it were to hold its judgment up to human reason as a whole and thereby avoid the illusion which, from subjective private conditions that could easily be held to be objective”⁴ – a passage which suggests at least a more “communicative” conception of judging that might well apply to the kingdom of ends itself. What I wish to do here is to draw out the connections between what we could call Kant’s monadic conception and his more sociality oriented, communicative conception.
8.2 Becoming “One of Us” as a Condition of Autonomy To live in the “space of reasons” implicitly commits me to justifications that are good not just for myself in light of my particular purposes but also good for others who metaphysically do not share my individuality at least in those cases where we must interact with each other. For me actually to know what it is I should do, I need to be able to evaluate my own reasons for action in light of their possible acceptability (that is, justification) for others.⁵ This can be taken two ways: monadically, as if we were all independent reasoners working on something like an arithmetical sum, and if each of us does it correctly, come to the same “universal” conclusion. Or it could be taken more communicatively as deliberation in the “space of reasons” already projecting ourselves into an idealized community of others with whom we must conceive of ourselves as deliberating and adjusting
3 For example, the often cited passage from the Groundwork: “A rational being belongs as a member to the kingdom of ends when he gives universal laws in it but is also himself subject to these laws. He belongs to it as sovereign when, as lawgiving, he is not subject to the will of any other.” Kant/Gregor 1998, (4:434), p. 41. The idea of Kant’s ethics as “communicative” is of course taken from Habermas’ work. See Habermas 1999, 129–157. 4 Kant/Gregor 2000, p. 173 (5:293). 5 This Kantian theme of the necessity of justifying ourselves to others is the mainstay of Rainer Forst’s reworking of critical theory. See Forst 2017.
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our judgments in light of how each of us is deliberating and adjusting their own judgments, an idealization that Kant famously refers to as the “kingdom of ends.” But, as Kant is so very much aware, stated at that level of generality, such a claim can only be an abstract ideal, and the fact of our own ineliminable individuality and the limitations of our own particular points of view can make it seem to be a difficult and perhaps even insuperable task. If Kantian morality and politics is to have any real content, to be action-guiding for us, we therefore require some way of orienting ourselves within the abstract demands of deliberating in terms of reasons that are valid for all, and in his political writings, Kant himself seems to be acknowledging that problem and facing it directly. The orienting function is taken over by the practical “Idea” of the state, which, as Kant puts it with reference to another practical “Idea,” is necessary “for orientating ourselves in thought – i. e., in the immeasurable space of the supra-sensory realm which we see as full of utter darkness – purely by means of the need of reason itself.”⁶ To orient ourselves in light of such a practical Idea would be to guide ourselves by a conception of some “whole,” an “unconditioned totality,” something that requires no other conditions for its validity outside of itself. The practical “Idea” of the state would be therefore that of a group of agents united in a “rightful condition under a will uniting them,” that is, in terms of a “constitution” and all that follows from that conception itself. (A311)⁷ In such a state “as Idea,” the “legislative power can belong only to the united will of the people” (A313) and outside of that united will there are no further conditions that contribute to its justification.⁸ The “Idea” of the state is thus the idea of a self-enclosed normative order, having its conditions of justification entirely within itself; and, for this reason, we need to orient ourselves in terms of the “Idea” of a “rightful condition,” that is, the “Idea” of the state. Only by so orienting ourselves can we give content to our willing – if, that is, entry into the state is an unconditional duty. The practical “Idea” of the state would be that in terms of which one orients one’s judgments about what one’s rights are and how one is to respond to others. Kant’s ideas about practical deliberation show that he conceives of the “emptiness” charge as being answerable only in terms of a conception of something like “legislating for the kingdom of ends,” that is, in terms of a conception of legislating for oneself in light of how an idealized community of equal legislators would proceed,
6 Kant 1991, pp. 240–241: “und folglich sich im Denken, im unermeßlichen und für uns mit dicker Nacht erfüllten Raume des Übersinnlichen, lediglich durch ihr eigenes Bedürfnis zu orientieren.” 7 Kant/Gregor 1996, § 43, p. 123 (A311): “des rechtlichen Zustandes unter einem sie vereinigenden Willen.” 8 Ibid., § 46, p. 125 (A313). Gregor renders “Gewalt” as “authority.” “Die gesetzgebenden Gewalt kann nur dem vereinigten Willen des Volkes zukommen.”
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and that absent such a conception, we are inevitably caught in the “utter darkness” that surrounds us when we leave experience behind. The “Idea” of the state is therefore that idea of finite, rational agents, who cannot forsake their own happiness and particular projects but who operate in the “space of reasons”, who “affect one another,” and who must orient themselves therefore in light of what is justifiable to each other. As Kant makes clear in a variety of different places, the obligation to move out of a state of nature to a civic union could not be accomplished by what he calls a “unilateral will.” In a hypothetical state of nature, I would have the have a right to take possession of rightless, natural things for my own use and to claim them provisionally as “mine.” If there are others around me in the same condition, the possibility of conflict arises – out of either malicious motives or out of simple mistakes. When I declare something to be my property, Kant says, “I thereby declare that everyone else is under obligation to refrain from using the object of my choice,” and “a unilateral will cannot serve as a coercive law for everyone with regard to possession that is external and therefore contingent, since that would infringe upon freedom in accordance with universal laws.”⁹ It is not just that no single individual could exercise such a unilateral will. No aggregate of individual wills could do that, for as he puts it, “a unilateral will (and a bilateral but still particular will is also unilateral) cannot put everyone under an obligation that is in itself contingent,” and he immediately adds that this requires “a will that is omnilateral, that is united… a priori and necessarily.”¹⁰ As he does in so many places (including the Groundwork), Kant fashions his argument by granting David Hume just about all of Hume’s premises only to show that we must come to a different conclusion than Hume does. Hume argues that the distinction between “mine” and “thine” (property) is itself established only within the rules set out in a civil union and that there therefore could be no genuine property at all in the hypothetical state of nature; property is possible only if there are rules laid down by the relevant authorities.¹¹ However, since Hume’s sol-
9 Ibid., p. 77 (AA 255–256). 10 Ibid., p. 84 (AA 263). 11 Hume/Schneewind 1983. “WHAT IS A MAN’S PROPERTY? Anything which it is lawful for him, and for him alone, to use. BUT WHAT RULE HAVE WE, BY WHICH WE CAN DISTINGUISH THESE OBJECTS? Here we must have recourse to statutes, customs, precedents, analogies, and a hundred other circumstances; some of which are constant and inflexible, some variable and arbitrary.” Hume adds in an Appendix, “By the laws of society, this coat, this horse is mine, and OUGHT to remain perpetually in my possession… And though the second consideration could have no place, were not the former previously established: for otherwise the distinction of MINE and THINE would be unknown in society…”
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ution could only give rise to a “bilateral” will, it could not give us any unconditional duty to leave the state of nature and enter a “civic union” and thus the issue is whether such an unconditional duty can be shown. Kant stages his argument by arguing that in a state of nature, one has a provisional right to property (as “mine”), a right to defend it, an unconditional obligation to do no wrong to another, and thus where there are dispute over “mine and thine,” an obligation of something like fairness not to be a judge in one’s own case. Both oneself and the other disputant are thus obligated to turn this over to a third party to adjudicate. In doing so, both would in effect be leaving the state of nature, but the problem remains: What status does this regulating “third party” possess? If it is only one more individual, then it is a new unilateral will. Thus, the more basic reason for leaving the state of nature for the “rightful condition” that is the “state” (as “Idea”) is the notion of a united will, of each of us understanding ourselves as part of a collectivity, a “we,” and belonging to this collectivity is a matter of self-consciousness, of wanting “to be not just a part of the commonwealth but also a member of it, that is, a part of the commonwealth acting from his own choice in community with others.” (A314)¹² To be a “member” of this collectivity, one must think of oneself in terms of being “one of us.” One can be a genuinely autonomous agent acting according to self-imposed maxims only to the extent, therefore, that one is a member of such a collectivity. For this reason, Kant revealingly notes, only in such a “rightful condition” in which one thinks of oneself as “one of us” is everyone able to “share in those rights.” (A311)¹³ The collectivity, the “we” to which we belong as an a priori matter cannot be a matter of ethnicity or tradition, indeed, cannot be a matter of any empirical determination.¹⁴ The collectivity is rather first that of a “people” that is held together by a common commitment to moral, “rightful” conceptions and ultimately by a joint commitment to conceive of themselves as members and co-legislators of a “kingdom of ends.” One brings one’s provisional rights into the “rightful condition,” and that the possession of such rights is what makes the “civil condition” (the state as “Idea”) possible in the first place; but that is only to say that we must bring with us a con-
12 Kant/Gregor 1996, § 46, p. 126 (A314); “jene aber setzt die Selbstständigkeit dessen im Volk voraus, der nicht bloß Teil des gemeinen Wesens, sondern auch Glied desselben, d.i., aus eigener Willkür in Gemeinschaft mit anderen handelnder Teil desselben sein will.” 13 Ibid., § 43, p. 123 (A311). Kant says, “um dessen, was Rechtens ist, teilhaftig zu werden.” Gregor translates this as “so that they may enjoy what is laid down as right. 14 This a priori conception of the “we” to which we must as agents conceive of ourselves as belonging is ultimately one of the major reasons that drives Kant to a conception of politics as implying a conception of cosmopolitan right.
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ception of ourselves as “ends in ourselves” and what a priori belongs to such a conception if we are to conceive of the “civil condition.” Kant’s point is that we cannot be fully autonomous, “share” in those rights except as belonging to such a civil condition; or, as he puts it in the Critique of Judgment, in speaking of a modern revolutionary society, “for each member in such a whole should indeed be not merely a means but also an end; and while each member contributes to making the whole possible, the idea of that whole should in turn determine the member’s position and function.”¹⁵ Moreover, this “whole” as an “Idea,” an “unconditioned totality” does not need to appeal to anything outside of itself for its legitimation – not to religious insight, tradition, any conception of what is natural, nor to any sacred text.¹⁶ Becoming “one of us” is thus a condition of our becoming autonomous, not a trade-off between various forms of freedom. I can be free only in a “dependence on law,” that is, only as willing as “one of us” does – but not willing in terms of what any empirical “one of us” wills, but in terms of willing what the idealized “we” would will. This “Idea” of the collectivity, of the just state, indeed gives us a “final end” in terms of which we can orient ourselves in the “utter darkness” of the a priori realm, namely, the “Idea” of a “constitution in which law itself rules and depends on no particular person.” (A341)¹⁷ An agent can act only by projecting some state of affairs as good – the will, as Kant puts it, must have an “ob-
15 Kant/Gregor 2000, § 65, p. 254n. Kant is most likely referring to the American Revolution; “Denn jedes Glied soll freilich in einem solchen Ganzen nicht bloß Mittel, sondern zugleich auch Zweck, und, indem es zu der Möglichkeit des Ganzen mitwirkt, durch die Idee des Ganzen wiederum, seiner Stelle und Funktion nach, bestimmt sein.” 16 Kant is quite consistent and explicit on the point of the relation between the rights we have prior to the “civil condition” and those we have after entering the “civil condition.” It is most emphatically not a matter of bringing a full set of moral rights (to property and so on) with us into society, with the justification being that only in the “civil condition” will our rights be respected. It is not the case that we have, for example, our moral rights and the right to defend our moral rights, and in entering the state, we keep our moral rights and sacrifice only our right to defend them (transferring that right to the state). (This is the well known formulation given by Robert Nozick in his classic, Anarchy, state, and utopia, New York, Basic Books 1974.) Kant says that only in such a “civil condition” do we achieve “freedom in general,” and we only abandon “wild, lawless freedom” (“wilde gesetzlose Freiheit”) in entering such a state. Kant/Gregor 1996, § 47, p. 127 (A315). It is not even that our freedom or our rights become “efficacious” in the state, as if we had certain liberties and rights in the state of nature that we could only effectively exercise within the “civil condition”; we simply do not have those liberties and rights until we become participants in the “civil condition.” 17 Kant/Gregor 1996, § 52, p. 148 (A341); “Dies ist die einzige bleibenden Staatsverfassung, wo das Gesetz selbstherrschend ist, und an keiner besonderen Person hängt.”
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ject” – and the “Idea” of the “rule of law” gives an agent the proper “object” or “end” in terms of which he can orient himself in political life. In this way, Kant brings together the discussions of the “Idea” of the unity of nature and freedom with those of the “Idea” of the State. For us to be autonomous, we must act out of respect for the moral law alone, to do duty for duty’s sake, to be motivated by what reason demands of us. But without a conception of an idealized “we” to which we belong and with which we identify at least in some weak sense our individual projects, we cannot expect to be able to overcome our own inclinations to substitute our own projects for what being “one of us” requires; without thinking from the standpoint of “one of us,” we will not be able to find any guidance for ourselves (the “emptiness” charge), and we will not have any way of finding a place for ourselves as individuals in the universal, normative order. Because of our ineliminable individuality, in the state of nature we allow nature itself (in the form of our own inclinations) to determine our wills, and, left only to the state of nature, we would rise barely or not at all out of the natural status of “animality” to the moral status of “humanity.” But in an actual juridical state based on the “Idea” of the state – in a state in which we identify ourselves as part of the “we” and exercise mutual coercion on each other – we are forced as if by nature to disengage ourselves from our immediate desires, to reflect on what we ought to be doing, and to learn to bend our individual projects to the shared project of creating a just civil condition, a rule of law in which “each member contributes to making the whole possible, [and in which] the idea of that whole should in turn determine the member’s position and function.”¹⁸ The just “civil condition” thus provides the conditions under which humanity can progress from barbarism to civilization to freedom, from allowing our wills to be determined by “nature” to a point where we can cast aside our “self-imposed tutelage” and become virtuous, autonomous agents. Political life thus seems as if it might be a propaedeutic to virtue even though political life is by no means concerned with virtue itself. (Kant’s famous remark in “Perpetual Peace” makes that point explicit: “The problem of setting up a state can be solved even by a nation of devils (so long as they possess understanding)… For such a task does not involve the moral improvement of man; it only means finding out how the mechanism of nature can be applied to men in such a manner that the antagonism of their
18 Kant/Gregor 2000, § 65, p. 254n: “…indem es zu der Möglichkeit des Ganzen mitwirkt, durch die Idee des Ganzen wiederum, seiner Stelle und Funktion nach, bestimmt sein.”
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hostile attitudes will make them compel one another to submit to coercive laws, thereby producing a condition of peace within which the laws can be enforced.”¹⁹) Kant’s own version of “liberal individualism” is thus possible – on Kant’s own account – only in terms of the individual agent’s identification with an idealized community, the kingdom of ends, and his ability and willingness to subordinate his own individual projects to those necessary for the idealized community. In Kant’s view, politics is thus about a common aspiration for freedom, which can only be achieved collectively. But in all other ways, the unity of will in the state remains only formal. There are, so it seems, no essentially common ends to be pursued in political life – that is, none that can be ascribed a priori to a just state – other than the end of freedom itself, which in political life only amounts to the “final end” of the rule of law. Much – indeed, everything – thus hangs on whether the “Idea” of the state can do the job Kant thinks it must do. And much therefore also hangs on whether this way of putting it is capable, as Kant thought it was, of showing how nature and freedom might harmonize so that nature might produce a state that conforms to the laws of freedom and sets the conditions under which virtue can be achieved.
8.3 Citizenship, Independence, and Autonomy Following the lead of his philosophical hero, Rousseau, Kant claims that the idealized community is the source of all “right” (“since all Right is to proceed from it” (A313) )²⁰). As a union of wills, the “state as Idea… serves as a norm for every actual union into a commonwealth” (A313) and thus has the structure of a practical syllogism.²¹ Just as the union of wills formulates laws for itself, interprets them in terms of what is required by the law, and puts them into practice, the state likewise has therefore three powers: Legislative, judicial, and executive. The basic concept in politics is thus that of a particular type of ‘belonging,’ namely, citizenship 19 Kant 1991, pp. 112–113: “Das Problem der Staatserrichtung ist, so hart wie es auch klingt, selbst für ein Volk von Teufeln (wenn sie nur Verstand haben) auflösbar… Denn es ist nicht die moralische Besserung der Menschen, sondern nur der Mechanism der Natur, von dem die Aufgabe zu wissen verlangt, wie man ihn an Menschen benutzen könne, um den Widerstreit ihrer unfriedlichen Gesinnungen in einem Volk so zu richten, daß sie sich unter Zwangsgesetze zu begeben einander selbst nötigen, und so den Friedenszustand, in welchem Gesetze Kraft haben, herbeiführen müssen.” 20 Kant/Gregor 1996, § 46, p. 125 (A313); “Denn, da von ihr alles Recht ausgehen soll.” 21 Ibid., § 45, p. 125 (A313); “der Staat in der Idee, wie er nach reinen Rechtsprinzipien sein soll, welche jeder wirklichen Vereinigung zu einem gemeinen Wesen (also im Inneren) zur Richtschnur (norma) dient.”
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(Staatsbürger) – but, it must be emphasized, not the type of ‘belonging’ appropriate to a tribe, an ethnic group, a clan, or a particular religious confession. As citizens, and only as citizens, agents are endowed with liberty, equality, and independence. Instead of the French Revolutionary conception of ‘belonging’ (fraternity) as being on the same level as liberty and equality, Kant seems to make ‘belonging’ the central category of his politics and introduces underneath it another, characteristically modern slogan, that of “independence” to accompany freedom and equality. (Freedom, equality, and independence are only possible in terms of the notion of citizenship, of belonging to the idealized state community.) To be “independent” in this sense is to be self-determining in a particular, very concrete type of way that throws some light on Kant’s whole notion of “autonomy.” The independent citizen owes “his existence and preservation to his own rights and powers as a member of the commonwealth, not to the choice (Willkür) of another among the people.” (A314)²² Anyone whose life “depends not on his management of his own business but on arrangements made by another” (A314) lacks this independence.²³ Under this category of those who lack such independence, Kant includes, among others, domestic servants, private tutors, and “all women.” (A314)²⁴ Kant makes it quite clear that he thinks that this does not preclude those who lack such independence from exercising a sort of freedom and possessing moral equality. But despite that, they lack “civil personality,” which is to say that they cannot represent themselves in the running of the state and instead must be represented by others. It is also clear that Kant does not think of this merely as a prudential requirement; excluding servants and “all women” from running the affairs of the state is not based on calculations, for example, about their lack of education or their relative lack of judgment. It has to do with their inability to fully determine their wills themselves, that is, in the way in which (or so Kant thinks) they must necessarily elect to let nature, as it were, rule their wills. We remember that Kant apparently thinks that people in the state of nature will inevitably elect to let “nature” (their own inclinations and desires) determine their wills; likewise, he seems to hold that in a juridically constituted and just state, those who are dependent for their live-
22 Ibid., § 46, p. 125 (A314); “seine Existenz und Erhaltung nicht der Willkür eines anderen im Volke, sondern seinen eigenen Rechten und Kräften, als Glied des gemeinen Wesens verdanken zu können, folglich die bürgerliche Persönlichkeit, in Rechtsangelegenheiten durch keine anderen vorgestellt werden zu dürfen.” 23 Ibid., § 46, p. 126 (A314); “überhaupt jedermann, der nicht nach eigenen Betrieb, sondern nach der Verfügung anderer (Außer des Staates), genötigt ist, seine Existenz (Nahrung und Schutz) zu erhalten, entbehrt der bürgerlichen Persönlichkeit.” 24 Ibid., § 46, p. 125 (A314); “alles Frauenzimmer.”
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lihood on the arbitrary choices (Willkür) of others will also only elect to will for themselves what the others (on whom they depend) themselves elect to choose. Since their very existence and livelihood depends on the choices of others – they procure the means to live only in terms of the arbitrary choices of others – they are motivated to elect to treat the wills of others as determining for their own wills. But why would Kant be willing to argue that point, given what he says about the unconditioned nature of the autonomous will? He seems to be arguing something more specific about the nature of free, autonomous willing and its relation to the willings of others. We can only be genuinely free in a juridically constituted state, for only in a just state can we find any genuine orientation for our wills, can we make our judgments about what we ought to do in light of how we represent the idealized community of equal agents electing to will for themselves; and we can only be genuinely free when we orient ourselves not in terms of the arbitrary choices (the Willkür) of others but in terms of the willings of those who are capable of rising above their inclinations and willing from the genuinely impartial standpoint. Or, as Kant seems to be implying, the independence of an agent lies in his self-consciousness – “who wants not just to be a part of the commonwealth but also a member of it” (A314)²⁵ – and his not being subject to the arbitrary wills of others. Or, to put it yet another way, our capacity to be autonomous, self-directing is dependent on our self-consciousness, and self-consciousness is dependent on the types of relationships we have to others (and, so Kant clearly seems to think, in a subtle way on our own natural constitutions). It is not enough simply to want to be a member of the state – Kant excludes “all women” from such participation independently of whether they “want” such participation. One must also have the capacity for full self-direction, and that capacity cannot be exercised by those whose choices and wills are shaped by nature even indirectly (as Kant obviously thinks is true of minors and “all women”). Those whose natural existence is dependent on the arbitrary choices of others cannot have autonomous wills; although they can be free – in Kant’s sense of Willkür, in which they can freely form maxims whose motivating force nonetheless lies wholly in certain contingently desired ends – they cannot be fully self-directing because they cannot achieve a conception of their own wills as free from determination by something other than their own willing. They must therefore always exist in a form of “self-imposed tutelage,” accepting the
25 Ibid., § 46, p. 126 (A314); “der nicht bloß Teil des gemeinen Wesens, sondern auch Glied desselben…”
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choices of others as determinative of their own willings and choices. Although Kant says that “anyone can work his way up from this passive condition to an active one,” (A315) one must nonetheless assume, given everything else he says, that he still means to exclude minors and “all women” (and almost certainly, all members of non-European “races”) from such a possibility.²⁶ Moreover, although these views certainly reflect a widely held set of opinions in pre-Revolutionary European society, it would be a mistake to write them off simply as idiosyncrasies explainable in terms of Kant’s being imprisoned by his own time; Kant was a philosophical revolutionary, and, although he shared that widely held opinion, he attempted to give it a deeper rationale than was typical of the period. The exclusion of apprentices, servants, minors, and “all women” from active citizenship illustrates how Kant conceives of our capacities for autonomy in more than a merely individualistic, indeed, in a more subtle way than is suggested by his talk of a different kind of causality that attaches to free willing, and it points out one of the essential tensions in his view. For each of us to be autonomous, we must be able to make our practical judgments in light of an orientation towards an idealized community of other agents; but as finite, rational agents, we always do that from within an embodied, socially specific, and particular context. For us to have any orientation towards what the idealized community would ideally will in light of spontaneously elected reasons, we must be in a social and personal situation where we can effectively rise above our own inclinations and look at things from an impartial, universally rational point of view; but we can do that in any socially specific situation only when we ourselves are neither in a condition of lawless freedom nor dependent on the arbitrary choices of others. The minimal condition for accomplishing this is entry into a “civil condition” where we are at least mutually coerced into making the laws of the community into our own maxims for action; but mutual coercion plays off our natural constitutions, our fears for our own individual plans and projects and is not sufficient for us to be fully autonomous. Moreover, merely being non-dependent on the wills of others is also not sufficient for autonomy. A despot in the state of nature who was dependent on the wills of nobody else would still be incapable, so Kant seems to be saying, of detaching his own personal inclinations and projects from what a detached universal will would require of him. The problem of “independence” and subordination to the wills of others occurs again in a state constituted along the lines of a just civil condition. The various
26 Ibid., § 46, p. 126 (A315); “und der dieser angemessenen Gleichheit aller im Volk, sich nämlich aus diesem passiven Zustande zu dem aktiven empor arbeiten zu können, nicht zuwider sein müssen.”
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offices of the state are staffed by and its duties carried out by particular people. The individual people who are citizens of an actual state are each subordinate to the laws commanded by the collectivity that is the “united will” of the “people” in accordance with the “laws of freedom.” But in actual practice, they are also subject to laws put into effect by particular people who are all themselves prone to substitute their own projects for those of the “general will.” To be sure, those actual people gain the real authority to legislate only by conforming to the source of all right, the “united people.” But this obviously does not entail that everything that they enact will be in fact or by definition in keeping with what the “universal will” would legislate. This raises some troubling questions about the relation of the “Idea” to actual life, questions which Kant squarely faces. Indeed, Kant draws a rather striking and problematic conclusion about this. The basis of the authority of a just state lies in each individual’s submitting to “mutual coercion”; as Kant notes, a “rightful condition is possible only by submission to its general legislative will.” (A320)²⁷ Resistance against the universal will is unthinkable because it would mean that an entire people would have to resist itself. But the “universal will” of the people must be embodied in some ruler or another who rules the people in its own name, for, as Kant puts it, “this head of state (the sovereign) is only a thought-entity (to represent the entire people) as long as there is no physical person to represent the supreme authority in the state and to make this “Idea” effective on the people’s will.” (A338)²⁸ Since the individuality of each would incline each to exempt himself from the duties imposed by mutual coercion if he could, it is necessary for each of us to obey the actual laws in force, even though each of us has the right to criticize those laws. Therefore, as an “Idea of practical reason,” Kant concludes, “the presently existing legislative authority ought to be obeyed, whatever its origin.” (A319)²⁹ Kant even goes so far as to point out an unexpected consequence of this: Although it is always wrong to carry out a change in the constitution by means of revolution (instead of reform), a regime established by such an illegitimate revolution is nevertheless one that le-
27 Ibid., p. 131 (A320); “denn nur durch Unterwerfung unter seinen allgemein-gesetzgebenden Willen ist ein rechtlicher Zustand möglich.” 28 Ibid., § 52, pp. 146–147 (A338); “eine reine Idee von einem Staatsoberhaupt, welche objektive praktische Realität hat. Dieses Oberhaupt (der Souverän) aber ist so fern nur ein (das gesamte Volk vorstellendes) Gedankending, als es noch an einer physischen Person mangelt, welche die höchste Staatsgewalt vorstellt, und dieser Idee Wirksamkeit auf den Volkswillen verschafft.” Werke, VIII, p. 461. 29 Ibid., p. 130 (A319); “der jetzt bestehenden gesetzgebenden Gewalt gehorchen zu sollen; ihr Ursprung mag sein, welcher er wolle.” Werke, VIII, p. 438.
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gitimately commands the people “to comply with the new order of things as good citizens.” (A322–323)³⁰ This right to be obeyed cannot be justified on the grounds that the “presently existing authority” is infallible or that it has any special insight. But then why should a fallible, particular person or body of persons be obeyed no matter what? Why does an agent forfeit his right of resistance to clearly immoral laws that contravene his basic rights? Kant says, bluntly, “The reason that a people has a duty to put up with even what is held to be an unbearable abuse of supreme authority is that its resistance to the highest legislation can never be regarded as other than contrary to law, and indeed as abolishing the entire legal constitution.” (A320)³¹ One has no right to resist the moral law; and the moral law requires that we unite in a state; and such a union requires that there be particular people who staff that state; and resistance to those people’s edicts would be equivalent to resistance to the rule of law in general. This might seem at first like a simple non sequitur on Kant’s part; the idea that it is wrong to resist the rule of law is not equivalent to resisting particular bad laws; one can resist the latter while endorsing the former. Kant’s argument, however, is that given our propensity to substitute our own cherished particular projects for the universal claims of reason, resistance to one law is equivalent to resisting all law. As soon as one or all of us resist any single law, we thereby authorize others to exercise their own “insight” and resist the laws that seem to them to be equally unjust, which, given our propensities to put our individual projects first, will be any law that contravenes some strongly held particular project or interest. In those conditions, the rule of law cannot survive. Kant himself obviously held this position quite strongly. For example, he is prompted to say that the execution of a monarch is “a crime that remains forever and can never be expiated… the sin that cannot be forgiven either in this world or the next… Like a chasm that irretrievably swallows everything, the execution of a monarch seems to be a crime from which the people cannot be absolved, for it is as if the state commits suicide.” (A321)³²
30 Ibid., p. 133 (A322–323); “…der Verbindlichkeit, der neuen Ordnung der Dinge sich, als gute Staatsbürger, zu fügen.” Werke, VIII, p. 442. 31 Ibid., p. 131 (A320); “Der Grund der Pflicht des Volks, einen, selbst den für unerträglich ausgebenen Mißbrauch der obersten Gewalt dennoch zu ertragen, liegt darin: daß sein Widerstand wider die höchste Gesetzgebung selbst niemals anders, als gesetzwidrig, ja als die ganze gesetzliche Verfassung zernichtend gedacht werden muß.” Werke, VIII, p. 440. 32 Ibid., p. 132n (A321); “Es wird als Verbrechen, was ewig bleibt, und nie ausgetilgt werden… diejenige Sünde… die welche weder in dieser noch in jener Welt vergeben werden kann… welches,
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But this seems to land Kant in a quandary. It seems that we are a priori required by a duty of “right” to subject ourselves to the worst forms of despotism even if experience shows us that acquiescing to such despotism will not only worsen matters, it will increase and prolong that despotic rule. This is a predicament that Kant himself himself notes in his essay on the “Idea of a Universal History With a Cosmopolitan Purpose”: Although any rational agent wants a universal law to limit the freedom of all, he will still always be “misled by his self-seeking animal inclinations into exempting himself from the law where he can. He thus requires a master to break his self-will and force him to obey a universally valid will under which everyone can be free. But where is he to find such a master? Nowhere else but in the human species. But this master will be an animal who needs a master… For each one of them will always misuse his freedom if he does not have anyone above him to apply force to him as the laws should require it. Yet the highest authority has to be just in itself and yet also a man.”³³ Kant famously concludes that “a perfect solution [to this problem] is impossible. From such crooked timbers as man, nothing straight can be built.”³⁴
8.4 The “Final End” of Politics: The Rule of Law If we examine Kant’s other works, it is fair to conclude that he does not simply leave the matter at that pessimistic conclusion. From the practical “Idea” of the state, he concludes, we get the notion of a final end of all political life, namely, the rule of law. This final end is that in terms of which we evaluate all our own contingent efforts at creating a rule of law. However, the same issues that bedevil Kant’s ethical theories in other regards also come to surface here. There is the general problem of why anyone should care about the right thing to do if it is so clearly opposed to his own particular projects; in various places, Kant speaks as if he thinks that his invocation of the “fact of rea-
wie ein alles ohne Wiederkehr verschlingender Abgrund, als ein vom Staate an ihm verübter Selbstmord, ein keiner Entsündigung fähiges Verbrechen zu sein scheint.” Werke, VIII, p. 442n. 33 Immanuel Kant, “Idea of a Universal History With a Cosmopolitan Purpose,” in: Kant 1991, p. 46; “so verleitet ihm doch seine selbstsüchtige tierische Neigung, wo er darf, sich selbst auszunehmen. Er bedarf einen Herrn, der ihn den eigenen Willen breche, und ihn nötige, einem allgemein-gültigen Willen, dabei jeder frei sein kann, zu gehorchen.” Werke, XI, p. 40. 34 Immanuel Kant, “Idea of a Universal History With a Cosmopolitan Purpose,” ibid., p. 46; “ja ihre vollkommene Auflösung ist unmöglich; aus so krummen Holze, als voraus der Mensch gemacht ist, kann nichts ganz Gerades gezimmert werden.” (Translation altered to fit the more famous citation from Isaiah Berlin.)
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son” and the idea that our lives are only meaningful when we acknowledge that “fact” solves the problem. But even more poignantly, there is the problem of why anyone should care about doing the right thing (obeying the existing powers) when those powers do not only thwart one’s own individual projects, they thwart the demands of right in general. The answer to this question cannot be consequentialist; it cannot rest, that is, on some calculation that it would be overall better not to resist because the consequences of resistance are much more dire. Nor can it be a straightforward appeal to something outside of philosophy such as “current practices” or the like; it cannot, that is, hold that whatever the ruling authorities interpret as the demands of the moral law really are the demands of the moral law at that time in that place (as if an interpretation of the moral law that held that some people were always to be servile to others, that such was necessary to give them the respect due to them, is an acceptable interpretation in that context.) And we have a hard time squaring the notion that it is “for the best” with something else Kant notes, namely, that the sacrifices we make by obeying despots who violate the rights of humanity will seem pointless to us unless we can make it consistent with the idea that it is a matter of our own dignity and the dignity of humanity. If there is any way out of this quandary, then it must lie, so Kant seems to think, in the idea that there is moral progress to be made in such submission to authority. And for us to think that to be possible, we must postulate a harmony between nature and freedom such that we must believe that it is as if nature herself compels us to form unions with each other such that each union will offer progressively better formulations of the rule of law and inexorably drive us in the direction, as Kant puts it, from barbarism to civilization and finally to freedom. As a practical matter, we must believe that nature, as it were, colludes with our freedom, forcing us by our own empirical makeup to construct a political state of affairs that will put us in a position where we will be able, as it were, finally to rise above nature and finally become the autonomous agents we implicitly always were. Otherwise, as Kant notes elsewhere, “it is a sight unfit for… the most ordinary, though right-thinking man to see the human race advancing over a period of time towards virtue, and then quickly relapsing the whole way back into vice and misery. It may perhaps be moving and instructive to watch such a tragedy [Trauerspiele] for a while; but the curtain must eventually descend. For in the long run, it becomes a farce. And even if the actors do not tire of it – for they are fools – the spectator does, for any single act will be enough for him if he
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can reasonably conclude from it that the never-ending play will go on in the same way forever.”³⁵ On practical grounds, we must assume, that is, that nature, in Kant’s words, has a “secret plan” for us, that there is a natural law to history that inevitably pushes us in the direction of the final end of political life, the rule of law; and that the final end of political life is itself justified in terms of something else, namely, as a propaedeutic to the “highest good,” the union of virtue and happiness “in this world” (as Kant took to calling it in his later writings and the Critique of Judgment).³⁶ The final end of political life is the rule of law, but, as Kant puts it in the Critique of Judgment), the “final end” (Endzweck) of the world is “the highest good in the world that we can achieve through freedom,” adding to this that the “highest good in the world consists in the combination of universal happiness, i. e., the greatest welfare of the rational beings in the world, with the supreme condition of their being good, namely, that they be moral in maximal conformity with the [moral] law.”³⁷ Politics is merely the propaedeutic to this, the penultimate condition for actualizing this final end in the world. For us to care about politics in a way that would ensure that our empirical natures do not throw insuperable roadblocks in our way or that our concern with the rights of humanity does not come to seem to us to be only a “farce,” a story full of sound and fury but signifying nothing, we must have a rational faith that our submitting to duty’s requirements fulfills a larger purpose than it obviously seems to fulfill within the experiential limits of our own short lifetimes. And this requires us, as Kant quite clearly realized, to have a rational faith in history as progressive, as being itself guided by a natural law that we postulate for practical, although 35 Immanuel Kant, “On the Common Saying: ‘This May Be True in Theory, but It Does Not Apply in Practice’ “ in ibid., p. 88; “So ist es ein… selbst des gemeinsten aber wohldenkenden Menschen höchst unwürdiger Anblick, das menschliche Geschlecht von Periode zu Periode zur Tugend hinauf Schritte tun, und bald darauf eben so tief wieder in Laster und Elend zurückfallen zu sehen. Eine Weile diesem Trauerspiel zuzuschauen, kann vielleicht rührend und belehrend sein; aber endlich muß doch der Vorhang fallen. Denn auf die Länge wird es zum Possenspiel; und, wenn die Akteure es gleich nicht müde werden, weil sie Narren sind, so wird es doch der Zuschauer, der an einem oder dem andern Akt genug hat, wenn er daraus mit Grunde abnehmen kann, daß das nie zu Ende kommende Stück ein ewiges Einerlei sei.” 36 That the “highest good” can be given such a secular interpretation is ably defended by Reath 1988, 593–619. 37 Kant/Gregor 2000, §§ 87–88, pp. 339–343 (450–453); “einen Endzweck, welchem nachzustreben es uns verbindlich macht: und diese ist das höchste durch Freiheit mögliche Gut in der Welt”; and “Wir sind a priori durch die Vernunft bestimmt, das Weltbeste, welches in der Verbindung des größten Wohls der vernünftigen Weltwesen mit der höchsten Bedingung des Guten an demselben, d.i. der allgemeinen Glückseligkeit mit der gesetzmäßigsten Sittlichkeit, besteht, nach allen Kräften zu befördern.”
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never for theoretical, reasons. The basis for postulating such a law for history as nature’s “secret plan” thus ultimately rests on a collective aspiration, a way in which each individual rational agent must eventually come to regard himself from a “cosmopolitan” point of view. Only when we come to regard ourselves as individual agents from such a “universal,” “cosmopolitan” point of view can we find any genuine rationale for us to identify our particular projects and aspirations with this more collective aspiration. Otherwise, we find ourselves in politics sacrificing our own plans and ambitions to something that can only seem, without such a “rational faith,” as a farce.
8.5 Conclusion: Kant’s Modernism Kant’s politics and his reasons for requiring us to move from the state of nature (as Zustand) to the juridically constituted state (as Staat) thus respond to key issues and dilemmas in the critical philosophy. But those dilemmas are also required by the structure of the critical philosophy, with its sharp separations of appearances and things-in-themselves (without which Kant’s “rational faith” can make no sense) and its attendant rigid dualisms of scheme/content, and concept/intuition – and, from the standpoint of his ethical and political theory, the distinction between my projects and those actions required of me by my operating in the “space of reasons.” If those dualisms are not themselves tenable, however, it remains open to question how much of the critical philosophy remains tenable. However, this seems to commit Kant to claims that he himself never explicitly makes and which are in tension with some of his more explicitly stated views. If Kant’s claims about the indispensability of political union for the realization of moral autonomy have the structure they seem to have, then there has to be some way in which we fail to realize our rational nature without entering into such political unions. This interpretation thus sees Kant’s political thought as structured around the notion that we are individually autonomous agents only if we are collectively engaged in some common project, even if the nature of that project is, oddly enough, a “secret” to us; so it seems, we can fail at realizing our autonomy by virtue of our own natural constitution as finite agents effectively preventing us from realizing our autonomy, and that without the proper political constitution, we will so fail. But as we have seen, this puts great strains on Kant’s own views about the unconditioned nature of the moral will, and he tries to lessen those strains through a variety of well known moves in his corpus, first by invoking the opposition of virtue and happiness (which dominates the Grounding of the Metaphysics of Morals and later the Critique of Practical Reason), and then invoking later in Religion Within the Limits of Reason Alone the doctrine of radical evil;
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and these thoughts dovetail with his popular writings on his speculative philosophy of history in which he concludes that we must conceive of nature as conspiring to lead us to a state in which our own individuality does not subvert our commitment to the rational law. Kant is pushed to those conclusions because of the dualistic structure of his own critical theory. In his own terms, he could only conceive of the “universal” moral law and “particular” aspirations of individuals as at best coordinated or harmonious but not as logically linked. For Kant, that is, it is always possible that my happiness can “line up” with my moral duties, but that can only be a matter of luck. There can nothing more than a contingent connection between the rational (“universal”) and the sensuous (“particular”) aspects of agency. Agents are simply constituted by those two competing sources of motivation. The move to the “Doctrine of Virtue” following the “Doctrine of Right” might then also be construed as responding to very similar dialectical tensions in Kant’s views. Freedom for Kant is self-legislation, that is, giving rules (maxims) to yourself; but all self-imposition of rules is always in the service of some end – we give ourselves rules (maxims) only in light of something we are trying to accomplish; autonomy, as distinct from freedom, would then consist in not only giving ourselves the rules but also in our a priori giving ourselves the ends that serve to justify and motivate the self-imposition of those rules. Kant’s problem then becomes that of determining just what those self-imposed ends might be; he tries the “Formula of Humanity” in the Groundwork of the Metaphysics of Morals, and he tries out the two so-called “obligatory ends” of the “Doctrine of Virtue,” and he also tries out the notion of the “highest good” in the Critique of Practical Reason, the Critique of Judgment and some of his more popular writings. The idea of the “final end” of the world keeps intruding on the scene. Behind all this is Kant’s anxious modernism, his attempt to show that the demands of modern reason were not subject to the kinds of criticisms voiced by the counter-Enlightenment, particularly by F.H. Jacobi, to the effect that although reason was capable of destroying firm cultural edifices, it was nonetheless incapable of replacing them with anything satisfactory. Kant’s own confrontation with modernity which led him to become such a philosophical radical led him to hold that in action, belief, and even aesthetic appreciation, it is reasons “all the way down,” that in looking for rational “foundations” for belief, action, or appreciation, we never encounter anything other than our own “spontaneity” at work, and in seeking someplace to rest, on which we can firmly place our own feet, we encounter only the self-enclosed world of our own “spontaneity” which uncovers as the rea-
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son behind our various judgmental activities only more reasons.³⁸ We find, as Hegel put it, only our own “infinity,” the activity of finding ourselves caught in the “space of reasons” with nothing outside of that space that would legitimate it or prop it up. Even religion, so Kant notoriously put it, had to be carried out within “reason alone.” The demands of reason, however, led Kant to a number of ways of postulating things as matters of “rational faith,” as something we must believe if we are to have the view of ourselves as practical agents that he argued we also must have but that we cannot demonstrate. How acceptable we find Kant’s arguments thus depend on how acceptable we find much of the edifice behind it. And our evaluation of that depends on our evaluation of whether Kant has really solved his major problem that runs throughout his ethical and political thought, the issue of what it means for an individual agent to impose a universal law on himself – in short, the issue of autonomy or modern freedom. It is clear that Kant thought that there were a priori conditions of nature that influenced the way in which agents could be in a position to perform these acts of self-imposition; and it is also clear that he thought such acts of self-imposition were in some sense made possible or impossible by our respective social situations. But he had and could have no clear idea of how that influence worked, given his distinction between two kinds of causality, and he ultimately had no clear idea about why agents would care about the moral law given the duality in their own natures. From a Kantian standpoint, the collapse of a form/content dualism along with the collapse of a rigid separation between appearances and things-in-themselves would throw even more of his own solution into question. This is, moreover, not just an academic debate. Much of the appeal of Kant lies in his having formulated the characteristic anxieties of modern life, namely, the idea that there is nothing more firm on which we can anchor our activities of judging, acting, and appreciating than our own spontaneity and accompanying that comes the train of the characteristically modern senses of loss of the past, of tradition, and the modern fear of aimless drifting with nothing to stop it or redirect it. Modernity, in Hegel’s phrase, places us in the realm of “free thought – of that voyage in the open, where nothing is below us or above us, and we stand in solitude with ourselves alone.”³⁹ Another great part of Kant’s appeal for his contemporary
38 This quite obviously leaves aside the issue of “unsynthesized intuitions” in the first Critique, a topic which is too broad to cover here. It was, though, the perceived impossibility of any such “unsynthesized intuitions” within the Kantian framework that animated so much of the post-Kantian, German idealist response to his work. 39 Hegel/Wallace 1975, § 31; “Der Gedanke ist in dieser sachlichen Umgebung frei un in sich zurückgezogen, frei von allem Stoff, rein bei sich. Dieses reine Beisichsein gehört zum freien Denken,
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neo-Kantian followers lies in his general ideas about “human dignity” and how it is bound up with a view of ourselves as self-directing, and his promises that we can put aside the anxieties of modern life about “drifting” or “falling” without orientation. Kant’s politics present us with an Enlightenment faith that reason can replace the structures of the older, discredited ecclesiastical order with an equally noble and rich order of its own, that the rational “Idea” can give us the guidance that the sacred text or our own traditions once did. What the tensions in Kant’s political thought point towards – and it would take volumes more to show this – are the projects that were taken up by his idealist successors. Kant’s very abstract sense that our practical judgments must be made in light of how we situate ourselves within an idealized community, and his successors’ sense that we must somehow be able to situate this idealized community within the historically specified, real communities in which we operate, helps us understand the idealist project and its ongoing relevance to ‘we moderns,’ who, whatever our various philosophical views may be, are always in so many ways also Kant’s descendants.
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dem ins Freie Ausschiffen, wo nichts unter uns und über uns ist und wir in der Einsamkeit mit uns allein dastehen.”
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Bernd Ludwig
9 Kommentar zum Staatsrecht (II) §§ 51–52; Allgemeine Anmerkung A; Anhang, Beschluss
9.1 Im § 51 (338), also erst in der zweiten Hälfte des Staatsrechts, führt Kant eine Unterscheidung ein, die für die Darstellung seiner Staatslehre grundlegend ist: Er unterscheidet hier die „Idee von einem Staatsoberhaupt“, welche schon im Begriff der„res publica latius dicta“ angelegt ist und „objective praktische Realität hat“, vom Begriff einer „physischen Person (…), welche die höchste Staatsgewalt vorstellt, und dieser Idee Wirksamkeit auf den Volkswillen verschafft“. In den vorangegangenen Paragraphen 45–49 hat er bereits den „Staat in der Idee“, den Staat, wie „er nach reinen Rechtsprincipien sein soll“ und der allen Gemeinwesen zur „Richtschnur (norma)“ dient (§ 45, 313), vorgestellt. In den verbleibenden Paragraphen 51 und 52¹ widmet Kant sich dann den verschiedenen Formen, in denen die Staatsgewalt als „physisches“ Oberhaupt erscheint. Die dieser architektonischen Einteilung zugrundeliegende begriffliche Unterscheidung bringt Kant erst ein Jahr später in einer Publikation auf den kritischen Begriff: Es handelt sich um die Gegenüberstellung von „respublica noumenon“ und „respublica phaenomenon“ aus dem Streit der Fakultäten. Nachdem Kant hier zunächst die Monarchie Englands als ein trügerisches „Beispiel“ (VII 90, 16) für eine vorgeblich vorbildliche Staatsverfassung kritisiert hat, erörtert er im Anschluß allgemein das Verhältnis von der Idee einer Verfassung und deren Realisierung: „Die Idee einer mit dem natürlichen Rechte der Menschen zusammenstimmenden Constitution […] liegt bei allen Staatsformen zum Grunde, und das gemeine Wesen,
1 Verdeckt wird die durchsichtige Architektonik des Staatsrechts durch die mißglückte Realisierung des Drucktextes von 1797. Die §§ 45, 48, 46 und 49 bilden – in dieser Reihenfolge – die Darstellung des „Staates in der Idee“, § 47 leitet dann mittels eines Konstituierungstheorems (,ursprünglicher Kontrakt‘) zu den §§ 51 und 52 über, welche die Person des Oberhaupts behandeln; § 50 fällt aus diesem Schema heraus. – Zur Wiederherstellung der von Kant offensichtlich intendierten Gestalt des Textes siehe Ludwig 2005, 75 ff. Zwar gibt erst der rekonstruierte Text die klare Architektonik und Argumentationslinien des Staatsrechts wieder, die im folgenden zugrunde gelegte Zweiteilung liegt aber auch in der 1797 gedruckten Fassung vor. https://doi.org/10.1515/9783110782509-010
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welches, ihr gemäß durch reine Vernunftbegriffe gedacht, ein platonisches Ideal ² heißt (respublica noumenon), ist nicht ein leeres Hirngespinnst, sondern die ewige Norm für alle bürgerliche Verfassung überhaupt und entfernt allen Krieg. Eine dieser gemäß organisirte bürgerliche Gesellschaft ist die Darstellung derselben nach Freiheitsgesetzen durch ein Beispiel in der Erfahrung (respublica phaenomenon).“ (VII 90) Wenngleich auch noch nicht im Gewand der genuin kritischen Terminologie von noumena und phaenomena, so artikuliert Kant doch diese Unterscheidung bereits mit derselben begrifflichen Schärfe im Beschluß jenes „Anhangs erläuternder Bemerkungen“, der 1798 der zweiten Auflage der Rechtslehre beigegeben wurde: „… was zu den Ideen gezählt werden muß, denen adäquat kein Gegenstand in der Erfahrung gegeben werden kann, dergleichen eine vollkommene rechtliche Verfassung unter Menschen ist, das ist das Ding an sich selbst. Wenn dann nun ein Volk, durch Gesetze unter einer Obrigkeit vereinigt, da ist, so ist der Idee der Einheit desselben überhaupt unter einem machthabenden obersten Willen gemäß als Gegenstand der Erfahrung gegeben; aber freilich nur in der Erscheinung; d. i. eine rechtliche Verfassung im allgemeinen Sinne des Worts ist da.“ (371) In einer Vorarbeit zum Streit der Fakultäten hatte Kant das kritische Begriffspaar sogar unmittelbar auf die Staatsformenlehre bezogen, und er liefert uns damit den Schlüssel zum Aufbau des gesamten Staatsrechts: „Respublica noumenon oder phaenomenon. Die letztere hat drey Formen, aber respublica noumenon ist nur eine und dieselbe“ (RR XIX 609). Während der erste der in § 51 genannten Begriffe, der ‚objectiv-practische‘ von einem Staatsoberhaupt, in den vorangehenden Pragraphen im Rahmen der durch Rousseau inspirierten Erörterung von Souveränität und Gewaltenteilung expliziert wurde (was ich hier nur andeuten kann), ist die Bestimmung des zweiten Begriffs von einem (physischen) Oberhaupt Gegenstand einer gleichsam idealtypischen Präsentation der drei klassischen Staatsformen Monarchie, Aristokratie und Demokratie in der nachfolgenden Staatsformenlehre der Metaphysik der Sitten. Dieser zweistufigen Darstellung des Staatsrechts liegt – wie ein kurzer Umweg über andere Kantische Äußerungen aus derselben Zeit nun gezeigt hat – die kritische Unterscheidung von ‚Ding an sich selbst‘ und ‚Erscheinung‘, von respublica noumenon und respublica phaenomenon zugrunde. Nehmen wir nun noch Kants Behauptung in der Vorrede hinzu, daß er „gegen das Ende des Buchs“ Gegenstände verhandelt habe, die „eben jetzt so vielen Discussionen unterworfen und dennoch so wichtig sind, daß sie den Aufschub des entscheidenden Urtheils auf einige Zeit wohl rechtfertigen können.“ (209) Man wird zu Recht vermuten, daß sich Spuren jener‚Discussionen‘, wenn überhaupt, dann vor
2 Ein Ideal ist die „Vorstellung eines einzelnen als einer Idee adäquaten Wesens“ (KU V 232; vgl. dazu ausführlich KrV B 596).
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allem in der Lehre von der respublica phaenomenon finden, denn eine durch die Zeitumstände bedingte Vorläufigkeit wird man kaum auf die Darstellung der Staatsidee beziehen wollen, welche ja schließlich – wie oben zitiert – eine „ewige Norm für alle bürgerliche Verfassung“ darzustellen beansprucht. Und in der Tat fügt sich diese Vermutung zu der Beobachtung, daß Kants Vorstellungen bezüglich der Staatsformen zumindest in den knapp zwei Jahren vom Ewigen Frieden bis zur Rechtslehre einem Wandel unterworfen gewesen sind. Die ‚vielen Discussionen‘ auf die Kant sich beruft, sind – wie sich zeigen wird – nichts anderes, als das Echo, welches die französische Revolution (wie auch die korrespondierende ‚konterrevolutionäre‘ Politik Englands) in Deutschland findet. Auch wenn die Bezüge für den heutigen Leser nicht mehr offensichtlich sein mögen: Ein Seitenblick in die uns überlieferten Vorarbeiten kann unmittelbar deutlich machen, daß Kant einige seiner zentrale Gedanken in unmittelbarer Auseinandersetzung mit der aktuellen Politik entwickelt hat. In der Rechtslehre selbst findet die Einbeziehung der aktuellen Diskussionen ihren systematischen Ausdruck darin, daß die Vermittlung von rechtlichem Staatsideal einerseits und Politik als ‚ausübender Rechtslehre‘ (Frieden VIII 370) andererseits erstmals in einem eigenständigen Lehrstück reflektiert wird. Dieses Lehrstück, enthalten in den §§ 51 und 52, ist seinerseits – wie sollte es in metaphysischen Anfangsgründen auch anders sein – selbst durch das vorangehende Privatrecht antizipiert. Es ist daher, wie sich zeigen wird, ganz unabhängig von der möglicherweise aktuellen Veranlassung durch die „vielen Discussionen“, ein unverzichtbarer Bestandteil einer Rechtsphilosophie, der es nicht nur darum geht, ein ‚platonisches Staatsideal‘ zu entwickeln, sondern immer auch darum, mit der rechtlichen Freiheit der Menschen hier und jetzt ernst zu machen.
9.2 Die enge systematische Rückbindung von Kants ‚Idee des Staates‘ auf die vorangehenden Teile der Rechtslehre kann hier nur noch angedeutet werden: Sie zeigt sich unter anderem in der Antizipation des Form gewaltenteiligen Staates durch die Architektonik des Privatrechts, d. i. in der Lehre „Vom äußeren Mein und Dein überhaupt“: Dessen drei Hauptstücke (d. i.: Besitzlehre, Erwerbungslehre und Lehre von der subjektiv-bedingten Erwerbung vor einer Gerichtsbarkeit) stehen, nach dem Muster der drei Sätze eines „praktischen Vernunftschlusses“ (313), für Gesetzgebungs-, Exekutions- und Rechtssprechungsfunktion des Staates. Kurz: Die im Privatrecht herausgearbeitete dreistufige Bestimmungsbedürftigkeit des äußeren Mein und Dein (gemäß Gesetz, Subsumtionsregel und Sentenz) findet Ausdruck in den drei unterschiedenen Gewalten des „Staates in der Idee“.
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Kant bedient sich nun in der Darstellung seiner Gewaltenteilungslehre eines charakteristischen Superlativs, um auf die komparativ-normative Funktion hinzuweisen, die diesem Begriff eines „Staates in der Idee“ in der Folge zukommt: Es ist der „Zustand der größten Übereinstimmung der Verfassung mit Rechtsprinzipien“, worin das „Heil des Staates (salus reipublicae)“ zu sehen ist (318). Die in diesem Ideal zum Ausdruck gebrachte „Vollständigkeit der Staatsverfassung“ (316) besteht ihrerseits in der Bei- und Unterordnung der drei Gewalten gemäß der Vorgabe des praktischen Syllogismus: Gesetz, Subsumtionsregel, Rechtsspruch. Und dieser Syllogismus ist die Grundlage eines jeden partikularen Rechtsurteils. Damit zeigt sich, daß die Idee des Staates bei Kant mit der Idee des institutionalisierten Rechts identisch ist. Der Begriff einer „völlig reinen Staatsverfassung“, den Kant auf diese Weise herausgearbeitet hat, ist – so formuliert es die bereits erwähnte Vorarbeit zum Streit der Fakultäten – nichts anderes als die „Idee einer Republik“ (RR XIX 609). Kant resumiert im § 51 der Rechtslehre: „Die drei Gewalten im Staat, die aus dem Begriff eines gemeinen Wesens über- haupt (res publica latius dicta) hervorgehen, sind nur so viel Verhältnisse des vereinigten, a priori aus der Vernunft abstammenden Volkswillens und eine reine Idee von einem Staatsoberhaupt, welche objective praktische Realität hat.“ (338) Die eingangs erwähnte architektonische Grundentscheidung der Metaphysik der Sitten, die Gewaltenlehre im Kontext einer Theorie des Staates in der Idee, der respublica noumenon und die Theorie der Staatsformen hingegen im Kontext der respublica phaenomenon anzusiedeln, hat nunmehr zur Folge, daß die drei klassischen Staatsformen, Monarchie, Aristokratie und Demokratie als jeweils unterschiedene Verhältnisse eines alle drei Gewalten vorstellenden physischen „Oberhauptes“ zur„vereinzelten Menge ebendesselben als Untertans“ (315) gefaßt werden. Kant geht folglich bei der Diskussion der Staatsformen nun von der – realistischen – Voraussetzung aus, daß insbesondere die Legislativgewalt nicht durch einen empirischen Volkswillen getragen wird: Die Person, welche „die höchste Staatsgewalt“ darstellt, schafft vielmehr der Idee eines Oberhaupts „Wirksamkeit auf den Volkswillen“, in dem sie alle drei Gewalten, die „aus dem Begriff eines gemeinen Wesens überhaupt hervorgehen“ (338), in einer physischen Person vorstellt. Autokratie, Aristokratie und Demokratie sind damit nicht etwa – wie bei Rousseau – die dem souveränen Volkswillen untergeordneten Formen der Exekutive, sondern vielmehr die spezifischen Organisationsformen der Souveränität selbst. Dies kommt einerseits in jener nachdrücklichen Formulierung des § 51 zum Ausdruck, daß der Monarch im Rahmen der Staatsformenlehre korrekterweise „Autokrator“ (also Selbstherrscher, nicht etwa Selbstregierer) genannt werden müsse, und andererseits darin, daß Kant explizit darauf hinweist, daß in der autokratischen Staatsform „nur einer der Gesetzgeber“ sei – die Frage nach der Gewaltenteilung ist hier offensichtlich kein Thema mehr. Die Staatsformen als solche gehören somit, wie Kant betont, bloß „zum Maschinenwesen der Staatsver-
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fassung“. Sie sind „nur der Buchstabe der ursprünglichen Gesetzgebung“ und mögen (als „alte empirische (statuarische) Formen, welche blos die Unterthänigkeit des Volks zu bewirken dienten“) „durch alte und lange Gewohnheit (also subjektiv) für notwendig gehalten werden“ (340). Die Stellung von Oberhaupt (als ‚physischer Person‘) und Untertan (als Volksmenge) – bei der wir in § 51 angekommen sind – hatte Kant bereits zuvor im § 41 des „Übergangs von dem Mein und Dein im Naturzustande zum dem im rechtlichen Zustande“ (306 f.) angesprochen und dabei darauf hingewiesen, daß der „Verein“ von Oberhaupt und Untertan nicht „Gesellschaft“ genannt werden könne: Beide seien nicht als „Gesellen (…) einander beigeordnet“, sondern als „Befehlshaber“ und „Untertan“ „einander untergeordnet“. In einer früheren Notiz heißt es dazu fast gleichlautend, daß „… Oberhaupt und Volk als Herrscher nie eine und dieselbe Person seyn können indem das letztere blos gehorcht der erstere aber blos gebietet (wie denn unter diesen beyden zwar eine Verbündung, Unio, aber keine Gesellschaft superior et subiectus gedacht werden kann) mithin das Volk nicht durch sich selbst sondern nur durch Stimgebung an gewisse Repräsentanten unter ihnen herrschen kann.“ (Vorarbeiten XXIII 161) Der letzte Teilsatz bringt das Stichwort ein, welches in der Rechtslehre an dieser Stelle erstaunlicherweise nicht fällt, aber zentral für die Staatsformenlehre als ganze ist: Repräsentation. Alle Staatsformen sind – allein weil sie Formen des Verhältnisses eines Oberhauptes zum Volk als Untertan, also Formen der Herrschaft, sind – ihrem Wesen nach repräsentativ: Das Oberhaupt stellt als Repräsentant des Volkswillens den allgemeinen Willen gegenüber dem Volkswillen vor. Kant trägt hiermit jener Kritik Rechnung, die ihm sein vermeintlicher Rousseauismus im Gemeinsspruch von 1793 von konservativer Seite eingebracht hat (siehe dazu auch Frieden VIII 366): Die nicht-repräsentative Republik Rousseaus ist eine Staatsform für Götter oder Engel, und daher ist sie für die menschliche Gesellschaft nicht mehr – aber eben auch nicht weniger – als ein Ideal. Eine weitere bedeutende Folge der Kantischen Entscheidung, den Begriff der respublica phaenomenon von dem Moment der tatsächlichen Separation der drei Gewalten (welches nurmehr zu dem der respublica noumenon gehört) zu befreien, zeigt sich am Begriff des Despotismus. Die Despotie stellt in der Begrifflichkeit der Rechtslehre das Prädikat einer Perversion des „Staates in der Idee“ vor: die Usurpation der Legislative durch die Exekutive (§ 49). Sie kann somit nicht unmittelbar mit einer spezifischen äußeren Organisation eines Staatswesens verknüpft werden (denn als respublica phaenomenon ist e definitione keine der drei Staatsformen ‚physisch‘ gewaltenteilig), und es kann aus diesem Grunde von vornherein keine besondere begriffliche Beziehung der Despotie zu einer der drei Staatsformen erwartet werden. Vielmehr muß die Despotismus-Frage allein mit Blick auf die StaatsIdee, die ‚ewige Norm‘, erörtert werden: Ein Staatswesen, welches – ungeachtet seiner äußeren Organisation als Autokratie, Aristokratie oder Demokratie – so
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verwaltet wird, daß der Regent den gesetzgebenden Willen als seinen Privatwillen behandelt, steht einem ‚Ideal der Despotie‘ näher als dem Ideal der Republik. Während die Staatsformenlehre allein auf die Binnenstruktur der respublica phaenomenon Bezug nimmt – eine systematische Absicht, mit der Kant (wie sich gleich zeigen wird) von der Position der Friedensschrift Abstand nimmt –, gehört die Gegenüberstellung von Despotie und Republik allein zur Sphäre der civitas noumenon. Hier aber hat die Frage nach der Staatsform keine eigenständige Bedeutung. Gemessen am Ideal hingegen können Staaten in der Erscheinung selbst „despotisch“ oder „republikanisch“ regiert werden. In diesem Sinne betont Kant im Streit der Fakultäten, daß die republikanische Verfassung „es entweder selbst der Staatsform nach sein mag, oder auch nur nach der Regierungsart, bei der Einheit des Oberhaupts (des Monarchen) den Gesetzen analogisch, die sich ein Volk selbst, nach allgemeinen Rechtsprinzipien geben würde.“ (VII 88) Der Begriff „despotisch“ wird von Kant konsequenterweise bereits im Rahmen der Erörterung des Staates „in der Idee“ definitorisch eingeführt (§ 49), und die Staatsformenlehre greift nur darauf zurück, indem sie dem Ideal der reinen, gewaltenteiligen Republik die Despotie mit ihrer Kontamination der Gewalten gegenüberstellt.
9.3 Blickt man von dieser Konzeption zurück auf die Schrift vom Ewigen Frieden, so wird deutlich, daß Kant die systematische Trennung von „Idee eines Oberhauptes“ und Staatsform im Jahre 1795 noch nicht vollzogen hatte. Die Staatslehre der Metaphysik der Sitten bekommt erst vor diesem Hintergrund ein charakteristisches Profil, so daß ein kurzer Exkurs hier angebracht ist. Die beiden Unterscheidungen (die der drei Staatsformen einerseits und die von Despotie und Republik andererseits), welche sich in der Rechtslehre – ganz im Geiste der kritischen Philosophie – jeweils auf Erscheinung und Idee des Staates beziehen, werden im Ewigen Frieden beide gleichermaßen auf die Form des Staates angewandt: Als „Form der Beherrschung (forma imperii)“ und als „Form der Regierung (forma regiminis)“ (VIII 352). Während die erste dieser Unterscheidungen die Person des Herrschers in den drei Staatsformen Autokratie, Aristokratie und Demokratie thematisiert, zielt die zweite auf den Unterschied von Republikanismus und Despotismus und damit auf die Trennung von Herrscher- und Regierungsgewalt. Kants Argumentation ist an dieser Stelle vornehmlich dem Nachweis gewidmet, daß Republikanismus und Demokratie nicht identisch seien (Frieden VIII 351) und letztgenannte vielmehr „nothwendig ein Despotism“ sei. Das muß nach den obigen Betrachtungen zum Staatsrecht irritieren: Die begrifflichen Unterscheidungen von Despotie und Republik einerseits und der
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drei Staatsformen andererseits liegen 1797 schließlich auf ganz unterschiedlichen Ebenen. Die Grundidee der Argumentation von 1795 – und ihr Unterschied zu der in der späteren Rechtslehre – läßt sich allerdings mit Hilfe einer Vorarbeit zum Ewigen Frieden besonders deutlich herausarbeiten (siehe Vorarbeiten XXIII 165 f ). Kant unterscheidet dort in traditioneller Manier die ‚Substanz‘ von der‚Form‘ des Staates (und nicht etwa dessen ‚Idee‘ von der‚Erscheinung‘), wobei erstere – wie auch in der Friedensschrift selbst – durch die forma imperii („einer, oder einige, oder alle“), letztere durch die forma regiminis bestimmt wird. Diese Form der Regierung nun ist entweder despotisch oder republikanisch: Ersteres ist der Fall in der „bloßen Demokratie“ (der Demokratie „an sich“, in der „der Souverän zugleich die Regierung“ führt), das zweite in der „Demokratie in einem repräsentativen System“ sowie in den beiden ersten Staatsformen, die „als Oberhäupter zugleich“ das Volk „repräsentiren“ – wenn sie „vorsatzlich Principien der republicanischen Regierungsart zu allmäliger Einschränkung ihrer Staatsgewalt durch die Stimme des Volkes angenommen haben“. Ein König, der das Volk rechtskräftig repräsentiert, ist andererseits „unter allen Despoten der beste“, die Adelsgewalt „ist schon übler“, „am Meisten“ (übel) ist die Despotie als Demokratie. Der Republikanismus ist hier in der Vorarbeit zunächst offensichtlich durch zwei – voneinander begrifflich unabhängige – Merkmale ausgezeichnet: Zum einen durch die Trennung von Exekutive und Legislative, zum anderen durch die Repräsentation, d. i. die faktische Trennung von Volk und Staatsoberhaupt. Da in Monarchie und Aristokratie – naturgemäß – Volk und Oberhaupt nicht identisch sind, erfüllen beide die Forderung nach Repräsentation unvermeidlich;³ sie sind somit bereits allein durch die vorsätzliche Aufnahme einer die Gewaltenteilung antizipierenden Regierungsart zum „Republikanismus“ fähig. Daneben kann aber offensichtlich auch die „demokratische Verfassung in einem repräsentativen System“ republikanisch sein, ja von allen drei Staatsformen gilt sie Kant sogar als diejenige, die am ehesten eine den Rechtsbegriffen „gemäße“ Form der Regierung erlaubt. Ganz anders hingegen die Demokratie in ihrer nicht-repräsentativen Form: In ihr führt das Volk „als Souverän zugleich die Regierung welches Despotie ist.“ Diese negative Bewertung der nicht-repräsentativen Demokratie finden wir bekanntlich auch in der Druckfassung des Ewigen Frieden: „Die Regierungsform nämlich, die nicht repräsentativ ist, ist eigentlich eine Unform, weil der Gesetzgeber in einer und derselben Person zugleich Vollstrecker seines Willens sein kann“ (VIII 352). Kant führt dies an, um damit den Despotie-Vorwurf an die Adresse der „De-
3 Siehe Vorarbeiten XXIII 166: „die zwey erstere Staatsformen repräsentiren als Oberhäupter zugleich das Volk die dritte ist an sich [!] garnicht repräsentativ“; vgl. auch ebd. 160 f.
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mokratie im eigentlichen Verstande“ zu begründen. Der Republikanismus wird hier offensichtlich von Vornherein begrifflich im Gegensatz zur Demokratie entwickelt, er setzt die Repräsentation, d. i. die institutionelle Differenz von Souverän und Volk voraus. Die alternative Konzeption einer „demokratischen Verfassung in einem repräsentativen System“, mit der Kant noch in der Vorarbeit operierte, hat er hingegen nicht in den Drucktext übernommen. Allerdings wird die Struktur des Kantischen Arguments auch in der Friedensschrift erst dann deutlich, wenn man auf das vollständige Viererschema der Vorarbeit Bezug nimmt: Als repräsentative Staatsformen sind Demokratie, Aristokratie und Monarchie gleichermaßen des Republikanismus fähig (die letztgenannte der Vorarbeit zufolge sogar in vorzüglicher Weise). Im Unterschied zu den beiden anderen kann die Demokratie aber (auch) in einer nicht-repräsentativen Variante gedacht werden, und es ist eben diese Variante, die für Kant notwendigerweise eine nicht-rechtmäßige exekutive Gewalt „gründet“, da „Alle, die doch nicht Alle sind“ wider einen Einzelnen beschließen (Frieden VIII 352). Kant setzt damit in seiner pauschalen Demokratie-Kritik der Friedensschrift stillschweigend voraus, daß die Demokratie hier ausschließlich im nicht-repräsentativen Sinne verstanden wird, gleichsam als direkte Gesetzgebung und Regierung aller im Sinne der attischen Staatsverfassung (vgl. RR XIX 595,14 ff.) und suggeriert somit eine begriffliche (sc. ‚nothwendig‘) Identifizierung von NichtRepräsentation und Demokratie – und damit von Demokratie und Despotie. Weshalb Kant die Demokratie hier nun allerdings ausschließlich im genannten Sinne der nicht-repräsentativen Herrschaft erörtert, bleibt zunächst im Dunkeln: Seine Behauptung, daß sie „eine dem Geiste eines repräsentativen Systems gemäße Regierungsart“ nicht annehmen könne, „weil Alles da Herr sein will“ (Frieden VIII 353), vermag ein Argument nicht zu ersetzen. Betrachtet man nun die Demokratie-Kritik der Friedensschrift vor der kritischen Folie der Metaphysik der Sitten, so muß die ältere Konzeption von vornherein verfehlt erscheinen: Sind die Staatsformen jene Formen der Verfassung, welche dem Oberhaupt Wirksamkeit auf den Volkswillen verschaffen, dann gibt es für die – ja durchaus denkbare – nicht-repräsentative Demokratie überhaupt keinen systematischen Ort innerhalb einer solchen Staatsformenlehre. Ihre dortige Verortung zeugt vielmehr von einer Begriffsverwirrung, die eine „Unform“ (Frieden VIII 352), eine Perversion des Ideals der reinen Republik mit einer möglichen Realisierung des Staates in der Erscheinung konfundiert, und das wäre im Sinne der kritischen Philosophie ein unverzeihlicher Fehler. In einer Reflexion verweist Kant entsprechend auf die despotischen Demokratien der Antike und bemerkt dann: „Es kann despotische Regierungen geben, es giebt aber keine despotische Staatsverfassung“ (RR XIX 595). Die Despotie als solche ist eben kein vollständiges Staatsideal, denn sie realisiert stets nur eine der Gewalten. Um die oben herangezogene Vorarbeit steht es
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– wie wir sehen – in dieser Hinsicht auch nicht besser: Indem sie die nicht-repräsentative Demokratie mit der Monarchie und der Aristokratie in die Reihe der Staatsformen stellt – und den beiden letztgenannten die repräsentative Demokratie als dritte repräsentative Staatsform beiordnet –, hat sie die Unterscheidung von respublica noumenon und respublica phaenomenon ebenfalls bereits im Ansatz verfehlt. Die systematische Entkopplung von Despotismusdoktrin und Staatsformenlehre, zu der die Rechtslehre 1797 gelangt ist, stellt nun aber nicht nur ein bloßarchitektonisches Detail dar, sondern sie macht sich vielmehr nachdrücklich in der veränderten Rangordnung der Staatsformen bemerkbar, womit sie auch politische Konsequenzen zeigt. Wenn man das übersieht, erscheint die Kantische Entwicklung zwangsläufig als bloße Verwirrung. Im Ewigen Frieden führte Kants Forderung nach möglichst umfassender Repräsentation, wie wir sahen, zu einer kategorischen Ablehnung der Demokratie und zu einer absoluten Favorisierung der Monarchie, welche letztere er dort in größter Affinität zum Republikanismus sah: „Man kann daher sagen: je kleiner das Personale der Staatsgewalt (die Zahl der Herrscher), je größer dagegen die Repräsentation derselben, desto mehr stimmt die Staatsverfassung zur Möglichkeit des Republikanism […]. Aus diesem Grunde ist es in der Aristokratie schon schwerer als in der Monarchie, in der Demokratie aber unmöglich anders als durch gewaltsame Revolution zu dieser einzigen vollkommen rechtlichen Verfassung zu gelangen.“ (Frieden VIII 353, vgl. Vorarbeiten XXIII 432) Kant übernimmt diese Rangfolge der Staatsformen zwar in die Schrift von 1797, doch er betont sogleich, daß sie ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität gelte: „Man wird leicht gewahr, daß die autokratische Staatsform die einfachste sei, nämlich von Einem (dem Könige) zum Volke, mithin wo nur Einer der Gesetzgeber ist […]. Was die Handhabung des Rechts im Staat betrifft, so ist freilich die einfachste auch zugleich die beste …“ (339) Auf eine immanent-juridische Auswertung dieser Axiologie der Staatsformen, verzichtet Kant in der Metaphysik der Sitten vollkommen (womit er sich wieder der seit Aristoteles ohnehin gängigen Auffassung anschließt, daß die Staatsformenfrage sekundär ist). Allerdings macht Kant hier nun geltend, daß es möglich ist, die Tauglichkeit jener drei Staatsformen hinsichtlich der Antizipation der Republik gegeneinander abzuwägen. Unter dieser leitenden Perspektive sieht er sich veranlaßt, das Urteil aus der Friedensschrift zu revidieren. Kant setzt die obigen Erörterungen fort: „… aber, was das Recht selbst anlangt, [ist die Autokratie] die gefährlichste fürs Volk in Betracht des Despotismus, zu dem sie so sehr einladet. Das Simplificiren ist zwar im Maschinenwerk der Vereinigung des Volks durch Zwangsgesetze die vernünftige Maxime: wenn nämlich alle im Volk passiv sind und Einem, der über sie ist, gehorchen; aber das giebt keine Unterthanen als Staatsbürger“ (ebd.). Die Bewertung der Staatsformen kehrt sich hier offensichtlich um. Die Monarchie wird nun zum Einfallstor für den Despotis-
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mus, welcher in der Friedensschrift noch als ‚notwendiges‘ Attribut der Demokratie gegolten hatte. Der kritischen Unterscheidung im Staatsrecht von 1797 fällt damit eine politisch-rechtliche Position von 1795 zum Opfer! Kants Auffassung einer grundsätzlichen juridischen Gleichwertigkeit der Staatsformen zeigt sich deutlich bei der Frage nach der rechtmäßigen Umwandlung der Staatsverfassungen. Der Souverän – im Kontext der respublica phaenomenon heißt das: das alle drei Gewalten in einer physischen Person vorstellende Oberhaupt – vermag seine eigene Verfassung zu ändern, wenn diese „mit der Idee des ursprünglichen Vertrags nicht wohl vereinbar“ ist (340). Eine solche Umwandlung der Verfassung steht nun zwar nicht im völligen „Belieben“ des Oberhauptes selbst, doch die verbleibende Restriktion ist erstaunlich schwach. Kant weist deutlich auf eine und – was daran bemerkenswert ist – eben nur diese eine Restriktion seiner „freien Wahl“ hin: Es ist die Präferenz des Volkes, welche die jeweils „zuträgliche“ Verfassung auszeichnet.⁴ König, Adel oder der „demokratische Verein“ (341) sind somit verschiedene mögliche Repräsentanten des Volkes. Die Rechtslehre stellt die Möglichkeit der Repräsentation – wie wir sahen – dezidiert systematisch vor die Unterscheidung der Staatsformen und benutzt damit den Begriff der Repräsentation nicht mehr – wie noch die Friedensschrift – dazu, die Demokratie als Staatsform zu diskreditieren. Kants „reine Republik“ ist – mit Plato – eine Norm, aber sie ist – gegen Rousseau – keine besondere Darstellung (Streit VII 91, 6) des Staates. Sie ist in der Tat nichtrepräsentativ, denn sie ist als „Staat in der Idee“ Selbstherrschaft des Volkes sensu stricto, und in ihr werden alle Gesetze – so der § 46 der Rechtslehre – einstimmig beschlossen (vgl. RR XIX 609, 30). Die Republik in der Erscheinung hingegen, jede angemessene Realisierung des Staats ist stets repräsentativ. Oberhaupt und Untertan sind personal nicht identisch. Sie hat allerdings mit der Idee einer staatsformenunabhängigen „reinen Republik, ihrer Wirkung nach“ (340) zusammenzustimmen. „Der Wirkung nach“ heißt hier: verwaltet, als ob von einer personal getrennten Exekutive nach Gesetzen regiert, die dem vereinigten Volkswillen – eines aufgeklärten Volkes – hätten entspringen können. Die „wahre Republik“ – und diese Formel müssen wir nun lesen als: Die weitestgehend vollkommene Darstel-
4 Kant bezieht sich hier möglicherweise – kritisch – auf Sieyès: „Es steht der Nation jederzeit frei, ihre Verfassung zu reformieren. Besonders wenn diese umstritten ist, kann sie nicht umhin, sich eine einwandfreie Verfassung zu geben. (…) Eine an Verfassungsregeln gebundene Körperschaft kann nur nach ihrer Verfassung entscheiden. Eine andere Verfassung kann sie nicht geben. (…) Selbst die Generalstände wären, wenn sie tagen würden, nicht berechtigt, irgend etwas über die Verfassung zu entscheiden. Dieses Recht gehört allein der Nation, die – wir wiederholen es immer wieder – an keinerlei Formen und Bedingungen gebunden ist.“ (Qu’est-ce que le tiers état, 172).
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lung der „Idee der Republik“ in einem realen Staatswesen⁵ – ist jedoch nicht allein repräsentativ, sie ist darüber hinaus ein „repräsentatives System des Volks, um im Namen desselben, durch alle Staatsbürger vereinigt, vermittels ihrer Abgeordneten (Deputierten) ihre Rechte zu besorgen“ (341). Der ‚politische‘ Unterschied von Demokratie, Aristokratie und Autokratie zieht sich damit letztlich ganz auf den hinsichtlich der Elitenrekrutierung zusammen: Das von den Bürgern gewählte Parlament gegen den Klüngel der Aristokraten und gegen die Dynastie der Monarchen. Allein die repräsentative Demokratie ist – als von aller historischen Partikularität befreit (VI 100 und 369) – die angemessene, d. i. „wahre“ Darstellung der Idee der Republik in einem Beispiel der Erfahrung, und solange eine solche nicht besteht, ist es „Pflicht der Monarchen, ob sie gleich autokratisch herrschen, dennoch republicanisch (nicht demokratisch) zu regieren, d. i. das Volk nach Principien zu behandeln, die dem Geist der Freiheitsgesetze (wie ein Volk mit reifer Vernunft sie sich selbst vorschreiben würde) gemäß sind, wenn gleich dem Buchstaben nach es um seine Einwilligung nicht befragt würde.“ (VII 91) Kant macht immer wieder nachdrücklich deutlich, daß sein Begriff einer demokratischen Staatsverfassung mit dem des Rousseauschen Staates für ein ‚Volk von Göttern‘ wenig gemein hat und daß er von Hobbes die Lektion über die Konstitution eines Volkes gelernt hat. Erst durch den Willen eines Einzelnen oder einer Versammlung – d. h. vermittels der Repräsentation – wird aus der Menge ein Volk. In der Anmerkung zum § 52 weist er konsequenterweise darauf hin, daß durch die Einberufung der Generalstände seitens Ludwig XVI. die „Herrschergewalt des Monarchen gänzlich verschwand […] und aufs Volk [!] übergegangen ist“ (341, vgl. dazu RR XIX 595 f ). Wenn aber für Kant hier die französischen Generalstände „das Volk“ sind, dann ist jede Spekulation über eine – womöglich versteckte – Forderung nach der direkten Demokratie gänzlich verfehlt: Das Volk als rechtliche Person ist für Kant allenfalls die Versammlung der von allen Bürgern gewählten Vertreter. Spekulationen über eine verborgene Theorie direkter Demokratie (wie etwa bei Maus 1992, 18 und 199 f.) erübrigen sich bei einem angemessenen Verständnis der Rechtslehren-Architektonik – wie wir gesehen haben – ohnehin. Kant hat der nichtrepräsentativen Form der Volksherrschaft im Rahmen seiner Systematik den Status einer bloßen „Idee“ zugewiesen. Das eröffnete ihm die Möglichkeit, das Kriterium der Legitimität eines Staates von einem Ideal der Reform für alle Staaten zu entkoppeln.
5 Vgl. auch „Beispiel“ und „wahre Verfassung“ im Streit VII 90, 14 f. (vgl. dazu Unruh 1992, 85 ff.)
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9.4 Kants Affinität zur repräsentativen Demokratie als der „wahren“ republikanischen Staatsform hingegen zeigte sich bereits in der oben herangezogenen Vorarbeit zum Ewigen Frieden. Die lange vorherrschende Meinung, daß Kant zufolge stattdessen die Monarchie die vorzügliche Staatsform auf dem Wege der Republikanisierung sein solle, erweist sich so bestenfalls als exzentrische Position der Friedensschrift, und es liegt daher nahe, nach äußeren Veranlassungen dieses Kantischen ‚Ausreißers‘ zu suchen. Eine Teil-Antwort ist schnell gefunden. Die populäre Identifikation Frankreichs unter der Konventsverfassung von 1793 mit der athenischen Demokratie (siehe Biester 1793) liefert – wie wir sahen – die Folie für die Staatsformenlehre der Friedensschrift: Demokratie als eine „Staatsunform“, in der „alles Herr sein will“ und die keine Trennung der Gewalten kennt, d. i. Dekrete wie Gesetze verabschiedet und Gesetze als Dekrete vollzieht (Kants Rede davon, daß alle wider einen beschließen, erinnert freilich an den attischen Ostrakismos). Eine Stellungnahme zu den französischen Verhältnissen, die sich – bei aller Sympathie für die Ablösung des ancien régime – nicht eindeutig vom Jakobinertum distanzierte und zudem der deutschen Monarchie nicht zugleich eine grundsätzliche Reformierbarkeit attestierte, hätte ihren Autor nicht nur im aktuellen politischen Diskurs um jede Wirksamkeit gebracht: Es ist nicht einmal sicher, ob die Zensur die Schrift dann unbeschadet hätte passieren lassen – und zumindest Kant selbst hatte seit seinem diesbezüglichen Streit mit Wöllner im Jahre 1774 (siehe dazu Streit VII 5 ff.), hinreichend Grund zur Vorsicht. Die Ablösung der politischen (Un‐)Ordnung in Frankreich am 26. Oktober 1795, kurze Zeit nach der Veröffentlichung des Ewigen Frieden also, sorgte dann dafür, daß es in der „Discussion“ – so der Terminus aus der Vorrede der Metaphysik der Sitten – um die rechte Staatsform zu einer Wende kam. Das „Directorium“ in der von Kant jetzt explizit so genannten „Republik Frankreich“ muß als Exekutive den „das gesammte Volk repräsentierende[n] Rath“ befragen, während andererseits die Monarchie Englands sich nun im Kampf gegen diese politische Neuerung als eine reaktionäre „politische Maschine“ zeigt, die bloß den absoluten Willen des Monarchen ausführt – und damit unter das Niveau der Geschichte sinkt (RR XIX 606 f.). Diese Bemerkungen Kants finden sich im oben bereits erwähnten Fragment aus dem Umkreis des Streit der Fakultäten, welches einerseits – da das Direktorium als bereits regierend erwähnt wird – nach der Friedensschrift und andererseits aber wohl vor der endgültigen Fassung des 2. Abschnitts des Streit niedergeschrieben wurde. Damit liegt es in unmittelbarer zeitlicher Nähe zur Rechtslehre. In dieser finden wir daher auch erwartungsgemäß die England-Kritik wieder (319, 19–320, 10;
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freilich ohne Nennung des Namens), und die oben daraus zitierte Warnung vor dem „Simplifizieren im Maschinenwerk“ war somit nur die Spitze dieses Eisbergs. Das 1797 nur zwischen den gedruckten Zeilen hervorblickende emphatische Bekenntnis zu Frankreich wird dann gut zwei Jahre später im Streit der Fakultäten prominent. Der politische Hintergrund für die veränderte Stellungnahme zu Demokratie und Monarchie in den Schriften nach 1795 liegt folglich vor Augen: Für Kant zeichnet sich in Frankreich mit dem Direktorium die historische Chance einer ‚demokratischen Republikanisierung‘ nach den bürgerkriegsähnlichen Revolutionswirren ab. Der Anstoß hingegen für die Entwicklung des theoretischen Instrumentariums für die kritische Staatstheorie kam aus einer anderen Richtung. Friedrich Schlegel veröffentlicht im Juli 1796 seinen Versuch über den Begriff des Republika- nismus, veranlaßt durch die Kantische Schrift zum ewigen Frieden in der Zeitschrift Deutschland (hierzu Herb/Ludwig 1994, 468 ff.). Dort finden wir nicht nur ein Vorbild für die (neue) Rede vom Oberhaupt als einer „physischen Person“, welche die drei Gewalten in sich vereinigt (§ 51), sondern auch eines für Kants – eingangs zitierte – Bemerkung, daß nur die respublica phaenomenon drei Formen habe: Schlegel betont nämlich ausdrücklich, es würde „widersinnig sein, den echten (republikanischen) Staat nach der Form der Regierung einzuteilen.“
9.5 Zu den im Laufe der Interpretationsgeschichte am nachdrücklichsten diskutierten Lehrstücken des Kantischen Staatsrechts gehört das vom Widerstandsrecht (für einen Überblick siehe Hirsch 2017, 337 ff ). Zum philosophischen Anwalt des Republikanismus, oder – etwas zeitgemäßer gesprochen – der rechtsstaatlichen Demokratie, scheint es prima vista schlecht zu passen, daß er hartnäckig jegliches Widerstandsrecht des Volkes bestreitet. Schon der erste Rezensent der Rechtslehre, Friedrich Bouterwek, beschließt seine Besprechung mit dem Vorwurf, Kant fordere von seinen Lesern den „paradoxesten aller paradoxen Sätze [anzuerkennen], den Satz, daß die bloße Idee der Oberherrschaft mich nötigen soll, jedem, der sich zu meinem Herrn aufwirft, als meinem Herrn zu gehorchen, ohne zu fragen, wer ihm das Recht gebe, mir zu befehlen“ (371). Zumindest dreierlei ist in diesem Kontext voneinander zu unterscheiden: Ein ‚Widerstandsrecht‘ des Volkes „wider das gesetzgebende Oberhaupt“ (320), ein individuelles ‚Recht‘ des einzelnen Bürgers, sich bestimmten Befehlen des „machthabenden Willens“ zu widersetzen und schließlich das Recht des Bürgers, staatlichen Maßnahmen Beschwerde entgegenzusetzen, wenn sie etwa gegen die Gebote der Gleichheit verstoßen. Solche „Beschwerden (gravamina)“ sind erlaubt – und das ist Kant nur eine Nebenbemerkung wert (319, vgl. Streit VII 89). Und auch in Hinblick
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auf das zweite ‚Recht‘, das der individuellen Hinwegsetzung über obrigkeitliche Befehle, läßt Kant erwartungsgemäß Raum: Die Vorschrift aus Römer 13: „Gehorchet der Obrigkeit die Gewalt über Euch hat“ wird von ihm sogleich mit dem qualifizierenden Zusatz versehen: „in allem, was nicht dem inneren Moralischen widerstreitet“ (371). Das ist freilich nicht originell und ein Vorbehalt dieser Art war schon 150 Jahre zuvor etwa für Thomas Hobbes selbstverständlich: „In all things not contrary to the Morall Law, (that is to say, to the Law of Nature,) all Subjects are bound to obey that for divine Law, which is declared to be so, by the Lawes of the Commonwealth.“ (Leviathan, Kap. XXVI, Abs. 40). Kant zumindest versteht die Klausel definitiv als eine inhaltliche Restriktion der staatlichen Gehorsamsforderung, denn er betont – in einer Reflexion aus der 80er Jahren – ausdrücklich, man dürfe sich widersetzen zumindest „in denen Fällen, welche gar nicht in die unionem civilem kommen können, e. g. religionszwang. Zwang zu unnatürlichen Sünden: Meuchelmord &c. &c.“ (RR XIX 594 f ). Und in der Religionsschrift heißt es 1793 „Der Satz ‚man muß Gott mehr gehorchen, als den Menschen‘ bedeutet nur, daß, wenn die letzten etwas gebieten, was an sich böse (dem Sittengesetz unmittelbar zuwider) ist, ihnen nicht gehorcht werden darf und soll.“ (VI 99) Diese Deutung ist freilich nur eine Konsequenz von Kants rationaler Staats-‚Theologie‘, die unter anderem in der Allgemeinen Anmerkung A Ausdruck findet: Der Satz: „Alle Obrigkeit ist von Gott“ sagt nicht einen „Geschichtsgrund der bürgerlichen Verfassung“ aus, sondern eine Idee als praktisches Vernunftprinzip: „Der jetzt bestehenden gesetzgebenden Gewalt gehorchen zu sollen, ihr Ursprung mag sein, welcher er wolle.“ (319) Wenn der Bürger demnach bei seiner Beantwortung der Frage, ob er einem gegebenen staatlichen Befehl zu folgen hat, stets auf die Stimme des Sittengesetzes selbst hören muß (der obrigkeitliche Befehl ihn folglich nicht bedingungslos exculpiert), und ihm ebendieses Gesetz von Kant im Bilde eines göttlichen Befehls präsentiert wird, dann haben wir es unverkennbar mit der durch John Locke berühmt gewordenen Einsicht zu tun, daß hier nur ein Ausweg bleibt: Den Himmel anzurufen. Die Frage nämlich, wer zwischen dem Staat und dem einzelnen Bürger Richter sein soll, kann grundsätzlich nicht gemeint sein als die Frage, wer hier auf Erden den Streit entscheiden soll, denn selbstverständlich kann ihn immer nur der einzelne Bürger selbst und zwar allein mit seinem Gewissen („forum poli“, 235) entscheiden. Und auch nur er selbst wird es daher „an dem großen Tage vor dem höchsten Richter aller Menschen zu verantworten haben“ (Locke, Zweite Abhandlung über die Regierung, § 20 f.). Die Frage nach einem rechtmäßigen Widerstand des Volks „wider das gesetzgebende Oberhaupt des Staats“ hingegen beantwortet Kant mit derselben Schärfe – und mit denselben Argumenten – wie seinerzeit Thomas Hobbes: Der Frage nach dem Richter zwischen Volk und Oberhaupt läßt sich nämlich nicht einmal ein metaphorischer Sinn abgewinnen, denn erst durch die Repräsentation (bei Hobbes:
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durch die Autorisierung), also durch sein Oberhaupt wird die Volksmenge zum Volk, zum Träger eines politischen Willens (318, 23). An dieser Stelle sei nur noch ein weiteres, von Kant im Anhang erläutertes Argument angeführt, welches zeigt, daß das Widerstandsverbot keine – ggf. zur Revision freizugebende – Appendix der Rechtslehre darstellt: Nur durch Unterwerfung unter einen allgemeinen gesetzgebenden Willen ist ein rechtlicher (d. i. gesetzlicher) Zustand möglich. Jede rechtmäßige Gewalt gegen ebendiese Gesetzgebung setzte wiederum ein Rechts-Gesetz voraus, welches folglich seinerseits auf eine höhere rechtliche Gesetzgebung verwiese, die nicht der ersteren unterworfen ist. Das endet unausweichlich entweder im Widerspruch einer höchsten Gewalt, die nicht die höchste ist – so Kant (320, 372, vgl. RR XIX 569, 33 f.)) –, oder aber – so seinerzeit Hobbes – im unendlichen Regress: „[To set] the Lawes above the Soveraign, setteth also a Judge above him, and a Power to punish him; which is to make a new Soveraign; and again for the same reason a third, to punish the second; and so continually without end, to the Confusion, and Dissolution of the Commonwealth.“ (Leviathan XXIX, 9) – Hobbes’ Argument unterscheidet sich vom Kantischen zwar im Detail, jedoch nicht in der Schlußfolgerung – und diese ist letztendlich auch kein spezielles Theorem der Staatslehre, sondern eine unmittelbare Konsequenz aus dem bei beiden zugrundeliegenden Rechtsbegriff: Das Meum et Tuum bedarf der letztinstanzlichen Urteile (‚Sentenzen‘) und ebendiese bedürfen einer letzten Instanz. Das aber steht in der Rechtslehre bereits mit dem § 8 des Privatrechts, spätestens aber mit der Lehre vom „praktischen Vernunftschluß“ (§ 45) fest. Kants Ablehnung eines Widerstandsrechts des Volkes ist somit zunächst nicht mehr als die Feststellung, daß man dem Staat nicht als ein Mitglied des Volkes im Namen des Rechts entgegentreten kann, sondern ihm stets nur als ein einzelner Mensch im Namen des eigenen Gewissens den Gehorsam verweigern darf. Diese Einsicht steht nun aber offensichtlich im Konflikt mit Kants Behauptung, der Bürger habe gleichwohl Rechte, und sei es nur das „Recht der Auswanderung“ (338) und möglicherweise das auf eine (im engeren Sinne) freie Presse (Gemeinspruch VIII 304⁶). Wenn dergleichen Ansprüche tatsächlich Rechte sensu stricto sein sollten, dann wäre mit diesen – „nach dem Satze des Widerspruchs“ (§ D) – die Befugnis zu zwingen verbunden. Das wiederum kann aber nicht sein, denn Kant betont ausdrücklich: „Der Herrscher im Staat hat gegen den Unterthan lauter Rechte und keine (Zwangs‐)Pflichten“ (319), er kann folglich grundsätzlich nicht von seinen Bürgern ‚mit Recht‘ zur Konformität mit jenen Rechtsprinzipien gezwungen wer6 Kants Hobbes-Kritik an dieser berühmten Gemeinspruch-Stelle trifft freilich nur De Cive. Im – Kant vermutlich unbekannten – Leviathan gibt es später hingegen eine Theorie der ‚Liberties of the Subject‘ (Leviathan XXI, 10), die allerdings gänzlich anders begründet und zudem weit weniger elaboriert ist als die Kantische Theorie der ‚Bürgerrechte‘.
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den, die ihrerseits aber immer schon die Grundlage seiner Befugnis zu zwingen darstellen. Den aus ebendiesen Prinzipien gleichwohl resultierenden „RechtsPflichten“ (vgl. 236) des Souveräns korrespondieren daher keine juridischen Zwangsbefugnisse der Bürger auf dem Wege zur Republikanisierung ihres Gemeinwesens; die Rechtspflichten sind allein der moralische Maßstab für die SelbstReformierung souveräner Herrschaft: „… es [ist] Pflicht, vornehmlich für Staatsoberhäupter, dahin bedacht zu sein, wie sie [sc. die Staatsverfassung] sobald wie möglich gebessert und dem Naturrecht, so wie es in der Idee der Vernunft uns zum Muster vor Augen steht, angemessen gemacht werden könne: sollte es auch ihrer Selbstsucht Aufopferungen kosten.“ (Frieden VIII 372) Die eingangs erwähnten Diskussionen um das ‚Widerstandsrecht‘ bei Kant sind nicht zuletzt Ausdruck des Versuchs, der Kantischen Rede von „Rechten“ der Bürger gegenüber dem ‚physischen Oberhaupt‘ einen nichtmetaphorischen Sinn abzugewinnen. Wie auch immer eine befriedigende Lösung dieses Problems aussehen mag, Träger solcher ‚Rechte‘ wird stets der Einzelne bleiben, ‚Rechte des Volkes‘ gegen den Souverän haben bei Kant kein politisches Subjekt. Die Ähnlichkeit von Kants und Hobbes’ Stellungnahmen zum Revolutionsrecht sind mit den zuvor dargestellten Argumentationen nicht erschöpft – und das ist kein Zufall: Die Metaphysik der Sitten trifft auf eine politische Situation, die in einer wichtigen Hinsicht mit jener vergleichbar ist, die Hobbes’ Leviathan in England vorfand: Es handelt sich um die Etablierung einer neuen Regierung nach einer Phase des Bürgerkriegs. Die kategorische Verurteilung der Revolution geht dabei für beide Autoren einher mit dem kategorischen Gebot, der revolutionären Regierung Gehorsam zu leisten, wenn sie sich erst einmal etabliert hat: Von Hobbes war die zugrundeliegende Einsicht noch in den ‚praktischen Ratschlag‘ an den Souverän (sc. Cromwell) verpackt, er möge niemals die Legitimität seiner Regierung mit der Historie stützen, weil dies den Untergang des Staates heraufbeschwöre (Leviathan, Review & Conclusion). Kant setzt an diese Stelle die von Bouterwek gescholtene Vorstellung, allein die ‚Idee der Oberherrschaft‘ fordere den bedingungslosen Rechts-Gehorsam gegenüber der jeweiligen ‚obersten Gewalt‘. Jede rechtliche Herrschaft ist schließlich aus der Gewalt (318, 339), d. i. durch „Bemächtigung der obersten Gewalt“ (372) entstanden und muß sich erst auf dem Wege der „allmählichen Reform nach festen Grundsätzen“ (355) zur wahren Republik – gedacht als unpersönliche Herrschaft des Gesetzes – entwickeln. Die Legitimität der jeweiligen staatlichen Ordnung verdankt sich daher nicht irgendeiner „Geschichtsurkunde“ (§ 52), sondern einzig der Unverzichtbarkeit einer solchen Ordnung für die Umsetzung des Rechts selbst. Schon der § 9 des Privatrechts hatte das ‚Prärogativ‘ des ‚beati possidentes‘ als Grundlage jener Befugnis erkannt, „jedermann, mit dem wir irgend auf eine Art in Verkehr kommen könnten, zu nöthigen, mit uns in eine Verfassung zusammen zu treten“ (256, vgl. RR XIX 602, 14). Nicht etwa die Auflösung
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oder gar Zerstörung einer defizienten staatlichen Ordnung kann somit legitim sein, sondern allenfalls deren Ersetzung durch eine andere: Das Revolutionsverbot wird mit dem Erfolg der Revolution unmittelbar zum Restaurationsverbot. In bezug auf Frankreich hat Kant überdies versucht, der Revolution im Nachhinein den Schrecken zu nehmen, indem er sie als eine Abdankung des Königs durch Übergabe der Steuerhoheit interpretierte, durch welche er die Macht auf die Generalstände übertrug (341, dazu Henrich 1967). Auch wenn dieses Argument offensichtlich entbehrlich ist, so kann es gleichwohl dazu beitragen, den Makel der blutigen Geburt des Direktoriums aus dem Bürgerkrieg (vgl. Streit VII 85, 19) zu überdecken, und so das Herz des Beobachters der Revolution mit seiner Rechtsvernunft zu versöhnen.
Literatur Biester, J. E. 1793: Einige Nachrichten von den Ideen der Griechen über Staatsverfassung, Berlinische Monatsschrift, Juni 1793 Henrich, D. 1967: Über den Sinn vernünftigen Handelns im Staat in: ders. (Hrsg.), Kant–Gentz– Rehberg: Über Theorie und Praxis, Frankfurt/M., 9–37 Herb, K./Ludwig, B. 1994: Kants kritisches Staatsrecht, Jahrbuch für Recht und Ethik II (1994), 431–478 Hirsch, Ph.-A. 2017: Freiheit und Staatlichkeit bei Kant, Kantstudien Ergänzungsheft 194, Berlin/Boston Maus, I. 1992: Zur Aufklärung der Demokratietheorie, Frankfurt/M.
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10 Funktionen, Befugnisse und Zwecke der Staatsverwaltung Zur Allgemeinen Anmerkung zu § 52, B–D Die bislang von den Interpreten der Kantischen Rechtslehre weitgehend vernachlässigten Abschnitte B–D der„Allgemeine[n] Anmerkung“ behandeln das Thema der Staatsverwaltung. Im Unterschied zu Autoren wie Achenwall oder Garve will Kant darunter keine auf Staatsklugheit reduzierte Staatsverwaltung verstehen. Vielmehr beansprucht er, die Konzeption einer bloß rechtmäßigen und nicht paternalistischen Staatverwaltung zu entwerfen. Allerdings läßt sich nachweisen, daß Kant trotz dieses minimalistischen Anspruchs moralische und teleologische Elemente in seine Theorie der Staatsverwaltung aufnimmt. Diesen Nachweis möchte ich im folgenden zu erbringen versuchen. Zunächst sollen die Funktionen der Staatsverwaltung skizziert werden; dann werde ich auf ihre Befugnisse, insbesondere hinsichtlich des Rechts auf Reform und des Rechts auf Subsistenz, inhaltlich eingehen; am Ende meiner Ausführungen wird sich zeigen, daß Kant diese Befugnisse über den juridischen Bereich hinaus erweitert, indem er dem Staat moralische Zwecke zuweist, deren Rechtmäßigkeit jedoch nicht immer als unproblematisch erscheint. Aus dem Recht stammt die Befugnis zu zwingen, die im bürgerlichen Zustand allein dem Staat zusteht. Die „Anmerkung“ hat also zu untersuchen, wozu der Staat die Bürger zwingen darf. Kant hat drei Gewalten genannt, die sich zueinander wie die Sätze eines praktischen Syllogismus verhalten. Die erste Gewalt ist die gesetzgeberische, „in Ansehung dessen, was das äußere Mein und Dein betrifft“ (316), die zweite die vollziehende Gewalt des Regierers (313) bzw. „des Oberbefehlshabers“ (316). Die erste Gewalt hat eine Funktion, die der des Obersatzes gleichkommt, die zweite entspricht dem Untersatz (313). Die „rechtsprechende Gewalt“ des Richters wird lediglich als „Schlußsatz“ charakterisiert, aber nicht weiter erklärt. Die legislative Gewalt ist der „Obereigentümer des Bodens“; der wiederum „die oberste Bedingung ist, unter der allein es möglich ist, äußere Sachen als das Seine zu haben“ (323). Ihre Funktion in der Staatsverwaltung wird allerdings hier bloß mit dem Hinweis erwähnt, daß – außer in Ausnahmefällen – „das Volk sich selber be-
An dieser Stelle möchte ich der Alexander von Humboldt-Stiftung für das großzügig gewährte FeodorLynen-Fellowship an der Georgetown-University, Washington D. C., danken, durch das es mir ermöglicht wurde, diesen Aufsatz zu verfassen. https://doi.org/10.1515/9783110782509-011
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schatzt“, was „durch das Korps der Deputierten desselben geschieht“ (325). Der gesetzgebenden Gewalt wird zugleich eine klare Grenze gezogen und eine ebenso klare Befugnis erteilt. (1) Die gesetzgeberische Gewalt darf sich nicht dadurch zu einer privaten Willkür machen, daß dem Volk, d. h. ihr, etwas als Privateigentum „kollektiv“ gehören würde; ebensowenig darf die vollziehende Gewalt „Domänen“ besitzen, d. h., wenn man es auf heutige Verhältnisse überträgt: auch keine staatlichen Betriebe. Der Staat besitzt nämlich kein Eigentum, sondern ein Obereigentum. Das Obereigentum ist „nur eine Idee des bürgerlichen Vereins, um die notwendige Vereinigung des Privateigentums aller im Volk unter einem öffentlichen allgemeinen Besitzer, zu Bestimmung des besonderen Eigentums, nicht nach Grundsätzen der Aggregation […], sondern dem notwendigen formalen Prinzip der Einteilung (Division des Bodens) nach Rechtsbegriffen vorstellig zu machen“ (323 f.). Im Gegensatz zu einer Aggregation, die „von den Teilen zum ganzen empirisch fortschreitet“ (323), bezieht sich die Division a priori („formal“) auf den Boden als Ganzes. Der Gesetzgeber ist dazu verpflichtet, allgemeinen Rechtsbegriffen zu folgen, was seiner Zuständigkeit – etwa in steuerlichen Angelegenheiten – möglicherweise enge Grenzen setzt. (2) Dasselbe Prinzip der Division verpflichtet auch die Eigentümer, die daher nur bedingt durch dieses Einteilungsprinzip, also durch Rechtsbegriffe, Eigentümer sind. Die Beachtung der entsprechenden Rechtspflichten durch die Bürger ist vom „Oberbefehlshaber […] als Übernehmer der Pflicht des Volks“ (325) – ggf. mit Zwangsmitteln – durchzusetzen. Die Aufgabe des Staates besteht nicht in der Gesetzgebung, sondern in der Ausführung des Eigentumsgesetzes. Die Regierung hat nur „jedem das Seine zuteil kommen zu lassen“ (324), es aber nicht zu bestimmen. Darum tritt die Regierung nur als Oberbefehlshaber, nicht als Obereigentümer auf. Damit ist die Frage beantwortet, die Kant einleitend gestellt hat, nämlich: „Kann der Beherrscher als Obereigentümer (des Bodens), oder muß er nur als Oberbefehlshaber in Ansehung des Volkes durch Gesetze betrachtet werden?“ (323). Es könnte zu Mißverständnissen führen, daß der „Beherrscher des Volkes“ in § 48 als „Gesetzgeber“ bezeichnet und vom Regenten streng unterschieden wurde. Sinngemäß ist aber „Beherrscher“ in unserer Passage durch „Regent“ bzw. „Regierung“ zu ersetzen. Vom Obereigentum werden alle von Kant in der Anmerkung aufgezählten Rechte der Regierung abgeleitet. Wenn es aber der Regierung nicht zusteht, darüber zu entscheiden, ob sie das Gesetz durchsetzen will, das sie durchsetzen soll, kann man sich fragen, warum Kant nur von den Rechten des Staates, nicht von seinen Pflichten spricht. An dieser Stelle zeigt sich die eigentliche Zuständigkeit bzw. der spezifische Spielraum der vollziehenden Gewalt. Ihre Aufgabe besteht darin, „das Gebot des Verfahrens nach dem Gesetz, d. i. das Prinzip der Subsumtion unter“ den Obersatz bzw. unter das Gesetz (313) durchzuführen. Bereits in der Kritik der reinen Vernunft erklärt Kant
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Subsumtion als Leistung der Urteilskraft, weshalb sie sich nicht auf allgemeine Verfahrensregeln reduzieren läßt (vgl. KrV B 171 f.). Die Staatsverwaltung besteht aus „Befehlen“, die „Verordnungen, Dekrete (nicht Gesetze)“ sind, „denn sie gehen auf Entscheidung in einem besonderen Falle“ (316). Also ist die Subsumtion vom Schematismus des kategorischen Imperativs zu unterscheiden, denn dieser ist das Rechtsgesetz. Unter einem „besonderen Falle“ versteht Kant aber auch keine individuelle Materie, keine einzelnen Fälle, sondern noch relativ generelle Regeln, die etwa die Steuer, die öffentliche Ordnung, die Staatssicherheit (325), die Versorgung der Armen und der Kranken und den Beamtenstatus (328) betreffen. Zwei Beispiele zeigen, welche Art von Angelegenheiten im Ermessen der Regierung liegen kann: Nur die Regierung ist „berechtigt zu beurteilen“, ob und in welcher Höhe Kriegsteuern nötig sind (vgl. Gemeinspruch VIII 297). Gleichermaßen ist nur der Staat befugt, „weisere Mittel zur Erhaltung“ des Volkes zu ergreifen, wie beispielsweise dasjenige, das in der achten der „Erläuternde[n] Bemerkungen“ behandelt wird: die Ersetzung der Armen- und Krankenhäuser durch eine „Geldsumme, wofür [der Kranke bzw. der Arme] sich, wo er will […], einmieten kann“, und die geringer ist, als die Kosten der Hospitäler (367). Die „Allgemeine Anmerkung“ behandelt (B.) Rechte der bürgerlichen Vereinigung als Ganzer, (C.) Rechte der einzelnen Bürger und (D.) bürgerliche Gleichheit. Diese Gliederung ist m. E. jedoch eine eher äußerliche Klassifikation, durch die Wiederholungen entstehen und argumentativ Zusammengehöriges zerstreut wird. Anstelle dieser bloßen Aufzählung der Rechte des Staates legt sich folgende sachliche Unterscheidung nahe: Eine erste Art von Rechten soll verhindern, daß partikuläre Institutionen eine öffentliche Heteronomie in die bürgerliche Vereinigung einführen. Eine zweite Art betrifft die Leistungen und die Verbote, die sich auf die einzelnen Bürger beziehen. Die erste Art ist weitgehend unproblematisch. Schon zu Kants Zeit stieß dieser Punkt – auch bei konterrevolutionären Denkern – kaum auf Widerstand. Die zweite Art bereitet mehr Schwierigkeiten. Ich fange also mit der ersten an.
10.1 Das minimale Recht auf Reform Im Mittelpunkt der „Anmerkung“ steht das Zwangsrecht des Staates nicht nur gegenüber einzelnen Personen, die durch ihre Willkür das öffentliche Gesetz verletzen, sondern vor allem auch gegenüber Institutionen, die zu ihm in Konkurrenz stehen. Damit führen diese Institutionen eine Heteronomie in die autonome bürgerliche Vereinigung ein. Diese Heteronomie aufzuheben ist die Regierung befugt, jedoch nicht durch eine bloße Verstaatlichung der Institutionen. Die Problematik der wohltätigen Anstalten für Arme und Kranke und der Majoratsstiftung ist in
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diesem Zusammenhang mit Kants Rechtfertigung der „Erbseinsetzung“ (§ 34) zu vergleichen. Die Schwierigkeit bei der Rechtfertigung der Testamente liegt darin, daß Testamente erst nach dem Tod des Eigentümers zu vollziehen sind. In der Zeit zwischen dem Tod des Erblassers und dem Antreten des Erbes gehört das Eigentum niemandem, was nach dem rechtlichen Postulat der praktischen Vernunft rechtswidrig wäre (vgl. 246). Während Kantianer wie Theodor Schmalz (1792; 1807, 121 u. 141) und Fichte (vgl. Philonenko 1976, 187 f.) aus diesem Grund gegen das Erbrecht ab intestat plädieren, lautet Kants Lösung, daß es möglich ist, durch Erbeinsetzung zu erwerben. Denn diese erfolgt durch ein Versprechen, durch das der Erbe zwar nicht sofort die Erbschaft, wohl aber „doch stillschweigend ein eigentümliches Recht an der Verlassenschaft als ein Sachenrecht, nämlich ausschließlich, sie zu akzeptieren“ (294) erwirbt. Im Fall der Testamente zugunsten von Stiftungen und Kirchen aber verhält es sich anders. Die Erbschaft gehört keinem Erben, sondern untersteht weiterhin dem Willen des Testators (367), d. h. keiner äußerlichen Willkür, da der Testator schon verstorben ist. Man könnte also den Schluß ziehen, daß die Erbschaft zugunsten von Stiftungen und Kirchen nichtig ist und daß das vererbte Gut zu einer herrenlosen Sache wird, die jedem zur Aneignung freisteht. Kant entscheidet sich für eine andere Lösung. Wenn der Wille des Testators einem gleichen Willen unter den lebenden Bürgern – dem Sinne, nicht dem Buchstaben nach – (vgl. 367) entspricht, so wird der Wille des Testators im Sinne dieser Bürger vollzogen. Solange eine Kirche der „Volksmeinung“ entspricht, bleibt sie Eigentümer von allem, was sie je geerbt hat (324 f.). Wenn sich die „Bedürfnisse der Zeit“ geändert haben, so kann der Fonds für Geldleistungen an die Kranken und Armen verwendet werden (367). Erst wenn „die öffentliche Meinung […] aufgehört hat, […] sie anzutreiben, […] können die Komtureien auf einer, die Kirchengüter auf der anderen Seite […] aufgehoben werden“ (324). Auch im Zusammenhang mit den Privilegien des Adels gibt Kant die „Volksmeinung“ als Kriterium für deren bisherige Erhaltung sowie für deren Abschaffung an, sobald „diese […] erlosch“ (325). Kant sagt allerdings weder, nach welchem quantitativen Kriterium die „öffentliche Meinung“ bzw. die „Volksmeinung“ zu messen ist, noch, was aus den Kirchen- bzw. Komtureiengütern werden soll. Es steht aber zumindest fest, daß Kant im Fall des Adels und der Kirche das Erbrecht im Sinne der Testatoren auslegt. Er setzt ihm aber eine klare Grenze: das Erbrecht gilt nicht ewig, sondern nur, solange ein, dem Willen des Testators entsprechender, qualifizierter Wille unter den lebenden Menschen besteht. Ewig, also ursprünglich, kann nur das allgemeine bürgerliche Gesetz gelten. Kant hebt hervor, daß die Frage sei, „ob die Kirche dem Staat oder der Staat die Kirche als das Seine gehören könne; denn zwei oberste Gewalten können einander ohne Widerspruch nicht untergeordnet sein“ (368). Im Gegensatz etwa zum preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 (Titel: „Von Armenanstalten und
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anderen milden Stiftungen“) stellt Kant die Stiftungen jedoch nicht unter staatliche Kuratel hinsichtlich der von ihnen beförderten Zwecke (vgl. Rawert 1998). Außerdem betrifft Kants ‚Großzügigkeit‘ nur Erbschaften, d. h. private Güter, bei denen Kant sorgfältig vermeiden will, daß der Staat „jemandem mit Gewalt das Seine“ nimmt (368), wie es die revolutionäre Behörde Frankreichs zur Deckung der Staatsschulden tat. Burke, der erste Gegner der französischen Revolution unter den Philosophen, hatte auf ähnliche Weise gegen die Forderungen britischer Revolutionäre argumentiert: Nach seiner Auffassung sollte die anglikanische Kirche deshalb nicht enteignet werden, weil die britische Bevölkerung auf ihrer Seite stand, ebenso hatte er die gute Arbeit des House of Lords als Argument gegen die Abschaffung der Adelsprivilegien in Großbritanien angeführt (vgl. Burke 1790, 105 u. 55). Hier übernimmt Kant Burkes Kritik einer solchen Enteignung; betont aber die zeitliche Begrenzung der Kirchengüter. Im Fall der für den Adel reservierten Stellen in der Staatsverwaltung sowie im Fall der Majoratsstiftung geht es dagegen nicht um die Erbschaft privater Güter, und allgemein nicht um das Mein und Dein bestimmter Bürger. Es handelt sich vielmehr um Privilegien einer Gruppe, d. h. um Regeln, die dem Gesetz direkt widersprechen. Die Privilegien des Adels und die Majoratsstiftung dürfen in diesem Fall sofort aufgehoben werden. Auch Burke oder Rehberg unterstützen solche Institutionen nicht. Nach Rehberg (1979, 257) wäre es sogar für den Adel vorteilhaft, öffentliche Würden und hohe Stellen lediglich durch eigene Verdienste, nicht aber durch Privilegien zu erhalten, die von Vorfahren durch deren Verdienste erworben wurden. Dadurch, daß Kant implizit ein Erlaubnisgesetz anwendet, wird die Konsensfähigkeit seiner Position erhöht. In der Friedensschrift ist das Erlaubnisgesetz keine „keine Ausnahme von der Rechtsregel“, sondern die bloße Erlaubnis, deren „Vollführung aufzuschieben, (…) damit sie nicht übereilt und so der Absicht selbst zuwider geschehe“ (Frieden VIII 347). Dementsprechend können die Geistlichen „aus ihrem Rechte fordern“, nach der staatlichen Aufhebung der Kirchengüter „für ihre Lebenszeit schadenfrei gehalten zu werden“ (369), gleichermaßen „kann der Staat diesen von ihm begangenen Fehler eines widerrechtlich erteilten erblichen Vorzugs nicht anders als durch Eingehen und Nichtbesetzung der Stellen allmählich wiederum gut machen“ (329). Denn die Geistlichen haben ihre jetzigen Privilegien rechtmäßig erworben; sie haben also mit der Garantie des Rechtsgesetzes gerechnet. Sie zu enteignen, würde daher dem Recht mehr schaden als ihm dienen. Das in der Friedensschrift definierte Erlaubnisgesetz erkennt nämlich den bisherigen Besitzstand an, selbst wenn er ungerecht sein sollte, es verbietet nur dir künftige Erwerbung rechtswidriger Privilegien (vgl. Frieden VIII 348). Gegen diese weitgehend anerkannte Argumentation ist m. E. nichts einzuwenden, wohl aber gegen die Auffassung, daß sie in Kants Konzeption der Staats-
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verwaltung als einzige Maßnahme zum Fortschritt der bürgerlichen Gesellschaft interpretiert werden könne. Bekanntlich unterscheidet Kant die Rechtspflichten von den Tugendpflichten. Das öffentliche Recht als äußerliche Gesetzgebung gehört selbstverständlich nur zu den Rechtspflichten. Es hat dennoch Konsequenzen auch für die Möglichkeit, die Tugendpflichten zu verwirklichen. Hier sei nur ein Beispiel genannt. Gegen die Privilegien des Adels und der Kirche führt Kant nicht nur das Argument der Heteronomie an, sondern auch das Argument, daß die Privilegien dem Fortschritt im Wege stehen; denn er erkennt „das Recht des Staats, ja die Pflicht desselben zum Umändern einer jeden Stiftung, wenn sie der Erhaltung und dem Fortschreiten desselben zum Besseren entgegen ist“ an (369). Die Kombination beider Argumente gilt für Adel und Kirche in gleicher Weise: „was das gesamte Volk nicht über sich selbst beschließen kann, das kann auch der Gesetzgeber nicht über das Volk beschließen. Nun kann aber kein Volk beschließen, in seinen den Glauben betreffenden Einsichten (der Aufklärung) niemals weiter fortzuschreiten, mithin auch sich in Ansehung des Kirchenwesens nie zu reformieren“ (327). Es besteht ein Recht fortzuschreiten, denn es besteht eine Pflicht dazu. Diese Tugendpflicht ist aber keine Pflicht des Staats. Im Gemeinspruch schließt Kant die Glückseligkeit als „Zweck der Errichtung einer bürgerlichen Verfassung“ aus, „denn die Zeitumstände, als auch der sehr einander widerstreitende und dabei immer veränderliche Wahn, worin jemand seine Glückseligkeit setzt (worin er sie aber setzen soll, kann ihm niemand vorschreiben), macht alle feste Grundsätze unmöglich und zum Prinzip der Gesetzgebung für sich allein untauglich“ (VIII 298). Der Staat hat die Pflicht, den Bürgern zu ermöglichen, ihre Tugendpflicht zum Fortschritt zu erfüllen. Das Verbot jeder Reform im Kirchenwesen ist rechtswidrig, „weil dies das Recht der Menschheit in seiner [sc. des Volkes] eigenen Person, mithin dem höchsten Recht desselben entgegen sein würde“ (327 f.). Hier interpretiere ich das Volk als die Bürger, so daß es m. E. um das Recht der Bürger auf den Fortschritt geht. So wenig wie die Pflicht, seine Bürger glückselig zu machen, kann die Kultivierung der Bürger eine Tugendpflicht des Staates sein. Dagegen hat der Staat offenbar die Pflicht, diese Kultivierung mindestens negativ zu ermöglichen. Was der Kultivierung widerspricht, ist also mit staatlichen Mitteln aufzuheben. Im Gemeinspruch heißt es: „das öffentliche Heil, welches zuerst in Betrachtung zu ziehen steht, ist gerade diejenige gesetzliche Verfassung, die jedem seine Freiheit durch Gesetze sichert, wobei es ihm unbenommen bleibt, seine Glückseligkeit auf jedem Wege, welcher ihm der beste dünkt, zu suchen, wenn er nur nicht jener allgemeinen gesetzmäßigen Freiheit, mithin dem Rechte anderen Mituntertanen Abbruch tut“ (VIII 298). Kant definiert das Recht als den „Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit zusammen vereinigt werden kann“ (230). Die genauere Bestimmung der Rechte des
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Staates muß für diese Bedingungen materialiter definiert bzw. interpretiert werden. Kant entscheidet sich für eine negative Interpretation, welche die genannten Bedingungen durch den Widerspruchssatz definiert. Alles das, was der Existenz irgendeiner Willkür oder ihrer Entwicklung und ihrem Fortschritt überhaupt in der äußerlichen Welt formal widerspricht, ist durch staatliche Mitteln aufzuheben, denn die genannten Bedingungen, „unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit zusammen vereinigt werden kann“, wären sonst nicht erfüllt. Daraus ergibt sich ein Minimalismus, der sich in drei Punkten formulieren läßt: der Staat hat (1) für die strikte Erhaltung der Bürger zu sorgen, (2) für die Möglichkeit des Fortschritts und (3) für die Erhaltung seiner selbst, also der bürgerlichen Vereinigung.
10.2 Das minimale Recht auf Subsistenz Die strikte Erhaltung der Bürger wird durch das Recht auf „die Mittel der Erhaltung“ (326) gesichert. Im Gegensatz zu Allen Rosens (1993, Kap. 5) These hat dies nichts mit einer Tugendpflicht zu tun. Allen Rosen übersieht die Stärke von Kants Argument, denn bei Kant wird das Recht der Subsistenz weder als Wohltat noch als erkämpftes bzw. wohlerworbenes Recht und auch nicht als Solidaritätshandlung begründet, sondern als ein geschuldetes Recht, das ebenso ursprünglich ist wie das Eigentumsrecht. Nach Kant sind sie keine Sozialrechte in diesem Sinn, sondern einklagbare Grundrechte wie auch im heutigen deutschen Recht (vgl. Alexy 1996, 470). Seit dem Mittelalter erkennt das Naturrecht gleichsam einstimmig das Recht auf Subsistenz an (zu den wenigen Ausnahmen, vgl. Merle 1997, Teil I, § XIV und Merle 1997a, 55) und plädiert meistens für die Gründung öffentlicher Kranken- und Armenhäuser. Im Gegensatz zu religiösen Stiftungen, sind solche Einrichtungen aber immer nur minimal konzipiert, was auch bei Kant der Fall ist. Das Recht auf Subsistenz solle „nicht (wie von frommen Stiftungen zu besorgen ist), […] das Armsein zum Erwerbsmittel für faule Menschen machen, und so eine ungerechte Belästigung des Volkes durch die Regierung sein würden“ (326). Dabei übernimmt Kant deutlich zwei Argumente von Wolff: (1) ein Argument gegen wohltätige Leistungen, die über die „Nothdurfft“ hinausgehen, (Vernünftige Gedanken, § 384) und (2) ein Argument für die Abschaffung des Bettelns, durch das die Almosen möglicherweise an die falschen Leute oder unproportioniert verteilt werden (ebda., § 385). Dennoch weicht Kants in beiden Fällen erheblich von Wollf ab. Während bei Wolff die möglichst geringe Leistung an die Armen als Anreiz zur Arbeit gedacht wird, erwähnt Kant die Arbeit überhaupt nicht. Wie aber ist es zu verstehen, daß das Recht auf die Mittel der Erhaltung nicht von der Gefahr bedroht ist, „das Armsein zum Erwerbsmittel für faule Menschen [zu] machen“ (326)? Die Antwort
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mag in dem Hinweis liegen, daß die Leistungsempfänger diejenigen seien, „die es sich selbst nicht vermögen, sich zu erhalten“ (326). Arbeitsfähige, aber faule Menschen sollten demnach nicht zu den Leistungsempfängern gehören. Eindeutig wird diese Frage von Kant jedoch nicht beantwortet. Anders als Locke (Poor Law, 182– 201) oder das britische Poor Law (vgl. Polanyi 1975), sieht er nicht vor, daß der Staat arbeitsfähige arme Menschen Arbeitgebern zu jedem Lohnniveau zur Verfügung stellt und nur das leistet, was dann noch für die strikte Erhaltung fehlt. Daher ist m. E. Kant so zu verstehen, daß die Armen nur die Mittel der Subsistenz erhalten und sie sofort verbrauchen, so daß sie durch die staatliche Leistung nie das Eigentum von Sachen erwerben. Sie haben kein Mein und Dein und dies allein sollte schon ausreichen, um für Anreiz zur Arbeit zu sorgen. Es gibt aber gute Gründe dafür, daß Kant sich in dieser Frage nicht festlegt. Die Forderung an die Armen, wenn es nur möglich ist, zu arbeiten, würde ein fremdes Element in der Kantischen Rechtsphilosophie darstellen. Kant hat nie das Eigentum von der Arbeit abhängig gemacht. Die Finanzierung der Leistungen an die Armen „durch Belastung des Eigentums der Staatsbürger oder ihres Handelsverkehrs“ (326) unterscheidet bei der Besteuerung nicht zwischen dem Einkommen aus der Arbeit und sonstigen Einkünften. Darüber hinaus enthält der Begriff des Rechts als Vereinigung der Willkür prima facie nichts, was es erlauben würde, darauf zu schließen, daß faule Individuen von den Leistungen auszuschließen sind. Insoweit wäre auch ein unbedingtes allgemeines Grundeinkommen („unconditional universal basic income“) – wie es von Van Parijs auch für die Surfer auf Hawaii vorschlagen wurde (1995) – mit dem Rechtsbegriff vereinbar. Kants Hinweis auf die Faulheit hat demnach keine große eigene Bedeutung, sondern ist vielmehr im Zusammenhang mit dem ohnehin minimalen Niveau der Leistungen an die Armen zu sehen. Anderswo (Merle 1997, Teil II, § IV) habe ich gezeigt, daß Kants Interpretation des Eigentumsrechts als eines Rechts der prima occupatio dem Gleichheitsprinzip, das seinem Rechtsbegriff zugrundeliegt, widerspricht. Diesem Prinzip zufolge sollte nämlich an die Stelle des Rechts auf Subsistenz die Gleichheit der produktiven Ressourcen treten. Das Recht auf Subsistenz stellt bloß einen unbefriedigenden Kompromiß zwischen dem Recht der prima occupatio und dem Gleichheitsprinzip dar. Ohne einen Alternativvorschlag hier entwickeln zu wollen, möchte ich darauf aufmerksam machen, daß schon das Recht auf die „Mittel der Erhaltung“ die Unterscheidung zwischen passiven und aktiven Staatsbürgern als sinnlos erscheinen läßt. Für den Status eines aktiven Bürgers verlangt Kant die Selbständigkeit; selbständig ist, wer „seine Existenz und Erhaltung nicht der Willkür eines Anderen im Volke, sondern seinen eigenen Rechten und Kräften“ verdankt (314). Nach Kant ist dies bei einem Lohnarbeiter nicht der Fall. Wie verhält es sich nun mit einem Armen, der vom Staat die „Mittel seiner Erhaltung“ bekommt? Er verdankt diese Mittel
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nicht der „Willkür eines Anderen im Volke“, sondern dem Staat, zudem hat er ein Recht darauf. Also verdankt er seine Existenz und seine Erhaltung seinen eigenen Rechten. Man würde vergeblich einwenden, daß er sie nicht den „eigenen Kräften“ verdankt. Denn es bleibt festzuhalten, daß die Arbeit im Kantischen Recht ausdrücklich keine legitimatorische Rolle spielt. Also drängt sich der Schluß auf, daß der vom Staat verpflegte Arme wie ein Beamter nichts anderes als ein aktiver Staatsbürger sein kann. Dagegen wäre der Bettler ein passiver Staatsbürger, wenn Kant die Bettelei nicht gerade wegen der Abhängigkeit des Bettlers vom Almosengeber verböte (325). Nach dem gleichen Kriterium sind der Dienstbote, der Hauslehrer, der Schmied und sogar der Arzt passive Staatsbürger (dazu Ludwig 1988, 161 f.). Doch können diese Menschen sicherlich mehr Freiheit ausüben als die staatlich verpflegten Armen, die über keinerlei Eigentum verfügen. Dies weist darauf hin, daß Kant eine zu enge Auffassung von Selbständigkeit, Freiheit der Zwecke und freier Willkür hat, obwohl er in Anmerkung D betont, daß Menschen mit einem der Qualität und dem Grad nach bestimmten Arbeitsvertrag Personen bleiben, weil sich ihre Abhängigkeit in Grenzen hält. Im folgenden möchte ich diese Auffassung näher untersuchen.
10.3 Der Zweck der Staatsverwaltung Kant beantwortet die Frage nach staatlicher Intervention durch eine Dichotomie zwischen (1) den Bedingungen, ohne welche die Freiheit der Willkür überhaupt unmöglich wäre, diese soll der Staat gewährleisten, und (2) der Bestimmung der Freiheit der Willkür, d. h. der einzelnen Zwecke der Bürger; diese zu bestimmen, steht dem Staat nicht zu. Man könnte diese Position auf die Formel bringen: Minimalismus und Ablehnung des Paternalismus. Es läßt sich aber noch ein dritter Aspekt staatlicher Intervention betrachten, der nach Kants eigenen Kriterien berechtigt sein sollte. Es sei hier nur das Beispiel einer allgemeinen Schulbildung genannt. In der Pädagogik lesen wir: „Einige Geschicklichkeiten sind in allen Fällen gut, z. E. das Lesen und Schreiben; andere nur zu einigen Zwecken, z. E. die Musik, um uns beliebt zu machen“ (IX, 449–450). Also wäre der Staat nicht paternalistisch, wenn er für den öffentlichen Unterricht des Lesens und Schreibens sorgen würde, denn diese „Geschicklichkeiten“ verhalten sich zweckneutral. Tatsächlich spricht Kant von entsprechenden „öffentlichen Instituten“ und behauptet: „Es verhält sich mit ihnen, wie mit den Armenhäusern und Spitälern. Die Gebäude, die dazu erfordert werden, die Besoldung der Direktoren, Aufseher und Bedienten nehmen schon die Hälfte von dem dazu ausgesetzten Gelde weg, und es ist ausgemacht, daß, wenn man dieses Geld den Armen in ihre Häuser schickte, sie viel besser verpflegt werden würden“ (Pädagogik IX 452). Wenn der Staat für die allgemeine Schulbil-
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dung nicht sorgte, so genössen manche Bürger keine echte Freiheit; denn sie würden nicht über die zum Fortschritt nötigen Mittel verfügen. Manche Menschen wären auf die Dauer zu einer geradezu animalischen Lebensform verurteilt. Mandevilles (Über Barmherzigkeit …, 286–353) Plädoyer gegen die Armenschulen seiner Zeit nimmt dies in Kauf, weil – so ausdrücklich Mandeville – eine solche Ausbildung für künftige Arbeiter der Fabriken nicht nötig sei. Kants Rechtsphilosophie aber legt andere Maßstäbe als den der Effizienz an. In unbemerktem Widerspruch zu den Prinzipien seiner Rechtsphilosophie greift der von Kant konzipierte Staat jedoch unnötigerweise in die Sphäre der Freiheit der Willkür und in deren Zwecksetzungen ein. Daß die Polizei „die öffentliche Sicherheit [und] die Gemächlichkeit […] besorgt“, (325) ist uns heutzutage vertraut. Kants Rechtfertigung dieser Zuständigkeit läßt sich aber ebenso wenig mit den Prinzipien unserer liberalen Gesellschaft wie mit Kants eigenen Grundsätzen vereinbaren. Denn Kant begründet diese Zuständigkeit damit, daß das Gefühl für öffentliche Sicherheit, Gemächlichkeit und Anständigkeit „als negativer Geschmack durch Bettelei, Lärmen auf Straßen, Gestank, öffentliche Wollust (venus volgivaga), als Verletzungen des moralischen Sinnes, nicht abgestumpft werde“, erleichtere „der Regierung gar sehr ihr Geschäfte, das Volk durch Gesetze zu lenken“ (325). Nicht die Erleichterung der Regierungsgeschäfte, sondern nur die öffentliche Sicherheit könnte als Argument angeführt werden, um die Rechtmäßigkeit polizeilichen Eingreifens zu begründen. Die öffentliche Sicherheit besteht in der Erhaltung des rechtlichen Zustandes. Das Volk kann sicherlich nicht die Auflösung der bürgerlichen Vereinigung der Willkür beschließen. Aus diesem Grund darf bei Kant – wie schon im Naturrecht (vgl. etwa Pufendorf, Über die Pflicht …, 2. Buch, Kap. VI, § 4, 200) – die Regierung „gezwungene“, also vom „Korps der Deputierten“ nicht bewilligte Anleihen verordnen, wenn „der Staat in Gefahr seiner Auflösung kommt“ (325). Auch das der Regierung zukommende „Recht der Staatswirtschaft [und] des Finanzwesens“ läßt sich so im Gemeinspruch als ungewollter Paternalismus um der Sicherheit willen erklären:“Wenn die oberste Macht Gesetze gibt, die zunächst auf die Glückseligkeit […] gerichtet sind: so geschieht dieses nicht als Zweck der Errichtung einer bürgerlichen Verfassung, sondern bloß als Mittel, den rechtlichen Zustand, vornehmlich gegen äußere Feinde des Volkes, zu sichern“ (VIII 298). Wie aber kann die bloße Erleichterung der Staatsverwaltung mit der Sicherheit etwas gemeinsam haben? Bettelei und öffentliche Wollust (worunter nicht nur die Prostitution, sondern schon der öffentliche Ehebruch oder jede voreheliche Affäre zu verstehen ist; vgl. Wolff, Vernünftige Gedanken, § 26), Ruhestörung und Gestank vermindern die Achtung für das moralische Gesetz, weil sie Ekel erwecken (Anthropologie VII 158), wie andererseits das Schauspiel der Natur das Gefühl des Schönen oder des Erhabenen im Menschen erwecken kann und ihm die Überlegenheit der Vernunft und
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deren Kraft über die Sinnlichkeit zu zeigen vermag (vgl. KU § 27 V 257–260). Das Gefühl des Schönen erweckt also in uns die Achtung vor dem moralischen Gesetz, welche wiederum die Kraft der Sinnlichkeit in der Bestimmung der Willkür schwächt (vgl. KpV V 79). Wenn auf diese Weise die Bürger dem kategorischen Imperativ, mithin auch dem Gesetz des Rechts ohne Zwang folgen, dann finden weniger Verbrechen statt und es sind weniger Kontroll- und Zwangsmittel nötig. Kants Sittenpolizei bedient sich mancher Bürger als bloßer Mittel, um etwas bei anderen Bürgern zu bewirken. Kants Argument lautet nämlich nicht, daß Bettelei, Lärm auf Straßen, Gestank und öffentliche Wollust die Rechte anderer Bürger verletzten. Heutzutage ist aus diesem Grund etwa die nächtliche Ruhestörung strafbar. Kant hätte über das gleiche Argument verfügen können, denn wir lesen in der Anthropologie im ausdrücklichen Zusammenhang mit dem Gestank: „Geruch ist gleichsam ein Geschmack in der Ferne, und andere werden gezwungen, mit zu genießen, sie mögen wollen oder nicht, und darum ist er als der Freiheit zuwider weniger gesellig als der Geschmack“ (VII 158). Man könnte auch mit Dworkin (1985, 354) argumentieren, daß, falls der private Gebrauch der Pornographie das Risiko erhöhte, selber ein Sexualverbrechen zu begehen, ein Verbot der Pornographie in Frage käme. Solche Argumente erscheinen dagegen im Fall der Bettelei als unzutreffend. Im Zusammenhang mit der Sittenpolizei besteht Kants Anliegen m. E. darin, zu begründen, warum manche Bürger, die Kant keinesfalls der Verletzung fremder Rechte beschuldigt, d. h. unschuldige Bürger, bestraft werden dürfen, um andere Bürger zur Befolgung der Gesetze zu bewegen. Dies widerspricht seiner Straftheorie. Einen ähnlichen unnötigen Eingriff in die Privatsphäre der Bürger begeht der Kantische Staat auch in religiösen Angelegenheiten. In der Religionsschrift unterscheidet Kant das „ethische gemeine Wesen“ vom „juridischen gemeine[n] Wesen“: während „alle Gesetze“ des ethischen Gemeinwesens darauf gestellt sind, „die Moralität der Handlungen […] zu befördern“, kümmern sich die Gesetze des juridischen nur um „die Legalität der Handlungen“ (98). Die Religion, deren sichtbare Seite die Kirche ist, stellt uns die Idee eines „moralischen Volks Gottes“ (100) dar, welches kein bloß bürgerliches Volk ist. Dennoch meint Kant in der Rechtslehre, daß der Staat „das negative Recht [habe], den Einfluß der öffentlichen Lehrer auf das sichtbare politische gemeine Wesen, der der öffentlichen Ruhe nachteilig sein möchte, abzuhalten, mithin bei dem inneren Streit, oder dem der verschiedenen Kirchen untereinander, die bürgerliche Eintracht nicht in Gefahr kommen zu lassen, welches also ein Recht der Polizei ist“ (327). Der Streit der Fakultäten wiederholt und präzisiert den Sinn dieser Passage: wenn der Kirchenglaube (als vom Religionsglauben unterschieden) zu Unrecht zum Glaubensartikel gemacht wird, so daß der Weg zum Fortschritt versperrt ist, darf dieser Kirchenglaube „auch in Kirchen nicht öffentlich angegriffen oder mit trockenem Fuß übergangen werden, […] weil
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er unter der Gewahrsame der Regierung steht, die für öffentliche Eintracht und Frieden Sorge trägt“ (VII 42). Diese Streitigkeiten verletzen jedoch nicht die „öffentliche Ruhe“, zumal sie „in Kirchen“ stattfinden. Fichtes Revolutionsschrift etwa erkennt folgerichtig das Recht an, in den Kirchen oder unter den Kirchen zu streiten, und zwar bis zur Exkommunikation oder bis zur ewigen Verdammung. Weder bei Fichte noch bei Locke bedeutet dies eine Rechtsverletzung, solange die Kirche die öffentliche Vereinigung als solche nicht angreift. Auch heutzutage empören wir uns nicht darüber, daß Geistliche Salman Rushdie mit einem Bann belegen, sondern darüber, daß sie zum Mord aufrufen. In seinen Bemerkungen zur Rechtslehre (Manuskript vom 10. 8.1798; das Manuskript ist nie veröffentlicht worden und verschwand im letzten Jahrhundert. Zum Manuskript vgl. Rosenkranz 1844, 87 f.) kritisiert Hegel Kants „Dualismus von Staat und Kirche“, der den Menschen als „Ganzes“ ignoriere: „entweder ist es dem Bürger nicht in seinem Verhältniß zum Staat, oder nicht mit dem zur Kirche ernst, wenn er in beiden ruhig bleiben kann“. Hegel verabsolutiert Kants Trennung von Staat und Kirche; dabei übersieht er aber die vernunft-religiöse Dimension des Kantischen Staates. Kants Argument lautet, daß für das Kirchenwesen ein „wahres Staatsbedürfnis“ bestehe (327). Wenn dies der Fall ist, dann ist der Staat auf die Moralität seiner Bürger angewiesen. Zwar will Kant mit der Sitten- und Kirchenpolizei nicht die Moralität seiner Bürger direkt verursachen; er weiß natürlich, daß sich der gute Wille nicht erzwingen läßt: „Wehe aber dem Gesetzgeber, der eine auf ethische Zwecke gerichtete Verfassung durch Zwang bewirken wollte“ (96). Auf indirekte und negative Weise jedoch soll der Staat die Willkür der Bürger zur Moralität beeinflussen, indem er das Schauspiel der Unsitten bzw. des Streits der Kirchen (als „Werkzeug des Bösen“; 97) durch Eingriff der Polizei zu unterbinden sucht, damit der moralische Sinn nicht abgestumpft wird. Durch den Einsatz des staatlichen Zwangs soll also der Moralität doch beigesprungen werden, um die Aufgaben des Staates zu erleichtern. Dies ist m. E. zwar kein Paternalismus der Glückseligkeit, wohl aber ein moralischer Paternalismus. Dieser moralische Paternalismus erstreckt sich allerdings nicht auf das ganze Gebiet des Rechts. Man könnte sich nämlich weitere staatliche Eingriffe denken, die das Abstumpfen des moralischen Sinnes verhindern sollen. Das Schauspiel eines äußerst geizigen Reichen oder das Schauspiel des Nebeneinanders von Luxus (der „Plagen“ verursacht, so Kant selber: KU V 432) und Elend ist nicht wesentlich geschmackvoller als das eines Bettlers oder einer fröhlichen Gesellschaft, die nachts auf der Straße lärmt. Doch anders als bei Luther oder Rousseau läßt sich bei Kant kein Gesetz gegen den Luxus finden. Warum soll das Schauspiel der Wollust und nicht das des luxuriösen Genusses verboten werden? Ich möchte nur eine Hypothese formulieren, um Kants Position verständlich zu machen. In der Kritik der Urteilskraft beschreibt Kant den wach-
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senden Luxus und den Fortschritt der Wissenschaften und Künste in ähnlicher Weise wie Rousseau, zieht aber einen ganz anderen Schluß als dieser: „Das glänzende Elend ist doch mit der Entwicklung der Naturanlagen in der Menschengattung verbunden, und der Zweck der Natur selbst, wenn es gleich nicht unser Zweck ist, wird doch hierbei erreicht“ (V 432). In teleologischer Hinsicht befördern also das Schauspiel – und sogar das „glänzende“ Schauspiel – mancher Laster den Zweck der Natur. Andere dagegen, wie etwa das Schauspiel der Bettelei, des Lärmens auf Straßen, des Gestanks, der öffentlichen Wollust und des Streits in oder unter den Kirchen, bringen die Menschheit ihrem telos, dem Zweck der Natur, nicht näher. Im Gegenteil, aus dem rechtlichen Verbot dieser Laster entsteht eine Erleichterung der Geschäfte des Staates, was den Zweck der Natur nur befördern kann. Ein solches Denkmuster der „ungeselligen Geselligkeit“ (Idee, 4. Satz V 20) entspricht zwar der Idee eines Naturmechanismus, nicht aber dem Begriff des Rechts. In den Abschnitten B–D der „Allgemeine[n] Anmerkung“ schleichen sich, wie gezeigt wurde, fremde – rein moralische und teleologische – Denkmuster in den Rechtsbegriff ein. Dagegen wäre nichts einzuwenden, wenn diese Elemente mit Kants Rechtslehre kompatibel wären. Statt auf derart unzulässige argumentative Mittel zurückzugreifen, hätte Kant andere Mittel finden können, um eine aktive Fortschrittsdimension und eine aktive Beförderung der Moralität in die Rechtslehre zu integrieren, ohne dabei seinem Rechtsbegriff zu widersprechen. Es seien hier außer der Gleichheit der Ressourcen noch einige Beispiele kurz erwähnt. Eine öffentliche allgemeine Schulbildung könnte sicherlich zu den Rechten und Pflichten des Staates gezählt werden. Der Staat kann auch für die Bedingungen einer fruchtbaren Kooperation unter den Bürgern sorgen, etwa durch die Unterstützung des Baus von Verkehrs- und Kommunikationsmitteln, wie es die meisten Naturrechtler vor Kant bereits vorgeschlagen hatten. Der Staat kann auch einen Rahmen für wohltätige und kulturelle Vereine – etwa durch steuerliche Vergünstigungen – organisieren, was auch zum Fortschritt und zur Aufklärung beitragen kann. Solche Initiativen bleiben neutral gegenüber den individuellen Zwecken der einzelnen Bürger und verletzen Kants Rechtsgesetz der bürgerlichen Vereinigung nicht. Daß Kant diese Dimension eines liberalen Staates nicht untersucht, läßt sich z.T. auf das Entweder-Oder der Dichotomie von Minimalismus und Paternalismus zurückführen, das keinen dritten Weg zuläßt. Daher wird m. E. die teleologische Dimension allein einem Naturmechanismus, nicht aber dem Staat überlassen, im Gegensatz zu dem, was Sitten- und Kirchenpolizei tun. Die Kombination einer Naturteleologie und einer teleologischen, und doch rechtmäßigen Staatsverwaltung wäre anspruchvoller, aber auch den Prinzipien der Kantischen Rechtsphilosophie und ihren ‚liberalen‘ Ansprüchen gerechter gewesen, als es manche Aspekte der „Anmerkung“ sind. Wer den Anspruch des von Kant konzipierten Staats, die Reform und die Aufklärung in der Rechtsgemeinschaft und in der Gesellschaft zu ermög-
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lichen, oder gar zu befördern, ernst nimmt, der muß die Prinzipien von Kants Staatsrecht zwar übernehmen, sein institutionnelles Modell aber kritisch reformieren.
Literatur Alexy, R. 1996: Theorie der Grundrechte, Frankfurt/M., 3. Aufl. Burke, E. 1987: Reflections on the Revolution in France, Buffalo N. Y. Dworkin, R. 1985: A Matter of Principle, Cambridge Mass. Frankel Paul, E. 1987: Property Rights and Eminent Domain, New Brunswick u. Oxford Merle, J.-C. 1997: Justice et Progrès. Contribution à une Doctrine du Droit Economique et Social, Paris Merle, J.-C. 1997a: Notrecht und Eigentumstheorie im Naturrecht, bei Kant und bei Fichte, Fichte Studien, Bd. 11 Philonenko, A. 1976: Théorie et Praxis dans la Pensée Morale et Politique de Kant et de Fichte en 1793, Paris, 2. Aufl. Polanyi, K. 1975: The Great Transformation, New York Rawert, P. 1998: Stiften im Rahmen der Rechtsordnung, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8. Mai Rehberg, A. K. 1979: Über den Deutschen Adel, Nachdr., Meisenheim/Glan Rosen, A. 1993: Kant’s Theory of Justice, Ithaca, N. Y. Rosenkranz, K. 1844: Georg Wilhelm Friedrich Hegels Leben, Berlin (Nachdruck: Darmstadt 21969) Schmalz, T. 1792: Das reine Naturrecht, Königsberg Schmalz, T. 1795: Das reine Naturrecht, Königsberg, 2. Aufl. Schmalz, T. 1807: Handbuch der Rechtsphilosophie, Halle Van Parijs, P. 1995: Real Freedom for All. What (if Anything) can Justify Capitalism?, Oxford
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11 Vom Straf- und Begnadigungsrecht 11.1 Kants Provokation Dem einschneidendsten Mittel der öffentlichen Gewalt, dem Strafrecht, und seiner Ergänzung, dem Begnadigungsrecht, räumt Kant schon quantitativ ein großes Gewicht ein. Der zuständige Abschnitt, in der „Allgemeine(n) Anmerkung von den rechtlichen Wirkungen aus der Natur des bürgerlichen Vereins“, der Teil „E. Vom Straf- und Begnadigungsrecht“, ist nämlich fast so umfangreich wie der ganze Teil über das Staatsrecht. Auch in der Wirkungsgeschichte gewinnt die entsprechende Lehre eine besondere Bedeutung. Denn in Kants Rechtsphilosophie gehört sie zu den wenigen Gedanken, die bis heute systematisch beachtet werden, in der Regel aber bloß als Negativfolie. Da man als Strafzweck seit längerem vor allem die Abschreckung, früher die negative, neuerdings vor allem die positive Generalprävention, außerdem die Besserung (Resozialisierung) für vertretbar hält, fordert die These, „nur das Wiedervergeltungsrecht (ius talionis)“ könne „die Qualität und Quantität der Strafe bestimmt angeben“ (332, 19–21), zum „Abschied von Kant“ auf (Klug 1968). Besonders provozierend ist der im „nur“ enthaltene Exklusivitätsanspruch, gesteigert durch den moralischen Rang – das Strafgesetz bzw. die Strafgerechtigkeit gelten als kategorischer Imperativ (331, 31 f., und 336, 37). Nicht zuletzt fordern zum Widerspruch nähere Bestimmungen heraus wie etwa, daß Sexualverbrecher mit Kastration zu bestrafen sind (363) oder daß jeder, der gemordet habe, sterben müsse, dieses Gebot sogar ein kategorischer Imperativ sei (336, 37 f.), bei dessen bewußter Mißachtung „die Blutschuld … auf dem Volke hafte“ (333, 22 f.), so daß es im Gegensatz zu Beccarias „teilnehmender Empfindelei einer affektierten Humanität“ (334, 37 f.), „hier kein Surrogat zur Befriedigung der Gerechtigkeit“ gebe (333, 11–13). Eine umsichtige Beurteilung unterscheidet zwischen Kants umfassenderer Vergeltungstheorie und dem Gedanken der Wiedervergeltung, dem Talionsrecht, als einem Teilaspekt. Ferner sieht sie verschiedene Bedeutungen von Wiedervergeltung und bezweifelt, daß, wer für das Talionsrecht eintritt, auch für Kastration und Todesstrafe sich einsetzen müsse. Vielleicht widersprechen Kants nähere Bestimmungen sogar prinzipielleren Elementen seiner Rechtsethik, namentlich der These, es gebe ein „ursprüngliches, jedem Menschen kraft seiner Menschheit zustehendes Recht“ (237). Konzentriert man sich auf den sinnvollen Kern des Vergeltungsgedankens, so gilt heute wie damals, daß die Alternativen, die Abschreckung und die Besserung, https://doi.org/10.1515/9783110782509-012
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als exklusive oder auch dominante Strafzwecke vertreten, grundlegende Schwächen haben. Ohnehin trifft dies auf den noch von Achenwall (§ 872, 2; vgl. §§ 873 und 874) vertretenen Strafzweck zu, „daß die Bürger gut werden“. Die Alternativen müßten beispielsweise für geringere Verfehlungen härtere Strafen als für gravierendere Verfehlungen zulassen. Und ein erst spät aufgespürter Mörder, der in der Zwischenzeit rechtskonform gelebt hat, müßte straffrei ausgehen. Vor allem läßt sich ohne den Vergeltungsgedanken kaum begründen, warum Unschuldige unter keinen Umständen bestraft werden dürfen. Das Vergeltungsdenken, neuerdings gern als ein Gefühl der Rache diskreditiert, galt bei Naturvölkern ebenso wie bei sogenannten Hochkulturen über Tausende von Jahren als moralisch nicht bloß zulässig, sondern sogar geboten. Wer dabei nur an das Heimzahlen eines Übels denkt, übersieht die primäre, durch und durch neutrale Bedeutung. Der Ausdruck „Vergeltung“ hat dieselbe Wurzel wie „Geld“ und verweist etymologisch auf die Grundform menschlichen Verkehrs, den Tausch. „Vergeltung“ meint jede Gegenleistung für empfangene Dienste, jedes Zurückzahlen, das im Falle positiver Dienste in einem „Entgelt“ und nur im Fall negativer Dienste in einem „Heimzahlen“ oder Strafen besteht. Kants positive Bedeutung für eine Vergeltungstheorie liegt in einer dreiteiligen Neugewichtung: (1) in einer thematischen Klärung, auch Ausweitung des Vergeltungsgedankens, (2) in dessen moralischer Aufwertung, (3) nicht zuletzt in einer methodischen Klärung. Thematisch grenzt Kant den Vergeltungsgedanken nicht wie Montesquieu (De l’esprit des lois, Buch XII, Kap. 4) auf das Strafmaß ein. Er verwendet ihn auch bei zwei weiteren Grundaufgaben: beim Begriff (Sachdefinition) und bei der Legitimation der Kriminalstrafe. Der Ausdruck „Wiedervergeltungsrecht (ius talionis)“ (332, 19) erscheint allerdings nur bei der dritten Aufgabe; und von bloßer „Vergeltung“ ist in der Rechtslehre nirgendwo die Rede. Eine andere Bedeutung der Wiedervergeltung, die (völkerrechtliche) Retorsion (§ 56: 346, 26 f.), zeigt das größere Bedeutungspektrum an, bleibt aber in einer Strafrechtstheorie außer Betracht. In der Regel begnügt man sich damit zu zeigen, daß die Strafe ein moralisch erlaubtes Rechtsinstitut ist. Die These vom Strafgesetz als kategorischem Imperativ wertet das Strafgesetz dahingehend moralisch auf, erklärt nämlich, daß es sich letztlich weder empirisch noch pragmatisch, sondern nur moralisch begründen lasse. Die notwendige Vorfrage, warum der Staat zum Strafen überhaupt berechtigt, sogar verpflichtet sei, wird allerdings in unserem Abschnitt E. der „Allgemeinen Anmerkung“ nicht aufgeworfen. Die Antwort müßte aus Grundbausteinen von Kants Praktischer Philosophie, insbesondere seiner Rechtstheorie erschlossen werden. Argumentationslogisch läßt sich ein kategorischer Imperativ nur rational legitimieren, so daß erneut jenes Programm einer „Rechtsethik als Metaphysik“ zur
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Diskussion steht (vgl. Kap. 3.1), mit dem Kant jeder bloß empirischen Rechtskultur einen Kontrapunkt entgegensetzt. Die seit einiger Zeit in der Strafrechtslehre vorherrschende empirische Wende ist zweifelsohne für das Strafverfahren und den Strafvollzug sinnvoll, daß sie aber auch zu einer (zureichenden) Legitimation fähig sein soll, wird schon durch den Sein-Sollensfehler verhindert. Weil schon Locke und Montesquieu die Vergeltungstheorie vertreten, aber erst Kant deren vorempirische, folglich metaphysische Bedeutung zutage fördert, nimmt er eine entsprechende methodische Klärung vor.
11.2 Der Vergeltungsbegriff des Strafrechts In seiner Definition des Strafrechts übernimmt Kant die Standardbedeutung der Strafe und spezifiziert sie in bemerkenswerter Kürze und Klarheit auf die Situation des Rechtsinstituts: Das Strafrecht gilt als (1) „Recht“, mithin als Befugnis, nicht als Pflicht, (2) einer öffentlichen Gewalt („Befehlsinhaber“; vgl. ‚oberster Befehlshaber‘: 328, 7 mit 13 f.), (3) den Bürger („Unterwürfigen“, aber nicht das Oberhaupt: 321, 7 f.; vgl. 317, 13; vgl. § 57, demzufolge es zwischen unabhängigen, also gleichgestellten Staaten keinen Strafkrieg geben kann) (4) wegen (5) seines Verbrechens (6) mit einem Schmerz (7) zu belegen (331, 4 f.). Die entsprechende richterliche Strafe unterscheidet sich von der natürlichen Strafe, „dadurch das Laster sich selbst bestraft und auf welche der Gesetzgeber gar nicht Rücksicht nimmt“ (331, 21; vgl. schon Beweisgrund II 105: „Wilde Wollust und Unmäßigkeit endigen sich in einem siechen und martervollen Leben. Ränke und Arglist scheitern zuletzt und Ehrlichkeit ist am Ende doch die beste Politik“.) Schon mit Kants zweitem Moment beginnt die Reihe der Elemente, durch die sich das (öffentliche) Strafrecht von jener zu Recht diskreditierten (privaten) Rache begrifflich unterscheidet, die erlittenes Unrecht auf eigene Faust zu vergelten sucht, sich dabei von Haßgefühlen leiten läßt und oft im Übermaß reagiert. Ob individuell oder kollektiv (von Verwandtschaftsgruppen: Familien, Sippen, Clans) organisiert: die entsprechende Rache stellt eine Form privater Selbst„hilfe“ dar, die Strafbefugnis gebührt dagegen einem öffentlichen Amt. (Vgl. Religion VI 110, 35 ff.) Ohnehin darf „keine Strafe des Strafrechtsbegriffs … aus Haß verhängt werden“ (TL VI 461). Daß Kant trotzdem gelegentlich von Rache bzw. rächen spricht (z. B. TL VI 460, 24; Religion VI 110, 35 ff.), kann zur Ansicht verleiten, er vertrete dann doch eine moralisch verwerfliche Position. Ursprünglich meint die Rache aber einen alten gemeingermanischen Rechtsbegriff, nämlich „der‚ das Setzen außerhalb des Landrechts und die Austreibung aus dem Lande infolge Angriffs auf den Landfrieden“. Die so verstandene Rache ist „eine mildere und nicht entehrende Art derjenigen Strafe, als deren höchste und zugleich vogelfrei machende Stufe die Verurteilung
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zum Wergus … angesehen werden muß“ (Grimm 14, 14). Von dorther wird eine Bedeutung der Rache verständlich, die gewiß nicht moralisch verwerflich ist: die „Vergeltung eines Unrechts durch Menschen, unter göttlicher Billigung und Hilfe“ (Grimm 14, 15). Wenn Kant von Rache spricht, so hat er einen moralisch zumindest neutralen Begriff, den der Vergeltung von Unrecht. Die Anthropologie (§ 83: VII 270) hält den ‚Haß aus dem erlittenen Unrecht‘, die Rachbegierde, zwar für eine Leidenschaft, die „aus der Natur des Menschen unwiderstehlich hervorgeht“, sie ist aber, als Haß, klarerweise verwerflich, das bösartige Analogon zur einzig erlaubten Einstellung, der „Rechtsbegierde“. Insofern eine Strafe – nach den „Vorbegriffen“ der „rechtliche Effekt einer Verschuldung“ (227, 34) – „wegen“ etwas erfolgt, bedeutet sie erstens ein anspruchsloseres Danach und zweitens das eigentliche Deswegen. Als eine „post et propter hoc“-Reaktion ist das Strafen von präventiven Handlungen wie beispielsweise Quarantäne-Maßnahmen verschieden, auch von manipulativen Techniken einer „schönen neuen Welt“: von den offenen oder versteckten Formen der Konditionierung und Propaganda; nicht zuletzt davon, daß man „asoziale“ Menschen einfach unschädlich macht. Insofern die Strafe mit ihrem Eingreifen wartet, bis eine Rechtsverletzung tatsächlich stattfindet, hat sie im neutralen Sinne einen Vergeltungscharakter. Nach dem Grundsatz „nulla poena sine lege“ – einer weiteren Differenz zur privaten Rache – ist die Regel, auf deren Verletzung die Strafe folgt, wohldefiniert und vorweg bekannt. Deshalb entfaltet die Strafe, obwohl retrospektiver Natur, gleichwohl, sogar mit Notwendigkeit eine prospektive Kraft. Sie kann, so die negative Prävention, den potentiellen Rechtsbrecher abschrecken und die zum Rechtsgehorsam bereiten Bürger gemäß der positiven Prävention (vgl. Jakobs 1976) in ihrer Bereitschaft stärken. Begrifflich prioritär bleibt aber der retrospektive Charakter; die Abschreckung ist eine – freilich unvermeidbare – Nebenwirkung. Solange das Strafrecht nach einem Regelverstoß und seinetwegen tätig wird, läßt es sich vielfach reformieren, sein Vergeltungscharakter aber nicht abschaffen. Da auch die angeblichen Alternativen, Prävention und Resozialisierung, in post- und propter-Reaktionen auf Regelverstöße bestehen, erkennen sie – gegebenenfalls à contre-cœur – den Gedanken der Vergeltung an. Nach dem fünften Element von Kants Strafrechtsbegriff ist das einschneidendste Mittel, die ultima ratio, öffentlicher Gewalt nur dort zulässig, wo es tatsächlich eine ultima ratio braucht: nicht bei irgendwelchen Regelverletzungen, schon gar nicht bei bloß abweichendem Verhalten, sondern lediglich bei den gravierendsten Formen von Rechtsverletzung: bei Verbrechen („crimen“: 331, 9). Kant versteht darunter eine wissentliche Regelverletzung (224, 4–7), die jene elementarsten Rechtsregeln betrifft, deren Übertretung unfähig machen, „Staatsbürger zu sein“ (331, 7–9). Den Grund, warum man diese Fähigkeit verliere, erwähnt Kant hier
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nicht; er präzisiert nicht einmal den Verlust: Betrifft er nur die aktive Staatsbürgerschaft, die als „Fähigkeit der Stimmgebung“ (314, 17) zur Teilnahme an der Gesetzgebung berechtigt (vgl. § 55: 345, 34), oder auch die passive Staatsbürgerschaft? Insofern nach dem „Anhang, 5“ die „Ausstoßung aus der bürgerlichen Gesellschaft auf immer“ nur bei einem besonders schweren Verbrechen verlangt ist (363, 9–12), scheint beim gewöhnlichen Verbrechen weniger, folglich bloß der Verlust der aktiven Staatsbürgerschaft gemeint zu sein. Da aber Gesellen, Dienstboten, Frauenzimmer (314, 26 ff.) überhaupt nur die passive Staatsbürgerschaft besitzen, müßten sie, falls sie bei Verbrechen auch an Staatsbürgerschaft verlieren, eben der passiven Staatsbürgerschaft verlustig gehen. Auch nach 329 (37 ff.) scheint die Würde des Staatsbürgers insgesamt auf dem Spiel zu stehen. Als Grund könnte man anführen, daß Verbrecher, weil sie die Basis der öffentlichen Rechtsordnung, den gemeinsamen Volkswillen, (vgl. § 46) verletzen, sich eo ipso, also selbst aus der Rechtsordnung ausstoßen; man hat sein Recht auf Rechtsschutz verwirkt (vgl. 333, 4 ff.) Allerdings geschieht es nicht vollständig, sondern – was bei Kant nicht deutlich genug wird – je nach Art und Schwere des Verbrechens begrenzt. Und auf keinen Fall kann man nach Kant die angeborene Persönlichkeit verspielen (331, 27–29). Weil sich das öffentliche Recht an das Privatrecht vom äußeren Mein und Dein anschließt, könnte man annehmen, es sei nur dafür zuständig. Der entsprechende „Übergang“ wird aber generell als vom „Mein und Dein im Naturzustande“ (§ 41) qualifiziert, schließt also das innere Mein und Dein ein. In seinem Strafrecht geht Kant auch auf die beiden Klassen einer Verletzung des inneren Mein und Dein ein, auf eine Verletzung des Besitzes am eigenen Körper, hier insbesondere die Tötung, und auf die des Besitzes der rechtlichen Ehrbarkeit in der Beschimpfung. In Übereinstimmung mit einer Tradition seit Athen – vgl. Platon, Nomoi VI 767 b (ähnlich das römische Recht: s. Mommsen 1899, 9 ff.) – unterscheidet Kant (331, 9 ff.) Privatverbrechen, die wie etwa Veruntreuung und Betrug einzelne Personen gefährden, und öffentliche Verbrechen, die wie etwa Falschmünzerei, Diebstahl und Raub das Gemeinwesen selbst gefährden. Kaum ein Interpret versucht diese Unterscheidung, die schon Achenwall (§ 875 Anm.) für „nicht angemessen“ hält, zu verteidigen; denn das aufs Eigentum angewandte Kriterium – „wer da stiehlt, macht aller Anderer Eigentum unsicher“ (333, 4 f.; vgl. 332, 15–19) – lasse sich doch auch auf ein Privatverbrechen wie den Betrug anwenden (‚wer da betrügt, macht alle Verträge unsicher‘). In der Tat liegt auch hier die Nichtverallgemeinerbarkeit der entsprechenden Maxime und ihretwegen die Unsicherheit des betreffenden Rechtsinstitutes vor. Damit ist aber erst die Gattung, das Verbrechen, noch nicht die Art angesprochen, das öffentliche Verbrechen. Das dafür erforderliche spezifische Kritierum scheint darin zu liegen, daß bei den Privatverbrechen ein (ausdrücklicher oder stillschweigender) Vertrag verletzt wird, was in Kants mißverständlicher Formulierung „bloß eine einzelne Person“ gefährdet, während bei öffentlichen
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Verbrechen Rechte verletzt werden, die auch ohne einen derartigen Vertrag bestehen, womit nach Kant „das gemeine Wesen … gefährdet wird“ (331, 16 f.). Man sagt, daß das positive Recht Kant nicht gefolgt ist. Das Schweizerische Recht könnte aber insofern mit Kant übereinstimmen, als es für den Rechtsbereich, der durch Privatverbrechen verletzt wird, ein eigenes Gesetzbuch kennt, das alle Vertragsverhältnisse regelnde Obligationenrecht, während für Personen-, Familien-, Erbund Sachenrecht das Zivilgesetzbuch zuständig ist. Weil sich das Strafrecht nach Kant nur auf Verbrechen bezieht, könnte er bei weniger gravierenden Regelverletzungen durchaus jene Haftung für sinnvoll halten, die heute der (strafrechtlichen) Verschuldenshaftung mehr und mehr an Bedeutung gewinnt: die (zivilrechtliche) Erfolgshaftung. Sie, die ebenfalls in einer postund propter-Reaktion besteht, also Vergeltungscharakter hat, erreicht nämlich die sorgfältige Regelbeachtung weit wirkungsvoller, überdies wird der Betroffene weniger stigmatisiert. Auch die Vergeltungsstrafe bedarf jenes empirischen Sichkundigmachens, das mancher Kritiker vermißt. In der Strafrechtskontroverse geht es daher nicht etwa um den Gegensatz zwischen einem begrifflichen und einem empirisch orientierten Denken, vielmehr, subtiler, um deren Art und Reichweite. Hinsichtlich des empirischen Teils beansprucht die Vergeltungstheorie jenes retrospektive und deliktinterne Wissen, das die Tat und den Vorsatz betrifft, während die Präventions- und Resozialisierungstheorien ein prospektives und deliktexternes Wissen um den Abschreckungs- und um den Besserungswert benötigen. Im übrigen bleibt eine „vernünftige“ Vergeltungstheorie – werden wir sehen – für diese Seiten offen. Kants sechstes Definitionselement – die Strafe ist ein „Schmerz“, also Übel (vgl. KpV V 37, 27 ff.) – ist unkontrovers. Auch dem siebten und letzten Definitionselement wird man kaum widersprechen, daß man eine Therapie, mag sie auch noch so schmerzlich sein, letztlich freiwillig auf sich nimmt, während man die Strafe aufgezwungen erhält; man wird mit dem Schmerz „belegt“ (331,5). Deshalb läßt sich nicht, wie manche euphorische Strafrechtsreformer glauben (s. dazu Cornel u. a. 1995 und Lüderssen 1991), durch ein Resozialisierungsrecht der Strafcharakter aufheben. Denn solange die Maßnahmen rechtlich verordnet sind, werden sie auch gegen den Willen des Betroffenen eingeleitet, so daß der Zwangscharakter erhalten bleibt.
11.3 Eine bloß partielle Straflegitimation Eine umfassende Interpretation der Kantischen Straftheorie müßte mit der These aus der zweiten Kritik beginnen, „in der Idee unserer praktischen Vernunft“ liege es, daß „die Übertretung eines sittlichen Gesetzes“ von ihrer Strafwürdigkeit „be-
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gleitet“ werde, ferner daß „alles Verbrechen … für sich strafbar“ sei, „d. i. Glückseligkeit (wenigstens zum Teil)“ verwirke (KpV V 37, 22 ff.). Eine derartige Strafwürdigkeit, die „für sich“ gegeben und mit Kants Lehre von der zur Glückswürdigkeit proportionalen Glückseligkeit (schon KrV B 834 ff.) verbunden ist, besagt freilich erst, daß ein Strafen erlaubt, nicht daß es geboten ist. Im übrigen taucht das Argument weder in der Rechtslehre noch sonst in Kants veröffentlichter Rechtsphilosophie auf. Man müßte einmal der Frage gesondert nachgehen, ob die Idee einer moralischen Strafwürdigkeit ihren systematischen Ort im Bereich der inneren Moral, also dem Aufgabenfeld der Tugendlehre, hat. Die Tugendlehre (§ 36: VI 460) sagt zwar: „Eine jede das Recht eines Menschen kränkende Tat verdient Strafe, wodurch das Verbrechen an dem Täter gerächt (nicht bloß der zugefügte Schade ersetzt) wird“, (vgl. auch Theodicee, VIII 260–262, 25 f. und Anm.), für die äußere Moral, die Rechtsethik der zwangsbefugten Pflichten, könnte sich dieser Gedanke dagegen als entbehrlich erweisen. In der Rechtslehre geht es jedenfalls nur um die Kriminalstrafe. Deren gründliche Legitimation ist kein isolierbares Teilstück, das nur in den Abschnitten E der „Allgemeinen Anmerkung“ und 5 des „Anhang(s)“ entfaltet wird.Vielmehr ist es mit dem Ganzen einer normativen Rechts- und Staatstheorie vielfältig verknüpft: Weil die Kriminalstrafe Zwangscharakter hat, ist sie nur unter der Voraussetzung legitim, daß die Zwangsbefugnis schon zum Rechtsbegriff hinzugehört (231–233; vgl. Kap. 3.5). Ein zweites Theorieelement bilden jene kategorisch gültigen Rechtsgrundsätze, etwa die Verbote zu töten oder zu stehlen, deren vorsätzliche Verletzung ein Verbrechen bedeutet und für die der kategorische Rechtsimperativ im Singular das Kriterium liefert. Um den kategorischen Grundsätzen eine mehr als provisorische Wirklichkeit zu geben, ist – so das weitere Element – jene öffentliche Rechtsordnung erforderlich, die Kant mit dem „Postulat des öffentlichen Rechts“ begründet (§ 42). Ein viertes Element ist in der These enthalten: „Die bloße Idee einer Staatsverfassung unter Menschen führt schon den Begriff einer Strafgerechtigkeit bei sich, welche der obersten Gewalt zusteht“ (362, 31–33). Hier erklärt Kant das Institut der Kriminalstrafe zum unverzichtbaren Bestandteil der staatlichen Garantie kategorischer Rechtsprinzipien. Daß er dabei das Wort „Menschen“ im Schriftbild hervorhebt, besagt, daß die Kriminalstrafe im rechtsmoralischen Staatsbegriff nicht schlechthin enthalten, vielmehr nur dort vonnöten ist, wo mit vorsätzlichen, zumindest schuldhaften Regelverletzungen zu rechnen ist, eben beim Menschen, dem vielfältig verführbaren Vernunftwesen. Für die Beurteilung von Kants Vergeltungstheorie ist nun zweierlei wichtig. Zum einen entfaltet Kant dort, wo er in der Rechtslehre das Strafrecht thematisiert, keine vollständige Strafrechtstheorie; sondern setzt die genannten vier Theorieelemente als schon behandelt voraus. (Deshalb heißt er zum Beispiel im Anschluß an das vierte Begriffselement: „Es fragt sich nur, ob …“: 362, 33). Zum anderen
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enthalten die genannten vier Elemente kein Vergeltungsmoment, weshalb Kant zwar eine pointierte, aber keine exklusive Vergeltungstheorie vertritt. Die Frage nach der Berechtigung, des Rechtsinstituts der Kriminalstrafe, beantwortet die Rechtslehre nicht mit dem Vergeltungsgedanken, sondern vor allem mit dem kategorischen Rechtsimperativ im Singular, zusammen mit der Idee einer Staatsverfassung unter Menschen (362, 31): Die im Rechtsimperativ enthaltene generelle Zwangsbefugnis wird im staatlichen öffentlichen Recht zur Strafbefugnis. Man spricht heute von „absoluten“ und „relativen“ Strafrechtstheorien und zählt unter die erste Gruppe Positionen wie: „Strafe soll sein“ oder „die Strafe hat einen immanenten Wert“, ferner die Sühnetheorie, nach der die Strafe den Delinquenten mit der durch das Delikt beleidigten Gesellschaft versöhnt. Statt derartiger Ansichten behauptet Kant zumindest in der Rechtslehre lediglich, moralisch gesehen dürfe die Strafe nie bloßes Mittel, sie müsse auch und primär ein Zweck sein. Weil Kant den Legitimationsgrund in Elementen des Strafbegriffs selbst sieht und Theorien kritisiert, die den Legitimationsgrund nur außerhalb des Strafbegriffs, in Abschreckung oder Besserung, suchen, ist die für den kategorischen Imperativ unerläßliche Unterscheidung von handlungsinternen („deontologischen“) und handlungsexternen („teleologischen“) Überlegungen aufzunehmen (Höffe 1990, Kap. 7.4): Nach der strafinternen und zugleich moralischen Vergeltungstheorie wird der bestraft, der etwas verbrochen hat („quia peccatum est“). Nach den strafexternen und pragmatischen, am gesellschaftlichen oder persönlichen Wohl orientierten Theorien – Kant nennt exemplarisch die Präventionstheorie – wird dagegen aus (sozialer) Klugheit bestraft: um Verbrechen zu verhindern („ne peccetur“: 363, 32 f.). Kants These lautet nun: Eine überzeugende Legitimation staatlicher Kriminalstrafe braucht moralische Argumente, die wiederum einen strafinternen, keinen strafexternen Charakter haben. Andererseits werden die pragmatischen Strafrechtstheorien nicht rundum, sondern bloß als exklusive („niemals bloß als Mittel“: 331, 22 f., vgl. 362, 34 ff. „nur als Mittel dazu taugen … oder ob auch noch Rücksicht genommen werden müsse“) und als dominante Positionen verworfen: „Er muß vorher strafbar befunden sein, ehe noch daran gedacht wird, aus dieser Strafe einigen Nutzen … zu ziehen“ (331, 29–31). Das Recht des Staates, beim Strafen auf Besserung („für den Verbrecher selbst“: Z. 23; „einigen Nutzen für ihn selbst …“ : Z. 30 f.) und auf Abschreckung zu achten ( „für die bürgerliche Gesellschaft“: Z. 24; „oder seine Mitbürger“: Z. 31), knüpft Kant aber an die Bedingung, sich ausschließlich gegen einen Schuldigen zu richten (‚weil er verbrochen hat‘: Z. 25). Wir können daher Kants Position entmythologisieren. Im Anschluß an den Vergeltungsbegriff der Strafe vertritt er der Sache, nicht dem Wort nach die allgemeine Vergeltung und versteht darunter – hier in Übereinstimmung mit dem moralischen
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Bewußtsein – das kompromißlos strenge, auch wegen des Staatswohls bzw. der Staatsräson nicht zu übertretende Verbot, einen Unschuldigen zu bestrafen. Stattfinden kann die „Bestrafung“ eines Unschuldigen auf zwei Ebenen, auf der des Richters und der des Gesetzgebers, außerdem entweder mangels oder aber trotz besseren Wissens. Daß das Unrecht mangels besseren Wissens – der Justizirrtum bei Gerichtsurteilen und der Rechtsirrtum bei Gesetzen – nicht vorkommen sollte, ist so selbstverständlich, daß Kant diesen Fall nicht erörtert. Lediglich bei der zweiten Art sieht er eine Legitimationsaufgabe: beim Unrecht trotz besseren Wissens, bei der Rechtsbeugung. Kant diskutiert sie als Rechtsbeugung erster Stufe, der des Richters; sinngemäß trifft sein Argument aber auch für die zweite Stufe, die Rechtsbeugung eines Gesetzgebers, zu. Am Beispiel des ‚pharisäischen Wahlspruchs‘ daß es besser sei, „daß ein Mensch sterbe, als daß das ganze Volk verderbe“ (331 f.; in Anspielung auf Joh 11, 50) erörtert Kant keine rechtstheoretische Position, sondern die rechtspraktische Maxime, im Namen des kollektiven Wohlergehens sich vom Verbot der Rechtsbeugung zu dispensieren. Kants Gegenargument – daß „der Mensch nie bloß als Mittel zu den Absichten eines anderen gehandhabt“ werden dürfe (331, 26 f.) – kennen wir aus der Grundlegung (IV 429); in der Rechtslehre bildet es die erste Rechtspflicht, die zur rechtlichen Ehrbarkeit („Mache dich anderen nicht zum bloßen Mittel, sondern sei für sie zugleich Zweck.“ 236, 27 f.). Im Rahmen seiner Strafrechtstheorie arbeitet Kant aber nicht mit dem rechtsunspezifischen Argument der Grundlegung, sondern mit dem rechtsspezifischen Argument, der Mensch dürfe nie unter die Gegenstände des Sachenrechts gemengt werden (331, 25 f.; vgl. auch 362, 34). Und außer dem Verbot der Instrumentalisierung führt er positiv die „angeborene Persönlichkeit“ des Menschen an (z. B. 331, 37 f.; hier erheben sich Bedenken gegen Enderlein 1985, 312 u. ö.). Kant spielt auf jenes einzige Menschenrecht an, das als „Freiheit …, sofern sie mit jedes anderen Freiheit nach einem allgemeinen Gesetz zusammen bestehen kann“ (237, 29–31), aus dem allgemeinen Rechtsprinzip bzw. dem kategorischen Rechtsimperativ unmittelbar folgt. Legitimationstheoretisch eleganter wäre es allerdings, nicht mit dem allgemeinen Rechts-, sondern mit dem besonderen kategorischen Staatsimperativ zu argumentieren: Weil die staatliche Zwangsbefugnis nur zur Gewährleistung vorstaatlich gültiger Rechte moralisch legitim ist, darf sie nur gegen eine Verletzung dieser Rechte, also bloß gegen straffällige, nicht aber gegen auffällige Personen eingesetzt werden. Kants Berufung auf das angeborene Menschenrecht verzichtet auf transzendente Annahmen: auf Gott, auf ein göttliches Gesetz oder eine kosmische Ordnung; den letzten Maßstab seiner Strafrechtstheorie bildet die reine rechtlich-praktische Vernunft. Weil heute das angeborene Menschenrecht schon einen Bestandteil der Rechtsordnung bildet, kann man das Rechtsbeugungsverbot sogar positivrechtlich begründen: Wer wider besseres Wissen Unschuldige bestraft, tastet nicht nur die
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Menschenwürde an (für die Bundesrepublik Deutschland: Grundgesetz Art. 1, 1). Je nachdem, ob eine Freiheits- oder eine Vermögensstrafe ausgesprochen wird, verletzt er des näheren die „Freiheit der Person“ (Art. 1, 2) bzw. das Eigentumsrecht (Art. 14, 1). Jedenfalls ist die Rechtsbeugung nicht deshalb kategorisch verboten, weil man andernfalls die pragmatischen Strafzwecke, die Abschreckung oder die Besserung, aufs Spiel setzt, sondern weil die staatliche Zwangsbefugnis nur gegen Schuldige besteht. Das Verbot, Unschuldige zu bestrafen, sichert den Bürgern die Freiheit, so auffällig oder abweichend zu leben, wie sie wollen – vorausgesetzt, sie machen sich keines Verbrechens schuldig.
11.4 Die spezielle Vergeltung Den Charakter eines kategorischen Imperativs hat das Strafgesetz nach Kant auch für das Strafmaß. Selbst nur von „einem Grade“ der Strafe zu entbinden (331, 34 f.), zählt zu jenen „Schlangenwindungen der Glückseligkeitslehre“, die er in der Praktischen Philosophie generell zurückweist (s. z. B. KpV V 41, 92 und 111 ff.; Frieden VIII 370 und 375). Das legitime Strafmaß ergibt (Z. 32 f.) sich strafrechtsintern aus der Schwere des Verbrechens und nicht strafrechtsextern aus den Folgen für das öffentliche oder private Wohl. Hier spielt nun der spezielle oder enge Begriff, die eigentliche Wiedervergeltung (ius talionis), eine Rolle. Kant verwirft den Vorschlag, „einem Verbrecher auf den Tod das Leben zu erhalten, wenn er sich dazu verstände, an sich gefährliche Experimente machen zu lassen und so glücklich wäre gut durchzukommen“ (332, 3–6). Würde der Vorschlag einem einzigen Verbrecher gemacht, so gewährte man ihm einen individuellen „Strafrabatt“. Würde man, um diese Ungerechtigkeit zu vermeiden, jeden so behandeln, dann gäbe es einen speziellen Strafrabatt, der – jetzt auf der Regel- oder Gesetzgebungsstufe – ungerecht wäre: Die zum Tode Verurteilten erhielten eine Chance, die sie im Verhältnis zu anderen Verbrechern bevorzugte. Selbst gutwillige Interpreten pflegen Kants Theorie der speziellen Vergeltung zu kritisieren, teils grundsätzlich, teils wegen gewisser Anwendungsformen wie etwa, daß Kapitalverbrechen nur mit dem Tode „vergolten“ werden könnten – was freilich nach Adam Smith (Lectures, 106 und 183; dt. 1996, 156) „in allen zivilisierten Völkern geschehe“ –, „damit jedermann das widerfahre, was seine Taten wert sind“ (333, 21 f.). Allerdings gibt es für Kant zwei ‚zweifelhafte‘ Fälle (336, 1), beide Male Fragen der Ehre, da sie uns vor die Alternative stellen, „entweder grausam oder nachsichtig zu sein“ (336, 35 f.): Weil ein Gemeinwesen weder für die Mutter die Schande einer unehelichen Geburt noch für einen untergeordneten Kriegsbefehlshaber die Schmach eines Verdachts auf Feigheit durch „Verordnung heben“ kann (Z. 20 f.), scheinen sich Mutter bzw. Kriegsbefehlshaber im Naturzustand zu
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befinden, so daß deren Tötungsdelikte – dort des unehelichen Kindes, hier in einem allfälligen Duell –, zwar „strafbar“ seien und doch nicht mit dem Tod bestraft werden könnten (Z. 13 f.), solange wie das Gemeinwesen, weil noch „barbarisch und unausgebildet“ (337, 3), die genannten Ehrprobleme nicht grundsätzlich gelöst hat (336 f.). Kants „Auflösung dieses Knotens“ (336, 36): Die von der Strafgerechtigkeit geforderte Todesstrafe ist angesichts der vorherrschenden Ehrvorstellungen eine Ungerechtigkeit. In einem zivilisierten Volk wäre dagegen weder die angebliche Feigheit eine für den unteren Kriegsbefehlshaber (Kant geht wohl davon aus, daß dann alle Kriege überwunden sind) noch die uneheliche Geburt eine Schande für die Mutter. Solange derart zivilisierte Verhältnisse fehlen, handelt der positive Gesetzgeber richtig, wenn er für Kindstötung eine Minderbestrafung vorsieht – § 217 StGB –, die er aber im neuesten, sechsten Strafrechtsreformgesetz aufhebt, da eine uneheliche Mutter heute nicht mehr als ehrlos gilt. Nach der Kritik der reinen Vernunft (B 373) werden die Strafen sogar desto seltener, je „übereinstimmender die Gesetzgebung und Regierung“ mit der Idee einer Verfassung von der größten menschlichen Freiheit nach allgemeinen Gesetzen sind. Nicht zuletzt ist nach den Ausführungen der Rechtslehre zum Notrecht – merkwürdigerweise dort mit einem präventionstheoretischen Argument (s. Kap. 3.6) – eine „Tat der gewalttätigen Selbsterhaltung“ zwar nicht unsträflich, aber unstrafbar (235 f.). Gemäß dem Sprichwort „mit gleicher Münze heimzahlen“ geht die Kritik am Talionsprinzip von der wörtlichen Anwendung aus. Von ihr hat schon Hegel (Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 101 Zusatz) gesehen, daß es sehr leicht ist, „die Wiedervergeltung der Strafe (als Diebstahl um Diebstahl, Raub um Raub, Aug’ um Aug’, Zahn um Zahn, wobei man sich vollends den Täter als einäugig oder zahnlos vorstellen kann) als Absurdität darzustellen“. Hegel hat jedoch zu Recht den Einwand für zu oberflächlich gehalten. Wer in die Geschichte des Strafrechts schaut, findet für die möglichst wörtliche Anwendung zwar Beispiele, sogar in Fülle (vgl. Hinckeldey 1980, 152 f.; auch Höffe 1998). Noch die von Karl V. im Jahr 1532 erlassene Peinliche Gerichtsordnung, die Carolina, sieht vorwiegend Todes- und verstümmelnde Leibesstrafen vor. Ein angemessener Begriff der speziellen Vergeltung schließt aber nicht nur das wörtliche, sondern jedes materiale Verständnis aus, auf daß gerade nicht „die Physiognomie des Verbrechens sich in der Strafe selbst ausprägt“ (Berner 1876, 30). Zu dieser Einsicht ist Kant selber freilich nicht gelangt. Einerseits führt er nämlich Beispiele an, die einem oberflächlichen materialen Verständnis folgen. So kann er sich für Kapitalverbrechen nur die Todesstrafe vorstellen („Hat er aber gemordet, so muß er sterben“: 333, 11 f.); er verlangt für Sexualverbrechen die Kastration, für Bestialität die „Ausstoßung aus der bürgerlichen Gesellschaft für immer“ (363, 10–12); und eine Beleidigung sei mit einem „einsamen und be-
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schwerlichen Arrest“ zu bestrafen, „weil hiermit, außer der Ungemächlichkeit noch die Eitelkeit des Täters schmerzhaft angegriffen und so durch Beschämung Gleiches mit Gleichem gehörig vergolten würde“ (332, 28 ff.). Bei derartigen Forderungen, bekräftigt durch den von Kant angeführten lateinischen Grundsatz „Per quod quis peccat, per idem punitur et idem“ („Man sei bestraft durch das, was man selbst verübt hat“, 363, 13), ist Nietzsche zuzustimmen: „Der kategorische Imperativ riecht nach Grausamkeit“ (Genealogie der Moral, 2. Teil, Abs. 6). Auf der anderen Seite spricht Kant vom „ius talionis der Form nach“ (363, 2); er hält nur dieses Prinzip für die „einzige a priori bestimmende Idee“ (Z. 3–5) und räumt selbst ein, daß die Wiedervergeltung nicht immer „nach dem Buchstaben möglich sein kann“ (332, 26 f.), weshalb man dann dem „Geiste des Strafgesetzes gemäß“ zu handeln habe (363, 19). Und in der Tugendlehre (§ 39) nennt er Strafen „wie das Vierteilen, das von Hunden zerreißen lassen, Nasen und Ohren abschneiden“ … „schimpfliche, die Menschheit selbst entehrende Strafen“, womit er sie wohl grundsätzlich verwirft. Vor allem erläutert er die Wiedervergeltung „als Prinzip der Gleichheit (im Stande des Züngleins an der Waage der Gerechtigkeit), sich nicht mehr auf die eine als auf die andere Seite hinzuneigen“ (332, 13–15). Das Zünglein an der Waage zeigt lediglich das Gleichgewicht beider Seiten an; die Frage, was auf der linken, was auf der rechten Waagschale liegt, bleibt offen. Entsprechend ist die spezielle Vergeltung als rein formale Korrespondenz zu verstehen und der inhaltlichen Frage vorgelagert, wie man die Art und die Schwere des Verbrechens messen und wie man die zugehörige Strafe bestimmen kann. Wer nun von der speziellen Vergeltung keinerlei materialen Gebrauch macht, richtet die Strafe nach dem Straftatbestand aus und läßt sie weder zu mild noch zu streng ausfallen. Verteidigen läßt sich die spezielle Vergeltung mit jenem „Prinzip der Gleichheit“ (332, 13), das ein unstrittiges Gerechtigkeitsprinzip darstellt: Insofern der Staat überhaupt Verbrecher bestraft, darf er aus Gerechtigkeitsgründen weder die einen bestrafen und die anderen frei laufen lassen, noch die einen drakonisch, andere aber mild und nachsichtig bestrafen. Im Gegensatz zu einem ‚willkürlichen Strafen‘ (363, 15) dürfen sich alle Unterschiede der Strafe bloß aus dem Verbrechen selbst ergeben, wo zur Beurteilung die Frage, ob Zurechnungsfähigkeit, Unzurechnungsfähigkeit oder verminderte Zurechnungsfähigkeit, ob Vorsatz, Fahrlässigkeit oder Rechtsirrtum vorliegt, wesentlich hinzugehört. In den „Vorbegriffen zur Metaphysik der Sitten“ spricht Kant selber vom ‚Grad der Zurechnungsfähigkeit‘ und sagt etwa, daß „der Gemütszustand, ob das Subjekt die Tat im Affekt, oder mit ruhiger Überlegung verübt habe, in der Zurechnung einen Unterschied macht“ (228). Weil nicht nur Abweichungen nach oben, sondern auch Rücksichten der Milde ungerecht wären, ist es nur folgerichtig, daß Kant gegen ein Begnadigungsrecht – unter allen Rechten des Souveräns „das schlüpfrigste“ – Bedenken äußert (337). Im
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diesbezüglichen kurzen Abschnitt II. der „Allgemeinen Anmerkung, E“ zieht er zunächst die zwei Stufen, die Milderung und die gänzliche Erlassung der Strafe in Betracht (337, 10), befaßt sich dann aber nur mit der „Straflosigkeit“ (Z. 14) bzw. der „Ungestraftheit“ (Z. 18). Bezogen auf die hier entscheidende Zweiteilung der Verbrechen, der ‚Untertanen gegen einander‘ (Z. 13) und die gegen den Souverän selbst (Z. 16), ist bei der ersten Klasse – sie umfaßt von den Eigentumsverletzungen über Ehr- und über Sexualdelikte bis zur Tötung fast alle Verbrechen – ein Begnadigungsrecht „schlechterdings“ nicht zulässig, denn hier wäre Straflosigkeit „das größte Unrecht gegen“ die Untertanen. So verbleibt allenfalls die Klasse der Majestätsverbrechen, worunter ursprünglich und noch zu Kants Zeit (vgl. das Allgemeine Preußische Landrecht Theil II., Titel II., Abs. 2–5, §§ 91 ff.; auch Achenwall, §§ 791 und 877) Rebellion und Hochverrat fallen. Sofern sich die Verbrechen gegen ihn selbst richten, darf der Souverän (der nach § 51 das gesamte Volk ist) begnadigen, allerdings auch nur, falls nicht „dem Volk selbst in Ansehung seiner Sicherheit Gefahr erwachsen könnte“ (Z. 18 f.). Jeglichen Widerstand gegen „das gesetzgebende Oberhaupt des Staates“, insbesondere Gewalt gegen ihn als einzelne Person, gilt als Hochverrat, der als Versuch, sein ‚Vaterland umzubringen‘ „nicht minder als mit dem Tode bestraft werden“ kann (320).
11.5 Umrisse einer Vereinigungstheorie Ziehen wir Bilanz: Eine Kantische Vergeltungstheorie stellt für die moralisch legitime Kriminalstrafe zwei limitierende Bedingungen auf. Weil beide überzeugen, lassen sich die kategorischen Imperative, gegen die wir im allgemeinen skeptisch sind, beim Strafgesetz überraschend gut verteidigen. Weit davon entfernt, eine systembedingte Verschrobenheit Kants darzustellen, bietet das Strafgesetz ein gutes Beispiel dafür, daß der Gedanke eines kategorischen Imperativs bis heute eine systematische Beachtung verdient; er läßt pragmatischen Ethiken ein gewisses, aber bloß ein sekundäres Recht. Nur solange wie der kategorische Imperativ des Strafgesetzes erfüllt wird, dürfen im Namen des öffentlichen und des persönlichen Wohls Folgenüberlegungen angestellt werden. Die Form einer Strafrechtsnorm lautet: „Wer x tut, wird mit y bestraft“ (z. B. „Wer vorsätzlich einen Menschen tötet, wird mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren bestraft“). Die erste kategorische Verpflichtung, die allgemeine Vergeltung, besagt, daß der Nachsatz („… wird mit y bestraft“) nur im Verhältnis zum Vordersatz („wer x tut, …“) berechtigt ist. Ferner ist der Nachsatz nur unter der Bedingung legitim, daß der Vordersatz nicht irgendeinen Regelverstoß enthält, sondern die Verletzung einer elementaren Rechtsregel, die überdies dem Täter zugerechnet werden kann.
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Kurz: Die staatliche Befugnis zur Kriminalstrafe besteht nur gegen einen (zurechnungsfähigen) Verbrecher (Schuldprinzip). Die zweite kategorische Verpflichtung, die spezielle Vergeltung, fordert vom Gesetzgeber, das im Nachsatz ausgesprochene Strafmaß nach der im Vordersatz genannten Schwere des Verbrechens festzulegen; und vom Richter verlangt sie, daß er sich allein an der Schwere des Regelverstoßes orientiert: Bestraft werden darf nur nach Maßgabe dessen, was verbrochen ist (spezielle Vergeltung). In den Begriffen der allgemeinen und der speziellen Vergeltung entfaltet die strafrechtsdefinierende Vergeltung eine zweifache kriteriologische Bedeutung. Sie bestimmt sowohl das allein legitime Opfer der staatlichen Kriminalstrafe als auch das allein legitime Kriterium für das Strafmaß. Im Gegensatz zu Kant wird aber nur ein formales Kriterium und keinerlei Materie der Strafe vorgegeben. Der kategorische Charakter beider Kriterien liegt nun darin, daß sie unbedingt und hinsichtlich submoralischer Interessen oder Verbindlichkeiten ausnahmslos zu beachten sind. Daß nur der des Verbrechens Schuldige bestraft werden darf und daß die Strafe sich allein nach der Schwere des Verbrechens zu richten hat – von diesen beiden Forderungen darf man weder zugunsten des kollektiven Wohls noch zugunsten der Straffälligen abweichen. Weil sowohl die allgemeine Vergeltung, die Korrespondenz von Tat und Strafe, als auch die spezielle Vergeltung, die Forderung nach einer Korrespondenz von Tatumfang und Strafmaß, nicht aus empirischen Überlegungen, sondern aus Gerechtigkeitserwägungen folgen, ist die Vergeltung als erfahrungsfrei gültig bzw. als „a priori“ begründet zu bezeichnen (334, 23). Einen apriorischen Charakter hat freilich nur der Grund der Verbindlichkeit. Die Überlegungen, mit deren Hilfe man die Korrespondenz gewinnt – der Gesetzgeber für die verschiedenen Falltypen und der Richter für die Einzelfälle –, sind nicht mehr rein rationaler Natur. Und die Mühe, auch Not, zwischen den Straftaten und dem Strafmaß einen gerechten Bezug herzustellen, kann die Philosophie weder dem Gesetzgeber noch dem Richter abnehmen. Sie stellt lediglich, aber auch immerhin für beide das Kriterium auf, daß leichtere Verbrechen leichter, schwerere dagegen schwerer zu bestrafen sind, schränkt damit – was die heutige „Spielraumtheorie“ anerkennt (dazu s. Grasnick 1987 und 1990) – den moralisch legitimen Spielraum von Gesetzgeber und Richter ein. Trotz ihrer grundlegenden Bedeutung vertritt Kant die Vergeltungstheorie zu Recht nur als eine dominante, nicht als exklusive Theorie und hält sie für eine Ergänzung durch die pragmatischen Theorien offen, mehr noch: er fordert diese heraus: Was nach dem Verbrechen – seine Aufklärung vorausgesetzt – stattfindet, die Bestrafung, wird nämlich schon vorher festgelegt und durch die vorherige Festlegung angedroht. Die Vorwegfestlegung – „nulla poena sine lege“ – ist sogar ein Gerechtigkeitskriterium. Mit der zeitlich vorlaufenden Androhung des Strafens
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erhält das Strafgesetz aber ein Moment der Abschreckung, so daß diese zumindest eine „in Kauf genommene Nebenfolge“ ist. Eine Nebenfolge kann, als unvermeidbarer Nachteil, lediglich in Kauf genommen werden oder im Gegenteil einen zusätzlichen Vorteil darstellen. Nun hilft die Abschreckung dem Staat bei seiner moralischen Aufgabe, Freiheit und Recht zu sichern; insofern darf sie als willkommene Nebenfolge gelten. Und insofern für bestimmte Bereiche die Rechtsgarantie ohne die Abschreckung nicht möglich ist, erhält die Prävention, als ein unverzichtbares Mittel der Freiheits- und Rechtsgarantie, sogar ein moralisches Gewicht. An dieser Stelle erweist sich ein Gutteil der von Präventions-theoretikern kommenden Kant-Polemik ebenso als überflüssig wie ein Teil der von „Kantianern“ ausgehenden Kritik an der Präventionstheorie. Gleichwohl löst sich Kants Kritik an der sozialpragmatischen (utilitaristischen) Strafrechtstheorie nicht etwa in „eitles Wohlgefallen“ auf. Denn utilitaristisch heißt nicht irgendeine zweckorientierte Legitimation, sondern allein jene, die den letzten Zweck im (kollektiven) Wohlergehen der Betroffenen sieht. Moralische Rechte zu sichern ist dem Staat aber auch dann aufgegeben, wenn er dabei das kollektive Wohl mindert. Außerdem bleibt im Rahmen dieser Rechtsgarantie die Vergeltung der dominante Strafzweck. Die Prävention ist nur so weit legitim, wie weder die allgemeine noch die spezielle Vergeltung verletzt werden. Kurz: Auch wenn sie die Prävention zuläßt, bleibt die skizzierte Legitimationsstrategie gleichwohl Kantisch. Unter der Voraussetzung, daß schwere Verbrechen dem potentiellen Verbrecher einen größeren Vorteil verschaffen als leichtere, könnte sogar das Strafmaß, das aus Vergeltungsgründen festgelegt wird, mit dem Strafmaß, das präventionstheoretisch definiert wird, koinzidieren. Will man nämlich den Abschreckungseffekt erreichen, muß man, um den größeren Vorteil zu verhindern, auch höhere Strafen ansetzen. Und wenn man den Gesichtspunkt generell beachtet, den Kant bei einer unterschiedlichen Behandlung der Stände einführt, nämlich daß es auf die „Wirkung“ ankommt (332, 27), so fallen hinsichtlich des Strafmaßes Vergeltungsund Präventionsüberlegungen in eins. Trotzdem kann legitimationstheoretisch nur eine Theorie überzeugen, die die Prävention allein als sekundären und subsidiären Gesichtspunkt zuläßt Um Rechtsverstöße zu verhindern, ist die Abschreckung nicht das einzige Mittel. Wo ein bloßes Verschulden stattfindet, kann mangels Vorsätzlichkeit die Abschreckung per definitionem nicht greifen. Hier finden wir den legitimationstheoretisch wohl wichtigsten Ort für die Resozialisierung: Menschen, die, wie Drogenabhängige, partiell nicht mehr vorsatzfähig sind, versucht man auf staatliches Geheiß und mit staatlichen Mitteln zur Vorsatzfähigkeit zurückzuführen. Und bei den anderen, den vorsätzlichen Straftätern, unternimmt man – nachdem ja die Abschreckung versagt hat – den (äußerst) schwierigen Versuch, Einstellungen zu
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ändern. Jedenfalls läßt sich auch die dritte der heute vertretenen Strafrechtstheorien mit der Vergeltungstheorie verbinden, vorausgesetzt, sie wird als prioritär anerkannt. Die Abschreckung und die Resozialiserung sind lediglich, aber auch immerhin legitime Nebenzwecke.
Literatur Berner, A. F. 1876: Lehrbuch des deutschen Strafrechts, Leipzig Cornel, H./Maelicke, B./Sonnen B. R. (Hrsg.) 1995: Handbuch der Resozialisierung, Baden-Baden Dilger, K. 1990: Die Entwicklung des islamischen Rechts, in: Mumir D. Ahmed u. a. (Hrsg.), Der Islam, Stuttgart – Berlin – Köln Enderlein, W. 1985: Die Begründung der Strafe bei Kant, in: Kant Studien 76, 303–327 Grasnick, W. 1987: Über Schuld, Strafe und Sprache. Systematische Studien zu den Grundlagen der Punktstrafen- und Spielraumtheorie, Tübingen Grasnick, W. 1990: Strafzumessung als Argumentation, in: Juristische Arbeitsblätter, 1990, 81–88 Grimm, J. und W. 1984: Deutsches Wörterbuch, 33 Bde. (1854–1971), Fotomechan. Nachdruck, München Hinckeldey, C. 1980: Strafjustiz in alter Zeit, Rothenburg o.T. Höffe, O. 1990: Kategorische Rechtsprinzipien. Ein Kontrapunkt der Moderne, Frankfurt/M., Kap. 8: Das Strafgesetz als kategorischer Imperativ Höffe, O. 1998: Gibt es ein interkulturelles Strafrecht? Ein rechtsmoralischer Versuch, Frankfurt/M. Jakobs, G. 1976: Schuld und Prävention, Tübingen Klug, U. 1968: Abschied von Kant und Hegel, in: J. Baumann (Hrsg.): Programm für eine neues Strafgesetzbuch, Frankfurt/ M., 36–41 Lüderssen, K. 1991: Krise des Resozialisierungsgedankes im Strafrecht?, in: Juristische Arbeitsblätter, 1991, 222–228 Mommsen, Th. 1899: Römisches Strafrecht, Leipzig
Alessandro Pinzani
12 Das Völkerrecht §§ 53–61
12.1 Der systematische Stellenwert des Völkerrechts Der zweite Abschnitt des dem öffentlichen Recht gewidmeten Teils der Rechtslehre behandelt das Völkerrecht. Hier entwickelt Kant Gedanken, die schon in seiner Friedensschrift (1795) Ausdruck gefunden haben, darunter nicht nur die Idee, dass es für die Staaten Pflicht sei, einen Friedenszustand zu errichten, sondern auch die Entgegensetzung von Völkerbund und Weltstaat – eine Entgegensetzung, die Kant in beiden Schriften zugunsten des Völkerbunds entscheidet. Es ist zwar in diesem Kontext unmöglich, die Unterschiede zwischen den zwei Werken zu analysieren, auf den wichtigsten sei aber hingewiesen: Die Metaphysischen Anfangsgründe der Rechtslehre stellen eine Systematisierung der Rechtsphilosophie Kants dar, während sich die Friedensschrift in erster Linie als eine Art politisches Pamphlet verstand, das konkret durchzusetzende Maßnahmen für die Errichtung eines dauerhaften Friedenszustandes vorschlug. Insofern sind Verschiedenheiten und Abweichungen von Kants Position von 1797 gegenüber derjenigen von 1795 durch eine völlig neue Perspektive charakterisiert. Hatte sich Kant in der Friedensschrift ausdrücklich auf die bestehenden internationalen Verhältnisse bezogen (VIII 343), so will er in der Metaphysik der Sitten ein System der praktischen Philosophie a priori aufbauen. Ein solches System muss zwar auf die Empirie angewandt, darf aber nicht auf sie gegründet werden (217). Aufs Völkerrecht bezogen heißt das, dass die real existierenden Verhältnisse unter Staaten und die konkrete Haltung der Staaten dem rein a priori zu entwickelnden Völkerrecht keine Basis bieten dürfen. Der systematische Stellenwert des Völkerrechts innerhalb der Rechtslehre selbst ist eindeutig. Nachdem Kant die Notwendigkeit des öffentlichen Rechts gezeigt hat (§§ 41–44) und dieses als Staatsrecht auf seiner innerstaatlichen Ebene, auf der Ebene der Beziehungen zwischen Staat und Staatsbürgern analysiert hat (§§ 45– 52 und Allgemeine Anmerkungen), wendet er sich Fragen der internationalen Ebene zu (§§ 53–61). Im dritten Abschnitt des öffentlichen Rechts betrachtet er dieses dann als Weltbürgerrecht in seiner Regelungsfunktion der Beziehungen zwischen Staaten und Bürger anderer Staaten bzw. zwischen Bürger verschiedener Staaten miteinander (§ 62). https://doi.org/10.1515/9783110782509-013
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Was Kant dazu bringt, dem Staatsrecht ein Völker- und Weltbürgerrecht folgen zu lassen, ist die systematische Notwendigkeit, die zwischen diesen drei Aspekten des öffentlichen Rechts (vgl. auch den ersten Zusatz der Friedensschrift, VIII 365) besteht. In § 44 sagt Kant, dass es a priori in der Vernunftidee des Naturzustands liege, „dass, bevor ein öffentlich gesetzlicher Zustand errichtet worden, vereinzelte Menschen, Völker und Staaten, niemals vor Gewalttätigkeit gegeneinander sicher sein können“ (312; Hervorhebung von mir). Um die Rechtlosigkeit ein für alle Mal zu beseitigen, reicht es nicht aus, einen Rechtszustand auf nationaler Ebene, also einen Einzelstaat zu errichten. Wenn die Nationalstaaten in ihren Beziehungen im Naturzustand bleiben, herrscht weiter Rechtlosigkeit. Dies gilt auch für die nationale Ebene, denn die Staatsbürger mögen zwar davon ausgehen, dass der Staat ihre Rechte respektieren wird; sie sind jedoch vor der äußerlichen Bedrohung, vor Eingriffen anderer Staaten nie sicher. Aus diesem Grund darf der Rechtszustand nicht auf die einzelnen Staaten beschränkt bleiben, sondern muss sich auf die internationale Ebene erstrecken. Auf diesen zentralen Punkt von Kants Position werden wir mehrmals zurückkommen.
12.2 Die Analogie zwischen Staaten und Individuen Kant stellt in § 53 eine Analogie zwischen Staaten und Individuen her. Sie besteht aus zwei Elementen. Zunächst werden Staaten als „moralische Personen“ definiert, also als mit Autonomie ausgestattete Individuen, die einen Willen besitzen. Dabei stellt jedoch nach Kant der Staat keine Ganzheit dar, in der die Bürger so etwas wie die Einzelorgane eines Organismus bilden und in diesem aufgehoben werden. Die Bürger eines Staates können zwar als eine Familie angesehen werden, aber nur in intellektueller und rechtlicher Bedeutung. Ihre Mutter ist die Republik (343), nicht die durch irgendwelche ethnischen Merkmale oder durch Sprache und Kultur definierte Nation; sie gehören nicht einer Bluts-, sondern einer Staatsgemeinschaft an, sie bilden keine gens, sondern eine civitas. Kant verwirft also jede ethnische Auffassung des Staats und jeden emotionalisierten Begriff von Nationalstaat, wie ihn später die Romantik entwickeln wird. Aus diesem Grund scheint Kant die Denomination Völkerrecht (die das lateinische ius gentium wörtlich übersetzt) „nicht ganz richtig“, denn es geht dabei nicht um die Beziehungen von Völker miteinander, sondern um diejenigen von Staaten. Staatenrecht (ius publicum civitatum) wäre danach eine genauere Bezeichnung (343). Staaten befinden sich in ihren gegenseitigen Beziehungen (und das ist das zweite Element) im Naturzustand, gleich Individuen vor dem Eintritt in den
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Rechtszustand. Während sich auf der innerstaatlichen Ebene der Rechtszustand etabliert hat, herrscht auf der internationalen Ebene noch der Naturzustand. Die Analogie ist nicht neu, man findet sie auch bei Hobbes (De Cive, 13. Kap., § 7) oder Wolff (Institutiones, IV, I, § 1088). Neu ist allerdings die Tatsache, dass Kant an dieser Stelle auch deren Grenzen sieht (im Unterschied zur Friedensschrift, VIII 354): Im internationalen öffentlichen Recht geht es nicht nur um die Beziehungen von Staaten untereinander, sondern auch um die Beziehungen, welche die Bürger der verschiedenen Staaten einerseits mit den Bürgern anderer Staaten, andererseits mit diesen Staaten selbst unterhalten. Diese letzten zwei Formen von internationalen Beziehungen bilden den Gegenstand des Weltbürgerrechts, das somit zu einer notwendigen Ergänzung des traditionellen ius gentium wird. Der traditionellen Auffassung vom Völkerrecht entspricht die Tatsache, dass Kant darunter das Kriegsrecht fallen lässt: Wenn sich Staaten in einem Naturzustand befinden, welcher immer ein Kriegszustand ist, dann ist das Kriegsrecht ein wesentlicher Bestandteil des Völkerrechts. Dabei unterscheidet Kant zwischen einem Recht zum, einem Recht im und einem Recht nach dem Krieg. Das erste bezieht sich auf die möglichen Kriegsgründe und entspricht dem traditionellen ius ad bellum. Das zweite soll das Verhalten eines Staats im Krieg regeln, das traditionelle ius in bello. Das dritte beschäftigt sich mit der Frage des Friedensvertrags und des Verhaltens des Siegers dem Besiegten gegenüber. Das Völkerrecht besteht aus vier Elementen, so Kant in § 54. Das erste ist, „dass Staaten, im äußeren Verhältnis gegeneinander betrachtet, (wie gesetzlose Wilde) von Natur in einem nicht-rechtlichen Zustande sind“ (344). Das zweite besagt, dass dieser Zustand ein Zustand des Krieges ist. Wie schon Hobbes identifiziert Kant den Naturzustand nicht eo ipso mit einem Zustand des wirklichen Krieges aller gegen alle. Es ist aber ein Zustand, in dem ein solcher Krieg immer möglich ist, ein Zustand der immerwährenden Befehdung. Schon diese Gefahr macht ihn „im höchsten Grade unrecht“ (344) und verpflichtet dazu, ihn zu verlassen (vgl. § 44, 312). Die Ungerechtigkeit des Naturzustandes besteht darin, dass es keine höhere Instanz gibt, welche den Rechten der Personen (Individuen wie Staaten) zur Durchsetzung verhelfen kann. In ihm herrscht nur die Gewalt, das Recht des Stärkeren. Für die Individuen besteht daher eine Pflicht, den Naturzustand zu verlassen und in einen rechtlichen Zustand einzutreten. Ohne ihn wäre es nicht möglich, dass die Willkür eines jenen mit der Willkür aller anderen nach einem allgemeinen Gesetz der Freiheit zusammen bestehen kann, wie das kategorische Rechtsprinzip fordert (§ A; vgl. oben Kap. 3). Aus der Analogie von Staaten und Individuen und aus der Feststellung, dass die Staaten noch im Naturzustand leben, sollte nun folgen, dass auch die Einzelstaaten eine ähnliche Pflicht haben. In der Tat leitet Kant ein exeundum a statu naturali ab, das nun für die Einzelstaaten genauso wie vorher für die Individuen gilt. Während aber die Individuen, wenn sie den Naturzustand verlassen,
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sich eine bürgerliche Verfassung geben und so einen Staat entstehen lassen, bilden die aus dem Naturzustand austretenden Staaten keinen globalen Staat, sondern nur einen Völkerbund. Der Völkerbund (und das ist das dritte Element) entsteht – genauso wie die Einzelstaaten – durch einen Gesellschaftsvertrag, der zwei Klauseln beinhaltet: Die Staaten sind (1) verpflichtet, sich in die einheimischen Misshelligkeiten anderer Staaten nicht einzumischen; sie haben (2) das Recht, sich gegen Angriffe äußerer Feinde zu schützen. Diese zwei Klauseln entsprechen dem Freiheitsprinzip, das in Kants Auffassung der bürgerlichen Verfassung Ausdruck findet und im Gemeinspruch so formuliert wird: „Niemand darf mich zwingen, auf seine Art glücklich zu sein“ (VIII 290); ich habe im Gegenteil das Recht, mich gegen einen solchen Versuch zu wehren, weil er eine illegitime Einschränkung meiner Willkür, somit ein Unrecht darstellt. Was für die Individuen gilt, gilt insoweit auch für Staaten (vgl. § 49, 318, wo die Autonomie des Staates als die Fähigkeit definiert wird, „sich selbst nach Freiheitsgesetzen“ zu bilden und zu erhalten). Alles, was der Bund durch den gesellschaftlichen Vertrag seinen Mitgliedern garantiert, ist daher die Gewährung ihrer Autonomie, das heißt jener Freiheit, die nach Kant das einzige angeborene Menschenrecht ist. In dieser Hinsicht besteht eine weitere Analogie zwischen Individuen und Staaten: im Naturzustand besitzen sowohl Individuen als auch Staaten ein angeborenes Recht auf Autonomie, d. h. das Recht, selbst über ihr eigenes Glück und die dazu nötigen Mittel zu entscheiden. Das vierte Element des Völkerrechts besagt, dass die Verbindung der Einzelstaaten keine souveräne Gewalt besitzt. Sie ist kein Staat, sondern nur eine Genossenschaft, deren Ziel ist, das Abgleiten in den Zustand wirklichen Krieges abzuwenden. Kant spricht hier von einem foedus Amphictyonum (die Amphictyonen waren Verbände hellenistischer Staaten, meistens mit defensiver Absicht). Der Völkerbund ist kein Weltstaat. Seine Aufgabe ist nicht, Gesetze zu erlassen, die weltweit für alle Staaten gelten sollen, sondern den Friedenszustand dadurch zu sichern, dass er die Einhaltung der zwei oben genannten Vertragsklauseln durchsetzt. Da es sich um eine freiwillige Genossenschaft handelt und eine souveräne Gewalt fehlt, stellt sich die Frage, wie die Einhaltung der Vertragsklauseln zu sichern sei, wenn sie nicht von einer oberen internationalen Instanz erzwungen werden kann (in Analogie zur Staatsgewalt auf nationaler Ebene). Es gibt im Kantischen Text keine Antwort auf diese Frage. Diese Schwierigkeit entgeht Kant nicht. Über den Status des Bundes sagt er, dass er„zu aller Zeit aufgekündigt werden kann, mithin von Zeit zu Zeit erneuert werden muß“ (344). Das ist zunächst eine verblüffende Behauptung. Wenn sie dazu dient, das Abgleiten in den Kriegszustand abzuwehren, und wenn letzteres gegen die auch für Staaten geltende Pflicht des exeundum a statu naturali verstößt, dann sollte der Bund nicht aufkündbar sein. Hier scheint sich das folgende Paradoxon anzubahnen.
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Im Gemeinspruch unterscheidet Kant zwischen dem pactum sociale und dem pactum unionis civilis. Das erstere begründet eine Zweckgemeinschaft. Das zweite lässt die bürgerliche Gesellschaft entstehen, die kein beliebiger Zweck, sondern Zweck an sich ist. Es ist eine Pflicht, in diese Gesellschaft einzutreten, und aus diesem Grund kann das pactum unionis civilis nicht aufgekündigt werden (VIII 289). Stellte der Völkerbund einen bürgerlichen Zustand für die Staaten dar, dann wäre er ein pactum unionis civilis und dürfte nicht aufgekündigt werden. Wenn er aber zu jeder Zeit aufgekündigt werden kann, ist er nur ein pactum sociale, das eine bloße Zweckgesellschaft entstehen lässt. Das weist nicht nur auf den bedingten Charakter des Bundes hin; es ergibt sich darüber hinaus, dass dieser Zweck, nämlich der Frieden unter Staaten, kein Zweck an sich ist. Es scheint, als ob die Staaten verpflichtet wären, aus dem Naturzustand, der zugleich ein Kriegszustand ist, auszutreten, ohne jedoch dass sie dazu verpflichtet seien, in einen Friedenszustand einzutreten. Gäbe es eine solche absolute Pflicht, würde dem Friedenszustand die gleiche Rolle wie der bürgerlichen Verfassung auf nationaler Ebene zukommen. Dann sollte aber der Bund, welcher den Friedenszustand stiftet, ein pactum unionis civilis, mithin nicht aufzukündigen sein. Um aus diesem Engpass herauszukommen, sollten wir auf die Analogie zwischen Individuen und Staaten zurückgreifen. Schon vor der Entstehung des Staates haben die Individuen bestimmte Rechte, welche insgesamt das Privatrecht ausmachen. Dieses Recht besitzt nur provisorischen Charakter, solange es keine Instanz gibt, die ihm durch den allgemeinen vereinigten Willen peremptorischen Charakter verleiht, und die imstande ist, es durchzusetzen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit des öffentlichen Rechts.¹ Wenn die Individuen den Naturzustand verlassen wollen, reicht es nicht, reziproke privatrechtliche Verhältnisse einzugehen (was in der vertragstheoretischen Tradition als pactum societatis bekannt ist); Kant zufolge müssen sie diesen Verhältnissen durch eine öffentlichrechtliche Instanz einen peremptorischen Charakter zukommen lassen. Kurz: Sie müssen sich einer staatlichen Gewalt unterwerfen (in der vertragstheoretischen Tradition: pactum subiectionis). Die Pflicht des Austritts aus dem Naturzustand impliziert nach Kant die Pflicht der Errichtung eines Staates. Aus diesem Grund spricht Kant im Unterschied zu manchen Vertretern der vertragstheoretischen Tradition (Locke, Pufendorf ), aber im Einklang mit Hobbes und Rousseau von einem einzigen Vertrag, dem pactum unionis civilis. Nun scheint aber, dass die Staaten nur ein pactum societatis eingehen. Sie verlassen den ursprünglichen Naturzustand, treten aber in keinen bürgerlichen Zustand, denn ein solcher Zustand ist in der Praxis nicht ausführbar, wie in § 61 gezeigt wird. Was also von den Staaten konkret gefordert werden kann,
1 Darüber siehe Horn 2014 und Pinzani 2017.
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ist zunächst, dass sie freiwillig die oben genannte Genossenschaft bilden. Einen Bund, dem man freiwillig beigetreten ist, darf man entweder jederzeit oder unter Beachtung bestimmter Kündigungsklauseln verlassen. Die Verbündung freier Staaten, von der Kant spricht, ist also nicht unaufkündbar. Wenn die Staaten durch ihr pactum sociale oder pactum societatis einen solchen Bund gründen, befinden sie sich zwar in rechtlichen Verhältnissen miteinander. Diese haben jedoch – analog dem individuellen Privatrecht – einen provisorischen Charakter. Man hat nicht länger mit dem ursprünglichen Naturzustand zu tun, befindet sich aber auch nicht in einem peremptorischen Rechtszustand. Dass Kant an eine solche Lage denkt, zeigt die Tatsache, dass er sich in den folgenden Paragraphen (55–60) mit der Frage des Kriegsrechts beschäftigt. Er geht somit davon aus, dass in diesem provisorischen rechtlichen Zustand Kriege nicht nur möglich, sondern sogar erlaubt sind – genauso wie im privatrechtlichen Zustand unter Individuen Konflikte möglich sind, die dann nur von den Betroffenen selbst gelöst werden sollen, da es noch keine höhere Instanz gibt, die als Schlichter bzw. Richter agiert. Überwindet Kant diese Schwierigkeit auf individueller Ebene dadurch, dass er auf die Notwendigkeit eines Staats hinweist, weigert er sich, dasselbe in bezug auf die interstaatliche Ebene zu tun. Der provisorische rechtliche Charakter des Völkerbunds hängt also mit der Ablehnung eines Weltstaates zusammen. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass Kant diese Ablehnung erst in § 61 begründet, und daher will ich sie noch nicht diskutieren.
12.3 Das Kriegsrecht (§§ 55–60) Kants Haltung dem Krieg gegenüber ist differenzierter als normalerweise angenommen. Oft weist man auf die Friedensschrift hin, die eine eindeutige Verurteilung des Kriegs beinhaltet. In seinen geschichtsphilosophischen Schriften aus den 80er Jahren vertritt Kant allerdings eine andere Position. Der Krieg wird dort zwar als ein Übel beschrieben, weist aber auch durchaus positive Aspekte auf, denn er dient zum kulturellen Fortschritt der Menschheit (vgl. Idee, VIII 24 und 26 und Mutmäßlichen Anfang, VIII 121). In den Schriften aus den 90er Jahren blendet Kant diese positiven Aspekte aus, seine Verurteilung des Kriegs ist dort bedingungslos. Diesen Kontrast hat Johannes Hoffmeister überzeugend mit den verschiedenen Perspektiven erklärt, die Kant in diesen zwei Jahrzehnten eingenommen hat: „Kant ist in den Schriften von 1784 und 1786 [respektive: Idee und Mutmäßlicher Anfang – A. P.] vorwiegend kulturhistorisch orientiert. […] In den Werken nach 1790 bestimmen rechtliche, moralische, im weitesten Sinne kulturpolitische Erwägungen sein Urteil“ (Hoffmeister 1934, 8). Unter einem geschichtsphilosophischen Gesichtspunkt würde also Kant den Krieg als Mittel zum kulturellen Fortschritt und als
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Instrument der Natur zur Erreichung ihrer Zwecke betrachten und somit eine gewisse Nähe zur späteren Position Hegels aufweisen (s. insbes. dessen Philosophie des Rechts, § 324 Anm.). Unter einem moralischen und rechtsmoralischen Gesichtspunkt würde aber Kant den Krieg verwerfen. Zu diesem Perspektivenwechsel hat zweifelsohne die historische Lage Europas in den Jahren nach der Französischen Revolution beigetragen (von 1792 bis 1797 wütete der erste Koalitionskrieg). Eine noch wichtigere Ursache liegt in der Tatsache, dass Kant gerade in den 90er Jahren anfing, seinen Auffassungen über Recht und Politik eine systematische Gestalt zu verleihen. Dieser Prozess fand in der Rechtslehre seinen End- und Höhepunkt. Der Frage des Kriegsrechts sind in diesem Werk die §§ 55–60 gewidmet. Den ersten dieser Paragraphen widmet Kant der Frage: „Welches Recht hat der Staat gegen seine eigenen Untertanen, sie zum Kriege gegen andere Staaten zu brauchen, ihre Güter, ja ihr Leben dabei aufzuwenden, oder aufs Spiel zu setzen?“ (344). Diese Frage gehört an sich zum Staatsrecht als dem Teil des öffentlichen Rechts, der sich mit den Beziehungen von Staat und Staatsbürgern beschäftigt. Sie wird aber hier erörtert, weil sich aus ihr wichtige Folgen für das Kriegsrecht im Allgemeinen ziehen lassen. Entscheidend dabei ist die Beziehung zwischen Staat und Bürger. Werden nämlich die Untertanen als Eigentum des Staates angesehen, so hat dieser das Recht, mit jenen alles zu tun, was ihm gefällt, also auch, sie in den Krieg zu schicken. Mit seinem Eigentum (mit dem Seinen) kann man nämlich tun, was man will, wie wir schon gesehen haben (im Erstem Hauptstück des Privatrechts). Sind nun Bürger ein Eigentum des Staates? Kant gibt ein Argument für eine positive Beantwortung dieser Frage wieder. Danach bestehe eine Analogie zwischen den Menschen und manchen Naturprodukten, welche „zugleich als Gemächsel (artefacta) des Staats angesehen werden müssen“ (345). Das Land würde nämlich diese Produkte in solcher Menge nie liefern, gäbe es nicht einen Staat und eine Regierung, welche die Bedingungen dafür schaffen, dass ihre Zahl über die Zahl hinausgehe, die sie im Stande der Natur hätten. Dasselbe gilt für die Menschenzahl. Hier schaffen Staat und Regierung die Bedingungen dafür, dass sich die Bürger vermehren können (schon Rousseau hatte in der Zahl der Einwohner ein klares Kennzeichen der Güte einer Regierung gesehen: vgl. Contrat Social, III, 9). Aus diesem Grund seien auch die Bürger Produkte des Staates und somit sein Eigentum: Er habe nach diesem Argument das Recht, über sie zu verfügen, wie er von „Gewächsen“ (z. B. Kartoffeln) und „Haustieren“ Gebrauch machen kann. Der Staat habe also ein Recht, die Untertanen in den Krieg zu schicken. Um diese Position abzulehnen, greift Kant auf den kategorischen Imperativ zurück, der gebietet, einen Menschen nie bloß als Mittel, sondern immer auch als Zweck an sich, „als gesetzgebendes Glied“ anzusehen. Der kategorische Imperativ
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verbietet also dem Staat, die Staatsbürger in den Krieg ohne ihren Konsens zu schicken, denn dabei würde er sie als Mittel betrachten. Der Staatsbürger als gesetzgebendes Glied, d. h. als aktiver Staatsbürger muss vielmehr „vermittelst seiner Repräsentanten“ seine freie Beistimmung zu jeder Kriegserklärung geben (345 f.). Es ist nicht klar, warum sich Kant auf die aktive Staatsbürgerschaft bezieht. Das Verbot, Menschen als Mittel zu betrachten, sollte auch für jene Bürger gelten, die ansonsten von Kant als bloß passive Bürger definiert werden, wie z. B. Frauen, Kinder und all diejenigen, die für die Erhaltung ihrer Existenz von anderen abhängig sind (vgl. 314 f.). Auch sie darf der Staat nicht als sein Eigentum ansehen und also nicht „gebrauchen, verbrauchen und verzehren (töten lassen)“ (345). Ob sie deswegen als gesetzgebende Glieder anzusehen sind, ist aus der kantischen Perspektive fraglich. Kant umgeht diese Schwierigkeit dadurch, dass er sich auf das Volk als Ganzes bezieht: Bei einer Kriegserklärung muss der Souverän (hier als Staatsoberhaupt verstanden) so handeln, als ob das Volk seine Beistimmung gegeben hätte, „in welcher Qualität es, obzwar passiv (mit sich machen läßt), doch auch selbsttätig ist, und den Souverän selbst vorstellt“ (346). Nur unter dieser Bedingung hat der Souverän das Recht, die Bürger in den Krieg zu schicken. Es ist nicht klar, wie das Volk in dieser Angelegenheit „obzwar passiv, doch auch selbsttätig“ sein sollte. Warum ist es passiv? Weil die Entscheidung schließlich vom Souverän getroffen wird? Und wieso ist es selbsttätig? Weil der Souverän dabei so entscheiden soll, als ob das Volk seine Beistimmung gegeben hätte? Worauf reduziert sich letztlich diese Beistimmung, wenn es um keine konkrete, sondern nur um eine fiktive, um das Ergebnis eines Gedankenexperiments des Souveräns handelt? Das Problem ist nicht neu; es war schon im ersten Abschnitt des öffentlichen Rechts aufgetaucht. Dort sprach Kant die gesetzgebende Gewalt ausschließlich dem gesamten Willen des Volkes zu (§ 46, 313) und sagte, dass das allgemeine Oberhaupt kein anderer als das vereinigte Volk selbst sein kann (§ 47, 315). Andererseits schien er in der „Allgemeinen Anmerkung A“ dem Volk jegliches Recht abzusprechen, über die Entscheidung des Staatsoberhaupts (das hier nicht das vereinigte Volk ist, sondern der Monarch bzw. eine Gruppe von Gesetzgebern) zu urteilen (318). Dieses Verbot des „Vernünftelns“ gilt zwar nur für das Volk, das schon unter dem bürgerlichen Gesetze steht, sollte sich aber auch auf den Fall der Kriegserklärung anwenden lassen. Kants Hinweis auf das ganze Volk, das obzwar passiv, doch auch selbsttätig sein sollte, löst außerdem noch nicht das Problem der passiven Staatsbürger. Der kategorische Imperativ gebietet dem Staat, seine Bürger als gesetzgebende Glieder zu
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betrachten und nicht das ganze Volk als die eigentliche gesetzgebende Gewalt anzusehen. Dieses Problem kann aber nicht Gegenstand dieses Beitrags sein.² Der Gegenstand von § 56 ist das Recht zum Krieg, d. h. das traditionelle ius ad bellum, aber mit einem wichtigen Unterschied. Die Denker, die sich vor Kant mit dem ius ad bellum beschäftigt haben, von Cicero und Augustinus über Suarez und de Vitoria, Gentili und Bellarmino bis Grotius und Pufendorf, haben immer die Frage des gerechten Kriegs aufgeworfen (dazu s. Merle 1995a). Das ius ad bellum reduzierte sich auf die Frage nach den gerechten Kriegsgründen: Wann und warum ist es gerecht, einen Krieg zu führen? Auch Kant beschäftigt sich in diesem Paragraphen mit dem Problem der Kriegsgründe. Er geht allerdings davon aus, dass es keinen gerechten Krieg gibt. Kriege sind immer ungerecht, da sie nur im Naturzustand stattfinden können. Ein internationaler Rechtszustand wäre ein Friedenszustand, in dem kein Krieg erlaubt ist. Wo das Recht herrscht, darf es keinen Krieg geben, und wo es Kriege gibt, herrscht kein Recht. Nichtsdestoweniger spricht Kant von einem Recht zum Krieg. Im Naturzustand haben nämlich die Individuen Rechte, auch wenn es an einer höheren Macht mangelt, die im Konfliktfall als richterliche Instanz fungieren und auf ein begangenes Unrecht mit Gewalt reagieren könnte. Dasselbe gilt für den Naturzustand zwischen Staaten: Sie verfügen, wie gesehen, auch über bestimmte Rechte, vor allem das Recht auf Autonomie. Mangels einer supranationalen Instanz ist es ihnen erlaubt, auf eine Verletzung dieser Rechte auch mit Gewalt zu reagieren, denn jedes Recht ist mit einer Zwangsbefugnis verbunden. Der Krieg stellt eine solche gewalttätige Reaktion auf eine Verletzung der eigenen Rechte dar. Wenn ein Staat glaubt, von einem anderen lädiert zu sein, darf er sein Recht gegen diesen durch eigene Gewalt verfolgen (346). Dass Kant hier die Vermutung einer Läsion als hinreichende Bedingung vorstellt, soll nicht verwundern. Da es keine dritte Instanz gibt, ist es nicht möglich, objektiv festzustellen, ob ein Unrecht, eine Verletzung des Rechts eines Staates tatsächlich vorliegt. Wichtiger ist die Tatsache, dass Kant einen Präventionskrieg rechtfertigt. Außer der tätigen Verletzung kann nämlich auch die einfache Bedrohung als eine Läsion gelten. Daraus ergibt sich ein Recht des Zuvorkommens (ius praeventionis), das sich entweder gegen die „zuerst vorgenommen Zurüstung“ eines anderen Staats oder gegen seine „fürchterlich (durch Länderwerbung) anwachsende Macht“ (346) richten kann. „Diese ist eine Läsion des Mindermächtigen, bloß durch den Zustand vor aller Tat des Übermächtigen“ (ebda.). Wir haben schon gesehen, wie die gegenseitige Bedrohung, d. h. die bloße Möglichkeit des Kriegs aus dem Naturzustand einen Kriegszustand macht. Die durch Erwerbung anderer Länder anwachsende Macht eines Staats stellt für die anderen Staaten eine Bedrohung dar, denn dieser
2 Dazu s. unter anderen Maus 1994, Beiner 2011, Pinzani und Sanchez Madrid 2016 und Shell 2016.
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Staat zeigt dadurch, dass er bereit ist, andere Staaten anzugreifen, um sie sich einzuverleiben. Es besteht somit für die Staaten ein Recht auf Gleichgewicht. Das entspricht Kants Furcht vor einer universalen Despotie, die dadurch zustande kommen könnte, dass ein Staat alle anderen unterjocht und sich einverleibt. Dies ist in der Friedensschrift ein wichtiges Argument gegen den Weltstaat (VIII 367), wird aber in der Rechtslehre nur angedeutet. In § 57 behandelt Kant das Recht im Krieg (ius in bello). Kant sieht die Schwierigkeit, „ein Gesetz in diesem gesetzlosen Zustand [scil. des Kriegs] zu denken“; er lehnt trotzdem das Prinzip „inter arma silent leges“ ab, nach dem im Krieg alle Gesetze außer Kraft gesetzt werden (347). Kant gibt zu bedenken, dass der Naturzustand der Staaten überwunden werden muss. Daher soll der Krieg nach Grundsätzen geführt werden, die den Übergang von diesem Zustand in einen rechtlichen ermöglichen. Das schließt alle Formen von Kriegsführung aus, die entweder auf die Vernichtung des Gegners abzielen oder das Vertrauen unter Staaten (ohne das keine Verbindung unter ihnen möglich ist) auf irreparable Weise zerstören. Weder Ausrottungs-, noch Unterjochungskrieg sind somit erlaubt. Aber auch kein Strafkrieg, denn dieser setzt voraus, dass es einen Oberen und einen Unterworfenen gibt, und dass der erstere den letzteren bestraft. Unter Staaten gibt es aber weder Obere noch Unterworfene. Zu den Kriegsformen, welche das Vertrauen und somit die Möglichkeit eines immerwährenden Friedenszustands zerstören, zählt Kant die Einsetzung von Spionen, Meuchelmördern und Giftmischern (als solche betrachtet er auch die Scharfschützen) und die Verbreitung von falschen Nachrichten. Der Staat, der solche Mittel einsetzt, macht nach Kants Meinung seine Untertanen unfähig, Staatsbürger zu sein. Das bedarf einer Erklärung. Ein Staat, der so handelt, würde ein Verbrechen ausüben, und zwar – gemäß der Definition, die in der „Allgemeinen Anmerkung E“ angeboten wird – ein öffentliches Verbrechen. Dadurch verliert dieser Staat die Fähigkeit, in völkerrechtlichen Verhältnissen als moralische Person aufzutreten, genauso wie der einzelne Verbrecher die Fähigkeit verliert, Staatsbürger zu sein (331). Die Untertanen würden einfach das Schicksal ihres Staates teilen. Eine letzte Klausel des Rechts im Krieg betrifft schließlich das Verbot der Plünderung, das auch im traditionellen ius in bello zu finden ist (347 f.). Dass Kant im Krieg kein rechtliches und rechtmäßiges Instrument zur Beilegung von Konflikten sieht, kommt in § 58 bei der Behandlung des sogenannten Rechts nach dem Krieg besonders klar zum Ausdruck. Dieses Recht ist im Grunde kein Recht, denn es handelt sich um das „Recht des Stärkeren“. Es besteht nämlich darin, dass der Sieger die Bedingungen macht, unter welchen der Friedensschluss stattfinden sollte, „und zwar nicht gemäß irgendeinem vorzuschützenden Recht, […] sondern […] sich stützend auf seine Gewalt“ (348). Es kann zunächst verwundern, dass Kant dem Sieger dieses praktisch uneingeschränkte Recht einräumt.
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Worauf er abzielt, ist jedoch auf die Willkürlichkeit und rechtliche Inkonsistenz aller Abkommen hinzuweisen, die als Ergebnis eines Kriegs zustande gekommen sind. Kant will dem Krieg jegliche Legitimation als Rechtsmittel entziehen und sein wahres Gesicht zeigen: Der Krieg ist ein Mittel, um Konflikte durch Gewalt und nicht durch Recht zu lösen. Krieg und Recht schließen sich einander aus. Aus demselben Grund darf der Sieger auch keine Erstattung der Kriegskosten fordern, denn dadurch würde er den vom Besiegten geführten Krieg für ungerecht und seinen eigenen Krieg für einen Bestrafungskrieg erklären. Der Sieger würde somit zum Richter in eigener Sache avancieren. Da es keinen Strafkrieg geben darf, verlieren die Untertanen des besiegten Staates durch die Eroberung ihres Landes nicht ihre staatsbürgerliche Freiheit, noch dürfen sie vom Sieger als Leibeigenen angesehen werden (348). Aus dem gleichen Grund soll es nach dem Friedenschluss eine Amnestie und eine „(auf keinen Loskauf zu stellende) Auswechselung der Gefangenen“ (ebda.) geben. Das heutzutage geltende Völkerrecht sieht die Sache anders, denn es erkennt dem Krieg unter bestimmten Umständen rechtlichen Charakter zu, so dass die Erstattung der entstandenen Kriegskosten durchaus gefordert werden darf. Kant weist allerdings auf den wunden Punkt dieser Praxis hin: Wer entscheidet, ob eine Kriegspartei am Ausbruch des Konflikts schuldig ist und daher die Last der Kostenerstattung zu tragen hat? Heutzutage kann die UNO eine solche richterliche Rolle übernehmen, aber in der Vergangenheit wurde eher nach dem Motto „vae victis“ entschieden. Danach hat der Sieger immer Schuld und Schulden dem Besiegten auferlegt. Selbst die heutige richterliche Rolle der UNO, welche Strafkriege legitimieren sollte, kann die Gefahr nicht eliminieren, dass sich am Ende das Recht des Stärkeren durchsetzt, etwa wenn der Sieger jene Partei ist, die nach dem UNO-Urteil im Unrecht steht. Im kurzen § 59 erwähnt Kant drei Rechte, die den Staaten im Friedenszustand zukommen: Das Recht, in einem Krieg neutral zu bleiben; das Recht, sich die Fortdauer des geschlossenen Friedens zusichern zu lassen, und das Recht, mit anderen Staaten einen Verteidigungsbund einzugehen (349). Der hier angesprochene Friedenszustand ist offensichtlich nicht der endgültige Friedenszustand, der durch die Errichtung eines bürgerlichen Zustands unter Staaten erreicht werden sollte, sondern nur ein relativer Friedenszustand, in dem ein Staat vorläufig keinen Krieg führt, sich aber auf mögliche zukünftige Kriege vorbereiten kann (z. B. durch den angesprochenen Verteidigungsbund). Wegen der Relativität dieses Zustands schenkt ihm Kant keine besondere Aufmerksamkeit und geht in § 60 auf die viel interessantere Frage des ungerechten Feindes über, die sich an die Überlegungen des § 58 anschließt. In § 60 taucht überraschenderweise der Begriff des ungerechten Feindes auf. Überraschend ist die Einführung dieses Begriffs, weil er voraussetzt, dass es für
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einen Staat möglich ist, gerechte von ungerechten Feinden zu unterscheiden, also ein Urteil über Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit in Bezug auf das Verhalten anderer Staaten zu fällen. Das steht aber in Widerspruch mit der so oft wiederholten Behauptung, im Naturzustand gäbe es keinen Richter, so dass jedes Urteil von einem Staat über andere Staaten rechtlich gesehen illegitim ist. Kant gibt das zu („Übrigens ist der Ausdruck eines ungerechten Feinds im Naturzustande pleonastisch, denn der Naturzustand ist selber ein Zustand der Ungerechtigkeit“, 349 f.), meint aber trotzdem, den ungerechten Feind definieren zu können: „Es ist derjenige, dessen öffentlich (es sei wörtlich oder tätlich) geäußerter Wille eine Maxime verrät, nach welcher, wenn sie zur allgemeinen Regel gemacht würde, kein Friedenszustand unter Völkern möglich, sondern der Naturzustand verewigt werden müßte“ (349). Aus dieser Definition lässt sich einiges ableiten. Zunächst erwähnt Kant an dieser Stelle zum ersten Mal ausdrücklich einen kategorischen Imperativ, der die Errichtung des internationalen Friedenszustands gebietet. Nach Kant kann ich nämlich nicht wollen, dass eine Maxime, welche den Naturzustand verewigt, zur allgemeinen Regel wird. Daraus folgt, dass ich nach einer Maxime handeln soll, nach welcher der Naturzustand zu verlassen ist. Der unbedingte Charakter der Verpflichtung zum Verlassen des Kriegszustands kommt hier deutlich ans Licht. Außerdem wird ein Kriterium angeboten, um auch im Naturzustand ein Urteil über Recht oder Unrecht in Bezug auf zwischenstaatliche Beziehungen fällen zu können. Es ermöglicht allerdings keine Beurteilung im Einzelfall, z. B. im Falle eines Grenzstreits zwischen zwei Staaten. Mehr als an konkreten Fällen lässt sich ein Staat an seiner allgemeinen Haltung als ungerecht beurteilen. Es mag Konflikte geben, die sich im Naturzustand nur durch den Krieg lösen lassen. Aber wenn ein Staat den Krieg als einziges Mittel zur Konfliktlösung kennt oder die Rechte anderer Staaten ständig und mit Absicht verletzt, kann von ihm angenommen werden, dass er einen bösen Willen besitzt. Dann haben die anderen Staaten ein Recht, gegen ihn zu koalieren „und ihm die Macht dazu zu nehmen“ (349). Sie dürfen ihn allerdings nicht erobern und unter sich teilen, so dass er verschwindet, „denn das wäre Ungerechtigkeit gegen das Volk“. Sie dürfen ihn aber zwingen, eine neue Verfassung anzunehmen, „die, ihrer Natur nach, der Neigung zum Kriege ungünstig ist“ (ebda.). Die Frage lässt sich auch mit dem Argument der fürchterlich anwachsenden Macht eines Staats und des damit zusammenhängenden Rechts auf Gleichgewicht in Verbindung setzten. Wenn ein Staat durch sein Verhalten (nicht nur durch seine Taten, sondern auch durch seine Äußerungen) die Freiheit anderer Völker bedroht, dürfen sich diese gegen jenen vereinigen. Das gilt auch dann, wenn ein Staat durch seinen Zuwachs bedrohliches Ausmaß annimmt und droht, zu einem tyrannischen Weltstaat zu werden.
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Die Einführung eines Kriteriums zur Beurteilung eines ungerechten Feindes stellt eine für die Perspektive Kants wichtige Frage: Kommt damit der durch die Tür hinausgeworfene gerechte Krieg durchs Fenster wieder herein? Der Krieg gegen einen ungerechten Feind scheint eben ein gerechter Krieg zu sein. Kant sagt sogar, dass das Recht eines Staats gegen einen solchen Feind „keine Grenzen“ hat, auch wenn er sich deswegen nicht aller Mittel bedienen darf – was im Widerspruch zum in § 57 dargestellten Recht im Krieg stünde (349). Zudem: In seiner Friedensschrift hat Kant betont, dass – im Unterschied zur individuellen Ebene – ein Staat kein Recht hat, „sich in die Verfassung und Regierung einen anderen Staat gewalttätig“ einzumischen (VIII 336). Hier aber räumt Kant ein Recht ein, einem ungerechten Staat eine Verfassung aufzuerlegen, die der Neigung zum Kriege ungünstig ist. Das bedeutet zwar nicht, jenen Staat zum Eintritt in einen Rechtszustand zu zwingen, kommt aber einem solchen Zwang (der auch in der Friedensschrift ausgeschlossen wird: vgl. VIII 355 ff.) sehr nahe. Damit gelangen wir nochmals zur Frage des Übergangs vom Natur- zum Rechtszustand der Staaten.
12.4 Weltstaat und Völkerbund: Die Grenzen von Kants Position (§ 61) Kant wiederholt in § 61 das uns inzwischen vertraute Argument: Im Naturzustand der Staaten ist „alles Recht der Völker […] bloß provisorisch“ (350). Deswegen sollen die Staaten notwendigerweise in einen Zustand eintreten, in dem dieses Recht peremptorisch gilt. Diesen Zustand sollte nun ein allgemeiner Staatenverein sichern, „analogisch mit dem, wodurch ein Volk Staat wird“, wie Kant selbst zugibt. Er führt aber ein Argument gegen einen solchen Weltstaat an: Bei einer zu großen Ausdehnung dieses Staats über weite Landstriche wäre die Regierung desselben nicht mehr imstande, die Rechte eines jeden Glieds zu schützen. Damit wäre aber die Aufgabe eines solchen Staats nicht erfüllt und der Kriegszustand wiederum herbeigeführt. Der ewige Friede ist also – so Kant – eine praktisch „unausführbare Idee“. Es ist allerdings möglich, die Grundsätze umzusetzen, die auf diesen Frieden abzielen und zur kontinuierlichen Annäherung an ihn dienen, wie z. B. ein Völkerbund (350). Dieser Bund oder „permanente Staatenkongreß“ wäre dann „nur eine willkürliche, zu aller Zeit auflösliche Zusammentretung verschiedener Staaten, nicht eine solche Verbindung, welche […] auf einer Staatsverfassung gegründet, und daher unauflöslich ist“ (351). Kants Ablehnung eines Weltstaats ist keine prinzipielle. Die Vernunft führt uns sogar zur Idee eines Weltstaats als des einzigen Zustands des ewigen Friedens (auf einen ähnlichen Schluss war Kant in der Friedensschrift gelangt; vgl. 2. Definitiv-
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artikel, VIII 357). Diese Idee ist aber praktisch unausführbar. Daher ist ein Völkerbund als einzige realistische Alternative zu bevorzugen. Weltstaat und Völkerbund stehen also nicht in einem konkurrierenden Verhältnis zueinander: der erste stellt vielmehr ein Ideal dar, das in der Praxis nicht realisierbar ist, und der zweite ist das einzige Mittel, um einen Friedenszustand zu errichten, wenn auch keinen Zustand ewigen Friedens. Nicht zufällig nennt Kant den Völkerbund in der Friedensschrift ein „negatives Surrogat“ (VIII 357). Im Beschluss der Rechtslehre (354 f.) sagt Kant allerdings, dass „die moralisch-praktische Vernunft in uns ihr unwiderstehliches Veto“ gegen den Krieg ausspricht, so dass eine absolute Pflicht besteht, den „Zweck“ eines ewigen Friedens zu verfolgen; Kant fügt hinzu, dass uns die Erfüllung einer solchen, von der Vernunft auferlegten Pflicht auch dann obliegt, wenn nicht „die mindeste theoretische Wahrscheinlichkeit“ besteht, dass dieser Zweck ausgeführt werden kann, „dennoch aber seine Unmöglichkeit gleichfalls nicht demonstriert werden kann“. Nun hat Kant den Zweck des ewigen Friedens zwar als nicht ausführbar, nicht jedoch als unmöglich bezeichnet. Was uns die moralisch-praktische Vernunft gebietet, muss auch möglich sein. Widerspricht sich hier Kant, indem er einerseits auf die praktische Unrealisierbarkeit eines Weltstaats hinweist und andererseits die Absolutheit der Pflicht zur Errichtung eines solchen Weltstaats betont? Dürfen wir die Idee eines Weltstaats aufgeben, wenn sie zugleich ein Ideal der Vernunft und eine uns von derselben Vernunft auferlegte Pflicht darstellt? In § 61 fordert Kant lediglich, dass wir die politischen Grundsätze ausführen, die zur kontinuierlichen Annäherung an dieses Ideal dienen (und der Völkerbund ist ein solcher Grundsatz). Eine Pflicht, über das praktisch Ausführbare hinauszugehen, scheint es hier nicht zu geben. War denn die Furcht vor der möglichen Anarchie eines Weltstaats so groß, den Zweck des ewigen Friedens doch als unmöglich erscheinen zu lassen? Kant gibt keine klare Antwort auf diese Frage – was seine Ablehnung eines Weltstaats als übereilt vorkommen lässt. In der Friedensschrift hatte Kant ein anderes Argument gegen einen Weltstaat eingeführt, demzufolge die Einzelstaaten nie bereit wären, auf ihre Souveränität zu verzichten. Ein solches Argument schien Kant vielleicht zu sehr der Empirie verhaftet, um in eine metaphysische Rechtslehre Eingang zu finden (s. oben). Die Renitenz der Staaten kam ihm womöglich einer von jenen anthropologischen Annahmen zu nahe, auf die eine Metaphysik der Sitten nicht gegründet werden kann. Die Unregierbarkeit, welche sich aus der übermäßigen Ausdehnung eines Weltstaates ergibt, hat zwar auch mit einer empirischen Feststellung zu tun. Es handelt sich aber für Kant um eine physische Gegebenheit, die sich nie ändern wird und mit der somit die Theorie rechnen muss, will sie Anwendung finden: die Erde wird immer zu groß sein, um die Errichtung eines regierbaren Weltstaats zu ermögli-
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chen. Dieses Argument ist jedoch nicht stichhaltig (anders dazu Ebbinghaus 1929).³ Es wurde schon überzeugend behauptet, dass ein Weltstaat die aus seiner Ausdehnung resultierenden Schwierigkeiten durchaus überwinden kann. Ihm würden nämlich andere Aufgaben als den Nationalstaaten zukommen, so dass er nur den Charakter eines Sekundärstaats oder eines Instruments globaler Konfliktbewältigung hätte (s. Höffe 1990, 266 ff., Höffe 1995 und Horn 1996, insbes. 246). Kant erwägt diese Möglichkeit nicht, weil er – wie ich meine – von einem zu strengen Souveränitätsbegriff ausgeht. Das zeigt sich besonders beim Argument der Friedensschrift, demzufolge sich die Einzelstaaten nie der Gewalt eines Weltstaats unterwerfen und somit auf ihre Souveränität verzichten würden. Ein partieller Verzicht auf die nationale Souveränität (wie es für die Errichtung eines sekundären Weltstaat notwendig wäre) ist für Kant undenkbar, gehört aber heutzutage zur Wirklichkeit der völkerrechtlichen Beziehungen. Die Einzelstaaten sind in ein Geflecht von internationalen Abkommen und Konventionen eingebunden, die ihre Souveränität in Bezug auf einige wichtige Einzelfragen wie z. B. die Menschenrechte oder den Außenhandel mindestens teilweise einschränken. Für Kant, der in diesem Punkt Hobbes folgt (vgl. Caranti 2022), ist dagegen Souveränität unteilbar: wer auf ein Teil von ihr verzichten will, verliert sie ganz. Dieser zu strenge Begriff von Souveränität hängt wiederum mit der verhängnisvollen Analogie von Staaten und Individuen zusammen. Individuen haben einen Willen, besitzen Autonomie. Darauf können sie nicht verzichten, denn über die eigene Autonomie verfügt man Kant zufolge nicht (gegen diese Auffassung s. Feinberg 1986, insbes. die Kap. 18 und 19). Nach der Analogie des § 53 besitzen auch Staaten Autonomie. Diese staatliche Autonomie ist – wie die individuelle – nichts anderes als die Fähigkeit, sich selbst Gesetze zu geben, d. h. die staatliche Souveränität (vgl. § 49, 318). Nach der Analogie können auch Staaten unmöglich auf ihre Autonomie, sprich: auf ihre Souveränität verzichten. Das ist m. E. nur zum Teil zutreffend. Neben den schon erwähnten konkreten Fällen, in denen auf völkerrechtlicher Ebene ein partieller Verzicht stattfindet, kennt die staatliche Souveränität auch bei Kant bestimmte Grenzen. Es gibt nämlich Bereiche, wie z. B. die Privatsphäre, vor denen der Souverän halt machen soll. Das gilt nicht nur für die innere Souveränität, d. h. für die Beziehungen
3 In den fast 25 Jahren, die seit der Erstveröffentlichung dieses Beitrags vergangen sind, haben sich viele Interpreten und Interpretinnen mit der Stichhaltigkeit von Kants Ablehnung eines Weltstaates zugunsten eines Völkerbunds befasst. Dabei gibt es durchaus Stimmen, die Kants Position gegenüber sympathetisch stehen (z. B. Brown 2009 und Caranti 2022, der eine sehr artikulierte Verteidigung Kants vornimmt). Die meisten KommentatorInnen beurteilen aber Kants Argument eher mit Skepsis (z. B. Byrd und Hruschka 2010, Flikschuh 2010). Eine vermittelnde Lesart, nach dem Kant die Möglichkeit eines Weltstaates nicht vollkommen ausschließt, vertritt Cavallar 2020.
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des Souveräns mit seinen Untertanen, sondern auch für die Souveränität „nach außen“, d. h. für die äußeren Beziehungen eines Staats mit den anderen Staaten. Dies zeigt, wie eng die Grenzen der Analogie von Staaten und Individuen sind. Staaten können in ihren völkerrechtlichen Beziehungen zwar als Rechtssubjekte, nicht aber als moralische Personen angesehen werden. Ihre Autonomie hat mit der Autonomie von Individuen nichts zu tun. Wenn z. B. die Annexion eines Staats seitens eines anderen nicht legitim ist, dann nicht, weil die „Person“ oder die Autonomie dieses Staats, sondern weil die Autonomie der Bevölkerung, d. h. jedes einzelnen Staatsbürgers, verletzt wird (348 f.). Wenn Menschen einen Staat bilden, dann haben andere Menschen kein Recht, diesen Staat ihrem eigenen anzufügen. Man darf also die Staatsbürger eines Staats nicht dazu zwingen, einem anderen Staat anzugehören. Entscheidend sind m. E. die Bürger, nicht ein mit Autonomie ausgestattetes Makrosubjekt „Staat“. Ein solches Subjekt kann es aus einer kantischen Perspektive nicht geben, es sei denn in einem schwachen analogischen Sinne. Kant aber verwendet – wie gezeigt – die Analogie in ihrem stärksten Sinne und erreicht somit bald deren Grenze (s. Flickschuh 2010). Kant scheint nicht zu bedenken, dass Staaten keine natürlichen Geschöpfe wie die Menschen, sondern künstliche, historische Gebilde sind, die ihr Wesen ändern können. Einen ewigen Frieden wird es erst dann geben, wenn die Staaten nicht mehr das sind, was sie heute sind, nämlich egoistische, vereinzelte Inseln des Rechts in einem Meer der Rechtlosigkeit. Erst wenn sie bereit sind, auf ihre Souveränität zugunsten einer höheren (sekundär‐)staatlichen Macht zu verzichten, werden Recht und Frieden unter ihnen möglich sein.
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Flikschuh, K. 2010: Kant’s Sovereignty Dilemma: A Contemporary Analysis. In: The Journal of Political Philosophy 18(4), 469–493 Geismann, G. 1983: Kants Rechtslehre vom Weltfrieden. In: Zeitschrift für philosophische Forschung 37, 363–388 Hegel, G. W. F. 1821: Grundlinien der Philosophie des Rechts, Berlin Held, D. 1995: Democracy and the Global Order. From the Modern State to Cosmopolitan Governance, Cambridge Hobbes, T. 16472: Elementa philosophica de Cive, Amsterdam Höffe, O. 1990: Kategorische Rechtsprinzipien. Ein Kontrapunkt der Moderne, Frankfurt/M. (Kap. 9) Höffe, O. 1995: Völkerbund oder Weltrepublik? In: O. Höffe (Hrsg.), I. Kant. Zum Ewigen Frieden, Berlin, 109–132 Hoffmeister, J. 1934: Die Problematik des Völkerbundes bei Kant und Hegel, Tübingen Horn, C. 1996: Philosophische Argumente für einen Weltstaat. In: Allgemeine Zeitschrift für Philosophie 21, 229–251 Horn, C. 2014: Nichtideale Normativität. Ein neuer Blick auf Kants politische Philosophie, Berlin Maus, I. 1994: Zur Aufklärung der Demokratietheorie, Frankfurt/M. Merle, J.-C. 1995a: Zur Geschichte des Friedensbegriffs vor Kant. Ein Überblick. In: O. Höffe (Hrsg.), I. Kant. Zum Ewigen Frieden, Berlin, 31–42 Merle, J.-C. 1995b: La réception du „Projet de paix perpetuelle“ par Fichte. In: H. Robinson (Hrsg.), Proceeding of the Eighth International Kant Congress, Memphis 1995. Vol. II, Milwaukee, 893– 900 Pinzani, A. 2017: Gibt es eine ethische Pflicht, äußerlich frei zu sein? In: Dörflinger, B./D. Hüning/G. Kruck (Hrsg.), Das Verhältnis von Recht und Moral in Kants praktischer Philosophie, Hildesheim, 171–190 Pinzani, A./N. Sanchez Madrid 2016: The State Looks Down. Some Reassessments of Kant’s Appraisal of Citizenship. In: Faggion, A./A. Pinzani/N. Sanchez Madrid (Hrsg.), Kant and Social Policies, London, 25–47 Rousseau, J. J. 1762: Du Contrat Social, Amsterdam Shell, S. M. 2016: Kant on Citizenship, Society, and Redistributive Justice. In: Faggion, A./A. Pinzani/N. Sanchez Madrid (Hrsg.), Kant and Social Policies, London, 1–23 Wolff, Christian 1750: Institutiones Juris Naturae et Gentium, Halle/Magdeburg
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13 Das Weltbü rgerrecht (§ 62) „(S)o ist die Idee eines Weltbü rgerrechts keine phantastische und ü berspannte Vorstellungsart des Rechts, sondern eine notwendige Ergänzung (…) sowohl des Staats- als (auch des) Völkerrechts zum öffentlichen Menschenrechte überhaupt […].“ Immanuel Kant, Zum ewigen Frieden (1795)¹
13.1 Verankerung des Weltbürgerrechts im allgemeinen Menschenrecht Im Weltbürgerrecht liegt eine Konkretisierung des einen Menschenrechts, das Kant seiner Rechtslehre zugrunde legt. Es ist ein „angeborenes“ Recht, welches „unabhängig von allem rechtlichen Akt jedermann von Natur aus zukommt.“² Kant bezeichnet es als „das einzige, ursprüngliche, jedem Menschen kraft seiner Menschheit zustehende Recht“.³ Es ist in der ursprünglichen Freiheit jedes Menschen und in seiner Vernunftbegabung⁴ begründet, die ihn befähigt, mit Freiheit und ihren Grenzen umzugehen. Diese Autonomie ermöglicht die freie Selbstbestimmung und damit auch den eigenen Lebensentwurf jedes Menschen; jede Person ist darum immer auch „Zweck für sich selbst“ und darf nie allein als Mittel zu einem ihr fremden Zweck gebraucht werden. Ihre Existenz (oder Identität) bedarf also nicht der Zwecksetzung oder Sinngebung durch andere, sondern sie hat die Freiheit, die eigenen Handlungsziele und Lebensentwürfe allein oder mit anderen durch Vermittlung der Vernunft selbst zu bestimmen.⁵ Mit seiner Freiheit und Würde ist jeder Mensch Rechtssubjekt, dem von Seiten anderer und von fremden Staaten Achtung
1 Immanuel Kant, Zum ewigen Frieden AA VIII 360. Die Kant-Zitate erfolgen durchwegs nach dem Bonner-Kant-Korpus, elektronische Ausgabe, Universität Duisburg Essen 2022. 2 Kant, Rechtslehre AA VI 237 Zeilen 21 f. 3 Kant, Rechtslehre AA VI 237 Zeilen 27–32; Otfried Höffe, „Das angeborene Recht ist nur ein einziges“, in Resa Mosayebi (Hrsg.), Kant und Menschenrechte, Berlin/Boston 2018 S. 37 ff. 4 Auch dem geistig behinderten Menschen steht diese Fähigkeit zu, wenn auch nicht im Sinne der privat- oder strafrechtlichen Urteils- oder Handlungsfähigkeit, aber in besonderen Arten eigener Willensäusserung. Aus der Verfassungspraxis vgl. etwa BVerfGE 142 313 (Zwangsbehandlung): Der natürliche Wille einer mit Bezug auf ihre Erkrankung urteilsunfähigen Person muss als Ausdruck ihres Selbstbestimmungsrechts bei einem Operationsentscheid mitberücksichtigt werden. 5 „Eine Person ist keinen anderen Gesetzen unterworfen, als denen, die sie (entweder allein oder wenigstens zugleich mit anderen) sich selbst gibt.“ Kant, Metaphysik der Sitten AA VI S.223, Zeile 29 ff. https://doi.org/10.1515/9783110782509-014
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gebührt, wo und wann immer er sich auf dieser Erde befindet. Das ist der Kern des Weltbürgerrechts. Das ursprüngliche Menschenrecht hat universellen Charakter und teilt diesen mit dem Weltbürgerrecht.⁶ Kant führt mit dem Weltbürgerrecht in der Rechtstheorie neben dem staatlichen Recht und dem Völkerrecht „eine dritte innovative Dimension“ ein.⁷ Das Weltbürgerrecht soll „über die Köpfe der Staaten hinweg“ auf die Stellung der individuellen Rechtssubjekte durchgreifen und für diese eine nichtmediatisierte Mitgliedschaft in einer weltweiten Zusammengehörigkeit freier und gleicher Weltbürger begründen.⁸ Mit dieser Zielsetzung einer globalen Rechts- und Friedensordnung (Kant spricht von Friedensstiftung) gehört das Weltbürgerrecht zum „höchsten politischen Gut“ und zum „ganzen Endzweck der Rechtslehre.“⁹ Das Weltbürgerrecht gilt nicht aufgrund einer Vereinbarung wie das Staatsrecht, das „aus der Idee des ursprünglichen Vertrages hervorgeht,“ und beruht auch nicht wie das Völkerrecht auf einer föderalen Vereinigung, wie sie Kant vorschlägt.¹⁰ Im Weltbürgerrecht kommt vielmehr das ursprüngliche Menschenrecht ganz unmittelbar, ungefiltert, ohne einzelstaatliche Brechung, ohne Konkretisierung durch einen staatlichen Gesetzgeber oder eine Föderation der Staaten zur Geltung. Gäbe es nicht ein Menschenrecht (und aus ihm folgend das Weltbürgerrecht), das „aus sich selbst Achtung“ erfordert, so wären nach Kant alle Versuche umsonst, die rohe menschliche Freiheit in Richtung einer „wohlgeordneten Freiheit“, also in einer regionalen oder globalen Rechts- und Friedensordnung, zu bändigen.¹¹ In dieser zentralen Stellung des Menschenrechts und seiner globalen Ausrichtung im Weltbürgerrecht kann ein Keim der nachfolgenden Entwicklung der Menschenrechte im nationalen und internationalen Bereich im 19. und 20. Jahrhundert gesehen werden, nicht im Sinne einer konsequenten Weiterbildung des Kant‘schen Konzepts, aber doch eines Mitimpulses zur Zentrierung der Grundrechte der Verfassung oder der internationalen Konventionen im übergeordneten Prinzip einer unantastbaren Menschenwürde (UNO-Charta, EMRK, EU-Vertrag etc.). 6 wie es von Kant dem öffentlichen Recht zugerechnet wird; Kant, Rechtslehre AA VI 309 ff.; Kant, Frieden AA VIII 357 ab Zeile 19. 7 Jürgen Habermas, Kants Idee des ewigen Friedens, Kritische Justiz, Nomos, vol. 28, no. 3, 1995, S. 293. 8 Jürgen Habermas, Kants Idee des ewigen Friedens, Kritische Justiz, Nomos, vol. 28, no. 3, 1995, 293 ff., S. 304. 9 Kant, Rechtslehre AA VI S. 355 Zeilen 7–9 und Seite 356 Zeilen 29 f. 10 Kant, Frieden AA VIII 354; 11 Kant, Gemeinspruch VIII 306 Zeilen 28 ff.: „Wenn nicht etwas ist, was durch Vernunft unmittelbar Achtung abnötigt wie das Menschenrecht, so sind alle (Bemühungen) unvermögend, die Freiheit (der Menschen) zu bändigen.“
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13.2 Empirische Elemente des Weltbürgerrechts Das Weltbürgerrecht ist von der praktischen Vernunft gefordert, aber es liegt ihm auch menschliche Erfahrung – Kant spricht von Anschauung oder Empirie – zugrunde. Darin kommt auch Kants Anliegen einer Vermittlung zwischen Empirismus und Rationalismus zum Ausdruck, und man ist an seine Bemerkung erinnert, eine Vernunfterkenntnis ohne empirische Anschauung sei leer und eine Anschauung (eine sinnliche Wahrnehmung) ohne Vernunft sei blind,¹² oder an den Satz aus den ‚Vorarbeiten‘, dass „der Vernunftbegriff vom Recht (..) objektive praktische Realität hat und ihm ein Gegenstand (…) in der sinnlichen Anschauung mithin in Raum und Zeit korrespondieren muss.“¹³ Die reale Grundlage des Weltbürgerrechts kommt sehr gut in Kants empirischem Befund zum Ausdruck, die Menschen könnten sich infolge der Kugelgestalt der Erde nicht unendlich zerstreuen, sondern müssten sich als physische Wesen auf dieser begrenzten Erdoberfläche zurecht finden¹⁴ und sich „nebeneinander dulden.“¹⁵ Das ist nicht nur Theorie, sondern auch konkreter Befund und praktische Aufgabe.
13.3 Das Weltbürgerprinzip als ethische und rechtliche Handlungsmaxime 13.3.1 Verankerung der Rechtsordnung im moralischen Gesetz Das Weltbürgerrecht ist Recht im vollen juristischen Sinn.¹⁶ Es bezeichnet die äusseren Möglichkeiten und Grenzen menschlicher Freiheit im weltweiten Bereich. Es ist als globales Rechtsprinzip Ausdruck der moralisch-praktischen Gleichheit der Menschen und dient zur„Richtschnur (norma)“ für eine rechtliche Organisation der
12 Kant, Kritik der reinen Vernunft, 1. Aufl. AA III 75 Zeilen 14–18: „Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind.“ Daher sei es ebenso notwendig, seinen Verstandesinhalten empirische Erkenntnisse beizufügen, „als seine Anschauung sich verständlich zu machen.“; vgl. auch Kant, Kritik der reinen Vernunft, 1. Aufl., AA III 203 Zeile 05 ff.: „(A)lles, was der Verstand aus sich selbst schöpft, (das hat er) lediglich zum Erfahrungsgebrauch“; Kant, Kritik der reinen Vernunft 1. Aufl. AA III 207 Zeilen 5 ff.: „Der Verstand (kann) von allen seinen Grundsätzen a priori keinen anderen als empirischen Gebrauch machen.“ 13 Kant, Vorarbeiten AA XXIII Seite 275 Zeile 1 ff. 14 Kant, Rechtslehre AA VI 352 (Zeilen 9 ff.) und 311 (Zeile 23 f.); Kant, Frieden AA VIII 358. 15 Kant, Frieden AAVIII 357 Zeilen 19 ff.; Kant, Metaphysik der Sitten, Rechtslehre AAVI § 62 S. 352 f. 16 Kant, Frieden AA VIII 357 Zeilen 22 f.; Kant, Rechtslehre AA VI 352 Zeile 8.
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Menschheit.¹⁷ Die Verwurzelung des Weltbürgerrechts – wie allen Rechts – im moralischen Gesetz bestätigt Kant in seiner Formulierung des Allgemeinen Prinzips des Rechts: „Eine jede Handlung ist recht, nach deren Maxime die Freiheit (…) eines jeden mit jedermanns Freiheit nach einem allgemeinen Gesetz zusammen bestehen kann.“¹⁸ Dieses allgemeine Prinzip des Rechts ist offensichtlich geprägt vom grundlegendsten normativen Prinzip in der Philosophie Kants: dem kategorischen Imperativ; er strukturiert auch das Weltbürgerrecht. Es geht um das Handeln nach einer Maxime, von der jeder Mensch – beim Weltbürgerrecht ist es jeder ‚Erdenbürger‘ – kraft seiner Vernunft wissen und mit seiner Freiheit wollen kann, dass sie nicht nur in der konkreten Handlungssituation massgeblich sei, sondern auch als Teil einer allgemeingültigen Ordnung gelten könnte oder gelten sollte. Gefordert ist ein Handeln nach Kriterien, die andere Menschen so einbeziehen, wie ein allgemeines Gesetz dies tun müsste. Wegen dieser ethischen Verankerung des Rechts ist Rechtslehre für Kant nicht nur empirische Analyse (z. B. exakte Beschreibung der zur Zeit positiv geltenden Gesetze oder Verträge), sondern sie setzt sich auch mit der Frage auseinander, ob die positive Ordnung gerecht sei. Der Rechtsbegriff ist für Kant „ein sachleerer Gedanke,“¹⁹ wenn er nicht auf ein „moralisches Gesetz“ aufbauen kann.²⁰ Eine rein positivistisch-empirische Rechtslehre erscheint ihm wie ein hölzerner „Kopf, der schön sein mag, nur schade! dass er kein Gehirn hat“.²¹ Ein vertieftes, substanzielleres Rechtsverständnis gelingt nach Kant nur, wenn der Jurist „eine Zeitlang“ von einer rein empirisch fassbaren, gesetzten Rechtsordnung Distanz nimmt und den Ansatz zu einer möglichen gerechten Ordnung „in der blossen Vernunft“ bzw. in einer praktisch-moralischen Perspektive sucht.²² Eine solche bietet der kategorische Imperativ. Er ist bei jeder Interpretation des Weltbürgerrechts mitzubedenken.
17 Kant, Rechtslehre AA VI 313 Zeile 15. Hier wird die Idee jeder öffentlichrechtlichen Vereinigung angesprochen, wie sie nach reinen Rechtsprinzipien sein soll. 18 Rechtslehre AAVI 230 f. Nach Reza Mosayebi hat Kant mit diesen Formulierungen „eine Leistung erbracht, die bis heute an ihrer systematischen Aktualität nichts eingebüsst hat“. Reza Mosayebi, Das Minimum der reinen praktischen Vernunft – vom kategorischen Imperativ zum allgemeinen Rechtsprinzip bei Kant, De Gruyter, Berlin/Boston 2013 S. 2, mit zahlreichen Lit.hinweisen. Zum heutigen Forschungsstand zur Frage des Verhältnisses von allgemeinem Rechtsprinzip und kategorischem Imperativ s. Reza Mosayebi aaO S. 2 ff. 19 Kant, Frieden, AA VIII 372 Zeilen 1–5. 20 Kant, Frieden, AA VIII 372 Zeilen 1–5. 21 Kant, Die Metaphysik der Sitten, Rechtslehre AA VI S. 229 Zeilen 18 ff. und S. 230 Zeilen 02 ff. 22 Kant, Rechtslehre AA VI 229 f. Zeilen 24 ff.
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13.3.2 Die weltbürgerliche Ordnung als Aufgabe Weder der kategorische Imperativ noch das allgemeine Rechtsprinzip oder das Weltbürgerrecht gleichen Naturgesetzen, die sich auch ohne Zutun des Menschen verwirklichen. Sie appellieren an ein menschliches Wollen („die Maxime, von der du wollen kannst“); angesprochen ist ein freier Mensch, der Erkenntnis suchen, dann eine Wahl treffen und damit einen Akt der Freiheit vollziehen kann und soll. Auch das Weltbürgerrecht wird nur zur praktischen Handlungsorientierung und erlangt nur praktische Geltung, wenn seine Autorität durch Menschen mit ihrer Freiheit und ihrer Vernunftbegabung erkannt, gewollt und umgesetzt wird. Es braucht den Willen und den tätigen Einsatz vernünftig handelnder Menschen in der Wirklichkeit, um wirksam zu werden. Die weltbürgerliche Ordnung ist darum „keine leere Idee, sondern eine Aufgabe,“²³ eine Aufgabe, die in der realen Welt erfüllt werden kann und erfüllt werden muss. So gewinnt Kant „durch die Anwendung des kategorischen Imperativs auf Recht und Staat eine schlechthin universalistische Rechts- und Staatsethik“, als deren Schlussstein das Weltbürgerrecht gelten kann.²⁴
13.3.3 Recht betrifft äusseres Handeln – trotz seiner Bindung an ein inneres Wollen Trotz dieser tiefen Verbindungen zwischen Ethik und Recht steht bei Kant für das Verhältnis von Recht und Ethik fest: das Recht begnügt sich mit äusserlichem Gehorsam, die Gesinnung bleibt der inneren Freiheit des Menschen vorbehalten; Recht hat nicht die innere Glückseligkeit der Rechtsgenossen, sondern ihre Freiheit zur eigenen Lebensgestaltung (und Glückssuche) zum Ziel²⁵; und dennoch: gerade der kategorische Imperativ als Grundlage des Rechts²⁶ betrifft zwar das Handeln (nicht die Gesinnung) eines Menschen, und doch muss dieses Tun an einer bestimmten Willenshaltung, also einer inneren Einstellung orientiert sein, nämlich der Bejahung der Frage, ob die Maxime eigenen Handelns auch als allgemeines Gesetz dienen könnte.
23 Kant, Frieden AA VIII 386 Zeilen 27–33. 24 Otfried Höffe, Einleitung dieses Bandes, 1. Aufl. S. 9. 25 Kant, Über den Gemeinspruch …. AA VIII 290 Zeilen 27 ff.; die Genugtuung über eine Pflichterfüllung kann und darf allerdings ein Glücksgefühl auslösen; Kant, Tugendlehre AA VI 377. 26 Kant, Rechtslehre, AA VI 230 Zeilen 24–31.
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13.3.4 Die „erweiterte Denkungsart“ als Zugang zum weltbürgerlichen Denken Zur Frage, welche praktischen Schritte im Denken geeignet sind, um zu einer weltbürgerlichen Sicht zu gelangen, mag ein Blick in ein anderes Werk von Kant nützlich sein. In der „Kritik der Urteilskraft“ fragt Kant, ob aus einem „Wahrheitssinn“ oder einem „Gerechtigkeitssinn“ ²⁷ ein Urteil über das, was als wahr bzw. gerecht gelten soll, gefunden werden kann. Die Frage wird in Zusammenhang mit dem Problem gestellt, ob es einen „Gemeinsinn“ bzw. einen „gemeinschaftlichen Sinn“ unter Menschen gebe oder ob er erreichbar sei. Es ist wohl nicht verfehlt, auch in der weltbürgerlichen Gesinnung eine Form solchen Gemeinsinns zu sehen. Der Zugang zu einem solchen Sinn führt über eine „erweiterte Denkungsart.“ Diese besteht im Vermögen, Urteile zu fällen, die auch als allgemeine Regel dienen können²⁸ und verlangt die Fähigkeit, „in seiner Reflexion auf die Vorstellungsart jedes anderen in Gedanken Rücksicht zu nehmen“²⁹, oder in anderen Formulierungen „sich in die Stelle jedes anderen“ zu versetzen³⁰ oder in das eigene Denken auch die wirklichen oder möglichen Urteile anderer einzubeziehen. Dadurch wird eine Befreiung von umklammernden Vorurteilen möglich.³¹ Es handelt sich hier nicht um „künstliche Operationen“ der Reflexion, sondern um Maximen des (all‐)gemeinen Menschenverstandes, also – nach Kant – „des Geringsten“, was man von dem erwarten kann, „welcher auf den Namen eines Menschen Anspruch macht.“³² Solche Maximen können auch für die Erkenntnis, was weltbürgerliches Handeln gebietet, weiterführend sein. Ein kosmopolitischer Sinn erfordert gedanklichen oder wirklichen Einbezug des andern, des Fremden, der Menschen in anderen Ländern und Kulturen. Wie bei aller Aufklärung ist auch hier entscheidend, dass die (zunächst wenigen) verständig Denkenden von ihrer „Vernunft in allen Stücken öffentlich Gebrauch machen,“³³ also ihre weltbürgerliche Sicht allgemein kundtun. Hannah Arendt hat in der „erweiterten Denkungsart“ eine zentrale politische Aussage Kants gesehen.³⁴ Und diese Denkungsart könnte auch für die weltpolitische Dimension des Weltbürgerrechts bedeutsam sein.
27 Kant, Kritik der Urteilskraft AA V 293 Zeilen 14 und 18. 28 Kant, Urteilskraft, AA V Seite 293 Zeilen 13 ff. 29 Kant, Urteilskraft, AA V Seite 293 Zeilen 30 ff. 30 Kant, Urteilskraft, AA V Seite 294 Zeile 03. 31 Kant, Urteilskraft, AA V Seite 294 Zeile 01. 32 Kant, Urteilskraft, AA V 293 Zeilen 20 ff. 33 Kant, Was heisst Aufklärung?, AA VIII 36 Zeile 36 f. 34 Hannah Arendt, Das Urteilen – zu Kants politischer Philosophie, München 1985 S. 61 f.; Jörg Paul Müller, Perspektiven der Demokratie, Kleine Schriften zum Recht, Bern 2012 S. 41 f.
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13.3.5 geschichtsphilosophische Bedeutung Der Appell an menschliches Erkennen, Reflektieren und Handeln ist gerade beim Weltbürgerrecht auch von geschichtsphilosophischer Bedeutung. Er macht deutlich, dass der weltbürgerliche Zustand sich nicht einfach aus einem weltgeschichtlichen Entwicklungszwang ergibt, dass er nicht geschichtliche Notwendigkeit und nicht einfach Ergebnis des ‘Gangs Gottes’ durch die Geschichte ist, aber auch nicht bloss eine pazifistische Utopie darstellt, sondern dass weltbürgerliches Handeln eine Aufgabe der Vernunft für freie Menschen ist.³⁵
13.4 Das Weltbürgerrecht als Recht des Fremden auf Achtung und auf Kommunikation mit der Bevölkerung Mit dem Bedürfnis der Menschen nach Verkehr, nach Begegnung, nach gegenseitigem Austausch, nach Handel auch ü ber Staatsgrenzen, ja Kontinente hinweg, wird eine Dynamik der Begegnungen im internationalen Bereich ausgelöst, die neues Konfliktpotential und neue Rechtsschutzbedürfnisse schafft. Tritt der Einzelne aus dem geschü tzten Raum seiner Rechtsgemeinschaft mit ihrer durch staatliches Gesetz gesicherten Freiheits- und Friedensordnung (ius civitatis) heraus, wäre er als Auswärtiger der Willkü r des fremden Landes ausgeliefert, wü rde ihn nicht ein ursprü ngliches Recht der Teilhabe an der Erdoberfläche in Form des Weltbürgerrechts, konkret des Rechts zum Besuch fremder Länder und Kontinente, begleiten. Kant weist zur Begründung eines solchen Rechts auf das von der moralisch-prak-
35 In seiner Schrift „Idee zu einer Geschichte in weltbürgerlicher Absicht“ von 1784 (AAVIII 15) regt Kant „einen Leitfaden“ zu einer theoretischen, nicht empirisch beobachtenden Geschichte der Aufklärung, d. h. der Vor- und Rückschläge in der Gesellschaft im Hinblick auf eine weltbürgerliche Ordnung an. Ob ein weltbürgerlicher Zustand einmal erreicht wird, hängt einerseits vom „guten Willen“ der handelnden Menschen und der weltbürgerlichen Bildung der Gesellschaft ab. Die Menschen sind zwar widersprüchlich („aus krummem Holz“, aaO S. 23 Zeile 22) und legen der Annäherung an eine vernünftige Weltordnung immer wieder Hindernisse in den Weg. Kant erwägt, ob die Natur trotz aller Kriege und Auseinandersetzungen doch letztlich über die Generationen hinweg auf die Annäherung an eine globale Friedensordnung hinziele. Die „sonst für ungebundene Freiheit so sehr eingenommenen Menschen“ werden durch Not erfahren, „dass sie in wilder Freiheit nicht lange nebeneinander bestehen können“ und sich durch Vernunft genötigt sehen, sich „zu disziplinieren.“ Kant, Geschichte in weltbürgerlicher Absicht AA VIII 22 Zeilen 21 ff.. Die Natur hat gewollt, dass der Mensch alles, was über die physische Instinktsicherung hinausgeht, „gänzlich aus sich selbst herausbringe“ und es sich „durch eigene Vernunft“ verschaffe. AA VIII 19 Zeilen 18 ff.
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tischen Vernunft geforderte ursprüngliche „Recht des gemeinschaftlichen Besitzes der Oberfläche der Erde“³⁶ hin, aufgrund dessen niemand „an einem Ort der Erde zu sein mehr Recht hat, als der andere.“³⁷ Das weltbürgerliche Besuchsrecht erlaubt jedem Menschen, sich an irgendeinen Ort der Erde zu begeben und vom fremden Staat und von seiner Bevölkerung als Besucher, nicht als Feind behandelt zu werden. Der Besucher hat das Recht, den Kontakt mit den Ansässigen zumindest zu versuchen. Er darf von ihnen und dem fremden Staat nicht feindselig behandelt und nicht vom fremden Territorium weggewiesen werden, wenn damit „sein Untergang“ verbunden ist.³⁸ Aus diesem elementaren Fremdenrecht hat sich das völkerrechtliche Prinzip des ‚non refoulement‘ entwickelt, das auch im heutigen Asylrecht eine zentrale Rolle spielt und im internationalen und nationalen Recht als zwingendes Völkerrecht gilt.³⁹
13.5 Der Missbrauch des Weltbürgerrechts in der Kolonisation Das Besuchsrecht trägt zum friedensfördernden Kontakt zwischen fremden Völkern und zum Welthandel bei und wird von Kant hoch bewertet.⁴⁰ Er macht aber auch hier ernst mit dem Grundsatz, dass menschliche Freiheit nur so weit reicht, als sie sich mit reziproken Anliegen anderer vereinbaren lässt, und er postuliert Schranken des Weltbürgerrechts, die bis heute von besonderer politischer und rechtlicher Aktualität sind. Die Freiheit, die Welt zu erkunden und fremde Länder und Erdteile zu besuchen, gilt nur so lange, als sich der Besucher im fremden Land friedlich verhält. Trifft er Anstalten zu Eroberung oder Unterwerfung, missbraucht er das Fremdenrecht. Kant vertieft diesen Punkt unter dem unmittelbaren Eindruck der europäischen Kolonisation und ihrer menschenverachtenden Auswirkungen. Er prangert die Ungerechtigkeit an, die er im inhumanen Verhalten der Handel treibenden europäischen Staaten gegenü ber den Kolonialgebieten feststellt. Hier wird ein neuer Aspekt des Weltbürgerrechts sichtbar: „Erdenbürger“ und damit
36 Kant, Frieden VIII 358; ähnlich Kant, Rechtslehre AA VI 352. 37 Kant, Frieden VIII 358, ähnlich Kant, Rechtslehre AA VI 262 und 352. In Kant, Rechtslehre AA VI, 352 ff. § 62 ist sowohl von den „Völkern auf Erden“ als auch den einzelnen „Erdbürgern“ die Rede, die notwendigerweise miteinander in Verbindung treten müssen, und es wird ausdrücklich das „Recht des Erdenbürgers“ genannt, „die Gemeinschaft mit allen zu versuchen und zu diesem Zweck alle Gegenden der Erde zu besuchen“ (Kant Rechtslehre AA VI § 62, S. 352 und 353.). 38 Kant, Frieden AA VIII 358. 39 Walter Kälin/Jörg Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz 4. Aufl. Basel 2019 Rdn 18.74. 40 Kant, Rechtslehre AA VI § 62, S. 352 und 353).
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Träger des Weltbürgerrechts sind auch die ansässigen Menschen in einem von Kolonialmächten eroberten Gebiet; sie haben Anspruch darauf, von den Kolonialmächten nicht ausgenützt oder unterworfen zu werden. Die Ungerechtigkeit, die im Missbrauch des Besuchsrechts durch die Kolonialmächte liegt, „geht bis zum Erschrecken weit.“⁴¹ Die Eroberer rechneten die Einwohner „für nichts“; die Folgen waren „allergrausamste und ausgedachte Sklaverei“ wie in der Karibik⁴² oder andere „Unterdrückung der Eingeborenen (..), Hungersnot, Aufruhr, Treuelosigkeit und wie die Litanei aller Übel, die das menschliche Geschlecht drücken, lauten mag“. Und dieses weltbürgerrechtswidrige Verhalten der Mächte, „die Unrecht wie Wasser trinken und sich in der Rechtgläubigkeit für Auserwählte gehalten wissen wollen“, brachte – wie Kant beobachtet – auch neues Unrecht in die Ursprungsländer: Die Versklavung in Übersee diente auch der Rekrutierung neuer „Matrosen für die Kriegsflotten und damit wieder zur Führung der Kriege in Europa“. ⁴³ Die Feststellung solcher Zusammenhänge führt Kant zum Schluss, es sei so weit gekommen, „dass die Rechtsverletzung an einem Platz der Erde an allen gefühlt wird“. Wie aktuell ist eine solche Analyse auch für die globalisierte Welt der Gegenwart mit ihren politischen, militärischen, technologischen und ökonomischen Vernetzungen! Nationenübergreifende Regulierungen, also praktische Verwirklichungen einer weltbürgerlichen Ordnung, sind dringend und diese Notwendigkeit zeigt erneut, dass das Konzept des Weltbürgerrechts keine überhöhte Vorstellungsart des Rechts, sondern eine notwendige „Ergänzung des (…) Staats- und Völkerrechts“ ist.⁴⁴ Zur Frage, ob aus dem weltbürgerlichen Zustand ein Recht fliesse, sich im fremden Land anzusiedeln oder sich niederzulassen, stellt Kant fest, eine solche Beziehung bedü rfte jedenfalls eines Vertrags zwischen dem Gast und den Einwohnern. Eine solche Vereinbarung müsste eine echte Willensü bereinkunft zwischen den Fremden und dem Gastland darstellen. Der Fremde darf sich nicht etwa die Unwissenheit oder Unerfahrenheit der Eingeborenen zunutze machen. Auch der angeblich gute Wille etwa der christlich missionierenden Europäer vermag keineswegs Verletzungen der Rechte der ansässigen Bevölkerung zu rechtfertigen.⁴⁵ Auch der Lebensraum von Hirten- und Jagdvölkern ist zu achten, die das Land weder bebauen noch durch territoriale Abgrenzung sichern. Die Verletzlichkeit dieser Völker soll nicht ausgenutzt werden;⁴⁶ auch ihre Mitglieder sind im ursprü nglichen Recht zu achten, das sie mit allen Menschen auf diesem Globus teilen:
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Kant, Frieden, AA VIII S. 359 ab Zeile 13; Kant, Rechtslehre AA VI S. 353 Zeile 03. Kant, Frieden AA VIII 359 Zeile 13. Kant, Frieden AA VIII 359. Kant, Frieden AA VIII 360. so eindrü cklich Kant, Frieden AA VIII 359 und Rechtslehre AA VI 353. vgl. Rechtslehre AA VI 353, Zeilen 28–30.
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das Recht, am gemeinsamen Besitz der Erde teilzuhaben. Auch hier werden die Konturen des Weltbürgerrechts als eines universellen Menschenrechts sichtbar.
13.6 Das Weltbü rgerrecht als Katalysator einer Weltfriedensordnung Während in der Friedensschrift das Weltbürgerrecht im Wesentlichen auf eine minimale Garantie für Fremde in fremdem Land beschränkt wird,⁴⁷ ist es in Kants Rechtslehre dagegen durch eine breitere vernunftrechtliche Optik geprägt. Das Weltbürgerrecht erscheint hier in grösserem Umfang als Konkretisierung des einen Menschenrechts, und es zeigt einen weit offeneren Charakter. Es ist Keim einer globalen Rechts- und Friedensordnung , Grundlage eines Prozesses, in dem „entfernte Weltteile miteinander friedlich in Verhältnisse kommen, die (…) das menschliche Geschlecht endlich einer weltbü rgerlichen Verfassung immer näher bringen […].“⁴⁸ Politik „als ausübende Rechtslehre“⁴⁹ und die ihr folgende Rechtsetzung sind aufgerufen oder verpflichtet, die rechtlich-moralischen Postulate des Weltbürgerrechts und die mit ihnen verbundene Friedenspflicht in positives Recht und in die soziale Wirklichkeit umzusetzen; denn die „moralisch-praktische Vernunft“ fordert „eine allgemeine und fortdauernde Friedensstiftung.“⁵⁰ Erst eine Gesamtsicht der Friedensschrift von 1795 und der Rechtslehre von 1797 macht sowohl die präzise juristische Stoßkraft als auch die universalistischzukunftsweisende Perspektive des Weltbü rgerrechts deutlich.⁵¹
47 Kant, Frieden AA VIII 357 (dritter Definitivartikel). 48 Kant, Frieden AA VIII 358. 49 Kant, Frieden, AA VIII S. 370 Zeile 11. 50 Kant Rechtslehre AA VI 355 Zeile 07; Frieden, AA VIII 380 Zeile 27 f.: „Die wahre Politik kann keinen Schritt tun, ohne vorher der Moral gehuldigt zu haben.“ 51 Aber auch in andern Schriften Kants finden sich Ausfü hrungen zum Weltbü rgerrecht, so besonders in der ‚Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbü rgerlicher Absicht‘ (Achter Satz AA VIII 27 f.). Fü r eine Klärung des systematischen Stellenwerts des Weltbü rgerrechts in Kants Rechtsdenken sind aber auch andere theoretische Schriften beizuziehen, in denen das Weltbü rgerrecht nicht ausdrü cklich erwähnt wird, so z. B. Gemeinspruch Abschnitt II AA VIII 289 ff.
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13.7 Sicherung des Weltbürgerrechts und Verbot kriegerischer Durchsetzung Im rechtlosen Zustand ist nach Kant die menschliche Neigung zu Gewalt dominant; durch Recht wird sie gebändigt. Alle Bereiche des öffentlichen Rechts sind darauf ausgerichtet, aus dem gesetzlosen Zustand, in dem sich alle bekriegen, herauszugehen und sich zur Sicherung der „angeborenen Freiheit“⁵² einer regelhaften, gemeinsam zu konstruierenden Bindung (oder nach Kant einem ‚Zwang‘⁵³) zu unterwerfen“.⁵⁴ im Innern der Staaten wird dies durch das Staatsrecht mit dem Gewaltmonopol des gesetzlichen Herrschers erreicht, und zwischen Staaten hofft Kant auf die Weiterentwicklung der rechtlichen Ordnung durch die föderale Vereinigung von republikanisch organisierten Staaten. Nun ist aber auch zwischen Staaten und Einzelnen der Gewalt Einhalt zu gebieten. Hier wird das Weltbürgerrecht relevant, z. B. als Schutzschirm über jedem „Erdenbürger“⁵⁵ in fremdem Land. Dieses Recht ist durch keine physische Gewalt gesichert. Es stützt sich nicht auf die Durchsetzungsmacht (das Gewaltmonopol) eines Staates.⁵⁶ In einer Weltregierung, die es autoritativ und gewaltsam sicherstellen würde, sieht Kant die Gefahr eines „seelenlosen Despotismus“, den es zu verhüten gilt.⁵⁷ Auch den Krieg lehnt er als Mittel der Durchsetzung sowohl völkerrechtlicher als auch weltbürgerlicher Ordnung entschieden ab. Krieg war für Kant in jedem Fall ein gewaltsames, unberechenbares und letztlich immer dem Stärkeren zum Vorteil gereichendes Geschehen.⁵⁸ Das in der Völkerrechtstradition gepflegte Kriegsrecht oder gar die Theorie des gerechten Krieges schienen Kant 52 Kant, Rechtslehre AA VI 238. 53 Kant Rechtslehre AA VI 231: „Mithin ist mit dem Recht zugleich eine Befugnis, den, der ihm Abbruch tut, zu zwingen (..) verknüpft.“ Zwang muss nicht äusseren Zwang bedeuten; Zwang kann auch einfach in der moralisch-praktischen Verpflichtung zu entsprechendem Handeln liegen, wie im Weltbürgerrecht. Zum Zwangsbegriff in Kants Rechtslehre siehe die Untersuchung von Reza Mosayebi, Das Minimum der reinen praktischen Vernunft, Berlin, De Gruyter, 2013 S.40 f. 54 Kant, Zum ewigen Frieden AA VIII 354 ab Zeile 16. 55 Kant, Rechtslehre VI § 62, S. 352. 56 Auch hinter dem Völkerrecht steht nach Kant grundsätzlich keine zentrale Durchsetzungsmacht. Der Krieg ist kein Mittel zur weltweiten Friedensherstellung. Kant, Ewiger Friede AAVIII 356 Zeile 02 ff., 35 ff. Auch das Völkerrecht ist nach Kant durch seinen Vernunftbezug zwingend, nicht durch äussere Gewaltanwendung. Allgemein zum Zwangsbegriff in Kants Rechtslehre: unten FN 62 mit Hinweis auf die Untersuchung von Reza Mosayebi. 57 Kant, Frieden AA VIII 367. 58 Francis Chevenal, , Das Problem der supranationalen Zwangsgewalt, in: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie / Archives for Philosophy of Law and Social Philosophy,Vol. 83, No. 2 (1997), pp. 175– 192.
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inkonsequent und unhaltbar;⁵⁹ für ihn ist es die moralisch-praktische Vernunft, die in uns unwiderruflich fordert: „Es soll kein Krieg sein, weder (…) zwischen dir und mir (…) noch zwischen uns als Staaten.“ Wir müssen auf allen Ebenen des öffentlichen Rechts handeln, „um dem heillosen Kriegführen (..) ein Ende zu machen“⁶⁰ und zu einer „Herrschaft“ zu gelangen, „in der die Vernunft allein Gewalt haben soll.“⁶¹ Zur Sicherung des Weltbürgerrechts bleibt somit nur der Appell an die menschliche Vernunft, den gebotenen rechtlichen Zustand anzusteuern, ihm Gestalt zu geben. „Die kontinuierliche Annäherung an einen weltbürgerlichen, gesetzlichen Zustand“ bleibt eine „auf dem Recht der Staaten und Menschen gegründete Aufgabe.“⁶² Die Menschen müssen sich zusammenfinden, um dem Krieg des Naturzustandes zu entgehen und das Menschenrecht der Freiheit zu verwirklichen, im Staat und weltweit.
13.8 Ist der Friedensplan von Kant realistisch? Der von Kant skizzierte Friede mag zwar zunächst als „unausführbare Idee“ erscheinen. Den Prozess einer kontinuierlichen Annäherung an einen „weltbürgerlichen Zustand“ betrachtet Kant dagegen nicht als unmöglich, sondern als „ausführbar“, ja er sieht darin eine „auf dem Recht der Menschen und Staaten“ gegründete Aufgabe und Pflicht.⁶³ Nicht zuletzt die völkerrechtliche Rhetorik, deren sich Staaten selbst in kriegerischen Auseinandersetzungen bedienen, beweise doch, „dass eine noch grössere, obzwar zur Zeit schlummernde, moralische Anlage im Menschen anzutreffen ist (…); denn sonst würde das Wort ‚Recht‘ nie in den Mund kommen.“⁶⁴ Aus diesem Grund hofft Kant letztlich doch auf einen positiven Verlauf der Geschichte der Menschheit; auch wenn sich die Menschen und Staaten im ge-
59 Kant Frieden AA VIII 355. 60 Kant, Rechtslehre, AA VI S. 354 f. 61 Kant, Urteilskraft AA V 433 Zeile 35 (unmittelbar vor § 84). 62 Kant, Rechtslehre VI, 350 Zeilen 17–22; Kant unterscheidet in der Rechtslehre VI 232–235 zwischen striktem Recht (ius strictum) und einem Recht „in weiterem Sinne“(ius latum). Dieses nennt er „ein Recht ohne (äusseren) Zwang“. Das Weltbürgerrecht rückt m. E. in die Nähe dieses ius latum, das wegen seiner Offenheit zwar nicht immer geeignet ist, vom bürgerlichen Richter entschieden zu werden, obwohl es als Recht gilt und nicht nur als ein ethisches Prinzip betrachtet werden darf. 63 Kant, Rechtslehre AAVI, 350, § 61; Kant, Frieden AAVIII 386 Zeilen 27 ff.: „Wenn es Pflicht ( … ) ist, den Zustand eines öffentlichen Rechts, obgleich nur in einer ( …) Annäherung wirklich zu machen, so ist der ewige Friede ( … ) keine leere Idee, sondern eine Aufgabe, die, nach und nach aufgelöst, ihrem Ziele ( … ) beständig näher kommt.“). Kant, Frieden AA VIII 386 Zeilen 27 ff. 64 Kant, Frieden AA VIII 355 Zeile 18.
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genseitigen Krieg immer wieder unvernünftig aufreiben werden,⁶⁵ erlöschen doch „das moralische Prinzip im Menschen“ und die „pragmatisch zur Ausführung der rechtlichen Ideen (…) tüchtige Vernunft“ nie.⁶⁶ In diesem Sinn haben die obersten Rechtsprinzipien „objektive Realität, das heisst, sie lassen sich ausführen, (..) die empirische Politik mag dagegen auch einwenden, was sie wolle.(..) Das Recht der Menschen muss (im Staat und zwischen den Staaten) heilig gehalten werden, der herrschenden Gewalt mag es auch noch so grosse Aufopferung kosten.“⁶⁷ „Man kann hier nicht halbieren und das Mittelding eines pragmatisch-bedingten Rechts aussinnen.“⁶⁸ Auch wenn das Böse im Menschen und damit der Krieg unbesiegbar ist, schliesst Kant doch nicht aus, dass „eine späte Nachkommenschaft“ aus dem Verderben des Krieges Lehren ziehen wird.⁶⁹ Für Kant ist es Pflicht jedes Menschen, auch der Machtträger,⁷⁰ aus der Erfahrung zu lernen und am Friedensprozess zu arbeiten. Nur soweit diese Pflicht erfüllt wird, erscheint die Hoffnung gerechtfertigt, dereinst einen Friedenszustand zwischen den Staaten zu erreichen, „obgleich nur in einer ins Unendliche fortschreitenden Annäherung“; ein solcher Friede ist jedoch „keine leere Idee, sondern eine Aufgabe.“⁷¹ In Kants Konzept eines weltbürgerlichen Zustands ist also nicht das Erreichen einer gerechten Staats- und Weltordnung und eines daraus folgenden globalen Friedens das Entscheidende, sondern der Prozess einer Annäherung, an dem mitzuwirken alle nach Rechtsprinzipien verpflichtet sind.
13.9 Verhältnis von Völkerrecht und weltbürgerlicher Ordnung Ein weltweiter Friedenszustand ist Ziel sowohl des Weltbürgerrechts als auch des Völkerrechts. Beide Rechtsbereiche sind stark ineinander verwoben, sie weisen „eine Analogie“ auf.⁷² Beide müssen realisiert werden, um sich einem weltbürgerlichen Zustand, einem globalen Frieden, zu nähern. Im Völkerrecht steht die Fö-
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Frieden, AA VIII 380 Zeilen 07–09. Frieden, AA VIII 380 Zeilen 12 f. Frieden, AA VIII 380 Zeile 32 ff.; Rechtslehre AA VI 350, § 61. Frieden AA VIII 380 Zeile 33 ff. Frieden AA VIII 380 Zeile 10. Kant, Frieden AA VIII 372 Zeilen 13 ff.,24 ff. Kant, Frieden AA VIII 386 Zeilen 27 ff. Kant, Frieden, Anhang II AA VIII 384 Zeile 28.
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deration der republikanischen Staaten⁷³ im Vordergrund, im Weltbürgerrecht die Schaffung einer weltbürgerlichen Ordnung, in der sich jede Person auf der Welt als achtenswerter Mensch (als „Bürger eines allgemeinen Menschenstaates“)⁷⁴ wiederfinden kann. Hier wird ein transnationales Recht angesprochen, das Einzelne als Rechtssubjekte mit einschliesst und auch Einzelne und Gruppen (Kolonialgesellschaften) verpflichtet, wie die Beispiele des Besuchsrechts einerseits⁷⁵ und des Rechts der betroffenen Bevölkerungen anderseits⁷⁶ zeigen. Das Weltbürgerrecht ist in Kants Rechtslehre in einen breiten Kreis von Rechtsquellen eingebettet: Es ruht im einen Menschenrecht, aber auch das positive Staats- und auch Völkerrecht leiten zwingend („unumgänglich“) zu einer weltbürgerlichen Ordnung hin.⁷⁷ Alle drei Rechtsbereiche, also Staats-, Völker- und Weltbürgerrecht gehören zu einem grossen Rechtsgebäude, das zusammenbricht, wenn auch nur in einem die Schaffung eines Zustandes gesetzmässiger Freiheit nicht gelingt.⁷⁸ Eine solche Arbeit am Rechtsgebäude bzw. eine „allgemeine und fortdauernde Friedensstiftung (ist) nicht bloss ein Teil, sondern der ganze Endzweck der Rechtslehre“.⁷⁹ Um diesem Ziel näher zu kommen, muss der Mensch kein „moralisch-guter Mensch“, aber dennoch ein guter Bürger sein, „und zwar nach allen drei Richtungen des öffentlichen Rechts, des Staats-, des Völker- und des weltbü rgerlichen Rechts“.⁸⁰ Im Kern aller rechtlichen Ordnung steht der Grundsatz, aus einem Zustand, „in welchem jeder seinem eigenen Kopfe folgt, herauszugehen“ und sich mit allen anderen in dem Sinne zu „vereinigen“,⁸¹ dass sich alle einer regelhaften, vereinbarten Ordnung unterstellen, die nicht durch physische Gewalt gesichert sein muss, aber kategorisch von der moralisch-praktischen Vernunft geboten und insofern zwingend ist. Diese Idee eines auf das eine Menschenrecht (oder nach heutigem Verständnis auf Menschenrechte) gegründeten weltbürgerlichen Zustands ist auch heute lebendig. Dass heute im Völkerrecht auch der einzelne Mensch als selbständiges Rechts- und Pflichtsubjekt betrachtet wird, gilt als wegweisender Entwicklungsschritt des internationalen Rechts vor allem des 20. und 21. Jahrhunderts (Men-
73 74 75 76 77 78 79 80 81
Kant, Friede AA VIII 354 ff. Kant, Frieden AA VIII 350 in Fussnote. Kant, Rechtslehre AA VI 353. Kant, Rechtslehre AA VI 352 f. § 62). Kant, Rechtslehre AA VI 311 Zeilen 21 ff. Kant, Rechtslehre AA VI 311 Zeilen 26 ff. Kant, Rechtslehre AA VI 355. Kant, Frieden AA VIII 365 Zeile 26 f. Kant Rechtslehre AA VI 312.
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schenrechtsschutz, internationale Strafgerichtsbarkeit).⁸² Die heute im Rahmen von Verträgen oder in internationalen Rechtsprinzipien verankerten Gewährleistungen der Menschenrechte wollen deren Geltendmachung im Einzelfall von den einzelnen Staaten unabhängig machen. Allen Menschen soll, unabhängig von ihrer Staatszugehörigkeit, durch inter- oder supranationale Organe und Verfahren (EMRK, Individualbeschwerde innerhalb der UNO-Menschenrechtskonventionen) rechtlicher Schutz zugesichert werden. Darin wird zu Recht auch der Kern einer zukünftigen globalen Verfassungsordnung gesehen.
13.10 Folgt aus dem Weltbürgerrecht auch ein Freiheitsanspruch (ein Widerstandsrecht) gegenüber dem eigenen Staat? Im Weltbürgerrecht verwirklicht sich das ursprüngliche, einzige Menschenrecht, dieses Existenzrecht jedes „Erdenbürgers;“ ⁸³ es begründet jedenfalls einen gewissen rechtlichen Abwehranspruch gegen willkürliches Handeln des fremden Staats, ja ein gewisses Recht auf Verteidigung der physischen Existenz und Garantie der Kommunikation mit der fremden Bevölkerung. Man kann sich nun fragen, ob eine solche oder vergleichbare elementare Rechtspositionen nur gegenüber fremden Staaten und nicht auch – wenigstens sinngemäss – gegenüber dem eigenen Staat eine gewisse Geltung haben müssten zum Schutz vor ungerechten Staatsakten.⁸⁴ Auch eine aufgeklärte Obrigkeit muss doch einsehen, dass ein Mensch nicht wie eine Maschine, sondern „seiner Würde gemäss zu behandeln“ sei.⁸⁵ Würde damit Kants strikte Ablehnung eines bürgerlichen Widerstandsrechts gegen den eigenen Staat in Frage gestellt? Einem Widerstandsrecht gegen das Staatsoberhaupt steht nach Kant die Souveränität „der gesetzlichen obersten Gewalt“ entgegen.⁸⁶ Der Untertan verfügt demnach gegenüber der rechtswidrig handelnden Staatsführung, sofern sie ge-
82 statt Vieler Oliver Diggelmann, Völkerrecht, Zürich, S. 133 ff., 143 f. 83 Kant, Rechtslehre AA VI 352. 84 Henning Hahn formuliert den Gedanken so: „Damit besteht die Funktion des Hospitalitätsrechts nicht nur darin, die Beziehung zwischen Ausländern und Gastländern zu schützen, sondern insgesamt (…) eine Rechtsordnung (zu etablieren), die globale Individualrechte anerkennt.“ Henning Hahn, Kants Recht auf Hospitalität, in: Mosayebi, Rezar (Hrsg.), Kant und Menschenrechte Berlin/ Boston 2018, S. 150. 85 Kant, Was ist Aufklärung? AA VIII S. 42 Erste Zeile 01. 86 Kant, Rechtslehre AA VI 372, 342.
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setzmässig eingesetzt ist, kein Recht auf Widerstand, sondern er hat nur die Befugnis zur Beschwerde.⁸⁷ Er darf sich nicht zum Gegengesetzgeber aufspielen. Dem Volk ist nach Kant nicht einmal erlaubt, den Ursprung oder die Rechtmässigkeit der herrschenden Autorität in Zweifel zu ziehen, wenn daraus Widerstand gegenüber der gesetzmässigen Autorität folgt.⁸⁸ Diese rigorose Haltung hat allerdings Kant selber wieder etwas relativiert, wenn er dem Volk zugesteht, über die Gesetzgebung der Obrigkeit „öffentlich zu vernünfteln“, wenn dies nicht zum Aufstand führt.⁸⁹ Kant hat auch anderswo die schroffe Absage an ein Widerstandsrecht dadurch etwas gemildert, dass er an verschiedenen Stellen präzisiert, nicht jeder Widerstand, sondern nur der „tätliche“ Widerstand sei unzulässig, der Widerstand, welcher „Gewalt an die Stelle der Gesetzgebung“ setzt oder „durch gewaltsame Umstürzung“ bisherige rechtliche Ordnung untergräbt.⁹⁰ Verschiedentlich finden sich Hinweise, dass Vorkehren gegen unrechtmässiges Staatshandeln gegeben sein müssen. So wird in der Rechtslehre das Gebot formuliert, eine bisher fehlerhafte oder ungenügende Verfassung sei mit den unverbrüchlichen Rechtsprinzipien in „Übereinstimmung“ zu bringen; dies fordere die Vernunft „durch den kategorischen Imperativ.“ ⁹¹ Ein solcher Prozess könne „zum höchsten politischen Gut“, nämlich zu einer wohlgeordneten Freiheit zwischen Menschen hinleiten;⁹² der Politiker, dem die Moral nicht geradezu gleichgültig sei, werde es sich zum Grundsatz, ja zur Pflicht machen, „Gebrechen“, bzw. Rechtsverletzungen in der Staatsverfassung oder im zwischenstaatlichen Verhältnis sofort und mit aller Kraft zu beseitigen, „sollte es auch (seiner) Selbstsucht Aufopferung kosten“.⁹³ Um einen solchen Prozess der Verfassungsrevision zu befördern, ist auch die Mitwirkung der Bürger und Bürgerinnen gefragt; denn „der Probierstein alles dessen, was über ein Volk als Gesetz beschlossen werden kann, liegt in der Frage, ob ein Volk sich selbst wohl ein solches Gesetz auferlegen könnte.“⁹⁴ Kant bleibt nicht in der Theorie; in der Schrift „Gemeinspruch“ schreibt er, es müsse dem Staatsbürger die Befugnis zustehen, seine Meinung über das, was ihm an den Anordnungen der Regierungsgewalt ein Unrecht zu sein scheint, öffentlich zu äussern.
87 Kant, Rechtslehre AA VI S. 318,319; 88 Kant, Rechtslehre AA VI 318–322 Allgemeine Anmerkung unter A; in einem Anhang gesteht Kant allerdings dem Volk zu, über die Obrigkeit und ihre Gesetzgebung „öffentlich zu vernünfteln“, wenn dies nicht zum Aufstand führt. Kant, Rechtslehre, AA VI 372 Zeilen 24 f. 89 Kant, Rechtslehre AA VI 372 Zeilen 24 f. 90 Kant, Rechtslehre VI 355. 91 Kant, Rechtslehre AA VI S. 318 am Ende von § 49. 92 Kant, Rechtslehre AA VI 355. 93 Kant, Friede VIII 372 Zeile 19. 94 Kant, Was ist Aufklärung? AA VIII Seite 39 Zeile 13.
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Dies sei ein „unverlierbares Recht jedes Menschen“ und das einzige „Palladium“ (ein Unterpfand, ein Herzstück) der Volksrechte.⁹⁵ Auch das Oberhaupt im Staat sei darauf angewiesen, von den Bürgern zu erfahren, was sie als Regierende an der Verfassung bzw. Rechtsordnung ändern würden; solche Kenntnis der Staatslenkung zu entziehen, komme einem Misstrauen ihr gegenüber gleich, und der Einwand sei unhaltbar, dass durch „Selbst- und Lautdenken“ Unruhen im Staate erregt würden.⁹⁶ Kant bezieht mit dieser Auffassung Stellung gegenüber Hobbes, nach dem das Staatsoberhaupt dem Volk vertraglich zu nichts verpflichtet sei und dem Bürger gar nicht Unrecht tun könne.⁹⁷ Kant findet diese allgemeine Feststellung von Hobbes „erschrecklich“.⁹⁸ Und in der Religionsschrift hält Kant fest: Wenn bürgerliche Gesetze etwas gebieten, „was an sich böse (dem Sittengesetz unmittelbar zuwider) ist“, so dürfe und solle ihnen nicht gehorcht werden.⁹⁹ Wenn auch nicht ein Widerstandsrecht, so wird in diesen Textstellen doch eine Berechtigung aller Rechtsunterworfenen verteidigt, ihren Unrechtserfahrungen auch öffentlich Ausdruck zu geben, also doch in gewisser Hinsicht – zwar nicht tätlich, aber doch kommunikativ – Widerstand zu üben. Diese Annäherung an eine auch politische Meinungsäusserungsfreiheit gesellt sich gut zum ‚Recht auf die Feder‘,¹⁰⁰ das Kant jedenfalls den Literaten auch im Konflikt mit der Obrigkeit zugesteht. Und sie entspricht der Ablehnung Kants eines „paternalistischen“ Staates (der „Bürger als Kinder“ behandelt)¹⁰¹ und seiner Bejahung des Staates als civitas, wo die Bürger „nach Gesetzen ihrer eigenen Selbständigkeit“ als mitgesetzgebend geachtet werden und „nicht vom absoluten Willen eines anderen neben oder über sich“ abhängig sind.¹⁰² Man kann eine Weiterführung dieser emanzipatorischen Sicht des Staats- und Weltbürgers im Postulat Kants sehen, dass in einer republikanischen Verfassung (im Gegensatz zu einer Despotie) die Zustimmung der Bürger zum Beschluss erforderlich sein müsste, „ob Krieg sein solle oder nicht“; denn sie müssten alle Drangsale des Krieges er-
95 Kant, Über den Gemeinspruch, AA VIII Seite 304. 96 Kant, Über den Gemeinspruch, AA VIII Seite 304 Zeilen 26 f. 97 Thomas Hobbes, Le Citoyen (De Cive), édition de 1647 Kap.7 § 14. 98 Kant, Gemeinspruch AA VIII S.304 Zeile 02. 99 Kant, Die Religion innerhalb der Grenzen der blossen Vernunft, AA VI Seite 99 Zeile 12 mit FN. Weitergehend allerdings Dietmar van der Pfordten, der auch gestützt auf nicht veröffentlichten Schriften von Kant annimmt, „daß Kant einen aktiven Widerstand gegen alle tyrannischen und despotischen Staatsformen sowie die gesetzeswidrig handelnde Regierung in nichtparlamentarischen Monarchien bejaht hat.“ Dietmar von der Pfordten, Zum Recht auf Widerstand bei Kant, in: Dietmar von der Pfordten (Hrsg.), Menschenwürde, Recht und Staat bei Kant, Leiden/Boston 2009 S. 81 f. 100 Kant, Über den Gemeinspruch, AA VIII, S. 304 Z. 15. 101 ausführlich dazu Kant, Gemeinspruch …, AA VIII 290 ab Zeile 33. 102 Kant, Rechtslehre AA VI 317 § 49.
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leiden, nämlich die Gräuel und die Kosten des Krieges, die Verwüstung, die er hinterlasse, und schliesslich auch noch die Last der Kriegsschulden, die selbst den Frieden noch verbittere. Aus dem Weltbürgerstatus wird also hier – fast überraschenderweise – ein gewisser Partizipationsanspruch (wenn auch nicht ein demokratisches Recht) der Hauptbetroffenen eines Kriegsentscheids hergeleitet,¹⁰³ auch mit dem Hinweis, dass die republikanische Verfassung selbst auf einen weltweiten Frieden gerichtet sei, weil ihr Ursprung im Rechtsbegriff liege, dem eine Friedenspflicht inhärent sei. Das Ineinandergreifen von Weltbürgerrecht und Staatsrecht wird darin sehr deutlich.
13.11 Eine aktuelle Perspektive des Weltbürgerrechts: Rechte künftiger Generationen Auch das Weltbürgerrecht hat wie alles Recht bei Kant seinen Kern im Kategorischen Imperativ, der die Achtung der Menschheit „sowohl in deiner Person, als in der Person jedes anderen“ gebietet.¹⁰⁴. Mit der ‘Menschheit’ können nicht nur alle gegenwärtig lebenden Menschen gemeint sein, sondern es müssen auch die künftigen Generationen miteingeschlossen sein. Auch sie sind in ihrer Autonomie zu achten und zu schützen. Dazu brauchen sie Lebensräume, die jedenfalls die physische Existenz ermöglichen, aber auch Mittel der kulturellen Entfaltung, der schöpferischen menschlichen Freiheit sicherstellen. Das Weltbürgerrecht umfasst somit auch ein Recht zukünftiger Generationen auf eine lebenswerte Umwelt mit lebensfreundlichem Klima. Das bedeutet auch eine Beschränkung der Handlungsfreiheit der heute Lebenden, was der allgemeinen Einbettung menschlicher Freiheit in die reziproken Ansprüche der anderen, auch der erst Kommenden, entspricht. Diese Erweiterung des Menschenrechtsschutzes auf die zukünftigen Generationen findet punktuell bereits heute auch im positiven Verfassungs- und Völkerrecht Beachtung, etwa im Rahmen des Menschenrechtsschutzes oder des nationalen Grundrechtsschutzes.¹⁰⁵
103 Kant Frieden, AA VIII 351 Zeilen 04 ff. und Kant, Rechtslehre VI 345 Zeilen 30 ff. 104 Grundlegung der Metaphysik der Sitten AA IV 429; Rechtslehre AA VI, 236. 105 Vgl. etwa den Beschluss des deutschen Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021 1 BvR 2656/18 Rdnr. 184 ff. m.w.H.; dazu etwa Kurt Fassbender Der Klima-Beschluss des BVerfG – Inhalte, Folgen und offene Fragen, in: NJW 2021 S. 2085 ff.; zur allgemeinen Problematik s. Stefanie Schmahl, Internationale Klimaklagen aufgrund von Menschenrechtsverträgen: sinnvoll oder vergeblich? in: Juristen Zeitung (JZ), Tübingen, 77. Jg., April 2022, Seiten 317–368.
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13.12 Friedensstiftung als „Endzweck“ der Rechtslehre „Beschluss“ im Anschluss an § 62* Der „Beschluss“, das abrundende Kapitel der Rechtslehre, hebt nochmals die kosmopolitische Dimension als tragenden Pfeiler der gesamten Rechts- und damit Friedensordnung hervor: Die Annäherung an eine globale weltweite Friedensordnung gilt für Kant als höchstes politisches Gut.¹⁰⁶ Es ist Ziel der ganzen Rechtslehre, die festen Grundsätze zu formulieren, nach denen versucht werden muss, in geduldigen Reformschritten sich einem gewaltfreien, friedlichen Zusammenleben der Menschen auf der Erde anzunähern. Alle Ebenen sind angesprochen: die innerstaatliche Rechtsordnung, die Beziehungen zwischen Staaten (Völkerrecht) und die umgreifende Verfassung des weltbürgerlichen Zustands, in dem alle „als Bürger eines allgemeinen Menschenstaats anzusehen sind (ius cosmopoliticum).“¹⁰⁷ Zum Realismus Kants gehört auch, dass er weder eine Entwicklung zu einem globalen Frieden für gesichert, noch das Schicksal eines alles vernichtenden Krieges fü r unausweichlich hält. Dem Menschen als vernunftfähigem Wesen ist aufgetragen, an der Friedensstiftung im sozialen Ganzen fortdauernd mitzuwirken, auch wenn alle Erfahrung dagegensprechen sollte, dass der Zustand eines globalen Friedens je erreicht wird. Denn trotz dieser Unsicherheit kann doch niemand mit Bestimmtheit sagen, dass der Einsatz umsonst sein wird. Es gilt zu handeln, „als ob“ ein solcher Friedenszustand erreichbar wäre.¹⁰⁸ Kant hält dafü r, dass nur dann, wenn man dem Menschen die Freiheit zumutet, er zu ihr schließlich fähig werden kann. Kant distanziert sich von dem schon zu seiner Zeit geläufigen Argument, ein Volk sei zur Freiheit nicht reif und müsse darum auch in Zukunft in Gefolgschaft gehalten werden. Folgt man diesem Unmü ndigkeitsargument, so wird nach Kant „die Freiheit nie eintreten; denn man kann zu dieser nicht reifen, wenn man nicht zuvor in Freiheit gesetzt worden ist. (…) Die ersten Versuche werden freilich roh, gemeiniglich auch mit einem beschwerlicheren und gefährlicheren Zustande verbunden sein; allein man reift fü r
106 Kant, Rechtslehre AA VI 354 f. 107 Kant, Frieden AA VIII Seite 349 (Fussnote). 108 Zur Denkform des „als ob“ bei Kant s. etwa Hans Vaihinger, Die Philosophie des „Als Ob“, 8. Aufl. Leipzig 1922, mit Bezug auf Kants Rechtslehre insbes. S. 703 ff.; diese Denkform findet hier ihre Berechtigung, weil nicht irgend ein Ziel angenommen wird, sondern eines, das auf der absoluten Forderung einer den Menschen in seiner Würde respektierenden Staats- und Weltordnung beruht.
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die Vernunft nie anders als durch eigene Versuche.“ ¹⁰⁹ Was für die Annäherung an die Freiheit im Staat gilt, muss auch für die globale Freiheit des weltbürgerlichen Zustands gelten. Soll ein Prozess der Annäherung an einen weltbürgerlichen Zustand möglich werden, muss einem Volk und seinen Akteuren auch eine weltbürgerliche Haltung zugemutet werden. Wenn wir auf einen sicheren Erfolg warten, erlahmen die Anstrengungen zur regelhaften Ordnung menschlicher Beziehungen auch im globalen Bereich, und wir bleiben von der Kontingenz jeweiliger geschichtlicher Erfahrung abhängig und damit innerlich unfrei. Werden dem Menschen dagegen die Freiheitsräume auch zur Praxis eines vernü nftigen Denkens zugetraut und eingeräumt, kann eine solche Haltung zum Faktor seiner politischen und rechtlichen Wirklichkeit werden. * Dieser „Beschluss“ in Kants Rechtslehre im Anschluss an § 62 AA VI 354 f. ist zu unterscheiden vom „Beschluss“ im „Anhang“ zur Rechtslehre in Kant AA VI 370 ff.
109 Kant, Die Religion innerhalb … AA VI 188 Zeile 02 mit Fussnote.
Otfried Höffe
14 Ist Kants Rechtsphilosophie noch aktuell? 14.1 Die gründlichere Theorie Kant hat in der Rechts- und Staatsphilosophie manche Wertschätzung erfahren, in deren engsten Kanon ist er aber nie gelangt. Die Aufmerksamkeit, die für die Antike Platons Politeia und Aristoteles’ Politik erhalten, für die Wende zum christlichen Mittelalter Augustinus’ De civitate Dei und für die Neuzeit Hobbes’ Leviathan, ferner Lockes Second Treatise (on Government), Rousseaus Contrat Social und Hegels Rechtsphilosophie, sind Kants Rechtslehre nicht vergönnt. Für die geringere Wirkung sind aber kaum sachliche, viel eher kontingente Ursachen verantwortlich, etwa Schopenhauers vernichtendes Urteil (1820/1985, 171: „sehr schlechtes Buch“) und die Fähigkeit der Hegelschule, die vorhegelsche Rechtslehre zu verdrängen. Einen minderen philosophischen Rang hat Kants Rechtslehre jedenfalls nicht. Ihre Bedeutung beginnt schon bei ihrem thematischen Reichtum. Obwohl ihr Grundgedanke, der kategorische Imperativ, eine Rolle spielt, greifen die üblichen Vorwürfe gegen Kants Moralphilosophie: Ein-Satz-Ethik, bloßer Formalismus und Ohnmacht des Sollens, hier offensichtlich nicht. Kant klärt zunächst die Grundbegriffe der Praktischen Philosophie im allgemeinen, also etwa Freiheit und Willkür, Person, Zurechnung, Schuld und Verbrechen, sodann die Grundbegriffe der Rechtsphilosophie im besonderen: Recht, Naturrecht und positives Recht, Privatrecht und öffentliches Recht, nicht zuletzt Sonderphänomene wie Billigkeit und Notrecht. Schon wegen dieser Ausführungen – sie enthalten Kants Beitrag zu einer Theorie von Recht überhaupt – verdient die Rechtslehre im abendländischen Rechtsdenken einen prominenten Platz. Für Kant sind sie aber nicht mehr als Prolegomena zur größeren Aufgabe, zur Theorie der entscheidenden Institutionen. Auf sie geht die Rechtslehre detailliert ein: auf ein ursprüngliches, jedem Menschen kraft seiner Menschheit zustehendes Recht; auf die schwierige Frage, warum es (Privat‐) Eigentum geben darf und worin seine Grundarten bestehen; auf die Gewaltenteilung, die Staatsformen, das Strafrecht und die Frage eines Widerstandsrechtes. Wie sonst keiner der neuzeitlichen Rechts- und Staatsphilosophen gliedert Kant das öffentliche Recht in die drei möglichen Bereiche: in das Staatsrecht, in das Völkerrecht und in das Weltbürgerrecht. Er läßt sich beim Völkerrecht auf ein Recht sowohl des Krieges als auch des Friedens ein und unterscheidet beim ersteren noch https://doi.org/10.1515/9783110782509-015
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ein Recht zum Krieg, ein Recht im Krieg und ein Recht nach dem Krieg. Außerdem werden im öffentlichen Recht selbst so konkrete Fragen wie öffentliche Abgaben (Steuern, Zölle), Verjährung und Amnestie sowie ein Auswanderungsrecht abgehandelt, ferner Autorenrechte (Recht auf Büchernachdruck), das Verhältnis von Staat und Kirche und eine (scharfe) Kritik an jedem Kolonialismus. Daß Kant bei all diesen Themen mit einem hohen Maß an begrifflicher Genauigkeit argumentiert und schon mit ihrer Hilfe manches Vorurteil überwindet, versteht sich bei einem Denker dieses Ranges – fast – von selbst. Greifen wir nur zwei Beispiele heraus: Ohne sich bei den anderslautenden Ansichten aufzuhalten, zeigt Kant beim Vertrag, daß er eine Beziehungsform von Personen zueinander ist, nicht etwa von Personen zu Sachen und daß die gleichwohl bestehende Sachenbeziehung nur über die persönliche Beziehung vermittelt zustandekommt: „Durch den Vertrag erwerbe ich das Versprechen eines Anderen (nicht das Versprochene), und doch kommt etwas zu meiner äußeren Habe hinzu“ (274). Ein anderes Beispiel bietet das Verhältnis von Recht und Moral. Trotz der immer wieder neuen Debatten wird Kants Maß an Differenzierung und Problembewußtsein bis heute selten erreicht: (1) Die Rechtslehre unterscheidet zwischen dem positiv geltenden („Was ist Rechtens?“) und dem moralisch gültigen Recht („Was ist recht?“: Naturrecht); (2) innerhalb der Moral kennt sie zwei Klassen von Pflichten: die einander geschuldeten, zwangsbefugten Rechtspflichten und das zwangsfreie Mehr als Schuldigkeit, die Tugendpflichten; und (3) zu beiden Pflichtklassen gibt es zwei Beziehungen: die bloße Übereinstimmung mit der Pflicht: die Legalität, und die Anerkennung um der Pflicht selbst willen: die Moralität. Mit Hilfe der beiden letzten Unterscheidungen vermeidet Kant zwei Formen der Moralisierung: sowohl ein philanthrophisches Recht, das Tugendpflichten wie Wohltätigkeit erzwingen will, als auch ein Gesinnungsrecht, das sich bei den genuinen Rechtspflichten nicht mit Legalität begnügt, sondern zusätzlich eine innere Anerkennung verlangt. Philosophisch noch wichtiger als der thematische Reichtum und die begriffliche Schärfe sind die Radikalität der Fragen, die aufgeworfen, und die Gründlichkeit, mit der sie abgehandelt werden. Vor allem in dieser Hinsicht erweist sich die Rechtslehre als aktuell: Nachdem unter dem Einfluß der Kritischen Theorie lange Zeit der Gedanke der Herrschaftsfreiheit prominent war, stehen mittlerweile in der Politischen Philosophie normative Überlegungen zur Gerechtigkeit und zur liberalen Demokratie im Mittelpunkt. Die Vorfrage, warum sich die Menschen überhaupt rechtsförmig, und das heißt: mit Zwangsbefugnissen, organisieren sollen, tritt dabei ebenso in den Hintergrund wie die Anschlußfrage, warum das Recht öffentlicher Gewalten bedarf. Da sich Kants Rechtslehre genau diesen Fragen stellt, erweist sie sich als die gründlichere Theorie. Für diesen Zweck reicht allerdings die heute vorherrschende
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Methodik nicht aus, etwa Rawls’ quasi-empirische Methode des Überlegungsgleichgewichtes (reflective equilibrium, Rawls 1971, § 4) und jene Rekonstruktion der im Westen erreichten Staatsverfassung, die sich mit einer – philosophisch freilich anspruchsvollen – Hermeneutik liberaler Demokratie begnügt (Rawls 1993, dazu Höffe 1996, Kap. 6). Kant will nicht nur für die heute prominente liberale Demokratie, sondern zu aller positiven Gesetzgebung die Prinzipien begründen. Zu diesem Zweck müssen die Prinzipien nicht nur kulturrelativ, sondern interkulturell, in Kants Worten: unwandelbar gültig sein (vgl. § A: 229, 14 f.). Heute, im Zeitalter der Globalisierung und des gewachsenen Selbstbewußtseins nichtwestlicher Kulturen, ist eine derartige Gültigkeit hochwillkommen. Denn Theorien, die sich selbst gern als bescheidener einschätzen, verfehlen in Wahrheit die für unsere Epoche unverzichtbare Legitimationsaufgabe: die Rechtfertigung einer Form gesellschaftlicher Selbstorganisation, die für die Menschen jedweder Kultur gültig ist. Eine Ermäßigung dieser Aufgabe ist mittlerweile nicht nur aus philosophischen, sondern noch mehr aus sachlichen, politischen Gründen nicht vertretbar. Die anspruchsvollere Legitimationsaufgabe ist an Kants strengeren Prinzipienbegriff gebunden. Mit seiner Hilfe gelangt Kant an entsprechenden Stellen zur erforderlichen methodischen Klarheit. Bei der Frage nach dem systematischen Ursprung äußerer Erwerbung beispielsweise vermeidet er jede Vermischung mit einem historischen Begriff von Ursprung, da er zwischen einer uranfänglichen Gemeinschaft, die man nur aus der Geschichte kennen kann, und jener ursprünglichen Gemeinschaft unterscheidet, für die, weil sie sich auf Prinzipien gründet, der Philosoph kompetent ist (§ 10). Eine analoge methodische Klärung erfolgt für den Gesellschaftsvertrag, der nicht historisch, sondern allein legitimatorisch zu verstehen sei. Ein Großteil der bekannten Einwände gegen die Vertragstheorie läuft daher spätestens seit Kant ins Leere: Der Gesellschaftsvertrag besteht nicht in einem uranfänglichen, sondern einem ,ursprünglichen Kontrakt‘. Dieser hat die Bedeutung einer staatskonstituierenden und zugleich staatslegitimierenden Idee; und nur sie erlaubt die Rechtsmäßigkeit eines Staates zu denken (§ 47). Wie bei Kant nicht anders zu erwarten und für seine radikalen Fragen auch unverzichtbar ist, kommt zur methodischen Klarheit die spekulative Kraft hinzu, sichtbar etwa in der Neu- und Tiefeninterpretation der drei (Pseudo‐) Ulpianischen Rechtsregeln: honeste vive, neminem laede und suum cuique tribue (236 f.), ferner in der Unterscheidung von physischem und intellegiblen Besitz (§ 1) und der analogen Unterscheidung einer reinen Idee von einem Staatsoberhaupt und einer physischen Person, die die höchste Staatsgewalt vorstellt (§ 51), oder im dreiteiligen Prinzip der äußeren Erwerbung (§ 10: 258, 22–27), schließlich in dem für Privatrecht und Eigentumstheorie entscheidenden rechtlichen Postulat der praktischen Vernunft (§ 6) sowie dem staatslegitimierenden Postulat des öffentlichen Rechts (§ 42).
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14.2 Muß eine gründliche Rechtstheorie metaphysisch sein? Nach der heute vorherrschenden Ansicht hat eine derart fundamentale Rechts- und Staatsphilosophie einen hohen, sogar zu hohen Preis: Sie bedarf einer Metaphysik. Da sich allerdings die Legitimationsaufgabe nicht ermäßigen läßt, darf man sich fragen, ob das heutige Verdikt gegen Metaphysik – ein umfassender Sieg des Wiener Kreises? – nicht doch etwas zu rasch vorgenommen wird. Die Frage, ob eine gründliche Rechtsphilosophie erfahrungstranszendente, folglich metaphysische Elemente enthält, hängt von ihrem Gegenstand ab. Geht es lediglich um das geltende, positive Recht, so ist die Metaphysik durchaus überflüssig. Anders sieht es bei einer Rechtsphilosophie als Moralphilosophie, bei einer Rechtsethik, aus. Bei ihr entscheidet sich die Notwendigkeit von Metaphysik am Begriff der Moral. Da hier nicht der Ort für eine allgemeine Moralphilosophie ist, genüge der Hinweis auf zwei weithin anerkannte Fehlschlüsse: Nach dem Theorem des Sein-Sollensfehlers lassen sich Sollensaussagen nicht allein aus Seinsaussagen gewinnen. Und dem komplementären Theorem des naturalistischen Fehlschlusses zufolge läßt sich der Grundbegriff der Moralphilosophie, das moralisch Gute, nicht in naturalen Begriffen definieren. Hier hat nun Kants Hauptargument seinen Ort: Moralische Verbindlichkeiten, die „für jedermann“ gebieten, kann man „nicht aus der Beobachtung seiner selbst und der Tierheit in ihm“ schöpfen, auch „nicht aus der Wahrnehmung des Weltlaufs …, von dem was geschieht und wie gehandelt wird“ (216). E contrario – schließt Kant – entfällt die Erfahrung als letzter Grund, so daß nur ein Jenseits der Erfahrung, mithin Metaphysik, übrigbleibt. In Rawls’ Theorie bilden den letzten Bezugspunkt die Institutionen schon bestehender Demokratie. Kant würde einwenden: Sobald man diese Institutionen nicht bloß beschreibt – sei es verfassungsrechtlich, sei es im Rahmen einer empirischen Sozialwissenschaft –, sobald man sie vielmehr als ein rechtmäßiges Ideal hinstellt und auch im Namen des Ideals auf Verbesserungen drängt, stellt man an alle Beteiligten eine Forderung folgender Art: Die Bürger dürfen durchaus ihre persönlichen Interessen und Machtmöglichkeiten einbringen; die letztentscheidende Instanz stellen aber nicht sie dar, auch nicht positive Gesetze, vielmehr müssen sich die Bürger und der Gesetzgeber Gesetzen zweiter Ordnung, Prinzipien rechtsmoralischer Dignität, unterwerfen. Diese Prinzipien relativieren aber das naturale Selbstinteresse, die „Tierheit“ im Menschen, und genau deshalb haben sie metaphysischen Charakter. Die erforderliche Metaphysik reicht sogar provozierend weit. Sie begnügt sich nicht etwa mit jenem Rechtsinstitut, bei dem eine Metaphysik noch am plausi-
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belsten erscheint, mit dem systematisch ersten Teil des Privatrechts, dem angeborenen Recht bzw. Menschenrecht. Auch beim zweiten Teil, dem ausdrücklichen Privatrecht, der Theorie des äußeren Mein und Dein, hält Kant die Metaphysik für unverzichtbar. Denn das hier entscheidende Phänomen, das Eigentum, lasse sich nur als nicht-sinnlicher, sondern bloß rechtlicher Besitz begreifen: als ein vom physischen Innehaben unabhängiger Rechtsanspruch, demzufolge eine gestohlene Sache nicht etwa dem Dieb, sondern dem Bestohlenen gehört. Der einschlägige Besitz ist daher – so Kant – nicht physischer, sondern intellektueller Natur, mithin eine noumenale, eben metaphysische Beziehung. Unabhängig von „allen sinnlichen Bedingungen des Raumes und der Zeit“, und in diesem Sinn metaphysisch ist auch die moralische Grundlage allen Vertragsrechts, die Verpflichtung, Versprechen zu halten (273). Gelegentlich kann man sich allerdings fragen, ob Kant die Grenze zwischen dem metaphysischen (noumenalen) und empirischen (phaenomenalen) Bereich überzeugend zieht. Namentlich bei den Ausführungen zum Widerstandsrecht tauchen Zweifel auf („Allgemeine Anmerkung …“, Abschn. A). Es geht nämlich um die „Darstellung“ der Vernunftidee (so Streit VII 91), nicht um die Vernunftidee selbst, so daß man in den Bereich des Phaenomenalen hineinreicht. In § 51 unterscheidet Kant selber die „Idee von einem Staatsoberhaupt“ von „einer physischen Person …, welche die höchste Staatsgewalt vorstellt, und dieser Idee Wirksamkeit auf den Volkswillen verschafft“ (338). Wenn nun diese Person ihrem Auftrag zuwiderhandelt, wenn sie, statt der Idee zur Wirklichkeit zu verhelfen, der Idee widerspricht, entfällt zumindest ein Teil der Legitimationsgrundlage. Eine moralische Legitimation ergibt nie eine Blankovollmacht, sondern führt, da sie ein normatives Kriterium beinhaltet, immer auch eine Limitation mit sich. Trotzdem beruft sich Kant in seiner Ablehnung des Widerstandsrechtes auf Unverletzlichkeiten, die nur dem Noumenalen gebühren. Was dem noumenalen (metaphysischen) Staatsoberhaupt zukommt, gebührt aber dem phaenomenalen (empirischen) Staatsoberhaupt nicht. Zumindest die Frage bleibt berechtigt: Warum soll eine physische Person, die ihre Gewalt mißbraucht, trotzdem dergestalt als uneingeschränkt rechtmäßig gelten, daß jeder Widerstand eo ipso unrechtmäßig ist? Nach dem Kompendium, auf dessen Grundlage Kant über viele Jahre seine rechtsphilosophischen Vorlesungen hielt, nach „dem Achenwall“ (s. Kap. 1.4), besteht bei Herrschaftsmißbrauch ein natürliches Recht gegen den Tyrannen (§ 789). Wenn Kant dieses Recht grundsätzlich bestreitet, fragt sich, wie tyrannisch ein Tyrann sein darf, um trotzdem noch als Obrigkeit anerkannt werden zu müssen? Kants Argumente zugunsten einer „Pflicht des Volks …, selbst den für unerträglich ausgegebenen Mißbrauch der obersten Gewalt dennoch zu ertragen“ (320), sind durchaus ernst zu nehmen. Zum einen ist derjenige, der das Widerstandsrecht beansprucht, auch das Opfer des Gewaltmißbrauchs der Obrigkeit. Infolgedessen
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tritt er als Richter in eigener Sache auf, was einem Grunderfordernis des öffentlichen Rechts, der unparteilichen Streitschlichtung, widerspricht. Zum anderen müßte die oberste Gesetzgebung eine Bestimmung in sich enthalten, nicht die oberste zu sein, nämlich gegebenenfalls vom Urteil des Volkes abzuhängen. Beide Gegenargumente machen zu Recht auf gravierende Schwierigkeiten aufmerksam, die eine Theorie des Widerstandsrechts zu lösen hat. Sie übergehen aber das mit dem Ausdruck „Darstellung“ bezeichnete Problem, daß die Darstellung der Vernunftidee nicht denselben moralischen Rang hat wie die Vernunftidee selbst.
14.3 Eine liberale Rechts- und Staatstheorie Die Freiheit, ein Grundbegriff der gesamten Philosophie Kants, spielt in ihren beiden Grundbedeutungen in der Rechtslehre eine besondere Rolle. Die Freiheit im engeren Sinn ist für Kant ein moralischer und zugleich reiner Vernunftbegriff (221), gehört also zum Thema Metaphysik. In den beiden Aspekten: negativ als „Eigenschaft“, „durch keine sinnlichen Bestimmungsgründe zum Handeln“ genötigt zu werden (226) und positiv, als „Vermögen der reinen Vernunft für sich selbst praktisch zu sein“ (214), steht diese Freiheit innerhalb des moralischen Rechtsbegriffs für dessen universalen Anspruch und seine moralische Qualität ein (230, 25 f.: allgemeines Gesetz der Freiheit). Politische Diskurse pflegen sich mehr für den anderen Begriff zu interessieren, für jene Freiheit in negativem Sinn, die auch Handlungsfreiheit genannt wird, bei Kant aber Willkür heißt. Bestimmt als handlungsfähiges Vermögen, nach Belieben zu tun oder zu lassen, bildet sie im moralischen Rechtsbegriff das vormoralische Moment, das auf Allgemeinverträglichkeit verpflichtet wird: Im Rahmen der Allgemeinverträglichkeit steht jedem Rechtsgenossen und ebenso jedem Bürger alles Tun und Lassen frei. Kant verpflichtet das Recht auf die Handlungsfreiheit, die allerdings um eben dieser Freiheit willen eingeschränkt werden muß: Eine unbeschränkte Handlungsfreiheit ist nicht koexistenzfähig, universalisierbar ist nur eine eingeschränkte Freiheit. Die Einschränkung ist ihrerseits eingeschränkt. Kants moralischer, aber nicht moralisierender Rechtsbegriff beantwortet die Frage, wie eine Vielzahl von Menschen, die ihre je eigenen Interessen verfolgen, so zusammenleben können, daß jedem das Recht, die je eigenen Interessen zu verfolgen, bleibt. Dieses Recht auf eine allgemeinverträgliche oder universalisierbare Handlungsfreiheit hat sogar den besonderen Rang eines „jedem Menschen, kraft seiner Menschheit zustehenden Recht(s)“ (238), also eines Menschenrechts. Es gibt eine Neigung, die letzte Verantwortung für die Freiheit dem Staat zuzusprechen. Einem derartigen, antiliberalen Paternalismus widerspricht die
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Rechtslehre vehement. Und ihr Einspruch erfolgt nicht etwa nur mit politischen, sondern grundsätzlicheren Argumenten, und diese treten schon in der Hauptgliederung zutage; dem öffentlichen Recht ist nämlich das Privatrecht vorgeordnet. Sowohl für die Rechtstheorie als auch die Rechtspraxis und Rechtspolitik hat dieser Vorrang eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Er wertet die (natürlichen) Rechtssubjekte auf und zugleich den Staat ab, was zusammen auf ein rechtstheoretisches Subsidiaritätsprinzip hinauslaufen: Den Bezugspunkt und Rechtfertigungsgrund für Recht und Staat bildet das zurechnungsfähige Subjekt, die Person (vgl. 223, 24 f.). Das Recht ist eine Institution, die, legitimatorisch gesehen, schon vor dem Staat existiert. Der Staat ist zwar unverzichtbar, insofern ohne ihn das Recht provisorisch bleibt, also noch gar nicht Recht im vollen Sinn ist. Solange nämlich die jeweiligen Ansprüche noch von privater Interpretation und privater Durchsetzungsmacht abhängen, mangelt es ihnen noch an Wirklichkeit. Dieser Mangel wird erst durch die nicht mehr privaten, sondern öffentlichen Gewalten behoben; und in deren Inbegriff besteht rechtsethisch gesehen der Staat. Trotz dieser Unverzichtbarkeit bleibt der Staat aber eine sekundäre und gegenüber dem Privatrecht, letztlich den individuellen Rechtssubjekten subsidiäre Institution. Darüber hinaus findet er sich bei Kant auf freiheitliche Institutionen verpflichtet: auf das angeborene Mein und Dein, das unveräußerliche Menschenrecht; auf die Möglichkeit, ein äußeres Mein und Dein, also Privateigentum, zu erwerben; nicht zuletzt auf eine strenge Gewaltenteilung. Die Rechtspflicht, in einen öffentlichen Rechtszustand einzutreten, stellt übrigens das Bindeglied zwischen einem philosophischen, auf Vernunft verpflichteten Recht und dem positiven Recht dar. Sie beläuft sich auf den Auftrag zu einer Selbstpositivierung des Vernunftrechts, durchzuführen in zwei Stufen. Im Sinne einer rechts- und staatslegitimierenden Vernunft ist es geboten, sich überhaupt auf ein Rechts- und Staatswesen einzulassen; im Sinn einer rechts- und staatsnormierenden Vernunft, das Gemeinwesen den im Privatrecht entwickelten Rechtsprinzipien zu unterwerfen. Dabei darf man Prinzipien nicht mit Regeln oder gar Rezepten verwechseln. Genaue Kriterien, mit deren Hilfe sich ein vollständiges System des Rechts, sowohl eine Privatrechtsordnung (ein Eigentums- und Vertragsrecht) als auch eine Staatsordnung, schließlich eine Weltrechtsordnung deduzieren ließe, sucht Kant nicht. Mancherorts werden revolutionäre Veränderungen gerühmt und wird ihr Fehlen beklagt. Wahr ist, daß die Menschheit mit ihnen schlechte Erfahrungen gemacht hat: mit dem Jakobinerterror als Folgelast der Französischen Revolution und mit den Millionen, teils unmittelbaren, teils späteren Opfern der Oktoberrevolution. Vor diesem geschichtlichen Hintergrund erscheint Kants Konzept einer Rechts- und Staatskritik als Reformprogram, erscheint sein Plädoyer für eine „all-
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mähliche Reform“, aber nach festen „Grundsätzen“ anstelle „gewaltsame(r) Umstürzung“ (355), nicht bloß als rechtsethisch überzeugend. Das Programm, integraler Bestandteil einer liberalen Rechts- und Staatstheorie, erweist sich auch als staatspolitisch klug. Kant bestimmt das „einzige, ursprüngliche, jedem Menschen, kraft seiner Menschheit, zustehende Recht“ als die „Freiheit (Unabhängigkeit von eines Anderen nötigenden Willkür), sofern sie mit jedes Anderen Freiheit nach einem allgemeinen Gesetz zusammen entstehen kann“. Damit gelingt es ihm zwar, ein Kriterium für alle Menschenrechte aufzustellen. Er setzt sich aber nicht mit dem Gedanken eines Katalogs von Menschenrechten auseinander, obwohl derartige Kataloge schon vor der Rechtslehre verkündet werden: bekanntlich in Frankreich (1789) und zuvor noch in Virginia (1776). Andererseits wird das angeborene Recht bzw. dessen legitimatorische Grundlage „kraft seiner Menschheit“ (237) nicht nur in der „Einleitung in die Rechtslehre“ behandelt. Im „Privatrecht“ taucht es an mindestens vier Stellen auf: (1) In § 11 ist die „Menschheit in seiner eigenen Person“ ein Argument gegen die Aussicht, der Mensch sei ,Eigentümer von sich selbst‘. Mögliche Rechtskonsequenzen, etwa das Verbot, sich als Sklave zu verkaufen oder Hand an sich zu legen, erörtert Kant aber nicht. Der Grund könnte darin liegen, daß es hier nicht um einen subjektiven Anspruch gegen andere geht, sondern um eine Pflicht, zudem um eine Pflicht gegen sich, die in einer Rechtsphilosophie, verstanden als Philosophie der Koexistenz von Freiheitswesen, schwerlich Platz hat. Allerdings könnte das Verbot, sich als Sklave zu verkaufen, in Kants Deutung der ersten der (Pseudo‐)Ulpianischen Formeln – honeste vive – enthalten sein (vgl. 236, 24–30). (2) Nach § 24 ist ein ,unnatürlicher Gebrauch‘ der Geschlechtsorgane, und zwar „entweder an einer Person ebendesselben Geschlechts oder einem Tiere von einer anderen als der Menschen Gattung“, eine „Läsion der Menschheit in unserer eigenen Person“ (277). Auch hier liegt kein subjektiver Anspruch gegen andere, sondern eine Pflicht gegen sich vor. (3) Ein subjektiver Anspruch taucht erst beim ‚natürlichen Erlaubnisgesetz‘, das aus dem „Recht der Menschheit in unserer eigenen Person“ folgt (276) und in dem Recht auf ein Hauswesen, des näheren einem Eherecht, einem Elternrecht und einem Hausherrenrecht, besteht. Das Eherecht beispielsweise, also der Anspruch, eine Ehe eingehen zu dürfen, spezifiziert das einzige angeborene Recht auf einen besonderen Situationstyp. Damit betritt Kant denn doch jene konkretere Ebene, die einen Plural von Menschenrechten eröffnet, der wiederum Kants These, das angeborene Recht sei nur ein einziges (237), relativiert. Genauer müßte es heißen: Lediglich das Kriterium besteht im Singular; die ihm genügenden Rechte gibt es durchaus im Plural. Diese Präzisierung hat aber zur Folge, daß die Menschenrechte mehr als nur einen Platz in den Prolegomena verdienen. (4) Auch das Recht der Kinder „auf ihre Versorgung durch die Eltern, bis sie vermögend sind, sich selbst zu erhalten“, für Kant „ein ursprünglich-angeborenes
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(nicht angeerbtes) Recht“ (280), hat in einem Menschenrechtskatalog Platz und bekräftigt die Pluralisierbarkeit der Menschenrechte. In diesem Zusammenhang ist ein weiteres Defizit erstaunlich: Ein so elementares Recht wie das auf Leib und Leben findet in der Rechtslehre keine unmittelbare Behandlung.
14.4 Die kosmopolitische Perspektive Arm an Rechts- und Staatstheorien ist die Neuzeit nicht; trotzdem gibt es ein erstaunliches Defizit: Von Hobbes über Locke und Rousseau bis Hegel, in gewisser Weise auch Marx und im 20. Jahrhundert von Kelsen über Hart bis John Rawls, auch Dworkin und Habermas, befassen sich die Haupttexte, wenn nicht ausschließlich, so doch fast ausschließlich mit der Rechtsordnung eines Einzelstaates. Die große Ausnahme bildet Kant. Nicht nur in der Friedensschrift und schon vorher in der Geschichtsphilosophie (Idee, bes. 7. Satz) und dem Gemeinspruch (Teil III), sondern auch in der Rechtslehre nimmt die internationale, sogar globale Perspektive einen besonderen Platz ein: Im Rahmen des öffentlichen Rechts sind ihr zwei der drei Abschnitte gewidmet. Kant hat dafür mehr als den äußeren Grund, daß es nun einmal auch zwischen- und überstaatliche Rechtsaufgaben gibt. Die Leitaufgabe des Rechts, die Ablösung privater Willkür durch Gesetze und deren Bindung an moralische Prinzipien, wird vielmehr erst dann vollendet, wenn sowohl innerhalb der Staaten als auch zwischen ihnen öffentliches Recht statt privater Gewalt herrscht. Weil das höchste politische Gut im ewigen Frieden liegt (355), könnte allerdings der Umstand irritieren, daß das Völkerrecht nach der Rechtslehre größtenteils aus einem Kriegs-Recht besteht: aus einem Recht zum Krieg (§§ 55–56), einem Recht im Krieg (§ 57) und einem Recht nach dem Krieg. Diese drei Teile behandeln aber nur ein Recht im abgeschwächten Sinn. Man könnte von einem „sogenannten Recht“ sprechen, sogar von einem widersprüchlichen Rechtsbegriff, denn es geht um ein Recht in jenem „nicht-rechtlichen Zustande“, der das Gegenteil von Recht, das ,Recht des Stärkeren‘, herrschen läßt (§ 54: 344): Da mangels entsprechender Institutionen die eigentlich rechtliche Form der Streitschlichtung, der Prozeß, nicht zur Verfügung steht, braucht es einen zweitbesten Weg, auf daß nicht lediglich die Gewalt regiere. In diesem Sinn eines zweit-, sogar nur drittbesten Weges besteht das Recht im Krieg weniger in Erlaubnissen als in Verboten: Unzulässig sind ein Ausrottungsund ein Unterjochungskrieg, ein Plündern des Volkes, selbst eine Fülle von Verteidigungsmitteln. Das Kriterium all dieser Verbote liegt nicht in einer Äußerlichkeit, sondern im Rechtsauftrag selbst: Um der Möglichkeit des Rechtszustandes willen, ist der Krieg „nach solchen Grundsätzen zu führen, nach welchen es immer
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noch möglich bleibt, aus jenem Naturzustande der Staaten … herauszugehen, und in einen rechtlichen zu treten“ (347). Hinsichtlich einer Weltrechtsordnung ist Kant vorsichtig, vielleicht aber nicht ganz konsistent. Denn auf globaler Ebene soll das generell gültige Element peremtorischen Rechts, die öffentliche und souveräne Gewalt, nicht erforderlich sein. Die Rechtslehre begnügt sich mit einer Institution unterhalb eines auch nur minimalen Weltstaats, mit einem Völkerbund im Sinne einer Genossenschaft, die ohne souveräne Gewalt auskommt und „zu aller Zeit aufgekündigt werden kann“. Damit wird aber der Zweck gefährdet, eine Herrschaft des Rechts auch auf globaler Ebene, auf daß die Völker „ihre Streitigkeiten auf zivile Art, gleichsam durch einen Prozeß, nicht auf barbarische (nach Art der Wilden), nämlich durch Krieg“ entscheiden (351). Zumindest dieser Zweck ist heute, im Zeitalter der Globalisierung, aktuell. Über die Mittel, den Zweck zu erreichen, kann man dann immer noch mit Kant über Kant hinausgehen. Ohnehin erwartet man von der Philosophie keine ausbuchstabierte Weltrechtsordnung, weder die Verfassung noch gar die Gesetzbücher eines Einzelstaates noch die einer globalen Ordnung. In diesem Sinn ist das entsprechende Titelwort der Rechtslehre zu verstehen: Im Gegensatz zu einem naiven Rationalismus, der das positive Recht aus Vernunftgründen deduzieren will, beschränkt Kant seine Rechts- und Staatsphilosophie auf den kleinen, aber entscheidenden Teil, auf jene Bestimmung der Prinzipien, die er „Anfangsgründe“ nennt.
Literatur Höffe, O. 1996: Vernunft und Recht. Bausteine zu einem interkulturellen Rechtsdiskurs, Frankfurt/M. Rawls, J. 1971: A Theory of Justice, Oxford; dt. Eine Theorie der Gerechtigkeit, Frankfurt/M. 1975 Rawls, J. 1993: Political Liberalism, New York; dt. Politischer Liberalismus, Frankfurt/M. 1998
Auswahlbibliographie 1 Ausgaben Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre von Immanuel Kant. Königsberg, bey Friedrich Nicolovius. 1797 (Nachdruck: Frankfurt/M. und Leipzig 1797) Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre von Immanuel Kant. Zweyte mit einem Anhange erläuternder Bemerkungen und Zusätze vermehrte Auflage. Königsberg, bey Friedrich Nicolovius. 1798 Erläuternde Anmerkungen zu den metaphysischen Anfangsgründen der Rechtslehre von Immanuel Kant. Königsberg, bey Friedrich Nicolovius. 1798 (Nachdruck: Königsberg 1800) Immanuel Kants sämmtliche Werke hg. von K. Rosenkranz und F. W. Schubert, Bd. 9, Leipzig 1838 Immanuel Kants Werke, sorgfältig revidierte Gesamtausgabe hg. von G. Hartenstein, Bd. 5, Leipzig 1838 Immanuel Kants sämmtliche Werke in chronologischer Reihenfolge hg. von G. Hartenstein, Bd. 7, Leipzig 1867 Immanuel Kants Metaphysik der Sitten, hg. von J. H. v. Kirchmann, Berlin 1870 (Philosophische Bibliothek, Bd. 29; 21907–41922 als Bd. 42 hg. von K. Vorländer, dann Nachdrucke) Kants Werke, hg. von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 6 (Hg.: P. Natorp), Berlin 1907 (²1914, dann Nachdrucke) Kants Werke, hg. von E. Cassirer, Bd. 7 (Hg.: B. Kellermann), Berlin 1907 (21923) Kants Werke, hg. von W. Weischedel, Bd. 4, Frankfurt/M. und Darmstadt 1956 (zahlreiche Nachdrucke) Immanuel Kant: Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre, Frankfurt/M. 1970 (photomechanischer Nachdruck der 1. Auflage) Immanuel Kant: Metaphysik der Sitten, Erlangen 1986 (Kant im Original, Bd. 17; photomechanischer Nachdruck) Immanuel Kant: Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre, neu hg. von B. Ludwig, Hamburg 1986 (Philosophische Bibliothek, Bd. 360; xiii–xxxvi: Einleitung des Herausgebers zur Entstehungsgeschichte und zur Editionsproblematik; xlvii–lii: Literatur zur Rechtslehre; ²1998) Immanuel Kant: Rechtslehre. Schriften zur Rechtsphilosophie, hg. und mit einem Anhang versehen von H. Klenner, Berlin (DDR) 1988 (407–490: Anmerkungen; 588–623: Bibliographie)
2 Klassische philosophische Texte Achenwall, G. und Pütter, J. S.: Anfangsgründe des Naturrechts (Elementa Iuris Naturae), hg. und übers. von J. Schröder, Frankfurt/M. und Leipzig 1995 Aristoteles: Ethica Nicomachea, ed. I. Bywater; Oxford 1894; dt.: Nikomachische Ethik, übers. von O. Gigon, München 1991 (Zürich 1951) Aristoteles: Politica, ed. W. D. Ross, Oxford 1957; dt.: Politik, übers. von O. Gigon, München 1978 (Zürich 1955) Beccaria, C.: Dei delitti e delle pene, Livorno 1764, Neudruck: Torino 1965; dt.: Über Verbrechen und Strafen, hg. von K. Esselborn, Leipzig 1905
https://doi.org/10.1515/9783110782509-016
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Auswahlbibliographie
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Personenregister Achenwall, G. 9–12, 34, 47–49, 109, 113 f., 163, 178, 181, 189, 235 Alexy, R. 169 Allison, H. 22 Althusius, J. 11 Aristoteles 7, 37, 44, 46 f., 109, 153, 231 Augustinus, A. 201, 231 Baron, M. 26 Baumann, P. 100 Baumgarten, A. G. 109 Beccaria, C. 6 Beck, J. S. 13 Bellarmino, R. 201 Bergk, J. A. 12 Berlin, I. 40, 136 Berner, A. F. 187 Biester, J. E. 156 Blau, F. A. 13 Böhme, G. W. 13 Bouterwek, F. 157, 160 Brocker, M. 98 Burke, E. 167
Fichte, J. G. 13, 166, 174 Flatt, J. F. 15 Friedrich II. 4 Friedrich Wilhelm I. 4 f. Fulda, H. F. 55, 60, 62 Garve, Ch. 15, 163 Gentili, A. 201 Grasnick, W. 190 Gregor, M. 57, 123–129, 131 Grimm, J. u. W. 33, 180 Grotius, H. 2, 6, 9, 201 Guyer, P. 66, 124, 128, 130, 138,
Deggau, H.-G. 100 De la Garde 12 Dorsch, A. J. 13 Dworkin, R. 173, 239
Habermas, J. 124, 142, 212, 239 Hart, H. L. A. 239 Hegel, G. W. F. 6, 13 f., 141, 174, 187, 199, 231, 239 Henrich, D. 161 Herb, K. 60, 157 Herder, J. G. 3, 7, 17 Herman, B. 65, 67 Herz, M. 7 Hill, Th. 65 Hobbes, Th. 1 f., 6, 9, 11, 30, 40, 48, 155, 158– 160, 195, 197, 207, 227, 231, 239 Höffe, O. 8, 34, 36, 42, 45 f., 96, 100, 184, 187, 207, 233 Hoffmeister, J. 198 Horn, Ch. 197, 207 Hruschka, J. 48 Hufeland, G. 28 Hugo, G. 2, 5, 13 Humboldt, W. v. 13, 163 Hume, D. 6, 39, 127 Hutcheson, F. 17
Enderlein, W. 185 Erhard, J. B. 13
Jakobs, G. 180 Johannes 198
Feinberg, J. 207 Feuerbach, P. A. 13 Feyerabend, G. 3, 108, 111, 113 f.
Karl V. 187 Karneades 48 Kelsen, H. 33, 37, 239
Cicero, M. T. 48, 201 Cohen, H. 14 Collins, G. L. 3, 24 Cornel, H. 182 Cramer, Graf H. F. v. 4 Cromwell, O. 160 Cumberland 9
https://doi.org/10.1515/9783110782509-017
250
Personenregister
Kersting, W. 56, 100 Klug, U. 177 Knutzen, M. 1 Köhler, H. 9 Korsgaard, Ch. 65 f. Kowalski 3 Kühl, K. 96 f., 100, 102 Lambert, J. H. 7 Locke, J. 1–3, 6, 9, 11, 62, 158, 170, 174, 179, 197, 231, 239 Lüderssen, K. 182 Ludwig, B. 12, 14, 16, 53, 57, 60, 93, 96, 99 f., 145, 157, 171 Ludwig XVI. 5, 155 Luf, G. 100 Luhmann, N. 35 Luther, M. 174 Mandeville, B. de 172 Marx, K. 239 Maus, I. 155, 201 Mautner, Th. 16 Merle, J.-Ch. 169 f., 201 Mommsen, Th. 181 Montesquieu, C. de S. 178 f. Mrongovius, Ch. C. 3, 26 Mulholland, L. 55, 60 eNewton, I. 46 Nicolai, C. F. 16 Nicolovius, F. 12 Nietzsche, F. 188 O’Neill, O.
65 f.
Parijs, P. van 170 Patzig, G. 7 Philonenko, A. 166 Pippin, R. 57, 66 Platon 2, 146 f., 181, 231 Polanyi, K. 170
Pufendorf, S. 2, 4, 6, 9–11., 41, 109, 172, 197, 201 Pütter, J. S. 9, 11 Rawert, P. 167 Rawls, J. 7, 64, 233 f., 239 Rehberg, A. K. 167 Rosen, A. 169 Rosenkranz, K. 174 Rousseau, J.-J. 1 f., 6, 131, 146, 148 f., 154, 174 f., 197, 199, 231, 239 Rushdie, S. 174 Savigny, F. C. v. 13 Scheffner, J. G. 12 Schlegel, F. 157 Schmalz, Th. 166 Schmidt-Jortzig, E. 94 Schopenhauer, A. 3, 231 Schröder, J. 10 Shaftesbury (Lord Ashley) 17 Sherman, N. 65 Siep, L. 19 Sieyès, E. J. 154 Smith, A. 186 Suarez, C. G. 4, 201 Thomasius, Ch. 2, 6, 9 f., 44 Thomas v. Aquin 48 Ulpianus, D. 53, 56, 233, 238 Unruh, P. 155 Vigilantius, J. F. 3, 56 Vitoria, F. de 10, 201 Wildt, A. 100 Wolff, Ch. 1, 4, 6, 9 f., 15, 41, 48, 109, 169, 172, 195 Wöllner, J. F. 156 Zeiller, F. A. F. v.
13
Sachregister Ableitung 105, 109, 119 f. analytisch/synthetisch 27, 36–39, 82, 85, 88, 108 Anfangsgrund 7 f., 38, 105 f., 115 f., 146, 193, 240 Anwendungsbedingung 8, 37–41, 45 f., 119 a priori 7, 17, 37, 46, 54, 63, 99, 105, 118, 120, 148, 164, 188, 190, 193 f. Arbeit 108, 167, 169–171, 224 Armenfürsorge (Armenwesen) 7
Freiheit 2, 5 f., 11, 40, 42 f., 102 f., 146 f., 186 – angeborene 43, 93, 101, 107, 181, 185 – äußere 35, 38, 43, 93, 119, 147 – der Willkür 40–42, 69, 73, 76, 84, 86 f., 107 f., 168–173, 195 – gesetzlose 195, 202 – natürliche 42 – positive/negative 22, 37, 40, 102, 107, 234, 236 Friede 193, 205–207, 239
Beerbung 116 f. Besitz 71, 73, 75, 78, 90, 94, 96–98, 107, 114, 117, 220 – gemeinsamer 89 – intelligibler/physischer 75, 77, 79–81, 84–88, 90, 149, 233 – provisorischer/peremtorischer 90, 99–101 Besteuerung 170 Billigkeit 3, 10, 33, 46–48, 231 Boden 12, 97, 103, 163 f.
Eherecht 109 f., 238 Ehre 101, 118, 186 Eigentum 6, 45, 93–96, 98, 100–104, 117, 164, 166, 170 f., 181, 199 f., 231, 233, 235, Einteilung 9, 14, 51, 55, 64, 93, 95 f., 103, 105, 109, 119, 145, 164 Elternrecht 109 f., 114, 238 Erwerbung 73, 98, 102, 106–112, 147, 167, 201, 233 – abgeleitete 93 – äußere 3, 53, 100, 233 – ideale 116–118, 120 – subjektiv-bedingte 119–121, 147 – ursprüngliche 43, 93, 233 Ethik 11, 5 f., 10, 40, 42, 116, 215, 231
Gegenstand, äußerer 39, 69–74, 76 f., 81, 84, 87 f., 90 – der Willkür 69, 73 Gemeinschaft 39, 43, 46, 79, 94, 97, 109, 119,233 Gemeinwohl 4, 6, 10 f. Gerechtigkeit 3, 5, 37, 39, 44, 46 f., 101, 120, 177, 188, 204, 232 Gerichtshof 2, 48, 119 Gesellschaft 9, 103, 109–115, 146, 149, 168, 172, 174 f., 181, 184, 187, 197 Gesellschaftsvertrag 11, 196, 233 Gesetz 3, 42–44, 72, 75, 87, 89, 97, 101, 114, 147 f., 158, 164, 185, 195, 226, 236, – der Freiheit 42 f., 75, 97, 168 f., 195, 236 – ethisches/juridisches 71, 76 – moralisches 18, 42 f., 46, 48, 172 f., 191, 214 – natürliches/positives 10, 30 – statutarisches 115 Gesetzgeber 81, 99, 148, 153, 164, 168, 174, 179, 187, 190, 234 Gesetzgebung 34–39, 56, 69, 72, 75–77, 79, 89 f., 103, 110, 147, 149, 152, 159, 164, 168, 181, 187, 233, 236 Gewaltenteilung 4, 7, 12, 146, 148, 151, 231, 237 Gleichheit 11, 46, 102 f., 157, 165, 170, 175, 188, 213 Glück(seligkeit) 6, 138, 168, 172, 174, 183, 186, 215 Gut, höchstes 1, 4, 166, 229, 239
Fortschritt der Menschheit
Handel
Deduktion 2, 70, 74, 79 f., 84 f., 108 Demokratie 146, 148–157, 216, 232–234 Despotie 149–152, 202, 227
2, 198
https://doi.org/10.1515/9783110782509-018
217 f.
252
Sachregister
Handlung 34, 37, 41, 53, 69, 72, 75, 78, 87, 106, 115, 214 Hospitäler 165 Imperativ, kategorischer 34, 177 f., Inhabung 84, 87 Interesse 1, 40, 103, 111, 113, 190, 234, 236 Kirche 166–168, 173 f., 232 Krieg 12, 146, 195, 198–206, 221, 232, 232, 239 f. Läsion 77, 79 f., 201, 238 Liberalismus 6, 10, 40, 42 Mein und Dein 43, 69–71, 87, 94, 100, 163, 167, 170, 181 – äußeres 8, 43, 69 f., 73 f., 77–79, 84 f., 88–90, 101, 119, 147, 163, 235, 237 – inneres 8, 69, 75, 181 – provisorisches 8, Menschenrecht 11, 43, 185, 197, 207, 212, 222, 225, 235 f., 238 Menschheit 43, 96, 110 f., 114, 168, 175, 188, 198, 211, 222, 231, 237 f. menschliche Natur 2, 38, 40, 98, 105, 111, 114, 116, 172, 175, 177, 180, 195, 199, 204 Metaphysik 1, 7 f., 14, 33 f., 37–40, 49, 69, 96, 119, 188, 206, 234–236 Methode 9, 46, 233 Name, guter 116 f. Naturrecht 1–3, 9–11, 13, 33, 36, 48, 81, 108, 111, 113 f., 116, 118 f., 160, 169, 172, 231 Naturzustand 1, 8, 90 f., 99 f., 107, 115, 118, 120, 186, 194–198, 201 f., 204 f. Notrecht 10, 33, 46–49, 187, 231 Notwendigkeit 34, 47, 93, 180, 193 f., 197, 217, 219, 234 noumenon/phaenomenon 61, 145 f., 148–150, 153 Paternalismus 42, 171 f., 174 f., 236 peremtorisch/provisorisch 8, 90, 99 f., 197 f., 205, 240
Person 16, 26, 40, 42, 54, 57 f., 61, 75, 77, 80, 96, 99, 107, 109–115, 120, 145, 148–151, 154 f., 202, 235, 237 f. Pflicht 7, 10, 51, 69, 77, 100, 107, 112, 114 f., 155, 164, 168, 172, 193, 195–197, 206, 222, 232, 235, 238 Polizei 172–174 Privatrecht 3, 8–10, 93, 100 f., 105, 115, 147, 181, 197 f., 231, 233, 235, 237 f. Recht 51, 203, 237 Recht der Menschheit 96, 110 f., 168, 238 – angeborenes/erworbenes 8, 52, 104 – dinglich-persönliches 93, 109 f., 113, 115 – inneres 8 – natürliches 8, 10 f., 112, 235 – öffentliches 8 f., 34, 39, 42, 45, 49, 101, 115, 202, 231, 239 – persönliches 108–110 – positives 10, 13, 35, 81, 90, 220, 237 – Römisches 10 f. Rechtsbegriff 10, 34, 38, 41–43, 49, 74, 103, 159, 170, 175, 183, 214, 228, 236, 239 Rechtsgesetz 41, 44, 75, 98, 103 f., 165, 175 Rechtslehre 33–37, 46, 57, 94, 97, 100–103, 115 f., 119, 214, 220, 226, 231 Rechtspflicht 51 f., 55 f., 63 f., 73, 83–85, 100, 115, 185, 237 Rechtsprinzip 33, 41, 43 f., 185, 195, 213–215 Rechtsstaat 4, 6, 51, 59, 63 Rechtstheorie 34, 178, 212, 237 Rechtswissenschaft 2, 13, 34–37, 116 recht/unrecht 28, 33, 64, 201, 203 f., 219, 226 Reform 155, 160, 163, 168, 175, Regierung 150–152, 157 f., 160, 164 f., 169, 172, 174, 187, 199, 205 Reich der Zwecke 110, 115 Religion 1, 140 f., 173 Repräsentation 149, 151–155, 158 Republik 5, 148–150, 152–156, 160, 194 Revolution 5, 13, 147, 153, 160 f., 167, 199, 237 Sache 10, 37, 41, 44, 47, 84, 95–99, 107–112, 117, 120, 166, 184, 203, 235 f. Sachenrecht 93, 95 f., 105 f., 108 f., 117, 166, 182 Sittenlehre 52 Sittlichkeit (Moralität) 1, 12, 138
Sachregister
Souverän 41, 134, 151 f., 154, 160, 189, 200, 207 Sozialstaat 6, 100, 102 Staat 1, 6 f., 11, 44, 99–103, 139, 145, 153 f., 157– 159, 163–175, 178, 188, 191, 193 f., 196, 199– 205, 208, 215, 218, 222, 227, 232, 236 f. Staatsbürger 131, 135, 153, 155, 170 f., 180, 194, 200, 202, 208, 226 Staatsformen 145–154, 227, 231 Staatsrecht 2, 10, 34, 49, 101, 145, 150, 154, 177, 193 f., 199, 212, 228, 231 Staatsverwaltung 163, 165, 167, 172, 175 Strafe 45, 48, 177–180, 182–184, 186–190 Strafmaß 186, 190 f. Strafrecht 7, 34, 48, 96, 177, 179–183, 231 System 1, 4, 15, 17, 27, 29, 36, 55, 105, 193, 237 Titel (titulus) 73, 106, 117 Tugendlehre 33, 39 f., 46, 55, 96, 115, 183, 188 Tugendpflicht 10, 41, 111, 168 f., 232 Ulpianische Regeln 233, 238 Unrecht 6, 33–35, 37, 45–48, 173, 179 f., 185, 189, 196, 203 f., 219, 226 Verbindlichkeit 34, 36, 38, 77, 82, 99, 114, 190 Verbrechen 173, 180 f., 183 f., 189, 191, 202, 231 Verfassung 90, 100, 102, 145, 147 f., 150–154, 158, 160, 168, 172, 174, 187, 196 f., 204 f., 240 – preußische 4, 166, 189 Vergeltung 177 f., 180, 184, 186–191
253
Vernunft 6, 8, 12, 34, 37, 42, 69, 72, 74–77, 81– 83, 85–87, 93, 95, 103, 110 f., 117–120, 148, 155, 160, 164, 166, 172, 182, 185, 187, 205 f., 233, 236 f. Versprechen 107 f., 166, 232, 235 Vertrag 43, 81, 94, 96, 106–108, 112–114, 154, 181 f., 196 f., 219, 232 Völkerbund 193, 196–198., 205 f., 240 Völkerrecht 3, 10, 12, 193–195, 203, 212, 218, 221, 224, 228, 231, 239 Weltbürgerrecht 9, 193 f., 212–215, 220 f., 228, 231 Weltstaat 193, 196, 198, 202, 204–207, 240 Widerstandsrecht 7, 11, 157, 160, 225–227, 235 Wille 3, 16, 21–23, 61 f., 67, 81, 87–90, 97–99, 106, 108, 117, 166, 174, 204, 219 Willkür 16, 21–23, 40–44, 64 f., 67–70, 73–79, 81, 84, 86, 88, 90, 94, 97, 99, 101 f., 106 f., 110, 114, 117, 164–166, 168 f., 171, 174, 195 f., 231, 236, 238 f. Zurechnungsfähigkeit 40 f., 188 Zustand, bürgerlicher/natürlicher 9, 56, 89–91, 107, 115, 118, 203 Zwang 10, 12, 41, 44–47, 89, 100, 102, 108, 158, 173 f., 205, 221 f. Zwangsbefugnis 33, 44–46, 183–186, 201 Zweck/Mittel 56, 76, 79, 110–115, 165, 168–173, 175, 177, 180, 184 f., 191, 196–200, 202–206, 232 f., 240
Hinweise zu den Autoren Hans Friedrich Fulda (geb. 1930) ist emer. ordentlicher Professor an der Universität Heidelberg. 1987– 1996 Präsident der Hegel-Vereinigung. Veröffentlichungen u. a.: Das Problem einer Einleitung in Hegels Wissenschaft der Logik (1965); Das Recht der Philosophie in Hegels Philosophie des Rechts (1968); Hegels Heidelberger Encyclopädie (1985); Spekulative Logik als die „eigentliche Metaphysik“ (1991); Philosophisches Denken in einer spekulativen Metaphysik (1991); Kants Begriff eines intelligiblen Besitzes und seine Deduktion („Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre“, § 6); Kants Postulat des öffentlichen Rechts (RL § 42) (1997). Otfried Höffe ist ordentlicher Professor für Philosophie an der Universität Tübingen. Wichtigste Veröffentlichungen: Strategien der Humanität (1975/ ²1985), Ethik und Politik (1979/³1987), Sittlich-politische Diskurse (1981), Immanuel Kant (1983/41996), Politische Gerechtigkeit (1987), Den Staat braucht selbst ein Volk von Teufeln (1988), Kategorische Rechtsprinzipien (1990/²1993), Moral als Preis der Moderne (1993/³1995), Aristoteles (1996), Vernunft und Recht (1996), Gibt es ein interkulturelles Strafrecht? (1998). Als Herausgeber: Lexikon der Ethik (51997), Lesebuch zur Ethik (1998). Er ist außerdem Herausgeber der „Zeitschrift für philosophische Forschung“, der Reihen „Denker“ und „Klassiker Auslegen“ sowie zahlreicher Sammelbände. Peter König, Privatdozent an der Universität Heidelberg. Wichtigste Veröffentlichungen: Autonomie und Autokratie. Über Kants Metaphysik der Sitten (1994). Herausgeber: Carl Gustav Jochmann, Sämtliche Schriften, Bd. 1: Über die Sprache (1998). Artikel zu Leibniz, Kant, Herder, Hegel, Weinreb u. a. Kristian Kühl, Universitätsprofessor für Strafrecht, Strafprozeßrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Tübingen. Wichtigste Veröffentlichungen: Die Beendigung des vorsätzlichen Begehungsdelikts (iur. Diss. 1974), Unschuldvermutung, Freispruch und Einstellung (iur. Habilschrift 1983), Eigentumsordnung als Freiheitsordnung (phil. Diss. 1984), Strafrecht Allgemeiner Teil (21997); Mitautor bei: Lackner, Strafgesetzbuch mit Erläuterungen (221997). Zahlreiche Aufsätze zum Straf- und Strafprozeßrecht, auch zum europäischen Strafrecht, Presse-, Sport- und Umweltstrafrecht sowie zur Rechtsphilosophie Kants und dem Naturrecht im 19. und 20. Jahrhundert. Bernd Ludwig, geboren 1955, Studium der Physik und der Philosophie in Marburg, Promotion 1986, Habilitation 1998, ist zur Zeit wissenschaftlicher Assistent an der Professur für Politische Theorie und Wissenschaftslehre an der Universität der Bundeswehr München. Buchveröffentlichungen: Kants Rechtslehre (1988), Die Wiederentdeckung des Epikureischen Naturrechts. Zu Hobbes’ philosophischer Entwicklung im Pariser Exil (1998). Herausgeber: I. Kant, Metaphysische Anfrangsgründe der Rechtslehre (1986/²1998) und Tugendlehre (1990). Zahlreiche Artikel zur praktischen Philosophie der Neuzeit. Jean-Christophe Merle, geb. 1964, Assistent für Philosophie an der Universität Tübingen, z. Z. FeodorLynen-Fellowship an der Georgetown University, Washington. Autor von: Justice et Progrès. Contribution à une Doctrine du Droit Social (1997). Zahlreiche Artikel zur politischen Philosophie, insbes. des deutschen Idealismus. Herausgeber: Fichtes Grundlage des Naturrechts (im Druck), Lire L’idée d’une histoire universelle de Kant (im Druck).
https://doi.org/10.1515/9783110782509-019
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Hinweise zu den Autoren
Jörg Paul Müller, ordentlicher Professor für Verfassungs-, Völkerrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Bern. Wichtigste Veröffentlichungen: Kants Entwurf globaler Gerechtigkeit und das Problem republikanischer Repräsentation in Staats- und Völkerrecht (1996); Demokratische Gerechtigkeit. Eine Studie zur Legitimität rechtlicher und politischer Ordnung (1993); Die Grundrechte der schweizerischen Bundesverfassung (21991). Vertrauensschutz im Völkerrecht (1971); Praxis des Völkerrechts (gemeinsam mit L. Wildhaber) (21982); Kommentierung Art. 2 Ziff. 2 UNO-Charta (Treu und Glauben) (1991). Zahlreiche Aufsätze in den Bereichen Staats- und Demokratietheorie sowie Grundrechte. Terry Pinkard, is Professor of Philosophy at Georgetown University and Professor in the School of Foreign Service (also at Georgetown University). His most recent book is Hegel’s Phenomenology: The Sociality of Reason (Cambridge, 1994). Forthcoming from Cambridge is Hegel: An Intellectual Biography (1999). Alessandro Pinzani, geb. 1966 in Florenz, ist Professor für Ethik und politische Philosophie an der Universidade Federal de Santa Catarina, Florianópolis (Brasilien). Er hat zahlreiche Bücher, Aufsätze und Artikel zu Kants politischer Philosophie veröffentlicht. Robert Pippin, geb. 1948, ist Professor of Social Thought and Philosophy, Chair, Committee on Social Thought an der University of Chicago. Wichtige Veröffentlichungen: Kant’s Theory of Form (1981); Hegel’s Idealism: The Satisfactions of Self-Consciousness (1989); Modernism as a Philosophical Problem: On the Dissatisfactions of European High Culture (1991); Idealism as Modernism: Hegelian Variations (1996). Allen W. Wood, Professor of Philosophy at Yale University. Chief publications: Kant’s Moral Religion (1970); Kant’s Rational Theology (1978); Karl Marx (1981); Hegel’s Ethical Thought (1990); Kant’s Ethical Thoughts (1999). Editor: Hegel, Elements of the Philosophy of Right, trans. H. B. Nisbet (1991). Editor and translator: (with G. Di Giovanni) Kant: Writings on Religion and Rational Theology (1996); (with P. Guyer) Kant: Critique of Pure Reason (1998). Numerous articles on moral and political philosophy and on Kant, Fichte, Hegel and Marx.