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German Pages 241 Year 1972
Betriebswirtschaftliche Schriften Heft 60
Hypothesenformulierung in der Absatzforschung Wie werden Annahmen über das Käuferverhalten erarbeitet?
Von
Michael Kopp
Duncker & Humblot · Berlin
MICHAEL KOPP
Hypothesenformulierung in der Absatzforschung
Betriebswirtschaftliche Heft 60
Schriften
Hypothesenformulierung in der Absatzforschung W i e werden Annahmen über das KSuierverhalten erarbeitet?
Von
Dr. Michael Kopp
DUNCKER
& HUMBLOT
/
BERLIN
Alle Rechte vorbehalten © 1972 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1972 bel Alb. Sayffaerth, Berlin 61 Printed in Germany ISBN S 428 02784 1
Meinem Vater
Vorwort Wenn die Absatzforschung nicht allein vorwissenschaftliche Erkundung, sondern auch Forschung i m streng wissenschaftlichen Sinn sein w i l l und damit ihren Namen zu Recht führen w i l l , dann muß sie sich zu den Prinzipien wissenschaftlichen Forschens bekennen und sich als echte Forschungsdisziplin verstehen. Von anderen Teildisziplinen empirischer Forschung w i r d sich eine nach wissenschaftlichen Grundsätzen betriebene Absatzforschung nur durch die Eigenart ihres „Forschungsobjekts" unterscheiden. I m Gegensatz zu anderen Forschungsdisziplinen repräsentiert das Forschungsobjekt der Absatzforschung nicht von vornherein einen relativ begrenzten, fest umrissenen, gleichsam natürlichen Bereich der Realität. Vielmehr w i r d es von unterschiedlichen Forschungszwecken, d.h. von unterschiedlichen Zwecken, für die ein Unternehmen Informationen über seinen Absatzmarkt benötigt, jeweils unterschiedlich abgegrenzt. Unter Umständen kann i n der Absatzforschung ein Forschungsobjekt die verschiedensten Objekte anderer Wissenschaftsdisziplinen umfassen. Das ist z. B. der Fall, wenn zur Prognose der Absatzchancen für ein bestimmtes Produkt das Zusammenwirken von Merkmalen der gesamtwirtschaftlichen Lage, von politischen Gegebenheiten, von Maßnahmen der konkurrierenden Anbieter und von Käufermotiven auf dem betreffenden M a r k t untersucht werden sollen. Zur Erforschung des vom jeweiligen Zweck der Informationsgewinnung abhängigen Untersuchungsobjekts muß eine ernsthafte und ernstzunehmende Absatzforschung wissenschaftliche Methoden anwenden und wissenschaftliche Prinzipien beachten. Die wesentlichsten Instrumente der Erkenntnisgewinnung i n jeder empirischen Wissenschaftsdisziplin sind das Formulieren von Hypothesen und das Überprüfen von Hypothesen. Daß dem Instrument der Hypothesenformulierung i n der Literatur zur Absatzforschung bislang zumindest ausdrücklich so gut wie keine Beachtung geschenkt wurde, liegt unter anderem sicher an einem mangelnden Selbstverständnis der Absatzforschung als Forschungsdisziplin. Das Übergehen der Hypothesenformulierung i n der Literatur und die allzu einseitige und oft unreflektierte Beschäftigung m i t den Techniken der Datenerhebung und Datenauswertung waren für mich die
6
Vorwort
wesentlichsten Gründe, mich m i t dem Problem der Hypothesenformulierung i n der Absatzforschung auseinanderzusetzen, beruhen doch jede sinnvolle und zielgerichtete Erhebung und Auswertung von M a r k t daten auf stillschweigenden oder ausdrücklich formulierten Annahmen über die „Wichtigkeit" oder die Bedeutung der betreffenden Daten. Die vorliegende Arbeit wurde durch meinen verehrten Lehrer, Prof. Dr. Robert Nieschlag, i n vielerlei Hinsicht gefördert. I h m und meinen Kollegen am Seminar für Absatzwirtschaft der Universität München möchte ich herzlich für alle Anregungen und Unterstützungen danken. Bedanken möchte ich mich besonders bei Dr. Franz Schnellinger, der das Manuskript durchgesehen hat. Meine Frau Helga hat es verstanden, mich aus mancherlei Verstrikkungen, die die Arbeit m i t sich brachte, wieder herauszuführen. I h r verdanke ich auch viele sachkundige Wegweisungen bei gelegentlichen Ausflügen i n das Gebiet der Psychologie.
Inhaltsverzeichnis
I. Das Dilemma bei der Formulierung von Aussagen über die Informationsselektion
13
II. Hypothesenformulierung im Prozeß der Absatzforschung
19
1. Die Bedeutung der Hypothesenformulierung innerhalb des Prozesses
20
2. Die charakteristischen Merkmale der Hypothesen . . . . . . .
24
21. Die „Wissenschaftlichkeit" der Hypothesen
25
211. Die ausdrückliche Formulierung der Hypothesen
25
212. Die Eindeutigkeit der Formulierung
27
213. Die Vereinbarkeit mit vorhandenem Wissen
28
214. Die Überprüfbarkeit von Hypothesen
30
22. Der Erklärungscharakter der Hypothesen
37
23. Der Modellcharakter der Hypothesen
40
24. Der Gültigkeitsanspruch der Hypothesen
42
241. Die zweckbezogene Gültigkeit
43
2411. Formale Anforderungen an die Informationen
45
2412. Generelle entscheidungsbezogene Informationszwecke
45
2413. Spezifizierte entscheidungsbezogene zwecke . . . . . . . . . . . .
53
Informations-
24131. Entscheidungsklassenbezogene Informationszwecke . . .
53
24132. Entscheidungstypenbezogene zwecke
56
Informations-
242. Die situationsbezogene Gültigkeit
58
243. Begrenzte generelle Gültigkeit als Ziel der Hypothesenformulierung
63
8
Inhaltsverzeichnis
I I I . Methoden der Hypothesenfindung
64
1. Logisches und schöpferisches Denken bei der Hypothesenformulierung
65
2. Die Anwendung der Prinzipien kreativen Denkens
72
3. Denkmethoden zur Bildung hypothetischer Erklärungsmodelle des Marktgeschehens
77
31. Objektbezogene Systematisierung
78
311. Ansätze zur objektbezogenen Systematisierung
79
312. Kritik an den Systematisierungsversuchen der traditionellen Marktforschung
91
313. Versuch einer objektbezogenen Systematisierung
97
(A) Nachfrageendogene Determinanten des Käuferverhaltens
98
(1) Die personenbezogenen Determinanten
98
(11) Personenendogene Determinanten
98
(111) Merkmale der physischen Konstitution
98
(112) Antriebsvariablen (1121) Triebe (1122) Ziele
99 99 101
(113) Steuerungsvariablen (1131) Das persönliche Wertsystem (1132) Psychische Steuerungsprozesse (1133) Individuelles Wissen (1134) Vorstellungsbilder (1135) Stimmungen
105 105 106 110 110 112
(12) Personenbezogene Variablen der Situation
113
(121) Die personenbezogenen Variablen der Rahmensituation (1211) Die Variablen der ökonomischen Situation (1212) Wohnort (1213) Die Variablen der sozialen Situation
114 114 114
(122) Die pérsonenbezogenen Variablen der aktuellen Situation
118
(13) Verhalten (2) Die gruppenbezogenen Determinanten
113
119 122
Inhaltsverzeichnis (3) Die unternehmensbezogenen Determinanten (31) Verhalten des Unternehmens auf der Absatzseite (32) Verhalten des Unternehmens auf der Nachfrageseite (33) Unternehmensendogene Verhaltensdeterminanten
123 123
(4) Funktionsorientierte Verwendungszwecke
124
(5) Die Käuferstruktur
126
124 124
(B) Nachfrageexogene Determinanten des Käuferverhaltens
126
(1) Angebotsendogene Determinanten
126
(11) Verhalten der Anbieter (111) Merkmale der unternehmenseigenen Absatzkonzeption (112) Merkmale der Absatzkonzeption anderer Anbieter, insbesondere der Konkurrenten .. (113) Merkmalsunterschiede zwischen der eigenen Absatzkonzeption und der Absatzkonzeption anderer Anbieter, insbesondere der Konkurrenten (12) Determinanten des Verhaltens der Anbieter
127
(2) Nachfrage und angebotsexogene Determinanten (21) Determinanten aus der soziokulturellen Umwelt (22) Determinanten aus der sozioökonomischen Umwelt (23) Determinanten aus der natürlichen Umwelt (24) Der technische Fortschritt
128 129 129 129 129
32. Klassifikation
127 127
128 128
130
321. Klassifikation nach den sogenannten demographischen Merkmalen
133
322. Die Multidimensionalität personenendogener Verhaltensdeterminanten
134
323. Die Klassifikation nach Verhaltensmerkmalen
136
33. Methoden zur Bildung von Wirkungsbeziehungen
138
331. Die Bildung verschiedener Beziehungsarten
139
3311. Formulierung von Beziehungen zwischen Variablen verschiedener Systemzugehörigkeit 3312. Formulierung von Beziehungen mit unterschiedlicher Beziehungsgrundlage 33121. Kausalzusammenhänge und Sinnzusammenhänge 33122. Definitionszusammenhänge 33123. Funktionale Mittel-Zweck-Relationen
139 144 144 145 146
10
Inhaltsverzeichnis 332. Bildung von Beziehungskombinationen 3321. Möglichkeiten zur Bildung verschiedener Beziehungsstrukturen 33211. Bildung von Beziehungsverbunden
146 147 147
332111. Käufertypen
147
332112. Markttypen
154
33212. Bildung von Beziehungsketten 332121. Die Identifikation relevanter Variablen durch die Bildung von Beziehungsketten
155
156
332122. Dynamische Beziehungsketten
159
3322. Die Berücksichtigung konkurrierender Beziehungen
162
3323. Identifikation von Interdependenzen
166
34. Systematische Suche nach Gegen- bzw. Unterstützungshypothesen 4. Erhebung zum Zweck der Hypothesenfindung
167 169
41. Qualitative Interviews
169
42. Hypothesenformulierung in der Datenauswertung
171
43. Organisierte Gruppenbefragungen
172
IV. Der Einfluß der Informationszwecke auf die Hypothesenformulielierung
174
1. Der Einfluß der Kriterien der formalen Anforderungen an die Information
174
11. Das System der Kriterien der formalen Anforderungen
175
12. Die Bedeutung der Hypothesenformulierung für die Vorausschätzung des Informationswertes
180
13. Die Identifikation der Ursachen unvollkommener Informationen als Aufgabe der Hypothesenformulierung
187
131. In der Phase der Hypothesenformulierung auftretende Ursachen
189
132. Durch die Erhebung bedingte Ursachen
192
14. Möglichkeiten zur Steigerung der Aussagefähigkeit von Indikatorvariablen
197
Inhaltsverzeichnis 2. Der Einfluß genereller Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung
205
21. Hypothesenformulierung zum Zweck der Entdeckung von Problemursachen und Marktchancen
205
22. Hypothesenformulierung informationen
213
zur Gewinnung von Beurteilungs-
3. Der Einfluß spezifischer Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung
218
31. Der Einfluß der Art des Einsatzes absatzpolitischer Instrumente
219
32. Beispiele für den Einfluß des jeweils eingesetzten absatzpolitischen Instruments
220
33. Der Einfluß der Art des angebotenen Produkts
224
34. Der Einfluß der Phasen im Lebenszyklus eines Produkts
227
V. Hypothesenformulierung — Modellpositivismus oder Notwendigkeit?
229
Literaturverzeichnis
231
I. Das Dilemma bei der Formulierung von Aussagen über die Iniormationsselektion Die Beschaffung und Verwertung von Informationen für unternehmerische Entscheidungen ist zu einem zentralen Gegenstand der Betriebswirtschaftslehre i n den letzten Jahren geworden. Die Gründe dafür liegen einmal i n dem entstehenden Selbstverständnis der Wirtschaftswissenschaft als einer Wissenschaft von Entscheidungen i m Wirtschaftsbereich 1 . Die Anbieter und Nachfrager auf einem M a r k t oder die Mitglieder von Wirtschaftsorganisationen werden als Entscheidungsträger gesehen. Damit werden gleichzeitig die Informationen, die ja die Zweckmäßigkeit von Entscheidungen wesentlich bestimmen 2 , ein zentraler Gegenstand wissenschaftlichen Interesses. A u f der anderen Seite gab die Entwicklung i n der wirtschaftlichen Realität den Anstoß für die zunehmende Beschäftigung m i t dem Bereich „Information". Die wachsende Differenzierung der Funktionen und damit die zunehmende Dezentralisation der Entscheidungsaufgaben i n den Unternehmensorganisationen und der immer raschere Wandel der unternehmensinternen und -externen Daten sind die Hauptursachen für einen steigenden Bedarf an bewußt organisierten und gestalteten Informationssystemen i n der Praxis 3 . Je mehr die Aufteilung der Entscheidungsaufgaben m i t zunehmender Spezialisierung fortschreitet, desto zwingender w i r d die Notwendigkeit, jeden Entscheidungsträger kontinuierlich über die Entscheidungen der anderen, m i t i h m i n einem Zweckverbund stehenden Entscheidimgsträger zu informieren. Je häufiger sich die Umweltbedingungen wandeln, desto häufiger benötigt ein Entscheidungsträger Informationen, u m sich den wechselnden Bedingungen anpassen zu können. Dem steigenden Bedarf an Informationen steht infolge der Entwicklung der maschinellen Datenverarbeitung und der Verbesserung der Kommunikations- und Vervielfältigungstechnik ein steigendes A n gebot an Informationen und Informationsmöglichkeiten gegenüber 4 . 1 Vgl. Nieschlag, R., Dichtl, E., Hörschgen, H., Marketing, 4. Aufl., Berlin 1971, S. 71. 2 Vgl. Heinen, E., Das Zielsystem der Unternehmung, Wiesbaden 1966, S. 24. * Vgl. Mommsen, E. W.t Management-Auf gaben der siebziger Jahre, in: Bayerisch-schwäbische Wirtschaft, Jahrgang 1969, Nr. 22, S. 791 ff. 4 Vgl. Mommsen, E. W., a.a.O., S. 791 ff.
14
I. Dilemma bei Aussagen über die Informationsselektion
Sowohl i n der Wissenschaft als auch i n der Praxis wurden durch diese Entwicklungen rege Aktivitäten auf dem Gebiet der Informationsbeschaffung und -Verwertung ausgelöst. Die Fortschritte, die dabei erzielt worden sind, sind unbestreitbar. Bei der kritischen Betrachtung dieser Aktivitäten fällt jedoch auf, daß dem zentralen Problem der zweckmäßigen Entscheidung über den Gegenstand und den Inhalt der zu beschaffenden und zu verarbeitenden Informationen oft nicht die genügende Aufmerksamkeit gewidmet wurde. A u f seiten der Wissenschaft wird, sicher m i t Recht, argumentiert, daß sich zu diesem Problem kaum generell gültige Aussagen machen ließen, ohne daß diese Aussagen allzu formatilistisch und inhaltsleer würden, da bei der Verschiedenartigkeit der Entscheidungsaufgaben und Entscheidungssituationen i n der Praxis der Gegenstand und der Inhalt der jeweils zu gewinnenden und zu verarbeitenden Informationen völlig unterschiedlich seien. Das Problem müsse deshalb i n der Realität von Fall zu Fall unterschiedlich gelöst werden 6 . Wohl bedingt durch die begrenzten Möglichkeiten, konkrete Aussagen über den Gegenstand der Informationsgewinnung machen zu können, die zugleich für verschiedene Entscheidungsaufgaben und für verschiedene Entscheidungssituationen Gültigkeit besitzen, richtete sich das Interesse der wissenschaftlichen Forschung vornehmlich auf die Entwicklung einer formalen Informationstheorie, z.B. auf die Formulieferung formaler Kriterien zur Bestimmung des Informationswertes 6 sowie auf die organisatorischen und technischen Aspekte der Datengewinnung, -Übermittlung und -Verarbeitung 7. Aber auch i n der Praxis, i n der man relativ konkreten Entscheidungsproblemen gegenübersteht, werden häufig Überlegungen darüber, welche Informationen über welchen Gegenstand als Voraussetzung für eine zweckmäßige Sachentscheidung jeweils gewonnen werden müssen, nicht m i t der notwendigen Sorgfalt getroffen. 5 Vgl. Kühn, R., Erklärungsmodelle des Käuferverhaltens als Grundlage einer wissenschaftlichen Marktforschung, in: GfM-Mitteilungen zur Marktund Absatzforschung, 1969, Nr. 3, S. 79. Derselbe, Möglichkeiten rationaler Entscheidungen im Absatzsektor unter besonderer Berücksichtigung der Unsicherheit in der Information, Bern und Stuttgart 1969 (Zitierweise: Möglichkeiten rationaler Entscheidungen im Absatzbereich), S. 92 und S. 103. Vgl. ferner: Rehorn, J., Möglichkeiten und Grenzen der Panelforschung, in: Der Marktforscher 1969, Nr. 5, S. 102. Opitz, L., Prognosen in der Marktforschung, Wiesbaden 1969, S. 27. 6 Vgl. Buzzell, R. D., Cox, D.F., Brown, R.V., Marketing Research und Information Systems — Text and Cases, New York usw. 1969, (Zitierweise: Marketing Research), S. 595 ff. 7 Vgl. Kühn, R., Möglichkeiten rationaler Entscheidungen im Absatzbereich, a.a.O., S. 248.
I. Dilemma bei Aussagen über die Informationsselektion Stattdessen werden aufwendige sogenannte Management-Informationssysteme installiert oder kostspielige unternehmensexterne Informationsdienste i n Anspruch genommen, die die Entscheidungsträger oft m i t Daten versorgen, die sie zur Lösung ihrer Entscheidungsprobleme nicht verwenden können 8 . Die Entscheidung über den Gegenstand und den Inhalt der jeweils zu beschaffenden Informationen gewinnt jedoch u m so mehr an Bedeutung, je besser die Möglichkeiten der Datengewinnung, -Übermittlung und -Verarbeitung sind. Viele Entscheidungen mußten vor nicht allzu langer Zeit einfach deshalb unter Unsicherheit oder unter einem großen Risiko getroffen werden, w e i l es unmöglich oder zu zeitraubend und kostspielig gewesen wäre, entsprechende Informationen zu gewinnen. Das Problem einer zweckentsprechenden Informationsselektion entfiel damit, w e i l es einfach nicht möglich war, über die entsprechenden Informationen zu verfügen. Inzwischen besteht jedoch infolge des technischen Fortschritts die Möglikeit, i n viel größerem Umfang Informationen zu beschaffen und zu verwerten. Zur zwingenden Notwendigkeit w i r d für einen Entscheidungsträger die zweckorientierte Gewinnung und Verwertung von Informationen dann, wenn die Konkurrenz über die gleichen Möglichkeiten der Informationsgewinnung verfügt und wenn die Fülle der verfügbaren Daten soweit überhand nimmt, daß ihre vollständige Sichtimg und Verarbeitung zu kostspielig und zeitraubend werden würde 9 . Die Vielfalt von Sachverhalten und Gegenständen, über die Daten verfügbar sind, w i r d nun nicht allein infolge des Fortschritts i n der Datentechnik weiter zunehmen, sondern darüber hinaus auch infolge der ständigen Vermehrung des Wissens über alle möglichen Gegenstände und Sachverhalte auf allen Gebieten 10 . Je zwingender die Notwendigkeit einer zweckorientierten Selektion der Gegenstände der Informationsgewinnung wird, desto unbefriedigender w i r d die Beschäftigung m i t einer äußerst abstrakten und formalistischen Informationstheorie, deren Aussagen zwar generelle Gültigkeit besitzen, infolge ihres Mangels an konkreten Inhalten für den Praktiker jedoch unbrauchbar sind. Die Bedeutung einer bewußten, zweckorientierten Selektion der Gegenstände der Informationsgewinnung ist i n den Entscheidungs8
Vgl. Zettl, H., Der Prozeß der Entwicklung und Einführung betriebswirtschaftlicher Informationssysteme, Diss. München 1969, S. 79. 9 Vgl. Webster , E., Fakten-Informationen-Entscheidungen, in: die absatzwirtschaft, 1./2. Augustausgabe 1966, S. 966. 10 Vgl. ebenda.
16
I. Dilemma bei Aussagen über die Informationsselektion
Situationen am größten, i n denen dem Entscheidungsträger eine sehr große Zahl von Handlungsalternativen zur Verfügung steht und i n denen die jeweiligen Konsequenzen der verschiedenen Handlungsalternativen von einer sehr großen Zahl von Faktoren abhängen. Die Fülle der denkbaren Determinanten des Erfolgs der Entscheidung, über die der Entscheidungsträger informiert sein müßte, machen hier die bewußte Selektion der Gegenstände der Informationsgewinnung besonders dringlich aber auch gleichzeitig besonders schwierig. Der Funktionsbereich i n der Unternehmung, i n dem sich die verantwortlichen Entscheidungsträger vor allem derartigen Entscheidungssituationen gegenübersehen, ist zweifellos der Absatzbereich. Man denke an die Fülle der Gestaltungs- und Kombinationsmöglichkeiten absatzpolitischer Instrumente und an die Fülle der Faktoren, die das Geschehen auf dem M a r k t einer Unternehmung bestimmen 11 . A u f Grund der Verschiedenartigkeit der Entscheidungsarten und Entscheidungssituationen gerade i m Absatzbereich können die Empfehlungen für eine zweckmäßige Auswahl von Informationen nur sehr abstrakt sein und meist nur allgemeine Richtlinien über die A r t und Weise des Vorgehens bei der Informationsgewinnung enthalten. Uber welche konkreten Gegenstände oder Sachverhalte Informationen gewonnen werden sollen, kann meist nur für eine spezielle Entscheidungssituation und nur zur Lösung spezieller Entscheidungsaufgaben gesagt werden. Es besteht also das Dilemma, etweder Aussagen m i t genereller Gültigkeit, dafür aber nur i n abstrakter Form und ohne konkrete, auf eine bestimmte absatzpolitische Entscheidung bezogene Inhalte zu machen oder aber Aussagen m i t konkreten, entscheidungsbezogenen I n halten zu formulieren, die jedoch dann jeweils nur eine sehr begrenzte, auf die betreffende Entscheidung bezogene Gültigkeit besitzen. Dieses Dilemma dürfte einer der wesentlichen Gründe dafür gewesen sein, daß i n der Literatur zur Absatzforschung die ausdrückliche Behandlung des Problems der zweckmäßigen Entscheidung über die Gegenstände der Informationsgewinnung bisher so gut wie ausgeklammert wurde. Erst i n allerjüngster Zeit beginnt man, sich ausdrücklich m i t dem Problem der entscheidungsorientierten Bestimmung des Gegenstands der Informationsgewinnung zu beschäftigen 12 . Die Fülle unterschiedlicher Fragestellungen und Entscheidungssituationen i n der Praxis 11
Siehe die Ausführungen in Abschnitt II., 241 und in Abschnitt III., 313. z. B. Buzzell, R. D., Cox, D. F., Brown , R. V., Marketing Research and Information Systems, a.a.O.; Kühn , R., Möglichkeiten rationaler Entscheidungen im Absatzbereich, a.a.O. 12
I. Dilemma bei Aussagen über die Informationsselektion scheint allmählich kein Grund mehr zu sein, das Problem auszuklammern und auf den jeweils zu lösenden Fall i n der Praxis zu verweisen. Die Bedeutung der richtigen Wahl der Gegenstände und Sachverhalte der Informationsgewinnung für den wirksamen Einsatz der Absatzforschung zur Vorbereitung absatzpolitischer Entscheidungen und die bislang relativ spärliche explizite Behandlung dieses Problembereichs i n der Literatur zur Absatzforschung sind die Gründe, daß m i t der vorliegenden Arbeit der Versuch gemacht wird, ausschließlich diesen Problembereich zu behandeln. Wenn das Thema der folgenden Erörterung m i t „Hypothesenformulierung i n der Absatzforschung" bezeichnet wurde, so deshalb, w e i l i n der Absatzforschung, sofern sie nach wissenschaftlichen Grundsätzen betrieben wird, genau wie i n jeder anderen empirischen Forschung ein enger Zusammenhang zwischen der Formulierung von Forschungshypothesen und der Bestimmung der Gegenstände der Informationsgewinnung besteht. Durch das Formulieren von Hypothesen werden i n allen Bereichen empirischer Forschung diejenigen Gegenstände und Sachverhalte bezeichnet und näher bestimmt, die einer Uberprüfung anhand empirischer Daten wert erscheinen. Speziell i n der Absatzforschung beruht die Gewinnung von Informationen über bestimmte Gegenstände und Sachverhalte auf Hypothesen, daß diese Gegenstände und Sachverhalte als Determinanten oder Indikatoren des Erfolgs absatzpolitischer Maßnahmen von Bedeutung sind. Das Problem, eine zweckentsprechende Selektion der Marktdaten vorzunehmen und damit die Sachverhalte, über die Informationen gewonnen werden sollen, so zu bestimmen, daß die erzielten Informationen das zur Vorbereitung absatzpolitischer Entscheidungen benötigte Wissen repräsentieren, läßt sich auf das eigentliche Kernproblem zurückführen, gültige Hypothesen über die Bedeutung von Sachverhalten als Determinanten oder Indikatoren des Erfolgs absatzpolitischer Maßnahmen zu formulieren. Bei der Suche nach Empfehlungen zur Lösung dieses Problems besteht gleichfalls das eben dargestellte Dilemma. Es können entweder relativ abstrakte, dafür aber relativ generell gültige Aussagen gemacht werden etwa über bestimmte Prinzipien, die bei der Hypothesenformulierung zu beachten sind. Oder es können relativ konkrete Aussagen bis hin zur inhaltlichen Festlegung bestimmter Hypothesen formuliert werden, die indes nur für relativ wenige, i m Grenzfall nur für eine bestimmte absatzpolitische Entscheidimg i n einer bestimmten Situation Gültigkeit besitzen. 2 Kopp
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I. Dilemma bei Aussagen über die Informationsselektion
I n dieser Arbeit w i r d der Versuch unternommen, bei der Erörterung von Ansätzen zur Lösung des Problems einer zweckmäßigen Hypothesenformulierung i n der Absatzforschung einen sinnvollen Kompromiß zu finden zwischen relativ generell gültigen, dafür aber relativ abstrakten Aussagen einerseits und relativ speziellen, dafür aber relativ konkreten Aussagen andererseits. Sinnvoll wäre der Kompromiß dann zu nennen, wenn die vorliegende Arbeit dem Praktiker brauchbare Empfehlungen und Anregungen für die Hypothesenfindung zur Vorbereitung möglichst vieler Entscheidungen geben könnte. U m die Bedeutung der Hypothesenformulierung i n der Absatzforschung für die Gewinnung brauchbarer Informationen zu verdeutlichen und den besonderen Charakter der Hypothesen darzustellen, sollen im folgenden Abschnitt I I zunächst die Stellung und der Einfluß der Hypothesenformulierung i n einem idealtypischen Ablauf eines Forschungsprozesses i n der Absatzforschung sowie die besonderen Eigenarten der Hypothesen gegenüber den Hypothesen i n „objektbezogenen" empirischen Wissenschaftsdisziplinen behandelt werden. I m darauf folgenden Abschnitt I I I w i r d versucht, eine systematische Darstellung der Methoden zu geben, die das Finden und Formulieren von Hypothesen i n der Absatzforschung anregen und ermöglichen. Viele dieser Methoden können bei der Formulierung von Annahmen jeglicher A r t , seien es Hypothesen i n der Absatzforschung, Hypothesen i n den verschiedensten Wissenschaftsdisziplinen oder Annahmen i m täglichen Leben, angewendet werden. Deshalb haben die Aussagen, die i n diesem Abschnitt gemacht werden, teilweise einen relativ hohen Abstraktionsgrad. Andererseits können die beschriebenen Techniken und Methoden unmittelbar von jedem, der absatzpolitische Entscheidungen fällen oder vorbereiten muß, angewendet werden. Zur besseren Verdeutlichung soll der Bezug zur Marketing-Praxis m i t entsprechenden Beispielen hergestellt werden. Die Erörterung der Systematisierung der Determinanten des Käuferverhaltens als Methode der Hypothesenfinden erfordert dabei den Versuch einer inhaltlich konkretisierten Systematisierung unter Punkt 331 des I I I . Abschnitts. Die Abhängigkeit der Hypothesen über die Gegenstände der Informationsgewinnung vom jeweiligen Zweck der Informationsgewinnung macht es erforderlich, i n einem weiteren Abschnitt I V ausgehend von einer Systematik der Informationszwecke i n der Absatzforschung den Einfluß unterschiedlicher Informationszwecke auf den Inhalt und auf die A r t und Weise des Auffindens der Hypothesen darzustellen.
I I . Hypothesenformulierung im Prozeß der Absatzforschung Die zentrale Bedeutung der Formulierung von Hypothesen läßt sich am besten anhand eines idealtypischen Phasenschemas eines Forschungsprozesses verdeutlichen. Derartige Prozesse laufen i n den unterschiedlichsten Bereichen ab, i n denen empirische Daten für Informationszwecke gesammelt werden, und sind keineswegs auf den Bereich der Absatzforschung beschränkt. I m wesentlichen können sieben Prozeß-Phasen unterschieden werden 1 : 1. Definition von Informationszwecken tionsberdarfs)
(Entstehung eines Informa-
2. Hypothesenformulierung (Definition der Gegenstände der Informationsgewinnung) 3. Planung der Datengewinnung (Auswahl der Objekte, von denen Daten erhoben werden sollen; Bestimmung der Methoden der Datenerhebung; Formulierung der Richtlinien zur Durchführung der Datengewinnung) 4. Durchführung der Datengewinnung 5. Auswertung (Gewinnung von Informationen aus den erhobenen Daten durch Analyse und Interpretation) 6. Kommunikation der Auswertungsergebnisse 7. Verwertung der Auswertungsergebnisse (Ableitung von Schlußfolgerungen aus den gewonnenen Informationen für konkrete Entscheidungen). Dieser Prozeß kann i n unterschiedlichen Situationen unterschiedliche Modifikationen erfahren. Einzelne Phasen können sehr schnell durchlaufen oder aber beim Auftauchen schwieriger Probleme weiter untergliedert werden. Der Prozeß kann bei jeder Phase abgebrochen und bei jeder Phase wieder begonnen werden. 1 Dieses Schema beruht auf Darstellungen bei: Bunge, M., Scientific Research, Bd. I, The Search for System, Berlin, Heidelberg, New York 1967 (Zitierweise: Scientific Research, Bd. I), S. 9; Buzzell, R. D., Cox, D. F., Brown, R. V., Marketing Research, a.a.O., S. 21; Crisp , R., Absatzforschung, Essen 1959 (Zitierweise: Absatzforschung), S. 83 und S. 344 ff.
2*
20
II. Hypotheseformulierung im Prozeß der Absatzforschung
Eine wesentliche Voraussetzung dafür, daß die Durchführung solcher Prozesse zu einem optimalen Ergebnis führt, ist die Integration der einzelnen Phasen. Das bedeutet, daß die Ergebnisse einer Phase bei der Durchführung der anderen Phase berücksichtigt werden. Die Abhängigkeit der Phasen von einander sollte dabei keineswegs nur einseitig i n dem Sinn sein, daß die nachfolgende Phase allein von den Ergebnissen der logisch vorgeschalteten Phase beeinflußt wird. Vielmehr sollten auch neue Erkenntnisse und Aspekte, die i n einer bestimmten Phase auftauchen, zur Revision der Ergebnisse i n den vorgelagerten Phasen führen können. Eine mangelnde wecheslseitige Integration der einzelnen Phasen ist einer der wesentlichen Gründe für die Gewinnung nicht verwertbarer Informationen i n der Absatzforschung 2 . Die Formulierung von Forschungshypothesen ohne Kenntnis der Informationszwecke ist ebensowenig sinnvoll wie eine E r m i t t lung neuer, überraschender Daten, ohne i m Anschluß daran dadurch notwendig gewordene Revisionen der Hypothesen oder sogar der I n formationszwecke vorzunehmen.
1. Die Bedeutung der Hypothesenformulierung innerhalb des Prozesses Der Prozeß w i r d eingeleitet m i t der Entstehung eines Informationsbedarfs. Die Entstehung eines Informationsbedarfs ist gleichbedeutend m i t der Definition eines bestimmten Zwecks, für den Informationen benötigt werden. Aus den Aufgaben, die Informationen i m Ablauf eines bestimmten Entscheidungsprozesses erfüllen müssen, und aus den verschiedensten Arten von Entscheidungen lassen sich die unterschiedlichsten Informationszwecke ableiten. Die Definition von Informationszwecken und damit das Entstehen eines Informationsbedarfs setzen i n der Absatzforschung das bewußte Erkennen einer Notwendigkeit, Entscheidungen zu treffen, voraus. Nach der A r t des verfolgten Informationszwecks muß sich notwendigerweise die Wahl der Gegenstände der Informationsgewinnung i n der nachfolgenden Phase der Hypothesenformulierung richten. Wenn die Notwendigkeit erkannt wurde, über bestimmte Informationen zu verfügen, so sind diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, über die der Entscheidungsträger informiert sein muß. f
Vgl. Crisp, R , Absatzforschung, S. 97 und S.292. Kotler , Ph., Marketing Management-Analysis, Planning and Control, Englewood Cliffs, N.J. 1967 (Zitierweise: Marketing Management), S.179.
1. Die Bedeutung der Hypothesenformulierung innerhalb des Prozesses
21
Nicht jedes Wissen über einen beliebigen Gegenstand w i r d für einen Entscheidungsträger zur Information. Dies läßt sich anhand der Betrachtungsweise der allgemeinen Zeichentheorie 3 folgendermaßen verdeutlichen: Informationen werden durch Nachrichten bzw. Daten übermittelt. Die Nachrichten oder Daten wiederum bestehen aus „Signalen" oder Zeichenkombinationen. Ob und inwieweit Nachrichten oder Daten über einen bestimmten Gegenstand oder Sachverhalt für den Empfänger zu Informationen werden, hängt einmal von der A r t des Signals ab, dann von der Bedeutung oder dem Sinngehalt der Nachricht oder des Datums und schließlich davon, ob die Nachricht bzw. die Daten für den Empfänger einen bestimmten Zweck, eben den Informationszweck, erfüllen 4 . Informationen sind also nur diejenigen Nachrichten und Daten über bestimmte Gegenstände und Sachverhalte, die zur Vermehrung des zweckorientierten Wissens des Empfängers beitragen 5 . Die genaue inhaltliche Bestimmung der betreifenden Gegenstände und Sachverhalte beruht auf der Formulierung von Hypothesen. Ohne die Vermutung, daß von einem bestimmten Faktor der Erfolg einer bestimmten absatzpolitischen Maßnahme abhängt, w i r d ein Unternehmer an Informationen über Einflüsse, Abhängigkeiten und über die Beschaffenheit dieses Faktors nicht interessiert sein, es sei denn zum Erwerb zweckfreien Wissens. Ebenfalls ohne die Vermutung, daß eine Test- oder Kontrollvariable eine bestimmte Aussagefähigkeit über den Erfolg der Maßnahme hat, w i r d der Unternehmer keine Information über die Ausprägung der Kontrollvariablen gewinnen. Unter Hypothesenformulierung i n der Absatzforschung soll i m folgenden nichts anderes verstanden werden als die Formulierung derartiger Annahmen über die Bedeutsamkeit bestimmter Gegenstände und Sachverhalte als Determinanten bzw. als Indikatoren des Erfolgs absatzpolitischer Entscheidungen oder der auf diesen Entscheidungen beruhenden Maßnahmen 8 . 3 Vgl. Morris , C. W., Foundations of the Theorie of Signs, in: International Encyclopedia of Unified Science, Vol 1, Nr. 2, Chicago 1938. 4 Vgl. Flechtner, H. J., Grundbegriffe der Kybernetik — eine Einführung, 4. Aufl., Stuttgart 1969, S. 70. 6 Vgl. Wittmann, W., Unternehmimg und vollkommene Information, Köln 1959, S. 14. 8 In der Literatur zur Absatzforschung finden sich u. a. folgende Umschreibungen für den Begriff „Hypothesenformulierung": „Bestimmung der spezifischen, gewünschten Daten" (Crisp, R., Absatzforschung, a.a.O., S. 344 ff.). „Ableitung von Absatzforschungsproblemen aus dem Absatzproblem" CCrisp , R., Absatzforschung, S. 83). „Definition of Management Information Needs" (Buzzell, R. D., Cox, D. F., Brown, R. V., Marketing Research, a.a.O., S. 21). „Formulierung der Programmfragen" (Noelle, E., Umfragen in der Massengesellschaft, Reinbek 1963, S. 54).
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II. Hypotheseformulierung im Prozeß der Absatzforschung
Nicht immer hat die Formulierung von Hypothesen eine Gewinnung empirischer Daten zur Folge. Es ist denkbar, daß Annahmen über die Bedeutsamkeit einer Reihe von Faktoren bestehen, ohne daß diese A n nahmen empirisch überprüft und Informationen über Beschaffenheit und Wirkung der betreffenden Faktoren gewonnen werden. Die wesentlichen Gründe dafür, daß i n einem bestimmten Fall nicht alle als bedeutsam angesehenen Sachverhalte empirisch überprüft werden, sind technische Schwierigkeiten bei der Datengewinnung und die damit anfallenden Kosten, der allzu große Zeitaufwand der Datengewinnung sowie von vornherein nicht angezweifelte oder anzuzweifelnde A n nahmen, deren empirische Uberprüfung überflüssig erscheint 7 . Selbst wenn ein als bedeutsam angesehener Sachverhalt empirisch überprüft werden soll, muß die Formulierung der betreffenden Hypothese nicht unbedingt identisch sein m i t der Definition der Gegenstände der Informationsgewinnung. M i t der Formulierung einer Hypothese über den Einfluß eines bestimmten Faktors auf den Erfolg einer absatzpolitischen Maßnahme ist noch nicht eindeutig bestimmt, m i t Hilfe welcher Informationen über welche konkreten, inhaltlich genau definierten, empirischen Sachverhalte dieser Einfluß am besten ermittelt werden kann. Soll z. B. die Hypothese überprüft werden: „ M i t zunehmendem Alter der Konsumenten nimmt deren Aufgeschlossenheit für eine bestimmte A r t der Werbung ab", so kann dies auf verschiedene Weise geschehen. Beispielsweise können die Meinungen i n verschiedenen Altersgruppen über die betreffende Werbung erfragt werden. Informationsobjekt ist i n diesem Fall die Meinung der Befragten über die Werbung. Genausogut kann aber die Gedächtniswirkung der Werbung mit Hilfe von Wiedererkennungstests bei einer Gruppe junger und bei einer Gruppe älterer Probanden ermittelt werden. Informationsobjekt ist die i n den Tests erkennbare Gedächtniswirkung der Werbung bei der einen und bei der anderen Gruppe. Zur eindeutigen Definition der Sachverhalte, über die i n diesem Fall Informationen gewonnen werden sollen, sind neben der Hypothese über den Einfluß des Alters der Umworbenen auf die Resonanz, die die Werbung jeweils erzielt, noch Hypothesen über die Eignung der verschiedenen Indikatorvariablen zur Überprüfung dieses Einflusses zu formulieren. Dazu zählen insbesondere Hypothesen über die Faktoren, die die Aussagefähigkeit der verschiedenen Indikatorvariablen mehr oder minder i n Frage stellen können. Je nach dem Inhalt dieser Hypothesen kann entweder die Meinung über die Werbung oder die Gedächt7 Vgl. Crisp, R., Absatzforschung, a.a.O., S. 346; Kotler, Ph., Marketing Management, a.a.O., S. 224.
1. Die Bedeutung der Hypothesenformulierung innerhalb des Prozesses
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niswirkung der Werbung als Gegenstand der Informationsgewinnung gewählt werden. Sind die Objekte der Informationsgewinnung definiert, so sind damit i n einem integrierten Absatzforschungsprozeß die nachfolgenden Phasen mehr oder minder determiniert 8 . Von der A r t und der Anzahl der Objekte, über die Daten ermittelt werden sollen, hängen die Entscheidungen über die Methoden der Datengewinnung, über die zu berücksichtigenden Datenquellen sowie über die Durchführung der Datengewinnung ab. I n der Phase der Auswertung werden die gewonnenen Daten zunächst analysiert und zu Informationen aufbereitet. Beispielsweise w i r d aus den einzelnen Antworten, die i m Rahmen einer Meinungsbefragung gewonnen wurden, die Verteilung der Meinung i n der Stichprobe ermittelt. Oder man errechnet z. B. aus den Daten über die Umsatzentwicklung i n verschiedenen Regionen und aus den Daten über die durchschnittlich verfügabren Konsumenteneinkommen i n den einzelnen Regionen funktionale Zusammenhänge zwischen der Höhe des Konsumenteneinkommens und der Höhe der Umsätze. Aus den auf den einzelnen Daten beruhenden Informationen werden dann Schlußfolgerungen gezogen, die wiederum hypothetischen Charakter haben. Diese Schlußfolgerungen können einmal rein statistischer Natur sein. Aus den durch eine Teilerhebung gewonnenen Informationen über die Ausprägung bestimmter Variablen können z. B. Schlüsse auf die tatsächliche Ausprägung der gleichen Variablen i n der Grundgesamtheit gezogen werden. Z u m anderen werden auf den Informationen über bestimmte Determinanten oder Indikatoren des Erfolgs absatzpolitischer Maßnahmen Aussagen über die zu erwartenden Auswirkungen der Determinanten oder über den tatsächlich zu erwartenden Erfolg der Maßnahmen abgeleitet. Diese Schlußfolgerungen sind nichts anderes als Wiederholungen der Annahmen i n konkretisierter Form, i n denen i n der Phase der Hypothesenformulierung die Bedeutsamkeit bestimmter Variablen als Determinanten oder Indikatoren des Erfolgs absatzpolitischer Maßnahmen behauptet wurde. Die Schlüsse aus den Informationen über die Variablen „Einwohnerzahl i m Einzugsbereich", „Kaufkraft der Einwohner", „Verkehrsdichte" „Konkurrenzdichte" i n einem bestimmten Gebiet auf die Zweckmäßigkeit der Wahl des Standorts für ein Einzelhandelsgeschäft i n dem betreffenden Gebiet sind konkretisierte Wiederholungen bestimmter Annahmen. Es sind konkretisierte Wiederholungen von Annahmen über die Bedeutung der genannten Variablen 8 Vgl. Stern, M., Marketing Planung — eine Systemanalyse, Berlin 1968, S. 43; Kotler, Ph., Marketing Management, a.a.O., S. 179.
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II. Hypotheseformulierung im Prozeß der Absatzforschung
als Determinanten des Erfolgs einer Standortentscheidung. Ebenso sind der Schluß von dem Ergebnis einer Meinungsumfrage über ein bestimmtes Produkt auf das tatsächliche Kaufverhalten der Befragten oder der Schluß von der Umsatzentwicklung i n der Vergangenheit auf die Höhe der zukünftig zu erwartenden Umsätze konkretisierte Wiederholungen von Hypothesen. Es sind Wiederholungen der Hypothesen über die Bedeutung der Variablen „Meinung" oder „Umsätze i n der Vergangenheit" als Indikatoren für ein tatsächlich zu erwartendes Käuferverhalten bzw. für tatsächlich zu erwartende Umsätze. Die aus dem Informationen abgeleiteten Schlußfolgerungen bestimmen wiederum die Wahl der Handlungsalternative oder sie führen, wie bereits angedeutet, zu einer Neuformulierung der Informationszwecke. Wenn sich beispielsweise bei der Informationsgewinnung zur Beurteilung einer Werbemaßnahme herausstellt, daß die unbefriedigende W i r kung der Werbung i n einer verfehlten Produkt- oder Sortimentspolitik zu suchen ist, so ist daraufhin ein neuer Informationszweck, wie etwa „Gewinnung von Informationen über Verbesserungsmöglichkeiten der Produkt- und Sortimentsgestaltung sowie über die Erfolgschancen dieser Verbesserungsmöglichkeiten", zu formulieren. Ob dieser rückwirkende Einfluß i n Gestalt einer Neuformulierung der Informationszwecke wirksam wird, hängt davon ab, wie die Objekte der Informationsgewinnung definiert wurden. Wenn sie zu eng spezifiziert werden, besteht oft keine Möglichkeit mehr, anhand der gewonnenen Daten neue, bisher nicht für wichtig erachtete Sachverhalte zu erfahren. Schwierigkeiten bei der Verwertung der Informationen für absatzpolitische Entscheidungen sind gewöhnlich ein Zeichen dafür, daß es auf der Stufe der Definition der Objekte der Informationsgewinnung versäumt wurde, für eine Abstimmung zu sorgen zwischen demjenigen, der die Informationen benötigt, und demjenigen, der bestimmt, welche Informationen geliefert werden 9 .
2. Die charakteristischen Merkmale der Hypothesen Die charakteristischen Eigenschaften der Hypothesen i n der Absatzforschung und die Bedeutung dieser Eigenschaften für die Erfüllung bestimmter Funktionen i n den verschiedenen Phasen des Forschungsprozesses sollen i m folgenden erörtert werden. 9 Vgl. Buzzell, R. D., Cox, D. F., Brown, R. V., Marketing Research, a.a.O., S. 20 f t
2. Die charakteristischen Merkmale der Hypothesen
25
21. Die „Wissenschaftlichkeit" der Hypothesen A u f die Hypothesenformulierung kann keine empirische Wissenschaft, deren Aussagen auf beobachteten Fakten beruhen, verzichten. Gesicherte Erkenntnisse werden ausschließlich durch methodisches Prüfen und durch begründetes Annehmen oder Verwerfen von Hypothesen gewonnen. Die Frage liegt nahe, inwieweit Hypothesen, die i n der Absatzforschung formuliert werden, den strengen Anforderungen genügen sollen, die an jene Hypothesen gestellt werden müssen, die zu gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen führen sollen. Diese Frage läßt sich am besten anhand einiger wichtiger Merkmale beurteilen, die die Wissenschaftstheorie für Forschungshypothesen i m Bereich empirischer Wissenschaften als unabdingbar ansieht 10 . 211. Die ausdrückliche Formulierung
der Hypothesen
Ein erstes Merkmal wissenschaftlicher Hypothesen ist ihre ausdrückliche Formulierung 1 1 . Viele absatzpolitische Entscheidungen beruhen auf Annahmen, die nicht ausdrücklich formuliert werden. Meist handelt es sich dabei u m Annahmen, die auf Grund wiederholter Erfahrung dem Entscheidungsträger so gesichert erscheinen, daß er über deren Gültigkeit nicht mehr bewußt reflektiert 12 . Z u denken ist hierbei an die Berücksichtigung allgemein bekannter und seit langem zu beobachtender Trends, wie etwa die wachsende Bedeutung des Freizeitmarktes, oder an das Einkalkulieren „ selbstverständlicher" Reaktionen, wie etwa die Abwanderung von Käufern zu den billigsten Gütern auf einem M a r k t homogener Güter. A u f ähnlichen, nicht mehr bewußt formulierten und überprüften A n nahmen beruhen die meisten Entscheidungen des täglichen Lebens. So beruht z. B. die Entscheidung, am Morgen zur Bahn zu gehen auf der Annahme, daß sie fährt 1 3 . Annahmen über bestimmte Sachverhalte werden i n der Regel erst dann formuliert, wenn Zweifel an der Bedeutung bzw. an der Richtigkeit dieser Sachverhalte bestehen 14 . 10 Vgl. Bunge, M., Scientific Research, Bd. I, a.a.O., S. 229 ff., S. 272 ff., S. 396 ff. 11 Vgl. Bunge, M., Scientific Research, Bd. I, a.a.O., S. 229 und S. 262. 12 Vgl. Lersch t Ph., Aufbau der Person, 9. Aufl., München 1964, S. 608 ff. 13 Vgl. Bunge, M., Scientific Research, Bd. I, S. 224. 14 Vgl. Kühn, R., Möglichkeiten rationaler Entscheidung im Absatzbereich, a.a.O., S. 20.
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II. Hypotheseformulierung im Prozeß der Absatzforschung
M i t der ausdrücklichen Formulierung einer Annahme ist die Voraussetzung ihrer systematischen Uberprüfung gegeben. Weiter ist die explizite Formulierung einer Annahme die Voraussetzung für eine explizite und zielgerichtete Suche nach den Faktoren und Sachverhalten, auf denen die Annahme basiert oder die die A n nahme i n Frage stellen 15 . W i r d z. B. die Hypothese aufgestellt, daß m i t steigendem Durchschnittseinkommen bestimmte Produkte ihre Eigenschaft als Statussymbol mehr und mehr verlieren, so werden zu ihrer Überprüfung weitere Annahmen formuliert werden müssen. Einmal werden es Annahmen zur Identifikation all jener Faktoren sein, von denen der Stautssymbolcharakter eines Produktes abhängt, wie z. B. Annahmen über die Eignung eines Produktes, die Einkommensklassenzugehörigkeit zu signalisieren, und zum anderen w i r d es sich u m A n nahmen über die Entwicklung und die Höhe des durchschnittlichen Einkommens i n der Zukunft handeln. Die ausdrückliche Formulierung von Hypothesen stimuliert nicht nur weitere Annahmen, die die ursprüngliche Hypothese unterstützen oder i n Frage stellen. M i t der expliziten Formulierung von Hypothesen w i r d vielmehr erst eine bewußte Auswahl der Hypothesen ermöglicht, die i m weiteren Verlauf des Forschungsprozesses durch Erhebung und Auswertung empirischer Daten überprüft werden sollen 16 . Eine weitere Funktion der ausdrücklichen Formulierung der Hypothesen, die gerade für die Effektivität der Absatzforschung i n der Praxis von Bedeutung ist, ist die Verbesserung der Kommunikation zwischen denjenigen, die m i t den einzelnen Aufgaben i n den verschiedenen Phasen von Absatzforschungsprozessen betraut sind 17 . Anhand ausdrücklich formulierter Forschungshypothesen können diejenigen, die i n der letzten Stufe des Prozesses die gewonnenen Informationen verwerten müssen, bereits vor der Durchführung der Datengewinnung beurteilen, ob Daten über jene Sachverhalte ermittelt werden, die vermutlich für eine bestimmte absatzpolitische Entscheidung von Bedeutung sind. Weiterhin können die für die Durchführung der Datengewinnung und Datenauswertung Verantwortlichen anhand explizit formulierter Hypothesen begründen, warum sie die Ermittlung ganz bestimmter Daten für notwendig erachten. Schließlich ermöglicht die Kenntnis der Hypothesen dem Entscheidungsträger ein relativ sicheres U r t e i l darüber, was die gewonnenen Informationen aussagen. 15 Vgl. Bunge, M., Scientific Research, Bd. I, a.a.O., S. 262 ff.; Kotler, Ph., Marketing Management, a.a.O., S. 224. 16 Vgl. Crisp , R , Absatzforschung, a.a.O., S. 346. 17 VgL Kotler, Ph., Marketing Management, a.a.O., S. 224.
2. Die charakteristischen Merkmale der Hypothesen 212. Die Eindeutigkeit
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der Formulierung
Ein weiteres Anforderungsmerkmal wissenschaftlicher ist die Eindeutigkeit ihrer Formulierung 1 8 .
Hypothesen
Eine Hypothese über die Beziehung zwischen zwei Variablen ist u m so eindeutiger, je eindeutiger sowohl die Variablen als auch die Beziehungen zwischen den Variablen definiert sind. Relativ wenig eindeutig ist beispielsweise die hypothetische Aussage: „Es besteht ein Zusammenhang zwischen den Einkaufsgewonheiten und dem sozialen Status der Konsumenten." Derartige, noch recht vage Annahmen sind charakteristisch für das Anfangsstadium der Überlegungen zur Hypothesenformulierung i n der Absatzforschung. U m jedoch eindeutige Informationen zu gewinnen, vor allem aber, u m m i t Hilfe empirischer Überprüfung eine Hypothese annehmen oder verwerfen zu können, ist eine genauere Bestimmung der Variablen und deren Beziehung notwendig. Variablen sind u m so genauer definiert, je mehr Merkmale zu ihrer Beschreibung verwendet werden. Ebenso sind Beziehungen zwischen Variablen um so genauer charakterisiert, je eindeutiger sie sich einem ganz bestimmten, durch relativ viele Merkmale gekennzeichneten Beziehungstyp zuordnen lassen 19 . Aus der relativ vieldeutigen hypothetischen Aussage, „es besteht ein Zusammenhang zwischen Einkaufsgewohnheiten und sozialem Status", w i r d eine relativ eindeutige Aussage, wenn Variable und Variablebeziehungen durch weitere Merkmale gekennzeichnet werden. Dies könnte dann etwa zu folgender Hypothese führen: „Es besteht ein Zusammenhang zwischen der absoluten Höhe des Einkommens eines Konsumenten und dem Anteil, der von diesem Einkommen i n Verbrauchermärkten ausgegeben wird." Noch eindeutiger würde die Hypothese, wenn dieser Zusammenhang i n einer bestimmten Weise quantifiziert werden würde. Der Vorteil völlig eindeutiger Aussagen ist, daß sie anhand empirischer Daten relativ exakt überprüft werden können. Hypothesen werden i n der Absatzforschung jedoch nicht i n erster Linie formuliert, u m genaue Beziehungen zwischen genau gekennzeichneten Variablen zu ermitteln, sondern u m Informationen zu gewinnen, die absatzpolitischen Entscheidungen zugrunde gelegt werden können. Diesen Zweck erfüllen oft weniger eindeutige Aussagen, die durch Überprüfung weniger eindeutig formulierter Hypothesen gewonnen wurden, besser als eindeutige Aussagen. Exakt quantifizierte Beziehungen haben i n der w i r t schaftlichen Realität meist nur eine eng begrenzte sachliche und zeit18
Vgl. Bunge, M., Scientific Research, Bd. I, a.a.O., S. 237, S. 241, S. 273. Vgl. Kühn, R., Möglichkeiten rationaler Entscheidungen im Absatzsektor, a.a.O., S. 54. 19
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II. Hypotheseformulierung im Prozeß der Absatzforschung
liehe Gültigkeit. U m die Konsequenzen absatzpolitischer Entscheidungen beurteilen zu können, werden jedoch Aussagen benötigt, die Gültigkeit besitzen müssen, dafür aber weniger präzise zu sein brauchen. Bei der Hypothesenformulierung muß ein sinnvoller Kompromiß zwischen den beiden Kriterien Eindeutigkeit und Gültigkeit der Aussagen gefunden werden. Die Aussage: „Es bestehen Beziehungen zwischen den Einkaufsgewohnheiten und dem sozialen Status", besitzt ohne Zweifel einen relativ hohen Grad an genereller Gültigkeit. Für konkrete absatzpolitische Entscheidungen ist sie jedoch nicht zu verwerten. Erst wenn definiert ist, was unter sozialem Status zu verstehen ist, auf welche A r t von Einkaufsgewohnheiten sich sein Einfluß erstreckt und welcher A r t dieser Einfluß ist, ist es möglich, gezielte absatzpolitische Maßnahmen zu ergreifen, die diesem Einfluß gerecht werden. Eine allzu exakte und eindeutige Definition der A r t der Beziehungen und der Variablen führt auf der anderen Seite zu Aussagen, die i n ihrer Präzision nur sehr begrenzte Gültigkeit besitzen und oft gar nicht benötigt werden. 213. Die Vereinbarkeit
mit vorhandenem Wissen
Die Formulierung von Hypothesen jeglicher A r t , sei es i m Rahmen der Absatzforschung oder i m Bereich einer anderen empirisch ausgerichteten Forschung, setzt bereits ein bestimmtes Wissen über den Gegenstand der Hypothesenformulierung voraus. Es muß sich dabei nicht u m systematisch geordnetes Wissen handeln, es kann durchaus unsystematisches und aus der täglichen Beobachtung und Erfahrung gewonnenes Wissen sein 20 . Sollen Hypothesen nicht von vornherein jeglicher realen Grundlage entbehren, sondern i n dem Grad vernünftig und plausibel sein, daß eine empirische Überprüfung überhaupt gerechtfertigt erscheint, so müssen sie zumindest auf Erfahrungswissen beruhen. Gerade i n der Absatzforschung sollte die Formulierung der Forschungshypothesen nicht allein branchenfremden Instituten überlassen werden, sondern auch auf der Erfahrung der m i t den Verhältnissen eines bestimmten Marktes vertrauten Praktiker beruhen. Wissenschaftliche Hypothesen werden ihrer Aufgabe nur dann gerecht, wenn bei ihrer Formulierung nicht nur Erfahrungswissen, sondern auch die Gesamtheit der für den Gegenstand der Hypotheseformulierung bedeutsamen wissenschaftlichen Erkenntnisse berücksichtigt wird. Die Aufgabe wissenschaftlicher Hypothesen ist es, zur Gewinnung neuer, gesicherter Erkenntnisse beizutragen. Dies ist jedoch nur dann Bunge, H., Scientific Research, Bd. I, a.a.O., S. 253.
2. Die charakteristischen Merkmale der Hypothesen
29
möglich, wenn die formulierten Hypothesen nicht bereits bewiesen sind und wenn sie m i t bestimmten anderen wissenschaftlichen Aussagen vereinbar sind. Die Aussagen wissenschaftlicher Hypothesen müssen sowohl m i t den Aussagen des gleichen theoretischen Systems, als dessen Bestandteil sie angesehen werden, als auch m i t Aussagen aus anderen theoretichen Systemen anderer Wissenschaftszweige vereinbar sein 21 . I n der Absatzforschung werden die Hypothesen i n den meisten Fällen nicht zu dem Zweck formuliert, Theorien zu vervollständigen, sondern u m den Einfluß und die Bedeutung von Faktoren als Determinanten des Erfolgs absatzpolitischer Maßnahmen zu überprüfen. Dies schließt jedoch nicht aus, daß die i n der Absatzforschung formulierten Hypothesen auf ihre Vereinbarkeit m i t den Erkenntnissen verschiedener empirischer Wissenschaftszweige hin überprüft werden. Die meisten Bereiche der Realität, die Gegenstand der Datengewinnung i n der Absatzforschung sind, sind auch Gegenstand der verschiedensten empirisch ausgerichteten Wissenschaften 22 . I n den Fällen allerdings, i n denen die Absatzforschung bei der Formulierung von Hypothesen bewußt auf Aussagen wissenschaftlicher Theorien zurückgreift, kann es nicht mehr als ihre eigentliche Aufgabe angesehen werden, die Widerspruchsfreiheit des betreffenden wissenschaftlichen Aussagensystems zu überprüfen. Viele der Theorien, auf die bei der Hypothesenformulierung i n der Absatzforschung zurückgegriffen wird, wurden unabhängig von einander entwickelt, stehen i n keinem Systemzusammenhang und widersprechen sich i n vielen Aussagen. Erwähnt sei i n diesem Zusammenhang der Widerspruch zwischen der ökonomischen Rationaltheorie des Käuferverhaltens und einer Vielzahl psychologischer Theorien 23 . Solange noch Widersprüche zwischen den verschiedenen Teiltheorien bestehen und die Theorien i n keinen Systemzusammenhang gebracht sind, besteht die Gefahr, daß bei der Formulierung von Hypothesen i n der A b satzforschung gerade auf die Theorien zurügegriffen wird, die für die Klärung und Erklärung eines bestimmten Sachverhalts am ergiebigsten und am plausibelsten erscheinen.
21
Vgl. Bunge, M., Scientific Research, Bd. I, S. 436 f. Vgl. Haseloff, O. W., Marktforschung und unternehmerische Entscheidungsplanung, in: GfM-Mitteilungen zur Markt- und Absatzforschung, 1965, Nr. 1, S. 22. 23 Vgl. hierzu Streissler, E., Mikroökonomische Rationaltheorie des Konsums, in: Konsum und Nachfrage, Hrsg. Streissler, E. und M., Köln, Berlin 1966, S. 45—60 und Streissler, E., Verallgemeinerung der Mikroökonomischen Konsumtheorie, in: Konsum und Nachfrage, a.a.O., S. 61—75. 22
30
II. Hypotheseformulierung im Prozeß der Absatzforschung 214. Die Überprüfbarkeit
von Hypothesen
Wissenschaftliche Hypothesen führen nur dann zur Vermehrung des Wissens, wenn ihre Gültigkeit i n der Realität bestätigt wird. Die empirische Uberprüfung, d. h. das Testen wissenschaftlicher Hypothesen, geht i m allgemeinen i n drei Stufen vor sich. Zunächst werden empirisch beobachtbare Konsequenzen definiert, die eintreten, wenn die Hypothese Gültigkeit besitzt bzw. wenn sie keine Gültigkeit besitzt. Daran anschließend werden die empirischen Daten über die tatsächlich beobachtbaren Konsequenzen gewonnen und schließlich werden aus den beobachteten Konsequenzen Schlüsse auf die Gültigkeit der getesteten Hypothese gezogen24. I m Gegensatz zu den Hypothesen, die der Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse dienen, ist bei den Hypothesen, die i n der Absatzforschung formuliert werden, die bloße Überprüfung ihrer Gültigkeit ein sekundäres Ziel. I n vielen Fällen werden zwar auch hier zugleich m i t der Datengewinnung die formulierten Annahmen empirisch überprüft. I n erster Linie werden die Hypothesen i n der Absatzforschung jedoch deshalb formuliert, u m die Datengewinnung und Datenauswertung so zu steuern, daß letztlich für absatzpolitische Maßnahmen bedeutsame und verwertbare Informationen gewonnen werden. Ob und inwieweit die Hypothesen i n der Absatzforschung empirisch getestet werden bzw. getestet werden sollen, kann nicht generell gesagt werden, sondern läßt sich am besten anhand verschiedener Grundtypen dieser Hypothesen beurteilen. Folgende vier Grundtypen lassen sich unterscheiden. a) Hypothesen über Beziehungen zwischen Determinanten des Erfolgs und dem tatsächlichen Erfolg absatzpolitischer Maßnahmen. A u f Annahmen, daß bestimmte Faktoren Determinanten des Erfolgs bestimmter absatzpolitischer Maßnahmen sind, beruhen alle Untersuchungen i n der Absatzforschung, durch die ausschließlich Daten über die Beschaffenheit oder Merkmale der betreffenden Faktoren gewonnen werden sollen. Die Standortanalyse ist ein typisches Beispiel für eine derartige Untersuchung. Die Gewinnung von Daten über Einwohnerdichte, Kaufkraft, Einkaufsgewohnheiten, Verkehrs- und Konkurrenzlage impliziert, daß die genannten Faktoren den zu erwartenden Umsatz eines Einzelhandelsgeschäfts beeinflussen werden. b) Hypothesen über Beziehungen zwischen den Determinanten des Erfolgs absatzpolitischer Maßnahmen. Ist ein bestimmter Faktor als Determinante des Erfolgs absatzpolitischer Maßnahmen identifiziert, so sind oft weitere Annahmen über 24
Vgl. Bunge, M., Scientific Research, Bd. I, a.a.O., S. 231.
2. Die charakteristischen Merkmale der Hypothesen
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jene Faktoren notwendig, die ihrerseits die betreffende Determinante beeinflussen. W i r beispielsweise der Wandel bestimmter Einkaufsgewohnheiten als unmittelbare Ursache für den Erfolg einer bestimmten Betriebsform des Handels angesehen, so liegt es nahe, Faktoren zu identifizieren, die diesen Wandel verursachen, und zu prüfen, welchen Einfluß diese Faktoren i n Zukunft haben werden. c) Hypothesen über Beziehungen zwischen Indikatoren des Erfolgs absatzpolitischer Maßnahmen und dem tatsächlichen Erfolg der bebetreffenden Maßnahmen. Dieser Hypothesetyp liegt jenen Untersuchungen zugrunde, i n denen Variablen definiert und Daten über ihre Ausprägungen gewonnen werden, die als Indikatoren des tatsächlichen Erfolgs absatzpolitischer Maßnahmen i n der Vergangenheit und i n der Zukunft angesehen werden. I n der Absatzforschung können als Indikatorvariablen alle Variablen bezeichnet werden, die die Reaktionen der Käufer auf absatzpolitische Maßnahmen eines Unternehmens zum Ausdruck bringen. Daten über Indikatorvariablen werden häufig i n Experimentalsituationen gewonnen, die von den Realität mehr oder minder abweichen. Die Reaktionen von Käufern können i n der Absatzforschung entweder anhand psychologischer Verhaltensausprägungen, wie etwa Meinungen, Einstellungen, Vorstellungsbildern etc., oder anhand ökonomischer Variablen, wie z. B. Umsätze, Deckungsbeiträge oder Marktanteile, gemessen werden, i n denen die Käuferreaktionen zum Ausdruck kommen 25 . Die Annahme, daß eine Indikatorvariable gültige Schlußfolgerungen auf den realen Erfolg absatzpolitischer Maßnahmen zuläßt, beruht wiederum auf der Annahme, daß die Faktoren, die die Indikatorvariable determinieren, weitgehend identisch m i t den Faktoren sind, die den realen Erfolg der Maßnahme bestimmen 26 . Somit müssen Untersuchun25
Vgl. Behrens, K. Chr., Absatzwerbung, Wiesbaden 1963, S. 106; Behrens, K. Chr., Demoskopische Marktforschung, Wiesbaden 1966, S. 14; Buzzell, R. D., Cox, D. F., Brown, R. V., Marketing Research, a.a.O., S. 32. 26 Es handelt sich hierbei um Annahmen über die „Repräsentanz" der Situation oder über die „Repräsentanz" der Befragten, in denen bzw. von denen Informationen über Indikatorvariablen gewonnen wurden. Aus Testmarktergebnissen können keine gültigen Schlußfolgerungen auf die im Gesamtmarkt zu erwartenden Ergebnisse gezogen werden, wenn die Gegebenheiten auf dem Testmarkt nicht die Gegebenheiten auf dem Gesamtmarkt repräsentieren (vgl. Nieschlag, R., Dichtl, E., Hörschgen f H., Marketing, a.a.O., S. 499). Ebenso können aus Meinungsumfragen keine gültigen Schlußfolgerungen auf das Verhalten aller potentiellen Käufer gezogen werden, wenn die Struktur der Befragten nicht die Struktur der Gesamtheit der potentiellen Käufer repräsentiert (vgl. Noelle t E., Umfragen in der Massengesellschaft, a.a.O., S. 109 f.). Schließlich kann aus dem Verhalten eines Probanden in der Situation der
32
II. Hypotheseformulierung im Prozeß der Absatzforschung
gen, i n denen Daten über Testvariablen gewonnen werden, auf Hypothesen über Beziehungen zwischen Determinanten des Erfolgs absatzpolitischer Maßnahmen und dem realen Erfolg der Maßnahmen sowie auf Hypothesen über Beziehungen zwischen Determinanten des Erfolgs absatzpolitischer Maßnahmen und bestimmten Indikatorvariablen beruhen 2 7 . d) Hypothesen über die reale Beschaffenheit von Determinanten und Indikatoren des Erfolgs absatzpolitischer Maßnahmen. Von den Annahmen über die Bedeutsamkeit bestimmter Variablen sind die Annahmen über die reale Beschaffenheit dieser Variablen zu unterscheiden. I n den seltensten Fällen können i n der Absatzforschung durch empirische Erhebungen vollständige Informationen über die Beschaffenheit interessierender Variablen gewonnen werden. Daten über die Merkmale bedeutsamer Variablen können meist nur durch Stichproben erhoben werden. Anhand der Stichprobenergebnisse w i r d dann auf die reale Beschaffenheit der betreffenden Variablen geschlossen. Die Berücksichtigung von Daten über die Käuferstruktur eines bestimmten Produkts bei bestimmten absatzpolitischen Entscheidungen beruht z.B. sowohl auf der Annahme, daß diese Käuferstruktur als Indikator des Erfolgs des Produkts von Bedeutung ist, als auch auf der Annahme, daß die durch eine Stichprobe gewonnenen Daten über die Käuferstruktur die tatsächliche Käuferstruktur i n der Realität wiedergeben. A l l e Hypothesen, ganz gleich, welchem Grundtyp sie zugerechnet werden können, können von vornherein nur dann exakt, d. h. m i t Hilfe statistischer Methoden, getestet werden, wenn es sich bei den Variablen u m quantitative oder u m leicht quantifizierbare Größen handelt. Grundsätzlich ist es möglich, den verschiedenen Ausprägungen qualitativer Variablen, wie etwa Meinungen oder Einstellungen, durch eine entsprechende Skalierung Zahlenwerte zuzuordnen. Die Aussagefähigkeit dieser Zahlenwerte und die Möglichkeit, sinnvolle statistische OpeDatenerhebung, z. B. während eines Produkt- oder Werbemitteltest im Labor, kaum auf ein gleiches Verhalten des Probanden in der Realität geschlossen werden, wenn in der Erhebungssituation andere Einflüsse wirksam sind als in der realen Situation (vgl. Opitz, L., Prognosen in der Marktforschung, а.a.O., S. 49). 27 Vgl. hierzu die in der psychologischen Testtheorie behandelte Problematik der expliziten Berücksichtigung von Unterschieden zwischen Testsituation und interessierender „realer Situation" (z.B. bei Vukovich, A. F., Die Konstruktion psychologischer Tests, in: Handbuch der Psychologie, б. Band, Psychologische Diagnostik, 2. Aufl., Göttingen 1964, S. 113—137). Brandstätter, H., Psychologische Testtheorie, Vorlesungsskriptum, Hrsg. Fachschaft für Psychologie in Zusammenarbeit mit dem Psychologischen Institut, Abteilung für angewandte Psychologie, Universität München, o. J., S. 112.
2. Die charakteristischen Merkmale der Hypothesen
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rationen durchzuführen, hängen jedoch davon ab, welchen Skalentypen sich die Ausprägungen der einzelnen Merkmale zuordnen lassen. Wenn sich die einzelnen Ausprägungen eines Merkmals nur durch eine Nominalskala darstellen lassen, ist es sinnlos, Annahmen über einen Zusammenhang zwischen diesem Merkmal und einem anderen Merkmal durch Berechnung und Signifikanztest eines Korrelationskoeffizienten zu prüfen. Es sollten nur dann Hypothesen zum Zeweck der Überprüfung m i t Hilfe statistischer Methoden quantitativ formuliert werden, wenn dadurch der Bedeutungsgehalt der Hypothesen nicht verlorengeht. Der Zusammenhang beispielsweise zwischen bestimmten Weltanschauungen und dem Grad der Zustimmung zu einer Werbung läßt sich nicht quantifizieren, w e i l sich verschiedene Weltanschauungen einfach nicht verschiedenen Werten auf einer Verhältnisskala zuordnen lassen. Die statistische Uberprüfung der Hypothesen i n der Absatzforschung kann einmal durch die Verfahren erfolgen, hypothetische Aussagen anhand verschiedener Prüfverteilungen auf die Wahrscheinlichkeit ihres tatsächlichen Vorhandenseins h i n zu testen. Zum anderen können Verfahren angewendet werden, vermutete Zusammenhänge durch bestimmte Techniken der Datenreduktion, wie z.B. der Regressionsanalyse, zu modifizieren. Bei den einfachen Verfahren der ersten A r t w i r d i m allgemeinen so vorgegangen, daß man anhand der zur Hypotheseprüfung erhobenen Stichprobendaten die Wahrscheinlichkeit berechnet, m i t der ein bestimmter Wert der zu testenden Variablen auf Grund der Stichprobendaten einer realen Grundgesamtheit entstammen könnte. Ist diese Wahrscheinlichkeit sehr gering, dann muß die Hypothese über das Vorhandensein dieses Werts der Variablen verworfen werden 28 . A u f diese A r t können nur Hypothesen über genau definierte Ausprägungen bestimmter Variablen überprüft werden, so z.B. Hypothesen über das Vorhandensein bestimmter Mittelwerte, Differenzen von Mittelwerten, Standardabweichungen oder Korrelationskoefizienten i n bestimmten Grundgesamtheiten 29 . Derartige Prüfungen sind i n der Absatzforschung i m allgemeinen nur dann von praktischer Bedeutung, wenn es darum geht festzustellen, ob eine bestimmte Variable i n der Realität über oder unter einem sogenannten kritischen Wert liegt, etwa ob der A n t e i l der negativen Urteile über ein Produkt signifikant von dem als tragbar angesehenen Anteil abweicht. 28 Vgl. Haseloff, Berlin 1968, S. 145. 29 Vgl. Haseloff,
3 Kopp
O. W., Hoffmann, O. W., Hoffmann,
H. J., Kleines Lehrbuch der Statistik, H. J., a.a.O., S. 145 ff.
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II. Hypotheseformulierung im Prozeß der Absatzforschung
Bedeutungsvoller für die Zwecke der Absatzforschung erscheint innerhalb der Verfahren der ersten A r t die Varianzanalyse. M i t ihrer Hilfe ist es möglich zu prüfen, ob überhaupt die Veränderung eines oder meherer Faktoren einen signifikanten Einfluß auf die Veränderung bestimmter abhängiger Variablen haben 30 . Wichtiger als die Verfahren zur Annahme oder Ablehnung eindeutig formulierter Hypothesen dürften i n der Absatzforschung die Verfahren der zweiten A r t sein, m i t deren Hilfe man die Vermutung, daß zwischen Variablen ein Zusammenhang besteht, nicht nur bestätigen, sondern darüber hinaus die A r t des Zusammenhangs bestimmen kann. Erwähnt seien die Verfahren der einfachen und multiplen Regression. Die anhand empirischer Daten errechneten Regressionslinien sind nichts anderes als die bestätigten und modifizierten Hypothesen über den Zusammenhang zwischen verschiedenen Variablen 3 1 . Die Berechnung von Regressionslinien kann zur Bestätigung und Konkretisierung der verschiedensten Arten von vermuteten Zusammenhängen verwendet werden. M i t Hilfe der Regressionsanalyse können Zusammenhänge zwischen Determinanten des Erfolgs und Indikatorvariablen des Erfolgs absatzpolitischer Maßnahmen, zwischen verschiedenen Determinanten des Erfolgs oder zwischen verschiedenen Indikatoren des Erfolgs absatzpolitischer Maßnahmen berechnet werden 32 . Ob der m i t Hilfe der Regressionsrechnung ermittelte Zusammenhang zwischen zwei Variablen tatsächlich die Beschreibung eines einseitigen kausalen Zusammenhangs zwischen diesen Variablen ist, bedarf jedoch noch einer gesonderten Prüfung. Aus Regressionslinien zwischen zwei Variablen w i r d z. B. nicht ersichtlich, ob die beiden untersuchten Variablen nicht nur miteinander, sondern jeweils m i t einer dritten Variablen korrelieren (Scheinkorrelation), oder ob sich die beiden Variablen gegenseitig beeinflussen (Interdependenz) 33 . Umgekehrt sind eine Regressionsgerade m i t einem sehr großen Unbestimmtheitsmaß oder das Nichtvorhandensein einer eindeutigen Regressionsgeraden zwischen zwei Variablen noch nicht unbedingt Zeichen dafür, daß zwischen den beiden Variablen kein ursächlicher Zusammenhang besteht, und zwar dann, wenn der tatsächliche Zusammenhang durch eine dritte, „entgegengesetzt wirkende" Variable verschleiert wird 3 4 . 30
Vgl. Haseloff, O. W., Hoffmann, H. J., a.a.O., S. 219 ff. Vgl. Steiner, J., Erstellung und betriebswirtschaftliche Relevanz von Nachfrageprognosen für dauerhafte Konsumgüter, Wien 1969 (Zitierweise: Nachfrageprognosen), S. 73; Bunge, M., Scientific Research, Bd. I, S. 282. 32 Vgl. Buzzell, R. D., Cox, D. F., Brown, R. V., Marketing Research, S. 183 f. 33 Vgl. Noelle, E., Umfragen in der Massengesellschaft, a.a.O., S. 237 ff. 34 Vgl. Zeisel, H., Probleme der Aufschlüsselung, in: Das Interview, Hrsg. König, R., 2. Aufl., Köln 1957, S. 310 f. 31
2. Die charakteristischen Merkmale der Hypothesen
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Bei der Prüfung von Annahmen über Beziehungen mittels der Regressionsrechnung ist weiter zu beachten, daß der Gültigkeitsbereich der Regressionslinie durch die Untersuchungsdaten festgelegt ist, und zwar i n zweierlei Hinsicht: Die Regressionslinie besitzt nur Gültigkeit für den Merkmalsberech der Variablen, für den empirische Daten vorliegen, und sie gilt nur für die Umweltbedingungen, unter denen die Datenerhebung durchgeführt wurde 3 5 . Schließlich ist die Berechnung von Regressionslinien nur dann sinnvoll, wenn die absolute Zahl der für die Untersuchung eines Zusammenhangs relevanten verfügbaren Daten hinreichend groß ist 3 6 . Ob und i n welchem Umfang die Hypothesen i n der Absatzforschung tatsächlich statistisch überprüft werden, hängt davon ab, u m welchen Grundtyp von Hypothesen es sich handelt und ob die Uberprüfung zur Erfüllung bestimmter Informationszwecke angebracht erscheint. Grundsätzlich ist es i n der Absatzforschung möglich, daß Hypothesen formuliert und Daten über die als bedeutsam angesehenen Faktoren gewonnen werden, ohne daß die Gültigkeit der Hypothesen ausdrücklich überprüft wird. Dies ist vor allem bei den Hypothesen über die Beziehungen zwischen Determinanten des Erfolgs absatzpolitischer Maßnahmen und dem tatsächlichen Erfolg der Maßnahmen der Fall, die durch vorangegangene Erfahrungen und Untersuchungen hinreichend gesichert erscheinen. Vermutete Beziehungen zwischen Determinanten und Indikatoren des Erfolgs absatzpolitischer Maßnahmen werden oftmals anhand einmaliger Datenerhebungen bei der Durchführung von M a r k t - oder Labortests überprüft. Die Ausprägungen bestimmter Testvariabler geben zumindest Aufschluß über den Einfluß der i n der Testsituation wirksamen Erfolgsdeterminanten. Die Überprüfung der Hypothesen über Beziehungen zwischen Erfolgsdeterminanten und dem tatsächlichen Erfolg oder zwischen Indikatorvariablen und dem tatsächlichen Erfolg absatzolitischer Maßnahmen kann nur durch eine ex post Betrachtung der tatsächlich eingetretenen Erfolgsentwicklung überprüft werden. I n sogenannten Längsschnittanalysen können sowohl die Variationen bestimmter Erfolgsdeterminanten als auch die Veränderungen gewisser, meist „außerökonomischer" Indikatorvariablen einerseits und die Entwicklung des Erfüllungsgrades bestimmter absatzpolitischer Ziele andererseits über einen längeren Zeitraum beobachtet und die tatsächlichen, für die Vergangenheit gültigen Beziehungen zwischen diesen Variablen etwa durch Regressionsanalysen berechnet werden 37 . 85
Vgl. Haseloff, O. W., Hoffmann, H. J., a.a.O., S. 230. Vgl. Zeisel, H., Probleme der Aufschlüsselung, a.a.O., S. 317 f. 37 Vgl. Fromm, N., Prognose verfahren und ihre Auswertung, in: Die Absatzwirtschaft 1967, 2. Aprilheft, S. 424. 36
3*
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II. Hypotheseformulierung im Prozeß der Absatzforschung
Durch die empirische Überprüfung der Absatzforschungshypothesen w i r d unter anderem die Formulierung neuer Hypothesen angeregt, wenn sich die überprüften Hypothesen als unhaltbar erwiesen haben. Es können entweder Hypothesen formuliert werden, die anstelle der überprüften treten, oder aber Hypothesen über die Bedingungen, unter denen die zunächst empirisch falsifizierten Hypothesen dennoch Gültigkeit besitzen könnten 38 . E i n wesentlicher Grund für die begrenzte empirische Überprüfbarkeit der i n der Absatzforschung formulierten Hypothesen ist der ständige Wandel der Bedingungen, von denen ihre Gültigkeit abhängt. Viele ex post Analysen können i n der Absatzforschung nicht als Überprüfung der Gültigkeit bestimmter, i n der Vergangenheit formulierter Hypothesen und als Bestätigung dieser Gültigkeit für die Zukunft verwendet werden, da sich inzwischen die Umweltbedingungen, unter denen die Hypothesen ursprünglich Gültigkeit besaßen, geändert haben. Viele Hypothesen über die Auswirkungen bestimmter absatzpolitischer Maßnahmen und über die Faktoren, von denen diese Wirkungen abhängen, können auch deshalb nicht empirisch überprüft werden, w e i l die W i r kungen einer bestimmten Maßnahme erst nach einem relativ langen Zeitraum zu beobachten sind 39 . I n diesem Fall ist es meist nicht mehr möglich, die festgestellten Reaktionen der Käufer exakt auf bestimmte Ursachen zurückzuführen. Derartige Verzögerungseffekte können z. B. auf Faktoren beruhen, welche die Dauer von Entscheidungsprozessen bei einem Käufer von der Initialinformation bis zur abschließenden Wahl des Kaufobjekts verzögern. Neben den Verzögerungseffekten sind die sogenannten Schwelleneffekte weitere Ursachen für die begrenzte Überprüfbarkeit von Absatzforschungshypothesen 40 . Schwelleneffekte liegen dann vor, wenn sich die vermuteten Wirkungen erst nach einer relativ großen Veränderung einer bestimmten, verursachenden Variablen zeigen. Typische Beispiele für das Auftreten von Schwelleneffekten sind fehlende Reaktionen der Nachfrager auf Preisvariationen, die sich innerhalb der Grenzen des sog. „monopolitischen Preisspielraums" für ein bestimmtes Produkt bewegen, oder fehlende Reaktionen auf Werbemaßnahmen von relativ geringer Intensität. Schließlich ist die begrenzte Testbarkeit von Hypothesen i n der A b satzforschung darauf zurückzuführen, daß die zur Überprüfung gewonnenen Daten qualitativer Natur sind und deshalb nicht eindeutig interpretiert werden können. Dies ist z.B. i n allen Tests der Fall, i n denen zur Beurteilung der Wirkung bestimmter absatzpolitischer Maßnahmen qualitative Testvariable, wie z. B. verbale Urteile, verwendet 38 39 40
Vgl. Bunge, M., Scientific Research, Bd. I, a.a.O., S. 265 ff. Vgl. Kotler, Ph., Marketing Management, a.a.O., S. 172. Vgl. ebenda.
2. Die charakteristischen Merkmale der Hypothesen
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werden 41 . Hier muß an die Stelle einer eindeutig und objektiv nachvollziehbaren Annahme oder Ablehnung der Hypothese über eine bestimmte Wirkung der betreffenden Maßnahme oft eine subjektive Interpretation der qualitativen Ausprägung der Testvariablen treten. Diese subjektive Interpretation kann bei dem einen Interpreten zur Ablehnung, bei dem anderen zur Annahme eines bestimmtes Erfolgs der Maßnahme führen, ohne daß einer der Interpreten objektiv widerlegt werden könnte. Qualitative Variable, seien es Testvariable, wie z.B. Meinungen über absatzpolitische Maßnahmen, die i n unstrukturierten Befragungen geäußert wurden, oder Erfolgsdeterminanten, wie etwa individuelle Wunschvorstellungen, werden sich niemals exakt als Indikatoren oder Determinanten des Erfolgs absatzpolitischer Maßnahmen überprüfen lassen. Oft w i r d ein Interpret nur auf Grund ganz bestimmter, subjektiver Erfahrungen beurteilen können, was ein bestimmtes Käuferurteil über ein Produkt aussagt oder auf welches Kaufverhalten aus einer geäußerten Wunschvorstellung geschlossen werden kann. Unter der Voraussetzung, daß ein Interpret über die Erfahrung verfügt, die ihn die Bedeutung bestimmter qualitativer Variablen als Determinanten oder Indikatoren des Erfolgs absatzpolitischer Maßnahmen richtig verstehen läßt, ist nicht einzusehen, warum i n der A b satzforschung keine Hypothesen formuliert und untersucht werden sollen, die Aussagen über derartige Variablen enthalten. Trotz mangelnder Uberprüfbarkeit dieser Hypothesen können anhand empirischer Daten über die betreffenden qualitativen Variablen m i t Hilfe der einschlägigen Erfahrungen des Interpreten brauchbare Informationen gewonnen werden. Freilich dürfen die Interpretationen nicht als wissenschaftlich exakte Uberprüfungen von Forschungshypothesen bezeichnet werden. Geht man davon aus, so erscheinen viele heftige Kontroversen, die i n der Absatzforschungsliteratur vor allem über die Motivforschung geführt wurden, als gegenstandslos. 22. Der Erklärungscharakter der Hypothesen Die meisten Hypothesen i n der Absatzforschung haben Erklärungscharakter; das heißt, es sind Hypothesen über Ursache-Wirkungsbeziehungen. Den Hypothesen über die tatsächliche Beschaffenheit bestimmter Variablen, wie etwa über die Struktur von Käuferzielgruppen, liegen Hypothesen über die Bedeutsamkeit dieser Variablen als U r sachen des Erfolgs von absatzpolitischen Maßnahmen zugrunde. Auch die Annahmen über die Bedeutsamkeit bestimmter Variablen als Indi41
Vgl. Kotler, Ph., Marketing Management, a.a.O., S. 172.
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II. Hypotheseformulierung im Prozeß der Absatzforschung
katoren des Erfolgs absatzpolitischer Maßnahmen basieren, wie bereits gezeigt wurde, auf Hypothesen über Ursache-Wirkungsbeziehungen zwischen bestimmten Faktoren und den Indikatorvariablen einerseits und zwischen den gleichen Faktoren und dem tatsächlichen Erfolg der Maßnahmen andererseits. Nach wissenschaftlichen Grundsätzen gilt ein Sachverhalt dann als einwandfrei erklärt, wenn er sich aus einer Theorie lückenlos deduzieren läßt 42 . Eine Erklärungshypothese muß folgende Bestandteile aufweisen 48 : a) Eine genaue, eindeutige Beschreibung des zu erklärenden Sachverhalts (Explikandum) b) Die Faktoren, die als Ursachen für den zu erklärenden Sachverhalt i n Frage kommen. c) Die Gesetze, auf denen die Wirkungen der verursachenden Faktoren beruhen. Verursachende Faktoren und Gesetze, die die A r t der Wirkung der verursachenden Faktoren auf das Explikandum bestimmen, werden als Explikans bezeichnet 44 . Das Explikandum, zu dessen Erklärung letztlich i n der Absatzforschung Annahmen über verursachende Faktoren und deren Auswirkungen formuliert werden, ist der i n der Realität zu erwartende Erfolg absatzpolitischer Maßnahmen i n Gestalt des Erfüllungsgrades absatzpolitischer Ziele, wie etwa Umsätze, Marktanteile, Deckungsbeiträge und dergleichen. Die Reihenfolge der Phasen i m Erklärungsprozeß beginnt i n der A b satzforschung keineswegs zwingend m i t der Definition des Explikandums. Dies ist nur dann der Fall, wenn bereits konkrete absatzpolitische Maßnahmen formuliert sind und es zu untersuchen gilt, auf welche, ebenfalls bereits klar formulierten Ziele die Maßnahmen i n welcher A r t und Weise w i r k e n und von welchen Faktoren diese Wirkungen abhängen. Die Absatzforschung würde jedoch ihrer Aufgabe nicht gerecht werden, wenn sie nur solche Faktoren identifizieren und untersuchen würde, die den Erfolg bereits klar definierter oder schon eingesetzter absatzpolitischer Maßnahmen erklären. Ebenso wichtig ist der Beitrag der Absatzforschung zum Auffinden neuer, bisher nicht eingesetzter absatzpolitischer Gestaltungsmöglichkeiten. U m diese Funktion zu erfüllen, ist es jedoch notwendig, daß bei der Formulierung von Er42 43 44
Vgl. Opitz, L., Prognosen in der Marktforschung, a.a.O., S. 18. Vgl. ebenda. Vgl. ebenda.
2. Die charakteristischen Merkmale der Hypothesen
39
klärungshypothesen gewissermaßen der zweite Schritt i m Erklärungsprozeß vor dem ersten getan wird. Sollen neue Möglichkeiten, aber auch für die Unternehmung bedrohliche Entwicklungen auf dem M a r k t rechtzeitig erkannt werden, so muß zunächst ohne festumrissenes Explikandum die Entwicklung aller möglichen Umweltfaktoren beobachtet werden. Es ist also i n diesem Fall notwendig, von einem bestimmten Faktor oder von einer bestimmten Gesetzmäßigkeit auszugehen und erst dann zu versuchen, verschiedene Sachverhalte zu definieren, für die die betreifenden Faktoren und Gesetze als Explikans von Bedeutung sein könnten 45 . Aus der Entwicklung bestimmter Umweltfaktoren und aus beobachteten Trends können dann bestimmte Konsequenzen für die Gestaltungsmöglichkeiten absatzpolitischer Instrumente gezogen werden. Eine Entscheidung, die bei der Formulierung von Erklärungshypothesen gerade i n der Absatzforschung immer wieder getroffen werden muß, ist die Entscheidung darüber, wie fundiert die Erklärungen für bestimmte Sachverhalte sein sollen. Die Wissenschaftstheorie unterscheidet zwischen oberflächlichen, theoretisch nicht vollständig begründeten und fundierten oder „tiefen" Erklärungen, die vollständig aus einem theoretischen Aussagesystem abgeleitet werden können 46 . Oberflächliche Erklärungen stellen i n der Regel nichts anderes als Generalisierungen von immer wieder festgestellten, durch Erfahrung gesicherterten Wirkungsbeziehungen zwischen den beobachtbaren Phänomenen dar 47 . Derartige oberflächliche Erklärungen i m Bereich der Absatzforschung sind Aussagen wie: „ M i t zunehmendem Alter der Käufer sinkt deren Ansprechbarkeit für eine bestimmte A r t der Werbung". Fundierte, theoretisch begründete Erklärungen berücksichtigen diejenigen Faktoren und Gesetze, anhand derer sich wiederum die oberflächlichen, durch Erfahrung begründeten empirischen Generalisierungen erklären lassen. Eine fundierte Erklärung der verminderten A n sprechbarkeit älterer Käufer durch eine bestimmte A r t der Werbung müßte auf Theorien aus dem Bereich der Psychologie zurückgreifen, insbesondere auf Theorien über die Veränderung der Motivstrukturen i m Lauf des Lebens. Soll der Grad der Fundierung weiter erhöht werden, so müßten die betreffenden psychologischen Erklärungen ihrerseits m i t Theorien aus der Neurologie, diese wiederum mit solchen aus der Biochemie und letztlich aus der Physik begründet werden. 45 Zur „Umkehrung des Erklärungsprozesses" vgl. Bunge, M., Scientific Research, Bd. II: The Search for Truth, Berlin, Heidelberg, New York 1967 (Zitierweise: Scientific Research, Bd. II), S. 7. 46 Vgl. Bunge, M., Scientific Research, Bd. II, a.a.O., S. 21 und S. 28. 47 Vgl. Bunge, M., Scientific Research, Bd. I, a.a.O., S. 248.
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II. Hypotheseformulierung im Prozeß der Absatzforschung
Es ist selbstverständlich absurd, wenn sich ein Absatzforscher die Aufgabe stellen würde, die geringe Resonanz einer bestimmten Werbung bei älteren Menschen m i t Faktoren und Gesetzen zu erklären, die der Ebene der Neurologie oder der Biochemie angehören. Weniger absurd sind dagegen Überlegungen, inwieweit Faktoren, aus der Ebene der Psychologie herangezogen und auf ihre Bedeutung hin überprüft werden sollen. 23. Der Modellcharakter der Hypothesen Die Gegenstände und Sachverhalte, über deren Bedeutsamkeit i n der Absatzforschung Hypothesen formuliert werden, entstammen einer Realität von äußerster Komplexität. Das heißt, die Realität besteht aus einer nicht mehr überschaubaren Zahl von Variablen, Veränderungen von Variablen und Beziehungen zwischen Variablen. Bereits die Verwendung des Terminus „Variable" für Erscheinungen, welche die Realität zu einem bestimmten Zeitpunkt repräsentieren, und für die Determinanten dieser Erscheinungen impliziert eine gewisse Abstraktion von der Realität. Wer von Variablen spricht, bringt damit zum Ausdruck, daß er das Geschehen, das sich u m ihn abspielt, nicht mehr als ungegliedertes, vollständiges Ganzes wahrnimmt, sondern daß er sich ein Modell, ein mehr oder minder repräsentatives A b b i l d vom realen Geschehen macht 48 . M i t der Benennnung von Variablen, die eine ganz bestimmte Erscheinung der Realität repräsentieren bzw. erklären sollen, werden gleichzeitig m i t der Hypothesenformulierung Modelle der Realität gebildet 4 9 . Die Modellbildung beginnt also bereits dann, wenn aus der Gesamtheit des realen Geschehens bestimmte Einzelerscheinungen beschrieben und von anderen Einzelerscheinungen abgegrenzt werden. Die Gliederung der komplexen Realität i n verschiedene Einzelerscheinungen ist auch i n der Absatzforschung die Grundvoraussetzung für eine gezielte Forschungstätigkeit. Erst wenn geklärt ist, welche Ausschnitte aus der Realität, welche konkreten Einzelerscheinungen erklärt oder prognostiziert werden sollen, können auch die Faktoren identifiziert werden, die die Ausprägungen und Entwicklungen der betreffenden Erscheinungen bestimmen. Die Beschreibung von Einzelerscheinungen ist auch insoweit Modellbildung, als die Merkmale, die bei der Beschreibung verwendet werden, nicht m i t den Merkmalsausprägungen identisch sind, die die Erschei48 49
Vgl. Bunge, M., Scientific Research, Bd. I, a.a.O., S. 348. Vgl. Kotler, Ph., Marketing Management, a.a.O., S. 221.
2. Die charakteristischen Merkmale der Hypothesen
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nungen i n der Realität tatsächlich kennzeichnen 50 . Beschreibungen, i n denen die Abstraktion von den realen Merkmalen sehr weit geht, sind z. B. Begriffe wie „Informationsverhalten der Käufer" oder „Dynamik der Betriebsformen des Handels". Eine Annäherung an die Realität geschieht dadurch, daß man die abstrakten, merkmalsarmen Begriffe durch weitere, für die betreffenden Erscheinungen i n der Realität typische Merkmale kennzeichnet. Das Informationsverhalten könnte beispielsweise m i t der Wahrnehmung bestimmter Informationsinhalte oder m i t dem Verhalten bei der Suche nach Informationsquellen näher gekennzeichnet werden. Die Dynamik der Betriebsformen des Handels könnte näher durch die Veränderungen des Einsatzes absatzpolitischer Instrumente bei verschiedenen Handelsunternehmen i m Zeitablauf beschrieben werden. Die relativ abstrakte Beschreibung eines Phänomens w i r d durch die Identifikation und durch die Zuordnung von immer mehr Merkmalen, die das Phänomen i n einem konkreten Fall der Realität kennzeichnen, immer realistischer. Die Hypothesen i n der Absatzforschung werden letztlich nie m i t Beschreibungen arbeiten, die den Erscheinungen der Realität v o l l entsprechen. Für die Untersuchung des Einflusses bestimmter Werbemaßnahmen auf die Wahrnehmung der Käufer w i r d man z. B. eine Beschreibung des Phänomens Wahrnehmung verwenden, von der man annimmt, daß sie Merkmale enthält, die für viele Käufer i n vielen Situationen typisch sind und durch die sich Veränderungen der Wahrnehmung auf Grund bestimmter Werbemaßnahmen feststellen und beschreiben lassen. Problematisch ist die Verwendung von sogenannten „hypothetischen Konstruktionen" i n Hypothesen. Hypothetische Konstrukte sind Faktoren, deren reale Merkmale nicht oder nicht eindeutig beobachtet bzw. beschrieben werden können, auf deren Existenz jedoch anhand bestimmter Erscheinungsformen der Realität geschlossen werden kann 5 1 . Die Aussage: „ M i t zunehmender Intelligenz der Konsumenten verliert die Agressivität als konsumlenkender Faktor an Bedeutung" enthält eine Beziehung zwischen zwei hypothetischen Konstrukten. U m zu Aussagen zu gelangen, die für konkrete absatzpolitische Entscheidungen verwertbar sind, müßten die realen Erscheinungsformen und Merkmale der Intelligenz und der Aggressivität i m Bereich des Kaufverhaltens näher gekennzeichnet werden. Die Modellbildung geschieht i n der Hypothesenformulierung nicht allein dadurch, daß Begriffe verwendet werden, die i n ihren Merkmalen 50 Vgl. Spiegel, B., Die Struktur der Meinungsverteilung im sozialen Feld, Bern, Stuttgart 1961, S. 16. 51 Vgl. Graumann, C. F., Methoden der Motivationsforschung, in: Handbuch der Psychologie, 2. Band: Allgemeine Psychologie, II. Motivation, Hrsg. Thomae, H., 2. Aufl., Göttingen 1965, S. 130.
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II. Hypotheseformulierung im Prozeß der Absatzforschung
nicht den Erscheinungsformen der Realität entsprechen, die sie repräsentieren. Der Modellcharakter der Hypothesen besteht vor allem auch darin, daß zur Erklärung realer Erscheinungen meist nicht alle Variablen herangezogen werden, die als deren Determinanten i n Frage kommen 52 . Aussagen über Ursache-Wirkungsbeziehungen zwischen einzelnen Variablen implizieren, daß alle übrigen, i n der Realität ebenfalls w i r k samen Variablen als konstant oder als nicht vorhanden angesehen werden. Erst unter dieser Annahme ist es überhaupt möglich, Beziehungen zwischen einzelnen, als besonders bedeutsam angesehenen, Variablen zu formulieren und empirisch zu überprüfen 53 . Die Absatzforschung ist um so mehr zur Bildung von Modellen der realen Umwelt eines Unternehmens und des Geschehens i n dieser Umwelt gezwungen, je größer die Entfernung des Unternehmens von den Abnehmern seiner Produkte ist, d. h. je mehr Glieder die Distributionsketten umfassen, die seine Produkte bis zum Endverbraucher durchlaufen und je größer die Zahl seiner Abnehmer ist 5 4 . Ein Unternehmer, der eine geringe Zahl i h m bekannter Kunden versorgt, etwa ein kleiner Einzelhändler oder ein Vertreter, kann seinen M a r k t noch i n seiner Ganzheit überschauen. Er kennt jeden seiner K u n den, dessen persönliche Eigenarten und Wünsche, und er kennt seine unmittelbaren Konkurrenten. Er hat das reale Geschehen ständig vor Augen und kann bei entsprechender Beobachtungsgabe die Realität auf seinem Markt i n ihrer Ganzheit noch unmittelbar erfassen. Unter diesen Umständen besteht für ihn nur eine begrenzte Notwendigkeit, von der Realität zu abstrahieren und Modelle dieser Realität zu bilden, u m überhaupt Informationen über sie zu erhalten. 24. Der Gültigkeitsansprach der Hypothesen Wissenschaftliche Hypothesen, die der Gewinnung gesicherter Erkenntnisse dienen sollen, werden m i t einem relativ weiten Gültigkeitsanspruch formuliert. Das heißt, es w i r d bereits bei der Formulierung der hypothetischen Aussage erwartet, daß diese Aussage nicht nur für eine einmalige, nicht wiederholbare und relativ kurzdauernde Situation Gültigkeit besitzt, sondern für Situationen, die sich i n gleicher oder ähnlicher Form wiederholen 55 . Ein typisches Merkmal der meisten Hypo52 Vgl. Kapferer, C., Disch, W., Absatzprognose, Köln und Opladen 1966, S. 142; Stern, M., Marketing Planung —. eine Systemanalyse, a.a.O., S. 43. 53 Kotler, Ph., Marketing Management, a.a.O., S. 224. 54 Vgl. Weber, H. K , Der Absatzmarkt der industriellen Unternehmung — Formen und Typen, Köln und Opladen 1969 (Zitierweise: Absatzmarkt), S. 77. 55 Vgl. Bunge, M., Scientific Research, Bd. I, a.a.O., S. 238.
2. Die charakteristischen Merkmale der Hypothesen thesen, die i n der Absatzforschung formuliert werden, besteht darin, daß ihr Gültigkeitsanspruch nur relativ gering sein kann. 241. Die zweckbezogene Gültigkeit Das Ziel der Formulierung von Hypothesen i m Rahmen wissenschaftlicher Theorien ist es, das Wissen über das Erkenntnisobjekt zu vermehren, auf das sich die betreifende Theorie bezieht. Objekte empirischer, wissenschaftlicher Forschungen werden nur solche Phänomene und Gegenstände der Realität sein, die i n sehr vielen Situationen oder innerhalb eines langen Zeitraumes unverändert sind. Würde es sich bei den Erkenntnisobjekten auschließlich u m vorübergehende, einmalige Ereignisse handeln, so hätte es allenfalls historischen Wert, richtige Aussagen über sie machen zu können. Erst bei Objekten, die relativ unveränderliche Bestandteile der realen Umwelt sind, sei es innerhalb eines längeren Zeitraumes oder i n den verschiedensten Situationen, lohnt es sich, gesicherte Erkenntnisse m i t dem Ziel zu gewinnen, diese Bestandteile der Realität zu beherrschen. Abgesehen davon setzt die Gewinnung von Erkenntnissen über einen Ausschnitt der Realität m i t Hilfe einer länger dauernden empirischen Überprüfung und Beobachtung voraus, daß das System der Variablen, durch das sich der Ausschnitt beschreiben bzw. erklären läßt, über einen längeren Zeitraum relativ unverändert bleibt 5 8 . Aussagen über Eigenschaften und zur Erklärung eines wissenschaftlichen Erkenntnisobjektes sind also i n dem Sinne generell gültig, als sie über einen längeren oder unbegrenzten Zeitraum oder aber i n verschiedenen Situationen und unter verschiedenen Umständen Gültigkeit besitzen. Es besteht kein Zweifel, daß bei der Hypothesenformulierung i n der Absatzforschung auf Aussagen aus den verschiedensten Disziplinen und Teiltheorien empirischer Wissenschaften zurückgegriffen werden muß, die Anspruch auf generelle Gültigkeit erheben, so z. B. auf Aussagen über Gesetzmäßigkeiten des menschlichen Verhaltens aus dem Bereich der Psychologie zur Erklärung des Käuferverhaltens i n unterschiedlichen Situationen. Diese Aussagen, die i n den verschiedensten objektbezogenen Teiltheorien oder Disziplinen empirischer Wissenschaften formuliert worden sind, sind jedoch streng zu unterscheiden von den i n der Absatzforschung formulierten Hypothesen, i n denen die Brauchbarkeit und Verwendbarkeit dieser wissenschaftlichen Aussagen zur Erklärung und Beurteilung des Erfolgs bestimmter absatzpolitischer Maßnahmen i n bestimmten Situationen angenommen wird 5 7 . Auch bei einem relativ 66 57
Vgl. ebenda, S. 307. Vgl. Opitz, L., Prognosen in der Marktforschung, a.a.O., S. 27.
44
II. Hypotheseformulierung im Prozeß der Absatzforschung
hohen Grad genereller Gültigkeit der betreffenden wissenschaftlichen Aussagen können Hypothesen, i n denen die Brauchbarkeit dieser Aussagen zur Beurteilung absatzpolitischer Maßnahmen behauptet wird, ungültig sein, wenn die Bedingungen und Voraussetzungen ihrer Gültigkeit nicht vorhanden sind. Hypothesen über die Anwendbarkeit von Aussagen über den Verlauf von bewußt gesteuerten Entscheidungsprozessen zur Erklärung eines bestimmten Käuferverhaltens sind z. B. dann ungültig, wenn das Verhalten der Käufer beim Kauf bestimmter Produkte vornehmlich auf Impuls- oder Gewohnheitsverhalten beruht. I n der Absatzforschung werden Hypothesen nicht i n erster Linie danach beurteilt, ob sie zur Vermehrung des Wissens über ein bestimmtes Erkenntnisobjekt beitragen, sondern ob sie dazu führen, daß optimale Entscheidungen getroffen werden. Nicht der Erkenntniswert der auf Grund einer Hypothese gewonnenen Informationen, sondern die Verwertbarkeit der gewonnenen Informationen für absatzpolitische Entscheidungen steht bei der Formulierung der Hypothesen i m Vordergrund 5 8 . Es liegt nahe, den Grad der generellen Gültigkeit einer Absatzforschungshypothese ausschließlich an der Zahl der verschiedenen Arten absatzpolitischer Entscheidungen zu messen, für die die hypothetische Aussage über den Einfluß bzw. die Bedeutung bestimmter Determinanten oder Indikatoren des Erfolgs Gültigkeit besitzt. Dies wäre jedoch zu eng. Da neben dieser, zweifellos sehr wichtigen, Möglichkeit noch einige andere Möglichkeiten bestehen, verschiedene Informationszwecke abzuleiten und zu identifizieren, ist es nötig, nicht nach der Gültigkeit einer Absatzforschungshypothese für verschiedene Arten von Entscheidungen sondern allgemein nach der Gültigkeit einer Absatzforschungshypothese für verschiedene Arten von Informationszwecken zu fragen 59 . U m diese Frage beantworten zu können, müssen zunächst zumindest die wesentlichsten Grundtypen unterschiedlicher Informationszwecke formuliert und systematisiert werden, für die i n der Absatzforschung Informationen gewonnen werden sollen. Welchen Einfluß verschiedene typische Informationszwecke auf den Inhalt der Hypothesen zur Definition der relevanten Gegenstände der Informationsgewinnung und auf die A r t des Auffindens der Hypothesen haben, w i r d ausführlich noch i m IV. Abschnitt zu erörtern sein. 58 Vgl. hierzu den Begriff „technological theories" bei Bunge, M., Scientific Research, Bd. II, a.a.O., S. 122. 59 Vgl. hierzu Kollat, D. T., Engel, J. F., Blackwell, R. D., Current Problems in Consumer Behavior Research, in: Journal of Marketing Research, Vol. II, August 1970, S. 329 f.
2. Die charakteristischen Merkmale der Hypothesen
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2411. Formale Anforderungen an die Informationen Unter formalen Anforderungen sollen jene Kriterien verstanden werden, denen Informationen jeglicher A r t i n einem bestimmten Mindestmaß genügen müssen, wenn sie die verschiedenen, aus Entscheidungen ableitbaren und auf Entscheidungen bezogenen Informationszwecke erfüllen sollen. Kriterien der formalen Anforderungen an die Information sind z. B. die Genauigkeit, die Vollkommenheit, die Relevanz oder die Kostenwirtschaftlichkeit von Informationen 6 0 . Ob und inwieweit Informationen verschiedene dieser Kriterien erfüllen, kann nur i n Verbindung m i t einem konkreten, entscheidungsbezogenen Informationszweck beurteilt werden. Die Relevanz einer Information z. B. läßt sich nur anhand des entscheidungsbezogenen Zwecks feststellen, für den relevante Informationen gewonnen werden sollen. Ob eine Information über Veränderungen auf dem M a r k t für ein bestimmtes Produkt für einen bestimmten Unternehmer relevant sind, hängt davon ab, ob der Unternehmer sich auf diesem Markt betätigt oder betätigen w i l l oder ob diese Veränderungen Auswirkungen auf seinen M a r k t haben. Ob also Hypothesen über die Relevanz bestimmter Variablen bzw. über die Relevanz bestimmter Informationen über diese Variablen für bestimmte Informationszwecke Gültigkeit besitzen, kann letztlich nur dann beurteilt werden, wenn die betreffenden Informationszwecke festgelegt sind. I m Gegensatz dazu können Hypothesen über Variablen oder Variablensysteme, von denen die Genauigkeit oder Richtigkeit bestimmter Informationsinhalte beeinflußt wird, unabhängig von einem konkreten, entscheidungsbezogenen Informationszweck auf ihre Gültigkeit h i n überprüft werden 61 . Hypothesen über die Variablen, von denen die Genauigkeit der i n der Absatzforschung gewonnenen Informationen beeinflußt wird, können durchaus m i t dem Anspruch genereller, nicht unbedingt informationszweckbezogener Gültigkeit formuliert werden. Erwähnt seien Hypothesen über die Störfaktoren i n Befragungs- und Experimentalsituationen, durch die die Genauigkeit oder Richtigkeit aller möglichen Informationsinhalte vermindert oder i n Frage gestellt werden. 2412. Generelle entscheidungsbezogene Informationszwecke Bei der Untersuchung des Gültigkeitsanspruchs der Hypothesen für einen oder mehrere entscheidungsbezogene Informationszwecke erweist es sich als sinnvoll, die Informationszwecke zunächst nach dem Grad ihrer Spezifiziertheit zu systematisieren. 60 61
Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschnitt IV, 1. Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschnitt IV, 13.
4 6 I I .
Hypotheseformulierung im Prozeß der Absatzforschung
Relativ generelle oder wenig spezifizierte entscheidungsbezogene Informationszwecke sind solche, die jeweils bei der Vorbereitung sehr vieler, verschiedenartiger Entscheidungen verfolgt werden müssen. Ein sehr genereller Informationszweck ist z. B. „Strukturierung von Entscheidungssituationen". Diesem kaum noch genereller zu formulierenden Informationszweck lassen sich alle Informationszwecke subsumieren, die erfüllt sein müssen, u m alle möglichen Arten von Entscheidungen vorzubereiten. Aus diesem sehr allgemein formulierten Informationszweck lassen sich verschiedene, operationale Informationszwecke ableiten, die erfüllt sein müssen, wenn Entscheidungssituationen strukturiert sein sollen. Auch diese operationalen Zwecke haben insofern generellen Charakter, als sie sich anhand der A r t der jeweiligen Entscheidung spezifizieren lassen, die es i m konkreten Einzelfall vorzubereiten gilt. Die Ableitung von Informationszwecken, die zur Strukturierung von Entscheidungssituationen verfolgt werden müssen, setzt eine genaue Definition dessen voraus, was unter einer strukturierten Entscheidungssituation verstanden werden soll. Folgende Merkmale kennzeichnen eine strukturierte Entscheidungssituation: a) Das Problem, das durch eine Entscheidung, d.h. durch die Wahl einer bestimmten Alternative, gelöst werden soll, muß eindeutig definiert sein. Das wiederum bedeutet, daß der Zustand, der als Lösung des Problems angesehen wird, so eindeutig definiert ist, daß nach der Wahl einer bestimmten Alternative eindeutig und objektiv festgestellt werden kann, ob dieser Zustand erreicht wurde oder nicht 6 2 . Eine nicht eindeutig definierte Problemlösimg würde z. B. lauten: „Befriedigendes Umsatzniveau". b) Das Problem muß operational definiert sein, d. h. es muß so definiert sein, daß die Menge der Alternativen, die zur Lösung i n Frage kommen, relativ begrenzt und überschaubar ist. W i r d unter Problem allgemein eine Abweichung des tatsächlichen Erfüllungsgrades eines Zieles von dem gewünschten Erfüllungsgrad des Zieles angesehen, so sind Probleme operational definiert, wenn es sich u m Abweichungen des Erfüllungsgrades von operationalen Zielen handelt 63 . Abweichungen von den gewünschten Erfüllungsgraden nicht operationaler, globaler Ziele können auf Abweichungen von gewünschten Erfüllungsgraden vieler Subziele beruhen, die zu den globalen Zielen i n einer Mittel-Zweck-Beziehung stehen. I m Absatzbereich kann die negative Abweichung des Ist-Gesamtumsatzes einer Abrechnungsperiode von dem geplanten Gesamtumsatz als relativ allgemeines, nicht operational definiertes Problem angesehen werden. Eine Fülle von Alternativen kann i n Betracht 62 Vgl. Zettl, H., Der Prozeß der Entwicklung und Einführung betriebswirtschaftlicher Informationssysteme, a.a.O., S. 101 und S. 109. 63 Vgl. Bunge, M., Scientific Research, Bd. I, a.a.O., S. 200.
2. Die charakteristischen Merkmale der Hypothesen
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gezogen werden, dieses Problem zu lösen. Erst wenn es gelingt, die A b weichungen des Gesamtumsatzes auf Abweichungen des Umsatzes bei einzelnen Produkten oder Produktgruppen, bei einzelnen Kundengruppen, auf einzelnen regionalen Märkten sowie i n bestimmten Zeitabschnitten zurückzuführen, kann gezielter bei der Identifikation erfolgversprechender Lösungsmöglichkeiten vorgegangen werden. c) Die zur Auswahl stehenden Alternativen müssen bekannt sein 64 . I n Situationen, i n denen erst neue Möglichkeiten zur Problemlösung gefunden werden müssen, beispielsweise neue Produkte oder neue Werbeideen, kann diese Bedingung bereits ex definitione nicht erfüllt sein. Wenn nicht aus schon bekannten Alternativen ausgewählt werden kann, dann kann nicht mehr von einer strukturierten Entscheidungssituation gesprochen werden 65 . d) Die Konsequenzen der für die Problemlösung zur Auswahl stehenden Alternativen müssen von vornherein exakt feststellbar sein 66 . Die Erfüllung der ersten und zweiten Bedingung, d. h. die Strukturierung des Problems, führt i n vielen Fällen dazu, daß verschiedene Alternativen von vornherein eindeutiger hinsichtlich ihrer Eignung für die Lösung des Problems beurteilt werden können. Das muß jedoch nicht der Fall sein. Gerade i m Absatzbereich sind viele Situationen denkbar, i n denen selbst bei einem relativ eindeutig und relativ operational definierten Problem keineswegs gesagt werden kann, welche Alternativen sich zur Lösung des Problems eignen und welche nicht. Angenommen das Problem „unbefriedigender Gesamtumsatz" ist zurückgeführt worden auf das Problem „30 °/oiger Umsatzrückgang bei dem Produkt A " . Zur Lösung dieses Problems kann z. B. eine Variation des Verkaufspreises von Produkt A i n der nächsten Periode i n Betracht gezogen werden. Die Konsequenzen dieser Preisvariation können nur bei genauer Kenntnis der Preis-Absatzfunktion für das Produkt A i n der nächsten Periode vorherbestimmt werden. Die Gestalt und die Lage von Preis-Absatzfunktionen werden jedoch kaum vorherbestimmt werden können. Entscheidungssituationen, die den eben genannten vier Bedingungen genügen und somit vollständig strukturiert sind, kommen i n der Realität i m Absatzbereich kaum vor. I m Rahmen des Operations-Research w i r d zwar versucht, für bestimmte, eindeutig strukturierte Probleme eindeutige Lösungsmöglichkeiten abzuleiten, wobei jedoch diese Ableitungen 64
Vgl. Zettl, H., a.a.O., S. 100 f. Vgl. Zettl, H., a.a.O., S. 100 ff.; Dichtl, E., Über Wesen und Struktur absatzpolitischer Entscheidungen, Berlin 1967, S. 31. 66 Vgl. hierzu Heinen, E., Das Zielsystem der Unternehmung, a.a.O., S. 21; Nieschlag, R., Dichtl, E., Hörschgen, H., Marketing, a.a.O., S. 405. 65
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II. Hypotheseformulierung im Prozeß der Absatzforschung
auf mehr oder minder eindeutigen Annahmen über die Konsequenzen relativ weniger zur Auswahl stehender Lösungsalternativen beruhen 67 . Sobald eine Entscheidungssituation i n der Realität so vollständig strukturiert ist, daß m i t den Methoden des Operations-Research optimale Problemlösungen errechnet werden können, bedarf es keiner Informationen zur Strukturierung der betreffenden Entscheidungssituation mehr. Situationen, i n denen absatzpolitische Entscheidungen zu treffen sind, sind niemals von vornherein vollständig strukturiert, oft jedoch so gut wie nicht strukturiert und werden sich auch i n den seltensten Fällen vollständig strukturieren lassen 68 . Es müssen also i m Rahmen der A b satzforschung Informationen gewonnen werden, die jeweils reale Entscheidungssituationen dem Idealzustand der vollständigen Strukturiertheit möglichst nahebringen. Aus den Merkmalen oder Bedingungen der vollständigen Strukturiertheit lassen sich die verschiedenen operationalen Informationszwecke ableiten, deren Erfüllung dem Ziel der Strukturierung von Entscheidungssituationen dient. Folgende generelle Informationszwecke, die zur Strukturierung jeder Entscheidungssituation erfüllt werden müssen, lassen sich unterscheiden: a) Definition von Problemen Ohne die Formulierung eines Problems kann keine echte Entscheidungssituation entstehen. U m bei der Wahl zwischen mehreren Handlungsalternativen zweckrational vorgehen zu können, muß das Problem definiert sein, daß m i t der Auswahl einer Alternative am besten gelöst werden soll 69 . Informationen zur Definition von Problemen sind allgemein Informationen über Abweichungen zwischen dem angestrebten und dem tatsächlichen Wert einer bestimmten Zielvariablen. Diese Informationen können gleichzeitig auch als Informationen zur Kontrolle des Erfolgs absatzpolitischer Alternativen bezeichnet werden 70 . Solange die Konsequenzen der Alternativen gleichbedeutend mit der Erfüllung der angestrebten Ziele sind, solange entsteht kein Problem und solange können auch keine Informationen über ein Problem gewonnen werden. Die Informationen über Zielabweichungen sollen ein Problem möglichst eindeutig definieren. Dies bedeutet, daß Informationen über den genauen Umfang der Abweichungen vorliegen müssen. Weiterhin sollen die Informationen zum Zweck der Problemdefinition das Problem auf einer möglichst operationalen Ebene lokalisieren. Das 67 68 9 « 70
Vgl. Zettl, H., a.a.O., S. 12. Vgl. Nieschlag, R, Dichtl, E., Hörschgen, H., Marketing, a.a.O., S. 404 ff. Vgl. ebenda, S. 327 ff. und S. 378 ff. Vgl. hierzu: Heinen, E., Das Zielsystem der Unternehmung, a.a.O., S. 22 f.
2. Die charakteristischen Merkmale der Hypothesen
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heißt, wenn Abweichungen zwischen Ist- und Soll-Werten einer globalen Zielvariablen auf Abweichungen zwischen Ist- und Soll-Werten bestimmter, operationaler Unterziele m i t einem Mittel-Zweck-Bezug zum globalen Oberziel zurückgeführt werden können, dann sollen Informationen über die Abweichungen der betreifenden Unterziele gewonnen werden. Die Informationen über Abweichungen von Unterzielen können eher dem Zweck der Strukturierung von Entscheidungssituationen dienen, da aus ihnen eher auf die Problemursachen geschlossen werden kann und damit gleichzeitig auch eher die Menge der i n Frage kommenden Alternativen zur Lösung des Problems eingegrenzt werden kann 7 1 . b) Identifikation von Problemursachen 72 Können auf Grund bestimmter Informationen über die negativen A b weichungen operationaler Teilziele Probleme auf einer operationalen Ebene lokalisiert werden, so dienen diese Informationen gleichzeitig dem Zweck der Identifikation von Problemursachen. Dieser Informationszweck muß i m logischen Ablauf des Strukturierungsvorgangs von Entscheidungssituationen als nächster erfüllt werden. Der Anlaß zur Identifikation von Problemursachen kann eine Information über eine akute und bedrohliche Abweichung des tatsächlichen Erfolgs einer bestimmten absatzpolitischen Maßnahme oder Konzeption vom erwarteten Erfolg sein. Daneben kann aber auch eine nicht durch konkrete Zielinhalte zu beschreibende permanente Unzufriedenheit eines Entscheidungsträgers m i t der gegenwärtigen Situation zur Identifikation von Problemursachen führen. Diese permanente Unzufriedenheit oder, wenn man so w i l l , schöpferische Unruhe, ist es, die einen Unternehmer auch dann ständig nach Veränderungen und neuen Möglichkeiten i n der Umwelt des Unternehmens Ausschau halten läßt, wenn i n der gegenwärtigen Situation die Erfolge der bereits getroffenen Entscheidungen noch durchaus den Erwartungen entsprechen. Das Problem w i r d i n diesem Fall i n dem Augenblick definiert, i n dem der so permanent Suchende ein Datum oder eine Entwicklung i n der Umwelt wahrgenommen hat, deren Berücksichtigung durch konkrete absatzpolitische Maßnahmen Erfolg verspricht. Zugleich m i t dem Erkennen der Veränderung einer bestimmten Umweltvariablen als M a r k t chance des Unternehmens konkretisiert sich beim Entscheidungsträger das Gefühl der permanenten, unbestimmten Unzufriedenheit i n ganz bestimmten, anzustrebenden Zielinhalten. Z. B. können die zunehmende Dichte des Individualverkehrs und die damit verbundenen negativen Folgen einen Automobilhersteller zu der Formulierung des konkreten Zieles veranlassen, i n Zukunft seinen Marktanteil durch die Entwick71 72
Vgl. Kotler, Ph., Marketing Management, a.a.O., S. 196. Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschnitt IV, 21.
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lung von Verkehrsmitteln zu verteidigen, die diese negativen Folgen beseitigen oder zumindest abschwächen helfen. Dadurch, daß eine bestimmte Umweltveränderung als Marktchance identifiziert w i r d und zur Formulierung konkreter absatzpolitischer Zielinhalte führt, w i r d eben diese Umweltveränderung zur Problemursache. Das Ziel ist zwar nun konkret formuliert, aber noch lange nicht erreicht. Informationen über Veränderungen von Umweltfaktoren, die für ein Unternehmen neue Marktchancen eröffnen, können also gleichzeitig als Informationen zur Formulierung konkreter Zielinhalte und damit zur Definition von Problemen sowie als Informationen zur Erkennimg von Problemursachen interpretiert werden. c) Identifikation von Alternativen Nachdem die Problemursachen erkannt worden sind, müssen I n formationen zur Beseitigung der Problemursachen gewonnen werden. Die Identifikation von absatzpolitischen Maßnahmen ist ein Informationszweck, zu dessen Erfüllung i m Rahmen der Absatzforschung zumindest unmittelbar keine Hypothesen formuliert werden müssen. Es geht hier ja ausschließlich darum, Gestaltungsmaßnahmen zu finden. Diesem Zweck dienen z. B. vornehmlich die Techniken zum Auffinden von Produkt« oder Werbeideen. Mittelbar können Informationen über Probleme und Problemursachen dem Zweck des Auffindens von Gestaltungsalternativen jedoch insofern dienen, als sich aus ihnen oft relativ leicht Maßnahmen für die Problemlösung ableiten lassen. d) Beurteilung von Alternativen U m die beste Auswahl unter den verschiedenen möglichen Maßnahmen treffen zu können, müssen Informationen über die zu erwartenden Konsequenzen der Maßnahmen gewonnen werden 73 . Informationen zur Beurteilung einer Maßnahme können vor oder nach dem Zeitpunkt gewonnen werden, i n dem die Maßnahme i n der Realität praktiziert wird. Vor dem Zeitpunkt des Einsatzes der Maßnahme gewonnene Beurteilungsinformationen sind Prognoseinformationen über die zu erwartenden Konsequenzen der Maßnahme. Nach dem Zeitpunkt des Einsatzes gewonnene Informationen sind Kontrollinformationen, die der E r m i t t lung des tatsächlichen Erfolgs der Maßnahme dienen 74 . Prognoseinformationen über die zu erwartenden Konsequenzen absatzpolitischer Maßnahmen dienen ebenfalls gleichzeitig dem Zweck der 73
Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschnitt IV, 22. Vgl. Opitz, L., Prognosen in der Marktforschung, a.a.O., S. 13; Nieschlag, R., Dichtl, E., Hörschgen, H., Marketing, a.a.O., S. 531 u. S. 563. 74
2. Die charakteristischen Merkmale der Hypothesen
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eindeutigen Formulierung der Inhalte absatzpolitischer Ziele und dem Zweck der Eingrenzung möglicher, i n Zukunft auftretender Problemursachen. U m die Konsequenzen einer absatzpolitischen Maßnahme für die Zukunft abschätzen zu können, müssen gleichzeitig die Faktoren auf dem M a r k t bekannt sein, die den Erfolg der Maßnahme i n der Zukunft determinieren. Die prognostizierten Konsequenzen einer absatzpolitischen Alternative sind gleichzeitig die i n der Realität zu erwartenden Erfüllungsgrade absatzpolitischer Ziele. Nach der Entscheidung für eine Alternative und dem Beginn ihres Einsatzes auf dem M a r k t setzt die Informationsgewinnung zur Kontrolle des tatsächlichen Markterfolgs der absatzpolitischen Alternative ein. Die Kontrollinformationen werden i n dem Augenblick zu Informationen zum Zweck der Problemdefinition, i n dem sie Abweichungen zwischen dem tatsächlichen und dem als wünschenswert angesehenen Erfolg der Alternative i n Gestalt der negativen Abweichung des Erfüllungsgrades bestimmter absatzpolitischer Ziele signalisieren. Führen allerdings diese Kontrollinformationen bei dem verantwortlichen Entscheidungsträger nicht dazu, daß er das Problem durch bestimmte andere Maßnahmen beseitigen w i l l , sondern dazu, daß er sein Anspruchsniveau bezüglich des Erfüllungsgrades der betreffenden absatzpolitischen Ziele reduziert, so dienen die Kontrollinformationen i n diesem Fall einer Neuformulierung von Zielinhalten. Das Problem ist ex definitione durch Reduktion des Anspruchsniveaus aus der Welt geschafft 75. Durch dieses Verhalten werden jedoch die realen Problemursachen nicht beseitigt, sondern nur ignoriert. Der betreffende Entscheidungsträger i n einem Unternehmen sieht sich dann meist zu weiteren Reduktionen des Anspruchsniveaus oder zu einem, oft zu späten Eingeständnis des Problems gezwungen. Diese Darstellung der Informationszwecke zur Strukturierung von Entscheidungssituationen unterscheidet sich von den üblichen Darstellungen der Phasen von Entscheidungsprozessen 76 dadurch, daß die Zielformulierung und die Anregung oder Ingangsetzung des Entscheidungsprozesses nicht als eigene Informationszwecke aufgeführt wurden. Aus der Darstellung der angeführten Informationszwecke wurde deutlich, daß die Zielformulierung häufig zugleich m i t der Gewinnung von Informationen über Problemursachen oder über die zu erwartenden oder tatsächlichen Konsequenzen von Alternativen erfolgt. Jede andere 78
Vgl. Zettl, H., a.a.O., S. 154. Vgl. u. a. Kühn, H., Möglichkeiten rationaler Entscheidung im Absatzbereich, a.a.O., S. 12 ff.; Keinen, E., Das Zielsystem der Unternehmung, a.a.O., S. 27. 76
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II. Hypotheseformulierung im Prozeß der Absatzforschung
A r t der Zielformulierung erfolgt autonom, d.h. ohne die Verarbeitung bestimmter, ausdrücklich für diesen Zweck gewonnener Informationen, und scheidet daher als Informationszweck aus. Der Informationszweck „Gewinnung von Informationen zur Anregung oder Ingangsetzung von Entscheidungsprozessen" erweist sich als zu global und zur Beurteilung bestimmter Informationsinhalte als wenig geeignet. Letzten Endes kann die Verfolgung aller Informationszwecke, die eben angeführt wurden, dazu dienen, Entscheidungsprozesse i n Gang zu setzen. Das ist für Informationen zur Definition von Problemen ohne weiteres einzusehen. Informationen zur Identifikation von Problemursachen können aber ebenso, wie gezeigt wurde, Informationen zur Definition von Problemen sein, desgleichen Kontrollinformationen zur ex-post Beurteilung von Alternativen. Schließlich lassen sich Informationen zur Identifikation von Handlungsalternativen dann als Anregungsinformationen interpretieren, wenn ein Entscheidungsträger ohne Vorliegen eines Problems von einer Alternative erfährt, die ein großer Erfolg zu werden verspricht. Die dargestellten Informationszwecke zur Strukturierung von Entscheidungssituationen haben insofern generellen Charakter, als sie i n allen möglichen Arten von Entscheidungssituationen erfüllt sein müssen. Jeder dieser Zwecke läßt sich nach den verschiedensten Arten absatzpolitischer Entscheidungen spezifizieren. A u f Grund der unterschiedlichen Spezifizierungsmöglichkeiten der generellen Informationszwecke erscheint es überflüssig zu untersuchen, ob inhaltlich konkrete hypothetische Aussagen über die Bedeutung bestimmter Gegenstände der Informationsgewinnung für einen nicht weiter spezifizierten, generellen Informationszweck Gültigkeit besitzen. Dagegen erscheint es durchaus möglich, Aussagen über bestimmte Prinzipien und Techniken der Hypothesenformulierung und über bestimmte generelle Eigenschaften der i n den hypothetischen Aussagen verwendeten Variablen und Variablenbeziehungen zu machen, die jeweils für einen generellen Informationszweck und damit auch für alle Spezifizierungsmöglichkeiten dieses generellen Informationszwecks Gültigkeit besitzen. So sind z. B. Hypothesen über die Beziehungen zwischen operationalen Subzielen und globalen Oberzielen i m Absatzbereich für die generellen Informationszwecke „Eingrenzung von Problemursachen" und „Beurteilung der Konsequenzen von absatzpolitischen Maßnahmen" besonders bedeutsam. Das Prinzip der Schlußfolgerung und die Analyse der Veränderungen der nach Herkunftsbereichen systematisierten Determinanten des Käuferverhaltens ist speziell für den generellen Informations-
2. Die charakteristischen Merkmale der Hypothesen
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zweck „Identifikation von Problemursachen und Marktchancen" von Bedeutung 77 . 2413. Spezifizierte entscheidungsbezogene Informationszwecke Die weiteren Spezifizierungsmöglichkeiten genereller Informationszwecke ergeben sich aus den Spezifizierungsmöglichkeiten absatzpolitischer Entscheidungen. 24131. Entscheidungsklassenbezogene Informationszwecke Eine erste Stufe der Spezifizierung absatzpolitischer Entscheidungen ist die Klassifizierung anhand jeweils eines bestimmten Merkmals. I n einer zweiten Stufe der Spezifizierung lassen sich durch Kombinationen der verschiedenen Klassifizierungsmerkmale Typen absatzpolitischer Entscheidungen bilden. Klassifizierung von absatzpolitischen Entscheidungen bedeutet, daß die Entscheidungsarten anhand der verschiedenen Merkmalsausprägungen jeweils eines Klassifizierungsmerkmals gebildet werden 78 . Die wesentlichsten Klassifizierungsmöglichkeiten absatzpolitischer Entscheidungen seien kurz dargestellt. a) Klassifizierung nach der Weite des Entscheidungsspielraums Die Weite des Handlungs- oder Entscheidungsspielraumes, den ein Entscheidungsträger i m Absatzbereich hat, ist i m Grund genommen nichts anderes als der Grad der Determiniertheit der Entscheidungssituation durch vorher getroffene Entscheidungen. Entscheidungen, die i n geringem Maß von anderen Entscheidungen determiniert sind, ihrerseits aber den Spielraum bei vielen anderen, nachfolgenden Entscheidungen einengen, sind Globalentscheidungen, wie z. B. Entscheidungen über langfristige Konzeptionen i m Bereich der Produktpolitik oder Entscheidungen für bestimmte Absatzwege 79 . Beim Fällen absatzpolitischer Globalentscheidungen sieht sich der Entscheidungsträger meist einer relativ unstruktierten Entscheidungssituation gegenüber. Die Formulierung von Hypothesen über relevante Determinanten oder Indikatoren des Erfolges von absatzpolitischen Globalentscheidungen ist deshalb relativ schwierig, w e i l bei einer großen Zahl möglicher Handlungsalternativen der Kreis möglicher Determinanten oder Indikatoren des Erfolgs sehr groß ist. b) Klassifizierung nach der A r t des Produkts oder der Dienstleistung Diese Klassifizierung ist insofern problematisch, als sich wiederum viele Merkmale anführen lassen, nach denen sich Produkte oder Dienst77 78 79
Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschnitt IV, 2. Vgl. Weber, H. K., Absatzmarkt, a.a.O., S. 44 f. Vgl. Nieschlag, R., Dichtl, E., Hörschgen, H., Marketing, a.a.O., S. 128.
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II. Hypotheseformulierung im Prozeß der Absatzforschung
leistungen klassifizieren lassen, so z. B. nach der A r t des Verwendungszwecks oder nach bestimmten natürlichen Eigenschaften der Produkte 8 0 . Das System der Variablen, von welchen der Erfolg aller absatzpolitischen Entscheidungen eines Unternehmens abhängt, die zum Absatz eines bestimmten Produkts oder einer bestimmten Dienstleistung gefällt werden, kennzeichnet den unternehmenssubjektiven M a r k t für das betreffende Produkt oder die betreffende Dienstleistung. Unternehmenssubjektiv ist dieser M a r k t deshalb zu bezeichnen, w e i l er die Gesamtheit aller Variablen enthält, die den Erfolg der absatzpolitischen Maßnahmen eines bestimmten Unternehmens auf dem Markt des betreffenden Produkts beeinflussen 81 . Gegenstand der Hypothesenformulierung werden i n erster Linie die Variablen sein, die den Erfolg der absatzpolitischen Maßnahmen eines Unternehmens auf einem bestimmten Produktmarkt i n der Zukunft bestimmen. U m zu gesicherten Hypothesen über die auf diesem potentiellen, unternehmenssubjektiven M a r k t für ein bestimmtes Produkt wirksamen Variablen zu gelangen, ist es jedoch auch notwendig, Hypothesen über den Einfluß bestimmter Variablen i n der Vergangenheit zu machen. Ein kurzer Blick auf die Verschiedenartigkeit der Verhältnisse auf den Märkten für unterschiedliche Produkte und Dienstleistungen zeigt, daß Hypothesen über die Bedeutung bestimmter Determinanten oder Indikatoren des Marktgeschehens i n aller Regel nur für absatzpolitische Entscheidungen auf einem unternehmenssubjektiven M a r k t für ein ganz bestimmtes Produkt oder für eine ganz bestimmte Dienstleistung Gültigkeit besitzen. c) Klassifizierung nach der A r t der eingesetzten absatzpolitischen Instrumente 82 Wie noch ausführlicher zu zeigen sein wird, lassen sich i n begrenztem Umfang Aussagen über Determinanten und Indikatoren des Erfolgs absatzpolitischer Maßnahmen machen, die generelle Gültigkeit für alle Gestaltungsmaßnahmen jeweils eines bestimmten absatzpolitischen Instruments haben. So sind z. B. gewisse Variablen, die die menschliche Wahrnehmung bestimmen, für alle möglichen Arten von Entscheidungen i m Rahmen der Werbemittelgestaltung relevant. Für Entscheidungen i m Rahmen der verschiedenen absatzpolitischen Instrumente, etwa für Standortentscheidungen, für Entscheidungen über den Kundendienst oder für preispolitische Entscheidungen werden jeweils unterschiedliche 80 Vgl. Nieschlag, R., Dichtl, E., Hörschgen, H., Marketing, a.a.O., S. 155f.; Weber, H. K , Absatzmarkt, a.a.O., S. 103 ff. 81 Vgl. Weber, W. K., Absatzmarkt, a.a.O., S. 17 ff. M Vgl. Nieschlag, R., Dichtl, E., Hörschgen, H., a.a.O., S. 113—305.
2. Die charakteristischen Merkmale der Hypothesen
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Variablen oder Variablensysteme als Erfolgsdeterminanten von Bedeutung sein. d) Klassifizierung nach der A r t des Einsatzes der absatzpolitischen Instrumente Anhand des Merkmals „ A r t des Einsatzes der absatzpolitischen Instrumente" lassen sich jene Entscheidungen klassifizieren, durch die die absatzpolitische Konzeption eines Unternehmens festgelegt wird. Folgende Klassen von Entscheidungen können hierbei unterschieden werden: da) Entscheidungen über die Gestaltung der einzelnen absatzpolitischen Instrumente, db) Entscheidungen über die Aufteilung der absatzpolitischen A k t i v i täten 88 . Z u da: Die Feststellung, daß für Entscheidungen über Gestaltungsmaßnahmen der verschiedenen Instrumente jeweils unterschiedliche Systeme relevanter Variablen zu berücksichtigen sind, bedarf einer Modifikation. Es ist durchaus möglich, bei der Gestaltung verschiedener Instrumente das gleiche Prinzip anzuwenden oder zu berücksichtigen. So werden z. B. bei der Anwendung des Discountprinzips Sortimentspolitik, Preispolitik, Kundendienst und Werbung i n einer ganz bestimmten, einheitlichen oder aufeinander abgestimmten Weise gestaltet 84 . Von einem bestimmten Gestaltungsprinzip absatzpolitischer Instrumente kann insbesondere dann gesprochen werden, wenn bei der Gestaltung der verschiedenen Instrumente jeweils die besonderen Eigenarten und Bedürfnisse eienr ganz bestimmten Käufergruppe berücksichtigt werden. U m den Erfolg der einzelnen absatzpolitischen Maßnahmen zu berücksichtigen, ist es notwendig, neben den Variablen, von denen generell der Erfolg aller Gestaltungsmöglichkeiten eines bestimmten Instruments abhängt, auch noch alle Variablen zu berücksichtigen, von denen der Erfolg eines Gestaltungsprinzips abhängt. Hypothesen über die Variablen, die den Erfolg eines bestimmten Gestaltungsprinzips determinieren — etwa die besonderen Merkmale der Mitglieder einer Käufergruppe, die als Zielgruppe absatzpolitischer Bemühungen ausgewählt wurde —, können Gültigkeit für alle, dem Prinzip entsprechenden Gestaltungsmaßnahmen verschiedener absatzpolitischer Instrumente haben. Desgleichen können diese Hypothesen Gültigkeit bei verschiedenen Arten 83
Vgl. Nieschlag, R., Dichtl, E., Hörschgen, H., Marketing, a.a.O., S. 369 ff. Vgl. Rehmann, K., Das Discount-Prinzip und seine Anwendung im deutschen Discounthaus — Die Betrachtung einer betrieblichen Entscheidungsform auf der Grundlage marktorientierter Unternehmenspolitik, Diss. München 1966. 84
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II. Hypotheseformulierung im Prozeß der Absatzforschung
von Produkten oder Dienstleistungen haben, die nach diesem Prinzip gestaltet wurden. Z u db: Eine der Möglichkeiten, absatzpolitische Aktivitäten aufzuteilen, besteht i n der Konzentration der absatzpolitischen Bemühungen auf eine oder mehrere Abnehmergruppen 85 . Aus diesem Grund können Entscheidungen über die Anwendung eines bestimmten Gestaltungsprinzips, das den Bedürfnissen einer Abnehmergruppe besonders Rechnung tragen soll, nicht unabhängig von den Entscheidungen zur Aufteilung der absatzpolitischen Aktivitäten auf verschiedene Abnehmergruppen bzw. zur Konzentration der absatzpolitischen Aktivitäten auf eine bestimmte Gruppe getroffen werden. Deshalb haben auch Hypothesen i n der Absatzforschung über jene Variablen, anhand derer sich verschiedene Käufergruppen unterscheiden lassen, insofern generelle Gültigkeit, als sie sowohl für die Gestaltungsentscheidungen als auch für die Entscheidungen über die Aufteilung des absatzpolitischen Aktivitätsniveaus auf verschiedene Käufergruppen relevant sind. Weitere Möglichkeiten zur Aufteilung des absatzpolitischen A k t i v i tätsniveaus bieten die verschiedenen Produkte oder Produktgruppen, verschiedene absatzpolitische Instrumente oder verschiedene Zeitabschnitte. 24132. Entscheidungstypenbezogene Informationszwecke Die zweite Stufe der Spezifizierung absatzpolitischer Entscheidungen stellt die Typisierung der Entscheidungen dar. Typisierung der Entscheidungen bedeutet, daß zu ihrer Beschreibung nicht, wie bei der Klassifizierung, nur ein Merkmal bzw. eine Merkmalsausprägung, sondern mehrere Merkmale bzw. Merkmalsausprägungen verwendet werden 86 . Die absatzpolitischen Entscheidungen, die i n der Realität gefällt werden, lassen sich zwar i n die eine oder andere Klasse jeweils einer bestimmten Kategorie einordnen, sind aber letztlich immer Entscheidungstypen, da sie nur durch mehrere Merkmale vollständig charakterisiert werden können. Eine absatzpolitische Entscheidung läßt sich z. B. zunächst als Entscheidung auf dem M a r k t für Photoapparate, also nach dem Merkmal „ A r t des Produkts" klassifizieren. Durch Kombination der Ausprägung dieses Merkmals m i t einer bestimmten Ausprägung des Merkmals „ A r t des eingesetzten absatzpolitischen Instruments" könnte sich die Entscheidung z.B. als Entscheidung über den Einsatz von Werbeträgern auf dem M a r k t für Photoapparate typisieren lassen. M i t Hilfe des Merkmals „ A r t des Einsatzes der absatzpolitischen Instru85 86
Vgl. Kotler, Ph., Marketing Management, a.a.O., S. 56 ff. Vgl. Weber, H. E., Absatzmarkt, a.a.O., S. 93 f.
2. Die charakteristischen Merkmale der Hypothesen
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mente" könnte sich die Entscheidung schließlich relativ eindeutig als Entscheidung über die zeitliche Aufteilung des Werbeträgereinsatzes auf dem M a r k t für Photoapparate spezifizieren lassen. I n der Realität werden Informationen für Entscheidungstypen gewonnen, die sich durch mehrere Merkmale charakterisieren oder, anders ausgedrückt, die sich zugleich mehreren Entscheidungsklassen zuordnen lassen. Zumindest gedanklich kann nun das System der Variablen, die i m Rahmen der Hypothesenformulierung als Determinanten des Erfolgs eines bestimmten Entscheidungstyps identifiziert werden, i n Teilsysteme aufgeteilt werden, die jeweils für eine der verschiedenen Klassen relevant sind, welchen der betreffende Entscheidungstyp zugleich zugeordnet werden kann. Für den eben beispielhaft spezifizierten Entscheidungstyp kann das System der Variablen, die den Erfolg dieser Entscheidung determinieren, als eine Kombination oder als ein Zusammenwirken dreier verschiedener Teilsysteme angesehen werden. Das System kann als eine Kombination aus dem System der Variablen, die als Erfolgsdeterminanten für alle absatzpolitischen Entscheidungen auf dem M a r k t für Photoapparate relevant sind, aus dem System der Erfolgsdeterminanten, die für alle Entscheidungen i m Werbeträgerbereich Gültigkeit besitzen und aus dem System von Variablen, die speziell bei Entscheidungen über die zeitliche Aufteilung absatzpolitischer Aktivitäten zu berücksichtigen sind, interpretiert werden. Die Verschiedenartigkeit der Typen absatzpolitischer Entscheidungen bedeutet, daß die Hypothesen über die Relevanz bestimmter Variablen nur für einige oder nur für einen ganz bestimmten entscheidungstypbezogenen Informationszweck Gültigkeit besitzen. Die informationszweckbezogene Gültigkeit von Absatzforschungshypothesen kann immer dann nicht oder nur sehr schwer beurteilt werden, wenn die Formulierung der Hypothesen nicht von vornherein m i t dem Ziel erfolgt, einen oder mehrere genau definierte entscheidungsbezogene Informtionszwecke zu erfüllen 8 7 . Das bedeutet, daß vor der Identifikation relevanter Variablen als Gegenstände der Informationsgewinnung Klarheit über den Informationszweck bestehen muß, dem die Informationen über die betreffenden Variablen dienen sollen. Eine genaue Definition des Informationszweck$ muß nicht bedeuten, daß von vornherein nur ein ganz bestimmtes, eng umgrenztes System von Variablen oder etwa nür die Ausprägung oder die W i r k u n g einer bestimmten Variablen Gegenstand der Hypothesenformulierung sein kann. Gerade die Gewinnung von Informationen über mögliche Ursachen von Absatzproblemen 87 Vgl, Haseloff, O. W., Marktforschung und unternehmerische Entscheidungsplanung, a.a.O., S. 10—22, insbes. S. 16 f.
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II. Hypotheseriformulierung im Prozeß der Absatzforschung
oder über neue Möglichkeiten und Marktchancen verlangt die Berücksichtigung einer großen Zahl, ja oft aller Determinanten des Marktgeschehens. Solange ein solches, relativ weites System ausdrücklich m i t der Absicht untersucht wird, diese Informationszwecke zu erfüllen, kann die Gültigkeit der Hypothese über die Relevanz dieses Systems daran überprüft werden, ob Informationen über dieses System tatsächlich zur Entdeckung von Problemursachen oder von neuen Marktchancen beitragen. Das Fehlen einer brauchbaren Definition eines entscheidungsbezogenen Informationszwecks vor der Hypothesenformulierung i n Absatzforschungsprozessen ist gleichbedeutend m i t dem Unvermögen des verantwortlichen Entscheidungsträgers bzw. des beauftragten Marktforschers, sich darüber Klarheit zu verschaffen, wofür eigentlich Informationen benötigt werden. Von vornherein und ganz bewußt ohne Anspruch auf informationszweckbezogene Gültigkeit werden jene Hypothesen formuliert, die nicht der Erfüllung von entscheidungsbezogenen Informationszwecken, sondern der Durchsetzung von persönlichen Interessen dienen sollen 88 . Das ist immer dann der Fall, wenn absatzpolitische Maßnahmen von den dafür Verantwortlichen nachträglich gerechtfertigt oder unter Verfolgung egoistischer Ziele u m jeden Preis durchgesetzt werden sollen. Ein typisches Beispiel dafür sind unrealistische Erfolgsprognosen von absatzpolitischen Maßnahmen m i t dem Ziel, Geldgeber zur Finanzierung dieser Maßnahmen zu finden. Genügen bloße Behauptungen und geäußerte Annahmen nicht zur Durchsetzung der Interessen, so kann durchaus der Versuch gemacht werden, m i t Hilfe bestimmter, einseitig ausgewählter Daten den Anschein einer empirischen Verifizierung der betreffenden Behauptung zu erwecken. 242. Die situationsbezogene
Gültigkeit
I n der Realität werden absatzpolitische Entscheidungen, die sich ein und demselben Entscheidungstyp zuordnen lassen, i n jeweils unterschiedlichen Situationen gefällt. Die Situation, i n der eine bestimmte absatzpolitische Entscheidung getroffen wird, läßt sich als die Konstellation der verursachenden Variablen umschreiben, von der der Erfolg der Entscheidung abhängt. Die unterscheidlichen Wirkungen, die bei ein und derselben Maßnahme zu verschiedenen Zeitpunkten oder i n verschiedenen Unternehmen auf dem M a r k t zu beobachten sind, sind auf die Ver88 Vgl. Haseloff, O. W., Marktforschung und unternehmerische Entscheidungsplanung, a.a.O., S. 10 ff.; Wolf, H. E., Sevlund, M. D., Soldan, U. H., Beiträge zur Theorie des Kaufentschlusses, in: GfM-Mitteilungen 1964, Heft 1, S. 30 f.
2. Die charakteristischen Merkmale der Hypothesen
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schiedenartigkeit der Situation, d. h. auf die Unterschiede i m System der Erfolgsdeterminanten zurückzuführen. Die Verschiedenartigkeit der Entscheidungssituationen bedeutet, daß der Grad der generellen Gültigkeit der Hypothesen i n der Absatzforschung nicht allein nach der Zahl der Informationszwecke, sondern darüber hinaus auch nach der Zahl der Situationen beurteilt werden kann, für die eine bestimmte Hypothese gilt. Selbst wenn eine hypothetische Aussage nur für einen bestimmten, sehr spezifischen Informationszweck gilt, kann sie trotzdem insofern einen gewissen Grad genereller Gültigkeit besitzen, als sie über längere Zeit hinweg i n allen Situationen gilt, i n denen der betreffende Informationszweck zur Vorbereitung einer bestimmten Entscheidung erfüllt werden muß. Erst dann, wenn eine hypothetische Aussage i n der Absatzforschung nur für einen bestimmten, sehr spezifischen Informationszweck und darüber hinaus nur für eine einmalige Situation gilt, hat sie keine generelle Gültigkeit mehr. Die verschiedenartigen Entscheidungssituationen lassen sich entweder auf Unterschiede i n der absatzpolitischen Konzeption, innerhalb derer eine bestimmte Entscheidung getroffen wird, oder auf Veränderungen der vom einzelnen Unternehmen nicht zu beeinflussenden Umweltvariablen zurückführen. Absatzpolitische Entscheidungen sind keine isolierten Einzelentscheidungen, sondern Bestandteil einer Reihe von Entscheidungen, die vor und nach ihnen getroffen werden. Die Gesamtheit dieser Entscheidungen kann als absatzpolitische Konzeption bezeichnet werden 89 . Eine Entscheidung i m Rahmen dieser Konzeption steht i n vielfältigem Zusammenhang zu den übrigen Entscheidungen der Konzeption 90 . Der Spielraum, der einem Entscheidungsträger bei der Auswahl von Möglichkeiten i m Rahmen einer Einzelentscheidung gegeben ist, w i r d von vorhergegangenen Entscheidungen determiniert. Die gegenwärtige Entscheidung w i r d den Handlungsspielraum für zukünftige Entscheidungen mitbestimmen. Die Wirkung, die eine absatzpolitische Einzelentscheidung auf die Erfüllung absatzpolitischer Ziele hat, hängt zum großen Teil von den Maßnahmen ab, die vor dieser Entscheidung bereits getroffen wurden. Bei der Prognose des Erfolgs einer Entscheidung sind die Auswirkungen all jener Maßnahmen zu berücksichtigen, die i n Zukunft innerhalb des Prognosezeitraums voraussichtlich noch getroffen werden. Aussagen über A r t und Einfluß der Variablen, die den Erfolg einer Einzelmaßnahme vermutlich determinieren, müssen den Einfluß aller 89
Vgl Nieschlag, R., Dichtl, E., Hörschgen, H., Marketing, a.a.O., S. 376 f. Vgl. Nieschlag, R., Dichtl, E., Hörschgen, H., Marketing, a.a.O., S. 334 bis S. 340. w
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II. Hypotheseformulierung im Prozeß der Absatzforschung
anderen Maßnahmen auf das System dieser Erfolgsdeterminanten berücksichtigen, m i t dem die betreffende Maßnahme kombiniert wird. Es liegt nahe, als Determinanten des Erfolgs einer Kombination von absatzpoliitschen Maßnahmen die Gesamtheit der Variablen anzusehen, die den Erfolg jeder einzelnen Maßnahme i n dieser Kombination determinieren. Die Reaktion der Käufer auf die Kombination einer Preissenkung m i t dem verstärkten Einsatz bestimmter Werbemedien zu dem Zeitpunkt der Preissenkung auf dem M a r k t für einen Photoapparat wäre danach sowohl auf die Wirkung der Faktoren zurückzuführen, die die Lage und den Verlauf der Preis-Absatzfunktion für den Photoapparat bestimmen, als auch auf alle Faktoren, von denen die Wirkung des zeitlichen Einsatzes der Werbeträger auf dem M a r k t für den betreffenden Photoapparat abhängt. Nun werden zwischen diesen beiden Maßnahmen, wie dies bei den meisten Maßnahmenkombinationen i n der Absatzpolitik der Fall ist, Interdependenzen bestehen. Die Reaktion der Käufer auf die Preissenkung zu einem bestimmten Zeitpunkt hängt auch von dem Einsatz bestimmter Werbemedien zu diesem Zeitpunkt ab und die Reaktion der Käufer auf die Werbemaßnahme w i r d von der Preissenkung mitbestimmt. Das bedeutet nichts anderes, als daß die Variablen, von welchen die Reaktion der Käufer auf die Preissenkung abhängt, entweder direkt oder indirekt von der Werbung so verändert werden, daß sie ihrerseits zu einer Veränderung der Reaktion auf die Preissenkung führen. Neben der Unterschiedlichkeit absatzpolitischer Konzeptionen sind die Gründe für die begrenzte situationsbezogene Gültigkeit der Absatzforschungshypothesen i n den Veränderungen der Umwelt eines Unternehmens zu suchen. Die Vielfalt der Variablen, die Vielfalt der Beziehungen zwischen den Variablen und die dadurch bedingte nahezu unbegrenzte Zahl von verschiedenen Beziehungs- und Einflußkonstellationen 91 sowie das Auftreten von neuen Faktoren i n der Umwelt eines Unternehmens sind die Ursachen dafür, daß das System der Variablen, die den Erfolg ein- und derselben absatzpolitischen Maßnahme determinieren, i m Zeitablauf ständigen Veränderungen unterworfen ist und sich m i t h i n der Erfolg einer bestimmten Maßnahme ebenfalls i m Zeitablauf ändert 92 . Die Variablen, von denen die Reaktion der Käufer auf eine absatzpolitische Maßnahme i n der Umwelt des Unternehmens abhängt, wer91 Vgl. Crane, E., Marketing Communications, New York, London, Sidney 1965, S. 21, zitiert nach Kühn, R., Möglichkeiten rationaler Entscheidungen im Absatzbereich, a.a.O. 92 Vgl. Goldack, G., Marktforschung und Planspiele, in: der Marktforscher, 1969, Heft 4, S. 92—S. 95; Kapferer, C., Disch, W., Absatzprognose, a.a.O., S. 138; Stern, M., Marketing Planung, a.a.O., S. 17.
2. Die charakteristischen Merkmale der Hypothesen
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den i n der Regel nicht einem System angehören, das sich auf ein bestimmtes Objekt, auf einen bestimmten, eng begrenzten Ausschnitt aus der Umwelt bezieht 93 . Die Reaktionen der potentiellen Käufer hängen z. B. von ihrer Bedürfnisstruktur, ihrem Einkommen, ihrer Vermögensstruktur, von ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Klasse, von den Maßnahmen der Konkurrenz oder von der konjunkturellen Lage ab. Diese verschiedenen Systeme, wie das System der Bedürfnisse eines Käufers, die Systeme, die seine ökonomische und soziale Situation kennzeichnen, das System der absatzpolitischen Verhaltensweisen der Konkurrenz und das System der Variablen, die die gesamtwirtschaftliche Lage kennzeichnen, sind nun keineswegs geschlossen94. Das bedeutet, daß Veränderungen, die i n einem dieser Systeme vor sich gehen, auch zu Veränderungen i n den anderen Systemen führen 9 5 . Diese Veränderungen beeinflussen wiederum andere Systeme und so fort. Ein Gleichgewichtszustand ohne Veränderungen, wie er unter Umständen i n einem geschlossenen, von anderen Systemen nicht beeinflußten System denkbar wäre, ist i n der realen Umwelt eines Unternehmens infolge der vielfachen Beziehungen zwischen den Systemen der Umweltvariablen nicht oder nur für eine relativ kurze Zeit zu beobachten. So sind z. B. Gleichgewichtspreise auf einem geschlossenen M a r k t oder Gleichgewichtsvolkseinkommen i n einer geschlossenen Volkswirtschaft, wie sie i n der volkswirtschaftlichen Preis- und Beschäftigungstheorie berechnet werden 96 , theoretische Konstruktionen. Allzuviele Veränderungen von außen stören den Prozeß der Gleichgewichtsbildung i n der Realität. Die Veränderung der relevanten Umweltbedingungen sind heute zur dominierenden Antriebskraft und zum beherrschenden Datum unternehmenspolitischer Entscheidungen geworden. Jene Veränderungen, die zum Zeitpunkt der Formulierung bestimmter Hypothesen bereits bekannt und i m Ansatz sichtbar sind, schränken die zeitliche oder situationsbezogene Gültigkeit der betreffenden Hypothesen nur i n relativ geringem Umfang ein. 93 Vgl. Kapferer, C., Disch, W., Absatzprognose, a.a.O., S. 13 f.; Rothschild, K. W., Wirtschaftsprognose — Methoden und Probleme, Berlin, Heidelberg, New York 1969 (Zitierweise: Wirtschaftsprognose), S. 9 ff. 94 Vgl. Rothschild, K.W., Wirtschaftsprognose, a.a.O., S. 14; Schneider, E., Einführung in die Wirtschaftstheorie, II. Teil: Wirtschaftspläne und wirtschaftliches Gleichgewicht in der Verkehrswirtschaft, 9. Aufl., Tübingen 1964, S. 277 f. und S. 428 f. 95 Vgl. Stern, M., Marketing Planung, a.a.O., S. 151 ff. 96 Vgl. Schneider, E., Einführung in die Wirtschaftstheorie, II. Teil, a.a.O., S. 270—S. 427; Schneider, E., Einführung in die Wirtschaftstheorie, III. Teil: Geld, Kredit, Volkseinkommen und Beschäftigung, 8. Aufl., Tübingen 1964, S. 110—S. 237, insbes. S. 120 ff.
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II. Hypotheseformulierung im Prozeß der Absatzforschung
Derartige bekannte oder vorhersehbare Veränderungen sind z. B. die zeitlich regelmäßigen, wiederkehrenden Schwankungen ökonomischer Variablen i m Verlauf einer Woche, eines Monats oder eines Jahres sowie bereits erkannte langfristige Entwicklungs- und Veränderungstendenzen, sogenannte Trends, die auch i n Zukunft weiter zu beobachten sein werden. Jene Veränderungen können bei der Formulierung hypothetischer Prognosemodelle berücksichtigt werden. Jede Prognose, und sei sie methodisch noch so exakt und auf die vollständige Erfassung aller verursachenden Variablen bedacht, stellt nichts anderes dar als eine Verwertung bereits bekannten Wissens. I n jeder Prognose kann nur Erfahrungswissen angewendet werden und können nur historische Erkenntnisse extrapoliert werden 97 . Nicht berücksichtigt können i n der Hypothesenformulierung zum Zweck der Erfolgsprognose absatzpolitischer Maßnahmen jene Faktoren und Veränderungen von Faktoren werden, die zum Zeitpunkt der Hypothesenformulierung noch nicht bekannt oder noch nicht existent sind. Charakteristisch für diese A r t von Veränderungen sind einmalige, unerwartete Ereignisse, auf deren E i n t r i t t nicht durch die Entwicklung anderer Faktoren und nicht aus anderen Ereignissen bereits m i t einiger Wahrscheinlichkeit geschlossen werden konnte. Dazu gehören z. B. Veränderungen durch Gewinnung neuer Erkenntnisse und durch Vermehrung des Wissens auf allen Gebieten. Künftiges Wissen ist nicht prognostizierbar, da es andernfalls ja bereits i n der Gegenwart bekannt wäre und man nicht mehr an dessen Erarbeitung i n der wissenschaftlichen Forschung tätig sein müßte 98 . Gerade die zum Zeitpunkt der Hypothesenformulierung nicht existenten oder bekannten Sachverhalte und Entwicklungen werden Situationen entstehen lassen, die das Schicksal einer Unternehmung i n der Zukunft am meisten beeinflussen werden 99 . Jede Unternehmung, die ihre Position wahren und verstärken w i l l , kann sich dem Zwang einer permanenten Anpassung an die Veränderungen und darüber hinaus eines aktiven Vorantreibens von Veränderungen durch die permanente Entwicklung neuer Produkte und Leistimgsprogramme nicht entziehen 100 . I n einem K l i m a ständiger Veränderungen werden Hypothesen zur Erklärung oder Prognose des Erfolgs 97
Vgl. Borchardt, K., Grenzen der Prognose — Chance der Propheten, in: Monatsblätter für freiheitliche Wirtschaftspolitik, 1969, Heft 11, S. 667. • 8 Vgl. Borchardt, K., Grenzen der Prognose — Chance der Propheten, a.a.O., S. 668. 99 Vgl. ebenda, S. 669. 100 Vgl. Stern, M., Marketing Planung, a.a.O., S.17; Borchardt, K., a.a.O., S. 666.
2. Die charakteristischen Merkmale der Hypothesen
63
absatzpolitischer Maßnahmen, soweit sie auf Erfahrungswissen beruhen, häufig nur eine begrenzte zeitliche Gültigkeitsdauer beistzen 101 . 243. Begrenzte generelle Gültigkeit
als Ziel der Hypothesenformulierung
I n vielen Fällen w i r d es sich nicht vermeiden lassen, daß i n der A b satzforschung Hypothesen formuliert werden, die von vornherein nur für einen spezifischen Informationszweck und nur für eine einmalige Situation Gültigkeit besitzen. Dennoch sollte auch i n der Absatzforschung wie i n jeder anderen empirischen Wissenschaft das Ziel verfolgt werden, Hypothesen zu formulieren, die einen möglichst hohen Grad genereller Gültigkeit haben. Aussagen m i t einem gewissen Grad genereller Gültigkeit ersparen die Neuformulierung von Hypothesen i n allen möglichen Situationen und für alle möglichen Informationszwecke 102 . Neben der Rationalisierung der Informationsgewinnung für den Unternehmer dient die Formulierung generell gültiger Aussagen über die Determinanten des Käuferverhaltens auch dem Interesse des Käufers, insbesondere des Konsumenten 103 . Die Forschungsergebnisse, durch die das Geschehen auf den verschiedensten Märkten, insbesondere aber das Verhalten der Konsumenten generell gültig erklärt werden kann, können auch als Informationen angesehen werden, die den Zielen der Konsumenten dienen. Die Kenntnis der Faktoren und Mechanismen, die sein Kaufverhalten beeinflussen, befähigen den Käufer, sein eigenes Verhalten zu analysieren und zu beurteilen und sich damit als kritischer und souveräner und nicht als manipulierbarer Käufer zu verhalten.
101
Vgl. Opitz, Li., Prognosen in der Marktforschung, a.a.O., S. 26 ff., insbes. S. 28 f. 102 Vgl. Haseloff, O. W., Marktforschung und unternehmerische Entscheidungsplanung, a.a.O., S. 17. 108 Vgl. Kollat, D. T., Engel, J. F., Blackwell, R. D., Current Problems in Consumer Behavior Research, a.a.O., S. 329 ff.
I I I . Methoden der Hypothesenfindung Techniken zur Steigerung der Kreativität werden i m Bereich des Marketing vornehmlich i n ihrer Bedeutung als M i t t e l für das Auffinden neuer Ideen zur Gestaltung absatzpolitischer Instrumente gesehen. Die Entwicklung neuer Produkte, die Kreation neuer Modelle, die Konzipierung neuer Betriebsformen i m Handel, der Entwurf neuer Werbeplakate, die Erfindung neuer Werbespots etc. gelten als kreative Leistungen 1 . I m Gegensatz zu dieser rein gestalterischen Tätigkeit w i r d die Tätigkeit der Informationsgewinnung, die der Vorbereitung und des Beurteilens von Gestaltungsalternativen dient, kaum als kreativ angesehen2. Oft genug w i r d der Absatzforschung dagegen der Vorwurf gemacht, sie sei ein Hemmschuh für die gestalterische Kreativität. I m wesentlichen sind es folgende Argumente, auf die sich dieser Vorwurf stützt: a) Zuviele Informationen über divergierende Vorstellungen und Wünsche potentieller Nachfrager verführen zur Berücksichtigung aller Wünsche und damit zu farblosen und wenig differenzierten Gestaltungsalternativen oder können sogar jede bedeutende Entscheidung lähmen 3 . b) Die bewußte Absicht, bei der Gestaltung auf Informationen über bestimmte Determinanten des Käuferverhaltens Rücksicht zu nehmen, engt den Spielraum schöpferischer Phantasie ein und verhindert das unbekümmerte Suchen nach originellen Lösungen 4 . c) Die Weiterentwicklung von neuen, unter Umständen erfolgversprechenden Ideen w i r d durch falsche Informationen i m Ansatz gestoppt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn Urteile von potentiellen Nachfragern über eine Innovation gewonnen werden, die noch keine Gelegenheit hatten, Erfahrungen m i t der Neuheit zu machen, sich an sie zu gewöhnen und sich m i t i h r zu identifizieren 5 . 1
Vgl. Stern, M., Marketing Planung, a.a.O., S. 80. Vgl. Behrends, Chr., Die Erfassung der betrieblichen Marktkonstellation, Köln und Opladen 1970, S. 92. 8 Vgl. Webster, E., Fakten — Informationen — Entscheidungen, a.a.O., S. 966. 4 Vgl. Geissler, J., Zügel für die jungen Pferde, in: die Absatzwirtschaft, 1. 5Januarausgabe 1967, S. 9. Vgl. Berth, R., Die abgesicherte Konzeption, in: die Absatzwirtschaft, 2. Märzausgabe 1964, S. 1321 1
1. Logisches Denken bei der Hypothesenformulierung
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Gegen diese Argumente ist vor allem einzuwenden, daß echte Kreativität ohne Berücksichtigung der Faktoren, von denen die Reaktion der Umwelt auf bestimmte Gestaltungsmaßnahmen abhängt, nicht denkbar ist. Absatzpolitische Gestaltungen sollen letzten Endes die potentiellen Käufer motivieren, das Angebot des Unternehmens zu akzeptieren. Das können die Gestaltungsmaßnahmen jedoch nur, wenn sie geeignet sind, die Probleme der Nachfrager zu lösen, und ihre bewußten Wünsche und unbewußten Strebungen zu befriedigen. Gestaltungen u m der Gestaltung willen, die zwar originell sind, aber die kaufauslösenden Impulse bei den Nachfragern nicht aktivieren können, können nicht als Ergebnis echter Kreativität i m Absatzbereich bezeichnet werden 6 . Ebenso wenig sind i m Bereich der Kunst solche Gestaltungen das Erlebnis echter Kreativität, die bei niemandem eine Resonanz irgendwelcher A r t auslösen7. I n beiden Bereichen werden die wirklich kreativen Persönlichkeiten bewußt oder unbewußt Informationen i n Form von Faktenwissen oder i n Form von Erlebniserfahrungen bei der Gestaltung verwerten. Die Frage ist also nicht, ob Informationen die Kreativität bei der Gestaltung absatzpolitischer Instrumente hemmen, sondern welche A r t von Informationen demjenigen, der Gestaltungsalternativen finden soll, zur Verfügung stehen müssen. Das Problem besteht darin, eine zweckentsprechende Informationsselekion vorzunehmen, insbesondere die Informationsgewinnung dann abzubrechen, wenn die Gefahr besteht, daß durch zuviele Informationen Unsicherheit und Unentschiedenheit entstehen und dadurch die Initiative zur Gestaltung gelähmt wird. Die Hypothesenformulierung i n der Absatzforschung, die ja dem Zweck dient, daß Informationen zur Anregung und Beurteilung erfolgreicher absatzpolitischer Gestaltungsmaßnahmen gewonnen werden, kann als eine wesentliche Voraussetzung echter, gestalterischer Kreativität angesehen werden. Die Hypothesenformulierung ist jedoch nicht nur eine Voraussetzung für echte Kreativität bei der Gestaltung absatzpolitischer Instrumente, sondern sie stellt selbst einen schöpferischen A k t dar und erfordert selbst schöpferisches Denken 8 . 1. Logisches und schöpferisches Denken bei der Hypothesenformulierung Die Wissenschaftstheorie unterscheidet zwischen der Anwendung schöpferischer, nur begrenzt erlernbarer und nachvollziehbarer Denkvorgänge und der Anwendung rein logischer, einer nachvollziehenden 6 7 8
Vgl. Kotler , Ph., Marketing Management, a.a.O., S. 249. Vgl. Lersch, Ph., Aufbau der Person, a.a.O., S. 383. Vgl. Kotler Ph., Marketing Management, a.a.O., S. 218.
5 Kopp
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III. Methoden der Hypothesenfindng
Analyse zugänglicher und zumindest theoretisch erlernbarer Denkvorgänge bei der Durchführung von Forschungsprozessen 9. Als Aufgabe des schöpferischen Denkens innerhalb von Forschungsprozessen w i r d vor allem das Erkennen von Problemen und das Formulieren von Hypothesen über bisher unbekannte Ursache-Wirkungsbeziehungen angesehen10. Die Aufgabe des logischen Denkens w i r d i n der Durchführung der Denkoperationen gesehen, die zur Planung der empirischen Überprüfung der Hypothesen, also zum Entwurf von Experimenten, zur Durchführung der Datengewinnung und zur Entwicklung von Techniken für die Verarbeitung der Daten notwendig sind 11 . Eine strikte Trennung i n Aufgabenbereiche des schöpferischen und des logischen Denkens innerhalb von Forschungsprozessen erscheint jedoch problematisch. Rein logische Denkoperationen, wie etwa die verschiedenen Formen des logischen Schließens haben z.B. auch bei der Formulierung von Hypothesen sowohl i n den objektbezogenen empirischen Wissenschaften als auch i n der Absatzforchung wichtige Funktionen zu erfüllen. U m die Bedeutung der Methode des Schließens bei der Hypothesenformulierung zu würdigen und ihre Funktion gegenüber der des schöpferischen Denkens abzugrenzen, ist es notwendig, klar zu unterscheiden zwischen dem Erkennen bisher unbekannter Variablen und Variablenbeziehungen sowie dem Erkennen der Bedeutsamkeit zwar bekannter, aber bisher noch nicht als bedeutsam erachteter Variablen und Variablenbeziehungen einerseits und der Ableitung von Schlußfolgerungen aus dem Erkannten andererseits. Die Aussagen wissenschaftlicher Theorien beispielsweise lassen sich unterscheiden in grundlegende Annahmen und i n logische Konsequenzen, die sich aus den Annahmen ergeben 12 . Die aus anderen Annahmen oder aus bestimmten Fakten abgeleiteten Schlußfolgerungen haben selbst hypothetischen Charakter, wenn die Ausgangsannahmen oder Prämissen, aus denen sie abgeleitet wurden, selbst Hypothesen sind, bzw. wenn die Fakten die Realität nicht vollständig repräsentieren. Dies gilt auch dann, wenn sich aus bestimmten, empirisch nicht verifizierten Prämissen bestimmte Schlußfolgerungen logisch zwingend deduzieren lassen. Bei der Formulierung von hypothetischen Aussagen m i t Hilfe von Schlußfolgerungen können der Deduktionsschluß, der Induktionsschluß und der Analogieschluß Anwendung finden 13. 9 Vgl. Dichtl, E., Über Wesen und Struktur absatzpolitischer Entscheidungen, Berlin 1967, S. 54. 10 Vgl. Bunge, M., Scientific Research, Bd. I, a.a.O., S. 15. 11 Vgl. Bunge, M., Scientific Research, Bd. I, a.a.O., S. 15. 12 Vgl. ebenda, S. 381 und S. 403; ders., Scientific Research, Bd. II, a.a.O., S. 1245. 3 Vgl. Bunge, M., Scientific Research, Bd. I, S. 243 f.
1. Logisches Denken bei der Hypothesenformulierung
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Beim Deduktionsschluß werden i n der Regel aus bestimmten generellen Annahmen denknotwendige Schlußfolgerungen gezogen, die auch zur Erklärung spezieller Sachverhalte verwendet werden 14 . Dazu ein Beispiel: Die Hypothese, daß die Konkurrenten auf eine Preissenkung ebenfalls m i t einer Preissenkung antworten, kann ohne weiteres abgeleitet werden aus der Kenntnis der oligopolistischen Angebotsstruktur, aus der Homogenität der angebotenen Produkte und aus der Annahme, daß die Konkurrenten das Ziel der Verteidigung ihres an der Zahl der verkauften Produkte gemessenen Marktanteils verfolgen. Diese durch Deduktion gewonnene Annahme der Preissenkung der Konkurrenten kann ihrerseits als Annahme verwendet werden, aus der i n Verbindung m i t bestimmten Zusatzinformationen weitere Annahmen abgeleitet werden können, wie etwa das Ausscheiden der schwächsten Konkurrenten aus dem Markt usw. Durch ein derartiges, wiederholtes Deduzieren lassen sich hypothetische Folgen von Zustandsänderungen bilden, die vor allem zur Prognose der sukzessiven Veränderungen der Marktsituation dienen 15 . Hierbei werden Veränderungen bestimmter Marktsituationen, insbesondere die Veränderungen des Verhaltens der Marktpartner, aus den vorhergehenden Veränderungen abgeleitet. Voraussetzung für die Anwendung der Deduktion ist, daß bereits grundlegende Hypothesen formuliert wurden, aus denen dann weitere Annahmen abgeleitet werden können. Die Deduktion ist damit keine Methode zur eigentlichen Entdeckung von relevanten Determinanten des Erfolgs absatzpolitischer Maßnahmen. Die Gefahr, die die Anwendung der Deduktion gerade i n der Absatzforschung mit sich bringt, besteht darin, daß Schlüsse aus Annahmen gezogen werden, die keine oder nur eine begrenzte reale Gültigkeit besitzen. Erinnert sei i n diesem Zusammenhang an die Ableitung von Hypothesen über das Verhalten von Konkurrenten und Nachfragern aus der grundlegenden Annahme des objektiv-rationalen Verhaltens der Marktpartner i n der volkswirtschaftlichen Preistheorie. Die Technik des induktiven Schließens w i r d i m Bereich der empirischen Wissenschaften einmal angewendet, u m anhand einer Reihe übereinstimmender Einzelbeobachtungen sogenannte empirische Generalisierungen zu formulieren 16 . Empirische Generalisierungen sind Aussagen m i t hypothetischem Charakter, i n denen eine generelle Gültigkeit der durch die Einzelbeobachtungen festgestellten Sachverhalte postuliert wird. Die empirischen Generalisierungen können dann zu Aussagen i m 14 15 16
6*
Vgl. ebenda, S. 245. Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschnitt III, 332122. Vgl. Bunge, M., Scientific Research, Bd. I, a.a.O., S. 244.
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III. Methoden der Hypothesenfindng
Rahmen einer geschlossenen wissenschaftlichen Theorie werden, wenn es gelingt, Beziehungen zwischen verschiedenen, zunächst noch isoliert erscheinenden, empirischen Generalisierungen herzustellen. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn sich die Generalisierungen, nachdem sie durch Induktion gefunden wurden, durch Deduktion aus grundlegenden gemeinsamen Anahmen herleiten lassen 17 . I n der Absatzforschung w i r d die Methode der Induktion vor allem als Methode der Interpretation der gewonnenen Daten angewendet. Der Schluß von einer relativ geringen Zahl von Einzelergebnissen, die i n der Phase der Datenerhebung gewonnen wurden, auf einen bestimmten Grad genereller Gültigkeit dieser Ergebnisse, m i t anderen Worten, der Schluß von einer Stichprobe auf eine interessierende Grundgesamtheit, kann entweder dazu dienen, eine bereits vor der Erhebung formulierte Hypothese zu bestätigen oder aber aus den erhobenen Daten erst eine Hypothese abzuleiten. Die anhand der erhobenen Daten unvermutet festgestellten Übereinstimmungen und Zusammenhänge können auf dem Weg des Induktionsschlusses durch Generalisierung der Erhebungsergebnisse zur Formulierung von Hypothesen führen. Die Induktion ist, ebenso wie die Deduktion, keine eigentliche Methode zur Identifikation bedeutsamer Variablen oder Variablenbeziehungen. Diese müssen bereits erkannt und formuliert sein, bevor ihnen auf dem Weg des Induktionsschlusses allgemeine Gültigkeit zuerkannt wird. Die Induktion kann jedoch die Formulierung von Hypothesen anregen. Dies kann einmal, ähnlich wie bei der Bildung wissenschaftlicher Theorien, durch Anregung zur Deduktion der gefundenen empirischen Generalisierungen aus übergeordneten grundlegenden Annahmen erfolgen 18 . Es liegt z. B. nahe, die von Einzelerhebungen induzierte hypothetische Generalisierung eines allgemeinen Zusammenhanges zwischen der Veränderung der Höhe des Einkommens der Käufer und Veränderungen der Präferenzen der Käufer gegenüber bestimmten Produkten aus der Annahme einer Hierarchie der Bedürfnisse bei den Käufern abzuleiten. Die Annahme einer Hierarchie der Bedürfnisse besagt, daß bei einer Erhöhung des verfügbaren Einkommens eine Veränderung der Bedürfnisstruktur und damit auch eine Veränderung der Präferenzen gegenüber bestimmten Produkten dadurch entstehen, daß nunmehr die Möglichkeit der Befriedigung zusätzlicher, „höherer" Bedürfnisse besteht 19 . Die Anregung zur Hypothesenformulierung durch Induktion kann jedoch auch dadurch erfolgen, daß aus Einzelbeobachtungen, die bestimmten Hypothesen widersprechen, der Schluß gezogen wird, daß 17 18 19
Vgl. ebenda, S. 358. Vgl. Bunge, M., Scientific Research, Bd. I, a.a.O., S. 358. Vgl. Meffert, H., Modelle des Kauf Verhaltens und ihr Aussagewert für das Marketing, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, Sonderdruck aus dem Heft 2, 1971.
1. Logisches Denken bei der Hypothesenformulierung
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die Hypothese falsch ist und deshalb Ersatzhypothesen formuliert werden müssen. Die Gefahr bei der Formulierung von empirischen Generalisierungen aus Einzelbeobachtungen m i t Hilfe des Induktionsschlusses besteht i n der ungerechtfertigten Generalisierung der Einzelbeobachtungen. Gerade i n der Absatzforschung besteht die Gefahr, daß die Gültigkeit bestimmter Erhebungsergebnisse ungerechtfertigterweise für verschiedene Produkte oder für einen zu langen Zeitraum angenommen wird. Auch bei der dritten Methode des Schließens, dem Analogieschluß, handelt es sich u m keine Methode zur Entdeckung relevanter Variablen und Zusammenhänge. Es lassen sich zwei Typen des Analogieschlusses unterscheiden, die auch i n der Absatzforschung Verwendung finden. Beim Analogieschluß auf Grund substantieller Ähnlichkeit w i r d aus der Ähnlichkeit oder Gleichheit bestimmter Eigenschaften von zwei realen Objekten geschlossen, daß bestimmte Sachverhalte, die für das eine Objekt gelten, auch für das andere Gültigkeit besitzen 20 . Ein Beispiel dafür ist der Schluß, daß bestimmte Faktoren, die den Markterfolg eines Produktes determinieren, auch den Markterfolg eines anderen, i n bestimmten Eigenschaften ähnlichen oder gleichen Produkts bestimmen. Dies ist denkbar etwa bei Autos und Möbeln, die beide dem Einfluß der Mode unterliegen oder bei Eisschränken und Waschmaschinen, die beide hochwertige Gebrauchsgüter des Haushaltmassenbedarfs sind, bei deren Kauf die Verbraucher ein relativ starkes Preisbewußtsein an den Tag legen. Beim Analogieschluß auf Grund struktureller Ähnlichkeiten w i r d aus der Ähnlichkeit oder der Gleichheit der Gesetze, denen bestimmte Systeme oder reale Objekte gehorchen, oder aus ähnlichem Verhalten, das Systeme oder reale Objekte zeigen, geschlossen, daß sie bestimmte Eigenschaften gemeinsam haben oder daß für sie bestimmte Sachverhalte gleichermaßen gelten 21 . Als Beispiel kann der Schluß von der Ähnlichkeit des Verhaltens der Käufer beim Kauf von zwei verschiedenen Produkten auf ähnliche Eigenschaften der Käufer oder auf ähnliche Eigenschaften der Produkte gelten. Die Anwendung des Analogieschlusses setzt das Erkennen von Ähnlichkeiten sowie die Kenntnis der Sachverhalte voraus, deren generelle Gültigkeit aus der Ähnlichkeit abgeleitet wird 2 2 . Insofern kann die Methode des Analogieschlusses selbst ebenfalls nicht als Methode zum Auffinden bisher nicht bekannter oder berücksichtigter Sachverhalte, sondern höchstens als Methode 20 21 22
Vgl. Bunge, M., Scientific Research, Bd. I, a.a.O., S. 244. Vgl. ebenda, S. 244. Vgl. Bunge, M., Scientific Research, Bd. I, a.a.O., S. 244.
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III. Methoden der Hypothesenflng
der Übertragung bekannter Sachverhalte auf Grund erkannter Ähnlichkeiten bezeichnet werden. Die Methode des Analogieschlusses bringt die Gefahr m i t sich, aus bloßen äußeren, oft rein zufälligen Ähnlichkeiten ungerechtfertigterweise auf die Ähnlichkeit verursachender Sachverhalte zu schließen. Das eigentliche Finden von bisher unbekanten und das Erkennen der Bedeutsamkeit von bisher nicht berücksichtigten Faktoren und Zusammenhängen, die als Ursachen von Absatzproblemen i n Frage kommen könnten oder bei der Gestaltung der absatzpolitischen Instrumente berücksichtigt werden müßten, erfordern i n der Absatzforschung in erster Linie schöpferisches Denken. Die Denkprozesse, die dabei ablaufen, sind keineswegs streng logisch i n dem Sinn, daß ausschließlich aus gegebenen Voraussetzungen richtige Folgerungen gezogen werden. „Das (schöpferische, Anm. d. Verf.) natürliche Denken ist alles andere als streng. Es gestattet, Vorstellungen, Bilder, Abläufe etc. ins Bewußtsein zu rufen, die ähnliche, verwandte oder auch entgegengesetzte nach sich ziehen, wobei deren Abfolge und deren Entwicklung bis zu einem gewissen Grad zu steuern sind. Solche mehr oder minder straff gelenkte, zielgerichtete Vorstellungsfolgen oder Assoziationen, die jedoch durch die Logik kontrolliert werden, machen das Wesen des schöpferischen Denkens aus." 23 Die Kontrollfunktion der Logik beim schöpferischen Denken kann beispielsweise bei der Formulierung einander widersprechender oder miteinander unvereinbarer Aussagen wirksam werden 24 . Als weitere Beispiele für die Kontrollfunktion der Logik lassen sich die logischen Prinzipien einwandfreier Klassifizierung bei der Formulierung von Hypothesen über den Einfluß einer bestimmten Merkmalausprägung einer Variablen auf das Auftreten einer bestimmten Merkmalsausprägung bei einer anderen Variablen anführen 25 . Die verschiedenen Merkmalsansprüchen einer Variablen können als Klassen bezeichnet werden. Z u m einen dürfen sich die Klassen nicht überschneiden, d. h. die Elemente, die sich einer Klasse zuordnen lassen, dürfen sich nicht auch der anderen Klasse zuordnen lassen. Diese Bedingung läßt sich bei quantitativen Variablen, etwa bei der Höhe des Einkommens von befragten Käufern und damit bei der Bildung von Einkommensklassen leicht, dagegen bei qualitativen Variablen, wie z. B. geäußerten Urteilen, und damit bei der Bildung von A n t w o r t kategorien oft nur schwer erfüllen. Zum anderen müssen Klassen, die auf verschiedenen Ebenen liegen, d. h. die Ausprägungen verschiedener 23 Dichtl, E., Über Wesen und Struktur absatzpolitischer Entscheidungen, a.a.O., S. 53. 24 Vgl. Bunge, M., Scientific Research, Bd. I, a.a.O., S. 436. 25 Vgl. Buzzell., R. D., Cox, D. F., Brown, R. V., Marketing Research, a.a.O., S. 157; Noelle, E., Umfragen in der Massengesellschaft, a.a.O., S. 237 ff.
1. Logisches Denken bei der Hypothesenformulierung
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Merkmale oder Variablen darstellen, streng auseinandergehalten werden. Ein Indiz für den kreativen Charakter der Hypothesenfindung ist die Tatsache, daß die Techniken, die häufig als Techniken zur Steigerung der Kreativität beim Finden neuer Gestaltungsideen, insbesondere neuer Produktideen, beschrieben werden, ebensogut zur Steigerung der Kreativität beim Finden von Absatzforschungshypothesen angewendet werden können. Bestimmte Techniken sind sogar, genau besehen, ausschließlich Techniken zur Identifikation von Marktchancen und nicht Techniken, die unmittelbar dem Formulieren von Gestaltungsmaßnahmen dienen. Zu den Techniken, die der systematischen Identifikation von Problemen und Problembereichen bei potentiellen Nachfragern dienen, gehören z. B. die Funktionsanalyse und die Problemkreisanalyse. Diese Techniken können primär zurldentifikation funktionsorientierter Verwendungszwecke durch eine Analyse der Teilfunktionen bestimmter Tätigkeiten und Verrichtungen bzw. zur Ableitung von Detailproblemen aus Globalproblemen der Käufer herangezogen werden. Eine Technik, die i m Gegensatz dazu ausschließlich dem Auffinden neuer Gestaltungsideen dient, ist die morphologische Methode. M i t Hilfe des sogenannten morphologischen Kastens werden Gestaltungsmerkmale und Gestaltungselemente z. B. eines oder merhrerer Produkte isoliert. Dadurch w i r d es möglich, die unterschiedlichsten Kombinationen von Gestaltungselementen durchzuspielen. Sowohl zur Steigerung der Kreativität beim Finden von Gestaltungsideen als auch beim Finden von Hypothesen über mögliche Determinanten oder Indikatoren des Erfolgs von Gestaltungsideen können die Techniken der Gruppenbefragungen, wie etwa die Delphi-Methode, i n Grenzen die Methode der Synektik und die Technik des Brainstorming angewendet werden. Ebenso kann die Einrichtung einer regelmäßigen Kommunikation zwischen Mitgliedern verschiedener Abteilungen in der Unternehmensorganisation, z. B. zwischen Produktmanagern und Absatzforschern, die Kreativität sowohl bei der Formulierung von Absatzforschungshypothesen als auch beim Finden von Gestaltungsideen steigern 26 . Die rege A k t i v i t ä t auf dem Gebiet der Kreativitätsforschung, insbesondere die Entwicklung von Techniken zur „Produktion" von Ge26 Die beispielhaft angeführten Techniken zur Steigerung der Kreativität beim Finden von Gestaltungsideen werden u. a. beschrieben bei: Kindermann, P., Quellen für neue Produkte (II) — Die systematische Suche nach neuen Produktideen, in: Der Marktforscher, 1969, Heft 7, S. 162—168; Kotler, Ph., Marketing Management, a.a.O., S. 315 ff.
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III. Methoden der Hypothesenfindng
staltungsideen i m Absatzbereich, läßt erkennen, daß ein großes Bedürfnis besteht, die Kreativität nicht mehr dem Zufall zu überlassen, sondern durch die bewußte Anwendung bestimmter Verfahren zu steuern und zu aktivieren. Ebenso bedeutungsvoll wie die Kreativität bei der Produktion von Gestaltungsideen i m Absatzbereich, wie z. B. bei der Neuentwicklung von Produkten oder beim Entwerfen von Werbekonzeptionen, ist die Kreativität beim Finden von Hypothesen über die Faktoren, von denen der Erfolg der Gestaltungsideen abhängt. I m folgenden w i r d der Versuch unternommen, eine bislang fehlende systematische Erörterung von Methoden vorzunehmen, deren bewußte Anwendung dem Auffinden von Hypothesen über Determinanten und Indikatoren des Erfolgs absatzpolitischer Gestaltungsmaßnahmen dient.
2. Die Anwendung der Prinzipien kreativen Denkens Die Prinzipien kreativen Denkens sind keine speziellen Denktechniken wie die Methoden des Schließens oder die weiter unten zu erörternden Techniken bei der Formulierung hypothetischer Erklärungsmodelle des Marktgeschehens. Sie sind vielmehr Voraussetzungen für die erfolgreiche Anwendung der verschiedenen Denktechniken. Als Prinzipien kreativen Denkens lassen sich folgende Eigenschaften anführen, durch die die geistige Grundhaltung kreativer Persönlichkeiten bei der Anwendung der verschiedenen Denktechniken gekennzeichnet ist. a) Kreative Persönlichkeiten haben eine überdurchschnittliche Fähigkeit, Probleme wahrzunehmen und i n ihrer Tragweite zu beurteilen. Sie sind offen gegenüber Problemen ihrer Umwelt, besitzen eine überdurchschnittliche Beobachtungsgabe, eine überdurchschnittliche Fähigkeit zur Aufmerksamkeit und verspüren eine ständige, latente Unzufriedenheit m i t dem gegenwärtigen Zustand. 27 Die Beachtung des Prinzips der Offenheit gegenüber Problemen würde bedeuten, daß die Faktoren, die das Verhalten der Käufer bestimmen, als Probleme der Käufer bzw. als Ursachen dieser Probleme interpretiert werden. Beispielsweise könnte das steigende durchschnittliche Konsumenteneinkommen entsprechend diesem Prinzip nicht mehr nur als eine Variable interpretiert werden, die die Nachfrage nach Wertpapieren steigen läßt, sondern als Ursache für das Problem der Konsumenten, die gesparten Einkommensteile richtig anzulegen. Oder das 27
Vgl. Marr, R., Industrielle Forschung und Entwicklung — Entscheidungs- und systemtheoretische Aspekte, Diss. München 1970, S. 118 sowie die dort angegebenen Quellen.
2. Die Anwendung der Prinzipien kreativen Denkens
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Streben nach sozialer Anerkennung wäre nicht mehr bloß als Faktor zu interpretieren, der die Nachfrage nach Gütern m i t Statussymbolcharakter aktiviert, sondern als Ursache für Konflikte, die beim Konsumenten m i t dem Kauf eines derartigen Gutes, wie etwa eines Sportwagens, entstehen. Zu denken ist z. B. an den Konflikt zwischen dem Streben nach sozialer Anerkennung und dem Streben, i n den Augen der Mitmenschen nicht als Angeber oder Verschwender zu erscheinen. Aus diesen Konflikten entsteht für den Käufer das Problem, den Kauf m i t den entsprechenden, rational klingenden und von der Umwelt akzeptierten Scheinargumenten zu „rationalisieren". Entsprechend der Interpretation der auf der Nachfrageseite wirksamen Determinanten des Käuferverhaltens als Probleme bzw. Problemursachen könnten die absatzpolitischen Maßnahmen als Lösungen für die Probleme 28 der Käufer interpretiert werden. Inwieweit das Angebot eines Unternehmens tatsächlich das Prädikat „Problemlösung" verdient, hängt davon ab, wie problembewußt, wie offen der Unternehmer gegenüber echten Problemen der Käufer bei der Gestaltung des Angebots war. b) Kreative Persönlichkeiten zeigen eine Abneigung, sich möglichst schnell für eine bestimmte Problemlösung zu entscheiden. Sie neigen vielmehr dazu, möglichst viele Informationen zu verarbeiten, einer einmal formulierten These eine Gegenthese gegenüberzustellen und möglichst ihr gesamtes Wissen zu Rate zu ziehen, bevor sie sich mit einer Lösung identifizieren. Sie zögern m i t dieser Identifikation deshalb, um sich nicht durch vorzeitige Bindung an eine Lösung zusätzlichen A n regungen zu verschließen und dadurch das Entstehen weiterer Ideen zu verhindern 2 9 . Die Beachtung dieses Prinzips bei der Hypothesenformulierung würde bedeuten, daß vor dem endgültigen Formulieren einer Hypothese alle wichtigen Informationen über mögliche Determinanten bzw. Indikatoren des Erfolgs absatzpolitischer Maßnahmen berücksichtigt werden. Insbesondere würde dies bedeuten, daß bei der Hypothesenfindung alle für die Fragestellung bedeutsamen wissenschaftlichen Erkenntnisse als auch alle verfügbaren Erfahrungen von Praktikern berücksichtigt werden. Eine vorschnelle Entscheidung für eine Hypothese ohne die Berücksichtigung aller bisher vorhandenen Informationen und ohne die Formulierung und Beurteilung von Gegenhypothesen kann oft gleichbedeutend sein mit dem Aufrechterhalten von scheinbar plausiblen, i n W i r k lichkeit aber falschen Annahmen. Typische Beispiele für zunächst plausible, i n Wirklichkeit aber einseitige Annahmen sind die verschiedenen „Modelle des Konsumenten", 28 29
Vgl. Nieschlag, R., Dichtl, E., Hörschgen, H., Marketing, a.a.O., S. 34. Vgl. Marr, R , a.a.O., S. 119 f. sowie die dort angegebenen Quellen.
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III. Methoden der Hypothesenflng
die i n den Wirtschaftswissenschaften diskutiert wurden und werden, angefangen vom Modell des homo ökonomikus bis hin zum total von unbewußten Trieben gesteuerten und manipulierten Konsumenten 30 . c) Schließlich besitzen kreative Persönlichkeiten die Fähigkeit spontan und assoziativ zu denken. Sie lassen sich nicht durch den Zwang zum folgerichtigen, logischen Denken oder durch andere psychische Barrieren davon abhalten, Folgen von Vorstellungen ohne folgerichtigen, „logischen" Zusammenhang ablaufen zu lassen 31 . Beispiele aus dem Bereich der Hypothesenformulierung i n der A b satzforschung wären etwa Folgen von vorgestellten Situationen, i n denen für einen Käufer jeweils bestimmte Probleme entstehen. Die Situationen sind dabei jeweils durch ein bestimmtes, gemeinsames Merkmal oder durch eine gemeinsame Thematik gekennzeichnet. Zu denken wäre etwa an Situationen, i n die eine Hausfrau beim Einkaufen geraten kann, an Situationen beim Familienurlaub oder bei der Reparatur eines Autos. Die mangelnde Berücksichtigung bzw. die mangelnde Fähigkeit zur Berücksichtigung der Prinzipien kreativen Denkens zeigen sich i m Bereich des Marketing gerade an den unerfreulichen Erscheinungen der Marketing-Praxis 3 2 . Bei einer Reihe dieser Erscheinungen freilich läßt es sich kaum feststellen, ob sie auf mangelndes Problembewußtsein und auf die mangelnde Berücksichtigung aller revanten Marktvariablen oder aber auf bewußtes Nichtberücksichtigen bestimmter Probleme und Bedürfnisse der Nachfrager zurückzuführen sind. Der Hinweis auf einige typische Beispiele dieser Erscheinungsweisen an dieser Stelle soll keine bloße Aufforderung zu gesteigertem Problembewußtsein i n der Marketingpraxis aus ethisch-normativen Gründen sein. Er soll i n erster Linie verdeutlichen, daß die Prinzipien kreativen Denkens, insbesondere die Offenheit für die Probleme der Käufer und die Offenheit für alle denkbaren, vor allem auch i n der Zukunft wirksamen Einflußfaktoren des Marktgeschehens, letzten Endes der Erfüllung langfristiger Unternehmensziele, wie etwa Wachstum, Sicherheit und Selbständigkeit, dienen. Mangelnde Kreativität ebenso aber das bewußte Nicht-Berücksichtigen von Erkenntnissen aus kreativen Denkprozessen auf Grund kurz80 Vgl. hierzu: Kühn, R., Erklärungsmodelle des Käuferverhaltens als Grundlage einer wissenschaftlichen Marktforschung, a.a.O., S. 70—79; Streiss1er, E., Verallgemeinerung der Mikroökonomischen Konsumtheorie, a.a.O., S. 361—75. 1 Vgl. Marr, R., a.a.O., S. 120 f. sowie die dort angegebenen Quellen. 32 Vgl. hierzu auch Nieschlag, R., Dichtl, E., Hörschgen, H., Marketing, a.a.O., S. 55.
2. Die Anwendung der Prinzipien kreativen Denkens
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fristiger egoistischer Ziele können sich i n ein und denselben Erscheinungsformen äußern. Eine typische Folgeerscheinung mangelnden Problembewußtseins ist das Bestärken der Tendenz beim Konsumenten, seinen realen Problemen durch Ersatzhandlungen, insbesondere durch Ersatzbefriedigungen auszuweichen 33 . Bestimmte Formen der Leitbildwerbung, i n denen m i t Leitbildern operiert wird, die für einen Großteil der angesprochenen Zielgruppe i n der Realität unerreichbar sind, sind typische Beispiele dafür. Es ist unbestreitbar, daß die Orientierung an Leitbildern notwendig ist und auch dazu beiträgt, reale Probleme zu bewältigen 34 . Das ist aber immer nur dann der Fall, wenn es sich um Leitbilder handelt, die i n der Realität erreichbar sind oder die auf Seiten der Umworbenen zur echten Identifizierung m i t der eigenen realen Situation beitragen 35 . Es bleibt zu diskutieren, ob das Operieren m i t unerreichbaren Leitbildern oder allgemein das Bestärken der Konsumenten tendenziell aus der eigenen, realen Situation i n eine Scheinwelt zu flüchten, langfristig den gewünschten Markterfolg sichert oder ob nicht vielmehr Leitbilder aus der alltäglichen Umgebung langfristig die größere Aufnahmebereitschaft finden. Beispielsweise wäre an das Leitbild eines vernünftigen, umweltbewußten Mitbürgers zu denken, das als M i t t e l zur Absatzförderung von vernünftigen, weniger materialaufwendigen, parkraumsparenden und m i t Abgasentgiftungsanlagen versehenen Autos das Leitbild des verschwenderischen, scheinbar exklusiven Konsumenten ersetzen könnte. Oder es wäre an eine begrenztere und gezieltere Verwendung des Leitbilds des vitalen, erfolgreichen Endzwanzigers zu denken, u m eventuelle, den Absatzerfolg negativ beeinflussende, Abwehrreaktionen derjenigen potentiellen Käufer auszuschalten, die weniger jung und weniger erfolgreich sind und durch das für sie unerreichbare Leitbild frustriert werden. Als ein sich Verschließen vor den realen, die Lebensqualität der Menschen i n vielen Bereichen bedrohenden Problemen w i r d immer häufiger die bedingungslose Verfolgung von Wachstumszielen bei der 83 Zur Bedeutung der Ersatzhandlung als Versuch der Konfliktbewältigung: Heckhausen, H., Leistungsmotivation, in: Handbuch der Psychologie, 2. Band: Allgemeine Psychologie, II. Motivation, Hrsg. Thomae, H., 2. Aufl., Göttingen 1965, S. 628 und S. 637. 84 Vgl. Dorsch, F., Psychologisches Wörterbuch, 8. Aufl., Hamburg, Bern 1970, S. 247, Stichwort „Leitbild". 85 Zum motivierenden Charakter realistischer Ziele vgl. Heckhausen, H., a.a.O., S. 642.
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III. Methoden der Hypothesenflng
Güterproduktion und die dafür notwendige Förderung des Konsums m i t allen Mitteln angesehen. Nicht nur bei einzelnen Sozialrevolutionären und Kulturkritikern, sondern auch bei der breiten Öffentlichkeit wächst das Bewußtsein, daß eine ständige Steigerung der Güterproduktion und des Güterverbrauchs sowie die Möglichkeit, über immer noch mehr Produkte zu verfügen, m i t empfindlichen Einschränkungen der „Qualität des Lebens" erkauft werden müssen 86 . So kann oft der Zwang, ständig höher geschraubte Konsumnormen zu erfüllen und sich die Kaufkraft für die Erfüllung dieser Normen zu verdienen, zu permanentem Streß, zur Verfestigung einseitig leistungsorientierter Motivationsstrukturen und zur Beseitigung einer notwendigen Entspannungsund Erlebnisfähigkeit führen. A u f der anderen Seite bedroht eine zügellose Industrialisierung das Gleichgewicht i n der natürlichen Umwelt, vernichtet wertvollen Erholungsraum und führt zu einer Verschwendung der natürlichen Ressourcen 37. Eine freiwillige Selbstbeschränkung bei der Verfolgung von Wachstums- und rentabilitätsorientierten Unternehmenszielen kann bei zunehmender Problembewußtheit der Öffentlichkeit durchaus auch i m Interesse des einzelnen Unternehmens sein. Eine von allen Anbietern auf einem Markt gleichzeitig praktizierte, freiwillige Selbstbeschränkung kann unter Umständen verhindern, daß die Anbieter eines Tages soweit der öffentlichen Kontrolle unterworfen werden, daß ihre Entscheidungsfreiheit empfindlich eingeschränkt wird 3 8 . Eine weitere Erscheinungsform, die oft von der Bestärkung der Tendenz zu Ersatzbefriedigungen schwer zu unterscheiden ist, ist die einseitige Berücksichtigung bestimmter Bedürfnisse der Käufer. Neben mangelndem Problembewußtsein dürfte die mangelnde Bereitschaft, Informationen über möglichst alle Determinanten des Käuferverhaltens zu gewinnen, die Hauptursache für diese Erscheinung sein. Als Beispiele solcher Einseitigkeiten können Versuche angesehen werden, durch Werbung und Produktgestaltung nur bestimmte Strebungen beim Konsumenten, etwa ausschließlich den Sexualtrieb oder ausschließlich das Sicherheitsstreben, als Kaufimpuls zu aktivieren. 36 Vgl. Galbraith, K., Die moderne Industriegesellschaft, München 1968, a.a.O., S. 248 ff. 37 Vgl. Umweltschutz (I), aus den öffentlichen Anhörungen des Innenausschusses und des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit des Deutschen Bundestages, in: Zur Sache 3/1971, Hrsg. Presse und Informationszentrum des Deutschen Bundestages, Bonn. 38 Beispiele für freiwillige Selbstbeschränkung: Produktionsstopp von Biphenyle (PCB) durch Bayer und Monsanto, vgl. Der Spiegel, 4. Oktober 1971, S. 197 ff.; Freiwillige Selbstbeschränkung in der Zigarettenwerbung, vgl. Werbung 1970, Jahresbericht 1970 des Zentralausschusses der Werbewirtschaft e.V., Bonn, S. 91 ff.
3. Denkmethoden zur Bildung hypothetischer Erklärungsmodelle
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Derartige Einseitigkeiten können sich auch i n der einseitigen Berücksichtigung bestimmter funktionaler Verwendungszwecke äußern. Die Folge können Produkte sein, die eine bestimmte Funktion erfüllen, eine andere, die i n einer bestimmten Verwendungssituation ebenfalls erfüllt werden muß, jedoch nicht. Mangelnde Kreativität kann sich schließlich i n der einseitigen Berücksichtigung bestimmter Käufergruppen äußern. Die Folge dieser einseitigen Berücksichtigung durch alle oder sehr viele Anbieter auf einem bestimmten Produkt- oder Dienstleistungsmarkt ist ein relativ undifferenziertes Angebot, das die Wünsche und Bedürfnisse eines verhältnismäßig großen Teils von Käufern unberücksichtigt läßt 39 . Als Beispiele dafür können die Vernachlässigung der Gruppe der älteren Menschen bei den Absatzbemühungen eines Großteils der A n bieter von Konsumgütern, die Vernachlässigung reifer, differenzierter Menschen durch das Angebot der etablierten Filmindustrie i n der Bundesrepublik sowie die Konformität des von der Mode diktierten Angebots i n bestimmten Bereichen der Damenkonfektion genannt werden. Es wäre eine lohnende Aufgabe zu prüfen, ob das Argument der mangelnden Rentabilität, das oft gegen eine Differenzierung des A n gebots und gegen die Berücksichtigung von Minderheiten vorgebracht wird, angesichts des scharfen Wettbewerbs der meisten Anbieter um „bevorzugte Mehrheiten" tatsächlich stichhaltig ist 40 .
3. Denkmethoden zur Bildung hypothetischer Erklärungsmodelle des Marktgeschehens Die Prinzipien kreativen Denkens müssen als Prinzipien angesehen werden, die bei der Anwendung verschiedener Denkmethoden zur Formulierung von Erklärungshypothesen Beachtung finden sollten. Das gemeinsame Merkmal der Denkmethoden zur Bildung hypothetischer Erklärungsmodelle des Marktgeschehens ist die Anwendung der isolierenden Abstraktion. Jede Formulierung von Erklärungsmodellen i n der Absatzforschung ist zwangsläufig eine Abstraktion von der komplexen Realität. Ohne eine gedankliche Isolierung bestimmter Variablen aus der Vielfalt der i n der realen Umwelt des Unternehmens w i r k samen Variablen und bestimmter Beziehungen aus dem unübersehbaren Geflecht von Beziehungen lassen sich keine Erklärungshypothesen formulieren 41 . 39
Vgl. Küng, E., Die Konsumentenautonomie, in: GfM-Mitteilungen, Heft 1, 1967, S. 1—3. 40 GfK-Sonderdienst 3/1969, Produktsegmentierung, das neue Verfahren der Marktsegmentierung, Nürnberg 1969, S. 120 f. 41 Vgl. Kapierer, C., Disch, W., Absatzprognose, a.a.O., S. 138.
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III. Methoden der Hypothesenflng
Die isolierende Abstraktion ist gleichsam eine selbstverständliche und zwangsläufige Erscheinung bei der Formulierung von Erklärungsmodellen. Sie soll deshalb nicht als eigene Methode, sondern als Charakteristikum der eigentlichen Denkmethoden zur Bildung von Erklärungsmodellen angesehen werden. Die Denkmethoden lassen sich nun grob einteilen i n Methoden, die i n erster Linie dazu dienen, bestimmte Variablen und Ausprägungen von Variablen überhaupt zu identifizieren und i n Methoden, die primär den Zweck verfolgen, Beziehungen zwischen den Variablen zu formulieren. Die erste Gruppe besteht aus der Methode der objektbezogenen Systematisierung der Variablen und aus der Methode der Klassifikation. 31. Objektbezogene Systematisierung Voraussetzung jeder Hypothesenformulierung ist das Vorhandensein eines Basiswissens über den zu erklärenden Sachverhalt, insbesondere die Kenntnis von Variablen und Variablenbeziehungen, die zur Erklärung herangezogen werden könnten 4 2 . Je umfassender dieses Basiswissen ist, je mehr Variablen und Variablenbeziehungen i n der Vorstellung auf ihre Bedeutsamkeit überprüft und als denkbar durchgespielt werden können, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß die endgültig formulierten Erklärungsmodelle richtig und vollständig sind. A m wirkungsvollsten kann ein umfassendes Basiswissen bei der Hypothesenformulierung freilich erst dann verwertet werden, wenn dieses Wissen systematisch geordnet ist. Bei der Hypothesenformulierung besteht immer wieder die Gefahr, daß gerade die Fülle ungeordneten Wissens i n Gestalt einer verwirrenden Vielfalt von Vorstellungen über alle möglichen Einflußfaktoren auf dem M a r k t eines Unternehmens das Finden von Hypothesen m i t realem Gültigkeitsanspruch erschwert. Die Systematisierung des Wissens über die Variablen, die als Determinanten des Erfolgs absatzpolitischer Maßnahmen i n Frage kommen könnten, bedeutet nichts anderes, als Bereiche zu bilden, denen die verschiedenen Variablen zugeordnet werden können. M i t der systematischen Zusammenfassung der Variablen i n bestimmte Gruppen w i r d die amorphe Gesamtheit einer Vielzahl möglicher Einflußfaktoren gegliedert und damit der Uberblick über die Gesamtheit erleichtert 43 . 42
Vgl. Bunge, M., Scientific Research, Bd. I, a.a.O., S. 253 ff. Vgl. Fischer, H., Faktorenübersicht als Hilfsmittel und Erkenntnisquelle, in: der Marktforscher, Heft 1, 1963, S. 13. 43
3. Denkmethoden zur Bildung hypothetischer Erklärungsmodelle
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Bei der Suche nach möglichen Ursachen von Absatzproblemen oder nach neuen Marktchancen bieten Variablengruppen bessere Ansatzpunkte als eine ungeordnete Vielzahl einzelner Ursachen und Möglichkeiten. Die Bildung von Variablengruppen entspricht also einer Strukturierung der Situation bei der Suche nach möglichen relevanten Variablen 4 4 . Sie kann als Formulierung von relativ globalen Forschungsalternativen interpretiert werden. M i t der Formulierung dieser Alternativen ist gleichzeitig die Möglichkeit geschaffen worden, sich für eine bestimmte Alternative respektive für eine bestimmte Variablengruppe bei der Suche zu entscheiden 45 . Nach der Entscheidung für eine bestimmte Variablengruppe können die einzelnen Variablen dieser Gruppe auf ihre Bedeutsamkeit hin überprüft werden. Nach Abschluß der Suche innerhalb einer Gruppe kann die nächste Gruppe analysiert werden und so fort. Die Berücksichtigung sämtlicher Gruppen oder Bereiche von Variablen bietet die Gewähr, daß alle möglichen Variablen vor der endgültigen Formulierung der Hypothese oder des hypothetischen Erklärungsmodells geprüft werden. Eine unsystematische Überprüfung einzelner Faktoren führt eher dazu, daß unter Umständen wichtige Faktoren nicht berücksichtigt werden. Diese Zusammenfassung der Variablen i n bestimmte Bereiche darf nicht verwechselt werden mit der Bildung von Systemen relevanter Variablen. Die Bildung relevanter Variablensysteme ist das Ergebnis der Hypothesenformulierung. Relevante Systeme ändern sich auch m i t dem jeweils verfolgten Informationszweck. I m Gegensatz dazu erfolgt die Bildung der hier angesprochenen Variablengruppen völlig unabhängig von irgendeinem Informationszweck; sie dient vielmehr ausschließlich dazu, einen systematischen Uberblick über alle Variablen zu geben. Dieser Überblick erleichtert die Identifikation relevanter Variablen und stellt damit eine wesentliche Voraussetzung für die Formulierung vollständiger und realitätsnaher zweckorientierter hypothetischer Erklärungsmodelle des Marktgeschehens dar. 311. Ansätze zur objektbezogenen
Systematisierung
Eine Systematisierung von Variablen nach dem K r i t e r i u m ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten Gegenständen und Phänomenen der „Realität" entspricht einer Systematisierung der Variablen gemäß den unterschiedlichen Erkenntnisobjekten der verschiedenen Teildisziplinen empirischer Wissenschaften. 44 Vgl. hierzu Buzzell, R. D., Cox, D. F., Brown, R. V., Marketing Research, a.a.O., S. 29 f. 45 Dieses Vorgehen entspricht dem Zerlegen eines komplexen Problems in Teilprobleme. Vgl. hierzu Zettl, H., Der Prozeß der Entwicklung und Einführung betriebswirtschaftlicher Informationssysteme, a.a.O., S. 126.
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III. Methoden der Hypothesenfindng
Erklärungsmodelle, wie sie i n der Absatzforschung laufend gebildet werden, enthalten in der Regel Variablen, die den verschiedensten, i m Rahmen der objektbezogenen Systematisierung gebildeten Bereichen zugerechnet werden können. So enthält beispielsweise das zweckbezogene System „Determinanten des Makterfolgs eines bestimmten Produkt" Variablen, die dem Herkunftsbereich „Angebotsseite" und dem Herkunftsbereich „Nachfrageseite" zugeordnet werden können, oder Variablen, die auf der Ebene der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, und Variablen, die auf der Ebene der Motivation einzelner Marktpartner zu suchen sind. Es gilt, die verschiedenen Möglichkeiten näher zu erörtern, nach denen Bereiche gebildet werden können, welchen sich die Variablen zuordnen lassen. Eine Möglichkeit stellt die Zuordnung der Variablen zu verschiedenen Ebenen der „Realität" dar. Eine ontologische Annahme, aus der Bunge die Abgrenzung der verschiedenen Teildisziplinen empirischer Wissenschaften ableitet, ist, daß die „Realität" kein homogenes Ganzes darstellt, sondern i n verschiedene Schichten aufgeteilt ist. Jede dieser Schichten oder Ebenen läßt sich danach gegenüber einer anderen Ebene als „tiefere" oder „höhere" Ebene kennzeichnen. Jeder Ebene können spezifische Variablensysteme m i t spezifischen Gesetzmäßigkeiten zugeordnet werden 46 . Als Hauptebenen empirischer Wissenschaften unterscheidet er, ausgehend von der tiefsten Ebene, die physikalische, die biologische, die psychologische und die soziokulturelle Ebene 47 . Eine weitere ontologische Grundannahme besagt nach Bunge, daß die höheren Ebenen i n den tieferen verwurzelt sind. Diese Annahme w i r d sowohl entwicklungsgeschichtlich begründet, als auch aus den Beziehungen zwischen den Ebenen zu einem bestimmten Zeitpunkt abgeleitet. Nach dieser Annahme existieren die höheren Ebenen nicht isoliert, sondern sie bauen auf den darunterliegenden auf, und haben sich i m Lauf der Zeit i n einem evolutorischen Prozeß aus den tieferen Ebenen entwickelt. Die Verwurzelung einer höheren i n einer tieferen Ebene ist der Grund dafür, daß es möglich ist, Geschehnisse und Sachverhalte auf einer höheren Ebene auf Variablen und Variablenbeziehungen zurückzuführen, die einer tieferen Ebene zuzuordnen sind 48 . Dieser Zusammenhang, der i m Verlauf der wissenschaftlichen Entwicklung immer deutlicher wurde, ist der Grund, warum der W i r t 46 47 48
Vgl. Bunge, M., Scientific Research, Bd. I, a.a.O., S. 293. Vgl. Bunge, M., Scientific Research, Bd. I, a.a.O., S. 293. Vgl. ebenda.
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schaftswissenschaftler immer mehr von der Psychologie, und der Psychologe mehr und mehr von der Biologie, ja selbst von der Chemie, verstehen muß 49 . Bestimmte Variablen und Variablenbeziehungen lassen sich nach BUNGE einer Ebene zuordnen, die unter einer anderen Ebene zu lokalisieren ist, wenn a) die Existenz dieser Variablen und Variablenbeziehungen aus beobachtbaren Phänomenen und Sachverhalten auf einer höheren Ebene erschlossen werden kann und wenn b) die Variablenbeziehungen auf der tieferen Ebene gleichsam einen Mechanismus darstellen, durch den die beobachtbaren Phänomene und Sachverhalte auf der höheren Ebene erklärt werden können 50 . Häufig werden Aussagen über Sachverhalte, die einer relativ hohen Ebene zuzuordnen sind, black-box-Aussagen genannt 51 . Black-box-Erklärungen setzen i m allgemeinen zwei relativ leicht beobachtbare Variablen in Beziehung, deren Veränderungen relativ leicht gemessen werden können. Sie verzichten auf eine Analyse der Variablen und Variablenbeziehungen auf einer tieferen Ebene, durch die die beobachteten Beziehungen wiederum erklärt werden können 52 . Das Modell der i n „höhere" und „tiefere" Ebenen gegliederten „Realität" erweist sich gerade i n der Absatzforschung als wichtiger Ansatz zur Systematisierung der Fülle von Faktoren, die den Markterfolg absatzpolitischer Maßnahmen bestimmen. Die Notwendigkeit, aus Gründen der Genauigkeit und der Vollständigkeit bei der Hypothesenformulierung Variablen aus einer Vielzahl von höheren und tieferen Ebenen der „Realität" zu berücksichtigen, ist wohl nirgends größer als i n der Absatzforschung. Andererseits besteht jedoch auch wohl nirgends eine dringendere Notwendigkeit, sich aus Kostengründen und aus Gründen mangelnder Erfaßbarkeit der Daten bei der Formulierung überprüfbarer Hypothesen auf Variablen zu beschränken, die einer relativ hohen Ebene angehören, also hypothetische Aussagen m i t blackbox-Charakter zu machen. Die Ebenen, die bei der Identifizierung relevanter Marktvariablen zu berücksichtigen sind, sind bei weitem zahlreicher als die eben beispielhaft angeführten Hauptebenen empirischer Wissenschaften. Außerdem besteht kein einseitiger Zusammenhang zwischen den Ebenen in dem Sinne, daß Geschehnisse auf einer hohen Ebene ausschließlich von Me49
Vgl. ebenda. Vgl. Bunge, M., Scientific Research, Bd. I, a.a.O., S. 506 ff. 61 Vgl. ebenda, S. 509. 62 Vgl. Kühn, R , Erklärungsmodelle des Käuferverhaltens als Grundlage einer wissenschaftlichen Marktforschung, a.a.O., S. 72. 50
6 Kopp
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chanismen auf einer tieferen Ebene verursacht werden. Anstöße zur Veränderung von Variablen und Variablensystemen auf einer tieferen Ebene können auch aus einer höheren Ebene kommen. Folgende, für die Lokalisierung relevanter Marktvariablen typische Ebenen lassen sich beispielhaft anführen: Einer relativ hohen Ebene können die Variablen zugeordnet werden, die die gesamtwirtschaftliche Lage kennzeichnen, wie etwa die Variablen der gesamtwirtschaftlichen Einkommensgleichung der Keynes'schen Beschäftigungstheorie, also das Volkseinkommen, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nach Konsumgütern, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nach Investitionsgütern und der Handelsbilanzüberschuß i n Gestalt der Differenz zwischen dem Volumen der Nachfrage nach Export- und nach Importgütern 5 3 . Die Ausprägung und Entwicklung dieser Variablen läßt sich erklären und zurückführen auf die Variablen, die das Geschehen auf den einzelnen Teilmärkten, so z. B. auf dem Markt für ein bestimmtes Konsumgut, kennzeichnen 54 . Die Nachfrage, die auf dem Markt für dieses Konsumgut für eine bestimmte Marke eines bestimmten Unternhemens während einer Periode wirksam wurde, läßt sich zurückführen auf die Verhaltensweisen der einzelnen Nachfrager und Anbieter auf dem Markt, etwa auf die absatzpolitischen Aktivitäten des Anbieters der betreffenden Marke und auf die Reaktionen der Käufer auf diese Aktivitäten. Die Ausprägungen dieser Verhaltensvariablen und die beobachteten Beziehungen zwischen diesen Variablen beruhen wiederum auf dem Einfluß aus der unter der Ebene der Verhaltensvariablen liegenden Ebene der Verhaltensdeterminanten. Sowohl die Determinanten des Verhaltens der Käufer als auch die Determinanten des Verhaltens des Anbieters der betreffenden Marke lassen sich wiederum verschiedenen Ebenen zuordnen. Die absatzpolitischen Maßnahmen des Unternehmens beispielsweise werden durch die Organisationsstruktur des Unternehmens und durch den Einfluß bestimmter Mitglieder der Organisation determiniert 5 5 . Die Verhaltensweisen der Mitglieder der Unternehmensorganisation werden wiederu m durch die personenendogenen Verhaltensdeterminanten der einzelnen Mitglieder, wie etwa deren persönliche Zielvorstellungen, Wünsche, 53 Vgl. Schneider, E., Einführung in die Wirtschaftstheorie. III. Teil: Geld, Kredit, Volkseinkommen und Beschäftigung, a.a.O., S. 285. 54 Vgl. ebenda, S. 109 f.; Streissler, E., Makroökonomische Konsumtheorie, in: Konsum und Nachfrage, Hrsg. Streissler, E. und M., Köln, Berlin 1966, S. 83—93. 55 Vgl. Heinen, E., Das Zielsystem der Unternehmung, a.a.O., S. 187 ff.
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Triebe bestimmt 5 6 . Analog dazu kann das Kaufverhalten z. B. aus der Struktur der Gruppe erklärt werden, der der Käufer angehört. Die Verhaltensweisen des einzelnen Käufers können wiederum durch seine personenendogenen Verhaltensdeterminanten erklärt werden 57 . Daß auch Variablen auf einer höheren Ebene Variablen auf einer darunterliegenden Ebene determinieren, w i r d deutlich, wenn man sich den Einfluß der volkswirtschaftlichen Gesamtsituation, z. B. der gegenwärtigen Konjunkturlage, auf das Verhalten der einzelnen Käufer und Anbieter oder auf die unternehmensinternen Determinanten der Absatzpolitik eines Unternehmens, z. B. auf seine Finanzlage, verdeutlicht. Der Einfluß von absatzpolitischen Maßnahmen auf die personenendogenen Verhaltensdeterminanten eines Käufers, z. B. auf die Aktivierung und Konkretisierung bestimmter Bedürfnisse ist ein weiteres Beispiel für den Einfluß von Variablen aus der relativ hohen Ebene des beobachtbaren Verhaltens auf die darunterliegende Ebene der Verhaltensdeterminanten 5 8 . Aus den vielfältigen Beziehungen, die zwischen den Variablen auf verschiedenen Ebenen bestehen, und aus der Unmöglichkeit, alle Variablen und Variablenbeziehungen auf den verschiedenen Ebenen zu berücksichtigen, ergibt sich gerade i n der Absatzforschung die zwingende Notwendigkeit, immer wieder bewußt zu entscheiden, welche Ebene noch i n die Hypothesenformulierung und Hypothesenprüfung miteinbezogen werden soll und wie fundiert damit Erklärungen für Sachverhalte auf dem Markt einer Unternehmung sein sollen. Dies gilt vor allem für Erklärungen von Aktions-Reaktionsbeziehungen auf der Ebene des Verhaltens von Anbietern und Nachfragern auf dem M a r k t einer Unternehmung. Als Entscheidungshilfen bei diesem Problem können folgende methodische Prinzipien herangezogen werden 5 9 : a) Das Prinzip der Beschränkung auf die eigene Ebene. Es besagt, daß sich die Untersuchung von Sachverhalten, wenn möglich, auf die Ebene beschränken soll, der diese Sachverhalte zuzuordnen sind. b) Das Prinzip der Ebenenüberschreitung. Es gilt nur dann, wenn das Verweilen auf einer bestimmten Ebene zu ungenügenden Erklärungen führt. Sobald z. B. aus dem vergangenen Verhalten eines Marktpartners nicht mehr m i t Sicherheit auf dessen zukünftiges Verhalten geschlossen werden kann, sind explizit Hypothesen über die Entwicklung 58 67 58 69
6*
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
ebenda, S. 191 ff. hierzu die Ausführungen in Abschnitt III, 313. hierzu die Ausführungen in Abschnitt III, 313. Bunge, M., Scientific Research, Bd. I, S. 294.
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III. Methoden der Hypothesenflng
und den Einfluß der Verhaltensdeterminanten des Marktpartners zu formulieren. c) Das Prinzip der Ebenenverbindung. Es besagt, daß bei der Formulierung von Beziehungen zwischen verschiedenen Ebenen keine Ebene übersprungen werden sollte. Demzufolge wäre z. B. die Umsatzentwicklung einer Branche nicht direkt m i t der Veränderung bestimmter personenendogener Verhaltensdeterminanten einzelner Käufer, wie z. B. der Veränderung der Bedürfnisstruktur eines Käufers, in Beziehung zu setzen, sondern zunächst auf die Entwicklung der Umsätze bestimmter Unternehmer, Produktgruppen oder Produkte aus dem Bereich dieser Branche zurückzuführen. Die Zuordnung der Variablen zu bestimmten Ebenen der Realität ist eine Möglichkeit ihrer Systematisierung. Sie genügt jedoch nicht, um die Variablen eindeutig bestimmten realen Objekten oder Phänomenen zuzuordnen. A u f jeder Ebene sind deshalb zustäzlich nach verschiedenen Gesichtspunkten Segmente zu bilden, die eine differenziertere Gruppierung der Variablen erlaubt 6 0 . Die Determinanten des Verhaltens eines einzelnen Käufers lassen sich z. B. systematisieren i n personenendogene und personenexogene Verhaltensdeterminanten. Als personenendogen sind jene Verhaltensdeterminanten zu bezeichnen, die Bestandteile der Person eines Käufers sind, wie etwa seine körperliche Konstitution, seine Erfahrungen, seine Bedürfnisstruktur und seine Wertvorstellungen. Als personenexogen sind alle Variablen der unmittelbaren und mittelbaren Umwelt des Käufers zu bezeichnen, die Einfluß auf sein Verhalten haben. Ebensogut lassen sich unternehmensendogene und unternehmensexogene Verhaltensdeterminanten unterscheiden. Unternehmensendogene Verhaltensdeterminanten sind z. B. die Organisationsstruktur des Unternehmens und sein Bestand an Produktionsmitteln. Weiterhin lassen sich die Variablen nach den realen Phänomenen oder „thermatischen Einheiten" systematisieren, deren Bestandteile sie sind. A u f der soziokulturellen Ebene lassen sich beispielsweise Variablen identifizieren, die Bestandteile des Phänomens „makroökonomische Vorgänge" sind, wie etwa das Volkseinkommen oder die Einkommensverteilung, oder aber Variablen, die Bestandteile politischsozialer Phänomene sind, wie etwa soziale Normen und die kodifizierte Rechtsordnung. 60
Vgl. Bunge, M., Scientific Research, Bd. I, S. 293.
3. Denkmethoden zur Bildung hypothetischer Erklärungsmodelle
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A u f der Ebene des Verhaltens der Marktpartner können die absatzpolitischen Instrumente als Bestandteile des Phänomens „Absatzpolit i k " interpretiert werden. A u f der Ebene der Verhaltensdeterminanten lassen sich bei den personenexogenen Variablen z. B. Merkmale der sozialen und Merkmale der ökonomischen Situation eines Käufers, bei den personenendogenen Variablen z. B. Triebe und Wertvorstellungen identifizieren. Die Systematisierung der Determinanten des Käuferverhaltens erfolgt zweckmäßigerweise also sowohl nach dem K r i t e r i u m der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ebene der „Realität" als auch nach dem K r i terium der Zugehörigkeit zu einem bestimmten realen Gegenstand oder realen Phänomen. Die Kombination dieser Systematisierungskriterien ermöglicht es z.B.; jede Gruppe von Variablen, die Bestandteile eines realen Phänomens sind, jeweils nach der Zugehörigkeit der Variablen zu den verschiedenen Ebenen der Realität weiter zu untergliedern. Die der Angebotsseite zuzurechnenden Determinanten des Kaufverhaltens können nach dem K r i t e r i u m der Ebenenzugehörigkeit i n Merkmale des Verhaltens der Anbieter und i n die der Angebotsseite zurechenbaren Determinanten dieses Verhaltens, also z. B. i n die unternehmensinternen Determinanten der Absatzpolitik gegliedert werden. M i t Hilfe der genannten Systematisierungskriterien ist es möglich, relativ geschlossene Variablenteilsysteme zu finden. Als relativ geschlossen läßt sich ein Teilsystem von Variablen dann bezeichnen, wenn a) die Variablen durch ein verhältnismäßig dichtes Netz relativ intensiver Beziehungen gegenseitiger Einflußnahme miteinander verbunden sind, b) innerhalb des Systems als Folge von äußeren, „systemexogenen" Einflüssen eine Reihe von Prozessen ablaufen, die auf Grund des engen Beziehungsgeflechts zu einer Reihe von Veränderungen systemendogener Variablen führen, ohne daß alle diese Veränderungen wiederum direkte Rückwirkungen auf die äußere Umgebung des Systems haben müssen, c) sich die systemendogenen Variablen und Variablenbeziehungen ohne äußeren Einfluß relativ wenig verändern, die Systemstruktur also verhätlnismäßig stabil ist 6 1 . Als ein relativ geschlossenes System von Variablen, die jeweils ein und derselben Ebene angehören, kann z. B. das System der Verhaltens61 Vgl. Schneider, E., Einführung in die Wirtschaftstheorie, II. Teil: Wirtschaftspläne und Wirtschaftliches Gleichgewicht in der Verkehrswirtschaft, a.a.O., S. 277; Stern, M., Marketing Planung, a.a.O., S. 151; Rothschild, K. W., Wirtschaftsprognose, a.a.O., S. 14.
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äußerungen von Anbietern und Nachfragern auf einem bestimmten Produktmarkt angesehen werden. Ohne Anstöße von außen, d. h. von anderen Segmenten auf der gleichen Ebene, wie z. B. vom Verhalten der Anbieter auf anderen Märkten, oder von einer anderen Ebene, wie z. B. von den Wertvorstelungen der Nachfrager, w i r d sich das Verhalten der Marktpartner nicht wesentlich ändern. Es herrscht Gleichgewicht auf dem Markt. Ein relativ geschlossenes System von Variablen, die unterschiedlichen Ebenen angehören, bilden z. B. die absatzpolitischen Maßnahmen eines Unternehmens und sämtliche unternehmensendogenen Verhaltensdeterminanten. Die Beispiele zeigen, daß ein relativ geschlossenes System durchaus wiederum aus verschiedenen Subsystemen bestehen kann. Die Problematik der Systematisierung der Variablen, die als Determinanten des Erfolgs absatzpolitischer Maßnahmen i n Frage kommen, w i r d besonders deutlich, wenn diese Determinanten als Bestimmungsgründe des Käuferverhaltens interpretiert werden. Daß aus der Sicht eines bestimmten Unternehmens Erfolgsdeterminanten absatzpolitischer Maßnahmen und die Determinanten des Käuferverhaltens identisch sind, geht aus der Identiät von Käuferverhalten und Markterfolg hervor. Marktanteile, Umsatzentwicklungen, die Schnelligkeit des Diffusionsprozesses neuer Produkte, die Höhe der erzielten Deckungsbeiträge, kurz alle Kennzahlen, die den Markterfolg absatzpolitischer Maßnahmen zum Ausdruck bringen, sind letzten Endes nicht anderes als Ausdruck einer bestimmten Reaktion der potentiellen Käufer, die der Unternehmer m i t seinen absatzpolitischen Maßnahmen ansprechen wollte 6 2 . A l l e Determinanten, von denen die Reaktion der Käufer auf absatzpolitische Maßnahmen abhängt, also alle Bestimmungsfaktoren des Käuferverhaltens sind somit Determinanten des Erfolgs absatzpolitischer Maßnahmen. Diese Identität rechtfertigt es, bei der Systematisierung der Determinanten des Verhaltens einzelner Käufer, speziell des Konsumenten, von den Erkenntnissen der Motivationspsychologie und von den dort entwickelten Systematisierungsansätzen auszugehen. Motivationen stellen „Phasen aus dem Aktivitätskontinuum eines Menschen dar, die unter dem Aspekt ihres Einflusses auf eine . . . Veränderung der Intensität, Richtung und Form der A k t i v i t ä t (in den jeweils nachfolgenden Phasen, Anm. d. Verf.) gesehen werden" müssen 63 . 62
Vgl. Behrens, K. Chr., Demoskopische Marktforschung, a.a.O., S. 14. Thomae, H., Die Bedeutung des Motivationsbegriffes, in: Handbuch der Psychologie, 2. Band: Allgemeine Psychologie, II. Motivation, Hrsg. Thomae, H., 2. Aufl., Göttingen 1965 (Zitierweise: Motivationsbegriff), S. 42. 63
3. Denkmethoden zur Bildung hypothetischer Erklärungsmodelle
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A l l e Verfahren, die i n dieser Phase wirksam werden, können als Determinanten des Verhaltens i n der nachfolgenden Phase interpretiert werden. „Motivation w i r d . . . nicht, wie i n naiv-psychologischen Untersuchungen, als letztes Ursachenelement" menschlicher Verhaltensweisen zu verstehen sein, sondern „vielmehr als Wirkungsgefüge vieler Faktoren eines gegebenen Person-Umwelt-Bezugs, die das Erleben und Verhalten auf Ziele richten und steuern" 64 . Die motivierenden Variablen sind nicht begrenzt auf personenendogene Variablen, insbesondere auf sogenannte „leibnahe" 6 5 oder auch unbewußte Strebungen. Als motivationale Variablen sind ebenso Merkmale der Umwelt oder einer bestimmten Situation anzusehen, die das Verhalten eines Menschen gleichsam von außen her beeinflussen. Ebenso zählen zu den motivationalen Variablen Faktoren, die das bewußte Verhalten, insbesondere das subjektiv-rationale Verhalten bei Entscheidungen steuern 66 . Motivationale Variablen sind auch nicht begrenzt auf Variablen, die innerhalb eines bestimmten Zeitraumes wirken. Insbesondere dann, wenn man „Motivation als Inbegriff verständlicher Zusammenhänge" 67 interpretiert, wie dies in der sogenannten verstehenden Psychologie der Fall ist, w i r d deutlich, daß die Phase der Motivation keineswegs auf einen bestimmten Zeitabschnitt begrenzt ist. Als Determinanten des Verhaltens sind alle Variablen einzubeziehen, aus deren Zusammenwirken das Verhalten eines Menschen verständlich wird 6 8 . Dazu gehören unter anderem Ereignisse und Situationen aus der individuellen Geschichte und vor langer Zeit gemachte Erfahrungen sowie erworbenes Wissen. Als ein Ansatzpunkt, die komplexe Vielfalt der Verhaltensdeterminanten, die i n der Phase der Motivation wirksam werden, zu ordnen, bietet sich das Schema von Graumann an. M i t Verhalten bezeichnet er einen komplexen Zusammenhang, in dem eine Person i n einer bestimmten Situation sich zu etwas i n einer bestimmten Hinsicht verhält. Jeder Untersuchung über die Determinanten des Verhaltens sollten demnach Informationen enthalten über: 64
Heckhausen, H., Leistungsmotivation, a.a.O., S. 603. Graumann, C. F., Methoden der Motivationsforschung, in: Handbuch der Psychologie, 2. Band: Allgemeine Psychologie, II. Motivation, Hrsg. Thomae, H., 2. Aufl., Göttingen 1965 (Zitierweise: Motivationsforschung), S. 137. 66 Vgl. Thomae, H., Motivationsbegriff, a.a.O., S. 17. 67 Vgl. ebenda, S. 43. 68 Vgl. Thomae, H., Zur allgemeinen Charakteristik des Motivationsgeschehens, in: Handbuch der Psychologie, 2. Band: Allgemeine Psychologie, II. Motivation, Hrsg. Thomae, H., 2. Aufl., Göttingen 1965, S. 54. 65
88
III. Methoden der Hypothesenfindng
,,a) die leibseelisch verstandene Person, b) die A r t und Intensität der A k t i v i t ä t , c) A r t und Mannigfaltigkeit der Bedingungen, unter denen gehandelt wird, d) eine genaue Analyse des Gegenstands, auf den sich das Handeln richtet, e) eine psychologisch zureichende Bestimmung der Hinsicht, i n die der Gegenstand gerückt w i r d " 6 9 . A l l e Variablen, auf die das Verhalten, das der Phase der Motivation folgt, zurückgeführt werden können, lassen sich i n der Gruppen der bedingenden Variablen zusammenfassen. Alle Erscheinungen der Veränderungen des Verhaltens i n Richtung, Intensität und Form bilden die Gruppe der bewirkten Variablen 7 0 . Bedingende und bedingte Variablen können jedoch nicht als einzige „Indikatoren des Motivationsgeschehens" gelten. „Prinzipiell lassen sich noch Züge einer motivationalen Situation abheben, die sich weder eindeutig in A - noch in C-Variablen (d. i. weder eindeutig in bedingende Variable noch i n bewirkte Verhaltensweisen, Anm. d. Verf.) transformieren lassen, weil sie sich nun tatsächlich zwischen dem bewirkenden Ereignis und dem bewirkten Handeln erstrecken. Als tatsächliche, reale Prozessen stehen sie der Erfahrung, etwa introspektiv, offen und sind damit keine hypothetischen constructa. Gemeint sind die eher erlebnisdeskriptiv als psychometrisch bestimmbaren Befindlichkeiten, Zuständlichkeiten, Gefühle und Anmutungen etc. einer motivierten Person, zusammenfassend oft als deren Emotionalität bezeichnet" 71 . Diese, einen Motivationsvorgang begleitenden Gefühle können als dritte Variablengruppe, gemeinsam als intervenierende Variablen zwischen der Gruppe der bedingenden Variablen und der Gruppe der bedingten Verhaltensweisen eingeordnet werden. Differenziert man die Gruppe der bedingenden Variablen noch weiter nach einer von Vinacke entwickelten Systematik 72 , so erhält man eine globale Systematisierung motivierender Variablen, die als Ausgangspunkt einer detaillierten objektbezogenen Systematik der Determinanten des Käuferverhaltens dienen könnte. Es sei bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß bei allen Versuchen zur Abhebung und Isolierung bestimmter Gruppen von Verhaltensdeterminanten die Interdependenz zwischen den verschiedenen w 70 71 72
Graumann, C. F., Motivationsforschung, a.a.O., S. 124. Ebenda, S. 126. Graumann t C. F., Motivationsforschung, a.a.O., S. 131. Vgl. ebenda, S. 132.
3. Denkmethoden zur Bildung hypothetischer Erklärungsmodelle
89
Gruppen nie vernachläsigt werden darf. Keiner der i m folgenden genannten Bereiche hat für sich allein Bestand. Erst auf dem Zusammenwirken aller Variablen i n allen Bereichen läßt sich letzten Endes das Verhalten, also auch das Käuferverhalten, erklären 78 . Die Systematik nach Vinacke und Graumann umfaßt folgende Gruppen 7 4 : A. Die Gruppen der bedingenden Variablen I. Die Gruppe der inneren oder personenendogenen Variablen a) Antriebsvariablen Als Antriebsvariablen werden jene Variablen verstanden, die das Verhalten eines Menschen i n einer bestimmten Situation m i t „Energie" versorgen. Je nach der Situation können unterschiedliche „Triebe" dominieren und das Verhalten m i t Energie versorgen 75 . b) Steuerungsvariablen Steuerungsvariablen sind all jene, durch Lernen erworbene, überdauernde Werte, Einstellungen, Ziele, welche die durch die Antriebsvariablen erzeugten Aktivierungen zu einem durch eine bestimmte Richtung, eine bestimmte Ausformung und einen bestimmten Verlauf gekennzeichnetem Verhalten konkretisieren 76 . c) Anpassungsvariablen „Anpassungsvariablen sind vorübergehende und spezifische Determinanten der Reaktion bzw. kognitive Prozesse, die das Verhalten durch die Wahl eines bestimmten Aktes . . . zentrieren" 77 . Zu denken wäre an bestimmte psychische Funktionen, wie etwa an das Lernen, das Wahrnehmen und das Denken. II. Die Gruppe der personenexogenen Variablen a) Situationsvariablen 78 Die Situationsvariablen kennzeichnen die äußeren Bedingungen, die „Lagen", i n der sich eine Person jeweils befindet. Ein typisches Beispiel für die Bedeutung der jeweiligen Lage als Verhaltensdeterminante ist die Dauer des Entzuges der Befriedigung bestimmter Bedürfnisse. M i t zunehmender Dauer des Entzugs w i r d eine Person i n zunehmendem Umfang ihr Denken und 78 Vgl. Lersch, Ph., Aufbau der Person, a.a.O., S. 40; Graumann, C. F., Motivationsforschung, a.a.O., S. 129. 74 Vgl. Graumann, C. F., Motivationsforschung, a.a.O., S. 126—129, S. 133. 75 Vgl. Graumann, C. F., Motivationsforschung, a.a.O., S. 133. 79 Vgl. ebenda. 77 Ebenda. 78 Vgl. Hofstätter, P., Einführung in die Sozialpsychologie, 4. Aufl., Stuttgart 1966 (Zitierweise: Sozialpsychologie), S. 16; Graumann, C. F., Motivationsforschung, a.a.O., S. 124.
90
III. Methoden der Hypothesenflng Handeln auf die Befriedigung dieses Bedürfnisses richten 79 . Verhaltensbedingende Zustände, die speziell das Kaufverhalten steuern, könnten beispielsweise i n der Vermögenssituation eines Konsumenten gesehen werden. M i t der Befriedigung eines bestimmten Bedürfnisses durch den Kauf und die Verwendung eines Produkts rücken neue Bedürfnisse i n den Mittelpunkt, b) Motivierende Reize 80 Äußere Reize — darüber besteht i n der Motivationspsychologie allgemein Einigkeit — sind für jedes Motivationsgeschehen funktional wichtig, das „Gerichtetheit" 8 1 aufweist. Durch das Wahrnehmen eines äußenren Reizens können Antriebsvariable aktiviert werden. Relativ undifferenzierte, leibnahe Antriebe, etwa „Hunger" oder „Sexualität" werden durch das Wahrnehmen eines Reizes, der Befriedigung verspricht, als Streben nach dem Reizobjekt aktiviert und konkretisiert. Aber auch bewußte, relat i v differenzierte Strebungen nach bestimmten Zielen werden aktiviert, wenn durch Informationen oder Wahrnehmungen Möglichkeiten sichtbar werden, diese Ziele tatsächlich zu erreichen. M i t der Wahrnehmung von Reizobjekten, die für eine Person einen bestimmten Aufforderungscharakter besitzen, w i r d sich ihr Handeln auf das betreffende Objekt richten. I m Bereich des Kaufverhaltens lassen sich sämtliche absatzpolitische Maßnahmen der Anbieter der Gruppe der motivierenden Reize zuordnen.
B. Die Gruppe der intervenierenden Variablen 8 1 Darunter sind die Variablen zu verstehen, die den Motivationsprozeß zwar kennzeichnen, jedoch nicht als verhaltensbedingende Variablen angesehen werden können, wie etwa Gefühle. C. Die Gruppe der Verhaltensvariablen 88 Verhalten ist einerseits als Reaktion auf bestimmte bedingende Variablen, andererseits aber ebenso als Bedingungen für weiteres Handeln i n nachfolgenden Phasen zu interpretieren. Bevor nun der Versuch gemacht wird, aus dieser verhältnismäßig globalen Differenzierung motivationaler Variablen ein differenzierteres System der Determinanten des Käuferverhaltens abzuleiten, erscheint es angebracht, einige wesentliche Mängel zu erörtern, die verschiedene, 79 80 81 82 83
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Graumann, C. F., Motivationsforschung, a.a.O., S. 137. ebenda, S. 133 und S. 142. ebenda, S. 131. Graumann, C. F., Motivationsforschung, a.a.O., S. 127 und S. 131. ebenda, S. 161 ff.
3. Denkmethoden zur Bildung hypothetischer Erklärungsmodelle bisher i n der Marktforschungsliteratur rungsversuche aufweisen.
91
unternommene Systematisie-
312. Kritik an den Systematisierungsversuchen der traditionellen Marktforschung I n der Absatz- und Marktforschungsliteratur findet sich eine ganze Reihe von Ansätzen, die Fülle der auf dem Markt einer Unternehmung wirkenden Variablen i n einer überschaubaren Systematik zu ordnen. Aus verschiedenen Gründen erscheinen die meisten Systematisierungsversuche unbefriedigend oder zumindest nur in bestimmten Teilbereichen befriedigend. Dies gilt vor allem für jene Systeme von M a r k t faktoren, die ohne die Berücksichtigung der Erkenntnisse anderer sozialwissenschaftlicher Teildisziplinen, wie der Psychologie und der Soziologie, von Marktforschern unter Verwertung praktischer Marktforschungsergebnisse entwickelt wurden. Ein erster Grund für die bedingte Brauchbarkeit dieser Systeme als Hilfsmittel zur Formulierung informativer und für die Praxis brauchbarer Hypothesen besteht darin, daß sich die Gruppierung der Marktvariablen, insbesondere der personenendogenen Determinanten des Käuferverhaltens nicht streng an empirischen Phänomenen und an empirisch beobachtbaren Herkunfstbereichen der Variablen orientieren. Sie beruhen vielmehr zum großen Teil auf verständlich und plausibel erscheinenden gedanklichen Spekulationen und auf philosophischanthropologischen Systemen. Als Ergebnis einer theoretisierenden, introvertierten Geisteshaltung stellen sie oft willkürliche Gruppierungen m i t teilweise wenig operational formulierten Variablen und Variablenbereichen dar, die dem Praktiker kaum Ansatzpunkte für eine Berücksichtigung durch konkrete absatzpolitische Maßnahmen bieten 84 . Als Beispiel für eine derartige recht willkürliche, begriffslogisch unsaubere relativ inhaltsleere und daher wenig operationale Gruppierung läßt sich eine Systematisierung von Eichholz anführen, die nach seinen Angaben in Anlehnung an Schäfer erfolgte 85 . Die Bedarfsfaktoren werden danach u. a. gegliedert in: a) Individuelle Bedarfsfaktoren (Alter, Familienstand, Temperament), b) soziale Bedarfsfaktoren Verbrauchslenkung),
(allgemeines
Hygieneniveau,
öffentliche
c) leibliche Bedarfsfaktoren (Heizbedürfnis, Krankenpflege), 84
Vgl. Kühn, R , Erklärungsmodelle des Käuferverhaltens, . . . , a.a.O., S. 70 ff.; Wolf, H. E., Zur Problematik der Zusammenhänge zwischen Prestige und Mode, in: Der Marktforscher, Jahrgang 1963, Heft 6, S. 182. 85 Vgl. Eichholz, R. E., Stellung und Aufgaben quantitativer Absatzmarktforschung, in: Der Marktforscher, Jahrgang 1968, Heft 8, S.214.
92
III. Methoden der Hypothesenflng
d) seelische Bedarfsfaktoren (Vergnügungsbedürfnis, Tradition), e) geistige Bedarfsfaktoren (Ethos der Lebensführung), f)
ökonomische Bedarfsfaktoren (Kaufkraft),
g) elementare Bedarfsfaktoren (Wandertrieb oder Geschlechtstrieb), h) kulturgeformte Bedarfsfaktoren (Musikhören, Fotografieren). Eine äußerst problematische Einteilung stellt die Gliederung verschiedener „Motivarten" ausschließlich nach dem K r i t e r i u m der A r t ihrer „Wirkungen" dar. Als Beispiel dafür mag eine Systematisierung von Hansen dienen 80 : Der Bedarf w i r d hier auf sogenannte „innere lenkende Faktoren", auf „äußere lenkede Faktoren" und auf „Bedürfnisse" zurückgeführt. Die inneren lenkenden Faktoren, durch die alle psychischen Prozesse (Wahrnehmung, Denken) gesteuert werden, bestehen aus den kausierenden Faktoren (Zufälle, Schicksale, Erfahrungen), aus den effizierenden Faktoren (Dummheit, Suggestion) aus den konditionierenden Faktoren (Charakter, Wesen, Gemüt), aus den legitimierenden Faktoren (Rechtssätze, religiöse Gebote), und aus den normierenden Faktoren (Gewissen, Schuldbewußtsein, Reue, Sühne, Scham, Ehrgefühl). Die Bedürfnisse wiederum werden auf konstituierende Faktoren zurückgeführt, die ihrerseits aus Trieben und Wünschen bestehen. Die äußeren lenkenden Faktoren schließlich setzen sich aus den Wahrnehmungen und den Empfindungen zusammen. Diese Systematisierung ist vor allem deshalb problematisch, w e i l die Determinanten des Käuferverhaltens keineswegs jeweils eine besondere, spezifizierbare A r t der Wirkung entfalten. Triebe und Bedürfnisse beispielsweise beeinflussen die Wahrnehmungen 87 und haben i n Verbindung m i t bestimmten motivierenden Reizen Einfluß auf die Entstehung, auf die A r t und auf die Intensität von Gefühlen 88 . Empfindungen sind nun auch Gefühle und damit sowohl den „inneren lenkenden" als auch den „äußeren lenkenden" Faktoren zuzuordnen. Es ist nicht einzusehen, warum neben den Wünschen und Trieben nicht auch die Variablen „ M i l i e u " und „Umstände", z.B. i n Gestalt der Vermögenssituation, Faktoren sind, die Bedürfnisse „konstituieren" 8 9 . Die Systema86 Vgl. Hansen, H. R., Motiv unbekannt — Einfluß fraglich, in: die Absatzwirtschaft, Jahrgang 1968, 2. Maiausgabe, S. 12. 87 Vgl. Weinert, F., Hunger und Durst, in: Handbuch der Psychologie, 2. Band: Allgemeine Psychologie, II. Motivation, Hrsg. Thomae, H., 2. Aufl., Göttingen 1965, S. 494 und S. 501. 88 Vgl. Ewert, O., Gefühle und Stimmungen, in: Handbuch der Psychologie, 2. Band: Allgemeine Psychologie, II. Motivation, Hrsg. Thomae, H., 2. Aufl., Göttingen 1965, S. 241 ff.; Lersch, Ph., Aufbau der Person, a.a.O., S. 215 und S. 215 ff. 89 Vgl. Graumann, C. F., Motivationsforschung, a.a.O., S. 123 und S. 123 ff.
3. Denkmethoden zur Bildung hypothetischer Erklärungsmodelle
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tisierung nach der A r t der W i r k u n g bestimmter Verhaltensdeterminanten ist also problematisch, da sie zu Überschneidungen und damit zu Doppelberücksichtigungen ein und desselben Faktors führt. I m angeführten Beispiel kommt noch eine recht mißverständliche und unpräzise Formulierung der Wirkungsarten hinzu. Ein weiterer Mangel bisheriger Systematisierungssätze ist die Bildung von globalen, nicht exakt voneinander abgegrenzten Bereichen von Faktoren, wobei die einem Bereich zugeordneten Faktoren entsprechend ihrer Zugehörigkeit zu realen Objekten und Phänomenen als recht heterogen bezeichnet werden müssen. Ein Beispiel dafür stellt ein Systematisierung der Marktfaktoren von C. W. Meyer dar 9 0 . Darin werden folgende Gruppen gebildet: a) M i t dem Verkaufsobjekt verbundene Bestimmungsfaktoren aa) Beziehungen der Verkaufsobjekte zu ihren Verbrauchern ab) Beziehungen der Verkaufsobjekte zu ähnlichen Produkten der Konkurrenten ac) Beziehungen des Verkaufsobjekts zu seiner Fertigung. b) M i t der Unternehmenssituation verbundene Bestimmungsfaktoren ba) Konkurrenzverhältnisse Wettbewerbsstärke)
des Unternehmens
(Programmstärke,
bb) Strukturverhältnisse des Unternehmens (Finanzkraft, Produktionskraft) bc) Sortimentsverhältnisse struktur)
des Unternehmens
(u. a.
Sortiments-
c) M i t der Marktsituation verbundene Bestimmungsfaktoren ca) Verbraucherverhältnisse (u. a. Marktstellung der Verbraucher) cb) Branchenverhältnisse (u. a. Marktanteile) cd) Verhältnisse des Handels. Überschneidungen ergeben sich z. B. zwischen den Punkten ab und ba oder zwischen den Punkten ba und cb. Eine Subsumierung der „Sortimentsverhältnisse" unter die Unternehmenssituation ist kaum gerechtfertigt. Die Sortimentsstruktur ist Ausdruck absatzpolitischen Verhaltens und nicht Merkmal der Unternehmenssituation. Ein weiteres Merkmal mangelhafter Systematisierung ist das unverbundene, oftmals kasuistische Nebeneinander von Variablen, ohne daß sie ausdrücklich als Variablen gekennzeichnet werden, die entweder verschieden oder gleichen realen Phänomenen oder Objekten zuzu90 Zitiert nach: Keller O. H., Marketing — Entscheidungen nach dem Rechenbrett, in: die Absatzwirtschaft, Jahrgang 1965, 1. Aprilausgabe, S. 394 und S. 396.
94
III. Methoden der Hypothesenfindng
ordnen sind. Dieser Mangel w i r d z. B. auch bei dem System der Gegenstände der demoskopischen Marktforschung von Behrens sichtbar 91 . Behrens führt beispielsweise Wissen, Wahrnehmung, Vorstellung, Meinung, Einstellung, Intention, Wünsche, und Strebungen nacheinander an, ohne eine notwendige Zuordnung dieser Variablen zu verschiedenen Gruppen vorzunehmen. Er gibt außerdem nicht zu erkennen, daß alle die genannten Variablen in der Phase der Motivation wirksam werden und kennzeichnet ausschließlich die Strebungen als Sachverhalte, „welche die tiefenpsychologische Richtung der demoskopischen Marktforschung als Motive bezeichnet" 02 . Eine Systematisierung, die von vornherein reale Objektbereiche unberücksichtigt läßt, denen relevante Marktvariablen zugeordnet werden könnten, ist die Systematisierung nach erhebungstechnischen Kriterien. Beispiele dafür sind die Einteilung der Marktfaktoren i n objektive und subjektive Sachverhalte von Behrens 93 oder die Gliederung in statistisch leicht erfaßbare, statistisch weniger leicht erfaßbare und statistisch kaum erfaßbare Einflußgrößen von KapfererlDisch 94. Diese Einteilung verführt geradezu, wesentliche „subjektive" oder „statistisch kaum erfaßbare" Variablen, wie z. B. Einstellungen oder unbewußte Strebungen, bei der Formulierung hypothetischer Erklärungsmodelle des Käuferverhaltens außer Acht zu lassen sowie die Hypothesenformulierung und die empirischen Erhebungen auf die „objektiven" oder „statistisch leicht erfaßbaren" Determinanten des Käuferverhaltens zu beschränken. Die Einbeziehung der subjektiven Sachverhalte und damit die Einbeziehung der auf einer relativ tiefen Ebene liegenden, nicht mehr direkt beobachtbaren und meßbaren personenendogenen Verhaltensdeterminanten i n das System der Forschungsobjekte der Absatzforschung war lange Zeit Gegenstand heftiger Kontroversen und ist auch heute noch umstritten. Nach Ansicht der K r i t i k e r einer Berücksichtigung dieser Variablengruppe sollte sich die Absatzforschung auf die Identifikation von Variablen und auf die Erforschung von Variablenbeziehungen beschränken, die auf der Ebene des beobachtbaren und meßbaren Verhaltens liegen 95 . Eine Einbeziehung der Variablen, die dem Bereich 91 92 93 94 95
Vgl. Behrens, K. Chr., Demoskopische Marktforschung, a.a.O., S. 17. Vgl. ebenda. Vgl. Behrens, K. Chr., Demoskopische Marktforschung, a.a.O., S. 18. Vgl. Kapferer, Ch., Disch, W. K. A., Absatzprognose, a.a.O., S. 80. Vgl. Henry, H., Was ist Motivforschung?, in: Konsum und Nachfrage, Hrsg. Streissler, E. und M., Köln, Berlin 1966, S. 258—265; Wolf, H. E., Über einige psychologistische Fehlerquellen in der Sozialforschung, in: GfM-Mitteilungen, Jahrgang 1961, Heft 2, S. 51—57; Wolf, H.E., Sevlund, M. D., Soldan, U. H., Beiträge zur Theorie des Kaufentschlusses, I. Teil, in: GfM-Mitteilungen, Jahrgang 1964, Heft 1, S.27—32; II. Teil, in: GfM-Mitteilungen, Jahrgang 1965, Heft 3, S. 89—100.
3. Denkmethoden zur Bildung hypothetischer Erklärungsmodelle
95
der psychischen, personenendogenen Verhaltensdeterminanten angehören, würde nach ihrer Meinung keine für die Wirtschaftspraxis verwertbaren Ergebnisse bringen. I m einzelnen werden dafür folgende Gründe angeführt: a) Der Versuch, die psychischen personenendogenen Verhaltensdeterminanten i n die Hypothesenformulierung miteinzubeziehen, bringt die Gefahr des „Tiefenpsychologisierens" m i t sich. Das bedeutet, jedes Verhalten einseitig auf unbewußte und i n den tieferen Schichten der Persönlichkeit wirksame Strebungen zurückzuführen und dabei naheliegende, gleichsam „selbstverständliche" Erklärungen außer acht zu lassen oder zu negieren 96 . Eine derartige „tiefenpsychologisierende" Interpretation wäre es z. B., den Kauf eines bestimmten Produktes allein auf die Tendenz des Käufers zurückzuführen, unbefriedigte und verdrängte Triebe m i t diesem Kauf überzukompensieren, obwohl das Produkt tatsächlich i n Erwartung seiner funktionellen Zweckmäßigkeit gekauft wurde. b) Die Einbeziehung der „tiefenpsychologischen" Ebene bringt weiter die Gefahr mit sich, tiefenpsychologische Begriffe und Erkenntnisse auf den Bereich des Käuferverhaltens zu übertragen, obwohl sie zur Erklärung des Verhaltens i n diesem Bereich unbrauchbar sind oder ihre ursprüngliche Bedeutung und ihr ursprünglicher Aussagegehalt verzerrt werden 97 . Beispielsweise ist es problematisch, Begriffe wie „Identifikation" und „Projektion", die bei der Erklärung zwischenmenschlicher Beziehungen eine ganz spezifische Bedeutung als „Abwehrmechanismen" 0 8 haben, auf die Beziehung zwischen Käufer und Produkt zu übertragen. c) Aussagen über die Wirksamkeit einzelner psychischer, personenendogener Verhaltensdeterminanten können auf Grund der Vielfalt verborgener Beziehungen und Prozesse innerhalb des Systems dieser Determinanten nicht gemacht werden. Insbesondere kann aus gleichen Reaktionen auf gleiche Reize, etwa aus gleichen positiven Urteilen über eine bestimmte Verpackung eines Produkts, nicht auf gleiche Motivstrukturen bei den befragten Versuchspersonen geschlossen werden. Vielmehr können die unterschiedlichen Variablen und Mechanismen, die zwischen Reiz und Reaktion i m System der psychischen, 96 Vgl. Wolf, H. E., Über einige psychologistische Fehlerquellen in der Sozialforschung, a.a.O., S. 51; Wolf, H.E., Sevlund, M. D., Soldan, U.H., II. Teil, a.a.O., S. 96. 97 Vgl. Wolf, H.E., Über einige psychologistische Fehlerquellen ..., a.a.O., S. 53. 98 Vgl. Feger, H., Beiträge zur experimentellen Analyse des Konflikts, in: Handbuch der Psychologie, 2. Band: Allgemeine Psychologie, II. Motivation, Hrsg. Thomae, H., 2. Aufl., Göttingen 1965, S. 390 ff.
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III. Methoden der Hypothesenflng
personenendogenen Variablen ablaufen, bei verschiedenen Personen zu gleichen Reaktionen auf den gleichen Reiz führen". d) Viele Variablen i m System der psychischen, personenendogenen Verhaltensdeterminanten müssen nicht i n allen Situationen zu einem beobachtbaren Verhalten, etwa zum Kauf eines Produkts, führen. Trotz des vorhandenen Bedürfnisses nach einem bestimmten Produkt und trotz des Wunsches, das Produkt zu kaufen, können die verschiedensten Gründe den tatsächlichen Kauf des Produkts verhindern. Es ist denkbar, daß gerade kein Geld für den Kauf vorhanden ist, daß das Produkt i m Handel nicht verfügbar ist, daß i m Lauf der Zeit andere Wünsche den ursprünglichen Wunsch verdrängen oder daß bereits i n der Kaufsituation plötzlich die Aufmerksamkeit auf ein anderes Produkt gerichtet wird, das spontan auf Grund eines plötzlichen Impulses an Stelle des ursprünglich gewünschten Produkts gekauft wird 1 0 0 . Es bestehen zu viele Möglichkeiten des äußeren Einflusses auf das System der psychischen, personenendogenen Verhaltensdeterminanten, als daß aus einem geäußerten Bedürfnis auch m i t einiger Sicherheit auf ein entsprechendes Kaufverhalten geschlossen werden kann. Auch aus diesem Grund ist gerade für den Praktiker die Formulierung und Überprüfung von Hypothesen über psychische, personenendogene Verhaltensdeterminanten von höchst zweifelhaftem Wert. Die angeführten Argumente sind i m wesentlichen Argumente für die ausschließliche Verwendung von black-box-Aussagen und für die ausschließliche Untersuchung von Variablen und Variablenbeziehungen, die der relativ hohen Ebene des beobachtbaren und direkt meßbaren Verhaltens angehören 101 . Gegen diese Argumente lassen sich nun alle Argumente anführen, die dafür sprechen, zu den Ebenen vorzudringen, auf denen die Determinanten des bobachtbaren Verhaltens zu suchen sind 1 0 2 . Gerade der Unternehmer ist gezwungen, bevor er überhaupt Reaktionen der Käufer auf bestimmte absatzpolitische Maßnahmen beobachten und messen kann, sich Gedanken über die Wünsche, Strebungen, Vorstellungen und Werthaltungen der potentiellen Käufer zu machen, die letzten Endes zur positiven oder negativen Reaktion auf irgendeine Gestaltungsmaßnahme führen werden. Wirkliche Informationen über Ansatzpunkte zur Vermeidung oder zur Beseitigung negativer M
Vgl. Wolf, H.E., Sevlund, M.D., Soldan, U.H., II. Teil, a.a.O., S.96f.; H.E., Über einige psychologistische Fehlerquellen ..., a.a.O., S.56. Vgl. Wolf, H. E., Sevlund, M. D., Soldan, U. H., II. Teil, a.a.O., S. 99. 101 Vgl. Wolf, H. E., Sevlund, M. D., Soldan, U. H., II. Teil, a.a.O., S. 97 ff. 102 Vgl. Bunge, M., Scientific Research, Bd. I, a.a.O., S. 513; Geissler, J., Kann man Motivforschung noch ernst nehmen?, in: die Absatzwirtschaft, Jahrgang 1964, S. 1168 ff. Wolf, 100
3. Denkmethoden zur Bildung hypothetischer Erklärungsmodelle
97
Reaktionen sind Informationen über die personenendogenen Verhaltensdeterminanten, die m i t Hilfe „qualitativer Studien", insbesondere m i t Hilfe des unstrukurierten Interviews, gewonnen werden. Hypothesen über die psychischen personenendogenen Verhaltensdeterminanten sind vor allem dann angebracht, wenn aus einem bestimmten Käuferverhalten die richtige Schlüsse gezogen werden sollen. Das systematische Schließen aus beobachtbarem Verhalten auf die dahinterstehenden Verhaltensdeterminanten wurde zum ersten M a l von H.A. Murray m i t Hilfe seiner sogenannten „synthetischen Methode" praktiziert 1 0 3 . H.A. Murray unternahm den Versuch, aus bestimmten typischen, chronischen Verhaltenstendenzen i n bestimmten Situationen auf bestimmte, diesen Verhaltenstendenzen zugrunde liegenden Motivationen zu schließen. Aus einer Synthese von Verhaltensanalyse und Erlebnisanalyse, d. h. aus einer Kombination der Beobachtung und Systematisierung von Verhaltenstendenzen m i t der Befragung über die Motive und Erlebnisse, die den Befragten vor oder während der verschiedenen Verhaltensweisen bewußt waren, konnte er auf bestimmte, typische Motive schließen, die zu bestimmten, typischen Verhaltensweisen führten. 313. Versuch einer objektbezogenen
Systematisierung
Die Voraussetzung dafür, daß bei der Suche nach den mutmaßlichen Ursachen von Absatzproblemen systematisch vorgegangen werden kann, ist eine detaillierte und systematische Aufstellung aller Faktoren, die das Verhalten der Käufer auf dem M a r k t eines Unternehmens beeinflussen. Eine derartige Aufstellung bietet die Gewähr dafür, daß keine Faktoren als mögliche Ursachen übersehen werden und daß mögliche Ursachenbereiche eingegrenzt und nacheinander überprüft werden können. M i t einer systematischen Aufstellung der Determinanten des Käuferverhaltens w i r d jedoch nicht nur ein Überblick über alle denkbaren Ursachen von Absatzproblemen, sondern gleichzeitig auch ein Überblick über mögliche Ansatzpunkte zu ihrer Lösung gegeben. Die Kenntnis aller Faktoren, von denen sowohl die Reaktion jedes einzelnen potentiellen Käufers als auch die Reaktion der Gesamtheit der potentiellen Käufer auf absatzpolitische Maßnahmen abhängen, ist die Voraussetzung für ihre Berücksichtigung bei der Gestaltung der absatzpolitischen Maßnahmen. 103 Vgl. Thomae, H., Das Problem der Motivarten, in: Handbuch der Psychologie, 2. Band: Allgemeine Psychologie, II. Motivation, Hrsg. Thomae, H., 2. Aufl., Göttingen 1965, S. 437 f.
7 Kopp
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III. Methoden der Hypothesenfindng
I n der folgenden systematischen Aufstellung der Determinanten des Käuferverhaltens werden die verschiedenen Kriterien der objektbezogenen Systematisierung, wie die Zugehörigkeit der Determinanten zu einer bestimmten Ebene der Realität oder einem realen Objekt zu einem realen Phänomen oder einer realen Situation, miteinander kombiniert. (A) Nachfrageendogene Determinanten des Käuferverhaltens 104 Zur Gruppe der nachfrageendogenen Determinanten sollen alle Variablen gerechnet werden, die der Nachfrageseite auf dem M a r k t für ein bestimmtes Angebot als Bestandteile oder Kennzeichen zugerechnet werden können. Die Gruppe dieser Variablen kann als relativ geschlossenes System bezeichnet werden, auf das Einflüsse von Variablen, die Bestandteile der Angebotsseite sind, einwirken. Sie besteht aus folgenden Untergruppen: (1) Die personenbezogenen Determinanten Als Nachfrager können auf einem M a r k t einzelne Personen, Gruppen von Personen, wie etwa Haushalte, und Organisationen, wie etwa Unternehmen, auftreten. Unter personenbezogenen Determinanten sind jene Einflußfaktoren zu verstehen, die das Verhalten eines einzelnen Käufers beim Kauf seines persönlichen Bedarfs bestimmen. (11) Personenendogene Determinanten Als personenendogene Determinanten werden die Variablen bezeichnet, die als „leibseelische" 105 Bestandteile eines einzelnen Individuums u. a. dessen Kaufverhalten bestimmen. (111) Merkmale der physischen Konstitution 1 0 6 Die Merkmale der physischen Konstitution sind zu gliedern i n die Merkmale der angeborenen Konstitution und i n die besonderen Merkmale der gegenwärtigen Konstitution 1 0 7 . Zur ersten Gruppe zählen das Geschlecht, die Körpergröße oder spezielle Begabungen, zur zweiten Gruppe zählen das Lebensalter und erworbene Körperschäden. Der direkte Einfluß dieser Variablen ist evident und bedarf keiner ausdrücklichen Hypothesenformulierung. Erwähnt sei der direkte Einfluß der Merkmale der physischen Konstitution beim Kauf von Kleidern. 104 Vgl. hierzu die Einteilung in „exogene" und „endogene" Einflußgrößen bei Kapferer, Ch., Disch, W. K. A., Absatzprognose, a.a.O., S. 70. 105 Graumann, C. F., Motivationsforschung, a.a.O., S. 124. 106 Vgl. Hofstätter, P. R., Einführung in die Sozialpsychologie, a.a.O., S. 16. 107 Vgl. ebenda.
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Schwieriger jedoch ist es, den indirekten Einfluß der Merkmale der physischen Konstitution auf das Kaufverhalten zu erfassen. Durch physische Konstitution w i r d ohne Zweifel eine Reihe anderer personenbezogener Determinanten, vor allem aus dem psychischen Bereich, beeinflußt, die ihrerseits wiederum einen wesentlichen Einfluß auf das Kaufverhalten haben. Z u denken wäre z. B. an den Einfluß des jeweiligen Lebensalters oder des Geschlechts auf die persönliche Bedürfnisstruktur oder auf das System der persönlichen Werte 1 0 8 . (112) Antriebsvariablen Als die beiden umfassenden Gruppen personenendogener Verhaltensdeterminanten aus dem psychischen Bereich sollen i n Anlehnung an Vinacke 109 die Gruppe der Antriebsvariablen und die Gruppe der Steuerungsvariablen unterschieden werden. M i t Antriebsvariablen werden jene psychischen Kräfte bezeichnet, die den Menschen zu bestimmten Verhaltensweisen drängen und i h m die Energie verleihen, bestimmte Handlungen durchzuführen. Die Antriebsvariablen sind i m folgenden i n die Gruppe der Triebe und i n die Gruppe der Ziele unterteilt worden. (1121) Triebe Als Triebe sollen i n Anlehnung an Rohracher 110 jene psychischen Kräfte verstanden werden, die i n einer bestimmten Mangelsituation das Erlebnis eines Dranges i n Richtung auf Beendigung der Mangelsituation hervorrufen, wobei aber nicht immer eine bestimmte Vorstellung über Möglichkeiten zur Beseitigung der Mangelsituation gegeben ist. Die Triebe treten ohne M i t w i r k u n g des Bewußtseins, unabhängig von Denken und Wollen auf. Die Befriedigung der meisten Triebe verschafft Lust. Solange eine Befriedigung nicht möglich ist, besteht Unlust. Die Klarheit des Denkens und selbst der Wahnehmung kann unter der Wirkung von Trieben herabgesetz sein. Z u m großen Problem für den Absatzforscher w i r d die Frage, welche der vielen Triebe i n welcher Stärke speziell beim Kauf eines bestimmten Produktes i n einer bestimmten Situation wirksam werden 1 1 1 . Beim Kauf des einen Produkts w i r d einer oder werden relativ wenige Triebe das Kaufverhalten lenken, beim Kauf eines anderen Produkts 108 Vgl. Eidel, I., Wer älter ist, ist der auch anders?, in: die Absatzwirtschaft, Jahrgang 1966, 2. Septemberausgabe, S. 1168—1172: Grünwald, R , Unterschiede im Verbraucherverhalten Österreichs, in: Der Marktforscher, Jg. 1965, H. 2, S. 52. 109 Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschnitt III, 311. 110 Vgl. Rohracher, H., Einführung in die Psychologie, 9. Aufl., Wien, Innsbruck 1965, S. 362—364. 111 Vgl. Berth, R., Die abgesicherte Konzeption, a.a.O., S. 332—334.
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kann eine Vielfalt von Trieben, ein ganzes Triebbündel, verhaltenswirksam werden. A m Beispiel des Autokaufs läßt sich der zweite Fall recht gut verdeutlichen. Ein Auto z. B. kann u. a. zur Befriedigung des Geltungsstrebens, des motorischen Bewegungsdrangs, des Sicherheitsstrebens, des erotischen Erlebnisdrangs und aus Lust am Funktioniren technischer Details gekauft werden 1 1 2 . Von besonderer Bedeutung als verhaltensbestimmende Faktoren i m Bereich des Kaufverhaltens sind die sogenannten sekundären oder aufdifferenzierten oder erlernten Triebe. „Die menschlichen Triebe entwickeln und spezialisieren sich i m Lauf der Zeit. M i t Ausnahme weniger, physiologisch bedingter Triebe werden sie i m Lauf des Lebens durch Verarbeitung von Umweltreizen erworben bzw. erlernt 1 1 3 . Aus den ursprünglichen, primären und relativ undifferenzierten Trieben entwickeln sich m i t der wachsenden Erfahrung differenzierte, oft an konkreten Mitteln der Triebbefriedigung orientierte Triebe 1 1 4 . Aus dem relativ undifferenzierten Trieb nach Nachrungsaufnahme w i r d z. B. der relativ differenzierte Trieb „Appetit auf ein bestimmtes Nahrungsmittel", wenn i m Lauf der Zeit positive Erfahrungen m i t dem betreffenden Nahrungsmittel gemacht wurden. Die Dynamik der Triebe, d. h. die Aufdifferenzierung relativ undifferenzierter Triebe durch Lernprozesse, führt letzten Endes zu den mannigfachen, auf konkrete Objekte gerichteten Bedürfnissen des Menschen. Konkrete Bedürfnisse können als die differenzierteste Form der sekundären oder erlernten Triebe angesehen werden. Während sich undifferenzierte Triebe nur durch einen undifferenzierten Drang kennzeichnen lassen, einen Zustand der Entbehrung zu beenden, können zur Kennzeichnung der Bedürfnisse spezifische Mangelerlebenisse und spezifische M i t t e l zur Beseitigung der Mangelsituation respektive zur Bedürfnisbefriedigung herangezogen werden 1 1 5 . Zumindest gedanklich ist eine Trennung zwischen dem Bedürfnis, eine spezifische Mangelsituation zu beenden, und dem Bedürfnis nach dem M i t t e l zur Beendigung der Mangelsituation, etwa nach einem bestimmten Produkt, möglich. Das Bedürfnis, eine bestimmte, spezifische Mangelsituation zu beenden, muß noch nicht gleichbedeutend sein m i t konkreten Vorstellungen über die M i t t e l zur Befriedigung und m i t dem Begehren dieser Mittel. Aus einer spezifischen Mangelsituation können 112 Vgl. Hennicker, R., Der durchleuchtete Kunde, in: die Absatzwirtschaft, Jahrgang 1961, September, S. 528. 113 Portugall, V., Die Rolle der Absatzwerbung bei der Festigung und Veränderung von Konsumgewohnheiten, Diss. München 1971, S. 55. 114 Vgl. Gehlen, A., Der Mensch, seine Natur und seine Stellung in der Welt, 4. Aufl., Bonn 1950, S. 366. 115 Vgl. Scherhorn, G., Bedürfnis und Bedarf — Sozialökonomische Grundbegriffe im Licht der neueren Anthropologie, Berlin 1959, S. 51 f. und S. 57.
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jedoch meist sehr genau die Funktionen abgeleitet werden, die ein M i t t e l zur Beseitigung dieser Mangelsituation erfüllen muß. Erfüllt ein M i t t e l diese Funktion und ist es bekannt, so w i r d sich das Bedürfnis direkt auf das betreffende M i t t e l konkretisieren. Oft genug werden Bedürfnisse erst durch die Bekanntschaft m i t einem bestimmten „Mittel", wie z.B. einem bestimmten, neuen Produkt geweckt. I n diesem Fall w i r d das Bedürfnis der Käufer sofort als ein vollständig konkretisiertes Bedürfnis nach dem betreffenden Produkt zu bezeichnen sein. (1122) Ziele Die Beschreibung der personenendogenen Antriebe menschlichen Handelns allein m i t Hilfe der Kategorie „Trieb" erscheint vor allem bei den Verhaltensweisen und Handlungen unzureichend, die das Ergebnis bewußter Entscheidungen sind und bei denen eine über einen längeren Zeitraum hinweg bestehende, überdauernde Motivation erkennbar ist. Als psychische Kräfte, die diese Verhaltensweisen und Handlungen zumindest unmittelbar auslösen, sind neben den mehr unbewußt auftretenden und nur begrenzt willensmäßig steuerbaren Trieben bewußt formulierte, konkrete Ziele und Zielvorstellungen zu nennen 116 . Als Ziele können die bewußten und konkreten Vorstellungen über bestimmte erstrebenswerte Zustände angesehen werden, die durch ein bestimmtes Handeln bewirkt werden 1 1 7 . Der wesentlichste Unterschied zwischen der unmittelbaren Befriedigung von Trieben und der Erfüllung von Zielvorstellungen besteht w o h l darin, daß zur Erfüllung bestimmter Ziele bewußte Willensanstrengungen notwendig sind 1 1 8 und ein mehr oder minder bewußter Aufschub der unmittelbaren Befriedigung von Trieben i m Intersse der Zielerreichung i n Kauf genommen werden muß, während Handlungen zur unmittelbaren Befriedigung von Trieben gleichsam von der Energie des betreffenden Triebes getragen werden und keine allzugroße W i l lensanstrengung erfordern. Weiterhin können die von einem Individuum jeweils verfolgten Ziele i m Unterschied zu den Trieben relativ leicht durch bewußte Zielentscheidung ausgewählt, neuformuliert oder modifiziert werden. Damit unterliegt das Verhalten, das der Verfolgung von Zielen dient, eher 116 Vgl. Graumann, C. F., Die Dynamik von Interessen, Wertungen und Einstellungen, in: Handbuch der Psychologie, 2. Band: Allgemeine Psychologie, II. Motivation, Hrsg. Thomae, H., 2. Aufl., Göttingen 1965, S. 272. 117 Vgl. Thomae, H., Zur allgemeinen Charakterisierung des Motivationsgeschehens, a.a.O., S. 61. 118 Vgl. Rohrbacher, H., a.a.O., S. 450.
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einer bewußten Steuerung durch das „Ich" des Individuums als das triebdeterminierte Verhalten 1 1 9 . Charakteristisches, jedoch nicht unbedingt eindeutiges Merkmal zur Unterscheidung von Trieben und Zielen ist der Grad der Bewußtheit über die Wirksamkeit der betreffenden Antriebsvariablen 1 2 0 . I m allgemeinen w i r d sich ein Käufer beim Kauf eines Produkts mehr über die Ziele i m klaren sein, die er m i t dem Kauf verfolgt, als über die Triebe, die i h n zum Kauf treiben. Schließlich beruht das Formulieren konkreter Handlungsziele zu einem großen Teil auf Lernprozessen. Die Charakterisierung der Ziele als eigenständige Gruppe von A n triebsvariablen erscheint insofern problematisch, als bestimmte Zielvorstellungen ohne Zweifel als konkrete Vorstellungen über die mögliche A r t und Weise der Befriedigung bestimmter Triebe angesehen werden können 1 2 1 . Die Verfolgung bestimmter Sparziele oder bestimmter konkreter Berufsziele kann ihrerseits z. B. wiederum als M i t t e l zur Befriedigung des Strebens nach Sicherheit oder des Strebens nach sozialer Anerkennung angesehen werden. So gesehen würde letzten Endes die Erfüllung bewußt formulierter Ziele nichts anderes als ein M i t t e l zur Triebbefriedigung sein. Dies würde bedeuten, daß der einzelne immer nur solche Ziele durch bewußte Entscheidung frei wählen kann, die der Befriedigung jeweils dominanter Triebe dienen. Aus der Determiniertheit der Ziele durch die Triebe könnte weiterhin gefolgert werden, daß die Antriebsenergie für die Handlungen, die der Erfüllung konkreter Ziele dienen, ausschließlich von jenen Trieben herrührt, die m i t der Zielerfüllung befriedigt werden. Diese Schlußfolgerungen erscheinen jedoch zu einseitig. Auch wenn bestimmte Zielvorstellungen als Vorstellungen über eine konkrete Form der Triebbefriedigung interpretiert werden, so kann ihnen doch auf Grund ihres Aufforderungscharakters eine eigene, bestimmte Handlungen zur Zielerfüllung auslösende K r a f t zugesprochen werden. Als Aufforderungscharakter oder Valenz einer Zielvorstellung w i r d i n der Motivationspsychologie allgemein die Eigenschaft eines Zieles angesehen, „ i n Richtung einer Handlungsauslösung wirksam zu werden 1 2 2 . Je stärker der Aufforderungscharakter oder die Valenz eines Zieles ist, u m so energischer w i r d es verfolgt werden. 119
Vgl. ebenda. Vgl. ebenda. 121 Vgl. ebenda, S. 452. 122 Lexikon der Psychologie, 1. Band, Hrsg. Arnold, W., et al., Freiburg, Basel, Wien 1971, Stichwort „Aufforderungscharakter", Spalte 179. 120
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Für den Antriebscharakter von Zielen spricht auch die Tatsache, daß insbesondere dann Energien für Handlungen zur Zielerreichung mobilisiert werden, wenn auf Grund einer bestimmten Situation und auf Grund von Informationen über konkrete M i t t e l zur Zielerreichung die Zielerfüllung i n greifbare Nähe oder zumindest i n den Bereich des Möglichen gerückt wird 1 2 3 . Ziele können also genau wie Triebe durch bestimmte Umweltsituationen und durch bestimmte motivierende Reize aktiviert werden. Weiterhin spricht für einen unmittelbaren Antrieb von Handlungen durch Zielvorstellungen auch die Persistenz bestimmter Zielvorstellungen als Antriebsmoment über einen langen Zeitraum, oftmals über Jahre hinweg. Die Energie, die für die Verfolgung derartiger Ziele und für die Überwindung der dabei auftretenden inneren und äußeren Widerstände vom einzelnen aufgebracht werden muß, kann zumindest nicht mehr als reine, unmittelbar wirksame Triebenergie angesehen werden 124 , sondern muß als eine i m Freudschen Sinn „sublimierte" 1 2 5 oder i m Hartmannschen Sinn „neutarlisierte" 1 2 6 Triebenergie bezeichnet werden. I m täglichen Sprachgebrauch w i r d sie m i t Willen oder Willensenergie bezeichnet. Ziele können nicht nur losgelöst von Trieben eigene Antriebsenergien mobilisieren, sondern darüber hinaus die Energie von Trieben, deren unmittelbare Befriedigung die Zielerfüllung i n Frage stellen oder hinauszögern würde, i n ihrer Verhaltenswirksamkeit unterdrücken und neutralisieren. A u f Grund ihrer Eigenschaften, einmal den Einfluß bestimmter Triebe auf das Verhalten zu steuern und zum anderen möglichst konkrete, differenzierte oder sozialakzeptierte Formen der Triebbefriedigung darzustellen 127 , können die Ziele nicht nur als A n triebsvariablen, sondern auch als Steuerungsvariablen für die Triebe angesehen werden. Bei der Suche nach Zielen, die die Wahl bestimmter Kaufobjekte beim Individuum bestimmen, hat der Absatzforscher die Möglichkeit, Mittel-Zweck-Hierarchien von möglichen Käuferzielen, vor allem auch von Konsumzielen, zu bilden. Er kann versuchen, aus relativ globalen Konsumzielen diejenigen Subziele abzuleiten, die einen relativ unmittelbaren Einfluß auf das Kaufverhalten haben und deren Erfüllung gleichzeitig der Erfüllung der globalen Konsumziele dient. Die Formulierung von Hypothesen über den Einfluß bestimmter persönlicher Ziele auf 123
Vgl. Heckhausen, H., Leistungsmotivation, a.a.O., S. 640 ff. 124 vgl Thomae, H., Motivformen, in: Handbuch der Psychologie, 2. Band: Allgemeine Psychologie, II. Motivation, Hrsg. Thomae, H., 2. Aufl., Göttingen 1965, S. 209 f. 125 Vgl. Brenner, Ch., Grundzüge der Psychoanalyse, Frankfurt a. M. 1967, S. 115. 126 Vgl. ebenda, S. 68. 127 Vgl. Thomae, H., Motivformen, a.a.O., S. 213 ff.
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das Kaufverhalten w i r d nur dann sinnvoll sein, wenn dadurch aus der Sicht des anbietenden Unternehmers möglichst operationale Ziele identifiziert werden und wenn die Annahmen realistisch sind. Nicht operational und nicht realistisch ist beispielsweise die Hypothse über die Verfolgung des Ziels der Nutzenmaximierung beim Kaufverhalten. Nicht operational ist die Hypothese deshalb, weil ein Unternehmer aus einer Aussage über ein derart allgemein formuliertes Ziel, selbst wenn diese Aussage der Realität entspräche, kaum konkrete Folgerungen für die Gestaltung seines absatzpolitischen Instrumentariums ableiten könnte. Dazu wären konkrete Aussagen über den materiellen Inhalt dessen notwendig, was sich die einzelnen Käufer als Nutzen vorstellen. Nicht realistisch ist die Hypothese deshalb, weil Käufer i n der Realität nicht den Nutzen maximieren wollen, sondern nur einen als angemessen angesehenen Erfüllungsgrad ihrer Ziele und damit einen angemessenen Nutzen anstreben 128 . Ob der Nutzen aus einem bestimmten Kauf als angemessen erachtet w i r d oder nicht, hängt vom jeweiligen Anspruchsniveau des Käufers ab 129 . Das Anspruchsniveau w i r d i n erster Linie von den Erfahrungen abhängen, die der einzelne m i t seinen Käufen i n der Vergangenheit gemacht hat 1 3 0 . Als Beispiele für operationale und realistische Ziele, die einen bedeutenden Einfluß auf das Kaufverhalten des einzelnen Konsumenten ausüben, können alle Arten von Berufszielen, die Ziele „Zeitgewinn" und „Arbeitserleichterung" sowie sämtliche Sparziele genannt werden. Zur Verwirklichung eines Berufszieles kann es zum Beispiel notwendig werden, sich einem bestimmten Représentations-, Demonstrations- und Bildungskonsum zu unterwerfen. Der Verfolgung der Ziele „Zeitgewinn für andere Dinge" und „Arbeitserleichterung" dient beispielsweise der Kauf bestimmter Haushaltsgeräte. Die Verwirklichung eines bestimmten Sparzieles setzt Einschränkungen i n allen anderen Bereichen des Konsums voraus. Entsprechend der Ableitung von Bedürfnissen nach bestimmten Produkten aus mehr oder minder differenzierten Trieben lassen sich auch aus den Zielen des einzelnen Käufers Bedürfnisse oder Wünsche nach den Produkten ableiten, deren Besitz m i t dazu beiträgt, seine Ziele zu erfüllen. Die Produkte, die auf Grund eines aus einem Trieb abgeleiteten Bedürfnisses gekauft werden, dienen direkt der Befriedigung des entsprechenden Triebs. Beispielsweise kann der Kauf eines Autos direkt der Befriedigung des Geltungsstrebens dienen. Die Produkte, die auf Grund eines aus einem Ziel abgeleiteten Bedürfnisses gekauft 128 ygi Raffée, H., Konsumenteninformation und Beschaffungsentscheidung des privaten Haushalts, Stuttgart 1969, S. 59. 129 Vgl. Sauermann, H., Einführung in die Volkswirtschaftslehre, Bd. II, Wiesbaden 1964, S. 43. 130 Vgl. ebenda.
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werden, dienen direkt der Erfüllung des betreffenden Ziels, indirekt jedoch auch der Befriedigung der Triebe, zu deren Befriedigung letztlich das Ziel verfolgt wurde. Trägt ein repräsentatives Auto dazu bei, ein bestimmtes Berufsziel zu erfüllen, so trägt es damit auch indirekt dazu bei, das Streben nach sozialer Anerkennung zu befriedigen. (113) Steuerungsvariablen Steuerungsvariablen soll der Sammelbegriff für all jene personenendogenen Faktoren und Mechanismen sein, die bestimmen, welche der Antriebsvariablen, also welche Triebe und welche Zielvorstellungen i m bestimmten Situationen verhaltensbestimmend wirken und i n welcher A r t und Weise die Triebbefriedigung bzw. die Zielerfüllung erfolgt. Durch die Steuerungsvariablen w i r d bestimmt, i n welchem konkreten, durch eine bestimmte Richtung, Ausformung und durch einen bestimmten Verlauf gekennzeichneten Verhalten sich die Wirkung der Antriebsvariablen niederschlägt 181 . Die Gruppe der Steuerungsvariablen soll gegliedert werden i n das persönliche Wertsystem, die psychischen Steuerungsprozesse, das individuelle Wissen, die Vorstellungsbilder und die Stimmungen. Die eindeutige Zuordnung zu der Gruppe der Antriebsvariablen oder zur Gruppe der Steuerungsvariablen erweist sich vor allem bei den Zielen als problematisch, da die Ziele, wie bereits gesagt wurde, auch den Einfluß der Triebe auf das Verhalten steuern. (1131) Das persönliche Wertsystem A n der Spitze der Mittel-Zweck-Hierarchie des individuellen Zielsystems befindet sich das System der persönlichen Werte. Die persönlichen Werte sind jene Überzeugungen und Selbstverständlichkeiten, die der einzelne bei seinen Handlungen als Maximum verfolgt, meist ohne noch darüber nachzudenken. Ein wesentlicher Bestandteil dieses Wertsystems sind z. B. die Normen der Gesellschaft oder der sozialen Klasse, der er angehört 132 . Das persönliche Wertsystem w i r d Kaufentscheidung nicht direkt beeinflussen, sondern indirekt über die Auswahl der m i t dem Wertsystem zu vereinbarenden Ziele und Triebe 1 3 3 . Die Triebe, deren Befriedigung nicht m i t dem persönlichen Wertsystem i m Widerspruch 181 Vgl. Graumann, C. F., Motivationsforschung, a.a.O., S. 133; ders., Die Dynamik von Interessen, Wertungen und Einstellungen, a.a.O., S. 279 ff. 132 Vgl. Thomae, H., Zur allgemeinen Charakteristik des Motivationsgeschehens, a.a.O., S. 80. 133 Vgl. Streissler, E., Grundlagen der Entscheidungstheorie der Nachfrage, in: Konsum und Nachfrage, Hrsg. Streissler, E. und M., Köln, Berlin 1966, S. 17.
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steht, und die Ziele, die aus dem Wertsystem abgeleitet werden können, bestimmen ihrerseits das Verhalten direkt. I m Rahmen des persönlichen Wertsystems sind z. B. eine hohe Einschätzung der Verpflichtung gegenüber der Familie oder eine hohe Einschätzung der persönlichen Freiheit Werte, die verschiedene, das Kaufverhalten mehr oder minder direkt beeinflussende Ziele bedingen. Aus der hohen Einschätzung der Verpflichtung gegenüber der Familie läßt sich z. B. das konkrete Ziel „Sicherheiten für die Familie" ableiten. I n der Verfoglgung dieses Ziels w i r d beim Kauf eines Autos dem sicheren Auto, bei der Geldanlage Lebensversicherung der Vorzug gegeben etc. Bei Menschen, i n deren Wertsystem z. B. gesellschaftliche Normen eine bedeutende Rolle spielen, kann auch i m Bereich des Kaufverhaltens oft ein sehr stark an Normen angepaßtes Verhalten beobachtet werden. Ausdruck des persönlichen Wertsystems können bestimmte Einstellungen sein. Einstellungen sind relativ dauerhafte Haltungen oder Verhaltenstendenzen gegenüber bestimmten Personen, Objekten und Sachverhalten, die sich an den Werten des persönlichen Wertsystems orientieren 1 3 4 . Einstellungsmessungen sind i n der Absatzforderung eine verbreitete Methode, u m u. a. Rückschlüsse auf das Wertsystem eines Käufers oder einer Käufergruppe zu ziehen und den Einfluß der Wertsysteme auf das Kaufverhalten zu erforschen 135 . Dabei w i r d häufig der Zusammenhang zwischen einem spezifischen Kaufverhalten und der Einstellung zu den verschiedensten Objekten und Sachverhalten der Realität gemessen, die m i t einem bestimmten Kaufobjekt nichts zu t u n haben, wie etwa der Zusammenhang zwischen Einstellungen zu bestimmten politischen Ereignissen und dem Kauf oder Nicht-Kauf bestimmter Produkte 1 3 6 . (1132) Psychische Steuerungsprozesse Psychische Steuerungsprozesse sind jene i n einem Individuum ablaufenden Prozesse, durch die vor allem die A r t der Bedürfnisbefriedigung und der Zielerfüllung mitbestimmt wird. Durch den Ablauf von psychischen Steuerungsprozessen werden jedoch auch das System der 134
Vgl. Lexikon der Psychologie, a.a.O., Stichwort „Einstellungen", Spalte 447 und 448. iss vgl. Urbschat, R, Einstellungsskalen messen Konsumentenverhalten, in: die Absatzwirtschaft, Jahrgang 1969, Heft 21, S. 57—68. 136 vgl Beike, P., Schubfächer für Charaktere, in: die Absatzwirtschaft, Jahrgang 1969, Heft 7, S. 19—27; Die „GfK-Skalen" — Ansatz, Methodik und Verfahren der psychologischen Einstellungsmessung durch die GfK — Nürnberg; o. V., in: Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung, Nürnberg 1968, Heft 3, S. 261—284.
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Antriebsvariablen und die verschiedenen anderen Gruppen von Steuerungsvariablen beeinflußt. Neben den von Rohracher als psychische Funktionen bezeichneten Prozesse des Wahrnehmens, Lernens, Vergessens und Denkens 137 sind als weitere wichtige Steuerungsprozesse, die Vorstellungsprozesse und die von der psychoanalytischen Theorie beschriebenen Mechanismen der Konfliktbewältigung zu erwähnen 138 . M i t Hilfe der Wahrnehmung werden die ersten Eindrücke und Informationen über die verschiedenen M i t t e l zur Bedürfnisbefriedigung gewonnen. Die Wahrnehmung hat einen zweifachen Einfluß auf die Antriebsvariablen. Einmal w i r d durch die Wahrnehmung eines bestimmten, zur Befriedigung eines Triebs oder zur Erfüllung eines Ziels geeigneten Mittels, z. B. eines Produkts oder einer Information über ein Produkt, die betreifende Antriebsvariable als verhaltensbestimmende K r a f t aktiviert 1 3 9 . Die Aussicht auf Zielerfüllung bzw. Triebbefriedigung läßt die betreffende psychische Antriebsvariable zur dominanten, verhaltensbestimmenden K r a f t werden. Z u m anderen kann durch die Wahrnehmung eines Mittels eine noch relativ undifferenzierte und ungerichtete Antriebsvariable i n Richtung auf dieses M i t t e l konkretisiert werden. Umgekehrt beeinflussen jedoch auch die Antriebs variablen die Wahrnehmung. Vor allem bei der Gestaltung der absatzpolitischen Instrumente, die der Information der Käufer und der Erregung ihrer Aufmerksamkeit dienen, müssen die aus diesem Einfluß erklärbaren Phänomene der Selektivität der Wahrnehmung und der Gestalthaftigkeit der Wahrnehmung beachtet werden. Selektivität der Wahrnehmung besagt, daß sich die Aufmerksamkeit vorrangig auf die Objekte der Umwelt richtet, an denen Interesse besteht und die von vornherein die Befriedigung bzw. Erfüllung bestimmter latenter Triebe oder bereits formulierter Ziele versprechen 140 . Gestalthaftigkeit der Wahrnehmung bedeutet, daß die Wahrnehmung nicht i n der isolierten Registrierung von Einzelbestandteilen aus der Umwelt besteht, sondern dahin tendiert, die einzelnen Detaileindrücke zu einem Bedeutsamkeitsganzen zusammenzufügen, ihnen eine Gestalt 137
Vgl. Rohrbacher, H., a.a.O., S. 96—306 und S. 66. iss V g l . Feger, H., a.a.O., S. 389 ff. 139 vgl Mittenecker, E., Motivation und Information, in: Handbuch der Psychologie, 2. Band: Allgemeine Psychologie, II. Motivation, Hrsg. Thomae, H., 2. Aufl., Göttingen 1965, S. 741. 140 Vgl. Rohrbacher, H., a.a.O., S. 66; Jacobi, H., Werbepsychologie — Ganzheits- und gestaltpsychologische Grundlagen der Werbung, Wiesbaden 1963, S. 69.
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zu verleihen 1 4 1 die für den Wahrnehmenden eine Bedeutung als M i t t e l zur Erfüllung von Bedürfnissen hat und die i n i h m deshalb Gefühle wachruft 1 4 2 . Durch das Lernen werden Informationen über die Möglichkeiten zur Triebbefriedigung und Zielerfüllung sowie Erfahrungen m i t bereits erprobten Möglichkeiten i m Gedächtnis gespeichert. Die Konkretisierung von Zielvorstellungen und von Bedürfnissen auf bestimmte Objekte und damit auch die Wahl der M i t t e l zur Bedürfnisbefriedigung hängen i n starkem Maß von dem durch Lernprozesse gespeicherten indivi^ duellen Wissen ab. A u f der Funktion des Lernens basiert die Dynamik der Triebe, also deren Aufdifferenzierung i n bestimmte spezifische Bedürfnisse. Entsprechend der Bedeutung des Lernens für die Wirksamkeit gespeicherter Informationen i m Bereich des Kaufverhaltens fanden speziell bei der Gestaltung der Werbung die verschiedenen psychologischen Lerntheorien Berücksichtigung 143 . I n der Vergangenheit wurde z.B. der Einfluß der klassischen behavioristischen Lerntheorie i n der permanenten Wiederholung ein und derselben Werbebotschaft sichtbar. Allmählich haben die Motivationstheorie des Lernens und die Theorie des Lernens i n Bedeutungszusammenhängen die naive behavioristische Lerntheorie auch i m Bereich der Werbung abgelöst. I n der neuesten Zeit rückt i n der Werbeforschung das Phänomen des Vergessens i n den Mittelpunkt des Interesses. Es werden z. B. sogenannte Vergessensfunktionen m i t den Variablen „Zeit" und „Informationen durch die Konkurrenten" als verursachende Variablen formuliert. Das Entstehen von Vorstellungen w i r d zwar erst durch das Lernen der Vorstellungsinhalte oder der Bestandteile von Informationsinhalten ermöglicht, ist jedoch vom Lernen, also von der reinen Speicherung von Informationsinhalten i m Gedächtnis zu unterscheiden 144 . Diese Unterscheidung erscheint besonders dann gerechtfertigt, wenn es sich bei den betreffenden Vorstellungsinhalten nicht u m reine Reproduktion von i n der Realität wahrgenommenen Bildern und Inhalten handelt, sondern wenn man es m i t Phantasievorstellungen und assoziativen Vorstellungen zu t u n hat, i n denen das aus der Erfahrung stammende 141
Vgl. Jacobi, H., Werbepsychologie ..., a.a.O., S. 33. Vgl. Ewert, O., Gefühle und Stimmungen, a.a.O., S. 241 f. 143 Vgl. Johannsen, U., Fläming, J., Die Bedeutung der Erkenntnisse der „Lernpsychologie" für Werbung und Marktforschung, in: GfM-Mitteilungen, Jahrgang 1964, Heft 10, S. 110—120; Kühn, R., Erklärungsmodelle des Käuferverhaltens ..., a.a.O., S. 77. 144 Vgl. Wiswede, G., Motivation und Verbraucherverhalten — Grundlagen der Motivforschung, München, Basel 1965, S. 230 ff. 142
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Material zu Kombinationen zusammengefaßt wird, die selbst nicht aus der Erfahrung stammen. Assoziative Vorstellungen spielen vor allem bei der Entstehung von Produktbildern oder Produktimages eine Rolle, wenn ein bestimmtes Produkt bestimmte angenehme oder unangenehme Vorstellungen wachruft und m i t bestimmten angenehmen oder unangenehmen Erscheinungen i n Verbindung gebracht wird. Von den Denkprozessen nimmt beispielsweise der Prozeß des Urteilens bei der bewußten Entscheidung über die M i t t e l zur Erreichung bestimmter Ziele eine dominante Stellung ein. Die i n der psychoanalytischen Theorie erörterten Mechanismen der Konfliktbewältigung 1 4 5 sind i m wesentlichen die Verdrängung, die Projektion, die Identifikation sowie Fixierung und Regression 146 . Durch all diese Prozesse werden psychische Kräfte meist unbewußt als Verhaltensdeterminanten ausgeschaltet, weil sie z. B. den einzelnen i n unangenehme Konfliktsituationen bringen oder zu zunächst unbequemen Verhaltensänderungen veranlassen würden. Gegen die Übertragung dieser Begriffe i n ein anderes Bezugssystem als das der psychoanalytischen Theorie können die bereits weiter oben behandelten Bedenken angemeldet werden. Als Hypothesen erscheinen jedoch die Erklärungen des nicht allein auf bewußten Entscheidungen beruhenden Kaufverhaltens durch bestimmte Mechanismen der unbewußten Konfliktbewältigung nicht allzu abwegig und einer empirischen Überprüfung wert. Dies soll am Beispiel der Mechanismen „Verdrängung" und „Identifikation" gezeigt werden. Als Verdrängung w i r d der Abwehrmechanismus bezeichnet, „durch den das bewußte Ich nicht akzeptierte oder angsterzeugende Impulse vom Bewußtsein fernhält,, 147 . A u f der Verdrängung könnte es beispielsweise beruhen, wenn Informationen über neue Möglichkeiten zur Bedürfnisbefriedigung nicht wahrgenommen werden, w e i l die Befriedigung des betreffenden Bedürfnisses vom persönlichen Wertsystem nicht akzeptiert wird. Identifikation bedeutet, daß eine Person Motive und Meinungen von Personen ihrer Umgebung, insbesondere von Autoritätspersonen, „übernimmt", u m zu ihrer Rolle zu finden, aber auch u m Auseinandersetzungen m i t anderen, ungewohnten Motiven und Meinungen zu ver145 Mit Konfliktbewältigung ist in diesem Fall keine adäquate oder reife Form der Konfliktlösung gemeint. 146 Vgl. Feger, H., a.a.O., S. 389 ff. 147 Vgl. Feger, H., a.a.O., S. 390.
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meiden und sich einem, oft Unsicherheit und Angst Differenzierungsprozeß zu entziehen 148 .
erzeugenden
Zweifellos läßt sich die Identifikation m i t einer Person, etwa m i t einem sogenannten Meinungsführer oder m i t Mitgliedern einer als Bezugsgruppe angesehenen sozialen Gruppe, auch i m Bereich des Kaufverhaltens, beobachten. Der Einfluß von Identifikationsprozessen ist jedoch auch noch i n anderer Weise denkbar. Der Schluß liegt nahe, daß ein Käufer, wenn er sich für ein bestimmtes Produkt entschieden oder es bereits gekauft hat, i n ähnlicher Weise eine Auseinandersetzung m i t den Eigenschaften und den Qualitäten anderer Produkte vermeidet und sich m i t „seinem" Produkt „identifiziert", u m vor Enttäuschungen oder Neuorientierungen bewahrt zu werden. (1133) Individuelles Wissen Bei der Suche und bei der Bewertung von M i t t e l n zur Bedürfnisbefriedigung w i r d zum großen Teil auf das i m Gedächtnis gespeicherte individuelle Wissen zurückgegriffen. Der Umfang und die A r t des individuellen Wissens hängen wesentlich von dem vergangenen Verhalten des einzelnen, d. h. von seiner individuellen Geschichte ab. Das individuelle Wissen besteht aus den persönlichen Erfahrungen und aus den gespeicherten Informationen. Für das Kaufverhalten werden sowohl die unmittelbaren persönlichen Erfahrungen m i t bestimmten Produkten als auch die verschiedensten, nicht unbedingt ein bestimmtes M i t t e l zur Bedürfnisbefriedigung betreffenden, Informationen und Erfahrungen bestimmend sein. (1134) Vorstellungsbilder 1 4 9 Unmittelbaren Einfluß auf die Wahl bestimmter M i t t e l zur Bedürfnisbefriedigung haben die Vorstellungsbilder, die sich der einzelne von den zur Auswahl stehenden M i t t e l n macht. Die A r t der jeweiligen Vorstellungsbilder hängt wiederum von den übrigen Verhaltensdeterminanten ab. A m Zustandekommen eines Vorstellungsbildes über ein M i t t e l zur Bedürfnisbefriedigung, etwa über ein bestimmtes Produkt, können sämtliche Determinanten des Käuferverhaltens beteiligt sein 15 °. Das Vorstellungsbild oder das Image, das ein einzelner Käufer von einem bestimmten Produkt hat, kann z. B. größtenteils von der tatsächlichen Erfahrung m i t dem betreffenden Produkt unter M i t w i r k u n g 148 149 150
Vgl. ebenda, S. 394. Vgl. Portugall, V., a.a.O., S. 86 ff. Vgl. ebenda, S. 88.
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der Funktionen Wahrnehmung und Gedächtnis bestimmt sein und die tatsächlichen Eigenschaften des Produkts widerspiegeln. Es kann ebenso gut auf der Meinung anderer Personen und auf Informationen durch das anbietende Unternehmen beruhen. I n das Vorstellungsbild können bestimmte, auf der Wirkung von Trieben beruhende Wünsche hineinprojiziert werden. Ebenso kann das Vorstellungsbild durch bestimmte Wertungen aus dem persönlichen Wertsystem positiv oder negativ beeinflußt werden. Es lassen sich verschiedene Arten von Vorstellungsbildern unterscheiden, je nachdem, welche Verhaltensdeterminanten vorrangig an ihrem Zustandekommen beteiligt sind. Von Vorstellungsbildern m i t Vorurteilscharakter kann dann gesprochen werden, wenn das B i l d nicht auf eigener Erfahrung und nicht auf der Berücksichtigung richtiger Informationen über den Vorstellungsgegenstand beruht und wenn es auf Grund bestimmter Wertungen für den einzelnen relativ verbindlich und unumstößlich ist 1 5 1 . Vorstellungsbilder m i t dem Charakter eines subjektiv-rationalen Urteils beruhen auf persönlichen Erfahrungen m i t dem Vorstellungsgegenstand und auf möglichst vollständigen Erfahrungen m i t vergleichbaren Vorstellungsgegenständen. Wenn zudem noch richtige Informationen und Meinungen anderer m i t i n das Vorstellungsbild eingehen, so w i r d es sich mehr und mehr einem objektiv-rationalen Urteil nähern. Von Vorstellungsbildern m i t Einstellungscharakter kann dann gesprochen werden, wenn es sich u m relativ unveränderliche Vorstellungsbilder handelt, die gleichzeitig m i t einer persönlichen Bewertung des Vorstellungsgegenstands verbunden sind 1 5 2 . Die relative Starrheit und Unveränderlichkeit von Einstellungsbildern ist i m allgemeinen aus der Bequemlichkeit, ständige Korrekturen von Orientierungsmustern vorzunehmen, und aus dem Widerstand gegen Änderung des persönlichen Wertsystems zu erklären 1 5 3 . Vorstellungsbilder, die sich zu Vorstellungsbildern m i t Einstellungscharakter verfestigt haben, sind vergleichbar m i t einem Verhalten, das sich zum Gewohnheitsverhalten verfestigt hat. Einmal entstandene Einstellungen gegenüber Produkten sind deshalb relativ schwer zu verändern. Die Abhängigkeit der Vorstellungsbilder von den Determinanten des Käuferverhaltens legt es nahe, Vorstellungsbilder nicht als eigene Determinanten des Käuferverhaltens anzuführen und sie, ähnlich wie die Gefühle, als intervenierende Variable i m Motivationsgeschehen zu be151 Vgl. Wolf, H. E., Die Beziehungen zwischen Vorurteil, Image und Gegenstands(-Waren) Bild, in: GfM-Mitteilungen, Jahrgang 1966, Heft 1, S. 12. 152 Vgl. Portugall, V., a.a.O., S. 83. iss vgl. Portugall, V., a.a.O., S. 83 f.
III. Methoden der Hypothesenfindng
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zeichnen. Die Annahme der Eigenständigkeit von Vorstellungsbildern als Determinanten des Käuferverhaltens erscheint jedoch aus folgenden Gründen plausibel: Vorstellungsbilder können sich zu Einstellungen verfestigen. Weiterhin entstehen durch das Einwirken der verschiedensten Verhaltensdeterminanten spezifische, eigenständige Vorstellungsbilder, die etwas anderes sind als die Summe der sie bewirkenden Verhaltensdeterminanten. Schließlich können Vorstellungsbilder, ähnlich wie die Zielvorstellungen einen bestimmten Aufforderungscharakter besitzen. (1135) Stimmungen Ähnlich wie die Vorstellungsbilder werden Stimmungen von einer Vielzahl von Verhaltensdeterminanten, z. B. von äußeren Ereignissen, von der momentanen physischen Situation oder von Variablen aus dem Bereich der physischen Konstitution beeinflußt und verfestigen sich auch ähnlich wie die Vorstellungsbilder zu eigenständigen Verhaltensdeterminanten. Stimmungen sind die erlebnismäßig gegebenen Gesamtbefindlichkeiten des Menschen, die sich über eine gewisse Zeit erstrecken. I n den Stimmungen erlebt der Mensch, wie i h m zumute ist 1 5 4 . Stimmungen können unter Umständen die gesamte affektive Energie eines Menschen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes reduzieren oder verstärken, d. h. die durch alle möglichen Antriebsvariablen verursachte Antriebsstärke verändern. Stimmungen spielen als Steuervariablen gerade i m Bereich des Kaufverhaltens eine große Rolle. Erinnert sei an die Bedeutung optimistischer und pessimistischer Stimmungen für das Käuferverhalten i n den verschiedenen Phasen der Konjunkturzyklen. Streng zu unterscheiden von den Stimmungen sind die Gefühle i m engeren Sinn, die nicht als eigentliche Verhaltensdeterminanten, sondern nur als Indikatoren eines zeitlich begrenzten, situationsbedingten Wirksamwerdens von Trieben zu bezeichnen sind 165 . Gefühle beziehen sich auf Personen, Dinge oder Ereignisse aus der Umwelt, durch die bestimmte Antriebe aktiviert werden, und sind damit Erlebnisse des Angemutet-werdens durch die betreffenden Umweltreize 1 5 6 . Als erlebtes Wirksamwerden von Trieben können sie nach den jeweils aktivierten Trieben geordnet werden. Beim gleichzeitigen Wirksamwerden verschiedener Triebe können die sogenannten gemischten Gefühle wachgerufen werden 1 5 7 . 154 155 156 157
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Ewert, O., Gefühle und Stimmungen, a.a.O., S. 230 f. Graumann, C. F., Motivationsforschung, a.a.O., S. 131. Ewert, O., a.a.O., S. 240 ff. Lersch, Ph., Aufbau der Person, a.a.O., S. 293.
3. Denkmethoden zur Bildung hypothetischer Erklärungsmodelle
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Als Indikatorvariable i n Gestalt positiven oder negativen Angemutetwerdens auf absatzpolitische Maßnahmen haben die Gefühle bei der Gewinnung von Informationen zur Beurteilung absatzpolitischer Maßnahmen eine gewisse Bedeutung. Als Determinanten des Käuferverhaltens dürfen sie jedoch nicht interpretiert werden. (12) Personenbezogene Variablen der Situation Das Verhalten des einzelnen Käufers w i r d neben den personenendogenen Variablen von den Variablen bestimmt, die Kennzeichen oder Bestandteile der Situation sind, i n der er sich befindet 158 . Als personenbezogene Variablen der Situation des Käufers sollen nur diejenigen Variablen angesehen werden, die ausschließlich seine eigene Situation charakterisieren. Viele Situationsvariablen, die Einfluß auf das Verhalten eines Käufers haben, charakterisieren nicht ausschließlich seine eigene Situation, sondern ebenso die Situation einer mehr oder minder großen Zahl anderer Käufer, wie z. B. absatzpolitischer Maßnahmen, durch die eine Vielzahl von Käufern angesprochen wird, oder Merkmale, die die soziale, politische und ökonomische Situation einer Volkswirtschaft kennzeichnen. Die Situationsvariablen, die nicht ausschließlich der Kennzeichnung der Situation dienen, i n der sich ein ganz bestimmter, einzelner Käufer befindet, sollen an anderer Stelle aufgeführt werden. Die Bedeutung der Merkmale einer bestimmten Situation als Determinanten des Verhaltens verdeutlicht der Einfluß, den eine spezielle Mangelsituationen oder den motivierende Reize auf die Motivation haben. Bei der Systematisierung der personenbezogenen Variablen einer Situation erscheint es zweckmäßig, zu unterscheiden zwischen relativ unveränderlichen Variablen, die Kennzeichen einer verhältnismäßig konstanten Rahmensituation sind und relativ veränderlichen Variablen, die Kennzeichen einer relativ rasch vorübergehenden, aktuellen Situation sind, i n der sich ein Käufer momentan befindet. (121) Die personenbezogenen Variablen der Rahmensituation Die Kennzeichen der Rahmensituation können als Variablen interpretiert werden, die i n unterschiedlichen, aktuellen Situationen jeweils neben den verschiedenen Variablen der aktuellen Situation als Verhaltensdeterminanten wirksam werden. iss vgl. z u d e n i m folgenden dargestellten Situationsmerkmalen: Graumann, C. F., Sozialpsychologie: Ort, Gegenstand und Aufgabe, in: Handbuch der Psychologie, 7. Band: Sozialpsychologie, 1. Halbband: Theorien und Methoden, Hrsg. Graumann, C. F., Göttingen 1969, S. 62—71. 8 Kopp
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III. Methoden der Hypothesenfindng
Die Kennzeichen der relativ konstanten Rahmensituation eines Käufers lassen sich wiederum nach ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten realen Phänomenen gliedern. (1211) Die Variablen der ökonomischen Situation 1 5 9 Als Variablen der ökonomischen Situation lassen sich i m wesentlichen die verfügbare Kaufkraft, insbesondere das individuelle Einkommen sowie die Vermögensstruktur eines Käufers bezeichnen. Die verfügbare Kaufkraft, das tatsächliche und erwartete Einkommen sowie der A r t und der Zusammensetzung der bereits vorhandenen Vermögensgüter, insbesondere der Umfang und die Zusammensetzung des i n einer bestimmten Periode gekauften Warenkorbs, beeinflussen das Kaufverhalten i n der verschiedensten Weise. A u f die verschiedenen, spezifischen Einflüsse kann hier nicht näher eingegangen werden. (1212) Wohnort Der Wohnort läßt sich anhand mehrerer Merkmale spezifizieren, z. B. anhand der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stadtviertel, zu einer bestimmten Region (Stadtregion, flaches Land), zu einer bestimmten Klimazone oder zu einer bestimmten Landschaft. Der Wohnort hat einen direkten Einfluß i m Bereich des Kaufverhaltens, z. B. auf die Wahl des Einkaufsorts, aber auch einen indirekten Einfluß als bedingende Variable bezüglich der Ausprägung bestimmter anderer Determinanten des Käuferverhaltens, wie z. B. der jeweils wirksamen sozialen Normen oder der Einkommensverhältnisse. (1213) Die Variablen der sozialen Situation Die soziale Rahmensituation, i n der sich ein Käufer befindet, w i r d durch seine soziale Position bestimmt. Die soziale Position des Individuums sind die objektiven und objektiv beschreibbaren Merkmale des „Schnittpunkts von Individuum und Gesellschaft" 160 . Die Position ist der „Ort i m Gefüge sozialer Beziehungen" 161 , an dem sich das Individuum befindet. Wesentliche Merkmale der Position sind z. B. die Stelle, die ein Individuum innerhalb einer Organisation besetzt, seine Aufgabe, die es innerhalb einer Organisation oder innerhalb der Gesellschaft wahrnimmt, z. B. sein Beruf, seine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe sowie sein Familienstand 162 . 159
Vgl. Graumann, C.F., Sozialpsychologie: Ort, Gegenstand und Aufgabe, a.a.O., S. 65. 160 Dahrendorf, R., Homo Sociologicus, Köln und Opladen 1964, S. 14. 161 Sader, M., Rollentheorie, in: Handbuch der Psychologie, 7. Band: Sozialpsychologie, 1. Halbband: Theorien und Methoden, Hrsg. Graumann, C. F., Göttingen 1969, S. 209 ff. 162 Vgl. ebenda.
3. Denkmethoden zur Bildung hypothetischer Erklärungsmodelle
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Das Kaufverhalten w i r d durch eine bestimmte soziale Position zunächst dadurch bestimmt, daß m i t der Wahrnehmung bestimmter A u f gaben i m Rahmen der Position, etwa m i t der Ausübung eines Berufs oder m i t der Versorgung einer Familie, bestimmte sachlich begründete Bedürfnisse entstehen. Wesentlich schwieriger als dieser direkte Einfluß der sozialen Position auf das Kaufverhalten ist ihr indirekter Einfluß über die positionsabhängigen Verhaltensdeterminanten „soziale Rolle" und „sozialer Status" zu erfassen 163 . Durch die soziale Position eines Individuums w i r d weitgehend sein soziales Verhalten, d. h. seine soziale Rolle bestimmt. A n den Inhaber einer Position werden von seinen Partnern und von der Gesellschaft bestimmte Verhaltenserwartungen herangetragen, denen er als Inhaber der betreffenden Position durch rollenkonformes Verhalten mehr oder weniger gerecht werden muß, wenn er sich nicht der Gefahr von Sanktionen aussetzen w i l l 1 6 4 . Diese Verhaltenserwartungen oder sozialen Normen sind verschieden, je nachdem welche Position der einzelne innehat, insbesondere welcher Gruppe oder welcher sozialen Klasse er angehört. Spezifische Verhaltenserwartungen der Umwelt sind an die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Primärgruppe, z. B. zu einer Familie, zu einer bestimmten anderen, kleinen sozialen Gruppe, z. B. zum Kreis der Berufskollegen oder zu einer sozialen Klasse, z. B. zur Klasse der leitenden Angestellten, gebunden. Aus der Unvereinbarkeit von Verhaltenserwartungen, die sich oft aus der gleichzeitigen Zugehörigkeit zu mehreren sozialen Gruppen ergibt, entstehen i m einzelnen oft Konflikte 1 6 5 . Wenn sich soziale Verhaltenserwartungen auch auf den Bereich des Konsumverhaltens erstrecken, so können sie als Konsumnormen bezeichnet werden 1 6 6 . Der Einfluß sozialer Normen kann sich nun i n verschiedenen Verhaltenstendenzen niederschlagen. Eine Verhaltenstendenz besteht z. B. i n einer relativ viele Lebensbereiche umfassenden Ausübung einer sogenannten zentralen Rolle 1 6 7 . Ein Manager verhält sich z. B. nicht nur i m Betrieb als Manager, die Managerrolle kann unter Umständen, wenn auch i n abgeschwächter Form und modifiziert durch andere Rollen, sein Privatleben prägen. 183 Vgl. Sader, M., a.a.O., S. 211; Lersch, Ph., Der Mensch als soziales Wesen, a.a.O., S. 158 ff. 164 Vgl. Sader, M., a.a.O., S. 217. 165 Vgl. ebenda, S. 222. 166 V g L Portugall, V., a.a.O., S. 72. 167 Vgl. Lersch, Ph., Der Mensch als soziales Wesen, a.a.O., S. 171 ff.; Sader, M., a.a.O., S. 224.
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III. Methoden der Hypothesenfindng
Die Ursache für ein derart rollenkonformes Verhalten kann eine echte Identifikation m i t der Rolle aber auch die Notwendigkeit der Befolgung gesellschaftlicher Normen sein. Ein besonders charakteristisches Beispiel für den Einfluß eines starken Konformitätsdruckes auf viele Lebensbereiche, unter anderem auch auf den Bereich des Kaufverhaltens, bietet das Leben eines m i t t leren erfolgreichen amerikanischen Managers. Er steht unter einem relativ starken Konformitätsdruck insofern, als i h m von der Gruppennorm ziemlich genau vorgeschrieben wird, was und wo er zu kaufen hat, welchen Wagen er zu fahren und wo er zu wohnen hat. Der zur Schau getragene Lebensstandard ist die notwendige Voraussetzung für die soziale Anerkennung und damit für die berufliche Beförderung 168 . Eine zweite Verhaltenstendenz besteht darin, eine sozial erwartete Rolle zwar auszuüben, aber daneben noch ausgesprochene Ersatzrollen zu suchen und zu spielen. Dieses Verhalten ist dann zu beobachten, wenn Unzufriedenheit m i t der zentralen Rollen besteht, rollenkonformes Verhalten als Anpassungsverhalten empfunden wird, andererseits jedoch die Unzufriedenheit nicht so groß ist, daß ein Ausbruch aus der zentralen Rolle erfolgt und darüber hinaus die Möglichkeit besteht, ohne gesellschaftliche Sanktionen bestimmte Ersatzrollen zu spielen. Ersatzrollen, deren Ausübung eine Kompensation der Unzufriedenheit m i t der zentralen Rolle verspricht, können beispielsweise in der Übernahme und der Nachahmung der Verhaltensweisen von Leitbildern bestehen 169 . U m die Rollen nachahmenswerter Leitbilder spielen zu können, ist i n der Regel der Besitz von Konsumgütern als „Rollenattrib u t " 1 7 0 oder als Voraussetzung für das Rollenspiel erforderlich 171 . Zur Rolle des Pop-Jüngers gehört eine Gitarre ebenso wie die Zigarre zur Rolle des dynamischen jungen Mannes oder eine französische Automarke zur Rolle des intellektuellen Europäers 172 . Für das Entstehen von Leitbildrollen, deren Nachahmung sich zu einem wesentlichen Teil i m „rollenspezifischen Konsum" ausdrückt, ist bei einigen wenigen die dritte Verhaltenstendenz gegenüber Rollen Voraussetzung. Es ist das Ausbrechen aus bisher geübten und anerkannten Verhaltensmustern, wobei dieses Ausbrechen zum Vorbild und die „Ausbrecher" zu Leitbildern werden. 168 Vgl. Küng, E., Der aufwendige Verbrauch, in: GfM-Mitteilungen, Jahrgang 1968, Heft 1, S. 7. 169 vgL Stizel, M., Die Unzufriedenheit mit Rolle und Status als konsumlenkender Faktor, unveröffentlichte Diplomarbeit am Betriebswirtschaftlichen Institut der Universität München, München 1970, S. 29 f. 170 Vgl. Sader, M., a.a.O., S. 215. 171 Vgl. Stizel, M., a.a.O., S.27f. und S.29ff. 172 Vgl. ebenda, S. 51 ff.
3. Denkmethoden zur Bildung hypothetischer Erklärungsmodelle
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Ebenso wie die Rolle w i r d der soziale Status von der Position bestimmt. Unter Status w i r d der Stellenwert verstanden, der einem einzelnen i n seiner Eigenschaft als Inhaber einer bestimmten sozialen Position zuerkannt wird. Der Status markiert den Rang einer Position und damit des Positionsinhabers i m Sinn einer Uber-, Neben- und Unterordnung gegenüber anderen Positionen und deren Inhabern. Von der Höhe des Status hängt die Höhe des Sozialprestiges ab, also das Ansehen, das ein Positoinsinhaber hat 1 7 3 . Zur Demonstration des Status hat der sogenannte demonstrative Konsum gerade i n einer anonymen Leistungsgesellschaft eine relativ große Bedeutung 174 . Die Güter, durch deren Konsum eine Demonstration des Status möglich ist, müssen als Statussymbole den Status des Besitzers für die Umwelt sichtbar signalisieren 175 . Die Bedeutung eines Produktes als Statussymbol muß streng getrennt werden von der Bedeutung eines Produktes als Rollenattribut oder als Voraussetzung für das Spielen einer Rolle. Statussymbole dienen dem Signalisieren eines sozialen Ranges. Als Rollenattribute und als Voraussetzungen für das Spielen einer bestimmten Rolle sind Konsumgüter Merkmale eines Verhaltensschemas, das nicht unbedingt aus Prestigegründen, sondern durchaus aus reiner Freude am Tun und Sein, ohne Rücksichtnahme auf die Wertschätzung anderer gespielt wird. Die Demonstration des eigenen Status w i r d immer dann zu beobachten sein, wenn sein Inhaber Grund hat, m i t i h m zufrieden zu sein. Sie w i r d sich vor allem in der Form des Konsumwettbewerbs i n der kleineren Gruppe, i n der man sich noch gegenseitig kennt, abspielen 176 . Die Überkompensation von Minderwertigkeitsgefühlen durch Demonstration eines Status, den man auf Grund seiner Position gar nicht besitzt, w i r d meist nur i n der Anonymität, vor fremden Publikum möglich sein 177 . Bei einer Unzufriedenheit m i t seiner zentralen Rolle als auch m i t seinem tatsächlichen Status w i r d sich der einzelne i n seinem Verhalten an bestimmten Gruppen orientieren, deren Mitglieder den angestrebten Status besitzen oder die angestrebte Rolle spielen. Zur vollständigen Erklärung des Kaufverhaltens, das Ausdruck einer Unzufriedenheit m i t der zentralen Rolle und dem Status ist, bedarf es der Kenntnis der jeweiligen Bezugsgruppen, an denen sich der Käufer orientiert 1 7 8 . 173 174 175 176 177 178
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Lersch, Ph., Der Mensch als soziales Wesen, a.a.O., S. 158 ff. Küng, E., Der aufwendige Verbrauch, a.a.O., S. 6. Kluth, H., Sozialprestige und sozialer Status, Stuttgart 1957, S. 37. Küng, E., Der aufwendige Verbrauch, a.a.O., S. 6. ebenda. ders., Erklärungsmodelle, des Käuferverhaltens, a.a.O., S. 79.
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III. Methoden der Hypothesenfindng
(122) Die personenbezogenen Variablen der aktuellen Situation Vor dem Hintergrund einer über einen längeren Zeitabschnitt konstanten Rahmensituation durchlebt jeder Mensch eine Folge von aktuellen Situationen, welche die ständig wechselnde Gegenwart repräsentieren. Der Wechsel der aktuellen Situationen ergibt sich vielfach aus dem Ablauf der Tätigkeiten, aus der Abfolge von Verhaltenseinheiten 179 . Verschiedene aktuelle Situationen lassen sich nach thematischen Verhaltensbereichen benennen, z. B. als Situationen auf der Reise, beim Autofahren oder beim Einkauf. Ohne Zweifel sind die meisten aktuellen Situationen durch Variablen gekennzeichnet, die nur zu einem Teil ausschließlich personenbezogen sind. Analysiert man z. B. die Merkmale und Bestandteile einer aktuellen Einkaufssituation näher, i n der sich eine Hausfrau in einem Supermarkt befindet, so lassen sich folgende Variablengruppen unterscheiden, die das Verhalten der Hausfrau i n der Einkaufssituation beeinflussen können 180 . a) Personenendogene Variablen, wie z. B. bestimmte Erfahrungen m i t bestimmten Produkten, b) personenbezogene Variablen der Rahmensituation, wie z. B. die Rolle der verantwortungsbewußten Hausfrau und Mutter. c) die auf der Angebotsseite wirksamen Variablen, wie z. B. die Verpackung oder die gebundenen Endverbraucherpreise als Verhaltensvariablen der Hersteller sowie die Warenpräsentation und die Ausstattung des Verkaufsraumes als Verhaltensvariablen des betreffenden Handelsunternehmens, sowie d) personenbezogene Faktoren der aktuellen Situation, wie z. B. der Betrag, den die Hausfrau i m Moment i n ihrer Geldbörse hat, die Menge der Waren, die sich bereits i n ihrem Einkaufswagen befinden, ihre gegenwärtige körperliche Verfassung, insbesondere ihr gegenwärtiger Hunger oder Appetit auf bestimmte Nahrungsmittel. Die unter d) angeführten Variablen sind die Variablen, die ausschließlich die für die betreffende Hausfrau aktuelle Situation kennzeichnen. 179
Vgl. Thomae, H., Zur allgemeinen Charakteristik des Motivationsgeschehens, a.a.O., S. 52 ff. wo vgl. zum folgenden auch: Rao, T. R , Consumers Purchase Decisions Process: Stochastic Models, in: Journal of Marketing Research, Jahrgang 1969, August, S. 329.
3. Denkmethoden zur Bildung hypothetischer Erklärungsmodelle
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Ladenausstattung und Warenpräsentation kennzeichnen dagegen die aktuelle Situation aller Personen, die sich i m Verkaufsraum befinden. Erst das Zusammenwirken aller genannten Variablen und Variablengruppen in einer aktuellen Situation führt zu einem bestimmten Kaufverhalten. Die Variablen und ihre Ausprägungen werden zu verschiedenen Zeitpunkten und für verschiedene Menschen jeweils unterschiedlich sein. Eine Situation w i r d niemals genau einer anderen gleichen. Für Situationen, die einem bestimmten, thematisch spezifischen Verhaltensbereich zuzuordnen sind, lassen sich jedoch bestimmte typische Variablen und Variablenkonstellationen identifizieren. Die Bildung von situationstypischen Variablenkonstellationen ist wegen der Verschiedenartigkeit der Situationen eine der schwierigsten Aufgaben der Hypothesenfindung in der Absatzforschung. (13) Verhalten Jedes Verhalten während eines bestimmten Zeitabschnitts w i r d immer auf irgend eine Weise von dem Verhalten i m vorhergehenden Zeitabschnitt und von dem geplanten Verhalten i n einem nachfolgenden Zeitabschnitt determiniert. Insofern läßt sich auch ein spezifisches Kaufverhalten eines Individuums aus anderen Verhaltensweisen des Individuums erklären und ableiten. Bestimmte Gewohnheiten und spezifische Verhaltenstendenzen bei der Gewinnung von Informationen über die M i t t e l zur Bedürfnisbefriedigung determinieren das Verhalten bei der Auswahl der Mittel, d. h. beim eigentlichen Kaufakt. Käufer, die sich vor Betreten des Ladens bereits eingehend informiert haben, werden i m Laden weniger beeinflußbar sein und in der Regel ihre Wahl schneller treffen. Bestimmte Veränderungen von Einkaufsgewohnheiten, etwa die Tendenz zum seltenen Einkauf, dafür aber zum Großeinkauf m i t dem Auto, lassen sich unter anderem aus bestimmten Veränderungen i m Freizeitverhalten einer Familie oder aus der Berufstätigkeit der Frau ableiten. Eine besondere A r t der Beeinflussung des Kaufverhaltens durch bestimmte andere Verhaltensweisen oder Verhaltensbereiche liegt dann vor, wenn sich aus diesen Verhaltensweisen oder Verhaltensbereichen sogenannte verhaltensorientierte Verwendungszwecke ableiten lassen. Dies ist immer dann der Fall, wenn zur Ausübung eines bestimmten Verhaltens i n bestimmten Verhaltensbereichen der Besitz bestimmter Produkte notwendig ist. Aus dem relativ globalen Verhaltensbereich „Freizeit" läßt sich der globale verhaltensorientierte Verwendungszweck „Alles für die Frei-
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III. Methoden der Hypothesenfindng
zeit", aus dem speziellen Verhaltensbereich „extremes Bergsteigen" läßt sich der verhaltensorientierte Verwendungszweck „Alles für das extreme Bergsteigen" ableiten. Streng zu unterscheiden von der Determinierung des Kaufverhaltens durch bestimmte Verhaltensweisen ist das Sichtbarwerden bestimmter persönlichkeitsspezifischer Verhaltenstendenzen i m Bereich des Kaufverhaltens. I n der Absatzforschung werden häufig statistische Beziehungen zwischen Verhaltensmerkmalen der unterschiedlichsten A r t und aus den unterschiedlichsten Verhaltensbereichen errechnet. Typische Beispiele dafür sind Analysen von Beziehungen zwischen bestimmten Einkaufsgewohnheiten, wie z. B. zwischen der Häufigkeit des ununterbrochenen Besuchs ein und desselben Einzelhandelsgeschäfts und der Markentreue i n Gestalt der Häufigkeit der ununterbrochenen Käufe einer bestimmten Marke 1 8 1 , sowie Analysen von Beziehungen zwischen sogenannten persönlichkeitsspezifischen Merkmalen, wie z. B. dem „Selbstbewußtsein" und der A r t der Reaktion auf bestimmte Werbeappelle 182 , oder der Eigenschaft „Meinungsführer" und der Eigenschaft „Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Produkten" 1 8 3 . Diese statistischen Analysen, die sich ausschließlich auf die Ebene des beobachtbaren Verhaltens beschränken, können i n den seltensten Fällen Ursache-Wirkungsbeziehungen ermitteln. Vielmehr handelt es sich i n der Regel u m die Feststellung von Beziehungen zwischen Verhaltensäußerungen oder Verhaltensmerkmalen, die Ausdruck ein und derselben Verhaltenstendenz bei einer Person sind. Zur Charakterisierung und Beschreibung bestimmter typischer Verhaltenstendenzen, die bei einer Person bei den verschiedensten Handlungen und i n den verschiedensten Verhaltensbereichen immer wieder beobachtet werden können, dienen die sogenannten persönlichkeitsspezifischen Charaktereigenschaften, in der angelsächsischen Absatzforschungsliteratur m i t „personality variables" 1 8 4 bezeichnet. 181
Vgl. Rao, T. R , a.a.O., S. 321—329. Vgl. Barak, J. H., Advertising Effectiveness and Risk in the Consumer Decision Process, in: Journal of Marketing Research, August 1969, Vol. VI, S. 315; Bell, G. D., Self-Confidence and Persuacion in Car Buying, in: Jounal of Marketing Research, February 1967, Vol. IV, S. 47; Fry, J. N., Personality Variables and Cigarette Brand Choice, in: Journal of Marketing Research, August 1971, Vol. VIII, S. 298—304. 183 Vgl. Robertson, T. S., Myers, J. H., Personality Correlates of Opinion Leadership and Innovative Buying Behavior, in: Journal of Marketing Research, Jahrgang 1969, Mai, S. 164—168. 184 Vgl. hierzu: Allbaum, G., Exploring Interaction in a Marketing Situation, in: Journal of Marketing Research, Jahrgang 1967, Mai, S. 168—172; Fry, J. N., Personality Variables and Cigarette Brand Choice, a.a.O., S. 298 bis 304; Pessemier, E. A., Burger, Ph., C., Tigert, D. J., Can New Product Buyers 182
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Persönlichkeitsspezifische Charaktermerkmale sind meist „ein relativ stabiles Endergebnis eines langen Personen werdungsprozesses" 185 , und damit Ergebnis eines nicht mehr völlig rekonstruierbaren Zusammenwirkens einer Vielzahl von Variablen. „Personality variables" sind z. B. die von Lersch formulierten Verhaltensmerkmale „Noetischer Habitus" und „Willensartung" 1 8 6 . I m Noetischen Habitus kommt die individuelle A r t des Denkens zum Ausdruck und i n der Willensartung z. B. die Entschlußfähigkeit und die Verzichtbereitschaft. Der Grad der Offenheit gegenüber der Außenwelt m i t den Ausprägungen „introvertiert" und „extravertiert" von C. G. Jung 1 8 7 oder die i n Anlehnung an die tiefenpsychologische Neurosenlehre gebildeten Charakterstrukturen m i t den typischen Ausprägungen „schizoid", „depressiv", „zwanghaft" und „hysterisch" von Riemann 186 sind weitere Beispiele für typische „Personality Variables". A u f die Bedeutung dieser Variablen i m Bereich des Kaufverhaltens w i r d an anderer Stelle noch eingegangen 189 . Natürlich werden bestimmte Verhaltensweisen i m Bereich des Kaufverhaltens oft sehr wenig Aufschluß über die persönlichen, charakteristischen Verhaltenstendenzen eines Käufers geben, und zwar vor allem dann, wenn beim Kauf bestimmter Produkte wenig Spielraum zur Demonstration persönlicher Eigenarten besteht. Wenn jedoch bei einem Käufer das Auftreten bestimmter charakteristischer Verhaltensmerkmale bei verschiedenen Handlungen i m Bereich des Kaufverhaltens beobachtet werden kann, z. B. die Treue gegenüber einem Produkt, so erscheint zumindest die Hypothese nicht abwegig, daß diese Verhaltensmerkmale Ausdruck einer typischen Charaktereigenschaft des Käufers sind. Nicht unbedingt an bestimmte Käufertypen sind die spezifischen Verhaltensweisen „Fällen von bewußten Entscheidungen", „Gewohnheitsverhalten" und „Impulsverhalten" gebunden. Wenn auch der eine mehr zu bewußten Entscheidungen bei der Auswahl seiner Kaufobjekte tendiert, der andere sich mehr von der Gewohnheit leiten läßt und wieder ein anderer mehr zu Impulskäufen neigt, so können doch alle diese Be Identified?, in: Journal of Marketing Research, Jahrgang 1967, November, S. 349—354. 185 Vgl. Marktsegmentierung, Das Stuttgarter Denkschema; o. V., in: Marketing Journal, Jahrgang 1970, Heft 1, S. 57—62. 186 Vgl. Lersch, Ph., Aufbau der Person, a.a.O., S. 502 ff. 187 Vgl. Jung, C. G., Psychologische Typen, Zürich 1960. 188 Vgl. Riemann, F., Grundformen der Angst — Eine tiefenpsychologische Studie, 3. Aufl., München, Basel 1967. 189 Vgl. die Ausführungen in Abschnitt III, 323.
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III. Methoden der Hypothesenfindng
Grundformen des Auswahlverhaltens von Kaufobjekten bei ein und demselben Käufer beobachtet werden, je nachdem, i n welcher Situation er sich befindet und welche A r t von Produkt er kauft. Jede dieser Grundformen des Auswahlverhaltens sind nichts anderes als ein Ausdruck einer unterschiedlichen relativen Einflußstärke von bestimmten Antriebs- und Steuerungsvariablen auf das Verhalten. Bei bewußten Entscheidungen haben bewußt formulierte Ziele und das bewußte Bewerten von Möglichkeiten zur Zielerreichung den entscheidenden Einfluß auf das Ergebnis der Wahlhandlung 1 9 0 . Gewohnheitsverhalten oder habituelles Verhalten beruht wesentlich auf wiederholten positiven Erfahrungen m i t früheren Wahlhandlungen, wobei diese vorausgegangenen Wahlhandlungen sowohl auf bewußten Entscheidungen als auch auf Gewohnheits- oder Impulsverhalten basieren können 191 . Weiterhin beruht das Gewohnheitsverhalten auf dem Streben nach Bequemlichkeit und nach ökonomisierung des Verhaltens, insbesondere nach Vermeidung wiederholter Zielformulierungen und wiederholter bewußter Bewertungen von Handlungsalternativen 102 . Beim Impulsverhalten werden Zielformulierung und bewußtes Bewerten von Handlungsalternativen weitgehend ausgeschaltet. Meist unbewußte Triebe wirken sich direkt auf die Wahlhandlungen aus 193 . (2) Die gruppenbezogenen Determinanten Kaufentscheidungen, die in Gruppen gefällt oder von Gruppenmitgliedern beeinflußt werden, können nicht mehr allein durch den Einfluß personenbezogener Verhaltensdeterminanten erklärt werden. Das Ergebnis der Entscheidungen w i r d wesentlichen von den Variablen abhängen, durch die sich die betreffende Gruppe kennzeichnen läßt. Bei den Gruppen, i n denen Kaufentscheidungen über Konsumgüter gefällt oder durch die Kaufentscheidungen über Konsumgüter beeinflußt werden, handelt es sich vor allem um Familien, Wohnungsgemeinschaften und Freundes- oder Kollegenkreise, also um Gruppen, die durch eine relativ geringe Anzahl von Gruppenmitgliedern, ein relativ dichtes Netz von Beziehungen zwischen den Gruppenmitgliedern und durch eine relativ große zeitliche Stabilität gekennzeichnet sind 194 . 190 Vgl. Katona, G., Das Verhalten der Verbraucher und Unternehmer. Über die Beziehungen zwischen Nationalökonomie, Psychologie und Sozialpsychologie, Hrsg. Boettcher, E., Tübingen 1960, S. 57 ff.; Streissler, E., Grundlagen der Entscheidungstheorie der Nachfrage, a.a.O., S. 14. 191 Vgl. Portugal^ V., a.a.O., S. 108 ff. 192 Vgl. ebenda. 193 Vgl. Lersch, Ph., Aufbau der Person, a.a.O., S. 481. 194 Vgl. Witt, R. E., Informal Social Group Influence on Consumer Brand Choice, in: Journal of Marketing Research, Jahrgang 1969, November, S437; Hofstätter, R, Gruppendynamik, in: Fischer Lexikon der Psychologie, Frankfurt a. M. 1957, S. 154.
3. Denkmethoden zur Bildung hypothetischer Erklärungsmodelle
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Wesentlichen Einfluß auf die Kaufentscheidungen w i r d die Zusammensetzung der Gruppe haben. Die Zusammensetzung einer Gruppe läßt sich durch die A r t der einzelnen Gruppenmitglieder kennzeichnen. Die Eigenart jedes Gruppenmitglieds kann durch die speziellen Ausprägungen der personenbezogenen Determinanten des Käuferverhaltens bei jedem Gruppenmitglied beschrieben werden. Die Zusammensetzung der Gruppe kann zunächst einen direkten Einfluß auf die Kaufentscheidung i n der Gruppe haben. Dies w i r d z. B. durch die A r t des Einflusses deutlich, den die Altersstruktur einer Familie auf die Bedarfsstruktur eines Haushalts hat 1 9 5 . Die Zusammensetzung einer Gruppe beeinflußt aber auch auf indirekte Weise die Kaufentscheidungen. Von der Zusammensetzung der Gruppe hängt i m wesentlichen die Rollenverteilung innerhalb der Gruppe ab. Die Rollenverteilung, insbesondere die Verteilung des Einflusses beim Treffen gemeinsamer Kaufentscheidungen, beeinflußt ihrerseits wiederum direkt die Kaufentscheidungen 196 . Folgende wichtige Fragen sind zur Klärung des Einflusses der Rollenverteilung auf Kaufentscheidungen i n der Gruppe zu beantworten: Wer hat die Rolle des Meinungsführers beim Kauf welcher Produkte inne? Wer hat bei welchen Produkten die Rolle des Käufers, wer die des Verwenders inne? Wer entscheidet über den Kauf welcher Produkte? Wer entscheidet, ob überhaupt ein bestimmtes Produkt gekauft wird? Wer entscheidet darüber, welche Eigenschaften ein zu kaufendes Produkt haben soll 197 ? (3) Die unternehmensbezogenen Determinanten I m Bereich der Investitionsgüter treten Unternehmen als Käufer auf. Die Variablen, die das Kaufverhalten von Unternehmen determinieren, lassen sich global folgendermaßen gliedern: (31) Verhalten des Unternehmens auf der Absatzseite Insbesondere aus den Produkten und Produktionsprogrammen, die das Unternehmen anbietet, lassen sich die funktionalen Verwendungszwecke der Investitionsgüter ableiten, die das Unternehmen benötigt. 195 Vgl. Glich, P.C., American Families, New York 1967; Lansing, J.B., Morgan, J. M., Consumer Finance over the Life-Cycle, in: Clark, L. H. (Hrsg.), Consumer Behavior, Bd. II, New York 1955. 196 Vgl. Hörning, K. H., Ansätze zu einer Konsumsoziologie, Freiburg 1970, S. 1181. 97 Vgl. Davis, H. L., Measurment of Husband — Wife Influence in Consumer Purchase Decisions, in: Journal of Marketing Research, Jahrgang 1971, August, S. 305—312.
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III. Methoden der H y p o t h e s e n f n g
(32) Verhalten des Unternehmers auf der Nachfrageseite Das Verhalten, das ein Unternehmen einem Verkäufer von Investitionsgütern gegenüber zeigt, z. B. i n Gestalt bestimmter Vertragsvereinbarungen über Liefermenge, Lieferzeit und Rabatte, kann sein Verhalten gegenüber einem anderen Verkäufer i n mancherlei Hinsicht bedingen. (33) Unternehmensendogene Verhaltensdeterminanten 198 Das Verhalten des Unternehmers als Nachfrager, das i m wesentlichen durch die A r t und Menge der nachgefragten Produkte, die Wahl eines bestimmten Lieferanten und den akzeptierten Preis seinen Ausdruck findet, sowie das Verhalten des Unternehmens als Anbieter w i r d von folgenden Gruppen unternehmensendogener Verhaltensdeterminanten beeinflußt. (331) Unternehmensziele Eine detaillierte Kenntnis der Ziele und Pläne eines Unternehmens, das als potentieller Käufer von Investitionsgütern i n Frage kommt, ermöglicht es einem Anbieter von Investitionsgütern, sich rechtzeitig auf den Bedarf des Unternehmens einzustellen. (332) Organisationsstruktur Insbesondere die Entscheidungsbefugnisse und die Person des Einkäufers oder die Struktur des entscheidenden Kollegiums sind i n diesem Zusammenhang von Bedeutung. (333) Umlauf- und Anlagevermögen (334) Produktionsverfahren (34) Unternehmensexogene Verhaltensdeterminanten Zur Prognose des Kauf Verhaltens eines Unternehmens sind insbesondere Informationen über die Entwicklungen auf den Märkten zu gewinnen, auf denen dieses Unternehmen seinerseits als Anbieter auftritt. (35) Situation des Unternehmens Das Kaufverhalten w i r d wesentlich von der Marktsituation und von der Ertragslage beeinflußt, i n denen sich das Unternehmen befindet. (4) Funktionsorientierte Verwendungszwecke Verwendungszwecke als eigene Gruppe von Determinanten des Käuferverhaltens anzuführen, erscheint problematisch, da sich Verwen198
Vgl. zum folgenden u. a. Kapferer, a.a.O., S. 74 f. und S. 82 f.
Ch., Disch, W. K. A., Absatzprognose,
3. Denkmethoden zur Bildung hypothetischer Erklärungsmodelle
125
dungszwecke i m weitesten Sinn aus relativ vielen der bisher angeführten Determinanten des Käuferverhaltens ableiten lassen. Aus den Trieben können die Verwendungszwecke „Befriedigung bestimmter Triebe" abgeleitet werden. Verwendungszwecke dieser Kategorie lassen sich z. B. unterscheiden i n „Befriedigung sozialer Triebe", wie etwa Befriedigung des Prestigestrebens, des Strebens nach sozialer Differenzierung, oder i n „Befriedigung leibnaher Triebe", wie etwa Befriedigung des Hungers oder Befriedigung des motorischen Bewegungsdranges, oder i n „Befriedigung des Strebens nach Selbstverwirklichung". Verwendungszwecke lassen sich weiter aus dem Zielsystem des Käufers ableiten. Danach können Verwendungszwecke unterschieden werden, wie „Schaffung von Vermögenswerten", „Gewinnung von Zeit" und „Erleichterung der Arbeit". Ebenso sind Verhaltensbereiche, Verhaltensweisen und Handlungen Determinanten, aus denen sich Verwendungszwecke ableiten lassen. Allgemein formuliert würden Verwendungszwecke dieser Kategorie lauten: „Ermöglichung der Durchführung von Handlungen i m Rahmen bestimmter Verhaltensbereiche". Diese soeben abgeleiteten Verwendungszwecke können nicht als eigene Determinanten des Käuferverhaltens angesehen werden. Sie stellen nur einen etwas anderen Ausdruck für die jeweiligen Determinanten des Käuferverhaltens dar. Aus den eben formulierten relativ globalen Verwendungszwecken lassen sich jedoch spezifische und konkrete Einzelfunktionen ableiten, die Produkte und Dienstleistungen erfüllen müssen, damit wiederum diese globalen Verwendungszwecke erfüllt werden. U m z. B. dem Verwendungszweck „Befriedigung des Geltungsstrebens" zu genügen, muß ein Produkt u. a. die Funktion „Erregung von Aufmerksamkeit" erfüllen. Zur Erfüllung des Zieles „Arbeitserleichterung" muß ein Spülmittel die Funktion „aktive Schmutzablösung" erfüllen. Zur Durchführung bestimmter Handlungen i m Rahmen des Verhaltensbereichs „Basteln" muß ein Handbohrgerät „funktionsgerecht" sein. Die von einem Produkt zu erfüllenden spezifischen Funktionen können als gesonderte Gruppe von Determinanten bezeichnet werden, welche i n Gestalt der verschiedenen Anforderungen an die Funktionsgerechtigkeit das Kaufverhalten determinieren. Es existiert eine Reihe von systematischen Ansätzen, u m Funktionen und Funktionskreise zu identifizieren, die für den Käufer Probleme bzw. Problemkreise darstellen. I m sogenannten Relevanzbaumverfahren werden z. B. aus jeweils globalen Funktionen sukzessive entspre-
126
III. Methoden der Hypothesenfindung
chende Teilfunktionen abgeleitet 199 . Besondere Bedeutung hat die Funktions- oder Problemanalyse i n der Investitionsgütermarktforschung 200 . Der Kauf eines Investitionsgutes hängt bekanntlich fast ausschließlich davon ab, wie gut oder wie wirtschaftlich das Gut bestimmte Funktionen i m Rahmen von Produktionsprozessen oder allgemein i m Rahmen der Leistungserstellung zu erfüllen vermag. (5) Die Käuferstruktur M i t absatzpolitischen Maßnahmen w i r d i n der Regel nicht ein einzelner Käufer, sondern eine mehr oder minder große Gesamtheit von potentiellen Käufern angesprochen. Die Reaktion jedes einzelnen potentiellen Käufers hängt, soweit sie sich auf nachfrageendogene Determinanten zurückführen läßt, jeweils von den personenbezogenen bzw. von den gruppen- oder unternehmensbezogenen Determinanten des Käuferverhaltens ab. Die Reaktion der Gesamtheit der potentiellen Käufer w i r d demnach von der Verteilung der Ausprägung der jeweils verhaltensbestimmenden Determinanten bei allen Mitgliedern der Gesamtheit abhängen. Die Verteilung der Ausprägung der Verhaltensdeterminanten bei allen potentiellen Käufern kennzeichnet die Käuferstruktur. Es lassen sich je nach der Verteilung der Merkmalsausprägungen einer spezifischen Verhaltensdeterminante jeweils spezifische Käuferstrukturen b i l den. Grundsätzlich lassen sich alle Verhaltensdeterminanten zur B i l dung von speziellen Käuferstrukturen heranziehen. So lassen sich z.B. Altersstrukturen, Einkommensstrukturen, Einstellungsstrukturen oder Verhaltensstrukturen bei Konsumenten und Unternehmensgrößenstrukturen oder Strukturen absatzpolitischen Verhaltens bei nachfragenden Unternehmen bilden. (B) Nachfrageexogene Determinanten des Käuferverhaltens Z u den nachfrageexogenen Determinanten sollen alle Variablen gerechnet werden, die nicht als Bestandteile oder Kennzeichen des realen Phänomens „Nachfrageseite" auf dem M a r k t für ein Produkt gelten können. (1) Angebotsendogene Determinanten Angebotsendogene Determinanten des Käuferverhaltens sind jene Variablen, die Bestandteile und Kennzeichen des realen Phänomens „Angebotsseite" auf dem M a r k t für ein bestimmtes Produkt sind. 199
Vgl. Kindermann, P., a.a.O., S. 164. Vgl. Gerth, E., Hauptprobleme der Bedarfsforschung für Produktivgüter, in: Der Marktforscher, Jahrgang 1969, Heft 8, S. 164. 200
3. Denkmethoden zur Bildung hypothetischer Erklärungsmodelle
127
( I I ) Verhalten der Anbieter Gemäß ihrer Zugehörigkeit zu verschiedenen Ebenen der Realität ergibt sich die grobe Gliederung i n Verhaltensvariablen und i n Determinanten des Verhaltens der Anbieter. Diese Gliederung erscheint insbesondere für die Reihenfolge der Uberprüfung relevanter Variablen i m Rahmen der Konkurrenzforschung zweckmäßig. Reicht die Analyse und Beobachtung des Konkurrenzverhaltens nicht mehr aus, so sind, soweit dies möglich ist, Informationen über die unternehmensendogenen Determinanten des Konkurrenzverhaltens zu gewinnen. Die Verhaltensvariablen von Anbietern auf einem M a r k t i n Gestalt ihrer absatzpolitischen Maßnahmen sind bereits Gegenstand vieler Systematisierungsversuche i n der Marketing-Literatur geworden. Sie sollen hier nur kurz aus Gründen der Vollständigkeit anhand der umfassenden Systematik der absatzpolitischen Instrumente von Nieschlag, Dichtl, Hörschgen skizziert werden 2 0 1 . (III)
Merkmale der unternehmenseigenen Absatzkonzeption
(1111)
Gestaltungsmerkmale der absatzpolitischen Instrumente
(11111) Merkmale der Instrumente der Leistungsbereitschaft (Betriebsgröße, Standort, Absatzmethode, Betriebs- und Lieferbereitschaft) (11112) Merkmale der Instrumente der Leistungssubstanz (Produktpolitik, insbesondere Produktgestaltung, Sortimentspolitik, Garantieleistungen, Kundendienst) (11113) Merkmale der Instrumente der Abgeltung von Leistungsbereitschaft und Leistungssubstanz (Preispolitik, Rabattpolitik, Lieferungs- und Zahlungsbedingungen, Kreditgewährung und Leasing) (11114) Merkmale der Information über Leistungsbereitschaft, stungssubstanz und deren Abgeltung (Werbung, Verkaufsförderung, Public Relations)
Lei-
(1112)
Gestaltungsmerkmale des kombinierten Einsatzes der Instrumente (Kombination der Gestaltungsmerkmale verschiedener absatzpolitischer Instrumente, Verwirklichung bestimmter Gestaltungsprinzipien, Allokation der absatzpolitischen A k t i v i t ä ten auf einzelne absatzpolitische Instrumente, Regionen, K u n dengruppen und Zeitabschnitte)
(112)
Merkmale der Absatzkonzeption anderer Anbieter, insbesondere der Konkurrenten.
201
305.
Vgl. Nieschlag, R., Dichtl, E., Hörschgen, H., Marketing, a.a.O., S. 120 bis
128 (113)
III. Methoden der Hypothesenfindung Merkmalsunterschiede zwischen der eigenen Absatzkonzeption und der Absatzkonzeption anderer Anbieter, insbesondere der Konkurrenten.
Aus den Merkmalsunterschieden zwischen den absatzpolitischen Konzeptionen der Anbieter, insbesondere zwischen den verschiedenen Produkten, Leistungen und Sortimenten, ergeben sich die unterschiedlichen Präferenzen der Käufer für die verschiedenen Anbieter und die A r t und Stärke der Konkurrenzbeziehungen zwischen den Anbietern. Eine systematische Analyse der Merkmalsunterschiede zwischen der eigenen Absatzkonzeption und den Absatzkonzeptionen der Konkurrenten ist ein wichtiger Ansatzpunkt bei der Suche nach den Ursachen von Absatzproblemen 202 . (12) Determinanten des Verhaltens der Anbieter Zur Prognose des Verhaltens konkurrierender Anbieter ist es oft erforderlich, von der Ebene des beobachtbaren Verhaltens i n die tiefere Ebene der Verhaltensdeterminanten vorzustoßen. I n Anlehnung an die auf der Nachfrageseite aufgezeigten unternehmensbezogenen Verhaltensdeterminanten lassen sich die angebotsendogenen Determinanten des Konkurrentenverhaltens gliedern in: (121) Unternehmensendogene Determinanten des Verhaltens 203 (Ziele und Pläne, Personalstruktur, Organisationsstruktur, Bestand an Produktionsmitteln, Finanzen) (122) Unternehmensbezogene Variable der Marktsituationen der konkurrierenden Anbieter (Marktanteile) (123) Struktur der Anbieter (Zahl der konkurrierenden Anbieter, spezielle Strukturen, wie z.B. Struktur der Unternehmensgröße, gemessen am Umsatz oder am Marktanteil). (2) Nachfrage- und angebotsexogene Determinanten Z u dieser Gruppe von Determinanten zählen alle Variablen, die sow o h l auf das System der nachfrageendogenen als auch auf das System der angebotsendogenen Variablen von außen her einwirken, d. h. einwirken, ohne Bestandteile dieser Systeme zu sein. Insbesondere zählen zu dieser Gruppe die Variablen, die die gemeinsame Situation kennzeichnen, i n der sich alle Anbieter und Nachfrager auf einem M a r k t befinden und nach der sie sich richten. 202 Vgl. o. V., Produktsegmentierung — Das neue Verfahren der MarktSegmentierung, a.a.O., S. 115. 203 Vgl. Kapferer, Ch., Disch, W. K. A., Absatzprognose, a.a.O., S. 70 f.
3. Denkmethoden zur Bildung hypothetischer Erklärungsmodelle
129
Folgende Variablengruppen lassen sich anführen: (21) Determinanten aus der soziokulturellen Umwelt Als die wichtigsten Teilsysteme aus dem soziokulturellen Bereich können die Merkmale der politischen und sozialen Situation einer Volkswirtschaft und das System der öffentlichen Kontrolle genannt werden. Als System der öffentlichen Kontrolle können die i n der Rechtsordnung kodifizierten Normen und die nicht kodifizierten sozialen Normen, die Überwachung der Normkonformität absatzpolitischer Maßnahmen des Unternehmens durch den Staat und die gesamte Öffentlichkeit sowie Reaktionen m i t Sanktionscharakter von Seiten des Staates und der übrigen Öffentlichkeit auf Verletzungen der Normen durch absatzpolitische Maßnahmen verstanden werden 2 0 4 . (22) Determinanten aus der sozioökonomischen Umwelt Z u den angebots- und nachfrageexogenen Determinanten aus der sozioökonomischen Umwelt können die gegenwärtige wirtschaftliche Gesamtsituation, insbesondere die konjunkturelle Lage sowie die makroökonomischen Determinanten dieser Situation gerechnet werden. Z u diesen wiederum zählen unter anderem die staatliche Wirtschaftspolitik und das Geschehen auf allen anderen Märkten 2 0 5 . (23) Determinanten aus der natürlichen U m w e l t 2 0 6 Z u den Determinanten aus diesem Bereich zählen das Wetter, die Jahreszeiten, das Klima, die geographischen Besonderheiten und i n zunehmenden Maße die vom Menschen ausgehenden Einflüsse auf die natürliche Umwelt. (24) Der technische Fortschritt 2 0 7 Das Auffinden von Determinanten des Käuferverhaltens i n den verschiedenen Bereichen der objektbezogenen Systematik ist der erste Schritt zur Erklärung eben dieses Verhaltens. Das Wissen u m die Existenz der verschiedenen Determinanten und Determinantengruppen allein genügt jedoch nicht, u m ihren Einfluß auf das Verhalten bestimmen zu können.
204 Vgl. Bia, J., Das System der „öffentlichen Kontrolle" als Determinante absatzpolitischer Entscheidungen, unveröffentlichte Diplomarbeit am Betriebswirtschaftlichen Institut der Universität München, München 1970, S. 5. 205 Vgl. Kapferer, Ch., Disch, W. K. A., Absatzprognose, a.a.O., S. 69. 206 Vgl. Kapferer, Ch., Disch, W. K A., Absatzprognose, a.a.O., S. 70. 207 vg 1# ebenda.
9 Kopp
130
III. Methoden der Hypothesenfindung 32. Klassifikation
U m i m Einzelfall konkrete Aussagen über den spezifischen Einfluß bestimmter Verhaltensdeterminanten machen zu können, muß weiter bekannt sein, welche Merkmalsausprägungen die jeweils relevanten Verhaltensdeterminanten aufweisen. U m z. B. den Einfluß des persönlich verfügbaren Einkommens eines Konsumenten auf dessen Kaufverhalten ermitteln zu können, muß noch bekannt sein, welche Höhe das Einkommen hat. U m den Einfluß der politischen Einstellung auf die Präferenzen gegenüber einer Zeitung oder Zeitschrift zu erforschen, müssen die einzelnen Merkmalsausprägungen dieser Einstellung formuliert werden, welchen nach der Datengewinnung bestimmte Präferenzen zugeordnet werden können. Bei fast allen Determinanten des Konsumentenverhaltens, seien es nun personenendogene Variablen wie z. B. Triebe oder Urteile, Situationsvariablen wie der soziale Status, oder angebotsendogene Variablen wie bestimmte Verpackungsmerkmale oder Preise eines Produkts, müssen Informationen über ihre Merkmalsausprägungen gewonnen werden. Ein spezifischer Einfluß auf das Käuferverhalten läßt sich i n den seltensten Fällen global einer Variablen, sondern n u r einer bestimmten Merkmalsausprägung einer Variablen zuordnen, wie etwa einer bestimmten Triebstärke, einem bestimmten Urteil, einer bestimmten Höhe des Status oder einer bestimmten Farbe der Verpackung. W i r d bei der Suche und Formulierung von Unterschieden i n der Beschaffenheit einer Variablen von den unterschiedlichen Ausprägungen eines einzigen Merkmals ausgegangen, so findet die Technik der Klassifikation Anwendung. Der Vorgang des Klassifizierens besteht i m wesentlichen aus der Bestimmung des „principium divisionis", d.h. des Einteilungskriteriums oder Einteilungsmerkmals und der Bildung der „membra divisionis", d. h. der Einteilungsklassen oder der verschiedenen Merkmalsausprägungen 208 . Eines der wichtigsten Anwendungsgebiete der Klassifikation i n der Absatzforschung ist die Identifikation von Marktsegmenten oder K ä u ferzielgruppen anhand der unterschiedlichen Ausprägungen jeweils eines Merkmals bzw. jeweils einer Determinante des Käuferverhaltens. Als Kriterien zur Bildung von Käuferklassen können alle nachfrageendogenen Verhaltensdeterminanten bzw. aller Merkmale, durch die sich diese Verhaltensdeterminanten kennzeichnen lassen, herangezogen werden. Zweifellos lassen sich unterschiedliche Verhaltensweisen, insbesondere unterschiedliche Reaktionen auf absatzpolitische Maßnahmen, bei 208 Vgl. Weber, H. K., Absatzmarkt, a.a.O., S. 45.
3. Denkmethoden zur Bildung hypothetischer Erklärungsmodelle
131
verschiedenen Käuferklassen nicht allein auf die unterschiedlichen Ausprägungen des Merkmals zurückführen, nach dem jeweils die Klassen gebildet wurden. Unterschiedliche Ausprägungen der einen oder anderen nachfrgeendogenen Variablen bedingen jedoch i n der Realität bereits so deutliche Verhaltensunterschiede, daß Käuferklassen, die anhand jeweils einer dieser Variablen gebildet wurden, Käufer umfassen, die ein relativ homogenes Verhalten zeigen, das sich von Käufern einer anderen Klasse deutlich unterscheidet. Die Klassifizierung ist i n jedem Fall die erste Stufe bei der Bildung von Käufergruppen m i t einem jeweils relativ homogenen Verhalten. Käuferklassen bieten bereits Ansatzpunkte für eine gezielte, nach Käufergruppen differenzierte Absatzpolitik. Reicht die einfache Klassifizierung anhand eines Merkmals nicht aus, u m Gruppen m i t jeweils einheitlichen Reaktionen gegenüber absatzpolitischen Maßnahmen zu b i l den, so müssen weitere Gruppierungsmerkmale herangezogen werden 209 . Bei der Kombination der Ausprägung von zwei oder mehr Determinanten des Käuferverhaltens kann nicht mehr von Klassifizierung, sondern muß bereits von Typisierung der Käufer gesprochen werden. Die Klassifizierung von Käufern bildet die Grundform der Marktsegmentierung, auf der dann die Segmentierung nach Käufertypen aufbaut. Folgende Prinzipien sollten bei der Bildung von Käuferklassen beachtet werden 2 1 0 : a) Alle Käufer, die einer bestimmten Klasse angehören, sollten unter sonst gleichen Bedingungen relativ homogen auf bestimmte absatzpolitische Maßnahmen reagieren. Die Klassenzugehörigkeit sollte eine relat i v gute Erklärung für ein bestimmtes Verhalten sein 211 . b) Die jeweiligen Merkmalsausprägungen, die zur Klassenbildung herangezogen werden, sollten beobachtbar und meßbar sein 212 . c) Jede Klasse sollte soviele Käufer enthalten, daß eine gesonderte Berücksichtigung der Klasse durch spezifische absatzpolitische Maßnahmen lohnend erscheint 213 . 209 Vgl. Herrmann, T., Verbraucher transparent gemacht?, in: die Absatzwirtschaft, Jahrgang 1969, 2. Maiausgabe, S. 31—38; Lunn, J., Recent Developments in Market Segmentation, in: Paper to be read at ESOMAR/WAPOR Congress 1969, S. 81—94. 210 Vgl. Angehrn, O., Marktsegmentierung als Absatzmethode, in: GfMMitteilungen, Jahrgang 1968, Heft 2, S. 38—42. 211 Vgl. Produktsegmentierung — Das neue Verfahren der Markt-Segmentierung, o. V., a.a.O., S. 100 ff. 212 Vgl. Kotler, Ph., Marketing Management, a.a.O., S. 43. 213 Vgl. ebenda.
9*
132
III. Methoden der Hypothesenfindung
d) Das interessierende Verhalten der Käufer einer bestimmten Klasse sollte für einen längeren Zeitabschnitt relativ konform und konstant sein 214 . I n der Regel w i r d aus der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Klasse auf spezifische Verhaltensweisen nur i n ganz bestimmten Verhaltensbereichen oder nur i n einem Verhaltensbereich geschlossen werden können. Aus der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Klasse kann z. B. kaum auf spezifische Verhaltensweisen bei der Auswahl von Grundnahrungsmitteln, w o h l aber bei der Auswahl der regelmäßig gelesenen Zeitungen und Zeitschriften geschlossen werden. Einfluß auf sehr viele Verhaltensbereiche, insbesondere auf das Kaufverhalten bei sehr vielen Produkten, hat z. B. die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Altersklasse. Der weite Einflußbereich der Variablen „Lebensalter" läßt sich darauf zurückführen, daß die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Altersklasse bestimmte Ausprägungen anderer Merkmale bedingt, die ihrerseits wiederum spezifische Verhaltensweisen nach sich ziehen 215 . M i t zunehmendem Alter verändert sich unter anderem die Höhe des verfügbaren Einkommens, die Triebstruktur und das persönliche Wertsystem. Insbesondere sind die einzelnen Abschnitte i m Lebenslauf des Menschen durch spezifische soziale Erwartungen und durch bestimmte Aufgaben gekennzeichnet, denen der einzelne jeweils durch ein dem Lebensalter angemessenes Verhalten gerecht werden muß. Jede Phase i m Lebenszyklus des Menschen kann als thematische Einheit für viele Verhaltensbereiche und für viele Verhaltensweisen interpretiert werden 216 . Bei Jugendlichen dominieren, auch i m Bereich des Kaufverhaltens, egoistische Triebansprüche. Die Angehörigen mittlerer Altersgruppen haben gegenüber Jugendlichen i n der Regel ein höheres Einkommen, ein relativ hohes Bedürfnis nach Sicherheit und als zentralen Wert die Verantwortung für die Familie. I h r Kaufverhalten ist durch Zentrieren auf den Haushaltsbereich und durch planvolles Disponieren gekennzeichnet. M i t der weiteren Zunahme des Alters w i r d auch i m Bereich des Kaufverhaltens eine konservative Haltung immer deutlicher. Das Streben nach Sicherheit und nach Bequemlichkeit w i r d zur dominanten Antriebsvariablen 2 1 7 . 214 215
Vgl. Behrends, Chr., a.a.O., S. 47. Eidel, I., a.a.O., S. 1168—1172. 218 vgl. Thomae, H., Zur allgemeinen Charakteristik des Motivationsgeschehens, a.a.O., S. 54; Gründwald, R., Unterschiede im Verbraucherverhalten Österreichs, a.a.O., S. 52. 217 Vgl. zu den angeführten Beispielen: Gerloff, O., Psychologische Konsu-
3. Denkmethoden zur Bildung hypothetischer Erklärungsmodelle
133
Ähnlich wie bei dem Klassifizierungsmerkmal „ A l t e r " muß auch bei anderen Klassifizierungsmerkmalen geprüft werden, inwieweit spezifische Verhaltensweisen i m Bereich des Kaufverhaltens ausschließlich auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Merkmalsklasse oder aber auf Merkmalsausprägungen anderer Variablen zurückzuführen sind, welche m i t der ursprünglichen Variablen eng korrelieren. 321. Klassifikation
nach den sogenannten demographischen
Merkmalen
Von den personenbezogenen Determinanten des Käuferverhaltens erfüllen die sogenannten demographischen, von Behrens als objektive Sachverhalte bezeichneten, Variablen, wie z. B. Alter, Geschlecht, Einkommen und Beruf, die Bedingung der Beobachtbarkeit bzw. Meßbarkeit. A u f Grund der relativ leichten Gewinnung von Daten über die Zugehörigkeit potentieller Käufer zu den verschiedenen Klassen, die sich anhand jeder dieser Variablen bilden lassen, waren sie lange Zeit die bevorzugten Merkmale zur Klassifizierung von Konsumenten und damit zur Bildung von Konsumentenzielgruppen für gezielte absatzpolitische Maßnahmen. Die naive und ausschließliche Erklärung des Käuferverhaltens anhand der Merkmalsausprägungen dieser Variablen brachte dieser A r t der Marktforschung den Namen „Nasenzählen" ein 2 1 8 . Wenn nach wie vor Untersuchungen durchgeführt werden, i n denen beispielsweise die Käuferstruktur einer bestimmten Marke m i t Hilfe der Merkmalsausprägungen der sog. demographischen Variablen beschrieben w i r d und Korrelationen zwischen diesen Variablen und bestimmten Verhaltensmerkmalen, wie etwa der Markentreue oder der geäußerten Meinung, ermittelt werden, so einzig und allein deshalb, w e i l eben m i t diesen Variablen meist weniger leicht meßbare Variablen, wie z. B. das persönliche Wertsystem oder die persönliche Erfahrung, korrelieren, die ihrerseits bestimmte Ausprägungen der betreffenden Verhaltensmerkmale bedingen 219 . Einen ähnlich weiten Einfluß wie die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Altersstufe hat das Geschlecht auf das Verhalten. Untersuchungen über das Einkaufsverhalten haben beispielsweise ergeben, daß sich der Mann i m allgemeinen beim Einkauf den Reizen der Werbung und Modeeinflüssen gegenüber viel neutraler verhält als die Frau. Er trifft seine Einkaufsdispositionen meist schon vor dem Einkauf und handelt sodann mehr zielgerichtet und verstandesgemäßrational orientiert. Andererseits ist er selten bereit, ein einmal begonmententypologien in der Praxis, in: Vorträge zur Marktforschung, Bd. 12, Itzehoe 1970, S. 5—23. 218 Vgl. Kühn, R., Erklärungsmodelle des Käuferverhaltens, a.a.O., S. 74. 219 Vgl. Gerloff, O., a.a.O., S. 20 ff.
134
III. Methoden der Hypothesenfndung
nenes Einkaufsgespräch wieder abzubrechen, ohne etwas gekauft zu haben 220 . Der Einfluß der unterschiedlichen Höhe des Einkommens auf A r t und Zusammensetzung der gekauften Produkte 2 2 1 braucht hier nicht näher behandelt zu werden. Die unterschiedliche Höhe der verfügbaren Kaufkraft bedingt u. a. zudem eine unterschiedlich starke Bereitschaft zu schnellen Kaufentschlüssen 222 . Bei der Klassifizierung nach dem Merkmal der Berufszugehörigkeit ergeben sich Gruppen m i t einer oft nur geringen Homogenität des Verhaltens der Gruppenmitglieder. Als relativ homogen hinsichtlich des Käuferverhaltens können die Gruppen der Arbeiter, Angestellten oder Rentner angesehen werden. Recht inhomogen ist beispielsweise die Gruppe der Selbständigen oder die Gruppe der freien Berufe 223 . Aus der Zugehörigkeit zu bestimmten Nationen, Bevölkerungsgruppen oder Regionen kan schließlich auf Grund bestimmter, spezifischer Ausprägungen des Variablenkomplexes „Mentalität" i n vielen Bereichen des Kaufverhaltens ein unterschiedliches Verhalten abgeleitet werden 2 2 4 . 322. Die Multidimensionalität personenendogener Verhaltensdeterminanten Die Beschaffenheit der meisten personenendogenen Verhaltensdeterminanten läßt sich erst durch die Ausprägung mehrerer Merkmale eindeutig beschreiben Die Zahl der Merkmale ist dabei bei den verschiedenen personenendogenen Verhaltensdeterminanten unterschiedlich. Die Beschaffenheit von Variablen aus dem biologischen Bereich kann meist anhand eines oder weniger Merkmale beschrieben werden. Bei der Variablen „ A l t e r " reicht z. B. die Klassifizierung anhand des einen Merkmals „Zeit" aus, u m alle möglichen Unterschiede i n der Beschaffenheit dieser Variablen zu beschreiben. Ähnlich einfach ist die Beschreibung der psychischen Verhaltensdeterminanten, die i m biologisch-vitalen Bereich unmittelbar verwurzelt sind. Es handelt sich bei diesen Variablen z. B. um relativ undifferen820
Vgl. Grünwald, R., a.a.O., S. 51. Vgl. Heyn, W., Wie brauchbar sind regionale Kaufkraftkennzahlen für die Absatzplanung des Unternehmens?, in: Der Marktforscher, Jahrgang 1960, Heft 2, S. 37—40; Schmucker, H., Zur Einkommensschichtung der Haushalte und ihre Ausstattung mit langlebigen Gebrauchsgütern, in: Der Marktforscher, Jahrgang 1964, Heft 2, S. 24—26. 222 Vgl. Kapferer, Ch., Disch, W. K. A., Absatzprognose, a.a.O., S. 185. 223 Vgl. Schmucker, H., a.a.O., S. 25. 224 Vgl. Maar, W., Probleme der Motivforschung in supranationalen Märkten, in: Der Marktforscher, Jahrgang 1962, Heft 1, S. 11. 221
3. Denkmethoden zur Bildung hypothetischer Erklärungsmodelle
135
zierte Triebe, wie etwa Hunger, Durst, die sich jeweils ausschließlich nach dem Merkmal „Stärke des Antriebs" differenzieren lassen. Differenziertere, erlernte Triebe und Bedürfnisse lassen sich bereits nicht mehr allein m i t dem Merkmal „Stärke des Antriebs" vollständig beschreiben. Als weitere Merkmale müssen hier beispielsweise die konkreten Objekte herangezogenen werden, auf die sich der Trieb oder das Bedürfnis richtet. Psychologische Verhaltensdeterminanten, die dem Bereich der bewußten Persönlichkeit eines Menschen zuzurechnen sind, insbesondere Variablen aus der Schicht des bewußten „Ich", wie etwa Zielvorstellungen und Urteile oder bewußte Erfahrungen und Einstellungen, lassen sich nur durch die Ausprägung einer Vielzahl von Merkmalen kennzeichnen 225 . Die einfache Klassifikation kann hier keinesfalls mehr zur Bildung von Käufergruppen herangezogen werden. Auch die Bildung von Typen durch die Kombination mehrerer charakteristischer Ausprägungen verschiedener Merkmale bedeutet i n der Regel eine äußerst große Vereinfachung. Sie ist jedoch gerechtfertigt, wenn sich durch sie eine relativ große Gruppe von Käufern m i t einem i n bestimmten Bereichen des Käuferverhaltens homogenen Verhalten bilden läßt. Beispielsweise kann aus Einstellungstypen, die durch die Kombination charakteristischer Einstellungen zu den verschiedensten Sachverhalten gebildet werden, durchaus auf bestimmte typische Verhaltensweisen geschlossen werden 2 2 6 . So können etwa die Kunden von Kreditinstituten i n die beiden großen Gruppen der „Spartypen" und der „Kreditnehmertypen" gegliedert werden, wobei sich der Typ des Sparers von dem des Kreditnehmers durch eine Reihe spezifischer Einstellungen m i t konservativer Prägung unterscheidet 227 . A m wenigsten w i r d der Bereich der entwickelten und differenzierten Persönlichkeit einer schematischen Klassifikation und auch einer schematischen Typisierung zugänglich sein. I n diesem Bereich w i r d die Einmaligkeit und Individualität jedes Menschen sichtbar. Diese Differenziertheit und Individualität kann sich freilich i m Bereich des Kaufverhaltens dann nicht i n einem differenzierten Verhalten niederschlagen, wenn ein undifferenziertes Angebot keine Möglichkeit dazu läßt. 225 Vgl. Maar, W., Sample Probleme in der Motivforschung, in: Der Marktforscher, Jahrgang 1960, Heft 2, S. 35. 226 Vgl. Urbschat, R., Einstellungsskalen messen Konsumentenverhalten, a.a.O., S. 58. 227 Vgl. Drescher, S., Durch die Bank verschiedene Kunden, in: die Absatzwirtschaft, Jahrgang 1969, 1. Septemberausgabe, S. 35—40.
136
III. Methoden der Hypothesenfindung 323. Die Klassifikation
nach Verhaltensmerkmalen
Bestimmte Verhaltenstendenzen i n bestimmten Verhaltensbereichen können Ausdruck einer generellen Verhaltenstendenz sein, durch die sich eine bestimmte Person allgemein charakterisieren läßt. Verhaltenstendenzen lassen sich ebenfalls nach den unterschiedlichsten Merkmalen beschreiben. Aus der Zugehörigkeit zu einer Klasse eines bestimmten, den allgemeinen Habitus eines Menschen kennzeichnenden Merkmals, kann auf spezifische Verhaltenstendenzen i n einem speziellen Bereich, so etwa beim Kauf bestimmter Produkte, geschlossen werden. Ein verhaltensorientiertes Klassifizierungsmerkmal ist z. B. der Grad der Rationalität des Verhaltens. Sicherlich w i r d der Grad der Rationalität des Verhaltens nicht allein von Käufer zu Käufer differieren, sondern auch ganz wesentlich von der A r t des jeweiligen Kaufobjekts abhängen. Allerdings lassen sich jedoch Gruppen von Käufern bilden, die gegenüber anderen Käufern i n stärkerem Maße bei ihren Käufen bewußt formulierte Ziele verfolgen, systematisch Informationen über Kaufmöglichkeiten sammeln und die Konsequenzen der möglichen Kaufalternativen bewußt beurteilen. Eine eindeutige Zuordnung der Käufer entweder zur Klasse der sich äußerst rational verhaltenden oder zur Klasse der ausschließlich triebgesteuerten Käufer, wie sie i n den Modellen des „homo ökonomicus" bzw. i n der sogenannten „tiefenpsychologisch orientierten" Richtung der Motivforschung erfolgt, w i r d der Realität nicht gerecht 228 . Die Übergänge sind fließend. Insbesondere werden bei einem Käufer rationale und emotional gesteuerte Verhaltensweisen zu beobachten sein 229 . Ein weiteres Verhaltensmerkmal, dem eine relativ große Bedeutung für das Kaufverhalten zugesprochen wird, ist die Zentrierung des Erlebens. Extravertierte Menschen sind durch eine Zentrierung ihres Erlebens auf ihre Umgebung, auf die Außenwelt gekennzeichnet, introvertierte dagegen durch eine Zentrierung ihres Erlebens auf die Innenbereiche ihrer Person. Untersuchungen haben ergeben, daß Extravertierte sich i n erster Linie an Farben orientieren und eine Vorliebe für lebhafte Farben und einfache Formen haben. Introvertierte fühlen sich dagegen von ge228
S. 76. 229
Vgl. Kühn, R., Erklärungsmodelle des Käuferverhaltens, a.a.O., S. 73 und
Vgl. Berth, R., Zur Psychologie des Verbraucherkonflikts, in: Der Marktforscher, Jahrgang 1964, Heft 1, S. 2.
3. Denkmethoden zur Bildung hypothetischer Erklärungsmodelle
137
dämpften Farben und sehr komplexen Formen angezogen 230 . Diese Klassifikation nach der Zentrierung des Erlebens könnte unter Umständen für die Gestaltung von Werbemaßnahmen oder von Verkaufsräumen von Bedeutung sein. Eng verwandt m i t der vorangegangenen Klassifizierung ist die Klassifizierung von Käufern nach dem Grad der Beeinflußbarkeit und der Abhängigkeit von Normen und Verhaltenstendenzen der jeiweiligen Gruppe oder sozialen Klasse, die der einzelne Käufer angehört. Menschen, die der Klasse der sogenannten „Außengeleiteten", also der relativ stark Beeinflußbaren, angehören, werden stärker von Modeströmungen erfaßt und von Werbeapellen beeinflußt als jene aus der Klasse der „Innengeleiteten" 2 3 1 . Eine Klassifizierung, die i n ihrer Bedeutung für den Bereich des Kaufverhaltens umstritten ist und von vielen Marktforschern als „psychologistische Spielerei" abgetan wird 2 3 2 , ist die Klassifizierung nach Ausprägungen des Charakters, welche eine auf der tiefenpsychologischen Neurosenlehre basierende Persönlichkeitstheorie bildet. Nach dieser Persönlichkeitstheorie ließen sich Käufer m i t schizoider, depressiver, zwanghafter und hysterischer Charakterstruktur unterscheiden 233 . Ohne Zweifel kann die Zugehörigkeit einer größeren Zahl von Käufern zu der einen oder anderen Ausprägung dieser Charakterstruktur i m Rahmen herkömmlicher Absatzforschungsprozesse nicht festgestellt werden. Es ist jedoch nicht einzusehen, warum diese Klassifizierung nicht bei der Hypothesenformulierung zur Erklärung und Beschreibung des Käuferverhaltens als Bereicherung miteinbezogen werden soll. Es erscheint nicht abwegig, daß sich Menschen m i t schizoider Charakterstruktur generell beim Kauf eher rational verhalten 2 3 4 . Menschen m i t depressiver Charakterstruktur sind alles andere als unbekümmerte Käufer und müssen gerade beim Kauf von „Luxusgegenständen" besonders stark m i t Schuldgefühlen kämpfen 2 3 5 . Zwanghafte Charakterstrukturen werden relativ selten zu Impulskäufen neigen, das Bestreben haben, beim Kauf möglichst viel zu sparen und Wert auf solide, möglichst lange verwendbare Produkte legen 236 . 230 vgl, Friedrich, Th., Kann man Schönheit messen?, in: die Absatzwirtschaft, Jahrgang 1965, 1. Februarausgabe, S. 126. 231 Vgl. Wolf, H. E., Zur Problematik der Zusammenhänge zwischen Prestige und Mode, a.a.O., S. 183 f. 232 Vgl. Henry, H., a.a.O., S. 256—265. 233 Vgl. Riemann, F., a.a.O. 234 Vgl. Riemann, F., a.a.O., S. 20—45. 236 Vgl. ebenda, S. 46—74. 236 Vgl. ebenda, S. 75—95.
138
III. Methoden der Hypothesenfindung
Aufgeschlossenheit gegenüber allem Neuen und eine relativ starke Neigung zu Impulskäufen werden vor allem Verhaltensmerkmale von Käufern m i t hysterischer Charakterstruktur sein 237 . Ein besonderer Bereich der Klassifikation nach Verhaltensäußerungen ist die Klassifikation von Befragten nach der jeweils geäußerten Meinung, etwa nach dem Grad der Zustimmung zu einer bestimmten Werbemaßnahme oder zu einer spezifischen Eigenschaft eines Produktes. Meist w i r d die Klassifikation nach einer Dimension nicht ausreichen, u m die Vielfalt der geäußerten Meinungen zu systematisieren und damit eine genügend differenzierte Gruppierung von Meinungen zu erhalten, aus der auf die verschiedenen Gründe der Zustimmung oder Ablehnung und deren Gewicht bei den potentiellen Käufern geschlossen werden kann. Die Klassifikation als Methode der Marktsegmentierung wurde an Beispielen aus dem Bereich der personenbezogenen Verhaltensvariablen gezeigt. Selbstverständlich können auch Klassen anhand gruppenbezogener Merkmale, wie etwa anhand der Familiengröße, oder anhand unternehmensbezogener Merkmale, wie etwa der Unternehmensgröße, gebildet werden. Auch i n diesen Fällen ist die Klassifizierung nur dann sinnvoll, wenn aus der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Klasse auf ein bestimmtes Kaufverhalten bzw. auf das Vorhandensein bestimmter Ausprägungen anderer Determinanten des Käuferverhaltens geschlossen werden kann. Für die Absatzforschung bedeutsame Klassifikationen lassen sich schließlich auch nach den Strukturmerkmalen vornehmen, durch die die Gesamtheit der Nachfrager oder Anbieter auf einem M a r k t gekennzeichnet werden kann. Erwähnt sei die Klassifikation nach der Zahl der Anbieter und Nachfrager. Diese Klassefikationen dienen der Erklärung der spezifischen Verhaltensweisen aller Anbieter und Nachfrager auf einem bestimmten Markt 2 3 8 . 33. Methoden zur Bildung von Wirkungsbeziehungen Die Systematisierung von Determinanten des Käuferverhaltens und die Bildung möglicher Ausprägungen dieser Determinanten sind die ersten Schritte bei der Formulierung hypothetischer Erklärungsmodelle des Marktgeschehens. Die Auswahl von relevanten Determinanten und Indikatoren des Käuferverhaltens und die Auswahl relevanter Ausprägungen dieser Variablen durch die Formulierung bestimmter W i r kungsbeziehungen schließt sich daran an. 237 238
Vgl. ebenda, S. 96—126. Vgl. Weber, H. K., Absatzmarkt, a.a.O., u. a. S. 36.
3. Denkmethoden zur Bildung hypothetischer Erklärungsmodelle
139
Die Identifikation einer Variablen als relevante Variable bedeutet, daß ihr ein bestimmter Einfluß auf eine zu erklärende oder zu prognostizierende Variable zuerkannt wird. Damit ist die Formulierung von Hypothesen über die Bedeutsamkeit bestimmter Variablen als Determinanten oder Indikatoren des Erfolgs absatzpolitischer Maßnahmen bzw. des Käuferverhaltens nichts anderes als eine Formulierung von Hypothesen über Beziehungen, meist über Ursache-Wirkungsbeziehungen zwischen diesen Variablen. Die gedanklichen Techniken, die dem Auffinden möglicher Beziehungen, insbesondere dem Auffinden möglicher Ursache-Wirkungsbeziehungen zwischen Marktvariablen dienen, sollen i m folgenden behandelt werden. Nicht berücksichtigt w i r d dabei das Problem einer eindeutigen Formulierung der Beziehungen etwa i n Gestalt eines eindeutigen, quantifizierten Funktionszusammenhangs. Es soll vielmehr gezeigt werden, welche gedanklichen Operationen angewendet werden können, u m überhaupt denkbare und mögliche Beziehungen zu finden und zu entdecken. 331. Die Bildung verschiedener
Beziehungsarten
Beziehungen zwischen Marktvariablen können nach den verschiedensten Merkmalen klassifiziert werden. Nach dem K r i t e r i u m der Zugehörigkeit bestimmter, voneinander abhängiger Determinanten des Käuferverhaltens zu verschiedenen objektbezogenen Teilsystemen lassen sich z. B. Beziehungen zwischen absatzpolitischen Maßnahmen und dem Reaktionsverhalten der Käufer oder Beziehungen zwischen der Höhe des Einkommens und einem bestimmten Kaufverhalten unterscheiden. Nach der konstituierenden Ursache der Beziehungen lassen sich Kausalzusammenhänge und Definitionszusammenhänge unterscheiden. Nach dem Zeitpunkt der Wirkung verursachender Variablen können dynamische und statische, nach dem Grad der Eindeutigkeit der Be^ Ziehungen deterministische und stochastische Beziehungen unterschieden werden 2 8 9 . Einige Beziehungsarten, die bei der Formulierung von Hypothesen über Zusammenhänge zwischen Marktvariablen besonders wichtig sind, werden i m folgenden beschrieben. 3311. Formulierung von Beziehungen zwischen Variablen verschiedener Systemzugehörigkeit Beziehungen, die nach dem K r i t e r i u m der Systemzugehörigkeit der jeweils miteinander verknüpften Variablen gekennzeichnet werden, 239 Vgl. Kotler, Ph., Marketing Management, a.a.O., S. 227; Kapferer, Disch, W. K. A., Absatzprognose, a.a.O., S. 137 ff.
Ch.,
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III. Methoden der Hypothesenfndung
lassen sich zunächst allgemein gliedern i n Beziehungen zwischen Variablen des gleichen Teilsystems und i n Beziehungen zwischen Variablen aus verschiedenen Teilsystemen. Marktvariablen können zunächst den beiden umfassenden Systemen „Determinanten des Käuferverhaltens" und „Indikatoren des Käuferverhaltens" zugeordnet werden. Als Indikatoren können alle Variablen gelten, anhand derer die W i r kung des Einsatzes absatzpolitischer Instrumente beurteilt oder gemessen werden kann, bzw. anhand derer die Konsequenzen absatzpolitischer Maßnahmen zum Ausdruck gebracht werden können. Indikatorvariablen sind einmal Merkmale, durch die sich die Reaktionen der potentiellen Käufer direkt beschreiben lassen, wie z. B. die Zahl der Wiederholungskäufe, eine geäußerte Meinung über ein Produkt, oder die Gedächtniswirkung bestimmter Werbemaßnahmen. Zum anderen sind es Kennzahlen wie z. B. Umsätze, Marktanteile oder Deckungsbeiträge, die als Ausdruck eines bestimmten Reaktionsverhaltens der Käufer interpretiert werden können. Diese beiden Kategorien von Indikatoren können unter Verallgemeinerung der i n der Werbeforschung verwendeten Begriffe als ökonomische und außerökonomische Indikatoren 2 4 0 des Erfolgs absatzpolitischer Maßnahmen bezeichnet werden. Die Indikatoren des Erfolgs absatzpolitischer Maßnahmen sind also nichts anderes als bestimmte Verhaltensweisen der Käufer oder die i n ökonomischen Kategorien beschreibbaren „Objektivationen" 2 4 1 dieser Verhaltensweisen. Anhand der beiden umfassenden Systeme lassen sich folgende drei Grundtypen von Beziehungen identifizieren: a) Beziehungen zwischen den Determinanten und den Indikatoren des Käuferverhaltens, b) Beziehungen zwischen verschiedenen Indikatoren des Käuferverhaltens und c) Beziehungen zwischen verschiedenen Determinanten des Käuferverhaltens. Hypothesen über die Beziehungen zwischen verschiedenen Indikatoren des Erfolgs absatzoplitischer Maßnahmen werden immer dann formuliert, wenn aus der Ausprägung einer bestimmten Indikatorvariablen Rückschlüsse auf die Ausprägung einer anderen Indikatorvariablen gezogen werden. Ein typischer Fall ist der Rückschluß von den 240 241
Vgl. Behrens, K. Chr., Absatzwerbung, Wiesbaden 1963, S. 106. Vgl. Behrens, K. Chr., Demoskopische Marktforschung, a.a.O., S. 14.
3. Denkmethoden zur Bildung hypothetischer Erklärungsmodelle
141
Ausprägungen einer außerökonomischen Indikatorvariablen, wie z.B. von der Verteilung der Meinung über ein bestimmtes Produkt i n einer Stichprobe auf eine ökonomische Indikatorvariable, wie z. B. auf den zu erwartenden Umsatz des Produkts. Beziehungen zwischen ökonomischen Indikatoren sind dann von Bedeutung, wenn ein absatzpolitisches Ziel, wie z.B. der Umsatz einer Produktgruppe, aus Gründen der Operationalität i n verschiedene Subziele, wie z.B. i n den Umsatz einzelner Produkte bei einzelnen K u n den, aufgespalten wird. Die Beziehungen zwischen den Determinanten des Käuferverhaltens können nach der Zugehörigkeit der miteinander verknüpften Determinanten zu den verschiedenen objektbezogenen Teilsystemen differenziert werden. Die Vielzahl der objektbezogenen Teilsysteme und die daraus ableitbare Vielzahl von Kombinationsmöglichkeiten von Teilsystemen erlaubt die Formulierung einer unübersehbaren Fülle von theoretisch denkbaren Beziehungen zwischen Determinanten des Käuferverhaltens aus den verschiedenen Systemen. Einige für die Erklärung des Verhaltens der Marktpartner i n der Realität besonders wichtige Beziehungen werden kurz skizziert. Verschiedene dieser Beziehungen wurden bereits i n anderem Zusammenhang erwähnt 2 4 2 . Alle Beziehungen zwischen dem System der Triebe und dem System der persönlichen Ziele eines Käufers können als Beziehungen angesehen werden, die die Struktur der Antriebsvariablen eines Käufers i n einer bestimmten Situation kennzeichnen und die die Stärke des verhaltensbestimmenden Einflusses der verschiedenen Antriebsvariablen bestimmen. Persönliche Ziele können z.B. zum Aufschub und zur Unterdrückung bestimmter Triebe und Bedürfnisse führen, wie etwa die Verfolgung eine Sparzieles oder eines Berufszieles zur Unterdrückung bestimmter Kaufimpulse. Umgekehrt kann i n der Verfolgung bestimmter Ziele ein M i t t e l zur Befriedigung bestimmter Triebe gesehen werden. Innerhalb des umfassenderen Systems der personenendogenen Determinanten des Käuferverhaltens können wiederum mannigfache Beziehungen zwischen dem System der Antriebsvariablen und dem System der Steuerungsvariablen identifiziert werden. Das System der persönlichen Werte steuert z. B. den Einfluß der Triebe auf das Verhalten, bestimmt insbesondere die Unterdrückung bestimmter, m i t dem Wertsystem unvereinbarer Triebregungen. Umgekehrt w i r d das Wertsystem von der Triebstruktur beeinflußt. Die persönlichen Ziele, die der einzelne verfolgt, können sowohl von der Wirkung bestimmter Triebe 242
Vgl. zum folgenden die Ausführungen in Abschnitt III, 313.
142
III. Methoden der Hypothesenfndung
determiniert als auch aus dem persönlichen Wertsystem abgeleitet werden. Erwähnt seien außerdem die wechselseitigen Beziehungen zwischen den Antriebsvariablen einerseits und den psychischen Steuerungsprozessen andererseits. Ein bekanntes Beispiel für den Einfluß der personenbezogenen Variablen der Situation auf das System der Antriebsvariablen ist die A k tivierung von Trieben und Bedürfnissen auf verschiedenen Stufen einer Trieb- oder Bedürfnishierarchie bei einer unterschiedlichen Höhe des verfügbaren Einkommens bzw. bei einem unterschiedlichen Grad der Sättigung m i t verschiedenen Vermögensgütern. I n der Hierarchie der menschlichen Bedürfnisse von Maslow befinden sich auf der untersten Ebene die physiologischen Bedürfnisse, wie z. B. das Bedürfnis nach Nahrung und das Bedürfnis nach Schlaf. A u f der zweithöchsten Ebene befinden sich die Bedürfnisse nach Sicherheit, z. B. das Bedürfnis nach Alterssicherung. A u f der dritten Ebene liegen die sozialen Bedürfnisse, wie etwa das Bedürfnis nach Geselligkeit. A u f der vierten Ebene befinden sich die Bedürfnisse nach Anerkennung und Wertschätzung. A u f der fünften und höchsten Ebene schließlich liegt das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung, also nach Entfaltung der Persönlichkeit und Kreativität i m weitesten Sinn 2 4 3 . A l l e Bedürfnisse auf einer bestimmten Ebene werden nach Maslow als verhaltensbestimmende Antriebsvariablen erst dann aktiviert, wenn die Bedürfnisse auf den darunterliegenden Ebenen i n einem als angemessen empfundenen Umfang befriedigt sind 244 . Ob die Bedürfnisse auf einer relativ niederen Ebene i n einem dem Anspruchsniveau entsprechenden Umfang befriedigt werden können, hängt wesentlich von der ökonomischen Rahmensituation des einzelnen ab, also von der Höhe des verfügbaren Einkommens und von den bereits i m eigenen Besitz befindlichen Gütern. Je höher das verfügbare Einkommen ist, desto eher werden zusätzliche Bedürfnisse, die auf einer relativ hohen Ebene liegen, aktiviert werden können. Die psychische Distanz, die der einzelne gegenüber der Möglichkeit einer Befriedigung relativ anspruchsvoller Bedürfnisse hat, w i r d u m so geringer, je mehr diese Möglichkeit für i h n realisierbar erscheint 245 . Je mehr die Befriedigung auch anspruchsvoller Bedürfnisse i n den Bereich des Möglichen rückt, desto stärker w i r d der Einfluß des betreffenden Bedürfnisses als verhaltensbestimmende Antriebsvariable, als Motiv des Handelns. 243 Vgl. Meffert, H., Modelle des Käuferverhaltens und ihr Aussagewert für das Marketing, a.a.O., S. 334 f. 244 Vgl. ebenda. 245 Vgl. Heckhausen, H., Leistungsmotivation, a.a.O., S. 627 ff.
3. Denkmethoden zur Bildung hypothetischer Erklärungsmodelle
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Für Anbieter von relativ hochwertigen Gebrauchsgütern, insbesondere von „Luxusgütern", dürfte bei der Abgrenzung der Zielgruppe ihrer absatzpolitischen Bemühungen die Frage von Bedeutung sein, ab welcher Höhe der verfügbaren Kaufkraft der Kauf des betreifenden Gutes von potentiellen Käufern ernsthaft i n Erwägung gezogen wird. Die relative Einflußstärke eines Triebs oder eines Bedürfnisses hängt allgemein davon ab, ob sich der einzelne i n einer Situation befindet, die durch eine mangelnde Befriedigung des betreffenden Triebs oder Bedürfnisses gekennzeichnet ist. Der relative Einfluß physiologisch bedingter Bedürfnisse w i r d speziell von dem Bestehen aktueller Mangelsituationen, also vom Zeitraum, der seit der Befriedigung des betreffenden Bedürfnisses vergangen ist, abhängen 246 . Eine Reihe von Beziehungen, die auch für die Erklärung des Käuferverhaltens relevant sein können, bestehen zwischen den personenbezogenen Variablen und den gruppenbezogenen Variablen. Von den persönlichen Eigenarten und Merkmalen der Gruppenmitglieder w i r d die Struktur von kleinen Gruppen, wie z. B. von Familien oder Kollegien, wesentlich bestimmt. Die persönlichen Eigenarten jedes Gruppenmitgliedes determinieren letztlich die Rollenverteilung, die Verteilung der Macht- und Entscheidungsbefugnisse, die wiederum das Ergebnis von Kaufentscheidungsprozessen i n der Gruppe bestimmen. Die Übernahme bestimmter Gruppennormen oder bestimmter sozialer Normen i n das Wertsystem des einzelnen 247 sind Beispiele für den Einfluß der sozialen Situation bzw. der soziokulturellen Umwelt auf das System der personenendogenen Verhaltensdeterminanten. Beispiele für den Einfluß absatzpolitischer Maßnahmen als angebotsendogener Variablen auf das System der personenendogenen Variablen sind die Aktivierung und die Konkretisierung der verschiedensten Triebe und Ziele i m Käufer bei der Wahrnehmung absatzpolitischer Gestaltungsmaßnahmen. Wie stark bestimmte absatzpolitische Maßnahmen i m einzelnen Käufer jeweils bestimmte Triebe oder Ziele aktivieren, hängt wiederum von der Situation ab, i n der er sich gerade befindet. Beispiele für Beziehungen innerhalb der verschiedenen Systeme der angebotsendogenen Determinanten des Käuferverhaltens sind Beziehungen zwischen den Verhaltensvariablen der verschiedenen Anbieter, also zwischen Aktionen und Reaktionen von Konkurrenten sowie Beziehungen zwischen den verschiedenen absatzpolitischen Maßnahmen 246
Vgl. Graumann, C. F., Motivationsforschung, a.a.O., S. 137. Vgl. Thomae, H., Zur allgemeinen Charakteristik des Motivationsgeschehens, a.a.O., S. 80. 247
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III. Methoden der Hypothesenfindung
ein- und desselben Anbieters 248 . Z u den letztgenannten Beziehungen zählen vor allem Beschränkungen bzw. Erweiterungen des Handlungsspielraums für absatzpolitische Maßnahmen durch vorangegangene, bereits verwirktlichte Maßnahmen. 3312. Formulierung von Beziehungen m i t unterschiedlicher Beziehungsgrundlage Nicht alle Beziehungen, zwischen Marktvariablen basieren auf der Grundlage eines Ursache-Wirkungsverhältnisses. 33121. Kausalzusammenhänge und Sinnzusammenhänge Die gedankliche Konstruktion von Ursache-Wirkungsbeziehungen darf nicht dazu verführen, die Varietät und Komplexität des Marktgeschehens ausschließlich i n gleichsam mechanistischen Kausalzusammenhängen zu sehen. Eine Frage, die i m Zusammenhang m i t Erklärungsversuchen für das Verhalten von Wirtschaftssubjekten, insbesondere für das Konsumentenverhalten, immer wieder gestellt wird, ist, ob überhaupt deren Verhalten mit gleichsam mechanistischen UrsacheWirkungsbeziehungen erklärt werden kann. I n der sogenannten verstehenden Psychologie w i r d zu bedenken gegeben, daß das Verhalten des einzelnen Menschen immer nur aus seiner gesamten Vergangenheit und aus der Gesamtheit seiner gegenwärtigen Gefühle, Strebungen und Stimmungen heraus verständlich sei. Unter diesen Umständen sei es nicht mehr sinnvoll, ein bestimmtes Verhalten auf den einen oder anderen isolierten Faktor zurückzuführen. Das Verhalten ließe sich nicht mehr erklären, sondern nur noch verstehen und i n t u i t i v nachvollziehen, und zwar auch nur von dem, der über ähnliche Erfahrungen verfüge. Deshalb könne der Zugang zur Erklärung des menschlichen Verhaltens nicht m i t Hilfe quasi-mechanistischer Kausalzusammenhänge, sondern nur m i t Hilfe verstehbarer Sinnzusammenhänge gefunden werden 2 4 9 . Gerade auch i m wirtschaftlichen Bereich gibt es immer wieder Beispiele für Reaktionen, die sich kaum mehr auf das Zusammenwirken bestimmter Ursachen zurückführen lassen. Insbesondere w i r d sich die persönliche Beurteilung wirtschaftlicher Gegebenheiten, von der ja das Verhalten des einzelnen Käufers oder Unternehmers wesentlich abhängt, niemals vollständig erklären lassen. Die unterschiedliche Beurteilung ein und derselben Gegebenheit, z. B. eines bestimmten Produktes oder eines bestimmten Preises, durch verschiedene Menschen ist ein Indiz dafür, daß jeweils die gesamte persönliche Erfahrung sowie per248 Vgl. Nieschlag, R., Dichtl, E., Hörschgen, H., Marketing, a.a.O., S. 354 bzw. S. 335 ff. 249 Vgl. Thomae, H., Motivationsbegriff, a.a.O., S. 37.
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sönliche Umstände und damit eine unübersehbare Fülle von Faktoren zur Erklärung und damit auch zur Prognose eines persönlichen Urteils herangezogen werden müssen. Andererseits kann die Absatzforschung zur Gewinnung brauchbarer Informationen für die Erklärung und Prognose des Verhaltens und der Reaktionen einer Gruppe von Käufern nicht umhin, von der Fülle der Verhaltensdeterminanten eines Individuums zu abstrahieren und Hypothesen über relativ wenige, das Verhalten aller Mitglieder einer Käufergruppe i n gleicher Weise determinierende Variablen zu formulieren. 33122. Definitionszusammenhänge Definitionszusammenhänge sind nichts anderes als die Beziehungen zwischen den Komponenten einer Variablen, die durch begriffliche Zerlegung gefunden wurden 2 5 0 . Solche Beziehungen werden i n der Absatzforschung vor allem i n sog. „Sensitivitätsanalysen" gebildet. Durch Sensitivitätsanalysen soll ermittelt werden, inwieweit Veränderungen des Erfüllungsgrades absatzpolitischer Teil- oder „Subziele" zu Veränderungen von absatzpolitischen Globalzielen führen. Die Zerlegung von absatzpolitischen Ziel- respektive Kontroll- oder Indikatorvariablen i n ihre Komponenten erfolgt vor allem deshalb, w e i l Veränderungen der Komponenten oft eindeutiger erklärt und damit auch prognostiziert werden können. Die Bedeutung und die Arten der begrifflichen Zerlegung und damit die Bedeutung von Definitionszusammenhängen w i r d an anderer Stelle noch ausführlicher behandelt 251 . Begriffliche Zerlegungen können auf verschiedene Arten erfolgen: Bei der Spezifizierung von Indikatorvariablen handelt es sich streng genommen u m nichts anderes, als u m die Bildung von spezifischen Ausprägungen eines Oberbegriffs durch Hinzufügen verschiedener zusätzlicher Merkmale. Die Indikatorvariable „Umsatz" kann z. B. i n die Variablen Umsätze für die Produkte A, B und C spezifiziert werden 2 5 2 . Von der Spezifizierung zu unterscheiden ist die Zerlegung einer Indikatorvariablen i n ihre funktionalen Komponenten. Die funktionalen Komponenten einer Variablen sind keine spezifischen Ausprägungen dieser Variablen, sondern bilden diese auf Grund ihrer funktionalen Verknüpfung. Die Variable „Umsatz" läßt sich beispielsweise i n ihre funktionalen Komponenten „verkaufte Stückzahl i n einer Periode" und „Verkaufspreis pro Stück" zerlegen. 250 Vgl. Lenk, M., Die methodischen Voraussetzungen zur Erstellung von PKW-Prognosen, in: GfM-Mitteilungen, Jahrgang 1964, Heft 3, S. 87. 251 Vgl. hierzu Abschnitt IV, 14. 252 Vgl. Steiner, J. J., Erstellung und betriebswirtschaftliche Relevanz von Nachfrageprognosen für dauerhafte Konsumgüter, Wien 1969, S. 32 f.
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III. Methoden der Hypothesenfindung
33123. Funktionale Mittel-Zweck-Relationen Das Prinzip einer Zerlegung i n funktionale Komponenten läßt sich auch zur Zerlegung von relativ global definierten funktionalen Verwendungszwecken i n Subzwecke anwenden 253 . M i t Hilfe dieser Zerlegung lassen sich beispielsweise alle Funktionen identifizieren, die zur Herstellung eines Produkts i m Rahmen eines industriellen Produktionsprozesses durchgeführt werden müssen, oder es lassen sich Produktionsstufen identifizieren, die einer bestimmten Produktionsstufe funktional vor- oder nachgelagert sind. Vor allem für den Hersteller und Anbieter von Investitionsgütern ist die Ableitung von Teilfunktionen zur Durchführung der betrieblichen Leistungserstellung ein Ansatzpunkt, mögliche Probleme und Problembereiche seiner Kunden zu entdecken. 332. Bildung von
Beziehungskombinationen
Das Verhalten der Käufer oder der Konkurrenten auf einem unternehmenssubjektiven M a r k t w i r d i n der Realität jeweils kaum von einer einzigen unabhängigen Variablen und auf Grund einer einzigen einseitigen, isolierten Ursache-Wirkungsbeziehung determiniert. Erklärungsmodelle des Marktgeschehens, die einen gewissen A n spruch auf Realitätsnähe erheben, müssen i n der Regel aus mehreren Wirkungsbeziehungen zwischen mehreren Variablen bestehen. Bei der Formulierung von Beziehungskombinationen von M a r k t variablen sind den Variationsmöglichkeiten keine Grenzen gesetzt. Beziehungen der unterschiedlichsten A r t und zwischen den unterschiedlichsten Variablen können miteinander kombiniert werden. I n der folgenden Darstellung werden verschiedene generelle Möglichkeiten der Bildung von Beziehungskombinationen beschrieben, die jeweils bei der Kombination der verschiedensten, spezifischen M a r k t variablen angewendet werden können. Spezielle Beziehungskombinationen zwischen bestimmten Marktvariablen werden nur zur Illustration einer bestimmten Kombinationsform verwendet. Verzichtet w i r d auch hier auf die Darstellung eindeutiger Funktionszusammenhänge und auf die ausführliche Behandlung entsprechender mathematischer Modelle, i n denen Beziehungskombinationen formalisiert werden. Die Formalisierung und Quantifizierung von Beziehungskombinationen ist eine Aufgabe, die vor allem i n der Phase der Datenauswertung, speziell der Datenanalyse, zu lösen ist. I n der Phase der Hypothesenformulierung kommt es i n erster Linie darauf an, sich dar253
Vgl. Kindermann, P., a.a.O., S. 164.
3. Denkmethoden zur Bildung hypothetischer Erklärungsmodelle
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über Gedanken zu machen, zwischen welchen Marktvariablen überhaupt Beziehungen bestehen und wie die Struktur dieser Beziehungen ist. 3321. Möglichkeiten zur Bildung verschiedener Beziehungsstrukturen Beziehungskombinationen zwischen Marktvariablen lassen sich durch ihre Beziehungsstruktur kennzeichnen. Eine spezifische Beziehungsstruktur läßt sich charakterisieren durch die Zahl der jeweils miteinander verknüpften Variablen, durch die Zahl der Beziehungen, die zwischen den Variablen bestehen und durch den Grad der Direktheit der Beziehungen zwischen den Variablen. Indirekte oder mittelbare Beziehungen bestehen dann, wenn die erklärende oder unabhängige Variable eine zweite Variable beeinflußt, die ihrerseits wiederum eine dritte Variable beeinflußt 254 . Zwei Grundformen von Beziehungsstrukturen sind der Beziehungsverbund und die Beziehungskette. Ihre Bedeutung bei der Bildung hypothetischer Erklärungsmodelle des Käuferverhaltens bzw. des Marktgeschehens gilt es, eingehender zu erörtern. 33211. Bildung von Beziehungsverbunden Ein reiner Wirkungsverbund von mehreren beeinflussenden oder erklärenden Variablen ist dadurch gekennzeichnet, daß jede dieser Variablen gleichzeitig und direkt auf eine abhängige oder zu erklärende Variable einwirkt. Die gleichzeitige Berücksichtigung mehrerer direkter Beziehungen zwischen einer sogenannten „abhängigen" Variablen und mehreren sogenannten „unabhängigen" Variablen und mehreren sogenannten „unabhängigen" Variablen findet bei der Konstruktion von mathematisch-formalisierten Erklärungsmodellen ihren Ausdruck i n den multivariaten statistischen Verfahren, wie der multiplen Regressionsrechnung, der Varianzanalyse und der Faktorenanalyse. I m multiplen Regressionsmodell: Zo = b l z l + b2 z2 + b3 z3 + . . . + bm zm + w i r d der gleichzeitige „Einfluß der Variablen z l . . zm hängige" Variable Zo, gewichtet nach ihrer jeweiligen durch die Koeffizienten b l . . . bm, als Linearkombination
e auf die „abEinflußstärke dargestellt 255 .
332111. Käufertypen Die wichtigste Anwendungsmöglichkeit der Konstruktion von Beziehungsverbunden i n der Absatzforschung ist die Bildung von Käufertypen i m Konsumgüterbereich. 254 255
Siehe hierzu die Ausführungen in Abschnitt III, 33212. Vgl. Buzzell, R. D., Cox, D. F., Brown, R. V., Marketing Research, a.a.O., S. 193 f. 10*
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III. Methoden der Hypothesenfindung
Zur Erklärung oder zur Prognose des Verhaltens bestimmter Konsumentengruppen anhand personenbezogener Variablen reicht es oft nicht aus, jeweils die Ausprägung einer einzigen Variablen heranzuziehen. Erst die Kombination mehrerer Variablen, bzw. die Kombination verschiedener Ausprägungen mehrerer Variablen 2 5 6 w i r d eine differenzierte und eindeutige Abgrenzung von Konsumentengruppen m i t einem jeweils spezifischen, homogenen Reaktionsverhalten auf absatzpolitische Maßnahmen erlauben 257 . Wieviel Variablen und welche Variablen bei der Bildung eines Konsumententyps herangezogen werden, läßt sich nur dann sagen, wenn der Zweck bekannt ist, den ein Unternehmer m i t der Bildung von Marktsegmenten anhand eines spezifischen Käufertyps verfolgt. Zwei formale Anforderungskriterien, die bei der Entscheidung über die Zahl und die A r t der zu verwendenden Typisierungsvariablen i n jedem Fall zu beachten sind, sind die ausreichende Größe des Marktsegments und die Homogenität der Verhaltensweisen innerhalb des Segments. Beide Anforderungskriterien stehen zueinander i n konkurrierender Beziehung 258 . Relativ große Marktsegmente oder Käufergruppen sind erforderlich, u m ausreichende Umsätze m i t einer Absatzkonzeption zu erzielen, die speziell die besonderen Verhaltensweisen und Bedürfnisse der dem betreffenden Segment angehörenden Konsumenten berücksichtigt. Die Bildung relativ großer Konsumentengruppen bedeutet, Typen aus Merkmalskombinationen zu bilden, die verhältnismäßig häufig zu beobachten sind. Solche universellen Typen lassen sich nur m i t relativ wenig Variablen und durch Variablen, die relativ wenig Merkmalsausprägungen aufweisen, bilden. Typen, die nur m i t Hilfe der Variablen „Geschlecht", „Familienstand", und den Altersausprägungen „zwanzig bis dreißig Jahre" und „dreißig bis vierzig Jahre" gebildet werden, repräsentieren jeweils eine relativ große Zahl von Käufern. Andererseits werden die Angehörigen so gebildeter Typen i n bestimmten Bereichen unterschiedliche Bedürfnisse haben und unterschiedliche Verhaltensweisen an den Tag legen. Immer dann, wenn alle Anbieter auf einem bestimmten M a r k t ein und denselben, relativ universellen Käufertyp berücksichtigen, bedeutet dies, daß spezifische Bedürfnisse der Käufer, die einem spezifischeren Typ zuzuordnen sind, unberücksichtigt bleiben. 256 257 258
Zum Begriff „Typisieren" vgl. Weber, H. K., Absatzmarkt, a.a.O., S. 93 f. Vgl. Herrmann, Th., a.a.O., S. 32. Vgl. ebenda, S. 38.
3. Denkmethoden zur Bildung hypothetischer Erklärungsmodelle
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Verspricht sich ein Anbieter von der Berücksichtigung kleinerer Käufergruppen m i t relativ spezifischen, dafür aber homogenen Bedürfnissen die Möglichkeit, einen eigenen Markt mit einem relativ treuen Kundenstamm und deshalb m i t einem ausreichenden Umsatzpotential zu bilden, so w i r d er i n der Regel relativ differenzierte Käufertypen bilden. Je differenzierter der Typ ist, d. h. je mehr Variablen und Merkmalsausprägungen von Variablen miteinander kombiniert werden, desto kleiner w i r d die Zahl seiner Repräsentanten sein. Als differenziertester Typ, der jeweils nur einen Repräsentanten hat, kann letzten Endes die Gesamtheit der Variablen und Variablenausprägungen angesehen werden, durch die sich das Verhalten eines einzelnen Käufers i n einer bestimmten Situation vollständig erklären bzw. kennzeichnen läßt. Es lassen sich auf der einen Seite Typen bilden, deren Repräsentanten i n verschiedenen Verhaltensbereichen, also z. B. beim Kauf der verschiedensten Produkte, jeweils die gleiche Verhaltensweise an den Tag legen. A u f der anderen Seite können Merkmalskombinationen, anhand derer sich spezifische Verhaltensweisen beim Kauf des einen Produktes erklären oder beschreiben lassen, nicht auch zur Erklärung und Beschreibung spezifischer Verhaltensweisen i n anderen Bereichen herangezogen werden 2 5 9 . Es bietet sich nun eine Reihe von Methoden an, die der Bildung von typisierenden Merkmalskombinationen dienen, a) Systematische Spezifikation Das Prinzip der systematischen Spezifikation besteht darin, bei der Kombination von Ausprägungen verschiedener Variablen zunächst von einer bestimmten Ausprägung einer Variablen auszugehen und dann sukzessive weitere Merkmale hinzuzufügen und so immer differenziertere Typen zu bilden 2 6 0 . Die Typen, die einer bestimmten Differenzierungsstufe angehören, sind dann jeweils Spezifizierungen eines Typs, der auf der vorhergehenden Differenzierungsstufe gebildet wurde. Die Merkmalsausprägungen, die dabei kombiniert werden, können entweder Ausprägungen von Verhaltensäußerungen oder Ausprägungen von personenbezogenen Verhaltensdeterminanten oder Kombinationen von Ausprägungen der Variablen beider Kategorien sein. Ein Beispiel für eine systematische Spezifizierung anhand personenbezogener Verhaltensdeterminanten ist folgende sukzessive Differenzierung: 259
Vgl. Gerloff, O., a.a.O., S. 5—23. 260 vgl Assael, H., Segmenting Market By Group Purchasing Behavior — An Application of the AID Technique, in: Journal of Marketing Research, Jahrgang 1970, Mai, S. 153—158.
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III. Methoden der Hypothesenfindung
Die Gesamtheit der potentiellen Kunden kann nach dem Ausgangsmerkmal „Geschlecht" zunächst i n die Klassen weiblich und männlich aufgegliedert werden. Sowohl Männer als auch Frauen lassen sich weiter spezifizieren nach ihrem Alter. Der Typ „Frau eines bestimmten Alters" kann nach dem Merkmal der Berufstätigkeit, der Typ der „berufstätigen Frau eines bestimmten Alters" nach dem Merkmal der Höhe des verdienten Einkommens spezifiziert werden usw. Als Beispiel für eine systematische Spezifizierung an Hand von Verhaltensvariablen kann die sukzessive Einführung von Meinungskategorien über ein Produkt dienen. Die Gesamtheit der Befragten läßt sich nach der Anfangskategorie der Meinung über die Funktionstüchtigkeit des Produkts aufspalten i n die m i t der Funktionstüchtigkeit sehr zufriedenen, weniger zufriedenen und nicht zufriedenen Käufer. Die mit der Funktionstüchtigkeit zufriedenen Käufer können weiter gruppiert werden i n Käufer, die den Preis des Produktes für angemessen halten, für weniger angemessen halten usw. Die systematische Spezifizierung dient vor allem der Durchführung von Varianzanalysen. M i t Hilfe der Varianzanalysen ist es möglich, statistisch zu überprüfen, inwieweit Verhaltensunterschiede, die bei den Angehörigen eines relativ undifferenzierten Typs beobachtet werden, auf die Zugehörigkeit zu verschiedenen Spezifizierungen dieses Typs zurückgeführt werden können 2 6 1 . b) Induktive und deduktive Typisierung Bei der induktiven Typisierung geht man von bestimmten typischen Erscheinungsweisen und Verhaltensäußerungen aus, die bei Käufern beobachtet werden können. Verhaltensäußerungen, die als Ausgangspunkt für Typisierungen dienen können, sind z.B. der Kauf eines bestimmten Produktes oder eine geäußerte Meinung. Bei bestimmten Personen, die z. B. als „Revue-Leser" oder als PorscheFahrer identifiziert wurden 2 6 2 , die also i n einem bestimmten Bereich ein spezifisches Verhalten an den Tag legen, kann untersucht werden, ob sie i n anderen Verhaltensbereichen, etwa beim Kauf anderer Produkte oder bei ihrem Verhalten zur Vorbereitung von Kaufentscheidungen, ebenfalls spezifische, typische Verhaltensweisen erkennen lassen oder aber ob sie durch ganz bestimmte Ausprägungen personenbezogener Variablen gekennzeichnet sind, die zur Erklärung ihres Verhaltens herangezogen werden können. 261 262
Vgl. Assael, H., a.a.O., S. 153—158. Vgl. Heyn, W., Zur Lage in der Marktforschung, in: Der Marktforscher, Jahrgang 1967, Heft 4, S. 98.
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Das Auffinden von Zusammenhängen zwischen einem charakteristischen Verhalten und anderen spezifischen Verhaltensäußerungen dient dazu, bestimmte habituelle Typen zu bilden, die jeweils durch eine charakteristische Verhaltenstendenz gekennzeichnet sind, die sich immer wieder i n den verschiedensten Verhaltensbereichen, z. B. auch beim Kauf der verschiedensten Produkte zeigt. Untersuchungen über den Zusamenhang zwischen dem Grad der Beeinflußbarkeit durch die Werbung einerseits und den charakteristischen Verhaltensmerkmalen „Selbstbewußtsein" und „Risikofreudigkeit" andererseits dienen z. B. dazu, den habituellen Typ des von der Werbung stark oder weniger stark beeinflußbaren Käufers zu beschreiben 263 . Die Einbeziehung von anderen personenbezogenen Variablen gibt Aufschluß über die Bindung eines bestimmten Habitus an bestimmte soziale oder ökonomische Situationen oder an bestimmte Ausprägungen personenendogener Verhaltensdeterminanten 264 . Bei der Indentifikation bestimmter, charakteristischer Verhaltensweisen, die als Ausgangspunkt für die Typenbildung verwendet werden sollen, ist darauf zu achten, daß es sich jeweils um möglichst spezifische Verhaltensweisen handelt. Verhaltensweisen, die i n relativ heterogene Verhaltensweisen gegliedert werden können, eignen sich nur bedingt zur Ableitung von Typen, deren Repräsentanten sich homogen verhalten. Die poteniellen Kunden von Banken werden z. B. häufig nach ihren charakteristischen Verhaltensweisen i m Umgang m i t Geld dem habituellen Typ des „Sparers" und dem habituellen Typ des „ K r e d i t nehmers zugeordnet 265 . Bevor nun untersucht werden kann, durch welche sonstigen typischen Verhaltensmerkmale sich der „Sparer" auszeichnet und welche Ausprägungen personenendogener und situationskennzeichnender Variablen an i h m zu beobachten sind, muß der Typ des „Sparers" weiter spezifiziert werden i n den Typ des „aktiven Zwecksparers" und i n den Typ des „vorsichtigen Sicherheitssparers". Beide Typen werden jeweils durch unterschiedliche Ausprägungen personenbezogener Variablen gekennzeichnet sein. Die deduktive Typenbildung besteht darin, rein gedanklich Kombinationen zwischen verschiedenen Ausprägungen von einzelnen Verhaltensdeterminanten vorzunehmen und erst dann zu untersuchen, inwieweit die betreffenden Kombinationen zur Erklärung eines homogenen Verhaltens bei mehreren Käufern herangezogen werden können. 263 Vgl. Barak, J. A., a.a.O., S. 315; Bell, G. D., a.a.O., S. 315; Shuchman, A., Perry, M., Self-Confidence and Personality in Marketing: A Reappraisal, in: Journal of Marketing Research, Jahrgang 1969, Mai, S. 146—154. 284 Vgl. Robertson, T. S., Meyers, J.H., a.a.O., S. 164—168; Grubb, E. L., Hupp, G., Perception of Seif, Generalized Stereotypes and Brand Selection, in: Journal of Marketing Research, Jahrgang 1968, Februar, S. 58—63. 265 Vgl. Drescher, S., a.a.O., S. 35—40.
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III. Methoden der Hypothesenfindung
Ein typisches Beispiel für dieses Vorgehen ist die Kombination und Gewichtung bestimmter Variablen zur Berechnung des Statusindex eines Konsumenten. Der von Warner definierte Index für den sozialen Status w i r d aus den Ausprägungen der Variablen „Beruf", „Einkommensquelle", „ T y p des bewohnten Hauses" und „Wohngegend" berechnet 266 . Den verschiedenen Ausprägungen jeder Variablen werden bestimmte Werte zugeordnet. Diese Werte werden m i t Gewichten versehen, die die Einflußstärke jeder der vier Variablen als Determinante der Schichtzugehörigkeit repräsentieren. Die Addition der gewichteten Werte ergibt eine Indexzahl, die die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Schicht zum Ausdruck bringt. Die Ermittlung von Zusammenhängen zwischen bestimmten Verhaltensweisen und einer auf diese A r t ermittelten Schichtzugehörigkeit ist aus verschiedenen Gründen problematisch. Einmal werden die Angehörigen einer bestimmten sozialen Schicht oftmals verschiedene Bedürfnisse haben und verschiedene Verhaltenstendenzen zeigen. Zum anderen w i r d die Schicht, der der einzelne i n der sozialen Hierauchie angehört, bei verschiedenen sozialen Gruppen und in verschiedenen Regionen von unterschiedlichen Kriterien bestimmt 2 6 7 . c) Typenbildung mit Hilfe der Faktorenanalyse Eine Reihe von charakteristischen Verhaltensweisen i m Bereich des Käuferverhaltens, die eng miteinander korrelieren, lassen sich z. B. recht eindeutig auf bestimmte, wenige, direkt meßbare Verhaltensdeterminanten zurückführen. Das Lebensalter und die Höhe des verfügbaren Einkomens können als Variablen angesehen werden, deren Ausprägungen jeweils die Ausprägungen einer Fülle von anderen Verhaltensdeterminanten oder Verhaltensäußerungen i n den verschiedensten Bereichen bestimmen. Die Reduktion relativ vieler Variablen oder Merkmale, durch deren Ausprägungen bestimmte Typen gekennzeichnet sind, auf relativ wenige Faktoren ist auch das Ziel aller faktorenanalytischen Untersuchungen zur Identifikation von Verhaltenstypen 268 . Die Faktorenanalyse ist jedoch in erster Linie eine Methode zur Identifikation von Faktoren, auf die zwar das gemeinsame Auftreten der Ausprägungen bestimmter Merkmale bei einem bestimmten Typ 266 Vgl. van Rees, J., Der Vergleich sozialer Schichten auf internationaler Ebene, in: GfM-Mitteilungen, Jahrgang 1959, Heft 2/3, S. 45—54. 267 Vgl. hierzu Bolte, K. M., Typen sozialer Schichten, in: GfM-Mitteilungen, Jahrgang 1963, Heft 2, S. 45—54. 288 Vgl. zur folgenden kurzen Darstellung der Methode der Faktorenanalyse: Überla, K., Faktorenanalyse — eine systematische Einführung für Psychologen, Mediziner, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler, Berlin, Heidelberg, New York 1968, S. 2—5.
3. Denkmethoden zur Bildung hypothetischer Erklärungsmodelle
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zurückgeführt werden kann, die aber nicht wie etwa das Lebensalter oder die Höhe des verfügbaren Einkommens direkt beobachtet und gemessen werden können. Das faktorenanalytische Modell geht von der Annahme aus, daß sich i n mehreren gemessenen Variablen, die miteinander relativ stark korrelieren, eine gemeinsame „verursachende" Größe ausprägt, die nicht direkt gemessen werden kann. Die Größen, die hinter einer Vielzahl miteinander korrelierender Variablen stehen könnten, werden als Faktoren bezeichnet. Sie werden erst durch verschiedene, relativ komplexe Rechenvorgänge aus den Korrelationen, die zwischen allen gemessenen Variablen bestehen, ermittelt. Sie sind mathematische Größen, die allenfalls durch Bildung hypothetischer Konstrukte verbal bezeichnet werden können. Die Faktoren werden also erst durch die Rechnungen i n einer faktorenanalytischen Untersuchung gefunden. Insofern ist die Faktorenanalyse eine hypothesenbildende Methode. Sie ist aber auch gleichzeitig eine ordnende Methode. Die Vielfalt miteinander korrelierender Variablen w i r d auf wenige Faktoren zurückgeführt, von denen die gemessenen Variablen i n einer ganz bestimmten Weise abhängen. Das Hauptziel der Faktorenanalyse ist also die Ableitung hypothetischer Größen oder Faktoren aus einer Menge beobachtbarer Variablen. Die Zahl der Faktoren soll möglichst klein sein und die beobachteten Variablen hinreichend genau beschreiben und erklären. Bei der Faktorenanalyse geht man von den Beziehungen der gleichzeitig beobachteten Verhaltensvariablen aus. Die Beziehung zwischen zwei Variablen w i r d durch einen Korrelationskoeffizienten ausgedrückt. Alle errechneten Korrelationskoeffizienten zwischen den beobachteten Variablen werden i n einer sogenannten Korrelationsmatrix angeordnet. I n i h r sind alle Informationen über die Stärke der Beziehungen zwischen den einzelnen Variablen enthalten. Aus der Analyse der Korrelationsmatrix erhält man als hypothetische Größen die Faktoren, die ihrerseits m i t den beobachteten Variablen unterschiedlich stark korrelieren. Angenommen, es seien acht Verhaltensvariablen an einer Reihe von Personen beobachtet worden. Analyse der Korrelationen, die zwischen diesen Variablen bestehen, habe ergeben, daß die Variablen 1, 2, 3 und 6 auf Grund der zwischen ihnen bestehenden Korrelationen jeweils m i t einem gemeinsamen, hypothetischen Faktor A relativ eng korrelieren müssen. Desgleichen kann angenommen werden, daß die Variablen 4, 5, 7 und 8 auf Grund der zwischen ihnen bestehenden, relativ starken Korrelationen m i t einem zweiten hypothetischen Faktor B jeweils relativ stark korrelieren. Die Faktoren A und B sind die
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III. Methoden der Hypothesenfndung
nicht meßbaren, hypothetischen Größen, von denen jeweils einige der beobachteten Variablen auf Grund der zwischen ihnen festgestellten Korrelationen gemeinsam abhängen. Der Verhaltenstyp, der vorher durch die acht beobachteten Variablen bzw. deren Ausprägungen gekennzeichnet werden mußte, kann nunmehr relativ genau durch die beiden „Faktoren" gekennzeichnet werden. M i t Hilfe der Faktorenanalyse dürfte es möglich sein, an Hand relativ weniger Größen eine Reihe charakteristischer Verhaltenstypen von Käufern zu beschreiben. I n der herkömmlichen Weise müssen habituelle Typen jeweils durch eine relativ große Zahl von bestimmten typischen Verhaltensweisen beschrieben werden, etwa durch eine relativ große Zahl verschiedener Einstellungsdimensionen oder Meinungskategorien. Sind verschiedene, jeweils nur durch wenige „Faktoren" beschreibbare Verhaltenstypen durch die Faktorenanalyse identifiziert, so kann bereits die Messung relativ weniger Verhaltensvariablen und die Feststellung der Korrelationen zwischen diesen Variablen Rückschlüsse auf die Zugehörigkeit zu einem bestimmten charakteristischen Verhaltenstyp erlauben. Dies dürfte vor allem für das schnelle Feststellen der habituellen Käuferstruktur bestimmten Produkte wichtig sein. Die praktische Durchführung der Faktorenanalyse ist allerdings an einen großen Rechenaufwand gebunden und setzt die Verfügbarkeit elektronischer Datenverarbeitungsanlagen voraus. Da die Faktorenanalyse mit Korrelationskoeffizienten operiert, kann sie nur m i t quantitativen Variablen oder m i t Variablen durchgeführt werden, deren Ausprägungen ohne Verlust eines gewissen Aussagegehalts durch quantitative Werte ausgedrückt werden können. 332112. Markttypen Ebenso wie Käufer an Hand personenbezogener Variablen typisiert werden können, lassen sich auch Märkte an Hand von Strukturmerkmalen der Nachfrageseite und der Angebotsseite typisieren. Ebensowenig wie die Reaktion eines Käufers auf eine bestimmte absatzpolitische Maßnahme an Hand einer einzigen personenbezogenen Variablen erklärt werden kann, läßt sich auch die Verhaltensweise aller Marktpartner nicht durch ein einziges Strukturmerkmal, etwa durch die Zahl der Nachfrager oder Anbieter, erklären 2 6 9 . . Das Verhalten der Anbieter auf dem M a r k t für Produktgattung kann erst dann hinreichend erklärt hinreichend prognostiziert werden, wenn neben der frager und Anbieter die sonstigen Strukturmerkmale wie z. B. ihre räumliche Verteilung und der Grad ihrer 269
Vgl. Weber, H. K , Absatzmarkt, a.a.O.
eine bestimmte und damit auch Zahl der Nachder Nachfrager, Kommunikation
3. Denkmethoden zur Bildung hypothetischer Erklärungsmodelle
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untereinander, und die Strukturmerkmale der Anbieter, wie ihre Größenstruktur, ihre Marktanteile oder der Grad der Homogenität oder Heterogenität der von ihnen angebotenen Produkte, bekannt sind. Der Gedanke liegt nahe, ähnlich wie bei den Konsumententypen eine Reduktion der Fülle von Variablen, die einen Markt kennzeichnen und das Verhalten der Marktpartner erklären, auf einige wenige Merkmale vorzunehmen, von denen die übrigen Variablen abhängen. Würde es gelingen, eine Variable oder wenige Variablen zu identifizieren, durch die sich ein Markttyp bilden läßt und auf die typische Reaktionsweise der Marktpartner letzten Endes zurückgeführt werden können, so bestünde die Möglichkeit, z. B. an Hand der Beobachtung von Veränderungen einer oder weniger Variablen, Rückschlüsse auf Veränderungen der Verhaltensweisen der Marktpartner, d. h. Rückschlüsse auf Veränderungen der „Marktverhältnisse" zu ziehen. Der Konzentrationsgrad i m Handel wäre z. B. eine derartige Variable. Aus der Zunahme des Konzentrationsgrades i m Handel i m Lauf der Zeit kann eine Reihe von Veränderungen auf den industriellen Absatzmärkten, insbesondere eine Reihe von Veränderungen i n den Beziehungen zwischen Herstellern und dem Handel abgeleitet werden 2 7 0 . Weitere Variablen, aus deren Veränderungen auf die Veränderungen der Marktverhältnisse geschlossen werden kann, sind bestimmte, die Marktstruktur determinierende Eigenschaften von Produkten. So bestimmt z. B. der zur Herstellung eines Produktes erforderliche Kapitalbedarf wesentlich die Angebotsstruktur, insbesondere die Zahl der Anbieter auf dem Markt des Produktes 271 . Von der Zahl der Anbieter hängen wiederum charakteristische Merkmale ihrer Absatzpolitik ab. 33212. Bildung von Beziehungsketten M i t der Bildung von Beziehungsverbunden w i r d eine abhängige Variable durch mehrere Variablen erklärt, die gleichzeitig und unmittelbar auf sie einwirken. Sollen die Entwicklungen abhängiger Variablen, wie etwa die Entwicklung von Indikatorvariablen oder auch die Entwicklung bestimmter Determinanten des Käuferverhaltens, die ihrerseits von anderen Determinanten abhängen, prognostiziert werden, so erfordert es ein exaktes, methodisches Vorgehen, zunächst die Entwicklung all jener Variablen zu prognostizieren, welche die betreffende abhängige Variable unmittelbar beeinflussen. 270 Vgl. Nieschlag, R., Dichtl, E., Hörschgen, H., Marketing, a.a.O., S. 608 und S. 650—658. 271 Vgl. Weber, H. K., Absatzmarkt, a.a.O., S. 72.
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III. Methoden der Hypothesenfindung
Viele dieser Variablen werden nun ihrerseits wiederum von anderen Größen beeinflußt. Die Entwicklung dieser Größen bestimmt damit indirekt ebenfalls die Entwicklung der interessierenden abhängigen Variablen. U m also die Entwicklung der zu prognostizierenden Größe bestimmen zu können, müssen auch die indirekt wirksamen Variablen erkannt und ihre Entwicklung berücksichtigt werden. Formal läßt sich die indirekte Abhängigkeit folgendermaßen darstellen: Y = f (xl, x2, x3) x l = f(z); Die zu prognostizierende Größe Y läßt sich direkt aus der Entwicklung der Variablen x l , x2, x3 z. B. m i t Hilfe einer multiplen Regressionsgleichung bestimmen. Die Größe x l wiederum hängt von der Variablenz ab und muß erst an Hand einer einfachen Regressionsgleichung aus der Entwicklung des Regressors z bestimmt werden 2 7 2 . Gedanklich lassen sich derartige Beziehungsketten i m Bereich der Determinanten und Indikatoren des Käuferverhaltens beliebig verlängern. Wenn Y der zu erwartende Umsatz eines bestimmten Produkts ist, so kann x l z. B. als das Image der anbietenden Firma bei den potentiellen Käufern und z als das Produktimage verschiedener, bisher von der Firma bereits angebotener Produkte interpretiert werden. Die Variable z könnte wiederum i n Abhängigkeit von einer Reihe anderer Variablen gesehen werden. U m den Anforderungen einer praktisch brauchbaren Erklärung zu genügen, ist die Verlängerung von Beziehungsketten von Marktvariablen dann abzubrechen, wenn durch eine indirekt wirkende Variable die interessierende abhängige Varable nicht mehr adäquat kausal erklärt werden kann 2 7 3 . Beziehungsketten zum Zweck der Prognose von Marktvariablen können i n der Regel nur wenige Glieder umfassen, wenn aus der Entwicklung der letzten Variablen noch brauchbare Schlüsse auf die Entwicklung der abhängigen Variablen gezogen werden sollen; zu viele unkontrollierte Einflüsse w i r k e n auf die Variablen eines jeden Gliedes der Beziehungskette ein. 332121. Die Identifikation relevanter Variablen durch die Bildung von Beziehungsketten Die Formulierung von statischen Beziehungsstrukturen dient i n erster Linie der Identifikation und der übersichtlichen Darstellung von 272 Vgl. Steiner, J. J., a.a.O., S. 43; Gerfin, H., Langfristige Wirtschaftsprognose, Tübingen usw. 1964, S. 81. 273 Vgl. Wolf, H. E., Über einige psychologistische Fehlerquellen in der Sozialforschung, a.a.O., S. 55.
3. Denkmethoden zur Bildung hypothetischer Erklärungsmodelle
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Variablen und Variablenbeziehungen, durch die eine abhängige Variable determiniert wird. I n der Regel sind derartige statische Beziehungsstrukturen eine Kombination von Beziehungsverbunden und Beziehungsketten. I n der Realität, die durch diese Strukturen repräsentiert werden soll, w i r d meist jede Variable von einer Reihe anderer Variablen direkt beeinflußt. Jede dieser Variablen hängt wiederum von einer anderer Variablen ab und so fort. Die Kombination von Beziehungsketten und Beziehungsverbunden läßt sich am besten an Hand eines Strukturbeispiels i n der Form eines Strukturbildes darstellen. Die abhängige oder zu prognostizierende Variable soll i n dem Beispiel die in einer zukünftigen Wirtschaftsperiode absetzbare Menge von Haushaltskühltruhen eines bestimmten Fabrikats sein (vgl. Abbildung I). Bei der Identifikation aller Variablen, die den Erfolg einer bestimmten, bereits konkret formulierten absatzpolitischen Maßnahme indirekt beeinflussen, erweist es sich als zweckmäßig, von den Variablen auszugehen, die den Erfolg der betreffenden Maßnahme direkt oder unmittelbar bestimmen. Sind eine oder mehrere unmittelbar wirkende Variablen identifiziert, so kann die Kette, ausgehend von dieser Variablen, gleichsam nach rückwärts verlängert werden. Auch bei der Bildung der einzelnen Kettenglieder sollte jeweils immer nach den direkt wirkenden Variablen gesucht werden, u m keine Variablen zu übersehen und kein Glied der Kette auszulassen.
Abbildung I
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III. Methoden der Hypothesenfndung
I m Kühltruhenbeispiel wurden als die die Menge der abgesetzten Kühltruhen direkt beeinflussenden Variablen die gegenwärtige Zahl der Haushalte ohne Kühltruhen, das Einkäufsverhalten bei Lebensmitteln und das Konkurrenzangebot an Kühltruhen genannt. Unter Einkaufsgewohnheiten sollen die Häufigkeit des Lebensmitteleinkaufs inerhalb einer bestimmten Zeit und die jeweils gekaufte Menge an Lebensmitteln verstanden werden. M i t der Tendenz zu immer selteneren, dafür aber immer umfangreicheren Lebensmitteleinkäufen 274 w i r d der Bedarf an Haushaltskühltruhen steigen, i n denen die gekauften Lebensmittel gelagert werden können. Die Einführung der Variablen „Einkaufsverhalten" ermöglicht es, nach den Variablen zu fragen, von denen wiederum die mögliche Tendenz zu immer selteneren, dafür aber immer umfangreicheren Lebensmitteleinkäufen gefördert werden könnte. Zwei wichtige Variablen, die diese Tendenz unmittelbar beeinflussen, sind der Zeitaufwand beim Einkaufen und die Zahl der berufstätigen Hausfrauen. Je größer der Zeitaufwand beim Lebensmitteleinkauf ist und je knapper die dafür verfügbare Zeit auf der anderen Seite infolge der Berufstätigkeit der Hausfrau 2 7 5 ist, desto eher w i r d die Tendenz zu einem relativ seltenen Lebensmitteleinkauf bestehen. Der erforderliche Zeitaufwand beim Lebensmitteleinkauf hängt wiederum vom Wohnort und von der Versorgung einer Wohngegend m i t Lebensmittelgeschäften ab. M i t einer zunehmenden Verlagerung des Wohnortes ins Grüne 2 7 6 und m i t der zunehmenden räumlichen Konzentration des Lebensmitteleinzelhandels auf bestimmte, rentable Standorte 277 würde der für den Lebensmitteleinkauf erforderliche Zeitaufwand zunehmen. Der Versuch, alle auf die zu prognostizierende Größe direkt und indirekt wirkenden Variablen gleichzeitig zu finden, w i r d eher zum Übersehen wesentlicher Variablen und Variablenbeziehungen führen als die Methode, zunächst ausschließlich nach direkt oder unmittelbar wirkenden Variablen zu forschen und aus den relativ wirkenden Variablen sukzessive die indirekt wirkenden Variablen abzuleiten. Das umgekehrte Prinzip, nämlich die Identifikation von indirekt wirkenden Variablen und die Ableitung ihres Einflusses über mehr oder minder direkt wirkende Variablen auf einen bestimmten Sach274
Vgl. Prognosen — Vorgriff auf die 70er Jahre, o. V., GfK — Vertrauliche Nachrichten für die Mitglieder der GfK, Jahrgang 1970, Heft 1, April, S. 12 ff. 275 Vgl. Nieschlag, R., Dichtl, E., Hörschgen, H., Marketing, a.a.O., S. 614. 276 Vgl. Prognosen-Vorgriff auf die 70er Jahre, o. V., a.a.O., S. 10. 277 Vgl. hierzu Nieschlag, R., Dichtl, E., Hörschgen, H., Marketing, a.a.O., S. 608.
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verhalt ist dann anzuwenden, wenn aus wahrgenommenen Veränderungen i n der Umwelt eines Unternehmens Schlußfolgerungen gezogen werden sollen und die Bedeutung dieser Veränderungen als* mögliche Ursachen von Absatzproblemen oder als Marktchancen geprüft werden soll. Die Anwendung dieses Prinzips hätte z. B. einen Unternehmer überhaupt erst veranlassen können, sich m i t dem Gedanken einer Produktion von Kühltruhen zu befassen. Aus Informationen über Veränderungen der Familienstruktur und über die zunehmende räumliche Konzentration des Lebensmitteleinzelhandels hätte er Rückschlüsse auf die Entwicklung der Zahl der berufstätigen Frauen bzw. auf einen allgemein zunehmenden Zeitaufwand für den Lebensmitteleinkauf ziehen können und daraus wiederum das Bedürfnis nach relativ seltenen Lebensmitteleinkäufen ableiten können. Der Gedanke, diesem Bedürfnis mit der Produktion und dem Angebot von Haushaltskühltruhen entgegenzukommen, wäre die letzte Konsequenz i n der Kette der Schlußfolgerungen gewesen. 332122. Dynamische Beziehungsketten Die i n dem Kühltruhenbeispiel dargestellte Beziehungsstruktur ist insofern statisch, als sie explizit keine Beziehungen enthält, in denen die zeitlichen Verzögerungen zwischen den Veränderungen der beeinflußten Variablen zum Ausdruck kommen. Die statistische Beziehungsstruktur bringt nur das Bestehen von Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Marktvariablen zu einem beliebigen Zeitpunkt zum Ausdruck. Sie muß durch eine dynamische Beziehungsstruktur ergänzt werden, i n der die Ausprägungen der zu pronostizierenden Größen zu einem bestimmten Zeitpunkt noch i n ihrer Abhängigkeit von den Ausprägungen bestimmter Variablen i n der Vorperiode dargestellt werden 2 7 8 . Die Berücksichtigung von Beziehungsketten, in denen die Abhängigkeit bestimmter Ereignisse zu einem Zeitpunkt oder i n einer Periode von Ereignissen in der jeweiligen Vorperiode zum Ausdruck gebracht wird, ist insbesondere dann notwendig, wenn die interessierende Variable i n ihrer Entwicklung über einen längeren Zeitraum prognostiziert werden soll. Z u r Prognose der nach einem längeren Zeitraum abgesetzten Menge von Haushaltskühltruhen muß die Entwicklung der Verkaufszahlen i m Zeitablauf prognostiziert werden. Die nach einem bestimmten Zeitraum erzielte Zahl verkaufter Kühltruhen ist nichts anderes als die Summe der i n den einzelnen Abschnitten dieses Zeitraums verkauften K ü h l truhen. I n den Verkaufszahlen i n jedem Zeitabschnitt kommt ein 278
Vgl. Kapferer,
Ch., Disch, W. K. A., Absatzprognose, a.a.O., S. 143 f.
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III. Methoden der Hypothesenfindung
spezifisches Käuferverhalten zum Ausdruck. U m nun die Veränderungen des Käuferverhaltens i m Zeitablauf erklären und damit prognostizieren zu können, müssen die zeitliche Abfolge der Veränderungen des Käuferverhaltens und damit die Abhängigkeit der Ereignisse in einer Periode von den Ereignissen der jeweils vorhergehenden Periode dargestellt werden 2 7 9 . U m die Wahrscheinlichkeit einer Kette bestimmter Ereignisse i m Zeitablauf prognostizieren zu können 28 0 , müssen zunächst die wesentlichsten denkbaren Abfolgen von Ereignissen identifiziert werden. Die Identifikation und Kombination möglicher Ereignisketten können m i t Hilfe sogenannter Ereignisbäume erfolgen 281 . Eine Kette möglicher Ereignisse, die m i t dem erstmaligen Angebot der Haushaltskühltruhen auf dem Markt beginnt, könnte z. B. folgendermaßen aussehen (vgl. Abbüdung II):
Abbildung I I Zur Schätzung der Wahrscheinlichkeit des Eintritts jeder der beiden Möglichkeiten „hohe Verkaufszahlen" und „niedrige Verkaufszahlen" i n der Periode t l kann die statische Beziehungsstruktur der Variablen 279 Vgl. Bleicher, K , Unternehmensspiele — Simulationsmodelle für unternehmerische Entscheidungen, Baden-Baden 1962, S. 15 f.; Barton, H. E., A Primer on Simulation and Gaming, Englewood Cliffs (N.J.) 1970, S. 47 f.; Buzzell, R. D., Cox, D. F., Brown, R. V., Marketing Research, a.a.O., S. 407 bis 422. 280 Vgl. Flögel, H., Marketing im Sandkasten, in: die Absatzwirtschaft, Jahrgang 1967, 2. Maiausgabe, S. 570—578. 281 Vgl. Bunge, M., Scientific Research, Bd. II, S. 75.
3. Denkmethoden zur Bildung hypothetischer Erklärungsmodelle
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herangezogen werden, die i n der Periode t l die Ausprägung der Variablen „abgesetzten Menge der Haushaltskühltruhen" beeinflussen. A n Hand aktueller Daten über die Ausprägungen der als relevant angesehenen Einflußfaktoren in der Periode t l und an Hand der zugrundegelegten funktionalen Beziehungen kannn jeweils eine bestimmte Wahrscheinlichkeit für den E i n t r i t t des Ereignisses „hohe Verkaufszahlen" und den E i n t r i t t des Ereignisses „niedrige Verkaufszahlen" berechnet werden. Zur Berechnung des Eintritts der beiden Ereignisse i n der Periode t2 muß wiederum von der Beziehungsstruktur der Variablen ausgegangen werden, die i n der Periode t2 die Verkaufszahlen der eigenen Produkte i n der Periode t l verbessert worden sein, bereits i n der Periode t l erfolgten Veränderungen oder feststellbaren Ausprägungen anderer Variablen beeinflußt. Das Konkurrenzangebot i n der Periode t2 kann beispielsweise auf Grund der hohen Verkaufs— zahlen der eigenen Produkte i n der Periode t2 verbessert worden sein. Das Beispiel zeigt, daß die Wahrscheinlichkeit für die Ausprägung bestimmter Variablen, die i n der Periode t2 den Absatz der eigenen Haushaltskühltruhen beeinflussen, selbst wiederum mittels dynamischer Beziehungen aus Veränderungen von Variablen oder aus Ausprägungen von Variablen geschätzt werden muß, die bereits i n der Periode t l stattfanden bzw. beobachtet werden konnten. Zur Schätzung der Wahrscheinlichkeit für eine bestimmte Ausprägung der zu prognostizierenden Größe i n einer bestimmten, zukünftigen Periode sind also sowohl statische als auch dynamische Beziehungsstrukturen zu berücksichtigen. Die Kombination von statischen und dynamischen Beziehungsstrukturen zur Schätzung der Wahrscheinlichkeiten für bestimmte Verkaufszahlen von Haushaltskühltruhen i n aufeinanderfolgenden, zukünftigen Perioden läßt sich m i t Hilfe des Strukturbildes i n Abbildung I I I verdeutlichen. Die Berechnung der Wahrscheinlichkeit einer bestimmten Abfolge von Veränderungen der Verkaufszahlen in den drei aufeinanderfolgenden Perioden und damit die Berechnung der Wahrscheinlichkeit einer bestimmten Gesamtzahl von verkauften Kühltruhen am Ende der dritten Periode bauen auf den berechneten Einzelwahrscheinlichkeiten der Ausprägungen der Verkaufserlöse i n den einzelnen Perioden auf. Die Wahrscheinlichkeit für die Abfolge: „hohe Verkaufszahlen i n der Periode t l , niedrige Verkaufszahlen i n der Periode t2", läßt sich folgendermaßen berechnen: Für hohe Verkaufszahlen i n der Periode t l sei an Hand der für die Periode als gültig angenommenen statischen Beziehungsstruktur die Wahrscheinlichkeit von 0,8, für niedrige Verkaufszahlen entsprechend die Wahrscheinlichkeit von 0,2 geschätzt worden. 11 Kopp
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III. Methoden der Hypothesenfindung
Abbüdung I I I Unter der Bedingung hoher Verkaufszahlen i n der Periode t l w i r d eine Wahrscheinlichkeit von 0,8 für niedrige Verkaufszahlen und eine Wahrscheinlichkeit von 0,2 für hohe Verkaufszahlen i n der Periode t2 geschätzt. I n dieser Schätzung kommt die Auswirkung der Konkurrenzmaßnahmen zum Ausdruck, von denen angenommen wird, daß sie als Reaktion auf die i n der Periode t l erzielten Verkaufszahlen eingesetzt werden. Niedrige Verkaufszahlen i n der Periode t l würde die Konkurrenz zu keinen Reaktionen veranlassen. Die Wahrscheinlichkeit für relativ hohe Verkaufsszahlen in der Periode t2 kann damit als relativ hoch angesehen werden. Die Wahrscheinlichkeit für hohe bzw. niedrige Verkaufszahlen in der Periode t l sei 0,6 bzw. 0,4. Nach dem Multiplikationssatz der Wahrscheinlichkeit kann die Wahrscheinlichkeit der A b folge „hohe Verkaufszahlen in der Periode t l und niedrige Verkaufszahlen i n der Periode t2" m i t 0,64 bestimmten werden. Die Addition der für alle denkbaren Abfolgen der beiden Ereignisse „hohe Verkaufszahlen" i n den Perioden t l und t2 errechneten Wahrscheinlichkeiten muß notwendigerweise 1 ergeben. 3322. Die Berücksichtigung konkurrierender Beziehungen Wirken zwei unabhängige Variablen auf eine abhängige Variable ein, so können sie entweder beide i n der gleichen oder aber i n ent-
3. Denkmethoden zur Bildung hypothetischer Erklärungsmodelle
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gegengesetzter Richtung wirken. I m zweiten Fall werden sich die beiden Variablen i n ihrer W i r k u n g unter Umständen kompensieren oder neutralisieren. I m Bereich der Absatzforschung kann die Annahme eines sich gegenseitig neutralisierenden Einflusses verschiedener Variablen beispielsweise den Trendextrapolationsverfahren zugrunde liegen, i n welchem die Entwicklung einer relativ globalen Indikatorvariablen nur i n A b hängigkeit von der Zeit gesehen wird. Es ist klar, daß das Fortschreiten der Zeit nicht die Ursache der Entwicklung einer globalen Indikatorvariablen, wie z. B. der Entwicklung von Branchenumsätzen, darstellt. A u f die Branchenumsätze als abhängige, zu prognostizierende Variable können i n der Realität viele Einflußfaktoren einwirken, deren Einflüsse dabei sehr wohl unterschiedlich gerichtet und sich i n ihrer Wirkung gegenseitig aufheben können, wie etwa die verschiedenen, sich oft kompensierenden Maßnahmen der Konkurrenten innerhalb der betreffenden Branche. Die Annahme einer kontinuierlichen, konstanten Entwicklung der betreffenden Größe i m Zeitablauf kann davon ausgehen, daß sich viele der unterschiedlichen Einflüsse i n ihrer W i r k u n g kompensieren und sich gewissermaßen nur der Saldo der Wirkungen auf die zeitliche Entwicklung der globalen Variablen auswirkt 2 8 2 . Für die Erklärung des Käuferverhaltens besonders bedeutsame Kombinationen entgegengesetzt wirkender Verhaltensdeterminanten sind die Motivationskonflikte. Wirken zwei motivierende Faktoren zugleich auf das Verhalten, so können sie entweder beide in der gleichen Richtung wirken und damit sehr schnell zu einem bestimmten Verhalten führen oder aber sie können i n entgegengesetzter Richtung wirken. Handelt es sich dabei jeweils um annähernd gleichstark wirkende Verhaltensdeterminanten, so entsteht ein Konflikt 2 8 3 . Konflikte äußern sich beim einzelnen zunächst i n Unschlüssigkeit und i m Verharren i n der Passivität. Die beiden nicht zu vereinbarenden Verhaltenstendenzen neutralisieren sich gegenseitig. Derjenige, der sich i n einer Konfliktsituation befindet, kann sich meist weder zu dem einen noch zu dem anderen Verhalten durchdringen. Die hauptsächlichen, von der Motivationspsychologie unterschiedenen Erscheinungsformen des Konflikts können auch bei der Formulierung von Hypothesen zur Erklärung des Kaufverhaltens berücksichtigt werden. 282
Vgl. Kapferer, Ch., Disch, W. K. A.f Absatzprognose, a.a.O., S. 47. 283 vgl. Lehr, U., Erscheinungsweisen des Konflikts, in: Handbuch der Psychologie, 2. Band: Allgemeine Psychologie, II. Motivation, Hrsg. Thomae, H., 2. Aufl., Göttingen 1965, S.308f. u*
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III. Methoden der Hypothesenfindung
Der einzelne kann sich entweder i n einem verdeckten oder in einem offenen Konflikt befinden, je nachdem, wie bewußt i h m der Konflikt ist. Verdeckte Konfliktformen entstehen durch die ins Unterbewußtsein verdrängten und dort weiter wirksamen Verhaltensdeterminanten aus dem Bereich der Triebe, die zu bewußt formulierten und verfolgten Zielen oder zu Werten aus dem persönlichen Wertsystem i n Widerspruch stehen 284 . Verdeckte Konflikte i m Bereich des Kaufverhaltens entstehen vor allem dann, wenn Kaufwünsche infolge von Bedürfnissen erwachsen, zu denen sich der Käufer auf Grund seines Ziel- und Wertsystems nicht offen zu bekennen wagt. Ein Großteil der Konflikte i m Bereich des Kaufverhaltens w i r d jedoch offen sein. Dies bedeutet, daß sich der Käufer seiner konkurrierenden Bedürfnisse oder Zielvorstellungen wohl bewußt ist und durch echte Entscheidungen, z. B. durch die bewußte Wahl eines bestimmten Produkts, dem einen oder anderen Ziel oder Bedürfnis den Vorrang überläßt 2 8 5 . Konflikte, die einen zentralen Bereich seiner Persönlichkeit berühren und einen relativ tiefen und breiten Bereich seines Erlebens und Denkens in Mitleidenschaft ziehen 286 , w i r d ein Käufer in der Regel vor dem Kauf von solchen Gütern zu bewältigen haben, die für ihn von relativ weitreichender Bedeutung sind, wie etwa hochwerte und langlebige Vermögensgüter. Weniger zentrale Konflikte, die nur den Außenbereich des Erlebens berühren, werden bei der Auswahl von relativ geringwertigen Produkten des täglichen Bedarfs entstehen. Bei einer Beschreibung der Konfliktformen nach der A r t der jeweils wirksamen Verhaltensdeterminanten läßt sich zunächst der Konflikt zwischen den Determinanten einer relativ überdauernden Motivation, wie z. B. langfristig wirksamer Zielvorstellungen, und Determinanten einer kurzfristigen, aktuellen Motivation, wie z. B. bestimmten, i n einer aktuellen Reizsituation aktivierten, triebdeterminierten Bedürfnissen, anführen. I m Bereich des Kaufverhaltens stellt der Konflikt zwischen langfristigen Sparzielen und kurzfristigen, an eine aktuelle Situation gebundenen Bedürfnissen ein typisches Beispiel für diese Konfliktform dar. Konflikte zwischen sozialen Normen, die i m Wertsystem des einzelnen internalisiert sind, und bestimmten Trieben, deren Befriedigung die 284 285 286
Vgl. Lehr, U., a.a.O., S.315f. Vgl. ebenda, S. 316. Vgl. Lehr, U., a.a.O., S. 318 f.
3. Denkmethoden zur Bildung hypothetischer Erklärungsmodelle
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sozialen Normen verbieten, können entstehen, wenn von einer Werbemaßnahme bestimmte Tabus berührt werden. Konflikte zwischen sozialen Normen, die i m Wertsystem des einzelnen internalisiert sind, und bestimmten Trieben, deren Befriedigung die sozialen Normen verbieten, können entstehen, wenn von einer Werbemaßnahme bestimmte Tabus berührt werden. Ein Beispiel für einen typischen Konflikt zwischen divergierenden sekundären, i m Prozeß der Sozialisation erlernten Triebe ist der Konflikt zwischen dem Drang nach Differenzierung, Absonderung und Individualität einerseits und andererseits dem Drang nach Konformität, Anlehnung und Angleichung bem Kauf von Produkten, die der Mode unterworfen sind. Schließlich lassen sich Konflikte nach der positiven oder negativen Bewertung von M i t t e l n zur Bedürfnisbefriedigung, durch die Konflikte erzeugt werden, klassifizieren. Appetenz-Appetenz-Konflikte 287 entstehen dann, wenn ein Käufer zwischen zwei Produkten wählen muß, von denen jedes einen erheblichen Grad an Nutzenstiftung verspricht. Aversions-Aversions-Konflikte hingegen entstehen vor einer notwendigen Entscheidung zwischen zwei Produkten, die jeweils bestimmte negative Eigenschaften besitzen 288 . Ein Produkt, das neben positiven Eigenschaften in den Augen der Käufer auch negative Eigenschaften hat, w i r d einen Appetenz-Aversions-Konflikt auslösen 289 . Aufgabe der Absatzforschung ist es, Informationen über das Bestehen bestimmter Konfliktformen beim Käufer i n bestimmten Situationen zu gewinnen und damit einem Unternehmer Möglichkeiten zur Beseitigung kauf hemmender Konflikte zu eröffnen. Eine Möglichkeit, die kaufhemmende W i r k u n g der Diverganz zwischen sozialen Wertungen oder langfristigen Zielen einerseits und sozial negativ bewerteten oder kurzfristig aktivierten Trieben andererseits abzubauen, besteht darin, den Käufer über Argumente zu informieren, die er zur Rechtfertigung oder „Rationalisierung" eines durch die betreffenden Triebe verursachten Kaufaktes vor sich selbst und vor seiner Umgebung verwenden kann 2 9 0 . Die Möglichkeit, zwiespältige Reaktionen auf solche Werbemaßnahmen zu vermeiden, i n denen sozial tabusierte oder noch nicht allgemein * 87 Vgl. Feger, H., a.a.O., S. 341. 288 vgl, ebenda. 889 Vgl. ebenda, S. 342. 290 vgl. Portugais V., a.a.O., S. 182 ff.
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III. Methoden der Hypothesenfindung
anerkannte Bedürfnisse aktiviert werden sollen, besteht i n einer entsprechend neutral wirkenden Gestaltung der Werbemittel, durch die die betreffenden Bedürfnisse zwar aktiviert werden, jedoch keine konflikterzeugenden Gegentendenzen aus dem persönlichen Wertsystem ausgelöst werden 2 9 1 . Die einzige Möglichkeit, beim Käufer echte Lösungen und nicht nur Quasi-Lösungen seiner Konflikte herbeizuführen, besteht darin, ihn durch gezielte, ausführliche und richtige Sachinformationen über ein zur Auswahl stehendes oder bereits gekauftes Produkt zu veranlassen, sich m i t diesem Produkt zu identifizieren. 3323. Identifikation von Interdependenzen Besondere Probleme bei der Formulierung über eindeutige UrsacheWirkungsbeziehungen stellen die Interdependenzen zwischen den Erfolgsdeterminanten absatzpolitischer Entscheidungen dar. Wechselseitige Beziehungen zwischen den Determinanten des Käuferverhaltens, insbesondere indirekte Wechselbeziehungen in der Gestalt einer dreiecks- oder kreisförmigen Wirkungskette oder i n Gestalt eines Geflechts von wechselseitigen Beziehungen zwischen mehreren Determinanten erschweren die Formulierung von eindeutigen Aussagen über die Auswirkungen bestimmter, „einmaliger" Veränderungen einer Determinante erheblich. Ein eindrucksvolles Beispiel für ein System interdepenter Verhaltensdeterminanten gibt Hofstätter 2 9 2 . Er identifiziert als Verhaltensdeterminanten die soziale Wertung (das System der Verhaltensnormen oder das persönliche Wertsystem), das Lernen (der Erwerb von Fertigkeiten und Gewohnheiten), die Wahrnehmung, die Situation (z. B. Vermögen oder Familienstand), den Bedarf (oder die Motivationsstruktur (z. B. das Sicherheitsstreben), den erworbenen Habitus (z. B. Körperschäden oder die angeborene Konstitution) und schließlich das Verhalten selbst. Jede dieser Determinanten steht nach Hofstätter m i t jedere anderen in einer mehr oder minder starken, direkten oder indirekten Wechselbeziehung. Jede dieser Variablen w i r d von jeder anderen beinflußt und beeinflußt ihrerseits wiederum jede andere. Die vielzitierten Interdependenzen zwischen den absatzpolitischen Instrumenten eines Anbieters 2 9 3 sind oftmals nur die Folge des Ausnützens von Möglichkeiten, die sich durch den Einsatz einer bestimmten 291
Vgl. „Minus Sex", o. V., in: Capital, Jahrgang 1970, Heft 11, S. 62. Vgl. Hofstätter, P. R., Einführung in die Sozialpsychologie, a.a.O., S. 16. 295 Vgl. Nieschlag, R., Dichtl, E., Hörschgen, H., Marketing, a.a.O., S. 334 bis 340. 292
3. Denkmethoden zur Bildung hypothetischer Erklärungsmodelle
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absatzpolitischen Maßnahme für den Einsatz weiterer Maßnahmen ergeben, oder die Folge der Beschränkung von Möglichkeiten, die durch bestimmte Maßnahmen, insbesondere durch globale, weitreichende Maßnahmen, verursacht werden. Annahmen über Interdependenzen liegen allen Prognosen der Entwicklung bestimmter Branchen anhand der Entwicklung gesamtwirtschaftlicher Größen, wie etwa an Hand der Entwicklung des Sozialprdukts, zugrunde. Die Entwicklung des Sozialprodukts „beeinflußt" nicht nur die Entwicklung einer Branche, sondern w i r d von der Entwicklung einer bestimmten Branche m i t beinflußt. Andere typische Beispiele für Interdependenzen von Determinanten des Käuferverhaltens sind die i n der volkswirtschaftlichen Preistheorie beschriebenen Interdependenzen der Verhaltensweisen von konkurrierenden Oligopolisten während des Prozesses der Annäherung an einen Gleichgewichtspreis 294 oder die i n der Keynes'schen Beschäftigungstheorie beschriebenen Interdependenzen zwischen den makroökonomischen Variablen Volkseinkommen, Konsumneigung, Investiotionsneigung und Handelsbilanzüberschuß 295 . 34. Systematische Suche nach Gegen- bzw. Unterstützungshypothesen Sind m i t Hilfe der objektbezogenen Systematisierung, der Klassifikation und der Methoden zur Bildung von Wirkungsbeziehungen Hypothesen über Beziehungen zwischen relevanten Marktvariablen gefunden worden, so besteht die Möglichkeit, diese Hypothesen durch weitere Hypothesen i n Frage zu stellen oder zu verteidigen 296 . Die Anwendung der systematischen Suche nach Gegen- bzw. Unterstützungshypothesen als Methode zum Auffinden neuer Hypothesen setzt also voraus, daß bereits Hypothesen formuliert worden sind. Die systematische Suche nach Gegenhypothesen, die bewußte und geplante Behauptung des Gegenteils einer hypothetischen Aussage oder auch die geplante Suche nach Ansatzpunkten eine hypothetische Aussage i n Frage zu stellen, sind immer dann angebracht, wenn das Gegenteil der Aussage i m Bereich des Möglichen liegt oder wenn die Aussage nicht oder nur ungenügend empirisch überprüft werden kann. I n der Absatzforschung sollten hypothetische Aussagen immer dann die Formulierung von Gegenhypothesen herausfordern, wenn durch sie von mehreren möglichen Einflußfaktoren einem einzigen die ausschließ294 Vgl. Schneider, E., Einführung in die Wirtschaftstheorie, Bd. II, a.a.O., S. 2337—355. 95 Vgl. Schneider, E., Einführung in die Wirtschaftstheorie, Bd. III, a.a.O., S. 108—341. 296 Vgl. Wagenführ, H., Industrielle Zukunftsforschung, München 1970, S. 88; Bunge, M., Scientific Research, Bd. I, a.a.O., S. 267 f.
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III. Methoden der Hypothesenfindung
liehe oder doch zumindest die dominante W i r k u n g auf ein bestimmtes Ereignis zugesprochen w i r d oder wenn i n ihnen von mehreren möglichen Wirkungen einer Einflußgröße eine bestimmte W i r k u n g als die ausschließliche mögliche oder doch zumindest als die wahrscheinlichste angesehen wird. Die Behauptung des Gegenteils darf nicht zum Selbstzweck werden und nicht u m jeden Preis erfolgen. Die übertriebene, oft kritiklose Verfolgung des Prinzips der Kontradiktion kann leicht dazu führen, daß Hypothesen m i t realer Gültigkeit durch oftmals plausibel klingende, aber meist irreale Behauptungen unnötigerweise in Frage gestellt werden. Nicht selten sind unbefriedigtes Geltungsstreben, Unsicherheit oder aber eine gewisse, von der Realität losgelöste kombinatiorische Phantasie die Ursachen für das ungerechtfertige Formulieren von Gegenhypothesen. Als positive Auswirkung einer berechtigten Kontradiktion können das Infragestellen dogmatischer Theorien, die lange Zeit hindurch operat i o n a l und empirisch fundierte Erklärungen der Realität verhinderten, sowie die Modifikation und die Anpassung von Hypothesen m i t einer begrenzten situationsbezogenen Gültigkeit an veränderte Situationen angesehen werden. Ein typisches Beispiel für das Infragestellen dogmatischer Vorstellungen, die die Marktforschung allzulange auf einem wenig ergiebigen Weg verharren ließen, ist die Relativierung der Bedeutung der sogenannten demographischen Merkmale als Determinanten des Konsumverhaltens und ihre Ergänzung durch Variablen aus dem Bereich der Motivationspsychologie und der Sozialpsychologie. Eine Behauptung des Gegenteils oder eine Modifikation erscheinen auch bei den Hypothesen angebracht, i n denen bestimmte Triebe als dominante konsumlenkende Faktoren angesehen werden. Produkte, für die ausschließlich mit einer auf die Wirksamkeit des Sexualtriebes spekulierenden Werbung oder m i t undifferenzierten, auf die Aktivierung von undifferenzierten Trieben ausgerichteten Leitbildern geworben wird, können gerade infolge der Ablehnung der betreffenden Werbung oder des betreffenden Leitbildes nicht gekauft werden. Potentielle Käufer, die das Produkt auf Grund seiner Qualität schätzen würden, unterlassen den Kauf aus dem Bestreben, nicht als Leute angesehen zu werden, die sich m i t einem primitiven Leitbild identifizieren, das i n der Produktwerbung verwendet wurde. Ähnlich wie das systematische Infragestellen von Hypothesen darf die Verteidigung von Hypothesen, die in Frage gestellt wurden, mit ergänzenden oder unterstützenden Annahmen nicht um jeden Preis und vor allem nicht aus persönlichen Gründen erfolgen.
4. Erhebungen zum Zweck der Hypothesenflndung
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4. Erhebungen zum Zweck der Hypothesenflndung Die bisher behandelten Methoden der Hypothesenformulierung sind Denkmethoden, die m i t vorhandenem Erfahrungswissen operieren. Die Hypothesenformulierung m i t Hilfe dieser Methoden erfolgt vor der Phase der Datengewinnung und Datenauswertung. I n der Absatzforschung können Hypothesen auch nach Erhebungen und an Hand der durch Erhebungen gewonnenen empirischen Daten formuliert werden, ohne daß vor der Erhebung schon Vorstellungen über relevante Variablen und bestimmte Variablenbeziehungen bestehen müssen 297 . Die Gewinnung von Daten zum Zweck der Hypothesenformulierung w i r d allgemein m i t dem Begriff „qualitative Markt- oder Absatzforschung" umschrieben 298 . I n den sogenannten „qualitativen Interviews" w i r d beispielsweise versucht durch entsprechende Fragen an effektive oder potentielle Käufer Gründe für ein bestimmtes Kaufverhalten in der Vergangenheit oder die relevanten Determinanten einer bestimmten Reaktion auf absatzpolitische Maßnahmen i n der Zukunft zu erfahren. Die sogenannten „quantitativen" Erhebungen dienen unter anderem dazu, die durch die qualitativen Studien gewonnenen Hypothesen zu testen, die Bedeutung bestimmter i n qualitativen Studien identifizierten Verhaltensdeterminanten bei einer größeren Zahl von effektiven oder potentiellen Käufern zu überprüfen und die Verteilung bestimmter Merkmalsausprägungen von Determinanten des Käuferverhaltens i n einer größeren Stichprobe festzustellen 299 . Einige Datenerhebungs- und Auswertungstechniken, die speziell der Hypothesenformulierung dienen, seien i m folgenden kurz beschrieben. 41. Qualitative Interviews Die Datengewinnung zum Zweck der Hypothesenflndung durch Primärerhebungen können als „qualitative Primärerhebungen" bezeichnet werden. I n der angelsächsischen Literatur findet man dafür den Begriff „exploratory research" 300 . Qualitative Erhebungen i n der Form der Be297 Vgl. Kühn, R., Möglichkeiten rationaler Entscheidung im Absatzsektor, a.a.O., S. 174. 298 Vgl. Berth, R , Gibt es eine qualitative und eine quantitative Marktforschung?, in: Der Markt als Erkenntnisobjekt der empirischen Wirtschaftsund Sozialforschung, Hrsg. Rembeck, M., Eichholz, G., Bern und Stuttgart 1968, S. 206—238. 299 Vgl. Behrens , K. Chr., Demoskopische Marktforschung, a.a.O., S. 52. 800 Vgl. Buzzell, R. D., Cox, D. F., Brown, R. V., Marketing Research, a.a.O., S. 138 f.
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III. Methoden der Hypothesenfndung
fragung sind unter der Bezeichnung „qualitative Interviews" oder „nondirective Interviews" bekannt. Qualitative Interviews werden jeweils immer nur bei einer relativ kleinen Zahl von Personen durchgeführt 301 . Die Wahrscheinlichkeit, m i t tels qualitativer Interviews alle Erfahrungen, Urteile und Bedürfnisse zu identifizieren, die die Reaktion potentieller oder effektiver Käufer auf absatzpolitische Maßnahmen bestimmten könnten, w i r d ab einer bestimmten Zahl von Befragten auch durch eine Vergrößerung dieser Zahl nicht wesentlich steigen. Entscheidend für den Erfolg qualitativer Befragungen w i r d vielmehr die A r t der Fragestellung durch den Interviewer sein. Die gestellten Fragen müssen grundsätzlich so offen sein, daß die A n t wortmöglichkeiten nicht von vornherein eingeschränkt werden. Der Zweck qualitativer Interviews, unbekannte Faktoren als relevante U r sachen für ein bestimmtes Käuferverhalten zu identifiizieren, w i r d dann nicht erfüllt, wenn durch eine einseitige Fragestellung bestimmte U r sachen oder Ursachenbereiche als Antwortmöglichkeiten ausscheiden. Insbesondere können gezielte Fragen nach bestimmten Faktoren, von denen der Interviewer glaubt, daß sie als Ursachen für ein bestimmtes Käuferverhalten in Frage kommen, von den Befragten, die sich über die Gründe ihres Kaufverhaltens nicht völlig i m klaren sind, oft als w i l l kommene Hilfe bei der Formulierung von Antworten benützt werden. Das Beantworten gezielter Fragen m i t „ j a " oder „nein" ist für den Befragten recht bequem und enthebt ihn der Notwendigkeit, sich über die tatsächlichen Gründe seines Handelns klar zu werden, die durch eine gezielte Frage oft gar nicht erfaßt werden. Der Grad der Offenheit oder Unstruktiertheit der Fragestellung w i r d wesentlich von dem Grad der Unvoreingenommenheit oder Offenheit des Interviewers gegenüber dem Gegenstand der Befragung abhängen. Fixierte Meinungen eines Interviewers über die Ursachen eines bestimmten Käuferverhaltens, oft die Folge von Erfahrungen und Informationen aus vorangegangenen Interviews, sind die Ursache einseitiger, auf Bestätigung der eigenen Meinung abzielender Fragestellungen 302 . Die Unstrukturierheit der Fragestellung ist eine notwendige Voraussetzung, jedoch noch nicht eine Garantie für die Benennung der U r sachen ihres Verhaltens durch die Befragten. Selbst auf eine offene Frage werden nicht alle Befragten von sich aus eine redundante und erschöpfende A n t w o r t geben können, durch die die Ursachen ihres Kaufverhaltens für den Interviewer vollständig und verständlich offenkundig werden. Immer dann, wenn Befragte zurückhaltend reagieren und zu301 802
Vgl. Crisp, R„ Absatzforschung, a.a.O., S. 317 f. Vgl. Behrens, K. Chr., Demoskopische Marktforschung, a.a.O., S. 53 f.
4. Erhebungen zum Zweck der Hypothesenfndung
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nächst von sich aus wenig Informationen über die Gründe ihres Verhaltens geben können, müssen vom Interviewer durch entsprechende Zusatzfragen Assoziationsprozesse bei den Befragten angeregt werden, durch die ihnen die Gründe ihres Handelns soweit gegenwärtig werden, daß sie sie i n Worte fassen können. Für die Anregung eines Assoziationsprosses zum Zweck der Hinführung der Befragten an die eigentlichen, ihr Kaufverhalten bestimmenden Faktoren gibt Berth folgendes Beispiel: A u f die Frage nach der A n mutungsqualität der Farbe Blau w i r d die A n t w o r t gegeben: „Erinnert an die Farbe i m Badezimmer". Erst auf eine Zusatzfrage nach dem Grund dieser Anmutungsqualität der Farbe Blau w i r d die Reinheit und Sauberkeit von Badezimmerfliesen als eigentliche Anmutungsqualität der betreffenden blauen Farbe genannt. Damit kann das Bedürfnis nach Sauberkeit als das durch die Farbe aktivierte verhaltensbestimmende Bedürfnis identifiziert werden 3 0 8 . Der Kreis der in qualitativen Interviews befragten Personen ist keineswegs auf Konsumenten beschränkt, ebensowenig wie der Gegenstand der Befragung auf unbewußte Anmutungserlebnisse beschränkt ist, die durch Produkte, Verpackungen oder Werbemittel ausgelöst werden. Die Technik des unstrukturierten Interviews kann z. B. ebensogut zur Erforschung der Meinung von Unternehmern oder von Mitgliedern der Vertriebsorganisation über mögliche Ursachen von Käuferreaktionen angewendet werden 8 0 4 . 42. Hypothesenformulierung in der Datenauswertung U m nun aus den erhaltenen Antworten der Befragten zu hypothetischen Aussagen über relevante Ursachen oder Ursachengruppen für ein bestimmtes Verhalten zu gelangen, ist es zunächst notwendig, jede einzelne A n t w o r t daraufhin zu untersuchen, welche A r t von Ursache jeweils durch sie bezeichnet wird. A n Hand der Antworten lassen sich dann verschiedene Ursachen formulieren. Die Antworten können jeweils nach der A r t der Ursachen, die . durch sie benannt werden, i n Antwortkategorien zusammengefaßt werden. Jede Antwort, die i n der Auswertung interpretiert w i r d und die sich keiner der bisher gebildeten Ursachenkategorien zuordnen läßt, repräsentiert eine neue, bisher noch nicht aufgetauchte Ursache und bildet damit eine neue, ursachenbezogene Antwortkategorie 8 0 5 . 808 Vgl. Berth, R , Zum Problem der Sicherheit in der Marktforschung, in: Der Marktforscher, Jahrgang 1960, Heft 4, S. 83 f. 804 Vgl. Crisp, R , Absatzforschung, a.a.O., S. 321. 805 Vgl. Sommer, J. W., Zur Praxis der Vercodung, in: GfM-Mitteilungen, Jahrgang 1963, Heft 1, S. 28—36.
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III. Methoden der Hypothesenfndung
Schwierigkeiten entstehen bei der Auswertung der Antworten dadurch, daß eine A n t w o r t zwei oder mehr Ursachen repräsentieren kann 3 0 6 . Hypothesen werden nicht allein m i t der Auswertung des Datenmaterials aus qualitativen Erhebungen formuliert, sondern können unter Umständen auch aus dem Datenmaterial von quantitativen Erhebungen abgeleitet werden. Obwohl quantitative Erhebungen i n erster Linie zur Bestätigung bereits formulierter Hypothesen durchgeführt werden, können an Hand der Analyse des Datenmaterials bisher nicht vermutete Zusammenhänge aufgedeckt werden, z. B. zwischen bestimmten demographischen Variablen und bestimmten Verhaltensäußerungen und Meinungsäußerungen. A n Hand sekundärstatistischen Matriais aus dem Rechnungswesen, insbesondere an Hand der Daten aus einer differenzierten Vertriebserfolgsrechnung, können sowohl bereits formulierte Hypothesen bestätigt als auch neue Hypothesen formuliert werden. Aus der Veränderung bestimmter ökonomischer Indikatoren, die nach bestimmten A b satzsegmenten spezifiziert sind, also z. B. aus Deckungsbeiträgen bestimmter Produkte und Regionen oder aus der Entwicklung des Umsatzes bestimmter Produkte bei bestimmten Kundengruppen, lassen sich oft direkt Rückschlüsse auf die i n den betreffenden Segmenten w i r k samen Variablen und Variablenveränderungen ziehen 307 . 43. Organisierte Gruppenbefragungen Bestimmte Organisationsformen bei der Befragung kleinerer Gruppen, wie z. B. die sogenannte Delphi-Methode, lassen sich ohne weiteres zum Zweck der Hypothesenformulierung i n der Absatzforschung anwenden. Die Delphi-Methode ist eine Befragung einer Gruppe von Experten m i t dem Ziel, eine möglichst einheitliche Meinung über den Befragungsgegenstand innerhalb der Gruppe zu erhalten, mit der sich am Ende der Befragung alle Mitglieder der Gruppe identifizieren. Zunächst w i r d jeder der Experten nach seiner Meiung befragt. Ergeben sich wesentliche Unterschiede, so werden die Mitglieder der Gruppe aufgefordert, ihre Meinung zu begründen und sich m i t den Begründungen der Meinungen auseinanderzusetzen, die der eigenen Meinung widersprechen. Als Folge der Auseinandersetzungen m i t den 806 107
Vgl. ebenda, S. 32 f. Vgl. Nieschlag, R., Dichtl, E., Hörschgen, H., Marketing, a.a.O., S. 427 ff.
4. Erhebungen zum Zweck der Hypothesenfndung
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unterschiedlichen Meinungen und ihren Begründungen werden bei den einzelnen Mitgliedern entweder die eigenen Ansichten revidiert oder aber fehlerhafte und unhaltbare Begründungen der von der eigenen Meinung abweichenden Meinungen entdeckt. Ergeben sich nach einer neuerlichen Befragungsrunde weiterhin Meinungsunterschiede, w i r d ein neuer Prozeß der Beurteilung und Modifikation der Meinungen eingeleitet. Der Prozeß der Befragung, Mitteilung, Beurteilung und Revision von Meinungen w i r d solange fortgesetzt, bis Einigkeit besteht 808 . Die Durchführung des Prinzips der Delphi-Methode ist an keinen bestimmten Befragungsgegenstand gebunden. Als Instrument der Hypothesenfindung i n der Absatzforschung erscheint es besonders erfolgversprechend, wenn begründete Annahmen über Veränderungen der Umweltbedingungen eines Unternehmens i n nicht allzu naher Zukunft formuliert werden sollen80®.
308 809
Vgl. Marr, R , a.a.O., S. 226 ff. Vgl. Kindermann, P., a.a.O., S. 165.
I V . Der Einfluß der Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung Welche Marktvariablen jeweils von Bedeutung sind und welche der verschiedenen Methoden zur Formulierung von Erklärungsmodellen des Marktgeschehens am besten Anwendung finden, hängt von dem jeweiligen Zweck ab, für den Informationen gewonnen werden sollen. Ohne die Formulierung eines bestimmten Informationszwecks sind die Formulierung eines zweckbezogenen hypothetischen Erklärungsmodells und damit die Zusammenfassung einer Reihe von M a r k t variablen zu einem zweckbezogenen System nicht möglich. I m folgenden Abschnitt sollen einige, jeweils für einen bestimmten Informationszweck relevante Systeme von Marktvariablen charakterisiert werden. Weiter soll gezeigt werden, welche Methoden der Hypothesenfindung bei der Bildung des einen oder anderen zweckbezogenen Systems vorzugsweise Verwendung finden. Bei der Vielfalt von Informationszwecken ist es nur möglich, beispielhaft den Einfluß einiger weniger Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung aufzuzeigen. Entsprechend der i m Abschnitt I I dargestellten Systematik der I n formationszwecke soll zunächst die Bedeutung verschiedener Kriterien der formalen Anforderungen an die Information für die Hypothesenformulierung aufgezeigt werden. I m Anschluß daran w i r d der Einfluß einiger genereller Informationszwecke behandelt. Von der Vielfalt der Informationszwecke, die sich aus der Vielfalt der Typen absatzpolitischer Entscheidungen ableiten lassen, können nur einige, relativ wenig spezifizierte Informtionszwecke erörtert werden.
1. Der Einfluß der Kriterien der formalen Anforderungen an die Information Die Kriterien der formalen Anforderungen sind jene Kriterien, denen Informationen jeglicher A r t i n einem bestimmten Mindestumfang genügen müssen, wenn sie entscheidungsbezogene Informationszwecke
I. Einfluß der formalen Anforderungen an die Information
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erfüllen sollen. Ob und i n welchem Umfang die einzelnen Kriterien erfüllt sind, hängt wesentlich davon ab, über welcher Determinanten oder Indikatoren des Käuferverhaltens jeweils Informationen vorliegen. I I . Das System der Kriterien der formalen Anforderungen Das umfassendste K r i t e r i u m der formalen Anforderungen an die I n formationen ist der „Wert" einer Information. Der Wert einer Information läßt sich allgemein bezeichnen als die Differenz zwischen dem Grad der Zielerfüllung einer Entscheidung, die auf Grund dieser Information gefällt wurde, und dem Grad der Zielerfüllung der Entscheidung, die ohne die betreffende Information gefällt worden wäre 1 . Ließe sich der Grad der Zielerfüllung der Entscheidungen i n monetären Gewinngrößen, wie z. B. i n der Höhe der erwirtschafteten Deckungsbeiträge, ausdrücken, so könnte zumindest theoretisch der Wert der Information ebenfalls i n monetären Gewinngrößen ausgedrückt werden. Welchen Wert bestimmte Informationen für einen Entscheidungsträger haben, hängt wiederum davon ab, i n welchem Umfang sie bestimmte andere Kriterien der formalen Anforderungen erfüllen, die zu dem K r i t e r i u m „Informationswert" i n konkurrierender oder komplementärer Beziehung stehen. Bei gleichbleibenden Kosten und gleichbleibendem Zeitaufwand für die Informationsgewinnung w i r d der Wert bestimmter Informationen für einen Entscheidungsträger dann u m so größer sein, je mehr die betreffenden verfügbaren Informationen dem K r i t e r i u m „Vollkommenheit der Information" gerecht werden. Inwieweit dieses K r i t e r i u m erfüllt wird, läßt sich erst an Hand der Eindeutigkeit und der Gültigkeit der Aussagen feststellen, die aus den Informationen abgeleitet werden. Der Grad der Vollkommenheit der Informationen kann deshalb auch als der Grad ihrer Aussagefähigkeit bezeichnet werden. Informationen sind dann u m so vollkommener bzw. u m so aussagefähiger, je eindeutiger die Aussagen sind, die aus ihnen abgeleitet werden und je größer die Wahrscheinlichkeit ist, daß die Aussagen gültig sind, also m i t der Realität übereinstimmen 2 . Sollen beispielsweise die innerhalb eines längeren Zeitraums zu erwartenden Umsätze prognostiziert werden, so sind zur Erstellung der Prognose Informationen über die Variablen zu gewinnen, die die Höhe des Umsatzes während der betreffenden Zeit 1
Vgl. Buzzell, R. D., Cox, D. F., Brown, R. V., Marketing Research, a.a.O., S. 2595. Vgl. Kühn, R., Möglichkeiten rationaler Entscheidimg im Absatzsektor, a.a.O., S. 30 ff.; Besmer, H. J., a.a.O., S.47—50.
Einfluß er Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung beeinflussen. Je eindeutiger die Höhe der zu erwartenden Umsätze aus den verfügbaren Informationen prognostiziert werden kann und je größer die Wahrscheinlichkeit einer Ubereinstimmung der tatsächlichen Umsatzhöhe m i t der prognostizierten Umsatzhöhe ist, desto höher ist der Vollkommenheitsgrad der für die Prognose verwendeten Informationen bzw. der Grad der Aussagefähigkeit dieser Informationen. Je nach der A r t des realen Sachverhalts, über den Aussagen aus verfügbaren Informationen abgeleitet werden sollen, lassen sich verschiedene Arten der Aussagefähigkeit von Informationen unterscheiden. Die Aussagefähigkeit von Informationen über den zu erwartenden, tatsächlichen Erfüllungsgrad eines absatzpolitischen Zieles w i r d z.B. dann verlangt, wenn aus Informationen über die Determinanten „Einkommen der potentiellen Käufer" und „Grad der Marktsättigung" die Absatzentwicklung eines langlebigen Gebrauchsgutes prognostiziert werden soll oder wenn von der Indikatorvariablen „Umsatz auf einem Testmarkt" auf die Umsätze i m Gesamtmarkt geschlossen werden soll. Umgekehrt w i r d von Informationen über die Ausprägung und die Entwicklung bestimmter Indikatorvariablen, wie z. B. der Käufermeinung über ein Produkt oder der Umsatzentwicklung auf einem regionalen Teilmarkt, eine gewisse Aussagefähigkeit über die Ausprägung und die Entwicklung der Faktoren erwartet, von welchen die betreffenden Indikatorvariablen abhängen. Der Grad der Vollkommenheit bzw. der Grad der Aussagefähigkeit von Informationen läßt sich also nicht generell, sondern nur an Hand der Eindeutigkeit und der Gültigkeit der jeweiligen Aussagen bestimmen, die aus den Informationen abgeleitet werden sollen. Der Grad der Vollkommenheit oder der Aussagefähigkeit der verfügbaren Informationen hängt nun wiederum davon ab, inwieweit die Informationen den Kriterien „Relevanz", „Genauigkeit" und „Vollständigkeit" gerecht werden. Das K r i t e r i u m der Relevanz i m weitesten Sinne erfüllt eine Information dann, wenn sie für einen Informationsempfänger von Bedeutung ist 8 . Dies ist der Fall, wenn sie dazu beiträgt, einen konkreten Informationszweck zu erfüllen, insbesondere wenn sie m i t dazu dient, eindeutige und gültige Aussagen über reale Sachverhalte abzuleiten, die für den Informationsempfänger zur Beurteilung von Entscheidungsalternativen verwendet werden können. I m engeren Sinn bedeutet Relevanz nichts anderes als das Bestehen von Beziehungen zwischen mehreren Sachverhalten. I n diesem Sinne 3 Vgl. Meffert, 1968, S. 72 ff.
H., Betriebswirtschaftliche Kosteninförmation, Wiesbaden
.Einfluß der formalen Anforderungen an die Information
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sind zwei Variablen relevant zueinander, wenn eine Veränderung der Ausprägung der einen Variablen zu einer Veränderung der Ausprägung der anderen Variablen führt 4 . Bei der Beurteilung der Relevanz von Informationen über M a r k t variablen kann i n vielen Fällen unmittelbar dieser formale Relevanzbegriff herangezogen werden. Ist der Informationszweck z.B. die Prognose einer bestimmten Indikatorvariablen, wie etwa der zu erwartenden Umsätze eines Produkts, so sind Informationen über alle Faktoren relevant, von denen die Entwicklung der Umsätze i n der Realität beeinflußt werden. I n all den Fällen, i n denen nicht mehr Informationen über den Erfolg einer bestimmten, unter Umständen schon praktizirten Maßnahme gewonnen werden müssen, sondern Informationen über neue Möglichkeiten und Chancen auf einem Markt, erscheint es angebracht, das K r i t e r i u m „Relevanz" i m Sinne von „Bedeutsamkeit" zu interpretieren. Ein Kriterium, das häufig als eigenes Anforderungskriterium genannt wird 5 , letzten Endes aber als eine bestimmte A r t der Relevanz angesehen werden kann, ist die Aktualität der Information. Ist die Information über bestimmte Ausprägungen oder Entwicklungen einer Determinante des Käuferverhaltens nicht mehr aktuell, so bedeutet das nichts anderes, als daß sich die Ausprägungen bereits geändert haben bzw. die Entwicklungen bereits überholt sind und damit auch die den Entscheidungsträger interessierenden realen Sachverhalte von anderen Ausprägungen und Entwicklungen beeinflußt werden als von den durch die Information übermittelten. Die Verfügbarkeit über relevante Informationen ist eine notwendige Voraussetzung der Verfügbarkeit über vollkommene Informationen, aber keineswegs gleichbedeutend m i t ihr. Das kann an folgendem Beispiel verdeutlicht werden: Angenommen, zur Beurteilung der zukünftigen Absatzchancen eines langlebigen Gebrauchsgutes sollen Aussagen über die innerhalb eines längeren Zeitraums absetzbare Menge dieses Gutes gemacht werden. Informationen über die technische Lebensdauer des Gutes und über den A n t e i l der Haushalte, die bereits m i t dem Gut versorgt sind, sind zweifellos relevante Informationen für die Absatzprognose. Unterschiedliche Ausprägungen der Variablen „Lebensdauer" und „Sättigungsgrad" werden ceteris paribus eine unterschiedliche Höhe des zukünftig zu erwartenden Absatzvolumens bedingen. Gültige Aussagen über eine bestimmte Höhe des zu erwartenden mengenmäßigen Absatzes werden jedoch aus die4 5
Vgl. Bunge, M., Scientific Research, Bd. I., a.a.O., S. 316. Vgl. Meffert, H., Betriebswirtschaftliche Kosteninformation, a.a.O., S. 79.
12 Kopp
Einfluß er Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung sen Informationen allein nicht abgeleitet werden können. Dazu sind zumindest noch zusätzliche Informationen über den zu erwartenden Marktanteil der Konkurrenten erforderlich. Werden ein bestimmtes Ereignis oder ein bestimmter Zustand der Realität von mehreren Variablen beeinflußt, so können gültige Aussagen über den zu erwartenden E i n t r i t t des Ereignisses oder über das Vorhandensein des Zustands nur an Hand von Informationen über alle relevanten Variablen gemacht werden. Die zweite Voraussetzung für die Erfüllung des Kriteriums „ V o l l kommenheit der Information" ist die Erfüllung des Kriteriums „Genauigkeit der Information". Erfordert die Erfüllung des Kriteriums „Vollkommenheit bzw. Aussagefähigkeit" der Informationen die Übereinstimmung der Inhalte der aus den Informationen abgeleiteten Aussagen m i t den realen Sachverhalten, die Gegenstand der Aussagen sind, so erfordert die Erfüllung des Kriteriums „Genauigkeit der Informationen" die Übereinstimmung der Inhalte der gewonnenen Informationen m i t der tatsächlichen Beschaffenheit des Gegenstandes der Informationsgewinnung 6 . Die Genauigkeit der gewonnen Informationen basiert letztlich auf der Genauigkeit oder der Richtigkeit der gewonnenen Daten, d. h. auf der Entsprechung der gewonnenen Daten m i t den realen Daten, die Gegenstand der Erhebung waren. Informationen, die i m Rahmen einer Befragung über die zukünftigen Kaufabsichten der Befragten gewonnen wurden, sind dann genau, wenn die übermittelten Antworten jedes Befragten die tatsächliche Kaufabsicht des Befragten zum Zeitpunkt der Befragung zum Ausdruck bringen. Sollen Informationen über die Höhe des verfügbaren, persönlichen Einkommens der Befragten gewonnen werden, dann sind diese Informationen genau, wenn die von jedem Befragten angegebene Einkommenshöhe der tatsächlichen Höhe seines Einkommens entspricht. Sind die gewonnenen Informationen nicht genau, so besitzen selbstverständlich auch Aussagen und Schlußfolgerungen, die aus diesen Informationen abgeleitet werden, nur eine geringe Gültigkeitswahrscheinlichkeit. Entsprechen beispielsweise die i n einer Befragung von den Befragten geäußerten Urteile über ein Produkt nicht dem tatsächlichen Urteil der Befragten zum Zeitpunkt der Befragung, so werden die Schlüsse, die aus dem Befragungsergebnis auf das tatsächlich zu erwartende Kaufverhalten gezogen werden, ceteris paribus kaum einen großen Anspruch auf Gültigkeit erheben können. • Vgl. Meffert,
H., a.a.O., S. 74 f.
1. Einfluß der formalen Anforderungen an die Information
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Die Verfügbarkeit über genaue und relevante Informationen ist noch nicht unbedingt gleichbedeutend m i t der Verfügbarkeit über vollkommene Informationen. Selbst wenn z. B. das Urteil als Vorstellungsbild das tatsächliche Kaufverhalten der Befragten i n einer bestimmten Weise beeinflußt und wenn die Informationen über das U r t e i l der Befragten das tatsächliche Urteil der Befragten zum Zeitpunkt der Befragung wiedergeben, so können aus diesen Informationen nur begrenzt gültige Aussagen über das tatsächliche Kaufverhalten der Befragten oder gar über das Kaufverhalten aller potentiellen Käufer des betreffenden Produkts abgeleitet werden. Das tatsächliche Kaufverhalten w i r d i n der Realität neben dem Urteil über das Produkt noch von anderen Variablen, wie z. B. der Verfügbarkeit des Produkts i m Handel, der verfügbaren Kaufkraft der potentiellen Käufer und ihrem Urteil über entsprechende Konkurrenzprodukte, abhängen 7 . U m eindeutige und gültige Aussagen über das zu erwartende Kaufverhalten machen zu können, müßten Informationen über alle Variablen verfügbar sein, von denen das Verhalten beeinflußt wird. Erst wenn Informationen über alle Variablen oder Sachverhalte verfügbar sind, die ein reales Ereignis erklären oder bedingen, können eindeutige und gültige Aussagen über das reale Ereignis gemacht werden. M i t der Verfügbarkeit von Informationen über alle relevanten Variablen und Sachverhalte ist das K r i t e r i u m der „Vollständigkeit der Information" erfüllt. Die Gewinnung vollständiger und genauer Informationen w i r d i n der Regel m i t relativ hohen Kosten verbunden sein und relativ viel Zeit erfordern. Die Erfüllung der Kriterien „Vollständigkeit" und „Genauigkeit" der Informationen w i r d zu Lasten der Erfüllung der Kriterien „Kostenwirtschaftlichkeit der Informationsgewinnung" und „Aktualität der Informationen" und damit gleichzeitig auch zu Lasten des Informationswertes gehen8. Die gleichzeitige Beachtung aller Kriterien der formalen Anforderungen erweist sich bei der Entscheidung, über welche Marktvariablen I n formationen gewonnen werden sollen, infolge der Konkurrenzbeziehungen zwischen den verschiedenen Kriterien als recht schwierig. Die Unmöglichkeit, vollkommene Informationen beschaffen zu können, w i r d bereits die Hypothesenformulierung i n der Weise beeinflussen, daß nur diejenigen Determinanten und Indikatoren als relevant identifiziert werden, von denen man von vornherein einen relativ starken Einfluß auf die interessierenden realen Ereignisse, bzw. eine relativ gute Eig7 Vgl. Wolf, H. E , Sevlund, M. D., Soldan, U. N., a.a.O., S. 99. 8 Vgl. hierzu: Bass, F. M., The Expected Vaule of Additional Information, in: Journal of Business, Jahrgang 1963, Januar, S. 77—90. 1*
Einfluß er Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung nung zur Ableitung gültiger und relativ eindeutiger Aussagen erwartet. I m konkreten Fall w i r d nicht die Gewinnung „vollkommener" Informationen, sondern die Gewinnung „ausreichender" Informationen angestrebt werden 9 . 12. Die Bedeutung der Hypothesenformulierung für die Vorausschätzung des Informationswertes Der Wert einer Information läßt sich selbst dann kaum exakt bestimmen, wenn man versucht, ihn an Hand der tatsächlich eingetretenen Konsequenzen der Entscheidung zu berechnen, die auf Grund der betreffenden Information gefällt wurde. Unter der Voraussetzung, daß sich die Konsequenzen der fraglichen absatzpolitischen Entscheidung exakt i n monetären Gewinngrößen bestimmen lassen, könnte der Informationswert theoretisch aus der Differenz zwischen dem „Gewinn" der Entscheidung, die auf Grund der Information gefällt wurde und dem „Gewinn" der Entscheidung, die ohne die Information gefällt worden wäre, berechnet werden. Die Differenz zwischen den „Gewinnen" abzüglich der Kosten der Informationsgewinnung ergäbe den NettoInformationswert. I m wesentlichen sind es vier Gründe, warum der Nettowert einer Information selbst i m nachhinein, also nachdem die Information bereits gewonnen und die betreffende Entscheidung gefällt wurde, i n der Praxis kaum bestimmbar ist. Erstens lassen sich die ermittelten „Gewinne" niemals genau einer einzigen Entscheidung, respektive einer einzigen Maßnahme zurechnen 10 . Zweitens können die Konsequenzen einer Entscheidung nicht allein i n der Erfüllung monetärer Gewinnziele, sondern auch i n der Erreichung nicht quantifizierbarer Ziele gemessen werden. Drittens kann auch nachträglich oft nicht mit Sicherheit gesagt werden, welche Entscheidung ohne die betreffende Information gefällt worden wäre 1 1 . Selbst wenn nachträglich m i t Sicherheit diese Entscheidung bestimmt werden könnte, so w i r d man viertens kaum den „Gewinn" bestimmen können, der m i t ihr erzielt worden wäre. Wenn sich die exakte Berechnung des Informationswerts i m nachhinein als problematisch erweist, so gilt dies i n viel stärkerem Maß für die Schätzung des Wertes einer Information vor ihrer Verfügbarkeit für den Entscheidungsträger. Aber gerade die Vorstellungen über den Wert einer Information vor ihrer Verfügbarkeit wären bei den Entscheidungen über den Gegenstand der Informationsgewinnung von großer Bedeutung. Wenn In•1 0Vgl. Behrends, Chr., a.a.O., S. 16 und S. 79. Vgl. Nieschlag, R., Dichtl, E., Hörschgen, H., Marketing, a.a.O., S. 442. 11 Vgl. Buzzell, R. D., Cox, D. F., Brown, R. V., Marketing Research, a.a.O., S. 596.
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formationen zur Vorbereitung absatzpolitischer Entscheidungen gewonnen werden sollen, so stellt sich meist die Frage, über welche M a r k t variablen denn überhaupt Informationen gewonnen werden sollen, u m zu einem befriedigenden oder optimalen Erfolg m i t einer Entscheidung zu gelangen. Werden bestimmte Marktvariablen als Objekte der Informationsgewinnung ausgewählt, so beruht dies auf ausdrücklich formulierten oder stillschweigenden Annahmen, daß Informationen über die betreffenden Marktvariablen besonders wertvoll oder besonders nützlich seien. Wenn nun auch der Wert einer noch zu gewinnenden Information niemals exakt vorherbestimmt werden kann, so gibt es doch Möglichkeiten, zu zwar nicht eindeutigen und sicheren, aber doch zu begründeten Annahmen über den zu erwartenden Wert von Informationen zu gelangen. Welche Rolle dabei die Formulierung von Hypothesen über die Bedeutung und den Einfluß von Marktvariablen spielt, soll an Hand des folgenden Beispiels verdeutlicht werden 1 2 : Es w i r d angenommen, ein Unternehmer zweifelt, ob er ein neues Produkt i n den M a r k t einführen soll oder nicht. Er steht damit vor der Entscheidung, zur Beseitigung seiner Zweifel einen Markttest durchzuführen oder auf einen Markttest zu verzichten. Die Entscheidung für die Durchführung des Markttests basiert auf der Annahme, daß der Erwartungswert der Alternative „Durchführung eines Markttests" höher ist als der Erwartungswert der Alternative „Verzicht auf den M a r k t test". Zur Schätzung des Nettowertes der Alternative „Durchführung eines Markttests" oder, m i t anderen Worten, „Gewinnung von Informationen über die Indikatorvariable „Umsätze auf dem Testmarkt" sind folgende Schritte durchzuführen: a) Schätzung der Wahrscheinlichkeit, eine Information über ein positives Testmarktergebnis zu erhalten, auf Grund deren man sich entschließt, das Produkt einzuführen. Bei der Schätzung dieser Wahrscheinlichkeit kann von der plausiblen Annahme ausgegangen werden, daß die Wahrscheinlichkeit für ein positives Testmarktergebnis davon abhängt, ob das Produkt nach seiner Einführung auf dem Gesamtmarkt ein Erfolg w i r d oder nicht. Es sind also zunächst die Wahrscheinlichkeiten für die beiden Ereignisse „Erfolg des neuen Produkts auf dem Gesamtmarkt" oder 12
Die in folgendem Beispiel dargestellten Überlegungen finden sich u.a. bei Buzzell, R. D., Cox, D. F., Brown, R. V., Marketing Research, a.a.O., S. 570—615.
Einfluß er Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung „Nichterfolg des neuen Produktes auf dem Gesamtmarkt" zu schätzen. Bereits die Schätzung dieser Wahrscheinlichkeit setzt, wenn sie nicht völlig aus der L u f t gegriffen sein soll, bestimmte Hypothesen über die Bedeutsamkeit und den Einfluß von Marktvariablen voraus, von denen der Erfolg des neuen Produkts auf dem Gesamtmarkt abhängt. Es sei angenommen, daß der Erfolg und der Nichterfolg auf Grund bestimmter Hypothesen über bestimmte Bedürfnisse der potentiellen Kunden für gleich wahrscheinlich gehalten werden. Die geschätzte Wahrscheinlichkeit für das Ereignis „Erfolg auf dem Gesamtmarkt" sei also 0,5, die Wahrscheinlichkeit für das Ereignis „Nichterfolg auf dem Gesamtmarkt" ebenfalls 0,5. Als nächstes sind die Wahrscheinlichkeiten dafür, ein günstiges oder ungünstiges Testergebnis zu erhalten, jeweils unter der Bedingung des späteren Erfolgs oder Nichterfolgs des neuen Produkts auf dem Gesamtmarkt zu schätzen. Unter der Bedingung, daß das neue Produkt ein Erfolg auf dem Gesamtmarkt wird, w i r d die Wahrscheinlichkeit, ein günstiges Testergebnis zu erhalten, m i t 0,9 und die Wahrscheinlichkeit, ein ungünstiges Testergebnis zu erhalten, m i t 0,1 geschätzt. Unter der Bedingung des Nichterfolgs des neuen Produkts auf dem Gesamtmarkt w i r d ein günstiges Testergebnis m i t einer Wahrscheinlichkeit von 0,2, ein ungünstiges Testergebnis dagegen m i t einer Wahrscheinlichkeit von 0,8 erwartet. Diese bedingten Wahrscheinlichkeiten stellen i m Grunde nichts anderes dar als Annahmen über den Grad der Eignung von Informationen über die Indikatorvariable „Testmarktumsätze" zur Ableitung gültiger Aussagen über den tatsächlichen Erfolg des neuen Produkts auf dem Gesamtmarkt. Würde der Markttest vollkommene Informationen über den tatsächlichen Erfolg des Produkts auf dem Gesamtmarkt liefern, so müßte z. B. unter der Bedingung, daß das Produkt ein Erfolg auf dem Gesamtmarkt wird, die Wahrscheinlichkeit für ein günstiges Testergebnis 1 betragen. Wenn diese Wahrscheinlichkeit nicht m i t 1, sondern m i t 0,9 geschätzt wird, kommt darin die Annahme einer nicht vollständigen „Repräsentanz" des Testmarkts zum Ausdruck. Die Annahme, daß auf dem Testmarkt die tatsächliche, zukünftige Entwicklung des Umsatzes nicht m i t Sicherheit sichtbar wird, beruht i m wesentlichen auf Hypothesen über möglicherweise unterschiedliche Bedingungen auf dem Testmarkt und auf dem Gesamtmarkt. Aus den Wahrscheinlichkeiten für den Erfolg bzw. Nichterfolg des neuen Produkts auf dem Gesamtmarkt und aus den bedingten Wahrscheinlichkeiten, jeweils günstige oder ungünstige Testergebnisse zu erhalten, lassen sich nach den Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung
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die Wahrscheinlichkeiten berechnen, ein günstiges bzw. ungünstiges Testergebnis zu erhalten. Die Wahrscheinlichkeit, ein günstiges Testergebnis zu erhalten, auf Grund dessen man sich entschließt, das Produkt einzuführen, beträgt: 0,5 X 0,9 + 0,5 X 0,2 = 0,55 Die Wahrscheinlichkeit, ein ungünstiges Testergebnis zu erhalten, ist dann: 1 — 0,55 = 0,45 b) Schätzung der Wahrscheinlichkeit, daß bei einem günstigen Testergebnis das neue Produkt auf dem Gesamtmarkt ein Erfolg beziehungsweise ein Nichterfolg wird 1 3 . Die Ableitung dieser Wahrscheinlichkeiten kann aus den i n a) geschätzten Wahrscheinlichkeiten m i t Hilfe des Bays'schen Schlusses erfolgen. Die Wahrscheinlichkeit dafür, daß sowohl das Ereignis „günstiges Testergebnis" als auch das Ereignis „Erfolg des neuen Produkts auf den Gesamtmarkt" eintrifft, beträgt 0,9 X 0,5 = 0,45. 0,9 ist die i n a) geschätzte Wahrscheinlichkeit für ein günstiges Testergebnis unter der Bedingung des Erfolgs des neuen Produkts, und 0,5 ist die Wahrscheinlichkeit für den Erfolg des neuen Produkts auf dem Gesamtmarkt. Die Wahrscheinlichkeit dafür, nur ein günstiges Testergebnis zu erhalten, wurde i n a) auf 0,55 geschätzt. Unter der Bedingimg, daß ein günstiges Testergebnis vorliegt, kann dann die Wahrscheinlichkeit für das Ereignis „günstiges Testergebnis und zugleich Erfolg des neuen Produkts auf dem Gesamtmarkt" m i t 0,45 0,55
«0,82
angegeben werden. Entsprechend beträgt die Wahrscheinlichkeit dafür, daß unter der Bedingung eines günstigen Testergebnisses das Ereignis „günstiges 18 Vgl. hierzu insbesondere Buzzell, R. D., Cox, D. F., Brown, R. V., Marketing Research, a.a.O., S. 587—589; ferner: Myers , J. H., Samli, C. A., Management Control of Marketing Research, in: Journal of Marketing Research, Jahrgang 1969, August, S. 267—277.
Einfluß er Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung Testergebnis und zugleich Nichterfolg des neuen Produkts auf dem Gesamtmarkt" eintritt: 0,2 X 0,5 0,55
«0,18
Die hier geschätzten Wahrscheinlichkeiten beruhen also auf den i n a) geschätzten Wahrscheinlichkeiten. Damit beruhen sie gleichzeitig ebenfalls auf den Hypothesen über die Wirksamkeit bestimmter Determinanten des Erfolgs des neuen Produkts auf dem Gesamtmarkt und auf Hypothesen über die Ursachen einer bedingten Eignung der Testergebnisse zur gültigen Erfolgsprognose. Die zweite Gruppe von Hypothesen w i r d i n diesem Fall, wie bereits angedeutet, i m wesentlichen aus Hypothesen über unterschiedliche Bedingungen auf dem Testmarkt und auf dem Gesamtmarkt bestehen. Als Gegenstand der Hypothesenformulierung werden die möglichen Ursachen einer mangelnden oder nur bedingten Eignung von Marktinformationen zur Ableitung gültiger und eindeutiger Aussagen, d.h. die möglichen Ursachen unvollkommener Marktinformationen, i m folgenden Abschnitt IV. 13 behandelt. c) Beschreibung des „Erfolgs" bzw. des „Nichterfolgs" des neuen Produkts auf dem Gesamtmarkt i n Gewinn- bzw. Verlustgrößen. Die Beschreibung der beiden Ereignisse „Erfolg" und „Nichterfolg" i n monetären Größen ist erforderlich, u m den Erwartungswert der Alternativen „Durchführung eines Markttests" und „Verzicht auf einen Markttest" berechnen zu können. U m die Berechnung des Erwartungswertes zu vereinfachen, sei angenommen, daß als „Erfolg" ein positiver Deckungsbeitrag des Produkts von D M 100 000,—, als „Nicht-Erfolg" ein negativer Deckungsbeitrag von D M 100 000,— angesehen wird. Die Quantifizierung des Ereignisses „Erfolg" basiert ebenfalls auf Hypothesen über Käuferpräferenzen, insbesondere auf Hypothesen über den mutmaßlichen Verlauf der Preis-Absatz-Funktion für das neue Produkt. d) Berechnung des Erwartungswertes der Alternative „Durchführung eines Markttests". Wenn die Kosten der Informationsgewinnung, also die Kosten der Durchführung des Markttests m i t D M 20 000,— veranschlagt werden, dann kann der Erwartungswert der Alternative folgendermaßen berechnet werden: [(100 000 X 0,82 - 100 000 X 0,18) X 0,55 + 0 X 0,45] - 20 000 = 15 200
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e) Berechnung des Erwartungswertes der Alternative „Verzicht auf einen Markttest". Zur Berechnung dieses Erwartungswertes seien folgende zusätzliche Annahmen formuliert: Die Wahrscheinlichkeit, daß das neue Produkt ohne Durchführung eines Markttests eingeführt wird, w i r d vom Unternehmer m i t 0,5 veranschlagt, entsprechend m i t 0,5 die Wahrscheinlichkeit, ohne Durchführung eines Markttests auf die Neueinführung zu verzichten. Die Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs bzw. eines Nichterfolgs bei einer Einführung auf dem Gesamtmarkt wurden bereits i n a) m i t jeweils 0,5 angegeben. Der Erwartungswert der Alternative „Verzicht auf einen Markttest" läßt sich dann wie folgt berechnen: (100 000 X 0,5 - 100 000 X 0,5) X 0,5 + 0 X 0,5 = ± 0 f) Berechnung des Nettoerwartungswertes der Alternative „Durchführung eines Markttests". Die Differenz der Erwartungswerte der beiden Alternativen ergibt den Nettoerwartungswert der Alternative „Durchführung eines M a r k t tests". Der Nettoerwartungswert oder der Nettoinformationswert der Durchführung eines Marchttests beträgt somit D M 15 200. Die Struktur der Berechnung des Nettoinformationswertes der Durchführung eines Markttests kann nochmals an Hand eines AlternativenErgebnisbaues verdeutlich werden (vgl. Abb. IV). Zweifellos basiert die durchgeführte Berechnung des Informationswertes auf Annahmen, die i n der Realität besonders vor der Verfügbarkeit der betreffenden Informationen niemals eindeutig und gültig formuliert werden können. Ebenso w i r d eine derart einfache Entscheidungsstruktur, wie sie i m Beispiel verwendet wird, i n der Realität gerade i m Absatzbereich kaum zu beobachten sein 14 . A n Hand des Beispiels konnten jedoch die einzelnen Überlegungen verdeutlicht werden, die i m Prinzip vor jeder Entscheidung darüber, ob über eine Marktvariable Informationen gewonnen werden sollen oder nicht, durchgeführt werden müssen. Insbesondere wurde deutlich, welche Bedeutung die Hypothesenformulierung hat, wenn es darum geht, Vorstellungen über den zu erwartenden Nutzen von Informationen über Marktvariablen zu entwickeln. 14 Vgl. Buzzell, R. D., Cox, D.F., Brown, R.V., Marketing Research, a.a.O., S. 597—611.
Einfluß er Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung
A m problematischsten ist die Bewertung von Informationen vor ihrer Verfügbarkeit dann, wenn Informationen zum Zweck der Entdeckung von neuen Chancen und Möglichkeiten auf einem M a r k t und nicht nur zur Beurteilung einer bereits spezifizierten absatzpolitischen Maßnahme, i m Beispiel die Einführung oder Nichteinführung eines bestimmten Produkts, gewonnen werden sollen 15 . Die Wahrscheinlichkeit, gewinnbringende Informationen zu erhalten, kann i n diesem Fall kaum geschätzt werden, da noch keine Alternativen formuliert sind, über deren Erfolgswahrscheinlichkeit bereits gewisse Vorstellungen bestehen. Wären bereits absatzpolitische Alternativen formuliert, so bräuchten keine Informationen über Sachverhalte gewonnen werden, aus denen erst Anregungen zur Formulierung gewinnbringender absazpolitischer Alternativen gewonnen werden könnten. 15
Vgl. Buzzell, R. D., Cox, D. F., Brown, R. V., Marketing Research, a.a.O., S. 611.
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Hinzu kommt, daß wertvolle Informationen, die neue Ansatzpunkte für absatzpolitische Gestaltungsmöglichkeiten aufzeigen, i n der Regel Informationen über Variablen sind, die einer relativ tiefen Ebene der Realität zuzuordnen sind und nicht ohne weiteres beobachtbar sind. U m z. B. Informationen über Möglichkeiten zur Befriedigung bisher nicht bekannter Bedürfnisse von Käufern zu gewinnen, müssen oft I n formationen über die jenigen Triebe, Vorstellungen und Bedürfnisse gewonnen werden, die den Käufern selbst nicht bekannt sind oder deren Vorhandensein sie nicht i n der Form klarer und eindeutiger Wünsche ausdrücken können. Erst dann, wenn von anderer Seite bisher unbekannte Bedürfnisse „entdeckt" werden und m i t bestimmten absatzpolitischen Gestaltungsmaßnahmen versucht wird, darauf einzugehen, werden die bisher verborgenen, oft noch nicht konkretisierten, i n weniger differenzierter Form jedoch bereits latent vorhandenen, Bedürfnisse offenkundig. Erst dann w i r d auch dem Käufer bewußt, „was er sich eigentlich schon immer gewünscht hat". Gerade die Unbekanntheit neuer, bisher nicht entdeckter Möglichkeiten oder Erklärungen ist es, die die Schätzung von Wahrscheinlichkeiten unmöglich macht, m i t denen diese Möglichkeiten und Erklärungen durch die Gewinnung bestimmter Informationen „entdeckt" werden 18 . 13. Die Identifikation der Ursachen unvollkommener Informationen als Aufgabe der Hypothesenformulierung Die Beurteilung des Gültigkeitsgrades von Aussagen, die aus M a r k t informationen gewonnen wurden, setzt gewisse Hypothesen über den Grad der Vollkommenheit bzw. über den Grad der Aussagefähigkeit der Informationen voraus, aus denen die Aussagen abgeleitet wurden. Zur Verbesserung der Gültigkeit der Aussagen müssen Hypothesen über die Ursachen formuliert werden, auf denen die Unvollkommenheit der Informationen beruht. Die Formulierung von Hypothesen über die Relevanz bestimmter Marktvariablen als Determinanten oder Indikatoren des Erfolgs absatzpolitischer Maßnahmen ist nur eine Teilaufgabe, die i n der Phase der Hypothesenformulierung i n Absatzforschungsprozessen gelöst werden muß. Die Hypothesenformulierung soll nicht nur dazu beitragen, daß relevante Informationen, sondern daß auch möglichst vollkommene oder aussagefähige Informationen gewonnen werden, aus denen möglichst eindeutige und gültige Schlußfolgerungen gezogen werden können. Deshalb müssen i n der Phase der Hypothesenformulierung Hypothesen " Vgl. Borchardt,
K., a.a.O., S. 668 f.
Einfluß er Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung über alle möglichen Ursachen unvollkommener Informationen formuliert werden. Dazu gehören neben den Hypothesen über die Relevanz oder I r relevanz von Marktvariablen auch Hypothesen über die Ursachen möglicher Verfälschungen der Informationsinhalte, d. h. über die Ursachen möglicher Ungenauigkeiten der verfügbaren Informationen, und Hypothesen über den Grad der Unvollständigkeit der verfügbaren Informationen und über die Ursachen der Unvollständigkeit. Erst wenn bekannt ist, auf welchen Ursachen Verfälschungen von Informationsinhalten beruhen können, und erst wenn man sich darüber i m klaren ist, daß bestimmte, als relevant angesehene Variablen zur Erklärung realer Sachverhalte noch nicht genügen, besteht die Möglichkeit, die Datengewinnung so zu gestalten, insbesondere die Objekte der Informationsgewinnung so zu bestimmen, daß möglichst vollständige und möglichst genaue Informationen gewonnen werden. Müssen wegen technischer Schwierigkeiten bei der Datenbeschaffung oder wegen allzu hoher Kosten der Datengewinnung eine gewisse Ungenauigkeit oder Unvollständigkeit der Informationen i n Kauf genommen werden, so läßt sich immerhin aus der Kenntnis der möglichen Ursachen der Grad der Ungenauigkeit und der Unvollständigkeit der Informationen besser abschätzen und i n Gestalt eines „Irrtumsfaktors" bei der Ableitung von Aussagen aus den Informationen berücksichtigen 17 . Die Ursachen unvollkommener Information sollten ebenso wie die Determinanten des Marktgeschehens i n ein „operationales" System gebracht werden 18 . Eine eindeutige Einteilung i n Ursachen mangelnder Relevanz, i n Ursachen mangelnder Genauigkeit und i n Ursachen mangelnder Vollständigkeit von Marktinformationen ist kaum möglich. Dagegen können die möglichen Fehlerquellen von Absatzforschungsergebnissen recht gut nach ihrem Auftreten i n den verschiedenen Phasen eines Absatzforschungsprozesses 19 gegliedert werden. Dies erscheint auch für das Lokalisieren und Aufdecken von Fehlerquellen i n der Praxis der A b satzforschung zweckmäßiger. Beispielhaft sollen i m folgenden die Gruppe der Ursachen unvollkommener Informationen, die i n der Phase der Hypothesenformulierung und die Gruppe der Ursachen, die i n der 17 Vgl. hierzu Mayer, Ch., Assessing the Accuracy of Marketing Research, in: Journal of Marketing Research, Jahrgang 1970, August, S. 285—291. 18 Vgl. zum Problem der Systematisierung der Ursachen unvollkommener Informationen: Wiese, H., Die Berücksichtigung systematischer Fehler bei Repräsentativbefragungen, in: GfM-Mitteilungen, Jahrgang 1970, Heft 1, S. 15—20. 19 Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschnitt II.
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Phase der Datengewinnung auftreten, etwas eingehender dargestellt werden. 131. In der Phase der Hypothesenformulierung
auftretende Ursachen
Unvollständigkeit von Informationen bedeutet, daß nicht über alle Variablen, die ein Ergebnis i n der Realität erklären, Informationen verfügbar sind. Wenn keine Informationen über Variablen gewonnen werden, die einen wesentlichen Einfluß auf zu erklärende und für einen Entscheidungsträger bedeutsame Ereignisse haben, so kann dies entweder darauf zurückzuführen sein, daß aus technischen Gründen keine Daten über die Variablen verfügbar sind, oder aber daß die betreffenden Variablen von vornherein bei der Formulierung der hypothetischen Erklärungsmodelle nicht berücksichtigt wurden. Die Gefahr, daß als Folge einer Formulierung unvollständiger hypothetischer Erklärungsmodelle wichtige relevante Variablen als Gegenstand der Informationsgewinnung unberücksichtigt bleiben, ist insbesondere dann gegeben, wenn die betreffenden hypothetischen Erklärungen weitgehend bedingte Erklärungen darstellen. Weitgehend bedingte Erklärungen und Erklärungsmodelle besitzen nur dann Gültigkeit, wenn relativ viele und weitgehende Bedingungen oder Prämissen erfüllt sind 20 . Ein typisches Beispiel für weitgehend bedingte Erklärungsmodelle sind die Modelle der traditionellen Preistheorie. I n ihnen werden fast ausschließlich bestimmte Verhaltensvariablen, wie z. B. bestimmte Aktionsvariablen der Anbieter und bestimmte Reaktionsvariablen der Nachfrager miteinander verknüpft, wobei die A r t und Weise der Beziehungen zwischen den Variablen nur unter einer Reihe stillschweigend angenommener oder ausdrücklich formulierter Bedingungen, insbesondere Ceteris-Paribus-Bedingungen, Gültigkeit besitzen. Typische Bedingungen sind z.B. die Bedingungen der vollkommenen M a r k t transparenz, die Bedingung des Strebens nach dem Gewinn- bzw. Nutzenmaximum sowie ein bestimmter Verlauf von Preisabsatzfunktionen als typische Ceteris-Paribus-Bedingungen 21 . Solange sowohl die Faktoren, auf denen die Bedingungen beruhen, als auch diejenigen Faktoren, die die Bedingungen i n Frage stellen könnten, nicht identifiziert und nicht bei der Formulierung der Bedin20 Vgl. hierzu: Anderson, O. jun., Problematik von Wirtschaftsprognosen und kritische Darstellung von Methoden zu ihrer Berechnung, in: Der Marktforscher, Jahrgang 1960, Heft 3, S. 64—66; Rothschild, K. W., Wirtschaftsprognose-Methoden und Probleme, Berlin, Heidelberg, New York 1969, S. 6 ff. und S. 19; Wagenführ, H., a.a.O., S. 44, Opitz, L., a.a.O., S. 13. 21 Vgl. hierzu Schneider, E., Einführung in die Wirtschaftstheorie, Bd. II, a.a.O.
Einfluß er Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung gungen berücksichtigt werden, besteht die Gefahr, daß sie als relevante Einflußfaktoren übersehen werden. Weitgehend bedingte Erklärungsmodelle sollten als Orientierungshilfe bei Entscheidungen über den Gegenstand der Informationsgewinnung nur dann Verwendung finden, wenn die Faktoren, deren Einfluß durch die Formulierung einer Bedingung zum Ausdruck gebracht wird, unbekannt sind, sich einer direkten Messung und Beobachtung entziehen, aus Kostengründen nicht Gegenstand der Informationsgewinnung sein können oder aber ihre Entwicklung und i h r Einfluß über längere Zeit hinweg unverändert bleiben, so daß kein Grund besteht, die entsprechenden Bedingungen zu überprüfen und zu ändern 22 . Ein Modell, i n dem keine einzige erklärende Variable explizit berücksichtigt w i r d und das ausschließlich auf Ceteris-Paribus-Bedingungen beruht, ist die einfache Trendextrapolation. Einfache Trendextrapolationen, wie z. B. die Ableitung von Aussagen über die zukünft i g zu erwartenden Umsätze aus den vergangenen Umsätzen 23 , sind nur unter den eben angeführten Voraussetzungen zulässig 24 . Soweit es möglich ist, sollten i n hypothetischen Erklärungsmodellen globale Bedingungen, insbesondere Ceteris-Paribus-Bedingungen, durch ausdrücklich formulierte Annahmen über den Einfluß erklärender Variablen ersetzt werden 25 . Ein besonderer Fall unvollständiger Informationen auf Grund unvollständiger Erklärungsmodelle liegt dann vor, wenn an Hand von Informationen über bestimmte Indikatorvariablen ungültige Aussagen über bestimmte Zielvariablen abgeleitet werden. Die Ungültigkeit der Aussage über die zu erwartende reale Ausprägung absatzpolitischer Zielvariablen, wie z. B. des zukünftigen Umsatzes, beruht meistens darauf, daß die Zielvariablen von anderen verursachenden Variablen beeinflußt w i r d als die Indikatorvariablen, aus deren Entwicklung Rückschlüsse auf die Zielvariablen gezogen werden. E i n typisches Beispiel für die Unvollständigkeit der Information über eine Indikatorvariable ist die ausschließliche Verwendung von Informationen über die geäußerte Meinung von Befragten zur Ableitung von Aussagen über das tatsächliche Verhalten der Befragten. Selbst dann, wenn von einem Befragten aus Uberzeugung ein positives Urteil über ein bestimmtes Produkt abgegeben wird, die Informationen über das Urteil also genau sind, w i r d der Befragte das Produkt trotzdem nicht 22 23 24 25
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Kapferer, Ch., Disch, W. K. A., Absatzprognose, a.a.O., S. 135. ebenda, S. 148 ff. Steiner, J. J., a.a.O., S. 67. Rothschild, K. W., a.a.O., S. 6 und S. 19.
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kaufen, wenn er nicht genügend Geld zur Verfügung hat, das Produkt zum Zeitpunkt der Kaufabsicht i m Handel nicht verfügbar ist oder aber das positive U r t e i l auf der Verwendung von Wertmaßstäben beruht, die nicht m i t den Wertmaßstäben identisch sind, die bei der realen Kaufentscheidung Verwendung finden 26 . Aus einer geäußerten positiven Meinung über ein Produkt kann m i t einiger Sicherheit nur dann auf den Kauf des Produkts durch den Befragten geschlossen werden, wenn das Zustandekommen der geäußerten Meinung und die reale Kaufhandlung von annähernd den gleichen Faktoren i n der gleichen Weise beeinflußt werden 27 . Ebenso kann aus dem Umsatz auf einem Testmarkt nur dann m i t einiger Sicherheit und relativ eindeutig auf den Umsatz auf dem Gesamtmarkt geschlossen werden, wenn auf dem Testmarkt und auf dem Gesamtmarkt annähernd die gleichen Faktoren wirken, wenn also der Testmarkt für den Gesamtmarkt repräsentativ ist. Ein typisches Beispiel für die Gewinnung unvollkommener Informationen als Folge falscher Vorstellungen über die i n der Realität w i r k samen Einflußfaktoren ist die Gewinnung von Informationen aus Stichproben von potentiellen Käufern, deren Struktur auf Grund systematischer Auswahlfehler von der Struktur der realen Grundgesamtheit der effektiven Käufer abweicht 28 . Der Identifikation einer durch bestimmte Strukturmerkmale gekennzeichneten Käufergruppe als Zielgruppe absatzpolitischer Maßnahmen liegt immer ausdrücklich oder stillschweigend die Annahme zugrunde, daß der positive Erfolg der betreffenden Maßnahmen von den besonderen Strukturmerkmalen der Gruppe verursacht wird. Es liegt nahe, zur Beurteilung der realen Erfolgsaussichten der betreffenden absatzpolitischen Maßnahmen Informationen über die Ausprägungen bestimmter Marktvariablen aus einer Stichprobe zu gewinnen, die auf Grund bewußter Schichtung und Quotenbildung i n ihrer Struktur der Gruppe gleicht, von der angenommen wird, daß ihre Reaktionen für den Erfolg der absatzpolitischen Maßnahmen ausschlaggebend sind 29 . * Vgl. Wolf, H. E., Sevlund, M. D., Soldan, U. N., a.a.O., S. 99. Vgl. Stroschein, F. R., Die Verfälschung von Umfrageergebnissen der demoskopischen Marktforschung durch inkonsistente Angaben der Auskunftspersonen, in: GfM-Mitteilungen, Jahrgang 1967, Heft 1, S. 27. 88 Vgl. Wiese, H., a.a.O., S. 16; Buttler, G., Fehlerquellen erkennen, die Unsicherheit einschränken, in: die Absatzwirtschaft, Jahrgang 1967, 1. Märzausgabe, S. 282 ff. w Vgl. hierzu: Fromm, N., Die richtige Stichprobe in der ProduktivgüterMarktforschung, in: die Absatzwirtschaft, Jahrgang 1964, 1. und 2. August17
Einfluß er Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung Wenn nun aber die Struktur der Gruppe, von der der Erfolg der Maßnahmen i n der Realität tatsächlich abhängt, von der Struktur der hypothetischen Zielgruppe und damit von der Struktur der Stichprobe abweicht, werden wahrscheinlich auch Informationen über Verhaltensmerkmale i n der Stichprobe nicht die tatsächlichen Reaktionen i n der Grundgesamtheit der effektiven Käufer widerspiegeln. Damit werden aber auch die Schlüsse, die aus den verfügbaren Informationen auf den tatsächlich zu erwartenden Erfolg gezogen werden, falsch sein 30 . 132. Durch die Erhebung bedingte Ursachen Bei der Durchführung der Informationsgewinnung ist eine ganze Reihe von Faktoren wirksam, die die Genauigkeit der Informationen beeinträchtigen. Das Wirksamwerden dieser Faktoren w i r d ausschließlich durch die Maßnahmen der Datenerhebung bedingt. a) Bei der Durchführung der Datengewinnung auftretende Auswahlfehler Neben falschen, hypothetischen Annahmen über die tatsächliche Zusammensetzung einer Grundgesamtheit, z. B. über die tatsächliche Zusammensetzung der Gruppe der effektiven Käufer eines bestimmten Produkts, führen Zufallsauswahlfehler und fehlende Antworten der in die Stichprobe der zu Befragenden einbezogenen Personen zu nicht repräsentativen Stichprobenstrukturen. Verzerrungen durch fehlende A n t worten 3 1 werden besonders bei schriftlichen Befragungen und bei Befragungen von Personen oder Firmen m i t einer allgemein geringen A n t wort« bzw. Auskunftsbereitschaft ins Gewicht fallen. Der Zufallsauswahlfehler 3 2 w i r d u m so geringer, je größer die Stichprobe i m Vergleich zur interessierenden tatsächlichen Grundgesamtheit ist. Werden Informationen über bestimmte Marktvariablen, z. B. über den A n t e i l der ein Produkt positiv beurteilenden Käufer, durch Erhebungen bei allen Käufern des Produkts, also bei allen Mitgliedern der so definierten Grundgesamtheit, gewonnen, so scheidet der Zufallsauswahlfehler als Ursache für unvollkommene Informationen aus. ausgabe, S. 874 ff.; Kellerer, H., Zur Festlegung von Untersuchungsgesamtheiten in der empirischen Marktforschung, in: GfM-Mitteilungen, Jahrgang 1961, Heft 2, S. 29—35, insbes. S. 34. 30 Vgl. Adler, M., Die Stichprobenauswahl und das Interviewen in der Marktforschung für Investitionsgüter, in: Der Marktforscher, Jahrgang 1961, Heft 6, S. 213—216; McClure, P. J., Ryans, J. K., Différences between Retailers and Consumers Perceptions, in: Journal of Marketing Research, Jahrgang 1968, Februar, S. 35-40. 31 Vgl. Mayer, Ch., a.a.O., S. 288, Buzzell, R. D., Cox, D. F., Brown, R. V., Marketing Research, a.a.O., S. 36. 32 Vgl. Wiese, H., a.a.O., S. 15.
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b) Abweichungen der Erhebungssituation von der realen Situation 3 3 Entspricht eine geäußerte Meinung nicht der tatsächlichen Meinung der Befragten oder entspricht eine geäußerte Kaufabsicht nicht dem tatsächlichen Kaufverhalten, so ist dies meist darauf zurückzuführen, daß die Situation der Informationsgewinnung sich wesentlich von der realen Situation, i n der eine bestimmte Meinung besteht oder i n der ein bestimmtes Kaufverhalten praktiziert wird, unterscheidet. Als Erhebungssituation oder Situation der Informationsgewinnung kann die Gesamtheit der Faktoren bezeichnet werden, die während einer einfachen Befragung oder Beobachtung oder während einer experimentellen Befragung oder Beobachtung i n einem Test das Verhalten der befragten und beobachteten Personen determinieren. Eine Ursache für die Verschiedenartigkeit zwischen den i n der Realität und den i n der Situation der Informationsgewinnung wirksamen Faktoren sind bei einer zeitlichen Verschiedenheit der Situation der Informationsgewinnung und der interessierenden realen Situation die Veränderungen verschiedener Verhaltensdeterminanten i m Zeitablauf 34 . Diese Veränderungen sind als Ursachen unvollkommener Information immer dann zu berücksichtigen, wenn aus Informationen über M a r k t variablen, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt gewonnen wurden, auf die tatsächlichen Ausprägungen der betreffenden Variablen i n einem zukünftigen Zeitpunkt geschlossen werden soll. Beispiele sind der Schluß aus geäußerten Kaufabsichten und Kaufplänen auf ein tatsächliches Kaufverhalten i n der Zukunft sowie der Schluß von einem Testmarktergebnis auf den zu erwartenden Umsatz auf dem Gesamtmarkt. Auch wenn eine Erhebungssituation weitgehend der gegenwärtig realen Situation angeglichen werden könnte, z. B. durch die Wahl eines repräsentativen Testmarkts oder durch die Simulation einer wirklichkeitsgetreuen Kaufsituation bei einem Produkttest, so können doch niemals unvorhersehbare Veränderungen i n der Realität berücksichtigt werden. Abgesehen davon sind der Angleichung der Situation der Informationsgewinnung an bekannte, reale Situationen Grenzen gesetzt. I n der Situation der Informationsgewinnung kann vor allem auf die Maßnahmen zur Informationsgewinnung ex definitione nicht verzichtet werden. Z u diesen Maßnahmen gehört die Gegenwart eines Beobachters oder eines Interviewers 35 . 33 Vgl. Brandstätter, H., a.a.O., S. 57; Dworak, K., Experimentelle Versuchsanlagen in der Absatzforschung, in: GfM-Mitteilungen, Jahrgang 1969, Heft 3, S. 85; Gabor, A., Granger, C. W. J., Sowter, A. P., Real and Hypothetical Shop Situations in Market Research, in: Journal of Marketing Research, Jahrgang 1970, August, S. 355—359; Opitz, L., a.a.O., S. 74 ff. 34 Vgl. Dworak, K., a.a.O., S. 85. 35 Vgl. ebenda, S. 86; Wiese, H., a.a.O., S. 18.
13 Kopp
Einfluß er Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung Eine Möglichkeit, i n der Situation der Informationsgewinnung reale Bedingungen zu simulieren, besteht darin, den Befragten Informationen über tatsächliche reale Bedingungen zu geben und sie dann zu fragen, wie sie sich unter diesen Bedingungen verhalten würden. Die Genauigkeit der Informationen kann jedoch durch derartige Hinweise nur dann gesteigert werden, wenn die Hinweise dem Befragten glaubhaft erscheinen und entsprechend intensiv sind, so daß er i n der Lage ist, sich die so simulierte Realität w i r k l i c h vorzustellen 36 . c) I n der Person des Befragten liegende Ursachen ungenauer Informationen Entsprechend den personenendogenen Variablen, die das Kaufverhalten determinieren, lassen sich auch Faktoren bestimmen, die i n der Person des Befragten liegen und sein Verhalten bei der Befragung beeinflussen. Zur Erklärung des Verhaltens der Befragten i n der Situation der Informationsgewinnung und damit zur Bestimmung der Ursachen ungenauer oder falscher Antworten müssen neben den spezifischen, von der Realität abweichenden Bedingungen der Situation der Informationsgewinnung auch die personenendogenen Determinanten des Verhaltens i n dieser Situation bekannt sein. Wie die W i r k u n g der personenendogenen Determinanten des Kaufverhaltens, so hängt auch die W i r k u n g der personenendogenen Determinanten des Antwortverhaltens ihrerseits wiederum von personenexogenen Variablen, wie z. B. den besonderen Bedingungen der Situation der Informationsgewinnung oder dem Gegenstand der Befragung, ab. Ob und inwieweit beispielsweise das Geltungsstreben einen Befragten zu falschen Antworten veranlaßt, kann unter anderem vom Gegenstand der Befragung und vom Verhalten des Interviewers abhängen. Eine erste, i n der Person des Befragten liegende Ursache für falsche oder ungenaue Antworten ist die mangelnde Fähigkeit des Befragten, sich selbst zu analysieren und sich über die Meinungen, Gefühle, Urteile und Wünsche klar zu werden, nach denen er gefragt w i r d 3 7 . Begleiterscheinungen oder Folgen dieses Mangels sind Schwierigkeiten bei der Formulierung von Antworten über Meinungen oder Anmutungserlebnisse, nach denen z.B. i m Zusammenhang m i t einem Produkt oder Werbemitteltest gefragt wird. Oft entsprechen die Antworten nicht dem, was der Befragte tatsächlich denkt oder fühlt, ohne daß dies vom Befragten gewollt wird. Insbesondere können unbewußte Einstellungen und Wünsche, die das Kaufverhalten steuern, vom Befragten nicht ohne 36 37
Vgl. Opitz, L., a.a.O., S. 65—74. Vgl. Jaspert, F., Methoden zur Erforschung der Werbewirkung, Stuttgart 1963, S. 265.
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Assoziations- oder Formulierungshilfe durch einen psychologisch geschulten Interviewer „verbalisiert" werden 38 . Oft werden vom Befragten Dinge, die für i h n Selbstverständlichkeiten geworden und deshalb i n seinem Bewußtsein kaum mehr gegenwärtig sind, i n seinen Antworten unterschlagen 39 , obwohl sie wichtige Informationen zur Vorbereitung absatzpolitischer Entscheidungen wären. So ist es z. B. denkbar, daß bei der Beurteilung eines Produkts, dessen positive Eigenschaften nicht eigens erwähnt werden, da sie als Selbstverständlichkeiten angesehen werden, einige Mängel dagegen überbetont werden, die zwar Ansatzpunkte zur K r i t i k bieten, das Verhalten des Käufers i n der realen Kaufsituation jedoch kaum beeinflussen. Neben der mangelnden Fähigkeit zur Selbstanalyse ist die mangelnde Fähigkeit zur Prognose des eigenen Verhaltens ein weiterer Grund für ungenaue Informationen 40 . Die mangelnde Fähigkeit zur Prognose des eigenen Verhaltens kommt bei der direkten Befragung über zukünftiges Kaufverhalten, also über Kaufpläne oder Kaufabsichten, als Fehlerquelle i n Frage. Die mangelnde Fähigkeit zur Selbstprognose kann zurückgeführt werden auf unklare oder fehlende Vorstellungen über Pläne und Absichten, auf ein mangelndes Vermögen, sich zukünftige Situationen vorzustellen, oder auf einen relativ geringen Einfluß von Gewohnheiten und Erfahrungen auf ein bestimmtes, zukünftiges Verhalten 4 1 . Unter diesen Voraussetzungen sind Impulsverhalten und zufallsgesteuertes Verhalten sehr häufig zu beobachten. Diese A r t von Verhalten ist jedoch kaum zu prognostizieren 42 . Weitere personenendogene Variablen, die oft wesentlich zur Verfälschung von Befragungsergebnissen beitragen, sind Triebe m i t sozialer Thematik. Befragungssituationen sind soziale Situationen, i n denen die Gegenwart eines Interviewers das Verhaltens der Befragten mehr oder minder stark beeinflußt. Das Bestreben, m i t den eigenen A n t w o r ten den Erwartungen des Interviewers entgegenzukommen und damit die Zuneigung des Interviewers zu gewinnen, kann einer der sozialorientierten Triebe sein, die ein Befragungsergebnis verfälschen 43 . U m 38
Vgl. Kover, A. J., Models of Man as Defined by Marketing Research, in: Journal of Marketing Research, Jahrgang 1967, Mai, S. 131. 39 Vgl. Lohmeier, F., Zur Bewertung quantitativer Befragungsergebnisse, in:4 0Der Marktforscher, Jahrgang 1960, Heft 4, S. 94. Vgl. Opitz, L., a.a.O., S. 47. 41 Vgl. ebenda, S. 42 ff. und S. 47 ff. 42 Vgl. Biervert, B., Strümpe, B., Prognosen aus Konsumentenstimmungen, in:4 3Der Volkswirt, Jahrgang 1969, Heft 35, S. 34. Vgl. Berth , R., Die abgesicherte Konzeption, a.a.O.; Haedrich, G., Erwartungen der Auskunftspersonen als Verzerrungsfaktoren demoskopischer Untersuchungen, in: GfM-Mitteilungen, Jahrgang 1963, Heft 1, S. 25—28. 13*
Einfluß er Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung die Wirkung dieses Strebens soweit wie möglich auszuschließen, sollte sich der Interviewer möglichst erwartungsneutral verhalten und insbesondere nicht zu erkennen geben, daß er einer ganz bestimmten Meinung ist. Das Prestige- oder Geltungsstreben ist ein weiterer Trieb, der zu unwahren Angaben verführt 4 4 , besonders wenn der Befragungsgegenstand i n den Augen der Befragten einen Ansatzpunkt für eine soziale Bewertung darstellt, wie etwa die Höhe des Einkommens. Das Streben nach Konformität m i t sozialen Normen kommt i n A n t worten zum Ausdruck, die nichts anderes als sozial akzeptierte Scheinbegründungen oder Rationalisierungen darstellen 45 . Bei Fragen nach den Gründen für ein bestimmtes Kaufverhalten werden derartige Scheinbegründungen bewußt oder unbewußt meist dann gegeben, wenn die wahren Gründe nicht m i t sozialen Normen zu vereinbaren sind. E i n Ausdruck für das Streben nach Normkonformität sind auch A n t worten, i n denen sich der Befragte m i t der Gruppe oder sozialen Schicht, der er angehört, implizit dadurch solidarisch erklärt, daß er sich zu bestimmten gruppen- oder klassenspezifischen Verhaltensweisen bekennt, obwohl er sich i n der Realität anders verhält. Weitere wesentliche personenendogene Ursachen ungenauer oder falscher Antworten sind mangelndes Wissen über den Befragungsgegenstand 46 , insbesondere mangelnde Vertrautheit m i t dem Produkt oder dem Problem, über das Auskunft erteilt werden soll 47 , die Bequemlichkeit 4 8 der Befragten sowie Mißverständnisse zwischen Befragten und Interviewer 4 9 . d) Die Gestaltung der Befragung als Ursache unvollkommener Informationen 5 0 Wie stark und i n welcher A r t und Weise bestimmte personenendogene Variablen zur Verfälschung von Antworten beitragen, hängt wesentlich von der Gestaltung der Befragung, insbesondere vom Gegenstand der Befragung, von der Formulierung der Fragen und von der Reihenfolge 44
Vgl. Wiese, H., a.a.O., S. 19. Vgl. Fichtner, H. E., Weiß der Verbraucher was er tut?, in: die Absatzwirtschaft, Jahrgang 1960, Oktober, S. 542 f.; Kover, A. J., a.a.O., S. 130. 46 Vgl. Lohmeier, F., a.a.O., S. 92. 47 Vgl. Flögel, H., Die Bedeutung des Überzeugungsgrades bei Urteilen im Befragungsprozeß, in: Der Marktforscher, Jahrgang 1966, Heft 2, S. 52; Kover, A. J., a.a.O., S. 130. 48 Vgl. Fichtner, H. E., a.a.O., S. 543. 49 Vgl. Buzzell, R. D., Cox, D. F., Brown, R. V., Marketing Research, a.a.O., S. 142. 50 Vgl. hierzu Wiese, H., a.a.O., S. 17; Sommer, J. W., a.a.O., S. 28. 45
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der Fragen ab 51 . Es wurde bereits gesagt, daß bei Befragungsgegenständen, die als Ansatzpunkte für eine soziale Bewertung dienen könnten, der Einfluß von Trieben m i t sozialer Thematik besonders stark ist. Bei Fragen über Sachverhalte aus dem Intimbereich des Befragten ist unter Umständen m i t einem starken Abwehrverhalten des Befragten zu rechnen 52 . Inwieweit Antworten durch die W i r k u n g sozialorientierter Triebe oder durch die manelnde Formulierungsfähigkeit der Befragten beeinflußt werden, hängt davon ab, ob die Fragen direkt oder indirekt formuliert sind bzw. die Antwortmöglichkeiten von vornherein beschränken oder nicht 53 . e) Registrierungs-, Meß- und Beobachtungsfehler 54 Die letzte Gruppe von Ursachen unvollkommener, speziell ungenauer Informationen, die durch die Erhebung bedingt sind, umfassen Fehler bei der Messung und Beobachtung, speziell Fehler beim Registrieren der Antworten durch den Interviewer. 14. Möglichkeiten zur Steigerung der Aussagefähigkeit von Indikatorvariablen Die Aussagen, die i n der Absatzforschung aus Informationen über die Ausprägung oder die Entwicklung bestimmter Indikatorvariablen abgeleitet werden, haben meist hypothetischen Charakter. Bei der Beurteilung der Aussagefähigkeit einer Indikatorvariablen und bei der Suche nach Möglichkeiten einer Verbesserung der Aussagefähigkeit von Indikator variablen müssen die jeweiligen Sachverhalte berücksichtigt werden, über die eine Indikatorvariable etwas aussagen soll. Die Eignung ökonomischer und außerökonomischer Indikatorvariablen zur Ableitung gültiger Schlußfolgerungen auf den i n der „Realität" zu erwartenden Erfüllungsgrad absatzpolitischer Ziele ist die eine, generelle A r t der Aussagefähigkeit, die i n der Absatzforschung von Indikatorvariablen vor allem erwartet wird 5 5 . 51 Vgl. Lohmeier, F., Zur Reihenfolge der Fragen im Fragebogen, in: Der Marktforscher, Jahrgang 1962, Heft 1, S. 13—16. 52 Vgl. Merk, G., Probleme von Befragungen in der Intimsphäre, in: Der Marktforscher, Jahrgang 1966, Heft 2, S. 60. 53 Vgl. Blume, H., Psychologische Testmethoden im Dienst der Werbeforschung und der Produktgestaltung, in: Der Marktforscher, Jahrgang 1963, S. 74 ff.; Stoschein, F., Spezielle Vorzüge der standardisierten Befragungsmethode in der demoskopischen Marktforschung, in: Der Marktforscher, Jahrgang 1963, Heft 5, S. 127. 54 Vgl. Brandstätter, H., a.a.O., S. 53 und S. 61. 55 Vgl. Buzzell, R. D., Cox, D. F., Brown, R. V., Marketing Research, a.a.O., S. 137.
Einfluß er Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung Neben der Ableitung von Aussagen über den Erfüllungsgrad absatzpolitischer Ziele dienen Informationen über ökonomische oder außerökonomische Indikatorvariablen zur Ableitung von Aussagen über die Ursachen, von denen die Ausprägungen oder die Entwicklungen der Indikatorvariablen abhängen 56 . Der Schluß von negativen Entwicklungen bestimmter Indikatorvariablen, wie z. B. von Umsatzrückgängen i n einer bestimmten Region oder von negativen Verbraucherurteilen über ein Produkt, auf die Ursachen dieser Entwicklungen ist dann unproblematisch, wenn die Ursachen für die Entwicklungen evident oder auf Grund von Erfahrungen allgemein bekannt sind. Liegen jedoch die U r sachen von vornherein nicht auf der Hand, so ist darauf zu achten, daß aus bestimmten Ausprägungen und Entwicklungstendenzen von Indikatorvariablen nicht voreilige und einseitige Schlüsse auf die Wirkung bestimmter Faktoren gezogen werden. Es darf z.B. aus sogenannten „zufallsbedingten" kurzfristigen Schwankungen der Ausprägungen bestimmter Indikatorvariablen nicht sofort auf langfristig wirksame, tiefgreifende Problemursachen geschlossen werden. Sollen aus unbefriedigenden Entwicklungen bzw. aus unbefriedigenden Ausprägungen von Indikatorvariablen, an Hand derer der Erfolg absatzpolitischer Maßnahmen beurteilt oder kontrolliert werden kann, auf die Ursachen der Entwicklungen bzw. Ausprägungen geschlossen werden, so w i r d dies am ehesten an Hand relativ homogener Indikatorvariablen möglich sein. U m z. B. alle Faktoren zu bestimmen, die den Gesamtumsatz eines Unternehmens beeinflussen, w i r d es i n der Regel notwendig sein, die Variable „Gesamtumsatz" zu spezifizieren und nach den Faktoren zu fragen, von welchen z.B. der Umsatz der einzelnen Produkte abhängt 57 . Eine relativ spezifische Indikatorvariable erlaubt nicht nur eine leichtere und präzisere Eingrenzung der sie beeinflussenden Faktoren, sondern auch die Formulierung relativ eindeutiger Aussagen über die A r t der Beeinflussungen 58 . Dazu folgendes Beispiel: Der Umsatz eines bestimmten Produktes aus einer Produktgruppe kann von einem bestimmten Faktor negativ, der Umsatz eines anderen Produktes aus der gleichen Produktgruppe kann von dem gleichen Faktor positiv beeinflußt werden. Es ist denkbar, daß eine Preissenkung bei einem Produkt, das als „billiges Produkt" konzipiert wurde, zu Umsatzsteigerungen führt und daß eine Preissenkung u m den gleichen Prozentsatz bei einem Produkt aus der gleichen Produktgruppe u n d für 56 Vgl. Kühn, R., Möglichkeiten rationaler Entscheidung im Absatzsektor, a.a.O., S. 182 f., S. 256. 57 Vgl. Steiner, J. J., a.a.O., S. 37 f. 58 Vgl. dazu den Begriff „Trennschärfe von Testvariablen" u. a. bei Brandstätter, H., a.a.O., S. 20 ff.
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den gleichen Verwendungszweck, das aber als „teures Produkt" konzipiert wurde, Umsatzrückgänge hervorruft. Der Grund für den Umsatzrückgang kann darin liegen, daß die Käufer dieses Produkts hohe Preise m i t Qualität und Exklusivität assoziiert haben. Die ausschließliche Untersuchung der Wirkung der Preissenkung auf den Umsatz der gesamten Produktgruppe würde keine Trennung i n positive und negative Wirkungen auf die Umsätze der einzelnen Produkte erlauben. M i t Hilfe der begrifflichen Zerlegung ist eine Trennung sowohl i n spezifische Einflüsse eines Faktors auf die einzelnen Komponenten der abhängigen Indikatorvariablen als auch i n Faktoren, die jeweils nur die eine oder die andere Komponente beeinflussen, möglich. Diese Trennung ist eine Voraussetzung für die vollständige Erklärung und damit auch für die genaue Prognose der Entwicklung der Indikatorvariablen. Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, relativ globale Indikatorvariablen begrifflich i n relativ homogene oder trennscharfe Komponenten zu zerlegen. Variablen, die als Indikatoren des Erfolgs absatzpolitischer Maßnahmen angesehen werden können, lassen sich zunächst ausgehend von den verschiedenen Merkmalen oder Bestandteilen einer absatzpolitischen Alternative spezifizieren. Dies gilt sowohl für die ökonomischen als auch für die außerökonomischen Indikatoren. Der Gesamtumsatz als ökonomische Indikatorvariable läßt sich z.B. nach einzelnen Produkten oder Produktgruppen spezifizieren. Diese Spezifizierung ist vor allem dann notwendig, wenn die einzelnen Produkte oder Produktgruppen unterschiedlichen Zwecken dienen oder von jeweils unterschiedlichen Käufergruppen nachgefragt werden. Unter diesen Umständen w i r d der Umsatz jedes Produkts und jeder Produktgruppe von jeweils unterschiedlichen Faktoren und Einflußbeziehungen abhängen und damit auch jeweils nur gesondert an Hand der erwarteten Veränderungen der relevanten Faktoren prognostiziert werden können 59 . Meinungen als außerökonomische Indikatoren sollten, wenn möglich, nicht allein über globale absatzpolitische Gestaltungsmaßnahmen, sondern auch über die einzelnen Merkmale oder Bestandteile der Maßnahmen erfragt werden. Neben der globalen Meinung über ein neues Produkt müssen die spezifischen Meinungen über Formgebung, Farbe, Material und Funktionstüchtigkeit des Produkts erfragt werden. Bei Imageuntersuchungen ist es besonders wichtig, nicht allein das Image festzustellen, das ein Verbraucher von bestimmten Produkten 59
Vgl. Steiner, J. J., a.a.O., S. 32 u. S. 37 f.
Einfluß er Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung hat, sondern auch das Image der betreffenden Produktgattung und das Firmenimage des betreffenden Herstellers. Nur dann, wenn es sich herausstellt, daß das Image des Produkts relativ schlecht, das der Produktgattung und das des Herstellers relativ gut ist, können Merkmale des Produkts m i t einiger Sicherheit als Ursachen für das schlechte Produktimage angesehen werden 60 . Die Spezifizierung von Indikatorvariablen kann nun zusätzlich auch von nachfrageendogenen Faktoren ausgehen 61 . Der Umsatz eines Produkts verteilt sich oft auf die unterschiedlichsten Kundengruppen m i t den unterschiedlichsten Verwendungszwecken für das Produkt. Folgendes Beispiel 62 zeigt die Bedeutung einer Spezifizierung der Umsätze nach differenzierten Kundengruppen für die Isolierung bestimmter Einflußfaktoren sehr deutlich: Angenommen, die W i r k u n g einer Fernsehwerbung auf die Umsätze eines Produktes sollte durch Panelerhebungen über die Einkäufe des Produkts bei Hausfrauen kontrolliert werden. Stellt sich heraus, daß die Umsätze bei Fernsehzuschauerinnen wesentlich höher sind als die Umsätze bei Nicht-Fernsehzuschauerinnen, so kann noch nicht von vornherein auf eine starke Wirkung der Fernsehwerbung geschlossen werden, wenn sich die beiden Gruppen i n anderen Merkmalen unterscheiden. Wenn die Gruppe der Fernsehzuschauerinnen prozentual mehr ältere Frauen enthält als die Gruppe der Nicht-Fernsehzuschauerinnen, so liegt der Schluß nahe, daß die Variable „ A l t e r " neben dem Faktor „Fernsehwerbung" den Umsatz des Produkts positiv beeinflußt hat. Erst eine weitere Differenzierung des Umsatzes sowohl nach dem Merkmal „ A l t e r " als auch nach dem Merkmal „Fernsehzuschauerin" erlaubt eine Isolierung des eigentlich wirksamen Faktors. Durch den Vergleich der Umsätze bei fernsehenden älteren Hausfrauen und bei fernsehenden jüngeren Hausfrauen sowie bei nicht-fernsehenden älteren und nichtfernsehenden jüngeren Hausfrauen kann der Faktor „Fernsehwerbung" als verursachende Variable identifiziert werden, wenn i n beiden Vergleichen der Umsatz bei Fernsehzuschauerinnen jeweils höher liegt. Eine Differenzierung der Umsätze sowohl nach Produkten als auch nach Kundengruppen dient vor allem der Feststellung der unterschiedlichen Präferenzen für die verschiedenen Produkte bei unterschied60 Vgl. Wolf, H. E., Methodologische und empirische Probleme der Imageforschung, in: GfM-Mitteilungen, Jahrgang 1963, S. 13; Wilson, A., Industrial Marketing Research in Britain, in: Journal of Marketing Research, Jahrgang 1969, Februar, S. 21. 61 Vgl. Klanfer, J., Modelldenken in der Werbeforschung, in: Der Marktforscher, Jahrgang 1965, September, S. 197—202. 62 Vgl. Schreiber, K , Realitätsferne Ergebnisse demoskopischer Experimente durch Verwechslung von Faktorengleichsetzung und Faktoren-Isolierung, in: GfM-Mitteilungen, Jahrgang 1962, Heft 1, S. 32—35.
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liehen Kunden. Eine Differenzierung des Umsatzes eines bestimmten Produktes nach verschiedenen Kundengruppen erlaubt es, die Käuferstrukturen für das betreffende Produkt festzustellen, sie m i t den Käuferstrukturen anderer Produkte zu vergleichen und aus dem Vergleich Schlüsse auf den Einfluß der Besonderheiten der verschiedenen Produkte auf festgestellte Unterschiede i n den Käuferstrukturen zu ziehen 63 . Die Spezifizierung von ökonomischen Indikatoren findet dort ihre Grenzen, wo die Entwicklung relativ globaler Größen leichter prognostiziert werden kann, als dies bei den einzelnen spezifischen Komponenten der globalen Indikatorvariablen möglich wäre. Das ist immer dann der Fall, wenn sich die unterschiedlichen Entwicklungen der einzelnen Komponenten weitgehend kompensieren und alle Komponenten von einem oder mehreren gemeinsamen Faktoren i n der gleichen Weise beeinflußt werden. So lassen sich beispielsweise die Umsatzentwicklungen von Produktgruppen oder Branchen leichter prognostizieren als die Umsatzentwicklungen einzelner Produkte innerhalb der Gruppe oder innerhalb der Branche, wenn die Produkte relativ gleichartig sind und auch dem gleichen Zweck dienen 64 . Die Spezifizierung von außerökonomischen Indikatoren, vor allem die Spezifizierung von geäußerten Meinungen an Hand differenzierter Merkmale und Bestandteile absatzpolitischer Maßnahmen, wie etwa bestimmter Produkte, findet dort ihre Grenze, wo die Beurteilung der Maßnahme, z. B. der Produkte, durch den Käufer i n der Realität nicht so sehr an Hand einzelner Merkmale, sondern an Hand des Zusammenwirkens oder der Gesamterscheinung der Bestandteile oder Merkmale erfolgt 65 . Von der Spezifizierung abhängiger Variablen ist die Zerlegung der Variablen i n ihre funktionalen Komponenten zu unterscheiden. Die funktionalen Komponenten stehen zu einer bestimmten globalen Variablen i n einer funktionalen Beziehung, die definitorischen Charakter hat. D. h. die Variable ist durch ihre Komponenten und durch die Beziehungen zwischen den Komponenten definiert. I n der angelsächsischen Literatur ist die Zerlegung von globalen Zielvariablen i n ihre 63 Vgl. Meyer, W., Fischer, M., Modell einer Konkurrenzanalyse in der Investitionsgüterindustrie, in: Der Marktforscher, Jahrgang 1967, Heft 8, S. 222—228. 64 Vgl. Knetschaureh, F., Langfristige Marktprognosen und Investitionspolitik, in: GfM-Mitteilungen, Jahrgang 1960, Heft 2, S. 17—22. 65 Vgl. Besmer, H. J., Was ist Ursache, was ist Wirkung, in: die Absatzwirtschaft, Jahrgang 1968, 1. Juniausgabe, S. 47—50.
Einfluß er Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung funktionalen Komponenten, die den Charakter von Subzielen haben, unter der Bezeichnung „decomposition" bekannt 66 . Für die Zerlegung von Indikatorvariablen aus dem Absatzbereich in ihre funktionalen Komponenten lassen sich die verschiedensten Beispiele anführen. Der Beitrag, den ein Produkt als Bestandteil des A n gebotsprogramms zur Deckung der fixen Kosten und zur Erzielung von Gewinn i m Lauf einer Wirtschaftsperiode leistet, also der Deckungsbeitrag des Produkts, ist definiert als die Differenz zwischen dem Umsatz des Produkts und den Kosten, die dem Produkt direkt zurechenbar sind 67 . Die funktionalen Komponenten der Indikatorvariablen „Dekkungsbeitrag" sind also der Umsatz und die direkt zurechenbaren Kosten, die Funktion selbst ist eine Differenzbeziehung. Der Umsatz läßt sich wiederum i n die Komponenten „verkaufte Stückzahl" und „Verkaufspreis pro Stück" zerlegen, welche durch Multiplakition funktional miteinander verknüpft werden. Die Zahl der verkauften Stücke läßt sich schließlich i n die Komponenten „Zahl der effektiven Käufer" und „Zahl der von jedem Käufer gekauften Produkte" zerlegen 68 . Auch die Zerlegung von Indikatorvariablen i n ihre funktionalen Komponenten dient der Lokalisierung von verursachenden Faktoren. Aus einem Rückgang der Zahl der Kunden und einer gleichbleibenden abgesetzten Menge bei den verbleibenden Kunden lassen sich die vermutlichen Ursachen eines Umsatzrückganges eher lokalisieren, als wenn nur Informationen über die Umsatzentwicklung schlechthin vorhanden gewesen wären. Neben der Zerlegung von Indikatorvariablen i n ihre begrifflichen Komponenten kann eine Substitution von Informationen über ökonomische Indikatorvariablen durch Informationen über außerökonomische Indikatorvariablen oft zu eindeutigeren und gültigeren Aussagen über verursachende Variablen führen, ökonomische Indikatorvariablen eignen sich deshalb nur bedingt zur Beurteilung der Wirkungen einzelner absatzpolitischer Maßnahmen, w e i l sie durch eine ganze Reihe von Variablen beeinflußt werden, deren Wirkungen i n der Realität nicht isoliert werden können 69 . Umsatzsteigerungen lassen sich bekanntlich nur sehr schwer einzelnen absatzpolitischen Maßnahmen, wie z.B. einzelnen Werbemaßnahmen, zurechnen. Außerökonomische Indikatorvariablen haben oft nicht nur den Vorteil, daß i n ihnen bestimmte verursachende Variablen eindeutiger sichtbar werden, sondern daß sie auch 68 Vgl. S.634. 7 Vgl. 68 Vgl. 69 Vgl. S. 31.
Buzzell, R. D., Cox, D. F., Brown, R. V., Marketing Research, a.a.O., Nieschlag, R., Dichtl, E., Hörschgen t H., Marketing, a.a.O., S. 437. Stern, M., Marketing Planung, a.a.O., S. 60. Buzzell, R. D., Cox, D. F., Brown, R.V., Marketing Research, a.a.O.,
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schneller die negativen Wirkungen bestimmter Variablen signalisieren, als dies bei den ökonomischen Variablen der Fall ist. Aus Urteilen der Verwender über ein Produkt können die i n den Augen der Verwender negativen Eigenschaften eines Produkts bereits zum Ausdruck kommen, noch ehe sich der Einfluß dieser negativen Eigenschaften i n den Umsätzen niederschlägt. Bei bestimmten außerökonomischen Indikatorvariablen ist die Grenze zwischen verursachender Variablen und Indikatorvariablen kaum mehr zu ziehen. Das Image, das ein bestimmtes Produkt bei einem Käufer hat, ist zweifellos eine Determinante seines tatsächlichen Kaufverhaltens. Ebenso dient das Image, wenn es z. B. i n Gestalt eines i n einer Imageanalyse ermittelte Polaritätsprofils vorliegt, als Indikator für ein zu erwartendes Käuferverhalten und damit als Indikator für den ökonomischen Erfolg des betreffenden Produkts 7 0 . Ein negatives Image kann also zugleich Ursache und Indikator für einen unbefriedigenden Erfüllungsgrad ökonomischer Ziele sein. Eine wesentliche Voraussetzung dafür, u m an Hand ökonomischer oder außerökonomischer Indikatorvariablen Probleme rechtzeitig erkennen und auf die Problemursachen schließen zu können, ist die Verfügbarkeit von Informationen über die Entwicklung der Indikatorvariablen innerhalb eines längeren Zeitraums. A n Hand der Daten über die Entwicklung meherer Indikatorvariablen und auf Grund eines Vergleichs der Entwicklungen verschiedener Indikatorvariablen können die Ursachen unbefriedigender Entwicklungen viel leichter lokalisiert werden, als wenn nur Daten über wenige oder nur über jeweils eine bestimmte Ausprägung der verschiedenen Indikatorvariablen zur Verfügung stehen würde 7 1 . Beispielsweise w i r d aus einem Vergleich der Entwicklung des Branchenumsatzes oder der Produktgruppenumsätze m i t der Umsatzentwicklung eines bestimmten Produkts klar, ob die Ursachen für eine unbefriedigende Entwicklung des Umsatzes des betreffenden Produkts allein i n dem betreffenden Produkt liegen oder aber die gesamte Produktgruppe bzw. die gesamte Branche betreffen 72 . I m übrigen erlaubt es die kontinuierliche Verfügbarkeit von Informationen über die Entwicklung von Indikatorvariablen, rechtzeitig beim Registrieren bedrohlicher 70 Vgl. Berth, R., Grundmodelle einer Theorie der Marktformung, in: Der Marktforscher, Jahrgang 1961, Heft 1, S. 4. 71 Vgl. Hilse, H., Die Messung des Werbeerfolgs, Hrsg. Krelle, W., Tübingen 1970, S. 38. 72 Vgl. Meyer, C. W., Marktforschung und Absatzplanung, 2. Aufl., Herne, Berlin 1970, S. 111.
Einfluß er Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung Entwicklungen „ad hoc" Forschungsprozesse einzuleiten, durch die die Ursachen für die Entwicklungen ermittelt werden können 73 . Die Aussagefähigkeit der Indikatorvariablen bezüglich des tatsächlichen Erfüllungsgrades bestimmter absatzpolitischer Ziele hängt nun ebenfalls wesentlich davon ab, ob die Indikatorvariablen soweit spezifiziert sind, daß i n ihnen bereits auch die Ursachen zum Ausdruck kommen, die ihre Ausprägung bzw. Entwicklung beeinflußt haben. Wenn aus bestimmten Indikatorvariablen relativ leicht auf die sie verursachenden Variablen geschlossen werden kann, dann kann ebenfalls relativ leicht geprüft werden, ob und i n welcher Weise diese verursachenden Variablen auch den Erfüllungsgrad der interessierenden Zielvariablen beeinflussen. Aus den Umsätzen beispielsweise, die ein neueingeführtes Produkt innerhalb eines bestimmten Zeitraums erzielt hat, lassen sich nur relativ vage Aussagen über die in der Zukunft zu erwartenden Umsätze machen, wenn keine weiteren Angaben über die A r t der erzielten Umsätze gemacht werden können. Erst wenn z. B. bekannt ist, ob der Umsatz i n der Vergangenheit auf einer relativ kleinen Anzahl von Käufern, dafür aber auf einer relativ großen Zahl von Wiederholungskäufen oder aber auf einer relativ großen Zahl von Käufern, dafür aber auf einer relativ geringen Zahl von Wiederholungskäufen basiert, lassen sich Schlüsse auf das Vorhandensein eines treuen Kundenstammes und damit genauere Schlüsse auf die i n der Zukunft zu erwartenden Umsätze ziehen 74 . Ebenso lassen sich aus bestimmten außerökonomischen Indikatorvariablen, wie z. B. aus ermittelten Vorstellungsbildern eines Produkts, erst dann relativ eindeutige und gültige Schlüsse auf die realen Absatzchancen des betreffenden Produkts ziehen, wenn bekannt ist, von welchen Personen die Vorstellungsbilder ermittelt worden sind 75 . Ein positives Urteil über ein Produkt, das von einer Konsumentengruppe abgegeben wurde, bedeutet noch lange nicht, daß das Produkt von den Mitgliedern dieser Gruppe gekauft wird, wenn diese Gruppe die Zielgruppe einer relativ großen Anzahl von Konkurrenten ist, die das gleiche oder ein ähnliches Produkt anbieten. Andererseits w i r d aus dem positiven Urteil von Mitgliedern einer Konsumentengruppe, die noch nicht von anderen Anbietern versorgt wird, auf gute Absatzchancen geschlossen werden können 76 . 73 Vgl. Gansera, H., Methodik in der betrieblichen Marktforschung, in: Marktforschung im Unternehmen, Jahrgang 1963, Februar, S. 14. 74 Vgl. Rehorn, J., Möglichkeiten und Grenzen der Panelforschung, in: Der Marktforscher, Jahrgang 1969, Heft 5, S. 102—107. 75 VgL Behrends, Chr., a.a.O., S. 82. 76 Vgl. Spiegel, B., Die Struktur der Meinungsverteilung im sozialen Feld, Bern und Stuttgart 1961, S. 51 und S. 102.
2. Einfluß genereller Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung 205 Ein weiteres M i t t e l zur Steigerung der Aussagefähigkeit bestimmter Indikatorvariablen über tatsächliche Erfüllungsgrade absatzpolitischer Ziele ist die Verfügbarkeit von Informationen, an Hand derer die Ausprägung der Indikatorvariablen relativiert werden können. Z. B. lassen sich aus einem bestimmten Vorstellungsbild eines potentiellen Käufers über ein Produkt erst dann gültige Aussagen darüber ableiten, ob er das Produkt kauft oder nicht, wenn bekannt ist, wie weit das Vorstellungsbild von seiner Idealvorstellung entfernt ist, die er von einem Produkt dieser A r t hat, oder wie weit es von den Vorstellungsbildern von gewissen Konkurrenzprodukten entfernt ist 7 7 .
2. Der Einfluß genereller Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung Als generelle Informationszwecke wurden jene bezeichnet, die aus einem idealtypischen oder generellen Ablaufschema eines Problemlösungs- oder Entscheidungsprozesses abgeleitet werden können. Nach der Klasse bzw. dem Typ der jeweils zu fällenden konkreten absatzpolitischen Entscheidung lassen sich die generellen Informationszwecke spezifieren. I n den verschiedenen Spezifizierungen sind die generellen Informationszwecke zur Vorbereitung aller möglichen spezifischen Entscheidungen zu erfüllen. Als generelle Informationszwecke wurden die Definition von Problemen, die Identifikation von Problemursachen und Marktchancen, die Formulierung von Handlungsalternativen und die Beurteilung der Handlungsalternativen genannt 78 . Bereits aus den verschiedenen nur generell formulierten Informationszwecken kann für die Hypothesenformulierung eine Reihe von Folgerungen gezogen werden. 21. Hypothesenformulierung zum Zweck der Entdeckung von Problemursachen und Marktchancen Wann ein Zustand von einem Unternehmer als problematisch empfunden wird, hängt, wie bereits i n Abschnitt I I angedeutet, wesentlich von der Zielsetzung, dem Anspruchsniveau, der Problembewußtheit und der Bereitschaft des Unternehmers zur Unzufriedenheit ab. 77 Vgl. Berth, R., Zum Problem der Sicherheit in der Marktforschung, in: Der Marktforscher, Jahrgang 1960, Heft 4, S. 84 ff.; Meyer, P.W., Checklist für Produktplanung, in: die Absatzwirtschaft, Jahrgang 1966, September, S. 1068 ff.; Meier, G., Die Entwicklung psychologischer Skalen, in: GfM-Mitteilungen, Jahrgang 1961, Heft 1, S. 22—25. 78 Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschnitt II, 2412.
Einfluß er Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung Eine Situation kann erst dann als problematisch empfunden werden, wenn die Entwicklung oder die Ausprägung bestimmter Ziel- oder Indikatorvariablen, wie z. B. der Deckungsbeiträge bestimmter Produkte oder des Images bestimmter Produkte beim Verbraucher, nicht mehr m i t der als wünschenswert oder befriedigend angesehenen Entwicklung oder Ausprägung übereinstimmt. Die Suche nach Problemursachen w i r d dann erst durch die negative Entwicklung bestimmter Indikatorvariablen ausgelöst. Ausgangspunkt bei der Identifikation möglicher Problemursachen ist die betreffende Indikatorvariable. Aus ihrer negativen Entwicklung werden Aussagen über diejenigen Faktoren abgeleitet, die diese Entwicklung verursacht haben könnten. Immer dann, wenn bestimmte außerökonomische oder ökonomische Indikatorvariablen als Indikatoren für mögliche Ursachen von Absatzproblemen herangezogen werden, ist darauf zu achten, daß die betreffenden Indikatorvariablen so beschaffen sind, daß sie eine gewisse Aussagefähigkeit bezüglich der sie verursachenden Variablen aufweisen. Eine Suche nach Problemursachen, die ausschließlich eine Reaktion auf eine in bestimmten Indikatorvariablen bereits sichtbar und akut gewordene Verschlechterung der Marktsituation darstellt, w i r d jedoch nur Informationen erbringen, die für das betreffende Unternehmen einen relativ geringen Wert besitzen. U m rechtzeitig auf Entwicklungen reagieren zu können ,die i n der Zukunft zu einer Verschlechterung der Marktsituationen führen können oder die auf der anderen Seite einem Unternehmen neue Möglichkeiten eröffnen können, ist es notwendig, diese Entwicklung rechtzeitig zu erkennen und sich über ihre Bedeutung klar zu werden. Ein frühzeitiges Erkennen möglicher Problemursachen und Marktchancen erfordert jedoch, daß der Ausgangspunkt der Suche nicht die Entwicklung von Indikatorvariablen ist, sondern daß die Suche direkt i m Bereich der Determinanten des Käuferverhaltens ansetzt. Angeregt w i r d diese Suche durch eben jene permanente Unzufriedenheit m i t dem gegenwärtigen Zustand, durch jene schöpferische Unruhe, die jeden Zustand als problematisch erscheinen läßt, ganz gleich, ob der gegenwärtige Erfüllungsgrad absatzpolitischer Ziele Anlaß zu akuter Besorgnis gibt oder nicht 7 9 . Problemursachen sind in diesem Fall nicht die Faktoren, die eine tatsächliche Verschlechterung der Marktsituation eines Unternehmens bewirkt haben, sondern Faktoren, die eine solche Verschlechterung in Zukunft bewirken könnten, bzw. Marktchancen, die von einem Unternehmen bisher noch nicht entdeckt und ausgenutzt w u r den. Unentdeckte Marktchancen oder unentdeckte Problemursachen sind i n jedem Fall der Grund, daß das allgemein definierte Problem „Ver79
Vgl. Heckhausen, H., a.a.O., S. 626.
2. Einfluß genereller Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung 207 besserung des Erfüllungsgrades absatzpolitischer Ziele" nicht gelöst wird. Vor allem die Suche nach neuen Marktchancen w i r d nur dann erfolgreich sein, wenn sie sich nicht auf Variablensysteme beschränkt, die der Erklärung bestimmter Indikatorvariablen dienen, d. h. die nur aus den Determinanten des Erfolgs bereits formulierter und i n die Tat umgesetzter absatzpolitischer Alternativen bestehen. Die Suche nach möglichen zukünftigen Problemursachen und nach neuen Marktchancen darf nicht i n der Weise vor sich gehen, daß für zu erklärende Sachverhalte, wie die Entwicklung ökonomischer oder außerökonomischer Indikatoren des Erfolgs absatzpolitischer Maßnahmen, mögliche Erklärungen bzw. verursachende Variablen identifiziert werden. Es würde gerade nicht von einer großen schöpferischen Unruhe und von einer großen geistigen Offenheit zeugen, wenn bei der Identifikation möglicher Problemursachen oder Marktchancen von vornherein die Absicht bestünde, nur Erklärungen für bereits eindeutig formulierte Sachverhalte zu finden 80. U m zu vermeiden, daß das Gesichtsfeld bei der Suche von vornherein eingeengt w i r d und daß bedeutende Entwicklungen oder Faktoren aus der Umwelt des Unternehmens nicht als Problemursachen oder Marktchancen erkannt werden, ist es notwendig, die gedankliche Reihenfolge der Schritte bei der Formulierung einer Erklärung umzukehren. Anstatt von einem zu erklärenden Sachverhalt auszugehen und dann mögliche Erklärungen für den Sachverhalt zu finden, muß das Augenmerk vielmehr zunächst darauf gerichtet werden, Veränderungen von Variablen oder „neue" Variablen überhaupt zu erkennen und sie möglichst vollständig zu erfassen und erst dann zu untersuchen, welche Sachverhalte aus entdeckten Entwicklungen und Neuigkeiten abgeleitet werden können. Wenn zunächst Veränderungen von Determinanten des Käuferverhaltens identifiziert und dann aus diesen Veränderungen Konsequenzen für die Absatzpolitik gezogen werden, so bedeutet dies, daß an die Stelle des Prinzips des Erklärens das Prinzip des Folgerns getreten ist. Können aus der Veränderung einer bestimmten Determinante des Käuferverhaltens bestimmte Entwicklungen anderer Determinanten des Käuferverhaltens abgeleitet werden und ergeben sich daraus wiederum Konsequenzen für absatzpolitische Gestaltungsmaßnahmen, so läßt sich durch sukzessives Schlußfolgern eine Wirkungskette, ausgehend von einer relativ indirekt wirkenden Variablen, konstruieren. Das Bestreben, Veränderungen i m Bereich der Determinanten des Käuferverhaltens möglichst vollständig zu erfassen, bedeutet, daß bei 80 Vgl. Kühn, R., Möglichkeiten rationaler Entscheidung im Absatzsektor, a.a.O., S. 172 f.
Einfluß er Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung der Suche nach Veränderungen am zweckmäßigsten von den objektbezogenen Systembereichen der Determinanten des Käuferverhaltens ausgegangen w i r d und systematisch die einzelne Systembereiche auf Veränderungen der ihnen angehörenden Determinanten des Käuferverhaltens überprüft werden. Die Methoden, die speziell der Formulierung von Hypothesen über mögliche Problemursachen i n der Zukunft und über mögliche Marktchancen dienen, sind also die systematische Suche nach Veränderungen von Determinanten des Käuferverhaltens und die Ableitung von Schlußfolgerungen aus wahrgenommenen Veränderungen für die absatzpolitischen Gestaltungsmaßnahmen. Dabei können aus einer Veränderung sowohl direkt als auch indirekt durch die Konstruktion von Wirkungsketten m i t Hilfe sukzessiver Schlußfolgerungen Konsequenzen für die Gestaltung absatzpolitischer Maßnahmen abgeleitet werden. Die Berechtigung, aus den wahrgenommenen Veränderungen auch Schlußfolgerungen für die Gestaltung relativ langfristig zu planender und einzusetzender absatzpolitischer Maßnahmen abzuleiten, hängt davon ab, ob die Veränderungen bzw. Entwicklungen oder Trends i m Bereich der Determinanten des Käuferverhaltens nicht nur kurzfristiger oder zufälliger A r t sind, sondern über eine längere Zeit andauern. Einige Beispiele für Veränderungen und Trends i n verschiedenen objektbezogenen Systembereichen und für daraus ableitbare Schlußfolgerungen seien kurz dargestellt. Für Veränderungen von Grundsatzwerten i m gegenwärtigen Wertsystem der Mehrzahl der Menschen i n modernen Industriegesellschaften gegenüber den Grundsatzwerten der Vorkriegsgeneration lassen sich folgende typische Beispiele anführen. Neben den Werten „Selbständigkeit", „Eigenständigkeit" und „Unabhängigkeit des Individuums" gewinnen die Werte „soziale Intergration", „Anpassung" und „Sicherheit" immer mehr an Bedeutung. Anstelle der von Eltern oder Lehrern übernommenen Lebensgrundsätze treten die i n verschiedenen Gruppen oder Klassen herrschenden Normen. Die Arbeit an sich, das Sparen und das Aufschiebenkönnen von Wünschen haben als Werte gegenüber dem leichten, unbeschwerten Leben, dem Ausgeben und Verbrauchen und dem sofortigen V e r w i r k lichen von Wünschen an Bedeutung verloren 81 . Aus den genannten Veränderungen ergibt sich unter anderem, daß die Gewährung von Konsumentenkrediten an Bedeutung gewinnen oder daß auch i m Bereich des Kaufverhaltens die Anpassung an herrschende soziale Normen immer stärker werden wird. 81
Vgl. Kotler, Ph., Marketing Management, a.a.O., S. 38.
2. Einfluß genereller Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung 209 Die Veränderung der ökonomischen Situation der meisten Konsumenten ist durch steigendes Einkommen gekennzeichnet. M i t zunehmendem Einkommen und zunehmender Kaufkraft verändert sich auf Grund der Hierarchie der Bedürfnisse die relative Bedeutung verschiedener Triebe und Bedürfnisse als konsumlenkende Faktoren. M i t zunehmendem Einkommen steht für die Befriedigung nicht mehr allein lebensnotwendiger Bedürfnisse immer mehr Kaufkraft zur Verfügung 8 2 . Die einzelnen Konsumwellen i n der Nachkriegszeit sind nichts anderes, als ein Ausdruck für die wachsende Bedeutung höherer Bedürfnisse, nachdem relativ niedere Bedürfnisse restlos befriedigt wurden 8 3 . Die zunehmende Kaufkraft bedingt eine Veränderung der Vermögensstruktur. Aus dem Besitz bestimmter Vermögensgüter, wie z. B. aus dem Besitz eines Hauses, kann wiederum eine Reihe von Bedürfnissen und typischen Verhaltensweisen i m Bereich des Kaufverhaltens abgeleitet werden 84 . Bestimmte Veränderungen von Einkaufsgewohnheiten lassen sich z. B. auf den Besitz eines Autos oder auf den Besitz einer Haushaltskühltruhe zurückführen. Eine Veränderung i m Bereich der sozialen Situation, die für absatzpolitische Maßnahmen besonders bedeutsam erscheint, ist die abnehmende Bedeutung des aus der beruflichen Position abgeleiteten Status als Determinante des Käuferverhaltens. Einmal kann m i t der Demonstration kostspieliger Statussysmbole, die auf eine lukrative berufliche Position schließen lassen, i m Zeichen allgemeinen Wohlstands ein nicht mehr allzu großer Prestigeeffekt erzielt werden 85 . Zum anderen verliert die berufliche Position m i t der zunehmenden Freizeit an Bedeutung. Neben die berufliche Position als K r i t e r i u m der sozialen Differenzierung und Bewertung und auch als eine Möglichkeit der Selbstidentifikation und Selbstverwirklichung treten immer mehr berufsunabhängige Rollen, zu denen sich der einzelne bekennt und die der einzelne spielt 88 . Von den berufsunabhängigen, nicht positionsgebundenen Rollen kann der einzelne relativ leicht diejenigen wählen, m i t denen er sich am meisten identifiziert oder von denen er sich einen besonders hohen Prestigegew i n n erhofft 87 . Derartige positionsungebundene Rollen können z. B. die Rolle des progressiven Intellektuellen, des jungen dynamischen Mannes oder des pas82
Vgl. Wagenführ, H., a.a.O., S. 108. Vgl. Borchert, W., Auf welchen neuen Märkten können sie ihre Erzeugnisse verkaufen?, in: Die Absatzwirtschaft, Jahrgang 1960, S. 29 ff. 84 Vgl. ebenda. 85 Vgl. Schelsky, H., Gesellschaftlicher Wandel, in: Offene Welt, Jahrgang 1956, Heft 41, S. 64 f. 86 Vgl. Scheuch, K. E., Soziologie der Freizeit, in: Handbuch der empirischen Sozialforschung, Bd. 2, Stuttgart 1969, S. 738 und S. 771. 87 Vgl. Stitzel, M., a.a.O., S. 22—26. 83
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Einfluß er Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung sionierten Seglers sein 88 . U m solche Rollen spielen zu können, ist der Besitz von bestimmten Gütern notwendig. Diese Güter können als Rollenattribute dienen 89 , wie z. B. ein bestimmter französischer Wagentyp als A t t r i b u t für die Rolle des Intellektuellen oder die Zigarre als A t t r i b u t für die Rolle des dynamischen jungen Mannes. Sie können aber auch die Voraussetzungen dafür sein, daß die Rolle überhaupt gespielt werden kann 9 0 , wie z. B. das Segelboot die Voraussetzung dafür ist, die Rolle des passionierten Seglers überhaupt spielen zu können. M i t der zunehmenden Bedeutung von positionsunabhängigen Rollen w i r d auch die Bedeutung von Produkten als Rollenattribute und als rollenkonstituierende M i t t e l zunehmen. Die Entdeckung neuer Wunschrollen kann unter diesem Gesichtspunkt gleichbedeutend sein m i t der Entdeckung neuer Marktchancen. Aus dem Bereich der Verhaltensvariablen können z. B. die zunehmende Mobilität 9 1 und die Verlagerung der Aktivitäten der Informationsbeschaffung der Käufer i n die eigenen vier Wände 92 als Trends identifiziert werden, aus denen sich u. a. Folgerungen für die Wahl der Standorte von Einkaufszentren oder Verbrauchermärkten bzw. Konsequenzen für die Selektion von Werbemedien ableiten lassen. Aus folgenden Veränderungen von Merkmalen zur Kennzeichnung von Verbraucherstrukturen lassen sich für absatzpolitische Maßnahmen bedeutsame Konsequenzen ziehen. Die Bevölkerungsentwicklung i n der Bundesrepublik ist durch eine Zunahme des Anteils älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung gekennzeichnet 93 . Neben dem „ M a r k t der jungen Leute" w i r d der „ M a r k t der Alten" immer mehr an Bedeutung gewinnen, zumal ältere Menschen heute auch i m Durchschnitt über eine relativ hohe Kaufkraft verfügen. Die Einkommensstruktur i n der Bundesrepublik und i n allen westlichen Industrienationen wandelt sich i n der Weise, daß bei einer allgemeinen Zunahme der Kaufkraft der Anteil der mittleren Einkommen immer größer wird. Es ist eine Nivellierung der Einkommen zu beobachten. Vor allem die extrem hohen und die extrem niederen Einkommen sind relativ selten geworden. Die „Einkommenspyramide" hat sich mehr und mehr i n eine „Einkommensraute" verwandelt 9 4 . Daraus folgt, 88
Vgl. Stitzel, M., a.a.O., S. 51 ff. Vgl. ebenda, S. 27—29. Vgl. ebenda, S. 29—33. 91 Vgl. Prognosen — Vorgriff auf die 70er Jahre, o. V., a.a.O., S. 5 f. 82 Vgl. ebenda, S. 7. 93 Vgl. Die künftigen Strukturen der Verbraucher, o. V., in: Die absatzwirtschaft, Jahrgang 1960, November, S. 600 f. 94 Vgl. Die künftigen Strukturen der Verbraucher, o. V., a.a.O., S. 600. 89
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2. Einfluß genereller Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung 211 daß die Bedürfnisse der sogenannten mittleren Schichten auf allen Märkten ein immer größeres Gewicht haben werden 95 . Als Wohngebiete werden die Ballungskerne immer mehr an Bedeutung verlieren. Sogenannte Subzentren und Siedlungen m i t einer relativ flächenextensiven Besiedlungsweise werden als Wohngebiete an Bedeutung gewinnen 96 . Konsequenzen ergeben sich daraus für die Standortpolitik i m Einzelhandel. Der Anteil der berufstätigen Frauen w i r d aus mancherlei Gründen zunehmen 97 . Dies bedeutet einige Veränderungen der Einkaufsgewohnheiten und Veränderungen i m Bereich der Haushaltsführung. Schließlich sei noch der Trend zu immer kleineren Haushaltsgrößen angeführt. Stagnierende Geburtenziffern, bessere Wohnmöglichkeiten und soziale und regionale Mobilität haben dazu geführt, daß der Großhaushalt mit mehreren Generationen unter einem Dach i m Aussterben begriffen ist. Die Kinder verlassen relativ früh das Haus und wohnen oft schon i n eigenen kleinen Wohneinheiten 98 . Aus der Tendenz zu kleineren Haushalten und zur frühzeitigen Auflösung von Familiengemeinschaften ergeben sich z. B. Konsequenzen für die Berechnung von Sättigungszen für langlebige Haushaltsgeräte oder für die Wahl von Packungsgrößen. Als Beispiel für Strukturveränderungen i m Bereich der nachfragenden Unternehmen läßt sich der Strukturwandel i m Handel, insbesondere die Zunahme der Unternehmensgrößen und das Entstehen immer größerer Kooperationsorganisationen m i t einer immer stärkeren Zentralisation von Funktionen i n den Zentralen dieser Organisationen nennen 99 . Die dadurch entstandene und sich weiter entwichelnde Nachfragemacht des Handelns hat weitreichende Konsequenzen für die Absatzpolitik der Hersteller, die den Handel beliefern 100 . Veränderungen i m Bereich der angebotsendogenen Variablen bestehen aus den Veränderungen absatzpolitischer Maßnahmen der unmittelbaren oder mittelbaren Konkurrenten, aus Veränderungen der unternehmensendogenen Variablen der Konkurrenten sowie aus Veränderungen der Struktur der Anbieter. K a u m übersehbar ist die Fülle von Veränderungen i n der soziokulturellen und der ökonomischen Umwelt und i m Bereich der Technik, aus der sich Konsequenzen für die Absatzpolitik eines Unternehmens ablei95 Vgl. Bergler, G., Die Verbraucher-Gesellschaft, in: die Absatzwirtschaft, Jahrgang 1963, März, S. 125 ff. 96 Vgl. Prognosen — Vorgriff auf die 70er Jahre, o. V., a.a.O., S. 9—10. 97 Vgl. Bergler, G., a.a.O. 98 Vgl. Prognosen — Vorgriff auf die 70er Jahre, o. V., a.a.O., S. 9—11. 99 Vgl. Nieschlag, R., Dichtl E., Hörschgen, H., Marketing, a.a.O., S. 605—609. 100 Vgl. ebenda, S. 647 ff.
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Einfluß er Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung ten lassen. Erwähnt seien Veränderungen der Rechtsordnung, die Entwicklung neuer Grundstoffe und technischer Systeme, die als Basis zur Entwicklung neuer Produkte dienen können, sowie die immer stärker empfundene Bedrohung des Gleichgewichts der Natur und der Qualität des Lebens des einzelnen durch eine zügellose, einen allzuverschwenderischen Massenkonsum fördernde Industrialisierung. Zum Schluß seien beispielhaft die Konsequenzen dargestellt, die sich aus drei Entwicklungstendenzen aus der soziokulturellen Umwelt, aus der ökonomischen Umwelt und aus dem Bereich der Technik für die Informationspolitik einer Unternehmung i m Absatzbereich ergeben 101 . Die zunehmende Industrialisierung bringt eine Auflösung der alten sozialen Beziehungsstrukturen und damit eine gewisse soziale Desintegration mit sich. A u f der anderen Seite steigert sie jedoch durch zunehmende Arbeitsteilung die wechselseitige Abhängigkeit der Menschen. Es entsteht ein Bedarf nach integrierenden Informationen 1 0 2 . Ebenfalls ein zunehmender Bedarf an Informationen entsteht durch die Vermehrung des Wissens auf allen Gebieten. M i t der Wissensvermehrung wächst die Diskrepanz zwischen dem, was man weiß, und dem, was man wissen sollte. Die Spezialisten auf den einzelnen Teilbereichen bedienen sich weitgehend einer Fachterminologie und sind oft nicht i n der Lage, das Wissen i n allgemeinverständlicher Form weiterzugeben. Der uninformierte Nicht-Spezialist ist gezwungen, Klischeevorstellungen über ein Wissensgebiet zu entwickeln und Meinungen ungeprüft zu übernehmen. Die Folgen sind Fehlhaltungen, Fehlentscheidungen, mangelndes Urteilsvermögen und damit Unsicherheit, Mißtrauen, Vorurteile und Desintegration 103 . Schließlich läßt die Tendenz zur Demokratisierung i n allen Lebensbereichen ebenfalls eine Zunahme des Bedarfs an Informationen entstehen. Die Durchführung der Demokratie in der Realität, die Abkehr von autoritären Haltungen und von einsamen Entschlüssen ist nur möglich, wenn das Informationsmonopol einiger weniger beseitigt w i r d und alle an demokratischen Entscheidungsprozessen Beteiligten über die entsprechenden Informationen verfügen 104 . Ein Untrenehmen, das dem durch diese Entwicklungen verursachten wachsenden Bedürfnis nach umfangreicher, verständlicher und wahrheitsgemäßer Information gerecht wird, w i r d auf seinen Absatzmärkten am wenigsten m i t Vorurteilen, Mißtrauen und Mißverständnissen zu kämpfen haben. 101
Vgl. zum folgenden: Nitsch, H., Public Relations, Instrument der Integration, in: Der Marktforscher, Jahrgang 1969, Heft 1, S. 8—11. 102 Vgl. Nitsch, H., a.a.O. 103 Ebenda. 104 Ebenda.
2. Einfluß genereller Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung 213 22. Hypothesenformulierung zur Gewinnung von Beurteilungsinformationen Als nächster Informationszweck nach der Identifikation von Problemursachen und Marktchancen ist entsprechend dem logischen Ablauf eines Problemlösungsprozesses die Identifikation von möglichen Handlungsalternativen zur Beseitigung der Problemursachen beziehungsweise zur Wahrnehmung von Marktchancen zu nennen. Die Gewinnung von Informationen über Gestaltungsmöglichkeiten absatzpolitischer Instrumente erfordert zumindest unmittelbar keine Formulierung von Hypothesen über relevante Determinanten oder Indikatoren des Käuferverhaltens. Wenn die Gestaltungsalternativen formuliert worden sind und Entscheidungen darüber gefällt werden müssen, welche Alternative i n die Tat umgesetzt werden soll, so sind als nächstes Informationen zu gewinnen, an Hand derer die Gestaltungsalternativen beurteilt werden können. Beurteilungsinformationen sind somit diejenigen Informationen, aus denen sich Aussagen über die Auswirkungen ableiten lassen, die die Verwirklichung einer absatzpolitischen Alternative auf den Erfüllungsgrad absatzpolitischer Ziele hat. Dabei kann es sich entweder u m Informationen zur Ableitung von Effekten oder Auswirkungen handeln, die die Realisierung einer Alternative in der Zukunft erwarten läßt oder aber um Informationen über Effekte, die die Praktizierung der betreffenden Alternative i n der Vergangenheit verursacht hat 1 0 5 . Sowohl die Informationen zur Prognosen des Erfolgs absatzpolitischer Maßnahmen als auch Informationen zur Kontrolle des Erfolgs dieser Maßnahmen sind Informationen, die der Beurteilung möglicher oder bereits praktizierter Maßnahmen dienen. A u f Grund dieser Informationen w i r d entschieden, welche der denkbaren Gestaltungsmaßnahmen i n der Zukunft verwirklicht werden soll, bzw. ob eine bereits praktizierte Maßnahme weiterhin praktiziert, modifiziert oder aber durch eine andere Maßnahme ersetzt werden soll. Einige Besonderheiten, die sich für die Hypothesenformulierung aus dem Zweck der Gewinnung von möglichst vollkommenen Beurteilungsinformationen ergeben, sollen kurz erörtert werden. U m die Gewinnung von Informationen über die in der Zukunft zu erwartenden Effekte absatzpolitischer Gestaltungsmaßnahmen vorzubereiten, werden zweckmäßigerweise drei Arten von Hypothesen formuliert. 105
Vgl. Buzzell, R. D., Cox, D. F., Brown, R. V., Marketing Research, a.a.O., S. 24; Opitz, L., a.a.O., S. 13 f.
Einfluß er Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung Zunächst sind möglichst alle Effekte oder Auswirkungen zu identifizieren, die als Folge des Einsatzes einer absatzpolitischen Gestaltungsmaßnahme denkbar erscheinen 108 . Geschieht dies nicht, so besteht die Gefahr, daß bei der Beurteilung der Maßnahme unter Umständen schwerwiegende Konsequenzen übersehen werden. U m Informationen darüber zu gewinnen, welche der möglichen Effekte besonders wahrscheinlich sind, ist es weiterhin nötig, Hypothesen über diejenigen Variablen zu formulieren, von denen der Eint r i t t des einen oder anderen Effekts abhängt. Dabei ist zu unterscheiden, zwischen Hypothesen über den Einfluß der Bestandteile absatzpolitischer Maßnahmen auf das Eintreten bestimmter Effekte und Hypothesen über die Abhängigkeit der Effekte von den sogenannten Umweltbedingungen des Unternehmens 107 . Die Unterscheidung zwischen den beiden Variablengruppen „Bestandteile absatzpolitischer Maßnahmen" und „ U m weltbedingungen" erleichtert die Identifikation und Analyse der Variablenbeziehungen, die letzten Endes zu bestimmten Effekten führen. Der Einsatz einer bestimmten absatzpolitischen Gestaltungsmaßnahme w i r d niemals direkt zu bestimmten Auswirkungen in Gestalt bestimmter Reaktionen der Konkurrenten oder Käufer führen. Der Einsatz einer absatzpolitischen Gestaltungsmaßnahme w i r d zunächst bestimmte Veränderungen auf der Ebene der Verhaltensdeterminanten sowohl bei den potentiellen Käufern als auch unter Umständen bei den Konkurrenten hervorrufen. Beispielsweise werden Informationen über ein neues Produkt bei potentiellen Käufern bestimmte Triebe aktivieren und konkretisieren. Ob durch bestimmte absatzpolitische Gestaltungsmaßnahmen überhaupt eine gewisse Motivation zum Kauf erzeugt wird, hängt von der Rahmensituation und von der aktuellen Situation ab, i n der sich ein potentieller Käufer befindet. Stärke und A r t der Reaktionen der Konkurrenten auf bestimmte absatzpolitische Maßnahmen eines Unternehmens hängen von der Reaktion der Käufer auf diese Maßnahmen und von den unternehmensinternen Verhaltensdeterminanten der Konkurrenzunternehmen, wie z. B. von ihren langfristigen Plänen, ihrer Produktionselastizität und ihrer Verfügbarkeit über finanzielle M i t t e l ab. Die Identifikation aller denkbaren Effekte einer absatzpolitischen Maßnahme i n Gestalt aller denkbaren Reaktionen der potentiellen Käufer und der Konkurrenten vor der Formulierung von Hypothesen über die Abhängigkeit eines bestimmten Effekts von verschiedenen Determinanten des Käuferverhaltens hat folgende Vorteile: 108 Vgl. Kühn, R., Möglichkeiten rationaler Entscheidung im Absatzsektor, a.a.O., S. 22. 107 Vgl. ebenda, S. 226.
2. Einfluß genereller Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung 215 Einmal ist es i m allgemeinen leichter, von einem bereits formulierten Effekt ausgehend Variablen zu erkennen, die die Wahrscheinlichkeit des Eintretens dieses Effektes positiv oder negativ beeinflussen als umgekehrt aus einer Fülle von Determinanten des Käuferverhaltens auf die Wahrscheinlichkeit verschiedener Effekte zu schließen. Zum anderen besteht ohne eine möglichst vollständige, explizite Formulierung denkbarer Effekte nicht die Möglichkeit, auf Grund einer gezielten Auswahl nur bei denjenigen Effekten, deren Eintreten von vornherein zweifelhaft ist, Informationen über die Bedingungen ihres Eintretens zu beschaffen. Bei der Identifikation denkbarer Effekte absatzpolitischer Maßnahmen ist wiederum das Homogenitätsprinzip zu beachten. Das heißt, die Effekte sind zunächst soweit zu spezifizieren, daß der Kreis der Variablen, die einen Effekt jeweils verursachen, relativ überschaubar ist und daß sich möglichst eindeutige Aussagen über den Einfluß der einen oder anderen Variablen machen lassen. Eine von den absatzpolitischen Maßnahmen ausgehende Spezifizierung bedeutet, daß nicht Effekte von Aktionskombinationen, sondern Effekte von einzelnen Maßnahmen identifiziert und auf ihre Eintrittswahrscheinlichkeit h i n untersucht werden 1 0 8 . Als Effekt einer bestimmten absatzpolitischen Maßnahme kann auch ihr Einfluß auf den Erfolg einer anderen absatzpolitischen Maßnahme untersucht werden. Die sogenannten Ausstrahlungseffekte 109 lassen sich ja auf eine bestimmte Maßnahme zurückführen, auch wenn sie i m Erfolg anderer Aktionen sichtbar werden. Umsatzzunahmen bei allen Produkten i n einem Produktionsprogramm oder i n einem Sortiment können auf die Einführung eines erfolgreichen neuen Produkts oder auf eine spektakuläre Preissenkung bei einem Produkt zurückgeführt werden. Auch wenn in der Realität die meisten Effekte i n der Gestalt von Käuferreaktionen Wirkungen einer Kombination von absatzpolitischen Aktionen sind, so ist doch, soweit als möglich, eine Identifikation maßnahmenspezifischer Effekte zur Beurteilung der einzelnen Maßnahmen notwendig. Zumindest gedanklich lassen sich bestimmte Effekte einer bestimmten Manßnahme i m Rahmen einer absatzpolitischen Konzeption zurechnen, wenn die Ceteris-Paribus-Bedingung als gedankliches Hilfsmittel verwendet wird. Neben der von den Aktionsparametern ausgehenden Spezifizierung erfordert das Homogenitätsprinzip eine Spezifizierung der Effekte ab108 Vgl. Kühn, R., Möglichkeiten rationaler Entscheidung im Absatzsektor, a.a.O., S. 8. 109 Vgl. Nieschlag, R , Dichtl, E., Hörschgen, H., Marketing, a.a.O., S. 334 ff.
Einfluß er Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung satzpolitischer Maßnahmen, die von den übrigen Determinanten des Käuferverhaltens ausgeht. Beispielsweise lassen sich die Zahl der Wiederholungskäufe, die u. a. auf Erfahrungen und Gewohnheiten der Käufer beruht, und die Schnelligkeit, m i t der ein neues Produkt nach seiner Markteinführung gekauft wird, die auf ganz anderen Faktoren beruht, als Effekte unterscheiden. Weiter ist zu prüfen, welche Reaktionen eine absatzpolitische Maßnahme bei verschiedenen Käufergruppen auslösen könnte 1 1 0 . Die Spezifizierung der möglichen Effekte einer absatzpolitischen Maßnahme nach dem Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens i n kurzfristig zu erwartende und i n erst nach einer gewissen Zeit zu erwartende Effekte 111 ermöglicht ebenfalls die Eingrenzung spezifischer Gruppen von Variablen, die diese Effekte jeweils verursachen. Die Identifikation der verschiedenen Phasen i m Lebenszyklus eines Produkts erlaubt beispielsweise eine partielle Analyse der Faktoren, die jeweils in den verschiedenen Phasen wirksam sind. Ebenso gestattet die Unterscheidung der Effekte nach der zeitlichen Dauer ihrer Wirksamkeit i n kurzfristige und langfristige Effekte eine differenzierte Analyse der diese Effekte verursachenden Faktoren 1 1 2 . Als Effekte einer absatzpolitischen Maßnahme lassen sich außer den möglichen Reaktionen der potentiellen Käufer noch die möglichen Reaktionen der Konkurrenten 1 1 3 , die möglichen Reaktionen der „Öffentlichkeit" und mögliche Auswirkungen auf den übrigen Handlungsspielraum des Unternehmens identifizieren. Die möglichen Auswirkungen bestimmter absatzpolitischer Maßnahmen auf den Handlungsspielraum bei anderen absatzpolitischen Maßnahmen 114 sind nicht zu verwechseln m i t den Ausstrahlungseffekten bestimmter Maßnahmen, die sich in den Reaktionen der Marktpartner auf irgendwelche andere absatzpolitische Maßnahmen zeigen. Mögliche Auswirkungen bestimmter absatzpolitischer Maßnahmen auf den Handlungsspielraum können sich darin äußern, daß ein Unternehmen andere Aktionen nicht mehr durchführen kann. Beispielsweise kann bei der Verwendung hochwertiger Materialien für die Herstellung bestimmter Produkte oder bei der V e r w i r k 110 111
S. 25.
Vgl. Nieschlag, R., Dichtl, E., Hörschgen, H., Marketing, a.a.O., S. 338. Vgl. Buzzell, R. D., Cox, D. F., Brown, R. V., Marketing Research, a.a.O.,
112 Vgl. Kühn, R., Möglichkeiten rationaler Entscheidung im Absatzsektor, a.a.O., S. 251. 1,3 Vgl. Klanfer, J., a.a.O., S. 199; Stern, M., Marketing Planung, a.a.O., S. 35. 114 Vgl. Kühn, R., Möglichkeiten rationaler Entscheidung im Absatzsektor, a.a.O., S. 233.
2. Einfluß genereller Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung 217 lichung eines perfekten Kundendienstes aus Kostengründen keine Niedrigpreispolitik mehr betrieben werden. Alle genannten Effekte haben nun bestimmte Auswirkungen auf absatzpolitische Ziele oder können selbst als absatzpolitische Ziele bezeichnet werden. Zur vollständigen Identifikation aller möglichen Konsequenzen einer absatzpolitischen Alternative sind die Effekte noch nach der A r t ihres Einflusses auf den Erfüllungsgrad absatzpolitischer Ziele bzw. nach ihrer Ausprägung als absatzpolitisches Ziel zu spezifizieren. Danach lassen sich beispielsweise die den Erfolg der eigenen absatzpolitischen Maßnahme stärker oder weniger stark beeinträchtigenden Reaktionen der Konkurrenten bzw. die positiven oder negativen Reaktionen der Kunden in Gestalt einer Zunahme oder Abnahme der Käufe unterscheiden 115 . Vor der Formulierung von Hypothesen über die Variablen, von deren Wirkung die Wahrscheinlichkeit des Eintritts bestimmter Effekte abhängt, erscheint es zweckmäßig, diejenigen Effekte aus der weiteren Untersuchung auszuklammern, von denen m i t Sicherheit angenommen werden kann, daß sie eintreten bzw. nicht eintreten werden 1 1 6 . Zur Ableitung von Aussagen über die Wahrscheinlichkeit des Eintritts bestimmter Effekte können verschiedene hypothetische Modellstrukturen verwendet werden. Die Ableitung kann mit Hilfe von Tests und damit unter Zugrundelegung meist impliziter Modellannahmen erfolgen, sie kann aber auch ausschließlich an Hand expliziter Erklärungs- und Prognosemodelle vorgenommen werden. Bei der Verwendung von Tests werden Aussagen über die i n der Realität zu erwartenden Effekte einer Maßnahme aus den i m Test beobachteten Effekten der Maßnahme abgeleitet. Die i m Test beobachteten Effekte dienen als Indikatoren für die realen Effekte. Zur Beurteilung der Aussagefähigkeit der Testvariablen bezüglich der realen Effekte sind Hypothesen über die Variablen zu formulieren, von denen die Testvariable beeinflußt w i r d und von denen die tatsächlich interessierenden Effekte beeinflußt werden. A u f Annahmen über wesentliche Unterschiede zwischen den beim Test und den i n der interessierenden Realität wirksamen Variablen basiert die Annahme einer verhältnismäßig geringen Aussagefähigkeit der Testvariablen. 115 1,6
S. 27.
Vgl. Kotler, Ph., Marketing Management, a.a.O., S. 197. Vgl. Buzzell, R. D., Cox, D. F., Brown, R. V., Marketing Research» a.a.O.,
Einfluß er Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung Bei der Verwendung expliziter Erklärungsmodelle zur Prognose der Effekte absatzpolitischer Maßnahmen sind Hypothesen über die Variablen zu formulieren, von denen die zu prognostizierenden, interessierenden Effekte abhängen. Je nachdem, u m welche Effekte es sich handelt, ob z. B. kurzfristige oder langfristige Effekte oder Effekte verschiedener absatzpolitischer Maßnahmen prognostiziert werden sollen, werden unterschiedliche Variablen relevant sein. Nach dem Grad der Vollständigkeit, m i t dem i n der Phase der Hypothesenformulierung ein Effekt einer absatzpolitischen Maßnahme i m Zeitablauf zu erklären versucht wird, lassen sich Prognosemodelle m i t unterschiedlicher Realitätsnähe unterscheiden. Relativ vollständig werden bestimmte Effekte i m Zeitablauf durch ein Prognosemodell erklärt, das die weiter oben i n Abschnitt I I I , 332122. durch die Abbildung I I I dargestellte Struktur aufweist. Die Hypothesen, die zur Vorbereitung der Gewinnung von Kontrollinformationen formuliert werden müssen, sind i m wesentlichen Hypothesen über die Aussagefähigkeit der Indikatorvariablen, die zur Kontrolle des Erfolgs absatzpolitischer Maßnahmen herangezogen werden. Aus den Informationen über die Entwicklung bestimmter ökonomischer oder außerökonomischer Indikatorvariablen müssen Aussagen darüber abgeleitet werden, welche Faktoren die Entwicklung der Variablen verursacht haben, insbesondere, ob Veränderungen der Indikatorvariablen der zu kontrollierenden absatzpolitischen Maßnahme zuzurechnen sind und ob bestimmte Veränderungen nur vorübergehender, „zufälliger" A r t sind.
3. Der Einfluß spezifischer Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung U m eindeutige Aussagen über die Relevanz bestimmter Determinanten des Käuferverhaltens oder bestimmter Indikatorvariablen machen zu können, muß i n jedem Fall die konkrete Entscheidung bekannt sein, zu deren Vorbereitung Informationen über die betreffenden Determinanten oder Indikatoren gewonnen werden sollen. I m folgenden soll an einigen Beispielen der Einfluß der Zugehörigkeit einer Entscheidung zu einer bestimmten Klasse von absatzpolitischen Entscheidungen vor allem auf den Inhalt der hypothetischen Annahmen über Determinanten oder Indikatoren des Erfolgs von absatzpolitischen Entscheidungen dargestellt werden. Diese Beschränkung erscheint wegen der Vielfalt von Typen absatzpolitischer Entscheidungen, die sich aus den verschiedenen Klassen bilden lassen, und wegen der
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Schwierigkeit, gültige Aussagen über entscheidungsrelevante Systeme von Marktvariablen zu machen, gerechtfertigt. 31. Der Einfluß der Art des Einsatzes absatzpolitischer Instrumente Nach der A r t des Einsatzes absatzpolitischer Instrumente lassen sich absatzpolitische Entscheidungen klassifizieren in Entscheidungen über die A r t der Gestaltung einzelner absatzpolitischer Instrumente und in Entscheidungen über die Aufteilungen des Aktivitätsniveaus beim Einsatz der Instrumente auf die verschiedenen Bereiche 117 . Die Identifikation der Variablen, die den Erfolg einer Gestaltungsmaßnahme determinieren, kann erst dann erfolgen, wenn feststeht, welches absatzpolitische Instrument gestaltet werden soll, welcher A r t das Produkt oder die Dienstleistung ist, für deren Verkauf das Instrument eingesetzt wird, welcher Kundenkreis m i t der Gestaltungsmaßnahme angesprochen werden soll, i n welchem Zeitpunkt, insbesondere i n welcher Phase des Lebenszyklus eines Produkts, das Instrument eingesetzt w i r d und auf welche Phase i m Kaufentscheidungsprozeß Einfluß genommen werden soll. A n Hand jedes dieser Krtierien können wiederum Klassen von Entscheidungen zur Gestaltung absatzpolitischer Maßnahmen gebildet werden. U m jedoch verschiedene Ansätze zur Differenzierung und Spezifizierung absatzpolitischer Gestaltungsmaßnahmen überhaupt erkennen zu können, sind selbst wiederum Hypothesen zu formulieren. Beispielsweise setzt die Spezifizierung von Gestaltungsmaßnahmen absatzpolitischer Instrumente nach verschiedenen Käufergruppen oder nach den Phasen i m Entscheidungsprozeß eines Käufers Hypothesen über Möglichkeiten zur Bildung von Käufertypen bzw. Hypothesen über den Ablauf von Kaufentscheidungsprozessen voraus. Das Erkennen von Spezifizierungsmöglichkeiten für absatzpolitische Gestaltungsmaßnahmen kann zugleich auch ein Erkennen von Bereichen bedeuten, auf die absatzpolitische Aktivitäten verteilt bzw. konzentriert werden können. Absatzpolitische Aktivitäten können sich auf einzelne absatzpolitische Instrument aber auch auf bestimmte Produkte, Kunden oder Kundengruppen, Zeitabschnitte oder Phasen i m Entscheidungsprozeß eines Käufers konzentrieren 118 . 117
Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschnitt II, 2413. Vgl. Nieschlag, R., Dichtl, E., Hörschgen, H., Marketing, a.a.O., S. 369 bis 375. 118
Einfluß er Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung 32. Beispiele für den Einfluß des jeweils eingesetzten absatzpolitischen Instruments Bereits aus der A r t des eingesetzten absatzpolitischen Instruments lassen sich Aussagen über die Relevanz bestimmter Marktvariablen ableiten, die für alle Gestaltungsmaßnahmen des betreffenden Instruments Gültigkeit besitzen, ganz gleich, auf welchem Markt, für welche Kundengruppe oder in welchem Zeitabschnitt der Einsatz des Instruments erfolgt. Unterschiede der bei der Gestaltung verschiedener absatzpolitischer Instrumente zu berücksichtigenden Variablen ergeben sich zum Beispiel aus der unterschiedlichen Zeitdauer, die die Realisierung von Gestaltungsmaßnahmen bei verschiedenen absatzpolitischen Instrumenten erfordert 1 1 9 . Zur Beurteilung des Erfolgs von verhältnismäßig langfristig realisierbaren Maßnahmen, wie z. B. der Entwicklung bestimmter hochwertiger Gebrauchsgüter oder dem Aufbau eines Vertriebs- oder K u n dendienstnetzes, ist die Identifikation der Marktvariablen erforderlich, deren Entwicklung durch einen langfristigen Trend gekennzeichnet ist 1 2 0 . Relativ kurzfristige Veränderungen ohne eine erkennbare langfristige Entwicklung brauchen als Gegenstand der Informationsgewinnung nicht berücksichtigt zu werden. I m Gegensatz dazu muß bei kurzfirstig realisierbaren Maßnahmen das Augenmerk vor allem auf Variablen m i t kurzfristigen Veränderungen gerichtet werden. Der Erfolg kurzfristiger Dispoisitionen i m Einzelhandel kann z. B. stark vom Wetter, von aktuellen Ereignissen und von kurzfristigen Modeströmungen abhängen 121 . Der Erfolg von Maßnahmen i m Bereich der absatzpolitischen Instrumente, die der Information der Käufer dienen, hängt zum großen Teil von jenen Faktoren ab, die die W i r k u n g von Informationen auf das Verhalten des Informationsempfängers, unabhängig vom jeweiligen Inhalt der Information, beeinflussen. Zur Identifikation jener Faktoren erweist es sich als zweckmäßig, von den Phasen i m Entscheidungsprozeß eines Käufers auszugehen und die innerhalb jeder Phase wirksamen Variablen und Einflüsse zu identifizieren. Der Einfluß von Maßnahmen i m Bereich der absatzpolitischen Instrumente „Werbung" und „Sales Promotion" auf das tatsächliche Kauf119 Vgl. Kapferer, Ch., Disch, W. K. A., Absatzprognose, a.a.O., S. 77; Steiner, J. 1J., a.a.O., S. 28. 20 Vgl. Heckmann, N., Schemmel, F., Die Anwendung der Regressionsrechnung zur Entwicklung quantitativer Prognosenmodelle — ihre Möglichkeiten als Hilfsmittel der Unternehmensplanung, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, Jahrgang 1971, Heft 1, S. 42—54. 121 VgL Heckmann, N., Schemmel, F., a.a.O.; Steiner, J. J., a.a.O., S. 28.
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verhalten, d. h. auf die Wahl eines bestimmten Produkts durch den Käufer, hängt davon ab, welchen Effekt die Informationen i n den einzelnen Phasen des Kaufentscheidungsprozesses erzielen. Diese Effekte sind nichts anderes als die jeweils erzielten Erfüllungsgrade der außerökonomischen Indikatoren des Werbeerfolgs. Als Phasen eines Kaufentscheidungsprozesses können die Anregungsphase, die Phase der Entstehung eines Kaufmotivs, die Phase der Konkretisierung des Bedürfnisses, die Phase der eigentlichen Kaufhandlung sowie die Phase der nachträglichen Bewertung des Kaufs identifiziert werden 1 2 2 . I n den einzelnen Phasen hat die Werbung folgende Zwecke zu erfüllen und folgende Effekte zu erzielen: I n der Anregungsphase müssen die Umworbenen m i t der Werbeinformation in Berührung kommen und sie bewußt wahrnehmen. Die Konfrontation m i t der Werbebotschaft ist die Voraussetzung dafür, daß sie überhaupt wahrgenommen wird. Die bewußte Wahrnehmung der Werbung, die Erzielung eines „Wahrnehmungserfolgs" ist wiederum die Voraussetzung dafür, daß ein Kaufmotiv entsteht. Nach der Aktivierung bestimmter Triebe oder Ziele ist es als nächstes Aufgabe der Werbung, das Bündel der aktivierten Triebe und Ziele zu einem möglichst spezifischen, auf ein bestimmtes Proudkt, speziell auf eine bestimmte Marke gerichteten Bedürfnis zu konkretisieren 128 . I n der Phase der Konkretisierung des Bedürfnisses müssen die Werbeinformationen vor allem zu einer günstigen Bewertung des werbenden Unternehmens gegenüber den Konkurrenzprodukten durch den potentiellen Käufer führen. I n den meisten Fällen w i r d die Werbung für ein bestimmtes Produkt die Motivierungsfunktion und die Funktion der Konkretisierung der Bedürfnisse zugleich erfüllen 1 2 4 I n der eigentlichen Kaufsituation, also z. B. i m Einzelhandelsgeschäft kurz vor der Wahl eines bestimmten Produkts oder bei dem Vertreter einer Firma kurz vor Abschluß eines Kaufvertrages, haben Werbeinformationen, meist i n der Form der sogenannten „Point-Of-PurchaseWerbung" 1 2 5 , den Zweck zu erfüllen, noch nicht vollständig konkretisierte Bedürfnisse endgültig auf die Marke des werbenden Unternehmens zu richten bzw. dafür zu sorgen, daß sich bereits entsprechend konkretisierte Wünsche nicht i n Richtung auf eine andere Marke oder i n Richtung auf Unterlassung des Kaufs ändern. 122 Ygi Fiögel, H., Haben wir eine praktische Theorie der Werbung?, in: die Absatzwirtschaft, Jahrgang 1966, S. 1348; Meffert, H., Modelle des Kaufverhaltens und ihr Aussagewert für das Marketing, a.a.O., S. 351; Wiswede, G., a.a.O., S. 228. 123 V g L Portugal^ V., a.a.O., S. 179—182. 124 Vgl. ebenda, S. 179. 125 Vgl. Nieschlag, R , Dichtl, E., Hörschgen, H., Marketing, a.a.O., S. 304.
Einfluß er Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung I n der dem Kauf nachgelagerten Phase der Kaufnutzung haben Werbeinformationen dafür zu sorgen, daß sich der Käufer m i t einem Produkt identifiziert und seinen Kauf als gerechtfertigt ansieht 126 . Die Phase der Kaufnutzung kann gleichzeitig als Anregungsphase für nachfolgende Wiederholungskäufe angesehen werden. Tragen entsprechende Werbeinformationen dazu bei, vorhandene Zweifel an der Richtigkeit des Kaufs zu beseitigen, so w i r d es zu Wiederholungskäufen kommen. Ob der Kaufentscheidungsprozeß der potentiellen Käufer den vom werbenden Unternehmen erwünschten Verlauf nimmt, hängt davon ab, daß alle den verschiedenen Phasen entsprechenden außerökonomischen Werbeziele erfüllt werden. Die Phasengliederung des Kaufentscheidungsprozesses, die ebenfalls auf Hypothesen beruht, ist u. a. die Voraussetzung dafür, durch Differenzierung der Werbemaßnahmen die verschiedenen, ausschließlich in bestimmten Phasen wirksamen Faktoren speziell zu berücksichtigen. Von besonderer Bedeutung für den Erfolg einer Werbung, die sich eine differenzierte Einflußnahme auf die verschiedenen Phasen des Kaufentscheidungsprozesses zum Ziel setzt, ist die Klärung der Frage, welche Personen i n den verschiedenen Phasen welche Rolle spielen 127 . Werden Kaufentscheidungen von Gruppen getroffen, so ist es wichtig zu wissen, wer den Anstoß gibt, daß überhaupt ein Produkt einer bestimmten Produktkategorie gekauft wird, oder wer den größten Einfluß bei den verschiedenen Konkretisierungsschritten hat, wer z. B. die Preislage und die Marke des zu kaufenden Produkts bestimmt. Weiter ist es wichtig zu wissen, wer letztlich entscheidet und wer den Entscheidenden durch seine Meinung beeinflußt 128 . Besonders bedeutsam für gezielte Informationen ist die Kenntnis der Person des Verwenders oder Benützers, wenn keine Identität zwischen beiden besteht und der Verwender oder Benützer des zu kaufenden Produkts einen gewissen Einfluß auf den Käufer des Produkts ausübt. Ob ein Kaufentscheidungsprozeß durch Werbeinformationen angeregt wird, hängt davon ab, ob der betreffende Käufer oder derjenige, der den Käufer bei seiner Entscheidung beeinflußt, mit der Werbeinformation überhaupt i n Berührung kommt. Zur Beurteilung des sogenannten „Berührungserfolgs" einer Werbemaßnahme sind insbesondere Annahmen über Situationen, i n denen die Zielpersonen der Werbung m i t der Werbebotschaft in Berührung kommen, und Annahmen über die von den Zielpersonen der Werbung bevorzugten Medien der Informationsübermittlung zu formulieren. 126
Vgl. Portugall, V., a.a.O., S. 182 ff. Vgl. Kotler, Ph., Marketing Management, a.a.O., S. 79 ff. 128 V g L Portugall, V., a.a.O., S. 193—195. 127
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Bei der Beurteilung der Wahrscheinlichkeit der Wahrnehmung einer Werbemaßnahme durch einen potentiellen Käufer sind die Interdependenzen zwischen der Wahrnehmung und verschiedenen psychischen Steuerungs- und Antriebsvariablen zu beachten 129 . U m Informationen über die Eignung einer Werbebotschaft zur Motivierung potentieller Käufer zu gewinnen, sind unter anderem Hypothesen über die Aussagefähigkeit bestimmter, durch eine Werbebotschaft hervorgerufene Gefühle oder Anmutungserlebnisse sowie über die hinter geäußerten Anmutungserlebnissen stehenden aktivierten Triebe zu formulieren 1 3 0 . Sollen Werbemaßnahmen gezielt dazu eingesetzt werden, einen bereits gefaßten Entschluß zum Kauf eines Produktes einer bestimmten Produktkategorie oder zum Kauf einer bestimmten Marke zu konkretisieren, so sind vor allem Hypothesen über die Produkteigenschaften zu formulieren, über die ein potentieller Käufer i n erster Linie informiert sein w i l l , wenn er sich zum Kauf einer bestimmten Marke entschließen soll. Ferner sind Hypothesen über den Grad der Vorprägung eines potentiellen Käufers durch entsprechende Erfahrungen m i t Produkten der gleichen Kategorie und über den Einfluß gewisser Vorstellungsbilder von Konkurrenzprodukten zu formulieren. Hypothesen über die Determinanten der Gedächtniswirkung einer Werbeinformation müssen dann aufgestellt werden, wenn i n der Realität zwischen dem Zeitpunkt der Wahrnehmung der Werbeinformation und dem Zeitpunkt der Kaufhandlung oder zwischen dem Zeitpunkt der Wahrnehmung und dem Zeitpunkt der Konkretisierung des Bedürfnisses ein gewisser Zeitraum liegt.Zur Erklärung der Gedächtniswirkung müssen die i n den verschiedenen psychologischen Lerntheorien gemachten Aussagen über die Determinanten des menschlichen Lernens bzw. Vergessens herangezogen werden 1 3 1 . Eine zweckmäßige und erfolgreiche „Point-Of-Purchase-Werbung" setzt die Verfügbarkeit von Informationen über die Zeit und den Ort des Kaufs, über den Grad der Konkretisierung des Bedürfnisses beim E i n t r i t t i n die Kaufsituation, also z. B. beim Betreten des Ladens, und über den Grad der Offenheit des Käufers gegenüber den Argumenten des Verkäufers voraus. I n der sich an den eigentlichen Kaufakt anschließenden Phase der Nutzung und nachträglichen Bewertung des Kauf Objektes hat die Werbung die Aufgabe, mögliche sogenannte kognitive Dissonanzen des 129 Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschnitt III, 313 über die „personenendogenen Verhaltensdeterminanten". 130 Vgl. ebenda, über die „Stimmungen". 131 Vgl. Flögel, H., Haben wir eine praktikable Theorie der Werbung?, a.a.O.; Kühn, R , Erklärungsmodelle des Käuferverhaltens, a.a.O., S. 77.
Einfluß er Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung Käufers zu vermeiden und den Prozeß der Identifikation des Käufers m i t dem von i h m gekauften Produkt zu unterstützen. Kognitive Dissonanzen, d. h. das Empfinden, daß die eigene Handlung nicht den eigenen Einstellungen, Wünschen oder Zielvorstellungen entspricht, treten nach einem Kaufakt beim Käufer immer dann auf, wenn er negative Erfahrungen mit dem Kaufobjekt macht oder wenn er Informationen über Vorteile der nicht gewählten Produkte erhält 1 3 2 . Zur Vermeidung von kognitiven Dissonanzen hat der Käufer von sich aus das Bedürfnis, nach Informationen zu suchen, die i h m eine Identifikation m i t dem gekauften Produkt und damit mit seiner eigenen Handlungsweise erleichtern. A u f der Kenntnis dieses Bedürfnisses und auf Annahmen über die möglichen, vor allem i m gekauften Produkt und den Eigenschaften der nicht gekauften Konkurrenzprodukte liegenden Ursachen kognitiver Dissonanzen müssen Werbemaßnahmen zur Beseitigung eben dieser kognitiven Dissonanzen beim Käufer beruhen. Nicht immer w i r d die Möglichkeit bestehen, durch differenzierte Informationen Einfluß auf die verschiedenen Phasen i m Kaufentscheidungsprozeß zu nehmen. Das ist immer dann der Fall, wenn das Verhalten eines Käufers nicht auf echten Entscheidungen, sondern auf Gewohnheits- oder Impulsverhalten beruht. I n beiden Fällen ist der Entscheidungsprozeß verkürzt. Beim Impulsverhalten fallen die Phasen der Wahnnehmung, der Motivation, der Konkretisierung des Bedürfnisses und der Kaufhandlung meist i n einer Phase zusammen. Beim Gewohnheitsverhalten bleiben die Wahrnehmung neuer Informationen und die Motivation zu Verhaltensänderungen auf Grund neuer Informationen ausgeschaltet 133 . 33. Der Einfluß der Art des angebotenen Produkts Je nach dem Verwendungszweck, dem ein Unternehmen m i t seinen Produkten gerecht werden w i l l und auf den es seine absatzpolitischen Bemühungen konzentriert, lassen sich ganz spezifische Variablen identifizieren, die als Determinanten des Erfolgs aller auf den Verwendungszweck ausgerichteten absatzpolitischen Maßnahmen i n Frage kommen. U m diese Variablen und ihren Einfluß zu erkennen, empfiehlt es sich, von relativ global definierten Verwendungszwecken oder Bedarfskategorien auszugehen. Ein spezifischer, eng umgrenzter Verwendungszweck, dem ein Produkt dient, läßt sich meist einer umfassenden Verwendungszweck- oder Bedarfskategorie zuordnen. 132 Vgl. Meffert, H., Modelle des Käuferverhaltens und ihr Aussagewert für das Marketing, a.a.O., S. 339—341. 133 Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschnitt III, 313 über „Verhalten".
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Zunächst können Hypothesen über den Einfluß der Variablen aufgestellt werden, die den Erfolg der Absatzpolitik für alle möglichen Produkte determinieren, die einer relativ umfassenden Verwendungszweck- oder Bedarfskategorie angehören. Beispielsweise können Hypothesen über den Einfluß jeweils der Faktoren formuliert werden, die ausschließlich den Erfolg aller absatzpolitischen Maßnahmen i m Konsumgüterbereich oder ausschließlich den Erfolg aller Maßnahmen i m Investitionsgüterbereich beeinflussen. So unterliegt das Verhalten der Käufer von Investitionsgütern aller A r t ganz bestimmten typischen Einflüssen, die i m Konsumgüterbereich nicht oder nicht i n der betreffenden Stärke zu beobachten sind. Dazu können unter anderem folgende besonderen Einflüsse gerechnet werden: a) Der dominierende Einfluß der Funktionsgerechtigkeit der angebotenen Produkte 1 3 4 Als Funktionen, die von einem Investitionsgut zu erfüllen sind, können sowohl rein technische Funktionen, wie etwa die Ausführung eines bestimmten Arbeitsgangs, als auch allgemein betriebliche Funktionen, wie etwa die Rationalisierung des Rechnungswesens oder die Einsparung von Arbeitskräften, angesehen werden 1 3 5 . b) Der Einfluß unternehmenspolitische Ziele 1 3 6 Die Erfüllung bestimmter technischer oder betrieblicher Funktionen dient letztlich der Erfüllung übergeordneter unternehmenspolitischer Ziele. Damit hängt die Entscheidung, ein bestimmtes Investitionsgut zu kaufen, indirekt von den jeweiligen unternehmenpolitischen Zielen ab. c) Der Enfluß der auf „nachgelagerten" Märkten wirksamen Determinanten des Käuferverhaltens 1 3 7 Die Nachfrage nach einem bestimmten Investitionsgut w i r d wesentlich davon beeinflußt, ob die m i t Hilfe des betreffenden Investitionsgutes erzeugten Produkte und Leistungen gewinnbringend verkauft werden können. Dies hängt wiederum von den Determinanten des Marktgeschehens auf den Märkten ab, auf denen der Käufer des Investitionsgutes seinerseits seine Produkte und Leistungen anbietet. 134 vgl Fratz, E., Produktforschung im Investitionsgüterbereich, in: Der Marktforscher, Jahrgang 1966, Heft 7, S. 207—210; Wilhelm, H., Probleme der Marktforschung für Investitionsgüter, in: Der Marktforscher, Jahrgang 1965, Heft 2, S. 70—74. 135 Vgl. Gerth, E., a.a.O., S. 186. 136 Vgl. Kapferer, Ch., Disch, W. K. A., Absatzprognose, a.a.O., S. 187 f. 137 vgl Bruns, J., Sektorenanalyse: Analyse und Prognose für Investitionsgüter, in: Marketing-Journal, Jahrgang 1969, Heft 5, S. 300 ff.; Kölbl, H., Schütze, J., Probleme und Verfahren der Chemie-Marktforschung, in: Der Marktforscher, Jahrgang 1965, Heft 1, S. 2—7; Fürst, G., Welche Grundlagen liefert die amtliche Statistik für die Erfassung der Rahmenbedingungen der Märkte, in: GfM-Mitteilungen, Jahrgang 1969, Heft 2, S. 33—41. 15 Kopp
Einfluß er Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung d) Der dominierende Einfluß von Entscheidungskollegien auf die Kaufentscheidung Die meisten Entscheidungen für den Kauf von Investitionsgütern werden von mehreren Mitgliedern des kaufenden Unternehmens gefällt oder beeinflußt. Das Erkennen der für den Kauf eines Investitionsgutes maßgeblichen „Entschiedungseinheiten" 138 i n einer Unternehmensorganisation sowie die Erforschung ihrer strukturellen Merkmale sind für den Anbieter des Investitionsgutes vor großer Bedeutung. M i t der Spezifizierung der jeweiligen Verwendungszweckkategorie bis hin zum konkreten Verwendungszweck lassen sich dann die zusätzlichen, für die jeweilige Spezifizierung des globalen Verwendungszwecks relevanten Variablen leichter erkennen. Spezifizierungsmöglichkeiten der Kategorie „Konsum" sind z. B. der tägliche Verbrauch oder der Gebrauch von Konsumgütern 1 3 9 . Das Verhalten beim Kauf von Konsumgütern des täglichen Bedarfs w i r d z. B. wesentlich von Gewohnheiten 140 , von einer relativ intensiven Kenntnis der Preisentwicklung der Produkte und von der Uberallerhältlichkeit des Produkts i m nächstgelegenen Einzelhandelsgeschäft bestimmt 1 4 1 . Beim Kauf von hochwertigen Gebrauchsgütern spielen die Merkmale rationalen Verhaltens, wie z. B. das Streben nach Markttransparenz, die bewußte Beurteilung der Konsequenzen des Kaufs für die Erreichung persönlicher Ziele und die relative Unbeeinflußbarkeit durch die Merkmale der aktuellen Kaufsituation eine bedeutende Rolle. Der Grund dafür ist, daß der Käufer die Entscheidung, ein hochwertiges Gebrauchsgut zu kaufen, als existenzielle, seinen zentralen Interessenbereich berührende Entscheidungen empfindet 142 . Handelt es sich bei einem hochwertigen Gebrauchsgut aus dem Konsumgüterbereich, z. B. u m einen Küchenherd, können in einem nächsten Schritt die Faktoren identifiziert werden, von denen der Erfolg aller absatzpolitischen Maßnahmen auf dem Markt für Küchengeräte abhängt. I n einem letzten Schritt ist schließlich nach den Einflüssen zu fragen, die speziell das Verhalten der Käufer von Küchenherden determinieren. Eine gleichzeitige Berücksichtigung der Determinanten, die die Nachfrage für verschiedene spezifische Verwendungszwecke beeinflussen, ist dann notwendig, wenn ein Produkt gleichzeitig mehreren Verwendungszwecken dient. Zu denken wäre z. B. an ein Produkt, das sowohl als 138 V g L 139 v g l t 140 V g l > 141 Vgl. 142 Vgl.
Wilson, A., a.a.O., S.20; Wilhelm, H., a.a.O., S. 70—74. Weber, H. K , Absatzmarkt, a.a.O., S. 106 ff. Portugall, V., a.a.O., S. 10. Weber, H. K , Absatzmarkt, a.a.O., S. 88. Lehr, U., a.a.O., S. 319.
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Investitionsgut als auch Konsumgut Verwendung findet, oder an ein Produkt, das für eine Gruppe von Käufern einen ausgesprochenen Luxusartikel, für eine andere Gruppe von Käufern ein Gut des täglichen Bedarfs darstellt. Auch bei Produktionsprogrammen oder Sortimenten, deren Produkte nicht einem bestimmten, sondern mehreren unterschiedlichen Verwendungszwecken dienen, ergibt sich die Notwendigkeit, die Determinanten der Nachfrage für die verschiedenen Verwendungszwecke zu berücksichtigen. 34. Der Einfluß der Phasen im Lebenszyklus eines Produkts Unterschiede i n den jeweils relevanten Determinanten und Indikatoren des Erfolgs absatzpolitischer Maßnahmen ergeben sich auch dadurch, daß die Maßnahmen i n verschiedenen Zeitabschnitten, z. B. i n den verschiedenen Phasen des Lebenszyklus eines Produkts eingesetzt werden. Vor der Einführung eines völlig neuartigen Produkts können z. B. keine Informationen über die möglichen Einflüsse von Erfahrungen der potentiellen Käufer m i t dem Produkt oder von sekundären, erst durch den Gebrauch des Produkts erlernten Kaufmotiven gewonnen werden. Ebenso w i r d es schwierig sein, die potentiellen Konkurrenzprodukte des neuen Produkts sowie die Gruppe der Käufer, die das neue Produkt bevorzugt kaufen werden, m i t einiger Sicherheit zu identifizieren 143 . Bei Entscheidungen über die absatzpolitischen Maßnahmen, die vor allem i n der Einführungsphase eingesetzt werden sollen, insbesondere bei Entscheidungen über die Gestaltungen der Einführungswerbung, sind vor allem Hypothesen über den Verlauf des Prozesses der Verbreitung von neuen Produkten i m Markt, über den sogenannten Diffusionsprozeß 144 zu formulieren. Dazu zählen Hypothesen über mögliche Widerstände und psychische Barrieren, die i n den einzelnen Phasen i m Entscheidungsprozeß eines Käufers vor dem erstmaligen Kauf des neuen Produkts wirksam werden und i h n vom Kauf abhalten könnten. Weiter sind Hypothesen darüber zu formulieren, wie sich Informationen über das neue Produkt i m M a r k t verbreiten, auf welche Weise potentielle Käufer von dem neuen Produkt erfahren 145 . Insbesondere ist zu klären, welche Rolle die zweistufige Kommunikation, d. h. die Ver145 Vgl. Fürst, G., Gemeinsame Interessen der Marktforschung und der amtlichen Statistik, in: GfM-Mitteilungen, Jahrgang 1960, Heft 1, S. 1—6. 144 Vgl. Meffert, H., Modelle des Käuferverhaltens und ihr Aussagewert für das Marketing, a.a.O., S. 343f. 148 Vgl. ebenda.
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Einfluß er Informationszwecke auf die Hypothesenformulierung breitung von Informationen durch Meinungsführer und andere Kontaktpersonen, spielt 148 . Schließlich sind Hypothesen über die Eigenschaften der besonders innovationsfreudigen Käufer, die dem erstmaligen Kauf des neuen Produkts die geringsten Widerstände entgegensetzen, zu formulieren. A u f Käufer m i t solchen Eigenschaften werden sich die absatzpolitischen Bemühungen während der Einführungsphase besonders konzentrieren müssen. I n der über die über die sonen zu
Phase der Marktreife werden vor allen Dingen Annahmen möglichen Auswirkungen von Konkurrenzmaßnahmen sowie Merkmale der noch nicht zu den Käufern gehörenden Permachen sein.
U m rechtzeitig zu erkennen, ob der Lebenszyklus i n die Phase des Niedergangs eingetreten ist, und um damit rechtzeitig die entsprechenden Konsequenzen ziehen zu können, ist es notwendig, entsprechende Indikatorvariablen zu identifizieren, die den Übergang von der Phase der Marktreife in die Phase des Niedergangs anzeigen. Die abnehmende Eigeninitiative des Verbrauchers beim Kauf des Produkts, relativ undifferenzierte und inhaltsarme Produktimages, Gleichgültigket der Verbraucher gegenüber dem Ort, der Zeit und der Betriebsform des Handels beim Kauf und eine große Zugänglichkeit gegenüber Preisargumenten können als entsprechende Indikatoren angesehen werden 1 4 7 .
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Vgl. ebenda, S. 342. Vgl. Maar, W., Relative Verbrauchswichtigkeit als Produktmerkmal, in: Der Marktforscher, Jahrgang 1962, Heft 6, S. 198—203. 147
V. Hypothesenformulierung — Modellpositivismus oder Notwendigkeit? Die Anwendung des analytischen, modelltheoretischen Denkens als Voraussetzung dafür, verwertbare Informationen zur Erklärung und Prognose des Geschehens auf dem Absatzmarkt eines Unternehmens zu gewinnen, mag i n vielen Fällen durchaus mit Recht als übertriebener und nutzloser Modellpositivismus angesehen werden. Zum einen erscheint es vermessen, angesichts der Vielzahl von Faktoren, der unentwirrbaren Wirkungsverflechtungen und der unvorhersehbaren Veränderungen, die das Geschehen auf einem Markt oftmals bestimmen, relativ eindeutige Aussagen über den Einfluß von bestimmten Variablen auf dieses Geschehen zu machen. Zum anderen erscheint es überflüssig und lächerlich, angesichts vieler auf Grund ihrer Evidenz und auf Grund alltäglicher Erfahrungen allgemein bekannter Einflüsse noch ausdrücklich Hypothesen über diese Einflüsse zu formulieren. I n vielen Fällen w i r d tatsächlich nach wie vor einem intuitiven, auf der Fülle oft nicht mehr bewußter Erfahrungen und Eindrücke basierenden ganzheitlichen Erkennen und Beurteilen der Lage der Vorzug zu geben sein gegenüber einem streng analytischen Vorgehen i n Gestalt des ausdrücklichen Formulierens und Überprüfens von Aussagen über den Einfluß bestimmter Marktvariablen. Der Versuch, auf analytischem Weg gleichsam mechanistische und isolierte Ursache-Wirkungsbeziehungen zwischen einzelnen Variablen zu identifizieren und die Realität durch bewußtes, methodisches Denken i n den Griff zu bekommen, kann unter Umständen sogar dazu führen, daß der Bezug zur ganzheitlichen Realität verlorengeht und Sachverhalte, die für erfahrene Praktiker Selbstverständlichkeiten sind, i n Frage gestellt oder nicht erkannt werden. Folgende bedeutsame Gründe, die bereits eingangs angedeutet worden sind, sprechen jedoch auf der anderen Seite für eine verstärkte Anwendung analytischen, modelltheoretischen Denkens und für eine bewußte Formulierung von hypothetischen Modellen zur Erklärung und Prognose des Marktgeschehens: Durch die technischen Fortschritte auf den Gebieten der maschinellen Erfassung, Speicherung, Verarbeitung und Kommunikation von Daten wurden die Voraussetzungen dafür ge-
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V. Modellpositivismus oder Notwendigkeit?
schaffen, Daten über die Ausprägungen einer Vielzahl von Marktvariablen i m Zeitablauf zu speichern und miteinander i n Beziehung zu setzen. Damit kann auf empirischem Weg eine Fülle von Beziehungen zwischen Marktvariablen ermittelt und überprüft werden. Speicherungsmöglichkeiten i n Datenbanken erlauben es, nicht mehr nur Daten von relativ wenigen, aus dem Rechnungswesen stammenden Indikatorvariablen i n das Informationssystem miteinzubeziehen, sondern darüber hinaus auch Daten über die Entwicklung einer Vielzahl von Determinanten des Käuferverhaltens zur Verfügung zu stellen. Ein weiterer Grund für die bewußte Formulierung von analytischen Erklärungsmodellen sind die immer begrenzteren Möglichkeiten für einen verantwortlichen Entscheidungsträger i n einer größeren Unternehmung, praktische und unmittelbare Erfahrungen i m Umgang m i t den Käufern der Produkte des Unternehmens zu machen. Dies beruht i m wesentlichen auf einer wachsenden Arbeits- und Funktionsteilung i n der Produktion und auf dem Weg der Produkte zum Verbraucher sowie auf einer Vergrößerung der Märkte. Die Folge ist eine wachsende Distanz vor allem der Hersteller gegenüber den Verwendern und dam i t eine zunehmende „Anonymität des Marktes". Nicht zuletzt spricht für das bewußte Formulieren von hypothetischen Erklärungsmodellen des Marktgeschehens der damit verbundene Zwang zur Beachtung der strengen Prinzipien empirischen Forschens. Erst das Formulieren und das Überprüfen derartiger Modelle i n der Realität bieten die Gewähr dafür, daß sowohl beim Unternehmer als auch bei der interessierten Öffentlichkeit fundierte Erkenntnisse über das Verhalten der Marktpartner anstelle von vagen Vorstellungen, von bequemen und plausibel erscheinenden Denkschablonen und von Dogmen treten.
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