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German Pages 611 [629] Year 1872
HANDBUCH DER
PRAKTISCHEN
fL'R
THIElllUZTE. VON
D* CARL HEINRICH H E R W I G , KÖNIGL. MEDICINALRA'III
USD
PROFESSOR
AN D E R T H I E R A R Z N E I S C H U L E
FÜNFTE, VERMEHRTE UND VERBESSERTE A U F L A G E .
LEIPZIG, VERLAG- V O X V E I T & COMP. 1872.
ZU
BERLIK.
VORWORT ZUR FÜNFTEN AUFLAGE.
I)a die im J a h r e 18G3 erschienene vierte Auflage meines Handbuchs der praktischen Arzneimittellehre für Thierärzte wiederum vollständig- vergriffen ist, so wurde eine neue Ausgabe des Buchs nöthig. Hierbei habe ich dasselbe mit Berücksichtigung der in der neuern Zeit gemachten Fortschritte in der Wissenschaft und in der praktischen Thioiheilkundc. so wie auch namentlich dadurch zu verbessern und zu vervollständigen gesucht, dass ich erstens zu der pharniakodynamischcn Darstellung der einzelnen Arzneimittel eine kurze pharmakologische Notiz (bei den Pfianzenmittein
wenigstens eine Hinweisung auf ihren
Stand im botanischen System) hinzugefügt habe; — zweitens, class die Wirkungen der subcutanen Injectionen, so weit dieselben von einzelnen Mitteln bekannt und von thierärztlich praktischer Bedeutung erscheinen, mehr als bisher berücksichtigt sind; — drittens, dass die in der neuern Zeit als sehr wirksam und auch in der Thierarzneikunde als brauchbar anerkannten Arzneisubstanzen: der P e r u b a 1 s a 111, die C a r b 01 s ä 11 r e, das C h l o r a l ,
das h y p e r in a n g a n s a u r e
sesquicldoiatum
aufgenommen, und — viertens, dass die Arzneigaben
Kali
und das
aus dem früheren Medicinalgewicht in das j e t z t gesetzlich Grainmengewicht umgeschrieben worden sind.
Ferrum geltende
Bei den Mitteln, welche
eine heftige Wirkung äussern können, sind, um Irrungen zu vermeiden, mehrentheils die alten und die neuen Gewichtsbezeichnungen angegeben. Hierzu muss ich jedoch bemerken, dass das Kilo == 2 Pfund, also das
XV
Vorwort.
P f u n d zu 500 G r a m m e n , 1 G r a m m = = 1 6 Gran, und 30 G r a m m e 1 Unze, aber 4 Gramme =
sind, um Bruchtheile zu vermeiden. die in der Materia
medica
=
1 D r a c h m e in r u n d e r Zahl gerechnet worden J e d e r P r a k t i k e r weiss es j a , dass
bezeichneten Arzneigaben
approximative
Mittelgrössen a n d e u t e n , bei denen es meistens auf einzelne Grane nicht genau a n k o m m t , da sie doch in praxi
dem jedesmaligen Falle ange-
messen werden lhüssen. — Die Mittel, welche in der P h a r m a c o p o e a Borussica den Apothekern nicht vorgeschrieben, also nicht officinell sind, habe ich wieder hinter ihrem N a m e n mit fo b e m e r k b a r g e m a c h t ; selbstverständlich gehören hierzu auch die vorhin genannten neu aufgenommenen Mittel, die jedoch diese Bezeichnung nicht erhalten haben, weil sie ü b e r h a u p t neu sind und doch nächstens in die P h a r m a c o p ö e aufgenommen werden sollen. BERLIN,
im December 1S71.
Hertwig.
INHALTSVERZEICHNIS. Seite
Einleitung
1
Allgemeine
Arzneiwirkungslelire.
Erstes Kapitel. K r ä f t e der Arzneimittel und Entstehung der Arzneiwirkungen Mechanische Einwirkungen. S. 5, — chemische, dynamische W i r k u n g e n , specifische W i r k u n g e n Z w e i t e s K a p i t e l . V o n den verschiedenen W i r k u n g e n der Arzneimittel (örtliche, allgemeine, primäre, sekundäre, erregende u. s. w. W i r k u n g e n ) D r i t t e s K a p i t e l . Von den B e d i n g u n g e n , durch welche die V i n n i n g e n der Arzneimittel verändert werden können A. A u f Seiten der Arzneimittel 15. A u f Seiten des Organismus C. Durch das diätetische Verhalten, die L u f t u. s. w Viertes Kapitel. Einthcilung (Classification) der Arzneimittel . . . Fünftes Kapitel. Quellen und L i t e r a t u r der Arzneimittellehre . . . .
5 0 10 21 21 25 32 33 37
Njiecielle Aizneiwirkiuigslelire. E r s t e K l a s s e . Indifferente Arzneimittel Erste Abtheilung. Eiweissstott- und gallertartige Mittel . . . . Zweite Abtheilung. Schleim- und gummihaltige Mittel D r i t t e Abtheilung. M e h l - u n d stärkemehlhaltige Mittel . . . . Vierte Abtheilung. Süsse, Zucker und Honig enthaltende Mittel F ü n f t e Abtheilung. F e t t - und ölhaltige Mittel Sechste Abtheilung. W a c h e Z w e i t e Klasse. Bittere Mittel A . Kein bittere Mittel B . Salzig und schleimig bittere Mittel . . C. Aromatisch oder erregend bittere Mittel Dritte Klasse. Adstringirende oder zusammenziehende Pflanzenmittel A. Kein adstringirende Mittel B . Schleimige adstringirende Mittel C. B i t t e r e adstringirende Mittel D. Aetherisch-ölige adstringirende Mittel E . Säuerlich adstringirende Mittel F . Adstringirende Äfittel mit Alkaloiden
47 48 54 64 73 80 89 90 94 97 100 104 109 115 116 121 123 124
yi Vierte Klasse.
Inhalt.
Aetherisch-ölige (gewürzhafte), kampherhaltige, harzige und empyreumatische Mittel Erste Abtheilung. Aetherisch-ölige oder gewürzhafte (aromatische) Arzneimittel Zweite Abtheilung. Kampher oder Camphor Dritte Abtheilung. Harzige und balsamische Arzneimittel . . . A. Harzige Mittel B. Harz mit ätherischem Oel C. Gummi- oder Schleimharze Vierte Abtheilung. Brenzliche oder empyreumatisch-ölige Mittel . F ü n f t e K l a s s e . Flüchtige, weingeistige (spirituöse) und ätherartige Mittel S e c h s t e K l a s s e . Scharfe Arzneimittel S i e b e n t e K l a s s e . Betäubende oder narkotische Arzneimittel . . A c h t e K l a s s e . Chemisch-einfache Arzneistoffe N e u n t e K l a s s e . Säuren, saure Mittel Z e h n t e K l a s s e . Beine Alkalien und E r d e n , oder alkalische und erdige Mittel E l f t e K l a s s e . Salze der Alkalien und E r d e n A. Kohlensaure Salze B. Schwefelsaure Salze C. Salzsaure Salze D. Salpetersaure Salze E. Essigsaure Salze F . Weinsteinsaure Salze Gr. Boraxsaures Natron H. Oel- und talgsaure Salze. Seifen Z w ö l f t e K l a s s e . Metallische Arzneimittel A. Arsenik B.Ble i C. Braunstein, Mangan D. Chrom E. Eisen F.Kupfe r G. Quecksilber H. Silber I. Spiessglanz K. Zink
Seite
127 128 175 191 192 198 211 216 236 254 315 373 401 426 449 452 463 473 483 487 488 490 491 494 497 509 518 520 521 531 540 562 566 580
EINLEITUNG. Der lebende thierische Körper besitzt das Vermögen, durch eigene Organe und deren Thätigkeit sich gegen die Einwirkungen der äusseren Einflüsse bis zu einem gewissen Grade zu erhalten und auch dieselben zu seiner Erhaltung sich anzueignen. §•2Als äussere Einflüsse ist Alles zu betrachten, was ausserhalb des Thierkörpers besteht, und mit demselben auf irgend eine Weise in Berührung kommt, wie z. B. Nahrungsmittel, Getränke, Licht, Luft, Wärme, Electricität, Arzneimittel u. s. w. §• 3. Die äusseren Einflüsse können auf den Thier-Organismus in dreifacher Weise einwirken : a) m e c h a n i s c h , durch ihre äussere F o r m , Schwere, Bewegung u. s. w.; b) c h e m i s c h , durch ihre B e s t a n d t e i l e und deren gegenseitige Beziehungen und Wechselwirkungen auf die B e s t a n d t e i l e des Körpers; und c) p h y s i k a l i s c h , durch die sogenannten unwägbaren Stoffe (Imponderabilien), wie Licht, Wärme, Magnetismus, Electricität. §• -tIn Folge dieser Einwirkungen (Actionen) entstehen im Thierkörper Veränderungen und Gegenwirkungen (Reactionen), welche sich in veränderter Beschaffenheit und in veränderten Thätigkeiten der betroffenen Theile und der mit denselben in Verbindung stehenden Organe zeigen. Die wahrnehmbaren Erscheinungen der E i n w i r k u n g und die der Gegenwirkung zusammengenommen stellen die W i r k u n g dar. Die Wirkungen sind mithin nicht blos örtliche Erscheinungen, und hängen nicht allein von den Eigenschaften der äusseren Einflüsse a b , sondern sie werden zum Theil von der organischen Thätigkeit des Thierkörpers erzeugt, und erscheinens omit als das gemeinschaftliche Product einer äussern Kraft und einer innern Thätigkeit. §•5. Nach Verschiedenheit dieser beiden Factoren sind auch die Wirkungen verschieden, und zwar a) besteht unter gewissen Einflüssen der Lebensprocess in einem der Erhaltung des Organismus entsprechenden Grade und in entHKRTWIG, A r z n e i m i t t e l l e h r e .
5. A u f l a g e -
1
2
Einleitung.
sprechender A r t gleichmässig f o r t ; b) es wird bei abgeänderten Einflüssen die L e b e n s t h ä t i g k e i t e n t w e d e r z u s e h r e r h ö h t oder z u s e h r v e r m i n d e r t , oder c) sie n i m m t in einzelnen O r g a n e n oder Systemen eine v e r ä n d e r t e q u a l i t a t i v e R i c h t u n g an. Diese Verschiedenheiten des Lebensprocesses werden im Allgemeinen u n t e r zwei verschiedenen Z u s t ä n d e n betrachtet, die man als G e s u n d h e i t u n d K r a n k h e i t bezeichnet. §.
6.
G e s u n d h e i t ist d e r j e n i g e Zustand eines lebenden T h i e r e s , wo alle V e r r i c h t u n g e n des Organismus mit einander übereinstimmend, der Periode u n d dem Z w e c k e des Lebens entsprechend und mit Wohlbefinden, leicht u n d k r ä f t i g von Statten gehen. K r a n k h e i t ist jede Abweichung von diesem Zustande, die sich durch S t ö r u n g der naturgemässen Verrichtungen und des W o h l b e f i n d e n s zu e r k e n n e n giebt. Die R ü c k k e h r von K r a n k h e i t zum normalen Z u s t a n d ist die H e i l u n g . Dieselbe wird 1) in unzählbaren F ä l l e n durch die eigene T h ä t i g k e i t ( K r ä f t e ) des Organismus, durch das in ihm liegende und vom Leben selbst ausgehende Bestreben desselben, sich zu erhalten und die entstandenen Störungen des Lebensprocesses wieder a u f z u h e b e n , d. i. durch die sogenannte N a t u r h e i l k r a f t , h e r b e i g e f ü h r t ; — 2) sehr oft aber auch durch die zweckmässige Einw i r k u n g und L e i t u n g äusserer Einflüsse, d. i. durch H e i l m i t t e l . § . 8.
H e i l m i t t e l k a n n also Alles werden, was durch seine E i n w i r k u n g auf den k r a n k h a f t e n T h i e r k ö r p e r im S t a n d e ist, den U e b e r g a n g von K r a n k h e i t in Gesundheit zu vermitteln. Dies geschieht jedoch bei allen Dingen nur d a n n , wenn ihre E i n w i r k u n g u n t e r V e r h ä l t n i s s e n u n d B e d i n g u n g e n Statt f i n d e t , w e l c h e dem k r a n k e n Z u s t a n d e des O r g a n i s m u s g e n a u e n t s p r e c h e n ; denn u n t e r anderen Verhältnissen k ö n n e n dieselben Einflüsse bald als Nahrungsmittel, bald als k r a n k m a c h e n d e Schädlichkeiten und auch als tödtende Gifte auf den Organismus wirken. Absolute H e i l m i t t e l , d. h. f ü r sich allein und unter allen U m s t ä n d e n heilend wirkende Mittel giebt es daher nicht.
Der Inbegriff alles Wissenswiirdigen über die sämintlichen Heilmittel bildet die g e s a m m t e H e i l m i t t e l l e h r e L i m u t u l i t j i n . Da aber dieselbe in ihrem U m f a n g e ebenso unermesslich sein, würde, wie die Menge der Heilmittel unendlich gross ist (§. S;, so ist ihre ganz vollständige Darstellung als eine begrenzte Doctrin nicht möglich; und man hat daher die sämmtlichen Heilmittel nach ihren vorherrschenden K r ä f t e n u n d nach der A r t ihrer Einw i r k u n g auf den Organismus unter mehrere H a u p t a b t h e i l u n g e n gebracht, und betrachtet j e d e derselben als eine besondere Doctrin. — N a c h den hier angedeuteten Verschiedenheiten unterscheidet man nämlich mechanische, physikalische u n d diätetische Heilmittel und sogenannte Arzneimittel. A. M e c h a n i s c h e Heilmittel sind diejenigen, die durch Druck. Stoss,
Einleitung.
3
R e i b u n g u. s. w. auf den K ö r p e r wirken u n d H e i l u n g durch T r e n n u n g , Vere i n i g u n g oder V e r d i c h t u n g der organischen Substanzen u. s. w. vermitteln. H i e r h e r gehört der gesammte chirurgische A p p a r a t von I n s t r u m e n t e n , B a n d a gen u. s. w., deren K e n n t n i s s in der Acologie u n d der chirurgischen Maschinenu n d B a n d a g e n l e h r e a b g e h a n d e l t wird. B. P h y s i k a l i s c h e oder physische Heilmittel sind solche, die aus der beständigen W e c h s e l w i r k u n g der meisten Substanzen auf einander als bes o n d e r e N a t u r k r ä f t e hervorgehen und grösstentheils als s o g e n a n n t e u n w ä g b a r e Stoffe, Imponderabilia, bestehen, wie z. B. Licht, W ä r m e , E l e c t r i cität, M a g n e t i s m u s u. s. w. C. D i ä t e t i s c h e Heilmittel sind diejenigen S u b s t a n z e n , welche durch ihre Bestandtheile in einer solchen Beziehung zum gesunden K ö r p e r stehen, dass sie, im passenden Verhältniss a n g e w a n d t , dessen T h ä t i g k e i t e n gelind erregen u n d durch den Verdauungsprocess der organischen M i s c h u n g des K ö r p e r s einverleibt werden, u n d so nicht n u r die durch den Lebensprocess v e r b r a u c h t e n u n d ausgeschiedenen Bestandtheile ersetzen, sondern auch zur E r z e u g u n g und A u s b i l d u n g neuer Theile den Stoff geben. Sie sind zum F o r t b e s t a n d e des K ö r p e r s im gesunden und k r a n k e n Z u s t a n d e nötliig und werden deshalb gewöhnlich N a h r u n g s m i t t e l oder L e b e n s m i t t e l genannt. Die L e h r e von ihrer richtigen A n w e n d u n g und W i r k u n g ist die Z o o d i ä t e t i k ; es gehören hierher aber auch noch andere Einflüsse, wie n a m e n t lich L u f t , W ä r m e , Licht u. s. w. D. Die A r z n e i m i t t e l (Pharmaca, Medicamento) w i r k e n zwar auch z u n ä c h s t durch ihre e i g e n t ü m l i c h e n Bestandtheile auf den Organismus ein, j e d o c h so, dass sie die T h ä t i g k e i t auf eine ungewöhnliche Weise umstimmen und dabei dem K ö r p e r k e i n e n oder n u r ganz unverhältnissmässig geringen E r s a t z f ü r seinen Stoffverbrauch abgeben, da ihre Bestandtheile meistens nicht assimilirt werden. Die Arzneimittel wirken daher im gesunden K ö r p e r störend auf das n o r m a l e Verhältniss der organischen V e r r i c h t u n g e n , und bringen somit den Lebensprocess selbst aus dem Gleichgewicht. 1 Alles Wissenswürdige von i h n e n zusarnmengefasst, bildet die Arzneimittellehre ( PhariiiacoliKjia, Mattriii intdira). 8- 1 0 Die thierärztliche Arzneimittellehre (Pharmaroloijia veterinaria, Zoopharmiwoloi/iu) beschäftigt sich mit der E r k e n n u n g , Z u b e r e i t u n g , W i r k u n g und 1 Mit dieser E r k l ä r u n g über das V e r h ä l t n i s der Arzneimittel zum Organism u s ist d i e E r k l ä r u n g v o n d e n G i f t e n s e h r verwandt. Beide wirken vorzüglich durch das Verhältniss ihrer chemischen Bestandtheile und der hierdurch bedingten Stimm u n g der Kräfte, beide k ö n n e n unter entsprechenden U m s t ä n d e n heilsam oder auch schädlich und tödtlieli sein. A l s A r z n e i m i t t e l e x i s t i r e n d i e s e S u b s t a n z e n n u r in B e z u g auf d e n k r a n k e n O r g a n i s m u s u n d in d e r I d e e , d e n s e l b e n z u r G e n e s u n g u m z u s t i m m e n ; sie e n t s p r e c h e n d i e s e r I d e e a b e r n u r in g e w i s s e m G r a d e u n d b e i e i n e r g e w i s s e n G a b e u n d A r t d e r Anwendung. G i f t e b e z i e h e n s i c h a u f d e n g e s u n d e n u n d k r a n k e n O r g a n i s m u s , u n d es k ö n n e n d i e s d i e s e l b e n S u b s t a n z e n s e i n , d i e a u c h a l s A r z n e i m i t t e l d i e n e n , w e n n sie in z u grossen G a b e n und ungeschickt angewendet werden. Eine strenge Grenzlinie zwischen b e i d e n ist d a h e r n i c h t m ö g l i c h f e s t z u s e t z e n , so wie. es a u c h s e h r s c h w e r ist, e i n e g e n ü g e n d e D i e beste s c h e i n t n o c h f o l g e n d e zu s e i n : : D e t i n i t i o n v o n d e m , w a s G i f t i s t , zu g e b e n . . . G i f t i s t j e d e , (1 e m t l i i e r i s c h e n O r g a n i s m u s f r e m d e S u b s t a n z , w e l c l i e i n grösserer oder geringerer Gabe demselben beigebracht, schnell oder 1 a n g s ft m a u f e i n e c h e m i s e h - d y n a in i > c b e W e i s e d i e G e s u n d h e i t s t ö r t o d e r
1*
4
Einleitung.
Benutzung der zur Heilung kranker Hausthiere gebräuchlichen Arzneimittel, und sie umfasst demnach: a) die naturhistorische Beschreibung der Arzneimittel hinsichtlich ihres Ursprunges, ihrer Kennzeichen und physischen Eigenschaften, oder die m e d i c i n i s c h e W a a r e n k u n d e , oder D r o g u e n l e h r e ( Pharmacologia, Pharmacographia, Pharmacognosis); b) die Vorschriften zur zweckmässigen Gewinnung, Zubereitung und Aufbewahrung der Arzneimittel, oder die A p o t h e k e r k u n s t (Pharmacia); — und c) die Darstellung der K r ä f t e und Wirkungen, welche die Arzneimittel bei ihrer Anwendung auf den Thierkörper unter verschiedenen Verhältnissen entwickeln, — die A r z n e i w i r k u n g s l e h r e (Pharmacodynamica). Die letztere ist hier unsere eigentliche Aufgabe. Dieselbe enthält zwei Theile, nämlicli die a l l g e m e i n e und die s p e c i e l l e A r z n e i w i r k u n g s l e h r e . J e n e beschäftigt sich mit den K r ä f t e n und Wirkungen der Arzneimittel im Allgemeinen und mit der Eintlieilung oder Classification derselben; wogegen in der speciellen Arzneiwirkungslehre die Eigenschaften, die Wirkungen , die Anwendung bei bestimmten K r a n k h e i t e n , die Form und Dosis der einzelnen Mittel betrachtet werden. s e l b s t d a s L e b e n v e r n i c h t e t , — u n d s i c h i n d e m s e l b e n n i c h t w i e d e r erzeugt. ( D e r letztere Punkt dient zur Unterscheidung des Giftes von dem Contagium.) — In thierärztlicher Hinsicht ist es noch viel schwieriger zu bestimmen, w a s A l l e s zu den Giften gerechnet werden s o l l , als in menschenärztlicher , weil mancher Stoff bei den Thieren einer Gattung als heftiges Gift wirkt, bei Thieren anderer Gattungen aber entw e d e r nur eine geringe Schädlichkeit zeigt, oder sogar unschädlich und nicht giftig ist
A L L G E M E I N E
A B Z N E 1 W 1 B K U N G S L E H B E .
ERSTES
CAPITEL.
Kräfte der Arzneimittel und Entstehung der Arzneiwirkungen. §• 11.
Die Arzneiwirkungen entstehen im lebenden Thierkörper ganz auf dieselbe Weise wie andere W i r k u n g e n im Allgemeinen (§. 3, 4), nämlich durch die E i n w i r k u n g der Arzneimittel und durch die organische Reaction. Sie geben sich am lebenden Thierkörper durch Erscheinungen zu erkennen, welche an demselben nach der Anwendung der Mittel in einer gewissen Zeit eintreten und durch keine anderen Einflüsse hervorgerufen worden sind. Die K r ä f t e eines Arzneimittels können f ü r sich allein nicht gedacht werden, sondern sie sind an die B e s t a n d t e i l e und deren Eigenschaften gebunden, und sie wirken denn auch nach der A r t derselben auf den K ö r p e r ein und erzeugen auch hiernach ihre Wirkungen. §. 12. l)le mechanischen Einwirkungen. Auf mechanische Weise wird zwar der Thierkörper bei der A n w e n d u n g eines jeden Arzneimittels nothwendig b e r ü h r t , doch k a n n durch diese A r t von E i n w i r k u n g gewiss am allerwenigsten die eigenthümliche W i r k u n g eines Arzneimittels bestimmt werden, weil l ) d i e Arzneimittel nicht in so grossen Gaben gegeben werden, dass sie durch ihre Masse, Schwere, Form u. s. w. bedeutende mechanische K r ä f t e äussern könnten ; 2) weil Mittel von verschiedener Art, wenngleich sie in derselben Form und Masse gegeben werden, doch nach ihren inneren Bestandtheilen verschiedenartig w i r k e n ; — hauptsächlich aber 3) weil der Organismus auf die angewendeten Arzneimittel nicht nach den Gesetzen der Mechanik, sondern nach denen seiner eigenen Lebensthätigkeit und nach den verschiedenen Beziehungen der Mittel zu den einzelnen Organen in verschiedener Weise reagirt. — Mechanische Ein- oder Mitwirkungen kommen daher bei den Arzneiwirkungen nur insofern in Betracht, als sie örtliche Erscheinungen veranlassen und dadurch die E r scheinungen der eigentlichen W i r k u n g etwas modificiren k ö n n e n , wie z. B. bei ausserordentlich grossen oder zu schnell wiederholten G a b e n , welche den Magen anfüllen, oder bei sehr schweren, harten und unauflöslichen Substanzen, welche auf die betroffenen Stellen d r ü c k e n , z. B. metallisches Quecksilber,
6
Allgemeine
gefeiltes Eisen u. dergl., — oder auch bei einzelnen Formen der Mittel und der Art ihrer Anwendung, z. B. grobe Pulver, feste Bissen und Pillen, recht heftig gemachte Einspritzungen u. s. w. §. 13. Chemische Einwirkungen.
Eine chemische Einwirkung findet bei der Anwendung eines jeden Arzneimittels Statt, da seine Bestandtheile nach den Gesetzen der chemischen Verwandtschaft mit den Stoifen der verschiedenen Bestandtheile der einzelnen Gebilde des Thierkörpers in Wechselwirkung treten, so dass gegenseitig Zersetzungen und neue Verbindungen entstehen. Dies wird dadurch erwiesen, dass im lebenden Thierkörper, — wenn dieser nicht selbst krankhafte Verschiedenheiten darbietet, — Mittel von gleichen Bestandtheilen und Mischungsverhältnissen stets dieselben Wirkungen, — Mittel von ähnlichen chemischen Bestandtheilen und Mischungsverhältnissen ähnliche, — und Mittel von verschiedenartigen chemischen Zusammensetzungen immer verschiedenartige Wirkungen erzeugen. — Ferner, es ist bewiesen, dass manche Stoffe mit den Bestandtheilen des Blutes, der Nerven u. s. w. Verbindungen eingehen und dass hierdurch diese Stoffe und auch das Blut selbst Veränderungen erleiden, welche man tlieils sinnlich wahrnehmen, theils durch chemische Eeagentien erkennen kann. Man findet auch, dass Säuren im Körper durch Alkalien gesättigt, Gase in den Baucheingeweiden und im Blute durch Anwendung solcher Mittel, die sie chemisch binden, beseitigt, Aetzmittel und mehrere Gifte, so lange sie sich im Magen oder Darmkanal befinden, durch Mittel, die ihre chemische Verbindung und Beschaffenheit ändern, unschädlich gemacht, Metalle oxydirt, Oxyde in regulinisches Metall umgewandelt werden können u. s. w. Für manche Heilzwecke sind diese chemischen Einwirkungen vollständig genügend, z. B. bei dem Gebrauche der ätzenden Mittel zum Zerstören krankhafter Gebilde, oder bei den Mitteln gegen Säuren, Gase und Gifte im Darmkanal; doch sind auch hier nicht die Erscheinungen der E i 11w i r k u n g m i t denen der vollständigen Wirkung zu verwechseln; denn sie stehen, in so weit sie von der chemischen Verwandtschaft abhängen , nicht unter dem Einfluss der organischen Thätigkeit, und die letztere wird sogar vernichtet, wenn die chemische Action über Stoffe im Körper zu sehr vorwaltet, wie eben bei den Aetzmitteln. W e n n daher die eigentliümliclie Wirkung eines Mittels vollständig erfolgen soll, so muss nach der chemischen Einwirkung die organische Gegenwirkung der betroffenen Theile und oft des ganzen Körpers eintreten. 14. Dynamische
Wirkungen,
Viele Arzneimittel bringen bei ihrer Anwendung auf den lebenden Körper keine deutlich hervortretende örtliche, mechanische oder chemische Einwirkung hervor, erzeugen aber doch eine kräftige Reaction durch Umstimmung der Functionen in dem einen oder dem andern Organ und hierdurch auch im ganzen Körper. Da nun bei diesen Mitteln die Wirkung bis jetzt auf keine Weise genügend erklärt werden konnte, so nahm man noch unbekannte Kräfte der Arzneimittel an, die man als d y n a m i s c h e bezeichnete,
Arzneiwirkungslehre.
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u n d mit demselben N a m e n auch ihre "Wirkungen im O r g a n i s m u s belegte. A b e r diese B e n e n n u n g e n sind unpassend, da es, abgesehen von dem Pleonasmus, den sie e n t h a l t e n , keine K r ä f t e ohne nachweisbaren G r u n d giebt. D i e W i r k u n g e n j e n e r Mittel beruhen demnach höchst wahrscheinlich auch auf ganz analogen chemischen Verhältnissen gewisser B e s t a n d t e i l e der Mittel zu den B e s t a n d t e i l e n der organischen Substanz in den einzelnen Gebilden, besonders des Nervensystems, wie dieses auch bei anderen Mitteln der F a l l ist. 15. Die vollständigen W i r k u n g e n eines Arzneimittels sprechen sich nicht a n dem Orte der A n w e n d u n g , auch nicht immer gleichmässig im g a n z e n Organismus aus, sondern sie zeigen sich, wenngleich bald mehr bald weniger örtliche E r s c h e i n u n g e n eintreten, immer vorherrschend auf ein bestimmtes System, oder auf ein besonderes Organ gerichtet, welches auf das Mittel gleichsam eine speeifisclie A n z i e h u n g ausübt, wodurch dasselbe in seinem materiellen Zustande afficirt u n d in seiner Function modificirt wird. H i e r d u r c h entstehen die sogenannten s p e c i f i sc h e 11 W i r k u n g e n . So wirkt z. B. das Opium auf das grosse Gehirn vorherrschend, der K a m pher auf das kleine Gehirn und das verlängerte M a r k , desgleichen auf die Nieren, die Brechnuss auf das R ü c k e n m a r k u. s. w. 16. Der G a n g der W i r k u n g ist im Allgemeinen f o l g e n d e r : N a c h der A n w e n d u n g eines Mittels auf einen Körpertheil geschieht örtlich eine E i n w i r k u n g auf die hier vorhandenen Nervenzweige, auf andere anatomische Gebilde und auf die Zellen derselben, und es können diese örtlichen E i n w i r k u n g e n , j e nach der A r t der B e s t a n d t e i l e der Mittel, sehr verschieden erscheinen, wie z. B. reizend, adstringirend, reiz- und schmerzlindernd, erschlaffend u. s. w. Diese W i r k u n g e n können sich d a d u r c h weiter verbreiten, dass sie entweder durch Ncrvenleitung auf andere O r g a n e , namentlich auf die Centraltheile des Nervensystems und durch diese weiter reflectirt werden, oder dass sie von den feinsten Venen und L y m p h g e f ä s s e n aufgesogen (resorbirt) werden. Z u r Resorption und auch zur E r z e u g u n g der örtlichen W i r k u n g müssen die Stoffe flüssig sein. Diese E i g e n s c h a f t erhalten sie oft an der Einwirkungsstelle, namentlich im Magen und D a r m k a n a l durch dieliier vorhandenen oder hier abgesonderten Flüssigkeiten. D u r c h dieselben e n t s t e h t eine L ö s u n g oder eine andere chemische V e r ä n d e r u n g des Mittels, wodurch es zur Resorption tauglich oder auch zuweilen untauglich gemacht wird. Die Resorption erfolgt immer um so s t ä r k e r , j e reicher ein Theil an feinen Blut- und S a u g a d e r n ist, j e mehr oberflächlich dieselben liegen u n d j e grösser die Berührungsfläche f ü r die angewendeten Arzneimittel ist. Sie findet überall im K ö r p e r Statt, wo Venen und Lymphgefässe bestehen, scheint aber am lebhaftesten an den häutigen Flächen, und zwar vorzüglich an den serösen H ä u t e n , etwas schwächer an den Schleimhäuten u n d im subcutanen Bindegewebe, und noch etwas schwächer an der äussern H a u t zu erfolgen. Es tragen aber auch die leichtere oder schwerere Auflösliclikeit der Arzneimittel, die grössere oder geringere Anwesenheit von S ä f t e n , von N a h r u n g s m i t t e l n u n d von a n d e r e n Substanzen an der Applicationsstelle zur B e f ö r d e r u n g oder
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Allgemeine
Hinderung der Kesorption bei, — wodurch sich die Verschiedenheit der Wirksamkeit der Arzneimittel in manchen Fällen nebenbei mit erklärt; denn mit der Schnelligkeit und der Stärke der Absorption steht mehrentlieils auch die Schnelligkeit und der Grad der Arzneiwirkung in einem entsprechenden Yerhältniss, — wo nicht die Nervenaction entscheidet.
Durch die materielle Aufnahme der Arzneistoffe in die Gefässe wird zunächst eine Veränderung in der Mischung und in der Beschaffenheit des Blutes und der Lymphe bewirkt; diese Veränderungen der Säfte sind jedoch von den meisten Arzneimitteln so wenig am lebenden Tliiere bemerkbar, dass sie in praktischer Hinsicht als Arzneiwirkungen kaum in Betracht kommen. Die Säfte werden aber durch die Aufnahme der Arzneistoffe die Träger derselben zu allen Organen, und es kommen durch sie die E n d Wirkungen der Mittel, j e nach der specifischen Beziehung ihrer Stoffe zu dem einen oder dem andern Organ, zu Stande. Worin diese Endwirkungen in den organischen Gebilden bestehen, wissen wir eigentlich n i c h t ; denn wir finden in den letzteren meistens nur mehr Blutanhäufung, zuweilen das Gewebe mehr feucht, oder die Zellen angeschwollen, oder zusammengeschrumpft u. dergl. Veränderungen, aus denen man jedoch die besonderen E i g e n t ü m l i c h k e i t e n der einzelnen Mittel nur unvollständig erklären kann. Ebenso sind von vielen Mitteln die örtlichen Veränderungen an der Anwendungsstelle nicht hinreichend zur Erklärung der sehr deutlich hervortretenden Wirkungen, insbesondere bei denen, welche sich auf die Functionen des Nervensystems beziehen, wie z. B. Chloroform, Aether u. s. w., und von denen sich die specifischen Erscheinungen auch bei der localen Application, namentlich bei den subcutanen Injectionen ganz deutlich zeigen, ohne dass man bis jetzt constante anatomische Veränderungen in den betroffenen Nervenendungen nachweisen konnte. Die Mittel dieser Art wirken höchst wahrscheinlich auch direct auf das Nervensystem ein. Von den meisten Arzneimitteln werden die wirksamen Stoffe wieder auf dem einen oder dem andern Excretionswege aus dem Körper ausgeschieden (durch Lungenausdünstung, Darm excremente, Nieren, Hautausdünstung), und zwar theils unverändert, meistens aber etwas verändert; manche dieser Stoffe werden jedoch erkennbar in die Substanz des betreffenden Theils abgesetzt und sie verbleiben daselbst eine bald mehr bald weniger lange Zeit, z. B. Färberröthe, Eisen, Lapis infernalis u. s. w.; und die assimilirbaren Stoffe (Amylum, fettes Oel u. dergl.) werden in homogene B e s t a n d t e i l e des Körpers umgewandelt. §• 18.
Der ganze Process der Arzneiwirkung geht bei manchen Mitteln äusserst schnell von Statten, z. B. bei Blausäure, Aetlieru. dgl. binnen wenigen Secunden, bei anderen dagegen sehr langsam und auf die Weise, dass sie erst den ganzen Kreislauf ein- und mehrmal durchmachen müssen, ehe sie auf ein Organ ihre volle W i r k u n g ausüben und ehe sie wieder entleert werden ; so wird z. B. Terpenthinöl, innerlich angewendet oder äusserlich in die Haut eingerieben, nach einer halben Stunde wieder mit der ausgeathmeten Luft ausgeschieden, während die Aloe bei Pferden erst nach 20—24 Stunden die
Arzneiwirkungslehre.
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purgirende Wirkung zeigt. — Von manchen Stoffen wird höchst wahrscheinlich die schnelle Wirkung sowohl durch unmittelbaren Eindruck auf die Nerven wie auch durch Aufsaugung zugleich vermittelt und dadurch sehr befördert. §• 19. Ausser der Resorption der Arzneimittel hat man noch das Ein-und Durchdringen derselben durch die Poren der organischen Gebilde (die sogenannte E n d o s m o s i s oder P e n e t r a t i o n ) angenommen, wie dieses bei fetten und ätherischen Oelen, Wasser, Weingeist, den meisten Gasen u.s.w. nachgewiesen ist. Dieser Process ist aber ein rein physikalischer, wie er auch im todten Thierkörper erfolgt (Durchschwitzen der Galle, Todtenflecke u. s. w.). Hierbei müssen die durchgedrungenen Stoffe doch erst wieder mit den Enden der Nerven oder mit den aufsaugenden Gefässen in Behrürung gelangen, um ihre WTirkung zu erzeugen. §• 20. Da also die Arzneimittel in der materiellen Beschaffenheit und in der Lebensthätigkeit des Thierkörpers Veränderungen hervorbringen, die Krankheiten aber wesentlich auch in solchen Veränderungen bestehen, so ergiebt sich: dass jede Arzneiwirkung eine Störung der gesunden Verhältnisse, also eine Art künstlich erzeugter Krankheit ist, die sich nach der Verschiedenheit der bei der Wirkung- afficirten Organe u. s. w., äusserlich durch entsprechende Symptome, welche die Erscheinungen der Arzneiwirkung sind, zu erkennen giebt. Deshalb kommt es bei der Kur der Krankheiten durch Arzneimittel besonders darauf an, aus den Krankheitssymptomen das ursprünglich oder vorherrschend leidende Organ zu bestimmen, und hiernach, — abgesehen von gewissen anderen therapeutischen Indicationen, — dasjenige Mittel in passender Form, Gabe u.s.w. anzuwenden, welches nach seinen, aus der Erfahrung bekannten Wirkungen am meisten geeignet ist, gerade diese abnorme Lebensthätigkeit und diesen abnormen Zustand der kranken Organe gründlich, schnell und leicht umzuändern. §• 2 1 .
Diese Umänderung kann aber durch die Wirkung der Arznei auf zweierlei, fast entgegengesetzte Art erreicht werden; nämlich entweder a} indem die angewendeten Mittel eine der k r a n k h a f t e n T h ä t i g k e i t e n t g e g e n g e s e t z t e T h ä t i g k e i t erregen (z. B. adstringirend wirken bei zu grosser Erschlaffung der Gebilde, — betäubend bei zu sehr aufgeregter Sensibilität u. dergl.) — das ist die a l l ö o p a t h i s c h e oder a n t i p a t h i s c h e H e i l u n g s w e i s e ; — oder indem b) die Heilmittel eine solche Thätigkeit hervorrufen, welche dem vorhandenen Krankheitszustande, und somit auch den K r a n k h e i t s S y m p t o m e n ä h n l i c h i s t , — auf h o m ö o p a t h i s c h e H e i l u n g s w e i s e , und durch welche daher die Symptome bis zu einem gewissen Grade gesteigert werden können. Wie die Heilung auf die erstere Art vermittelt wird, leuchtet von selbst ein , die andere Art der Heilwirkung lässt sich nur dadurch erklären, dass es 1) viele Krankheiten mit einem bestimmten Verlauf giebt, deren Heilung auch nur bei diesem vollen Verlaufe zu Stande kommt. Treten nun Ab-
10
Allgemeine
•weichungen
von diesem T y p u s e i n , so kann eine künstliche
Beförderumg
desselben, namentlich bei zu g e r i n g e r T h ä t i g k e i t des Organismus, durch e n t sprechende A r z n e i m i t t e l e r f o l g e n und nützlich s e i n ; 2)
dass v i e l e
Krankheiten,
deren
günstige
Entscheidung
zwar
niclht
g e r a d e von einem solchen günstigen V e r l a u f e a b h ä n g i g ist, durch die K r a n l k heitssymptome doch häufig eine T e n d e n z Thätigkeiten
zeigen, welche,
zu gewissen anderen k r a n k h a f t e n
der E r f a h r u n g
z u f o l g e , die H e i l u n g
herbei-
f ü h r e n , aber für sich allein nicht v o l l s t ä n d i g g e n u g e n t w i c k e l t w e r d e n k ö n n e n und daher durch ähnlich w i r k e n d e M i t t e l befördert w e r d e n müssen; und 3 ) dass
nach
einem a l l g e m e i n
schwächere A f f e c t i o n
im lebenden
bestätigt g e f u n d e n e n V e r h a l t e n Organismus von
einer stärkeren
,,eime aufge-
hoben wird, besonders aber dann, w e n n die letztere der ersteren sehr ä h n l i c h in ihrer Aeusserung ist".
ZWEITES
CAPITEL.
Von den verschiedenen Wirkungen der Arzneimittel. §• Die W i r k u n g
einer A r z n e i
beginnt mit dem Moment, w e n n und w o sie
mit einem T h e i l e des Organismus in B e r ü h r u n g und in W e c h s e l w i r k u n g tritt, sie verbreitet sich dann aber auf andere O r g a n e , so dass zuletzt der g a n z e K ö r p e r an diesen W i r k u n g e n T h e i l nimmt. aus einer bald grösseren,
D i e T o t a l w i r k u n g besteht d a h e r
bald kleineren R e i h e von V e r ä n d e r u n g e n
in d e r
Beschaffenheit und Mischung der M a t e r i e und in der T h ä t i g k e i t der O r g a n e . Diese, durch die A r z n e i m i t t e l erzeugten V e r ä n d e r u n g e n bezeichnet man theils nach dem O r t , an w e l c h e m sie, und nach dem Verhältniss der R e i h e n f o l g e , w i e sie hervortreten, als p r i m ä r e
und s e c u n d ä r e ,
ö r t l i c h e und
m e i n e , c o n s e n s u c l 1 e und a n t a g o n i s t i s c h e , (1 i r e et e und Wirkungen,
allge-
indirecte
theils nach den äusseren Erscheinungen als a b f ü h r e n d e , urin-
treibende, schweisserrcgende u. s. w. §• ¿3. A.
U n t e r p r i m ä r e r W i r k u n g versteht man die durch die E i n w i r k u n g
des Mittels selbst h e r v o r g e r u f e n e V e r ä n d e r u n g im Organismus, unter s e c u n därer
die F o l g e z u s t ä n d e j e n e r ersten V e r ä n d e r u n g e n und U m s t i m m u n g e n .
D i e s e secundären W i r k u n g e n treten stets erst nach den p r i m ä r e n W i r k u n g e n auf und sind durch diese bedingt, stehen aber in der A r t und in der S t ä r k e und A u s b r e i t u n g melirentheils nicht in einem gleichen Verhältniss; nur bei den auf das N e r v e n s y s t e m
wirkenden
Mitteln darf man behaupten, dass j e
grösser die primäre, desto stärker auch die secundäre W i r k u n g sei; beide sind aber hier g e r a d e ihrem Character nach sehr v e r s c h i e d e n ; denn bei der primären W i r k u n g ist in der R e g e l die L e b e n s t h ä t i g k e i t
erhöht, bei der secun-
dären herabgestimmt. E i n e blos ö r t l i c h e nehmen,
W i r k u n g lässt
sich
nur
bei
solchen
M i t t e l n an-
w e l c h e nicht resorbirt werden und auch keine R e i z u n g
w i e z. B. dieses bei den schleimigen M i t t e l n der F a l l ist.
erzeugen,
Bei Mitteln, die
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Allgemeine
•weichungen
von diesem T y p u s e i n , so kann eine künstliche
Beförderumg
desselben, namentlich bei zu g e r i n g e r T h ä t i g k e i t des Organismus, durch e n t sprechende A r z n e i m i t t e l e r f o l g e n und nützlich s e i n ; 2)
dass v i e l e
Krankheiten,
deren
günstige
Entscheidung
zwar
niclht
g e r a d e von einem solchen günstigen V e r l a u f e a b h ä n g i g ist, durch die K r a n l k heitssymptome doch häufig eine T e n d e n z Thätigkeiten
zeigen, welche,
zu gewissen anderen k r a n k h a f t e n
der E r f a h r u n g
z u f o l g e , die H e i l u n g
herbei-
f ü h r e n , aber für sich allein nicht v o l l s t ä n d i g g e n u g e n t w i c k e l t w e r d e n k ö n n e n und daher durch ähnlich w i r k e n d e M i t t e l befördert w e r d e n müssen; und 3 ) dass
nach
einem a l l g e m e i n
schwächere A f f e c t i o n
im lebenden
bestätigt g e f u n d e n e n V e r h a l t e n Organismus von
einer stärkeren
,,eime aufge-
hoben wird, besonders aber dann, w e n n die letztere der ersteren sehr ä h n l i c h in ihrer Aeusserung ist".
ZWEITES
CAPITEL.
Von den verschiedenen Wirkungen der Arzneimittel. §• Die W i r k u n g
einer A r z n e i
beginnt mit dem Moment, w e n n und w o sie
mit einem T h e i l e des Organismus in B e r ü h r u n g und in W e c h s e l w i r k u n g tritt, sie verbreitet sich dann aber auf andere O r g a n e , so dass zuletzt der g a n z e K ö r p e r an diesen W i r k u n g e n T h e i l nimmt. aus einer bald grösseren,
D i e T o t a l w i r k u n g besteht d a h e r
bald kleineren R e i h e von V e r ä n d e r u n g e n
in d e r
Beschaffenheit und Mischung der M a t e r i e und in der T h ä t i g k e i t der O r g a n e . Diese, durch die A r z n e i m i t t e l erzeugten V e r ä n d e r u n g e n bezeichnet man theils nach dem O r t , an w e l c h e m sie, und nach dem Verhältniss der R e i h e n f o l g e , w i e sie hervortreten, als p r i m ä r e
und s e c u n d ä r e ,
ö r t l i c h e und
m e i n e , c o n s e n s u c l 1 e und a n t a g o n i s t i s c h e , (1 i r e et e und Wirkungen,
allge-
indirecte
theils nach den äusseren Erscheinungen als a b f ü h r e n d e , urin-
treibende, schweisserrcgende u. s. w. §• ¿3. A.
U n t e r p r i m ä r e r W i r k u n g versteht man die durch die E i n w i r k u n g
des Mittels selbst h e r v o r g e r u f e n e V e r ä n d e r u n g im Organismus, unter s e c u n därer
die F o l g e z u s t ä n d e j e n e r ersten V e r ä n d e r u n g e n und U m s t i m m u n g e n .
D i e s e secundären W i r k u n g e n treten stets erst nach den p r i m ä r e n W i r k u n g e n auf und sind durch diese bedingt, stehen aber in der A r t und in der S t ä r k e und A u s b r e i t u n g melirentheils nicht in einem gleichen Verhältniss; nur bei den auf das N e r v e n s y s t e m
wirkenden
Mitteln darf man behaupten, dass j e
grösser die primäre, desto stärker auch die secundäre W i r k u n g sei; beide sind aber hier g e r a d e ihrem Character nach sehr v e r s c h i e d e n ; denn bei der primären W i r k u n g ist in der R e g e l die L e b e n s t h ä t i g k e i t
erhöht, bei der secun-
dären herabgestimmt. E i n e blos ö r t l i c h e nehmen,
W i r k u n g lässt
sich
nur
bei
solchen
M i t t e l n an-
w e l c h e nicht resorbirt werden und auch keine R e i z u n g
w i e z. B. dieses bei den schleimigen M i t t e l n der F a l l ist.
erzeugen,
Bei Mitteln, die
Arznei wirkungslehre.
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resorbirt werden, k a n n man nicht wohl die örtliche von der allgemeinen W i r k u n g t r e n n e n ; denn die erstere ist nur als ein T h e i l der G e s a m m t w i r k u n g zu betrachten. §. 24. Bei der A u s b r e i t u n g der A r z n e i w i r k u n g im Organismus wird die F u n c t i o n m a n c h e r O r g a n e auch auf consensuelle und antagonistische W e i s e ergriffen, und es entstehen hierdurch die e o n s e n s u e l l e n und a n t a g o n i s t i s c h e n Wirkungen. Die ersteren stimmen in der A r t der E r s c h e i n u n g e n mit den p r i m ä r e n W i r k u n g e n überein und werden deshalb a u c h oft zu diesen gerechnet ; die letzteren sind aber immer von entgegengesetzter Art. Sowohl die eonsensuellen wie die antagonistischen W i r k u n g e n setzen eine v e r ä n d e r t e T h ä t i g k e i t in anderen O r g a n e n v o r a u s , beide k ö n n e n in jedem O r g a n entstehen , j e d o c h nicht beide gleichzeitig in dem nämlichen T h e i l ; denn ihr E n t s t e h e n ist n u r von der S t i m m u n g und von dem Verhältniss des O r g a n s der A u f n a h m e zu den übrigen Organen und von der Art der örtlichen E r z e u g u n g durch die K r a f t der Arznei a b h ä n g i g .
Mit den im Vorstehenden erläuterten W i r k u n g e n , namentlich mit den p r i m ä r e n und s e c u n d ä r e n , ist der Begriff von d i r c c t e r (unmittelbarer) und i n d i r e c t e r ('mittelbarer) W i r k u n g verwandt. Bei der directen E i n w i r k u n g wird die F u n c t i o n und der Zustand eines Organs durch das a n g e w a n d t e Arzneimittel geradezu v e r ä n d e r t ; bei der iiulirecten W i r k u n g aber wird immer zuerst eine a n d e r e Art von T h ä t i g k e i t hervorgerufen oder es wird die Verrichtung a n d e r e r O r g a n e unigeändert, ehe die beabsichtigte H e i l w i r k u n g auf (las k r a n k e O r g a n erfolgt. (80 k a n n z. B. zu starke A b s o n d e r u n g im D a r m k a n a l aus E r s c h l a f f u n g der Schleimhaut direct durch bittere und zusammenziehende M i t t e l , welche ihr mehr T o n u s geben, ihre Gelasse v e r e n g e r n und hierdurch die A b s o n d e r u n g v e r m i n d e r n , — oder indirect durch innere oder äussere A n w e n d u n g der urintreibenden Mittel beseitigt w e r d e n , indem die urintreibenden Stoffe in das Blut ü b e r g e h e n , in den Nieren eine v e r m e h r t e A b s o n d e r u n g , und hierdurch antagonistisch und secundär eine v e r m i n d e r t e A b s o n d e r u n g im D a r m k a n a l verursachen.) S- 2 G B. Die grösste Verschiedenheit in den W i r k u n g e n wird durch die äusseren E r s c h e i n u n g e n derselben und durch ihre nächsten Beziehungen zum k r a n k e n Organismus bedingt. Man hat hiernach erregende, erhitzende, kühlende, betäubende. krarnpfstillende, beruhigende und schmerzstillende, Niesen erregende, Speichelfluss e r r e g e n d e , Auswurf b e f ö r d e r n d e , a b f ü h r e n d e , E r b r e c h e n erregende, wurm-, blähung-,urin- und schweisstreibende, zusammenziehende, stärkende, schwächende, erschlaffende, zertheilende, entziindungswidrige, fäulnissw i d r i g e , säurewidrige, steintreibende, scharfe und b l a s e n z i e h e n d e , ä t z e n d e u. s. w. W i r k u n g e n unterschieden, B e n e n n u n g e n , die zum T h e i l vage sind. Ueber die hauptsächlichsten dieser W i r k u n g e n , welche zum Theil mit gleichnamigen Heilmethoden ü b e r e i n s t i m m e n , ist in K ü r z e F o l g e n d e s zu bemerken.
12
Allgemeine
§• 2 7 . D i e e r r e g e n d e , r e i z e n d e und e r h i t z e n d e Wirkung besteht darin, dass die Lebensthätigkeit in einem Theile oder im ganzen Körper schnell zu einem höhern Grade aufgeregt, und die Functionen namentlich des Gehirns, des Nervensystems und des Herzens lebhafter gemacht, selbst zu heftigen Aeusserungen veranlasst werden : zugleich wird die Körperwärme vermehrt. Dieses geschieht von einigen Mitteln sehr schnell und dann gewöhnlich bald vorübergehend ( f l ü c h t i g e Reizmittel), von anderen langsamer und andauernd ( f i x e Reizmittel). Zu den ersteren gehören die verschiedenen Aetherarten, der Weingeist. Kampher, das Ammoniak, die ätherischen Oele u. Pflanzen, in denen ein kampherartiges ätherisches Ocl als Hauptbestandtheil enthalten ist; zu den fixen Reizmitteln rechnet man dagegen alle Mittel aus dem Pflanzenreiche, welche ätherisches Oel oder einen andern flüchtigen Stoff in Verbindung mit Bitterstoff, mit adstringirendem Princip u. dgl. enthalten, wie z. B . Kalmuswurzel, Kamillenblumen u. s. w. Aeusserlich auf die Haut angewendet, reizen die stärkeren dieser Mittel in dem G r a d e , dass Röthung, Entzündung, Ausschwitzung und Blasen entstehen. §• 28. U n t e r k ü h l e n d e r W i r k u n g versteht man eine solche, die eine Temperaturverminderung hervorbringt. Diese W i r k u n g wird nicht immer auf gleiche W e i s e erreicht. Ist die erhöhte Temperatur Folge von erhöhter organischer T h ä t i g k e i t , namentlich im Blutgefässsystem, so muss diese letztere (z. B . bei Congestionen, bei Entzündungen) herabgestimmt werden; ist jedoch die erhöhte Temperatur die F o l g e einer beginnenden Zersetzung der organischen Materie, besonders der Säfte (wie z. B. bei T y p h u s , Faulfiebern), so muss die kühlende W i r k u n g durch qualitative Umstinimung dos Lebensprocesses, besonders durch Beseitigung des Missverhältnisseszwischen Nervenund Gefässthätigkeit, durch Verbesserung der Mischung des Blutes u. s. w. erreicht werden; im ersteren F a l l e also durch die meisten Neutral- und Mittelsalze, durch die Pflanzensäuren, ferner durch Blutentzielmngen, Ruhe, magere D i ä t , durch Anwendung der äussern K ä l t e u . s . w . ; dagegen sind bei Faulfiebern sehr häufig nur die flüchtigen und fixen Reizmittel, die Mineralsäuren und adstringirenden Mittel im Stande, die brennende Hitze zu mildern. Die Mittel der letztern A r t wirken zuerst immer erregend, zusammenziehend, und die Beschaffenheit der S ä f t e verbessernd, — jedoch kennt man den hierbei vorgehenden Heilprocess nicht genügend; die übermässige Wärmeentwickelung wird erst dadurch beschränkt, dass die in einzelnen Organen gesunkene und unregelmässige Lebensthätigkeit im K ö r p e r auf einen gleichmässigen Grad erhöht und dadurch die weitere Zersetzung der Säfte gehindert wird. §• 2 9 . E r w e i c h e n d , e r s c h l a f f e n d wirken die Mittel (Emollientia), welche die Gewebe und F a s e r n erschlaffen, die Gefässe erweitern , zähe, feste, geronnene Krankheitsproducte, z. B. Schorfe, erweichen. Dieses thun lauwarmes Wasser und andere milde F e u c h t i g k e i t e n , fettige und schleimige Substanzen. Dieselben wirken auch einhüllend , reiz- und schmerzmildernd, daher auch entzündungswidrig.
Arzneiwirkungslehre.
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§. 30. Die b e t ä u b e n d e ( n a r k o t i s c h e ) W i r k u n g (Narcosis) besteht in einer H e r a b s t i m m u n g d e r N e r v e n f u n c t i o n e n , besonders der Sensibilität, u n d sie äussert sich von den einzelnen narkotischen Mitteln und von verschiedenen G a b e n derselben in verschiedener W e i s e , in verschiedenem G r a d e und in verschiedener Ausbreitung. Hinsichtlich des G r a d e s b e m e r k t m a n sie von der leichtesten V e r m i n d e r u n g des G e f ü h l s bis zur gänzlichen B e t ä u b u n g der E m p f i n d l i c h k e i t u n d des R ü c k w i r k u n g s v e r m ö g e n s ( L ä h m u n g ) , u n d ebenso des thierischen Bewusstseins (Stupor u. narkotischer Schlaf, Sopor). Die geringeren G r a d e dieser W i r k u n g sind an gesunden Thieren oft k a u m wahrn e h m b a r , an k r a n k e n aber doch mehrentheils sehr deutlich zu b e m e r k e n und oft heilsam, indem sie die k r a n k h a f t a u f g e r e g t e E m p f i n d l i c h k e i t m i n d e r n , K r ä m p f e und S e h m e r z e n s t i l l e n u. s. w. Die höheren und höchsten G r a d e werden nur selten zu Heilzwecken b e n u t z t , weil sie in einer wirklichen V e r g i f t u n g bestehen und sehr gefährlich sind. — Hinsichtlich der A u s b r e i t u n g zeigt sich die betäubende W i r k u n g bei m a n c h e n narkotischen Mitteln ziemlich gleichmässig über das g a n z e Nervensystem ausgebreitet, bei a n d e r e n aber vorherrschend auf das G e h i r n , auf einzelne Tlieile desselben, auf einzelne Sinnesnerven, das K ü c k e n m a r k , auf die G a n g l i e n n e r v e n u. s. w. b e s c h r ä n k t ; und hinsichtlich der A r t erscheint sie fast bei j e d e m n a r k o tischen Mittel eigeiithiimlich, namentlich bei einigen Mitteln mit gleichzeitiger A u f r e g u n g , bei m a n c h e n mit H e r a b s t i i n m u n g der Gefässthätigkeit, bei einigen die Se- und E x c r e t i o n betliätigend , bei a n d e r e n sie hemmend , u. s. w. — (Siehe Weiteres die specielle Arzneiwirkungslehre, die V I I . Klasse.) §. 31. E i n e k r a m p f s t i l l e n d e (antispasmodische oder antispastische) W i r k u n g zeigen die Arzneimittel, welche den K r a m p f , die unwillkührliche, oft zu s t a r k e und s c h m e r z h a f t e Z u s a m m e n z i e h u n g in den Weichgebilden aufliebeu. Die Ursachen der K r ä m p f e sind in den einzelnen F ä l l e n sehr verschieden, und die krampfstillende W i r k u n g der Heilmittel k a n n daher entweder in der blossen A u s l e e r u n g scharfer, reizender Stoffe (z. Ii. der E i n g e w e i d e w ü r m e r , des u n v e r d a u l i c h e n , g ä h r e n d e n Futters) durch B r e c h - u n d A b f ü h r m i t t e l , — oder in der E i n h ü l l u n g eben solcher Stoffe durch Schleim, fettes Oel u. dgl., — oder in V e r m i n d e r u n g der zu s t a r k e n , entzündlichen Reizbarkeit und Congestionen durch Aderlassen, k ü h l e n d e Salze, strenge D i ä t , — oder in H e r a b s t i m m u n g der zu grossen Empfindlichkeit durch betäubende, schleimige, fette Mittel, — oder in A u f r e g u n g der N e r v e n k r a f t durch reizende und erhitzende Mittel bestehen. Der Begriff der krampfstillenden Mittel ist mithin ein sehr weiter u n d vieldeutiger, im e n g e r n Sinne werden jedoch gewöhnlich n u r die flüchtig erregenden und die b e t ä u b e n d e n Mittel als krampfstillend betrachtet. §•33. E i n e s c h m e r z s t i l l e n d e , b e r u h i g e n d e W i r k u n g wird durch Anw e n d u n g von Mitteln e r z e u g t , die entweder blos eine örtliche V e r m i n d e r u n g der Sensibilität, der Trockenheit u n d S p a n n u n g einzelner T h e i l e , oder eine allgemeine B e t ä u b u n g , oder die H e i l u n g eines K r a m p f e s , einer E n t z ü n d u n g , oder Beseitigung mechanischer Reizursachen ( z . B. K n o c h e n s p l i t t e r u. s. w.)
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Allgemeine
hervorbringen; es sind also betäubende und schleimige Pflanzenstoffe als Breiumschläge und B ä h u n g e n angewandt, X a r e o t i c a , auch die im vorigen §. besprochenen Mittel, oder die chirurgische Hilfsleistung. §• 3 3 . W e n n die Aufsaugung (Absorptio, liesorptio) von irgend welchen Stoffen im K ö r p e r durch angewendete Heilmittel stärker angeregt und befördert wird, so ist diese W i r k u n g die sogenannte r e s o r b i r e n d e . Sie entsteht durch eine massig vermehrte E r r e g u n g der feinsten V e n e n und L y m p h g e f ä s s e , wahrscheinlich auch der Z e l l e n , und sie wird häutig an den kranken Theilen noch vorbereitet und befördert durch Feuchtigkeit, W ä r m e , chemische Auflösungsstoffe, Druck und R e i b u n g , aber hauptsächlich wird sie angeregt durch reichliche Ausscheidungen, durch Hunger und durch viele Muskelthätigkeit. D i e Mittel zur Beförderung der Resorption sind hiernach von sehr verschiedener Art und die W i r k u n g selbst beruht immer auf lebendiger T h ä t i g k e i t . Die blos a b s o r b i r e n d e W i r k u n g beruht meist oder sogar allein auf der gegenseitigen chemischen oder mechanischen E i n w i r k u n g von angewendeten Heilmitteln auf vorhandene Feuchtigkeiten oder Gase, um dieselben zu binden und ihre W i r k u n g auf den K ö r p e r zu vermindern, wie z. B . das Einstreuen von Kohlenpulver in zu reichlich eiternde W u n d e n , die innerliche Anwendung des Salmiakgeistes bei Blähsucht u. dgl. §• 3 4 . Sehr häutig spricht man auch von einer e n t z iin d u n g s wi d r i g e n , z e r t h e i l e n d c n und a n t i p h l o g i s t i s c h e n W i r k u n g , und zwar oft ohne strenge Scheidung der Begriffe. Zertheilung (Kesolutio) wird zur Beseitigung fast aller, ni!t Anschwellung, Hypertrophie, Austretung von Blut, Faserstoff, S e r u m , mit Verdichtung oder Verhärtung verbundenen krankhaften Zustände verlangt, also auch bei E n t z ü n d u n g e n , Quetschungen, Metastasen u. dgl.; da aber diese Zustände, j e nach der Art ihres Entstehens, nach ihrer D a u e r , nach dem Grade der in den leidenden Theilen bestellenden Reizbarkeit und nach den etwa entstandenen Veränderungen der Gewebe sehr verschieden erscheinen, so muss hiernach auch die Zertheilung in manchen F ä l l e n durch erweichende oder narkotische, in anderen Fällen durch auflösende alkalische, Quecksilber- oder Jodmittel, und in anderen durch reizende Mittel bewirkt werden. D e m n a c h ist die zertheilende W i r k u n g nicht eine in allen F ä l l e n gleichartige directe Arzneiwirkung. Mit ihr fast ganz übereinstimmend ist die e n t z ü n d u n g s w i d r i g e W i r k u n g , namentlich beiden Entzündungen mit erethischem und mit asthenischem C h a r a c t e r , indem bei den ersteren die schleimigen und die narkotischen, bei den letzteren aber die übrigen genannten Mittel ihre örtliche Anwendung finden. — Dagegen besteht die bei den acuten E n t z ü n d u n g e n erforderte sogenannte a n t i p h l o g i s t i s c h e W i r k u n g in der schnellen llerabstiinmung des Vegetationsprocesses in dem entzündeten Theile, auch selbst im ganzen K ö r p e r , durch Verminderung der Blutmasse, Verminderung der plastischen B e s t a n d t e i l e des Blutes und E n t ziehung der organischen W ä r m e . Hierzu dienen besonders die kühlenden Neutral- und Mittelsalze, die Blausäure, (Jalomel, ausserdem Aderlassen, Hungerdiät, kaltes W a s s e r (Eis, Schnee).
Arzneiwirkungslehre.
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§. 35. E i n e s t ä r k e n d e (roborirende, tonisirende) W i r k u n g w i r d h ä u f i g solchen Mitteln zugeschrieben, welche bittere, zusammenziehende Stoffe, E i s e n , ätherisches Oel oder W e i n g e i s t enthalten. D i e s e l b e n sollen die im T h i e r k ö r p e r oder in einzelnen O r g a n e n bestehende S c h w ä c h e b e s e i t i g e n ; d a diese aber h ä u f i g nur in einer S t ö r u n g der F u n c t i o n einzelner O r g a n e durch i r g e n d eine von aussen k o m m e n d e U r s a c h e bei ü b r i g e n s g e s u n d e r B e s c h a f f e n heit der O r g a n e beruht (sog. f a l s c h e S c h w ä c h e ) , in a n d e r e n F ä l l e n j e d o c h S c h l a f f h e i t der organischen G e w e b e ( L a x i t ä t ) , oder m a n g e l h a f t e V e r d a u u n g u n d eben solche B l u t b e r e i t u n g , oder zu g e r i n g e N e r v e n e n e r g i e , und in noch a n d e r e n F ä l l e n materielle V e r ä n d e r u n g e n der o r g a n i s c h e n G e w e b e , also wirklich k r a n k h a f t e Z u s t ä n d e die vorhandene S c h w ä c h e e r z e u g e n , so e r g i e b t sich, d a s s die S t ä r k u n g , j e nach diesen U m s t ä n d e n , mit sehr v e r s c h i e d e n a r t i g w i r k e n d e n Mitteln geschehen muss.
D i e S p e i c h e l e r r e g e n d e W i r k u n g entsteht durch R e i z u n g der S p e i c h e l d r ü s e n , entweder specifisch durch das Q u e c k s i l b e r oder blos consensuell durch R e i z u n g der S c h l e i m h a u t des M a u l e s , der .Rachenhöhle und des Schlundes. A u f letztere W e i s e können alle reizenden und s c h a r f e n S t o f f e , welche die S c h l e i m h a u t des M a u l e s u. s. w. etwas anhaltend b e r ü h r e n , die A b s o n d e r u n g des Speichels v e r m e h r e n , wie namentlich die meisten S a l z e , die ätherische Oele, I'feffer, I n g w e r , S e n f , T a b a c k u. dgl. 8- 37. D i e A u s w u r f b e f ö r d e r n d e W i r k u n g bezieht sich a u f die durch Medicaniente veranlasste, erleichterte und verstärkte E n t l e e r u n g von S c h l e i m , E i t e r und ausgeschwitztem F a s e r s t o f f (zuweilen auch von W ü r m e r n ) a u s den R e s p i r a t i o n s o r g a n e n . Die hier zu beseitigende^ H i n d e r n i s s e der A u s w e r f u n g können s e i n : U ein zu hoher G r a d von entzündlicher R e i z b a r k e i t ; 2) zu g r o s s e E m p f i n d l i c h k e i t und k r a m p f h a f t e Z u s a m m e n z i e h u n g ; U) zu ger i n g e E m p f i n d l i c h k e i t , zu g r o s s e S c h w a c h e in der S c h l e i m h a u t einzelner oder aller Tlieile der R e s p i r a t i o n s o r g a n e ; -1J zu dicke Consistenz und zu g r o s s e Z ä h i g k e i t der Auswurfsinaterie. Diesen Verhältnissen e n t s p r e c h e n d wird bei dem e r s t e m Zustande der A u s w u r f durch S a l z e , n a m e n t l i c h d u r c h S a l peter, W e i n s t e i n , Calomel, B r e c h w e i n s t c i n , S a l m i a k , durch schleimige Get r ä n k e , d u r c h D ü n s t e von l a u w a r m e m W a s s e r , im hohen G r a d des U e b e l s selbst durch einen A d e r l a s s befördert. — Für den zweiten Z u s t a n d p a s s e n ebenfalls schleimige G e t r ä n k e und E i n a t l i m u n g e n von l a u w a r m e n D ä m p f e n , äusserlich a n g e w e n d e t e Reizmittel, vorzüglich aber narkotische Mittel (Bilsenk r a u t , O p i u m ) , und ebenso die süssen Stoffe (Zucker, H o n i g , Stissholzwurzel, Mohrrüben). — D e m dritten Zustand entsprechen Reizmittel , besonders solche, welche ätherisches Oel, mit Schleim und süssem Stoff v e r b u n d e n , enth a l t e n . ( z . B . Fenchel- und A n i s s a m e n . Waeltlii J d e r b e e r e n u. s. w.), d e s g l e i c h e n die S c h l e i m h a r z e , die H a r z e , Haisame und der T h e e r namentlich in w a r m e n W a s s e r d ä m p f e n e i n g e a t h m e t ) , einige scharfe und narkotische Stoffe ( Meerzwiebelwurzel, F i n g e r h u t k r a u t , , der Schwefel, S a l m i a k , der S p i e s s g l a n z und seine P r ä p a r a t e , Brechmittel, D ä m p f e u. s. w. — Die zu zähe C o n s i s i e n z der
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Allgemeine
A u s w u r f s m a t e r i e ist v o n einem k r a n k h a f t e n Z u s t a n d e d e r R e s p i r a t i o n s o r g a n e , b e s o n d e r s v o n e x s u d a t i v e r E n t z ü n d u n g i h r e r S c h l e i m h a u t oder aucli v o n E r s c h l a f f u n g u n d A u f l o c k e r u n g derselben a b h ä n g i g , u n d die M a t e r i e ist desh a l b d u r c h die g e n a n n t e n Mittel tlieils zu v e r ä n d e r n , theils zu e n t l e e r e n . D i e W i r k u n g dieser A r z n e i e n ist e n t w e d e r d u r c h eine directe B e r ü h r u n g mit d e r R e s p i r a t i o n s s c h l e i m h a u t h e r v o r g e r u f e n , oder sie ist eine i n d i r e c t e , i n d e m die in die B l u t m a s s e a u f g e n o m m e n e n M i t t e l erst die T h ä t i g k e i t a n d e r e r O r g a n e u m s t i m m e n , u n d d a n n consensuell oder a n t a g o n i s t i s c h i h r e W i r k u n g a u f die R e s p i r a t i o n s o r g a n e äussern. D a j e d o c h m a n c h e flüchtige Stoffe d u r c h die L u n g e n a u s d i i n s t u n g w i e d e r aus dem K ö r p e r a u s g e s c h i e d e n w e r d e n , so k a n n d u r c h solche A r z n e i e n eine m a t e r i e l l e B e r ü h r u n g u n d R e i z u n g d e r R e s p i r a t i o n s o r g a n e e r f o l g e n , a u c h w e n n sie zuerst in den M a g e n g e b r a c h t w o r d e n sind. §. 38. D i e E r b r e c h e n e r r e g e n d e W i r k u n g äussert sich d u r c h r u c k w e i s e e r f o l g e n d e A u s l e e r u n g e n ( E r b r e c h e n ) von genossenen N a h r u n g s m i t t e l n , v o n Schleim, M a g e n s a f t , G a l l e u n d a n d e r e n S t o f f e n , d u r c h den S c h l u n d u n d d a s M a u l , in F o l g e eines B r e c h m i t t e l s , oft a b e r auch d u r c h a n d e r e U r s a c h e n . 1 D i e W i r k u n g e n t s t e h t d u r c h eine specifische R e i z u n g , welche i r g e n d e i n e n P u n k t des S p e i s e k a n a l s , vorzüglich am v o r d e m E n d e d e s s e l b e n , betroffen h a t , u n d w o r a u f eine E r s c h l a f f u n g u n d Oefl'nung d e r C a r d i a , eine k r a m p f h a f t e Z u s a m m e n z i e h u n g der B a u c h m u s k e l n , des Z w e r c h f e l l s u n d des M a g e n s , zugleich mit einer r ü c k g ä n g i g e n (antiperistaltisclien) B e w e g u n g des v o r d e m E n d e s des D ü n n d a r m e s erzeugt u n d so d e r I n h a l t des M a g e n s in d e n S c h l u n d g e t r i e b e n w i r d . D e m E r b r e c h e n geht g e w ö h n l i c h e i n e b e s o n d e r e V e r s t i m m u n g des G e m e i n g e f ü h l s voraus, welche sich durcli W i d e r w i l l e n g e g e n F u t t e r u n d G e t r ä n k ' E k e l ) , s t ä r k e r e A b s o n d e r u n g des Speichels, d u r c h S c h a u d e r n der H a u t u n d d u r c h M a t t i g k e i t zu e r k e n n e n giebt. — Bei u n d n a c h d e m E r b r e c h e n e r f o l g e n als s e c u n d ä r e W i r k u n g e n melirentheils noch f o l g e n d e V e r ä n d e r u n g e n : l j es wird die A b s o n d e r u n g des M a g e n s a f t e s , des D a r m s a f t e s , d e r G a l l e u n d des S a f t e s der B a u c h s p e i c h e l d r ü s e v e r m e h r t , i n d e m a u c h die d e m g e r e i z t e n T h e i l e des V e r d a m m g s k a n a l e s e n t s p r e c h e n d e n H i l f s o r g a n e consensuell in e r h ö h t e T h ä t i g k e i t gesetzt w e r d e n ; 2) w i r d die A b s o n d e r u n g u n d d e r A u s w u r f des Schleims aus d e n R e s p i r a t i o n s o r g a n e n b e f ö r d e r t ; 3) w i r d die H a u t a u s d ü n s t u n g zuweilen bis z u m Schweiss v e r m e h r t ; 4 ) t r i t t d u r c h e r h ö h t e T h ä t i g k e i t der L y m p h g e f ä s s e s t ä r k e r e R e s o r p t i o n , Z e r t h e i l u n g v o n E x s u d a t e n u n d I n f i l t r a t i o n e n e i n , u n d 5) wird theils d u r c h die C m S t i m m u n g d e r .V. „V. vagus u n d sympathiciis, theils d u r c h die E r s c h ü t t e r u n g b e i m B r e c h a c t e e i n e A u f r e g u n g u n d F m s t i m m u n g des g a n z e n N e r v e n s y s t e m s h e r v o r g e b r a c h t . — D a s E r b r e c h e n ist also eine sehr z u s a m m e n g e setzte u n d in i h r e n F o l g e n tief e i n g r e i f e n d e W i r k u n g . A l l e E r s c h e i n u n g e n d e u t e n d a r a u f h i n , dass dieselbe d u r c h die grossen s y m p a t h i s c h e n u n d d u r c h die L u n g e n - M a g e n n e r v e n v e r m i t t e l t wird. I n t h e r a p e u t i s c h e r H i n s i c h t k ö n n e n h i e r n a c h die B r e c h m i t t e l verschied e n e n I n d i c a t i o n e n e n t s p r e c h e n , wie h a u p t s ä c h l i c h die A u s l e e r u n g u n v e r d a u l i c h e r , g i f t i g e r oder a n d e r s schädlicher Stoffe a u s dem M a g e n oder a u s 1 Z. B. d u r c h U e b e r f ü l l u n g des Magens mit F u t t e r , d u r c h B e w e g u n g e n d e r E i n g e w e i d e w u r m e r im M a g e n , E i n k l e m m u n g eines D a r m t l i e i l s , selbst d u r c h B e s c h ä d i g u n g e n des G e h i r n s u. s. w.
Arzneiwirkungslehre.
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dem Schlünde und der L u f t r ö h r e , — E r s c h ü t t e r u n g oder U m s t i m m u n g bei R h e u m a t i s m u s u. s. w. D a s E r b r e c h e n ist nicht bei allen Thieren gleichmässig leicht zu e r z e u g e n ; bei H u n d e n , Schweinen, H ü h n e r n , T a u b e n und P a p a g e i e n erfolgt es sehr leicht, bei K a t z e n , E n t e n , G ä n s e n , Affen etwas schwerer, bei dem R i n d v i e h ist es schwer u n d n u r unter günstigen Bedingungen (z. B. durch E i n s p r i t z e n grosser G a b e n Brechweinstein in die Blutadern und bei bestehender G r ü n f ü t t e r u n g ) h e r v o r z u r u f e n ; bei Schafen u n d Ziegen ist die Schwierigkeit noch grösser; u n d bei P f e r d e n , Eseln und deren Bastarden k a n n m a n ein vollständiges E r brechen durch Brechmittel in der Regel g a r nicht e r z e u g e n 1 . D i e Spiralk l a p p e an der Cardia und die L a g e eines Theils des G r i m m d a r m s u n d Blindd a r m s zwischen den B a u c h w ä n d e n und dem Magen, die den D r u c k auf den letzteren schwächen, sind wahrscheinlich bei den l e t z t g e n a n n t e n T h i e r e n das Hinderniss. Bei den Thieren, welche sich erbrechen können, ist diese W i r k u n g durch alle scharfen, entgegengesetzt aber auch durch viele fettige u n d f a d e Mittel, durch welche der vordere Tlieil des V e r d a u u n g s k a n a l s h e f t i g gereizt oder auch n u r bedeutend angefüllt wird, zu erzeugen, jedoch benutzt m a n f ü r Heilzwecke fast nur den Brechweinstein, den Zinkvitriol, die Brechwurzel, die weisse N i e s w u r z e l , zuweilen die Spiessglanzleber, das Kochsalz u n d das G o t t e s g n a d e n k r a u t , da dieselben die wenigst schädlichen E i n w i r k u n g e n auf M a g e n und D a r m k a n a l veranlassen.
Bei der a b f ü h r e n d e n W i r k u n g erfolgen, den äusseren E r s c h e i n u n g e n nach, E n t l e e r u n g e n von D a r m k o t h und anderen Stoffen d u r c h den M a s t d a r m in k ü r z e r e n als den gewöhnlichen Zwischenzeiten, in grösserer M e n g e u n d von lockerer, weicherer und selbst flüssiger (Konsistenz. Diese W i r k u n g e n sind, hinsichtlich der A r t und dem G r a d e nach, sehr verschieden. D a r n a c h scheidet man auch seit den ältesten Zeiten die abf ü h r e n d e n Mittel in zwei Abtheilungen. 1) Die Mittel der ersten A b t h e i l u n g wirken g e l i n d , erschlaffend und einige auch k ü h l e n d ; sie werden daher k ü h l e n d e oder e r s c h l a f f e n d e Abführmittel, L a x i r m i t t e l (Laxantia) genannt. H i e r z u gehören die kühlenden Salze, einigermassen auch das Calomel, die T a m a r i n d e n , Manna, fetteOelc, Honig u . s . w . , wenn sie in grossen G a b e n gegeben werden. — 2) Die abführenden Mittel der zweiten A b t h e i l u n g bewirken eine starke Reizung in den G e d ä r m e n , U n r u h e , K o l i k , schnellen, fieberhaften Puls, H i t z e und Trockenheit im Maul, und m a n n e n n t sie daher auch e r h i t z e n d e A b f ü h r m i t t e l , P u r g i r m i 11el (Purgantia). H i e r z u gehören die Crotonkörner, Scamnioniumharz, die schwarze Nieswurz, Aloe, die Coloquinten, das G u m m i g u t t , der Lerchenschwamm, J a l a p e , R h a b a r b e r , Sennesblätter, Z a u n r ü b e u. s. w. Einige von diesen Mitteln , so die Crotonkörner, das Scammonium, Euphorbium, die schwarze Nieswurz, das Gummigutt, der Lerchenschwamm wirken heftiger als die übrigen, verursachen besonders sehr leicht Schmerzen im Verdauungskanal, heftiges D r ä n g e n , A b g a n g von Blut, D a r m e n t z ü n d u n g , grosse Erschöpfung. Man n e n n t sie Drastica. 1 E r b r e c h e n tritt bei diesen T h i e r e n zuweilen als eine g e f a h r d r o h e n d e E r s c h e i n u n g ein, w e n n der M a g e n g e b o r s t e n , seine Sclilundmiindung g e l ä h m t o d e r sehr e r s c h l a f f t ist.
HERTWIO, Arzneimittellehre.
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AUTT,
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Allgemeine
Die a b f ü h r e n d e W i r k u n g dieser Mittel ist nicht bei allen Thieren gleich; sie tritt am leichtesten beim H u n d e und dem Schweine, schwerer bei P f e r d e n u n d bei den W i e d e r k ä u e r n ein, und ist bei den grossen Thieren nur durch unverhältnissmässig grosse Gaben zu erzeugen. Die W i r k u n g beginnt zuerst wohl bei allen Abführmitteln durch eine örtliche E i n w i r k u n g der Mittel auf die Schleimhaut des Darmes, die jedoch bei den Laxirmitteln in der Regel keine Blutgefässreizung erkennen lässt, — was aber bei den Purgirmitteln der Fall ist. I m m e r entstellt bei den ersteren mehr wässerige Anschwellung der Darmzotten und der Zellen, bei den Purgirmitteln mehr blutreiches Ansehen dieser T h e i l e ; und immer wird die wurmförmige Bewegung des D a r m k a n a l s und die Absonderung von Säften in ihm vermehrt. Dieser Theil der W i r k u n g zeigt sich jedoch von den verschiedenen Abführmitteln verschieden, indem einige die Absonderung wässeriger Flüssigkeiten aus den serösen Gefässen, andere die Absonderung von Schleim, und noch andere wieder die Absonderung und E n t l e e r u n g der Galle und des Bauchspeichels vermehren. E s ist höchst wahrscheinlich, dass die wirksamen Stoffe in das Blut übergehen und dann auf den Darm, auf die Leber oder das Pancreas abgesetzt werden und dass so die Verschiedenheit der Absonderung erzeugt w i r d ; denn aus der einfachen Darmreizung ist dieselbe nicht zu erklären. — Aus diesem Gange der W i r k u n g ergiebt sich: 1) warum dieselbe bei den meisten Abführmitteln viel später als andere Arzneiwirkungen eint r i t t ; 2) warum die Farbe, der Geruch und die übrige Beschaffenheit der Excremente bei jedeinjMittel verschieden ist, und 3) wie durch die vom Nervensystem ausgehende R ü c k w i r k u n g auf den D a r m k a n a l zuweilen ein sehr erschöpfendes P u r g i r e n , selbst der Tod erfolgen k a n n , ohne dass eine Darmentzündung entstanden ist. Durch das Laxiren und Purgiren können mehrerlei Heilwirkungen erreicht werden; direct wird der Magen, besonders aber der Darm von übermässig angehäuften, von unverdaulichen, schädlichen, giftigen Stoffen, von Eingeweidewürmern und dergl. entleert; durch die Reizung des D a r m s entsteht zu demselben vermehrter Andrang des Blutes und hierdurch Ableitung des letztern von anderen O r g a n e n ; je nach der Menge der Ausleerungen, namentlich der mit den Darmexcreten entleerten Flüssigkeiten, wird der Körper an Säften ärmer ; hierdurch wird die Bildungsthätigkeit vermindert, dagegen die Resorption und die Rückbildung befördert; das Blut wird auch qualitativ verändert, ärmer an Faserstoff, an Salzen u. s. w . ; und durch zu reichliches Purgiren wird Schwächung, selbst E r s c h ö p f u n g der K r ä f t e und der Tod herbeigeführt. §. 40. E i n e b l ä h u n g t r e i b e n d e W i r k u n g haben die ätherisches Oel enthaltenden, aromatischen und die Spirituosen Mittel, indem sie die peristaltische Bewegung im Magen u n d Darm anregen. Zuweilen werden unrichtigerweise auch die die Gase absorbirenden Mittel hierher gerechnet. — Die Parasiten vertilgende, insbesondere die wurmvertreibende (anthelminthische) W i r k u n g soll die auf dem und in dem Thierkörper lebenden Schmarotzerthiere tödten und vertreiben. Einzelne Mittel besitzen diese W i r k u n g in specitischer Weise, andere nur in allgemein giftigen B e s t a n d t e i l e n , oder in ihrer Eigenschaft als
Arznzi wirkungslehre.
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Purgirmittel. Gegen manche Schmarotzer, namentlich Leberegel, Echinococcen, Coenurus, F i n n e n und Trichinen fehlen die Mittel noch. §. 41. Bei der u r i n t r e i b e n d e n W i r k u n g (Diuresis) erscheint die Absonderung u n d Ausleerung des Urins verändert und hauptsächlich so vermehrt, dass die Menge des Urins die des genossenen Getränkes übertrifft. Diese W i r k u n g k a n n nur dadurch hervorgebracht werden, dass eine massige Reizung der Nieren und ein reichlicher Zufluss des Blutes zu denselben Statt findet. Die hierzu dienenden Arzneimittel, die sogenannten u r i n t r e i b e n d e n Mittel (.üiuretica) theilt man in k ü h l e n d e und e r h i t z e n d e . Die letzteren bringen ausser der vermehrten Urinsecretion auch die Erscheinungen der erhitzenden W i r k u n g und oft auch örtliche Zufälle der Reizung in den Nieren und in der Blase, und consensuell auch in den Geschlechtstheilen hervor. Diese Mittel enthalten reizende oder scharfe Stoffe von verschiedener Art, wie dieses in den spanischen Fliegen, im Terpenthin und allen anderen H a r z e n , in vielen ätherischenOelen, im K r a u t des rothen Fingerhuts u. s.w. der F a l l ist. Die kühlenden Diuretica bewirken neben der reichlichen Urinabsonderung eine Verminderung der Reizbarkeit im Blutgefässsystem, so wie eine Verminderung des Faserstoffs im Blute, und somit eine leichtere T r e n n u n g der Bes t a n d t e i l e des letzteren, wie dies die kühlenden Mittelsalze, die verdünnten Pflanzensäuren, die Kohlensäure und die kohlensauren Alkalien und E r d e n tliun. Die wirksamen B e s t a n d t e i l e gehen in das Blut und wirken grösstent e i l s durch directe Berührung auf die Nieren; die W i r k u n g tritt aber nicht immer sicher ein, weil 1) die Hinleitung der wirksamen Arzneisteffe zu den Nieren oft von Krankheitszuständon oder von den hierbei bestehenden consensuellen oder antagonistischen Beziehungen zwischen den Nieren und anderen Organen und von anderen Einflüssen abhängig ist. -ie wirken deshalb unter anderen Umständen (z. B. bei veränderter Witterung) schweisstreibend oder den Auswurf befördernd. 2) Weil die Urinabsonderung von einem gewissen Grade der Reizung abhängig zu sein scheint, den wir bei einzelnen Krankheiten und in der Stärke der Arzneiwirkung schwer abmessen können. Der Beweis dafür findet sich darin, dass bei Enf Zündungskrankheiten die erhitzenden harntreibenden Mittel die Urinabsonderung in der Regel nicht vermehren, die kühlenden aber ihre W i r k u n g thun. Durch die reichliche Diuresis werden besonders die überflüssigen so wie die zersetzten Prote'instoffe (Harnstoff, H a r n s ä u r e , Hippursäure), Extractivstoffe, verschiedene Salze u. s. w. aus dem Körper entfernt und die Resorption wird befördert. Uebermässige W i r k u n g schwächt. §• 42. Eine s c h w e i s s t r e i b e n d e ;diaphoretische) W i r k u n g zeigen die Mittel, welche die Ausdünstung durch die Haut so vermehren, dass diese letztere ganz feucht wird oder dass auf ihr die ausgedünstete Materie in Tropfen stehen bleibt. Die hierbei ausgeschiedenen Stoffe, namentlich: Wasserdünste, Ammonium, Wasserstoff, Stickstoff, Kohlensäure u. s. w., selbst einzelne nähere Bestandtheile von Nahrungs- und Arzneimitteln, sind bei verschiedenen Thier2*
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Allgemeine
gattungen und verschiedenen Körperzuständen in Beschaffenheit und Menge verschieden. Nicht bei allen Tliieren kann durch Arzneimittel die Ausdünstung bis zum fliessenden Schweiss verstärkt werden; Pferde, Schafe und Schweine schwitzen leichter, Rinder und Ziegen viel schwerer, und bei Hunden und Katzen ist flüssiger Schweiss fast niemals zu sehen. — Die Schweissabsonderung geschieht aus den Schweissdrüsen der Haut und wird zunächst durch eine Aufregung der aushauchenden Gefässe derselben und durch vermehrten Blutzudrang herbeigeführt; sie wird daher vermehrt 1) durch einige Arzneimittel auf specifische Weise, z. B. durch Einspritzung der Tinctur oder des Infusums der weissen Nieswurz in die Blutadern, durch innerliche Anwendung des Schwefels, des Spiessglanzes und seiner Präparate, der Fliederblumen und dgl.; 2) durch die meisten flüchtigen und erhitzenden Reizmittel; 3) durch narkotische Mittel (Opium); 4) durch äusserliche Mittheilung von Wärme; 5) durch schnelle und anstrengende Muskelbewegung der Thiere, starkes Reiben der H a u t , durch dichtes Bedecken derselben, und 6) bei Entzündungskrankheiten durch Aufhebung der entzündlichen Reizung. Als Folgen der schweisstreibenden W i r k u n g entstehen: 1) Verminderung des Blutes und Veränderung seiner Beschaffenheit, besonders durch die stärkere Ausscheidung seiner wässerigen B e s t a n d t e i l e ; 2) stärkere Anregung des Durstes; 3) antagonistische Verminderung anderer Absonderungen; 4) vermehrte Thätigkeit der einsaugenden Gefässe, und 5) bei starken, wiederholten oder anhaltenden Schweissen auch Verzehrung der Kräfte. §• 43. Die f ä u I n i s s w i d r i g e (antiseptische) Wirkung ist auf die Verhütung und Beschränkung der Selbstzersetzung (Fäulniss) der thierischen Materie, namentlich der Säfte, gerichtet. •— Man hat zwar eine solche Zersetzung im lebenden Organismus geläugnet, und dies, in Beziehung auf die wirkliche Fäulniss , die nur an abgestorbenen Tlieilen Statt finden kann, mit Recht; doch findet sich im Blut und anderen Säften nicht selten eine Neigung zur Zersetzung, z . B . bei dem sogenannten Faulfieber, Typhus, Milzbrände u. s.w., wie auch da, wo Tuberkel oder andere krankhaft entstandene Massen zerfallen, oder wo örtlich eine wirkliche Absterbung, Brand und Fäulniss eintritt. — Die Zersetzung entsteht mehrentheils aus zu tiefem Sinken der Lebensthätigkeit, zum Theil aber auch aus fehlerhafter Mischung der Säfte, verursacht durch zu grosse Entziehung oder zu starke Verdünnung derselben, oder durch aufgedrungene fremdartige Stoffe, besonders durch Contagien, Miasmen, verdorbene Luft und eben solche Nahrungsmittel, örtlich gehemmte Circulation der Säfte, und die Einsaugung der Zersetzungsproducte (Septicämie). I n neuerer Zeit hat man als eine Hauptursache der fauligen Zersetzung (und vieler Krankheiten) die Infection des Körpers durch mikroskopische Pilze und deren Samen (Sporen) angenommen. Die fäulnisswidrigen Mittel sollen also jene Störungen beseitigen und die weitere Entmischung verhindern. Die Mittel hierzu sind, je nach den Umständen, flüchtige und fixe Reizmittel, gute Nahrung, reine Luft, die adstringirenden Mittel, namentlich China-, Eichen- und Weidenrinde, die Mineralsäuren, Carbolsäure, Citronen- und andere Pflanzensäuren, Kochsalz u. s. w. (§. 28).
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§. 44. Die ä t z e n d e (kaustische) Wirkung besteht darin, dass durch die chemischen Kräfte gewisser Substanzen organische Gewebe, die mit ihnen in Berührung kommen, zerstört werden, indem sie sich mit ihnen nach den Gesetzen der Wahlverwandtschaft verbinden. Gewöhnlich wird hierbei das organische Gewebe zuerst erweicht, selbst bald mehr, bald weniger flüssig, dann aber in einen trockenen, harten Schorf verwandelt. — Diese Wirkungen entstehen als chemische bei todten und lebenden Körpern, bei letzteren wild aber im Beginne der Wirkung und ehe die Zerstörung völlig geschieht, die Lebensthätigkeit zu Reactionen angeregt, Schmerz, stärkerer Zufluss der S ä f t e , Entzündung, und zuletzt Eiterung in der Umgebung der geätzten Stelle hervorgerufen; auch werden von den meisten Aetzmitteln die wirksamen Bestandtheile durch Absorption aufgenommen und weiter geführt, und hierdurch an entfernteren Orten specifische Wirkungen erzeugt. (S. specielle Arzneimittellehre: Arsenik.) Die ätzende Wirkung ist daher nicht rein örtlich, auch nicht rein chemisch; ihr Heilzweck ist Zerstörung und Entfernung krankhafter, besonders wuchernder Gebilde, Zerstörung ansteckender Stoffe in Wunden und Geschwüren, — Erregung eines lebhaften Heiltriebes und antagonistische Herabstimmung in der Thätigkeit anderer Organe. — Zu den Aetzmitteln gehören: die reinen Alkalien, die reine Kalkerde, die coneentrirten Mincralsäuren, salpetersaures Silber- und Quecksilberoxyd, Chlorzink, ätzendes Chlorquecksilber, Chlorspiessglanz, rothes Quecksilberoxyd, gebrannter Alaun, schwefelsaures Kupferoxyd, Arsenik. — Ihnen ähnlich wirkt glühendes Eisen.
D R I T T E S OAl'ITEL. V o n den Bedingungen, durch welche die Wirkungen der Arzneimittel verändert werden können. 45. Die Wirkungen eines Arzneimittels im kranken Thierkörper sind nicht in jedem Falle und unter allen Umständen dieselben, sondern weichen häufig sowohl im Grade, wie auch in der Art ihrer Krscheinungen von den gewöhnlichen Wirkungen ab, bleiben oft auch ganz aus. Diese Modificationen haben ihren Grund theils A) in den Arzneimitteln, theils B) im thierischen Organismus, und theils C) in der gleichzeitigen Einwirkung anderer Einflüsse, als: in dem diätetischen Verhalten derThiere, besonders dem Futter und Getränk, dem Klima, der Jahreszeit und der Witterung.
A. Modificationen, die ihren Grund in den Arzneimitteln selbst haben. a) Modificationen, bedingt durch die Beschaffenheit und Güte der Mittel.— Die Kräfte eines Arzneimittels sind von seinen Bestandtheilen abhängig; diese sind jedoch dem grössten Wechsel unterworfen. So sind die dem Thierreiche entnommenen Mittel je nach dem Alter, der Art der Ernährung, dem Gesundheitszustand der Thiere, von denen sie genommen sind, verschieden, z. B. das
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§. 44. Die ä t z e n d e (kaustische) Wirkung besteht darin, dass durch die chemischen Kräfte gewisser Substanzen organische Gewebe, die mit ihnen in Berührung kommen, zerstört werden, indem sie sich mit ihnen nach den Gesetzen der Wahlverwandtschaft verbinden. Gewöhnlich wird hierbei das organische Gewebe zuerst erweicht, selbst bald mehr, bald weniger flüssig, dann aber in einen trockenen, harten Schorf verwandelt. — Diese Wirkungen entstehen als chemische bei todten und lebenden Körpern, bei letzteren wild aber im Beginne der Wirkung und ehe die Zerstörung völlig geschieht, die Lebensthätigkeit zu Reactionen angeregt, Schmerz, stärkerer Zufluss der S ä f t e , Entzündung, und zuletzt Eiterung in der Umgebung der geätzten Stelle hervorgerufen; auch werden von den meisten Aetzmitteln die wirksamen Bestandtheile durch Absorption aufgenommen und weiter geführt, und hierdurch an entfernteren Orten specifische Wirkungen erzeugt. (S. specielle Arzneimittellehre: Arsenik.) Die ätzende Wirkung ist daher nicht rein örtlich, auch nicht rein chemisch; ihr Heilzweck ist Zerstörung und Entfernung krankhafter, besonders wuchernder Gebilde, Zerstörung ansteckender Stoffe in Wunden und Geschwüren, — Erregung eines lebhaften Heiltriebes und antagonistische Herabstimmung in der Thätigkeit anderer Organe. — Zu den Aetzmitteln gehören: die reinen Alkalien, die reine Kalkerde, die coneentrirten Mincralsäuren, salpetersaures Silber- und Quecksilberoxyd, Chlorzink, ätzendes Chlorquecksilber, Chlorspiessglanz, rothes Quecksilberoxyd, gebrannter Alaun, schwefelsaures Kupferoxyd, Arsenik. — Ihnen ähnlich wirkt glühendes Eisen.
D R I T T E S OAl'ITEL. V o n den Bedingungen, durch welche die Wirkungen der Arzneimittel verändert werden können. 45. Die Wirkungen eines Arzneimittels im kranken Thierkörper sind nicht in jedem Falle und unter allen Umständen dieselben, sondern weichen häufig sowohl im Grade, wie auch in der Art ihrer Krscheinungen von den gewöhnlichen Wirkungen ab, bleiben oft auch ganz aus. Diese Modificationen haben ihren Grund theils A) in den Arzneimitteln, theils B) im thierischen Organismus, und theils C) in der gleichzeitigen Einwirkung anderer Einflüsse, als: in dem diätetischen Verhalten derThiere, besonders dem Futter und Getränk, dem Klima, der Jahreszeit und der Witterung.
A. Modificationen, die ihren Grund in den Arzneimitteln selbst haben. a) Modificationen, bedingt durch die Beschaffenheit und Güte der Mittel.— Die Kräfte eines Arzneimittels sind von seinen Bestandtheilen abhängig; diese sind jedoch dem grössten Wechsel unterworfen. So sind die dem Thierreiche entnommenen Mittel je nach dem Alter, der Art der Ernährung, dem Gesundheitszustand der Thiere, von denen sie genommen sind, verschieden, z. B. das
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F l e i s c h ; bei den vegetabilischen Arzneimitteln sind V e r ä n d e r u n g e n der Bes t a n d t e i l e , abgesehen von absichtlicher, b e z ü g l i c h e r Mischung, bedingt durch den S t a n d o r t der Arzneipflanze u n d das Klima desselben, durch die Zeit u n d A r t der E i n s a m m l u n g der P f l a n z e n , durch die G e w i n n u n g und Bereitung ihrer P r ä p a r a t e und durch ihre A u f b e w a h r u n g . So sind wildwachsende u n d in G ä r t e n gezogene, auf trockenen, sonnigen oder auf feuchten, schattigen O r t e n gewachsene P f l a n z e n , j u n g e und alte Pflanzen, vor und nach der Bliithe bedeutend verschieden in ihren Bestand theilen, mithin auch in ihrer W i r k s a m k e i t ; dasselbe gilt von den auf verschiedene A r t bereiteten E x t r a c t e n derselben P f l a n z e , die in ihren Bestandtheilen wenigstens quantitativ verschieden sind; zuletzt ändern noch L u f t , Licht, Feuchtigkeit und W ä r m e durch E n t z i e h u n g oder Zersetzung von Bes t a n d t e i l e n des aufbewahrten Mittels die W i r k s a m k e i t desselben, so dass die W i r k u n g eines friscli eingesammelten oder frisch bereiteten fast immer viel k r ä f t i g e r ist, als die eines älteren. §• 47. b) M o d i f i c a t i o n e n , b e d i n g t d u r c h d i e F o r m u n d d e n A g g r e g a t z u s t a n d d e s M i t t e l s . — Die Arzneimittel werden in trockener oder fester, in weicher oder breiartiger, in tropfbar-flüssiger und in elastischflüssiger oder D a m p f f o r m angewendet. Die erstere Consistenz besitzen die Pulver, die zweite die Pillen, L a t w e r g e n , Bissen, Salben, Pflaster, die dritte F o r m die Solutionen und Mixturen, I n f u s e u.s.w., die vierte die D ä m p f e und Gasarten. Die meisten Arzneimittel sind in verschiedenen Formen gebbar, aber nicht mit der gleichen W i r k s a m k e i t ; in manchen F o r m e n bleiben die wirksamen B e s t a n d t e i l e u n v e r ä n d e r t , in manchen wird ihre W i r k s a m k e i t durch E i n h ü l l u n g g e b u n d e n , in anderen F o r m e n dagegen freier entwickelt. D a feste K ö r p e r erst gelöst werden m ü s s e n , ehe sie aufgenommen werden können, geht ihre Resorption langsam von Statten, ebenso auch ihre allgemeine W i r k u n g ; dies gilt namentlich von P u l v e r n und P i l l e n ; Arzneimittel in flüssiger F o r m werden leicht aufgenommen u n d wirken dalier schnell und k r ä f t i g e r als dieselben Mittel in fester F o r m ; f ü r A b k o c h u n g e n ist dabei aber zu merken, dass bei m a n c h e n K r ä u t e r n die wirksamen flüchtigen (ätherischen) Stoffe gerade durch Kochen verloren gehen. — Die Resorption elastischflüssiger Stoffe geht schnell u n d leicht vor sich, und tritt daher die W i r k u n g bald ein. Die D a m p f - und Gasform ist bei m a n c h e n Mitteln im gewöhnlichen Zustande derselben schon v o r h a n d e n (z. B. bei Sauerstoff, Chlor); — manche Heilmittel nehmen diese F o r m schon bei der gewöhnlichen T e m p e r a t u r an (z.B.Chloroform, Aether, Alkohol, B l a u s ä u r e ) ; — bei anderen ist sie vollständig n u r durch E i n w i r k u n g eines höheren W ä r m e g r a d e s , bald mit, bald ohne M i t w i r k u n g von Flüssigkeiten zu erhalten (z. B. bei E s s i g , T e r p e n t i n ö l , Theer, aromatischen Pflanzen); — und bei mehreren Mitteln erzeugt man sie durch wirkliches V e r b r e n n e n (z. B. bei Wachholderbeeren, W a c h h o l d e r h o f , Bernstein, Zucker, Schwefel). Bei den Mitteln der ersten und zweiten Art erfolgt die W i r k u n g durch ihre e i g e n t ü m l i c h e n B e s t a n d t e i l e allein und deshalb ohne b e m e r k b a r e V e r ä n d e r u n g . Bei denen der dritten A r t sind die zur D a m p f e r z e u g u n g benutzte W ä r m e u n d Feuchtigkeit mitwirkende E i n flüsse, indem sie z. B. die A b s o n d e r u n g e n , die Resorption und den ganzen Stoffwechsel befördern, bei zu hoher T e m p e r a t u r aber auch die H a u t d e c k e ver-
Arzneiwirkungslehre.
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b r ü h e n oder z e r s t ö r e n . — Bei D a m p f - (eigentlich R a u c h - ) E r z e u g u n g d u r c h V e r b r e n n u n g d e r A r z n e i m i t t e l w e r d e n nicht blos die flüchtigen Stoffe v e r d u n s t e t , s o n d e r n d i e Mittel g r ö s s t e n t e i l s z e r s t ö r t , u n d d i e v e r d u n s t e n d e n Stoffe c h e m i s c h v e r ä n d e r t , n a m e n t l i c h e m p y r e u m a t i s c h , w e s h a l b sie m e h r r e i z e n d w i r k e n ; so e n t h ä l t d e r D a m p f von v e r b r a n n t e m S c h w e f e l n i c h t m e h r l e t z t e r e n , s o n d e r n s c h w e f e l i g e S ä u r e , — der R a u c h v o n v e r b r a n n t e n W a c h h o l d e r b e e r e n n i c h t blos ä t h e r i s c h e s , s o n d e r n a u c h b r e n z l i c h e s Oel. §• 48. c) M o d i f i c a t i o n e n , b e d i n g t d u r c h d i e C o n c e n t r a t i o n , d i e G a b e d e s M i t t e l s u n d d i e V e r b i n d u n g mit a n d e r e n . — Unter C o n c e n t r a t i o n v e r s t e h t m a n das V e r h ä l t n i s s d e r w i r k s a m e n B e s t a n d t e i l e zu d e m V o l u m e n d e s g a n z e n Mittels. J e c o n c e n t r i r t e r e i n M i t t e l ist, desto h e f t i g e r u n d g l e i c h m ä s s i g e r w e r d e n seine W i r k u n g e n , d a g e g e n w e i c h e n d i e E r s c h e i n u n g e n d e r W i r k u n g u m so m e h r a b , j e m e h r v e r t h e i l t u n d v e r d ü n n t d a s M i t t e l d u r c h a n d e r e S u b s t a n z e n ist. — So z . B . v e r u r s a c h t B r e c h w e i n s t e i n in S u b s t a n z oder in recht c o n c e n t r i r t e r V e r b i n d u n g mit W a s s e r oder mit F e t t in d e r H a u t oder S c h l e i m h a u t E n t z ü n d u n g oder A n ä t z u n g , — in einer mässig e n M e n g e W a s s e r s g e l ö s t , e r r e g t er bei H u n d e n , S c h w e i n e n u. s. w. E r b r e chen, — mit viel W a s s e r b e w i r k t er das letztere sehr s e l t e n , d a g e g e n gew ö h n l i c h L a x i r e n o d e r reichliches U r i n i r e n . 8- 49.
•2 11 x 11 11 /Ii; 11 11 III Für Schafe und Ziegen
von 2 — „ 1 „ Vi— ,, o — 11 1
4 J a h r alt 1 Theil, als: 2 „ „ '/» „ 1
"
»
1
/ 4
6 Monat „ 1 j s ,, 3 ,, ,, 1 jl t j ..
,, ,,
4 0 1 1Vi / 4 oder 24 Centigramme
VI. Für Schweine
von 1 '1-2—'S J a h r alt 1 Theil, als: „ 9 — 18 Monat „ V- „ l „ 4>/2-9 1, 1. 1 I 2¡V/ 4 — 4 / i „ 1 iIS 1
ü
4 2 1 v1 ä / 4 oder 24 Centigramme
V. Für Hunde
von Vä - 1 J a h r alt ö — 6 Monat ,, „ l'/i- 3 20—45 Tage „ 10—20
1 Theil, als : l ' / 4 Vä 1, 60 Centigramme 1; 30 i/8 15 Vi 7V» -
Dieses Verhältniss ist natürlich nicht für alle Mittel und alle Fälle als feste Kegel zu betrachten, sondern stets, worauf wir j a eben hinweisen, Alter, Kare, Klima u. s. w. in jedem speciellen Fall zu berücksichtigen. Das vorstehende Schema kann nur als Anhaltepunkt und zur Verhütung von groben Fehlern dienen. §. 55. c) D a s G e s c h l e c h t b e d i n g t e b e n f a l l s M o d i f i c a t i o n e n ; bei dem männlichen ist die Widerstandsfähigkeit gegen äussere Einflüsse eine grosse und gleichmässige, es treten daher die vollen, kräftigen Wirkungen erst bei voller Gabe ein; bei dem weiblichen ist der Bildungsprocess früher beendet und die Reizbarkeit grösser; die den Bildungsprocess herabsetzenden Mittel werden daher oft besser als von den Männchen ertragen, während die Reizmittel heftiger, aber auch flüchtiger wirken. Ausserdem werden bei den
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Allgemeine
weiblichen T h i e r e n die A r z n e i w i r k u n g e n durch die Brunst und T r ä c h t i g k e i t b e d e u t e n d modificirt, namentlich dem G r a d e nach v e r s t ä r k t ; die auf das Geschlechtsleben sich b e z i e h e n d e n , die B i l d u n g s t h ä t i g k e i t h e r a b s e t z e n d e n , die A b s o n d e r u n g e n s t a r k v e r m e h r e n d e n Mittel (z. B. die drastischen Purgirmittel, die scharfen Uropoetica) d ü r f e n daher n u r vorsichtig in diesen Perioden gereicht w e r d e n . A u c h die Zeit des Gebärens und S ä u g e n s k a n n Modificationen in der A r z n e i w i r k u n g hervorrufen. §• 56. d) M o d i f i c a t i o n e n , b e d i n g t d u r c h d i e C o n s t i t u t i o n o d e r L e i b e s b e s c l i a f f e n h e i t u n d d u r c h d a s T e m p e r a m e n t . — Selten sind in einem Thiere die sämmtlichen O r g a n e und F u n c t i o n e n g a n z gleiclimässig e n t w i c k e l t , sondern es sind einzelne Organe, selbst einzelne Systeme b a l d m e h r ausgebildet u n d in ihrer T h ä t i g k e i t v o r w a l t e n d , bald wieder ungleich zurückgeblieben ; dies hat die natürliche Folge, dass bei verschiedenen I n d i v i d u e n der Organismus bald an der einen, bald an der a n d e r n Stelle den E i n w i r k u n g e n mehr zugänglich ist, u n d in den Reactionen auch dieselben Verschiedenheiten zeigt. So z. B. k a n n der Brechweinstein bei einem P f e r d e mit sehr reizbaren Nieren urintreibend, bei einem a n d e r n mit schlaffer H a u t schweisstreibend wirken. I m Allgemeinen m a g m a n die Abweichungen in der Leibesbescliaffenhei t d a r n a c h b e r ü c k s i c h t i g e n , 1) ob die T h ä t i g k e i t des arteriellen Systems, des H e r z e n s und der L u n g e vorherrschend, dabei die F a s e r straff u n d die Irritation vorwaltend ist, bei welcher Beschaffenheit reizende u n d erhitzende Mittel leicht zu heftig wirken, während die Lebensthätigkeit h e r a b s t i m m e n d e selbst in grossen Gaben g u t ertragen w e r d e n ; oder 2) ob die E n t w i c k e l u n g der V e n e n vorherrschend ist, die Verrichtungen langsam von S t a t t e n gehen, die Einflüsse schwach e m p f u n d e n werden u n d n u r s e h w a c h e , aber a n d a u e r n d e Reactionen h e r v o r r u f e n , bei welcher Constitution narkotische, überh a u p t herabstimmende Mittel schlecht, d a g e g e n flüchtig e r r e g e n d e meist g u t v e r t r a g e n werden. 3) W e n n der K ö r p e r schlaff und s c h w a m m i g , das B l u t wässerig, arm an Cruor ist, die Empfindlichkeit u n d das Reactionsverm ö g e n g e r i n g sind, so werden Reizmittel gut e r t r a g e n , schwächende u n d k ü h l e n d e Mittel d a g e g e n sind in grossen G a b e n und bei fortgesetzter A n w e n d u n g leicht von üblen Folgen. I s t n u r 4) das N e r v e n s y s t e m überwiegend in T h ä t i g k e i t , die E m p f i n d l i c h k e i t gross, mit schneller, aber n u r k u r z e Zeit a n d a u e r n d e r , oft unregelmässiger Reaction, entstehen dabei sehr leicht consensuelle u n d antagonistische E r s c h e i n u n g e n , so müssen die Arzneien, namentlich die r e i z e n d e n , n u r in kleinen, oft wiederholten G a b e n gereicht w e r d e n , da sie leicht ziemlich heftige u n d oft ungewöhnliche W i r k u n g e n h e r v o r r u f e n ; sie erfordern ü b e r h a u p t eine g e n a u e Auswahl nach ihren specifischen Beziehungen zum G e h i r n , R ü c k e n m a r k u. s. w. Diese 4 A r t e n der Leibesbeschaffenheit bezeichnet m a n auch mit dem N a m e n der arteriellen, der venösen, der lymphatischen u n d der nervösen Constitution. D i e T e m p e r a m e n t e zeigen sich besonders durch die A e u s s e r u n g e n der G e h i r n f u n c t i o n e n , namentlich durch den W i l l e n , durch E m p f i n d u n g u n d B e w e g u n g . I h r Einfluss auf die A r z n e i w i r k u n g ist nicht g e n ü g e n d bekannt, scheint j e d o c h dem der verschiedenen Constitutionen ähnlich zu sein.
Arzneiwirkungslehre.
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§• 57. e) M o d i f i c a t i o n e n , b e d i n g t d u r c h K r a n k h e i t . — D e r K r a n k heitszustand ist eine höchst wichtige U r s a c h e zu A b w e i c h u n g e n in den Arzn e i w i r k u n g e n von dem allgemeinen T y p u s , denn, da bei K r a n k h e i t e n , j e nach dem Character, der A r t und dem Sitz derselben, die L e b e n s t h ä t i g k e i t theils im A l l g e m e i n e n , theils in besonderen O r g a n e n oder S y s t e m e n angegriffen ist, die materielle Beschaffenheit der A b s o n d e r u n g , die j a zunächst auf die U m ä n d e r u n g der Medicamente von Einfluss ist, hiernach v e r ä n d e r t , f e r n e r auch das Reactionsvermögen ein anderes ist, so muss zuletzt die A r z n e i w i r k u n g j e d e n f a l l s auch modificirt werden. So erzeugen z. B. bei A n s a m m l u n g e n von W a s s e r in d e n H i r n h ö h l e n die a b f ü h r e n d e n Mittel oft in doppelten G a b e n keine oder n u r schwache W i r k u n g e n . E s lässt sich also von keinem gegen eine K r a n k h e i t empfohlenen Mittel eine f ü r alle F ä l l e g a n z entsprechende G a b e im Allgemeinen bestimmen. §• 58. f ) M o d i f i c a t i o n e n , b e w i r k t d u r c h den O r t der A p p l i c a t i o n v o n A r z n e i s t o f f e n . — Die Heilmittel k ö n n e n mit dem Organism u s an seiner ganzen innern u n d äussern Oberfläche in B e r ü h r u n g gebracht w e r d e n ; vorzüglich benutzt m a n 1) den Magen und D a r m k a n a l , 2) den Mastd a r m , 3) die L u f t r ö h r e u n d L u n g e n , 4) die äussere unverletzte H a u t , 5) W u n d e n u n d G e s c h w ü r e , das subcutane B i n d e g e w e b e , u n d 6) die geöffnete Blutader. D e r Ort der A n w e n d u n g der Arzneimittel bedingt j e d o c h nach der verschiedenen Beschaffenheit der betreffenden E i n v e r l e i b u n g s o r g a n e mancherlei A b w e i c h u n g e n von den gewöhnlichen A r z n e i w i r k u n g e u , die zwar nicht in den wesentlichen V e r ä n d e r u n g e n der W i r k u n g selbst, sondern hauptsächlich n u r in dem G r a d e derselben, wie im G r a d e u n d der A r t der örtlichen Reactiou begründet sind. Von grosser W i c h t i g k e i t ist dabei an den von der A r z n e i u n m i t t e l b a r berührten Gebilden, ausser dem besondern Lebenszustande (Gesundheit oder K r a n k h e i t derselben) noch a) ihre physiologische F u n c t i o n , b) ihr Reichthum an Nervenausbreitungen u n d an absorbirenden G e f ä s s e n , c) die Beschaffenheit und Menge der v o r h a n d e n e n S ä f t e und a n d e r e r Substanzen, d) ihr Verlniltniss zu dem ü b r i g e n K ö r p e r , vorzüglich zu den k r a n k e n Organen. §. 5'J. 1) D e r M a g e n und vordere T h e i l des D a r m k a n a l s , obgleich in Structur, F o r m u n d A u s d e h n u n g bei den T h i e r e n verschiedener G a t t u n g verschieden, besitzt doch bei allen dieselbe vielseitige N e r v e n v e r b i n d u n g der N. N. vagns, sympatkicus u n d des Sonnengeflechtes mit den N e r v e n c e n t r e n , den Sinnesorganen, den H a u t d e c k e n , den Brust- und vorzüglich d e n Baucheingeweiden. Hierin ist der grosse Consensus und Antagonismus zwischen dem V e r d a u u n g s k a n a l u n d allen a n d e r e n O r g a n e n begründet. Ausserdem besitzen der Magen u n d D a r m k a n a l auch in ihrer Schleimhaut eine ausserordentliche Menge von absorbirenden Gefässen und hierdurch eine sehr lebhafte Aufsaugung. D e r M a g e n (bei den W i e d e r k ä u e r n besonders der vierte) u n d der D a r m k a n a l sind daher zur E r z e u g u n g sehr schneller, k r ä f t i g e r u n d ausgebreiteter A r z n e i w i r k u n g e n ganz vorzüglich geeignet. D e s h a l b wird dieser
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W e g der Application, um allgemeine Wirkungen hervorzubringen, auch am häufigsten beschritten; nur wo es sich von selbst verbietet (bei Krankheiten der Schlingwerkzeuge, bei mechanischen Hindernissen im Oesophagus, bei manchen Krankheiten des Magens und Darmkanals, wo eine Berührung der Mittel mit den kranken Organen nur schädlich wirken oder sofort ein E r brechen der Medicin erfolgen würde), wählt man andere Applicationsstellen. §• 60.
2) Im Mastdarm ist die Schleimhaut viel w.eniger reich an Nerven und absorbirenden Gefässen, als im übrigen D a r m k a n a l , die Fortleitung des Blutes geschieht in den schlaffen Gefässen bedeutend langsamer, der Consensus und Antagonismus zwischen dem Mastdarm und den übrigen Organen ist gering, nur mit den naheliegenden Darmtheilen, den Nieren, der Harnblase und den Geschlechstheilen ist er etwas lebhaft, — die allgemeine Wirkung der meisten Arzneien erfolgt daher viel schwerer und langsamer, so dass man z. B. von ernährenden, flüchtig oder anhaltend reizenden und anderen Stoffen durch eine 3-—8facli stärkere Galie kaum soviel erreicht, wie im Magen durch eine einfache Gabe. Nur die meisten Narcótica scheinen zwar langsamer, aber nicht weniger intensiv zu wirken. — Mit der örtlichen W i r k u n g verhält es sich aber anders , da der Mastdarm nicht an Berührung, ausser mit den Excrementen, gewöhnt ist; stark reizende Substanzen müssen, wenn man nicht Entleerung, sondern eine längere Einwirkung bezweckt, eingehüllt und in kleinen Gaben eingeflösst werden, da sie sonst sofort durch heftige Contraction ausgeschieden werden. Da die im Mastdarm vorhandenen Stoffe nicht sauer, sondern alkalisch reagiren, so werden Mittel, die Säuren zur Lösung verlangen, nur schwer und in geringem Maasse aufgenommen. — Die hier gebräuchlichsten und zweckmässigsten Formen der Medicamente sind die flüssige und dunstartige, als gewöhnliche Clystire und als Raucliclystire; Salben und sogenannte Afterzapfen sind, auch wegen ihrer unvollständigen und zu langsamen Entwiekelung der W i r k u n g e n , bei Thieren wenig gebräuchlich. §• 61.
3) Die innere Fläche der Respirationsorgane ist ihrer physiologischen Beziehung nach in beständiger Berührung mit der L u f t , und nur zur Aufnahme und Abgabe luftartiger Stoffe und Dünste geeignet. Die unmittelbare Einwirkung fremder Substanzen von anderer Consistenz, so wie reizender Gasarten, wird, der grossen Empfindlichkeit der Schleimhaut wegen, nicht ertragen, sie ruft heftige Hustenanfälle, durch Verschliessung der Stimmritze plötzliche Erstickungszufälle, oder auch lebensgefährliche Entzündungen hervor. Durch diese Nebenzufälle können die Wirkungen der bei der Anwendung in Dunst- oder Gasform umgewandelten und so schon chemisch veränderten Medicamente sehr modificirt werden. Dieser Applicationsmodus ist daher sehr wenig gebräuchlich; er gewährt jedoch bei örtlichen Krankheitszuständen der Respirationsorgane, und wenn man die Mischung des Blutes schnell umändern will, grosse Vortheile, die durch andere Einverleibungswege nicht erreicht werden können. §. 62.
4) Die äussere Haut gestattet für die Anwendung der Arzneimittel eine sehr ausgedehnte Berührungsfläche. Reich an Nerven ist sie das allgemeine
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Organ des Gefühls. Reicher noch ist sie an feinen Blut- und Lyinpligefässen, durch deren beiderseitige T h ä t i g k e i t ein beständiger lebhafter Stoffwechsel, theils durch A u f s a u g u n g fremder Stoffe von aussen her, vorzüglich aber durch eine sehr starke Absonderung dunstartiger und seröser Feuchtigkeiten aus ihr bewirkt wird. Physiologisch steht die Haut fast mit allen inneren O r g a n e n , vorzüglich mit Magen und D a r m k a n a l , den Nieren und L u n g e n in innigen Beziehungen, die sich, nach Verhältniss der Umstände, oft als Consensus, am häufigsten und stärksten aber als Antagonismus aussprechen. Trotzdem zeigen die meisten Mittel bei ihrer Anwendung auf die H a u t hauptsächlich nur ihre örtliche W i r k u n g deutlich, wogegen ihre allgemeine W i r k u n g l a n g s a m e r , weit weniger ausgebreitet, überhaupt weniger regelmässig als bei der A n w e n d u n g auf den Magen eintritt, was seinen Grund wahrscheinlich darin hat, dass die Haut mehr Secretionsorgan ist, als zur Aufnahme dient, dass ihre Gefässe und Nerven nur fein sind, dass wegen Mangels an thierischen S ä f t e n , welche zur passenden Umbildung der Arzneimittel für die Resorption nöthig sind, diese letztere oft nur unvollständig oder g a r nicht erfolgt, und dass die Epidermis und die Haare die A u f n a h m e hindern. Deshalb wird die H a u t zur Erreichung allgemeiner W i r k u n g e n bei inneren Krankheiten, wie z. B. da, wo der Zugang durch das Maul zum Magen z. B. bei Trismus, verschlossen ist, für sich allein nur selten als Applicationsstelle benutzt; dagegen gewährt die Anwendung der Heilmittel auf sie sehr oft eine ganz vortreffliche Unterstützung der innerlich angewendeten Arzneien, oder sie ersetzt dieselben gänzlich, was besonders solche Mittel thun, welche die Haut heftig reizen, oder selbst neue, künstlich erzeugte Absonderungen in ihr erregen (wie z. B. die scharfen, blasenziehenden und ätzenden Mittel), um antagonistisch die krankhaft aufgeregte Thätigkeit der inneren Organe zu mindern. Bei Locallcidcn, auch bei solchen, die ihren Sitz in Geweben unter der H a u t haben, ist die W i r k u n g der auf die letztere angewendeten Mittel meistens eine g a n z sichere. Zur Einverleibung der Arzneien in die Haut eignen sich die flüssigen, dunstartigen und halbflüssigen Formen derselben (als Waschungen, B ä h u n g e n , Dunst- und Wasserbäder, Linimente, Salben, Breiumschläge) am besten. §. 63. 5) Bei der Anwendung der Arzneimittel auf W u n d e n oder Geschwüre und in das subcutane Bindegewebe tritt die allgemeine W i r k u n g fast immer sehr schnell und kräftig ein, weil die wirksamen Stoffe mit den blosgelegten Gefässen und Nerven in directe Berührung kommen oder theilweise in die geöffneten Gefässe unmittelbar eindringen, also ihr Uebergang in die S ä f t e schnell Statt findet, namentlich bei frischen Wunden. Da es aber nicht immer zulässig ist, W u n d e n und Geschwüre zum Behufe der Application von Arzneistoffen zu machen, da auch das Blut in grossen frischen Wunden, so wie auch der Eiter und die J a u c h e in W u n d e n und Geschwüren die Resorption der Mittel hindern oder durch chemische Verbindung mit ihnen ihre W i r k s a m k e i t modificiren, und da die stärkeren Reizmittel in W u n d e n und Geschwüren heftige örtliche W i r k u n g e n (Schmerz, E n t z ü n d u n g , selbst B r a n d ) hervorrufen, so ist diese Methode der Anwendung von Arzneistoffen, um allgemeine W i r k u n g e n zu erzielen, bisher in der Thierheilkunde wenig gebräuchlich
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Allgemeine
gewesen, sie ist jedoch in neuerer Zeit durch die subcutanen Injectionen vermittelst kleiner ( P r a v a z 'scher) Spritzen, deren feine Caniile in eine stechende Spitze endet, sehr erleichtert und in Folge hiervon häufiger angewendet worden. Bei örtlichen Leiden, bei heftigen Schmerzen, Lähmungen, Krämpfen, Rheumatismen, Wunden und Geschwüren ist diese Methode der Arzneianwendung oft unvermeidlich nothwendig. §. 64. 6) Die Methode, Arzneistoffe in die geöffnete Blutader zu bringen, hat bei einigen besonderen Vortheilen auch wesentliche Nachtheile. In letzterer Hinsicht ist zu bemerken, dass wir zu wenig das Verhältniss kennen^ in welchem die W i r k u n g zu der Menge der applicirten Stoffe steht; ferner bringt die directe Wirkung vieler Arzneimittel auf das Blut plötzliche chemische Veränderungen hervor, die die nachtheiligsten Nebenwirkungen hervorrufen; drittens ist bei der mitunter schwierigen Ausführung der Operation das so gefährliche Eindringen von Luft in die Venen kaum zu vermeiden, oder es entstehen durch nachfolgende Entzündung und Eiterung der Venen (Aderfisteln) üble Zufälle. Hierdurch wird selbstverständlich diese Art und Weise, dem Körper Arzneimittel beizubringen, auf wenige Fälle beschränkt; dieser Einverleibungsweg ist höchstens da zu benutzen, wo 1) der Zugang durch das Maul und den Schlund verschlossen ist, aber doch schnelle und allgemeine Wirkungen nötliig sind, wie z. B. beim Trismus; 2) wo bei einem hohen Grade von Abstumpfung eine eingreifende Umstimmung und Erschütterung bezweckt wird, wie z. B. beim Dummkoller der Pferde; 3) wenn bei Thieren, die sich erbrechen können, fremde Körper im Schlünde stecken und durch künstlich erregtes Erbrechen entfernt werden sollen, das Brechmittel aber auf gewöhnlichem Wege nicht beizubringen ist. 65€ . Mudificalionen, b e d i n g t durch d a s diätetische V e r h a l t e n , die a t m o s p h ä r i s c h e L u f t , K l i m a u . s. w.
So wie das diätetische Verhalten der Thiere die Entwickelung und Erhaltung des Körpers oder das Entstehen von Krankheiten ganz unverkennbar begünstigt, ebenso verhält sich auch der Einfluss desselben auf die Wirkung der Arzneimittel, sie bald begünstigend, bald beschränkend, bald qualitativ ändernd. So z. B. erfolgen die Wirkungen bei innerlich angewandten Arzneien im Allgemeinen schwächer, je mehr Magen und Darmkanal mit Futterstoff angefüllt sind; bei den Brechmitteln erfolgt das Erbrechen leichter, wenn etwas Nahrungsmittel im Magen sind, als wenn der Magen leer ist. W e n n K ü h e grünes Futter erhalten, bewirkt die unter die Haut gebrachte weisse Nieswurz oder die in die Adern gespritzte Nieswurztinctur Erbrechen, was aber sehr selten bei trockenem Futter der Fall ist. Die atmosphärische Luft übt einen mächtigen Einfluss auf die Stimmung der Lebensthätigkeit im Organismus, und somit auch auf die Wirkungen der Arzneimittel aus. Besonders wichtig scheint ihre Reinheit und Trockenheit, ihre Temperatur, Electricität und die normale Mischung ihrer Bestandtheile zu sein, denn diese Umstände bedingen es, je nach ihrer Art, dass die Hautund Lungenausdünstung, die Gallenabsonderung und antagonistisch auch die Urinabsonderung u. s. w. bald mehr leicht und vollständig, oder entgegen-
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gesetzt unvollständig von Statten gehen, dass also der Andrang des Blutes zu den betreffenden Organen in verschiedener Stärke Statt findet, und dass hierdurch die Wirkung mancher Arzneimittel gleichsam vorbereitet, begünstigt und verstärkt, oder entgegengesetzt vermindert oder gehemmt wird. So z. B. zeigen die schweisstreibenden Mittel hei feuchtwarmer Luft einen sehr starken, die urintreibenden aber einen sehr geringen Wirkungsgrad. E i n eigentümlicher , bis jetzt nicht erforschter Zustand ist häufig die sogenannte e p i z o o t i s c h e K r a n k h e i t s c o n s t i t u t i o n , durch welche ebenfalls die Wirksamkeit mancher Arzneimittel moditicirt wird; z. B. zur Zeit, wo typhöse Fieber herrschen, bringt die Anwendung der rein antiphlogistischen Mittel in den sonst gebräuchlichen Gaben leicht zu reichliche Ausleerung der Säfte oder zvi grosse Schwächung hervor. Wie gross der Einfluss des Klimas, der Jahreszeiten und der damit verbundenen Witterungsverhältnisse auf den thierischen Organismus ist, das zeigt die oft ganz verschiedene Entwickolung der Thiere einer Gattung in verschiedenen Klimaten, das regelmässige Wechseln der Haare und Federn, ebenso das regelmässige Erwachen des Geschlechtstriebes in gewissen Jahreszeiten u. s. w. Es werden also durch den Einfluss dieser Aussenverhältnisse Veränderungen in der thierischen Lebensthätigkeit hervorgerufen, die wiederum die Keactionen des Organismus gegen die Arzneimittel verändern werden. Doch fehlt es hierüber noch sehr an solchen Beobachtungen, an welchen man den besonderen Antheil der äusseren Einflüsse, des kranken Thierkörpers und der angewandten Arzneimittel an den Abweichungen der Arzneiwirkungen mit Sicherheit nachweisen könnte.
V I E R T E S CAIMTKL. Eintheilung (Classification) der Arzneimittel. MDie grosse Anzahl und die ebenso grosso Verschiedenheit der einzelnen Arzneimittel macht es notliwendig, dass dieselben in der Arzneimittellehre in eine gewisse Ordnung gebracht (classilicirt) werden, in welcher das Aehnliche mit dem Aehnlichen zusammengestellt und das Ganze in einen wissenschaftlichen oder praktischen Zusammenhang gebracht ist, um hierdurch eine richtige Uebersicht zu gewinnen, das »Studiuni zu erleichtern und Wiederholungen zu vermeiden. §• 67. Man hat eine gute Eintheilung der Arzneimittel auf vielfache Weise aufzustellen versucht, aber alle diese Versuche sind bisher in einzelnen Punkten mangelhaft geblieben, weil es an einem wesentlichen Eintheilungsprineip fehlt. Denn dieses Princip könnte nur allein ans der wirklichen Kenntniss der inneren Gründe hervorgehen, auf welchen die, bei den Arzneiwirkungen entstehenden Erscheinungen beruhen und welche sich theils auf den Arzneistoff, theils auf den lebendigen Organismus beziehen. Da jedoch unsere Kenntniss von dem inneren Grunde der Lebenserscheinungen noch mangelhaft, und ebenso von dem Wesen der specilischen Kräfte der ArzneiHertvvio, Arzneimittellehre
i-. Auflagt-.
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gesetzt unvollständig von Statten gehen, dass also der Andrang des Blutes zu den betreffenden Organen in verschiedener Stärke Statt findet, und dass hierdurch die Wirkung mancher Arzneimittel gleichsam vorbereitet, begünstigt und verstärkt, oder entgegengesetzt vermindert oder gehemmt wird. So z. B. zeigen die schweisstreibenden Mittel hei feuchtwarmer Luft einen sehr starken, die urintreibenden aber einen sehr geringen Wirkungsgrad. E i n eigentümlicher , bis jetzt nicht erforschter Zustand ist häufig die sogenannte e p i z o o t i s c h e K r a n k h e i t s c o n s t i t u t i o n , durch welche ebenfalls die Wirksamkeit mancher Arzneimittel moditicirt wird; z. B. zur Zeit, wo typhöse Fieber herrschen, bringt die Anwendung der rein antiphlogistischen Mittel in den sonst gebräuchlichen Gaben leicht zu reichliche Ausleerung der Säfte oder zvi grosse Schwächung hervor. Wie gross der Einfluss des Klimas, der Jahreszeiten und der damit verbundenen Witterungsverhältnisse auf den thierischen Organismus ist, das zeigt die oft ganz verschiedene Entwickolung der Thiere einer Gattung in verschiedenen Klimaten, das regelmässige Wechseln der Haare und Federn, ebenso das regelmässige Erwachen des Geschlechtstriebes in gewissen Jahreszeiten u. s. w. Es werden also durch den Einfluss dieser Aussenverhältnisse Veränderungen in der thierischen Lebensthätigkeit hervorgerufen, die wiederum die Keactionen des Organismus gegen die Arzneimittel verändern werden. Doch fehlt es hierüber noch sehr an solchen Beobachtungen, an welchen man den besonderen Antheil der äusseren Einflüsse, des kranken Thierkörpers und der angewandten Arzneimittel an den Abweichungen der Arzneiwirkungen mit Sicherheit nachweisen könnte.
V I E R T E S CAIMTKL. Eintheilung (Classification) der Arzneimittel. MDie grosse Anzahl und die ebenso grosso Verschiedenheit der einzelnen Arzneimittel macht es notliwendig, dass dieselben in der Arzneimittellehre in eine gewisse Ordnung gebracht (classilicirt) werden, in welcher das Aehnliche mit dem Aehnlichen zusammengestellt und das Ganze in einen wissenschaftlichen oder praktischen Zusammenhang gebracht ist, um hierdurch eine richtige Uebersicht zu gewinnen, das »Studiuni zu erleichtern und Wiederholungen zu vermeiden. §• 67. Man hat eine gute Eintheilung der Arzneimittel auf vielfache Weise aufzustellen versucht, aber alle diese Versuche sind bisher in einzelnen Punkten mangelhaft geblieben, weil es an einem wesentlichen Eintheilungsprineip fehlt. Denn dieses Princip könnte nur allein ans der wirklichen Kenntniss der inneren Gründe hervorgehen, auf welchen die, bei den Arzneiwirkungen entstehenden Erscheinungen beruhen und welche sich theils auf den Arzneistoff, theils auf den lebendigen Organismus beziehen. Da jedoch unsere Kenntniss von dem inneren Grunde der Lebenserscheinungen noch mangelhaft, und ebenso von dem Wesen der specilischen Kräfte der ArzneiHertvvio, Arzneimittellehre
i-. Auflagt-.
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mittel fast nur allein auf die sinnlich wahrnehmbaren Eigenschaften der letzteren und auf die, durch sie erzeugten sichtbaren Veränderungen des Organismus beschränkt ist, so kann auch jede Eintheilung der Arzneimittel nur auf blosse Sinneswahrnehmungen über ihre Eigenschaften und Wirkungen gegründet und daher in vieler Hinsicht nur unvollständig sein. §• 68. Bei den verschiedenen E i n t e i l u n g e n der Arzneimittel in bestimmte Abtheilungen, oder Klassen und Ordnungen, hat man diese Mittel 1) bald für sich allein, d. h. ohne Beziehung auf den thierischen Organismus, als blosse materielle Stoffe, nach ihren naturhistorischen Verhältnissen, oder nach ihren chemischen u. anderen Eigenschaften, 2) bald wieder nur ihre Anwendung auf den kranken Thierkörper, und ihre Wirkungen in demselben, und 3) zuweilen auch ein zusammengesetztes System als Eintheilungsgrund benutzt. 09. Die Eintheilung der Arzneimittel nach ihren Beziehungen zum kranken Thierkörper scheint den Zwecken der praktischen Thierheilkunst am meisten zu entsprechen , und ist deshalb in früheren Zeiten fast ganz allein benutzt, aber mit grossen Verschiedenheiten ausgeführt worden. Die vorzüglichsten der hierher gehörenden Eintheilungsarten sind folgende: 1) In der frühesten Zeit unterschied und bezeichnete man die Arzneimittel nach den einzelnen Krankheiten, gegen welche sie besonders heilsam sein sollten, z. B. Mittel gegen Fieber, gegen E n t z ü n d u n g , gegen Krämpfe, gegen Würmer und dergl., und man hatte daher ebenso viele Klassen von Mitteln wie von Krankheiten. Die. siimmtlichen Arzneimittel waren gleichsam specitische Mittel. Da aber bei vorurteilsfreien Beobachtungen sich nur sehr wenige Substanzen als solche specifische Heilmittel bewährt haben, da auch die meisten Krankheiten mehr nach den Symptomen als nach ihrem wesentlichen Zustande bekannt sind, und da auch fast jedes Mittel nach Art und Zeit der Anwendung, nach der Grösse der (labe u. s. w. gegen mehrere, zum Theil ganz verschiedene Krankheiten mit Nutzen angewendet werden kann, so ist diese Eintheilungsart verwerflich, und zwar um so mehr, weil sie zugleich keine gute Uebersicht gewährt. 2) Eine zweite Eintheilungsweise der Arzneimittel ist auf die W i r k u n g s e r s c h e i n u n g e n gegründet, welche nach der Anwendung eintreten. Man theilt sie hiernach z. B. in Brechmittel, Purgirmittel, flüchtige und anhaltende Erregungsrnittel, Aetzmittel u. s. w. Obgleich diese Eintheilung äusserst wenig Rücksicht auf vorhandene Krankheiten nimmt, so ist doch das Entstehen mancher Wirkungen und ihrer Erscheinungen nur von dem Dasein eines gewissen Krankheitszustandes allein abhängig (z. B. die krampfstillende W i r k u n g nur bei Krämpfen, die wurmtreibende nur bei Würmern), und derselbe wird daher zur Eintheilung mit benutzt. Der Grund zu dieser Eintheilung ist also mit dem der vorigen theilweise übereinstimmend, und sie hat daher auch zum Theil dieselben Mängel wie diese ; ihr grösster Fehler liegt aber darin, dass Wiederholungen unvermeidlich sind, weil ein und dasselbe Mittel, unter verschiedenen Umständen , namentlich in verschiedener Gabe, Concentration, Form, bei verschiedenen Krankheiten u. s. w. eine verschieden -
Arzneiwkkungslehre.
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artige W i r k u n g leisten k a n n , wie z. B. der Weinstein eine auflösende, laxirende, urintreibende, k ü h l e n d e u n d entzündungswidrige W i r k u n g besitzt u n d d a h e r auch in verschiedenen Klassen stehen muss. 3) Als G r u n d zu einer dritten Eintheilungsweise betrachtet m a n die inneren V e r ä n d e r u n g e n , welche in den K r ä f t e n , in der T h ä t i g k e i t u n d Beschaffenheit bald des ganzen K ö r p e r s , bald der einzelnen S y s t e m e u n d Organe, durch die Médicamente erzeugt werden k ö n n e n . Diese E i n t h e i l u n g ist aus dem Bestreben nach einer Grundansicht des Lebens e n t s t a n d e n ; da aber, trotz dieser Bestrebungen, unsere Kenntnisse über den innern G r u n d des gesunden und k r a n k h a f t e n Lebensprocesses noch sehr beschränkt sind, u n d in vieler H i n s i c h t n u r auf Theorien und Hypothesen beruhen, so h a t sich auch eine g r ü n d l i c h e Einsicht in den Process der Arzneiwirkung nicht überall erlangen lassen. D a h e r ist auch die Eintheilungsweise selbst nach den sogenannten medicinischen Systemen sehr verschieden gemacht worden, z. B. in s t ä r k e n d e u n d schwächende Mittel — in expandirende und c o n t r a h i r e n d e ; — in positive u n d negative — in Mittel, welche auf die Empfindlichkeit, und in solche, welche auf die B e w e g u n g w i r k e n ; — und in Mittel, welche in ihren W i r k u n gen auf die Sensibilität, Irritabilität und den Vegetationsprocess gerichtet sind, und diese F u n c t i o n e n erhöhen oder vermindern. — Die E i n t h e i l u n g auf die letztere W e i s e scheint vor den übrigen noch den meisten W e r t h zu haben, weil allerdings sehr viele Mittel zu einer der drei G r u n d t h ä t i g k e i t e n und zu den organischen Systemen, in welchen dieselbe vorwaltend ist, eine specifische Beziehung äussern. Allein auch sie i s t m a n g e l h a f t ; denn diese Beziehung h ä n g t nicht immer von den Mitteln allein, sondern oft auch von dem K r a n k heitszustande ab; die meisten Mittel wirken nicht blos auf ein System oder Organ, sondern sie ergreifen auch, und zwar zuweilen schon in der primären, noch mehr aber in der secundiiren W i r k u n g die übrigen Systeme und Org a n e und verbreiten sich zuletzt über den ganzen K ö r p e r ; auch besteht die W i r k u n g nicht blos in der V e r m e h r u n g oder V e r m i n d e r u n g einer G r u n d thätigkeit, sondern ebenso viel in der qualitativeil V e r ä n d e r u n g derselben. 4) E i n e vierte Eintheilungsweise gründete man auf die innerliche u n d äusserliclie A n w e n d u n g der A r z n e i m i t t e l , und unterschied die letzteren in innerliche oder therapeutische, und in äussere oder chirurgische Mittel. Diese E i n t h e i l u n g k a n n jedoch weder den wissenschaftlichen noch praktischen Zwecken der Thierheilkunde entsprechen, da der E i n t h e i l u n g s g r u n d ein sehr unwesentlicher ist, sehr viele Mittel innerlich und äusserlich a n g e w e n d e t w e r d e n , und ausserdem auch die T h i e r a r z n e i k u n d e in der P r a x i s nicht in Medicin und Chirurgie geschieden werden kann. Í5- 70. Auf die naturhistorischen und materiellen liigenschaften der Arzneimittel sind folgende Eintheilungsweisen gegründet worden. 1) Nach den drei bekannten Naturreichen hat man die Arzneimittel in drei H a u p t k l a s s e n gebracht und sie nach ihren äusseren Aehnlichkeiten geordnet, z. B. die Mittel aus dem Pflanzenreich bald nach dem L i n n e ' s e h e n , bald nach dem natürlichen System. W e n n nun hierbei auch einzelne Mittel von gleichen oder ähnlichen K r ä f t e n neben einander zu stehen k o m m e n , so findet doch oft auch das Entgegengesetzte Statt. D a h e r geht bei dieser 3*
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Allgemeine
Eintheilung die praktische Uebersicht und Brauchbarkeit ganz verloren ; ausserdem leidet sie aber noch an Unsicherheit, indem manche Mittel sogar in verschiedene Naturreiche versetzt werden können, wie z. B. der kohlensaure Kalk und die Blausäure, von denen der erstere im Thierreich und im Mineralreich, die letztere im Thier- und Pflanzenreich stehen kann. 2) Nach ihren m a t e r i e l l e n B e s t a n d t e i l e n hat man die Arzneimittel auf zweierlei Weise eingetheilt, indem man a) die e i n f a c h e n E l e m e n t a r s t o f f e , namentlich die gasartigen Grundstoffe (Sauerstoff, Stickstoff, Kohlenstoff und Wasserstoff, Schwefel u. s. w.) als die nächste Ursache der specifischen K r ä f t e der Arzneimittel betrachtete, und nach der Quantität und der gegenseitigen Verbindung dieser Stoffe in den einzelnen Mitteln die Klassen und Ordnungen derselben bildete; — oder indem man b) nur die n ä h e r e n B e s t a n d t l i e i l e beachtete, und nach dem Vorwalten derselben die gleichartigen Mittel in Klassen zusammenstellte. Die erstere Eintheilungsweise beruht zwar auf einer acht wissenschaftlichen Grundlage, auf chemischer Analyse der Arzneimittel in Verbindung mit der Erfahrung über die Arzneiwirkungen •, die Analyse ist aber nocli nicht von allen Mitteln vollständig gemacht und bei mehreren hat sich mit den Fortschritten der Chemie auch die Kenntniss der Elementarstoffe mehrmals geändert. Diese Eintheilung ist somit für die gesammte Arzneimittellehre noch nicht ausreichend, und in praktischer Hinsicht auch von keinem besonderen Werth. — Dagegen erscheint die zweite Eintheilungsweise fester begründet und sehr brauchbar; denn jedes Arzneimittel h a t , wenngleich es gemeiniglich aus mehreren Stoffen zusammengesetzt ist, doch einen vorwaltenden Bestandtheil, von dem vorzugsweise seine Heilkraft abhängt , und den man daher als H e i l s t o f f bezeichnen könnte, z. B.Bitterstoff, ätherisches Oel, Kampher und dergl. Diese Stoffe werden wohl immer als dieselben betrachtet werden, wenn auch die chemische Analysis subtile Unterschiede in ihrer Elementarzusammensetzung findet. Dabei zeigen die Mittel von gleichen oder sehr ähnlichen näheren Bestandteilen auch eine grosse UebereinStimmung in ihren Wirkungen , und die hierauf gegründete Eintheilung hat daher nicht blos einen pharmakologischen, sondern auch einen therapeutischen Werth. Diese Eintheilung soll daher auch hier für die specielle Arzneimittellehre benutzt werden, und zwar um so mehr, da ihre Klassen sehr einfach und natürlich sind, eine leichte Uebersicht gewähren, und Wiederholungen unnöthig machen. Sie umfasst folgende zwölf Klassen: I. Klasse: sie enthält Mittel, deren B e s t a n d t e i l e sich materiell und in den Wirkungen zu dem Thierkörper am wenigsten verschieden (different) verhalten , und die man daher (wenngleich nicht durchaus richtig) als i n d i f f e r e n t e Mittel bezeichnet. I I . Klasse: Mittel mit vorwaltendem Bitterstoff; — b i t t e r e Mittel. I I I . Klasse: Mittel mit vorwaltenden adstringirenden Pflanzenstoffen; — a d s t r i n g i r e n d e Mittel. IV. Klasse: Mittel mit vorherrschendem Gehalt an ätherischem Oel, Kampher und H a r z ; — ä t h e r i s c h - ö l i g e , g e w ü r z h a f t e , k a m p h e r h a l t i g e und h a r z i g e Mittel. V. Klasse: s p i r i t u ö s e , ä t h e r a r t i g e , f l ü c h t i g e Mittel.
Arznei wirkungslehre.
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V I . Klasse: Mittel, die scharfe Stoffe enthalten; — s c h a r f r e i z e n d e Mittel. V I I . Klasse: Mittel, die betäubende Stoffe enthalten; — b e t ä u b e n d e , n a r k o t i s c h e Mittel. V I I I . Klasse: Mittel, die als c h e m i s c h e i n f a c h e S t o f f e bekannt sind. I X . Klasse: Saure Mittel, S ä u r e n . X. Klasse: Alkalien und Erden ; — k a i i s c h e Mittel. X I . Klasse: S a l z e d e r A l k a l i e n u n d E r d e n ; — und X I I . Klasse: M e t a l l i s c h e M i t t e l , Metalle, deren O x y d e , Salze und dergl. l .
FÜNFTES
CAPITEL.
Quellen und Literatur der Arzneimittellehre. §• 71 Die Arzneimittellehre ist ihrem Ursprünge nach eine E r f a h r u n g s w i s s e n s c h a f t , indem sie in der Hauptsache aus den Erfahrungen über die Wirkungen der Arzneimittel auf den Thierkörper, insbesondere über ihre nützlichen und schädlichen Wirkungen gegen die Krankheiten desselben, entstanden ist. Sie besteht demnach aus einer Sammlung von Kenntnissen, welche letztere aus einzelnen B e o b a c l i t u n g e n entstanden , durch Wiederholungen d e r s e l b e n bestätigt, berichtigt und zu einem gewissen Grude von empirischer Sicherheit gebracht werden können, aber erst durch absichtlich angestellte Versuche an gesunden und kranken Thieren, mit Berücksichtigung der dabei obwaltenden physikalischen, chemischen, diätetischen, physiologischen und pathologischen Verhältnisse zu wirklichen E r f a h r u n g e n ausgebildet werden Letztere zeigen immer einen bestimmten Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung und gewähren stets mehr Sicherheit, als die blossen Beobachtungen. §• 72. Wer cchte Erfahrungen über die Wirkungen der Arzneimittel und namentlich über die Heilwirkungen derselben in bestimmten Krankheiten machen will, muss also die Mittel nach ihren naturhistorischen und chemischen Eigenschaften, den Thierkörper im gesunden und kranken Zustande, die Wirkungen der verschiedenen Nahrungsmittel, des Getränks, des Aufenthaltsortes und überhaupt des diätetischen Verhaltens der Thiere, ferner, den Einfluss der Jahreszeit, der Witterung, der Temperatur, der Electricitätsverhältnisse, des Luftdrucks (vielleicht auch der Mondsphasen ?) — sowie die eben herrschenden Krankheiten und deren Oharacter kennen und berücksichtigen. 1 M a n c h e S c h r i f t s t e l l e r h a b e n die s y s t e m a t i s c h e E i n t b e U u n g d e r A r z n e i m i t t e l g a n z a u f g e g e b e n u n d d i e s e l b e n n u r in a l p h a b e t i s c h e r R e i h e n f o l g e b e s c h r i e b e n . Dies ist j e d o c h a l l e n f a l l s n u r in e i n e m W ö r t e r b u c h e p a s s e n d .
Arznei wirkungslehre.
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V I . Klasse: Mittel, die scharfe Stoffe enthalten; — s c h a r f r e i z e n d e Mittel. V I I . Klasse: Mittel, die betäubende Stoffe enthalten; — b e t ä u b e n d e , n a r k o t i s c h e Mittel. V I I I . Klasse: Mittel, die als c h e m i s c h e i n f a c h e S t o f f e bekannt sind. I X . Klasse: Saure Mittel, S ä u r e n . X. Klasse: Alkalien und Erden ; — k a i i s c h e Mittel. X I . Klasse: S a l z e d e r A l k a l i e n u n d E r d e n ; — und X I I . Klasse: M e t a l l i s c h e M i t t e l , Metalle, deren O x y d e , Salze und dergl. l .
FÜNFTES
CAPITEL.
Quellen und Literatur der Arzneimittellehre. §• 71 Die Arzneimittellehre ist ihrem Ursprünge nach eine E r f a h r u n g s w i s s e n s c h a f t , indem sie in der Hauptsache aus den Erfahrungen über die Wirkungen der Arzneimittel auf den Thierkörper, insbesondere über ihre nützlichen und schädlichen Wirkungen gegen die Krankheiten desselben, entstanden ist. Sie besteht demnach aus einer Sammlung von Kenntnissen, welche letztere aus einzelnen B e o b a c l i t u n g e n entstanden , durch Wiederholungen d e r s e l b e n bestätigt, berichtigt und zu einem gewissen Grude von empirischer Sicherheit gebracht werden können, aber erst durch absichtlich angestellte Versuche an gesunden und kranken Thieren, mit Berücksichtigung der dabei obwaltenden physikalischen, chemischen, diätetischen, physiologischen und pathologischen Verhältnisse zu wirklichen E r f a h r u n g e n ausgebildet werden Letztere zeigen immer einen bestimmten Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung und gewähren stets mehr Sicherheit, als die blossen Beobachtungen. §• 72. Wer cchte Erfahrungen über die Wirkungen der Arzneimittel und namentlich über die Heilwirkungen derselben in bestimmten Krankheiten machen will, muss also die Mittel nach ihren naturhistorischen und chemischen Eigenschaften, den Thierkörper im gesunden und kranken Zustande, die Wirkungen der verschiedenen Nahrungsmittel, des Getränks, des Aufenthaltsortes und überhaupt des diätetischen Verhaltens der Thiere, ferner, den Einfluss der Jahreszeit, der Witterung, der Temperatur, der Electricitätsverhältnisse, des Luftdrucks (vielleicht auch der Mondsphasen ?) — sowie die eben herrschenden Krankheiten und deren Oharacter kennen und berücksichtigen. 1 M a n c h e S c h r i f t s t e l l e r h a b e n die s y s t e m a t i s c h e E i n t b e U u n g d e r A r z n e i m i t t e l g a n z a u f g e g e b e n u n d d i e s e l b e n n u r in a l p h a b e t i s c h e r R e i h e n f o l g e b e s c h r i e b e n . Dies ist j e d o c h a l l e n f a l l s n u r in e i n e m W ö r t e r b u c h e p a s s e n d .
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Quelle« und Literatur
Es gehört ferner dazu : eine von gesunden Sinnen unterstützte Beobachtungsgabe , eine von Vorurtheilen und von einseitigen Ansichten freie Auffassung der Erscheinungen und eine verständige Vergleichung derselben, sowohl unter einander, wie auch mit den Erscheinungen und Wirkungen anderer ähnlicher Arzneimittel. Und die Versuche, welche man zur Erforschung der Arzneiwirkungen an Thieren anstellt, müssen stets soviel wie möglich in grösserem Umfange und oft wiederholt unternommen werden, denn einzelne Versuche gewähren kein sicheres Resultat, weil durch die specielle Empfindlichkeit u. s. w. der einzelnen Individuen und deren Organe, sowie durch zufällige andere Einflüsse sehr leicht ungewöhnliche Wirkungen, somit Täuschungen und Irrthümer entstehen können. Ausserdem sind bei den Versuchen folgende Kegeln zu beachten : Man beginne mit ihnen bei den, auf niederen Stufen stehenden Thieren, und setze sie durch andere Klassen bis zu den Säugethieren, und speciell an den Hausthieren fort; man berücksichtige bei den letzteren das Alter, Geschlecht, Temperament, die Constitution und Grösse, und wähle zu den Versuchen solche, die sich einander möglichst ähnlich sind; man beobachte und untersuche dieselben vor der Anwendung der Mittel genau, und beobachte die sämmtlichen äusseren Verhältnisse, denen die Thiere vor, während und nach dem Versuch unterworfen sind ; man bringe die Mittel auf den verschiedensten Wegen mit dem Körper in Berührung, und zwar zuerst möglichst einfach, später in den verschiedensten Formen, und selbst in bekannten oder als wirksam empfohlenen Zusammensetzungen; ebenso suche man stufenweise von kleinen bis zu den stärksten Gaben die Wirksamkeit des Arzneistoffes, vom niedern bis zum höchsten Grade durchzuführen, und so die Modificationen der Wirkung zu erforschen; dabei achte man auf die sich zeigenden Veränderungen, und forsche besonders nach, auf welche Organe und Systeme der angewandte Stoff eine besondere oder vorherrschende Richtung äussert; man untersuche daher die Beschaffenheit des Herzschlages, der Arterien, des Atliemholens, der Schleimhaut in der Nase, im Maul, der Bindehaut der Augen, der äussern Haut, die Wärme vermittelst der Hand und des Thermometers an verschiedenen Theilen des Körpers, die Grösse und Veränderlichkeit der Pupille bei verschiedenem Licht, die Stellung oder Lage, die Aufmerksamkeit und das Benehmen der Thiere u. s. w.; man untersuche die Menge und Beschaffenheit der Secretionen und Excretionen, und zwar sowohl sinnlich als chemisch; sterben Thiere, so stelle man am Cadaver zuerst Versuche mit dem Galvanismus an, dann genaue Sectionen und hierauf an den wichtigsten einzelnen Theilen auch chemische Untersuchungen. Einzelne Thiere tödte man zur Zeit der grössten Wirkung, andere später, um durch die Section ihrer Cadaver Belehrungen zu gewinnen, und noch andere lasse man ungestört, um an ihnen die Nachwirkungen und Folgen zu beobachten. — Bei Versuchen an kranken Thieren muss man zuerst den vorhandenen Krankheitszustand, besonders den Zusammenhang zwischen den Symptomen, die Form der Krankheit, ihre inneren Verhältnisse und den Gang ihrer Entwickelung erforschen, und dann auf die oben angegebene Weise verfahren. Auch hier ist es zweckmässig, bei vielfach vorkommenden, oder seuchenartig herrschenden Krankheiten einzelne kranke Thiere, die mit den therapeutisch behandelten unter gleichen Einflüssen
der Arzneimittellehre.
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leben, ganz ohne Medicamente zu lassen, um desto sicherer kennen zu lernen, welchen Einfluss die letzteren auf den Gang und auf die Entscheidung der Krankheit ausüben 1 . §• 73. Die thierärztliche Arzneimittellehre bedarf noch an recht vielen Stelen der wahren Erfahrungen. Da es jedoch dem einzelnen Thierarzt nicht möglich ist, alle ArzneistofFe selbst zu prüfen, indem hierzu theils für ihre Anzahl ein Menschenalter zu kurz ist, theils auch nicht Jeder die hierzu erforderliche Zeit und Gelegenheit besitzt, andererseits aber die eigene Prüfung auch nicht allein ausreichend ist, um sichere Resultate zu geben, indem der einzelne Mensch sich nicht von allen Fehlern in der Beobachtung frei erhalten kann, und Jeder nur auf seine ihm eigenthümliche Weise sieht und beobachtet, so sollten alle Thierärzte ihre Beobachtungen als ein Gemeingut der Wissenschaft betrachten und deshalb sie öffentlich mittheilen. Dies muss jedoch mit Klarheit und mit der grössten Wahrheitsliebe geschehen; denn falsche Angaben schaden auf mehrfache Weise, und besonders hemmen sie für lange Zeit das Fortschreiten der Wissenschaft. Leider ist in der Thierarzneikunde die Zahl der unvollständigen, oberflächlichen und unrichtigen Beobachtungen sehr gross und ihre Literatur gestattet deshalb nur eine beschränkte und vorsichtige Benutzung für die Arzneimittellehre.
In den Schriften aus der Zeit vor der Errichtung der ThierarzneiHchulen findet sich nur äusserst wenig Brauchbares. A r i s t o t e l e s (384 bis 322 v. Chr.) giebt die ersten Notizen über einige Thierkrankheiten, aber ohne Werth für die Arzneimittellehre; er nennt als Arzneimittel den Wein. — C a t o (180 J . v. Chr.) theilt in seinem Werke über Landwirthschaft einige Belehrungen über Thierheilkunde mit, welche nur von Unkenntniss und Aberglauben zeugen. Er liess z. B. das Rindvieh bei allen Krankheiten ohne Unterschied ein rohes Ei verschlucken, wobei der Knecht, der es dem Thiere eingab, nüchtern sein musste u. s. w. 2. Besser sind die Mittheilungen, welche J.. M o d e r a t u s C o l u m e l l a (20 J . n. Chr.) in seinen Büchern über Landwirthschaft macht; er nennt schon mehrere wichtige Arzneimittel, namentlich den Salmiak, die Nieswurz u. a.; die meisten scheinen jedoch Hausmittel gewesen zu sein, wie z. B. Weinhefen, Lorbeeren, Oel u. s. w. 3. — G a r g i l i u s M a r t i a l i s in seinem Bruchstück über Rindviehkrankheiten (230 J . n. Ohr.) nennt dieselben Mittel 4 . — Aus dem ganzen vierten Jahrhundert findet sich bei den Römern als der einzige Schriftsteller P e l a g o n i u s 5 , der aber hinsichtlich der Arzneimittel und deren Composition viel Unsinn enthält. — Die Griechen hatten zwar mehrere 1 Bei allen diesen Versuchen achte man aher stets das Lehen der Tliiere und diese selbst als fremdes Eigenthum; man unternehme sie daher nur sehr vorsichtig, bei der Anwendung heftig wirkender Mittel aber nur mit Genehmigung des Thierbesitzers, und, wo sichere therapeutische Regeln gegeben sind, weiche man von diesen nicht ohne Noth ab. 2 Scriptores rei rusticae veteres latini. Curante J oh. Ma th. G e s n e r . 2 Vol. 4to. Lipsiae 1735, 1774. Mannheim 1781. Vol. I. Cap. 71. p. 75. 3 Ebendaselbst. C o l u m e 1 l a , Libri XII. 4 Ebendaselbst. Vol. II. p. 305. 5 P e 1 a g o n i i veterinaria. Florentiae 1826.
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Quellen und Literatur
berühmte Rossärzte, von denen als Schriftsteller E u m e l u s von Theben (300 J . n. Chr.), A p s y r t u s (330 J . n. Chr.), H i p p o c r a t e s (nicht der berühmte Menschenarzt), H e r n e r i u s , T h e o m n e s t u s , V i n d a n i u s A n a t o l i u s , H i e r o c l e s ( 3 4 0 — 4 0 0 J . n. Chr.) u. Andere auftraten (zusammen siebenzehn) u. später von dem griechischen Kaiser C o n s t a n t i n P o r p h y r o g e n e t u s (im zehnten J a h r h u n d e r t ) in einer Sammlung zusammengebracht worden sind 1 , in welcher sich nur von A p s y r t u s einige richtige Ansichten finden. Gegen E n d e des vierten Jahrhunderts schrieb V e g e t i u s R e n a t u s ein Werk über Tkierheilkunde-, welches zum Theil auf A p s y r t u s u. die übrigen früheren Schriftsteller, theils auf eigene Erfahrungen gegründet ist, an Vollständigkeit übertrifft es alle früheren, besitzt aber dieselben Mängel wie diese, besonders in der unschicklichen und zu grossen Zusammenmengung der Arzneien. In dem nun eingetretenen finsteru Mittelalter scheint auch die Thierarzneikunde völlig gesunken zu sein ; denn ausser jener Sammlung des Kaisers C o n s t a n t i n findet sich durch fast volle 800 J a h r e keine Spur ihres Fortbestehens. Nur aus der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts bestehen die kleinen Werke von J o r d . R u f u s über Pferdearzneikunde 3, und von I) e m e t r i u s über die Krankheiten der Jagdfalken 4 , durch Einfachheit und ziemlich gute Auswahl der empfohlenen Arzneimittel ausgezeichnet. In den nächsten vier Jahrhunderten machte aber die Arzneimittellehre fast gar keine Fortschritte ; denn auch in dem berühmtesten thierärztlichen W e r k e iius jener Zeit, dem von C. R u i n i " , sind bei den beschriebenen Krankheiten nur eine Anzahl Mittel und Recepte angegeben, welche zum Theil ganz unpassend sind, •/.. 13. Rosenöl, Rosenhonig und dergl. Die Pferdearzneikunde war in den Händen der Stallmeister und Schmiede, und die Behandlung der übrigen Thierkrankheiten blieb den Hirten und anderen Quacksalbern überlassen. Daher finden sich aus jener Zeit nur einige, mit den Vorurtheilen derselben ausgestattete Bruchstücke der Thierheilkunde fast allein in den Schriften über die Reitkunst von B e a u g r a n d , R o u v r a y , J o u r d a i n , B u s s i n i è r e und v. S o l l e y s e l , welche aber sämmtlich, bis auf den Letzteren, keiner E r w ä h n u n g verdienen, lînd auch von diesem ist hinsichtlich der Arzneimittellehre nur zu bemerken, dass er aus eigener Erfahrung die Wirkung mehrerer Spiessglanzmittel (dos Schwefelspiessglanzes, des Metallsafrans, des Goldscliwefels, des Brechweins und des Rulandischen Wassers) besser kannte, als alle Thierärzte vor i h m , und selbst besser, als viele nach ihm c , dass er dagegen aber auch sehr grosse Irrthümer verbreitete und namentlich in Beziehung auf die Arzneimittel behauptete, dass die Anwendung der kühlenden Mittel beim Pferde, selbst wenn es an Entzündungskrankheiten leidet, unzweckmässig sei, dass aber die erhitzenden Mittel dem Temperament dieses Thieres verwandt und deshalb 1 Tö>v l7t7ii,an>ixilr ßt.ß?.ia ävo>, V e t e r i n a r i a o i n e d i c i n a e L i b r i d u o ; h e r a u s g e g e b e n von J o s. E u e l 1 i u s. B a s i l . 1 5 3 8 . D e u t s c h zu N ü r n b e r g 1669. 2 Vegetii R e n a t i a r t i s v e t e r i n a r i a e s i v e M u l o m e d i c i n a c L i b r i q u a t u o r . B a s i l e a e 1528. 4.1537. Mannheim» 1781. 8. 3 J o r d . R u f f i , Calaibriensis, H i p p i a t r i a . P a t a v i i 1818. 4 S c r i p t , rei a e e i p i t r a j i a e . E d . R i g a u l t . L u t e t . 1612. 4. p. 1. 5 P e l l ' a n a t o m i a e d e l l ' i n f i r m i t a d e l c a v a l l o , d e l s i g n o r C a r l o R u i n i , S e n a t o r Bolognese. B o l o g n a 1598 ( a u c h : V e n i c e 1618). 6 S o 11 e y s e l , le v é r i t a b l e p a r f a i t M a r é c h a l . P a r i s 1664. 4to. G. Aufl. m i t d e u t s c h e r U e b e r s e t z u n g zu G e n f , 1677. F o l . p 558 u. f. ( a n d e r e Aufl. 1693, 1705. 1712).
der Arzneimittellehre.
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demselben vorzüglich heilsam sind. E r wendete daher auch fast nur Mittel der letztern Art an, und hat hierdurch und vermöge seines Ansehens, in welchem er durch lange Zeit stand, nicht nur unzähligen kranken Thieren, sondern auch dem Fortschreiten der Wissenschaft geschadet. Die späteren Schriftsteller über Reitkunst u. s . w . (z. B. d e S a u l n i e r , d e l a G u e r i n i e r e , d e G a r s a u l t , L o e l i n e i s e n u. A.) schöpften fast nur aus ihm; doch ist zu bemerken, dass G u e r i n i e r e einfachere Mittel empfahl und G a r s a u l t der erste war, der eine pferdeärztliche Pharmacopöe entworfen hat. Im Wesentlichen blieb aber die Arzneimittellehre, wie die ganze Thierarzneikunde. noch durch ein volles Jahrhundert in ihrer vorherigen grossen Unvollkommenheit. Bemerkenswerth für die erstere sind jedoch d i e , um die Mitte des siebenzehnten Jahrhunderts von dem berühmten Arzt W e p f e r gemachten Versuche und gesammelten Beobachtungen über die Wirkungen des Wasserschierlings, des gefleckten Schierlings, des Eisenhutes, der Brechnuss, der weissen Nieswurz und anderer heftig wirkender Substanzen, — obgleich diese Versuche zum Theil sehr mangelhaft sind 1 ; — und ebenso verdienen die später von dem Arzte S p r o e g e l an lebenden Thieren mit mehreren Giften gemachten Versuche erwähnt zu werden 'J. 75. Ein besserer Zustand der Thierarzneikunde begann um die Mitte des vorigen Jahrhunderts, mit der Errichtung besonderer Thierarzneischulen in Frankreich (1761). B o u r g e l a t , der Gründer dieser Schulen, gab bald darauf das erste, der thiorärztlichen Arzneimittellehre allein gewidmete W e r k 3 heraus, welches er jedoch bei dem Mangel an eigener E r f a h r u n g ganz nach den damals gebräuchlichen Arzneimittellehren der Menschenärzte (besonders nach B o c r h a a v c ) bearbeitet hatte. Ks ist daher „wenig classiscli, enthält verjährte Theorien, viele L ü c k e n , noch mehr Unbrauchbares, und eine grosse Menge Irrtbiimer" 4 . Der geniale B o u r g e l a t wusste wohl, was zur Begründung einer bessern Arzneimittellehre gehört®, und sah auch seine gemachten Felder ein. Um sie zu berichtigen, unternahm er zahlreiche Versuche, welche in der Thierarzneischule zu Alfort, späterhin durch H u z a r d (d. Vater) fortgesetzt und in der Thierarzneischule zu Lyon durch F l a n d r i n , unter der Leitung O h a b e r t ' s und nach der Anweisung B o u r g e l a t ' s zum grössten Theil wiederholt wurden''. Letzterer gelangte aber hierdurch 1 J . J . W e p f e r , Cieutae a q u a t i c a e historia et n o x a e . B a s i l . 1679. 4. N e u e A u f l a g e L u g d . B a t a v . 17X6. 1733. - J . A. T. S p r o e g e I , E x p é r i m e n t a circa v a r i a v e n e n a in v i v i s a n i m a l i b u s i n s t i t u t a . G o e t t i n g . 1753. 4. 3 H o u r g e l a t , E l é m e n s de l ' a r t v é t é r i n a i r e . M a t i è r e M é d i c a l e r a i s o n n é e , ou p r é c i s d e s M é d i c a m e n s considérés dans l e u r s effets e t c . ; à l ' u s a g e d e s E l è v e s des E c o l e s V é t é r i n a i r e s , a v e c les F o r m u l e s m é d i c i n a l e s et officinales des m ô m e s E c o l e s . Lyon 1765. 8 . 2. Auflage 1771. 3. 1796 u n d 4. Auflage 1 8 0 5 — 8 . — D e u t s e h : B o u r g e l a t ' s L e h r b e g r i f f e d e r m e d i c i n i s c h e n M a t e r i e . Aus d. F r a n z . L e i p z i g 1766. 8. 4 Siehe G r o g n i e r . Notice h i s t o r i q u e et r a i s o n n é e s u r B o u r g e 1 a t. L y o n 1 8 0 5 . 8. p. 8 1 — 101. 5 S i e h e : d a s V o r w o r t (Discours p r é l i m i n a i r e ) z u r 2. A u f l a g e d e r M a t i è r e M é d i c a l e . 6 S i e h e : G r o g n i e r a. a. 0 . p. 83. — D i e s e s p ä t e r e n V e r s u c h e finden sich in d e n A n n a l e s d ' A g r i c u l t u r e f r a n ç a i s e (ï. Série v o m J . VI. d e r f r a n z . R e p u b l i k 1 7 9 2 — 93) , b i s 1817, 70 B d e . ; II. S é r i e von 1818 — 2 8 , 47 B d e . , u n d in d e n p r o c è s v e r b a l e s der b e i d e n f r a n z . T h i e r a r z n e i s c h u l e n ; a u s s e r d e m in d e n s e i t l 8 2 4 b e s t e h e n d e n t h i e r ä r z t l i c h e n J o u r n a l e n .
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Quellen und Literatur
nicht zu einer Verbesserung seines W e r k s , u n d erst lange nach ihm gab H u z a r t die vierte A u f l a g e desselben vermehrt und mit A n m e r k u n g e n versehen, jedoch nicht m i t K r i t i k verbessert (Paris 1 8 0 5 — 8 . An. X I I I ) , heraus. Zu gleicher Zeit mit der ersten Avisgabe von B o u r g e l a t ' s Matière Médicale erschien von B a r t i e t in E n g l a n d eine Arzneimittellehre, unter dem N a m e n : „ P h a r m a c o p ö e oder A p o t h e k e eines Rossarztes" l . Die Schrift ist zuviel mit Pathologie und T h e r a p i e ü b e r l a d e n , u n d verbreitet sich selbst über einen G e g e n s t a n d , der nicht im entferntesten hierher g e h ö r t , n ä m l i c h : ertrunkene Personen wieder ins L e b e n zu bringen ; sie enthält aber d e n n o c h , f ü r ihre Zeit betrachtet, viele gute u n d besonders viele einfache A r z n e i f o r m e l n , obgleich auch einige empfohlene Mittel zu theuer, oder ganz u n b r a u c h b a r sind, und bei vielen die richtige G a b e nicht angegeben ist. Sehr wichtig war dagegen das W e r k von V i t e t 2 , welches im dritten B a n d e einen reichhaltigen Abschnitt f ü r die Arzneimittellehre enthält. V i t e t , A r z t zu Lyon, beschäftigte sich fast ausschliesslich mit der T h i e r a r z n e i k u n d e , und verwendete auf Versuche ü b e r die W i r k u n g der Arzneimittel an Thieren neun J a h r e Zeit und 2 0 0 0 0 F r a n c s 3 . E r verminderte die zu grosse A n z a h l der Arzneimittel und e m p f a h l dringend die A n w e n d u n g der einfachen Stoffe, u m deren W i r k u n g erst k e n n e n zu lernen. Doch ist er selbst von diesem P r i n c i p zuweilen abgewichen und bat d a n n unrichtige Schlüsse über die W i r k u n g e n g e m a c h t ; so z. B. h a t er statt des reinen Opiums die T i n c t u r desselben angew e n d e t , die J a l a p e nicht f ü r sieb a l l e i n , sondern mit Milch und S a l z , die Aloë mit dem G e l b e n vom E i abgerieben tmd in reinem W a s s e r aufgelöst, gegeben. D a h e r k o n n t e er das letztere Mittel in so grossen G a b e n , f ü r P f e r d e und K i n d e r bis zu drei U n z e n , reichen. — N a c h ihm machte L a f o s s e (der Sohn) über die meisten in der P f e r d e h e i l k u n s t brauchbaren Arzneimittel gute, praktische Mittheilungen A u c h verdienen die, zwar nicht sehr a u s g e d e h n t e n , aber guten Versuche von D ' A u b e n t o n über die P u r g i r m i t t e l bei den S c h a f e n ä , und später die Versuche von V i b o r g , S c h e e l e und F l o r m a n n über viele Arzneimittel und G i f t e 1 ' vor allen anderen Leistungen g e n a n n t zu w e r d e n , da sie sehr nützliche Beiträge f ü r die Arzneimittellehre enthalten. — G e g e n E n d e des vorigen J a h r h u n d e r t s schrieb T e n n e c k e r ein „ H a n d b u c h d e r H e i l m i t t e l l e h r e für P f e r d e ä r z t e u. s. w . " 7 , das m a n c h e s G u t e , aber auch viel Unrichtiges und zu wenig eigene E r f a h r u n g enthält. I m A n f a n g e des jetzigen J a h r 1 P h a r m a e o p o e i a h i p p i a t r i a , or tlie G e n t l e m a n F a r r i e r ' s R e p o s i t o r y of e l e g a n t and i m p r o v e d R e m e d i e s for tlie D i s e a s e s of H o r s e s . L o n d . 1765. 8. II. p a r t . — N a c h der 3. Aufl. (1773) d e u t s c h h e r a u s g e g e b e n v o n B u c h h o l z , u n t e r d e m T i t e l : B a r t l e t s P h a r m a c o p o e o d e r A p o t h e k e eines R o s s a r z t e s , w e l c h e a u s e r l e s e n e Mittel f ü r die K r a n k heiten d e r P f e r d e e n t h ä l t u. s. w. W e i m a r 1778. 8. m i t 2 K u p f e r n . 2 V i t e t , M é d e c i n e v é t é r i n a i r e . T o m e I I I . L y o n 1771 (2 édit. 1783). D e u t s c h v o n E r x 1 e b e n u n d H e n n e m a n n u n t e r d e m T i t e l .' V i t e t , U n t e r r i c h t in der Vieliarzneik u n s t in 5 Bdn., L e m g o 1 7 7 3 — 8 6 . 3 S i e h e : R o z i e r , O b s e r v a t i o n s sur l a P h y s i q u e etc. Vol. 3. 4. 5. 1771. * I m D i c t i o n n a i r e d ' h i p p i a t r i q u e . 4 V o l . P a r i s 1775. 1 M é m o i r e s de l a Société R o y a l e de Médecine. A n n é e s 1780 u n d 81. P a r i s 1 7 8 5 . 4. p . 256. — D e u t s c h in d e n : A u s e r l e s e n e n B e i t r ä g e n z u r T h i e r a r z n e i k u n d e . L e i p z i g 1786. 1. Stück S. 184. • E . V i b o r g , S a m m l u n g von A b h a n d l u n g e n für T h i e r ä r z t e u n d O e k o n o m e n . 5 B d e . 8. C o p e n h a g e n 1 7 9 5 — 1 8 0 7 . 7 2 B d e . L e i p z i g 1799 u n d 1800. 2. v e r m e h r t e Auflage 1824.
der Arzneimittellehre.
43
hunderts folgten schnell hintereinander mehrere Schriften über die Arzneimittellehre. F r . P i l g e r beschrieb „ V e r s u c h e , d u r c h d e n G a l v a n i s mus die W i r k u n g v e r s c h i e d e n e r G i f t e und A r z n e i m i t t e l a u f die e r h ö h e t e o d e r v e r m i n d e r t e . R e i z b a r k e i t der N e r v e n zu p r ü f e n " 1 , und gleich darauf in seinem ,, S y s t e m a t i s c h e n H a n d b u c h der theoretischen und p r a k t i s c h e n V e t e r i närwissen s c h a f t " 2 eine Uebersicht der Arzneimittellehre, die jedoch zu kurz und unvollständig ist. — Zu gleicher Zeit erschien das „ H a n d b u c h d e r Z o o p h a r m a c o l o g i e f ü r T h i e r ä r z t e v o n C h r . K a t z e b u r g " 3 , welches zwar hinsichtlich der M e n g e der aufgezählten Arzneimittel an Vollständigkeit alle übrigen Schriften der Art übertrifft, und manches Gute, aber auch wesentliche F e h l e r besitzt; denn R a t z e b u r g war P h a r m a c e u t , nicht Thierarzt, und hat daher viele unrichtige Angaben ohne praktische K e n n t n i s s u n d P r ü f u n g aus anderen Schriften aufgenommen; die zusammengesetzten Arzneimittel stehen vor den einfachen, und die Eintheilung der speciellen Arzneimittellehre ist nach dem L i n n e ' s c h e n S y s t e m , weder praktisch noch übersichtlich gemacht. — A u s derselben Zeit verdient noch das classische W e r k von P . S c h e e l über „ d i e T r a n s f u s i o n d e s B l u t e s u n d E i n s p r i t z u n g d e r A r z n e i e n in d i e A d e r n " 4 , genannt zu werden, da es ausser der vollständigen Geschichte der Transfusion, fast alle vor ihm bekannt gewordenen und mehrere eigene Versuche über die W i r k u n g von sehr vielen, bei T h i e r e n in die Adern gespritzten Arzneimitteln beschreibt. — B a l d darauf erschien die „ P r a k t i s c h e H e i l m i t t e l l e h r e zum G e b r a u c h für T h i e r ä r z t e und L a n d w i r t h e von Dr. ,T. A. S c h l a b e r g (damals Arzt in HildeslieimJ, Berlin 1 K ) 5 " , ein Buch, welches, trotz des Titels, ganz ohne praktischen W e r t h ist; es liegt ihm die preussische Landes - Pliarmacopöe zum Grunde, enthält alle in derselben angegebene Arznoistoffe, ohne Unterschied des P r e i s e s , der W i r k u n g u. s. w., und ist in thierärztlicher Hinsicht höchst mangelhaft. — Zwei ,Jahre später theilte G o l i i e r einige nicht uninteressante Versuche über mehrere mineralische und vegetabilische Gifte mit r ', denen aber etwas mehr Vollständigkeit zu wünschen ist. — Gleich darauf folgte H. W a l d i n g e r ' s Schrift „ U e b e r d i e N a h r u n g s - u n d H e i l m i t t e l d e r P f e r d e " 6 , welche in K ü r z e viele eigene Erfahrungen über die bei k r a n k e n Pferden am meisten gebräuchlichen Arzneimittel enthält. Sie ist ausserdem auch originell, da W a l d i n g e r (wie in seinen übrigen Schriften) unter den Thierärzten der erste ist, der einer chemischen Ansicht bei der E r k l ä r u n g über die W i r k u n g e n der Arzneistoffe huldigt. — Gleichzeitig gab auch V i b o r g den ersten Band von den Schriften der thierärztlichen Gesellschaft zu Kopenhagen 7 heraus, in Glessen 1801. 2. B d . m. K p f r n . Glessen 1 8 0 2 . 8. 3 1. T h e i l , B e r l i n 1 8 0 1 ( 2 . Auflage v o n E daselbst 1803. 1
2
L.
Schubarth
1821).
2. T h e i l
eben-
4 Copenhagen 1 8 0 2 . 2 Tille.8. — Dr. D i e f f e n b a c b hat das W e r k mit einem dritten Theil (unter obigem Titel, B e r l i n 1828) bereichert. 6 O b s e r v a t i o n s et E x p é r i e n c e s , faites à l ' E c o l e I m p é r i a l V é t é r i n . de L y o n s u r le p a i n m o i s i , et s u r quelques p o i s o n s m i n é r a u x et v é g é t a u x . P a r i s und L y o n 1 8 0 7 . 8. p.
33 — 61. 0 7
1818,)
Wien 1808. 3 . Auflage 1 8 1 6 . Veterinair - Selskabets Skrifter.
Kiöbenhavn
1808.
(2.
Theil
1813,
3.
Theil
44
Quellen und Literatur
welchem er recht g u t e und a u s f ü h r l i c h e Versuche über die W i r k u n g des Eisenvitriols, des Fichtenharzes, der Spiessglanzmittel u. a. b e k a n n t m a c h t e 1 . E i n e L ü c k e in pharmaceutischer Hinsicht w u r d e durch die Pharmacie vétérinaire von L e b a s ausgefüllt 1 1 . — I m J a h r e 1812 erschien von Dr. A. R y s z ein „ H a n d b u c h der p r a k t i s c h e n A r z n e i m i t t e l l e h r e f ü r Thierärzte"3 in alphabetischer O r d n u n g g r ö s s t e n t e i l s nach W a l d i n g e r ' s Arzneimittellehre gut bearbeitet. — I h m folgte ein J a h r später von B o u i l l o n L a g r a n g e ein „Dispensaire Pharmacochiniitjue à l'usage des Elèves des Ecoles vétérinaires, P a r i s 1 8 1 3 " , welches j e d o c h n u r in pharmacologischer Hinsicht zu beachten ist. — D a g e g e n haben die in den ,, Mémoires et Observations vétérinaires" von G o h i e r enthaltenen B e m e r k u n g e n über einzelne Arzneimittel, u n d namentlich Versuche über die weisse Nieswurz, einen praktischen W e r t h . — I m folgenden J a h r e erschien der zweite Theil des „ H a n d b u c h s d e r P f e r d e a r z n e i k u n d e v o n J a i n e s W h i t e " 4 , welcher im ersten Abschnitt die Arzneimittellehre, im zweiten aber pharmaceutische Vorschriften enthält. I n der ersteren findet man zwar m e h r e r e , auf Versuche u n d richtige Beobachtungen gegründete, g u t e A n g a b e n , sie ist aber viel zu sehr mit theuren, entbehrlichen und g a n z u n b r a u c h b a r e n Mitteln ü b e r l a d e n , grösstent e i l s sehr oberflächlich gearbeitet u n d ausserdem in alphabetischer F o r m dargestellt. — S p ä t e r erhielt die Arzneimittellehre einen guten Beitrag von B. A . O r e v e in den „ W a h r n e h m u n g e n a m R i n d v i e h , u m ü b e r d e s s e n B e f i n d e n u r t h e i l e n z u k ö n n e n " (1. Bdchen. Oldenburg 1819). I n einem a n g e h ä n g t e n Verzeichnis« der f ü r das Rindvieh brauchbaren Heilmittel sind recht g u t e und auf E r f a h r u n g beruhende B e m e r k u n g e n über die A n w e n d u n g u n d W i r k u n g derselben, aber auch I r r t h i i m e r , wie z. B. über die geringe W i r k u n g der Belladonna, enthalten. — Auch die im folgenden J a h r e von W a l d i n g e r herausgegebene ,, A b h a n d l u n g ü b e r den S c h w e f c l u n d seine V e r b i n d u n g e n mit M e t a l l e n , K a l i e n und E r d e n , w i e s i e a m u n d i m t h i e r i s c h e n K ö r p e r w i r k e n u. s. w." ( W i e n und Triest 1 8 2 0 ) ist ein schätzbarer Beitrag. — I n demselben J a h r e g a b E . L. S c h u b a r t h eine „ N e u e P h a r m a c o p ö e f ü r ' T h i e r ä r z t e " heraus, welche aber, ihrem Z w e c k e gemäss, n u r eine f ü r die grösseren Haust i e r e , besonders f ü r das P f e r d b r a u c h b a r e , A u s w a h l von e i n f a c h e n , p r ä p a rirten und zusammengesetzten Arzneimitteln enthält. — I m J a h r e 1 8 2 3 erschien die zweite Auflage von B r a c y C l a r k ' s „ Pharmacopoeia Equina, or neu: P/uirmacopoeia for Morses" (London 4.), welche aber n u r oberflächlich bearbeitet ist und in keiner Hinsicht einen besondern W e r t h hat. Dennoch ist sie später in das Französische übersetzt worden 5 . — E i n kurzes, aber in den H a u p t s a c h e n b r a u c h b a r e s H a n d b u c h der Arzneimittellehre gab 1 Sie sind von V i b o r g ins D e u t s c h e übersetzt in dem „ M a g a z i n f ü r t h e o r e t i s c h e u n d p r a k t i s c h e T h i e r h e i l k u n d e v o n Dr. S. J. T e u f f e i ( Karlsrulle 1811 bis 1815 im 2. und 3. H e f t enthalten. 2 Pharmacie vétérinaire, théorique et pratique. Paris 1809 (letzte A u s g a b e von L e l o n g , 1846). 3 Vierte Auflage Würzburg 1825. 4 Aus d. Engl. (A Treatise on veterinary Medicine, in 2 Vol. London) nach der 9. Auflage übersetzt durch V i c t o r v. M ü l l e r . Mit Kpfrn. Hannover 1813 und 14. 5 Pharmacopoe vétérinaire, ou nouvelle pharmacie hippiatrique, contenant une classification des médicaments, les m o y e n s de les préparer etc. etc. par B r a c y - C l a r k . 1 Vol. 12. avec planches. Paris 1835.
45
der Arzneimittellehre. Dieterichs1,
und v i e r J a h r e später ebenso B u c h m ü l l e r 2 heraus.
b e i d e S c h r i f t e n ist die A r z n e i m i t t e l l e h r e
Durch
w e d e r wissenschaftlich noch p r a k -
tisch g e f ö r d e r t w o r d e n , w i e dies fast überall der F a l l ist, w o ein wissenschaftlicher G e g e n s t a n d
zugleich für gebildete A e r z t e
L a i e n vorgetragen wird. —
und
für
A u c h die k u r z e alphabetische D a r s t e l l u n g
der
gebräuchlichsten A r z n e i m i t t e l in V a t e l a , w a r nicht
geeignet,
1831
suivi
W e r k ist d i e
pharmaceutique
bewährten
chirurgischen
kungen Wien
Ein
„Theoretisch - praktische
Thierheilkunde und
1833.
raisonné
nach
Gebrauche
Darstellung
PharmaParis
etc. ", der
in
der
p h a r m a c e u t i s c h eil
ihrer
von
durch
sehr fleissig g e a r b e i t e t e s
diätetischen,
Heilmittel
ihrem
von
vétérinaire
élémentaire de matière médicale, ou de
Formulaire
ist dieses einigermassen geschehen. —
4
und
d'un
de pathologie
die A r z n e i m i t t e l l e h r e zu f ö r d e r n , aber
L . M o i r o u d , in dessen „Traité cologie vétérinaire,
den Elements
oder T h i e r ä r z t e
Natur,
Anton
ihren
Hayne,
D i e s Buch handelt nicht blos die e i g e n t l i c h e n
Wir-
2 Bde.
8.,
Arzneimittel,
sondern sämmtliche thierärztliche H e i l m i t t e l wissenschaftlich und nach den zum T h e i l e i g e n t h ü m l i c h e n A n s i c h t e n des V e r f a s s e r s g r ü n d l i c h ab. — „Manual
of Pharmacy
for
the Student
of
Veteriuary
W.
Medianevon
Das J.
T.
M o r t o n , L o n d o n 1837 (3. A u f l . 1 8 5 5 ) , enthält eine k u r z e , aber recht g u t e der v o r z ü g l i c h s t e n , v o n den englischen T h i e r ä r z t e n
praktische D a r s t e l l u n g
angewendeten Arzneimittel. — gesummten
G l e i c h hierauf f o l g t e das „ H a n d b u c h
Arzneimittellehre"
v o n D r . G . C. H a u b n e r ,
der
Anklam
1 8 3 8 , 5. A u f l . 1 8 7 0 (als 3. T h e i l v o n dessen H a n d b u c h der p o p u l ä r e n T h i e r h e i l k u n d e f ü r L a n d w i r t h e ) , in w e l c h e m das W e s e n t l i c h e über die w i c h t i g s t e n Arzneimittel der
k u r z und
fasslich mitgetheilt
Veterinär-Pharmacologie"
W e i m a r 1830 (2. gestellt. — „Traité
In
Aufl. von W e i s s
dem
de l'histoire
maux domestiques,
von
naturelle suivi d'un
ist. —
von einem
In
dem
Preuss.
„Grundriss
Kreis-Thierarzt,
1 8 6 1 ) , sind 169 M i t t e l in T a b e l l e n dar-
Delafond
und L a i s s a i g n e
herausgegebenen
des substances employées dans la médecine traité élémentaire
de pharmacie
1 8 4 1 (2 édit. 1 8 5 3 ) , sind sämmtliche A r z n e i m i t t e l sehr g u t , doch i n chemischer H i n s i c h t
beschrieben. —
Ed.
I m - T h u m
„ B e s o n d e r e A r z n e i m i t t e l l e h r e für T h i e r ä r z t e ,
des ani-
vétérinaire", gab
1847
unter
dem
Titel:
stammung,
„Die
G l e i c h z e i t i g erschien v o n E .
thierärztlichen
Kennzeichen
der
Arzneimittel,
Aechtheit
passende
Verbindung
und A n w e n d u n g ,
über
Errichtung
einer
die
und
Hin-
Hering
ihre
Ab-
Verfälschung,
nebst e i n e m
thierärztlichen
eine
naturhistorisch
b e a r b e i t e t " , Solothurn 1 8 4 7 , heraus, die in thierärztlich-praktischer sicht v i e l zu wünschen ü b r i g lässt. —
Paris
besonders
Anhang
Hausapotheke",
Stuttgart 1 8 4 7 , ein kurzes, aber recht brauchbares W e r k , dessen I n h a l t d e m T i t e l entspricht
A u f l . bearbeitet
von W e i s s
1870). —
B a l d nachher
1 J . F . C. D i e t e r i c h s' H a n d b u c h d e r a l l g e m e i n e n und b e s o n d e r e n , s o w o h l t h e o r e tischen als p r a k t i s c h e n A r z n e i m i t t e l l e h r e für T h i e r ä r z t e und L a n d w i r t h e . Oder: Allgem e i n v e r s t ä n d l i c h e r U n t e r r i c h t u. s. w . B e r l i n 1825 (2. A u f l a g e 1830, 3. 1 8 3 9 ) . 2 A . L . B u c h m i i l l e r , S y s t e m a t . H a n d b . d. A r z n e i m i t t e l l e h r e f ü r T h i e r ä r z t e und Oekonomen. W i e n 1829. 3 Paris 1828, T o m e II. 2 me partie. D e u t s e h : H a n d b u c h d. T h i e r a r z n e i k u n d e v o n A . W . P e s t e l . L e i p z i g 1839. 3 B d e . 4 Ins D e u t s c h e ü b e r s e t z t v o n A . P . W i 1 h e 1 m i , u n t e r d e m T i t e l : H a n d b . d. T h i e r a r a n e i m i t t e l l c h r e v o n M o i r o u d. L e i p z i g 1832 (in B r ü s s e l n a c h g e d r u c k t 1 8 3 6 ) .
46
Quellen und Literatur der Arzneimittellehre.
sprach P e r c i v a l i n einem Memoire über die Wirkungen der Medicamente bei Pferden — Eine sehr vollständige Arzneimittellehre in pharmaceutischer und therapeutischer Hinsicht gab T a b o u r i n 1853 (2. ¿dit. in 2 Yol. 1866) mit in den Text gedruckten Abbildungen der officinellen Pflanzen, sowie mit einer Receptsammlung, mit Anleitung zur forensischem Analyse und mit einem Verzeichniss der Arzneipreise 2 . — In demselben J a h r e erschien auch ein „ L e h r b u c h d e r A r z n e i m i t t e l l e h r e f ü r T h i e r ä r z t e " , von Dr. M. F. R ö l l , Wien 1853 (2. verbesserte Aufl. 1866), in welchem nach einer kurzen allgemeinen Erklärung der Arzneiwirkungen und einer kurzen Receptirkunde die gebräuchlichsten Mittel übersichtlich, kurz und fasslich beschrieben sind. — Ganz ähnlich, aber mehr ausführlich ist das „ L e h r b u c h d e r V e t e r i n ä r - P h a r m a c o d y n a m i k ", von Dr. J . E. L. F a l k e , Leipzig 1 8 5 4 ; — und ebenso das „ T a s c h e n b u c h d e r t h i e r ärztlichen Arzneimittellehre nach dem neuesten Standpunkt d e r W i s s e n s c h a f t " , Stuttgart 1871. Aus der Homöopathie sind die „ H o m ö o p a t h i s c h e A r z n e i m i t t e l leh r e f ü r T h i e r ä r z t e nebst A n w e i s u n g zur B e r e i t u n g d e r h o m ö o p a t h i s c h e n A r z n e i e n " , u. s. w. von J . C. L. v. G - e n z k e , Leipzig 1837, — „ D e r h o m ö o p a t h i s c h e T h i e r a r z t , " von Fr. A. G ü n t h e r , Sondershausen 1848, — und die „ S t u d i e n u n d E r f a h r u n g e n im Ber e i c h d e r P f e r d e k u n d e " u. s. w. von T h . T r ä g e r , Sondershausen 1851, als brauchbar besonders zu nennen. Receptirkunden und Pharmacopöen sind ausser den bereits genannten noch vorhanden von W i l h e l m i 3 , S c h m i d t 4 , L ü p k e - , K r e u t z e r 6 , E k e l 7 , W e i s s 8 , B o u c h a r d a t 9 , G i l l e 1 0 , E r d m a n n und H e r t w i g 1 1 , Geffken12, Begemann13, Tuson14und Forster15. 1 D a s Mémoire ist v o n G o u r d o n ins F r a n z ö s i s c h e ü b e r s e t z t , aber mir nicht näher bekannt geworden. 2 N o u v e a u Traité de Matière médicale, de Thérapeutique et de P h a r m a c i e vétérinaires etc. etc. par M. F. T a b o u r i n . P a r i s 1853. 3 V o l l s t ä n d i g e s R e c e p t b u c h für T h i e r ä r z t e , Landwirthe u. s. w. L e i p z i g 1 8 3 2 . 2 B ä n d e (ohne Werth). 4 E e c e p t e für die K r a n k h e i t e n der H a u s t h i e r e , s a m m t einer D o s e n l e h r e . Leipzig 1832. 5 Veterinär-Receptirkunst etc. A s c h e r s l e b e n 1834, und Veterinär-Recept-Tasehenbuch für Thierärzte und Oekonomen. Q u e d l i n b u r g 1835. 6 H a n d b u c h der a l l g . thierärztl. Arzneiverordnungslehre mit Inbegriff der v e t e r i n ä r pharmaceutischen Receptirkunst. A u g s b u r g 1 8 3 8 . I Veterinär-Receptir- und D i s p e n s i r b u c h . W i e n 1846. 8 A n l e i t u n g zum Verordnen der thierärztlichen A r z n e i m i t t e l . Bearbeitet und durch 2 3 2 B e i s p i e l e erläutert. Stuttgart 1847. 9 Formulaire vétérinaire etc. P a r i s 1849. lu Falsifications des m é d i c a m e n t s qui d o i v e n t se trouver dans l'officine du Médecin vétérinaire B e l g e . B r u x e l l e s 1852. II Tliierärztliche Receptirkunde und P h a r m a c o p ö e . B e r l i n 1856. 2. v e r b e s s e r t e Auflage 1868. 12 V e r s u c h einer P h a r m a c o p o e a veterinaria germanica. 1867. 13 A l l g e m e i n e V e t e r i n ä r - P h a r m a c o p ö e , thicrärztliche W a a r e n k u n d e und Receptirkunde. Hannover ] 864. 14 A P h a r m a c o p o e a , including the Outlines of Materia m e d i c a and Therapeutics for tlie use of Practitioners and Students of Veterinary Medicine. L o n d o n 1869. 15 R e c e p t - T a s c h e n b u c h für T h i e r ä r z t e , von Professor Dr. L . F o r s t e r , W i e n 1866, — und von D e m s e l b e n : Compendium der P h a r m a c o g n o s i e für Thierärzte. W i e n 1869.
SPECIELLE AKZNE IWIRKUNGrSLEHRE. ERSTE
KLASSE.
Indifferente Arzneimittel. (Medicamenta indifferentia.) Begriff, Wirkung und Anwendung dieser Mittel im Allgemeinen. §. 76. Es giebt Arzneimittel, welche in ihren Bestandteilen und Eigenschaften mit gewissen Bestandteilen des Thierkörpers eine grosse Aelinlichkeit, selbst Uebereinstimmung zeigen, sogar Producte des Thierkörpers sind, und die bei innerlicher Anwendung auch grossentheils demselben wieder materiell angeeignet werden können. Diese Mittel verhalten sich also materiell und ebenso auch in ihren Wirkungen sehr wenig different zum Thierkörper und werden deshalb im Allgemeinen als i n d i f f e r e n t e A r z n e i m i t t e l bezeichnet. Zu diesen, dem Thier- und Pflanzenreich entstammenden Mitteln gehören alle diejenigen, welche 1) E i w e i s s , K ä s e s t o f f , G a l l e r t e , oder 2) G u m m i und S c h l e i m , oder 3) K l e b e r , S t ä r k e m e h l , M e h l , oder 4) Z u c k e r und z u c k e r a r t i g e süsse S t o f f e , oder 5) F e t t e und f e t t e . O e l e , oder 6) W a c h s als vorwaltende und vorherrschend wirkende Stoffe enthalten. Diese Substanzen sind nicht nur für die Thiere verschiedener Gattungen sondern auch für den Körper desselben Thieres durch ihre allgemeine Wirkung von verschiedenem Werth. Nach ihrer chemischen Zusammensetzung unterscheidet man sie in s t i c k s t o f f h a l t i g e und s t i c k s t o f f l o s e Mittel; die ersteren (Albumin, Casei'n, Fibrin, Legumin, Kleber, Gallerte) dienen Vorzugs weise zur Ernährung, zum Ersätze von Substanzverlust der Muskeln und Nerven, und werden deshalb p l a s t i s c h e Stoffe, D y n a m o g e n e , auch wohl P r o t e i n s t o f f e benannt; die stickstofflosen Mittel (Stärkemehl, Fett, Gummi, Zucker) dagegen werden vorzüglich dazu verwendet, dem durch das Einathmen aufgenommenen Sauerstoff die zur Bildung von Kohlensäure und Wasser nöthige Menge Kohlenstoff und Wasserstoff zu liefern; sie dienen also dazu, den Respirationsprocess zu unterhalten und die dem Körper n o t wendige Wärme zu erzeugen, während sie jedoch bei nicht genügender Zufuhr stickstoffhaltiger Alimente auch zur Ernährung beitragen. Sie sind deshalb
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Indifferente Mittel.
nach ihrer hauptsächlichen Verwendung im K ö r p e r , nach der zuerst von L i e b i g ausgesprochenen A n s i c h t : r e s p i r a t o r i s c h e M i t t e l , oder nach Bischoff: Tliermogene , Wärmeerzeuger, auch F e t t b i l d e r gen a n n t worden. D i e örtliche E i n w i r k u n g der indifferenten Mittel auf g e s u n d e Theile des Thierkörpers ist kaum bemerkbar, aber an entzündeten oder abnorm verdichteten , angespannten T h e i l e n bemerkt man nach der Anwendung dieser Mittel Erschlaffung, Erweichung, Reiz- und Schmerzmilderung, reichlichere Absonderung, an eiternden Stellen die Beförderung der Eiterung. §. 77. D i e Anwendung der indifferenten Mittel bezieht sich nun 1) auf ihre Eigenschaft als Nahrungsmittel, namentlich bei Schwächezuständen, nach grossen oder anhaltenden S ä f t e v e r l u s t e n ; 2 ) auf ihre örtlichen einhüllenden, reizmildernden, beruhigenden W i r k u n g e n bei zu grosser Reizbarkeit und nervöser Empfindlichkeit der Verdauungs- und der Harnorgane, bei daraus entstehenden k r a m p f h a f t e n Zusammenziehungen einzelner Körpertheile, insbesondere bei zu grosser Empfindlichkeit des Magens und hieraus entstehendem E r b r e c h e n der Hunde, bei K r a m p f k o l i k , bei krampfhaften Harnverhaltungen u. s. w.; :>) auf die erschlaffende , erweichende und hierdurch beruhigende W i r k u n g bei Entzündungen der H a u t , der Schleimhäute, bei W u n d e n , Anätzungen, u. dgl. M a n wendet sie also bei Anätzungcn äusserer und innerer Organe, bei schmerzhaften Entzündungen und Verletzungen, bei Verbrennungen u. dgl., bei verschluckten scharfen, ätzenden Giften und anderen, chemisch oder mechanisch in die Organisation eingreifenden Substanzen (z. B . bei scharfen Knochensplittern) an, um dieselben einzuhüllen, der innern Oberfläche einen deckenden Ueberzug zu geben und die schädliche Einwirkung zu mindern; daher oft auch präservativ bei der Anwendung scharfer, ätzender, stark reizender Substanzen, z. B . der Canthariden, des Sublimats u . s . w . , um dasWeiterfliessen der Aetzmittel zu hindern. Mehrere dieser Mittel finden auch eine Anwendung als Bindemittel für andere Arzneistoffe, um denselben eine schickliche F o r m zu geben, z . B . Schleim und Gummi zur Bindung von K a m p h e r in wässerigen F l ü s s i g k e i t e n , ebenso bei B e r e i t u n g der Pillen und Latwergen. D i e allgemeine Gegenanzeige gegen die Anwendung dieser Mittel ist Erschlaffung und Reizlosigkeit der thierischen Gebilde, und besonders innerlich grosse Schwäche mit Reizlosigkeit und Unthätigkeit des Verdauungskanals , da diese Mittel bei lange fortgesetztem Gebrauch an und für sich schon Verdauungsstörungen hervorrufen können.
Erste
Abtheilung.
Eiweisstoff- und gallertartige Mittel. (Medic. albuminosa et gelatitwsa.) §• 7 8 . D e r Eiweissstoff, Albumin, findet sich sowohl im Thier- als im Pflanzenreiche. D e r thierische Eiweissstoff ist im Blute, im Blutserum als F i b r i n , im
Eiweiss- u n d g a l l e r t h a l t i g e Mittel.
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Chylus, in der Milcli in geringer Modification als Case'in, in den Muskeln, Sehnen und Knorpeln, im Gehirn und in den serösen Flüssigkeiten des Thierkörpers zum Tlieil sehr reichlieh enthalten. Am einfachsten und reinsten kommt er in den Eiern der Vögel als Eiweiss vor. Das Pflanzeneiweiss (in seinen Verschiedenheiten als Pflanzencase'in, Leytnnm, namentlich in Hülsenfrüchten, und als Pflanzenleim, Kleber, erscheinend' ist dem thierischen Eiweiss in seinem Verhalten fast ganz analog. 1) Eier, Ova (am g e w ö h n l i c h s t e n H ü h n e r e i e r , Ova
gallinácea).
§• 79. Die Eier enthalten in ihrer, grösstenteils aus kohlensaurem K a l k und dergl. bestehenden Schale das Eiweiss und das Eigelb. a. Das Ii i w e i s s, Albumen ovi, elementar aus Kohlenstoff, Wasserstoff1, Sauerstoff, Stickstoff, etwas Schwefel und Phosphor gebildet, enthält ca. 12 Theile reinen Eiweissstoff, ca. 85 Theile Wasser, 2,7 schleimige Materie und 0,3 Soda, Schwefel, Phosphor. E s gerinnt bei einer Wärme über 70° R., auch bei der Einwirkung starker mineralischer Säuren, der Gerbsäure, des Alkohols, Aetliors, Terpentliinöls, während Alkalien, Essigsäure und Salzsäure (z. B. im Magen) es auflösen, Essigsäure sogar sein Coaguliren verhütet. E s wird von einigen Salzen, z. B. Bleizucker, Bleiessig, Alaun, den Vitriolen, Höllenstein und Actzsublimat aus Flüssigkeiten gefallt, wobei jedoch die genannten Stoffe zum Tlieil selbst zersetzt werden. Mit Kalk verhärtet es zu einer festen Masse (Kitt). h. Das E i g e l b , E i d o t t e r (Viteilum ovi) enthält 50 bis 53,78 Proc. Wasser. 15 bis 17,47 Eiweiss, genannt V i t e l l i n e , gegen 20 Procent eines fetten Oels, klebrige und färbende Stoffe, Schwefel und Phosphor in kleiner Menge. Das Eigelb löst sich leichter als Eiweiss in Wasser auf, emulsirt Kampher, Harze, Schleimharze und ätherische Ocle sehr gut mit wässerigen Flüssigkeiten, Fetten u. dergl. — Es wirkt etwas nährender als das Eiweiss, weil letzteres leichter coagulirt, also schwerer verdaulich ist. Aeusserlich wirken beide reizmildernd, erschlaffend, so lange sie mit Feuchtigkeit verbunden sind. Beide Substanzen finden ihre therapeutische Anwendung bei Vergiftungen mit Säuren, mit den genannten Metallsalzen, mit ätzenden Alkalien und Erden, mit Canthariden und anderen scharfen Stoffen ; vorzüglich ist dabei das Eiweiss in Gebrauch, bei Metallsalzen aber nur mit Erfolg, wenn es kurz nach dem Verschlucken der Gifte gegeben wird. Die Anwendung geschieht in den unten folgenden Dosen mit 10 Theilen Wasser u. dgl. zusammengeschüttelt, etwa alle 3—5 Minuten so lange wiederholt, bis die heftigen Zufälle vorüber sind. — Ferner werden Eiweiss und Eigelb bei grosser Erschöpfung der K r ä f t e , grossem Säfteverlust, bei gehinderter Ernährung auf gewöhnlichem Wege, z. B. bei Starrkrampf und Kinnbackenzwang bei schwächlichen jungen Thieren, die zu früh ihre Mütter verloren, bei schmerzhafter Diarrhöe, bei Blutharnen nach demGenuss scharfer Pflanzen und bei dem Maulweh angewendet. Man giebt ausgewachsenen Pferden und liindern auf einmal 3 — 6 Eier, in einem halben Quart Wasser, Milch, Mehlsuppe oder Bier gut abgerührt, 3 — 4 Mal des Tages; Schafen, Ziegen und Schweinen die H ä l f t e , Hunden und Katzen nach Verhältniss ihrer Grösse den vierten bis sechsten Theil daHertwig, A r z n e i m i t t e l l e h r e . 5. A u f l a g e . 4
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Eiweiss, Milch.
v o n auf einmal. Bei rein asthenischen Z u s t ä n d e n k a n n man gewürzhafte Mittel, z. B . K a l m u s , K ü m m e l u. dgl. damit v e r b i n d e n ; m a n hüte sich aber vor Zusatz von Eiweiss coagulirendeii Substanzen. — Man n i m m t auch Eier als reizmildernden Zusatz zu Clystiren. Oertlich wird Eiweiss als einhüllendes, deckendes, reizmilderndes Mittel benutzt, trocknet aber leicht zu einer K r u s t e zusammen; es ist daher f ü r sich allein bei noch bestehenden E n t z ü n d u n g e n nicht zu empfehlen; bei W u n d e n u n d Geschwüren, die der H e i l u n g nahe sind und nur einer schützenden Decke bedürfen, k a n n m a n diese K r u s t e n b i l d u n g bezwecken, und bewirkt dieselbe am besten, indem m a n zu 30,0 Grammes Eiweiss 4,0 Grammes fein pulverisirten A l a u n zusetzt. — Bei frischen, oberflächlichen V e r b r e n n u n g e n ist ein L i n i m e n t aus 1 T h e i l Eiweiss und 2 Theilen Baumöl (oder Leinöl) oder aus g l e i c h e n T h e i l e n Eiweiss, Oel und Milchrahm, als kühlendes, erweichendes Mittel recht wirksam u n d als Hausmittel leicht anzuwenden. D a s E i g e l b benutzt man äusserlich fast n u r als Zusatz oder V e h i k e l zu S a l b e n , die sich aber nicht lange halten. Bei V e r w u n d u n g e n u n d E n t z ü n d u n g e n ist E i g e l b und Baumöl zu gleichen Theilen zusammengerieben der beste E r s a t z f ü r Umschläge und Fomentationen, auch vorzüglich, um Braiulschorfe bei Schusswunden zur Abstossung zu bringen. Bei zu geringer E i t e r u n g ist Eigelb mit T e r p e n t h i n oder mit Terpenthinöl, im Verliältniss zu dem Grade der bestehenden Reizbarkeit gemacht, die einfachste und beste Digestivsalbe. D a s aus Eigelb gewonnene Eierül ist zu entbehren. 2) l)ie llilcb, Lac. 8". c. D i e M i l c h ist die allgemein bekannte, in den E u t e r n der weiblichen S ä u g e t h i e r e abgesonderte Flüssigkeit, welche hauptsächlich viel W a s s e r — « 5 , 7 0 , — A l b u m i n a t e (Eiweiss, Käsestoff) 6,3, feste B e s t a n d t e i l e 14,0,Fette (Butter) 4,0, Milchzucker 5,0, verschiedene Salze 0,57, darunter fast die H ä l f t e P h o s p h a t e enthält. Sie stellt eine A r t von Emulsion dar, die sich aber ausserh a l b des T h i e r k ö r p e r s nach einiger Zeit durch die E i n w i r k u n g der L u f t und W ä r m e von selbst zersetzt (künstlich geschieht dies durch Zusatz von W e i n geist, S ä u r e , eines Stückchens T h i e r m a g e n u. s. w.) 1) in einen wässerigen T h e i l , die M o l k e n , die aus W a s s e r und Milchzucker, etwas Eiweiss und Salzen bestehen, 2) in einen k ä s i g e n T h e i l , der fast n u r aus Case'in besteht, und 3) in einen f e t t e n Theil, den R a h m oder die S a l i n e , welcher F e t t und Eiweiss e n t h ä l t und woraus durch schnelles, oft wiederholtes Durcheinanderbewegen die B u t t e r ausgeschieden wird. D a s Verliältniss dieser Bestandtheile u n d somit die Beschaffenheit der Milch ist verschieden nach der Verschiedenheit der T h i e r g a t t u n g , der Constitution, dem Gesundheitszustände, dem Alter der Tliiere, der P e r i o d e ihrer A b s o n d e r u n g , der Beschaffenheit der N a h r u n g s m i t t e l u. s. w. Namentlich in letzter Hinsicht ist zu b e m e r k e n , dass nach animalischer Kost die Milch mehr stickstoffhaltig ist, bei P f l a n z e n n a h r u n g eine mehr milde, vegetabilische Beschaffenheit h a t ; auch gehen häutig fremdartige Stoffe, z. B. ätherische O e l e , s c h a r f e , b i t t e r e , auch Farbestoffe und selbst giftige Substanzen in sie über.
Milch, Molken.
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§• 8 1 .
D i e Milch enthält fast alle zur E r n ä h r u n g der T h i e r e erforderliche Stoffe, sie ist dabei ein sehr leicht assimilirbares, mildes N a h r u n g s m i t t e l u n d hierzu von der N a t u r f ü r alle Säugethiere unmittelbar n a c h der G e b u r t bes t i m m t , bis die entwickelten K a u - und V e r d a u u n g s w e r k z e u g e im S t a n d e sind, eoncentrirtere u n d mehr differente Nahrungsstofi'e zu verarbeiten. Für fleischfressende T h i e r e und f ü r Schweine bleibt sie auch f ü r die g a n z e L e b e n s d a u e r ein, wenn auch allein nicht ausreichendes, doch sehr brauchbares N a h r u n g s m i t t e l . — N e b e n der ernährenden W i r k u n g besitzt die Milch in den ersten T a g e n nach der Geburt vermöge ihrer Salze eine a b f ü h r e n d e ; auch k a n n sie, w e n n die Mutterthiere eine mit bitteren, harzigen oder scharfen u. a. Stoffen versehene N a h r u n g gemessen, durch diese Stoffe bei ihrem Genuas bald mehr, bald weniger bedeutende N e b e n w i r k u n g e n erzeugen. Oertlich wirkt die Milch auf die von ihr b e r ü h r t e n T h e i l e einhüllend, erschlaffend, u n d bei E n t z ü n d u n g e n , V e r b r e n n u n g e n und A e t z u n g e n schmerzstillend (besser als E i weiss); auch zersetzt sie, wie dieses, mehrere Metallsalze, u n d wandelt Quecksilbcrsublimat in Calomel um. Sie wird d a h e r bei den g e n a n n t e n Z u s t ä n d e n , besonders bei Heizungen und E n t z ü n d u n g e n der V e r d a u u n g s - und der H a r n w e r k z e u g e in F o l g e des Genusses scharfer Stoffe, bei dem acuten Blutharnen (rotheu "Wasser) häufig als ein wohlfeiles Hausmittel innerlich g e g e b e n , bei E n t z ü n d u n g e n des Dickdarms, der H a r n b l a s e und der Vagina auch zu E i n s p r i t z u n g e n benutzt; äusserlich in Umschlägen kalt oder l a u w a r m , allein oder mit B r o t k r u m e , H a f e r g r ü t z e , Leinsamen u. s. w. Bei asthenischen K r a n k h e i t e n der Schweine u n d Curnivoren dient sie als nährendes Mittel, m a n vermeidet sie aber bei .Durchfällen da sie diese oft noch vermehrt. Man giebt sie lauwarm als G e t r ä n k oder E i n g u s s bei l J ferden und Kindern zu 1 bis l 1 2 L i t e r Pfd.) auf e i n m a l , und nach Bedürfnis* öfter w i e d e r h o l t ; bei Schafen und Ziegen l/'4 bis 3 / 4 Liter ( ' / 2 bis "11/2 P f d . ) , bei H u n d e n und K a t z e n 1 1 U 2 l j itcr ( 1 2 5 bis 2 5 0 Gramme;. Sic k a n n allein gegeben oder mit Mehl oder Eiern mehr n ä h r e n d , oder mit fetten Substanzen mehr einhüllend gemacht werden. Als Nahrungsmittel nimmt man sie f ü r j u n g e T h i e r e am besten von T h i e r e n derselben G a t t u n g . §• 82. Die M o l k e n , W a d e k e (Serum Iridis), sind, j e nach ihrer E n t s t e h u n g , s ü s s e oder s a u r e . Erstere bleiben nach der K ä s e b e r e i t u n g aus süsser Milch zurück, letztere werden bei dem Gerinnen der sauer gewordenen Milch oder d u r c h Zusatz von Säuren zur Milch erhalten. Beide wirken weniger n ä h r e n d , aber mehr k ü h l e n d als die Milch, die E i n g e w e i d e erschlaffend, die wässerigen A b s o n d e r u n g e n in ihnen v e r m e h r e n d ; bei Schafen und Ziegen entsteht durch diese W i r k u n g von ihrem reichlichen Genuss nach 6 bis 10 S t u n d e n L a x i r e n ; bei P f e r d e n und B i n d e r n beobachtet m a n dies sehr selten. Schweine vertragen sie sehr g u t und gedeihen sogar bei dein reichlichen Genuss. Die übrigen Thiere, besonders Pferde, müssen sich aber erst nach u n d nach an den Genuss grösserer Quantitäten g e w ö h n e n , da sonst zuweilen widrige Zufälle entstehen, vorzüglich, wenn die Molken sauer sind 1 . ') Man h a t n a c h d e m E i n g e b e n g r ö s s e r e r Q u a n t i t ä t e n (2 b i s G Q u a r t ) M o l k e n bei P i e r d e n nach 20 b i s 30 M i n u t e n T r a u r i g k e i t , Z i t t e r n im g a n z e n K o r p e r , S t r ä u b e n d e r 4*
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Molken, Käsestoff, Buttermilch.
Als Heilmittel k a n n m a n die Molken innerlich bei E n t z ü n d u n g s k r a n k heiten der Schweine, K a t z e n u n d H u n d e , mit W a s s e r v e r d ü n n t , sehr zweckm ä s s i g geben, um so m e h r , da sie von diesen T h i e r e n g e r n genossen werden u n d auf dem L a n d e leicht zu h a b e n sind. Man k a n n sie auch als Vehikel f ü r andere Mittel, z. B. Nieswurz, Salpeter, Weinstein b e n u t z e n ; Metallsalze j e d o c h eignen sich nicht f ü r diese V e r b i n d u n g , da sie zum T h e i l zersetzt werden. Bei S c h a f e n und Ziegen k a n n m a n sie auch als wohlfeiles, mildes L a x i r m i t t e l geben. F ü r Schweine rechnet m a n als G a b e j e nach der Grösse täglich 3 — 1 0 L i t e r (6 — 2 0 P f d . ) , Schafen u n d Ziegen giebt m a n auf einmal l 1 ^ — 2 1 / 2 Liter ( 3 — 5 Pfd.) §. 8 3 . D e r K ä s e s t o f f (das Casein) der Milch ist schwer verdaulich; örtlich wirkt er k ü h l e n d , e n t z ü n d u n g s w i d r i g ; wenn er alt und durch Zersetzung und F ä u l niss scharf und r a n z i g geworden ist u n d n u n reizend auf die V e r d a u u n g s e i n geweide u n d schwach a b f ü h r e n d wirkt, k a n n er bei H u n d e n , die ihn gern n e h m e n , gegen V e r s t o p f u n g und Appetitlosigkeit gegeben w e r d e n , etwa 1 5 , 0 — 3 0 , 0 , am besten geschabt u n d mit etwas Gel gemengt. Die S a h n e , der K a h m , wirkt fast wie ein fettes Gel, sehr einhüllend, e r s c h l a f f e n d , r e i z m i l d e r n d ; sie wird innerlich bei E n t z ü n d u n g e n gegeben, äusserlich bei A n ä t z u n g e n , V e r b r e n n u n g e n , ü b e r h a u p t bei schmerzhaften E n t z ü n d u n g e n , bei denen heftige S p a n n u n g , Excoriationen, Blasen u n d Schorfe zugegen sind, ebenso bei dem T e i g m a l der K ä l b e r , bei dem Maulw e h , den S c h a f p o c k e n u. s. w. auf die leidenden Theile gestrichen. — Man k a n n die S a h n e f ü r sich allein, oder mit gleichen Theilen eines milden Gels v e r b u n d e n , oder auch in einem Gemenge mit Eiweiss u n d fein pulverisirtem S t ä r k e m e h l (von letzteren beiden ä 1 Theil auf 4 Theile Sahne) a n w e n d e n 1 . d. Die B u t t e l * (siehe bei den Fetten). §. 84. e. D i e B u t t e r m i l c h (Lac ebutyratum) besteht in frischein Z u s t a n d e aus Molken, in denen Käsestoft', Milchzucker u n d etwas B u t t e r , durch Salze g e b u n d e n , e n t h a l t e n sind. Sie wird leicht sauer und enthält dann Essigsäure. Sie ist gelind n ä h r e n d u n d k ü h l e n d , mehr einhüllend als die Molken (vergl. die A n m e r k . zu §. 82). Man giebt die Buttermilch bei E n t z ü n d u n g s H a a r e , U n r u h e , K o l i k a n f ä l l e , K r ä m p f e , sehr beschleunigtes Atlimen, erst später auch s c h n e l l e n , k l e i n e n , harten P u l s , zuweilen auch A u f b l ä h u n g , öfteres Misten u. s. w. eintreten gesehen. D i e s e Erscheinungen dauern 2 — 6 Stunden , und g e h e n dann nach ihrer Stärke ohne weitere F o l g e n vorüber oder in Lungenentzündung ü b e r , d i e , nach V ' i b o r g , nach 24 — 36 Stunden den Tod herbeiführt. V i b o r g (Sammlung Bd. 3. S. 2 2 3 — 2 3 0 ) schrieb diese Zufälle den Molken zu; oft wiederholte Versuche haben aber dargethan, dass mit Ausnahme des öftern Mistens und der Kolikzufällc diese sämmtlichen E r s c h e i nungen nur dann e i n t r e t e n , wenn beim E i n g e b e n der M o l k e n , Buttermilch und anderer F l ü s s i g k e i t e n etwas davon in die Luftröhre und in die Lungen eingedrungen ist, also nicht die Buttermilch oder Molken, sondern die Methode der Anwendung schädlich ist. (J. H. F r . G ü n t h e r , über den Gebrauch der Tränke in der pferdeärztl. Praxis. Im Hannov. Magaz. 1 8 2 9 , No. 84, 85, 86.) 1 So mit b e s t e m Erfolge bei dem epizootischen Maulweh zu der Z e i t , wo sich das Epithelium der Maulschleimhaut a b l ö s t e und das Maul wund und sehr schmerzend geworden ist.
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Gallerte.
krankheiten und besonders bei der Bräune der Schweine zum Getränk, und mengt ihr die etwa nöthigen Arzneimittel, kühlende Salze, die Nieswurz u. s. w. bei. — Gegen das entzündliche Blutharnen des Rindviehes hat sie sich abwechselnd mit schwacher Salpeterauflösung (von den Landleuten wird Pökelfleischfliissigkeit genommen), alle Stunden ein Quart eingegeben, oft sehr nützlich gezeigt. Dabei darf aber nur weniges und ganz gutes Griinfutter, Heu oder Kleie gegeben werden. / . M i l c h z u c k e r (siehe beim Zucker). 3) Gallerte, Gelatina,
Cotta.
§. 85. Die die Hauptmasse der Intereellularsubstanz des Knochen- und Bindegewebes bildende, dem Eiweiss verwandte Substanz wandelt sich beim Kochen dieser Gewebe in K n o c h e n l e i m (Colla oder Glutin) um und ist deshalb als C o l l a g e n oder leimgebende Substanz bezeichnet worden. Ihm höchst ähnlich ist das im Knorpelgewebe befindliche C h o n d r i n , das in den elastischen Fasern und Membranen bestehende E l a s t i n . Der rohe Leim aus Fabriken enthält oft diese verschiedenen Leimsorten vereinigt, und in dem aus den genannten Geweben und aus Fleisch durch Kochen gewonnenen Auszuge der Bestandtheile, in der Bouillon und in den Fleischsuppentafeln, finden sich noch die eigenthümlichen Stoffe des Fleischsaftes, das K r e a t i n und das K r e a t i n i n , sowie Eiweiss und Fett. Der Knochenleim enthält Kohlenstoff 49,t> — Wasserstoff 0,',) — Stickstoff 18,8 — Schwefel 0,7 — Sauerstoff 24,0. Diese Zusammensetzung zeigt, dass die Gallerte, da sie Stickstoff enthält, nicht ganz ohne nährende Eigenschaften ist (wie man aus den Versuchen M a g e n d i e s angenommen hat), aber durch die Extractivstoffe aus dem Fleisch wird sie viel kräftiger. Oertlich wirkt die Gallerte in Verbindung mit Wasser wie das Eiweiss, und übt auch auf vorhandene Metallsalze, namentlich auf das Quecksilbersublimat, ähnliche zersetzende Wirkungen wie dieses. Der Leim, mit Wasser abgekocht, wirkt ausserdem noch stark klebend. Die innerliche Anwendung der Gallerte in Form der Fleischbrühe als nährendes, oder die blosse Gallerte als einhüllendes Mittel ist ganz bei denselben Krankheiten angezeigt, wo das Eiweiss empfohlen ist; sie verdient aber bei Hunden und Katzen den Vorzug. Dagegen darf die Fleischbrühe nicht angewendet werden bei Vollblütigkeit, Entzündungsfiebern, bei vorhandenen örtlichen, heftigen Entzündungen, bei Hautkrankheiten (Flechten und Käude), besonders wenn dieselben aus zu reichlicher thierischer Nahrung entstanden sind, wie dies bei Hunden sehr oft der Fall ist. §. 86. Man wendet die Gallerte als Nahrungsmittel gewöhnlich in einer starken Fleischbrühe, — als einhüllendes Mittel aber in einer Auflösung des Leims (1 Th. zu 12 Th.) an, und zwar als Einguss (wenn die Thiere sie nicht selbst saufen) oder auch als Clystir. Bei sehr grosser Schwäche, bei heftigem Durchfall u. s. w. bringt man sie zuweilen auf beiden Wegen in den Körper. — Wo bei der Schwäche des Körpers zugleich eine grosse Empfindlichkeit
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Gallerte, Schleim und Gummi.
der Verdauungseingeweide vorhanden ist, und in Folge derselben Erbrechen u. s. w. eintritt, k a n n man der Fleischbrühe kleine Gaben von Opium zusetzen; — wo aber diese Empfindlichkeit nicht besteht, verbindet man sie mit gewürzhaften Mitteln und mit Kochsalz, theils um der allgemeinen Schwäche entgegenzuwirken, vorzüglich aber um die Verdauungseingeweide zu grösserer Thätigkeit anzuregen und die Verdauung zu befördern.—Adstringirende Mittel, starke Säuren und saure Salze soll man dagegen nicht mit der Gallerte verbinden, weil dieselbe unauflöslich niedergeschlagen und unverdaulich gemacht wird, jene Mittel aber zum Theil zersetzt werden. — Bei Vergiftungen durch Sublimat soll Gallerte oder Leim, mit concentrirtem Seifenwasser abgerieben, theils den Sublimat zersetzen, theils seine "Wirkungen beschränken. Die Gabe der Gallerte und der Fleischbrühe lässt sich nicht in 'jedem Falle ganz genau bemessen, besonders wenn man diese Mittel in flüssiger Form den Thieren zum freiwilligen Genuss überlässt. E s kommt aber auch auf etwas mehr oder weniger dabei nicht an. Die Art, Grösse und das Alter der Thiere, sowie die Art und der Grad der vorhandenen Krankheit müssen dabei leiten. Bei langwierigen Krankheiten, bei sehr geschwächter Verdauung und bei grosser Neigung zum Erbrechen giebt man kleine Portionen, aber oft wiederholt; bei gutem Appetit, bei regelmässiger Verdauung und bei grossem Säfteverlust kann man grössere Gaben auf einmal reichen. Aeusserlicli kann man die Gallerte wie das Eiweiss gebrauchen; sie vertrocknet aber wie dieses bald zu einer spröden Kruste und wird deshalb selten benutzt. Der L e i m kann dagegen, wenn er mit wenig Wasser gekocht ist, als klebendes, festhaltendes Verbandmittel, z. B. bei Brüchen des Hornfortsatzes der Wiederkäuer, zur festen "Werschliessung der Oeffnung des Horns und zur Befestigung des darüber gelegten Verbandes dienen, indem man sowohl den glatt abgesägten Hornstumpf wie auch die Leinwand, welche denselben bedecken soll, mit warmem Leim gut bestreicht, die letztere auflegt und fest bindet. Als Zusatz zu Mehlkleister für den unbeweglichen Verband vermehrt er die Festigkeit desselben bedeutend.
Zweite
Abtheilung.
S c h l e i m - u n d g u m m i h a l t i g e Mittel. gummosa.)
(Medicamenta mucilaginosa et
§• 8 7 .
Die S e h 1 e i m s u b s t a n z ist ein neutraler, aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff bestehender, im Pflanzenreich allgemein verbreiteter Stoff, der aber in manchen Pflanzen (besonders aus der Familie der Malvaceen) und in einzelnen Theilen derselben, in den Samen, in den Blättern, Wurzeln u. s. w. sehr reichlich enthalten ist. E r kann aus ihnen mehrentheils nur mit Wasser ausgezogen werden, ist aber in demselben fast unauflöslich, erweicht nur in ihm, quillt auf und mengt sich mit ihm, je nach der Quantität,
Schleim und Gummi.
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zu einer bald mehr bald weniger klebrigen Flüssigkeit, die man als S c h l e i m (Mucus, Mucilago) bezeichnet; mit weniger Wasser bildet der Schleim reinen Brei. Ihm sehr ähnlich ist das G u m m i (Gummi), welches auch aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff gebildet ist und im aufgelösten Zustande in den Zellen mancher Pflanzen, oder in grossen Gummigängen enthalten ist und durch Risse oder Einschnitte aus den Pflanzen schwitzt. E s ist oft mit Pflanzenschleim, färbenden Stoffen u. dgl. gemengt. Von dem Pflanzenschleim unterscheidet es sich hauptsächlich dadurch, dass es sich in kaltem und in kochendem Wasser gleichmässig leicht auflöst, während der Schleim im ersteren sich nur erweicht und aufbläht, in dem letzteren aber nur unvollständig sich löst. — Mit dem Gummi völlig übereinstimmend ist das D e x t r i n , welches aus Stärke oder Pflanzenzellstoff durch Einwirkung der Diastase oder durch verdünnte Schwefelsäure gebildet werden kann. Das Gummi findet sich ziemlich rein im Gummi arabicum, der Pflanzenschleim kommt wenig rein, sondern in Verbindung mit anderen Stoffen, mit Gummi, Eiweiss u. s. w. vor. Hinsichtlich ihrer Wirkung auf den Thierkörper kommen beide im Wesentlichen mit einander überein. Die feinen Unterschiede, welche die Chemie zwischen dem aus verschiedenen Pflanzen gewonnenen Schleim und Gummi gefunden, sind für die Therapie wenig bedeutend. Wichtiger ist es, dass der Schleim in manchen hierher gehörigen Mitteln allein vorhanden, in anderen aber mit fettem Oel und anderen Stoffen verbunden ist. Die schleimigen Mittel wirken unter allen anderen Mitteln dieser Klasse am wenigsten nährend, aber am meisten einhüllend, deckend, reizmildernd und erschlaffend. Sie sind daher überall bei übermässig erhöhter Lebensäusserung, bei Entzündungen, krampfhaften Contractionen der Fasern, bei zu grosser Empfindlichkeit, auch zum Ersatz des mangelnden Schleims an schleimabsondernden Flächen und zur Einhüllung fremder Körper und scharfer Stoffe angezeigt. Ausserdem benutzt man sie noch zum Bestreichen der Hände und I n strumente , wenn man dieselben in den After u. s. w. einführen will, und pliarmaceutisch dienen die schleimigen Mittel als die geeignetsten Bindemittel bei der Bereitung der Pillen und Latwergen, vorzüglich aber der Emulsionen, zur Einhüllung scharfer Stoffe und um in Wasser unlösliche Stoffe mit demselben zu verbinden. Sie müssen dagegen vermieden werden, wo örtliche oder allgemeine Schwäche, Erschlaffung, Reizlosigkeit, wo üppige Granulation und zu reichliche Eiterbildung besteht. Auch dürfen sie innerlich immer nur durch kurze Zeit angewendet werden, weil sie bei fortgesetztem Gebrauch die Verdauungseingeweide zu sehr erschlaffen und schwächen. 1) A r a b i s c h e s G u m m i , Gummi arabicum, s. Mimusae. D e r durch die B i n d e geschwitzte und trocken gewordene Saft von der Acacia vera, A. Adansonii und anderen in den heissen Gegenden Asiens und Africa's, am S e n e g a l , F a m i l . d. Mimoaaceen, 8. und 16. K l . L .
§. 88. Das arabische Gummi, welches 97 Proc. Gummi (Arabin oder Akazin genannt) enthält, löst sich sehr leicht im Wasser auf und bildet mit dem-
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Arabisches Gummi.
selben einen reinen, durchsichtigen, zähen Schleim, welcher bei 3 — 4 Theilen "Wasser zu 1 T h e i l G u m m i die Consistenz des Syrivps besitzt (Mucilago Gi. Mimosae s. Gi. arab.). E s n ä h r t f ü r sich allein g e g e b e n fast g a r nicht. H u n d e , welche M a g e n d i e blos mit arabischem G u m m i f ü t t e r t e , m a g e r t e n schon in der zweiten W o c h e bedeutend a b , verfielen in M a r a s m u s u n d starben n a c h dreissig Tagen. D a s G u m m i k a n n in allen F ä l l e n gebraucht w e r d e n , wo schleimige Mittel ü b e r h a u p t passen ; indessen benutzt m a n es doch vorzüglich n u r f ü r kleine H a u s t h i e r e , weil es f ü r grosse durch die nöthigen grossen G a b e n zu theuer wird u n d durch i n l ä n d i s c h e , wohlfeilere M i t t e l , z. B. Altheewurzel oder L e i n s a m e n recht g u t zu ersetzen ist. — Bei M a g e n - u n d D a r m e n t z ü n d u n g e n , bei N i e r e n e n t z ü n d u n g e n u n d bei S t r a n g u r i e , sowie bei L u n g e n e n t z ü n d u n g e n u n d bei schmerzhaftem H u s t e n , bei D u r c h f ä l l e n und K ü h r mit K e i z u n g des D a r m k a n a l s gehört es mit zu den wirksamsten Heilmitteln. A u c h zersetzt es den S u b l i m a t u n d andere Quecksilbersalze und Eisensalze, u n d ist theils d e s h a l b , tlieils seiner einhüllenden und schützenden W i r k u n g w e g e n , bei V e r g i f t u n g e n durch solche Mineralpräparate m i t Vortheil anzuwenden. Die chemisch zersetzende E i n w i r k u n g auf die Metallsalze ist aber viel schwächer als von dem Eiweiss und von dem Quittcnsehleim. M a n giebt es ausgewachsenen P f e r d e n u n d K i n d e r n zu 3 0 , 0 — 00,0, K ä l b e r n , F ü l l e n , S c h a f e n , Ziegen u n d Schweinen zu 15,0, H u n d e n zu 1 , 0 — £ , 0 , am zweckmässigsten in der flüssigen F o r m (1,0 auf 3 0 , 0 — 0 0 , 0 W T asser), bald r e i n , bald mit a n d e r e n passenden Mitteln in E m u l s i o n , in M i x t u r u. s. w . , z. B. bei L u n g e n e n t z ü n d u n g u n d H u s t e n mit Bilseukrautinfusum o d e r - e x t r a c t , mit B l a u s ä u r e , bei Durchfall mit O p i u m , mit R h a barber u. dgl. Aeusserlich wird es fast g a r nicht angewendet, weil es zu schnell trocken wird, doch ist es bei trockenen, schmerzhaften A u g e n e n t z ü n d u n g e n zu A u g e n wässern sehr g u t zu benutzen (1 T h e i l auf 12 T h e i l e W a s s e r colirt), ferner in concentrirter L ö s u n g bei V e r b r e n n u n g e n u. s. w. als D e c k m i t t e l . Mit gleichen T h e i l e n A l a u n und Eisenvitriol, oder als G e m e n g e von 1 T h e i l pulverisirtem G u m m i , 1 T h e i l Holzkohle und 2 Theilen Colophonium bildet es ein wirksames styptisches P u l v e r bei p a r e n c h y m a t ö s e n B l u t u n g e n . A o m e r k u n g l . D a s K i r s c h b a u m - u i i d l ' l ' l a u m e n b a u m g u m m i igt zwar nicht so rein wie das arabische, beide haben j e d o c h die nämliche Wirkung w i e dieses und sie können daher e b e n s o benutzt werden. Ihre v o l l s t ä n d i g e Auflösung erfolgt aber nur durch heisses W a s s e r . A n m e r k u n g 2 . D a s Traganthgummi, G. Tragacanthae, enthält ausser e i n e m e i g e n t ü m lichen Gummi noch Schleim und etwas Stärkemehl, — giebt zwar einen mehr consistenten Schleim als das arabische Gummi, ist aber ganz zu entbehren.
2) Quittensaiiieii, Quittenkerne, Stmina
Cydoniorum.
D i e Samenkerne von Cydonia. F a m i l i e der Obstgewächse, 12. Kl. 4. Ordn. L.
§• 89. Sie enthalten in ihrer d ü n n e n , äussern H a u t sehr reichlich Schleim, der sich durch E i n w e i c h e n der S a m e n in kaltem u n d w a r m e m W a s s e r u n d durch starkes Schütteln mit d e m s e l b e n , leicht u n d so vollständig auflöst, dass er
Quittensamen, Leinsamen.
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durch Papier filtrirt werden kann. 1 Tlieil Samen macht 40 Theile Wasser bei anhaltendem Schütteln ziemlich schleimig, und beim Kochen werden 48 Theile Wasser mit 1 Theil Samen ebenso schleimig, wie von gleichen Theilen Wasser und arabischen Gummi. Dieser Schleim hat einen geringen Antheil von Eiweiss und adstringirendem Princip, und wirkt zersetzend auf die meisten Salze, besonders auf essigsaures Blei, Sublimat, die Vitriole, und er selbst wird von diesen Mitteln und von Säuren zum Gerinnen gebracht, und wie vom Weingeist in weissen Flocken niedergeschlagen. Uie Wirkungen des Quittenschleims sind gleich denen der vorigen Mittel. Seine innerliche Anwendung ist in der Thieraraneikunde nicht gebräuchlich und die äussere ist fast nur auf schmerzhafte katarrhalische, rheumatische und andere Augenentzündungen beschränkt. Man wendet ihn hierbei gewöhnlich rein an, indem man 1—2 Quentchen mit 1 Pfund kalten Flusswassers schütteln und durchseihen lässt, und mit der klaren Flüssigkeit die Augen alle Stunden befeuchtet; oft setzt man aber auch narkotische Mittel, Opium u. dgl., Ttder selbst Bleiessig oder Bleizucker hinzu. Letzteres ist nach dem Vorstehenden wohl nicht chemisch richtig; manche Praktiker behaupten jedoch, dass die Erfahrung die gute Wirkung solcher Augenwässer häufig bestätigt habe. Es ist aber zweckmässiger, wenn man die Anwendung solcher Bleimittel oder der Vitriole neben dem schleimigen Mittel für durchaus nöthig hält, das arabische Gummi statt des Quittenschleiins zu benutzen, weil ersteres weniger und langsamer zersetzend wirkt. 4) Leinsamen,
Semen
Lini.
D i e Samen von Linum usitatissimum, Farn. Linaceae.
5. KI. 5. Ordn. L.
§• 90Die äussere Schale der Leinsamen enthält gegen 1 / 6 des ganzen Gewichts dieser Samen an Schleim (in Verbindung mit etwas Stärkemehl, Wachs und anderen Stoffen), so dass 1 Theil unzerstossener Samen 16 Theile darauf gegossenes kochendes Wasser in einen ziemlich dicklichen, fadenziehenden Schleim verwandelt; der innere Kern enthält dagegen 1 / 5 fettes Gel in Verbindung mit vielem Eiweiss, mit Gummi, Kleber u. s. w. Zerstossene Samen bilden daher mit kochendem Wasser eine wirkliche Emulsion, indem hier ausser dem Schleim auch das Oel ausgezogen wird und im Wasser suspendirt bleibt. — Der Leinsamen kommt daher sowohl seiner schleimigen Theile, wie auch seines Oels wegen in Betrachtung (letzteres in der 5. Abtheilung dieser Klasse'. Die Wirkungen des reinen Leinsamenschleims, wie man ihn aus der chale der ganzen Samen erhält, sind so wie bei den vorhergenannten Mitteln, und ebenso sind die Anzeigen und Gegenanzeigen bei seinem Gebrauch dieselben wie sie im Allgemeinen angegeben sind. Man gebraucht ihn daher innerlich gegen Entzündung des Magens, des Darmkanals, der Nieren, der Blase, des Halses und der Lunge; gegen Vergiftungen mit scharfen, ätzenden Stoffen; gegen schmerzhafte Krämpfe in den Baucheingeweiden; bei Durchfall, — und äusserlich bei schmerzhaften Entzündungen, Verbrennungen und Wunden, bei Anätzungen, bei heftiger Heizung durch ungeschickte oder unzweckmässige Anwendung scharfer Stoffe u. dgl. (§. 87).
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Leinsamen.
M a n bereitet diesen »Schleim, indem man 1 Theil Leinsamen mit IG—"20 T h e i l e n kochenden W a s s e r s übergiesst, oder mit ebenso viel W a s s e r kocht u n d d a n n die Flüssigkeit durchseiht. — Seine A n w e n d u n g geschieht nur in flüssiger F o r m , innerlich als E i n g u s s , oder als Einspritzung in den Mastd a r m , in die Scheide u. s. w., iiusserlich als B ä h u n g und W a s c h u n g ; bei grosser W ä r m e des leidenden Theils oder des ganzen Thieres wendet m a n den Schleim k a l t , sonst aber gewöhnlich lauwarm an. P f e r d e und Kinder erhalten davon l > / 2 — 2 Liter oder 700,0— 1000,0 G r m . , S c h a f e n , Ziegen u n d Schweine 3 / 4 — 1 Liter (350,0 —500,0 Grm.), H u n d e 180,0 — 3 6 0 , 0 u n d K a t z e n 3 0 , 0 — 6 0 , 0 auf einmal, nach Verhältniss der Zufälle j e d e halbe bis ganze S t u n d e wiederholt. Z u m innerlichen Gebrauch versetzt man ihn bei E n t z ü n d u n g der E i n g e w e i d e u. bei V e r s t o p f u n g des Leibes mit Oel, oder auch mit a b f ü h r e n d e n und k ü h l e n d e n Salzen; bei Schmerzen mit Opium, Bils e n k r a u t e x t r a c t und dgl., sonst aber wendet man ihn am besten rein an. §. 91. D e r p u l v e r i s i r t e L e i n s a m e n oder das L e i n s a m e n m e h 1 (Pulvis oder Farina Seminum Linij enthält die sämmtliclien B e s t a n d t e i l e dieser S a m e n , und wirkt vermöge des fetten Geis noch mehr erschlaffend und erweichend als der blosse Schleim, erschlafft aber bei fortgesetzter A n w e n d u n g die V e r d a u u n g s e i n g e w e i d e oft zu sehr und erzeugt L nverdaulichkeit. — Mit 2 0 bis 2 4 Till. W a s s e r gelinde gekocht, giebt es eine schleimig-fettigo Flüssigkeit v o n ziemlich dicker Consistenz, die innerlich und äusserlich g a n z wie der reine Leinsamenschleim zu benutzen ist. Mit wenigerem W a s s e r oder auch mit Milch bereitet man durch blosses Uebergiessen und Z u s a m m e n f ü h r e n oder durch gelindes Kochen einen Brei, den man zu Umschlägen auf entz ü n d e t e , schmerzhafte und v e r h ä r t e t e Tlieile lauwarm a n w e n d e t , um zu erweichen, S p a n n u n g und Schmerzen zu mildern, vorzüglich aber um die E i t e r u n g zu befördern. E i n solcher Brei ist ziemlich d e r b , erhält die W ä r m e und Feuchtigkeit lange gebunden und wirkt zum T h e i l eben dadurch recht w o h l t h ä t i g ; er wirkt aber auch zuweilen durch seine Consistenz u n d Schwere auf die schmerzhaften Tlieile d r ü c k e n d und belästigend. Um letzteres zu m i n d e r n , setzt man dem Leinsamonmehl gleiche Tlieile Malv e n k r a u t , oder Altheekraut, oder Kleie zu. §. 92. Die L e i n k u c h e n (Placcnta Seminum JJni) sind der, nach dem Auspressen des Oels aus dem L e i n s a m e n verbleibende Rückstand. Sie enthalten also, nebst den trockenen Schalen dieser Samen, die schleimigen und eiweissartigen B e s t a n d t e i l e u n d , j e nachdem das Auspressen mehr oder weniger vollständig geschehen i s t , auch noch etwas Oel. Mit der Zeit u n d bei dem A u f b e w a h r e n an feuchten Orten v e r ä n d e r t sich ihre Beschaffenheit, u n d besonders werden sie leicht r a n z i g oder schimmlig. — Die W i r k u n g der g u t e n L e i n k u c h e n ist innerlich u n d äusserlich der des Leinsamenmehls sehr ähnlich; sie sind j e d o c h , innerlich a n g e w e n d e t , weniger erschlaffend, aber etwas leichter verdaulich u n d mehr n ä h r e n d als das letztere. H i e r m i t ist aber nicht g e s a g t , dass sie leicht verdaulich und in dieser Hinsicht als N a h rungsmittel zu empfehlen sind, obgleich sie als solches von L a n d w i r t h e n und
Leinsamen, Bockshornsamen, Mohnsamen.
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anderen Thierbesitzern für gesunde und kranke Thiere sehr häufig benutzt, und, theils grob zerstossen, und mit anderem Futter gemengt, theils im Wasser aufgelöst, als T r a n k gegeben werden. Gesunde Thiere mit kräftigen Verdauungseingeweiden ertragen sie gut; aber von dem anhaltenden Gebrauch erhalten Pferde ein schlaffes, aufgedunsenes Fleisch, bei K ü h e n soll die Milch einen öligen, widrigen Geschmack bekommen, bei Schweinen der Speck ölig und leicht ranzig, und bei Schafen das Fleisch von ähnlicher Beschaffenheit werden. — Als diätetisches Heilmittel sollten sie nur bei solchen Kranklieitszuständen, die mit vermehrter Reizbarkeit verbunden sind, und wo schleimige Mittel überhaupt passen, wie z. B. bei Bräune, bei dem Maulweh, bei und nach Entzündungen innerer Organe angewendet werden. Bei schwacher, träger Verdauung, bei Verschleimung und W ü r m e r n ist die Fütterung der Leinkuchen stets nachtheilig, und ebenso können sie im verdorbenen Zustande selbst bei ganz gesunden Thieren schädliche Wirkungen veranlassen 1 . Am zweckmässigsten werden die Leinkuchen äusserlich, pulverisirt und mit Wasser oder Milch gekocht, theils zu schleimigen Waschungen, theils zu Breiumschlägen, ganz so wie der Leinsamenschleim und wie das Leinsamenmehl, angewendet. Leinkuchenbrei wird jedocli bei dem nötliigen oftmaligen Erwärmen sehr bald sauer und stinkend, und muss deshalb bei fortgesetzter Anwendung alle vierundzwanzig Stunden frisch bereitet werden. 4) Bockshoriisauiell,
Semen Foeni
t/raeci.
Vnn T r i g o n e l l a F o e n u m g r a e c u m , 17. Kl. ;i. O r d n . L., Kamille der P u p i l i o n a c e a e .
Kr besitzt einen siisslichen Geruch, der den Pferden angenehm ist, und er Olithiilt las! ebenso viel Schleim wie der Leinsamen, weshalb er oft innerlich und äusserlich wie dieser benutzt wird, als rein schleimiges (1 Theil und lti Tlieile Wasser) Mittel, als passender Zusatz zu anderen, mehr wirksamen Mitteln, besonders als Zusatz zu Drusenpulvern, ferner als Bindemittel in Latwergenmasse, bei schmerzhaften Lungenentzündungen, schmerzhaftem, trockenem Husten, überhaupt so lange ein gereizter Zustand bei den katarrhalischen Leiden besteht. 5) MohllsamiMi, l)
Seme» Papaveris
albi et 2)
nigri2.
N r . 1. von P a p a v e r uiiieinale, Nr. 2. von P a p a v e r s o m n i f e r u m , 13. Kl. 1. O r d n . L., F a m i l i e d. P a p a v e r a c e a e
§. 94. Die schleimigen Tlieile sind hier mit fettem, sehr mildem Oel verbunden. Die ersteren lassen sicli nicht so wie bei den vorher bezeichneten Mitteln, durch Uebergiessen oder Kochen, sondern nur durch Zerreiben der Samen mit 1 Im v e r d o r b e n e n , im s c h i m m l i g e n , im r a n z i g e n Z u s t a n d e , wo P i l z e oder F e t t s ä u r e e n t s t a n d e n s i n d , w i r k t d e r L e i n k u c h e n i n n e r l i c h zuweilen wie ein s c h a r f e s u n d r e i z e n d e s M i t t e l . I c h kenne einen F a l l , wo n e u n K ü h e z u g l e i c h duroli r e i c h l i c h e n G e n u s s solcher L e i n k u c h e n Magen- u n d D a r m e n t z ü n d u n g b e k a m e n u n d drei d a v o n s t a r b e n . — A e h n l i c h e N a c h t h e i l e hat man io m e h r e r e n F ä l l e n von dem F ü t t e r n d e r R ü b s a m e n - O e l k u c h e n beobachtet. - M o h n k ö p f e , s i e h e bei O p i u m .
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Hanfsamen, Altheewurzel und Altheekraut.
Wasser ausziehen und bilden dann mit den öligen zugleich die Mohnsamenmilch (Emulsio Papaveris). — Diese Pflanzenmilch wirkt ausgezeichnet erschlaffend, reizmildernd u n d kühlend, u n d ist daher innerlich bei allen Hausthieren gegen k r a m p f h a f t e und entzündliche Krankheitszustände, namentlich gegen Koliken zu benutzen, um so mehr, da der Mohnsamen ebenso wie der Leinsamen, auf dem L a n d e häufig als Hausmittel zu haben ist. Man bereitet sie, indem man 1 Theil Mohnsamen mit 8 Theilen kalten Wassers in einem Mörser recht gut zerreibt, und dann die Flüssigkeit durch Leinwand seiht. — Bei heftiger E n t z ü n d u n g setzt man ihr Salze, besonders den S a l p e t e r , auch Oel u. a. Mittel zu. Die G a b e dieser Flüssigkeit ist f ü r P f e r d e und Rinder 1 — 2 Liter = 2 — 4 P f u n d , f ü r S c h a f e , Ziegen und Schweine 1 / 2 Liter (1 P f u n d ) , H u n d e und K a t z e n nach Verhältnis« der Grösse 1 P f u n d bis herab auf 1 / ) 2 P f u n d . Der blaue Mohnsamen ist gegen Diarrhöe der Kanarienvögel und anderer kleiner Vögel ein vortreffliches Mittel. 6 ) H a n f s a m e n , Semen
Canuabis.
Von Cannabis sativa, 22. Kl. 5. O r d n . L., Farn. Urtieeae.
§. 95. Die H a n f s a m e n enthalten mehr Schleim als die Mohnsamen, aber ebenfalls mit fettem Oel und ausserdem noch mit einem schwer riechenden, etwas betäubenden Stoff verbunden. Man benutzt sie am besten in einer Emulsion, die man durch Zerreiben der Samen mit kaltem Wasser (1 Theil zu 1 0 — 1 2 Theilen) bereitet, weniger zweckmässig in einer A b k o c h u n g mit 1 5 — 2 0 Theilen Wasser. — Die W i r k u n g ist ganz ähnlich der der Mohnsamenmilch, aber besonders wohltliätig auf die H a r n - und Geschlechtsorgane, wenn dieselben sich in einem k r a m p f h a f t e n , gereizten oder schmerzhaft entzündeten Zustande befinden: auch bei zu grosser A u f r e g u n g des Geschlechtstriebes und zur V e r h ü t u n g derselben. Ich habe sie hier mit kühlenden Salzen, mit Oel oder auch mit K a m p h e r v e r b u n d e n , oft mit dem besten Erfolge, angewendet, u n d besonders in Verbindung mit dem letztern bei schmerzhaften Reizungen der Nieren und der Blase durch Canthariden. — Die Gabe ist wie bei der Mohnsamenmilch. — Aeusserlich k a n n man die H a n f s a m e n wie die Leinsamen benutzen. 7 ) E i b i s c h - oder A l l b e e w u r i e l u n d E i b i s c h - oder A l t h e e k r a u l , Radix tt Herta
Althaeae.
Von A l t h a e a officinalis, 16. K l . 5. Ordn. L., F a u l . M a l v a c e a e .
§. 96. a. Die E i b i s c h w u r z e l enthält gegen 3 0 Proc. reinen, in kaltem Wasser ausziehbaren Schleim, ebenso viel Stärkemehl, etwas Zucker und Gummi, und eine eigenthümliche, stickstoffhaltige Substanz ( A s p a r a g i n , Althaein), welche durch Alkalien in eine Saure (Asparagin-Säure) umgewandelt werden k a n n . W e g e n des Vorhandenseins des Stärkemehls giebt die W u r z e l beim Kochen mit Wasser eine viel consistentere, schleimige Flüssigkeit als bei der Behandl u n g mit kaltem Wasser. — Die W i r k u n g der Eibischwurzel ist ganz über-
Altheewurzel und Altlieekraut.
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einstimmend mit der W i r k u n g der schleimigen Mittel überhaupt. Sie nährt mehr als Gummi, steht aber in dieser W i r k u n g dem Leinsamen nach; dabeiist ihre Anwendung bei Entzündungskrankheiten nicht nachtheilig, wie manche Thierärzte dies glauben. Man kann sie als einhüllendes, erschlaffendes, reiz- und schmerzmilderndes Mittel überall benutzen, wo die schleimigen Mittel überhaupt angezeigt und nützlich sind. — Die Anwendung geschieht im Decoct, innerlich als Einguss oder Einspritzung und als Clystir, äusserlich als Waschung, auch als Augenwasser. Der Schleim wird bereitet, indem mau 1 Theil von der pulverisirten oder klein zerschnittenen Wurzel mit 2 0 — 3 0 Theilen Wassers bis auf die H ä l f t e einkochen, — oder, bei grosser Eile, 1 Theil des Pulvers mit 12—20 Theilen Wassers nur durch einige Minuten tüchtig schütteln lässt. Die Gabe des Decocts ist wie bei dem Leinsamenschleim. Nach Erfordern der Umstände wird es mit anderen Mitteln versetzt, und oft dient es nur zur Einhüllung derselben, z. B. des Terpenthinöls, des stinkenden Thieröls, des Kampliers, der Säuren, der Metallsalze u. dgl. Von den letzteren zersetzt der Altheeschleiin mehrere, jedoch in einem etwas geringeren Grade als Quittenschleim und arabisches Gummi, und er hat daher zuweilen vor diesen den Vorzug, wenn man Metallsalze mit schleimigen Mitteln verbunden, in Anwendung bringen will, wie z. B. den Bleizucker bei Augenentzündungen, bei schmerzhaften Gallen u. s. w. Mit den Gummiharzen verbindet sich der Altlieeschleim durch lleiben recht gut, und kann daher bei der Bereitung der Emulsionen aus diesen Mitteln das arabische Gummi und das Eigelb ersetzen. Ausserdem benutzt man die pulverisirte Altheewurzel als ein zweckmässiges Bindemittel f ü r andere Arzneisubstanzen bei der Bereitung der Latwergen und Pillen. Sie bat vor den sonst hierzu gebräuchlichen süssen Säften (dem Honig, Syrup u. a.) den Vorzug, dass sie wohlfeiler ist, besser bindet und dass die Latwergen nicht so leicht in Gälirung lind Verderbniss übergehen, als wenn sie mit diesen Mitteln bereitet sind. Auch vor dem Mehl verdient sie in dieser Hinsicht fast allgemein (aber nicht zum Binden des Chlorkalkes in Latwergen und Pillen) den Vorzug, weil dasselbe immer schmierige Latwergen macht, die sich nicht gut eingeben lassen, und die leicht in Gährung übergehen. Dagegen habe ich oft bemerkt, dass Pillen, welche mit vielem Altheewurzelpulver bereitet sind, sich im Magen sehr langsam und unvollständig auflösen. Man darf daher bei ihnen und bei Latwergen nur so viel von diesem Pulver nehmen, als eben zur Bindung nöthig ist, nämlich nur etwa ¿50,0 — 45,0 zu 1 Pfund anderer Pulver, oder 60,0—90,0, wenn Salze in ganzen Pfunden zu Latwergen oder Pillen genommen werden. (30,0 1 Sgr. 8 Pfg.) b. Das E i b i s c h - oder A l t l i e e k r a u t enthält einen ähnlichen Schleim wie die W u r z e l , jedoch nur die Hälfte der Menge, und ohne die anderen B e s t a n d t e i l e derselben. Man kann es wie die letztere und wie alle schleimige Mittel anwenden, benutzt es aber mehrentheils nur äusserlich, mit Wasser gekocht zu Breiumschlägen, oder das blosse Decoct zu Waschungen, zu Clystiren und anderen Einspritzungen. Oft wird es mit Leinsamenmehl, mit Leinkuchen, oder auch mit Bilsenkraut u. s. w. angewendet. Diese Breiumschläge haben vor denen, die aus Leinsamen oder Leinkuchen allein bestehen, den Vorzug, dass sie bei gleichem Umfange der Masse viel leichter sind und deshalb weniger belästigen. — Das Altlieekraut ist durch das wohl-
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Schwarzwurzel.
feilere Malvenkraut völlig zu ersetzen, und die Altheeblumen sind ganz entbehrlich. (30,0 8 Pfg.) 8) Schwarzwurzel, Radix Consolidae majcris s. Radix
Symphyti.
Von Symphytum ofäcinale, 5. K l a s s e 1. O r d n u n g L., F a m i l i e Boragineae.
§• 97. Sie enthält noch mehr Schleim als die Altheewurzel (nämlich 3 / 4 ihres Gewichts); derselbe ist aber mit etwas Stärkemehl, (Eiweiss J), Zucker und eisengrünendem Gerbestoff verbunden, und die Wurzel reiht sich deshalb auch in ihren Wirkungen den schleimig-adstringirenden Mitteln an. Sie ist namentlich einhüllend, reizmildernd, gelind nährend, zusammenziehend und stärkend. Durch die beiden letzteren Eigenschaften unterscheidet sie sich von der Altheewurzel, dem Leinsamen und den meisten übrigen schleimigen Mitteln (mit Ausnahme einiger Malvenarten). Ihre Anwendung ist bei denselben Krankheiten zu empfehlen, wo die schleimigen Mittel überhaupt gebraucht werden; doch passt sie nicht bei echten, sthenischen Entzündungen, und besonders nicht bei Entzündungskoliken; — wenigstens verdienen hierbei die rein schleimigen Mittel den Vorzug. Dagegen ist sie bei asthenischen schmerzhaften Entzündungen, bei dgl. Blutharnen, besonders in den ersten Stadien, und bei heftigem, ruhrartigem Durchfall ein vortreffliches Mittel, welches sich ebenso sehr durch seine Wirksamkeit, wie durch seine Wolilfeilheit und dass es fast überall zu haben ist, zum thierärztlichen Gebrauch empfiehlt. (Ist nicht officinell.) Die Gabe ist für Pferde und Rinder 30,0—60,0, für Schafe, Ziegen und Schweine 15,0—30,0, für Katzen und Hunde 2,0—4,0, alle Stunden oder bei weniger dringenden Zufällen alle 2—3 Stunden wiederholt. Man wendet sie in Abkochungen an, aus 1 Theil Schwarzwurzel und 10—15 Theilen Wasser, bis zur Hälfte eingekocht, bereitet, und nach Erfordern der Umstände noch mit anderen passenden Mitteln, z. B. bei Durchfällen und gleichzeitigen krampfhaften Schmerzen im Darmkanal mit Kamillen, mit Opium u. dgl. versetzt. Schafe sollen das Decoct freiwillig und gern saufen. Aeusserlich wirkt die gepulverte Wurzel bei Blutungen aus kleinen Gefässen blutstillend, theils indem sie die Bildung einer Kruste befördert, theils indem sie in den Gefässen und Fasern die Zusammenziehung gelind vermehrt. — Das Decoct wirkt bei Quetschungen zertheilend und schmerzstillend; es mindert in Wunden und Geschwüren die zu sehr erhöhte Reizbarkeit und dadurch auch die Neigung zum Jucken; es bessert und vermindert die zu reichliche und zu dünne Eiterung, verdichtet etwas die Granulation und befördert somit die Heilung. Die Wurzel wurde deshalb in früheren Zeiten als eins der wichtigsten Wundheilmittel betrachtet und sehr häufig gebraucht 1 . Auch kann man die Schwarzwurzel wie die Altheewurzel als Bindemittel bei der Bereitung der Latwergen und Pillen benutzen. 1 Man schrieb ihr ehedem fast wunderbar h e i l e n d e und vernarbende K r ä f t e zu , und ertheilte ihr d a v o n auch im Lateinischen den N a m e n Consolida, Symphytum, und i m D e u t schen den N a m e n B e i n w e l l .
Klettenwurzel, Malvenkraut, Wollkraut. 9) Kletten Wurzel, Radix
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Bardanae.
Von Arctium tomentosum s. Arctium Bardana, 19. Kl. 1. Ordn. L „ Farn. Aearnaceen.
§• 98. Reich an Schleim, mit Stärkemehl und etwas bitterem Harze; wirkt auf die Verdauungseingeweide kaum bemerkbar, vermehrt aber in milder Weise die Diurese. — Aeusserlich benutzt man sie zum Waschen bei Flechten, bei juckender Haut und beim Ausgehen der Haare. Die Gabe ist innerlich wie bei der Schwarzwurzel, am besten, wie auch äusserlich, als Abkochung, aus 1 Theil Wurzel und 12 Theilen Wasser oder Bier, bis zur Hälfte eingekocht, bereitet. Die frischen Klettenblätter und der aus ihnen und der Wurzel gepresste Saft wirken ähnlich und werden hin und wieder von den Landleuten bei Verbrennungen, bei Verwundungen und Geschwüren mit gutem Erfolge benutzt. (30,0 1 Sgr. 2 Pfg.) 10) Malvenkraut, Herba
Malvae.
§. 99. Die verschiedenen Malven (namentlich die rundblätterige, M. rotundifolia, und die Wald- oder wilde Malve, M. silvestris) enthalten in der ganzen Pflanze, vorzüglich aber in den Blättern, eine ziemliche Menge Schleim, der aber in der rundblätterigen Malve mit etwas zusammenziehendem Stoff verbunden ist. — Die Wirkungen des Malvenkrautes sind denen des Altheekrautes fast gleich, es ist daher auch in Gabe und Verbindung ganz wie dieses anzuwenden, hat jedoch noch vor dem Altheekraut den Vorzug, dass es leichter zu haben und viel wohlfeiler ist, da es überall wild wächst. (Nicht officinell.) Aeusserlich als Decoct (15—30 Grm. zu 240—360 Grm. Colatur) zu Waschungen, warmen Bähungen und Einspritzungen, als Brei zu Umschlägen. Die Malvenblumen enthalten ausser dem Schleim etwas farbigen Extractivstoif, wirken schwächer als das Kraut, und sind gänzlich zu entbehren. Jl) Wollkraut, Künlgskerzenkraut (und Blumen), IJerla
et Mores
Verbasci.
Von Verbascum Thap6us, 5. Kl. 1. Ordn., Fam. Personatae.
§. 100. Die Blätter des Wollkrauts besitzen ziemlich reinen Schleim, die Blüthen etwas fettes Oel, Schleimzucker und einige andere Bestandtheile in geringer Menge. (Beide nicht officinell.) a. Die ersteren können als ein sehr wohlfeiles Ersatzmittel für Leinsamen, Altheekraut u. s. w., besonders zum äusserlichen Gebrauch dienen, wo sie im Decoct oder als Breiumschlag angewendet werden. Die Gabe und Verbindung mit anderen Mitteln ist wie bei dem Altheekraut. b. Die Wollkrautblumen wirken gelind erregend auf die Schleimhaut der Respirationsorgane, und befördern daselbst die Absonderungen. Sie sind gegen Katarrh und Husten, jedoch vorzüglich nur bei kleinen Hausthieren
Mehl.
64
und nur als w o h l f e i l e s H a u s m i t t e l in A n w e n d u n g zu b r i n g e n , übrigens zu entbehren. —
aber
M a n g i e b t f ü r K a t z e n und H u n d e '2,0—4,0, mit 8 T h e i l e n
heissen W a s s e r s infundirt und gut durchgeseiht, t ä g l i c h vier- bis sechsmal. Anmerkung.
M e h r e r e a n d e r e s c h l e i m h a l t i g e M i t t e l , w i e z. B. der F l ö h s a m e n
fSemen
I'sylliJ, das Hu f l a 11 i g k r au t flleria Tussilaginis), das B ä r e n t rau b en k r au t und die Wurzel (Htrba et Iladix JSrancae wsinaej, das L o a g e n k r a u t fllerba Puhnonariae) u. a. sind ganz entbehrlich. D a g e g e n kann man a l s w o h l f e i l e s H a u s m i t t e l , b e s o n d e r s auf dem L a n d e , z u w e i l e n d e n S i n d e r k o t h , K i n d e r m i s t fStercus boum s. vaccarumj benutzen. D e r s e l b e e n t h ä l t i m f r i s c h e n Z u s t a n d e ausser anderen U e b e r r e s t e n des genossenen F u t t e r s auch eine M e n g e P f l a n z e n s c h l e i m , und z u g l e i c h thierischen S c h l e i m aus d e m D a r m k a n a l . E r w i r k t sehr e r w e i c h e n d , und kann zum ä u s s e r l i c h e n G e b r a u c h ü b e r a l l a n g e w e n d e t w e r d e n , w o B r e i u m s c h l ä g e v o n s c h l e i m i g e n M i t t e l n n ö t h i g sind. D o c h w i r d er fast nur a l l e i n zu U m s c h l ä g e n auf H u f e und K l a u e n , b e i Q u e t s c h u n g e n und E n t z ü n d u n g e n , w i e auch b e i zu g r o s s e r T r o c k e n h e i t und S p r ö d i g k e i t d e r s e l b e n , und b e i zu g e r i n g e m W a c h s t h u m des Horns angewendet. E r e r w e i c h t hier das H o r n , m i n d e r t die R e i z u n g und E n t z ü n d u n g und t r ä g t auch zur B e f ö r d e r u n g der E i t e r u n g bei. — M a n w e n d e t ihn z u w e i l e n m i t d ü n n e m L e h m b r e i g e m e n g t an. E r hat v o r dem blossen L e h m den V o r z u g , dass er l ä n g e r feucht b l e i b t , m e h r e r w e i c h t , und sich nicht in so harte B a l l e n unter der S o h l e z u s a m m e n b a l l t , wie jener. E r muss g e w ö h n l i c h durch l ä n g e r e Z e i t f o r t g e s e t z t , a b e r t ä g l i c h m i t f r i s c h e m g e w e c h s e l t und o f t m i t k a l t e m W a s s e r b e g o s s e n w e r d e n .
Dritte
Abtheilung.
Mehl- u n d stärkemehlhaltige Mittel.
(Med. farinosa
et antylacea.)
§. 1 0 1 . D a s M e h l (Farina)
findet
sich als ein natürlicher Bestandtheil
in den
Samen der Gras- und Getreidearten, in v i e l e n H ü l s e n f r ü c h t e n und in manchen W u r z e l n und K n o l l e n . Stärkeniehl
E s hat als nähere B e s t a n d t e i l e
oder K r a f t m e h l
und den K l e b e r
hältniss, und nebenbei Pflanzeneiweiss (Fibrin,
hauptsächlich das
in verschiedenem V e r -
Casein, Lajumin),
Zucker, D e x -
trin und Schleinisubstanzen. a. D a s S t ä r k e m e h l Körnchen,
die
aus einer
liegt in den P f l a n z e n z e l l e n in k l e i n e n
(Amylum)
ebenfalls aus S t ä r k e m e h l in feinen Schichten be-
stehenden H ü l l e und im g a n z frischen Zustande aus einem dickflüssigen I n halt g e b i l d e t sind.
M a n g e w i n n t es durch E i n w e i c h e n , A u s k n e t e n und A u s -
waschen der m e h l h a l t i g e n G e t r e i d e s a m e n , W u r z e l n , in denen es neben K l e b e r , ist.
der K a r t o f f e l n u. a. K n o l l e n
Schleim u. s. w . v o n der N a t u r
und
erzeugt
D a s A m y l u m erscheint als ein weisses P u l v e r , das in A l k o h o l und k a l t e m
W a s s e r unlöslich ist, mit heissem W a s s e r eine schleimige F l ü s s i g k e i t bildet, die beim E r k a l t e n zu einem g a l l e r t a r t i g e n K l e i s t e r w i r d ; durch v e r d ü n n t e S c h w e f e l s ä u r e w i r d es in D e x t r i n ( S t ä r k e g u m m i ) , bei l ä n g e r e r E i n w i r k u n g der Säure in S t ä r k e z u c k e r v e r w a n d e l t .
A e t z k a l i l a u g e w i r k t auf S t ä r k e m e h l
w i e heisses W a s s e r ; K a l k , B a r y t , B l e i o x y d g e b e n m i t ihm unlösliche V e r b i n dungen.
A u f d i e meisten M e t a l l s a l z e
verhält sich Stärkemehl
indifferent.
D u r c h J o d in grösserer M e n g e w i r d es schwarzblau, in g e r i n g e r e r M e n g e aber v i o l e t g e f ä r b t , und G a l l ä p f e l t i n c t u r macht aus S t ä r k e a b k o c h u n g einen blass-
Stärkemehl, Mehl.
65
gelben Niederschlag. Alkohol, Aetlier, ätherische und fette Oele haben keine W i r k u n g a u f das Stärkemehl. Diese Eigenschaften finden sich in j e d e r Art von S t ä r k e m e h l fast ganz übereinstimmend, so dass dasselbe in den verschiedenen Pflanzen von gleichartiger Beschaffenheit zn sein scheint. E s reagirt weder sauer noch alkalisch, und es besteht chemisch aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff ( C 1 2 H 2 0 O 1 0 ) . Bei der Anwendung auf den Thierkörper wirkt das reine Stärkemehl innerlich als ein mildes, leicht verdauliches Nahrungsmittel. E s wird hierbei durch den Speichel schon im Maule, noch mehr aber im D a r m in Gummi (Dextrin) und T r a u b e n z u c k e r umgeändert 1 . Oertlich wirkt es, mit W a s s e r in V e r b i n d u n g , erschlaffend, reizmildernd, wie die schleimigen M i t t e l ; als Pulver wirkt es gelind austrocknend ohne zu reizen. Man benutzt es als ernährendes Mittel bei schon etwas geschwächter Verdauungskraft, wo es nicht so leicht die Beschwerden wie das Mehl e r r e g t ; namentlich giebt man es bei dem S t a r r k r a m p f , bei L ä h m u n g e n , bei erschöpfenden Durchfällen u. s. w., entweder mit 1 2 — 1 6 T h e i l e n warmen Wassers abgerührt, oder mit 2 0 — 2 5 Theilen desselben gekocht, als Einguss oder Clystir, oder auch iu Latwergen und als Bissen. — Als Arzneimittel benutzt man es innerlich und äusserlich wegen seiner einhüllenden u. a. W i r k u n g e n bei E n t z ü n d u n g e n , Maulweh (§§• 7 7 > ^ 2 ) , bei Verbrennungen, A n ä t z u n g e n u . dgl. statt der schleimigen Mittel, denen es aber bei Vergiftungen mit Metallsalzen nachsteht, weil es diese Salze nicht zersetzt oder unlöslich macht. Dennoch ist es gegen Subliinatvergiftungen empfohlen. — D i e Gabe ist für Pferde und Kinder 6 0 , 0 — 1 2 0 , 0 , für S c h a f e , Ziegen und Schweine 1 5 , 0 — 6 O , 0 , für Hunde 8 , 0 — 1 5 , 0 täglich 6 — 8 Mal. Zu Clystiren nimmt man für die grossen Tliiere 1 5 , 0 — ; J 0 , 0 , für die kleinen Tliiere 2 , 0 — 8 , 0 . E s wird auch als Bindemittel für andere Arzneistoffe bei der Bereitung der Pillen und Latwergen, und zum Ausfüllen der Kastrirkluppen, oder vielmehr zur Aufnahme des in die Kinne derselben gebrachten Aetzmittels benutzt. b. D e r K l e b e r , Getreide- oder Weizenstoff (Gluteu veijetabilf', Colla, J'hgtocdla), enthält ausser K o h l e n - , W a s s e r - und Sauerstoff auch Stickstoff, scheidet sich durch Auswaschen des Mehls der Getreidearten u. s. w. von dein Stärkemehl, ist eine zähe, stark klebende Masse, löst sich in kaltem W a s s e r sehr wenig auf, fault leicht und verhält sich dann dem faulen K ä s e ä h n l i c h ; auf mehrere Metallsalze wirkt er zersetzend; mit Stärkemehl und W a s s e r g e m e n g t , bildet er bei mittlerer Temperatur der L u f t Dextrin und Zucker. E r ist daher in dein gewöhnlichen Mehl ein mehr nährender Bestandtheil, wird aber für sich allein nicht benutzt. §• 1 0 2 . Das M e h l wirkt seinen B e s t a n d t e i l e n entsprechend. E s wird bei innerlicher Anwendung von allen T h i e r e n verdaut, dabei grösstentheils in Traubenzucker (Stärkezucker) umgebildet, und es nährt reichlich, besonders in der R i c h t u n g der Fettbildung. D i e mehligen Mittel gehören deshalb zu den wichtigsten Nahrungsmitteln, besonders für pflanzenfressende T l i i e r e ; aber auch die Fleischfresser können dabei gut bestehen, und z w a r , wie es 1
S,
ISO
T i e de m u.
n 11
und
G n i o l i n ,
die
Verdauung;
nucli
Versueliun.
Heidelberg
1'.
IIi;II 1 kVH., Arzueiluiltellehr.:
... AhiIul'c
,
1820
66
Mehl,
Weizen.
scheint, um so mehr, j e reicher diese Mittel an Kleber sind, da dieser sich in m e h r f a c h e r H i n s i c h t der thierischen Gallerte ähnlich zeigt. Doch verlangen die mehligen Mittel immer noch wenigstens einen massigen G r a d von Verd a u u n g s k r a f t ; denn wo diese zu sehr gesunken ist, gehen sie im Magen und D a r i n k a n a l leicht in sauri? G ä h r u n g ü b e r , wo sie d a n n S ä u r e , -Blähungen, Verschleiniung und als weitere Folge selbst K r ä m p f e und Koliken verursachen k ö n n e n . Diese nachtheiligen W i r k u n g e n entstehen besonders d a n n , wenn bei schwacher V e r d a u u n g die mehligen Mittel zu reichlich und zu anhaltend, ohne gehörige B e i m e n g u n g anderer N a h r u n g s m i t t e l gegeben werden. — Oertlich zeigen sie die einhüllende, a b s p a n n e n d e und reizmildernde "Wirkung der indifferenten Mittel, stehen aber darin den schleimigen Mitteln nach. — Auf m e h r e r e Metallsalze, namentlich auf Quecksilber-Sublimat und Kupfersalze w i r k e n diese Mittel zersetzend, und gehen mit ihnen schwer lösliche Verb i n d u n g e n ein. Sie zeigen diese W i r k u n g um so m e h r , j e reicher sie an K l e b e r sind.
Die mehligen Mittel sind indicirt in K r a n k h e i t e n , wo allgemeine Schwäche und A b m a g e r u n g besteht, und besonders, w e n n diese Zustände durch vorausg e g a n g e n e n N a h r u n g s m a n g e l , durch übermässige A n s t r e n g u n g , durch Säfteverlust, durch F i e b e r u. s. w. entstanden sind. D a g e g e n darf m a n sie nicht a n w e n d e n , wenn der Bildungsprocess stärker als im normalen Zustande herv o r t r i t t ; daher nicht bei E n t z ü n d u n g e n und bei Fiebern mit athenischem Character. — W o Schwäche und Torpidität, oder entgegengesetzt, ein hoher G r a d von .Reizbarkeit im Magen und D a r m k a n a l zugegen ist, dürfen sie nur vorsichtig a n g e w e n d e t werden. — I h r e r örtlichen W i r k u n g wegen benutzt man diese Mittel innerlich bei V e r g i f t u n g e n durch scharfe, besonders durch metallische Substanzen, bei Durchfällen, bei der H a r n r u h r und bei dem asthenischen B l u t h a r n e n ; iiusserlich bei E n t z ü n d u n g e n und E x c o r i a t i o n e n , um einzuhüllen und zu erschlaffen, oder auch um die E i t e r u n g zu befördern. A u c h dient das Mehl als Bindemittel und zur E i n h ü l l u n g anderer Medic a m e n t e , ist jedoch nicht fiir alle F ä l l e p a s s e n d ; denn es macht mehreutheils die L a t w e r g e n etwas kleisterig, so dass sie sich nicht so gut eingeben lassen, wie die mit Altheewurzelpulver bereiteten; es befördert die G ä h r u n g und d a d u r c h das Verderben der A r z n e i e n , und macht viele Metallsalze zum T h e i l oder g a n z unwirksam. 1) Weizen, Tritictnn, ISemea
Tritici.
Von Tritiuuin siUivuin, j. Kl. 2. Ordn., Farn, der Giüser. §• 104. Die W e i z e n k ö r n e r enthalten ein sehr feines, weisses M e h l , welches aus S t ä r k e m e h l ( 5 0 — 7 5 Proc.) und aus K l e b e r ( 1 1 — 0 8 Proc.) besteht, somit an X a h r u n g s g e h a l t reicher ist, als das aus den übrigen Getreidearten, deshalb a m meisten n ä h r t , aber auch leicht säuert. Als Nahrungsmittel wird der W e i z e n wenig benutzt, weil er im Allgemeinen zu tlieuer lind ausserdem f ü r P f e r d e etwas schwer verdaulich ist. Beides gilt auch von dein W e i z e n m e h l e (l'ariua Tritk-i). .Man giebt dasselbe k r a n k e n , sehr s c h w a c h e n T h i e r e n
Weizen.
67
unter den in § § . 1 0 2 , 1 0 3 bezeichneten Umständen (Pferden u. Rindern gegen 3 6 0 , 0 — 1 0 8 0 , 0 , S c h a f e n , Ziegen und Schweinen 1 8 0 , 0 — 5 4 0 , 0 , Hunden nach ihrer Grösse, 6 0 , 0 — 1 8 0 , 0 pro T a g ) , gewöhnlich mit Wasser zu.sammengerührt als Mehltrank, welchen sie gern saufen, der aber in reinen Gelassen recht oft erneuert werden muss, weil er bald sauer wird. Als Heilmittel wendet man dünnflüssige Mehltränke, als sogenanntes Maulwasser bei dem Maulweh an, und zwar bei heftigen Schmerzen rein oder mit Milch oder S a h n e g e m e n g t , später, und bei üblem Geruch aus dem M a u l e , mit Zusatz von etwas E s s i g oder S a l z s ä u r e , Kochsalz oder S a l m i a k . — Als Bindemittel benutzt gilt das hierüber vom Mehl im Allgemeinen Angegebene (§. 1 0 3 ) . — D a s über dem F e u e r braun geröstete Mehl enthält empyreumatischeBestandtheile und wirkt zugleich gelind reizend. E s ist bei Eingeweidewürmern empfohlen. — D a s W e i z e n m a l z wirkt fast ähnlich, ist aber durch seinen Gehalt an Z u c k e r und Gummi noch mehr auflöslich und leicht verdaulich. E s kann bei grosser Schwäche, bei Cachexie, Diarrhöe und dergl. Zuständen nützlich sein. Gabe, wie vom Mehl. W e i z e n - S t ä r k e m e h l verhält sich wie das Stärkemehl überhaupt. — Das W e i z e n b r o t ist mehr nährend und leichter verdaulich als das Weizenmehl, da dasselbe durch die Brotgährung und durch das B a c k e n bedeutend umgewandelt i s t ; es wird aber, des Preises wegen, nur für kleine Haustliiere, denen man einen eingebildeten W e r t h b e i l e g t , als Nahrungsmittel benutzt. Aeusserlich ist es, mit W a s s e r oder Milch zu einem Brei gekocht, als ein erweichender, schmerzstillender Umschlag zu gebrauchen. D i e W e i z e n k l e i e (Furjur Tritivi) enthält die bei dem Mahlen der W e i z e n k ö m e r von dem Mehl getrennten Hülsen derselben, in Verbindung mit K l e b e r und mit noch einer geringen Menge Mehl. S i e ist ziemlich leicht verdaulich, nährt aber für sich allein nur wenig, erschlafft die Verdauungseingeweide, verursacht bei Pferden, die an ihren Genuss nicht gewöhnt sind, in der ersten Zeit einen mehr weich und locker abgehenden Kotli, zuweilen selbst L a x i r e n , und reichlich gefüttert veranlasst sie oft Unverdauliclikeit und K o l i k . P f e r d e und Kinder werden zwar bei starker Kleifütterung und bei weniger A r b e i t , gewöhnlich recht wohlbeleibt und ansehnlich; sie haben aber dabei schlaffe Fasern und sehr lockeres aufgedunsenes Zellgewebe, und ermatten und schwitzen viel leichter als bei Körnerfutter. D i e W i r k u n g der K l e i e als Nahrungsmittel ist daher der W i r k u n g der schleimigen Mittel sehr ähnlich. — Sie ist wegen ihres geringen Nahrungsgehaltes bei E n t z ü n d u n g s k r a n k h e i t e n , und wenn das K a u e n und Schlucken des Körnerfutters und des Heues erschwert ist, wie z. B . bei D r u s e , bei Halsentzündung, bei schmerzhaftem H u s t e n , bei Verwundungen im Maule, auch bei Hartleibigkeit und dergl. anzuwenden. — M a n g i e b t sie am besten mit etwas Wasser angefeuchtet und oft auch m i t H ä c k sel gemengt zum F u t t e r ; oder in W a s s e r eingerührt als G e t r ä n k (Kleitrank). — Beides muss, besonders im S o m m e r , oft erneuert werden, weil es leicht sauer wird. — Mit W a s s e r gekocht und durchgeseiht, giebt die K l e i e eine schleimige F l ü s s i g k e i t , die recht gut zu Clystiren zu benutzen ist, und mit warmem Wasser zum B r e i gemacht, ist sie zu erweichenden Umschlägen, besonders am Hufe, sehr brauchbar, und ihrer Wohlfeilheit wegen dem Altheekraut, Leinsamen u. s. w. vorzuziehen.
5*
Gerste.
68 2) (irrste,
llordeum,
Saarn
Hordel.
Von llordcum vulgare, II. distichon, II. liexastichon, 3. Kl. 2- ürdii. L., Fam. d. Uriiser. ¿5.
105.
D i e K ö r n e r d e r G e r s t e e n t h a l t e n nacli E i n h o t G7 P r o c . S t ä r k e m e h l und Kleber, nach P r o u s t 87 Proc. Stärkemehl und G e r s t e s t o f f (Hordew) in so i n n i g e r V e r b i n d u n g , dass diese Stoffe a u f die g e w ö h n l i c h e W e i s e d u r c h blosses W a s s e r nicht v o n e i n a n d e r zu scheiden sind. U n t e r g e e i g n e t e n U m s t ä n d e n w a n d e l t sich ein grosser T h e i l dieser Stoffe in D e x t r i n u n d Z u c k e r u m ; sie ist d a h e r w o h l s t a r k n ä h r e n d , aber s c h w e r v e r d a u l i c h , u n d da sie in V e r b i n d u n g mit F e u c h t i g k e i t leicht u n d schnell in s a u r e G ä l i r u n g ü b e r g e h t , so e r z e u g t sie die bei d e n m e h l i g e n M i t t e l n im A l l g e m e i n e n u n d bei d e r W e i z e n k l e i e a n g e g e b e n e n V e r d a u u n g s f ' e h l e r sehr leicht. S i e passt d a h e r als N a h r u n g s m i t t e l n u r f ü r solche P f e r d e , die g e s u n d e u n d k r ä f t i g e V e r d a u u n g s o r g a n e besitzen. D e n n o c h w i r d sie als P f e r d e f u t t e r in m a n c h e n G e g e n den sehr h ä u f i g u n d im O r i e n t fast a l l g e m e i n b e n u t z t , u n d a u c h in m a n c h e n G e s t ü t e n d e n e d l e n H e n g s t e n , besonders w ä h r e n d u n d n a c h d e r Beschälzeit gegeben. M a n niuss j e d o c h bei i h r e m G e b r a u c h v o r s i c h t i g , n a c h u n d n a c h bis z u r vollen K a t i o n s t e i g e n , u n d sie a m besten im g e q u o l l e n e n Z u s t a n d e ( 1 2 — 2 4 S t u n d e n in W a s s e r g e w e i c h t ) g e b e n . Nach W a l d i n g e r ' s Ang a b e 1 b e n u t z e n sie die P f e r d e h ä n d l e r , u m ihre P f e r d e b a l d dickleibig zu m a c h e n ; sie n e h m e n G e r s t e n s c h r o t , b e a r b e i t e n dasselbe m i t vielem W a s s e r , seihen d a n n n a c h einer h a l b e n S t u n d e d a s F l ü s s i g e a b u n d g e b e n es als T r a n k , d a s ü b r i g e G r ö b e r e aber m i t H ä c k s e l g e m e n g t z u m F u t t e r . Solche P f e r d e fallen d a n n beim H a f e r f u t t e r w i e d e r a b , m i s t e n im A n f a n g e weich, schwitzen u n d e r m a t t e n sehr leicht. Dem Rindvieh, den Schafen und S c h w e i n e n gereicht d a g e g e n die F ü t t e r u n g mit g e q u e l l t e r oder mit geschrot e n e r G e r s t e , u n d d e r d a r a u s b e r e i t e t e T r a n k bei u n d n a c h a s t h e n i s c h e n K r a n k h e i t e n zu einem d e r besten N a l i r u n g s - u n d S t ä r k u n g s m i t t e l , w e l c h e s a u c h z u m M ä s t e n f ü r sie mit N u t z e n g e b r a u c h t w i r d . — A l s H e i l m i t t e l w i r d d i e G e r s t e vom V o l k e g e r n z u D a m p f - oder D u n s t b ä d e r n bei k a t a r r h a lischen K r a n k h e i t e n (bei D r u s e , S t r e n g e l , B r ä u n e u n d L u n g e n k a t a r r h ) in d e r P e r i o d e d e r e n t z ü n d l i c h e n R e i z u n g b e n u t z t , u m die T r o c k e n h e i t u n d S p a n n u n g der S c h l e i m h a u t zu m i n d e r n u n d die A b s o n d e r u n g des S c h l e i m s zu b e f ö r d e r n . M a n k o c h t sie f ü r diesen Z w e c k m i t W a s s e r bis die K ö r n e r a u f p l a t z e n , lässt die F l ü s s i g k e i t etwas a b k ü h l e n u n d d a n n ihren m a s s i g w a r m e n D u n s t e i n a t h m e n , i n d e m m a n gleichzeitig d e n K o p f u n d H a l s d e r Tliiere v o n oben h e r m i t einer D e c k e b e d e c k t . D i e so b e r e i t e t e n D ä m p f e e n t h a l t e n a b e r k e i n e n a u f g e l ö s t e n Schleim, wie m a n sonst irrtliiimlich g l a u b t e , s o n d e r n sie w i r k e n allein d u r c h F e u c h t i g k e i t u n d W ä r m e . — G e r s t e n m e h l besitzt d i e E i g e n s c h a f t e n d e r G e r s t e u n d ist wie d a s W e i z e n m e h l z u ben u t z e n . — G e r s t e n m a l z ( M a l t u m Hordei) e n t h ä l t v i e l , d u r c h den K e i m u n g s p r o c e s s gebildetes D e x t r i n u n d Z u c k e r ; es ist leicht v e r d a u l i c h , d a h e r noch m e h r n ä h r e n d als die rohe G e r s t e , u n d im b r a u n e n Z u s t a n d e ist es etwas m e h r e r r e g e n d als die letztere u n d als das W e i z e n m a l z . M a n giebt es als N a h r u n g s m i t t e l s c h w a c h e n P f e r d e n u n d R i n d e r n zu 1 P f u n d , täglich 1
¿¡¡ilmiu^s- und Iloilmittillelire. S. S3.
Gerste, Roggen.
60
3 — 4 Mal. Bei D u r c h f ä l l e n , die nicht mit v e r s t ä r k t e r R e i z b a r k e i t v e r b u n d e n s i n d , mindert es die E n t l e e r u n g e n , besonders w e n n es b r a u n geröstet ist. So ist es auch bei der F ä u l e und bei den L u n g e n w ü r m e r n der S c h a f e , w e n n das Uebel noch nicht zu weit gediehen i s t , g a n z vorzüglich wirksam. F ü r f ü n f z i g Schafe lässt man J / 4 Scheffel braun geröstetes Malz in 6 0 Q u a r t W a s s e r bis zum W e i c h w e r d e n k o c h e n , setzt d a n n 2 P f u n d W a c h h o l d e r beerenpulver und 2 Lotli Eisenvitriol h i n z u , u n d giebt das G a n z e nach dem E r k a l t e n zum G e t r ä n k . — D a s B i e r (Cerevisia), durch das B r a u e n aus dem Malze der verschiedenen Getreidearten, vorzüglich aber aus dem Gerstenmalz bereitet, enthält n ä h r e n d e Bestandtheile in V e r b i n d u n g mit etwas Spiritus, und gewöhnlich auch mit zugesetzten b i t t e r e n , aromatischen Stoffen. E s w i r k t n ä h r e n d u n d s t ä r k e n d u n d k a n n e n t k r ä f t e t e n T h i e r e n , z. B. zur Zeit der G e b u r t , w e n n die W e h e n zu schwach s i n d , und in ä h n l i c h e n F ä l l e n gegeben werden. M a n kocht es mit Brot u n d setzt nach Bediirfniss der U m stände aromatische M i t t e l , Branntwein oder W e i n hinzu. — B i e r h e f e n , siehe K o h l e n s ä u r e , I X . Klasse. — Die nach dem B r a u e n zurückbleibenden T r e b e r n oder die S e i h e geben f ü r K ü h e , Schweine, Schafe u n d Geflügel ein brauchbares, der Kleie ähnliches F u t t e r , welches aber sehr leicht säuert. 3 ) Roggen, Nceltli-, ¡Semen
tiecalis.
Vun Scculc i-ercalo und aestivum, 3. KI. ü. Ordn. L., Fani. d. Griiser. 10«. D e r Roggen (das Korn) enthält, nach E i n h o f , au S t ä r k e m e h l 61, und Uli K}gb,o, f ü r Schafe und Schweine 2,0—4,0, f ü r H u n d e 0,C—1,0, täglich 3 — 4 Mal. — Das Mittel lässt sich gleichinässig gut in L a t w e r g e n , in Pillen und in flüssiger F o r m anwenden. Man giebt es selten allein, sondern in Verbindung mit bitteren und aromatischen Arzneien, bei hartnäckigen Diarrhöen auch mit Opium, Bilsenkraut, gebrannter Magnesia u. a. Alkalien versetzt. Englische T h i e r ä r z t e empfehlen in solchen F ä l l e n , wo mit dem Durchfall zugleich ein gereizter Zustand des Darnikanals und übermässige Säurebildung in demselben besteht, eine Verb i n d u n g aus Oateclm (für Rinder etwa 8,0—12,0), < Ipium (2,0—4,Uj und g e b r a n n t e m K a l k (30,0, besser Magnesia oder Kreide), — täglich 2 — 3 Mal wiederholt zu geben Anmerkung. D e m Cateclin in d e r B e s c h a f f e n h e i t und W i r k u n g ä h n l i c h ist « ) das K i n o ((hnnmi Kino), u n d b) (las I ) r a cli e 11 b 1 u l (Sanyvis JhaconisJ ; s i e s i n d j c i l o e h e n t b e h r l i c h u n d z u t h e u e r . D a s l e t z t e r e d i e n t j e d o c h a l s ein B c c t a n d t h e i i d e s s o g e n a n n t e n C 0 s in e ' s e i l e n P u l v e r s ( s i e h e A r s e n i k ) . F e r n e r : ithylli), das l l a i d e k r a u t (II. Eric/u enhj.), 1
The Veterinarian.
1 8 3 0 . J a n u a r S. 4 5 , 4G.
Ulmenrinde, Grindwurzel.
115
die H a u h e c h e l (II. Onmridis spinosae), die K a t z e n p f ö t c h e n (Pisskraut) (Flores et llerba Gnajihalii, beide urintreibend), verschiedene Species der Gnaphalien, M e e r n e l k e , Kraut und Wurzel (II. et Radix Statices Armeriae), O d e r m e n n i g e (II. Agrimoniae), S a n i k e l k r a u t (IL Sunkulae), S i l b e r k r a u t (II. Potentillae argenteae), S t o r c h s c h n a b e l , gefleckter (II. Geranii •maculati), majoris).
taube Nessel
(Lamhtm
album),
und W e g e b r e i t
B. S c h l e i m i g e a d s t r i n g i r e n d e
(H.
Plantaginis
Mittel.
Schleim und Gummi findet sich in geringer Menge neben der Gerbsäure in vielen Pflanzen, jedoch, dieser geringen Quantität wegen, ohne wesentliche Bedeutung für die Wirksamkeit derselben. In grosser Menge sind schleimige Bestandtheile neben den adstringirenden nur in wenigen Vegetabilien vorhanden. Die letzteren sind bei ihrer Anwendung auf den thierischen Organismus von der im Allgemeinen bezeichneten adstringirenden Wirkung darin etwas abweichend, dass die örtliche Einwirkung auf die unmittelbar berührten Stellen etwas milder ist als von den Mitteln der ersten Abtheilung. Auch scheinen sie eine besondere Beziehung zu den Nieren zu haben, denn sie vermehren auf gelinde Weise die Urinsecretion. Sie sind wenig im Gebrauch und völlig entbehrlich. 7) Dlmenrinde, lllmenbast, Cortex ülmi interior. (o) Von XJlmus campeatriB u. U. effusa, 5. Kl. 2. Ordn., Familie der Ulmaceae.
§. 176. Der innere Theil der Rinde (der Bast) der Ulmus campestris enthält (nach R i n c k ) in 18 Unzen = 540 Gramm mehr als 14,0 Gerbsäure, gegen 55,0 gummigen Extractivstofif u. s. w., und wirkt massig adstringirend, die Absonderung der Schleimhäute und eiternder Flächen vermindernd, die des Urins aber gelind vermehrend. Sie kann nach den allgemeinen Indicationen der adstringirenden Mittel angewendet werden, scheint aber bei Diarrhöe, Ruhr und Wassersuchten mit asthenischem Character den Vorzug vor den rein adstringirenden Mitteln zu verdienen. Auch ist sie bei veralteten Hautausschlägen empfohlen. — Man giebt sie Pferden und Rindern zu 60,0—120,0, Schafen und Schweinen zu 30,0—60,0, Hunden zu 1,0—4,0 täglich 2—3 Mal, am besten im Decoct. — Aeusserlich ist die Ulmenrinde wie die adstringirenden Mittel überhaupt zu benutzen. L a u b e n d e r hat das Decoct (30,0 zu 180,0 Colatur) als Waschmittel gegen die Räude der Hunde empfohlen, — wo es aber nichts leistet. 8) Grllldwurzel, Radix Lapathi facutij. fo) Von dem spitzblätterigen Ampfer, Rumex acutus, 6. Kl. 3. Ordn., Familie der Polygoneen.
§. 177. Als wirksame Bestandtheile enthält sie Gerbstoff, einen eigenthümliehen Stoff (liumicin oder Lapatldn), Harz, Stärkemehl, mit kratzendem Bitterstoff und mit Schleim. Sie wirkt zusammenziehend, dadurch stärkend, auch urin-
116
Adstringirende Mittel.
treibend. I n der tonischen Wirkung steht sie der Weidenrinde ziemlich nahe. Thierarzt S c a l l e r ö d 1 fand sie den Wirkungen des Enzians ähnlich, was aber nicht richtig ist, sie unterscheidet sich von ihm durch ihren Gehalt an adstringirendem Princip und durch die hierdurch erzeugte stärkere Zusammenziehung der Fasern, und durch die reizende Einwirkung auf die Urinv/erkzeuge. V i t e t 2 hält die letztere für die Hauptwirkung der Wurzel, und diese selbst als ein gefährliches Mittel für Schafe, giebt jedoch keinen Grund f ü r diese Behauptung an. Dieselbe ist als ein wirksames stärkendes Mittel bei Schwäche und Unthätigkeit der Verdauungseingeweide, bei chron. Katarrh (veralteter Druse) und Husten, bei Diarrhöe und dgl. zu benutzen. Gegen Flechten, Räude und Wurm ist sie seit alten Zeiten als ein Specificum innerlich und äusserlich gebraucht worden 3 . V i t e t schreibt hierbei ihre heilsame W i r k u n g der urintreibenden Kraft allein zu, jedoch wohl mit Unrecht, da sie auch durch Besserung der Verdauung und Säftebereitung zur Heilung beitragen könnte. Ihr Nutzen bei Räude, Rotz und Wurm ist aber höchst zweifelhaft. Zum innerlichen Gebrauch giebt man die getrocknete WTurzel für Pferde und Rinder zu 30,0—60,0, für Schafe und Schweine zu 12,0—24,0, f ü r Hunde zu 2,0—6,0 täglich 2 — 3 Mal. Von der frischen Wurzel giebt man die drei- bis vierfache Menge auf einmal. Man kann sie in Latwergen, Pillen oder Abkochungen (die frische Wurzel gequetscht) anwenden, und mit Wachholderbeeren, mit Kalmus, Schwefel oder mit Spiessglanz-Präparaten verbinden. Aeusserlicli wendet man die Wurzel bei Flechten und Räude sowohl als Waschmittel wie auch in Salben an. Zu den ersteren benutzt man Abkochungen, die entweder einfach mit Wasser, Bier, Essig oder Aschenlauge (30,0 von der Wurzel zu 360,0 Flüssigkeit) bereitet sind, oder zu denen man noch andere Mittel hinzusetzt; z. B. nach K e r s t i n g ' s Vorschrift: zerschnittene Grindwurzel, zerschnittenes Schöllkraut und Wurzel, von jedem 4 H ä n d e voll, Alaun 120,0, Essig 2 1 / :i Liter (2 1 3 Kilogr.), kocht alles zusammen durch eine halbe Stunde und seihet die Flüssigkeit durch. Damit werden die räudigen Stellen täglich einmal, und durch 5—6 Tage wiederholt gewaschen. Die Salben werden gleichfalls entweder einfach aus der pulverisirten Wurzel mit Schweinefett zu gleichen Theilen, oder mehr complicirt mit Zusatz von Schwefel, von schwarzer oder weisser Nieswurz, von Lorbeeren und dgl. bereitet. Anmerkung. Mit den H e i l k r ä f t e n der W u r z e l des s p i t z b l ä 11 e r i g p f e r s k o m m e n die W u r z e l n von m e h r e r e n a n d e r e n A m p f e r a r t e n g r ö s s t e n t e i l s n a m e n t l i c h v o m W a s s e r a m p f e r f i ? . aqnaticusJ, vom s t u m p f b l ä t t e r i g e n (Ii. obtusifolius.) u n d vom G e m ü s e a m p f e r (R. PatientiaJ, und dieselben sind ähnlicher Benutzung geeignet.
C. B i t t e r e a d s t r i n g i r e n d e
e n Amüberein, Ampfer d a h e r zu
Mittel.
Sie besitzen neben der Gerbsäure einen bedeutenden Antheil von eigent1 2 8
V e t e r i n . S e l s k a b . S k r i f t . 1. D e e l . S. 329. a. a. 0 . S. 192, 193. D a h e r der deutsche N a m e : „Grindwurzel"'.
Weidenrinde.
117
lieh bitterm Extractivstoff und einige auch noch andere, dem bittern v e r w a n d t e Bestandtheile. D u r c h diese V e r b i n d u n g ist die W i r k s a m k e i t der hierher gehörigen Mittel in der A r t modificirt, dass sie mehr als die rein adstringirenden Arzneisubstanzen die V e r d a u u n g und Assimilation befördern, die Blutbildung begünstigen, dabei aber auch stark contrahiren und die Secretion b e s c h r ä n k e n . 9) Weldcnrinde, Cortex
Salicis.
V o n m e h r e r e n W e i d e n a r t e n , b e s o n d e r s v o n der L o r b e e r w e i d e o d e r f ü n f m ^ n n i g e n W . , S a l i x p e n t a n d r a , und v o n der B r u c h w e i d e , S. f r a g i l i s , 22. K l . 2. O r d n . , F a m . S a l i c i n e a e .
§. 178. I n der Rinde aller inländischen W e i d e n a r t e n , vorzüglich aber in den genannten, ist neben der eisengrünenden Gerbsäure ( 3 — 1 6 Proc.) ein krystallisirbarer, anhaltend bitter schmeckender, e i g e n t ü m l i c h e r Stoff in ziemlicher Menge enthalten. Ausserdem etwas H a r z , Gummi, Farbestoff u. s. w. J e n e r Bitterstoff, das W e i d e n b i t t e r (Salirin), ist ein krystallisirbares Glucosid das aus Kohlenstoff, "Wasserstoff und Sauerstoff besteht, u n d sich in W a s s e r und Weingeist leicht auflöst, aber nicht in Aether und ätherischen Oelen. Die Gerbsäure findet sich am meisten in der Rinde des S t a m m e s u n d der alten Aeste, das Salicin ist dagegen am meisten in der R i n d e der j ü n g e r e n Zweige, auch in den Blättern und Bliithen enthalten. Auch besitzen die verschiedenen Weidenarten einen verschiedenen Gehalt dieser Stoffe. So wie die W e i d e n r i n d e eine natürliche V e r b i n d u n g von adstringirendem P r i n c i p und Bittorstoff darstellt, ebenso sind auch ihre W i r k u n g e n aus denen der zusammenziehenden und bitteren Mittel zusammengesetzt, a d s t r i n g i r e n d . etärkend. I h r e zusammenziehende W i r k u n g ist jedoch viel schwächer als die der E i c h e n r i n d e und der T o r m e n t i l l w u r z e l ; d a f ü r belästigt sie aber auch örtlich den Magen und D a r m k a n a l weniger als diese Mittel, u n d wird daher selbst von schwachen Verdauungseingeweiden mehrentlieils gut ertragen. Die stärkende W i r k u n g ist auch nicht ganz mit denen der bitterenMittel übereinstimmend, da sie durch das zusammenziehende Princip zugleich und unmittelbar mit einer stärkeren Contraction der Faser, und vermöge des bittern Stoffes mit einer gelinden E r r e g u n g u n d wirklichen S t ä r k u n g des Nervensystems verbunden ist. Diese W i r k u n g e n sind denen der Chinarinde sehr ähnlich, und die W e i d e n r i n d e k a n n daher die letztere, welche zum thierärztlichen Gebrauch gewöhnlich viel zu theuer ist, fast ersetzen 1 . Die A n w e n d u n g der W e i d e n r i n d e k a n n innerlich und äusserlich g a n z bei denselben verschiedenen K r a n k h e i t e n geschehen, gegen welche die adstringirenden Mittel im Allgemeinen empfohlen sind (§. 163). Z u m innern Gebrauche zieht m a n sie in den meisten F ä l l e n der Eichenrinde u n d den übrigen stark zusammenziehenden Mitteln v o r , weil sie milder wirkt u n d besser von den Verdauungseingeweiden ertragen wird als diese; sie passt vorzüglich da, wo man nicht allein s t ä r k e n , sondern auch den T o n u s vermehren muss und wo daher die bitteren Mittel f ü r sich allein nicht ausreichend oder schon vergeblich a n g e w e n d e t sind, wie z. B. bei asthenisch gastrischen 1 M a n hat s c h o n s e i t l a n g e r Z e i t die W e i d e n r i n d e a l s d a s v o r z ü g l i c h s t e S u r r o g a t der C h i n a b e t r a c h t e t , und d i e E n t d e c k u n g d e s , d e n A l k a l o i d e n der C h i n a ä h n l i c h e n , S a l i cin, b e s t ä t i g t a l l e r d i n g s die grosse innere A e h n l i c h k e i t d e r s e l b e n .
118
Aclstnngirendc Mittel.
Fiebern, bei Faul- und Nervenfiebern, bei cacliectischen Fiebern und sehr starken Ausleerungen aller A r t ; äusserlich bei dem kalten B r a n d e , bei Geschwüren mit vorwaltender Erschlaffung, bei Quetschungen mit starker Ausdehnung und Erschlaffung der Tlieile u. dgl. — Ist jedoch die Erschlaffung zu gross oder zu h a r t n ä c k i g , so verdienen auch wieder zuweilen die rein adstringirenden Mittel in Verbindung mit aromatischen und Spirituosen Mitteln den Vorzug vor ihr. — Die im Allgemeinen angegebenen Gegenanzeigen sind auch bei der Weidenrinde zu beachten. Die Gabe ist wie bei der E i c h e n r i n d e , k a n n aber auch etwas grösser sein als von dieser. Hinsichtlich der F o r m und Verbindung mit anderen Mitteln gilt Alles, was bei den adstringirenden Mitteln überhaupt, und was bei der Eichenrinde hierüber gesagt worden ist. (30,0 1 Sgr. 8 P f g . , 1 j 2 P f u n d 4 Sgr. 6 Pfg.) Das Salicin ist nicht gebräuchlich; ebenso das Extract. 10) Pappelrlnde, Cortex Populi. (o) D i e Rinde von verschiedenen Species der Pappeln, besonders von der Zitter- uiid von der Schwarz-Pappel, Populus tremula u. P. nigra, 22. Kl. 6. Ordn., Kam. der Amentaceeu.
§. 179. Die R i n d e der j u n g e n Zweige von den meisten Pappelarten enthält fast ganz dieselben B e s t a n d t e i l e wie die Weidenrinde, aber durchgeliends in geringerer M e n g e , als in dem letztern Mittel. Die Pappelrinde ist dalier von ähnlicher, aber von schwächerer Wirksamkeit als die Weidenrinde, in deren E r m a n g e l u n g sie jedoch wie diese zu benutzen ist. Die R i n d e von der Z i t t e r p a p p e l ist i n N o r w e g e n als ein wurmwidriges Mittel bekannt. Thierarzt S i e v e r t s e n versuchte sie daher bei gastrischen Kranklicitszuständen der Pferde, bei denen er Eingeweidewürmer vennuthete, und fand sie von ausserordentlicher Wirksamkeit. E r gab die pulverisirte Rinde täglich zu einem halben P f u n d e in Latwergenform, und schon in 2 t Stunden gingen W ü r m e r ab. Man soll jedoch n u r die Rinde der j u n g e n Zweige und vor E n t w i c k e l u n g der Blätter einsammeln (s. Veterin. Selskab. Skrifter, 1. Deel, 8. 330). Anmerkung. D i e ehedem gebräuchlich g e w e s e n e P a p p e l a a l b c (Umjucntum populeum), die aus den P a p p e l k n o s p e n , Saft vom schwarzen N a c h t s c h a t t e n , Klettenkraut, Salat, Hauswurzel, Bilsenkraut und Schweinefett bereitet wurde, und welche als schmerzmilderndes, erweichendes Mittel sehr gerühmt war, ist ganz zu entbehren.
11) RosskastanieDrinde, Cortex Hippocastani.
(o)
Von Aesculus Hippocastanum, 7. Kl. 1. Ordn., Fam. der Hippocastaneen.
§. 180. Diese Rinde enthält Gerbsäure (gegen 2 Proc.) mit bitterm Extractivstoff, und als uhwesentliche Bestandtheile etwas H a r z , G u m m i , F a r b e stoff u. s. w. I h r e W i r k u n g e n sind fast ganz dieselben wie bei der Weidenrinde u n d sie ist daher auch wie diese zu benutzen; sie soll jedoch etwas schwerer ver-
Pappelrinde, Rosskastanienrinde, grüne Wallnussschalen.
Hf)
daulich sein als letztere, und deshalb derselben bei dem innerlichen Gebrauch nachstehen, besonders als ein Ersatzmittel der China. Ali m e r k a n g i . D i e f r i s c h c n K a s t a n i o i i b l ä t t c r b c s i U e n einen g e l i n d z u s a m m e n z i e h e n d e n , b i t t e r l i c h e n Gesehmiick , u n d eine m i l d e s t ä r k e n d e W i r k u n g . A l l e p f l a n z e n f r e s s e n d e Thierc ffenicssen sie g e r n , u n d m a n k a n n sie d a h e r bei a s t h e n i s c h e n K r a n k h e i t e n als ein z w e c k m ä s s i g e s d i ä t e t i s c h e s Mittel b e n u t z e n . A n m e r k u n g 2. D i e Samen des K a s t a n i e n b a u m s ( d i e s o g e n a n n t e n w i l d e n o d e r K o s s k a s t a n i e n ) b e s t e h e n g r Ö s s t e n t h e i l s a u s S t ä r k e m e h l , in V e r b i n d u n g m i t e i n e m b i t t e r - h e r b e n Steile. Sie w e r d e n von R i n d e r n u n d S c h a f e n , v o r z ü g l i c h a b e r von S c h w e i n e n und Ziegen g e r u g e f r e s s e n ( w e n i g e r von P f e r d e n ) , u n d sind f ü r alle diese T h i e r e nicht n u r ein g e d e i h l i c h e s N a h r u n g s m i t t e l , s o n d e r n auch ein v o r t r e f f l i c h e s d i ä t e t i s c h e s H e i l m i t t e l , welches m a n bei und n a c h a s t h e n i s c h e n u n d c a c h e c t i s c h e n K r a n k h e i t e n , z. B. bei l a n g wieriger D r u s e , bei S c h l e i m s c h w i n d s u c h t , bei c h r o n i s c h e m H u s t e n m i t v i e l e m A u s w u r f , bei und nach D u r c h f a l l , bei d e r F ä u l e , B l e i c h s u c h t u n d W a s s e r s u c h t d e r S c h a f e u. s. w., m e h r b e n u t z e n s o l l t e , a l s es g e s c h i e h t . D i e K a s t a n i e n sind auch als ein V e r b e s s e r u n g s mittel des n a s s g e e r n t e t e n und v e r d o r b e n e n F u t t e r s , u n d als P r ä s e r v a t i v m i t t e l g e g e n die von d e m s e l b e n e n t s t e h e n d e n K r a n k h e i t e n zu b e n u t z e n . Man g e b r a u c h t s i e , wie die E i c h e l n , sowohl frisch als g e t r o c k n e t u n d ü b e r F e u e r g e r ö s t e t . D u r c h das Kosten entw i c k e l t sich in ihnen e t w a s E m p y r e u n u i t i s c h e s , w o d u r c h sie z u g l e i c h eine gelind r e i z e n d e W i r k u u g e r h a l t e n . A m b e s t e n g i e b t m a n sie den T h i e r e n z e r s t a m p f t u n d m i t a n d e r m F u t t e r , oder a u c h mit etwas W a e h h o l d e r b e e r e n u n d K o c h s a l z g e m e n g t .
12) Grüne Wallnussschalen, Putamen a. Cortcx nueum Juglandinm,
u n d die Wallnussbläller
(o)
Von J u g l a n s r e g i a , 21. K l . 7 O r d n . L . , F a n i . d e r A m e n t a c e c n , U n t e r a b t h e i l u n g d e r J u g l a n d c e n , — die ä u s s e r e n d u n k e l g r ü n e n Schalen d e r h a l b r e i f e n Nüsse, u n d — die g r ü n e n B l ä t t e r in d e r Mitte dos Sommers.
Die äussere grüne Schale der Wallniissc besitzt als Hauptbestandtheil die Juglanssäure (welche durch Einwirkung' der Luft und der Alkalien sich der Gallus- und Eichengerbsäure ähnlich macht), dabei einen scharfen Bitterstoff, welcher letztere jedoch an der Luft in kurzer Zeit sehr verändert und zum Tlieil unwirksam wird. Im frischen Zustande sind sie kräftiger als im trocknen. Sie wirken ziemlich stark adstringirend, erregend und stärkend, und können daher innerlich und äusserlich in allen Fällen angewendet werden, wo bittere und zusammenziehende Mittel angezeigt sind. Besonders haben sie sich innerlich gegen Würmer, äusserlich bei schlaffen, unreinen, schlecht granulirenden Geschwüren, bei Knochengcschwüren, bei heftigen Quetschungen, bei dem Brande vom Durchliegen, bei Räude und veralteten Flechten, recht nützlich gezeigt. — Ausserdem benutzt man sie äusserlich zum Vertreiben der Läuse und Flöhe, und als ein sehr wirksames Schutzmittel für die Thiere gegen Insekten. Die Gabe für die verschiedenen Hausthiere ist wie bei der Eichenrinde. Die zweckmässigste Form ist die Abkochung; zum innern Gebrauch 3 0 , 0 von den frischen Schalen mit 5 4 0 Grm. Wasser zu 1 Pfund Colatur; zum äusserlichen Gebrauch 30,0 zu 2 5 0 bis 3 0 0 Grm. Colatur. Verbindungen mit anderen Mitteln werden nach Bedürfniss der Umstände und wie bei den übrigen adstringirenden Mitteln gemacht. Bei der äusserlichen Anwendung des Decoctes erhalten weisse Haare
120
Adstringirende Mittel.
ein braunröthliches, fuchsiges Ansehen, welches sich aber nach einiger Zeit wieder verliert. Das von R y s z empfohlene Extract, welches durch Auskochen der Wallnussschalen mit Wasser und durch Eindicken der Flüssigkeit bis zur Consistenz des Honigs bereitet wird, besitzt dieselben W i r k u n g e n wie die Schalen selbst, und k a n n auch wie diese benutzt werden, ist aber entbehrlich u n d zu theuer. Die Dosis ist f ü r P f e r d e und Rinder 3 0 , 0 — 4 5 , 0 ; f ü r Schafe und Schweine 4 , 0 — 8 , 0 ; für H u n d e 0,3—1,0. (o) A n m e r k u n g . D i e frischen Iilätter des W.ilimissbaums sind e t w a s m e h r balsamisch b i t t e r u n d h e r b ; s i e b e s i t z e n s e h r ä h n l i c h e H e i l k r ä f t e w i e d i e g r ü n e n N u s s s c h a l e n , und k ö n n e n d a h e r für d i e s e l b e n Z w e c k e a n g e w e n d e t w e r d e n . In neuerer Zeit sind sie g e g e n v e r d ä c h t i g e Druse, Kotz und W u r m mehriiiltig gerühmt worden. D i e G a b e i s t für P f e r d e u n d R i u d e r 6 0 , 0 — 1 2 0 , 0 , für S c h a f e 1 5 , 0 — 3 0 , 0 , für H u n d e 1 , 0 — 4 , 0 , t ä g l i c h 2 — 3 M a l , — a m b e s t e n im D e c o c t und für sich a l l e i n . D i e g e t r o c k n e t e n B l ä t t e r g i e b t man in d e n s e l b e n M e n g e n i m D e c o c t , p u l v e r i s i r t in Pillen und L a t w e r g e n . ( 3 0 , 0 1 Spr. 2 l J f g . , ' / 2 P f d . 5 S g r . )
13) Färberröthe (Krappwnrzrl),
1?adir
Hubiae
tinetorum
s. tinetoriae.
(o)
V o n R u b i a t i n e t o r u m , 4. K l . 1. O r d n . , F a m . R u b i a c e e n .
§. 1 8 2 .
Diese gelbröthliche Wurzel enthält als Hauptbestandtheil zwei gelind adstringirend wirkende Farbestoffe in Verbindung mit etwas beissendem bittern Extractivstoff, etwas H a r z , Gummi u. s. w. — Sie w i r k t örtlich sehr gelind zusammenziehend, profuse Absonderungen b e s c h r ä n k e n d , im Allgemeinen gelind stärkend. — Der Farbestoff dieser Wurzel geht leicht und in kurzer Zeit in die Säfte über und färbt die Galle, den Urin, die Milch und die Knochen roth. J e jünger dieThiere sind, um desto schneller und leichter geschieht dies, z. 13. bei j u n g e n Tauben und H ü h n e r n schon mit 8-—12 Grammen der trocknen W u r z e l . Die dichte Substanz der Knochen wird dunkler roth gefärbt als die schwammige. Die Beinhaut, Knorpel und B ä n d e r verändern ihre F a r b e fast gar nicht. — Diese F ä r b u n g beruht auf einer materiellen Ablagerung des unverändert in die Säfte getretenen Farbestoffes; sie vermindert sich daher auch wieder, wenn der Genuss der Färberröthe a u f h ö r t , und verschwindet zuletzt gänzlich. Die F ä r b e r r ö t h e k a n n wie die übrigen bitteren zusammenziehenden Mittel bei den verschiedenen asthenischen Kranklieitszuständen, die mit Erschlaffung u n d Auflockerung verbunden sind, angewendet werden; da sie jedoch nur von geringerer tonischer Wirksamkeit ist, als die W e i d e n r i n d e , Kastanienrinde u. a., so wird sie jetzt nur selten benutzt. W e g e n der sichtbaren E i n w i r k u n g ihres Farbestoffes auf die Knochen, schrieb man ihr auch specifische Heilkräfte auf diese Gebilde zu und benutzte sie deshalb bei fast allen Kranklieitszuständen derselben sehr häufig. I n der neuern Zeit ist man aber von ihrem Gebrauch z u r ü c k g e k o m m e n ; ich habe sie jedoch in mehreren Fällen, wo ein cachectischer Zustand mit Auftreibung oder Erweichung der Knochen am ganzen K ö r p e r , oder Auflockerung der Beinhaut zugegen war, und ebenso bei cariösen Geschwüren, mit gutem E r folge innerlich angewendet. Gabe und F o r m ist wie bei Eichenrinde, und man giebt die W u r z e l ge-
Färberröthe, Nelkenwurzel.
121
•wohnlich mit bitteren und ätherisch-öligen Mitteln, mit Spiessglanz und mit Eisenpräparaten. D a die Wurzel keinen auffallenden oder widrigen Geschmack veranlasst, so k a n n man ihr Pulver auch mit dem F u t t e r mengen und so den Thieren ohne Mühe beibringen. — Das Mittel muss stets durch einige Zeit fortgebraucht werden, wenn man einen guten Erfolg davon sehen will. (30 Gramme 1 Sgr. 8 Pfg., pulv. 2 Sgr. 4 Pfg.) A n m e r k u n g 1. D a s K r a u t der F ä r b e r r ö t h e b e s i t z t ä h n l i c h e , k u n g e n als die W u r z e l . E s -wird v o n d e n S c h a f e n g e r n g e f r e s s e n N e i g u n g zur F ä u l e , b e i b e g i n n e n d e r a t o n i s c h e r W a s s e r s u c h t u n d in N u t z e n a l s e i n d i ä t e t i s c h e s H e i l m i t t e l für s i c h a l i e i n o d e r m i t H e u gereicht werden.
aber schwächere Wirund k a n n i h n e n b e i ähnlichen F ä l l e n mit oder Stroh g e m e n g t ,
A n m e r k u n g 2. Z u d e n b i t t e r - a d s t r i n g i r e n d e n M i t t e l n g e h ö r e n a u c h : d e r B u c h s b a u m ('lie B l ä t t e r , Folia Buxi sempervirentisj, von ekelhaft - zusammenziehendem Geschmack. A u s s e r der g e w ö h n l i c h e n W i r k u n g der b i t t e r - a d s t r i n g i r e n d e n M i t t e l soll d a s D e c o c t . b e i m R i n d v i e h in g r o s s e n G a b e n g e r e i c h t , p u r g i r e n d w i r k e n , u n d ä u s s e r l i c h a n g e w e n d e t soll e s den H a a r w u c h s b e f ö r d e r n . D i e A n w e n d u n g muss aber täglich und durch vier W o c h e n g e s c h e h e n . — D i e B l ä t t e r der B ä r e n t r a u b e (Folio, Uvae ursij. S i e enthalten mehr Gerbsäure und Gallussäure als die v o r i g e n , a u s s e r d e m bittern E x t r a c t i v s t o f f u. s. w . D i e W i r k u n g e n t s p r i c h t den a l l g e m e i n e n A n g a b e n , ist a b e r z u g l e i c h m a s s i g urintreibend. D i e A n w e n d u n g g e s c h i e h t nach a l l g e m e i n e n Indicationen und g e g e n W a s s e r s ü c h t e n . — W i n t e r g r ü n , d o l d e n b l i i t h i g e s u n d r u n d b l ä t t e r i g e s (Fol. Pyrolae umbellatae et rotundifoliaej, ä h n l i c h w i r k e n d w i e d i e B ä r e n t r a u b e . — E s c h e n - und A h o r n r i n d e (Cortex Fruxini et AcerisJ, e b e n s o d i e i n n e r e K i n d e v o n m e h r e r e n N a d e l h ö l z e r n , n a m e n t l i c h v o m L ä r c h e n b a u m , v o n F i c h t e n u n d d e r g l . A l l e d i e s e M i t t e l sind j e d o c h v o n schwacher Wirksamkeit.
D. A e t h e r i s c h - ö l i g e a d s t r i n g i r e n d e
Mittel.
Die Verbindung der Gerbsäure mit ätherischem Oel kommt nicht in vielen Pflanzen vor. D u r c h diese Verbindung erhalten einige Arzneimittel eine eigenthtimliche Wirksamkeit, indem von ihnen nicht nur die Contraction und Cohäsion der organischen Fasern vermehrt, sondern auch die Nerventhätigkeit (besonders in den Gangliennerven) aufgeregt, die Resorption befördert, übermässige Absonderungen aber beschränkt werden.
14) N e l k e n w n r z e l , Radix
Caryophyllatae.
(o)
D i e W u r z e l v o n d e m B e n e d i c t e n k r a u t , G e u m u r b a n u m L . , 12. Kl. 5. O r d n . , Farn, der D r y a d e e n .
§. 183. I n dieser Wurzel ist der schwache Gerbstoff mit etwas gummiartigem Bitterstoff und mit einem angenehm nach Gewürznelken riechenden flüchtigen Oel verbunden. Letzteres ist jedoch nur in ganz unbedeutender Menge zugegen. — Man hat die Nelkenwurzel mit der China- und der Weidenrinde verglichen, und sie ebenfalls f ü r ein Surrogat der ersteren betrachtet; sie hat allerdings einige Aehnlichkeit mit diesen Mitteln , ist aber durchaus nicht übereinstimmend mit denselben; denn in materieller Hinsicht fehlen ihr der starke Bitterstoff und die Alkaloide dieser beiden Rinden, und ihre W i r k u n g ist im Allgemeinen weniger tonisch, und der specifische Einfluss der China auf das Nervensystem fehlt ihr fast ganz. Deutlich hervortretende, flüchtige,
Ailstringiremlc Mittel.
122
erregende Wirkungen bemerkt man von ihr selbst nach grossen Gaben an keinem Thiere, lind ihr flüchtiges Princip scheint überhaupt von keiner wichtigen Bedeutung zu sein. Ihre eigentliche Wirkung ist daher von der Wirkung der schwächeren bitter-adstringirenden Mittel wenig verschieden. Die Anwendung kann ganz nach den im Allgemeinen angedeuteten Grundsätzen geschehen, vorzüglich aber ist sie da angezeigt, wo die Verdauungs- und Assimilationsorgane an Schwäche leiden, die Schleimhäute in zu reichlicher und fehlerhafter Seeretion sich befinden, die Thätigkeit der vegetativen Nerven zu gering ist, und wo Neigung zur Zersetzung der Säfte besteht. Daher bei Diarrhöe, Harnruhr, veralteter Druse, chronischem Lungenkatarrh, Nerven- und Faulfieber und dgl. — Gabe wie von der Eichenrinde. Hinsichtlich der Form ist jedoch zu bemerken, dass die wirksamen Bestand theile der Nelkenwurzel sich schwer durch Wasser ausziehen lassen, und dass sie daher im Decoct weniger wirksam ist als im Pulver oder in Pillen und Latwergen. (30,0 10 Pfg., pulv. 1 Sgr. 4 Pfg.)
15) Karrenkr.tulwiirzt'l, Wunufaimiwuizel,
Rhi-oma
s. Iiaäix
B'ilicis.
D e r Wurzelstock von dem gemeinen Schildfarren , Polypodium F i l i x rnas L. , oder Polystielium F i l i x raas Roth, 24. Kl. 1. Ordn., Fam. Filices, Abtheilung P&lypudiaceen.
§. 184. Nur die im Spätsommer und Ilerbst gesammelte und gut aufbewahrte Wurzel ist wirksam, sie wird aber innerhalb eines Jahres fast wirkungslos. Zur Anwendung wird sie geschält, klein geschnitten oder pulverisirt. Sie enthält eine geringe Quantität Gerbstoff, eine ätherisch- und fettig-ölige, oder fettig-harzige Materie und andere Stoffe von geringerer Bedeutung. — Ihre adstringirenden Wirkungen sind sehr schwach, und sie kommt als zusammenziehendes Mittel nicht in Betrachtung, obgleich sie hin und wieder gegen das asthenische Blutharnen, und gegen Durchfall, besonders bei Kälbern empfohlen ist. Dagegen ist sie seit altenZeiten als ein specifisches Mittel gegen Würmer, namentlich gegen die verschiedenen Bandwürmer gerühmt, und ich selbst, habe bei Hunden ihre gute Wirkung in mehreren Fällen gesehen. Sic tödtet nur die W ü r m e r , führt sie aber nicht aus dem Darmkanal ab; letzteres muss daher immer mit Purgirmitteln geschehen, welche man 12—20 Stunden nach der Wurzel eingiebt. Die Gabe ist für die grossen Hausthiere 60,0—120,0, für Schafe und Schweine 8,0—16,0, f ü r Katzen und Hunde nach Verhältniss der Grösse 1,0—8,0 auf einmal. Zweckmässig ist es, vor dem Eingeben die Thiere 24 Stunden fasten zu lassen, und 2 — 3 Stunden nach der ersten Gabe eine zweite zu reichen. Man kann das Mittel für sich allein als Pulver auf das Futter, oder in Latwergen, Pillen und in warmem Wasser geben; zuweilen aber verbindet man es mit bitteren, aromatischen, brenzlichen oder drastischen Mitteln; W a l d i n g e r empfiehlt z. B. gegen den Bandwurm der Hunde folgende Pillen i ; 1
1818.
W a l d i n g e r , A b h a n d l u n g über die gewöhnlichen Krankheiten der Hunde. S. 97.
Wien
Farrenkrautwurzol.
123
Man nimmt: Farrenkrautwurzel-Pulver, 2 Drachmen (8,0), Aloe und Stink-Asand, von jedem 1 Drachme (4,0), Gummi Gutti, 2 0 Gran (1 1 / 4 Gramme), Hirschhornöl, 3 0 Tropfen. Diese Substanzen werden mit einem bittern Extract oder mit Schleim von arabischem Gummi zur Pillenmasse und daraus 2 Gran schwere Pillen gemacht, von denen man kleinen Hunden früh und Abends jedesmal eine, den grösseren aber 3 — 4 , recht grossen Hunden aber selbst bis 10 Stück giebt. Ausser dieser Benutzung hat L a u b e n d e r noch die Farrenkrautwurzel, jedoch ganz empirisch, bei schlechter Fresslust der Hühner empfohlen. Man soll aus zerstossenen Eierschalen, aus geschrotenem Korn und einem Decoct der Wurzel einen Brei machen und diesen den Thieren als Futter vorsetzen. Als ein sehr wirksames Präparat ist das ä t h e r i s c h e F a r r e n k r a u t e x t r a c t (Extractum filicis aethereum), ehemals F a r r e n k r a u t ö l , Ol. filicis genannt, bei kleineren Thieren zu benutzen. Man giebt es Hunden, je nach ihrer Grösse, zu 15 — 4 0 Gran ( 1 , 0 — 2 , 5 ) pro dosi, täglich in 2 solchen Gaben, am besten mit etwas Mehl zu Pillen gemacht. Zuweilen erfolgt nach dem ersten Tage der Abgang des Bandwurms nicht, weshalb am zweiten Tage die Wiederholung des Mittels Statt finden muss. (Preis: Wurzel geschält, zerschnitten: 30,0 2 Sgr. 4 P f . , fein pulv. 5,0 8 Pf. — Extract: 1 Decigramm 10 Pf., 1 Gramm 5 Sgr. 10 Pf.) A n m e r k u n g 1. Die W u r z e l n von einigen anderen F a r r e n k r a u t a r t e n , namentlich von Aspidium s. Polypodium Filix foemina und von Pteris aquiXina ( A d l e r - Saumfarrn) scheinen ähnliche, aber schwächere K r ä f t e zu besitzen. Ueber das letztere b e m e r k t V i b o r g ' n a c h den Beobachtungen von H i n r i c h s e n und M a i l i n g , dass P f e r d e nach dem mehrmaligen Genuss der trocknen W u r z e l und des K r a u t e s , welche unter das Stroh gekommen und mit diesem zu H ä c k e r l i n g geschnitten worden, unter Zufällen der brandigen Bräune gestorben sind , und dass Kühe heftiges B l u t h a r n e n bekamen. Bei deshalb gemachten Versuchen blieben die P f e r d e , denen man j e n e n H ä c k e r l i n g mit W a s s e r angefeuchtet gab, zwar gesund, aber in neuerer Zeit sind wieder Vergiftungszufälle nach dem Genüsse dieser Pflanze beobachtet worden. A n m e r k u n g 2. Als ätherisch-ölige adstringirende Mittel sind noch zu n e n n e n : die R o s e n b l ä t t e r {Folia Rosarum), von verschiedenen Arten der Kosen; sie sind schwach zusammenziehend und e r r e g e n d , und werden zuweilen im Infusum gegen asthenische Augenentzündungen mit v e r m e h r t e r Schleimsecretion benutzt. — B i r k e n r i n d e und B i r k e n b l ä t t e r (Oorlex und Folia Betulae). Sie besitzen Gerb- und Gallussäure, bittern Extractivstoff, dabei in der Rinde eine k a m p h e r a r t i g e M a t e r i e , in den B l ä t t e r n etwas ätherisches Oel. Man benutzt beide Substanzen gegen asthenische t o r p i d e W a s s e r suchten, R h e u m a t i s m e n , H a u t k r a n k h e i t e n und dergl. innerlich am besten im Decoct, äusserlich desgl. oder die frischen Blätter (1 Theil) mit F e t t (2 Theile) gut zusammengerieben als Salbe (Unguentum betuliwum) gegen Flechten und Räude. — E r l e n b l ä t t e r (Folia Alni), von ähnlicher Beschaffenheit und W i r k s a m k e i t wie die B i r k e n b l ä t t e r , sind wie diese zu benutzen. — G r ü n e r T h e e (Thea viridis), oft als Hausmittel zu h a b e n ; gegen asthenische K r a m p f k r a n k h e i t e n , Kolik, Blähungen u. s. w. zu benutzen.
E.
Säuerlich adstringirende
Mittel.
In einigen Pflanzen oder in Theilen derselben findet sich das adstringirende Princip auch mit vegetabilischen Säuren in Verbindung. Hierdurch erhalten diese Mittel neben der Wirksamkeit der adstringirenden Mittel, zu1 Veterin. Selskab. Skrift. 1. Deel, und T e u f f e i ' s Magaz. für Thierheilkunde. 1. Bd. 2. Heft. S. 199.
124
Adstringii'eride Mittel.
gleich die Wirkung, die entzündlich fieberhafte Aufregung des Gefässsystems zu vermindern und der Neigung der Säfte zu acuten Zersetzungen entgegen zu wirken. 16) Heldelbeeren, Baccae s. Fructus Myrtülorum.
(o)
Die s o g . Beeren von Vaceinium Myrtillus, 8. Kl. 10. Ordn., Fam. Vaccinieae.
§. 185. Diese Beeren enthalten einen zusammenziehenden, ^blaufärbenden E x tractivstoff, in Verbindung mit Schleimzucker und mit Aepfel- und Citronsäure. Sie wirken mild adstringirend, zugleich aber kühlend und daher dem krankhaften Entmischungsprocess auf doppelte Weise entgegen. Auch beschränken sie die übermässigen Absonderungen im Darmkanal und in den Nieren ziemlich k r ä f t i g , und oft sogar in einem höheren Grade als die rein adstringirenden Mittel. Diese W i r k u n g e n sind von den getrockneten Beeren weit stärker zu bemerken, als von den frischen. Man benutzt dieselben daher im getrockneten Zustande als ein wohlfeiles Hausmittel bei asthenischen Durchfällen, bei dergleichen Kühr, Blutharnen, H a r n r u h r und bei dem Faulfieber. Die Gabe ist f ü r Pferde und Kinder 30,0—60,0, f ü r Schafe und Schweine 12,0—24,0, f ü r Hunde 2,0—8,0, inPulvern, Latwergen und Abkochungen, für sich allein oder mit bitteren und mit schleimigen Mitteln, auch mit Rothwein, kleinen Gaben von Rhabarber und Opium. Anmerkung. Mit der Heidelbeere übereinstimmend wirken die P r e i s e l b e e r e n (Baccae Vitis idaeaej, die M o o s b e e r e n (Baccae Oxycocci) und die E b e r e s c h b e e r e n (Bacc. Sorbi aucupariaej; letztere enthalten nach B r a c o n n o t u. A. Aepfelsäure und sollen, nach D r . S c h n e i d e r , ein sicheres Mittel bei der Lungenseuche des Rindviehes s e i n , wenn man ein concentrirtes D e c o c t von ihnen recht reichlich a n w e n d e t 1 . F e r n e r : die B l ä t t e r , die j u n g e n Z w e i g e und d i e R a n k e n des W e i n s t o c k s (Folia, Stipites und Pampini vilis viniferae) ; — die H a g e b u t t e n (Fructus CynosbatiJ; — das H a u s l a u b oder die H a u s w u r z e l (Herba Sedi majoris); — u n d die S c h l e h e n (Fructus Acaciae germanicae). — Auch die Blätter der Heidelbeere und der Moosbeere wirken gelind adstringirend; sie enthalten aber nur etwas GerbBtoff.
F. A d s t r i n g i r e n d e M i t t e l m i t
Alkaloiden.
Die Verbindung der Gerbsäure mit Alkaloiden hat sich bis jetzt nur in den verschiedenen Arten der Chinarinde gefunden. 17) Chinarinde, Perurinde, Fieberrinde, Cortex Chinae s. Cortex
peruvianus.
Die Rinde der Stämme, Aeste und Zweige verschiedener Species des Fieberrindenbaums, Cinchona L., 5. E l . 1. Ordn , Fam. Rubiaceae.
§. 186. Man hat die vielen Sorten der Chinarinde ehemals nach ihrem äussern Ansehen in 3 Hauptarten zusammengestellt, und diese als die braune oder gemeine Chinarinde, Cortex Chinae fuscus, Cort. peruvianus; — die rothe Chinarinde, Cort.Chin. ruber, Cort. peruvianus ruber; und die gelbe Chinarinde » H e n k e ' s Zeitschr. f. d. Staatsarzneik.
1848, 2. Heft S. 460.
Heidelbeeren, Chinarinde.
125
ofler Königsrinde, Cort. Chili, flavus s. luttus, Cort. C'hin. reghis benannt; jetzt unterscheidet und schätzt man sie hauptsächlich nach ihrem Gehalt an Alkaloiden. Hiernach nehmen die meisten Pharmacopöen zwei Hauptarten officinell a n : 1) Die K ö n i g s c h i n a , China regia s. flava, Cort. C'hin. regius s. Cort. Chin. Calisayae, — das Bast der Stämme von Cinchona Calisaya, rothgelb, ziemlich flache Stücke, mit kurzem steif splitterigem Bruch; 2) Die b r a u n e oder g r a u e C h i n a , Chin. fusc. s. grisea, braune oder graue C h i n a r i n d e , Cort. Ch. fuscus s. griseus, s. officinalis, — die Rinde der Zweige von Cinchona micrantha, Condaminea u. a. Species, röhrenförmig zusammengerollte Stücke in der Dicke eines Gänsefederkiels oder etwas stärker, bräunlich, roth oder grau, auf dem Bruch aussen glatt, innen splitterig. Als wirksame B e s t a n d t e i l e finden sich in der China eine Gerbsäure und mehrere Alkaloide, und z w a r : a. Das C h i n i n . Dieses ist entweder krystallinisch oder als weisser Niederschlag dargestellt, intensiv bitter, erst in 400 Theilen kalten Wassers grösstentheils, auch schwer in heissem Wasser, wohl aber in Alkohol und Aether löslich. E s verbindet sich mit Säuren zu Salzen. Die gelben Rinden enthalten es am reichlichsten. b. Das C i n c h o n i n , krystallinisch, sehr bitter, im Wasser schwer, im Weingeist etwas leichter, im Aether gar nicht löslich, bildet mit Säuren neutrale und saure Salze, die leichter löslich sind als die Chininsalze. I n den braunen Chinarinden überwiegt es die anderen Alkaloide. c. Das C h i n o i d i n , krystallinisch, sehr schwer auflöslich in Aether, leichter in Alkohol, im Wasser leichter löslich als Cinchonin, mit Säuren bildet es Salze. Die C h i n a g e r b s ä u r e , Acidum Chinotannicum, ist der Galläpfelgerbsäure (§. 171) sehr ähnlich, fällt aber Eisen g r ü n und zersetzt sich in Chinaroth. Ausser diesen Hauptbestandtheilen finden sich noch andere von geringer Bedeutung, z. B. Chinovasäure, Kalksalze, H a r z u. s. w. Die China wirkt örtlich sehr ähnlich den adstringirenden Mitteln, auf wunden Stellen soll sie jedoch auch eigenthümlich erregend, und auf jauchende, im Fäulnisszustande befindliche Theile desinficirend wirken. Bei innerlicher Anwendung tritt ebenfalls zunächst in der Schleimhaut des Maules, des Magens und Darmkanals die adstringirende W i r k u n g ein, aber die Bestandt e i l e der Rinde gehen in die Säfte über und es entsteht nicht nur eine Vermehrung des Tonus in allen Weichgebilden, sondern auch E r h ö h u n g und Regelung der Energie des Nervensystems, besonders der Gangliennerven. Die Zusammenziehungen des Herzens werden kräftiger, die Zahl derselben aber gewöhnlich nicht vermehrt; das Blut nimmt eine höhere Röthung a n , zu reichliche Absonderungen vermindern sich, die Gallensecretion wird vermehrt. Die Chinagerbsäure wird zum Theil durch den Urin unverändert, zum Theil aber in Chinaroth umgewandelt, wieder ausgeschieden. Auch das Chinin und seine Salze werden grösstentheils in den Urin ausgeschieden, sind aber im Blut, im Bronchialschleim, in der Milch u. s. w. mit Reagentien nicht zu erkennen. Die China k a n n innerlich u n d äusserlich als ein sehr kräftiges tonisches Mittel, ganz nach denselben Indicationen wie die adstringirenden Mittel angewendet werden, ist aber im Allgemeinen für Thiere zu theuer und deshalb
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Chinarinde.
n u r auf einzelne F ä l l e b e s c h r ä n k t , in denen die Thierbesitzer keine Kosten scheuen, besonders bei kleinen Thieren, H u n d e n und dergl. Bei Schwäche und E r s c h l a f f u n g derVerdauungseingeweide, bei Blähsucht, atonischer Diarrliüu, bei B l u t m a n g e l , W ä s s e r i g k e i t des Blutes, Wassersucht, allgemeiner Muskelschwäclie und dgl., w e n n diese Z u s t ä n d e nicht allein in Schlaffheit, sondern zugleich in N e r v e n s c h w ä c h e b e g r ü n d e t s i n d , v e r d i e n t die China vor den übrigen z u s a m m e n z i e h e n d e n Mitteln den V o r z u g ; bei blosser Erschlaffung, besonders in äusserlichen Gebilden u n d ü b e r h a u p t zum äusserlichen Gebrauch sind ihr aber diese Mittel vorzuziehen, weil dieselben hier g e n ü g e n d wirken und b e d e u t e n d wohlfeiler sind. — Sehr nützlich ist die C h i n a bei Zuständen, bei denen eine N e i g u n g zu Zersetzung der S ä f t e oder wirkliche Sepsis besteht, z. B. Faulfieber, T y p h u s , A n t h r a x , A a s - P o c k e n u n d dergl.; —• und als specifisch wirksam gelten die China u n d ihre Alkaloide, das C h i n i n u m und C i n c h o n i n u m u n d die Salze derselben bei solchen K r a n k h e i t e n , welche einen r e g e l m ä s s i g i n t e r m i t t i r e n d e n T y p u s b e s i t z e n , hauptsächlich bei dem W e c h s e l f i e b o r . Die China ist deshalb von französischen T h i e r ä r z t e n sogar gegen die sogenannte Mondblindheit (periodische Augenentzündung) innerlich und äusserlich angewendet w o r d e n , und zwar angeblich mit dem besten E r f o l g e ; ich habe jedoch bei vielen V e r s u c h e n hierüber gar keinen N u t z e n bei dieser K r a n k h e i t von China u n d Chinin gesehen. — I n neuerer Zeit ist die China auch als G e g e n g i f t gegen die gefährlichen Zufälle von zu grossen Gaben des Brechweinsteins empfohlen w o r d e n ; man giebt die A b k o c h u n g (30,0 Rinde zu 3 5 0 , 0 W a s s e r , auf 2 5 0 , 0 Colatur eingekocht) in der M e n g e , dass auf 2 G r a n (0,12) des verschluckten Brechweinsteins eine D r a c h m e der Rinde (4,0) v e r b r a u c h t wird. D i e W i r k u n g des Mittels gegen diese Z u f ä l l e ist sowohl eine chemische, wie auch eine dynamische. D i e G a b e v o n der Chinarinde ist f ü r P f e r d e und Rinder 30,0 — 90,0, f ü r Schafe, Ziegen u n d Schweine 4 , 0 — 1 6 , 0 , f ü r H u n d e und K a t z e n 1 , 0 — 4 , 0 täglich 3 — 4 Mal. Man giebt das Mittel im P u l v e r , in L a t w e r g e n , Pillen und im Decoct, mit bitteren, aromatischen Mitteln, K a m p h e r , Weingeist und mit v e r d ü n n t e n Säuren. D a s s c h w e f e l s a u r e C h i n i n (Chivium sitlphuricuin) wird n u r zuweilen innerlich a n g e w e n d e t , — f ü r P f e r d e und R i n d e r 4 , 0 — 1 0 , 0 , f ü r Schafe, Ziegen und Schweine 1,0—2,0, f ü r H u n d e und K a t z e n 0 , 0 3 —1,0. Bei s u b c u t a n e n Injectionen an P f e r d e n h a t man von 0 , 0 0 0 Cliin. sulph. in 8 G r a m m e n Wasser, dem man einige T r o p f e n Schwefelsäure zugesetzt, sehr bald eine bedeutende Steigerung der T e m p e r a t u r des Körpers, und örtlich eine ausgebreitete, heftige E n t z ü n d u n g , A b s t e r b u n g des Bindegewebes und nachhaltige E i t e r u n g entstehen sehen. Indicationen f ü r diese A n w e n d u n g bestehen noch nicht. D a s C h i n a - E x t r a e t , F.xtractum Chinae fuscae, wird zuweilen bei kleinen T h i e r e n statt der R i n d e gebraucht, in G a b e n von 0 , 0 6 — 1 , 0 , täglich 3 — 4 Mal, in ähnlichen V e r b i n d u n g e n wie die China, in Pillen, L a t w e r g e n u n d in aromatischen Flüssigkeiten. (Preis der b r a u n e n C h i n a r i n d e : 3 0 , 0 in S t ü c k e n 5 Sgr., fein pulv. 7 S g r . ; der gelben R i n d e : 3 0 , 0 in S t ü c k e n 7 Sgr. 8 P f g . ; Chiniam sulphuricum 1,0 4 Sgr. 8 P f g . ; Extract. Chin.fusc. 1,0 1 Sgr. 10 P f g . ) Aumerkung. Man hat sich b e m ü h t , Surrogate für die China zu entdecken. Die meisten Versuche der Arf sind hauptsächlich in der Idee gemacht w o r d e n , ein w o h l f e i l e s
Aetherisch-ölige Mittel.
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a b e r ebenso sicheres H e i l m i t t e l w i e die C h i n a g e g e n das intermittirende F i e b e r zu finden. H i e r z u s i n d d i e W e i d e n - u n d K a s t a n i e n r i u d e , d i e W a n d f 1 e e Ii t e , d e r w e i s s e A r s e n i k , u n d d i e B l ä t t e r d e r S t e c h p f i l m e (Ilev At/ui/olmm) benutzt und empfohlen worden. A l l e d i e s e M i t t e l k ö n n e n a b e r die C h i n a nur h i n s i c h t l i c h e i n z e l n e r E i g e n s c h a f t e n , a b e r n i e m a l s vollständig ersetzen.
VIERTE
KLASSE.
Aetherisch-ölige ( g e w ü r z h a f t e ) , k a m p h e r h a l t i g e , harzige und empyreumatischo Mittel. (JNedieamim aromutica, eumphoracea, resinosa et empyveumatica.) B e g r i f f , W i r k u n g und A n n e n d u n g d i e s e r M i t t e l i m A l l g e m e i n e n . §• 1 8 7 . E i n e grosse A n z a h l der gebräuchlichsten und wirksamsten A r z n e i m i t t e l e n t h ä l t als w i r k s a m e nähere B e s t a n d t e i l e ä t h e r i s c h e s O e l , K a m p h e r oder l l a r z . Diese drei natürlichen E r z e u g n i s s e des P f l a n z e n r e i c h s 1 sind so w o h l in ihrem U r s p r ü n g e wie auch in ihren materiellen E i g e n s c h a f t e n und in ihren W i r k u n g e n auf den T h i e r k ö r p e r mit einander sehr v e r w a n d t , und k ö n n e n daher g a n z passend in eine K l a s s e zusammengestellt w e r d e n . — Ihnen in mehrfacher Hinsicht sehr ähnlich ist auch das b r e n z l i c h e ( c m p y 1-e u m a t i s e h e) Oel, weshalb die Mittel, die solches enthalten, hier ebenfalls ihren schicklichsten O r t finden.
§. 188. D i e grosse V e r w a n d t s c h a f t der hierher g e h ö r i g e n Mittel z e i g t sich im A l l g e m e i n e n d a d u r c h , dass a) ihre o b e n g e n a n n t e n verschiedenen H a u p t b e s t a n d t e i l e aus g l e i c h a r t i g e n Grundstoffen u n d auf ziemlich g l e i c h a r t i g e W e i s e z u s a m m e n g e s e t z t sind (denn die reinen und die brenzlichen ätherischen Oele, die Harze und der K a m p h e r bestehen zum grössten T h e i l aus Kohlenstoff, aus W a s s e r s t o f f und w e n i g aus Sauerstoff; der Stickstoff k o m m t nur bei sehr w e n i g e n ätherischen O e l e n , und auch bei diesen nur in äusserst g e r i n g e r M e n g e vor); — b) dass sehr häutig j e n e 1 lauptbestandtheile nicht nur in einem Mittel mit einander in natürlichen V e r b i n d u n g e n v o r k o m m e n (z. B . ätherisches O e l und I l a r z ) , sondern dass sie unter gewissen äusseren E i n f l ü s s e n sich sog a r in e i n a n d e r v e r w a n d e l n ; und c) dass sie sämmtlich erregend, selbst flüchtig reizend auf den thierischen O r g a n i s m u s w i r k e n , und die Sensibilität, die Irritabilität u n d die W ä r m e e n t w i c k e l u n g in demselben erhöhen. §. 189. B e i dieser U e b e r e i n s t i m m u n g in ihren allgemeinsten E i g e n s c h a f t e n sind ' E s g i e b t auch einige Substanzen aus dem T h i e r r e i c h , w e l c h e ätherisches O e l enth a l t e n u n d in der M e n s c h e n h e i l k u n d e als die k r ä f t i g s t e n unter den flüchtig wirkenden Arzneimitteln benutzt werden ; nämlich M o s c h u s , A m b e r , C a s t o r e u m und Z i b e t h . D a der ausserordentlich h o h e P r e i s dieser Mittel ihre A n w e n d u n g bei Thieren g ä n z l i c h v e r b i e t e t , so w i r d a u f s i e a u c h k e i n e w e i t e r e R ü c k s i c h t g e n o m m e n .
Aetherisch-ölige Mittel.
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a b e r ebenso sicheres H e i l m i t t e l w i e die C h i n a g e g e n das intermittirende F i e b e r zu finden. H i e r z u s i n d d i e W e i d e n - u n d K a s t a n i e n r i u d e , d i e W a n d f 1 e e Ii t e , d e r w e i s s e A r s e n i k , u n d d i e B l ä t t e r d e r S t e c h p f i l m e (Ilev At/ui/olmm) benutzt und empfohlen worden. A l l e d i e s e M i t t e l k ö n n e n a b e r die C h i n a nur h i n s i c h t l i c h e i n z e l n e r E i g e n s c h a f t e n , a b e r n i e m a l s vollständig ersetzen.
VIERTE
KLASSE.
Aetherisch-ölige ( g e w ü r z h a f t e ) , k a m p h e r h a l t i g e , harzige und empyreumatischo Mittel. (JNedieamim aromutica, eumphoracea, resinosa et empyveumatica.) B e g r i f f , W i r k u n g und A n n e n d u n g d i e s e r M i t t e l i m A l l g e m e i n e n . §• 1 8 7 . E i n e grosse A n z a h l der gebräuchlichsten und wirksamsten A r z n e i m i t t e l e n t h ä l t als w i r k s a m e nähere B e s t a n d t e i l e ä t h e r i s c h e s O e l , K a m p h e r oder l l a r z . Diese drei natürlichen E r z e u g n i s s e des P f l a n z e n r e i c h s 1 sind so w o h l in ihrem U r s p r ü n g e wie auch in ihren materiellen E i g e n s c h a f t e n und in ihren W i r k u n g e n auf den T h i e r k ö r p e r mit einander sehr v e r w a n d t , und k ö n n e n daher g a n z passend in eine K l a s s e zusammengestellt w e r d e n . — Ihnen in mehrfacher Hinsicht sehr ähnlich ist auch das b r e n z l i c h e ( c m p y 1-e u m a t i s e h e) Oel, weshalb die Mittel, die solches enthalten, hier ebenfalls ihren schicklichsten O r t finden.
§. 188. D i e grosse V e r w a n d t s c h a f t der hierher g e h ö r i g e n Mittel z e i g t sich im A l l g e m e i n e n d a d u r c h , dass a) ihre o b e n g e n a n n t e n verschiedenen H a u p t b e s t a n d t e i l e aus g l e i c h a r t i g e n Grundstoffen u n d auf ziemlich g l e i c h a r t i g e W e i s e z u s a m m e n g e s e t z t sind (denn die reinen und die brenzlichen ätherischen Oele, die Harze und der K a m p h e r bestehen zum grössten T h e i l aus Kohlenstoff, aus W a s s e r s t o f f und w e n i g aus Sauerstoff; der Stickstoff k o m m t nur bei sehr w e n i g e n ätherischen O e l e n , und auch bei diesen nur in äusserst g e r i n g e r M e n g e vor); — b) dass sehr häutig j e n e 1 lauptbestandtheile nicht nur in einem Mittel mit einander in natürlichen V e r b i n d u n g e n v o r k o m m e n (z. B . ätherisches O e l und I l a r z ) , sondern dass sie unter gewissen äusseren E i n f l ü s s e n sich sog a r in e i n a n d e r v e r w a n d e l n ; und c) dass sie sämmtlich erregend, selbst flüchtig reizend auf den thierischen O r g a n i s m u s w i r k e n , und die Sensibilität, die Irritabilität u n d die W ä r m e e n t w i c k e l u n g in demselben erhöhen. §. 189. B e i dieser U e b e r e i n s t i m m u n g in ihren allgemeinsten E i g e n s c h a f t e n sind ' E s g i e b t auch einige Substanzen aus dem T h i e r r e i c h , w e l c h e ätherisches O e l enth a l t e n u n d in der M e n s c h e n h e i l k u n d e als die k r ä f t i g s t e n unter den flüchtig wirkenden Arzneimitteln benutzt werden ; nämlich M o s c h u s , A m b e r , C a s t o r e u m und Z i b e t h . D a der ausserordentlich h o h e P r e i s dieser Mittel ihre A n w e n d u n g bei Thieren g ä n z l i c h v e r b i e t e t , so w i r d a u f s i e a u c h k e i n e w e i t e r e R ü c k s i c h t g e n o m m e n .
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Aetherisch-ölige Mittel.
j e d o c h die e i n z e l n e n Mittel u n d d e r e n w i r k s a m e B e s t a n d t e i l e keineswegs e i n a n d e r g a n z g l e i c h , s o n d e r n sie zeigen m e h r e r e , nicht u n b e d e u t e n d e V e r s c h i e d e n h e i t e n , w e l c h e es, besonders in t h e r a p e u t i s c h e r Hinsicht, n ö t h i g m a c h e n , sie n a c h j e n e n B e s t a n d t e i l e n in vier A b t h e i l u n g e n zu b r i n g e n , von d e n e n die erste die ä t h e r i s c h - ö l i g e n oder a r o m a t i s c h e n M i t t e l , — d i e z w e i t e d e n K a m p h e r , — die d r i t t e die h a r z i g e n u n d b a l s a m i s c h e n , — u n d die v i e r t e die b r e n z l i c h e n Mittel e n t h ä l t .
Erste
Abtheilung.
Aetherisch-ölige oder gewürzhafte (aromatische) Arzneimittel. (Medicamina
aethereo-oleosa s.
aromatica.)
§. 190. D a s ä t h e r i s c h e (flüchtige oder wesentliche) P f l a n z e n ö l (Oleum aethereum vegetabile) k o m m t in sehr vielen P f l a n z e n , u n d z w a r m e h r e n t h e i l s n u r in einzelnen T h e i l e n derselben, z. B. in den B l i i t h e n , den S a m e n , F r ü c h t e n u n d B l ä t t e r n , in der K i n d e , im H o l z e u n d in d e r W u r z e l , bei m a n c h e n P f l a n z e n aber auch in allen T h e i l e n zugleich vor. E s ist schon bei m ä s s i g e r T e m p e r a t u r flüchtig, d a h e r d u r c h H i t z e aus d e n P f l a n z e n auszut r e i b e n u n d vermittelst der Destillation mit W a s s e r d a r z u s t e l l e n . Sie lieissen d e s h a l b a u c h destillirte Oele (Ölen destilluta). D a s so aus verschiedenen P f l a n z e n g e w o n n e n e ä t h e r i s c h e Uel ist in d e n w e s e n t l i c h e n E i g e n s c h a f t e n ü b e r e i n s t i m m e n d , erscheint a b e r doch in einiger H i n s i c h t modificirt, u u d j e d e s hat n a m e n t l i c h den speciflschen, schon d e n M u t t e r p f l a n z e n eigen g e w e s e n e n , G e r u c h u n d G e s c h m a c k . N a c h diesen V e r s c h i e d e n h e i t e n k a n n m a n m e h r e r e A r t e n des ä t h e r i s c h e n Geis u n t e r s c h e i d e n , a l s : a) g e w ü r z h a f t e s (aromatisches) ä t h e r i s c h e s G e l , von a n g e n e h m balsamischem, g e w ü r z h a f t e m G e r u c h u n d s i i s s l i c h e m , e r w ä r m e n d e m , selbst etwas b r e n n e n d e m G e s c h m a c k 1 ; — b) k a m p h e r a r t i g e s ä t h e r i s c h e s O e l , das sehr flüchtig i s t , s t a r k e n , d u r c h d r i n g e n d e n G e r u c h , k a m p h e r a r t i g e n , nicht sehr scharfen G e s c h m a c k h a t , d u r c h seine schnelle V e r d u n s t u n g ein G e f ü h l von K ü h l u n g erzeugt u n d mit der Zeit K a m p h e r k r y s t a l l e a b s e t z t ; — c) ü b e l r i e c h e n d e s ä t h e r i s c h e s O e l , flüchtig, mit schwerem, w i d e r l i c h e m G e r u c h u n d a u c h g e w ö h n l i c h mit üblem G e s c h m a c k b e g a b t ; — d) t e r p e n t h i n a r t i g e s ä t h e r i s c h e s O e l , von etwas b a l s a m i s c h e m , h a r zigem G e r u c h u n d G e s c h m a c k ; u n d e) l a u c h a r t i g e s ä t h e r i s c h e s O e l , sehr flüchtig, von stechendem, z w i e b e l a r t i g e m G e r u c h u n d eben solchem, sehr scharfen Geschmack.
§. 191. D i e einzelnen ätherisch-öligen Mittel sind z u m T h e i l n a c h diesen qualit a t i v e n E i g e n t ü m l i c h k e i t e n des ä t h e r i s c h e n Oels s e l b s t , z u m T h e i l aber 1 D a diese Art des ätherischen Oels verhältnissmässig am häufigsten vorkommt, so hat man die ätherisch-öligen Arzneimittel auch als g e w ü r z h a f t e oder a r o m a t i s c h e Mittel bezeichnet.
Aetheriscb-ölige Mittel.
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auch darin von einander verschieden, dass sie dasselbe in verschiedener Menge, und in verschiedener Verbindung enthalten. W i r k l i c h reich an ätherischem Oel sind nur wenige Mittel; die meisten besitzen dasselbe nur in sehr geringer Menge, und in mehreren findet sich nur eine ganz schwache Spur von ihm, obgleich sie einen starken Geruch besitzen. I n manchen dieser Mittel ist das ätherische Oel der allein vorhandene wirksame Bestandt e i l , in anderen ist es mit Kamplier, mit I l a r z , mit bitterem Extractivstoff, mit scharfem oder adstringirendem Princip, mit süssem Stoff, mit Schleim und dergl. verbunden.
§. 192. Von den ä t h e r i s c h e n O e l e n in ihrer r e i n e n Gestalt werden nur wenige (wie namentlich das Terpentliinöl, Kienöl und Wachholderholzöl) in der Thierarzneikunde angewendet, weil sie melirentheils viel zu theuer sind. Sie wirken sämmtlich sehr flüchtig erregend auf die Nerven- und Gefässthätigkeit im ganzen Organismus, jedoch (bei innerlicher Anwendung) mit vorherrschender Richtung auf die Gangliennerven des Rumpfes und auf die arteriellen Gefässe. Oertlich wirken die ätherischen Oele auf die von ihnen berührten Gebilde sehr stark und flüchtig erregend, selbst stark reizend, so dass sie Röthung und juckcndcs, brennendes Gefühl, in höheren Graden der Wirkung aber, besonders bei mehrmals wiederholter Anwendung und an empfindlichen Theilen auch Entzündung, Bläschen und Ausschwitzung erzeugen. Dabei befördern sie in den feinen Gefässen der tiefer liegenden Theile die Circulation und die Resorption, und hierdurch die Zertheilung ergossener, stockender und verdickter Säfte. — Diese örtlichen Wirkungen zeigen sie am deutlichsten an der äussern H a u t , die sie bei wiederholter Anwendung in E n t zündung, Auwclnvitzung von Serum und in Eiterung versetzen und hierdurch oder durch Brand selbst zerstören können; am gelindesten wirken sie dagegen auf die Schleimhaut des Mauls und des Verdauungskanals, obgleich sie auch im Maule Reizung und vermehrte Absonderung des Speichels und Schleims verursachen. In Wunden und Geschwüren bringen sie nicht allein starke Reizung, sondern zugleich auch eine Umstimmung des Bildungsprocesses hervor; namentlich befördern 3ie, wenn Untliätigkeit mit Erschlaffung und Reizlosigkeit besteht, die Erzeugung der Fleischwärzchen und die reichliche Absonderung eines gutartigen Eiters. In die Venen gespritzt werden die ätherischen Oele in mässiger Menge ziemlich gut ertragen; es entsteht zwar gewöhnlich gleich nach der Anwendung eine heftige Aufregung des Gefässsystems und beschleunigtes, zuweilen auch krampfhaftes Atlimen, allein diese Zufälle gehen schnell und ohne weitere üble Folgen zu hinterlassen, vorüber. Injectionen grosser Gaben bringen aber fast immer ausser j e n e n Zufällen noch Schwindel, Convulsionen, heftige Reizung der L u n g e n , Erstickungszufälle, Angstschweiss und nicht selten den Tod, oder, nach dem Vorübergehen dieser ersten heftigen Zufälle, eine Entzündung der Lunge und des Brustfells hervor. Bei ihrer innerlichen Anwendung wird die Schleimhaut im Maule, im Magen und Darmkanal gereizt, die Absonderung des Schleims, der Verdauungssäfte und die wurmförmige Bewegung befördert, dadurch auch der Appetit vermehrt, die Entwickelung der Blähungen und der Würmer ge-
Hkrtwici. Amieiniittellüliro. 5. Auflage.
9
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Aetheriseli-ölige Mittel.
mindert, zuweilen letztere a u c l i , wenn dergleichen vorhanden sind, getödtet und verdaut. V o m Magen aus verbreitet sich sehr schnell ihre W i r k u n g über den ganzen K ö r p e r ; die Arterien werden voller, gespannter, ihre Pulse kräftiger und gewöhnlich auch häufiger, die Schleimhaut im Maule, in der Nase u. s. w. wird dunkler geröthet, das A u g e mehr glänzend, der Blick munterer; die Bewegung der Muskeln, das Athmen und alle anderen Verrichtungen werden lebhafter ausgeübt; die W ä r m e im Maule und am ganzen K ö r p e r wird erhöht, die Ausdünstung aus der L u n g e und aus der Haut wird verstärkt und zuweilen wird selbst Sclnveiss erzeugt; ebenso wird gewöhnlich die Urinsecretion, besonders von den terpentliinartigen ätherischen Oelen sehr vermehrt. Ueberhaupt werden die Absonderungen befördert und die abgesonderten S ä f t e in der ersten Zeit etwas dünnflüssiger. Aber nicht alle Absonderungen werden gleichzeitig verstärkt , sondern es geschieht häufig, dass nach den Gesetzen des Antagonismus bei vermehrter T h ä t i g k e i t des einen Organs die absondernde T h ä t i g k e i t anderer Organe leidet, und namentlich sieht man bei Milchkühen nicht selten auf den Gebrauch der in Rede stehenden Mittel eine Abnahme der Milch erfolgen, während die Harnabsonderung oder die Hautausdünstung vermehrt ist. §. 1 9 3 . J e n e allgemeinen W i r k u n g e n werden zum Tlieil durch unmittelbare Berührung der feinen Nervenenden in den betroffenen G e b i l d e n , hauptsächlich aber durch die Aufnahme des ätherischen Oels in die Säftennisse vermittelt. Beides erfolgt gleichzeitig und stets sehr schnell, dalier auch die W i r k u n g e n in kurzer Zeit sich über den ganzen K ö r p e r verbreiten. Einige Erscheinungen werden auch durch den Consensus, und zwar ebenfalls sehr schnell entwickelt. D e r täglichen Beobachtung zufolge geschieht die Aufnahme des ätherischen Oels und die E n t w i c k e l u n g seiner allgemeinen W i r kungen am vollständigsten durch die Verdauungseingeweide, jedoch wohl ohne dass eine vollkommene Assimilation desselben dabei Statt findet; denn es wird kurze Zeit nach der Anwendung durch den Geruch noch deutlich erkennbar, bald mit der Lungenausdünstung, bald mit dem U r i n , zum T h e i l auch mit dem Schweiss und bei Milch gebenden Thieren auch zuweilen mit der Milch wieder aus dem K ö r p e r ausgeschieden, doch findet ein theilweiser Umsatz der Stoffe Statt, wie dieses der etwas veränderte Geruch des Ol. T e r e binth., das mit dem Urin ausgeschieden ist, zeigt. B e i der äusserlichen Anwendung, z. B . in die Haut eingerieben, oder in Wunden gebracht, wird das ätherische Oel ebenfalls, obgleich in geringerer Menge von den Gefässen aufgenommen und dann durch die verschiedenen Secretionsorgane, namentlich durch L u n g e n und Nieren wieder entfernt. D i e hierbei entstehenden allgemeinen W i r k u n g e n sind zwar gewöhnlich viel schwächer, als wenn eine gleiche Menge innerlich angewendet ist; sie werden aber zuweilen, besonders bei grosser Empfindlichkeit des betroffenen Theils, in F o l g e der örtlichen heftigen Einwirkung auf consensuelle W e i s e zu einem sein- bedeutenden Grade erhöht. §. 1 9 4 . Die A r z n e i m i t t e l , welche ätherisches Oel als H a u p t b e s t a n d t e i l enthalten, bringen ebenfalls flüchtig erregende W i r k u n g e n h e r v o r , und
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stimmen somit im W e s e n t l i c h e n mit den vorhin f§. 192) angegebenen W i r k u n g e n der ätherischen Oele selbst ü b e r e i n ; allein sie erscheinen durch die übrigen, gleichzeitig in ihnen vorhandenen Stoffe (§. 191) als eigenthümliclie, v o n j e n e n verschiedene A r z n e i k ö r p e r , und sind daher auch hinsichtlich der W i r k u n g thoils im G r a d e der S t ä r k e , der F l ü c h t i g k e i t u n d D a u e r , theils in der Eichtling auf besondere O r g a n e , von den W i r k u n g e n der r e i n e n ätherischen Oele abweichend. — F a s t alle diese Mittel wirken örtlich weniger heftig reizend, und ebenso im Allgemeinen milder, s a n f t e r , den K ö r p e r weniger flüchtig d u r c h d r i n g e n d , d a f ü r aber auch etwas a n d a u e r n d e r als das in ihnen e n t h a l t e n e ätherische Oel f ü r sich allein. J e mehr sie neben dem letztern noch üxe B e s t a n d t e i l e , namentlich Bitterstoff oder Gerbstoff e n t h a l t e n , um desto d a u e r n d e r ist ihre W i r k u n g . D u r c h das Dasein der g e n a n n t e n Stoffe erhalten diese Mittel auch eine besondere Eichtling auf die Verdauungseingew e i d e , die sie nicht blos erregen, sondern auch wirklich s t ä r k e n können. Besitzen sie aber neben dem ätherischen Oele noch H a r z oder ein scharfes Prineip, so äussern sie ihre erregende W i r k u n g vorzüglich auf die Nieren, so wie sie bei dem gleichzeitigen Gehalt an Schleim, S t ä r k e m e h l und süssem Stoff eine besondere Eichtling auf die Respirationsorgane zeigen. §. 195. Die eben a n g e d e u t e t e n E i g e n t h ü m l i c h k e i t e n der einzelnen ätherischölgen Arzneimittel hat m a n schon seit langer Zeit e r k a n n t u n d deshalb diese Mittel im therapeutischen Sinne auf verschiedene Weise abgetheilt, indem m a n sie Iheils zu den m a g e n s t ä r k e n d e n und b l ä h u n g t r e i b e n d e n , theils zu den k r a m p f s t i l l e n d c n , zu den N e r v e n m i t t e l n , theiis zu den sogenannten f l ü c h t i g e n und f i x e n R e i z m i t t e l n , und theils zu den s c h w c i s s t r e i b e n d e n u n d u r in t r e i b e n d e n Mitteln gerechnet hat (siehe: a l l g e m e i n e A r z n e h v i r k u n g s l e h r e §§. 27, .'51, 36, 41, 42). Daraus e r g i e b t sich, dass jedes einzelne der ätherisch-öligen Mittel nach seinen E i g e n t h ü m l i c h k e i t e n geschätzt werden muss, u n d dass bei m a n c h e n K r a n k heiten zwar einige dieser M i t t e l , die von gleichartiger Beschaffenheit sind, einander ersetzen k ö n n e n , dass dies aber keinesweges mit allen und nicht in jedem Falle geschehen darf. D e r Unterschied zwischen den einzelnen Mitteln ist hier grösser, als bei den bitteren und bei den adstringirenden Mitteln. §. 190. Die ätherisch-öligen Mittel zeigen sich in ihrer allgemeinen flüchtig err e g e n d e n W i r k u n g mit der ähnlichen W i r k u n g des A e t h e r s , der versüssten Säuren, des Weingeistes u n d des K a m p h e r s v e r w a n d t ; sie unterscheiden sich jedoch von diesen Arzneimitteln theils durch ihren geringeren G r a d der F l ü c h t i g k e i t , u n d hauptsächlich d a d u r c h , dass sie weniger auf das N e r v e n system und auf die Sensibilität allein, sondern zugleich und vorzüglich auch (wie bereits im §. 192 angegeben) auf das Gefässsystem und auf die Irritabilität gerichtet sind. — E b e n s o zeigen sie auch mit den meisten scharfen Reizmitteln, z. B. mit den C a n t h a r i d e n , einige A e h n l i c h k e i t , jedoch n u r in den örtlichen und primären W i r k u n g e n ; denn in der allgemeinen und secund ä r e n W i r k u n g unterscheiden sich die letzteren Mittel von ihnen d a d u r c h , dass ihnen das V e r m ö g e n m a n g e l t , die Irritabilität wirklich zu erhöhen u n d 9*
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die Mischung des Bluts zu verbessern. — Die grösstc Annäherung findet dagegen zwischen einigen ätherisch-öligen Mitteln, welche zugleich Bitterstoff enthalten, und zwischen den früher schon (in der I I . Klasse) betrachteten aromatisch-bitteren Mitteln Statt; denn so wie die ersten sich in materieller Hinsicht nur durch das Ueberwicgen des ätherischen Oels über den Bitterstoff von den letzteren unterscheiden, ebenso sind sie dynamisch nur durch einen höhern Grad der flüchtigen und erregenden W i r k u n g von denselben abweichend. Die sämmtliclien aromatisch-bitteren und bitter-aromatischen Mittel bilden eigentlich eine zusammenhängende Reihe, in welcher der Uebergang von der einen Art zur andern nur allmälig geschieht, so dass sich nur schwer eine scharfe Grenze zwischen beiden ziehen lässt. §. 1 9 7 .
Die Anwendung der ätherisch-öligen Mittel ist nur bei asthenischen Krankheiten, und vorzüglich bei solchen Zuständen angezeigt, welche gleichzeitig in einer Schwäche des Nervensystems und des Gefässsystems begründet sind, und wo deshalb auch eine Erregung und Erhebung der Sensibilität, vorzüglich aber der Irritabilität nothwendig ist. Besonders heilsam zeigen sie sich aber dann, wenn diese Schwäche in den Gangliennerven des Rumpfes ihren Ursprung oder Sitz hat. — Weicher, kleiner P u l s ; blasse, wässerige Färbung der Schleimhaut im Maule und der Nase, und der Bindehaut der Augen; verminderte Empfindlichkeit ('J'orpor) \ Schwäche in der Bewegung; schleimiger ( , zäher Urin; zäher Schleim in den Augenwinkeln ohne vorhandene Entzündung; geringe Temperatur der H a u t ; verminderter Appetit, gestörte Verdauung, Abgang von grob geballten, mit Schleim umhüllten und sehr stinkenden Darmexerenieiiten bezeichnen im Allgemeinen den für Anwendung dieser Mittel geeigneten Zustand , der aber oft sowohl in der Arl wie im Grade der einzelnen Erscheinungen etwas modificirt ist, wie z. B. bei manchen asthenischen torpiden Entzündungen, bei Faulfiebern und bei krampfhaften Zufällen. Diesen allgemeinen Andeutungen entsprechend, werden die ätherischöligen Mittel innerlich angewendet: bei asthenischen Fiebern, bei Faulfieber, Nervenfieber, Milzbrand, beim kalten Brande, bei L'nverdaulichkeit und Aufblähung (wenn keine Heizung der Eingeweide damit verbunden ist), bei Verschleimung, bei Cachexien und der Entwickelung von Würmern, bei Krämpfen in irgend einem Tlieile und speciell im Magen und Darmkanal oder in den Harn- und Geschlechtsorganen, daher auch bei krampfhaften Harnverhaltungen, bei zu schwachen und unregelmässigen, krampfhaften Geburtswehen, bei Lähmungen, bei dem Dummkoller, bei asthenischen Entzündungen, z. B. der Lungen, bei Katarrh und Hheumatismus, in deren späteren Stadien und bei chronischem Verlauf, bei Wassersuchten, bei der Fäule der Schafe und dergl. Aeusserlich benutzt man sie bei ähnlichen Krankheitszuständen, z. B. bei Krämpfen und Lähmungen, um die Nerventhätigkeit örtlich etwas zu erhöhen; — bei asthenischen, besonders bei dergl. katarrhalischen und rheumatischen Entzündungen, bei und nach Quetschungen, bei Extravasaten, bei Stockungen und Verhärtungen nacli vorhergegangenen Entzündungen, um durch verstärkte Gefässthätigkeit die Aufsaugung und Zertheilung zu befördern; — bei Wunden und Geschwüren mit torpidem Character, um die Eiterung und Granulation zu bessern und zu befördern; — bei dem kalten Brande,
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um gleichfalls durch erhöhte Thätigkeit die Abstossung der abgestorbenen Theile zu beschleunigen und die weitere Zersetzung der gesunden Masse zu verhüten. §. 198. Dagegen sind diese Mittel überall bei echten und acuten Entzündungen, bei reinen Entzündungsfiebern, bei Vollblütigkeit und bei activen Congestionen sehr schädlich. §. 199. Die Grösse der Gabe lässt sich bei den ätherisch-öligen Mitteln nicht so gleiclimässig im Allgemeinen bestimmen, wie bei den bitteren und adstringirenden Mitteln, sondern sie muss sich nach der S t ä r k e ihrer Wirksamkeit und nach dem Grade der Schwäche und der verminderten Empfindlichkeit, sowohl im ganzen Körper wie in den einzelnen Theilen, besonders in den Verdauungsorganen, richten. Bei erhöhter Empfindlichkeit und leicht aufzuregender Reizbarkeit ist es in der B e g e l nöthig, mit kleinen Gaben zu beginnen und diese allmälig zu verstärken, bis die gewünschte W i r k u n g eintritt; wo aber ein hoher G r a d der Schwäche, Erschlaffung, Trägheit im Gefässsystem, sehr geringe Empfindlichkeit und übermässige Absonderungen vorhanden sind, müssen sie immer sogleich in grossen Gaben gereicht werden. Auch bei einem massigen Grade der Schwäche ist es zuweilen nöthig, die Gaben eines Mittels, wenn es durch längere Zeit fortgebraucht wird, nach und nach zu verstärken, weil sich der Organismus an die erregenden Einwirkungen desselben gewöhnt und dann nur schwach reagirt. A u s diesem Grunde pflegt man auch, wenn man unter solchen Umständen nicht über die gewöhnliche Gabe eines Mittels hinausgehen will, dasselbe auf kurze Zeit auszusetzen oder ein anderes, ihm ähnliches an seine Stelle zu bringen. — D a die Wirkungen der ätherisch-öligen Mittel mehrentheils nur von kurzer Dauer sind, so ist es nöthig, die Gaben in mehr oder weniger kurzen Zwischenzeiten zu wiederholen. Auch hierbei lässt sich eine allgemeine Norm für alle Mittel und für alle F ä l l e nicht gut vorschreiben, sondern es muss dabei ebenfalls die relative Flüchtigkeit der einzelnen Mittel und die Heftigkeit und Zudringlichkeit der, aus Schwäche, Erschöpfung oder K r ä m p f e n entstandenen Zufälle zur Leitung dienen. Von den rein ätherisch-öligen Mitteln, z. B . der Pfefferminze, wird in gewöhnlichen F ä l l e n die Wiederholung in etwa zwei Stunden, von den bitter-aromatischen Mitteln aber, z. B . dem K a l m u s , in etwa drei Stunden nöthig sein, während man in dringenden F ä l l e n , z. B . bei heftigen Krämpfen, alle halbe Stunden eine neue Gabe reichen muss. §. 200. D i e Form und Art der Anwendung der ätherisch-öligen Mittel, so wie ihre Verbindung mit anderen Arzneistoffen ist bei den verschiedenen innerlichen und äusserlichen Krankheitsformen sehr verschieden. Zum innerlichen Gebrauch giebt man sie zuweilen, aber nur selten in Pulverform, z. B . in den sogenannten Fresspulvern und Drusenpulvern für Pferde, und in den L e c k e n für Schafe. Die meisten ätherisch-öligen Mittel entwickeln im Pulver wegen der langsameren Auflösung der wirksamen Bestandtheile ihre allgemeine Wirkung langsamer, als wenn sie in flüssiger
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Aetherisch-ölige Mittel
Form angewendet werden, bringen aber dagegen etwas stärkere örtliche Wirkungen im Maule u. s. w. hervor. Deshalb giebt man Pferden und Schweinen diese Mittel am besten in Latwergen oder Pillen, um Reizung des Kehlkopfes zu vermeiden. - - Die flüssige Form (das Infusum) ist bei den ätherisch-öligen Mitteln zur innerlichen Anwendung die beste, besonders in acuten und krampfhaften Krankheiten, tlieils weil sie die wirksamen Bes t a n d t e i l e dieser Mittel aufgelöst und zur schnellen Wirkung vorbereitet enthält, tlieils weil sie deren gleichmässige und schnelle Berührung mit einer grossen Fläche des Verdauungskanals am meisten vermittelt, ohne die örtliche Einwirkung zu heftig zu machen; doch dürfen die ätherisch-öligen Arzneimittel nur durch Infundiren mit lieissem Wasser, aber nicht durch Kochen die flüssige Form erhalten, weil durch letzteres ihre flüchtigen Bes t a n d t e i l e , und namentlich das ätherische Gel, zum Theil verflüchtigt werden und daher auch ihre Wirksamkeit bald mehr, bald weniger verloren geht. Solche Mittel, welche ausser dem ätherischen Oel noch Bitterstoff, adstringirendes Princip oder Harz enthalten, wirken im Infusum schwächer und einseitiger als in Substanz. Gewöhnlich lässt man einen Theil des klein geschnittenen oder grob gepulverten aromatischen Mittels mit 8 - - 1 ' 2 Theilen kochend heissen Wassers iibergiessen, das Ganze gegen ' / 2 — 1 Stunde stehen • je nachdem man das Infusum gelind oder stark haben will) und dann die Flüssigkeit durchseihen. Von den reinen ätherischen Oelen werden bei Thieren innerlich ( wie bereits angegeben) nur sehr wenige angewendet. — Die aromatischen Tincturen, Extracte und andere künstliche Präparate sind zum thierärztlichen Gebrauch fast ganz entbehrlich. 4?. 2 0 1 .
Die ätherisch-öligen Mittel werden innerlich, nach Bedürfniss des Krankheitszustandes, sowohl für sich allein, als auch in Verbindung mit den verschiedenartigsten anderen Arzneistofifen angewendet; denn in chemischer Hinsicht erlauben sie den Zusatz eines jeden andern Arzneistoftes, und in therapeutischer Hinsicht ist es oft nöthig, bald ihre örtlichen Wirkungen durch schleimige Mittel zu mildern, z. B. bei krampfhaften Zuständen der Verdauungseingeweide, — bald die örtlichen und allgemeinen Wirkungen noch flüchtiger und eindringender zu machen, und deshalb Aether, Spiritus, Kampher, Ammonium, Hirschhornsalz und dergl. zuzusetzen, wie z. B. bei Krämpfen und Lähmungen, beim Nervenfieber, bei heftigem Aufblähen, — bald den Wirkungen mehr Dauer und zugleich eine bestimmte Richtung auf die Verdauungs- und Assimilationsorgane zu geben, und für diese Zwecke die aromatischen mit bitteren, mit zusammenziehenden Mitteln, mit Schwefel, Spiessglanz, mit Mineralsäuren u. s. w. zu verbinden, wie z. B. bei chronischer Schwäche der Verdauungseingeweide, bei gastrischen Fiebern, bei Cachexie, beim Faulfieber, beim langsam verlaufenden Milzbrand und ähnlichen Uebeln. — Muss man bittere oder zusammenziehende Mittel mit den aromatischen in flüssiger Form verbinden, so geschieht dies auf die im §. 167 bereits angegebene Weise, dass man nämlich mit dem Decoct der ersteren die letzteren blos infundirt.
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§. 202. Zum äusserlichen Gebrauch werden die ätherisch-öligen Mittel auf folgende verschiedene Weise benutzt: A. Gröblich zerkleinert und in leinene Beutel gefüllt (als sogenannte trockene K r ä u t e r s ä c k c h e n oder K r ä u t e r k i s s e n ) zu trockenen Ueberschlägen oder Umschlägen bei solchen Krankheitszuständen, welche keine Nässe ertragen, z. B. bei erysipelatösen und ödematösen Anschwellungen, bei rheumatischen oder katarrhalischen E n t z ü n d u n g e n , namentlich bei dergleichen Entzündungen der Augen. Solche Kräutersäckchen bringen durch die langsame Verdunstung ihrer aromatischen Theile eine gelinde aber stets gleichmässige Erregung der oberflächlichen Gefässe und Nerven hervor, sie verstärken die Resorption, zertheilen, beseitigen Krampf und Schmerz, erhalten eine gleichmässige Temperatur und schützen gegen die Einwirkungen der äusseren Einflüsse. Damit sie die letzteren Wirkungen gründlich erzeugen, müssen sie stets einen etwas grösseren Umfang besitzen als der leidende T h e i l ; auch müssen sie nicht zu dick (nur gegen 1 Zoll dick) gemacht und nicht zu voll gestopft werden, weil sie sonst durch ihre Schwere die kranken Theile belästigen und sich auch nicht gleichmässig an dieselben anlegen. Man benutzt zu diesem Gebrauch vorzüglich die aromatischen Blumen und K r ä u t e r , weil sie unter den übrigen Mitteln am wenigsten schwer sind, und wählt nach Verhältniss der Empfindlichkeit u. s. w. bald die von gelinder, bald die von starker Wirksamkeit; gewöhnlich verbindet man zwei oder mehrere aromatische Mittel mit einander, wie dies z. B. in den, in der Pharmacopöe aufgezeichneten sogenannten g e w ü r z h a f t e n S p e c i e s (Speeles aromaticae) , welche aus Lavendelblüthen, Rosmarin, Pfefferminze, Majoran, Quendel, Cubeben und Gewürznelken bestehen und zum thierärztlichen Gebrauch zu theuer sind, der F a l l ist. B. I n Pulverform, zum Einstreuen in faulige, brandige und stark jauchende Geschwüre, z. B. bei dergleichen Widerristschäden und Mauke. Die Mittel vereinen in dieser Form mit der erregenden W i r k u n g die absorbirende. Man verbindet sie hierbei bald mit bitteren, bald mit zusammenziehenden Mitteln, mit Kohle, Kampher, Alaun und dergl. C. Mit lieissem Wasser zum Brei gemacht, als Breiumschläge auf kalte und torpide Geschwülste, z. B. in sehnigen und drüsigen Theilen, auf W u n d e n und Geschwüre mit zu geringer T h ä t i g k e i t , und in jedem Falle, wo man ausser der erregenden W i r k u n g der aromatischen Mittel selbst noch die anhaltende Einwirkung der feuchten W ä r m e benutzen will, um entweder Zertheilung oder Eiterung zu erwecken. I n dieser Form angewendet, wirken die aromatischen Mittel viel kräftiger und viel mehr in die Tiefe eindringend, als in den trockenen Umschlägen; doch dürfen sie wieder nicht durchs Kochen die Breigestalt erhalten, sondern entweder nur durch das Zusammenrühren mit der nöthigen Menge heissen Wassers, oder indem man sie in einen Beutel thut, diesen durch einige Minuten in heisses Wasser hält, dann gelind ausdrückt und hierauf unmittelbar als Umschlag benutzt. Diese Umschläge müssen so viel wie möglich anhaltend eine gleichmässige Temperatur von etwa 1 5 — 2 0 Grad R. besitzen, und deshalb immer von Neuem wieder erwärmt werden, wenn sie bis auf etwa 1 0 — 1 2 Grad abgekühlt sind. Das Erwärmen geschieht am zweckmässigsten dadurch, dass man entweder den Beutel mit seinem Inhalt von Zeit zu Zeit in warmes Wasser taucht und dann schnell
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wieder applicirt, oder dass man ihn blos mit warmem Wasser begiesst, ohne ihn von dem Körper abzunehmen. Auch zu diesen Umschlägen wählt man unter den aromatischen Mitteln am häufigsten die Blumen und Kräuter, und zwar in jedem besonderen Falle diejenigen, deren Wirksamkeit dem Grade der Unempfindlichkeit und Schwäche entspricht. Die officiuellen aromatischen Species sind auch hier zu benutzen, aber für die meisten Fälle zu kostbar und deshalb durch blos inländische Mittel, z. B. Quendel, Kamillen und dergl. — und häufig auch durch den sogenannten H e u s a m e n zu ersetzen. — Zuweilen setzt man den aromatischen Umschlägen noch erweichende Mittel, und besonders Leinkuchenmehl oder Leinsamenmehl hinzu, um ihnen etwas mehr Consistenz zu geben und um hierdurch die Wärme in ihnen länger gebunden zu erhalten; dies darf jedoch nur geschehen, wenn die kranken Theile nicht sehr empfindlich sind und also auch einen gelinden Druck ertragen.
D. Im warmen Aufguss (Infusum) wendet man die aromatischen Mittel äusserlich am häufigsten a u , und zwar zu Waschungen und Bähungen (Fomentationen), z. B. bei asthenischen Entzündungen, bei dergleichen Quetschungen, bei Extravasaten, bei Verhärtungen, bei torpiden Wunden und Geschwüren, beim Brand u. dgl.; — ferner zu Fussbädern, bei eiternden Steingallen, bei Knorpelfisteln; — bei den kleinen Hausthieren auch zu ganzen Bädern, z. B. bei Krämpfen und Lähmungen der Hunde , — und zu Einspritzungen in den Mastdarm und in die Scheide, ¿. B. bei Krämpfen in den Gedärmen oder in der Harnblase, bei dem zu langsamen Fortschreiten der Geburtsarbeit wegen Schwäche oder wegen Krampf. — Auf diese Weise, in flüssiger Form angewendet, wirken die aromatischen Mittel fast ebenso wie in den Breiumschlägen, da auch hier neben den Bestandtheilen der Mittel noch Feuchtigkeit und Wärme sehr wirksame Einflüsse sind; die Wirkungen des Infusums scheinen nur wegen der vollständigen Auflösung der flüchtigen Bestandtheile mehr eindringend zu sein, als die Wirkungen der Breiumschläge, wogegen die der letzteren bei gehöriger Anwendung verhältnissmässig anhaltender und gleichförmiger sind. Zu solchen Aufgüssen eignen sich alle aromatischen Arzneimittel oline Unterschied, und dieselben werden nur nach dem Grade ihrer Wirksamkeit für den vorhandenen Krankheitszustand, und zum Theil auch mit Berücksichtigung ihres Preises ausgewählt. Gewöhnlich rechnet man auf 30,0—45,0 von ihnen 360,0 heissen Wassers. Soll der Aufguss auf entzündete Augen, auf W u n d e n , in dem Mastdarm oder in der Scheide angewendet werden, so darf man nur die reine, durch Leinwand geseihte Flüssigkeit von ihm benutzen; bei der Anwendung auf die unverletzte H a u t , ebenso zu Fussbädern und ganzen Bädern, ist aber das Durchseihen nicht nöthig. Nach Erfordern der Zufälle wendet man bald den Aufguss f ü r sich allein an, bald in Verbindung mit zusammenziehenden Mitteln (bei grosser Erschlaffung und Ausdehnung der Fasern, und bei starken Extravasaten), bald auch mit Weingeist (Wein), Kampherspiritus oder mit Terpenthinöl, Kochsalz, Salmiak und dergl. erregenden Mitteln (bei grosser Unempfindlichkeit, bei Krämpfen und bei Lähmungen). — Die Temperatur des Aufgusses bei der Anwendung kann, wie bei den Umschlägen, nach der Art und dem Grade der Zufälle, 15 - 3 0 G r a d ß . sein; die Dauer und Wiederholung der Anwendung muss sich aber nach dem Grade und der Hartnäckigkeit der Zufalle richten. Wichtig
Fliederblumen.
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ist es, nach der Anwendung der warmen Waschungen, Bäder u. s. w., jede Erkältung zu verhüten, daher das Thier im warmen Stalle zu halten, es bis zur möglichen Trockenheit reiben und warm bedecken zu lassen. E. In Form von Dunstbädern oder Dampfbädern wendet man die aromatischen Mittel vorzüglich bei katarrhalischen, asthenischen Entzündungen der Augen, bei dergl. Entzündungen der Schleimhaut in den Respirationsorganen , bei rheumatischen und anderen asthenischen Entzündungen des Euters, bei Stockungen der Milch und hieraus entstandenen Verhärtungen derselben, und bei rheumatischen Koliken und Harnverhaltungen an. Die Wirkung ist in dieser Form, verhältnissmässig zu der des Aufgusses, durch den warmen Wasserdunst sehr gemildert, und wird daher auch selbst bei einem noch ziemlich hohen Grade von Spannung und Reizbarkeit ertragen. Die Entwickelung der aromatischen Dämpfe geschieht durch einfaches Uebergiessen der Mittel mit fast kochend heissem Wasser in einem passenden Gefäss, welches man so lange zugedeckt erhält, bis die Flüssigkeit gegen 36—40 Grad Wärme besitzt; das Gefäss wird dann unter den leidenden Theil gebracht und der letztere von oben her mit einer etwas dichten (z. B. wollenen) Decke, die an den Seiten bis über das Gefäss herabreicht, behangen, um die Dämpfe zusammenzuhalten und ihnen eine bestimmte Richtung zu geben. Will man das Dampfen durch längere Zeit unterhalten, so giesst man bei dem beginnenden stärkern Abkühlen der Flüssigkeit wiederholt heisses Wasser hinzu, oder man legt glühend gemachte Steine oder dergl. Eisen in dieselbe. Man vermeide die Anwendung der zu heissen Dämpfe, welche sehr leicht die Haut verbrühen, und ebenso vermeide man nachher jede Erkältung. F. Endlich wird von einigen Mitteln auch das ätherische Oel zum Einstreichen in sehr torpide Wunden und Geschwüre und zum Einreiben in Theile, die an schmerzlosen Verhärtungen, an asthenischen, sehr torpiden Entzündungen, an fieberlosem Rheumatismus, Lähmungen, torpiden Exanthemen und dergl. Affectionen leiden, angewendet, und zwar bald für sich allein, bald in Verbindung mit Fett oder fettem Oel, mit Seife, Weingeist, Mercurialsalbe und anderen auflösenden und erregenden Mitteln. Durch diese Zusätze wird die stark erregende örtliche Wirkung der ätherischen Oele milder, aber auch andauernder gemacht. A. A r o m a t i s c h e K r ä u t e r und Blumen. 1) Fllederbluiuen (Hollunderblütben), Mores Sambuci. Von Sambucus nigra L . , 5. Kl 3. Ordn., Fam. Caprifoliaceae.
§. 203. Sie besitzen ein eigenthümliches, dickflüssiges, stark riechendes ätherisches Oel in sehr geringer Menge, verbunden mit Schleim, Extractivstoff und mehrerlei Salzen. — Ihre Wirkungen sind flüchtig erregend auf das Gefässund Nervensystem, jedoch nur im sehr gelinden Grade und eigenthümlich gerichtet und fast beschränkt auf die feinen Gefässe der Haut und der Schleimhaut der Respirationsorgane; denn die grösseren Gefässe erscheinen selbst bei und nach sehr grossen Gaben des Mittels (nämlich zu 7—14 Hecto-
Aetherisch-ölige Mittel.
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grms. bei gesunden Pferden) auf keine Weise afficirt, da hiernach weder die Zahl noch die Beschaffenheit der Arterienpulse bemerkbar verändert sind, während jedoch die H a u t eine höhere Temperatur, grössere Weichheit und Feuchtigkeit erhält und die Ausdünstung aus der Lunge verstärkt wird. Wirklicher (tropfbarer) Schweiss entsteht zwar bei Pferden und Rindern zuweilen, aber nicht jedesmal nach der Anwendung des Flieders, selbst nach den bezeichneten grossen Gaben nicht, und alle übrige Secretionen werden durch ihn fast gar nicht verändert. — Die örtliche W i r k u n g besteht bei jeder Art der Anwendung in einer nur schwachen Reizung der feineren Gefässe, bei welcher keine Röthung der H a u t , kein brennendes Gefühl und dergl. stärkere Einwirkungen zu bemerken sind. Auf die Verdauungseingeweide äussert der Flieder fast gar keine W i r k u n g , wenigstens keine tonische oder reizende, und unterscheidet sich hierdurch sehr bedeutend von der W i r k u n g der Kamillenblumen und der meisten übrigen aromatischen Mittel. Die Fliederblumen gehören daher zu den mildesten Mitteln der Art, und werden innerlich selbst bei einem nicht zu hohen Entzündungszustande gut ertragen. Ihrer Eigenthümlichkeit gemäss wendet man sie besonders in solchen Krankheiten mit gutem Erfolge an, welche aus gestörter oder unterdrückter Haut- und Lungenausdünstung entstanden sind, und wo man diese Functionen, ohne starke Aufregung der K r ä f t e , in einem höhern Grade wieder hervorrufen will, wie namentlich bei D r u s e , Strengel, katarrhalischer Bräune, bei Katarrhalfieber, Rheumatismus, bei rheumatischen K r ä m p f e n und Koliken, bei dem rheumatischen (idiopathischen) Starrkrampf der Pferde, der H u n d e und Lämmer, bei dem Verfangen (acuten Rheumatismus) der Schweine, bei der Staupe der H u n d e u. s. w. — Doch leistet der Flieder bei diesen Krankheiten mehrentheils nur dann gute Dienste, wenn er gleich im Anfange derselben angewendet wird, dagegen sehr wenig, wenn sie bereits chronisch geworden sind. Die Gabe ist f ü r Pferde und Rinder 30,0—90,0, für Schafe und Schweine 15,0—30,0 und f ü r Hunde 2 , 0 — 7 , 5 , in Zwischenzeiten von 1 — 2 Stunden, am zweckmässigsten im Infusum, und nach Erfordern der Umstände mit Kamillenblumen, mit Baldrian, mit Essig,Weingeist, Salmiakgeist, Kampher und anderen flüchtigen Mitteln verbunden. Aeusserlich werden die Fliederblumen ebenfalls bei kartarrlialischen und rheumatischen Entzündungen, besonders bei dergleichen Augenentzündungen angewendet, und zwar a) in Form von Kräuterkissen, die aus Fliederblumen allein oder aus gleichen Theilen Flieder- und Kamillenblumen bestehen und bei hohen Graden der Asthenie auch mit etwas Kampherpulver versetzt sein können, b) Bei schmerzhaften Entzündungen benutzt man den Flieder auch in Form von Breiumschlägen, oft in Verbindung mit schleimigen und narkotischen Pflanzen; und c) bei ähnlichen Zuständen, besonders an den Augen, wendet man auch das lauwarme Flieder-Infusum als Augenwasser an, bald für sich allein, bald mit Bleizucker, Augenstein, Opium und dergl. versetzt. (30 Grm. 1 Sgr. 4 Pfg., 250 Grm. 8 Sgr., geschn. oder grob gepulv. 3 0 G r m . 1 Sgr. 10 Pfg., 250 Grm. 11 Sgr.) A n m e r k u n g 1. Die F l i e d e r b 1 u m e n sollen den Pfauen 1 , und die (getrockneten) ' L i n n . Flor. Suec. pag. 97.
Kamillenblumen.
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F l i e d e r b e e r e n (Bacc Sambuci siccataej den H ü h n e r n ein t ö d t e n d e s Gift sein. Ich habe letzteres bei m e h r e r e n V e r s u c h e n , bei w e l c h e n ich einzelnen Hühnern 2 — 4 Lotti dieser Beeren gab, nicht gefunden. A n m e r k u n g 2. D e r aus den reifen B e e r e n bereitete e i n g e d i c k t e S a f t oder das F l i e d e r m u s (Succus inspissotus s. liob SambuciJ soll e b e n f a l l s , w i e die F l i e d e r b l u m e n , j e d o c h im g e r i n g e r e n G r a d e , die Hautausdünstung b e f ö r d e r n ; ich habe dies j e d o c h n i e m a l s b e o b a c h t e n können. In g r o s s e n G a b e n wirkt dasselbe ähnlich dem Pflaum e n m u s (§. 7 7 ) , und kann auch wie dieses ( j e d o c h nur wo es als Hausmittel und ganz wohlfeil zu haben ist) a l s Bindemittel bei der B e r e i t u n g der P i l l e n und L a t w e r g e n dienen. U e b r i g e n s aber ist es ganz entbehrlich.
2 ) Kamillenbluiuen (gemeine oder Fcldkamillen), Flores Ohamomillae vulgaris. Von Matricaria Chamomilla L , 19 Kl. 2 Ordn., F a m . Compositae, Anthemideae.
§. 204. Dieses von der Natur so reichlich gespendete Arzneimittel enthält als wirksame Bestandtheile ein etwas widerlich (schwer) riechendes ätherisches Oel in Verbindung mit bitterm Extractivstoff, und seine Wirkungen sind daher nicht allein flüchtig erregend, sondern auch tonisch. Die erstere Wirkung ist zwar über die letztere sehr vorherrschend, aber dennoch sehr mild; sie durchdringt bei der gewöhnlichen innerlichen Anwendung schnell den ganzen Organismus, äussert sich aber am stärksten in den Organen der Bauchhöhle, — wozu wohl der Bitterstoff, seiner bekannten Einwirkung auf diese Organe gemäss (§. 139 u. f.), sehr wesentlich beiträgt. In dieser Hinsicht haben die Kamillen eine grosse Aelinlichkeit mit dem Wermuth, dem Rainfarrn, der Schafgarbe, dem Baldrian und dem Kalmus; ihre Wirkung ist jedoch mehr flüchtig und weniger tonisch als die der drei ersten Mittel, und den zuletzt genannten beiden Mitteln stehen sie in der stärkenden und in der erregenden Wirkung zugleich sehr nach. Aber gerade jene, in jeder Beziehung milde und eigenthümliche Wirkung, giebt den Kamillen bei manchen Krankheiten einen grossen Werth. Sie können zwar, wie die sämmtlichen Mittel dieser Klasse, bei allen asthenischen Krankheiten angewendet werden, doch sind sie der Erfahrung zufolge bei asthenisch - nervösen Z u s t ä n d e n , welche mit Schmerz und K r a m p f v e r b u n d e n s i n d , u n d b e s o n d e r s bei d e r g l e i c h e n L e i d e n a n d e n O r g a n e n d e s H i n t e r l e i b e s , am vorzüglichsten wirksam, — und sie werden daher auch bei Krämpfen, bei Wind- und Krampfkolik, bei krampfhaften Harnverhaltungen, bei unzeitigen, bei unregelmässigen und zu geringen Wehen, Durchfällen, die mit Krämpfen verbunden, aber frei von Entzündungen sind, bei schmerzhaften Rheumatismen, bei der Staupe der Hunde, wenn dieselbe mit Zuckungen, mit Krämpfen oder mit geringem Grade von Lähmung verbunden ist, ebenso bei dem Brustkrampf der Pferde, bei der aus Erkältung entstandenen Gelbsucht des Rindviehes und bei der Lähmung der Lämmer häufig gebraucht. Doch leistet das Mittel bei den meisten dieser Krankheiten nur dann wirklich gute Dienste, wenn sie keinen zu hohen Grad erreicht haben; im letztern Falle und bei chronischen Leiden sind seine Kräfte mehrentheils zu gering. Bei reinen Entzündungen ist die Anwendung der Kamillen schädlich, 1
B a r t h o l . Histor. anat. rarior Cent. 4. p. 248.
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Aethcrisch-ölige Mittel.
und es ist dalier auch ganz fehlerhaft, sie bei jeder Kolik, ohne Berücksichtigung des pathologischen Zustandes derselben, zu gebrauchen, da namentlich beim Pferde sehr häufig den Symptomen der K o l i k eine Entzündung der Baucheingeweide zum Grunde liegt. Man giebt sie den grossen Hausthieren zu 3 0 , 0 — 6 0 , 0 , Schafen und Schweinen zu 7 , 0 — 2 2 , 5 , Hunden zu 2 , 0 — 1 2 , 0 auf einmal, und nach der Heftigkeit der Zufälle in Zwischenzeiten von einer halben bis in zwei Stunden wiederholt. Obgleich die Anwendung der Kamillen in Latwergen oder Pillen geschehen k a n n , so benutzt man sie doch in diesen Formen nicht gern, weil sie, bei ihrem geringen Gewicht, eine zu grosse Masse bilden und dadurch das Eingeben erschweren. Das Infusum bleibt deshalb auch hier die zweck mässigste und wirksamste Form. I n leichten F ä l l e n giebt man dasselbe für sich allein, bei heftigen Krämpfen u. s. w. aber in Verbindung mit Baldrian, K a l m u s , oder mit Opium, mit Stinkasand, K a m p h e r , Weingeist, Schwefeläther-Weingeist, Terpenthinöl, Hirschhornöl und anderen flüchtigen Reizmitteln. Aeusserlich werden die Kamillenblumen als Pulver zum Einstreuen in unreine, stinkende Geschwüre, oder auch in Substanz zu trocknen und feuchten Umschlägen, und im Infusum zu Waschungen, Bädern und Bähungen ( ganz nach den allgemeinen Andeutungen § . 2 0 2 ) benutzt. ( 3 0 Grm. 2 Sgr., gepulv. 2 Sgr. 6 Pfg., 2 5 0 Grm. Blüthen 12 Sgr.) Anmerkung. Das d e s t i l l i r t e oder ä t h e r i s c h e K a m i l l e 11 ö l (Ol. ChamomiUae aethereumj, und zwar sowohl das r ei n e , wie das durch Destillation der Kamillen mit C i t r o n ö l oder mit T e r p e n t h i n ö l gewonnene, besitzt die flüchtig erregenden Wirkungen der Kamillen in einem hohen Grade , ist aber s e h r t h e u e r und deshalb in der Thierarzneikunst gar nicht gebräuchlich. — Das g e k o c h t e oder eigentlich i n f u n dí r t e K a m i 11 e n ö 1 [Ol. ChamomiUae iafuaum s. cuctum), durch Digeriren von 1 Tlieil Kamillenhlumen mit 8 Theilen Baumöl bereitet, leistet nicht viel mehr als blosses Baumöl und ist daher zu e n t b e h r e n . — Ebenso ist das K a m i 11 e n e x t r a c t , welches fast nur als bitteres Mittel wirkt, und das d e s t i l l i r t e K a m i l l e n w a s s e r entbehrlich.
3 ) R ö m i s c h e o d e r e d l e K a m i l l e n , Flores
ChamomiUae
Romanae.
Von Anthemis nobilis L . , 19. Kl. 2. Ordn., Fam. Compositae, Anthemideae.
§. 2 0 5 . Sie enthalten als wirksame B e s t a n d t e i l e flüchtiges Oel, ein gummiharziges Princip, etwas Kampher und etwas Gerbstoff. A n ätherischem Oel sind sie reicher als die gemeinen K a m i l l e n , denen sie zwar in der Wirkung ähnlich, aber keinesweges gleich sind, sondern sich durch grössere Flüchtigkeit und durch stärkere aromatische Bitterkeit von denselben unterscheiden. Deshalb verdient die gemeine Kamille bei schmerzhaften Koliken den Vorzug vor ihnen; übrigens aber können sie, wo sie zu haben sind, ganz wie die gemeinen Kamillen, bei den im vorigen Paragraphen genannten und ähnlichen Krankheiten, und in derselben Gabe und Verbindung angewendet werden. Die französischen Thierärzte benutzen sie sehr häufig; in Deutschland sind sie verhältnissmässig zur gemeinen K a m i l l e zu theuer und deshalb wenig im Gebrauch. ( 3 0 Grm. 2 Sgr. 2 Pfg.)
Römische Kamillen, Lavendelblumen, Rosmarinkraut 4) Lavendelbluilicil, Flures
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Lavandulae.
Von L a v a n d u l a (s. Spica) Vera L., 14. KI. 1. Ordn., F a m . Labiatae.
§. 206. Die noch nicht völlig aufgeblühten Lavendelblumen (und zum Theil auch die Blätter) sind sehr reich an einem kampherhaltigen ätherischen Oel und ihre Wirkungen sind daher sehr flüchtig, reizend, belebend, und bei asthenischen Entzündungen, bei Stockungen und Extravasaten sehr kräftig zertheilend. - Der Lavendel wird innerlich (aus mir unbekannten Gründen, sehr wenig angewendet; er ist aber wie jedes andere ätherisch-ölige Mittel bei allen, im §. 197 angeführten Krankheitszuständen zu benutzen. Die Gabe ist für die grossen Hausthiere 3 0 , 0 — 6 0 , 0 . für Schafe und Schweine 1 5 , 0 — 3 0 , 0 , für Hunde 2 , 0 — 8 , 0 . Form und Verbindung ist wie bei den Kamillenblumen zu wählen. — Am gewöhnlichsten wird der Lavendel äusserlicli in solchen Fällen benutzt, wo erregende Zertheilungsmittel angezeigt sind. Die Anwendung kann hierbei, den Umständen entsprechend, in Kräuterkissen, in Breiumschlägen, oder im Infusum und mit Zusatz von Kamillen, Quendel, Spiritus und dgl. geschehen. (30 Grm. 1 Sgr. 4 Pfg., gepulv. 1 Sgr. 8 Pfg.) A n m e r k u n g . Das sehr k a m p h e r r e i c h e L a v e n d e l ö l [Ol. Lavandulae destillatum) erzeugt ausgezeichnet flüchtig erregende W i r k u n g e n , welche denen des Kamphers ähnlich und örtlich viel milder sind, als die Wirkungen des Terpenthiuöls, daher auch bei seiner wiederholten Anwendung auf die Haut nicht so bald die Haare verloren gehen, wie bei dem Gebrauch des letztern Mittels Es ist nach dem Terpenthinöl, Wachholderholzöl Steinöl und R o s m a n n ö l das wohlfeilste ätherische Oel, und wird von den französischen Thierärzten häufig gegen asthenische und chronische Entzündungen, gegen verhärtete Geschwülste und bei Rheumatismen zu äusserlichen E i n r e i b u n g e n , bald für sich allein, bald in Verbindung mit B a u m ö l , mit W e i n g e i s t , Salmiakgeist oder T e r p e n t h i n ö l , j e nachdem man einen g e r i n g e m oder stärkern Grad der Reizung bewirken w i l l , angewendet. Es ist jedoch fast überall durch das Terpenthinöl zu ersetzen und nur da zu empfehlen, wo die Eigenthümer einen besondern W e r t h auf die kranken Thiere l e g e n , und etwas Anderes als die gewöhnlichen Mittel gebraucht zu sehen w ü n s c h e n , oder wenn die kranken Thiere im Zimmer gehalten w e r d e n , z. B. Stubenhunde und Katzen (1 Grm. 5 P f g , 5 Grm. 1 Sgr 6 P f g ) — Eine geringere und gewöhnlich verfälschte Sorte des L a v e n d e l ö l s , das S p i k ö l {Ol. Spicae), wurde ehedem von den Thierärzten sehr häufig und auf ähnliche Weise wie das vorige, g e b r a u c h t ; j e t z t benutzt man dasselbe mit Recht sehr wenig und nur unter den eben angegebenen Umständen. — Ausserdem hat man noch einen L a v e n d e I g e i s t (Spiritus Lavandulae), welcher aber in der Thierarzneikunst entbehrlich ist.
5 ) R o s m a r i n k r a u t ( u n d ß l u i n e n ) , Uerba et Flores Bosmarini,
s. Boris mannt, ». Anthos.
Von Rosmarinus officinalis L., 2. Kl. 1. Ordn., F a m . L a b i a t a e .
§. 207. Der Rosmarin besitzt als Hauptbestandteil ebenfalls sehr viel kampherhaltiges Oel, in Verbindung mit etwas bitterlich scharfem Extractivstoff. Ei ist somit dem Lavendel sehr ähnlich und stimmt auch mit dessen flüchtig erregenden Wirkungen im Wesentlichen überein, übertrifft dieselben aber nocli an Stärke, und zeigt ausserdem auch eine kräftigere Einwirkung auf die Geschlechtsorgane, so dass er sich den Wirkungen der römischen Kamille sehr nähert. Man macht von dem Rosmarin nur wenig Gebrauch, besonders inner-
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Aetkerisch-öligc Mittel.
lieh ; wo er jedoch wohlfeil und vielleicht als Hausmittel zu haben ist, kann die innerliche und äusserliche Anwendung ganz so und in denselben Gaben geschehen, wie bei den vorigen beiden Mitteln. (30,0 concis. V / 6 Sgr.) Anmerkung. Das R o s m a r i n ö l (Ol. Boris marini $. Ol. Anthos) b e s i t z t dieselben W i r k u n g e n wie das Lavendelöl, und kann so wie dieses benutzt werden. Es verdient sogar v o r diesem in den meisten Fällen den Vorzug, da es unter allen ätherischen Pflanzenölen ( m i t Ausnahme des Terpenthinöls und des Wachbolderholzöls) das wohlfeilste ist. (5 Grm. l O P f g , 30 Grm. 4 Sgr. 2 Pfg.) — In der sogenannten N e r v e n s a l b e oder der z u s a m m e n g e s e t z t e n R o s m a r i n s a l b e (Unguentum nervinum s• Ung. Boris marini compositum), wie dieselbe in der Preussisehen Phannacopöe vorgeschrieben i s t . bildet dieses Oel und das Rosmarinkraut die wirksamsten B e s t a n d t e i l e ; sie wirkt sehr kräftig erregend, stärkend und z c r t h e i l e n d , ist aber tür die meisten F ä l l e der thierärztlichen Praxis zu theuer, und durch Salben aus Terpenthinöl, Kampher und grüner Seife oder Schweinefett zu ersetzen. — D e r R o s m a r i n s p i r i t u s ( S p i r i t u s Horis marini) ist ein kräftiges R e i z mittel, aber entbehrlich.
6 ) Salbelkraut, Folia s. Herba
Salviae.
Von Salvia officinalis L., 2. Kl. 1. Ordn., Fam. L a b i a t a e .
§. 208. Das in der Salbei enthaltene ätherische Oel ist ebenfalls kanipherhaltig, jedoch in einem geringeren Grade als das des Lavendels und des Kosmanns; mit ihm ist Bitterstoff und, in noch grösserer Menge, auch ein adstringirendes Princip sehr innig verbunden, und das Mittel besitzt hierdurch die Eigenschaft, nicht nur flüchtig erregend, sondern auch zusammenziehend, anhaltend erregend und stärkend zu wirken. — Diese Wirkungen zeigen sich innerlich durch Besserung der schwachen Verdauung, durch Beseitigung von Krämpfen und Blähungen, vorzüglich aber durch Beschränkung krampfhaft vermehrter Absonderungen sehr heilsam, wie namentlich bei chronischenVerschleiinnngen der Respirationsorgane, bei Krämpfen, bei Schwäche, Erschlaffung und bei Verschleimung der Verdauungseingeweide, der Nieren und Geschlechtstlieile, daher auch bei dem sogenannten feuchten Dampf, bei der Schleimschwindsucht, bei asthenischem Durchfall und Ruhr, bei dergl. Harnruhr, bei übermässigen Schweissen, bei zurückgebliebener Nachgeburt und dadurch entstandenem Schleimfluss; in einigen Fällen sehr wirksam gegen Spulwürmer (mit Honig gegeben); — ebenso äusserlich bei asthenischen Entzündungen im Maule und im Rachen (z. B. bei dem Maulweh, bei chronischer Bräune mit übermässiger Schleimabsonderung), bei asthenischen Augenentzündungen, und bei allen dergl. Entzündungen anderer Theile, bei Quetschungen, leichten Blutextravasaten, bei ödematösen Anschwellungen, bei Schleimfluss aus den Geschlechtstheilen, bei Wunden und Geschwüren mit zu geringer Thätigkeit, selbst bei dem kalten Brande und dergl. Die Gabe zum innerlichen Gebrauch ist für die verschiedenen Hausthiere wie bei den Kamillen. Die Anwendung kann in allen Formen geschehen; am zweckmässigsten ist jedoch das Infusum, wenn man die flüchtigen Wirkungen des Mittels vorzüglich zu erhalten wünscht; will man aber mehr die tonischen Wirkungen, so kann dasselbe auch schwach gekocht werden. Zusätze macht m a n , nach dem Grade der vorhandenen Erschlaffung und Reizlosigkeit, von Weidenrinde, Alaun, Kalmus, Kamillen, Pfefferminze, Kampher, Spiritus, Terpenthinöl und dergl.
Salbeikraut, Dostenkraut, Pfefferminzkraut.
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Die äusserliche A n w e n d u n g der Salbei geschieht melirentlieils im I n f u s u m , f ü r sich allein oder in V e r b i n d u n g mit anderen aromatischen P f l a n z e n , u n d häufig mit Zusatz von Essig oder Spiritus (>/4 bis zur H ä l f t e der g a n z e n Flüssigkeit), zum W a s c h e n , B ä h e n u n d E i n s p r i t z e n ; — zuweilen wird die Salbei auch zu aromatischen Breiumschlägen, selten in P u l v e r f o r m zum E i n streuen in W u n d e n u n d Geschwüre benutzt. Anmerkung. Die Salbei wird von Schafen und Ziegen gern gefressen und g i e b t , wenn dies reichlich geschieht, der Milch und dem Fleische dieser Thiere einen gewürzhaften Geschmack,
7) Gemeines D u s t e n k r a u l ( f f o h l g e i n u t h ) , Serba Origani vulgaris. 14. Kl. 1. Ordn. L., Famil. Labiatae.
§. 209. D a s Dostenkraut ist in seinen B e s t a n d t e i l e n sehr ähnlich dem Mairan, aber die W i r k u n g e n sind viel k r ä f t i g e r als bei dem letzteren. E s k a n n g a n z wie die vorher g e n a n n t e n Mittel benutzt werden. Dasselbe gilt auch von dem k a n d i s e h e n D o s t e n oder D i p t a m D o s t e n , oder dem sogenannten s p a n i s c h e n H o p f e n (Origanum creticurn s. Dictuiumis créticas), welcher sehr reich an ätherischem Oel ist u n d den vorigen an W i r k s a m k e i t noch übertrifft. — Sein ätherisches Oel ( D o s t e n ö l , S p a ll i s c l i l i o p f e n öl, Ol. Origmii cretiri) ist sehr stark reizend, dem Terpentliinöl ähnlich, und w u r d e ehedem zu scharfwirkenden Salben und E i n r e i b u n g e n häufig gebraucht, wird aber jetzt durch das wohlfeilereTerpenthinöl ersetzt. 8) PfeiTorinillzliiaut, Folia s. Ilerba Menthae
piperitae.
14. Kl. 1. Ordn. L., Fam. Labiatae.
§. 210. Die Pfefferminze besitzt als allein wirksamen Bestandtheil ein sehr kampherreiclies ätherisches Oel in bedeutender Menge, welches sich durch einen aromatischen und zugleich k ü h l e n d e n Geschmack vor a n d e r e n ätherischen Oelen auszeichnet. Sie ist ein sehr k r ä f t i g e s flüchtiges Reizmittel, welches an Flüchtigkeit alle übrigen aromatischen Mittel übertrifft, und sich den W i r k u n g e n des Kainphers am meisten n ä h e r t ; es fehlen ihr d a g e g e n alle wirklich s t ä r k e n d e n E i g e n s c h a f t e n , und sie steht in dieser Beziehung den Kamillen, dem Lavendel, dem R o s m a r i n , der Salbei, noch mehr aber dem Baldrian, dem Kalmus, der Angelik- u n d Meisterwurzel sehr nach. Man benutzt daher die Pfefferminze auch nur als blosses Reizmittel bei allen K r a n k h e i t e n , die aus grosser Schwäche entstanden oder mit derselben verbunden sind, u n d besonders bei dergleichen nervösen Leiden, wie n a m e n t lich bei reiner Appetitlosigkeit, bei K r ä m p f e n und K r a m p f k o l i k , bei falschen und bei zu geringen G e b u r t s w e h e n , bei W i n d k o l i k u n d T r o m m e l s u c h t , bei L ä h m u n g e n , bei Schwindel, bei nervösen u n d typhösen F i e b e r n , bei dergl. F o l g e n und N a c h k r a n k h e i t e n der S t a u p e der H u n d e u n d dergl. Die Dosis ist f ü r P f e r d e u n d R i n d e r 1 5 , 0 — 4 5 , 0 , f ü r Schafe u n d Schweine 7,5—15,0, f ü r H u n d e 0 , 5 — 2 , 0 . — D a s Mittel wird am besten im I n f u s u m
Aetheriseh-ölige Mittel.
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angewendet, kann aber auch in Pillen und Latwergen gereicht werden. In leichten F ä l l e n , besonders bei Krämpfen, ist es für sich allein ausreichend, bei mehr hartnäckigen Zufällen setzt man ihm Kampher, Baldrian, Hirschhornöl, Opium und dergl. erregende und krampfstillende Mittel zu. Aeusserlich wird die Pfefferminze als kranipfstillendes, reizendes und zertheilendes Mittel auf die, im §. 202 angegebenen verschiedenen Weisen mit dem besten Erfolge benutzt; sie ist jedoch für die meisten Fälle zur äusserlichen Anwendung zu kostbar lind deshalb durch die bereits vorher genannten Mittel, vorzüglich aber durch die w i l d w a c h s e n d e n Minzarten und durch den Q u e n d e l zu ersetzen. (30 Grm. gesclm. 1 Sgr. 10 Pfg., pulv. 5,0 5 Pfg., 3 0 Grm. 2 Sgr.) Anmerkung. V o r m a l s benutzte man auch in der T h i e r a r z n e i k u n d e das d e s t i l l i r t e P f e ff e r m i n z ö 1 (Ol. Menthae piperitae) und das P f ef f e r m i n z w a s s e r (Aqua destill. Menth. pij)cräae) \ beide P r ä p a r a t e sind a b e r zu t h e u e r , können durch das Infusum des K r a u t e s sehr gut ersetzt und daher ganz e n t b e h r t werden. (Oei 1 Tropfen 4 Pfg.) 1 Grm. 6 Sgr. 6 Pfg.) 9) Rrauseiuinzkraul, Folia $. fferba Menthae
crispae.
14. Kl. 1. Ordn., F a m i l i e L a b i a t a e .
§. 211. Die Krauseminze besitzt ein ähnliches, sehr flüchtiges kampherartiges Oel wie die Pfefferminze, jedoch in etwas geringerer Menge und in Verbindung mit einem milden Bitterstoff. Sie ist der Pfefferminze sehr ähnlich, nur etwas weniger durchdringend reizend und zugleich etwas tonisch. Die tonische Wirkung kommt jedoch kaum in Betrachtung, und das Mittel kann daher ganz wie das vorige angewendet werden. Bemerkenswerth ist es jedoch, dass Kühe die Milch verlieren sollen, wenn sie reichlich das Krauseminzkraut fressen 1 , — und dass die Milch nicht gerinnen soll, wenn man Krauseminzblätter in sie legt 2 . ( 3 0 Grm. 1 Sgr. 6 Pfg., pulv. 5 Grm. 4 Pfg., 30 Grm. 1 Sgr. 8 Pfg.) A n m e r k u n g 1. F a s t alle übrigen Minzearten, und namentlich die A c k e r m i 11 z e (Mentha arvensis), die g r ü n e Mi n z e (Mentha viridis s. sntiva), die W a s s e r m i n ze oder R o s s m i n z e (M. aquatica s. hirsuta), die W a l d m i n z e (¿V. silvestris s. nemorosa) u. a., vorzüglich aber die P o l e i m i n z e , der P o l e i (M. Pulegium) stimmen in den wesentlichen E i g e n s c h a f t e n mit der Pfefferminze and der K r a u s e m i n z e ü b e r e i n , obgleich sie m e h r e n theils ( m i t Ausnahme des Polei) von etwas schwächerer W i r k s a m k e i t als diese beiden Mittel s i n d ; sie k ö n n e n daher die Stelle derselben v e r t r e t e n , besonders für den äusserlichen G e b r a u c h , und verdienen ü b e r h a u p t als inländische wohlfeile Arzneistoffe von den T h i e r ä r z t e n eine bessere B e a c h t u n g als bisher. A n m e r k u n g 2. M e l i s s e n k r a u t ( C i t r o n e n m e l i s s e ) (Folia s. lierba Melissa e) e n t h ä l t ätherisches Oel, in V e r b i n d u n g mit etwas Bitterstoff und mit einem kleinen Antheil Gerbstoff. Obgleich sein Geruch von dem der Krauseminze verschieden i s t , so s t i m m t es doch in seinen W i r k u n g e n mit dieser fast ganz überein und ist auch wie sie und wie die Pfefferminze zu b e n u t z e n . D a es jedoch dem letztern Mittel und dem Quendel an W i r k u n g e n n a c h s t e h t , und ausserdem auch t h e u r e r ist als P f e f f e r m i n z e , so machen deutsche Thierärzte von ihm n u r sehr selten G e b r a u c h , a b e r in F r a n k r e i c h b e n u t z t man es sehr häufig bei torpiden K r a n k h e i t s z u s t ä n d e n der Verdauungseingeweide, namentlich bei Appet i t l o s i g k e i t , U n v e r d a u l i c h k e i t , A u f b l ä h e n u. s. w., besonders bei den w i e d e r k ä u e n d e u Thieren. 1 2
L i n n . F l o r . Suec. Nro. 516. D i o s c o r i d . Lib. 3. c. 41. p. 189 und L e w i s , rnat. med. p. 378.
Quendelkraut, Sadebaumkraut.
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1 0 ) Q u e n d e l k r a u t ( w i l d e r o d e r F e l d t h j m l a » ) , Herba Scrpylli. Von Thymus Serpyllum L . , 14. K l . 1. Ordn., F a m i l . Labiatae.
§• 212. Die sämmtlichen Varietäten des Quendels besitzen ein kampherreiches ätherisches Oel und gehören zu den gewürzhaftesten Pflanzen Deutschlands. Die "Wirkungen sind denen der Pfefferminze sehr ähnlich, und der Quendel kann daher überall angewendet werden, wo die letztere empfohlen ist und wo überhaupt ätherisch-ölige Mittel passend sind. D a er fast allenthalben leicht zu haben und sehr wohlfeil ist, so verdient er in der Thierheilkunde zum innerlichen und äusserliclien Gebrauch häufiger benutzt zu werden, als es gewöhnlich geschieht. (30 Grm. 1 Sgl-, 2 P f g . ) Anmerkung. Mit dem Quendel ist das Kraut de9 g e m e i n e n T h y m i a n ( H e r b a Thymi vulgaris) in den B e s t a n d t e i l e n und Wirkungen übereinstimmend, aber noch etwas kräftiger, da es etwas mehr ätherisches Oel enthält. (30 Grm. 1 Sgl'. 6 P f g . )
I I ) S a d e b a n m - oder S e r e n b a u u i k r a u l , Herba s. Summitates Sabinae. Von Juniperus Sabina L . , 22. K l . 11. Ordn., Fam. Coniferae.
§. 213. Die Blätter des Sadebaums enthalten als wirksame B e s t a n d t e i l e ein terpenthinai-tiges, sehr erhitzendes und scharfes ätherisches O e l , in Verbindung mit einem scharf bitterlichen und z u m T h e i l harzigen Extractivstofl'. — Sie wirken im irischen Zustande (zerquetscht und von den Thieren gekauet) ülid Im trockemsn örtlich sehr stark reizend; sowohl äusserlich wie auch im Magen und Darmkanal erregen sie dunklere Köthung, brennende Empfindung, bei längerer Dauer der Berührung auch Entzündung, und an von Haut entblössten Weichgebilden, z. B. in W u n d e n , Geschwüren und an W a r z e n , wirkt unter diesen Umständen das Pulver des trockenen Krautes selbst ätzend und zerstörend. W i e jedoch die P f e r d e manche scharfe Stoffe in grossen Gaben ohne Nachtlieil ertragen, so werden auch ihre Verdauungseingeweide selbst von sehr grossen Gaben Sabina nur wenig auf die bemerkte W e i s e afficirt. Ich habe dieses in mehreren Fällen, wo ich ihnen das frische wie das trockene Kraut zu 120,0, 140,0—360,0 pro dosi, und täglich zweimal durch 6 — 8 T a g e sowohl mit dem Futter als auch in Pillenform gab, selbst beobachtet, und die von dem Prof. S i c k in der hiesigen Thierarzneischule früher angestellten Versuche, bei welchen das Mittel durch ein halbes Jahr in steigenden Gaben und zuletzt pfundweise mit dem Futter gemengt, gereicht wurde 1 , beweisen dies ebenfalls. Bei Rindern und Schafen sieht man dagegen von grossen und mehrfältig wiederholten Gaben sehr oft jene heftigen örtlichen Wirkungen und deren Folgen, nämlich schmerzhafte Aufblähung des Leibes, Verlust des Appetites, Entzündungsfieber, Verstopfung oder später blutige Diarrhöe und dergl. eintreten, — und bei Hunden tritt Magen- und Darmentzündung ein und darauf selbst der T o d nach 1 5 — 2 2 Grms. des Mittels 'Rudolphi, S. 31.
Hebtwio.
Bemerkungen aus dem Gebiet der Naturgeschichte u. s . w . 1. T b e i l .
A r z n e i m i t t e l l e h r e . f>. A u f l a g e .
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Aetherisch-ölige Mittel.
jedesmal, wenn den Thieren durch Unterbinden des Schlundes das Erbrechen unmöglich gemacht ist. — Auch nach dem Einbringen von 7,5 der gepulverten Sabina in eine frische Wunde am Schenkel eines Hundes sah O r f i l a , ausser der heftigen Entzündung und blutigen Infiltration des verletzten Gliedes, in etwa 36 Stunden den Tod erfolgen 1 . Bei Pferden habe ich grössere Quantitäten in Wunden und Geschwüre gebracht, und davon wohl starke E n t z ü n d u n g und kräftige Uinstimmung der Thätigkeit, aber keine wichtigen allgemeinen Zufalle entstehen sehen. I n diesen örtlichen Wirkungen ist die Sabina den scharfen Mitteln ganz ähnlich, und man hat sie daher auch oft zu denselben gerechnet; allein ihre allgemeinen Wirkungen stimmen wieder mit denen der ätherisch-öligen Mittel und zum Theil auch mit denen der Harze (iberein. Sehr flüchtig sind diese Wirkungen nicht. — Das Mittel bringt in mässigen Gaben bei allen Thieren eine kräftige Aufregung der Gefässthätigkeit, besonders in den Bauclieingeweiden, in den Harn- und Geschlechtsorganen hervor, bessert die Verdauung und die Assimilation, tödtet Eingeweidewürmer und hemmt deren Entwickelung, befördert die Wärmeentwickelung, die Hautausdünstung und die Urinsecretion, und oft auch die Resorption. Fast immer findet man, dass das Blut höher geröthet wird, und dass bei Pferden der Kotli und Urin einen ganz eigenthümlichen, widrigen Geruch annimmt; bei den übrigen Thieren findet etwas Aehnliches, jedoch weniger auffallend Statt. Bei den von S i c k gemachten Versuchen wurde ein Pferd ausserordentlich fett, obgleich es nur wenig Futter erhielt. — Nach P i l g e r ' s A n g a b e 2 sollen Pferde bei dem durch längere Zeit fortgesetzten Gebrauch des Mittels die Haare verlieren; die an der hiesigen Thierarzneischule deshalb gemachten Versuche haben aber das letztere nicht im Geringsten bestätigt. — Bei trächtigen Thieren soll die Sabina, nach der Behauptung fast aller Schriftsteller, sehr leicht das Verwerfen herbeiführen; es findet sich jedoch nirgends ein Fall beschrieben, in dem diese W i r k u n g nachgewiesen ist, und bei meinen Versuchen an trächtigen Pferden und Hunden (bei letzteren das Mittel im Infusum zu 7,5 auf den T a g gegeben) hat sich dieselbe auch nicht gezeigt; ich will sie aber deshalb nicht ganz läugnen, und noch weniger will ich die, von Anderen em pfohlene Vorsicht in der Anwendung dieses Mittels bei trächtigen Thieren verachten. Die Indicationen zur innerlichen Anwendung dieses kräftigen Arzneimittels sind zwar dieselben, welche fiir die ätherisch-öligen Mittel im Allgemeinen (§. 197) angedeutet wurden; dasselbe erscheint jedoch besonders da als passend, wo mit dem Vegetationsprocess die arterielle Thätigkeit und die Empfindlichkeit zugleich sehr gesunken sind. — Mit Nutzen hat man das Mittel gebraucht: bei der chronischen, bösartigen Druse, selbst beim Rotz und W u r m der Pferde; bei Eingeweidewürmern, bei schlechter Verdauung und damit verbundener Abmagerung, bei der chronischen Lungenseuche des Rindviehes, wenn die Krankheit einen ausgebildeten asthenischen Character besitzt und wenn sie in Brustwassersucht übergeht; ebenso bei Wassersucht 1
O r f i l a , A l l g e m e i n e Toxikologie. A. d. Franz. von K ü h n . Erster Band. S. 592. P i l g e r , Systemat. Handbuch der Veter.-Wissenschaft. 2. Bd. S. 445. Er behauptet, d a s s durch das Füttern mit Sadebaum das sogenannte nackte P f e r d , welches sich im Cabinet der Königl. Tbierarzneischule zu Berlin b e f i n d e t , seine k a b l e Beschaffenheit der Haut erhalten habe. D i e s ist jedoch nicht erwiesen. 2
Sadebaumkraut.
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überhaupt, und bei cachectischen Krankheiten, die mit derselben verbunden sind , wie z. B . die Fäule der Schafe in den meisten Fällen ; bei veralteter, hartnäckiger Räude und Mauke; bei dergleichen Eheumatismus ; bei zurückgebliebener Nachgeburt, wenn die Gebärmutter in ihrer Zusammenziehung zu wenig Kraft und Thätigkeit zeigt, und ebenso bei chronischem Schleimausfluss aus der Gebärmutter, wenn ein torpider Zustand in derselben besteht. Pferden und Eindern giebt man von dem Sadebaum 1 5 , 0 — 6 0 , 0 , Schafen und Schweinen 2 , 0 — 7 , 5 , Hunden 0 , 3 — 0 , 6 auf einmal, und in Zwischenzeiten von 4 — 6 Stunden wiederholt. Die Anwendung kann in Latwergen und Pillen, wie im Infusum und Decoct geschehen. In dem letztern kommen mehr die bitteren Bestandtheile, in dem Infusum mehr das ätherische Oel zur Wirkung. Ausserdem kann man aucli die frischen oder die getrockneten Blätter, unzerstossen mit dem Futter gemengt, den Thieren reichen, und auf diese Weise besonders Pferden und Schafen (den letzteren in Lecken mit Mehl oder Schrot und Salz) leicht beibringen. Das Pulver eignet sich zu dieser Art der Anwendung nicht gut, weil es zu heftig reizend auf die Schleimhaut der Maul- und Eachenhöhle wirkt. In vielen Fällen der vorhin genannten Krankheiten ist der Sadebaum für sich allein wirksam genug, zuweilen aber muss man ihn mit anderen entsprechenden Mitteln verbinden, wie besonders mit Spiessglanz-, Schwefel-, Quecksilber- und Eisenpräparaten, oder mit adstringirenden, bitteren und schleimigen Mitteln. Letztere setzt man gewöhnlich nur deshalb hinzu, um die starke örtliche Einwirkung der Sabina auf den Verdauungskanal zu mindern. Aeusserlich benutzt man das Mittel entweder «) in Pulverform zum Einstreuen in sehr torpide, unreine, cariöse und wuchernde Geschwüre, um dieselben in grössere Thätigkeit zu versetzen, sie zu reinigen, die Abblätterung zu befördern und die üppige Granulation zu zerstören, und zwar bald rein, bald mit gebranntem Alaun, mit rothem Quecksilber-Präcipitat, mit Kupfervitriol und dgl. versetzt; oder b) im Infusum als reizendes und zertheilendes Mittel zum Befeuchten unreiner Geschwüre, zum Waschen bei Eäude, bei veralteten Quetschungen und bei Verhärtungen, — zum Einspritzen bei Schleimflüssen aus den weiblichen Geschlechtstheilen. (30,0 gr. gepulv. l l / 2 Sgr.) A n m e r k u n g 1. Das sehr scharf reizende S a d e b a u m ö l {Ol. destili. Sabinae) wurde früher häufig bei Knochengeschwüren , um die Abblätterung zu befördern, wie auch als durchdringendes Reizmittel zum Einreiben in verhärtete, in gelähmte, oder mit hartnäckigem Rheumatismus behafteteTheile angewendet; es ist entbehrlich, da es durch das wohlfeilere Terpenthinöl ersetzt wird. (1 Grm. 1 Sgr. 6 Pfg.) A n m e r k u n g 2. Dem Sadebaum ähnlich in den B e s t a n d t e i l e n ist der sogenannte L e b e n s b a um ( Thuja occidentalis). Innerlich sind bisher nur wenige Versuche mit ihm gemacht worden; äusserlich hat sich aber das Mittel bei unreinen schlaffen Geschwüren, gegen üppige Granulation und Feigwarzen sehr wirksam gezeigt. Man benutzte hiergegen das pul verisirte Kraut zum Einstreuen, oder noch besser, die Tinctur (aus 1 Theil Blätter und 6 Theilen Weingeist bereitet) zum Anfeuchten, täglich 8 — 4 Mal wiederholt.
§. 214. Zu den aromatischen Kräutern gehören auch noch: das P f e f f e r k r a u t oder B o h n e n k r a u t (Herba Saturejae), das B a s i l i e n k r a u t (H. Basilici), die K a t z e n m i n z e (H. Catariae s. H. Nepetae) und das K a t z e n k r a u t , io»
Aetherisch-ölige Mittel.
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A m b e r k r a u t oder M a r u m v e r u m (II. Mari veri s. syriaci). Sie sind sämmtlich dem T h y m i a n ähnlich, werden d u r c h diesen ersetzt und kommen j e t z t k a u m noch als thierärztliche Arzneimittel in G e b r a u c h ; desgleichen das I s o p k r a u t (H. Ilyssopi), das M a j o r a n k r a u t {II. Majoranae) ; — ebenso das B e t o n i e n k r a u t (II. Betonicae), u n d das L a c h e n k n o b l a u c h k r a u t (H.Scordii), welche sämmtlich schwach aromatisch, aber ausser Gebrauch sind, und das S t e i n k l e e - oder M e l i l o t e n k r a u t mit den Blumen (llerba et Flores Meliloti), dessen W i r k u n g e n sehr schwach sind, so dass m a n es innerlich g a r nicht, u n d äusserlich fast nur seines Gcruchs wegen als Zusatz zu anderen zertheilenden, u n d selbst zu erweichenden K r ä u t e r n zuweilen benutzt. E n d l i c h sind auch die sogenannten H e u b l u m e n oder H e u s a m e n fFlores et semina Foeni), welche sich als Abfall und R ü c k s t a n d des H e u e s auf dem Boden finden, hierher zu rechnen. Sie bilden ein G e m e n g e von lialbu n d ganzreifen Grassamen, Bliithen und Spelzen u. s. w., u n d besitzen nach A r t und Beschaffenheit der im H e u enthaltenen P f l a n z e n gelind aromatische u n d schwach adstringirende Eigenschaften. Man k a n n sie äusserlich als die wohlfeilste aromatische K r ä u t e r m i s c h u n g (aromatische Species) bei allen K r a n k h e i t e n a n w e n d e n , wo aromatische K r ä u t e r ü b e r h a u p t empfohlen sind; besonders aber eignen sie sich f ü r die leichteren G r a d e dieser Krankheiten, wie auch wo F u s s b ä d e r oder Umschläge auf grossen F l ä c h e n anzuwenden sind, so wie auch zu Dunstbädern. I m Nothfall k a n n m a n ein Infusum von g u t e m H e u s a m e n innerlich, z. B. bei rheumatischer und bei Krampfkolik, mit N u t z e n gebrauchen.
B.
Aromatische
Samen.
12) Anlssainen, Semen s. Fruclud
Anisi.
V o n P i m p i n e l l a A n i s u m L., 5. K l . 2. O r d n . , U m b e l ü f e r a c .
§. 215. I m Anis ist ein süssliches ätherisches Oel in nicht unbedeutender Menge e n t h a l t e n , aber durch fettes Oel, S c h l e i m z u c k e r u n d Extractivstoflf sehr gemildert in seinen W i r k u n g e n . Diese bestehen in einer sanften E r r e g u n g der T h ä t i g k e i t derVerdauungseingeweide und der Respirationsorgane, und äussern sich durch V e r m e h r u n g des Appetites, durch bessere V e r d a u u n g , durch Abtreibung der B l ä h u n g e n , vorzüglich aber durch flüssigere A b s o n d e r u n g und leichtern Auswurf des Schleims aus den Respirationsorganen. D e r l e t z t e m W i r k u n g w e g e n ist der Anis von j e h e r als ein sogenanntes Brustmittel geschätzt, u n d vorzüglich im letzten Stadium der in Genesung übergehenden L u n g e n e n t z ü n d u n g , oder vielmehr in der Reconvalescenz nach derselben, — auch selbst im V e r l a u f e wirklich asthenischer L u n g e n e n t z ü n d u n g e n , u n d bei allen katarrhalischen K r a n k h e i t e n mit diesem C h a r a c t e r häufig a n g e w e n d e t worden. E r ist daher auch ein Bestandtheil fast aller sogenannten D r u s e n pulver und D r u s e n l a t w e r g e n , in welchen er freilich auch oft gemissbraucht wird, w e n n die A n w e n d u n g zu f r ü h , d. h. noch w ä h r e n d der E n t z ü n d u n g s periode geschieht. — • Ebenso benutzt man ihn bei Unverdaulichkeit, bei zu vieler E n t w i c k e l u n g von B l ä h u n g e n , bei W i n d - u n d K r a m p f k o l i k , bei k r a m p f h a f t e n H a r n v e r h a l t u n g e n , bei D u r c h f ä l l e n , welche ohne Reizung bestehen,
Anis-, Fenchel-, Kümmelsamen
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und dgl. Doch dürfen diese Krankheiten nicht mit einem zu hohen Grade von Schwäche und Reizlosigkeit verbunden sein, weil sonst der Anis nicht wirksam genug ist. DieGabe ist für Pferde und Rinder 30,0—90,0, für Schafe und Schweine 7,5 — 15,0, für Hunde 1,0—4,0. Das Mittel ist in Pulverform, in Latwergen , Pillen und im Infusum anwendbar, und wird nach Bedürfniss der Umstände mit Salmiak, Kalomel, Schwefel, Spiessglanz, Wachholderbeeren, Terpenthin und dgl. Mitteln verbunden. Ehemals pflegte man den Anis auch Purgirmitteln zuzusetzen, um, wie man glaubte, deren nachtheilige Wirkung auf den Darmkanal, besonders Kolikschmerzen, zu verhüten; jetzt wird dieser Gebrauch mit Recht unterlassen. Dagegen setzt man den Anis zuweilen als Nebenmittel zu Arzneien, besonders zu Pulvern, um ihren Geschmack zu verbessern, weil er-den meisten Thieren angenehm ist und von ihnen gern gefressen wird. Dies gilt namentlich von Pferden und Tauben. Der Anis ist aber für alle diese Zwecke durch den billigeren Fenchel zu ersetzen. (30,0 Grm. 1 Sgr. 6 Pfg.) Anmerkung 1 Das ä t h e r i s c h e A n i s ö l (Oleum aethereum Anist) ist «um Gebrauch bei grossen Thieren zu theuer und wird nur zuweilen noch zum Vertreiben und Tödten der Läuse und Flöhe bei Hunden, Katzen und Vögeln benutzt. Nach meinen Erfahrungen wirkt es gegen solches Ungeziefer sehr kräftig, verlangt aber bei kleinen Vögeln die grösste Vorsicht, weil eB dieselben, z. B Kanarienvögel, zu tödten vermag, wenn es so reichlich aufgestrichen wird, dass die Thiere es mit dem Schnabel wieder abwischen und lecken können. Selbst den Tauben soll das reine Anisöl ein Gift sein. Daher verdient bei den Vögeln ein schwaches Infusum des Anissamens, oder von dem Petersiliensamen, oder von dem sogenannten Insektenpulver zu obigem Zweck als Waschmittel den Vorzug. A n m e r k u n g 2. Der S t e r n a n i s (Semen s. Fructus Anieistellati) besitzt fast ganz dieselben Eigenschaften wie der gewöhnliche Anissamen, ist aber zu theuer und ganz entbehrlich. 13) Fenchelsameo, Semen s. Fructus FoeniciUi. Von Foeniculum officinale L., 5. Kl. 2. Ordn., Dmbelliferae.
§. 2 1 6 .
Der Fenchel ist in seinen Bestandteilen und Wirkungen dem Anis sehr ähnlich, und alles von dem letzten Gesagte gilt daher auch von ihm. Er verdient aber, da er viel wohlfeiler ist als der Anis, den Vorzug vor diesem. (30 Grm. 1 Sgr., gr. gepulv. 1 Sgr. 6 Pfg., fein pulv. 5 Grm. 6 Pfg., 30 Grm. 2 Sgr. 2 Pfg.) Anmerkung Das F e n c h e l k r a u t und die F e n c h e l w u r z e l (Serba et Radix Foeniculi) enthalten im frischen Zustande eine sehr geringe Menge ätherisches Oel und wirken gelind reizend, besonders auf die Schleimhäute, auf die Nieren und auf das Guter; getrocknet sind sie ganz unwirksam. Man benutzte sie ehemals gegen die Gelbsucht der Schafe und zur Beförderung der Milchabsonderung; jetzt sind sie aus dem Gebrauch. 14) Kümmelsamen, Karbe, Semen s. Fructus
Carvi.
Von Carum Carvi L., 5. Kl. 2. Ordn., Umbelliferae.
§• 217. Der Kümmel ist etwas aromatischer als Fenchel und Anis, im Ganzen aber ein ebenso mildes Arzneimittel wie diese, und unterscheidet sich von
150
Aetherisch-ölige Mittel.
denselben in therapeutischer Hinsicht auch nur dadurch, dass seine erregenden Wirkungen weniger auf die Brust- als auf die Baucheingeweide gerichtet sind. E r befördert die wurmformige Bewegung des Darmkanals, bessert die Verdauung, stillt K r ä m p f e , besonders in den Organen des Hinterleibes, und treibt Blähungen ab. E r wird auch allgemein als eins der wirksamsten unter den blähungtreibenden Mitteln betrachtet, und bei leichten asthenischen U11verdaulichkeiten, bei dergleichen Durchfällen, vorzüglich aber bei Krampfund Windkolik und bei der Trommelsucht gebraucht. Die Anwendung geschieht in denselben Gaben wie die des Anis, am besten im Infusum, welches zuweilen mit Bier bereitet und durch Zusatz von Branntwein und dergl. verstärkt wird. Dasselbe kann auch zu Bähungen gequetschter Theile und zu recht wirksamen erregenden, krampfstillenden Clystiren benutzt werden. (30 Gr. 1 Sgr., gr. gepulv. 1 Sgr. 6 Pfg., f. pulv. 2 Sgr.) 15) Dlllsainen, Semen s. Fructus
Anethi.
Von Anethum graveolens L., 5. Kl. 2. Ordn., Umbelliferae.
§. 218. E r ist mehr scharf gewürzhaft und weniger angenehm schmeckend als der Kümmel, stimmt aber mit dessen Wirkungen sehr iiberein, und kann in denselben Krankheiten, wo dieser und wo der Anis empfohlen ist, angewendet werden, und zwar in derselben Gabe, Form und Verbindung wie jene Mittel. Der Dillsamen verdient als wohlfeiles und auf dem Lande leicht zu habendes Arzneimittel von den Thierärzten mehr benutzt zu werden als bisher. Anmerkung. Das D i 1 l k r a u t (Herba Anethi) besitzt ähnliche Eigenschaften wie das Fenchelkraut, und wurde ehemals wie dieses angeweodet.
10) Petersiliensauien, Semen s. Fructus
Petroselini.
Von Petroselinum sativum Hoffm., 5. Kl. 2. Ordn., Umbelliferae.
§. 219. Das ätherische Oel ist in diesem Samen von schärferer Art als in den vorigen Mitteln, daher er auch einen scharf gewürzhaften und etwas bittern Geschmack besitzt. E r wirkt auf die Verdauungseingeweide ähnlich erregend wie der K ü m m e l , bessert die Verdauung, treibt Blähungen und beseitigt K r ä m p f e ; aber seine vorherrschende und fast specifische Wirkung ist auf die Harnwerkzeuge gerichtet und äussert sich durch bedeutend vermehrte Harnabsonderung. Diese Wirkung ist allgemein bekannt, so dass die Petersiliensamen fast überall als ein urintreibendes Mittel in grossem Rufe stehen und bei Kolik und Harnverhaltung nur leider zu oft gemissbraucht werden, da sie den gereizten Zustand des Darmkanals und der Harnwerkzeuge vermehren, die Entzündung schneller herbeiführen und ihre üblen Ausgänge beschleunigen können. Die Anwendung dieser Samen kann zwar bei Harnverhaltungen Statt finden, jedoch nur bei solchen, welche in einem überreizten krampfhaften oder
Dillsamen, Petersiliensamen.
151
lähmungsartigen Zustande begründet sind, und ganz ohne Entzündungssymptome bestehen; wie es zuweilen bei Pferden der Fall ist, wenn sie das Stallen zu lange über die gewöhnliche Zeit übergehen mussten. Mit grösserer Sicherheit wendet man dagegen das Mittel in einigen chronischen Krankheiten an, und namentlich bei veraltetem Katarrh und Rheumatismus; bei hartnäckiger Druse; bei veralteter Räude und bei alten Geschwüren anderer Art, z. B. bei Mauke; bei ödematösen Anschwellungen, bei Brust- und Bauchwassersucht, bei der chronischen Lungenentzündung des Rindviehes, und bei der Fäule der Schafe. Bei letzteren Thieren soll der Same auch zur Verhütung der Fäule und ähnlicher Krankheiten angewendet werden, wenn die Schafe nach dem Scheeren und bei anhaltend schlechter Witterung an K a t a r r h , Husten und Schleimauswurf leiden. Man giebt ihn Pferden und Rindvieh zu 15,0—45,0, Schafen und Schweinen zu 3,0—12,0, Hunden 0,6—4,0 auf einmal, in Zwischenzeiten von 2 — 3 Stunden wiederholt, und am besten imAufguss. Die pulverisirten oder blos gequetschten Samen mit dem Futter und mit etwas Salz gemengt, sind zwar den Thieren (besonders so den Schafen als Lecke) leicht beizubringen, aber in dieser Form weniger urintreibend als imlnfusum. Dasselbe gilt auch von der Anwendung in Pillen- und Latwergenform. Bei Urinverhaltungen der bezeichneten Art giebt man das Mittel recht zweckmässig mit Kamillenblumen, mit Bilsenkraut, und mit schleimigen Substanzen, bei den genannten chronischen Krankheiten aber oft mit Wachholderbeeren, mit Terpenthin, Terpenthinöl u. s. w. versetzt, ähnlich wie das Sadebaumkraut. — K e r s t i n g empfiehlt sogar bei Nierenentzündung, die vom Verhalten des Urins entstanden ist, Petersiliensamenpulver und Salpeter, von jedem 15,0 auf einmal in Wasser zu geben; aber auch in dieser Verbindung ist das Mittel bei jeder wirklichen Entzündung nachtheilig. Den Läusen ist der Petersiliensame ein tödtliclies Gift, und er kann daher zum Tödten derselben als ein wohlfeiles und unschuldiges Mittel bei allen Thieren benutzt werden. Die Anwendung zu diesem Zweck geschieht entweder in Salben (aus pulverisirtem Samen 30,0 und Butter oder Schweinefett 60,0 bestehend), oder noch besser i m l n f u s u m (30,0 zu 360,0Colatur). (30,0 1 Sgr. 2 Pfg.) Anmerkung. Die P e t e r s i Ii en w u r z e 1 und das P e t e r s i l i e n k r a u t ( R a d i x et Herba Petroselini) besitzen im frischen Zustande ähnliche, aber schwächere aromatische Eigenschaften wie die Samen. Die erstere wird zuweilen als urintreibendes und auflösendes Mittel bei Harnverhaltungen , bei Gries und Sand im Urin, bei Gelbsucht und Wassersucht benutzt, und zwar entweder klein geschnitten und unter das Putter gemengt, oder in Aufguss (1 Pfd. frische Wurzel zu 3 Pfd. Colatur). Das Kraut wird als Arzneimittel innerlich sehr selten angewendet; äusserlich wirkt es gelind erregend, zertheilend, und wird von den Landleuten zerquetscht auf Insektenstiche, oder mit Bier, oder auch mit Urin zum Brei gekocht bei frischen Milchknoten des Euters mit gutem Erfolge gebraucht. — Bei Milchkühen und säugenden Thieren bewirkt gewöhnlich die innerliche Anwendung der Petersiliensamen , der Wurzel und des Krautes eine Verminderung der Milch in demselben Verhältniss, wie die Urinabsonderung zunimmt.
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Aetherisch-ölige Mittel. 17) Wasserfenchelsamen (Wasserfencbel, Rassfenchel, P f e r d e s a t ) , Semen Phellandrii aquatiri s. Foeniculi aquatici. 5. Kl. 2 Ordn., Umbelliferae.
§. 220. Der Wasserfenchel enthält als wirksame B e s t a n d t e i l e ätherisches Oel, Harz und Extractivstoff, ist im Geruch und Geschmack etwas widrig und noch etwas mehr scharf aromatisch als der Petersiliensame. Seine Wirkungen sind denen der übrigen aromatischen Samen sehr ähnlich und denen des Fenchels und des Anis verwandt; denn er bringt bei innerlicher Anwendung zunächst eine massige Aufregung der Verdauungseingeweide hervor, befördert die Verdauung und Assimilation, beseitigt Blähungen und leichte Krampfzufälle, äussert aber dann, nicht wie jene beiden Mittel, eine nur specifische, erregende, sondern auch eine bpruhigendeWirkung auf die Respirationsorgane. Das Mittel ändert auch besonders die zu reichliche und fehlerhafte Absonderung in der Respirations-Schleimhaut, so dass der Schleim in geringerer Menge, von besserer Consistenz abgesondert und leichter ausgeworfen, der Husten und die Reizung zu demselben vermindert wird. Zuweilen bemerkt man bei dem Gehrauch des Wasserf'enchels auch vermehrte Absonderung des Urins und etwas vermehrte Hautausdünstung; beide Wirkungen sind jedoch nicht beständig, und namentlich ist die letztere niehrentheils nur in einem sehr geringen Grade, oft auch gar nicht wahrzunehmen. Dagegen scheint das Mittel bei fortgesetztem Gebrauch einen grossen Einfluss auf die sämmtlichen Organe der Reproduction, und speciell auf das Lyrnphgefässsystem zu entwickeln, da es zuweilen tiefsitzende Krankheitszustände dieser Organe beseitigen hilft. Scharfe oder auch narkotische Wirkungen, wie Manche angeben, habe ich an keinem unserer Hausthiere von dem Wasserfenchel beobachtet, obgleich ich denselben versuchsweise in ungewöhnlich grossen Gaben (z. B. Pferden und K ü h e n zu 360,0—540,0, Hunden zu 30,0—60,0 pro dosi und täglich zweimal) angewendet habe 1 . Das Mittel ist nützlich bei allen chronischen Krankheiten der Respirationsorgane, wenn sie mit Erschlaffung und Reizlosigkeit derselben und mit übermässiger Schleimabsonderung verbunden sind, wie namentlich bei veraltetem K a t a r r h mit vielem Auswurf, bei dergleichen Druse, bei dem sogenannten Rotz der Schafe, bei der Schleimschwindsucht, bei aufgebrochenen, stark jauchenden Lungenknoten, bei katarrhalischen Lungenentzündungen asthenischer Art und in den späteren Perioden, und bei der Lungenseuche des Rindviehes unter denselben Umständen. Selbst bei frisch entstandenem Rotz und W u r m soll es in einigen Fällen sich heilsam gezeigt haben. Gabe und Verbindung mit anderen Mitteln ist wie bei dem Petersiliensamen und wie bei 4 e m Anis. 1 In Schweden w o l l t e man einst beobachtet haben, dass der Wasserfenchel den Pferden ein Gift sei und ihnen Lähmung des Hintertheils verursache. L i n n é schrieb diese Wirkung einem , in der Pflanze nistenden Rüsselkäfer (den er Curcvlio paraplecticus nannte) zu, und erklärte sie daraus, dass derselbe mit seinem Stachel das Rückenmark der Pferde durchbohren sollte. D i e s e Ansicht erklärte späterhin der berühmte Naturforscher s e l b s t als eine irrthümliche.
Wasserfenchel, Lorbeeren, schwarzer Pfeffer.
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E s ist zu beachten, dass in den Apotheken der Wasserfenchel etwas theurer ist, als der gewöhnliche Fenchel. (30,0 Gr. 1 Sgr. 3 Pfg.) 18) L o r b e e r e n u n d L o r b e e r b l ä t t e r , Baccae et Folia Lauri. ( o ) Von Lauras nobilis L., 9. Kl. 1. Ordn., Laurineae.
§• 221. a) Die Lorbeeren besitzen theils ein ätherisches, terpenthinölartiges, theils ein fettes, butterartiges Oel (jetzt als Lauro-Stearin bezeichnet), und zwar ersteres vorzüglich in den Schalen, letzteres aber in den K e r n e n . Sie sind bitter gewürzhaft, aber nicht scharf, und wirken erregend und stärkend, besonders auf die Verdauungseingeweide-, oft bringen sie auch vermehrte Urinsecretion und verstärkte H a u t a u s d ü n s t u n g hervor. Man wendet sie daher bei Unverdaulichkeit, bei B l ä h u n g e n und chronischer Diarrhöe, bei Abmagerung, die nicht aus Mangel an gutem Futter entstanden, sondern in schlechter Assimilation begründet ist, — bei langwieriger Druse, — bei R ä u d e und bösartigen Schafpocken und dergl. asthenischen Krankheiten an. Die Gabe ist für Pferde und Kindvieh 3 0 , 0 — 6 0 , 0 , für Schweine und Schafe 4 , 0 — 8 , 0 , für H u n d e 0.5—2,t> täglich 3- 4 Mal, in Pulvern und Lecken, in Pillen und L a t w e r g e n , und mit Wermuth, Kalmus, Schwefel, Kochsalz und anderen Mitteln verbunden. b) Die L o r b e e r b l ä t t e r sind ärmer an ätherischein Oel als die Lorbeeren, und das fette Oel fehlt ihnen gänzlich. Sie wirken den Lorbeeren ganz ähnlich, aber schwächer, und können ganz wie diese benutzt werden. Sie eignen sich auch zur A n w e n d u n g im Infusum. Die griechischen und römischen Thierärzte des Alterthums benutzten sie gern, und bei dem Starrkrampf der P f e r d e auf die Art, dass sie den Thieren Lorbeerzweige ins Maul legten und dieselben kauen Hessen. Bei uns werden sie selten gebraucht. Anmerkung. D a s a u s g e p r e s s t e L o r b e e r ö l o d e r L o r ö l ( Ol. Lauri s. laurinum expi-essum, Ol. Lauri unguinosum) ist g r ö s s t e n t e i l s fettes, mit etwas ätherischem vermischtes Oel. von starkem aromatischem Geruch, und wirkt, auf die Haut g e r i e b e n , ziemlich stark erregend, belebend und zertheilend, jedoch viel milder als Terpenthinöl. Es dient nur zum äusserlichen G e b r a u c h , als Einreibung bei Erschlaffung, bei Stockung und Verhärtung, bei Krampf und L ä h m u n g , theils für sich allein, theils mit Terpenthinöl, K a m p h e r , Canthariden und anderen reizenden Mitteln verstärkt. Die Landleute reiben gern ein Gemenge von Ältheesalbe (gelbe Harzsalbe) und Lorbeeröl bei Entzündung der Lymphdrüsen im Kehlgange und bei Euterentziindungen ein , dasselbe passt aber nur bei asthenischen und torpiden Zuständen, ist theuer (30,0 2 Sgr. 2 Pfg.) und fast immer verfälscht. Man ersetzt es durch eine V e r b i n d u n g des Terpenthinöls mit Fett oder fettem Oel — oder zuweilen auch durch die sogenannte L o r b e e r b u t t e r (Butyrum laurinumj. Diese wird gewöhnlich bereitet, indem man 6 Theile pulverisirter Lorbeeren, 1 Theil Sadebaumkraut und 12 Theile ungesalzener B u t t e r , bei gelindem Feuer oder im Dampfbade zusammenkocht, und dann (was aber unnöthig ist) grün färbt. Ihre W i r k u n g ist von der des Lorbeeröls sehr wenig verschieden. (Nicht officinell.) 19) S c h w a r z e r P f e f f e r , Piper nigrum. Von Piper nigrum L., 2. Kl. 3. Ordn., Piperaceae.
§. 222. Als die wirksamen Bestandtheile dieses allgemein bekannten Gewürzes betrachtet man ein fettes scharfes Oel, ein flüchtiges balsamisches Oel, scharfes
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Aetherisch-ölige Mittel.
Harz und eine e i g e n t ü m l i c h e krystallisirbare, geruch- und geschmacklose Substanz, die man P i p e r i n genannt und wohl unrichtig als den wesentlichsten Tlieil des Pfeffers betrachtet hat. Der Pfeffer wirkt auf' die von ihm betroffenen thierischen Gebilde kräftig und durchdringend reizend, so dass bei längerer Dauer der Berührung eine juckende, brennende Empfindung, Rothe und späterhin selbst Entzündung entsteht. Im Maule verursacht er brennenden Geschmack, starken Zufluss des Speichels und vermehrte Absonderung des Schleims; im Magen und Darmkanal bewirkt er eine lebhaftere wurmformige Bewegung, verstärkt die Entwickelung der W ä r m e , vermehrt in mässigen Gaben die Absonderung der Darmsäfte, bessert die Verdauung und treibt Blähungen; in zu starken Gaben kann er auch Entzündung der Verdauungseingeweide und den Tod herbeiführen. Die erregenden Wirkungen des Pfeffers verbreiten sich von den Verdauungseingeweiden über den ganzen Körper, und verhalten sich dabei den übrigen aromatischen Mitteln ähnlich. — Ehemals glaubte man fast allgemein, dass der Pfeffer, selbst in kleinen G a b e n , den Schweinen ein tödtendes Gift sei; A b i l d g a a r d und V i b o r g haben aber durch Versuche gezeigt 1 , dass er auf diese Thiere keine specifische giftige Wirksamkeit besitzt, sondern dass er ihnen nur dann schädlich wird, wenn man ihn als Pulver unvorsichtig und so eingiebt, dass er grösstenteils in den Kehlkopf und in die Luftröhre eindringt, wo er dann heftigen Reiz, krampfhafte Verschliessung der Stimmritze, Erstickungszufälle, Bräune und selbst den Tod hervorbringen kann. Der eigenthümliche B a u des Kehlkopfes beim Schwein trägt am meisten dazu bei, dass hier diese Zufalle von allen
' E i n M u t t e r s c h w e i n e r h i e l t des M o r g e n s um 7 U h r ein Q u e n t c h e n g a n z e r P f e f f e r k ö r n e r , ohne dass h i e r a u f m e r k l i c h g e f ä h r l i c h e F o l g e n e i n t r a t e n . Man g a b ihm dann an d e m s e l b e n T a g e N a c h m i t t a g s um 1 U h r eine e b e n s o grosse G a b e von g e s t o s s e n e m P f e f f e r a l s t r o c k e n e s P u l v e r ein, w e l c h e s folgende Z u f ä l l e v e r u r s a c h t e : ,, G l e i c h n a c h dem E i n g e b e n w a r es wie todt und h a t t e keinen k e n n t l i c h e n A t h e m z u g oder H e r z s c h l a g . D u r c h E i n giessen von W a s s e r in den S c h l u n d k a m es wieder zum L e b e n , g r u n z t e und s t a n d auf, h a t t e a b e r einen w a n k e n d e n G a n g und wie eine L ä h m u n g im K r e u z e . Um 2 U h r fand sich ein s t a r k e s B a s s e i n in der L u f t r ö h r e ein , w e l c h e s g e g e n 3 U h r w i e d e r v e r s c h w a n d . D a s Schwein fing an zu wühlen und schien s c h w ä c h e r A t h e m zu h o l e n , d a b e i hatte es viel Durst. Um 5 U h r ä u s s e r t e sich j e n e s R a s s e l n im H a l s e w i e d e r , w e l c h e s m e h r und m e h r zunahm, so d a s s das S c h w e i n unter d e m s e l b e n g e g e n 7 U h r s t a r b . B e i der Oeffnung dess e l b e n fand m a n den M a g e n ü b e r m ä s s i g g r o s s und von L u f t a u s g e s p a n n t . E r enthielt zugleich eine M e n g e u n v e r d a u t e s F l e i s c h , w e l c h e s das S c h w e i n am V o r m i t t a g e g e f r e s s e n h a t t e ; i n w e n d i g g e g e n die Oeffnung der S p e i s e r ö h r e w a r ein h a n d b r e i t e r F l e c k e n u n t e r l a u f e n e s B l u t , a b e r s o n s t k e i n Zeichen von E n t z ü n d u n g am Magen und an den G e d ä r m e n , weder i n n e r l i c h noch ä u s s e r l i c h . D i e L u n g e n w a r e n ü b e r a l l d u n k e l r o t h ; der L u f t r ö h r e n d e c k e l h o c h r o t h und e n t z ü n d e t . D i e L u f t r ö h r e war e b e n f a l l s inwendig e n t z ü n d e t , a b e r mit g e r i n g e r e r R o t h e als der D e c k e l d e r s e l b e n . H i e r fand man z u g l e i c h einen T h e i l des P f e f f e r p u l v e r s , uDd das n i c h t a l l e i n im S t a m m e d e r L u f t r ö h r e , sondern auch in i h r e n e r s t e n H a u p t z w e i g e n in d e r L u n g e . E i n zehn W o c h e n a l t e s F e r k e l e r h i e l t ein h a l b e s Q u e n t c h e n g e s t o s s e n e n P f e f f e r in F l e i s c h e i n g e w i c k e l t , und ein a n d e r e s F e r k e l die n ä m l i c h e G a b e m i t W a s s e r v e r m i s c h t , a b e r b e i d e genossen sie ohne Husten und a n d e r e g e f ä h r l i c h e Z u f ä l l e . J a s e l b s t das t r o c k e n e P f e f f e r p u l v e r f a n d m a n ohne W i r k u n g , wenn m a n A c h t h a t t e , dass das S c h w e i n unter dem E i n g e b e n sich n i c h t zur G e g e n w e h r s e t z t e , und dass m a n das P u l v e r t i e f in den S c h l u n d h i n a b b r a c h t e , wodurch sein E i n g a n g in die L u f t r ö h r e v e r h i n d e r t w e r d e n konnte." V i b o r g , S a m m l . 1. B d . S . 2 9 4 und 2 9 5 . E i n e B e o b a c h t u n g v o n W a l c h , w e l c h e d a r t h u n s o l l t e , dass der P f e f f e r tödtlich i s t ( B u s c h Z e i t s c h r i f t . B d . 2, 2. H e f t , S . 1 0 ) , k a n n w e g e n i h r e r O b e r f l ä c h l i c h k e i t dies n i c h t beweisen.
Schwarzer Pfeffer.
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scharfen Pulvern eher und im höheren Grade entstehen, als bei den übrigen Hausthieren. W e n n nun auch das Mittel nicht eben ein Grift für die Schweine ist, so ist doch seine Benutzung als Arzneimittel bei diesem T h i e r e nicht zu empfehlen. D i e Anzeigen zum Gebrauch des Pfeifers sind noch nicht gehörig festgestellt, da er im Ganzen nur sehr wenig angewendet wird. Seinen W i r k u n gen nach k a n n er nur bei sehr verminderter Empfindlichkeit und Reizbarkeit, besonders der Verdauungseingeweide, z. B . bei chronischer Unverdaulichkeit, bei dergleichen Blähsucht, bei W i n d - und Krampfkolik, bei L ä h m u n g e n und torpiden Zuständen nützlich sein. E r ist bei diesen K r a n k h e i t e n auch wirklich mit gutem E r f o l g e angewendet, und ausserdem auch zuweilen als ein Mittel zur E r w e c k u n g des Geschlechtstriebes bei sehr phlegmatischen Stuten und K ü h e n benutzt worden. D i e G a b e ist für Pferde 7 , 5 — 1 5 , 0 , für Rindvieh 1 2 , 0 — 2 2 , 5 , für Schafe ' 2 , 0 — 4 , 0 , für Hunde 0 , 8 — 0 , 7 , in Zwischenräumen von 4 — 6 Stunden wiederholt. Zum innerlichen Gebrauch muss der Pfeffer fein pulverisirt sein; die Anwendung darf aber niemals in Pulverform, sondern nur in Latwergen und Pillen, und immer nur in Verbindung mit einhüllenden, schleimigen, bitteren u. a. Arzneimitteln geschehen. S e h r zweckmässig ist auch seine Benutzung in einer Tinctur, die aus pulverisirtem Pfeffer 6 0 , 0 , und Weingeist H6(>,,()—90 ,0 besteht, zum Einreiben in die leidenden T h e i l e ; — für Geschwüre und Fontanelle aber braucht man das Pulver des Pfeffers für sich allein, oder als Zusatz zu Digestivsalben, z. B. zu 3 0 , 0 von der Basilicum- oder Terpenthinsalbe, bis 7,5 Pfeffer. Französische Thierärzte gebrauchen den Pfeffer grob gepulvert und mit anderen Mitteln (z. B . mit Sauerteig, Honig und dgl.) verbunden, auch noch als Kaumittel zur E r r e g u n g des Speichels ; Pferdehändler bringen oft solchen Pferden, die den Schweif zu wenig in die Höhe tragen, vor dem Vorführen derselhen etwas Pfeffer in den After, um durch den entstehenden Reiz für kurze Zeit ein stärkeres Aufrichten des Schweifes zu veranlassen; — und der gemeine Mann macht bei K o l i k und bei Harnverhaltung der P f e r d e nicht selten einen ähnlichen Missbrauch von diesem Mittel, indem er dasselbe in den Schlauch oder bei weiblichen T h i e r e n zwischen die Scham-
Aethcriseh-ölige Mittel.
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lippen und in die Mutterscheide bringt, um durch seinen Reiz das Uriniren zu erregen. A n m e r k u n g 1. D e r w e i s s e P f e f f e r [Piper album) ist etwas weniger scharf als d e r s c h w a r z e , s t i m m t a b e r im W e s e n t l i c h e n mit d e m s e l b e n ü b e r e i o , und kann ganz wie dieser b e n u t z t werden. A n m e r k u n g 2. D e r s o g e n a n n t e s p a n i s c h e , i n d i s c h e oder t ü r k i s c h e P f e f f e r (Piper hispanicum, P indicum s. turcicum, Früchts Capsici annui, V. 1., Solaneae). Die B e e r e n mit den S a m e n k e r n e n von Capsicum annimm e n t h a l t e n ein b r e n n e n d scharfes W e i c h h a r z (Capsicin), e t w a s s c h a r f e s ätherisches O e l , G u m m i u. s. w. Sie wirken noch viel m e h r b r e n n e n d und scharf reizend als der schwarze P f e f f e r , und werden deshalb am besten innerlich g a r n i c h t a n g e w e n d e t , obgleich englische T h i e r ä r z t e zuweilen dieses Mittel, bei L ä h m u n g u. s. w., wie den s c h w a r z e n P f e f f e r benutzen. — Aeusserlich v e r d i e n t es dagegen ganz w i e der l e t z t e r e , und häufiger b e n u t z t zu w e r d e n als bisher. Auch als Zusatz zu S e n f t e i g e n , um die Wirkung: d e r s e l b e n zu v e r s t ä r k e n , ist es zu empfehlen. (5,0 Grm. 8 P f g . , 30,0 3 Sgr., subt. p u l v . 5,0 10 P f g . ) D i e s p a n i s c h e P f e f f e r - T i n c t u r ( T i n c t . Capsici annui), aus 7,5 mit 360,0 h ö c h s t rectificirtem W e i n g e i s t durch D i g e r i r e n , Auspressen u n d F i l t r i r e n b e r e i t e t , ist in der P r e u s s . P h a r m a c o p ö e officinell und zum äusserlichen G e b r a u c h als ein s e h r k r ä f t i g e s R e i z m i t t e l gut geeignet. (30,0 Grm. 4 Sgr. 6 Pfg.) A n m e r k u n g 3. D e r N e l k e n p f ef f e r , J a m a i k a p f e f f e r , westindische P f e f f e r , e n g l i s c h e s G e w ü r z oder P i m e n t (Piper jamaicense, Semen Amomi, s. Pimentum), ist nicht h a l b so b r e n n e n d scharf w i e der schwarze P f e f f e r , d a f ü r aber aromatischer, fast den G e w ü r z n e l k e n ähnlich. Er w i r k t k r ä f t i g erregend auf die Verdauungse i n g e w e i d e , v e r s t ä r k t die w u r m f ö r m i g e B e w e g u n g im D a r m k a n a l , b e s s e r t die Verdauung und t r e i b t B l ä h u n g e n . D a s Mittel k a n n d a l i e r , in etwas s t ä r k e r e n G a b e n als der Pfeffer, bei gastrischen K r a n k h e i t e n , die in Schwäche und U n t h ä t i g k e i t der Verdauungseingeweide b e r u h e n , m i t Nutzen a n g e w e n d e t w e r d e n , ist aber in D e u t s c h l a n d fast gar nicht g e b r ä u c h l i c h , obgleich es sich durch seinen wohlfeilen P r e i s empfiehlt. Die englischen T h i e r ä r z t e b e n u t z e n es mehr, u n d B r a c y C l a r k hat eine davon bereitete Tinctur sogar a l s das sicherste H e i l m i t t e l j e d e r Indigestions- und W i n d k o l i k empfohlen. Diese T i n c t u r wird durch k a l t e Digestion b e r e i t e t aus : E n g l i s c h e m G e w ü r z 360,0 h ö c h s t rectificirtem W e i n g e i s t und W a s s e r , von j e d e m 1080,0. Man soll davon einem P f e r d e auf einmal 120,0—180,0 mit etwas l a u w a r m e m W a s s e r g e b e n , und diese Gabe z u e r s t n a c h 2 0 — 3 0 M i n u t e n , s p ä t e r s e l t e n e r , a b e r so l a n g e w i e d e r h o l e n , bis die Zufälle b e s e i t i g t sind N a c h meiner E r f a h r u n g kann dieses Mittel a l l e r d i n g s Koliken der b e z e i c h n e t e n A r t schnell heben, j e d o c h n u r , wenn blos K r a m p f im D a r m k a n a l b e s t e h t ; ist aber nur eine Spur von E n t z ü n d u n g zugegen, so s c h a d e t e s . Dasselbe v e r l a n g t daher die genaueste K e n n t niss des vorhandenen p a t h o l o g i s c h e n Z u s t a n d e s , und da diese nicht immer zu e r l a n g e n ist, so muss ich gegen den zu allgemeinen G e b r a u c h dieses Mittels sehr warnen.
2 0 ) Schwarzer Senf, scharfer Senf, Semen Sinapeos
s. S. Sinapeos
nigrae.
Von Sinapis ( B r a s s i c a ) n i g r a , 15, Kl 2. O r d n . , F a m . Cruciferae. §.
223.
Ein ausgezeichnet scharfes, flüchtiges ätherisches Oel 2 , Myrosin und Myrosinsäure, viel fettes, mildes Oel und Schleim, Eiweiss, etwas Phosphor und Schwefel, und eine eigenthümliche Säure, die man S c h w e f e l - S e n f s ä u r e genannt hat, bilden die Bestandteile dieser allgemein bekannten Samen. Der Senf wirkt im frisch pulverisirten Zustande als ein sehr kräftiges, zum Theil flüchtiges Reizmittel, vorzüglich bei der äusserlichen Anwendung. 1 2
B r a c y C l a r k , E s s a y on the G r i p e s of Horses. L o n d . 1816. 4, D a s s e l b e b i l d e t sich erst bei der M a c e r a t i o n u n d D e s t i l l a t i o n der Samen.
Schwarzer Senf.
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W i r d Senfsamenpulver mit warmem W a s s e r oder mit E s s i g zu einem B r e i gemacht und dieser auf die von Haaren entblösste Haut gelegt, so entstellt dadurch in ganz kurzer Zeit (in 1 0 — 1 5 Minuten) eine j u c k e n d e , brennende E m p f i n d u n g , die T h i e r e werden unruhig, und suchen sich zu reiben; nach 2 — 3 Stunden ist eine Entzündungsgeschwulst deutlich entwickelt, welche zuerst nur in der Haut, bei längerem (etwa zwölfstündigem) L i e g e n des Senfbreies aber auch in den unter ihr liegenden Gebilden besteht, und dann gewöhnlich mit Ausschwitzung seröser Feuchtigkeiten im Zellgewebe verbunden ist. Oft entstehen auch kleine Bläschen an der Oberhaut, welche Serum enthalten. W i r d nach dieser ersten 1 0 — 1 ' 2 s t ü n d i g e n A n w e n d u n g , und nachdem die bezeichnete W i r k u n g bereits eingetreten ist, auf derselben Stelle noch ein Senfbrei durch 2 4 Stunden angebracht und durch wiederholtes Auffrischen in beständiger W i r k s a m k e i t erhalten, so entstehen grössere Blasen, die in E i t e r u n g übergehen, und in gelinderem Grade der W i r k u n g nach eingetretenem Verlust nur der Oberhaut in etwa acht T a g e n wieder heilen; im lieftigeren Grade der W i r k u n g stirbt aber auch die H a u t , das darunter liegende Zellgewebe und zuweilen sogar ein T h e i l der nächsten Muskelschicht durch Ueberreizung und B r a n d ab, und die so entstandenen Geschwüre heilen dann gewöhnlich mit einer haarlosen Narbe. I n gleicher A r t , aber noch schneller und heftiger, wirkt das ätherische Oel des Senfs. P r e v o s t sah bei einem Hunde nach dem E i n r e i b e n von 7,5 dieses Oels in die Haut an der Brust fast augenblicklich die heftigste Reizung entstehen, so dass das T h i e r dabei wie rasend sich b e n a h m ; nach etwa 3 0 Minuten war schon eine grosse, mit Serum gefüllte, und mit heftiger E n t z ü n dungsgeschwulst umgebene B l a s e entstanden; später bildete sich daselbst ein Schorf und die Heilung erfolgte schnell 1 . — E s geht daraus zugleich hervor, dass dieses Oel der eigentlich wirksame Bestandtheil des Senfes ist. D i e scharfe W i r k u n g des Senfes auf die H a u t ist mit der der spanischen Fliegen, des Pfeifers und des Meerrettigs verwandt; sie tritt jedoch schneller, sicherer und mit grösserer Heftigkeit ein als bei den Oanthariden, ist aber auch schneller vorübergehend; bei mässiger Dauer der Anwendung macht der S e n f mehr Geschwulst und weniger Ausschwitzung, und bei langer E i n w i r kung dringt er tiefer zerstörend ein als die Oanthariden, welche ihre örtliche W i r k u n g stets nur auf die Haut beschränken. D i e bei der äusserlichen Anwendung der Oanthariden zuweilen entstehende Reizung der Nieren bemerkt man von einer solchen Anwendung des Senfes niemals. — D e n Pfeffer übertrifft der S e n f an Schnelligkeit, aber nicht im Grade der Heftigkeit und D a u e r der W i r k u n g ; bei dem Meerrettig erfolgt dieselbe fast ebenso schnell, aber gelinder und auf kürzere Zeit als von dem Senf. B o u r g e l a t läugnete die W i r k s a m k e i t des Senfes auf die Haut der T h i e r e 2 , G o h i e r behauptete s i e 3 und P r e v o s t bestätigte sie neuerlichst durch V e r s u c h e 4 ; englische und deutsche Thierärzte haben aber diese W i r k s a m k e i t schon früher e r k a n n t und in der Berliner Thierarzneischule ist das Mittel schon lange mit E r f o l g gebraucht worden. J o u r n . de M é d e c . v é t é r i n . t h é o r i q . et p r a t . I. Ami. ( 1 8 3 0 ) p. 105. B o u r g e l a t , M a t i è r e m é d i c a l e , second V o l 3 G o h i e r , Mémoir. et O b s e r v . I. T o m e , p. 4 2 8 , und in den Ann. d ' A g r i c u l t . Tome 48. 4 P r e v o s t , a. a. 0 . S . 9 9 . 1
a
franç.
Aetlierisch-ölige Mittel.
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Innerlich in Substanz angewendet wirken die ganzen Senfsamen ausserordentlich wenig, da sie im Magen und Darmkanal nur sehr unvollständig aufgelöst und verdaut werden; aber im pulverisirten Zustande sind sie ein recht kräftiges Reizmittel für die sämmtlichen Baucheingeweide und speciell für die Schleimhaut des Magens und Darmkanals. Doch ist hier die örtliche Wirkung ganz unverhältnissmässig geringer und milder als auf die äussere Haut, und ich habe selbst von sehr grossen Gaben des Mittels (bei Pferden von 120,0—480,0, bei Kühen bis 700,0 auf einmal gegeben) keine Entzündung der Eingeweide entstehen sehen; es wird von mässigen Gaben nur die Thätigkeit der letzteren vermehrt, der Appetit stärker erregt, die Verdauung und Assimilation gebessert und die Absonderung des Schleims gemindert. Von grösseren Gaben, und zwar nach V i b o r g ' s Versuchen 1 bei Pferden von 180,0, bei Kühen von 120,0, bei Schafen von 30,0, und bei Schweinen 15,0 scheint die wurmförmige Bewegung des Darmkanals und die Absonderung wässeriger Darmsäfte vermehrt zu werden; denn der Koth geht hiernach lockerer und reichlicher ab, und eine Kuh bekam sogar einen ziemlich starken Durchfall. Ich habe jedoch diese abführende Wirkung in mehreren Fällen, namentlich bei Kühen, nicht entstehen sehen, und ebenso habe ich eine Vermehrung der Hautausdünstung, von (1er manche Schriftsteller sprechen, nach der Anwendung des Senfes niemals bemerken können. Nach jenen sehr grossen Gaben sähe ich, dass der Koth seltener, ganz hart und trocken, und gewöhnlich mit zähem Schleim wie mit einer Haut umhüllt, abging, dass Urinentleerungen sehr häufig und reichlich erfolgten, übrigens aber die Thiere ihre Munterkeit, ihren Appetit, Kühe auch das Wiederkauen ungestört behielten, weder Schmerz im Leibe noch Fieber zeigten, und nach 3—4 Tagen auch der Mist und Urin wieder wie im gesunden Zustande entleert wurde. Die innerliche Anwendung des Senfes kann bei Krankheiten, die in Schwäche und Torpidität der Verdauungseingeweide begründet sind, Statt finden, und ich habe ihn bei solcher Appetitlosigkeit, bei schlechter Verdauung, bei starker Entwickelung von Blähungen, bei Verstopfung des Leibes und bei dem Dummkoller, wenn er mit den eben bezeichneten gastrischen Zufällen verbunden war, oft mit gutem Erfolg benutzt. V i b o r g empfiehlt ihn auch bei den Finnen und in den späteren Perioden der sogenannten Dummkrankheit der Schweine, wenn die Thiere bereits hinreichende Leibesöffnung erhalten haben 2 . Von Anderen ist er bei der Bleichsucht, Fäule und Egelkrankheit und ebenso bei veralteter Räude der Schafe als nützlich empfohlen worden. Als blos erregendes, die Verdauung besserndes Mittel giebt man den Senf: Pferden von 15,0—30,0, Rindern von 15,0—45,0, Schafen und Schweinen von 4,0—12,0, Hunden von 0,5 bis 2,0, täglich 3 — 4 Mal; will man ihn aber als gelindes Abführungsmittel anwenden, so muss er in grösseren Gaben, nämlich Pferden zu 150,0—180,0, Rindern zu 1 2 0 , 0 - 1 5 0 , 0 , Schafen 30,0—60,0, Schweinen 15,0—30,0, auf einmal gereicht werden. Die Anwendung geschieht in Latwergen und Pillen, bei Schafen auch in Lecken, und zwar in Verbindung mit bitteren, aromatischen und zusammen1 a
V i b o r g , Samml. 4. Bd. S. 281. V i b o r g , Anleitung zur Erziehung und Benutzung der Schweine. S. 30 u. f.
Schwarzer Senf.
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ziehenden Mitteln, mit Kochsalz, Spiessglanz und dergl. — Als Laxirmittel wirkt das Senfpulver am besten, wenn es blos mit Syrup zur Latwerge gemacht ist, oder mit Syrupwasser als T r a n k eingegeben wird. Aeusserlich wird der Senf bei verschiedenartigen Krankheitszuständen und in verschiedener Absicht angewendet, und zwar «) als ein kräftiges Reizmittel, um die allgemein oder örtlich zu sehr gesunkene Lebensthätigkeit schnell und kräftig aufzuregen, namentlich bei L ä h m u n g e n , bei Schlagfluss, bei Nervenfieber mit grosser Abstumpfung, bei Verhärtungen oberflächlich liegender Organe, und besonders nahe unter der H a u t liegender Drüsen, wenn man dieselben zertheilen oder in Eiterung versetzen will; — hauptsächlich aber b) als ein ableitendes und besänftigendes Mittel, um auf antagonistische Weise durch die starke Reizung der H a u t eine zu heftige krankhafte Aufregung in tiefer liegenden Theilen zu beseitigen oder wenigstens zu mindern, daher besonders bei Entzündungen in der Brust- und Bauchhöhle, bei E n t zündung des Gehirns, bei heftiger Bräune, bei dem Kehlkopfpfeifen, auch bei Entzündung der Gelenke und bei tiefsitzendem schmerzhaften Rheumatismus. Man zieht bei diesen Krankheitszuständen den Senf den übrigen Reizmitteln, und besonders den Canthariden vor, wenn man die Reizung sehr schnell und auf einer grossen Hautfläche hervorrufen, dabei aber die Nieren nicht in Mitleidenschaft ziehen will; bei Nierenentzündungen ist er daher unter den übrigen Arzneimitteln fast das einzige brauchbare äussere Ableitungsmittel. Gewöhnlich wird der Senf äusserlich in Form eines Teiges oder Breies als Umschlag (als sogenanntes S e n f p f l a s t e r , Sinapismiis) angewendet. Man bereitet einen solchen Brei, indem man entweder ganz einfach 1) frisch pulverisirten Senf in hinreichender Menge mit warmem Wasser oder mit Essig, so viel als zum d ü n n e n Brei nöthig ist, oder 2) indem man Senfpulver und Sauerteig mit der nöthigen Menge Wasser oder Essig zusammenmengt. Der erstere wirkt schneller und kräftiger, wird aber auch schneller trocken und unwirksam als der zweite. Durch Zusatz von Mehl oder Altheewurzelpulver kann man die Wirksamkeit des Senfs vermindern, dagegen durch spanischen oder schwarzen Pfeffer, durch Canthariden, Euphorbium, Meerrettig und Terpenthinöl verstärken. Bisher glaubte man auch allgemein, dass der Essig die Wirksamkeit des Senfs vermehre; in der neuern Zeit ist dies aber bestritten worden, und bei meinen hierüber gemachten Versuchen wirkten Senfteige, die blos mit Wasser bereitet waren, wenigstens ebenso stark wie die mit Essig bereiteten. Zur Anwendung muss der Brei entweder auf eine vorher f ü r den betreffenden Theil des Körpers recht passend gemachte Bandage von Leinwand, gegen einen Zoll dick aufgestrichen, und dann mit der letztern recht gleichmässig auf den von Haaren befreiten Anwendungsort gelegt werden; oder er wird etwa 1 / 3 Zoll dick blos zwischen die Haare auf die Haut gestrichen. Es ist gut, diesen Ort vorher tüchtig zu reiben. — Die Grösse des Senfpflasters muss nach der Thiergattung, nach dem Orte der Anwendung und nach der Grösse oder Ausbreitung des innern Leidens eingerichtet werden, und z. B. zur Application an der untern F l ä c h e und an den Seitenflächen der Brust eines Pferdes gegen 1 Fuss ins Gevierte betragen. — Die Dauer der Anwendung lässt sich nicht f ü r alle F ä l l e gleichmässig bestimmen, sondern richtet sich theils nach der Art der vorhandenen K r a n k h e i t , theils nach dem Grade
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Aetheriscli-ölige Mittel.
der Empfindlichkeit des Tliieres und nach der eingetretenen W i r k u n g ; bei den vorhin bezeichneten Krankheiten der ersteren Art (a) darf man den Senfbrei nur so lange liegen lassen, bis Geschwulst entstanden ist, bei deneu der zweiten Art (b) inuss man dagegen selbst die Bildung der Blasen und der Ausschwitzung an der H a u t abwarten. J e früher die beabsichtigte Wirkung eintritt, um so früher kann der Senfbrei entfernt werden; im entgegengesetzten Falle muss er länger liegen bleiben und von Zeit zu Zeit wieder mit Wasser oder Essig befeuchtet werden, wenn er sich trocken zeigt. Der blos aufgetragene Brei wird nach 5—6 Stunden mit warmem Wasser abgewaschen. Englische Thierärzte benutzen den Senf auch in einer ä t h e r i s c h ö l i g e n T i n c t u r , welche sie aus Senfsumenpulver ( l Theil) und Terpenthinöl (5 Theilen) bereiten; beides wird durch 10—14 Tage zusammen kalt digerirt, öfters umgeschüttelt und dann durchgeseiht. Sie ist ein ausserordentlich heftiges .Reizmittel, welches bei rheumatischen Zufallen, bei Lähmungen und veralteten Lahmheiten u. s. w. in die Haut eingerieben wird. Durch Zusatz von einem milden Oel, z. B. Baumöl zu ' / 4 bis zur Hälfte der Menge wird sie milder, ist aber doch noch stark und schnell genug wirkend; dagegen kann ihre Flüchtigkeit durch Zusatz von Salmiakgeist noch sehr vermehrt werden. (.'¡0,0 1 Sgr., fein pulv. 2 Sgr. 2 Pfg.) A n m e r k u n g 1. D a s ä t h e r i s c h e S e n f ö l (Ol. Sinapis) ist in neuerer Zeit hin und wieder ganz so wie der Senf gegen Lähmungen , Rheumatismen u. s. w. angewendet worden. Man mischt 4,U mit 8 , 0 — 1 6 , 0 Weingeist und reibt die F l ü s s i g k e i t in diu leidenden Theile. D i e W i r k u n g tritt sehr schnell ein, ist stärker als von Cny. Cantharidum und ohne üble Folgen für die Haut. Das Oel ist abtr theuer. (1,0 2 Sgr. 4 P f g ) A n m e r k u n g 2. Der w e i s s e S e n f (Semen Siiuipeox albat s. ErucaeJ wirkt ähnlich dem schwarzen Senf, ist aber viel schwächer und deshalb wenitf gebräuchlich.
21) Wachholderberreil,
JJaceae
s.
f'nictus
Juniperi.
Von Juniperus communis L., 22. Kl. 11, Ordn., Coniferae.
§. 224. Diese Beeren sind, ihrer Wohlfeilheit und ihrer kräftigen Wirkung wegen, mit allem Recht ein sehr geschätztes thierärztliches Arzneimittel. Sie enthalten als hauptsächlich wirksame B e s t a n d t e i l e ein terpenthinartiges, brennend scharfes ätherisches Oel, Harz und viel Zucker. Durch den letztern, wie auch durch etwas schleimige B e s t a n d t e i l e sind die scharfen Eigenschaften des ätherischen Oels bedeutend gemildert, so dass die Wachholderbeeren in ihrer örtlichen Einwirkung sich auch immer nur wie ein mässig erregendes aromatisches Mittel verhalten. Bei der innerlichen Anwendung wirken sie auf den Magen und Darmkanal fast ganz so wie die übrigen Mittel dieser Klasse. Die erregende Wirkung verbreitet sich durch das Gefässsystem über den ganzen Körper und äussert sich am deutlichsten in der vermehrten Thätigkeit aller Secretionsorgane. Vorzüglich wirken sie in den meisten Fällen urintreibend; sie befördern aber auch die Hautausdünstung, die Lungenausdünstung und die Absonderung des Schleims in den Respirationsorganen. Dabei wird mehrentheils gleichzeitig die Resorption an den serösen Häuten und im Zellgewebe
Wachholderbeeren.
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unter der H a u t verstärkt. — D i e grösseren Blutgefässe werden von dem Mittel selbst in sehr grossen G a b e n n u r wenig b e m e r k b a r afficirt, w e n n nicht etwa vorher schon ein gereizter Zustand v o r h a n d e n war. Diese W i r k u n g e n erscheinen ziemlich übereinstimmend mit denen der balsamischen Mittel, und namentlich mit denen des T e r p e n t h i n s und d e s T e r penthinöls; sie sind jedoch durchaus milder und weniger flüchtig den Organismus durchdringend, als bei dem letztern Mittel. D a h e r werden die W a c h holderbeeren oft mit dem besten E r f o l g bei einem K r a n k h e i t s z u s t a n d ertragen, w ä h r e n d bei demselben das T e r p e n t h i n ö l und der T e r p e n t h i n zu reizend und zu sehr erhitzend sind. Die innerliche A n w e n d u n g der Wachholderbeeren k a n n bei allen K r a n k heiten Statt finden, bei denen die Irritabilität im Allgemeinen gemindert ist, wo die Verdauungseingeweide geschwächt, die Absonderungen entweder aus Schwäche v e r m i n d e r t oder auch aus derselben Ursache k r a n k h a f t vermehrt sind; ebenso a u c h , wo eine N e i g u n g zur E n t m i s c h u n g zu bemerken ist, und wo m a n kritische Ausleerungen durch die Nieren und durch die H a u t , oder die Schleimabsonderung in den Respirationsorganen befördern will. Diesen Indicationen gemäss werden sie namentlich a n g e w e n d e t : bei asthenischen Fiebern (z. B. bei dergleichen gastrischen und Schleimfiebern, bei Nerventiebern und Faulfiebern), besonders zur Zeit der Krisis, oder wenn ödematöse Anschwellungen an verschiedenen Theilen des K ö r p e r s e n t s t e h e n ; — bei allen katarrhalischen und rheumatischen K r a n k h e i t e n asthenischen Characters, daher z. B. bei asthenischem K a t a r r h a l f i e b e r , bei Druse, bei katarrhalischer B r ä u n e , bei dergleichen L u n g e n e n t z ü n d u n g , besonders gegen das E n d e der K r a n k h e i t und wenn lockerer H u s t e n mit Auswurf eines zähen Schleims e i n g e t r e t e n ist, — ebenso bei der chronischen L u n g e n s e u c h e des Kindviehes, bei dem Schnupfen und Rotz der S c h a f e ; — bei der Rehe der P f e r d e und des Rindviehes und dergl.; — ferner, bei schlechter V e r d a u u n g , bei daher e n t s t a n d e n e r K r a m p f - und W i n d k o l i k und D i a r r h ö e ; — bei cachectischen K r a n k h e i t e n , z . B . bei der F ä u l e der Schafe, bei alter Räude, bei dgl. Mauke, bei chronischen oder oft wiederkehrenden wässerigen Anschwellungen der Ftisse und des H o d e n s a c k e s , bei Brust- und Bauchwassersucht, besonders wenn dabei der Urin in verminderter Menge, von blasser F a r b e oder mit Schleim g e m e n g t abgeht; bei H a r n v e r h a l t u n g e n , welche in E r s c h l a f f u n g u n d Reizlosigkeit der Blase beruhen, bei S a n d und Gries in den H a r n w e g e n . A u c h als Präservativmittel gegen die g e n a n n t e n und ähnliche asthenische K r a n k h e i t e n werden die Wachholderbeeren mit N u t z e n gebraucht, wenn die T h i e r e auf niedrigen, sumpfigen Stellen weiden, oder sich mit F u t t e r von schlechter Beschaffenheit ernähren müssen, und wenn a n h a l t e n d eine nasskalte u n d unbeständige W i t t e r u n g herrschend ist, besonders im F r ü h j a h r und Herbst. Schlechtes F u t t e r wird zwar durch Wachholderbeeren nicht besser und der E i n w i r k u n g einer schlechten W i t t e r u n g durch sie nicht a b g e h o l f e n ; aber sie k ö n n e n theils die O r g a n e zu grösserer T h ä t i ^ k e i t a n r e g e n , so dass der K ö r p e r d u r c h kräftigere Reactionen j e n e Schädlichkeiten entweder sogleich überwindet, theils k ö n n e n sie durch E r r e g u n g reichlicherer Secretionen d i e P r o d u c t e u n d Folgen, welche die schädlichen E i n w i r k u n g e n in den S ä f t e n erzeugen, zeitig e n t f e r n e n , ehe sie als K r a n k h e i t s u r s a c h e n im K ö r p e r w i r k sam werden. HERTWIG, A r z n e i m i t t e l l e h r e .
5. Auflage.
U
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Aetherisch-ölige Mittel.
Echte, acute Entzündungskrankheiten verbieten dagegen den Gebrauch dieses Mittels bei allen Thieren. Die Gabe ist f ü r Pferde und Rindvieh 30,0—90,0, für Schafe und Schweine 7,5—22,5, f ü r H u n d e 1,0—4,0 auf einmal, und nach Bedürfniss alle 3 — 4 Stunden wiederholt, Besitzen die Thiere noch guten Appetit, oder wendet man die Wachholderbeeren nur als Präservativmittel a n , so kann man sie grob gepulvert und auf das Futter gestreut (bei den Schafen als Lecke) verzehren lassen, in allen anderen Fällen aber besser in Latwergen, Pillen oder im Aufguss eingeben. Sehr oft sind bei den oben bezeichneten Krankheiten die "VVachholderbeeren allein zur Heilung ausreichend; in hartnäckigen und coiuplicirten Fällen aber muss man ihnen bittere, adstringirende und metallische Mittel, oder Terpenthinöl, Kampher und dergl. zusetzen, je nachdem es die Art der Zufälle verlangt. Aeusserlich können die Wachliolderbeeren gepulvert and mit aromatischen Kräutern gemengt, zu trockenen oder feuchten Umschlägen, Bähungen und dergl., als erregend zertheilendos Mittel überall benutzt werden, wo aro matische Mittel hierzu angezeigt sind (§. 202). Ausserdem werden sie noch häufig als ein Räuchermittel gebraucht, indem man sie unzerstossen auf glühende Kohlen legt und so durch ihr Verbrennen einen grösstentheils empyreumatischen Rauch erzeugt, vorzüglich in der Absicht, um bei nasser und nebeliger Witterung und bei herrschenden Krankheiten die Luft in den Ställen zu verbessern. Da die Luft hierdurch trockener und reizender wird, so kann sie wohl auch besser zum Athinen und für die Thiere gesünder werden; aber Krankheitsstoffe, und namentlich Ansteckungsstoffe, welehe in ihr verbreitet sind, werden dadurch nicht zerstört. Zuweilen benutzt man auch diesen Eauch als ein reizendes Heilmittel, und leitet ihn zu diesem Zwecke an die kranken Theile, z. B. bei rheumatischen und ödematösen Anschwellungen, bei chronischem Schleimausfluss aus der Nase u n d aus den L u n g e n , bei den Lungenwürmern (sogenannten L u f f r ö h r e n k r a t z e r n , Strougylus Filaria) der Kälber und Lämmer u. s . w . Theerräucherungen sind jedoch wirksamer und lassen sich überall fast ganz ohne Feuersgefahr ausführen, da man hierzu keine glühende Kohlen in den Stall zu tragen braucht 1 . (30,0 5 P f g . , gr. gep. 8 Pfg., fein gep. 1 Sgr. 4 Pfg. — 250,0 nicht pulv. 2 Sgr. 6 Pfg., gr. gep. 4 Sgr.) A n m e r k u n g 1. Aus den Wachholderbeeren bereitet man: a. den W a c h h o l d e r s a f t ( E x t r . Junipcri, Succus Juni}), inspissatiis s. Iloob Junip.), welcher neben Schleim und Zucker nur sehr wenig ätherisches Oel enthält, daher auch nur sehr geringe erregende, sondern mehr auflösende, den süssen Säften mehr ähnliche Wirkungen erzeugt, und jetzt fast nur noch als Bindemittel bei der Bereitung der Pillen und Latwergen dient. Bei dieser Benutzung ist jedoch sein Preis zu beachten. (30,0 2 Sgr. 10 Pfg.) b. Das W a e h ho I d e r b e e r ö 1 (Ol. Baccarum Juniperi s. Ol. Juniperi aethereum), sehr scharf reizend und flüchtig, dem Terpenthinöl ähnlich, aber s e h r t h e u e r (1,0 2 Sgr. 6 P ' g ' ) , deshalb bei kranken Thieren niemals zu gebrauchen, sondern durch jenes zu ersetzen. 1 Sollen Räucherungen mit Hilfe von glühenden Kohlen gemacht werden, so ist es zur möglichsten Vermeidung der Feuersgefahr nöthig, das Gefäss mit den Kohlen in einen tiefen, vorher befeuchteten Stalleimer zu setzen und es nur so in den Stall zu bringen.
Wachholderbeeren, Alantwurzel.
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c. W a e h ho 1 d e r s p i r i t u s (Spiritus Juniperi) ist Weingeist über Wachholderbeeren destillirt, wirkt innerlich und äusserlich stark r e i z e n d , u r i n t r e i b e n d , blähungtreibend, kann innerlich wie die W a c h h o l d e r b e e r e n , jedoch nur mit Vorsicht — und äusserlich bei veraltetem Rheumatismus, bei dergleichen V e r r e n k u n g e n , bei Lähmungen u. s. w. angewendet werden, — ist aber entbehrlich. (30,0 1 Sgr. 8 Pfg.) A n m e r k u n g 2. Von dem Wachholderstrauch können auch die j u n g e n Zweige oder W a c h h o 1 d e r s p r o s s e n ( Turiones Juniperi), das W a c h b o 1 d e r h o 1 z und die W u r z e l n (lAgnum et Radix Juniperi) als Heilmiltel dienen. In diesen Theilen ist ein wenig ätherisches Oel, dem der Beeren ähnlich, und etwas Harz e n t h a l t e n ; es fehlt ihnen aber der Zucker und der Schleim; ihre W i r k u n g ist daher auch weniger sanft als die der Beeren, sondern denen der Fichtensprossen und des Terpenthinöls einigermaassen ähnlich. — Die Benutzung dieser Theile des Wachholders kann bei denselben Krankheiten geschehen , wo die Beeren empfohlen sind , und zwar innerlich und äusserlich im heissen Aufguss oder auch auf Kohlen gestreut zum Räuchern. Düs aus dem Holze durch trockene Destillation gewonnene breiizliche W a c h h o l d e rIio 1 zö 1 (Ol. Ligni Juniperi empyreumaticum, Ol. pyrolign. Juniperi, u n d , wenn es aus dem Holze von Juniperus oxyeedrvs bereitet ist, Ol. cadinum [fiuile de Cade] ist ein brenzliclu's, dickflüssiges, dem Theer ähnliches ätherisches Oel. Dasselbe wirkt dem Terpenthinöl ähnlich, wird innerlich sehr selten gegen W ü r m e r , aber äusserlich von französischen Thierärzten oft gegen FJecl:ten und ähnliche Hautkrankheiten mit Nutzen g e b r a u c h t , ebenso gegen P a r a s i t e n ; doch muss es etwas reichlich upplicirt werden. Haare wachsen bald nach. Es kann für sich oder mit Seife, oder Fett, Oel als Salbe angewendet w e r d e n , z. B. Ol. Junip. pyrolign. 15,0, Axung. porci 60,0, M. 1). S. Morgens und Abends einzureiben.
C. A r o m a t i s c h e
Wurzeln.
22) Alantwurzel, Radix Helenii, Enulae s. Inulae. Von Inula Helenium, 19. Kl. 2. Ordn., Compositae.
§. 225. Die Alantwurzol besitzt mehrere eigenthümliche Bestandtheile, von denen ein stark riechendes, flüchtiges ätherisches Oel von fester Consistenz (auch A l a n t - K a m p l i o r genannt), bitterer, seifenartiger Extractivstoff, Gummi, scharfes Harz, und ein eigenthiimliches Stärkemehl (das sogenannte I n u 1 i n oder H e l e n i n ) die wichtigsten und wirksamsten sind. — Vermöge dieser Bestandtheile wirkt der Alant im Allgemeinen theils als ein kräftiges, etwas scharfes Reizmittel, theils auch als stärkendes Mittel, und ist dem Kalmus und der Angelika verwandt. Seine erregenden Wirkungen entwickeln sich jedoch langsamer, sind aber dauernder als bei diesen Mitteln, und die tonischen K r ä f t e sind dem Grade nach bedeutend geringer als die des Kalmus. Dagegen kommt der Alant mit beiden Mitteln besonders darin tiberein, dass sowohl seine erregende, als auch die stärkende Wirkungsich zwar über den ganzen Körper verbreitet, aber doch vorzugsweise auf die Schleimhäute, und namentlich wieder auf die Schleimhaut der Respirationsorgane gerichtet ist. Denn man bemerkt sehr deutlich, dass er bei Erschlaffung und Reizlosigkeit in den letzteren die Empfindlichkeit und gleichzeitig die Energie vermehrt, die Absonderung des zähen Schleims mindert, den letztern dünner macht und den Auswurf erleichtert. — Der Alant ist daher auch stets als eins der wirksamsten Brustmittel betrachtet worden. Aber auch auf die Verdauungseingeweide, auf die Lymphgefässe und Lymphdrüsen, und sonst auf den ganzen Reproductionsprocess wirkt er die Functionen mehr anregend; die Secretionen der Haut und der Nieren befördert er in einem massigen Grade. u»
Aetherisck-ölige Mittel.
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Seine Anwendung findet er bei solchen Krankheitszuständen, bei welchen Erschlaffung, Reizlosigkeit, vermehrte Absonderung an den Schleimhäuten, besonders der Respirationsorgane, verminderte Thätigkeit der Lymphgefässe und Lymphdrüsen, mit Anschwellung und Verhärtung derselben, schlechte, unvollständige E r n ä h r u n g und Cachexie den Grundcharacter bildet. — Dagegen leistet der Alant bei nervösen Zuständen wenig, und bei reinen, activen Entzündungen ist er schädlich. Diesen Andeutungen entsprechend wird der Alant gebraucht: bei Appetitlosigkeit und Unverdaulichkeit aus Schwäche und Verschleimung der Verdauungseingeweide ; bei Katarrhalfieber und Katarrh (Druse der Pferde, Schnupfen der Schafe, Schweine und Hunde), bei katarrhalischer Bräune; hierbei überall jedoch nur dann, wenn das Entzündungsstadium vorüber, oder wenn die E n t z ü n d u n g asthenisch ist und chronisch wird; ebenso nach Lungenentzündungen, wenn bereits zäher Auswurf sich eingefunden hat, und bei asthenischen, sogenannten nervösen Brustentzündungen; bei chronischem Husten und bei Kurzathmigkeit aus Erschlaffung und Verschleimung der Respirationsorgane , und daher auch bei dem sogenannten schleimigen Dampf der Pferde; bei Wassersuchten und bei ödematüsen Anschwellungen aus Schwäche und schlechter Ernährung, bei Mauke, W u r m und veralteten Hautausschlägen. Gegen die Räude wurde er früher als ein specifisches Mittel betrachtet. Man giebt ihn Pferden von 15,0—45,0, Rindvieh von 30,i> —90,0, Schafen und Schweinen von 4,0—12,0 und Hunden von 0,5—4.0 auf einmal und in Zwischenzeiten von 4 — 5 Stunden. — Die Anwendung kann in jeder Form, selbst im Decoct geschehen, da der Alant(ausnalimsweise von den übrigen ätherischen Mitteln) ein gelindes Kochen recht gut erträgt und hierbei, durch die vollständigere Auflösung seiner scharfen und bitteren Be standtheile, sogar noch reizender und wirksamer wird. Bei manchen Zuständen ist er für sich allein ausreichend; wo man aber seine reizende Wirkung zu mindern, die Absonderungen zu befördern und zugleich dünnflüssiger zu machen wünscht, wie z. B. nach eben beseitigter Entzündung, — da setzt man ihm Brechweinstein, Salmiak, Kochsalz, Goldschwefel, Schwefel und dergleichen z u ; in den meisten chronischen Fällen dagegen, wo die Ernährung, wo dieThätigkeit der Lymphgefässe sehr leidet und Torpidität vorwaltend ist, verbindet man ihn mit bitteren Stoffen, mit Schwefel, Spiessglanz,Wachholderbeeren, Terpenthinöl, Kampher und anderen Mitteln. Aeusserlich wird der Alant schon seit älterer Zeit gegen die Räude bei allen Thieren benutzt. R y s z 1 zieht ihn den anderen, sonst gewöhnlichen Räudemitteln, als dem Taback, den Lorbeeren, der Nieswurzel u. s. w. vor, und empfiehlt ihn in folgender Zubereitung als Waschmittel: Man nimmt für Pferde oder Rinder 5 — 6 P f u n d gute Buchenasche, kocht sie mit 28 Maass Wasser aus, seihet sie hernach durch, bringt die erhaltene Lauge nochmals zum Sieden und wirft dann 1 1 / 2 P f u n d zerstossenen Leinsamen, 2 P f u n d zerschnittene Alantwurzel und ebenso viel Wermutli, oder ein anderes bitteres Kraut in die kochende Lauge, lässt sodann das Feuer ausgehen und gebraucht die Flüssigkeit undurchgeseihet, lauwarm als Bad oder zum Waschen der 1
Ilandb. der p r a k t . Arzneimittellehre für Thierarzte.
S. 3.
Alantwurzel, Angelikawurzel.
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kranken Hautstellen, auf welche man sie mittelst wollener Lappen oder mit Bürsten applicirt. Die Flüssigkeit soll seifenartig, auf die Haut reizend, zugleich geschmeidig machend und den Räudemilben widrig sein. R y s z gesteht jedoch selbst, dass man auch bei wiederholter Anwendung derselben die Räude, namentlich bei Schafen nicht vollkommen heilt, sondern nur die Heilung gut vorbereitet, und dass man, um diese zu erreichen, noch Schwefeloder Merkurialsalben anwenden müsse. — Ehedem wurde der Alant selbst in Salbenform (z. B . nach R e u t e r aus: Alantwurzelpulver 3 0 , 0 , Schwefelblumen 6 0 , 0 , ungesalzener Butter 1 5 0 , 0 bestehend) angewendet, aber wohl auch nicht mit gründlichem Erfolge. E r verdient daher nicht den Vorzug vor der Nieswurz und dem T a b a c k , noch weniger aber vor dem Terpenthinöl, dem Sublimat und vor der von W a l z empfohlenen Lauge. ( 3 0 , 0 1 Sgr.) 23) Angellkawurzel (Engclwurzel, Brust- oder Luftwurzel), Radix
Angelieae.
Von A r c h a n g e l i c a officinalis, 5 . K l . 2. Ordn., U m b e l l i f e r a e .
§. 226. Unter den verschiedenen Bestandtheilen dieser Wurzel sind als die wirksamsten zu betrachten: ein flüchtiges ätherisches Oel, ein balsamisches Weichharz (von Einigen „Angelikabalsam" genannt), bitterer und anderer Extractivstoff und Stärkemehl. — Sie wirkt flüchtig reizend und zugleich stärkend, ist daher im Allgemeinen dem Alant, Baldrian und dem Kalmus ähnlich, aber in ihrer individuellen E i g e n t ü m l i c h k e i t doch von diesen und von allen anderen aromatischen Mitteln in mehrfacher Beziehung verschieden; denn die örtliche Wirkung ist schärfer reizend und die allgemeine Wirkung ist intensiv reizender, gleichsam feuriger, zugleich dauernder und vielmehr auf das Gefässsystem gerichtet, als bei dem Baldrian. Den Kalmus übertrifft dieAngelika ebenfalls an reizender K r a f t , steht ihm aber an stärkenden Eigenschaften nach. — Sowohl die erregende wie die stärkende Wirkung verbreitet sich über den ganzen Organismus; beide treten aber an den Schleimhäuten, besonders an denen der Respirationsorgane am deutlichsten hervor, und scheinen zu denselben eine ähnliche specifische Beziehung, wie die Wachholderbeeren, der Wasserfenchel, Fenchel, Anis und Alant zu haben. Die Wirkung ist aber auch hier durch die mit der Erregung verbundene Stärkung sehr verschieden von der Wirkung dieser zuletzt genannten Mittel. Auf den Verdauungskanal wirkt die Angelika belebend und stärkend, und die Secretionen in den Nieren und in der Haut werden durch sie in einem mässigen Grade befördert. Die Indicationen für den Gebrauch dieses Mittels finden sich in allen Fällen, sowohl bei acuten als bei chronischen Krankheiten, wo die Irritabilität und Sensibilität zugleich sehr vermindert ist, wo bei grosser Schwäche die Bildungsthätigkeit sehr darnieder liegt, wo Neigung zur Entmischung der Säfte, und colliquative Ausleerungen eintreten, und wo besonders in den Respirationsorganen Torpidität mit übermässiger Absonderung in der Schleimhaut besteht. Unter solchen Umständen, und namentlich bei Nervenfieber, Faulfieber und Typhus, bei den höheren Graden der Influenza, bei typhösen, besonders ursprünglich katarrhalischen und rheumatischen Brustentzündungen, bei der Staupe der Hunde, wenn sie einen nervösen Character annimmt u. s. w., habe
Aetheriseh-ölige Mittel.
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ich die Angelika mit sehr gutem Erfolge angewendet und muss daher den Ausspruch von J . W h i t e : „dass das Mittel für die thierärztlichen Zwecke zu wenig wirksam sei 1 ", widerlegen. Die Gabe ist wie bei dem Alant zu wählen; manche französische Thierärzte, z. B. V a t e l , schreiben zwar viel grössere Gaben (für Pferde 30,0— 150,0, für Rindvieh 30,0—210,0) vor 2 , jedoch ohne Grund, da man mit jenen kleineren vollkommen ausreicht. — Von der Form und Verbindung mit anderen Mitteln gilt Alles, was bei dem Kalmus und dem Baldrian hierüber angedeutet ist. Aeusserlich ist die Angelika wie die übrigen aromatischen Mittel zu benutzen (§§. 197 und 202), wird aber höchst selten zum äussern Gebrauch verwendet. (30,0 geschn. oder grob pulv. 1 Sgr. 8 Pfg., 250,0 10 Sgr., fein pulv. 30,0 2 Sgr. 4 Pfg.) Anmerkung. D a s K r a u t d e r A n g e l i k a p f l a n z e (Tierba AngelicaeJ besitzt ähnliche a b e r s c h w ä c h e r e H e i l k r ä f t e w i e d i e W u r z e l u n d k a n n im N o t h f a l l e w i e d i e s e , b e s o n d e r s ä u s s e r l i c h zu U m s c h l ä g e n u. s. w. g e b r a u c h t w e r d e n . — D i e W a l d - A n g e 1 i k a (Angelica silvestris L. s. Selinum Angelica Roth) ist in i h r e r W u r z e l u n d i m K r a u t e b e n f a l l s m i t den E i g e n s c h a f t e n der e c h t e n A n g e l i k a w u r z e l b e g a b t , a b a r d o c h v o n g e r i n g e r e r Wirksamkeit.
2 4 ) Baldrian Wurzel, Rhizoma
s. Radix
Yalerianae,
s. Radix
Valerianae
minoris.
V o n V a l e r i a n a o f f i c . L i n . , 3. K l . 1. Ordn., V a l e r i a n e a e .
§. 227. IhreBestandtheile sind: ein eigentümlicher Extractivstoff ( B a l d r i a n s t o f f ) , ein gelbfärbender Extractivstoff, Weich- oder Balsamharz, Baldriansäure, Baldrianöl, Schleim und einige Salze. Davon sind die Baldriansäure und das ätherische Oel die hauptsächlich wirksamen Bestandteile. Die Wurzel hat einen zuerst etwas scharfen, dann herbbittern, aromatischen Geschmack und einen eigenthiimlichen, ¡penetranten, etwas widrigen Geruch, den jedoch die Katzen lieben und dies dadurch zeigen, dass sie sich auf der Wurzel wälzen, wunderliche Sprünge neben ihr machen und dergl. —• Die örtlichen Wirkungen dieser Wurzel sind sehr mild erregend und gelind zusammenziehend, daher reizend und stärkend zugleich, — ähnlich der Nelkenwurzel, aber in der Erregung stärker und in der Zusammenziehung schwächer als diese. Die allgemeine Wirkung äussert sich in einer flüchtigen, jedoch sehr sanften Aufregung im ganzen Organismus, vorzüglich und fast specifisch aber im Nervensystem. Die gesunkene Kraft des letztern wird erhöht, und besonders wird seine Tliätigkeit, wenn sie qualitativ vom gesunden Zustande abweichend ist, sehr häufig wieder geregelt; namentlich werden Zuckungen und Krämpfe beseitigt, zu grosse Empfindlichkeit und selbst Schmerzen, die mit Nervenschwäche verbunden sind, werden gemindert. Diese Beziehungen zum Nervensystem besitzt der Baldrian unter den aromatischen Mitteln am stärksten; er nähert sich hierin einigermaassen dem Kampher, den empyreumatischen Oelen und dem Aether, unterscheidet sich aber von diesen dadurch, 1 a
J. W h i t e , T r e a t i s e o n V e t e r i n a r y M e d i c . V o l . II. p. 6 2 . V a t e l , É l é m e n t s de P a t h o l o g i e v é t é r . T o m . II. Part. II. p. 7 2 6 .
Baldrianwurzel.
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dass er weniger flüchtig, dagegen aber auch milder wirkt, und dass er nicht wie sie die Kräfte blos aufregt und erschöpft, sondern vielmehr wirklich stärkt. — Auf die Blutgefässe wirkt der Baldrian viel weniger erregend, und er steht hierin besonders denjenigen aromatischen Mitteln sehr nach, welche ein terpenthinartiges ätherisches Oel enthalten. E r befördert zwar die Absonderungen in gelindem Grade, vermehrt aber keine einzelne vorherrschend. Auf die Verdauungseingeweide wirkt er erregend, stärkend, blähungtreibend, und zuweilen auch wurmwidrig. Die letztere W i r k u n g ist aber nicht zuverlässig. Der innerliche Gebrauch des Baldrians ist angezeigt: bei allen asthenischen Krankheitszuständen, vorzüglich aber wenn sie im Nervensystem ihren Sitz haben oder mit nervösen Zufällen begleitet sind, und wenn Schwäche mit erhöhter Empfindlichkeit, verbunden ist-, daher namentlich: bei Nervenfiebern, bei dem nervösen Faulfieber (Typhus), bei dem fieberhaften und bei dem langsam verlaufenden Milzbrand; — bei Epilepsie, Schwindel, Dummkoller ; bei Krämpfen, z. B. bei dem Starrkrampf, bei dem Lungenkrampf, bei der Staupe der Hunde in den höheren Graden und wenn sie nervös wird; — bei Lähmungen; — bei geschwächter Verdauung, Durchfall, Aufblähung, Krampfkolik, krampfhafter Harnverhaltung, und gegen Eingeweidewürmer. Doch darf man sich, wenn bei diesen Krankheiten bereits ein hoher Grad von Schwäche eingetreten ist, nicht auf den Baldrian allein verlassen, weil er dann bei seinen milden Wirkungen zu wenig leistet. Man giebt ihn den grossen Hausthieren von 30,0—90,0, Schafen von .S,0—15,0, Hunden von 1,0—8,0 auf einmal und in Zwischenzeiten von 2—4 Stunden wiederholt. Das Mittel kann in Latwergen oder P i l l e n , bei dringenden Zufällen aber am besten im Infusum angewendet, und mit Kampher, Hirschhornöl, Hirschhornsalz, mit Pfefferminze, mit Säuren und anderen, dem vorhandenen Zustande entsprechenden Mitteln verbunden werden Aeusserlich kann man den Baldrian als zertheilendes und stärkendes Mittel bei asthenischen Augenentzündungen, bei Quetschungen, bei schlaffen, unthätigen Geschwüren, im Infusum zum Waschen und Bähen, wie auch zu krampfstillenden Clystiren u. s. w. benutzen. (30,0 1 Sgr. 6 Pfg., gr. pulv. 2 Sgr., 250,0 12 Sgr., fein pulv. 5,0 6 Pfg., 30,0 2 Sgr. 8 Pf.) Als Präparate vom Baldrian giebt es ein Extract, verschiedene Tincturen, und das ätherische Oel. Sie wirken wie die Wurzel, sind aber zu theuer und deshalb in der Thierarzneikunde nicht gebräuchlich. A n m e r k u n g . Ausser der gewöhnlichen, von der Valeriana officinalis kommenden Baldrianwurzel können auch die Wurzeln von dem g r o s s e n oder G ar tenb&1 dr i a n /Radix Valerianae majoris, von der V. PhuJ und von dem A l p e n b a l d r i a n (Radix Spicae celticaef von der V. celticaj wie die erstere benutzt werden, da sie ganz ähnliche, jedoch schwächere Heilkräfte besitzet! wie diese.
1 Merkwürdig'ist es, dass, wenn Rad. Valerian. 2 Theile mit Kali sulphurat. 1 Theil in Latwergensubstanz zusammengemengt werden, eine Temperatur-Erhöhung um 18° R. Statt findet.
Aetkerisck-ölige Mittel.
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2 5 ) I f l ' t r a i l l » I I I Z f l , Radix
Pyrethri.
V o n A n a c y c l u s officinarum, 19. K I . 2. O r d n . , C o m p o s i t n e .
§• 2-28. Die wirksamen B e s t a n d t e i l e derselben sind ein scharfes ätherisches Oel in geringer Menge, scharfes Harz, Inulin, Kampher, Gummi und bitterlicher ExtractivstofF. — Sie wirkt auf alle Gebilde, mit denen sie in Berührung kommt, als ein durchdringendes Reizmittel, erhöht die Empfindlichkeit bedeutend, erweckt und verstärkt das Bewegungsvermögen, und erregt auch an den Schleimhäuten vermehrte Absonderungen. Bei der innerlichen Anwendung zeigen sich diese Wirkungen am stärksten in der Maul- und Iiachenhöhle und an den Verdauungseingeweiden; namentlich verursacht sie in der Maulhöhle eine sehr starke Absonderung von Speichel und Schleim, vermehrte W ä r m e und grossen Reiz zum Kauen. Die Thätigkeit der Verdauungseingeweide erregt sie bedeutend, und besonders erweckt sie den Appetit. Nach Vi t o t ' s Angabe 1 soll sie sogar Entzündung am Eingange des Zwölffingerdarms erregen; ich habe dieselbe von mässigen Gaben nicht entstehen sehen. — Auf den übrigen Körper verbreitet sich die erregende Wirkung ziemlich schnell, jedoch nicht in demselben Grade, wie sie örtlich erscheint, so dass das Mittel hinsichtlich seiner allgemeinen Wirkung und in der Flüchtigkeit ungefähr mit dem Kalmus auf gleicher Stufe steht, ohne jedoch ebenso stärkend zu sein wie dieser. Die Bertramwurzel findet nur in solchen Krankheitszuständen ihre xVnwendung, bei denen ein hoher Grad von Abgestumpftheit (Torpor) und Lähmung, besonders in der Maulhöhle, an der Zunge, am Gaumensegel, Ko.hlund Schlundkopf, und in den Verdauungseingeweiden besteht. Namentlich ist sie nützlich bei chronischem Katarrh, bei veralteter Bräune, bei Lähmung der Zunge, bei langwieriger Appetitlosigkeit und Unverdaulichkeit, wenn dieselbe blos in Schwäche und Reizlosigkeit begründet ist, bei dem sogenannten Magenkoller der Pferde, selbst bei nervösen Fiebern, die mit grosser Abstumpfung verbunden sind, und bei chronischen Lähmungen der Gliedmaassen. Die Gabe ist für Pferde und Rinder 15,0—30,0, für Schafe und Schweine 2,0—4,0, für Hunde 0,5—2,5. Die Anwendung geschieht in Latwergen, Pillen oder Infusum. Bei Pferden wurde ehemals die Wurzel auch als sogenanntes Kaumittel oder Speichel erregendes Mittel benutzt, indem man sie entweder in Substanz, oder pulverisirt und mit Enzian- oder Meisterwurzel und dergl. gemengt und in einen leinenen Beutel gethan, auf das Mundstück befestigte und dies den Thieren ins Maul legte. Bei Lähmung der Zunge habe ich das Mittel auf diese Weise mit recht gutem Erfolg angewendet. Mit Wasser gelind gekocht, ist die Wurzel zu reizenden Maul wässern und zum Waschen torpider Geschwüre zu benutzen. — Den Schweinen giebt man die Bertramwurzel (wie alle scharf reizende Mittel) am besten nur in Latwergenform. ' Am angez. O. S. 261.
Bertramwurzel, Eberwurzel, Kalmuswurzel. 26) Eherwurzel, Radix Carlinae s.
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Cardopatiae.
Von C&rlina a c a u l i s , 19 Kl. 1. Ordn., Fhiti. Compositae.
§. 229. Sie besitzt ähnliche B e s t a n d t e i l e u n d H e i l k r ä f t e wie der K a l m u s (siehe den folgenden §. 2. 0 ) , ist aber etwas mehr flüchtig scharf u n d d a h e r a u c h mehr reizend. Sie k a n n g a n z wie der K a l m u s u n d wie die A n g e l i k a bei asthenischen K r a n k h e i t s z u s t ä n d e n a n g e w e n d e t w e r d e n , u n d w u r d e ehemals in der T h i e r h e i l k u n s t sehr h ä u f i g als n e r v e n s t ä r k e n d e s , m a g e n s t ä r k e n d e s , schweiss- u n d u r i n t r e i b e n d e s , u n d den Auswurf b e f ö r d e r n d e s Mittel benutzt, und selbst zu a b e r g l ä u b i s c h e n sogenannten s y m p a t h e t i s c h e n K u r e n g e b r a u c h t ; j e t z t ist sie, mit U n r e c h t , f a s t g a n z in Vergessenheit g e k o m m e n . 2 7 ) Kalinustruriel, Radix s. Rhizoma Calami aromatici s. Acori Von Acorus C a l a m u s , 6. Kl. 1. Ordn., Farn
xeri.
Aroideae.
§. 2 3 0 . Sie e n t h ä l t als H a u p t b e s t a n d t e i l e ein bitterlich scharfes ätherisches Oel, i n n i g v e r b u n d e n mit scharfem H a r z und bitterm Extractivstoff, — n e b e n bei ein e i g e n t ü m l i c h e s S a t z m e h l , etwas G u m m i u n d Salze. D e r K a l m u s ist unter den i n l ä n d i s c h e n aromatischen Mitteln das wohlfeilste u n d zugleich eins der k r ä f t i g s t e n ; er wirkt gleichzeitig gelind tonisirend, flüchtig u n d anhaltend e r r e g e n d , vorzüglich auf die V e r d a u u n g s e i n g e w e i d e u n d auf die Respirationsorgane, u n d n ä h e r t sich den W i r k u n g e n des W e r m u t h s , der K a millen, des Baldrians, der A n g e l i k a u. s. w. D e n e r s t e m übertrifft er in der erregenden W i r k u n g sehr, steht ihm aber in der tonischen etwas n a c h ; von den K a m i l l e n unterscheidet er sich durch seine grössere g e w ü r z h a f t e S c h ä r f e , u n d durch die hiervon a b h ä n g i g e s t ä r k e r e örtliche u n d allgemeine R e i z u n g ; den Baldrian übertrifft er in d e r erregenden W i r k u n g auf das G e f ä s s s y s t e m und auf die S c h l e i m h ä u t e , wie a u c h d u r c h die s t ä r k e r reizende u n d tonische W i r k u n g auf die V e r d a u u n g s e i n g e w e i d e , steht ihm aber in der directen E i n w i r k u n g auf das N e r v e n s y s t e m sehr n a c h ; von der A n g e l i k a wird er z w a r durch grössere F l ü c h t i g k e i t ü b e r t r o f f e n , er w i r k t a b e r ebenfalls m e h r tonisirend als sie. Die A n w e n d u n g der K a l m u s w u r z e l ist bei allen asthenischen K r a n k heiten angezeigt, besonders aber bei solchen, welche in v e r m i n d e r t e r I r r i t a b i lität im A l l g e m e i n e n , in S c h w ä c h e u n d Reizlosigkeit der V e r d a u u n g s e i n g e weide, der Schleimhäute, d e r L y m p h g e f ä s s e und D r ü s e n , und in m a n g e l h a f t e r Reproduction beruhen. So b e n u t z t man ihn bei asthenischen Fiebern, z. B. bei gastrischen, bei k a t a r r h a l i s c h e n , selbst bei nervösen u n d Faulfiebern, bei A n t h r a x k r a n k h e i t e n ; — bei M a n g e l an A p p e t i t , bei schlechter V e r d a u u n g , bei öfters w i e d e r k e h r e n d e r A u f b l ä h u n g u n d Kolik, bei a n h a l t e n d e m , schmerzlosem D u r c h f a l l , bei W u r m l e i d e n ; — bei asthenischem u n d chronischem R h e u m a t i s m u s ; —• bei dergleichen K a t a r r h , D r u s e , B r ä u n e u n d L u n g e n e n t z ü n d u n g , w e n n viel zäher Schleim abgesondert u n d mit Beschwerde ausgeworfen w i r d ; bei der L u n g e n s e u c h e des Rindviehes in d e n späteren P e r i o d e n , ebenso bei der F ä u l e der Schafe, bei ödematösen A n s c h w e l l u n g e n u n t e r d e r H a u t ; — bei A b m a g e r u n g in F o l g e m a n g e l h a f t e r V e r d a u u n g aus S c h w ä c h e ;
Aetherisch-ölige Mittel.
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bei K o l l e r , bei S t a u p e , bei K r ä m p f e n u n d L ä h m u n g e n , — hierbei j e d o c h m e h r e n t h e i l s n u r als p a s s e n d e s U n t e r s t ü t z u n g s m i t t e l f ü r a n d e r e , m e h r k r ä f t i g e Reizmittel. E i n e G a b e f ü r P f e r d e u n d R i n d v i e h ist 1 5 , 0 — 4 5 , 0 , f ü r S c h a f e u n d S c h w e i n e 8 , 0 — 1 5 , 0 , f ü r H u n d e 1 , 0 — 4 , 0 , alle 4 S t u n d e n wiederholt. Die A n w e n d u n g k a n n in a l l e n F o r m e n g e s c h e h e n , u n d Z u s ä t z e m a c h t m a u n a c h B e d ü r f n i s s d e r U m s t ä n d e , ä h n l i c h wie bei d e m B a l d r i a n u n d den Kamillen. A e u s s e r l i c h ist d e r K a l m u s nach d e n a l l g e m e i n e n A n d e u t u n g e n (§§. 1 9 7 u n d 2 0 2 ) als ein sehr w i r k s a m e s aromatisches Mittel zu g e b r a u c h e n . I n d e n A p o t h e k e n ist die W u r z e l g e s c h ä l t , Rad. Calami decorticata, — w a s z u m t h i e r ä r z t l i c h e n G e b r a u c h n i c h t n ö t h i g ist u n d d e n P r e i s e r h ö h t . ( 3 0 , 0 v o n Rad. decortic. 1 0 P f g . , zerschn. oder gr. pulv. 1 S g r . 2 P f g . , 2 5 0 , 0 7 Sgr., fein pulv. 3 0 , 0 1 S g r , 4 P f g . ) D a s E x t r a c t , d i e T i n c t u r u n d das ä t h e r i s c h e Oel sind sehr w i r k s a m e P r ä p a r a t e , a b e r des P r e i s e s w e g e n nicht g e b r ä u c h l i c h , w e n i g s t e n s nicht bei grossen T h i e r e n . 28) K n o b l a u c h , Knoblauchzwiebeln, Radix s. Bulbus Allii. Von
Allium
sativum,
6. Kl.
1. O r d n . ,
Fam.
Aspliodeleae.
§. 2 3 1 . D e r h a u p t s ä c h l i c h w i r k s a m e B e s t a n d t h e i l ist ein flüchtiges Oel von d u r c h d r i n g e n d e m u n d stechendem G e r u c h , in V e r b i n d u n g m i t etwas S c h w e f e l ( A l l y l s u l f i i r ) , u n d ausserdem etwas S a t z n i e h l u n d s e h r viel Schleim. — I n d e r W i r k u n g auf d e n T h i e r k ö r p e r erscheint der K n o b l a u c h bei innerlicher u n d äusserlicher A n w e n d u n g sehr ä h n l i c h d e m S e n f u n d M e e r r e t t i g ; doch g e h t er m e h r als diese Mittel in das Blut über, u n d ertheilt der ausgeatlimeten L u f t u n d der Milch seinen e i g e n t ü m l i c h e n G e r u c h , d e r l e t z t e r e n sogar a u c h seinen G e s c h m a c k ; der C r i n e r h ä l t von ihm e b e n f a l l s einen s t ä r k e r e n Geruch, d e r a b e r nicht immer k n o b l a u c h a r t i g ist. A u c h w i r k t er m e h r auf die S c h l e i m h a u t der R e s p i r a t i o n s o r g a n e speeifiseb e r r e g e n d als j e n e Mittel, u n d ausserdem ist er d e n W ü r m e r n sehr z u w i d e r . M a n w e n d e t d e n K n o b l a u c h innerlich a n : bei S c h w ä c h e , Reizlosigkeit, U n t h ä t i g k e i t u n d V e r s c h l e i m u n g der V e r d a u u n g s e i n g e w e i d e ; bei d a h e r ents t a n d e n e r A p p e t i t l o s i g k e i t , K r a m p f k o l i k oder W i n d k o l i k , bei d e m A u f b l ä h e n ; g e g e n E i n g e w e i d e w ü r m e r ; bei V e r s c h l e i m u n g in d e r L u n g e u n d L u f t r ö h r e u n d bei d e m s o g e n a n n t e n schleimigen D a m p f ; bei v e r a l t e t e r D r u s e , M a u k e u n d R ä u d e , bei R h e u m a t i s m u s , bei ö d e m a t ö s e n A n s c h w e l l u n g e n u n d bei beg i n n e n d e r W a s s e r s u c h t ; bei S a n d u n d G r i e s in d e n H a r n w e r k z e u g e n ; bei d e m P i p s d e r H ü h n e r . — D a u b e n t o n e m p f a h l i h n a u c h zur E r r e g u n g des Geschlechtstriebes d e r Schafe. E r k a n n P f e r d e n u n d R i n d e r n von 1 5 , 0 — 4 5 , 0 , S c h a f e n u n d S c h w e i n e n von 4 , 0 — 1 5 , 0 , H u n d e n von 1 , 0 — 4 , 0 t ä g l i c h 4 — 6 M a l g e g e b e n w e r d e n . Z u r A n w e n d u n g wird er e n t w e d e r klein g e h a c k t in einer D ü t e z e r q u e t s c h t u n d mit K a l m u s , A l a n t , K ü m m e l , Anis, K o c h s a l z u n d dergl. z u r L a t w e r g e oder zu P i l l e n g e m a c h t , — oder mit M i l c h , Bier oder W a s s e r heiss i n f u n d i r t u n d mit b i t t e r e n oder aromatischen Mitteln versetzt. I n dieser l e t z t e r n V e r b i n d u n g
Knoblauch. Liebstöckelwurzel.
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kann er, nach der Beobachtung mancher Thierärzte, die Asa foetida ersetzen. — Den Schafen giebt man ihn zerquetscht und mit Kleie und Salz gemengt in Lecken. Aeusserlich kann der Knoblauch bei verhärteten "Drüsen- und anderen torpiden Geschwülsten und ebenso bei dergl. alten Geschwüren gebraucht werden, um sie in bessere Thätigkeit zu versetzen und die Eiterung zu befördern. E r wird hierzu entweder zerquetscht in F o r m eines Breies etwas dick auf die betreffende Stelle gelegt, oder mit gleichen Theilen Fett durch blosses Zusammenmengen oder durch gelindes Zusammenschmelzen zu einer Salbe gemacht, welche theils eingerieben, theils massig dick aufgetragen wird. — Bei der Räude und bei flechtenartigen Hautausschlägen ist diese Salbe ein vortreffliches Mittel, wenn dicke, festsitzende Schorfe vorhanden sind; wo diese fehlen, kann man auch eine Mischung von ein Theil zerquetschtem Knoblauch mit 6—8 Theilen Branntwein zum Waschen der räudigen Stellen mit gutem Erfolge benutzen. - - Bei Stichen von Insekten ist der ausgepresste Saft als ein wirksames und schnell zu erlangendes Hausmittel empfohlen. Anmerkung. D i e g e m e i n e Z w i e b e l fRadix Cepae, v o n Allium Cepa) h a t z i e m lich dieselben liestandtheile und dieselben W i r k u n g e n wie der K n o b l a u c h ist a b e r e t w a s m i l d e r und weniger w u r m w i d r i g als dieser. Sie k a n n auf d i e s e l b e W e i s e w i e d e r K n o b l a u c h , a b e r in e t w a s s t ä r k e r e n G a b e n b e n u t z t w e r d e n . — D a s s e l b e g i l t a u c h v o n d e n m e i s t e n Varietäten des K n o b l a u c h s und der Zwiebeln.
2 9 ) Liebstöckel Wurzel, Radix
Levistici
s.
Ligtistici.
V o n L e v i s t i c u m o f f i c i n a l e , 5. K l . 2. O r d n . , F a m . U m b e l l i f e r a e . §.
232.
Aetherisches Oel, viel gewiirzhaft-scharfer Extraotivstoff und Harz sind ihre wirksamen Bestandteile. Sie ist in ihren Eigenschaften und Wirkungen mit der Angelika sehr verwandt, besitzt aber weniger Bitterkeit und ist weniger stärkend als diese, so dass sie vielmehr als allgemeines, sehr flüchtiges und etwas scharfes Reizmittel wirkt. Denn ihre Wirkungen erscheinen gleichmässig über alle Systeme des Körpers verbreitet, und die Functionen aller Organe werden erhöht, besonders wenn sie aus Schwäche und Reizlosigkeit vermindert waren; vorzüglich werden jedoch die Absonderungen der Schleimhäute, der Nieren und der Haut sehr befördert. Man glaubte auch, dass bei Kiihen nach der Anwendung der Liebstöckelwurzel die Milch den Geruch und Geschmack derselben annimmt; allein V i b o r g hat dies durch Versuche widerlegt 1 , und ich muss ihm beistimmen, da ich bei meinen hierüber an mehreren Kühen angestellten Versuchen diese Einwirkung auf die Milch ebenfalls nicht gefunden habe. Das Mittel findet seine Anwendung nur bei asthenischen, torpiden Krankheiten, und namentlich bei Krämpfen, bei Krampf- und Blähungskolik, bei chronischen Diarrhöen, bei Verschleimungen, bei unterdrückter Hautausdünstung, daher bei Rheumatismus, Katarrh, Druse und Lungenentzündung 1 S a m m l u n g von A b h a n d l u n g e n , 4. B d . S. 2 0 9 . E r g a b d i e W u r z e l in s t e i g e n d e n G a b e n b i s zu 8 U n z e n p r o d o s i d u r c h 6 T a g e ; — ich g a b siÄ b i s zu 1 P f u n d u n d d u r c h 8 T a » e
172
Aetherisch-ölige Mittel.
mit asthenischem f'haracter, bei bösartigen, fauligen Pocken der S c h a f e , bei der Fäule, bei Wassersüchten, selbst bei Räude, Rotz und W u r m . D i e G a b e beträgt für Pferde 3 0 , 0 — 6 0 , 0 , für Rindvieh 6 0 , 0 — 1 2 0 , 0 . für S c h a f e und Schweine 4 , 0 — 1 5 , 0 und für Hunde 2 , 0 — 8 , 0 ; die Anwendung k a n n in allen F o r m e n , nur nicht im Decoct, geschehen, und Zusätze werden von Wachholderbeeren, Kalmus, Pfefferminze, Kampher, Torpenthinöl, Spiessglanzpräparaten und dergl. gemacht. Von der äusserlichen Anwendung gilt dasselbe, was hierüber von der A n g e l i k a gesagt worden ist. ( 3 0 , 0 1 S g r . , geschn. oder grob pulv. 1 Sgr. 4 P f g . , fein pulv. 2 Sgr.) Anmerkung. Da« L i e b 8 t ö c k e 1 k r a u t fHerba Levistici) b e s i t z t dieselben B e s t a n d t e i l e , welche die Wurzel hat. und kann d^her wie diese bei den oben b e z e i c h n e t e n K r a n k h e i t e n angewendet werden. — D e r h i e b s 16 c k e 1 am e n (Semen Levistici) scheint fast noch wirksamer zu sein als die W u r z e l , und sollte daher nicht ganz so in Vergessenh e i t gerathen, wie es bisher g e s c h e h e n ist.
3 0 ) MeerreKIgwui'iel ( K r e m ) , Radix
Armoraceae
s. Eaphani
rusticani.
Von Coehlearia a r m o r a c e a , 15. K l . 2. Ordn., F a m . Cruciferae.
§. 2 3 3 . Die Chemie hat in dieser allgemein bekannten scharfen Wurzel sehr verschiedenartige Bestandtheile nachgewiesen, unter denen jedoch ein brennend scharfes ätherisches Oel und ein flüchtig scharfer Stoff die wirksamsten sind. — D e r Meerrettig wirkt im frischen Zustande auf die betroffenen Organe sehr kräftig reizend; auf der äussern Haut erregt er selbst R o t h e und oberflächliche E n t z ü n d u n g ; im Magen und Darmkanal befördert er die wurmförmige Bewegung, treibt sehr kräftig Blähungen ab und erregt den Appetit; in der Schleimhaut der Respirationsorgane befördert er die absondernde T h ä tigkeit, und bei asthenischen Zuständen mindert und verdünnt er den zu zäh abgesonderten Schleim; am kräftigsten aber wirkt er auf die Harnwerkzeuge und verstärkt ihre Absonderung. Auch die Lymphgefässe und Lymphdrüsen scheint er zu grösserer T h ä t i g k e i t anzuregen. Dass er die Hautausdünstung vermehrt, habe ich nie beobachtet. Der Meerrettig kann innerlich unter ähnlichen Umständen, wo der S e n f und wo die Wachholderbeeren als nützlich empfohlen sind, mit gutem Erfolge gebraucht werden: wie z. B . bei Pferden und Rindern, die an mangelhaftem Appetit leiden, ohne dass andere Krankheitssymptome damit verbunden sind, besonders nach vorausgegangener Ueberladung der Verdauungseingeweide; ebenso bei dem öfters wiederkehrenden Aufblähen des Rindviehes und bei W i n d k o l i k der P f e r d e , wenn S c h w ä c h e und Reizlosigkeit der Eingeweide hierbei besteht; bei Verschleimung der Respirationsorgane und daher entstandener Kurzathmigkeit; bei veralteter Druse, Mauke und Räude, bei wassersüchtigen Anschwellungen an den Extremitäten oder am B a u c h e und an der B r u s t , selbst bei Brust- und Bauchwassersucht, vorzüglich bei der F ä u l e der S c h a f e , und bei Anhäufung von Schleim und Sand in der Urinblase. — Auch als Präservativmittel zur Verhütung gastrischer und cachectischer Krankheiten benutzt man diese W u r z e l , wenn man genöthigt ist, die T h i e r e mit F u t t e r von schlechter Beschaffenheit zu füttern; sie erfüllt hier den
Meerrettigwurzel, Meisterwurzel.
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Z w e c k , indem sie die T h ä t i g k e i t der Verdauungs- und Assimilationsorgane vermehrt, steht jedoch hierin den Wachholderbeeren nach. D e r M e e r r e t t i g wird immer nur als Hausmittel, w o er frisch und wohlfeil zu haben ist, angewendet. Man giebt ihn für P f e r d e und K i n d e r von 9 0 , 0 — 2 4 0 , 0 , für Schale und Schweine von 30,0—ß0,0, für H u n d e von 8,0—-15,0, täglich 2 — 3 Mal. D a fast alle T h i e r e , vorzüglich aber P f e r d e und Schafe den Meerrettig sehr gern fressen (wenn sie nur nicht eben an gänzlicher Appetitlosigkeit leiden), so kann man ihnen die klein zerschnittene W u r z e l mit M e h l , K l e i e , H a f e r oder H ä c k s e l (Siede) g e m e n g t , sehr leicht beibringen; fressen sie dieselbe aber nicht, so kann man entweder die W u r z e l schaben oder zerreiben und mit M e h l und anderen passenden Mitteln, z. B. K a l m u s , Baldrian, K o c h salz und dergl. zur L a t w e r g e oder zu P i l l e n m a c h e n ; oder man kann sie ebenfalls zerreiben, mit W a s s e r , mit Hier oder E s s i g kalt übergiessen, nach 12 Stunden durchseihen und auspressen, und die Flüssigkeit eingeben. Fast in allen Fällen muss der Meerrettig durch längere Zeit fortgebraucht w e r d e n , wenn man vollständige und dauernde W i r k u n g e n von ihm sehen will. Aeusserlich ist die W u r z e l als Reizmittel ganz ähnlich wie der Senf zu benutzen; die W i r k u n g tritt fast noch schneller ein, ist aber schwächer und von kürzerer Dauer als bei dem letztern. Man hat sie besonders zur A n wendung auf schlaffe, untlmtige und calliise Geschwüre, und auf schmerzlose Geschwülste und verhärtete Drüsen empfohlen, um dieselben zur Zertheilung zu bringen, oder um die Eiterung in ihnen zu erregen. Zu diesem Z w e c k e soll sie zerrieben, mit etwas Essig, oder noch besser, mit Senf und Sauerteig zum Brei auf die kranken T h e i l e applicirt werden. Anmerkung. D a s L ö f f e 1 k r a u t (Cochlearia offic.) h>it im f r i s c h e n Z u s t a n d e m i t d e m M e e r r e t t i g i n d e n E i g e n s c h a f t e n eine g r o s s e A h n l i c h k e i t 1 ist a b e r \ i e l s c h w ä c h e r u n d w i n i j e t z t n u r n o c h , w n es z u h a b e n i s t , a l s d i ä t e t i s c h e s M i t t e l in d e n s e l b e n K r a n k h e i t e n b e n u t z t , w o d e r M e e r r e t t i g e m p f o h l e n ist. — E h - d e m w a r v o n i h m a u c h d e r L ö i ' f e i k r a n t ß p i r i t u s i n der T h i o r a r z n e i k l i n d e i m G e b r a u c h .
3 1 ) M e i s t e r « ui'7,el ( M a g l s t r e n z w u r z e l ) , Radix
ImpcratoHae
s.
Ostruthii.
V o n I m p e r a t u r i a O s t r u t h i u m , 5. K l . 2 . 0 r d n . , F a m . U t n b e l l i f e r a e .
§. 234. Das ätherische O e l ist in ihr mit einem ziemlich scharfen H a r z , mit bitterm Extractivstoff und mit Schleim verbunden. Sie ist ein sehr kräftiges Heilmittel, dessen flüchtig scharfe und zugleich stärkende W i r k u n g e n mit denen der A n g e l i k a die grösste Aehnlichkeit haben, aber weit stärker und anhaltender reizend sind als bei dieser. D i e Meisterwurzel ist in denselben F ä l l e n , w o die A n g e l i k a und der Kalmus angezeigt ist, zu benutzen, passt aber bei jenen Krankheiten besonders dann, wenn die Unempfindlichkeit einen sehr hohen Grad erreicht hat, und wenn Lähmung besteht. M a n giebt sie für P f e r d e und R i n d e r v o n 1 5 , 0 — 3 0 , 0 , für Schafe v o n 4 , 0 — 1 2 , 0 , für H u n d e von 0 , 5 — 2 , 0 in F o r m und Verbindung w i e bei der Angelika.
174
Aetherisch-ölige Mittel. 3 2 ) Weisse Pimpiliellvturzel oder Dlliernell HUIZel, Radix Pimpinellae s. Pimpinellae nostratis.
albae,
Von Pimpinella Saxifraga, 5. Kl. 2. Ordn., Fam. Umbelliferae.
§. 235. D i e weisse Pimpinelle ist in ihren E i g e n s c h a f t e n mit d e r Bertramwurzel fast g a n z übereinstimmend, n u r ist sie etwas weniger aromatisch. I h r e ör> lichen u n d allgemeinen W i r k u n g e n stimmen ebenfalls mit d e n e n des vorigen Mittels überein; doch h ä l t m a n sie f ü r milder u n d schreibt i h r dabei stärkere E r r e g u n g der H a r n a b s o n d e r u n g u n d der H a u t a u s d ü n s t u n ^ zu. — Die Anw e n d u n g der Pimpinelle ist mehr gebräuchlich als die d e r Bertrainwurzel, findet aber in denselben K r a n k h e i t e n u n d g a n z auf dieselbe "Weise Statt, wie bei dieser. ' 3 0 , 0 10 Pfg., gr. pulv. i Sgr. 4 P f g . , fein pulv. 1 Sgr. 6 P f g . ) Anmerkung. D i e Wurzel der s c h w a r z e n B i b e r n e l l e (Pimpinella nigra) l e s i t z t i m Wesentlichen dieselben Eigenschaften, und kann daher wie die weisse BiberneJe gebraucht werden.
§. 236. Ausser den bisher speciell betrachteten aromatischen Mitteln giebt es noch eine M e n g e a n d e r e r , welche aber in der T h i e r h e i l k u n d e weniger gebräuchlich sind. E s gehören h i e r h e r : a) die v i r g i n i s c l i e S c h l a n g e n w u r z e l (Radix Serpentariae virginianae), in der W i r k u n g der A n g e l i k a und einigermaassen dem K a m p h e r ä h n l i c h , zum thierärztlichen Gebrauch zu t h e u e r (30,0 3 Sgr. 10 P f g . ) ; G e b r a u c h u n d A n w e n d u n g wie bei der Angel i k a ; - - b) die g e m e i n e ( ) s t e r l u z e i w u r z e l (Radix Aristolochiae vulgaris s. tenuis) (o,\ bitter und k a m p h e r a r t i g , der vorigen ähnlich, aber etwas schwächer; — c) die r u n d e O s t e r l u z e i w u r z e l (Radix Aristolochiae rotundae) (oj, und d) die r u n d e H o h l w u r z e l (Jiailix Aristolochiae fnbaccae s. cacac) (o) sind beide weniger flüchtig, sondern mehr bitterlich scharf; A n w e n d u n g wie bei K a l m u s ; — e) die w e i s s e D i p t a m W u r z e l (Radix Dietamni albi) (o); — / ) d i e B ä r w u r z e l (RadixMiu s. Athamautiä) ( o g ) die M a n n s t r e u w u r z e l (Radix Eryngii), alle drei von ähnlichen, aber schwächeren E i g e n s c h a f t e n als die beiden letzteren, j e t z t nicht mehr g e b r ä u c h l i c h ; — h) die G a l g a n t w u r z e l (Radix Gidangae), etwas bitter, scharf gewürzhaft, ähnlich wie Kalmus, aber mehr erregend, und wie letzteres Mittel zu gebrauchen (30,0 1 Sgr. 3 P f g . ; — i) der I n g w e r oder die I n g w e r w u r z e l (Radix Zingiberis) (30,0 1 Sgr. 2 P f g . ) u n d /,) die Z i t w e r w u r z e l (Radix Zcdoariae) (30,0 1 Sgr.), beide fast von gleicher Qualität, flüchtig, b r e n n e n d scharf, der Meisterwurzel ähnlich u n d wie diese a n z u w e n d e n , recht w i r k s a m u n d von den englischen T h i e r ä r z t e n häufig benutzt; — l) die K u r k u m a , G e l b w u r z e l (Radix Curcumae) (o), ähnlich den letzteren, aber weit s c h w ä c h e r , mehr b i t t e r ; m) die W i n t e r ' s K i n d e (Cortex Winteramts), tonisch u n d etwas scharf aromatisch, aber zum thierärztlichen G e b r a u c h viel zu theuer (o); — n) Z i m m t , Z i m m t r i n d e (Cortex Cinnamomi s. Canclla ceylanica, s. Cinnamomum acutum) (30,0 3 Sgr. 10 P f g . ) u n d Z i m m t c a s s i a (Cassia cinnamomia) (30,0 2 S g r . 8 Pfg-), flüchtig u n d a n g e n e h m a r o m a t i s c h ; sie bringen ausser den W i r k u n gen der aromatischen Mittel ü b e r h a u p t , a u c h noch speeifiseh eine erhöhte T h ä t i g k e i t in der G e b ä r m u t t e r hervor, u n d werden deshalb bei zu g e r i n g e n
Kampher.
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G e b u r t s w e h e n und bei atonisclien Blutflüssen aus der G e b ä r m u t t e r , f ü r P f e r d e u n d Kinder 1 5 , 0 , f ü r Schafe 4,0, f ü r H u n d e 1 — 2 Grm., im I n f u s u m von K a m i l l e n u n d dergleichen b e n u t z t ; — o) P o m e r a n z e n s c h a l e n (Cortices (30,0 1 S g r . ) , bitter aromatisch, zu e n t b e h r e n ; u n r e i f e Aurantiorum) P o m e r a n z e n (Fructus Aurantiorum immaturi), mehr b i t t e r , gleichfalls zu theuer und entbehrlich; P o m e r a n z e n b l ä t t e r (Folia Aurantiorum), von geringer W i r k s a m k e i t , ganz e n t b e h r l i c h ; — p ) C i t r o n e n s c l i a l e n (Cortices Citri), schwächer tonisch als die Pomeranzenschalen, höchstens als H a u s m i t t e l zu b e n u t z e n ; — q) G e w ü r z n e l k e n (Caryophylli aromutia), sind das feurigste u n d stärkste g e w ü r z h a f t e Mittel, und bei allen, in hohem G r a d e asthenischen, torpiden Zuständen zu b e n u t z e n , jedoch n u r sehr selten a n g e w e n d e t (30,0 1 Sgr. 10 P f g . ) ; — r ) d i e C u b e b e n , der C u b e b e n p f e f f e r (Cubebae s. Piper candatuvi), auch zu theuer (30,0 4 Sgr.), und s) die P a r a d i e s k ö r n e r (Gratia Paradisi), sind dem Pfeifer ähnlich, etwas milder, j e t z t nicht mehr geb r ä u c h l i c h ; — t) der C o r i a n d e r (Semen Coriandri) u n d u) der r ö m i s c h e K i i m m e l (Sa,HII C'umini), k o m m e n mit dem gewöhnlichen K ü m m e l überein, sind zu theuer und g a n z zu e n t b e h r e n ; — und v) der T h e e , c h i n e s i s c h e T h e e (Folia Theae), ätherisches O e l , Gerbsäure u n d T l i e ' i n enthaltend, das Gefäss- und Nervensystem erregend, ist bei asthenischen Z u s t ä n d e n u n d K r ä m p f e n im I n f u s u m mit W a s s e r zu benutzen.
Zweite
Abtheilung.
Kämpher oder Camphor. (Camphora.) Von Camphora offieinarum s. Laurus camphora Lin., 9. Kl. 1. Ordn., F a m . Laurineae, Bäume in China, Japan, Coehinchina und Java.
§. 237. D e r K a m p h e r ist eine weisse, etwas durchscheinende, sehr leichte Substanz von eigentliümlichem, durchdringendem aromatischen G e r u c h und etwas bitter-aromatischem G e s c h m a c k ; beim K a u e n erzeugt er im M u n d e zuerst ein G e f ü h l von W ä r m e , n a c h h e r aber von K ä l t e . E r v e r d u n s t e t selbst bei gewöhnlicher T e m p e r a t u r sehr leicht; er lässt sich schwer pulverisiren, weshalb man f r ü h e r ihn s c h a b t e (Camphora rasa) ; mit einigen T r o p f e n W e i n g e i s t befeuchtet ist er jedoch pulverisirbar. W e i n g e i s t , Aether, ätherische und fette Oelo, auch Essigsäure lösen ihn leicht auf, ohne ihn zu zersetzen, aber die concentrirten Mineralsäuren tliun letzteres; in W a s s e r löst er sich äussert wenig (in 5 2 5 Tlieilen Wasser nur 1 T h e i l K a m p h e r ) , aber d u r c h Schleim, Eiweiss und E i g e l b k a n n er leicht mit grösseren Mengen W a s s e r s innig gemengt werden (Emulsionform). A e t z e n d e A l k a l i e n lösen ihn nicht auf, mit Seifen verbindet er sich jedoch leicht. D e r K a m p h e r findet sich als ein von der N a t u r erzeugter Stoif in mehreren Pflanzen, z. B. in vielen Labiaten, in dem exotischen K a m p h e r b a u m , u n d A u s dem H o l z , den besonders in dem oben g e n a n n t e n L a u r u s camphora. Zweigen und Blättern des letztern Baumes wird der g e w ö h n l i c h e K a m -
176
Kampher.
p l i e r zuerst durch Destillation mit W a s s e r in grossen eisernen Gefässen mit aufgesetzten irdenen H e l m e n , die im Innern mit Reisstroh gefüllt sind, gewonnen, dann aber mit Zusatz von ungelöschtem K a l k , Kreide und Knochenkohle in gläsernen Gefässen sublimirt und gereinigt oder raffinirt 1 . I n den Labiaten besteht der Ivampher nur in flüssiger Form, gebunden an ätherisches Oel, aus welchem er aber nach einiger Zeit sich von selbst in k r i s t a l l i n i s c h e r Form ausscheidet. D i e Menge des Kamphers in den Labiaten ist zwar nur g e r i n g , aber das Vorkommen in dieser Verbindung deutet auf die nahe Verwandtschaft des Kamphers mit den ätherischen Gelen, und noch mehr zeigt sich dies in der elementaren Zusammensetzung, indem diese der der ätherischen Oele ganz ähnlich ist, nämlich g r ö s s t e n t e i l s Kohlenstoff (Í y , 2 8 ) , Wasserstoff (lOjätiJ und Sauerstoff ( 1 0 , 5 6 ) , oder nach chemischer Formel: C1(JHbO. Hiernach erscheint der Kampher als ein modificirtes, erstarrtes ätherisches Oel, als ein sogenanntes S t e a r o p t e n . §. 2 3 8 . I n seinen W i r k u n g e n auf den Thierkörper zeigt der K a m p h e r mit den ätherisch-öligen Mitteln eine grosse Aehnliclikeit, aber mit keinem dieser Mittel eine völlige Uebereinstimmung, sondern er verhält sich in mehrerlei Hinsicht von ihnen doch etwas verschieden. I n physiologischer Hinsicht ist hierüber Folgendes zu bemerken. W e n n man einem gesunden Pferde oder Rindvieh 1 — 2 Drachmen (c. 3 u .2 — 8 Gramme) pulverisirten und mit einem fetten Oel oder mit Eigelb und Wasser abgeriebenen Kainplier cingiebt, so bemerkt man in der Regel nur f o l g m d e geringe Erscheinungen : die Schleimhaut des Maules wird zuerst etwas dunkler geröthet, und die Absonderung des Schleims bald mehr, bald weniger vermehrt (wohl nur in Folge und nach dem Grade der örtlichen Reizung); — nach 1 0 — 1 5 Minuten fühlt man die Arterien voller, aber nicht viel härter und ihre Fulse um 2, 5 — f in der Minute vermehrt; die Schleimhaut der Nase und die Bindehaut der Augen wird nun ebenfalls etwas mehr geröthet, der B l i c k etwas muntrer, und die ausgeathmete Luft nach Kampher riechend; die Respiration selbst bleibt aber mehrentheils unverändert oder wird nur unbedeutend v e r s t ä r k t ; ebenso wird die Temperatur und die Ausdünstung der H a u t nur wenig oder gar nicht erhöht, letztere auch nicht nach K a m p h e r riechend ; der Urin, der Koth, und bei K ü h e n die Milch, erscheinen nach einer einzelnen solchen Gabe nicht verändert. Macht man gegen 1 bis 1 ^ 2 Stunden nach dem Eingeben einen Aderlass, so zeigt das Blut, im Vergleich zu dem Blut, welches man vor dem Versuch von dem T h i e r e genommen hat, eine etwas heller geröthete F a r b e , es gerinnt schneller, scheidet nicht so viel Faserstoff und Serum aus, und oft gerinnt es zu einem gleichförmigen K u c h e n , während das zuerst abgelassene Blut sich bald in die gewöhnlichen Bestandtheile zersetzt (eine Erscheinung, die ganz constant auch nach grösseren Gaben zu bemerken ist). — Mit Verlauf von 2 Stunden
1 A u s s e r dem auf diese W e i s e g e w o n n e n e n , g e w ö h n l i c h e n oder officinellen g i e b t es noch c o n c r e t e n K a n n p h e r , der sicli in dem a u f B o r n e o und S u m a t r a Bchen K a m p h e r b a u m ( D r y o b a l a n o p s C a m p h o r a ) findet, a b e r zu theuer ist.
Kampher einlieimi-
Kampher
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nehmen die bemerkten Veränderungen allmälig wieder a b , und nach etwa 5 Stunden ist jede Spur dieser Wirkung verschwunden. Bei Schafen bemerkt man ähnliche Erscheinungen nach der Anwendung einer halben bis ganzen Drachme (circa 2—4 Gramme), und bei Hunden nach der Anwendung von 10—30 Gran (circa J / 2 —2 Gramme) des Mittels; — aber von Gaben, die kleiner waren als die eben bezeichneten, habe ich bei den verschiedenen Thieren im gesunden Zustande niemals eine bestimmte Wirkung wahrnehmen können. Giebt man auf dieselbe Weise einem grossen Hausthier ' / 2 — 1 Unze (15,0 — 30,0), einem Schafe 1—l J /a Drachme (4—6 Gramme), und einem Hunde 1 j 2 — 1 Drachme (2,0—4,0), so entstehen die eben angeführten Erscheinungen in derselben A r t , jedoch im stärkern Grade und deutlicher-, ausserdem finden sich noch in den meisten Fällen leichte Zuckungen an den Lippen, zuweilen auch an den Muskeln des Hinterkiefers, des Halses und an den oberflächlichen Muskeln der Hinterbacken. D i e s e Z u c k u n g e n t r e t e n j e d e r z e i t e t w a s s p ä t e r ein, als die V e r ä n d e r u n g am P u l s e ; sie wiederholen sich in sehr ungleichen Zwischenräumen, bald oft, bald selten, und sind zuweilen nur während einer, oft aber durch 3 — 4 Stunden zu bemerken. In den meisten Fällen war dabei die Empfindlichkeit etwas erhöht, der Puls zuletzt kleiner, aber dabei noch beschleunigt. Das Athmen geschah schneller, und die ausgeathmete Luft roch durch mehrere Stunden stark nach Kampher. Die Dauer der ganzen Wirkung war nicht viel länger als nach einer kleineren Gabe, nämlich 3—5 Stunden. Nach der Anwendung einer Gabe von 60 —120 Grammen Kamphers bei gesunden Pferden und Rindern, oder 8—15 Grammen bei Schafen, und von 4—12 Grammen bei Hunden, zeigte sich zuerst die erregende Wirkung an den Schleimhäuten, am Puls, Herzschlag und Athem, wie von den kleinen Gaben; aber die Convulsionen an den Lippen, an den Kaumuskeln, Halsmuskeln u. s. w. traten viel heftiger ein; sie ergriffen das Thier sehr plötzlich, und äusserten sich zum Theil in einzelnen auf einander folgenden Erschütterungen, welche vom Kopfe her auszugehen schienen und sich nach allen Richtungen so schnell verbreiteten, dass sie den Wirkungen der electrischen Schläge ähnlich erschienen ; zum Theil äusserten sie sich aber auch in einer langsamem Zusammenziehung der Streckmuskeln am Halse, so dass dieser und zugleich der Kopf von Zeit zu Zeit durch einige Secunden in die Höhe gehoben, und ganz steif ausgestreckt wurde. Pferde erhielten dabei das Ansehen, als ob sie am Starrkrampf des Vorderkörpers litten. Zuweilen wurden auch die Beugemuskeln des Halses vorherrschend vom Krampf ergriffen, so dass der Hals nach unten oder nach einer Seite gekrümmt erschien. Zwischen diesen beiden Formen der Krämpfe trat noch, ebenfalls von Zeit zu Zeit wiederholt, ein unwillkiihrliches Kauen ein, wobei die Thiere durch eine halbe bis ganze Minute den Unterkiefer sehr schnell bewegten und oft seitwärts gerichtet hielten. Hunde zeigten dieses Kauen in grösster Heftigkeit, und dabei zugleich eine stark vermehrte Absonderung von Speichel und Schleim im Maule, wodurch gewöhnlich ein dicker Schaum an demselben entstand, und die Thiere ganz so wie mit Epilepsie behaftet aussahen. Man hat diese Zufälle sogar mit denen der Hundswuth ähnlich finden wollen. Bei den übrigen Thieren war die Absonderung im Maule nur unbedeutend vermehrt, und bei manchen Pferden fand ich das letztere sogar etwas trockener als vorher. — Mit den HERTWIG, A r z n e i m i t t e l l e h r e . 5. A u f l a g e
12
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Kampher.
Convulsionen, oft auch schon vor ihrem Eintritt, erschien die Empfindlichkeit stets erhöht. Die leiseste Berührung der Thiere (besonders das Betasten der Augen, und das Aufheben des Kopfes), oder ein geringes Geräusch, selbst das Auftreten mit ihren eigenen Füssen auf den Erdboden, erregte die Convulsionen augenblicklich von neuem, und man konnte dieselben durch solche äussere Einwirkungen ganz willkührlich hervorrufen. W a r es in der Nähe der Thiere recht ruhig, und waren diese sich selbst überlassen, so traten die Anfälle seltener ein, als unter entgegengesetzten Umständen. Bei und zwischen diesen Convulsionen haben die Thiere in der ersten Zeit, und oft auch, wenn die W i r k u n g nur einen mässigen Grad erreicht, während der ganzen Dauer derselben ihr völliges Bewusstsein; denn sie kennen den Wärter, hören auf den Zuruf, sehen und fürchten den drohenden Stock, Pferde wollen schlagen, Hunde beissen u. s. w. Dagegen leidet aber die regelmässige Bewegung fast immer; die Thiere heben wenigstens beim Gehen die Beine höher a u f , springen auch zuweilen unregelmässig vorwärts oder zur Seite, drehen nach einer Seite und dergl. Manche H u n d e krochen unwillkührlich und mit sonderbaren Geberden rückwärts, wenn sie vor einem hinter ihnen befindlichen Stock vorwärts fliehen wollten, und es war deutlich zu sehen, dass ihre Gesamintbewegungen nicht mehr unter der Kraft des Willens standen, insbesondere nicht mehr gehörig combinirt wurden. Diese Erscheinungen waren jedoch nur von kurzer D a u e r , und nach ihrem Verschwinden war die Bewegung und das Benehmen der Thiere wieder regelmässig. — Manche Thiere zeigten Schmerz im Leibe, sahen sich nach demselben um, wälzten sich auch, setzten oft Koth ab, stellten sich oft zum Uriniren; Pferde hingen den Penis aus und trippelten mit den Füssen, jedoch ohne viel Urin zu entleeren. Der Appetit war immer unterdrückt, die Temperatur der Haut erhöht und die Venen der letztern waren reichlich mit Blut erfüllt. Gewöhnlich waren nach 4 , 8 , höchstens 12 Stunden die Krämpfe schwächer und seltener, die erhöhte Empfindlichkeit verschwunden, die Bewegung und derGang wieder ganz regelmässig, die Thiere erschienen munter und zeigten Appetit ; aber die Pulse blieben noch bedeutend vermehrt (zuweilen bis 100 in einer Minute), jedoch klein und weich. — In anderen Fällen wurden die Krämpfe binnen kurzer Zeit sehr heftig, und die Thiere dabei so angegriffen, dass sie sich während des Anfalles nicht auf den Beinen erhalten konnten, sondern niederstürzten und dann mit Kopf und Füssen herumschlugen. Dabei wurde gewöhnlich das Maul weit geöffnet, der Augapfel heftig nach verschiedenen Seiten gerollt; Pferde wieherten von Zeit zu Zeit. Hunde und Schafe schienen zuweilen am Hintertheil gelähmt zu sein; sie lagen mit demselben fest auf dem Boden, während sie sich mit dem Vordertlieil aufrichteten und die Vorderftisse ängstlich nach allen Seiten bewegten. Im höchsten Grade der Wirkung verloren die Thiere das Sehvermögen, das Gehör und Gefühl, und dabei auch das Bewusstsein; aber sowohl dieses wie auch die Sinnesthätigkeit kehrten wieder, wenn der Paroxysmus vorüber war. Nach mehreren solchen heftigen Anfällen minderten und verloren sich entweder die Erscheinungen, oder sie wurden heftiger, anhaltender und gingen zuletzt in einen, dem SchlagHuss ähnlichen Zustand über, in welchem die Thiere mehrentheils betäubt lagen, nur zuweilen noch einige convulsivische Bewegungen machten und zuletzt unter denselben starben.
Kampher.
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Machte man zur Zeit der heftigen Krämpfe einen Aderlass, so minderten sich die Zufälle hierauf ganz sichtbar. Die Zeit des Eintrittes, der Grad und die Dauer der Erscheinungen war bei verschiedenen Thieren derselben Art nach einer gleichmässig grossen Gabe des Kamphers sehr verschieden. V i t et sah nach einer halben Unze (15 Grm.) sehr starke Zufälle, und nach 1 Unze (30 Grm.) den Tod bei vier Pferden erfolgen 1 ; u n d T a b o u r i n 2 hat diese Wirkung von 60 Grm. erfolgen sehen. Dagegen habe ich oft von Gaben bis zu 30 Grammen bei Pferden kaum die Spur von Nervenzufallen, und von weniger als 2 Unzen niemals den Tod entstehen sehen; bei manchen Pferden trat er erst nach 6 Unzen (180,0) ein; einzelne Hunde starben von 2 Drachmen (8,0), andere ertrugen 1 12 Unze (15,0) ohne heftige Wirkung, und bei Schafen verhielt es sich nach Gaben von 3—4 Drachmen (12,0—15,0) ganz ähnlich. Wiederholt man grosse Gaben des Kamphers in mehreren Tagen nach einander, so erscheinen die Zufälle der primären Aufregung nach den späteren Gaben gewöhnlich immer schwächer; aber die Hautausdünstung erhält einen deutlich erkennbaren Geruch nach Kampher, der sich auch am Blute und, jedoch weniger stark, am Urin und bei Kühen an der Milch wahrnehmen lässt. Zuweilen tritt aber auch nach mehreren massigen Gaben eine starke und anhaltende Wirkung ein. Thierarzt R i t z e l (Teutsche Zeitschr. Bd. X. Heft 2. S. 190) sah bei einer Kuh von nicht ganz 10 Drachmen (ca. 38,0) Kamphers, welche mit Altheesclileim in 5 Tagen eingegeben waren, nach der letzten Gabe noch keine Wirkung; aber am folgenden Tage liess die Kuh vom Fressen ab, am dritten traten Kolikzufälle ein, am vierten hatte sie dieselben noch und dabei 80 Pulse und 25 Athemzüge in der Minute; auch will der Beobachter einen kaum merklichen Kamphergeruch in der Hautausdünstung wahrgenommen haben. Am fünften Tage ermunterte das Thier sich und am sechsten frass es wieder, aber es erholte sich spät, blieb lange matt und magerte am Hintertheil gänzlich ab. Das Thier hatte an Nymphomanie gelitten, welche sich auf die ersten Gaben gemindert, und nach der heftigen Wirkung ganz verloren hatte, aber es war durch den Schwund in seinem Wertlie vermindert. In den Cadavern der mit Kampher getödteten Thiere findet man: einen starken Kamphergeruch an und in den meisten Eingeweiden, selbst im Gehirn, und oft auch an den Muskeln; — das Blut überall schwarz und flüssig; — die Schleimhaut des Magens und Darmkanals, namentlich am Dickdarm, entzündet, jedoch in den einzelnen Fällen nicht gleichartig, sondern hinsichtlich des Ortes, der Ausbreitung und Heftigkeit sehr verschieden; — an den Nieren und Geschlechtstheilen nichts Abnormes; die Harnblase bald voll bald leer, ihre Schleimhaut etwas stärker geröthet; — die Lungen ganz mässig aufgetrieben, aber stärker geröthet; das Herz dunkelroth, seine Gefässe stark mit Blut angefüllt, die Kammern und Vorkammern desgleichen, und die innere Fläche mit dunkelrothen Flecken (mit kleinen Ecchymosen) besetzt; — Luftröhre und Kehlkopf, Maul- und Rachenhöhle ohne Veränderung; die Hirnhäute, das grosse Gehirn, die Adergeflechte und das Rückenmark, 1 4
Médecine vétérinaire, p. 284. Matière médicale, Tome I. p. 7 1 4 und Journ. de méd. vétérin. de L y o n 1853. p. 11. 12»
180
Kampher.
vorzüglich a b e r das k l e i n e G e h i r n , den H i r n k n o t e n und das v e r l ä n g e r t e M a r k mit dick aufgetriebenen Gef'ässen versehen und in ihrer Substanz sehr blutreich. T ö d t e t m a n ein mit grossen G a b e n K a m p h e r s behandeltes T h i e r gleich n a c h dem E i n t r e t e n der Convul.-ionen, so findet m a n am k l e i n e n Gehirn, am H i r n k n o t e n u n d a m v e r l ä n g e r t e n M a r k einen s t ä r k e r n B l u t r e i c h t h u m . K a m p h e r , der blos in S t ü c k c h e n getheilt und H u n d e n in der Q u a n t i t ä t von 8 — 1 2 G r a m m e n eingegeben wurden war, erzeugte solche Zufälle, w e l c h e den vorhin beschriebenen ähnlich waren, dieselben traten aber l a n g s a m e r und in grösseren Z w i s c h e n r ä u m e n e i n ; der T o d erfolgte erst nach 2 , 4 — 6 T a g e n , und bei der S e c t i o n fanden sich an der S c h l e i m h a u t des M a g e n s mehrere G e schwüre, deren R ä n d e r über die F l ä c h e hervorstanden. S p r i t z t m a n in die Drosselvene eines P f e r d e s 1 5 — 2 0 G r a n (ca. 1 — l 1 4 G r a m m e ) , oder bei H u n d e n 3 — 4 G r a n ( l t f — 2 4 C e n t i g r a m m e ) K a m p h e r , der in einer g a n z dünnen E m u l s i o n von arabischem G u m m i und W a s s e r enthalten ist, so entstehen fast a u g e n b l i c k l i c h schnelles, kurzes und beschwerliches A t h e m h o l e n mit starkem Ziehen der K i p p e n , dabei zuerst voller, hernach k l e i n e r und schneller Puls, pochender Herzschlag, K r ä m p f e an verschiedenen T h e i l e n des K ö r p e r s , namentlich an den M u s k e l n der B r u s t und des Halses, oft wieder ä h n l i c h den electrischen E r s c h ü t t e r u n g e n , convulsivisclies K a u e n , S c h w i n d e l , zuweilen R ü c k w ä r t s g e h e n und selbst Niederstürzen, R ö t l u m g der S c h l e i m h a u t und dergl. D i e s e Zufälle wechseln mit ganz ruhigen Perioden, und verschwinden gewöhnlich nach einer V i e r t e l - bis g a n z e n Stunde. E i n i g e n P f e r d e n h a b e ich selbst eine halbe bis g a n z e D r a c h m e K a m p h e r injicirt, ohne dass h e f t i g e r e Z u f ä l l e eingetreten s i n d ; andere starben d a g e g e n von Milchen G a b e n unter E r s t i c k u n g s z u f ä l l e n , oder an nachfolgender L u n g e n e n t z ü n d u n g . — V i l i o r g 1 sah ein P f e r d sogar nach der I n j e c t i o n von nur 15 G r a n K a m p h e r , der in B r a n n t w e i n aufgelöst war, sterben, während andere P f e r d e a u f dieselbe W e i s e bei seinen V e r s u c h e n 3 G r a n ohne besondere W i r k u n g ertrugen. — H u n d e sterben g e w ö h n l i c h , wenn m a n ihnen (i G r a n oder mehr K a m p h e r in die Drosselvene spritzt. S u b c u t a n e I n j e c t i o n e n von 1 5 — : ! 0 G r m . K a m p h e r - S p i r i t u s erzeugten heftige R e i z u n g , E n t z ü n d u n g , in einigen F ä l l e n selbst Necrose des Bindegewebes. I n W u n d e n gebracht verursacht der K a m p h e r eine massige R e i z u n g , vorzüglich a b e r eine grössere K ö t l m n g der W u n d f l ä c h e , und bei l ä n g e r e r B e rührung auch w i r k l i c h e , aber nur mässige E n t z ü n d u n g . O r f i l a 2 sah bei einem H u n d e von 2 2 , 5 G r m m . K a m p h e r , die in Oel aufgelöst a u f das Zellgewebe an der innern F l ä c h e des S c h e n k e l s applicirt waren, nach 2 4 Stunden die oben a n g e g e b e n e n Nervenzufälle und 2 T a g e d a r a u f den T o d erfolgen, ohne dass an dem G l i e d e sehr auffallende V e r ä n d e r u n g e n entstanden waren. W i r d der K a m p h e r in P u l v e r f o r m a u f die unverletzte H a u t gelegt, so verursacht er blos etwas vermehrte W ä r m e und (bei weisser H a u t ) R ö t l n m g . E n t z ü n d u n g oder B l ä s c h e n entstehen n i e m a l s , und die T l i i e r e zeigen durch ihr ruhiges V e r h a l t e n , dass die E m p f i n d l i c h k e i t auch nicht schmerzhaft erhöht wird. A l l g e m e i n e AVirkungen sah ich hiervon niemals entstehen.
1 3
S c h e e l , die T r a n s f u s i o n des B l u t e s . 2 t e r B i l . S. 2 2 2 — 2 2 4 A l l g e m e i n e T o x i k o l o g i e . 2ter B d . S. 340.
Kampher.
181
§. 2 3 9 .
Aus den vorstehenden Angaben, welche sich auf zahlreiche von mir unternommene Versuche stützen, ergeben sich folgende Resultate, die bei der Auwendung des Kamphers an kranken Thieren beachtenswerth sind und ihr grösstentheils zur Leitung dienen können: a. Der innerlich angewandte Kampher wird binnen kurzer Zeit von den Blutgefässen unverändert aufgenommen und mit dem Blute gemischt, aber auch bald wieder aus demselben entfernt, und zwar grösstentheils durch die Lungen ausgedünstet. b. Seine ersten Wirkungen, besonders von kleinen und mittleren Gaben, sind fast nur allein an den Blutgefässen und am Blute zu erkennen, und äussern sich w e s e n t l i c h in e i n e r e r h ö h t e n W ä r m e u n d E x p a n s i o n des B l u t e s s e l b s t . — Dieses deutet auf einen e i g e n t ü m l i c h erhöhten Lebensprocess im Blute und es lässt sich hieraus nicht nur die vermehrte Fülle und Ausdehnung der Gefässe, die hellere Kötlmng, die innigere Mischung und Bindung der B e s t a n d t e i l e und die gleichmässigere Gerinnung des Blutes, sondern auch das Bestehen der übrigen Erscheinungen und die heilsame W i r k u n g des Kamjthers bei gewissen asthenischen Kranklieitszuständen genügend erklären. c. Der Kampher wirkt aber auch flüchtig erregend auf das Nervensystem, erhöht in gewissen Gaben das Geraeingefühl und die Sensibilität, macht die Thiere munterer und die meisten Functionen lebhafter, namentlich aber die willkührliclien Bewegungen; in grossen Gaben stört er dagegen, wie es scheint durch Ueberreizung und durch Druck der Blutgefässe auf die Centraltheile des Nervensystems, die freie und regelmässige Ausübung der letzteren, bewirkt Convulsionen, vorzüglich in den zur Respiration dienenden Muskeln, Erstickungszufälle und selbst den Tod (daher das schwarze Blut in den Cadavern). T r o p f e n m i t oder o h n e V e r d ü n n u n g d u r c h W a s s e r , g e b r a u c h e n . E s ist a b e r d a b e i grosse Vorsicht nötliig, u n d besonders d ü r f e n die g r ö s s e r e n G a b e n n u r d a n n a n g e w e n d e t w e r d e n , w e n n die E i n s p r i t z u n g k l e i n e r e r Q u a n t i t ä t e n m i t zu g e r i n g e m E r f o l g e schon v e r s u c h t w o r d e n ist. §. 3 3 1 . b. D i e A r n i k a w u r z e l w i r k t bei innerlicher A n w e n d u n g (wie bereits im §. 3 2 7 a n g e d e u t e t ) tonisch u n d e r r e g e n d , vorzüglich auf die V e r d a u u n g s e i n g e w e i d e , aber viel w e n i g e r a l l g e m e i n e r r e g e n d als die Blumen. Bei Injection e n eines, von d e r W u r z e l b e r e i t e t e n wässerigen A u f g u s s e s oder einer weing e i s t i g e n T i n c t u r 1 in die V e n e n t r e t e n a b e r dieselben E r s c h e i n u n g e n ein, wie v o n I n j e c t i o n e n des A u f g u s s e s d e r A r n i k a b l u m e n . M a n b e n u t z t die A r n i k a w u r z e l innerlich als s t ä r k e n d e s , z u s a m m e n z i e h e n des u n d e r r e g e n d e s M i t t e l bei solchen K r a n k h e i t e n , bei d e n e n S c h w ä c h e , E r s c h l a f f u n g , Reizlosigkeit, zu sehr v e r m e h r t e A b - u n d A u s s o n d e r u n g e n u n d N e i g u n g zur Z e r s e t z u n g d e r S ä f t e , d e n wesentlichen Z u s t a n d bilden, wie n a m e n t l i c h bei T y p h u s , f a u l i g e n u n d g a s t r i s c h e n F i e b e r n mit d e m C h a r a c t e r d e r A t o n i e , bei schlechter V e r d a u u n g u n d bei chronischem D u r c h f a l l a u s torp i d e r S c h w ä c h e d e r E i n g e w e i d e , bei d e m f e u c h t e n , schleimigen D a m p f , bei v e r a l t e t e r D r u s e u n d dergl. — A e u s s e r l i c h pflegt m a n die W u r z e l n i c h t zu b e n u t z e n , sie k a n n a b e r ä h n l i c h wie die B l u m e n a n g e w e n d e t w e r d e n ; u n d n a m e n t l i c h h a t B ö h m in H o h e n h e i m die aus ihr b e r e i t e t e T i n c t u r g e g e n dieselben U e b e l , bei w e l c h e n die A r n i k a b l u m e n - T i n c t u r g e b r a u c h t w i r d , u n d ebenso wie diese a n g e w e n d e t (§. 3 2 9 ) als ein vortreffliches H e i l m i t t e l n a c h g e w i e s e n ( H e r i n g , R e p e r t o r . B d . 1. S. 61). G a b e u n d A n w e n d u n g ist wie bei den B l u m e n ;
doch eignet sich die
1 D i e s e Tinctur (T. Ar/iicae e Badice) wird aus 1 Theil der klein zerschnittenen Wurzel und 8 bis 12 Theilen W e i n g e i s t durch mehrtägiges D i g e r i r e n bereitet. Sie ist weniger reizend und auch weit weniger gebräuchlich als die Tinctur aus den Blumen.
279
A r n i k a , Ipecacuanha.
Wurzel auch recht gut zur Anwendung in Pillen und Latwergen, und die Wiederholung der einzelnen Gaben kann nach grösseren Zwischenzeiten geschehen, als bei den Arnikablumeu. §. 3 3 2 . c. D a s A r n i k a k r a u t w i r k t v i e l s c h w ä c h e r a l s d i e B l u m e n , u n d ist d e s h a l b f a s t g a n z a u s dem G e b r a u c h g e k o m m e n . S o l l es im N o t h f a l l s t a t t d e r B l u m e n i n n e r l i c h a n g e w e n d e t w e r d e n , so m u s s d i e G a b e w e n i g s t e n s noch e i n m a l so g r o s s w i e von d i e s e n sein. D i e P f l a n z e soll von den S c h a f e n sehr g e r n g e f r e s s e n , v o m R i n d v i e h a b e r n i c h t a n g e r ü h r t w e r d e n ( l A m i . flor. Sueo. p. '295). (Flur. Aniic. 3 0 , 0 1 S g r . 4 P f g . , g e s c h n . u n d g r o b p u l v . 1 S g r . 1 0 P f g . , f e i n p u l v . 2 S g l ' . 6 P f g . ; Radix Am. 3 0 , 0 1 S g r . , g r o b p u l v . 1 S g r . 6 P f g . , f e i n p u l v . 1 S g r . 1 0 P f g . ; Tinct. Am. 3 0 , 0 3 S g r . -1 P f g . ) 9) Brvchwurzcl, RuhrvtlII'Zt'l, Radix
I^ccacmnlltac.
Die YVur/.el von der Kopt'bcero, C c p h a c l i s I p e c a c u a n l i a S w a r t z , 5. K l . 1. Ordn., F a m . d e r R u b i a c e e n , — e i n e r in B r a s i l i e n und N e u g r a n a d a e i n h e i m i s c h e n P f l a n z e , so w i e a u c h von d e r P s y c h o t r i a e m e t i c a . von d e r Viola I p e c a e u a n h a .
§.
333.
Die W u r z e l von der Cephaelis wird als die ächte Ipecacuanlia bezeichn e t ; sie ist b r a u n o d e r r ö t h l i c h g r a u , in d e r D i c k e eines F e d e r k i e l s , mit erhabenen Querringen versehen, ungleich gebogen. Ihr wirksamer Bestandt h e i l ist d a s E m e t i n ( B r e c l i s t o f f ) oder C e p h a e l i n , ein weisses, g e r u c h l o s e s , bitter s c h m e c k e n d e s P u l v e r , d a s i m W a s s e r w e n i g , in A l k o h o l l e i c h t , in A e t h e r g a r n i c h t l ö s l i c h ist. A u s s e r d e m e n t h ä l t sie G u m m i , W a c h s , E x t r a c tivstoff u. s. w., u n b e d e u t e n d e B e s t a n d t e i l e . D a s E m e t i n ist in d e r R i n d e d e r W u r z e l a m r e i c h l i c h s t e n (IG P r o c . ) e n t h a l t e n , i n d e m i n n e r n h o l z i g e n T h e i l n u r 1 , 1 5 P r o c e n t , w e s h a l b z u m P u l v e r i s i r e n die R i n d e a l l e i n g e n o m men wird. D a s E m e t i n b e w i r k t bei H u n d e n schon in sehr k l e i n e n G a b e n von 0 , 0 3 (l/2 G r a n ) starkes E r b r e c h e n ; nach Gaben von 0,00 entsteht langes E r b r e c h e n , S c h l a f s u c h t u n d n a c h 1 2 - 1 5 S t u n d e n der T o d . D i e S e c t i o n z e i g t E n t z ü n d u n g d e r S c h l e i m h a u t d e s M a g e n s , d e s D a r m k a n a l s u n d oft a u c h in den Lungen. E s w i r d i n d e r T h i e r h e i l k u n d e n i c h t benutzt. D i e B r e c h w u r z e l s e l b s t , i n g e h ö r i g s t a r k e n Gaben, d. h. bei S c h w e i n e n u n d H u n d e n zu C>, 72 — 2 , 5 , K a t z e n 0 , 3 — 0 , 6 ( 5 — 1 0 G r a n ) i n n e r l i c h a n gewendet, verursacht leicht Erbrechen, mit allen Erscheinungen und Folgen, die mit demselben gewöhnlich verbunden sind (§. 38). Bei P f e r d e n entsteht, V i t e t ' s V e r s u c h e n z u f o l g e 1 , n a c h e i n e r G a b e von 1 — 1 1 / 2 U n z e n ( 3 0 , 0 — 4 5 , 0 ) dieser W u r z e l eine mässige S p a n n u n g der B a u c h m u s k e l n , F l a n k e n schlagen, schnellerer Puls, Unruhe, zuweilen N e i g u n g zum Erbrechen. Nach 4 — 5 Stunden verschwinden diese Zufälle wieder. — Aber 3 Unzen ( 9 0 , 0 ) b e u n r u h i g e n d a s P f e r d s e h r ; es w i r f t sich n i e d e r , s t ö h n t , s c h l ä g t m i t d e n F l a n k e n und bekommt Zuckungen. Z u l e t z t findet sich P u r g i r e n , a b e r n i c h t so s t a r k , w i e v o n d e r A l o e . W e n n es h i e r n a c h stirbt, findet m a n d e n M a g e n stark a u f g e b l ä h t , a m P f ö r t n e r entzündet u n d die B l u t g e f ä s s e strotzend voll. 1
V i t e t a. a. O. S. 138, 140 und 372.
Scharfe Mittel.
280
Nach B r a c y - C l a r k sind 3 Unzen stets tödtend 1 . Bei Rindvieh soll die Wurzel ähnliche Zufälle und ausserdem auch Neigung zum Erbrechen verursachen. — W e n n die bezeichneten Zufälle vorüber sind, geht gewöhnlich der Mist nach 24 Stunden etwas trockener und sparsamer ab, als vorher. Bei Schafen entsteht von '/¡j Unze (15,0) der Wurzel fast dieselbe Wirkung, wie beim Kindvieli. Ganz kleine Gaben wirken als ein specifisches tonisches und umstimmendes Mittel, welches bei kranken Thieren Krämpfe, Zuckungen, krampfhaftes Erbrechen, Ruhr und chronischen Durchfall beseitigt. §. 334. Die Brechwurzel wird fast nur bei Schweinen, Hunden und Katzen als Heilmittel angewendet, und zwar gewöhnlich : a. in verhältnissmässig grossen Gaben, als Brechmittel in Krankheiten, wo Brechmittel überhaupt angezeigt sind, namentlich bei im Magen vorhandenen unverdaulichen oder giftigen Substanzen, bei Anhäufung von Schleim im Magen oder in der Luftröhre und ihren Zweigen in der Lunge (z. B. bei röchelndem Husten), bei gastrischem Fieber, bei der Staupe der Hunde, bei im Schlünde sitzenden fremden Körpern, bei asthenischer Bräune u. s. w. Die Ipecacuanha verdient hierbei den Vorzug vor dem Brechweinstein in den Fällen, wo man die abführende Wirkung vermeiden will. b. In kleinen Gaben wirkt die Ijjecacuanha krampfstillend, die Secrelion in der Bronchial- und Verdauungsschlcimhaut umstimmend. Sie wird deshalb als krampfstillendes und als sogenanntes anhaltendes, stopfendes Mitlel bei der Staupe mit Krämpfen, bei Keuchhusten, heftiger Diarrhöe, Kühr, veralteten Katarrhen (Schleimflüssen) und dcrgl. Krankheiten benutzt, jedoch mehrentheils nur bei den Thieren von mittlerer und geringerer Grösse, weil ihr Gebrauch bei den grossen Thieren durch die erforderliche Crosse der Gaben zu theucr ist. Als Brechmittel giebt man sie den Schweinen zu 1,25 - 2 , 0 (20—30 Gran), Hunden 0,6—2,5 (10 Gran bis 2 Scrupel), Katzen 0,24—0,75 (1 — 12 Gran). — Man giebt am besten das Pulver mit 15— 30 Grm. lauwarmen Wassers gemengt, häufig auch, um ihre Wirkung zu verstärken, mit Brechweinstein, 0,12—0,3 ( 2 — 5 Gran) verbinden. Als krampfstillendes und anhaltendes Mittel giebt man sie für Schweine zu 0,18—0,48| (3—8 G r a n ) , für Hunde und Katzen zu 0 , 0 3 — 0 , 1 8 (»/•¡— 3 Gran), alle 2 — 4 Stunden einmal, in jeder beliebigen Form und in Verbindung mit anderen passenden Mitteln, besonders mit Opium, mit Kampher, mit Baldrian, Kamillenblumen und dergleichen. (1 Grm. zerschnitten 7 Pfg-, fein pulverisirt 10 Pfennige.) 10) Jalapenwurzel, Ptirglrwurzel,
Tubera s. Radix
Jalapae
s.
Gialapac.
D i e W u r z e l k n o l l e n v o n Ipomoea purga L . , 5. Kl. 1. Ordn., Familie der Convolvulaceen, aus Mexico.
§. 335. Ihre Bestandtheile sind scharfes Harz, und zwar: H a r t h a r z (Rhodeoretin oder Jalapin, 7,8 Proc.), und W e i c h h a r z (3,2 Proc.), in Verbindung 1
Pharmacopoea veterinaria. p. 38.
Ipecacuanha, Jalapenwurzel.
281
mit Gummi, kratzendem Extractivstoff ( 1 7 , 9 Proc.), mit Stärkemehl, Eiweiss, Farbestoff u. s. w. Das Hartharz, der wirksamste Bestandtheil, ist in Alkohol leicht löslich, aber nicht in Aether und in Wasser ; das W e i c h h a r z ist im Aether löslich. B e i den fleischfressenden Thieren und Schweinen bewirkt diese Wurzel, in hinreichender Gabe angewendet, starkes (drastisches) P u r g i r e n , oft ohne iible Zufälle, oft aber auch mit blutigen Ausleerungen und mit Enteritis begleitet. B e i Pferden und Wiederkäuern verhält sich aber die W i r k u n g anders. F l o r m a n n 1 sali von '/._, Unze ( 1 5 ( ! r m . ) Jalapenwurzel bei einem dreijährigen P f e r d e , und V i t e t - von 3 0 G n u . keine merkliche W i r k u n g ; alier 6 0 Grm. gepulverte J a l a p e mit 2 Pfund Kleienwasser gemengt, erregten (nach V i t e t ) F l a n k e n s c h l a g e n , Unruhe, K o l i k , Zuckungen und den Tod. Beim Oeffnen fand sich der I I agen sehr aufgetrieben und im Innern um den Pförtner entzündet. I c h habe Pferden ( ,M)—120 Grm. der Wurzel gegeben, darauf K o l i k , Verlust des Appetits, gelindes Fieber, kein Purgiren, aber auch nicht den T o d erfolgen sehen. V i b o r g 3 bemerkte bei einem siebenjährigen W a l l a c h nach einer Gabe von 6 0 Grm. keine andere W i r k u n g , als dass der Urin gelblich wurde; allein bei der am dritten T a g e geinachten Oeffnung des getödteten Thieres fanden sich der Magen und Dünndarm entzündet und mit wässeriger Feuchtigkeit angefüllt, aber der Dickdarm und die in ihm enthaltenen E x c r e m e n t e unverändert. — - Derselbe sah auch von USO Grm., und J . W h i t e ' 1 sogar von 2 4 0 Grm. J a l a p e bei Pferden kein Purgiren entstehen. B e i dein Hornvieh soll aber, nach V i b o r g ' s Angabe, von 6 0 Grm. .Jalape mit 1 2 0 Grm. Glaubersalz, - und bei Schafen (nach D a u b e n t o n ' s Versuchen'' 1 ) von 2 0 Grm. blosser J a l a p e Purgiren erfolgen. Die W i r k u n g trat bei den letzteren nach 8 — 0 Stunden e i n , und war so gelinde, dass sie nichts dabei zu leiden schienen, und selbst den Appetit nicht verloren. Diese Beobachtungen stehen aber mit denen von V i t e t und von G i l b e r t im Widerspruch ; Ersterer (a. a. (_).) sah bei einem j u n g e n Schafe von .'50,0 J a l a p e , mit Milch und Salz eingegeben, durch 12 Stunden Auftreibung des Leibes, schnellen Puls und Hitze im Maule entstehen, aber den Mist weder feuchter werden noch häufiger abgehen, und bei G i l b e r t 1 ' starb ein S c h a f binnen 15 Stunden nach dem Eingeben von 6 0 , 0 J a l a p e mit 1 Pfd. Wasser. Purgiren war nicht erfolgt. Die Section zeigte heftige Entzündung des zweiten, dritten und vierten Magens. §. 3 3 6 . Aus dem Vorstehenden ergiebt sich: dass die .Jalapenwurzel bei Pferden und W i e d e r k ä u e r n als-Purgirmittel nicht anzuwenden ist. Selbst wenn sie bei Wiederkäuern so wirkte, wie V i b o r g und D a u b e n t o n es angeben, so würde doch der sehr hohe Preis des Mittels den Gebrauch bei diesen Thieren V i b o r g , S a m m l . B d . 3. S. 1 8 2 . V i t e t , U n t e r r i c h t . B d . 5. S. 1 4 0 . 3 D e s s e n S a m m l . B d . 4. S. 2 7 6 . 4 D e s s e n H a n d b u c h der P f e r d e a r z n e i k . 2. T h . S . 2 6 9 . 3 In d e n : Mémoires de la S o c . Uoyale de M é d e c i n e . An. 1 7 8 0 u. 1 7 8 1 . — D e u t s c h in den a u s e r l e s e n e n B e i t r ä g e n zur T h i e r a r z n e i k . L e i p z i g 1 7 8 6 . 1. S t ü c k . S . 1 8 4 . 6 M é m o i r e s s u r les effets des Médiuamens d a n s les a n i m a u x r u m i n a n s . In den A n n a l . d ' A g r i c u l t . franc,-. 1. S é r . T o m e 3. p. 3 3 3 . 1
2
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Scharfe Mittel.
und ebenso bei S c h w e i n e n verbieten. Doch kann man sie bei Schweinen, Hunden und K a t z e n als ein kräftiges, drastisches Abführungsmittel benutzen, wenn die T h ä t i g k e i t des Verdauungskanals kräftig erregt, Entleerungen durch den After befördert oder Alileitungen bewirkt werden sollen, z. B. g e g e n Leibesverstopfung aus Schwäche und Trägheit des Darmkauais, gegen Verschleimung desselben, gegen Würmer, g e g e n hartnäckige, auf Stockungen in der Pfortader beruhende Gelbsucht und Wassersucht, g e g e n veraltete Hautkrankheiten und dergl. D i e Gabe ist für Schweine 8 -1'4 Grm., für Katzen und H u n d e 0,Ii— 4,0. D i e A n w e n d u n g geschieht meistens in Pillen oder Bissen, welche man aus dem Pulver der Wurzel mit der nöthigen Menge von Syrup, H o n i g oder Seife bereitet; auch kann das Pulver mit warmem Wasser den Thieren eingeschüttet, oder, weniger zweckmässig, ihnen unter das Futter g e m e n g t werden. — Zuweilen verbindet man die J a l a p e mit der Aloe, mit der Rhabarber, dem Kalomel und anderen Purgirmitteln. Anmerkung. A l s P r ä p a r a t e h a t man l ) d a s J a l a p e n h a r z (Rcsina Jalapacj; es w i r k t wie die. J a l a p e n w u r z e l , a b e r schneller u n d zugleich viel h e f t i g e r den V e r d a u u u g s k a n a l reizend ; von 2.0 (30 G r a n ) entsteht bei H u n d e n g e w ö h n l i c h schon i n n e r h a l b 15 Minuten s t a r k e s P u r g i r e n , b l u t i g e r D u r c h f a l l , D a r m e n t z ü n d u n g u n d d e r T o d . Mail d a r f es dalier nur mit g r ö s s t e r V o r s i c h t , lind nur in G a b e n von 0 , 0 6 — 0 , 3 (1 Gra-u bis zu 5 G r a n ) bei K a t z e n und H u n d e n g e b r a u c h e n . A m b e s t e n in P i l l e n mit Seite. 2) Die J a 1 a p e n - S e i f'e (S—30 O e n t i g r a m m . Man w e n d e t sie in Z w i s c h e n z e i t e n v o n ß — 8 S t u n d e n , in L a t w e r g e n - o d e r Pillenf o r m a n , u n d setzt ihr als B r u s t m i t t e l S a l m i a k , S p i e s s g l a n z , B r e c h w e i n s t e i n , A l a n t und d e r g l . , — als u r i n t r e i b e n d e s M i t t e l a b e r W e i n s t e i n , E s s i g , W a c h h o l d e r b e e r e n u n d a n d e r e M i t t e l zu. D i e von d e r M e e r z w i e b e l in d e n A p o t h e k e n b e r e i t e t e n P r ä p a r a t e , w i e der M e e r z wi o b e l h on i g , M c e r z w i o b el e s s i g , Meerzwiebelsauer h o n ig- u. s. w . w e r d e n k a u m b e n u t z t . D e l a f o n d sah von der E i n r e i b u n g des M e e r z w i e b e l e s s i g s u m das k r a n k e A u g e bei M o n d b l i n d h e i t g u t e n E r f o l g . (Bulbus Scillae z e r s c h n i t t e n 3 0 G r a m m 1 S g r . 4 P f g . , fein p u l v . 2 S g r . )
12) IMe Samen innl die Wurzel der ITerbstzeitlose, Semen et Bulbus s. Radix Colchici tmtiminalis. Von der Pflanze desselben N a m e n s , 6. Kl. 3. Ordn., Farn, der Colchicaceae. Auf feuchten W i e s e n fast in ganz Europa.
§. 3 3 8 . B e i d e T l i e i l e d i e s e r P f l a n z e e n t h a l t e n als w i r k s a m s t e n B e s t a n d t h e i l ein A l k a l o i d , d a s O o l c h i c i n , a u s s e r d e m e i n e flüchtige S ä u r e , f e t t e S u b s t a n z , G u m m i u. s. w. — D a s C o l c h i c i n ist k r y s t a l l i n i s c h , v o n b i t t e r m u n d s c h a r f k r a t z e n d e m G e s c h m a c k , o h n e G e r u c h , im W a s s e r z i e m l i c h l e i c h t , i n A l k o h o l s e h r leicht löslich, bildet m i t S ä u r e n l e i c h t auflösliche S a l z e . D i e W i r k u n g e n des C o l c h i c i n s s i n d n o c h n i c h t g e h ö r i g e r f o r s c h t ; sie s i n d d e r A r t n a c h m i t sehr heftige Wirkungen erzeugen und das letztere eine zehnfach stärkere W i r k s a m k e i t besitzt als das erstere, wie auch, dass beide in ahnlicher W e i s e aber viel heftiger wirken als die Meerzwiebel selbst. Journ. de Médec. vétér. public à l'école de Lyon. 1861. p. 5, 161, 412.
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Scharfe Mittel.
denen der W u r z e l u n d Samen (und der ganzen Pflanze) übereinstimmend und schon von g a n z kleinen Gaben sehr heftig. Samen und W u r z e l der Zeitlose haben im Wesentlichen gleiche W i r k samkeit. Letztere äussert sicli nach massigen Gaben des Mittels durch Heizung des V e r d a u u n g s k a n a l s und der L e b e r , durch specifische und starke Heizung der Nieren, sowie auch einigermaassen des Gehirns, und durch 11erabstimmung der Ilerztliätigkcit. Die W i r k u n g auf den Verdauungsapparat äussert sich bei T h i e r e n , welche sich erbrechen k ö n n e n , durch E k e l , Erbrechen und oft auch durch P u r g i r e n ; bei P f e r d e n und Hindern entsteht letzteres von mässig grossen Gaben ebenfalls; sehr grosse Gaben erzeugen bei allen T h i e r e n reichliches Speicheln aus dem Maule, Appetitlosigkeit (bei W i e d e r k ä u e r n A u f h ö r e n der Kumination), Leibschmerzen, aussetzenden, langsamen Puls, A u f t r e i b u n g der Flanken, Erbrechen, Diarrhöe mit blutigen, stinkenden Ausleerungen, T h r ä n e n der Augen, öfteres Liriniren oder D r ä n g e n hierzu, B l u t h a r n e n , bei K ü h e n zuweilen blutige Milch, K r ä m p f e , Zuckungen, beständiges Aufziehen der Ilinterfiisse, schwankenden G a n g und zuletzt L ä h m u n g u n d den T o d . I n G e g e n d e n , wo die Pflanze zahlreich wächst, k o m m e n Vergiftungen durch ihren Genuss (auch von den im I f e n enthaltenen trockenen Blättern) oft vor. Die Section zeigt bald mehr bald weniger E n t z ü n d u n g c'ier Schleimhaut des M a g e n s , des D a r m k a n a l s , der Nieren und der H a r n b l a s e , oft auch Ueberfiillung der Blutgefässe des Gehirns. Die in mediciniseher Hinsicht wichtigste W i r k u n g des Colchicum« ist die auf die U r i n w e r k z e u g e ; denn viele Beobachtungen und chemische Untersuchungen haben gezeigt, dass dasselbe nicht nur die Urinseerotion vermehrt, sondern auch qualitativ in der Art verändert, dass im Urin der Harnstoff um '/.i—'/;), u n d die H a r n s ä u r e um die Hälfte v e n n e h r t wird. Die Indicationen f ü r die thierarzneiliche A n w e n d u n g dieses Mittels sind noch nicht gehörig festgestellt. Im Allgemeinen d ü r f t e es da passend sein, wo die Meerzwiebel nützlich ist, namentlich bei W a s s e r s u c h t e n , im Besonderen aber verdient es Beachtung bei acutem Rheumatismus und bei allen rheumatischen E n t z ü n d u n g e n , weil es die Pulse an Zahl und Heftigkeit verm i n d e r t u n d die H a r n k r i s e auffallend befördert. Ich habe mehrmals bei diesen Kranklieitszuständen sowohl von der W u r z e l wie auch von den Samen des Colchicums baldige Besserung gesehen, wenn zuerst durch Aderlass und N i t r u m die H e f t i g k e i t der E n t z ü n d u n g gebrochen war, aber der volle, schnelle P u l s u n v e r ä n d e r t fortbestand. M u r r a y , H. B o u l e y und H e n a l h a b e n das Mittel mit sehr gutem Erfolg gegen periodische und andere heftige A u g e n e n t z i i n d u n g e n angewendet 1 . — Ausserdem ist dasselbe bei T y m panites sehr wirksam b e f u n d e n worden. Die G-abe von der gepulverten W u r z e l oder den Samen ist f ü r P f e r d e u n d R i n d e r 4 — 8 G r a m m , f ü r Schafe und Schweine 6 Centigramm bis 1,25, f ü r H u n d e u n d K a t z e n 6 — 3 0 Centigramm in L a t w e r g e n oder Infusum, letzteres mit der sechszig- bis hundertfachen Menge kochenden Wassers, — f ü r sich allein oder auch in Verbindung mit N i t r u m , Brechweinstein, Fliederblumen, Süssholz u n d dergl. 1
E e c u e i l de M e d . v e t c r . 1 8 5 0 . |>. 76, 9 5 2 , 0 5 3 .
Herbstzeitlose, Schwarze Nieswurz.
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V o n d e n P r ä p a r a t e n ist die aus d e n S a m e n m i t rectificirtem W e i n g e i s t (1 T h e i l u n d G T h e i l e ) d u r c h d r e i t ä g i g e s D i g e r i r e n bei 3 0 ° l i . bereitete Tiiic. sein. Colchiri am g e b r ä u c h l i c h s t e n u n d w i r d b e s o n d e r s bei d e r T y m p a n i t e s d e r Wiederkäuer angewendet. D i e G a b e von i h r ist f a s t h o m ö o p a t h i s c h k l e i n : für Pferde 5 — 2 5 Tropfen, für Schafe und Schweine 5 — 1 0 Tropfen, für H u n d e 2 — 1 0 T r o p f e n . — Viuuni radic. oder seinin. Colchici ist t h e u r e r u n d deshalb nicht gebräuchlich. (Die W u r z e l zerschnitten 30 G r a m m 1 Sgr. G P f g . ; S a m e n 30 Gramm 1 Sgr. 2 P f g . ; Tinetur 3 0 G r a m m 4 Sgr. 2 P f g . ; Vin. Colchk. 3 0 G r a m m 6 Sgr.) 13) Schwarze Nieswurz, Christnurz, Rhizoma s. Radix llcllcbori nigri s.
Melampodü.
F r ü h e r die W u r z e l v o n I l e l l e b n r i i s n i g e r . j e t z t ( n a c h V o r s c h r i f t der P h a r u i a c o p . B o r u s s . ) v o n I l e l l e b . v i r i d i s L . , 13. K l . 5. O r d n . , Farn, der I t a n u n c u l a c e e n . A n s c h a t t i g e n S t e l l e n der h ö h e r e n G e b i r g e in D e u t s c h l a n d , der S c h w e i z , S t e i e r m a r k u. s. w.
§. 3 3 9 . V o n beiden P f l a n z e n sind die W u r z e l n m e h r k ü p i i g e W T urzelstocke ( R h i z o m e ) mit. A e s t e n u n d m i t einer M e n g e d ü n n e r W u r z e l f a s e r n , in d e n e n eine g r ö s s e r e W i r k s a m k e i t b e s t e h t , als in d e n m e h r h o l z i g e n S t ö c k e n . Die F a r b e ist äusserlich s c h w a r z b r a u n , im I n n e r n weiss oder s c h m u t z i g weiss. E i n e Q u e r d u r c h s c h n i t t f l ä c h e des W u r z e l s t o c k s zeigt bei II. viridis 3 — 4 in e i n e m K r e i s e s t e h e n d e d u n k l e F l e c k e , bei Jl. niyer sind d e r e n 5 — 7 vorhanden. D i e W u r z e l n ricchcn n u r im f r i s c h e n Z u s t a n d e w i d r i g , g e t r o c k n e t sind sie fast o h n e G e r u c h ; d e r G e s c h m a c k ist von JL viridis i n t e n s i v bitter, v o n JL niyer e t w a s w e n i g e r bitter. D i e B e s t a n d t e i l e in beiden W u r z e l n s i n d : ein s c h a r f e s H a r z , eine e i g e n t l u i m l i c h e scharfe P f l a n z e n s ä u r e (der K r o t o n s ä u r e ä h n l i c h ) , ein scharfes, f e t t e s u n d ein flüchtiges U e l , ein b i t t e r e r S t o f f , W a c h s , S c h l e i i n , Eiweiss, S a l z e u n d zwei s o g e n a n n t e G l y c o s i d e , l l e l l e b o r i n u n d I i e l l e b o r a c r i n , welche m a n als die eigentlich w i r k s a m e n Stoffe b e t r a c h t e t , dieselben aber bis j e t z t n i c h t rein dargestellt h a t . D i e w i r k s a m e n Stoffe lösen sich im W a s s e r f a s t ebenso leicht in W e i n g e i s t u n d in E s s i g a u f . D i e s c h w a r z e N i e s w u r z b r i n g t ( w e n n sie echt u n d n i c h t zu sehr veraltet ist) bei allen Tliieren u n d bei j e d e r A r t d e r A n w e n d u n g sehr h e f t i g e u n d selbst in k l e i n e n G a b e n z u w e i l e n tödtliclie W i r k u n g e n hervor. A u f die u n v e r l e t z t e H a u t als W a s c h m i t t e l im D e c o c t , oder mit F e t t zur S a l b e g e m a c h t , a n g e w e n d e t , b e w i r k t sie s t a r k e R e i z u n g , E n t z ü n d u n g , u n d bei H u n d e n u n d K a t z e n zuweilen a u c h E r b r e c h e n . E s ist a b e r zweifelhaft, ob l e t z t e r e s entsteht, ohne dass die T h i e r e sich b e l e c k t h a b e n . Zwei D r a c h m e n (8 G r a m m ) des P u l v e r s in eine W T unde a m S c h e n k e l eines s t a r k e n H u n d e s g e b r a c h t , e r r e g t e n n a c h G M i n u t e n h e f t i g e s E r b r e c h e n , n a c h 4 5 M i n u t e n S c h w i n d e l , A n g s t , L ä h m u n g des H i n t e r t h e i l e s , worauf in 2>/ 2 S t u n d e der T o d e i n t r a t . E i n kleiner H u n d starb sogar von G G r a n (3G C e n t i g r a m m ) d e r W u r z e l , w e l c h e i h m in eine W u n d e g e s t r e u t w a r e n (Orfila). D i e W u r z e l in S u b s t a n z , n u r zu G0 C e n t i g r a m m bis 1 , 2 5 (circa 1 0 — 2 0 G r a n ) in W u n d e n u n t e r die H a u t g e b r a c h t , v e r u r s a c h t e b i n n e n 2 — 1 0 S t u n d e n eine ziemlich h e f t i g e E n t z ü n d u n g m i t s e h r s t a r k e r E r g i e s s u n g e i n e r serösen F l ü s s i g k e i t ins Zellgewebe, u n d d a h e r m i t grosser Geschwulst. Hunde, und
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Scharfe Mittel.
bei grüner Fütterung auch Wiederkäuer, zeigten dabei zuweilen Erbrechen. Blieb die Wurzel durch mehrere Tage liegen, so entstand Absterbung der Haut und des Zellgewebes, so dass von dem letztern ganze Stücke im verdickten und entarteten Zustande abgestossen wurden. Innerlich angewendet entstehen bei Pferden nach dem Eingeben von 1 j 2 Drachme bis 1 Unze ('2,0—30,0) der gepulverten Wurzel, in Zeit von 2—4 Stunden eine geringe Aengstliclikeit, die sich mehr durch den Blick als durch Unruhe zu erkennen giebt; dann ungleiche, zuweilen etwas angestrengte Athemzüge, worauf nach 10—15 Stunden der Puls schneller und kleiner wird, und Purgiren erfolgt. Letzteres ist bei manchen Pferden nicht sehr, bei anderen aber ausserordentlich heftig, durch 4, 8—12 Stunden anhaltend; zuweilen wird der Koth ganz dünnflüssig, selbst blutig und stets sehr stinkend ; später wird bei dem fortbestehenden Drängen blos etwas wässerige oder schleimige Flüssigkeit entleert. Hierzu finden sich oft Zuckungen an den Bauchmuskeln und am Halse, Zittern des Schwanzes und grosse Mattigkeit. Die Thiere verlieren den Appetit, werden im weitern Verlaufe unruhig, werfen sich nieder, schlagen mit den Beinen; die Schleimhäute werden bleifarbig, kalt, der Puls unfühlbar, die Haut ganz kalt, und unter diesen Zufällen erfolgt gewöhnlich in 40—50 Stunden, selten später, der Tod. — Einzelne überstehen die Wirkung; bei anderen sah ich dieselbe schon von 8—12 Gramm mit dem Tode enden. — Von 60—90 Gramm in einer Gabe treten die bezeichneten Zufälle mit grosser Heftigkeit ein; die Excremente werden jedesmal blutig ; die Thiere geifern aus dem Maule , zeigen krampfhafte Zusaminenziehungen des Halses, wie Anstrengungen zum Erbrechen; sie harnen viel, und sterben fast ohne Ausnahme. — Bei dem liindvieh erfolgt von ähnlichen Gaben ganz dieselbe Wirkung, und bei Schalen und Ziegen tritt dieselbe von 4—12 Gramm in grösster Heftigkeit ein. — Schweine und Hunde erbrechen sich von 30 Centigramm bis 1 Gramm (5—15 Gran) der Wurzel ohne weitere üble Folgen, und ertragen sogar, wenn siesich erbrechen können, das Mittel in der Gabe von 4—8 Gramm ohne Lebensgefahr; sie erleiden blos starkes Erbrechen und Purgiren, zuweilen mit Entleerung blutiger Excremente und mit gelinden Krampfzufällen; ist aber das Erbrechen durch irgend einen Umstand gehindert, und dadurch die längere Einwirkung der Wurzel auf den Verdauungskanal bedingt, so entstehen ausser der heftigen Anstrengung zum Erbrechen noch grosse Angst, Krämpfe, Schwindel, Lähmung, und in 30—48 Stunden der Tod. 15—30 Gramm der Wurzel im Decoct einem Hunde eingegeben, verursacht nach wenigen Minuten Erbrechen, Krämpfe am ganzen Körper, ruckweise eintretende Erstarrung und Unbeweglichkeit, abwechselnde Unterdrückung des Athmens, der Herz- und Arterienbewegung, Erbrechung, Lähmung, und nach 20—30 Minuten den Tod. Ein Infusum von 1 Gramm (15 Gran) der Wurzel mit 8 Gramm heissen Wassers bereitet, einem Pferde in die Drosselvene gespritzt, brachte fast augenblicklich beschwerliches, krampfhaftes Athmen, heftiges Zittern am ganzen Körper, Drängen zur Kothentleerung, Krämpfe im Schlünde, Anstrengung zum Erbrechen, Schäumen und Geifern aus dem Maule und grosse Mattigkeit hervor. Diese Zufälle dauerten über 3 Stunden, worauf das Thier wieder ganz munter wurde. — Ein Infusum von 4 Gramm der Wurzel mit 30 Gramm Wasser bereitet und in die Vene gespritzt, tödtete ein starkes Pferd
Schwarze Nieswurz.
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unter heftigen Krämpfen binnen 10 Minuten. — Bei einer gesunden K u h erfolgte nach der Einspritzung des vierten Theils dieses Aufgusses Zittern, krampfhaftes Zucken der Muskeln am Halse, an der Brust und am Bauche, Rülpsen, und nach 4 Minuten wirkliches Erbrechen. Nach 2 Stunden war das Thier wieder im normalen Zustande. Eine weingeistige Tinctur in gleicher Stärke wie der Aufguss bereitet, wirkte ganz wie dieser. I n den Cadavern der schnell gestorbenen Tliiere findet man die Lungen, das H e r z , die Leber und das Gehirn mit schwarzem Blut überfüllt; wo «beider Tod langsamer eintrat, ist die Schleimhaut des Magens und des Darmkanals, vorzüglich des Dickdarms, an einzelnen Stellen entzündet und mit Blut unterlaufen; auch am Gekröse finden sich zuweilen Extravasate von Blut. Die E n t z ü n d u n g ist jedoch nicht immer so heftig oder so ausgebreitet, dass man sie allein als Ursache des Todes betrachten könnte. Man ist daher, sowie auch aus den Erscheinungen und aus dem Verlaufe der Wirkungen an den lebenden Tliieren genöthigt, die schwarze Nieswurzel nicht allein für ein scharf reizendes, sondern zugleich für ein narkotisches Mittel zu halten. §. 340. Die schwarze Nieswurz ist trotz ihrer heftigen W i r k u n g seit alten Zeiten gegen Thierkrankheiten benutzt worden, und zwar innerlich und äusserlich. Grosse Torpidität in den Baucheingeweiden, asthenische Stockungen in den Blutgefässen daselbst, davon entstandene Wassersüchten und ödematöse Anschwellungen, Trägheit im Dannkanal und hierin beruhende Verstopfung; Koller und Schwindel, welche mit ähnlichen Zuständen der Verdauungseingeweide verbunden sind; Bräune der Schweine, A n h ä u f u n g von unverdaulichen Stoffen, von Schleim und von Würmern im Magen und Darmkanal, besonders bei Schweinen und Hunden — sind die vorzüglichsten Krankheiten, gegen welche man den innern Gebrauch dieser Wurzel empfohlen hat. D e r s e l b e d a r f j e d o c h s t e t s n u r m i t g r ü s s t e r V o r s i c h t in massigen oder in kleinen Gaben, und mit Berücksichtigung der im §. 311 angedeuteten Gegenanzeigen geschehen, I n kleinen Gaben, nämlich für Pferde und Rinder von 1—2 Gramm, für Schafe und Ziegen von 3 0 — 6 0 Centigramm ( 5 — 1 0 Gran), für Schweine von 12—30 Centigramm (2—5 Gran), für H u n d e von 3 — 30 Centigramm ( 1 / 2 — 5 Gran) und in Zwischenzeiten von 12 Stunden angewendet, wird das Mittel zur kräftigen Erregung der Nerventhätigkeit in den Baucheingeweiden, zur Beförderung der Absonderung und der Resorption, zur Auflösung von Stockungen, zur Erregung des Appetits und einer bessern Verdauung, — in grösseren Gaben aber als Brecli- und Purgirmittel angewendet. F ü r letztere Zwecke sollte man für Pferde und Rindvieh 4—G Gramm (1—1 1 / 2 Drachme), für Schafe und Schweine 1—2 Gramm ( 2 0 — 3 0 Gran), und für Hunde 12—60 Centigramm (2-—10 Gran) nicht überschreiten, um keine zu heftigen Zufälle zu erregen, die man zwar nicht so leicht bei Schweinen und Hunden, desto mehr aber bei Pferden und Wiederkäuern von grossen Gaben zu fürchten hat. Die Wiederholung darf deshalb erst nach 24 Stunden Statt finden. Die Anwendung kann in Pulver, in Pillen, Latwergen und in flüssiger Form geschehen. Zu letzterer dient ein Aufguss mit heissem Wasser (15
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Scharfe Mittel.
G r a m m zu 1 P f u n d ) , oder (besonders bei H u n d e n und Schweinen) die gepulv. W u r z e l blos in Milch, W a s s e r oder K l e i e n l r a n k gerührt. N u r als Brechmittel giebt m a n die Nieswurz zuweilen in P u l v e r f o r m (doch nicht bei Schweinen) f ü r sich allein ; als Purgirmittel verbindet man sie mit Aloe und selbst mit Salzen, und f ü r die übrigen Zwecke mit bitteren, aromatischen u n d a n d e r e n passenden Mitteln. G e g e n die zu heftige W i r k u n g von grossen Gaben der Nieswurz gab ich bei einigen P f e r d e n das essigsaure Blei mit sehr gutem Erfolge. §. 341. Aeusserlich benutzt man diese W u r z e l : a. um in künstlichen G eschwüren eine starke Reizung, grosse Geschwulst u n d reichliche E r g i e s s u n g von »Säften schnell zu erzeugen. Sie übertrifft in dieser W i r k u n g fast alle anderen Reizmittel , und wird daher bei grosser S c h w ä c h e oder bei einem hohen Grade von T o q i i d i t ä t , besonders bei dem R i n d v i e h , mit ganz vorzüglichem Erfolge a n g e w e n d e t . D i e Indicationen hierzu sind die gewöhnlichen (§. 309, c). Man legt entweder einige Wurzelfasern (circa 1 ] / a G r a m m oder 2 5 — 3 0 G r a n ) in eine kleine W u n d e unter die H a u t (das sogenannte N i e s w u r z - oder C h r i s t w u r z s t e c k e n ) und erzeugt somit eine Eontanelle, — oder man n ä h e t die W u r z e l auf ein Band und applicirt dasselbe wie ein gewöhnliches Haarseil. Man sollte jedoch die W u r z e l nicht über 2 T a g e unter der H a u t lassen (§. 339). — D i e frische Nieswurz wirkt hierbei viel schneller als die getrocknete, und man pflegt desh a l b die letztere vor der A n w e n d u n g durch etwa 1 j i S t u n d e in W a s s e r einzuweichen. D a s ehemals gebräuchliche Einweichen der W u r z e l in Essig ist unzweckmässig, weil der letztere die wirksamen Bestandtheile auszieht. — D e n Schweinen pflegte man früher ein S t ü c k c h e n W u r z e l f a s e r in ein in die Ohrmuschel gemachtes Loch zu steckcn ( d a s sogenannte N i e s w u r z stecken). b. Als Heilmittel der R ä u d e , und zum T ö d t e n der L ä u s e . Eiir diese Z w e c k e wird die W u r z e l sowohl im Decoct mit W a s s e r oder Essig (30,0 zu 1 P f u n d Colatur), wie auch in Salben (aus 8 G r a m m der gepulverten W u r z e l u n d 3 0 G r a m m E e t t , Butter oder grüner Seife, zuweilen auch mit Zink oder Cuprum sulphuric. [ 8 G r a m m ] verstärkt, zusammengesetzt) mit gutem E r f o l g e j e d e n zweiten, dritten T a g einmal angewendet. Z u Injectionen in die Blutadern ist bisher die schwarze Nieswurz äusserst selten benutzt worden; ich habe sie bei dummkollerigen P f e r d e n mehrfältig, u n d zum Theil mit grossem Nutzen gebraucht, u n d glaube daher, dass sie auf diese Weise und gegen dieselben K r a n k h e i t e n wie die weisse Nieswurz (siehe die folgenden §§.) angewendet werden könnte. Doch ist letztere milder u n d deshalb brauchbarer. A n in o r k u n g . D i e W u r z e l n d e r ü b r i g e n N i e s w u r z a r t e n , n a m e n t l i c h v o n d e r s 11 nk e n d e n N i e s w u r z flTclleborua fodithts), b e s i t z e n ä h n l i c h e K r ä f t e w i e d i e s c h w a r z e Nieswurz. V o n a l l e n sind die B l ä t t e r den T h i e r e n s e h r s c h ä d l i c h , u n d h e i m reichlichen G e n u a s Belbst t ö d t l i c h . ( C a n d e l , im l i q j e r t . f. T h i e r l i e i l k . 1 8 4 5 . S . 115.)
Weisse Nieswurz. 14) Weisse Nieswurz, weisser Germer, Hhizoma s. Radix
289 Veratri albi s. Hellebori
albi.
D e r Wurzelstock von Veratruin album L., 6. Kl. 3. Ordn., Farn, der Colchicaceeu D e Candolle oder der Melanthaceen Brown. Auf Alpenwiesen in Oesterreich, Tyrol, Schlesien, der Schweiz.
§•
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Die umgekehrt kegelförmige Wurzel ist äusserlich schwach geringelt, mit Narben von den abgeschnittenen Wurzelfasern versehen, schwärzlich oder graubraun, innen woisslieh, auf Durchschnittsflächen viele dunkle Punkte zeigend. Die wichtigsten B e s t a n d t e i l e sind: ein Alkaloid, das V e r a t r i n (Veratrium), welches mit Gallussäure verbunden ist, ferner Gummi, Extractivstoff, eine fette Materie und etwas Stärkemehl. Das Veratrin, der hauptsächlich wirksame Bestandtheil, ist ein weisses, geruchloses Pulver, schmeckt brennend scharf, reagirt alkalisch, löst sich in Weingeist leicht, in Aether und Wasser schwor, erzeugt mit Säuren neutrale Salze. E i n Atom von ihm in die Nase gebracht erzeugt ein heftiges Niesen, — auf die H a u t als Auflösung oder Salbe applicirt, macht es heftiges, brennendes J u c k e n und Schmerz, und diese Zufälle treten von Zeit zu Zeit viel heftiger, gleichsam in electrischen Schlägen hervor. — Bei subcutanen Injectionen ertrugen 1 Pferde und Kinder 10—15 Oentigramm, Hunde " r - l Centigramm in Lösungen von 1: 60. Ein einjähriger Bulle starb von 25 Centigramm binnen 8 Stunden, ohne andere Symptome als Erbrechen geäussert zu haben. Die örtliche Einwirkung war beunruhigend, schmerzhaft, selbst localen Schweissausbruch bedingend , aber stets nur eine leichte entzündliche Reizung und niemals Eiterung veranlassend. — Innerlich gegeben verursacht es bei Hunden in Gaben von 1 / 8 --- I / 4 Gran Erbrechen, Diarrhöe, aussetzenden Puls, — in grösseren Gaben Tetanus und den Tod. Dieselben Wirkungen entstehen nach Infusionen sehr kleiner Gaben dieses Stoffes in die Venen. Die Wirkungen der weissen Nieswurz sind denen der schwarzen Nieswurz ähnlich, aber darin von ihnen verschieden, dass die weisse Nieswurz u) bei innerlicher Anwendung in massigen Gaben nicht so leicht, und .selbst in grossen Gaben nicht heftige Entzündung erregt; b) dass sie dagegen bei jeder Art der Anwendung das Nervensystem, und vorzüglich den grossen sympathischen und den Lungen-Magennerv schneller und heftiger afficirt, und i ) dass sie im hohen Grade brechenerregend, höchst selten aber bei innerlicher Anwendung purgirend wirkt. Pferden gab ich versuchsweise 4 Gramm bis 15 Gramm der gepulverten weissen Nieswurz, mit Mehl und Wasser zur Pille gemacht, und sali darauf in mehreren Fällen blos etwas Geifern aus dem Maule, nacli 2 — 3 Stunden Verlust des Appetits, ganz geringe Zuckungen an den Halsmuskeln in der Nähe des Schlundes, zuerst eine Vermehrung der Pulse um 4—6 in jeder Minute, und etwas angestrengteres Athmen, späterhin aber in der Kegel eine Verminderung der Pulse entstehen. Bei fortgesetzter Anwendung fand sich hierzu auch häufigeres Uriniren. — Nach 30 Gramm des Mittels auf dieselbe Weise angewendet, traten dieselben Zufälle ein, verschwanden aber nach 1 Nach G e r l a c h , Lehrbuch arbeitete Auflage, S. 289.
HF.RTWIG. A i ' z n e i i i i i U e l l u l i r e .
der allgemeinen Therapie iier Hausthiere.
5. A u f l a g e .
19
2. umge-
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Scharfe Mittel.
1 0 — 1 5 Stunden wieder gänzlich. — J . W h i t e (a. a. O. S. 360) sah von / 2 Unze (15,0) bei einem Pferde gar keine W i r k u n g , und von 30,0 Gramm etwas Uebelbefinden und starken Speichelfluss entstehen. V i b o r g (Samml. Bd. V. S. 253) hat bei mehreren Versuchen gefunden, dass man Pferden 2 Loth (30,0) Nieswurz eingeben k a n n , ohne dass sie die geringsten Zufälle danach zeigen. — W a l d i n g e r (über Nahrung und Heilmittel der Pferde, S. 221) sagt: dass sie selbst zu 4 Loth gegeben, das Pferd nicht purgirt, sondern blos Kolikschmerzen erregt, die aber nach 3—4 Stunden wieder verschwinden, und dass das Thier viel speichelt, sich zum Erbrechen anstrengt, sein Mist fester und kleiner geballt wird. — Fast allen anderen Beobachtungen entgegen ist die von R y s z (Arzneimittellehre, S. 103), welcher von 1 Unze (30,0) bei einem Pferde nach Stunde Kolik, Zeichen von Darmentzündung, starkes Speicheln, öfteres Misten mit heftigem Drängen, und nach 8 Stunden den Tod erfolgen sah. Die Section zeigte heftige Darmentzündung. — Bei Kühen bemerkte icli von 8 —15 Gramm der Wurzel fast gar keine Wirkung, von 2 0 — 3 0 Gramm aber ähnliche Zufälle, wie von derselben Gabe bei Pferden-, ausserdem wurden die Tliiere noch traurig, zeigten Schmerz im Hinlerleibe und ihr Koth bekam eine weit blässere Farbe. Diese Zufälle dauerten 48 Stunden, gingen aber dann wieder in vollkommene Gesundheit über. E. V i b o r g (a. a. 0 . 254) sah nach 8 Gramm bei einer Kuli nicht die geringste Wirkung. Nach 12 Gramm am ersten Tage ebenso, nur der Mist schien etwas härter zu sein; am folgenden Tage der Appetit zu Futter und Getränk vermindert, Harnentleerung oft, aber in kleiner Menge. — 16 Gramm, welche ihr jetzt gegeben wurden, hatten dieselben Wirkungen und einen kleinen Puls zur Folge. - - I t h e n sah bei einer Kuh, welche eine Abkochung von ] / 4 P f u n d weisser Nieswurz in 1 Maass Wasser erhalten hatte, Koliksclmicrzcti, Kecken, unruhiges, ängstliches Geberden, wie bei Raserei, entstehen. Das Thier genas bei einer Behandlung mit Schleim, Oel und Milch. — In der Thierarzneischule zu Lyon gab man einer Kuh 3 Unzen (90,0) auf einmal; es entstanden davon zwar beschwerliche Zufalle, jedoch kein Purgiren; aber durch die enorme Gabe von 0 Unzen (180,0) wurden bei derselben Kuh Erbrechen, mit wirklichem Aus stossen von Futter, Durchfall mit Entleerung einer schwarzen, stinkenden Materie, und nach 3 Tagen der Tod herbeigeführt. Bei der Section fand sich heftige Entzündung des vierten Magens und der Därme 1 . 1
Bei Schafen und Ziegen sah ich von 1,25—4,0 der jjulverisirten Wurzel, mit Wasser (60,0) eingegeben, öfteres Aufstossen, Schäumen und Speicheln, — in einem Falle auch Aufblähung erfolgen. Diese Zufälle gingen nach 10—15 Stunden wieder vorüber. 8 — 1 5 Gramm bewirkten zuerst dieselben Zufälle, aber nach 2 Stunden starkes W ü r g e n , Erbrechen mit Auswurf von Futter, und späterhin auch Abgang von weichem Koth. Schweine erbrechen sich von 5 — 1 5 Gran (30 Oentigramm bis 1,0) der Wurzel ziemlich stark, werden aber doch zuweilen davon so angegriffen, dass sie danach eine kurze Zeit wie todt liegen bleiben; indessen erholen sie sich bald wieder; bei Hunden und Katzen tritt das Erbrechen schon von 1 — 1 Gran (3—6 Centigramm) ein. Grössere Gaben von 4 — 8 Gramm greifen zwar die Thiere sehr heftig an, verursachen aber selten Lebensgefahr, wenn 1 Comptc rendu des travaux I ! e l'agricult. Irsing. Tome LXX. p. 2U2.
TIM-OIC V I ' - L C T .
de Lyon, ¡inm'e 1817. — Annal. de
Weisse Nieswurz.
291
nur das Erbrechen frei und bald Statt findet; ist dies aber nicht der Fall, so sterben sie oft schon von 10 Gran und nach 6 — 1 2 Stunden unter heftigen Anstrengungen zum Erbrechen, unter Krämpfen und Lähmung. Dass schon 5 — 1 0 Gran ( 3 0 — 6 0 Centigramm) selbst f ü r grosse Hunde tödtlich seien, wie W a l d i n g e r angegeben hat (Abhandlung über die Krankheiten der Hunde, S. 2 6 ) , habe ich bei einer Menge von Versuchen niemals gesehen, wenn nicht das Erbrechen durch Zubinden des Schlundes verhindert war. Dagegen kann ich seine Angabe bestätigen: dass ein Aufguss von 1 ¡ g Drachme (2,0) Nieswurz und I 1 2 Unze (45,0) siedenden Wassers bereitet, nacli dem Erkalten einem H u n d e in den Mastdarm gespritzt, binnen wenigen Minuten A n g s t , heftiges Erbrechen, dann Purgiren mit Entleerung blutiger Excremente, und grosse Mattigkeit für mehrere Stunden verursachen kann. Injectionen von ' / 2 Drachme bis '/ 2 Unze (2,0 15,0) Tinctur der, weissen Nieswurz (oder eben so von einem Decoct) in die Drosselvene eines Pferdes verursachen (nach V i b o r g ' s zuerst hierüber angestellten 1 und von mir vielfältig wiederholten Versuchen) oft augenblicklich, zuweilen erst nach Verlauf von 2 — 3 Minuten schnelleres und beschwerliches A t h m e n ; bisweilen stockt dasselbe periodisch auf einige Augenblicke; der Puls wird klein, oft unregelmässig und schnell, letzteres jedoch gewöhnlich nicht im Verhältniss zum Athmen; nach 2 — 7 Minuten entleert das Pferd Mist, oft mehrmals nach einander und später noch wiederholt; es sieht sich ängstlich nach dem Leibe um, scharrt mit den Füssen, zittert und legt sich zuweilen auch nieder; es erfolgen Zufälle des Erbrechens, krampfhafte Zusammenziehungen des Schlundes, der Hals- und Bauchmuskeln, zuweilen verbunden mit Kiilpsen oder mit lautem Quieken oder Schluchzen; ebenso Kauen, starkes Speicheln, Auswurf von Schleim, und selbst von Futterstoffen; es findet sich Schweiss, zuweilen von gelber Farbe und oft so heftig, dass er förmlich von den Tliieren herabtiiesst; bei manchen zeigt sich auch Tluänenfluss und öfteres Uriniren, und alle stehen während der Wirkung traurig und mit herabgesenktem Kopfe. — Die Stärke dieser Zufälle ist nach der individuellen Empfindlichkeit der betreffenden Thiere sehr verschieden, und die Dauer ist von !/ 2 Stunde bis 12 Stunden ausgedehnt. Nach Injectionen von 30 Gramm Nieswurz-Tinctur erfolgt sogleich Schwindel, Niederstürzen, sehr beschwerliches, schnelles Athmen mit krampfhaftem Oeffnen und Verschliessen des Maules, Convulsionen und nach einigen Minuten der Tod. Bei einem Pferde trat der letztere schon nach der Injection einer halben Unze der Tinctur ein. Bei Kühen ist die W i r k u n g von der Einspritzung kleiner Gaben im Wesentlichen wie bei P f e r d e n ; aber von mässig grossen Gaben sah ich, wie auch schon E. V i b o r g , ausser den übrigen Erscheinungen fast jedesmal wirkliches Erbrechen eintreten, besonders wenn die Thiere grünes Futter erhielten. —- Hunde starben von der Injection sehr kleiner Quantitäten (von 15—20 Tropfen) der Tinctur sehr schnell. Bringt man einem Pferde ein Stück Nieswurz, etwa 1 Quadratzoll gross und 1 / 4 Zoll dick, in eine W u n d e oder in das Zellgewebe unter die H a u t , so entsteht in den meisten Fällen bald darauf Zittern der Muskeln, zuerst um die Luftröhre, später am ganzen Körper; nach 1—2 Stunden erfolgt angestrengtes unregelmässiges Athmen, W ü r g e n , Neigung zum Erbrechen, Spei1
V i b o r g , S a m m l u n g . B t l . 3. S. S3 u. f.
lit»
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Scharfe Mittel.
cheln aus dem Maule, Poltern im Leibe, Entleerung von Kotli und Urin. An der W u n d e bildet sich binnen weniger Stunden Geschwulst, die beim Druck knistert und am ersten und zw eiten T a g e eine schäumende, seröse Flüssigkeit , und hierauf Eiter aussickert. Bei Grünfutter ist auch hier die Wir k u n g stets viel heftiger als bei trockenem Futter. D a s Waschen mit einer Abkochung von 8 Gramm der Wurzel mit 2 P f u n d W a s s e r , verursachte bei Hunden und K a t z e n sehr häufig Angst, schnelles Athmen, Geifern aus dem Maule, Erbrechen ; letzteres trat zuweilen fünf- bis zehnmal in einer Stunde ein. Diese Zufälle treten besonders dann heftig ein, wenn die Thiere sich lecken; sie dauern 1 — 5 Stunden und sind bei wiederholter W a s c h u n g geringer als bei der ersten. — Bei einem Schafe bemerkte man von dem Waschen mit einem etwas schwächeren Decoct keine Spur einer W i r k u n g , und ebenso war es bei Pferden nach der Anwendung einer sehr concentrirten Abkochung. Aber die Haut wird durch solche Waschungen bei allen Thieren sehr gereizt und selbst entzündet. §. 343. A l s Heilmittel benutzt man die weisse Nieswurz: a. Innerlich 1) als Emeticum bei Thieren, welche sich erbrechen können, und sie verdient als solches in den meisten Fällen den Vorzug vor anderen, da sie kräftiger wirkt und wohlfeiler ist als Ipecacuanha und Brechweinstein, und da sie nicht, wie die Gratiola, Purgiren erregt. — Sie ist angezeigt in allen F ä l l e n , wo Brechmittel überhaupt nöthig sind; vorzüglich aber bei im Magen befindlichen unverdaulichen oder giftigen Stoffen, bei Verschleiniung, sowohl im Magen wie in der liachenhöhle und in der Luftröhre, bei Lnver daulichkeit und zu geringem Appetit, bei gastrischem, katarrhalischem Fieber, bei der Staupe der H u n d e , bei der krankhaften Dickleibigkeit der Schweine, wenn der Appetit mangelt, bei der B r ä u n e dieser Thiere, beiunregel massigem Ausbruch der Pocken und dergl. Gegen die B r ä u n e der Schweine wird die weisse Nieswurz von Vielen als ein Specifieum betrachtet, und sowohl zur Verhütung wie auch zur Heilung angewendet. Ebenso als Prophylacticum gegen Anthrax-Pneumonie. Sie leistet auch wirklich für beide Zwecke viel, wenn sie früh genug, d. h. vor der völligen Ausbildung der E n t z ü n d u n g gegeben wird. Den grössten Nutzen sah ich von ihr beim Beginnen der Anthrax-Bräune und der rheumatischen Halsentzündung. D i e G a b e als Brechmittel ist für K a t z e n und H u n d e — 2 Gran ( 3 — 1 2 Centigramm), für Schweine 5 — 1 5 Gran (30 Centigramm bis 1 Gramm). Die Anwendung geschieht als P u l v e r , als L e c k s a f t , oder in flüssiger Form, mehrentheils für sich allein, zuweilen auch mit Zusatz von Brechweinstein. Giebt man sie als Pulver, so ist es (besonders bei den kleinen Gaben für K a t z e n und Hunde) zweckmässig, etwas Zucker, als ein leicht auflösliches Vehikel, zuzusetzen; z. B . gepulv. weisse Nieswurz 1 — 2 Gran ( 0 , 0 6 — 0 , 1 2 ) pulverisirten Zucker 2 0 Gran (1,25), gut zusammengerieben und hiervon die H ä l f t e auf einmal gegeben; erfolgt binnen 1 / 4 S t u n d e kein Erbrechen, so wendet man die zweite Portion a n , worauf gewöhnlich die Wirkung bald eintritt. Zum Eingeben tupft man das Pulver auf einen feuchten F i n g e r und streicht es ins Maul. Den L e c k s a f t bereitet man mit etwa 8 Gramm Honig oder S y r u p . I n die flüssige Form bringt man das Pulver mit etwas Wasser oder Milch (für Schweine auch in Buttermilch oder saurer Milch)
Weisse Nieswurz.
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durch blosses Zusammenrühren. E i n solches Gemenge kann zuweilen unter Umständen den Thieren zum eigenen Genuss überlassen werden, z. B . bei der prophylaktischen Behandlung einer grossen Anzahl von Schweinen, welche noch grosse Fresslust h a b e n , und bei denen durch Verzug keine Gefahr entstellt. Doch muss man stets darauf sehen, dass j e d e s T h i e r seine Portion allein und ganz bekommt. 2) Als ein, die Häufigkeit der Herzbewegungen beschränkendes Mittel. E i n i g e englische Thierärzte haben sie mit gutem E r f o l g e bei asthenischen E n t z ü n d u n g e n , welche andauernd mit grosser F r e q u e n z der Pulse begleitet sind, zur Minderung derselben angewendet (wie es gewöhnlich für diesen Zweck mit der Digitalis geschieht). 3 ) Beim Kindvieh hat Kreis-Thierarzt R e h r s sie in hartnäckigen F ä l l e n der chronischen Unverdaulichkeit mit fast augenblicklich gutem E r f o l g angewendet; er gab 5 Gramm mit l.SU,U heissen Wassers auf einmal. Es trat hiernach Geifern , und nach 1 Stunde E r b r e c h e n mit sehr reichlicher Ausleerung von Holzstengeln und dergl. ein, begleitet mit Z i t t e r n , Mattigkeit, kaltem Scliweiss und sehr unregelmässig aussetzendem Pulse, und dann Genesung (Magazin für Thierheilkunde. J a h r g a n g V I . S. 7li). Kreis-Thierarzt S c h r ä d e r hat bei dieser K r a n k h e i t denselben Erfolg gesehen, jedoch 1 5 , 0 der Wurzel in "2 Gaben getheilt, in Zwischenzeit von 2 Stunden gegeben. Ebenso Kreis-Thierarzt L i n d e n b e r g , welcher jedoch pro dosi 4 5 , 0 — G O , 0 von der W u r z e l , täglich einmal, in einem aromatischen Infnsurn anwendete. Kreis-Thierarzt B i e l e f e l d sah bei einer Kuh von 12 Gramm in 2 G a b e n , von denen die zweite nach l/., Stunde gereicht, Unruhe, Angst und nach 2K Minuten Erbrechen entstehen. — I n früherer Zeit stand die W u r z e l im Rufe eines Schutzmittels gegen die Rinderpest und wurde den T h i e r e n zu 2 Gramm mit einer H a n d voll Kochsalz gemengt gegeben, — aber ohne Nutzen. Ganz in derselben W e i s e zu geben hat sie der Landwirth B e r l i n als Heil- und Präservativmittel gegen die Lungenseuche des Rindviehes (in einer S c h r i f t , Berlin 1H45) empfohlen. Man soll täglich einmal 15 Gramm Nieswurzelpulver mit ebenso viel Kochsalz, durch 3 T a g e fortgesetzt, geben. V e r s u c h e , von Thierärzten unternommen, zeigten zweifelhaften Erfolg. — K u e r s empfahl die Wurzel als Heil- und Präservativmittel gegen den Blutschlag der S c h a f e , zu tiü Centigr. pro dosi zum innerlichen G e b r a u c h , wo das Mittel weniger heftig wirkt als dieselbe Quantität äusserlich applicirt ( K u e r s , Magazin von Beobachtungen u. s. w. 2. J a h r gang, 1. H e f t ) . b. Injectionen der Nieswurz-Tinctur in die Venen sind nützlich : bei allgemein abgestumpfter Sensibilität (Torpor), bei Unthätigkeit und Stockungen in den Verdauungseingeweiden, bei Unterdrückung der Hautausdünstung und bei den chronischen F o l g e n hiervon, bei Rheumatismus und dergl. Man kann sie daher, nach V i b o r g ' s Empfehlung, bei Pferden gegen den Dummkoller, gegen chronische Appetitlosigkeit, chronischen Rheumatismus, veraltete rheumatische Lahmheit, rheumatischen Starrkrampf, gegen zurückgetretene (sogenannte wandernde) Druse, — und bei Rindern gegen fieberlose Unverdaulichkeit, besonders wenn sie von Körnerfutter entstanden ist, mit Nutzen gebrauchen. G r e v e 1 heilte durch solche Einspritzungen von ' K r t ' a h r u n g e n u n d B e o b a c h t u n g e n ü b e r d i e K r a n k h e i t e n d e r H a u s t h i c r e . 1. B ä n d c h e u . (»Idenburg 1818. S . 1 1 7 u. f.
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Scharfe Mittel.
2 8 k o l l e r i g e n P f e r d e n 7 g ä n z l i c h , u n d 3 w u r d e n g e b e s s e r t ; ich selbst h a b e sie in vielen F ä l l e n m i t d e m besten E r f o l g e g e g e n K o l l e r , g e g e n chronischen R h e u m a t i s m u s u n d g e g e n die bezeichneten g a s t r i s c h e n B e s c h w e r d e n angew e n d e t , oft a b e r a u c h k e i n e n heilsamen E r f o l g d a v o n g e s e h e n . Man darf sie d a h e r w e d e r als ein u n f e h l b a r e s H e i l m i t t e l b e t r a c h t e n , n o c h g a n z verw e r f e n . E s scheint, dass sie bei d e m K o l l e r d a n n a m m e i s t e n n ü t z l i c h seien, w e n n d e r s e l b e u r s p r ü n g l i c h aus F e h l e r n d e r V e r d a u u n g s e i n g e w e i d e ents t a n d e n oder a u c h m i t solchen F e h l e r n v e r b u n d e n i s t ; w o a b e r o r g a n i s c h e V e r ä n d e r u n g e n im G e h i r n b e s t e h e n , k a n n die E i n s p r i t z u n g d e r N i e s w u r z T i n c t u r so w e n i g h e l f e n , wie i r g e n d ein a n d e r e s Mittel. Ueberhaupt muss m a n a b e r diese E i n s p r i t z u n g e n n u r als R e i z m i t t e l u n d als u m s t i m m e n d e s Mittel z u r E i n l e i t u n g u n d U n t e r s t ü t z u n g f ü r die ü b r i g e B e h a n d l u n g b e t r a c h t e n . — Bei d e m S t a r r k r a m p f h a b e ich von i h n e n n i e m a l s N u t z e n , w o h l a b e r d u r c h die h e f t i g e A u f r e g u n g u n d d u r c h die C o n g e s t i o n e n z u r L u n g e u n d z u m G e h i r n o f t s i c h t b a r e V e r s c h l i m m e r u n g u n d selbst d e n T o d erfolgen sehen. E . V i b o r g e m p f a h l die I n j e c t i o n a u c h bei d e m K a l b e f i e b e r , bei w e l c h e m sie ebenso ein z w e i f e l h a f t e s Mittel ist. D i e zu diesen I n j e c t i o n e n zu b e n u t z e n d e T i n c t u r (Tim-turn Verutri albi) w i r d a m besten n a c h V i b o r g ' s V o r s c h r i f t (a. a. 0 . p. 93) so b e r e i t e t : dass m a n 1 D r a c h m e N i e s w u r z , von d e r ä u s s e r n s c h w a r z e n R i n d e b e f r e i t u n d in k l e i n e S t ü c k e zerschnitten, in einer F l a s c h e mit einer U n z e K o r n b r a n n t w e i n ü b e r g ö s s e n , auf e i n e m w a r m e n O f e n d u r c h 3 — 4 S t u n d e n d i g e r i r t , h i e r a u f noch d u r c h 2 4 S t u n d e n stehen lässt u n d d a n n die F l ü s s i g k e i t d u r c h Löschp a p i e r filtrirt. — H i e r v o n n i m m t m a n zu einer E i n s p r i t z u n g fiir ein ausgew a c h s e n e s P f e r d oder R i n d i ¡ 2 — 4 D r a c h m e n ( 2 — 1 6 G r a m m ) , u n d w e n d e t sie e n t w e d e r r e i n , oder v e r d ü n n t mit l a u w a r m e m W a s s e r an. E i n e g a n z gen a u e B e s t i m m u n g d e r G a b e lässt sich niemals im V o r a u s m a c h e n , s o n d e r n es ist nothig, die I n j e c t i o n mit k l e i n e n G a b e n zu b e g i n n e n , u n d erst n a c h d e m G r a d e d e r h i e r n a c h e n t s t a n d e n e n W i r k u n g die f e r n e r e n ( i a h e n e i n z u r i c h t e n . S e h r selten w i r d es n ö t h i g sein, die b e z e i c h n e t e grosse G a b e v o n 16 G r a m m a n z u w e n d e n oder g a r sie zu ü b e r s c h r e i t e n . S t a t t der T i n c t u r k a n n ein I n f u s u m , bereitet a u s 1 — 1 */4 G r a m m d e r p u l v e r i s i r t e n W u r z e l m i t 3 0 G r a m m k o c h e n d e n W a s s e r s , u n d g u t filtrirt, mit gleichem E r f o l g e b e n u t z t w e r d e n . c. A e u s s e r l i c h w i r d die weisse N i e s w u r z f ü r dieselben Z w e c k e u n d auf g l e i c h e W e i s e w i e die s c h w a r z e N i e s w u r z g e b r a u c h t (§. 3 4 1 ) . G e g e n die S t a u p e d e r H u n d e h a t B u s s e die e h e m a l s von J ä g e r n g e w ö h n l i c h a n g e w e n d e t e n W a s c h u n g e n des g a n z e n K ö r p e r s mit N i e s w u r z - D e c o c t (2 U n z e n [ 6 0 G r a m m ] mit B i e r 3 P f u n d bis auf die H ä l f t e e i n g e k o c h t ) w i e d e r e m p f o h l e n . Bei S c h a f e n h a t t e K u e r s sie in F o n t a n e l l e n , wie a u c h i n n e r l i c h , als d a s kräftigste Präservativ- und Heilmittel gegen den Blutschlag empfohlen. H i e r soll d a s V e r a t r i n schnell d e m B l u t e m i t g e t h e i l t w e r d e n u n d e r r e g e n d a u f die N e r v e n w i r k e n , so dass die b e g i n n e n d e L ä h m u n g u n d S t o c k u n g beseitigt, u n d die S e u c h e v o n S t u n d a n in d e r H e e r d e g e t i l g t w i r d . 1 — 1 ' / 4 G r a m m sind z u einem F o n t a n e l l a n d e r V o r d e r f l ä c h e d e r B r u s t h i n r e i c h e n d ( K u e r s , M a g a z i n v o n B e o b a c h t u n g e n , Bd. 2. H e f t 1). Bei d e r A n w e n d u n g als F o n tanell m u s s m a n j e d o c h b e a c h t e n , dass sie oft h e f t i g e N e r v e n z u f ä l l e e r r e g t , u n d d e s h a l b n i c h t u n t e r allen U m s t ä n d e n wie d a s zuletzt g e n a n n t e Mittel b e n u t z t w e r d e n d a r f . B e s o n d e r s muss m a n bei h o c h t r ä c h t i g e n T h i e r e n sehr vorsichtig s e i n , d a B e o b a c h t u n g e n l e h r e n , dass z u w e i l e n bei weissen Nies-
Weisse Nieswurz, Zaunrübe.
295
w u r z - F o n t a n e l l e n das V e r w e r f e n erfolgt ist. — Ueber therapeutische E r f o l g e von subcutanen l n j e c t i o n e n liegen E r f a h r u n g e n noch nicht vor. G e g e n die R ä u d e ist bei sämmtliclien T h i e r e n diese W u r z e l ein seit alten Zeiten gebräuchliches und wirksames Mittel. M a n w e n d e t sie hierbei entweder im Decoct mit W a s s e r oder Bier (30,0 zu 1 P f u n d Colatur), oder in Salbenform an (§. 341 b), u n d setzt ihr zuweilen noch S c h w e f e l , Spiessglanzleber, weissen Vitriol, T a b a c k , T e r p e n t h i n ö l und dergl. z u , z. B. Sapou. viridis, Ol. Lawi mut 30,O, Pulv. rad. Veratr. 1.
anzuwenden
ist.
1787.
Die verschiedene Wirksamkeit
der B l ä t t e r und der W u r z e l ab.
hänt:t
S c h r o f f
grösste.ntheils bat
v o n d e r Z e i t des
Kinsammelns
durch Versuche nachgewiesen, dass beide
T h e i t e im J u l i ihre g r ö s s t e W i r k s a m k e i t b e s i t z e n und fast d o p p e l t so s t a r k w i r k e n wie M a i u n d O c t o b e r ( Z e i t s c h r . d . G e s i l l s c h . d . A e r z t e zu W i e n .
8. J a h r g . S
2 1 1 u. f . ) .
im
Tollkirschenkraut.
335
m ä l i g , n a c h d e m Leibesöffnung eingetreten w a r , und die T h i e r e erschienen nach :36—48 S t u n d e n wieder gesund. Die trockene W u r z e l verursachte g a n z dieselben Z u f a l l e wie das K r a u t ; sie waren aber von gleichen G a b e n viel heftiger und zeigten sich mehren theils schon von t ! 0 — 9 0 Grm., welche in G a b e n von 30 G r m . u n d in Zwischenzeit von j e einer S t u n d e gereicht wurden. 1 8 0 Grm. der W u r z e l w a r e n bei meinen V e r s u c h e n den meisten P f e r d e n tödtlicli. Bei K ü h e n verhielt sich die W i r k s a m k e i t des K r a u t e s und der W u r z e l in der A r t der E r s c h e i n u n g e n g a n z wie bei P f e r d e n , u n d ausserdem wurde die Milch sehr wässerig; — aber dem G r a d e nach war die W i r k u n g stets viel heftiger als bei den letzteren. I c h sah schon von 3 0 G r m . der W u r z e l und von Gu Grm. der B l ä t t e r , in 2 G a b e n getheilt und in Zwischenzeiten von 3 S t u n d e n mit 1 P f d . W a s s e r e i n g e g e b e n , A u f t r e i b u n g des Leibes, schnelleren l'uls, K ä l t e der O h r e n , der H o r n e r und des Flotzmauls entstehen. Von CO—/4
P f u n d des r e i f e n S a m e n s verursachten bei einem n e u n j ä h r i g e n P f e r d e sogleich schnellern und k l e i n e r n P u l s , V e r l u s t des A p p e t i t s , A u f t r e i b u n g des L e i b e s . Diese Z u f ä l l e nahmen durch 24 Stunden z u , und am f o l g e n d e n T a g e z e i g t e das P f e r d grosse U n r u h e , N i e d e r w e r f e n , Zusammenstellen der v i e r E ü s s e Vinter dem L e i b e , H e r v o r d r ä n g e n des Mastdarms, H e r a b h ä n g e n des K o p f e s , h e f t i g e s Athmen;
am dritten T a g e dieselben Z u f ä l l e ;
nur eine K o t h e n t l e e r u n g .
w ä h r e n d dieser Z e i t e r f o l g t e
52 S t u n d e n nach dem E i n g e b e n w a r f sich das
P f e r d r ü c k l i n g s über und starb unter Z u c k u n g e n . Wichtigste:
B e i der Section w a r das
E r g i e s s u n g v o n röthlichem W a s s e r in d i e Bauchhöhle, A u s d e h -
nung des M a g e n s und der G e d ä r m e v o n L u f t , und e i n i g e T h e i l e des D a r m kanals entzündet. E i n e Z i e g e ertrug 1 P e g e l ( c i r c a 2 4 0 G r m . ) des ausgepressten ohne m e r k l i c h e W i r k u n g ;
Saftes
ein W i d d e r z e i g t e nach derselben G a b e schnelleres
A t h m e n und häufiges Uriniren. Ein 1
1
j i J a h r alter P u d e l w u r d e
1j2
Stunde nach d e m E i n g e b e n
L e h r b u c h der a l l g e m . T h e r a p i e der Hausthiere. 2. Aufl. S. 289.
von
Stechapfelblätter.
341
4 U n z e n (120 Grm.) des Saftes unruhig und winselte sehr; nach einer Stunde erbrach er sich dreimal, zitterte stark, und fuhr fort zu winseln bis zum Verlauf von 4 Stunden, wo er wieder munter wurde und Appetit zeigte. — Ein Lotli (15 Grin.) der Samen und ! / 2 Lotli (l 1 !-, Grm.) der frischen Wurzel blieben bei zwei anderen Hunden ganz ohne Wirkung. — Von 16 Grm. des Extractes bekam (bei O r f i l a ) ein Hund ähnliche Zufalle wie von einer gleichen Gabe des Belladonnaextractes, aber die Sinne blieben frei; der T o d erfolgte nach 7 Stunden. 8 Grm. E x t r a c t ins Zellgewebe applicirt waren bei Hunden stets tödtlich. Pferden spritzte ich in die Drosselvene ein Infusum, welches für die verschiedenen Versuche von 2 —8 Grm. des trockenen Krautes, oder von ebenso viel Samen mit 6 0 — 9 0 Grm. kochenden Wassers bereitet war, und bemerkte darauf: Vermehrung und H ä r t e der Pulse, beschleunigtes Athemholen, Zittern der Muskeln, Erweiterung der Pupille, zuerst muntern, nach "20 30 Minuten aber sehr stieren Blick, eine geringe Abstumpfung der Sinne, schleichenden Gang, zuweilen Schweiss, ungestörte, aber auch nicht vermehrte Koth- und Urinentleerung. — Injectionen von 8 — 1 6 Grm. einer Steehapfeltinetur (bereitet wie Bilsenkrauttinctur) erregten dieselben Zufälle, aber in etwas stärkerem G r a d e ; besonders war die Abgestumpftheit grosser und das Athmen viel beschwerlicher als nach Injection einer gleichen Quantität von dem I n f u s u m ; manche Pferde zeigten Schwindel, K r ä m p f e in den Halsmuskeln, sehr starkes Geifern aus dem Maule, Gähnen. G r e v e 1 sah auch starken Durchfall entstehen ; ich bemerkte diesen niemals. - Hunde ertrugen von dem Infusum fast ebenso viel wie die P f e r d e , und verhielten sich im Wesentlichen wie diese. Die Wirkung trat in 4 — 5 Minuten nach der injection ein und dauerte 2 — 6 Stunden. §. 384. Specielle Indurationen zur Anwendung des Stechapfels gegen bestimmte Krankheiten der Tliiere lassen sich nicht angeben, weil das Mittel bis jetzt von den Thierärzten nur selten angewendet worden ist. Man hat vom Kraut, noch mehr aber von den Samen schmerzlindernde, beruhigende Wirkungen gesehen und diese Mittel mit gutem E r f o l g e gegen schmerzhafte Uebel, namentlich gegen schmerzhaften Rheumatismus, auch gegen K r ä m p f e und dgl. angewendet. -- Gegen Dummkoller und gegen Tetanus habe ich das getrocknete Stechapfelkraut innerlich bei Pferden zu 60 Grin., täglich viermal ohne besondern E r f o l g gegeben. Die Injection der Steehapfeltinetur habe ich gegen Koller und Rheumatismus in vielen Fällen ohne Erfolg, aber in mehreren Fällen mit Erleichterung der Zufälle gemacht, und bei einigen Pferden den Koller und den Rheumatismus geheilt. — Bei dem Starrkrampf der Pferde habe ich auch das wässerige Infusum der Stechapfelblätter und des Samens, und ebenso die Tinctur oft zu Injectionen in die Venen benutzt, jedoch mehrentheils vergeblich; denn unter acht so behandelten Patienten wurde nur einer geheilt. Aeusserlich habe ich bei schmerzhaften rheumatischen Augenentzündungen und bei der sogenannten Mondblindheit ein Infusum der Blätter und auch der Samen (15 Grm. zu 180Grrn. Colatur) zum oft wiederholten Befeuchten, 1
Erfahr, u. Beotmcht. Bd. 1. S. 121.
342
Narkotische Mittel.
bei s c h m e r z h a f t e n E n t z ü n d u n g e n a n d e r e r T h e i l e die B l ä t t e r mit kochendem W a s s e r zum B r e i u m s c h l a g g e m a c h t , mit Nutzen g e b r a u c h t . ( P r e i s : ges c h n i t t e n e B l ä t t e r 3 0 G r m . 1 S g r . 8 P f . ; gepulv. 2 S g r . 4 P f . )
5) Strychnos-Samen, Brechnüsse, Krähenaugen, Semina Strychni s. Nuces vomicae. D i e g e t r o c k n e t e n S a m e n von S t r y c h n o s Nux vomiea L . , 5. K l . 1. O r d n . , F a m i l i e der Strychnaceen. E i n auf der K ü s t e von Koromandel, auf Ceylon und M a l a b a r einheimischer B a u m .
§. 3 8 5 . D i e kreisrunden, fast platten, äusserlich mit einem g e l b l i c h - g r a u e n , aus feinen H ä r c h e n bestehenden U e b e r z u g e b e d e c k t e n , im I n n e r n aus einem hornartig harten, weissen E i w e i s s k ö r p e r bestehenden S a m e n s c h m e c k e n sehr bitter und e n t h a l t e n als wesentlichsten B e s t a n d t h e i l das S t r y c h n i n , ein A l k a l o i d , welches in ihnen mit dem B r u c i n , dem I g a s u r i n , mit viel E x tractivstoff, F e t t - und Pflanzensäuren verbunden ist. E s wird durch nicht schwierige chemische B e h a n d l u n g der zerkleinerten S a m e n e r h a l t e n , krystallisirt in vierseitigen, farblosen S ä u l e n , löst sich im wasserhaltigen Alkohol am meisten (5 P r o c . ) a u f , im heissen W a s s e r w e n i g e r , im k a l t e n noch weniger, im A l k o h o l g a r n i c h t ; mit S ä u r e n bildet es leicht auflösliche S a l z e ; schmeckt intensiv bitter. S e i n e chemische F o r m e l ist { ^ H a ^ N o O ; , . D i e W i r k u n g e n des S t r y c h n i n s und der K r ä h e n a u g e n sind durch eine grosse A n z a h l von V e r s u c h e n als ganz g l e i c h a r t i g e r k a n n t . S i e bestehen bei der A n w e n d u n g gehörig grosser (Taben in einem p l ö t z l i c h , und zuweilen mit einem R u c k oder Stoss nach vorwärts eintretenden heftigen K r a m p f aller willkürlichen M u s k e l n , wobei der R u m p f , der H a l s , die. O h r e n , die Gliedmaassen und der S c h w a n z ganz starr und steif werden (Tetunus to.vini,«), so dass m a n nicht im S t a n d e ist, w ä h r e n d dieses K r a m p f e s den T h i e r e n ein G e l e n k zu beugen. Oft wird dabei der K ö r p e r n a c h v o r w ä r t s , zuweilen auch etwas n a c h r ü c k w ä r t s g e k r ü m m t . Das Maul ist fest verschlossen ( T r i s m u s ) , der A u g a p f e l g a n z s c h i e f verzogen, die P u p i l l e ist oft, aber n i c h t immer erweitert, und zuweilen tritt Z i t t e r n an verschiedenen T h e i l e n des K ö r p e r s ein D e r K r a m p f ist j e d o c h nicht wie bei dem w i r k l i c h e n S t a r r k r a m p f g l e i c h m ä s s i g fortdauernd, sondern er lässt n a c h 1 — 3 Minuten entweder g a n z oder grösstentheils nach, k e h r t a b e r n a c h k u r z e r Z e i t wieder, und so wechselt der Zustand bis zum g ä n z l i c h e n V e r s c h w i n d e n der W i r k u n g oder bis zum erfolgenden T o d . D i e wiederkehrenden K r a m p f a n f ä l l e treten i m m e r zuerst mit einem k u r z e n R u c k oder S t o s s e i n , der sich mehrmals wiederholt, g a n z ähnlich wie von electrischen S c h l ä g e n . — G l e i c h beim E i n t r i t t der W i r k u n g wird das Athmen kurz, a n g e s t r e n g t und ä n g s t l i c h ; w ä h r e n d des K r a m p f e s setzt es zuweilen durch e i n i g e S e c u n d e n g a n z a u s , und es ist wahrscheinlich, dass bei dem höhern G r a d e der W i r k u n g a u f diese A r t der T o d durch E r s t i c k u n g erfolgt. D i e P u l s e werden schneller und h ä r t e r ; die S c h l e i m h a u t der N a s e und des Mauls erscheint b l ä u l i c h ; der U r i n g e h t zuweilen u n w i l l k ü r l i c h ab, aber D a r m e n t l e e r u n g e n finden selten S t a t t , und höchst selten erfolgt bei T h i e r e n , die sich erbrechen k ö n n e n , eine N e i g u n g h i e r z u ; wirkliches E r b r e c h e n sah ich niemals eintreten. — D i e E m p f i n d l i c h k e i t ist w ä h r e n d der ganzen W i r k u n g nicht vermindert, sondern in der R e g e l sehr v e r m e h r t ; denn d i e T h i e r e
Brechnüsse.
343
sehen es, wenn man ihnen droht, sie hören auf leises Anrufen, erschrecken vf>r Geräusch und fühlen jede Berührung ihres Körpers. Durch solche E i n wirkungen, so wie durch festes Auftreten auf den Fussboden, •— zuweilen sogar* durch blosses Anhauchen der Thiere, können die Krampfanfälle neu hervorgerufen werden. Merkwürdig' ist es, dass die Zufälle fast ganz gleichartig durch eine kurze Zeit fortdauern, nachdem den Thieren der Kopf abgeschnitten ht. Gaben von mittlerer Grösse erzeugen nach einer Viertel- bis nach einer halben Stund« zuerst Zuckungen in den Muskeln des Gesichts, des Halses und der Schenkel, dann einen massigen Grad von Steifigkeit, wobei die Thiere noch geijen können, — grosse Empfindlichkeit, etwas kürzeres Athmen, aber keine Störung in der Circulation, im Appetit, in den Secretionen, und keine Erweiterung der Pupille. Von sehr kleinen Gaben bemerkt man bei gesunden Thieren kaum eine narkotische Wirkung, sondern n u r , dass der Appetit mehr erregt, der Koth härter, in kleineren Massen und in manchen Fällen auch öfter entleert wird ; bei kranken Thieren sieht man die Verdauung gebessert und Durchfälle gestillt werden. §. 386. Diese Wirkungen der Brechnuss erfolgen bei Thieren aus verschiedenen Klassen und von verschiedener Gattung, und ebenso bei jeder Art der Anwendung im Wesentlichen gleichartig, sie sind aber unter diesen verschiedenen Uniständen etwas modificirt in der Stärke, in der Zeit ihres Eintrittes und in ihrer Dauer. Vögel ertragen verhältnissmässig die grössten Gaben, wie dies D e s p o r t e s ' Versuch zeigt, in welchem einem einjährigen H u h n innerhalb 20 Tagen 1114 Gran (circa 65 VÜ Grm.) zerstückelte Krähenaugen in steigender Dosis, aber in den ersten 12 Tagen fast ganz ohne W i r k u n g gegeben wurden. Erst durch die letzten sehr grossen Gaben (164 Gran [circa 9-/3 Grm.] auf einmal) wurden heftige K r ä m p f e und der Tod verursacht ( O r f i l a 2. Bd. S. 372). — Bei Wiederkäuern ist die Brechnuss innerlich gegeben schwächer als bei Pferden ; und auch Schweine sollen grosse Gaben des Mittels ohne Nachtheil ertragen Ein 5 Monate altes Schwein zeigte von Gaben bis zu 3 Drachmen (12 Grm.) kaum bemerkbare W i r k u n g , von 3 1 / 2 Drachmen (14 Grm.) aber sehr heftige Zufälle, welche aber nach Anwendung der Opiumtinctur am folgenden Tage wieder verschwunden waren 2 . Am heftigsten wirkt Brechnuss auf Hunde und Katzen. Das Mittel wirkt nur nach Uebergang ins Blut durch Absorption, daher bei innerlicher Anwendung in Form eines groben Pulvers, oder in Pillen und Latwergen viel schwächer und langsamer, als von einer gleichen Gabe in flüssiger Form oder bei der Anwendung auf eine andere Stelle. Ich gab einem Pferde 15 Grm. des Mittels in einer Mehlpille und sah erst nach einer Stunde mässigen Krampf eintreten, der durch 6 Stunden bestand, und mit Genesung endete; als ich aber nach 4 Tagen demselben Pferde eine gleiche Gabe mit 1 Pfd. Wasser gekocht eingab, zeigten sich schon nach 15 Minuten sehr heftige Krämpfe, die ebenfalls 6 Stunden anhielten. E i n anderes Pferd überstand die W i r k u n g von 40 Grm. Krähenaugen, in einer Pille gegeben, 1 2
L o s s i u * . ùe nuce vomica. 24. T a b o u v i n , Matière mèdie. 2. Edit.
Paris 1866. Tome II. p. 14.
344
Narkotische Mittel.
aber es starb innerhalb 2 S t u n d e n , als 3 T a g e später dieselbe G a b e im Decoct a n g e w e n d e t wurde. — E i n Schaf starb von 3 0 Grm. in einer halben Stunde nach dem E i n g e b e n 1 . E i n e zweijährige Ziege erhielt in 11 T a g e n wach einander folgende Q u a n t i t ä t e n von K r ä h e n a u g e n p u l v e r mit Brot zusauimeng e k n e t e t : am ersten T a g e 4 8 Ceritigrm.; am zweiten T a g e 60 Ceijiigrm.; am dritten T a g e 1 G r m . ; am vierten T a g e 1 , 2 5 ; am f ü n f t e n Ta£e 1 , 5 0 ; a m sechsten T a g e 2 G r m . ; am siebenten T a g e 2,5; am achten Tatre 3 G r m . ; am n e u n t e n T a g e 4 G r m . ; am zehnten T a g e 5 G r m . ; am elften Tage G 1 / 4 G r m . ; — in S u m m a 26 G r m . oder 140 Gran, — ohne dass einfi W i r k u n g zu spüren w a r 2 ; und i n L y o n hatte man einer Ziege "250 Grm. ('/v P f u n d ) geben m ü s s e n , um Vergiftungszufälle zu erzeugen. — Bei mittelgrossen Hunden 9rfolgt gewöhnlich in der ersten halben S t u n d e keine bemerkbare W i r k u n g , w e n n m a n ihnen 6 0 — 1 2 0 0 e n t i g r m . K r ä h e n a u g e n mit Fleisch gemengt oder in einer P i l l e giebt; erst nach dieser Zeit treten K r a m p f « ein und die Thiere sterben nach 2 —3 S t u n d e n ; giebt man ihnen aber dieselbe Menge im Decoct, so erfolgt schon nach 5 — 6 Minuten sehr heftige W i r k u n g und in 15- 25 Minuten der T o d 3 . Bei Injectionen in die Blutadern tritt an Thiereu jeder Art die W i r k u n g fast augenblicklich in grösster H e f t i g k e i t ein, und yon 6 Oentigrm. des aufgelösten E x t r a c t e s oder von 12 Centigrin. K r ä h e n a u g e n im Decoct, erfolgte bei H u n d e n der T o d schon innerhalb einer Minute und meistens mit wenig K r a m p f , anscheinend durch augenblickliche L ä h m u n g . F a s t ebenso schnell wirkt das Mittel, wenn man es in die Brusthöhle, etwas weniger schnell, wenn man es in die Bauchhöhle, und noch etwas langs a m e r , wenn man es in eine äussere W u n d e applicirt; d o c h tritt auch hier der T o d in 1 5 — 2 0 Minuten mit T e t a n u s ein. §. 387. I n den Cadavern der durch Brechnuss getödteten Thiere findet man die V e n e n in den H ä u t e n des Gehirns und des R ü c k e n m a r k s sehr voll von Blut, Magen u n d D a r m k a n a l innerlich gerötbet, aber ohne wirkliche E n t z ü n d u n g , zuweilen die Schleimhaut des erstem an einzelnen Stellen selbst etwas corrodirt, — alle übrige O r g a n e aber gesund. — W a r e n die K r ä h e n a u g e n in Substanz, gepulvert oder in Pillen eingegeben worden, so findet man gewöhnlich die ganze Gabe im Magen wieder. §. 388. Die E r s c h e i n u n g e n nach grossen Gaben der Brechnuss zeigen, dass dieses Mittel vorherrschend und eigenthümlich die Functionen des R ü c k e n m a r k s 1
C o m p i e r e n d u d e l ' e c o l e v ^ t e r . d e L y o n 1 8 1 2 . p . 12 u. 18. G e n z k e n , in d e r Z o o i a s i s v o n L u x . 2. l i d 1. H e f t . S 3 9 . S i c h e r e G e g e n g i f t e g e t f n S t r y c h n i n v e r g i t ' t u n g s i e b t es bis jct?.! n i c h t . Z u v e r s u c h e ^ i s t b e i T h i e r e n , d i e e r b r e c h e n k ö n n e n , ein m ö g l i c h s t s c h n e l l g e ^ e b e i e s l i r e c h m t t e ! , d a n n T a n n i n , n a c h P a l j u t e die T r u c h c o i o m i e , u n d d a s E i n a t h m e n des C h l u r o f o r m . s , d e s A e t h e r s . d i e s e M i t t e l ••weh i n n e r l i c h , so w i e d a s E i n g e b e n d ' S C h l o r w a s s e i s, d e r O p i u m t i n e t u r , Morphium accticum o d e r Morphium sulphuriciim. D a s lotzMre hat a b e r bei den V e r s u c h e n von J . H e e s e den E i n t r i t t der von Strychnin erzeugten Krampte u n d den Tod n i c h t a u f h a l t e n k ö n n e n ( S c h m i d t ' s J a h r b . d e r g e s a i n m t e u Medic. B d . 150. J a h r g a n g 1 8 7 1 . S. 2 6 8 ) . 2
3
Brechnüsse.
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u n d d e r v o n i h m e n t s t e h e n d e n N e r v e n in s e h r h o h e m G r a d e a u f r e g t , e i n e e r h ö h t e R e f l e x t h ä t i g k e i t u n d z u l e t z t L ä h m u n g e r z e u g t , in k l e i n e n G a b e n a b e r als ein e r r e g e n d e s u n d t o n i s c h e s M i t t e l a u f d e n V e r d a u u n g s k a n a l ( w a h r s c h e i n lich z u e r s t a u f die G a n g l i e n n e r v e n in d e r B a u c h h ö h l e ) u n d h i e r d u r c h a u c h stärkend auf den ganzen Organismus wirkt. D i e s e n E i g e n s c h a f t e n g e m ä s s ist die A n w e n d u n g d e r B r e c h n u s s a n g e z e i g t : ./) bei solchen K r a n k h e i t e n dos R ü c k e n m a r k s ( u n d d e r m i t i h m in V e r b i n d u n g s t e h e n d e n N e r v e n ) , w e l c h e in t o r p i d e r S c h w ä c h e , U n r e g e l m ä s s i g k e i t oder U n t e r d r ü c k u n g des R e a c t i o n s v e r m ö g e n s dieser T h e i l e b e g r ü n d e t sind, wie n a m e n t l i c h bei L ä h m u n g e n ( P a r a p l e g i e n u n d H e m i p l e g i e n ) , bei L ä h m u n g des B l a s e n h a l s e s u n d Jvfontineutin vrinae, bei d e m K a l b e f i e b e r ( n a c h K ö h n e 1 ) , 1 >ei K r ä m p f e n , bei d e r E p i l e p s i e u n d bei d e m S t a r r k r a m p f ; u n d b) bei S c h w ä c h e d e r V e r d a u u n g s o r g a n e u n d d e s h a l b f e h l e n d e m A p p e t i t , bei K r a m p f , bei K r a m p f k o l i k , u n d bei u n r e g c l m ä s s i g e r . zu r e i c h l i c h e r A b s o n d e r u n g in d e n Verdauungseingeweiden. D a g e g e n ist d a s M i t t e l zu v e r m e i d e n , w e n n in d e n g e n a n n t e n T h e i l e n k r a n k h a f t e r h ö h t e L e b e n s t h ä t i g k e i t , u n d b e s o n d e r s zu g r o s s e E m p f i n d l i c h k e i t u n d R e i z b a r k e i t , o d e r w e n n (Kongestion zu d e n s e l b e n b e s t e h t ; es ist d a h e r a u c h n i c h t p a s s e n d , w e n n die L ä h m u n g e n als F o l g e von m e c h a n i s c h e n V e r l e t z u n g e n des R ü c k e n m a r k s e n t s t a n d e n sind, o d e r w e n n d e r S t a r r k r a m p f mit s y n o c h ö s e m F i e b e r oder m i t O o n g e s l i o n e n zur L u n g e b e g l e i t e t ist. Bei d e r l ä h m u n g s a r t i g e n S c h w ä c h e , bei d e n Z u c k u n g e n u n d L ä h m u n g e n , w e l c h e so h ä u f i g n a c h der S t a u p e d e r H u n d e a m H i n t e r t h e i l z u r ü c k b l e i b e n , h a b e ich die B r e c h n u s s r e c h t oft mit g u t e m E r f o l g e a n g e w e n d e t ; e b e n s o m e h r f ä l t i g bei rein n e r v ö s e n K r e u z l ä h m u n g e n und bei dem S t a r r k r a m p f d e r P f e r d e , oft a b e r a u c h o h n e E r f o l g . G e g e n zu g e r i n g e n A p p e t i t , m a n g e l h a f t e V e r d a u u n g , L e c k s u c h t , zu viel S ä u r e b i l d u n g , K o l i k e n , c h r o n i s c h e n D u r c h f a l l , selbst g e g e n R u h r und d e r g l . K r a n k h e i t e n d e r V e r d a u u n g s e i n g e w e i d e in F o l g e von T o r p o r u n d E r s c h l a f f u n g , g e g e n W ü r m e r u n d G a s t r u s l a r v e n in d e n G e d ä r m e n , ist Nux '••imicti ( a u c h h o m ö o p a t h i s c h ) ein v o r t r e f f l i c h e s H e i l m i t t e l u n d e b e n s o ein g u t e s P r o p h y l a c t i c u m . — G e g e n R o t z uncl W u r m , wo d a s M i t t e l g l e i c h f a l l s ger ü h m t w i r d , h a b e ich es g a n z o h n e N u t z e n d u r c h l ä n g e r e Zeit a n g e w e n d e t . -— E c k h a t es a u c h z u r B e s s e r u n g des H e i l p r o c e s s e s in a l t e n , a t o n i s c h e n W i d e r r i s t f i s t e l n , u n d ä u s s e r l i c h g e g e n L ä u s e mit E r f o l g g e b r a u c h t 2 . §. 3 8 9 . D i e B r e c h n u s s w i r d d e n P f e r d e n in e i n z e l n e n G a b e n v o n 2 — 1 2 G r m . , b e i m R i n d v i e h 2—-15 G r m . , bei S c h a f e n , Z i e g e n u n d S c h w e i n e n von 1 — 4 G r m . u n d d e n H u n d e n von 6 — 6 0 C e n t i g r . , — j e d e G a b e in Z w i s c h e n z e i t e n von 6 — 8 S t u n d e n v e r a b r e i c h t . — D a die W i r k u n g bei e i n z e l n e n T h i e r e n in s e h r u n g l e i c h e m G r a d e e i n t r i t t , so d a r f m a n stets n u r m i t k l e i n e n G a b e n a n f a n g e n , u n d n u r a l l m ä l i g , d. h. n a c h Z w i s c h e n z e i t von c i r c a drei T a g e n , zu g r ö s s e r e n G a b e n ü b e r g e h e n , j e d o c h h ö c h s t e n s n u r b i s g e l i n d e Z u c k u n g e n e n t s t e h e n , und nach 2 - 3 T a g e n muss das Mittel wieder 1 — 2 T a g e a u s g e s e t z t w e r d e n , b e s o n d e r s , w e n n d a s s e l b e a l s P u l v e r , oder in L a t w e r g e n oder in P i l l e n g e g e b e n w o r d e n ist. 1 2
M u g a z . für T l i i e r h e i l k . v . G u r l t u. H e r t w i g . .Jahrg. X X I . S. 34, 3 5 . M a g a z . für T l i i e r h e i l k . v. G u r l t u. H e r t w i g . J a h r g . X V I I . S. 3 0 5 , 3 0 8 .
346
Narkotische Mittel.
D i e A n w e n d u n g der pulveiisirten K r ä h e n a u g e n k a n n in L a t w e r g e n , in P i l l e n oder im Decoct (1 zu 16 Tli. W a s s e r ) , f ü r sich allein oder mit bitteren u n d aromatischen Mitteln geschehen. K ü h n e empfiehlt bei dem Kalbefieber: Pulv. mw.vomic. 3 0 Grm., Turt. xlibint. 1 5 (irm., Xu/r. siil/Juirir. 1 Pfd., Xatr. muriatk. 1 2 0 G r m . , mit 12 P f d . W a s s e r */4 S t u n d e g e k o c h t , hiervon »t.it ml lieh W e i n f l a s c h e eingegeben. Rri T r o c k e n h e i t des Mistes wird der ersten G a b e 3 0 T r o p f e n Crotonöl zugesetzt. E s ist stets zu beachten (wie bereits im §. 3 8 6 a n g e g e b e n ) , dass das Mittel im Decoct viel schneller und s t ä r k e r w i r k t , als in a n d e r e n F o r m e n . —- Aeusserlich g e g e n Läuse sollen 3 0 G r m . fein pulverisirt in 1 / i P f d . T h r a n g e r ü h r t , mit eine B ü r s t e auf die H a u t a p p l i c i r t "werden. ( P r e i s : grob. pulv. 3 0 G r m . 1 Sgr. 6 Pfg., fein pulv. 5 Grm. 5 Pfg.) P r ä p a r a t e . 1. D a s r e i n e S t r y e h n i n (Strychniam ptmimj u n d . s e i n e S a l z e , v o n d e n e n d a s s a l p e t e r s a u r e S t r y e h n i n (Strychnium nitricvmj a m m e i s t e n g e b r ä u c h l i c h i s t . w i r k e n s ä m m t l i c h ä u s s e r s t h e f t i g und w e r d e n naher l e i c h t giftig, tödtend. B e i m P f e r d e treten v o n 7 — 8 G r a n ('/ G r m . ) b a l d n a c h d e m E i n g e h e n K r ä m p f e e i n u n d o f t a u c h d e r T o d . L e t z t e r e r e r f o l g t b e s t i m m t v o n 1 3 — 1 5 Gran ( 7 . s — 9 0 Centigr.). — Ins Z e l l g e w e b e g e b r a c h t , wird es s c h n e l l absorbirt, schon 2 Gran ( 1 2 C e n t i g r . ) e r z e u g e n bei P f e r d e n h e f t i g e K r ä m p f e u n d S t e i f i g k e i t , 4 — 5 (ir. t ö d t e n ; — u n d i n d i e V e n e n i n j i c i r t , f ü h r t 1 Gr. (C C e n t i g r . ) a n g i i n b l i c k ü c h L e b e n s g e f a h r h e r b e i . B e i e i n e r K u h s a h T a b o u r i n 1 v o n 1 1 2 Grm. (circa 24 G r ) des S a l z s ä u r e n Stryehnins innerlich gegeben, keine Wirkung, währ e n d ins Z e l l g e w e b e g e b r a c h t , 10 C e n t i g r . (circa 13;4 G r . ) s c h o n srhr h e f t i g , und 20 Centi g r m . binnen 5 Minuten tödtlich wirkten. I l u n d e s t e r b e n s i c h e r v o n ' / j Gr. S t r y e h n i n . j a ich s a h in e i n z e l n e n F a l l e n bei k l e i n e n und j u n g e n H u n d e n den T o d von Y ^ G r . e r f o l g e n . T h e r a p e u t i s c h k a n n d a s Strychninm nilric. in a l l e n F ä l l e n s t a t t H r e c h n u s s g e g e b e n w e r d e n , u n d z w a r : P f e r d e n 2 — 4 G r . 1 1 2 - 2 4 C e n t i g r . ) , R i n d v i e h 3 — 6 Gr. ( 1 8 - - 3 G C e n t i g r . ) , S c h a f e n u n d Z i e g e n 1 ' » — l Gr. ( 3 - —."< C e n t i g r . ) , H u n d e n Y ß 0 — 1 ..- 3 o G r . ( 1 — 3 M i l l i g r . ) t ä g l i c h z w e i m a l , a m b e s t e n in A u f l o s u n g ; / . Ii. Ree. Strychn. nitric. 0 , 0 6 , Alf. (lest. 1 6 . 0 , Solr. JJct. in vitro benc clons. H i e r v o n e n t h a l t e n 1 2 T r o p f e n x/Co Gr. (1 Gr. 8 P f g . ) . 13 r e c h n u s s - E x t r a c t , Kxire.civ vi .-tmh. Stryrhiii o'fuoscni, - - durch A u ? z i e h e n aus den S a m e n mit kochendem W a s s e r u. s. w . b e r e i t e t , e n t h ä l t 2 P r o c . S t r y e h n i n u n d 2 P r o c . a n d e r e S t r y c l n i o s a l k a l o M e . ( a l s o z u s a m m e n in 1 G r m . 2 4 C e n t i g r ) , — ist i m t r o c k n e n Z u s t a n d e e i n g e l b l i c h b r a u n e s P u l v e r , im W a s s e r l ö s l i c h m i t g r ü n l i c h w e i s s e r F a r b e . D o s i s : 1 ß des Pulvers. In d e n A p o t h e k e n wird stets dieses Extraet g e g e b e n , wenn nicht ausdrücklich das (mehr giftige) Kxtr. spirituoaum v e r o r d n e t ist. ( P r e i s : 1 G r m . 6 P f g . ) 2. D a s
wässerige
Extr. nncnm romicarttm at/in-sum,
wein geistige 15 r e c h n n s s - E x t r a e t (Extraet. senäit. Strychn i .v. Mnr. a u s d e n S a m e n m i t r e e t i f i c i r t e m W e i n g e i s t u. s. w . g e w o n n e n , e n t h ä l t 5 — 6 P r o c . S t r y e h n i n lund e b e n s o v i " l a n d e r e S t r y c h n i n a l k a l o i d e , m a c h t m i t W a s s e r trübe , mit W e i n g e i s t klare Lösung. E s wirkt zehnfach stärker als die Samen und kann i n a l l e n F ä l l e n , w o d i e s e e m p f o h l e n s i n d , in v e r s c h i e d e n e n F o r m e n g e b r a u c h t w e r d e n . Pferden und Kindvieh 4 — 1 0 Gr., Hunden V m — V i Gr g a n z e r Gran ist für letztere meist tödtlich. (Preis: 1 Decigr. 5 Pfg.) 3. D a s
-comic. sph itnosvmj,
4 . D i e B r e c h n u s s • T i n c t u r (Tinct. ,s< m. Strychui s. Nticts vomicae), b e r e i t e t d u r c h M a c e r a t i o n v o n 5 T h . H r e c h n u s s in 2 4 Th. r e e t i f i c i r t e m W e i n g e i s t , k a n n w i e d a s w ä s s e r i g e Extraet gebraucht werden. 5 . D a s a r s e n i g s a u r e S t r y e h n i n (Strychnium arseuicosum) i s t v o n d e n P r o f e s s o r e n E r c o l a n i und B a s s i a n g e b l i c h mit a u s g e z e i c h n e t e m E r f o l g g e g e n Rotz- und W u r m krankheit angewendet wordenD i e i n L y o n , P a r i s , W i e n , B e r l i n u. s . w . g e m a c h t e n V e r s u c h e haben aber diese gute W i r k u n j nicht b e s t ä t i g t 3 . D a s Mittel, welches ebenso 1 M a t i è r e m e d i c a l e etc. vétérin. 4 5 2 . - Il m e d i c o v e t e r i n a r i o . G i o r n a l e d e l l a r e g . S c u o l a v e t e r . di T o r i n o . 1860. Jan. und Febr. 1861. 3 J o u r n . d e m é d e c . v é t é r i n . d e L y o n . 1 8 6 1 . 3 0 5 , u. a. a. O
O d . bis D e c b r .
Brechnüsse, Rothes Fingerhutkraut.
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heftig w i r k t wie Strychn. nitric-, w u r d e in s t e i g e n d e r G a b e v o n 1 0 — 4 0 C e n t i g r . täglich zweimal, auf e i n e m S t ü c k c h e n B r o t g e g e b e n . 6. D i e Vorsicht g e b i e t e t , alle S t r y c h n i n - M e d i c a m e n t e als „ G i f t " zu b e z e i c h n e n und sicher a u f z u b e w a h r e n 6 ) Rothes F h l g e r b u t k r a u t , Digitalis, Folia s, Herba Digitalis
purpureae.
Die g e t r o c k n e t e n B l ä t t e r von D i g i t a l i s p u r p u r e a L., 14. Kl. 2. O r d n . , F a m i l i e der Scrophularineen. Im m i t t l e m E u r o p a auf s o n n e n r e i e h e n w a l d i g e n , b e r g i g e n O r t e n wild w a c h s e n d , auch viel in G ä r t e n als Z i e r p f l a n z e g e z o g e n .
§. 390. U n t e r den B e s t a n d t e i l e n dieser Pflanze ist das D i g i t a l i n , ein eigent ü m l i c h e s Alkaloid, der wichtigste. Dasselbe ist eine gelbliche, blasse, geruchlose, stark bittere, nicht krystallisirbare S u b s t a n z , in Alkohol leicht, in "Wasser und A e t h e r schwer löslich, bildet mit S ä u r e n keine Salze. E s zeigt gleiche W i r k u n g wie die Blätter und macht nach den Versuchen von B o u c h a r d a t , S a n d r a t 11. A. örtlich eine Reizung und innerlich in -ehr kleinen Gaben, z. B. bei K a n i n c h e n 4 Milligr. (ca. 1 L,0 G r a n ) eine Verlangsamu n g der Pulse, also eine V e r ä n d e r u n g der H e r z t ä t i g k e i t , und f ü h r t in etwas grösseren G a b e n eine H e m m u n g der Circulation und den T o d durch Lähm u n g des H e r z e n s herbei. Die Substanz ist bisher nur zu Versuchen benutzt. Die Digitalis ist ein n a r k o t i s c h - s c h a r f e s Mittel von ausgezeichneter W i r k s a m k e i t , welche letztere jedoch fast n u r allein an P f e r d e n und Hunden einigermaassen erforscht ist. — F ü r P f e r d e k a n n m a n die. Digitalis hinsichtlich der Intensität ihrer W i r k s a m k e i t , ausser den K r ä h e n a u g e n , als das heftigste unter den narkotischen, und neben den Krotonsamen und der schwarzen Nieswurz als das heftigste unter den vegetabilischen Mitteln überhaupt bet r a c h t e n ; denn 1 U n z e (30 Grin.), in einzelnen F ä l l e n sogar nur 24 Grm. (6 D r a c h m e n ) der pulverisirten trockenen B l ä t t e r , in einer Mehlpille einem noch k r ä f t i g e n P f e r d e gegeben, verursachte bei meinen vielen Versuchen fast jedesmal nach Verlauf von 3 — 1 0 S t u n d e n Appetitlosigkeit, zuweilen in der ersten Zeit etwas vermehrten vollen P u l s , öfteres U r i n i r e u , zuweilen auch dünneres Misten, bald T r o c k e n h e i t , bald vermehrte Schleimabsonderung im Maule; späterhin einen kleinen, langsameren, ungleichen, zuweilen auch aussetzenden Puls, starken, unregclmässigen H e r z s c h l a g , E i n g e n o m m e n h e i t des K o p f e s , V e r m i n d e r u n g der S i n n e s t h ä t i g k e i t , unregelmässigen S t a n d , grosse Mattigkeit, V e r m i n d e r u n g der T e m p e r a t u r , V e r e n g e r u n g , zuweilen aber auch E r w e i t e r u n g der Pupille, K ä l t e der O h r e n u. s. w. und nach 12 — IG Stunden den Tod. B r a c y C l a r k 1 sah einen Esel schon nach 12 S t u n d e n von einer halben U n z e (15 Grm.) des trockenen K r a u t e s sterben, ohne dass andere Zufälle dabei eingetreten w a r e n , als eine Viertelstunde vor dem T o d e grosse S c h w ä c h e und etwas Ausfluss von dickem Schleim aus dem Maule. — D a gegen h a t angeblich ein P f e r d 4 U n z e n (120 Grm.) von g r ü n e n Blättern ohne die geringste darauf erfolgende W i r k u n g ertragen (was nach allen anderen B e o b a c h t u n g e n unglaublich erscheint); aber 1 P f u n d dieser frischen Blätter verursachten demselben P f e r d e etliche S t u n d e n nach dem E i n g e b e n kalte O h r e n , kalte B e i n e , sehr starke V e r e n g e r u n g der P u p i l l e , sehr langsamen Puls, kalten Schweiss, worauf K ä l t e am ganzen K ö r p e r , L ä h m u n g der 1
Pharmacopoea Equina.
L o n d o n 1823. 4. p a g . 10.
Narkot-isclic Mittel.
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Hinterlippe und der T o d unter heftigen (•onvulsimien eintrat. — Bei D u p u y ' s Vorsuchen starb ein P f e r d unter ähnlichen Erscheinungen nach einer Gabe von 2 1 0 Grm. (7 Unzen) binnen einigen Stunden ; und ein andere* starb von der übermässigen M e n g e von etwas über 6 Pfund noch schneller, unter Zufällen von grösster E r s c h ö p f u n g der Kräfte und von L ä h m u n g 1 . F a s t auf ganz gleiche W e i s e , aber langsamer, wirkt die Digitalis bei Pferden, wenn man ihnen dieselbe in kleineren Gaben etwas anhaltend reicht. Ich gab mehreren kräftigen Pferden täglich dreimal ä 4 — 6 Grm. durch 4 T a g e nach einander, und bemerkte dabei oft schon am zweiten T a g e den Puls u>. [regelmässig, aussetzend, und um 3 - 6 S c h l ä g e in der Minute verringert, auch die Munterkeit und den Appetit zum Futter und Getränke vermindert werden. Am dritten und vierten T a g e nahmen diese Zufälle zu, die T h i e r e zeigten sich sehr abgestumpft, die Pupille verengert, der Gang schwankend, die liespiration beschwerlich; zuweilen trat Durchfall ein; das aus der Ader gelassene Jilut war schwarz und wenig g e r i n n b a r ; bei rotzigen Pferden wurde der Ausfluss aus der Nase sehr vermehrt und die ausgeathmete L u f t höchst widrig riechend; mehrentheils wurde j e t z t der Puls bedeutend schneller (in manchen F ä l l e n bis 140 Schläge in einer Minute), die T e m p e r a t u r wechselte oft und verringerte sich immer mehr, bis der Tod, stets unter heftigen Convulsionen, erfolgte. Hunde ertragen das Mittel verhältnissmässig in viel grösseren Gaben, und zeigen von zehn und zwanzig Gran auf einmal gegeben, mehrentheils kaum eine wahrnehmbare Wirkung. O r f i l a (a. a. O. Bd. 2. S. 3 2 5 ) hat bei einem Hunde selbst von 6 Grm. des pulverisirten Krautes bis zum folgenden T a g e keine auffallende W i r k u n g bemerkt; — ich habe aber von solchen G a b e n in Zeit von ;i/4 bis l ' / 2 Stunde nach dem Eingeben heftiges Erbrechen, U n r u h e , W i n s e l n , Verengerung der Pupille, Verminderung der Zahl der Pulse von 9 5 auf 8 0 , selbst bis 7 0 in einer Minute, M a t t i g k e i t , zuweilen wirkliche B e t ä u b u n g , anhaltendes Liegen auf dem Bauche, dann Diarrhöe, und durch 2- 3 T a g e sehr auffallende Schwäche entstehen sehen. Von 8 G r m . , und noch mehr von 12 Grm. Digitalis traten diese Zufälle jedesmal ein und endeten gewöhnlich mit dem Tode, wenn den Thicren durch Zubinden des Schlundes das Ausbrechen des Mittels unmöglich gemacht worden war. — 8 Grm. wässeriges E x t r a c t erzeugten bei einem Hunde nach 7 1 /2 Stunden nur Abgeschlagenheit; der Puls blieb wie vorher 125, und gleiclimässig; nach 1 4 1 /2 Stunden zeigte sich leichter Schwindel, der Puls wie früher, und 2 Stunden darauf der Tod. — Dieselbe Gabe harziges E x t r a c t einem Hunde beigebracht und ihm der Schlund unterbunden, verursachte nach 1 0 Minuten D r a n g zum E r b r e c h e n , irreguläre, langsame Pulse; nach 16 Minuten noch D r a n g zum Brechen, Verminderung der Pulse von 9 0 auf 5 0 in 1 Minute; nach 2 1 j 2 Stunden dieselbe W i r k u n g , nach 5 Stunden den Tod. Von 12 G r m . des Pulvers auf eine wunde Stelle am Schenkel eines kleinen Hundes applicirt, entstand nach 3 Stunden Erbrechen, Schaum vor dem Maule, nach 8'/ 2 Stunden Schwindel, und eine Stunde darauf erfolgte der T o d ( O r f i l a ) . I n die V e n e n gespritzt, wirkt die Digitalis verhältnissmässig schwächer als andere narkotische Mittel. E i n Infusum, bereitet aus 8 Grm. des Pulvers 1
D u p u y , J o u r n . pratique de m e d . v e t e r . 1 8 3 0 . p. 4 4 9 u. f.
Rothes F i n g e r b u t k r a u t .
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mit 1 2 0 G r m . k o c l i e n d c n W a s s e r s , u n d in G a b e n v o n 1 5 — 6 0 G r m . v e r s c h i e d e n e n P f e r d e n in die D r o s s e l v e n e i n j i c i r t , v e r u r s a c h t e n a c h 1 0 — 1 2 M i n u t e n etwas s c h n e l l e r e n , zugleich aber aussetzenden, unregelmässigen P u l s , stieren B l i c k , d u n k l e r e I i ö t h u n g d e r S c h l e i m h a u t in d e r N a s e u n d im M a u l e , g e r i n g e M a t t i g k e i t bei d e r B e w e g u n g . Nach 5 — 7 Stunden waren d i e " W i r k u n g e n v o r ü b e r . — H u n d e z e i g t e n n a c h d e r I n j e c t i o n von 2 G r m . dieser F l ü s s i g k e i t ä h n l i c h e S y m p t o m e im m a s s i g e n G r a d e , s t a r b e n a b e r v o n 4 G r m . u n t e r h i n z u g e t r e t e n e n C o n v u l s i o n e n . — I n j e c t i o n e i n e s I n f u s u m s von 12 G r m . D i g i t a l i s in die J u g u l a r i s eines H u n d e s , v e r u r s a c h t e n a c h 5 S e c u n d e n e i n e n S t i l l s t a n d des H e r z e n s bei F o r t d a u e r d e r K e s p i r a t i o n u n d bald d a r a u f den Tod — Von der nach der Preussischen P h a r m a c o p ö e bereiteten e i n f a c h e n F i n g e r h u t k r a u t - T i n c t u r (Tinctunt 1 >vjitalix simple.r) s p r i t z t e ich P f e r d e n 8 — 1 5 G r m . in die V e n e , o h n e d a s s h i e r n a c h e i n e d e u t l i c h w a h r n e h m b a r e W i r k u n g e r f o l g t e ; von 2 4 — 3 0 G r m . z e i g t e sich die letztere fast g a n z so wie n a c h d e r I n j e c t i o n v o n ;¡0 G r m . des w ä s s e r i g e n A u f g u s s e s . Bei W i e d e r k ä u e r n u n d S c h w e i n e n ist d i e W i r k u n g des F i n g e r h u t k r a u t e s n o c h w e n i g e r f o r s c h t . K ü h e n g a b ich d a s s e l b e v o n l 1 / 4 — 8 G r m . t ä g l i c h z w e i m a l mit 1 / 2 P f u n d heissein W a s s e r , a b e r stets n u r d u r c h e i n e n T a g , u n d b e m e r k t e hierauf 2 — 3 Stunden nach dem K i n g e b e n eine M i n d e r u n g der S t ä r k e u n d d e r S c h n e l l i g k e i t d e r P u l s e u n d d e r H e r z s c h l ä g e ( v o n 6 0 oder 5 6 auf 5 5 — 5 0 in d e r M i n u t e ) , T r o c k e n h e i t des N a s e n s p i e g e l s , k e i n e V e r ä n d e r u n g der Pupille, und auch keine andere Zufälle. J e n e W i r k u n g dauerte g e w ö h n l i c h bis z u m z w e i t e n T a g e fort. A u f das I l a u s - F e d e r v i e h soll die D i g i t a l i s , n a c h B o n j e a n ' s vielen V e r suchen, keine giftige W i r k u n g äussern. K r g a b die f r i s c h e n B l ä t t e r o f t bis 1 2 0 G r m . , ohne dass e i n e W i r k u n g e i n t r a t ( J o n r n . d e P h a r m a c i e , J u l i 1 8 4 3 ) . A u c h B l a d i g f a n d , dass d a s M i t t e l d e n H ü h n e r n k e i n e n N a c h t h e i l b r a c h t e (Ocstcrr. m e d . W o c h e n s c h r i f t 1 8 4 4 , 1. Q u a r t . S. 121). Ich sah dag e g e n , dass 1 0 j u n g e P u t e n n a c h d e m G e n ü s s e d e r b l ü h e n d e n P f l a n z e betäubt wurden, Schwindel, L ä h m u n g u n d K r ä m p f e bekamen. Kssig minderte diese Z u f a l l e u n d stellte in 16 S t u n d e n d i e T h i c r e w i e d e r her. §. 391. A m C a d a v e r d e r d u r c h d i e D i g i t a l i s g e t ö d t e t e n P f e r d e findet m a n f a s t immer den B a u c h stark aufgetrieben, den M a g e n ebenso, zugleich äusserlich s e i n e G e f ä s s e s e h r m i t s c h w a r z e m , d ü n n f l ü s s i g e m B l u t e a n g e f ü l l t , im I n n e r n an verschiedenen Stellen e n t z ü n d e t , die Schleimhaut dunkel g e r ö t h e t , leicht t r e n n b a r ; am D ü n n d a r m nur starke Anftillung der Venen, den D i c k d a r m e n t z ü n d e t , b a l d g l e i c h m ä s s i g in e i n e m w e i t e n U m f a n g e , b a l d a n v i e l e n k l e i n e n S t e l l e n , oft a u c h E x t r a v a s a t e von B l u t in G e s t a l t k l e i n e r s c h w a r z e r F l e c k e n u n t e r d e r serösen H a u t u n d i n n e r l i c h u n t e r d e r S c h l e i m h a u t ; N e t z , G e k r ö s e und Bauchfell ebenfalls an verschiedenen Stellen entzündet; die Blutgefässe i n j i c i r t ; die L u n g e n m a s s i g m i t B l u t e r f ü l l t , a n i h r e r O b e r f l ä c h e o f t m i t e i n i g e n s c h w a r z e n H e c k e n v e r s e h e n ; in d e n B r o n c h i e n b l u t i g e r S c h a u m ; d a s H e r z z e i g t b a l d n a c h d e m T o d e sehr w e n i g R e i z b a r k e i t , h a t ä u s s e r l i c h a n m e h r e r e n S t e l l e n , v o r z ü g l i c h im V e r l a u f e d e r K r a n z g e f ä s s e s c h w a r z e E x t r a v a s a t e v o n v e r s c h i e d e n e r G r ö s s e , die F a s e r n d u n k e l r o t h , s e h r m ü r b , d i e 1
B l a k e , in Edinb. med. Journ. 1839. p. 342.
350
Narkotische Mittel.
H ö h l e n leer, oder mit flüssigem W¡isser erfüllt. Letzteres ist, wenn der T o d langsam erfolgte, in der R e g e l schwärzlich, aber nach schnell erfolgtem Tode (daher nach sehr grossen Gaben) ist gewöhnlich die eine oder die andere H e r z k a m m e r mit hochrothem Blute erfüllt. G e h i r n , K ü c k e n m a r k und die H ä u t e dieser O r g a n e sind sehr blutreich. 3Ö2.
Aus den a n g e g e b e n e n Erscheinungen ist zu e r k e n n e n : a) dass die Digitalis zuerst örtlich auf die von ihr betroffenen Tlieile, und daher bei innerlicher A n w e n d u n g auf die Verdauungseingeweide, scharf reizend w i r k t ; b) dass der wirksame Stoff resorbirt wird, hiernach narkotische W i r k u n g e n auf das G e h i r n , das verlängerte Mark und auf den von dem letztern entspringenden Kerc. cagus ausübt, welche ebenfalls oft zuerst mit Reizung beginnen, d a n n aber specifisch mit V e r m i n d e r u n g der Schnelligkeit und der S t ä r k e der H e r z b e w e g u n g begleitet sind; und cj dass sehr grosse Gaben des Mittels selbst eine vollständige L ä h m u n g der H e r z n e r v e n , daher einen Stillstand der H e r z b e w e g u n g , in kurzer Zeit herbeiführen k ö n n e n . Ob diese V e r m i n d e r u n g und L ä h m u n g der Herzthätigkeit direct oder als Folge einer U e b e r r e i z u n g eintritt, — ist noch nicht entschieden festgestellt.
Die Indieationen zur therapeutischen Benutzung der Digitalis sind hauptsächlich auf die, die Schnelligkeit und S t ä r k e der H e r z b e w e g u n g herabstimmende, sedative W i r k u n g , — ausserdem auch auf die diuretische W i r k u n g dos Mittels gegründet. In ersterer Hinsicht wird dasselbe als beruhigendes Mittel, als Antiphlogisticum oder (nach K a s o r i ) als Contrastinmlans überall a n g e w e n d e t , wo eine übermässige Erregung des Herzens und der Blutgefässe mit erethischem Cliavacter besteht, wo die Herzschläge .schnell, k u r z , die Arterienpulse nnissig schnell, k r ä f t i g , die Schleimhäute geröthet, die T e m p e r a t u r erhöht s i n d ; dagegen contraindicirt ist Digitalis überall, wo die Lebensthätigkeit im Allgemeinen , besonders aber im Blutgefässsystem sehr gesunken ist, wo grosse Blässe der Schleimhäute, verminderte W ä r m e , sehr kleiner, langsamer Puls, pochender, langsamer Herzschlag, dünnflüssiges B l u t , Cachexie besteht. Ebenso ist das ¡Mittel m e s s e n d bei E n t z ü n d u n g e n und Fiebern, deren G r u n d in einer Reizung der Baucheingeweide liegt, oder w e n n bei E n t z ü n d u n g e n bedeutende gastrische (iomplicationen bestehen. I h r e vorzüglichste A n w e n d u n g findet Digitalis bei E n t z ü n d u n g e n des H e r zens, des H e r z b e u t e l s , der Lungen und des Brustfells; daher auch bei Influenza der P f e r d e in dieser Form (und ohne Typhus), und bei plastischen und serösen E x s u d a t e n dieser E n t z ü n d u n g e n , wenn und so lange der E r e t h i s m u s im Blutgefässsystem bestellt. Bei heftigen E n t z ü n d u n g e n mit sehr hartem P u l s e u n d mit Trockenheit der Schleimhäute muss stets dieser hohe Grad erst durch Blutentziehungen gemindert sein. Bei Berücksichtigung dieser U m s t ä n d e h a b e ich von der Digitalis, allerdings mehrentheils neben anderen Mitteln, gegen j e n e E n t z ü n d u n g e n sehrhäufig den besten E r f o l g gesehen, selbst bei der Lungenseuche des Rindviehes; seltener war dies der F a l l bei heftigen rheumatischen, mit F i e b e r begleiteten A u g e n e n t z ü n d u n g e n , bei rheumatischen G e l e n k - u n d H u f e n t z ü n d u n g e n . - - Gegen Gehirnentzündung ist das Mittel auch versucht w o r d e n , jedoch mit keinem besondern Erfolge, — was sich
Rothes Fingerhutkraut.
351
wohl aus dem, mit der narkotischen Wirkung verbundenen Blutandrange zu dem Gehirn, erklären lässt. Ausser den Entzündungen des Herzens ist Digitalis auch bei anderen, mit Erethismus verbundenen Affectionen dieses Organs und der Respirationsorgane, besonders bei dem sogenannten Herzpochen, bei Hypertrophie und hei Fehlern der Herzklappen, und ebenso bei chronischem Husten angewendet worden. Bei dem ersteren Zustande, dessen Sitz und Ursache noch unbekannt ist, erscheint die Digitalis als ein zweifelhaftes Mittel, und bei den letzteren Zuständen k a n n natürlich ihre Hilfe nur eine vorübergehende Minderung der Zufälle sein. Gegen den chronischen Husten der Hunde scheint das Mittel hauptsächlich dann etwas zu leisten, wenn derselbe in HerzbeutelWassersucht oder in Lungenödem begründet ist. Als diurctisches Mittel ist die Digitalis fast allgemein gegen Wassersüchten im Gebrauch; ich habe jedoch nur bei frisch entstandenen acuten Brust- und Bauchwassersüchten, bei denen Gefässerregung bestand, eine wirkliche Besserung von ihr gesehen, dagegen bei chronischen, torpiden, sogenannten kalten Wassersuchten nutzte sie wenig, oft auch gar nichts, obgleich sie auch hier in den meisten Fällen eine vermehrte IJrinabsonderung verursachte. — Gegen die Wasseransammlung in den Hirnhöhlen bei dem Dummkoller der Pferde, versuchte ich das Mittel sehr oft vergeblich; bei einzelneu Pferden wurde zwar nach seinem Gebrauch (auch durch denselben?) die Abstumpfung etwas geringer und das Drehen nach einer »Seite hörte a u f , aber bei keinem wurde der Koller gänzlich geheilt, und in mehreren Fällen musste das Mittel wegen schnell eingetretener Appetitlosigkeit und wegen sichtbar vermehrter Schwäche sehr bald wieder ausgesetzt wei den. — Gegen diejenige Drehkrankheit der Schafe, welche von einer geringen, in der liegel asthenischen Hirnentzündung entstanden ist, war Digitalis in Verbindung mit Calomel, Aloe und dergl. Mitteln mehrmals nützlich. — Gegen ödematöse Anschwellung der Fiisse habe ich sie bei mehreren Pferden ganz vergeblich angewendet. Man darf die Digitalis nur in kleinen Gaben verabreichen, nämlich bei Pferden und liindvieh von 4 — 8 Grm., Schafen und Schweinen 4Ü—80 Gentigr., Hunden 10—25 Centigr., und nur in Zwischenzeiten von 5 — 7 Stunden. Auch gebietet es.die Vorsicht, das Mittel nur durch etwa 2 Tage anhaltend zu gebrauchen und es dann durch 24 Stunden wieder auszusetzen, um die Wirkung zu beobachten (welche oft erst am folgenden Tage bemerkbar wird) und um die, von dem länger fortgesetzten Gebrauch zuweilen entstehenden üblen Zufälle zu verhüten. Diese Vorsicht ist am meisten bei Pferden nöthig; und wenn während des Gebrauches der Digitalis der vielleicht noch in einem gewissen Grade vorhanden gewesene Appetit sich verliert, oder wenn der Puls anfängt aussetzend zu werden, so halte ich es stets für zweckmässig, den fernem Gebrauch sogleich zu unterlassen. §. 395. Die innerliche Anwendung des Fingerhutkrautes geschieht in Latwergen, Pillen oder in einem, mit kochendem Wasser gernachten Aufguss. Selten giebt man es allein, sondern gewöhnlich mit anderen Mitteln, welche dem
Narkotisch*; Mittel
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k r a n k e n Z u s t a n d e e n t s p r e c h e n , v e r s e t z t , wie n a m e n t l i c h mit S a l p e t e r , m i t Glaubersalz, Doppelsalz, Weinstein, Calomel, Brechweinstein, Salmiak, k o h l e n s a u r e m K a l i , n a c h M o r t o n selbst mit A l o e und dergl. U m für grosse T h i e r e die n ö t h i g e M a s s e , besonders bei der A n w e n d u n g der D i g i t a l i s in P i l l e n und L a t w e r g e n zu e r h a l t e n , u n d um i h r e n a c h t h e i l i g e örtliche E i n w i r k u n g a u f die V e r d a u u n g s e i n g e w e i d e zu v e r h ü t e n , ist in den meisten F ä l l e n der Z u s a t z von s c h l e i m i g e n M i t t e l n , von Siissholzwurzel oder auch von E n z i a n w u r z e l am z w e c k m ä s s i g s t e n . G e w i i r z h a f t e u n d geistige Mittel s c h w ä c h e n die h e r a b s t i m m e n d e " W i r k u n g der D i g i t a l i s a u f die B l u t g e f ä s s e und passen daher n i c h t , w e n n eben nur diese, W i r k u n g b e z w e c k t w i r d ; ihr Zusatz k a n n a b e r g e s c h e h e n , w e n n m a n die 1-iesorption und die H a r n a b s o n d e r u n g bef ö r d e r n w i l l , wie z. B . bei a t o n i s c h e n W a s s e r s u c h t e n . Bei hartnäckigen r h e u m a t i s c h e n A f f e c t i o n e n schien die V e r b i n d u n g der D i g i t a l i s mit K a m p h e r oder mit S u b l i m a t g u t e D i e n s t e zu leisten. — A e u s s e r l i c h ist von M o r t o n ein Infusum gegen heftige Augenentziindungen empfohlen. P r ä p a r a t « : 1) D a s D i g i t a l i n ( n i c h t o i ' i i e i n e l l ) i s t b i s h e r in d e r 'l'liior¿n-ilkunde. n u r zu e i n i g e n V e i > u c h . n zu s u b c u t a n e n I n j e c i i o n e n a l l g e w e n d e t w o r d e n . Gerlach s p r i t z t e G C e n t i g r . (1 G r a n ) in 8 G n u . d>-*t. W a s s e r s s - l ö s t u n t e r d i e H a u t ein. E s entw i c k e l t e s i e h e i n e ö r t l i c h e E n t z i i n e u ! g l a n g s a m , d i e s e l b e n a t a b e r !init d e m d r i t t e n T a g e s t a r k h e r v o r , es folgte N e c r o t i s i r u n g des B i n d e g e w e b e s , s t a r k e V e r j a u c h u n g und Eiterung. P e t e r s i n j i c i r t e 4 M i l l i g r . ( ' / , r > G r a t i ) tun I i a r n e r i s i s z u e r r e g e n , m i t g u i e t n Erfolge. 2 ) D a s E x t r a e t fExiractum Duj'daVs) und d i e T i n e t u r fTivct. Uxjil.) >.nd w e n i g e b r ä u c h l i c h , sie h a b e n q u a l i t a t i v die W i r k u n g der B l a t t e r . G a l i e v o n dein E x t r a c t Jiir P f e r d e 3 0 — 0 0 C e n t i g r . , f ü r S c h a l e Ü — 3 0 C e n t i g r . . f ü r H u n d e ä — G C d i l i g r . — Von «icr Tinetur das V i e r f a c h e . ( P r e i s : F o l . lein pulv. 2 Grni. 2 Sgl'. G P f . Extract 1 Sgr. 10 Pf. Anmerku
n g.
G e g e n g i f t e gegen D i g i t a l i s sind nicht b e k a n n t .
Man
sucht
die all-
g e m e i n e n Z u f ä l l e d u r c h e r r e g e n d e .Mittel zu b e s e i t i g e n .
7 ) T a b a c k , T a b a i ' k s b l ä l t e r , T a b a c k s k r a u l , t'ulin
s. Berba
Nicolianae
s.
Tabaci.
D i e g e t r o c , k n e t e n B l ä t t e r v o n X i c o t i a n a T a b a e u m L . , 5. K l . 1. O r d n . . F a m d. S o l a n e e n , in F l o r i d a u n d M e x i c o e i n h e i m i s c h , b e i u n s in m a n c h e n G e g e n d e n reichlich angebaut.
§.
396.
D i e B e s t a n d t e i l e des T a b a c k s s i n d : N i c o t i n , N i c o t i a n i n , bitterer E x t r a c t i v s t o f f , G u m m i , S a t z m e h l , E i w e i s s u. s. w. — D a s Nicotin ist ein flüssiges, f a r b l o s e s , an der L u f t b r ä u n l i c h werdendes A l k a l o i d , w e l c h e s mit S ä u r e n s c h w e r k r y s t a l l i s i r b a r e S a l z e b i l d e t , n a c h T a b a k r i e c h t , s c h a r f s c h m e c k t und sehr g i f t i g wirkt. V i e r T r o p f e n t ö d t e t e n einen H u n d in 1 — 4 M i n u t e n , 1 D r a c h m e in 3 0 S e c u n d e n unter heftigen K r ä m p f e n und L ä h m u n g , E r w e i t e r u n g der Pupille. E s löst sich in A e t l i e r und A l k o h o l l e i c h t , in W a s s e r ziemlich leicht. — D a s N i c o t i a n i n ist eine z w e i f e l h a f t e S u b stanz, w i r k t s c h w ä c h e r und m a c h t k e i n e E r w e i t e r u n g der Pupille. D e r T a b a c k gehört, zu den s c h a r f e n n a r k o t i s c h e n Arzneistotien und ist d e r D i g i t a l i s darin ä h n l i c h , dass er wie diese ( s e h r o f t , a b e r nicht i m m e r ) die B e w e g u n g e n des H e r z e n s und der B l u t g e f ä s s e l a n g s a m e r m a c h t und zugleich die Kesorption b e f ö r d e r t ; a b e r der T a b a c k scheint die E m p f i n d l i c h k e i t in s y m p a t h i s c h e n N e r v e n zu v e r m i n d e r n und u m z u s t i m m e n . B e i d e Mittel sind a b e r in e i n i g e n N e b e n w i r k u n g e n wie a u c h im G r a d e der S t ä r k e von ein-
Taback.
353
ander unterschieden; denn der T a b a c k macht eine schwächere örtliche Einwirkung und wird, wenigstens von Pferden, in viel stärkeren Gaben ertragen als die Digitalis. Ich habe sehr oft gesunden Pferden 4 — 8 Grm. pulverisirten T a b a c k in einer Pille täglich drei- bis sechsmal und durch 2 — 3 T a g e nach einander gegeben, aber niemals irgend eine Wirkung hiernach gesehen; von 1 5 — 3 0 Grm. in einer Gabe erfolgte zuweilen schon nach 1 — 2 Stunden eine Verminderung der Pulse um 3 — 1 0 Schläge pro Minute; wurde solche Gabe nach Zwischenzeiten von 1 Stunde zwei- bis viermal wiederholt, so trat diese Verminderung der Pulse um desto sicherer nach der zweiten Gabe ein. Gewöhnlich wird der Puls zuerst unregelmässig, aussetzend, dapn gleichmässig langsamer. Die Wirkung dauert 6, 8 — 1 2 Stunden, und verschwindet da.nn wieder gänzlich; an der Pupille 1 und am Athmen konnte icl) dabei keine Veränderung wahrnehmen; zuweilen schien die Munterkeit - der Pferde etwas vermindert zu sein, aber der Appetit bestand gut fort, der Jioth ging etwas reichlicher, aber gut verdaut a b , und ebenso wurde der Urin etwas reichlicher entleert. — Von 1 8 0 Grm. des trockenen pulverisirten Krautes auf einmal, und täglich zwei- bis dreimal (also in 1 T a g e bis V j 2 Pfund) gegeben, sah ich im Wesentlichen nur dieselbe W i r k u n g ; bei einem Pferde wurde jedoch nicht allein die Zahl der Pulse von 3 8 auf 2 7 , sondern auch die der Athemzüge von 9 auf 5 vermindert, und die Wirkung dauerte gegen 4 0 Stunden. — Von den frischen Blättern der Nicotiana Tubacum und ebenso von der Nicotiana rustica vor der Blüthe und während derselben, gab ich verschiedenen 1 'forden 2 — 6 Pfund auf einmal, in Pillen und Latwergen, und bemerkte hiernach die angegebenen Wirkungen in einem sehr geringen Grade, zugleich aber durch einige Stunden Verlust des Appetits und reichlichen Abgang des Urins. — Von dem aus Nicotiana rustica gepresstep Sß.ft wurde 1 Pfund einem 9 J a h r e alten Pferde eingegeben, vorauf innerhalb einer Stunde eine V e r m e h r u n g der Pulse um 3 Schläge pro Minute, ynd innerhalb 2 1 / 2 Stunden viermaliges Misten und öfteres Harnen erfolgte. Die Wirkung war damit vorüber. 2 Pfund dieses Saftes am folgenden T a g e demselben Pferde eingegeben, wirkten auf ganz gleiche Weise und nur ebenso stark. — E i n Aufguss und ebenso ein Decoct von 3 0 — 9 0 Grm. trockenep Tabackskrautes zu 1 — 2 Pfd. Colatur, als Clystir bei Pferden in den Mastdarm gespritzt, erregte immer in kurzer Zeit mehrmalige Koth- und Ürinentleerung, ohne dass weitere Zufälle eintraten. Das Einspritzen von 15 Grm. Tabacks-Infusum (bereitet aus 15 Grip. trockenen Krautes und 1 8 0 Grm. heissen Wassers) in die Drosselvene eines kräftigen Pferdes, verursachte zugeich schnelleres, beschwerliches Athmen, sehr schnellen Puls, heftiges Zittern am ganzen K ö r p e r , dunklere Eöthung der Schleimhaut in der Nase und Mattigkeit. Diese Symptome minderten sich nach 1 Stunde und verschwanden nach 3 Stunden gänzlich. — Die Injection von 3 0 Grm. dieses Aufgusses in die Vene desselben Pferdes, aber 4 T a g e später gemacht, war mit ganz gleichen, aber viel heftigeren Zufällen begleitet, welche jedoch ebenfalls nur kurze Zeit bestanden. Das Pferd zeigte bald 1 Zuweilen war hei den s t ä r k e r e n G r a d e n d e r W i r k u n g d i e P u p i l l e e n g e r a l s im g e sunden Z u s t a n d e : eine E i g e n t ü m l i c h k e i t , wie sie bei k e i n e m andern n a r k o t i s c h e n Mittel vorkommt.
Ilr.rtTwzo, Arzneimittellehre.
5. Auflage.
23
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Narkotische Mittel.
darauf guten Appetit und die Entleerungen des Mistes und des Urins waren normal. — Als wieder -1 T a g e später GO G n u . dieses Aufgusses iujicirt w u r d e n , entstand sogleich höchst angestrengtes, ängstliches Atlimen, das T h i e r schien ersticken zu wollen, taumelte, hei nieder, versuchte unter grosser A n g s t wieder aufzukommen, konnte sich aber nicht auf den Beinen erhalten, sondern stürzte wieder nieder; der Puls sehr schnell, deutlich fühlbar, der Herzschlag stark pochend, krampfhafte Zusammenziehungen der Bauchmuskeln, Neigung zum Erbrechen, Umsehen nach dem Leibe. Nach 1 0 Minuten Hessen diese Zufälle sehr n a c h , das Pferd stand auf, ging aber schwankend; P u l s und Athem blieben noch gegen 5 Stunden beschleunigt und die Fresslust durch 2 T a g e vermindert, dann war der Zustand wieder normal. — D i e Pupille erschien fortwährend unverändert und ebenso die Entleerung des R o t h e s und Urins. E i n e r gesunden Kuli von mittlerer Grösse wurden DO Grm. pulverisirten T a b a c k s mit 1 1 j 2 P f d . wannen Wassers g e m e n g t , in 3 Tlieilen zusammen in der Zeit von 2 Stunden eingegeben. Schon nach der zweiten, noch mehr aber nach der dritten Gabe entstand bedeutend erhöhte Temperatur der H a u t , Vermehrung der Pulse von 6 5 auf 7 0 , beschleunigtes, etwas angestrengtes Atlimen, dann K ä l t e der Hörner, der Ohren und F ü s s e , niässige E r w e i t e r u n g der Pupille, und heftiger Scliweiss, der bis in die Nacht fortdauerte. Am folgenden T a g e frass das T h i e r schlechter und war etwas t r a u r i g , am dritten war es ganz wohl. — B e i Wiederholungen dieses Versuches, auch mit nur 6 0 Grill. T a b a c k trat ganz dieselbe W i r k u n g ein, aber bei einer andern K u h blieb sie selbst nach einer Gabe von 1 3 0 Grm. aus. — D a s durchgeseihte Infusum ('.'> Pfund) von derselben Menge T a b a c k brachte aucli bei der ersten K u h keine Wirkung hervor, aber der Rückstand von diesem Aufguss verursachte erhöhte Temperatur des ganzen Körpers. Zwei trächtige K ü h e IVassen auf der Heimkehr einige Maul voll trockener T a b a c k s b l ä t t e r und dann noch im Stalle eine Schnurvoll dieses Krautes. E i n i g e Stunden später zeigten sie kolikartige Zufälle, trippelten hin und her, und stampften mit den Füssen furchtbar. D a n n trieb der Hinterleib a u f ; die Tliiere wurden betäubt, hatten hervorstehende A u g e n , wilden Blick, bewegten den K o j j f viel und hoben ihn merkwürdig hoch auf; später zitterten sie, fielen zur Erde, lagen betäubt mit ausgestreckten Füssen und aufgestütztem K o p f e ; die Zunge hing hervor und Geifer floss aus dem Maule. Alle M ü h e , die T h i e r c aufzurichten, war vergeblich. Sie wurden geschlachtet, wonach blos etwas Entzündung der Magen und des Darmkanals und die B l a s e mit U r i n erfüllt gefunden wurde. Letzteres deutet darauf: dass die Ausleerung der B l a s e während jenes Zustandes aufgehört hatte ( S c Ii m a g e r , in der thierärztl. Ztg. 1 8 4 4 , No. 21 , S . 8 1 ) . — E i n Ochse verzehrte gegen 4 P f d . trockene B l ä t t e r von Landtaback. B a l d darauf zeigte er grosse Unruhe, Zähneknirschen, Stöhnen, Auftreibung des L e i b e s , legte sich mit ausgestreckten B e i n e n , bekam stinkende Diarrhöe, der Nasenspiegel wurde k a l t , das Maul aber war heiss und schleimig, der K ö r p e r wurde kalt und es traten Zuckungen e i n ; von Zeit zu Zeit stand das T h i e r a u f , trippelte mit den B e i n e n , und stöhnte; Appetit und Wiederkauen waren gänzlich verschwunden. U n t e r Convulsiouen trat nach 1 1 Stunden der Tod ein. S e c t i o n : I m W a n s t noch die bezeichnete Menge T a b a c k s b l ä t t e r , seine Schleimhaut dunkelroth und d a , wo die B l ä t t e r gelegen, mit, kleinen E r o -
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Taback.
sionen versehen, im Leerdarm ebenso, die übrige Schleimhaut sehr blass, das Blut sehr dunkel, sonst nichts Abnormes (sehr ähnliche Beobachtungen von S c h i , 1 1 e r , Magazin für Thierheilkunde X V . 254). Ziegen fressen gern T a b a c k , auch Schnupftaback. Einer gesunden Ziege wurden 1 5 Grm. pulverisirten Tabacks in Latwergenform, in 3 Theile getheilt, innerhalb 3 Stunden eingegeben. Bei der dritten Gabe erschienen die Pulse um 6 und die Atliemziige um 2 in der Minute vermindert, das Thier etwas aufgetrieben, aber munter. Die Wirkung dauerte gegen 7 Stunden. — Von 3 0 Grm. des Mittels, auf dieselbe Weise angewendet, entstand eine enorme Aufblähung des Leibes, blaurothe Färbung der Schleimhäute, ein geringer Grad von Betäubung und Krämpfe. Nach einem Aderlass minderten sich die Zufälle und am folgenden Tage zeigte sich das Thier wieder munter. — Dieselbe Monge Taback auf einmal gegeben, tödtete die Ziege unter ähnlichen Zufällen, welche gegen 10 Stunden dauerten. — Bei einer zweiten Zioge trat diese tödtliclie Wirkung nach 6 0 Grm. Taback ein. Ueber die Wirkungen dieses Mittels an Schafen und Schweinen sind sichere Beobachtungen nicht bekannt; Schweine sollen sich von ihm erbrechen. Einein kräftigen Ilunde gab man 1 Grm. pulverisirten T a b a c k , mit Mehl und Wasser zur Pille gemacht; nach 5 Minuten wurde die Pille wieder ausgebrochen, dennoch erfolgte nach 5t) Minuten eine Verminderung der Pulse von 87 auf 4ü ; die Arterie war weich und voll; das Athmcn, die Pupille, die Bewegung der Glieder und die Ausleerungen blieben unverändert und nach 5 Stunden zeigten sich auch die Pulse wieder in normaler Zahl. Orfila (a. a. G. S. 3 1 2 ) brachte mittelst der Oesophagotomie in den Magen eines starken Hundes 25 Grm. pulverisirten Taback. Nach einigen Minuten bemerkte man Drang zum Erbrechen, nach G 1/!ä Stunde Schwindel, langsamen Gang, Zittern der hinteren Extremitäten, das Athmen etwas beschleunigt, die Sinnesorgane schienen gesund. Nach 8 Stunden lag das Thier auf der Seite und konnte sich nicht mehr auf den Füssen erhalten, obgleich es bisweilen Versuche dazu machte; der Kopf zitterte beständig, die Physiognomie drückte Abstumpfung aus; es folgten Zuckungen der Nackenmuskeln, Schlaffheit der Glieder, schnelle, beschwerliche Respiration, schnelle, starke Herzschläge, und mit 9 Stunden der Tod. Ein Decoct, von 2 Grm. Taback zu 15 Grm. Colatur, einem kräftigen Hunde in den After gespritzt, verursachte sogleich Aeusserungen von Schmerzen im Leibe und Drang zur Kothentleerung, wobei der grösste Theil des Decocts wieder abging. Dennoch wurde bald darauf der Gang schwankend, der Herzschlag aussetzend, das Athmen angestrengt, und der Hund liel nach 6 Minuten betäubt nieder; nun folgte heftiges Erbrechen, das binnen einer halben Stunde mehrmals wiederkehrte, und worauf die übrigen Zufälle nach 3 Stunden wieder verschwanden. — E i n anderer H u n d , dein die doppelte Menge eines solchen Decoctes in den After gespritzt worden war, starb binnen 10 Minuten unter Zufällen von Lähmung. Auf die unverletzte äussere Haut wirkt Taback örtlich reizend, macht j u c k e n , und bei verletzter Epidermis, z. B. bei Hautausschlägen, sogar im hohen Grade. Ausserdem wird aber auch der wirksame Stoff auf der Haut reichlich absorbirt. — Waschungen mit einer starken Abkochung von Taback bei 2 0 Kühen wegen Läusen unternommen, verursachten bei 4 Stücken den Tod noch an demselben T a g e ; die übrigen kränkelten, 1 Stück starb nacli2S*
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Narkotische Mittel.
träglich noch. Bei der Section soll sicli nichts Krankhaftes gezeigt haben ( A l b r e c h t , im Magaz. f. /4 S t u n d e e r f o l g t e W ü r g e n z u m E r b r e c h e n , S c h w i n d e l , Zittern der hintern Extremitäten, nach 3 Stunden der Tod. - E i n anderer H u n d s t a r b s c h o n n a c h 2 4 0 G r m . dieses S a f t e s . E i n l l u n d von m i t t l e r e r G r ö s s e z e i g t e in •/ 2 S t u n d e n a c h d e m E i n g e b e n v o n 4 G r m . S c h i e r l i n g s e x t r a c t e i n e n t r a u r i g e n B l i c k , l e g t e sich n i e d e r , h ö r t e n i c h t a u f den Z u r u f , u n d s a h b e s t ä n d i g s t a r r a u f e i n e n G e g e n s t a n d ; w e n n er a u f s t a n d , blieb er mit ges e n k t e m K o p f e l ä n g e r e Zeit auf e i n e r S t e l l e s t e h e n . N a c h 2 1 /.. S t u n d e n n a h m e n d i e s e S y m p t o m e w i e d e r a b u n d n a c h 3 S t u n d e n w a r e n sie v ö l l i g v e r s c h w u n d e n ( S c h u b a r t h , in II o r n ' s Areli., 1 8 2 4 ) . — Von 3 0 G r i n . d e s E x t r a c t s t r a t e n bei e i n e m H u n d e ä h n l i c h e Z u f ä l l e , z u g l e i c h a b e r a u c h flüssige t ) a r m e n t l e e r u n g e n e i n ; n a c h 3 0 M i n u t e n w a r das T h i e r sinnenlos u n d n a c h 4 1 M i n u t e n erfolgte der Tod ( O r f i l a ) . — I n der Thierarzneischule zu L y o n 1 N a c h m e h r e r e n B e o b a c h t u n g e n ist das zu e i n e r a n d e r n Z e i t g e s a m m e l t e u n d b e s o n d e r s d a s j ü n g e r e K r a u t fast g a n z u n w i r k s a m ; S t a n d o r t , K l i m a u. s. w. sind v i e l l e i c h t e b e n f a l l s von E i n f l u s s . 2 T h e V e t e r i n a r i a n , 1 8 1 1 Oc.t., und Magazin f ü r T h i e r h e i l k . 1843. S. 3 7 0 . 3 C o m p t e r e n d u des t r a v a u x de l'Ecole vet. de L y o n , ann. 1817. Annal. de l ' a g r i c u l t . f r a n ? . T o m . 70. p. 2 5 8 . 4 M e m o i r e de l a Soc. d ' a g r i c . de P a r i s 1821. p. 9 2 ; und Uecueil de m e d . v e t e r . 1 8 4 7 . p. 651. 5 v. H a l l e r , M a t e r i a m e d i c a . A u s d. F r a n z . L e i p z i g 1782. 1. Theil. S. 234.
Schierlingskraut.
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starb ein H u n d von 10 G r m . des P u l v e r s 1 . G a l e n h a t t e b e h a u p t e t : die S t a a r e fressen das K r a u t u n d den S a m e n ohne S c h a d e n ; D r . R o s s i tödtete aber einen solchen Vogel durch 1/'.2 T r o p f e n Coniin in ' / 2 Minute (Dissert. inaug. de Effectit Conii. M a r b u r g 1 8 4 4 ) . Bei der A n w e n d u n g des Schierlings durch Injection in die B l u t a d e r n w i r k t er verhältnissmässig viel h e f t i g e r als innerlich. I c h spritzte einem s t a r k e n , mit R o t z behafteten P f e r d e ein I n f u s u m , bereitet von 2 G r m . des trockenen K r a u t e s u n d 15 G r m . k o c h e n d e n Wassers, in die Drosselvene, und b e m e r k t e augenblicklich Schwindel, Blässe der Schleimhaut in der N a s e u n d im Maule, sehr beschwerliches Athinen, Zittern der Muskeln, Z u c k u n g e n an den L i p p e n u n d sehr kleinen P u l s . N a c h 15 Minuten w a r e n diese Z u f ä l l e vorüber. Von ISO Grm. desselben I n f u s i erfolgte bei einem sehr m u n t e r e n P f e r d e g a n z dieselbe W i r k u n g , aber in solcher H e f t i g k e i t , dass das T h i e r nach k a u m 8 M i n u t e n starb. — 4 Grm. des wässerigen E x t r a c t e s in 45 G r m . W a s s e r s aufgelöst lind einem k r ä f t i g e n P f e r d e injicirt, wirkten ähnlich; ausser rlen g e n a n n t e n Z u f a l l e n f a n d sich aber noch S c h w a n k e n im Gehen, T a u m e l n , so dass das P f e r d niederstürzte, d a n n g a n z r u h i g lag u n d gelähmt zu sein schien; die Z u n g e hing wie abgestorben ans dem Maule; die H e r z s c h l ä g e waren von 35 bis über 100, die Athemziige über 6 0 in einer Minute vermehrt. N a c h 15 Minuten fingen diese Z u f ä l l e an sich zu m i n d e r n , aber erst nach 12 S t u n d e n waren sie ganz vorüber. — H u n d e zeigten nach Injection von 25 — 5 0 C e n t i g r m . des E x t r a c t e s , in 8 — 1 2 G r a m m e n W a s s e r gelöst, dieselben Symptome, und die W i r k u n g d a u e r t e 1 6 — 2 0 Stunden. — Bei O r f i l a starb ein TTund nach der Injection von 2 f i r m , des E x t r a c t e s binnen 2 Minuten. Bei subcutanen I n j e c t i o n e n starb ein H u n d von 5 T r o p f e n Goniin; :>0 T r o p f e n mit 6 G r m . destillirten W a s s e r s v e r d ü n n t hatten bei P f e r d e n nach einer starken, aber nicht lebensgefährlichen allgemeinen W i r k u n g eine sehr starke E n t z ü n d u n g an der I n jeetionsstelle, mit V e r j a u c h u n g des Zellgewebes zur Folge. I m C a d a v e r der durch Schierling getödteten T h i e r e findet sich zuweilen die Schleimhaut im Magen und D a r m k a n a l an einzelnen Stellen roth gefleckt, das Blut im H e r z e n bald geronnen, bald flüssig, u n d ü b e r h a u p t wenig ausgezeichnete pathologische V e r ä n d e r u n g e n . §. 4 0 2 . Die im Vorstehenden a n g e g e b e n e n V e r s u c h e zeigen: dass das Schierlingskraut innerlich bei den pflanzenfressenden g e s u n d e n T h i e r e n angewendet, selbst in grossen G a b e n n u r schwach auf das N e r v e n s y s t e m wirkt, dass es aber bei H u n d e n (wahrscheinlich bei allen Fleischfressern) narkotische Zufälle erzeugt. W e n n es d u r c h l ä n g e r e Zeit in mässigen G a b e n angewendet wird, soll es die Assimilation u n d Reproduction auf eigentbiimliche W e i s e umstimmen, namentlich das B l u t sehr v e r d ü n n e n , die T h ä t i g k e i t der Venen, der L y m p h g e f ä s s e und L y m p h d r ü s e n v e r m e h r e n , u n d daher auch die Resorption v e r s t ä r k e n . Man h a t deshalb den Schierling als ein auflösendes, zertheilendes u n d umstimmendes Mittel innerlich gegen Rotz u n d W u r m , gegen bösartige Druse, gegen L u n g e n k n o t e n , g e g e n V e r h ä r t u n g e n , besonders 1 N o u v e l l e s Recherches sur le principe actif de la ciguë, etc. par D e v a y et G u i l liermond. L y o n 1852. p. 38.
Narkotische Mittel.
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in drüsigen Organen, deshalb hauptsächlich gegen Scirrlius, Krebs, Wassersuchten, und ödematöse Anschwellungen in Folge der zu geringen Thätigkeit der Venen und Lymphgefässe und dergleichen benutzt, auch besonders gegen Entzündung und Verhärtung der Euter empfohlen; und äusserlicli hält man ihn häufig für specifiscli heilsam bei verhärteten schmerzhaften Geschwülsten, besonders in drüsigen Gebilden, bei Scirrlius und Krebs, bei Flecken und Verdunkelungen der Hornhaut, und selbst gegen Ausschwitzungen und Ver dunkelungen im Innern des Auges. E s ist leicht einzusehen, dass er bei diesen hartnäckigen, und mehrentheils allen anderen Mitteln widerstehenden Krankheiten nicht in jedem Falle die Genesung herbeiführen kann; indessen habe ich doch mehrmals, besonders bei dem Hautwurm der Pferde und bei Verhärtungen im Euter der K ü h e , ganz vortreffliche Wirkung von ihm gesehen. §. 403. Das trockene Kraut kann den grossen Ilausthieren zu .">()-- 0() Grm., Schafen und Ziegen zu 45 Grm., Hunden zu 1—4 Grm. in einer Gabe (das frische Kraut oder der ausgeprosste Saft in der doppelten Menge), und täglich zweimal gegeben werden. Die Anwendung geschieht in Pillen, in Latwergen oder im Decoct, und mehrentheils in Verbindung mit anderen entsprechenden Mitteln, besonders mit Spiessglanz, Quecksilber, Thierkohle und dergleichen. Aeusserlich benutzt man sowohl das trockene wie das frische Kraut zu Hreiumschlägen und das Decoct zum Bähen der verhärteten oder schwärenden Theile, ähnlich wie das Bilsenkraut. A n m e r k u n g 1. D a s a u s d e m K r d s c h i e r l i n g b e r e i t e t e E x t r a c t ( h'.xtr. Conti maculati) ist in d e r T h i e r a r z n e i k u n d e n i c h t g e b r a u c h l i c h , es k a n n a b e r b e i d e n o b e n g e n a n n t e n K r a n k h e i t e n den Z i e g e n , St'liafen. S c h w e i n e n und K u n d e n zu 0 , 6 — 2 , 0 g e g e b e n und ä u s s e r licli b e i d e n D r ü s e n l e i d e n u n d A u g e n f ' e h l c r n r e c h t g u t , s o w o h l f ü r s i e h a l l e i n l i n A u f l ö s u n g e n , 1 Theil zu 3t)—40 T h e i l e n destillirten W a s s e r s ) oder a l s Z u s a t z zur rotlien und g r a u e n M e r k u r i a l s a l b e u s. w. b e n u t z t w e r d e n . A n m e r k u n g 2. D e r W a s s o r . s c h i e r l i n g ((Vtcuta virosa s. aquntira) ist. a l s A r z n e i mittel nicht g e b r ä u c h l i c h , w i r k t weit k r ä f t i g e r u n d g i f t i g e r als der K r d s c h i e r l i n g auf a l l e H a u s t h i e r e , so d a s s 1 P f u n d d i e s e r P f l a n z e h i n r e i c h e n d ist z u m T ö d t e n eines P f e r d e s . D i e Zufälle hierbei w a r e n : Unruhe, Krämpfe, stierer Blick, Erweiterung der Pupille, unwillk ü r l i c h e s K a u e n , U n v e r m ö g e n zu s t e h e n , b l ä u l i c h e F ä r b u n g d e r S c h l e i m h a u t u n d d e r g l . ( s i e h e K r a u s e in G u r l t u n d I i e r t w L g , M a g a z i n d e r T h i e r h e i l k u n d e , B d . 3. S. 3 3 8 ; u n d V i b o r g , S a m m l . B d . 3. S. 1 5 3 ) . ( P r e i s : G e p u l v . K r a u t 3 0 G r m . 1 S g r . 10 P f . )
9) Die ltlausäure, Aciduvi
hydroeyanatwn
Cjanwassi rstuftsäurc, a. hydrocyahicum,
Preussische Säure,
s. zooticum,
s. Boruxsicitvi.
(o)
§• 404. Die Blausäure ( C 2 N H = H C y ) ist eine aus C y a n (Blaustoff, C 2 N = C y , — eine Verbindung von Kohlenstoff und Stickstoff) und Wasserstoff bestehende farblose, durchsichtige Flüssigkeit, von starkem Bittermandelgeruch, höchst flüchtig, daher leicht verdunstend, in Wasser und in Weingeist leicht löslich, durch andere Substanzen (besonders Metallsalze und Schwefelalkalien, auch durch das Licht) leicht zersetzbar. Dieselbe findet sich vorbereitet in einzelnen Theilen der Pflanzen aus den Familien der Amygdaleen und
Schierlingskraut, Blausäure.
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Pomaceen (den Bliithen und Kernen der bitteren Mandeln, Aprikosen, Pfirsichen, Pflaumen, Kirschen, den Bliithen und Blättern der Traubenkirsche, den Blättern und der Rinde des Kirschlorbeers) und wird aus denselben durch Destillation mit Wasser g e w o n n e n o d e r sie wird mittelst verschiedener chemischer Processc aus stickstoffhaltigen thierischen Substanzen erzeugt. J e nach der Bereitungsart ist die Blausäure entweder rein (concentrirt) oder wasserhaltig (verdünnt) und sowohl hiernach wie auch nach der Art der Aufbewahrung und nach dem Alter ist sie mehr oder weniger wirksam. Im wasserfreien Zustande (z.B. nach G a y - L u s s a c bereitet) besitzt die Blausäure eine äusserst schnelle und heftige, giftige Wirksamkeit, so dass selbst von ausserordentlich kleinen Gaben augenblicklich die heftigsten Zufälle und selbst der Tod entstehen. Ein Tropfen dieser Blausäure einem Hunde auf die Zunge gebracht, verursacht soglcich einige tiefe, schnelle und röchelnde Athemzüge und den Tod. Dieselbe geringe Menge ins Auge, oder auf die Nasenschleimhaut, oder auf eine frische Wunde applicirt, tödtet einen Hund binnen 1 Minute unter denselben Zufällen. Von einem Tropfen, der mit 1 Tropfen Weingeist verdünnt in die Vene gespritzt wurde, starb ein Iiund augenblicklich, wie vom Blitz getroffen ( M a g e n d i e , Vorschriften über die Bereitung und Anwendung einiger neuen Arzneimittel, S. 59). Bei Pferden erfolgte der Tod durch innerliche Anwendung von 1 2 — 2 0 Tropfen dieser Säure ebenfalls so schnell und unter gleichen Zufällen. In diesem concentrirten Zustande ist die Blausäure als Arzneimittel nicht zu gebrauchen, weil sie ausserordentlich flüchtig und leicht zersetzbar ist, und weil ihre Anwendung sowohl für die kranken Thiere, wie auch für die Personen, die das Eingeben bewirken, mit Vergiftungsgefahr verbunden ist. Man benutzt deshalb zum arzneilichen Gebrauch eine verdünnte Blausäure, welche aber in den verschiedenen Ländern nach verschiedenen Vorschriften bereitet wird, und daher von sehr abweichender Stärke ist. Von der nach I t t n e r ' s Methode bereiteten (von welcher 3 Tropfen einen Gran [6 Centigrni.] wiegen und 100 Theile, mit Keagentien behandelt, 3 Theile Berlincrblau geben)- entstand bei mehreren Pferden von 20 Tropfen dieser Säure, mit 2 — 3 l ' n z e n (CO—90 Grm.) kalten Wassers verdünnt eingegeben, keine bemerkbare Wirkung. — 30 Tropfen ohne Wasser verursachten bei denselben Pferden binnen 1 Minute ein gering beschleunigtes Athmen, der Puls blieb unverändert; nach wenigen Minuten war die W i r k u n g vorüber. — Von 50 Tropfen ohne Wasser wurden sogleich die Atliemziige etwas beschwerlicher, schneller und tiefer, der Puls etwas beschleunigt, die Pupille erweitert. Nach 5 Minuten war Alles wieder vorüber. — Von 80 Tropfen dieselben Symptome, aber das Athmen wurde stöhnend, fünfzehn- bis sechzehnmal in einer Minute mit besonderer Anstrengung der Bauchmuskeln ausgeübt, der Puls auf 52 Schläge vermehrt, anfangs voll und weich, dann klein und unregelmässig; 1 In diesen Pflanzen besteht die Blausäure nicht fertig, sondern sie b i l d e t sich erst aus dem in ihnen enthaltenen A m y g d a l i n bei der Einwirkung des E m u l s i n und des Wassers. - D i e B l a u s ä u r e , welche nach der bisher in der Preuss. Pharmacopöe enthalten g e w e s e n e n Vorschrift bereitet w i r d , ist e t w a s s t ä r k e r und giebt aus 1 0 0 T h e i l e n mit W a s s e r verdünnt durch Hinzuthun einer L ö s u n g von salpetersaurein Silberoxyd 4 Theile Berlinerblau oder 9 — 1 0 Gran Cyiuisilbcr, oder 2 T h e i l e wasserfreie Blausäure. — W e g e n der Unsicherheit und Gefährlichkeit des Mittels soll dasselbe nicht mehr officinell sein.
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Narkotische Mittel.
Zittern der Gliedmaassen, Unsicherheit im Stellen. Die W i r k u n g dauerte 15 Minuten. — 1 0 0 Tropfen ( 3 3 G r a n oder 2 G n n . ) verursachten dieselben Zufälle im höhern G r a d e , und namentlich war die Unruhe, die Aengstliclikeit und das Zittern deutlicher ausgesprochen ( S e h u b a r t h a. a. ().). — l Grm. ( 1 8 0 T r o p f e n ) bewirkten sogleich beschwerliches, fast röchelndes und bis auf 25 Züge in einer Minute vermehrtes Athnien, Sträuben der I l a a r e am ganzen Körper, s e h r r o t h e F ä r b u n g d e r B i n d e h a u t d e r A u g e n und d e r S c h l e i m h a u t i n d e r N a s e u n d i m M a u l e 1 , Erweiterung der Pupille, Vermehrung der Pulse von 37 bis auf G0, wobei die Arterie voll und gespannt, der Herzschlag stark fühlbar w a r ; Zittern derGliedmaassen, Taumeln. Der A t h e m roch stark nach Blausäure. Nach 2 0 Minuten schien die Wirkung vorüber zu sein; nur der Puls war etwas schneller, zugleich aber kleiner und weicher als vorher. — 8 G n n . erzeugten dieselben Zufälle in einem so hohen G r a d e , dass die Pferde unter sehr ängstlichem röchelndem Athnien nach kaum 1 — 2 Minuten niederstürzten, die Augen verdrehten und Zuckungen b e k a m e n ; aber nach (>—10 Minuten erholten sie sich wieder, standen auf, und nach 1 Stunde waren sie wieder ganz munter. — Von 1 5 Grm. trat die W i r k u n g fast augenblicklich mit denselben Zufällen e i n ; das Pferd stürzte nach einer Minute, sehr kurz und angestrengt athmend und taumelnd, nieder, bekam K r ä m p f e in allen Muskeln, so dass die Augen verdreht., das Maul auf gezogen, der H a l s nach rückwärts gekrümmt, die Bauchmuskeln stark gegen den R ü c k e n gezogen, und die Beine Konvulsivisch bewegt wurden; nach 15 Minuten trat Kuhe ein, die B e i n e und die Zunge waren ganz schlaft', die E m pfindlichkeit zeigte sich bei angebrachten Stichen u . s . w . ganz erloschen; die, bis 1 2 0 in einer Minute vermehrten Herzschläge wurden so stark pochend, dass man sie hören k o n n t e ; dagegen nahm das früher heftige Athnien immer mehr ab, so dass nach V e r l a u f von 18 Minuten nur zweimal in einer Minute und nach 2 2 Minuten nur einmal in einer Minute mit aufgesperrtem Maule tief eingeathmet wurde. Mit 2 5 Minuten erfolgte der T o d ganz ruhig. D a s Herz schlug noch durch 3 — 0 Minuten, die S c h l ä g e wurden aber immer langsamer, unregelmässiger und schwächer, und mit 2 8 Minuten blieben sie ganz aus. D i e Arterien pulsirten kaum fühlbar, aber dennoch spritzte, als man sie zerschnitt, das B l u t stossweise aus ihnen, und zwar in mehreren F ä l l e n noch 8 — 1 2 Minuten nach dem Aufhören des Athmens. M a n c h e Pferde wieherten etwa 1 / a — 1 Minute nach dem Eingeben der Blausäure ganz laut; und wenn die W i r k u n g tödtlich wurde, so ging der Urin unwillkürlich ab. Zuweilen erfolgte vor dem T o d e eine A r t Starrkrampf, wobei der ganze K ö r p e r mit grösster Heftigkeit nach rückwärts gestreckt wurde. — Macht man während der W i r k u n g einen Aderlass, so erscheint das Venenblut stets heller roth, dem Arterienblut ähnlich, und es gerinnt schnell und gleichmässig; später wird es dunkler und zersetzt sich leicht. D a s Arterienblut zeigt im Anfange der W i r k u n g keine Abweichung von seiner normalen Beschaffenheit, späterhin wird es aber etwas dunkler gefärbt, — wie es scheint, in F o l g e der mangelhaften Respiration.
1 Ich h a b e diese K ü t h e der S c h l e i m h ä u t e ganz c o n s t a n t nach k l e i n e r e n und g r ö s s e r e n G a b e n und b e i a l l e n T h i e r e n b e o b a c h t e t ; sie z e i g t , dass die B l a u s ä u r e , so wie a n d e r e n a r k o t i s c h e M i t t e l , auch b e s o n d e r s u m ä n d e r n d auf das B l u t und auf das G e f ä s s s y s t e m w i r k t , a b e r in a n d e r e r A r t als die ü b r i g e n n a r k o t i s c h e n M i t t e l .
Blausäure.
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An Schafen und Ziegen hat C. V i b o r g 1 mit Blausäure C Versuche angestellt, aus denen sicli ergiebt: dass bei diesen Thieren die Erscheinungen der W i r k u n g im Wesentlichen dieselben sind, wie bei Pferden und H u n d e n ; — dass 2 5 — 3 0 Tropfen einem 9 Monate alten Ziegenbock durch ein Clystir beigebracht, oder dieselbe Gabe einem G Monate alten Schafe durch das Maul eingegossen, den Tod nicht verursachten; — dass 40 Tropfen einem 2 Monate alten Lamme in die Mutterscheide gespritzt, heftige Zufälle hervorbrachten, die aber nach und nach wieder verschwanden, und dass jenes Schaf durch 1 Drachme, der Ziegenbock aber durch 2 Drachmen getödtet wurden. A n Hunden ist d i e , 1 1 t n e r ' s e h e Blausäure vielfältig versucht worden. 2 — 6 Tropfen innerlich gegeben verursachen gewöhnlich nur etwas dunklere Röthung der Schleimhaut, Husten, zuweilen auch kurzes, schnelleres Atlimen, -— doch nur für wenige Minuten; — von 10 —15 Tropfen entsteht nach etwa einer halben Minute schnelles, krampfhaftes, ängstliches Athmen, Zittern der Glieder, liöthung der Schleimhäute, manchmal Neigung zum Erbrechen, oder wirkliches Erbrechen, Taumeln, selbst Niederstürzen, schnellerer Puls, Erweiterung der Pupille, Krampf in allen Muskeln. Diese Symptome bestehen durch 3 — 5 Minuten, nehmen dann allmälig ab und verschwinden mit 6 —10 Minuten gänzlich. J e früher das Erbrechen eintritt, um desto gelinder sind die Zufälle und um desto kürzer ist ihre Dauer. — 2 0 — 3 0 Tropfen wirken auf gleiche Weise, führen aber sehr oft den Tod schnell herbei, und von 40 bis 60 Tropfen erfolgt der letztere jederzeit nach etwa einer halben Minute. Bei der Einspritzung von 10—15 Tropfen dieser Blausäure in den Mastdarm oder in frische W u n d e n tritt die W i r k u n g mit ganz ähnlichen Zufällen, jedoch ein wenig langsamer als bei innerlicher Anwendung ein. Noch heftiger und schneller wirkt aber das Mittel, wenn es in die Vene gespritzt wird. Pferde werden hierbei von 2 0 — 3 0 Tropfen schon nach l j i Minute schwindlig und fallen nieder, die Schleimhaut im 5faul und in der Nase wird hierbei zuerst für kurze Zeit etwas dunkler roth, dann aber g a n z b l a s s , das Atlimen sehr angestrengt, die Pupille erweitert, es tritt Starrkrampf, L ä h m u n g und der Tod ein. Ebenso schnell wirkt die Blausäure, wenn man sie durch eine gemachte Oefl'nung in die Luftröhre giesst. Selbst durch blosses Einathmen der verdunstenden Blausäure, z. B. wenn man ein mit ihr gefülltes Gläschen einem Tliiere in die Nasenlöcher hält, ist der Tod unter obigen Zufällen bald zu bewirken. Auch subcutane Injectionen wirken ähnlich; Pferde bekamen von 100 Tropfen heftige Krämpfe, und ihre Temperatur ging einige Grade herab. — 4 Tropfen erzeugten bei einem mittelgrossen Hunde heftige Zufälle, während diese Gabe innerlich ohne Wirkung blieb. 12 Tropfen tödteten einen mittelgrossen H u n d in 10 Minuten unter Zufällen wie oben. § . 405. An den Cadavern der durch Blausäure getödteten Thiere bemerkt m a n : dass sie in kurzer Zeit nach dem Tode ganz steif werden, — dass der Glanz der Hornhaut ziemlich lange besteht, — dass die Nerven und Muskeln noch 1
Acta nova Soc. med. Havn.
V o l . V I . Kopenli. 1821.
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Narkotische Mittel.
durch 15 — 20Minuten f ü r den Galvanismus s e l i r e m p f ä n g l i c h s i n d — dass die wurmförmige Bewegung des Darmkanals ebenso lange besteht, — das Gehirn und oft das Kückenmark sehr blutreich ist, — das Blut schwarzbraun, zuweilen bläulich, schmierig- erscheint und dass zuweilen bald im Magen und Darmkanal (bei Wiederkäuern vorzüglich im vierten Magen), bald im Herzen oder im Gehirn und Rückenmark ein Geruch nach Blausäure (jedoch in der Regel nur für kurze Zeit) wahrzunehmen ist, woraus sich ergiebt: dass Blausäure in das Blut übergeht. Andere pathologische Folgen, z. B. Röthung der Schleimhaut des Magens u. s. w., welche sich in einzelnen Cadavern finden, sind nur zufällige Erscheinungen; und selbst der Blausäuregeruch ist von zufälligen Umständen, z. B. von dem Liegen des Cadavers während kurzer oder längerer Zeit an trockenen oder feuchten, an hellen oder dunklen Orten und dergleichen abhängig. §. 406. Aus den angegebenen Wirkungserscheinungen geht hervor: dass die Blausäure zuerst auf das Gehirn und verlängerte Mark und unmittelbar hiernach auf das ganze Rückenmark wirkt und in grüsster Schnelligkeit das Bewusstsein, das Empfindungs- und Bewegungsvermögen vermindert, lälnnt. Fast specifisch ist diese W i r k u n g auf den Theil des verlängerten Marks, in welchem die Respirationsnerven wurzeln; denn immer sieht man als erste und als heftigste Erscheinung die Störung der Respiration, und bei tüdtlicher Wirkung hat die letztere längst aufgehört, während die Herzbewegung noch fortbesteht. Sehr wahrscheinlich ist die bei der Blausäurewirkung gefundene Veränderung des Blutes grösstenteils die Folge des gestörten Atlnnens. §. 407. Die Anzeige zum Gebrauch der Blausäure gegen Krankheiten dcrThiero ist da, wo e r h ö h t e S e n s i b i l i t ä t d i e H a u p t e r s c h e i n u n g d e r K r a n k h e i t i s t , a b e r d a s W i r k u n g s v e r m ö g e n n o c h f o r t b e s t e h t , wo also bei grosser Empfindlichkeit (Schmerz) wohl noch Krämjife, oder abnorme Secretionen bestehen. Hiernach hat man die Blausäure gegen erethische Entzündungen, besonders der Respirationsorgane, des Rückenmarks und der Baucheingeweide, gegen Krämpfe und Schmerzen, Reizhusten, Brustkrampf, Koliken, Erbrechen und zu grosse Sensibilität des Magens, wo andere Mittel stets sogleich wieder weggebrochen werden, gegen Epilepsie, Starrkrampf, gegen Stockungen im Pfortadersystem, bei Anschwellungen und Verhärtungen drüsiger Gebilde und dergl. bald mit mehr, bald mit weniger heilsamem Erfolge angewendet. Ich habe das Mittel bei dem sogenannten nervösen Dampf der Pferde, wo das beschwerliche Athmen ohne vorausgegangene Entzündung in kurzer Zeit entstanden, und bei jedem Athemzuge mit krampfhafter Zusammenziehung der Stimmritze und mit einem lauten, mehrentheils pfeifenden Tone verbunden war, mit sehr gutem Erfolge oft gebraucht. — Bei dem chronischen Reizhusten der Hunde, der meistens die Thiere Tag und Nacht quält, 1 W e n n ich ü b e r diesen P u n k t fast a l l e n a n d e r e n A n g a b e n w i d e r s p r e c h e , su g e s c h i e h t d i e s n u r auf G r u n d m e i n e r s e h r z a h l r e i c h e n Unter,suchungen.
Blausäure.
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habe ich von keinem andern Mittel so schnell Erleichterung und in manchen Fällen selbst wirkliche Heilung erfolgen sehen, wie v o n der Blausäure. — G e g e n Epilepsie und g e g e n die Convulsionen bei und nach der Staupe der H u n d e hat es in den meisten F ä l l e n nichts geleistet 1 . — Bei der W u t h k r a n k lieit der H u n d e aucli nicht. B e i dem Starrkrampf der P f e r d e hat es zwar in einigen F ä l l e n nach jedesmaliger A n w e n d u n g ein fast augenblickliches Nachlassen des Krampfes, jedoch nur vorübergehend erzeugt, selbst w e n n mit der Application des Mittels bei dem Wiedereintritt des Krampfes fieissig fortgefahren wurde; kein P f e r d wurde damit g e h e i l t ; in den meisten F ä l l e n schien es, selbst bei vorsichtiger A n w e n d u n g die, ohnedies durch den anhaltenden Krampf so sehr in Anspruch g e n o m m e n e n , Kräfte zu schnell zu vermindern. G e g e n den Dummkoller, selbst wenn er mit Erethismus verbunden war, habe ich das Mittel vergeblich angewendet. — G e g e n Darmentzündung versuchte ich es bei einigen Pferden mit gutem E r f o l g e ; es wurden aber zugleich Blutentziehungen und schleimige Mittel benutzt. — Bei der Lungenseuche des Rindviehes habe ich es sehr oft und in verschiedenen Gaben ganz ohne Nutzen angewendet. Dass, wie K i t t e r behauptet 2 , die Blausäure bei activen E n t z ü n d u n g e n und acuten Rheumatismen derTliiere wirklich das beste Mittel, und dem Salpeter und anderen Salzen vorzuziehen sei, kann ich nicht bestätigen. G e g e n veraltete rheumatische L ä h m u n g e n wendete sie C. V i b o r g (a. a. 0 . ) vergeblich an. Aousscrlich angewendet hat die verdünnte Blausäure bei j u c k e n d e n und schmerzhaften Zuständen der verschiedensten Arten, besonders aber bei dem Hautjucken und schmerzhaften F l e c h t e n , augenblickliche L i n d e r u n g , aber keine H e i l u n g verschafft. — I n neuerer Zeit hat man sie subcutan injicirt g e g e n heftige Schmerzen einzelner Körpertheile, ebenso g e g e n Krämpfe, und selbst gegen T y p h u s (zur Minderung der Fieberhitze) mit g u t e m E r f o l g e angewendet. D i e G e g e n a n z e i g e n g e g e n die A n w e n d u n g der Blausäure sind im Wesentlichen die im §. :S67 angedeuteten krankhaften Zustände. §. 4 0 8 . D i e richtige Bestimmung der, bei eleu verschiedenen T h i e r e n für j e d e n Fall angemessenen Gabe ist bei der Blausäure schwieriger, als bei vielen anderen Mitteln, theils, weil das Präparat häufig von sehr verschiedener Stärke ist (§. 403), theils auch, weil die individuolle Empfänglichkeit für die Blausäure bei den einzelnen Thieren (selbst bei denen von gleicher G a t t u n g , von gleichem Alter u. s. w.) sich in sehr verschiedenen Abstufungen zeigt. Der in dieser B e z i e h u n g durch die verschiedenen Krankheiten bedingte Unterschied ist noch gar nicht bekannt. D i e mittlere Gabe ist von der, nach der I'reuss. Pharmacopöe bereiteten Blausäure (S. ö 6 o Anmerk. 2) für P f e r d e und Rinder 2 — 4 Grm. oder 9 0 — 1 8 0 Tropfen, für Schafe 3 0 — 5 0 Centigrm. oder 1 5 — 2 4 Tropfen, für kleine H u n d e 1 — 2 , für grosse 4 Tropfen. — D i e s e Gabe darf nur mit Vorsicht verstärkt werden. D i e W i e d e r h o l u n g findet bei 1 L e v r a t theilt mit (Recueil vet. 1841, p. G86): dass ein H u n d , der mit E p i l e p s i e behaftet war, durch eine grosse Gabe Blausäure g e t ö d t e t werden s o l l t e , zwar hiervon bemüht wurde und niederstürzte, sich aber w i e d e r erholte und dann von der Krankheit befreit blieb. 2 Vom Verkaufe und Kaufe der nützlichsten Hausthiere. Mannheim 1821.
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Narkotische Mittel.
acuten K r a n k h e i t e n in Zwischenzeiten von 2 -1 .Stunden, bei chronischen K r a n k h e i t e n n a c h S 12 S t u n d e n Statt. lJie innerliche Anwendung' geschieht am besten iu flüssiger Form, mit 2 0 — 4 0 T h e i l e n k a l t e n destillirten Wassers (auch Flusswasser oder Regenwasser) v e r d ü n n t , oder mit ebenso viel von einer einfach schleimigen Flüssig keit versetzt; z. B . m a n macht eine Auflösung von 2 Grm. p u l v e r i s i r t e m a r a b i s c h e n G u m m i mit 15 Grm. g e m e i n e m d e s t i l l i r t e n W a s s e r , u n d setzt h i n z u : B l a u s ä u r e 0 — 1 0 Tropfen. D a v o n giebt man einem mittelgrossen H u n d e alle 4 Stunden den vierten Theil, das ist gegen tiU—70 T r o p f e n auf e i n m a l u n d verbraucht das Ganze in einem T a g e , weil das Mittel bei längerer A u f b e w a h r u n g leicht zersetzt und unwirksam wird. F ü r die grossen T h i e r e m u s s m a n die bestimmte einzelne Gabe der Blausäure unmittelbar vor dem E i n g e b e n zu dem Vehikel setzen 1 . J e grösser die Menge des letztern ist, u m desto schwächer ist die W i r k u n g von einer bestimmten Gabe, im Vergleich zu derselben Gabe, wenn das Mittel rein, d. h. f ü r sich allein gegeben wird. — Z u r A n w e n d u n g in Pillen und Latwergen ist die Blausäure nicht geeignet, weil sie bei der Zubereitung dieser A r z n e i f o r m e n g r ö s s t e n t e i l s verdunsten w ü r d e . A u c h eignet sie sich nur sehr wenig zu V e r b i n d u n g e n mit anderen A r z neimitteln, weil sie durch viele Stoffe theils leicht zersetzt, tlieils in ihren W i r k u n g e n sehr modificirt wird; am meisten nachtheilig sind die Zusätze von M e t a l l o x y d e n , v o n geschwefelten K a l i e n und E r d e n , von S ä u r e n und von Brechweinstein'-. Z u C l y s t i r e n w e n d e t man dieselbe Menge ebenso v e r d ü n n t mit einer k a l t e n F l ü s s i g k e i t an. Zu subcutanen Jnjectionen d ü r f e n die (¡aben nicht grösser sein als z u m innerlichen Gebrauch, sondern 1 ' 4 — 1 { 3 weniger als hier bei; also f ü r P f e r d e 1—'.>Grm. u. s. w. nach obiger A n g a b e , ebenfalls mit kaltem Wasser v e r d ü n n t , täglich 1 — 2 mal. Aeusserlich 4 --Ii G r m . auf 1 / 2 P f u n d W a s s e r , täglich mehrmals zum Befeuchten der schmerzhaften Stellen. (1 D r a c h m e 10 Pfg.) cyanahim s. Kali A n m e r k u n g 1. D a s b 1 a u s a u r e K a 1 i , C y a n k a 1 i u m {Kalium hydrocyanicumj (oJ ist im W a s s e r l e i c h t , im W e i n g e i s t w e n i g , im A l k o h o l i'.i>t g a r n i c h t l ö s l i c h , zerfliesst an der L u f t und wird durch die K o h l e n s a u r e d e r s e l b e n , unter E n t w i c k e l u n g v o n B l a u s ä u r e , z e r s e t z t . — D i e s e s S a l z wirkt g a n z w i e z i e m l i c h concentrirte B l a u s ä u r e , örtlich a b e r e t w a s mehr reizend. P f e r d e starben v o n 4 — 8 Grm. g e w ö h n l i c h in e t w a 2 0 Minuten, H u n d e v o n 2 4 — 3 0 Centigrm. in d e r s e l b e n Z e i t . Man k a n n das C y a n k a l i s t a t t der B l a u s ä u r e in a l l e n F ä l l e n b e n u t z e n , w o d i e s e e m p f o h l e n i s t ; es ist w o h l f e i l , v o n m e h r g l e i c h a r t i g e r W i r k s a m k e i t und in allen F o r m e n a n z u w e n d e n . G a b e für l'l'erde und
1 D a s E i n g e b e n der B l a u s a u r e b e i den grossen Thieren m u s s i m m e r v o m Thierarzt s e l b s t g e s c h e h e n u n d der letztere darf die für ein P f e r d oder Kind zu einer v o l l s t ä n d i g e n G a b e e r f o r d e r l i c h e M e n g e dieses h e l t i g e n M i t t e l s im u n v e r d ü n n t e n Z u s t a n d e N i e m a n d e m a n v e r t r a u e n . D i e s e r U m s t a n d , die U n g l e i c h h e i t in der Stärke d e s M i t t e l s , die l e i c h t e Zers e t z b a r k e i t und g r o s s e F l ü c h t i g k e i t d e s s e l b e n , die hierdurch e r s c h w e r t e A n w e n d u n g in a n d e r e r a l s in flüssiger F o r m , — A l l e s d i e s e s wird s t e t s die B e n u t z u n g der B l a u s ä u r e ii. der T h i e r a r z n e i k u n d e s e h r b e s c h r a n k e n . Man kann aber auch bei den a l l e r m e i s t e n Ivrankb e i t s z u s t ä n d e n o h n e d i e s e s h e r o i s c h e Mittel a u s k o m m e n . 2 In d i e s e n M i t t e l n , so w i e im S a l m i a k g e i s t ( e i n g e g e b e n und e i n g e a t h m e l ) , im Chlorw a s s e r und im E i n a t h m e n v o n C h l o r d ä m p f e n , im Terpenthinöl u. s. w. bat m a n G e g e n m i t t e l g e g e n die W i r k u n g e n der B l a u s ä u r e finden w o l l e n ; die E r f a h r u n g hat j e d o c h g e l e h r t , d a s s d i e s e W i r k u n g e n , e i n m a l e n t s t a n d e n , k a u m durch ein Mittel zu b e s e i t i g e n s i n d . Am meisten nützlich waren kalte Begiessungen.
Blausäure.
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R i n d e r 60 C e n t i g r m . bis 1.25, für Schafe 6 —18 C e n t i g r m . , f ü r H u n d e 2 — 6 C e n t i g r m . D i e A n w e n d u n g am besten iu 1 0 — 2 0 Theilen d e s t i l l i r t e m W a s s e r gelost. Aeusserlicli e b e n s o , oder als Salbe, 1 Theil mit 20 Theilen F e t t . ( P r e i s : 30,0 3 Sgr.) A n m e r k u n g 2. Die b i 11 e r e n M a n d e 1 n (Amygdalae amarae) enthalten G u m m i , Z u c k e r , fettes Oel, A m y g d a l i n , E m u l s i n oder S y n a p t a s und dergl. Sie entwickeln bei Zutritt von W a s s e r aus dem A m y g d a l i n und Emulsin z u s a m m e n B l a u s ä u r e und wirken h i e r d u r c h , w e n n sie in g r o s s e r Menge genossen w e r d e n , g i f t i g , w ä h r e n d diese Stoffe einzeln n u r wie s c h l e i m i g e Mittel w i r k e n . Auf die g r o s s e n T h i e r e ist a l l e r d i n g s die W i r k u n g n u r schwach. E m P f e r d zeigte nach dein E i n g e b e n von 1 / i P f u n d b i t t e r e r M a n d e l n einen kleinen, schnellen P u l s , h e f t i g e s Flankenzielien, S t ö h n e n , Aechzen, ö f t e r e s Misten. D i e s e Z u f ä l l e d a u e r t e n gegen 1 j t Stunde. D i e s e l b e G a b e b a l d darauf w i e d e r h o l t , w i r k t e ähnlich, a b e r s c h w ä c h e r , und als sie nach Verlauf von 6 S t u n d e n dem n ä m l i c h e n P f e r d e nochmals g e g e b e n w u r d e , k o n n t e man blos M a t t i g k e i t und einen k l e i n e n P u l s b e m e r k e n ( V i b o r g , S a m m l . Bd. I. S. 317). Ich gab einem s t a r k e n H u n d e 10 Stück bittere M a n d e l n in P i l l e n ; nach 2 Minuten w u r d e das A t h m e n b e s c h w e r l i c h , schnell, das T h i e r lief ängstlich h e r u m , z i t t e r t e , t a u m e l t e , fiel nach 5 Minuten nieder, b e k a m E r b r e c h e n , wobei die s ä m m t l i c h e n P i l l e n wieder ausgeleert w u r d e n ; es e r h ö h e sich a b e r nach 10 Minuten w i e d e r so, dass es a u f s t a n d und nach einer h a l b e n Stunde g a n z wohl w a r . — O r f i l a s a h einen H u n d von 20 b i t t e r e n Mandeln nach 6 Stunden s t e r b e n ; und bei einem a n d e r n erfolgte der Tod von 0 zerquetschten M a n d e l n , die man ihm in eine W u n d e gelegt hatte. Man k a n n die b i t t e r e n Mandeln bei s c h m e r z h a f t e m H u s t e n , bei K r a m p f - und Entzünd u n g s k o l i k , bei E u h r und dergl. b e n u t z e n ; für P f e r d e und R i n d e r 2U 3 0 — 6 0 Grm., für Schafe zu 2 — 4 Grm., f ü r H u n d e zu 1 — 2 , / 2 G i m . auf einmal, — a m besten, indem man sie durch Z e r r e i b e n mit 12 Theilen W a s s e r zur E m u l s i o n macht. A n m e r k u n g 3. Das ä t h e r i s c h e B i t t e r m a n d e l ö l (Oleum amygdalarum umarurum aethereitm) e n t h ä l t im rollen Z u s t a n d e 8 — 1 4 Proc. B l a u s ä u r e , w i r k t wie diese, a b e r s e h r ungleich, ist s e h r theuer (1 Grm. 8 Sgr.) und wird in der T h i e r a r z n e i k u n d e nicht gebraucht. Anmerkung4. D a s B i 11 e r m a n d el w a s s e r (Aqua amygdalarum amararum); 24 T r o p f e n von ihm sollen einen T r o p f e n I t t n e r ' s c h e r B l a u s ä u r e e n t h a l t e n ; es k a n n d a h e r in v e r h ä l t n i s s m ä s s i g v e r s t ä r k t e r G a b e g e b r a u c h t w e r d e n , ist jedoch seines P r e i s e s wegen n u r bei kleinen Thiereu zu b e n u t z e n , ü b r i g e n s a b e r durch die B l a u s ä u r e zu ersetzen. (30 G r m . 3 Sgr.) A n m e r k u n g 5. D i e K i r s c h 1 o r b e e r h 1 ä 11 e r {Folia Lauro-Cerasi) (o) zeigen nach V e r s c h i e d e n h e i t ihres Alters, der ZeiL des E i n s a m m e l n s u. s. w. einen s e h r verschiedenen G e h a l t an B l a u s ä u r e und daher sowohl in S u b s t a u z wie auch in den aus ihnen darg e s t e l l t e n P r ä p a r a t e n einen verschiedenen Grad der W i r k s a m k e i t ; am s t ä r k s t e n scheint l e t z t e r e zu s e i n , wenn die B l ä t t e r nach i h r e r völligen A u s b i l d u n g im S p ä t s o m m e r ges a m m e l t und noch frisch sind. In grossen G a b e n erzeugen sie ganz ähnliche Z u f ä l l e wie die B l a u s ä u r e . Ein t h i e r ä r z t l i c h e r G e b r a u c h ist bisher von ihnen n i c h t g e m a c h t worden. A n m e r k u n g 6. D a s aus diesen B l ä t t e r n b e r e i t e t e ä t h e r i s c h e Ivirschlorb e e r ö l (Oleum lAiuro-Cerasi aethereum) stimmt im W e s e n t l i c h e n mit dem B i t t e r m a n d e l ö l ü b e r e i n , ist aber etwas r e i c h e r an B l a u s ä u r e ; es wird nicht a n g e w e n d e t . — D a s d e s t i l -
irte
K i r s c h 1 o r h e e r w a s s e r (Aqua Lauro-Cerasi
wasser ähnlich, doch m e h r e n t h e i l s etwas s t ä r k e r tere ersetzt.
destillata) ist dem Bittermandel-
als d i e s e s , und wird durch das letz-
§. 4 0 9 . Zu den narkotischen Mitteln rechnet man auch noch folgende: 1) Aconiti radi.r ( E i s e n h u t , S t u r m h u t ) . A l l e Species dieser Pflanze haben scharf-narkotische B e s t a n d t e i l e , am meisten Aconit. Lycoctonum, A. Ferox und A. Napelhis. E s besteht jedoch über die Wirksamkeit der verschiedenen Species in den Angaben der Autoren keine Sicherheit. Die besonders wirksamen B e s t a n d t e i l e sind das Aconitin und die Aconitsäure; V/2 Gran des ersteren tödtete einen 2 0 P f u n d schweren H u n d in 6 5 Minuten; aber die Resultate der mit diesen Stoffen gemachten anderen Versuche sind wenig übereinstimmend. Man hält sich deshalb hauptsächlich an die Beobachtungen über die Wirksamkeit der Wurzel. V i b o r g (Samml. Bd. 3, HEHTWIO, Arzneimittellehre. 5. A u f l a g e .
24
370
N a r k o t i s c h e Mittel.
S. 2 9 6 ) sah bei e i n e m P f e r d e v o n IG Lotli P f u n d ) der frischen W u r z e l u n d der i m F r ü h j a h r h e r v o r s p r o s s e n d e n W u r z e l b l ä t t e r d e s i v a l i r e u E i s e n h u t e s (Aconit. Napellus) s o g l e i c h A u f s t o s s e n , b e s t ä n d i g e s B e w e g e n der Z u n g e , u n d n a c h l ' / 2 S t u n d e S p e i c h e l f l u s s und s c h n e l l e s , s t a r k e s A t h m e n entstehen, w o r a u f d a s T h i e r niederfiel, b e s t ä n d i g n a c h d e m L e i b e sah, sich z u m E r b r e c h e n a n s t r e n g t e , mit d e n Z ä h n e n k n i r s c h t e , s c h n e l l e n k r a m p f h a f t e n P u l s hatte, n a c h 3 S t u n d e n d ü n n e n , m i t Sclilciin g e m e n g t e n M i s t h ä u f i g entleerte, d a n n besser zu w e r d e n s c h i e n , n a c h 6 S t u n d e n w i e d e r a u f s t a n d , aber n o c h s c h w a c h u n d t a u m e l n d w a r u n d k e i n e n A p p e t i t zeigte. A m f o l g e n d e n T a g e war e s wieder g a n z wohl. M a n g a b ihm n u n 3 / 4 P f u n d d e s M i t t e l s ; es traten dies e l b e n Z u f ä l l e u n d n a c h 1 4 S t u n d e n der T o d ein. Der Magen und Dünnd a r m f a n d sich e n t z ü n d e t . V i b o r g sagt auch, dass S c h w e i n e v o n d e m E i s e n h u t k r a u t sterben (dess. A n l e i t . z. E r z i e h , u n d B e n u t z u n g d e s S c h w e i n s , S. 7 6 ) . B e i Z i e g e n sah ich n a c h d e m G e n u s s dieser P f l a n z e s c h m e r z h a f t e A u f b l ä h u n g des Leibes, Krämpfe, stieren Blick und den T o d erfolgen. Bei dem Kindvieh w i r k t sie e b e n s o n a c h t h e i l i g . F ü r H u n d e , F ü c l i s e , W ö l f e , K a t z e n u. s. w . ist der E i s e n h u t eins der h e f t i g s t e n G i f t e ; erstere sterben s c h o n v o n 4— 8 G r a m m e n der W u r z e l . N a c h a l l e n B e o b a c h t u n g e n m i n d e r t d a s Mittel die E n e r g i e d e s H e r z e n s . I n der h o m ö o p a t h i s c h e n M e d i c i n g i l t A c o n i t als I l a u p t m i t t e l g e g e n E n t z ü n d u n g e n mit a c u t e m Oharacter und im A n f a n g e ; alliiopat h i s c h w i r d es w e n i g b e n u t z t ; ich h a b e es mit sehr g u t e m E r f o l g e g e g e n a c u t e n u n d chron. R h e u m a t i s m u s , g e g e n r h e u m a t i s c h e E n t z ü n d u n g e n der A u g e n , d e s H e r z e n s u n d der G e l e n k e i n n e r l i c h , bei rheuniat. A u g e n e n t z ü n d u n g e n a u c h ä u s s e r l i c h benutzt. S c h e n k e m p f a h l es g e g e n K r a m p f des Z w e r c h f e l l s ; S t a h l g e g e n d e n W u r m der P f e r d e , — es hat sich aber n i c h t b e w ä h r t . C o l l a i n e 1 v e r s u c h t e g e g e n diese K r a n k h e i t das E i s e n l m t - E x t r a c t t ä g l i c h z u 4 5 Grm., w e l c h e s sie, a b e r ohne v o r t h e i l l i a f t e n E r f o l g , sehr a b g e m a t t e t hat. D i e G a b e d e r W u r z e l f ü r P f e r d e und K i n d e r ist 4 8 G r m . , für H u n d e 1 2 — 1 8 C e n t i g r m . A e u s s e r l i c h vertreibt e i n e A b k o c h u n g die L ä u s e . 2 ) Aethusa
cynapium
( H u n d s p c t e r s i 1 ie, G a r t e n g l e i s s e )
und
3 ) Chaerophyllum sylvestre, tentuhua et bulbosum ( K ä l b e r k r o p f ) s i n d d e m g e f l e c k t e n S c h i e r l i n g (§. 4 0 1 ) v e r w a n d t ; b e i d e s i n d w o h l w e n i g e r w i r k s a m als der W a s s e r s c h i e r l i n g , aber v o n d e m G e n u s s d e r ersteren P f l a n z e in grösserer M e n g e s t a r b e n d o c h e i n paar K ü h e 2 . A l s Heilmittel werden beide nicht benutzt. 4 ) Semina Coccvli ( K o c k e 1 s k ö i n er), v o n Alenisptrraum Cocculi, w i r k e n a u f alle T h i e r e stark b e t ä u b e n d ; i n g r o s s e n G a b e n K r ä m p f e erregend; e b e n s o d i e I g n a t i u s b o h n e . B e i d e s i n d als thierärztliche H e i l m i t t e l nicht g e b r ä u c h l i c h . 5) Crocus ( S a f r a n ) w i r k t g e l i n d n a r k o t i s c h , z u g l e i c h e r r e g e n d , ist aber g r ö s s t e n t h e i l s n o c h nicht g e n ü g e n d in s e i n e n W i r k u n g e n erforscht. B e i der S t a u p e der H u n d e , bei M a n g e l a n W e h e n zur Z e i t der G e b u r t ist der S a f r a n als A r z n e i m i t t e l e m p f o h l e n , aber zu theuer und d u r c h a n d e r e Mittel zu ersetzen. ( 4 Grm. 9 S g r . 4 P f . ) 6) Faha St. Igmitii ( I g n a t i u s b o l i n e ) . I h r e W i r k u n g ist in der A r t u n d im G r a d e fast g a n z m i t der der B r e e h n u s s (§. 3 8 5 ) ü b e r e i n s t i m m e n d . 1
tierike.
G l ü c k l i c h e r V e r s u c h , den Rotz und W u r m der P f e r d e zu heilen. B r a u n s c h w e i g 1811. S. 19 u. 20.
* W e g e n e r , im Magazin lür T h i e r h e i l k . J a h r g
35. Het'i 2.
A. d F r a n z . v.
W e n i g gebräuchliche Narcotica. 7) Lactuca b e t ä u b e n d , in auch tödtend; ermittelt. Als
371
virosa ( G i f t 1 a t t i c h) w i r k t auf Menschen u n d H u n d e s t a r k grossen G a b e n (z. B. 12 G r m . des E x t r a c t e s ) die l e t z t e r e n bei P f e r d e n u n d d e n ü b r i g e n T h i e r e n ist die W i r k u n g n i c h t A r z n e i m i t t e l d i e n t der L a t t i c h in der T h i e r h e i l k u n s t nicht.
8) Ledum palustre ( P o r s c l i , S u m p f p o r s c h , P o r s t , w i l d e r R o s m a r i n ) w i r k t e r r e g e n d - b e t ä u b e n d . Z i e g e n sollen das K r a u t o h n e N a c h t h e i l fressen. I n m a n c h e n G e g e n d e n stellt es im R u f , ein k r ä f t i g e s H e i l m i t t e l g e g e n b ö s a r t i g e D r u s e u n d selbst g e g e n R o t z z u s e i n ; ich g a b es sowohl f r i s c h als g e t r o c k n e t d e n r o t z i g e n P f e r d e n zu 6 0 — 1 8 0 G r m . t ä g l i c h z w e i m a l u n d d u r c h 4 W o c h e n , u n d b e m e r k t e w o h l eine V e r m i n d e r u n g der S y m p t o m e , a b e r k e i n e völlige H e i l u n g . D a g e g e n ist d a s W a s c h e n der T h i e r e m i t e i n e r A b k o c h u n g dieses K r a u t e s ((¡0 G r m . zu 1 P f u n d C o l l a t u r ) ein sehr sicheres M i t t e l z u m T ö d t e n u n d V e r t r e i b e n der L ä u s e . 9 ) Paris quadrifoliit ( E i n b e e r e ) , K r a u t u n d B e e r e n sollen scharf n a r k o tisch w i r k e n u n d d e n H ü h n e r n g i f t i g sein; H u n d e zeigten von 1 5 B e e r e n g a r keine W i r k u n g , von 20 Stück aber A n s t r e n g u n g zum Erbrechen ( S c h u b a r t a. a. 0 . ) . 10) Secule cornutum ( M u t t e r k o r n ) , ein in d e n A c h r e n des R o g g e n s , des Mais u n d a n d e r e r G r a s a r t e n w a c h s e n d e r S c h w a m m {Sclerotium clavus s. Siihactlia seyttuin), e n t h ä l t eine e i g e n t l u i m l i c h e S u b s t a n z , das E r g o t i n , e t w a s Fett, S c h w a m m z u c k e r u n d dgl. D e m E r g o t i n w i r d h a u p t s ä c h l i c h die W i r k u n g des M u t t e r k o r n s z u g e s c h r i e b e n , es wird j e d o c h nicht tliierärztlicli b e n u t z t . — Das M u t t e r k o r n in g e h ö r i g grossen G a b e n a n g e w e n d e t , w i r k t im A l l g e m e i n e n wie ein s c h a r f - n a r k o t i s c h e s M i t t e l , j e d o c h in g a n z specifischer W e i s e ; es erzeugt zuerst E k e l , selbst E r b r e c h e n (wo dies m ö g l i c h ist), bei f o r t g e s e t z t e r A n w e n d u n g a u c h i m m e r m e h r z u n e h m e n d e M a t t i g k e i t , A u f l ö s u n g des B l u t e s , und als Ei^Tiitliiiiiilichkeit findet sich L ä h m u n g der vom H e r z e n e n t f e r n t liegenden Tlieile, oder oft sogar A b s t e r b u n g d e r s e l b e n , wie d e r E n d g l i e d e r d e r E x t r e m i t ä t e n , des S c h w a n z e s , d e r O h r e n , bei H ü h n e r n a u c h des K a m m e s (bei M e n s c h e n die s o g e n a n n t e K r i e b e l k r a n k h e i t ) . V o n sehr grossen G a b e n erfolgt d e r T o d z u w e i l e n d u r c h D a r m e n t z ü n d u n g in k u r z e r Z e i t , e h e j e n e a n d e r w e i t i g e n W i r k u n g e n sich e n t w i c k e l n 1 . E b e n f a l l s als specifische W i r k u n g h a t m a n b e o b a c h t e t , dass d a s Mittel s t a r k e O o n t r a c t i o n e n des U t e r u s u n d seiner G e f ä s s e h e r v o r r u f t , besonders bei t r ä c h t i g e n T h i e r e n . Dieser W i r k u n g w e g e n wird es 1) als H i l f s m i t t e l zur B e f ö r d e r u n g d e r G e b u r t in solchen F ä l l e n a n g e w e n d e t , in d e n e n bei g e h ö r i g e r G e b u r t s z e i t die W e h e n zu s c h w a c h sind oder g a n z a u s b l e i b e n , wo a b e r ein m e c h a n i s c h e s H i n d e r n i s s nicht b e s t e h t ; 2) bei d e m Z u r ü c k b l e i b e n d e r N a c h g e b u r t in F o l g e von Reizlosigkeit u n d S c h w ä c h e d e r G e b ä r m u t t e r ; u n d 3) als B l u t s t i l l u n g s m i t t e l bei atouischen B l u t u n g e n u n d S c h l e i m f l ü s s e n a u s d e m U t e r u s , b e s o n d e r s n a c h d e m G e b ä r e n . — D i e G a b e ist f ü r P f e r d e u n d R i n d e r 1 5 — 4 5 G r m . , f ü r S c h a f e , Z i e g e n u n d S c h w e i n e 4 ' — 1 2 G r m . , f ü r H u n d e u n d K a t z e n tiO C e n t i g r m . bis 4 G r m . D i e W i r k u n g a u f d e n U t e r u s t r i t t s c h n e l l , d. i. g e w ö h n l i c h m i t e t w a 2 0 M i n u t e n ein u n d d a u e r t g e g e n 1 S t u n d e . H i e r n a c h ist nötliigenfalls die W i e d e r h o l u n g zu b e s t i m m e n . Bei zu schneller W i e d e r h o l u n g h a t m a n zuweilen b e m e r k t , dass die Z u s a m m e n z i e h u n g e n des U t e r u s 1 L o i - i u s e r , Vers. u. B e o b a c h t . ü b e r die W i r k u n g des M u t t e r k o r n s , K e v u e mèdie. 1831, J u i l l e t .
Berlin 24»
1824.
372
Narkotische Mittel.
nicht w e h e n a r t i g , abwechselnd mit ruhigen P a u s e n , sondern andauernd und zu h e f t i g waren u n d dass die Geburt hierbei nicht befördert wurde. — Man giebt das M u t t e r k o r n f r i s c h pulverisirt am besten mit warmem Bier oder einer aromatischen Flüssigkeit gemengt. (30 Grm. 4 Sgr. 10 Pf.) 11) Solanum Dulcamara ( B i t t e r s ü s s , A l p r a n k e n ) , gebräuchlich die S t e n g e l , Stipites Dulcamarae-, sie wirken schwach b e t ä u b e n d , jedoch nur in grossen G a b e n ; bei P f e r d e n sah ich von ¿ 5 0 — 3 6 0 Grm. der frischen so wie der trockenen Stengel — und V i b o r g (Samml. Bd. 3, S. 148) von 1 6 — 8 0 Beeren bei H u n d e n , und von 12 Beeren bei einem l l a u s h a h n keine deutliche W i r k u n g . D ä n i s c h e Thierärzte wollen die Stengel gegen den trockenen D a m p f , täglich zu 1 8 0 — 3 6 0 mit Nutzen angewendet haben ( Vehr. SelsL. Skrift. Deel 1, S. 312. Dcd 3, S. 506). 12) Solanum niyrum ( N a c h t s c h a t t e n ) ; die ganze Pflanze wirkt schwach b e t ä u b e n d und etwas scharf. N a c h V i b o r g ' s Versuchen ( V i b o r g , Samml. Bd. 3, S. 1 4 9 ) sind weder die Blätter noch die Beeren dieser Pflanze f ü r P f e r d e , Esel, H u n d e und H ü h n e r so giftig, wie mau geglaubt hat. D a g e g e n ist die Pflanze den Schweinen und K ü h e n schädlich, verursacht bei letzteren U n r u h e , Schmerz, A u f t r e i b u n g des Leibes, stieren Blick, h a r t e n , vollen Puls und selbst den T o d ; andere K ü h e , die auf diese Weise l i t t e n , wurden durch Aderlassen und schleimige Mittel gerettet ( Vit. Seist... Skrift. L)cd 2, S. 420). Das K r a u t ist äusserlich als schmerzlinderndes Mittel benutzt worden. 13) Taxus baccutu ( E i b e n b a u m , T a x u s ) ; die B l ä t t e r (Nadeln) und Zweige wirken scharf narkotisch und sind, V i b o r g ' s Versuchen zufolge (Samml. B d . 2, S. 49), f ü r alle l l a u s t h i e r e ein heftiges Gift. P f e r d e zeigen Widerwillen dagegen und sterben, wenn sie 2 4 0 — 3 6 0 Grm. der Blätter ohne Zumischung von a n d e r m F u t t e r fressen, gewöhnlich in Zeit von einer Stunde, sehr plötzlich und ohne vorausgehende andere Zufälle; sie ertragen aber noch grössere G a b e n ohne Nachtheil, wenn sie das Mittel mit l l a f e r gemengt verzehren, oder wenn sie allmälig an dasselbe gewöhnt werden. E i n W i d d e r zeigte nach dem Genuss von 2 5 0 Grm. der Blätter in den ersten 4 Stunden keine W i r k u n g , dann aber B e t ä u b u n g , kleinen P u l s , geschwinderes Atlnnen, D r a n g zum E r b r e c h e n , Rülpsen, Auftreibung des Leibes. Eudlich fiel er nieder und starb unter Z u c k u n g e n , 12 Stunden nach dem Verschlucken des Giftes. E i n e Ziege ertrug 120 Grm. ohne S c h a d e n ; aber sie starb von 3 6 0 Grm. unter ähnliehen Symptomen wie j e n e r Widder. E i n halbjähriger E b e r wurde von 75 Grm. zerstossener Blätter getödtet, olmerachtet er vorher 4 P f u n d Fleisch gefressen hatte. — H u n d e und K a t z e n erbrachen sich von 3 0 — 4 5 Grm. der Blätter sehr heftig, blieben aber am Leben. — Die TaxusBeeren wirken ähnlich, aber weit schwächer. Als Arzneimittel wird vom T a x u s f ü r T h i e r e kein Gebrauch gemacht. 14) C a l a b a r - B o h n e ; speeif. W i r k u n g auf Verengerung der P u p i l l e bei örtlicher A n w e n d u n g (Bestreichen des Auges mit einer Auflösung des Extracts); bei schwarzem Staar, Schwindel u. a. Nervenleiden empfohlen. (Magaz. 32. Bd., S. 3 6 8 und Repertor. d. Thierheilk., J a h r g . 32, Heft 2, S. 125.)
Schwefel.
ACHTE
373
KLASSE.
Chemisch-einfache Arzneistoffe. §. 410. Die wenigen Arzneimittel, die man mit einigem Grunde als chemischeinfache Stoffe betrachten kann, und die sich nach unserer Eintheiluiig der Arzneimittel unter keine Klasse bringen lassen, sind: der Schwefel, der Phosphor, das Chlor, das J o d , das Brom, Lithium und einigermaassen auch (als Vehikel des Kohlenstoffes) die Kohle. Diese Stoffe sind sich in mehreren Eigenschaften einander ähnlich, und in ihren W i r k u n g e n auf den Thierkörper kommen sie mit einander darin überein, dass sie vorherrschend die Bildungsthätigkeit und die Mischung der Stoffe verändern; aber in der A r t , wie sie dieses thun und überhaupt in der Art ihrer W i r k u n g weichen sie doch wieder bedeutend von einander ab, so dass sich in pharmako - dynamischer und in therapeutischer Hinsicht gemeinschaftlich geltende Angaben über sie nicht gut machen lassen. 1) S c h w e f e l ,
Sulphur,
Sul/ur.
(Chemisches Zeichen S.)
§. 411. Der Schwefel ist eine chemisch-einfache Substanz, die sich massenhaft in der E r d e , theils gediegen, theils in Mineralien, in geringer Menge auch in Thieren und Pflanzen findet und aus den ersteren im Grossen gewonnen wird. Er kommt im Handel in zweierlei Formen vor, nämlich entweder in cylindrischen 1—l l /._,Zoll dicken Stücken von krystallinischemGefüge als S t a n g e n s c h w e f e l , Sulphur citrinnm, Ü. in buculis, oder in Form eines lockeren Pulvers, aus kleinen rhombischenKrystallen bestehend, als S c h w e f e l b l u m e n oder s u b l i m i r t e r
S c h w e f e l ,
Flore*
xulph'/rh-,
S'dp/mr
sublimntum.
Der Schwefel ist gelb, fast geruch-und geschmacklos, im Stangenschwefel hart, spröde, leicht pulverisirbar; in der Hitze von 111° C. schmilzt er, und bei 4 2 0 ° 0 . lässt er sich sublimiren; er brennt mit blauer F l a m m e und mit Erzeugung schweflig-saurer, erstickend riechender Dämpfe. Sein spec. Gewicht ist circa 2,000. E r ist in Wasser unlöslich, in fetten und flüchtigen Oelen, Weingeist, Aether, Chloroform in geringer M e n g e löslich, bei Mitwirkung von W ä r m e etwas mehr, am meisten in Schwefelkohlenstoff und ätzenden Alkalien. I n der Schmelzhitze verbindet er sich mit den fixen Alkalien zu S c h w e f e l k a l i e n (S ch w e f e i l e b e r n) in verschiedenen Schwefelungsstufen des Kaliums, mit Sauerstoff zu Schwefelsäuren von verschiedener Vollständigkeit, mit Wasserstoff zu Schwefelwasserstoffsäure, und mit den meisten Metallen zu Schwefelmetallen. D e r ursprünglich gewonnene oder sogenannte r o h e S c h w e f e l (Snlph. miduni) enthält immer fremdartige T h e i l e , E r d e , Metalle u. dgl. und wird durch Umsclimelzen oder Sublimiren gereinigt und zu Stangenschwefel oder Schwefelblumen gemacht. Diese enthalten gewöhnlich etwas Schwefelsäure, welche durch wiederholtes Waschen mit destillirtem Wasser entfernt und hierdurch der g e r e i n i g t e S c h w e f e l , Sitlph. depuratum, dargestellt wird.
374
Chemisch-einfache Mittel.
§• 412. W i r d der Schwefel in kleinen Gaben und nur einmal einein Thiere eingegeben, so verursacht er gewöhnlich keine bemerkbare W i r k u n g , wird aber seine Anwendung in massig starken Gaben durch eiuige Zeit fortgesetzt, so nimmt die Hautausdünstung nach 2— Tagen bei Thieren von jeder Art einen e i g e n t ü m l i c h e n Geruch nach Schwefel an; doch ist dieser Geruch nicht immer dem reinen Schwefel, sondern häufig mehr dem der schwefeligen Säure, oder auch dem des Sehwefelwasserstoffgases ähnlich. Nach dem letztern riechen dann auch die abgehenden Blähungen und der Kotli, und nicht selten auch die ausgeathmete Luft. Die Beschaffenheit des Pulses, die Schleimhäute, die Schleimabsonderung und die I rinsecretion lassen hierbei an gesunden Thieren keine Veränderung erkennen, und die Hautausdünstung wird nicht (wie Manche glauben; bis zum Schweiss gesteigert, sondern es scheint vielmehr, dass nur die sogenannte unmerkliche Ausdünstung verstärkt von statten geht. Dabei sieht man nach massigen Gaben oft (namentlich bei Pflanzenfressern) die Verdauung besser werden; der Kotli erscheint kleiner, fester und weniger reichhaltig an Säure. — Grosse Gaben des Schwefels vermehren die Absonderung der Darmsaite, vorzüglich des Schleims, und verursachen Laxiren, stören aber den Appetit nicht. — Von sehr grossen Gaben entsteht zuweilen auch eine Entzündung der Schleimhaut des Magens und Darmkanals, die jedoch mehrentheils nur oberflächlich bleibt und sehr schleichend, ohne heftige Zufälle verläuft. Ein mit Eotz behaftetes, massig starkes Pferd, 9 J a h r e alt, erhielt am ersten Tage .'50 Grm. (1 Unze), am zweiten Tage. 60 Grm. u. s. w. in demselben Verhältniss steigend, so dass es am Iii. Tage 1 P f u n d , also im Ganzen etwas mehr als 2800 Grm. (136 Unzen) bekam. Am siebenten T a g e stellte sich Durchfall ein, der bis zum siebzehnten Tage fortdauerte; die Fresslust wurde niemals getrübt, die Urinsecretion nie verändert; die Hautausdünstung roch am dritten Tage deutlich nach Schwefel, wurde aber während der ganzen Zeit nicht bis zum Schweiss vermehrt; ein ihm aufgelegtes, mit Bleiessig bestrichenes weisses Papier erschien am vierten Tage grau; die Absonderung des Schleims und Eiters in der Nase vermehrte sich täglich, während die früher sehr stark angeschwollenen Lymphdrüsen im Kehlgange immer kleiner wurden. Das Pferd magerte bei gutem Futter sichtbar ab, wurde täglich kraftloser, so dass es am sechzehnten Tage nicht mehr allein von der Streu aufstehen konnte.; die Färbung der Schleimhaut in der Nase und im Maule erschien in der ersten Zeit gar nicht verändert, später mehr blass; Puls und Athem war bis zum letzen Tage normal; Kolik schmerzen traten nicht ein; vom zehnten Tage an wurde d a s B l u t i m m e r d u n k l e r , u n d z u l e t z t s e l b s t in d e n A r t e r i e n f a s t s c h w a r z ; d a b e i w a r es sehr d ü n n f l ü s s i g und l a n g s a m g e r i n n e n d . Als am siebzehnten Tage das Pferd getödtet und secirt wurde, fand sich die Schleimhaut in der rechten Hälfte des Magens und im Blind- und Grimmdarme bläulichroth gefärbt, aufgelockert und sehr mürbe; eine Menge Schwefel fand sich noch im Darmkanal; letzterer, und ebenso die übrigen Baucheingeweide und selbst die Lungen und zum Theil auch die Muskeln rochen sehr stark nach Schwefelwasserstoff, aber das ganz schwarze und dünnflüssige Blut hatte diesen Geruch nicht. — Ausserdem waren die pathologischen Veränderungen nur wie sie bei dem Rotz gewöhnlich sind. — I n anderen Fällen war der Urin stets reicher an schwefelsauren Salzen geworden, wenn man Schwefel durch
Schwefel.
375
einige Tage gegeben hatte. — W a l d i n g e r 1 fand bei Schafen, die bis zum Missbrauch wöchentlich 3 mal eine mit Schwefel versetzte Lecke erhalten hatten, das Fleisch so stark nach diesem Stoffe riechend, dass es für den Genuss ekelhaft war. Bei der Anwendung des Schwefels auf die Haut entsteht nach kurzer Zeit ebenfalls ein Schwefelgeruch, weisse Haut wird etwas geröthet, ihre Empfindlichkeit bleibt unverändert und der übrige Körper scheint gar nicht davon afficirt zu werden. §. 413. Aus dem Vorstehenden liisst sich annehmen: dass der Schwefel als ein eigenthiimliches Umänderungsmittel des Vegetationsprocesses auf den thierischen Organismus in der Art wirkt, dass er die kleineren, absondernden und aufsaugenden Gefässe, die Lymphgefässe, die Venen, die Lymphdrüsen und die Schleimhäute, vielleicht auch die äussere Haut zu vermehrter und veränderter Thätigkeit anregt, die Secretionen dieser Gebilde vermehrt und verändert, aber auf die. Thätigkeit der grossen Gefässe und des Nervensystems keinen unmittelbaren Einfluss zeigt. Auch ergiebt sich als sehr wahrscheinlich, dass er tlieils unverändert in die Materie des Körpers übergeht, theils aber durch die im Verdauungskanal (besonders bei pflanzenfressenden Thieren) stets vorhandenen Säuren, durch alkalische Substanzen u. s. w. in schwefelige Säure und in Schwefelwasserstoff (oder doch in etwas Aehnliches) umgewandelt wird, und in dieser veränderten Beschaffenheit auch andersauf den Thierkörper wirkt, besonders die arterielle Blutbildung, die P'lasticität der Säfte und den Keproductionsprocess beschränkt, und dass er, wenn die Einwirkung sehr reichlich Statt findet, sehr vermehrte Absonderung im Darmkanal und hierdurch Laxiren, bei anhaltender Anwendung aber eine abnorme Verflüssigung der (hierisclien Materie erzeugt. Wahrscheinlich wirkt er auch nur in diesem chemisch veränderten Zustande in grossen Gaben so reizend auf die Schleimhaut des Verdauungskanals, dass eine asthenische Entzündung derselben entsteht. — Ausserdem ergiebt sich auch aus dem vorigen §., dass die Wirkungen des Schwefels nur langsam erfolgen, dass derjenige Theil von ihm, der in die Materie des Körpers eingegangen ist, grösstentheils durch vermehrte Haut- und Lungenausdünstung wieder ausgeschieden wird, dass aber der Schwefel kein eigentlich schweisstreibendes Mittel ist. §. 414. Die Indicationen für die Anwendung des Schwefels sind nur schwach begründet. a) Die innerliche Anwendung erscheint im Allgemeinen angezeigt: bei Krankheitszuständen, die in gehemmten Ab- und Aussonderungen, besonders aus der H a u t , aus den Lungen oder aus dem Darmkanal und der Pfortader, -— in zu reichlicher Blutbildung, — in venösen Congestionen, — und in zu geringer Thätigkeit der Venen und Lymphgefässe begründet, oder mit Stokkungen in diesen Gefässen und in den Lymphdrüsen verbunden sind. — Dagegen ist die Anwendung unzweckmässig, wenn heftige, active Entzündung, 1 Abhandlung über den Schwefel und seine Verbindungen u. s. w. 1820. S. 36.
W i e n und Triest
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Chemisch-einfache Mittel.
oder wenn schon weit vorgeschrittene E n t m i s c h u n g der S ä f t e zugegen ist. Die besonderen Krankheitszustände, bei denen man den Schwefel angewendet hat, s i n d : 1) Asthenische E n t z ü n d u n g e n , besonders der Brust- und Baucheingeweide. E i n wahres antiphlogistisches Mittel ist der Schwefel wohl n i c h t , und seine entzündungswidrige H e i l k r a f t so wie auch die Art der E n t z ü n d u n g e n , bei der er nützlich ist, bleibt noch n ä h e r zu untersuchen. S k e l e t t 1 empfiehlt ihn beim R i n d v i e h gegen eine äussere B r u s t e n t z ü n d u n g , die er als A n t i c o r bezeichnet, und gegen E n t z ü n d u n g des dritten Magens u n d der G e d ä r m e , neben dem Aderlass als das I l a u p t m i t t e l , besonders wenn V e r s t o p f u n g des Leibes zugegen ist. Ich habe diese, in D e u t s c h l a n d nicht gewöhnliche Behandlungsweise der E n t z ü n d u n g s k r a n k h e i t e n mehrmals bei rheumatischen L u n g e n e n t z ü n d u n g e n , jedoch immer erst nachdem die H e f t i g k e i t der E n t z ü n d u n g durch einen gemachten Aderlass gemildert war, bei T'ferden und Rindern mit g u t e m Erfolge versucht. N a c h gehobener E n t z ü n d u n g , wenn H u s t e n mit zu geringem Auswurf besteht, ist der Schwefel ein vortreffliches Mittel. '¿) Milzbrand. Gegen diesen ist der Schwefel von mehreren Thierärzten, namentlich von R y s z (Arzneimittellehre) gegen das sogenannte R ü c k e n - und L e n d e n b l u t des Rindviehes und der S c h a f e , als nützlich befunden worden; es fehlt jedoch die genauere Bezeichnung der U m s t ä n d e , unter denen die A n w e n d u n g geschah, und bei der b e k a n n t e n Verschiedenheit derselben ist das Mittel gewiss nicht überall passend; besonders ist wohl bei einem schnellen Verlaufe des A n t h r a x nichts von ihm zu erwarten. 3) K a t a r r h a l i s c h e und rheumatische K r a n k h e i t e n , sowohl im frischen, wie auch im chronischen Zustande, D r u s e , Strengel, B r ä u n e , Husten, L u n g e n k a t a r r h , selbst L u n g e n k n o t e n , Rehe und andere rheumatische Lahmheiten. D e r Schwefel ist bei diesen K r a n k h e i t e n mehrentheils nützlich, aber es ist ebenfalls noch nicht gehörig ermittelt, wo er nötliig ist, und wo er entbehrt werden k a n n . 4) H a u t k r a n k h e i t e n , besonders Flechten, R ä u d e , Nesselsucht und M a u k e ; sie sind die vorzüglichsten Uehel, bei denen das Mittel a n g e w e n d e t wird u n d wo es vielleicht noch am meisten nützlich ist. Bei der M a u k e (wo es R y s z empfiehlt), und ebenso bei der R ä u d e ist es jedoch immer zu entbehren. 5) Rotz und W u r m . O o l l a i n e - ' wollte gegen diese Krankheit vom Schwefel g a n z ausserordentlich günstigen E r f o l g gesehen h a b e n ; bei meinen zahlreichen Versuchen hierüber ist es mir nicht g e l u n g e n , nur e i n rotziges P f e r d zu heilen, und gegen W u r m schien das Mittel n u r dann etwas zu leisten, wenn wenige W u r m b e u l e n zugegen waren und wenn dieselben zugleich örtlich zweckmässig behandelt wurden. Schwefelspiessglanz, Terpenthinöl u. dgl. zeigten sich viel wirksamer. 6) Ausserdem wird der Schwefel noch von Manchenals Präservativmittel, bei Schafen gegen die Fäule, gegen R ä u d e und gegen die nachtheiligen F o l g e n der W a l d h u t u n g , namentlich gegen milzbrandartige 1.'eitel, besonders das 1 A p r a c t i c a l T r e a t i s e on the p a r t u r a t i o » of the c o w . L o r d . 1 8 2 2 . p. 2 2 6 , 2 2 7 , 2 3 6 , 2 4 1 u. f. 2 C o m p t e r e n d u d ' u n e e x p e r i e n c e t- iitée r o n l r e la m u r v e et l e farcin. Paria 1 8 1 1 . — G l ü c k l i c h e r V e r s u c h , d e n R u t z und W u r m der P f e r d e zu h e i l e n . A u s d. F r a n z . v o n Gerike. Braunschweig 1811.
Schwefel.
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Rückenblut, und gegen eine e i g e n t ü m l i c h e venöse u n d typhöse E n t z ü n d u n g der Gebärmutter, die bei Schafen nach dem L a m m e n eintritt und oft in 2 4 — 3 0 Stunden t ö d t e t , — und bei H u n d e n gegen die S t a u p e u n d a n d e r e K r a n k h e i t e n angewendet. Sein N u t z e n f ü r diese Z w e c k e ist nicht erwiesen. b) Aeusscrlich wird d e r Schwefel gegen R ä u d e und F l e c h t e n , gegen das sogenannte T e i g m a l oder T e i g m a u l der K ä l b e r und L ä m m e r , u n d gegen M a u k e a n g e w e n d e t ; er ist j e d o c h hierbei von sehr geringer W i r k s a m k e i t u n d entbehrlich. — Bei der R ä u d e wird er jetzt von den deutschen T h i e r ä r z t e n mehrentheils durch wirksamere Mittel ersetzt. §. 4 1 5 . G a b e und V e r b i n d u n g zum innerlichen G e b r a u c h ist n a c h Verschiedenheit des Heilzweckes etwas verschieden; als a b f ü h r e n d e s Mittel bei E n t z ü n dungen u n d bei dem Milzbrande u. s. w. inuss m a n den Schwefel immer in grossen G a b e n , nämlich f ü r P f e r d e zu 2 5 0 - 3 0 0 G r m . , f ü r Rindvieh zu .'500— 4 0 0 G r m . , f ü r S c h a f e zu 3 0 — 0 0 Grm., f ü r Schweine 1 5 — 3 0 Grm., für H u n d e 4 — 2 4 G r m . in einer Gabe und nur e i n m a l , in V e r b i n d u n g mit Salpeter, oder G l a u b e r s a l z , oder W e i n s t e i n und dergl. a n w e n d e n . — Soll aber der Schwefel eine allmälige U m s t i m m u n g im B l u t e und im L y m p h g e fässsystem bewirken, die H a u t a u s d ü n s t u n g , den L u n g e n a u s w u r f und die Resorption b e f ö r d e r n , z. B. bei veralteten k a t a r r h a l i s c h e n u n d bei a n d e r e n chronischen K r a n k h e i t e n , so giebt man ihn immer nur in massigen Gaben, nämlich P f e r d e n und Rindvieh 15 — 3 0 G r m . , S c h a f e n 8 — 1 5 Grm., Schweinen 2 — 4 G r m . , H u n d e n 3 0 Centigr. bis 1 Grm., täglich 1 — 2 mal und durch längere Zeit a n h a l t e n d ; man versetzt ihn hier mit aromatischen Mitteln, mit K a m p h e r , T e r p e n t h i n ö l , O f e n r u s s , Schierling u n d d e r g l . , aber nicht mit Metallpräparaten, weil er fast ohne A u s n a h m e deren W i r k u n g sehr schwächt. — G e g e n Rotz u n d W u r m gab C o l l a i n e das Mittel in steigender Gabe, indem er gewöhnlich mit 120 Grm. pro T a g anfing und bei einzelnen P f e r d e n bis zu 1 1 2 P f d . damit stieg, ohne dass heftige W i r k u n g e n eintraten (a. a. O. S. 23); m a n c h e P f e r d e wurden jedoch hierdurch so geschwächt, dass sie durch 3 — 4 T a g e , ohne aufstehen zu k ö n n e n , auf der E r d e lagen. §. 416. Die A n w e n d u n g k a n n in Pulverform, als Zusatz zu sogenannten Drusenpulvern, zu Lecken (für S c h a f e ) , oder besser in Pillen oder L a t w e r g e n geschehen; auch k a n n man den pulverisirten S c h w e f e l , mit einer schleimigen Flüssigkeit gemengt und gut umgeschüttelt lieben; aber unzweckmässig ist es, den T h i e r e n ganze S t ü c k e des Schwefels in das T r i n k w a s s e r zu l e g e n ; denn er löst sich bekanntlich im W a s s e r nicht auf und k a n n daher demselben auch keine H e i l k r a f t mittheilen. Aeusserlich wird der Schwefel am zweckmässigsten in F o r m einer S a l b e oder eines Linimentes angewendet. Die erstere bereitet m a n gewöhnlich durch blosses Z u s a m m e n r e i b e n von 1 T h e i l pulverisirtem Schwefel mit 2 Theilen Schweineschmalz oder Butter ( e i n f a c h e S c h w e f e l s a l b e , Un¡/uentum sulphuratwn simplex), oder noch besser statt des blossen F e t t e s mit ebenso viel g r ü n e r Seife; um die W i r k s a m k e i t zu e r h ö h e n , setzt m a n oft noch pulverisirten Salmiak oder Zinkvitriol, T e r p e n t h i n ö l , stinkendes Thier-
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Chemisch-einfache Mittel.
öl, Lorbeeren, N i e s w u r z e l uud dergl. zu (z. B. in der J a s s e r ' s c h e n K r ä t z s a l b e , Unyuent. contra Sciibiem Jasseri: 2 T h e i l e S c h w e f e l , ebenso viel Zinkvitriol . p u l v . Lorbeeren und 8 Theile F e t t ; oder in der E n g l i s c h e n Krätzsalbe: S c h w e f e l b l u m e n 1 8 0 Grm., höchst fein pulv. weisse N i e s w u r z 6D Grm., Salpeter 1 Grm., schwarze Seife 1 8 0 Grm. und 5 6 0 Grm. Schweineschmalz). Z u m L i n i m e n t nimmt man 1 Theil pulverisirten S c h w e f e l u n d 2 T h e i l e g r ü n e S e i f e , u n d so viel heisses Wasser oder, bei grosser Reizlosigkeit, Terpenthinöl, dass das Ganze eine halbfliissige Consistenz erhält. Man reibt die S a l b e u n d ebenso das Liniment täglich einmal, und durch 3 — 4 T a g e nach einander auf die kranken Stellen der H a u t e i n , reinigt dann letztere mit w a r m a m S e i f e n w a s s e r und setzt nach einer Pause von 2 T a g e n das Mittel auf g l e i c h ; W e i s e bis zur H e i l u n g fort. — W a l d i n g e r empfahl auch den S c h w e f e l als Zusatz zu dem W a l z 'sehen W a s c h w a s s e r g e g e n Schafräude (S. 2 2 4 ) , — und R y s z ein Pulver von gleichen T h e i l e n S c h w e f e l und K o h l e zum E i n s t r e u e n in feuchte Maukegeschwüre. A u s s e r d e m ist der S c h w e f e l als ein wirksames Desinfectionsmittel zur Zerstörung v o n flüchtigen Oontagien in Ställen auf die W e i s e zu benutzen, dass m a n ihn pulverisirt auf glühende K o h l e n streut und durch sein Verbrennen scliwefeligsaure D ä m p f e erzeugt, mit w e l c h e n m a n den g a n z e n R a u m erfüllen muss. Dieselben vernichten das L e b e n in Schimmel- und anderen P i l z e n auch in den F e r m e n t e n , und sie zersetzen dus Schwefelwasserstoffgas. Bei dieser A n w e n d u n g dürfen jedoch w e g e n der zu befürchtenden E r s t i c k u n g s g e f a h r keine lebenden Thiere sich im Stalle befinden. (Preis: Sulphicr clepiirutuin HO Grm. 1 Sgr. G P f g . ) A n m e r k u n g 1. Zum thierärzlliclien G e b r a u c h ist ü b e r a l l d e r o b e u b e z e i c h n e t e S t a n g e n s c h w e f e l , wenn d e r s e l b e nur n i c h t zu sehr durch a u d e r e B e s t a n d t e i l e veru n r e i n i g t i s t , v o l l k o m m e n a u s r e i c h e n d ; der t h e u r e r e p e r e i n i g t e S c h w e f e l o d e r die
Sch we f e l h 1 u m e n (Sulphnr ¡h pnralnm .«. aublimat,um s. Flores Sulplmrisl, und ebenso der S ch we f e l - N i e dphuns simplcx s. Oleum Lt'ni svlpjiurahimj, durch Auflösen von 1 Tb. S c h w e f e l in 4 T h . h e i s s e m Leinöl bereitet — ist äusserlich als g e l i n d e s P i g e s t i v m i t t c l bei a t o n i s c h e n G e s c h w ü r e n und als auflösendes Mittel bei V e r h ä r t u n g e n , i n n e r l i c h bei L u n g e n k n o t e n , bei t r o c k e n e m H u s t e n , b e i m B l u t h a r n e n und bei Gries u n d Sand im U r i n e h e m a l s g e b r a u c h t w o r d e n , j e t z t aber fast ganz v e r g e s s e n . G a b e f ü r g r o s s e H a u s t h i e r e 3 0 b i s 90 G r m . . f ü r k l e i n e r e im V e r h ä l t n i s s weniger. — b) Von d e m t e r p e n t h i n b a l t i g e n S c h w e f e l b a l s a m ist bereits S. 209 das N ö t h i g e gesagt. ( S c h w e ie 11 e b e r s . ' b e i den S a l z e n , S c h w e f e l m e t a l l e bei den M e t a l l e n . )
2 ) Phosphor, Phosphoriis. (Chemisches Zeichen P =
196,155.)
§. 4 1 7 . D e r g e w ö h n l i c h e , o r d i n ä r e Phosphor, oder w e g e n seiner officinellen Form in k l e i n e n Stäben auch S t a n g e n - Phosphor g e n a n n t 2 ist ein in Thieren, 1 D a s dem W e i n s t o c k so höchst s c h ä d l i c h e O i d i u m ( C r y p t o g a m e ^ k o n n t e n i c h t durch Chlor, s o n d e r n n u r d u r c h das B e s t r e u e n mit S c h w e f e l b l u m e n , aus d e n e n sich dann an d e r L u f t e b e n f a l l s s c h w t f b l i g e Säure e n t w i c k e l t e , v e r n i c h t e t w e r d e n . 2 V o n i h m u n t e r s c h e i d e t man den von I'r. S c h r ö t t e r i n W i e n entdeckten a m o r p h e n oder r o t h e n P h o s p h o r , der durch Aussetzen des g e w ö h n l i c h e n P h o s p h o r s :in das L i c h t
Schwefel, Phosphor.
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Pflanzen und Mineralien sehr häufig vorkommender Grundstoff, der an der L u f t sich von selbst entzündet, dabei leuchtende, nach Knoblauch riechende Dämpfe ausstösst, in feuchter Luft das O z o n erzeugt, sich im Wasser nicht, wohl aber im Aether, Weingeist, Chloroform, in fetten und ätherischen Oelen auflöst. E r wird im Grossen aus den Knochen dargestellt, und muss unter Wasser in einem gläsernen Gefäss und gegen das Licht geschützt, vorsichtig aufbewahrt werden. Mit Sauerstoff bildet er ein Oxyd und 3 Säuren, mit dem AVasserstoff verbindet er sich mittelbar in einem Verhältniss, auch mit den Metallen, mit dem Kohlenstoff und dem Stickstoff. Die Wirksamkeit des Phosphors auf den Thierkörper ist qualitativ eine ganz eigenthiimliche, dabei quantitativ in kleinen Gaben eine schleichende, gleichsam tückische, in massig grossen Gaben eine sehr acute, giftig-tödtliche. Pferde ertrugen in der Regel nur 48 bis höchstens 70 Centigrm., Hunde 3— 10 Centigrm., einzelne selbst bis 24 Centigrm. Phosphor in Baumöl aufgelöst, ohne dass hiernach eine Veränderung am Pulse und Herzschlage u. s. w. wahrzunehmen war; wurden aber diese Gaben verdoppelt oder noch mehr verstärkt, so erschien das Athmen etwas lebhafter, die ausgeathmete Luft und ebenso die Haut wärmer, der Puls nach 3 0 — 6 0 Minuten etwas voller und um 5 — 1 0 Schläge in einer Minute vermehrt, die Schleimhaut der Nase und des Maules dunkler geröthet; — diese Wirkung erfolgte jedoch weder ausgezeichnet schnell noch in besonderer Art. Aber es entstand von diesen grösseren Gaben immer eine Vergiftung specifischer A r t , die sich bei Pferden ohne auffallende Symptome äusserte, und wobei oft ganz unerwartet nach 10—15 Stunden, zuweilen aber auch erst nach 48 Stunden der Tod erfolgte. Bei L o w a g ' s Versuchen trat an einem rotzigen Pferde nach Anwendung von 48 Centigrm. Phosphor mit 180,0 Leinöl pro dosi, früh und Abends während 3 Tagen gereicht, am 4 ten Tage der Tod plötzlich ein, nachdem blos der Appetit etwas vermehrt und der Nasenausfluss dünnflüssiger geworden war. Zwei andere Pferde ertrugen durch einige Tage grössere Quantitäten, starben aber, als sie HO--72 Centigrm. pro dosi täglich zweimal erhalten hatten. (Magaz. f. Thierlieilk. Bd. V I I . S. 443.) E i n Pferd, welches 2 Gramm Phosphor in einer gegen die Ratten aufgestellten Latwerge gefressen, zeigte erst nach 31/2l Tagen Bauchschmerzen, Fieber, Zuckungen, Verdrehen der Augen und Geifer; es stürzte nieder und starb 3 Stunden später 1 . — Einige Hunde und Schweine starben schon nach Gaben von 3 - 0 Centigrm. in Zeit von 2—5 T a g e n ; in dieser Zeit waren sie gewöhnlich etwas traurig, matt und ohne Appetit, einzelne zeigten auch Erbrechen, Unruhe und Winseln. — Hühner und Enten starben nach dem o.-ier an die W ä r m e e n t s t e l l t , indem h i e r b e i g a n z e i n f a c h die A t o m e des l e t z t e r e n sich v e r ä n d e r n u n d d e r s e l b e h i e r d u r c h seine g i f t i g e n u n d f e u e r g e f ä h r l i c h e n E i g e n s c h a f t e n de v e r l i e r t . L a s s a i g n e hat ü b e r d i e e r s t e r e E i g e n s c h a f t V e r s u c h e a n g e s t e l l t (Recueil Med. viterin. 1 8 5 4 , p. 5 5 0 — 5 5 7 ) , aus denen im W e s e n t l i c h e n h e r v o r g e h t : 1) d a s s d e r a m o r p h e P h o s p h o r in G a b e n bis zu 5 G r m . (circa l ' / a D r a c h m e ) auf H u n d e n i c h t g i f t i g w i r k t ; 2) dass bei S p e r l i n g e n circa 1 / 1 G r a n u n w i r k s a m i s t ; 3) d a s s er s e l b s t auf die v o n i h m b e r ü h r t e n S c h l e i m h ä u t e o h n e W i r k u n g i s t ; 4) d a s s auch die aus d i e s e m P h o s p h o r fab r i c i r t e n Z ü n d h ö l z c h e n w e d e r für H u n d e noch f ü r V ö g e l g i f t i g s i n d , w ä h r e n d d e r o r d i n ä r e P h o s p h o r u n d die v o n i h m b e r e i t e t e n Z ü n d h ö l z c h e n s e h r g i f t i g w i r k e n . E r darf daher nicht mit dem gemeinen P h o s p h o r verwechselt werden. 1 H a u b n e r , B e r i c h t ü b e r das V e t e r i n ä r w e s e n im K ö n i g r e i c h S a c h s e n fiir d a s J a h r 1860. S. 117.
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Chemisch-einfache Mittel.
Genuss von •/« G r a n Phosphor, und nachdem sie blos Traurigkeit gezeigt hatten. B e i der Section der durch Phosphor getödteten T h i e r e fand man die Schleimhaut des Magens bald nur an einzelnen Stellen, bald in einer grössern Ausdehnung abnorm geröthet, zuweilen auch so im Schlünde und im Darmk a n a l ; wo das Mittel in ganzen Stückchen gegeben worden, fand sich auch oberflächliche Anätzung und um dieselbe etwas Auflockerung. W a r der Tod in kurzer Zeit erfolgt, so zeigten sich beim Aufschneiden des Magens phosphorige, nach Knoblauch riechende, im Dunkeln leuchtende Dämpfe, die, Lungen zusammengefallen , oft ihre Oberfläche mit schwarzen F l e c k e n besetzt; das Blut dunkel, dünnflüssig, ganz ohne Gerinnbarkeit. In anderen F ä l l e n konnte man kaum die Spur einer krankhaften Veränderung finden. Injectionen des in Oel aufgelösten Phosphors ( 2 1 Centigrm. in 8 Grm.) verursachen zuerst beschwerliches, schnelleres A t h m e n , Ausstossen phosphoriger im Dunkeln leuchtender Dämpfe durch Maul und Nase , grosse Angst, zuweilen Bluthusten, Erstickungszufälle und den T o d in sehr kurzer Zeit. W i r d in Baumöl vollständig aufgelöster Phosphor äusserlich in die Haut eingerieben, so erfolgt bald darauf zum T h e i l seine Verdampfung, zum T h e i l aber seine Absorption; denn es wird die von dem Thiere ausgeatlmiete Luft nach phosphoriger S ä u r e , knoblauchartig riechend, und im Dunkeln leuchtend ; zuweilen wird die Zahl der Pulse um einige vermehrt, andere S y m ptome von allgemeiner Erregung sind nicht zu bemerken; aber er verursacht an der Haut dunklere Röthung, vermehrte W ä r m e , grössere Empfindlichkeit , und bei wiederholter Anwendung auch Ausschwitzung einer serösen Flüssigkeit, sehr ähnlich wie es nach dem Einreiben des Kampherliniments der F a l l ist. — I n Substanz, oder als Pulver, oder in unvollständiger Lösung auf die Haut oder in Wunden gebracht, bewirkt er fast augenblicklich heftigen Schmerz und Anätzung (Verbrennung), die letztere dringt tief ein, erzeugt V e r j a u c h u n g , keine gute E i t e r u n g ; ein T h e i l des Phosphors wird absorbirt, es entsteht Appetitlosigkeit, grosse Schwäche und nach 6 — 8 T a g e n erfolgt der Tod. §. 4 1 8 . D e r Phosphor ist hin und wieder als ein flüchtig reizendes, belebendes Mittel empfohlen, bei solchen Krankheitszuständen, in denen die Lebens thätigkeit zu erlöschen droht, und wo das Nerven- und das Gef'ässsystem gleichmässig an gesunkener Thätigkeit leidet, namentlich unter solchen U m ständen gegen S t a r r k r a m p f , Nervenfieber mit grosser Abstumpfung, L ä h mungen, heftigen Rheumatismus und dergl. E r ist j e d o c h , und ganz mit R e c h t , von den Thierärzten äusserst selten angewendet worden und wird am besten innerlich gar nicht angewendet; denn es finden sich (ausser einem F a l l von H u t c h i n s o n , der ihn bei einem Pferde gegen Erschöpfung der K r ä f t e nach der Influenza anwendete 1 , nirgends Beobachtungen über seinen Nutzen. I c h habe ihn in mehreren F ä l l e n gegen Starrkrampf, L ä h m u n g und Rheumatismus innerlich und äusserlich versucht, aber keinen besonderen E r f o l g davon gesehen. — Vielleicht könnte er aber wegen seiner, das B l u t 1
T h e V e t e r i n a r i a u 1 8 3 7 . ji. 4 0 7 .
Phosphor.
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v e r d ü n n e n d e n W i r k u n g ibei K r a n k h e i t e n mit übermässiger Plasticität, wie z. B. bei L u n g e n s e u c h e dos Bindviehes, passend sein. I c h muss bei diesem Mittel die grösste Vorsicht e m p f e h l e n , weil seine innerliche A n w e n d u n g mit Schwierigkeiten u n d mit der oben angedeuteten G e f a h r v e r b u n d e n ist; man darf es n u r in flüssiger F o r m , möglichst vollständig aufgelöst in Weingeist, Aether, einem fetten Oel, Glycerin oder Terpenthinöl g e b e n 1 , u n d zwar: P f e r d e n und Rindvieh nicht mehr als höchstens 2 4 — 3 6 C e n t i g r m . , Schafen n u r 6 - 1 0 Centigrm., Schweinen 1 — 6 Centig r m . , H u n d e n 1 — 3 Centigrm. auf einmal und n u r in Zwischenpausen von 8 — 12 S t u n d e n . — Vor der A n w e n d u n g muss die Phosphorlösung noch mit einer schleimigen Flüssigkeit in dem Verhältniss g e m e n g t werden, dass auf 6 Centigrm. Phosphor wenigstens 3 0 G r m . von der letztern kommt. Sind andere Arzneimittel nöthig, so werden diese am besten in den Zwischenzeiten g e g e b e n , weil aus chemischen G r ü n d e n ihre V e r b i n d u n g mit dem Phosphor nicht zweckmässig erscheint. Aeusserlich benutzt man zum E i n r e i b e n in die H a u t das sogenannte P h o s p h o r ö l oder P h o s p h o r - L i n i n i e n t (Ol. s. Linimentum phosphoratum), eine Auflösung von 6 0 — 7 2 Centigrm. Phosphor in 30 G r m . warmem Baumöl (oder Mohnöl und dergl.), bei T e t a n u s , R h e u m a t i s m u s , L ä h m u n g e n und ähnlichen Z u s t ä n d e n . Dr. T a v i g n o t h a t , wie er a n g i e b t 2 , eine Auflösung von 1 Theil P h o s p h o r in 100 Theilen süssen Mandelöls als ein fast sicheres Mittel zur H e i l u n g der Cataracte der Pferde befunden. Die Auflösung soll täglich 1 — 5 mal auf das A u g e getröpfelt u n d damit l ä n g e r e Zeit fortgefahren werden. Bei der A n w e n d u n g des Liniments (und ebenso der übrigen Zusammensetzungen des Phosphors) muss man die A n n ä h e r u n g brennender K ö r p e r an die Thiere (und an die geöffneten Medicingläser) v e r m e i d e n , weil sonst Feucrsgofahr entstehen könnte. Anmerkung. I n n e u e r e r Z e i t ist der P h o s p h o r a l s ein M i t t e l z u m T ö d t e n der R a t t e n und M ä u s e v i e l f ä l t i g b e n u t z t und s e l b s t o b r i g k e i t l i c h e m p f o h l e n w o r d e n 3 . Er e i g n e t *ieh h i e r z u a l l e r d i n g s s e h r g u t , da e r , w i e e s s c h e i n t , für d i e s e T h i e r e e i n e n a n g e n e h m e n G e r u c h ( W i t t e r u n g ) h a t , l i e b e r nls der A r s e n i k v o n i h n e n g e f r e s s e n wird und sicherer noch als dieser tödtet. M a n w e n d e t ihn für d i e s e n Z w e c k in d e r s o g e n a n n t e n Phosphor-Latwerge a n , welche folgendermaassen bereitet wird: 2 Quentchen Phosphor w e r d e n in e i n e m Möi sei- in 6 Lotli w a r m e m W a s s e r g e s c h m o l z e n , h i e r z u s c h n e l l 9 L o t h W e i z e n m e h l s g e r ü h r t , u n d nach d e m E r k a l t e n n o c h 8 L o t h g e s c h m o l z e n e r B u t t e r und 4 L o t h p u l v e r i s i r t e n Z u c k e r s g e r ü h r t . — Mit d i e s e r L a t w e r g e b e s t r e i c h t m a n H o l z s p ä n e , P a p i e r - o d e r L e i n w a n d l a p p e n und l e g t s i e in d i e M a u s e l ö c h e r u. s. w. — I s t in der L a t w e r g e der P h o s p h o r r e c h t f e i n z e r t h e i l t , s o h a t m a n n i c h t z u f ü r c h t e n , d a s s s i e s i c h an der L u f t e n t z ü n d e t , s e l b s t w e n n s i e mit Stroh u n d a n d e r e n b r e n n b a r e n S u b s t a n z e n in B e r ü h r u n g k o m m t , — w i e i c h d i e s durch V e r s u c h e e r m i t t e l t h a b e .
Gegengifte gegen den Phosphor sind bis jetzt nicht b e k a n n t ; Salpetersäure, Eisen-, M a n g a n - , chlorsaures Kali, Schwefel, Schwefelleber, Magnesia usta, leisteten nichts, daher blos Schleim, Eiweiss, Gallerte, rechtzeitig, und bei Brechvermögen ein Vomitiv. (5 Grm. 1 Sgr.) 1 E s lösen s i c h v o n d e m P h o s p h o r in 1 0 0 T h e i l e n S c h w e f e l ä t h e r s nur 1 — 1 , 3 T h e i l e , in 1 0 0 T h e i l e n W e i n g e i s t nur 1 T h e i l , in 1 0 0 T h e i l e n M o h n ö l s o d e r a n d e r e r fetter O e l e 2 — 3 T h e i l e , in T e r p e n t h i n ö l 4 T h e i l e v o l l s t ä n d i g auf. 2 R e c u e i l d e M e d e c . v e t e r i n . 1 8 7 0 . p 33. 3 D u r c h ( J i r c . - R e s c r i p t d. P r e u s s . M i n i s t , d. g e i s t l . , U n t e r r i c h t s - u . M e d . - A n g e l e g e n h e i t e n v o m 7 . April 1 8 4 3 .
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Chemisch-einfache Mittel.
3) Chlor, Chlorini', CliliU'illgas, Clilorum, (ins chloreum,
Dieses e i g e n t h ü m l i c h e G a s w u r d e e h e m a l s u n r i c h t i g f ü r eine, a n S a u e r stoff ü b e r r e i c h e S ä u r e g e h a l t e n u n d o x y d i r t e , oder o x y g e n i r t e , a u c h d e p h l o g i s t i s i r t e S a l z s ä u r e (Aciditm u.rymurluticum a. Acidtim muriaticum oxygenutum), oder o x y d i r t - s a l z s a u r e s G a s (JJas ojcymuriatkum), und H a l o g e n (Haloyenium) g e n a n n t . E s k o m m t in der N a t u r nicht frei bes t e h e n d vor, sondern in V e r b i n d u n g mit a n d e r e n Stoffen, n a m e n t l i c h mit Metallen u n d mit W a s s e r s t o f f , u n d es inuss d a h e r k ü n s t l i c h d u r c h g e g e n s e i t i g e Z e r s e t z u n g aus K o c h s a l z u n d a n d e r e n sauerstoffreichen K ö r p e r n , z. B. .Manganü b e r o x y d u n d S c h w e f e l s ä u r e dargestellt w e r d e n . D a s s e l b e ist ein gelblich-grünes G a s , welches e i n e n u n a n g e n e h m e n , ers t i c k e n d e n G e r u c h u n d einen z u s a m m e n z i e h e n d e n k r a t z e n d e n G e s c h m a c k hat, s c h w e r e r ist als die atmosphärische L u f t (spec. Gew. 2 , 4 1 0 3 ) u n d sich d a h e r i m m e r g e g e n die E r d e senkt. E s h a t z u m Wasserstoff eine grosse chemische V e r w a n d t s c h a f t , so dass es sich ü b e r a l l mit ihm v e r e i n i g t , hierd u r c h die meisten V e r b i n d u n g e n dieses Stoffes mit a n d e r e n Stoffen zersetzt u n d d e s h a l b sehr viele organische S u b s t a n z e n , besonders F a r b e n , K r a n k h e i t « p r o d u e t e u n d dergl. a u c h g a n z z e r s t ö r t ; dabei bildet es a b e r mit diesem Stoff die C h l o r w a s s e r s t o f f s ä u r e oder S a l z s ä u r e (siehe I X . K l a s s e b e i d e n Säuren). Mit d e n Metallen g e h t es ebenfalls i n n i g e V e r b i n d u n g e n ein u n d bildet d a d u r c h m e h r e r e sehr wichtige A r z n e i m i t t e l , z. B. C h l o r - E i s e n , ChlorQ u e c k s i l b e r in i/iiiiimo u n d maximu, C h l o r - S p i e s s g l a n z u n d C h l o r - Z i n k (siehe X I I . Klasse). — D a s W a s s e r n i m m t d u r c h Absorption m e h r als sein eigenes V o l u m e n b e t r ä g t , n ä m l i c h 1 1 / a — ^ Rauintheile vom g a s f ö r m i g e n Chlor a u f , bildet so, wie es scheint, als blosses G e m e n g e die C h l o r f 1 i i s s i g k e i t oder d a s o x y d i r t - s a l z s a u r e W a s s e r , welches iin W e s e n t l i c h e n dieselben phy sikalischen E i g e n s c h a f t e n wie das C h l o r g a s besitzt u n d a u s d e m sich a u c h das letztere g a n z u n v e r ä n d e r t sehr leicht w i e d e r e n t b i n d e t , besonders bei etwas erhöhter Temperatur. Mit den A l k a l i e n und E r d e n v e r b i n d e t sich d a s Chlor, wie es s c h e i n t , ebenfalls h a u p t s ä c h l i c h d u r c h blosse A b s o r p t i o n ; d e n n die h i e r d u r c h e n t s t a n d e n e n P r ä p a r a t e , von d e n e n vorzüglich d e r C h l o r k a l k u n d das C h l o r n a t r o n als A r z n e i m i t t e l dienen, — zeigen im W e s e n t l i c h e n auch die E i g e n s c h a f t e n des C h l o r s u n v e r ä n d e r t und e n t b i n d e n dasselbe sehr leicht bei der E i n w i r k u n g von a t m o s p h ä r i s c h e r L u f t oder von a n d e r e n G a s a r t e n , u n d noch mehr bei der E i n w i r k u n g von S ä u r e n . D a d a s Chlor alle W a s s e r s t o f f v e r b i n d u n g e n zerstört u n d sich d a b e i selbst in C h l o r - W a s s e r s t o f f s ä u r e u m w a n d e l t , so e n t h a l t e n alle Z u s a m m e n s e t z u n g e n desselben mit a n d e r e n Arzneistoffen oder mit V e h i k e l n nicht m e h r reines Chlor, s o n d e r n bald mehr, bald w e n i g e r v e r d ü n n t e S a l z s ä u r e ; u n d d a a u c h selbst d a n n , w e n n m a n das reine Chlor zur A n w e n d u n g bringt, d u r c h die B e r ü h r u n g desselben mit d e n feuchten S c h l e i m h ä u t e n u. s. w. dieselbe Verä n d e r u n g erfolgt, so h a t m a n , hierauf g e s t ü t z t , b e h a u p t e t : die i n n e r l i c h e A n w e n d u n g des Chlors als solches sei u n m ö g l i c h u n d dasselbe h a b e als innerliches A r z n e i m i t t e l niemals N u t z e n gestiftet, s o n d e r n d e r ihm hierbei ertheilte ß u h m g e b ü h r e eigentlich der Salzsäure. A l l e i n , obgleich j e n e chemischen A n s i c h t e n richtig sind, so niuss man doch a u c h z u g e b e n , dass d u r c h die E i n -
Chlorgas.
383
wirkung des Chlors auf die organischen Säfte und Gebilde ganz andere Mischungsverhältnisse in denselben entstehen als von der Einwirkung der verdünnten Salzsäure, indem sowohl bei der schnellen Umwandlung der organischen Säfte durch das Chlor, wie auch bei dem Freiwerden anderer Stoffe aus denselben, und bei seiner Zersetzung der Act der Erzeugung der Salzsäure selbst weitere wichtige Umstimmungen in den Functionen zur Folge haben muss. Auch zeigt die E r f a h r u n g , dass die Veränderungen im Tliierkörper, besonders in den Secretionen, nach Anwendung des Chlors von anderer Art sind als nach der Anwendung der Salzsäure. Da nun das wirksame Princip im Chlorwasser, im Chlorkalk, im Chlornatron u. s. w. dasselbe ist wie im Chlorgas, so ist es zweckmässig, diese Arzneistoffe hier neben einander zu betrachten.
A. c h l o r g a s , Gas oxynluriaticnm
s. Chluri s. Gau Acidi muriatici
oxyyenati.
W e n n T h i e r e der Einwirkung des reinen concentrirten Chlorgases unterworfen sind, so entsteht zunächst und hauptsächlich eine heftige .Reizung der Kespirationsorgane, Husten, beschwerliches Athmen und bei reichlicher Anwendung selbst Erstickung durch Krampf und Versehliessung der Stimmritze. Bei der Section findet man dann das Blut im ganzen Körper dünnflüssig und schwarzroth, selbst in den Arterien. Wenn aber das Gas, wie es bei seiner Entwickelung und bei der Anwendung fast immer geschieht, mit atmosphärischer Luft gemengt ist, so verursacht es zwar ebenfalls zuerst Heizung des Kehlkopfes, der Bronchien und der Nase, trockenen Husten, vermehrte Absonderungen der Schleimhaut, und oft reichliches Thränen der Augen, aber Erstickungszufälle treten nicht ein und das Athmen wird überhaupt nur wenig beschwerlicher. — Auf die äussere H a u t wirkt das Gas ebenfalls reizend, besonders wenn dieselbe vorher feucht war; es entsteht Jucken, weisse Haut wird gerötliet, es bilden sich kleine Bläschen. Das Herz und die grossen Gefässc so wie das Gehirn scheinen gar nicht unmittelbar von ihm afi'icirt zu werden. Ich habe das Gas in engen Ställen anhaltend und sehr reichlich entwickelt und es so, mit atmosphärischer L u f t gemengt, von Menschen, Pferden, Kindern, Schafen, Ziegen, Hunden, Katzen und Vögeln durch mehrere, selbst 24 Stunden athmen lassen, aber keine anderen unmittelbaren Folgen als die angegebenen hiervon entstehen sehen; bei länger fortgesetzter Einwirkung wird jedoch die gute Mischung des Blutes verändert , namentlich die Plasticität vermindert und die Farbe dunkler; auch wird dabei die Urinsecretion vermehrt, die Schleimhaut in der Nase und im Maule ganz blass und die Thiere magern binnen kurzer Zeit sehr ab. Wahrscheinlich wird also ein Theil des Gases beim Einathmen von dem Blute absorbirt, und hierdurch eine chemische Zersetzung des letztern (und der organischen Materie überhaupt) bewirkt, indem das Chlor auf die bereits erwähnte Weise (§. 419) alle Wasserstoffverbindungen zersetzt. Zugleich wird aber auch die Thätigkeit der meisten Absonderungsorgane, hauptsächlich der Schleimhaut in den Athmungsorganen vermehrt und wohl auch qualitativ umgestimmt, wodurch dann mittelbar weitere Veränderungen im Vegetationsprocess (in dem Lymphgefässsystem) herbeigeführt werden.
Chemisch-einfache Mittel. Auf Wunden und Geschwüre wirkt das Chlorgas stark reizend; die Empfindlichkeit wird grosser, die Färbung dunkler, die abgesonderte Flüssigkeit eonsistenter u n d , wenn letztere irgend einen hervorstechenden Geruch hatte, so wird derselbe bedeutend vermindert oder auch ganz beseitigt. Injectionen des Gases in die Venen bewirken nach 2 bis ,"$ Minuten den Tod unter apoplektischen Zufällen. §• 421. Das Chlorgas ist wegen seiner Form als Heilmittel nur für wenige Krankheiten anwendbar, deshalb auch wenig benutzt, und es lassen sicli daher bestimmte Indicationeii für seine Anwendung nicht angeben; es scheint jedoch da nützlieh zu sein, wo das Blut eine zu kohlenstofi'reiche, brandige, wohl auch eine zu faserstoft'reiche, und eine dyskrasische Beschaffen heit hat. Es ist mit Nutzen bei dem sogenannten brandigen Strengel, bei Lungenbrand und Lungenverjauchung, und bei typhösen Fiebern angewendet worden. Bei Lungenverjauchung, sowohl wenn dieselbe acut nach Entzündungen, wie auch besonders wenn sie als Folge von erweichten Tuberkeln bestand, habe ich bei Pferden, .Rindvieh und Hunden von dem Kinathmen des Chlorgases vortreffliche Wirkung gesehen. Von L e b l a u e und einigen anderen französischen Thierärzten ist es auch zur Heilung desKotzes sehr ge rühmt worden. Man soll mittelst einer eigenen Vorrichtung (siehe Juiirn. thévrique et prat. de médec. cctcr. 1rfoi, Mars; liS3f, ,/itm-ur; — und Recueil de med. cétér. 1831, Juillet) das Gas in die Nase leiten, was jedoch auch mittelst jeder Flasche geschehen kann. Andere haben von dieser Heilmethode den gerühmten Erfolg nicht gesehen, und ich habe dieselbe ebenfalls bei mehreren Pferden vergeblich angewendet. Als Gegengift bei Vergiftungen durch Blausäure ist Chlor (auch Chlorwasser und Chlorkalk) mehrfältig empfohlen worden; ich habe aber bei zahlreichen Versuchen hierüber weder mit dem Gas noch mit den anderen Präparaten die Wirkungen der Blausäure sehr vermindern, und bei gehöriger Gabe der letztern niemals den Tod verhüten können. Dagegen dient das Chlorgas als das wirksamste Mittel zur Zerstörung von Miasmen und Contagien, welche in der Luft oder an irgend einer andern Materie haften; zur Reinigung der .Ställe, in denen Thiere mit ansteckenden Krankheiten sich befinden oder früher befunden haben, oder, wo durch krankhafte Ab- und Aussonderungen, z.B. durch Jauche aus brandigen Geschwüren, durch die stinkende Ausdünstung bei Faulfieber und Typhus, durch stinkende Excremente bei Diarrhöe u. s. w. die Luft verdorben ist, obwohl es nicht immer sogleich den fauligen Gestank gänzlich beseitigt. Es nutzt auch bei dem Blauwerden 1 der Milch in solchen Fällen, wo dasselbe durch ein Miasma (mikroskopische Schimmel- und andere Pilzsporen) im Milchkeller oder in den Milchgefässen bedingt ist, welches der Erfahrung zufolge in manchen Fällen ausserordentlich fest haftet und durch die gewöhnlichen Reinigungsmittel nicht zu zerstören ist. Gegen Schädlichkeiten d i e s e r A r t leistet das Chlorgas sehr viel; aber gegen diejenigen unbekannten Miasmen, welche in einer eigentümlichen Constitution der Atmosphäre selbst begründet sind, wie es 1 N i c h t zu v e r w e c h s e l n m i t d e n : B l a u m e l k e n , w e l c h e s v o m G e n u s s von P f l a n z e n m i t blauen Säften o d e r v o n K r a n k h e i t e n der Milchlhiere h e r r ü l m .
Chlorgas.
385
bei Epizootien oft der F a l l ist, scheint es wenig wirksam zu sein. — Die desinficirende W i r k u n g des Mittels ist eine rein chemische, indem es die (ursprünglich organischen) der L u f t u n d a n d e r e n G e g e n s t ä n d e n a n h ä n g e n d e n Krankheitsstoffe d a d u r c h zerstört u n d u n w i r k s a m m a c h t , dass es i h n e n den Wasserstoff schnell entzieht. (§. 419.) §• 422. F ü r die bezeichneten Zwecke, n ä m l i c h zur Z e r s t ö r u n g der A n s t e c k n n g s stoffe u n d der Stall-Miasmen, z. B. bei Influenza, T y p h u s , Milzbrand, Blutseuche der S c h a f e , Rotz, W u r m und dergl. k a n n m a n das Chlorgas auf mehrfache W e i s e entwickeln, und z w a r : 1) ;u8 , die thierischen Gebilde ätzend, zerstörend, wobei dieselben zuerst gelb, dann rotli, braun, und zuletzt schwarz gefärbt w e r d e n 2 ; j e mehr sie aber mit destillirtem "Wasser verdünnt ist, um desto mehr vermindert sich auch ihre ätzende K r a f t , und bei hundertfältiger Verdünnung verschwindet dieselbe gänzlich. In diesem verdünnten Zustande entwickelt sie die allgemeinen W i r k u n g e n der Mineralsäuren 4:>9) am reinsten und am gleichmässigsten, und sie wird auch von den Verdauungseingeweiden ziemlich gut ertragen; sie wirkt mehr zusammenziehend und anhaltender als die Salzsäure und die Salpetersäure, besitzt aber nicht die erregende W i r k u n g der erstem a u f das Nervensystem und die der letztern auf die Blut- und Lymphgefässe. tj. 44G. F ü r die Anwendung der Schwefelsäure gelten die im §. 4 4 3 sub 1 und '2 für die Mineralsäuren im Allgemeinen angedeuteten Indicationen. D i e concentrirte S ä u r e wendet man nur äusserlich a n , bei bösartigen, fressenden, mit sehr üppiger Granulation versehenen oder einen Ansteckungsstoff erzeugenden Geschwüren, z. B . bei dem sogenannten spanischen K l a u e n weh der Schafe, bei dem Strahlkrebs der P f e r d e , bei F e i g w a r z e n , W a r z e n , Polypen und Gallen. B e i letzteren k a n n man, wie beim Brennen derselben, Striche oder P u n k t e appliciren. Die Anwendung hierbei geschieht entweder 1 Hei M i s c h u n g e n mit W a s s e r ist das l e t z t e r e zur S ä u r e zu t r ö p f e l n , da soust ein S p r i t z e n der F l ü s s i g k e i t e n e n t s t e h t . 2 Bei V e r g i f t u n g durch i n n e r l i c h e A n w e n d u n g c o n c e n t r i r t e r S c h w e f e l s ä u r e findet m a n die g e n a n n t e n ö r t l i c h e n W i r k u n g e n auch au den betroffenen S t e l l e n des Maules, des S c h l u n d e s und des V e r d a u u n g s k a n a l * , a u s s e r d e m a b e r noch zuweileu fettige D e g e n e r a t i o n an M u s k e l n .
Schwefelsäure.
409
auf die im §. 444 bezeichnete Weise ein- oder mehrmal, in Zwischenzeiten von 12 Stunden bis zu 3 Tagen, so lange bis ein fester Schorf gebildet ist oder bis nach dem Abfalle des Schorfes gute Granulation sich zeigt. — Bei dem hartnäckigen Klauenweh der Schafe wendet man die Säure (15,0) mit 60,0Terpenthinöl 1 und starkem Branntwein (360,0) gemengt, zum Einpinseln in die Geschwüre, täglich zweimal an. — Als ein kräftiges und schnell wirkendes Ableitungsmittel asthenischer Entzündungen torpiderTliiere, z.B. bei der Bräune der Schweine hat man sie (3 Theile) mit Baumöl oder einem andern fetten Oel (4 Theile) gemengt (das in England sogenannte schwarze Oel), mittelst einer Bürste auf den Hals von einem Ohr bis zum andern aufgestrichen , in vielen gefahrdrohenden Fällen mit Nutzen gebraucht. — Bei Nabelbrüchen an Füllen, Kälbern und anderen Thieren wird diese Säure auf die Weise gebraucht, dass man in den ersten 2—4 Tagen des Morgens und des Abends, dann aber in den nächsten 2 Tagen nur einmal täglich die vorher von den Haaren befreite äussere Fläche der ganzen Bruchgeschwulst damit bestreicht, bis eine ganz harte Kruste entstanden ist, den fünften Tag oder später diese Fläche mit einem Gemenge von Leinöl (60,0) und Terpenthinöl (15,0—30,0) einreibt und dies, nach geschehener Reinigung mit lauwarmem Wasser, täglich einmal, bis zum zehnten oder zwölften Tage wiederholt. Die Heilung des Bruches erfolgt mit 16—20 Tagen ganz vollständig 2. Gegen alte Stollbeulen, wenn sie in schwammigen (aber nicht in speckartigen oder knorpeligen, verhärteten) Massen bestanden, hat sich dasselbe Verfahren als wirksam erwiesen, aber noch kräftiger und fast specifisch wirksam gegen solche Stollbeulen, verhärtete Brustbeulen und ähnliche krankhafte Neubildungen kenne ich folgendes (chemisch unrichtige) Mittel: Man mengt Aetz-Sublimat 4 Grm., pulverisirte Canthariden und Euphorbiumharz von jedem 8 Grm. in einem irdenen Gefass, welches etwa den zehnfachen Raum dazu hat 3 , zusammen, giesst dann rauchende Salpetersäure 12 Grm., concentrirte Schwefelsäure 24 Grm., welche beide vorher zusammengemischt .sind, tropfenweise zu den Pulvern, rührt das Ganze gut um (wobei die Masse kochend heiss wird, heftig aufbraust und grüne Dämpfe ausstösst), und diese frisch bereitete Masse streicht man mit einem Spatel von Holz oder Eisen gegen 1 Linie dick auf die von Haaren befreite Haut der Beule und drückt sie auf derselben fest. Vor der Anwendung müssen die benachbarten Theile mit Fett bestrichen, und nachher die Tliiere am Lecken verhindert werden. Das Mittel wird auf der Haut binnen 1—2 Stunden ganz trocken. Es bildet sich hiernach nur geringe Ausschwitzung, ein trockener Hautschorf, der sich vom Rande her nach 6—8 Tagen, bei fernerer schwacher Ausschwitzung zu lösen beginnt und allmälig ganz abstösst. Bei recht grossen und hartnäckigen Beulen ist zuweilen eine Wiederholung nöthig; doch darf man sich hiermit 1 W e n n M i s c h u n g e n d e r c o n c e n t r i r t e n S c h w e f e l s ä u r e m i t T e r p e n t h i n ö l durch p l ö t z l i c h e s Z u s a m m e n g i e s s e n g e m a c h t w e r d e n , s o e r f o l g t e i n e E r h i t z u n g der F l ü s s i g k e i t b i s z u m B r e n n e n in h e l l e r F l a m m e . M a n darf d e s h a l b nur m i t der g r ö s s t e n V o r s i c h t bei der M i s c h u n g zu W e r k e g e h e n u n d m u 3 S b e i d e m o b i g e n M i t t e l z u e r s t d i e S ä u r e m i t d e m Weingeist mengen. 2 Von D a y o t ist für d e n s e l b e n Z w e c k die S a l p e t e r s ä u r e e m p f o h l e n w o r d e n 3 B e i d e m Z u s a m m e n r ü h r e n der S ä u r e n m i t den P u l v e r n erhitzt s i c h die M a s s e , b r a u s t s t a r k auf und tritt aus k l e i n e n G e f ä s s e n l e i c h t h e r a u s .
410
Säuren.
nicht übereilen und sie, selbst bei anscheinend schwacher W i r k u n g der ersten Application, vor 14 Tagen nicht unternehmen. Die Thiere können dabei fortwährend, und selbst schon einige Stunden nach der Anwendung des Mittels, arbeiten. Die Verkleinerung der Geschwulst erfolgt durch Resorption ganz allmälig, und es scheint, dass nach länger als 4 Wochen die Wirkung des Mittels noch fortdauert. Die v e r d ü n n t e Schwefelsäure ist im Faulfieber, im Nervenfieber, im Typhus, in den verschiedenen Formen des Milzbrandes bei allen Arten der Hausthiere, angeblich in der Lungenseuche des Rindviehes und anderen Krankheiten, wenn sie den im §. 443 sub 2 angedeuteten Character an sich trugen, innerlich mit Nutzen angewendet worden, v. E h r e n f e l s hat sie als Prophylacticum und als Heilmittel gegen die Rinderpest empfohlen. Sie war hierzu bereits vor 7 0 — 8 0 J a h r e n , und späterhin von M i t c h e l , R e i c h , W a l z , S a u t e r u. A. nach theoretisch-chemischen Ansichten empfohlen und gebraucht worden, hat sich aber nicht bewährt. Aeusserlich ist die mit gleichen Theilen Wassers verdünnte Schwefelsäure bei Caries das wirksamste Mittel zur Beförderung der Abblätterung, täglich einmal und durch 3 — 4 Tage wiederholt; mit mehr Wasser oder mit Branntwein oder mit einem aromatischen Infusuni dient sie als tonisirendes und umstimmendes Mittel bei Erschlaffung und Ausdehnung der Weichgebilde, z. B. bei kleinen Brüchen, bei Gallen, auch als Blutstillungsmittel, ganz besonders aber als wohlfeiles Heilmittel der Räude. F ü r letzteren Zweck wird sie sehr gut in einem Tabacksdecoct, 15,0—30,0 concentrirte Säure (je nach der Empfindlichkeit der Haut) zu 1 Pfund Decoct, täglich ein- bis zweimal durch 3—4 Tage angewendet. S- -147. Zum innerlichen Gebrauch rechnet man von der concentrirten Schwefelsäure für Pferde 2,0— 4,0, für Kinder 4,0—15,0, für Schafe, Ziegen und Schweine 1,0—4,0, für Hunde 0,3—0,6 auf eine Gabe, s t e t s m i t d e r n o t Iii g e n M e n g e W a s s e r s v e r d ü n n t , so dass die Flüssigkeit erträglich sauer schmeckt. Hierzu ist gewöhnlich für 4 Grm. der Säure circa 1 P f u n d Wasser nöthig, also etwa 100—125 Theile AVasser zu 1 Tlieil concentrirter Säure. Eine gehörige Verdünnung rnuss auch dann geschehen, wenn man die Säure in Latwergen anwendet. Letzteres ist aber wenig zweckmässig, weil man zur Bindung und Einhüllung der grossen MengeFlüssigkeit eine grössere Quantität trockener Substanzen bedarf, als für eine Gabe passend ist. M o r t o n hat deshalb empfohlen, in passenden Fällen statt der Säure ein schwefelsaures Salz, namentlich Eisenvitriol zu gebrauchen. — Die Wiederholung der Gaben richtet sich nach der Art und dem Grade der Krankheit und kann in Zwischenzeiten von 1 Stunde (namentlich so bei dem Milzbrande) bis zu 4 Stunden geschehen. Bei grosser Empfindlichkeit des Darmkanals setzt man der verdünnten Säure etwas Mehl, Stärkemehl oder Altheewurzelpulver, Althee- oder Leinsamenschleim zu; bei Neigung zu Durchfall giebt man sie mit bitteren oder aromatischen Mitteln, bei grosser Schwäche und bei Nervenzufällen ebenfalls* mit aromatischen Mitteln , mit Weingeist und anderen erregenden Mitteln versetzt.
Schwefelsäure, Salpetersäure.
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A n m e r k u n g 1. Die H a l l e r ' s c h e s a u r e M i x t u r oder das s a u r e Elixir (Mixtura sulphurico-acida, Elixirum acidum Dippelii, Acidum Halleri, Liquor acidus Halleri, Elixir. acidum Halleri) b e s t a n d ursprünglich aus gleichen Theilen concentrirter Schwefelsäure u n d rectificirtem W e i n g e i s t , wird a b e r n a c h der neuesten P r e u s s . P l i a r m a c o p ö e aus 1 Theil rectificirter Säure mit 3 Theilen höchst rectificirten Weingeistes bereitet. — Eine ä h n l i c h e Mischung von 1 Theil S ä u r e mit 5 Theilen W e i n g e i s t e s ist u n t e r dem N a m e n R a b e l ' s W a s s e r (Aqua I'.abelli) b e k a n n t . D i e s e F l ü s s i g k e i t e n e n t h a l t e n d e n W e i n g e i s t u n d d i e S c h w e f e l s ä u r e t h e i l s im u n v e r ä n d e r t e n Z u s t a n d e , t h e i l s ä t h e r a r t i g u m g e w a n d e l t ; s i e s i n d e i n i g e r m a a s s e n d e m S c h w e f e l ä t h e r g e i s t ä h n l i c h , flüchtig e r r e g e n d , z u g l e i c h a b e r s t a r k z u s a m m e n z i e h e n d , u n d z w a r l e t z t e r e s u m so m e h r , j e m e h r sie S ä u r e e n t h a l t e n , Sie k ö n n e n d a h e r i n n e r l i c h b e i d e n s e l b e n K r a n k h e i t e n , w o d i e S c h w e f e l s ä u r e p a s s e n d ist, a n g e w e n d e t werden , besonders w e n n die E m p f i n d l i c h k e i t und Reizbarkeit sehr v e r m i n d e r t ist, wie z . B . Milzbrand. K r e i s t h i e r a r z t L e h n h a r d t in W i t t e n b e r g g a b d a s Elixir. Halleri b e i d e m n e r v ö s e n K a l b e f i e b e r , w o d i e K u h s c h o n g a n z e r s c h ö p f t 36 S t u n d e n flach auf d e r S e i t e g e l e g e n h a t t e , m i t so g ü n s t i g e m E r f o l g e , d a s s sich d a s T h i e r n a c h 10 S t u n d e n w i e d e r auf d i e B r u s t l e g e n u n d n o c h e t w a s s p ä t e r w i e d e r a u f s t e h e n k o n n t e . D i e G a b e ist von der nach der Preuss. P h a r m a c o p ö e bereiteten sauren Mixtur für Pferde und Rindvieh 8 , 0 — 3 0 , 0 , f ü r S c h a f e u n d S c h w e i n e 4 , 0 — 1 2 , 0 , liir H u n d e 0 , 5 — 2 , 0 m i t W a s s e r o d e r in bitteren Pflanzendecocten oder aromatischen Infusen b i s z u m e r t r ä g l i c h sauren Geschmack verdünnt, u n d in Z w i s c h e n z e i t e n v o n 1 — 4 S t u n d e n . Man kann bittere und aromatische Mittel damit verbiLden. — Aeusserlieh w u r d e n diese sauren M i s c h u n g e n , n a m e n t l i c h d a s R a b e l ' s c h e W a s s e r a l s b l u t s t i l l e n d e M i t t e l , u n d bei G e l e n k w u u d e n u m d i e S y n o v i a z u m G e r i n n e n zu b r i n g e n u n d i h r e n A u s f l u s s zu h e m m e n , a u s s e r d e m a u c h b e i G a l l e n - u n d S e h n e n k l a p p , u n d im v e r d ü n n t e n Z u s t a n d e a l s a u s t r o c k n e n d e s u n d h e i l e n d e s M i t t e l b e i F l e c h t e n u. s. w . b e n u t z t , sind a b e r j e t z t k a u m n o c h gebräuchlich. A n m e r k u n g 2. D i e s a u r e W u n d m i s c h u n g , oder T l i e d e n ' s Schussw a s s e r , T l i e d e n ' s c h e A r q u e b u s a d e (Mixtura mlneraria acida, Aqua vulneraria Thedeni*) w i r d n a c h d e r P r e u s s . P h a r m a c o p ö e a u s r o h e m E s s i g (6 T h e i l e ) , r e c t i f i c i r t e m W e i n g e i s t ( 3 T h e i l e ) , v e r d ü n n t e r S c h w e f e l s ä u r e (1 T h e i l ) u n d a b g e s c h ä u m t e m H o n i g (2 T h e i l e ) z u s a m m e n g e s e t z t ; s i e w i r k t z u s a m m e n z i e h e n d , r e i z e n d , d a h e r b e i E r s c h l a f f u n g z e r t h e i l e u d , b l u t s t i l l e n d , u n d w u r d e ä u s s e r l i c h bei Q u e t s c h u n g e n , Q u e t s c h - u n d S c h u s s w u n d e n . b e i B l u t u n t e r l a u f u n g e n , B l u t u n g e n u. s. w . , e h e m a l s m e h r als j e t z t , a n g e w e n d e t . Ich h a b e s i e b e i f r i s c h e n Q u e t s c h u n g e n , n a m e n t l i c h b e i d e r g l e i c h e n S e h n e n k l a p p , P i e p hackcn, Stollbeulen. D r u c k s c h ä d e n , V e r s t a u c h u n g e n , auch bei G a l l e n , sehr w i r k s a m gef u n d e n , i n d e m ich s i e m i t 2 — 3 T h e i l e n W a s s e r s v e r d ü n n t , t ä g l i c h s e c h s - b i s a c h t m a l a n wendete. (Acid. sulphuric. crud. 30 G r m . C P f g . ; rectificat. 30 G r m . 1 S g r . 4 P f g . ; dilut. 30 G r m . 3 P f g . : Mixt, mlphur. acid. 30 G r m . 1 S z r . 8 P f g . ; Mixtura. minerar. acida 30 G r m . ! 0 P f g . )
2 ) Salpetersäure, Acidum Scheide Wasser, Spiritus
nitricum, nitri
Salpetersäurehjdrat, saurer Salpefergeisl, Azolsäure,
acidus,
a u c h w o h l : Aqua fortis,
Acidum
zooticum.
§. 448.
Die Salpetersäure, aus Sauerstoff, Stickstoff und Wasser bestellend, wird durch Destillation des Salpeters vnit Schwefelsäure in Fabriken als r o h e oder r a u c h e n d e Salpetersäure (Acidum nitricum crudum, Acid. nitric. fumans) gewonnen, und diese wird durch nochmalige Destillation rectificirt und zur officinellen r e i n e n Salpetersäure gemacht. Die rohe Säure hat ein gelbliches Ansehen, sie ist mit salpetriger Säure vermischt und erzeugt bei der Einwirkung der Luft einen weissen Dampf, indem ihr Dunst die Feuchtigkeit der Luft condensirt. D i e reine Salpetersäure ist eine klare, farblose, flüchtige, nicht rauchende Flüssigkeit von eigenthümlich saurem scharfen Geruch und stark saurem Geschmack; sie soll nach der Preuss. Pharmacopöe wenigstens 25 Proc. wasserfreie Säure enthalten ; zum Wasser hat sie eine grosse Anziehung, mischt sich mit demselben in allen Verhältnissen und
Säuren.
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macht mit Alkalien und Metallen Salze. Der Sauerstoff, ihr überwiegender Bestandtheil (beinahe 74 Proc.), ist nur locker mit dem Stickstoff verbunden, so dass er sich leicht von demselben trennt, worauf beide Bestandtheile mit anderen Stoffen Verbindungen eingehen. Die Salpetersäure ist daher leichter zersetzbar als die übrigen Mineralsäuren; sie zersetzt aber aiich andere, namentlich alle thierische Stoffe sehr leicht, und färbt bei gelinder Einwirkung die letzteren gelb, bei stärkerer Einwirkung aber wandelt sie dieselben in eine weiche, breiige Masse und dann in einen Schorf um. Ihre Wirkungen im concentrirten Zustande sind also mit denen der concentrirten Mineralsäuren überhaupt (§. 4 38) übereinstimmend. Im verdünnten Zustande besitzt die Salpetersäure zwar zum Theil die, von den verdünnten Mineralsäuren im Allgemeinen angegebenen Wirkungen; sie zeichnet sich jedoch dadurch aus: yro-li(jnosum.
§. 459. Die rohe Holzsäure (Aciduiu ¡>yro-liynosum crudum), ein sehr zusammengesetztes Product der trockenen Destillation des Holzes, besteht aus Wasser, viel Essigsäure, essigsaurem Ammoniak, brenzlichem Oel, Brandharz, aus einem stickstoffhaltigen Extractivstotf, aus brenzlichem Holzessiggeist und aus Kreosot. Die Verhältnisse dieser B e s t a n d t e i l e und daher auch die Wirksamkeit der Säure sind nach Verschiedenheit der, zu ihrer Bereitung benutzten Holzarten u. s. w. etwas verschieden. Sie hat ein braunes Ansehen, einen essigartigen, zugleich aber tlieer- undrauchähnlichen Geruch und Geschmack; ihr spec. Gewicht ist 1 , 0 2 ; 1 5 — 1 6 Theile sättigen gewöhnlich 1 Theil kohlensaures Kali. D i e durch nochmalige gelinde Destillation von den gröberen brenzlichen B e s t a n d t e i l e n befreite, sogenannte r e c t i f i c i r t e H o l z s ä u r e (Acutum pyro-liyn. redificatum) ist weniger wirksam als die rohe, weshalb letztere in den meisten Fällen den Vorzug verdient. D i e brenzliche Holzsäure ist bereits im grauen Alterthume bekannt gewesen -, aber erst in neuerer Zeit wieder beachtet, und hinsichtlich ihrer Wirkung auf lebende Thiere, sowie auf todte thierische Substanzen mehrfältig geprüft worden. — B e r r e s 3 gab einem Haushahn durch drei Tage nacli einander täglich 4 mal klein geschnittenes Brot, jedesmal mit l 1 / 2 Loth (¿4 Grm.) Säure getränkt, ein; das Thier wurde gleich nach dem ersten Eingeben 1 T a s c h e n b u c h für H a u s t h i e r ä r z t e und O e k o n o m e n , v o n J . F . N i e m a n n . chen. S. 76. 2 P l i n i u s , H i s t . n a t . p a g . 2 4 4 . §. 21. 8 U e b e r die H o l z s ä u r e und ihren W e r t h . W i e n 1 8 2 3 . S. 39 u. f.
1. B ä n d -
Holzessig.
423
betäubt, wankte hin und lier, schäumte aus dem Schnabel und die Federn wurden buschig aufgerichtet, später wurden letztere schmutzig gelb, der Kamm blauroth, der Kopf angeschwollen, die Respiration beschwerlich, röchelnd, und am vierten Tage erfolgte der Tod unter Erstickungszufällen. — Andere Hühner, denen man 2 Quentchen (8 Grm.) der Säure f ü r sich allein eingab , bekamen sogleich Zuckungen, Erbrechen, dunkelblaue Farbe des Kammes und schon nach 2 Minuten erfolgte der Tod. — 1 Loth (15 Grm. des Mittels einem Hahn in den After gespritzt, verursachte ähnliche Zufalle, und in 2 Stunden den Tod. — Katzen stürzten augenblicklich nach dem Eingeben eines halben bis eines ganzen Quentchens (2— 4 Grm.) der Säure zusammen, bekamen Convulsionen am ganzen Körper, schrieen, schäumten an dem Maule, erbrachen sich, die Augen wurden hervorgedrängt, die Pupille sehr erweitert , der Urin ging unwillkürlich ab, und der Tod erfolgte nach l 1 / 2 — 2 Minuten. Selbst zehn Tropfen waren bei diesen Thieren hinreichend, ähnliche Zufälle und den Tod zu veranlassen, welcher letztere jedoch erst am dritten Tage nach dem Eingüsse erfolgte (a. a. O. S. 43). — 6 Quentchen (24 Gramm) in den Mastdarm einer Katze gespritzt, tödteten dieselbe in 6 Stundeu. — Bei einem H u n d e entstand von 4 Grm. innerlich gegebener S ä u r e zuerst Drang zum Erbrechen, Ausfluss von Schaum aus Maul und Nase, nach 1 Stunde wirkliches Erbrechen mit Entleerung einer, nach Holzsäure riechenden Substanz, dann Traurigkeit und Sträuben der Haare. Nach 10 Stunden waren alle Zufälle wieder verschwunden und der H u n d völlig hergestellt. — 12 Grm. einem grossen Hunde gegeben, verursachten binnen kurzer Zeit eine Mattigkeit in einem so hohen Grade, dass die Füsse das Thier nicht mehr ordentlich tragen konnten; nach 6 Stunden struppiges Haar, funkelnde Augen, Zittern, Ausfluss eines weissen Schaumes aus Maul und Nuse, dumpfer Husten, gänzlicher Verlust des Appetites; nach 12 Stunden bemerkte man ausser den genannten Zufällen noch Stumpfheit der Sinne, beschwerliche Respiration, heiseren Husten; nach 24 Stunden waren der Scliaumausfluss geringer, der Husten sparsamer, übrigens dieselben Zufalle, jedoch im höheren Grade, und noch in den nächsten 24 Stunden steigend. Es waren alle Zeichen einer Lungenentzündung zugegen; erst am siebenten Tage fand sich etwas lockerer Auswurf, Besserung und Appetit, und am zwölften Tage war das Thier völlig wieder hergestellt. — Ein anderer Hund starb von einem Loth Holzsäure am vierten T a g e nach dem Eingeben, und nachdem ähnliche Zufälle entstanden waren, ganz ruhig. Mit diesen Angaben stimmen auch die Erfolge der Versuche überein. welche sowohl von S c h u b a r t 1 wie auch von mir gemacht worden sind; nur muss ich bemerken: dass, wenn ich den Holzessig vermittelst der Oesophagotomie und durch eine Röhre in den Magen brachte, die Zufälle stets viel milder waren, als von einer gleichen Gabe, welche durch das Maul eingegeben wurde; mehrere Hunde ertrugen auf erstere Weise 30 Grm. des Mittels ohne lebensgefährliche Folgen. Bei Schafen sah ich nach Gaben von 15,0—30,0 ähnliche Zufälle wie bei Hunden, besonders auch Lungenentzündung entstehen, und von 60,0 pro dosi den Tod erfolgen. — K ü h e und Pferde ertrugen dagegen das Mittel bis zu 360,0 in einer Gabe ganz ohne Nachtheil; 90,0—120,0 verursachten bei 1
In H o r n ' s Archiv, 1824. S. 59.
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Säuren.
diesen Thieren oft kaum bemerkbare Veränderungen; von grösseren Gaben entstand zuerst vermehrte Schleimsecretion im Maule und in der Nase, dann grössere Wärme im Maule, nach 15—30 Minuten gesträubtes Haar, und zuweilen Frostschauder, kleinerer, etwas (um 8—12 Schläge) vermehrter Puls, schnelleres, etwas beschwerliches Atlimen, Verminderung des Appetits, etwas Mattigkeit, kalte Ohren, und — nach 4—6 Stunden sehr reichliches, oft wiederholtes Uriniren; — in einzelnen Fällen wurde auch der Koth weicher, und einige Pferde zeigten mässige Leibschmerzen. Nach 8—10 Stunden war die Wirkung wieder vorüber. Bei äusserlicher Anwendung wirkt der brenzliche Holzessig auf die betroffenen Gebilde reizend, zusammenschrumpfend; schlaffe, blasse Granulation wird derber und dunkler geröthet, die Secretion in Wunden und Geschwüren vermindert und mehr plastisch. Todte Weichgebilde, auf welche der Holzessig durch einige Zeit eingewirkt hat, werden hierdurch gegen Fäulniss geschützt. §. 460. Bei den gestorbenen Thieren fand sich fast übereinstimmend in allen F ä l l e n : die Cadaver in kurzer Zeit ganz steif, die Schleimhaut des Magens und des Darmkanals an verschiedenen Stellen dunkler geröthet, selbst entzündet (wenn der Tod nicht gleich nach dem Eingeben erfolgt war); der Inhalt des Verdauungskanals oft stark nach Holzsäure riechend, die übrigen Baucheingeweide gesund, die Luftröhre gewöhnlich mit Schaum erfüllt, die Lungen stets sehr blutreich, oft mit schwarzen Flecken versehen; das Herz in der rechten Seite mit schwarzem, flüssigem Blute ganz angefüllt, die grossen Venenstämme desgleichen; die linke Hälfte des Herzens leer; Hirnund Rückenmark sehr blutreich, aber ohne weitere Veränderung. Aus den sämmtlichen Erscheinungen ergiebt sich: dass der Holzessig bei allen Thieren als eine sehr reizende, die Sensibilität und Irritabilität eigentlmmlich erregende und umstimmende Substanz wirkt, und dass er (wie es scheint durch Ueberreizung) in etwas grossen Gaben, selbst Lähmung und den Tod herbeiführt. §. 461. Man hat die brenzliche Holzsäure zwar häufig als Heilmittel angewendet, aber bisher für ihren innerlichen Gebrauch keine bestimmten Indicationen festgestellt. Im Allgemeinen erscheint das Mittel, seinen reizenden Wirkungen gemäss, da angezeigt: wo die Lebensthätigkeit im Gefäss- und Nervensystem zugleich gesunken ist, wo die Schleimhäute erschlafft, die Secretionen übermässig reichlich und von zu dünner, seröser Qualität erscheinen; — daher im Besondern bei fauligen, typhösen und cacliectischen Leiden, wenn dieselben auf torpider Atonie beruhen; bei Wassersuchten, Schleirnflüssen und Blutungen, wenn sie denselben atonischen Character an sich tragen. Ich habe das Mittel gegen asthenisch-nervöse Fieber, gegen ödematöse Anschwellungen und gegen Trommelsucht des Rindviehes mit Nutzen, — dagegen bei Rheumatismus und rheumatischen Fiebern, bösartiger Druse und Rotz, bei chronischer Diarrhöe, welche nach einer zu grossen Gabe Aloe zu-
Holzessig.
425
r ü c k g e b l i e b e n w a r , in m e h r e r e n F ä l l e n g a n z o h n e g ü n s t i g e n E r f o l g a n gewendet. D i e G a b e d a r f , wie die m i t g e t h e i l t e n V e r s u c h e l e h r e n , f ü r d i e k l e i n e n T h i e r e n u r sehr g e r i n g sein, n ä m l i c h fiir H ü h n e r u n d K a t z e n 1 — 3 T r o p f e n , f ü r H u n d e 1 0 — 2 0 , fiir S c h a f e , Z i e g e n u n d S c h w e i n e 2 0 — 4 0 T r o p f e n , t ä g l i c h ein- bis d r e i m a l ; P f e r d e n u n d R i n d e r n k a n n m a n d a g e g e n ebenso oft 6 0 , 0 — 1 8 0 , 0 geben. M a n giebt sie e n t w e d e r in einer s c h l e i m i g e n F l ü s s i g k e i t , oder m i t a n d e r e n M i t t e l n v e r b u n d e n , in L a t w e r g e n . A e u s s e r l i c h h a b e ich d i e H o l z s ä u r e bei M a u k e g e s c h w ü r e n , besonders bei d e r s o g e n a n n t e n a u s f a l l e n d e n oder B r a n d m a u k e , n a c h d e m die erste E n t z ü n d u n g v o r ü b e r w a r , m i t a u s g e z e i c h n e t e m E r f o l g e a n g e w e n d e t ; ebenso bei a n d e r e n a t o n i s c h e n G e s c h w ü r e n , bei W i d e r r i s t s c h ä d e n u. s. w . , w e n n die G r a n u l a t i o n schlaff u n d ü p p i g ist; — bei S t r a h l k r e b s u n d in K n o r p e l f i s t e l n m i n d e r t e sie die A b s o n d e n i n g , b e w i r k t e a b e r die H e i l u n g n i c h t ; bei d e m epizootischen K l a u e n w e h w a r sie n ü t z l i c h , bei d e m b ö s a r t i g e n K l a u e n w e h d e r M e r i n o s h a t sie a b e r n u r h i n u n d w i e d e r das V e r t r a u e n bestätigt, welches m a n n a c h E ö d i g e r ' s g ü n s t i g e n A n g a b e n 1 v o n ihr h a t t e ; bei F l e c h t e n u n d bei E ä u d e w a r sie sehr w i r k s a m ; bei dem k a l t e n B r a n d e h a t sie oft z u r H e i l u n g beigetragen. M a n b e n u t z t sie bei d e n g e n a n n t e n K r a n k h e i t e n z u m A u s p i n s e l n oder z u m V e r b i n d e n d e r G e s c h w ü r e , t ä g l i c h ein- bis dreimal, — u n d zum W a s c h e n d e r r ä u d i g e n S t e l l e n , t ä g l i c h oder j e d e n zweiten T a g e i n m a l . Mehrentheils ist sie f ü r sich allein w i r k s a m g e n u g ; bei grosser Reizlosigkeit d e r G e s c h w ü r e u n d g e g e n B r a n d h a b e ich sie a b e r auch in V e r b i n d u n g mit K a m p h e r ( 4 , 0 auf ILMi,(i S ä u r e ) u n d m i t K a m p h e r g e i s t (zu g l e i c h e n T h e i l e n ) a n g e w e n d e t . (A. j-yroltyit. und. 3 0 , 0 6 P f g . , rectificot. 3 0 , 0 1 S g r . 4 P f g . ) §. 4G2. Ausbcr d e n a u s f ü h r l i c h b e t r a c h t e t e n S ä u r e n sind a u c h f o l g e n d e noch in K ü r z e zu e r w ä h n e n : D i e P h o s p h o r s ä u r e (Acidum pliusjilwricum), im c o n c e n t r i r t e n Z u s t a n d e dickflüssig, a b e r m i t W a s s e r in allen V e r h ä l t n i s s e n m i s c h b a r , ist weit m i l d e r als die ü b r i g e n M i n e r a l s ä u r e n , dabei m e h r s t ä r k e n d u n d d e n R e p r o d u c t i o n s process f ö r d e r n d . Sie v e r d i e n t e bei a s t h e n i s c h e n L e i d e n m i t g e s u n k e n e r B i l d u n g s t h ä t i g k e i t m e h r a n g e w e n d e t zu w e r d e n . I c h h a b e sie in V e r b i n d u n g mit b i t t e r - a r o m a t i s c h e n M i t t e l n , u n d a b w e c h s e l n d mit K a l k w a s s e r g e g e n K n o c h e n e r w e i c h u n g bei Z i e g e n u n d H u n d e n g a n z v o r t r e f f l i c h w i r k e n d gef u n d e n . D i e G a b e k a n n wie bei d e r S c h w e f e l s ä u r e u n d selbst e t w a s grösser als bei dieser sein. Die K o h l e n s ä u r e (Acidum carbwiicum) w i r d im r e i n e n , g a s f ö r m i g e n Z u s t a n d e n i c h t a n g e w e n d e t , s o n d e r n n u r in k o h l e n s a u r e n S a l z e n ( k o h l e n s a u r e m K a l i , N a t r o n , M a g n e s i a , K r e i d e ) u n d zuweilen in d e n B i e r h e f e n , w e l c h e letztere von M a n c h e n als ein w i r k s a m e s Mittel bei h a r t n ä c k i g e r V e r s t o p f u n g der P f e r d e u n d des R i n d v i e h e s (1 Q u a r t mit d e m G e l b e n von drei E i e r n auf e i n m a l g e g e b e n ) b e t r a c h t e t w e r d e n . D i e K o h l e n s ä u r e v e r h i n d e r t 1
Erfahrungen über die b ö s a r t i g e Klauenseuche der Schafe.
Chemnitz 1822. S. 39.
A l k a l i s c h e Mittel.
426
a m t o d t e n F l e i s c h d i e F ä u l n i s s , b e n i m m t f a u l e n d e m Fleisch d e n ü b l e n Geruch, w i r k t a u f l e b e n d e T h i e r e e r r e g e n d , in grossen G a b e n sogar b e r a u s c h e n d u n d t r e i b t d a s B l u t s t a r k g e g e n die äussere P e r i p h e r i e des K ö r p e r s . D a h e r k a n n sie bei a s t h e n i s c h - n e r v ö s e n Z u s t ä n d e n , z. B. bei dergleichen K r a m p f , K o l i k u. s. w., mit Nutzen angewendet werden. I m F a u l f i e b e r d e r P f e r d e h a b e ich sie oft mit a u s g e z e i c h n e t e m E r f o l g e g e b r a u c h t . M a n e r h ä l t sie in einem gut mouss i r e n d e n B i e r , bei k l e i n e n Tliieren a u c h in F o r m des s o g e n a n n t e n Brausep u l v e r s , Pulv. aerophorus. indem m a n z. B . f ü r einen H u n d mittlerer Grösse 0 , 5 saures k o h l e n s a u r e s N a t r o n mit 1 Esslöffel voll W a s s e r u n d gleich d a r a u f 1 Esslöffel voll s c h w a c h e n E s s i g giebt, oder in F o r m des s o g e n a n n t e n englilisclien B r a u s e p u l v e r s (weinsteinsaures K a l i - N a t r o n [ S e i g n e t t e - S a l z ] und säuerliches k o h l e n s a u r e s N a t r o n 2,5 z u s a m m e n g e m i s c h t , u n d 2 , 0 g e p u l v e r t e W e i n s t e i n s ä u r e f ü r sich gleich d a r n a c h e i n g e g e b e n ) . D i e W T e i n - oder W e i n s t e i n s ä u r e (AciJiun tarturiaim) wird gleichfalls n u r in w e i n s t e i n s a u r e n S a l z e n zuweilen benutzt. — S ä u e r l i c h e F r ü c h t e aller A r t k ö n n e n f ü r p f l a n z e n f r e s s e n d e T h i e r e , w e n n im S o m m e r Seuchen mit e n t z ü n d l i c h e m C h a r a c t e r h e r r s c h e n , statt des Essigs b e n u t z t w e r d e n , indem m a n sie z e r q u e t s c h t ins G e t r ä n k giebt. D e r S a u e r k o h l oder das S a u e r k r a u t (Brassica fennentuUi) e n t h ä l t E s s i g , K o h l e n s ä u r e u n d d e r g l e i c h e n , ist innerlich auf ä h n l i c h e W e i s e zu geb r a u c h e n ; äusserlich w i r d er zuweilen als ein H a u s m i t t e l zu k ü h l e n d e n , gel i n d z u s a m m e n z i e h e n d e n U m s c h l ä g e n bei V e r b ä l l u n g , H u f e n t z ü n d u n g , bei unreinen fauligen Geschwüren und dergleichen benutzt.
ZEHNTE
KLASSE.
Beine Alkalien und Erden, oder alkalische und erdige Mittel. (Alcali'i
et Terrae,
Medicameutu
ulhdinn
et terrea.)
Begriff, W i r k u n g und A n w e n d u n g dieser Mittel Im Allgemeinen
§. 4 6 3 . D i e A l k a l i e n u n d E r d e n w u r d e n f r ü h e r f ü r chemisch-einfache K ö r p e r g e h a l t e n , bis D a v y b e w i e s , dass sie V e r b i n d u n g e n sehr leicht o x y d i r b a r e r M e t a l l e , s o g e n a n n t e r M e t a l l o i d e mit S a u e r s t o f f , also w a h r e O x y d e sind. Sie k o m m e n in d e n drei R e i c h e n d e r N a t u r h ä u f i g vor, j e d o c h selten rein, s o n d e r n in m a n n i g f a c h e n V e r b i n d u n g e n , meistens als Salze. N a c h d e m G r a d e i h r e r L ö s l i c h k e i t im W a s s e r u n t e r s c h e i d e t m a n die h i e r h e r g e h ö r i g e n S u b s t a n z e n schon seit ä l t e r e n Z e i t e n : 1) in e i g e n t l i c h e A l k a l i e n , 2) in a l k a l i s c h e E r d e n , u n d 3) in e i g e n t l i c h e E r d e n . 1) D i e A l k a l i e n , f r ü h e r a u c h L a u g e n s a l z e g e n a n n t , sind im W a s s e r sehr leicht löslich, besitzen einen e i g e n t ü m l i c h e n , b r e n n e n d e n , l a u g e n h a f t e n G e s c h m a c k , f ä r b e n d e n b l a u e n V e i l c h e n s a f t g r ü n , das g e l b e P i g m e n t d e r C u r c u m a w u r z e l u n d d e r E h a b a r b e r b r a u n ; m i t thierischen Stoffen v e r b i n d e n sie sich in e i g e n t h ü m l i c h e r A r t u n d w i r k e n auf sie auflösend, zerstörend, wes-
A l k a l i s c h e Mittel.
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a m t o d t e n F l e i s c h d i e F ä u l n i s s , b e n i m m t f a u l e n d e m Fleisch d e n ü b l e n Geruch, w i r k t a u f l e b e n d e T h i e r e e r r e g e n d , in grossen G a b e n sogar b e r a u s c h e n d u n d t r e i b t d a s B l u t s t a r k g e g e n die äussere P e r i p h e r i e des K ö r p e r s . D a h e r k a n n sie bei a s t h e n i s c h - n e r v ö s e n Z u s t ä n d e n , z. B. bei dergleichen K r a m p f , K o l i k u. s. w., mit Nutzen angewendet werden. I m F a u l f i e b e r d e r P f e r d e h a b e ich sie oft mit a u s g e z e i c h n e t e m E r f o l g e g e b r a u c h t . M a n e r h ä l t sie in einem gut mouss i r e n d e n B i e r , bei k l e i n e n Tliieren a u c h in F o r m des s o g e n a n n t e n Brausep u l v e r s , Pulv. aerophorus. indem m a n z. B . f ü r einen H u n d mittlerer Grösse 0 , 5 saures k o h l e n s a u r e s N a t r o n mit 1 Esslöffel voll W a s s e r u n d gleich d a r a u f 1 Esslöffel voll s c h w a c h e n E s s i g giebt, oder in F o r m des s o g e n a n n t e n englilisclien B r a u s e p u l v e r s (weinsteinsaures K a l i - N a t r o n [ S e i g n e t t e - S a l z ] und säuerliches k o h l e n s a u r e s N a t r o n 2,5 z u s a m m e n g e m i s c h t , u n d 2 , 0 g e p u l v e r t e W e i n s t e i n s ä u r e f ü r sich gleich d a r n a c h e i n g e g e b e n ) . D i e W T e i n - oder W e i n s t e i n s ä u r e (AciJiun tarturiaim) wird gleichfalls n u r in w e i n s t e i n s a u r e n S a l z e n zuweilen benutzt. — S ä u e r l i c h e F r ü c h t e aller A r t k ö n n e n f ü r p f l a n z e n f r e s s e n d e T h i e r e , w e n n im S o m m e r Seuchen mit e n t z ü n d l i c h e m C h a r a c t e r h e r r s c h e n , statt des Essigs b e n u t z t w e r d e n , indem m a n sie z e r q u e t s c h t ins G e t r ä n k giebt. D e r S a u e r k o h l oder das S a u e r k r a u t (Brassica fennentuUi) e n t h ä l t E s s i g , K o h l e n s ä u r e u n d d e r g l e i c h e n , ist innerlich auf ä h n l i c h e W e i s e zu geb r a u c h e n ; äusserlich w i r d er zuweilen als ein H a u s m i t t e l zu k ü h l e n d e n , gel i n d z u s a m m e n z i e h e n d e n U m s c h l ä g e n bei V e r b ä l l u n g , H u f e n t z ü n d u n g , bei unreinen fauligen Geschwüren und dergleichen benutzt.
ZEHNTE
KLASSE.
Beine Alkalien und Erden, oder alkalische und erdige Mittel. (Alcali'i
et Terrae,
Medicameutu
ulhdinn
et terrea.)
Begriff, W i r k u n g und A n w e n d u n g dieser Mittel Im Allgemeinen
§. 4 6 3 . D i e A l k a l i e n u n d E r d e n w u r d e n f r ü h e r f ü r chemisch-einfache K ö r p e r g e h a l t e n , bis D a v y b e w i e s , dass sie V e r b i n d u n g e n sehr leicht o x y d i r b a r e r M e t a l l e , s o g e n a n n t e r M e t a l l o i d e mit S a u e r s t o f f , also w a h r e O x y d e sind. Sie k o m m e n in d e n drei R e i c h e n d e r N a t u r h ä u f i g vor, j e d o c h selten rein, s o n d e r n in m a n n i g f a c h e n V e r b i n d u n g e n , meistens als Salze. N a c h d e m G r a d e i h r e r L ö s l i c h k e i t im W a s s e r u n t e r s c h e i d e t m a n die h i e r h e r g e h ö r i g e n S u b s t a n z e n schon seit ä l t e r e n Z e i t e n : 1) in e i g e n t l i c h e A l k a l i e n , 2) in a l k a l i s c h e E r d e n , u n d 3) in e i g e n t l i c h e E r d e n . 1) D i e A l k a l i e n , f r ü h e r a u c h L a u g e n s a l z e g e n a n n t , sind im W a s s e r sehr leicht löslich, besitzen einen e i g e n t ü m l i c h e n , b r e n n e n d e n , l a u g e n h a f t e n G e s c h m a c k , f ä r b e n d e n b l a u e n V e i l c h e n s a f t g r ü n , das g e l b e P i g m e n t d e r C u r c u m a w u r z e l u n d d e r E h a b a r b e r b r a u n ; m i t thierischen Stoffen v e r b i n d e n sie sich in e i g e n t h ü m l i c h e r A r t u n d w i r k e n auf sie auflösend, zerstörend, wes-
Alkalische Mittel.
427
halb man sie ä t z e n d oder k a u s t i s c h n e n n t ; nach C. G. M i t s c h e r l i c h 1 geben die Kali-, Natron- und Ammoniakverbindungen mit den thierischen Flüssigkeiten keine Niederschläge; sie ändern Fette und Oele in e i g e n t ü m liche Säuren um, und bilden mit ihnen die S e i f e n ; mit den Säuren verbinden sie sich überall sehr begierig, und bilden mit ihnen die sogenannten Neutral- und Mittelsalze. Zu den Alkalien gehören das Kali, das Natron, das Lithion (letzteres in der Thierheilkunde bisher nicht arzneilich benutzt) und das Ammoniak. Obgleich das Ammoniak in seiner chemischen Zusammensetzung von den übrigen Alkalien sehr abweicht, so muss es doch zu ihnen gezählt werden, weil es alle andere wesentlichen chemischen Eigenschaften mit denselben gemein hat, und sich von ihnen nur dadurch unterscheidet, dass es einen Geruch besitzt und bei gewöhnlicher Temperatur gasförmig ist, während die übrigen selbst die Glühhitze ertragen. Man nennt deshalb die letzteren auch f i x e Alkalien, das Ammoniak aber f l ü c h t i g e s Alkali oder Laugensalz. 2) Die a l k a l i s c h e n E r d e n sind weniger leichtlöslich als die Alkalien, besitzen aber alle chemischen Eigenschaften derselben, jedoch in einem geringeren Grade. — Es sind die Kalkerde, die Talkerde, die Baryt- und die Strontianerde; nur die beiden ersteren werden im reinen Zustande arzneilich benutzt, sowie auch ihre Salze und die Salze der Baryterde. ¿S) Die e i g e n t l i c h e n E r d e n (Thonerde, Beryll-, Ytter- und Zirkonerde) sind nebst ihren kohlensauren und neutralen Salzen im Wasser ganz unlöslich. Sie ätzen nicht. Arzneiliche Anwendung macht man nur von der Thonerde und ihren Salzen. Die metallischen Grundlagen der Alkalien und E r d e n verbinden sich, wie die übrigen Metalle, auch mit Schwefel und bilden damit die sogenannten S c h w e f e l l e b e r n , die man früher für liydrothionsaure Oxydsalze hielt, die aber nach der jetzigen Chemie einfache Schwefelmetalle sind. Da diese Verbindungen hinsichtlich ihrer arzneilichen W i r k u n g den Alkalien und Erden sehr nahe kommen, so finden sie auch hier ihren schicklichsten Platz. §. 4C4. Die Wirkungen der reinen Alkalien und der alkalischen Erden sind im Allgemeinen einander sehr ähnlich, sie treten jedoch mit etwas verschiedenen Erscheinungen und in verschiedenem Grade ein, j e nach dem Grade der Concentration, in welcher diese Stoffe angewendet werden. a) I m concentrirten Zustande, d. h. trocken oder nur in sehr wenigem Wasser gelöst, zerstören sie unter heftigem, brennendem Schmerz die Textur und Mischung der von ihnen berührten thierischen Weichgebilde und verwandeln dieselben in eine schmierige, seifenartige Masse, welche später zu einem Schorfe vertrocknet. Sie wirken also ätzend, verdichten aber dabei in der ersten Zeit die organische Materie nicht wie es die Säuren thun), sondern verflüssigen sie und lockern sie auf. — A n der Grenze und unter der bewirkten Zerstörung entsteht Entzündung und Eiterung, und durch letztere die gänzliche Abstossung des Abgestorbenen. Bei innerlicher Anwendung in diesem Zustande entsteht Auflockerung, Anschwellung und Zerstörung des Epitheliums und der Schleimhaut selbst, sehr vermehrte Schleimsecretion, 1
Med. Zeit, des Vereins für H e i l k . in Preussen. 1841. Nr. 4 3 — 4 6 .
Alkalische Mittel.
428
A n ä t z u n g , E n t z ü n d u n g , selbst Brand der Eingeweide und mehrentheils der Tod. b) In massig starker Auflösung erregen diese Mittel innerlich wie äusserlich an den Stellen der Berührung eine schmerzhafte (erethische) Entzündung, welche oft seröse Ausschwitzung, zuweilen auch jauchende Eiterung herbeiführt. Bei innerlicher Anwendung entstehen dabei oft heftige Zufälle, Convulsionen, Kolik, blutige Diarrhöe, bei Thieren, die sich erbrechen können, auch Erbrechen, und zuweilen der Tod durch Magen- und Darmentzündung. Aeusserlicli erfolgt mehrentheils nach der Entzündung eine Abschuppung der Haut. c) In sehr schwacher Auflösung wirken sie örtlich die Epidermis und das Epithelium auflockernd, bei länger dauernder Einwirkung selbst in eine weiche, schleimige Masse umwandelnd, die sich leicht abwischen lässt; sie reizen gelind und vermehren die Bildungsthätigkeit der Haut, lösen plastische Ablagerungen auf, befördern mächtig die Resorption in der Haut, unter derselben und in Drüsen und sie sind daher bei Ausschwitzungen, Stockungen und Verdickungen vortreffliche Zertheilungsmittel. Bei innerlicher Anwendung wirken die sehr verdünnten Alkalien zunächst e i g e n t ü m l i c h erregend auf die Schleimhaut des Verdauungskanals; sie verursachen daselbst hauptsächlich eine Veränderung der Absonderungen, binden auf chemische Weise die etwa vorhandene Säure, machen den Darmschleim flüssiger und absorbiren Gasarten, die sich im Magen oder im Darmkanal angehäuft haben. Diese Wirkungen verbreiten sich dann weiter, und zwar theils als Folge der veränderten Digestion und Assimilation, tlieils auch, indem die Alkalien materiell in den Chylus, in das Blut und selbst in die abgesonderten Säfte übergehen. Es wird die Gerinnbarkeit des Faser- und Eiweissstoffes und der Gallerte im Chylus, in der Lymphe, im Blute u. s. w. vermindert; Dünnflüssigkeit aller Säfte, leichtere Circulation und vollkommenere Respiration 1 , Auflockerung und leichtere Zersetzbarkeit der organischen Materie bedingt und zugleich die Resorption derselben sehr begünstigt; die Absonderungen, namentlich die der serösen Flüssigkeiten, erfolgen reichlicher, und besonders wird der Urin in grösserer Menge und von mehr wässeriger Beschaffenheit entleert; zugleich verlieren die abgesonderten Säfte ihren Gehalt an Säure und werden zuweilen sogar vorwaltend alkalisch. Letzteres ist vorzüglich wahrnehmbar am Urin, mit welchem ein grosser Theil der eingegebenen alkalischen Stoffe, jedoch mit Kohlensäure und anderen Säuren zu Salzen umgewandelt, wieder aus dem Körper ausgeschieden wird, daher sich in ihm auch gewöhnlich ein starker Bodensatz von diesen Stoffen bildet. Werden die alkalischen Mittel im verdünnten Zustande durch längere Zeit in reichlicher Gabe angewendet, so stören sie die Verdauung und Assimilation, vermindern den Appetit, verursachen Durchfall, wässerige Beschaffenheit und dunklere F ä r b u n g des Blutes, Aufgedunsenheit des Zellgewebes, Schlaffheit, Miirbigkeit und Schwäche in den Muskeln und Blutgefässen, und Verminderung der Irritabilität. Zuletzt folgt eine allgemeine Uebelsäftigkeit, Faulfieber, und zuweilen der Tod. — Eine e i g e n t ü m l i c h e und directe Wirkung auf das Nervensystem, die man den Alkalien im Allgemeinen auch zu1
G r z e d z i e w s k i , Magaz. für Thierhcilk. XXVII. S. 439.
Alkalische Mittel.
429
schreibt, habe ich von ihrer innerlichen Anwendung bei Thieren nur allein von Ammoniak bemerken können. B e i Injectionen in die Venen wirken diese Mittel in ähnlicher Weise wie bei innerlicher Anwendung, aber viel schneller und heftiger, und grosse Gaben verursachen durch schnelle Zersetzung des Blutes und durch Ueberreizung oft sehr plötzlich den Tod. D i e reinen E r d e n besitzen wegen ihrer fast gänzlichen Unauflöslichkeit auch fast nur eine örtliche W i r k u n g an den Stellen des T h i e r k ö r p e r s , mit denen sie in Berührung kommen. S i e verursachen daselbst eine schwache Zusammenschrumpfung der F a s e r n und E i n s a u g u n g oder selbst chemische B i n d u n g der vorhandenen Flüssigkeiten. Hierdurch können sie allerdings auch Veränderungen in den Absonderungen, in dem Verdauungsprocess u . s . w . auf mittelbare Weise erzeugen. Grosse Gaben der reinen Erden wirken, als unverdauliche Substanzen, durch ihre Masse belästigend und störend. Aetzend wirken sie, selbst bei concentrirter Anwendung, nicht. §. 4 6 5 . Die innerliche Anwendung der reinen Alkalien und E r d e n gegen K r a n k heiten der Thiere ist bisher nur wenig gebräuchlich gewesen, daher auch weder die Wirkungen dieser Mittel zu verschiedenen Krankheitszuständen, noch die Indicationen zu ihrer Anwendung vollständig erforscht sind. Es lässt sich jedoch hierüber aus den im vorigen P a r a g r a p h angegebenen positiven Wirkungen und mit Berücksichtigung einiger praktischen Beobachtungen im Allgemeinen Folgendes feststellen: 1) Als stärkster Gegensatz der Säuren dienen diese Stoffe als kräftige säurewidrige Mittel überall, wo Säure in übermässiger Menge erzeugt wird, es m a g dieses durch einen Gährungsprocess in den Verdauungseingeweiden, oder durch abnorme Secretionen von zu sauren S ä f t e n an irgend einem Orte im Thierkörper geschehen; daher namentlich bei unregelmässigem, wechselndem Appetit, bei schlechter V e r d a u u n g , bei Abmagerung u. s. w., wenn der Darmkoth scharf sauer riecht, das Lackmuspapier stark röthet und mit Schleim umhüllt ist; ebenso bei Durchfall, wenn die Excremente diese Beschaffenheit zeigen; bei der Lecksucht (die sich vorzüglich bei liindvieh in einem hohen Grade zeigt, und wobei die Thiere oft aus Instinkt Erde, Thonscherben, K a l k und dergleichen fressen); bei Harnsteinen und bei S a n d in der Blase und in den Nieren, wenn d e r U r i n viel S ä u r e oder auch viel Schleim, Gallerte und andere thierische Bestandtheile enthält, wie auch, wenn er in zu geringer Menge abgesondert wird. — Nach ungeschickter Anwendung von Säuren dienen die Alkalien und E r d e n als die wirksamsten Gegenmittel zur Verhütung und Beseitigung der entstehenden üblen Zufälle. 2) Vermöge ihrer Eigenschaft, kohlensaures G a s in grosser Menge zu absorbiren, sind diese Mittel g e g e n A u f b l ä h u n g des Magens und des Darmkanals, daher bei der Trommelsucht der Wiederkäuer und bei der Windkolik der P f e r d e sehr nützlich, besonders wenn die A u f b l ä h u n g durch den Genuss von frischem Klee oder von anderem saftigen Grünfutter, von gefrornen Rüben und dergl. Nahrungsmitteln entstanden ist. 3) Durch ihren Einfluss auf die V e r d a u u n g und Assimilation, durch die Veränderung der chemischen Bestandtheile der S ä f t e , so wie durch die grössere Verflüssigung derselben und durch die Verstärkung der Resorption (§. 4 6 4 )
430
Alkalische Mittel.
wirken die Alkalien und alkalischen E r d e n als sehr kräftig auflösende, zertheilende, umändernde und urintreibende Mittel bei allen Zuständen, die auf harnsaurer Diathese beruhen oder mit abnorm vermehrter Harnsäurebildung verbunden sind, oder in denen ein krankhafter Bildungsprocess mit erhöhter Plasticität, mit gerinnbarer Ausschwitzung, mit Stockung, mit Gerinnung, Verdichtung und V e r h ä r t u n g besteht; und besonders haben sie sich bei dergl. Krankheitszuständen der Lympligef asse, der drüsigen Organe und der Schleimhäute, bei und nach asthenischen Entzündungen mit starker Ausschwitzung, bei dergl. Bräune, bei bösartiger D r u s e , bei dem Hautwurm, bei Verhärtungen der Drüsen, bei Tuberkeln, bei Hautausschlägen, bei der E g e l krankheit der Schafe, bei Verschleimung des Verdauungskanals und der Lunge, und bei chronischen Schleimflüssen aus der Nase und aus den Geschlechtstheilen nützlich gezeigt. 4 ) B e i Nieren- und Blasenstein-Dyskrasie, aus übermässiger Harnsäure entstanden. Auch haben sich diese Mittel (besonders das Ammoniak und die Schwefellebern) der Beobachtung zufolge gegen K r ä m p f e nützlich g e z e i g t ; es ist j e doch noch nicht recht k l a r , bei welcher Art von K r ä m p f e n sie eigentlich passend sind und wie ihre heilsame W i r k u n g dabei erfolgt. Als G e g e n a n z e i g e n , die die innerliche Anwendung der Alkalien verbieten, sind grosse Schwäche und Erschlaffung der W e i c h g e b i l d e und besonders des Verdauungskanals, — asthenisches F i e b e r im hohen Grade, namentlich Faulfieber, — stinkender, colliquativer D u r c h f a l l , dergl. Schweis«, und sehr reichlicher A b g a n g des Urins zu betrachten. §. 46G. Zum innerlichen Gebrauche dürfen die reinen A l k a l i e n , die alkalischen E r d e n und die Schwefellebem nur in einem so verdünnten oder so fein zertheilten Zustande angewendet werden, dass sie nicht ätzend auf den M a g e n und D a r m k a n a l wirken können. D i e flüssige F o r m ist deshalb für sie die schicklichste; weniger zweckmässig geschieht die Anwendung in L a t w e r g e n und P i l l e n , und am wenigsten in Pulvern. Pillen und Pulver, welchc alkalische Mittel enthalten, verderben auch sehr l e i c h t , indem sie viel F e u c h tigkeit und Kohlensäure aus der L u f t anziehen. — Man verbindet diese Mittel, um ihre örtliche reizende E i n w i r k u n g auf die Verdauungseingeweide möglichst zu vermindern, besonders bei vermehrter Empfindlichkeit der letzteren, am besten mit schleimigen Mitteln ; dagegen aber mit bitteren oder selbst mit aromatischen Arzneien, wenn Schwäche des Magens und D a r m kanals und Unverdaulichkeit vorhanden ist. — Mit Säuren, mit Metalloxyden und mit den meisten Metallsalzen darf man die reinen Alkalien, die alkalischen E r d e n und die Schwefellebern nicht gemeinschaftlich anwenden, wenn man die vollständige W i r k u n g dieser Mittel haben will; denn dieselben zersetzen sich gegenseitig durch ihre chemischen K r ä f t e . 467. Aeusserlich, und zwar A. im concentrirten Zustande, wird von diesen Mitteln das reine K a l i , zuweilen auch der reine K a l k , und, obgleich seltener, auch das flüssige Ammoniak als Aetzmittel zum Zerstören der stark wuchern-
Aetzkali.
431
den Granulation, sowie der Callositäten in Wunden und Geschwüren, der Warzen und Feigwarzen, und der in W u n d e n gedrungenen Ansteckungstoffe (besonders des Wuthgiftes) benutzt. Die genannten Mittel werden für diese Zwecke entweder ganz rein oder auch mit nur wenig Wasser aufgelöst, angewendet. B. Im verdünnten Zustande sind diese Mittel (ausgenommen die Thonerde) vermöge ihrer, die Vegetation der H a u t erregenden, ihrer auflösenden, die Resorption und die Zertheilung befördernden Wirkungen sehr nützlich: a) bei chronischen Hautausschlägen, namentlich bei Räude und Mauke; b) bei schlaffen, unreinen Geschwüren, die eine Neigung zu Verhärtungen (Callositäten) zeigen, — c) bei Geschwülsten, in denen Anhäufung von gerinnbaren Flüssigkeiten, Blutunterlaufung oder Verdichtung und Verhärtung des organischen Gewebes, aber nur ein geringer Grad von Entzündung besteht, daher auch bei Verdunkelung der Hornhaut unter solchen Umständen; und — dN, das Ammoniak als reizendes, ableitendes, zertlieilendes Mittel bei tiefer sitzenden Entzündungen, Rheumatismen, Verhärtungen und Lähmungen. Man benutzt hierbei die Mittel am besten im Wasser aufgelöst zum Waschen der betreffenden Tlieile und zu Umschlägen.
1) R e i n e s K a l i , A e t z k a l i , Kuli purum,
K. cansticum,
K.
hytiricum.
§. 468. Das Aetzkali wird dargestellt , indem man zu einer Lösung des kohlensauren Kali gebrannten Kalk oder Kalkerdehydrat hinzuthut und hierdurch dem Kali die Kohlensäure und das Wasser entzieht. Es bildet sich kohlensaurer Kalk, der als unlöslich zu Boden fällt, und in der Flüssigkeit ( A e t z l a u g e ) bleibt das Aetzkali in verdünnter Lösung. Wird dieselbe so abgedampft, dass 4 Gewichtstli eile einen Raum von 3 Gewiclitstlieilen Wasser erfüllen , so ist sie das in der Preuss. Pharmacopöe bezeichnete Kali hydrirum sohäum, Liquor lali hydrici, Liquor kali eanstici, die o f f i c i n e l l e A e t z k a l i l ö s u n g oder A e t z k a l i l a u g e , — eine etwas gelbliche, klare, ätzende Flüssigkeit. Dieselbe bis zur Trockenheit abgedampft, giebt das trockene
Aetzkali,
Kali
liydricma
siccum,
Kali
raustienm
sie cum,
Alkali
Dieses erscheint, j e nach der Behandlung, entweder als ein grobes, weisses Salzpulver oder in weissen Stücken. Es ist ein Kalihydrat ( K a O + H O ) , im reinen Zustande frei von fremden Substanzen, löst sich in Wasser sehr leicht (2 Theile in 1 Theil Wasser), auch in Weingeist, zieht an der Luft begierig Wasser und Kohlensäure an, wird weich und zum Theil zerfliesst es und verliert an Wirksamkeit; auf die meisten Thier- und Pflanzenstoffe wirkt es verändernd oder ätzend, zerstörend 1 ; mit Säuren bildet es Salze. Um das Mittel zur Anwendung für chirurgische Zwecke geschickter zu machen, erhitzt man es in einem silbernen Gefäss so lange, bis es fliesst wie Oel und giesst es dann in Röhrchen von Eisen, aus denen man es nach dem ¡•austievm.
1 Wegen dieser Eigenschaften muss Kali causticum in fest verstopften Flaschen an trocknen Orten aufbewahrt werden; und um die Berührung des Aetzsteins mit den Fingern zu vermeiden, überzieht man die Stäbchen mit einer dünnen Schicht von geschmolzenem Siegellack, welche man beim Gebrauch mehr oder weniger entfernen kann.
432
Alkalische Mittel.
E r k a l t e n als circa 2 Linien dicke, weisse S t ä b c h e n nehmen kann. E s stellt n u n das g e s c h m o l z e n e K a l i h y d r a t , das A e t z k a l i i n S t a n g e n , den c h i r u r g i s c h e n A e t z s t e i n , Kuli hydricum fusum, Kali cansticum fusum, Hydras kalicus fusus, Lapis cciustieus Chirurgorum d a r , mit allen Eigenschaften des K a l i caustici. U n t e r den alkalischen Mitteln ist das Aetz-Kali das reinste und kräftigste, u n d es gilt daher Alles, was über die W i r k u n g e n dieser Mittel im Allgemeinen (§. 4 6 4 ) gesagt ist, von ihm ganz besonders. — E i n P f e r d starb von 8 Grm. A e t z - K a l i , welche in 180,0 W a s s e r aufgelöst eingegeben worden, u n t e r h e f t i g e n Kolikzufällen 32 S t u n d e n nach dem E i n g e b e n . O r f i 1 a beobachtete bei einem H u n d e von 2,0 des Mittels heftiges E r b r e c h e n , wimmerndes Geheul, S c h a u m vor dem Maule, gehinderte Respiration, grossen Schmerz, — a m folgenden T a g e bedeutende Schwäche, u n d am dritten T a g e den Tod. — Die Section zeigte die Schleimhaut des g a n z e n V e r d a u u n g s k a n a l s sehr g e r ö t h e t , mit schwarzen F l e c k e n , selbst mit L ö c h e r n versehen. Bei j e n e m P f e r d e f a n d ich g a n z ähnliche V e r ä n d e r u n g e n im Magen u n d D a r m k a n a l , u n d selbst im Maule. I n j e c t i o n e n von aufgelöstem Aetz-Kali in die B l u t a d e r n verändern die Mischung des Blutes gewaltsam, u n d vernichten zugleich die Reizbarkeit des Herzens. H u n d e b e k a m e n nach der Injection von 0,3 Aetz-Kali, in 4 ü-rm. W a s s e r aufgelöst, sogleich Zittern der R u m p f m u s k e l n , u n d starben nach 2 S t u n d e n , ohne das geringste Zeichen von Schmerz oder Convulsionen vorher gegeben zu haben. Die Section zeigte: das H e r z voluminös, die Herzk a m m e r n mit dunklem, g e r o n n e n e m Blute a n g e f ü l l t ; die L u n g e n gesund, die M u s k e l n zitternd ( O r f i l a ) . — I c h sah von der Injection einer ebenso starken Auflösung bei einem H u n d e augenblicklich sehr beschwerliches Athmen, grosse A u f r e g u n g , Angst, bald darauf aber Mattigkeit, u n f ü h l b a r e n Puls, L ä h m u n g , und nach 40 Minuten den T o d e r f o l g e n ; u n d bei der Section f a n d ich das Blut im H e r z e n und in den grossen Gefässen f l ü s s i g u n d schwarzbraun. Aehnliche W i r k u n g e n beobachtete ich bei P f e r d e n nach I n j e c t i o n e n von 2,0 A e t z - K a l i , welche in 6 0 , 0 Wasser gelöst waren. Dagegen überstanden einige P f e r d e das Einspritzen einer Auflösung, welche aus 0 , 7 — 1 , 2 des Mittels und 60,0 W a s s e r b e s t a n d ; sie wurden etwas munterer, die W ä r m e vermehrt, die Schleimhaut im Maule d u n k l e r g e r ö t h e t , der P u l s klein u n d schnell; das A t h m e n etwas a n g e s t r e n g t ; es f a n d sich G ä h n e n , R e c k e n u n d D e h n e n der Gliedmaassen, Umsehen nach dem Leibe, D r a n g zum U r i n i r e n ; nach 1 / 2 — 1 S t u n d e erschienen die Thiere m a t t u n d t r a u r i g , aber nach 3 — 5 S t u n d e n war die W i r k u n g wieder vorüber. §. 4 6 9 . I n n e r l i c h wird das Aetz-Kali seiner heftig reizenden u n d ätzenden W i r k u n g w e g e n höchst selten angewendet, und zwar mit Recht, da es durch das mildere K a l k w a s s e r und durch das auch mildere kohlensaure Kali (Potasche) zu ersetzen ist. — A b i l d g a a r d versuchte g e g e n den Rotz eine kaustische Lauge, die aus 15,0 ätzendem Laugensalz mit 2 P f u n d W a s s e r bereitet war (also in 3 0 , 0 Flüssigkeit 4 5 Centigrm. Aetz-Kali enthielt). Die E i n s p r i t z u n g dieser L a u g e in die Nase bewirkte s t ä r k e r n Ausfluss des Eiters, und von ihrer innerlichen A n w e n d u n g in Gaben zu 120,0 e n t s t a n d Speichelfluss (wahr-
Aetzkali.
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scheinlich nur durch die örtliche Einwirkung auf die Maulschleimhaut), aber übrigens blieb der Gang der Krankheit unverändert 1 . Will man das Mittel gegen eine, im §. 465 angedeutete Krankheit innerlich anwenden, so darf es nur in sehr geringen Gaben, nämlich bei Pferden von 0 , 9 — 1 , 0 , bei dem Rindvieh von 1,0—2,0, bei Schafen und Schweinen von 0,25—0,35, und bei H u n d e n von ö— 24 Centigrm., und nur in einer so verdünnten Auflösung geschehen, dass man letztere im Munde ertragen kann. Hierzu sind 30,0 Wasser oder andere Flüssigkeit auf 10 Centigrm. Aetz-Kali nöthig. — Zusätze von anderen Mitteln macht man nach Anleitung des §. 466. — Die Wiederholung geschieht in Zwischenzeiten von 10 bis 12 Stunden, und nach drei- bis viertägigem Gebrauche lässt man das Mittel durch einen oder zwei T a g e aussetzen. §. 470. Aeusserlich benutzt man das Aetz-Kali im concentrirten Zustande als Aetzmittel zur Zerstörung der wuchernden und unreinen Granulation, der Warzen, und der schwieligen Verhärtungen in Wunden und in Geschwüren, des Ansteckungsstoffes in Bisswunden von wuthkranken Thieren und dergl. (§. 467 A.). E s verdient für diese Zwecke in den meisten Fällen zum thierarzneiliclien Gebrauche den Vorzug vor den übrigen Aetzmitteln, weil es wohlfeil ist und in die Tiefe eindringt; allein da es bei der Anwendung begierig Feuchtigkeit anzieht und deshalb sehr leicht zerfliesst, so hat es auch wieder den Nachtheil, dass es seine zerstörende W i r k u n g oft viel weiter verbreitet, als es nöthig ist. Auch ist wohl zu beachten (was schon §. 464 angegeben), dass das Aetz-Kali die betroffenen Theile zuerst erweicht, auflockert, und in eine breiige Masse auflöst, und dass der hierauf sich bildende Schorf längere Zeit etwas feucht bleibt und niemals so fest wird, wie nach dem Aetzen mit Säuren oder mit dem Höllenstein; doch haftet er fester und sitzt tiefer als der von letzterem Mittel. Man darf es daher als Aetzmittel da nicht anwenden, wo Erschlaffung, starke ödematöse Geschwulst, ein fauliger Character und Neigung zum Brande besteht, oder wenn wichtige, zarte Organe in der Nähe liegen; dagegen ist das Aetz-Kali sehr gut geeignet zur Zerstörung thierischer Gifte (Contagien) in W u n d e n und Geschwüren, besonders aber ist es, nach den Empfehlungen M e d e r e r ' s v. W u t h w e l i r , zur Vernichtung des Wuth-Contagiums in Bisswunden von tollen Hunden u. s. w., das beste Mittel. Das Aetzen geschieht am besten mit dem trockenen Kali, welches man nach Verhältniss der Dicke der kranken Gebilde durch 1 ¡,¿—2 Minuten anhaltend mit den letzteren in Berührung bringt, nachdem dieselben mit einem Schwämme von der überflüssigen Feuchtigkeit befreit worden. Weniger zweckmässig ist es, Stückchen von Kali in unreine Geschwüre und Aftergebilde zu legen. — Zuweilen wendet mau auch eine concentrirte Auflösung von 0,5—1,0 Aetz-Kali in 30,0 Wasser (als sogenannte A e t z l a u g e ) oder eine ähnliche Auflösung in Weingeist, bei Fisteln und bei tief eingedrungenen unreinen Bisswunden an, nachdem man die Ränder derselben etwas ausgeschnitten oder wenigstens scarificirt und nach dem Ausbluten völlig gereinigt hat. 'Viborg,
Samml. von Abhacdl. 2. Bändchon. S. 419.
IIERTWIG, Arzneimittellehre.
5. Auflage.
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Alkalische Mittel.
U m dem Aetz-Kali die Eigenschaft des schnellen Zerfliessens und des weitern Unisichgreifens der A e t z u n g zu nehmen, hat man unter der Benenn u n g : „ W i e n e r A e t z p u l v e r " ein Gemenge von ihm (5 Theile) mit Aetz-Kalk (6 Theile) empfohlen, welche man als P u l v e r einstreuen, oder mit etwas Wasser oder Weingeist zu einem Teige (einer Pasta) gemacht, auf die k r a n k e n Stellen appliciren kann. Die ätzende W i r k u n g erfolgt hiernach genau begrenzt, fast ohne S c h m e r z , und ebenso schnell wie von dem reinen Kali, so dass oft schon nach einer halben Stunde ein Schorf entstanden ist. Auch lässt sich das trockene Gemenge in gut verschlossenen Gläsern aufbewahren ; frisch bereitet ist es jedoch am wirksamsten. — Sehr ähnlich wirkend und bequem anwendbar ist auch die folgende A e t z p a s t a : 3 Theile trocknes Aetz-Kali werden in einem eisernen Gefäss geschmolzen und hierzu allmälig 1 Till, höchst fein pulv. Aetz-Kalk gemischt. Die geschmolzene Masse wird in Formen wie das geschmolzene Aetz-Kali gegossen und die erhaltenen Stengel werden a u f b e w a h r t und gebraucht wie dieses. I m v e r d ü n n t e n Zustande, d. i. in Auflösungen von 0,05—0,"2 Aetz-Kali in 30,0 Wasser, hat sich das Mittel zum Waschen bei R ä u d e , Flechten u n d Mauke, und ebenso zum W a s c h e n oder zu Umschlägen bei Stockungen, Verhärtungen und dergl. (§. 467 B.) sehr wirksam bewiesen. Die A n w e n d u n g kann bei den ersteren K r a n k h e i t e n täglich ein- bis zweimal, bei den letzteren aber sechs- bis achtmal wiederholt werden. (Kali hydric. Jus. 30 Grm. 4 Sgr. 2 P f g . ; siccum 3 0 G r m . 3 S g r . 1 0 P f g . ; solutum
3 0 Grm. 1 Sgr. 10 Pfg.)
A n m e r k u n g . Das A e t z - N a t r u m oder das ä t z e n d e m i n e r a l i s c h e L a u g e n s a l z , die r e i n e S o d a , N a t r o n h y d r a t {Natrvm causticum s. purum, Sal Alcali Minerale causticum, Oxydum Natri hydratumj, kommt in den Wirkungen mit dem Aetz-Kali ganz überein, ist nur etwaB milder und zerfliesst nicht so an der Luft wie das Kali. Es kann ganz wie das letztere benutzt werden; seine Anwendung ist aber nicht gebräuchlich.
2) AetzauilDOnlakflüssigkell, Ammoniacum causticum solutum. Liquor Ammoniaci cansticua, Aelz-Aimnonlum, flüchtiges A l k a l l , HüchlUcs L a u g e n s a l z , Sal volatile ammoniatum, Sal colatile, S a l m i a k g e i s t , Spiritus salis ammoniaci causticus. §• 4 7 1 .
Das Ammoniak (pharmaceutisch gewonnen durch Zersetzung des Salmiaks vermittelst des Kalkhydrats) besteht bei gewöhnlicher T e m p e r a t u r nur als ein Gas, welches aber vom kalten Wasser begierig absorbirt wird u n d mit demselben das f l ü s s i g e A m m o n i u m (Amman, caustic. solutum), oder die A e t z - A m m o n i a k f l ü s s i g k e i t , den sogenannten S a l m i a k g e i s t bildet. Diese (nach der Preuss. Pharmacopöe bereitete) Flüssigkeit enthält 10 Proc. reines Aetz-Ammoniak und hat ein specifisches Gewicht von 0,960. In F a b r i k e n wird häufig ein sogenannter doppelter Salmiakgeist mit einen: Ammoniakgehalt von circa 2 0 Proc. bereitet. Der Salmiakgeist ist eine wasserklare, farblose, stark nach Ammoniak riechende, die Augen und die Nase reizende Flüssigkeit von scharf laugenhaftem Geschmack, welche auf die lebenden thierischen Gebilde örtlich sehr stark und durchdringend reizend, entzündend und selbst ätzend, in letzterer Hinsicht aber schwächer u n d weniger tief eindringend wirkt als das AetzK a l i ; auch macht sie weit weniger als dieses einen trockenen, festen Schorf,
Aetzammoniakflüssigkeit.
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sondern sie bildet mit den thierischen Substanzen flüssige Verbindungen. — I n die Haut eingerieben, bewirkt der Salmiakgeist heftige Reizung, E n t zündung mit seröser Ausschwitzung und mit Bläschen, oft auch Zerstörung der Oberhaut und Ausgehen der H a a r e , die jedoch in kurzer Zeit wieder wachsen. Die reizende W i r k u n g verbreitet sich bei innerlicher Anwendung sehr schnell fast durch den ganzen Organismus, tritt aber am deutlichsten in den Ganglien- und Rückenmarksnerven, in den Respirationsorganen, im Herzen und in den kleinen Gefässen der Schleimhäute, der Drüsen und der H a u t hervor; sehr grosse Gaben scheinen auch das Rückenmark und das Gehirn, letzteres aber weniger als ersteres, zu afficiren. — Bei dem Eingeben des Mittels entsteht fast jedesmal zuerst starker Husten, veranlasst durch die unmittelbare Einwirkung des, in der W ä r m e des Mauls stark verdunstenden Ammoniaks. Die übrigen Erscheinungen nach dem Eingeben der concentrirten Flüssigkeit in mässigerGabe (z.B. von 8,0 bei Pferden und Rindvieh, von 8—12 Tropfen bei Hunden) sind: Geifern aus dem Maule, munterer Blick, erhöhte W ä r m e der H a u t und der ausgeathmeten L u f t , lebhaftere Röthung der Schleimhaut im Maule und in der Nase, etwas vollerer, schnellerer Puls, schnelleres Athmen, bei Hunden zuweilen Erbrechen, grosse Unr u h e ; — später vermehrte Hautausdünstung, vermehrte Absonderung an den Schleimhäuten, oft auch reichliches Uriniren; nicht selten bemerkt man auch Anätzungen der Schleimhaut im Maule. J e n e Wirkungen dauern '¡ 2 bis 2 Stunden. — Von grossen Gaben entstehen ausser den angegebenen Zufällen oft auch K r ä m p f e (Tetanus), vorzüglich in den Muskeln des Halses, wobei derselbe stark nach rückwärts gezogen wird, Fieber, Entzündung des Magens und Darmkanals, zuweilen auch der Lunge, und mehrentheils folgt der Tod. Bei O r f i l a ' s Versuchen starb ein H u n d nach dem Eingeben von 2,16 reiner Aetz-Ammoniakfliissigkeit in 23 Stunden, ohne dass Lähmung oder Convulsionen entstanden waren. — Pferde ertrugen bei meinen Versuchen das Mittel bis zu 15,0 ohne gefährliche Folgen; aber von 30,0 starb ein Pferd in Zeit von 16 Stunden an Darmentzündung, und ein anderes von 90,0 schon nach 50 Minuten unter heftigen Krämpfen und unter Erstickungszufällen. In die Venen gespritzt, verursacht der Salmiakgeist dieselben Zufälle sehr schnell und weit heftiger. Ein H u n d zeigte nach der Injection von 3,75 augenblicklich Starrkrampf, unwillkürlichen Abgang des Urins, heftige Convulsionen, und starb nach 10 Minuten ( O r f i l a ) . Bei Pferden von verschiedener Constitution sah ich nach Injectionen von 4,0 des Mittels mit 30,0 Wasser verdünnt nur eine sehr geringe Beschleunigung der Pulse, ohne anderweitige Veränderungen eintreten; nach Injectionen von 8,0—15,0 des unverdünnten Mittels bekamen sie einen munteren Blick, etwas schnelleres Athmen, stärker fühlbaren und viel schnelleren Herzschlag und Puls der Arterien, erhöhte Temperatur der H a u t und zuweilen selbst Schweiss. Krämpfe traten niemals ein. — Nach Injectionen von 30,0 des Mittels entstanden dieselben Zufälle in stärkerem Grade und oft noch in der ersten Minute auch Schwindel, zuweilen bis zum Niederstürzen, und Krämpfe, die aber nach 4 — 6 Minuten wieder verschwanden. — Von 60,0 starb ein Pferd unter heftigen Krämpfen unmittelbar nach der Einspritzung. Im verdünnten Zustande wirkt der Salmiakgeist bei der verschiedenen 2S*
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Alkalische Mittel.
Anwendung ganz in derselben Art, aber verliältnissmässig milder, besonders örtlich, und er wird daher auch in diesem Zustande bei innerlicher Anwendung in grösseren Gaben, als die oben bezeichneten sind, ertragen. Neben der flüchtigen Reizung bringt das Aetz-Ammoniak (besonders bei fortgesetzter Anwendung) dieselbe Wirkung auf die Säfte u. s. w. hervor, wie die übrigen Alkalien (§. 464). C. G. M i t s c h e r l i c h (a. a. 0 . ) giebt jedoch aus seinen Versuchen an Kaninchen noch folgende Resultate über die eigenthiimlichen Wirkungen dieses Mittels: E s bildet bei derAetzung flüssige Verbindungen und führt bei innerlicher Anwendung selbst in grossen Gaben nicht ab; es wird resorbirt, da man sowohl im Magen wie auch in Wunden nach seiner Anwendung sehr wenig von ihm wiederfindet; das Blut wird dünnflüssiger und gerinnt langsamer, zeigt aber keine alkalische Beschaffenheit, ebenso der H a r n , daher zu schliessen ist, dass das Ammoniak nach seiner Resorption Verbindungen eingeht, die nicht mehr alkalisch reagiren Auf den Dünndarm wirkt es specifisch; denn auch von Wunden her zerstört es, unter starker Schleimbildung, das Epithelium desselben. E s wird nicht blos von den Gefässen aufgenommen, sondern dringt auch in gerader Richtung durch die Gewebe, — und es tödtet (in grossen Gaben) vom Magen und von Wunden aus auf gleiche Weise, unter denselben Erscheinungen und mit gleicher Zerstörung des Dünndarms, jedoch wahrscheinlich erst nachdem es resorbirt ist und eine Blutveränderung hervorgebracht hat. §• 472. Die in nerliche Anwendung des Salmiakgeistes kann zwar nach denselben Indicationen geschehen, welche für die Kalien überhaupt gelten (§. 4G5); indessen ergiebt sich doch von selbst, dass seine flüchtig reizende Wirkung noch eine besondere Berücksichtigung verdienen muss. E r kann in dieser Hinsicht gegen s o l c h e a s t h e n i s c h e N e r v e n l e i d e n , bei denen g l e i c h z e i t i g die S e n s i b i l i t ä t und die I r r i t a b i l i t ä t s e h r v e r m i n d e r t s i n d , u n d wo in F o l g e d e r v e r m i n d e r t e n N e r v e n k r a f t die B e w e g u n g e n und die A b s o n d e r u n g e n u n r e g e l m ä s s i g ges c h e h e n , auch wo die Mischung des Blutes durch mangelhafte Entkohlung leidet, wie z. B. bei Sclilagfluss, bei Lähmungen, Nervenfieber mit Torpor, bei der Staupe der Hunde mit Krämpfen und mit grosser Abstumpfung, bei Krämpfen überhaupt, besonders bei krampfhafter Harnverhaltung, bei Anthrax und speciell bei der Blutstaupe der Schafe, und dergl. ein wirksames Heilmittel sein; allein er wird gegen diese Krankheiten, und überhaupt innerlich nur selten benutzt, theilsweil er bei dem Eingeben, selbst im verdünnten Zustande, oft starken Husten und andere Beschwerden erregt, theils auch, weil er durch das milde kohlensaure Ammoniak und Hirschhornsalz in den allermeisten Fällen zu ersetzen ist. Vortreffliche Dienste leistet der Salmiakgeist, vermöge seiner chemischen Wirkung auf das kohlensaure Gas und andere saure Gase, und zugleich vermöge seiner reizenden Wirkung auf den Magen und Dünndarm, gegen das Aufblähen der Wiederkäuer, besonders wenn das Aufblähen erst frisch entstanden und durch den Genuss von Grünfutter ver-
1
S o l l t e es v i e l l e i c h t z e r s e t z t w e r d e n ?
Aetzammoniakflüssigkeit.
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ursacht i s t 1 . Sehr oft sah ich hier u n m i t t e l b a r nach dem E i n g e b e n des Mittels die F l a n k e n beträchtlich zusammenfallen. D e r Salmiakgeist v e r b i n d e t sich sowohl mit der im M a g e n v o r h a n d e n e n K o h l e n s ä u r e , wie auch mit dem Schwefelwasserstoffgas, u n d indem er dieselben in dichtere Substanzen umwandelt , vermindert er ihren U m f a n g sehr bedeutend. W e g e n dieser W i r k u n g auf das zuletzt g e n a n n t e Gas h a t er den V o r z u g vor dem K a l k u n d dem K a l k w a s s e r ; d a g e g e n h e b t er die fernere E n t w i c k e l u n g dieser Gase aus d e n noch in fortdauernder G ä h r u n g befindlichen N a h r u n g s m i t t e l n nicht a u f , u n d seine A n w e n d u n g muss deshalb in m a n c h e n F ä l l e n wiederholt werden. Bei einem sehr hohen G r a d e der A u f b l ä h u n g leistet er nicht genug, und er m a c h t unter solchen U m s t ä n d e n d e n T r o i k a r t nicht entbehrlich. Ebenso nützlich ist er gegen W i n d k o l i k der P f e r d e . I n neuerer Zeit ist das Mittel auch bei V e r g i f t u n g e n mit B l a u s ä u r e als G e g e n g i f t empfohlen w o r d e n ; es hat sich aber nicht im mindesten bewährt. G e g e n B e t ä u b u n g durch übermässigen Genuss spirituöser S u b s t a n z e n (z. B. bei F ü t t e r u n g einer nicht völlig abdestillirten Branntweinschlempe) ist der mit W a s s e r v e r d ü n n t e Salmiakgeist innerlich, so wie als W a s c h m i t t e l angewendet , nützlich g e w e s e n M a n k a n n ihn in solchen F ä l l e n auch als Clystir appliciren. H a y n e (Arzneimittellehre) empfiehlt ihn auch gegen plastische A u s schwitzungen bei u n d nach E n t z ü n d u n g e n , als autlösendes Mittel innerlich zu gebrauchen. Die E r f a h r u n g hat hierüber noch nicht entschieden; es scheint aber, dass das Mittel, wenngleich es die bezeichnete W i r k u n g besitzen m a g , der mildern und wohlfeilem Potasche in diesem G e b r a u c h e nachstehen muss. E i n s p r i t z u n g e n des v e r d ü n n t e n flüchtigen A l k a l i in die Drosselvene e m p f a h l R o y o gegen den R o t z 3 ; ich habe sie bei mehreren mit dieser K r a n k h e i t behafteten P f e r d e n wiederholt a n g e w e n d e t , aber in keinem F a l l e N u t z e n davon gesehen. §. 473. D i e G a b e von Salmiakgeist ist f ü r P f e r d e 8 , 0 — 1 5 , 0 , f ü r Kinder das Doppelte u n d bis zu 6 0 , 0 , f ü r S c h a f e u n d Schweine 1 , 0 — 8 , 0 , f ü r H u n d e 5 — 1 5 Tropfen. D i e W i e d e r h o l u n g geschieht in Zwischenräumen von 2 0 Minuten (z. B. bei schneller W i e d e r k e h r des A u f b l ä h e n s ) bis zu 2 S t u n d e n , j e n a c h d e m die Z u f ä l l e es verlangen. Man giebt das Mittel n u r in flüssiger Form, und stets s e h r v e r d ü n n t , so dass ein T h e i l desselben mit 4 0 bis 5 0 T h e i l e n anderer Flüssigkeit, z. B. mit k a l t e m W a s s e r , mit einem schleimigen oder bittern Decocte u n d dergl. zusammengesetzt wird. D r . R u p r e c h t e m p f a h l gegen A n t h r a x als Specificum eine V e r b i n d u n g mit der Cochenille 4 ( C o c c i o n e l l a ) u n t e r dem N a m e n : Liquor Ammoniaci cocciunellinus oder coccionellattts (bereitet aus Liqu. ammon. caust. 4 8 , 0 u n d Coccionella pulv. 2,0), von welchem einem K a l b e 1 0 — 2 0 T r o p f e n , einem z w e i j ä h r i g e n R i n d e 2 0 bis ' V o l l s t ä n d i g e s Handbuch der Vieharzneikunst v o n C h a b e r t , F l a n d r i n H u z a r d . S. 124 u. 125. 2 Journ. de med. veter. 1835. p. 114. 3 D o m i n g o R o y o , L l a v e de Albeyteria. Madrid 1714. 4 D e r getrocknete weibliche Körper von Coccus Cacti, Ilicis u. a. Species.
und
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A l k a l i s c h e Mittel.
4 0 T r o p f e n , ausgewachsenen starken Rindern 4 0 — 8 0 Tropfen in kaltem W a s s e r , alle 5 — 1 0 Minuten wiederholt, gegeben werden. Die Anwendung soll gleich beim Eintritt der ersten Symptome geschehen. Die Erfahrung hat aber gezeigt, dass das Mittel oft versagt. Ammoniak in gehöriger Gabe leistet oft mehr. E i n Zusatz von Weingeist (Branntwein) oder Kampher zum Ammoniak ist bei grossem Torpor meist sehr nützlich. D a s Mittel darf nur k a l t , oder höchstens lauwarm eingegeben werden, um das starke Verdunsten des Ammoniaks, Schwächung der W i r k s a m k e i t und Husten zu vermeiden. Säuren, saure Salze, erdige und metallische Salze, und narkotische Tincturen dürfen mit dem Mittel nicht verbunden werden. 474. Aeusserlich ist der reine Salmiakgeist zur Zerstörung des Giftes in Bisswunden von tollen H u n d e n , von giftigen Schlangen und dergl. empfohlen. «Sehr häufig dient er als ein reizendes, ableitendes und krampfstillendes, bei Verhärtungen und Stockungen auflösendes, zertheilendes Mittel bei Nierenentzündung u. a., bei schleichenden asthenischen E n t z ü n d u n g e n unter der Haut, bei Bräune, bei veralteter Buglahmheit und Verstauchung, bei chronischem Rheumatismus und bei hiervon entstandenen Lahmheiten, bei Stockungen und Verhärtungen, daher bei zu Verhärtung neigenden Stollbeulen, Piephacken und Sehnenklapp, bei K r ä m p f e n und Lähmungen. Bei Bienen- und Wespenstichen auf den leidenden Tlieil gestrichen, bewirkt er augenblickliche Minderung der Schmerzen. Die Anwendung geschieht bei diesen Zuständen gewöhnlich in Verbindung mit 2 — t Theilen eines fetten Oels, wodurch das sogenannte A n i m o n i u m - L i n i m e n t , f l ü c h t i g e L i n i m e n t oder die f l ü c h t i g e Salbe (Linimadnm a. Oleum ammoniatuni, l.iniiiieutuiii rolatile), eine Art flüssiger Seife entsteht. — Zuweilen setzt man hierzu noch 1 — 2 T h e i l e K a n i p h e r ö l (§. '251 f.), und erhält so das f l ü c h t i g e K a m p l i c r - L i u i n i e n t (Liiumeiitum aiiiiiioiiiiitu-caiiiijhoriituiii), welches etwas mehr erregend wirkt als das vorige; und noch stärker reizend wird das Liniment durch den Zusatz von KampherSpiritus, z. B . bei Nierenentzündung, mit Terpenthinöl, Steinöl, von Oantharidentinctur oder auch von üantharidenpulver bei Rheumatismus u. s. w. W i l l man aber mehr gelind auflösen und zertheilen, so ist die Verbindung des Ammonium-Liniments mit der grauen Quecksilbersalbe, oder auch mit grüner Seife in verschiedenem Verliältniss, sehr zweckmässig. A u c h mit 1 bis 6 T h e i l e n Weingeist oder Kampherspiritus verbunden, benutzt man den Salmiakgeist bei Lähmungen, Rheumatismus u. s. w., z. B. als schmerzlinderndes Mittel bei rheumatischer Spannung der Muskeln und Sehnen nimmt man a n : Liquor, aniinun. caust. 1 2 0 , 0 , Spirit. rini rertific. 9 0 , 0 , Spirit. camj/hor. 3 0 , 0 bis 6 0 , 0 . — Zum starkem Reizen und Blasenziehen: Liquor. Amnion, caust. part. 5, Tinct. Canthurid. part. 2. Letztere Mischung muss etwas reichlich auf den T h e i l gebracht werden. Dagegen geschieht die Anwendung der erstem Mittel, j e nachdem es der G r a d des Hebels erfordert, täglich ein- bis dreimal durch gelindes oder starkes E i n r e i b e n in die Haut auf den kranken Theilen und in deren Umgebung. E s ist aber dabei zu beachten, dass durch wiederholte A n w e n d u n g , bei Pferden mit zarter Haut nicht selten schon durch die erste E i n r e i b u n g starke Entzündung der Haut, Ausschwitzung und später Ausfallen der Haare entsteht. Letztere wachsen jedoch bald wieder. (Preis: 3 0 , i » l S g r . )
Aetzammoniakfliissigkeit, Aetzkalk
439
3>) Aetzkalk, Calcluin-Oxyd, reiner, gebrannter »der lebendiger Kalk, Calcaría Calcium
oxydatum
Calcaría
soluta,
s. Oxyduvi
calcicum,
Calx viva s. caustica;
Hilft
Aqua Calcis, s. Aqua Calcis vivae s. vstae, s. Aqua
usta,
Kalkwasser, Calcariae.
§. 475. Der Aetzkalk wird, wie allgemein bekannt, durch das vollständige Ausglüheil (das sogenannte Brennen) des Kalksteins, wobei er die Kohlensäure verliert, gewonnen. Seine Eigenschaften sind, je nachdem er im reinen, concentrirten Zustande oder mit Wasser verbunden besteht, etwas verschieden. Wird Kalkerde mit etwa der Hälfte ihres Gewichts mit Wasser zusammengebracht, so erhitzt sie sich bedeutend und zerfällt in ein weisses Pulver, g e l ö s c h t e r K a l k , K a l k h y d r a t (Hydras cctlcicus), welches zwar noch ätzend, aber doch etwas milder ist als der trockene Aetzkalk. Dieses Hydrat löst sich in etwa 600 — 700 Theilen kaltem, oder in etwa 1 2 0 0 — 1 3 0 0 Theilen heissem Wasser auf und bildet das K a l k w a s s e r ; mit weniger Wasser löst es sich unvollkommen und stellt eine trübe, milcliweisse Flüssigkeit, die K a l k m i l c h dar. a) Der Aetz-Kalk in concentrirteni Zustande erzeugt örtlich starke Reizung, Entzündung und Aetzung, jedoch weniger tief eindringend als das AetzKali. Die Ursache dieser geringen Wirksamkeit beruht zum grossen Theil in der schweren Löslichkeit des Kalkes und in seiner bald erfolgenden Sättigung mit Kohlensäure, indem er dieselbe überall begierig an sich zieht und dadurch gemildert w i r d . — Ausserdem ist die W i r k u n g des Kalkes noch darin eigenthümh'ch, dass sie mit mehr Austrocknung und Zusammenschrumpfung der betroffenen Tlieile verbunden ist, als die Wirkung der übrigen alkalischen Mittel. Innerlich gegeben, wirkt der Aetz-Kalk ebenfalls weniger scharf auf die betroffenen Theile, als das Kali und Ammoniak, und er wird daher auch in etwas grösseren Gaben ertragen, ohne dass lebensgefährliche Zufälle entstehen, bei grossen Gaben bleiben diese jedoch nicht aus, und bei fortgesetzter Anwendung derselben entstehen sie oft sehr plötzlich im hohen Grade. Ein Hund, dem O r f i l a (Toxikologie, Bd. 1. S. 189) 10,0 Aetzkalk eingegeben, brach nach 10 Minuten eine Menge Nahrungsmittel aus, hatte Schaum vor dem Munde und äusserte Schmerz. Am folgenden Tage hatte er sich wieder erholt. Als ihm aber am fünften T a g e 12,0 des Mittels eingegeben wurden, erbrach er sich nach 2 Minuten, wurde schwach und starb 3 Tage darauf, ohne eine Spur von Schwindel, Convulsionen und dergl. — Die mit dem K a l k e in Berührung gewesenen Theile zeigten sich entzündet, alle übrigen Organe aber gesund. V i b o r g (Sammlung von Abhandlungen, 4. Bdchn. S. 254) gab einem alten gesunden Pferde auf das Futter täglich 4 Loth (60,0) pulverisirten K a l k durch 14 T a g e , ohne dass man eine W i r k u n g davon bemerken konnte; das Pferd frass auch sein Futter mit dem gewöhnlichen Appetit. E s wurden ihm hierauf 8 Loth (120,0) von diesem Kalke auf das Futter gegeben, und als dies durch 14 Tage geschehen, hatte der Mist eine weiche Consistenz angenommen, war aber gut verdaut. Dieselbe Quantität des Mittels wurde nun noch 14 Tage hindurch täglich mit dem Futter gegeben, ohne dass davon eine nachtheilige Folge f ü r die Gesundheit des Pferdes entstand. Als man hierauf den Kalk aussetzte, wurde nach einigen Tagen der Kotli hart, klein
440
Alkalische Mittel.
und geballt, und dunkel gefärbt. Uebrigens gingen alle Verrichtungen des Pferdes wie im gesunden Zustande vor sich. — Y i b o r g schliesst aus diesen Versuchen: dass der ungelöschte Kalk nicht die gefährliche Wirkung auf die Verdauungseingeweide des Pferdes habe, wie man gewöhnlich glaubt; dass er vielmehr den Darmkanal reize, die Verdauung befördere, die Absonderungen an der inwendigen Fläche des Darmkanals vermehre und hierdurch den Mist dünner mache; dass er aber in zu grossen Gaben oder bei zu langem Fortgebrauche eine Ueberreizung und Schwäche bewirke , und dass, wenn man unter solchen Umständen plötzlich damit aufhört, Kolikzufälle aus Mangel der Verdauung entstehen müssen. Ich habe diese Versuche mit dem Aetz-Kalk auf dieselbe Weise au mehr als 20 Pferden wiederholt und kann die bezeichneten Wirkungen, so weit sie den Magen und Darmkanal betreifen, bestätigen, muss aber hinzufügen, dass viele Pferde gleich von dem Genuss des ersten, mit frisch pulverisirtem AetzKalk gemengten Futters (1—3 Loth Kalk mit 1 Metze Hafer und Häcksel) an einzelnen Stellen im Maule, an der Zunge, den Lippen u. s. w. Entzündung und Corrosionen der Schleimhaut, Geschwulst dieser Theile und Ausfluss von zähem Speichel aus dem Munde bekamen 1 ; — dass manche Pferde zwar das mit Kalk gemengte Futter ganz begierig frassen, viele aber nach dem einmaligen Genuss desselben es in Zeit von 2—3 Tagen nicht wieder berührten, sondern lieber hungerten; — und dass einzelne bei dem, durch 3—4 Wochen fortgesetzten reichlichen Kalkfüttern plötzlich in ein asthenisches Fieber verfielen, dabei beschwerliches Athmen, ödematöse Anschwellung des Kopfes und der Beine, Kolikzufälle und grosse Schwäche zeigten und unter allen Erscheinungen eines acuten Faulfiebers in 2 bis 4 Tagen starben. Von dem auf dieselbe Weise gegebenen sogenannten M e h l k a l k oder K a l k m e h l (d. i. der an der freien Luft zu einem Pulver zerfallene, durch Aufnahme von Kohlensäure und von Wasser v i e l m i l d e r gewordene Kalk) entstand nur sehr selten eine Spur von ätzender Einwirkung auf das Maul. §. 476. b) Das K a l k w a s s e r ist im reinen Zustande eine vollkommene Auflösung von 1 Theil Kalkhydrat in etwa 600—700 Theilen Wassers 2, und wird nach Vorschrift der Preuss. Pharmacopöe bereitet, indem man 1 Theil Aetz-Kalk mit 30 Theilen kalten Wassers ablöscht und dann, nachdem die unaufgelösten Kalktheile sich auf den Boden gesenkt, die obere, klare Flüssigkeit zum Gebrauch abgiesst und in gut verstopften Gläsern aufbewahrt. Es wirkt bei innerlicher Anwendung selbst in grossen Gaben (z. B. zu 6 Pfund bei Pferden, zu 9 Pfund bei Rindern und zu 1 Pfund bei Hunden) auf die Schleimhaut des Verdauungskanals nicht ätzend, sondern reizend, zugleich aber gelind zusammenziehend, den Tonus erhöhend, stärkend, die Absonderungen beschränkend, die zu grosse Reizbarkeit vermindernd, — ausserdem auch im vorzüglichen Grade Säuren und kohlensaures Gas absorbirend. 1 D i e s e l b e örtliche W i r k u n g sah ich bei 2 P f e r d e n , welche d i e , v o r G Stunden mit frisch gelöschten) K a l k übertünchten S t a l l w ä n d e beleckt hatten, entstehen. 2 Zuweilen enthält das K a l k w a s s e r auch etwas aufgelöstes Aetz-Kali, wodurch es v i e l mehr reizend, s e l b s t ätzend wird.
Aetzkalk.
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— Die stärkenden Wirkungen verbreiten sich weiter auf die drüsigen Organe, auf die Lymphgefässe, auf die Schleimhaut der Respirationsorgane und vorzüglich auf die Urinwerkzeuge; es wird der ganze Vegetationsprocess umgestimmt und die Absonderungen werden nicht allein in der Menge vermindert, sondern auch qualitativ verändert. Bei Injectionen von 6 0 — 1 8 0 Grm. Kalkwassers in die Drosselvene an Pferden sah ich die Herzschläge schwächer, aber um 6 — 8 in der Minute vermehrt werden und reichliches Uriniren entstehen. Andere Erscheinungen traten nicht ein. Auf die unverletzte H a u t wirkt das Kalkwasser nur schwach reizend und gelind zusammenziehend. — I n Wunden und Geschwüren wirkt es auf dieselbe Weise, aber etwas tiefer eindringend; es verbessert bei einem asthenischen Zustande derselben die Eiterung und Granulation, mindert beide, wenn sie zu reichlich von statten gehen, und man betrachtet es daher als ein reinigendes, auflösendes und austrocknendes, antiseptisches Mittel. Die sogenannte K a l k m i l c h erzeugt dieselben Wirkungen wie das Kalkwasser, aber in einem weit stärkern Grade, und namentlich ist die örtliche Reizung und Zusammenziehung an wunden Stellen viel heftiger. Von den Schleimhäuten der Verdauungseingeweide wird aber die Kalkmilch ohne Nachtheil ertragen. — Auch dieses Mittel muss in gut verstopften Gläsern aufbewahrt oder am besten vor dem Gebrauch erst frisch bereitet werden. §• 477. Die innerliche Anwendung des reinen Aetz-Kalkes im concentrirten Zustande ist niemals nothwendig und darf bei keiner Tliiergattung, auch selbst bei Pferden nicht, empfohlen werden, obgleich V i b o r g ' s Versuche die Anwendung bei den letzteren als fast ganz gefahrlos darstellen Dagegen kann eine Auflösung und sehr verdünnte Mengung mit Wasser, am besten das Kalkwasser, innerlich bei allen Krankheiten, welche im §. 465 angedeutet sind, als das passendste alkalische Mittel benutzt werden, und zwar, s e i n e r t o n i s c h e n W i r k u n g w e g e n v o r z ü g l i c h d a n n , w e n n d i e s e K r a n k h e i t e n in E r s c h l a f f u n g und Reizlosigkeit der S c h l e i m h ä u t e des V e r d a u u n g s k a n a l s , d e r H a r n - u n d Ges c h l e c h t s o r g a n e u n d d e r L u f t r ö h r e , o d e r in A t o n i e d e r L y m p h g e f ä s s e u n d L y m p h d r ü s e n b e g r ü n d e t s i n d . — Eine Wiederholung der Namen dieser Krankheiten scheint unnöthig, und es verdient nur noch bemerkt zu werden: dass das Kalkwasser, wegen seiner Eigenschaft, das kohlensaure Gas reichlich zu absorbiren, gegen das Aufblähen der Wiederkäuer nach dem Genuss von Grünfutter, besonders von frischem Klee, am häufigsten unter allen absorbirenden Mitteln, und sehr oft mit dem besten Erfolge gebraucht wird; — dass es von V i b o r g (Anleit. z. Erzieh, u. s. w. des Schweins S. 107) gegen die Borstenfäule der Schweine — und von manchen Thierärzten als ein Heilmittel gegen den Rotz empfohlen 1 Nur Pferdehändler benutzen zuweilen den u n g e l ö s c h t e n K a l k , um ihre Pferde schnell w o h l b e l e i b t zu machen , indem sie ihn in k l e i n e n Quantitäten unter das Futter mengen, oder noch besser, ihn im Getränk mit M e h l , Schrot oder K l e i e geben. Mehrentheils gebrauchen sie aber den milderen Mehlkalk. Solche aufgeschwemmte P f e r d e sind aber sehr weichlich und erkranken sehr leicht nach geringen Ursachen.
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Alkalische Mittel.
worden ist, aber nur in äusserst seltenen Fällen eine gute W i r k u n g gezeigt hat. §• 478. Man giebt das Kalkwasser den Pferden zu 2—6 P f u n d , den Kindern zu 3—9 P f u n d , Schafen, Ziegen und Schweinen 120,0—500,0, Hunden 15,0—90,0, — und wiederholt diese Gaben bei chronischen Krankheiten täglich zwei- bis dreimal, aber bei dem Aufblähen in Zwischenzeiten VOÜ 1 j 2 — 1 Stunde, so oft es nöthig ist. Am besten ist es, das Kalkwasser unmittelbar vor der Anwendung frisch zu bereiten,, weil das durch einige Zeit aufbewahrte, durch die Einwirkung der Kohlensäure der Atmosphäre, oft unwirksam geworden ist. Man nimmt dann von dem K a l k e zu einer Gabe für die grossen Hausthiere 15,0—30,0, für Schafe, Ziegen und Schweine 4,0—12,0, für Hunde 0,5—2,0, übergiesst ihn nach und nach mit der 3 0 - 50fachen Menge Wassers, rührt die Flüssigkeit einigemal um und giebt dieselbe entweder sogleich ein, oder man giesst, nachdem sie durch einige Minuten ruhig gestanden, den obern klaren Theil ab und benutzt diesen allein in den oben bezeichneten Gaben. In den meisten Fällen ist es zweckmässig, mit dem Kalkwasser zugleich bittere oder aromatische Mittel, bei grosser Reizlosigkeit auch Weingeist, Terpenthinöl und dergl. anzuwenden; aber adstringirende Mittel, Salze, Säuren und Quecksilberpräparate sind, der entstehenden Zersetzung wegen, zum innerlichen Gebrauch ganz unpassende Zusätze (§. 466). §. 479. Aeusserlich kann man. den Aetzkalk entweder als Pulver eingestreut oder mit wenig Wasser zum Brei gemacht als Aetzmittel gebrauchen, was ehemals mehr als jetzt geschehen ist, indem man ihn gern zum Zerstören des sogenannten wilden Fleisches, der Feigwarzen und Warzen benutzte; er wird jetzt in viele;'. Fällen besser durch das Aetz-Kali, den Höllenstein u. s. w., oder durch das Messerund das glühende Eisen ersetzt, ist aber dennoch ein vortreffliches Mittel dort, wo man oberflächlich ätzen und zugleich austrocknen will. Aehnlich aber tiefer eingreifend wirkt er in Verbindung mit dem Aetz-Kali als sogenanntes W i e n e r A e t z p u l v e r und in der A e t z p a s t e (§. 471). — Das Kalkwasser wird bei Wunden und Geschwüren, in denen wegen Atonie die Absonderung zu reichlich und von dünner jauchiger Beschaffenheit, oder die Granulation zu weich und üppig ist, — ebenso bei dergleichen Brandwunden, bei sehr nässenden, flechtenartigen Hautausschlägen, bei eben solcher Mauke, besonders bei der Mauke des Kindviehes nach dem Füttern mit Kartoffelschlempe, bei übermässiger Schleimabsonderung in der Nase, oder in der Scheide, besonders wenn gleichzeitig Geschwüre vorhanden sind, — bei dem epizootischen Klauenweh, wenn sich nässende Geschwüre bilden, und dergl., — häufig mit Nutzen gebraucht. E s dient, nach Beschaffenheit dieser Krankheiten, zum Verbinden, zum Einspritzen oder zum Waschen, theils für sich allein, theils mit anderen Mitteln verbunden; so z. B. mit Terpenthinöl oder Terpenthin, als sogenanntes D i g e s t i v w a s s e r — (S. 201), um gute Eiterung zu befördern, daher vorzüglich bei Wunden und Geschwüren, in denen zu geringe irritable Thätigkeit besteht; — mit Kupfervitriol oder Grünspan (als sogen. B l a u w a s s e r u n d g r ü n e s W a s s e r ) , um auszutrocknen und zu verdichten, — mit Sublimat oder Kalomel (als sogen.
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Aetzkalk, gebrannte Magnesia.
g e l b e s und s c h w a r z e s p h a g e d ä n i s c h e s W a s s e r ) , um gelinder auszutrocknen und zugleich die Reizung zu mindern , — auch mit Bleiessig oder mit B a u m ö l zu demselben Zwecke. Die letzteren beiden Mittel geben ein sehr mild wirkendes Präparat, welches bei Excoriationen , bei schmerzhaften F l e c h t e n , und vorzüglich bei in E i t e r u n g übergegangenen Verbrennungen sehr nützlich ist. E i n B r e i von K a l k und W a s s e r oder Oel, oder in angemessener Verbindung mit anderen Mitteln kann auch als ein sogenanntes D e p i l a t o r i u m oder haarablösendes Mittel benutzt werden, — obgleich dies in der Thierheilkunst selten nöthig ist. D i e meisten Depilatorien bestehen aus ungelöschtem K a l k , kohlensaurem K a l i oder Natron und schwefelsaurem A r s e n i k , und sie erregen leicht tief gehende Schwärung und sichtbare Narben. D r . W i l s o n hat aber als ein unschädliches Haarvertilgungsmittel folgende Composition empfohlen: Nimm gebrannten K a l k 4 G r m . , kohlensäuerliches Natrum und S t ä r k e m e h l , von j e d e m 8 Grm. Menge genau zusammen und mache mit Wasser einen B r e i , den man auf den behaarten T h e i l legt und denselben wieder abwäscht, sobald er trocken geworden ist (siehe auch bei K a l k schwefelleber). K a l k in Verbindung mit Bleiglätte giebt ein Mittel zum Schwarzfärben der H a a r e (siehe B l e i ) ; — und K a l k mit E i w e i s s , oder auch mit weissein K ä s e zusammengerieben, giebt einen festen K i t t , den man zum Ausfüllen der Hornspalten benutzen kann. Derselbe muss jedoch gleich nach Bereitung angewendet werden, weil er schnell hart wird. ConcentrirteKalkinilcli dient als desinficirendes Mittel zum Uebertünchen der W ä n d e , des Fussbodens u. s. w. in S t ä l l e n , in welchen Thiere mit ansteckenden K r a n k h e i t e n gestanden, sowie auch zum Ueberstreuen der Cadaver von solchen T h i e r e n . D a s Mittel steht aber für solche Zwecke dem Chlorkalk nach.
(Aqua
calc.
3 0 G r m . 2 P f g . ; Calc.
vsta
pulv. 3 0 G r m . 8
Pfg.)
4) Reine Bitlererde, Talkerde, reine, gebrannte oder ätzende Magnesia, IHagniuin-Oi)d, Magnesia
pura,
Magnesia
usta a. calcvuata.,
Oxydvm
Mugnimn
oxydaUmi,
magnesicum.
§. 4 8 0 . Die aus der kohlensauren Bittererde durch starkes Ausglühen gewonnene gebrannte Magnesia ist in ihren W i r k u n g e n unter allen rein alkalischen Mitteln am mildesten, erzeugt selbst in grossen Gaben weder Aetzung noch starke R e i z u n g , absorbirt aber die im Magen und D a r m k a n a l vorhandene freie S ä u r e , und scheint auch in geringem G r a d e , ähnlich wie die übrigen alkalischen M i t t e l , auf den ganzen Organismus und speciell auf die S ä f t e zu wirken. Sie leistet als Heilmittel sehr gute Dienste in solchen gastrischen K r a n k heiten, welche mit übermässiger Säureentwickelung und zugleich mit erhöhter Reizbarkeit des Verdauungskanals verbunden sind, wie namentlich bei dergleichen heftigem Durchfall und E r b r e c h e n , wenn dabei Kolikzufälle zugegen sind; ebenso bei dem Aufblähen und dergl. D a s Mittel wird j e d o c h selten und fast allein bei j u n g e n oder bei kleinen T h i e r e n gebraucht, weil es bei den grossen T h i e r e n in den meisten F ä l l e n durch das wohlfeilere Kalkwasser,
Alkalische Mittel.
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durch K r e i d e , Potasche und dergl. Mittel ersetzt werden kann. W e n n nicht Ansammlung von Kohlensäure in den Eingeweiden zugegen ist, benutzt man aucli oft statt der reinen die kohlensaure Bittererde. Besonders nützlich wirkt sie bei Arsenikvergiftung, denn sie bindet arsenige u n d Arseniksäure, belästigt den Magen weniger als das Eisen und f ü h r t gelind ab. Gegen Sublimat, Kupfersalze leistet sie weniger u n d gegen Phosphor gar nichts. Die Gabe ist f ü r die grossen Hausthiere 12,0—30,0, f ü r Schafe u n d Schweine 4,0—8,0, f ü r H u n d e 0,5—2,0, am besten in einem schleimigen Decoct, zuweilen auch mit Zusatz von Enzian, Opium, Brechnuss, Rhabarber und dergl. Mitteln, welche die k r a n k h a f t e Empfindlichkeit herabstimmen und die übermässige Secretion beschränken. (30 Grm. :J Sgr. 10 Pfg.)
5) R e i n e T h o n e r d e , A l a u n e r d e , A h i n i i u m - O x y d , Alumina, Alcnnium oxydatunt.
Anjilla pura,
(o)
§. ¡81. Die Thonerde verursacht an den T h e i l e n , mit denen sie in Berührung kommt, keine A e t z u n g , sondern nur schwache Heizung u n d gelinde Zusammenschrumpfung; zugleich zieht sie begierig Feuchtigkeiten an sich und zersetzt oder bindet vorhandene Säuren. Sie wirkt daher gelind tonisch, austrocknend und säurewidrig und kann innerlich bei ähnlichen Krankheitsverhältnissen der Verdauungseingeweide angewendet werden, bei denen das Kalkwasser empfohlen ist (§. 477); sie steht aber dem letztern, obgleich sie milder ist, darin nach, dass sie fast allein örtlich wirkt, indem sie wenig oder gar nicht in die Säfte übergeht, ferner, dass sie in grossen Gaben den Magen eher belästigt, und dass sie theurer ist als das Kalkwasser. Aus diesen G r ü n d e n wird die Thonerde selten als Heilmittel benutzt. Die A n w e n d u n g kann in denselben Gaben und auf dieselbe Weise geschehen, wie bei der Bittererde. Anmerkung, a) Der r o t h e oder a r m e ni s d i e B o 1 u s (Bolus rubra s. armena, Argilla rubra), eine natürliche Verbindung der Thonerde mit Kieselerde und etwas Eisenoxyd, und bj der w e i s s e B o l u s (Bolus alba), dieselben B e s t a n d t e i l e und zugleich K a l k erde enthaltend, — wurden ehemals als gelind adstringirende, stärkende, blutstillende, Stopfende und einsaugende Mittel innerlich z. B. gegen Durchfälle, gegen Blutharnen, b e sonders aber gegen Harnruhr oder Lauterstall, — äusserlich gegen Gallen, Sehnenklapp und dergl. Uebel angewendet. Zum äusserlichen Gebrauch sind sie jedoch zu tlieuer und unnöthig, da sie für diesen Zweck durch den ihnen sehr ähnlichen T h o n (Töpferthon) und L e h m ersetzt werden können. (Bolus wird vom Kaufmann entnommen.)
6 ) Reines Schwefel-Kalium, Schwefel-Kali, Hydrotbion-Schwefel-Kali, gemeine oder K a l i - S c h w e f e l l e b e r , Kalium
s. Kali snlphuratum,
Sulphuris
Kali sulplmrat.
vulgare s. salinum s.
hydroyenatum,
Hepar
alcalinum.
§. 482. Die gewöhnliche reine Schwefelleber ist durch Zusammenschmelzen von 2 Theilen gereinigtem Kali carbonicum mit 1 Theil gereinigtem Schwefel bereitet und besteht aus Fünffach-Schwefelkalium(KS r > ),unterschwefligsaurem
Thonerde,
Schwefelleber.
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Kali und etwa 3 Proc. unzersetztem kohlensauren Kali. Sie ist eine gelblichgrüne oder (wenn sie bei starker Schmelzhitze bereitet worden) eine bräunliche, harte, kriimliclie, bitter und alkalisch - schwefelig schmeckende Masse, die im ganz trockenen Zustande fast geruchlos, meist aber nach Schwefelwasserstoffgas riechend ist, alkalisch reagirt, sich in 2 Th. Wasser auflöst und dabei eine gelbe Flüssigkeit bildet, welche sich chemisch wie die Schwefelleber selbst verhält. Bei der Einwirkung der atmosphärischen Luft, des Wassers, der Säuren und Salze zersetzt sich die Schwefelleber sogleich und entwickelt dabei das nach faulen Eiern stinkende S c h w e f e 1 - W a s s e r s t o f f g a s , die sogen. H y d r o t h i o n s ä u r e oder die h e p a t i s c h e L u f t 1 . Die Schwefelleber in coneentrirter Auflösung mit gleichen Theilen Wasser bewirkt örtliche starke Reizung, heftiges J u c k e n , Entzündung, Auflösung und Absterbung der Epidermis und auf den Schleimhäuten ebenso des Epitheliums, an Wunden selbst gelinde Aetzung; auch wird ein Theil des Mittels resorbirt und in den Kreislauf gebracht. Eine schwache Auflösung reizt die Haut gelind. Weisse Haare und weisse Haut werden von Schwefelleber gelblich gefärbt. Bei innerlicher Anwendung entstehen von massigen Gaben der Schwefelleber (z. B. von 8 , 0 — 1 5 , 0 bei Pferden und Rindern, von 0,25 bei Hunden), bei keinem Thiere im gesunden Zustande sehr auffallende Veränderungen; nur die Schleimhaut im Maule und in der Nase wird etwas blässer, der daselbst abgesonderte Schleim weniger zähe, der Puls weicher und etwas langsamer, das Blut dunkler und viel ärmer an Faserstoff 2 , der Urin reichlicher und oft auch dunkler gefärbt; die ausgeathmete Luft riecht während einer kurzen Zeit nach Schwefehvasserstoffgas; Hunde zeigen E k e l oder selbst etwas Erbrechen, aber der Appetit und die Verdauung werden nicht gestört; der Kotli erscheint mehr trocken, dunkel, und oft mit einer zähen Schleimhaut umhüllt, und bei Pferden weniger sauer riechend. Wenn bei dein Eingeben des Mittels von demselben etwas durch einige Zeit im Maule verbleibt, so entsteht hierdurch eine örtliche Reizung der Schleimhaut, und als Folge hiervon findet sich zu jenen Erscheinungen häufig auch noch Geifern und Schäumen aus dem Maule, zuweilen auch etwas schnelleres und beschwerliches Athmen. Nach Gaben von 30,0—(>jstall)satmn, Bicarbonas kalieus s. Potassae), gewöhnlich als s a u r e s k o h l e n s a u r e s K a l i bezeichnet, — besteht fast aus gleichen Tlieilen Kali und Kohlensäure mit etwas (gegen 1 / 10 ) Krystallisationswasser. Die r o h e Potasche wird gewonnen durch Auslaugen der Pflanzenasche und Abdampfen der Lauge bis zu einer trockenen, schwarzen Masse, welche stark geglüht (gebrannt, calcinirt) und zur gewöhnlichen, käuflichen Potasche gemacht wird. Diese reagirt alkalisch, besteht in Stücken von verschiedener Grösse, ist von weissem oder bläulichem Ansehen, geruchlos, hat einen scharfen laugenhaften Geschmack, wird an der Luft schnell feucht, zerfliesst, löst sich in Wasser sehr leicht, aber nicht vollständig auf, weil sie noch mehrere andere salzige u. s. w. unreine B e s t a n d t e i l e enthält; in reinem Weingeist ist sie unlöslich, bei Einwirkung einer Säure braust sie auf, die Kohlensäure entweicht. Die g e r e i n i g t e Potasche ist ein trockenes, weisses, grobkörniges Pulver mit denselben Eigenschaften. Das Kalibicarbonat krystallisirt in rhombischen Säulen oder Tafeln, ist geruchlos, schmeckt mild salzig, reagirt schwach alkalisch, löst sich in A Tlieilen kalten, in 2 Tlieilen heissen Wassers, äusserst wenig in reinem Weingeist, braust mit Säuren auf. Die Wirkung dieser beiden Salze ist bei ihrer innerlichen Anwendung sehr ähnlich der Wirkung ihrer Bestandteile, da die letzteren sich, durch den sauren Magensaft, sehr leicht von einander trennen und dann gleichsam für sich allein wirksam sind. Das b a s i s c h e k o h l e n s a u r e K a l i , das gewöhnlich in der Thicrhcilkunst benutzte Präparat, nähert sich in seinen Wirkungen zum Theil denen des Aotzkali, besitzt aber eine weit mildere örtliche Einwirkung als dieses; es löst den geronnenen Faserstoff' und das Eiwciss in kurzer Zeit bedeutend auf und macht mit diesen und anderen thierischen Flüssigkeiten keine Niederschläge; die Thätigkeit der aufsaugenden Gef'ässe erregt es in einem hohen Grade, besonders in der Haut, im Zellgewebe, in sehnigen und drüsigen Organen, und da es zugleich die serösen Absonderungen befördert und den geronnenen Eiweissstoff auflöst, so wirkt es sehr kräftig zertheilend überall wo Stockungen und Verhärtungen, asthenische, torpide Entzündungen, plastische Ausschwitzungen, Extravasate von gerinnbaren Stoffen, U n t ä t i g k e i t der Haut undUlceration in derselben zugegen sind. — N u r bei ganz concentrirter Anwendung verursacht es örtlich eine bis zur Entzündung steigende Reizung und Ausschwitzung, aber sehr selten Aetzung. Innerlich in massigen Gaben und gehörig verdünnt angewendet, wirkt es (abgesehen von der örtlichen, gelind erregenden Einwirkung auf die Schleimhaut des Magens und Darmkanals) e i g e n t ü m l i c h deprimirend auf die krankhaft vermehrte und unregelmässige Sensibilität der Bauch- und Brusteingeweide, absorbirt die in den ersteren vorhandene Säure, vermindert die Gerinnbarkeit des Blutes, befördert die Absonderung dos Urins sehr bedeutend, verursacht auch, dass derselbe viel wässeriger und weniger reich an Harnsäure wird, und scheint auch die absondernde Thätigkeit an der innern Fläche der Blase und des Uterus zu verstärken und umzustimmen. Es befördert auch die Resorption im ganzen Körper sehr bedeutend, wie es scheint, hauptsächlich mit Hilfe der vorausgegangenen Verflüssigung der gerinnbaren
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Salze der Alkalien und Erden.
B e s t a n d t e i l e der Säfte. — Bei der innerlichen Anwendung' sehr grosser Gaben im concentrirten Zustande kann das Mittel gefährliche Zufälle verursachen. Als O r f i l a (Toxicologie, I. Bd. S. 172) einem nüchternen Hunde 8 Grm. kohlensaures Kali eingegeben, zeigte das Thier sogleich lebhaften Schmerz und Unruhe; es erfolgte Erbrechen weisser, dicklicher, schleimiger Flüssigkeiten, welche mit Säuren aufbrausten, — gehinderte Respiration und in 25 Minuten der Tod. Bei der Section fand sich starke Rothe der Schleimhaut des Magens; die Gefässe desselben waren mit Blut injicirt, Gedärme und Lungen gesund. Eine so ausgezeichnet heftige und schnelle Wirkung sah ich niemals. Ich gab Hunden dieselbe Dosis des Mittels in 15,0 destill. Wassers gelöst, und bemerkte blos binnen 10 —12 Minuten nach dem Eingeben etwas Schleimfluss aus dem Maule und mässig beschleunigtes Athmen; der übrige Zustand war und blieb durchaus normal. Aber dieselbe Menge als Pulver in Papier gewickelt einem Hunde eingegeben, verursachte nach Verlauf von 5 Minuten die von O r f i l a angeführten Symptome, jedoch nur durch 2 Stunden andauernd und worauf das Thier vollkommen wieder hergestellt wurde. — Pferden und Kühen gab ich das Mittel bis zu 45,0 in 180,0 destill. Wassers gelöst, ohne nachfolgende heftige Zufälle; aber von 60,0 und 90,0 entstand zuweilen, jedoch sehr bald vorübergehend, etwas beschwerlicheres Athmen, Unruhe und Kolik. Das Blut war heller geröthet, dünnflüssiger, ärmer an Faserstoff. — R o s e n b ä u m hat von grossen Gaben bei tragenden Kühen Abortus erfolgen sehen (Magazin f ü r Thierheilk. X I I . S. 162), — eine W i r k u n g , die ich nach Einspritzungen kohlensaurer Salze in die Vagina gleichfalls eintreten sah. Vier Gramme kohlensaures Kali mit :i0,0 destillirten Wassers gelöst, Pferden in die Drosselvene gespritzt, brachten keine bemerkbare Wirkung hervor; 8 Grm. auf dieselbe WTeise angewendet, verursachten sogleich beschwerliches Athmen, Schwindel, Convulsionen, heller geröthetes Blut; nach 2—:i Stunden hatten dieThiere sich wieder erholt. Bei Hunden traten nach der Injection von 0,6 —1,25 in 15,0 Wassers gelöst dieselben Zufälle, und von 4 Grm. fast augenblicklich der Tod ein. §• 491. Aus dem Vorstehenden ergiebt sich : dass das basische und das säuerliche kohlensaure Kali in seinen Wirkungen den reinen Kalien sehr ähnlich, aber örtlich milder einwirkend ist und sich durch einen vermöge der Kohlensäure erzeugten, specifisch umstimmenden, oft beruhigenden, krampfstillenden Einfluss auf die Thätigkeit der Gangliennerven auszeichnet. — Seine innerliche Anwendung kann daher zum Theil bei denselben Krankheiten geschehen, wo die Kalien überhaupt (§. 465) angezeigt sind; es verdient aber vor dem reinen Kali den Vorzug, weil es in grösseren Gaben und anhaltender gegeben werden kann, ohne Nachtheil zu erzeugen; aber ausserdem ist es nützlich bei einem gereizten nervösen Zustande der Baucheingeweide, z. B. bei anhaltendem, sehr anstrengendem Erbrechen (wenn ausser Säure im Magen, keine wesentlich materielle Ursache, auch keine Entzündung des Magens und dergl. vorhanden ist); ebenso bei Krampfkolik, Windkolik und krampfhafter Harnverhaltung. (Bei Krämpfen, die in anderen Ursachen begründet sind, oder die vom Gehirn und Rückenmark ausgehen, nutzt das kohlensaure Kali nichts, und ich habe namentlich bei dem Starrkrampf der Pferde
Kohlensaures Kali.
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nicht die mindeste H i l f e von ihm gesehen, ich mochte es nach d e r S t ü t z ' schen Methode mit Opium [S. 3 2 5 ] oder auf andere Weise gebrauchen lassen.) — Gegen V e r g i f t u n g e n mit S ä u r e n , und gegen die L e c k s u c h t , um die.in dem V e r d a u u n g s k a n a l v o r h a n d e n e n Säuren zu neutralisiren, ebenso gegen das A u f b l ä h e n der wiederkäuenden T h i e r e und gegen W i n d k o l i k der Pferde, um die hier erzeugten Gase zu absorbiren, ist das kohlensäuerliche Kali empfohlen. Gegen fehlerhafte M i l c h a b s o n d e r u n g , wo die Milch sauer reagirt und zu schnell gerinnt, hat es sich bewährt. J e d o c h verdient in den meisten F ä l l e n von gastrischen L e i d e n das ,Y itrvm carboiricum den Vorzug. — Als ein sehr hilfreiches Mittel habe ich es (mit g e b r a n n t e m Alaun) bei dem sogenannten rothen W a s s e r ( B l u t h a r n e n ) der Kinder und Schafe k e n n e n gelernt, wenn dieses gefährliche Leiden durch das W e i d e n auf den mit geil gewachsenem G r a s versehenen, feuchten Stellen, besonders in Gebüschen, entstanden war. — Vorzügliche Dienste leistet es auch gegen plastische Ausschwitzungen bei und nach E n t z ü n d u n g e n , gegen Stockungen u n d V e r h ä r t u n g e n , die durch A n h ä u f u n g von Faserstoff oder Eiweissstoff, durch E x t r a v a s a t e u. s. w. entstanden sind. L u x hat in dieser Hinsicht das Mittel g a n z mit Recht gegen die L u n g e n s e u c h e des Rindviehes empfohlen obgleich es nicht so allgemein hilfreich ist, wie er dasselbe rühmt. — Derselbe empfiehlt auch das Kali r. acichd. gegen die F i n n e n der Schweine (wo die Holzasche schon l a n g e den L a n d l e u t e n b e k a n n t ist, wo a b e r , bei der b e k a n n t e n N a t u r dieses Leidens, beide Mittel nichts leisten können). - R y e b n e r hat es, neben entsprechenden anderen Heilmitteln, als daswirksamste Arzneimittel gegen die D ä m p f i g keit ''welche A r t ? ) gelobt 2 . L u n d 3 hat das Mittel zum Abtreiben der N a c h geburt mit Nutzen a n g e w e n d e t ; es k a n n aber f ü r diesen Zweck nicht in allen Fällen die verlangte W i r k u n g leisten, vielleicht n u r d a , wo die N a c h g e b u r t durch K r ä m p f e , durch zu grosse Reizbarkeit u n d Mangel an A b s o n d e r u n g im Uterus zurückgeblieben ist. — V i b o r g 4 u. A. haben das kohlensaure Kali auch gegen V e r g i f t u n g e n durch A r s e n i k , Aetzsublimat und a n d e r e scharfe Metallgifte e m p f o h l e n ; es ist aber hierbei nach G r ü n d e n der Chemie nicht passend, und hat sich in der E r f a h r u n g mehr schädlich als nützlich erwiesen. §. 4 9 2 . Man giebt von dem g e r e i n i g t e n kohlensauren K a l i P f e r d e n 7 , 0 - 15,0, dem R i n d v i e h 1 2 , 0 — 3 0 , 0 , Schafen und Schweinen 2,0 — 5 , 0 , H u n d e n 0,3 bis 2,0 auf e i n m a l , u n d wiederholt diese G a b e n , nach der H e f t i g k e i t der Krankheitszufälle, in Zwischenzeiten von l j. J S t u n d e (z. B. bei heftigen k r a m p f h a f t e n Zufällen) bis 4 S t u n d e n . Die A n w e n d u n g geschieht am besten in flüssiger F o r m , indem m a n das Mittel entweder blos in l a u w a r m e m (nicht heissem) Wasser, oder i n ' e i n e r schleimigen, bittern oder aromatischen Flüssigkeit auflöst. Man n i m m t dabei auf 0,3 kohlensaures K a l i 12,0 —15,0 Flüssigkeit. — W i l l m a n die K o h l e n s ä u r e im Magen schnell aus dem K a l i entwickeln, so schüttet m a n gleich nach dem E i n g e b e n des letztern eine ent1 Zooiasis, Bd. I.. H e f t 2.'S. 15. — W i r hatten j e d o c h an der hiesigenThierarzneischule das Mittel geilen diese Krankheit schon lange vorher im Gebrauch. 2 E n c y k l o p ä d i e der gesammt. theor. prakt. Pferde- und Rindviehheilk. von R y e h n e r und I m T h u m . Bd. 1. S. 651. 3 Veterinär Selskab. Skrift. 1. Deel. pag. 436. 4 Des?. Anleit. z. Erzieh, u. Benutzung des Schweins. S. 143.
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Salze der Alkalien und Eiden.
s p r e c h e n d e Q u a n t i t ä t (d. Ii. a u f 1 T h e i l k o h l e n s a u r e s K a l i 1 5 — I G T h e i l e ) E s s i g s d e m T h i e r e ein. — Geigen das oben e r w ä h n t e B l u t h a r n e n v e r o r d n e ich g e w ö h n l i c h : R p . Kali citrb. Jtjiimiii 2 5 0 , 0 ; Alumiii. imti (>0,0. M l ) , in Ollam, S. E i n e m K i n d e 1 Esslöffel voll in ' / 2 Q u a r t W a s s e r zu geben und dieses alle 2 S t u n d e n zu w i e d e r h o l e n . S c h a f e n d e n 3. T h e i l . §. 4 9 3 . A e u s s e r l i c h b e n u t z t m a n das k o h l e n s a u r e K a l i , u n d z w a r m e h r e n t h e i l s die g e m e i n e P o t a s c h e , a) in r e c h t w e n i g W a s s e r (1 T h e i l auf 4 T h e i l e ) gelöst als r e i n i g e n d e s , a u s t r o c k n e n d e s Mittel zum täglich ein- bis z w e i m a l i g e n Bestreichen solcher G e s c h w ü r e , w e l c h e üppige, lockere u n d s c h m u t z i g e G r a n u l a t i o n e n t h a l t e n u n d viel j a u c h e n ; —- oder b) in 1 2 — 2 0 T h e i l e n W a s s e r s gelöst, als auflösendes u n d z e r t h e i l e n d e s Mittel zum B e s t r e i c h e n , zu U m s c h l ä g e n u n d W a s c h u n g e n a n T h e i l e n , wo g e r i n n b a r e A u s s c h w i t z u n g e n , E x t r a v a s a t e , S t o c k u n g e n , V e r h ä r t u n g e n , z. B. v e r a l t e t e , d i c k e H o r n h a u t f l e c k e , Stollbculen, P i e p h a c k e n , S e l m e n k l a p j j , s c h l e i c h e n d e E n t z ü n d u n g lind U l c e r a t i o n a n den S e h n e n , M i l c h k n o t e n u n d ä h n l i c h e pathologische Z u s t ä n d e bestehen, ebenso bei E l e c h t e n , R ä u d e u n d oberflächlicher, mit V e r d i c k u n g d e r H a u t v e r b u n d e n e r M a u k e ; u n d c) m i t F e t t , oder noch besser mit g r ü n e r S e i f e ( I T h . zu 1—S T h l n . ) z u r S a l b e g e m a c h t , thcils als h e i l e n d e s u n d r e i n i g e n d e s Mittel bei den eben b e z e i c h n e t e n H a u t k r a n k h e i t e n , theils a l s z e r t h e i l e n d e s Mittel bei den u n t e r b ) a n g e d e u t e t e n k r a n k h a f t e n Z u s t ä n d e n . Bei den l e t z t e r e n w i r d d a s kohlens a u r e K a l i sehr z w e c k m ä s s i g a u c h in V e r b i n d u n g m i t d e r g r a u e n Q u e c k silbersalbe, mit d e m A m m o n i a k - u n d K a n i p h e r l i n i i n e n t als E i n r e i b u n g t ä g l i c h ein- bis z w e i m a l a n g e w e n d e t . ( P o t a s c h e wird v o m K a u f m a n n e n t n o m m e n , beste 1 P f u n 1 4 i / 2 Sgl'.) §• 491D a s n e u t r a l e k o h l e n s a u r e K a l i w i r k t bei d e n verschiedenen A r t e n d e r A n w e n d u n g f a s t g a n z wie das basische, ist aber örtlich noch milder und in d e r b e l e b e n d e n u n d b e r u h i g e n d e n W i r k u n g auf d i e G a n g l i e n n e r v e n noch k r ä f t i g e r als dieses, u n d v e r d i e n t d a h e r bei h e f t i g e n K r ä m p f e n im M a g e n u. s.w. v o r ihm d e n V o r z u g ; es ist j e d o c h a u c h theurer. — I n n e r l i c h k a n n es in denselben G a b e n u n d a u f dieselbe W e i s e wie das basische Salz a n g e w e n d e t werd e n ; äusserlich w i r d es d u r c h P o t a s c h e und H o l z a s c h e ersetzt. (Preis : 30 Grm. 2 Sgr. 10 P f g . ) Anmerkung. D i e A s c h e v o n V e g e t a b i l i e n , H o l z a s c h e , n a m e n t l i c h die A s c h e von h a r t e n Holzarten, besitzt fast dieselben B e s t a n d t e i l e wie die unreine Potasche, w i r k t d a h e r d e m b a s i s c h - k o h l e n s a u r e n K a l i s e h r ä h n l i c h , u n d k a n n ancii w i e d i e s e s bei d e n b e zeichneten Krankheiten innerlich und äusserlich gebraucht werden. Sie ist a u c h l a n g e s c h o n v o n T h i e r ä r z t e n u n d L a n d w i r t h e n g e g e n S ä u r e im M a g e n , g e g e n h i e r a u s e n t s t a n d e n e D i a r r h o e , gegen die L e c k s u c h t , das A u f b l ä h e n und M i l c h f e h l e r , gegen die B r ä u u e , das E r b r e c h e n d e r S c h w e i n e u n d d e r g l . , t h e i l s a l s P r ä s e r v a t i v - , t h c i l s a l s H e i l m i t t e l mit N u t z e n i n n e r l i c h a n g e w e n d e t w o r d e n ; ich s e l b s t h a b e v o n d e r A s c h e bei e i n i g e n P f e r d e n s e h r gute W i r k u n g g e g e n W i n d - und K r a m p f k o l i k , w e l c h e aus U n v e r d a u l i c h k e i t u n d zu vieler Säure entstanden w a r , gesehen. In e i n e m F a l l e s c h e i n t s i e a u c h b e i e i n e r d e m B r a n d e n a h e n G e b ä r m u t t e r e n t z ü n d u n g e i n e r ICuli s e h r n ü t z l i c h g e w e s e n z u s e i n ( A r c h i v f ü r T h i e r h e i l k . v o n e i n e r G e s e l l s c h . S c h w e i z . T h i e r ä r z t e ; B d . 3. S. 7 0 ) . D i e W i r k u n g ist s c h w ä c h e r a l s d i e d e r P o t a s c h e , e t w a wie 1 zu 5. D i e G a b e v o n g u t e r , r e i n e r H o l z a s c h e ist für die grossen H a u s t h i e r e eine s t a r k e H a n d v o l l oder g e g e n 1/4 P f u n d , für Schafe u n d S c h w e i n e die H ä l f t e , f ü r H u n d e d e r v i e r t e T h e i l ; die W i e d e r h o l u n g wie bei d e m k o h l e n -
Kohlensaures Kali, Kohlensaures Natrum.
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s a u r e n Kuli. A l s A r z n e i m i t t e l g i e b t m a n sie am b e s t e n a u f g e l ö s t im w a r m e n W a s s e r ( e t w a m i t zehn- b i s z w ö l f f a c h e r M e n g e ) u n d nach E r f o r d e r n m i t bitteren o d e r a r o m a t i s c h e n M i t t e l n v e r s e t z t . Als P r ä s e r v a t i v m i t t e l g i e b t m a n sie in k l e i n e r e n Q u a n t i t ä t e n (z. B. für S c h w e i n e w ö c h e n t l i c h eine H a n t i v o l i ) u n t e r d a s F u t t e r g e m e n g t o d e r im G e t r ä n k . — A e u s s e r l i c h d i e n t s i e , theils in t r o c k e n e r F o r m zum E i n s t r e u e n , t h e i l s in W a s s e r g e l ö s t (als L a u g e ) zu F u s s b ä t l e r n und W a s c h u n g e n bei u n r e i n e n W u n d e n u n d G e s c h w ü r e n , b e s o n d e r s an s e h n i g e n T h e i l e n (Sehnenklai>i>) und a m H u f e , bei R h e u m a t i s m u s , b e i H a u t j u c k e n , F l e c h t e n u n d Riiude. Bei l e t z t e r e r ist j e d o c h die e i n f a c h e A s c h e n l a u g e o f t n i c h t w i r k s a m genug, s o n d e r n muss durch a n d e r e M i t t e l , K a l k , A e t z s u b l i m a t , T a b a c k s a b k o c h u n g und d e r g l e i c h e n v e r s t ä r k t w e r d e n . E i n e r e c h t b r a u c h b a r e Z u s a m m e n s e t z u n g d e r A r t ist d a s s o g e n a n n t e II e r r m a n n ' s e h e Mittel gegen die S c h a f r ä u d e . Z u r B e r e i t u n g d e s s e l b e n n i m m t m a n 4 Selu-ffel g u t e H o l z a s c h e und 1 Metze f r i s c h g e b r a n n t e n K a l k , m e n g t b e i d e s in e i n e m grossen F a s s e z u s a m m e n , giessr so viel W a s s e r d a r a u f , d a s s n a c h 24 S t u n d e n 140 Q u a r t V o r l a u g e abgezogen w e r d e n k ö n n e n , w e l c h e m a n bei Seite s t e l l t ; d a n n zieht m a n von d e r s e l b e n A s c h e und auf d i e s e l b e W e i s e 2 8 0 Q u a r t ' N a c b l a u g e a b , k o c h t l e t z t e r e mit. 1 0 0 P f u n d g e s c h n i t t e n e n T a b a c k s b l ä t t e r n b i s zu e i n e m R ü c k s t ä n d e von 140 Q u a r t , seiht die F l ü s s i g k e i t d u r c h u n d m e n g t sie mit j e n e r V o r l a u g e . I n dieser, v o r d e m Geb r a u c h e t w a s e r w ä r m t e n , F l ü s s i g k e i t w e r d e n die S c h a f e (mit d e r i m m e r n ö t b i g e n Vorsicht. z . B . m i t S c h ü t z u n g der Augen d e r T h i e r e , bei S c h a f b ö c k e n a u c h des S c r o t u i n s u . s . w . , und mit H i l f e des A u f k r a t z e n s der R ä u d e b o r k e n u. s. w.) j e d e n d r i t t e n o d e r v i e r t e n T a g , im G a n z e n v i e r - bis sechsmal g e w a s c h e n . l>ie T o r f a s c h e e n t h ä l t weniger K a l i , m e h r e r d i g e Tlieile, k a n n die H o l z a s c h e n o t h d i i r f t i g ersetzen. Sie ist bei d e r L ä u s e s u c h t d e r K ä l b e r ( n e b e n k r ä f t i g e m F u t t e r und fleissigem P u t z e n ) t ä g l i c h zwischen die H a a r e g e s t r e u t , s e h r n ü t z l i c h b e f u n d e n w o r d e n .
2) Kulilensaiirps Nalriim, kohlensaure Soda, Katrum mineralisches Laiigensalz, Alcali
s. Roda carbónica,
Sal
Sodac,
mineralc.
§. 495. Dieses Salz wird im rohen Zustande fabrikmässig aus der Asche verschiedener Meerstrandpflanzen, oder auch durch Zersetzung des Kochsalzes und des Natron-Salpeters gewonnen. Dasselbe besteht, wie das kohlensaure Kali, in zwei Sättigungsgraden des Natrum mit der Kohlensäure, nämlich a) als b a s i s c h - k o h l e n s a u r e s N a t r u m (Natr. subcarboincum, Katr. carbón, iryslallistttmii, — im gereinigten Zustande: Nair. carb. depnmiun, Carbomm nutriat.-- c. Aqua tlepitralv*); und — b) als n e u t r a l e s oder s ä u e r l i c h e s k o h l e n s a u r e s N a t r u m , d o p p e l k o h l e n s a u r e s N a t r u m (Arutr. bicarboiiiciim, iiatrii'v*
Katr. c.
carbonic.
nevtrinn
s.
uviihdum,
s. perfecte
saturatam,
Bicarbonas
Aqua).
Das basische Salz (NaO,OO 2 + 10HO) besteht aus 21 Natr., 15 Kohlensäure und 63 Wasser; es krystallisirt in farblosen rhombischen Säulen und Pyramiden, die an der Luft schnell zu einein weissen Pulver verwittern, wobei zuletzt durch Verdunsten des Krystallisationswassers die H ä l f t e des Gewichts des Salzes verloren geht; es ist geruchlos, hat einen kühlend laugenartigen Goschmack, ist in l 1 /., Thln. kalten und 1 / a Till, heissen Wassers löslich, in Weingeist unlöslich. Das säuerliche Salz ist vollkommen mit der Kohlensäure gesättigt (NaO,CO ä -f-HO,CO.,), ein sehr weisses, fast krystallinisches Pulver, auch oft in dichteren Stücken, von mildem, kaum alkalinischem Geschmack, ohne Geruch, löslich in 12 Theilen kalten Wassers, nicht in Weingeist, verliert durch Erhitzen bis 75° Geis. einen Theil seiner Säure, giebt, mit Säuren behandelt, 52 Procent Kohlensäure.
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Salze der Alkalien und Erden.
Beide Salze verhalten sich in ihrer Wirkung: fast ganz gleich dem basischen und neutralen kohlensauren K a l i , sind jedoch milder und werden deshalb auch in etwas grösseren Gaben gut ertragen 1 . Sie können für dieselben Zwecke, in denselben Gaben und auf die nämliche W e i s e wie das kohlensaure K a l i angewendet werden. D a s Xntr. bknrbou. ist jetzt ein sehr viel gebräuchliches Mittel bei allerlei gastrischen Zuständen, namentlich bei Appetitlosigkeit aller Thiergattungen. I m m e l m a n n hat es auch bei Verg i f t u n g e n der Schweine durch Herings- oder Pökelfleischlake, wenn die Zufälle frisch eingetreten w a r e n , mit Nutzen gebraucht, alle 2 — 3 Stunden 2— 8 Grm. in Milch aufgelöst. N a c h 24 Stunden leistet es nichts mehr. A l s Zusatz zur Milch verhütet es das Sauerwerden derselben und ist besonders nützlich, wenn die den Kälbern und anderen j u n g e n Tliiercn g e g e b e n e Milch Diarrhöe e r z e u g t 2 . ( N a t r . rurb. rrml. 3 0 Grm. 4 P f g . ; — d e p u r a t . 3 0
Grm.
1
Sgr.;
-
aculul.
3 0
Grm.
1
Sgl".
10
Pfg.)
3) Kohlensaures, kohlensänerliches Ammonium oder lininonlak, trnrkonps flüchtiges Alkali oder Lau?ensalz, Ammonmcum s. Ammonium carbonicwn s. subcarbonicitm. Alkali
volatilr
siccum,
Carbonas
nmmonicus.
§. 4 9 6 . E i n in Fabriken gewonnenes Salz in durchscheinenden, farblosen, festen S t ü c k e n ; an der Luft verwittert es, zerfällt und dunstet kohlensaures Ammoniak aus. 8 T h e i l e Wasser lösen 1 Theil. E s besteht in 1 0 0 Theilen aus 2 9 T h e i l e n Ammoniak, 5 6 Theilen Kohlensäure und 15 Theilen Wasser. W e n n man es mit Blut zusammenbringt, löst es, nach C. G. M i t s c h e r l i c h (a. a. O.), die Blutkügelchen allmälig auf, so dass nur noch die K e r n e in einer röthlichen Flüssigkeit schwimmen; das Epithelium des Magens wird aufgelockert, die Zellen trennen sich leicht, verschwinden aber viel später als nach A n w e n d u n g des Ammon. ranatin. und die M e n g e des dabei gebildeten Schleims ist auch geringer als bei diesem. In ähnlicher Wirksamkeit erscheint es an dem Epithelium des D ü n n d a r m s , wo jedoch ein mehr dicker Schleim entsteht. E s ist für die N e r v e n ein durchdringendes Reitzmittel, welches mit den flüchtig erregenden Kräften des A e t z a m m o n i a k s noch die milderen der Kohlensäure vereinigt, und durch die letztere in seinen Wirk u n g e n nicht allein sehr gemildert ist, sondern auch eine besondere R i c h t u n g auf die Gangliennerven erhält. — Zu grosse Gaben können jedoch gefährliche Zufälle erzeugen. O r f i l a (a. a. 0 . ) sah einen H u n d nach dem E i n g e b e n von 1 0 , 0 gepulverten kohlensauren A m m o n i a k s in 12 Minuten sterben. 1 K r . - T h . H a r t m a n n in R y b n i k b e o b a c h t e t e , d a s s e i n 2 J a h r e a l t e s F o h l e n , w e l c h e s a u s V e r s e h e n ' / a f t i n d Natr. carbon. ('welche S ä t t i g u n g ? ) s t a t t Natr. sulphurir. erhalten, d a s s e l b e ohne w e s e n t l i c h e S t ö r u n g der G e s u n d h e i t e r t r a g e n h a t . Nur die Maulschleimh a u t w a r stark a n g e ä t z t und hatte eine d u n k e l r o t h e F ä r b u n g , a b e r diese Z u f ä l l e g i n g e n n a c h e i u i g e n T a g e n v o r ü b e r ( V e t . - B e r i c h t d. K e g . z u O p p e l n 1 8 6 7 / 6 8 ) . 2 D a s n e u t r a l e k o h l e n s a u r e N n t r u m ist v o n D ' A r c e t a l s d a s b e s t e M i t t e l z u r V e r h ü t u n g d e s S a u e r w e r d e n s d e r M i l c h b e f u n d e n w o r d e n . 8 G m . ( 0 , 4 8 ) s i n d für 2 P f u n d M i l c h für diesen Zweck hinreichend. D n s Mittel wird, fein p u l v e r i s i r t , durch U m r ü h r e n mit der M i l c h g e m e n g t ; e s ist d e r G e s u n d h e i t d u r c h a u s u n s c h ä d l i c h UDd h a t v o r d e r s o n s t g e b r ä u c h l i c h e n P o u s c l i e den V o r z u g , dass es der Milch keinen N e b e n g e s c h m a c k ertlieilt, w i e l e t z t e r e es thut.
Kohlensaures Ammonium.
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Man fand die eine H ä l f t e der Magenschleimhaut stark entzündet (?), die andere Hälfte weiss und natürlich; das Herz ohne Bewegung, im linken Ventrikel mit flüssigem, schwarzem Blut erfüllt. — 4 Grm. bei Hunden, und 60,0 bei Pforden und Kühen habe ich aber mehrmals, ohne üble Folgen davon zu sehen, eingegeben. C. G. M i t s c h e r l i c h sah ein Kaninchen von 2 Grm. des Mittels in ¡50,0 Wasser gelöst und in den Magen gespritzt sehr bald ermatten, so dass es nicht mehr stehen konnte, und nach 20 Minuten von Tetanus befallen wurde; die willkürlichen Bewegungen hörten fast ganz auf, die Empfindlichkeit verminderte sich in den Extremitäten sehr, der Puls war sehr schnell, das Athmen beschwerlich. 4 Stunden nach dem Eingeben wurde das Thier wieder munter, und eine Stunde später konnte es gehen und fressen; und am folgenden Morgen war es ganz hergestellt. Als es 2 Tage später dieselbe Gabe erhielt, traten die nämlichen Zufälle ein und das Thier starb nach 2 1 / 4 Stunde. — Ein anderes Kaninchen starb von 4,0 nach 25 Minuten unter heftigem Tetanus, und ein drittes nach derselben Menge, in eine W u n d e gestreut, nach 42 Minuten. Bei den Sectionen fand sich der Magen und die W u n d e wenig, die Schleimhaut des Dünndarms aber sehr geröthet und sein Epithelium aufgelöst, das Blut dünnflüssig, Blut und Urin nicht alkalisch reagirend. Man hat das Mittel gegen krampfhafte und andere asthenisch-nervöse Krankheitszufälle, besonders wenn dieselben ihren Sitz in den Bauclieingeweiden haben, oder mit Affeetionen des Lungenmagennerven oder des grossen sympathischen Nerven verbunden sind, z. B. bei Appetitlosigkeit, Tinverdaulichkeit, Krampf- und W'indkolik, Lungenkrampf, Magenkoller, Epilepsie, und dergl. mit Nutzen gebraucht. Französische Thierärzte wollen es auch bei Cachexien, die aus dem Lymphgefässsystem hervorgegangen sind, namentlich beim Kotz und Wurm der Pferde mit gutem Erfolge angewendet haben, was ich aber nach meinen Beobachtungen hierüber ganz bezweifeln muss. Die Gabe ist für Pferde 8,0—15,0, für Rindvieh 8,0 — 30,0, für Schafe 1,0—2,5, für H u n d e 0,3—1,2, in 1 — 3 Stunden wiederholt. Man giebt es mit schleimigen, bitteren und aromatischen Mitteln verbunden, am besten in flüssiger Form und kalt. Säuren darf man nicht mit ihm zusammen geben. (Preis: 30 Grm. 2 Sgr. 8 Pfg.).
4) R r c n z t i c h - i i l l c - k o h l i ' i i s a u r r s A m m o n i a k , H i r s c h h o r n s a l z , brenzliches
Ammonium, Ammoniacvm $. Ammonium carbontcum pyro-olcosuni, Cornu Cervi.
kohlensäurrllches
Sal volatile
§. 497. Dieses Salz wurde früher durch trockene Destillation thierischer Theile gewonnen, jetzt wird es nach Vorschrift der Pharmacopöe bereitet durch allmäliges Zutröpfeln und Zusammenreiben von 1 T h . stinkendem Thieröl mit 32 Th. kohlensaurem Ammonium. Die Wirkungen dieses eigenthümlichen, aus Ammoniak, Kohlensäure und brenzlichem Thieröl zusammengesetzten Mittels sind, ganz seinen Bestandt e i l e n entsprechend: flüchtige und durchdringende Erregung der Thätigkeit des ganzen Nervensystems und des Gefässsystems, so dass gleichzeitig die Sensibilität und die Irritabilität vermehrt und namentlich die Energie der
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Salze der Alkalien und Erden.
Gefässe verstärkt wird. Dabei ist es wichtig, dass die Schnelligkeit (und somit die Zahl) der Bewegungen des Herzens und der Arterien (bei gesunden Thieren) selbst durch sehr grosse Gaben des Mittels sich kaum bemerkbar, aber die Schnelligkeit der Athemzüge sehr vermehrt. — I c h gab dasselbe versuchsweise Pferden und Kühen zu 1 5 , 0 — 1 2 0 , 0 auf einmal, in 9 0 , 0 — 1 8 0 , 0 dest. Wassers gelöst, und sali stets die Schleimhaut im Maule und in der Nase und die Bindehaut der Augen gleich nach dem Eingeben dunkelroth, den Blick munterer, das Auge glänzender, das Innere des Maules, die Ohren, die Nase und Fiisse und die ausgeathmete Luft wärmer werden; letztere roch auch stark nach empyreumatischem Oel. Die Zahl der Athemzüge war von 1 0 bis zu 20, selbst 25 vermehrt, der Puls voll und kräftig, aber ganz ruhig. Zuweilen (wenn das Mittel sehr concentrirt eingegeben ward) entstand auch starkes Geifern aus dem Maule, selbst oberflächliche Anätzung der Maulschleimhaut. Alle jene Erscheinungen dauern jedoch nur 1 — 2 Stunden. Später findet sich etwas vermehrte llautausdiinstung, wie auch reichlicheres Uriniren und vermehrte Absonderung an der Schleimhaut der Respirationsorgane. Der Koth geht besser verdaut, kleiner und derber geballt ab. Der Appetit wurde niemals vermindert. Einspritzungen von 2 , 0 — 4 , 0 Hirschhornsalz, gelöst in 6 0 , 0 — 1 2 0 , 0 destillirten Wassers, in die Drosselvene bei Pferden und Kühen, wirkten augenblicklich fast ganz auf dieselbe Weise, aber noch stärker erregend. Oertlicli wirkt das Hirschhornsalz, wenn es mit vielem Wasser (etwa 1 Tli. mit 12 T h . ) gelöst auf die Haut gebracht wird, reizend, die Auflösung und die Resorption vermehrend, daher bei torpiden Geschwülsten die Zertlieilung befördernd, in sehr concentrirter Auflösung (z. B . mit gleichen Theilen Wassers) aber Entzündung erregend, selbst gelind ätzend.
§. 498. Die allgemeine Wirkung des Mittels ist mit der des reinen und des kohlensauren Ammoniaks, vorzüglich aber mit der des stinkenden Thieröls sehr verwandt, und es findet daher, ganz wie dieses, s e i n e i n n e r l i c h e Anw e n d u n g b e i d e n j e n i g e n K r a n k h e i t e n , w e l c h e m i t w a h r e r torj j i d e r S c h w ä c h e verbunden sind; z. B. bei nervösen, typhösen und bei rheumatischen Fiebern, bei der Staupe der Ilunde, dem Koller der Pferde, bei Lähmungen und rein nervösen Krämpfen, bei dem Starrkrampf, bei Appetitlosigkeit und Unverdaulichkeit, bei veraltetem Katarrh und Rheumatismus u. s. w., wenn bei diesen Krankheiten die Thiere grosse Stumpfheit der Sinne, weichen, kleinen Puls, verminderte Wärme, schmierige, blasse Schleimhäute zeigen. — T e n n e c k e r (Handb. der prakt. Arzneimittellehre, 2. Bd. S. 2 0 4 ) hat selbst bei reinen Entzündungsfiebern, in der Lungen-, Nieren- und in Gehirnentzündung von dem Hirschhornsalz, nach gemachtem Aderlass angewendet, grosse Dienste gesehen, und erklärt dies aus der Wirkung des Mittels auf den Schweiss, durch dessen Unterdrückung die meisten dieser Leiden entstehen. Die Anwendung dieses Mittels bei reinen Entzündungskrankheiten kann aber leicht sehr gefährlich werden, und ist daher keinesweges so unbedenklich zu empfehlen; sie darf nur Statt finden entweder ganz im ersten Entstehen solcher Krankheiten, und dann nur nach vorher gemachtem Aderlass, — oder, wo die Krankheit einen zur Auflösung der Säfte, zum Brande
Kohlensaures Ammonium, Kohlensaurer Kalk.
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führenden V e r l a u f zeigt, und wo das hinzugetretene F i e b e r den asthenischen Character annimmt. §. 4 9 9 . D i e Gabe ist für P f e r d e und Rindvieh 4 , 0 — 1 2 , 0 , für Schafe und Schweine 1 — 4 G r m . , für H u n d e 0 , 2 — 1 , 2 , in Zwischenzeiten von 2 — 3 Stunden wiederholt. D i e Anwendung geschieht in P i l l e n , Latwergen oder in Auflösung; zu letzterer nimmt man a u f 1 T h e i l des Salzes 2 4 — 3 2 T h e i l e W a s s e r , oder ebenso viel einer schleimigen, bitteren, oder aromatischen Flüssigkeit. §. 5 0 0 . Aeusserlicli benutzt man das Hirschhornsalz als zertheilendes, auflösendes Mittel bei denselben k r a n k h a f t e n Zuständen, wo das kohlensaure K a l i empfohlen ist (§. 4 9 3 ) , welches es aber an W i r k s a m k e i t übertrifft. Zuweilen wendet man es mit 1 0 — 1 2 Theilen W a s s e r oder Branntwein gelöst, zum W a s c h e n a n , mehrentheils dient es aber blos als Zusatz zu dem Kainpherliniment, zur grauen Quecksilbersalbe, zum äussern Lebensbalsain und dergl., in dem Verhältniss von 1 T h e i l zu 6 — 8 Theilen. — Manche Thierärzte empfehlen es auch als Heilmittel gegen die R ä u d e ; hierzu ist es aber viel zu theuer und durch wohlfeilere Mittel zu ersetzen. Ueberliaupt ist der Preis des Hirschhornsalzes (der höher ist als der des K a m p h e r s ) zu beachten. (5 Grm. 1 Sgr. 2 Pfg.) Anmerkung. D e r Iii r s c h h o r n s pi r i tu s (^irihm CorauCcrci, Liquor Ammonii carbouicipyro-oleost, Amnion.p/jvo-oleos. solut.J ist eine Auflösung Von 1 Theil Hirschhornsalz in 7 Theilen (lest. Wasser. Ks gilt daher von ihm hinsichtlich der Wirkung und Anwendung Alles, was über das Hirschhornsalz angegeben i s t ; er ist entbehrlich.
5) Kohlensaurer Kalk, Calx carbonica. §. 5 0 1 . D e r kohlensaure K a l k kommt im Thierreiche und im Mineralreiche vor. D e r aus dem letztern stammende ist mehrentheils ohne Nebenbestandtheile, während der aus organischem Ursprünge bald mehr, bald weniger thierischen Leim enthält und wahrscheinlich auch noch übrigens bei den einzelnen Tliieren, von denen er s t a m m t , verändert ist. — I n der Thierarzneikunde werden am gewöhnlichsten die w e i s s e K r e i d e , Greta alba (o), zuweilen auch die w e i s s g e b r a n n t e n K n o c h e n , die g e b r a n n t e n ( p r ä p a r i r t e n ) Austerschalen (Conchae praeparatae) und die E i e r s c h a l e n (Testete ovormn) (o) als Arzneimittel gegen S ä u r e in den Verdauungseingeweiden und gegen hiervon entstandene Diarrhöe, Appetitlosigkeit, Unverdaulichkeit, Aufblähen, K o l i k und gegen die F ä u l e der S c h a f e angewendet. D e r kohlensaure K a l k ist in allen seinen Arten ein sehr mildes Arzneimittel, welches von der scharfen W i r k u n g des Aetzkalkes keine Spur besitzt. E r ist im W a s s e r g r ö s s t e n t e i l s unauflöslich, löslicher im M a g e n s a f t , so dass er doch etwas resorbirt werden k a n n ; er k a n n daher fast nur durch E n t w i c k e l u n g seiner Kohlensäure im Magen und D a r m k a n a l eine geringe allgemeine, und dem kohlensauren K a l i ähnliche, aber viel mildere W i r k u n g erzeugen, aber
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Salze der Alkalien und Erden.
am meisten wirkt er durch Absorption der vorhandenen Säuren. I n zu grossen Gaben oder bei langer Fortsetzung des Gebrauchs belästigt er zuweilen die Eingeweide auf mechanische W e i s e , indem er sich in festen Massen anhäuft. Dieser Eigenschaften wegen wird der kohlensaure K a l k in manchen F ä l l e n besser durch das Kalkwasser ersetzt; er verdient vor diesem nur da den Vorzug, wo entweder die Empfindlichkeit der Verdauungseingeweide sehr gross, oder wo durch irgend einen Umstand die Anwendung flüssiger Arzneien contraindicirt ist. D i e präparirten Austerschalen besitzen ausser dein kohlensauren K a l k noch ein Gewebe, das aus Chitin besteht, und vermöge seiner Unlöslichkeit mechanisch reizt; bei schon gereizten und entzündeten Schleimhäuten des Magens und Darmkanals sind sie daher contraindicirt. D i e G a b e von der fein jjulverisirten K r e i d e und dergl. ist für Pferde und Rindvieh 1 5 , 0 — 0 0 , 0 , für Schafe und Schweine 4 , 0 — 1 5 , 0 , für Hunde 0 , 6 - 8,0, täglich drei- bis viermal. Die Anwendung k a n n in j e d e r Form, und am besten in Verbindung mit bitteren und aromatischen Mitteln, zuweilen auch,-bei heftiger Diarrhöe, in Verbindung mit Rhabarber, Opium lind arabischem Gummi geschehen. — Schwefelsäure und Weinsteinsäure, und ebenso die Salze dieser Säuren, dürfen nicht mit dem kohlensauren K a l k gegeben werden, weil sie mit ihm unauflösliche Substanzen bilden. (fniii-luie jirae/iariitne .'¡0 Gramm 1 Sgr.)
G)
K o h l e n s a u r e »der
Magnesia
kohleilsäuerliche
carbmiica
Bitlei erde oder M a g n e s i e , Magnesia
s. svbearbonica
a. alba,
Hydrate
Carbonas
magnesicus
hydrirv-carbunica,
cum Aqua et
viaguesico.
§. 5 0 2 . Die Magnesia ist eine basische Verbindung von Magnesium oxyd, Kohlensäure und Wasser. Sie wird mebrentheils aus den natürlichen Bitterwässern und aus den Mutterlaugen des Kochsalzes durch chemische Processe gewonnen Sif> bildet eine sehr leichte, lockere, rein weisse Pulvermasse, ist geruchlos, schmeckt erdig, reagirt alkalisch, löst sich nur in 2 0 0 0 TheiJen kaltem und in 9 0 0 0 Theilen kochendem W a s s e r auf. I n ihren W i r k u n g e n verhält sich die kohlensaure Magnesia dem vorigen Mittel und zum grossen T h e i l auch der reinen Magnesie (§. 4 8 0 ) sehr ähnlich, ist aber milder als letztere, feiner zertheilbar und weniger die E i n g e weide belästigend, als der kohlensaure K a l k , weil sie nicht so unauflösliche Verbindungen eingeht, wie dieser. Sie verdient daher bei den im vorigen genannten und bei ähnlichen Krankheiten als säurewidriges Mittel vor allen anderen den V o r z u g , besonders bei j u n g e n T h i e r e n und bei grosser Schwäche und Reizbarkeit der Eingeweide. D a sie zugleich mehr als -/3 wohlfeiler ist als die gebrannte Magnesie, so k a n n sie auch bei grossen Thieren angewendet werden, ohne dass hierdurch eine zu kostspielige K u r entsteht. D i e Gabe ist für ausgewachsene Pferde und Rinder 8 , 0 — 1 2 , 0 , für Fohlen und K ä l b e r und ebenso für Schafe und Schweine 1 , 0 — 4 , 0 , für Hunde 0,5—2,0. D i e Anwendung geschieht wie bei den vorhergehenden Mitteln. ( P r e i s : 3 0 Grm. 2 Sgr. 4 P f g . )
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Kohlensaure Bittererde, Schwefelsaures Kali. B. S c h w e f e l s a u r e S a l z e . 7 ) S c h w e f e l s a u r e s Kali, D o p p e l s a l z , vltriulisirter Weinstein, Kali dtjjitratinuSal
de duobus,
Arcanuin tíulyhas
duylicuivvt,
sulphuricum
Tartai-us
fcrudum
et
vitrwlatua,
kalicus.
§. 503. 3
Das Doppelsalz (KaO,S(J ) wird als Nebenproduct bei der Bereitung- der Salpetersäure aus Kalisalpeter und Schwefelsäure erhalten, indem man de i hierbei verbleibenden Rückstand, welcher überschüssige Schwefelsäure enthält, mit Potasche neutralisirt, mit Wasser verdünnt und umkrystallisirt, wobei sich 4—öseitige Säulen- oder Pyramidenkrystalle bilden, welche an der Luft nicht verwittern, weil das Salz kein Krystallisationswasser enthält. Dasselbe besteht mir aus Kali (47,2) und Schwefelsäure (-10), hat einen etwas scharf salzig-bittern Geschmack, keinen Geruch, reagirt neutral, löst sich bei + 12" C. 1 Th. in l o Th. Wasser, nicht im Weingeist auf. Bei innerlicher Anwendung erzeugt es, in kleinen wie in grossen Gaben, eine nur sehr geringe Reizung des Verdauungskanals, namentlich der absondernden Getasse, wodurch eine reichlichere und zugleich dünnflüssigere (mehr seröse) Absonderung der Magen- und Darmsäfte, und hierdurch von massigen Gaben eine stärkere Auflösung und Verminderung des Schleimes in den Eingeweiden und leichterer Abgang der Darmexcremente, von grossen Gaben aber selbst Laxiren e.itsteht. Letzteres tritt bei Pferden und Rindern erst nach 20- 24 Stunden ein, und der abgehende Koth erscheint bei den ersteren selten ganz flüssig, sondern nur weich, breiartig, mehr feucht und häutiger. Bei den übrigen Thieren, besonders beim Schweine und Hunde, tritt die Wirkung schneller ein und die Excremente werden wässerig. — Diiss diese Wirkung mit einer örtlichen Reizung, mit etwas verstärktem Zufluss des Blutes zu dem Darmkanal und daher auch mit verhältnissmässiger Ableitung von anderen Organen verbunden sein muss, ist nach physiologischen Gründen anzunehmen; es ist aber dabei eigenthümlich, dass die Reizung nicht, wie bei den scharfen, harzigen, ätherisch-öligen u. a. Mitteln, mit Vermehrung der Irritabilität und mit Erhitzung, sondern entgegengesetzt mit Verminderung der natürlichen Wärme, der Pulse und mit Schwächung der Irritabilität in den Häuten und Gefässen des Verdauungskanals verbunden ist. Selbst von sehr grossen Gaben habe ich niemals bei einem Thiere eine Darmentzündung entstehen sehen. Mit dieser Wirkung des Mittels auf die Verdauungseingeweide wesentlich übereinstimmend, ist auch seine weitere allgemeine W i r k u n g , besonders auf das Gefässsystem und auf das Blut. Es geht durch Resorption in letzteres über 1 , vermindert die Gerinnbarkeit, macht es flüssiger und heller roth, vermindert die Irritabilität und die Zusammenziehungskraft der Gefässe, so dass bei der Anwendung in grossen Gaben oder durch längere Zeit fortgesetzt, der Herzschlag fühlbarer und der Puls weicher und etwas voller erscheint; die Temperatur der H a u t , im Maule u. s. w. und die Haut- und 1 Mau h a t Flumien e i n e e n t s p r e c h e n ' ! g r o s s e D o s i s D o p p e l s a l z e i n g e g e b e n , u n d i l i u e n ilas D u ü d e n u m u n t e r b u n d e n , a b e r d i e a b f ü h r e n d e W i r k u n g e r f o l g t e d o c h .
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Salze der Alkalien und Erden.
L u n g e n a u s d ü n s t u n g wird ebenfalls v e r m i n d e r t , aber die Urinsccrction verm e h r t u n d der U r i n selbst wird viel reicher an salzigen B e s t a n d t e i l e n , so dass g a n z wahrscheinlich ein grosser Tlieil des eingegebenen Salzes, obgleich etwas v e r ä n d e r t , auf diesem W e g e aus dem K ö r p e r wieder ausgeschieden wird. I n allen diesen W i r k u n g e n ist das Doppelsalz sehr v e r w a n d t mit dem Glaubersalz u n d mit dem Bittersalz, g r ö s s t e n t e i l s auch mit dem Salpeter und mit dem W e i n s t e i n ; es wirkt jedoch n a c h den E r f a h r u n g e n von W a l d i n g e r u n d R y s z örtlich milder als diese Salze, und zugleich soll es sie als A b f ü h rungsmittel a n W i r k s a m k e i t ü b e r t r e f f e n ; — das letztere ist a b e r , hinsichtlich des Glaubersalzes, mit meinen B e o b a c h t u n g e n nicht übereinstimmend. Dem Salpeter steht das Doppelsalz in der E i g e n s c h a f t , die Lebenstliätigkeit im Blute u n d die Irritabilität zu v e r m i n d e r n , weit n a c h , es wirkt aber auch in grossen G a b e n nicht so leicht wie dieser nachtheilig auf die Verdauungseingeweide. A u c h k ü h l t es weniger als der Salpeter und als das Glaubersalz. §. 504. Zufolge der bezeichneten W i r k u n g e n findet das Doppelsalz eine vielfache A n w e n d u n g bei allen solchen K r a n k h e i t e n , welche a) in zu geringer A b s o n d e r u n g an der innern F l ä c h e des Magens und D a r n i k a n a l s , daher in zu grosser T r o c k e n h e i t der daselbst befindlichen N a h r u n g s m i t t e l , in A n h ä u f u n g derselben, oder in A n h ä u f u n g von zähem Schleim b e g r ü n d e t sind, — und die sich durch T r o c k e n h e i t oder s c h m u z i g e n , klebrigen B e l a g der Schleimhaut im Maule, durch Appetitlosigkeit, Unverdaulichkeit, sparsam abgehenden, klein geballten, h a r t e n oder mit einer zähen Sclileimkruste überzogenen Kotli (gewöhnlich als Magen- u n d D a r m k a t a r r h bezeichnet) characterisiren, und die wohl auch in F o l g e jenes Zustandes mit gänzlicher Leibesverstopfung und mit Kolikschmerzen v e r b u n d e n sein k ö n n e n ; z. B. Unverdaulichkeit, zu geringe Fresslust, gastrisches Fieber, U e b e r f ü t t e r u n g s - u n d Verstopfungskolik (auch des Rindviehes), Verschleimung ohne grosse E r s c h l a f f u n g und d g l . ; — b) auch bei solchen K r a n k h e i t e n , welche in abnorm erhöhter R e i z b a r k e i t , in E n t z ü n d u n g der verschiedenen O r g a n e (mit A u s n a h m e des Magens u n d des Darms), in Orgasm u s , in zu grosser Plasticität des Blutes oder in activen Congestionen zu edlen O r g a n e n beruhen u n d sich im Allgemeinen durch harten, vollen Puls, d u n k l e r e R ö t h u n g u n d T r o c k e n h e i t der S c h l e i m h ä u t e , grosse W ä r m e der H a u t , sjiarsame Kotli- und H a r n e n t l e e r u n g u n d durch schnelles, festes u n d gleichmässiges G e r i n n e n des bei einem Aderlass entleerten Blutes zu erkennen geben (daher z. B. bei E n t z ü n d u n g des Gehirns, der A u g e n , der Lungen, der Milz, der Leber, der G e b ä r m u t t e r , der H u f e u n d dergl.); bei Entziindungsfiebern; bei dem acuten R h e u m a t i s m u s ; bei dem D u m m k o l l e r , wenn derselbe mit den a n g e f ü h r t e n S y m p t o m e n von G e f ä s s r e i z u n g , oder mit Congestionen des Blutes gegen den K o p f v e r b u n d e n ist; bei allen Milzbrandkrankheiten, besonders im ersten E n t s t e h e n derselben und vorzüglich, wenn die bezeichneten S y m p t o m e v o r h a n d e n sind. — c) A u c h ist das Dojtpelsalz als urintreibendes u n d sogenanntes steintreibendes Mittel in solchen F ä l l e n , wo in der Blase sich ein erdiger (sandiger) Bodensatz b i l d e t , mit Nutzen angewendet worden. — Pfund Glaubersalz ohne die mindeste (V) W i r k u n g eingegeben. Ileberall war der Ausgang tödtlich. Diese F ä l l e beweisen nicht viel, da in ihnen auch andere Mittel sehr wahrscheinlich ohne W i r k u n g geblieben sein würden. — I c h sali ebenfalls von dem krystallisirten Salze oft nur eine sehr schwache, in den meisten F ä l l e n aber die genügende W i r k u n g erfolgen; und das trockene Glaubersalz habe ich bei absichtlich hierüber angestellten vergleichenden Versuchen ebenso wirksam, und oft sogar noch kräftiger gefunden als das Doppelsalz.
§. 507. D a s Glaubersalz k a n n ganz bei denselben K r a n k h e i t e n , bei denen das Doppelsalz nützlich ist (§. 5 0 4 ) , als Heilmittel innerlich angewendet werden; 30 *
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Salze der Alkalien und Erden.
es verdient aber vor dem letzteren in den meisten Fällen, insbesondere bei den Anthrax- und ähnlichen Blutkrankheiten, z. B . bei dem sogen, brandigen Rothlauf der Schweine, den Vorzug; und bei Entzündungen mit zu grosser Wärmeentwickelung seheint es gegen diese und gegen das Fieber (vermöge der stark kühlenden Wirkung) mehr zu leisten. Ausserdem ist es das wohlfeilste Salz. Die Gabe von dem krystallinischen Glaubersalz ist bei den verschiedenen Krankheiten wie von dem Doppelsalz (§. 5 0 5 ) ; — von dem trockenen aber kann sie um 1 j 3 geringer sein. Die Anwendung von beiden geschieht ebenfalls auf dieselbe Weise und in denselben Verbindungen wie bei jenem Salze, und es ist nur zu bemerken, dass das krystallinische Glaubersalz sich weniger gut als das trockene zur Anwendung in Latwergen und noch weniger in Pillen eignet, weil es sehr weiche, schmierige Massen bildet. Man giebt es daher am besten mit Wasser aufgelöst in flüssiger F o r m , besonders wenn es als Laxirmittel wirken soll, — und in Fällen, wo keine Gefahr im Verzuge besteht, giebt man es auch im Getränk; ist man aber durch die vorhandenen Krankheitsverhältnisse, namentlich durch sehr beschwerliches Atlimen oder durch heftige Unruhe der Thiere und dergl. genöthigt, das krystallinische Glaubersalz in Latwergen oder l'illen anzuwenden, so muss man ihm etwas mehr Bindemittel zusetzen als anderen Arzneien, z. B. zu 1 Pfund des blossen Salzes gegen 60 Gnn. Mehl oder Altheewurzelpulver 1 . Das Glaubersalz ist auch wie das Kochsalz als ein Reizmittel zur Beförderung des Vcrdauungsproeesses bei den pflanzenfressenden Hausthieren mit Nutzen gebraucht worden. Für diesen Zweck giebt man von ihm wöchentlich an 2 Tagen, jedesmal früh und Abends den Pferden 45,0, den Rindern 00,0, den Schafen und Schweinen 15,0 auf das Futter, oder im Getränk. §. 508. Weil das krystallinische Glaubersalz bei seiner Auflösung viel Wärme bindet und einen hohen Grad von Kälte künstlich erzeugt, so wird es auch äusserlich bei solchen Entzündungen, die mit grosser Hitze begleitet sind, als ein kühlendes Mittel angewendet. Für diesen Zweck wird am besten das grob pulverisirte Glaubersalz zwischen Leinwand auf den kranken Theil gelegt, und dann seine Lösung durch fleissiges Anfeuchten der Leinwand mit kaltem Wasser bewirkt. Das Waschen der entzündeten. Theile mit einer Auflösung des Salzes in Wasser ist weniger wirksam. —• Das trockene Glaubersalz eignet sich zu dieser Anwendung nicht. Dieselbe ist wenig gebräuchlich und nicht so unbedingt nützlich, wie sie es zu sein scheint, weil die örtliche Einwirkung des Salzes auf die entzündeten Theile eine neue Reizung verursacht. (iXatr. sulp/mrk. 30 Grm. 4 Pfg., 2 5 0 Gnn. 2 Sgr., Autr. mtlphuric. siccum 30 Grm. 1 Sgr. 8 Pfg., - in Drog.-Handl. ä Centn. CO—90 Sgr.)
1 In L a t w e r g e « aus z e r f a l l e n e m G l a u b e r s a l z a b s o r b i r t d i e s e s n a c h und n a c h den g r ö s s t e u T h e i l de» zur B e r e i t u n g v e r w e n d e t e n W a s s e r s , und in F o l g e h i e r v o n werden die L a t w e r g e n nach k u r z e r Z e i t oft s t e i n h a r t . L a t w e r g e n au9 diesem S a l z m ü s s e n d e s h a l b zuerst eine sehr w e i c h e C o n s i s t e n z b e k o m m e n .
Glaubersalz, Schwefelsaure Magnesia, Alaun.
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9 ) Schwefelsaure M a g n e s i a oder Dltlererde, E n g l i s c h e s , Saldschützer oder R i l t r r s a l i ,
Magnesia sulphurha, Sulphas Magncsiae s. Sulphas viagncsicus cum Aqua, Sal Saidschuetzense, Sal amartim ( M g 0 , S 0 3 + 7 H 0 ) .
Sal
anglicum,
§. 5 0 9 . Dieses aus Bittererde (1 Atom), Schwefelsäure (1 Atom) und Wasser (7 Atomen) bestehende Salz wird im Grossen aus den natürlichen Bitterwässern (dem Epsomer, E g e r e r , Püllnaer, Saidschützer), aus den Muttorwässern der Salzsoolen u. s. w. d u r c h A b d a m p f e n g e w o n n e n , krystallisirt in farblosen vierseitigen Säulen oder in kleinen nadelförmigen P r i s m e n , ist n e u t r a l , ohne Geruch, aber von salzig bitterem G e s c h m a c k ; an trockner L u f t zerfällt es in ein weisses P u l v e r und verliert sein Krystallisationswasser; bei mittler T e m peratur lösen 8 T h . W a s s e r s 9 T h . des Salzes. D a s Bittersalz findet sich entweder als k r y s t a l l i s i r t c s (Magnesia sulphurica depurata) oder als t r o c k e n e s , entwässertes (M.s. sirca). Letzteres ist theurer, nicht gebräuchlich. I n seiner W i r k u n g stimmt es mit dem Glaubersalze u n d mit dem Doppelsalze sehr überein, ist jedoch etwas weniger k ü h l e n d , weniger a b f ü h r e n d und weniger urintreibend, aber auch weniger schwächend auf die Verdauungseingeweide als das erstere. — E s findet seine innere A n w e n d u n g bei denselben K r a n k h e i t e n , bei denen das Doppelsalz und Glaubersalz empfohlen ist, muss aber den grossen Ilausthieren in Gaben, die um grösser sind als von diesen Salzen, gereicht werden. (Magn. sidph. depurat. 3 0 G r m . 4 Pfg.)
1 0 ) A l a u n , r o h e r A l a u n , s c h w e f e l s a u r e s T h o u k a l i , Alnmen,
aluminico-kalicus
Alum.cn
(oder ammontacus cum) Aqua, Argilla- Kali
crudvm,
Sulphas
sulphurica.
§. 510. Dieses Doppelsalz besteht gewöhnlich aus 1 Aequivalent schwefelsaurem Kali, 1 desgl. schwefelsaurer T h o n e r d e und 24 Acquivalenten Krystallisationswassers; es k a n n aber auch statt des Kali schwefelsaures A m m o n i a k enthalten. Man g e w i n n t es durch das B r e n n e n der A l a u n e r d e , des Alaunschiefers, des Alaunsteins (Almut), Auslaugen u. s. w. E s bildet regelmässige und unregelmässige octaedrisclie oder würflige K r y s t a l l e , welche färb- und geruchlos, durchscheinend, im B r u c h muschelig und von zuerst süsslichem, hintennach zusammenziehendem Geschmack sind; sie verwittern an der L u f t etwas und erscheinen d a n n wie mit weissem S t a u b bedeckt. D e r K a l i a l a u n löst sich in 1 5 — 1 8 T h e i l e n k a l t e n oder s / 4 Theilen siedenden W a s s e r s ; die Auflösung reagirt sauer. I m Weingeist ist er unlöslich. D u r c h B r e n n e n in einem i r d e n e n , nicht glasirten T o p f e oder Schmelztiegel verliert der Alaun sein Krystallisationswasser, wird lockerer, s c h w a m m i c h t , u n d ist dann der sogen, g e b r a n n t e A l a u n (Alnmen ustum s. Sulphas alnmimeo-hilicvs ustus). a. D e r rohe A l a u n g e h t (nach M i t s c h e r l i c h ) bei innerlicher A n w e n d u n g zuerst mit dem Eiweissstoff und mit dem Käsestoff, welche im Magen u n d im D a r m k a n a l v o r h a n d e n sind, V e r b i n d u n g e n e i n , die durch die ebenfalls v o r h a n d e n e Essig- u n d Chlorwasserstoffsäure wieder löslich sind und im aufgelösten Zustande auch absorbirt werden k ö n n e n . Seine W i r k u n g e n
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Salze der Alkalien und Erden.
sind, im Allgemeinen a n g e d e u t e t , denen der v e r d ü n n t e n Schwefelsäure ä h n l i c h , jedoch durch das Kali und die T h o n e r d e etwas moditicirt und gemildert und nach der Grösse der G a b e n etwas verschieden. W i r d er innerlich in massigen G a b e n und nicht zu k u r z e n Zwischenzeiten angewendet, so wirkt er zunächst auf die Schleimhaut des V e r d a u u n g s k a n a l s gelind erregend und z u s a m m e n z i e h e n d , . v e r m e h r t die C o n t r a c t i l i t ä t , b e s c h r ä n k t die k r a n k h a f t vermehrten A b s o n d e r u n g e n und beseitigt daher auch dergleichen D a n n a u s l e e r u n g e n ; ebenso wird auch, besonders bei l ä n g e r fortgesetzter Anwendung, die Urin- u n d (bei milchenden Thieren) die Milchabsonderung vermindert. Dabei ä n d e r t sich auch die Qualität der abgesonderten Säfte, — wie m a u dies bei manchen A b n o r m i t ä t e n des U r i n s und d e r Milch (z. B. Blutharnen und Blutmelken), die sich durch den Alaun beseitigen lassen, zuweilen sehr deutlich sieht. B e m c r k e n s w e r t h ist es jedoch, dass w ä h r e n d und nach der A n w e n d u n g des A l a u n s an gesunden K ü h e n , bei meinen hierüber gemachten Versuchen, die Milch nicht f r ü h e r säuerte als vorher. — W i r d das Mittel anhaltend und in k u r z e n Zwischenzeiten wiederholt g e g e b e n , so stört es den A p p e t i t und die V e r d a u u n g , macht Hartleibigkeit, A b m a g e r u n g und Mattigkeit, und B o u r g e l a t (Matih-c müHoihj sagt, dass P f e r d e in F o l g e des Gebrauchs des Alauns schwindsüchtig geworden sind. — Z u grosse G a b e n erzeugen Leibschmerzen, D u r c h f a l l , bei Schweinen und H u n d e n E r b r e c h e n , und zuweilen selbst Magen- und D a r m e n t z ü n d u n g . — Bei den Sectionen findet man d a n n das Epithelium des Magens u n d des D ü n n d a r m s theilweise in eine weissliche schmierige Masse umgewandelt. Aeusserlich wirkt er ebenfalls zusammenziehend und gelind r e i z e n d ; er verdichtet die Weichgobildc theils durch Z u s a i n m e n s c h r u m p f u n g der Fasern, theils durch G e r i n n u n g der S ä f t e und v e r m e h r t daher den Tonus, vermindert k r a n k h a f t e Schlaffheit und A u s d e h n u n g , ebenso zu üppige, mit E r s c h l a f f u n g v e r b u n d e n e Bildung, b e s c h r ä n k t zu reichliche E i t e r u n g und stillt B l u t u n g e n . §• 511. Die innerliche A n w e n d u n g des A l a u n s ist da angezeigt, wo E r s c h l a f f u n g und Reizlosigkeit besteht, und in F o l g e hiervon die Ab- und Aussonderungen ¡11 übermässiger Menge und in unregelmässiger Beschaffenheit Siatt finden ; daher namentlich bei dergleichen schleimigen und blutigen D u r c h f ä l l e n , bei Schleimfluss aus den Geschlechtsorganen, bei veralteter H a r n r u h r , bei dem asthenischen B l u t h a r n e n , bei A u f l o c k e r u n g der Schleimhaut in der Rachenhöhle, im K e h l k o p f e und in den B r o n c h i e n , u n d bei a n h a l t e n d e m Schlcimausfluss aus diesen T h e i l e n ; ferner, bei der Lecksucht des Rindviehes im l s t e n und 2ten Stadium ; bei fehlerhafter Beschaffenheit der Milch, besonders bei der sogenannten blauen M i l c h , wenn dieselbe b l a u , wässerig, theilweise mit zähen F ä d e n durchzogen erscheint, wenig K a h m ausscheidet, aber einen fetten, schmierigen Bodensatz bildet. — Auch ist der A l a u n als antiseptisches Mittel gegen faulige und andere asthenische K r a n k h e i t e n , bei denen sich eine Neig u n g zur Zersetzung zeigt (z. B. Faulfieber, T y p h u s , Borstenfaule der Schweine), besonders wieder, wenn hei diesen K r a n k h e i t e n colliquative A u s l e e r u n g e n eintreten, empfohlen worden; man soll ihn hier a n s t a t t der v e r d ü n n t e n Schwefelsäure anwenden, wenn m a n fürchtet, dass letztere von den Verdauungseingeweiden nicht vertragen werden sollte; allein er k a n n dieses Mittel bei solchen fauligen K r a n k h e i t e n nicht völlig ersetzen, vorzüglich d e s h a l b , weil er nicht
Alaun.
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so energisch auf das Blut selbst wirkt. Angeblich soll er auch die Gastruslarven im Magen der Pferde zum Abgehen veranlassen. — Bei Schweinen, Hunden und Katzen kann er als eins der kräftigsten Brechmittel in allen Fällen, wo künstliches Erbrechen nöthig ist, angewendet werden. Aeusserlich findet der Alaun eine häufige Anwendung ebenfalls gegen krankhafte Zustände, die wesentlich in Auflockerung und Erschlaffung begründet , und nicht mit vermehrter Reizbarkeit verbunden sind, z. B. gegen Auflockerung der Bindehaut nach Augenentzündungen oder selbst bei chronischen, mit vieler Schleimabsonderung begleiteten, torpiden Augenentzündungen; gegen Flecke der Hornhaut, wenn letztere aufgelockert erscheint; gegen die stark jauchenden und sehr stinkenden, mit Auflockerung der H a u t verbundenen Geschwüre im äusseren Gehörgange der H u n d e ; gegen die Auflockerung der Schleimhaut im Maule bei und nach dem Maulweli, ebenso bei und nach Bräune; bei Aphthen, Teigmaul und anderen Krankheiten des Mauls, wenn ein fauliger, brandiger Zustand dabei bestellt, oder wenn Speiclielfiuss damit verbunden ist; — ferner, gegen hartnäckige üdematöse Anschwellungen, die blos durch örtliche Erschlaffung unterhalten werden; gegen dergleichen Geschwüre, besonders wenn sie zugleich reichlich absondern, oder wenn sie mit lockerer, leicht blutender, üppiger Granulation versehen sind, z. B. dergleichen Mauke und Strahlgeschwüre; ferner, gegen Gallen, gegen Gelenkwunden , Quetschungen , Ausdehnungen, Verrenkungen und Vorfälle, wenn keineEntziindung dabei besteht; gegen Blut- und SchleiinfUisse aus der Maulhöhle, aus der Nasenhöhle, den Geschlochtstheilen u.s.w., auch gegen feuchten Brand und gegen liäude. Der Alaun schadet dagegen innerlich und äusserlich überall, wo vermehrte Irritabilität und Sensibilität, verstärkte Zusammenzieliung, Entzündung, Verdickung, Verhärtung besteht, oder wo gutartige kritische Ausleerungen Statt finden. §• 5.12. Man giebt Pferden und Rindern den Alaun innerlich von 8,0—15,0, Schafen und Schweinen von 2,0—-1,0, Hunden 0 , 3 — 2 , 0 , in Zwischenzeiten von G—8 Stunden, am besten in Verbindung mit bitteren und aromatischen Mitteln, bei grosser Schwäche auch mit Kampher, bei heftiger Diarrhöe oder bei heftigem, schmerzhaftem Blutliarnen und bei dergleichen Harnruhr auch mit schleimigen Mitteln und mit Opium oder mit Bilsenkraut. Die Anwendung kann in Pillen, Latwergen, oder in flüssiger Form geschehen; letztere scheint die Wirksamkeit am meisten zu begünstigen. Die äusserliche Anwendung des Alauns geschieht entweder: a) als feines Pulver zum Einstreuen in Geschwüre, nach P^rforderniss bald für sich allein, bald in Verbindung mit Kohle, mit Asche, mit bitteren und zusammenziehenden Pflanzenpulvern; oder mit Zucker zu gleichen Theilen zusammengemengt gegen Flecke und Verdunkelungen der Hornhaut; oder mit arabischem Gummi und Colophonium in gleichen Theilen zusammengerieben, als blutstillendes Mittel in Wunden. Blutungen aus grossen Gefässen stillt aber dieses Mittel nicht, und in W u n d e n , welche durch schnelle Vereinigung geheilt werden sollen, ist es nachtheilig, indem es die letztere chemisch und mechanisch stört; oder — b) als Auflösung in Wasser oder in Aufgüssen und Abkochungen von aromatischen und adstringirenden Pflanzen (was nicht richtig ist), zuweilen
Salze der Alkalien und Erden.
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auch mit Zusatz von W e i n g e i s t , zum Waschen und Bähen der ödematösen, der gequetschten, ausgedehnten Tlicile, zum Verbinden der Geschwüre, zum Einspritzen in die Höhlen bei Blut- und Schleimfluss, desgleichen als Augenwasser oder als Maulwasser. Zum Augenwasser nimmt man 2,5-—4,0 auf 2 5 0 , 0 Wasser oder desgl. eines aromatischen Infusum; zum Gebrauch an den Schleimhäuten 8 , 0 — 1 2 , 0 , an anderen Theilen aber 1 5 , 0 — 3 0 , 0 auf 1 Pfund Flüssigkeit. — c) In Salbenform wird der Alaun nur zuweilen gegen Hornhautflecke (z. B. 1 Theil fein pulverisirten A l a u n , 1 Theil Opium oder Kampher mit 18 —21 Theilen Honig, Fett oder Eigelb abgerieben), oder bei Widerristschäden und ähnlichen Verletzungen, gegen welche er in dieser Form nur in Verbindung von 2 — 3 Theilen Eiweiss zu dem Zwecke angewendet wird, um eine festsitzende, austrocknende Decke schnell zu bilden. Alkalien, alkalische Erden (daher auch Kalk), ebenso Salpeter, Salmiak, Kochsalz, Brechweinstein, Gerbsäure, essigsaures Bleioxyd und Quecksilbersalbe zersetzen den Alaun, und dürfen deshalb nicht mit ihm verbunden werden, wenn man seine Wirkungen vollständig erzeugen will. §. 5 1 3 b. Der g e b r a n n t e A l a u n ist gelind ätzend und zugleich stärker zusammenziehend als der rohe Alaun. Er dient fast allein zum äusserlichen Gebrauch als austrocknendes, zusammenziehendes und schwach ätzendes Mittel in W u n d e n und Geschwüren, in denen die Granulation schlaff, weich und üppig, und die Absonderung zu reichlich ist, doch hat man ihn auch innerlich, in Verbindung mit Kali citrbon. gegen das Blutharnen gebraucht (siehe §. 4 9 1 ) . D i e Anwendung geschieht am besten als Einstreupulver, bald rein, bald inVerbindung mit anderen adstringirenden Mitteln, mit Kohle, Kampher und dgl. In Salbenform wird er seltener angewendet; Auflösungen sind unzweckmässig, weil er in denselben mehrentheils wieder zum rohen Alaun umgewandelt und demselben auch in der Wirksamkeit ähnlicli wird. Der Alaun bildet auch einen Bestandtheil des sogenannten Wund- oder Heilsteins und des Augensteins (siehe 12te Klasse bei dem Kupfer). (Altirn. 3 0 G r m . 6 P f . , ¡mlc.
3 0 G r m . 1 S g r . , ustum.
II) S c h w e f e l s a u r e r R a l k ,
fijps,
5 Grm. 8 Pf.)
Calcaria sulplvurica, Calcium sulphuricum, Oypsum.
(o).
§• 514. Der schwefelsaure Kalk findet sich in der Erde und in Gebirgen sehr häufig, theils krystallisirt als Gypsspath , theils als körnig-krystallinisclier Gyps im Gypsstein, theils blätterig im Marienglas u. dgl. Er ist ein schweres Mineral, im Wasser sehr schwer, in Säuren etwas löslich; in mässiger Glühhitze verliert er sein Krystallisationswasser, wird hierdurch der g e b r a n n t e Gyps, miirb, lässt sich leicht pulverisiren, und giebt, mit Wasser zusammengerührt, einen Brei, der sehr schnell erhärtet 1 . Auf die äussere Haut applicirt bringt der Gyps im nassen wie im trocknen Zustande kaum bemerkbare Wirkungen hervor und seine W i r k u n g bei 1 Wenn man bei Bereitung dieses Breies das Wasser zu dem Gyps bringt und schnei] zusammenriihrt, so bindet er besser, als wenn man den Gyps in das Wasser r ü h r t .
Alaun, Gyps, Kochsalz.
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innerlicher Anwendung ist noch wenig gekannt. E r wird von allen Thieren in grossen Gaben ertragen, scheint jedoch nach meinen Versuchen 1 , zuerst eine gelind erregende und tonische Wirkung auf die Schleimhaut des Darmkanals, besonders im Dickdarm, auszuüben, — in sehr grossen Gaben auch eine vermehrte Absonderung in dieser Schleimhaut zu erregen. Diese letztere Wirkung ist zuweilen mit gelinden Koliksclimerzen begleitet. Im Magenund Darmkanal wird durch die hier befindlichen Säfte ein Theil des Gypses zersetzt und in oxalsauren K a l k umgewandelt, und theilweise wird er zu den Nieren geführt, deren Thätigkeit er vermehrt, und dabei als kohlensaurer und harnsaurer K a l k mit dem Urin wieder ausgeschieden. Auf das Gefasssystem und auf das Blut scheint der Gyps als ein gelind tonisches Mittel zu wirken. Man hat den Gyps, in Verbindung mit Kochsalz, als Verhütungs- und Heilmittel der Fäule der Schafe empfohlen und mehrfältig bewährt befunden E s ist jedoch noch nicht festgestellt, unter welchen besonderen Umständen er nützlich ist; er kann dieses, bei der bekannten Verschiedenheit der Krankheit, unmöglich in allen Fällen sein. Man giebt das Mittel, und zwar 1 Theil pulverisirten Gyps m i f i T h e i l e n Kochsalz gemengt (für 3 0 0 Schafe 2,5 Kilogramme Gyps und 5 Kilogramme Salz), jeden zweiten oder dritten T a g wiederholt und j e nach den mehr oder weniger erkennbaren Erscheinungen der Krankheit, durch 8 — 1 4 Tage, oder noch länger fortgesetzt und auch dann nach einiger Zeit wiederholt. Das Mittel kann mit etwas Hafer- oder GerstenscLrot gemengt, den Schafen als Lecke vorgesetzt werden. Am besten geschieht dies, nachdem dieselben vorher getränkt worden sind. Aeusserlich dient der gepulverte gebrannte Gyps zur Anfertigung unbeweglicher Verbände bei Knochenbrüchen, Verrenkungen, nach der Tenotomie und dgl,, indem man entweder einen mit Wasser frisch bereiteten Gypsbrei in angemessener Dicke um den verletzten Theil legt und mit einer passenden Hülle ihn festhält, oder indem man nasse Binden, die um deu Theil gewickelt werden, Lage für Lage mit pulverisirtem Gyps gleichmässig bestreut. C. S a l z s a u r e o d e r C h l o r - S a l z e . 12) Chlornalrlum, salzsaures Natrum, Kock-oder Küchensali, gemeines Salz, Natrium, Notrum muriaticum,
Murins Sodae,
Chloretum
Natrii,
Sal culinare
tjemmac.
Meersalz, Quell- oder Soolsalz, Sal marinum,
chloratum,
s. commune (Steinsalz, Sal S. fontanum).
(o)
§. 515. Das Kochsalz besteht aus Natrium 3 9 , 3 4 Procent und Chlor 6 0 , 6 6 Procent mit beigemengtem Wasser, oder nach der ältern Ansicht aus Natrum und Salzsäure; es findet sich in der Natur ausserordentlich häufig, theils im reinen krystallisirten Zustande, theils im Gemenge mit anderen Mineralien als S t e i n s a l z , oder aufgelöst in Salzquellen und im Meerwasser, und wird dann durch Abdampfen (Sieden) als Siedsalz krystallinisch und mehr oder weniger 1 2
Magaz. f. Thierheilk. von G u r l t und H e r t w i g . 20. J a h r g . 1854. S. 8 0 — 8 8 . E b e n d a s e l b s t S. 76. J a h r g . 21. S. 118 u. a.
474
Salze der Alkalien und Erden.
rein dargestellt, wonach es in weissen Körnern erscheint. Es hat keinen Geruch, schmeckt herb salzig, löst sich im Wasser leicht, im Weingeist schwer auf, und zieht aus der Luft Feuchtigkeit an sich. Es löst sich im kalten und wannen Wasser gleichmässig auf; 100 Theile Wasser können 37 Theile des Salzes lösen. Dieses Salz wirkt örtlich auf die Haut, die Schleimhäute, auf Wunden und Geschwüre massig stark reizend, erzeugt dunklere Köthung, im stärkeren Grade selbst Bläschen, etwas Ausschwitzung und Excoriationen; es befördert die Resorption, den Stoffwechsel, und wirkt örtlich erregend zertheilend, auf putride Theile desinficirend. Innerlich in massigen Gaben angewendet, wirkt es als ein kräftiges Reizmittel auf die sämmtlichen Verdauungseingeweide, vorzüglich aber auf die Schleimhaut des Mauls, des Magens und Darmkanals; es erzeugt zuerst einen angenehmen Salzgeschmack und eine lebhaftere Rötliung der Schleimhaut im Maule, etwas vermehrte Absonderung eines mehr dünnen Speichels, später Trockenheit, Durst und vermehrten Appetit; auf dieselbe Weise wie im Maule werden auch im Magen und Darmkanal die zurVerdauung nöthigen Säfte dünnflüssiger, mehr serös und etwas reichlicher abgesondert, zugleich aber die Resorption, die Contraction, die Irritabilität und die Bewegung im Darmkanal verstärkt; denn der Koth geht nach kleinen, einzelnen Gaben in kleineren Ballen, aber sehr gut verdaut und dabei nicht seltener als sonst ab. W i e weit diese reizenden Wirkungen des Kochsalzes auf andere Organe, besonders auf die Leber, Milz, Bauchspeicheldrüse, die Respirationsorgane u. s. w. sich erstrecken, ist zwar nicht so genau nachzuweisen, aber wahrscheinlich sind sie in einem geringen Grade über den ganzen Körper verbreitet; denn das Salz gelangt durch die absorbirenden Gefässe in die Säfte, verursacht eine hellere Köthung des Blutes, vermehrte Urinabsonderung, und dasUeberflüssige wird dann zumTheil durch den Urin, beiMilchtliieren durch die Milch, und nach T l i i l o w 's Versuch eil 1 a u c h zum Tlieil durch den Schweiss wieder aus dem Körper ausgeschieden. — Bei Hunden bewirkt eine concentrirte Auflösung von einer massigen Quantität Kochsalz nach einigen Minuten Erbrechen ohne weitere üble Zufälle. Wahrscheinlich beruht diese Wirkung auf der grossen Empfindlichkeit des Magens dieser Thiere gegen alles Fremdartige. Das Kochsalz bildet von Natur einen Bestandtheil des Thierkörpers, namentlich des Blutes, und es scheint hieraus schon hervorzugehen, dass es für denselben nöthig sein muss; aucli fühlen wirklich die meisten Thiere, vorzüglich die Wiederkäuer, sein Bediirfniss; sie lecken es sehr gern und befinden sich bei einem von Zeit zu Zeit wiederholten massigen Genüsse desselben nicht nur wohl, sondern sie werden auch dabei mehr beleibt, kräftiger und munterer, die Schleimhäute erscheinen lebhafter geröthet, die Haare glänzender, der Appetit, die Se- und Excretionen regelmässiger. Es giebt Gegenden, wo man den Thieren Salz reichen muss, um sie am Leben zu erhalten; z. B. nach W a r d e n starben in den nördlichen Ländern Brasiliens die Hausthiere, wenn man ihnen nicht eine bestimmte Portion Salz oder Salzsand gab; und 1 U e b e r die W i r k u n g des Salpeters und Küchensalzes. E r f u r t 1 8 0 2 . S. 19. — B e m e r knuswerth scheint es, duss nach diesen und anderen V e r s u c h e n das K o c h s a l z die E r r e g b a r k e i t in den blossgelegtcn Nerven an frisch getödteten und an lebenden Thieren v e r m e h r t , der S a l p e t e r sie aber v e r m i n d e r t .
Kochsalz.
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nach R o u l i n wurden in Columbien, wenn das Vieh nicht Salz in Pflanzen, im Wasser oder in E r d e n vorfand, die weiblichen Tliiere weniger fruchtbar und die H e e r d e k a m schnell h e r u n t e r 1 . I n übermässigen Gaben (z. B. bei Pferden von 2 — 3 P f u n d , beim Rindvieh von 3 — 5 P f u n d , bei Schafen und Schweinen von 1 5 0 , 0 — 1 8 0 , 0 , bei H u n d e n von 30,0 — 60,0) verursacht jedoch das Kochsalz sehr bald grossen Durst, gänzlichen Verlust des Appetites, Angst, Unruhe, Schmerzen im Leibe, W ü r g e n im Schlünde, zuweilen Schaum vor dem Maule; — bei H u n d e n , Schweinen und Katzen auch wirkliches Erbrechen, sehr schnellen, kleinen Puls, unsicheren, taumelnden G a n g , Mattigkeit, Zittern, Drehen im Kreise, D u r c h f a l l , stieren Blick, K r ä m p f e , K ä l t e am ganzen K ö r p e r , L ä h m u n g der hinteren E x t r e m i t ä t e n und selbst den Tod. Letzterer erfolgt zuweilen in 16—'24 Stunden, zuweilen erst nach mehreren Tagen. Bei H u n d e n sah ich die heftige W i r k u n g fast immer nur dann eintreten, wenn durch Zubinden des Schlundes dasWiederausbrechen des Salzes verhindert war. — Von etwas geringeren Quantitäten oder bei grosser V e r d ü n n u n g durch Flüssigkeit, und ebenso bei allmäliger Gewöhnung an nach und nach vergrösserte Salzgaben entstehen nicht j e n e acuten Z u f ä l l e , sondern Verminderung des Appetites, reichliches Uriniren, zuweilen D r ä n g e n auf denMastdarm, allmälige Abmagerung, E n t k r ä f t u n g und oft erst nach längerer Zeit der T o d . I n den Cadavern solcher Tliiere findet sich: die Schleimhaut des Magens und D a r m k a n a l s (bei W i e d e r k ä u e r n besonders an der Haube, am L a a b m a g e n und an einem Tlieile des K r u m m d a r m s ) stark entzündet, schwarzroth, verdickt, an einzelnen Stellen selbst a n g e ä t z t ; bei langsamem Verlauf zuweilen auch plastische Exsudate. Das Epithelium ist aufgequollen, besonders die Oylinderzellen ; Schleim war bei meinen Versuchen im ganzen Verdauungskanal wenig zu bemerken, M i t s c h e r l i c h fand im untern Tlieile des Dickdarms den Kotli mit Schleim bedeckt. Im Herzen ist die innere F l ä c h e zuweilen mit dunkeln Flecken versehen, u n d zuweilen sind auch die H a r n werkzeuge geöffnet und der Urin röthlich oder blutig. Alle andere Organe erscheinen unverändert. Das Blut ist etwas dünner als gewöhnlich und nimmt an der L u f t binnen kurzer Zeit eine sehr hellrothe Farbe an. — In manchen F ä l l e n hat man selbst nach schnell erfolgtem Tode nur sehr geringe oder auch gar keine Spuren von örtlicher E i n w i r k u n g auf die Verdauungseingeweide gefunden 2 . §. 516. Das Kochsalz wird f ü r dieHausthiere sowohl als Arzneimittel, wie auch als diätetisches Mittel benutzt. A. I n ersterer Hinsicht ist dasselbe wegen seiner reizenden, denVegetationsprocess belebenden W i r k u n g e n nur gegen solche K r a n k h e i t e n anzuwenden, bei denen wesentlich die vegetative Thätigkeit und die gute Mischung ' M ö g l i n ' s e h e Annal. Bd. 2. S. 29. E i n i g e F ä l l e von V e r g i f t u n g durch Kochsalz an Kühen siehe: Archiv l u r T h i e r h e i l k . von einer G e s e l l s c h . Schweiz. Thierärzte. Bd. 3. S. 3 7 8 und 444 und J a h r g . 1841. S. 15. — Magaz. f. Thierheilk. von G u r 11 und H e r t w i g . Bd. 20. S. 2 8 t . — H e r i n g , J a h r e s bericht, 1854. S. 27. — Repert. Bd. 20. S. 184. Mitthcil. a. der thierärztl. Praxis. Jahrg. 4. S. 156. J a h r g . 7. S. 187 u. a. 2
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Salze der Alkalien und Erdeu.
der Säfte leidet, hauptsächlich aber bei solchen Krankheiten, bei denen die Reizbarkeit und die Empfindlichkeit und gleichzeitig die serösen Secretionen in den Verdauungseingeweiden vermindert, oder ihrer Qualität nach krankhaft verändert sind, wo z. B. bei Appetitlosigkeit und Unverdaulichkeit die Schleimhaut im Maule bleich oder bläulich gefärbt, mit schmutzigem, zähem Schleim belegt, derKoth bald klein, bald gross geballt und mit zähem Schleim umhüllt abgeht; daher auch bei Ansammlung von zähem Schleim im Verdauungskanal oder in den Respirationsorganen, bei Würmern, bei Kolik aus Unverdaulichkeit, bei der Lecksucht des Rindviehes in den ersten Stadien, bei gastrischen Fiebern, bei Fehlern in der Assimilation und Reproduction, bei chronischer Druse, bei Fäule und Bleichsucht der Schafe, beim zu langsamen, unvollständigen Abhaaren und dgl. Bei gastrischen Zuständen der Hunde benutzt man es als Brechmittel. Bei allen diesen Krankheiten sind mässig starke Gaben, nämlich: für Pferde von 30,0—90,0, für Rindvieh von60,0—180,0, für Schafe von 8,0—15,0, für Schweine von 4,0—8,0, für Hundevon 1,0 — 2,5 (als Brechmittel 4,0 — 12,0 oder 1 bis 2 Theelöffel voll auf einmal), — täglich zwei- bis viermal hinreichend. Man giebt es in Verbindung mit bitteren und erregenden Mitteln, zuweilen auch in Verbindung mit Schwefel, Glanzruss und dgl., in jeder Form und selbst als Pulver auf das Futter gestreut oder als sogenannte Lecke. Bei Hunden als Brechmittel in der sechs- bis achtfachen Menge lauwarmen Wassers gelöst. Auch dient das Kochsalz zu Clystiren, wenn man durch Reizung des Mastdarms entweder die Kothentleerungen befördern oder auch eine gelinde Ableitung von anderen Organen bewirken will. Man nimmt zu einem Clystir für die grossen Thiere gegen 30,0—60,0, für die kleinen 4,0—-8,0, selbst bis 15,0. Aeusserlich benutzt man es bei Verdunkelungen der Hornhaut (wo es jedoch durchPotaselie, graue Merkurialsalbe und durch den rothen Präcipitat an Wirksamkeit übertroffen wird), bei Quetschungen, Satteldrücken, Blutunterlaufungen , Verrenkungen und Verstauchungen; bei Sehnenklapp, bei Verhärtungen und ödematösen Anschwellungen und dgl., wo man sonst den Salmiak anwendet; ebenso bei Bisswunden, welche durch der Wuth verdächtige Thiere entstanden sind; bei unreinen, schlaffen, fauligen und brandigen Wunden und Geschwüren, um sie in bessere Thätigkeit zu versetzen und sie zu d e s i n f i c i r e n b e i dem Maulweh, bei Räude und Flechten, bei dem Hautjucken, besonders am Schweife und an den Mähnen. Die Anwendung gegen diese verschiedenen krankhaften Zustände geschieht mehren theils in Auflösungen (30,0—60,0 auf 1 Pfund Flüssigkeit), mit Wasser, Essig und Spiritus, oder mit Aufgüssen und Abkochungen von aromatischen oder zusammenziehenden Pflanzen, z. B. bei dem Maulweh als Zusatz zu einem Decoct von Salbei, oder bei Hautkrankheiten in Verbindung mit einer Abkochung von Tabak oder Nieswurz. — Bei Verdunkelungen der Hornhaut und bei Verhärtungen (Piephacken, Stollbeulen) benutzt man das Kochsalz zuweilen auch inSalben, z.B. beiersteren ITheil mit 8—lOTheilen Honig oder Fett abgerieben, bei letzteren als Zusatz zu der Terpenthinseife.— Manche setzen es auch zu den Senfbreien, um derenWirksamkeit zu vermehren. J ) W a s in neuerer Zeit von D e v a n d e r (Du chlorure de sodium dans le traitement des plaies. Liège löGöj bestätigt worden.
Kochsalz.
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§• 5 1 7 . B. Ueber die B e n u t z u n g des Kochsalzes als diätetisches Mittel sind die Ansichten der L a n d w i r t h e u. A . sehr abweichend von einander. Manche halten es f ü r nöthig, allen von P f l a n z e n n a h r u n g lebenden T h i e r e n a n h a l t e n d und bei j e d e r F ü t t e r u n g Salz zu g e b e n ; A n d e r e finden dies n u r f ü r Rindvieh u n d Schafe, und auch f ü r diese n u r im W i n t e r und bei Stallf'ütterung n ö t h i g ; noch A n d e r e , z. B. T h a e r 1 e r k e n n e n zwar a n , dass den S c h a f e n das Salz zuweilen nützlich sei, g e b e n es ihnen aber nicht zu bestimmten Zeiten, sondern n u r , wenn der I n s t i n k t sie zum Salzlecken t r e i b t ; und E i n i g e , z. B. G e r m e r s h a u s e n 2 , halten es g a n z f ü r u n n ü t z , den S c h a f e n Salz zu geben. F ü r j e d e von diesen Ansichten sind G r ü n d e und E r f a h r u n g e n v o r h a n d e n , deren ausführliche A n g a b e hier zu weitläufig sein w ü r d e ; betrachtet m a n aber die vorhin (§. 5 1 5 ) a n g e f ü h r t e n W i r k u n g e n mässiger S a l z g a b e n , so erscheint es nicht z w e i f e l h a f t , a) dass der mässige Genuss desselben den pflanzenfressenden T h i e r e n und besonders den W i e d e r k ä u e r n , die ihre schlaffen Eingeweide mit grossen F u t t e r m a s s e n vollfüllen, jederzeit n ü t z l i c h sein m u s s ; b) dass dieses ;iber besonders der F a l l ist, wenn ein schneller Futterwechsel, namentlich der U e b e r g a n g vom g r ü n e n zum trockenen F u t t e r Statt findet, und ebenso , w e n n m a n die T h i e r e nöthigt (für ökonomische Z w e c k e ) , mehr F u t t e r auf einmal u n d so durch l ä n g e r e Zeit fortgesetzt zu verzehren, als zur E r h a l t u n g des K ö r p e r s nöthig i s t ; c) dass aber der Salzgenuss n o t h w e n d i g ist, w e n n die T h i e r e mit t r o c k e n e m , schwer v e r d a u l i c h e m , in den E i n g e w e i d e n eine kleisterige Masse b i l d e n d e m , oder mit sehr erschlaffendem F u t t e r , z. B. mit Oelkuclien, mit K ö r n e r - und H ü l s e n f r ü c h t e n g e f ü t t e r t werden, besonders dann, wenn sie an diese F ü t t e r u n g nicht g e w ö h n t sind, oder wenn das F u t t e r wenig n a h r h a f t , überschwemmt, schimmelig u. s. w. verdorben ist. — D a s F u t t e r selbst wird zwar d u r c h das Salz nicht verbessert, aber es wird bei der s t ä r k e r aufgeregten T h ä t i g k e i t in den V e r d a u u n g s - und Assimilationsorganen besser v e r a r b e i t e t , und wahrscheinlich n i m m t auch der C h y m u s und der C h y l u s durch die B e s t a n d t e i l e des Salzes eine solche Beschaffenheit an, dass hierdurch die Blutbildung besser vorbereitet wird. — A u s diesen W i r k u n g e n ist es auch erklärlich, dass das Kochsalz gegen verschiedene K r a n k h e i t e n , die aus gestörter V e r d a u u n g u n d Assimilation, so wie aus S t o c k u n g e n in den Baucheingeweiden entstehen, z. B. V e r s t o p f u n g des Lösers beim Rindvieh, Milzbrand, F ä u l e u n d dgl. — ein w i r k s a m e s P r ä s e r v a t i v m i t t e l sein k a n n . Die Menge und die A r t , in der m a n das Salz giebt, sind v e r s c h i e d e n ; am gewöhnlichsten ist es, ein S t ü c k Steinsalz in d i e K r i p p e oder in die Raufe, oder auf den E r d b o d e n zu l e g e n , oder es an einem Stricke im Stalle aufzuh ä n g e n , so dass die T h i e r e nach Belieben d a r a n lecken können ; zweckmässiger scheint es j e d o c h , nach A r t der F ü t t e r u n g u. s. w. zu bestimmten Zeiten eine entsprechende Menge Salz, nämlich P f e r d e n u n d R i n d e r n etwa 3 — 6 L o t h ( 4 5 , 0 — 9 0 , 0 ) , Schafen x / 2 — l L o t h ( 8 , 0 — 1 5 , 0 ) auf einmal u n d j e d e n zweiten bis dritten T a g wiederholt, — mit angefeuchteter Kleie, oder H a f e r - o d e r Gerstenschrot, oder mit K ü m m e l , W a c h h o l d e r b e e r e n u n d dgl. erregenden oder mit bitteren Mitteln gemengt, zum L e c k e n vorzusetzen. A u c h k a n n m a n das Salz im W a s s e r auflösen u n d hiermit das H e u , besonders w e n n dasselbe feliler-
2
H a n d b . für die f e i n w o l l i g e S c h a f z u c h t . B e r l i n 1 8 1 1 . S. 95. ) D;is G a n z e d e r S c h a f z u c h t e t c . 2 Theile. L e i p z i g 1789. 1790.
Salze der Alkalien und Erden.
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liaft ist, besprengen. Manche Landwirthe halten es f ü r gut, die Thiere nicht gleich nach dem Genuas des Salzes, sondern erst etwas später, saufen zu lassen, weil sonst die reizende W i r k u n g desselben zu sehr geschwächt wird, und Andere geben nach dem Salz gar kein Getränk. Dass das letztere Verfahren sogar sehr unzweckmässig ist, dafür spricht schon das Verlangen der Thiere, ihren künstlich erzeugten Durst zu befriedigen; ausserdem geht dies auch aus den Wirkungen des Salzes hervor Bei den von zu grossen Gaben des Kochsalzes entstandenenVergiftungen (§. 515) dienen schleimige Flüssigkeiten, Milch und dgl. in recht grosser Menge gegeben, auch selbst Blutentziehungen. A n m e r k u n g . D i e P ö k e 1 f 1 e i s c h - und die H e r ! n g s 1 a k e e n t h a l t e n in e t w a 74 Proc. W a s s e r eine g r o s s e M e n g e K o e h s a l z ( 2 0 — 2 5 P r o c . ) , e r s t e r e a u c h oft S a l p e t e r , ausserdem e t w a s m i l c h s a u r e s A m m o n i a k , O a m a z o m , und in a l t e r H e r i n g s l a k e zuweilen zwei llüelitige B a s e n , d a s P r o p y l a m i n u n d T r i m e t y h i m i n . D i e L a k e n w i r k e n d e m K o e h s a l z s e h r ä h n l i e h , r e i z e n d , in e t w a s g r o s s e n G a b e n g i f t i g , t ö d t l i c h . Hei R e y n a l ' s V e r s u c h e n m i t I l e r i n g s l a k e s t a r b ein P f e r d v o n 4 P f u n d , ein Schwein v o n 1 P f u n d , ein H u n d v o n cirea 210,0 ( w e n n d a s E r b r e c h e n g e h i n d e r t w a r ) , u n d Geflügel von circa 24,0. PSkelfleischbriihe ist fast i m m e r s c h w ä c h e r w i r k e n d a l s I l e r i n g s l a k e , u n d b e i d e w i r k e n viel s t ä r k e r w e n n sie a l t als w e n n sie frisch s i n d ; denn in d e m e r s t e r e n Z u s t a n d e sind sie m e h r e o n c e n t r i r t u n d h a b e n n u n a u c h g e w ö h n l i c h d a s T r i m e t h y l a m i n und P r o p y l a m i n e n t w i c k e l t , w e l c h e n Stollen ein Tlieil d e r W i r k u n g z u g e s c h r i e b e n w i r d , — u n d wohl m i t R e c h t , d a (nach C h a r l i e r ) diese F l ü s s i g k e i t e n sich n i c h t g i f t i g zeigten, w e n n sie s t a r k g e k o c h t u n d h i e r durch die g e n a n n t e n Stotfe z e r s t ö r t w a r e n . Bei V e r g i f t u n g e n sind A d e r l ä s s e , s c h l e i m i g e F l ü s s i g k e i t e n , s ä u e r l i c h e s G e t r ä n k , k a l t e U m s c h l ä g e auf den K o p f , a b l e i t e n d e ü c i / . m i t t c l n ü t z l i c h . (Reeueil de m c d e c . v e t e r . 1 8 5 5 . p. 4 0 1 , u. 185C. p. 5 5 2 . )
13) Salzsatires Ammoniak oder Ammonium, Salmiak, Ammnmacum. murniltciiiii,
Sa] amvimiiacwit
t
Chloratum
Ammouil,
Jiycli'ochloras
hydrochlaratum,
Ammmmna
amvwniaais
(l'olltT lltld
gereinigter).
§. 518. Der Salmiak (NII 4 01) findet sich häufig als ein vulkanisches Erzeugniss in manchen Gegenden Italiens, Persiens, in Tibet, im Sande der Idyllischen Wüste u. s. w., — auch im Urin (besonders im faulenden), aber meistens wird er in verschiedener Weise künstlich hergestellt, theils durch directe Verbindung des reinen Ammoniaks mit der Salzsäure, theils durch Zersetzung des kohlensauren Ammoniaks (welches aus verbrannten thierischen Substanzen, aus verbranntem Mist und dgl. im unreinen Zustande gewonnen worden), und dann durch weitere Processe (Krystallisiren, Sublimiren). Im Handel kommt der Salmiak in grossen Stücken von Kuchen- oder Zuckerhutform vor, oder auch als ein weisses Krystallmelil. E r bildet lange, nadeiförmige, federartig gruppirte oder längliche octaedrische oder tetraedrische weisse Krystalle, welche an der L u f t sich nicht verändern; er hat keinen Geruch, einen stechend salzigen Geschmack, besteht aus gleichen Mischlingsgewichten Ammoniak und Salzsäure, löst sich in 3 Theilen kalten und in gleichen Theilen kochenden Wassers, aber nur wenig im Weingeist auf, und verursacht bei seiner Lösung eine sehr bedeutende Verminderung der Temperatur. E r löst kohlensauren 1 V e r g l e i c h e a u c h : K u e r s , D i ä t e t i k oder G e s u n d h e i t s p f l e g e des P f e r d e s etc. 1. B d . B e r l i n 1839. S. 2 5 2 u . f.
Salzsaures Ammoniak.
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und phosphorsanren K a l k , phosphorsaure Bittererde, dgl. Ammoniak, selbst schwefelsauren und flusssauren K a l k a u f 1 . A u f die unverletzte Haut wirkt der Salmiak kaum bemerkbar, in concentrirter Auflösung gelind reizend. Bei innerlicher Anwendung dieses Mittels in massigen Gaben und durch nicht zu lange Zeit fortgesetzt, bemerkt man eine mit dunklerer Röthung verbundene Heizung und zugleich eine Umstimmung der Absonderung; es wird in den sämmtlichen Schleimhäuten (vorzüglich aber in der des Magens und des D a r m k a n a l s , der Luftröhre und Bronchien) der Schleim dünnflüssiger, weniger zähe und weniger gerinnbar, aber etwas reichlicher. Ebenso wird die Absonderung des U r i n s , und unter günstigen Umständen auch die Hautausdiinstung vermehrt. Wahrscheinlich findet auch in den Lymphgefässen und in den aufsaugenden Blutadern eine vermehrte Thätigkeit S t a t t ; denn man sieht, dass die Resorption krankhaft ergossener Flüssigkeiten überall im Körper befordert wird. D e r Koth geht gut verdaut, weniger mit Schleim umhüllt als vorher, und etwas trockener a b ; an der Respiration und an der Zahl und Beschaffenheit der Pulse findet sich (bei gesunden Thieren) keine Veränderung; aber der Faserstoff des Blutes wird mehr und mehr aufgelöst, und hierdurch die Gerinnbarkeit des letztern vermindert; im Magen und Dünndarm zeigt sich das Epithclium aufgelockert, erweicht, und zuletzt scheinen seine Zellen zu verschwinden. Aus diesem Befunde ist die Eigenthümlichkeit der ganzen W i r k u n g des Salmiaks richtig zu beurtheilen. Auch ergiebt sich aus ihm, dass der Salmiak wahrscheinlich in das Blut selbst übergeht 2 . W i r d das Mittel durch längere Zeit in mässig starken Gaben (z. B . bei Hunden zu 2,0, bei Pferden zu 30,0, täglich drei- bis viermal) angewendet, so verlieren die Thiere nach und nach immer mehr den Appetit, die Munterkeit und die K r ä f t e ; die Schleimhaut in der Nase und im Maule erscheint Mass, mit vielem schmutzigen Schleime bedeckt ; der Puls weich, klein, der Herzschlag stark pochend, das Blut von dünnerer Oonsistenz, langsam gerinnend und sehr reich an Serum. Zuletzt erfolgt bei Hunden mit 12 bis IG T a g e n der Tod, — wie ich dies in mehreren Versuchen gesehen, und wie es auch A r n o l d ' s Versuche 3 bestätigen. Die Pferde starben erst nach 2G bis 3 8 Tagen und nachdem FauHieber hinzugetreten war. — Die Cadaver erstarren langsam und zeigen: im Magen viel unverdautes Futter, im Darmkanal am vordem T h e i l Futter mit viel zähem S c h l e i m , am hintern E n d e weichen K o t h , ebenfalls mit viel Schleim umgeben; die Schleimhaut im Magen und Darmkanal aufgelockert, die Schleimdrüsen ebenfalls aufgelockert und sichtbar vergrüssert; ebenso, aber weniger stark an der Schleimhaut der Respirationsorgane; das Herz und die grossen Gcfässe schlaff, flüssiges,
1 Diese E i g e n s c h a f t e n des S a l m i a k s k ö n n e n w a h r s c h e i n l i c h noch m i t Vortlieil für m a n c h e t h e r a p e u t i s c h e A u f g a b e n b e n u t z t w e r d e n , wie z. B . zur A u f l ö s u n g m a n c h c r t h i e r i s c h e n C o n c r c m e n t e ( D a r m s t e i n e und H a r n s t e i n e und d g l . ) , da d i e s e n e u e r z e u g t e n M a s s e n oft g r ö s s t e n t e i l s aus e i n e m o d e r aus einigen der g e n a n n t e n S a l z e b e s t e h e n und sich d a h e r wie d i e s e m e h r oder w e n i g e r durch S a l m i a k auflösen. 2 B l u t mit S a l m i a k g e m e n g t v e r ä n d e r t s i c h durch a l l m ä l i g e Auflösung der H ü l l e der B l u t k ö r p e r c h e n , so d a s s z u l e t z t nur der K e r n d e r s e l b e n ü b r i g b l e i b t . 3 In d e r Z e i t s c h r i f t für P h y s i o l o g i e v o n T i e d e m a n n und T r e v i r n n u s . 3. B d . S . 127—147.
Salze der Alkalien und Erden.
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dunkles Blut enthaltend; die Muskeln schlaff und blass; — alle übrigen Organe normal. Sehr grosse Gaben des Salmiaks können schnell den Tod verursachen, und zwar, wie es scheint, theils durch Ueberreizung, theils durch Darmentzündung. O r f i l a (Toxicol. lid. 1. S. 180) brachte in den Magen eines starken Hundes 8,0 Salmiak in 60,0 Wasser gelöst, und unterband den Schlund, um das Erbrechen zu verhindern (was sonst nach etwas starken Gaben fast jedesmal erfolgt). Das Thier zeigte nach 3 Minuten starke Neigung zum Brechen; nach 8 Minuten Schmerz und Schwäche; nach 25 Minuten lief es wie wüthend umher, fiel aber bald unter klagendem Geheul um, worauf convulsivische Bewegungen, Tetanus, und nach einer Stunde der Tod folgten. Bei der Oeffnung des Cadavers fand man den Magen und Darmkanal, die Leber, die Milz und das Herz unverändert; die Lungen enthielten etwas schwarzes, flüssiges Blut; die äusseren Gefasse des Gehirns waren etwas injicirt. — 6,0 einem viel schwächern Hunde auf dieselbe Weise in den Magen gebracht verursachten dieselben Wirkungen; nur war in diesem Falle die Schleimhaut des Magens etwas entzündet. Kaninchen starben von 2,0 des Mittels nach etwa 10 Minuten unter Convulsionen und Tetanus, und zeigten bei der Section besonders heftige Entzündung der Schleimhaut des Magens und Darmkanals ( A r n o l d a. a. 0.). — Bei Pferden und Kühen sah icl von 90,0—180,0 Salmiak, die ich in e i n e r Gabe (bald als Latwerge, bald mit Wasser aufgelöst) eingab, zwar im Verlaufe der ersten 4—6 Stunden nach dem Eingeben vermehrte Wärme am ganzen Körper, dunklere Röthung der Scheimhaut in der Nase und im Maule, etwas schnelleres Atlimen mit stark in die Höhe gezogenen Bauchmuskeln, — dann sehr vermehrtes Uriniren, am folgenden Tage häufige Entleerungen von etwas weicherem Kotlie, und ausserdem die Wirkungen von kleineren Gaben, aber durchaus keine weiteren üblen Folgen entstehen. Aber von 150,0 pro dosi und durch 5 Tage fertgesetzt, starb bei D e l a f o n d 1 ein Pferd. V i b o r g (Samml. Bd.4. S. 141) spritzte mehreren Pferden eine Lösung von 1 Drachme (4,0) Salmiak in 2 Unzen (60,0) Wasser, in die Dri sselvene und bemerkte zuerst eine Erhöhung aller Functionen, als: munteres, feuriges Aussehen, vollen Puls, starken, heissen Athem, dunklere Röthung der Nasenschleimhaut, vermehrte Wärme der Haut und Abgang vtn Kotli, — hierauf aber entgegengesetzt: Niederhängen des Kopfes, matte, halb zugemachte Augen, kleinen, geschwinden Puls, schnelleres Athmen und schwache Zuckungen der Muskeln. Nach 12—16 Stunden waren diese Zufälle verschwunden und die Pferde wieder munter. Hunde zeigten nach Einspritzungen von 1 Scrupel (1,25) Salmiak, aufgelöst in 2 Unzen (60,0) Wasser, sogleich heftige Convulsionen, Erbrechen, beschleunigtes Athmen, aussetzenden Puls, Mattigkeit und Unvermögen zu stehen. Diese Zufalle dauerten 1 ¡ 2 —2 Stunden und gingen in völlige Gesundheit über. Eine Injection von l 1 /* Drachme (ii,0) Salmiak, der in l ] / 2 Unze (45,0) Wasser gelöst war, tödtete aber einen Iinnd sogleich unter heftigen Convulsionen. Nach den Versuchen von S m i t h , M i t s c h e r l i c h n. A. sollen 1 1 / , bis 2 Drachmen (6,0 - 8,0) dieses Salzes, äusserlith durch eine Wunde auf das Zellgewebe eines Hundes gebracht, nach 1^2 Stunde Schwäche und 1
D e I ufo n d, Tliér»peut. genérale. T. II p. 43.
Salzsaures Ammoniak.
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E r b r e c h e n , nach 2 Stunden Unvermögen zu stehen, und nach 12 Stunden den Tod bewirken. D i e Obduction ergab ain Magen dieselben Erscheinungen wie bei innerlicher Anwendung des Mittels. I c h habe bei der Wiederholung dieser Versuche, selbst au schwachen Hunden, blos eine schmerzhafte, aber bald vorübergehende R e i z u n g , und später etwas vermehrtes Uriniren entstehen sehen. D i e T h i e r e blieben am L e b e n und ganz munter. §. 519. Aus diesen Angaben lässt sich e n t n e h m e n : dass die Hauptwirkung des Salmiaks bei seiner innerlichen Anwendung in einer zuerst mit Heizung verbundenen q u a l i t a t i v e n Umstimmung des Vegetationsprocesses besteht, dass er vorzüglich die T h ä t i g k e i t der Schleimhäute verändert, die Schleimsecrefion vermehrt, ebenso die Urinabsonderung, und dass er die Plasticität sowohl im Blute wie in den abgesonderten Saften vermindert. D i e Darm»usleerungen werden bei seinem massigen Gebrauche nicht vermehrt und nur lim ein Oeringes feuchter; die K r ä f t e erscheinen wenig afficirt, aber die Resorption gewöhnlich etwas angeregt. 1 >iesen, auch an kranken Thieren beobachteten "Wirkungen zufolge ist ilie Anwendung des S a l m i a k s daher im Allgemeinen gegen solche K r a n k heiten angezeigt: b e i d e n e n d e r w e s e n t l i c h e Z u s t a n d i n e i n e r S t ö r u n g d e s B i ld u n g s p r o c e s s e s m i t v e r m e h r t e r P l a s t i c i t ä t d e r S ä f t e b e s t e l l t , und -wobei v o r z ü g l i c h d i e V e r r i c h t u n g der S c h l e i m h ä u t e a u f d i e A r t m i t l e i d e t , d a s s i h r P r o d u c t in d e r B e s c h a f f e n h e i t u n d in d e r M e n g e k r a n k h a f t e r s c h e i n t . Das Mittel ist bei dem hier im Allgemeinen bezeichneten Krankheitszustande ebenso nützlich, wenn derselbe frisch entstanden oder chronisch, mit oder i.lme Fieber, selbst mit oder ohne Entzündung b e s t e h t ; doch ist es bei acuten, leinen (arteriellen) E n t z ü n d u n g e n , und überall wo grosse Reizbarkeit, viel trockene Hitze und Trockenheit der Schleimhäute zugegen sind, nicht passend, weil es unter diesen Umständen zu reizend wirkt und alle Zufälle, namentlich aber das F i e b e r vermehrt. Hiernach wird der S a l m i a k speciell angewendet: gegen K a t a r r h bei allen T h i e r e n ( D r u s e der Pferde, Schnupfen der Schafe, Staupe der Hunde 1 , gegen katarrhalische B r ä u n e , gegen dergleichen Lungenentzündung lind gegen Lungenkatarrh, — gegen Rheumatismus, rheumatische Bräune, rheumatische L u n g e n - und Brustfellentzündung; gegen katarrhalische und rheumatische F i e b e r . B e i diesen K r a n k h e i t e n muss, wenn der Puls voll und kräftig ist, der Anwendung des Salmiaks ein Aderlass, und der Gebrauch anderer entzündungswidriger Salze und besonders des Brcchweinsteins vorausgehen. Man darf ihn überhaupt nicht zu früh g e b e n , sondern erst nachdem der Puls weich und der Husten etwas lockerer geworden ist. Ebenso ist das Mittel bei gemischten Entzündungen und Fiebern, z . B . bei gastrischen und Sclileimfiebern nützlich, besonders wenn diese K r a n k h e i t e n einen torpiden Character besitzen, wenn sich schleimiger Auswurf aus den Respirationsorganen einfindet, oder wenn die K r a n k h e i t eine Neigung zeigt, sich durch eine Krisis mit vermehrter Urinsecretion oder mit vermehrter Hautausdünstung zu entscheiden. — E i n e nützliche Auwendung findet der S a l m i a k auch gegen chronische V e r s c h l e i m u n g e n , welche nicht offenbar in zu grosser E r schlaffung allein, sondern zum Tlieil noch in einer schleichenden Heizung der Hk.RTWIG, Ar/.neiniitt«;lh;hre.
fi. A u f l a g e .
31
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Salze der Alkalien und Erden.
Schleimhäute beruhen, daher z. B. gegen chronische Druse, gegen dergleichen Husten mit Auswurf von zähem Schleim, gegen Unverdaulichkeit mit Anhäufung von Schleim oder Galle im Magen und Darmkanal, auch gegen Stockungen in den Drüsen, chronische Entzündungen und Verhärtungen der Leber u. a. Vegetationsorgane. §. 5 2 0 . Die Gabe ist für Pferde 8 , 0 — 1 5 , 0 , für Rinder 1 2 , 0 — 2 4 , 0 , für Schafe und Schweine 2 , 0 — 4 , 0 , f'iir Hunde 0 , 3 — 1 , 2 5 Grm., täglich drei- bis viermal wiederholt. Die Anwendung kann in Pillen oder Latwergen, bei Wiederkäuern, Schweinen und Hunden aber auch recht zweckmässig in flüssiger Form geschehen. Fast immer giebt man den Salmiak in Verbindung mit anderen Mitteln, durch welche seine Wirksamkeit vermehrt wird, oder eine bestimmte Richtung erhält; so z. B. bei Entzündungskrankheiten in der ersten Zeit zuweilen mit Salpeter, mit Glaubersalz, später, wenn die Reizbarkeit gemindert ist, in Verbindung mit gelinden aromatischen Mitteln, bei grosser Schwäche selbst mit Kampher, — bei chronischen Verschleimungen mit bitteren, stärkeren aromatischen, selbst mit adstringirenden Mitteln, mit Terpenthinöl, T h e e r , Stinkasant, mit Spiessglanz und dergleichen. Bei Bauchwassersucht habe ich in mehreren Fällen, besonders bei Hunden, von dem Salmiak in Verbindung mit Digitalis eine ganz vortreffliche Wirkung gesehen. §. 5 2 1 . Aeusserlich dient der Salmiak a) als ein erregend-zertheilendes und doch kühlendes Mittel gegen Entzündungen, die nicht ganz rein, sondern mit E x travasaten von Serum oder B l u t , mit Ausdehnung und Erschütterung verbunden sind, daher gegen Quetschungen, Verstauchungen, Satteldrticken ; auch gegen asthenische Augenentzündungen, Hornhautflecke, Verhärtungen, Milchknoten, Sehnenklapp und dergl.; und b) gegen Räude, Flechten und veraltete Mauke. Bei den Entzündungen und Quetschungen wird er, wenn man hauptsächlich die kühlende Wirkung beabsichtigt, mit Salpeter, Essig und Wasser, z . B . als S c h m u c k e r ' s c h e kühlende Umschläge: 1 Theil Salmiak (oder Kochsalz), 3 Theile Salpeter, 6 Theile Essig und 1 2 — 2 4 Theile Wasser; — oder ohne Salpeter als sogenanntes O x y k r a t oder s a u r e z e r t h e i l e n d e M i s c h u n g (§. 458), zu Waschungen und Umschlägen, und im Uebrigen ganz so wie das Kochsalz (§. 5 1 6 ) benutzt, durch welches er auch mehrentheils zum äusserlichen Gebrauch wohlfeiler ersetzt werden kann. •— Gegen die sub b) genannten Krankheiten wendet man ihn in concentrirten Auflösungen (30,0 zu 1 8 0 , 0 Wasser) oder in Verbindung mit F e t t oder grüner Seife u. s. w. in Salbenform an. E i s e n s a l m i a k s. bei Eisen. (Ammoniac. hydrochl. crud. 30 Grm. 1 Sgr. 3 P f g . ; gros. raod. pulr. 3 0 Gramm 1 Sgr. 8 Pfg.)
Salzsaures Ammoniak, Salpetersaures Kali.
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I). S a l p e t e r s a u r e S a l z e . U ) a) Salpetersaures K a l i , gewöhnlicher Kali-Salpeter, Kali nitricuvi depuraban, Xitrvm,
S'itras halicus s. potassae, Sal petrae.
b) Salpetersaures Natron, cublscher oder Würfelsalpeter, Chilisalpeter, Xatrum nitricum} Xitr. cubicum s. chilense. §. 5 2 2 .
a) D e r K a l i - S a l p e t e r i K 0 , N 0 5 ) ist ein n e u t r a l e s Salz, aus 5 3 , 4 4 Sal-
petersäure und 46,56 Kali bestehend, krystallisirt im reinen Zustande in langen, gestreiften, weissen, öseitigen Prismen, die sich an der Luft nicht verändern, sich in 6 bis 7 Theilen kalten und in gleichen Theilen siedenden Wassers, in verdünntem Weingeist nur wenig, im reinen Weingeist gar nicht auflösen. Bei der Auflösung bewirkt er eine bedeutende Verminderung der Temperatur; auf glühenden Kohlen verpufft der Salpeter; sein Geschmack ist kiihlend-salzig, ein wenig bitter. Der Kali-Salpeter erzeugt sich auf der Erde an Stellen, wo organische, stickstoffhaltige Substanzen an der Luft in Fäulniss übergehen; es entsteht da durch Mitwirkung des Stickstoffs und des Sauerstoffs der Atmosphäre zuerst Salpetersäure, die sich mit den vorhandenen oder zugesetzten Kalien ( und Erden) zu Salpeter verbindet. Bei dem Verdunsten des Wassers tritt derselbe in kleinen Krystalleu an die Oberfläche, von welcher er abgekehrt werden kann ( K e h l s a l p e t e r ) ; dieser, und ebenso die salpeterhaltige Erde wird ausgelaugt, die Flüssigkeit wird abgedampft, zum Krystallisiren hingestellt und so der gewöhnliche Salpeter (Kali nitricum crudum) erhalten, in welchem sich noch fremde Bestandteile befinden, von denen er durch nochmaliges Auflösen und Krystallisiren befreit (Kali nitricum depuratum) werden kann. Bei innerlicher Anwendung zeigt der Salpeter in seinen Wirkungen auf den thierischen Organismus eine Aehnlichkeit mit dem Glaubersalz und mit dein Doppelsalz, er unterscheidet sich aber von diesen und von allen anderen Salzen dadurch, dass er stärker, als sie es thun, örtlich kühlt und die Fieberhitze mässigt, den Faserstoff und Kohlenstoff im Blute vermindert, es hierdurch flüssiger und heller macht, die Wärme, die Expansion und die Gerinnbarkeit desselben vermindert, ebenso die Irritabilität im ganzen Körper, vorzüglich aber im Herzen und in den Blutgefässen sehr herabstimmt, und dass er in etwas grossen Gaben den Magen mehr belästigt, den Appetit und die Verdauung stört. — Die Urinsecretion wird durch den Salpeter sehr vermehrt, besonders aber, wenn derselbe in mehreren, nach kurzen Zwischenzeiten wiederholten Gaben angewendet worden ist; der Urin selbst wird mehr dünn, wässerig, und macht einen stärkeren alkalischen Bodensatz, aber der Salpeter als solcher ist in ihm nicht zu finden, wohl aber mehr Kali. Er scheint also zersetzt zu werden, und jene Wirkungen auf das Blut sind wahrscheinlich zum Theil durch die chemische Zersetzung verursacht, indem sein Sauerstoff zur Bildung von Kohlensäure und Wasser die Elemente giebt (namentlich wo Aussonderuugsstoffe krankhaft im Körper zurückgeblieben sind), dass in Folge hiervon die Lungen- und die Hautausdünstung freier wird und durch die reichlichere Decarbonisation eine hellere Röthung des 31»
484
Salze der Alkalien und Erden.
Blutes eintritt. - - A u f die Schleimhaut des Verdauungskanal.s wirkt er in massigen Gaben nach A r t der übrigen genannten Salze, gelind erregend und die Absonderungen befördernd, wonach dann der K o t l i etwas weicher und feuchter a b g e h t ; von grossen Gaben entstehen aber heftige Reizungen des M a g e n s u n d Darmkanals, Leibschmerzen, Verminderung des Appetits, bei H u n d e n und Schweinen auch E r b r e c h e n , starkes L a x i r e n , selbst mit Ausleerung von B l u t , sehr reichliches l . r i n i r e n , Schwäche in den Muskeln, schneller, kleiner Puls, an den Schleimhäuten zuerst dunkelrotlie, selbst l i v i d e , späterhin blasse F ä r b u n g , und zuweilen auch Convulsionen, L ä h mung der Extremitäten und der T o d . Bei 2 P f e r d e n , denen man in der Thierarzneischule zu L y o n j e d e m 240,0 Salpeter in 2 P f u n d Wasser aufgelöst auf einmal eingegeben hatte, erfolgte nach allen Symptomen von heftiger Darmentzündung der T o d binnen 24 Stunden, und bei der Section fand man die Schleimhaut des Magens und Darmkanals durchaus entzündet 1 . Huz a r d p ( \ r e sah dagegen von 500 Grm. Salpeter in 1500 Grm. Wasser gelöst keine tödtliche W i r k u n g . — Ich habe mehreren, sowohl kräftigen, w i e auch schwächlichen P f e r d e n 2-10,0—3t>0,0, sogar 480,0 dieses Salzes in L a t wergen, in Pillen und in concentrirter Auflösung auf einmal eingegeben, und davon zwar die vorhin genannten Zufälle, aber keine weiteren üblen Folgen bemerkt-. Hiermit stimmen auch die Resultate der von ( J u p i s s und von M o r t o n gemachten E x p e r i m e n t e a überein. Y o u a t t , S u r g i n s o n 4 u. A . haben jedoch von kleineren Gaben j e n e üblen Z u f ä l l e und selbst den T o d erfolgen sehen, und hiernach in den Cadavern die Schleimhaut des Magens, tlieilweise auch die des Darmkanals dunkelroth, mit Extravasaten und an einzelnen Stellen auch mit, Excoriationen behaftet gefunden. - - Auch bei den W i e d e r k ä u e r n treten von grossen Gaben solche heftige W i r k u n g e n ein; '/ü P f u n d (250,0) tödtet ein R i n d , und 1 U n z e ( 3 0 , 0 ) ein Schaf fast sicher. D i e W i r k u n g e n sind so wie oben angegeben, besonders aber constant die heftigen Leibschmerzen, bei denen die Tliiere b l ö k e n , sich niederlegen, wälzen und dergleichen. D i e Z u f ä l l e treten immer schnell ein, oft schon in J/4 — 1/a Stunde nach dem Genuss des Salpeters, und mehrentlieils erfolgt in etwa 1 0 — 1 2 Stunden der T o d , in einzelnen Fällen aber auch bald Genesung. Bei mehreren K ü h e n sah M e r s i v a (Magazin f ü r T h i e r h e i l k , 10. Jahrg. 1. H e f t S. 105) den T o d von dem Genuss von circa J 8 0 — 2 0 0 ( i r m . Salpeters in W a s s e r aufgelöst, binnen 6 Stunden erfolgen. N a c h L a f o r e 5 verursachen 120 Grm. dem Rindvieh keine üblen Zufälle. — Ueber die tödtlichen Gaben bei Schweinen fehlen sichere Beobachtungen. Bei I l u n d e n , denen
1
C o m p t e rendu des travaux de l ' E c o l e v e t e r i n a i r e de L y o n , annee
'2 A u f f a l l e n d s t e h e n d ist e s ,
und
dass
mit icli
der
oder
d i e W ä r m e in d e r e r s t e r g a r ein a l l g e m e i n e r Zeiten etwas
aus
eine V e r m i n d e r u n g
au d e r
der
Gaben
Temperatur,
Siunde g e g e n t Gr. zugenommen,
entleerte Blut
und
kleiner
1819. im
trennte
weder
Haut der Tliiere entdecken konnte;
Sehweiss ausgebrochen.
der V e n e
langsamer,
wiederholter
erschien
Pas etwas
nach
s i e h S c h ü r f e r in S e r u m ,
Veterinarian
1 8 3 7 . p . 67 u. 1 9 8 .
1
E b e n d a s e l b s t 1 8 3 6 . p . 5 3 2 u. 1 8 3 8 . p. 85.
5
M a l a d i e s p a r t i c u l . aux g r a n d s r u m i n a n t s . p . 3 5 2 .
noch hatte
u n d b e i e i n e m P f e r d e w a r so-
dem
röther
im B l u t e
im Gegentheil
Eingeben
als v o r
zu
verschiedenen
dem Versuch,
in G'ruor u n d F a s e r s t o f f ;
n a h m an M e n g e z u u n d z e i g t e n a c h d e m E r k a l t e n e i n e g r o s s e Z ä h i g k e i t und 3
Widerspruch
nach der A n w e n d u n g d i e s e r ausserordentlich g r o s s e n G a b e n nie-
m a l s d u r c h »las T h e r m o m e t e r i m M a u l e , im A f t e r
Wirkung
gerann letzterer
Festigkeit!
485
Salpctcrsaures Kali.
ich nach dem E i n g e b e n von 8 , 0 , selbst nur von 4 , 0 Salpeter den Schlund unterbunden hatte, sah ich (wie O r f i l a , Toxicologie, Bd. 1. S. 1 7 4 ) sogleich Neigung zum Brechen und A n g s t , dann S c h w ä c h e , nach 2 0 — 1 0 Minuten Schwindel, K r ä m p f e , langsame Kespiration, schwachen Herzschlag und nach 1 — 2 Stunden den T o d erfolgen. I m Cadaver fand sich : der Magen äusserlich Manroth; seine Schleimhaut dunkelroth, mit schwarzem B l u t i n j i c i r t ; die Muskelhaut sehr gerüthet; der Dünndarm von derselben Beschaffenheit; die Nieren und die Schleimhaut der Harnblase etwas inelir geröthet; die Lunge gesund, mit hellrothem B l u t massig erfüllt; ebenso das Herz in seiner linken H ä l f t e ; das Gehirn sehr blutreich. W u r d e die Unterbindung des Schlundes nicht g e m a c h t , so entstand blos Erbrechen, Mattigkeit und zuweilen L a x i r e n , jedoch bald vorübergehend. — W i r d der Gebrauch des Salpeters durch einige Zeit fortgesetzt, und es entstehen j e n e acute Zufälle nicht, so beobachtet man hiernach sehr reichlichen A b g a n g eines wasserhellen Urins, A b m a g e r u n g und E n t k r ä f t u n g , selbst einen wirklich septischen Zustand, und zuletzt erfolgt der Tod. Nach dem Einspritzen von 4 , 0 — 1 2 , 0 Salpeter (aufgelöst in 6 0 , 0 — 9 0 , 0 Wasser^ in die Drosselvene entstand bei mehreren Pferden sogleich geschwindes Atlnnen, kleiner, geschwinder Puls, Herabhängen des Kopfes, M a t t i g k e i t ; nach etwa 5 Minuten auch etwas vollerer und geschwinderer Puls, dabei eine Art von Schlummer und G ä h n e n ; nach 1 l i Stunde wurde der Puls langsamer, das Maul trocken, das Haar gesträubt, — Frostschauder; nach 2 Stunden Abnahme aller Zufälle, so dass nach G Stunden nur noch etwas kleiner und geschwinder Puls bestand; dabei aber Appetit zu F u t t e r und G e t r ä n k wieder eingetreten war ( V i b o r g , Samml. B d . 4. S. 1 3 1 , 1 3 2 ) . Aeusserlich wirkt der Salpeter, wenn er in Auflösungen angewendet wird, kühlend, und auf Wunden gelind reizend, wenigstens die Granulation etwas dunkler röthend; aber selbst von sehr reichlicher, concentrirter und fortgesetzter Anwendung sieht man weder Anätzung noch besondere allgemeine Zufälle entstehen. O r f i l a a. a. (). sagt dasselbe. — D a g e g e n entsteht sowohl bei der innerlichen Anwendung wie auch bei der Anwendung auf blossgelegte Nerven eine auffallende Verminderung der Nervenreizbarkeit Dieser Umstand scheint zur richtigen E r k l ä r u n g über die A r t , wie der Salpeter im T h i e r k ö r p e r seine schwächenden W i r k u n g e n entwickelt, zu dienen; denn es lassen sieb keineswegs alle Erscheinungen aus seiner kühlenden und das B l u t verdünnenden W i r k u n g allein erklären. §. 5 2 3 . D i e allgemeine Anzeige zur Anwendung des Salpeters findet sich, den angedeuteten Wirkungen gemäss und der E r f a h r u n g zufolge, bei K r a n k heiten, in denen die E n e r g i e des Herzens, der Arterien und der Muskeln vermehrt, zugleich die Keizbarkeit in diesen T h e i l e n und im Nervensystem zu sehr aufgeregt, das B l u t zu sehr gerinnbar oder auch zu reich an Kohlenstoff ist; daher den Erscheinungen nach, wo das B l u t sehr dunkel, dickflüssig oder theerartig erscheint, wo der Puls h a r t , voll, der Herzschlag unfühlbar oder 1 T h i l o » , S . 13 u. i.
iibtr
die
Wirkung
des
Salpeters
und
Küchensalzes.
Erfurt
1802.
486
Salze der Alkalien und Erden.
nur g a n z schwach f ü h l b a r , die Urinabsonderung vermindert, die H a u t heiss und t r o c k e n , die S c h l e i m h ä u t e dunkelroth oder blauroth u n d mehr trocken als f e u c h t sind. — D a g e g e n wird er nicht gut ertragen, w e n n im Magen u n d D a r m k a n a l , in den N i e r e n oder in der Blase eine k r a n k h a f t e Reizbarkeit besteht, w e n n die V e r d a u u n g sehr geschwächt, oder w e n n die K r ä f t e im Allgemeinen sehr g e s u n k e n sind, u n d wo ein septischer Z u s t a n d eingetreten ist. D e m n a c h dient der Salpeter innerlich als das (nächst dem Aderlass) wirksamste antiphlogistische Mittel gegen E n t z ü n d u n g s f i e b e r , gegen j e d e acute E n t z ü n d u n g ( j e d o c h mit Ausschluss der M a g e n - , D a r m - u n d Nierene n t z ü n d u n g e n ) , selbst beim drohenden B r a n d e ; gegen acuten Rheumatismus u n d h e f t i g e rheumatische und katarrhalische F i e b e r , I n f l u e n z a und dergl., w e n n sie den E n t z ü n d u n g s c h a r a c t e r an sich t r a g e n ; g e g e n alle acute A n t h r a x k r a n k h e i t e n mit demselben Character, daher auch g e g e n die B r ä u n e u n d den sogenannten H i n t e r b r a n d der Schweine u. s. w . ; gegen active Congestionen zu dem K o p f e oder den L u n g e n , als Diureticum gegen acute Wassersuchten, — u n d n a c h W a l d i n g e r auch gegen den S t a r r k r a m p f . A u c h als P r ä s e r v a t i v gegen A n t h r a x k r a n k l i e i t e n im Allgemeinen, und besonders g e g e n die A n t h r a x b r ä u n e der Schweine giebt m a n ihn, sowohl f ü r sich alleirj,, wie auch in V e r b i n d u n g mit anderen Mitteln. Aeusserlich b e n u t z t man den Salpeter «) als k ü h l e n d e s u n d zertheilendes Mittel gegen heftige E n t z ü n d u n g e n , ähnlich wie das Glaubersalz (siehe Essig, §. 458, u n d S a l m i a k , §. 521). E n g l i s c h e T h i e r ä r z t e ( K i n g , im V e t e r i n a r i a n , 1 8 3 8 , M ä r z , und M o r t o n , Manual of Pharmaaj, p. 240) empfehlen eine concentrirte Auflösung (1 T h e i l zu 7 T h e i l e n Wassers) als ein sehr k r ä f t i g e s Reizmittel f ü r W u n d e n , in welchen G a n g r ä n entstanden ist. — b) G e g e n R ä u d e u n d Flechten ist er als W a s c h m i t t e l (in Auflösungen mit W a s s e r oder T a b a c k s a b k o c h u n g und dergleichen, 30,0 zu 3 0 0 , 0 Flüssigkeit) oder auch in S a l b e n (15,0 zu 30,0 F e t t oder Seife), täglich einmal anzuw e n d e n , sehr w i r k s a m 1 . §• 524. Die G a b e ist, n a c h dem G r a d e der v o r h a n d e n e n K r a n k h e i t u. s. w., f ü r P f e r d e u n d R i n d v i e h 1 5 , 0 - 4 5 , 0 , fiir Schweine 4 , 0 — 1 5 , 0 , f ü r S c h a f e 4,0 bis 8 , 0 , f ü r H u n d e 0 , 3 — 1 , 2 5 , — in Zwischenzeiten von 2 — 4 S t u n d e n wiederholt, so l a n g e bis die Schläge des H e r z e n s f ü h l b a r , u n d die Ab- und Aussonderungen reichlicher werden. Ist dies binnen 2 T a g e n nicht der F a l l , so muss der G e b r a u c h des Mittels f ü r etwa einen T a g ausgesetzt werden. — F a s t immer setzt m a n dem Salpeter bei den E n t z ü n d u n g s k r a n k h e i t e n , und w e n n m a n die Kothausleerungen stärker b e f ö r d e r n w i l l , noch Glaubersalz, oder D o p p e l s a l z , oder W e i n s t e i n , — bei katarrhalischen und rheumatischen Leiden den B r e c h w e i n s t e i n , — bei b r a n d i g e n E n t z ü n d u n g e n , bei T y p h u s und M i l z b r a n d , aber die Schwefelleber oder selbst den K a m p h e r hinzu. In der V e r b i n d u n g mit dem letztern hat der Salpeter auch bei N i e r e n e n t z ü n d u n g , bei acutem R h e u m a t i s m u s , und nach W a l d i n g e r a u c h beim S t a r r k r a m p f sehr g u t e Dienste geleistet; doch sind die pathologischen Zustände, bei denen 1 B e i M e n s c h e n , w e l c h e sich mit Pferderäude inficirt hatten, sah ich von k e i n e m andern Mittel so bald das lästige Jucken verschwinden und H e i l u n g erfolgen, wie nach täglich z w e i m a l i g e m W a s c h e n mit einer Auflösung von einer U n z e Nitrum in 12 U n z e n Wasser.
Salpetersaures Kali und Natron, Essigsaures Ammoniak.
487
diese V e r b i n d u n g eigentlich passend ist, bis jetzt noch nicht genau bestimmt. — Die A n w e n d u n g geschieht in P i l l e n , besser in Latwergen, und wenn die W i r k u n g recht schnell erfolgen soll, auch in flüssiger Form. Man muss dabei den Salpeter in der hinreichenden Menge Wassers (d. i. wenigstens mit 7 — 8 Theilen desselben) vollkommen auflösen u n d , wenn man ihn in einer solchen concentrirten Lösung eingiebt, muss man ihn stets mit einem schleimigen Vehikel etwas reichlicher versetzen als andere Salze, um die reizende örtliche E i n w i r k u n g auf den Magen und D a r m k a n a l möglichst zu mindern. Sehr häufig und ganz bequem giebt man das Mittel im Getränk, den grossen Thieren in 1 E i m e r Wasser oder K l e i e n t r a n k 3 0 G r m . , den kleinen Thieren 2— 4 Grm. in einem Teller Wasser oder Milch. — E r dient auch zur Bereitung der salpetersauren R ä u c h e r u n g e n (§. 450). b) D a s Natron nitricitm ( N a 0 , N 0 5 ) findet sich als ein Naturerzeugniss in der E r d e an mehreren O r t e n , besonders massenhaft a n der Grenze zwischen Chili und P e r u , im unreinen Zustande, es kann aber leicht gereinigt werden. Ebenso ist es auch leicht aus Natron und Salpetersäure darzustellen. Es krystallisirt in durchscheinenden stumpfen Octaedern, ist luftbeständig, löst sich in l l / 2 Theilen kalten und in weniger als gleichen Theilen kochenden Wassers auf u n d verhält sich übrigens wie Kalisalpeter. I n seinen W i r k u n gen stimmt dieses Salz im Wesentlichen mit den W i r k u n g e n des Kalisalpeters iiberein, es ist aber weniger den Magen belästigend als der letztere und soll auch eine grössere antirheumatische W i r k u n g besitzen als dieser. E s wird deshalb u n d weil es billiger, jetzt häufig dem Kalisalpeter vorgezogen. Gabe und A n w e n d u n g ist wie bei diesem. Grosse Gaben wirken ganz so giftig, wie oben angegeben, ebenso auch von dem unreinen Chilisalpeter. (Kali nitr. depurat. 30 Grm. 1 S g r . ; pulv. 1 Sgr. 8 P f g . — Natr. nitric. depurat. 30 Grm. 1 Sgr.; pulv. 1 Sgr. 6 P f g . ) Anmerkung. D a s S c h i e s s p u l v e r (Pulvis pyrius s. Pulv. sclopetariusj, aus Salpeter (gegen 76 T h e i l e ) , Kohle (15 Theile) und Schwefel (9 Theile) zusammengesetzt, wirkt der Hauptsache nach fast ganz wie der Salpeter und kann imNothfalle statt desselben bei allen Krankheiten angewendet werden, wo dieser nützlich ist. D i e Gabe muss aber um '/ 3 stärker sein als von dem Salpeter. Aeusserlich kann das Pulver zur Zerstörung des Contagiums in frischen Bisswunden von tollen Hunden u. s. w. dienen, indem man es in diese Wunden streut und anzündet; von Empirikern wird es zuweilen , mit Fett oder Oel zur Salbe gemacht, gegen Käude, Flechten, Maulgrind und dergleichen benutzt (z. B. Schiesspulver 60,0, Zinkvitriol 8 , 0 , Schmalz 200,0). Gegen die Räude der Hunde hat sich folgende Zusammensetzung oft sehr wirksam gezeigt: Schiesspulver 15,0, Kochsalz 120,0, Kornbranntwein 240,0. Täglich dreimal hiermit die kranken Stellen reichlich zu befeuchten.
E. E s s i g s a u r e Salze. 15) Essigsaures Ammoniak oder Ammonium, E s s i g - S a l m i a k , Ninderer's Geist, aceticum solutum, Ammonium Mindereri,
Liquor
aceticum,
Sal ammoniacum
acetatum,
ammonii acetici, Liquor acetatis
Spiritus
Ammoniacum s.
Liquor
ammoniaci.
§. 525. Dieses Salz ist zusammengesetzt aus A m m o n i a k , Essigsäure u n d Wasser, ist sehr schwer krystallisirbar und daher allgemein nur in flüssiger F o r m gebräuchlich. — Bei der innerlichen A n w e n d u n g in gehörig grossen G a b e n
Salze der Alkalien und Erden.
488
z. B. bei Pferden und Kühen in Gaben von 120,0—180,0, bei Hunden von 8,0—60,0) verursacht es etwas volleren Puls, etwas schnelleres Athmen mit vermehrter Lungenausdünstung, lebhaftere Eöthung der Schleimhaut in der Nase, vermehrtes Uriniren und stärkere Hautausdiinstung. Alle diese Wirkungen entstehen ohne heftige Aufregung, sehr mild, aber auch nur in einem geringen Grade. Eine tief eindringende Wirkung auf den Vegetationsprocess, oder eine besondere Richtung auf das Nervensystem konnte ich niemals recht deutlich erkennen. Man hat den- Minderergeist gegen katarrhalische und rheumatische Fieber, gegen Druse, gegen die Staupe der H u n d e , gegen katarrhalische Bräune, acuten Rheumatismus, rheumatischen Starrkrampf, bei acuten Hautausschlägen (z. B. bei den Pocken) und bei acuten Wassersüchten in mehreren Fällen mit Nutzen angewendet, und er schien bei diesen Krankheiten besonders dann etwas zu leisten, wenn sie nur in einem massigen Grade und ohne acute Entzündungszufälle bestanden, oder wenn die letzteren bereits beseitigt waren, und zur Zeit der eintretenden Krisis. - • I n den meisten Fällen ist jedoch das Mittel durch den Salmiak zu ersetzen, — was bei den grossen Hausthieren um so mehr zu beachten ist, weil es tlieuer ist und in grossen Gaben angewendet werden muss, wenn man eine Wirkung von ihm sehen will. Es wird daher jetzt nur selten, und mehrentheils nur für die kleineren Thiere benutzt. Eine mittelmässige Gabe ist: für Pferde und Rinder 00,0, für Schafe und Schweine 30,0, für Hunde 2,0—8,0, täglich drei- bis viermal. Man giebt es mit Fliederblumen, mit stärkeren aromatischen oder mit bitteren Mitteln, auch mit Kampher verbunden, in Latwergen und in flüssiger Form. (30,0 1 Sgr.) A n m e r k u n g. D a s e s s i g s u r o K a l i oder die g r h 1 ä 11 e r t e W p i i i s t c i n i ' i d e (Kali acetievm, Ter, a foJinta tartari) w i r k t k ü h l e n d , die A b s o n d e r u n g e n im V r r d a u u n y s a p p a r a t u n d in den N i e t e n si:hr f ö r d e r n d , d a h e r s e h r u r i n t r e i b e n d , in s i h r g r o s s e n Galten auch g e l i n d l a x i r e n d . H i n und w i e d e r ist es yegen c h r o n i s c h e U n v c r d a u l i e h k e i t , g e i v n W a s s e r s u c h t und der^l- a n g e w e n d e t , im G a n z e n a b e r s e h r w e n i g b e n u t z t , weil es e b e n f a l l s v.u t h e u e r ist. D a s s e l b e gilt \ o n dein e s s i g s a u r e n N a t r u i n fNutrum accticamj.
F. W e i n s t e i n s a u r e S a l z e . 16) Saures wein- oder wehisleitisaures Kall. Weinstein, Weinsteinralmi, Kali crudum,
Ko.li tartaricum
acidnlnm
emdam,
Cremor
Tartari,
bifartarictm
Bit artras Jcalicus cum atjua
— u n d gereinigtes zweifach weinsaures Kali (Kali
bitart.
rrvdu9}
dcjmratumJ.
§. 526. Der rohe Weinstein lagert sich beim Gähren des Weines als eine grau gelbe, röthliche oder braune Kruste in den Fässern ab; er besteht aus 70 1 3 Proc. Weinsäure, 25,08 Kali und 4,75 Wasser, und enthält ausserdem noch weinsauren Kalk, färbende Stoffe und dergl. E r wird deshalb gereinigt, indem man zu seiner Auflösung T h o n , Kohle etc. setzt und die klare Flüssigkeit wieder krystallisiren lässt. Der gereinigte Weinstein erscheint in vierseitigen kleinen, weissen Prismen oder als weisses Pulver, ist ohne Geruch, sauer schmeckend, ebenso reagirend, an der L u f t beständig, im Wasser schwer auf-
Essigsaures Ammoniak, Weinsaures Kali.
489
löslich; er bedarf hierzu 95 Theile kalten oder 15 Tlieile kochenden Wassers, im Weingeist ist er unlöslich. Das Mittel wirkt wegen seines überwiegenden Gehaltes an Weinsteinsäure einigermaassen ähnlich den verdünnten vegetabilischen Säuren (§. 440), aber durch das Kali zugleich mehr als diese auf den Absonderungsprocess in den Schleimhäuten und auf den liesorptionsprocess in den Venen, indem es beide, und besonders den letztern, thätiger macht, und vielleicht auch das Blut etwas verdünnt; es vermindert die Irritabilität und kühlt in einem massigen Grade (weit weniger als der Salpeter), befördert die Urinsecretion ziemlich stark und bewirkt, dass der Koth etwas lockerer und weicher abgeht; wirkliches Laxiren entsteht nur nach sehr grossen, wiederholten Gaben, durch welche aber der Appetit und die Verdauung geschwächt werden. Deshalb und weil der gereinigte Weinstein theurer ist als die schwefelsauren Salze, benutzt man ihn als Laxirmittel nicht; dagegen kann er in massigen Gaben mit Nutzen gebraucht werden gegen leichte Entzündungen und Entzündungsiieber, besonders wenn sie mit gastrischen Zuständen oder mit Störungen in der Bereitung und Ausscheidung der Galle complicirt sind, —• ebenso gegen Stockungen in den Blutgefässen des Hinterleibes, — gegen den sogenannten Mageiikoller, — gegen Anthrax, — gegen das Blutharnen und Blutmelken während des entzündlichen Zustandes, - gegen acute, noch mit leichten Entzündungssymptomen begleitete Gelbsuchten und Wassersuchten und dgl. E r ist wenig gebräuchlich, und meistens wird nur in Weinländern der rolie Weinstein, wo man denselben wohlfeilerhaben kann, thierärztlich benutzt. Man giebt ihn den Pferden auf einmal zu 30,U—60,0, dem Rindvieh zu C>0,0— 180,0, den Schafen zu 1 5 , 0 - 4 5 , 0 , den Schweinen zu 3 0 , 0 - 9 0 , 0 , den Hunden zu 2.0 —15,0, — täglich drei- bis viermal. Bei grosser Hartleibigkeit setzt man ihm schwefelsaure Salze, bei mehr acuter Entzündung den Salpeter, — bei Wassersuchten die Digitalis, bei dem Milzbrande bittere Mittel und derg). hinzu. Die Anwendung geschieht am besten in Latwergen und in Pillen, weniger zweckmässig in flüssiger Form, weil er sich schwer im Wasser auflöst; er erfordert daher eine grosse Menge Flüssigkeit und oft noch einen Zusatz von schleimigen Mitteln. — Stärkere Säuren, ebenso reine und kohlensaure Kalien dürfen wegen chemischer Zersetzung mit dem sauren Weinstein nicht zusammengesetzt werden, ausgenommen die letzteren da, wo man aus den kohlensauren Salzen die Kohlensäure im Magen vollständig frei machen will, um ihre W i r k u n g zu entwickeln. (30 Grm. Kali bitart. crud. 3 S g r . , purum
pvlr.
3 Sgr. 8 Pfg.)
A n m e r k u n g 1. D a s n e u t r a l e w e i n s t e i n s a u r e K a l i , d e r tartarisirte o d e r a u f l ö s l i c h e W e i n s t e i n (Tartarus tartarisatus, Tartras kalicus , Tartras Potassae s. Lixiviae, Tartarus solubilisj, b e r e i t e t d u r c h S ä t t i g e n d e r ü b e r s c h ü s s i g e n S ä u r e d e s W e i n s t e i n s m i t t e l s t h i n z u g e s e t z t e n K a l i , — ist ein s e h r leicht auflöslichcs N e u t r a l s a l z , w i r k t w e n i g e r k ü h l e n d , w e n i g e r h a r n t r e i b e n d , a b e r m e h r auflösend u n d die A b s o n d e r u n g im D a r m k a n a l s t ä r k e r b e f ö r d e r n d als d e r W e i n s t e i n E r k a n n bei ä h n l i c h e n Z u s t ä n d e n und in d e n s e l b e n Gaben w i e d e r l e t z t e r e a l s H e i l m i t t e l b e n u t z t w e r d e n , ist a b e r noch w e n i g e r g e b r ä u c h l i c h , weil er noch t h e u r e r u n d d u r c h a n d e r e S a l z e g u t zu e r s e t z e n ist. E r darf init S ä u r e n und mit s a u r e n S a l z e n i c h t v e r b u n d e n w e r d e n , weil er d u r c h d i e s e l b e n z e r s e t z t w i r d . ( P r e i s : 30 O n n . 4 Sgr., p u l v . 5 Sgr.) AnmerkungS. D e r n a t r o n b a 11 i g e W e i n s t e i n , w e i n s t e i n s a u r e S o d a , S e i g n e l t i ' - S a l z fX'.itro-kali tart'O-icum, Tartras lalico- n-trievs mm Aqua, Tcrto "smitronatus, Kali tartar¿cum uatronatum, Tartras l'utaasae et Sodae, Sal de Sciijncttc, Sal poly-
490
Salze der Alkalien und Erden.
chrestum Seiynetti), bereitet durch Sättigung der überschüssigen Weinsäure des Weinsteins mittels Natrum, ist ein dreifaches, leicht auflösliches S a l z , dessen Wirkung mit der des vorigen im Wesentlichen übereinstimmt, aber etwas milder ist. Von ihm gelten die in der vorigen Anmerkung geinachten Andeutungen. — D e r b o r a x s a u r e W e i n s t e i n (Tartarus boraxatusj ist ihm in der Wirkung fast ganz gleich, und zum thierärztlichen Gebrauch völlig entbehrlich.
Gr. B o r a x s a u r e s 17) Zweifach boraxsaurcs Natron, B o r a i , Natrum c. Aqua
Natron.
biboracieum,
Natrum boraetcum
s.
boricum
( N a O , 2 B 0 3 + lOHO).
§. 5 2 7 . Dieses aus 16,3 Natron, 36,6 Boraxsäure und 47,1 Krystallisationswasser bestehende Salz findet sich von der Natur gebildet im rohen Zustande (sogenannter T i n k a i ) an den Ufern mehrerer Seen in der Tartarei, China, Thibet u. s. w., und wird durch Umkrystallisiren gereinigt (raffinirt). Der meiste Borax wird kunstmässig hergestellt aus Natron und aus der Toskanischen Borsäure. E r bildet ziemlich grosse Prismen oder schiefe rhombische Säulen, ist farblos, ohne Geruch, mildsüsslich und etwas laugenhaft von Geschmack, löst sich in 1 2 — 1 5 Theilen kalten, in 2 Theilen kochenden Wassers, nicht im Weingeist, an der Luft verwittert er etwas und bedeckt sich mit einem weissen Pulver; er reagirt alkalisch; schleimige Flüssigkeiten verdickt er und macht sie starr. Oertlich wirkt der Borax selbst im concentrirten Zustande nur sehr gelind reizend, etwas austrocknend; innerlich reizt er die Verdauungseingeweide sehr wenig, geht unverändert in den Harn über, wirkt gelind antiphlogistisch, vermindert die Herzaction, befördert die Resorption und erregt in mildem Grade die Thätigkeit der Harn- und Geschlechtsorgane. Borax wird als örtliches Heilmittel bei asthenischen Entzündungen der Schleimhaut im Maule, bei Aphthen, bei Auflockerung des Zahnfleisches, bei katarrhalischer Bräune, bei oberflächlichen Geschwüren an den Geschlechtstlioilen, bei Flecken der Hornhaut und dergl. angewendet; — und innerlich dient derselbe als Diureticum bei acuter Brust- und Bauchwassersucht und bei eben solchen Oedemen, bei der Influenza, — und bei dem Zurückbleiben der Nachgeburt in Folge mangelhafter Wehen. Die Gabe ist für Pferde 8 , 0 — 1 5 , 0 , für Rindvieh 8 , 0 — 3 0 , 0 , für Schafe, Ziegen und Schweine 2 , 0 — 4 , 0 , für Hunde und Katzen 0 , 3 — 2 , 0 , täglich zwei- bis dreimal. Die Anwendung geschieht in Latwergen, Pillen und Eingüssen, zuweilen mit Glaubersalz und anderen passenden Mitteln, oder auch einfach aufgelöst im Trinkwasser. Aeusserlich gebraucht man das Mittel in Auflösungen mit 2 0 — 3 0 Theilen Wasser, oder Salbei-Infusum und dergl., zuweilen mit Zusatz von 2 — 3 Theilen Honig, als Maulwasser oder zum öfteren Befeuchten der leidenden Theile. ( 3 0 Grm. 1 Sgr. 6 P f g . ; pulv. 2 Sgr. 2 Pfg.)
Boraxsaures Natron, Seifen. H. O e l - u n d t a l g s a u r e S a l z e .
491 Seifen.
8) a ) Kaliselfe, weiche S e i f e , Schmierseife, g r ü n e oder schwarze S e i f e , Sapo kalinus, viridis
s. nigcr.
Sapo
b) Natron- oder Sodaseil'e, Talgseife, weisse Seife, gemeine Bausseife, Sapo sebaceits, S. albus, S. domesticus
nostras.
§. 528. Die erste Seife besteht aus Kali in Verbindung mit Fett- oder Oelsäure, j e nachdem zu ihrer Bereitung ein Fett (z. B. Fischthran, Schweineschmalz etc.), oder ein fettes Oel (z. 13. Hanföl, Riiböl und dergl.) benutzt worden ist. Die zweite Art von Seife ist aus Natron, aus Talg- und Oelsäure zusammengesetzt. Beide enthalten auch Wasser, jedoch in verschiedener Menge. Sie lösen sich in reinem Wasser und im Weingeist fast ganz auf und können auch eine grössere Menge Fett, Oel, Harz und andere organische Substanzen in sich aufnehmen und damit eine im Wasser leicht zertheilbare Emulsion machen. Die Seifen werden durch alle Säuren und durch die meisten Salze, auch die Metallsalze (mit Ausnahme der einfachen und der basischen Kali- und Natronsalze) zerlegt, und sie können entgegengesetzt auch die Säuren binden und die Salze zersetzen. Bei ihrer Einwirkung auf den Thierkörper vereinigen die Seifen grösstentheils die Wirkungen der Substanzen, aus denen sie gebildet sind, jedoch in der A r t , dass das Kali oder N a t r o n , da es durch die bei dem Process der Seifebildung entstandene Oel- und Talgsäure theils neutralisirt, theils eingehüllt ist, — nicht mehr ätzend, sondern blos reizend und auflösend wirkt, und dass dagegen das F e t t oder Oel seine milde, einhüllende und erschlaffende Eigenschaft nur noch in einem beschränkten Grade äussern kann. — Beide Arten der Seife erscheinen in ihrer W i r k u n g auf den Thierkörper als fast ganz gleichartig, aber die grüne Seife ist örtlich viel mehr reizend als die weisse. Bei der innerlichen Anwendung in massigen Gaben verursacht die Seife bei allen Thieren eine etwas verstärkte Absonderung an der Schleimhaut des Verdauungskannls und in den Nieren, vielleicht auch in der Leber und in der Bauchspeicheldrüse. Der Koth wird etwas mehr feucht, aber nicht weich; die Urinabsonderung wird immer weit stärker vermehrt und zugleich ähnlich wie bei den Kalien verändert. Dabei ist jedoch (selbst nach grossen Gaben, z. B. nach 1 Pfund bei Pferden) keine Spur einer reizenden W i r k u n g auf die Irritabilität u n d Sensibilität, weder in den genannten noch in anderen Organen zu bemerken; der Appetit wird oft, besonders bei fortgesetzter Anwendung der Seife, etwas vermindert und die Verdauung geschwächt, — nämlich wie durch andere fettige Substanzen. Zuweilen leidet auch bei anhaltendem Gebrauche des Mittels in starken Gaben die ganze E r n ä h r u n g des Körpers, und es entsteht Abmagerung, — wahrscheinlich theils durch Störung der Assimilation, theils durch zu sehr verstärkte Resorption. Bei trächtigen Thieren soll die Seife in gleicher Weise auch auf die Gebärmutter eine nachtheilige Wirkung äussern. Auf die Haut gebracht bewirkt die weisse Seife, mit Wasser zum Brei gemacht, und ebenso die grüne Seife im unverdünnten Zustande eine ziemlich starke Reizung, u n d bei mehrstündiger Dauer der Einwirkung an Thieren
492
Salze der Alkalien und Erden.
mit etwas feiner H a u t selbst eine, zwar nur oberflächliche, aber schmerzhafte Entzündung und Ausschwitzung; die Bildungsthätigkeit in der Haut wird umgestimmt und die Resorption wird nicht allein in der H a u t , sondern auch in dein unter ihr liegenden Zellgewebe, in den Drüsen u. s. w. sehr bedeutend verstärkt. — Wird die Seife in Wasser aufgelöst auf die Haut gebracht, so entstehen dieselben Wirkungen, aber in einem schwächern Grade; zugleich wird durch das Seifenwasser die Haut gründlich gereinigt, indem es alle zähe, klebrige Unreinigkeiten, z. B. verdickte Hautsclnniere, Blut, E i t e r , fettige Salben und dergl. auflöst und abspült. — In Wunden und Geschwüren wirkt die Seife auf ganz gleiche Weise wie an der Haut, und in den Mastdarm gebracht verursacht sie Reizung und schneller erfolgende Kothausleerungen. — Nach dem Einspritzen einer Auflösung von 4 Grm. Seife mit 60,0 warmen Wassers in die Drosselvene eines Pferdes entstand sogleich etwas schnelleres Atlimen, schnellerer, kleiner Puls und nach 1 Stunde sehr reichliches Uriniren ; diese Erscheinungen dauerten über 5 Stunden fort und hatten keine weiteren Folgen. §. 529. Als Heilmittel wird die grüne Seife innerlich nur selten angewendet, und mehrentheils zieht man ihr die reinere weisse Seife vor, obgleich ein wichtiger Unterschied zwischen beiden nicht besteht. C h a b e r t empfahl 1 die Seife im Wasser aufgelöst (Seif'enwasser) gegen die Trommelsucht des Rindviehes; ebenso oder in Wein gelöst gegen die Fäule und Wassersucht der Schafe, und mit Hirschhornöl versetzt gegen die Egelkrankheit dieser Thiere; W a l d i n g e r - gebrauchte sie in Verbindung mit Terpenthinöl, Doppelsalz und Kamillenblumen bei Pferden gegen die Anhäufung eines Bodensatzes aus dem Urin in der Blase; ich gab sie, mit kleinen Gaben von Aloe, mit bitteren Mitteln und mit Terpenthinöl versetzt, mit Nutzen gegen chronische Leberentziindung und gegen öfters wiederkehrende Gelbsucht bei Pferden, Rindvieh, Schweinen und H u n d e n ; auch fand ich sie mit einem Aufguss von Kümmelsamen innerlich gegeben und ebenso in die Gebärmutter gespritzt, sehr wirksam zur Beförderung der Nachgeburt, wenn dieselbe blos wegen Unthätigkeit der Gebärmutter zu lange in derselben zurückgeblieben war. •— Dünnen Seifenbrei, oder concentrirtes Seifenwasser, hat man auch gegen Vergiftungen durch Säuren mit sehr gutein Erfolge angewendet; aber bei Vergiftungen durch Arsenik und Sublimat war der Nutzen dieses Gegengiftes sehr zweifelhaft. — Zu reizenden Clystiren, z. B. bei Verstopfung, bei Krämpfen und krankhaften Harnverhaltungen und dergl., ist Seifenwasser ein allgemein gebräuchliches und recht wirksames Mittel, welches man bald für sich allein, bald mit einem Aufguss von Kamillenblumen oder von Heusamen anwendet." Zuweilen wird die Seife auch als ein zweckmässiges Bindemittel der Aloe, des Fichtenharzes und des Terpenthins benutzt. Die Gabe ist für Pferde und Rinder 30,0—60,0, für Schafe und Schweine 8,0—15,0, für Hunde 2,0 ^',0, — bei chronischen Krankheiten täglich zwei- bis dreimal, aber bei der Trommelsucht und bei Vergiftungen jede Viertelstunde und jede halbe Stunde wiederholt. Zu einem Clystir ist S
1 V o l l s t ä n d i g e s H a n d b u c h der V i e h a r z n e i k u n s t ; a u s d e m 219. 223. U e b e r die N a b r u n g s - u n d H e i l m i t t e l d e r P f e r d e . S. 2 1 2 .
Französischen.
1.
Bd.
Seifen.
493
die H ä l f t e , selbst der dritte Tlieil der bezeichneten kleineren Gaben bei den verschiedenen T h i e r e n hinreichend. — Man setzt nicht gern den innerlichen Gebrauch der S e i f e durch lange Zeit anhaltend fort, weil hierbei gewöhnlich eine Störung des Appetits und der Verdauung eintritt. §. 5 3 0 . Aeusserlicli dient die Seife : a) in Verbindung mit warmem W a s s e r als das beste Reinigungsmittel überall, wo von der H a u t , von W u n d e n und Geschwüren Schmutz, vertrockneter E i t e r , F e t t i g k e i t e n und dergl. zu entfernen sind; — b) als Heilmittel bei F l e c h t e n , Räude, H a u t j u c k e n , Haarausfall und M a u k e , und — c) als ableitendes Reizmittel bei Rheumatismus, bei Verstauchung, Sehnenentziindung und dergl.; — d) als auflösendes, gelind reizendes Zertlieilungsmittel gegen Geschwülste, Verdickungen und Verhärtungen, welche mit fortschleichender Entzündung und Ausschwitzung, selbst mit Ulceration verbunden sind, z. B . gegen Stullbeulen, P i e p h a c k e n , G a l l e n , Sehnenklapp, Verhärtungen der D r ü s e n , asthenische Entzündungen des Euters, Milchknoten in demselben (sogenannter Einschuss), gegen Fisteln an den Sehnen, im Ilufe, am Schweife nach dem Englisiren u. s. w . ; — und zuweilen dient e) die grüne S e i f e auch als ein Mittel, um das Festballen des Schnees an der Sohle des H u f e s zu verhüten, oder wenigstens es zu vermindern. Hei den unter b) genannten Hautkrankheiten benutzt man in leichteren Fällen die grüne und ebenso die weisse Seife mit Wasser als einfaches Seifenwasser zum Waschen und B a d e n täglich ein- bis zweimal; in hartnäckigen eder veralteten F ä l l e n setzt man sie zu einem Decoct von T a b a c k oder Nieswurz, oder man wendet sie als Salbe, mit Terpentliinöl, mit T h e e r oder mit stinkendem Thieröl, oder mit Schwefel, mit pulverisirtein T a b a c k , Nieswurz, und dergl. reizenden Mitteln, nach dein Grade der Empfindlichkeit der T h e i l e und der Hartnäckigkeit des U e b e l s , im verschiedenen Verhältniss versetzt, täglich ein- bis zweimal an. — B e i den sub c) genannten Zuständen wird in der R e g e l die grüne Seife, bald allein, bald mit Spiritus, Terpentliinöl, K a m plier und dergl. angewendet. Auch bei deu unter /2u — Vi* G r a n ( 0 , 0 0 3 — 0 , 0 0 5 ) , — H ü h n e r Vso—V20 G r a n ( 0 , 0 0 2 — 0,003), — täglich ein- bis zweimal ( S t e i g e r g a b bei R i n d e r n n u r j e d e n 8 t e n T a g die bezeichnete G a b e ) . — W e n n h i e r v o n die beabsichtigte W i r k u n g n i c h t erfolgt, so k a n n diese G a b e nach u n d n a c h v e r s t ä r k t u n d selbst verd o p p e l t w e r d e n . I s t es nöthig, das Mittel d u r c h einige Zeit fortzusetzen , so muss m a n i m m e r n a c h seinem zwei- bis d r e i t ä g i g e n G e b r a u c h e durch 1 — 2 1 O e k o n o m . N e u i g k e i t e n v o n E . A n d r é , 1835. N r . 4 5 . S. 3 5 3 — 3 5 8 . E s w a r e n a l e r a u c h s t a r k e H a a r s e i l e m i t Ol. Terebintli. u n d Ol. Lauri a n g e w e n d e t w o r d e n .
504
Metallische Arzneimittel.
Tage eine Pause machen, dasselbe aber sogleich aussetzen, wenn grössere Appetitlosigkeit, Speichelfluss, oder Koliksymptome entstehen. — Die Anwendung geschieht in Auflösungen oder am besten in Pillen; aber auch bei Bereitung der letzteren muss der Arsenik vorher vollständig aufgelöst sein, ehe man ihn mit den übrigen Substanzen der Pillenmasse zusammenmengt, weil auf diese Weise die schnelle und gleichmässige allgemeine Wirkung befördert, dagegen die sonst leicht erfolgende zu starke örtliche Einwirkung des unaufgelösten Arseniks auf einzelne Stellen des Verdauungskanals verhütet wird. E s ist jedoch zu beachten (wie oben schon angedeutet), dass der Arsenik sich in blossem Wasser nur schwer und langsam auflöst, und zwar 1 Theil von ihm in 13 Theilen Wassers von der Siedhitze, oder in 22 Theilen von 4 8 Gr. R . , oder in 5 0 Theilen von 14 Gr. R., und in 6G Theilen von 8 Gr. R . Um die Auflösliclikeit zu vermehren, pflegt man ihm eine gleiche Menge von kohlensaurem Kali zuzusetzen, wie dies z. B . in der bekannten F o w 1er'sehen Arsenik-Solution (Solutio arsenicalis s. Fovleri) der F a l l ist. Zur Bereitung derselben nach der Preuss. Pharmacopöe nimmt man : weissen pulverisirten Arsenik und kohlensaures Kali, von jedem 64 Gran (4,0), kocht beides mit 8 Unzen (240,0) destillirten Wassers bis zur vollständigen Auflösung des Arseniks ; darauf setzt man der Auflösung nach dem Erkalten noch 1/2 Unze (15,0) des zusammengesetzten Angelika-Spiritus und so viel destillirtes Wasser hinzu, dass das Ganze 12 Unzen (¿360,0) beträgt. In l 1 / 2 Drachme oder 7 5 — 8 0 Tropfen (6 Grammen) dieser Auflösung ist 1 Gran (0,06) Arsenik enthalten , — wonach sich die Gabe leicht bestimmen lässt. Man giebt sie mit der JO — 12fachen Menge von einer schleimigen oder bitteren , oder aromatischen Flüssigkeit, oder man verbindet sie mit ähnlichen Mitteln zu Pillen. — Mineralsäuren, Metallpräparate (namentlich Eisenoxydul) und Schwefel soll mau mit dem Arsenik nicht verbinden, weil diese Substanzen seine Wirksamkeit beschränken; — und Salpeter darf man weder mit ihm verbinden noch unmittelbar nach ihm geben, weil dieses Salz seine Wirksamkeit sehr vermehrt, so dass leicht Vergiftungszufälle eintreten (Allg. pharmazeut. Zeitschr. von Dr. A r t u s , 1842. Heft 2). §. 540. Aeusserlich angewendet hat sich der weisse Arsenik gegen Krebs, gegen bösartige Warzen, gegen Wurmgeschwüre, gegen veraltete, hartnäckige Räude, Flechten und Ungeziefer (Läuse, Räudemilben, llolzböcke u. s. w.), ferner: bei Balggeschwülsten, vorzüglich bei verhärteten Stollbeulen und bei Brustbeulen, und ebenso gegen Ueberbeine, gegen andere Exostosen und gegen Gallen, als ein sehr kräftiges Heilmittel gezeigt. a. Gegen den Krebs, und besonders, wenn derselbe von häutigen Gebilden ausgegangen ist, gilt der Arsenik bis jetzt als eins der wirksamsten Mittel. Man benutzt ihn hier am gewöhnlichsten in dem F r è r e C o s m e ' schen Pulver (Pulvis arsenicalis Cosmi), dessen Zusammensetzung nach verschiedenen, jedoch nicht sehr von einander abweichenden Vorschriften geschehen kann. Nach der gewöhnlichsten Vorschrift besteht es aus Zinnober 2 Drachmen ( 8 , 0 ) , Asche von verbrannten alten Schuhsohlen 8 Gran ( 0 , 4 8 ) , pulverisirtem Drachenblut 12 Gran ( 0 , 7 2 ) , und pulverisirtem weissen Arsenik 4 0 Gran (2,5), auf das Genaueste zu einem Pulver zusammengemengt (4'/l> Gran [ 0 , 2 7 ] des Pulvers enthalten 1 Gran Arsenik); —
Arsenik.
505
nach einer anderen Vorschrift wird es aus Zinnober 8 Grammen, Arsenik, Drachenblut, von jedem 12 Gran (0,72), Asche von verbrannten Schuhsohlen und Aetzkalk, von jedem 10 Gran (0,6) zusammengesetzt. In 1 Scrupel (1,25) des Pulvers sind gegen 5 Gran (30 Centigramme) Arsenik enthalten. — Dieses Pulver wird entweder in das Geschwür gestreut, oder mit etwas Wasser oder auch mit etwas fettem Oel zu einem Breie gemacht, mittelst eines Pinsels ganz dünn auf dasselbe gestrichen, hierauf aber mit Werg bedeckt. Die umliegenden gesunden Theile müssen, zum Schutze gegen die Einwirkung des Mittels, mit Fett oder mit einer einfachen Wachssalbe, oder noch besser mit Mehlkleister bestrichen, und die Thiere vom Belecken und Reiben der kranken Stellen abgehalten werden. Es entsteht bald eine Entzündung mit grosser, im Umfange gewöhnlich ödematöser Geschwulst, und auf der Geschwürsfläche eine harte, schwarze Borke, welche man völlig unberührt lässt, bis sie von selbst abfällt, — was sehr ungleich, bald mit phoricum oxydatum et oxydulatum) •dasblausaure Eisen, Eisencyaniircyanid, B e r l i n e r b l a u (Ferr. hydrocyanicum s. borussicum) und das J o d e i s e n , Eisenjodür, h y /2 Stunde wurde das Pferd ruhig; nach 3 ! i Stunden wurde schwärzlicher, harter, mit Schleim überzogener Mist entleert, und nach 3 Stunden war die Wirkung wieder vorüber 2 . — Von l 1 /^ Drachme (6,0) des Mittels in 4 Unzen (120,0) clestillirten Wassers gelöst und injicirt sah ich bei einem Pferde sogleich schnelleres Athmen, Taumeln und Niederstürzen erfolgen; aber auch dies Thier erholte sich binnen 4 Stunden gänzlich wieder. Bei Hunden trat wenige Minuten nach der Einspritzung von 8 — 1 0 Gran ( 1 ,/ 2 — 2 / :1 Grm.) Eisenvitriol Erbrechen und Aeusserung von heftigem Schmerz ein. Nach kurzer Zeit wurden die Thiere aber wieder gesund. 1 Es ist wahrscheinlich, dass dieses Erbrechen nur durch das Eindringen der F l ü s s i g keit in den K e h l k o p f entstanden w a r ; ich b e m e r k t e dasselbe bei s o l c h e n Versuchen niemals, und G o h i e r (Slem. et Observ. T o m e I. p. 4 2 7 ) . der den Eisenvitriol einem Pferde zu 9V2 Unze (285,0), einem E s e l zu C Unzen ( 1 8 0 , 0 ) , und einem dreimonatlichen F ü l l e n zu 3 Unzen (90,0) gegeben, bemerkte es ebenfalls nicht; auch sah G o h i er kein vermehrtes Uriniren, wohl aber eine h e f t i g e D a r m e n t z ü n d u n g entstehen, an welcher alle drei Thiere am folgenden Tage starben. 2 V i b o r g , Erfahrungen über die innere W i r k u n g des E i s e n v i t r i o l s bei unsern Hausthieren; in T e u f f e l ' s Mag. f. T h i e r h e i l k . Bd. 1. 3. 170.
Metallische Arzneimittel.
528
§. 5 5 5 . D i e a n g e f ü h r t e n V e r s u c h e z e i g e n , dass der E i s e n v i t r i o l schneller u n d h e f t i g e r w i r k t , als die E i s e n f e i l e u n d als d e r S t a h l s c h w e f e l , u n d dass er i n d e r t o n i s c h e n u n d in d e r r e i z e n d e n W i r k u n g fast alle a n d e r e E i s e n m i t t e l übertrifft. A u s s e r d e m scheint er g e g e n m a n c h e K r a n k h e i t e n specifische W i r k u n g e n zu b e s i t z e n , w e l c h e d e s h a l b von R a d e m a c l i e r u. A . als „ E i s e n k r a n k h e i t e n ' ' u n d „ E i s e n - D y s k r a s i e n " g e n a n n t w o r d e n sind. S e i n e i n n e r l i c h e A n w e n d u n g findet der E i s e n v i t r i o l bei a l l e n im §. 5 5 1 b e z e i c h n e t e n k r a n k h a f t e n Z u s t ä n d e n , besonders a b e r d a n n , w e n n dieselben auf e i n e m h o h e n G r a d e v o n t o r p i d e r A t o n i e b e r u h e n . E r h a t sich in s o l c h e n F ä l l e n g e g e n A u f l ö s u n g des Blutes, g e g e n S c h ä r f e n , F a u l f i e b e r , Milzbrand, hartnäckigen Durchfall, gegen Blutharnen, H a r n r u h r , Eingeweidew ü r m e r ( b e s o n d e r s Strongylus filavia der S c h a f e ) , g e g e n l a n g w i e r i g e , h e f t i g e Schleimflüsse u n d alle a n d e r e ü b e r m ä s s i g e A u s l e e r u n g e n , g e g e n ö f t e r s w i e d e r k e h r e n d e s A u f b l ä h e n , bei a l l g e m e i n e r S c h w ä c h e n a c h v o r a u s g e g a n g e n e n K r a n k h e i t e n , u n d sowohl als H e i l m i t t e l , wie au 3h als P r ä s e r v a t i v m i t t e l g e g e n die F ä u l e d e r S c h a f e , u n d n a c h K ö n i g 1 u n d T ü r k 2 sowohl als P r ä s e r v a t i v wie a u c h als H e i l m i t t e l g e g e n d i e L u n g e n s e u c l i e sehr n ü t z l i c h gezeigt. S u t t e h a t a u c h bei d e m D a m p f , u n d S e e r in d e r g a n z e r s t e n P e r i o d e d e r D r e h k r a n k h e i t d e r S c h a f e (?) g u t e n E r f o l g von i h m g e s e h e n . Aeusserlicli k a n n der E i s e n v i t r i o l als z u s a m m e n z i e h e n d e s , a u s t r o c k n e n des Mittel g e g e n P i e p h a c k e n , G a l l e n u n d A u s d e h n u n g e n d e r B ä n d e r n a c h V e r r e n k u n g e n , — ebenso g e g e n s t a r k n ä s s e n d e H a u t a u s s c h l ä g e , g e g e n zu s t a r k e E i t e r u n g u n d l o c k e r c G r a n u l a t i o n in W u n d e n u n d G e s c h w ü r e n , n a mentlich g e g e n das K l a u e n w e h der S c h a f e , S t r a h l k r e b s u n d d e r g l e i c h e n , •— gegen asthenische Augenentzündungen, gegen Schleimflüsse u n d dergleichen a n g e w e n d e t w e r d e i l , j e d o c h a u c h hier n u r d a n n , w e n n A t o n i e d e n G r u n d c h a r a c t e r dieser k r a n k h a f t e n Z u s t ä n d e bildet. A u c h w i r d er als b l u t s t i l l e n des Mittel b e n u t z t , f ü r welchen Z w e c k er b e s o n d e r s bei p a r e n c h y m a t ö s e n B l u t u n g e n mit E r f o l g g e b r a u c h t w e r d e n k a n n . §. 5 5 0 . M a n giebt d e n E i s e n v i t r i o l innerlich P f e r d e n u n d R i n d v i e h zu 8 bis 3 0 Grin., S c h a f e n u n d S c h w e i n e n zu 0 , 3 — 1 , 2 5 , u n d H u n d e n 0 , 0 6 — 0 , 3 6 , t ä g lich zwei- bis dreimal, mit Z u s ä t z e n von b i t t e r e n , a r o m a t i s c h e n , flüchtigen u n d n a r k o t i s c h e n M i t t e l n (besonders bei D u r c h f ä l l e n m i t O p i u m ) , in L a t w e r g e n , P i l l e n u n d A u f l ö s u n g e n . — V e r b i n d u n g e n mit g e r b s t o f f h a l t i g e n M i t t e l n sind z w a r in c h e m i s c h e r H i n s i c h t noch w e n i g e r p a s s e n d als bei d e n ü b r i g e n E i s e n p r ä p a r a t e n , sie sind a b e r doch r e c h t milde w i r k s a m , w i e dies die T i n t e beweist, die m a n als ein mässiges tonisches H a u s m i t t e l b e n u t z e n k a n n . — D a g e g e n m u s s m a n Z u s ä t z e v o n A l k a l i e n , von K a l k , v o n B a r y t , v o n Blei, Silber, Q u e c k s i l b e r u n d von Q u e c k s i l b e r s a l z e n v e r m e i d e n , weil bei diesen M i t t e l n in der R e g e l g e g e n s e i t i g e Z e r s e t z u n g e n e r f o l g e n . Bei d e r L u n g e n s e u c h e des R i n d v i e h e s h a t K ö n i g G a b e n von 2 bis 1
M a g a z . f. T h i e r h c i l k . 16. J a h r g . 1850. S. 284. N o u v e a u r a p p o r t s u r le t r a i t e m e n t de la p l e u r o p n e u m o n i e c o n t a g i e u s e du ^ r o s bétail p a r le s u l f a t e de f e r , a d r e s s é h la s a t i é t é d ' a g r i c u l t u r e de N a n c y p a r M. A m é d é e T u r k . 1867. 2
Schwefelsaures Eisen, Eisenchlorid.
529
4 Unzen ( 6 0 — 1 2 0 Grm.), bis D u r c h f a l l e n t s t a n d , mit bestem E r f o l g e angewendet und als Prophylacticum 1 U n z e (30,0) täglich einmal in Auflösung gegeben Zum äusserlichen G e b r a u c h e benutzt m a n den Eisenvitriol meistens in Auflösungen, die m a n nach dem G r a d e der Schlaffheit in verschiedener Concentration, u n d nach dem G r a d e der Reizlosigkeit bald in blossem W a s s e r , bald in aromatischen Infusionen u n d m i t Zusatz von Spiritus (Wein) u n d dergleichen macht. Z u r A n w e n d u n g auf die A u g e n nimmt m a n 3 — 8 G r a n ( 1 8 — 4 8 Centigrm.), f ü r die Schleimhaut 6 — 1 0 G r a n ( 3 6 — 6 0 Centigrm.), f ü r die H a u t u n d zur Blutstillung 1 0 — 3 0 G r a n ( 6 0 — 1 8 0 Centigrm.) auf 30,0 Flüssigkeit. Die A n w e n d u n g geschieht als W a s c h u n g , B ä h u n g , Einspritzung u. s. w. — Zuweilen wird das Mittel aber auch als P u l v e r , mit Kamillen, K a l m u s , Kohle und dergleichen versetzt, zum Einstreuen bei Geschwüren benutzt. — D e r f r ü h e r e H o f t h i e r a r z t S e i f e r t in W i e n empfahl als Specificum g e g e n Strahlfaule der P f e r d e und gegen das K l a u e n w e h der Schafe ein G e m e n g e von Ferrum sulphuric. 12 U n z e n (360,0), Ferrum muriatic. uxydul. 8 U n z e n ( 2 4 0 , 0 ) , Cupr. sulphuric. 2 U n z e n ( 6 0 , 0 ) , Alumen tistum 2 4 U n z e n (720,0), u n d Camphor. ras. ' / 2 U n z e (15,0). Alles fein pulverisirt u n d auf das Genaueste zusammengerieben, in einem g u t verschlossenen Glase a u f bewahrt (das Mittel ist den sogenannten Heilsteinen [§. 562 A n m e r k u n g ] ähnlich). Z u m Gebrauch wird 1 Unze (30,0) in 1 P f u n d Wasser aufgelöst, u n d mit der F l ü s s i g k e i t das Geschwür täglich zwei- bis dreimal befeuchtet oder mit angefeuchtetem W e r g verbunden, n a c h d e m vorher alles lose Horn mit dem Messer weggenommen ist. D a s Mittel bewirkt ein schnelles T r o c k e n werden der Geschwüre. Ausserdem hat sich der Eisenvitriol in gleicher Auflösung zur Desinfection bei Contagien und bei faulenden stinkenden Substanzen wenigstens als ein desodorisirendes Mittel sehr wirksam gezeigt. ( P r e i s : Ferrum sulphuric. crud. 3 0 G r m . 4 P f g . ; 1 ; 2 P f u n d 1 Sgr. 6 P f g - ; grob pulverisirt 3 0 , 0 8 P f g . ; 1 / 2 P f u n d 3 Sgr. — in Droguerien 1 Centner 2 T h l r . 10 Sgr.)
S) Die Eiseiichluridflüsslgkelt, der anderthalbfache Chlorelseii-Llquor, Ferrum sesqnic/dorc.tum
solutum,
Liquor oxydati,
Ferri Liquor
sesquichlorati, Chloreti
Liquor
Ferri
muriatici
fcrrici.
§. 557. Dieses flüssige Salz wird pharmaceutisch bereitet, indem man reines E i s e n (Eiseridraht) in warmer Chlorwasserstoffsäure auflöst, die Auflösung filtrirt, sie mit der doppelten Menge destillirten Wassers v e r d ü n n t u n d hierauf Chlorgas so lange in sie leitet, bis das Eisenchlorür in Eisenchlorid vollständig v e r w a n d e l t ist. Man e r k e n n t dieses daran, dass eine Probe der Flüssigkeit eine Lösung von ü b e r m a n g a n s a u r e m K a l i nicht mehr entfärbt. — D a s P r ä p a r a t ist eine saffrangelb - b r a u n e , k l a r e , etwas dicklich-fliessende 1 B e i der L u n g e n s e u c h e muss das Mittel s t e t s im G r o s s e n aus F a b r i k e n oder D r o g u e r i e - H a n d l u n g e n g e k a u f t w e r d e n , weil es l a n g e und viel g e b r a u c h t wird. In e i n e m F a l l e s i n d ?.. B. für 83 Stück R i n d v i e h b i n n e n 3 M o n a t e n 5 Centner v e r w e n d e t w o r d e n .
HF.RTWIO. A r z n e i m i t t e l l e h r e .
5. A u f l a g e
3L
530
Metallische Arzneimittel.
Feuchtigkeit von stark adstringirendem Geschmack, schwach nach Chlor riechend, sauer reagirend. Sie hat zu den gerinnbaren B e s t a n d t e i l e n der thierischen Substanzen eine grosse chemische Verwandtschaft und bildet mit denselben meist unlösliche Verbindungen, coagulirt daher das Blut und wirkt theils hierdurch, theils durch Zusammenschrumpfung der Gefässe und anderer Theile blutstillend. I m concentrirten Zustande wirkt es auch stark ätzend (weit mehr als der Eisenvitriol, aber weniger als die concentrirten Säuren"; im verdünnten Zustande äussert es, j e nach dem Grade der Verdünnung, nur adstringirende und reizende "Wirkungen, vergleichungsweise auch stärker als der Eisenvitriol und als das Tannin. Man hält es daher für das stärkste Adstringens, und in Beziehung auf Blutungen für das wirksamste Stypticum. Ausserdem führt es bei innerlicher Anwendung die specifisclien "Wirkungen der Eisenmittel herbei. Die Eisenchloridflüssigkeit ist innerlich bisher sehr wenig angewendet worden. Ich habe sie bei Typhus, bei Anthrax, bei dem asthenischen Blutharnen, bei atonischen Blutungen aus der Gebärmutter nach dem Gebären (in Fällen wo Mutterkorn nichts leistete), und bei allgemeiner Schwäche nach überstandenen Krankheiten, mit ganz entschiedenem Nutzen angewendet. Das Mittel ist bei Menschen auch gegen Lungenblutungen empfohlen wurden, ich halte es aber hierbei für sehr bedenklich wegen seiner tonischen und reizenden Wirkungen auf das Herz und die Arterien. Die Gabe ist für Pferde und Rinder 2 — 4 Grm., für Schafe, Z i e l e n und Schweine 1 / ä bis 1 Grm., für H u n d e 6 bis 24 Centigrm., täglich 2 bis 3 mal, stets mit der 1 0 0 - lüOfachen Menge Flüssigkeit verdünnt oder durch andere Mittel vertheilt in Latwergen oder in Pillen. Die Flüssigkeit kann Wasser oder Schleim sein (bei Reizzustand;, oder ein bitteres Decoct. Aeusserlich wendet mau das Mittel entweder unverdünnt an zum Aufstreichen auf "Warzen, Polypen, Strahlkrebs und dergleichen Wucherungen, oder verdünnt mit 10—'20 Theileu Wassers bei unreinen, schlaffen Geschwüren mit üppiger Granulation, oder mit 30—50 Theilen Wassers bei Blütlingen. Bei den letzteren muss das Mittel in einem Tampon soviel wie möglich an die verletzte Gefässstelle selbst gebracht und n ö t i g e n f a l l s mehrmals wiederholt werden. (Preis: 30 Grm. 2 Sgr. 4 Pfg.) A n m e r k u n g 1. D e m Ferrum stsquichloratum solutum h ö c h s t ä h n l i c h i s t d a s k r y s t a l l i s i r t e E i s c 11 c h 1 o r i d ( F e r r u m sc squ ¿chloratum crystallisatum, Ferrum muriaticum o.cydatum), w e l c h e s e b e n f a l l s d u r c h A u f l ö s e n d e s E i s e n s in Ö l s ä u r e , u n d d a n n U c b e r s ä t t i g e n d e r A u f l ö s u n g m i t S a l z - u n d S a l p e t e i s ä u r e u. s w in g e l b e n , s t r a h l t e n K r y s t a l l massen gewonnen wird. D i e K r y s t a l l e l ö s e n s i c h in W a s s e r , W e i n g e i s t u n d A e t h e r l e i c h t auf, sie s i n d h y g r o s c o p i s c h , an der L u f t z e r f l i e s s e n d u n d sie r e a g i r e n s a u e r ; ihr G e s c h m a c k ist sehr h e r b z u s a m m e n z i e h e n d . Das krystallisirte S a h und seine concentrirten L ö s u n g e n (1 zu 2 — 1 0 Theilen W a s s e r ) w i r k e n a t z e n d ; von den d ü n n e r e n L o s u n g e n gilt Alles wie v o n d e m Liquor ferri sesquicklorati. A n m e r k u n g 2. Das s a l z s a u r e E i s e n o x y d u l , Eisenchlorür, Eisenh y p e r c h l o r ü r (Ferrum muriaticum oxydulatum, Jfurias Fcrri cum aqua, Chloretum FcrriJ w i r k t ä h n l i c h d e m E i s e n v i t r i o l , v o n i h m i s t d i e A u f l ö s u n g o f f i c i n e l l a l s Ferr. chlorat. solvt. E n t b e h r l i c h . D e r E i s e n s a l m i a k , d a s s&l z s a u r e E i s e n o x y d - A m m o n i a k (Ammonium muriaticum ferratum $. martiatumj; — das e i s e n o x y d h a l t i g e weinsteinsaure Kali, d e r E i s e n w e i n s t e i n (Kali tartaricum ferratum, Tartams martiatusj u n d — die f a s t g a n z gleichartigen E i s e n w e i n s t e i n k u g e l n oder Stahlkugeln (Globuli martüdeSy s. martiati, s. Glob. Tartari feirati, Ferrohali tartaricumj sind s ä m m t l i c h in i h r e n W i r k u n g e n b e i d e n v e r s c h i e d e n e n H a u s t h i e r e n n o c h n i c h t g e n ü g e n d e r k a n n t .
Eisenchlorid, Schwefelsaures Kupfer.
531
Sie w i r k e n s c h w ä c h e r a d s t r i n g i r e n d a l s d e r E i s e n v i t r i o l , im A l l g e m e i n e n a b e r d i e s e m Mittel ä h n l i c h , d u r c h w e l c h e s sie auch m e h r e n t h e i l s in iler t h i e r ä r z t l i c h e n P r a x i s e r s e t z t w e r d e n . K r a u s e g a b die S t a h l k u g e l n hei einem PtViide gegen W ü r m e r m i t s e h r g u t e m E r f o l g ( M a g a z i n f ü r T h i e r h e i l k u n d e von G u r l t u n d l l e r t w i g . 1839. S. 2 0 8 ) . u n d ich h a b e d i e s e s s e h r m i l d e Mittel g e g e n Sirout er in E n g l a n d s c h o n s e h r l a n g e b e k a n n t 1 , und gegen das K l a u e n w e h der Merinos r ü h m e n ihn T l i a e r - ' , G i e s k e r 3 u. A . a l s das v o r z ü g l i c h s t e M i t t e l ; a b e r P i c t e t 4 u. A . h a b e n i h n hierbei ohne E r f o l g gebraucht. Bei d e r g r o s s e n V e r b r e i t u n g dieses Ue.bels h a b e ich oft G e l e g e n h e i t g e h a b t , d e n b l a u e n V i t r i o l d a b e i z u v e r s u c h e n . Er t r o c k n e t e j e d e r z e i t die K l a u e n g e s c h w ü r e s e h r schnell aus, m a c h t e e i n e t r o c k e n e h a r t e K r u s t e a u f i h n e n , b e f ö r d e r t e die W i e d e r b i l d u n g d e r h o r n i g e n T h e i l e , u n d o f t aucli die g r ü n d l i c h e H e i l u n g in k u r z e r Zeit. Bei einzelnen T h i e r e n w a r a b e r d u r c h j e n e schnell e n t s t a n d e n e K r u s t e d a s G e s c h w ü r n u r o b e r f l ä c h lich u n d s c h e i n b a r geheilt, u n d es b r a c h b a l d f r ü h e r , b a l d s p ä t e r w i e d e r a u f , b e s o n d e r s w e n n m a u d i e E n t f e r n u n g d e r K r u s t e u n d d a s A b s c h n e i d e n alles h o h l e n H o r n s n i c h t r e c h t fleissig b e w i r k t h a t t e . D i e s e m a n u e l l e B e h a n d l u n g , u n d v o r z ü g l i c h d i e g r ü n d l i c h e A n w e n d u n g des Messers, ist bei d e m G e b r a u c h e des b l a u e n V i t r i o l s w e s e n t l i c h n ö t h i g . D i e A n w e n d u n g des M i t t e l s g e s c h i e h t bei d e n b e z e i c h n e t e n Z u s t ä n d e n m e h r e n t h e i l s als P u l v e r , w e l c h e s m a n f ü r sich allein, o d e r n a c h E r f o r d e r n des Z u s t a n d e s m i t a n d e r e n p a s s e n d e n M i t t e l n e i n s t r e u t ; bei d e m K l a u e n w e h ist a b e r die A n w e n d u n g in e i n e r c o n c e n t r i r t e n A u f l ö s u n g ( 1 T h e i l V i t r i o l i n 4 1 W . E l l i s , v o n d e r engl. S c h a f z u c h t : — in S e h r e b e r ' s S a m m l u n g v e r s c h i e d e n e r S c h r i f t e n , w e l c h e in die Ökonom., poliz. u n d c a m e r a l . W i s s e n s c h a f t e n e i n s c h l a g e n . 14. Till. S. 275 u. f. 2 M ö g l i n ' s c h e A u n a l e n . B d . 8. S. 262. 3 U e b e r die b ö s a r t i g e K l a u e n s e u c h e d e r Schafe. B r a u n s c h w e i g 1822. 4 Amin!, du l ' a g r i c u l t . franc;,. T o m e 28. p. 200.
Schwefelsaures Kupfer.
535
bis fi T h e i l e n W a s s e r oder Essig) vorzüglicher, weil sie besser in alle Vertiefungen der K l a u e n g e s c h w ü r e , besonders in den K l a u e n s p a l t eindringt. — Manche haben eine A b k o c h u n g von blauem Vitriol, Eisenvitriol und A l a u n ä 3 Theile, G r ü n s p a n 2 Theile u n d Essig 9 T h e i l e als das wirksamste Mittel zum V e r b i n d e n der K l a u e n g e s c h w ü r e g e f u n d e n , — u n d S t o e r i g empfiehlt f ü r diesen Zweck eine Salbe aus T h e e r 2 Theile, T e r p e n t h i n ö l u n d Salzsäure von j e d e m 1 T h e i l und fein pulverisirtem blauen Vitriol 4 Tlieile zusammengesetzt Die A n w e n d u n g dieser Salbe findet j e d e n z w e i t e n , dritten T a g einmal mit einem Pinsel Statt. 6) Bei v e r h ä r t e t e n , speckartigen Stollbeulen wird der K u p f e r v i t r i o l ebenfalls im concentrirten Z u s t a n d e benutzt, indem man e n t w e d e r ein S t ü c k chen (etwa 1 1 / 2 — 3 Grm.), oder ebenso viel P u l v e r von ihm in e i n e n , bis in die Mitte der Geschwulst g e m a c h t e n Einstich bringt. Die hierauf erfolgende 'Wirkung besteht in allmäliger A b s t e r b u n g der k r a n k h a f t e n Masse, sehr ähnlich wie bei derselben A n w e n d u n g s a r t des Arseniks (S. 507). D a h e r gelten die bei dem letztern in dieser Beziehung gemachten A n g a b e n auch hier fast g a n z : doch habe ich bei flachen, callösen Geschwüren am E l l b o g e n , die von den Stollbeulen zurückgeblieben sind, durch den Vitriol niemals eine so baldige u n d gründliche Absterbung der v e r h ä r t e t e n Theile erfolgen sehen, wie durch deii Arsenik. Uat, Hydrargyrum Hydrargyrum
praeeipitatum
rubrum, Oxydum hydrargyricum,
(oft auch blos „rother I'rädpitat, Praecipüatus
oxydatum
rubrum,
Mtrcurius praeeipitatus
ruber
ruber" genannt).
§. 569. Das
vollkommene
Quecksilberoxyd
durch l a n g e fortgesetztes
(llgO)
gelindes K o c h e n
kann
dargestellt
werden
des Quecksilbers in einer
lang-
halsigen P h i o l e mit recht e n g e r O e f f n u n g , g e w ö h n l i c h aber g e w i n n t man es durch A u f l ö s e n des Quecksilbers in kochender Salpetersäure, A b d a m p f e n bis zur T r o c k e n h e i t ,
Mischung
des Rückstandes mit metallischem
Quecksilber
und G l ü h e n der Masse bis sich nicht mehr rothe D ä m p f e bilden.
Das Prä-
parat erscheint in kleinen hell- oder dunkel-ziegelrothen K r y s t a l l e n , in denen o f t noch e t w a s salpetersaures Quecksilber enthalten ist, und w e s h a l b sie z e r rieben und mit v e r d ü n n t e r A e t z k a l i l a u g e gewaschen ( l ä v i g i r t ) w e r d e n .
Das
lävigirte
Ge-
officinelle O x y d
ist ein sehr feines gelbrothes P u l v e r ohne
ruch und von schwach metallischem, e k e l h a f t e m G e s c h m a c k ; circa y i ' / ü
es besteht aus
I heil Quecksilber und T1 /•> T h e i l Sauerstoff, ist im W a s s e r und
W e i n g e i s t unlöslich, b e w i r k t als trockenes P u l v e r auf der unverletzten H a u t massige .Reizung, z u w e i l e n auch E n t z ü n d u n g , in W u n d e n und G e s c h w ü r e n aber sehr h e f t i g e R e i z u n g , E n t z ü n d u n g , zuerst M i n d e r u n g der
Eitersecretiou
und der G r a n u l a t i o n , oberflächliche A e t z u n g und S c h o r f b i l d u n g , dann aber (nach 3 0 — 4 0 S t u n d e n ) die A b s o n d e r u n g eines gutartigen, recht consistenten Eiters.
D u r c h diese schnell eintretende Umstiimnung des Eiterungsprocesses
zeichnet sich die W i r k u n g des rothen P r ä c i p i t a t s v o r der W i r k u n g fast a l l e r anderen A e t z i n i t t e l (ausgenommen
des H ö l l e n s t e i n s ) aus, da bei ihnen d i e
g u t e E i t e r u n g und das A b l ö s e n des Schorfes immer v i e l später e r f o l g t . —
In
der ätzenden K r a f t ist der P r ä c i p i t a t dem H ö l l e n s t e i n ziemlich gleich, steht aber dem A e t z k a l i , der Spiessglanzbutter, dem Chlorzink, Sublimat, A r s e n i k ,
1 S i n d d e n n o c h bei e i n e m T h i e r e die im v o r i g e n P a r a g r a p h bezeichneten allgemeinen Z u f ä l l e entstanden, so müssen sie d u r c h E i s e n p r ä p a r a t c , S c h w e f e l , v e r d ü n n t e M i n e r a l s ä u r e n , a d s t r i n g i r e n d e und b i t t e r - a r o m a t i s c h e M i t t e l w i e d e r b e s e i t i g t w e r d e n . 2 D a s E i n r e i b e n k a n n m i t der blossen H a n d , ohne Schaden D e s s e n , d e r es thut, u n t e r nommen werden. D e n n o c h ist es z w e c k m ä s s i g , dass P e r s o n e n , die eine z a r t e H a u t h a b e n , b e i dem E i n r e i b e n d i e s e r S a l b e sich die H a n d mit einem Stück L e d e r o d e r m i t B l a s e bekleiden.
HARTWIG. Arzneimittellehre,
ü. Aiifl.'.^o.
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Metallische Arzneimittel.
Kupfervitriol und den concentrirten Säuren weit nach. — Mit Fett oder Honig zur Salbe gemacht wirkt er verhältnissmässig nach der Concentration derselben mehr oder weniger stark reizend, die Resorption, die Zertheilung atonischer, torpider Entzündungen und (an eiternden Flächen) die Eiterung befördernd. — Innerlich angewendet, verursacht er schon in ganz massigen Gaben (bei Hunden zu 12 — 24 Centigrm., bei Pferden zu 1/'ä bis ganze Grm.) heftige Leibschmerzen (bei Hunden auch Erbrechen), in etwas starken Gaben (bei Pferden 4 — 8 Grm.), besonders bei wiederholter Anwendung, aberMagenund Darmentzündung und den Tod. §. 5 7 0 . Die innerliche Anwendung des rothen Präcipitats ist wegen der damit verbundenen Gefahr bei keinem Thiere gebräuchlich, obwohl das Mittel gegen Kotz und Wurm versucht worden ist. Aeusserlich benutzt man aber denselben: 1) Als Aetzmittel, um Wucherungen, Callositäten oder Ansteckungsstoffe in Wunden und Geschwüren zu zerstören, z. B. in Bisswundeu von tollen Hunden, oder bei Feigwarzen, Strahlkrebs, Wurmgeschwüren und dergleichen, oder um die Exfoliation in Knochen-, Knorpelgeschwüren und Fisteln zu befördern. Der Präcipitat wird hier am besten in reinem Zustande, fein pulverisirt, etwas reichlich eingestreut, und nach dem Abgehen des entstandenen Schorfes so oft als nöthig ist wiederholt. Bei Fisteln kann man ihn auch in Form von sogenannten Bougies anwenden, die man bereitet, indem man einen Bindfaden in Gummischleim tränkt, dann mit fein pulverisirtem Präcipitat gleichmässig bestreut, hiernach trocknet und zum Gebrauch aufbewahrt. 2) Als kräftiges Digestivmittel bei torpiden Wunden und Geschwüren, in denen geringe Empfindlichkeit, blasse, schlaffe, schwammige , oder entgegengesetzt, speckartige, harte Granulation und die Absonderung einer dünnen .Jauche besteht, — wie dies zuweilen bei veralteten Kronentritten, bei dergleichen Stralilgeschwüren, bei bösartiger und veralteter Mauke, bei Knochengeschwüren u. s. w. der Fall ist. Die Anwendung des Präcipitats hierbei geschieht entweder: a) rein für sich, als feines Pulver — wenn nämlich die Reizlosigkeit sehr gross, die Absonderung massig ist; — oder b) mit Kohle, Kamillen, Kalmus und dergleichen absorbirenden Mitteln versetzt, ebenfalls als Pulver, — wenn die Reizlosigkeit etwas geringer, die .Jauclieabsonderung aber sehr reichlich ist, und — c) als Salbe, in Verbindung mit 4 — 8 Theilen Fett, Butter, Wachssalbe oder Königssalbe, bei verschiedenen Graden der Torpidität, wenn die Granulation hart und die Absonderung gering ist. 3) Als erregendes Zertheilungsmittel gegen torpide, chronische Augenentzündungen und deren pathologische Folgen, z. B. gegen Verdickungen und Verhärtungen der Augenlider, besonders der M e i b o m ' s e h e n Drüsen, gegen zu reichliche Schleimsecretion aus den letzteren, Verdunkelungen der Hornhaut, Ausschwitzungen im Innern des Auges und dergleichen. Der rothe Präcipitat ist gegen diese Zustände von ausgezeichneter Wirksamkeit, wenn sie wirklich den torpiden Oharacter haben; er ist aber unpassend und schädlich, so lange sie noch mit Trockenheit, mit vermehrter W ä r m e und mit vielem Schmerz begleitet sind. — Die Anwendung geschieht in Salben,
Rothes Quecksilberoxyd, mildes Quecksilberchlorür.
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die bald einfach (z. B. aus l j i —^2 Grm. aufs feinste pulverisirtem Präcipitat und 30 Grm. Fett, ungesalzener Butter oder einfacher Wachssalbe, nach der Preussischen Pharmacopöe aus 1 Thl. rothem Quecksilberoxyd und 49 Thln. Schweinefett, recht exact zusammengemischt, besteht), — bald mit verschiedenen Zusätzen, z. B. von Zinkoxyd, von Kampher oder Opium (von dem erateren 1—2 Grm., von den letzteren beiden — 1 G m . auf 30 Grm. der Salbe) bereitet, und täglich ein- bis zweimal in der Grösse einer Erbse zwischen und auf die Augenlider gestrichen werden. — Wenn die rothe Präcipitatsalbe lange aufbewahrt wird, verliert sie an ihrer Wirksamkeit und wird milder, indem der Präcipitat durch das Fett zum Theil desoxydirt wird. (Preis: das Oxyd: 5 Grm. 1 Sgr. 3 Pfg.) 13) Ittlldes salzsaures Quecksilber, versüsstes Quecksilber, Calomel, Einfach Chlorquecks i l b e r , l U l l d e s Q u e c k s i l b e r c h l o r ü r , Hydrargyrum mite, Mercurius
dtdcie, Oalomelae,
chloratum Chloretum
mite, Hydrargyrum Hydrargyri,
muriaticum
Hg2Cl.
§. 571. Dieses Quecksilbersalz wird gewöhnlich auf dem sogenannten trockenen Wege, durch Sublimation eines exacten Gemenges von 4 Theilen Aetzsublimat mit 3 Theilen lebend. Quecksilber erzeugt, — oft aber auch auf nassem Wege durcli allmäliges Zusammenmengen einer Auflösung von reinem salpetersauren Quecksilberoxydul in 8 Theilen destillirten lieissen Wassers und einer Auflösung von gereinigtem Kochsalz in 32 Theilen heissen destillirten Wassers. Durch doppelte Wahlverwandtschaft bildet sich Calomel, welches als unlöslich niederfällt. Bei der Bereitung auf trockenem Wege entstehen gelblich-weisse krystallinische Stücke, welche beim Zerreiben ein blass-gelbes Pulver geben, vom Sonnenlicht aber schwarz werden; das auf nassem Wege bereitete Calomel bildet ein rein weisses amorphes Pulver. Beide Präparate sollen ausgewaschen werden; beide sind ohne Geruch und ohne Geschmack und bestehen gleichartig in 100 Theilen aus 85 Theilen Quecksilber und 15 Theilen Chlor. Calomel ist im Wasser (selbst im kochenden) und im Weingeist unlöslich, obgleich es durch anhaltendes Kochen langsam in metallisches Quecksilber und in sich auflösenden Sublimat zersetzt wird. Durch reine und kohlensaure Alkalien, Seife, Schwefelpräparate, Blei, Eisen, Kupfer und freie Säuren zersetzt es sich auch. Wegen der Unlöslichkeit verursacht es, wenn es für sich allein auf die trockene, unverletzte Haut gebracht wird, keine wahrnehmbaren Wirkungen; wird es aber mit Fett, Oel oder Honig zur Salbe gemacht, eingerieben, so geht es in die Säfte über und wirkt dann ganz ähnlich, aber weit milder als die graue Merkurialsalbe (§. 566). — Innerlich angewendet, erzeugt es die im §. 565 u. 566 angegebenen wesentlichen Wirkungen der Merkurialmittel sehr vollständig, dieselben sind aber hinsichtlich ihres Grades und ihrer Richtung ziemlich bestimmt von der Grösse der Gaben und von der Wiederholung derselben abhängig. Eine einzelne kleine Gabe (z.B. für Pferde 2—3 Grm., für Rindvieh 1—1 1 / 4 Grm., für Schafe 24—36 Centigrm., für Schweine 36 bis 60 Centigrm. und für Hunde 6—24 Centigrm.) bringt in der Regel keine sichtbaren Veränderungen im Befinden derThiere hervor; werden aber solche Gaben in Zwischenzeiten von 3—4 Stunden und durch einige Tage nach ein35»
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Metallische Arzneimittel.
a n d e r einem g e s u n d e n T h i e r e gereicht, so erscheint zuerst der K o t h etwas trockener, d a n n aber g r ü n l i c h g e f ä r b t , m e h r feucht u n d l o c k e r ; der Urin geht etwas reichlicher a b , d e r Speichel wird m e h r z ä h e u n d ebenfalls reichlicher a b g e s o n d e r t ; der H e r z s c h l a g wird f ü h l b a r e r , der P u l s weicher, die Schleimh a u t der N a s e u n d des Mauls blässer, der A p p e t i t oft g e m i n d e r t ; bei lange fortgesetzter A n w e n d u n g werden die T h i e r e sehr m a t t , u n d zuweilen findet sich auch Diarrhöe, seltner Speichelfluss plötzlich hinzu. Von einer grösseren G a b e (z. B. bei P f e r d e n zu 1 2 , 0 — 1 8 , 0 , bei R i n d e r n zu 4 , 0 — 8 , 0 , bei Schweinen u n d S c h a f e n zu 1 ¡ 2 — 1 G r m . , u n d bei H u n d e n zu 1 8 — 6 0 Centigrm.) entsteht fast immer in etwa 2 4 — 3 6 S t u n d e n (bei H u n d e n oft f r ü h e r , bei S c h a f e n zuweilen erst am dritten T a g e ) L a x i r e n . Dieses erfolgt wie bei den übrigen L a x i r m i t t e l n n a c h der Constitution der T h i e r e , nach A r t der F ü t t e r u n g u. s. w. im verschiedenen G r a d e , so dass oft der K o t h n u r sehr locker, oder breiartig, oft aber auch g a n z d ü n n , selbst wässerig, u n d bei P f e r d e n , R i n d e r n u n d S c h a f e n (auch w e n n sie k e i n G r ü n f u t t e r fressen) e i g e n t ü m l i c h g r a u g r ü n , bei H u n d e n aber d u n k l e r g e f ä r b t , abgeht. Als U r s a c h e dieser F ä r b u n g wird eine reichlichere Gallenabsonderung, oder auch die U m b i l d u n g eines Tlieils des Calomels in Quecksilbersulphür, vermittelst E i n w i r k u n g des Schwefelwasserstoffgases im D a r m k a n a l a n g e n o m m e n ; doch ist beides nicht sicher erwiesen. I n einzelnen, aber seltenen F ä l l e n , entsteht dabei eine geringe Kolik. — W e r d e n in einem T a g e 2 — 4 solcher Gaben, u n d vielleicht durch 2 oder mehrere T a g e nach einander g e g e b e n , so tritt gewöhnlich das L a x i r e n plötzlich mit grosser H e f t i g k e i t ein; die E x c r e m e n t e gehen sehr häufig g a n z flüssig, zuweilen mit Blut g e m e n g t u n d sehr stinkend, durch 3 bis G T a g e a b ; die T h i e r e w e r d e n sehr m a t t , m a g e r , verlieren den Appetit und zeigen die vorhin u n d im §. 5 6 6 a n g e g e b e n e n S y m p t o m e der zu heftigen Queeksilberwirkung im hohen Grade. Zuweilen ist der künstlich erregte D u r c h f a l l selbst durch die k r ä f t i g s t e n Arzneien nicht zu stillen , und die T h i e r e gehen durch ihn an E r s c h ö p f u n g und Faulfieber zu G r u n d e . Diese ü b e r m ä s s i g e W i r k u n g entsteht am ehesten und stärksten bei den W i e d e r k ä u e r n , besonders bei den S c h a f e n (was in der weichen, schlaffen O r g a n i sation derselben b e g r ü n d e t zu sein scheint); weniger leicht erfolgt sie bei P f e r d e n , u n d am wenigsten bei H u n d e n und Schweinen. E s tritt aber bei den letzteren beiden T h i e r g a t t u n g e n nicht selten E r b r e c h e n ein, wodurch das Calomel zum Tlieil wieder entleert wird, ehe es vollständig zur W i r k u n g gelangt. — A u f die Beschaffenheit u n d Mischung der S ä f t e wirkt das Calomel sehr stark u m ä n d e r n d , u n d namentlich sieht man, dass die G e r i n n b a r k e i t u n d die M e n g e des Faserstoffs im Blute oft schon nach einer einzigen etwas starken G a b e , bestimmt aber durch die fortgesetzte A n w e n d u n g des Mittels bedeutend v e r m i n d e r t wird. Die h e f t i g e n W i r k u n g e n scheinen in m a n c h e n F ä l l e n von einer durch die gastrischen Säfte, namentlich die sauren, bewirkten U m ä n d e r u n g des Calomels in Sublimat bedingt zu sein; doch sind hierzu gewiss besondere U m s t ä n d e e r f o r d e r l i c h , da man sonst die h e f t i g e n E r s c h e i n u n g e n häufiger beobachten müsste ( O r f i l a , im Journal de Chimie et de TojcicoU'tjit, 1842, J u l i ) . Bei d e r Section der durch zu reichliche A n w e n d u n g des Calomels getödteten T h i e r e findet m a n in der Regel an P f e r d e n u n d H u n d e n den M a g e n und g a n z e n D a r m k a n a l schlaff, zusammengefallen, den letzteren ohne tiefe Querfalten, die Blutgefässe äusserlich u n d innerlich sehr wenig mit B l u t er-
Mildes Queeksilberchlorür.
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füllt, daher die F ä r b u n g dieser Organe blass oder grau, den Darm mehrentheils ganz leer, zuweilen wie ausgewaschen; entgegengesetzt ist aber auch zuweilen die Sehleimhaut blauroth gefärbt, entzündet, aufgelockert, stellenweise ohne Epithelium, mit Blutextravasaten, oder mit Excoriationen, deren Ränder oft weisslich gefärbt erscheinen, versehen, und zuweilen Infiltrationen zwischen Schleim- und Muskelhaut. Bei Thieren mit einer Gallenblase ist dieselbe voll Galle, die Leber und alle übrigen Organe weich und mürb. An Wiederkäuern fand sich im Wesentlichen derselbe Zustand; zugleich aber zeigten sich fast immer im vierten Magen, zuweilen auch am Zwölffingerdarme und Mastdarme stärker geröthete Stellen von verschiedener Grösse, die mehrentheils als Extravasate, zuweilen aber auch als Entzündung erschienen. §• 5 7 2 .
Das Calomel erscheint hiernach bei vorsichtiger Anwendung in der örtlichen W i r k u n g melirentheils als ein mildes, in der allgemeinen W i r k u n g aber als ein sehr kräftiges Mittel, welches aber zuweilen in den Verdauungseingeweiden auch scharf reizende, corrodirende Eigenschaften annimmt. Dennoch verdient es zur innerlichen Anwendung den Vorzug vor fast allen anderen Quecksilberpräparaten, und es findet der E r f a h r u n g zufolge seine allgemeine Indication gegen alle solche pathologische Zustände, w e l c h e w e s e n t l i c h i n e i n e m zu s e h r e r h ö h t e n V e g e t a t i o n s p r o c e s s e m i t v e r m e h r t e r P l a s t i c i t ä t des Blutes und der ü b r i g e n S ä f t e , — o d e r in g e r i n n b a r e n A u s s c h w i t z u n g e n , o d e r i n S t o c k u n g e n u n d V e r h ä r t u n g e n in d e n G e f ä s s e n u n d d r ü s i g e n O r g a n e n , — bestehen 1 . Man benutzt es daher: l ) Gegen Entzündungskranklieiten, und zwar vorzüglich gegen solche, die «.einen sogenannten vegetativen, plastischen oder lymphatischen Character besitzen, wo keine vorherrschende active Aufregung der Arterien- und Ilerztliätigkeit, sondern mehr Neigung zu plastischen und serösen Ausscliwitzungen und zu Verhärtungen besteht, oder wo an den absondernden Flächen die secernirten Flüssigkeiten zähe und sehr gerinnbar werden; — daher namentlich bei rheumatischen und katarrhalischen Entzündungen, bei dem acuten Kheumatismus und dergl. b. Gegen solche, die mit gastrischen oder nervösen Complicationen innig verbunden sind, wie z. B. die sogenannten galligen, die erethischen, die typhösen und die Antlirax-Entzündungeii; und c. Gegen chronische, sogenannte schleichende Entzündungen. Bei wahren liypersthenischen Entzündungen, besonders in sehr gefässreichen Organen, ist das Calomel nicht passend; wenn aber, nachdem die arterielle active Aufregung durch Blutentzieliungen und Salpeter beseitigt ist, die übrigen Entzündungszufälle noch fortbestehen, so kann das Calomel auch bei ursprünglich ganz liypersthenischen Entzündungen eine sehr nützliche Anwendung finden. 1 D i e W i r k u n g g e g e n diese Z u s t a n d e s e h e i n t , w e n i g s t e n s von g r ö s s e r e n G a b e n , u n d w e n n P u r g i r e n erfolgt, z u m T h e i l von d e r A u s s c h e i d u n g vieler G a l l e u n d vieler D a r m s ä f t e , z u m Theil a b e r auch v o n d e r ö r t l i c h e n R e i z u n g der D a r m s c h l e i m h a u t und von seiner epecifischen W i r k u n g als M e r k u r i a l m i t t e l a b h ä n g i g zu sein.
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Metallische Arzneimittel.
E s ist zwar auch bei Entzündungsfiebern mit dem besten E r f o l g e angewendet worden, zeigt aber seine heilsamen W i r k u n g e n am meisten bei d e a Entzündungen einzelner Gebilde, vorzüglich der serösen und fibrösen H ä u t e und der drüsigen O r g a n e , und es hat sich bei Entzündungen des Gehirns, der Gehirnhäute (daher auch bei dem rasenden K o l l e r ) , bei Augenentzündungen mit heftiger Ausschwitzung in den A u g e n k a m m e r n (daher bei der sogenannten Mondblindheit), bei B r ä u n e , bei Bippenfell- und Lungenentzündungen, bei Leberentzündung, Bauchfellentzündung, Darmentzündung, bei eingeklemmten Brüchen, bei E n t z ü n d u n g e n der Hoden, des E u t e r s , der V e n e n , der Beinhaut u. s. w. in unzähligen F ä l l e n bewährt. — B e i der typhösen L u n g e n - und Leberentziindung (Influenza) habe ich das Calomel, wenn es zur rechten Zeit und mit der nöthigen Vorsicht angewendet wurde, als das vorzüglichste innerliche Heilmittel kennen gelernt. — D a g e g e n hat es in der sogenannten Lungenseuche des Rindviehes, meinen Beobachtungen zufolge (bei wenigstens 2 0 0 R i n d e r n ) , sich bei weitem nicht so heilsam gezeigt, wie D r . M u h r b e c k dies gesehen, und wie man es bei der e i g e n t ü m lichen R i c h t u n g des Mittels gegen die abnorme Plasticität erwarten könnte. A u c h bei der Rinderpest, gegen welche (als eine typhöse E n t z ü n d u n g ) es von E i n i g e n mit scheinbar gutem E r f o l g e versucht worden ist, hat es sich nicht bewährt. 2 ) Gegen solche L e b e r l e i d e n , bei denen die L e b e r sich in einem Zustande von Reizung befindet, und in F o l g e dessen die Gallensecretion reichlicher als die freie E x c r e t i o n derselben Statt findet, so dass die biliösen Stoffe resorbirt werden und sich im Blute anhäufen, wodurch fehlerhafte Verdauung, G e l b s u c h t , gastrisch-biliöse F i e b e r u. s. w. entstehen. — D a s Calomel ist auch bei solchen Leberkrankheiten nützlich, wo die L e b e r selbst an V e r grösserung, an Verhärtungen, Stockungen u. s. w. leidet. 3 ) Gegen die. E r z e u g u n g und Ansammlung von zähem Schleim im D a r m kanal, gegen Stockungen in demselben und gegen Hartleibigkeit aus zu geringer Absonderung, so wie gegen die aus diesen Zuständen hervorgehenden verschiedenen Krankheitsformen, z. B . Verstopfungskolik, Congestionen zum K o p f e , sogenannten Magenkoller und dergl. 4) Gegen Eingeweidewürmer im Darmkanale ist das Calomel ein sehr kräftiges Mittel, indem es theils durch eine specifische K r a f t des Quecksilbers gegen das L e b e n dieser Schmarotzerthiere, theils aber auch als ausführendes Mittel wirkt. Ob es gegen diejenigen W ü r m e r , die ausserhalb des D a r m kanals ihren Sitz haben, z. B . gegen die L e b e r e g e l , gegen die F i n n e n , die Blasenwürmer im Gehirn der S c h a f e und dergleichen etwas leistet, — ist noch nicht durch die E r f a h r u n g bewiesen. I c h habe es gegen die Drehkrankheit der S c h a f e in j e d e m Stadium derselben vergebens angewendet. 5) Gegen K o l i k e n , welche unter den vorgenannten ( 1 — 4 ) Umständen auftreten, und zwar immer um so mehr, j e mehr die Zufälle auf eine entzündliche R e i z u n g der Gedärme oder der L e b e r deuten. 6) Gegen Verhärtungen, hauptsächlich in drüsigen Organen. D a s Calomel hat hier oft noch Auflösung oder wenigstens Minderung b e w i r k t , besonders wenn die Verhärtungen noch nicht zu sehr a l t , oder wenn sie das Product von Entzündungen waren. 7) Gegen Wassersuchten und örtliche seröse E r g i e s s u n g e n , z. B . in den Hirnhöhlen bei dem Dummkoller der Pferde. D a s Calomel ist durch seine,
Mildes Quecksilberchlorür.
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die Resorption so kräftig befördernde Wirkung bei diesen Krankheiten ein vorzügliches Heilmittel, wenn sie durch Entzündungen, durch Unterdrückung der normalen oder gewohnten Absonderungen, oder durch Verstopfungen in der Leber, Milz, in den Gekrösdrüsen u. s. w. entstanden, und nicht mit einem hohen Grade von Atonie oder mit Cachexie verbunden sind. — Ist aber letzteres der Fall, so ist das Mittel schädlich. 8) Gegen dyskrasische Krankheiten, besonders solche, die mit einem abnormen Zustande der Lymphdrüsen, der Lymphgefasse wesentlich verbunden sind, wie Rotz und Wurm der Pferde, veraltete Flechten, bösartige Mauke mit schmerzhafter Geschwulst und dergleichen. Ich habe von dem Calomel bei diesen Krankheiten, mit Ausnahme des Rotzes, sehr oft die besten Erfolge gesehen; bei dem Rotz bewirkte es aber niemals Besserung, sondern häufig Verschlimmerung und schnellen Uebergang in faulige Cachexie. Bei dem Wurm war die Wirkung in einigen Fällen ebenso ungünstig, in mehreren anderen aber recht günstig, — ohne dass ein bedeutender symptomatischer oder gradueller Unterschied zwischen diesen Fällen bestand. 9) Auch gegen einige Nervenkrankheiten, namentlich gegen Starrkrampf und gegen die in der neuern Zeit häufiger als sonst vorgekommene Füllenlähmung ist es als Heilmittel, und gegen die Wuthkrankheit als ein prophylaktisches Mittel in mehreren Fällen mit anscheinend (!) gutem Erfolge angewendet worden. Aeusserlich wird das Calomel zuweilen gegen schmerzhafte Flechten, hauptsächlich aber gegen Augenentzündungen, die mit Ausschwitzung von Blut oder plastischer Lymphe im Innern des Auges oder an der durchsichtigen Hornhaut verbunden sind, besonders gegen die sogenannte Mondblindheit und deren Folgen, angewendet, und ich kann es hierbei als ein höchst wirksames Mittel rühmen. Allgemeine Gegenanzeigen gegen die innerliche Anwendung des Calomels sind: ein hoher Grad von torpider Asthenie, von Cachexie, Blutmangel, Wässerigkeit des Blutes, Neigung zu fauliger Auflösung der Säfte, sehr scliwachender Durchfall. §. 573. Die Gabe ist für Pferde 20 Gran bis höchstens 2 Drachmen ( H / 4 bis 8 Grm.), für Rinder 20 Gran bis 1 1 / 2 Drachme ( t 1 / 4 — 6 Grm.), für Schafe und Ziegen 4,8—12 Gran (25—70 Centigrm.), für Schweine '/ 2 Scrupel bis 1 Drachme (60 Centigrm. bis 4 Grm.), für Hunde 3 Gran bis 1 Scrupel (18 Centigrm. bis l 1 /^ Grm.). Die grösseren und mittleren von diesen Gaben finden ihre Anwendung da, wo man Laxiren erregen will, um entweder den D a n n k a n a l selbst von Schleim, Galle, Würmern oder verhärteten Kothballen zu entleeren, oder um eine Ableitung von heftig entzündeten Organen zu bewirken. Jüan giebt sie für den ersteren Zweck täglich nur ein- bis zweimal, in Zwischenzeiten von 8 — 12 Stunden, — bei heftigen Entzündungen aber täglich drei- bis viermal, in Zwischenzeiten von etwa 3—6 Stunden, — so lange, bis entweder der Krankheitscharacter geändert ist, oder bis e i n k l u c k e r n d e s G e r ä u s c h in d e n G e d ä r m e n (Poltern im Leibe), oder auch selbst schon w e i c h e r e s M i s t e n e i n t r i t t . Letzteres verbietet in jedem Falle den Fortgebrauch des Mittels, weil sonst der im §. 571 bezeichnete Durchfall mit seinen üblen Folgen sehr leicht entsteht. Dies gilt be-
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Metallische Arzneimittel.
sonders bei den Wiederkäuern, und hauptsächlich bei Schafen, bei denen man daher mit dem Calomel höchst vorsichtig sein muss, und namentlich ö) die mittleren Gaben nur nach den bezeichneten grössten Zwischenzeiten •wiederholen, — und b) die Anwendung niemals länger als durch l ' / 2 bis 2 Tage fortsetzen d a r f 1 . Die Vorsicht gebietet, dass man beiThieren, denen Calomel gereicht worden ist, öfters am Leibe horcht, um das oben erwähnte Geräusch zeitig in demselben wahrnehmen zu können. In den vorgeschriebenen kleineren Gaben wird das Calomel täglich zwei- bis dreimal angewendet: bei chronischen Krankheiten und wo der Zweck ist, Verhärtungen und Stockungen aufzulösen, die Secretionen in den drüsigen Organen, die Thätigkeit der Lymphgefasse und die Resorption zu befördern, oder eine bessere Beschaffenheit der Dyskrasien zu bewirken. Man giebt das Calomel für sich allein, d. h. blos mit einem schicklichen Vehikel, z.B. mit schleimigen Mitteln oder mit Siissholzwurzel versetzt, wenn bei Entzündungen der vegetative und lymphatische Character rein besteht; ist aber die Irritabilität dabei gleichzeitig stark aufgeregt, so verbindet man es mit Glaubersalz oder Doppelsalz, selten mit Salpeter; — dagegen bei geringer Energie der Blutgefässe, bei typhösen Entzündungen und bei Schwäche der Verdauungseingeweide ist die Verbindung mit bitteren und aromatischen Mitteln, — bei hohen Graden des Uebels selbst mit Kampher und Terpentlrinöl in kleinen Gaben nützlich. W e n n das Fieber bei Entzündungen einen hohen Grad erreicht, wenn Ausschwitzungen entstehen, und ebenso bei wirklichen Wassersuchten hat sich die Verbindung mit Digitalis, oder Tabac-k, oder Bilsenkraut, sehr wirksam gezeigt. —• Bei gastrischen Zuständen giebt man das Calomel mit bitteren oder aromatischen Mitteln, oder wenn man dabei Laxiren erzeugen will, am besten mit der Aloe; ebenso, oder auch in Verbindung mit Ofenruss, mit stinkendem Thieröl und dergleichen giebt man es gegen Würmer, — mit bitteren, aromatischen Mitteln, mit Schierling, Ofenruss und dergleichen bei Dyskrasien. Mit Salmiak und anderen salzsauren Salzen versetzt man Calomel nicht g e r n , weil sich hierbei nach M i a l l i e , O r f i l a u. A. das Calomel leichter als sonst in Aetzsublimat umwandeln, soll ä , — was jedoch nach unsern Versuchen nur unter besondern Umstän den zu erfolgen scheint, namentlich in sehr grosser W ä r m e und wenn man den Salmiak in unverhältnissmässiger Menge (etwa 20 Theile zu 1 Titeil Calomel) mengt. Die schicklichste Form zur innern Anwendung des Calomels ist, seiner Unlöslichkeit wegen, die Pillen- und Latwergenform; doch habe ich es auch zuweilen in einer dicklichen schleimigen Flüssigkeit (die aber bei dem Eingeben gut umgeschüttelt werden muss) gegeben und hierauf eine schnellere W i r k u n g als nach der Anwendung in Pillen erfolgen sehen. Aeusserlich, bei den oben bezeichneten Augenkrankheiten, wurde es ehemals als Pulver in die Augen geblasen; am besten benutzt man es aber in Form eines dünnen Liniments, welches, je nach dem Grade des Uebels, aus 4 Grm. Calomel und 8 — 1 5 Grm. frischen Baumöls (oder Mohnöls und 1 E s ist unbegreiflich, wie französische Thierärzte (z. B. V a t e l , E l e m e n s , T o m e II. pnrt. 2. pag. 7 3 2 , und M o i r o u d , Mat. med. pag. 385) das Calomel für Rinder in der Gabe von l 1 /^ bis 2 Unzen vorschreiben k ö n n e n , ohne die hieraus entstehende Gefahr anzudeuten. 1 Journal de Cbiinie etc. a. a. 0 .
Mildes Quecksilberchlorid, ätzendes Quecksilberchlorid.
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dergleichen) durch Zusammenreiben bereitet, und täglich zwei- bis dreimal mit einem Federbart reichlich auf die Hornhaut gestrichen wird. B e i grosser Empfindlichkeit des Auges und besonders bei der periodischen Augenentzündung ist der Zusatz von ] / 2 — 1 Grm. B e l l a d o n n a e x t r a c t , oder bei geringerer Empfindlichkeit der Zusatz von ebenso viel fein pulverisirtem Opium sehr nützlich. — Gegen F l e c h t e n wird es entweder als S a l b e (1 T h e i l C a l o m e l mit 4 — 6 Theilen F e t t oder Butter zusammengerieben) oder in einer (zwar nicht chemisch richtigen, aber wegen ihrer milden W i r k u n g oft sehr passenden) Mischung mit Kalkwasser (auf 1 0 — 1 2 T h e i l e des letzteren 1 T h e i l Calomel) zum Waschen und Verbinden, als sogenanntes s c h w a r z e s oder m i l d e s p h a g e d ä n i s c h e s W a s s e r (Aqua phagadaenica nigra s. mitis) benutzt. (5 Grm. 1 Sgr. 2 P f g . ) 1 4 ) A e t z c n d e s s a l z s a u r e s Q u e c k s i l b e r , ätzender Q u e c k s l l b e r s u b l i u i a t , Aetzsubliiuat, DoppeltC h l o r q u e c k s i l b c r , (Quecksilberchlorid, Ilydrargyrum bichloratum, s. II. perchlwatum, s. II. muriaticum corrosivum, Mercurius sublimatus corroaivus, Bichloretum Ilydrargyri. §• 5 7 4 . Das ätzende Quecksilberchlorid (HgCl) wird meistens in chemischen F a b r i k e n nach verschiedenen Vorschriften, z. B . aus einem G e m e n g e von gleichen T h e i l e n schwefelsaurem Quecksilberoxyd und Kochsalz durch Sublimation, — oder durch Kochen von Calomel in Salzsäure, — oder durch Auflösen von Quecksilberoxyd in Salzsäure, Abdampfen und Krystallisiren u. s. w. gewonnen. K s besteht aus 1 Atom Quecksilber und 2 Atomen Chlor, oder in 1 0 0 T h e i l e n aus 7 4 , 0 9 Quecksilber und 2 5 , 9 1 Chlor; es ist also in der A r t seiner B e s t a n d t e i l e übereinstimmend mit dem Calomel, es unterscheidet sich aber von diesem dadurch, dass es die doppelte Menge Chlor enthält. l ) c r ¡Sublimat erscheint in weissen, durchscheinenden, krystallinischen, lockern S a l z m a s s e n , w e l c h e , wenn er durch schnelle Sublimation bereitet ist, aus Rectangular-Octaedern, — aber nach der Bereitung - auf nassem W e g e aus vierseitigen rhombischen Prismen bestellen und zerrieben ein völlig weisses P u l v e r geben. E r löst sich in IG Theilen kalten und in 3 T h e i l e n kochenden W a s s e r s , in 2 1 / 2 Theilen kalten und 1 1 / 2 Theil kochenden Weingeistes, so wie in 3 T h e i l e n Aethers vollständig auf. Die wässerige Auflösung reagirt sauer; sie wird durch Sonnenlicht zersetzt, Calomel fällt nieder und freie Salzsäure bleibt in der Flüssigkeit. Der Sublimat wird auch durch ätzende A l k a l i e n , durch K a l k - und Barytwasser und durch Magnesia, durch organische Substanzen, namentlich durch Eiweiss, G u m m i , Z u c k e r , brauneu S y r u p (nicht so durch weissen), E x t r a c t e , Opium, Mehl, Kleber, L e i m , Osmazoni, Oele, Fette, Harze u. s. w. zersetzt, indem diese Substanzen sich in verschiedenen Verhältnissen mit dem Chlor des Sublimats verbinden und das Quecksilber mehr oder weniger zu Chlorür (Calomel) reduciren. Diese Zersetzungen erfolgen von manchen Substanzen sogleich vollständig, von anderen erst nach und nach. I m lebenden Thierkörper verhält sich der Sublimat ebenso; überall verbindet er sich mit der organischen Substanz schnell und macht an wunden S t e l l e n und an den Schleimhäuten zuerst einen weisslichen U e b e r z u g , der aus Calomel und chemisch veränderter organischer Substanz besteht, und
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dann bewirkt er Zusammenschrumpfung der T h e i l e ; wirkt er aber im concentrirten Zustande ein, so macht er sogleich Anätzung, wobei die betroffene Substanz weissgrau, miirb und weich wird, dann aber ebenfalls zusammenschrumpft und zu einem schwärzlichen Schorf vertrocknet. Ein Theil des Mittels wird resorbirt und bringt in den Säften u. s. w. ähnliche Wirkungen hervor wie die übrigen Merkurialmittel. Demnach ist der Unterschied in der örtlichen Wirksamkeit zwischen dem Calomel und dem Sublimat sehr gross; denn der letztere erzeugt an allen organischen Gebilden, auf welche er im concentrirten Zustande einwirkt, Entzündung, Aetzung und Zerstörung, hierdurch die heftigsten Zufälle und sehr leicht den Tod. Diese Wirkungen scheinen bei innerlicher Anwendung heftiger an fleischfressenden Thieren als an pflanzenfressenden Thieren zu sein, — was wahrscheinlich durch die bei beiden Arten verschiedene Beschaffenheit der Nahrungsstoffe und der Säfte im Darmkanal bedingt wird. Hunde starben von 2 4 — 3 6 Centigrm. des Mittels, nachdem sie sehr heftiges, blutiges Erbrechen, blutige Diarrhöe und zuletzt Lähmung gezeigt hatten, in 7 , 1 2 — 3 0 Stunden. — Pferde zeigten nach der durch 6 — 8 Tage täglich einmal wiederholten Anwendung einer aus 2t)—30 Gran (circa 1 1 I 4 — 2 Grm.) Sublimat und 90 Grm. Altheewurzelpulver bestehenden Pille keine sichtbare Veränderung in ihrem Befinden, und mehrere Pferde ertrugen durch 8 Tage anhaltend täglich 2 solche Gaben, ohne dass eine sichtbare "Wirkung erfolgte. Bei anderen minderte sich aber, wenn sie in steigender Gabe täglich l J / 4 — 4 Grm. Sublimat in einer Mehlpille erhielten, nach 4 — 6 Tagen der Appetit, und bei noch längerem Fortgebrauch trat mit etwa 8 — 1 0 Tagen fast immer sehr vermehrtes Uriniren ein. Diese Zufalle minderten und verloren sich bald wieder, wenn man das Mittel durch 1 — 3 T a g e aussetzte, und sie entstanden zuweilen erst nach 3 bis 4 Wochen, wenn man dasselbe gleich vom Anfange an nur jeden zweiten T a g in der Gabe von 1 1 / 4 — 2 Grm. angewendet hatte. Wurde aber der Sublimat den Pferden täglich, von l ' / 4 bis zu 8 Grm. steigend, durch 12 bis 16 T a g e (im Ganzen zu 4 0 — 6 0 Grammen) gegeben, so erfolgte ausser der Appetitlosigkeit und dem starken Uriniren auch heftiger, zuletzt blutiger Durchfall, grosse Schwäche, Fieber mit fauligem Character und der Tod. Zuweilen waren in der letzten Zeit auch Symptome von Darmentzündung, Schmerzen und Krämpfe zugegen. E i n e einzelne Gabe von 4 Grm. verursachte blos Vermehrung der Pulse um 4 — 6 in 1 Minute, Koliksclnnerzen und stärkere llöthung der Schleimhaut. Nach 2 — 4 Stunden waren diese Zufälle wieder vorüber. Aber von 15 Grm. Sublimat in 3 Pfund Wasser gelöst, entstand sogleich heftiger Kolikschmerz, Recken, starkes Speicheln und in 12 Stunden der Tod ( l l y s z , Arzneimittellehre, S. 147). P e r c i v a l l stieg bei einem Pferde von 10 Gran (60 Centigrm.) des Mittels allmälig bis zur Gabe von 5 Drachmen (20 Gramme), wonach es während 4 Tagen schlechter frass und Fieber zeigte. Als er hierauf 6 Drachmen (24 Grm.) gab (so dass im Ganzen 4 Unzen und 12 Gran [ 1 2 ü 3 / 4 Grm.] verbraucht waren), trat Darmentzündung ein, an welcher das Thier starb. E r hatte das Mittel im Trinkwasser gereicht, zu dessen Genuss das Thier durch Durst gezwungen wurde. — Wenn der Sublimat in flüssiger Form eingegeben wurde, oder wenn bei dem Eingeben in Pillen diese nicht sogleich ganz verschluckt, sondern im Maule behalten und gekaut wurden, so entstand jedesmal, selbst nach kleinen Gaben, heftige Reizung, Entzündung und Anätzung der Zunge
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u n d anderer T h e i l e im M a u l e , starkes Speicheln u n d V e r m i n d e r u n g des Futtergenusses. Auf a n d e r e W e i s e und als E r s c h e i n u n g der allgemeinen W i r k u n g sah ich vom Sublimat bei P f e r d e n niemals Speichelfluss entstehen. — A e h n l i c h , jedoch etwas s t ä r k e r , ist die W i r k s a m k e i t des Mittels beim Rindvieh. 18 G r a n (ca. 1>/ 10 Grm.) Sublimat in 2 U n z e n (60 G r m . ) Mehlteig gehüllt, einer K u h eingegeben, erregte blos vorübergehend etwas verm e h r t e W ä r m e ( G i l b e r t , Annal. de Vagric.fr. T o m e 3. p. 3 4 3 ) . — I c h sah bei einer ganz gesunden K u h nach dem E i n g e b e n von 4 Grm. Sublimat in 6 U n z e n destillirten Wassers gelöst, Husten, öfteres Rülpsen, etwas Geifern aus dem Maule u n d V e r m i n d e r u n g des Appetits entstehen; aber das W i e d e r k ä u e n schien ungestört fortzubestehen, und am folgenden T a g e waren auch die übrigen Z u f ä l l e wieder vorüber. Nach 5 T a g e n erhielt diese K u l i bei vollkommenem Wohlsein 8 G r m . des Mittels in 1 P f u n d destillirtem Wasser, worauf sogleich wieder Geifern u n d Rülpsen eintrat, das Fressen u n d W i e d e r k ä u e n aber erst am folgenden T a g e nachliess, wo zugleich sehr k l e i n e r , vermehrter Puls, schnelleres, etwas beschwerliches A t h m e n und weicheres Misten entstand. I n den nächsten T a g e n verschwand die Fresslust gänzlich, der Kotli war sehr d ü n n , stinkend und blutig, das Athmen noch beschwerlich, das F i e b e r v e r m e h r t , die Mattigkeit gross, das Thier lag viel, m a g e r t e sichtbar ab, u n d starb a m 14ten T a g e . — Schafe ertrugen 12 G r a n (72 Centigrm.) u n d selbst 24 G r a n (1 1 / 2 Grm.) Sublimat in einer Mehlpille, ohne dass die geringste W i r k u n g entstand ( G i l b e r t a. a. 0 . p. 345, 347); aber von 4 Grin. s t a r b bei meinen Versuchen ein Schaf in weniger als 12 S t u n d e n . D u r c h E i n s p r i t z u n g e n in die Ilalsvene entstand bei mehreren P f e r d e n von 3 — 6 G r a n ( 1 8 — 3 6 Centigrm.) Sublimat, in 3 — 6 D r a c h m e n (12 bis 24 Grrn., destillirten W a s s e r s gelöst, blos eine geringe V e r m e h r u n g der Pulse um 4 Schläge in der Minute u n d durch etwa 15 Minuten a n d a u e r n d ; andere Zufälle waren selbst d a n n nicht zu bemerken, als die P f e r d e durch solche täglich wiederholte E i n s p r i t z u n g e n nach und nach 4 Grm. Sublimat in die Blutina.sse e r h a l t e n hatten. E s entstanden aber fast immer Aderfisteln ( V i b o r g , Veterin. Selsk. Skrift. 'Jr. Oed. S. 375). — Bei einem H u n d e veru r s a c h t e n 5 G r a n (30 Centigrm.) Sublimat, in 45 Grm. Wassers gelöst und in die Drosselvene injicirt, sogleich Kurzatlimigkeit, grossen Schmerz, A b g a n g von I rin, und in wenigen S t u n d e n den T o d ; — und ein a n d e r e r starb unter denselben Z u f ä l l e n nach der Iujection von nur 'iji G r a n (4 Centigrm.) Sublimat in S t u n d e ( G a s p a r d in O r f i l a ' s Toxicol. Bd. 1. S. 228). I n W u n d e n und Geschwüren wirkt der Sublimat, obgleich er durch die organischen Flüssigkeiten bald mehr bald weniger zersetzt wird, in v e r d ü n n ter Auflösung ( l — 3 G r a n [ 6 — 1 8 Centigrm.] auf 1 Unze [ 3 0 G r m . ] W a s s e r ) a n g e w e n d e t , reizend, die Lebensthätigkeit der absondernden und der aufs a u g e n d e n O r g a n e steigernd und qualitativ u m s t i m m e n d ; m e h r concentrirt ( 4 — l ( i G r a n [ 2 4 — 6 0 Centigrm.] auf 30 Grm. Wasser), verursacht er E n t z ü n d u n g , u n d in ganz concentrirter Auflösung (z. B. 4 Grm. auf 15 Grm. W a s s e r ) , noch mehr aber im reinen Zustande wirkt er ätzend u n d zerstörend. E r g e h t dabei durch Absorption in die Blutmasse über u n d v e r u r s a c h t , w e n n die concentrirte A n w e n d u n g etwas reichlich geschieht, E n t z ü n d u n g des Magens, des D a r m k a n a l s , des Uauchfells und des Herzens, u n d d a d u r c h den Tod. Mehrere H u n d e starben nach 1 — 5 T a g e n , als ihnen 3 — 6 G r a n (18 bis 3 6 Centigrm.) Sublimat in W u n d e n auf das Zellgewebe des Schenkels oder
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des R ü c k e n s gebracht worden. — A e h n l i c h wie auf wunde Stellen, aber weit schwächer, w i r k t der Sublimat auch auf die unverletzte H a u t , u n d namentlich findet n u r eine geringe Absorption d u r c h dieselbe Statt. Bei der Section der d u r c h Sublimat getödteten Thiere findet man, derselbe m a g auf die eine oder auf die a n d e r e W e i s e zu reichlich in den K ö r p e r gebracht worden sein, hauptsächlich die Schleimhaut des M a g e n s u n d D a r m k a n a l s , das H e r z , die L u n g e n , zuweilen auch die Nieren e n t z ü n d e t , mit rothen oder schwarzen F l e c k e n versehen, die g e n a n n t e Schleimhaut auch zuweilen zerstört. A m s t ä r k s t e n sind die W i r k u n g e n in den oben angedeuteten verschiedenen G r a d e n an den von dem Sublimat unmittelbar berührten. Theilen. A u s Allem ergiebt sich: dass der Sublimat zwar der Art nach im W e s e n t lichen wie die übrigen Quecksilbermittel wirkt, aber mehr als a n d e r e die Urinsecretion befördert, dass er sie alle an A e t z k r a f t übertrifft, u n d h i e r d u r c h sehr leicht tödtliche (giftige) W i r k u n g e n erzeugt, u n d dass er weit weniger als das Calomel sichtbar die Plasticität im Organismus mindert. §. 575. F ü r die innerliche A n w e n d u n g dieses heftigen Mittels g e g e n K r a n k heiten der Haustliiere giebt es bis j e t z t eigentlich keine sichern Indikationen, sondern m a n h a t dasselbe mehrentheils nur empirisch gegen R o t z , W u r m , bösartige D r u s e , h a r t n ä c k i g e n R h e u m a t i s m u s , veraltete R ä u d e , dergleichen Flechten u n d Mauke, gegen heftige R u h r , namentlich der L ä m m e r , u n d gegen den Koller der P f e r d e versucht. Bei dem letzteren hat es nach K e r s t i n g ' s Beobachtung (Nachgelassene Manuscripte, S. 213) oft gute Dienste geleistet, u n d ich habe es ebenfalls in m e h r e r e n Fällen mit N u t z e n a n g e w e n d e t , wo das Uebel veraltet u n d mit einem k r a n k h a f t e n Zustande der L e b e r v e r b u n d e n war. Bei dem W u r m u n d bei veralteten H a u t k r a n k h e i t e n hat sich der Sublimat häufig als sehr nützlich g e z e i g t , und ist besonders von l i u r e l u n d H ü b n e r empfohlen; doch darf ein cachectischer fieberhafter Z u s t a n d nicht zugegen sein. D i e H e i l u n g des Rotzes h a t er aber in keinem vollständig entwickelten F a l l e herbeigeführt, selbst nicht bei der durch ein ganzes J a h r fortgesetzten A n w e n d u n g ( V i b o r g a. a. O.); dagegen hat er (wie Quecksilbermittel ü b e r h a u p t ) sehr oft eine sichtbare Verschlimmerung des Hebels bewirkt. Man giebt den S u b l i m a t innerlich den P f e r d e n und R i n d e r n von 6, 10 bis höchstens 20 G r a n ( 3 6 — 6 0 Centigrm., höchstens l 1 ^ G r m . ) , — Schweinen 1 — 3 G r a n ( 6 — 1 8 Centigrm.), S c h a f e n und H u n d e n x / 4 — 1 G r a n ( l ' / ä bis 6 Centigrm.), täglich ein- bis höchstens zweimal, am besten in P i l l e n oder in Auflösung. Die letztere muss so v e r d ü n n t sein, dass sie nicht ätzen k a n n , d. i. 1 T h e i l auf 4 0 0 — 5 0 0 T h e i l e Flüssigkeit, oder circa 1 G r a n Sublimat in 1 U n z e (6 Centigrm. in 3 0 Grm.). D a s Auflösen k a n n zweckmässig zuerst mit etwa 3 0 — 5 0 Theilen Weingeist geschehen. — Bei der B e r e i t u n g der Pillen und L a t w e r g e n muss der Sublimat erst mit der nöthigen M e n g e W a s s e r s aufgelöst u n d d a n n die Auflösung mit den übrigen Substanzen recht vollständig g e m e n g t werden. Diese letzteren sind am besten rein schleimige, bittere oder gelind aromatische u n d narkotische Mittel; als die zweckmässigsten Vehikel betrachtet m a n Altheeschleim und Succus Liquiritiae; dagegen sind Mehl, Eiweiss u n d Alkalien unpassende Zusätze (S. 553). Der G e b r a u c h dieses Mittels ist fast immer f ü r längere Zeit n ö t h i g ; da-
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bei ist es jedoch zweckmässig, etwa j e d e n vierten T a g einmal das Mittel wieder auszusetzen, u n d ausserdem muss das k r a n k e T h i e r gegen E r k ä l t u n g geschützt und mit leicht verdaulichem F u t t e r versehen werden. — E n t s t e h e n Speichelfluss, Verlust des Appetits, Kolikzufälle, D i a r r h ö e oder F i e b e r , so muss das Mittel sogleich ausgesetzt werden. Homöopathisch g a b H i l d e b r a n d t das Mittel gegen die R u h r der Schafe, 30 T r o p f e n von der vierten Potenz, also ^oo.ooo Gran. §.576. Aeusserlich wird der Sublimat a n g e w e n d e t : 1) Als A e t z m i t t e l bei bösartigen W a r z e n , bei dem S t r a h l k r e b s u n d bei cariösen Geschwüren des H u f k n o r p e l s (bei den sogenannten K n o r p e l fisteln) , bei dem sogenannten Nageltritt, wenn die H u f b e i n s b e u g e s e h n e u n d deren Scheide, oder selbst das Strahlbein und das H u f g e l e n k mit verletzt ist, und w e n n nach gehöriger E r w e i t e r u n g der W u n d e nach zweckmässiger Beh a n d l u n g dieselbe sich nicht schliesst, sondern zu einer Fistel u m w a n d e l t ; — d a n n a u c h zum Bestreichen der Castrirkluppen. Die A n w e n d u n g als Aetzmittel geschieht entweder in Substanz (in S t ü c k c h e n ) , oder als P u l v e r , oder in F o r m einer eoncentrirten Auflösung in destillirtem W a s s e r oder Spirit. vin. rectificatus (4 — 8 G r m . auf 30 Grm. des letzteren), — oder in einer consistenten, salbenartigen M e n g u n g (eine sogenannte Paste) a u s : Sublimat 8 Grm., pulverisirtem arabischen G u m m i und W a s s e r , von j e d e m G r m . — Bei W a r z e n ist derselbe (wie der Arsenik) n u r in h a r t n ä c k i g e n F ä l l e n , wo m a n die k r a n k h a f t e Bildungsthätigkeit vom G r u n d e aus zerstören und umstimmen will, hierzu geeignet. E b e n s o wirkt er bei dem Strahlkrebs und bei K n o r p e l fisteln nicht blos zerstörend, sondern auch eigenthiimlich umstimmend. Die A n w e n d u n g geschieht täglich ein- bis zweimal, durch etwa 2 T a g e , bis ein Schorf entstanden ist. — Bei Knorpeltisteln soll nach G i r a r d (Recueil vétér. T o m e I I . ji. 1 cS5 etc.) am zweckmässigstcn ein kegelförmig geschnittenes SublimatsUk'kelien, 5 — 6 Linien lang und an der Basis 3 — 4 Linien breit, bis auf den G r u n d der vorher gehörig erweiterten Fisteln g e b r a c h t w e r d e n und mit dem darüber gelegten Verbände durch 5—G T a g e u n b e r ü h r t liegen b l e i b e n : es bildet sich ein schwärzlicher Schorf, der sich langsam (nach 1 4 T a g e n ) abstösst, und worauf bei ganz einfacher B e h a n d l u n g (von Zeit zu Zeit ein F u s s b a d ) die H e i l u n g in 30 — 4 0 T a g e n vollständig erfolgt. Ich sah in mehreren F ä l l e n denselben E r f o l g , in anderen aber die H e i l u n g erst sehr spät eintreten. J e t z t wende ich das Mittel gewöhnlich in F o r m eines sogenannten B o u g i e s an (das ist ein F a d e n s t ü c k c h e n von Strohhalmsdicke, nach der T i e f e der Fistel 1 — 2 Zoll lang, vorher mit Altheeschleim befeuchtet, d a n n in Sublimatpulver gerollt und getrocknet), — oder blos in die vorher etwas erweiterte Knorpelfistel ein Stückchen von einem wollenen F a d e n , welcher in concentrirter Sublimatauflösung g e t r ä n k t u n d wieder getrocknet ist. — Bei den oben bezeichneten Nageltritten hat Professor K e y in L y o n den Sublimat g a n z auf dieselbe Weise wie G i r a r d bei der Knorpelfistel a n gewendet. D e r Aetzschorf sass gewöhnlich 4 Wochen, hinterliess nach d e m A b f a l l e n eine reine W u n d e und die H e i l u n g erfolgte in 6 — 8 W o c h e n n a c h der Application des Mittels. Die üblen Zufälle, welche bei diesen Verletzung e n fast immer bestehen (Appetitverlust, heftiges Reizfieber, grosse Schmerzen u n d L a h m h e i t und dergl.) verloren sich gewöhnlich in 8 T a g e n ; geschieht
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dies nicht, so ist es ein Zeichen, dass der Sublimat nicht alles E n t a r t e t e des Sehnengewebes zerstört h a t , und dass die H e i l u n g d u r c h ihn kaum erfolgen w e r d e (Eecueil de med. veter. Vol. X X . p. 1 2 8 , und Journ. de med. veter. de Lyon, T o m e 2. p. 113). Zum Bestreichen der Castrirkluppen wird der Sublim a t (1 Theil) in einem Teige aus S t ä r k e m e h l (2 Theile) und Wasser q. s. benutzt. E r leistet nicht mehr als der Kupfervitriol, verursacht aber oft bösartige E n t z ü n d u n g , E i t e r u n g und V e r h ä r t u n g des S a m e n s t r a n g e s ; ich empfehle ihn dalier f ü r diesen Zweck nicht. E b e n s o auch nicht die zur U n t e r b i n d u n g des S a m e n s t r a n g e s empfohlenen S u b l i m a t b ä n d e r . (Magaz. f. T h i e r heilk. 34. J a h r g . S. 474.) 2) Als Heilmittel der Gelenkwunden, besonders bei zu reichlichem Ausfluss der S y n o v i a , welche er zum festen G e r i n n e n bringt u n d hierdurch den weitern Ausfluss sehr vermindert. Der pulverisirte Sublimat k a n n hierbei auf ein S t ü c k c h e n L e i n w a n d in der Grösse der W u n d e und 1 Linie dick a u f gestreut, g e n a u auf die W u n d ö f f n u n g gelegt u n d mit einem g u t e n KlebePflaster fest bedeckt werden. 3) Als umstimmendes und Heilmittel bei veralteten Fisteln und Geschwüren, in denen zu geringe T h ä t i g k e i t , wenig Empfindlichkeit und sehr stinkende J a u c h e a b s o n d e r u n g bestellt, namentlich bei dergleichen Genickfisteln, Widerristfisteln, Knorpelfisteln, bei W u r m g e s c h w ü r e n , bei veralteter M a u k e und Klauenweli. Man wendet hier den Sublimat in Auflösungen von 5 — 1 0 G r a n auf 1 U n z e ( 3 0 — 6 0 Centigrm. auf 30 Grm.) W a s s e r zum Verbinden und zum Einspritzen, täglich oder j e d e n zweiten T a g einmal an. — Ist die Empfindlichkeit nicht vermindert, so verdient die V e r b i n d u n g des Sublimats mit K a l k w a s s e r ( 6 — 1 8 Centigrm. auf 30 Grm. des letzteren, nach der Preussischen Pliarmacopöe 9 Centigrm. auf 3 0 Grm.) als sogenanntes g e l b e s p h a g e d ä n i s c l i e s W a s s e r , Aqua phayedaeuica lutea, den Vorzug vor der einfachen Sublimatauflösung. — Bei mehr torpidem Character der Ocschwiire macht m a n die Auflösung m e h r concentrirt (1 T h e i l zu 2(1 bis 3ü Tlieilen W a s s e r ) , oder man setzt ihr den 30sten bis 20sten Theil Clilorwasserstoffsäure zu. — E i n e mehr complicirte Salbe f ü r solche Geschwüre ist das von dem Apotheker T e r r a t empfohlene M i t t e l , das sogenannte T o r p i q u e T e r r a t (siehe S. 505). 4) Bei h a r t n ä c k i g e n H a u t k r a n k h e i t e n , wie R ä u d e , veralteter Mauke, F l e c h t e n u n d dergleichen. Der Sublimat übertrifft bei diesen H a u t k r a n k heiten fast alle andere Mittel an W i r k s a m k e i t , indem er schnell austrocknet, die Käudemiiben tödtet, somit den Ansteckungsstoff vernichtet u n d die Heil u n g der H a u t a n r e g t . E r wird hier gewöhnlich als Auflösung in Wasser, in T a b a c k s d e c o c t u n d dergleichen Mitteln, sehr zweckmässig auch in Weingeist, besonders bei alter P f e r d e r ä u d e (36 — 72 Centigrm. auf 1 P f u n d Flüssigkeit) b e n u t z t , wobei oft nach und nach f ü r ein P f e r d eine Q u a n t i t ä t von 3 0 bis 4 5 Grm. v e r b r a u c h t wird. Auch wird er zuweilen h i e r z u , obgleich nicht chemisch richtig, mit Zusätzen von Kali ( A s c h e n l a u g e ) , K a l k w a s s e r (als phagedänisches W a s s e r ) , Salmiak und dergleichen angewendet, wie z. B. in folgender M i s c h u n g , die sich in mehreren F ä l l e n bei veralteter S c h a f r ä u d e sehr heilsam gezeigt h a t : Man zieht von 10 Scheffeln Asche mit dem nöthigen W a s s e r 3 0 0 Q u a r t Vorlauge und 6 0 0 Q u a r t N a c h l a u g e , k o c h t letztere mit 1 ^ 4 Centner ordinärem T a b a c k bis auf 3 0 0 Quart e i n , mengt diese Abk o c h u n g mit der V o r l a u g e , und löst d a n n in der ganzen Flüssigkeit 120
Aetzendes Quecksilberchlorid.
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bis 1 5 0 Grm. S u b l i m a t , ebenso viel S a l m i a k und 10 P f u n d (Civ.-Gewicht) P o t a s c h e H i e r m i t b e t u p f t oder wäscht m a n l a u w a r m die r ä u d i g e n Stellen gründlich, n a c h d e m sie d u r c h Seifenwasser u n d mit einem passenden I n s t r u m e n t e (z. B. mit einer Striegel, scharfen Bürste, mit einem stumpfen Messer u n d dergleichen) v o n S c h m u t z u n d Schorfen g r ü n d l i c h befreit worden. Das W a s c h e n w i r d n a c h Zwischenzeiten von 6 — 8 T a g e n zwei- auch dreimal wiederholt. — S e h r wirksam bei R ä u d e der P f e r d e u n d Kinder ist folgendes L i n i m e n t : Pulv. Cantharid. 3 0 , 0 wird mit 3 P f d . heissen Leinöls übergössen u n d durch 2 4 S t u n d e n zusammen digerirt, d a n n filtrirt u n d hiernach dem Oel 2,0 A e t z - S u b l i m a t zugesetzt u n d tüchtig zusammengeschüttelt. Diese Mischung t r ä g t m a n mittelst einer B ü r s t e auf alle r ä u d i g e Stellen auf u n d bindet h i e r n a c h das T h i e r so a n , dass es sich an denselben nicht belecken und nicht reiben k a n n . K r ä f t i g e P f e r d e k ö n n e n auf einmal über u n d ü b e r bestrichen w e r d e n ; schwache bestreicht m a n n u r an einer Körperseite oder stellenweise, u n d nach 4 — 5 T a g e n die übrigen Theile. 5) Bei torpiden Geschwülsten, z. B . bei B r u s t b e u l e n , Stollbeulen, P i e p h a c k e n , H a s e n h a c k e n , Späth, U e b e r b e i n e n , Gallen u n d dergleichen, b e n u t z t m a n den Sublimat auf die S. 201 a n g e g e b e n e W e i s e , in V e r b i n d u n g mit 8, 1 2 — 1 6 Tlieilen T e r p e n t h i n , besser mit Collodium, oder als Salbe mit 3 bis 6 Till. F e t t , um Reizung, Ausschwitzung u n d Z e r t h e i l u n g zu bewirken. 6) Gegen dieselben pathologischen Localleiden, u n d ebenso gegen rheumatische L a h m h e i t e n , chronische G e l e n k e n t z ü n d u n g e n , gegen E x s u d a t e , Verd i c k u n g e n der Gewebe u n d dergleichen ist eine Auflösung von 1 Tlieil Sublim a t in 6 — I G T h e i l e n W e i n g e i s t , j e nach der D i c k e u n d nach der E m p f i n d lichkeit der H a u t , als E i n r e i b u n g a n g e w e n d e t , ein sehr wirksames u n d wohlfeiles Heilmittel. D i e E i n r e i b u n g muss bis zum völligen T r o c k e n w e r d e n d e r H a u t fortgesetzt w e r d e n u n d ist, j e nach dem G r a d e der eintretenden W i r k u n g , am zweiten oder auch am dritten T a g e zu wiederholen. Die H a a r e fallen hiernach zum T h e i l aus, wachsen aber wieder. E i n e öftere oder reichlichere A n w e n d u n g bewirkt A e t z u n g . 7) Bei A u g e n e n t z ü n d u n g e n , bei F l e c k e n u n d V e r d u n k e l u n g e n der H o r n h a u t ist der Sublimat unter ähnlichen U m s t ä n d e n , wo der rothe P r ä c i p i t a t passend sein würde (§. 5 7 0 ) , wo aber die S a l b e n f o r m nicht zweckmässig erscheint, ein vorzügliches Zertlieilungsmittel. M a n n i m m t 1 / 4 — 1 G r a n (1 1 / 2 bis Ii Centigrm.) Sublimat auf 1 U n z e Flieder- oder K a m i l l e n - I n f u s u m , setzt, w e n n es nöthig ist, noch 1 0 — 1 5 T r o p f e n O p i u m t i n c t u r hinzu, und lässt das A u g e n w a s s e r täglich vier- bis sechsmal lauwarm a n w e n d e n . 8) G e g e n L ä u s e , H o l z b ö c k e u n d dergleichen Ungeziefer ist der Sublim a t als W a s c h m i t t e l (wie sub 4) a n g e w e n d e t , von ausgezeichneter W i r k s a m -
1 D a s Ganze ist für 3 0 0 Schafe b e r e c h n e t , so dass auf das Stück 8 Gran ( ' / j Grm.), und auf das Quart F l ü s s i g k e i t nur Grm. von dem Sublimat k o m m e n ; derselbe b e s t e h t jedoch in ihr nicht mehr als solcher, sondern er ist, wie auch der Salmiak u. s . w . , zersetzt, und die F l ü s s i g k e i t enthält: g e l b e s Q u e c k s i l b e r o x y d h y d r a t , b a s i s c h e s k o h l e n s a u r e s A m m o n i a k , salzsaures Kali und k o h l e n s a u r e s Kali (letzteres 9 Pfund und über 9 Unzen). Ihre Wirkungen sind daher sehr mild und ganz ohne Gefahr, s o w o h l für die Tliiere s e l b s i , wie auch für die Menschen, die das W a s c h e n ausführen (denn nach v. W e d e k i n d ' s Erfahrung k ö n n e n Menschen ganze B ä d e r v o n 1 5 0 — 1 8 0 Maass W a s s e r und 2 D r a c h m e n bis 1 Unze [ 8 , 0 — 3 0 , 0 ] Sublimat ohne N a c h t h e i l g e b r a u c h e n ) . — D i e Leute sollen j e d o c h k e i n e offenen Verletzungen an den H ä n d e n haben.
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Metallische Arzneimittel.
k e i t 1 ; — oder auch nach B o d u (Magaz. X V I I , S. 3 4 7 ) folgende Salbe: Rp. Hydrarg. muriatic. corros., Ammon. muriatic. pulv. ana 1 Drachme; solve in Aqxiae parum et admisce exacte Adipis suilli 3 Unzen. Sign.: Täglich einmal die am meisten mit Ungeziefer besetzten Stellen (und die durch Belecken mit der Zunge am wenigsten erreichbaren) damit einzureiben. Diese Salbe enthält das leicht lösliche Alembroth-Salz, und ist sehr wirksam. (Preis: 5 Grm. Sublimat 1 Sgr.) Ausser den genannten Quecksilbermitteln verdienen noch folgende, wenig gebräuchliche Präparate einer kurzen Erwähnung: o) S c h w a r z e s S c h w e f e l q u e c k s i l b e r , mineralischer Mohr (Hydrargyrum sulpkuratum nigrum, Aethiops mineralis); ein blosses Gemenge von gleichen Theilen Quecksilber und Schwefel, durch sehr vollständiges Zusammenreiben beider mit etwas Wasser bereitet, ist von sehr milder Wirksamkeit, die vorzüglich auf Erregung des Lymphgefässsystems und der Hautausdünstung gerichtet, bei lange fortgesetzter Anwendung aber sehr schwächend ist. E s wird bei veralteter Druse, Flechten und dergleichen Krankheiten den Pferden und Rindern zu 8 — 1 6 Grm., den Schweinen zu l i / 2 bis 4 Grm., — Hunden — 2 Grm., täglich zweimal, in Pillen und Latwergen gegeben. — Mit 6 ^ 8 Theilen Fett oder grüner Seife zur Salbe gemacht, ist es gegen Räude und Flechten sehr wirksam, (o Grm. 1 Sgr. 2 Pfg.) b) R o t h e s S c h w e f e l q u e c k s i l b e r , Z i n n o b e r (Bisulphnretum Hydrargyri, Hydrargyrum sulpkuratum rubrum, Cinnabaris). Der natürliche Zinnober enthält 86,2 Quecksilberund 13,8 Schwefel, er kann aber auch künstlich erzeugt werden durch Sublimiren eines Gemenges aus 6 Theilen Quecksilber und 1 Theil pulverisirtem Schwefel. Nach W a l d i n g e r s Ansicht (Abhandlung über den Schwefel und seine Verbindungen u. s. w. S. 97) soll die Wirkung der des rohen Spiessglanzes ähnlich sein. E r wird innerlich wie das vorige Mittel angewendet, ist aber durch den viel wohlfeileren Spiessglanz zu ersetzen. T a u s c h empfahl, dass man ihn bei der Lungenwürmerseuche der Lämmer auf einem erhitzten Eisenblech verdampfen und die Thiere diese Dämpfe einathmen lassen soll; L o w a k sah hiervon keinen Nutzen. Derselbe bemerkt auch ganz richtig, dass man diese Dämpfe viel wohlfeiler aus einem blossen Gemenge von Schwefel und rohem Quecksilber bereiten könne (Mag. f. Thierheilk. v. G u r l t und H e r t w i g , Bd. 3. S. 373, Bd. -1. S. 473). Aeusserlich dient es nur als ein Bestandtheil des C o s m e ' s e h e n Pulvers (S. 504). (5 Grm. 10 Pfg.) c) S c h w e f e l s p i e s s g l a n z - Q u e c k s i l b e r , S p i e s s g l a n z - M o h r (Hydrargyrum et Stibium sulphurata, Hydrargyrum stibiuto-sulplmrutum, Aethiops antimoraalis). Dieses Präparat wird nach verschiedenen Pliarmacopöen bald durch Zusammenreiben von Schwefelspiessglanz mit metallischem Quecksilber (Pharmac. Bavar., Rossica, universal, etc.), bald noch mit Zusatz von 1 B e i der A n w e n d u n g des S u b l i m a t s im e o n c e n t r i r t e n Z u s t a n d e ist i m m e r d i e s e l b e V o r s i c h t n ö t h i g , w e l c h e b e i s c h a r f e n und giftigen S u b s t a n z e n ü b e r h a u p t b e o b a c h t e t w e r den muss (z. B . bei C a n t h a r i d e n S . 2 6 6 , b e s o n d e r s a b e r bei dem A r s e n i k S. 5 0 5 u n d dgl.). — In m e d i c i n a l - p o i i z e i l i c h e r H i n s i c h t m u s s der S u b l i m a t n ä c h s t dem A r s e n i k f ü r das s t ä r k s t e u n t e r den m i n e r a l i s c h e n Giften b e t r a c h t e t w e r d e n , und es g e l t e n daher b e i s e i n e r A u f b e w a h r u n g u. s. w. a l l e V o r s i c h t s m a a s s r e g e i n , w e l c h e bei dem A r s e n i k ( S . 5 1 9 in d e r ,Anmerkung) a n g e d e u t e t sind.
561
Verschiedene Quecksilbermittel, Zinnober etc.
S c h w e f e l z u diesen b e i d e n S u b s t a n z e n (Phurmac. Dorussica, Ilaunov., Suxonica) bereitet. I m e r s t e r e n F a l l e ist es blos ein G e m e n g e v o n S c h w e f e l a n t i m o n u n d g e t ö d t e t e m m e t a l l i s c h e n Q u e c k s i l b e r , — im a n d e r e n a b e r e i n G e m e n g e von Schwefelantimon, Schwefelquecksilber und überflüssigem Schwefel. Beide P r ä p a r a t e müssen etwas verschieden von einander w i r k e n , was noch n i c h t g e n ü g e n d u n t e r s u c h t ist. I m A l l g e m e i n e n ist a b e r d i e W i r k u n g s e h r ä h n l i c h d e r des v o r i g e n P r ä p a r a t s , w a s e b e n s o von d e r G a b e u n d d e m G e b r a u c h gilt. (5 G r m . 1 0 P f g . ) d) S c h w a r z e s Quecksilberoxydul, Hahnemann's auflösl i c h e s Q u e c k s i l b e r (Hydraryyrum oxydulatum iwjvam [ u n r i c h t i g e r w e i s e ] , Mercurius solubilis llahnemanni, Nitras ammonictis cum Oxydo hydrargyroso), aus Quecksilberoxydul und salpetersaurem Ammoniak bestehend. Nach W a l d i n g e r ( ü b e r N a h r u n g s - u n d H e i l m i t t e l d e r P f e r d e , S . 3 0 1 ) soll e s s e h r a u f d e n D a r n i k a n a l w i r k e n u n d bei P f e r d e n schon zu 5 — 1 0 G r a n w e i c h e r e s M i s t e n e r r e g e n , sehr s c h w ä c h e n u n d bei f o r t g e s e t z t e r A n w e n d u n g d e n f a u l i g e n Z u s t a n d h e r b e i f ü h r e n ; ich sah d i e s e W i r k u n g n u r n a c h G a b e n von 8 bis 15 G r m . erfolgen, und R y s z bemerkte entgegengesetzt nach der A n w e n d u n g d e s M i t t e l s zu — 8 G r m . d u r c h 8 — 1 4 T a g e g u t e n A p p e t i t , A b g a n g von t r o c k e n e m , g u t v e r d a u t e m K o t h u n d z u w e i l e n Speichelfluss. Der Gebrauch soll ü b e r a l l n ü t z l i c h s e i n , wo d a s v e r s ü s s t e Q u e c k s i l b e r a n g e z e i g t ist. Man g i e b t d a s Mittel P f e r d e n u n d R i n d e r n von 2 — 8 G r m . , S c h w e i n e n von 1 / : ) bis 1 G r m . , H u n d e n von 2 4 — CO C e n t i g r m . t ä g l i c h z w e i m a l in P i l l e n , L a t w e r g e n , o d e r in s c h l e i m i g e n F l ü s s i g k e i t e n . V e r a l t e t . (1 S c r u p e l 2 S g r . 2 P f . ) e) S a l z s a u r e s A ru ni o n i a k q u e c k s i 1 b e r , w e i s s e r Präcipitat (llydrarjyrum amidad-bicUortUum, Hydrat',jyium tinuiioniahi-miiriaticii/ii, Uydrochlorns uutmoniacfis cum Oxydo hydruri/yrico, Merc'rius praeeipitatus albus). D a s s e l b e w i r d bereitet, i n d e m m a u e i n e A u f l ö s u n g v o n 2 T h e i l e n A e t z s u b l i m a t in :i2 Theilen d e s t i l l i r t e n w a n n e n W a s s e r s n a c h d e m E r k a l t e n u n d F i l t r i r e n mit 3 T h e i l e n A e t z a m m o n f l i i s s i g k e i t mischt, n u n n o c h m a l s filtrirt, d e n N i e d e r s c h l a g a u f dem F i l t e r mit d e s t i l l i r t e m W a s s e r rein a u s w ä s c h t u n d trocknet. H i e r n a c h bildet es ganz, weisse, d i c h t e , in W a s s e r u n d W e i n g e i s t u n l ö s l i c h e S t ü c k e , die sich l e i c h t p u l v e r i s i r e n lassen. E s besteht aus Quecks i l b e r o x y d und S a l m i a k , ist m i l d e r als S u b l i m a t u n d r o t h e r P r ä c i p i t a t , a b e r s t ä r k e r r e i z e n d als das C a l o m e l , wird n u r ä u s s e r l i c h bei c h r o n i s c h e n ] A u g e n liderschlcirnttuss, bei F l e c k e n u n d V e r d u n k e l u n g e n d e r H o r n h a u t (G bis 6 0 C e n t i g r m . zu 4 G r m . Fett"), bei F l o c h t e n u n d v e r a l t e t e r M a u k e als S a l b e ( 1 T h e i l m i t 8 T h e i l e n F e t t ) t ä g l i c h ein- bis z w e i m a l a n g e w e n d e t . Gegen d i e s o g e n a n n t e F e t t r ä u d e d e r l l t i n d o ist e r e i n w a h r e s S p e c i f i c u m ; ich lasse h i e r v o n i h m 1 T h e i l mit 6 —8 T h e i l e n g r a u e r S a l b e g e m e n g t , j e d e n d r i t t e n T a g e i n m a l e i n r e i b e n . S e h r o f t heilt d a s U e b e l n a c h z w e i m a l i g e r A n w e n d u n g des Mittels. (5 Grm. 1 Sgr.) /) Ei n f a c h - J o d q u e c k s i l b e r , gelbes J o d q u e c k s i l b e r , Q u e c k s i l b e r j o d ü r (llydrjnjyrum jodatum flivum, Hydrarj. subjodatum, Mercwius jo.du.tu.s fl um*, Jodetum hydrarqyrisum, H g , J ) , bereitet durch Z u s a m m e n r e i b e n v o n r e i n e m Q u e c k s i l b e r (8 T h e i l e ) m i t J o d ( 5 T h e i l e ) u n t e r B e s p r e n g u n g m i t e i n i g e n T r o p f e n W e i n g e i s t , E s stellt ein d u n k e l g r ü n g e l b e s , g e r u c h u n d g e s c h m a c k l o s e s P u l v e r d a r , w e l c h e s im k a l t e n W a s s e r u n d in k a l t e m W e i n g e i s t u n l ö s l i c h ist. g) D o p p e l t - J o d q u e c k s i l b e r , r o t h e s Jodquecksilber, DeuH KRTWIQ, A r z n e i m i t t e l l e h r e .
5. A u f l a g e .
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Metallische Arzneimittel.
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t o j o d ü r d e s Q u e c k s i l b e r s , Q u e c k s i l b e r j o d i d (Hydrargyrum bijodatum rubrum, Mercurius jodatus ruber, Bijodetum Hydrargyri, Hydrargyrum perjodatum, Jodetum hydrargyricum, H g J ) . E s wird bereitet durch F ä l l e n einer Sublimatlösung (von 4 T h e i l e n in 72 T h e i l e n destillirten Wassers) durch eine L ö s u n g von 5 T h e i l e n J o d k a l i u m in 16 T h e i l e n destillirten W a s s e r s , d a n n Filtriren u n d T r o c k n e n des auf dem F i l t r u m a u f g e f a n g e n e n Q u e c k s i l b e r j o d i d s . E s ist ein schweres, l e b h a f t scharlachrothes Pulver, geruch- u n d geschmacklos, a u f löslich in A l k o h o l , A e t h e r , in J o d k a l i l ö s u n g , in fetten Oelen, aber nicht in Wasser. Beide P r ä p a r a t e wirken specifisch reizend, auflösend, resorbirend, u n d sie gehören hiernach zu den allerkräftigsten zertheilenden Mitteln. Das letztere wirkt jedoch b e d e u t e n d schärfer als das erstere, fast d e m S u b l i m a t ähnlich. Sie sind innerlich noch fast g a r nicht g e p r ü f t , äusserlich aber zuerst von den englischen T h i e r ä r z t e n (namentlich zuerst von H u g l i F e r g u s o n , W i l l s u n d L o r d , s. Veterinarian, X I I . p. 802, X V . p. 137, u n d Abstract of the Proceeding ctc. 1 8 4 0 . p. 217) gegen G a l l e n , P i e p h a c k e n , S e h n e n v e r h ä r t u n g e n , chronische D r ü s e n g e s c h w ü l s t e , Aderfisteln, K n o c h e n a u f t r e i b u n g e n , Ueberbeine, Schale, S p ä t h , H a s e n h a c k e n und dergleichen Uebel a n g e w e n d e t . I c h k a n n den grossen N u t z e n dieser Mittel hierbei aus eigener E r f a h r u n g bestätigen, u n d muss n u r b e d a u e r n , dass der hohe Preis derselben sehr oft ihre fortgesetzte A n w e n d u n g hindert. Letztere geschieht von beiden Mitteln in Salben, die man, j e n a c h dem G r a d e der Empfindlichkeit, der H ä r t e u n d der H a r t n ä c k i g k e i t des k r a n k h a f t e n Zustandes in verschiedener S t ä r k e von 1 Till, zu 8 — 1 2 T h e i l e n F e t t (oder Merkurialsalbe) bereitet und täglich ein- oder zweimal massig einreibt. D i e Salbe von dem einfachen J o d q u e c k s i l b e r macht n u r eine geringe Irritation der H a u t , und k a n n deshalb immer m e h r e r e T a g e fortgesetzt w e r d e n ; d a g e g e n die von dem Doppel-Jodquecksilber, n a m e n t l i c h in der s t ä r k e r n Z u s a m m e n s e t z u n g , sehr starke R e i z u n g , E n t z ü n d u n g , Ausschwitzung, Bläschen, S c h o r f b i l d u n g , selbst Ausfallen der H a a r e erzeugt, und deshalb gewöhnlich n u r ein- bis zweimal hinter einander und d a n n erst wieder nach dem A u f h ö r e n dieser W i r k u n g e n a n g e w e n d e t werden k a n n . Die H a a r e wachsen immer schnell wieder 1. (Der P r e i s ist von beiden Mitteln ä 1 Grm. 10 I'fg.) H.
Silber,
Argentum.
15) Geschmolzenes salpctersaures SilbeniAvd, llöllenslein , Aryentum nitricum fusum, Nitras
arycuticus/usus,
Lapis infernalis
(AgOjisOs).
§• 577. Dieses Salz wird bereitet d u r c h Auflösen von 3 Theilen reinem, gekörnten Feinsilber in einem K o l b e n in 8 Theilen concentrirter g e r e i n i g t e r Salpetersäure, d a n n durch A b d a m p f e n , Auswaschen mit destillirtem Wasser, nochmals allmäliges A b d a m p f e n bis zur T r o c k e n h e i t , Schmelzen d e r trockenen Masse in einem Porcellangefäss, wonach dieselbe in r ö h r e n a r t i g e F o r m e n gegossen u n d hierdurch zu eylhidrischen S t ä b c h e n gemacht wird. D a s P r ä 1 Bei V e r g i f t u n g e n mit Qu> c k s i l b e r p r ä p a r a t e n sind e m p f o h l e n : S e i f e n w a s s e r . K a l k wasser, mildes s a l z s a u r e s Zinn, M a g n e s . a , a d s t r i n g i r e n d e Mittel, schleimige Mittel, Eiweiss, G a l l e r t e und dergl.
Salpetersaures Silberoxyd.
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parat besteht aus 68 Procent Silberoxyd und 32 Procent Salpetersäure; es soll weiss oder nur schwach ins Graue spielend, im Bruch strahlig aussehen, und sich leicht in gleichen Theilen kalten Wassers und in der vierfachen Menge kochenden Alkohols auflösen. Das Mittel ist sehr leicht zersetzbar, selbst schon durch das Sonnenlicht, und ebenso durch fast alle organische Substanzen, indem die in ihnen befindlichen Chlorverbindungen schnell mit dem Silber unlösliches Chlorsilber (Hornsilber) bilden. Ausserdem geht das salpetersaure Silber mit den prote'inhaltigen Flüssigkeiten Verbindungen ein, gelangt so in das Blut und bewirkt dadurch in diesem eine geringere Affinität für den Sauerstoff, — wie dies die lange Dauer der dunklen Farbe des mit dem Mittel gemengten Blutes an der freien Luft beweist. F ü r sich allein oder in concentrirter Auflösung ( I T h e i l a u f ö — l O T h e i l e destillirten Wassers) auf den Thierkörper gebracht, wirkt es als ein Aetzmittel, und zwar ganz eigenthümlich so, dass es die Organisation sehr schnell zerstört und dabei heftigen Schmerz, jedoch nur für kurze Zeit, erregt, dass es seine Aetzkraft immer nur oberflächlich und genau auf die Stelle der Anwendung beschränkt, daher auch nur dünne und begrenzte Schorfe bildet, lind dass es ebenso nur eine oberflächliche und in der Umgebung der geätzten Stelle beschränkte Entzündung verursacht. Diese Entzündung hat stets einen sthenischen Character und führt einen gutartigen Eiterungs- und Granulationsprocess herbei. Die ätzende Wirkung erfolgt in einem heftigen Grade nur dann, wenn der Höllenstein in Stückchen oder als Pulver auf feuchte, wunde Stellen kommt, beim blossen Berühren oder Bestreichen derselben ist sie nur sehr schwach, und das Mittel muss daher vor der Anwendung etwas befeuchtet werden; au reichlich secernirenden Stellen ist die ätzende Wirkung ebenfalls nur schwach, weil das Mittel durch die grosse Menge der abgesonderten Flüssigkeit zu sehr verdünnt und zu schnell zersetzt wird. Eine weitere Eigentümlichkeit ist es, dass die mit Höllenstein geätzten Theile an der Oberfläche zuerst weiss, dann rothgrau oder rothbraun und zuletzt schwarz werden. Sowohl diese weisse Farbe wie auch die auf die Oberfläche beschränkte Aetzung entstehen durch die Verbindung des Silbers mit dem in der thierischen Materie befindlichen Chlor zu sogenanntem Hornsilber, die dunkle Färbung dagegen durch die allmälige Zersetzung des letzteren vermöge des Sonnenlichts. — I n verdünnten Auflösungen angewendet, bewirkt der Höllenstein, nach dem Grade der stärkeren oder schwächeren Verdünnung, bald blosse Reizung in verschiedenen Graden, bald die vorhin bezeichnete Entzündung, jedoch ohne Aetzung. Auf der Haut (und ebenso an den Haaren) entsteht durch solche Auflösungen, je nach dem Grade der Concentration auch verhältnissmässig eine rothe oder schwarze Färbung. Geschieht die Anwendung einer ganz schwachen Lösung auf Wunden oder Geschwüre, so nimmt die Oberfläche eine röthere Farbe an, die Granulation wird fester, u n d , wenn sie träge war, auch lebhafter; der Eiter wird consistent, die Empfindlichkeit vermehrt. Vielleicht durch die Einwirkung der frei gewordenen Salpetersäure? —• Ein Uebergang des Höllensteins in die Säfte ist bei der örtlichen Anwendung desselben nicht nachzuweisen, bei innerlicher Anwendung findet er aber, wahrscheinlich in Form von Albuminatverbindungen, statt, wie dies ausser Anderem daraus hervorgeht, dass bei Menschen mit weisser Haut nach lange fortgesetztem Gebrauch des Mittels die Haut (auch die Sclerotica) an allen Stellen, wo das Licht einwirkt, eine blau¡w»
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Metallische Arzneimittel.
graue F ä r b u n g annimmt. B e i T h i e r e n ist diese Beobachtung nocli nicht gemacht worden. Innerlich in kleinen Gaben und gehörig verdünnt eingegeben, wirkt der Höllenstein gelind reizend und eigenthümlich tonisirend auf die Schleimhaut des Magens und des Darmkanals, vermehrt die Zusammenziehung desselben, besonders in den K r e i s f a s e r n , und er vermindert die Secretionen. I m concentrirten Zustande und in starken G a b e n eingegeben, verursacht dies Mittel A n ä t z u n g , E n t z ü n d u n g und Auflockerung der Schleimhaut des Magens, dabei heftige Schmerzen, Erbrechen, grosse S c h w ä c h e , beschwerliches Athmen und den Tod. Letzterer trat bei einzelnen kleinen Hunden schon nach einer G a b e von 1 2 — 2 0 Gran ( 3 / 4 — 1 1 / 4 Grm.) e i n , andere aber ertrugen 4 T a g e nach einander täglich 4 G r m . , ohne dass tödtliche Zufälle oder Magenentzündung entstanden. S c h a f e ertrugen 4 Grm., und K a n i n c h e n 5 0 — G O C e n t i grm. ohne irgend dauernden Nachtheil (siehe Dr. K r a h m e r : das Silber als Arzneimittel betrachtet. H a l l e 1 8 1 5 ) . Einspritzungen in die H a l s v e n e , bei Hunden von ] / 2 — 3 / 4 Gran (3 bis 4 x / 2 Centigrm.) des Mittels und 8 Grm. Wassers g e m a c h t , führten schnell E r s t i c k u n g s z u f ä l l e , Convulsionen, und nach 6 Stunden den T o d herbei. V o n 1 2 Centigrm. starben die T h i e r e unter denselben Zufallen schon nach 6 Minuten (O r f i l a ) . §. 5 7 8 . Das salpetersaure Silberoxyd hat als innerliches Arzneimittel eine A n wendung gefunden, gegen solche D i a r r h ö e n , welche mit P]rschlaffung, Schwäche, typhöser E n t z ü n d u n g der Magen- und Darmschleimhaut verbunden sind, wie auch gegen K o l i k , welche a u f dem letzteren Zustande beruht ( G e r l a c h , im Magazin für Thierheilkunde, X I I . S. 4 1 8 ) . D a s Mittel wirkt hierbei ausgezeichnet schnell und s i c h e r , und ist gewöhnlich in 2 — 3 Gaben täglich, nach Zwischenzeiten von 3 — 6 Stunden angewendet, genügend. Man giebt es in (destillirtem) W a s s e r gelöst, 1 zu 6 0 — 9 0 Theilen, den Pferden und Rindern zu 8 — 1 5 Gran ( 0 , 5 — 1 , 0 ) , Schafen, Ziegen und Schweinen zu 2 — 5 Gran ( 1 2 — 3 0 Centigrm.) in G0,0 W a s s e r , Hunden — 1 Gran (2 bis 6 Centigrm.) in 2 — 8 Grm. W a s s e r , ohne Zusätze von anderen Mitteln. So auch zu K l y s t i r e n . Gegen epileptische K r ä m p f e bei Hunden ist das Mittel in denselben Dosen gegeben, in mehreren F ä l l e n recht nützlich gewesen. Aeusserlich benutzt man den Höllenstein ziemlich häufig, und z w a r : l ) N a c h B e r n a r d als specifisches Mittel gegen die periodische Augenentzündung der P f e r d e , so wie gegen katarrhalische, asthenische Augenentzündungen u n d B l e n n o r r h ö e n ; — 2 ) als umstimmendes Mittel bei V e r b r e n n u n g e n ; — 3 ) um oberflächliche Afterproductionen und schlaffe, üppige Granulation in einem genau begrenzten Umfange zu zerstören; — 4 ) um an schlecht eiternden F l ä c h e n , an W u n d - und Geschwürrändern einen normalen Bildungsprocess zu e r r e g e n ; und 5 ) um in getrennten Weichgebilden schnell eine adhäsive Entzündung u n d , wenngleich nicht die Verwachsung, doch wenigstens die Verschliessung offener Stellen durch einen schnell gebildeten S c h o r f zu bewirken , z. B . bei W u n d e n der Kapselbänder und der Sehnenscheiden, bei Speichelfisteln und bei Harnröhrenfisteln. — Die genannte dritte und vierte Indication findet sich vorzüglich bei unreinen, schlecht eiternden oder j a u -
Salpetersaures Silberoxyd. chenden, mit zu wenig Thätigkeit versehenen W u n d e n und Geschwüren, und der Höllenstein ist daher bei ihnen ein fast allgemein passendes und ganz vortreffliches Heilmittel, besonders aber, wenn sie mit callösen Rändern, mit schwammiger Granulation versehen sind, — oder wenn die Granulation sehr langsam wächst, die Geschwürfläche glatt, hart und wenig empfindlich ist, — oder wenn zwar die Granulation bis zur Höhe der Geschwürränder hervorgewachsen ist, die Vernarbung aber nicht erfolgen will. Bei unreinen Geschwüren der Hornhaut, bei Augenfellen, bei dicken, dunklen Narben u n d bei eben solchen Flecken der Hornhaut ist der Höllenstein das fast allein brauchbare Aetzmittel, weil er sich leicht und mit Genauigkeit auf einen kleinen P u n k t appliciren lässt, weil auch seine W i r k u n g sich nur auf diesen P u n k t beschränkt, und weil sie auch nicht in die Tiefe dringt. — Bei Knorpelfisteln sah ich von seiner Anwendung, wenn die äusseren Theile des Hufes durch das Messer entfernt waren, öfter und schneller die Heilung erfolgen als nach der des Sublimats. Zum Zerstören grosser Aftergebilde oder dicker Callositäten, und ebenso zum Aetzen der Wunden, die durch den Biss von tollen Hunden entstanden sind, ist der Höllenstein wegen seiner oberflächlichen W i r k u n g nicht zweckmässig. Man wendet ihn, den verschiedenen Zwecken entsprechend, sowohl im concentrirten wie auch im verdünnten Zustande an. Ersteres geschieht entweder d) in fester F o r m , indem man mit einem Stückchen Höllenstein den zu ätzenden Theil betupft, und zwar leise und schnell, wenn nur eine oberflächliche, — aber anhaltender und stärker, wenn eine tiefer eindringende Aetzung entstellen soll; oder b) in concentrirten Auflösungen (1 Theil mit 1 2 — 2 0 Theilen Wassers oder gereinigten Glycerins), die man mit einem Pinsel oder mit einer Feder auf die kranken Theile mehrmals nacheinander dünn aufstreicht oder in die Fistelgänge einspritzt, bis die beabsichtigte W i r kung entstanden ist. — Zu den verdünnten Auflösungen nimmt m a n , nach dem stärkeren oder geringeren Grade der Unthätigkeit u. s. w., 1 Theil Höllenstein auf 4 0 — 1 0 0 Theile destillirten Wassers, und befeuchtet oder verbindet damit die Geschwüre täglich ein- bis zweimal. Zusätze von anderen Mitteln sind bei dem Höllenstein kaum nötliig und auch wenig zweckmässig, da derselbe sehr leicht, namentlich durch Stoffe, in denen Salzsäure enthalten ist, zersetzt und unwirksam gemacht wird. — Gegen die periodische Augenentziindung ist eine Salbe aus 8 Gran (0,5) Argeid. hitric. auf J/a Unze (15,0) Fett mehrfältig als nützlich gerühmt. Bei katarrhalisch asthenischen Augenleiden dient eine Auflösung von 5 — 1 0 Gran (30 — 60 Centigrm.) in 30,0 Wasser; — bei Verbrennungen ein Liniment von 1 Theil fein pulverisirtem Höllenstein und 8 Theilen Baumöl. Stark jauchende Flächen muss man vor der Anwendung dieses Mittels reinigen und trocknen, entgegengesetzt müssen die zu trockenen Stellen, und ebenso der auf sie in Substanz applicirte Höllenstein vorher etwas befeuchtet werden.— Zur Anwendung auf sehr begrenzte P u n k t e an den Augen benutzt man am besten ein Stückchen Höllenstein, welches an einem E n d e durch Beschaben wie eine Bleifeder zugespitzt ist, und nach geschehener Aetzung streicht man einige Tropfen Milch, Schleim oder Oel zwischen die Augenlider. (1 Grm. 2 Sgl-, 8 Pfg.)
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Metallische Arzneimittel.
I. S p i e s s g l a n z ,
Antimonium
s. Stibiam,
Sb.
§. 5 7 9 . D a s Spiessglanz ist ein sehr häufig vorkommendes M e t a l l ; es findet sich hin und wieder gediegen, meistens aber mit anderen Metallen (Nickel, Blei, S i l b e r , Arsenik) und mit Schwefel und Schwefelmetallen als sogenanntes G r a u s p i e s s g l a n z e r z , seltener als O x y d und als spiessglanzige S ä u r e , und wird aus diesen verschiedenen Erzen, besonders aus dem Schwefelspiessglanz durch Aussaigerung und weitere Processe gewonnen. — E s macht mit dem Sauerstoff drei (nach B e r z e l i u s vier) Oxydationsstufen: ein Antimonoxyd, eine antimonige S ä u r e und eine Antimonsäure, welche sämmtlich mit anderen Säuren und mit A l k a l i e n verschiedene einfache und Doppelsalze bilden helfen. Mit anderen Metallen und mit dem Schwefel verbindet es sich in verschiedenen Verhältnissen. D a s Spiessglanzmetall (welches für sich nicht angewendet wird) entwickelt, wenn es mit Säuren in Verbindung tritt, daher im T h i e r k ö r p e r auch mit den sauren S ä f t e n desselben, schnellere und mehr sichtbare W i r k u n g e n als j e d e s andere M e t a l l ; und diese W i r k u n g e n erscheinen von den verschiedenen Spiessglanzpräparaten, bei innerlicher Anwendung entsprechender Gaben, in der Art eigenthümlich: 1) dass durch sie eine vermehrte Absonderung seröser Flüssigkeiten überall, namentlich aber in der Schleimhaut des Verdauungskanals, in den Resjnrationsorganen, in den Nieren und in der H a u t erregt wird; 2) dass ebenso auch die Resorption überall vermehrt und somit der Stoffwechsel im K ö r p e r beschleunigt wird; H) dass diese E r r e g u n g nicht wie bei den ätherisch-öligen Mitteln mit einer Vermehrung der E n e r g i e , sondern mit einer Schwächung derselben verbunden ist; 4) dass bei der durch eine längere Zeit fortgesetzten Anwendung dieser Mittel eine V e r ä n d e r u n g der Plasticität des Blutes, Störung des ganzen Vegetationsprocesses, und zuletzt ein cachectischer Zustand entsteht; und 5) dass bei T h i e r e n , die sich erbrechen k ö n n e n , von massigen G a b e n dieser Mittel fast immer E r b r e c h e n entsteht. — Ausserdem kommen die localen Einwirkungen noch in Betrachtung. Sowohl in diesen allgemeinen wie auch in den örtlichen W i r k u n g e n zeigen die verschiedenen Spiessglanzpräparate unter einander eine grosse V e r schiedenheit. Am mildesten wirken die einfachen Verbindungen mit Schwefel, stärker als diese sind die mit vegetabilischen Säuren gebildeten Salze ( B r e c h weinstein) , und am stärksten örtlich eingreifend die mit Mineralsäuren gebildeten Salze (Spiessglanzbutter). D i e letzteren bewirken überall eine tief eindringende chemische Zerstörung, während die ersteren Salze nur bei sehr concentrirter und durch längere Zeit andauernder E i n w i r k u n g örtlich eine heftige Reizung, Entzündung, Bläschen und zuletzt auch Zerstörung erzeugen. D i e Schwefelverbindungen des Spiessglanzes bleiben dagegen a u f der Haut, im Zellgewebe und auf frischen Wundflächen selbst nach mehrtägiger Einwirkung' ohne Spuren einer örtlichen oder allgemeinen W i r k u n g ; die letztere wird bei ihnen nur von der Schleimhaut des Verdauungskanals vermittelt, während die örtliche auch hier, und selbst von grossen Gaben nur sehr gering ist. — W e l c h e Verbindungen die Spiessglanzpräparate mit den organischen Substanzen eingehen, wie sie hierbei verändert, wo und wie sie
Schwarzes Schwefelspiessglanz.
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aus dem Körper wieder ausgeschieden werden? — ist fast ganz unbekannt. Die Beobachtung lehrt hierüber nur so viel, dass die Schwefelspiessglanzmittel im Thierkörper stets Hydrothionsäure entwickeln, welche zum Theil durch Rülpsen und Blähungen, zum Theil auch durch das Athmen wieder entfernt wird. Den oben angedeuteten Wirkungen und der Erfahrung zufolge sind die Spiessglanzmittel im Allgemeinen da indicirt: wo der Yegetationsprocess wegen mangelhafter Ab- und Aussonderungen gestört ist, — wo bei bestehender entzündlicher Reizbarkeit seröse Flüssigkeiten im Zellgewebe oder in Höhlen angehäuft sind, — wo bei demselben Character Krämpfe, Rheumatismen , Stockungen in Drüsen u. s. w. bestehen, oder wo der Schleim in zu zäher Beschaffenheit abgesondert und hierdurch seine Ausleerung gehindert oder erschwert ist. — Man benutzt hiernach diese Mittel gegen viele und verschiedenartige Krankheiten, bald als Laxantia, Emetica, Diuretica, Diaphoretica und als Expectorantia, bald als umstimmende und entzüudungswidrige Mittel, äusserlich als ableitende und als Aetzmittel.
1 6 ) S c h n e f e l s p i e s s g l a n z , rohes S p i e s s g l a n z ( G r a u s p i e s s g l a n z e r z ) , antimoniges Sulfid, Stibium
sulphuratum.
nigrum,
phuretum
Stibi-um sulphuratum Stibii nativum
critdum,
s. renale
nigrum,
Antimonium
criidum,
Sul-
SbSß.
§. 580. Das Schwefelspiessglanz kommt am häufigsten in dem Grauspiessglanzerz vor lind wird aus diesem durch leichtes Schmelzen entweder in flach gewölbten Flammenüfen oder in irdenen Krügen, deren Boden mitOeflfnungen versehen sind, wclche über Tiegeln in heisser Asche stehen, gewonnen. Das leicht schmelzende Spiessglanz fliesst ab, die unreine, erdige u. s. w. Schlacke bleibt zurück. Nach dem Erkalten erscheint das Schwefelspiessglanz in Form von dicken Kuchen, oder pyramidenälinlich, je nach der Form der Untersetzgefässe; es hat eine dunkelgraue Farbe, metallischen Glanz, strahliges Gefüge, zeigt vier- und sechsseitige Krystallsäulen, ist spröde, lässt sich leicht pulvern, das Pulver erscheint schwarz, die Finger russig färbend, oft mit einzelnen feinen Metallpiinktclien gemengt; es ist geruchlos, schmeckt beim längeren Halten im Munde etwas nach Schwefelwasserstoff, löst sich in Wasser nicht auf, besteht in 100 Theilen aus 74 Theilen Spiessglanzmetall und 26 Theilen Schwefel. Das im Handel vorkommende Schwefelspiessglanz ist selten rein, sondern es enthält noch andere metallische Stoffe, am gewöhnlichsten etwas Arsenik (bis zu >/6„), wodurch die Wirksamkeit des Mittels etwas modificirt wird 1 . Dieselbe ist (einigermaassen ähnlich wie bei den Quecksilberpräparaten) hauptsächlich auf den Vegetationsprocess gerichtet und äussert sich 1 Die Pharmacopöen verordneil daher, um ein gleichförmiges und reines Präparat zu schaffen, dass das S c h w e f e l s p i e s s g l a n z durch Zusammenschmelzen aus S p i e s s g l a n z m e t a l l und Schwefel bereitet werden soll. Zum thierarzneilichen Gebrauche ist j e d o c h , der W o h l f e i l h e i t wegen, das natürliche Schwefelspiessglanz zu benutzen, um so mehr, da bei seiner Anwendung, selbst in sehr grossen Gaben, kein Nachtheil von jenen fremdartigen Beimischungen bemerkt worden ist. — In den Apotheken wird auch das g e w ö h n l i c h e S c h w e f e l s p i e s s g l a n z . nachdem es pulverisirt i s t , mit Wasser abgerieben und heisst dann Stiö. sulphurat. nigr. lacvigatum. Auch entbehrlich.
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Metallische Arzneimittel.
bei Pferden durch Erregung des Appetits, durch Besserung der Verdauung und Assimilation, durch Dünnerwerden des zu zähen Schleiöis, durch lebhaftere Kesorption (besonders im Darmkanal), durch gedeihliche Ernährung, Glattwerden der Haare, und durch stärkere Haut- und Lungenausdünstung. Die Hautausdünstung wird zwar durch das Mittel niemals bis zum Schweiss verstärkt, sie giebt sich aber, vorzüglich bei Pferden, durch vermehrte Ansammlung von Hautschlacke deutlich zu erkennen. — Diese Wirkungen sind sehr mild, selbst von grossen Gaben (z. B. bei Pferden von 12 bis 2 4 Unzen), und sie erfolgen mehrentheils nur bei anhaltendem Gebrauche des Mittels deutlich bemerkbar; das Blutgefasssystem wird dabei nicht aufgeregt, und vom Nervensystem scheinen nur die Gangliennerven und besonders der grosse sympathische und der Lungenmagennerv afficirt zu werden. Am meisten wird die Thätigkeit der Lymphgefässe und der Lymphdrüsen angeregt und vermehrt, wie man dies bei krankhaften Zuständen dieser Tlieile deutlich bemerken kann. Nach V i b o r g ' s u. a. Versuchen 1 wirkt das Schwefelspiessglanz bei den Wiederkäuern verhältnissmässig schwächer als bei Pferden, Schweinen und Hunden. Bei den letzteren beiden entsteht von grossen Gaben (von ^.¿Ynze und darüber) zuweilen Erbrechen, sehr oft bleibt aber dasselbe aus Ueberhaupt zeigen sich die Wirkungen dieses Mittels sehr ungleich; wahrscheinlich aus dem Grunde, weil das Spiessglanz, welches wie die übrigen Metalle nur in Verbindung mit Sauerstoff oder mit Säuren wirksam ist, durch die im Verdauungskanal vorhandenen Stoffe, unter Mitwirkung der Wärme bald mehr bald weniger vollständig oxydulirt wird, j e nachdem die Umstände hierzu günstig sind. So viel ist wenigstens sicher, dass, wenn dieThiere viel trockenes Futter und wenig Getränk geniessen, die Wirkungen weit geringer sind, als unter entgegengesetzten Umständen, und dass sie am stärksten erfolgen, wenn die Thiere säuerliches Getränk erhalten oder an Säure in den Veidauungseingeweiden leiden. — Der in dem Mittel enthaltene Schwefel wird im Verdauungskanal ebenso verändert und trägt nach seiner Art zur Wirkung bei (§. 412). — Von dem Spiessglanzmetall wird jedoch, besonders wenn das Mittel in sehr grossen Gaben oder anhaltend angewendet wird, stets nur ein kleiner Theil auf die bezeichnete Weise verändert und in die Säfte des Körpers aufgenommen; der grösste Theil geht mit dem Koth wieder ab und erscheint dann mehr metallisch glänzend, weniger abrussend und ärmer an Schwefel. — Zuweilen hat man auch einen grossen Theil des Mittels in dieser Weise verändert im Blinddarm und Grimmdarm angesammelt gefunden. §. 5 8 1 . Das Schwefelspiessglanz wird als Heilmittel nur innerlich und nach §. 5 7 9 gegen solche Krankheiten angewendet, bei denen der Vegetationsprocess überhaupt, besonders aber die regelmässige Thätigkeit und die normale Beschaffenheit der Lymphgefässe, dei Lymphdrüsen und der Schleimhäute leidet. Am meisten benutzt man es daher bei den verschiedenen Arten und Formen von Druse, Strengel, chronischem Katarrh, bei veralteten Schleim1 Ueber die W i r k u n g der S p i e s s g l a n z m i t t e l bei den H m i s t h i e r e n . in den V e t e i " S e l s l i a b . S k r i f t . l r . D e e l , — und d e u t s c h i n : T e u f f e l ' s M a g a z i n lür T h i e r h e i l k u n d e B d . 1. S . 3 1 0 .
Schwarzes, rothes und pomeraMefarbenee Schwefelspiessglanz.
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Aussen aus den Respirationsorganen und aus den Geschlechtstheilen, bei scrophulösen und herpetischen Leiden, bei veralteten Hautkrankheiten, bei dergleichen Mauke, beim mangelhaften Abhaaren, bei zu geringem, wechselndem Appetit, bei Eingeweidewürmern, nach V i b o r g gegen die F i n n e n , beim Rotz und W u r m der Pferde und dergleichen. E s ist auch bei dem chronischen Rheumatismus, bei der sogenannten L ä h m e der Lämmer, und bei fehlerhafter Beschaffenheit der Milch, wenn sie z. 13. sich nicht buttern lässt, mit gutem Erfolge gebraucht worden 1 . Die G a b e ist für Pferde 1 5 , 0 — 3 0 , 0 , für Rinder 3 0 , 0 — 6 0 , 0 , für Schafe 1 5 , 0 — 3 0 , 0 , für Schweine 8 , 0 bis 3 0 , 0 , für Hunde 2—8 Grm., täglich zwei- bis dreimal. B e i grünem Futter kann man kleinere Gaben reichen, als bei trockenem. Zur Anwendung muss das Spiessglanz möglichst fein pulverisirt sein. Man giebt es in Pillen und L a t w e r g e n , sehr oft auch in Pulverform, init süssen, bitteren und aromatischen Mitteln, mitOfenruss, T e r penthinöl, K a m p h e r und dergleichen Mitteln versetzt. — Säuren, saure Salze, säuerliches F u t t e r und G e t r ä n k muss man, wie bei dem Gebrauch aller Spiessglanzmittel, vermeiden, weil sonst bei Schweinen und Hunden leicht E r brechen, bei Pferden aber zuweilen K o l i k entsteht. ( P r e i s : 3 0 Grm. rohes Spiessglanz G P f . , in Droguerien 1 Pfd. 11 S g r . ; -—laevigatum 3 0 Grm. 2 S g r . 2 Pfg.) 17) Rothes iM'liBefi'lspiessgianz, rothes Scliwel'elaiitiinon, .Uineralkermps, Stihium sulpkuratinu
rubrum,
Suiphur
stibiatum
rubrum,
Kermes
mhicrale,
Sulphuretum
Stibii
rubrum.
Ih) I'iinici auzenl'arln-nes Kpit-ssglanzsch»riVI, (iuldschwcl'el, Stibium sulphuratvm aurantiacum.
Suiphur
btibiatum
am-cuitiacum,
Suiphur
Anttmonu
auratum,
Subbimlphurifum
Stibi-i.
§. 5 8 2 . Diese beiden Spiessglanzpräparate sind in der Art ihrer B e s t a n d t e i l e sowohl einander selbst, wie auch dem rohen Sehwefelspiessglanze ähnlich. D a s r ot lie S c h w e f e l s p i e s s g l a n z (Sl>S ; 1 -|-HO), wird nach mehrerlei Vorschriften, gewöhnlich aber bereitet durch Kochen einer Auflösung von 2 4 Thcilen kohlensaurem Natron in der lOfachen Menge Wassers und 1 T h e i l schwarzem Schwefelspiessglanz, dann Durchseihen und Trocknen der auf dem Filtrurn gebliebenen Masse. E s ist ein braunrothes, feines, weich anzufühlendes Pulver ohne G e r u c h , im Munde etwas nach Schwefelwasserstoffsäure schmeckend. E s ist ein Gemenge von amorphem Schwefelantimon und A n timonoxyd; nach früherer Ansicht enthält es 67 Proeent Spiessglanz und 3 3 Procent Schwefel. D e r G o l d s c h w e f e i ( S b S ä ) kann durch Auflösen von Schwefelantimon in einer kaustischen L a u g e und naehheriges Präcipitiren durch verdünnte Schwefelsäure, Filtriren u n d T r o c k n e n , — aber auch auf andere Weise gewonnen werden. E s ist ein höchst feines, pomeranzenfarbiges, geruch- und geschmackloses Pulver, und enthält nach älteren chemischen Analysen 62 Procent Spiessglanz und 3 8 Procent Schwefel. Beide Präparate sind in Wasser unlöslich, sie zersetzen sich aber durch dasselbe bei E i n w i r k u n g der L u f t und W ä r m e , noch mehr bei Einwirkung von 1 I n manchen G e g e n d e n wird das Scliwefelspiesstrlanz auch zur B e f ö r d e r u n g der Mast b e i g e s u n d e n S c h w e i n e n und R i n d e r n a n g e w e n d e t .
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Metallische Arzneimittel.
Säuren, und sie entwickeln dabei Schwefelwasserstoffgas. I n dem letzteren (siehe die Anmerkung S. 445) sowie auch darin, dass beide Präparate als sehr feine Pulver bestehen, liegt ein Grund ihrer besondern Wirksamkeit. Wie in der Zusammensetzung, so sind diese Mittel auch in ihren Wirkungen auf den Organismus einander ähnlich. I n massigen Gaben verursacht weder der GoMschwefel noch der Kermes bei einem Thiere grosse Veränderungen. Von dem Kermes sah V i b o r g (a. a. 0 . ) bei Pferden selbst nach 1—2 Unzen (30—60 Grm.) in einer Mehlpille gegeben, nur vermehrten Appetit und härteres Misten 1 , — bei einer K u h nach dem Eingeben von 1 Unze (30 Grm.) mit Wasser, blos etwas vermehrten Abgang von Koth und Urin, — bei einem 2 1 / 2 jährigen Widder, 1 6 — 1 8 Stunden nach dem Eingeben von 1 5 — 3 0 Grm. des Kermes, Abgang eines breiartigen, hellgelben Mistes und eines helleren, reichlichen Urins. Bei einer kleinen Ziege trat ganz dieselbe W i r k u n g nach 8 Grm. Kermes, mit Wasser gegeben, ein; aber bei einem 1jährigen Eber erregte diese Gabe gar keine Zufälle; ebenso waren 2 — 8 Gran (12—50 Centigrm.) bei jungen Hunden ohne Wirkung, und erst 20 Gran ( l 1 / 4 G r m . ) verursachten nach 1 3 / 4 Stunden Erbrechen und Verminderung des Appetits. — Der G o l d s c h w e f e l verhält sich bei gesunden Thieren in seiner W i r k u n g ganz auf dieselbe Weise, und ich sah selbst nach der ungemein grossen Gabe von 90 Grm. bei Pferden und K ü h e n nur den Koth heller gefärbt und lockerer, den Urin aber mehr gelblich gefärbt und reichlicher abgehen. Nach mehrmals wiederholter Anwendung erzeugen aber beide Mittel, besonders bei kranken Thieren, dieselben Wirkungen, welche von dem schwarzen Schwefelspiessglanz bei dessen anhaltendem Gebrauche zu entstehen pflegen (§. 580), — j e d o c h mit dem Unterschiede, dass sie von dem Goldschwefel und Kermes schneller eintreten, weit mehr auf Beförderung aller Absonderungen gerichtet, aber bei lange fortgesetzter Anwendung auch die Energie der Verdauungseingeweide mehr schwächend sind, als die Wirkungen des schwarzen Spiessglanzes. §. 583. Kermes und Goldschwefel wurden ehemals in der Thierarzneikunde (besonders in der Rossarzneikunde) sehr viel benutzt, und zwar gegen Krankheiten, die durcli Unterdrückung der Haut- und Lungenausdünstung entstanden und die in einer katarrhalischen oder rheumatischen Affection der häutigen Gebilde, besonders aber der Schleimhaut der Respirationsorgane, der sehnigen Häute, oder in einem Leiden der Lymphgefässe begründet sind; — daher fast allgemein gegen Druse, Bräune, Lungenentzündungen, die verschiedenen Arten des Hustens, Rheumatismen, Schleimdruse, Räude, Flechten, Rotz, W u r m und dergleichen. J e t z t werden aber beide Mittel im Ganzen nur selten angewendet, theils weil sie sehr theuer sind, theils auch weil sie keine so ausgezeichnete Wirksamkeit besitzen, wie man ehemals ihnen zuschrieb, und weil man sie in den meisten Fällen durch wohlfeilere und eben1 Ein anderes P f e r d , dem V i b o r g 1 Unze (30,0) Kermes mit W a s s e r eingegeben, b e k a m L u n g e n e n t z ü n d u n g und s t a r b a m 13. T a g e . — V i b o r g s c h l i e s s t d a r a u s : d a s s d a s M i t t e l in flüssiger F o r m s e h r h e f t i g w i r k e ; a l l e i n a u s der B e s c h r e i b u n g d e s V e r s u c h s erg i e b t s i c h a l s w a h r s c h e i n l i c h , d a s s b e i d e m E i n g e b e n ein T h e i l der F l ü s s i g k e i t in d i e L u f t r ö h r e g e l a n g t ist u n d h i e r d u r c h j e n e W i r k u n g auf d i e L u n g e h e r v o r g e b r a c h t hat.
Schwefelspiessglanz, Spicssglanzweinstein.
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so wirksame Mittel (schwarzes Scliwefelspiessglanz, Brechweinstein) ersetzen kann. Am meisten nützlich sind sie noch, der Erfahrung zufolge, bei Lungenentzündungen im Stadium der Abnahme, wenn der Husten beginnt locker zu werden, aber der Auswurf nicht leicht und frei stattfindet; — unter denselben Umständen auch bei katarrhalischer Bräune und bei katarrhalischem Husten. Den Goldschwefel (jedoch in Verbindung mit Fenchel- und Dillsamen) hat W a l c h als sehr wirksam gegen das Nachlassen der Milch empfohlen, wenn dasselbe bei gesunden K ü h e n und bei hinreichendem und gutem Futter entsteht, und somit nur in einem Missverhältnisse der Secretion begründet ist. Die Gabe ist von beiden Substanzen gleichmässig für Pferde und Rinder 4 — 1 2 Grm., für Schafe und Schweine 1 — 4 Grm., für H u n d e 10—-50 Centigrm., täglich 3 bis 4 mal; und die Anwendung geschieht in Pillen und Latwergen, mit Süssholzw urzel, Fenchel, Dill, Bilsenkraut, Digitalis, Opium, Salmiak, Kampher und dergleichen, dem jedesmaligen Krankheitszustande entsprechenden Mitteln versetzt. Saure Salze, Alkalien und Säuren passen aber hierzu nicht, weil sie sich mit dem Kermes wie mit dem Goldschwefel gegenseitig zersetzen. ( S t i b . sulphur. rvbrina 1 Grm. 1 Sgr. — Stib. sulphurat. aiiruiitiüfuin
5 Grm. 10 Pf.)
19) SpiessglanzwrinsU'iii, Brechwrinstein , weinsaurcs Anfimoiinxjd-Kali, tartaricum.
Tartatus
stibiatus
s. antimonialis. Tartarus eiiwticus. Kali stibiOso-tartiir>ctu)L.
Tart.
Stibio-Kali kalwostilnatus,
§. 584. Der Brechweinstein (KaOT + SbO s ,T -+• 2HO), ein Doppelsalz, welches man nach Vorschrift d. Pharm. Buruss. erhält, wenn man 4 Th. Antimonoxyd und 5 Tlieile Weinstein in einem porcellanenen Gefässe mit 48 Theilen destillirtcm "Wasser übergössen und während 1 Stunde gekocht, dabei das verdunstende Wasstu- nach und nach wieder ersetzt hat, dann die Flüssigkeit bis auf G4 Tlieile eindampft, filtrirt und kiystallisircn lässt. Die Krystalle werden abgewaschen und getrocknet; sie sind rhomb. Octaeder oder Tetraeder, zuerst wasserhell, nach einiger Zeit trübe werdend, zerrieben ein weisses, etwas krystallkörniges Pulver gebend; der Geschmack ist süsslich, hintennach ekelhaft metallisch; es ist eine Verbindung von 1 Aeq. weinsaurem Kali mit 1 Aeq. basisch weinsaurem Antimonoxyd nebst 2 Aeq. Wasser, löst sich in 15 Theilen kalten und 2 Theilen kochenden destillirten Wassers vollkommen auf, und wird durch Alkalien, kohlensauren Kalk, Mineralsäuren, Hydrothionsäure und adstringirende Pflanzenstoffe zersetzt. Bei der Anwendung auf den Thierkörper bewirkt der Brechweinstein im concentrirten Zustande an allen Weichgebiklen heftige Reizung, Entzündung, Ausschwitzung, Anätzung, und in der Haut und Schleimhaut eine sogenannte Follicular-Schwärung mit kleinen pockenähnlichen Geschwüren. Im Magen und Darmkanal werden diese Wirkungen noch verstärkt, indem der Brechweinstein durch die chlorigen Verdauungssäfte mehr oder weniger in Spiessglanzbutter umgewandelt wird. — I n seinen allgemeinen Wirkungen übertrifft dieses Salz alle übrigen Spiessglanzpräparate an Schnelligkeit, Stärke 1 und Ausbreitung. —• Bei gesunden Pferden sieht man nach einer e i n z e l n e n Gabe von 4 — 8 1
Mit Au-n-lnne de;- A(-tzkr:it'r. -u-i'icho in der Spiessglanzbutter am stärksten ist.
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Metallische Arzneimittel.
Grm., sie mag in flüssiger oder in anderer Form innerlich beigebracht sein, gewöhnlich nur etwas vermehrtes Uriniren in den nächsten 1 2 — 2 0 Stunden erfolgen. Werden aber eben solche Gaben in Zwischenzeiten von 3 — 4 Stunden und durch einen ganzen T a g oder länger wiederholt, so entsteht Verminderung in der Energie und Zahl der Pulse, stärker pochender Herzschlag, Verminderung der Zahl der Athemzüge, vermehrte Absonderung an den Schleimhäuten, Mattigkeit; die Plasticität des Blutes mindert sich, der Koth geht weicher (zuweilen ganz dünn) und häufiger, der Urin ebenfalls reichlicher ab, — und bei zu lange fortgesetzter Anwendung tritt ein typhöser, mit sehr grosser Schwäche verbundener Zustand ein, an dem die Thiere zu Grunde gehen können. — Von 15 Grm. in einer Pille mit Mehl oder Altheewurzelpulver auf einmal gegeben, entsteht mässig vermehrte Absonderung an den Schleimhäuten, für kurze Zeit auch etwas schnellerer Puls, vermehrter Durst, Poltern im Leibe, oft wiederholtes krampfhaftes Aufheben und Strecken der Hinterbeine; der Appetit ist mehrentheils gemindert, zuweilen aber auch ungestört; nach 1 6 — 2 4 Stunden endet die W i r k u n g mit etwas reichlicher Ausleerung von mehr lockerem Koth und hellerem Urin. — Dieselbe Quantität Brechweinstein mit 3 Pfund Wasser einem Pferde eingegeben, verursachte in der ersten Stunde sehr schnellen Puls, erhöhte Temperatur des Körpers, Kolikschmerzen, krampfhaftes Aufheben der Hinterbeine, zuweilen Zittern, Verminderung des Appetits. Gewöhnlich tritt nach einigen Stunden eine Verminderung im Grade dieser Zufälle ein, aber an den folgenden Tagen sind sie wieder verstärkt, und mehrentheils enden sie mit dem Tode, der nach 6 — 8 Tagen durch typhöse. Lungenentzündung und durch Darmentzündung zu erfolgen pflegt. -— 30 Grm. des Mittels in einer Pille oder in Latwergenform gegeben, wirkten zwar etwas heftiger und anhaltender, als 15 Grm. doch aber nicht tödtlich; wogegen von einer solchen Gabe in f l ü s s i g e r F o r m der Tod unter den beschriebenen Zufällen und unter heftigen Krämpfen und kaltem Schweisse schon nach etwa 8 Stunden, — von 60 Grm. in flüssiger Form gegeben aber selbst nach 2 ' / s Stunden erfolgte. ( V ib o r g , a. a. O. S. 346 u. f.) — 90 Grm., die ich einem kräftigen, aber unheilbar dämpfigen Pferde in Latwergenform gab, verursachten ausser jenen Zufällen auch eine Verminderung der Athemzüge von 40 auf 17 pr. Minute, Entzündung der Maulschleimhaut, gelbe Blasen und später offene, angeätzte Stellen an derselben, zuletzt völlige Lähmung des Hintertheils, und am vierten T a g e den Tod. — In der Tliierarzneischule zu Alfort gab man 2 Pferden, deren Respirationsorgane vorher als ganz gesund ermittelt waren, bei leerem Magen auf einmal 120 Grm. (4 Unzen) Brechweinstein, und so auch am folgenden Tage. Sie starben am dritten Tage, und zeigten bei der Section eine heftige Entzündung der Lungen und in der ganzen Schleimhaut des Dickdarms blatterälmliche Erhöhungen. Bei anderen Pferden gab man während 8 Tagen in immer steigender Gabe die enorme Quantität von 1500 Grammen (50 Unzen), worauf der Tod erfolgte. Im Darmkanal fand man die angegebene pathologische Veränderung, und die Lungen mit schwarzem Blut infiltrirt, ähnlich wie bei dem Milzbrande. Bei mehreren Versuchen ergab sich: dass junge Pferde, die nur mit mehlhaltigem Futter genährt wurden, schon von 60 Grm. in eine tödtliclie Darmentzündung vei fielen, während sie, wenn sie mit Hafer und Heu gefüttert wurden, das Doppelte ertrugen. Die in den letzteren Nahrungsmitteln enthaltene Gallussäure, welche den Brech-
Spiessglanz Weinstein.
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Weinstein zersetzt, b e d i n g t diesen U n t e r s c h i e d (Recueil de med. veter. 1 8 4 0 , pag. 544). A u f die W i e d e r k ä u e r w i r k t d e r B r e c h w e i n s t e i n s c h w ä c h e r , als a u f P f e r d e . G e s u n d e K ü h e z e i g t e n bei m e i n e n , wie bei V i b o r g ' s V e r s u c h e n , n a c h d e m E i n g e b e n von 2 D r a c h m e n bis 1 U n z e ( 8 — 3 0 G r m . ) dieses Mittels g e w ö h n lich k e i n e a u f f a l l e n d e V e r ä n d e r u n g in i r g e n d einer V e r r i c h t u n g des K ö r p e r s ; in einzelnen F ä l l e n sah ich n u r n a c h 1 5 — 3 0 G r m . s t ä r k e r e S c h l e i m s e c r e t i o n u n d v e r m e h r t e s U r i n i r e n e r f o l g e n ; u n d bei einer K u h blieben selbst 1 2 8 G r m . , welche i n n e r h a l b 4 T a g e n in getlieilten G a b e n g e r e i c h t w u r d e n , ohne d e u t liche W i r k u n g . D a g e g e n s a h l i i i f f e r t einen S t i e r v o n 1 U n z e ( 3 0 , 0 ) des Mittels i n L e i n s a m e n s c h l e i m g e g e b e n , L e i b s c h m e r z e n b e k o m m e n u n d plötzlich sterben. G i l b e r t ( A n n a l . de l'ayricult. franq. T o m e 3. p. 3 4 3 ) sah bei e i n e r K u h n a c h 4 0 G r m . , in A u f l ö s u n g g e g e b e n , k e i n e W i r k u n g . D i e F o r m , in welcher d a s Mittel a n g e w e n d e t w i r d , m a c h t hier k e i n e n so grossen U n t e r schied im G r a d e der W i r k u n g , wie bei d e n P f e r d e n . — B e i S c h a f e n s c h e i n t dies j e d o c h d e r F a l l z u s e i n ; d e n n bei D a u b e n t o n ' s V e r s u c h e n a n diesen T h i e r e n (Mein, de la Soc. royale de Medec. an. 1 7 8 0 u n d 81. p. 2 5 6 , — d e u t s c h in: Auserles. B e i t r . z. T h i e r a r z n e i k u n d e , B d . 1. S. 1 9 3 ) b l i e b e n 4 — 3 6 G r a n ( 2 4 U e n t i g r m . bis 2 i l 3 G r m . ) , in einem Bissen g e g e b e n , o h n e W i r k u u g , — w ä h r e n d bei einem a n d e r n S c h a f e schon von 2 G r m . , in A u f l ö s u n g a n g e w e n det, A u f t r e i b u n g des Leibes, Z ä h n e k n i r s c h e n u n d e i n , d u r c h 2 T a g e d a u e r n der, Durchfall entstand. V i b o r g (a. a. 0 . ) g a b einem j ä h r i g e n S c h a f e 1 Drachme G r m . ) , — G i l b e r t selbst 12 G r m . in flüssiger F o r m , u n d 16 G r m . in e i n e r M e h l p i l l e , o h n e dass eine w a h r n e h m b a r e W i r k u n g e r f o l g t e ; aber 2 4 G r m . in letzterer F o r m g e g e b e n , t ö d t e t e n ein S c h a f ; l 1 ^ G r m . w u r d e n d a g e g e n in fester u n d in flüssiger F o r m von m e h r e r e n S c h a f e n e r t r a g e n , ohne dass g e f ä h r l i c h e Z u f ä l l e e i n t r a t e n 1 . A u c h bei S c h w e i n e n w i r k t d e r BrechWeinstein nicht so s t a r k , wie m a n gewöhnlich glaubt. Z u w e i l e n sali ich bei i h n e n v o n einer h a l b e n bis l 1 / * Grin. in A u f l ö s u n g g e g e b e n , E k e l , G e i f e r n aus d e m M a u l e , M a t t i g k e i t u n d Et-brechon e n t s t e h e n ; n i e m a l s t r a t letzteres von w e n i g e r als v o n ö O C e n t i g r m . ein, u n d oft blieb es selbst n a c h 1 1 /. 1 G r m . aus. V i b o r g sah e b e n f a l l s v o n 2 0 G r a n ( I V 4 G r m . ) bei e i n e m j ä h r i g e n S c h w e i n e blos d e n P u l s e t w a s ges c h w i n d e r w e r d e n , ü b r i g e n s a b e r die M u n t e r k e i t u n d die g e w ö h n l i c h e F r e s s lust f o r t b e s t e h e n . A l s dasselbe hierauf 1 D r a c h m e (4 G r m . ) b e k a m , z e i g t e es die n ä m l i c h e n Z u f ä l l e , u n d zugleich h e f t i g e r e s F l a n k e n s c h l a g e n , doch o h n e w e i t e r e F o l g e n . — Bei e i n e m 9 M o n a t e alten F e r k e l w a r l / 2 D r a c h m e (2 G r m . ) , in A u f l ö s u n g g e g e b e n , g a n z o h n e E r f o l g ; a b e r 1 D r a c h m e ( 4 G r m ), in 2 1 U n z e n ( 7 2 0 G r m . ) W a s s e r s g e l ö s t , v e r u r s a c h t e bei e i n e m 9 m o n a t i g e n E b e r Ei brechen, welches 1 5 M i n u t e n n a c h d e m E i n g e b e n e n t s t a n d u n d d u r c h 1 1 /' 4 S t u n d e n f o r t d a u e r t e , w o r a u f s c h e i n b a r e M u n t e r k e i t , d a n n a b e r w i e d e r S t ö h n e n , A p p e t i t l o s i g k e i t u n d M a t t i g k e i t folgten. A m dritten T a g e zeigte sich j e d o c h d a s T h i e r wieder völlig g e s u n d . — V o n 8 G r m . B r j c h w e i n s t e i n , die in 1 P f u n d W a s s e r s gelöst, e i n e m 9 M o n a t e a l t e n E b j r g e g e b e n w u r d e n , e n t s t a n d e n n a c h l ' / 2 S t u n d e n f ü n f m a l i g e s E r b r e c h e n , A p p e t i t l o s i g k e i t , Bet ä u b u n g , d a n n n a c h m e h r e r e n S t u n d e n D u r s t , n a c h g e s c h e h e n e m S a u f e i l er1 Siehe auch Versuche über die Wirkung de-* lirechwein-itei-is bei 3ch;ifvieh; von Dr. S p i n o l a , in Nebel un vi Vix' ZsiUchr. f. d. geaain mt'! Tuierheilk. Ii I. 3. S. 41.
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Metallische Arzneimittel.
neutes Erbrechen, a m folgenden T a g e nach anscheinender Besserung K r ä m p f e und bald darauf der T o d . B e i Hunden und K a t z e n entsteht, nach Verhältniss ihrer Grösse, von 2 — 8 Gran ( 1 2 — 5 0 Centigrm.) Brechweinstein, E k e l und ziemlich leicht und sicher auch E r b r e c h e n , ohne dass andere Zufalle, als die mit dem E r b r e c h e n gewöhnlich verbunden sind, erfolgen. Selbst Gaben von 4 Grm. und darüber, sind von H u n d e n gut ertragen worden, wenn das Erbrechen bald und ungehindert S t a t t f a n d ; denn durch dasselbe wurde das Uebermaass des Mittels wieder aus dem Magen entfernt, ehe es seine vollständige W i r k u n g entwickeln konnte. W a r aber das E r b r e c h e n durch Unterbindung des Schlundes oder durch ähnliche Ursachen gehindert, so starben die T h i e r e schon nach 4 — 8 Gran ( 2 4 — ö O C e n t i g r m . ) innerhalb 2 — 3 Stunden ( O r f i l a , Toxicol. B d . 1. S. 3 3 6 ) . Hühner und andere Vögel erbrechen sich nach 6 — 1 8 Centigrm. des Mittels recht leicht. In die Blutadern gespritzt, verursacht der Brechweinstein bei Pferden in der Gabe von 6 0 Centigrm. bis 4 Grm., und in der 1 5 — 2 0 fachen Menge warmen Wassers gelöst, sogleich schnellere, kurze Respiration, h a r t e n , sehr kleinen und vermehrten P u l s , erhöhte T e m p e r a t u r , G ä h n e n , K o l l e r n im L e i b e , K o t h e n t l e e r u n g , die sich gewöhnlich in einigen Minuten mehrmals wiederholt, und zuweilen auch A b g a n g von hellem Urin. D e r Appetit wird wenig oder gar nicht gestört. I m höhern Grade der W i r k u n g wird der Puls fast unfühlbar und über 1 2 0 S c h l ä g e in der Minute vermehrt, das Athmen röchelnd, krampfhaft, der K o t h dünnflüssig; es entsteht Scliweiss, T h r ä n e n fluss, Speicheln, beständiges L e c k e n mit der Zunge an den L i p p e n , K a u e n , R e c k e n , Unruhe, K r a t z e n mit den Füssen, Umsehen nach dein Leibe, Zittern, krampfhaftes Zucken in den Muskeln der S c h u l t e r , des Halses und der Schenkel. Die letzteren Zufälle sind mehrentheils die F o l g e grosser Gaben, entstehen aber nicht immer gleichmässig und vollständig nach denselben. Ueberhaupt ist die W i r k u n g im Grade und in der Dauer sehr u n g l e i c h ; die letztere erstreckt sich von 1 5 Minuten bis auf einige Stunden. Von weniger als 6 0 Centigrm. sah ich nur äusserst selten eine erkennbare W i r k u n g erfolgen-, aber die Injection von 8 Grm. Breclnveinstein, in 1 2 0 Grm. Wassers gelöst, führte stets sehr heftige Zufälle, K r ä m p f e , Schwindel, Lähmung, und den T o d nach 1 1 — 3 Stunden herbei. D i e nach massigen Gaben fast nie ausbleibende W i r k u n g auf den D a r m k a n a l bemerkte ich nach so grossen, tödtliclien Gaben nicht. — B e i K ü h e n sind Injectionen von denselben Gaben, wie bei Pferden, auch mit denselben W i r k u n g e n begleitet; zuweilen entsteht aber auch sehr starkes, dem Erbrechen ähnliches Rülpsen, mit Auswurf von Schleim und etwas Futterstoffen. — E i n j u n g e r Ziegenbock erschien einige Minuten nach der Injection von 2 4 Centigrm. in 3 0 Grm. destillirten Wassers aufgelösten Brechweinsteins ganz m a t t , der muntere B l i c k verschwand, der Puls wurde klein und g e s c h w i n d , das Athmen angestrengt, der B a u c h gespannt und innerhalb der ersten Stunde wurde fünfmal Mist entleert, welcher zuletzt weich und zusammenhängend abging. N a c h 4 Stunden waren alle Zufälle vorüber ( V i b o r g ) . — B e i Schafen entstand nach dem Einspritzen von 3 0 — 3 6 Centigrm. dieselbe W i r k u n g , aber im heftigem Grade und bis zum folgenden T a g e dauernd. — B e i Hunden trat von 6 — 1 2 Centigrm. erst nach ] / 2 Stunde E k e l und leichtes E r b r e c h e n , ohne weitere F o l g e n , ein;
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24 Centigrm. bewirkten Mattigkeit, mehrmals wiederholtes Erbrechen, beschwerliches Athmen, unregelmässigen, aussetzenden, schnellen Puls, Zittern, Convulsionen und zuweilen nach 16—24 Stunden den Tod. Letzterer trat nach dem Einspritzen von 36—5U Centigrm. schon binnen 1 Stunde, und von 75—110 Centigrm. schon nach 1j.2 Stunde ein. Hatte man aber nach M a g e n d i e ' s Vorgange beide Nerven des achten Paares durchschnitten, um die specifische Wirkung des Brechweinsteins auf diese Nerven zu untersuchen, so starben die Thiere nach der Injection von 75—110 Centigrm. erst in 4 Stunden. In Wunden gebracht wirkt der Brechweinstein bei kleinen Thieren ebenfalls sehr heftig. Von 10—30 Centigrm. auf diese Weise applicirt, starben Hunde und Katzen nach einigen Stunden. §. 585. Bei kranken Thieren zeigt sich, selbst nach kleinen Gaben, die Wirksamkeit des Brechweinsteins deutlicher und vielseitiger, als bei gesunden, und sie äussert sich in den einzelnen Fällen theils durch vermehrte Hautausdünstung (bei Pferden und Rindern oft durch Schweiss), durch stärkere Lungenausdiinstung, vermehrte Absonderung des Schleims, daher durch leichteren Auswurf und lockeren Husten, durch verstärkte Ab- und Aussonderung der Galle, reichliche Urinsecretion und lebhafte Resorption ergossener wässeriger Flüssigkeiten; durch lebhaftere peristaltische Bewegung des Magens und Darmkanals (Wiederkauen, Laxiren); — theils durch Minderung der übermässigen Contractilität und der krankhaft aufgeregten Irritabilität in den Muskeln und Blutgefässen, daher Minderung der Pulse in ihrer Zahl und Härte, und llerabstimmung der abnorm erhöhten innern Temperatur; — durch Uinslinimung der krankhaften Reizbarkeit, besonders in den Organen der Brust- und Bauchhöhle, daher durch Beseitigung krampfhafter Zustände; — theils auch bei Schweinen, Hunden, Katzen und Vögeln, durch Erbrechen und Ausleerung unverdaulicher und anderer schädlicher Stoffe aus dem Magen u. s. w. Als Heilmittel wird der Brechweinstein innerlich und äusserlich sehr viel benutzt, und zwar: A. Innerlich: 1 / Als E m e t i c u m bei denjenigen Thieren, welche sich erbrechen können , bei verschluckten unverdaulichen Substanzen und bei vegetabilischen Giften, — bei nervöser Appetitlosigkeit, bei übermässiger Schleimanhäufung in den Luftwegen und im Magen, also bei dem lästigen Schleimhusten, bei der Staupe der Hunde, — oder um eine Erschütterung zu erzeugen, bei Rheumatismus und rheumatischen Lähmungen und dergl. "2) Gegen acute rheumatische und katarrhalische Krankheiten überhaupt, vorzüglich aber, wenn dieselben erst frisch entstanden und mit dem Entzündungscharacter versehen sind; daher gegen katarrhalische und rheumatische Entzündungen und Fieber bei allen Thieren, gegen acuten Strengel der Pferde, gegen katarrhalische Bräune und Bronchitis, gegen katarrhalische und rheumatische Augenentzündung, gegen die Staupe der Hunde, im ersten Stadium, gegen katarrhalische und rheumatische Lungen- und Brustfellentzündungen, gegen dergleichen Entzündungen des Bauchfells, der Leber, der Harnblase, gegen rheumatische Kolik und dergleichen Harnverhaltung,
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gegen Rheumatismus der Gliedmaassen (R :he), gegen rheumatische Eutereatzündung (wie sie besonders bei K ü h e n oft als sogenannter Einschuss vorkommt), gegen die rheumatische acute Schenkelgeschwulst der innern Flä;he der Hinterschenkel bei Pferden (auch Einschuss genannt), selbst gegen rheumatische Lähmungen, z. B. gegen die sogenannte Lähme der Füllen und der Lämmer und dergleichen. — Bei diesen Krankheiten, die sämmtlich durch Störung der Ab- und Aussonderungen, hauptsächlich durch Unterdrückung der Haut- und Lungenausdünstung entstehen, und die in den Schleimhäuten, in den fibrösen und serösen H ä u t e n ihren vorherrschenden Sitz haben, —• ist der Brechweinstein unter den vorhin bemerkten Umständen ein fast allgemein passendes, und mehrentlieils sogar das vorzüglichste Heilmittel, durch welches eine gute Krisis und binnen kurzer Zeit die Heilung herbeigeführt wird. Bei den genannten E n t z ü n d u n g e n , selbst wenn sie einen hohen Grad erreicht haben, kann die etwas reichliche Anwendung dieses Mittels sehr häufig den Aderlass und die äusserlich ableitenden Reizmittel entbehrlich machen. Dies ist jedoch nicht der Fall bei solchen Entzündungen, deren Character rein athenisch (synochös) und deren Sitz tief im Parenchym der Organe ist; denn hier zeigt sich iu der Regel die Anwendung des Salpeters weit zweckmässiger, als die des Brechweinsteins, und bei einem hohen Grade dieser Entzündungen ist der Aderlass weder durch das eine, noch durch das andere Mittel vollkommen zu ersetzen. Ebenso steht der Brechweinstein dem Calomel bei solchen Entzündungen sehr nach, bei denen der Uebergang in plastische Ausschwitzungen oder Verhärtungen Statt findet. — Gegen die Bräune der Schweine wird der Brechweinstein nicht nur als Heilmittel, sondern auch als prophylaktisches Mittel in grossen Gaben benutzt. 3) Gegen verschiedene gastrische Krankheiten, besonders aber, wenn dieselben durch Störungen der Absonderungen entstanden sind, und wenn sie durch Appetitlosigkeit, gelblich-schmutzige Farbe und Trockenheit der Maulschleimliaut, oder Ansammlung von zähem Schleim im Maule, widrigen Geruch aus demselben, Neigung zum Erbrechen (bei Thieren die sicherbrachen können), Unthätigkeit der Verdauungseingeweide (bei Wiederkäuern träges oder gänzlich unterdrücktes Wiederkäuen, sehr langsame Wanstbewegung, seltene Dannentleerung) und Abgang von trockenem, schlecht verdautem Koth sich äussern. Ob solche Krankheiten mit oder ohne Fieber bestehen, ist nicht wesentlich. Man giebt daher den Brechweinstein bei gastrischem Fieber, bei Ueberfüllung des Magens, bei Verschleimung desselben, bei chronischer Unverdaulichkeit, bei Verstopfung im Löser, bei W ü r m e r n (besonders bei Spulwürmern) im Darmkauale, bei der sogenannten blauen Milch, bei der Lecksucht und dergl. 4) Gegen Nervenkrankheiten, — vorzüglich gegen solche, die nicht rein nervös, sondern mit gastrischen oder mit katarrhalischen und rheumatischen Zufällen complicirt sind; daher besonders gegen die Influenza der Pferde, gegen den Dummkoller, wenn er als sogenannter Magenkoller bei Pferden entsteht, die zu reichlich nahrhaftes Futter und wenig Bewegung erhalten, die einen dicken Leib, gelblich gefärbte Schleimhaut des Mauls u. s. w. (wie vorher sub 3) zeigen; ebenso gegen rasenden Koller, wenn derselbe nach Geburten und nach plötzlichem Aufhören des Säugens entstanden ist. Das Mittel wirkt hierbei sowohl durch Umstiinmung der Empfindlichkeit, wie auch durch Beseitigung des gastrischen, galligen Zustandes, und durch die stärkere
Spiessglanzweinstein.
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R e s o r p t i o n des W a s s e r s im G e h i r n sehr h e i l s a m , d a r f a b e r bei g r o s s e r S c h w ä c h e n u r vorsichtig u n d mit U n t e r b r e c h u n g g e g e b e n w e r d e n . Ebenso ist d e r B r e c h w e i n s t e i n g e g e n d e n r h e u m a t i s c h e n S t a r r k r a m p f , g e g e n n e r v ö s e D ä m p f i g k e i t u n d (wie bereits sub 1 b e m e r k t ) g e g e n d i e L ä h m e d e r F ü l l e n u n d L ä m m e r , wie a u c h g e g e n k r a m p f h a f t e H a r n v e r h a l t u n g e n , u n d bei H u n d e n u n d S c h w e i n e n g e g e n Convulsionen, die d u r c h U e b e r f i i l l u n g des M a g e n s e n t s t a n d e n s i n d , h ä u f i g m i t N u t z e n a n g e w e n d e t w o r d e n . — D a s M i t t e l ist auch h i l f r e i c h bei s c h w e r e n G e b u r t e n , w e n n dieselben e n t w e d e r a) d u r c h z u gros.se R e i z b a r k e i t des M u t t e r m u n d e s u n d der V a g i n a v e r z ö g e r t s i n d , o d e r b) w e n n zu h e f t i g e , zu a n h a l t e n d e , k r a m p f h a f t e W e h e n g l e i c h s a m ü b e r e i l t Statt linden, ehe der M u t t e r m u n d sich hinreichend e r w e i t e r n k o n n t e . 5) G e g e n den A n t h r a x bei dem K i n d v i e h ist er in d e m hin u n d w i e d e r b e r ü h m t g e w o r d e n e n M ü h l e n h o f ' s e h e n Mittel g e b r a u c h t . D a s s e l b e b e s t e h t aus Taft. stibiut. 1 — l 1 . ^ D r a c h m e n (4—G G r m . ) , Ol. terebinth. 2 S c r u p e l bis 1 D r a c h m e ( 2 1 / ä — 4 G r m . ) , Veeoct. Seinin. Lim 3 6 U n z e n (o P f u n d ) pro dosi. M a n g i e b t am ersten T a g e G—8 solcher G a b e n , bis die K r a n k h e i t s z e i c h e n v e r s c h w u n d e n s i n d , d a n n a m f o l g e n d e n T a g e n u r n o c h ¿3—4 G a b e n . Bei sehr h e f t i g e m A u f t r e t e n der K r a n k h e i t ist dabei ein A d e r l a s s , k a l t e s B e giessen, das E i n r e i h e n r e i z e n d e r Mittel u n d die A p p l i c a t i o n k a l t e r C l y s t i r e nöthig. G ; G e g e n scrophulöse u n d ü b e r h a u p t chronische D r ü s e n l e i d e n , g e g e n F l e c h t e n . H a u t j u c k e n u n d g e g e n das W o l l f r e s s e n der S c h a f e ist er in k l e i n e n G a b e n in V e r b i n d u n g mit b i t t e r e n , aromatischen Mitteln u n d mit Stib. sulph. iiiyr. e m p f o h l e n . 7) G e g e n W a s s e r s u c h t e n u n d wässerige A n s a m m l u n g e n . Der Brechweinstein ist hier ein sehr k r ä f t i g e s H e i l m i t t e l , i n d e m er die U r i n s e c r e t i o n u n d h i e r d u r c h die Kesorption der ergossenen F l ü s s i g k e i t e n sehr b e f ö r d e r t . I c h sah diese W i r k u n g f a s t i m m e r ausserordentlich schnell erfolgen. y) G e g e n V e r g i f t u n g e n d u r c h n a r k o t i s c h e P f l a n z e n , u n d g e g e n a n d e r e v e r s c h l u c k t e , u n v e r d a u l i c h e S u b s t a n z e n , bei V e r s c h l e i m u n g u n d d e r g l . als ein w i r k s a m e s A u s l e e r u n g s m i t t e l , — j e d o c h n u r bei T h i e r e n , die sich e r b r e c h e n können. Bei M a g e n - u n d D a r m e n t z ü n d u n g e n ist die i n n e r l i c h e A n w e n d u n g dieses M i t t e l s überall schädlich. />. D i e I n j e c t i o n des Brechweinsteins ist g e g e n a c u t e n u n d c h r o n i s c h e n R h e u m a t i s m u s , g e g e n U n v e r d a u l i c h k e i t bei P f e r d e n u n d R i n d e r n , b e s o n d e r s bei l e t z t e r e n n a c h d e m G e n u s s von zu reichlichem K ö r n e r f u t t e r , u n d g e g e n d e n D u m m k o l l e r d e r P f e r d e , w e n n Lebcraffcctioncn d a m i t v e r b u n d e n w a r e n , oft sehr n ü t z l i c h g e w e s e n ; bei dem S t a r r k r a m p f h a t sie d a g e g e n f a s t n i e m a l s die H e i l u n g b e f ö r d e r t , oft aber geschadet. — Bei E n t z ü n d u n g d e r E i n g e w e i d e u n d bei B l u t a n d r a n g z u m K o p f e darf sie nicht a n g e w e n d e t w e r d e n . C. A e u s s e r l i c h wird d e r B r e c h w e i n s t e i n 1) zuweilen in s c h w a c h e r A u f l ö s u n g zur B e f ö r d e r u n g d e r R e s o r p t i o n bei V e r d u n k e l u n g u n d F l e c k e n d e r H o r n h a u t , — oder 2) in S a l b e n f o r m als ableitendes R e i z m i t t e l , bei E n t z ü n d u n g e n des G e h i r n s u n d seiner H ä u t e , des Brustfells, d e r L u n g e ( b e s o n d e r s bei d e r L u n g e n s e u c h e ) , bei E n t z ü n d u n g d e r B e i n h a u t u n d d e r G e l e n k e (z. B. bei Spatt), bei E p i l e p s i e u n d a n d e r e n h e f t i g e n K r ä m p f e n b e n u t z t , w e n n m a n d i e C a n t h a r i d e n u n d a n d e r e , die I r r i t a b i l i t ä t a u f r e g e n d e R e i z m i t t e l v e r m e i d e n will. I n allen ü b r i g e n F ä l l e n ist er f ü r diesen G e b r a u c h zu t h e u e r ; w i e HF.RTWIO. Arzneimittellehre.
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Metallische Arzneimittel.
denn überhaupt seine Anwendung bei den grossen Tliieren, und wenn er aus den Apotheken verordnet wird, zu kostspielig ist. Ausserdem ist zu beachten, dass von concentrirten Salben oft die Haarwurzeln zerstört werden. §. 586. Die Gabe vom Brecliweinstein ist als Brechmittel, j e nach der Grösse der Thiere, für Schweine 1 / 2 — 1 Grm., für Hunde 12—36 Centigrm., für Katzen und Federvieh 6—18 Centigrm. — Man kann den Brechweinstein als Pulver für sich allein, mit der 4—öfachen Menge Zucker, oder besser, mit einer vollen Gabe Ipecacuanha gemengt (§. 3 3 4 ) , oder mit einem Tliee löffei voll Syrup oder Honig zur Latwerge gemacht, oder in der 15—25faclien Menge destillirten Wassers gelöst, eingeben. Zum Selbstgenuss in Milch hinzustellen, eignet er sich nicht gut, weil er hierbei t heil weise zersetzt wird. Bei den katarrhalischen und rheumatischen Leiden, bei gastrischen Zuständen, bei Nervenkrankheiten und Wassersuchten, und überall, wo man blos gelind die Ab- und Aussonderungen befördern oder die Kesorption bethätigen will, giebt man das Mittel den Pferden zu 1—4 Grm., — Rindern zu 4 — 8 Grm., — Schafen 12—36 Centigrm., — Schweinen 12—16 Centigrm., — Hunden 3 — 1 2 Centigrm., täglich zwei- bis dreimal. — Bei heftigen Entzündungen müssen diese Gaben für Pferde, Kinder und H u n d e verdoppelt, für Schafe und Schweine aber verdreifacht, und täglich drei- bis viermal gereicht werden. Tritt Laxiren ein, so ist es jederzeit nötliig, das Mittel auszusetzen. Die beste Form für die innerliche Anwendung ist die Auflösung in Wasser, wenn die Thiere Flüssigkeiten leicht schlucken können, so dass man sie ihnen ohne Gefahr des Eindringens in die Luftröhre eingeben kann, oder wenn die Thiere viel Durst besitzen und nach und nach eine gewisse grössere Menge Getränk aufnehmen. In dem letzteren Falle kann man den Brechweinstein in das Trinkgefäss, jedoch den grossen Tliieren höchstens 10 bis 12 Grm. in 1 Pferdeeimer voll Wasser, geben; grössere Quantitäten ertlieilen dem Wasser einen, den meisten Tliieren sehr widrigen Geschmack und verekeln ihnen den Genuss. Manche Pferde trinken die Auflösung nicht, selbst wenn nur 2—4 Grm. des Mittels in 1 Eimer Wasser enthalten sind. Bei Koliken, und wenn man bei gastrischen Krankheiten der Wiederkäuer hauptsächlich auf die Magen und den Darm wirken will, wird zum Eingeben ebenfalls die Auflösung am besten gebraucht, und zwar zum Eingeben immer 1 Th. Brecliweinstein auf 8 0 — 1 0 0 Tli. Flüssigkeit. — W o die flüssige Form nicht passend ist, oder wo man in bestimmten Zeiten die Gaben regelmässig in den Körper bringen will, da giebt man das Mittel in Latwergen oder Pillen. F ü r diesen Zweck setzt man am besten den Brecliweinstein vollständig aufgelöst zu den übrigen Mitteln, weil hierdurch die Anätzungen im Maule vermindert werden, die sonst leicht erfolgen, wenn das Mittel ungelöst in der Arznei besteht. Alle Auflösungen werden am besten mit destillirtem Wasser, oder doch mit Flusswasser oder Regenwasser gemacht, weil Quellwasser oft zu viel kohlensaure und andere Salze enthält und hierdurch den sehr empfindlichen Brecliweinstein theilweise zersetzt. — Man verbindet das Mittel bei Entzündungen und bei der Influenza gewöhnlich mit Salpeter, mit Althee oder Süssholz, und wo Hartleibigkeit besteht, mit Glaubersalz, bei plastischen Entzündungen auch mit Calomel; — bei gastrischen, katarrhale
Spiessglanz weinstein.
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sehen und nervösen Z u s t ä n d e n mit bitteren und aromatischen M i t t e l n , mit K a m p h e r , Terpenthinöl, stinkendem Thieröl und dergleichen, — bei W a s s e r suchten, nach Verhältniss des Characters, mit Digitalis, T a b a c k , W a c h h o l d e r beeren u. s. w . ; doch niemals mit adstringirenden Mitteln u n d besonders nicht mit China, weil diese Mittel den Brechweinstein zersetzen u n d u n w i r k s a m machen 1 . Zur Injection in die V e n e n nimmt man f ü r P f e r d e u n d R i n d e r 3 0 Centigrm. bis l 1 /.! G r m . , f ü r S c h a f e und Schweine 1 8 — 3 0 C e n t i g r m . , u n d f ü r H u n d e :i—12 Centigrm. in einer einfachen Auflösung von 1 T h e i l Brechweinstein in 1 5 — 2 4 T h e i l e n destillirten Wassers. Aeusserlich benutzt man bei den Augenflecken eine Auflösung von 1 T h e i l Brechweinstein in 4 0 — 5 0 Theilen destillirten W a s s e r s oder eines aromatischen Aufgusses. Als ableitendes Mittel dient die B r e c h w e i n s t e i n s a l b e , A u t e n r i e t l i ' s e h e Salbe (Ung. Tart. stibiati s. Ung. Stibio-Kali tartarici), die gewöhnlich (auch so nach der Preussischen P h a r m a c o p ö e ) aus 1 T h e i l Brechweinstein u n d 4 Theilen Schweineschmalz bereitet ist, aber zum thierärztlichen Gebrauche etwas stärker sein k a n n . A u c h hier ist es zweckm ä s s i g , den Tart. stib. erst mit ein wenig W a s s e r abzureiben u n d d a n n mit dem F e t t zu mengen. W a l c h empfiehlt gegen die L u n g e n s e u c h e des R i n d viehes als besonders wirksam folgende zusammengesetzte Brechweinsteins a l b e : Man nimmt Brecliweinstein 3 T h e i l e , frisch gepulverte C a n t h a r i d e n u n d E u p h o r b i u m , von jedem 1 T h e i l , Basilicumsalbe 8 T h e i l e , u n d so viel T e r p e n t h i n ö l , als zur Bereitung einer dickflüssigen Salbe nötliig ist. Sie wird an jeder Seite der Brust auf einer u n g e f ä h r 4 Quadratzoll grossen Stelle, v o n welcher vorher die H a a r e abgeschoren sind, eingerieben. (Brechweinstein 5 Grm. 1 Sgl'., — Brechweinsteinsalbe 3 0 Grm. 3 Sgr. ß P f g . ; Anmerkung. Die s a l z s a u r e S p i e s s ^ 1 a n z a u f 1 ü s i t u g , A n t i m o n - oder S p i e s s g l a n z b u t t e r , A n t i m o n c h l o r ü r l ö s u n g oder das C h l o r s p i e s s g l a u z
(Stibium chloratum liquidum, Liquor Stibii chlorati s. muriatici, 1A