Handbuch der mittelalterlichen und neueren Geschichte: Geschichte des späteren Mittelalters von 1197 bis 1492 [Reprint 2019 ed.] 9783486733914, 9783486733921


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German Pages 742 [752] Year 1903

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Table of contents :
Vorwort
Inhalt
I. Die Zeit der päpstliehen Oberherrlichkeit (1198—1378).
I. Teil. Von der Wahl Innozenz' III. bis zum Tode Bonifaz' VIII. Zeit der unbedingten Vorherrschaft des Papsttums 1198—1303
1. Abschnitt. Innozenz m . und seine Zeit 1198—1216
2. Abschnitt. Friedrich II. und seine Zeit. 1216-1250
3. Abschnitt. Das Zeitalter Ludwigs IX. von Frankreich und der letzten Kreuzzüge (1250—1273)
4. Abschnitt. Das Zeitalter Rudolfs von Habsburg und das Ende der unbedingten Vorherrschaft des Papsttums (1273—1303)
II. Teil. Das Papsttum unter französischem Einflufs 1303—1378. (Die babylonische Gefangenschaft der Ppäste.)
1. Abschnitt. Das avignonesische Papsttum und Philipp der Schöne
2. Abschnitt. Kaiser-und Papsttum im Zeitalter Ludwigs des Bayers
3. Abschnitt. Kaiser- und Papsttum im Zeitalter Karls IT. (1347—1378)
II. Die Zeit der grofsen Konzilien und des Humanismus (1378-1492)
I. Teil. Die Zeit des Schismas und der grofsen Konzilien 1378 — 1449
1. Abschnitt Papsttum und Kaisertum im Zeitalter der grofsen Konzilien
2. Abschnitt. Die Übrige Staatenwelt des Abend- und Morgenlandes im Zeitalter der grofsen Konzilien
II. Teil. Das Zeitalter des Humanismus und der Ausbildung moderner Staaten
1. Abschnitt. Der Humanismus
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Handbuch der mittelalterlichen und neueren Geschichte: Geschichte des späteren Mittelalters von 1197 bis 1492 [Reprint 2019 ed.]
 9783486733914, 9783486733921

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HANDBUCH DER

MITTELALTERLICHEN UND NEUEREN GESCHICHTE. HERAUSGEGEBEN

G.V. BELOW,

UND

PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT TÜBINGEN.

E.

MEINECKE,

PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT STRASSBURG.

ABTEILUNG

II:

POLITISCHE GESCHICHTE. JOHANN GESCHICHTE

DES

LOSERTH

SPÄTEREN

MITTELALTERS.

MÜNCHEN UND BERLIN. DRUCK

U N D V E R L A G V O N R. O L D E N B O U R G .

1903.

GESCHICHTE DES

SPÄTEREN MITTELALTERS VON

1197

BIS

1492.

VON

M JOHANN LOSERTH, PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT GRAZ.

MÜNCHEN UND BERLIN. DRUCK UND VERLAG VON B. OLDENBOURG.

1903.

Vorwort. Es war vor 23 Jahren, als ich von einem namhaften Geschichtschreiber jener Tage die Anregung erhielt, eine Geschichte des späteren Mittelalters, die seit Jahrzehnten keine wissenschaftliche Darstellung mehr gefunden hatte, zu schreiben. Man wird begreifen, warum ich mich solchem Wunsche versagte. Eine Reihe kritischer Forschungen und Quellenpublikationen war damals eben begonnen und erst noch wenig gefördert worden, so dafs eine neue, auf älteren oder unvollständigen Sammlungen fufsende Arbeit von vornherein als eine antiquierte hätte gelten müssen. Seit jenen Tagen sind, um nur einige Namen zu nennen, die Arbeiten Julius Fickers, Scheffer-Boichorsts und ihrer Schüler, die Eduard Winkelmanns u. a. über die Zeit der letzten Staufer, die Studien Hubers, Bussons und Redlichs über die ersten Habsburger erschienen, für die Zeiten Heinrichs VII. jene K. Wencks, für die ganze Zeit der Habsburger und Luxemburger die gehaltvollen Schriften Th. Lindners, die Arbeiten Finkes zum Konstanzer, jene Hallers zum Basier Konzil. Unsere Regestenwerke liegen für diese Zeit, zum Teil wenigstens, in neuer Bearbeitung vor, die Herausgabe der Reichstagsakten ist erheblich weiter gediehen, und die Eröffnung der vatikanischen Archive hat gerade das Studium des späteren Mittelalters wesentlich gefördert. Die Fortschritte in der Geschichtschreibung der aufserdeutschen Staaten sind nicht minder bedeutend, die Zahl der Studien zur Provinzial- und Lokalgeschichte schwillt in der Masse der hiefür bestimmten Zeitschriften immer mächtiger an. Und doch steht noch so vieles aus, und es entsteht die Frage, ob es zeitgemäfs sei, schon jetzt an eine zusammenfassende Darstellung der letzten drei Jahrhunderte des Mittelalters zu schreiten. Für mich kam dfer Umstand noch hinzu, dafs die hierortigen Büchersammlungen, wie die der österreichischen Bibliotheken überhaupt, arm sind und bureaukratisches Walten nicht selten die Benützung des Vorhandenen hemmt, — Grund genug, weshalb ich lange zögerte, der Einladung zu folgen, die von den Herausgebern dieses Unternehmens an mich erging. Schliefslich gaben zwei Momente den Ausschlag: der

VI

Vorwort.

Umstand, dafs es einer enzyklopädischen Behandlung des Stoffes galt, bei der ein allseitiges Zurückgehen auf Quellen erster Hand wohl erwünscht, aber nicht unbedingt geboten, tatsächlich auch nicht gut möglich ist, mehr noch der Wunsch, die Resultate eigener Forschung in die allgemeine Geschichte dieses Zeitraumes einzuführen und dieser selbst für die kirchlichen und kirchenpolitischen Fragen, die ja doch die Welt beherrschten, einen breiteren Untergrund zu schaffen, als ihn Werke ähnlichen Inhalts besitzen, und wie er für das Verständnis und die Würdigung der deutschen Reformation des 16. Jahrhunderts als notwendig erscheint. Genügt die Darstellung nach dieser Seite, so werden sonstige Mängel, die Arbeiten enzyklopädischer Art anzuhaften pflegen, in den Hintergrund treten. Über die Auswahl des aufzunehmenden Stoffes und seine Gliederung von den obersten bis zu den untersten Abteilungen herab konnte kaum ein Zweifel obwalten, und ich hoffe, dafs die streng sachlichen Erwägungen, die hierfür mafsgebend waren, Billigung finden werden. Die Weltherrschaft des abendländischen Kaisertums ist von jener des Papsttums abgelöst; diese, in der Theorie längst begründet, wird theoretisch ausgestaltet und verwirklicht. Beschäftigt sich der erste Teil dieses Buches mit der päpstlichen Weltherrschaft, ihrem Wesen und ihren Kämpfen mit den widerstrebenden kirchlichen und staatlichen Kräften, schildert er ihre äufserliche Gestaltung, die Überspannung ihrer Ansprüche und ihren hieraus erfolgenden Sturz, so behandelt der zweite Teil die Versuche der kirchlichen Opposition, an die Stelle der streng monarchischen eine repräsentative Verfassung der Kirche zu schaffen, und endlich die unter der Einwirkung des Humanismus erfolgte Auflösung des mittelalterlichen Lebens und die Ausbildung der Grofsmächte, wie sie am Beginn der Neuzeit erscheinen. Dafs die Geschichte einzelner Völker und Staaten nicht in gleichem Umfang behandelt, Imperium und Sacerdotium auch jetzt wie in früheren Jahrhunderten die Stützpunkte des Ganzen bilden mufsten, liegt auf der Hand. Von Wichtigkeit ist der Umstand, dafs die Geschichte der islamitischen Staatenbildungen mit Ausnahme der osmanischen schon in einem früheren Teile dieses Handbuchs ihre Darstellung findet, weshalb sie hier nur beiläufiger Erwähnung bedurfte; warum endlich die Geschichte der mongolischen Staatengebilde nicht im einzelnen vorgeführt wird, bedarf keiner besonderen Erörterung. In bezug auf die Anführung der Quellen und die Literaturvermerke wird mancher die Sache anders wünschen. Was die Quellen betrifft, so könnte ein Hinweis auf die jüngst erschienenen Bibliographien von Grofs, Molinier, Pirenne, Capasso, von den bekannteren deutschen ganz abge. ' ^n. genügen, aber fürs erste waren die unten gegebenen

VII

Vorwort.

Verzeichnisse grofsenteils angelegt, ehe diese Bibliographien erschienen, anderseits fehlen solche für zahlreiche Länder, weshalb sie schon der Gleichartigkeit wegen für alle beigegeben werden mufsten. Im übrigen haben die Quellenvermerke nicht die Absicht, so treffliche Werke, wie die von Wattenbach, Lorenz u. a., überflüssig zu machen, sondern zu ihrer Lektüre anzuregen, daher ist in den meisten Fallen auf sie verwiesen worden. Bei den Literaturangaben mufste schon aus räumlichen Rücksichten eine Einschränkung stattfinden. Wenn hiebei manches, vielleicht auch Wichtigeres fehlt, liegt die Schuld weniger an meinem Willen als an den zum Teil sehr unerquicklichen Verhältnissen, die oben nur angedeutet werden durften. Dafs die einschlägige Literatur ihre Beachtung fand, wird man den vielfachen Zitaten und sonstigen Stellen entnehmen, in denen auf sie verwiesen wird. Sollte dem Buche eine Neubearbeitung vergönnt sein, so werde ich freundliche Winke zu seiner Verbesserung freudig begrüfsen und gern benützen. G r a z , Ruckerlberg im Oktober 1903.

J. Loserth.

I n h a l t .

i.

Die Zeit der päpstliehen Oberherrlichkeit (1198—1378). I. T e i l . Von der Wahl Innozenz' III. bis zum Tode Bonifaz' VIII. Die Zeit der unbedingten Vorherrschaft des Papsttums 1198—1303. 1. A b s c h n i t t . Innozenz III. und seine Zeit 1198—1216. § 1. Rückblick auf die staufische Politik vom Frieden von Konstanz bis zum Tode Heinrichs VI

Seite

3

1. Kapitel.

Die allgemeinen Grundlagen der päpstlichen Oberherrschaft. Die kirchliche Opposition und die Hilfskräfte des Papsttums. § 2. Innozenz III. (1198—1216). Seine Wahl und sein Charakter. Die Weltherrschaft des Papsttums. Ihre theoretische Begründung und praktische Durchführung § 3. Die kirchliche Opposition. Katharer und Waldesier § 4. Die Hilfskräfte des Papsttums. Die Bettelorden ) Winkelmann, J b . II, 240 ff. ') Quod nullum novum Castrum vel civitas (in praeiudirium principum) per nos vel per quemquam alium . . construantur. P u n k t 1. MM. G. LL. II, 291. >) P u n k t 7 lautet: Centumgravii (die Schultheifsen) recipiant eentas (Niedergericht, Landschranne) a domino terre vel ab eo, qui per dominum terrae fuerit in/eodatus . . . *) W i n k e l m a n n , 251. *) . . . ut neque principes neque alii quüibet constitutione» vel nova iura facere poseint, nisi meliorum et tnaiorum terre consensus primitus habeatur. Die maiores sind wohl vornehme Adelige des Landes, die sich im Besitz von Burgen befanden. Zur Erklärung vgl. G. v. Below, Territorium und Stadt S. 170f. 7*

100

Die Landstande.

Gegensatz zwischen der kais. und kgl. Politik.

Das I n s t i t u t d e r L a n d s t ä n d e erhielt somit seine reichsgesetzliche Grundlage. Im übrigen wurde hiedurch keine neue Rechtseinrichtung geschaffen, sondern das bestehende Gewohnheitsrecht als allgemein verbindlich erklärt. So ungeheuren Erfolgen der Fürsten gegenüber suchte Heinrich wenigstens die Reste der ihm gebliebenen Rechte zu wahren und das Reichsgut zu mehren. . So kaufte er (1231) die Talleute von Uri aus dem Besitz der Grafen von Habsburg los und erklärte, sie niemals wieder verleihen oder verpfänden zu wollen. 2. Die städtefeindliche Politik der Fürsten wurde vom Kaiser, der die deutschen Verhältnisse lediglich vom Gesichtspunkt seiner Gesamtinteressen aus würdigte, rückhaltlos gebilligt; indem sie aber im Widerspruch zu der seines Sohnes stand, war sie der Grund zu dem Zerwürfnis zwischen Vater und Sohn, welches das durch die rätselhafte, von vielen irrtümlich auf den Kaiser zurückgeführte Ermordung des Herzogs Ludwig von Bayern (1231, 15. September) in Erregung versetzte Reich einem Bürgerkrieg nahebrachte1). Die Spannung wuchs, als Heinrich, um die böhmische Prinzessin Agnes zu heiraten, sich von seiner babenbergischen Gemahlin scheiden lassen wollte. Der Kaiser hatte nach dem Friedensschlufs mit dem Papst seine Aufmerksamkeit den Verhältnissen von Mittel- und Oberitalien' zugewendet. Um die Streitigkeiten mit den Lombarden zu erledigen, wurde auf den 1. November 1231 ein allgemeiner R e i c h s t a g n a c h R a v e n n a ausgeschrieben, wo aufser den Grofsen und den Vertretern der Städte Italiens auch die Fürsten von Deutschland und Burgund erscheinen sollten. Die lombardische Liga verhielt sich ablehnend. Auf einer Tagfahrt zu Mantua (12. Juli) erneuerten sie ihren alten Bund, auf einer zweiten zu Bologna (26. Oktober) beschlossen sie die Aufstellung eines Heeres, baten den Papst um Beistand und verlegten endlich auch jetzt die Alpenpässe, dafs König Heinrich nicht erscheinen konnte und die Reichstagseröffnung bis Weihnachten verschoben werden mufste. In Ravenna waren nichtsdestoweniger zahlreiche deutsche Fürsten offenbar in der Absieht erschienen, die kaiserliche Anerkennung der Wormser Beschlüsse zu erhalten. In der Tat erliefs der Kaiser (1232, Januar) ein Reichsgesetz gegen die Autonomie der bischöflichen Städte: Kommunen, Räte, Bürgermeister, Beamte, die von Bürgern ohne Erlaubnis der Bischöfe eingesetzt wurden, werden aufgehoben und entfernt, die landesherrliche Münze als alleiniges Verkehrsmittel festgesetzt und alle Zünfte für nichtig erklärt. Den geistlichen Landesherren wird demnach die ausschliefsliche Verwaltung dieser Städte übertragen. Den Kaiser bewogen zu diesem Vorgehen zweifellos die mit den lombardischen Kommunen gemachten Erfahrungen. Über diese wurde der Reichsbann ausgesprochen; doch fehlten dem Kaiser die Mittel, um mit tätlicher Hand gegen sie vorzugehen. Das Ausbleiben seines Sohnes, der wie andere Fürsten den Weg über Aquileja hätte nehmen können, erfüllte ihn mit Mifstrauen. Er entbot ihn nochmals für den März 1232 zu sich, verlegte den Reichstag, um Deutsch') Winkclmann in MJÖG. XVI, 47.

Dort die Quellen u. Lit. über die Frage.

Konrad von Marburg und die Ketzerverfolgung in Deutschland.

101

land näher zu sein, nach Friaul und liefs ihn abwechselnd in Aquileja, Udine und Cividale tagen. Heinrich zögerte, ja er gewährte den Städten Freiheiten, die mit den jüngsten Verfügungen des Kaisers im Widerspruch standen. Endlich erschien er in Aquileja und leistete den Eid, »die kaiserlichen Befehle fortan zu befolgen und die Fürsten mit vornehmlicher Gunst auszuzeichnen'!:. Die Strafe der Absetzung und des Kirchenbannes wurde festgesetzt, falls er wieder etwas gegen den Kaiser unternehme. Zwölf Reichsfürsten übernahmen die Bürgschaft für seine Treue, deren Wächter sie dadurch wurden. Die Wormser Beschlüsse wurden mit einigen dem Königtum günstigen Abänderungen bestätigt. Von Wichtigkeit war es, dafs die beiden mächtigen Brüder Ezzelin und Alberich aus dem Hause Romano, die Machthaber in der Mark Treviso, auf die Seite des Kaisers traten, und dafs er durch Ezzelin Verona und damit eine sichere Alpenstrafse gewann. Um die Unterstützung der Kurie zu erhalten, hatte er schon in Ravenna seine Ketzergesetze erneuert und verschärft. Der Papst übernahm nun zwar das Amt eines Schiedsrichters, aber sein Schiedsspruch (1233, Juni), dafs beide Teile ihren Groll aufgeben und die wider einander erlassenen Edikte aufheben sollten, lautete eher zugunsten der Lombarden als des Kaisers. 3. Unter dem Einflufs der Reichsministerialen lenkte Heinrich wieder in seine alte Politik ein und verschärfte hiedurch den Gegensatz zu seinem Vater. Im übrigen erwies er sich unfähig, den Fehden, die das Reich verwüsteten, entgegenzutreten und die grofse Ketzerbewegung, in deren Mittelpunkt der durch seine Leidenschaft bekannte Magister K o n r a d v o n Marburg 1 ) stand, noch zu rechter Zeit einzudämmen. Schon seit 1214 hatte dieser die Verfolgung der Ketzer betrieben; Innozenz HI. und Honorius III. hatten ihn zum Kreuzprediger in Deutschland ernannt, dann war er am Hofe des Landgrafen Ludwig von Thüringen als Beichtvater der Landgräfin, der hl. Elisabeth, zu grofsem Einflufs gelangt.*) Durch die neuen Ketzergesetze wurde sein Eifer mächtig angespornt: in Erfurt, Mainz, Strafsburg, Gofslar u. a. O. loderten die Scheiterhaufen auf. An der Verfolgung beteiligten sich Leute, die, wie Dorso») und sein Begleiter Johannes, nach dem Grundsatz verfuhren: Besser, hundert Unschuldige verbrennen, als einen Schuldigen entkommen zu lassen. Die Verfolgung traf auch Leute, denen kein Makel im Glauben nachgewiesen werden konnte, die aber reich waren. Auf den König selbst fiel der furchtbare Verdacht, aus diesem Grunde die Ketzerverbrennung gefördert zn haben. Bald griff man auch nach hochstehenden Personen, wie den Grafen von Sayn, Solms u. a. Am 15. Juli 1233 wurde eine Synode in Mainz gehalten, wo die Unschuld des Grafen von Sayn erwiesen wurde, der harte Sinn Konrads aber nicht' gebeugt werden konnte. Da wurde der Ketzerrichter auf dem Heimwege nach Marburg von einigen Rittern, die entweder selbst angeklagt waren oder den Tod der Ihrigen beklagten, erschlagen (30. Juli). Von nun an lenkte die Ketzerverfolgung in Deutschland in etwas mafsvollere Bahnen ein. Das Landfriedensgesetz von Frankfurt setzte fest (11. Februar 1234), dafs Ketzer dem weltlichen Gericht zu überweisen seien und dieses nach Billigkeit vorzugehen habe. Der Untergang der S t e d i n g e r , die westwärts der Weser an der Grenze von Friesland und Sachsen ') ') austerus, 5 )

Vollständiges Qucllenmaterial u. Lit. in RE. X, 747. Erat, sagt ein Bericht aus dieser Zeit, sicut omnes nnvimus, unde a multis timebatur. Dietr. v. Apolda. Der »kannte die Ketzer am Gesicht«. BFW. 4287 a.

hoino rigidus et

102

Friedrich II. und Heinrich (VII.). Heinrichs Sturz.

wohnten, wurde hiedurch allerdings nicht verhindert. Sie hatten sich von der weltlichen Gerichtsbarkeit der Grafen von Oldenburg und der geistlichen des Erzbistums Bremen losgesagt und wurden deswegen als Ketzer verklagt. Der Krieg gegen sie begann zu Weihnachten 1230, aber erst vier Jahre später erlagen sie einem starken Kreuzheer. Xur einem Rest der Bauern gelang es, sich zu den Friesen zu retten.

4. Mittlerweile war das Verhältnis zwischen Kaiser und Sohn unhaltbar geworden, denn dieser hatte einzelne Mafsregeln ergriffen, die dessen harten Tadel fanden. Friedrich II. verlobte sich mit der Schwester des englischen Königs, ohne deswegen aber mit Frankreich zu brechen, um dessen Freundschaft Heinrich sich vergeblich bemühte. Am 2. September 1234 erliefs dieser, um sein Verhalten zu rechtfertigen, ein Manifest mit heftigen Klagen gegen den Kaiser. Noch war er nicht zum äufsersten bereit, aber schon wenige Tage später wurde auf dem Tage von Boppard die Empörung gegen den Kaiser beschlossen. Heinrich forderte von den Städten einen Eid, ihn gegen jedermann zu unterstützen, nahm die Söhne angesehener Bürger als Geiseln und schlois, dem Kaiser den Zutritt nach Deutschland zu verwehren, mit den Lombarden einen Vertrag. Von den weltlichen Fürsten trat keiner, von den geistlichen nur wenige auf seine Seite, und als der Kaiser aus Italien heranzog, wurde Heinrich fast von allen seinen Anhängern verlassen. Am 4. Juli zog Friedrich II. in Worms ein. Heinrich hatte inzwischen durch die Vermittlung Hermanns von Salza des Kaisers Gnade nachgesucht und sie auch, wahrscheinlich unter der Bedingung, auf das Reich zu verzichten, zugesichert erhalten. Da er aber einzelne vom Kaiser gestellte Forderungen nicht erfüllen wollte, wurde er gefangen und zuerst nach Heidelberg, dann nach Allersheim bei Nördlingen, hierauf nach S. Feie in Apulien und vier Jahre später nach Nicastro gebracht. Auf dem Weg nach der Burg Martorano stürzte er — man weits nicht, ob absichtlich oder durch Zufall — vom Rosse und starb am 12. Februar 1242. Er ward in Cosenza beigesetzt. Seine Gemahlin Margareta, die ilim in die Gefangenschaft gefolgt war, kehrte nach Deutschland zurück. 5. Am 15. Juli 1235 feierte Friedrich II. mit gröfster Pracht seine Vermählung mit Isabella von England. Einen Monat später hielt er in Mainz einen glänzenden Reichstag ab, der nahezu von allen deutschen Fürsten besucht und auch aus Italien beschickt ward und die Aufgabe hatte, einen geordneten Rechtszustand herzustellen. Hier wurde das berühmte Reichsgesetz *) erlassen, das der Ausgangspunkt für die spätere Entwicklung der Landfriedensgesetzgebung in Deutschland geworden ist. Den Anlafs bot die Empörung König Heinrichs, denn ein Teil der Gesetze betrifft die Reichsministerialen als die eigentlichen Urheber der Empörung.2) Danach wird nicht blofs der Sohn, der sich wider den Vater erhebt und ihm nach dem Leben trachtet, sondern auch jeder Ministeriale, der ihn unterstützt, ehr- und rechtlos. Das Fehderecht wird auf den Fall der Notwehr und der Rechtsverweigerung beschränkt. Aber selbst dann mufs der Eröffnung der Fehde die »Widersage« vorhergehen. l

) Constitutio pacis Frederici

') § 11-

II.

MM. G. LL. H, 813.

Höhepunkt der Macht Friedrichs II.

103

Am bedeutendsten war die nach sizilischem Vorbild verfügte Einsetzung eines iustitiarins curiae — des Reichshofrichters —. Er soll ein freigeborener Mann sein und sein Amt mindestens ein Jahr bekleiden. Ihm steht ein Notar zur Seite, der des Kaisers Entscheidungen aufzeichnet, um sich fürderhin danach zu richten: es war somit eine Sammlung von Reichsgesetzen in Aussicht genommen. Nur wenn es sich um Ehre und Out der Fürsten und anderer hochgestellter Personen handelt, behält sich der Kaiser die Entscheidung vor. Auf dem Mainzer Reichstag kam auch die völlige Aussöhnung des weifischen und staufischen Hauses zustande, wozu die englische Heirat den Weg geebnet hatte. Otto von Lüneburg übertrug seinen Allodialbesitz, von dem ihm zuletzt (s. oben) ein Teil noch bestritten worden war, dem Kaiser, worauf dieser das gesamte braunschweigische Erbe zu einem in männlicher und weiblicher Linie erblichen Herzogtum erhob, und Otto damit belehnte. Endlich verfügte der Reichstag noch den Krieg gegen die Lombarden, die sich mit Heinrich verbündet hatten. Der Reichstag von Mainz bezeichnet den Höhepunkt der Macht Friedrichs II. E s liegt nahe, an jenes glänzende Reichsfest zu . erinnern, das vor etwas mehr als einem halben Jahrhundert an derselben Statte gefeiert wurde. Damals ward der Erwerb Siziliens vorbereitet, die Macht der Weifen zerschlagen, die Lombardei befriedigt; jetzt ist Friedrich IL absoluter Herr in Sizilien, aber die Grundlagen seiner Macht in Deutschland sind verschoben, ein grofser Teil der staufischen Eigen- und Reichsgüter ist dahingegeben und die Reichsministerialen, damals die Stütze des Reiches, sind beiseite geschoben. Dagegen steht jetzt ein abermaliger schwerer Kampf gegen die lombardischen Städte bevor.

§ '23. Der Kampf Friedrichs II. gegen die lombardische Liga und den Papst Gregor IX. Q u e l l e n grofsenteils wie oben §§ 17,20 u. 22. Dazu : Electio Conradi IV a. 1237MM. Germ. LL. II, 1, p. 322—324. Decretum electionis. MM. Germ. Leg. Sect. IV tom. II, 439. (Ander. Ausg. ebenda.) Albertus Bohemus (Albert Beham) Registrum epistolarum. Bibl. d. lit. Ver. XVI. Stuttg. 1847. Exzerpte eines zweiten verlorenen Buches s. Oefele, SS. rer. Boic. I, 78.7 (zu Albert v. B. s. Schirrmacher, Albert v. Possemünster 1871. Dazu Lerchenfeld-Aham. Hist. pol. Bll. 1874. Winkelmann, HZ. XXVII, 159. Ratzinger, Hist. pol. Bll. 84—85). Petri de Vin. Epp. J a n s Enenkel, Weltchron., ed. Strauch. 1891. Die österr. Annalistik in MM. Germ. SS. I X (s. Redlich in MJÖG. XU). Hermannus Altahensis, Annales bis 1273. MM. Germ. XVII, 381—407. Chron. Erphord, wie oben. Albericus v. Trois-Fontaines. MM. Germ. SS. XXHI. Von italienischen auTser den ob. g 17, 21 g e n a n n t e n : Rolandinus Patavinus, Liber chronicorum bis 1260 u. 1262. Muratori VIII, 169 u. MM. Germ. SS. XIX, 38—147. Maurisius Gerardus, Historia de rebus Eccelini tyranni et dominorum de Romano bis 1237, ed. Leibnit. SS. rer. Brunsw. IL Von fremden Quellen wird n u n Matthäus Parisiensis die wichtigste. Ed. Luard, Rer. Brit. SS. Nr. 57, tom. 1—7. MM. Germ. SS. X X V m , 107—483. H i l f s s c h r i f t e n . Zu den obengenannten: W i n k e l m a n n , Zur Gesch. K. Friedrichs 1239—40. Forsch. XH, 261 ff., 561 ff. J u r i t s c h , Gesch. der Babenberger u. ihrer Länder. Innsbr. 1894. S c h w a r z , Herzog Friedrich II. der Streitbare von Österreich in seiner Stellung z. d. Hohenst. u. Premysliden. Saaz 1876. A. F i c k e r , Herz. Friedr. n . der letzte Babenberger. Innsbr. 1884. H i r n , Kritische Gesch. Friedrichs II. Salzburg 1871. C. K o z a k , Über den Streit Herz. Friedrichs H. mit Kaiser Friedrich II. Czernowitz 1891. K o c h , Hermann v. Salza. Leipz. 1885. T e n k h o f f , Der Kampf der Hohenstaufen um die Mark Ancona u. das Herzogtum Spoleto. Paderborn 1893.

104

Friedrich II. und die Lombarden.

B a e r , Die Beziehungen Venedigs zum Kaiserreich in der staufischen Zeit. 1888. G r o f s m a n n , König Enzio. Gött. 1883. H. B l a s i u s , König Enzio. Breslau 1884. M i t r o v i i , Federico n . e l'opera sua in Italia. Triest 1890. R a t z i n g e r , Albert Böheim, Forsch, z. bayr. Gesch. Abt. 1. Kempt. 1898 (s. auch oben). L i e b e r m a n n , Z. G. Friedrichs II. u. Richards v. Comwall. NA. X m , 217.

1. Es war den Bemühungen des Papstes und Hermanns von Salza gelungen, den Krieg des Kaisers wider die Lombarden hinauszuschieben. Die Frist zur Annahme des päpstlichen Schiedsgerichtes war ihnen bis Weihnachten 1235 und bis zum 2. Februar 1236 erstreckt worden. Sie liefsen beide Termine unbenützt, und der Kardinallegat Jakob von Präneste, ein alter Gegner Friedrichs II., den Gregor IX. als Vermittler in die Lombardei entsandte, zog noch Piacenza auf die Seite des Bundes. Der Kaiser schuf, ehe er in den entscheidenden Kampf eintrat, in Deutschland Ordnung: Er entschädigte den Böhmenkönig Wenzel für die Ansprüche seiner Gemahlin, der Stauferin Kunigunde, auf einzelne Teile von Schwaben und brachte die Sache Friedrichs II. von Osterreich zur Entscheidung. Dieser hatte während der Empörung König Heinrichs eine zweideutige Rolle gespielt, sich mit grofsen Plänen gegen Ungarn und Böhmen getragen und dem Kaiser, der hiefür nicht zu gewinnen gewesen, den Gehorsam aufgesagt. Die benachbarten Fürsten hatten wider ihn Klagen erhoben.1) Da er auf die kaiserlichen Ladungen nicht erschien, Anhänger Heinrichs bei sich aufnahm, mit Mailand in Verhandlungen trat und den Papst für sich zu gewinnen suchte, wurde (1236, Juni) die Acht gegen ihn ausgesprochen und deren Vollstreckung den ihm feindlichen Nachbarn Bayern und Böhmen und den geistlichen Fürsten von Passau, Freising und Bamberg übertragen. Binnen kurzem war sein Land bis auf wenige Plätze in den Händen der Gegner. Inzwischen war der Kaiser nach der feierlichen Erhebung der Gebeine der hl. Elisabeth in Marburg nach Italien aufgebrochen und mit geringer Heeresmacht in Verona eingetroffen. Auf seiner Seite standen: Cremona, Pavia, Parma, Reggio und Modena. Noch wurden Verhandlungen mit den Lombarden gepflogen, aber schon war der Kaiser wegen des bisherigen Verhaltens der Liga entschlossen, über die Bedingungen des Vertrags von Konstanz hinauszugehen.2) Am 18. Oktober ging Bergamo zu ihm über, dann wurden Vicenza und Ferrara genommen. Der Feldzug von 1236 ward siegreich beendet; dennoch trat er den Rückmarsch nach Deutschland an, um die Herzogtümer Österreich und Steiermark als verwirkte Reichslehen in seine unmittelbare Verwaltung zu nehmen. Zu Weihnachten weilte er in Graz. Ganz Steiermark fiel ihm zu. Im Januar 1237 zog er nach Wien. Hier wurde auf einem glänzenden Hoftage sein Sohn K o n r a d von den anwesenden (11) geistlichen und Laienfürsten zum König gewählt (1237, Februar) und die Stadt Wien reichsunmittelbar gemacht. Bevor er aus dem Lande schied, setzte er einen Landeshauptmann ein und nahm die Dienstmannen und Landleute von Steier') Zusammenstellung bei Juritsch, S. 552. ») BFW. 2197 c.

Kampf gegen die lombardische Liga.

Der Sieg von Cortenuova.

105

mark unter seine und des Reiches unmittelbare Regierung. Im Juni liefs er zu Speyer die Wahl seines Sohnes durch die Fürsten des Reiches bestätigen, setzte den Erzbischof von Mainz zum Reichsverweser ein und zog abermals nach Italien. Kaum war er aus Osterreich abgezogen, als Herzog Friedrich II. einen Teil seiner Länder wieder in Besitz nahm. Die Pläne des Kaisers in Deutschland waren hiedurch in Frage gestellt; aber die Bekämpfung der Lombarden erschien ihm wichtiger. Inzwischen hatte Ezzelin Padua, Treviso und den Markgrafen von Este unterworfen. Neue Vermittlungsversuche des Papstes führten zu keinem Ergebnis. Der Kaiser selbst unterwarf nun Mantua und den Grafen von S. Bonifacio und eroberte Montechiaro. Nachdem er Verstärkungen aus Pavia, Tortona und Bergamo an sich gezogen, stiefs er am 27. November 1237 bei C o r t e n u o v a auf die Feinde und brachte ihnen eine völlige Niederlage bei. Die Mailänder und ihre Bundesgenossen verloren 10000 Mann; ihr Fahnenwagen fiel in die Hände der Sieger: »nach dem Vorgang der alten Cäsaren« sandte ihn Friedrich H. an die Römer. Lodi unterwarf sich. Selbst Mailand bat nun um Frieden. Die Verhandlungen zerschlugen sich, weil der Kaiser unbedingte Unterwerfung begehrte. Jm folgenden Jahr nahm er fast die ganze Lombardei in Besitz, nur Mailand, Alessandria, Brescia, Piacenza, Bologna und Faenza hielten sich. Dagegen wurde Tuscien besetzt. Schon am 3. März 1238 schrieb Friedrich an seinen Schwager, den Grafen Richard von Cornwallis, dafs »sein Geschlecht den verfallen gewesenen, jetzt aber wieder wachsenden alten Ruhm des Reiches herstellen werde.« In der T a t war s e i n S y s t e m der V e r w i r k l i c h u n g n a h e . Durch die Unterwerfung der Lombarden wurden die beiden grofsen Machtgebiete, die er beherrschte, miteinander verbunden. Das italienische Zwischenland erklärt er als seines Reiches Vollendung, deutsches Blut und sizilisches Geld als die Mittel, es zu behaupten.1) Schon trifft er Organisationen für Mittel- und Oberitalien: Besoldete Beamte werden als Vikare oder Kapitäne für die kaiserliche Verwaltung und Rechtspflege eingesetzt, die Lombardei in zwei Generalvikariate geteilt, die neugeschaffenen Ämter aber nicht an Deutsche, sondern an Italiener gegeben. Wie in den Tagen Heinrichs VI. war der Kirchenstaat im Norden und Süden von staufischem Besitz umgeben. Da war es ein Mifserfolg des Kaisers vor Brescia, was den Papst bewog, mit den schärfsten Mitteln vorzugehen. E s i s t der W e n d e p u n k t i n den E r f o l g e n d e s Kaisers. 2 ) Unter des Papstes Vermittlung wird zwischen Venedig und Genua verhandelt, denn der Kaiser soll auch in Sizilien angegriffen werden. Hatten schon dessen bisherige Erfolge den Papst beunruhigt, so wurde er geradezu erbittert, als Friedrich seinen natürlichen Sohn Enzio mit Adelasia, der Erbin Sardiniens, vermählte und ihn zum König von Sardinien — einem Lehen des Papstes — machte. Als endlich Hermann von Salza, der umsichtige Vermittler zwischen Kaiser und Papst, gestorben war (1239, 30. März), war der offene Kampf nicht mehr zu vermeiden. ') Nitzsch m , 110. ») BFW. 2397 b.

106

Kampf zwischen Kaiser- und Papsttum.

2. Gregor IX. versuchte, in Deutschland eine antistaufische Partei ins Leben zu rufen. Verstimmt über des Kaisers Absichten auf Österreich, zogen sich Böhmen und Bayern vom Kampfe gegen Friedrich den Streitbaren zurück. Um diese Fürsten für seine Zwecke zu gewinnen, sandte Gregor einen gewandten, der deutschen Verhältnisse kundigen Unterhändler, den Passauer Domdechanten Albert Behaim von Kager, ab, dessen nächste Aufgabe es war, eine Einigung der deutschen Fürsten zum Zwecke der Wahl eines Gegenkönigs zustande zu bringen. Schon im Frühling 1238 traten Bayern, Böhmen und Österreich miteinander in Verbindung; mit böhmischer Hilfe gewann Friedrich von Österreich den gröfsten Teil seines Landes zurück. Dann verhängte Gregor IX. am Palmsonntag 1239 »wegen fortgesetzter Mifshandlung der sizilischen Kirche und des Kampfes wider den Papst« über den Kaiser den Bann und entband seine Untertanen von der Pflicht des Gehorsams. Der lombardischen Frage wurde nicht mit einem Worte gedacht. Die deutschen und selbst französischen Bischöfe wurden aufgefordert, den Bann zu verkünden, weltliche Fürsten vor der Unterstützung des Kaisers gewarnt. Dagegen verteidigte sich der Kaiser in einer Zuschrift an Fürsten und Völker, klagt über den Mifsbrauch der päpstlichen Gewalt und stellt das Verlangen nach einem Konzil, um dort seine Unschuld und des Reiches Recht zu erweisen.1) Da die Bannbulle vornehmlich durch lombardische Bettelmönche verkündigt wurde, verfügte er ihre Ausweisung aus seinem Königreich und bedrohte die übrige Geistlichkeit mit Einziehung des Kirchengutes, falls sie sich weigere, den Gottesdienst zu verrichten. Dagegen antwortete der Papst in einer Denkschrift an alle Bischöfe, Könige und Fürsten der Christenheit und stellte des Kaisers Behauptungen als ein Gewebe der Lüge, ihn selbst als Ketzer hin, der die Gewalten des Papsttums leugne, von Jesus, Moses und Mohammed als den drei Betrügern der Welt gesprochen habe, usw.2) Gegen solche Anschuldigungen legte der Kaiser einen förmlichen Protest ein.8) Auf den Bann hin fielen einige Anhänger Friedrichs in Italien von ihm ab, wie Azzo von Este, Alberich da Romano und Ravenna. Der Papst selbst schlofs ein Bündnis mit Mailand, Piacenza, Venedig und Genua zur gemeinsamen Eroberung Siziliens, verpflichtete sich, auf keinen Separatfrieden einzugehen, gewann den Grafen der Provence für sich und knüpfte Verhandlungen mit Frankreich an; dagegen ernannte der Kaiser seinen Sohn Enzio zum Reichslegaten in Italien und nahm die Mark Ancona und das Herzogtum Spoleto »wegen der Undankbarkeit des Papstes« wieder an das Reich zurück. Gregors Versuche, einen l ) Die Bulle H. B. V, 286. Das Schreiben des Kaisera. Acta imp. ined. n , 29. •) H. B. V, 327. Auch MM. G. Epp. I, 645—654. Die Blasphemie von den drei Betrügern ist wahrscheinlich 1201 von einem Theologen in Paris vorgebracht worden. S. Beuter, Gesch. d. rel. Aufklärung im MA., S. 298. Dafs sie Friedrich II. jemals ausgesprochen, ist niemals bewiesen worden (Winkelmann n , 135). S. Hampe, HZ. 88, 39, wonach ein solcher Satz der innersten Überzeugung des Kaisera wenig entsprach, da£s er aber von Friedrich II. ttberhaupt nicht hätte gesprochen werden können, ist nicht weniger schwer zu beweisen. ») H. B. V, 348.

Fortechritte des Kaisers. Das Ende Gregors IX.

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Gegenkönig in Deutschland aufzustellen, waren inzwischen erfolglos geblieben, eine Fürstenversammlung in Eger verpflichtete sich vielmehr, in Rom für den Frieden zu wirken, und der dänische Prinz Axel, dem die Krone zugedacht war, lehnte ebenso ab wie später Graf Robert von Artois.1) Sowohl Österreich als Böhmen und Bayern suchten um Frieden nach. Trotz der Versuche Alberts von Behaim verharrten die Fürsten auf Seiten Friedrichs und arbeiteten durch den Grofsmeister Konrad von Thüringen, défi Bruder des Landgrafen, für den Frieden. Dieser scheiterte an dem Widerspruch des Papstes. Im folgenden Jahre (1240) eroberte Enzio die Mark Ancona, während Friedrich Spoleto nahm und einen Teil des Kirchenstaates besetzte. Schon wurden selbst die Römer, unter denen Friedrich einen Anhang hatte, schwierig.. In seiner Not griff der Papst zu einem aufserordentlichen Mittel : Am 22. Februar nahm er das hl. Kreuzesholz und die Häupter der Apostelfürsten und trug sie im feierlichen Aufzuge zur Peterskirche, was auf die Menge einen solchen Eindruck machte, dafs viele gegen den Kaiser das Kreuz nahmen. Konrads Vermittlung blieb unter diesen Umständen erfolglos. Friedrich verlor inzwischen zwar Ferrara, eroberte aber Ravenna wieder und gewann Faënza. Nun beschlofs der Papst, für Ostern 1241 ein allgemeines Konzil zu berufen, um über den Kaiser zu Gericht zu sitzen. Um so weniger war dieser geneigt, zu dessen Zustandekommen beizutragen. Eine genuesische Flotte, welche die oberitalischen, französischen und spanischen Prälaten, die sich in Genua und Nizza (1241, März) gesammelt hatten, »insgeheim« nach dem Kirchenstaat überführen sollte, wurde am 3. Mai von den Pisanern angegriffen und geschlagen. Mehr als 100 Prälaten gerieten in die Gefangenschaft des Kaisers. Damit war der Zusammentritt des Konzils vereitelt. Der Kaiser drang immer weiter im Kirchenstaat vor. Noch in den letzten Monaten hatten weltliche und geistliche Fürsten Deutschlands >dem Papste Bitten um Herstellung des Friedens unterbreitet, dessen das Abendland dringend bedurfte, um sich der Überflutung durch die Mongolen zu erwehren. Selbst die gefangenen Prälaten erhoben ihre Stimmen für den Frieden, für den insbesondere Graf Richard von Cornwallis, Friedrichs Schwager, tätig war. Doch der Papst verlarigte unbedingte Unterwerfung. 2 ) Seine Lage wurde dabei immer schwieriger. Im Juli 1241 fiel der Kardinal Johann Colonna von ihm ab. Der Kaiser nahm Tivoli und schlug bei Grottaferrata im Angesichte Roms sein Lager auf. Kurz nachher — am 22. August 1241 — starb Gregor IX., ein Mann, den auch die äufserste Not nicht zu beugen vermochte. In der Kirche hat er als Gesetzgeber eine grofse Bedeutung erlangt.

§ 24. Der Einbrach der Mongolen. (Die Weltherrschaft Dschlnglskhans. Die Mongolen In Rußland, Polen und Ungarn.) Q u e l l e n . Urkk. u. Briefe w. oben. Dazu Grünhagen, Regg. z. schles. Gesch. 2. Aufl. Bresl. 1884. Boczek, Cod. dipl. Morav. II, m (enthält Fälschungen Boczeks). •) BFW. 2468 a. ') Voluit papa omnibus modis, ut imperator se absolute subiceret. Matth. Paris.

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Die Mongolen.

Erben-Emier, Regg. Bohem. I, II, Fejer, Cod. dipl. Hung. IV—VU. Meiller, Regg. zur Gesch. der Babenb. ; für die Colonisât, wichtig : Urkundenb. d. Deutschen in Siebenbürgen v. Zimmermann a. Werner, Hermannstadt 1892. G e s c h i c h t s c h r e i b o r : Ein Vera, der Quellen bei H a m m e r - P u r g s t a l l , Geschichte der Gold. Horde in Kiptschack d. i. d. Mongolen in Rufsland. Pest 1840. S. X X I — L . Dort die orient. Quellen. S. auch Strakosch-Grafsmann, Der Einfall der Mongolen in Mitteleuropa 1241—1242. Innsbr. 1893. Auch dort wird (S. 202) v. d. orient. Quellen gehandelt. Über chines. Quellen s. S c h i e m a n n , Rufsland, Polen u. Livland. I. Bd. 8. 153 f Abendl. Quellen : Thomas v. Spalato, Historia Salonitanorum etc., ed. Schwandtner. SS. rer. Hungar. m , 632. Auszüge MM. Germ SS. X X I X , 570 ff. Rogerii Carmen miserabüe super destruct. regni Hung, ed. Florianus, Histor. Hung. Font, domestici IV MM. Germ. SS. X X I X , &49 ff. Nota de invasione Tart. in Ungariam. MM. G. SS. X X I V , 65. Planctus destructionis Ung., ib. X X I X , 604—7 (s. auch NA. n , 616). Fragmentum de invasione, ib. 599—600. Simon de Keza, Chron. Hungar. bis 1290. Florian, n, 52—93. Albericus v. Trois-Fontaines, s. oben. Die Berichte Ivos v. Xarbonne in Matthäus Paris MM. Germ. SS. X X V I I I . Johannes de Piano Carpini, Libellun historicus de Hungariae devastatione per Tartaros s. Addit. ad Matth. Paris, od. Wat.son. Andere Ausg. Potth. I, 663. Die Hypatios Chronik, Ausg. der archäographischen Kommission. Petereb. 1871. Julianus, fratr. Praed., Tractatus de Tartaris, ed. Dudik. Iter Romanum n, 326—340. (S. auch B o n a p a r t e , Documents de l'époque mongole de X I I I e et X I V e siècles. Paris 1895.) Gewarnt wird vor einer Benutzung der sogen. Königinhofer Handschrift, einer Fälschung Vaclav Hankas aus der ersten Hälfte de» X I X . Jahrh. S. K n i e s c h e k , Der Streit um die Königinhofer Handschrift. Prag 1888 und Truhlar in MJÖG. 1888. S. auch Arch. für slav. Philol., X. Bd., Aufsätze von Masaryk u. Gebauer. Bretholz, Die Tataren in Mähren u. die moderne mährische Urkundenfälschung. Z. f. Gesch. Mähr. u. Schles. I., S. 46—55. (Die Quellen zum Tatareneinfall.) Die Hedwigslegende. SS. rer. Sil. II. Ausg. u. Lit. bei Potth. H, 1362/3. Einzelnes in Pétis de la Croix, Übersetzung v. Cherefeddin Ali s. § 135. Haythonis Armeni Historia Orientalis, ed. Müller 1671. Andere Ausg. Potth. 1. c. W a t t e n b a c h , D. G. Q. H., Beil. H. G ö l l , Historickf rozbor. Prag 1886. H i l f s s c h r i f t e n . Aufser den allg. zur Geschichte Friedrichs H. : H a m m e r P u r g s t a l l , wie oben. J. S c h m i d t , Gesch. der Ostmongolen u. ihres Fürstenhauses, Petersb. 1829. S c h o t t , Älteste Nachrichten von den Mongolen und Tataren. Abh. Berl. Ak. 1845. E r d m a n n , Temudschin der Unerschütterliche. Leipz. 1862. K ü l b , Gesch. der Missionsreisen nach der Mongolei während d. 13. u. 14. Jahrh Regensb. 1860. d ' O h s B o n , Histoire de Mogols I, II (benützt auch orient. Quellen wie Alai-eddin, Radschid-eddin u. a.). 0. W o l f f , Gesch. d. Mongolen oder Tataren. Bresl. 1872. H o w o r t h , History of the Mongols. Lond. 1876—1880. H o W o r t h , Chingiz Khan and his ancestors I Ant. XVII. R a s c h i d e d d i n , Istorja Mongolov, Istorija Cingis-Chana od vosSestvija ego na prestol do konciny (Gesch. d. Mongolen, Gesch. Dschingis-Chans v. B. Erhebung auf den Thron bis zum Ende. Pers. u. russisch v. Berezin). Petersb. 1888. S. auch H e l m o l t , Weltgeschichte II. Ostasien u. Ozeanien. D. Ind. Ozean. Leipzig u. Wien 1902. S o 1 o v j e w, Istorija Rossii etc. 7 Bde. Petersburg 1900. Brückner, Gesch. Rufslands bis z. Ende d. 18. Jahrh. Bd. 1. Gotha 1896. S c h i e m a n n (wie oben). G. B a c h f e l d , Die Mongolen in Polen. Innsbr. 1889. G. S t r a k o s c h G r a f s m a n n , wie oben. Fr. v. R a u m e r , Gesch. d. Hohenst. IV. Zum Mongoleneinfall in Böhmen u. Mähren u. zur Haltung Friedrichs v. Österr. s. P a l a c k y , Der Mongoleneinfall 1242 (ist wegen der Benützung der Königinhofer Handschr. ebenso vorsichtig zu benützen wie s. Gesch. v. Böhmen u. D u d i k s Gesch. v. Mähren). B a c h m a n n , Gesch. Böhmens I. E. S c h w ä m m e 1, Über die angebl. Mongolenniederlage vor Olmütz. Wien 1860. — Der Anteil Friedrichs des Streitbaren an der Abwehr der Mong. 1860. Die Schriften von F i c k e r , H i r n , S c h w a r z u. K o z a k s. oben. S. die Landesgesch. v. Rufsland, Polen, Schlesien u. s. w., vor allem aber Rankes Weltgeschichte V l i i , S. 417, wo der Gegenst. von den höchsten Gesichtspunkten aus behandelt u. gewisse Völkerverschiebungen im südöstl. Europa aufgeklärt werden. Sonstige Lit. s. unten §133. Über die militärische Seite s. Köhler, Kriegswesen m , 434 (dort auch Quellen vermerke). Alt. Lit. in Rehm, MA. HI, 2, 161.

Die Anfänge Dschingiskhans.

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1. Während Kaiser und Papst im heftigsten Kampfe gegeneinander standen, kam die christliche Kultur des Abendlandes in Gefahr, durch einen Angriff aus dem Osten vernichtet zu werden. Die Mongolen (später fälschlich T a t a r e n 1 ) genannt), deren Ursitze am Nordrand der hochasiatischen Steppe in der Gegend des Baikalsees liegen, hatten schon im frühen Mittelalter durch einige ihrer Stämme eine wichtige Rolle gespielt. Auf die Abendländer machten die Mongolen im 13. -Jahrhundert denselben schrecklichen Eindruck wie einst die Hunnen.2) Ihre grofsen Erfolge im Kriege gewannen sie nicht nur durch die überlegene Kopfzahl ihrer Heere, sondern auch durch die strategische und taktische Einsicht ihrer Feldherren, durch strenge Kriegszucht, schnelle Bewegung, grofse Abhärtung und Ausdauer und ihre stürmische Tapferkeit und Todesverachtung. Begründer ihrer Weltmachtstellung war T e m u d s c h i n . Er wurde 1155 als Sohn des Häuptlings Jessugei geboren. Nach seines Vaters Tode — der Sohn zählte erst 13 Jahre — fielen einzelne. Stämme ab. Temudschin floh nach Karakorum zu Ungkhan, dem Herrscher der Keraiten, demselben, der in der Sage des späteren Mittelalters unter dem Namen P r i e s t e r J o h a n n e s bekannt ist, trotzdem er weder n u r Christen beherrschte, noch auch ihrer Lehre zugetan war. Temudschin und Ungkhan entzweiten sich. Nach Ungkhans Besiegung (1203) unterwarf Temudschin nicht nur dessen Stämme, sondern auch jene, die von ihm selbst abgefallen waren. Auf einem von allen Stänimen beschickten Kurultai (Reichstag) wurde er (1206) zum Dschingiskhan, d. h. dem grofsen Khan, ausgerufen; er schlug seine Residenz in K a r a k o r u m auf. Nach der Unterwerfung der mongolischen Horden im südlichen Sibirien begann er den Kampf gegen Katai, das nordchinesische Reich. Im Jahre 1211 wurde die von den Chinesen gegen die nördlichen Völker aufgerichtete Mauer durchbrochen, in den beiden folgenden Jahren das nördliche China unterworfen und Korea tributpflichtig. Dann drangen die Mongolen gegen Chovaresmien vor, das, von Sultan Mohammed III. beherrscht, sich vom Kaspischen Meer bis an den Indus erstreckte. Eben war er im Begriff, dem abbassidischen Kalifat in Bagdad ein Ende zu machen, um es einem Nachkommen Alis zu übergeben, da wandte sich der Kalif AI Nasir an Dschingiskhan um Hilfe; aber erst als Chovaresmier eine tatarische Karawane, bei der sich Gesandte befanden, beraubt und die Gesandten getötet hatten, begann der Grofskhan den Krieg (1218), der nun mit beispielloser Grausamkeit geführt wurde. In Bochara, einem Hauptsitz der mohammedanischen Gelehrsamkeit, wurden

') Seit dem 13. Jahrh. ist im Abendland die (falHche) Schreibart Tartaren üblich. Zu ihrer ethnogr. Stellung s. Koelle, On Tatar and Türks .TRAS. X I V , 125. Müller, Allg. Ethnographie; Beschreibung der Mongolen bei Wolff, 125 ff. Über Gesetze und Einrichtungen d. M., s. Hammer, Gesch. d. g. Horde, S. 183—297. *) Die Epistola imperatöris de adventu Tartarorum in Matth. Paris. Eine nach den Quellen ausgearbeitete Schilderung bei Schiemann I, 153. Über die Zustände der Mongolen im 13. Jahrh. verbreitet sich der Bericht des Venezianern Marco Polo, der 24 Jahre (1271—1295) unter ihnen lebte.

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Die Eroberungssüge der Mongolen.

die Bücher verbrannt und die Büchersäle in Ställe verwandelt.1) Samarkand, Balkh, Merw, Herat wurden erobert, und der mächtigste unter allen Sultanen der Chovaresmier endete sein Leben in bitterer Armut auf einer Insel des Kaspischen Meeres. Von seinen Söhnen rettete sich der sagenberühmte Dschelal-eddin nach Indien. Während die Eroberungszüge in Asien weiter gingen, trieben die Mongolen unter der Führung Dschudschis, eines Sohnes des Grofskhans, die Kumanen unter ihrem Führer Kuthen nach dem Westen; sie trennten die Polowzer zwischen Wolga und Don von den übrigen Stämmen, die ihnen Widerstand leisteten, trieben sie aber dann bis in die Krim und zwangen sie, sich an die Russen zu wenden, die in K i e w , T s c h e r n i g o w , H a l i t s c h , R j ä s a n , W l a d i m i r und N o w g o r o d ihre Teilfürstentümer hatten. Die Fürsten im südlichen Rufsland zogen ihnen zu Hilfe -und drängten die Mongolen bis an die K a l k a zurück. Hier trieb der Ehrgeiz Mstislaws von Halitsch vorzeitig zur Schlacht (1223, 16. Juni), die hauptsächlich durch die Flucht der Polowzer verloren ging. Neun Zehntel des russischen Heeres, darunter sechs Fürsten, fielen im Kampfe. Dschingiskhan war mit den Erfolgen seines Sohnes so zufrieden, dafs er ihm (1224) das ganze Reich K a p t s c h a k — vom westlichen Altai bis zur Wolga — übergab. Den letzten Kriegszug unternahm er selbst gegen Tangut. Da starb er im August 1227 und wurde seinem Wunsche gemäfs unter einem Baum im Quellengebiete des Onon begraben; ein Hain wurde in der Nähe gepflanzt — es ist die Begräbnisstätte der Dschingiskhane. Auf Dschingiskhan wird die Abfassung des bürgerlichen und militärischen Gesetzbuches Jasa, d. i. Vorbote, oder auch Tundschin, d. h. was man wissen mufs, zurück geführt. Man kennt es nur aus Auszügen. Es enthalt meist Strafbestimmungen gegen Verbrechen. Genau sind die Anordnungen über das Kriegswesen. Der Waffendienst gilt als erste Pflicht. Aufser dem Gesetzbuche gab es noch mündliche in Gesetzeskraft stehende Herrschergebote des Dschingiskhans. Während im Abendlande die Meinung herrschte, dafs die Mongolen an keinen Gott glauben'), hatten sie gleichwohl die Verehrung eines höchsten Wesens. Daneben bestand freilich noch ein FetiBchdienst und mischte sich Dämonenverehrung mit buddhistischen und anderen religiösen AnBehauungen, die sie bei den unterworfenen Völkern kennen gelernt hatten. Diesen wurde im übrigen die freie Ausübung ihrer Religion nicht verwehrt.

Die eroberten Länder wurden nach Dschingiskhans Tod unter seine Söhne verteilt imd zum Grofskhan sein ältester Sohn O g o t a i gewählt (1229). Kaptschak erhielt B a t u , der Sohn Dschudschis. Auf Ogotai folgte nach einem Interregnum von mehr als vier Jahren (1246) sein Sohn K u j u k , dann (1251) M a n g u , ein Enkel Dschingiskhans, der einen seiner Brüder, H u l a g h u , gegen Bagdad (s. unten), einen andern, K u b i l a i , gegen China entsandte. K u b i l a i (1259—1294) ') >Ihr habt«, wurden die um Gnade flehenden Bewohner angeherrscht, >arge Sünden begangen, und die Häupter und Führer des Volkes sind die ärgsten Verbrecher. Wollt ihr eine Rechtfertigung für mein Verhalten: Wohlan, ich bin Gottes Geifsel.« In Herat wurden 1600000Menschen getötet. Mit den Worten: Das Gras ist geschnitten, nun füttert die Pferde, forderte er seine mordgewohnten Reiter zur Plünderung auf. Schiemann, S. 157. *) Matth. Paris. Et ut breviter dicam, nihil credunt. Ein Auszug der Jasa findet sich in dem Werke des Arabers Makrizi (f 1441) über Ägypten. Zu Makrizi s. oben § 18.

Der Einbruch der Mongolen in Rufsland, Polen und Ungarn.

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verlegte seine Residenz nach Peking, wo seine Dynastie bis 1368 regierte. Die mongolische Herrschaft in Ostasien nahm seit jener Zeit den eigentümlichen chinesischen Charakter an. Schon Kubilai führte in seinem Reiche die buddhistische Lehre in der Gestalt des Lamaismus ein. Anders im Westen, wo sich die Mongolen der mohammedanischen Lehre zuwandten. Alle Grofskhane setzten die Eroberungen fort, treu der Weisung Dschingiskhans, nur mit besiegten Völkern Frieden zu schliefsen. 2. Während sich O g o t a i mit dem inneren Ausbau des Reiches beschäftigte und Karakorum, das bisher aus elenden Hütten und Zelten bestand, in eine Residenzstadt mit prachtvollen Palästen umwandelte, setzte B a t u die Eroberungen im Westen fort. Nachdem er den Bulgaren und Magyaren in Ugorien (zwischen Wolga und Ural) eine Niederlage beigebracht hatte, zog er gegen die Russen. Zuerst (1237, 21. Dezember) erlag R j ä s a n , dann (1238, Februar) wurden Moskau und Wladimir genommen und der Grofsfürst Jurij am 4. März a m S i t völlig geschlagen. Die Mongolen drangen gegen Nowgorod, sahen sich aber durch Tauwetter und unwegsamen Boden zum Rückzug genötigt. Im folgenden Jahre schlugen sie den Kumanenfürsten K u t h e n , so dafs er um Aufnahme ins ungarische Reich nachsuchte, die ihm unter der Bedingung, dafs er Christ würde, gewährt wurde. Am 6. Dezember 1240 fiel Kiew. Erbittert wegen der Aufnahme Kuthens, rückten die Mongolen gegen die Ungarn, die, des Waffendienstes entwöhnt, mit dem König im Streit und von Hafs gegen die eingewanderten Kumanen erfüllt, sich nur ungenügend und spät gerüstet hatten, und denen nur Friedrich der Streitbare Hilfe leistete. B a t u hatte seine Scharen in vier Haufen geteilt. Mit der Hauptmasse zog er von Halitsch über die Karpathen, der eine Flügel unter Peta westwärts gegen Polen, der andere in zwei Abteilungen über Rodna nach Siebenbürgen und über die Moldau und Walachei nach Ungarn. Im März 1241 drang Batu durch die Pässe von Munkacz über die Karpathen und stand Mitte des Monats schon wenige Meilen von Pest. Statt mit den Kumanen x ) gemeinsam vorzugehen, entlud der Hafs der Ungarn sich gegen diese, und ihr Führer Kuthen wurde von Ungarn und Deutschen in Pest erchlagen. Wiewohl der kumanischen Hilfe beraubt, zog König Bela IV. Mitte April 1241 gegen die Mongolen und erlitt bei M o h i eine gänzliche Niederlage. Man erzählt, dafs von den Ungarn nur 15 entkamen, unter ihnen der König, der sich nach Österreich zu Herzog Friedrich rettete. Ungarn wurde grauenhaft verwüstet. Nun brachen die mongolischen Heersäulen in Siebenbürgen und das südüche Ungarn ein und vollendeten den Ruin des Landes. Das Heer unter Peta hatte sich gegen Polen gewandt, das wie Rufsland in kleinere Länder geteilt war: Krakau mit Sandomir, Masovien und Grofspolen mit Niederschlesien. Diese geteilte Macht konnte keinen nachhaltigen Widerstand leisten. ') Dafs die Kumanen nicht magyarischer, sondern türkischer Abstammung waren, beweist Gf. Kiien, s. JBG. VEL

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Das Reich der Goldenen Horde

Sandomir und Krakau fielen; Herzog Heinrich von Niederschlesien stellte sich dem Feinde >auf der Wahlstadtc bei Liegnitz entgegen, erlitt aber am 9. April eine gänzliche Niederlage und fiel selbst in der Schlacht. König Wenzel von Böhmen hatte sich zu spät aufgemacht, um noch eingreifen zu können. Die Mongolen zogen nunmehr zum Hauptheer nach Ungarn. Das von Wenzel schutzlos gelassene Mähren wurde auf ihrem Durchzug entsetzlich verwüstet. Bela IV. hatte inzwischen Hilferufe an die christlichen Mächte, vor allem an den Papst und den Kaiser, ergehen lassen und sich erboten, sein Land vom Kaiser zu Lehen zu nehmen. Der Papst begnügte sich, das Kreuz in Ungarn und dessen Nachbarländern predigen zu lassen, der Kaiser wies Bela an Konrad IV., der mit einer Anzahl von Fürsten das Kreuz genommen hatte. Friedrich von Österreich nützte dagegen Belas Notlage aus, um sich der angrenzenden Landesteile zu bemächtigen. Im Winter 1241 setzten die Mongolen über die Donau and nötigten Bela zur Flucht nach Dalmatien. Einige Mongolenschwärme kamen bis in die Nähe von Wien, andere nach Kroatien, dem nördlichen Dalmatien, Serbien, bis nach Bulgarien. Da bewog sie die Nachricht vom Tode des Grofskhans Ogotai zur Umkehr. Der Grofsfürst Jaroslaw II. sandte seinen Sohn Konstantin an das Hoflager des neuen Grofskhans, um dort die Huldigung zu leisten. Das russische Reich stand fortan unter der Herrschaft des Khans von Kaptschak. Dieses Reich, das Batu regierte, reichte vom Kaspischen Meer und Derbend bis nach Nowgorod und an den Don. Es ist das Reich der G o l d e n e n H o r d e . 1 ) In Schlesien, Mähren und Ungarn setzte eine mit Eifer und Verständnis in Angriff genommene Kolonisation deutscher Ansiedler ein, um die schweren Wunden zu heilen, die der Einbruch der Mongolen geschlagen hatte.

3. Kapitel. Friedrich II. und Innozenz IV. 1241 [1243]—1250. (Der Entscheidungskampf zwischen Kaiser nnd Papsttum.) § '25. Die Frledensvcrsuche nach dem Tode Gregors IX. Innozenz IV. nnd das Eonztl von Lyon. Q u e l l e n . Urkk. u. Briefe w.oben. Dazu aufscr Potth. Regg. pontiff.: K. B e r g e r , Les Registres d'Innocent IV. Paris 1884—1897. Hayn. Ann. eccl. T h e i n e r , S. 116 bis 135. G e s c h i c h t s c h r e i b e r : Die Biogr. Innoz. IV. von dem zeitgen. Minoriten Xicolaus de Curbio bei Murat. i n , 492. l'nter den ital. Geschichtschr. kommt neben Ryccardus de S. Germano (schliefst mit 1243) am meisten Kalimbene (de Adamo) in Betracht: Chronicon a. a. 1212—1287. In MM. bist, ad provinc. ParmenBcm et Placentinam pertinentia IH. Parmae 1857 (B. dazu D o v e , Die Doppclchronik v. Reggio und Salimbcne. Leipz. 1873 u. E. M i c h a e l , Salimbcne u. s Chronik. Innsbr. 1889). Annales Piacentini, wie oben. Ann. Jnnuenses. MM. G. SS. XVIU. Rol. v. Padua, wie oben. Annales et Xotae Parcnenses. MM. Germ. hist. XVIII, 662 ff. Le Croniche de Viterbo 1080—1254, cd. Böhmer F F . IV, 681 ff. Sonst wie oben. Über die Haupt ') Von ordu, d. h. das Lager (des Herrschers).

Die Vakanz des päpstlichen Stahles. Opposition der geistlichen Reichsfürsten.

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quellen zur Gesch. des Konz. v. Lyon s. Schirrmacher IV, 387. Es sind die Brevis notitia (s. Tangl in den MJÖG. XV, 377) ap. Mansi Conc. Coll. XHI, 6X0 u. damit übereinstimmend die Annales Caesenates bei Muratori XTV, 1098 ; besonders aber Matth. Paris (ad a. 1245), der möglicherweise selbst beim Konzil anwesend war. Dann die Notitia saeculi auctore Pavone, ed. Karajan (s. dazu aber F. Wilhelm, Die Schriften des JordanuH von Osnabrück. MJÖG. XIX, 648 ff. Danach ist der h i s t Wert des Pavo nicht hoch). H i l f s s c h r i f t e n : Die allg. Werke zur Gesch. Friedrichs II. s. oben §§ 8, 17 u. ff. Dazu: K ö h l e r , D. Verhältnis Friedrichs II. z. d. Päpsten. Diss. 1888. T a m m e n , Kaiser Friedrich II. u. Papst Innozenz IV. 1243—1245. Leipz. 1886. M a u b a c h , Die Kardinäle u. ihre Polit. 1243—68. Bonn 1902. B e y e r , Der Abfall und die Belagerung von Parma 1247. Progr. Freistadt 1892. H. W e b e r , Der Kampf zwischen Papst Innozenz IV. u. Friedrich II. bis zur Flucht des Papstes nach Lyon. Berlin 1900. B u r k h a r d t , Konrad v. Hochstaden. Bonn 1843. F u n k h ä n e l , Heinr. Raspe als Pfleger d. d. Reiches. Z. thür. Gesch. VII. C a r d a u n s , Konrad von Hochstaden, Erzb. v. Köln. 1880. E. F i n k , Siegfried v. Eppenstein, Erzb. v. Mainz (1230—1249). Rost. 1892. R o d e n b e r g , Kaiser Friedrich s. § 1 7 . R o d e n b e r g , Innozenz IV. und das Königreich Sizilien 1245-1254. G r u b e r , Eberhard II., Erzb. v. Salzburg 1200—1246. Progr. Burghausen. W e s e n e r , De actionibus inter Innoc. IV. et Frid. II. a. 1243—45. Bonn 1870. W i n k e l m a n n , Kaiser Friedrichs Kampf um Viterbo. Hannover 1886. S c h ü r m a n n , D. Polit. Ezzelins HI. Progr. 1886. M i t i s , Storia d'Ezzelino IV. da Romano 1897. G i t t e r m a n n , Ezzelin III. da Romano. Freib. 1890. C a n t u , Ezzelino d. R. Mil. 1901. J. Z e l l e r , L'empereur Frédéric H et la chute de l'empire germanique du moyen-âge, Conrad IV et Conradin. Paris 1885. M i k u 11 a , Die Söldner im Heere Friedr. H. Bresl. 1885.

1. Kaum hatte Friedrich II. den Tod des Papstes vernommen, ein Ereignis, das er den Königen Europas mit dem Wunsche mitteilte, dafs ein friedliebender Papst den Stuhl des hl. Petrus besteige, als er seine Feindseligkeiten gegen Rom einstellte und den Kardinälen erlaubte, sich zur Wahl eines Papstes zu versammeln. Die in Rom anwesenden (10) Kardinäle wählten am 25. Oktober den Mailänder Gaufried, Bischof der Sabina, als C ö l e s t i n I V . zum Papst, der aber, noch ehe er die Weihe erhalten hatte, am 10. November starb. Während die Römer auf die rasche Vornahme einer Neuwahl drängten, die Weifen in der Stadt sich gegen die Ghibellinen erhoben und der Kaiser vor der Stadt stand, flohen die Kardinäle nach Anagni, worauf eine mehr als anderthalbjährige Vakanz des päpstlichen Stuhles eintrat, die von der einen Seite dem Kaiser, von der anderen den uneinigen Kardinälen in die Schuhe geschoben ward. Inzwischen waren dem Kaiser auch in Deutschland Schwierigkeiten erwachsen. Die geistlichen Fürsten, besorgt, dafs er seine Siege in Italien benützen könnte, um die grofsen Errungenschaften des deutschen Fürstentums aufzuheben, und von der Überzeugung durchdrungen, im Bunde mit dem Papsttum gröfsere Vorteile zu erringen, traten in die Opposition. Am 11. September 1241 schlössen die Erzbischöfe von Köln und Mainz ein Bündnis gegen die Staufer, dem sich bald andere Reichsfürsten anschlössen. Nur die Mongolennot hinderte sie an der Durchführung ihrer Absichten. Dagegen gewann Friedrich II. den Landgrafen Hermann von Thüringen und König Wenzel, «Jenen er die Würde eines Reichsverwesers verlieh, und fesselte die bisher zurückgesetzten Städte durch reiche Privilegien an sich. Den Kampf gegen Köln und Mainz führte König Konrad zu Ende. Nun drängten alle I . o s e r t h , Geschichte des späteren Mittelalters.

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Die Wahl Innozenz IV. Seine Flucht nach Lyon.

Kreise der abendländischen Christenheit auf die Vornahme der Papstwahl. Friedrich II. räumte schliefslich selbst die Hindernisse hinweg, die ihr von seiner Seite entgegenstanden, und die Kardinäle hoben den Kardinal Sinibald Fiesco aus dem alten genuesischen, zum Reichsadel gehörigen Hause Lavagna als I n n o z e n z IV. (1243—1254) auf den päpstlichen Stuhl (1243, 25. Juni). Ein erprobter Anhänger der Politik Gregors IX., deutete er schon durch die Wahl seines Namens die Richtung an, die er befolgen würde. Bisher war er ein Freund des Kaisers, der ihn nach der Wahl auch als solchen begrüfste, freilich nicht ohne Sorge, dafs er es fürderhin nicht mehr sein könnte.*) Wiewohl Papst und Kaiser friedfertige Gesinnungen kundgaben, war eine Einigung schwer zu erzielen. Während jener unbedingte Restitution aller der Kirche gehörigen Länder, Einschlufs der Lombarden in den Frieden und Entscheidung der strittigen Fragen durch ein Konzil begehrte, konnte der Kaiser wohl in den ersten, nicht aber in die beiden folgenden Punkte willigen. Trotzdem wurden bis Ende 1244 Verhandlungen gepflogen und führten in allen bis auf die lombardische Frage zu einer Einigung; der Papst begehrte, dafs ihm auch hierin die Entscheidung überlassen werde, was der Kaiser, um seine Hoheitsrechte in der Lombardei zu wahren, zurückwies; daher lehnte es der Papst ab, ihn vom Bann zu lösen. Noch war der Kaiser zu weiteren Zugeständnissen bereit und hoffte, den Papst bei einer Zusammenkunft für seine Vorschläge zu gewinnen, schon aber verhandelte dieser nur noch zum Schein und war sein Plan feststehend, ein Konzil, das die Absetzung des Kaisers aussprechen sollte, auf einem Boden zustande zu bringen, der sich der Beeinflussung durch diesen entzog. Am 28. Juni 1244 flüchtete er von Sutri nach Civitavecchia, von wo die Genuesen, die er von seinen Absichten in Kenntnis gesetzt hatte, ihn und seine Begleiter, unter ihnen seinen Biographen und Beichtvater Nikolaus de Curbio, nach Genua führten. In einem Schreiben an Brescia nennt er die Hemmung des freien Verkehrs mit den Gläubigen als Ursache der Flucht. Böswillige Federn wufsten von finsteren Plänen des Kaisers, ihn gefangen zu nehmen, zu erzählen. Als frohe Botschaft wurde die Flucht, die seinem Kampfe gegen Friedrich den Stempel der Unversöhnlichkeit aufprägte, in den lombardischen Städten aufgenommen. Sie waren es, die den Papst aufforderten, die Absetzung des Kaisers zu proklamieren. Dieser war über die Kunde von der Flucht des Papstes sehr ungehalten: Er sei ja doch bereit gewesen, seinen Wunsch zu erfüllen. Der Papst verlangte von Ludwig IX. eine Zufluchtstätte in Reims. Dagegen sprachen sich die französischen Grofsen aus, um nicht Frankreich in einen Streit mit dem Kaiser zu verwickeln. Der Papst ging daher nach Lyon, das zwar dem Namen nach zum Reiche gehörte, in Wirklichkeit aber autonom war. Von hier aus berief er auf den 21. Juni 1245 ein allgemeines Konzil. Dort sollte die Absetzung des Kaisers erfolgen. ') Perdidi Flamma, c. 276.

bonum amicum,

quia

nullus papa

potest

esse Ohibellinus.

Galv.

Das Konzil von Lyon.

Anklage des Kaisen und dessen Verteidigung.

JJ5

2. Noch ehe Innozenz IV. aus Italien flüchtete, suchte er die antikaiserliche Partei in Deutschland zu stärken und die Erhebung eines Gegenkönigs vorzubereiten: ei- stellte den Fürsten reiche Vorteile in Aussicht, so sollte dem Herzog Friedrich II. von Österreich die Errichtung eines von Passau unabhängigen Bistums in Wien bewilligt werden. Aber auch der Kaiser war nicht müfsig geblieben und Österreich das Land der staufischen Hoffnungen. Da er seit 1241 Witwer war, wurde seine Vermählung mit Gertrud, der Nichte Herzog Friedrichs, in Aussicht genommen. Er durfte hoffen, bei dessen kinderlosem Ableben Österreich und Steiermark zu gewinnen. Nun wurde dem Herzog auf einer Fürstenversammlung zu Verona die Erhebung Österreichs zum Königreich zugesagt und die betreffende Urkunde ausgefertigt1). Doch kam es nicht zur Ausführimg des Vertrags, da Gertrud sich weigerte, den Kaiser zu heiraten, solang er im Banne sei. Der Verkehr zwischen diesem und dem Herzog blieb trotzdem ein freundschaftlicher. Ebenso wurden die Städte des Reiches noch fester an den Kaiser geknüpft. Nun trat auch das Konzil zusammen. Aufser den Kardinälen hatten sich die Patriarchen von Konstantinopel, Antiochien und Aquileja, 140 Erzbischöfe und Bischöfe, einzelne Fürsten und Vertreter von Städten eingefunden. Am stärksten war Frankreich, am schwächsten Deutschland vertreten. Als Sachwalter des Kaisers erschien der Grofshofrichter Thaddäus von Suessa. Noch im letzten Augenblick war eiue Einigung zwischen Kaiser und Papst unter Vermittlung des Patriarchen von Aquileja versucht worden, aber ohne Ergebnis geblieben. Auch die Friedensanerbietungen Thaddäus' von Suessa während der Vorberatung am 26. Juni wurden abgelehnt, da es an einer Bürgschaft für den Erfolg fehle. Am 28. Juni beschuldigte der Papst den Kaiser der Häresie, des Sakrilegs, der Unzucht und des Meineides. Thaddäus verteidigte ihn mannhaft und bat, ihm Gelegenheit zu geben, zu erscheinen. Das lehnte der Papst mit der Drohung ab, in diesem Falle selbst zu gehen. Auch in der zweiten Sitzung (5. Juli) wurden heftige Anklagen gegen den Kaiser vorgebracht und, um ihm Zeit zu geben, vor dem Konzil zu erscheinen, die dritte Sitzung auf den 17. Juli verschoben; aber dies war eine Frist, die für den Zweck, falls er ernst gemeint war, viel zu kurz war. In der Zwischenzeit liefs der Papst, um die im Laufe der Zeit von der Kurie erworbenen Besitztitel vor den Ansprüchen der weltlichen Macht zu sichern, von ihren Privilegien Abschriften anfertigen und durch die Siegel von 40 anwesenden Prälaten bekräftigen. Angesichts der Unmöglichkeit, die dem Kaiser drohenden Gefahren abzuwenden, erklärte Thaddäus in der dritten Sitzung das zu gewärtigende Urteil für null und nichtig, da der Kaiser nicht ordnungsmäfsig geraden, der Papst als sein Feind zugleich sein Kläger und Richter, die Klagepunkte zudem nicht erwiesen seien, und legte Berufung an ein allgemeines Konzil ein, denn das gegenwärtige sei kein solches. Gegen den Wunsch der Prokuratoren der weltlichen Mächte und des Patriarchen von Aquileja wurde Friedrichs Absetzung von den ') Die Constitutio regni Austriae

in MM. Germ. LL. IV, n , 358. 8«

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Die Verurteilung des Kaisers.

Prälaten gut geheifsen, das Urteil durch 150 Siegel bekräftigt, die Untertanen des Kaisers des Treueides entbunden und die Wahlfürsten aufgefordert, eine Neuwahl vorzunehmen. Zugleich behielt sich der Papst die Verfügung über das Königreich Sizilien vor. Als die versammelten Väter zum Zeichen der Verdammnis des Kaisers die Lichter auslöschten, rief Thaddäus gramerfüllt aus: »O Tag, Tag des Zornes, des Unglücks und Elends!« Der Kaiser war über dies Vorgehen tief erbittert.1) In einem Rundschreiben an Fürsten und Grofse erkennt er wohl die oberste Richtergewalt des Papstes in geistlichen Dingen an, aber kein göttliches oder menschliches Gesetz weise diesem das Recht zu, in weltlichen Dingen über Könige und Fürsten zu richten, ihnen Reiche und Länder abzusprechen. Das Verfahren gegen ihn sei null und nichtig; warnend wird dien Fürsten das an ihm vollzogene Beispiel entgegengehalten.2) In einem anderen Schriftstück erhebt er laute Klage über die Verderbtheit der römischen Kirche. Zum erstenmal wird der Wunsch laut, den gesamten Klerus zur Armut und Einfachheit der Kirche im apostolischen Zeitalter zurückzuführen. 3 ) Der Papst antwortete darauf mit dem Hinweis auf die ihm von Gott verliehene Macht, die nicht blofs alles Geistliche, sondern auch alles Weltliche umfasse. Indem der Kaiser diesem Anspruch die Legitimitätstheorie des Königtums von Gottes Gnaden gegenüberstellte, kam es zu einem Kampf zweier Prinzipien, bei denen eine Versöhnung nicht möglich war. Vermittlungsversuche, die Ludwig IX. im Interesse des von ihm geplanten Kreuzzuges machte, waren daher von vornherein aussichtslos und wurden von der Kurie kühler als vom Kaisertum aufgenommen, denn jener standen sowohl in Italien, wo sie als Schützerin der Nationalität gegen die Fremdherrschaft und der Freiheit gegen den Absolutismus erschien, als auch in Deutschland, wo sich der Sondergeist kräftig regte, Hilfskräfte zur Verfügung, mit denen sie den Kampf siegreich zu beenden hoffte.

§ 26. Friedrich II. und die Gegenkönige. (Konrad IT. und Heinrich Baspe von Thüringen. Der Fall von Parma. Wilhelm von Holland nnd der Bürgerkrieg in Deutschland.) Q u e l l e n wie oben. Heinr. Raspe, Constit. in MM. Germ. LL. wio oben. Zu den H i l f s s c h r i f t e n v. § 2 3 u. 25 s. A. R ü b e s a m e n , Landgraf Heinrich Raspe v. Th. Halle 1886. R e u f s , Die Wahl H. Raspes v. Th. Progr. Lüdenscheid 1878. I l g e n und V o g e l , Krit. Darstellung d. Thür. u. Hessischen Erbfolgekrieges 1247—1264. Z.V. hess. G. NF. X. R e u f B , K. Konrad IV. u. b. Gegenkönig H. Raspe v. Th. Progr. Wetzlar 1885. S p e i e r , Gesch. Konrads IV. 1228-12.)4. Berl. 1898. W e l l e r , ') Die Szene, wie der Kaiser die Nachricht von seiner Absetzung erhielt, bei Matth. Paris, Pertz, MM. SS. XXVIII, 268: Abiecit nie papa . . . privans me Corona mea. TJnde tanta audaciaf Darauf läfst er seinen Schatz mit den Kronen holen: Viele, si iam sunt amisse corone tnee! Repertam igitur unam imposuit capiti suo et coronatus erexit se et tninaeibus oculis, voce terribili et insaciabili corde dixit. . .: Non adhuc coronam meam perdidi nec papali impugnacione vel synodali concüio sine cruento perdatn certamine . . . ') A nobis ineipitur, sed tua et aliorum prineipum dignitas conculcatur . . . a ) Semper fuit nostre voluntatis intencio clericos cuiuscunque ordinis . . . ad illum statum reducere, ut tales perseverent in ßne, quales fuerunt in ecclesia primitiva.

Die Wahl Heinrich Raspes und der Kampf der Gegenkönige.

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Konrad IV. u. die Schwaben. Würt. Vierteljahressch. NF. VI. M e e r m a n , Geschiedenis van graaf Willem van Holland. 4 Bde. 1783—1797. A. U l r i c h , Gesch. des röm. K. Wilhelm v. H. Hann. 1882. O. H i n t z e , Das Königtum Ws. v. H. Leipz. 1885. Th. H a s s e , K. Wilhelm v. H. Strafsb. 1885. P. L. M ü l l e r , Wilhelm v. Holland. ADB. 42. D ö h m a n n , K. Wilhelm v. H., die rhein. ErzbiBchöfe u. der Neuwahlplan von 1255. Strafsb. 1887. J. K e m p f , Gesch. d. d. Reichs während des Interregnums. Würzbnrg 1893.

1. Die Ereignisse von Lyon hatten in Italien keine so starke Wirkung hervorgebracht als in Deutschland. Im Westen und Osten der Lombardei traten Städte, die, wie Venedig, auf Genuas steigende Macht eifersüchtig waren, vom Bunde gegen Friedrich II. zurück, andere, wie Alessandria, Tortona u. a., schlössen sich ihm fester an. Im Westen bewachte der zu ihm zurückgetretene Graf von Savoyen, im Osten Ezzelin die Übergänge über die Alpen, während in den mittleren Pogegenden König Enzio, in Mittelitalien die übrigen Feldherren des Kaisers das Feld behaupteten. Schon 1245 hatte Friedrich II. Kunde von einem gegen sein und Enzios Leben gerichteten Anschlag erhalten, dessen Urheber ein Schwager des Papstes war. Die Verschwörung erstreckte sich bis in die nächste Umgebung des Kaisers; verschiedene hohe Beamte des Kaiserreichs und Siziliens waren beteiligt. Die Urheberschaft wurde dem Papste beigemessen; doch läfst sich nur feststellen, dafs er mit den Verschworenen im Briefwechsel stand und ihnen auch später Gnaden erwies. In Deutschland hatte sich Landgraf H e i n r i c h R a s p e von Thüringen schon 1244 den Gegnern des Kaisers zugewendet. Er schien der geeignete Kandidat für das Gegenkönigtum zu sein, und so liefs es der Papst zu seinen Gunsten weder an Überredung, noch an Drohungen, noch an Geldmitteln fehlen. An die Fürsten erging der Befehl, ihn zu wählen; die geistlichen wurden unter Androhung der Suspension, die weltlichen bei andern Strafen zur Anerkennung des zu wählenden Königs und künftigen Kaisers verhalten. Dominikaner und Minoriten waren hiebei in drastisch-agitatorischer Weise tätig.1) So wählte eine Anzahl meist geistücher Fürsten am 22. Mai 1246 zu Veitshöchheim Heinrich Raspe zum König. Schon die Zeitgenossen haben ihn rex dericorum — Pfaffenkönig — genannt. Trotzdem alle bedeutenderen Laienfürsten der Wahl fern geblieben waren, war der Papst fest entschlossen, an ihm festzuhalten und mit dem Kaiser nur dann Frieden zu schliefsen, wenn er auf das Reich verzichte. Alle Hebel wurden in Bewegung gesetzt, um dem staufischen Hause die Sympathien der Fürsten und Völker abwendig zu machen. Selbst die Freundschaft Ejubs von Ägypten sollte ihm entzogen werden.2) Raspe hatte auf den 25. Juli einen Reichstag nach Frankfurt ausgeschrieben. Konrad IV., entschlossen, ihn zu verhindern, zog mit Heeresmacht heran, wurde aber infolge des Abfalls zweier schwäbischer Grofsen wiederholt bei Frankfurt geschlagen 3 ) und nunmehr nicht blofs des schwäbischen Herzogtums, •) S. Emko in MM. G. SS. XXHI, 529. ») Ann. Stad. ') Dafs ein zweimaliges Treffen stattfand (am 25. Juli und 5. August), beweist Keufs, S. 10. Die älteren Arbeiten kennen nur ein Treffen, das vom 5. August.

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Niederlage dea Kaisers vor Parma.

sondern auch seiner Güter verlustig erklärt. Erst jetzt trat infolge der von dem Legaten des Papstes und Albert Behaim betriebenen Agitation eine erhebliche Zahl geistlicher und einzelne weltliche Fürsten auf die Seite Heinrichs. Konrad IV. gewann dagegen die mächtige Unterstützung Herzog Ottos von Bayern, mit dessen Tochter er sich vermählte. Otto ward zu der Allianz mit den Staufern durch die Sorge bewogen, dafs Böhmen sich in den Besitz Österreichs setzen würde. Der letzte Babenberger, Friedrich II., war nämlich im Kampfe gegen die Ungarn gefallen (15. Juni), und König Wenzel hatte rasch die Vermählung seines Sohnes Wladislaw mit der Nichte des Herzogs durchgesetzt. Über Otto von Bayern wurde nun gleichfalls der Bann ausgesprochen und sein Land mit dem Interdikt belegt. Der Gegenkönig hatte seinen Sieg nicht weiter verfolgt. Erst als er von seinen Anhängern zu Hilfe gerufen wurde, wandte er sich gegen Bayern und Schwaben und belagerte Ulm (1247, Januar); aber seine Erkrankung, die Beschwerden des Winters und das Herannahen des Königs nötigten ihn zum Rückzug nach "Thüringen.1) Dort starb er — der letzte seines Stammes — am 16. Februar 1247. Die Landgrafschaft kam an den Markgrafen Heinrich von Meifsen. 2. Raspes Tod hatte den Papst wohl hart getroffen, doch gelang es seinen Anhängern, der kaiserlichen Partei in Italien einen schweren Schlag zu versetzen. Noch im März 1247 hatte der Kaiser die Absicht, nach Deutschland zu gehen, als der Rat einflufsreicher Anhänger diesund jenseits der Alpen ihn bewog, selbst nach Lyon zu ziehen, um dem Papste dort persönlich den Frieden abzuringen. Nachdem er seinen Sohn Heinrich zum Statthalter in Sizilien eingesetzt hatte, schlofs er Verträge mit Savoyen und dem Dauphin von Vienne, um sich die Alpenübergänge zu sichern. Aber der Papst blieb unerbittlich. Fest entschlossen, auf kein Anerbieten einzugehen, das die Staufer im Besitz des Kaisertums liefs, gewann er Frankreichs Beistand für den Fall, als der Kaiser Gewalt brauche. Schon war Friedrich II. bis Turin gelangt. Da traf ihn die Nachricht, dafs Parma in Enzios Abwesenheit in die Hände der Päpstlichen gefallen sei (1247, 16. Juni). Diese Stadt war sein Hauptstützpunkt: sie sicherte die Verbindung Deutschlands mit dem Königreiche, Tusciens mit der Lombardei, Piemont und der Trevisanischen Mark. Um sie wieder zu gewinnen, kehrte er zurück und stand bald wieder an der Spitze eines starken Heeres, und um die Belagerung auch während des Winters fortzusetzen, gründete er in der Nähe seines Lagers eine neue Stadt Vittoria. Als der Fall Parmas nahegerückt war, machten die Belagerten einen Ausfall (1248, 18. Februar), eroberten und verbrannten Vittoria und zwangen den Kaiser, die Belagerung aufzuheben. Das kaiserliche Heer hatte schwere Verluste erlitten; unter den Gefallenen befand sich Thaddäus von Suessa. Der Kaiser selbst rettete sich nach Cremona. Mittlerweile war der Legat Pietro Capocci in Deutschland »als Engel des Friedens« erschienen und hatte ') Eine Schlacht bei Ulm fand nicht statt. B F , 4883 b. Rübesamen, 62.

Die Wahl Wilhelms von Holland. Unentschiedener Kampf der Gegenkönige.

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mit verschiedenen Fürsten Verhandlungen über eine Neuwahl gepflogen. Auf Betreiben des Herzogs von Brabant wurde dessen Neffe Graf W i l h e l m von H o l l a n d als Thronkandidat aufgestellt und auf einer meist aus geistlichen Fürsten bestehenden Versammlung zu Worringen (3. Ok-. tober) zum König gewählt — der erste nicht fürstliche Herrscher auf dem deutschen Thron (1247—1256). Bei seinen Familien Verbindungen war es nicht schwer, seine Anerkennung in den unteren Rheinlanden durchzusetzen. Nachdem er Köln durch reiche Vergabungen gewonnen und Aachen zu ihm übergegangen war, wurde er dort im Beisein zweier Kardinäle, doch nicht mit der echten Krone, zum König gekrönt (1. November). Jetzt wurde sein Anhang auch im südlichen Deutschland bedeutender. Das staufische Haus, das einst seine Kraft im schwäbischen Adel besessen, wurde von diesem grofsenteils verlassen, fand dagegen eine kräftige Stütze in den so lange zurückgesetzten Bürgerschaften am Rhein und in Schwaben. Aber die Hilfe, die der Papst seinem Schützling, dem Gegenkönig, gewährte, machte den Kampf zu einem ungleichen. Am heftigsten wogte er in Österreich, das der Kaiser als erledigtes R,eichslehen festzuhalten versuchte. Dagegen warf sich der Papst zum Anwalt der weiblichen Verwandten des letzten Babenbergers auf: das waren seine Schwester Margareta, die Witwe König Heinrichs, und seine Nichte Gertrud. Da aber auch jene durch ihre Heirat und ihren Sohn Friedrich, »der Vipernbrut« des Stauferhauses angehörte, wirkte er für Gertrud, die sich nach dem Tode Wladislaws (1247, Januar) mit dem Markgrafen Hermann von Baden vermählt hatte, an den sie nun ihre fechte übertrug. Die Österreicher wünschten Margaretas Sohn zum Herzog, aber der Kaiser ernannte Otto von Bayern zum Reichsverweser für Österreich und den Grafen Meinhard von Görz für Steiermark. Unter diesen Verhältnissen kam es in Österreich zu einer förmlichen Anarchie. In Böhmen erhob sich gegen den päpstlich gesinnten König Wenzel die staufische Partei unter seinem Sohne Pfemysl Ottokar, dem Sohne der Stauferin Kunigunde, ohne aber besondere Erfolge zu erzielen. Dagegen blieb sie in Österreich Siegerin, zumal Hermann von Baden eines frühen Todes starb (1250, 10. Oktober). Der Kampf der Gegenkönige im übrigen Deutschland ging ohne Entscheidung weiter, diese wurde erst durch den Tod des Kaisers herbeigeführt.

§ 27. Das Ende Friedrichs IL Seine Persönlichkeit and sein Charakter. Q u e l l e n . Über die Persönlichkeit Friedrichs und seine Bedeutung berichten die Quellen von ihrem Parteistandpunkt aus, wie Petrus de Vinea in seinen Briefen, die dem Konzil gegen den Kaiser vorgelegten Akten, die vita Gregorii I X . u. a. Über einen Bericht aus seiner Jugendzeit aus der Feder seines Lehrers Franziscius s. Hampe in d. HZ. 83, 8. Assibt im Dschami-ellewärich bei Amari, Bibl. p. 516. S. auch Amari» Estratti dal Tarih Mansuri in ASt. NF. 98 ff. Salimbene, wie oben. Die anderen Quellen gehören einer späteren Zeit an. Von Neueren handeln über seine Persönlichkeit, seine Erz. und seinen Charakter: H u i l l a r d - B r £ h o l l e s , Introductio I, C L X X V I I ff. W i n k e l m a n n H, 137. S c h i r r m a c h e r I, 32 ff., IV, 339. D e l b r ü c k , E. Porträt Fr. II. Z. bild. Kunst N'F. 14. Wie die älteren Quellen gehen auch die neueren Darstellungen in der Beurteilung dieses Kaisers weit auseinander. Am ge-'

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Der Kampf in Italien. Verrat in des Kaisers Umgebung.

hiesigsten haben sich B ö h m e r in der Vorrede zu den Regg. und H ö f l e r (s. oben) aber ihn ausgesprochen, wogegen O. L o r e n z unter Berücksichtigung der Arbeiten HuillardBréholles', Schirrmachers, Winkelmanns u. Nitzsch' Einsprache erhoben h a t : Kaiser Friedrich und sein Verh. zur römischen Kirche in Drei Bücher, Geschichte u. Politik 1—61 (HZ. XI, 316 unter dem Titel Friedrich II.). Von Wichtigkeit ist die Darstellung J . F i c k e r s in der Neubearbeitung von Böhmers Kegesten V, 1, S. XI—XXXITI und jetzt vornehmlich auch K. H a m p e , Kaiser Friedrich n . HZ. 83, 1—42. S. auch F r e e m a n , Kaiser Friedrich H. in »Zur Gesch. des MA.Kürspruch< zu tun und damit den Rechtsakt der Wahl zu vollziehen.') Bei der Wahl von 1257 wird der Teilnahme der Fürsten an den Vorverhandlungen noch gedacht, als die mafsgebenden gelten aber bereits die Sieben.

Die Wahl von 1257 machte dadurch, dafs sie Ausländer zur Herrschaft berief, das Reich von den politischen Zuständen fremder Länder, abhängig.2) — Im April 1257 kam König Richard nach Deutschland und wurde am 17. Mai zu Aachen gekrönt. Es gelang ihm, seinem Königtum in den mittleren und oberen Rheingegenden Anerkennung zu verschaffen Die gröfsere Zahl der rheinischen Bundesstädte wandte sich ihm zu; da aber einzelne an Alfons festhielten, zerfiel nun auch der Rheinische Bund in eine Anzahl von Sonderbündnissen. Um die Anerkennung der Reichsstädte zu erhalten, gab Richard viele der bisher noch erhaltenen Reste der obersten Reichsgewalt dahin. Zu einem ernstlichen Kampfe der Gegenkönige ist es bei der Lage der Dinge nicht gekommen. König Richard war unzweifelhaft der Mächtigere, für ihn fiel auch seine in Aachen erfolgte Krönung und seine Regierungstätigkeit ins Gewicht, wogegen Alfons, durch seine königlichen Pflichten in Kastilien zurückgehalten, niemals in Deutschland, wo er als Sprosse der Staufer viele Sympathien hatte, erschien und allmählich dahin gelangte, sein deutsches Königtum als blofse Würde anzusehen. Nach anderthalbjähriger Tätigkeit kehrte Richard im September 1258 nach England zurück. Von dort aus wurde Deutschland regiert. Die Geschichte des deutschen Reiches wird für die folgenden Zeiten mehr und mehr eine Geschichte der einzelnen Territorien. Eines von diesen — das böhmische — ist im Begriffe sich zu einer Grofsmacht zu entwickeln.

§ 29. Die Germanisierung des nordöstlichen Deutschland und die Erfindung des deutschen Ordensstaates in Preofsen. Die Entstehung' der Hanse. Q u e l l e n . Das Quellenmaterial liegt vornehmlich in den zahlreichen Urkundenbüchem vor. D a h l m a n n - W a i t z - S t e i n d o r f f , Nr. 604—651. (S. auch Z y c h , Powolanie Krzyiaköw do Polski, Progr. Premysl 1887, wo einzelne Ergänzungen angegeben sind.) Von besonderer Bedeutung sind für diese Periode: der Cod. dipl. Silesiae, tom. 1—16. Bresl. 1857 ff. (s. G r ü n h a g e n , Regg. zur schleBischen Gesch. 1—3. 2. Aufl. bildet den 7. Bd. d. Cod. dipl.) u. wegen der Einleitung: T s c h o p p e u n d S t e n z e l , Schlesisch-Lausitzische Urkundensammlung zur Gesch. des Ursprungs der Städte u. der Einführung u. Verbreitung deutscher Rechte. Hamb. u. Berl. 1832. Der Cod. dipl. Prussicus, 6. Bde., ed. V o i g t , Königsb. 1836 (Perlberg, Preufs. Regg. Königsberg 1876). Preufsisches Urkundenb., herausg. von Philippi u. Wölky. Königsb. 1882 u. Neues preulsischeB Urkundenb., Westpr. Teil, ed. Wölky. Danzig 1885—1887 u. Ostpreufsischer Teil, ed. Wölky u. Mendthai. Leipz. 1891. Pommerellisches Urkundenb., ed, Perlbach. Danzig 1882. Die Statuten des D. OrdenB, herausg. von Perlbach. Halle 1890 (s. DZG. VH, 138). Hansisches Urkundenbuch, 1—4. Bd., bis 1492. Die Rezesse u. andere Akten der Hansetage von 1266—1430, herausg. durch die Münchn. hist. ») Schröder, S. 469. ») Otto, S. 91.

Die Germanisierung de» nördlichen Deutschland.

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Komm., bearbeitet v. Koppmann. Bd. I—VI. Leipz. 1870 ff. Hansereiesse von 1431 bis 1476, bearb. v. v. der Ropp, Bd. 7, 1876 ff., 1477—1530 v. D. Schäfer, Bd. 1—5, 1881 ff. Für einzelnes auch die MM. med. aev. historic. res gestas Toi. illustrantia, tom. 1, 5, 9 u. d. Cod. dipl. mai. Pol. Pozn. 1877 ff. Dahlm.-Waitz, 669 ff. G e s c h i c h t s c h r e i b e r : s. T o p p e n , Gesch. d. preufs. Historiogr. Berl. 1853. K o p p m a n n , Z. Geschichtscbreib. d. Hansestädte. Hamb. GB11.1. G r f i n h a g e n , Wegweiser durch d. GQ. Schlesiens. 2. A. 1889. P e r l b a c h , Mater, z. Geschichte Pommerellens. Altpr. Monatsschr. XXXVII. Mehr als sich für die Geschichte der Besiedlung Schlesiens in den SS. rer. Sil. findet, von denen keiner eine Geschichte der Ansiedlungen geschrieben hat, da der Gang der Besiedlung ein ganz anderer war als in Preufsen, findet sich in den SS. rer. Prussicarum von Hirsch, Töppen u. Strehlke. 4 Bde. Leipz. 1861—1870. In Betracht kommen: Exordium ordinis Cruciferorum seu Chronica de Prussia, ed. Hirsch in SS. rer. Pruss. V, 594—622, s. unten unter Chronik v. Oliva, s. Potthast unter Fontes Olivenses; daselbst auch die übrigen Ausgaben. Narratio de primordiis ord. Theutonici, ib. I, 220—225. Hermannus magister (1210 bis 1239), Epistolae MM. Germ. LL. II, 1, 263—5. Cartae 272—273. Petrus de Dusburg, Chronicon terrae Prussiae bis 1330, I, 3—319 (s. Potth. n , 916 u. Lorenz n , 203). Die Ausg. enthält in den Beilagen die einschlägigen Urkk. u. Vermerke aus niederdeutschen, thüringischen, böhmisch-schlesischen Chroniken, österreichischen u. sonstigen Annalen u. Chroniken. Annales Peplinenses = Ann. Prussici breves bis 1293, ib. 270—-271. Canonici Sambiensis Epitome gestorum Prussiae bis 1352, ib. 272—290. Jeroschin, Di Kronike von Pruzinlant (übersetzt von Peter von Dusburg in deutsche Beime), ib. 303—624. Die ältere Chronik von Oliva u. die Schrifttafeln von Oliva, ib. 669—731 (mit Beil., Berichten aus dänischen, norwegischen, polnischen u. a. Chroniken). Terra Pommerania quomodo subiecta est ordini fratrum Theutonicorum, ib. 806—808. Die kurze preufsische Reimchronik (Fragmente bis 1338), ib. II, 2—8. Hermannus de Wartberge, Chronicon Livoniae, ib. II, 21—178 (s. oben). Die Chronik Wigands v. Marburg, ib. II, 429—662 (gehört schon zur nächsten Zeitperiode). Kurze preufsische Annalen 1190—1337, ib. m , 1—4. Annales expeditialis Prussici 1233—1414, ib. 5—12. Franciscani Thorunensis Ann. Prussici, ib. mit J o h a n n s v. Possilge Chronik v. Preufsen (die aber erst von 1350 beginnt) u. den Auszügen aus Detmars Chronik v. Lübek, die auf Preufsen Bezug haben, ib. 13—399. Mit reichen Beilagen aus fremden Quellen. Chronica terrae Prussiae 1029—1450, ib. 4 6 5 - 471. Die ältere Hochmeisterchronik 1190—1390 bzw. 1433, ib. 540—709. Hist. brevis magistrorum ord. Theutonici, ib. IV, 264—274. Hartmann v. Heldrungen, Bericht über die Vereinigung des Schwertbrüderordens mit dem D. Orden. SS. rer. Pruss. V, 169—172. Henricus Lettus, MM. G. SS. XXIII. H i l f s s c h r i f t e n (aufser den Werken zur allg. deutschen Gesch.): G. W e n d t , Die Germanisierung der Länder östlich der Elbe. Progr. v. Liegnitz 1884. O. K ä m m e 1, Die Germanisierung des d. Nordostens. Z. Allg. G. 1887. S c h u l z e , Die Kolonisierung u. Germanisiemng der Gebiete zw. Saale u. Elbe. Leipz. 18%. E r n s t , Dift Kolonisation von Ostdeutschland. Progr. Langenberg 1888. v. d. R o p p , Deutsche Kolonien im 12. u. 13. Jahrh. Giefsen 1886. S i m o n s f e l d , Die Deutschen als Kolonisatoren: Hamb. 1885. W a t t e n b a c h , Die Germanisierung der östlichen Grenzmarken des deutschen Reiches. HZ. IX (dort auch die ältere Literatur). E r n s t , Die Kolonisation Mecklenburgs. Rostock 1875. S o m m e r f e l d , Die Germanisierung des Herzogt. Pommern bis zum Abi. d. 13. Jahrb. Leipz. 1896. G u t t m a n n , Die Germanisierung der Slaw. in der Mark. Forsch, brand.-preufs. Gesch. IX. B i e n e m a n n , Kol. Pol. d. d. Ritterordens. Z. Kulturg II. W a t t e r i c h , Die Gründung des deutschen Ordensstaates in Preufsen. Leipzig 1857. L o h m e i e r , Die Berufung des D. Ordens nach Preufsen. Königsb. 1872. R e t h w i s c h , Die Berufung des D.Ordens nach Preufsen. Berl. 1868. E w a l d , Die Eroberung Preufsens durch d. Deutschen. 4 Bde. Halle 1872—86. K o c h , Hermann v. Salza und D a s s e , Hermann v. Salza, wie oben. J. V o i g t , Geschichte Preufsens von den ältesten Zeiten bis zum Untergang der Herrschaft des Deutschen Ordens. 9 Bde. Königsberg 1827—1859. Handb. d. Gesch. Preufsens. 3 Bde., ib. 1841 bis 1843. L o h m e i e r , Geschichte Ost- u. Westpreufsens. Gotha 1880. P r u t z , Geschichte Preufsens I. Stuttgart 1900. T r e i t s c h k e , Das Ordensland Preufsen im 2. Bde. d. Hist. u. pol. Aufs. Leipz. 1871. Röhrich, D. Kolonis. d. Ermlandes. 9»

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Die deutsche Kolonisation

ZVG. Erral. XH, X i n . H o c k e n b e c k , Kloster Lekno (Wengrowitz) u. die Preufsenmission 1206—1212. Arnsberg 1893. R e h , Z. Klarstellung über die Bez. d. D. Ordens zu B. Christian v. PreufBen. Altpreufs. Monatsschr. XXI, 343. G. F r e y t a g , Bilder a. d. d. Vergangenheit IL Werke 18. Füi> Livland s. oben § 1 3 . — W i n t e r , Die Prämonstratenser des 12. Jahrh. u. ihre Bedeutung f. d. nordöstl. Deutschland. Berlin 1866. W i n t e r, D. Zisterzienser d. nordöstl. Deutochland. Gotha 1868—71. E. S c h u 1 z e , Niederl. Siedlungen in den Marschen a. d. unteren Weser u. Elbe im XII. u. XIU. Jahrh. Z. hist. V. Nied. Sachs. 1889. S a r t o r i u s , Gesch. d. Hanseatischen Bundes I. Gött. 1802 (S. 329 Vera. v. Quellen u. Urkk.). Urk. Gesch. des Hans. Bundes, her. v. Lappenberg. Hamb. 1830. B a r t h o l d , G. d. d. H. Leipz. 1853/54. Th. L i n d n e r , Die d. Hanse. Leipz. 1899. D. S c h ä f e r , Die Hansestädte u. K. Waldemar von Dänemark. Hans. Gesch. bis 1376. Jena 1879. — Die Hanse u. ihre Handelspolitik. Jena 1885. — Die Hanse. Biefeld 1903. M ü l l e r , Die Hanse. Progr. 1889. G o l d s c h m i d t , D. d. Hansa. Pr. Jb. IX. M a n t e l s , Beiträge zur Lübeck-Hansischen Gesch. Jena 1881. B e r g , Lübecks Stellung in d. Hanse. Diss. 1889. D e t t e n , D. H. d. Westfalen. Münst. 1897. S t e i n , Beitr. zur G. d. d. Hanse. Giefeen 1900. G r a n d i n s o n , 8tudier i Hans.-Svensk historia I. Stockh. 1884 (beh. d. Bez. deutsch. Kaufleute zu Schw. bis 1332). Die übrigen Arbeiten zur Gesch. d. d. Hanse s. Dahlm.Waitz-Steindorff unter Nr. 3130 bis 3152.

1. In den Tagen des Niederganges der Kaisermacht erreichte das deutsche Volkstum seine weiteste Ausbreitung im Mittelalter. Ganz Ostdeutschland wurde auf friedlichem Wege durch Kolonisation dem deutschen Volke gewonnen. Diese Kolonisation — eine rückläufige Bewegung vom Westen nach Osten — setzte im 12. Jahrhundert ein und war zu Ende des 13. nahezu abgeschlossen. Bei der Schwäche der Kaisergewalt ging ihre Leitung nicht mehr von dieser, sondern von dem Landesfürstentum aus und vollzog sich unter lebhafter Teilnahme aller Schichten der deutschen Bevölkerung: der Geistlichkeit und des Adels, der Ministerialen und vor allem des Bürger- und Bauernstandes. Hervorragend war die Tätigkeit einzelner Orden wie der Prämonstratenser und Zisterzienser, denen sich die ritterlichen Orden anschlössen. Sie zogen deutsche Bauernschaften in die öden Gegenden des Ostens und schufen ihre meist in weltentlegener Waldgegend befindlichen Ländereien in ergiebige Ackerfluren um; der hiedurch erzielte wirtschaftliche Erfolg verlockte Fürsten und Adelige zur Nachahmung. Der seit den Kreuzzügen wachgeWordene Wandertrieb ergriff einen grofsen Teil des Volkes. Scharenweise und einzeln zogen Ritter, Bürger und Bauern, Bergarbeiter und Kaufleute aus Holland und Friesland, Flandern und Westfalen nach dem Osten. Der Ritter baute mitten auf dem ihm reichlich zugemessenen Grunde seine Burg, der Bürger liefs sich in den neu angelegten, mit eigenem Recht versehenen Städten und der Bauer auf den von einem Unternehmer (dem Locator) ausgesetzten Dorfstellen nieder. Der eiserne, breitschauflige Pflug dieser Bauern rang dem Boden weitaus reichere Erträgnisse ab als der hölzerne slawische Hakenpflug; statt ärmlicher Hütten wurden stattliche Wohnstätten aus Backstein, weite Rathäuser und herrliche Kirchen errichtet. Für die Städte wurde zuerst der grofse quadratische Marktplatz abgesteckt, von dessen Ecken die Strafsen ausliefen, und in dessen Mitte das Rathaus stand. In den Dörfern stehen die Häuser der Reihe nach an der Strafse, hinter jedem die Ackerflur des Besitzers. Zu Beginn des 12. Jahrhunderts bildete ungefähr die

und ihr Zug nach dem Osten.

Der Deutsche Orden.

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Elbe die Grenze zwischen Deutschen und Slawen (Wenden). Von den deutschen Kaisern begann Lothar III. planmäfsig nach dem Osten vorzudringen. Während Barbarossa seinen italischen Plänen nachging, nahm Heinrich der Löwe die Kolonisierung von seinem sächsischen Herzogtum aus in Angriff, und die Grafen von Schauenburg-Holstein besetzten Wagrien mit deutschen Kolonisten. Noch viel stärker setzte die Bewegung im Zeitalter Friedrichs II. ein. Hervorragenden Anteil nahmen die Brandenburger. Schon Albrecht der Bär (f 1170) hatte Holländer, See- und Flamländer in Brandenburg angesiedelt. Indem dieses seinen Besitz bis über die Oder ausdehnte, wurde durch die Besiedlung des Gebietes an der unteren Warthe der Zusammenhang Pommerns mit den ganz slawischen Landschaften Polens unterbrochen. In Pommern waren es die wendischen Herzoge selbst, die ihre und ihres Volkes Germanisierung förderten. Schon in den dreifsiger Jahren des 13. Jahrhunderts wichen die letzten Wenden aus Stettin. Länger dauerte der Prozefs auf Rügen. Am eifrigsten in der Kolonisierung erwiesen sich die plastischen Herzoge Schlesiens, die sich, um ihre Selbständigkeit Polen gegenüber zu wahren, eng an Deutschland anschlössen, ihre Gemahlinnen aus deutschen Fürstenhäusern wählten, deutsche Ritter in Sold nahmen und Scharen deutscher Bauern ins Land zogen, das allmählich einen deutschen Charakter annahm. Selbst im eigentlichen P o l e n wurden deutsche Städte gegründet und mit deutschem — dem Magdeburger — Recht bewidmet und die schon bestehenden Kolonien in Böhmen und Mähren (§ 24 und 30), Ungarn und Siebenbürgen (§ 24) verstärkt. Endlich wurde auch die grofse Lücke zwischen dem bereits christlich gewordenen Livland und Pommern geschlossen. 2. In der Kolonisierung P r e u f s e n s übernahm der Deutsche Orden die Führung. In der Erkenntnis, dafs seine Wirksamkeit im hl. Lande dem Ende zuneige, suchte er ein näherliegendes Ziel für seine Tätigkeit, und der Hochmeister H e r m a n n v o n S a l z a (1211—1239) bahnte ihm den Weg zur Gründung einer eigenen Territorialherrschaft. Zunächst folgte er dem Rufe des ungarischen Königs, ihm gegen die Kumanen zu helfen, und erhielt (1211) von ihm das unbewohnte Burzenland in Siebenbürgen. Bald erhoben sich stattliche Burgen, und sächsische und flandrische Elemente begründeten auch hier eine höhere wirtschaftliche Kultur. Als sich aber der Orden der ungarischen Lehenshoheit entziehen und eigene Landeshoheit gewinnen, wollte, erwachte die Eifersucht der Ungarn. Die Schenkung wurde widerrufen, und der Orden zog aus dem Burzenlande ab, nicht ohne reiche Erfahrungen für die Organisierung neu erworbener Gebiete gemacht zu haben. Bald wurde seine Tätigkeit auf ein wichtigeres Land hingewiesen. Schon der hl. Adalbert hatte den Versuch gemacht, die heidnischen Preufsen zu bekehren. In staufischer Zeit wurden diese Versuche von Zisterziensern Grofspolens aufgenommen. Ein Mönch namens C h r i s t i a n , spätere Überlieferung läfst ihn aus dem Kloster Oliva stammen, setzte die Versuche fort, wurde der erste Bischof von Preufsen (1212) und erhielt von dem Herzog K o n r a d von Masovien und Kujavien einen Teil des von

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Die Eroberung und Kolonisierung Preufsens.

den Preufsen aufgegebenen, von ihnen durch beständige Einfälle heimgesuchten Kulmerlandes, das im übrigen unter polnischer Hoheit verblieb. Nach dem Vorbilde des Schwertordens stiftete er zur Bekämpfung der Heiden den Ritterorden von Dobrzin. Aber seine Kräfte reichten nicht aus. Das Heidentum erregte eine scharfe Reaktion, da rief K o n r a d den Deutschen Orden herbei und schenkte ihm (1228) K u l m nebst einigen Grenzburgen und die Gebiete, die er erobern würde. Friedrich II. bestätigte diese Schenkung und verlieh dem Orden reichsfürstliche Rechte. 1229 kamen die ersten Ordensritter nach Kujavien und begannen die Eroberung Preufsens. Die Preufsen1), mit Litauern und Letten zum arischen Sprachstamm gehörig, waren in zahlreiche Stämme zersplittert, die erst der Kampf gegen die Fremdherrschaft zusammenführte. Ohne gemeinsames Oberhaupt, in Zeiten des Friedens auch ohne Vorsteher der einzelnen Gaue, hatten sie einen Adel und Freie, und neben diesen auch Hörige und Sklaven. Das Volk stand noch auf niederer Kulturstufe. Ihr Kultus war ein roher Naturdienst. Weder die Schjjft noch eine geordnete Zeitrechnung waren ihnen bekannt. Sie trieben Ackerbau, Jagd und Fischfang. Das Wild erlegten sie vornehmlich auch der Felle wegen, mit denen sie Handel trieben. Der Kampf gegen sie war ein schwerer; aber die Ordensritter brachten eine treffliche Schulung mit: sie suchten den Erfolg weniger in offener Feldschlacht als in langsamer, methodischer Arbeit, in der Anlage befestigter Plätze, unter deren Schutz sie die Umwohner bekämpften. Das solchergestalt gewonnene Gebiet ward die Operationsbasis, von der aus die nächste Landschaft bewältigt wird.2) Schon 1230 zogen gröfsere Scharen unter dem Landmeister Hermann Balk in das Land; 1231 wurde K u l m , 1232 eine zweite Burg gegründet und nach Toron in Palästina Thorn genannt. Beide wurden zugleich als Städte angelegt und mit Magdeburger Recht versehen. Die Ansiedler erhielten Haus, Hof und Ackerland und völüge Selbstverwaltung, mufsten sich aber zu militärischen Dienstleistungen verpflichten. Allmählich wurden aufser dem Kulmerland Pomesanien, Pogesanien und das Ermeland gewonnen, Erfolge, die nur durch die kräftige Mitwirkung deutscher Fürsten möglich waren. Der Herzog von Braunschweig, der Markgraf von Meifsen, die Piasten Schlesiens beteiligten sich an diesen »Kreuzfahrten nach Preufsen«, selbst die Piasten von Grofspolen und -die Herzoge von Ostpommern schlössen sich zeitweise an, und auch einzelne Städte, wie Lübeck, gewährten von der Seeseite her Hilfe. 1237 wurde Elbing angelegt und hiedurch eine maritime Verbindung mit den älteren deutschen Küsten gewonnen.8) Nachdem die Ritter von Dobrzin schon 1235 mit dem Deutschen Orden vereint worden waren, erfolgte (1237) die Union mit dem Schwertorden. Estland wurde an Dänemark überlassen, in Liv') Die Abstammung Po-ruzi, die neben den Russen Wohnenden, ist sprachlich unmöglich. Vgl. das lith. protas, Einsicht: sie betrachten sich anderen Völkern gegenüber als die besser Begabten, Verständigen. ') Prutz, Preufsische Gesch. I, 47. a ) Ranke, Weltgesch. Vffl, 391.

Die Ordensherrschaft in Preufsen.

Die Hanse

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land erhielt aber der Deutsche Orden die bischöfliche Hoheit. Inzwischen gelang es ihm auch, die landesherrlichen Rechte, die der Bischof Christian noch in einem Drittel des Kulmerlandes hatte, an sich zu bringen. Um sich seines Besitzes auf die Dauer zu versichern, übertrug der Orden sein ganzes Gebiet dem hl. Petrus und erhielt es (1234) von Gregor IX. als Lehen des päpstlichen Stuhles wieder zurück. Als Hermann von Salza 1239 starb, stand die Macht des deutschen Ordens in Preufsen bereits auf festen Füfsen. Im ganzen Deutschen Reich gab sich das lebhafteste Interesse für den Orden kund, wozu die zahlreichen Siegesberichte, die nach dem Westen gelangten, nicht wenig beitrugen. Reichliche Beiträge an Geld, Schenkungen von Häusern, Höfen und Gütern flössen ihm zu. Kaiser Friedrich n . und König Heinrich gingen mit gutem Beispiel voran; ihnen folgte Friedrich der Streitbare von Österreich. Der Zudrang von Rittern und Brüdern wurde immer stärker, und so konnte der Orden die' schweren Kämpfe gegen Preufsen und das mit diesem verbündete Pommerellen bestehen. Wie Gregor I X . war auch Innozenz IV. sein eifriger Gönner. Das ganze Ordensgebiet wurde (1243) in vier Bistümer eingeteilt: Kulm, Pomesanien, Ermland und Samland, deren Bischöfe zur Fernhaltung fremder Einflüsse aus Ordenspriestern genommen wurden. Das neue Staatswesen war in um so kräftigerem Aufschwünge begriffen, als sich das Bedürfnis nach neuen starken Bollwerken gegen die Mongolen fühlbar machte. Diese Erkenntnis war es, die den Böhmenkönig Ottokar bewog, seine erste Heerfahrt nach Preufsen zu unternehmen. Eine allgemeine Reaktion des Heidentums (1261) wurde nach mehrjährigem Kampfe unterdrückt, und nur langsam machte der Orden unter der Leitung Konrads von Thierberg wieder Fortschritte. Ihm war die Erbauung der Marienburg zu verdanken (1274). Der Krieg, der immer mehr den Charakter eines Vernichtungskampfes annahm, konnte der Hauptsache nach 1283 als beendet angesehen werden. Von besonderer Bedeutung war der Fall von Akkon (1291). Der Deutsche Orden übersiedelte nun zuerst nach Venedig und als die Aussicht, in Palästina wieder zur Bedeutung zu gelangen, dahin schwand, verlegte Konrad von Feuchtwangen seinen Sitz nach Preufsen, wo nun der Kampf gegen die Litauer kräftig aufgenommen wurde. 3. Infolge dieser Neugründungen im Nordosten des Reiches nahm auch der deutsche Handel und Verkehr einen mächtigen Aufschwung. Im Jahre 1241 schlofs Lübeck mit Hamburg.zum Zwecke des Schutzes seiner Handelsstrafsen jenen Bund, den man als den Beginn der H a n s e bezeichnet. Das Bündnis war freilich für solche Zwecke weder das erste, noch diente es allgemeinen Interessen, als Ausgangspunkt für die Hanse wird vielmehr die Herstellung dauernder Verhältnisse zu betrachten sein.1) Schon seit geraumer Zeit trieben norddeutsche Kaufleute einen schwunghaften Handel nach England, Skandinavien und bis tief nach Rufsland. In London besafsen sie schon im 12. Jahrhundert ihre G i l d h a l l e , wie späterhin in Nowgorod den P e t e r h o f , wo sie nach eigenem Rechte ') Lindner, S. 48.

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Macht und Ausdehnung der Hanse.

lebten. Ein wichtiger Platz für den Handel nach dem Osten war W i s b y auf Gothland. Nahm früher Köln als deutsche Handelsstadt den ersten Platz ein, so beanspruchte nach den grofsen Kolonisationen Lübeck denselben Hang, und in der Tat stehen beide 1282 in London gleichberechtigt nebeneinander. Damals wurde zum erstenmal die Bezeichnung gebraucht »Kaufleute von der Hanse der Deutschen«. Da das Reich als solches aufserstande war, dem deutschen Handel wirksamen Schutz angedeihen zu lassen, schlössen die Handelsplätze zur Sicherung des Verkehrs unter einander Einigungen. Ein solcher Vertrag wurde 1259 zwischen Lübeck, Rostock und Wismar geschlossen. Bald folgten ähnliche Bündnisse anderer Städte nach, und es bildeten sich Verhältnisse von festerer Dauer. Die geographische Lage, altüberlieferte Stammes- oder Interessengenossenschaft u. dgl. fügten dann mehrere Gruppen zusammen. Die Städte entsandten ihre Vertrter zu gemeinsamen Beratungen. Ihre Beschlüsse hiefsen »Abschiede« oder »Rezesse«; sie bezogen sich übrigens nicht blofs auf Handelssachen, denn schon in älteren Rezessen wird bestimmt, dafs ein in einer Stadt ausgewiesener Verbrecher in keiner andern Aufnahme finden dürfe, dafs Diebe und Mörder in jeder geächtet seien usw.1) Zweck der Bündnisse war demnach Schutz und Sicherheit nach innen und aufsen, »Erhaltung und Erweiterung der entweder einzeln oder gemeinsam in der Fremde oder von dem Landesfürsten erlangten Freiheiten, Wahrung gesicherter Fahrt zu Wasser und zu Lande, schiedsrichterliche Vermittlung in den Streitigkeiten des Bundes untereinander, Aufrechthaltung der Ruhe im Innern der Städte und Schutz des städtischen Regiments gegen Aufruhr und Neuerung.« Im Verlauf weniger Jahrzehnte waren die meisten der an der Nord- und Ostsee und an den Strömen dieser Meere gelegenen Städte in solchen Gruppen vereinigt. Ein einheitlicher Bund bestand noch nicht, nur in besonderen Fällen wurden gemeinsame Verhandlungen geführt. Selbst die einzelnen Gruppen sind noch keine festen Bündnisse. Solche Gruppen waren: die um die Zuidersee, die kölnische, die westfälische, die hamburg-lübeckische Gruppe, die wendisch-pommersche, die livländische Gruppe mit Riga, Reval und Wisby und bald auch die brandenburg-preufsischen Städte. Noch ist Lübeck nicht Vorort, aber sein bedeutender Handel verleiht ihm grofses Gewicht. Im Norden war noch W i s b y Zentralpunkt für den dortigen Handel, bis seine Stellung auf D a n z i g überging; im Westen war der grofse Weltmarkt in B r ü g g e , wo die Kaufleute die Erzeugnisse des Nordens zum Verkaufe brachten und dagegen die Produkte des Südens nach dem Norden führten.

§ 30. Die böhmisch-österreichische tirofsmacht unter Ottokar II. Q u e l l e n . U r k k . wie oben § 17 u. 24. Dazu Erben-Emier, Regesta Boh. et MoTaviae I, II. Boczek, Cod. dipl. Mov. IH, IV. Schwind u. Dopsch, Ausgewählte Urkk. zur Verfassungsgeschichte Österreichs. Innsbr. 1895. G e s c h i c h t s c h r e i b e r : ') Lindner, S. 49.

Ottokar gewinnt Österreich.

Sein Krieg mit Ungarn.

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Die österr. u. böhmischen Annalen im IX. Bd. der MM. Germ. SS. Ottokara österr. Reimchronik, ed. Seemüller (Ottokars Reimchronik ist nach den Ergebnissen der Studien Hubers u. Bussons [s. Potth. II, 889 u. Lorenz I, 242—252] mit Vorsicht zu benutzen). Die böhmischen Chroniken auch in FF. rer. Bohemic, II. Ebenso Dalimils (tschechische) Reimchronik bin 1314. Mit gereimter und prosaischer Übertragung ebenda QI. H i l f s s c h r i f t e n : O. L o r e n z , Deutsche Gesch. im XIII. u.XIV. Jahrh. 2Bde. Wien 1864—67. Dazu L o r e n z , K. Ottokar H. u. das Erzbistum Salzburg in Drei Bflcher Gesch. u. Politik, S. 409—460. L o r e n z , Österr. Erwerbung durch Ottokar II. Z. f. öet. Gvmn. V m . F. K r o n e s , Die Herrschaft K. Ottokars in Steiermark 1252—1276. MVG. Steierm. XXII. G ö l l , K. Ottokars von Böhmen zweiter Kreuzzug. MJÖG. XXHI, 231. Dazu die Werke über allg. österr. u. böhm. Gesch. von Krones, Huber, Mayer, über österr. Reichsgesch. von L u s c h i n , H u b e r , B a c h m a n n , W e r u n s k y u. G u m p l o w i c z . P a l a c . k y , Gesch. Böhmens n , B a c h m a n n , Gesch. Böhmens I. D u d i k , Gesch. von Mähren; für die Beziehungen zwischen Böhmen und Preuisen s. J. G ö l l , Czechy a Prusy. Prag 1897.

1. In Österreich und Steiermark herrschten seit dem Tode Herzog Friedrichs des Streitbaren anarchische Zustände. Der jugendliche Sohn der Babenbergerin Margareta, dem Kaiser Friedrich II. beide Länder vermacht hatte, folgte ihm bald im Tode nach, und der Abzug Konrads IV. nach Italien schwächte die staufische Partei. Im Osten suchte sich Ungarn, im Westen Bayern festzusetzen. Schliefslich knüpften auch König Wenzel von Böhmen und sein Sohn, der Markgraf Ottokar II. von Mähren, der sich seit dem offenkundigen Niedergang des staufischen Hauses ganz an die päpstliche Partei angeschlossen hatte, mit den Grofsen Österreichs Verbindungen an. Von diesen gerufen und der Unterstützung der Bischöfe sicher, nahm Ottokar den Titel eines Herzogs von Österreich an und besetzte im Herbste 1251 das Land. Um seine Stellung zu befestigen und einen Teil der babenbergischen Allodialgüter an sich zu bringen, heiratete er die alternde Margareta und gewann Klerus, Adel und Städte durch reiche Vergabungen, so dafs »es bald keinen Winkel mehr gab, der seine Herrschaft zurückgewiesen hätte«. Nur bei der Besitznahme Steiermarks trat ihm König Bela IV. von Ungarn in den Weg, der schon 1247 seine Absichten auf das Babenberger Erbe kundgegeben hatte. Im Sommer 1252 begann er den Krieg in Österreich und Mähren, bewog Gertrud, die Witwe Hermanns von Baden (s. § 26), seinen Verwandten Roman von Halitsch zu heiraten, und suchte ihre Erbrechte an sich zu ziehen. Doch gelang es Ottokar, den gröfsten Teil Steiermarks zu besetzen, während die staufische Partei durch den Erzbischof Philipp von Salzburg aus dem Felde geschlagen wurde. Im folgenden Jahre brachte Bela eine starke Koalition gegen Ottokar zustande, an der Bayern, die Fürsten von Halitsch, Krakau und Oppeln teilnahmen und der sich selbst österreichische und steirische Landherren anschlössen. Ottokar wurde nicht einmal von seinem Vater kräftig genug unterstützt, dagegen trat der Papst mit Nachdruck für ihn ein, und durch die Vermittlung eines Legaten wurde am 3. April 1254 der Vertrag von Ofen geschlossen, nach welchem Ottokar, der mittlerweile (1253, 22. September) die Regierung Böhmens angetreten hatte, Österreich behielt. Steiermark fiel an Bela IV. Doch mufste er Gertrud entschädigen und zu Ottokars Gunsten auf Wiener Neustadt und Pütten

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Steigende Macht Ottokare.

Die Erwerbung Steiermark» and Kärntens.

im Osten und den Traungau im Westen verzichten. So gelangten Länder, in denen bis vor kurzem die staufische Partei die herrschende gewesen war, an nichtdeutsche Fürsten. Um sich die Gunst des Papstes zu erhalten und wohl auch im Interesse des in Osterreich stark begüterten Deutschen Ordens trat Ottokar seine später stark überschätzte Heerfahrt nach Preufsen an (1254/55). Bei der durch die Doppelwahl von 1257 erfolgten neuerlichen Schwächung der Reichsgewalt hoffte er, die Erwerbung Steiermarks um so leichter durchzusetzen. Anlafs hiezu bot ein Streit des Erzbischofs Philipp von Salzburg mit dem Bischof Ulrich von Seckau um den Salzburger Erzstuhl. Philipp gewann hiebei die Unterstützung seines Bruders Ulrich von Kärnten und des ihm verwandten Böhmenkönigs, wogegen der Seckauer sich an Stephan, den Sohn Belas IV., um Hilfe wandte. Ottokar verband sich mit dem der ungarischen Herrschaft abgeneigten steirischen Adel. Die Steirer, denen es nicht gleichgültig war, vom Verbände des deutschen Reiches losgerissen zu sein, boten Ottokar in förmlicher Weise die Herrschaft an, und so wurde Steiermark von seinen Scharen besetzt. Bela IV. machte im folgenden Jahre einen Einfall nach Österreich, erlitt aber bei Kroifsenbrunn (1260, 12. Juli) eine Niederlage und trat im Wiener Frieden (1261, 31. März) Steiermark an Ottokar ab. Im Besitz der babenbergischen Erbschaft, liefs dieser nunmehr seine Ehe unter dem Vorwand, dafs Margareta einst in Trier den Schleier genommen und ein Jahr lang in Würzburg als Nonne gelebt habe, für ungültig erklären und heiratete Kunigunde, eine Enkelin Belas IV. Unter feierlichem Gepränge liefs er sich zu Weihnachten 1261 durch den Erzbischof von Mainz in Prag krönen. Margareta zog sich nach Krummau zurück und starb dort 1267. Ottokars Macht wurde immer bedeutender. Während er der Erhebung des jugendlichen Konradin auf den deutschen Thron (§ 32) mit Erfolg entgegentrat, näherte er sich dem König Richard, von dem er die Belehnung mit den böhmischen und österreichischen Ländern erhielt1) und der ihm die Verwaltung der Reichsgüter rechts vom Rhein übertrug. Ottokar benutzte dies, um die Erwerbung von Eger, das vordem eine Reichsstadt gewesen und nun von Konradin in Besitz gehalten wurde, vorzubereiten. Durch einen zweiten Kreuzzug nach Preufsen und sein Verhalten in der Frage der deutschen Königswahl erwarb er den Dank der Kurie 2 ) und durch sie Einflufs auf die Besetzung der Hochstifter von Salzburg und Passau. Ein Krieg, der hierüber mit Bayern ausbrach, wurde durch die Vermittlung des päpstlichen Legaten beigelegt. Den kinderlosen Herzog Ulrich von Kärnten bestimmte er, statt seines Bruders Philipp ihn selbst zum Erben einzusetzen, wogegen er diesem das Patriarchat von Aquileja verschaffte. Als Ulrich (1269) starb, beanspruchte Ottokar den Besitz von Kärnten und des mit diesem verbundenen Teiles von Krain, ohne sich um die Rechte des Reiches oder jene Philipps zu kümmern. Dieser gewann zwar die Unterstützung Ungarns, da dieses ') Dies geschah in unzulässiger, weil brieflicher Form. *) Da£s Urban IV. dem Könige die O b e r h o h e i t über die Länder der Ruthenen und Litauer verschaffen wollte, s. bei Göll, S. 236 ff.

Die Machtstellung Ottokars. Wachstum d. deutschen Einflusses in Böhmen.

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aber zu einem Kriege nicht gerüstet war, kam es zu einem Waffenstillstand, während dessen sich Ottokar die Anerkennung in Kärnten und Krain sicherte. Stephan V. begann trotzdem den Kampf, sah sich aber bald zu einem Friedensschlufs genötigt, der dem böhmischen König den Besitz der neuen Erwerbungen sicherte. Nach dem Tode Stephans suchte Ottokar selbst auf die Verhältnisse Ungarns Einflufs zu gewinnen, und schliefslich muíste Philipp von Aquileja auf seine Erbansprüche verzichten; ja das Kapitel von Aquileja und der friaulische Adel stellten sich unter böhmischen Schutz. Jetzt (1272) stand Ottokars Macht auf ihrer Höhe. Sein Reich dehnte sich fast über den ganzen Osten Deutschlands aus: vom Erz- und Riesengebirge bis zur Adria reichend, schlofs es den gröfsten Teil des heutigen Österreich diesseits der Leitha in sich. Von den Zeitgenossen nannten die einen den böhmischen König seines Reichtums wegen den »Goldenen«1), die andern wegen seiner militärischen Machtmittel den »Eisernen«. Völker verschiedener Zunge hat er mit Klugheit regiert und für alle seine Länder zeitgemäfse Einrichtungen getroffen. Muíste er anfangs den Grofsen. seiner Erbländer gegenüber nachsichtig sein, so brachte er seit seinen grofsen Landerwerbungen seine landesherrliche Macht kräftig zur Geltung. In den neu erworbenen Ländern Osterreich und Steiermark liefs er Verzeichnisse über die Rechte und das Einkommen der Landesfürsten anlegen. Mehr als auf den Adel stützte er sich auf den Klerus und die Bürgerschaften, die er in jeder Weise förderte, und unter denen er auch die eifrigsten Anhänger fand. Gleich seinem Grofsvater und Vater ein eifriger Förderer der deutschen Kolonisation, zog er einen Strom deutscher Auswanderer: Bauern, Bergleute und Bürger über den »Grenzwald« nach Böhmen. Bayern, Franken und Sachsen lieisen sich an den Abhängen des Böhmerwaldes, des Erz- und Riesengebirges nieder. Wälder wurden gerodet und in ergiebiges Ackerland umgewandelt, mehr als dreifsig Städte, zahlreiche Märkte und Dörfer gegründet, in denen Deutsche nach eigenem Rechte lebten. Schon bestehende Städte und Märkte erhielten deutsches Recht. Dem Beispiel des Königs folgten die oberen Schichten der Bevölkerung: der Klerus, vor allem der staatskluge Berater des Königs, Bischof Bruno von Olmütz, dann die Klöster des Landes, die Mittelpunkte der deutschen Kolonisation, endlich auch der Adel.2) Auch auf geistigem Gebiete wurde der deutsche Einflufs in Böhmen der herrschende, und diese Richtung war unter Ottokar II. eine so starke, dafs einheimische Chronisten ihrem Unmut hierüber offenen Ausdruck geben, während umgekehrt deutsche Geschichtschreiber und Dichter diesen König als den Förderer deutscher Art priesen.

') Das jährliche Einkommen des Königs ward auf 100000 Mark berechnet. Im Vergleich dazu: Sachsen 2000, Bayern-Pfalz 20000, Brandenburg 50000, Riga 1000, Magdeburg 4000, Bremen 6000, Salzburg 20000, Trier 3000, Mainz 7000 und Köln 60000 Mark. •) Die Literatur über die deutsche Kolonisation in Böhmen und Mähren, s. b. Bachmann I, 470.

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Die Anfänge Manfreds.

§ 31. Das Papsttum und die slzilische Frage seit dem Tode Konrads IV. König Hanfred nnd Karl von Anjoa. Q u e l l e n : Von den erzählenden sind die wichtigsten schon in §§ 21, 23, 25 n. 28 genannt; dazu Saba Malaspina, Berum Sicularum libri sex 1250—1276. Murat. VILI. Bartholomaeus de Neocastro, Historia Sicula a morte Friderici II bis 1294. Murat. XTTT. Thomas Toscus, Gesta imperatorum et pontificum bis 1278. Böhm. IV, 609. MM. G. SS. XX.TT. Epist. Conradi Dominic. Panorm. seu brev. chronica bis 1283. Murat. I. Andreas Ungarns, Descript, victoriae a Karolo Prov. comité reportatac 1245—1247. MM. Germ. SS. XXVI, 560—580. Chron. Mantuanum, ib. 19 ff. Adam de la Hall, Chanson du roi de Sicile, Bouchon. Coll. VII. Von späteren : Giov. Villani, lib. Vili, cap. I. Zur Gesch. der Päpste, s. Fragments du dernier registre d'Alexandre IV, ed. L. Delisle. B. É. Ch. X X X V m . Les Registres d'Alexandre IV, ed. p. Bourel de la Roncière, J. de Loye et A. Coulon. Paris 1902. Registr. Urbani IV, ed Baumgarten. R. Quart.-Sch. i n . Dorez et Guiraud, Les Registr. d'Urbain IV. Paris 1899. Theiner, wie oben. S. Potth., Regg. pontili. II. Die Biographien der Päpste Alex. IV. u. Urban IV. bei Muratori HI. Briefe Urbans IV. in Martene Thes. II u. MM. Germ. Epp. UT. H i l f s s c h r i f t e n : B. C a p a s s e , Historia diplom. regni Siciliae 1250—1260, Napoli 1874. R a n m e r l V , S c h i r r m a c h e r , Die letzten Hohenstaufen. Gött. 1871. Dazu Scheffer-Boichorst. HZ. 28, 431—440. K a r s t , Gesch. Manfreds bis zu seiner Krönung. Berlin 1897 (enthält S. XI—XIV ein Verz. von Quellen u. Hilfsmitteln für die Gesch. Manfreds von 1250—1258). F r e i d h o f , Die Städte Tusciens zur Zeit Manfreds. Lyc. Progr. Metz 1879. F a h r e n b r u c h , Zur Gesch. Manfreds. Diss. Strasburg 1880. C e s a r e , Storia di Manfredi. Napoli 1837. M e r k e l , Storia di Manfredi I. e Manfredi H. Lancia. Turin 1886. D e l G i u d i c e , Ricc. Filangieri sotto il regno di Federigo, di Corrado et di Manfredi. Nap. 1893. La famiglia di re Manfredo. Arch. Nap. IV, 3. 1879. La f. d. r. M. Narr, storica. 2. ed. Nap. 1896. J. F i c k e r , König Manfreds Söhne. MJÖG. IV, 1. B u s s o n , Friedrich, Manfreds Sohn in Tirol, ebenda XTTT. S t e r n f e l d , Karl v. Anjou, wie oben. J o u b e r t , L'établissement de la maison d'Anjou dans le royaume de Naples. 1887. M e r k e l , L'opinione dei contemporanei sull'impresa italiana di Carlo I. d'Angió in d. Mem. de l'Acad. dei Lincei. 1889. D e r s e l b e , Un quarto di secolo di vita communale e le origini di dominazione Angoina in Piémont. M. Ac. Tor. X I H . M e o m a r t i n i , La battaglia di Benevento. Ben. 1895. S* P r i e s t , Histoire de la conquête de Naples p. Ch. d'Anjou. Paris 1849. C a d i e r , Essai sur l'administration du royaume de Sicile sous Charles I® et H d'Anjou. Paris 1891. Cherrier, Hist. de la lutte, wie oben. H a m p e , Gesch. Konradins, wie oben. Rodenberg, Innozenz IV. u. das Königreich Sizilien. Halle 1892. D o e b e r l , Bertold von Hohenburg. DZG. X U O . H a r t w i g , Florentiner Geschichte 1250—1292. DZG. I, 12—48, II, 38, IV, 70 ff., 241 ff. S i e v e r t , Das Vorleben des Papstes Urban IV. Röm. Quartalschrift X. G e o r g e s , Hist. du pape Urban IV. Paris 1865. Die allg. Werke, wie Gregorovius etc., s. oben.

1. Konrad IV. hatte während der letzten Jahre seinen Halbbruder, den bei den Italienern beliebten M a n f r e d beiseite geschoben und die Reichsverweserschaft nicht ihm, sondern dem Markgrafen Bertold von Hohenburg, einem Verwandten seiner Gemahlin, übergeben, der den Papst zur Anerkennung Konradins zu bewegen versuchte; I n n o z e n z IV. gewillt, Sizilien unmittelbar in Besitz zu nehmen, behielt sich die Prüfung der Ansprüche Konradins für die Zukunft bevor. Wie 1198 wurde auch jetzt das Nationalgefühl der Italiener gegen die Deutschen erregt und ein Heer zur Unterwerfung Siziliens ausgerüstet. Die nationale Opposition, die Guelfen und die Anhänger Manfreds zwangen Bertold, von der Regentschaft zurückzutreten. Die Grofsen Siziliens verpflichteten sich auf einem zu S. Germano abgehaltenen Tage, falls Konradin lebe, Manfred als Reichsverweser, falls er aber tot sei, als König anzuerkennen.

Das Ende Innozenz' IV. Das Königtum Manfreds.

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Auch Manfred suchte nun um die Anerkennung des Papstes nach, dieser sprach jedoch den Bann über ihn aus und liefs ein Heer in Unteritalien einrücken, worauf sich Manfred bereit erklärte, dem Papst unter Vorbehalt der Rechte Konradins und seiner eigenen, den Besitz Siziliens zu überlassen; dafür wurde er vom Banne gelöst und zum Vikar im Königreiche eingesetzt. Konradin erhielt die Anerkennung als Herzog von Schwaben und König von Jerusalem. Die Bewohner Siziliens mufsten dem Papst den Treueid leisten, doch wurde in die Formel die Klausel eingefügt: Mit Vorbehalt der Rechte des Knaben Konrad. Von einer Übernahme der Vormundschaft des Papstes über ihn war nicht mehr die Rede. So schien die Kurie alle ihre Absichten erreicht zu haben. Im Oktober 1254 betrat Innozenz IV. bei Ceperano das Königreich. Manfred führte des Papstes Zelter und leistete den Treueid. Am 27. Oktober hielt Innozenz IV. seinen Einzug in Neapel. Erst jetzt trat sein Plan einer völligen Annexion Neapels zutage. Daher wandte sich Manfred von ihm ab, bemächtigte sich der Festung Luceria und der daselbst von Friedrich II. und Konrad IV. angehäuften Geld- und Kriegsmittel und wurde von den Sarazenen, denen eine Unterwerfung unter den Papst unerwünscht war, als Herr begrüfst. Der Sieg bei F o g g i a (2. Dezember) über die päpstlichen Truppen vernichtete die Hoffnungen des Papstes auf den Besitz Siziliens. Fünf Tage später starb er zu Neapel im Hause des Petrus de Vinea. 2. Noch unter dem Eindruck von Manfreds Erfolgen schritten die Kardinäle zur Neuwahl. Sie fiel auf Rainald, einen Neffen Gregors IX., der nun als A l e x a n d e r IV. (1254—1261) den päpstlichen Stuhl bestieg. Trotz seiner friedlichen Gesinnung behielt er in der sizilischen Frage die Politik seines Vorgängers bei. Sowohl Manfred als die Kurie traten mit Konradin in Verbindung, Manfred, um seine Stellung zu sichern, denn sein Erbrecht mufste mit dem Konradins fallen, die Kurie, um diesen gegen Manfred zu gebrauchen. Um auf Konradins Vormund, Ludwig von Bayern, einen Druck auszuüben, unterstützte sie Alfons' X. Ansprüche auf Schwaben; Ludwig erkannte indes Manfred als Reichsverweser an (1255, 20. April), der allmählich das ganze Königreich eroberte und, um seine Herrschaft zu sichern, mit einzelnen Städten Mittelund Oberitaliens Verbindungen anknüpfte und dann den letzten Schritt zur Aufrichtung seines Königtums tat. Er liefs nämlich Nachrichten vom Tod Konradins verbreiten und Exequien für ihn halten, worauf er von den Grofsen (am 10. August 1258) zum König erwählt und in der Kathedrale zu Palermo gekrönt wurde. Da Manfreds Usurpation den nationalen Interessen Siziliens entsprach, erhob sich gegen sie selbst dann kein Widerspruch, als sich die Nachricht von Konradins Tod als eine falsche herausstellte. War Manfreds Herrschaft für Sizilien ein Glück, da nun wieder Ruhe und Ordnung daselbst einkehrten, so war er doch viel zu sehr Staufer, als dafs er nicht den Versuch gemacht hätte, Italien unter ein einziges Haupt zu bringen und zum Mittelpunkt des Kaisertums zu machen. Er griff in die Verhältnisse Mittel- und Oberitaliens ein und gewann trotz der Erneuerung des Bannfluches selbst

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Die Schlacht von Montaperto.

Manfred Und das Papsttum.

in Rom Einflufs. Die Ghibellinen Toskanas sahen in ihm ihr Oberhaupt, und Siena leistete ihm den Eid der Treue (1259). Von den alten Stützen der staufischen Herrschaft hielt sich nur Ezzelin fern, aber die Macht seines Hauses brach noch in demselben Jahre zusammen. Schon zeigte es sich, dafs die Weifen in Italien nicht das Übergewicht hatten. Florentiner Ghibellinen hatten, aus ihrer Vaterstadt vertrieben, von Siena und Manfred Hilfe erhalten. Am 4. September 1260 kam es bei M o n t a p e r t o zur Schlacht. Die Weifen wurden geschlagen, und die Ghibellinen hielten nun ihren Einzug in Florenz. Ganz Tuscien bis auf Lucca und Arezzo erklärte sich für Manfred. In so seltsamer Weise hatten sich die Dinge verschoben, dafs sich die Weifen an Konradin wandten, er möge in Italien erscheinen und sein Reich seinem ungetreuen Statthalter a b n e h m e n . D e r päpstliche Hof geriet in die gröfste Sorge. Uber Siena, die Florentiner Ghibellinen und alle Anhönger Manfreds wurde der Bann verhängt. Dagegen schlössen die bedeutendsten Städte Toskanas (1261, 28. Mai) ihren grofsen Ghibellinenbund, dem auch Manfred beitrat. Kurz zuvor hatte ein Teil der Römer ihn, eine Gegenpartei König Richard zum Senator gewählt. Von Kummer gebeugt, starb Alexander IV. am 25. Mai 1261. Da sich die Kardinäle über die Wahl eines Kollegen nicht einigen konnten, wurde am 29. August 1261 Jakob von Troyes gewählt, ein Mann von niederer Herkunft, der sich durch seine Talente bis zum Patriarchen von Jerusalem emporgeschwungen hatte. Die Wahl dieses Franzosen — er nannte sich U r b a n IV. (1261—1264) — war für das Papsttum verhängnisvoll, denn er lenkte die päpstliche Politik vollends in jene französische Richtung, die zu ihrer Knechtung durch das französische Königtum geführt hat. Von den 14 Kardinälen, die er binnen einem halben Jahre ernannte, waren nicht weniger als 8 Franzosen. , Von französischer Gesinnung erfüllt, war er entschlossen, Sizilien den Staufern zu entreifsen und an einen französischen Prinzen zu geben. 2. Eben jetzt stand Manfred auf der Höhe seiner Macht. Sizilien erfreute sich unter seiner Fürsorge tiefen Friedens. Aufstände, wie die der falschen Friedriche (1261) dienten nur dazu, seine Macht zu erhöhen. Wie einst sein Vater, sorgte er nicht nur für die materiellen, sondern auch für die geistigen Interessen seines Landes. Sein Hof war der glänzendste seiner Zeit; mit dem sizilischen Königshause verschwägert zu sein, galt bei auswärtigen Fürsten als besondere Ehre. Nach dem Tode seiner ersten Gemahlin Beatrix vermählte er sich mit Helene, der Tochter Michaels von Epirus. Seine Tochter Konstanze gab er Peter, dem Sohne König Jakobs von Aragonien, zur Ehe. An Manfred wandte sich der vertriebene Kaiser Balduin II. von Konstantinopel, und selbst Ludwig IX. wirkte anfänglich mehr in Manfreds als im Interesse seines eigenen Bruders Karl von Anjou. Von dessen Seite wurde das staufische Königtum erst ernstlich bedroht, als die Kurie, nachdem sich die Verhandlungen mit Manfred zerschlagen hatten, die ») BFW. 4720, 4778.

Die Anfänge Karls von Anjou.

Sein Vertrag mit dem Papsttum.

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französische Kandidatur für den sizilischen Thron ernstlich wieder aufnahm. 3. K a r l von Anjou1), als jüngster Sohn Ludwigs VIII. 1226 geboren, der Liebling seiner Mutter Blanka, zeigte in seiner Jugend nicht jene düstere Verschlossenheit, die ihm später eigen war. Ein Freund der Sänger und Dichter, hat er sich bei Gelegenheit selbst als Dichter versucht. Durch seine Gemahlin erwarb er die noch zum deutschen Reich gehörigen Grafschaften Provence und Forcalquier, ein Gebiet, das ihm wichtiger war als Anjou, da er dort nicht wie hier von seinem Bruder abhängig war. Auf dem Kreuzzug Ludwigs IX. erwarb er hohen Ruhm, und nach seiner Heimkehr erlangte er bei der Ohnmacht der Nachfolger Friedrichs II. und der Bedrängnis des Papsttums Einflufs auf Arles, Avignon und Marseille. Nachdem das erste Angebot der sizilischen Krone erfolglos gebheben, suchte er als Bundesgenosse Margaretas von Flandern in deren Kämpfen mit König Wilhelm in Hennegau festen Fufs zu fassen. Ein Aufstand in Marseille gab ihm den Anlafs, diese noch zum deutschen Reich gehörige Stadt zu erwerben. Die Streitigkeiten der Dynasten und Kommunen Oberitaliens boten ihm Gelegenheit zur Einmischung. Vor allem bediente er sich der in ihrer kriegerischen Kraft erstarkten Kommunen in Piemont, das allmählich der Stützpunkt seiner Unternehmungen diesseits der Alpen wurde. Als Ludwig IX. die sizilische Krone, die ihm Urban IV. für seinen jüngeren Sohn antrug, zurückwies, tauchte die Kandidatur des Angiovinen wieder auf. Allerdings waren die Bedingungen, unter denen er Sizilien erwerben sollte, drückend, denn ein grofser Teil sollte davon losgelöst werden, er mufste sich verpflichten, weder das deutsche Königtum noch Oberitalien oder Tuscien oder endlich ein Amt in Rom anzunehmen. Nachdem der Papst den früheren Vertrag mit England für. ungültig erklärt hatte, trat noch ein Ereignis ein, durch welches das ganze Unternehmen in Frage gestellt wurde. Karl wurde nämlich vom römischen Volk zum Senator gewählt. Falls er jetzt auch noch in den Besitz Siziliens kam, war der Papst in seiner Machtstellung bedroht; trotzdem sah sich Urban IV. angesichts der Erfolge Manfreds gezwungen, Zugeständnisse zu machen: Karl erhielt die Senatorswürde zwar nur für die Zeit, als es den Papst gutdünken würde, er benutzte sie aber, um seine Vorbereitungen für das italienische Unternehmen zu treffen, zugleich auch als Mittel, die Forderungen des Papstes herabzudrücken. Ein Vikar ergriff 1264 in seinem Namen Besitz von dem Kapitol, und Rom wurde nun der Sammelplatz aller Gegner Manfreds. Urban IV. starb, ohne die Erhebung Karls erlebt zu haben (1264, 2. Oktober). Klemens IV. (1265—1268) führte als einstiger Berater Ludwigs IX. und Freund Karls das Werk seines Vorgängers zu Ende. Im April 1265 wurde zu Aix der Vertrag geschlossen, der das staufische Haus seines Besitzes beraubte, Karl trat, umgeben von den Grofsen der Provence, mit seiner Gemahlin auf den Balkon *) S. seine Charakteristik bei Hampe, Konradin 112'13. Vgl. Salimbene 355 und G. Villani VH, 1.

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Die Belehnung Karls.

Die Schlacht von Benevent.

Manfreds Tod.

seines Palastes. Von dort aus rief der Legat der versammelten Menge zu, dafs der hl. Vater dem Grafen das Königreich übergeben habe. Zahlreiche Barone nahmen nun das Kreuz gegen Manfred. Ein Kreuzzugszehent wurde ausgeschrieben und ein Anlehen aufgenommen. Karls Gemahlin versetzte ihre Juwelen. König Manfred hatte sich indes wohl vorgesehen. Den Landweg schützten Pallavicini und die übrigen Häupter der Ghibellinen, den Seeweg sollte eine pisanisch-sizilische Flotte versperren. Karl entschlofs sich, während sein Heer in der Provence zurückblieb, für den Seeweg. Vom Glück begünstigt, entkam er der feindlichen Flotte und hielt am 23. Mai seinen Einzug in Rom. Am 21. Juni wurde er mit den Insignien des Senators bekleidet und 7 Tage später mit Sizilien belehnt. Doch mufste er auf Benevent verzichten, sich zur Zahlung eines jährlichen Tributs und Erstattung der erhaltenen Vorschüsse verpflichten und versprechen, nach der Eroberung Apuliens das Amt des Senators niederzulegen. Das französisch-provenzalische Heer stieg im Juni über die Savoyer Alpen. Verträge mit Montferrat, Este und mehreren Häuptern der Weifen, nicht minder auch Verrat auf gfiibellinischer Seite, hatten ihm die Wege geebnet; in erschöpftem Zustand traf es zu Weihnachten in Rom ein. Am 6. Januar 1266 wurde Karl samt seiner Gemahlin gekrönt. Not und Mangel trieben ihn, sobald als möglich an den Feind zu gelangen. Am 20. Januar brach er gegen Manfred auf, der in Capua weilte. Beide Gegner brannten vor Kampfbegier. Die Schlacht fand bei Benevent am 26. Februar statt. Karl erfocht nach hartem Ringen, unterstützt durch den Verrat der Grafen von Caserta und Acerra, den Sieg. Manfred wurde erschlagen. Erst am dritten Tage fand man die der Rüstung beraubte, von Wunden entstellte Leiche. Karl liefs sie ehrenvoll, wenn auch ohne den Segen der Kirche, an der Brücke des Calore bestatten. Französische Ritter trugen, den Helden zu ehren, jeder einen Stein herzu und setzten ihm ein Denkmal. Aber der fanatische Eifer des Erzbischofs von Cosenza duldete kein Begräbnis auf dem der Kirche gehörenden Boden. Darum wurde die Leiche aus der Erde gerissen und an Latiums Grenze am Ufer des Verde eingescharrt. Grauenhaft war das Schicksal der Familie Manfreds. Seine Witwe starb nach fünf-, die Tochter nach achtzehnjähriger Kerkerhaft; die drei natürlichen Söhne, Heinrich, Friedrich und Anseimus, wurden in ihrem Gefängnis zu St a Maria del Monte in Terra di Bari so hart behandelt, dafs König Karl selbst 1298 einschreiten mufste. Sie kamen dann ins Kastell dell' Uovo zu Neapel. Von den dreien starb der älteste, erblindet und entkräftet, erst nach mehr als fünfzigjährigen Kerkerqualen. Dem zweiten, Friedrich, gelang es, zu entkommen. Er zog als Bettler an den Höfen Europas umher und starb nach Wechsel vollen Schicksalen in Ägypten, wo ihm der Sultan eine Zufluchtsstätte gewährte. Mit ähnlicher Härte wurden die übrigen Verwandten behandelt. Karl hielt einen triumphierenden Einzug in Neapel. E r bedeutete den Sieg des französischen über das deutsche Element auf italienischem Boden. Aufserordentlich reich war die Beute des Siegers. Zwei schwere goldene Kandelaber und den mit Perlen verzierten Thron

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Der Ausgang des stanfischen Hauses.

Friedrichs II. sandte er an den Papst. Die Sarazenen Lucerias übergaben die dort angehäuften Schätze. Die Furcht vor dem Sieger lähmte jeden Widerstand. Die Städte leisteten die Huldigung, und die Anhänger Manfreds in Ober- und Mittelitalien beeilten sich, Frieden mit der Kirche zu machen.

§ 32. Konradln ron Schwaben nnd der Ausgang des stanfischen Hanses. Q u e l l e n wie oben. Dazu : Pietro da Pretio, Adhortatio. Ausg. bei Capasso 110. Über die Quellen zur Schlacht bei Tagliacozzo s. Busson DZG. IV u. Roloff in d. N. Jbb. Ph. XI, XII. Es sind : die Annales Plac. Gibeil., S. Justine Pat., Saba Malaspina, Salimbene, Ptolem. Luc., Giccobaldus Ferrariensis, Fereto v. Vicenza, Giov. Villani, Annales clerici (ut videtur) Parisiensis, Hist. regum Franc, contin , Chronicon Hanon. u. Primat. Ein gutes Verzeichnis der H i l f s s c h r i f t e n in H a m p e , Gesch. Konradins v. Hohenstaufen, S. 369—375. B u s s o n , Z. Gesch. Konradins. Forsch. XI, XIV. M i l l e r , Konr. v. Hohenst. Beri. 1897. F i c k e r , Konradins Marsch zum paient. Feld u. Die Operationen Karls von Anjou. MJÖG. H, IV. K ö h l e r , Die Operationen Karls v. A. vor der Schlacht bei Tagliacozzo, ebenda IV. K ö h l e r , Zur Schlacht von Tagliacozzo. Breul. 1884. K ö h l e r , Die Entwicklung des Kriegswesens. Bresl. 1886—93. Ei^.-Heft. A. B u s s o n , Die Schlacht bei Alba. DZG. IV (dort die Rhythmi de Victoria Karoli). S a c k u r , Z. Vorgesch. d. Schi. v. Albe. HZ. 75 u. 76. Jetzt vornehmlich G. R o l o f f , Die Schlacht bei Tagliacozzo (mit einer Kartenskizze). N. Jbb. Ph. XI, 31—54. Roloff hält die bisherigen Darstellungen der Schlacht für eine Art Roman. D e 1 p e c h, La tactique au moyen-âge. Paris 1886. 2 Bde. Del G i u d i c e , Il giudizio e la condanna di Corradino. Nap. 1876. O. H a r t w i g , D. Verurt. Ks. Im Neuen Reich. 1872. B r a y d a , La Responsabilità di demente IV e di Carlo I d'Anjou nella morte di Corradino di Suevia. Napoli 1900. D u r r i e u , Les Français dans le royaume de Naples sous le règne de Charles I« dans Les archives angevines de Naples H. 1886. J o u b e r t, wie oben. W e g e l e , Friedrich d. Freidige. Nördl. 1870.

1. Die Kunde von der Schlacht bei Benevent rief den legitimen Sprossen des staufischen Hauses zur Verteidigung seines Erbrechtes in die Schranken. Konradin — wie die Italiener ihn nicht ohne Anflug verächtlichen Spottes nannten, er selbst nennt sich in den Urkunden stets Konrad — erfuhr schon in zarter Jugend die mannigfachsten Schicksalsschläge. Sein Verhängnis war der unauslöschliche Hafs der Kurie gegen sein Haus. Schon der Versuch deutscher Fürsten, ihm das deutsche Königtum zu verschaffen, weckte den Widerspruch des Papstes. Verlor er Sizilien durch den eigenen Oheim, so wurde ihm auch sein schwäbisches Herzogtum durch die kastilische Verwandtschaft bestritten und sein Erbgut von den Grofsen Schwabens als gute Beute betrachtet. Seine Mutter Elisabeth vermählte sich (1259) in zweiter Ehe mit dem Grafen Meinhard von Görz-Tirol. Nach dem Sieg der Ghibellinen bei Florenz liefsen sich Stimmen vernehmen, die ihn nach Italien riefen. Bisher am Hofe seines bayrischen Oheims Ludwig erzogen, übernahm er mit zehn Jahren formell die Regierung von Schwaben, stand aber in der Pflege Bischof Eberhards von Konstanz. Grofsen Einflufs auf ihn gewannen aufser dem Abt Bertold von St. Gallen einige Reichsministerialen, deren unternehmungslustiger Sinn seine L o s e r t h , Geschichte des späteren Mittelalters.

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Konradin von Schwaben.

Neigungen beeinflufste.Auch seine zweite Kandidatur für den deutschen Thron (1262) wurde durch die Kurie vereitelt. Dagegen traten die italienischen Pläne in den Vordergrund. Nach Manfreds Tode trafen ihn die Hilfegesuche der Ghibellinen. Die Aussichten für das italienische Unternehmen waren nicht ungünstig. Karl von Anjou fand in Sizilien nichts als Mifsstimmung und Widerspruch, weil — ganz abgesehen von seinen persönlichen Eigenschaften, unter denen Grofsmut und Versöhnlichkeit fehlten — sein Regiment, im Gegensatz zu dem Friedrichs II. und Manfreds, ganz den Charakter einer Fremdherrschaft trug. Seine Beamten waren grofsenteils Fremde, seine Truppen meist Ausländer. Der politische und militärische Einflufs der sizilischen Edelleute war lahmgelegt, und die in Aussicht genommene Wiedereinsetzung aller durch die Staufer Verbannten und die Annullierung der seit dem Konzil von Lyon erteilten Privilegien drohte eine Umwälzung in den Besitzverhältnissen herbeizuführen. Schon wurde einzelnen Grofsen ihr Besitz vorenthalten, anderen die nachgesuchte Gnade versagt. Die grofse Masse, die eine Erleichterung des von den Staufern geübten Steuerdruckes erwartet hatte, sah sich bitter enttäuscht, denn das angiovinische Regiment war noch despotischer und die Steuern um so drückender, als nach den neuen Verträgen die Geistlichkeit von ihnen befreit war. Trotz der Mahnungen des Papstes wurde auch das Parlament nicht berufen, und so wurde der Wunsch nach der Rückkehr der staufischen Herrschaft überall rege. Von der öffentlichen Meinung getragen, wandten sich einige Grofse an Konradin, der nun beschlofs, dem Rufe zu folgen. Er war eben zum Jüngling herangewachsen: eine schöne Gestalt, von einnehmenden Zügen. Des Lateinischen mächtig, verstand er es, im Sinne der Zeit seinen Gefühlen auch poetischen Ausdruck zu verleihen. Sein Sinn war erfüllt von seines Hauses Gröfse.2) Nachdem er ein Ehebündnis mit Sophie, der Tochter des Markgrafen von Landsberg, eingegangen, wurde auf dem Hoftag von Augsburg (1266, Oktober) die Heerfahrt für den Spätsommer 1267 festgesetzt. Um Teilnehmer zu gewinnen, machte er Vergabungen und Verpfändungen aus seinem Hausgute ; seinen bayrischen Oheimen schenkte er für den Fall seines Todes seinen Besitz. Nachdem er von seiner Mutter Abschied genommen, erfolgte der Aufbruch. Ein Manifest an die deutschen Fürsten forderte Hilfe. Aber bei der Haltung des Papstes3) war auf ihre Teilnahme nicht zu rechnen. In Sizilien eröffneten Konradins Statthalter, Konrad Capece und Friedrich von Kastilien, den Kampf mit einem Sieg über Karls Statthalter. Konradin hielt am 21. Oktober seinen Einzug in Verona. In seiner Umgebung befanden sich Ludwig von Bayern, die Grafen Meinhard und Albert von Görz und Tirol, Friedrich von Österreich, rechtmäfsiger Erbe des Babenbergischen Besitzes, und Graf Rudolf von Habsburg; durfte Friedrich bei einem siegreichen Ausgang des

») Hampe, S. 170. ') Ebenda, S. 92. ®) Der Prozefs gegen Konradin wurde am 14. April 1267 aufgenommen.

Das Unternehmen Konradins.

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Unternehmens die Einsetzung in die österreichisch-steirischen Herzogtümer erwarten, so hat Graf Rudolf in der Folge ihren Besitz erlangt. Da die Lombardei weifisch gesinnt war, bot der Weitermarsch Schwierigkeiten. Klemens IV. sprach am 18. November 1267 den Bann über Konradin und seine Anhänger aus. Zogen sich Herzog Ludwig, dessen Land mit dem Interdikt bedroht wurde, und Meinhard von Görz von einem Unternehmen zurück, an dessen gutem Ausgang sie verzweifelten, so drängten Friedrich und die italienischen Ratgeber um so eifriger vorwärts. Am 17. Januar brach das Heer von Verona auf, am 20. hielt es seinen Einzug in Pavia. Von den lombardischen Grofsen trat nur der Markgraf Malaspina auf seine Seite, doch boten Pavia und die Ghibellinen von Tuscien kräftige Unterstützung. Das rasche Vorgehen Konradins hinderte seinen Gegner, ihm schon im Norden Italiens entgegenzutreten. Da der Weg über Pontremoli und die Lunigiana versperrt war, zog Konradin das Tal der Bormida aufwärts und schiffte sich zu Porto di Vado (s. w. v. Savona) auf pisanischen Schiffen nach Pisa ein, wo er am 7. April ankam; das staufische Heer folgte unter der umsichtigen Führung Friedrichs von Österreich. Von allen Seiten Auf die Kunde von Konradins Ankunft strömten Ghibellinen zu. hatten sich die Sarazenen Lucerias erhoben; ihrem Beispiele folgten nun auch die christlichen Anhänger der Staufer. Immer mächtiger griff die Parteinahme für Konradin um sich. Wohl wurde am 5. April der Banngegen ihn erneuert und ihm auch das Königreich Jerusalem abgesprochen, aber das tat seinen Erfolgen geringen Eintrag. Selbst in Rom trat eine Partei auf seine Seite. Heinrich von Kastilien, ein Bruder König Alfons' X., von den Römern (1267) zum Senator erwählt, und sein Stellvertreter Guido von Montefeltro, der gröfste Feldhauptmann seiner Zeit, waren eifrige Ghibellinen. Am 24. Juni wurde Konradin mit den gröfsten Ehren in Siena aufgenommen. Es ist ohne Zweifel, dafs er bei längerem Verweilen in Tuscien die ganze Provinz auf seine Seite gebracht hätte. Am 25. Juni gewann Friedrich von Österreich bei Ponte Valle einen Sieg über Karls Marschall; brachte er auch keine Entscheidung, so galt er doch als günstiges Vorzeichen. Am 28. Juni hielt Konradin unter dem Jubel des Volkes seinen Einzug in Rom und wurde am Fufs des Monte Mario vom Senator begrüfst. E r schien seinem Ziele nahe, aber der Papst blieb ungebeugt. Als dieser von seinem Palaste zu Viterbo aus Konradins Scharen im Vorbeimarsch sah, soll er sein Bedauern über den Jüngling ausgedrückt haben, der zur Schlachtbank geführt werde. Konradin eilte weiter. Wenn es gelang, den Aufständischen in der Capitanata die Hand zu reichen, war der Feldzug entschieden. 2 ) Karl hatte sich zuletzt mit der Belagerung von Luceria beschäftigt. Mit 4000 Reitern eilte er Konradin bis ans Palentinische Feld bei Alba entgegen, darauf bedacht, seinem Gegner, der mit 5—6000 Mann heranzog,

') .So I'tol. Lue. Hist. ceri. S. Hampc, 251. *) Ebenda, -S. 278.

A riderti Jakob de Voragine bei Muratori I X , 50

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Die Schlacht von Tagliacozzo.

Konradins Ende.

den Weg nach Sulmona abzuschneiden. Bei T a g l i a c o z z o kam es am 23. August zur Schlacht. Karls Heer, an Zahl geringer, war besser organisiert. Die drei Heerhaufen Konradins kämpften mit Glück gegen zwei Heeresabteilungen Karls, der eine Reserve von 1000 Rittern weiter rückwärts aufstellte; sie glaubten, die ganze feindliche Armee besiegt zu haben, ein Ritter in königlicher Rüstung war gefallen, sie hielten ihn für den König. Ein unerwarteter Angriff unter Karls eigener Führung rief aber eine Panik unter ihnen hervor, die ihre völlige Niederlage zur Folge hatte. Karls Sieg war entscheidend. Noch vom Schlachtfeld aus sandte er seinen Siegesbericht an den Papst. Konradin kam auf der Flucht nach Rom, fand aber die Stimmung so geändert, dafs er es heimlich verliefs. Er hatte die Absicht, nach Sizilien zu entkommen, wo seine Sache günstig stand. Indem er sich zu Astura, einem dem Hause Frangipani gehörigen Orte, einschiffte, wurde er von diesem gefangen und an seinen Gegner ausgeliefert. Vier Tage später hielt Karl seinen Einzug in Rom und wurde zum Senator auf Lebenszeit gewählt. Fest entschlossen, seinen Sieg bis zur völligen Vernichtung des Gegners auszunützen, führte er die Gefangenen hinter sich her, warf sie ins Gefängnis del Uovo bei Neapel, liefs die Frage, ob Konradin und seine Genossen als Majestätsverbrecher anzusehen seien, durch eine zu diesem Zwecke berufene Versammlung entscheiden und das Todesurteil vollstrecken. Der junge Staufer vermachte sein Gut wie schon bei seinem Auszug den bayrischen Oheimen. Friedrich vererbte ihnen auch Osterreich, seiner Mutter Steiermark, ohne freilich die Macht zu haben, sie zu vergeben. Das Todesurteil wurde am 29. Oktober 1268 vollzogen. Konradin starb beherzt. Seine letzten Worte lauteten: »Mutter, welche schmerzliche Kunde wirst Du von mir vernehmen«. Als sein Haupt fiel, schrie Friedrich vor Schmerz und Entrüstung auf. Dann folgten er und die übrigen Genossen dem Königssohn in den Tod. Ihre Leichen wurden in der Nähe eines Judenfriedhofes im Sand der Küste verscharrt. Jetzt erst war der lange Streit zwischen Kaiser- und Papsttum um die Herrschaft in Italien beendet. Das Papsttum triumphierte. In Deutschland säumten Konradins Anhänger nicht, dem Papste nicht blofs die Schuld an dessen Tod, sondern auch an dem schmachvollen Zustand des Reiches zuzuschreiben. Wie tief die Anhänglichkeit an das staufische Kaiserhaus ging, sieht man nicht blofs aus der deutschen, jetzt schon im Volke lebendigen Kaisersage, sondern auch daraus, dafs noch in Konradins Todesjahr der Versuch einer Königswahl gemacht wurde, bei der in erster Linie die Verwandtschaft mit dem staufischen Hause in Betracht kam. Sie sollte auf Friedrich den *Freidigen«, den Sohn Albrechts von Thüringen und Meifsen fallen, von dem man in Deutschland des Reiches Wiedergeburt erwartete, und der sich in Briefen an seine italienischen Anhänger bereits Friedrich III. nannte. Sein Anhang war freilich zu schwach, und um sich, wie Konradin wollte, die Krone zu erkämpfen, war er zu jung und wohl auch zu arm.

Frankreich unter Ludwig IX.

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2. Kapitel. Die Staaten des Westens. § 33. Die Anfange Ludwigs IX. Q u e l l e n . U r k k . u. B r i e f e : Teulet et de Laborde, Layettes du Trésor des chartes, tom. II et IH. Paris 1875. Rechnungen über Kriegsausgaben etc. Petrus de Condeto, Ceratae tabb. Bouq. XXII. Petri d. C. Epistolae, d'Achery. Spie. II, 551. Gervasius, abb. epp. 137, Sac. antiquit. MM., ed. Hugo I. Molinier, Correspondance administrative d'Alfonse de Poitiers, tom. I. Paris 1897. — G e s c h i c h t s c h r e i b e r : Vita Ludovici IX auetore Galfrido de Bello Loco (Beaulieu). Bouquet XX, 1—27. S. NA. IV, 435. (Gaufried, Prcdigermönch u. Beichtvater Ls. IX. schrieb auf Befehl Gregors X.) De vita et actibus et miraculis S. Ludovici auetore Guilelmo Carnotensi (Predigermönch aus der Umg. Ls. IX.), ib. 27—41. Gesta s. Ludovici auet. monacho S. Dionysii anon. ib. 45—47. Von Wert nur die Kapp, über die Erziehung Ludwigs IX. Guilelmus (Beichtvater der Königin Marguerite) : Vie de Saint Louis, ib. 58—121. Im Anhang die Miracles de St. Louis, S. 121—159. Sermon en l'honneur de Saint Louis par Guillaume de Saint Pathus. BÉCh. LXTTT, 276. Histoire de S. Louis par Joinville, ib. 190—304. (Übers, in Schillers Memoiren etc. 1 Abt. Bd. IV, G. Paris in Hist. littér. XXXH. De Laborde, Jean de Joinville et les seigneurs de Joinville Paris 1894.) Gesta Ludovici noni auet. Guil. de Nangiaco, ib. 309—664 (Ausz. MM. Germ. hist. XXVI). Über den Wert s. Bouq. XX, p. LI. Conseils de S. Louis à une de ses filles. Bouq. XXIII, 132—154. Bulla canonisat. S. L. p Bonif. VHI, a. 12%, ib 148—160 (s. die reiche Lit. b. Potth. II, 1437 f.). Von Chroniken sind die wichtigsten ; Chronique anonyme des rois de France bis 1286. Bouq. XXI, 80—102. Chronicon Hanoniense (quod dicitur Balduini Avennensis) bis 1281. Bouq. XXI, 161—181. Im Aus*. MM. Germ. SS XXIV, 419. Chron. Girardi de Arvernia bis 1272 u. 1288, ib. 213 ff. Bruchst. MM. Germ. XXI, 693 ff. Chron. Guil. de Nangiaco a. a. 1226—1300. Bouq. XX, 643—82. Chron. Lemovicense cum. suppl. a Petro Coral, ib. XXI, 763—788. Philippe Mouskèt, Chronique rimée, ib. XXII, 38—81. MM. Germ. SS. XXVI, 741—821. Chronique do S. Magloire, Bouq. XXII, 82—86. MM. Germ. XXVI, 610—612. Guiart, Branche des royaulx lignages. Bouq. XXII, 171—300. Fragm. d'une chronique anonyme dite chronique de Reims, ib. 302—329. MM. G. SS. XXVI, 526 ff. Chroniques de Flandre, ib. XXII, 331—429 (wichtig erst für die erste Hälfte d. 14. Jahrh ). Chronique de Primat, ib. XXIII, 5—106 (bis 1255, s. d. Note bei Potth. II, 936). Ausz. MM. G. XXVI, 639—671. Joh. de Columna, Mare historiarum. Bouq. XXIII, 107—124 (MM. Germ. SS. XXIV, 269—284, s. Lorenz II, 336). Annales Reinen. MM. Germ. SS. XVI, 645 bis 680. Chronicon monasterii Mortui Maris. Bouq. XII, XVIII, XXIII. MM. Germ. SS. VI, 467-469. Laurentius de Leodio Contin. bis 1250. Bouq. XI, XIII. MM. Germ. SS. X, 486—516. Chron. Norm. Bouq. XXIII, 213—222. Chron. Rotomag., ib. 332-343. Von fremden kommt aufser Matth. Paris besond. die Chron. reg. Col. (s. oben) In Betracht. Ergänzungen in Monod, 196 ff. u. Molinier, Les sources de l'hist. d. France, HL H i l f s s c h r i f t e n : P e t i t - D u t a i 1 Ii s , Etude sur la vie et le règne de Louis VIII (1187—1226). Paris 1894. L e N a i n d e T i l l o m o n t , Vie de saint Louis publ. par J. de Gaulle. Paris 1847— 51. (Noch immer zu brauchen, weil jetzt verlorene Quellen darin benutzt sind.) L a n g l o i s , Louis IX. Rev. d. Paris XVII. F. F a u r é , Histoire de S. Louis. Paris 1865. H. A V a l l o n , S. Louis et son temps.' Paris 1875. L e c o y d e l a M a r c h e , 8aint Louis, son gouvernement et sa politique.' Tours 1887. L e d a i n , Hist. d'Alphonse frère de s. Louis et du comté de Poitiers. 1869. B o u t a r i c , S. L. et Alf. d. P. Paris 1870. L a v i s s e - L u c h a i r e , Hist. de France III, 1. Louis VII—VIII. Paris 1901 u. L a v i s s e - L a n g l o i s , IU, 2. Saint Louis, Philippe le Bel. Paris 1901. F. P e r r y , S. Louis, the most Christian King. N. York 1901. B e r g e r , S Louis et Innocent IV. Paris 1893. B u n g e r , D. Bez. Ludw. IX. zur Kurie. 1254—64. Diss. 1896. E. B e r g e r , Histoire de Blanche do Castille. Paris 1895. G a v r i l o v i t s c l ) , Étude sur le traité de Paris de 1269 entre Louis IX et Henri III d'Angleterre. Paris

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Die Anfänge Ludwigs IX.

1899. G u i l h i e r m o z , Saint Louis les gages de bataille et la procedure civile. BliCh. XLVJII. V i o l l e t , IX!H ¿tablissementH de saint Louis. Soc. de l'hist. de France 1881—86. P i r e n n e , Hist de Belgique I.

1. Ludwig VIII. führte, nur viel kräftiger noch, die Politik seines Vaters sowohl gegen England, als auch im Süden Frankreichs weiter. Im Kampfe gegen England gewann er Aquitanien bis an die Grenzen der Gascogne, gegen die Albigenser Avignon (s. § 11). Schon war er bis Toulouse gedrungen, als ihn der Abzug des Grafen Theobald von Champagne zum Rückzug nötigte. Vom Lagerfieber ergriffen, starb er zu Montpensier, nicht ohne vorher eine verhängnisvolle Anordnung getroffen zu haben. Im Gegensatz zu der Politik seiner Vorgänger, die, um die königliche Gewalt zu stärken, an die jüngeren Söhne keine Apanagen oder doch nur unbedeutende Teile des königlichen Gutes austeilten, gab Ludwig seinem zweiten Sohne Artois, dem dritten Anjou und Maine, dem vierten Poitou und Auvergne. Der jüngste, Karl, sollte in den geistlichen Stand treten, erwarb aber durch Heirat die Provence (s. oben), erhielt nach dem Ableben Johanns von Anjou dessen Länder und wurde schliefslich König von Sizilien. Allerdings sollte der französische Besitz der jüngeren Söhne bei ihrem kinderlosen Abgang an die Krone zurückfallen, da dies aber voraussichtlich nicht so bald eintrat, wurde die Ausbildung eines einheitlichen Gesamtstaates auf lange hinaus gehemmt. Diese Anordnung trat noch dazu in einem Augenblicke ein, als das Königtum eine schwere Krise zu bestehen hatte. In der Regierung war nämlich L u d w i g IX. (1226—1270) gefolgt. Bei seiner Jugend — er zählte erst zwölf Jahre — übernahm seine Mutter Blanka kraft einer Verfügung Ludwigs VIII. die Regentschaft — der erste und einzige Fall einer Frauenregierung im Hause der Kapetinger. Der unbeliebten Ausländerin gegenüber hielten die weltlichen Grofsen den Augenblick für gekommen, das System Philipps II. zu stürzen, und scheuten zu diesem Zwecke ebensowenig vor der Verbindung mit dem Ausland wie vor den schwersten Anschuldigungen der Regentin zurück. Blanka trat der Koalition mit staatsmännischem Geschick, männlichem Geist und unbeugsamem Mut entgegen und wufste, vom Klerus und dem Bürgertum unterstützt, die Interessen der Grofsen derart zu teilen, dafs einige von ihnen auf ihre Seite traten, während Friedrich II. den deutschen, auch in Frankreich begüterten Fürsten jede Einmischung in den Kampf untersagte, der sonach mit einem vollen Siege des Königtums endete. 2. Unter der Leitung seiner trefflichen Mutter, die mit einer gewissen Eifersucht seine Ausbildung überwachte, wuchs Ludwig IX. heran. »Ein feiner Ritter«, wie Joinville ihn nennt, hoch und schön gewachsen, von lebhaften Augen, blondem Haar und heller Gesichtsfarbe, »mit der Figur eines Engels« (Salimbene), besafs er trotz seines lebhaften Geistes tiefreligiöse Neigungen und selbst asketische Anwandlungen, die freilich nicht so weit gingen, dafs er auf die Freuden des Rittertums verzichtet hätte. Ohne besondere militärische Anlagen zeichnete er sich im Kampf durch kaltblütige Unerschrockenheit aus. Von seinen Pflichten

Charakter Ludwigs IX.

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als König hatte er die höchsten Vorstellungen ; von strengstem Gerechtigkeitsgefühl, trat er den feudalen Elementen nur so weit entgegen,als es die Notwendigkeit forderte; trotzdem wahrte er, gleich seiner staatsklugen Mutter, deren Rat er auch seit seiner Volljährigkeit (1234) befolgte, alle Rechte des Königtums. Selbst in den Ländern seiner Vasallen besafs er grofsen Einflufs. Von diesen verfolgten einzelne, wie Flandern im Orient oder Champagne in Navarra, ihre weitabliegenden Ziele oder waren, wie Burgund und Bretagne, in innere Kämpfe verwickelt. Dazu kam, dafs sich die Bistümer und die Städte aufs engste an das Königtum anschlofsen. Die Politik des Königs war eine friedliche. Selbst mit England schien die Herstellung freundlicher Beziehungen keine Schwierigkeiten zu bieten, seit Ludwig IX. und Heinrich HI. einander durch Verschwägerung näher traten. Trotz alledem kam es noch einmal zu einer Erhebung der grofsen Barone gegen das Königtum, die ihren Grund in dem Widerwillen der Grofsen von Poitou gegen die neue französische Herrschaft hatte. Als Ludwig I X . nämlich 1241 im Januar den »unvergleichlichen« 1 ) Hoftag abhielt, belehnte er seinen Bruder Alfons mit Poitou und Auvergne. Dagegen erhob sich Hugo de la Marche, angereizt durch seine Gattin Isabella, die Witwe Johanns ohne Land. Es kam zu einem weitverzweigten Bund gegen das Königtum, der trotz englischer Hilfe seine Ziele nicht erreichte. Die Engländer wurden bei Taillebourg (1242, 21. Juli) und tags darauf bei Saintes geschlagen. Hugo mufste den Frieden mit der Abtretung eines Teiles seiner Besitzungen erkaufen, der Graf von Toulouse die Kriegskosten bezahlen und auf alle seine Ansprüche verzichten (1243). »Von jetzt an«, sagt Wilhelm von Nangis, »hörten die Grofsen auf, gegen den Gesalbten des Herrn zu konspirieren.« In der Tat war die Überlegenheit des Königtums über die Lehensaristokratie neu gekräftigt und der Besitz der den Engländern entrissenen Länder gesichert. Fortan mufsten französische Untertanen, die zugleich englische Lehensträger waren, dem einen oder dem anderen dieser Verhältnisse entsagen (1244), wodurch die nationale Scheidung zwischen Engländern und Franzosen auch äufserlich befestigt wurde. § 34. Die Zustände in Syrien und der erste Kreuzzug Ludwigs I X . Q u e l l e n : S. § 33. (Hauptberichterstatter ist Joinville.) Dazu Gualterus Cornutus, IList, suseeptionis coronae spineae, Riant Exuviae I. — Odo Tusculanus Ep. ad. Innocentium IV, d'Achery Spicil. VII, 213. Ludovicus r e x , Epistola de captione et liberatione sua, Duchesne, Hist. Franc. SS. V, 428. Les Gestes des Chiprois. Recueil des chroniques françaises écrites en Orient aux XIII« et X I V e siècles, p. p. G. Ruynaud. Genève 1887 (enthält 1. Chronique de Terre-Sainte [1131—1224], 2. Récit de Thilippe de Navarre [1212—1242] u. Chronique du Templier de Tyr. 1242—1309). H i l f s s c h r i f t e n : Die allgem. Werke über die Kreuzzuge, s. oben. Am ausführlichsten W a l l o n I, 225—397. E. J . D a v i s , The invasion of F.gypt by Louis I X of France and a historv of the contemporary sultans of Egypt. 1898. S c h a u b e , Die Wechselbriefe König Ludwigs d. H. von seinem'ersten Kreuzzug. Jahrb. f. Nationalökonomie u. Statistik XV. ') So genannt wegen der daselbst entfalteten Pracht.

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Die politische Lage Syriens.

1. Mit den unzulänglichen Streitkräften, die Friedrich II. in Palästina zurückgelassen, konnte eine feste Ordnung der Dinge daselbst nicht erzielt werden. Die Mohammedaner waren über den ungünstigen Frieden erbittert und die Templer und Johanniter in diesen nicht einbezogen. Die Aussöhnung zwischen Kaiser und Papst stellte zwar auf eine Zeit lang die Ruhe wieder her, aber bald kam es auf Cypern zu neuen Wirren, die auch auf Syrien zurückwirkten. Trotz des mit dem Sultan bis 1239 abgeschlossenen Friedens rief Gregor IX. die Christen schon 1231, dann in den Jahren 1234—1237 zu den Waffen 1 ); 1237 meldete er dem Kaiser, dafs französische Kreuzfahrer zum Auszug bereit seien, und bat um Unterstützung. Mit Mühe erwirkte Friedrich einen Aufschub bis zum Ablauf des Friedens. Da nach dem Tode El Kamils (1238) unter seinen Erben ein heftiger Zwiespalt ausbrach, schien der Augenblick für ein neues Unternehmen günstig. Im Frühling 1239 war T h e o b a l d v o n C h a m p a g n e , König von Navarra, zur Abfahrt bereit, doch der Papst, der mittlerweile den Kaiser aufs neue gebannt hatte, verbot eine Kreuzfahrt, die zu dessen Vorteil ausschlagen konnte. Theobald brach dessenungeachtet auf, erlitt aber in der Nähe von Gaza eine Niederlage. Bald wurde auch Jerusalem von den Sarazenen wieder erobert, seine Festungswerke zerstört, und Theobald kehrte in die Heimat zurück. Mittlerweile hatte Graf R i c h a r d v o n C o r n w a l i s , der Bruder Heinrichs III. von England, gleichfalls gegen den Willen des Papstes die Fahrt angetreten und landete im Oktober 1240 zu Akkon. Wiewohl ein Enkel König Richards und als solcher mit Jubel begrüfst, betrat er doch lieber wie Friedrich H. den Weg der Verhandlungen, erhielt Jerusalem und die an der Pilgerstrafse liegenden Orte zurück und liefs Askalon befestigen. Nach diesen nicht unbedeutenden Erfolgen kehrte er heim, worauf der alte Zwist unter den Christen in Jerusalem aufs neue ausbrach. Alle Widersacher des Kaisers begannen gegen die staufische Herrschaft in Jerusalem zu wühlen und erreichten, dafs die Hoheitsrechte bis zur Ankunft Konrads IV. an Alice, die Mutter König Heinrichs von Cypern, eine Enkelin König Amalrichs, übertragen wurden. Während Friedrichs Feinde über ihre Erfolge jubelten, erfolgte der Einbruch der Chovaresmier (1244), für den Friedrich II. die Templer verantwortlich machte, die sich mit den Hauptfeinden Sultan Ejubs von Ägypten, Ismael von Damaskus und Nasir von Kerak, verbündet hatten, worauf Ejub im Gefühl seiner Schwäche die Chovaresmier zu Hilfe rief. Raubend und mordend fielen sie in Palästina ein, eroberten Jerusalem und profanierten oder zerstörten die Heiligtümer. Ein Teil der flüchtigen Bewohner wurde bei Ramiah niedergemacht, dann erlitt das christlich-islamitische Heer von den mit den Chovaresmiern verbündeten Ägyptern unter Bibars — dem späteren Sultan — eine furchtbare Niederlage (17. Oktober). Die Blüte der geistlichen Ritterorden wurde erschlagen. Einen Versuch der Templer, ihre gefangenen Brüder auszulösen, wies Ejub mit dem Hinweis auf ihre gegen Friedrich II. und ') Röhricht, Gesch. d. K., S. 233 .ff.

Die Kreuzfahrt Ludwigs IX.

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Richard von Cornwalis verübte Treulosigkeit ab. Ejub nahm Damaskus (1245), Tripolis und Askalon (1247) und besafs somit fast das ganze Reich Saladins. Innozenz IV. hielt trotz der Trauer des Abendlandes über diese Verluste die Vernichtung der Staufer für wichtiger als die Wiedereroberung Palästinas. Noch jetzt trat er dem Kaiser im Orient allenthalben entgegen; so wurde nach dem Tode der Königin Alice Heinrich von Cypern als König anerkannt. Da die Kreuzzugsunternehmungen im Abendland immer mehr in Mifskredit kamen, wäre es kaum mehr zu einer Kreuzfahrt gekommen, wäre nicht die alte Begeisterung noch in einem der bedeutendsten Monarchen Europas lebendig gewesen. 2. In den Tagen, als die Chovaresmier Jerusalem verheerten, war Ludwig IX. schwer erkrankt. Aus Dank für seine Genesung nahm er (1244, Dezember) einem Gelübde zufolge, das er während seiner Krankheit gemacht hatte, trotz des Widerspruchs seiner Mutter, seiner Brüder und der Grofsen das Kreuz. Vergebens wiesen die einen auf die Aussichtslosigkeit des Unternehmens, die andern auf die von der gesteigerten Macht des Papsttums drohenden Gefahren, die dritten darauf hin, dafs ein bei mangelnder Besinnung gemachtes Gelübde niemand binde. Seinem Beispiele folgten seine Brüder und viele Grofse. Die Ausfahrt verzog sich bis 1248. Da dem König an einer kräftigen Unterstützung aus Deutschland und Italien lag, machte er noch einmal — freilich vergebliche — Versuche, Kaiser und Papst zu versöhnen. Die Beihilfe aus diesen Ländern, aus England und Norwegen war eine geringfügige. In Frankreich selbst fand das Unternehmen so wenig Anklang, dafs die Kreuzfahrer sich den Durchzug nach Süden mit dem Schwert erkämpfen mufsten und nicht wenige Pilger sich in Lyon vom Papste ihres Gelübdes entbinden liefsen. In Aigues-Mortes schiffte sich Ludwig mit dem gröfsten Teil seines Heeres ein und landete am 17. September auf Cypern. Sein Heer zählte 50000 Krieger. Statt den Zug rasch fortzusetzen, beschlofs er, in Cypern zu überwintern. Zwar erklärte sich König Heinrich von Cypern zur Teilnahme bereit, ja eine Gesandtschaft des Grofskhans weckte die Hoffnung auf eine Allianz und selbst auf die Bekehrung der Mongolen, aber diese Hoffnungen gingen nicht Erfüllung. Das müfsige Leben lockerte die Zucht des Heeres, und das ungewohnte Klima raffte viele hinweg. Am 15 Mai 1249 erfolgte die Ausfahrt, und zwar gegen alle Erwartung nach Ägypten. Wie ein Menschenalter früher, sollte die Entscheidung am Nil gesucht werden. Das Kreuzheer landete nördlich von Damiette (5. Juni); die Besatzung dieser Stadt überliefs den wichtigen Platz ohne Schwertstreich den Franzosen. Aber der Erfolg wurde nicht rasch genug ausgenützt. Lange wurde beraten, ob man gegen Alexandrien oder Kairo ziehen solle. Graf Robert von Artois, des Königs Bruder, setzte das letztere durch, denn »man müsse der Schlange den Kopf zertreten«. Mittlerweile starb der Sultan (22. November), nachdem er den Kreuzfahrern eben noch günstige Friedensanerbietungen gemacht hatte. Da die Ägypter die Ankunft seines Sohnes Turanschah abwarten wollten, wurde der Tod des Sultans verheimlicht. Die Kreuzfahrer drangen auf demselben Weg wie 1221 vorwärts und lagerten

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Die Niederlage und Gefangenschaft Ludwigs IX.

sich vor Mansurah, wo die Ägypter ihre Flotte und ihr Landheer vereinigt hatten. Das Christenheer geriet hier bald in eine grofse Bedrängnis: rechts hatte man den Nilarm von Damiette, vor sich den breiten Kanal von Aschmum Tanah und jenseits, gestützt auf Mansurah, die Feinde zu Lande und auf den Schiffen in so starker Stellung, dafs die Christen ihnen nicht beizukommen vermochten. Ein Beduine zeigte ihnen eine Furt durch den Kanal; durch diese drängten nun Graf Robert und die Templer hitzig vor und kamen bis Mansurah, fanden aber auf dem Rückweg fast alle durch das Schwert der Mamelucken den Tod. Mit Mühe hielt sich Ludwig auf dem Südufer des Kanals. Nach der Ankunft Turanschahs, die belebend auf die Seinigen wirkte, wurde die Pilgerflotte nicht nur in der Front und im Rücken angegriffen, sondern auch ihre Rückzugslinie bedroht. Bald begannen im christlichen Lager Hunger und Krankheiten ihre Verheerung, und Ludwig zog in seine frühere Stellung zurück. Jetzt bot er den Ägyptern Frieden und die Rückgabe von Damiette gegen Jerusalem an; das wurde aber zurückgewiesen ; als die Christen, völlig erschöpft, den Rückzug nach Damiette antraten, drangen ihnen die Ägypter ungestüm nach, machten Tausende nieder und nahmen den Rest des Heeres samt dem König und seinen Brüdern gefangen. Die meisten Kranken wurden aus Furcht vor Ansteckung getötet und nur die Reicheren des Lösegeldes wegen verschont. Der König selbst ward in Fesseln gelegt. Turanschah suchte seinen Sieg soweit als möglich auszunützen. Zwar wurde seine Forderung der Übergabe aller christlichen Besitzungen in Syrien mit dem Hinweis auf die Rechte Friedrichs II. zurückgewiesen, doch kam es schliefslich gegen die Räumung Damiettes und Zahlung einer Kriegsentschädigung von einer Million byzantinischer Goldstücke 2 ) zu einem zehnjährigen Waffenstillstand, der auch dann in Kraft blieb, als der Sultan — der letzte der Ejubiten — durch eine Verschwörung des Mameluckenemirs Bibars umgebracht wurde. Am 7. Mai 1250 wurde Damiette, wo Ludwigs Gattin ihm einen Sohn, Tristan, geboren hatte, den Sarazenen übergeben. Die meisten Abendländer eilten in die Heimat. Ludwig und seine Brüder begaben sich nach Akkon. In der Heimat hatte man an die Unglücksbotschaft anfangs nicht glauben wollen und liefs die Boten als Betrüger hinrichten. Als sich die Trauernachricht bestätigte, mahnte die Königinmutter, welche die Regierung führte, zur Heimkehr. Sie fürchtete, dafs die Engländer die Gelegenheit benützen würden, um den Krieg gegen Frankreich wieder aufzunehmen. Aber Ludwig IX. erklärte, in Palästina zu bleiben, bis auch die letzten Gefangenen befreit seien. Damals tauchten in Syrien Prätendenten auf, von denen einer, ein Urenkel Saladins, Aleppo gewann und den Christen ein Bündnis anbot. Jetzt konnte Ludwig einen Druck auf die Ägypter ausüben, und jetzt erst gaben diese die letzten Gefangenen heraus und verzichteten auf die zweite Hälfte des Lösegeldes. Noch hoffte der König, den Krieg ') Spezialkarte, Michaud III, S. 435. Über Mansurah s. Kohler, Kriegsw. III, 262. ) Die Summe wurde später um 200000 Goldstücke herabgemindert.

s

Aufenthalt Ludwigs in Palastina.

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fortsetzen zu können, falls er aus der Heimat Unterstützung bekäme. Zu diesem Zwecke sandte er ein Rundschreiben an seine Untertanen: aber sowohl die grofsen Vasallen, als auch die Grafen und Ritter verweigerten jede weitere Hilfe. Dagegen entstand nun von anderer Seite eine Bewegung zugunsten des Kreuzzuges. Um Ostern 1251 erhob sich in Flandern ein Zisterzienser aus Ungarn, namens Jakob, mit dem Vorgeben einer göttlichen Botschaft: die bisherigen Kreuzzüge hätten keinen Erfolg gehabt, weil Gott kein Gefallen an dem Hochmut der Ritter habe. Die Armen seien bestimmt, das hl. Land zu befreien. Nun lief ein Heer von Bauern und Hirten zusammen und schwoll allmählich bis auf 100000 Köpfe an. Da sich ihnen Gesindel jeglicher Art beimischte, wurden sie bald zur Geilsel aller Gegenden, die sie betraten. Wie gegen den Adel und die Reichen, traten sie auch gegen die oberen Stufen der Hierarchie, ja gegen den Klerus überhaupt auf: Man bedürfe keines Papstes und keiner Bischöfe; sie erkannten sich selbst das geistliche Hirtenamt zu, predigten, schlössen und trennten Ehen. Erst als der ungarische Meister von einem, der an seine Wundertaten nicht glauben wollte, erschlagen und eine Anzahl seiner Anhänger, Pastorellen genannt, aufgeknüpft war, löste sich die Masse bis auf wenige auf, die nach Akkon kamen. Dies Unternehmen erhöhte nur noch den Widerwillen der Völker gegen die Kreuzzüge. Nichtsdestoweniger ( sandte Ludwig I X . immer noch Briefe um Hilfe ins Abendland. Im Frühling 1252 boten ihm die Ägypter selbst Bundesgenossenschaft gegen die Syrier an. Das ganze Land diesseits des Jordans sollte den Christen zufallen. Da sie aber schon im folgenden Jahre mit ihren Gegnern Frieden machten, wurde die Lage der Kreuzfahrer eine bedenkliche. Ludwig liefs noch die Mauern von Cäsarea, dann die von Joppe und Sidon herstellen. Mittlerweile starb seine Mutter (1252, Dezember) und seine Anwesenheit in Frankreich wurde immer dringender ersehnt. Doch schiffte er sich erst Ende April 1254 in Akkon ein und kam im Juni in der Heimat an. Der Kreuzzug war mifsglückt, und zwar nicht ohne Verschulden des Königs. Das wurde ihm von den Zeitgenossen aber nur wenig angerechnet; diesen erschien er seiner Tapferkeit wegen so bewunderungswürdig wie Gottfried von Bouillon und wegen seiner Frömmigkeit als ein zweiter Peter von Amiens.

§ 35. Ludwig IX. und der Beginn der französischen Vormachtstellung In Europa. 1. Während der Abwesenheit des Königs hielt dessen Mutter Blanka mit kräftiger Hand die Ordnung in Frankreich aufrecht. Nicht so günstig als in den Ländern der Krone lagen die Verhältnisse in denen der Grofsen. Ein Aufstand der Gascogner gegen die englische Herrschaft, der dem König von Kastilien Gelegenheit zur Einmischung gab, nötigte Heinrich III., selbst nachdem Süden zu ziehen; die Unsicherheit der englischen Herrschaft daselbst und die Unzulänglichkeit seiner Mittel hielt ihn von dem Versuche ab, die Abwesenheit König Ludwigs zur

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Die innere und äufsere Politik Ludwigs I X .

Wiedergewinnung der verlorenen Provinzen zu benützen. Die Kämpfe im Norden (s. oben § 33) endeten erst nach Ludwigs Heimkehr damit, dafs Guido von Dampierre die Nachfolge in Flandern, Johann von Avesnes in Hennegau erhielt, auf welches letztere Karl von Anjou gegen eine Geldentschädigung verzichtete. In der Provence war auf die Kunde von der Gefangennahme des Königs und seiner Brüder ein Aufstand gegen die verhafste Herrschaft seines Bruders Karl von Anjou entstanden. Städte, die vordem fast republikanische Freiheiten genossen halten und dessen Regiment verabscheuten, wie Marseille, Aix, Arles, Nizza und Avignon, erhoben sich und wurden erst nach Karls Ankunft unterworfen. In Marseille kam es allerdings noch 1256 und 1262 zu Aufständen, die durch blutige Strafgerichte beendet wurden. In friedlicher Weise vollzog sich dagegen die Erwerbung der Grafschaft Toulouse. Nach dem Tode Raimunds VII. (1249) liefs Blanka das Land im Namen ihres abwesenden Sohnes Alfons besetzen, der nach seiner Heimkehr die Huldigung der Stände erhielt und in der Grafschaft eine Verwaltung einführte, die sich eng an die französische anschlofs. Ludwig IX. rief die Provinzialstände von Languedoc ins Leben, indem er befahl, dafs sein Seneschall bei allen wichtigen Angelegenheiten die Prälaten, Barone und »Bürger der guten Städte < zu Rate ziehe. 2. In den auswärtigen Angelegenheiten befolgte der König eine Politik des Friedens und der Versöhnung. Mit Jayme von Aragonien schlofs er den Vertrag von Corbeil (1258, 11. Mai), in welchem Frankreich auf seine Lehenshoheit über Katalonien, Aragonien dagegen auf seine Lehen im südlichen Frankreich verzichtete. Allerdings zerrissen nun die Bande, die den Süden Frankreichs an den Norden Spaniens knüpften. Dem englischen König gestand Ludwig zum Mifsvergnügen der öffentlichen Meinung in dem Frieden von A b b e v i l l e (1259) den Besitz von Perigord, Limousin und den Süden von Saintonge zu, wogegen jener seine Ansprüche auf die Normandie, Anjou, Touraine, Maine, Poitou und den Norden von Saintonge endgültig aufgab. Eine gleiche Mäfsigung bekundete Ludwig in seinem Verhalten gegen Deutschland. Wenn er als frommer Sohn der Kirche einerseits die Mahnungen des Kaisers, auf seine Seite zu treten1), abwies, legte es ihm doch die alte Verbindung der beiderseitigen Herrscherhäuser und das gemeinsame Interesse der monarchischen Gewalten nahe, eine vermittelnde Stellung einzunehmen. Wie er die Anerbietungen Gregors IX., die deutsche Krone an einen Prinzen Frankreichs zu übertragen, zurückwies, so blieb er auch Innozenz IV. gegenüber in strikter Neutralität, indem er einerseits Friedrich II. auch nach dessen Absetzung als Kaiser anerkannte, anderseits aber don Papst schützte, als der Kaiser Miene machte, gegen Lyon vorzurücken. Die Wirren im deutschen Reiche seit 1250 gaben gute Gelegenheit, Frankreichs Grenzen im Osten vorzuschieben, ') Das Vorgehen des Papstes sei in praeiudicium iurisdictionis regum etc. Ks ist eine Erläuterung des alten Satzes: Nam tua res agitur, paries cum proximus ardtt. Crcmona, 1245, Sept. 22. Huill.-Br^h. VI, 550.

Steigender Einflute Frankreichs.

Innerer Ausbau des frz. Lehensstaates.

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aber Ludwig begnügte sich mit den — freilich auch sehr bedeutenden — Erwerbungen seines Bruders Karl in der Provence und mit dem Kauf der Grafschaft Macon. Im Streit zwischen den Königen Alfons und Richard stand er, den kapetingischen Traditionen entsprechend, auf kastilischer Seite. So wenig gewalttätige Mafsregeln er auch in Anwendung brachte, der Einflufs des französischen Königtums in Europa war fortwährend im Steigen. Abgesehen von den französischen Staatsbildungen im Orient, verfiel Italien nach dem Sturz der Staufer den französischen Machteinflüssen. Ludwig selbst erwarb sich durch seine Tugenden die Stellung eines Schiedsrichters nicht blofs in den Angelegenheiten seiner Vasallen, sondern auch aufserhalb Frankreichs. Willig legten die englischen Barone und Heinrich III. die Entscheidung ihrer Streitigkeiten in die Hände eines Königs, der ihnen »als das personifizierte Rechts galt. 3. Mit dem äufseren Wachstum hielt auch der innere Ausbau des französischen Lehensstaates gleichen Schritt. Weit entfernt, an den hergebrachten feudalen Rechten zu rütteln, erlangte das Königtum eine derartige Macht und ein solches Ansehen, dafs sein Inhaber nicht mehr wie früher der Erste unter seinesgleichen, sondern das schützende Oberhaupt aller war, das selbst die feudalen Gewalten gegen Übergriffe oder den Übereifer seiner Beamten und Diener in Schutz nahm. Das Parlament genofs eine vollständige Unabhängigkeit, und keine Rechtsverletzung fand vor seinen Augen Gnade. Dabei wurden die Errungenschaften Philipps II. auf dem Gebiete der Rechtspflege und Verwaltung in naturgemäfser Weise fortgebildet. Zu den Baillis und Sénéchaux kamen die Enquêteurs, meist Franziskaner oder Dominikaner, welche die Beamten zu überwachen und Klagen wider sie an den König zu bringen hatten. Aus dem alten Kronrat (grand, conseil), der sich aus Grofswürdenträgern, Baronen und Prälaten zusammensetzte, bildeten sich noch zwei Sektionen heraus : für die richterlichen Angelegenheiten der oberste Reichsgerichtshof (das Parlament) und für das Finanzwesen der oberste Rechnungshof (Chambre des comptes). Auf dem Gebiet der Rechtspflege wurde zunächst das Fehdewesen stark eingeschränkt. Schon Philipp II. hatte verordnet, dafs eine angesagte Fehde erst nach 40 Tagen begonnen werde (die Quarantaine), damit sich der Gegner rüsten oder des Königs Entscheidung anrufen könne. Ludwig IX. verschärfte dieses Gebot. Der Zweikampf vor Gericht wurde abgeschafft und an dessen Stelle der Zeugenbeweis eingeführt. An die Stelle der Rache trat nun der Rechtsspruch. Wer mit dem Urteil unzufrieden war, appellierte an einen der vier Obergerichtshöfe (grands baillages), in letzter Instanz an den König. Galt diese Appellation anfangs auch nur für das Kronland im engeren Sinne, so wurden immer häufiger die sogenannten » Königsfälle«, meist schwere Kriminalfälle, überhaupt an das königliche Gericht gebracht und dadurch die erbliche Gerichtsbarkeit der grofsen Vasallen im wesentlichen auf rein territoriale Angelegenheiten eingeschränkt. Es gab nunmehr in Frankreich keine souveränen Grofsen, sondern grofse Vasallen unter einem Souverän. Das Parlament setzt sich teils aus ständigen Räten, vom König ernannten Klerikern, Rittern

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Die Kirchenpolitik Ludwigs I X .

und Amtsleuten zusammen, teils wurden je nach der Rechtssache Kronbeamte, Barone und Prälaten berufen, schon jetzt vielfach studierte Juristen, denen Untersuchung und Berichterstattung zufiel. Daneben blieben die alten Gewohnheitsrechte (coutumes) bestehen. Amtsmifsbrauch wurde strenge geahndet; um selbst den Schein eines solchen zu verhüten, wurde den Beamten verboten, ihre Kinder innerhalb ihres Amtsbezirkes zu verheiraten oder Amter an Verwandte zu geben. — Der Herstellung der Sicherheit in Handel und Wandel diente die grofse Münzreform von 1263, die aber auch zur Hebung der Königsgewalt beitrug. Bisher hatten ungefähr 80 weltliche und geistliche Grofse das Münzrecht, das sie oft genug zu ihrem Vorteil mifsbrauchten. Der König setzte es durch, dafs die königliche Münze — und diese mufste stets vollwichtig sein — an allen übrigen Orten a l l e i n , in dem Gebiete dieser Grofsen aber n e b e n ihrer Münze zirkulieren sollte. Als Freund der Städte traf er für sie eine Menge Wolilfahrtsmafsregeln. Einzelne wurden von drückenden Lasten befreit, andere erhielten städtische Gerechtsame, in allen wünschte er taugliche Magistrate und eine geordnete Verwaltung des städtischen Vermö^jns. 4. Der Kirche i n . aufrichtiger Weise ergeben, schützte er ihre Rechte gegen die Eingriffe der königlichen Beamten, übte sein Recht der Pfründenverleihung in mafsvoller Weise und unter Beobachtung der kirchlichen Satzungen aus und bewies vornehmlich den Bettelorden eine grofse Zuneigung. Ihre Mitglieder bekleideten nicht blofs einflufsreiche kirchliche Ämter, sondern wurden auch zu diplomatischen Missionen und gewöhnlichen Amtsgeschäften verwendet; bevorzugt war der Predigerorden, dessen Tätigkeit im Dienste der Inquisition alle Förderung fand. Aber trotz seiner frommen Gesinnung und Ergebenheit gegen den hl. Stuhl trat er allen Übergriffen der Geistlichkeit streng entgegen und schränkte ihre Privilegien nicht unwesentlich ein. Er duldete das Vorgehen der Barone und Kommunen, die sich wiederholt vereinigten1) (so namentlich 1246, 1247 und 1253), um die kirchliche Gerichtsbarkeit über die Weltlichen auf Ketzerei, Ehe- und Testamentsangelegenheiten einzuschränken oder der Anhäufung irdischer Güter in der Toten Hand entgegenzutreten. Der Papst Alexander IV. sah sich (1260) genötigt, den Klagen des Königs über Mifsbrauch des Bannes und der geistlichen Jurisdiktion entgegenzukommen. Fortan sollte kein königlicher Richter, der einen Geistlichen eines Kapitalverbrechens wegen festhalte oder verurteile, in den Bann getan werden. Auch die Besteuerung des kirchlichen Vermögens aus Anlafs der vom König unternommenen Kreuzzüge mufste sich der Klerus gefallen lassen. Ludwig I X . galt bis in die neueste Zeit als der eigentliche Begründer der gallikanischen Kirchenfreiheit. Nachdem er verschiedenen Versuchen der Kurie, das Recht der Besteuerung französischer Kirchen auszuüben und die geistliche Gerichtsbarkeit noch weiter auszudehnen, entgegengetreten war, soll er 1269 die sog. p r a g m a t i s c h e S a n k t i o n 2 ) erlassen haben, welche die Verleihung französischer ') Zum Teil auf die Aufforderung seitens des Kaisers Friedrich II. *) Der Ausdruck p r a g m a t i s c h e S a n k t i o n stammt aus Byzanz.

Die angebliche pragmatische Sanktion Ludwigs IX.

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Pfründen an Ausländer verbietet, der französischen Kirche die vollständigste Wahlfreiheit sichert, gegen die Anhäufung von kirchlichen Benefizien in einer Hand und gegen die drückenden und willkürlichen Gelderpressungen der Kurie kämpft usw. Diese angebliche pragm a t i s c h e S a n k t i o n ist e i n e F ä l s c h u n g des 15. Jahrhunderts, die auf Grundlage der sogenannten Reformation Philipps des Schönen vom Jahre 1303 in der Zeit des Basler Konzils, und zwar im Hinblick auf die Verhandlungen zu Bourges im Jahre 1438, angefertigt wurde.1) § 36. Heinrich III. (1*216—1272) und die Fortbildung der englischen Verfassung. Q u e l l e n . Urkk. u. Korrespondenzen: Patent Rolls of the Reign of Henry III., 1216—32. Lond. 1901—03. Close Rolls, ib. 1902. Royal and other hist. letters illustrative of the reign of Henry III., ed. W. W. Shirley 2 voll. Lond. 1862—66 (Roll. Series). Staatsakten in Rymer wie oben. Lettres of Cardinal Ottoboni. EHR. XV, 87. Sermons, letters of K. Grosseteste in B r o w n , Fasciculus rer. expetendarum et fugiendarum. Lond. 1690. Roberti Grosseteste, Epistolae, ed. Luard, Rolls Ser. Lond. 1861. Epp. Adae de Marisco (Freund Simons v. Montfort) in MM. Franciscana, edd. Brever and Howlett, Rolls Ser. 2 voll. Lond. 1858—1882. Excerpta e Rotulis finium 1216—72. Lond. 1835/36. Reg. of St. Osmund, Rolls Ser. 78. Ramsey CartularV, ib. 79. Sarum, Charters and Documents Rolls Ser. 97. The Red Book of the Exequer, R. S. 99. Calendarium genealogicum. Henry HI. and Edward I., ed. by Ch. Robert«. London 1866. G e s c h i c h t s c h r e i b e r : Roger of Wendover (s. oben) steht mit seinen Sympathien auf seiten des KönigA u. des Papstes. Sein Fortsetzer ist Matthäus Paris, der berühmteste Geschichtschreiber Englands im MA., in seiner Chronica maiora. Schon Baronius n e n n t sein Werk ein »goldenes Buch, wiewohl befleckt durch Feindseligkeit wider den hl. Stuhl«. Charakterist. bei Green I, 174. Matth. Par. ist ausgezeichnet durch seine Unabhängigkeit u. Vaterlandsliebe. Ausgabe von Luard : Rolls Ser. 7 voll. Lond. 1872—83. Excerpte MM. Germ. SS. XXVIII, 107—389. Andere Ausgaben s. bei Potthast u. Grofs. Die Historia minor, ed. M a d d e n , Rolls Ser. 3 voll. Lond. 1866 bis 1869 (ist eine gekürzte Redaktion, aber mit Zusätzen). Über Matth, von Paris ist alles Wichtige zusammengestellt in Grofs, S. 300. Die Annales monastici, (ed. Luard, ib. Nr. 36); vol. 1—4 (enthalten die Annales v. Margan, de Theokesberia, de Burton, Wintooia, Waverleia, Dunstaplia, Bermundeseia [erst 1433 kompiliert], das chron. Thomae Wykes u. die Annales de Wigornia, über den Wert der einzelnen s. Grofs 1. c. In Betracht kommen vornehmlich die von Dunstable, Waverley u. Bermondsev). In S. Albans hat Rishanger die Tätigkeit des Matth. Paris fortgesetzt, aber ohne dessen Geist u. Wissen : Chronica monasterii S. Alban II, ed. Riley in den Rolls Ser. Lond. 1865, 1876. Das Opus Chronicorum (Rishanger) s. in den Rolls Ser. 1866. R. ist ein Bewunderer Simons von M. Das ist auch in den Annales Cestrienses, ed. Christie, Lond. 1887, der Fall. Annales S. Pauli Londoniensis, ed. Liebermann. MM. Germ. XXVIII. Coggeshall u. Coventrv s. oben. Gloucester Robert of, The metrical chroniclc, cd. Wright Rolls Series. Lond. 1887. Fitz-Thedmar, De antiquis legibus liber, cd. ¡Stapleton. Lond. 1886. Flores Historiarum, cd. Luard. Rolls Series 3 voll. Lond. 1890. Silgrave, Chronicon Henrici de . ., ed. Hook. Lond. 1849. John de Tayster, Chronica ubbreviata, ed. Luard, Rolls Series. Lond. 1859. Chronica de Mailros, ed. Stevenson. Edinb. 1835. Chr. de Lanercost, ibid. 1839. Contin. chronici Willemi do Novoburgo. Rolls Ser. 82. Ann. monast. b. Mariae juxta Dublin, Annal. Irland., ed. Gilbert, Rolls Ser. 80. Einzelnes in Knighton Rolls Ser. 92. Die Histoire de Guillaume Maréchal H. oben. Gesänge auf den Tod Montforts s. Grofs Nr. 2752. The song of Lewes, ed. bv Kingsford. Oxford 1890. Eine gute Zusammenstellung des Quellenmat. für die Verfassungsgesoh. Englands bietet auch für dio.se Periode S t u b b s , Select Charters. l

) Über die Motive der Fälschung s. Scheffer-Boichorst in den MJÖG. 8, 393.

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Die Anfänge Heinrichs III. von England.

H i l f » S c h r i f t e n . Die allg. Werke von P a u l i , G r e e n , P e a r s o n , G n e i s t , B t t d i n g e r , S t u b b s s. oben. R i c h a r d s o n , The national movement in the reign of Henry i n and its culmination in the Barons' war. Lond. 1897. B 6 m o n t, Simon de Montfort, comte de Leicester. Paris 1884. P a u l i , Simon von Montfort. Tübingen 1861, besser die englische, von Pauli revidierte Ausgabe Goodwins, London 1876. P r o t h e r o , The life of Simon de Montfort. London 1877. B l a a u w , The barons' war. Cambr. 1871. F e i t e n , Robert Grosseteste. Freib. 1887. L e c h l e r , Robert Grofseteste. Leipz. 1867. P a u l i , Robert Grosseteste u.Adam v. Marsh. Tübingen 1864. S t e v e n s o n , Robert Grosseteste. Lond. 1899. L u a r d , R. Grosset. Dict. of nat. biographv, J . F o r t e s c u e , The Governement of England, ed. Plummer. Oxf. 1885. G i b s o n , The Parliament of 1264. EHR. XVI, 499.

1. Nach dem Tode William Marshals, Grafen von Pembroke (1219), übernahmen der Legat Pandulf, Stephan Langton und der Justitiar H u b e r t de B u r g h die Geschäfte, von denen der letztere bald die mafsgebendste Persönlichkeit wurde. Ein Staatsmann noch aus der Schule Heinrichs II., sah er sich durch die Einmischung Roms, das bei des Königs Minderjährigkeit Anteil am Regimente begehrte, vielfach gehindert, bis es Langton (1221) durchsetzte, dafs nach Pandulfs Abberufung kein Legat mehr nach England abgesendet wurde. Hubert de Burgh selbst hing wie Langton mit ganzem Herzen an der noch vielseitig angefochtenen Magna Charta. Allmählich gelangte der Grundsatz zur Anerkennung, dafs einem jeden Zugeständnisse an die Krone die Abhilfe von Mifsbräuchen vorhergehen müsse. Man kann die ersten 16 Jahre der Regierung Heinrichs III. als ein A d e l s r e g i m e n t bezeichnen, das in seinem Namen geführt wurde. Seitdem er aber grofsjährig geworden (1227), war Huberts Einfluis im Sinken. Nach Langtons Tode (1228) wendeten sich die Dinge vollends zum Schlimmen. Der König trat immer eigenmächtiger auf, und Rom kehrte England gegenüber immer mehr den Herrscher heraus. Da die Barone die unaufhörlichen Forderungen des Königs zurückwiesen, verlangte er den Zehent von allem beweglichen Gut des Klerus; die Patronatsrechte wurden mifsachtet und die besten Pfründen des Landes schon jetzt für Italiener reserviert. Ein grofser Teil der Landesbewohner erhob sich gegen dies Verfahren, und Hubert stand mit seinen Neigungen auf Seiten des Volkes. Da liefs der König eine Untersuchung gegen seine Verwaltung einleiten, die seinen Sturz zur Folge hatte. Damit beginnt (1232) die E p o c h e d e s p e r s ö n l i c h e n R e g i m e n t s des Königs, die zwei Jahrzehnte andauerte. Heinrich III., der nichts von dem hinterhältigen Wesen seines Vaters an sich hatte, dem freilich auch die politische Begabung seiner Vorgänger fehlte, strebte nach der Wiedergewinnung des kontinentalen Besitzes und der Abschaffung der durch die Magna Charta geschaffenen Einschränkungen der königlichen Gewalt. Hiebei geriet er auf der einen Seite in einen Streit mit Frankreich, auf der andern mit den Interessen des eigenen Landes. Mit Vorliebe nahm er Fremde in seine Dienste. Den gröfsten Einflufs gewannen die Oheime seiner Gemahlin Eleonore von der Provence, Peter von Savoyen und Bonifaz, welch letzteren er zum Erzbischof von Canterbury ernannte; da seine in zweiter Ehe an einen Edelmann aus Poitou verheiratete Mutter ihre Verwandtschaft nach England zog, gelangte die Verwaltung in Hände, denen Englands Gesetze

Das Parlament.

Die ständische Opposition.

Simon von Montfort.

Ißl

und Gewohnheiten völlig fremd waren, so dafs anarchische Zustände eintraten. Als der grofse Rat dem König die Mittel zur Zahlung seiner Schulden bewilligte, mufste er die M a g n a C h a r t a bestätigen (1237). Nicht lange nachher tauchte der Name P a r l a m e n t auf 1 ) und wird von nun an häufiger, ohne noch die älteren Bezeichnungen Colloquium oder Concilium zu verdrängen. 2 ) Trotz der Bestätigung der Magna Charta hielt sich der König ebensowenig an ihre Bestimmungen, wie er die Proteste der Barone beachtete. Am meisten litt die englische Geistlichkeit durch die Exaktionen der Kurie, die allmählich den Widerstand des Landes und schliefslich selbst des Königs hervorriefen. Allerdings genügte schon die Drohung mit dem Interdikt, um ihn von diesem Weg abzulenken; doch drängte diese Nachgiebigkeit und seine Verschwendung der Geldmittel geistliche und weltliche Magnaten in die Opposition. Von 1244 an wird weder ein Grofsrichter, noch ein Kanzler, noch ein Schatzrichter ernannt, sondern die Verwaltung bei Hofe von Bureaubeamten geführt. Daher begehrten die Grofsen für die Unterstützung, die der König beim ungünstigen Fortgang des Krieges verlangte, dafs nicht blofs die Magna Charta aufs neue bestätigt, sondern auch die Wahl des Justitiars, Kanzlers und Schatzmeisters von der Reichsversammlung vollzogen und dem König ein ständiger Staatsrat beigegeben werde (1248). Dagegen suchte sich Heinrich III. durch populäre Verwaltungsmafsregeln, namentlich dadurch, dafs das Verfahren der Grundherren gegen ihre Hintersassen überwacht und diese gegen Ubergriffe geschützt wurden, ein Gegengewicht gegen die Barone zu schaffen; aber schon haben diese für ihren Kampf um die Aufrechterhaltung der reichsständischen Regierung einen Führer gefunden, und damit beginnt die d r i t t e E p o c h e (1252—1266) der Regierung Heinrichs III. 2. S i m o n v o n M o n t f o r t , der vierte Sohn des berühmten Führers der kirchlichen Parteien im Albigenserkriege, hatte als Erbe die englische Grafschaft Leicester erhalten und durch sein ritterliches Auftreten die Hand Eleonorens, der Witwe William Marshals des Jüngeren und Schwester des Königs, erworben. Dadurch wurde die Mifsgunst der einheimischen Barone gegen den Ausländer wachgerufen. Zugleich eiferte die Kirche gegen die Ehe, da Eleonore nach ihres Gatten Tod Witwenschaft gelobt hatte. Nachdem er die Dispens des Papstes erhalten, wurde er unter die Räte des Königs aufgenommen. Wegen seiner Beziehungen zu Friedrich II. fiel er in Ungnade und flüchtete nach Frankreich. Der würdige Kirchenfürst Englands, Bischof R o b e r t G r o s s e t e s t e , hervorragend durch Frömmigkeit und Wissen und nicht zuletzt auch durch seinen Eifer für die Rechte der englischen Kirche, brachte (1240) eine Versöhnung zustande. Der Kreuzzug, den Montfort hierauf unternahm, erhöhte seinen Ruhm, so dafs die Grofsen Jerusalems ihn vom Kaiser als Statthalter für die Zeit der Minderjährigkeit Konrads IV. erbaten. Er kehrte indes in die Heimat zurück und tat sich im Kriege gegen ') Zuerst 1246 bei Matth. Paris. ') Näheres bei Gneist, 8. 263.

Im offiziellen Gebrauch zuerst 1258.

I . o s e r t h , Geschichte dea späteren Mittelalters.

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l>ic Provisionen von Oxford.

Frankreich durch Umsicht und Tapferkeit hervor. Als Gouverneur von Poitou schirmte er die Rechte des Königtums gegen die grofsen Vasallen und schützte das Volk gegen deren Druck; dadurch zog er sich den Hafs der Barone zu, die ihn beim Könige in Mifsgunst setzten. Nach dem Tode Blankas dachten die französischen Grofsen daran, ihn bis zur Heimkehr Ludwigs IX. mit der Regentschaft zu betrauen. Er lehnte sie ab. In England wurden inzwischen die Zustände immer trostloser. Die für die sizilischen Projekte des Königs (s. oben) und die Kreuzzugssteuern erhobenen Gelder drückten auf das Land, »das mit allen seinen Reichtümern dem Papste dienstbar und dessen Krone gleichsam ein Organ der Hierarchie war«. 1 ) Auf der Versammlung zu Westminster kam es 1258 zu einem allgemeinen Ausbruch der Unzufriedenheit. Montfort stellte sich an die Spitze der unzufriedenen Barone, die nun für den König in den » P r o v i s i o n e n v o n O x f o r d « eine Art vorniundschaftlicher Regierung einsetzten 2 ). 24 Vertrauensmänner hatten vier Männer zu bezeichnen, die einen aus 15 Mitgliedern bestehenden Rat, gleichsam ein Reichsministerium, einsetzten, dessen Mehrheit dem König förmlich die Regierung aus den Händen wand. Der Ausschuß» der 24, der nicht zurücktrat, verlangte genaue Befolgung der oft beschworenen Freiheitsbriefe. Ihm sollte die Ernennung des Justitiars, Kanzlers und Schatzmeisters zustehen. Das Parlament sollte dreimal im Jahre abgehalten werden. Zu diesen Gerichtsversammlungen erscheinen auch die 15 Räte des Königs und ein Ausschufs von 12 Magnaten, welche die allgemeinen Reichsangelegenheiten erledigen. Ihren Beschlüssen hat sich die Gesamtheit zu fügen. Vier gewählte Ritter aus jeder Grafschaft haben die Beschwerden der Kreise für das nächste Parlament aufzunehmen.') Mit der Kerze in der Hand, mulste der König die Provisionen beschwören.

Die neue Politik Englands war die: keine Zahlungen an Rom, Rücktritt vom sizilischen Unternehmen, Friede mit Frankreich und Wales. Alle Macht war in Montforts Händen, und ihm gelang es, mit Frankreich Frieden zu schliefsen (s. oben). Aber wie einst Johann gewann auch Heinrich III. die Hilfe des Papstes, der die Statuten (1261) verdammte. 4 ) Die Verwirrung im Reiche stieg von Jahr zu Jahr. Eine Zeitlang erhielt der König die Oberhand. Darauf erhoben sich die Barone unter Simon zum Schutz der Oxforder Bestimmungen. Auch die Städte, in denen der demokratische Geist das Übergewicht gewann, schlössen sich an; die Geistlichkeit und die Universitäten ergriffen für Montfort Partei. Viele vom Adel hielten dagegen zum König. Beide Teile riefen das Urteil Ludwigs IX. an, und dieser entschied zugunsten Heinrichs, eine Entscheidung, die auch die Bestätigung des Papstes erhielt. Danach sollten die Provisionen aufgehoben und dem König das Recht gewahrt werden, sich seine Räte nach Belieben zu wählen. Montfort und die Bürger von London widersetzten sich dieser Entscheidung, und die Bürger griffen zu den Waffen. Das königliche Heer stand unter dem Befehl des Kronprinzen Eduard. Als der König Montforts ') ») ') *)

Ranke, Werke XIV, 57. Gneist 264. Ebenda S. 265. Rvmer I, 405, 406.

Simon von Montfort, Stifter des Hause» der Gemeinen.

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Vorschlag, die Oxforder Provisionen zu beschwören, zurückwies, kam es am 14. Mai 1264 bei L e w e s zur Schlacht. Das Feldherrntalent Eduards war dem Montforts nicht gewachsen. Heinrich III., sein Bruder, der deutsche König Richard und der Kronprinz wurden gefangen. Montfort stand jetzt an der Spitze des Staates. Begeisterte Sänger feierten ihn in kräftigen Liedern.1) Er nutzte seinen Sieg mafsvoll aus: Die Oxforder Provisionen sollten einem Schiedsgericht unterworfen, Fremde von einheimischen Amtern ausgeschlossen und strenge Sparsamkeit im königlichen Haushalt eingehalten werden. Aber Ludwig IX. lehnte das schiedsrichterliche Amt ab, und der Papst verurteilte die Sache der Barone. I m seinen Anhang zu stärken, rief Montfort nicht nur wie früher zwei Ritter aus jeder Grafschaft, sondern auch je zwei Bürger aus einer Anzahl von Flecken ins Parlament. Es war d a s e r s t e m a l , dafs auch Kaufleute und Handwerker an den Beratungen teilnahmen. S i m o n von M o n t f o r t i s t s o n a c h S t i f t e r d e s H a u s e s der G e m e i n e n . Trotz alledem war sein Ansehen bald nachher erschüttert. Den auswärtigen Verhältnissen gegenüber war er gewachsen, aber die Schwierigkeiten im Innern wurden immer gröfser. Die Gefangenhaltung des Königs und des Kronprinzen entfremdete ihm die Massen. Es gelang dem Kronprinzen, zu entkommen und ein Heer zu sammeln. Bei E v e s h a m kam es (1265) zur Schlacht, und Montfort fiel. An seinem entseelten Leib nahmen die Gegner schmähliche Rache. Dem Volke freilich galt er als ein Heiliger2), der für den Frieden, die Freiheiten und das Heil, des Landes gefallen. Nun nahm der König wieder die volle Gewalt in Anspruch, und damit beginnt die Schlufsperiode dieser Regierung. Auf dem Parlament von Kenilworth (1266, 31. Oktober) wurden zwar die Provisionen von Oxford nochmals verworfen; da hierüber aber neue Bewegungen ausbrachen, mufste die Krone doch wieder in Montforts Bahnen einlenken, und der Kronprinz selbst war es, der seinen Vater hiezu bewog. Beim Parlament von 1267 fanden sich neben den Magnaten wieder Verordnete der Städte ein. Das Land genofs hierauf eines vollständigen Friedens, so dafs Eduard einen Kreuzzug (s. unten) unternehmen konnte. 3. Kapitel.

Das Ende der Kreuzzüge. § 87. Der Untergang des lateinischen und die Wiederaufrlchtung de» griechischen Kaisertums. Die kleinen lateinischen Staaten in Griechenland. Q u e l l e n : S .H o p f in Ersch-Gruber RE. 85, 200—205. K r u m b a c h e r , Gesch. (1. byz. Lit. 2. A. München 1897, und Molinier III. Hauptquelle: Georgios Akropolites (f 1282): Xoortxi] aiyyoaj-r'i 1204—1261 (schwülstig, aber zuverlässig\ Krumb. 286), ed. Bonn 1836. Georgios I'uchymeres t nach 1308): De Michaelc et Anilronico PalaoologiH ') Fides et ftdelitas — Symonis solius — Fit pacis integritas — Angliae totins. ') Salve Simon Montis fortis etc. Fueruntque qui dicerent ad sepulchrum eius muUafieri miracula. Cont .chron. Will, de Novoburgo. Über die Schlacht s. Köhler III, 302.

11*

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Allgemeine Lage des lateinischen Kaisertums.

libri X i n , 1265—1308, ed. Bonn 1836. (Streng nation.-griech. Standpunkt in der UnionBfrage, s. Krumb. 289, dort auch über Seldjoug Xameh als Quelle für die Gesch. v. Byz. im 12. u. 13. Jahrh.) Nikephoros Gregoras (der gröfste Polyhistor, der letzten zwei Jahrh. in Byz. f um 1359): 'Inoçia 'Pm/taïx^ 1204—1351. Bonn 1829—1855. Typikon Michaels VIII, ed. Gedeon 1895 (Krumb. 318). Ephraemius Bvzantinus, Vitae caesarum bis 1261. Corp. hist. Byz. Bonn 1840. Michael Panaretos : lient TCÜV TÇÎ TçaneÇoîvi»^ ßaodtatv 1204—1426, ed. Tafel. Frankf. 1832 (Krumb. 393). Xoonxw ràv tv 'Pm/mviu xai fiaXuna iv RTF Moçia noXiutav TCÜV Qayxmv bis 1292, gew. Chronique de Morée genannt, behandelt nach einer gröfseren Einleitung die Gesch. (1er Feudalstaaten der Lateiner im Peloponnes. Sie ist in Versen. Es gibt zwei griechische, eine französische, aragonische u. italienische Bearbeitung. Die griech. in Buchon, Recherches historiques sur la principauté française de Morée, tom. II. Andere Ausg. s. Potth. I, 294, s. auch Hopf, p. 203 u. Krumbacher 834. Der Verf. ist ein gräzisierter Franke (Gasmule . Marino Sanudo Torsello: Istoria del regno di Romania sive regno di Morea. 4 parti, ed. Hopf, Chroniques Grcco-Romanes 99—170. Giovanni Musachi Chron. in Hopf, Chron. Grec.-Rom. Über Ramon Muntaner s. unten. H i l f s s c h r i f t e n : D u F r e s n e d u G a n g e : Historia Byzantina duplici commentario illustrata. Pans 1680. Histoire de l'empire de Cple. sous les empereurs François. Paris 1668. Ch. L e B e a u , Histoire du Bas-Empire. Paris 1757—1784, éd. S ' M a r t i n , 21 voll. Paris 1824—36. Gibbon, History of the decline and fall of the Roman empire, wie oben. F i n i a y , History of the Byzantine and Greek empires from 716—1453. vol. H, 1854. History of Greece from its Conquest by the Crusaders to its Conquest by the Turks and of the Empire of Trebizond 1851. Deutsch von Reiching. Tübingen 1853 W. d e B r u n e t d e P r e s l e e t A. B l a n c h e t , La Grèce depuis la conquête romaine. Paris 1860. K. H o p f , Geschichte Griechenl. v. Beginn d. MA. in Ersch u. Gruber, RE. I. Sekt., 85. u. 86. Bd. Lpzg. 1867/68. S c h l o s s e r , Weltgesch. in zusammenh. Erzählung. III, 2. 1. Abt. 1824. H e r t z b e r g , Gesch. Griechenl. seit d. Absterben des antik. Lebens. 3 Teile. Gotha 1876/78. Gesch. c Chevalier au cygne. Bruxelles 1846. Marino Sanudo (Torsellus), De exped. in Terr. Sanct. Bongars II. Le mémoire du roi de Chypre (Henry II de Lusignan), éd. Mas Latrie, Hist. de Chypre II, 118. La Prise d'Alexandrie ou Chronique du roi Pierre I de Lusignan, s. Guillaume Machaut p. p. Mas Latrie. Genève 1877. — Xoch ungedruckt: Lull, De acquisitione Terrae Sanctae, s. bei Delaville le Roulx II, 227. Urkk. s. in J . Müller, Documenti sulle relazioni delle città Toscana coli' Oriente cri8tiano. Fir. 18V9. Einzelnes in »Lettres inédites concernant les croisades« 1276—1307. BÉCh. LU. J o r g a , Xotes et extraits pour servir à l'histoire des croisades au XV« siècle. Paris 1899 Mas Latrie, Traités de paix et de commerce et doc. divers concern. les relat. des chrétiens avec les Arabes. PariB 1865. H i l f s s c h r i f t e n . Die allg. Werke w. oben. Dazu: R ö h r i c h t , Untergang d. Königreichs Jerusalem. MJÖG. XV. S t e r n f e l d , Ludwigs d. H. Kreuzzug gegen Tunis. Berl. 1896 (dort S. 379—382 die einschl. Lit.). M ü l l e r , Der Islam im Morgenu. Abendland. Berlin 1885. S c h ä f e r , Gesch. Span. III. Die allg. Werke zur Gesch. Karls v. Anjou s. unten. C a p e t a n o v i c i , D. Erob. v. Alexandr. d. Peter I. von Lusignan. Diss. 1894. H e r z s o h n , D. Überfall Alexandriens d. P. I. Kg. v. Jerus. Diss. 1886. Für die Ergebnisse d. Kreuzz. : H e e r e n , Vers, einer Entwicklung der Folgen d. Kreuzzüge. H. W. II. K a m p s c h u 11 e , Über Charakter und Entwicklungsgang der Kreuzzüge. Bonn 1864. H c y d , Gesch. d. Levantehandels im MA. Stuttg. 1878. P r u t z , Kulturgesch. d. Kreuzzüge. Berl. 1883. Populär: H e n n e a m R h y n , Kulturg. d. K. Leipz. o. D. H e r q u e t , Cyp. Königsgestalten. Halle 1881. P r u t z , Christent. u. Islam. HT. 1878. D e l a v i l l e l e R o u l x , wie oben (dort II, 228—240 eine vollst. Bibliogr. bis 1886), s. H o o g e w e g in MJÖG. VIU, 656. H i r s c h - G e r e u t h , Studien zur Geschichte der Kreuzzugsidee nach den Kreuzzügen. München 1897. D e l e s c l u z e ' Raymond Lull RdDM. XXIV. L o t , Essai d'intervention de Charlen le Bel en faveur des chrétiens d'Orient. BÉCh. XXXVI. — Projets de croisade sous Charles le Bel et sous Philippe de Valois, ib., tom. XX. M a s L a t r i e , Histoire de Chypre. Paris 1852—61.

1. Die Not der Christen im Morgenland bewog König Javme von Aragonien, den Sieger in einer Reihe von Kämpfen gegen die spanischen Sarazenen, in den Kampf in Syrien einzutreten, und dies um so mehr, als ihm der Mongolenkhan ein Bündnis angetragen und der Kaiser von Griechenland die best.en Zusicherungen gemacht hatte. Am 4. September 1269 ging seine Flotte zu Barcelona unter Segel. Anhaltende Stürme nötigten sie, in Aigues-Mortes zu landen. Durch Stürme an einer zweiten Einschiffung gehindert, gab er ein Unternehmen auf, das selbst der Himmel nicht zu billigen schien. Nur ein kleiner Teil des Heeres zog unter Anführimg Fernando Sanchez' nach Akkon. Wiewohl die von den Mongolen erwartete - Hilfe ausblieb, nahmen die Aragonesen den Kampf auf, erlitten aber eine Niederlage und kehrten in die Heimat zurück. So endete der einzige Kreuzzug der Spanier ins hl. Land in ruhmloser Weise. Inzwischen hatte Ludwig IX. seit 1266 mit seinem Bruder König Karl und Klemens IV. Verhandlungen wegen eines Kreuzzuges geführt und im folgenden Jahre das Kreuz genommen. Seinem

Der zweite Kreuzzug Ludwig» IX.

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Beispiel folgten sein Bruder Alfons, seine Söhne Philipp, Johann Tristan und Peter und eine Anzahl französischer Grofser. In den breiteren Schichten fand das Unternehmen auch jetzt wenig Anklang. Es bedurfte erst der kräftigsten Mahnungen des Papstes und des Königs, um eine gröfsere Zahl von Teilnehmern zu gewinnen und vom Klerus die Zahlung des Kreuzzugszehents zu erhalten. Ludwig IX. hatte die Ausfahrt für den Mai 1270 festgesetzt. Da die Venezianer für ihre Handelsbeziehungen zu Ägypten besorgt waren 1 ), sollten genuesische SchifEe die Überfahrt übernehmen. Die Prinzen Eduard und Edmund von England fanden sich ein, und die Friesen taten sich auch diesmal durch stärkere Rüstungen hervor. Ludwig IX. stach am 2. Juli 1270 zu Aigues-Mortes in die See. Das Heer segelte nach Cagliari, und hier war es, wo der Kreuzzug von seinem Ziel Ägypten oder Syrien ab- und nach Tunis hingelenkt wurde. Zur Zeit der Staufer stand nämlich Tunis in tributärem Verhältnis zu Sizilien; dieses war nun gelöst, ja der Emir hatte Parteigänger des staufischen Hauses in Schutz genommen. Indem nun König Karl die alte Politik der Staufer wieder aufnahm, hatte er, wohl schon vor der Abfahrt, geraten, einen Zug nach Tunis zu unternehmen. 2 ) Ludwig IX. gab nach; man hatte ihm die Uberzeugung beigebracht, dafs der Emir, einem unbedachten Versprechen zufolge, Christ werden wolle, hiezu aber eines starken Rückhaltes bedürfe. Die tunesische Landung sollte demnach nur das Vorspiel für die eigentliche Kreuzfahrt sein, der sodann auch die Mittel des Emirs von Tunis zugute kämen. Die Flotte erreichte am 17. Juli Tunis. Ohne Schwierigkeiten rückten die Kreuzfahrer bis zur Mitte des alten Karthago vor. Indem nun Ludwig vor der Ankunft Karls von Anjou nichts Ernstes unternehmen wollte, gewann der Emir Zeit, sich zum Widerstand zu rüsten. Im Christenheere brach infolge von Hunger und Hitze eine Krankheit aus, der zuerst Johann Tristan, dann Ludwig IX. selbst erlag (25. August). Wenige Stunden nach seinem Tode landete König Karl und übernahm, da auch der nunmehrige König Philipp III. von Frankreich erkrankt war, die Leitung des Feldzuges. Die Tunesen, in zwei Treffen geschlagen, schlössen am 30. Oktober einen Präliminarfrieden, der am 21. November ratifiziert wurde. Danach sollten die gegenseitigen Gefangenen ausgeliefert werden und der Emir sodann den doppelten Tribut an Sizilien, den Königen von Frankreich, Sizilien und den Kreuzfahrern die Summe von 210 000 Goldunzen (8!/2 Millionen Mark) zahlen und den Ghibellinen fürderhin keinen Schutz gewähren. Die englischen Prinzen erschienen erst nach Abschlufs des Vertrages. Während die Friesen, die in diesen Kämpfen ihre alte Tapferkeit bewährt hatten, nach Syrien zogen, segelten Franzosen, Italiener und Engländer nach Sizilien, um den Kreuzzug fortzusetzen. Aber ihre Flotte hatte durch Stürme gelitten, viele Kreuzfahrer waren erkrankt, und König Philipp wünschte, in die Heimat zurückzukehren. Daher wurde beschlossen, die Kreuzfahrt erst in drei Jahren wieder ') Siamo Veneziani, poi Christiani. *) Sternfeld, S. 220: »Die Wendung gegen Tunis«.

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Die letzten Kreuzzugmermiche. Armenien unil Cyi>ern.

aufzunehmen. Nur die englischen Prinzen fuhren im Frühling 1271 nach Syrien, wo Bibars inzwischen neue Erfolge errungen hatte. Die Nachricht von der Ankunft der Engländer bewog ihn, den Christen einen Frieden auf zehn Jahre zu gewähren. Auch Eduard von England vermochte mit seinen schwachen Kräften in den Verhältnissen Syriens keinen Wandel zu schaffen. Ein Attentat, das die Feinde auf ihn versuchten, beschleunigte seine Heimkehr. Von den Kämpfen gegen die Mongolen in Anspruch genommen, hielt Bibars den mit den Christen geschlossenen Frieden. Bei seinem Tode (1277) stand der Islam in Vorderasien kräftiger da als früher. 2. Noch zu Lebzeiten Bibars' hatte Gregor X. (s. § 40), der als päpstlicher Legat die trostlose Lage der syrischen Christen kennen gelernt hatte, das Abendland zu einer neuen Kreuzfahrt angeeifert und zu diesem Zweck ein Konzil nach Lyon berufen, aber sein früher Tod, die rasche Aufeinanderfolge der nächsten Päpste und schwerwiegende politische Ereignisse fcvie die Sizilianische Vesper standen einem neuen Unternehmen im Wege. Da Bibars' ältester Sohn einer Verschwörung erlag und der zweite durch den Emir Kilawun verdrängt wurde, diesem aber die Herrschaft in Syrien von einem Nebenbuhler bestritten wurde, lagen die D,inge für die Christen nicht ungünstig. Aber auch in Tripolis und Cypern herrschte Streit: dort wegen der Vormundschaft für Boemund VII., hier wegen der Nachfolge nach Hugo II., mit dem der Mannesstamm der cyprischen Lusignans erloschen war. Mittlerweile befestigte Kilawun seine Stellung durch einen Sieg über die Mongolen. (1281 Oktober) und wandte dann seine Waffen gegen die Christen; 1285 eroberte er Markab, vier Jahre später Tripolis. Als er zur Eroberung von Ptolemais schreiten wollte, erkrankte er und starb (1290). Das Unternehmen wurde nichtsdestoweniger von seinem Sohne fortgesetzt, und so fiel dies starke Bollwerk der Christen am 18. Mai 1291 in die Hände der Sarazenen. Nun ergaben sich auch die letzten befestigten Plätze. Von den christlichen Staaten im Orient erhielten sich nur noch A r m e n i e n und C y p e r n . Jenes verlor erst 1375 durch die Mamelucken seine Selbständigkeit, Cypern, wohin sich die Flüchtigen aus dem Königreich Jerusalem gerettet hatten und das durch seinen Handelsverkehr während der Kreuzzüge zu grofsem Wohlstand gelangt war, behauptete sich noch durch zwei Jahrhunderte; es erreichte den Glanzpunkt seiner Macht erst unter Heinrich II. (1285—1324), ja von seinen Nachfolgern konnte es sogar I ' e t e r I. (1359—1369) noch wagen, Ägypten selbst anzugreifen.1) Seit Peter II. (1369—1382) schwächten unglückliche Kriege gegen die Genuesen und die Sultane Ägyptens Cvperns Macht, nicht weniger die Zwistigkeiten im königlichen Hause und die Reibungen zwischen der griechischen und katholischen Bevölkerung des Landes. Jakob II. heiratete eine venezianische Patrizierin, Katharina Cornaro. die nach dem Tode ihres Gatten die Insel an Venedig abtrat ') Die Croisade de H erre I, roi de Chypre bei Delaville le Houlx I, 118—140, die Aniadeun' VI. v. Savoy en, ib. 141—158.

Die Ritterorden.

Krenzzugsschriften des Ii. u. 15. Jahrhunderts.

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(1489). In dessen Besitz blieb sie noch ein Jahrhundert, bis sie an die Osmanen fiel. Die drei grofsen Ritterorden, deren gegenseitige Eifersucht und unzeitige Parteinahme in politischen Dingen von so verhängnisvoller Bedeutung für die Entwicklung Jerusalems geworden war, zogen sich vom asiatischen Festland zurück: die Templer gingen nach Cypern, dann nach Paris, wo ihrer ein schmachvolles Ende wartete, die Hospitaliter nahmen (1310) Rhodus in Besitz und erfüllten hier noch zwei Jahrhunderte ihre Aufgabe in ruhmvoller Weise. Die glänzendste Aufgabe fiel dem deutschen Ritterorden in Preufsen zu (s. oben). 3. Trotz aller Verluste wollte das Abendland die Hoffnung nicht aufgeben, das hl. Land den Händen der Ungläubigen zu entreifsen. Päpste, Kaiser und Könige teilten diese Hoffnungen noch ina 15. Jahrhundert. Nicht gering ist die Zahl der theoretischen Erörterungen, die von seiten Geistlicher und Laien über die beste Art, dieses Ziel zu erreichen, gepflogen wurden. Glaubte König Karl von Sizilien, der Sache durch eine V e r e i n i g u n g a l l e r d r e i R i t t e r o r d e n zu nützen, so befürworteten der Minorit Fidentius von Padua oder Marino Sanudo eine » k o m m e r z i e l l e B l o k a d e « , eine Art von Kontinentalsperre, gegen Ägypten, während Raimund Lull die Gewinnung des hl. Landes auf friedlichem Wege, durch E r r i c h t u n g v o n S c h u l e n u n d K l ö s t e r n in den Ländern der Ungläubigen zu erreichen glaubte. Die Staatsmänner unter Philipp IV. von Frankreich liefsen sich dagegen mehr von politischen als von kirchlichen Beweggründen leiten, so Pierre Dubois, der in seiner Schrift -»von der Wiedereroberung des hl. Landes« die Reform der Kirche und Gesellschaft und Herstellung eines allgemeinen Friedens verlangt, bevor man an die Sache gehe. Die Kosten der Unternehmung sollten durch Einziehung der Ordensgüter und eine Besteuerung des Klerus hereingebracht, das hl. Land von Abendländern kolonisiert und Schulen errichtet werden. Derartige Entwürfe tauchten noch mehrere auf 1 ): aber nicht mehr der Glaube ist die bewegende Triebfeder für derlei Pläne; vielmehr sind es die kommerziellen Interessen, die von italischen Seestaaten schon von Anfang an oft genug über die kirchlichen gesetzt worden waren. 4. Der Zweck der Kreuzzüge, das Morgenland der christlich abendländischen Herrschaft zu unterwerfen, war nicht erreicht worden, vielmehr reihen sich an die Siege des Islam im 13. dessen gröfsere Triumphe im 14. und 15. Jahrhundert an und ist an der Wende des Mittelalters das abendländische Europa von einer Überflutung durch den Islam bedroht. Die Ursachen dieses Mifslingens sind verschiedener Art 2 ): Es fehlte zunächst an einer umfassenden, von einheitlichen Gesichtspunkten ausgehenden Besiedlung des syrischen Bodens. Als die Christen im hl. Lande festen Fufs fafsten, war dessen Bevölkerung eine dünne, da die Araber gröfstenteils geflohen und die syrischen Christen in ihr Ges

Einzelheiten hierüber s. in Delaville le Roirlx, liv. I. ) S. Kugler, S. 423 u. Prutz, Kulturgesch., S. 89—155.

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Ursachen d. Mifslingens d. Kreuzzüge. Ihre Einwirkungen auf das Abendland.

schick mit verflochten waren. Der Bestand der neugegründeten Staaten hing nun von dem Zuzug abendländischer Bevölkerung ab. Dieser war im Anfang recht unbedeutend, denn nur der kleinste Teil der Pilger- und Kreuzfahrerscharen war geneigt, für immer in der Fremde zu bleiben. Und selbst als er ein stärkerer wurde, bestand er aus Elementen so verschiedenartiger Gesellschaftsklassen und Herkunft, dafs ihre Verschmelzung nicht gut möglich wurde. Da fanden sich ein: Nord- und Südfranzosen, damals mehr als heute voneinander geschieden, Bretonen und Provenijalen, Lombarden, Yenetianer, Toskaner und Sizilianer, Lothringer, Friesen und Deutsche, Skandinavier, Engländer, Walliser, Schotten und Ungarn; dazu kamen die Reste einheimischer Bevölkerung, Syrer, Armenier, Griechen und Araber. Am stärksten waren die Franzosen vertreten, die denn auch den mafsgebenden Einflufs auf die Kultur des Orients gewannen, so dafs die Formen des Lebens, Recht, Sitte und Sprache im wesentlichen auf französischer Grundlage ruhten. Es hielt schwer, aus diesen Elementen jene militärische und politische Einheit zu schaffen, ohne die ein dauernder Bestand der Kolonie nicht zu erwarten war. Zu dem nationalen Gegensatz der einzelnen Bevölkerungselemente kam der Widerspruch der Handelsinteressen der italienischen Seestaaten, dann die Uneinigkeit der christlichen Fürsten in Syrien, die Eifersucht der Ritterorden, während der ersten Kreuzzüge auch die Hinterhältigkeit der griechischen Politik, später die Herrschsucht und der Vernichtungskampf der Kurie gegen die Staufer und endlich, wenn auch vielleicht in geringerem Grade, die Verderbtheit der im Morgenlande heimisch gewordenen Abendländer, die mit den Sitten und Gebräuchen vielfach auch die schlechten Seiten der Mohammedaner annahmen. Verfehlten die Kreuzzüge aus allen diesen Ursachen ihr Ziel, so waren sie doch von den nachhaltigsten Einwirkungen auf alle von ihnen betroffenen Länder begleitet. Abend- und Morgenländer boten einander mannigfache Anregungen. Wenn es im allgemeinen richtig ist, dafs durch die Kreuzzüge die religiösen Gegensätze eine Verschärfung erfuhren, so fand doch in Palästina selbst eine Annäherung der friedlichen Elemente statt, wie sie den Franken im Interesse ihrer Kolonie geboten schien. Die Mehrheit der syrischen Christen war bemüht, diesen Kämpfen den Charakter eines Religionskrieges zu nehmen, und trat für eine milde und tolerante Behandlung der in christlichen Gebieten ansässigen Mohammedaner ein, wie sich umgekehrt auch diese auf ihren Gebieten gegen die Christen selbst während des Kampfes .nicht weniger duldsam erwiesen. Viel bedeutsamer ist der Einflufs, den der Orient unter der Vermittlung der »Franken« auf die Entwicklung des Abendlandes genommen. Eine neue Welt tat sich vor den Kreuzfahrern auf. Noch war Bagdad der Sitz einer reichen Kultur und die Araber nicht blofs in der Philosophie, Astronomie, Mathematik und Heilkunde, sondern auch in der Dichtkunst, den" bildenden Künsten, der Staatsverwaltung, in Gewerbe, Ackerbau und Handel den Abendländern weitaus überlegen. Nicht wenige Natur- und Kunstprodukte wurden nun im Abendlande bekannt, und bürgerten sich dort mit der Sache auch die

Ergebnisse der Kreuzzüge.

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Namen ein.1) Ebenso bedeutend waren die Anregungen, welche die Pilger von den Griechen erhielten, denn noch fanden sich im griechischen Reiche mehr oder minder bedeutende Reste antiken Lebens vor; militärische Einrichtungen und die Grundlagen des alten römischen Steuerwesens hatten sich, wenngleich vielfach verändert und verschlechtert, erhalten. Es gibt sonach kaum eine Seite im politischen, militärischen, industriellen und künstlerischen Leben, die nicht aus dem Morgenlande Anregung erhalten hätte, wenn es auch im einzelnen mitunter schwer ist, den Ursprung dieser Beeinflussung in die Zeit der Kreuzzüge zu versetzen, da die Beziehungen der Araber zu den Christen auf Sizilien und in den christlichen Reichen Spaniens noch ältere sind. Sicher ist, dafs dem Handel neue Wege geöffnet wurden und die Handelsstädte Italiens einen Aufschwung nahmen, der ihren Glanz im 14, und 15. Jahrhundert vorbereitete. Am meisten wurde durch die Kreuzzüge die politische Macht der Päpste gehoben, unter deren Leitung die Völker in den Kampf zogen, und die von diesen nicht blofs erhebliche Blutsteuern, sondern seit dem Laterankonzil auch den Kreuzzugszehent verlangten. Auch die Ausbildung des Feudalwesens, die Blüte des Rittertums, das Aufblühen der Städte, die bessere Stellung der Bauern, die Anfänge der modernen Staats- und Gesellschaftsordnung, all das erfolgte in der Zeit und zum Teil unter dem Einflufs der Kreuzzüge. Am bedeutendsten war freilich die erstarkende Opposition gegen die Vorherrschaft der Kurie und der rege Handelsverkehr mit dem Morgenland mit allen seinen Nachwirkungen, der auch nach der Beendigung der Kreuzfahrten bestehen blieb. In diesen beiden Momenten darf man bereits die Morgenröte der neueren Geschichte erblicken.

4. Abschnitt.

Das Zeitalter Rudolfs YOU Habsburg und das Ende der unbedingten Vorherrschaft des Papsttums (1273—1303). 1. Kapitel.

Das Königtum der ersten Habsburger. § 40. Gregor X. und Rudolf von Habsburg. Q u e l l e n . Auiser P o t t h a s t , Regg. pontiff. u. T h e i n e r , Cod. dipl: G u i r a r d , Les Registres de Grégoire X et Jean XXI. Paris 1892/3. (Kaltenbrunner, Über das Registrum Berardi. MJÖG. VII. Palacky, It. Reise. Prag. 1838. Cenni, MM. dominii pont. II. Rom 1760, s. Pottliast, Wegweiser II, 988). Vita Gregorii X papae Murat. III, 2, 424; HI, 1, 499. Eine treffliche Quellenübersicht z. G. R. v. H. findet sich in R e d l i c h s Neuausgabe von Böhmers Regesten VI, 1. Innsbruck 1898, 13—16. Mit Rück') Einzelheiten bei Prutz, Kulturgesch., 397—495, vornehmlich aber in H e y d , Oesch. d. L. im MA., wie oben. L o s e r t h , Geschichte des späteren Mittelalters.

178

Das Königtum der ersten Habsburger.

sieht darauf wird hier nur das Wichtigere herausgehoben. Urkk. s. in Böhmer-Redlich. Dazu: B ö h m e r , Acta imperii sei. u. Acta imp. inedita, Lichnowsky, G. d. H. H. n . Constitutione» et tractatus in MM. Germ. II, 1, 382 ff. Mitt. aus römischen Archiven I, I I (Aktenstücke z. G. d. d. Reiches unter Rudolf I. u. Albrecht I. und eine Wiener Briefsammlung). Wien 1889—1894. Mag, Das habsb. Urbar I I . Basel 1899. Die verschiedenen Briefsteller s. B ö h m e r - R e d l i c h , S. 15, 16. Die Urk.-Bücher s. bei D a h l m a n n - W a i t z - S t e i n d o r f f 41 ff. Für die ältere Genealogie der Habsburger sind die Acta Murensia Hauptquelle; s. hierüber vorläufig R e d l i c h , R. v. H. S. 743. Die Electio Rudolfi in MM. Germ. LL. II, 1, 383. Coronatio, ib. 384—94. G e s c h i c h t s c h r e i b e r , S. Redlich S. 13—15. Dort sind 10 Gruppen angeführt. Von bes. Wichtigkeit wegen des elsassischen Ursprungs des habsburgischen Hauses Bind die e l s ä s s i s c h e n Quellen: Ann. Colmar, minores (bis 1298), maiores (bis 1305). Bas. Chron.Colm. MM G. SS. X V I I . Gottfried von Ensmingen, Gesta Rudolfi et Alberti regum, ib. Fortges. in Closeners Strafsb. Chronik. Städtechron. V M . Matthias von Neuenburg, Chronik bis 1350, fortges. bis 1378, ed. Studer. Bern 1866. Huber in Böhmer. FF.IV. Von s c h w ä b i s c h e n Quellen: Die 2. Fortsetzung der Kaiserchronik. MM. G. Deutsche Chron. I. Christian Kuchimeister, Nüwe Casus mon. s. Galli bis 1330 Mitt. hist. V. St. Gallen 18. Joh. Vitoduranus (v. Winterthur) bis 1348, ed. Wyss. Zürich 1856. Von b a y r i s c h e n Quellen: Annales s. Rudberti Salisb. MM. G. SS. EX. Die Cont. von Hermanns Ann. Altahenses v. 1273-1290 u. 1301 bis 1303. MM. G. SS. XVH. D. Mon. Fürstenfeldensis. Böhm. FF. I, 1—68, bis 1326. Aus ö s t e r r e i c h i s c h e n Quellen s. den IX. Bd. der MM. G. SS. (über sie oben § 23). Ottokars österr. Reimchronik, ed. Seemüller. MM. GD. Chr. V. Joh. Victoriensis bei Böhmer. FF. I, 271 ff. Aus b ö h m i s c h - m ä h r i s c h e n Quellen: Die Fortsetzungen des Cosmas bis 1283. MM. G. SS. IX. Dalimils Reimchron. FF. rer. Boh. III u. die Königsaaler Geschichtsqu. FF. rer. Austr. I, 8. (Über Boczeks Fälsch, s. Redlich S. 15.) Aus t h ü r i n g . - s ä c h s . Quellen: Annal. Reinhardsbrunn, (s. oben). Chron. St. Petri Erphordionsis (wie oben). Sächs. Weltchron. Fortsetzung MM. G. DCh. 2,280. A u s r h e i n . n i e d e r ] , Quellen: Ann. Wormat., Mogunt., Agripp. in MM. G. X V I u. XVII. Gesta Trev., ib. X X I V . Jan van Heelu, Willems Coli, des chron. Belg. I. Melis Stockes Reimchron. Utrecht 1885. I t a l . Quellen: AuTser der Forsch, d. Martin v. Troppau aus Orvieto bes. Thomas Tuscus, Salimbene, Ann. Jan., Piacent. u. Friul. wie oben. Hist.' Volksl. bei Lilienkron I. Ergänz, bei Redlich a. a. O. H i l f s s c h r i f t e n . Das Hauptwerk, das die Resultate älterer Forschung zusammenfaßt, diese weiterführt und ein Gesamtbild über die Reichsgeschichte in der Zeit vom Untergang des alten Kaisertums bis zum Tode Rudolfs bietet, ist jetzt O. R e d l i c h , Rudolf v. Habsburg. Innsbruck 1903. Zur älteren Gesch. der Habsburger s. aufser Dahlmann-Waitz-Steindorff, Nr. 2942, 2945, 2946, 795, die allg. Werke über habsburgische, österr. u. böhmische Gesch. von Lichnowsky, Krones, Huber, Mayer, Bachmann u. a. Dazu S c h u l t e , Gesch. d. Habsburger in den ersten drei Jahrhunderten. Innsbr. 1887. K r ü g e r , Zur Herkunft der Habsburger. Jb. Schweizer Gesch. XIH. G i s i , Der Ursp. d. Häuser Zähringen u. Habsburg. 1888. S c h u l t e , Z. Herkunft d. H. MJÖG. X . W i t t e , Z. Abst. d. österr. Kaiserhauses. MJÖG. XVH. L i e b e n a u , Die Anfänge d. H. H. 1883. H e y c k , Die Zähringer. H u b e r , Rud. v. H. vor seiner Thronbesteigung. Wien 1873. S c h m i d l i n , Ursprung u. Entfaltung der habsb. Rechte im Oberelsafs. 1902 L o s e r t h in d. ADB. D i e r a u e r , Gesch. d. Schw. Eidgenossenschaft I. M e r z , Die Habsburg. 1896. L a n g l , Die Habsburg. 1895. Zur Gesch. Rudolfs (mit Ausschiurs der ganz veralteteh 8chriften). K o p p , Gesch. d. eidgen, Bünde I, H. Leipz. 1845—71. O. L o r e n z , Deutsche Gesch. im XIII. u. X I V . Jahrh. Wien 1863—1866. L i n d n e r , Deutsche Gesch. unter den Habsb. u. Luxemburgern. Stuttg. 1888. Die allg. deutschen Geschichten wie L a m p r e c h t IV, X i t z s c h HI. A s s m a n n - V i e r e c k , Gesch. d. MA. 3. Abt. 3. A. 1902. M i c h a e l , Gesch. d. d. Volkes. Freib. 1897. R a n k e , Weltgeschichte VIH. S p e zi al S c h r i f t e n : F . W a l t e r , Die Polit. d. Kurie unter Gregor X. Berl. 1894. Z i s t e r o r , Gregor X. u. Rud. v. H. Freib. 1891. O t t o , Die Bez. Rudolfs von Habsburg zu Gregor X. Innsbr. 1895. W e r t s c h , D. Bez. R. v. H. zur röm. Kurie bis z. Tode Nikolous HI. G i e s e , R. v. H. u. die röm. Kaiserkrone. Halle 1893. Die allgem. Werke zur Gesch. der Päpste und

Gregor X. und seine Politik.

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Der Tod K. Richards.

die Schriften von Deussen, Muth, Engelmann, Dönitz s. oben. O t t o , Verächtleistung K. Alfons' X. MJÖG. XVI. R e d l i c h , Die Anfänge Rudolfs v. H. MJÖG. X. u. Erg. Bd. IV. G ö s s g e n , Die Bez. R. v. H. zum Elsafs. Strafet). 1899. G. v. d. R o p p , Erzb. Werner v.Mainz. Göttingen 1871. B a e r w a l d , De electione Rudolfi. 1865. R i e d e l , Graf R. v. H. u. Burggr. Friedrich v. Nürnberg. 1853. W i t t e , Burgg. Friedrich HI. von Nürnberg u. d. Zollernsche Besitz in Österreich. MJÖG. XXI, 235—260. G r a u er t , Zur Vorgesch. d. Wahl Rudolfs. HJb. XUI. B r e s l a u , Z. Vorgesch. d. Wahl Rs. MJÖG. XV. H e l l e r , Deutschland u. Frankreich in ihren pol. Beziehungen. Göttingen 1874. L o r e n z , D. siebente Kurstimme. Wiener SB. XVII. F i c k e r , Fürstl. Willebriefe. MJÖG. IH. S c h e f f e r - B o i c h o r s t , Zur Gesch. d. pfalz-bayr. Kur. München 1884. R e d l i c h , Habsburg, Ungarn u. Sizilien. Festschrift f. Büdinger 1898. E h r e n Hist. Stud. 1883. M ü l l e r , Gesch. d. böhm. b e r g , Der Reichstag 1273—1378. Kur 1273—1356. Diss. 1891.

1. Bald nach der Schlacht bei Benevent zeigte es sich, dafs der französische Einflufs in Italien dem Papsttum nicht weniger gefährlich sei als jener der Staufer. Der Sieg bei Alba hatte die Stellung König Karls aufserordentlich gefestigt. In Rom zum Senator gewählt, wurde er vom Papst auf 10 Jahre bestätigt. Roms Münzen trugen sein Bild. Die Stadt wurde durch seine Vikare regiert. Seine Herrschaft war hart und seine Macht durch die lange Vakanz des päpstlichen Stuhles gestiegen. Wenige Wochen nach Konradins Tod war nämlich Klemens IV. gestorben. Der päpstliche Stuhl blieb nun drei Jahre lang unbesetzt, da sich die Kardinäle über keinen Kanditaten zu einigen vermochten. Neben der französischen, vom Könige Karl begünstigten Partei gab es eine italienische, die auf die Wahl eines von Frankreich unabhängigen Papstes drängte. Endlich 1 ) wurde am 1. September 1271 T e d a l d aus dem Hause Visconti in Piacenza als G r e g o r X. (1271—1276) gewählt. Die Kunde hievon traf ihn in Akkon. Er hatte die trübseligen Verhältnisse daselbst aus eigener Anschauung kennen gelernt und war daher mehr als einer seiner unmittelbaren Vorgänger bemüht, einen allgemeinen Kreuzzug zustande zu bringen. In diesem Sinne nahm er die Verhandlungen mit Michael Paläologos über die Union der morgen- und abendländischen Kirche lebhaft auf, trat den gegen Ostrom gerichteten Plänen Karls von Anjou entgegen und suchte unter allen christlichen Herrschern Frieden und Eintracht herzustellen, vornehmlich in jenem Reiche, das der abendländischen Christenheit das weltliche Oberhaupt gab — Deutschland. Dem deutschen König und künftigen Kaiser war bei seinen Kreuzzugsplänen eine hervorragende Rolle zugedacht. 2. Am 2. April 1272 starb König Richard. Noch lebte König Alfons X. Dieser meinte nun, die Anerkennung des Papstes und die Kaiserkrone zu erhalten, ja er verlangte, dafs der Papst den Wahlfürsten die Vornahme einer Neuwahl verbiete; das lehnte der Papst ab, da es ihn in einen Streit mit König Karl, dem Gegner Alfons' X., verwickelt hätte. Er wies auf das freie Wahlrecht der Kurfürsten hin. Noch ablehnender verhielt er sich gegen die Kandidatur Friedrichs des Freidigen von Meifsen, eines Enkels Kaiser Friedrichs II., und so auch ') Quem patrem patrum fecit discordia

fratrum. 12*

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Wahlkandidaten nach dem Tode König Richards.

gegen die des französischen Königs Philipp III., die von Karl von Anjou in der Hoffnung gefördert wurde, in seinen italischen Plänen nicht gestört zu werden. Da die Wahlangelegenheit in Deutschland langsam in Flufs kam, trug der Papst den Kurfürsten die Wahl eines Königs auf, widrigenfalls er dem Reiche selbst ein Oberhaupt setzen würde (1273, Juli). Schon im August 1272 unterhandelte der Erzbischof von Köln mit dem böhmischen König über die Vornahme der Neuwahl. Ottokar trat hierüber selbst mit dem Papst und König Karl in Fühlung; in seinen Ländern erwartete alles seine Wahl und von ihr zugleich die Wiederaufrichtung des daniederliegenden Kaisertums. Nur wenn er selbst gewählt wurde oder eine zwiespältige Wahl erfolgte, durfte er übrigens hoffen, seinen grofsen Ländergewinn zu sichern. Aber seine Kandidatur wurde vom Papst nur unter der Voraussetzung gebilligt, dafs sie den deutschen Fürsten gefalle, und diesen war er zu mächtig. Die Hoffnung auf ihre Uneinigkeit hielt ihn ab, sich kräftig an dem Wahlgeschäft zu beteiligen. Aufser Ottokar II. strebte der Pfalzgraf Ludwig nach der Krone; ihm galt es, seinen nach Konradins Tode erworbenen Besitz, bei dem sich viel Reichsgut befand, zu sichern. Ehe noch der Befehl des Papstes in Deutschland eintraf, hatten die rheinischen Kurfürsten sich geeinigt. Die Führung übernahm der Erzbischof Werner von Mainz. Am 16. Januar schlofs er ein Bündnis mit Ludwig. Dann erklärten die mittelrheinischen Städte, nur einen einhellig gewählten König anzuerkennen, worauf allmählich auch Köln und Trier, Sachsen und Brandenburg mit Mainz in Verbindung traten. Böhmen, mit welchem kein Übereinkommen erzielt werden konnte, wurde nicht weiter berücksichtigt. Als Gregor X. den Bann aufhob, der noch auf Ludwig als Anhänger Konradins lastete, konnte dieser als Wähler und zugleich als Bewerber auftreten. Aber auch ihm stand seine grofse Macht im Wege, jedenfalls mehr als die staufischen Erinnerungen; denn diese hafteten auch an dem Grafen Rudolf von Habsburg, der nun vom Burggrafen Friedrich von Nürnberg in Vorschlag gebracht 1 ) und zum Zweck der Sicherung seines grofsen Allodialbesitzes in Österreich, sowie des von ihm erworbenen Reichsgutes eifrig gefördert wurde. Geringere Aussichten hatte die Kandidatur Siegfrieds von Anhalt, der den rheinischen Wählerkreisen völlig fremd war. Dagegen genofs Graf Rudolf von Habsburg, der Sprosse eines uralten, aus dem Elsafs stammenden Geschlechtes, dessen Besitz von den Alpenpässen der Schweiz bis vor die Tore von Kolmar reichte, und dessen Macht doch nicht grofs genug war, um die Besorgnisse der Kurfürsten wachzurufen, die besten Aussichten. Sein Ruf als erfahrener Kriegsmann und trefflicher Hauswirt reichte weit über die Grenzen seiner engeren Heimat. Dabei stand er in guten Beziehungen zu Mainz und Pfalz. Noch v o r d e r W a h l wurden Vereinbarungen über die Wiedergewinnung des abhanden gekommenen Reichsgutes getroffen. Zu diesem gehörten nicht blofs Domänen, sondern da ein jedes Recht seine nutzbare Seite hatte, auch Lehen und Gerichts') Über die Motive s. Witte, wie oben.

Die Königswahl Rudolfs. Das Haus Habsburg.

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barkeiten. Nun wurde festgesetzt, dafs in Zukunft über Reichsgut nicht mehr ohne die Zustimmung der Kurfürsten verfügt werden dürfe. Diese erfolgt — vor oder nachher — in der allerdings nicht neuen, jetzt aber neubelebten Form der Willebriefe oder durch Mitbesieglung oder mündliche Zustimmung. Indem nun der König bei allen wichtigen Verfügungen an die Zustimmung der Kurfürsten gebunden war, gestaltete sich das Kurfürstentum, vom König anerkannt und mit festen Rechten ausgestattet, zum festen Kern für eine mächtige ständische Entwicklung.1) Die Bestimmung erhielt sogar eine rückwirkende Kraft 2 ), indem die Aufsuchung und Einziehung aller Güter angeordnet wurde, die seit Friedrichs II. Absetzung dem Reiche ohne Zustimmung der Mehrheit der Kurfürsten entzogen worden waren. Die »ReVindikation« des Reichsgutes sollte freilich nur insoweit erfolgen, als es sich nicht in der Hand von Rudolfs Wählern befand, und konnte somit zunächst nur Ottokar gegenüber durchgeführt werden. Allerdings mochten die Kurfürsten hiebei mehr an Revindikationen für das Reich als für das Haus des Königs gedacht haben. Den einzelnen Kurfürsten wurde die Schadloshaltung für ihre Wahlkosten zugesagt, der Pfalzgraf gewonnen, indem ihm eine von Rudolfs Töchtern verheifsen und sein Erwerb aus Konradins Erbschaft gesichert wurde. In gleicher Weise war das Vorgehen gegenüber Sachsen und Brandenburg. Der Wahltag wurde auf den 29. September festgesetzt und Böhmens Wahlrecht trotz der Einsprache des Bischofs von Bamberg gegen die Nichtberücksichtigung Böhmens und die Wahl Rudolfs als einer nichtfürstlichen Person dadurch beseitigt, dafs die siebente Kurstimme Bayern zugesprochen und bestimmt wurde, dafs sie gemeinsam vom Pfalzgrafen Ludwig und dem Herzog Heinrich geführt werden solle. Die Wahl erfolgte am 1. Oktober: die Kurfürsten übertrugen ihre Stimmen dem Pfalzgrafen, und dieser verkündigte den Grafen Rudolf von Habsburg als erwählten römischen König. Rudolf hatte eben noch mit dem Bischof von Basel in Fehde gestanden, am 22. September die Belagerung von Basel aufgehoben und war rheinabwärts gezogen. Am 2. Oktober hielt er seinen Einzug in Frankfurt und am 24. wurde er in Aachen zum König gekrönt. Die Anfänge des habsburgischen Hauses liegen im oberen Elsafs, Basel abwärts zu beiden Seiten des Rheins bis unterhalb Breisachs zwischen den Vogesen und dem Schwarzwald. Von dort hat sich seine Macht einerseits nach TJnterelsafs und dem Breisgau, andererseits auch in die Gegend an der Aar und Reufs verbreitet. Ahnherr des Hauses war G u n t r a m der Reiche (f 973). Aller Wahrscheinlichkeit nach gehörte er den Etichonen, dem alten Herzogsgeschlechte im Elsafs, an. Bischof Werner erbaute (um 1020) die Habichtsburg auf der Höhe des Wülpelsberges unweit Brugg im Aargau. Zum erstenmal -wird 1090 ein Habsburger als Graf bezeichnet. Es ist Otto, der sich eng an Heinrich V. anschloß. Die Sprossen des Geschlechtes verstanden es trefflich, ihres Hauses Macht zu mehren. So auch Graf Rudolf, 1218 geboren und von keinem Geringeren als Friedrich II. aus der Taufe gehoben, blieb er den Staufern treu zugetan. Nach dem Tode seines Vaters Albrecht, der 1239 oder 1240 im hl. Lande starb, trat er seinen reichen Erbbesitz an. Schon war Habsburg eines der bedeutenderen Dynasten') Herzberg-Fränkel, Rudolf von Habsburgs Wahl und Anerkennung, S. 3. *) Man darf darin nichts Besonderes sehen; es ist die Methode, die Friedrich II. in Sizilien und Eduard I. in England geübt hat

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Böhmens Protest.

Die Haltung der Kurie.

hiuser im südwestlichen Deutschland. Die Habsburger hatten, aufser dem Besitz in ELsafs, die Grafschaft im westlichen Zttrichgau, im Aargau und Frickgau, die Landgrafschaft im Elsats, die Vogtei in Luzem und Glarus, die Grafschaft Kyburg, die Landgrafschaft im Thurgau usw.1) Über die äuTsere Erscheinung Rudolfs berichtet die Kolmarer Chronik: »Er war ein Mann von grofser Gestalt, 7 Fufs lang, schlank, mit kleinem Kopf, bleichem Gesicht, langer Nase, spärlichem Haarwuchs und langen, schmalen Händen und Fölsen. In Speise und Trank mäfsig, war er ein weiser, umsichtiger Hann, doch selbst bei den reichsten Geldmitteln in steter Geldverlegenheit.« In jüngeren Jahren war er Friedrich U., trotz Bann und Interdikt, nahe gestanden und blieb auch auf dieser Seite, als sich ein grofser Teil des schwäbischen Adels von den Staufern abwandte; gleichwohl waren die Verhältnisse so sehr geändert, dafs eine Wiederaufnahme der »taufi sehen Politik von ihm nicht zu erwarten war.

3. Trotz der einmütigen Wahl und der allgemeinen Anerkennung, die Rudolf im deutschen Lande mit Ausnahme Böhmens fand, dauerte es doch zwei Jahre, bis Gregor X . die Wahl anerkannte. Der Böhmenkönig setzte alles daran, sie zu hintertreiben. Hatten die Kurfürsten nach der Krönung Berichte über den Vorgang an den Papst geschickt und um die Kaiserkrone für Rudolf gebeten, so wandte sich auch Ottokar, der schon gegen die Wahl protestiert hatte, mit der Bitte an den Papst, ihn in seinen Rechten zu schützen und das Reich vor der Schmach zu bewahren, einem unbekannten, bettelarmen Mann übergeben zu werden. Dasselbe Ziel verfolgte auch eine Denkschrift, die Ottokars Berater, Bischof Bruno von Olmütz, für das Konzil von Lyon ausarbeitete und in der er die Wahl als zwiespältig und Ottokar allein als den Mann hinstellte, der die Christenheit gegen die Ketzer zu schützen und dem hl. Lande zu helfen vermöge. König Rudolf sandte im Dezember 1273 seine Boten an die Kurie und bat, ihn seinerzeit mit dem kaiserlichen Diadem zu zieren. Das Konzil wurde am 7. Mai 1274 eröffnet und tagte bis zum 17. Juli. Zur Beratung gestellt wurden: die Kreuzzugsfrage, die Union mit der griechischen Kirche und die Reformation des Klerus. Daneben wurde auch über politische Fragen verhandelt. Die deutschen Bischöfe drängten auf die Anerkennung Rudolfs und wiesen die Bemühungen der kastilischen Gesandten zugunsten Alfons' X. zurück. König Ottokar liefs seine Sache durch die Bischöfe von Olmütz und Seckau vertreten. Als aber Rudolfs Gesandter (am 6. Juni) in dessen Namen die von Otto IV. und Friedrich II. ausgestellten Eide und Privilegien beschwur und Rudolf dem Papste die gewünschten Zugeständnisse machte, war dessen Entscheidung nicht mehr zweifelhaft. Schon war Rudolf mit Ungarn in Verbindung getreten; nun drängte der Papst, dafs Alfons X . seinen Ansprüchen auf das Kaisertum entsage, brachte eine Annäherung zwischen Rudolf und Karl von Anjou zustande und legte dem König Ottokar, dessen Wahlrecht im übrigen nicht bestritten wurde, die Anerkennung Rudolfs ans Herz. In Bezug auf die ihm streitig gemachten österreichischen Länder (s. unten) sollte er sich dem Schiedsspruch des Papstes unterwerfen. Die österreichische Frage sollte demnach noch v o r der Anerkennung Rudolfs entschieden werden. Zu seinem eigenen Schaden schlug Ottokor ein hinhaltendes ') Genaue Beschreibung bei Redlich, S. 20.

Die Anerkennung Rudolfs.

Die Revindikation des Reichagutes.

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Verfahren ein. Um für sein ferneres Vorgehen Zeit zu gewinnen, erklärte er sich bereit, nach vier Jahren einen Kreuzzug zu unternehmen, dann erwarte er einen gütlichen Vergleich durch den Papst. Darauf ging Gregor X. nicht ein. Nun knüpfte Ottokar Verbindungen mit Alfons an, regte ihn zum Widerstand auf und setzte sich mit den Ghibellinen Oberitaliens, die für Alfons eintraten, und mit einzelnen deutschen Fürsten in Verbindung. Nachdem Ottokar die Anerbietungen des Papstes zurückgewiesen hatte, erkannte dieser (am 26. September 1274) Rudolf als römischen König an; zeitgenössische Schriftsteller sahen darin eine förmliche Approbation seines Königtums. 1 ) Ottokars Proteste waren damit erledigt. Den König Alfons vermochte der Papst zum Verzicht auf das Kaisertum. Bei der Zusammenkunft Gregors X. mit Rudolf, die in Lausanne (1275, 15. Oktober) stattfand, legte dieser und sein Gefolge das Kreuzzugsgelübde ab. Für die Kaiserkrönung wurde Lichtmefs des nächsten Jahres in Aussicht genommen, doch ist es weder zu dieser noch zu dem Kreuzzug .gekommen, denn Gregor X. starb schon am 10. Jannar 1276, und die Politik der nächsten Päpste bewegte sich in anderen Bahnen.

§ 41. Die Revindikation des Reichsgutes and das Rechtsrerfahren gegen Ottokar II. Die Kriege von 1376—1278. H i l f s s c h r i f t e n . S. § 40. Dazu: L a m p r e c h t , Die Entstehung der Willebriefe u. die Revindikation des ReichsguteB unter Rudolf v. H. Forsch. XXI, XXIII. P l i s c h k e , Das Rechtsverfahren gegen Ottokar. Bonn 1885. Z e i f s b e r g , Über das Rechtsverfahren Rs. v. H. gegen Ottokar v. B. AÖG. 69, s. dazu MJÖG. X, 381. B u s s o n , Salzburg u. Böhmen vor dem Kriege von 1276. Ebenda 65. D o p s c h , Die Kärten-Krainer Frage. AÖG. 87. S c h e f f e r - B o i c h o r s t , Die ersten Beziehungen zw. Habsburg u. Ungarn. MJÖG. X. R e d l i c h , Habeburg, Ungarn u. Sizilien. Festschrift f. Büdinger 1898. R e d l i c h , Zur Gesch. d. öst. Frage unter K. Rudolf I. MJÖG. Erg. Bd. IV. K u p k e , Das Reichsvikariat u. die Stellung der Pfalzgrafen bei Rhein. Diss. 1891. Zu den beiden Kriegen: K ö h l e r , Die Schlacht auf dem Marchfeld. Forsch. XIX—XXI. MJÖG. III. B u s s o n , Der Krieg von 1278 u. die Schlacht bei Dürnkrut. AÖG. 62. K ö h l e r , D.Entwicklung d. Kriegswesens n , 92. G r ä b n e r , Rudolf von Habsburg u. Otto von Brandenburg. 1901. P a u l e r , Gesch. Ung. im Zeitalter der Arpaden (magyarisch). B o c z & k , Mähren unter Rudolf I. Gräbner, Böhmische Politik vom Tode Ottokars II. bis z. Aussterben der Premysliden MVGDB. XLI, 313. Die Lit. zu den Stadtrechtsprivilegien Wiens s. Redlich-Böhmer ReggY Nr. 974, 976. K r ö n e s , Die Herrschaft König Ottokars von Böhmen in Steiermark. Mitt. hist. Ver. Steierm. XXH. F r i e f s , Die Herren v. Kuenring. L ö s c h k e , Die Politik K. Ottokare geg. Schlesien u. Polen. ZG. Schles. XX.

1. Seiner Aufgabe, die Revindikation des Reichsgutes vorzunehmen, kam König Rudolf um so eifriger nach, als sie die Handhabe bot, gegen Ottokar vorzugehen, dessen Monarchie sich auf Kosten des Reiches zu einem von diesem fast unabhängigen, ja ihm feindseligen Staate entwickelt hatte. Demgemäfs wurde schon auf dem Hoftag von Speyer (1273, Dezember) der allgemeine Befehl erlassen, dafs alles ungebührlich erworbene Reichsgut herauszugeben sei.2) Die Vögte und Beamten des ') So Hermann von Altaich, S. 409. ') Redlich - Böhmer, Nr. 48. S. den Zug Rudolfs gegen den Markgr. v. Baden wegen Revindikation von Reichsgut. RB. 190 a, 191.

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Das Rechtsverfahren gegen König Ottokar.

Reiches haben solches Gut aufzusuchen und einzuziehen. Bei der Mangelhaftigkeit der Rechtstitel Ottokars auf seine Ländererwerbungen konnten auf Grund dieser Anordnung Österreich, Steiermark, Kärnten, Krain, die windische Mark und das Egerland entweder als heimgefallene Lehen oder entfremdetes Reichsgut in Anspruch genommen werdenDer Neutralität der Kurie versichert, leitete Rudolf ein förmliches Rechtsverfahren gegen Ottokar ein. Dem Reichstag von Nürnberg legte er im November 1274 die Fragen vor: 1. Wer Richter sein solle, wenn er gegen einen Fürsten wegen widerrechtlichen Besitzes von Reichsgut Klage erhebe. Die Antwort lautete: der Pfalzgraf. Als dieser den Richterstuhl bestiegen, fragte der König weiter, was bezüglich der dem Reiche seit der Absetzung Friedrichs II. entrissenen Güter zu geschehen habe. Die Antwort lautete: sie seien einzuziehen und der König verpflichtet, dem Reich zu seinen Rechten zu verhelfen. Auf Rudolfs dritte Frage, was bezüglich des Königs von Böhmen zu geschehen habe, der seit der Königswahl Jahr und Tag habe verstreichen lassen, ohne um die Belehnung mit seinen Reichslehen anzusuchen, erfolgte der Spruch: Wer immer ohne echte Not, sei es aus Nachlässigkeit oder Widersetzlichkeit, binnen Jahr und Tag seine Lehen nicht mute, soll ihrer nach Ablauf dieser Frist verlustig-gehen. Auf die Frage endlich, wie gegen Ottokar, bei welchem Widersetzlichkeit vorliege, vorzugehen sei, wurde entschieden, ihn zur Verantwortung vor den Pfalzgrafen zu zitieren. Die Entscheidung in der zweiten Frage genügte, um gegen den Böhmenkönig in Bezug auf seine*österreichischen Länder vorzugehen; bezüglich Böhmens und Mährens mufste der Weg des Lehensprozesses eingeschlagen werden. Ottokar erschien weder in Würzburg, wohin er auf den 23. Januar, noch in Augsburg, wohin er auf den 15. Mai geladen wurde. Wohl aber entsandte er nach Augsburg den Bischof von Seckau, der Rudolfs Wahl und Wähler so heftig angriff, dafs ihn nur das Einschreiten des Königs vor dem Zorn der Fürsten schützte. Nun wurden ihm wegen vorsätzlichen U n g e h o r s a m s s e i n e Reichslehen (Böhmen und Mähren) und seine Reichsämter (das Schenkenamt) und in Ausführung des ersten Nürnberger Spruches Österreich und die übrigen neuerworbenen Länder als entfremdetes Reichsgut aberkannt und die siebente Kur§timme endgültig an Bayern gegeben. Da Ottokar die Aufforderung, die Reichslehen und entfremdeten Reichsgüter auszuliefern, in schroffer Form" abwies, wurde über ihn zuerst die einfache und am 24. Juni 1276 die Oberacht ausgesprochen. Damit war der Kriegsfall gegeben. 2. Mittlerweile hatte Rudolf, an den sich die Brüder Meinhard und Albrecht von Görz-Tirol aufs engste anschlössen und ihm die Freundschaft Ungarns vermittelten, den letzten Sponheimer Philipp mit Kärnten und den dazu gehörigen Teilen von Krain und der Mark belehnt und den Erzbischof von Salzburg, die in Österreich begüterten Bischöfe und viele der österreichischen mit Ottokars Regimente unzufriedenen Adeligen für sich gewonnen. Gegen diese schritt Ottokar ein: er nahm vom Adel l

)

Contumacia.

Der erste Krieg gegen Ottokar.

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und den Städten Geiseln, zwang die Bischöfe durch die Temporaliensperre und den Erzbischof von Salzburg durch die Verwüstung seiner Besitzungen sich mit ihm zu vergleichen und suchte selbst noch Ungarn auf seine Seite zu ziehen. Mitte August 1276 brach Rudolf vdm Rheine auf. Von den Kurfürsten unterstützten ihn nur Mainz und Pfalz. Von entscheidender Bedeutung war der Anschlufs Bayerns an Rudolf, wofür dieser seine Tochter Katharina mit Otto, dem Sohn Herzogs Heinrichs, verlobte und als Pfand für den Brautschatz Oberösterreich anwies. Nach einem von dem Erzbischof von Salzburg entworfenen Kriegsplan sollte Rudolf Böhmen beunruhigen, um dessen Hauptmacht dort festzuhalten, Meinhard von Tirol zur Unterstützung der Gegner Ottokars in Kärnten und Steiermark einrücken und ein drittes Heer in das von Verteidigern entblöfste Österreich eindringen. Während Ottokar den Angriff bei Tepl erwartete, änderte Rudolf nach Bayerns Anschlufs den Plan und wandte sich mit seiner Hauptmacht nach Österreich, indes Meinhard in Steiermark einrückte, wo nun die Dienstmannen Steiermarks und Kärntens in grofser Zahl in dem nordwestlich von Graz gelegenen Zisterzienserkloster Reun zusammentraten und sich für König Rudolf verpflichteten. Nur der Klerus und die von Ottokar begünstigten Städte blieben entweder neutral oder auf Seiten Ottokars. Ende September rückte Rudolf in Österreich ein; am 18. Oktober stand er vor Wien. Ottokar war inzwischen durch Oberösterreich ins Marchfeld gezogen. Seine Scharen lichteten sich durch den Abfall der Adeligen, die dem Beispiel der Steirer und Kärntner folgten. Verhängnisvoll aber wurde für ihn die Opposition des böhmischen Adels gegen das böhmische Landesfürstentum, besonders der Witigonen unter Zawisch von Falkenstein. Als sich auch die Ungarn trotz anfänglicher Verstimmung wieder Rudolf näherten, kam Ottokar in Gefahr, von zwei Seiten angegriffen zu werden. Daher war er zu einem friedlichen Abkommen geneigt, das denn auch am 21. November 1276 getroffen wurde. 2 ) Danach trat Ottokar Österreich, Steiermark, Kärnten, Krain, die Windische Mark und das Egerland an das Reich ab und erhielt die Belehnung mit Böhmen und Mähren. Sein Sohn Wenzel wurde mit einer Tochter Rudolfs (Guta), seine Tochter Kunigunde mit Hartmann, einem Sohne Rudolfs, verlobt; die gegenseitigen Gefangenen sollten ausgewechselt, eine Amnestie erlassen und Ungarn in den Frieden eingeschlossen sein. Ottokar leistete (am 25. November) die Huldigung, und Rudolf hielt (am 29. oder 30.) seinen Einzug in Wien. 3. Über die Ausführung des Novembervertrages kam es bald zu Mifshelligkeiten. Ottokar weigerte sich, das Land nördlich von der Donau, da es als Pfand für die Aussteuer Gutas verschrieben sei, herauszugeben, während Rudolf die Zeit der Verpfändung erst nach der Heirat für gekommen erachtete. Ebenso zögerte Ottokar, Hainburg und Eger, dieses als Mitgift seiner Mutter, herauszugeben. Schon 1277 stand ') RB. 578, 679, 588 a. •) 623.

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Nene Mifshelligkeiten.

Wiederausbruch des Krieges.

der Wiederausbruch des Krieges bevor, doch kam es noch einmal zu einem für Ottokar freilich viel ungünstigeren Vergleich. (6. Mai), in welchem von Kunigundens Vermählung keine Rede mehr ist und der Tochter Rudolfs Eger als Heiratsgut verschrieben wird.') Ein Ergänzungsvertrag (12. September) gesteht Ottokar volle landesfürstliche Gewalt zu und setzt seine Pflichten dem Reiche gegenüber fest. Doch tauchten neue Schwierigkeiten auf. Ottokar klagte über die fortgesetzte Unbotmäfsigkeit der Witigonen, die die Verbindung mit Rudolf aufrecht hielten. Reichsgewalt und Landeshoheit traten einander gegenüber: Ottokar wollte keinen Einflufs des Reiches auf die inneren Angelegenheiten Böhmens dulden. Zu nochmaligem Waffengang entschlossen, suchte er Bundesgenossen unter den schlesischen und polnischen Fürsten. Bisher ein werktätiger Freund des deutschen Elementes in seinen Erbländern, hob er jetzt die Gemeinsamkeit der Tschechen und Polen den Deutschen gegenüber hervor. 2 ) Von deutschen Fürsten gewann er Meifsen, Thüringen und Brandenburg; mit Köln verhandelte er, und selbst Mainz und Trier suchte er auf seine Seite zu ziehen. Heinrich von Bayern liefs sich durch Geld gewinnen. Rudolf war diesen Vorgängen gegenüber nicht müfsig geblieben. Er schlofs ein Schutz- und Trutzbündnis mit Ungarn (1277, 12. Juli) und traf (11. November) mit König Ladislaus in Haimburg zusammen. Der ungarischen Hilfe gewärtig, der Unterstützung der Österreicher und Meinhards versichert, im Besitz der Hauptstadt und der mächtigen Verteidigungslinie an der Donau, nahm er den Kampf auf. Den Wienern, die dem neuen Regiment wegen des auf ihnen lastenden Steuerdruckes abgeneigt waren — noch im Frühjahr 1278 wurde eine Verschwörung entdeckt, an der aufser dem Marschall Heinrich von Kuenring der Wiener Bürger Paltram beteiligt war — wurden die jüngst erst bestätigten Privilegien der letzten Babenberger und Kaiser Friedrichs II. neuerdings zugestanden, deren Gültigkeit aber von ihrem Wohlverhalten abhängig gemacht. Wenn Rudolf aus dem »Reiche« nur wenig Hilfe bekam, hegt der Grund darin, dafs er sich um sie nicht besonders bemüht hat. 3 ) Um so freier konnte er nach gewonnenem Siege über dessen Früchte verfügen. Die Entdeckung der Verschwörung nötigte Ottokar, vorzeitig loszuschlagen. Am 27. Juni zog er von Prag aus. In Brünn erwartete er den Zuzug böhmischer und mährischer Grofsen und die schlesischen und polnischen Hilfstruppen. Wie er sich aber in seiner Hoffnung auf eine Erhebung der österreichischen Städte täuschte, so unterschätzte er das Eingreifen Ungarns. Mit der Belagerung von Laa verlor er kostbare Zeit. Mittlerweile sammelte Rudolf seine Streitkräfte. Die Ungarn standen bereits am 6. August bei Prefsburg. Am 14. brach er von Wien auf, zog auf dem rechten Donauufer nach Hainburg und setzte — was die Ungarn schon vor ihm getan hatten, über die Donau. In Marchegg sammelten >) R. B. 648, 656 a, 753. •) S. hierüber die trefflichen Ausführungen bei Kedlich, S. 305. ') Busson, S. 24—28.

Die Schlacht bei Dflmkrut und Ottokare Ende.

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sich die Reste seiner Truppen aus Österreich, Steier und Schwaben. Eide Heeresabteilung hatte den böhmischen König derart beunruhigt, dafs er die Belagerung von Laa aufhob und an die March zog, dann aber untätig zwischen Drösing und Jedenspeugen stehen blieb. Nach kurzer Beratung mit Ladislaus entschlofs sich Rudolf zur Schlacht. Sie wurde am 26. August — einem Freitag — geschlagen. Ottokars Heer — an 30000 Mann — war jenem Rudolfs, das nur 2000 Ritter zählte, an schwerer Reiterei überlegen, die Hilfstruppen Ungarns werden allerdings auf 15000 Mann geschätzt, waren aber meist Bogenschützen und als solche im Schlachtgemenge wenig zu brauchen. Der Schlachtort war das Kruterfeld zwischen Dürnkrut und Jedenspeugen. Der Kampf, der um 9 Uhr begann, dauerte 5—6 Stunden 1 ) und endete nach hartem Ringen mit einem vollen Sieg Rudolfs. Die Entscheidung brachte seine kleine Reserve, welche die rechte Flanke der Feinde durchbrach und sie gegen die March drängte. Als sich eine Stimme unter den Kämpfenden hören liefs: Sie fliehen, sie fliehen! stürzte sich ein Teil der Fliehenden blindlings in die March, wobei Hunderte ertranken. Die Flucht erfolgte nordwärts gegen Drösing. Ottokar suchte erst, als er das Vergebliche ferneren Widerstandes erkannte2), sich nach Drösing durchzuschlagen, wurde aber eingeholt und von persönlichen Feinden erschlagen. Die Leiche wurde erst nach Wien, dann nach Znaim und endlich nach Prag überführt. Rudolf leitete eine kräftige Verfolgung ein, welche die Vernichtung der Feinde vollendete. Seine Verluste waren unbedeutend. Schon nach drei Tagen entliefs er die unbequem gewordenen ungarischen Hilfstruppen. Er dürfte den Ungarn die Gewährleistung der alten Grenzen zugesichert haben. Noch vom Feldlager aus schickte er seine Siegesberichte aus. Ende August rückte er, ohne Widerstand zu finden, in Mähren ein, Bischof Bruno, der Adel und die Städte Mährens unterwarfen sich. Da Ottokars Sohn Wenzel erst sieben Jahre alt war, übernahm Markgraf Otto von Brandenburg, den Wenzel für den Fall seines Todes zum Vormund seiner Kinder ernannt hatte, die Regentschaft. Rudolf drang bis in die Nähe von Kuttenberg, während Otto bei Kolin lagerte. Ehe es zu einem neuen Kampfe kam, vermittelten der Erzbischof von Salzburg und Bischof Bruno von Olmütz den Frieden. Otto wurde auf fünf Jahre als Landesverweser und Vormund Wenzels anerkannt. Für dieselbe Zeit durfte Rudolf Mähren besetzt halten. Der Friede wurde durch eine Doppelheirat zwischen Rudolfs Kindern Guta und Rudolf und denen Ottokars Wenzel und Agnes besiegelt und zugleich ein Eheverlöbnis zwischen Rudolfs Tochter Hedwig und einem Bruder des Brandenburgers geschlossen. Von den übrigen Gegnern Rudolfs mufste Heinrich von Bayern das ihm verpfändete Oberösterreich herausgeben. ») Über die Lit. zur Schlacht, Redl.-Böhmer 993. Beschreibung der Schlacht bei Bedlich, Rudolf v. H., S. 320 ff. •) More et animo gyganteo virtute mirabili se defendit. Rud. an d. Papst. Bodm. 92.

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König Rudolf und das Papsttum.

§ 42. Rudolfs Politik von 1279—1282. Die Erwerbung Österreichs für das Hans üabsburg. König Rudolf und das Reich In den letzten Jahren seiner Regierung. - Q u e l l e n . Zur Papstgesch. B. auch § 47. Potthast, Regg. pontiff. Hayn. Annal, eccl. Die Lebensbeschreibungen der Päpste Innozenz V, Johann XXI, Nikolaus III, Honorius IV. u. Nikolaus IV. bei Murât. IH, 2, 426—435 u. m , 1, 605—613. Zur Belehnung der Habsburger s. auch Schwind u. Dopsch. Ausgew. Urkk. Innsbr. 1895. Zur ausw. Polit, auch Rymer Foedera I. H i l f s s c h r i f t e n s. oben. Dazu: G r e g o r o v i u s , Geschichte d. St. Rom V. 8 t a p p e r , Papst Johann XXI. Mttnst. 1899. G i e s e , Rud. v. H. u. d. Kaiserkrone MJÖG. XVI. P a w 1 i c k i , Papst Honorius IV. Münster 1896. W i 1 h e 1 m , Die Schriften des Jordanus von Osnabrück. MJÖG. XIX, 615 ff. (Jordanus tritt den Plänen Nikol. HI. auf Abschaffung des Imperiums entgegen). Zur Belehnungsfrage : R e d l i c h , wie oben, y. Z e i f s b e r g , Rudolf v. H. u. der österr. Staatsgedanke. Festschr. zur Sechshundertjahrfeier der Belehnung des Hauses Habsburg mit Österreich Wien 1882. D o p s c h , Die Kämten-Krainer Frage u. die Territorialpolitik der ersten Habsburger in Österr. AÖG. 87 (Abschliefsende Arbeit). W y n e k e n , Der Landfrieden in Deutschland. Gött. 1886. S c h r o h e , Die politischen Bestrebungen Erzb. Siegfrieds v. Köln. Beitr. z. G. d. Reiches unter Rudolf u. Adolf. Ann. Ver. Gesch. N Rhein L X V H — V m . H a v e t , La frontière de l'Empire dansl'Argonne etc. BÉCh. XL1I. P. F o u r n i e r , Le royaume d'Arles et de Vienne. Paris 1891. GGA. 1883 St. 9. H e l l e r , wie oben. D o b e n e c k e r , K. Rudolfs Friedenspol. in Thüringen. Z. thür. Gesch. NF. IV, 529. E. R e u t h e r , Der Feldzug Rudolfs v. H. gegen Burgund i. J. 1289 (1901). P f e f f e r , Die böhm. Politik unter Wenzel II. Halle 1901. M. de P i e p a p e , Hist. de la réunion de la Franche-Comté à la France. 2 voll. 1881. ' F u n k - B r e n t a n o , Philippe le Bel et la noblessç franc-comtoise. BÉCh. X U X . F l e u r y - B e r g i e r , Philippe le B. et Otton IV, comte palat. de Bourgogne. Besançon 1890. L a n g l o i s , Le règne de Philippe le Hardi s. oben. B u s s o n , Die Idee des Erbreiches u. die ersten Habsburger. Wien. SB. 88. R o d e n b e r g , Zur Gesch. d. Idee eines d. Erbreiches im MA. MJÖG. XVI. D o p s c h , Zur deutschen Verfassungsfrage unter Rudolf v. H. Festach. z. Ehren Büdingers 1898. S c h w e i z e r , Habsb. Stadtrechte u. Städtepolitik. Ebenda. Die falschen Friedriche, s. d. Lit. zur Kaisersage S. 120. Z e u m e r , Z. Gesch. d. Reichssteuem im früheren MA. HZ. 81. Herzberg Fränkel, Z. erbkönigl. Pol. d. ersten Habsburger. MJÖG. XH. P i r e n n e , Gesch. v. Belgien I. Sonst s. Dahlmann-Waitz-Steindorff, 2961—2969, 2973 u. 2974.

1. Am 22. Juli 1279 starb der letzte Sponheimer, Herzog Philipp von Kärnten. Zu Österreich und Steiermark war nun auch noch Kärnten erledigt. Diese Herzogtümer seinem Hause zu erwerben, darauf war die Politik Rudolfs gerichtet und dies auch der Grund, weshalb jene Fragen, die bisher im Vordergrund standen, zurückgestellt wurden. Gegen die Kaiserkrönung Rudolfs verhielten sich die Nachfolger Gregors X. zurückhaltend, wenn nicht geradezu ablehnend. Je mehr unter diesem Papst der angiovinische Einflufs zurücktrat, desto lebhafter war das Bemühen König Karls, französisch gesinnte Päpste zur Regierung zu bringen. Schon I n n o z enz V. (1276) stand unter seinem Einflufs. Sein Nachfolger Hadrian V. starb schon nach wenigen Wochen, und J o h a n n XXI. (1276—1277) war ganz für König Karl. Erst mit N i k o l a u s III. (1277—1280) bestieg ein Papst von der Art eines Innozenz III. den päpstlichen Stuhl, ein Meister der Staatskunst, voll kühner Pläne und politischer Entwürfe. Um die Selbständigkeit des päpstlichen Stuhles besorgt, glaubte er, diese am leichtesten im Gegen-

Die Politik Nikolaus" m

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wirken der grofsen Parteien Italiens erreichen zu können. Von Rudolf verlangte er die Bestätigung aller Schenkungen der alten Kaiser an den päpstlichen Stuhl, vor allem den Besitz der Romagna und Pentapolis und den Widerruf des Eides, der eben noch dem Kanzler des Königs in Bologna, Imola, Faenza, Ravenna und anderen Orten geleistet worden war, von König Karl den Verzicht auf die Senatorwürde in Rom und die Zurückberufung seiner Stellvertreter aus Toskana; ja er nahm keinen Anstand, die Erbansprüche Pedros III. von Aragonien auf Sizilien zu unterstützen. Im Hinblick auf sein Verhältnis zu Böhmen bestätigte Rudolf alles1) und gab, ganz mit dem Gedanken an den österreichischen Ländererwerb beschäftigt, die Idee einer Intervention in Italien auf. Die Absichten des Papstes gingen, wie Tolomeo von Lucca berichtet, auf eine förmliche Teilung des Kaiserreichs: Das deutsche Reich sollte als Erbreich den Habsburgern verbleiben, ein Königreich Arelat geschaffen und zur Entschädigung für Karls Verzicht auf seine Stellung in Mittel- und Oberitalien an seinen Sohn Karl Martell gegeben und dieser mit Rudolfs Tochter dementia vermählt werden. In Mittel- und Oberitalien sollten zwei von Deutschland unabhängige Reiche geschaffen werden. Karl von Anjou wurde mit der Provence belehnt (1280, 28. März). Von den Plänen des Papstes, falls sie wirklich gehegt wurden, kam nur die Familienverbindung zwischen Habsburg und Anjou zustande und wirkte auf Rudolfs Beziehungen zu Frankreich zurück. Während sich diese besserten, was allerdings das Reich nur schädigte, indem er die Schutzherrschaft über Toul an Frankreich überliefs (1281, 16. November), lockerten sich jene zu England und lösten sich seit dem Tode von Rudolfs zweitem Sohne Hartmann (1281, 21. Dezember), der mit der englischen Prinzessin Johanna verlobt gewesen, ganz auf. Da nunmehr auch Savoyen keinen Schutz gegen Frankreich fand, griff es bald zu den Waffen gegen den deutschen König selbst. 2 ) Nach dem Tode Nikolaus III. wurde wieder ein Franzose und ausgesprochener Feind der Deutschen gewählt: Martin IV. (1281—1285), dessen Politik die Schranken niederrifs, die sein Vorgänger aufgerichtet hatte. Karls Macht wurde eine gröfsere als früher. Nun nahm er auch seine auf die Eroberung Griechenlands gerichteten Pläne wieder auf. Unter diesen Umständen verzichtete Rudolf auf eine selbständige italienische Politik, und ein so wichtiges Ereignis wie die Sizilianische Vesper vermochte daran nichts zu ändern. Über den Römerzug wurde auch später noch mit Honorius IV. und Nikolaus IV. verhandelt; dem König lagen aber mehr Fragen in Deutschland am Herzen. 2. Schon vor dem Ausbruch des zweiten Krieges unternahm Rudolf einleitende Schritte zur Erwerbung Österreichs, indem er, um die Landherren und Prälaten zu gewinnen, die von König Ottokar im Interesse der landesfürstlichen Gewalt gegen sie getroffenen Mafsregeln zurücknahm, die Städte durch Bestätigung ihrer Rechte und reiche Vergün') Redlich-Böhmer 918—920, 944, 955, 970, 999—1001, 1062. ») Xr. 1420 a, 1730 a.

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Der Landfrieden.

Die Erwerbung Österreichs durch die Habsburger.

tigungen an sich fesselte, vor allem aber seinen Söhnen jene Lehen übertragen liefe, welche die Babenberger von Salzburg, Passau, Freising und Regensburg innegehabt hatten. Nach Herzog Philipps Tode kamen noch die Bamberger Lehen hinzu. Die Ansprüche der Babenbergerin Agnes, einer Grofsnichte des letzten Babenbergers, wurden durch einen billigen Ausgleich beseitigt. Als er 1281 aus Österreich schied, dem er fünf Jahre hindurch seine ganze Sorge zugewandt h a t t e l i e f s er seinen ältesten Sohn Albrecht als Reichsverweser zurück. Die Verleihung der Herzogtümer an seine Söhne bot grofse Schwierigkeiten, da noch die Ansprüche seines Bundesgenossen Grafen Meinhard von Görz-Tirol zu befriedigen waren, namentlich aber weil sich seine Beziehungen zu den meisten Kurfürsten verschlechtert hatten und diese nicht geneigt waren, die auf die Machtvergröfserung des neuen Königshauses gerichteten Absichten zu unterstützen. Wie er schon in Österreich kräftig für den L a n d f r i e d e n gesorgt hatte, bemühte er sich nun auch im übrigen Deutschland um die Einschränkung der Fehden, um die Revindikation abhanden gekommenen Reichsgutes, für welchen Zweck er neun Landvogteien errichtete, um die Fortbildung des Reichssteuerwesens, zumal die Heranziehung der Städte zu den Lasten des Staates, vor allem aber um die Aufrichtung des Landfriedens. Es handelte sich darum, die verschiedenartigsten Gegensätze auszugleichen: die der grofsen Fürstentümer. die ihre Landeshoheit zu erweitern, der Grafen und Herren, die sich ihrer zu erwehren, der Städte, die ihre Reichsunmittelbarkeit zu behaupten und ihre Kräfte durch die Aufnahme von Pfahlbürgern zu verstärken suchten. So dringend tat im Westen ein kräftiges Vorgehen not, dafs Mainz und Kurpfalz schon 1278 für ihre Länder einen Landfrieden aufrichteten. Nun verkündete Rudolf (am 6. Juli 1281) zu Regensburg den b a y r i s c h e n , drei Wochen später zu Nürnberg den f r ä n k i s c h e n und erneuerte hierauf auch in einzelnen Städten und Landschaften S c h w a b e n s den Landfrieden Friedrichs II. Am 14. Dezember 1281 verkündete er endlich den r h e i n i s c h e n Landfrieden auf fünf Jahre. In der nächsten Zeit trat er den geistlichen Kurfürsten wieder näher, und nun gab zuerst der Erzbischof Siegfried von Köln seinen Willebrief, dafs Rudolf seinen ehelichen Söhnen ein Fürstentum, welches er wolle und wann er wolle, verleihe.2) Vier Wochen später erklärten Sachsen und Brandenburg und endlich auch Mainz, Pfalz und Trier ihre Zustimmung, dafs Rudolf die österreichischen Länder samt Kärnten, Krain und der Mark seinen Söhnen zu Lehen geben dürfe. Nur Böhmens Zustimmung fehlte, da Wenzel nicht als Kurfürst anerkannt war. Einige Tage vor Weihnachten 1282 verlieh nun Rudolf in Augsburg seinen beiden Söhnen Albrecht und Rudolf die Herzogtümer Österreich, Steiermark und Kärnten nebst Krain und der Windischen Mark mit der Fürstenwürde. Kärnten gab er (1286) dem Grafen Meinhard für dessen ') Einzelheiten s. bei Redlich, S. 348 fi. Die wichtigsten Einrichtungen der Zeit Ottokars »ui dem Gebiete der Gerichtsverfassung und des Finanzwesens blieben bestehen^ •) RB. 1688.

Höhepunkt d. Macht Rudolfs u. ihr Niedergang. Die falschen Friedriche.

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wirksamen Beistand in den böhmischen Kriegen, nachdem das Haus Habsburg seine eigenen Bestrebungen zurückgestellt hatte und die Schwierigkeiten beseitigt waren, die sich aus der Verbindung Krains mit Kärnten ergaben, und mit denen Meinhards Erhebung in den Reichsfürstenstand verknüpft war. M e i n h a r d ist der Begründer der Landgrafschaft Tirol als eines unmittelbaren Hoheitsgebietes. Da er überdies pfandweise auch Krain innehatte und die Stadt Triest ihn aus Furcht vor Venedig zu ihrem Kapitän machte, reichte seine Macht von den Quellen des Inn bis an das Adriatische Meer. Durch seinen festen Anschlufs an Osterreich gewann dieses unter den deutschen Fürstentümern die hervorragendste Stellung. Da man in den österreichischen Ländern übrigens von der in der Belehnungsurkunde vorgesehenen Doppelverwaltung üble Folgen befürchtete, verfügte Rudolf, dafs der ältere Sohn sie allein besitzen und der jüngere durch Geld abgefunden werden solle, falls ihm nicht binnen vier Jahren ein Königreich (Arelat?) oder ein Fürstentum zufallen würde. 3. Das Jahr 1282 bezeichnet den Höhepunkt der Macht Rudolfs. Von nun an war sein Ansehen trotz vereinzelter Erfolge im Südwesten des Reiches doch im Niedergang begriffen. Fast in allen Territorien waren die freien Stadt- und Landgemeinden von den steigenden Ansprüchen der fürstlichen Gewalten bedroht. In vielen Städten tobte der Kampf zwischen Rat und Gemeinen, in anderen stritt der Rat mit dem Klerus, in einzelnen klagte man über die Landgrafen oder die Burgmannen des Königs, hie und da wandte sich die unbehagliche Stimmung, die durch einige Mifsjahre und durch die Steuerauflagen Rudolfs noch gesteigert wurde1), gegen die Juden. Damit mag es zusammenhängen, dafs in den niederen Schichten des Volkes, in denen der Glaube an die Wiederkehr Friedrichs II. fortlebte, jene Personen Anhang fanden, die sich (1283—1285) als Kaiser Friedrich ausgaben.2) Gelang es dem König, solcher Irrungen Herr zu werden, so mifsglückten seine Pläne, Schwaben und Burgund für sein Haus zu erwerben. Die Wiederherstellung Schwabens als Herzogtum scheiterte an dem Widerstand der schwäbischen Dynastengeschlechter, vor allem Württembergs. Das Königreich Arelat hatte Rudolf schon 1278 seinem zweiten Sohne Hartmann, dann (1279—1281) in angeblichem Zusammenhang mit der geplanten Aufrichtung eines deutschen Erbreiches seinem Schwiegersohn, dem Angiovinen Karl Martell, endlich seinem jüngsten Sohne Rudolf zugedacht.8) Auch hier arbeiteten die Grofsen, vor allem die Grafen von Savoyen dem König entgegen, und die Vermittlungsversuche Englands, die mit Rudolfs früherer antifranzösischer Politik zusammenhingen, waren vergebens. Im Jahre 1281 kam es zur offenen Fehde mit Savoyen. Am 6. Februar 1284 vermählte sich der nunmehr 66jährige König mit der 14 jährigen Elisabeth, der Schwester Herzog Roberts von Burgund. ') RB. 1850 a u. 1897 a. •) Zusammenstellung ebenda Nr. 1914 a. ») Ebenda 1156 a.

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Die Wirren im Westen und Nordwesten des Reiches

Das hinderte Elisabeths Bruder nicht, sich auch fernerhin an Frankreich zu halten. Unter den burgundischen Städten war Bern der Mittelpunkt aller dem Hause Habsburg feindlichen Bestrebungen. Als es die Bezahlung der Reichssteuern verweigerte, zog Rudolf gegen die Stadt und nötigte sie, ihre Pflichten gegen das Reich zu erfüllen (1289). Während dieser Kämpfe kam das ganze westliche Burgund in Bewegung. Pfalzgraf Otto warf seine Lehensverbindlichkeiten gegen das Reich ab und Bisanz empörte sich. Während Rudolfs Verwandte teilnahmslos blieben oder auf Frankreichs Seite standen, wuchs im Delphinat, Burgund, Lothringen und den übrigen Grenzländern der französische Einflufs. Rudolf eröffnete (1289) den Feldzug mit grofser Heeresmacht und zwang den Pfalzgrafen zur Huldigung. An den Verhältnissen Burgunds wurde hiedurch aber nicht viel geändert, und dessen Verband mit dem Reiche blieb ebenso locker wie zuvor. 4. Nicht besser stand es im Nordwesten des Reiches. Rudolfs Einflufs auf die Verhältnisse in den Rheinlanden dauerte nicht viel länger als seine Anwesenheit daselbst. Auch seine Beziehungen zu den Erzbischöfen verschlechterten sich. In Mainz war es ihm nach Wernhers Tode gelungen, gegen zwei Kandidaten, unter denen sich Gerhard von Eppenstein befand, seinen Anhänger, den Baseler Bischof Heinrich von Isni durchzusetzen (1286), aber dieser starb schon nach zwei Jahren, und nun gelangte Gerhard von Eppenstein auf den Mainzer Erzstuhl. Noch weniger durfte Rudolf von dem Erzbischof Siegfried von Köln erwarten. Dieser war nach dem Tode Ermingards, der Gemahlin Rainalds von Geldern, in den Limburgschen Erbfolgestreit verwickelt worden und dachte ihn zu benützen, um auch in Flandern zur Macht zu gelangen. Darum unterstützte er die Ansprüche Rainalds, dem der König den Limburgschen Besitz auf Lebenszeit übertragen hatte, gegen Ermingards Vetter, den Grafen Adolf von Berg, der seine Ansprüche an den Herzog von Brabant verkaufte. Fast alle Fürsten der Niederlande, der hohe und niedere Adel aus der Maas- und Rheingegend, die Bürger von Köln — als Gegner Siegfrieds — nahmen an dem Kampfe teil. Am 5. Juni 1288 kam es zur Schlacht bei W o r r i n g e n , die mit Siegfrieds gänzlicher Niederlage endete und seine Politik auf geraume Zeit lahmgelegt hätte, wären nicht die anderen geistlichen Kurfürsten im IntereBse ihrer Stellung für ihn eingetreten. Rudolf erkannte die vollendete Tatsache an und trat nicht blofs zu Brabant, sondern auch zu Geldern und Cleve in freundschaftliche Beziehungen. Geldern wurde durch das Reichsvikariat in Ostfriesland entschädigt. Mit Dietrich von Cleve verheiratete er seine Nichte Margareta, alles zu dem Zweck, um den zweideutigen Stützen gegenüber, die er an den geistlichen Kurfürsten hatte und die noch am 10. März 1290 ihren alten Bund »gegen jedermann, Kirche und Reich ausgenommen«, erneuert hatten, sichere Freunde zu gewinnen. 5. Im nördlichen und nordöstlichen Deutschland vollzogen sich die wichtigsten Ereignisse, wie die Kämpfe in Preufsen, ohne Zutun des Königs. Das rücksichtslose Vorgehen des Markgrafen von B r a n d e n -

Die letzten Jahre Rudolfs.

Seine Bemühungen um die Nachfolge.

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b ü r g gegen Städte und Fürsten in Niedersachsen gab ihm den Anlafs zum Abschlufs eines Landfriedens (1283), der seine Spitze gegen Brandenburg richtete und den deutschen Ostseestädten zu ihren Erfolgen gegen Norwegen verhalf, im übrigen freilich nicht hinderte, dafs bald neue Fehden in allen Teilen Norddeutschlands ausbrachen, denen der König nicht abhelfen konnte. In T h ü r i n g e n griffen die Kämpfe zwischen dem Landgrafen Albrecht und seinen Söhnen Friedrich und Diezmann in alle Verhältnisse ein. Dies bewog Rudolf, nach Thüringen zu ziehen. Mitte Dezember 1289 traf er in Erfurt ein und hielt sich hier ein ganzes Jahr auf. Der Landfrieden von Boppard (1282), der auf dem Würzburger Nationalkonzil (1287) auf drei Jahre verlängert worden war, wurde nochmals erneuert und mit aller Strenge durchgeführt. Rudolfs Tätigkeit war nach dieser Seite hin eine so durchgreifende, dafs sie noch bei kommenden Geschlechtern in Andenken blieb. Zu Hütern des Landfriedens wurden weltliche Grofse ernannt und ein Hauptmann an ihre Spitze, gestellt — eine Anordnung, aus der sich in der Folge die Kreisverfassung entwickelt hat. Die zur Aufrechthaltung des Landfriedens erforderlichen Kosten mufsten von den im Frieden befindlichen Ständen getragen werden. Am erfreulichsten war noch Rudolfs Verhältnis zu seinem Schwiegersohn König Wenzel von Böhmen. Doch war auch dieses zeitweise getrübt, da man in Böhmen an die Zurückgewinnung der verlorenen Alpenländer dachte. Als die junge Königin Guta ihren Einzug in Böhmen gehalten hatte (1287), wurde die Regierung mehr im Sinne der habsburgischen Partei geführt; ihr fiel Zawisch, der Stiefvater König Wenzels, das Haupt der auf den Wiedererwerb Österreichs gerichteten Partei, zum Opfer; doch wurde der Plan einer Rekuperation auch jetzt nicht aufgegeben. Um Wenzel II. für die Nachfolge seines Hauses zu gewinnen, erkannte Rudolf Böhmens Kurrecht und Schenkenamt an (1289 und 1290) und gewährte ihm eine Reihe von Vergünstigungen; dafür erhielt er die Zustimmung zur Wahl Herzog Rudolfs, aber dieser starb bereits am 8. Mai 1290. Nach den Wünschen König Rudolfs sollte die Krone nunmehr seinem einzigen noch übrigen legitimen Sohne, dem Herzog Albrecht, zufallen. Diesen empfahlen seine hohen militärischen und diplomatischen Talente nicht weniger als seine Tatkraft. Auch hatte er sich in seiner schwierigen Stellung in Österreich bereits bewährt, einen Streit mit dem Erzbistum Salzburg siegreich beendet und in Ungarn, dessen König er in einem Streite gegen die Güssinger beistand, die westlichen Komitate besetzt. Nach dem Tode des ungarischen Königs Ladislaus (1290) dachte Rudolf daran, dafs er einstens selbst Zeuge war, wie Bela IV. sein Reich von Friedrich II. zu Lehen genommen. Nun übertrug er es als Lehen an seinen Sohn Albrecht, was freilich erfolglos blieb, da in Ungarn Andreas der Venezianer, der letzte Arpade, als König anerkannt wurde. Albrecht war zudem zu einem Verzicht auf Ungarn um so geneigter, als die Frage der deutschen Königswahl in den Vordergrund trat. Seine Aussichten waren ungünstig genug, denn abgesehen davon, dafs er allen Kurfürsten viel zu mächtig war, waren die geistlichen überdies noch dem Hause L o s e r t h , iJoschichte des späteren Mittelalters.

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Die Wahl Adolfs von Nassau.

Habsburg wenig geneigt oder geradezu feindselig gesinnt. Es waren sonach schlechte Aussichten, als der Hoftag, den Rudolf für die Durchführung seiner Absichten nach Frankfurt berief, am 20. Mai 1291 zusammentrat. Rudolfs Bemühungen für die Nachfolge seines Sohnes waren in der Tat vergeblich. Wenige Wochen später erkrankte er zu Germersheim. Im Vorgefühl seines nahen Todes zog er nach Speyer und starb dort am 15. Juli 1291. Seine Leiche wurde neben der des Staufers Philipp beigesetzt. § 43. Adolf Ton Nassau. Q u e l l e n s. §40. Dazu: Böhmer Regg. Stuttg. 1844. Constitutiones in MM. G. LL. n . Forma depositionis regia Adolfi. AÖG. II. Hirzelin, Über d. Schlacht bei Göllheim. 479. Böhmer FF. II. Emichonis Worm. De schismate regum Adolfi et Alberti. Forsch. XIII. S. auch Huber, öst. Gesch. II, 61. Zu d. § 40 angemerkten darstellenden Quellen s. Flores temporum. MM. G. SS. X X I V (Lorenz I, 62). Annale» Eistettenses s. § 44. Zur Gesch. Bonifaz' VIII. s. unten. H i l f s s c h r i f t e n . Die allgem. Werke von Lorenz, Kopp, Lindner, Huber, ATBmann-Viereck u. a. s. oben. Dazu: S c h l i e p h a k e , Gesch. v. Nassau. 1874—75. R o t h , G. d. röm. K. Adolf v. N. Wiesbaden 1879. W e g e 1 e , A. v. N. ADB. I. E n n e n , Die Wahl As. v. N. Köln 1866. O. L o r e n z , Über die Wahl As. v. N. Wien. SB. 1861. B u s s o n , Die Wahl As. v. X. Ebenda Bd. 114. L. S c h m i d t , Die Wahl des Grafen A. v. N. Wiesb. 1870. S c h e f f e r - B o i c h o r s t , Z. G. d. 12. u. 13. Jahrh. Berl. 1897. D o p s c h , Ein antihabsburg. Fürstenbund 1292. MJÖG. X X I . — Die Kärnten-Krainerfrage wie oben. D r o y s e n , Albrechts Bemühungen um die Nachfolge im Reich. Leipzig 1862. S c h m i d t , Der Kampf um das Reich zw. dem röm. K. Ad. u. Herzog Albrecht. Tübingen 1858. M a t z , De causis belli inter Ad. etc. Diss. 1878. P r e g e r , Albrecht v. Österr. u. Adolf v. N. Leipzig 1869. B e r g e n g r ü n , Die pol. Bez. Deutschlands zu Frankreich unter Adolf v. N. Strafsb. 1884. P i e p a p e u. F u n k - B r e n t a n o , wie oben. O t t o , Die Absetzung Adolfs von N. u. die röm. Kurie. H. Vierteljahresschr. 1899. S u s s a n n , A. v. N. u. Albr. v. Öst. vor Kenzingen. ZG. Freib. IX. D o m e i e r , Die Absetzung As. v. X. Berlin 1889. H e y m a c h , Gerhard v. Eppenstein. Strafsb. 1880. W e g e l e , Friedrich der Freidige. Nördl. 1870. L i p p e r t , Friedr. d. F. u. die Meinhardiner v. Tirol. MJÖG. XVII. M i c h e l s e n , Die Landgrafschaft Thüringen unter den Königen Adolf, Albrecht u. Heinrich VII. Jena 1860. W i n t e r , Strafsburgs Teilnahme an dem Kampf zwischen Adolf von Nassau u. Albrecht von Österreich. Forsch. X I X , 521 ff. O t t o , Zu den Urkk. über die Absetzung Adolfs von Nassau. DZG. XU, 507.

1. Trotz des Mifserfolges am letzten Reichstag in Frankfurt gab Herzog Albrecht, der soeben noch einen Aufstand des steirischen Adels niedergeworfen und sich ungeachtet seines Sieges als milder Herrscher bewährt hatte, den Versuch nicht auf, in den Besitz des Königtums zu gelangen. Von den geistlichen Kurfürsten war ihm nur Köln feindlich gesinnt, Trier neutral, und mit Mainz wurde verhandelt. Pfalzgraf Ludwig war eifrig für ihn tätig. Von den übrigen Kurfürsten trat ihm König Wenzel entgegen, der schon unter der letzten Regierung an der Erneuerung der böhmischen Grofsmachtstellung gearbeitet hatte. Er war es, der Albrechts Wahl vereitelte, Sachsen und Brandenburg an sich zog, den geistlichen Wählern freilich die Wahl eines Kandidaten überlassen mufste. Als Albrecht sich aufmachte, um in die Nähe der Wahlstätte zu gelangen, war dieser schon gefunden. In der Worringer Schlacht hatte sich A d o l f von N a s s a u als Verbündeter Kölns

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Die Politik König Adolfs.

durch stürmische Tapferkeit hervorgetan. Nun empfahl Siegfried von Köln den früheren Kampfgenossen, dessen mäfsiger Besitz dafür bürgte, dafs er ein gefügiges Werkzeug in der Hand der Kurfürsten sein würde, und der ihnen aufserdem die ungemessensten Zusagen machte; so erhielt Mainz das Recht, den Reichsvizekanzler zu ernennen, und damit leitenden Einflufs auf die Reichspolitik, Köln den Ersatz dessen, was es bei Worringen verloren. Waren Triers Ansprüche geringer, so durfte Böhmen dagegen auf die Unterstützung seiner Revindikationspläne hoffen. Es bildete sich ein förmlicher Fürstenbund, um den Habsburgern Osterreich, Meinhard Kärnten zu entreifsen. Eine Familienverbindung der Häuser Nassau und Böhmen wurde festgesetzt, diesem das Pleifsner Land als Pfand, die Berücksichtigung seiner Ansprüche auf Eger und die Besetzung von Meifsen zugesagt. Leicht wurden Sachsen und Brandenburg gewonnen, und endlich gab auch Pfalz seinen Widerspruch auf. Nachdem alles geordnet war, vollzog der Erzbischof Gerhard von Mainz im Namen aller die Kur (1292, 5. Mai). Am 24. Juni erfolgte in Aachen die Krönung. Bei der Vakanz des päpstlichen Stuhles wurde die übliche Wahlanzeige nach Rom unterlassen. König A d o l f (1292—1298) war ein Mann von ritterlichem Sinn und erprobter Tapferkeit, dabei ein Freund des Friedens und der Gerechtigkeit, bei allen diesen Vorzügen aber seiner Aufgabe nicht gewachsen. Wenn er sich ihr dennoch unterzog, geschah es in der Hoffnung, für sein Haus in ähnlicher Weise wie sein Vorgänger wirken zu können. 2. Bald zeigte es sich, dafs Adolf seine Zusagen nicht erfüllen konnte, sich auch dem Willen der Kurfürsten nicht vollständig unterordnen wollte. Daher suchte er ihre natürlichen Gegner, die kleineren Fürsten und Herren am Rhein, in Franken und Schwaben, an sich zu ziehen, hielt sich an Kölns alte Feinde und ernannte den Herzog Johann von Brabant zum Schützer des für zehn Jahre erneuerten Landfriedens für das nordwestliche Deutschland. Herzog Albrecht konnte bei der schwierigen Lage seiner eigenen Untertanen und dem feindlichen Verhalten seiner Nachbarn gegenüber an einen Widerstand gegen den König nicht denken; daher leistete er die Huldigung und empfing die Belehnung mit seinen Herzogtümern. Jetzt erst war er gegen etwaige Ansprüche Böhmens gesichert. Dagegen gelang es Adolf, einen Teil des habsburgischen Anhangs im Elsafs und in Schwaben auf seine Seite zu ziehen. Ein grofser Erfolg war es, als sich Rudolf von der Pfalz trotz seiner habsburgischen Herkunft — er war ein Enkel Rudolfs von Habsburg und nach diesem genannt — ihm zuwandte und seine Tochter Mechthild zur Ehe nahm. Sein Königtum war jetzt so weit erstarkt, dafs er an die Vergrößerung seiner Hausmacht denken konnte. Er griff auf die Pläne seines Vorgängers zurück. Wenige Wochen vor diesem war Markgraf Friedrich Tuto von Meifsen, ohne Söhne zu hinterlassen, gestorben, und sein Besitz, der nach strengem Lehensrecht dem Reiche heimgefallen war, von den Söhnen Albrechts des Entarteten von Thüringen, F r i e d r i c h u n d D i e z m a n n , besetzt worden. Adolf zog nicht nur Meifsen und das Osterland als erledigtes Reichslehen ein, sondern kaufte von 13*

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König Adolf und die Kurfürsten.

Albrecht, der mit seinen Söhnen zerfallen war, auch noch Thüringen. Zwar schlofs der Landgraf bald nachher einen Vertrag mit Diezmann, in welchem er diesem gegen eine Geldentschädigung das thüringische Erbe in Aussicht stellte, aber Adolf, entschlossen, seine Absichten durchzuführen, erklärte Friedrich und Diezmann in die Acht und begann gegen sie den Krieg. Die Mittel hiezu boten ihm englische Hilfsgelder. Seit dem Frühjahre 1294 lag Eduard I. mit Philipp IV. von Frankreich in Streit. Brabant, Holland, Köln und andere deutsche Territorien hielten alter Überlieferung gemäfs zu England. Auch Adolf schlofs ein Bündnis mit Eduard I. und erklärte (1294, 31. August) an Frankreich den Krieg, »weil Philipp und dessen Vorgänger dem Reiche Güter und Besitzungen, Rechte, Gerichtsbarkeiten und Landstrecken abgenommen hätten.« Im März 1295 versammelte er einen Reichstag in Frankfurt, um den Krieg vorzubereiten. In der Zwischenzeit hielt er einen Hoftag zu Mülhausen und ordnete die Verhältnisse Thüringens. Dann zog er nach Meifsen. Aber auch Frankreich fand in Deutschland Bundesgenossen an Luxemburg, den Herren der Dauphin^e, dem Pfalzgrafen von Burgund, vor allem an Osterreich. Noch gelang es Bonifaz VIII., der mittlerweile (1294, 24. Dezember) den päpstlichen Stuhl bestiegen hatte, den Krieg zu verhindern. So konnte Adolf seine Streitkräfte gegen Meifsen verwenden. Im August 1295 erfolgte der zweite Einbruch in Thüringen. Freiburg wurde erobert (1296, Januar) und Graf Heinrich von Nassau als Reichsstatthalter in Meifsen und Osterland eingesetzt. Auch in Thüringen trat Adolf als Herr und Mitregent auf. Er stand nun auf der Höhe seiner Erfolge. Nochmals zog er gegen den Westen, aber die Rücksicht auf den Papst und auf Österreich hielt ihn vom Krieg gegen Frankreich zurück. Und doch hätte er jetzt mehr Grund hiezu gehabt als früher; denn der Pfalzgraf Otto von Burgund hatte seine Tochter mit einem Sohne Philipps verlobt und ihr als Mitgift die Freigrafschaft, ein Lehen des Reiches, zugesagt. Wohl liefs Adolf den Pfalzgrafen seines Landes verlustig erklären, tat aber nichts, um den Rechtsspruch durchzuführen, wogegen sich Philipp in den Besitz der Freigrafschaft setzte. Erst im Frühjahr 1297 sollte der Krieg gegen Frankreich wieder aufgenommen werden. 3. Inzwischen hatten sich Adolfs freundschaftliche Beziehungen zu den Kurfürsten völlig gelöst. Mainz fand sich in Thüringen bedroht, Böhmen in seinen Ansprüchen auf Meifsen betrogen. Das verwandtschaftliche Band der Häuser von Nassau und Böhmen rifs der Tod der böhmischen Prinzessin Agnes entzwei. In den Kurfürsten reifte der Plan, den König, der ihnen zu mächtig und zu selbständig geworden war, zu stürzen. Während der Papst mit Rücksicht auf Sizilien und das englisch - französische Zerwürfnis (s. unten) nichts tat, um die Bewegung aufzuhalten, fanden die Kurfürsten einen Teilnehmer an Herzog Albrecht von Österreich. Bei dem glänzenden Krönungsfeste, das Wenzel (1297, 2. Juni) in Prag feierte, wurde die Neuwahl erörtert und auf einer Fürstenversammlung in Wien (1298, Februar) der Krieg gegen Adolf beschlossen. Mit einer kleinen Schar, unterstützt von Böhmen

Scine Absetzung und sein Ende.

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und Ungarn, zog Albrecht aus. Verhandlungen und Geld verschafften ihm den Durchzug durch Nieder- und Oberbayern, dessen Fürsten Anhänger Adolfs waren. In der zweiten Hälfte des März zog er über den Lech. Adolf eilte herzu, um ihm den Weg nach Frankfurt, wohin der Erzbischof von Mainz für den 1. Mai einen Tag angesetzt hatte, zu verlegen. 'Albrecht wich einem Kampfe aus und zog statt nach Ulm, wo Adolf stand, nach Waldshut am Rhein und von dort nach dem befreundeten Strafsburg. Da der Tag zu Frankfurt nicht stattfinden konnte, wurde ein zweiter auf den 15. Juni nach Mainz angesetzt. Dort eröffneten die Kurfürsten am 23. Juni den Prozefs gegen Adolf, erklärten ihn für abgesetzt und wählten den Herzog Albrecht zum römischen König. Dessen Lage war liiedurch gründlich geändert: er stand nicht mehr wie ein Untertan seinem Herrn, sondern wie ein erwählter König dem abgesetzten gegenüber. Adolf, nicht gesonnen, seine Krone um leichten Preis dahinzugehen, war von Speyer über Worms gegen Mainz seinem Gegner nachgezogen; er verschmähte es, Verstärkungen aus den benachbarten Städten abzuwarten. Albrecht selbst führte am 2. Juli 1298 in dem vom Hasenbach durchflossenen Tal von G ö l l h e i m die Entscheidung herbei. Adolf fiel in tapferem Kampfe. Sein Tod entschied die Schlacht. Die bayrischen Herzoge Rudolf und Otto, die auf seiner Seite gekämpft hatten, traten den Rückzug an. Unter den Gefangenen befand sich Adolfs Sohn Ruprecht. Adolfs Leiche wurde in dem südlich vom Schlachtfeld gelegenen Kloster Rosenthal beigesetzt. In Österreich und Thüringen freute man sich über seinen Sturz, in anderen Kreisen regte sich tiefes Mitgefühl; vor allem trauerten die Städte, die an ihm einen zwar nicht städtefreundlichen, doch gerechten und ritterlichen König verloren. Alb recht selbst gab noch in seinen Siegesberichten seinem Gegner den Preis der Tapferkeit. § 44. Albrecht I. (Die Befestigung seiner Macht.) Q u e l l e n H. § 40 u. 43. Dazu: Albertus rex Constitutiones. MM. Germ. LL. II, 466—469. P a c t u m Philippi regis cum Alberto a. 1299, ib. 972. S. auch NA. XXIII. Annal. Eisten. Henricu« de Rebdorf, Chronica bis 1362, ed. Böhmer F F . IV. ( S c h u l t e , Die sog. Chronik d. H. v. R. Münster 1879.) D. Formelbücherlit. s. § 40 unter Redlich; für Albrecht I. in AÖG. II u. MJÖG. II. Die Päpste Bonifaz VIII und Benedikt X I . s. unten. H i l f s s c h r i t t e n. Ol e n S c h l a g e r , Erläuterte Staatsgeschichte des röm. Kaisertums in der ersten Hälfte des 14. Jahrh. Frankf. 1755. Kopp, Lorenz, Lindner, Afsmann-Viereck, die allg. Werke über österr. Gesch. wie oben. H u b e r , Die Zeit der ersten Habsburger. Wien 1866. W e g e I e , Albrecht I. ADB. I. M ü c k e , Albrecht I. Gotha 1866. D o o r n i c k , De Alberto duce 1862. L i p p e r t , W e g e l e , D r o y s e n u. a., Spczialschriften wie oben § 40, 43. Horzberg-Fränkel, wie § 42. W a n k a v. R o d l o w , Beiträge zur Beurteilung der Zollpolitik K. Albrechts. Progr. Weinberge 1902' (im Anschlufs an S c h u l t e , Gesch. des rna. Handels u. Verkehrs zwischen West, deutschland u. Italien mit Ausschlufs von Venedig I. Leipz. 1900). Henneberg Die polit. Beziehungen zwischen Deutschland u. Frankreich unter Albrecht I. 1891. B o u t a r i c , La France sous Philippe le Bei s. unten. X i e m e i e r , Untersuchungen über die Beziehungen Albrechts I. zu Bonifaz VIII. Berlin 1900. H e n n e s, K. Albrechts Feldiug im Erzstift Mainz ZV. rhein. Gesch. Mainz I, 26.

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König Albrecht L und seine Reichspolitik.

1. A l b r e c h t (1298—1308) war an fünzig Jahre alt, als er den Thron bestieg. Soeben hatte er sich noch als tüchtigen Herrführer erprobt. Aber er war auch ein ausgezeichneter Staatsmann, dessen Pläne klar und zielbewufst nur auf das Erreichbare gerichtet waren. Da er das Gefährliche der Art, wie er zur Herrschaft gelangt war, erkannte: durch Absetzung des rechtmäfsigen Herrschers und offenen Kampf gegen den König, über dessen Leiche hinweg er sich seinen Weg gebahnt hatte, legte er seine Würde in die Hände seiner Wähler zurück und unterzog sich einer förmlichen Neuwahl (1298, 27. Juli). Am 24. August empfing er zu Aachen die Krone. Gleich nach der Wahl sandten die Kurfürsten die Anzeige davon an die Kurie und baten, den Gewählten zum Empfang der Kaiserkrone zu berufen. Auch Albrecht hatte den Kurfürsten grofse Zugeständnisse machen müssen. Auf dem Hoftag zu Nürnberg verlieh er — auch das war ein Zugeständnis an die Kurfürsten — seine Herzogtümer an seine Söhne, zwar zu ungeteilter Hand, doch so, dafs sein Erstgeborner, Rudolf, allein die Regierung führte. Er erneuerte den Landfrieden seiner Vorgänger, nicht ohne einige Bestimmungen anzufügen, die, wie die Beschränkung der Aufnahme von Bürgern, den Städten zum Schaden gereichten, und andere, die ihre Spitze gegen die Landesfürsten richteten, so, wenn er, die Revindikation des Reichsgutes fortsetzend, unter diesem Titel die Beseitigung aller seit Friedrichs II. Tode eingeführten widerrechtlichen Zölle begehrte. Seine Reichspolitik trägt überhaupt einen schärferen Zug als die seiner Vorgänger, wie er denn auch eine Anlehnung an die durch die Fürstenmacht in ihrer Entwicklung gehemmten Städte suchte, ihren Handel sicherte, ihre Belastung mit neuen Zöllen verhinderte und in der Frage der Besteuerung kirchlicher Güter auf ihre Seite trat. Folgte er gegen Meifsen und Thüringen der Politik seines Vorgängers, so schlofs er sich in der äufseren Politik an Frankreich an. Bei einer Zusammenkunft zu Quatrevaux (bei Toul) am 8. Dezember 1299 wurden die Verhandlungen über den Abschlufs eines Friedens- und Freundschaftsbündnisses zu Ende geführt. Die Gemeinsamkeit der Interessen führte die Könige beider Länder zusammen. Suchte Philipp Albrechts Unterstützung in seinem Streit mit Bonifaz VIII., so gewann Albrecht die Neutralität Frankreichs in seinem Streit mit den Kurfürsten, der nach dem Bericht einzelner Quellen hier seinen Anfang nahm und in seinem Plane, die Krone des Reiches in seinem Hause erblich zu machen, seinen Ursprung hatte. Die Kurfürsten lehnten es ab, hiebei mitzuwirken. Bei Albrechts Beziehungen zu Frankreich konnte nun freilich auch die burgundische Frage nicht mehr in einer Deutschland entsprechenden Weise gelöst werden. 2. Am 29. Oktober 1299 war Graf Johann von Holland, ein Enkel König Wilhelms, gestorben, ohne Leibeserben zu hinterlassen. Holland, Seeland und Friesland fielen nun als erledigte Reichslehen heim. Aber Johann von Avesnes, Graf von Hennegau, der Sohn von Wilhelms Schwester Adelheid, besetzte sie. Da er sich weigerte, von seinen Ansprüchen abzustehen, wurden die Länder dem König und dem Reiche zugesprochen, er selbst in die Acht erklärt. Albrecht unternahm

Albrecht I. und die Kurfürsten.

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eine Heerfahrt nach Holland. Während des Kriegszuges schlössen die rheinischen Kurfürsten (1300, 14. Oktober) ein Bündnis gegen ihn, erhoben jejzt erst Klage wegen des an König Adolf begangenen Mordes und zogen den Papst auf ihre Seite. War Bonifaz VIII. noch am 13. Mai 1300 gegen die Abtretung Toskanas geneigt, Albrecht als König anzuerkennen, so trat er nun gegen ihn und das »Viperngeschlecht« der Staufer, dem Albrechts Gemahlin entstammte, auf. Schroff betont er des Papsttums Ansprüche auf die Prüfung der deutschen Königswahl1), lud den König vor seinen Richterstuhl, um seine Unschuld an Adolfs Tod zu erweisen und verbot den Fürsten, ihn als König anzuerkennen. Aber Albrecht gewann die kräftige Unterstützung der Bürger und der auf die Fürstenmacht eifersüchtigen Grofsen, berief Abgeordnete der Städte zu sich und versprach, ihren Klagen über die drückenden Rheinzölle abzuhelfen. Da sich die Kurfürsten weigerten, vor seinem Richterstuhl zu erscheinen, forderte er im Sinne des Nürnberger Beschlusses die Beseitigung aller seit Friedrich II. aufgerichteten widerrechtlichen Zölle und Abgaben und begann den Kampf. Zuerst wurde der Pfalzgraf, dann die geistlichen Kurfürsten unterworfen. Sie mufsten alle vom Reiche gewonnenen Güter herausgeben, auf alle Zölle verzichten und einzelne Burgen brechen. Seine Zollpolitik kam freilich zunächst nur seiner Hausmacht zugute, denn jetzt beherrschte er die obere und mittlere Rheinstrafse, während er bereits die Erwerbung von Holland ins Auge fafste. Mächtiger als irgend einer seiner unmittelbaren Vorgänger, nahm er den Plan der Erblichkeit der Krone wieder auf. Er hoffte, ihn mit Hilfe des Papstes, der seiner im Kampf gegen Frankreich bedurfte, zu verwirklichen. Bonifaz VIII. bot denn auch selbst die Hand zum Frieden und erkannte Albrecht (1303, 30. April) als König an. Zwar gebraucht er dem deutschen König gegenüber noch hochtrabende Worte2), auch nimmt sich der Ton, den dieser in seinem Fidelitätsbrief (1303, 17. Juli) anschlägt, kläglich genug aus. Albrecht scheint indes solche Zugeständnisse nur gemacht zu haben, um die Erblichkeit der Krone durchzusetzen.8) Denn wenn, wie der König anerkennt, der Papst das Recht der Kurfürsten, den König zu wählen, geschaffen hat, so kann er es ihnen auch wieder entziehen. Diese Pläne wurden freilich durch dea bald hierauf erfolgten Tod des Papstes vereitelt.

§ 45. Der Ausgang: der nationalen Dynastien in Ungarn und Böhmen und das Ende Albrechts I. Q u e l l e n zur böhm. Gesch. s. § 30. Zur ungar. s. oben § 24 und unten § 88. Die polnischen Quellen finden sich zumeist in den MM. Pol. histórica, die beiden ersten Bände von Bielowski, das folgende v. d. Krak. Ak. herausgegeben. Für diese ') Nos ad quos ius et auctoritas examinandi personam in regem Romanorum electam . . . et reprobatio pertinere noscuntur . . . ') Tu non iudicium sed misericordiam humiliter implorasti. Dazu die Zweilichtertheorie : fecit Deus duo luminaria. . . . s ) Matth, v. Neuenbürg, cap. 34; nisi sibi et heredibus suis regnum et Imperium confirmaretur per sedem.

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Die böhmische GroEsmacht unter Wenzel II.

Zeit: Vinc. Kadlubek, Chronicae Polonorum bis 1203. Bielowski, MM. Pol. hist. II, 249—477. Auszüge, MM. Germ. hist. SS. XXLX, 477. Chronicae Polonorum, der sog. Martinus Gallus (aber nur für die älteste Zeit). MM. G. hist. SS. 423—478 Chron. Polono-Siles. ib. XIX, X X I X . Baszko, Chron. Pol. bis 1272, Bielowski II, 467—470. H i l f s s c h r i f t e n : Zu den in § 24, 30 u. 44 erwähnten; F i e d l e r , Böhmens Herrschaft in Polen. AÖG. XIV. u. K r o n e s , Der Thronkampf der Pfemysliden und Anjous. Z. f. d. öst. Gymn. XTV. R o e p e l l - C a r o , Gesch. PolensI.,II. H o v e d i s s e n , K. Albrechts Verhältnis zu Böhmen. Nordhausen 1892. J. H e i d e m a n n , Peter von Aspelt. H e i d e m a n n , Heinrich v. Kärnten als K v. Böhmen. Forsch. IX, 471. Zur Gesch. u. Pol. Peter Aspelts, ebenda 259 ff.

1. Da die böhmische Politik den Wiedererwerb der österreichischen Alpenländer nicht durchzusetzen vermochte, wandte sie sich gegen Polen. Hier hatte die altslawischer Sitte entsprechende Teilung des Reiches unter die vier älteren Söhne Boleslaws III. (f 1139), nach welcher zunächst vier polnische Staaten: Krakau-Schlesien, Masovien-Kujavien, GnesenPommern und Sandomir, entstanden, verhängnisvolle Wirkungen, die noch durch die Bestimmung erhöht wurden, dafs immer der Alteste im Hause der Piasten mit dem Besitz von Krakau eine höhere Gewalt über die andern ausüben und dadurch die Einheit des Reiches sichern sollte; denn nun kamen zu den Kämpfen um einzelne Länder noch die um das Seniorat hinzu. Sie dauerten über ein Jahrhundert und haben die Einheit des Reiches völlig aufgelöst. Unter diesen Kämpfen wurde 1163 Schlesien abgetrennt, ohne dafs schon jetzt die Oberhoheit des Krakauer Grofsfürsten aufhörte; ebenso gingen Pommern bis auf Pommerellen und das jüngst erst gewonnene Fürstentum Halitsch verloren, und Masovien war aufserstande, sich der Angriffe der Preufsen zu erwehren. Als die Verwirrung bereits einen hohen Grad erreicht hatte, wurden Versuche gemacht, die nationale Einheit neu zu begründen. Als Herzog Heinrich Leszek von Krakau und Sandomir, ohne Kinder zu hinterlassen, starb, stritten Przemyslaw von Grofspolen (Posen), dem Heinrich seinen Besitz vermacht hatte, und Wladislaw Lokietek (d. h. der Ellenlange, der Zwerg) aus der kujavischen Linie um das Erbe. Eine dritte Partei, der Leszeks Witwe Griffina, eine Tante Wenzels II., angehörte, wandte sich an Böhmen. Schon 1289 liefs sich dieser von den Herzogen Schlesiens huldigen, und 1292 zog er selbst nach Krakau und erhielt die Huldigung des Landes. Sandomir wurde genommen, und auch Wladislaw und sein Bruder mufsten Böhmens Oberhoheit anerkennen. Dessen Herrschaft reichte schon jetzt vom Bayrischen Wald bis an die Weichsel. 1296 starb Przemyslaw von Grofspolen, der kurz zuvor Pommerellen in Besitz genommen und mit Zustimmung des Papstes in Gnesen die Krönung zum König von Polen erhalten hatte, eines gewaltsamen Todes. Da er nur eine minderjährige Tochter Richsa hinterliefs, stritten Lokietek, die Herzoge von Kujavien-Leslau und von Glogau um das Land, bis es der Adel zugleich mit der Hand der Prinzessin Richsa dem Könige Wenzel II. antrug. Wenzel nahm die Krone an, und König Albrecht, dessen Einwilligung er nachsuchte, gab sie unter der Bedingung der Anerkennung der deutschen Lehenshoheit. Im Sommer 1300 zog Wenzel II. nach Polen und liefs sich in Gnesen zum Könige krönen.

Albrocht I. und Wenzel I I .

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2. Kaum hatte Wenzel II. seine Herrschaft in Polen begründet, so wurde ihm auch noch die Krone von Ungarn angetragen. Schon dem König Andreas III. war die Herrschaft durch das Haus Anjou bestritten worden, da Karl II. von Neapel die Schwester Ladislaus' IV. geheiratet hatte. Als nun am 14. Januar 1301 Andreas III., der letzte vom Mannesstamm der Arpaden, starb, mufste die Frage, ob die weiblichen Mitglieder des Arpadenhauses ein Erbrecht besäfsen oder der Thron durch freie Wahl besetzt würde, zur Entscheidung gelangen. Das nächste Recht hätte Elisabeth, die Tochter des letzten Königs, besessen, die einen hielten jedoch zu Karl Robert von Anjou, der an dem Papste eine Stütze hatte; aber eben weil Bonifaz V I I I . Ungarn als Eigentum des hl. Stuhles erklärte, über das er nach Gutdünken verfügen könne, trugen die andern die Krone erst den Herzogen von Niederbayern als Enkeln Belas IV., und als diese ablehnten, dem Könige Wenzel II. an, der durch seine Mutter gleichfalls mit dem Arpadenhause verwandt war. Wenzel nahm die Krone für seinen gleichnamigen Sohn an, und dieser wurde am 27. August 1301 in Stuhlweifsenburg gekrönt. Der Papst hielt jedoch an den Ansprüchen des Hauses Anjou fest und sprach das Reich Karl Robert zu (1303, 31. Mai). Auch König Albrecht, dem das Anwachsen Böhmens Besorgnisse einflöfste, trat gegen Wenzel auf und verlangte nicht blofs die Räumung Ungarns und Herausgabe Polens an Lokietek, sondern auch die Zurückgabe von Eger und Meifsen gegen Erstattung der Pfandsumme und den dem deutschen König gebührenden Zehent von den neu entdeckten Silbergruben von Kuttenberg. Es handelte sich um die Zertrümmerung der böhmisch-polnisch-ungarischen Grofsmacht und die Zurückführung Böhmens in seine alten Grenzen. Dagegen schlofs Wenzel ein Bündnis mit Frankreich. Zwar unternahm er einen Zug nach Ungarn, um den Thron seines Sohnes zu befestigen, mufste jedoch samt diesem den Rückzug antreten, um sein eigenes Reich vor den Angriffen Albrechts zu schützen. Dieser sprach über Wenzel die Reichsacht aus, aber der Feldzug, den er nach Böhmen unternahm, scheiterte an dem Widerstand Kuttenbergs; auch traten von den Fürsten des Reiches, denen das Wachstum von Habsburgs Macht bedenklich wurde, einzelne auf Wenzels Seite. Nach dessen Tode (1205, 21. Juni) schlofs Wenzel III. Frieden. Gegen den Verzicht auf Eger und Meifsen sollten ihm Polen und seine Erbländer mit vollem Herrscherrecht verbleiben. Seine Ansprüche auf Ungarn übertrug er an Otto von Bayern, der sich jedoch gegen Karl Robert nicht behaupten konnte. 3. Am 4. August 1306 wurde Wenzel III., der letzte vom Mannsstamm der Premysliden zu Olmütz ermordet. Die Union zwischen Polen und Böhmen war damit zerrissen. Während die böhmischen Stände ihr Wahlrecht betonten und sich Heinrich von Kärnten, dem Gemahl von Wenzels III. Schwester, zuneigten, erklärte Albrecht Böhmen als heimgefallenes Lehen des Reiches. Ein Feldzug, den er vom Westen, sein Sohn Rudolf vom Süden aus gegen Böhmen unternahm, bewog die böhmischen Grofsen, den Herzog Rudolf, der sich mit Wenzels II. Witwe vermählte, anzuerkennen. Rudolf und seine Brüder wurden mit

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Die Erwerbung Böhmens durch die Habsburger.

der Krone Böhmens belehnt. Nun war Albrechts Macht aufs höchste gestiegen. Von Seiten des Papsttums war nach dem Tode Bonifaz' VIII. kein Widerspruch zu erwarten, die alten Gegner im Reich gestürzt und Habsburg im Besitz der österreichischen Länder, der reichen Landschaften im südwestlichen Deutschland, Mährens, Böhmens, Meifsens, des Pleifsner- und Osterlandes. Im Besitze von Meifsen, nahm Albrecht die Ansprüche seines Vorgängers auf Thüringen wieder auf. Da wandte ihm das Glück den Rücken. Im Herbst 1306 zog er nach Osterland, der frühe Winter zwang ihn zum Rückzug, und sein Feldhauptmann erlitt im Mai 1307 eine Schlappe durch Friedrich den Freidigen und Diezmann, infolgedessen ein Teil der Meifsner Mark und des Pleifsnerlandes verloren ging. Wenige Monate später starb König Rudolf von Böhmen; die habsburgfeindliche Partei dieses Landes wählte nun Heinrich von Kärnten zum König. Nur in Mähren wurde Albrechts zweiter Sohn Friedrich anerkannt. Albrecht zog zwar noch 1307 nach Böhmen und liefs auch Kärnten angreifen, mufste aber im Oktober den Rückzug antreten, während Friedrich der Freidige fast die gesamte Wettinsche Erbschaft in Besitz nahm. Im Frühlinge 1308 traf Albrecht, der sich in der Schweiz aufhielt, grofse Zurüstungen für einen neuen Feldzug, da machte ein verbrecherisches Unternehmen seinen Plänen ein plötzliches Ende. In seiner Umgebung befand sich sein Neffe Johannes, der Sohn Herzog Rudolfs. Weder sein Vater noch auch Johannes hatten bisher eine Entschädigung für die 1283 festgesetzte Verzichtleistung auf die Mitregierung in Osterreich erhalten, und so lebten seines Vaters Anrechte auf Österreich wieder auf. Diese wurden von Albrecht nicht beachtet. Vielleicht erregten noch andere Motive den Groll gegen diesen, so z. B., dafs er, wiewohl ein Enkel Ottokars, bei der Verleihung Böhmens nicht berücksichtigt wurde. Der ihm gewährte Anteil an der Verwaltung des habsburgischen Besitzes in Schwaben war ihm kein genügender Ersatz, und so bildete sich eine Verschwörung, an der aufser ihm noch einige unzufriedene Adelige aus den österreichischen Vorlanden, Rudolf von Wart, Rudolf von Balm und Walter von Eschenbach, teilnahmen. Sie durften erwarten, zu hohen Ehren zu kommen, wenn Herzog Johann an der Macht sei, und wufsten, dafs Albrecht unter den Kurfürsten verhafst war. Wurde doch der Erzbischof von Mainz geradezu beschuldigt, zum Mord gehetzt zu haben. Die Verschworenen überfielen den König, als er am 1. Mai 1308 seiner Gemahlin von Baden aus gegen Bruck entgegenritt, Johannes stiefs ihm einen Dolch in die Brust, worauf Wart ihn noch mit dem Schwerte durchbohrte und Balm ihm den Schädel spaltete. Im Angesichte der Habsburg hauchte der König seine Seele aus. Er fiel mitten in seinem Werke der Konsolidierung der Zentralgewalt und der Unterordnung der Fürsten unter das Reich, für das er mehr als seine Vorgänger gearbeitet hatte. Seine Söhne mufsten alsbald die auf Habsburgs Gröfse gerichtete weitausschauende Politik Albrechts aufgeben und schlössen gegen eine Geldentschädigung Frieden mit Heinrich, dem nunmehrigen König von Böhmen. Im nächsten Jahre begann die Verfolgung der Königsmörder. Nur Rudolf von Wart wurde

Die Ermordung Albrechts.

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gefangen und an der Stätte des Mordes aufs Rad geflochten. Balm hielt sich in einem Kloster zu Basel verborgen, und Eschenbach lebte noch 35 Jahre als Viehhirt in Württemberg. Herzog Johann pilgerte zum Papste. Dieser wies seine Bitte um Gnade zurück, denn sein Vergehen sei nach weltlichem Rechte zu strafen. Als Heinrich VII. 1312 in Pisa weilte, warf sich der reuige Verbrecher ihm zu Füfsen. Heinrich verzieh ihm, hielt ihn aber in Gefangenschaft, in der er am 13. Dezember 1313 starb.

2. Kapitel.

Der Beginn der Opposition gegen die weltliche Oberherrschaft des Papsttums. § 46. Die Sizilianische Vesper1) und das Ende Karls von Anjou. Q u e l l e n , s. Capasso S. 120; ob. § 3 1 , 32. Giudice (Giov. del), Codice diplomatico di Carlo I. et II. d'Angiò. Nap. 1863—1896. Ricordi e documenti del Vespro Sicil. Documenti inediti. Palermo 1882. Altre narrazioni del V. 8. Mil. 1887. G e s c h i c h t s c h r e i b e r . Annales Siculi bis 1282. MM. G. SS. XIX, 494. Cronica del ribellamentu di Sicilia contra Re Carlu 1282, ed. V. di Giovanni 1882. (Ander© Ausg. Potth. I, 230). Processo istorico della insurrezione etc. in Ricordi e documenti del Vespro Sicil. I, 1882. Adam de la Halle : C'est .du roi de Sezile in Buchon Coli. VII. 1828. Athanasius Acensis, De adventu Catanam regjs Jacobi narratio, ed. V. die Giovanni in Cronache Siciliane. Bologna 1865. Bartholomaus de Neocastro (Zeitgen. Gesandter Jakobs von Arag. bei Honor. IV.). Historia Sicula a morte Friderici II. (1250 bis 1294). Murât. XII, 1013—1096. Nikolaus Specialis, Historia Sicula a. a. 1282 bis 1337. Mur. X, 917—1092. Muntaner, En Ramon, Chronica o descripcio dels fets e hazanyes del inclyt rey Don Jaume, ed. Buchon Chroniques étrangères 1840. Deutsch v. Lang. Lit. Ver. Stuttgart 1844. Lit. bei Potth. I, 798. Marino Sanudo (Torsello), Storia di Carlo Angiò, ed. Hopf. Nap. 1862. Villani lib. VU. Erg. b. Molinier, IH, 165 fi. H i l f B s c h r i f t e n . P e d o n e - L a u r i e l , Bibliografia del 6. centenario del Vespro Siciliano. Palermo 1882 (H. auch JGW. V, II, 326). S a i n t P r i e s t , Histoire de la conquête de Naples par Ch. d'Anjou. Paris 1847—1849. A m a r i , La guerra del Vespro Siciliano, 9* ed. Milano 1886. Ricordi e documenti wie oben. M i n i e r i R i c c i o , Genealogia di Carlo I. d'Angiò. Naples 1857. Il regno di Carlo I. negli anni 1271 e 1272. Naples 1875 dal anno 1275 al 1285. Fior. 1875—81, 11 voli. Della dominazione Angioina . . . Naples 1876. Memoria della guerra di Sicilia 1282 bis 1284. Naples 1876. (Die anderen Schriften Minieri-Riccios s. bei Monod p. 202 il. Capasso wie oben.) O. Hartwig, Giovanni Villani und die Leggenda di Messer Gianni di Procida. HZ. XXV, 233. Dazu d. lehrreichen Besprechungen. HZ. LVI, 561. B u b c e m i , Vita di Giovanni da Procida. Pal. 1838. V. d i G i o v a n n i , Giovan da Procida e il ribellamento di Sicilia nel 1282. 1870. R e n z i , Il secolo XIH. e Giov. da Procida. Nap. 1860. R o s a , G. da Procida. Arch. stör. Ital. XVII. C a d i e r , Essai sur l'administration du royaume de Sicile sous Charles I e r et Charles II d'Anjou. Paris 1890. Von Wichtigkeit ist D u r r i e u , Les archives Angevines de Naples (2 Bde., 1265—1285). Paris 1887. Auch einzelnes v. Scaduto, Stato e Chiesa etc., Palermo 1897, gehört hieher. Gregorovius V. Reumont II. L e o , Gesch. d. ital. Staaten IV. ') Nach Amari stammt die Bezeichnung Sizil. Vesper erst aus dem Ende des 15. J a h r h . : Sulla orig. della denominazione >Vespro siciliano«. Palermo 1882. Der erste Autor, der das Wort in seinem heutigen Gebrauch anführt, ist Pandolfo Collenuccio, dessen Geschichte von Neapel 1539 gedruckt wurde. Es ist in der Zeit Karls VIII. entstanden, als man die Schmach der Invasion der Franzosen bitter empfand.

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Die Sizilinnische Vesper.

1. Das stetige Wachstum des französischen Einflusses in Italien ist durch die Verordnung Karls von Anjou vom Jahre 1277 bezeichnet, die bestimmt war, den Gebrauch der französischen Sprache unter die Gewohnheiten seines Reiches einzubürgern.1) Indem Martin IV. die von Nikolaus III. stark eingeschränkten Machtbefugnisse Karls wieder herstellte, konnte dieser die Pläne seiner" normannischen und staufischen Vorgänger auf Konstantinopel und den ganzen Orient wieder aufnehmen. Die Sizilianische Vesper bereitete ihnen indes ein unverhofftes Ende. Der Übermut französischer Emporkömmlinge und des mit den Gütern der Anhänger Manfreds ausgestatteten französischen Adels, die Verlegung der Residenz von Palermo nach dem aus politischen Motiven begünstigten Neapel, am meisten der harte, trotz der gegenseitigen Zusicherungen Karls noch vermehrte Steuerdruck und das ganze Regiment, welches das Nationalgefühl des Volkes beleidigte und dessen Wohlstand schädigte, erzeugte in allen Schichten der sizilischen Bevölkerung eine tiefe, von den Paläologen und dem Hause Aragon geschürte Bewegung, deren Seele Johann von Procida 2 ) wurde, ein Anhänger Manfreds, der, seiner Güter beraubt, am Hofe Pedros von Aragonien, des Schwiegersohnes Manfreds, eine Zufluchtsstätte gefunden hatte und die Vertreibung der Franzosen aus Sizilien zu seiner Lebensaufgabe machte. Von Pedro mit Geldmitteln versehen, wiegelte er Adel und Volk Siziliens auf, unterrichtete Michael Paläologus von den wider ihn gerichteten Plänen Karls und wufste auch Nikolaus III. für Aragons Rechte günstig zu stimmen. Auch nach dem Tode dieses Papstes setzte er seine Anstrengungen fort. Michael VIII. versprach reichliche Geldhilfe, doch steht Pedros Fahrt nach Afrika mit dem Ausbruch der Bewegung auf Sizilien in keinem inneren Zusammenhang. Zur Erhebung bedurfte es nur eines Anlasses. Dieser fand sich in Palermo. Als das Volk nach altem Brauch am Ostermontag 1282 nach S. Spirito zog, um dort der Vesperandacht beizuwohnen, griff einer der Franzosen unter dem Vorwand, nach verbotenen Waffen zu suchen, eine edle, von ihren Eltern und ihrem Bräutigam begleitete Jungfrau schamloser Weise an. Ein junger Mann rife ihm die Wehr von der Seite und durchbohrte ihn, die Frauen stoben auseinander, die Männer trieben die Franzosen mit Steinwürfen in die Stadt zurück und machten alle nieder, deren sie habhaft wurden. Rasch verbreitete sich der Aufstand über die Insel. Die Bewohner der meisten Städte pflanzten das Reichspanier auf, das noch aus der staufischen Zeit in guter Erinnerung stand, und errichteten republikanische Gemeinwesen. An die Stelle der angiovinischen Herrschaft sollte eine Föderativrepublik mit dem Vorort Palermo unter formeller Schutzherrschaft der Kirche treten. Bald schlofs sich auch der Adel an. Karl sandte die gegen Konstantinopel bestimmte Flotte vor Messina, wies aber Vermittlungsversuche der Messinesen zurück. Erst jetzt wandten sich die Sizilianer ') S. Durrieu, Not. sur les registres Angev. Fran«;. de Rome, Mil. I, 3. MJÖG. IV, 3 H. *) Der grofse Einflufs Procidas ist aber von Aman bestritten worden (JBG. 1882). S. auch Hartwig in d. HZ. XXV u. LV, 554.

Die Häuser Anjou und Aragonien.

Ende Karls von Anjou.

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an Pedro, der mit seiner Flotte am 30. August 1282 vor Trapani erschien und am 2. September in Palermo einzog, wo er zum König gekrönt wurde. Pedros Admiral Roger de Loria brachte der Flotte Karls vor Messina schwere Verluste bei, zog dann gegen Kalabrien und vernichtete 80 französische Schiffe. Für Konradins Hinrichtung mufste der bei Catona gefangene Neffe Karls, der Graf von Alencjon, büfsen, der vom Volke in Stücke gehauen wurde. 2. Bei der Unmöglichkeit, seinen Gegner in offenem Kampfe zu besiegen, forderte ihn Karl zum Zweikampfe heraus, der aber nach englischen Berichten vom Papste verboten wurde.1) Wiederholt sprach Martin IV. den Bann gegen Pedro aus, die Bewegung gegen die Franzosen ergriff aber bald ganz Italien. In Rom wurde die französische Besatzung niedergehauen, die senatorische Gewalt Karls für erloschen erklärt und ein Volksregiment eingesetzt (1284 Januar). Konrad von Antiochien, der dem Blutbad von Alba entronnen war, tauchte an der Spitze bewaffneter Scharen auf, um sich in den Besitz seiner Grafschaft Alba zu setzen. Es half wenig, dafs der Papst als Oberlehensherr Aragoniens dieses Reich dem König Pedro absprach und dem zweiten Sohne Philipps III. von Frankreich, Karl von Valois, zuwies. Aragonien schlofs sich nur um so eifriger an Pedro an. Allerdings hatte es sich nunmehr gegen zwei Feinde zu wehren. Den Kampf gegen Frankreich führte Pedro selbst, den wider Karl sein Admiral Roger de Loria, der bedeutendste Seeheld jener Zeit. Pedro sandte seine Gemahlin, Manfreds Tochter Konstanze, mit den Infanten Jayme und Friedrich nach Sizilien, wo sie als angestammte Herrin mit Jubel begrüfst wurde. Am 8. Juni 1283 schlug Loria die Provenpalen bei Malta und zwei Wochen später vor Neapel. Hier wurde Karls einziger Sohn, Karl von Salerno, gefangen und Manfreds Tochter Beatrix befreit. Die Sizilianer begehrten die Hinrichtung des gefangenen Prinzen als Rache für Konradins Tod, aber Konstanze2) schenkte dem Sohne ihres Todfeindes das Leben. Von Trübsinn heimgesucht, vielleicht auch von Gewissensqualen gefoltert starb Karl in Foggia (1285, 7. Januar). Seine Schöpfungen waren grofsenteils zusammengebrochen, sein Sohn in den Händen der Gegner. Die Verwaltung des Reiches übernahm zunächst Graf Robert von Artois. Im November 1285 starb auch Pedro. Sizilien erhielt sein zweiter Sohn Jayme, doch unter der Bedingung, dafs er in Aragonien nachfolgen sollte, falls sein älterer Bruder Alfons kinderlos stürbe. In diesem Fall sollte Sizilien an Pedros dritten Sohn Friedrich gelangen. Jayme wurde am 2. Februar 1286 in Palermo gekrönt. Trotz der kräftigen Unterstützung Anjous durch den Papst und Frankreich behaupteten die Sizilianer das Feld. Ihre Flotte gewann Erfolg auf Erfolg. Im Jahre 1286 landeten sie an der römischen Küste, nahmen Astura und hieben einen Sohn des Verräters an Konradin nieder. Zu gleicher Zeit errangen die Aragonesen auch im Westen Erfolge. Die ersten Friedensverhandlungen wurden von ') .Vach Muntaner stellte Pedro sich in der Tat in Bordeaux, aber sein Gegner erschien nicht. *) Sie starb 1300 in Barcelona.

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Das Papsttum unter Honorius IV. und Nikolaus IY.

England eingeleitet; doch erst 1288 kam ein Vergleich zustande, der Karl II. die Freiheit wiedergab; er hatte 100000 Mark an Aragonien zu zahlen und einen förmlichen allseitigen Frieden zustande zu bringen. Das gelang ihm aber nicht, denn weder der Papst noch Karl von Valois, der »König ohne Land«, wollten davon etwas wissen. Als Alfons III. von Aragonien starb, folgte ihm König Jayme von Sizilien. Dieser verzichtete wohl auf dem Kongrefs zu Tarascon auf Sizilien wie Karl von Valois auf Aragonien, aber die Sizilianer riefen nun Pedros dritten Sohn Friedrich III. (1296—1337) zum König aus. § 47. Boiiifaz YIII. und die Überspannung der päpstlichen Hachtansprüche. Q u e l l e n . S. d. Verz. in der EE. f. prot. Theol. III, 290. Dazu H. F i n k e , Aus den Tagen Bonifaz' YIII. Funde u. Forschungen. Münster i. W. 1902. Finke teilt an Quellen mit: 1. Bericht über das Pariser Nationalkonzil von 1290. 2. Bericht Aragonesischer Gesandten von der Kurie. 3. Zu den Anklagen gegen Bonifaz VIII. einen Traktat zu dessen Verteidigung. 4. Die dem Kardin. Joh. Monachus irrig zugeschriebene Glosse zur Bulle TJnam Sanctam. 5. Die Schriften Arnolds von Villanova. Die Register der Päpste Honorius IV., Nikolaus IV., Bonifaz VIII. und Benedikt XI. publ. in der Biblioth. des Ecoles de Rome et d'Athènes von Prou, Langlois, Digard, Faucon u. Thomas (noch nicht vollendet). Potth. u. Theiner wie oben. Die Biographien der gen. Päpste bei Murat. III, 2, 611 ff. Vita Honorii IV., 611—612, Nicolai IV, 612—613. Wichtig die Vita Coelestini Y. Opus metric. Jacobi Cardinalis 613—668. Vita s. Petri de Murrone auct. Petro de Alliaco. AA. SS. 19. Mai. Jacobus Oardinalis : De electione et coronatione Bonifacii VIII. papae libri duo, Muratori III, 2, 142. Acta inter Bonifacium VIII., Benedictum XI., d e m e n t e m V. et Philipp pulchrum. Paris 1614. Zwei Berichte über das Attentat von Anagni (Relationes de Bonifacio VIII papa capto et liberato). MM. Germ. SS. XXVIII, 622. Processus factus iussu D. d e mentia V. etc. Abh. d. bayr. Akad. d. W. Bd. III. Abt. 3.' (Denkschr. XVII. München 1843.) Vulgerius, Versus in Bonifacium VIII. Eccard, Corp. hist. med. aevi II, p. 1849—58. Chronica Urbevetana 1294—1304, ed. Himmelstein. München 1882. Ann. Eccl. v. Raynald wie oben. Die Denkschriften der Colonna gegen Bonifaz VIII. und der Kard. geg. d. Colonna v. Denifle. ALKG. V, 493. H i l f s s c h r i f t e n : S. Zöpffel-Hauck in d. RE., I. S. 292. Aufeer den all. Gesch. der Päpste u. G r e g o r o v i u s (wo das reiche Arch. d. Familie Gaetani ausgenützt ist) und Reumont II. vornehmlich: M a r i n i , Vita e miracoli di Pietro del Morone. Mailand 1640. S c h u l z , Peter von Murrhone als Papst Cölestin V. ZKG. XVII. u. Berl. Diss 1894. R o v i g l i o , La Rinuncià di Celestino V. Verona 1893. Celidonio, Vita di S. Pietro del Morrone, Celestino papa V. 1895. B a u m g a r t e n , Die Kardinalsernennungen Cölestins V. Festschrift z. 1100 jähr. Jub. d. deutsch. Campo Santo. S. auch S. Pierre Célestin in Annal. Boland. XVI u. jetzt vor allem H. Finke, wie oben. T o s t i , Storia di Bonif. VIII. 1846. D r u m a n n , Gesch. Bonif. YIII. Königsb. 1852. B a l a n , Il processo di Bon. VIII. Rom 1881. S o u c h o n , Die Papstwahlen von Bonifaz VIH. bis Urban VI. Braunschw. 1888. S ä g m ü l l e r , Tätigkeit u. Stellung d. Kardin. bis Bonifaz VIII. Th. Q.-Schr. 83. S. dazu W e n c k in den GGA. 1900, S. 139—175. C h a n t r e l , Bonif. VIII. Paris 1862. H e f e l e , Konziliengesch. VI. E h r l e , Die Spiritualen, ihr Verhältnis zum Franzisk.-Orden u. den Fraticellen. ALKG. I, 509 (p. 521. Die epist. excusat.), II, 106, (Über die Abd. Cölest. VIII., 525. aus Olivis Leben und Schriften).

1. Nach dem Tode Martins IV. wurde Jakob aus dem Hause Savelli gewählt, der in Erinnerung an den ersten Papst dieses Hauses den Namen H o n o r i u s IV. (1285—1287) annahm. Stand er als Römer

Cölestin V und Bonifaz VIII.

207

in seiner äufseren Politik freier da als sein Vorgänger, so hielt er doch an dem Hause Anjou ebenso fest wie N i k o l a u s IV. (1288—1292), der erste Minorit auf dem päpstlichen Stuhl. Vielfache Förderung durch das Haus Colonna belohnte er dadurch, dafs er ein Mitglied des Hauses zum Kardinal, ein anderes zum Rektor der Mark Ancona erhob. So stieg dieses seiner ghibellinischen Gesinnung wegen lange zurückgesetzte Geschlecht über die andern empor. Ein langer Kampf zwischen den Häusern Colonna und Orsini, der nach Nikolaus' Tode ausbrach, verursachte eine zweijährige Vakanz des päpstlichen Stuhles und hinderte die Kardinäle schliefslich auch, ihre Stimmen auf einen bedeutenden Mann zu vereinigen. Erst als Karl II. von Neapel drängte, da er zur Wiedergewinnung Siziliens päpstlicher Hilfe bedurfte, schritten die Kardinäle zur Wahl. Damals lebte in weltabgeschiedener Einsamkeit auf dem Berge Murrhone bei Sulmona in den Abruzzen ein Einsiedler namens Petrus, um den sich ein eigener Orden, die Murrhoniten, bildete und der schon früh Beziehungen zu den Spiritualen, einer Abzweigimg der strengeren Richtung der Franziskaner, hatte. In der Verlegenheit der Konklaves wurde sein Name genannt und der Aszet, der in feiten Kreisen als Heiliger galt1), gewählt. Er nannte sich C ö l e s t i n V. (5. Juli bis 13. Dezember 1294). Nur das inständigste Bitten seiner Mitbrüder bewog ihn, die Würde anzunehmen: ein Mann, dem die Welt mit ihren Bedürfnissen fremd und der kaum [des Lateinischen mächtig war; wenigstens mufsten die Kardinäle sich vor ihm des Italienischen bedienen. Karl II. bemächtigte sich seiner und beherrschte durch ihn die christliche Welt. Dem Wunsche Karls II. entsprechend, ernannte er zwölf angiovinisch gesinnte Kardinäle, und um dessen Befehlen auch ferner gefügig zu sein, wurde er nach Neapel geführt. Cölestin V. fühlte, dafs er seiner Stellung nicht gewachsen sei. Unter angstvollen Zweifeln rang er sich zum Entschlüsse durch, seiner Würde zu entsagen — etwas Unerhörtes in der Geschichte des Papsttums. Der Kardinal B e n e d i k t G a e t a n i verstand es, seine Zweifel zu lösen 2 ): er wies auf einen Präzedenzfall hin — auf die Abdankung Klemens' I. Cölestin tat die »feige Tat«, wie Dante sie nennt, und nun wurde Gaetani selbst in Castelnuovo bei Neapel zum Papste gewählt: es ist B o n i f a z VIII. (1294—1303). 2. Kein Gegensatz kann schroffer sein als der zwischen ihm und seinem Vorgänger. Dieser, der im Sinne des hl. Franziskus sein Armutsideal auf den Thron brachte, jener ein Papst, der im Geiste Gregors VII. und Innozenz' III., ja noch über beide hinaus, des Papsttums schrankenlose Herrschaft auch über alles Weltliche betonte. Beide mufsten an ihren Idealen scheitern, denn der Gedanke der absoluten Armut der Kirche war nur in einem kleinen Kreise von Aszeten lebendig und rief den Widerspruch der reich begüterten und die Welt beherrschenden ') Von seinen Wundern: Et vir Dei exutam cucullam ad solis vadium in aere sispendit non aliter quam suo imperio. Max. Bibl. Patr. X X V , 760. ') Was sich die Welt von dem betrügerischen Vorgehen Bonifaz' VIII. erzählte, nag man in den Königsaaler Geschichtsquellen S. 135 lesen.

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Bonifaz VIII. und das Haus Colonna.

Hierarchie wach, anderseits mufste auch Bonifaz VIII. die Erfahrung machen, dafs die Zeiten vorüber seien, in denen sich alle Staaten, auch in politischen Dingen, vor dem Papsttum beugten. Bonifaz VIII. entstammte einem alten, in Anagni ansässigen Rittergeschlechte, das wahrscheinlich langobardischen Ursprungs war. Um die Mitte der dreifsiger Jahre geboren, theologisch und juristisch geschult, hatte er sich in diplomatischen Geschäften erprobt. Eine imponierende Erscheinung, trug er oft genug einen Hochmut zur Schau, der ihm viele Feinde schuf. Als Papst suchte er zuerst die Bevormundung durch Karl II. abzuschütteln und seinen legitimen Einflufs auf Neapel zurückzugewinnen. Daher kehrte er' nach Rom zurück, aber nicht ohne sich seines Vorgängers versichert zu haben; denn leicht konnte sich dessen jemand bemächtigen und ihn auf den päpstlichen Stuhl zurückführen. Mit ungeheurem Pomp wurde nun Bonifaz VIII. in Rom gekrönt. Zwei Vasallenkönige, Karl II. von Sizilien und Karl Martell, hielten die Zügel des Zelters. Mittlerweile war Cölestin nach Murrhone entkommen. Dort fanden ihn Boten des Papstes. Er wurde nach einem Fluchtversuch zurück- und in das Kastell F u m o n e gebracht, wo er nach kurzer Zeit starb (1296, 19. März). Bonifaz VIII. suchte zunächst dem Hause Anjou Sizilien zurückzugewinnen , aber diese Versuche schlugen fehl (s. oben). Leichter erreichte er seine Absichten im übrigen Italien: in einzelnen Städten liefs er sich die oberste Magistratsgewalt übertragen, in Rom setzte er aus eigener Machtvollkommenheit Senatoren ein. Am meisten sorgte er für das Gedeihen seines Hauses, und bald erhob sich mit den Gaetani eine neue Adelsdynastie im Kirchenstaat, welche die anderen zu verdunkeln drohte, vor allem die der Colonna; mit diesen geriet der Papst in einen Streit, der die eigentliche Ursache seiner schweren Katastrophe geworden ist. Das Haus Colonna war durch einen Familienzwist zerfallen. Indem sich Bonifaz VIII. einmischte, verletzte er die Kardinäle Jakob und Petrus Colonna. Beide mifsbilligten den engen Anschlufs an Anjou und traten mit König Friedrich von Sizilien in Verbindung. Zudem waren einzelne Kardinäle mit den absolutistischen Neigungen des Papstes nicht einverstanden. Nun wurde betont, dafs Bonifaz nicht wahrer Papst sei, da er zu Lebzeiten Cölestins V. gewählt sei, ein Papst aber nicht abdanken dürfe. Da sich die Opposition um die Kardinäle Colonna scharte, verlangte Bonifaz die Aufnahme einer Besatzung in die ihnen gehörigen Burgen, vornehmlich in Palestrina, dem alten Präneste. Dies wurde verweigert. Als er auch noch von den Gerüchten über die Unrechtmäfsigkeit seiner Würde Kunde erhielt, lud er Peter Colonna vor, der aber mit seinem Oheim, dem Kardinal Jakob, entwich. Er entsetzte beide ihrer Würde, worauf sie in einem Manifest ihm ihre Anerkennung verweigerten und an ein allgemeines Konzil appellierten. Der Papst sprach den Bann über sie aus, liefs das Kreuz gegen sie predigen und ihre Burgen besetzen. Nur Palestrina hielt sich. Auch dieses gewann der Papst, indem er den Kardinälen Verzeihung zusicherte. ') Über sonstige Motive der Verfeindung H. Finke, S. 122.

Das Jubiläum von 1300.

Die Machtstellung Bonifaz' VIIL

209

Kaum war Palestrina in seinen Händen, so wurde es von Grund aus zerstört. Da die Colonna überdies nicht in ihre früheren Rechte und Besitzungen eingesetzt wurden, erhoben sie Klage, wurden nunmehr aber nochmals gebannt und geächtet und ihrer Güter beraubt. Sie fanden Hilfe bei befreundeten Ghibellinen und teils in Sizilien, teils in Frankreich Aufnahme. 3. Grofs waren die Erfolge des Jubiläums von 1300, von dessen aufserordentlicher Pracht alle Quellen Wunderdinge berichten. Ungeheure Geldsummen gingen ein. Einen Teil hievon verwendete Bonifaz VIII. zur Herstellung der Kirchen; das meiste dürfte seiner auswärtigen Politik, vorab dem Kampfe gegen Sizilien, zugute gekommen sein. Den Christenscharen, die nach Rom pilgerten, erschien er als der wahre Herrscher auf Erden: sie bewunderten hier den Glanz der päpstlichen Residenz und die Herrlichkeit des Gottesdienstes. Bonifaz selbst zeigte sich, wie erzählt wird, an einem Tage im Pontifikal-, am zweiten im kaiserlichen Schmuck, um seine geistliche u n d weltliche Herrschaft über alle Reiche anzudeuten. Nicht allen freilich war diese Erscheinung erwünscht.1) Dafs diese Ansprüche des Papstes nicht blofs theoretische waren, beweist sein Vorgehen im deutschen Thronstreit (§ 44), in den Kämpfen um die Nachfolge in Ungarn (§ 45), gegen Erich VIII. von Dänemark, den er im Streit mit dem Erzbischof von Lund (1302) zur Unterwerfung zwang, vor allem aber in der englisch-schottischen Streitfrage und in seinem Kampfe mit Philipp IV. von Frankreich.

§ 48. Eduard I. Der schottische Freiheitskampf und die Weiterbildung der englischen Verfassung. Q u e l l e n (auch für die Gesch. Eduards II.). S. G r o f s , S. 256. L i e b e r m a n n in DZG. IV, VIII. S t u b b s , Sei. Charter«. Oxf. 1890. U r k u n d e n u n d B r i e f e : R y m e r , w. oben. Calend. of the patent rolls . . . Edward I. AD. 1281—1307. Lond. 1893. Edward II., 1307—27, ib. 1894. Cal. of the close rolls Edward I, 1272—79, ib. 1900. Documents illustrating of Engl. hist, in the X I I I - X I V cent., ed. Cole, ib. 1844. Rotuli parliamentorum 6 voll. (1278—1503), s. Grofs 2010. Parliamentary writs, ed. Palgrave Lond. 1827—34. Records of the pari, at Westminster in 1305. RS. 98, 1893. Year-Books of the reign of king Edward I. Years XX—XXII, XXX—XXXV. RS. 1866—79, s. Grofs p. 353 Leu reports des cases (Edw. II jusqu'ii Henry VIII) 12 parts. Lond. 1678—80. Für die kirchl. Verhältnisse bieten aufser Wilkins II viel d. Registrum Dunelmense (1311—1374). RS. 1873. MalmesburienHe. RS. 72. Die Historians of the Church of York III. RS. 71. Das Reg. ep. Johann, de Peckham. RS. 77. Ramsay Cartulary ib. 79. Litt. Cantuar. RS. 85. The red book of the exequer. RS. 90. Rotuli Scotiae. Lond. 1814—19. 2 Bde. Doc. and records illustr. the hist, of Scotland etc., ed. Palgruve. Lond. 1837. Docum. illustr. of the hist, of Scotland 1286—1306, ed Stevenson. Ed. 1870. Instrumenta publica super fidelitatibus . . . Scotorum domino regi Angliae factis 1291—96 Ed. 1834. Diary of the exped. of Edward I into Scotl., ed. Tytler, ib. 1827. Scotland in 1298: doc. cd. Gough. Lond. 1898. Rotulus Walliae, ed. Thilipps ib. 1865. Calendar of doc. rclat. to Ireland 1171 — 1307, cd. Swcetmann and Handcock ibid. 1886. Historinl and munic. Documents of Ireland. RS. 1870. S. auch Itinerary of K. Edward 1272—1307, ed by Gough 1900. Calendarium genealogicum wie § 36. l

) Dante, Fegefeuer XVI, 106.

I . o s e r t h , Geschichte des späteren Mittelalters.

14

210

Die Anfänge Eduards I.

Ziele Beiner Politik.

G e s c h i c h t s c h r e i b e r . Annales monastici s. oben. Annales London. RS. 1882. Trevet, Ann. sex regum Angl, bis 1307, ed. Hog 1849. Rishanger, Lanercost, Hemmingburg, Floren Hist, wie oben. Chron. mon. de Melsa. RS. 1867. 2 Bde. Cotton, Hist. Angl, bis 1298. RS. 1859. Langtoft, The chronicle bis 1307. Rolls Ser. 1866—68. Annales regni Scotiae. Rolls Ser. Lond. 1863. Ann. Edward I., ebenda. Barbour, The book of Robert de Broyss, ed. Skeat, Edinb. 1894. Fordun, Chronica gentis Scotorum bis 1383, ed. Skene, Edinb. 1871. Commendatio lamentabilis in transitu magni regis Edwardi. Rolls series. Lond. 1883. Annales Paulini, Rolls Ser. Lond. 1882. Baker, Chronicon Galfridi le Baker de Swynebroke bis 1356. Oxf. 1889. Blaneford, Chronica. Rolls Ser. 1866. Gesta Edwardi de Canarvan auctore canon. Bidlingtoniensi. Rolls Series. Lond. 1883. Thomae Gray, Scalachronica. Edinb. 1836. J o h n of Trokelowe, Annales bis 1232. Rolls Ser. 1866 (nur für Ed. H.). Vita Edwardi H., ed. Stubbs. _ Rolls Ser. Lond. 1883. Thomas de la More, Vita et mors Edwardi regis Angtiae (1307—1327). Rolls Ser. Lond. 1883. Ann. Cambriae, Rolls Ser. Lond. 1860. Annais of Loch C6 I, n . Rolls Ser. 1871. Annals of Ireland, ib. 80. Für einzelnes auch Knigthon, Walsingham u. Higden, s. oben. Adae Murimuth, Cont. Chronicorum. Rolls Ser. 93. Auch Nikolaus von Harpesfield, Hist. Angl. Douai, 1632, hat mitunter Quellenwert. H i l f s s c h r i f t e n . P a u l i IV., G r e e n e , G n e i s t , S t u b b s , F r e e m a n n , Hist. Essays wie oben. — Dazu: B u r t o n , History of Scotland, 2 ed. Edinb. 1873. S e e l e y , The life and reign of Edward I. London 1872. T o u t , Edward I. Lond. 1893. B l a c k , Edward I and Gascony in 1300. EHR. XVII, 518. Robert the Bruce and the struggle for Scot, independence. N.York 1897. D i m i t r e s c o , Pierre de Gaveston. Paris 1898. D o d g e , Pierre Gaveston: a chapter to early constitutional history. Lond. 1899 (s. aber ß r o f s 2849). Doc. relat. of the death of Edw. II s. Gross 2852. L o s e r t h , Stud, zur engl. Kirchenpolitik. Wien. SB. CXXXVI. R i e f s , D. Ursprung d. engl. Unterhauses. HZ. LX, 1. M o r r i s , The walsh wars of Edw. I. Oxford 1901. B a i n , The Edwards in Scotland 1296—1377. Edinb. 1901.

1. Als Heinrich III. starb, befand sich sein ältester Sohn E d u a r d (1272—1307) auf der Rückkehr vom Kreuzzug. In Orvieto unterhandelte er mit Gregor X. über eine kräftige Unterstützung des hl. Landes. Er gehörte zu den letzten Fürsten, die sich noch für dessen Eroberung begeisterten. Auf der Heimreise setzte er sich mit Philipp III. über die Streitigkeiten zwischen Frankreich und England auseinander und sicherte seinen festlandischen Besitz. Am 19. August 1274 wurde er in Westminster gekrönt. Schon als Kronprinzen hatten ihn hohe Tugenden ausgezeichnet. Beim Ausbruch des Bürgerkrieges bemüht, seinen Vater zur Einhaltung der Oxforder Provisionen zu bewegen, trat er gleichwohl bei der Gefahr der Krone auf die Seite des Vaters. Simon von Montfort war sein Meister in der Kriegskunst, aber auch in jener Selbstbeherrschung, die ihm gestattete, seine Erfolge in mafsvoller Weise auszunützen. Man merkte sofort, dafs eine kräftige Hand das Staatsruder lenke. Um die Macht der Krone zu stärken, ward alles entfremdete Krongut vom Klerus und Adel zurückgenommen, das weitere Anwachsen des Besitzes der Toten Hand verboten und dadurch verhindert, dafs Lehensträger sich ihren Pflichten gegen König und Reich entzogen. Auflagen, Zehenten und freiwillige Gaben, die während der Wirren der letzten Regierung in Vergessenheit gekommen waren, wurden eingefordert, die Münze verbessert und jede Münzverschlechterung mit Landesverweisung bestraft. 2. Die äufsere Politik unter Eduard I., die kraftvollste seit Heinrich II., ist gekennzeichnet durch die Eroberung von Wales, die Erwerbung der

Die Eroberung von Wales.

Die Oberherrschaft über Schottland.

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Oberherrschaft über Schottland und die Kriege gegen Frankreich. Während der Regierung Heinrichs III. hatte Llevellyn II., der Fürst von Wales1), im Bunde mit Frankreich gegen England Erfolge errungen. Als er jetzt die Huldigung versagte, wurde er in die Acht erklärt und zur Unterwerfung gezwungen. Noch verblieb ihm Anglesea und ein Teil vom Fürstentum Wales. Als er vier Jahre später, von seinem Bruder David bewogen, den Krieg erneuerte, wurde er erschlagen, sein Bruder gefangen und vom Parlament zum Tode verurteilt. Die nachgeborene Tochter Llevellyns starb 1337 als Nonne. Das war der Ausgang des walisischen Fürstentums. Wales wurde in Grafschaften geteilt und Grafschaftsgerichte, Jury und Zivilverfahren der Engländer den heimischen Gebräuchen angepafst. Nur im Kriminalprozefs sollte ausschliefslich englisches Recht gelten. Um die Walliser für sich zu gewinnen, gab Eduard seinem Sohne, der in ihrem Lande geboren war (1284), den Titel eines Prinzen von Wales, der fortan dem jeweiligen Thronfolger verblieben ist. 3. Von besonderer Bedeutung war es, dafs Schottland lehenspflichtig wurde. Dieses Land bildete noch keine festgefügte Einheit. Es war eine lose Vereinigung mehrerer durch ihren Dialekt und ihre Geschichte von einander geschiedener Keltenstämme. In der Zeit König Knuts war das nördliche Northumbrien — Lothian — als Lehen an die schottischen Herrscher gekommen. Die Residenz wurde nach Edinburg verlegt und die Regierung nahm einen englischen Charakter an. Die alte schottische Clanverfassung konnte sich nur im Hochlande behaupten. Im Süden besafsen die Angelsachsen, später die Dänen allen Einflufs. Auf Man, den Hebriden, Orkaden und Shetlandsinseln gab es normannische Herrschaften. Die Beziehungen der schottischen Herrscher zu England waren je nach den Zeiten verschieden. Als Besitze^ englischer Kronlehen waren sie zur Huldigung und Heeresfolge verpflichtet. Das Haus Plantagenet wollte diese Lehenshoheit anfangs auch über das eigentliche Schottland ausdehnen, suchte aber später den Mittelpunkt seiner Politik auf dem Kontinent. Doch wurden Englands Ansprüche niemals ganz aufgegeben. Diese Verhältnisse wurden noch schwieriger, als die Königshäuser beider Länder durch Verwandtschaft miteinander verknüpft wurden. A l e x a n d e r III. (1249—1286) hatte eine Tochter Heinrichs III. geheiratet. Willig leistete er für seine englischen Lehen die Huldigung. Trotzdem Eduard I. sein Schwager war, ging seine Absicht dahin, das Verhältnis herzustellen, wie es unter Heinrich II. bestand: ganz Schottland unter die englische Lehenshoheit zu bringen. Für die Durchführung dieses Planes lagen die Dinge sehr günstig. Alexander III. hatte nur eine Enkelin Margareta, die Tochter König Erichs von Norwegen, hinterlassen. Sie sollte mit Eduards Sohn vermählt und demnach die Union beider Reiche vollzogen werden. Da Margareta aber schon 1290 starb und die direkte Nachkommenschaft der schottischen Könige erloschen war, nahm Eduard als Oberlehensherr das Recht in Anspruch, über die ') Die ältere Gesch. v. Wales s. (in kurzer Zusammenfassung) bei Green, 192 ff. 14*

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Eduards Erfolge in Schottland.

William Wallace.

Nachfolge zu entscheiden. Er legte dem Parlament in Norham (1291) eine Staatsschrift vor, die den Nachweis führte, dafs England seit Jahrhunderten die Oberherrschaft über Schottland besessen habe. Die beiden Thronbewerber Robert Bruce und John Baliol erkannten dies Recht an. Für Baliol, einen Urenkel des schottischen Königs David, sprachen sich die zu diesem Zwecke versammelten geistlichen und weltlichen Magnaten aus. Am 20. November 1292 schwur er dem König Englands den Treueid, zehn Tage später wurde er zu Scone auf dem alten Königstein 1 ) gekrönt. Schottland war nun ein Vasallenstaat Englands. Bisher war der schottische Herrscher niemals verpflichtet gewesen, den Versammlungen englischer Barone beizuwohnen, englische Kriegsdienste zu leisten und aufserordentliche Steuern zu zahlen; auch die kirchliche Unabhängigkeit Schottlands war anerkannt. Nun beriefen sich schottische Untertanen gegen die Entscheidung ihres Königs auf den obersten Lehensherrn. War Baliol geneigt, auch hierin nachzugeben, so zwang ihn die Stimmung seines Volkes zum Widerstand; die auswärtigen Verhältnisse kamen ihm hiebei zustatten. Als Eduard I. wegen des Besitzes von Guienne mit Frankreich in einen Krieg geriet (s. § 43), schlofs Baliol mit diesem ein Bündnis und suchte die Abhängigkeit von England abzuschütteln. Da er dem König Eduard die Heeresfolge verweigerte, zog dieser, während er sich in Südfrankreich in der Defensive hielt, gegen die Schotten und schlug sie bei D u n b a r (1296). Baliol selbst wurde gefangen und der Königstein nach der Westminsterabtei geführt. Schottland wurde jetzt englische Provinz und von einem englischen Statthalter nach englischer Art regiert. 4. So grofs die Erfolge der Engländer in Schottland waren, fast nicht minder bedeutend waren ihre Verluste in Frankreich, wo Philipp alles Land bis auf Bayonne und einzelne feste Plätze eroberte. Die Niederlagen Englands weckten die Hoffnung der Schotten, ihre Freiheit wiederzugewinnen. Es kam zu einer Erhebung, an deren Spitze sich der Ritter William Wallace, ein Mann von ebenso grofser Tapferkeit als Schlauheit 2 ), stellte. Im September 1297 gewann er bei S t i r l i n g am Förth einen glänzenden Sieg und trat nun in Baliols Namen an die Spitze des Landes. Eduard, der eben in Flandern weilte, befand sich in der bedenklichen Lage, einen Doppelkrieg zu führen, während in England selbst sich die Opposition gegen ihn regte. Da schlofs er mit Philipp IV., der sich eben zum Streit gegen Bonifaz VIII. rüstete, einen Vertrag, der ihm gestattete, auf dem schottischen Kriegsschauplatz zu erscheinen. Zuvor beschwichtigte er die englische Opposition. Da seine Kriege viel Geld kosteten, war er gezwungen, Jahr für Jahr die Beihilfe seiner Untertanen in Anspruch zu nehmen. Dabei ging es nicht ohne Gewalttätigkeiten ab. Der Adel mufste zu Felde ziehen oder das Schildgeld entrichten; vom Klerus wurden, ?da er nicht zu Felde ziehen könne;;, die stärksten Geldleistungen in Anspruch genommen. Auch der Bürger*) IJer hl. Stein, ein länglicher Block aus Kalkstein, der Legende nach der nämliche, auf dem Jakob lag, als die Engel auf- und niederstiegen. *) Die Berichte über seine riesenhafte Stärke sind nicht historisch.

Das Steuerbewilligungsrecht der Stände Englands.

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stand wurde schwer belastet. Anfangs wurden die Auflagen willig gezahlt, denn die wallisischen und schottischen Kriege entsprachen den Interessen des Landes. Zu den »Parlamenten« berief Eduard neben dem hohen Klerus und Adel Abgeordnete der freien Gutsbesitzer aus den Grafschaften und Vertreter der Städte. 1 ) Mit ihnen wurde zunächst über die Beisteuer zum Kriege, dann aber auch über andere Landesangelegenheiten, Staatseinrichtungen und Gesetze, beraten. Der Krieg gegen Schottland wurde allmählich wegen der grofsen Verluste an Menschenleben und der Schädigung des Handels unbeliebt, der Adel weigerte sich, Heeresfolge zu leisten oder das Schildgeld zu zahlen, und der Klerus berief sich auf die Bulle des Papstes Bonifaz VIII. nClericis laicost (s. § 51), die dem Staate verbietet, von kirchlichem Gut ohne Genehmigung des Papstes Auflagen zu erheben. Die Forderungen des Königs fanden schliefslich allgemeinen Widerspruch. Schon als er für seinen flandrischen Feldzug neue Leistungen forderte, trat ihm selbst der hohe Adel entgegen und wurde von der Geistlichkeit und den Vertretern der Grafschaften und Städte unterstützt. Sie sammelten 1500 schlagfertige Ritter zur W a h r u n g ihrer Rechte, verlangten Einhaltung der alten Freibriefe und Abschaffung aller verfassungswidrigen Leistungen. Aber erst als die Unglücksposten Wallaces Siege meldeten', gab Eduard nach. Auf dem Parlament zu Westminster (1297, 10. Okt.) wurde festgesetzt, dafs der König in Zukunft keine Steuer ohne Bewilligung der Stände einheben solle. D i e s e erh i e l t e n d a m i t d a s S t e u e r b e w i l l i g u n g s r e c h t . Als der König hiezu von Gent aus seine Einwilligung gab, geriet ganz England in eine patriotische Erregung. Mit einem gröfseren Heere, als ihm je zur Verfügung gestanden, zog er zu Felde. Es gelang ihm, die Schotten, die einem Kampfe ausweichen wollten, bei F a l k i r k (am 22. J u ü 1298) zu schlagen. Mit Mühe entkam Wallace nach Frankreich. Eine einheimische Regentschaft führte den Krieg trotzdem weiter. Als Eduard nach seinem Siege das Steuerbewilligungsrecht der Stände n u r mit einer verfänglichen Klausel bestätigen wollte 2 ), entstand grofse Aufregung. Da er aber schliefslich neuer Hilfsgelder bedurfte, gab er nach. Damit hatte die englische Verfassung die erste und wichtigste Phase ihrer Entwicklung abgeschlossen.

§ 49. Bonifaz VIII. und der schottische Unabhängigrkeitskampl'. Das Ende Eduards I. Eduard II. 1. Wie über die übrigen Staaten des Abendlandes n a h m Bonifaz VIII. auch über Schottland oberherrliche Rechte in Anspruch. Den Anlafs dazu boten die Schotten selbst, die sich an ihn um Hilfe wandten. Ein halbes J a h r vor der Schlacht bei Falkirk sandte er ein Schreiben an ') Stubbs, 481, 48G. Die Verordneten der Grafschaften und Städte haben so ausgerüstet zu sein : quod dicti milites (Ritter) plenam et sufficientem potestatem (Vollmacht) pro se et communitate comitaUis predicti et dicti cives et burgenses pro se et communitate habeant... ad faciendum, quod tunc de communi consilio ordinabitur in praemissis. *) Fine captioso. Die Klausel l a u t e t e : salvo iure coronae nostrae.

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Bonifaz VIII. und Eduard I.

Kobert Bruce.

Eduard I., das seine Vermittlung ankündigte, und klagte, dafs England sich unerlaubter Weise Schottlands bemächtigt habe. In einem zweiten Schreiben erklärte er Schottland, ein uraltes Glied der Kirche, unmittelbar mit Rom verbunden 1 ) und beanspruchte die Entscheidung des Streites. Zugleich begehrte er die Freilassung Baliols als seines »Bundesgenossen«. Das letztere gewährte Eduard. Zur Entscheidung des ersteren berief er ein Parlament nach Lincoln (1301, 20. Januar). Hier wurde auf Grund eines gelehrten Gutachtens die Ansicht, dafs England kein Recht auf Schottland habe, und die Ladung des Königs vor das Gericht des Papstes kräftig zurückgewiesen. »Nimmermehr«, hiefs es da, »werden und können wir dulden, dafs unser König solche unerhörte Anmafsung auf sich nehme.«2) Wandte sich die Krone in den Tagen König Johanns gegen die Grofsen an den Papst, so rief sie jetzt die Hilfe der Stände gegen diesen an und liefs seine Forderungen abweisen. Bonifaz VIII. ging dem Streit nicht weiter nach, denn schon nahm der Kampf gegen Philipp IV. alle seine Kräfte in Anspruch. Dieser Kampf kam England auch sonst zugute. Frankreich hielt nicht nur Frieden, sondern gab auch die im Süden gemachten Eroberungen heraus und überliefs die Schotten ihrem Schicksal. 2. Eduard I. eroberte unter diesen Umständen bald ganz Schottland. Wallace, durch Verrat gefangen, wurde als Räuber, Mörder und Hochverräter zum Tode verurteilt und in grauenhafter Weise getötet (1305), was seinen Ruhm nur noch erhöht hat. Hätte sich Schottland der englischen Herrschaft willig gefügt, so hätte die englische Freiheit gegen Eduard I. einen schweren Stand gehabt. Er war durchaus geneigt, das Beispiel Johanns nachzuahmen. Es scheint, dafs er sich an den Papst wandte, damit er ihn seines Eides entbinde. Klemens V. erliefs in der Tat (1305) eine Bulle, worin die Bestätigung der Magna Charta widerrufen wird, aber der Schottische Krieg hemmte die Weiterentwicklung dieser Dinge. Nach Wallaces Tode wurde R o b e r t B r u c e , ein Enkel des Prätendenten, die Seele des schottischen Widerstandes. Jung und alt scharte sich um ihn. Am 25. März 1306 in der Abtei zu Scone gekrönt, nötigte er England aufs neue zum Kriege. Zwar wurde er besiegt und entkam in einer an Abenteuern reichen, von Dichtern gefeierten Flucht nach Irland, kehrte aber schon im nächsten Jahre zurück. Eduard dachte daran, noch einen Feldzug gegen die Schotten zu unternehmen, da starb er am 7. Juli 1307. Noch auf dem Totenbett beschwor er die Umstehenden, dem Kronprinzen einzuprägen, nicht zu ruhen, bis ganz Schottland unterworfen sei. Eduard I. war nicht blofs die populärste Erscheinung Englands zu seiner Zeit, sondern auch in jeder Beziehung ein nationaler König. Im Guten und Bösen der typische "Vertreter seines Volkes: eigenwillig und herrschsüchtig, hartnäckig auf seinem Kechte bestehend, von unbezähmbarem Stolz, hart und unbeugsam, im Grunde aber ') Die Korresp. bei Rymer I, 194. ) Das Gutachten bei Walsingham, Hist. Angl. I, 87—95. "Wie diese Vorgänge später auf Wiclifs Kampf gegen das Papsttum einwirkten, s. in Loserth, Stud. z. engl. Kirchenpol., S. 15. s

Eduard II and Piers Gaveston.

Niederlage in Schottland.

215

gerecht und selbstlos, arbeitsam and gewissenhaft und dabei fromm, denn sein Vorgehen gegen die Kirche entsprach der Not, und wohl aach nar deshalb blieb er mit der Zahlung des Lehenszinses an die Kurie im Rückstand. Seine fromme Gesinnung erhellt daraus, dafs er den Papst bat, Robert Grosseteste, einen der Vorläufer der grofsen kirchlichen Reformbewegung des 14. Jahrhunderts, heilig zu sprechen.

2. Wiewohl ganz anders geartet als sein Vater: unkriegerisch und ein Freund weichlichen Hoflebens, strebte E d u a r d II. (1307 — 1327) gleich diesem, das Joch der Barone abzuschütteln, und suchte, wie dies in Frankreich (§ 50) üblich war, seine Ziele durch Werkzeuge zu er reichen, die er aus Leuten untergeordneter Stellung wählte. Schon in seiner Jugend hatte ein aus Guienne stammender Abenteurer von einnehmender Gestalt und geistreichem Wesen, Piers Gaveston, Einflufs auf ihn gewonnen. Eduard I. hatte diesen, da er nichts Gutes von ihm erwartete, verbannt. Nun wurde er zurückberufen und zum Grafen von Cornwallis erhoben. Ja Eduard II. gab ihm seine Nichte zur Frau und machte ihn, als er selbst nach Frankreich zog, um seine Braut Isabella, Philipps IV. Tochter, abzuholen, zum Reichsverweser. Gaveston griff gewaltsam zu; ältere verdienstvolle Beamte wurden entlassen, die Mehrzahl der Barone mit Spott und Zurücksetzung behandelt. Daher bildete sich eine starke Opposition, die den König nötigte, ihn zu entlassen. Er tat dies, ernannte ihn aber zum Statthalter von Irland und rief ihn überdies schon im folgenden Jahre zurück. Nun setzte das Parlament den Ausschufs der 21 »Anordner« (Ordainers) ein, um den Mifsbräuchen im Haushalt des Königs und im Staatswesen ein Ende zu machen (1310). Unter diesen Wirren zog sich auch der Schottische Krieg ergebnislos hin. Als Eduard II. 1311 aus dem Felde heimkehrte, legten die Anordner ihm eine Anzahl von Reformartikeln vor: die alten Verbote willkürlicher Besteuerung wurden erneuert, die noch von Eduard I. eingeführten Zollgebühren abgeschafft und bestimmt, dafs der König ohne Genehmigung des Parlamentes keine Reise ins Ausland machen, keinen Krieg führen und die hohen Staatsämter nur unter dessen Beirat besetzen dürfe. Parlamente sollten mindestens einmal des Jahres berufen, die obersten Staatsbeamten durch sie beeidigt und die ganze Staatsverwaltung überwacht werden. Gaveston mufste dem Hasse der Barone weichen. Als er aber nach zwei Monaten wieder in seine Amter und Würden eingesetzt wurde, nahm ihn der Vetter des Königs, Graf Thomas von Lancaster, welchen Gaveston in seiner ersten Zeit »das alte Schwein« oder den »Schauspieler« genannt hatte, gefangen und liefs ihn enthaupten (1312, Mai). Der König schwur zwar den Baronen Krieg ohne Erbarmen, mufste aber bald einlenken, da Bruce in Schottland einen festen Platz nach dem andern eroberte. Schon war auch der stärkste von allen, Stirling, dem Falle nahe, da rückte Eduard II. mit einem ungeheuren Heere, man schätzte es auf 100000 Mann, heran; trotzdem gewann das Feldherrntalent und die persönliche Tapferkeit des schottischen Königs am 24. Juni 1314 an dem morastigen Bache B a n n o c k b u r n einen glänzenden Sieg. Eduard selbst entkam mit Mühe. Stirling fiel. Der Sieg wirkte auch auf Irland zurück. Robert Bruce sandte

216

Die beiden De»penser.

Stur/, und Absetzung Eduards II.

seinen Bruder Eduard nach Ulster (1315), wo er zum König gekrönt wurde, aber drei Jahre später gegen die von Roger Mortimer geführten Engländer fiel. Irland war zwar wieder erobert, aber Schottland blieb verloren. Zu all diesem Elend gesellten sich noch Hungersnot und Pest, die England drei Jahre hindurch heimsuchten (1314—1316). Dabei dauerte der innere Zwiespalt fort. Lancaster bückte mit Eifersucht auf des Königs Günstlinge, den älteren und jüngeren Hugh Despenser, von denen der letztere durch seine Heirat mit der Erbtochter des Grafen Glocester eine Stellung erlangte wie vordem Gaveston. Auch gegen ihn wandten sich die Barone, und es gelang Lancaster, die Verbannung beider Despenser durchzusetzen. Eine der Königin zugefügte Beleidigung, mehr noch die Aneignung aller gesetzgebenden Gewalten durch die Barone führte die schwankende Volksgunst wieder dem König zu. Die Despenser wurden zurückberufen. Lancaster und seine Partei traten nun in hochverräterische Verbindungen mit den Schotten, die, rechtzeitig aufgedeckt, seinen Sturz herbeiführten. Er wurde am 22. März 1322 enthauptet. Eine völlige Reaktion trat ein. Das Parlament hob nicht blofs die gegen die Despenser getroffenen Verfügungen und viele Statuten der Ordainers auf, sondern setzte fest, dafs alle Gesetze, »die sich auf den Besitzstand der Krone, des Reiches und Volkes bezogen, vom Könige im Parlament verhandelt, bewilligt und bestätigt werden müssen durch und mit Zustimmung der Prälaten, Grafen, Barone und Gemeinen des Reiches«. Die Volkstümlichkeit des Königs hatte nicht lange Bestand. Lancasters Hinrichtung erregte des Volkes Mitleid. Es pilgerte zu seinem Grabe und verglich ihn mit Thomas von Canterbury. Der Ubermut der Despenser, die Verluste in Schottland und der Waffenstillstand, der mit Bruce auf 13 Jahre abgeschlossen werden mufste, erzeugten allgemeine Unzufriedenheit. Als Eduard in einen Streit mit Frankreich geriet, kam die Königin, welche des Königs Gegner mit ihm verfeindet hatten, in eine schiefe Stellung und ging unter dem Vorwand, den Streit zu schlichten, und von ihrem Sohne begleitet, der an Stelle des Vaters für Gascogne und Aquitanien die Huldigung leisten sollte, nach Frankreich (1326). Nun weigerte sie sich, zurückzukehren, ehe die Despenser entlassen seien, und setzte sich in Verbindung mit allen Gegnern des Königs, deren Zahl mit jedem Tage wuchs. Mit einer Schar von 2000 Bewaffneten landete sie an der Küste von Suffolk. Die Grofsen des Landes und die Bürgerschaften, endlich selbst die Truppen des Königs traten auf ihre Seite. Der König entfloh mit den beiden Despenser nach dem Westen. Zuerst fiel der ältere in die Hände seiner Gegner und wurde trotz seiner 90 Jahre als Hochverräter hingerichtet. Nicht lange nachher wurde auch der König mit dem jüngeren Despenser gefängen, letzterer auf einen 50 Fufs hohen Galgen aufgeknüpft, der König als Gefangener nach Kenilworth geführt. Am 7. Januar 1327 trat das Parlament in Westminster zusammen. Es nahm das Recht in Anspruch, den König, der sich zur Regierung unfähig erwiesen hatte, abzusetzen. Die Anklagepunkte lauteten auf Trägheit, Unfähigkeit, den Verlust von Schottland, Verletzung des Krönungseides und der Kirche und Barone. Nach ihrer Verlesung wurde er der

Seine Ermordung.

Die franz. Opposition gegen da« Papsttum.

217

Regierung entsetzt und Eduard III. zum König proklamiert. Als dieser erklärte, ohne Einwilligung des Vaters die Krone nicht anzunehmen, holte eine Deputation dessen Zustimmung ein, die er erst gab, als man ihm bedeutete, seine Weigerung gefährde die Nachfolge des Sohnes. Jetzt trat Eduard III. die Regierung an. Sein Vater hatte ein schreckliches Ende. Von seiner ehebrecherischen Gemahlin verstofsen, ward er aus der milden Hut Lancasters genommen und dem Ritter Johann Maltravers übergeben, der ihn von Burg zu Burg schleppte, bis er endlich auf Schlofs Berkeley von zwei Mördern getötet wurde.1) Dem unter Kissen und Bettdecken Begrabenen stiefs man ein glühendes Eisen durch den After bis in die Eingeweide. Jede äufsere Verletzung wurde vermieden; nur die entstellten Gesichtszüge zeugten von den erduldeten Qualen. Welchen Anteil die Königin an dem Morde hatte, läfst sich nicht feststellen. 3. Kapitel.

Die französische Opposition gegen die weltliche Oberherrschaft des Papsttums. § 50. Frankreick unter Philipp III. dem Kühnen (1270—1285). Die Anfange Philipps IV. des Schonen (1285-1314). Q u e l l e n . S. oben § 33. TJr.kk. 11. A k t e n zur Gèsch. Philipps III. auch in Langlois, Le règne de Philippe III le Hardi 1887. Dort eine reiche Übersicht über die Quellen zur Gesch. seiner Zeit. Die Akten zur Gesch. Philipps IV. s in Boutaric, Notices et extraits de documents relatifs à l'histoire de France sous Philippe le Bel. Paris 1862. Ordonnances des rois de France wie oben. Isambert, Roc. général des anciennes lois, tom. II, III. Boutaric, Actes du Parlement de Paris. 2 voll. Paris 1863—C7. Textes relatifs à l'hist. primitive du Parlement p. p. Langlois. Picot, Documents relatifs aux états généraux et assemblées réunis sous Philippe le Bel. Paris 1901. Die Comptes de Philippe III et IV in Bouquet XXII. Lettres inédites de Philippe le Bel p. p. Baudouin, Paris 1887. Servois, Documents inédits sur l'avènement de Philippe le Bel 1837 (s. Lavisse, Hist. gén. III, 62). Phil, le Bel .Lettres de, rel. nu pays de Gévaudan p. p. Saché, Paris 1897. Funk-Brentano, Documents pour servir à l'histoire des relations avec l'Angleterre et Allemagne sous Philippe le Bel. RH. 1889. Acta inter Bonifacium VIII., Benedictum XI., d e m e n t e m V. et Philippum Pulchrum, publiés p. Pithou. Paris 1614. Fasoicultis actorum pertinentium ad controversiam inter Bonifacium VIII et Philippum IV. Leibnitz, Mantissa cod. jur. gent. dipl. Hannov. 1693. Die Papstregister s. oben. Die H i s t o r i k e r finden sich gröfstenteils in liouq. XX—XXIII. u. sind zum gröfsten Teil schon oben § 33 aufgezählt. Da Monod, Nr. 2464—2496 u. Molinier 2847 ff. ein vollst. Verzeichnis enthalten, mögen hier nur die wichtigsten genannt werden : Guilelmus de Nangiaco, Gesta Philippi Audacis. Bouq. X X , 466-559. Ausz. MM. Germ. Hist. SS. XXVI. Guilelmus Scotus Chronic, bis 1317, ib. XXI, 202—211. Guilelmus ,Maior, Gesta episcop. Andegev. bis 1316. d'Achery Specil. X. Für die franz.-belgischen Verhältnisse : Chroniques de Flandre. Bouquet XXII, Chronique anonyme do la guerre entre Philippe le Bel et Gui de Dampierro 1294-1304. De Smet, Corp. cliron. Flandriae IV (s. auch BÉCh LX, 296.) Zur Schlacht v. Courtrav. La version flamande et la version française de la bataille de ') Diesen soll der orakelhafte Befehl zugekommen sein: Eduardum occidere nolite timere bonum est, bei dem es auf die Interpunktion ankommt, wie er zu deuten ist.

218

Philipp III.

Courtrai 1302. Bruxelles 1891 H. auch BÉCh. 51, 238 u. RQH. 1898. Balduinus Ninoviensis (Ninove, Diör. Mecheln) Chron. bis 1294, ed. in MM. Germ. SS. XXV. 621 ff. Chronographia regum Francorum 1270—1405, tom. I (1270 —1328), ed. Moranvillé. Paris 1891. Landulfus de Columna, can. Carnotensis, Breviarium historiarum. TJnt. d. Titel: Elogia Philippi Pulchri Francorum regia eiusque filiorum Ludov. Hutini et Philippi Longi. Bouq. XXIII, 193. Godefroy de Paris, Chronique métrique de Philippe le Bel 1300—1316. Bouq. XXII, 87—166. J e a n des Preis dit d'Outremeuse : Ly Myreur des histors bis 1340, ed. Borgnet. Brüx. 1860—80. Nicol. Trivet, wie oben. Chronik v. Orvieto. Auszöge in Döllinger Beiträge III, 347—313. Über den Tod u. d. Leichenbegängnis Ph. d. S. s. d. Schreiben Wilh. Baldrichs an den Hof v. Majorka in BECh. 58, 1. H i l f s s c h r i f t e n (für Bonif. VIII. s. § 47). Hauptwerk für Philipp III. : L a n g l o i s , wie oben. L e c 1 è r e , Les Rapports de la papauté et de la France sous Philippe HI (1270—1285). Bruxell. 1890. B a u d o n d e M o n y , Rel. polit, des comt. de Foix avec de la Catalogne. 2 Bde. Paris 18%. B o n n a s s i e u x , De la Réunion de Lyon à la France. Paris 1876. Für Philipp IV.: B o u t a r i c , La France sous Philippe le Bel. Par. 1861. J o l i y , Philippe le Bel, ses dessins, ses actes, son influence. Paris 1889. Für den Streit mit Bonifaz VIII. : D u p u y , Histoire du différend d'entre le pape Boniface VIII et Philippe le Bel et le procès fait a Bernard, évêque de Pamiers l'an 1295. Paris 1655. B a i l l e t , Histoire des démêlés du pape Boniface VlLl avec Philippe le Bel. Paris 1718. R o c q u a i n , Philippe le Bel et la bulle Ausculta fili. BÉCh. 1881. D e l L u n g o , Da Bonifazio VIII. ad Arrigo VII. Milano 1899. D i g a r d , Philippe le Bel et le Saint-Siège, wird demnächst erscheinen. K e r v y n d e L e t t e n h o v e , Etudes sur l'histoire du XIII* siècle. — Recherches sur la part que l'ordre de Citeaux et le comte de Flandre prirent à la lutte de Boniface VIII et de Philippe le Bel. Brüx. 1853. B a u d r i l l a r t , Des idées qu'on fasait au X I V 1 " siècle sur le droit d'interventions du Souverain Pontife dans les affaires politiques. Rev. d'histoire et de littérature relig. 1898. B e r c h t o l d , Die Bulle Unam sanctam und ihre wahre Bedeutung u. Tragweite für den Staat. 1887. E h r m a n n , Die Bulle U n a m sanctam. 1896. F u n c k , Zur Bulle Unam sanctam. ThQ.-Schr. 72, 640. Holzm a n n , Phil. d. Sch. u. die Bulle Unam sanctam DZG. NF. II, 16—38. R e n a n , Guillaume de Nogaret. Hist. lit. de France XXVH, XXVIII. H o l t z m a n n , Wilhelm v. Nogaret, Rat u. Grofssiegelbewahrer Philipps des Schönen. Freib. 1898. R e n a n Étude sur la politique du règne de Philippe le Bel. Paris 1900. F u n k - B r e n t a n o , Les origines de la guerre de Cent ans : Philippe le Bel en Flandre. Paris 1896. L a c a b a n e , Mort de Philippe le Bel. BÉCh. IH. F u n c k - B r e n t a n o , La mort de Philippe le Bel. Paris 1884. P e t i t , Charles de Valois (1270—1325). Paris 1900. C l é m e n t , Trois drames historiques 1857 (enthält die Gesch. d'Enguerrands de Marigni). R i g a u 11, Le procès de Guichard. Mem. et doc., publ. par la société de l'école des chartes. Paris 1896. L e r o u x , Recherches critiques sur les relations de la France avec Allemagne au moyen-âge 1882. C h . d e l a R o n ci è r e , Le blocus continental de l'Angleterre sous Philippe le Bel. RQH. 1896. P i e p a p e , Funck-Brentano, Bergengrün, Henneberg u. Fournier wie oben. L u c h a i r e , Manuel des Instit. monarchiques. Paris 1892, V u i t r y , Études sur le Régime financier de la France. H e r v i e u , Recherches sur les premiers états généraux etc. Paris 1879. A u b e r t , Le Parlement de Paris de Philippe le Bel à Charles VII. Paris 1887. P i r c n n e , Geschichte v. Belg, wie oben.

1. Noch auf dem Felde von Karthago wurde Philipp III. Nachfolger seines Vaters. Die Nachwelt hat ihm den Namen des Kühnen gegeben,, man weife aber doch nicht weshalb. Es fehlte ihm an politischem Blick und Tatkraft. Schon Ludwig IX. hatte mit Vorliebe Leute niederer Herkunft zu den Geschäften berufen, weil deren Verbindungen nicht so geartet waren, dafs sie dem Königtum hätten schaden können. In höherem Grade war dies unter Philipp III. der Fall. So leitete Pierre de la B r o s s e , dem seine medizinische Kunst schon bei LudwigIX.

und »eine Politik.

219

die politische Laufbahn geöffnet hatte und der, getragen von der Gunst des Königs, reich und angesehen wurde, die ganze Politik Philipps III. in dessen erfolgreichsten Jahren 1270—1278, bis er dem Hasse eifersüchtiger Grofser und der Königin zum Opfer fiel und, ohne von dem Könige, in dessen Interessen er aufgegangen war, geschützt zu werden, »einem Räuber gleicht sein Ende auf dem Galgen fand (1278). Seine Nachfolger waren vorsichtiger, dabei nicht weniger tatkräftig, wenn sie auch noch nicht den Einflufs besafsen wie später ein Nogaret, Flotte u. a. Vom Kreuzzuge heimgekehrt, stellte Philipp III. den Frieden unter den Baronen des Südens her, schützte seinen Besitz gegen Eduard I. und ging gegen die Gebiete des Kaiserreiches im Tal der Rhone und Meuse erfolgreich war. Am 2. Dezember 1272 leistete ihm der Erzbischof von Lyon den Eid der Treue, ja die französische Politik konnte bereits die Erwerbung der deutschen Krone für das Haus Valois in Aussicht nehmen. Wichtig vor allem war der grofse Ländererwerb im Süden Frankreichs. Auf der Heimkehr von Tunis begriffen, starben wenige Stunden nacheinander Graf Alfons von Poitiers, des Königs Oheim, und dessen Gemahlin Johanna, die Tochter des letzten Grafen von Toulouse. Ihr grofsesErbe, »die Hälfte des Midi«, fiel an die Krone: Poitou, Saintonge, Toulouse, Albigeois, Auvergne, Quercy, Agenais, Rovergne und die Grafschaft Venaissin. Die letztere wurde dem Papst, der sie beanspruchte, trotzdem sie Gregor I X . bedingungslos dem Grafen Raimund zurückgegeben hatte, überlassen (1274) und ebenso Agenais kraft des Vertrages von 1259 an England abgetreten. Dagegen wurden die Ansprüche Karls von Anjou vom Pariser Parlamente (1283) abgewiesen; durch den Tod seines Bruders Johann Tristan fiel dem König auch die Grafschaft Valois zu. Im Juli 1274 war Heinrich HI. von Navarra gestorben. Seine im Lande unbeliebte Witwe hatte sich mit ihrer Tochter Donna Juana nach Frankreich geflüchtet, um gegen Kastiliens und Aragoniens Ansprüche Hilfe zu finden. Philipp III. liefs in der Tat zwei Heere in Navarra einrücken und Pampelona erstürmen. Fast das ganze Land wurde erobert (1275). Eben war Fernando de la Cerda, der älteste Sohn AKons' X. von Kastilien, gestorben. Er hinterliefs eine Witwe, Blanka, die Tochter Ludwigs IX., und zwei Söhne, Fernando und Alfons. Nach altspanischem Recht wurde Sancho, Alfons' X. zweiter Sohn, zum Thronerben Kastiliens proklamiert. Auf Bitten der Witwe sandte Philipp eine Armee nach den Pyrenäen, um durch Navarra in Kastilien einzudringen. Der Feldzug endete jedoch in unrühmlicher Weise, und der Streit überdauerte schliefslich noch den Tod Alfons' X . und Philipps III. Dagegen erlangte dieser durch die Vermählung seines Sohnes Philipp mit Donna Juana, der Erbin Navarras und der Grafschaft Champagne, für sein Haus die Anwartschaft auf diese Länder (1284). Kurz zuvor hatte der sizilianische Freiheitskampf dem französischen Königshause die gröfsten Aussichten eröffnet. Philipp III. stellte seinem Oheim, dem König Karl, die ganze Macht Frankreichs zur Verfügung, wofür Papst Martin IV. Aragonien an einen der Söhne Philipps III. mit Ausnahme des Erstgeborenen unter der Bedingung gab, dafs Frankreich

220

Charakteristik Philipp« lies Schönen.

und Aragonien nicht vereinigt würden (1283). Philipp III. bestimmte es für Karl von Valois. Doch wurde der Krieg von den Franzosen unglücklich geführt (s. oben § 46). Der König, der selbst mit einem starken Kriegsheere über die Pyrenäen gedrungen war, sah sich infolge mangelhafter Verpflegung und pestartiger Krankheiten in seinem Heere zu einem verlustreichen Feldzug gezwungen. Von tödlicher Krankheit ergriffen, starb er am 5. Oktober 1285. Mit dem Wachstum französischen Krongebietes waren auch die Machtbefugnisse des Königtums in stetigem Zunehmen : Das Verbot der Privatfehden, des gerichtlichen Zweikampfes usw. wurde strenge gewahrt; die Teilnahme des Bürgertums am Staatsleben hatte ihren ungehinderten Fortgang. In dieser Hinsicht wurde namentlich die Erwerbung von Lehen durch Bürgerliche gesetzlich geordnet und der Grund zur Organisation des Advokatenstandes gelegt. Schärfer als unter Ludwig IX. wurde der Klerus zu den Leistungen für den Staat herangezogen, und. alle Klagen der Synode von Bourges (1276) und der Päpste blieben erfolglos. 2. Erst 17 Jahre alt, bestieg Philipp IV. den französischen Thron: trotz seiner Jugend ein ausgeprägter Charakter. Mit einem schönen Körperbau, den schon die Zeitgenossen bewundernd betrachteten 1 ), verband er hohe Gaben des Geistes und entfaltete eine Tätigkeit, der nichts entging und die, von sicher berechnender Klugheit geleitet, Verstellung mit scheinbarer Mäfsigung verband. 2 ) Bei aller zur Schau getragenen Demut und Milde war er in der Wahl seiner Mittel durchaus skrupellos. Seine Absichten gingen auf die Errichtung einer nach innen und aufsen starken Alleinherrschaft. Mit Recht als Vorkämpfer des unbedingten Absolutismus bezeichnet, ist er die Verkörperung der Idee von der Identität des Staatsinteresses mit dem des Fürsten. Alle Hindernisse, die diesem Ziele im Wege stehen, werden beiseitegeschoben: an seinem Willen zerschellt die Macht der Prälaten und Barone; gegen die geistlichen mit den weltlichen Grofsen verbündet, gegen beide mit dem Volk, stellt er schliefslich alle dem Papsttum entgegen. Auch in der äufseren Politik wechselt er seine Allianzen nach Bedürfnis und scheut sich nicht, traditionelle Bande zu zerreifsen, wie den Jahrhunderte alten Bund mit dem Papsttum, oder die bisherige Politik des französischen Königtums dem Kaisertum und dem Orient gegenüber aufzugeben. Freilich läfst sich nicht genau bestimmen, wie grofs sein, wie grofs der Anteil seiner Ratgeber daran gewesen. Sie tritt nach innen zunächst in der Verstärkung der Zentralgewalt, in den finanziellen Reformen und der Begünstigung der Städte zutage. Ein neuer Geist beherrscht jetzt das Königtum. Da handelt es sich nicht mehr um Kreuzzüge 3 ) oder um die Aufrichtung eines Reiches der Gerechtigkeit und christlichen Liebe, sondern um die Herstellung einer alles und jedes beherrschenden Staatsgewalt, wie sie die Imperatoren Roms besalsen und von den »Legisten« ') Guilelmus Scotus: Corpore species eius imperio digna esset.

membrorumque

eleganti

dispositione

...

ut vere

') Drumann I. 80. s

) Trotz Dubois' Traktat De recuperatione

terrae sanetae, der a n d e r e Ziele verfolgt.

Philipp der .Schöne und seine Ratgeber.

Krieg mit England.

221

in den Schulen dos römischen Rechtos für den Herrscher gefordert wurde. Jene Grundsätze, die schon die Politik Barbarossas beeinflufsten, kommen unter der Einwirkung der Juristen, der grundsätzlichen Gegner des Feudaladels, auch in Frankreich zur Geltung. Diesen Kreisen sind die vornehmsten Ratgeber des Königs entnommen, meist Leute aus dem »Midi«, und es ist sehr bezeichnend, dafs die bedeutungsvollsten Ereignisse in Frankreich in jener Zeit in der Form von Prozessen erscheinen: Die Prozesse gegen Eduard I., gegen Flandern, gegen Bonifaz VIII. und die Templer. 1 ) Unter seinen Ratgebern nehmen in der ersten Zeit Pierre Flotte, Guillaume de Nogaret und Plaisian die erste Stelle ein, zuletzt Enguerrand de Marigny, der »lvoadjutor und Gouverneur des Reiches«, wie er mitunter genannt wird. Am bekanntesten ist Nogaret wegen seines Anteils am Attentat von Anagni. Seine Familie, bürgerlichen Ursprungs, trug nach ihrem in der Nähe von Toulouse liegenden Lehen den Namen Nogaret. Sein Vater und andere Vorfahren fielen als Albigenser der Inquisition zum Opfer, und es ist mehr als wahrscheinlich, dafs sein Hais gegen das Papsttum in diesem schmachvollen Tode seiner Eltern begründet ist. Als Doktor der Rechte und Lehrer des römischen Rechtes in Montpellier trat er 1295 in den Dienst des Königs, wurde 1299 in den Adelstand erhoben und gehörte zu der (später noblesse de rohe genannten) Klasse von Leuten, die, ohne dem Priesterstand anzugehören, durch Arbeitsamkeit und Wissen emporstiegen, mit juristischer und staatsmännischer Gewandtheit und Einsicht die Geschäfte handhabten und den Königen, welche die klerikale Bevormundung je länger desto mehr als drückendes Joch empfanden, unentbehrlich wurden. 2 ) Das neue Element durchdringt und belebt den ganzen Staat und macht sich auch in der auswärtigen Politik bemerkbar: die diplomatischen Verhandlungen werden kräftiger geführt, Gesandtschaften häufiger ausgeschickt und zahlreichere Traktate geschlossen; politische Entwürfe tauchen auf und werden von Publizisten wie Peter von Dubois verbreitet. 3. Den aussichtslosen Krieg gegen Aragonien beendete Philipp IV. durch den Vertrag von Tarascon (s. § 46). Wenn auch Neapel und Sizilien den Kampf weiter führten, Frankreich blieb davon unberührt. Da Philipps Absichten dahin gingen, auch die letzten englischen Besitzungen auf französischem Boden zu gewinnen, so war ein Krieg mit England unvermeidlich. Den Anlafs gab ein Streit zwischen englischen Schiffern aus Bayonne und Bretonen. Philipp IV. liefs Bordeaux besetzen, die benachbarten englischen Gebiete einziehen und lud Eduard I. vor sein Gericht, der seinen Bruder Edmund nach Paris sandte, um die Streitsache beizulegen. Dieser schlofs unter Vermittlung der Gattin und Stiefmutter Philipps einen Geheimvertrag ab, dessen Bestimmungen von Philipp listigerweise ausgenützt wurden, um sich Guieijnes zu bemächtigen. Aufserdem liefs er den englischen König des Ungehorsams ') Covillc, S. 12 f. ») Pölliuger, S. 225.

222

Die Kämpfe um Flandern.

schuldig erklären und ihm einen zweiten und dritten Termin zur Verantwortung setzen. Eduard kündigte nunmehr seine Lehenspflicht auf und verband sich mit dem Grafen Guido von Flandern, der mit seinen eigenen Städten im Streite lag. Auch den deutschen König Adolf, den Erzbischof von Köln, die Grafen von Holland, Geldern und Brabant zog er auf seine Seite, wogegen der Dauphin von Vienne, der Graf von Burgund, der Herzog von Lothringen, vor allem aber Schottland auf Frankreichs Seite standen. Die deutsche Hilfe war jedoch so ungenügend, dafs Eduard den Kampf auf den Wiedererwerb der verlorenen Plätze in Guienne beschränkte. Philipp warf dagegen seine ganze Macht nach Flandern, wo die L i l i a n e n , ein Teil des Adels und die reicheren Bürger der Städte, zu ihm hielten, und gewann Lille und Brügge. Der Aufstand der Schotten unter Wallace (s. oben) bewog Eduard zu einem Waffenstillstand (1297), dem schon im folgenden Jahre auf Grundlage des Status quo ante bellum ein vom Papste vermittelter Vertrag folgte. England erhielt hiedurch freie Hand gegen Schottland wie Frankreich gegen Flandern. Zur Befestigung des Friedenszustandes wurde eine Doppelheirat geschlossen : eine Tochter Philipps III. heiratete den König Eduard, und dessen gleichnamiger Sohn wurde mit Isabella, der Tochter Philipps IV., verlobt. Der Waffenstillstand zwischen beiden Ländern wurde in der Folge noch mehrmals verlängert. Philipp IV. benützte die Waffenruhe, um seine Hoheitsrechte in Flandern zur Geltung zu bringen, was er um so leichter erreichte, als König Albrecht auf seiner Seite stand. Es gelang ihm, den Grafen und seinen ältesten Sohn in seine Gewalt zu bekommen (1300). Im folgenden Jahre hielt er in den flandrischen Städten einen glänzenden Einzug. Mit gleichem Erfolge ging er im Osten vor : der Bischof von Viviers und der Pfalzgraf Otto von Burgund mufsten die Huldigung leisten; den Grafen Rainald von Mömpelgard unterstützte er gegen den Bischof von Basel, und die Bürger von Besançon suchte er seiner Herrschaft zu unterwerfen. Gleich gewaltsam war seine Politik gegen Hennegau und die Bistümer Verdun und Toul. § 51. Philipp IV. und Bonlfaz VIII. Q u e l l e n und H i l f s s c h r i f t e n wie § 47 u. 50. Dazu die Schriften über die literarische Opposition gegen die päpstliche Oberherrschaft (s. P. D u p u y wie oben u n d G o l d a s t , Monarchia S. Romani imperii. Frankfurt 1614). Die wichtigsten Schriften sind : Aegidius de Colonna Romanas, De ecclesiastica potestate libri très (noch ungedr.). Inhaltsang. v. K r a u s . Vierteljahrsschr. f. kath. Theol. 1862. — De regimine principum libri très. Drucke bei Potth. I, 17, unter andern in Hahn, Coll. vet. mon. I (falschlich wird ihm auch die Quaestio in utramque partem disputata de pot. regia et pontificali zugeschrieben. Monarchia n , 96). Quaestio de potestate Papae. Ged. bei Dupuy 663—683. Wahrscheinlich von Dubois (Petrus de Bosco) verfafst. Von den übrigen Schriften Dubois' seien genannt: Summaria, brevis et compendiosa doctrina felicis expeditionis et abbreviationis guerrarum ac litium regni Francorum. Ausg. v. X. de Wailly, Métu. de l'Acad. des inscr. XVIII. 2. 1849. — Deliberatio super agendis a Philippo rege contra epistolam papae. Dupuy 44- La Supplication du Pueuble de France . . . 214—219. De recuperatione Terrae sanctae, ed. Langlois. Paris 1891. Die Partie über die Erwerbung des linken Rheinufers bzw. ganz Deutschi, bei Wenck, Klemens V. und Heinrich VU. Halle 1882. Vielleicht rührt von Dubois auch die Disputatio inter Cleri-

Philipp der Schöne und Bonifaz VIII.

223

cum et Militem her. Monarch. I, 13—18. Johannes Parisiensis, tractatus de potestate Tegia et papali. G-oldast. Monarch. II, 108. H i l f s s c h r i f t e n : L o r e n z , D. GQ. 11,333—340. R i e z l e r , Die lit. Widersacher der Päpste im Zeitalter Ludwigs des Bayers. Leipz. 1874. F r i e d b e r g , Die ma. Lehren über das Verhältnis zwischen Staat u. Kirche. Z. Kirchenr. VIII. u. Leipz. 1874. F r i e d b e r g , Die Grenzenzwischen Staat u. Kirche. Tübingen 1872. S c a d u t o , Stato e chiesa nelli scritti politici dal flne della lotta per le investiture sino alla morte di ludov. il Bavaro. Fir. 1882 s. K. M ü l l e r , ZKG. VII, 61. H ö f l e r , Die rom. "Welt und ihr Verhältnis z. den Reformid. d. MA. 1878. Neander, Gesch. d. ehr. Rel. u. Kirche. 4. A. IX, 1611. L e c h l e r , Der Kirchenstaat u. d. Opposit. geg. d. päpstl. Absol. im Anf. d. 14. Jahrh. Leipz. 1870. Über Dubois u. Nogaret s. d Aufsätze Renans in der Hist. lit. XXVI, XXVII.

1. Da Bonifaz VIII. an die Wiedereroberung des hl. Landes dachte, wollte er den Streit zwischen England und Frankreich beendet sehen. Philipp IV. war jedoch nicht geneigt, dem Papsttum als solchem eine schiedsrichterliche Stellung einzuräumen, noch weniger, Eingriffe der Kurie in seine wirklichen oder vermeintlichen Rechte zu dulden. Wie in England, wandte sich auch in Frankreich die Geistlichkeit an den Papst, um sich gegen die drückenden Besteuerungen des Königs zu sichern. Infolgedessen verbot der Papst (1296) in der Bulle » C l e r i c i s laicost allen Laien, Steuern und Abgaben von Geistlichen zu erheben, und den Geistlichen, sie an den Staat zu entrichten. Die Bulle enthielt weder etwas Neues, noch betraf sie Frankreich allein. Während Eduard I. sich über ihre Bestimmungen einfach hinwegsetzte, andere Könige Dispensen erbaten und erhielten1), erliefs Philipp IV. eine Verordnung, die bei Konfiskation der Waren und Gütereinziehung jede Ausfuhr von Gold und Silber, Edelsteinen, Lebens- und Kriegsbedarf aus dem Königreich untersagte. Ein zweites Edikt verbot Fremden, sich im Reiche aufzuhalten und hier Handel zu treiben. Dadurch entgingen dem Papste die von den Legaten in Frankreich gesammelten Summen, wurden die französischen Einkünfte der Kardinäle und anderer auswärtiger Kleriker gesperrt, italienischen Kaufleuten der französische Markt entzogen, endlich auch die Eintreibung rückständiger Schulden unmöglich gemacht. Da aber der Krieg um Sizilien bedeutende Opfer forderte, das Zerwürfnis mit deni Hause Colonna ihn anderseits von neuen Kämpfen zurückhalten mufste, kam der Papst dem König einen Schritt entgegen. Zwar tadelte er dessen Vorgehen als Verletzung der Kirchenfreiheit und nannte es im Hinblick auf Frankreichs zahlreiche Gegner unklug, erklärte aber, es sei nicht seine Absicht gewesen, dem Reiche zu entziehen, wessen es in seiner Not bedürfe. Diese Erklärung befriedigte den König nicht. Als die päpstlichen Gesandten von ihm die Annahme eines Waffenstillstandes zwischen Frankreich und England begehrten, gestand er dies zu, erklärte aber, dafs die weltliche Regierung in Frankreich niemandem als ihm selbst zukomme, und dafs er in weltlichen Dingen niemanden als Richter über sich erkenne. 2 ) Der Papst kam ihm nunmehr noch weiter entgegen: er schränkte die Zahl der Geistlichen, auf die sich seine >) Kopp, 1. c. 188. ) S. 193.

s

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Beginn des kirchenpolitischen Kampfes.

Bulle bezog, erheblich ein (1297, Februar), gestattete, dafs die Könige von Frankreich, wenn sie das 20. Lebensjahr erreicht hätten, befugt seien, bei gefahrvoller Lage des Reiches auch ohne Befragung des Papstes eine Beisteuer von der Geistlichkeit zu verlangen, und dafs diese für die unmittelbaren Bedürfnisse des Flandrischen Krieges Beiträge leiste. Eben damals erhob er Ludwig IX. unter die Heiligen1), machte dem Prinzen Karl von Valois Aussichten auf den deutschen Thron, ja auf die Nachfolge im griechischen Reiche, und begnügte sich, den Streit zwischen England und Frankreich als Privatperson zu schlichten. Dadurch erreichte er, dafs die Geldsendungen nach Rom ihren ungehinderten Fortgang nahmen. Als er aber im Streit zwischen England und Frankreich schliefslich doch in seiner Eigenschaft als Papst entschied2), nahm Philipp die Colonna in Schutz und schlofs ein Bündnis mit König Albrecht. Die Erbitterung wuchs um so mehr, als Bonifaz, getragen von seinen Erfolgen in Deutschland, Dänemark und zuletzt auch beim grofsen Jubiläum, in Frankreich die Zügel straffer anzog. 2. Im Jahre 1298 hatte Philipp IV. von dem Vicomte Amalrich II. von Narbonne die Huldigung für solche Besitzungen entgegengenommen, die sein Vorgänger noch vom Erzbischof von Narbonne zu Lehen getragen hatte. Nach vergeblichen Klagen des Erzbischofs vor dem König und fruchtlosen Versuchen, sich mit Amalrich zu vergleichen, forderte der Papst den König auf, der Beeinträchtigung der Kirche von Narbonne ein Ende zu machen. Noch wurde eine Zeitlang zwischen beiden verhandelt, bis der Papst (1301) den Bischof JBernard Saisset von Pamiers als Legaten nach Frankreich sandte, einen Mann von hochfahrendem Wesen, der sich schon bei früheren Streitigkeiten den Hafs der französischen Regierung zugezogen hatte und auch jetzt einen stolzen Ton anschlug, als er dem König eröffnete, dafs der ihm bewilligte Zehent nur zu Kreuzzugszwecken verwendet und ohne päpstliche Bewilligung weder über Einkünfte erledigter Kirchen noch über geistliche Amter verfügt werden dürfe 3 ). Philipp bat um Zeit bis nach Beendigung des Krieges. Der Prälat mag durch einige unüberlegte Aufserungcn den Zorn des Königs geweckt haben. Jetzt schützte ihn seine Stellung als Legat. Daher konnte er nach Rom zurückgehen, um über seine Mission Bericht zu erstatten. In seine Diözese zurückgekehrt, trafen ihn die Schläge des Königs. . Eine Kommission ward nach dem Süden abgeordnet, um die Anklage wider den Bischof zu begründen. Dieser wurde an den königlichen Hof gebracht, seine Korrespondenzen mit dem Papst und den Kardinälen mit Beschlag belegt und sein Besitz eingezogen. Im Oktober 1301 trat eine grofse Versammlung von Staatsräten, Prälaten, ') Die Heiligsprechung erfolgte am 11. August 1297. ») Drumann 132, 135. s ) Dafs der Papst vom König die Kreuzfahrt und die Freilassung des Grafe'n von Flandern gebieterisch und unter Androhung des Interdikts verlangt und der Legat auf die Weigerung des Königs erklärt habe, dafs der Papst die unumschränkte Gewalt über die Fürsten besitze, ist zwar nicht hinreichend verbürgt, wird aber trotzdem noch in neueren franz. Werken vorgetragen.

Flugschriften für die Rechte des Staates gegen die Ansprache der Kirche.

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Baronen und Doktoren des römischen und kanonischen Rechtes unter Philipps Vorsitz in Senlis zusammen. Hier erhob der Kanzler Pierre Flotte gegen den Bischof Klage wegen des Verbrechens der beleidigten Majestät, wegen Rebellion und Häresie, Blasphemie und Simonie. Das ganze Land geriet in Aufregung, die noch gesteigert wurde, als zahlreiche Flugschriften und publizistische Traktate für die Staatsgewalt Stimmung machten. Wie in den Tagen des grofsen Investiturstreites entwickelt sich eine publizistische Literatur, an deren Spitze die Ballen des Papstes und Briefe des Königs stehen, die freilich bei Gelegenheit auch in entstellter Gestalt In XJmlaaf kamen. J e eifriger die Parteigänger der Kirche deren Ansprache auf die Weltherrschaft verfochten, um so kräftiger wurden von anderer Seite die Prärogativen der Staatsgewalt verteidigt. Schon T h o m a s von A q u i n o hatte gelehrt, dafs alle irdische Macht der geistlichen Gewalt, dem Papsttum, unteregordnet sei; ein ungläubiger oder häretischer FOrst verliere kTaft kirchlichen Spruches seine Herrschaft, und seine Untertanen seien seiner Herrschaft und des ihm geleisteten Eides entbunden. Nach Ä g i d i u s v o n C o l o n n a , der 1316 als Erzbischof von Bourges starb, kann jede Herrschaft und alles Eigentum, jeder Acker und jeder Weinberg nur unter der Kirche und durch die Kirche besessen werden. Solchen Ansprüchen gegenüber traten nun die Publizisten des Königs für die Rechte des Staates in die Schranken. Der »Dialog zwischen einem Kleriker und einem Ritter« lehrt, dafs geistliche Würdenträger auf weltlichem Gebiet so viel oder so wenig zu suchen haben, wie die weltlichen auf dem geistlichen. Die Behauptung des Papstes, ttber alle weltlichen Reiche zu gebieten, sei absurd. Wie von den englischen Reformern zwei Menschenalter später wird hier schon betont, dafs das Kirchengut nicht steuerfrei sein könne und der Kirche weltliches Gut, falls sie es miTsbraucht, entzogen werden müsse. Aus vielen Sätzen tritt das stolze Nationalgefühl des Franzosen hervor, so wenn er betont, dafs Frankreich vom Papst unabhängig sein müsse. In einer anderen Flugschrift wird gelehrt: Bevor es noch Kleriker gab, hatte der König von Frankreich schon die Hut über sein Königreich. Wie Friedrich II. klagen die Publizisten über die Verderbtheit in der Kirche, und der Fundamentalsatz Wiclifs: Die Kirche besteht nicht blofs aus dem Papst und seinen Prälaten, sondern auch aus den Laien, wird jetzt schon vernommen und Rückkehr der Kirche zur evangelischen Armut und Reinheit verlangt. Eine Denkschrift, sie rührt wahrscheinlich von dem königlichen Advokaten P e t e r D u b o i s her, verlangt Säkularisierung der weltlichen Macht des Papsttums, denn Sache des Papstes sei es, Sünden zu vergeben, zu predigen und zu beten, nicht aber Krieg zu führen, und J o h a n n von P a r i s datiert die Entartung der Kirche bereits von der konstantinischen Schenkung. Nicht Besitzer, nicht einmal Verwalter irdischer Güter darf der Papst sein, noch weniger hat er über Laiengut eine jurisdiktionelle Gewalt. Wenn ein weltlicher Herrscher in weltlichen Dingen irrt, steht es nicht dem Papst, sondern den Grofsen zu, ihn zu bessern. Des Königs Macht stammt nicht von jenem her, sondern unmittelbar von Gott.

Unter solchen Stimmungen1) tagte die Versammlung in Senlis. Der Bischof von Pamiers wurde dem Erzbischof von Narbonne zur Haft übergeben und an den Papst die Forderung gestellt, ihn seiner Würde zu entheben. Bonifaz VIII., hierüber erzürnt, verlangte (1301,5. Dezember) Freilassung des Gefangenen und dessen ungehinderte Reise nach Rom und belehrte überdies den König, dafs der Papst »über alle Könige und Reiche gesetzt seic, dem König dagegen, der in geistlichen und weltlichen Dingen dem Papst] unterworfen sei, keine Pfründenverleihung ') Johanns Traktat, wiewohl vielleicht zwei Jahre später geschrieben, gibt Ansichten wieder, die jedenfalls in Senlis zur Geltung kamen. Loserth, Geschichte dee späteren Mittelalters. 15

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Die Bulle Ausculta fili. Haltung der Reichsstände.

zustehe; er berief für den 1. November 1302 die geistlichen Würdenträger und Gelehrte Frankreichs nach Rom, »um ihren Rat einzuholen, wenn er daran gehe, Exzesse und Unbilden, die der König geistlichen Personen angetan habe, zu strafen«. Die Absicht des Papstes war, gegen Philipp vorzugehen wie einstens Innozenz IV. gegen Friedrich II. Das ist der Inhalt der Bulle Auscidta fili charissime. Sie legt das ganze System Bonifaz' VIII. - mit aller Offenheit dar: »Niemand möge dem König raten, dafs er keinen Höheren über sich habe und dafs er dem Papst nicht unterworfen sei, das könnte nur ein Wahnsinniger tun.« Der König wird wegen seiner Eingriffe in die Rechte der Kirche gerügt und geheifsen, die schlechten «Räte zu entfernen. Die Zeiten waren aber nicht mehr die Gregors VII. oder Innozenz' IV., denn nicht einmal in England oder in Sizilien konnte Bonifaz seine Absichten durchsetzen. Zudem war das Beispiel Englands verlockend: Wie Eduard I. seine Sache vor das Parlament, brachte der König seinen Streit vor die ganze Nation. Ob nun, wie einige Chronisten berichten, die Bulle Ausculta fili, von Philipp IV oder, wie andere wollen, vom Grafen von Artois dem Feuer überliefert wurde, oder, was wahrscheinlicher ist, dieser ganze Bericht eine Fabel ist, jedenfalls gestattete der König nicht, dafs die Bulle in Frankreich verbreitet wurde. Er erklärte seine Söhne der Nachfolge verlustig, falls sie in weltlichen Dingen einen andern als Gott als ihr Oberhaupt anerkennen würden, untersagte der französischen Geistlichkeit die Reise zum Konzil, liefs an den Grenzen Wachen aufstellen, um die Goldausfuhr nach Rom einer-, das Einschleppen päpstlicher Briefe anderseits zu verhindern, und befahl schliefslich dem Nuntius und dem Bischof von Pamiers, das Reich zu verlassen. Die Reichsstände traten am 10. April 1302 in Nötredame zusammen. Um die Stimmung zu verschärfen, wurde ihnen nicht die echte, sondern eine verfälschte Bulle vorgelegt, in der die einzelnen Sätze des Papstes in viel schrofferer Form enthalten waren. Demselben Zwecke diente die angebliche Antwort des Königs: Sciat mcmma, tua fatuitas. Im Namen des Königs sprach Pierre Flotte; er wufste in meisterhafter Weise das Nationalgefühl der Franzosen aufzuregen; zum Schlufs mahnt er an die ungerechten Verleihungen französischer Pfründen an Fremde, an die Gelderpressungen, den Nepotismus und die Tyrannei der Kurie und fordert die Versammlung auf, die Freiheiten des Königreichs und der Kirche zu schützen. Die weltlichen Stände traten begeistert auf die Seite des Königs, und auch die geistlichen waren bereit, die Rechte des Reiches und der Krone zu schützen. Die gefafsten Beschlüsse wurden von den Prälaten dem Papste, von den weltlichen Ständen — und von diesen in französischer Sprache — den Kardinälen mitgeteilt. Die Antworten des Papstes, auch die mündlichen, lauteten nicht versöhnlich: Er werde den König, so liefs er sich vernehmen, bei fortdauerndem Widerstand behandeln wie einen Trofsbuben. Etwas milder lautete die schriftliche Versicherung, dafs der König dem Papst in weltlichen Dingen ratione peccati unterworfen sei; den Geistlichen wurde vorgehalten, die Interessen der Kirche nicht genügend verteidigt zu haben. Einige Tage nach der mündlichen Erklärung des Papstes

Die Bulle TJnam sanctam.

Ihr Inhalt und ihre Bedeutung.

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gelangte die Nachricht von dem Siege der Flamänder bei C o u r t r a y (1302, 11. Juli) nach Italien. Pierre Flotte und Robert von Artois waren gefallen. Nun war der König zu einer Versöhnung geneigt, auf welche die Kurie aber höchstens um den Preis vollständiger Unterwerfung einzugehen bereit war. Am festgesetzten Tage trat die Synode zusammen. Trotz des königlichen Verbotes waren viele Franzosen erschienen, die nun vom König als Hochverräter mit dem Verlust ihrer Regalien bestraft wurden, wogegen der Papst alle die mit dem Bann belegte, die den Prälaten den freien Zutritt zur Synode versagen. Das Ergebnis der Synode liegt in der berühmten Bulle Unam sanctam vor. 1 ) Sie enthält die nochmalige Festsetzung jener Prinzipien, auf denen das kirchlichtheokratische System seit Gregor VII. ruhte. Hier wird der päpstliche Absolutismus mit der Erklärung, dafs die Unterwerfung jeder menschlichen Kreatur unter den Papst zu ihrem Seelenheil notwendig sei, zum Glaubenssatz erhoben. In der Besorgnis, dafs Philipp im Bunde mit den Colonna und mit Hilfe eines gefügigen Konzils einen Gegenpapst wählen könnte, wird mit besonderer Schärfe betont, dafs die Kirche nur e i n Haupt haben könne. Ausgehend von der Einheit der katholischen Kirche, die mit dem ungenähten Hemd Christi verglichen wird, verkündet die Bulle die Theorie von den zwei Schwertern (Ecce dwo gladii hic, d. h. in der Kirche). Die Kirche besitzt beide Schwerter: das geistliche und das weltliche. Jenes ist von der i Kirche, dieses für die Kirche zu gebrauchen. Das eine führt der Priester, das andere der König oder Bitter auf Geheifs des Priesters. Das weltliche Schwert mufs unter dem geistlichen stehen, d. h. die weltliche Macht mufs der geistlichen untergeordnet sein. Wenn die weltliche fehlt, wird sie von der geistlichen gerichtet. Diese selbst kann von niemandem auf Erden, nur von Gott im Himmel gerichtet werden, denn wiewohl in den Händen eines Menschen, stammt sie doch von Gott, und wer sich ihr widersetzt, widersetzt sich der Anordnung Gottes. Daher ist es zum Seelenheil jedes Menschen notwendig, dem Papste unterworfen zu sein.

Trotzdem diese Bulle noch im besonderen auf den französischen König, den Enkel des hl. Ludwig, die Makel manichäischer Ketzerei warf und ihn hiedurch noch mehr erbitterte, gab der Papst den Versuch nicht auf, den König zu anderer Gesinnung zu bringen. Indem er ihm aber solche Bedingungen vorlegte, in denen von ihm das Bekenntnis von Schuld und Reue verlangt wird, konnte es zu keiner Einigung kommen. In einer Versammlung der ersten Barone des Reiches und der Fügsamsten unter den Prälaten, die am 12. März 1303 im Louvre tagte, trat Nogaret mit leidenschaftlichen Anklagen gegen Bonifaz VIII. auf, der auf verbotenen Wegen zum Papsttum gelangt, ein Ketzer und Simonist sei und auf einem öffentlichen Konzil verurteilt und abgesetzt und, um gröfseres Unglück zu verhüten, bis dahin unschädlich gemacht werden müsse. Nogaret nahm den Standpunkt des Hauses Colonna ein. Er sprach mit Wissen und Willen des Königs, der ihm und drei andern fünf Tage zuvor die Vollmacht gegeben, in seinem Namen in Italien Bündnisse und Freundschaften abzuschliefsen. Die Katastrophe des Papstes war sonach vorbereitet. ') Ihr Verfasser ist wahrscheinlich der oben genannte Ägidius Colonna. ) Holtzmann, S. 45 ff. 15*

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Die Aufträge Nogarets.

Haltung des Papstes.

§ 52. Die Katastrophe ron Anagnl. Die Quellen und neuere Literatur vermerken D ö l l i n g e r in s. Aufsatz Anagni. Akademische Vorträge HI, S. 233—244 und Holtzmann, S. 66 ff Drei Augenzeugen bringen Berichte: Nogaret bei Dupuy, Hist. du différend, s. oben. Relatio de Bonifacio Vni. capto et liberato. MM. Genn. 88. X X V m , 621—626 (rührt von einem Curtisanen, wahrscheinlich franz. Abstammung) (her. Die Biographie Bonifaz' V E . : Ex chronicis Vrbevetanis in Döllinger. Beitr. in, 847—353. Die Vienner Abschrift einer gleichz. Relat.] bei Digard, RQH. XLHI. Istorie Pistolesi, ed. Biscioni. 1845. Die zahlreichen kürzeren Berichte italienischer, franz., engl. u. deutscher Berichte s. bei Holtzmann, S. 69—74. Hilfsschriften wie oben. Die neueste sachgemäTse Darstellung ist die Holtzmanns S. 66—110. S. auch Finke S. 269 ff.

Nogaret machte sich noch im März 1303 auf den Weg nach Italien. E r hatte den Auftrag, den Papst zu verhaften und nach Frankreich zu schafEen, um ihn dort durch ein allgemeines Konzil absetzen zu lassen. Die Hauptperson neben ihm war Musciatto Guidi, ein Florentiner Bankier, der mit seinem Bruder Biccio vom König in Finanzsachen häufig gebraucht wurde.1) Auf seiner Burg Staggia im Toskanischen sollten die letzten Beratungen stattfinden. Im Latinerland hatte Bonifaz VIII. für seinen Nepoten Peter Gaetano ein von Ceperano bis nach Subiaco reichendes Baronaireich mit grofsen Kosten geschaffen ; es war aufgebaut auf den Trümmern des Hauses Colonna zum Schaden des dortigen [Landadels. Hier fanden sich zahlreiche Kräfte, • bereit, mit Nogaret und Colonna dies Nepotenreich zu stürzen oder am Papste Rache zu nehmen. Sowohl Bonifaz VIH. als Philipp IV. schlössen mit ihren bisherigen Gegnern Frieden, um nicht durch Rücksichten auf die übrigen Feinde im Kampfe gehindert zu sein. Am 30. April bestätigte der Papst die Wahl König Albrechts und entband ihn von allen in früheren Bündnissen eingegangenen Verpflichtungen. Die Rede, in der er das Konsistorium von der dem König zuteil gewordenen Gnade in Kenntnis setzt, enthält nochmals theoretische Erörterungen über das Verhältnis zwischen der geistlichen und weltlichen Macht: »Wie der Mond sein Licht von der Sonne, hat die weltliche Macht nichts, das sie nicht von der kirchlichen empfinge. Der Papst ist es, der das Kaisertum von den Griechen auf die Deutschen übertragen hat. Sieben Fürsten wählen den römischen König und künftigen Kaiser und Monarchen der Welt. Ihm sind alle Könige und Fürsten Untertan. Die Franzosen lügen, wenn sie sagen, dafs es für sie keinen Höheren gebe, denn nach dem Rechte sind sie dem Kaiser unterworfen.« Wie mit Albrecht machte Bonifaz auch mit Sizilien Frieden. Er bestätigte den vor einem Jahr zwischen Karl von Neapel und Friedrich von Sizilien geschlossenen Vertrag. So behielt nach schweren Kämpfen endlich doch ein staufischer Sprosse das vielumstrittene Eiland. Auch Philipp machte mit England Frieden; dieses durfte Guienne und Gascogne als französische Lehen behalten. Ebenso unterliefs er in Flandern alle gröfseren Aktionen. Aber für sein Ziel, den Papst zu fangen und auf einem Konzil absetzen zu lassen, konnte er den französischen Klerus unmöglich gewinnen; und doch war ihm >) Döllinger, S. 226 ff.

des Königs and der frz. Nation.

Mafsnahmen des Papstes.

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um dessen Zustimmung am meisten zu tun. Daher sollte es der Papst selbst sein, der das Konzil berufe. Am 13. und 14. Juni berief Philipp die Vertreter der Stände zusammen. Hier wurde Bonifaz VIII. der schwersten Verbrechen 1 ) beschuldigt; es wurde erklärt, dafs Cölestin nicht abdanken durfte, Bonifaz VIII. demnach nicht rechtmäfsiger Papst sei. Ein Konzil müsse berufen werden, um über diese Anklagen zu entscheiden. Von einer Einkerkerung des Papstes und der Berufung des Konzils durch einen Vikar war keine Rede. Dafür trat nun neben den andern auch die französische Geistlichkeit für das Konzil ein. Daneben blieben freilich die Aufträge bestehen, die Nogaret empfangen hatte. Dieser muíste aber dann für alles, was er tat, nach aufsen hin selbst die Verantwortung tragen. Für sein Vorgehen gewann der König die Zustimmung der ganzen Nation. Eine Volksversammlung schlofs sich am 24. Juni 1303 seiner Appellation an ein allgemeines Konzil an. Die Universität, Städte, Klöster und andere Korporationen gaben die Zustimmung. Bis Ende September waren nicht weniger als 700 Beitrittserklärungen eingelaufen. Wo der Eifer für die Ehre und Freiheit des Reiches nicht wirkte, half der .Zwang nach. Ein Widerstreben wurde nicht geduldet. Da sich der König auf ein allgemeines Konzil berufen hatte, muíste er sich auch an andere Nationen und vor allem an Rom wenden. Schreiben gingen an Könige und Stände einzelner Länder; er wandte sich selbst an die Kardinäle und bat sie um ihre Mitwirkung zur Herstellung des Friedens; um den Schein zu wahren, dafs er den Willen besessen, den Papst zur Abhaltung eines Konzils zu bewegen, verlangte er von ihm dessen Berufung. Ein Abgesandter erhielt den Auftrag, falls er nicht zum Papste gelange, die Appellation in Rom und andern Städten Italiens an die Kirchentüren anheften zu lassen. Wahrscheinlich wurde auch Nogaret vom Stande der Sache verständigt. Auch er muíste ja, falls er Gewalt brauchte, beschönigende Worte hiefür finden. Die Ereignisse hatten ganz Frankreich aufgeregt und in allen Kreisen des Landes ein Gefühl der Zusammengehörigkeit geweckt, wie es seit den Tagen von Bouvines nicht mehr gespürt worden war.2) An demselben 24. Juni erneuerte der König seine Ausfuhrsverbote und die Verfügung wegen der Konfiskation der Güter rebellischer Prälaten. Bonifaz VIII. nahm den Kampf mutig auf, täuschte sich aber über seine eigenen Machtmittel und den aus der Fremde, vorab vom deutschen Reich, zu erwartenden Schutz. Er hatte sich in seine Vaterstadt Anagni begeben, die ihm für viele Wohltaten verpflichtet war. Hier entwickelte er eine fieberhafte Tätigkeit. Mit Würde lehnte er am 15. August den Vorwurf der Ketzerei ab, protestierte gegen die Berufung des Konzils und das ganze Verfahren des Königs und der französischen Stände. Jede Appellation von ihm sei eine nichtige, denn unter den Sterblichen gebe es keinen Gleichen oder Höheren als ihn. Er behielt sich vor, gegen die Exzesse des Königs und die Seinigen einzuschreiten, nahm ») Sie sind aufgezählt bei Drumann II, 89—92. *) Holtzmann, 8. 69.

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Das Attentat yon Anagni.

ihm das Recht zur Besetzung erledigter Pfründen, entzog den Lehrern und Studenten der Pariser Universität ihre Privilegien. Und noch feierlichere Schritte gedachte er zu tun. Am 8. September sollte die Bannbulle veröffentlicht werden, die Philipp zerschmettern und seine Untertanen ihres Treueides entbinden sollte. Mittlerweile ereilte den Papst sein Geschick. Während sich seine Hoffnung auf fremde Hilfe als trügerisch erwies, hatte sich Philipp mit allen Feinden des Hauses Gaetani verbündet. An Nogaret und die Seinen schlössen sich Reginald von Supino und Sciarra an, das weltliche Haupt des Hauses Colonna. Sie gewannen einen starken Anhang. Die Bürger von Anagni rührten keine Hand für ihren Wohltäter. Nogarets Bundesgenossen aus der Campagna verlangten, dafs ihnen das französische Banner vorangetragen werde, sie allein wollten die Verantwortung nicht tragen. Nun entrollte Nogaret auch das päpstliche Banner, um anzudeuten, dafs sein Unternehmen nicht gegen die Kirche gerichtet sei. Am 7. September beim Morgengrauen rückte er vor. Die Tore von Anagni standen offen. Unter dem Ruf: »Es lebe Frankreich und das Haus Colonna« drangen die Scharen ein. Der Palast des Papstes und jene dreier Kardinäle wurden bestürmt, die letzteren genommen. Als Bonifaz — es war sechs Uhr — sah, dafs er in die Hände der Gegner fallen müsse, begehrte er einen Waffenstillstand, der bis drei Uhr nachmittags gewährt wurde. In der Zwischenzeit bat er die Bürger um Hilfe. Diese wiesen ihn an Nogaret und Sciarra. Vier Bedingungen wurden gestellt, unter denen ihm das Leben gelassen werden sollte: Restitution der abgesetzten Kardinäle Jakob und Peter Colonna, Zurückgabe ihres Besitzes, Resignation und Gefangenschaft in der Gewalt seiner Gegner. Als der Papst die Forderungen hörte, rief er aus: Wehe mir, diese Rede ist hart! Und da er schliefslich die Bedingungen zurückwies, unternahm Sciarra einen neuen Sturm auf die Paläste des Papstes und seines Nepoten. Der Palast des Papstes lehnte an die Marienkirche; von ihr aus war er am leichtesten zu erobern. Da die Tore geschlossen waren, wurde Feuer angelegt. Inzwischen fiel der Palast des Nepoten, dieser selbst ergab sich dem Sieger. Nach einem nochmaligen Sturm fiel auch der Palast des Papstes. Der eindringende Haufen fand ihn in seinem Zimmer auf einem Bette hegen, er hielt ein Kreuz, gefertigt, wie es hiefs, aus dem Holze des Kreuzes auf Golgatha, auf der Brust. Drohend wurde die Annahme der Bedingungen, vor allem Verzicht auf das Papsttum und Verbleiben in französischer Gefangenschaft verlangt. Der Papst erklärte, kein Ketzer zu sein und für den Glauben zu sterben. Auf Vorwürfe und Anklagen antwortete er mit keiner Silbe. Gefragt, ob er resignieren wolle, erklärte er, lieber das Haupt verlieren zu wollen: »Hier mein Nacken, hier mein Haupt.« Als Sciarra ihn töten wollte, wurde er von den andern gehindert, und Nogaret schrieb sich das Verdienst zu, ihm das Leben gerettet zu haben; er wollte ihn ja zweifellos lebend nach Frankreich bringen und vom Konzil verurteilen lassen. Darin liegt der Gegensatz zwischen Nogaret und seinen italienischen Bundesgenossen : diese hatten persönliche Rache zu nehmen, jener nach seinen

Überfall und Haltung des Papstes.

Sein Tod.

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Instruktionen den Papst nach Frankreich zu schaffen. Von Mifshandlungen war keine Rede. Bis zum dritten Tage blieb er in Haft. In der Zwischenzeit wurde sein Palast und die dort aufgehäuften Schätze geplündert. Nicht besser erging es den Palästen der Nepoten und Kardinäle. Arm wie Hiob geworden, soll Bonifaz in dessen Worte ausgebrochen sein: Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genommen, der Name des Herrn sei gebenedeit! Die Herrschsucht und Habsucht des Papstes rächte sich an ihm selbst. Die Ansprüche, die er für die päpstliche Macht erhob, hatten ihm die Feindschaft Frankreichs, seine Versuche, sich und seine Familie zu bereichern, die der Barone aus der Campagna zugezogen; indem sich beide verbanden, mufste er erliegen. 1 ) Während seine Todfeinde noch verhandelten, ob man ihn dem Tode überliefern oder lebend nach Frankreich schaffen solle, der Gegensatz zwischen Sciarra und Nogaret sonach jedes ernstliche Handeln unmöglich machte, schlug die Stimmung in Anagni um. Die Bürger bewaffneten sich. Mit den Rufen: »Es lebe der Papst, nieder mit den Fremden«,zogen sie zum Palast, überwältigten die Wache und befreiten den Papst. Das Ärgste war überstanden. Zeitgenossen und Spätere haben diesen Sachverhalt stark übertrieben: dafs der Papst mit dem Mantel des hl. Petrus geschmückt, die Krone Konstantins auf dem Haupte, die Schlüssel und das Kreuz in der Hand, auf dem päpstlichen Throne sitzend, seine Feinde empfangen habe, nach anderen Berichten gar mifshandelt worden sei. Der Auftrag, den Papst nach Lyon zu bringen, konnte aus Mangel an militärischen Machtmitteln nicht ausgeführt werden. Nogaret selbst und Sciarra entflohen, das französische Banner wurde zerfetzt und durch den Strafsenkot geschleift. Aber des Papstes Mut und Kraft war gebrochen. Nach einigen Tagen kamen die Kardinäle Orsini an und geleiteten ihn nach Rom. Er nahm seine, Wohnung im Lateran. Noch hoffte er, an seinen Feinden Rache zu nehmen und ein Konzil nach Rom zu berufen: hier sollten Philipp IV. und seine Mitschuldigen, und zu diesen gehörte auch König Karl II. von Neapel, gestraft werden. Diese Politik mifsfiel den Orsini, den alten Verbündeten des Hauses Anjou. . Sie stellten den Papst unter strenge Aufsicht und führten ihn in den Vatikan; ja sie riefen Karl von Neapel nach Rom, um im Falle einer neuen Papstwahl in der Nähe zu sein. Somit war der Papst ein Gefangener. 2 ) Zu allem Überflufs erschien jetzt noch der französische Bote, der ihm die Junibeschlüsse mitzuteilen und die Berufung eines Konzils zu verlangen hatte. E r konnte nicht mehr vorgelassen werden. Des Papstes Kräfte waren zu Ende. Zwischen hohen Entwürfen und angstvoller Zurückhaltung schwankte er hin. Infolge der unerhörten seelischen Erschütterung starb er aus Gram und Verzweiflung am 12. Oktober 1303 — ein Greis von 86 Jahren. Das Wort, das seinem Vorgänger in den Mund gelegt wird3), schien in den Augen ») Holtzmann, S. 94. •) Vgl. dazu aber Finke, S 273. 3) Intrabit ut vulpes, regnabit ut leo, morietur ut canis. Über die Genesis dieses Satzes s. Finke, S. 42.

232

Stan der Machtstellung des Papsttums.

der Zeitgenossen erfüllt und ist doch nicht mehr als ein vaticinium ex eventu. — Bonifaz VIII. fiel durch einen Akt roher Gewalttat, die niemand entschuldigen wird. Noch weniger wird man hiebei das Welthistorische an dem Ereignis übersehen. Die ungeheure Macht, die Gregor VII. beansprucht, Alexander III. gefördert, Innozenz III. in förmlicher Weise aufgerichtet und Innozenz IV. durch den Sturz der Staufer ausgebaut hatte, sie stürzte unter Bonifaz VIII. für immer zusammen. Gegen die von ihm gelehrte Vereinigung der beiden Schwerter in eine Hand sträubten sich die Nationen. Wie in Italien Dante, waren in Frankreich zahlreiche Männer an der Arbeit, der geistlichen Gewalt gegenüber auf die legitimen Ansprüche der weltlichen Macht zu verweisen. Über Bonifaz VIII. selbst urteilten die Zeitgenossen nicht ungünstig: den h o c h h e r z i g e n S ü n d e r nennt ihn Benvenuto von Imola, d e r g r o f s e P r i e s t e r heifst er bei Dante, und dieser ist es, der das an dem Papste begangene Verbrechen in strengster Weise rügt.1) ') Fegefeuer X X , 86.

II. Teil.

Das Papsttum unter französischem Einflufs 1303—1378. (Die babylonische Gefangenschaft der Papste.) 1. Abschnitt.

Das ayignonesische Papsttum und Philipp der Schöne. 1. Kapitel. Klemens V. und Philipp der Schöne. § 53. Das Pontiükat Benedikts XI. und die Anfange Klemens' Y. Die Verlegung des Papsttums nach Avignon und Ihre Bedeutung. Q u e l l e n : Le Régistre de Benoit XI. p.p. Grandjean. Paris 1884—86 Potth., Regg. pontili. II. T h e i n e r , I, 395—471. Regestum dementia papae. Romae 1885 bis 1888. Tractatus cum Heinr. VII. MM. Germ LL. II, 1. dementia V pap , Philippi etc., «pp. LXXI, ap. Baluze, Vitae pap. Avenion. Paris 1693. 8. 55—293. Über die Vorgänge bei der Wahl Klemens' V. s. d. Schreiben d. Kardinals Nap. Orsini an Philipp d. Sch bei S o u c h o n , Die Papstwahlen von Bonif. VIII. bis Urban VI. BraunBchw. 1888. Jetzt vornehml der Bericht an Jayme II. v. Arag. bei Finke S LXII. Rayn. Ann. Eccl. Acta inter Bonifacium etc wie oben. Darstellende Werke, B i o g r a p h i e n : Bernardi Guidonis Vita Bened. papae, Muratori m , 2, 672 u. Vita Benedicti XI in Eccard Corp hist. I, 1461 ff. Vitae Clementis : Prima vita auctore Joanne canon, s. Victoria Parisiensis, Baluze 2—22. Secunda auct. Ptol. l.uc. ib. 23 - 56. Tertia auct. Bernardo Guidonis, ib. 56—62. Quarta, ib. 62—89. Quinta auct. Veneto coetaneo, ib. 85— 94. Sexta auct. Amalrico Augerii de Biterris. Murat. III, 2, 451—466. C h r o n i s t e n : Chronica Urbevetana wie oben. Ptolemtlus v. Lucca, Hist. eccl. Murat. XI, 1224. Ferretus von Vicenza, Historia rerum in Italia gestarum 1250—1318. Murat. IX, 1010. Franciscus Pipinus, Chron. bis 1314. Mur IX, 746. Giovanni Villani Hist. Fiorentina. Mur. XIII. Zur Schlacht von Courtrai : La version flamande et la version française de la bataille de Courtrai p. p. Pirenne. Brüx. 1890. (Funck-Brentano, Mémoire sur la bataille de Courtrai et les chroniqueurs qui en ont traité pour servir à l'historiogr. du règne de Philippe le Bel. Paris 1891. S e v e n s , Kortrijk in 1302 en de slag der gülden Bporen. Kortrijk 1893. N a v e z, Courtrai ou la bat. des éperons d'or. Brüx. 1897.) Raynald, Ann. Eccl. Die franz. Quellen s. oben, desgl. die für die Bez. zu Deutschi, Engl. usw. Erg. bei Molinier III, 187. H i l f s s c h r i f t e n . D u p u y , wie oben. G r e g o r o v i u s V. H e f e l e VI, D r u m a n n , Gesch. Bonif. V m . wie oben. G a u t i e r , Benoît XI. Paris 1863. G r a n d j e a n , Benoit XI avant son pontif. Mei. d'archéol. 1888. K i n d l e r , Bened. XI. Posen 1891. F u n k e , Bened. XI. Münster 1891 (dort S. 7 auch ältere Werke).

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Benedikt XI. und Philipp der Schöne.

C. W e n c k , Klemens V. und Heinrich VII. (dort ausführliche Literaturvormerke). Souchon, wie oben. F i n k e , wie oben. B a u m g a r t e n , Untersuchungen u. Urkunden über die Camera collegii cardinalium für die Zeit von 1295 — 1437. Leipz. 1898. Für die Gesch. d. ap. Stuhls im 14. Jahrh. überhaupt: D e L o y e , Les archives de la chambre apoet. au 14* siècle. Paris 1899. Für den Römerzug s. unten § 57. R a b a n i s , Clément V et Philippe le Bel 1858. L a c o s t e , Nouvelles études sur Clém. V. 1896. H e f e l e , Restitution der Colonnas 1304. TkQ.-Schr. 1866. Zöpffel-Hauck, RE. H, 565. H u y s k e n s , Kard. Napol. Orsini. München 1J02.

1. Noch am Todestag Bonifaz' VIII. war Karl II. von Neapel in Rom eingerückt. Die Wahl vollzog sich auch diesmal unter dem Einflufs des Hauses Anjou. Im Kardinalskollegium gab es drei Parteien; der Führer der ersten, Napoleon Orsini, »der es vorzog, Päpste zu machen, statt selbst einer zu werdet«, hatte sich Bonifaz gegenüber feindlich verhalten; die zweite Gruppe bestand aus Bonifazianern; aus der dritten Gruppe, die Bonifaz ergeben gewesen, ohne seine Pläne zu billigen, wurde Nikolaus Boccasini, General der Dominikaner, als B e n e d i k t XI. (1303—1304),.gewählt. Nach den Stürmen unter seinem Vorgänger betrat er den Weg der Versöhnung und Milde, die aber weder in Feigheit noch in Schwäche ihren Grund hatte. Er hob die meisten Verfügungen gegen das Haus Colonna auf, ohne die beiden Kardinäle in ihre Würde einzusetzen. Dadurch deutete er an, dafs auch er ihre Auflehnung gegen Bonifaz VIII. als Vergehen betrachte. Mifslang es ihm, die Gegensätze zwischen Weifen und Ghibellinen zu mildern, so behauptete er dem König Friedrich von Trinakrien gegenüber die Lehenshoheit des Papsttums. Schwierig war es, ohne Preisgebung der Ehre der Kirche geordnete Beziehungen zu Frankreich herzustellen ; denn noch war Philipp IV. entschlossen, den verstorbenen Papst durch ein Konzil als Ketzer verurteilen zu lassen. Indem aber Philipp den ersten Schritt tat und eine Gesandtschaft nach Rom abschickte, um seine Lossprechung entgegenzunehmen (1304, 25. März), sprach ihn Benedikt XI. vom Bann los, hob die wider die Universität Paris und die ungehorsamen Prälaten erlassenen Verfügungen auf, änderte die Bulle Clericis laicos zugunsten des Königtums ab und legte auch die übrigen Streitigkeiten großenteils bei. Gegen Nogaret und die unmittelbaren Täter von Anagni war der Papst, der die Tat mit eigenen Augen gesehen hatte, aufs äufserste erbittert; darum legte er ihn mit zwölf anderen Genossen, unter ihnen Sciarra Colonna, noch besonders in den Bann. Seine Begnadigung erfolgte erst unter dem nächsten Pontifikat (1311). Die Regierung Benedikts XI. steht mitten in einer denkwürdigen Entwicklung des Kardinalskollegiums.1) Indem Nikolaus IV. die Verordnung erliefs, dafs die Kardinäle die Hälfte sämtlicher Einkünfte der römischen Kirche besitzen und an deren Regierung bei Besetzung der Rektoren- und Kollektorenstellen teilnehmen sollen, erhielten sie einerseits die Mittel, um ihrer hohen Würde entsprechend auftreten zu können, anderseits aber auch eine rechtliche Grundlage für ihre Mitwirkung an weltlichen Regierungshandlungen. Sie nahmen nun auf die Regierung der Kirche grofsen Einflufs, der nur ') Funke, S. 110.

Die Wahl Klemens' V.

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unter Bonifaz VIII. unterbrochen war. Wie bei den deutschen Königswahlen machen sich in der Folgezeit Wahlkapitulationen bemerkbar, ja einzelne Kardinäle bekunden das Streben, das Kardinalskollegium zum wesentlichen Faktor in der Oberleitung der Kirche zu machen. Benedikt XI. starb am 7. Juli 1304 zu Perugia. Die Plötzlichkeit seines Todes rief die Fabel von seiner Vergiftung hervor. Allerdings lag dem französischen König daran, gefügigere Werkzeuge auf dem päpstlichen Stuhl zu besitzen, als es dieser Papst war, der mit sich nicht schalten liefs, wie es den Wünschen Philipps entsprach. 2. Bei der Schroffheit der Parteigegensätze im Kardinalskollegium, in welchem sich neben Bonifazianern Anhänger Philipps IV. befanden, kam ungeachtet des von Neapel geübten Druckes die Neuwahl erst nach 11 Monaten zustande. Gewählt wurde am 5. Juni 1305 B e r t r a n d de Got, Erzbischof von Bordeaux, als Klemens V. (1305—1314). Die Wahl dieses Franzosen mochte sich aus mehreren Gründen empfehlen. Hatte er im Streite zwischen Bonifaz VIII. und Philipp sich auf die Seite des Papstes geschlagen, so war seine Parteinahme nicht so weit gegangen, dafs er sich die Gunst des Königs verscherzt hätte. Dieser wufste, als er seine Kandidatur den Kardinälen empfahl, sehr genau, was er von ihm zu gewärtigen habe. Welche Versprechungen Klemens dem Könige v o r seiner Wahl gemacht, ist nicht genau zu erweisen, sicher dagegen ist, dafs er die Kardinäle durch eine Wahlkapitulation gewann, die ihnen einen legitimen Einflufs auf die Verwaltung der Kirche gewährte1) und gewärtigen liefs, dafs das Zusammenwirken des Papstes und der Kardinäle die Aufrichtung der Kirche von ihrem tiefen Fall zur Folge haben werde. Sein Name erinnert an Klemens IV., der auch Franzose gewesen und dem man nachsagte, dafs er aus Liebe zu seinem Volke die Kirche zerrüttet habe. Im übrigen führte Klemens V. die Verhandlungen mit Philipp IV. erst jetzt zu Ende. Gegen den Wunsch der Kardinäle verblieb er in Frankreich, zunächst um den Frieden zwischen Frankreich und England zu befestigen. Seine Krönung fand (14. November) in Lyon statt, das dem französischen König bequem lag. Dieser mochte erwarten, dafs Klemens dem Andenken seines Vorgängers den Prozefs machen werde; dann konnten dessen Akte kassiert und die Tat von Anagni als Rettung der Kirche hingestellt werden. In der Tat kam Klemens V. dem König weit entgegen. Unter den zehn Kardinälen, die er am 15. Dezember 1305 ernannte, waren vier aus seiner eigenen Verwandtschaft, unter den übrigen befand sich der Beichtvater und der Kanzler des französichen Königs.2) Jakob und Peter Colonna wurden in ihre Würden wieder eingesetzt. Nunmehr befanden sich die Bonifazianer und bald auch die italienisch gesinnten Kardinäle in der Minderheit. Dadurch wurde eine Gewähr für das vom Papst anfänglich kaum beabsichtigte Verbleiben in Frankreich geboten. *) Das ist durch Souchon S. 26 ff. erwiesen. S. die Stelle aus dem Brief Orsinis : Quondam (bei der Wahl in Perugia) cum multis cautelis . . . hunc . . . elegimus. Saepe . . . cassata copitulis electionis absque iuris ordine . . . S. 186. •) Wenck, S. 48 ff.

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Das Papsttum in Avignon.

Schäden des avignonesischen Systems.

Die Forderung, den Prozefs gegen Bonifaz VIII. einzuleiten, hielt Philipp sechs Jahre lang aulrecht und benützte sie zur Einschüchterung des Papstes, dem daran hegen mufste, das Ansehen seines Vorgängers unversehrt zu erhalten. Dagegen wurde Frankreich von den Wirkungen der Bulle Clericis laicos gänzlich eximiert; bei der Abhängigkeit des Papstes von Frankreich verlor auch die Bulle Unam sanctam für dieses ihre Bedeutung. Nach Rom sandte Klemens seine Vikare; seine Residenz nahm er schließlich (1308) in Avignon, einer Stadt, die seinem Vasallen, dem König von Neapel, als Grafen der Provence gehörte und nicht weit von Venaissin lag, das Raimund von Toulouse 1228 an die römische Kirche abgetreten hatte. Die Abwesenheit des Papstes erzeugte in Rom eine förmliche Anarchie. Machten sich einige Adelsgeschlechter zu Herren der Stadt, so verlor diese nun auch eine reiche Quelle des Einkommens, seitdem der Papst, sein Hofstaat und jener der Kardinäle fehlte und der Zuflufs der Pilger aufhörte. Um die Ordnung notdürftig aufzurichten, enthob der Papst die Senatoren ihrer Würde und gab dem Volke das Recht, sich seine Vorstände selbst zu wählen. Mit Schmerz blickten gebildete Römer auf die Ereignisse und wandten ihre Blicke dem Kaisertum zu, von dem sie wie Dante 1 ) ihre Rettung erwarteten. 3. Die schweren Schäden der Verlegung der römischen Kurie nach Avignon boten nicht blofs in Rom und Italien, sondern im ganzen Abendland Anlafs zu Klagen. 2 ) Schon der Kardinal Napoleon Orsini, früher selbst ein eifriger Förderer Klemens' V., klagt das ganze System Klemens' V. an: seine Habgier und Simonie und die bei der Kurie eingerissene Sittenlosigkeit. Dabei konnte er das schwerste Übel: die Abhängigkeit der Kurie von der französischen Krone, gar nicht einmal nennen, weil das Schreiben, in welchem er davon spricht, an den König gerichtet ist. Am meisten sagte dem Papst das Klima von Bordeaux zu, dahin, »in den W i n k e l der G a s c o g n e « , gedachte er noch ein Jahr vor seinem Tode den Sitz der Kurie zu verlegen. Mit zärtlicher Liebe hing er an seiner Heimat und seiner Verwandtschaft, die er nach Kräften förderte, so zwar, dafs er geistliche und weltliche Amter in gröfster Menge an sie verteilte, in vielen Fällen an Personen, die ihrer ganz unwürdig waren: an Knaben und ungebildete Leute.3) Unter den von ihm ernannten Kardinälen sind 16 Gascogner und unter diesen vier Nepoten. Wie er selbst für diese sorgte, taten dies auf sein Verlangen auch England und Frankreich. Unter der Habsucht des Papstes hatte die französische Kirche am meisten zu leiden. Zum Zweck der Gelderpressung wurde vielen Kirchen das Wahlrecht entzogen und Bischofssitze durch päpstliche Provision besetzt. Auf lange Zeit hinaus gilt nicht mehr Würdigkeit und persönliche Tüchtigkeit des Bewerbers, sondern Reichtum und einflufsreiche Verwandtschaft. Aufser den Verwandten und Freunden des ') Purg. VI: Komm, sieh dein Rom in Tränen etc. *) Zusammengestellt bei Wenck, S. 64. S. Souchon, S. 185. ') Wenck, S. 60—62. Die Stelle in Orsinis Brief ist bezeichnend: Nulla remansit cathedralit ecclesia vel alicuius ponderis praebendula, que non sit pocius perditioni quam provmoni exposita. Nam omnes quasi per emptionem et venditionem vel carnem et sang uinem possidentibus immo usvrpantibus advenerunt. Weiteres s. § 61.

Philipp IV. in Flandern.

Die Sporenschlacht.

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Papstes werden die Philipps IV. am meisten gefördert. Unter dem Vorwand eines Kreuzzuges, der dem] Papst indessen weniger am Herzen lag, als ihm nachstehende Geschichtsschreiber zugeben, wurden von den Kirchen schwere Auflagen erhoben. Bei ihrer Abhängigkeit von Frankriech wurde die Kurie ganz nach den Absichten der französischen Krone gelenkt. Hierin ist der wichtigste Grund ihrer zahlreichen Kämpfe mit anderen Ländern zu suchen, denn bei jedem Zusammenstofs Frankreichs mit einer andern Macht war auch die Kurie in Mitleidenschaft gezogen. Philipp der Schöne nützte diese Lage hart, rücksichtslos und mit der kühlen Berechnung des Diplomaten aus. Schon im Kampf gegen Flandern stand ihm der päpstliche Rückhalt zur Verfügung. Im Jahre 1301 mochte es scheinen, als sei Flandern fester Besitz der französischen Krone (s. § 50). Da erhoben sich die Unzufriedenen in Brügge, an ihrer Spitze Peter von Koning, der Vorstand der Tucherzunft. Die Bewegung wurde unterdrückt und von dem französischen Statthalter Jacques de Châtillon, der den Weisungen Pierre Flottes folgte, benützt, um die Zügel in den Städten straffer anzuziehen. Darüber entstand eine Mifsstimmung, die von den gefangenen Grafen von Flandern, Johann und Guy von Dampierre, genährt wurde und (1302) zu einer allgemeinen Erhebung, den »Matines de Bruges«, der Frühmette von Brügge, führte, die über 3000 Franzosen das Leben kostete. Aus allen flandrischen Städten wurden die Franzosen vertrieben und ein Heer Philipps IV. unter Robert von Artois von dem flandrischen Bürgerheere am 11. Juli 1302 in der sogenannten S p o r e n s c h l a c h t v o n C o u r t r a y besiegt: Artois, de Connétable und Pierre Flotte fielen. 4000 goldene Sporen wurden in der Kathedrale zu Courtray aufgehängt. Der nächste Feldzug Philipps brachte keine Entscheidung. Erst als er Frieden mit England geschlossen und den Streit mit dem Papsttum beendet hatte, brachte er unter grofsen Anstrengungen ein Heer auf, das die Gegner bei M ö n s - e n - P e v è l e (1304, 18. Aug.), zurückdrängte, ohne aber entscheidende Vorteile zu erzielen. Die flandrischen Landesteile mufsten dem Grafen Guy und seinen Söhnen gelassen werden, dagegen versprachen die Flandrer, 200000 Livres zu zahlen und als Pfand den auf dem rechten Ufer der Lys liegenden Teil von Flandern mit Lille, Douai und Bethune zu übergeben, die dann im Besitz der Franzosen blieben. Auf dem Fürstenkongrefs zu Poitiers (im Mai 1307) erhielt der Frieden auch die päpstliche Bestätigung. In einer Klausel wird der Bann der Kurie gegen die flandrischen Grafen geschleudert, falls sie den Friedenstraktat verletzten. Der Bannstrahl der Kirche war damit in den Dienst des französischen Königtums gestellt. § 64.

Der Templerprozefs.

Q u e l l e n : Die erste in tendenziöser Weise zusammengestellte Sammlung rührt von D u p u y her (s. G m e l i n 8. 213). Die eigentlichen Prozeßakten blieben fast 600 Jahre unbekannt, und selbst die Protokolle der Verhöre in Paris sind erst von M o l d e n h a w e r (Prozefs geg. d. Orden d. Tempelherren. Hamburg 1792) auszugsweise und in Übersetzung publiziert worden. Michelet, Procès des Templiers, Collection de documents inédits 2 voll. Paris 1841—1852 (ein Quellenwerk ersten Ranges). Ein Teil der oberital. Akten von 1311 bei Bini, Atti délia r. academia di Lucca XŒI, 1845. Die

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Der Tempierp rozefs.

Règle et statuts secrets des Templiers von Maillard de Chambure 1840 a. 1886 von H. de Curzon, La Règle du Temple in Soc. de l'histoire de France. (Unter d. Quellen ist d. Templerregel eine der wichtigsten. Aus ihr ist für eine angebl. ketzerische Verschuldung des Ordens nicht das mindeste abzunehmen. S. Gmelin, MJÖG. XIV. Siehe K ö r n e r , Die Templerregel. J e n a 1902.) Urk.-Material bei C a m p o m a n e s , Diesertaciones hist. del orden de los Templarios. Madr. 1747 u. Mariana, Hist. gener. de EspaBa. Madrid 1649 Einzelnes in F e r r e i r a , Memorias e noticias da celebre ordern dos Templarios. Lisb. 1735. Zur engl. Templergesch. s. Wilkins, Conc. Magn. Brit. II, 339 bis 401. Besonders wichtig ist Boutaric, Notices et extraits de doc. inéd. de la biblioth. imper. XX, 2, 169. SchottmOller teilt in seinem Buche (s unten) die Verhöre v. Poitiers, die des engl. Prozesses, die Inquesta facta et habita in Brundusio, den processus Cypricus u. den Proc. in patrimonio mit. Prutz hat in seinem Buche (s. unten) Regesten von Templerurkk. 1145—1306, Papsturkk. 1219—1319, Urkk. franz. Könige für die Templer u. a. aufgenommen. Wichtig ist immer noch: R a y n o u a r d , MM. hist. relatifs à la condamnation des Templiers. Paris 1813. Von besonderer Wichtigkeit sind die Biographien Klemens' V., s. oben. (Am wichtigsten sind die vitae III u. IV aus der Feder Bernard Guis.) Keine erzählende Geschichtsquelle gibt eine zusammenhängende Darstellung des Templerprozesses. Einzelnes die Continuatio des Guilelmus de Nangiaco u. Villani, s. Schottmüller I, 682—6W. Erg. bei Molinier m , 223. H i l f s s c h r i f t e n . In H a v e m a n n , Gesch. d. Ausganges des Tempelherrenordens, Stuttg. u. Tübingen 1846, ist die gesamte ältere Lit. vermerkt. (Daher werden die Werke von Le Mire, Menenius, Dupuy, Gurtler, Vertot, Ferreira, Campomanes, Anton, Nikolai, Stemler, Le Jeune, Moldenhawer, Raynouard [wegen der Mitt. aus Handschr. s. oben], Graf, Horky, Addison, Hammer, übergangen.) W i 1 c k e , Gesch. des Tempelherrenordens. 2 A. 1860. S o l d a n , Uber den Prozefs der Tèmpler. HT. NF. VL 1845. In neuerer Zeit ist die Frage über Schuld u. Unschuld d. T. häufig behandelt worden. Sie kann nach der letzteren Richtung als gelöst betrachtet werden. Die (ketzerische) Verschuldung d. T. wurde zuerst von L o i s e l e u r , La doctrine secrète des Templiers. Orl. 1872, noch mehr von P r u t z , Geheimlehre und Geheimstatuten des Templerordens. Berl. 1879, vorgetragen. Dort ist die Gleichgültigkeit der Templer gegen das Christentum betont u. werden Zeugnisse über die Zweifel an der kirchlichen Rechtgläubigkeit des Ordens gesammelt. Dieser habe eine ketzerische Geheimlehre gehabt u. u. a. die Menschwerdung Christi geleugnet. Modifiziert hat P r u t z seine Ansichten in seinem Buche : Entwicklung u. Untergang des Templerherrenordens. Berl. 1888. S. HZ. 64, 280. P r u t z , Kulturgesch. d. Kreuzzüge. Berl. 1883. S c h o t t m ü l l e r , Der Untergang des Templerordens. Berl. 1888, tritt für die Unschuld des Ordens ein. Dessen tragisches Ende ist in dem selbstsüchtigen Willen K. Philipps zu suchen (s. Bemerkungen Kleins in JBG. XVI, III, 171). Gegen Prutz: G m e l i n , Schuld oder Unschuld d. T.rO. Stuttg. 1893. — G m e l i n , Die Templerregel in MJÖG. XIV (s. dazu JBG. 1897). — P r u t z , Forschungen zur Gesch. des Templerordens, l . d i e Templerregel. Königsberger Stud. 1. — K n ö p f l e r , Die Ordensregel d. T. HJb. VHI. B o u t a r i c , Clément V, Philippe le Bel et les Templiers. RQH. X, XI, 1871. La France sous Philippe le Bel. Paris 1861. R e n a n , La papauté hors de l'Italie. RdDM. XXXVIII. V a n O s , De abolitione ordinis Templi. Würab. 1876. L a v o c a t , Procès des frères de l'Ordre du Temple. Paris 1888. Langlois, Le Procès d. Tempi. RdDM. CIU. D e l i s l e , Mémoire sur les Opérations financières des Templiers (Mem. de l'Ac. des Insc. XXXIII, 2). In gewissem Sinne abschliefsend L e a , History of t h e Inquisition III, 238 ff. D ö l l i n g e r , Der Unterg. des Templerordens. Ak. Vortr. III (dort auch Angaben über ital. l i t . zu dem Gegenstand.) J u n g m a n n , Klemens V. u. d. Aufh. d. Templerordens. ZKath. Theol. I, III. C. W e n c k , Klemens V. u. Heinrich VII. Halle 1882. S. auch Wenck in d. GGA. 1888, 1890, 1893, 18% u. RHist. XL, 168. P r u t z , Krit. Bemerkungen zum Proz. d. T. DZG. XI. S a l v é m i n i , L'abolizione d. Ord. di Templari. AStlt. XV, 2. G r a n g e , The fall of the knigths of the Temple. Dublin Rev. 1896. Auf d. Literaturangaben über die Gesch. der Templer in den einzelnen Ländern wird verzichtet. Zum Konzil v. Vienne s. E h r l e im ALKG. H, HI, IV. H e b e r , Gutachten u. Reformvorschläge f. d. Vienner Generalkonzil. Leipz. 1896. H e f e l e , Konzil-Gesch. VI.

Philipp IV. und die Templer.

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1. Der unglückliche Krieg gegen Flandern hatte die Mittel Philipps IV. erschöpft. Er stand vor dem Zusammenbruch seiner Pläne. Da lag es nahe, sich an das Gut der Kirche, vor allem an das des Templerordens, zu halten, dessen Reichtum ein bedeutender war und in den Augen der Zeitgenossen noch viel höher eingeschätzt wurde.1) Der Orden hatte stets eine wichtige, in den letzten Zeiten der Christenherrschaft in Syrien aber unrühmliche Rolle gespielt. Er besafs eine Fülle päpstlicher Privilegien, die ihm eine Sonderstellung gewährten und dankte der Freigebigkeit der Fürsten und Grofsen reichen Besitz an hegender und fahrender Habe. In Frankreich in den höheren Kreisen geachtet, war er in denen des Volkes wegen des ¡Hochmuts seiner Mitglieder sehr unbeliebt; dem aufstrebenden Königtum stand er im Wege, denn seine Mitglieder, auch seine Untertanen, Bauern und Handwerker, waren der Einflufsnahme durch den Staat entzogen, und so störte er die auf die Zentralisierung der Verwaltung gerichteten Absichten Philipps. Das Templergut konnte der König nur bei einer förmlichen Aufhebung des Ordens erlangen, diese konnte aber nur erzielt werden, wenn gegen ihn die Anklage auf Häresie erhoben und begründet werden konnte. Dies geschah in der Tat. Die meisten zeitgenössischen Quellen melden, dafs die Habgier des Königs die vornehmste Ursache des gegen den Orden eingeleiteten Prozesses war. Aber den König leitete noch ein zweites Motiv. Sein Vorgehen gegen Bonifaz VIII. hatte in vielen Kreisen Entsetzen erregt. Noch hatte er der Kirche keine entsprechende Genugtuung gegeben. Das konnte geschehen, wenn er sich zum Retter des durch die Ketzer bedrohten Glaubens aufwarf. Es mufsten sonach die Templer als Ketzer erscheinen; seine Pflicht war es dann einzuschreiten. Um den Kampf gegen sie aufzunehmen, gewährte die vom König abhängige und ihm vielfach verpflichtete Inquisition die entsprechenden Mittel. Die Inquisitoren standen im Solde des Königs, und der Ertrag der Konfiskation flofs seiner Kasse zu. Was den nächsten Anlafs zur Einleitung des Prozesses gab, ist nicht ganz sicher. Es wurde behauptet, dafs eine entsprechende Zusage des Papstes eine der Bedingungen seiner Wahl war. Dies ist wenig wahrscheinlich. Sicher ist nur, dafs der König dem Papst bei dessen Krönung (1305, 14. November) zuerst Mitteilung über geheime Verbrechen der Templer und Mifsbräuche im Orden machte. Es hielt nicht leicht, Klemens V. zu gewinnen; doch besafs Philipp ein wirksames Pressionsmittel: er drängte auf die Einleitung des Ketzerprozesses gegen Bonifaz VIII. 2 ) Diese Forderung erfüllte den charakterschwachen Papst mit Schrecken; so oft er Bedenken zeigte oder die Neigung bekundete, der Rechtfertigung der Templer Gehör zu schenken, wandten Philipp und seine Juristen dies Mittel an, und es versagte niemals den Dienst. l ) Döllinger, S. 267. Der Kard. Simon, der um 1300 einen dem Klerus auferlegten Zehent zu erheben hatte und den genauen Betrag aller kirchlichen Güter wohl abzuschätzen verstand, legte den Templern keine höhere Steuersumme auf als den Hospitalitem; die Zisterzienser zahlten dagegen doppelt so viel als die beiden Ritterorden. •) Döllinger, S. 255.

Einleitung des Prozesses.

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Verhaftung und Verhör der Templer.

2. Klemens V. mochte den Enthüllungen des Königs anfangs wenig Glauben geschenkt haben, denn noch 1306 berief er die Meister der Hospitaliter und Templer zu einer gemeinsamen Beratung über den Kreuzzug. Erst im August 1307 war er bereit, eine Untersuchung, um die der Grofsmeister selbst gebeten hatte, einzuleiten. Ohne ihr Ergebnis abzuwarten, wurden auf Philipps Befehl am 13. Oktober alle Templer in Frankreich verhaftet, ihre Güter mit Beschlag belegt und die Gefangenen dem Inquisitor übergeben. Die Klagen gegen den Orden umfafsten fünf Punkte: Verleugnung und Entweihung des Kreuzes, Verehrung eines Idolkopfes, Unzüchtigkeit, Auslassung der Sakramentalworte bei der Messe und Gestattung unnatürlicher Ausschweifungen. Auf diese Klagepunkte hin wurden die Gefangenen im Tempel zu Paris zwischen dem 19. Oktober und 24. November verhört und, wofern sie nicht gestanden, gefoltert. Sechsunddreifsig Templer erlagen den Qualen, andere starben im Gefängnis aus Mangel an den notwendigen Lebensbedürfnissen. Die Anklagen waren insgesamt unbegründet. Nie und nirgends hat ein Templer ein Geständnis abgelegt, das ihm nicht durch die Folter oder durch die Furcht vor ihr entrissen worden wäre. Wo man wider sie nicht mit der Folter vorgehen durfte, waren keine belastenden Zeugenaussagen zu erlangen. Da der Inquisitor nur das Recht hatte, gegen einzelne Templer zu verfahren, allgemeine Anordnungen aber nur dem Papste zustanden, erhob dieser gegen das Verfahren Einsprache. Weil er fürchtete, die Sache könnte seinem Richterspruche entzogen und die Güter des Ordens vom Staate eingezogen werden, wollte er selbst gegen den Orden vorgehen und erliefs am 22. November 1307 eine Bulle, durch die er alle Fürsten zur Verhaftung der Templer aufforderte. Hiedurch wurde die Sache zu einer Angelegenheit der ganzen Christenheit. In England, Irland und Wales wurden die Templer im Januar 1308 verhaftet, in Aragonien zog der König ihre Besitzungen ein, in Portugal nahm er sie in Schutz. Dem ausgesprochenen Willen des Papstes zum Trotz wollte Philipp IV. die Untersuchung nicht aus der Hand geben und griff daher zu einem Mittel, das sich schon gegen Bonifaz VIII. bewährt hatte. Er brachte die Sache vor die Reichsstände. Diese begehrten, dafs der König bei der Weigerung des Papstes die Ketzer selbst vertilgen solle, und drängten auch den Papst zu weiteren Mafsregeln. Bei einer Zusammenkunft in Poitiers verlangte Philipp von Klemens die Einleitung des Prozesses gegen die Templer und, als sich der Papst weigerte, den Prozefs gegen Bonifaz VIII. Um dessen Ruf zu schonen, gab Klemens V. in der Templerfrage nach.1) Aber die Übergabe der Templer an den Papst, die nun erfolgte, war nur eine scheinbare. Sein Stellvertreter l

) Aus dieser Zeit stammt der Bericht eines Ohrenzeugen, überliefert durch den Juristen Alberich de Eosate (Zit. bei Wenck, 78): Destructus fuit ille orilo tempore Clementis pape ad provocacionem regis Francie. Et sicut a udivi ab uno, qui fuit examinator cause et testium, destructus fuit contra iusticiam. Et mihi dixit, quod ip se Clemens protulit hoc: Et si non per viam iusticie potest destrui, destruatur tarnen per viam expediencie, ne sc andaliz etur charus filius noster rex Francie. Siehe zu dieser Stelle Prutz, 224.

Die Haltung des Grofsmeisters.

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überliefs ihre Bewachung dem König, und die Inquisitoren walteten ihres Amtes. In Poitiers wurden mittlerweile 72 Templer, doch nur solche, die bereits Geständnisse abgelegt hatten, aufs neue verhört. Die meisten "blieben bei ihren Aussagen. Die Würdenträger wurden in Chinon vernommen. Molay gestand die Verleugnung Christi und Bespeiung des Kreuzes zu und bat um Gnade, die ihm gewährt wurde. Aber ohne Folter wird es auch hier nicht abgegangen sein. Da Philipp bisher stets auf die Einberufung eines Konzils gedrängt hatte, schrieb es Klemens auf den 1. Oktober 1310 nach Vienne aus. Es hatte die Aufgabe, über die Templerfrage, Irrlehren, den Kreuzzug und die Hebung der Kirchenzucht zu verhandeln. Der Prozefs gegen Bonifaz VIII. sollte im Februar 1309 zu Avignon weitergeführt werden. Mittlerweile hatte der Papst eine Bulle erlassen, welche die Templer an den ihnen gesetzten Terminen vor die Inquisitoren wies. Der Orden als solcher sollte für seine Sache Bevollmächtigte ans Konzil senden. Ein Lichtblick für die Verfolgten eröffnete sich, als Heinrich von Luxemburg zum deutschen König gewählt wurde. Der Papst hätte nun einen Rückhalt wider die steigenden Ansprüche Frankreichs gewonnen; aber er war schon zu weit gegangen, als dafs er noch zurücktreten konnte. Indem er den Bischöfen die Führung der Prozesse in ihren Diözesen überliefs, regte er den alten Hafs der Weltgeistüchkeit gegen die Templer auf, denen nun nicht selten neue Geständnisse abgeprefst wurden. Doch erklärten einzelne im stolzen Gefühl ihrer und der Unschuld des Ordens die Geständnisse des Meisters und der andern für erlogen. Die wichtigsten Prozesse fanden in den Diözesen von Paris, Sens und Tours statt. Während. die Bischöfe den Prozefs gegen einzelne Ordensmitglieder führten, hatte der Papst die Untersuchung gegen den Orden als solchen einer Kommission übergeben, an deren Spitze der Erzbischof von Narbonne stand. Sie hatte das Material herbeizuschaffen, auf Grund dessen das Konzil die Entscheidung fällen sollte. Sie begann ihre Tätigkeit in Paris (1309, 7. August). Alle, die den Orden verteidigen wollten, wurden für den 12. November vorgeladen, aber an diesem Tage erschien kein Templer da die Aufforderung den Gefangenen entweder nicht oder unrichtig zugestellt, einzelne Personen überdies erst noch verhaftet wurden. Molay wurde am 26. November verhört. Gewarnt, sich auf einen Widerruf einzulassen, war er entrüstet, als er hörte, was man ihm als sein Geständnis vorlas. Er verlangte vor den Papst geführt zu werden und verzichtete darauf, den Orden vor der Kommission zu verteidigen. Am 28. März 1310 waren 549 Templer bereit, dessen Verteidigung zu übernehmen. , Das Verhör der Zeugen (11. April), förderte keine neuen Ergebnisse zutage. Die Untersuchung zog sich in die Länge. Da versammelte der neuernannte Erzbischof von Sens, ein Bruder des allmächtigen Ministers Enguerrand von Marigny, ein Provinzialkonzil zu Paris (10. Mai) und befreite unter dem Vorwand, nicht gegen den Orden als solchen, sondern nur gegen die einzelnen Templer seiner Erzdiözese zu verfahren, den Hof von den entschiedensten Zeugen.1) Gleich am ») Soldan, S. 407. L o s o r t h, Geschichte des späteren Mittelalters.

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Das Urteil des Provinzialkonzils von Paria und seine Vollstreckung.

folgenden Tage wurden 54 Ritter, weil sie ihre Geständnisse zurückgenommen hatten, verurteilt und verbrannt. Noch aus dem Prasseln des Feuers hörte man die Beteuerungen ihrer Unschuld. Am 12. Mai folgten vier Genossen. Entsetzt sah die Menge ihrem Martyrium zu, ohne an ihre Schuld zu glauben. Der Terrorismus wirkte schliefslich auf die Mehrzahl der übrigen Templer. Als Aymer de Villiers-le-Duc vor die papstliche Kommission trat, beteuerte er laut die Unschuld seines Ordens. Seit er aber die 54 habe sterben gesehen, werde er bekennen was man wolle, selbst, dafs er den Heiland ans Kreuz geschlagen habe. Die päpstliche Kommission hatte sich vergebens bei Marigny verwendet. Eis blieb ihr nichts übrig, als ihre Geschäfte auf ein halbes Jahr zu vertagen; sie führte auch dann nur ein klägliches Dasein, bis sie am 5. Juni 1311 ihre Sitzungen schlofs. Das in Paris gegebene Beispiel fand in den Diözesen Reims, Rouen und Carcassone Nachahmung. Überall beteuerten die Templer noch in den Flammen ihre Unschuld. 3. Die Ergebnisse der Untersuchung in den andern Ländern waren sehr verschiedene. J e mehr ein Land dem Einflüsse Frankreichs und der Kurie entrückt ist, desto geringer sind die Ergebnisse der Untersuchung, desto milder das Los der Templer. Weder in den Staaten der pyrenäischen Halbinsel noch in England wurde ihre Schuld erwiesen. Die Verfolgung war dort, wo das Königtum oder, wie in Deutschland, die Landesfürsten und der Adel die Hand über den Templern hielten, eine laue. Am günstigsten war der Verlauf des Prozesses in Cypern. Viele von den Zeugen und einzelne Templer erklärten, erst durch die Erlasse des Papstes von ihren vermeinten Verbrechen gehört zu haben. Auf dem Konzil wurden die Protokolle über die Untersuchung in den einzelnen Ländern vorgelegt und geprüft, dem Orden aber versagt, seine Verteidigung zu führen. Ritter, die es versuchten, wurden ins Gefängnis geworfen. Aber das Konzil kam nicht zu dem Schlüsse, dafs der Orden häretisch sei. Wieder drängte Philipp den Papst vorwärts. Am 5. März 1312 kam er selbst nach Vienne und nahm an den Verhandlungen teil. Der Papst gab schliefslich zu, dafs der Orden zwar nicht wegen Ketzerei verurteilt werden könne, aber in so schlechtem Rufe stehe, dafs er seine Aufgabe nicht mehr zu erfüllen vermöge. Auch werde ihm niemand mehr beitreten wollen. Unter diesen Umständen sprach er in öffentlicher Sitzung (3. April) die Aufhebung des Ordens aus.1) Wenige Wochen später wurde das Ordensgut mit Ausnahme des spanischportugiesischen den Hospitalitern zugesprochen. Die obersten Würdenträger behielt der Papst seinem Urteilsspruch bevor; über die übrigen sollten Provinzialsynoden entscheiden, die für unschuldig Befundenen aus den Ordensgütern erhalten, die Geständigen nachsichtig behandelt und die Rückfälligen strenge bestraft werden. Sein eigentliches Ziel, in den Besitz des Ordensgutes zu kommen, erreichte der König somit nicht. Dafs der Verlauf der Angelegenheit ein anderer war, als er ihn gewünscht hatte, spricht aber nicht gegen seine ursprünglichen Absichten. Übrigens >) Die Aufhebungsbulle vom 22. Mftra 1312 auch bei Mirbt Nr. 245.

Aufhebung des Ordens.

Ende Molays.

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behielt er das Templergut in seinen Händen. Erst seine Nachfolger lieferten es zum Teil an die Hospitaliter aus. Auf halbem Wege durfte er aber nicht stehen bleiben. Es folgte noch das Ende des Grofsmeisters. Zuvor wurde endlich die Angelegenheit Bonifaz' VIII. zu Ende geführt und seine Rechtgläubigkeit anerkannt. Doch wurde ein Dekret erlassen, wonach weder dem König noch seiner Familie jemals vorgeworfen werden sollte, was er an dem Papste verübt hatte. Und noch ein weiteres Zugeständnis mufste dem König gemacht werden. Alle Bullen Bonifaz' VHI., die dem König und Frankreich zum Nachteile gereichten, mufsten aus den päpstlichen Registerbüchern gerissen und sonst der Vernichtung preisgegeben werden. Nun erst wurde auch Nogaret vom Banne gelöst. 4. Der feierliche Schlufsakt im Templerprozesse fand am 11. März 1314 statt. Es handelte sich um Molay und seine Genossen., Vor der Kirche von Nötredame war ein rotausgeschlagenes Gerüst errichtet. Molay und die Seinigen wurden vor die päpstlichen Kommisäre und den Erzbischof von Sens geführt und ihre Verurteilung zu lebenslänglichem Kerker ausgesprochen. Da erhoben sich der Grofsmeister und der Präzeptor der Normandie, bestritten die Rechtmäfsigkeit des Urteils und nahmen ihre früheren Zugeständnisse nicht nur zurück, sondern erklärten auch alle dem Orden ungünstigen Aussagen der übrigen Templer für ungültig. Philipp war hierüber aufs höchste entrüstet. Sofort erliefs er den Befehl, die beiden auf den Scheiterhaufen zu führen. Noch an demselben Abend wurden sie ohne Rücksicht darauf, dafs sich der Papst die Entscheidung vorbehalten hatte, verbrannt. Nicht einmal der letzte Trost wurde den Verurteilten, denn sie waren Ketzer, gewährt. Einen Monat später starb der Papst, und da ihm acht Monate darauf auch der König im Tode nachfolgte, gaben die beiden rasch nach dem Ende Molays folgenden Todesfälle zu der Legende AnlaTs, Molay habe angesichts des Todes die beiden vor das Tribunal Gottes gefordert. Diese und ähnliche Erzählungen waren in Frankreich, Italien und Deutschland verbreitet — gewifs ein Zeichen des schwer verletzten Gerechtigkeitsgefühles im Volke und eine schwere Schädigung von Staat und Kirche; die Templer hatten Cypern zu ihrem Hauptsitz gemacht und würden, wären sie nicht vernichtet worden, dort eine Bolle gespielt haben, wie die Hospitaliter auf Rhodus. Die Christenheit verlor mit ihrer Vernichtung ein starkes Bollwerk gegen den Islam. Der Prozefs als solcher begründete die Härte und widernatürliche Grausamkeit, die in der französischen Kriminaljustiz bis 1789 fortbestand, und schliefslich wurde all das, was in den auf der Folter erprefsten Aussagen der Templer eine so grofse Holle spielt: die Vorstellung eines persönlichen Umgangs mit dem Teufel, das Hexenwesen u. dgl. von jetzt an förmlich durch die höchste staatliche und kirchliche Autorität bestätigt. Der Weg, wie man durch die Folter sich die erforderlichen Zugeständnisse zu verschaffen habe, war damit vorgezeichnet.1)

§ 55. Die innere Politik Philipps IT. nnd der Ausgang des kapetingischen Hauses. Q u e l l e n u. H i l f s m i t t e l wie oben. Dazu: H e r b o m e z , Notes et documents p. servir ä l'histoire des rois, fils de Philippe le Bei. B^Ch. LIX,497,689. D u c o u d r a y , *) Döllinger, dem (S. 262) obige Worte entnommen sind, schliefst seine Betrachtung mit den Worten: Wenn ich in dem ganzen Umfange der Weltgeschichte einen Tag als dies nefastus bezeichnen sollte, ich wüfste keinen andern zu nennen als den 13. Oktober 1307. 16*

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Erwerbung Lyons.

Innere Politik Philipps IV.

Die Reichsstände.

Lee origines du Parlement de Paris et la justice au XTTTe e t XIV« siècle. Paris 1902. A u b e r t , Le Parlement de Paris de Philippe le Bel à Charles VII (1314—1422). Paris 1887. G. H f l f f e r , Die Stadt Lyon und die Westhftlfte des Erzbistums in ihren pol. Bez. z. d. Reich u. zur franz. Krone. Münster 1878. Die Schriften v. P i e p a p e u. F u n c k B r e n t a n o s. § 42. V i o l l e t , Comment les femmes ont été exclues en France de la succession à la couronne. Paris 1893. L e h u g u e r , Hist. de Phil. le Long. t. I. Paris 1897. Die Kreuzzugsprojekte s. bei Delaville le Roulx I, 78 ff.

1. Der letzte grofse Erfolg Philipps IV. war die endgültige Erwerbung der Stadt und des Gebietes von Lyon (1313), die schon sein Vater vorbereitet hatte. Schon 1294 nahm er die Stadt in seinen Schutz und erklärte, dafs sie zu Frankreich gehöre. Die Beschwerden des Erzbischofs blieben erfolglos. Im Jahre 1307 wurde der Erzbischof zu einem Vertrag gezwungen, der ihm zwar die unmittelbare Herrschaft über die Stadt und das Gebiet von Lyon beliefs, aber die Oberherrschaft Frankreichs aufs neue festsetzte. Sein Nachfolger weigerte sich, dies anzuerkennen, und die Bürger von Lyon traten auf seine Seite. Aber die vom Kaisertum erwartete Hilfe blieb aus. Als der König ein Heer unter dem Oberbefehl seines Sohnes gegen die Stadt sandte, unterwarf sich der Erzbischof und trat (am 22. April 1312) die weltliche Gerichtsbarkeit in Lyon, die deutsches Reichslehen war, gegen anderweitige Entschädigung an Philipp IV ab. Im folgenden Jahre wurde Lyon militärisch besetzt. — Gewalttätig wie die äufsere war auch die innere Politik dieses Königs. Kein Mittel wird verschmäht, wenn es gilt, die Macht des Königtums zu mehren. Auch die allgemeinen Reichsstände bedeuten in jener Zeit eine Steigerung der Machtfülle des Königtums, denn sie bilden das Gegengewicht gegen die feudalen, die Befugnisse des Königtums einengenden Gewalten. Sie wurden schon v o r Philipp IV. berufen, aber ihre Einberufung hat jetzt den Zweck, der Politik des Königs eine Stütze zu gewähren. Um diesen Zweck zu erreichen, wurden wahrscheinlich schon 1289, 1290 oder 1292, sicher aber seit 1302 Vertreter des Bürgerstandes hinzugezogen. Die Freiheiten der Städte liefs der König wohl gelten, doch wurde die Wirksamkeit ihrer Behörden nicht selten durch die königlichen Beamten behindert und sie selbst in ihrer Entwicklung zurückgehalten. Die allgemeinen Lasten erfuhren durch die Kriege mit dem Ausland eine stetige Steigerung, und der vielfach vermehrte Beamtenapparat erheischte derartige Summen, dafs die bisherigen Einnahmsquellen aus den Domänen und Gefällen nicht mehr ausreichten. Auch die Mittel der Münzverschlechterung, Vertreibung ausländischer Wechsler und Judenverfolgungen versagten schliefslich. *) Um neue Geldmittel zu beschaffen, wurden an Leibeigene in den neuerworbenen Provinzen des Südens Freibriefe verkauft, neue Zölle wie die maltöte, eine dreiprozentige Warensteuer, die aide de Vost, eine Art Wehrsteuer, und verschiedene aides féodales erhoben. 4 ) Ward bei ihrer Einführung die Zustimmung der allgemeinen Reichsstände für notwendig erachtet, so wurde dies die Grundlage des späteren Steuerbewilligungsrechtes. ') S. das Kapitel Juifs, Lombards, Monnaies in Langlois, Hist. de France III, 2,222. •) Coville, S. 52 ff.

Das Parlament

Die Nachfolger Philipps des Schönen.

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In dem gleichen M&Tse wie der Einflufs der königlichen Beamten steigt, geht der des alten Feudaladels zurück. Die altfeudalen Grofswürdenträger werden meist durch Hof- und Kanzleibeamte verdrängt. Auch die Mitglieder des grofsen Rates sind nur selten aus den Reihen des Adels genommen ; der Besitz von Adelslehen wird Bürgerlichen gestattet. Der Wirkungskreis des obersten Kgl. Gerichtshofes, der curia regis, oder wie sie seit dem 13. Jahrhundert heifst, des P a r l a m e n t s , ist in stetigem Aufnehmen begriffen1). Das Parlament wird seit 1303 jährlich in Paris versammelt, Ausschüsse bereisen von Zeit zu Zeit die Provinzen. So sind die Grands Jours de Troyes, die Échiquiers de Ronen entstanden. Das Königtum Philipp IV. trägt somit einen andern Charakter als das seiner Vorgänger; durch sein ganzes Dasein »weht der schneidende Luftzug der neueren Geschichte«.2) Der König starb unter den Vorbereitungen zu einem Kreuzzug, erst 46 Jahre alt, am 29. November 1314. 2. Schon bei seinen Lebzeiten hatte sich gegen die alles erdrückende Gewalt des Königtums eine Opposition der feudalen Kräfte gebildet. Nach seinem Tode scharte sie sich um Karl von Valois, den Oheim L u d w i g s X. (1314—1316), und warf ihren ganzen Hafs auf Marigny, der neben Nogaret und Plasian als Urheber aller unbeliebten Mafsregeln Philipps IV. galt. Er konnte sich auf dessen Befehle berufen, auch war gegen seine Rechnungen kein Einwand zu erheben, daher wurde er nicht als Hochverräter, sondern als Zauberer, der den Tod des jungen Königs geplant habe, verurteilt und starb am Galgen zu Montfaucon. Die allgemeine Aufregung zu beschwichtigen, wurden den Lehensrechten und der Gerichtsbarkeit der Grofsen Zugeständnisse gemacht, die Münze auf den Stand Ludwigs IX. gebracht und die Neuerungen im Steuerwesen abgestellt. Der Bürgerstand mufste aber doch in seiner Stellung gelassen werden, ja aus den Tagen Ludwigs X. stammt die Verordnung, welche die Leibeigenschaft in den einzelnen Kronländern unter gewissen Bedingungen aufhebt.3) Wiewohl der Preis für diese Wohltat ein Mittel war, des Königs Einkünfte zu mehren und mitunter so erschwerende Bedingungen an sie geknüpft wurden, dafs mancher es vorzog, Leibeigener zu bleiben, enthielt sie doch einen wesentlichen Fortschritt. Ludwig X. hinterliefs bei seinem Tode eine Tochter aus erster Ehe, namens Johanna, und eine schwangere Gemahlin. Sein Bruder, P h i l i p p V . (1316—1322) sollte die Vormundschaft führen, falls die Witwe mit einem Sohne niederkäme. Das geschah in der Tat. Der Thronerbe (Johann I.) starb aber schon nach wenigen Tagen. Nun meinten viele, der Thron gebühre der Tochter Ludwigs X., da kein Gesetz die weibliche Nachfolge verbiete. Philipp V. brachte es jedoch dahin, dafs er als König anerkannt und gekrönt wurde. Eine Reichsversammlung setzte fest (1317, ') Über die Aasgestaltung u. Befugnisse des Parlaments s. Langlois, Textes etc., wo auch die entsprechende Lit. vermerkt ist (S. XXVIII ff.). Hist. de France HT, 2, 327. •) Ranke, Franz. Gesch. I, 34. ä) Ordonnances des rois de France I, 653. Dort die Deklaration Ludwigs X. vom 3. Juli 1315: » Qu'il ne doit y avoir que des hommes libres au royaume des Francs. « Cf. BÉCh. 59, 710

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Philipp V. Der Ausgang dee kapetingischen Hanses.

2. Februar), dafs in Frankreich Frauen von der Thronfolge ausgeschlossen seien1). Philipp V. erinnert durch seine umfassende gesetzgeberische Tätigkeit an seinen Vater. Ohne dafs er so gewaltsam verfuhr wie dieser, klagte die Bevölkerung doch über seine Reformen in Münze, Mais und Gewicht und die neuen Steuern. Er hebte es daher, die Reichsstände vorzuschieben. Diese wurden nun öfter berufen und ihnen Vertreter der Kommunen beigesellt. Noch mehr leistete er durch seine in alle Zweige des Staatslebens eingreifenden Ordonnanzen. Die Zahl der Parlamentsräte wurde vermehrt, der Gerichtsgang vereinfacht und die Geschäftsordnung verbessert. Prälaten wurden zu den Gerichtshöfen nicht mehr zugelassen, und in stärkerem Mafse als vordem traten juristisch geschulte Leute, die » M ä n n e r der R o b e « , ins Parlament. Mit Flandern schloüs Philipp einen vorteilhaften Frieden, doch wurde die Ruhe im Lande durch die Pastorellen gestört, Hirten und Bauern, die das hl. Land zu befreien gedachten, deren Bewegung aber so ausartete, dafs sie durch Gewaltmittel unterdrückt werden mufste. Auch Philipps Nachfolger K a r l IV. (1322—1328), ganz das Ebenbild seines Vaters und daher wie dieser der Schöne genannt, regierte in dessen Geiste. In der äufseren Politik trat er bedeutsamer hervor; vor allem war er bemüht, das Kaisertum an das kapetingische Haus zu bringen. Glücklicher war er in seinen Unternehmungen gegen England; bei der Schwäche Eduards n . hielt es nicht schwer, die französische Herrschaft nach dem Süden hin auszudehnen. Mit ihm erlosch (1328, 1. Februar) die ältere Linie der Kapetinger, eine Dynastie, die das französische Königtum auf feste Grundlagen gestellt und das Gebiet Frankreichs mächtig ausgedehnt hat. 2. Kapitel.

Die Erneuerung des Kaisertums unter Heinrich VII. (1308—1313). § 56. Die Wahl Heinrichs YII. Die Erwerbung Böhmens durch das Hans Luxemburg. Q u e l l e n . Urkk. Böhmer, Regg., Acta imperii inedita u. selecta wie oben. Die Electio Henrici VII. MM. G. LL. II, 1, 490. Coron. ib. 603. Coron. Rom. B28. Constitutiones, ib. 490 ff. Tractatns cum demente V , cum Philippo IV., cum Venetis, ib. Dönniges, Acta Henrici VII. Berl. 1839. Bonaini, Acta Henrici VH. Flor. 1877 WurthPaquet, Table chronol. de chartes et diplomes de Henri VH. (Publ. de la Soc. arch. de Luxembourg XVII.) C. Cipolla e G. Filippi, Diplomi inediti di Enrico VII. et di Lodoyico Bavaro. Savona 1890. Die Regg. Bened. XI. u. Klemens' V. wie oben. Zu den G e s c h i c h t s c h r e i b e r n s. Dönniges, Kritik d. Q. f. d. Gesch. Hb. VH. Berl. 1841. Dazu Lorenz, DGQ. II u. Dahlm.-Waitz-Steindorff, 2864 - 2879 u. 2881—83. Die d e u t s c h e n Quellen sind noch großenteils dieselben wie § 40. Trotzdem mttssen die Königsaaler Geschichtsquellen als Hauptquelle für Böhmens Erwerbung u. wegen der direkt vom Kaiserhof stammenden Nachrichten noch besonders genannt werden. Dazu die Historia mortis Henrici VH. ap. Freher SS. rer. G. 645. Rhythmi, ibid. 15—19. Gesta Henrici VII. imp., ed. Waitz, Forsch. XV. Gesta Baldewini de Luczenburch 1298—1353 in Gesta Treveror. II. Vecerius, De reb. gestis imp. Henrici, ed. R. Reineccius H, 67. Von i t a l i e n i s c h e n Quellen: Nie. de Botrinto, Relatio de Heinrici VH.itin.Ital. Böhmer ') Quod ad coronam regni Frantine

mulier non succédât.

Die Erneuerung des Kaisertums unter Heinrich VII.

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FF. I, ed. Heyck. Innsbr. 1888. Albertinus Mussatus, Hist. aug. sive de gestis Henrici VIL Murat. X. (Hauptquelle ftlr die Romfahrt.) Dazu die Historia Cortusiorum. Muratori XII. Fereto von Vicenza, Histor. rer. in Ital. gestarum 1 2 5 0 — 1 3 1 8 , ed. Murat. IX. Johannes de Cermenate, Historia de situ etc. ac de Mediolanensium gestis sub imp. Henrico VII., ib. IX Dino Compagni, Istoria Fiorentina, die beste Ausg. v. Del Lungo, s. Potthast I, 332. (Scheffer-Boichorst hat seine Annahme v. D. C. als einer Fälschung auf Grund der Arbeiten Del Lungos hin fallen lassen, s. JBG. 1886 II, 258). Giovanni de Lemno, ed. Passerini, Documenti di Storia Ital. VI. Guilelmus Ventura, Memoriale de gestis civium Aatensium. Mut. XI. Dante, Monarchia, ed. Witte. Wien 1874. Die übrigen politischen Schriften s. bei der Gesch. Ludwigs IV. u. Karls IV. H i l f s s c h r i f t e n . Die Werke von Olenschlager, Kopp, Lichnowsky, Prutz, Huber, Lindner, Lamprecht, Palacky, Bachmann, Gregorovius, Afsmann-Viereck, wie oben. Wichtig ist: H e i d e m a n n , Peter v. Aspelt als Kirchenfürst u. Staatsmann. Berlin 1875, s. auch Forschungen IX u. XI, 8.46—78. T h o m a s , Die Königswahl Hs. v. L. Strafsb. 1875. P ö h l m a n n , Z u r deutschen Königswahl v. 1308,Forsch. XVI, 356. B o u t a r i c , W e l w e r t , wie oben. B r o s i e n , Heinr. VII. als Graf v. L. Forschungen XV. W e n c k , Klemens V. und Heinrich VH. Halle 1882 (sehr wichtig). S o m m e r f e l d , Die Romfahrt K. Heinrichs VH. Königsbg. 1888. — H. VH u. die lomb. Städte. DZG H. B a r t h o l d , Die Romfahrt K. Hs. v. L. 2 Bde. Kgbg. 1830. Der zweite Teil enth. ein (veraltetes) Verzeichnis der Quellen zur Gesch. Hs. P ö h l m a n n , Der Römerzug Heinrichs VH. Nürnb. 1875. M a s s 1 o w, Zum Romzug Hs. VH. Freib. 1891. F e l s b e r g , Beiträge zur Gesch. d. Römeraugs Hs. VII. 1886. G . W e b e r , K. Heinrich VH. in Ital. HT. 6. F. IV. P r o w e , Die Finanzverwaltung am Hofe Hs. v. L. Berl 1888 (s. Dahlm.-Waitz 3003). T o b l e r , Dante u. vier deutsche Kaiser. Berl. 1891. B e r t h o l e t , Hist. de Luxemb. V. S c h o t t e r , Joh. Gf. v. Luxemb. u. K. v Böhmen. 1865. D o m i n i c u s , Baldewin v. Lützelb. Kobl. 1862. L i p p e r t , Meilsen u. Böhmen im N. Arch. f. sächs. Gesch. X. W e r v e k e , Das Geburtsjahr Heinr. VH DZG. VHI, 146, s. auch Inner, Erl. Text zu der Romfahrt K. Heinrichs VH. Berl. 1881. K r a u s s o l d , Die pol. Bez. zw. Deutschi. u. Frankr. während der Reg. Heinrichs VII. München 1900.

1. Nach dem unglücklichen Ende Albrechts I. wurde der Mainzer Erzbischof P e t e r v o n A s p e l t Leiter der deutschen Politik. Niederer Herkunft, war er am Hofe König Rudolfs in die Höhe gekommen und trat, um den habsburgischen Einflufs in Böhmen zu verstärken, in die Dienste Wenzels II. In der Zeit des Einverständnisses zwischen diesem und Albrecht I. erhielt er das Bistum Basel. Als aber der Gegensatz zwischen Habsburg und Böhmen aufs neue hervorbrach, blieb Peter auf böhmischer Seite. Erst unter Wenzel III. zog er sich in sein Bistum zurück. Seine Erhebung zum Erzbischof von Mainz dankte er französischer Unterstützung. Auch Trier wurde mit einem Freunde Frankreichs besetzt: B a l d e w i n v o n L ü t z e l b u r g , der des Deutschen kaum mächtig war. Den Kölner Erzstuhl hatte H e i n r i c h v o n V i r n e b u r g inne, der mit Frankreich im Bunde stand. So glaubten die Franzosen die Zeit gekommen, in die Wahlbewerbung einzutreten. Ihr Publizist Peter Dubois schrieb nicht blofs für die Erhebung Philipps auf den deutschen Thron, sondern auch für die Umgestaltung der deutschen Reichsverfassung: die Kurfürsten sollten sich gegen eine bestimmte Entschädigung ihres Wahlrechtes begeben, widrigenfalls der Papst das Kurfürstentum aufheben und selbst einen Kaiser ernennen würde. Philipp IV. ging darauf nicht ein. Er wünschte nur die Wahl seines Bruders Karl von Valois. Da sich Frankreichs Einflufs in diesem Falle auf Italien, Deutschland und Ungarn erstreckt hätte, blieb Klemens V.

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Di« Königswahl Heinrichs VII.

Umschwung in der deutschen Politik.

den Bitten Philipps unzugänglich. Auch die in Deutschland erwachte nationale Stimmung sprach gegen die Wahl eines Franzosen. Der Habsburger Friedrich der Schöne hatte im Hinblick auf die deutsche Königswahl auf Böhmen verzichtet. Die geistlichen Kurfürsten waren aber weder für Habsburg, dessen entschlossener Gegner Peter von Aspelt war, noch für ein Mitglied eines weltlichen Kurhauses. Da gelang es Baldewin vo"n Trier, erst Mainz dann Köln für die Wahl seines Bruders Heinrich von Luxemburg zu gewinnen. Noch hatten sich die weltlichen Kurfürsten über keinen Bewerber geeinigt, als sie im Oktober 1308 in Rense 1 ) mit den übrigen zusammentraten. Nach längeren Beratungen kam eine Vereinbarung für Heinrich zustande, der nun allerdings den Kurfürsten versprechen mufste, nicht blofe die Reichsgüter und Einkünfte, die ihnen Albrecht I. genommen, wieder zu erstatten, sondern auch Ersatz für den erlittenen Schaden zu leisten. Zweifellos wurde er auch verpflichtet, wie die übrigen Fürsten so auch die Habsburger in ihrem Besitz zu bestätigen.2) Ein neues Haus — das dritte seit 35 Jahren — kam in Deutschland zur Herrschaft. Und dies in weniger rühmlicher Art. Die Pläne der ersten Habsburger, das Wahlreich in ein Erbreich zu verwandeln, waren endgültig gescheitert, ihre Machtstellung, die dem Reiche zugute gekommen wäre, ging ihm verloren, und die grofsen Vorteile Albrechts I. den Kurfürsten gegenüber gab Heinrich schon während der Wahlverhandlungen preis. Am 27. November 1308 wurde er in Frankfurt einstimmig gewählt und am 6. Januar 1309 in Aachen gekrönt. Hatten sich die Fürsten geweigert, ein Mitglied des französischen Königshauses zu wählen: auch Heinrich war nach Sprache und Denkungsart Franzose 9 ), wenn seine luxemburgische Grafschaft auch ein Bestandteil des deutschen Reiches bildete. Das Grafenhaus stand schon in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in Beziehungen zu Frankreich, und Heinrich selbst hatte sich eng an dieses angeschlossen: Philipp der Schöne war es, der ihn zum Ritter schlug und dessen Vasall er wurde. Heinrichs Bruder Baldewin war in Frankreich erzogen worden, und französischer EinfluTs hatte ihm das Erzbistum Trier verschafft. In zahlreichen Kämpfen hatte sich Heinrich den Ruf eines tapferen Kriegsmannes erworben; mit vollem Verständnis seiner schwierigen Stellung trat er nun sein Königtum an.

In der deutschen Politik trat nun ein völliger Umschwung ein. Hatten Heinrichs unmittelbare Vorgänger nur das Erreichbare angestrebt, so kamen nun wieder Tendenzen zur Geltung, die unter den Staufern die herrschenden waren: die Fragen der Herstellung der Kaisermacht und eines neuen Kreuzzugsunternehmens traten in den Vordergrund, und diese Aufgaben gestatteten ihm nicht, sich um die Zustände in Deutschland zu kümmern. Mehr als unter den letzten Regierungen ') Zum erstenmal wurdo an dieser Stätte über eine Königswahl beraten, nachdem sie wohl schon früher ihrer günstigen Lage wegen — in der Nähe grenzten die Besitzungen der vier rheinischen Kurfürsten aneinander — als Sitz für Beratungen gewählt worden war ; das Nähere bei Lindner I, 174 ff. •) Heidemann, ä. 90. ') Welwert, p. 181 : et l'on vit ce spectacle assez curieux d'un empereur d'Allemagne qui, quoique Allemand, ne savait pas l'allemand et dont la chancellerie rédigeait même les diplômes en français.

Dio Erwerbung Böhmens durch das Haus Luxemburg.

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gelten nun die Kurfürsten, vor allem Peter von Aspelt. Heinrich VII. machte nicht den geringsten Versuch, dem ständischen Regiment seine Mitwirkung bei der Herrschaft streitig zu machen; im Gegenteil: König und Kanzler suchten dies Regiment nach Kräften zu fördern. Die Kurfürsten hatten dem Papst am 27. November 1308 Mitteilung von der getroffenen Wahl gemacht und um die Kaiserkrone für den Gewählten gebeten. Klemens V., der Heinrichs Wahl willkommen hiefs, im übrigen aber gegen die Deutschen um so herrischer auftrat, je bitterer er seine Abhängigkeit von Philipp dem Schönen empfand, erteilte ihr gegen Frankreichs Wünsche schon am 26. Juli 1309 die Approbation und setzte die Kaiserkrönung auf den 2. Februar 1312 fest. 2. Wiewohl Heinrich (1308—1313) den Habsburgern die Belehnung mit ihren Reichslehen zugesagt hatte, zögerte er nicht blofs damit, sondern traf auch Verfügungen, die ihre Spitze gegen sie richteten. So schob er die Ächtung der Königsmörder hinaus, entzog Schwyz und Unterwaiden den Habsburgern und erklärte sie für reichsunmittelbar. In Heilbronn beginnt er hierauf die Verhandlungen, die zur Erwerbung Böhmens durch die Luxemburger führten. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dafs es der Erzbischof Peter von Mainz war, der die Aufmerksamkeit des Königs auf Böhmen lenkte, wo er 16 Jahre gewirkt und das er nur unter dem Zwang der Umstände verlassen hatte. Nun st and er als Metropolit abermals in Verbindung mit Böhmen. Die Zustände dieses Landes waren trostlose und König Heinrich, ein lebensfroher, verschwenderischer, zur Regierung unfähiger Fürst, aufserstande, ein kräftiges Regiment aufzurichten. Adel und Bürgertum standen einander schroff gegenüber, und bald dachten des Königs Gegner an seine Absetzung. Hier griff der Mainzer Erzbischof ein und knüpfte Verbindungen mit dem Klerus im Lande an. Es galt, mit Hilfe der ehrgeizigen Prinzessin Elisabeth, den Luxemburgern Böhmen zu verschaffen. Heinrich VH., vor dem eine böhmische Gesandtschaft (1309, August) erschien, erklärte Böhmen als heiragefallenes Lehen, versprach indes, keine Verfügung zum Nachteil Elisabeths zu treffen und suchte einen Ausgleich mit den Habsburgern herbeizuführen. Auf dem Hoftage von Speyer, wo auch Graf Eberhard von Württemberg auf die Klage schwäbischer Städte und anderer Reichsangehöriger wegen Landfriedensbruches vorgeladen und Verhandlungen über die Romfahrt gepflogen wurden, verzichtete zuerst Herzog Friedrich von Osterreich auf die Belehnung mit Mähren, erhielt dagegen die mit den österreichischen Ländern und versprach Hilfe zur Eroberung Böhmens und für den Römerzug. Jetzt erst wurde die Acht über die Königsmörder ausgesprochen und Albrechts Leiche zugleich mit der seines Vorgängers in der Kaisergruft zu Speyer beigesetzt. Die Verhandlungen mit Böhmen wurden in Nürnberg und Eger fortgesetzt. Anfangs Juli 1310 ging eine böhmische Gesandtschaft nach Frankfurt, erhob Klage über Heinrich von Kärnten und begehrte Gericht. Die Fürsten, unter dem Vorsitz des Pfalzgrafen, erklärten, Heinrich besitze Böhmen nicht zu Recht, da er im Banne war, als er •das Land erhielt. Die Gesandten baten den König, Böhmen seinem

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Die Anfänge der Signorie in Oberitalien.

Sohne Johann zu verleihen; der König, wohl in der Hoffnung, diesem dereinst die deutsche Krone zuwenden zu können, war der Meinung, sein Bruder Walram eigne sich mehr zu dieser Stellung, gab aber schliefslich ihrem Wunsche nach. Am 31. August 1310 wurde Johann mit Böhmen belehnt, worauf seine Vermählung mit Elisabeth erfolgte. Böhmen war aber erst noch zu erobern. Der Erzbischof Peter, des jugendlichen Königs erster Ratgeber, ward ausersehen, ihn daselbst einzuführen. Der Feldzug dahin war schwierig, denn er fiel in die ungünstigste Jahreszeit, dann hatte Heinrich von Kärnten eine feste Stellung in Prag, überdies noch starken Zuzug von dem Markgrafen von Meiisen erhalten; auch waren die meisten Städte für ihn. Die Eroberung von Kuttenberg mifslang, und vor Prag wurde Johanns Stellung geradezu kritisch. Da öffnete Verrat den Belagerern die Tore; Heinrich von Kärnten zog sich auf die Kleinseite und den Hradschin zurück. Als sich auch noch der Meifsner, dem Peter den ruhigen Besitz von Thüringen und Meifsen verbürgte, von ihm abwandte, verlieis er das Land und kehrte nach Tirol zurück; doch behielt er den Titel eines Königs von Böhmen und Polen bei. Johann und Elisabeth wurden am 7. Februar 1311 zu Prag gekrönt. Damit beginnt die Herrschaft des Hauses Luxemburg in Böhmen, die bis zu seinem Erlöschen im Jahre 1437 gedauert hat. In Deutschland trat nun zu den beiden grofsen Territorialmächten, der wittelsbachischen und habsburgischen, als dritte die luxemburgische hinzu. § 57.

Die Anfange der Signorie in Oberitalien and die Romfahrt Heinrichs VII.

Q u e 11 e n B. § 56. Zu den Hilfsschriften: C i p o 11 a , Storia delle Signorie Italiane dal 1313—1530 (greift hie und da noch auf die Verhältnisse unter Heinrich VII. zurück). Milano 1881. V i t a l e , II dominio della parte guelfa in Bologna 1280—1327. Bol. 1901. A. F r a n c h e t t i , I primordi delle eignorie e delle compagnie di ventura. La vita Italiana nel Trecento. Mil. 1892. O r s i , Signorie e principati (1300—1530). Mil. 1901. H a n a u e r , Das Berufspodestat im XTTT. Jahrh. MJÖG. XXTTT, 377. S a 1 z e r , Über die Anfänge der Signorie in Oberitalien. Berlin 1900. O . H a r t w i g , Ein Menschenalter florentinischer Gesch. (1250—1292). DZG. I, 12 ff., II, 38 ff., V, 70 ff., 241 ff. Für Venedig: L e n e I, Die Entstehung der Vorherrschaft Venedigs an der Adria. Leipz. 1897. 8 i c k e l , Das Vikariat der Visconti. Wien. SB. 1859.

1. Indem Heinrich VII. die Leitung der deutschen Angelegenheiten dem erfahrenen Erzkanzler Peter überliefs, wandte er sich seinen auf die Erneuerung der Kaisermacht gerichteten Plänen zu. Sie fanden nicht allseitige Billigung. Zunächst wurden alle Anordnungen zur Erhaltung des Landfriedens in Deutschland getroffen und sein Sohn zum Reichsvikar diesseits der Alpen auf fünf Jahre ernannt. Dem Papste versprach er, in Rom ohne seine Einwilligung keine Änderungen zu treffen, nach der Lombardei und Toskana Reichsvikare zu entsenden, welche die Rechte der Kirche verteidigen sollten, und in der nächsten Zeit einen Kreuzzug zu unternehmen. In Lausanne leistete er (11. Oktober) die von der Kurie geforderten Eide. Seine Streitmacht belief sich auf 3000 Mann. An dem Römerzug nahmen nur seine Brüder Baldewin und Walram, einige Grafen aus der Nachbarschaft Luxemburgs und

Politische Lage Italiens bei der Ankunft Heinrichs VII.

Die Signorie.

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Herzog Leopold von Österreich Anteil. Erst in Italien hoffte er mehr Truppen an sich zu ziehen. Über den Mont Cenis gelangte er am 30. Oktober nach Turin. Sechzig J a h r e waren vergangen, seit Italien den letzten Kaiser gesehen. Nun mochten viele glauben, er komme, die Politik Friedrichs II. wieder aufzunehmen. Das ganze Land geriet in eine unruhige Bewegung. Die L a g e der Dinge bei seiner Ankunft hat er selbst g e s c h i l d e r t : »Allerorten hatten die Städte sich der Rechte des Reiches bemächtigt; sie lagen nicht nur widereinander, sondern auch in ihrem Inneren in Kampf und Fehde. Die stärkere Partei hatte die schwächere vertrieben, und während jene zumeist unter die Herrschaft einer Familie oder eines kühnen Führers geriet, irrten die Angehörigen der andern, ihres Besitzes beraubt und von Rachegefühlen beseelt, in der Fremde umher.» Überall lagen die Weifen mit den Ghibellinen im Kampfe, aber es waren nur noch die Namen der alten Parteien. Diese selbst hatten einen mannigfachen Wandel erlebt, und die Unsicherheit der Zustände drückte auf alle. Schien es eine Zeitlang, als sollte das Haus Anjou die Herrschaft über ganz Italien erringen, so lähmten doch die Folgen der Sizilianischen Vesper seine Macht. Auf Karl H. war dessen kraftvoller Sohn Robert gefolgt (1309—1343), der eben erst in Avignon aus des Papstes Händen die Krone erhalten hatte und Heinrich VII. mit Verhandlungen hinhielt. In den besten Kreisen Italiens wurden auf den kommenden Kaiser die überschwänglichsten Hoffnungen gesetzt 2 ), vor allem dafs er die Gewalten der Stadttyrannen vernichten werde. In den gröfseren Städten waren monarchische Gewalten — die Signorie oder Tyrannis — entstanden, deren Anfänge noch in die Tage Friedrichs II. zurückreichen. In den einen hatte das Volk, vom Wunsche nach Frieden beseelt, die oberste Leitung einem einzigen Manne übertragen, in andern geschah dies wegen Erschöpfung der Kräfte oder durch gewaltsame Anmafsung. Im allgemeinen erwuchs die S i g n o r i e aus einer Reihe vonFaktoren, die bald miteinander in Verbindung treten, bald widereinander kämpfen. In Betracht kommen vier städtische Amter : das des Podestà der Kommune, das Amt des Potestas mercatorum, des Potestas populi und das Kriegskapitanat, Ämter, die erst — das eine hier, das andere dort — auf e i n , dann auf mehrere Jahre, endlich auf Lebenszeit oder erblich verliehen und deren Amtsbefugnisse allmählich zu einer unumschränkten Gewalt werden. Daneben ist es das kaiserliche oder päpstliche Vikariat, durch dessen Verleihung Kaisertum und Papsttum die ursprünglich unrechtmäfsige Signorie legitimierten. 3 ) Zu Beginn des 13. Jahrhunderts wurden die Konsuln der Kommune durch einen einzigen Podestà ersetzt, der keineswegs eine absolute Gewalt besafs : in dem Podestà ist noch eine Art Fortleben der römischen Munizipalverfassung zu erkennen. Der Podestà wird aus der Nobilität einer fremden Stadt genommen, damit er ohne Voreingenommenheit die Geschäfte versehe. Er hat in der Regel nur eine einjährige Amtsdauer, ') Regg. 336. *) Faustissimi cursus Henrici Caesaris ad Italiani anno primo schreibt Dante. s ) Salzer, S. 26, 27.

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Ursprang der Signorie. Die alten Mächte Italiens.

die freilich bald vielfach beseitigt wurde. Der Podestà ist Anführer im Kriege, oberster Richter und höchster Exekutivbeamter und als Richter an die Statuten gebunden, die er beim Amtsantritt zu beschwören hat. Als Führer der siegreichen Partei wird ihm dies Amt, ja selbst mehrere Podestarien übertragen und allmählich die erbliche Herrschaft mit erweiterter Machtbefugnis angebahnt. So entstand die Signorie des Hauses E s t e in F e r r a r a , ebenso jene von R a v e n n a aus demPodestat, die übrigen zumeist aus dem Volkskapitanat ; schon 1259 war in Mailand ein Volkspodestà auf Lebenszeit gewählt worden: Martin T o r r e , das Haupt der Volkspartei; in andern Städten wie in V e r o n a und P i a c e n z a ist neben dem Volkskapitanat der Podestat über die M e r c a d a n z a der wichtigste Faktor für die Entstehung der Signorie. War der Ursprung der Signorie nicht überall der gleiche, so war auch ihre Wirkung eine verschiedene: wohltätig in der einen, verderblich in der andern Stadt; sie war überdies nicht fest begründet, und ganz unsicher war es, wie sich das Kaisertum zu ihnen verhalten würde. Wie in Mailand das Haus d e l l a T o r r e , waren in Verona die d e l l a S c a l a zur Macht gelangt. Solche Gewalten gab es in Pavia, Cremona, Piacenza u. a. Nicht weniger als 14 grofse Städte Oberitaliens wurden von ihnen beherrscht. 1 ) Auch hatten sich noch einzelne Dynastenhäuser aus älterer Zeit wie M o n t f e r r a t , P i e m o n t u. a. behauptet und verschiedene Städte, wenngleich unter schweren Parteikämpfen, ihre alte Freiheit bewahrt oder wie Padua neu begründet. Wie im Osten von Oberitalien die in loser Abhängigkeit vom Kaisertum stehende Republik V e n e d i g , deren aristokratische Verfassung eben jetzt zum Abschlufs kam, durch ihre starke Herrschaft in den östlichen Meeren und ihren gewinnreichen Handel die erste Stelle einnahm, so stand im Westen G e n u a trotz seiner Kämpfe : gegen Venedig um die Herrschaft in der Levante, gegen Pisa um die in den westlichen Meeren und gegen Neapel und die benachbarten Fürsten des Festlandes, mächtig da, wogegen P i s a , einst die Vorkämpferin im Streit gegen die Sarazenen, durch die Niederlage von M e l o r i a (1284) gegen die Genuesen und die stetigen Kämpfe gegen die toskanischen Rivalen Lucca, Siena und Florenz seine alte Macht eingebüfst hatte. In Toskana war sie auf F l o r e n z übergegangen. Die Florentiner hatten die Schwächung der angiovinischen Macht benützt, um ihre inneren Angelegenheiten selbständig zu ordnen. Sie schafften den obersten, aus Ghibellinen und Guelfen bestehenden Rat ab und schufen, ohne auf König Karls Wünsche Rücksicht zu nehmen, eine neue Behörde: die aus den Popolaren gewählten sechs Prioren der Zünfte (1282). Diese wurden auf Kosten der Stadt erhalten und wechselten alle zwei Monate ihr Amt. Es war die neue S i g n o r i e von F l o r e n z , ein Regiment von Kaufherren und Fabrikanten. Da sich der Adel nicht darein finden konnte, von Popolaren beherrscht zu werden, wurden 1293 strenge Gesetze, die ordinamenti della giustizia, erlassen, nach denen 37 der ersten Familien des Adels von den Priorenstellen ') Lindner, S. 209.

Ankauft Heinrichs VTE. in Oberitalien. Krönung in Mailand.

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auf immer ausgeschlossen wurden, so dafs der Adel schon an sich als Strafe galt. Auch die Städte in den Gebieten, welche die Kirche als ihr Eigentum beanspruchte, Bologna, Ravenna u. a. lagen in fortwährenden inneren und äufseren Kämpfen widereinander; auch hier bildeten sich trotz der päpstlichen Herrschaft Signorien aus, wie in Ravenna die des Hauses P o l e n t a , in Rimini die der M a l a t e s t a . In Rom stritten die ghibellinisch gesinnten C o l o n n a mit den weifischen O r s i n i . In Unteritalien war Neapel durch den Vertrag von 1302 (s. oben) stark geschwächt, im übrigen auch noch durch die eifersüchtige Rücksichtnahme auf das Haus Aragon in Anspruch genommen. 2. So lagen die Dinge, als Heinrich VII. in Italien erschien. Seine Boten wurden mit Beifall begrüfst und ihm selbst Gehorsam gelobt. Von den Weifenhäuptern schlössen sich einige an; die lombardischen Städte leisteten die Huldigung um so lieber, als der König alle gleichmäfsig behandelte. Einzelne legten ihre Freiheit in seine Hände nieder und empfingen von ihm ihre Vikare. Die verbannten Visconti führte er nach Mailand zurück, das seit Otto IV. keinen Kaiser in seinen Mauern gesehen. Guido de la Torre mufste sich demütigen. Heinrich VH. selbst erhielt die Signorie. Er stellte sich ü b e r d i e P a r t e i e n . Die alten Parteinamen sollten verschwinden. Am 6. Januar 1311 wurde er in Mailand gekrönt. Aber bald türmten sich Schwierigkeiten auf: der König war genötigt, die Städte zu besteuern, diese selbst unzufrieden mit der Einsetzung kaiserlicher Beamten. Wenige Tage nach seiner Krönung kam es in Mailand zu einem Tumult. Wohl wurde er niedergeworfen, aber schon wurde es deutlich, dafs der König aufserstande sei, seine Mission als Friedensfürst zu erfüllen. Crema, Lodi, Cremona und Brescia sagten sich los. Gezwungen, mit ihnen zu kämpfen, verlor er kostbare Zeit. Die beiden ersten unterwarfen sich, Cremona wurde hart gezüchtigt, nun leistete Brescia, das dasselbe Schicksal befürchtete, verzweifelten Widerstand. Statt gegen Florenz zu ziehen, das den Widerstand gegen ihn organisierte, lag er vier Monate vor Brescia. Dort fiel sein tapferer Bruder Walram; eine Seuche raffte einen Teil des Heeres dahin; auch die Königin nahm hier den Keim ihrer Krankheit in sich auf, der sie am 13. Dezember in Genua erlag. Mittlerweile fiel Brescia. Mit Rücksicht auf die Stimmung der Kurie wurde es milde behandelt; das gewann ihm aber nicht die Sympathien der Weifen, da die Häupter der oberitalischen Ghibellinen auf seiner Seite standen. Über Pavia, wo er eine Reichsversammlung abhielt, eilte er nach Genua und wurde dort feierlich empfangen. Wie es scheint, erwarteten die Genuesen von ihm eine kräftige Förderung in der Levante. Sie übertrugen ihm die volle Staatsgewalt, nahmen von ihm einen Statthalter und boten reiche Geldunterstützung. Noch als er vor Brescia lag, hatte er mit König Robert verhandelt; dieser sollte am Krönungstage in Rom erscheinen, den Huldigungseid für die Provence leisten und Heinrichs Tochter mit Roberts Sohn vermählt werden. Die Verhandlungen führten jedoch zu keinem Ergebnis; auch die mit Frankreich wegen Abschlusses eines Freundschaftsbündnisses und der Belehnung des französischen Prinzen

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Die Kaiserkrönung Heinrichs VII. and König Robert.

Philipp mit Burgund, sowie jene mit Klemens V. wegen der Formalien der Kaiserkrönung zogen sich in die Länge. König Robert, der das Wiederaufleben der Ansprüche nach Konradin befürchtete, benützte den Streit zwischen den Häusern Colonna und Orsini, um Rom zu besetzen, betrieb die Aufrichtung eines Bundes mit den weifischen Städten Toskanas, vornehmlich mit Florenz, über das Heinrich VII. am 24. Dezember 1311 die Reichsacht verhängte. Den Abfall der Weifen beantwortete Heinrich damit, dafs er den waffengewaltigen Grafen Werner von Homburg zum Generalkapitän der Reichsgetreuen in der Lombardei — der Parteiname der Ghibellinen wurde vermieden — ernannte. Am 16. Februar 1312 schiffte er sich mit 800 Mann in Genua ein und gelangte am 6. März nach dem getreuen Pisa, das nun der Stützpunkt seiner Macht wurde. Lucca, Siena, Parma und Reggio wurden in die Reichsacht erklärt. Vom ghibellinischen Adel begrüfst, hielt er am 7. Mai seinen Einzug in Rom. Da sich St. Peter mit den anliegenden Stadtteilen in den Händen der von König Robert unterstützten Weifen befand, denen in der Stadt selbst blutige Treffen geliefert werden mufsten, liefs er sich am 29. Juni 1312 im Lateran durch die vom Papst beauftragten Kardinäle zum Kaiser krönen. 3. Sein nächstes Ziel war die Unterwerfung König Roberts. Zu diesem Zwecke schlofs er ein Bündnis mit König Friedrich von Sizilien. Dies und das selbstherrliche Auftreten Heinrichs VII. hatte eine Verstimmung des Papstes zur Folge, die von den Weifen und Frankreich genährt wurde. Die Erinnerungen an die Staufer wurden wieder lebendig. Doch zögerte der Papst, mit den schärfsten Waffen vorzugehen. Er verlangte bei Strafe des Bannes Räumung Roms, Waffenstillstand mit Robert auf ein Jahr und das Gelübde, Neapel nicht anzugreifen. Demgegenüber verteidigte der Kaiser sein Vorgehen in kräftiger Weise1), kam aber dem Papste soweit entgegen, dafs er Rom verliefs und den Krieg gegen Robert auf das nächste Jahr verschob. Dagegen beschlofs er, Toskana zu unterwerfen. König Robert wurde schon jetzt vor sein Tribunal geladen, um sich wegen des Hochverrates, den er durch seine Verbindung mit Rebellen begangen, zu verteidigen. Obwohl der Kaiser reichlichen Zuzug aus Deutschland und Italien erhalten hatte, war er gezwungen, die Belagerung von Florenz nach sechswöchentlicher Dauer aufzuheben. Den Winter über weilte er in Toskana und gründete an der Stelle des von den Weifen zerstörten Poggibonsi, eines wichtigen Knotenpunktes der Strafsenzüge von Florenz, Siena und Pisa, eine neue Stadt, Kaisersberg. Mit Eifer wurden die Zurüstungen zum nächsten Feldzug betrieben. Robert, welcher der Zitation keine Folge geleistet, wurde zum Reichsfeind, die feindlichen Städte und einzelne Personen ihrer Freiheiten verlustig erklärt. Anfangs März zog er wieder nach Pisa. Indem er König Robert seines Reiches entsetzte und mit dem >) Die Einzelheiten bei Lindner I, 266. Die Antwort des Papstes erschien erst nach dem Tode des Kaisers am 21. März 1214. Sie hält alle Ansprüche der Karie aufrecht. Ebenda S. 387.

Heinrich VTI. u. Klemens V.

Das Ende Heinrichs.

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Tode bedrohte, den Konradin erlitten, mufste er mit dem Papst in Streit geraten. Klemens V. kam den Angiovinen zu Hilfe : er sprach gegen alle, die wider Neapel zu Felde ziehen würden, den Bann aus. Dagegen suchte der Kaiser den Papst eines Besseren zu belehren und bat ihn um Beistand, um nach Roberts Niederwerfung den Kreuzzug antreten zu können. Heinrich VII. täuschte sich über die Lage der Dinge: der Papst handelte eben ganz unter Frankreichs Einflufs. Mittlerweile hatte König Johann von Böhmen einen Reichstag in Nürnberg gehalten (1313, Januar). Ein starkes Hilfsheer sollte in der kühleren Jahreszeit von Zürich aus nach Italien ziehen und zwei Bräute den Zug begleiten: Katharina von Österreich, die den verwitweten Kaiser, des Kaisers Tochter Beatrix, die Pedro von Sizilien heiraten sollte. Schon hatte der Kaiser in Pisa ein Heer versammelt, die Genuesen 70, die Pisaner 20, Friedrich von Sizilien 50 Galeeren aufgebracht und letzterer Reggio in Unteritalien genommen. Die Ghibellinen wurden zu kräftiger Mitwirkung aufgefordert. Den Florentinern entfiel der Mut, König Robert dachte bereits an die Flucht in die Provence. Am 8. August verliefs der Kaiser Pisa; am 1. September wollte er in Ostia stehen, um Friedrich von Sizilien die Hand zu reichen. Schon seit längerer Zeit hatte er sich krank gefühlt, der heifse Sommer und die Aufregung steigerten seine Abspannung. Als er in die Nähe von Siena kam, war seine Kraft zu Ende. In Buonconvento brach er zusammen. Nachdem er das Abendmahl aus den Händen eines Dominikanermönches genommen, starb er am 24. August 1313. Bald vernahm man das irrige Gerücht, dafs ihm der Mönch beim Abendmahl Gift gereicht habe. Das Kloster in Pisa wurde gestürmt, und auch in Deutschland hatten die Dominikaner unter schweren Anschuldigungen zu leiden. Das Heer löste sich auf. Die Leiche des Kaisers wurde unter allgemeinem Wehklagen der Bürger im Dome zu Pisa beigesetzt. In die Wehklagen stimmten alle Ghibellinen Italiens ein: allen voran Dante, der nun seine Hoffnungen geknickt sah.1) Im Lager seiner Feinde wurde die Nachricht von Heinrichs Tode mit ungemessenem Jubel begrüfst. Wohl wünschte Friedrich von Sizilien, den Krieg fortzusetzen, aber die Deutschen kehrten heim. Auch in Deutschland wurde die Trauerkunde mit tiefem Schmerze aufgenommen. Von dieses Kaisers Taten und seinem Tode sangen die Lieder fahrender Sänger; war es auch nur ein Phantom, dem er nachgestrebt hatte: die Erneuerung des Kaisertums war immerhin im Sinne der grofsen Kaiser des Mittelalters. ') Paradies XXX, 133—138.

2. Abschnitt.

Kaiser-und Papsttum im Zeitalter Ludwigs des Bayers. 1. Kapitel.

Ludwig der Bayer und Friedrich der Schone von Österreich bis zur Schlacht bei Mühldorf (1314-1322). § 58. Die Doppelwahl des Jahres 1314. Q u e l l e n . U r k k . u. B r i e f e : Böhmer, Regg. K. Ludwigs d. B. und seiner Zeit Fkft. 1839. Dazu Additamentum I—III. Acta imperii selecta wie oben. Acta imp. ined. wie oben. Riezler, Urkk. z. bayr. u. deutsch. Gesch. 1256—1343. Forsch. XX. Briefe L. d.B. Böhmer FF. 1. Urkk. Ludwigs in Oefele, Ker. Boic. SS. I. 60 Urkk. Ludwigs mitget. v. Weech, Oberb. Arch. TTxin Häutle, Beitt. zum Itinerar K. Ls. Forsch. X m Urkk. z. Gesch. des Römerzuges K. L. d. B , herausg. von Ficker. Innsbruck 1865. Urk. Beitr. z. Gesch. K. Ludwigs IV., herausg. v. Höfler. Oberb. Arch. I. Löher, Vatik. Urkk. z. Gesch. L. d. B. Arch. Z. V, VI. J. H. Reinkens, Ausz. a. d. Urkk. d. vatik. Archivs von 1315—1334 in W. Preger, Die Anfange d. kircbenpol. Kampfes. München 1882 u. die Vertrage L. d. B. Ebenda 1883. Abh. d. bayr. Ak. — Vatik. Akten zur D. Gesch. in der Zeit L. d. B., herausg. v. Riezler. Innsbr. 1891. Nachtr. HJb. XHI. Schwalm, Reiseberichte. NA. XXIII, XXV. Cipolla e Philippi, wie § 57. Urkk. zur Gesch. einzelner Landschaften d. Zeit s. Dahlmann-Waitz-Steindorff 2911 bis 2913,2922. Kleinere urkk. Beiträge z. Gesch. L. d. B., ebenda 2915. Zur Gesch. Friedr. des Schönen: Das Register Nr. 318 des Arch. der arag. Krone in Barcelona. Briefe Jakobs IL v. Aragon an Friedr. d. Sch. 1314—1327, her. v. H. v. Zeifsberg. SB. Wien. Akad. CXL. Wien 1898. Urkk. aus dem Arch. d. Krone v. Aragon in Zeifsberg, Elisabeth von Aragonien, Gemahlin Friedr. d. Sch. v. Österreich. 1314—1330. SB. Wien. Ak. CXXXVII. Birk, Regg. in Lichnowsky, Gesch. d. H. Habsburg HL Die G e s c J i i c h t s c h r e i b e r verzeichnet Böhmer in den Regg. Die wichtigsten unter den deutschen sind: Vita Lud. imp., ed. Böhmer FF. L (Lit. b. Dahlm.-WaitzSteindorS 2884.) Monach. FOrstenfeld. Chronica de gestis principum 1273—1326, ebenda (Lit. DWSt. 2862). Bayrische Fortsetzung der Sächsischen Weltchronik, her. v. Weiland. D. Chron. II. Von bes. Wichtigkeit sind die Berichte Peters von Zittau in den Königsaaler GQ. FF. rer. Austr. I. Abt. VIH. (S. auch D\V8t. Nr. 2864.) Johannes Victoriensis, das Chronic. Sampetr. Erphord. (DWSt. 2865), die Reinhardsbrunner Annal. wie oben. Johann v. Winterthur, Chronicon, ed. Wyfs. Zflr. 1856. Heinrich (von Eichstätt), Fortsetzung der Flores temporam, fortges. v. Heinrich dem Tauben bis 1362. (Lit. DWSt. 2869). Chronicon de ducis. Bavar. 1311—1372. Böhmer, FF. IV. (DWSt. 2871.) Matthias v. Neuenburg, Chronic. 1273—1360 u. 1378 in Böhmer, FF. IV und Studer 1866. (Lit. bei DWSt. 2873.) Heinricus de Hervordia, Lib. de reb. memorabilioribus bis 1355, ed. Potth. 1859. Konrad von Halberstadt, Chronicon bis 1353, ed. Wenck. Forsch. XX. Heinrich Truchsefs von Diessenhoven, Fortsetzung des Tolom. v. Lucca 1316—1361. Böhm. FF. IV. Von Sttldtechroniken kommen die Stralsburger u. Magdeburger in Betracht. Städtechron. VH, VIH. Die Annales Aastriae wie oben. Für den Römerzug Albertinus Mussatus, Lud. Bavarus. Böhm., FF. I. Cortusiorum Historia. Mur. XII. Villani, wie oben. Die Quellen z. Papstgesch. s. unten. Desgl. die kirchenpol. Schriften.

Politische Lage in Deutschland nach dem Tode Heinrichs VII.

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H i l f s s c h r i f t e n . Ein Verzeichnis älterer und neuerer Darst. über die Gesch. Ludwigs s. in R i e z l e r , Ludwig IV., der Bayer, röm. König in d. ADB. XIX, 475—476. 8. auch ATsmann-Viereck, Gesch. d. MA. 8.102. Das Wichtigere (mit Ausschlufs des Veralteten; Olenschlager noch wegen des TJrk.B. wie oben) ist: K o p p , wie oben. B i e z l e r , Gesch. Bayerns II (enth. von S. 259 an eine ausgez. Darstellung der Gesch. Ls.). Heidemann, Lindner, Mayer, v. Krones, Huber, Gesch. Österr., wie oben. K u r z , Gesch. österr. unter Friedi. d. Sch. Linz 1818. Österr. unter Albrecht H., ebenda 1819. L o s e r t h , F. d. Schöne. ADB. VH. Z e i f s b e r g , s. .oben. W e e c h , K . L u d w i g a. B. u. Johann v. Böhmen. München 1860. C. M ü l l e r , Der Kampf Ludwigs d. B. mit der röm. Kurie. Tübingen 1879. 2 Bde. P a l a c k y , B a c h m a n n , S c h ö t t e r , D o m i n i c u s und die allg. Werke über deutsche Gesch., wie oben. Zur Wahl von 1314: M ü h l i n g , Gesch. der Doppelwahl d. J. 1314. München 1882. F i s c h e r , LudwigIV. Nordhausen 1882. K u n z e , Die pol. Stellung d. niederrhein. Fürsten 1314—34. Göttingen 1886. P r i e s a c k , Die Reichspolitik des Erzb. Balduin v. Trier. Götting. 1894. W e n c k , Franz. Werbungen um d. d. Königskrone. HZ. 86, 253. S. auch § 60 u. Kap. H

1. Nach Heinrichs VII. Tode schien es sich lediglich darum zu handeln, welchem der beiden Häuser, die zuletzt die Krone besessen, der Vorrang zuerkannt würde, denn die Kandidatur Karls von Valois oder des Grafen Ludwig von Evreux schien ebenso aussichtslos wie die der oberbayerischen Herzoge u. a.; die Lage war diesmal für Habsburg günstiger. Zwar hatte Peter von Aspelt noch eine mafsgebende Stellung, auch war zu erwarten, dafs er als Begründer der luxemburgischen Herrschaft in Böhmen in Gemeinschaft mit Baldewin von Trier für König Johann von Böhmen eintreten werde. Aber schon hatte seine Macht eine Einbufse erlitten. Köln stellte sich aus Eifersucht auf Mainz auf Habsburgs Seite. Schon 1312, als Heinrich VII. in Italien schwer erkrankt war, hatten sich die Beziehungen des Pfalzgrafen Rudolf zu dem Kaiser und demnach zur ganzen luxemburgischen Partei verschlechtert. Friedrich war eine männlich schöne Erscheinung, tapfer und von ritterlicher Gesinnung, reichte aber an diplomatischer und militärischer Begabung weder an seinen Vater noch in letzterer Hinsicht an seinen Bruder Leopold, >die Blume der Ritterschaft«, heran. Diplomatisch begabter war ein anderer Bruder, Albrecht II. »der Weise«. In der Zeit, als sein Einverständnis mit Luxemburg sich innig gestaltete (1311) und auch wegen der italienisch - sizilischen Verhältnisse ein solches mit Aragonien erwünscht war, hatte er um die Hand der Infantin Elisabeth, der Tochter König Jaymcs von Aragonien geworben. Die Verbindung kam >1314 zustande. Wenige Tage, nachdem die fremde Königstochter ihren Einzug in Wien gehalten, konnte sie in die Heimat berichten, dafs ihr Gemahl bei der bevorstehenden Königswahl auf vier Stimmen, Köln, die Pfalz, den Herzog Rudolf von Sachsen und den Markgrafen Heinrich von Brandenburg rechnen könne. Auch stand Heinrich von Kärnten, der sich immer noch als König von Böhmen betrachtete, auf seiten Habsburgs.

Friedrichs Aussichten waren um so günstiger, als König Johann von Böhmen kaum auf die Zustimmung der Kurie rechnen konnte und in den Kreisen der Kurfürsten seine allzu grofse Jugend wider ihn geltend gemacht wurde. Zum Unglück für Friedrich war ein Krieg zwischen Osterreich und dem Herzog Ludwig von Oberbayern ausgebrochen. Im wittelsbachischen Hause lagen die Herzoge Rudolf von Oberbayern und Pfalz und sein Bruder Ludwig seit langem im Streite. Stand jener schon 1291 auf seiten der Gegner Habsburgs, so war Ludwig durch seine Mutter Mechthild, eine Tochter König Rudolfs, in den Sympathien für Habsburg L o s e r t h , Geschichte des späteren Mittelalters.

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Sieg Herzog Ludwigs von Bayern bei Gammelsdorf.

erzogen worden und nach seines Vaters Tod (1294) nach Wien gegangen, wo er unter den Kindern Albrechts I. aufwuchs. 1302 übernahm er mit seinem Bruder die Regierung, was bald zu Streitigkeiten führte. Im Jahre 1310 war Herzog Stephan, 1312 Otto von Niederbayern gestorben. Nach einer letztwilligen Verfügung hatte Ludwig die Vormundschaft über ihre minderjährigen Söhne übernommen; da ihm sein Bruder Rudolf feindlich gegenüberstand, suchte und fand er Anlehnung an Österreich, und bahnte ein Verlöbnis eines der minderjährigen Herzoge mit einer habsburgischen Prinzessin an. Sowohl der Einflufs Österreichs als der Steuerdruck der Regierung erregten in den niederbayerischen Städten grofse Unzufriedenheit. Indem sie sich an Rudolf hielten, ward Ludwig genötigt, die Vormundschaft mit ihm zu teilen. Auch mufste er ihm die Führung der Kurstimme überlassen (1313, 21. Juni). Die Folge hievon war, dafs nun auch das habsburgische Verlöbnis gelöst wurde. Die Habsburger waren hierüber sehr erbittert; zudem hatten sich nicht nur die ihres Einflusses beraubten Herzogin-Witwen, sondern auch ein Teil des niederbayrischen Adels an diese um Hilfe gewandt. Darüber kam es zum Kriege. Die österreichischen Herzoge Friedrich und Leopold bereiteten von Schwaben aus einen Einfall vor, ein zweites Heer sollte in Bayern eindringen und wurde hiebei von einem ungarischen Heerhaufen unterstützt. Bayern kam in grofse Not. Herzog Ludwig sammelte indes mit aufserordentlicher Tatkraft ein Heer; ehe sich noch die im Osten andringenden Österreicher mit den Heeresabteilungen aus dem Westen vereinigen konnten, brachte er jenen am 9. November 1313 bei G a m m e l s d o r f in der Nähe von Landshut eine schwere Niederlage bei. Dieser Sieg verbreitete Ludwigs Ruhm mehr, als er es nach seinen Folgen verdient hätte, verschaffte ihm den Ruf eines volkstümlichen Helden und hob ihn weit über seinen älteren Bruder empor. *) Friedrichs Thronbewerbung geriet nun eine Zeit lang ins Stocken, bis sich die beiden Gegner versöhnten. Schien damit Friedrichs Bewerbung wieder auf festerem Boden zu stehen, so waren anderseits Trier und Mainz zur Einsicht gelangt, dafs Johanns Wahl nicht durchzusetzen sei, und boten nun das Reich dem sieggekrönten Herzog Ludwig an. Hiedurch gewannen sie auch die böhmische Stimme, die durch Johanns Bewerbung gebunden gewesen. Auch diesmal wurden den Wählern grofse Zusicherungen gemacht. Die gröfsten Schwierigkeiten fand Ludwig bei seinem Bruder Rudolf, der auf Habsburgs Seite trat, da seine eigene Kandidatur aussichtslos war. Dagegen gewann Ludwig den Markgrafen Waldemar von Brandenburg; zu ihm hielt auch Sachsen-Lauenburg, während Sachsen-Wittenberg auf der Seite Habsburgs verblieb. So rückte der Wahltag — der 19. Oktober — heran. Die alte Wahlstatt, die Frankenerde bei Frankfurt, war von der luxemburgischen Partei besetzt. Die Österreicher lagerten in Sachsenhausen. Sie schlugen die Einladung Peters, sich zur Wahl an dem Wahlorte einzufinden, aus; noch an demselben Tage wählten ') Unde ob hoc nomen suum celebre atque praeclara gloria ipsius in auribus multorum principum latius se diffundebat, sagen die ganz gleichzeitigen Königsaaler Geschichtsquellen.

Die zwiespältige Königswahl. Ludwig y. Bayern u. Friedrich v Österreich.

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Köln, Pfalz, Sachsen-Wittenberg und Heinrich von Kärnten, der die böhmische Stimme beanspruchte, den Herzog Friedrich zum König. Am folgenden Tage vollzog die luxemburgische Partei die Wahl: Ludwig wurde von Mainz, Trier, Böhmen, Sachsen-Lauenburg und Waldemar von Brandenburg, dem einige Tage später auch Heinrich von Brandenburg zustimmte, gewählt. Frankfurt öffnete ihm die Tore und die Kurfürsten brachten ihm in der Bartholomäuskirche ihre Huldigung dar. Ludwig ragte gleich seinem Gegner durch Wohlgestalt, Mut, persönliche Tapferkeit und ritterliche Gesinnung vor andern hervor. Sonst waren freilich in seinem Charakter ganz entgegengesetzte Eigenschaften vereint, wie es ein Zeitgenosse sagt: »Töricht zugleich und klug, achtlos und sorgvoll, träge und ungestüm, niedergeschlagen und heiter, kleinmütig und tapfer, bei allem Unglück glücklich. ) Corp. iur. can. Sexti Decret. Lib. HI, tit. IV, cap. 2: Licet eccksiarum plenaria disposicio ad Somanum noscatur pontificem pertinere. ») Für das Folgende Kirsch, 1. c. XXIV ff. s ) In den Begiat. Johanns XXÜ. bedeutet »annata« den Zeitraum eines Jahres. Die Einkünfte des ersten Jahres von einer Pfründe »fructus primi anni< oder »fructus unius annatae«. Die Abgabe, die etwa die Hälfte des Jahreseinkommens betrug, heifst unter Klemens VI. annale oder annuale, erst später auch annata. S. hierüber auiBer Kirsch jetzt vornehmlich A. L a n g , S. LXVI. Dort findet sich 8. L X V m über den Verlauf päpstlicher Provisionen alles Nötige. ») Das Abendland hat 7 Kollektorien: Frankreich, Deutschland (mit den Kirchenprovinzen Trier, Köln, Mainz, Prag und Ldvland), die Britischen Inseln, die Iberische Halbinsel, die nordischen Beiche, Polen-Ungarn und Italien. ») 8. Sägmüller im HJb. XVD3, 37, X X , 669. Ehrle im ALK fr. V, 159.

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Der Ausbrach des Kampfes zwischen Johann XXII. u. Ludwig d Bayer.

denn auch die Karten und Pläne, die ihm der Venezianer Marino Sanudo zusandte, prüfen liefs. Gleichwohl trug der Papst kein Bedenken, das für Kreuzzugszwecke gesammelte Geld auch in anderer Weise zu verwenden.

§ 62. Der Ausbruch des Kampfes zwischen Johann XXII. und Ludwig dem Bayer. Die Verhandlungen der 6tegenk8nlge. 1. An seinem Krönungstage richtete Johann XXII. ein Rundschreiben an alle christlichen Fürsten. Die Gegenkönige wurden darin als Gewählte behandelt, wodurch keinem ein Rechtsanspruch eingeräumt wurde, denn erst des Papstes Bestätigung verleihe ein Recht auf die Krone. Ludwigs Wähler erbaten für ihn die Kaiserkrone, jene Friedrichs die Approbation der getroffenen Wahl. Johann hielt sechs Jahre hindurch an seiner abwartenden Stellung fest. Für ihn waren zunächst nur die italienischen Verhältnisse mafsgebend. König Robert hatte nach Heinrichs VII. Tode an Klemens V. das Begehren gestellt, entweder die Wahl eines römischen Königs überhaupt zu verhindern oder ihr die Bestätigung zu versagen, in jedem Fall aber eine Romfahrt und Kaiserkrönung zu verhüten. 1 ) Das wurde nun auch des Papstes Programm. Wurde keiner der Gewählten zum Kaiser gekrönt, dann blieb das Imperium erledigt, dann ist aber auch »die Reichsverweserschaft auf den Papst übergegangen, denn Gott selbst hat ihm in der Person des hl. Petrus die Rechte des irdischen und himmlischen Imperiums zugleich verliehen«.2) Danach wurden die Reichsbeamten in Italien, falls sie ihre Würden und Amter nicht niederlegten, mit dem Banne bedroht und König Robert, der heftigste Feind der Deutschen, zum Reichsvikar ernannt. Die Gegenkönige Uelsen den Angriff unbeantwortet, denn wenn sie auch Reichsvikare ernannten, blieben diese doch machtlos. Hatte es eine Zeitlang den Anschein, als wolle die Kurie den Habsburger begünstigen und schlofs Friedrich mit Robert ein förmliches Bündnis zur Bekämpfimg Matteo Viscontis, des Führers der Ghibellinen in Oberitalien, so änderten sich diese Dinge seit der Schlacht bei Mühldorf. Ludwig hatte dem Papste seinen Sieg gemeldet; er hielt den Thronstreit für erledigt. Nicht so der Papst. Dieser erklärte sich wohl zur Vermittlung bereit, verlangte aber, wie es scheint, als Preis der Anerkennung völligen Verzicht auf die deutsche Herrschaft in Italien. Nach seinem Siege war Ludwig am wenigsten dazu geneigt, vielmehr sandte er Bertold von Neifen als Reichsvikar nach Italien, um die vom Papst und König Robert bedrängten Ghibellinen zu verteidigen. Dies brachte den Streit zwischen Papst und König zum Ausbruch. Am 8. Oktober 1323 verkündigte Johann XXII. in öffentlichem Konsistorium seinen ersten Prozefs gegen Ludwig, mahnte ihn, die Regierung binnen drei Monaten niederzulegen und nicht eher anzutreten, bis er die päpstliche Bestätigung erlangt habe. Noch suchte Ludwig den Weg der Versöhnung. Er sandte ») Müller I, S. 37. •) Bulle vom 31. März 1317.

Johann XXII. und der Armutsstreit

Haitang der Minoriten.

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Boten nach Avignon und bat um Erstreckung der Frist, um seine Verteidigung führen zu können. Johann gewährte dies. Inzwischen erhob der König gegen das gehässige Vorgehen des Papstes Protest (1323, 18. Dezember) und wies darauf hin, dafe der an üblicher Stätte durch die Kurfürsten oder deren Mehrheit Erwählte und Gekrönte römischer König sei, dem das Imperium gebühre. Dem Papst sei nur die Kaiserkrönung vorbehalten. Eine Prüfung oder Zurückweisung des Gewählten stehe ihm nicht zu. Schliefslich legte Ludwig Berufung an ein allgemeines Konzil ein. Den Vorwurf der Ketzerei abweisend, bezichtigte er den Papst häretischer Gesinnung, weil er die Minoriten in deren Streit mit der Weltgeistlichkeit begünstige. 2. Bald erhielt er an den Minoriten selbst Bundesgenossen. Die Päpste hatten diesen Orden bisher in jeder Weise begünstigt und noch Nikolaus III. ihn in der Bulle Exiit qui seminat gerühmt. Nun waren im Orden Strömungen aufgetaucht, die, das Armutsideal verschärfend, selbst die zum Leben unentbehrlichsten Dinge aufzuspeichern verboten. Schon Klemens V. wollte diese Spaltungen nicht dulden. Die Frage, ob der Orden absolut nichts (usus pauper) oder mäfsigen Besitz (usus moderatus) haben dürfe, entschied das Konzil von Vienne im Sinne der ersteren Richtung. Aber die Unzufriedenheit dauerte fort. Unter den Unzufriedenen gab es zwei Richtungen: die S p i r i t u a l e n und F r a t i c e l l e n , von denen jene selbst die Anlage von Vorratsräumen verwarfen und noch ärmlichere Kutten anlegten. Dagegen wandte sich der Papst in der Dekretale Quorundam exigit. Schon 1318 wurden in Marseille einige Spiritualen als Ketzer verbrannt. Noch weiter gingen die Fraticellen; in Katalonien und Südfrankreich starben 114 von ihnen den Ketzertod. Selbst der Ordensgeneral kam mit dem Papst in Streit. Der Inquisitor von Narbonne hatte nämlich den Satz, dafs weder Christus noch die Apostel, persönlich oder gemeinsam, Eigentum besessen hätten, als ketzerisch erklärt und der Papst die Erklärung gebilligt. Dies erregte grofsen Unmut; daher gab der Papst durch die Bulle Quia nonnwnquam die von ihm früher verbotene Diskussion über die Regel des hl. Franziskus wieder frei. Nun erklärten die Minoriten, die Behauptung, dafs Christus und die Apostel kein Eigentum gehabt, sei n i c h t häretisch. Erzürnt, dafs sie seinem Ausspruch Vorgriffen, erklärte der Papst diese Behauptung als ketzerisch (1323, 12. November), und als die Minoriten sich auf die älteren Entscheidungen Nikolaus' III. und Klemens' V. beriefen, wurden sie belehrt, dem Papste stehe es zu, Entscheidungen seiner Vorgänger zu widerrufen. Von den Minoriten hatten sich einige an König Ludwig gewendet. Uber ihn verhängte der Papst am 23. März 1324 die Exkommunikation, die hierauf auch auf seine Bevollmächtigten in Italien ausgedehnt wurde. Ludwig erliefs dagegen (22. Mai) zu S a c h s e n h a u s e n eine Appellation1), voll von Vorwürfen gegen den Papst, »den ') Die Frage, ob die Stelle aber die Armut Christi mit oder ohne Wissen Ludwigs in die Appellation eingeschaltet wurde, ist noch immer nicht befriedigend gelöst. (Die Lit. s. oben.)

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Die Bandesgenossen K. Ludwigs.

Friedensverhandl. der Gegenkönige.

Feind des Friedens und Zerstörer des Reiches«, der sich die Rechte der Reichsfürsten anmafse und die evangelische Lehre der Minoriten von der Armut Christi als Ketzerei verdamme. Minoriten waren es, die an dieser Appellation mitarbeiteten und damit die Stellung des Königs, der nun auf ein rein kirchliches Gebief übergriff, verschlechterten. Nach diesem Schritte war kein Einlenken des Papstes zu erwarten. Am 11. Juli 1324 wurde Ludwig das Reich abgesprochen und er selbst auf den 1. Oktober vor die Kurie zitiert. Über seine Anhänger, Geistliche und Städte, wurde der Bann verhängt, weltliche Fürsten mit dem Bann, ihre Länder mit dem Interdikt bedroht. Im übrigen erklärte der Papst, die Rechte der Kurfürsten nicht schmälern zu wollen. Um die wider ihn erhobene Anschuldigung der Ketzerei zu widerlegen, erliefs er am 10. November die Dekretale Quia quorundam mentes1), ohne hierdurch aber den Streit über die Armut Christi eindämmen zu können. 2 ) 3. Die Abhängigkeit der Kurie von Frankreich trat auch jetzt wieder deutlich hervor. Statt für Friedrich einzutreten, drängte Johann auf die Neubesetzung des deutschen Thrones und schob die Kandidatur des französischen Königs Karl IV. in den Vordergrund. Für diesen Plan gewann er den Herzog Leopold. Dieser versprach, ihn auch für den Fall zu unterstützen, wenn Karl IV. — soweit gingen schon die Ansprüche der Kurie — vom Papste durch Provision ernannt werden sollte. Leopolds Brüder sollten reich entschädigt werden, namentlich auch durch die Wiederherstellung ihres Besitzes in Schwyz und Unterwaiden. Von den Kurfürsten ging keiner auf solche Pläne ein, und einen König zu ernennen, wagte schliefslich der Papst doch nicht. Da sich von Ludwigs bisherigen Bundesgenossen einige seinen Gegnern näherten und der Krieg eine für Bayern ungünstige Wendung nahm, sah Ludwig sich genötigt, mit den Habsburgern Verhandlungen anzuknüpfen ; sein tüchtigster Diplomat, Graf Bertold von Henneberg, schlofs in Trausnicht am 13. März 1325 einen Vertrag ab, in welchem Friedrich sich verpflichtete, der Krone zu entsagen, Ludwig als König anzuerkennen und mit ihm ein Bündnis gegen jedermann, auch gegen den Papst, zu schliefsen. Eine Ehebündnis zwischen Ludwigs Sohn Stephan und Friedrichs Tochter Elisabeth sollte die neue Freundschaft stützen. Würden Friedrichs Brüder ihn an der Ausführung des Vertrages hindern, dann sollte er wieder in die Gefangenschaft zurückkehren. In der Tat scheiterte der Vertrag an dem Widerstand Leopolds, und Friedrich kehrte nach Bayern zurück, doch nicht mehr als Gefangener nach Trausnicht, sondern als Freund des Königs nach München. Hier kam eine neue Übereinkunft zustande (5. September), nach welcher beide Könige gemeinsam das Reich besitzen sollten. Würde einer der Könige nach Italien ziehen, sollte der andere in Deutschland ungeteilt die Macht besitzen. Es wurde demnach ein Verhältnis in Aussicht genommen, wie es einst zwischen ') Extrav. Joh. XXTT, tit. XTV, cap. V. ') Die in diesem Streit vorgetragenen Lehrmeinungen wirkten durch Fitz-Ralphs Buch Aber die Armut Christi auf Wiclif ein. S. De Pauperie Salvatoris in De Dominio Divino (ed. Poole) und De Civ. Dom. IQ, ed. Loserth.

Der Tod Friedrichs des Schönen.

Die Romfahrt Ludwigs.

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Friedrich II. und Heinrich bestand. Aber auch der Münchner Vertrag erwies sich als undurchführbar. Unter diesen Umständen erklärte sich Ludwig in Ulm bereit (1326, 7. Januar), ganz vom Königtum zurückzutreten, wenn es Friedrich gelänge, die Bestätigung des Papstes zu erhalten, und begab sich in der Tat der Ausübung seiner königlichen Rechte. Aber der Papst betrieb eifriger als früher die französische Kandidatur1). Mittlerweile starb Herzog Leopold am 28. Februar 1326. Mit ihm verlor Friedrich seine stärkste Stütze. Da die Habsburger die Anerkennung seines Königtums nicht durchzusetzen vermochten, trat der Münchner Vertrag wieder in Kraft. Ludwig kam zu Ende 1326 mit den habsburgischen Fürsten Friedrich, Heinrich und Albrecht in Innsbruck zusammen. Die hier gepflogenen Verhandlungen nahmen einen ungünstigen Verlauf. Friedrich kehrte nach Osterreich zurück und führte den Königstitel bis an sein Ende, ohne die Rechte eines deutschen Königs auszuüben. Ein nochmaliger Versuch (1328), die Bestätigung des Papstes zu erhalten, erfuhr eine schroffe Abweisung. Er starb am 13. Januar 1330 zu Gutenstein im Wiener Walde. Die Leitung der österreichischen Politik kam nun in die Hände der Herzoge Albrecht und Otto, die mit König Ludwig am 6. August zu Hagenau ihren endgültigen Frieden machten. Der Besitz des deutschen Königtums war diesem nun gesichert.

§ 63. Der Rffmerzug Ludwigs. 1. Schon seit längerer Zeit hatte Ludwig den Gedanken einer Romfahrt erwogen. Als er(seitMitteJanuarl327) in Trient weilte, erschienen die Häupter der ghibellinischen Partei und die Abgesandten der reichstreuen Städte: Cane g r a n d e della S c a l a von Verona, P a s s a r i n i B u o n a c o s s i von Mantua, "Marco und Azzo V i s c o n t i , die Markgrafen von E s t e , Boten C a s t r u c c i o C a s t r a c a n i s , Gesandte König F r i e d r i c h s von Sizilien, der Pisaner usw. und boten ihm jede Unterstützung an, um des Reiches Rechte zu wahren und sich selbst gegen die Weifen zu schützen. In Ludwigs Umgebung weilten Marsiglio von Padua, Johann von Jandun und die Minoriten, die seinen Schutz aufgesucht hatten. Marsiglio, um 1270 geboren, hatte das Studium der Philosophie und Medizin betrieben, eine Zeitlang auch die Feder mit dem Schwerte vertauscht und war dann in den geistlichen Stand getreten. Minorit ist er nicht gewesen. 1312 war er Rektor an der Pariser Universität. Dort traf er noch Männer, die im Kampfe gegen Bonifaz VHL die Interessen des Staates verteidigt hatten, und gewann jene Überzeugungen, die er in seinem berühmten Buche Defensor pacis niedergelegt hat. Grofsen Einflufs nahm Occam auf ihn. Vielleicht hatte er Beziehungen zu den Minoriten, die an Ludwigs Hof verweilten. Er trat als Leibarzt in dessen Dienst, mit ihm sein Freund Johann von Jandun, mit dem er noch zuletzt in Paris den Defensor pacis abgefafst hatte. Dieses Werk enthält Theorien, die geeignet waren, die bestehenden ') Kiezler II, 365. L o a e r t h , Geschichte des späteren Kittelalters.

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Marsiglio von Padua.

Der Defensor pacis.

Grundsätze über Staat und Kirche in ihrem gegenseitigen Verhältnis über den Haufen zu werfen, denn sie lassen dem Papst keine andere Macht, als sie jeder Priester besitzt, betonen dagegen um so nachdrücklicher der kirchlichen Gewalt gegenüber die Rechte des Staates. Ludwig nahm die Fremdlinge zwar mit Verwunderung, aber doch wohlwollend auf. Sie erklärten dem König, seine Pflicht sei, der in der Kirche eingerissenen Verwirrung ein Ende zu machen. Das Kaisertum sei älter als das Papsttum, die Gesetze der Kirche dürften auf den Staat keine Anwendung finden. Kaiser waren es, die dereinstens Päpste ihrer Wahl einsetzten, Synoden beriefen und diesen die Befugnis einräumten, auch in Glaubenssachen zu entscheiden. Schon der Titel Defensor pacis, Verteidiger des Friedens, deutet die Richtung des Buches an. Es will die Verteidigung des durch die Ansprüche der Päpste gestörten Friedens übernehmen. 1 ) Der Staat ist wegen der Wohlfahrt und des Friedens der Menschen geschaffen. Der Frieden ist durch die falsche Auffassung vom Priestertum, besonders aber durch den Anspruch der Päpste auf die Jurisdiktion und Btrafgewalt nicht blofs über den Klerus, sondern auch über die Laien gestört. Sie leiten diesen Anspruch aus der Schlüsselgewalt Petri ab. Aber die betreffende Stelle wird falsch aufgefafst. In Wahrheit steht weder dem römischen noch irgend einem andern Bischof dies Recht zu Die Kirche ist die Gemeinschaft aller an Christum Glaubenden. Nicht blofs Priester, auch Laien sind Männer der Kirche. 2 ) Der Begriff des Geistlichen darf weder auf alle Handlungen noch auf alle Güter des Klerus ausgedehnt werden. Wenn ein Geistlicher weltliche Dinge betreibt, kauft, verkauft u.s.w., so fällt dies unter das weltliche Gesetz. Kein Papst und kein Bischof hat Priestern oder Laien gegenüber eine richterliche Gewalt, sie sei ihm denn durch den menschlichen Gesetzgeber übertragen. Die Gewalt, die Christus seinen Nachfolgern übertrug, beschränkt sich auf die Verkündigung der Lehre und die Spendung der Sakramente. Die Exkommunikation auszusprechen, steht keinem einzelnen Christen, sondern nur der Gemeinschaft der Gläubigen zu. Die Handlungen eines jeden Menschen stehen unter dem weltlichen Gesetz, nur mufs der Geistliche für seine -Sünde härter gestraft werden, da er besser unterscheiden kann. Würde man die Geistlichkeit von der weltlichen Jurisdiktion befreien, so möchten die meisten, um ihr zu entgehen, in den geistlichen Stand eintreten und so den Ruin jedes Staates begründen. In zahlreichen Sätzen schränkt Marsiglio die Macht der Päpste ein: alle Bischöfe seien einander gleich, auch Petrus habe keine Superiorität über die andern Apostel besessen. Fälschlich folgern die Päpste »die Fülle ihrer Gewalt« aus der Bibel ; sie haben diese Gewalt allmählich auf das weltliche Gebiet ausgedehnt; während sie vordem in Armut und unter der weltlichen Gewalt lebten, vom Kaiser bestätigt, ja auch abgesetzt wurden, sei das alles jetzt durch die Übergriffe des Papsttums verkehrt. Damit nicht zufrieden, okkupieren sie ganze Provinzen, beanspruchen die Oberhoheit über Kaiser und Reich, was eine ganz rechtswidrige Unterschiebung sei. Im Volke ruht die Quelle aller Gewalten, in seinen Händen liegt die Gesetzgebung, und der Regent ist nur sein vollziehendes Werkzeug. Er ist dem Volke verantwortlich und daher auch absetzbar. Der Primat des Papstes ist weder im göttlichen Rechte noch in der Bibel begründet. Marsiglios Buch machte einen tiefen Eindruck und wurde ins Italienische und Französische übersetzt.

2. Nicht ohne Sorgen liefs sich Ludwig die Unterstützung der Fremdlinge gefallen; auch seine Umgebung machte ihn auf das Bedenkliche dieser Hilfeleistung aufmerksam. Die in Trient versammelten Ghibellinen drängten ihn, nach Italien zu gehen, wo er denn auch viele ') S. d. sorgf. Analyse bei Riezler, S. 193 ff., u. Preger in d. Abh. d. Kgl. bayr. Akad. XTV, 6. ä ) Einer der Hauptsätze Wiclifs und Hussens.

Die Kaiserkrönung Ludwigs.

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Anhänger fand, welche, die einen aus politischen, die andern aus kirchlichen Motiven seine Ankunft ersehnten. Zu diesen gehörten die M i n o r i t e n . Ihren Einflufs sowie den Marsiglios oder Janduns darf man freilich nicht allzu hoch einschätzen. Am 14. März 1327 brach Ludwig auf. In Bergamo und Como wurde er freudig begrüfst. Noch hoffte der Papst, dafs sich die Weifen seiner erwehren könnten, erliefs am 3. und 9. April neue Prozesse, gegen ihn, sprach ihm die Reichslehen ab, verhängte gegen ihn als Freund der Ketzer die kirchlichen Strafen, verdammte die Appellation von Sachsenhausen und den Defensor pacis, forderte ihn auf, Italien zu verlassen und sprach namentlich auch über seine geistlichen Begleiter den Bann aus. Diese Prozesse fielen in Deutschland auf unfruchtbaren Boden. In vielen Diözesen wurden sie nicht verkündet, und wo dies geschah, die Geistlichkeit von den Bürgern bedroht und dadurch in ihrem Ansehen geschädigt. Am 17. Mai hielt Ludwig seinen Einzug in Mailand und wurde am Pfingstsonntag (31. Mai) von den exkommunizierten Bischöfen von Arezzo und Brescia gekrönt. Das gute Einvernehmen mit den Visconti hielt freilich nicht an: Galeazzo wurde gestürzt, da er die Alleinherrschaft anstrebte, und Graf Wilhelm von Montfort als Reichsverweser eingesetzt. Ludwig erneuerte seinen »gegen Johann von Cahors« gerichteten Bund mit König Friedrich von Sizilien und erhielt von den deutschen Fürsten und Städten kräftige Unterstützung. Zählte doch sein Heer am Tage der Kaiserkrönung mehr als 5000 Ritter; allerdings war der deutsche Episkopat auf diesem letzten italienischen Kriegszug der Deutschen im Mittelalter fast gar nicht vertreten. Am 8. Oktober gewann Ludwig Pisa. König Robert wurde in die Acht erklärt. Dagegen erhielt Castruccio, bisher schon die stärkste Stütze Ludwigs, die Herzogswürde von Lucca. Am 7. Januar 1328 zog Ludwig in Rom ein. Die römischen Ghibellinen unter Sciarra Colonna nahmen ihn um so bereitwilliger auf, je mehr sich der Papst allen Bitten, nach Rom zurückzukehren, versagte. Eine Volksversammlung übertrug Ludwig (10. Januar) die Signorie und Hauptmannschaft. Sieben Tage später wurde er in St. Peter zum Kaiser gekrönt. Da der päpstliche Legat noch im letzten Augenblick das Interdikt über die Stadt ausgesprochen hatte, verweigerten viele Geistliche die Vornahme kirchlicher Handlungen. Die Salbung verrichteten die gebannten Bischöfe von Castello und Aleria, die Krönung vier Syndici, unter ihnen Sciarra Colonna, als Vertreter des römischen Volkes. Der Krönungszug ging nicht wie sonst zum Lateran, sondern auf das Kapitol, wo das Krönungsmahl stattfand. Tags darauf wurde Castruccio zum Senator ernannt. Statt unverzüglich gegen Neapel vorzurücken, verlor Ludwig kostbare Zeit in R o m b i n n e n deren die weifischen Einflüsse wuchsen. Mittlerweile verkündigte der Papst, der »den Bayer« bereits am 23. Oktober auch der Pfalzgrafschaft und der Kurwürde entsetzt hatte, den Kreuzzug gegen ihn (1328, 21. Januar). Wer sich daran beteiligte, erhielt die Gnadenmittel wie sonst die Kreuzfahrer nach Palästina. Das ist auch ') Die Gründe der Versäumnisse Ludwigs bei Chroust, S. 130. 18*

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Die Absetzung Johanns XXTT. Nikolaus V.

später oft genug geschehen. Diesmal war aber das Mittel noch nicht verbraucht; es machte auf den Kaiser einen grofsen Eindruck und ist wohl der Grund, weshalb auch er nunmehr gegen den Papst zum Aufsersten schritt. Am 14. April 1328 liefs er in einer auf dem Petersplatz tagenden Volksversammlung drei Gesetze verkünden, nach welchen gegen einen der Ketzerei Überwiesenen auch ohne vorhergegangene Ladung eingeschritten, alle Empörer gegen den Kaiser mit Güterkonfiskation bedroht und den Notaren befohlen wurde, die Regierungsjahre des Kaisers in ihre Datierungen aufzunehmen; das letzte verfolgte den Zweck, das Kaisertum zur allgemeinen Anerkennung im bürgerlichen Leben zu bringen.1) Vier Tage später trat die Volksversammlung abermals zusammen. Nun wurde der Papst als Friedensstörer, Ketzer und Majestätsverbrecher für abgesetzt erklärt. 2 ) Der Kaiser beruft sich auf das Beispiel Ottos I. Allerdings zeigte es sich, dafs es unmöglich sei, das Papsttum auf jene Stellung zurückzuführen, die es v o r Gregor VII. eingenommen hatte. Am 23. April wurde endlich ein Gesetz erlassen, wonach der Papst in Rom residieren müsse und sich von da ohne Erlaubnis des römischen Klerus und Volkes nicht über zwei Tagereisen entfernen dürfe. Was die Absetzungsbulle andeutete und wozu den Kaiser seine Umgebung und das römische Volk drängte, folgte nun nach. Eine Kommission von Geistlichen und Laien wählte am 12. Mai den Minoriten Pietro Rainalducci von Corbara als N i k o l a u s V. zum Papst; er wurde vom Kaiser bestätigt, ernannte sieben Kardinäle und bestätigte seinerseits den Kaiser in seiner Würde. Ebenso wurden die früheren Prozesse des Kaisers gegen Neapel und die übrigen Gegner in Italien einer-, gegen Johann X X I I . anderseits erneuert. Indem ein Bettelmönch — übrigens nicht der erste Fall — zum Papste erhoben ward, wurde das Prinzip der evangelischen Armut, für das diese kämpften, verkörpert. Mit Ausnahme Roms fand dies Vorgehen in den meisten Kreisen des Abendlandes Mifsbilligung; auch deutsche Geschichtschreiber verhehlen ihren Unmut nicht. Allerdings war es nicht der Kaiser, der den Streit begonnen hatte; auch ist zu bedenken, dafs fromme, heiligmäfsige Männer die Lehre von der Absetzbarkeit des Papstes verkündeten.8) Mittlerweile war der Zeitpunkt, Neapel zu gewinnen, versäumt. Im Heere herrschte Not, und in Rom wuchs die Unzufriedenheit. Als der Kaiser von dort abzog, begleiteten ihn die Verwünschungen der Römer. Die Anhänger des Papstes zoges ein, die Anordnungen des Kaisers wurden widerrufen, die Leichen der Deutschen aus den Gräbern gerissen und in die Tiber geworfen. 3. Schwer traf den Kaiser Castruccios Tod (3. September). Auch von seinen übrigen Anhängern waren die hervorragenderen gestorben, andere hatten sich dem Papste unterworfen. Auch diesmal war Pisa >) Lindner, 375. S. auch Lorenz, Papstwahl und Kaisertum, S. 188. •) Kopp V, 275. Baluze Ii, 512: qui cum clero et populo Romano Johannem deposuit de papatu. *) Daher wälzen billig denkende Geschichtachreiber, wie der Königsaaler Abt, die Schuld den Minoriten zu, 8. 465.

Ende der Romfahrt.

Haltung der Minoriten und des Gegenpapstes.

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Stützpunkt des Kaisertums. Hier fand sich Nikolaus V. ein, und bald war die Stadt der Sammelplatz aller Gegner Johanns XXII. Die Häupter des Minoritenordens stellten sich dem Kaiser zur Verfügung: der Ordensgeneral Michael von Caesena, der Provinzial von England Wilhelm v. Occam und der Ordensprokurator Bonagratia von Bergamo. In Pisa fand das gegen Johann XXH. begonnene Prozefsverfahren ein merkwürdiges Nachspiel. In einer vom Kaiser berufenen Versammlung erklärte Michael von Oaesena den Papst als Ketzer seiner Würde verlustig, und der Kaiser sprach nun seine Absetzung aus. Diesmal traten kirchliche Beweggründe hervor: es werden alle Ketzereien' Johanns XXII. aufgezählt. Stand Ludwig bei der Veröffentlichung seiner ersten Sentenz mehr unter Marsiglios Einflufs, SO treten nunmehr, nicht zu seinem Vorteil, die Minoriten in den Vordergrund. Am 19. Februar 1329 sprach Nikolaus V. den Bann über Johann XXII und seine Bundesgenossen aus Ein allgemeines Konzil wurde nach Mailand berufen und eine Strohpuppe, die Johann XXH. darstellte, verbrannt.

Aber dem Papst blieben seine Anhänger treu; in Deutschland waren diese schon im Sommer 1328 daran, einen Gegenkönig aufzustellen, was diesmal aber noch an dem Widerstreben Luxemburgs scheiterte. Den vereinten Kräften seiner italienischen Gegner war Ludwig nicht gewachsen. Im Dezember 1329 zog er von Pavia nach Trient. Wohl gedachte er bald wieder nach Italien zu ziehen. Dazu ist es aber nicht mehr gekommen. Nachdem er den Tod seines einstigen Gegners, Friedrichs von Osterreich, vernommen, kehrte er nach Bayern zurück, und so fand die Romfahrt ein unrühmliches Ende. Bald machte der vom Kaiser verlassene Gegenpapst seinen Frieden mit Avignon. Einen Strick um den Hals, warf er sich dem Papst im August 1330 zu Füfsen, nachdem er noch in dem vom Kaiser abgefallenen Pisa seine Irrtümer abgeschworen hatte. Er wurde in anständiger H a f t gehalten, starb indes eines frühen Todes. Schon 1329 hatte eine Gesandtschaft der Römer in Avignon dem Kaiser und dem Gegenpapst abgeschworen und feierlich erklärt, dafs der Kaiser ebensowenig ein Recht habe, den Papst abzusetzen, als das römische Volk den Kaiser zu krönen, u n d dafs dem Kardinalskollegium allein das Recht zustehe, den Papst zu wählen, Nach diesem Widerruf wurde die Stadt absolviert, doch mufste sie den Majestätsrechten entsagen, die sie zeitweise an sich genommen hatte. 1 ) Im übrigen behandelte Johann XXH. seine Gegner mit Milde, Fürsten und Städte Italiens sandten Botschaften nach Avignon, um ihm zu huldigen oder um Verzeihung für ihre Gegnerschaft zu bitten.

§ 64. Das Aufsteigen des Hauses Luxemburg in Deutschland und Italien. Q u e l l e n wie oben. Zu den böhm. s. unten § 69. Zu den H i l f s s c h r i f t e n aufser K o p p V, M ü l l e r , R i e z l e r , H u b e r , K r o n e s , C a r o , Gesch. Polens, G r ü n h a g e n , Gesch. Schlesiens, E g g e r , Gesch. Tirols, P a l a c k y , B a c h m a n n , s. noch: H e i d e m a n n , Graf Bertold v. Henneberg als Verweser d. Mark Brandenburg, 1323—1330. Forsch. XVII. S a l c h o w , Der Übergang d. Mark Brandenburg an das Wittelsbach. Haus. Diss. 1893. K ü r s c h n e r , Eger u.Böhmen. Wien 1870. P u y m a i g r e , Une campagne de Jean de Luxemb. RQH. XLH. Über seinen italien. Feldz.: P ö p p e l m a n n : Joh. v Böhmen in Italien. AÖG. XXXV. W e r u n s k y , Gesch. Karls IV. I. Zur Kärntner Frage : S t ö g m a n n , Über die Vereinigung Kärntens 'mit Österr. Wien. SB. XIX. H u b e r , Gesch der Vereinig. Tirols mit Österr., s. auch unten. W e i l a n d , Der angebl. Verzicht Ludwigs, wie oben. H ö f l e r , Aus Avignon. A Böhm.GW.VI,2. Taube,Ludwigd.ÄlterealsMarkgrafV.Brandenburg. Berlinl900. (Dort S. 1—5 ein Lit.-Verz.) E. V o i g t , Die Reichspolitik Balduins v.Trier. 1328—1334. Gotha 1901. ') Gregorovius VI, 178.

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Die Wittelsbacher in Brandenburg. König Johann von Böhmen.

1. Die Erfolge des Kaisers beruhten in den ersten Jahren seiner Regierung im wesentlichen auf seinem Bund mit dem Hause Luxemburg. Die freundschaftlichen Beziehungen lockerten sich, als es Ludwig gelang, Brandenburg für sein Haus zu erwerben. Am 14. August 1319 war Markgraf Waldemar, ohne Kinder zu hinterlassen, gestorben. Da auch der letzte Sprosse des askanischen Hauses in Brandenburg, Heinrich der Jüngere von Landsberg, schon im folgenden Jahre starb, war Brandenburg erledigt. Schon nach Waldemars Tode wurden von allen Seiten Ansprüche auf das erledigte Erbe erhoben, und Brandenburgs Nachbarn besetzten die ihnen zunächst gelegenen Teile des Landes. Ludwig selbst ergriff nach dem Beispiel seiner Vorgänger die Gelegenheit, seinen Hausbesitz zu vergröfsern. Nachdem er den Böhmenkönig mit Bautzen und Kamenz belehnt, dem Fürsten Bernhard von Anhalt die Pfalzgrafschaft Sachsen samt dem Fürstentum und der Mark Landsberg übertragen hatte, übergab er in dem Augenblick, da der Mühldorfer Sieg seine Stellung gesichert hatte, Brandenburg mit der Kurwürde seinem ältesten Sohne Ludwig (1323). König Johann hatte sich Hoffnung auf den Erwerb der ganzen Mark gemacht, Als nun auf Ludwigs Veranlassung auch das Eheverlöbnis zwischen Johanns Tochter Guta und Friedrich, dem Erben von Meifsen, gelöst, dieser mit Ludwigs Tochter Mechthild verlobt wurde und Ludwig eine Verständigung mit seinen bisherigen Gegnern suchte, knüpfte Johann Verhandlungen mit Osterreich und Ungarn an, entliefs Heinrich von Osterreich aus der Gefangenschaft 1 ) und versöhnte Heinrich von Kärnten, dessen Tochter Margareta (Maultasch) mit seinem Sohne Johann Heinrich verlobt wurde (1327)2). Die alten Bundesgenossen, Ludwig und Johann, hatten sonach Grund zu gegenseitigen Klagen, denn wie jener dem Böhmenkönig den Separatfrieden mit Osterreich, konnte dieser dem Bayern die Durchkreuzung seiner Absichten auf Brandenburg und Meifsen zum Vorwurf machen. Da indess ein Bruch für beide Teile schwere Schäden zeitigen mufste, lenkten sie wieder in die alten Bahnen ein. Während Ludwig seinen italienischen Plänen nachging, verfolgte Johann seine Interessen in Deutschland. Der Böhmenkönig stand damals in der Blüte seiner Jahre: nach der Schilderung des kompetentesten Zeitgenossen das Ideal eines fahrenden Ritters, begeistert für Kämpfe und Turniere und von den Taten der sagenhaften Artusritter, deren Tafelrunde er herzustellen beabsichtigte, war er so geschäftig, dafs, nach einem Sprichwort, ohne den Böhmenkönig niemand seine Sache zu verrichten vermochte. War bei seinem Auftreten vieles nur äufserer Glanz und Schimmer, so bekundete er doch diplomatische Talente und hielt durch grofse Landerwerbungen Böhmen für die Kosten schadlos, die ihm seine Kreuz- und Querzüge verursachten. Zunächst ') Wogegen die Habsburger auf ihre Rechte auf Böhmen verzichteten und 9000 Mark Silber zahlten, für die sie Laa und Weitra verpfändeten und das ihnen verpfändete Znaim zurückstellten. ') Über die einzelnen Phasen dieser Versöhnung, die schon seit 1321 beginnen, s. Palacky, Bachmann, Weech (S. 114) u. a. 1321 war Johanns ältester Sohn Wenzel (Karl IV) als Verlobter Margaretas in Aussicht genommen worden.

Fortschritte der Luxemburger.

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nahm er Böhmens Ansprüche auf Polen wieder auf (1327). Noch wichtiger waren Böhmens Fortschritte in Schlesien, wo zuerst (1327) die Herzoge von Ober-, dann (1329) auch die meisten Herzoge von Niederschlesien Johann als Oberherrn huldigten. Herzog Heinrich VI. von Breslau trat ihm schon 1327 sein Land gegen dessen Nutzgenufs auf Lebenszeit und eine Jahresrente ab. Der Kreuzzug Johanns gegen Litthauen (1328) erhöhte seinen militärischen Ruf. Er durfte erwarten, dafs die Vermählung Johann Heinrichs mit Margareta den Erwerb von Kärnten und Tirol herbeiführen werde. Und noch höher stiegen seine Aussichten. Als er im Herbste 1330 in Trient verweilte, erschienen Gesandte der Weifen von Brescia und boten ihm, um sich der Angriffe Mastino della Scalas zu erwehren, die Herrschaft über ihre Stadt an. Ohne sich um den Kaiser zu kümmern, zog Johann in das Land, in welchem 17 Jahre zuvor sein Vater als Kaiser gestorben war. Wie dieser erschien er als Friedensstifter. Die vertriebenen Ghibellinen mufsten in Brescia aufgenommen und die Parteinamen der Weifen und Ghibellinen beseitigt werden. Allmählich gewann er über Bergamo, Cremona, Como, Vercelli, ja selbst über Mailand, Lucca, Mantua die Herrschaft, und selbst entschieden weifisch gesinnte Städte wie Parma, Modena und Reggio schlössen sich an ihn an. Er nannte sich Herr von den Städten, die ihm die Signorie übertragen hatten und hegte wohl die Hoffnung, dereinst noch die Kaiserkrone zu tragen.1) 2. Die von den Luxemburgern beabsichtigte Erwerbung von Tirol und Kärnten enthielt für Bayern die Gefahr, auf zwei Seiten von luxemburgischem Gebiet eingeengt zu werden. Auf Kärnten hatte zudem Osterreich begründeten Anspruch. Ohne auf die vom Kaiser erst jüngst zugunsten des Erbrechtes der Töchter Heinrichs von Kärnten gemachten Zusagen Rücksicht zu nehmen, und trotzdem Johann Heinrich als Margaretas Bräutigam bereits am Innsbrucker Hof erzogen wurde, die tirolischen Grafschaften übrigens nicht Reichs-, sondern bischöfliche Lehen waren 2 ), kam es am 26. November 1330 zu einem geheimen Vertrag zwischen dem Kaiser und Otto von Österreich, wonach nach dem Ableben des Kärtner Herzogs das Haus Habsburg mit Kärnten belehnt, der Kaiser aber in den Besitz Tirols gelangen sollte. Auf dem Reichstage von Nürnberg (1331 Frühling) erhob dieser über des Böhmenkönigs Übergriffe in Italien lebhafte Klagen; die Mehrheit der Fürsten erklärte, dafs sich der Kaiser an dem diesseits der Alpen liegenden Gebiete König Johanns schadlos halten dürfe 8 ); es war dies die Zeit, da König Johann Parma, Modena und Reggio vom Papst zu Lehen nahm und das Versprechen gab, Ludwig hinfort weder als König noch als Kaiser anzuerkennen. 4 ) Dieser schlofs (1331, 3. Mai) einen neuen Bund mit Österreich, seinen Söhnen Ludwig von Brandenburg und Stephan und dem Markgrafen von Meifsen; auch die Könige von Ungarn ') ') ') *)

Friedensburg, Forsch. XIX, 200. Huber H, 158. 8. meine Ausg. der Königs. Gesch.-Q., 486. Preger, Beiträge, S. 67.

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Die böhmische Herrschaft in Oberitalien und ihr Ende.

und Polen traten bei und begannen den Krieg gegen Johann, auf dessen Seite sein Schwiegersohn Heinrich der Altere von Niederbayern stand, wogegen Ludwig die Unterstützung Ottos und Heinrichs d. J. von Niederbayern erhielt. Um den drohenden Sturm zu beschwichtigen, berief Johann seinen ältesten Sohn Wenzel (Karl) nach Italien, übertrug ihm die Regierung der lombardischen Städte und eilte nach Deutschland. Geheime Unterhandlungen, die er mit dem Kaiser in Regensburg pflog, hatten das Ergebnis, dafs er Mailand, Pavia, Cremona, Bergamo, Novara, Parma, Reggio, Modena und Bobbio gegen eine Pfandsumme von 120000 Dukaten namens des Kaisers verwalten und Lucca als Reichslehen besitzen sollte. Für die Zukunft wurde ein Austausch KärntenTirols gegen Brandenburg in Aussicht genommen. Da das neue Bündnis seine Spitze gegen Osterreich richtete, löste sich der Bund zwischen diesem und dem Kaiser. Den Krieg zwischen Böhmen und Polen beendete Johann durch einen Waffenstillstand, eilte hierauf nach Mähren, um gegen Osterreich zu kämpfen. Doch auch hier kam es schon 1332 zu einem Frieden, der die an Böhmen verpfändeten Orte den Österreichern zurückgab. In den Friedensbedingungen zwischen Ludwig und Johann war festgesetzt worden, dafs jener neue Aussöhnungsversuche mit der Kurie mache. Trotzdem Ludwig geneigt war, seine gelehrten Ratgeber fallen zu lassen, ging der Papst auf keinen Frieden ein. — Inzwischen verteidigte Johanns Sohn nur mühsam seine Stellung in Italien, wo sich die Begeisterung für die böhmische Herrschaft verlor, seit sie die Italiener zu stärkeren Leistungen heranzog. Es entstand eine Liga, die sich ebenso gegen die böhmische Herrschaft als gegen den Papst richtete. Zwar gewann Karl am 25. November 1332 einen Sieg bei S. F e i i c e im Gebiete von Modena; an die Behauptung seiner Stellung war trotz französisch-päpstlicher Hilfe, die ihm von seinem Vater zugeführt wurde, nicht zu denken, und so schlofs Johann am 19. Juli 1333 mit seinen Gegnern einen Waffenstillstand. Ehe dieser noch abgelaufen war, verliefs er Italien. Damit endete die kurze Zeit der böhmischen Herrschaft in diesem Lande.

§ 65. Das Ende Johanns XXII. und die ersten Jahre Benedikts XII. Q u e l l e n wie oben. S. auch RE. prot. Theol. IX, 267 u. n , 566. Für Benedikt XU. s. die acht Lebensbeschreibungen in B a i u z e 1,197 ff. M u r a t o r i HI, 2,527 ff. T h e i n e r n , 1—118. D u c h e s n e , Lib. pontif. n . H i l f s s c h r i f t e n wie oben. Dazu: S i e v e r s , Die polit. Beziehungen Ludwigs d. B. zu Frankreich. Berl. 18%. G l a s s c h r ö d e r , Zu den Ausgleichsverhandl. L. d. B. mit Benedikt XII. im Jahre 1336. RQ.-Sch. III. R o h r m a n n , Die Prokuratorien L. d. B. Göttingen 1882. S. auch H e t z e n e c k e r , Stud. z. Reichs- u. Kirchenpol. d WOrzb. Hochstiftes 1333—37. Augsburg 1901.

1. Alle Versuche des Kaisers, die Kurie zu versöhnen, waren bisher ergebnislos verlaufen. In den letzten Monaten 1333 tauchte ein von König Johann ausgedachter Plan auf, dafs der Kaiser zugunsten seines niederbayrischen Vetters Heinrich, des Schwiegersohnes König Johanns, auf die Kaiserkrone verzichte. Der Kaiser ging darauf wohl nur ein,

Das Ende Johanns XXII.

Benedikt XII.

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um die Uliversöhnlichkeit Johanns XXII. aufzudecken. Die Kurie, die sich anfänglich mit dem Entwurf befreundete, der den Franzosen ganz Arelat verschafft hätte, sah sich bald nach einer andern Seite hin in Anspruch genommen. Ein neuer dogmatischer Streit war ausgebrochen. Der Papst hatte in einer Predigt den Gedanken ausgesprochen, dafs die Seelen der Abgeschiedenen erst am jüngsten Tage zur Anschauung Gottes gelangen würdeh. In den Streit, der darüber entstand, mischten sich auch die Minoriten ein. Bedeutsamer für den Kaiser war es, dafs es im Kardinalskollegium selbst zu einer Spaltung kam. Jene Partei, die unter Orsinis Führung das Papsttum nach Italien zurückführen wollte, knüpfte Verbindungen mit ihm an. Ludwig sollte mit Neapel Frieden schliefsen. Die Kardinäle verlangten vom Kaiser die Entfernung Marsiglios. Schon hatte ein Minorit im Namen des Trierer Erzbischofs eine Appellation an ein allgemeines Konzil ausgearbeitet. Die Sache kam aber nicht mehr zu ihrem Ende. Johann XXII. hatte für den 2. Dezember 1334 ein Konsistorium anberaumt, aber er erlag schon am 4. Dezember der Schwäche des Alters. Seine letzten Sorgen, denen er (1334) in seiner Bulle Quia in futurorum eventibus Ausdruck gab, gingen dahin, Italien, wo sein Einflufs immer mehr abnahm, gänzlich vom Reiche zu trennen 1 ). 2. Bei seinem Tode bestand das Kardinalskollegium aus 24 Mitgliedern; unter ihnen waren 15 Franzosen. Gewählt wurde der Zisterzienser und Kardinal Jakob Fournier aus Saverdun bei Toulouse. Es ist B e n e d i k t XII. (1334—1342). Ein gelehrter 2 ) Theologe, im Gegensatz zu seinem Vorgänger eine stattliche Erscheinung, im Essen und Trinken weniger mafsvoll8) als dieser, von grofser Sittenstrenge, hielt er sich auch von Nepotismus und Simonie freier. Von den besten Absichten für die Hebung der kirchlichen Zucht und die Abschaffung der bei der Kurie eingerissenen Mifsbräuche beseelt, ein aufrichtiger Freund des Friedens, fehlt« es ihm gleichwohl an Willensstärke, seine guten Absichten durchzuführen. Die üblen Folgen der Knechtschaft des Papsttums in Avignon machten sich auch unter seinem Regiment geltend. In England erscholl die Klage, dafs aus den Einkünften des Papsttums Englands Gegner besoldet würden. 4 ) In der Tat stellte Frankreich an den Papst die ungemessensten Forderungen. Mit Hilfe des Papsttums meinte es die seinerzeit von Dubois empfohlene Politik durchführen zu können. So lag es dem Papste nahe, mit Deutschland Frieden zu machen. Ludwig selbst schickte den Grafen Ludwig von Öttingen nach Avignon (1335, April) und beauftragte ihn auch zu Verhandlungen mit dem Dauphin Humbert von Vienne, dem Arelat als deutsches Lehen überlassen werden sollte. ') Die Stelle lautet (mit den Verbesserungen K. Müllers) S. 406: Nos . .. provinriam Italiae ab eodem imperio et regno Alemanniae Maliter eximentes ipsam a subjections, communitate et iurisdictione eorundem regni et imperii separamus, dividimus . . . quod nullo unquam tempore coniungantur et uniantur aut in uno corpore existere censeantur. ») Die lit. Werke des Papstes aufgezählt bei Müller H, 2. ') Bibamus papaliter. Vita VIH, Baluze I, 241. ') WaUingh., Hist. Anglic. I 200—208.

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Die Kärntnische Frage u. d. Häuser Wittelsbach, Habsburg u. Luxemburg.

Dem Kaiser lag an der Aussöhnung mit der Kurie um so mehr, als eine neue schwierige Frage aufgetaucht war. Am 2. April 1335 war nämlich Heinrich von Kärnten gestorben. Da von seinen beiden Töchtern die ältere regierungsunffthig war, schien die Nachfolge der mit dem böhmischen Prinzen Johann Heinrich vermählten jüngeren Tochter Margareta aufser Zweifel zu stehen. Die starke Vergröfserung der luxemburgischen Macht wollte der Kaiser nicht zugeben. Daher belehnte er (5. Mai) die österreichischen Herzoge mit Kärnten und Südtirol, während der nördliche Teil von Tirol für die Söhne des Kaisers bestimmt war. Die Habsburger beeilten sich, Kärnten und das an Kärnten verpfändete Krain in Besitz zu nehmen, die Tiroler aber hielten treu zu Margareta. König Johann konnte keinen Krieg beginnen, da er an den bei einem Turnier erhaltenen Wunden in Paris krank danieder lag. Die Unterhandlungen seines Sohnes verliefen ohne Ergebnis, und als Johann heimkehrte, wurde ein Waffenstillstand bis 24. Juni 1336 geschlossen; bis dahin sollte über den Frieden verhandelt werden. Mittlerweile war auch die Gesandtschaft des Kaisers an den Papst ergebnislos verlaufen. Sie überbrachte die Forderungen der Kurie. Trotzdem diese alles Mais überschritten, setzte Ludwig die Verhandlungen fort. Schon hatte sich aber Frankreichs Einflufs gegen den Frieden geltend gemacht; den Franzosen lag an der Fortdauer eines Verhältnisses, das es ermöglichte, ihre Absichten auf Burgund und Italien durchzuführen. Auch fürchteten sie von der Herstellung des Friedens die Rückkehr des Papstes nach Rom. Der Kampf um die kärntnische Erbschaft, der die Verhandlungen mit der Kurie ungünstig beeinflufste, wurde 1330 zu Ende geführt, ohne dafs Ludwig einen Vorteil gewann. Auf Böhmens Seite traten die Könige von Polen und Ungarn. Während Johanns Sohn, Markgraf Karl von Mähren, sich in Tirol behauptete, kämpfte Johann gegen die Herzoge von Österreich und verwüstete die nördlich von der Donau gelegenen Teile dieseB Landes. Im Juli rückte auch Ludwig ins Feld und griff Niederbayem, das Land Heinrichs, des Verbündeten Johanns, an. Rasch eilte der Böhmenkönig herbei und lagerte bei Landau an der unteren Isar. Den Zuzug des Markgrafen Karl verhinderte des Kaisers Sohn Ludwig von Brandenburg. Von Landau aus zog der Kaiser nach Oberösterreich, um von da in Böhmen einzufallen. Da die Österreicher bisher allein alle Vorteile aus dem Kriege gezogen hatten und eine Entschädigung des Kaisers ablehnten, trat er ganz vom Kampfe zurück. Dies erleichterte den FriedensschluTs zwischen Habsburg und Luxemburg, der am 9. Oktober 1336 zustande kam. Indem die Österreicher auf Tirol und das Drautal von Sachsenburg aufwärts verzichteten, behielten sie Kärnten. Ludwig ging leer aus. Der Weg nach Italien, um den es ihm am meisten zu tun war, blieb ihm verschlossen.

3. Inzwischen hatte Ludwig (1336, März) neue Prokuratorien für seine Gesandten an den päpstlichen Hof ausgestellt; aber auch diesmal wurden die Verhandlungen durch französische Einflüsse gestört. Hätte ich zwei Seelen, sagte Benedikt XII. einmal dem König von Frankreich, ich würde eine für dich dahingehen.1) Und doch war Benedikt XII. noch einer der besseren Päpste dieser Zeit. Trotz aller Mifserfolge sandte Ludwig im Spätherbst 1336 neue Boten nach Avignon; •) Muratori HI, 2, 534.

Fruchtlose Friedensbemühungen des Kaisers. Sein AnschluTs an England.

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er suchte zugleich eine Annäherung an Frankreich und war zu den gröfsten Opfern bereit: Seine gelehrten Bundesgenossen und die Minoriten wollte er opfern, alle Urteile gegen König Robert zurücknehmen, die päpstliche Approbation für sein Königreich nachsuchen, die Kaiserkrönung wiederholen und alle Eide seiner Vorgänger genehmigen. Noch am 3. Dezember 1326 ging ein Schreiben an den Papst, aber alle Mühe war umsonst. Der Einflufs Frankreichs trat wie immer dazwischen. König Philipp konnte nicht bewogen werden, seine Politik zu ändern, und das war für die Kurie das Mafsgebende. Am 11. April 1337 hielt der Papst in Gegenwart des kaiserlichen Sprechers Markward von Randeck eine feierliche Ansprache an die Kardinäle: Ludwig sei nicht wahrhaft bufsfertig; wäre er es, so würde er Königtum und Kaisertum niederlegen. Trotzdem wurden auch jetzt die Verhandlungen nicht abgebrochen.

§ 66. Das englische Bündnis and der Knrrereln von Rense. Zu den obengen. Quellen u. Hilfsschr. s. A l t m a n n u. B e r n h e i m , Ausgew. Urkk. zur Erläuterung der Verfassungsgesch. Deutschlands im MA. Berl. 1891. S. 33—37. E i c h h o r n , Über den Kurverein Abh. Berl. Ak. 1844. J . F i c k e r , Zur Gesch. des Kurvereins v. Kense. SB. Wien. Ak. 1853 (s. NA. X V m ) . P a u l i , K. Ludwig IV. and K. Eduard m . in Bilder aus Alt-Engl. 2. A. 1876. P a u l i , Die Beziehungen Eduards m . zu Kaiser Ludwig IV. 1338/39. Q. u. Er. z. bayr. u. d. Gesch. VII. S c h w a l m , Reise nach Italien. NA. X X V .

1. Spät genug reifte in dem Kaiser der Entschlufs, sAvignon in Paris zu bekämpfen«.1) Der grofse Krieg zwischen England und Frankreich (s. unten) war unvermeidlich geworden. Eduard III. fand bei den niederrheinischen Fürsten Unterstützung; in ihren Kreisen tauchte sogar der Plan auf, dafs Ludwig zu Eduards Gunsten auf die Krone verzichte. Am 23. Juli 1337 wurde ein Allianzvertrag zwischen beiden geschlossen und am 26. August von Eduard ratifiziert. Ein grofser Krieg Englands und Deutschlands mit Frankreich war in Sicht. Aber ein Jahr verstrich, ohne dafs ein Angriff auf Frankreich erfolgte. Wieder trat der Papst zugunsten Frankreichs auf das eifrigste ein und warnte England vor einem Bund mit dem Kaiser, diesen vor einem Zusammengehen mit England. Ludwig erhielt einen starken Rückhalt an den deutschen Fürsten, von denen sich nur Böhmen und Niederbayern auf Frankreichs Seite stellten, während die österreichischen Herzoge neutral blieben. Im ganzen Reiche regte sich eine kriegerische Stimmung. Die Unversöhnlichkeit der Kurie brachte es so weit, dafs sich allerorten Stimmen gegen ihre unerhörten, die Rechte des Königs und der Kurfürsten, die Würde und Selbständigkeit des Reiches bedrohenden Ansprüche erhoben. Die Führung der Kurfürsten übernahm der Mainzer Erzbischof Heinrich von Virneburg. Eine Versammlung geistlicher und weltlicher Fürsten und Vertreter einzelner Städte trat am 27. März 1338 in Speyer zusammen. Der Kaiser legte ihr alle seine bisherigen Schritte bei dem Papste vor und erklärte, dafs die Aussöhnung nur von Frankreich ') Riezler II, 438.

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Die Kurvereine von Lahnstein nnd Rense.

verhindert werde. Er selbst sei bereit, den päpstlichen Forderungen nach Billigkeit und Ehre zu entsprechen. Die Versammlung schickte eine Botschaft mit der Bitte an den Papst, den Kaiser in Gnaden aufzunehmen; sie wurde ungnädig empfangen und die Schuld an dem Mifslingen der Aussöhnung dem Kaiser zugeschoben. So war der letzte Versuch einer friedlichen Auseinandersetzung gescheitert. Der Papst soll den deutschen Gesandten unter Tränen ein Schreiben des Königs von Frankreich vorgewiesen und auf das Los Bonifaz' VIII. hingewiesen haben, das seiner warte, falls er mit dem Bayer Frieden schlösse. Diese Nachricht ist falsch, aber bezeichnend genug für den Grad der Abhängigkeit der Kurie von allen Strömungen der französischen Politik und für das Urteil der Menge über den Grund des unwürdigen Verhaltens der Kurie.1) 2. Jetzt gelangte die nationale Erregung auch in Deutschland zum Durchbruch. Läfst sie sich auch nicht mit jener der französischen Stände unter Philipp dem Schönen vergleichen, so war es doch sehr bedeutend, dafs selbst die geistlichen Mitglieder des Kurkollegiums gegen die Anmafsungen der Kurie auftraten. Das geschah durch d i e Kurv e r e i n e von L a h n s t e i n und R e n s e am 15. und 16. Juli 1338. Am 15. Juli fanden sich in Lahnstein alle Kurfürsten mit Ausnahme Böhmens ein und erklärten, des Reiches und ihre eigenen Rechte und Gewohnheiten aufrecht zu erhalten und sich hierin durch nichts beirren zu lassen. Jeder Kurfürst sei gehalten, dem andern zu helfen, und sich, falls ein Zweifel entstünde, der Entscheidung der Mehrheit zu fügen. Wer sich dagegen auflehne, gelte als Meineidiger und Ehrloser. Tags darauf traten die Kurfürsten und andere weltliche und geistliche Reichsstände in den Gärten zu R e n s e am andern Ufer des Rheins2) aufs neue zusammen und einigten sich hier zu weiteren Beschlüssen, die reichsrechtliche Geltung haben und den Eingriffen der Kurie für alle Zukunft ein Ende machen sollten. In einer eidlichen, von drei Notaren aufgenommenen Erklärung bekunden die Kurfürsten: E s s e i R e c h t e n s u n d a l t e n H e r k o m m e n s , dafs der v o n a l l e n o d e r v o n der M e h r h e i t der W a h l f ü r s t e n G e w ä h l t e keinerlei N o m i n a t i o n , Approbation, K o n f i r m a t i o n , Z u s t i m m u n g oder A u t o r i t ä t der K u r i e b e d ü r f e , um d i e A d m i n i s t r a t i o n der Güter und R e c h t e d e s R e i c h e s zu ü b e r n e h m e n und den K ö n i g s t i t e l zu f ü h r e n . Darauf wurden die übrigen Reichsstände um ihre Zustimmung angegangen, die sie rückhaltlos gaben. Dem Papste blieb fortan nur noch eins vorbehalten: die Kaiserkrönung; doch wurde darüber nichts festgesetzt. Alles andere: der königliche Titel, die königliche and kaiserliche Regierung folgt aus der Kurfürsten Wahl. Am Reichstage zu Fränkfurt wurden sodann (6. August) zwei Reichsgesetze publiziert: das ') Matth, v. Neuenburg, ed. Studer, S. 85 f. Das Irrige daran hat Weech S. 70 betont. Es wird durch Regg. Nr. 148 u. den Bericht deB Joh. Verdensis, eines Trierer Geistlichen, widerlegt, der sich in Avignon aufhielt (Würdtwein, Nova subsidia XTIT, 46). *) In pomerio sita iuxta villam Senensem . . . ubi principes electores aacri imperii Bomani ad habendos tractatus super electionibus aut aliis negociis solent convenire. 8. den Kupferstich bei Olenschlager und die dazu gehörige Vignette 8.422. H e l d m a n n , Die Köln. Stadt Rhens am Rhein. ZV. hess. Gesch. NF. XX. S. 9.

Die Reichsgesetze v. Frankfurt u. d. Zurückweisung d. päpst. Ansprüche.

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eine wies die Ansprüche des Papsttums auf die Übertragung der kaiserlichen Gewalt zurück, d i e s e s t a m m e v o n G o t t ; das zweite Gesetz setzt die Titel und Rechte des von den Kurfürsten Erwählten fest. Wunsch des Kaisers war es, auch noch den Kaisertitel vom Papste unabhängig zu stellen; allein die Fürsten widersprachen. Auf diesem Boden finden wir erst Maximilian I. wieder. Zugleich erging der Befehl, bei Strafe an Leben und Gut den Gottesdienst wieder ordnungsmäfsig zu halten.1) Briefe des Papstes sollten fortan nur mit Erlaubnis des Diözesanbischofs angenommen und verbreitet werden dürfen. Die Rechte des Kaisers wurden durch seine gelehrten Bundesgenossen, vor allem von dem Minoriten B o n a g r a t i a v o n B e r g a m o verteidigt, den ein wohlunterrichteter Zeitgenosse »eine wahre Rüstkammer der ganzen Jurisprudenz* genannt hat2). Die Beschlüsse von Lahnstein und Rense wurden dem Papste mitgeteilt. Sie machten auf ihn einen mächtigen Eindruck. Er ordnete auch sofort einen Gesandten an den Kaiser ab. Gleichwohl war trotz aller Verhandlungen ein Ausgleich zwischen Kaiserund Papsttum in weiterer Ferne als früher. Ludwig stand übrigens nicht mehr auf dem radikalen Standpunkt des Defensor pacis. Marsiglio hatte zur Zeit des Frankfurter Reichstages seinen Einflufs bereits verloren. 3. Als die Frankfurter Tage beendet waren, zog Eduard III. von England zum Besuch seines deutschen Bundesgenossen heran und wurde auf dem festlichen Tage von Koblenz (5. September), nachdem die Frankfurter Reichsgesetze und neue Gesetze über die Reichsverfassung und den Landfrieden verkündigt worden waren, zum Reichsvikar für die norddeutschen Länder ernannt. Ludwigs Macht stand fester als jemals zuvor. Ein kühnes Vorgehen gegen Frankreich bot die gröfsten Aussichten; gleichwohl scheute er ängstlich vor jeder ernsten Anstrengimg zurück3). Die Unterhandlungen mit dem Papste hatte er im Ernste niemals aufgegeben und wollte es auch nicht. Dies war auch der Grund, weshalb er in den englisch-französischen Thronstreit nicht eingriff und mit Frankreich weiter verhandelte. Nicht gegen Frankreich, wohl aber nach Italien zu ziehen, dahin gingen seine Absichten. Nach dem grofsen Seesieg der Engländer bei Sluys rief Frankreich die Vermittlung des Kaisers an; dies führte zu einer völligen Schwenkung in seiner Politik. Er gab das Bündnis mit England auf, schlofs sich an Frankreich an und nahm das an Eduard III. verliehene Reichsvikariat wieder zurück. Trotz seiner Schwenkung erreichte er die Versöhnung der Kurie nicht, Benedikt XII., erzürnt über das ohne sein Zutun abgeschlossene deutschfranzösische Übereinkommen, begehrte als Preis der Versöhnung vollständige Unterwerfung und hielt an diesem Standpunkt bis zu seinem Tode fest. Ludwig beraubte sich durch die Preisgabe des englischen Bündnisses aller Errungenschaften, die sein Zusammenwirken mit den Kurfürsten gezeitigt hatte. Jetzt suchten auch jene, die mit der Kurie ') *) ') losigkeit

Henr. dapif. de Diessenhoven bei Böhmer FF. IV, 29 ff. Joh. v. Winterthur, 142. Fast alle bedeutenderen Geschichtschreiber jener Tage tadeln die EnergieLudwigs, so vor allem Matth, v. Neuenburg u. Joh. v. Winterthur.

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Die Wittelsbacher erwerben Tirol.

zerfallen waren, wie Mainz und Trier, Versöhnung mit ihr und folgten in der auswärtigen Politik dem Beispiel des Kaisers, dessen Politik lediglich von der Rücksichtnahme auf die Interessen seines Hauses getragen war. 3. Kapitel.

Wittelsbach nnd Luxemburg. § 67. Die tirolische Streitfrage. Klemens Tl. und Kaiser Ludwig. Quellen wie oben. Über die angebl. Schrift Marsiglios: Tractatus consultationis super divortio matrimonii inter Johannem et Margaretam etc. ed. Goldast, Monarch. IL 1286 s. R i e z l e r , Lit. Wid. 254 u. M ü l l e r n , 160. Occam, Tractatus de iurisdictione imperatoris in causis matrimonialibus. Goldast I, 21. Riezler, S. 254. Von den darstellenden Quellen kommt schon hier die Selbstbiographie Karls IV. und die Chronik des Benesch von Weitmühl in Betracht S. aber beide unten Abschn. 3. Für die Gesch. Klemens' VI. s. die sechs Lebensbeschreibungen in Baluze I, 243—322. Mur. i n , 2. Theiner n , 118—241. W e r u n s k y , Excerpta ex registris Clementis VL etc. Innsbruck 1885. 8. auch Dahlm.-Waitz-Steindorff, Nr. 2922. Dudik, Ausz. f. Mährens allg. Gesch. aus den Regesten der Päpste Benedikt XU. u. Klemens VI. Brünn 1880. Von neueren Darstellungen zur Tirol. Frage aufser den schon oben genannten Werken bes. H u b e r , Gesch. d. Vereinigung Tirols mit Österreich. Innsbruck 1864. Die übrige Lit. s. § 76. W e e c h , Kais. Ludwig u. K. Joh. v. Böhmen wie oben und W e e c h , K. Ludwig d. B. u. Papst Klemens VI. HZ. XII, 315.

1. Unter dem Eindruck der Erfolge Ludwigs suchte König Johann wiederum Anschlufs an ihn und erhielt die Belehnung mit Böhmen, Eger und den schlesischen Herzogtümern, wogegen er auf die lombardischen Städte mit Ausnahme von Brescia verzichtete. Sein Sohn Johann Heinrich wurde mit Tirol, dessen älterer Bruder Karl mit Feltre, Belluno und Cadore belehnt. Schienen sich sonach die Beziehungen der Häuser Luxemburg und Wittelsbach immer freundlicher zu gestalten, so führte das Tiroler Zerwürfnis einen Bruch herbei, der ein Zusammengehen beider fortan unmöglich machte. Johann Heinrich lebte mit Margareta, die wahrscheinlich ihrer Mundbildung wegen den Beinamen Maultasch erhalten 1 ), in unglücklicher Ehe. Die lebenslustige Fürstin fand an ihrem schwächüchen, um drei Jahre jüngeren rohen Gemahl kein Gefallen und glaubte sich zu der Annahme berechtigt, aus dieser Ehe keine Nachkommenschaft zu erhalten. Die tirolischen Landherren waren gegen den Fürsten wegen der Begünstigung Fremder erbittert und über die strenge Finanzverwaltung wenig erfreut; sie beschlossen, ihn zu verjagen und für die Fürstin einen andern Gemahl zu suchen. Als solcher ward des Kaisers ältester Sohn, Markgraf Ludwig von Brandenburg, ausersehen. Zwar mifslang ihr erster Versuch, diese Pläne durchzuführen, aber sie gewannen den Kaiser, der die Gelegenheit wahrnahm, sich den lange ersehnten Besitz von Tirol zu sichern. Als Johann Heinrich am 2. November 1341 von einem Jagdausflug nach Schlofs Tirol heimkehrte, ') Huber IE, 172.

Klemens VI. und Beine Politik.

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fand er die Tore geschlossen und sein Gefolge verjagt. Er zog nun selbst aus dem Lande. Tirolische Herren trugen dem Markgrafen Ludwig die Hand Margaretas und die Herrschaft über Tirol an; nach einigem Zögern ging er auf ihre Wünsche ein. Der Bischof von Freising fand sich bereit, die Ehe Margaretas zu trennen; da er aber eines plötzlichen Todes starb und die Bischöfe von Regensburg und Augsburg, die darin ein Gottesgericht sahen, sich weigerten, die Scheidung vorzunehmen, wurde sie als niemals vollzogen und daher ungültig durch einen kaiserlichen Spruch1) geschieden, die neue Ehe, ohne auf die zwischen dem Brautpaar bestehende Verwandtschaft Rücksicht zu nehmen, kirchlich eingesegnet (1342, 10. Februar) und Ludwig nicht nur mit Tirol, sondern auch mit Kärnten belehnt, das sich allerdings bereits seit sieben Jahren in den Händen der Habsburger befand. Erreichte Ludwig hiedurch sein Ziel, einen Zugang nach Italien, so erregte sein Vorgehen nicht blofs die Eifersucht der Habsburger und schuf ihm die tödliche Feindschaft der Luxemburger, sondern entfremdete ihm auch die Sympathien zahlreicher Zeitgenossen. Kaum hatte Benedikt XII. die ersten Nachrichten über die Vorgänge erhalten, als er den Patriarchen von Aquileja beauftragte, die Fürstin von ihrem Vorhaben zurückzuhalten und, falls dies zu spät sei, die ehebrecherischen Gatten in den Bann zu tun. 2. Der Bannfluch war des Papstes letzte Tat gegen das Kaiserhaus. Er starb am 25. April 1342. Das Kardinalskollegium wählte den Kardinal Peter Roger — als Klemens VI. (1342—1352) zum Papst. Dieser bildete in allem, nur nicht in der Politik, den vollkommensten Gegensatz zu seinem Vorgänger. Sprosse eines vornehmen Hauses, hatte er bei seinen trefflichen Anlagen die Stufen der Hierarchie rasch erklommen. Ein Gönner der Künste und Wissenschaften, erregte er als Kanzelredner die Bewunderung des böhmischen Prinzen Karl, des späteren Kaisers. Als Papst hatte er einen schlechten Ruf. Für seinen Hof und im Interesse von Freunden und Verwandten wurden die von seinen beiden Vorgängern aufgehäuften Schätze verschwendet, dem Nepotismus in ausgedehntem Mafse gehuldigt und Ämter und Würden ohne Rücksicht auf die Würdigkeit der Bewerber verliehen. Ein Parteigänger Frankreichs und der mit diesem verbündeten Luxemburger, war er ein ausgesprochener Feind der Wittelsbacher. Hatte der Kaiser, indem er auf Kärnten verzichtete, die Habsburger bewogen, neutral zu bleiben, so versuchte er nun auch einen Ausgleich mit den an Landbesitz und ihrem Ruf geschädigten Luxemburgern. Aber diese waren nicht einig. Sie fafsten den Plan, den Kaiser mit Hilfe des Papstes zu stürzen. Wiewohl Klemens den Kaiser von seiner Wahl nicht verständigt hatte, machte Ludwig doch einen Versuch, in abermalige Verhandlungen einzutreten. Aber die Lage der Dinge war jetzt eine andere; die Stimmung von Rense, die ihm jetzt zugute gekommen wäre, war verflogen und die deutschen Fürsten geneigt, unter Umständen eine Neuwahl vorzunehmen. ') Der Traktat Occams (s. oben) ist als nachträgliche Rechtfertigung des Vorgebens des Kaisers anzusehen.

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Neue Versöhnungsversuche des Kaisers.

Indem Klemens VI. aus dem Verfahren gegen Ludwig die von den deutschen Fürsten beanstandeten Punkte ausschied, ward die Lage des Kaisers eine bedenkliche. Baldewin von Trier, lange Jahre sein eifriger Anhänger, trat jetzt für die Interessen seines luxemburgischen Hauses in die Schranken. Schon am 19. Juli 1342 sandte der Papst eine Weisung nach Italien, sich einem etwaigen Einfall Ludwigs zu widersetzen. Am Gründonnerstag des nächsten Jahres wurde der Prozefs gegen ihn erneuert und als die Zeit von drei Monaten verstrich, ohne dafs er sich zur Verantwortung stellte, Johanns X X I I . Prozesse gegen ihn als rechtsgültig erklärt und in den Kirchen verkündigt. Baldewin erhielt den Auftrag, den geeigneten Kandidaten für eine Neuwahl zu suchen; jetzt wurde zweifelsohne an die Erhebung eines Luxemburgers gedacht. Noch waren diese nicht völlig gerüstet. Markgraf Karl von Mähren schlofs mit dem Kaiser einen Waffenstillstand (1343, September); auch Frankreich erhob die Stimme für ihn, um ihn nicht zum Anschlufs an England zu drängen. Da Ludwig von den auf seinen Sturz abzielenden Plänen Kunde hatte, suchte er um so eifriger die Versöhnung der Kurie nach und kam ihr bis aufs äufserste entgegen: Er gab seine gelehrten Bundesgenossen preis, bedauerte seine Appellationen gegen Johann X X I I . u. s. w. *) Als er selbst auf die schwersten Bedingungen, die ihm in der Erwartung ihrer Zurückweisung gemacht wurden, einging, wurden neue Forderungen laut. Überall stand ihm sein Verhältnis zu den Luxemburgern im Wege; daher suchte er diese zu gewinnen und trat mit dem Markgrafen in Verhandlungen, sie waren dem Ziele nahe, als Boten des Königs Johanns dem Markgrafen statt der Lausitz, durch die Ludwig die Luxemburger entschädigen wollte, die deutsche Königskrone selbst in Aussicht stellten, worauf Karl die Verhandlungen abbrach und mitten im Winter mit seinem Vater nach Avignon ging (1344, Februar). Unter ihrem Einflüsse dürften neue Forderungen an Ludwig gestellt worden sein, die nicht nur dessen kaiserliche, sondern auch königliche Würde in Frage stellten. Auch jetzt brach er die Verhandlungen nicht ab, aber die Reichsstände, denen er die Bedingungen der Kurie mitteilte, wiesen sie zurück (9. September), soweit sie dem Reich zum Schaden gereichen. Die Städte stellten sich mit Entschiedenheit auf die Seite des Kaisers. Auf dem Fürstentag von Bacharach, der wenige Tage später stattfand, erhoben die Luxemburger heftige Klagen gegen ihn; doch waren sie selbst nicht stark genug, um das Königtum schon jetzt in Anspruch zu nehmen. Ludwig hatte ihnen zudem an Polen und Ungarn Feinde erweckt und auch die Habsburger sahen mit Sorge auf ihre steigende Macht. Unter diesen Umständen setzte Ludwig seine Verhandlungen fort: bei der Schroffheit der Kurie" war ein günstiger Ausgang freilich nicht zu erwarten und so trat der lange Kampf zwischen Kaiser- und Papsttum in seine letzte Phase.

') Matth, v. Neuenburg. cap. 70: De quo papa et collegium mirabantur dicentes intra se: Iste di/fidentia est perplexus, was Riezler übersetzt: Der ist vor Angst verrQckt geworden.

Päpstlich-luxemburgischer Bund zum Starz des Kaisers.

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§ 68. Die Wahl Karls IV. und das Ende Ludwigs des Bayers. 1. Die Allianz des Kaisers mit Ungarn und Polen barg für den Papst und die Luxemburger grofse Gefahren. Zudem erhielt Ludwigs Macht durch den Anfall von Seeland, Holland, Friesland und Hennegau eine bedeutende Verstärkung. Am 27. September 1345 war nämlich Graf Wilhelm, der letzte männliche Sprosse des Hauses d'Avesnes, in der Schlacht bei Staveren gegen die Friesen gefallen. Seine ältere Schwester Margareta war mit dem Kaiser, die zweite mit König Eduard III. und die dritte mit dem Markgrafen von Jülich vermählt, die jüngste starb unvermählt. Hennegau fiel als Frauenlehen unmittelbar an die Kaiserin; aber auch der übrige Besitz wurde als erledigtes Reichslehen an sie gegeben. Dieses Vorgehen schädigte das Verhältnis des Kaisers zu England, für das Seeland als Angriffspunkt gegen Frankreich von höchster Bedeutung war. Auch die Luxemburger, die nun auch in der unmittelbaren Nähe ihres Erblandes bedroht waren, erhielten Anlafs zu neuen Beschwerden. Trotzdem nahm Ludwig nochmals die Verhandlungen auf: er bot dem geldbedürftigen Böhmenkönig für die Abtretung Tirols die Niederlausitz und 20000 Mark Silber; aber die Söhne Johanns besorgten, dafs er das Geld an seine Günstlinge verschleudern würde. So scheiterte denn der letzte Ausgleichsversuch der feindlichen Häuser. Es gelang dem Markgrafen Karl, seinen Grofsoheim Baldewin von Trier ganz für seine Pläne zu gewinnen, die sich mit denen der Kurie deckten. Karl wurde der Kandidat Klemens' VI. und aller mit Ludwigs Regiment unzufriedenen Parteien im Reiche. König Johann gab seine Ausgleichsversuche auf und ging nach Avignon, wo der Papst eben daran war, Ludwigs Stellung in Deutschland selbst zu untergraben. Der Erzbischof von Mainz, Heinrich von Virneburg, der treueste Anhänger Ludwigs, wurde durch den jugendlichen Grafen Gerlach von Nassau ersetzt. Dieser kühnen Mafsregel gegen den ersten Fürsten des Reiches folgte am Gründonnerstag (13. April) die feierliche Verfluchung des Kaisers 1 ); den Kurfürsten wurde geboten, zur Neuwahl zu schreiten, widrigenfalls der apostolische Stuhl, v o n d e m d i e K u r f ü r s t e n i h r W a h l r e c h t ü b e r k o m m e n h a b e n , auf dem Weg der Provision für einen rechtmäfsigen König sorgen würde. Wenige Tage später (20. April) beschwur Karl die ihm vom Papste vorgelegten Artikel: die Eide zu leisten, die sein Grofsvater Heinrich VII., »der letzte Kaiser«, dem Papste geschworen, alle Zugeständnisse früherer Kaiser und Könige an die Kirche zu erneuern, alle Regierungshandlungen Ludwigs für nichtig zu erklären, Rom auiser an dem zur Krönung bestimmten Tage nicht zu betreten usw. Die Forderungen des Papstes enthielten noch mehr als die (1343) von Ludwig zurückgewiesenen Artikel. Namentlich wurde dem Papste Ferrara überlassen lind die vollständige Unabhängigkeit der Provence, Forcalquiers und ') Divinum imploramus potentiam, ut Ludovici con/utet insaniam, deprimat \et elidat superbiam et eum dexterae suae virtute prosternat. . . Veniat ei laqueut, quem ignorat, et cadat in ipeum. Sit maledictw ingrediens, sit maledictus egrediens. Percutiat eum Dominus amentia et cecitate. L o s e r t h , Qeichicbte des späteren Mittelalters.

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Die Wahl Karlt* IV. Seine Jugend und seine ersten Erfolge.

Piemonts vom Reiche zugestanden.1) Karl genehmigte alle Forderungen der Kurie, und sein Vater übernahm die Verpflichtung, den Sohn zu ihrer Einhaltung anzumahnen. Beide gelobten Ludwig als Ketzer und Schismatiker zu bekämpfen, jetzige oder spätere Streitigkeiten mit Frankreich und Polen dem Schiedsrichteramt des Papstes zu unterwerfen und den König von Ungarn abzuhalten, Sizilien anzugreifen, um dort die Mörder des Königs Andreas (s. unten) zu strafen. Der Papst forderte nunmehr (28. April) im Hinblick auf die lange Vakanz des Kaisertums die Kurfürsten auf, zur Neuwahl zu schreiten. Die Kurstimme Brandenburgs wurde als die eines Gebannten für ungültig erklärt. Besondere Schreiben an Köln, Trier und Sachsen machten die Wahl Karls zur Pflicht. Baldewin von Trier wurde von dem über ihn wegen seiner früheren Anhänglichkeit an Ludwig verhängten Bann losgesprochen, worauf er den Absagebrief an seinen früheren Herrn einsandte. Der Wahltag wurde auf den 11. Juli 1346 nach Rense ausgeschrieben. Bei den letzten Vorbesprechungen in Trier (Mai) wurde das Mafs der »Handsalben« festgesetzt. Der Papst räumte noch einige Hindernisse weg, die das Verhältnis der Luxemburger zu Polen und Frankreich betrafen. Am festgesetzten Tage fanden sich fünf Kurfürsten in Rense ein, von denen der eine der Vater, der andere der Grofsoheim des Kandidaten, der dritte ein Kurfürst ohne Land (Mainz), die andern, Köln und Sachsen, um hohe Summen bestochen waren, und von denen Rudolf von Sachsen noch entschuldigend bemerkte, dafs er vom Papste gedrängt werde. Das Wahlrecht der Pfalz wurde, weil der Kurfürst nicht erschien, als ausgefallen bezeichnet. Die fünf Wähler vereinigten ihre Stimmen auf den Markgrafen Karl von Mähren. Karl wurde als ältester Sohn König Johanns am 14. Mai 1316 zu Prag geboren. In der Taufe erhielt er den Namen W e n z e l . In seine zarteste Jugend fällt der schwere Kampf seines Vaters mit den böhmischen Baronen und mit seiner Gattin Elisabeth, die seit dem September 1316 in dem in schöner Waldeinsamkeit gelegenen Schlosse Bürglitz weilte, dann im März des nächsten Jahres nach Prag zurückkehrte, wo sie an Stelle des Erzbischofs Peter von Mainz die Regentschaft übernahm. Um den Wechselfällen des Bürgerkrieges nicht ausgesetzt zu sein, begab sie sich nach dem festen, ihr als Leibgeding zugewiesenen Schlots Elbogen, und hier verblieb der jugendliche Prinz, auch als seine Mutter vom König nach Melnik verwiesen ward. TJm den König mit seiner die Rechte des Königtums verteidigenden Gemahlin zu verfeinden, hatten die Führer des Adels nämlich das Gerücht verbreitet, sie gehe damit am, ihn zugunsten des jungen Prinzen des Thrones zu berauben. So unbegründet das Gerücht war, es liefs im Herzen des Königs einen Stachel zurück; der junge Prinz ward nun in Elbogen in einer Art von Haft gehalten. Vier Jahre alt, kehrte er nach Bürglitz zurück. Der ruhige Aufenthalt auf den weltentlegenen Burgen mochte den Grund zu dem verschlossenen Wesen, aber auch zu jenem bedächigen Charakter gelegt haben, den er im vollen Gegensatz zu seinem Vater besafs. Vielleicht noch aus demselben Mifstrauen entfernte dieser den Sohn aus dem Lande und gab ihn an den Hof seines Schwagers Karl IV. von Frankreich. Hier wurde Wenzel erzogen. Bei der Firmung, die Johann XXII. in Avignon an ihm vollzog, legte ihm der König seinen eigenen Namen Karl bei, und dieser ist ihm zuerst in Frankreich, wo der Name Wenzel ein ungewöhnlicher war, dann auch in Böhmen selbst geblieben. Karl erhielt in Frankreich eine ausgezeichnete, fast gelehrte Erziehung mit *) Würdigung der Zusagen Karls IV. bei Werunsky I, 409—414.

Der >Pfaffenkönig«. Tod K. Johanns bei Cricy.

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geistlichem Einschlag. Seine Sprachkenntnisse waren bedeutend, denn er sprach und schrieb nicht blofe das Deutsche und Tschechische, sondern auch das Französische, Italienische und Lateinische.1) Noch in frtther Jugend wurde er mit der französischen Prinzessin Margareta, genannt Blanka, vermählt. Nach dem Tode Karls IV. weilte er noch zwei Jahre am Hofe Philipps VL Von jenen Männern, die sein Wesen beeinflußten, gedenkt er des Abtes von Föcamp, des späteren Papstes Klemens VI., der als solcher kräftig in seine Geschicke eingriff. Im Jahre 1330 kam er nach Luxemburg, von wo ihn sein Vater in die Lombardei berief, um seine dort gewonnene Machtstellung zu behaupten. Hier bewährte er sich als Krieger und Diplomat. Diese seine Tätigkeit hat er auf Grund seiner an Ort und Stelle gemachten Aufzeichnungen in späteren Jahren anschaulich und anmutig in seiner Selbstbiographie beschrieben. Nach elfjähriger Abwesenheit kehrte er (1333) nach Böhmen zurück Wir fanden, schreibt er, das Königtum so heruntergekommen, dafs wir nicht eine einzige Burg antrafen, die nicht mit allen ihren Krongtttern verpfändet gewesen wäre. Er wurde nun Markgraf von Mähren, Statthalter von Böhmen und verstand es, die materiellen Grundlagen des Königtums zu heben und das verschleuderte Gut allmählich wieder an die Krone zu bringen. Kräftiger als Johann trat er in den Kampf um das Erbe des Kärntners ein (1335). Noch einmal erfafste den Böhmenkönig das MiTstrauen gegen seinen Sohn: er nahm ihm die Verwaltung aus der Hand und liefs ilim nichts >als den bloisen Titel eines Markgrafen von Mähren ohne die Sache«. Aber bald erhielt er seine Stellung zurück, er wurde (1341) als alleinberechtigter Erbe des Königreichs anerkannt und (1342) mit dessen Verwaltung betraut. Mit der Wahl seines einstigen Lehrers zum Papst stiegen seine Aussichten, und seine Wahl war grofsenteils Folge der seit Jahren bestehenden innigen Beziehungen zwischen beiden.

2. Noch am Tage der Wahl zeigte sie Karl IV. den Fürsten und Städten an. Die Kurfürsten schickten die Wahldekrete an den Papst. Kein geringerer als Occam hat ihr Vorgehen als Treubruch gegen ihren früheren Herrn gegeifselt. Es war eine Wahl, die sachlich den Charakter einer päpstlichen Provision hatte, und so ist die von Occam und andern Zeitgenossen gebrauchte Bezeichnungeines » P f a f f e n k ö n i g s « durchaus gerechtfertigt. Die Krönung sollte am 27. August stattfinden. Die Bürger von Aachen wollten davon nichts wissen und rüsteten sich zur Gegenwehr. Karls Aussichten im Reiche waren ungünstig genug, denn seine Wähler waren zu keinen besonderen Opfern bereit. In Trier (oder in Luxemburg) traf ihn die Bitte König Philipps von Frankreich, ihm gegen Eduard IIL zu Hilfe zu kommen. Karl IV. und sein Vater zogen mit einer Schar von 500 Rittern aus. Am 26. August kam es bei Cräcy zur Schlacht, in der die Franzosen geschlagen wurden und König Johann fiel (s. § 79). Mit Mühe und Not war Karl selbst entkommen. Er hatte, wahrscheinlich erst in einem späteren Gefechte, drei Wunden erhalten, an denen er eine Zeitlang im Stifte Ourcamp (bei Noyon) daniederlag.4) Inzwischen dachte der Kaiser daran, dem Drängen seiner italienischen Bundesgenossen nachzugeben und nach Italien zu ziehen, wo man die ') Über seine Sprachkenntnisse sagt Ludolf von Sagan, der die Verhältnisse in Prag aus eigener Anschauung kannte: Hic Unguis loquens variis Teutunicumproprie, Bohemicum debite, Gailicum congrue et ydioma latinum loquebatur magistraliter et perfecte, und Königshofen: ünder den sprachen hette er dutsche sproche allerliebest. . . Zur Stelle Ludolfs ist d. Gold. Bulle, cap. XXXI, anzufügen, wo der König von Böhmen denen beigezählt wird: quibus Teutonicum ydioma naturaliter inditum scire praesumatur. Das ward erst unter dem Hussitenkönig Georg anders. l ) Schlachtbericht des Kitters Johann von Schönfeld an den Bischof von Passau am 12. Sept. 1346 in Böhmer-Ficker, Acta imperii selecta, p. 750. 19»

2 9 2 Tod und Charakteristik K. Ludwigs. Ausgang seiner gelehrten Bundesgenossen.

Aufstellung eines Gegenpapstes beabsichtigte. In Deutschland hatte er die Reichsstädte für sich ; nicht eine von den rheinischen, schwäbischen und fränkischen Städten trat auf die Seite des Luxemburgers. Auch unter den Fürsten besafs er einen mächtigen Anhang. Auf seine Seite stellte sich aus Eifersucht auf Luxemburg auch das Haus Habsburg. Nachdem Karl in öffentlichem Konsistorium (6. November) die päpstliche Approbation und 20 Tage später die Salbung und Krönung in Bonn empfangen, eilte er im Aufzuge eines Knappen nach Böhmen. Tiroler Adelige, unzufrieden mit der sparsamen bayrischen Verwaltung, hatten in ihm die Hoffnung erweckt, Tirol wiederzugewinnen. Mitte März 1347 kam er, als Kaufmann verkleidet, nach Trient. Einige oberitalienische Herren, die Bischöfe von Trient und Chur und der Patriarch von Aquileja waren für ihn. Das ganze Unternehmen schien um so aussichtsvoller, als Markgraf Ludwig auf einem Zug gegen die heidnischen Preufsen begriffen war. Aber die Fürstin Margareta wies alle Angriffe auf das Schlofs Tirol tapfer zurück, und als Markgraf Ludwig und ihm folgend der Kaiser anrückten, war Karl zu einem verlustvollen Rückzug genötigt. Er sammelte in Böhmen ein neues Heer, um den Kampf gegen den Kaiser selbst aufzunehmen. Noch hatte er aber die Grenze seines Reiches nicht überschritten, als er die Nachricht vom Tode des Kaisers erhielt. Schon krank, war dieser von München aus auf die Jagd geritten (11. Oktober). Nicht weit vom Kloster Fürstenfeld sank er, vom Schlage gerührt, vom Pferde und verschied in den Armen seiner Begleiter. Seine letzten Worte waren: »Maria, süfse Königin, unsere Frau, sei bei meinem Scheiden!« Verschiedene Gerüchte über seine angebliche Vergiftung schwirrten durch die Welt.1) Ludwig war in der Mitte der sechziger Jahre, als ihn der Tod ereilte. Ein Herrscher, der bei Zeitgenossen und Späteren eine ganz widerspruchsvolle Beurteilung gefunden hat. Trotz seiner Siege bei Gammelsdorf und Mühldorf mehr Diplomat als Krieger, war er unter den deutschen Kaisern der letzte, dessen Regierung durch einen Kampf zwischen Staats- und Kirchengewalt erschüttert wurde. Trotz mächtiger Bundesgenossen und günstiger politischer Konstellationen, trotz des Zusammenfallens nationaler Interessen mit antipäpstlichen Strebungen, der wachsenden Einsicht der Laien gegen die Übergriffe der Hierarchie, trotz der Unterstützung durch seinen gelehrten Bundesgenossen war er nicht imstande, den Kampf zu einem glücklichen Ende zu führen. 8 ) Bei allem Verständnis der politischen Fragen war er von einer grenzenlosen Unsicherheit in der Anwendung geeigneter Mittel; daher sein fortwährendes Schwanken, das ihn in den Ruf der Unzuverlässigkeit brachte. Sehr erfolgreich war sein Wirken f ü r seine Familie, weniger für sein Land, am wenigsten für das Reich. Doch verdient seine Sorge für den Landfrieden und die Hebung des Büigerstandes hervorgehoben zu werden. Beim Bürgertum war er sehr beliebt, und die Reichsstädte gelangten durch die unter seiner Mitwirkung geschlossenen Bündnisse zu erhöhter Bedeutung. Von seinen gelehrten Bundesgenossen starb Jandun schon 1328, Marsiglio zwischen 1339 und dem 10. April 1343, beide unversöhnt mit der Kirche. Die Minoriten standen nur in der Frage >von der Armut Christi < wider den Papst. Michael von Caesena starb am 29. November 1342 zu München. Erst angesichts des Todes gab er — einer übrigens nicht ganz einwandfreien Quelle zufolge — seinen Widerstand gegen das Papstfjum auf. Bonagratia starb vor 1340; Occam überlebte seinen Herrn und blieb auch, als sich ') Sorgsam zusammengestellt von Riezler, Gesch. Bayerns II, 499 ff. ») Weech, HZ. XH, 345.

Innerer Zusammenhang der kirchlichen Opposition Beit Friedrich IL

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die bayrische Partei an Günter von Schwarzbarg hielt, im Gegensatc za Klemens VI. and dem >Pfaffenkönigsaintes ordonnances^, die er verteidigen will. Sein Werk ist : l'établissement d'un régime de contrôle de la royauté par les États et surtout par les bonnes villes. *) Ni passable ni faisable.

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Karl V., der Weise.

Frankreichs Erhebung.

390 Jahre regiert hatte, erloschen war, gab er dies Land, statt es bei der Krone zu halten nnd sie für die eben erlittenen Verlaste einigermafsen zu entschädigen, an seinen jüngsten Sohn Philipp (1363), den er zugleich zum ersten Pair von Frankreich erhob. Er hatte sich nach England begeben, die Ehre seines Sohnes Ludwig herzustellen, der die Erlaubnis Eduards HL, nach Calais zu gehen, um dort die Loskaufsumme einzutreiben, ben&tzt hatte, um sich nach Frankreich zu flüchten. In London starb König Johann am 8. April 1364.

§ 81. Frankreichs Erhebung unter Karl V. (1364—1380). 1. K a r l V. war 27 Jahre alt, als er am 19. Mai 1364 in Reims gekrönt wurde. Die Zeit der inneren Kämpfe, während der er die schweren Schäden der Staatsverwaltung kennen lernte, war ihm eine treffliche Schule, und er benutzte ihre Lehren so gut, dafs ihm schon Zeitgenossen den Beinamen d e s W e i s e n gaben. Es bedurfte keines besonderen Ansporns, ihn zu einer Politik des Friedens zu bewegen. Bei seiner zarten Gesundheit gingen seine Neigungen mehr auf die Pflege den Wissenschaften und Künste als des Krieges. Von seinem Palaste aus leitete er klug und geschickt die Gesamtinteressen des Landes. Von einem erklärlichen Widerwillen gegen die Reichsstände erfüllt, zog er die provinziellen Stände den allgemeinen vor, ohne diese gänzlich zu vernachlässigen. Allerdings wurden Überschreitungen ihrer Kompetenzen nicht geduldet. Um sich von ihnen unabhängiger zu stellen, half er aus eigenem Antrieb vielen Ubelständen ab, führte einen sparsamen Haushalt ein, setzte den Münzverschlechterungen ein Ziel und hielt die Beamten zu genauer Pflichterfüllung an. Den Adel, dem er nicht durch kriegerische Eigenschaften voranleuchten konnte, gewann er durch Freigebigkeit, die Geistlichkeit durch ausgiebige Hilfe, die dringend not tat, denn Kirchen und Klöster hatten in den Stürmen der vorangegangenen Regierung ebenso gelitten als der Adel und die Bürger; die letzteren gewann er durch seine Sorge für den Frieden. Bei seiner Scheu vor den Reichsständen ging ein Teil der Legislative an die Parlamente über; bei diesen wurden Verordnungen proklamiert und eingetragen und an die Unterbehörden geschickt, um ihnen das Ansehen von Gesetzen zu geben. So wurde das Gesetz, welches die Grofsjährigkeit des Königs mit dem 15. Jahre festsetzt, nicht von den Reichsständen, sondern vom Pariser Parlament publiziert1). 2. Es war für den König ein Glück, dafs er das Kriegswesen einem so tüchtigen Manne überlassen konnte wie B e r t r a n d d u G u e s c l i n , einem bretonischen Ritter aus uraltem, allerdings verarmtem Geschlechte. Du Guesclin wurde als der älteste von 10 Geschwistern um 1320 auf La Motte Broon zwischen Rennes und Dinan geboren. Von schwärzlicher Gesichtsfarbe, häfslich und unbeholfen, rang er sich anfänglich nur mühsam durch. Die ersten Feldzüge machte er unter Karl von Blois. Beim Regierungsantritt Johanns des Guten trat er in dessen Dienste, und bald galt er nicht nur als der tapferste Ritter, sondern auch als geschickter Organisator und tüchtiger Feldherr. Die Art der Kriegsführung war ') Schlosser, Weltgesch. in zus. Erz. IV, 2, 198.

Bertrand da Guesclin.

Die Tard-venus.

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seit Eduards III. Kriegen eine andere geworden. In der Schlacht wurde nicht mehr wie beim Turniere gekämpft, wo sich der Ritter nach eigenem Gutdünken den ebenbürtigen Gegner heraussucht, auch geben nicht mehr die Ritter den Ausschlag, sondern das Fufsvolk, unter dessen Schutz geübte Bogenschützen in den Kampf eingreifen und der Ritterschaft vorarbeiten, die dann die Entscheidung herbeiführt.') Statt der Edelleute werden Mietstruppen verwendet, Söldnerkompagnien, die unter der militärischen Zucht eines militärisch gebildeten Feldhauptmanns stehen. Du Guesclin verstand es durch nächtliche Überfälle, überraschende Märsche, verstellte Flucht und andere Kriegslisten den Erfolg an seine Fahnen zu fesseln.2) Den ersten gröfseren Kampf führte er gegen Karl von Navarra, der, in der Hoffnung, mit Burgund belehnt zu werden, getäuscht, den Krieg begonnen hatte und nun (1364, 16. Mai) bei C o c h e r e 1 besiegt wurde. Der berühmte Heerführer der navarresischen Truppen, der Captal de Buch, wurde gefangen. Karl trat nun seinen Besitz in der Normandie gegen die Herrschaft Montpellier ab. Du Guesclin erhielt als Dank die Grafschaft Longueville. Allmählich kam auch die Bretagne zur Ruhe. Hier kämpfte Du Guesclin im Auftrage Karls von Blois gegen Jean Chandos, den berühmten englischen Feldherrn, der Montforts Truppen befehligte. Bei A u r a y — im Departement Morbihan — kam es zur Schiacht. Trotzdem die Ordnung der französischen Massen eine so vorzügliche war, dafs sie dem feindlichen Feldherrn die Aufserung entlockte, er habe nie ein besser geordnetes Heer gesehen, erlitt Du Guesclin eine Niederlage und wurde selbst gefangen (1364, 29. September). In Bretagne kam nun das Haus Montfort zur Regierung. 2. Die Niederlage Guesclins hinderte den König nicht, ihn zum Führer der grofsen Kompagnien zu ernennen, die er im Einverständnis mit dem Papst nach Spanien sandte. War Frankreich schon seit Maupertuis von Söldnerbanden überflutet8), so blieben trotz des Friedens von Br^tigny noch viele in einzelnen Provinzen zurück. Ende 1361 bildete sich in der Champagne die »grofse Kompagnie«. Sie zählte 15000 Mann. Eine Truppe, die der König wider sie aufgeboten hatte, wurde vernichtet. Man hiefs sie Tard-venus — die Spätgekommenen, was man wohl so gedeutet hat, dafs auch sie noch ihren Anteil an der Beute haben wollten. Es gelang nun Karl V., sie nach Spanien abzulenken, wo Engländer die Sache Pedros des Grausamen, Franzosen die Heinrich Trastamaras verfochten (s. § 83). Guesclin selbst führte die grofse Kompagnie nach Spanien und verhalf Trastamara zum Siege von Montiel (1369). Indem Heinrich Kastilien gewann, verlor England eine wichtige Stütze, die es bisher an diesem Lande besessen hatte. Im ') Näheres bei Köhler II, 356. ») H. Martin, Hist. de Fr. V, 243. 3 ) So wurden im Winter 1367 der Süden Frankreichs durch die Banden Regnaults du Cervole, genannt der Erzpriester, weil er ein Benefizium zu Vergnes besafs, die Mitte durch die Banden des Wallisers Rufin und die Normandie durch die Robert Knolles heimgesucht.

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Siegreicher Fortgang des.engl. Krieges. Der "Waffenstillstannd v. Brügge.

übrigen stand ein neuer Krieg zwischen Frankreich und England bevor. Der schwarze Prinz, ein besserer Feldherr als Staatsmann, führte in Aquitanien eine so drückende Herrschaft, dafs sich Herren, Klerus und Städte schon 1369 an Karl V. um Hilfe wandten. Zwar hatte der französische König im Frieden von Bretigny auf die Oberherrlichkeit über Aquitanien verzichtet, nun erklärte er aber den Vertrag für ungültig, da dessen Bedingungen nicht eingehalten worden seien. Er lud den schwarzen Prinzen vor den Lehenshof; dieser erklärte, er werde kommen, aber mit 60000 Mann. Karl V. ging mit kluger Voraussicht zu Werke. Indem er seinen jüngsten Bruder PIiilipp von Burgund mit der Erbtochter Ludwigs von Flandern vermählte, begründete er die Gröfse Burgunds. Dann berief er die Reichsstände nach Paris (1369, 9. Mai). Stände und Königtum gingen hier Hand in Hand. Für England lagen die Dinge höchst ungünstig. Eduard III. war alt und schwach, der schwarze Prinz siechte an unheilbarem Leiden dahin, die Bevölkerung im südlichen Frankreich ersehnte ihre Vereinigung mit Frankreich, und der verbündeten kastilisch-französischen Flotte war die englische nicht gewachsen. Wohl bewilligte das englische Parlament die notwendigen Mittel, der Krieg nahm aber eine den Engländern ungünstige Wendung. Als ihr Führer Chandos gefallen war, Du Guesclin aus Spanien heimkehrte und Erfolg auf Erfolg errang, der schwarze Prinz sich endlich nach England zurückzog, war Frankreichs Übergewicht in Guienne entschieden. Die kastilische Flotte errang 1372 bei L a R o c h e l l e einen Sieg über die englische, und England verlor allmählich seinen Besitz in Frankreich bis auf Calais, Bordeaux, Bayonne und einige feste Punkte. Im Jahre 1374 wurde unter der Vermittlung des Papstes der Waffenstillstand von Brügge geschlossen. Ein Jahr nach dessen Ablauf starb der schwarze Prinz, und 1377 folgte ihm der alte König Eduard III. im Tode nach (s. § 82). Diese günstige Lage nützte Karl V. aus, um alles französische Land, das sich noch in englischem Besitze befand, zurückzugewinnen. Aber diese Absichten erfüllten sich nicht, denn sowohl Calais als Bordeaux blieben in den Händen der Engländer, und ebenso schlug ein Versuch, die Bretagne zu gewinnen, fehl. Ehe der Kampf noch geendet, starb Karl V. am 16. September 1380. Der Krieg mit England endete vorläufig ohne Friedensschlufs. In beiden Reichen brachen schwere innere Kämpfe aus und die auswärtigen Verhältnisse wurden darüber weniger beachtet.

§ 83. Die Weiterbildung der englischen Verfassung. 1. Wie sein Grofsvater besafs auch Eduard III. starke, selbstherrliche Neigungen, die durch seine kriegerische Veranlagung und seine militärischen Erfolge noch gekräftigt wurden; aber auch ihn zwang die durch die unaufhörlichen Kriege hervorgerufene Geldnot, den Ständen gröfsere Zugeständnisse zu machen, als sich mit seinem stolzen Wesen vertrug. Bis dahin hatten Geistlichkeit, Barone, Ritter und Städte gesondert beraten; aus Motiven, die in ihrem letzten Grunde nicht deutlich zu-

Die Gemeinen.

Macht des Parlaments.

Formen der pari. Beratung.

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tage liegen, schlössen sich allmählich die Ritter aufs engste an die Vertreter der Städte an und bildeten vereint mit diesen eine einzige Gruppe, d i e G e m e i n e n , und ein einziges Haus, das U n t e r h a u s , wogegen sich die Vertreter der Geistlichkeit und die Lords i m O b e r h a u s e versammelten. Zu den geistlichen Lords gehören Erzbischöfe, Bischöfe und einzelne Abte, zu den weltlichen die Besitzer der grofsen Kronlehen, die vom König zum Parlament berufen wurden. Aus dieser Berufung entsprang die Befugnis des Königs, Pairs zu ernennen1). Die Rechte der weltlichen Lords gingen auf ihre Erben über. Bei rein geistlichen Angelegenheiten traten die Prälaten zu eigenen Beratungen zusammen und so auch die Lords, wenn sie über Standesangehörige zu Gericht safsen oder Beschwerden von den Gemeinen an sie gelangten. Die letzteren erhielten für ihre Tätigkeit Taggelder, die nicht aus der Staatskasse, sondern von jenen Verbänden gezahlt wurden, von denen sie zum Parlament entsandt wurden.2) Da bei der stetigen Geldnot der Krone die alljährliche Berufung des Parlaments notwendig wurde, stieg dessen politischer Einflufs immer höher. Es ist kein Zweig der gesamten Staatsverwaltung, der nicht von der parlamentarischen Tätigkeit berührt worden wäre: das Parlament fungiert als oberstes Reichsgericht, als steuerbewilligende, gesetzgebende, die gesamte Verwaltung des Staates kontrollierende Versammlung. Wenn auch der König noch das Recht hat, Ordonnanzen zu erlassen, so dürfen diese doch nicht mit den Freiheitsbriefen in Widerspruch stehen, auch besitzen sie nicht das Gewicht, wie die mit dem Parlament getroffenen Vereinbarungen (Statuten). Am nachdrücklichsten tritt die Tätigkeit des Parlaments unter Eduard III. in den auswärtigen Angelegenheiten und im Kriege hervor; aber auch sonst steigerte sich seine Machtfülle von Jahr zu Jahr. Schon besteht es darauf, dafs rechtsgültige Statuten nur von ihm ausgehen dürfen. Von mafsgebender Bedeutung war seine Stellungnahme in den kirchenpolitischen Fragen der Zeit. 2. Bei der tatkräftigen Unterstützung, welche die französische Krone auch in politischen Fragen von der Kurie erhielt, konnte es in England an Zusammenstöfsen zwischen Staats- und Kirchengewalt nicht fehlen. Da die Geldsendungen Englands an die Kurie einer unmittelbaren oder mittelbaren Unterstützung des französischen Erbfeindes gleichkamen, wurden jene Leistungen, zu denen England verpflichtet war, wie der Lehenszins, entweder überhaupt nicht oder doch nur höchst ungern vollzogen und gegen andere, welche die Kurie unter verschiedenartigen Titeln von der englischen Kirche erhob, ein Widerspruch laut, in den nicht selten der englische Klerus selbst mit einstimmte. Wohl machte die Kurie wiederholt den Versuch, diesen Übelständen durch Herbeiführung eines dauerhaften Friedens zwischen England und Frankreich ein Ende zu machen, aber die päpstliche Vermittlung führte doch meist nur zu Waffenstillständen auf kurze Frist und selbst der Friede von >) Winkelmann, Verf.-Gesch. S. 772. ) Ebenda. Die Ritter erhielten 4, die Städtevertreter 2 sh.

s

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Die Kirchenpolitik Englands unter Eduard III.

Bretigny hatte keinen langen Bestand. So war fast die ganze Regierungszeit Eduards III. mit schweren kirchenpolitischen Kämpfen angefüllt. Wenn das Königtum anders als in Deutschland daraus als Sieger hervorging, dankte es dies dem kraftvollen Eintreten des Parlaments, das selbst die durch Verträge begründeten Ansprüche der Kurie anfocht. — Der Streit zwischen der Staats- und Kirchengewalt kam zum Ausbruch, als Klemens VI. zwei neu ernannten Kardinälen, von denen der eine sein Nepot war, Einkünfte in der Höhe von 2000 Mark auf die Erzbistümer York und Canterbury anwies. Das Parlament sandte (1343, 18. März) ein Schreiben voll von Klagen an den Papst, dafs infolge der verschiedenartigen Reservationen, Provisionen und Kollationen englische Pfründen nicht nur an Fremdlinge, sondern selbst an Landesfeinde kämen. Die Schäden dieses Gebahrens werden scharf betont: das Seelenheil der Gläubigen laufe Gefahr, die Kirchen verfallen, die Armenpflege höre auf, und die Frömmigkeit des Volkes werde verringert. Die Geschäftsträger, welche die Kardinäle nach England sandten, um ihre Einkünfte einheben zu lassen, wurden in den Kerker geworfen und sodann aus dem Lande gewiesen. Das Statut Act of Provision (1344) bestimmte: Wer Bullen, Prozesse u. dgl. von der Kurie nach England bringt, wird mit beständiger Kerkerhaft oder Landesverweisung bestraft; alle Provisionen werden bei Verlust der Pfründen verboten und das Recht des Königs auf die Besetzung der Bistümer betont. Ein anderes Statut •»Praemunire«. verbietet Appellationen von einem königlichen Gerichtshof an die Kurie, ja im Jahre 1354 drohten die Lords, die von ihren Vorfahren gewidmeten Stiftungen einzuziehen, falls sie wie bisher durch Provision verliehen würden. Allen Mahnungen des Papstes zum Trotz blieben die Beschlüsse von 1344 in Kraft und wurden derart durchgeführt, dafs Prälaten, die ihre Würden durch Provision erlangt hatten, nicht in den Besitz ihrer Temporalien kamen. Die Opposition gegen die Machtansprüche des Papsttums war äufserst scharf und hat zum Teil Berührungspunkte mit der unter Ludwig dem Bayer, deren letzter Vertreter O c c a m erst in diesen Jahren starb. Im übrigen war das Verhalten des englischen Königs den Päpsten gegenüber kein gleichmäfsiges. Eine leichtere Aufgabe als Klemens VI. hatte sein Nachfolger Innozenz VI., von dem man die Hoffnung hegte, er würde seine Vermittlerrolle nicht einseitig zugunsten Frankreichs durchführen. Als Urban V. den König an seine Lehenspflicht mahnte (1365, 6. Juni) und den seit 33 Jahren nicht mehr gezahlten Lehenszins eintreiben wollte1), erklärte das Parlament, weder König Johann noch irgend ein anderer habe das Recht gehabt, das Reich ohne Zustimmung der Nation einer fremden Macht zu unterwerfen. Sollte der Papst seine Forderung mit Gewalt durchsetzen wollen, so würden ihm die Stände Widerstand leisten. Die Ansprüche des Papsttums und des englischen Königtums standen während der ganzen ') Man pflegte bisher damit das erste Auftreten Wiclifs als Reformator in Zusammenhang zu bringen. Wie wenig dies der Fall ist, s. in meinen Studien zur eng"lischen Kirchenpolitik und in meinem Aufsatz: The beginnings of Wiclifs activity in ecclesiastical politics. Engl. Hist. Eev. 1896, April.

Opposition gegen die Ansprüche der Kurie.

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Regierang Eduards III. in einem schneidenden Widerspruch: Verlangte der Papst als Oberlehensherr das Verfügungsrecht über das englische Kirchengut, sollte die Geistlichkeit von der Gerichtsbarkeit des Königs eximiert sein, so behauptete dagegen die weltliche Gewalt ihr Recht, das Kirchengut einzuziehen, falls die Geistlichkeit den Befehlen des Königs trotze, sie betont auch dem Klerus gegenüber ihre oberste richterliche Gewalt und ihren legitimen Einflufs auf die kirchlichen Wahlen und ihr Recht auf Verleihung der Temporalien. Unter solchen Umständen mufsten die gegenseitigen Beziehungen stets gespannte bleiben. Der Streit wurde zeitweise beiseite gestellt, aber immer wieder mit grofsem Eifer aufgenommen, namentlich dann, wenn wie beim Wiederausbruch des französischen Krieges das Papsttum in den Verdacht kam, dem französischen Königtum als Stütze zu dienen. Wortführer der englischen Opposition gegen die Machtansprüche der Kurie wurde in den letzten Lebensjahren Eduards III. Johannes aus Wyclif, dessen Wirksamkeit aber erst seit dem Ausbruch des Schismas (1378) eine wahrhaft reformatrische wird.

5. Kapitel.

Der englisch-französische Erbkrieg nnd die Staaten der Pyrenäischen Halbinsel. § 83. Kastilien nnd der englisch-französische Thronstrelt. Q u e l l e n . S. § 12. Dort die allg. Werke. Desgl. die U r k u n d e n . Dazu: Colección de doc. ined. public, por Joaquín Casaö y Alegre (Pactos, tractados y avenencias que mediaron entre los reyes de Aragon, Navarra y el bastardo Enrique de Trastamara). Madr. 1894. Daumet, Innocent VI et Blanche de Bourbon. Lettres du pape p. d'après les reg. du Vatican. Paris 1899. G e s c h i c h t s c h r e i b e r bis zum Ausgang d. MA. K a s t i l i e n . Emanuel Cerratensis, Chronicon Hispaniae bis 1282, bei Florez, Esp. sagr. II, 205. Crónica general de EspaBa (verf. auf Anregung Alfons' X. des Weisen, nicht von ihm selbst. D. Auszug: La estoria de los infantes de Lara, herausg. v. Holland 1860 enthält Sage. Die andern Ausg. s. bei Potthast I, 233. Sonst s. E. Beer, Span. Lit. Gesch., S. 107 u. 119. — Chronique des rois de Castillo (1248—1305), Fortsetz. v. Rod. v. Toledo s. g 12, ed. BÉCh. LIX, 325—378. Chrónica del muy esclarecido principe y rey D. Alfonso 1252—1312; früher Fernán Sánchez de Tovar zugeschrieben. Valí. 1554 ; s. rotthast I, 229. Castigos e documentos dol rey Don Sancho, ed. Gayangos, Escrit. ant. al s. XV, 79; s. hierüber Beer S. 115. Baist in Gröbers GrundriJs II, 2, 415. Crónica del . . . Rey Fernando (el IV.). Valí. 1554. S. dazu Potth. I, 230. Crónica del . . . rey Don Alonso el onceno 1312—1350. Col. de las crónicas y memorias VII. Madr. 1787. (Über die historiogr. Tätigkeit unter Alfonso XI s. Beer S. 124.) Das Poema de Alfonso XI. (Madr. 18G3) schildert die Schlacht a m Salado. Johannes Emanuel, Chron. Hispan. 1274—1329. Florez, Esp. sagrada H, 209. (Über Juan Manuel s. Baist S. 418.) Pedro López de Ayala (s. Beer S. 138—140): Crónica del rev D. Pedro, reicht aber bis 1396, bis ins 6. Regierungsjahr Heinrichs HI. (Der richtigere Titel : Crónicas de los reyes de Castilla D. Pedro, D. Enrique H, D. Juan I, D. Enrique HI.) Ed. Col. de las crónicas I, H. 8. Schirrmacher, Gesch. Span. V, Beil. H. Klein, Gesch. d. Dramas VIH, 678. Baist, S. 435. Alvar Garcia, Crónica d. D. Juan H de Castilla 1420—1434. Col. de doc. ined. XCIX; fortges. von unbekannter Hand (1429—1435) u. überarbeitet von Perez de Guzman bis 1454, ergänzt von Valere u. Carvajal, s. Baist, 436. Die Angaben bei Potth. sind unrichtig. Pérez

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Die pyren. Staaten und der englisch-sp. Thronstreit.

de Gozman, De las generaciones y semblanzas ó obras de los excelentes reyes de España D. Enrique III é D. Juan II. Biblioth. II, 697—719 . . Alphonsus a Carthagena, Rer. Hisp. anacephalaeosis, Schott, Hisp. illnstr. I, 246 = Bel. SS. rer. Hispan. H, 611. Diego Enriquez del Castillo, Crónica 1464—74. Col. de las crónicas VIL Alonso de Falencia, Crónica 1454—1474. Als Ganzes noch ungedruckt. Die von Holland (Tflbingen 1850) mitgeteilten Bruchstücke sind ein geringwertiger Auszug der lat. Dekaden, s. Baist 436. Rodericus Sancii Hist. Hispan, bis 1469. Bel. I, 290. Andreas Bemaldez, Crónica del rey D. Fernando y Ysabel 1488—1513. Noch ungedruckt, aber schon von Prescott ausgenützt. S. Ticknor 156. Pulgar, Crónica de los reyes D. Fernando y Doña Ysabel bis 1490. Vallad. 1565. Valent (s. oben), Crónica de EspaBa. Sevilla 1567. E i n z e l n e E r e i g n i s s e . Crónica de D. Alvaro de Luna, Faso honroso (Weg der Ehre, Erzählung des Kampfes an der Brücke von Orbigo bei Leon 1434) u. Seguro de Tordesillas (Burgfriede v. T.) in Col. de las cron. V. Diaz Gamez Gutierre, Crónica de don Petro NiBo (1375—1436), ib. m , s. Wolf in d. Wien. Jb. L1X. Crónica del Gran Capitan D. Gonzalvo del Córdoba v. Pulgar, ed. Martínez de la Rosa 1834. Alvaro Gómez, De rebus gestis a Fr. Ximeneo Hisp. ill. I, 927. Cárlos de Viana, Crónica de los reyes de Navarra, reicht bis 1460, ed. Pampel. 1843. Peter Martyr, Opus Epp. Amst. 1620. Ergänzungen s. in Gröbers Grundr. H, 2, 436—37. Aragonien. Zu Jayme I s. noch §12. Desclot Bemat, Croniques ó conquestes de Catalunya. In katal. Sprache. Schliefst mit 1285 ab. Unter dem Titel: Chronique de Pierre III bei Buchón, Chroniques étrangères. Paris 1840. Chronik v. Ramon Muntaner s. oben § 46. Dort auch die Quellen für den Kampf um Sizilien (als Kunstwerk u. als hist. Quelle vom gröfsten Wert für die aragon. Gesch. im 1. Viertel des 14. Jahrh. Gröbers Grundr. n , 2, 120). Crónica del Rey de Aragon Don Pedro IV ei Ceremonioso von Bernat Dezcoll, ed. Bare. 1885 (s. Pagès in Romanía XV III). La ti del comte Urgel, crónica del segle XV. Bibl. de la Revista catalana. Anelier, Guerra civil de Pamplona seu Histoire de la guerre de Navarre en 1276—77. Coll. de doc. inéd, Paris 1856. (Augenzeuge, s. Stimming in Gröbers Gr. II, 2, 39.) Libre deis feyts de Cathalunya von Mossen Bernat Boades. Bibl. Catal. V. — Mossen Pere Tomich, Petit memorial de algunes histories e fets antichs (Gesch. d. Könige von Aragon bis Alfons V.) Biblioth. Cat. V. Bracelli, De bello Hispano in Graevii Thes. ant. Ital. I. Panormita, De dictis et factis Alfonsi libri IV, ed. Chyträus. Rostock 1590. Miquel Carboneil, Chroniques de Espanya bis zum Tode Juans H. Bare. 1546. Marinaeus, De rebus Hisp. memorabilibus libri XXXI. Bei. Ii. Nebrisa (recte Pulgar), Decades duae Hisp. rer. a Ferd. rege et Isabella reg. gestarum Hisp. illustr. I, 786. M. Ritius, De regib. Hisp. libri tres, ib. 664—76. Lorenzo de Carvajal, Annal, del rey Fernando. Col. de doc. inéd. XVIII. Gonzalo Fernandez de Oviedo, Las Quincuagenas de los reyes, s. Maurenbrecher, Stud. u. Skizzen 58. Zurita, Hist. del rey Hernando el Catholico 1579. Zurita, Annales de la corona de Aragon 1610 (s. auch Gröbers GrundriTs 117). E i n z e l n e s : Proceso contra el rey de Mallorca Coll. de doc. inéd. de Aragon. XXIX. Alvaro Campanea y Fuertes, Chron. Mayoric. Palma 1892. Cyrnaeus, De rebus Corsicis. Murât. XXIV. P o r t u g a l s. § 12 u. Gröbers GrundriTs 210 fi., 242 ff. Dazu: Vida de S. Isabel. AA. SS. 4. Juli. Ruy de Pina : Chronica do . . . Diniz, ed. Ferreyra. Lisb. 1729 . . . de Alfonso IV. Lisb. 1653. Fernam Lopes, Chronica do Senhor D. Pedro I oitavo rey de Port. Collecçaô de livros ined. de hist. Port. IV. 1816. Chronica do Fernando nono rey. de Portugal, ibid. Crónicas del rey D. Joham de gloriosa mem. o I deste nome e as dos reys D. Duarte e D. Alfonso o V (ergänzt von Joâo de Zurara). Lisb. 1743. Ruy de Pina, Chronica do senhor rey D. Duarte, ib. I. (Uber Duarte als Schriftsteller s. Gröber, GrundriTs H, 2, 243.) — Crónica do senhor Alfonso V. Coll. de liv. ined. I. Matthaeus de Pisano, Gesta Johannis de bello Septensi seu Livro da guerra de Ceuta, ib. I, 7—57. Ruy de Pina, Chronica d'Elrei D. Joâo II (s. Azurara). Coll. de lib. ined. H. Azurara, Chronica do descobrimento e conquista de Guiñé (Gesch. d. Entdeckungsfahrten Heinrichs d. Seefahrers bis 1448), ed. Paris 1841. Chronica do conde D. Duarte de Menezes.' Coli, de liv. ined. IH. Chronica do conde Dom Pedro de Menezes, ib. H, 206—635. Alvares, Chronica dos feitos, vida e morte do infante santo Ferdin ando que morreo em Fez, ed. Lisb. 1627 (s. Act. SS. 6. Juni. [Olfers]), Leben des standhaften Prinzen. Berl. 1887.) Über die Schriften Heinrichs d. S. s. Gröber 248

Alfons X. von Kastilien.

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Coronica do Condestabre de Portug. Nuno Alvares Pereyra 1362—1432. Lisb. 1848. Cronicas dos Reis de Portugal por Christoval Rodr. Acenheiro in Coll. d. doc. ined. V, 136, s. dazu Herculano, Lendas e narratives, p. 73. G r a n a d a . Makkari : Annal, sur l'hist. des Arabes d'Espagne par al Makkari p. p. R. Dozy, Dugat, Krehl et Wright. Leyde 1856—61. Im Auszuge v. Gayangos. London 1840, s. Wüstenfeld, D. Geschichtechreiber der Araber 559. Ibn-el-Chatib, Geschichte d. Khalifen im Orient, Spanien u. Afrika. Casiri n, 177 ; Gesch. d. Fürsten v. Granada bis 1364. Ebenda 246 S. Complexus de hist. Gran. Casiri n, 71. — Briefe u. Nachrichten, Wüstenfeld 439. Ibn Chaldoun, Exempta proposito etc. Wüstenfeld 456. Chronique des Almohades et des Hafcides attrib. à Zerkechi. Trad. franç. par Fagnan. Paris 1895 (reicht von 1098 bis 1436). Hilfsschriften. Die allgem. Werke zur Gesch. Kastiliens, Aragoniens, Portugals u. Granadas s. §12. Dazu: J. Catalina Gar e i a , Castilla y Leon durante los reinados de Pedro I, Enrique II, Juan I y Henrique HI, t. 1—3. Mad. 1891—1901. B a u d o n d e M o n y , Relations politiques des comtes de Foix avec la Catalogne. Paris 1896. D a u m e t, Étude sur l'alliance de la France et de la Castille aux X I V™"—KV™« siècles. Paris 1898 (wichtig wegen der darin mitget. Urkk.). M e r c i e r , Hist. de l'Afrique septentrionale. Paris 1888. L i p p i , Archivio communale di Cagliari. 1897 (mit Dokumenten zur Gesch. d. Insel zur Zeit der Eroberung durch Jayme II.). Zur Literat, s. das Verzeichnis in R. B e e r S. 141 ff. Einzelheiten: H. v. Z e i f s b e r g , Elisabeth v. Aragonien. Wiener Sitzungsber. CXXXVH, s. auch CXL (Briefe Jakobs II. an Friedrich d. Beh.). M e r i m é e , Hist. de Don Pedro. Paris 1848. S a l a z a r , Casa de Lara HI. M o u c h e r o n , S. Elisabeth d'Aragon, reine de Portugal. Paris 1896.

1. Bei den grofsen Erfolgen des Kreuzes über den Halbmond in Spanien im Zeitalter Innozenz' III. schien der gänzliche Fall von Granada nur eine Frage der nächsten Zeit zu sein: gleichwohl hinderte der Zwiespalt und die gegenseitige Eifersucht der christlichen Staaten diese Entwicklung. In Kastilien war auf Ferdinand III. (s. § 12) sein Sohn A l f o n s X . (1252—1284) gefolgt — eine der bedeutendsten Persönlichkeiten seiner Zeit. Hat ihm auch die Nachwelt den Beinamen »des W e i s e n « gegeben, so sprechen doch seine Erfolge in der Politik wenig dafür; eher könnte er wegen seiner Neigungen für Wissenschaften und Künste »der Gelehrte« genannt werden. Ihm dankt S a l a m a n c a seinen hohen Ruf; die astronomischen Anstalten, die dort nach dem Muster der berühmtesten Observatorien des Orients angelegt wurden, und das grofse astronomische, nach seinem Namen benannte Tafelwerk kosteten bedeutende Summen. Nicht weniger war er auch um die historischen Studien bemüht ; unter den abendländischen Fürsten war er der erste, der öffentliche Verhandlungen, Dokumente und Gesetze nicht mehr in Latein, sondern in der Muttersprache abfassen und selbst die Bibel ins Kastilische übersetzen liefs. In dem Codigo de las siete partidas wurde ein einheitliches Gesetzbuch geschaffen, bestimmt, die Sonderrechte und Gerichtsgebräuche zu beseitigen. Nur drei Städte Kastiliens behielten ihre besonderen Fueros. Für die Regierungsgeschäfte besafs Alfons X . geringe Begabung. Nicht selten traten während seiner Regierung anarchische Zustände ein und doch trieb ihn sein Ehrgeiz an, nach dem Besitz des Kaisertums zu streben. Für die Durchführung dieser Pläne, den Aufwand für seine gelehrten Anstalten und seine anspruchsvolle Hofhaltung reichten die Einnahmen des Staates nicht hin, und die Verschlechterung der Münze, die er ins Werk setzte, hatte eine schwere Schädigung des Handels und Gewerbes zur Folge. Wegen der Ausdehnung seines Reiches nach

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Alfons X. and das Kaisertum.

Sancho IV. and Fernando IV.

Süden war er mit Portugal in Streit geraten; er legte ihn bei, indem er Alfons III. seine Tochter Beatrix zur Gattin und Algarve als Lehen gab; auch im Streit mit England und Navarra um den Besitz der Gascogne und Navarras war er zur Nachgiebigkeit gezwungen, und seine Absichten auf die Ausdehnung des kastilischen Einflusses in Afrika gab er angesichts des Widerstrebens der Aragonesen auf. Als Sprosse des Stauferhauses von einer Partei auf den deutschen Thron berufen, brachte er dem Phantom der Kaiserherrschaft grofse Opfer und geriet hierüber mit seinem Bruder Heinrich in Streit, da er die Regentschaft für die Zeit seiner Abwesenheit aus Kastilien nicht diesem, sondern seiner Gattin zugedacht hatte. Heinrich wurde zwar besiegt, spielte aber nebst seinem Bruder Friedrich noch in den Kämpfen Konradins (s. oben) eine Rolle. Während er sich (1275), um seine Absichten auf das Kaisertum durchzusetzen, zu einer Unterredung mit Gregor X. nach Beaucaire begab, führte sein älterer Sohn F e r n a n d o de la Cerda, der mit Blanka, einer Tochter Ludwigs IX., vermählt war, die Regentschaft. Eben damals war der Beherrscher von Granada im Bunde mit Marokko, dem als Preis für seine Hilfe Algesiras und Tarifa abgetreten wurden, in Kastilien eingebrochen. Während des Feldzuges erkrankte Fernando und starb mit Hinterlassung zweier Söhne Alfonso und Fernando. Nach den neuen, aber noch nicht publizierten Gesetzen waren diese erbberechtigt, dagegen standen sie nach altem kastilischen Erbrecht vor ihrem Oheim zurück, und demgemäfs erkannten die Stände den zweiten Sohn des Königs, Sancho, als Erben Kastiliens an. Die Witwe Fernandos protestierte dagegen und wandte sich an Frankreich um Schutz. Darüber kam es zu einem Kriege, dessen Ausgang Alfons X. nicht mehr erlebte. Mit seinem eigenen Sohne zerfallen, starb er am 4. April 1284. 2. S a n c h o IV. (1284—1295) hatte gegen die Ansprüche seiner von Frankreich und Aragonien unterstützten Neffen, der Infanten de la Cerda, gegen die seines Bruders Juan, der den ihm einst von seinem Vater zugeheifsenen Besitz von Sevilla begehrte, endlich gegen die Übermacht der Häuser Haro und Lara einen schweren Stand. Kastilien war mehrere Jahre hindurch der Schauplatz wüster Parteikämpfe, in die sich die Mauren von Granada und Marokko einmischten. Auch bot die Nachfolge seines Sohnes Fernando, der aus seiner von der Kirche nicht anerkannten Ehe mit einer Verwandten Maria de Molina stammte, grofse Schwierigkeiten. In der Tat erhoben sich gegen Maria, die für ihren unmündigen Sohn F e r n a n d o IV. (1295—1312) die Regierung führte, von allen Seiten Gegner: so der Infant Juan, der die Rechtmäfsigkeit Fernandos bestritt, die Infanten de la Cerda, König Diniz von Portugal, der die Mitgift seiner kastilischen Mutter Beatrix begehrte, Aragonien, ja selbst der Infant Henrique, der als ältester männlicher Agnat die Regentschaft forderte. Donnt; Maria behauptete sich mit Hilfe der Bürgerschaften, denen sie durch Aufhebung drückender Lasten entgegenkam. In Kastilien Leon, Galicien, Andalusien und Murcia gründeten die Städte Hermandades, Brüderschaften, um die Rechte der Krone zu schützen. Durch eine Doppelheirat ihrer Kinder mit denen Diniz' von Portugal gewann sie

Alfonso XI.

Der Sieg am Salado.

Pedro der Grausame.

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dessen Hille und setzte auch bei der Kurie die Legitimierung ihres Sohnes durch. Endlich wurde auch mit den Infanten de la Cerda ein Abkommen getroffen. In Gemeinschaft mit Aragonien begann Fernando den Kampf gegen Granada, starb aber, ehe er noch beendet war. Über die Vormundschaft für seinen Sohn A l f o n s o X I . (1312—1350) wurden langwierige Kämpfe geführt und nach deren Beendigung der Krieg gegen Granada in Angriff genommen (1316); die Infanten Pedro und Juan, die die Regentschaft führten, verloren (1319) am Xenil Schlacht und Leben. Als Alfonso grofsjährig geworden, zog er die Zügel der Regierung straffer an und brachte verschleudertes Gut an die Krone zurück. Doch hinderten Streitigkeiten mit den Infanten Manuel, Juan und den Cerdas die ruhige Entwicklung des Landes um so mehr, als sich auch die benachbarten Mächte einmischten. 1330 kam es zum Frieden, als Kastilien, Aragonien und Portugal sich zum Kampfe gegen die Mauren zusammenfanden. Der Krieg wurde, allerdings mit langen Unterbrechungen, bis an das Ende der Regierung Alfons' XI. geführt. Die inneren Zustände Kastiliens litten vornehmlich unter den Wirren, die durch das Verhältnis des Königs zu seiner Gehebten Leonore von Guzman hervorgerufen wurden und die der Adel ausnützte, um seine Macht zu mehren. Erst 1337 erfolgte die Herstellung geordneterer Verhältnisse. Und nun konnte auch der Kampf gegen die Mauren erfolgreicher aufgenommen werden. Am 30. Oktober 1340 erlitten sie am Flüfschen S a l a d o bei Algesiras eine gänzliche Niederlage. Der Sieg konnte indes aus Mangel an Mitteln nicht ausgenützt werden, und so zog sich der Kampf, für den die Mauren ansehnliche Opfer brachten, in die Länge. Dies bewog auch die Stände von Burgos, eine starke Steuer — Alcavala —, ein Zwanzigstel von jedem Verkauf — zu bewilligen, die, zuerst nur für Burgos und nur für die Dauer des Krieges bestimmt, seit 1349 auf das ganze Reich ausgedehnt wurde. Schliefslich fiel Algesiras in die Hände der Kastilier, und die Mauren sahen sich zum Abschlufs eines zehnjährigen Waffenstillstandes gezwungen. Der sehnlichste Wunsch des Königs war die Eroberung von Gibraltar. Unruhen, die in Marokko ausgebrochen waren, boten ihm Anlafs zur Einmischung. Mit Hilfe der Aragonesen schritt er zur Belagerung der Stadt, die bald in solche Not kam, dafs ihr Fall immittelbar zu erwarten war. Da brach im Heere der Belagerer eine Pest aus, der auch der König zum Opfer fiel (1350). 3. Alfonso hinterliefs aus rechtmäfsiger Ehe P e d r o den G r a u s a m e n (1350—1369), aus der Verbindung mit Leonore de Guzman sieben Söhne, unter ihnen als ältesten Heinrich Grafen von Trastamara. Diese alle samt Leonore hatten die Rache der so lange zurückgesetzten Königin-Witwe und ihres Günstlings Albuquerque zu gewärtigen. In der Tat wurde Leonore als Gefangene nach Sevilla geführt und ihre ältesten Söhne Heinrich und Friedrich verhaftet. Eine schwere Krankheit, in die Pedro verfiel, rief die Hoffnungen der Kronprätendenten Fernando von Aragon und Juan Nufiez de Lara wach. Zunächst fiel Leonore dem Hasse ihrer Feinde zum Opfer (1351). War Pedro an diesem Morde unbeteiligt, so trat der grausame Zug seines Charakters hervor, als er Garci Laso und drei andere Bürger von Burgos wegen ihrer Sympathien für das Haus Lara in der Verteidigung der

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Die Politik Pedros.

Blanka v. Bourbon u. Maria de Padilla.

alten Rechte von Burgos töten liefs. Trastamara entkam nach Asturien. Den in Valladolid versammelten Cortes bestätigte Pedro zwar (1351) die alten Freiheiten, nahm aber abhanden gekommene Kronrechte zurück und bemühte sich, die Macht des Königtums auf Kosten des Adels und der Bürger zu mehren. Um eine Stütze an Frankreich zu gewinnen, verlobte ihn Albuquerque mit B l a n k a von Bourbon. Blanka hielt als Braut ihren Einzug in Valladolid (1353), aber Pedro weigerte sich, die Ehe einzugehen. Er hatte vor der Verlobung ein Edelfräulein M a r i a de P a d i l l a kennen gelernt und Beziehungen zu ihr angeknüpft. Wiewohl er sich auf Zureden Albuquerques und Mahnungen des Papstes mit Blanka vermählte, liefs er von Maria nicht nur nicht ab, sondern vermählte sich heimlich mit ihr. Aus Hafs gegen den ihm unbequem gewordenen Albuquerque und auf Zureden seines Oheims Alfonso von Portugal hatte er sich kurz zuvor mit seinen Halbbrüdern ausgesöhnt. Nach dem Sturze Albuquerques und seiner Anhänger fielen die wichtigsten Ämter den Verwandten Marias zu. Pedro war im Begriff, den Kampf mit den Berbern aufzunehmen, als sich des Königs Halbbrüder Heinrich und Friedrich mit Albuquerque zur Absetzimg Pedros und Erhebung des portugiesischen Kronprinzen auf den Thron Kastiliens verbanden. Eben hatte Maria de Padilla den Entschlufs gefafst, sich in ein Kloster zurückzuziehen, als Pedro von einer heftigen Leidenschaft zu Johanna de Castro, der Witwe Diegos von Haro und Schwester der unglücklichen Inez de Castro (§ 85) erfafst wurde. Zwei Bischöfe fanden sich, die des Königs Ehe mit Blanka für ungültig erklärten, aber schon am Tage, nachdem er sich mit Johanna vermählt hatte, kehrte er auf die Kunde von der Verschwörung, an der sich auch das Haus Castro beteiligte, zu Maria zurück. Dies Vorgehen rief seine Gegner unter die Waffen. Blanka hatte sich unter den Schutz der Bürger von Toledo gestellt. Da Verhandlungen zwischen Pedro und seinen Gegnern zu keinem Ziele führten, wurde er in Toro eingeschlossen und zum Einlenken gezwungen. Dies war aber nur ein scheinbares, denn schon nach Jahresfrist (1355) war er wieder Herr der Lage. Das schlechte Regiment seiner Gegner führte die kommunalen Gewalten in sein Lager. Blanka wurde in Toledo gefangen genommen, Trastamara entwich nach Frankreich und die Königin-Mutter nach Portugal, wo sie nicht lange nachher starb. Des Königs Halbbrüder Friedrich und Tello wurden begnadigt. Aragoniens zweideutiges Verhalten während des Bürgerkrieges hatten Pedro verletzt; da nun ein aragonesischer Flottenführer zwei genuesische Schiffe im Hafen von Cadix wegnahm und die geforderte Genugtuung verweigerte, kam es zu einem Kriege, der mit mehrfacher Unterbrechung und wechselndem Glück fünf Jahre hindurch (1356—1361) geführt wurde. Pedro unterstützte hiebei die Ansprüche des aragonesischen Prinzen Fernando gegen dessen Stiefbruder Pedro IV., wogegen dieser die Hilfe Trastamaras und anderer kastilischer Grofsen gewann. Pedro bewies während dieser Kämpfe eine Grausamkeit, der er zumeist seinen Beinamen verdankte; man darf aber nicht übersehen, dafs er in einzelnen Fällen aus Notwehr handelte. Es fielen Juan de la Cerda, Don Friedrich,

Pedro d. Grausame und Heinrich Trastamara.

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der aragonische Infant Juan u. a. Verschwörungen und Niederlagen boten stets AnlaTs zu Exekutionen. Um seine finanziellen Mittel zu starken, lief9 Pedro dein Schatzmeister Samuel el Levi seine Schätze abnehmen und ihn auf die Folter werfen, der er erlag. Der Frieden mit Aragonien stellte den Status quo ante bellum wieder her. Von der Amnestie, die Pedro erliefe, waren Trastamare, der Infant Fernando und eine Anzahl Grofser ausgeschlossen. Auch in seinen auswärtigen Beziehungen verfuhr Pedro treulos und grausam. So wurde Mohammed VI. von Granada, der sich im Vertrauen auf den Schutz Pedros gegen seine Widersacher nach Sevilla begeben hatte, ermordet. Die Königin Blanka starb, erst 25 Jahre alt, von denen sie zehn in Kerkerhaft zugebracht hatte, im Sommer 1361, wie es hiefs an Gift, das der König ihr reichen liefs, wahrscheinlicher aber an der Pest, der nicht lange nachher auch ihre Nebenbuhlerin Maria de Padilla erlag. Dieser wurde nach ihrem Tode die Ehre zuteil, als rechtmäfsige Königin anerkannt zu werden, ihre Kinder legitimiert und, als ihr einziger Sohn Alfonso (1362) starb, Bestimmungen über die Nachfolge der Töchter getroffen. 4. In Frankreich hatte Blankas Schicksal lebhafte Teilnahme erregt. Daher fand Trastamara hier bereitwilliges Entgegenkommen. König Johann sicherte ihm den Beistand der durch den Frieden von Br&igny freigewordenen Kompagnien zu. Auch Aragonien versprach Hilfe. Dagegen schlofs Pedro einen Vertrag mit England (1363), und auch Navarra fand sich zum Anschlufs willig. Unzufrieden mit dieser Lage der Dinge, war der Infant Fernando von Aragonien, der als Enkel Fernandos IV. selbst Ansprüche auf Kastilien geltend machte. Im Begriff, nach Frankreich zu gehen, wurde er bei einem von Trastamara gemachten Versuch, ihn gefangen zu nehmen, getötet (1363). Navarra, das vom englischkastilischen Bunde zurückgetreten war, Aragonien und Trastamara schlössen das Bündnis von Uncastillo. Jetzt wurden die aus Franzosen, Bretonen und Engländern bestehenden Kompagnien in Sold genommen. Ihr Führer war Du Guesclin. In Calahorra, der ersten kastilischen Stadt, die man betrat, wurde Trastamara zum König ausgerufen und am 18. April 1366 gekrönt. Er fühlte sich so sicher, dafs er einen Teil seiner Truppen entliefs. Pedro war mittlerweile nach Galizien entkommen. Er eilte nach Bayonne. Am 23. September 1366 schlofs er mit dem schwarzen Prinzen und Karl von Navarra, dem sein Bündnis mit Trastamara unbequem geworden war, den Vertrag von Libourne (bei Bordeaux), in welchem er an England und Navarra grofse Zugeständnisse an Land und Geld machte. Den Kräften des schwarzen Prinzen war Trastamara nicht gewachsen: am 3. April 1367 siegten die Engländer bei N a j e r a . Du Guesclin wurde gefangen, Trastamara entfloh nach Frankreich, und Pedro wurde wieder Herr seiner Länder. Noch .auf dem Schlachtfeld entzweite er sich mit dem Sieger, dessen Ratschläge zur Schonung seiner Gegner er abwies. Da er überdies die Bedingungen des Vertrages von Libourne nicht erfüllte, trat der schwarze Prinz den Rückzug an, Trastamara, der mittlerweile einen stärkeren Rückhalt an Frankreich gewonnen hatte, stand schon im September wieder auf kastilischem

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Die Schlacht bei Montiel.

Das Ende Pedros d. G.

Boden und brachte Burgos und zahlreiche andere Städte auf seine Seite. Nur Toledo leistete hartnäckigen Widerstand. Aber erst als Frankreich selbst den Kampf gegen England aufnahm, war Pedro verloren. Du Guesclin, durch die Grosmut des schwarzen Prinzen aus der Gefangenschaft befreit, zog wieder nach Kastilien. Am 14. März 1369 kam es bei M o n t i e l zum Entscheidungskampf. Pedro wurde geschlagen und im Kastell von Montiel eingeschlossen. Er machte den Versuch, Du Guesclin auf seine Seite zu ziehen, und scheinbar ging dieser auf Verhandlungen ein. Als Pedro aber nächtlicherweile in Du Guesclins Zelte erschien, trat auch Trastamara ein. Zwischen den Brüdern entspann sich ein Kampf, und Trastamara versetzte dem König den Todesstofs. Pedro war erst 35 Jahre alt, ein Mann, dem es weder an Geist noch Entschlossenheit fehlte und der durch seine strenge Gerechtigkeit — man hiefs ihn auch Pedro den Richter — Ansehen hatte. Aber sein schrankenloser Eifer für den monarchischen Absolutismus und die Grausamkeit, mit der er alle niedertrat, die seinen Absichten widerstrebten, endlich die Nichtbeachtung der herrschenden Sitte erweckten eine Gegnerschaft, der er erlag. Seine Töchter Konstanze und Isabella wurden, jene an den Herzog Johann von Lancaster, diese an den Herzog Edmund von York vermählt, die nun die Verteidigung ihrer Ansprüche auf Kastilien übernahm.

5. Trotzdem Heinrich II., der Unechte (1369—1379), in Kastilien Anerkennung fand, war seine Stellung eine schwierige, da der Makel der Illegitimität auf ihm haftete; zunächst erhob Fernando IV. von Portugal als Enkel einer kastilischen Königstochter Ansprüche und wurde von Granada und Aragonien unterstützt; ebenso beanspruchte Johann von Lancaster die kastilische Krone. Pedros hinterlassene Schätze boten indes neben den reichen Bewilligungen der Stände die Mittel, Heer und Flotte instand zu halten. Doch benützte der Sultan von Marokko die Gunst der Verhältnisse, um sich des unverteidigten Algesiras wieder zu bemächtigen. Fernando IV. schlofs zwar 1371 Frieden, unterstützte aber nachher doch Lancaster, wogegen Heinrich die Allianz Frankreichs gewann. Mit Hilfe der Kastilier schlugen die Franzosen die Engländer unter dem Grafen von Pembroke in der Seeschlacht von R o c h e 11 e. Heinrich rückte in Portugal ein und errang bedeutende Vorteile, bis es unter Vermittlung des Papstes 1373 zum Frieden kam, in welchem Portugal Englands Sache aufgab und dem französisch-kastilischen Bunde beitrat. Auch Aragonien machte endlich (1374) seinen Frieden mit Kastilien. Das französische Bündnis verwickelte Heinrich in einen Krieg mit Navarra, den er (1379) glücklich beendigte. Zugleich gelang es ihm, Biskaya, das der Infant Tello als Lehen hatte, nach dessen Tode wieder mit der Krone zu vereinigen. § 84-. Aragonien und Sizilien von Pedro DI. bis Pedro IY. (1276—1387). Ober die einschlägigen sizilischen Quellen s. Capasso, Le fonti della storia delle provincie Napolitane. Napoli 1902. S. 120 ff.

1. König Jayme I. (Jakob) hatte sein Reich (s. § 12) dermafsen geteilt, dafs sein älterer Sohn P e d r o III. (1276—1285) Aragonien, Katalonien und Valencia, der jüngere, Jayme, als aragonisches Lehen das

Pedro HI., der Grofne.

Der Erwerb Siziliens.

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Alfonso III.

Königreich Mallorka und die Grafschaften Roussillon, Cerdagne und Montpellier erhielt. Pedro gab noch vor seiner Krönung die Erklärung ab, seine Krone weder namens der römischen Kirche noch durch sie zu besitzen. Seine erste Regierungszeit war mit Kämpfen gegen die Mauren, gegen katalonische Grofse, die über Beeinträchtigung ihrer alten Rechte klagten, endlich durch Streitigkeiten mit seinem Bruder, der sich seiner Lehenspflicht entziehen wollte, ausgefüllt. Erst als die Ruhe hergestellt war, wandte er sich der äufseren Politik zu. Im Begriff mit Alfonso von Kastilien gegen Navarra zu ziehen, wurde er durch die sizilischen Verhältnisse auf einen andern Schauplatz geführt. Die Ereignisse, die der Sizilianischen Vesper folgten, brachten ihm wohl den Besitz Siziliens, verwickelten ihn aber in einen Kampf mit dem Papsttum, mit Frankreich und Neapel (s. oben § 46), der für ihn um so gefährlicher zu werden drohte, als die Stände von Aragonien, die weder bei Beginn noch bei der Fortsetzung des sizilischen Unternehmens um Rat gefragt worden waren, sich zur Wahrung ihrer alten Freiheiten verbanden, bei dem Volke überdies auch die Unzufriedenheit über die durch den Krieg verursachten Auflagen und das vom Papste verhängte Interdikt, in stetigem Wachsen war. Selbst die glänzendsten Erfolge im Kriege gegen Neapel und Frankreich konnten über die inneren Schwierigkeiten nicht täuschen. Der König sah sich daher genötigt, den Ständen auf dem Reichstage von Saragossa (1283, 3. Oktober) ein Generalprivilegium zu verleihen, das ihnen alle bisherigen Vorrechte und Freiheiten bestätigte, ihn bei allen wichtigeren Fragen an den Rat der Barone, Ritter und achtbaren, guten Männer aus den Flecken band und zur jährlichen Berufung des Reichstages verpflichtete. Auch den katalonischen Ständen wurden die alten Freiheiten bestätigt, dies um so mehr, je eifriger sich die Katalonier im Kampfe um Sizilien auf die Seite des Königs gestellt hatten. Als Pedro III. damit umging, seinen Bruder Jayme von Mallorka wegen seiner Treulosigkeit zu strafen und die Balearen einzuziehen, ereilte ihn am 11. November 1285 der Tod. Er nahm den Ruhm ins Grab, der vereinten Macht der Kirche und zweier mächtiger Königreiche Widerstand geleistet zu haben, Grund für die Aragonesen, ihn den G r o f s e n zu nennen. Doch starb er versöhnt mit der Kirche; auf dem Totenbett gab er der römischen Kirche das Königreich Sizilien zurück. 2. In Aragonien, Katalonien und Valencia folgte sein ältester Sohn A l f o n s o III., der Freigebige (1285—1291), in Sizilien trotz der Verzichtleistung des Vaters der zweite Sohn Jayme. Jener vollendete die Eroberung der Balearen. Den ständischen Gewalten in Aragonien und Katalonien kam er noch weiter als sein Vater entgegen; der Streit mit der Kurie und Frankreich wurde (1290) unter englischer Vermittlung beigelegt, indem er das Zugeständnis machte, seinen Bruder Jayme nicht zu unterstützen; allerdings bot die Sache für diesen keine gröfseren Gefahren, da die Siege seines Feldherrn Loria seine Macht in Sizilien noch mehr befestigten. Als Alfonso eines frühzeitigen Todes starb, L o s e r t ) i , beschichte des späteren Mittelalters.

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Jayme IL, der Gerechte.

Friedrich (II.) v. « Sizilien.

Die Katalanen.

folgte ihm Jayme II., der Gerechte, (1291—1327) in der Regierung. In Sizilien setzte er seinen jüngeren Bruder F r i e d r i c h zum Statthalter ein. Die Rücksichtnahme auf seine Untertanen, vornehmlich auf die Geistlichkeit, welcher der Papst die Anerkennung des Königs untersagte, solange dieser im Banne sei, der Wunsch des Papstes, die christlichen Mächte des Abendlandes zum Kampfe gegen den Islam zu einen, brachte einen Friedensschiufa unter den bisherigen Gegnern zustande. Jayme entsagte seinen Ansprüchen auf Sizilien; die Sizilianer mochten indes von der Restauration des Hauses Anjou nichts wissen und hoben den Infanten F r i e d r i c h auf den Thron (1296). Dagegen wurde nun Jayme vom Papste mit Sardinien und Korsika belehnt (1297), zum Fahnenträger der Kirche und Admiral der Flotte ernannt, die diese zum Kampfe gegen ihre Feinde ausrüsten würde. Friedrich behauptete sich aber trotz eines Sieges, den die Katalonier über die Sizilianer errangen, vielleicht aber auf Geheifs ihres Königs nicht ausnützten. Überdies wurde Jayme in die Streitigkeiten mit Kastilien über die Thronfolge Fernandos IV. verwickelt, die erst 1305 durch den Frieden von Campillo beigelegt wurden. Beide Reiche verbanden sich hierauf (1309) zum Kampfe gegen Granada, ohne freilich besondere Erfolge zu erzielen. Ein wichtiger Erwerb für die Dynastie war die Grafschaft Urgel, die nach dem Absterben des letzten Grafen von Cabrera an die Krone fiel. Mittlerweile hatte sich König Friedrich von Sizilien seiner Gegner so glänzend erwehrt, dafs ihm im Frieden von Neocastro (1302) der Besitz der Insel zugesprochen wurde (s. oben). In diesen Kämpfen hatten sich die katalonisch-aragonesischen Heerscharen durch ihre ungestüme Tapferkeit hervorgetan. Sie traten in den Dienst der Byzantiner und zogen nach der Ermordung ihres Führers Roger de Flor plündernd durch die Halbinsel, bis sie in die Dienste Walters von Brienne, des Herzogs von Athen, traten. Als sich dieser ihrer entledigen wollte, setzten sie ihn (1312) ab und erhoben Manfred, den zweiten Sohn König Friedrichs auf den Herzogsstuhl von Athen. Aragonien und Sizilien gingen seit dem Frieden mit Anjou und dem Papste für lange Zeit getrennte Wege. Den Besitz von Sardinien konnte Jayme H. erst nach langwierigen Kämpfen mit Pisa erlangen (1326), dagegen behauptete Genua seine Herrschaft über Korsika. Um die einzelnen Reiche Aragoniens für immer aneinander zu knüpfen, setzte der Reichstag von Taragona (1319) fest, dafs die Königreiche Aragonien und Valencia, die Grafschaft Barcelona und die Lehenshoheit über Mallorka unzertrennt, ein jedes Land im übrigen im Besitz seiner Sonderrechte und seiner Verfassung verbleiben solle. Jaymes Gesetzgebung ist durch ihre humane Tendenz ausgezeichnet: der Reichstag von Saragossa schränkte den Gebrauch der Tortur auf vereinzelte Fälle ein: denn die Folter sei imstande, den Schuldigen, der stark genug sei, ihre Qualen auszuhalten, als unschuldig zu erweisen, den Unschuldigen, der schwach sei, als Schuldigen hinzustellen. Jaymes ältester und gleichnamiger Sohn, der in den neugegründeten, mit dem reichen Templergut ausgestatteten Orden von Montesa eingetreten war, hatte schon 1319 auf die Nachfolge verzichtet. Darum

Alfonso IV.

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Pedro IV., der Zeremoniöse.

folgte nun der zweite Sohn, A l f o n s o IV., der Gütige (1327—1336), dessen Kräfte zunächst durch die Kämpfe mit dem auf Aragoniena Machtentfaltung eifersüchtigen Genua in Anspruch genommen wurden. Als er gegen seine Verordnung von 1328, dafs binnen zehn Jahren kein Krongut ohne die dringendsten Beweggründe veräufsert werden dürfe, dem Sohne seiner zweiten Gemahlin Eleonore von Kastilien reichen Länderbesitz anwies und die Stände für das Recht der Unteilbarkeit des Reiches eintraten und ihre Forderungen durchsetzten, hatte die Königin auf ihre Klage, dafs ihr kastilischer Bruder solches Vorgehen als Hochverrat ahnden würde, die Antwort zu vernehmen: der König von Kastilien gebietet über Untertanen, der von Aragonien über freie Staatsbürger. 3. Alfonsos Sohn P e d r o IV., der Zeremoniöse (1336—1387), widerrief die seiner Stiefmutter gemachten Schenkungen, worauf sie die Hilfe Kastiliens anrief. Es kam zu einem längeren Streite, der im Hinblick auf die mit den Sarazenen von Marokko drohenden Kämpfe durch den Spruch eines Schiedsgerichts beigelegt wurde, wonach die Königin-Witwe zwar ihren Besitz behielt, aber auf die Ausübung der Gerichtsbarkeit verzichten mufste. Am Siege am Flusse Salado hatte Pedro IV. keinen Anteil, da ihn zuerst Unruhen auf Sardinien, dann Streitigkeiten mit seinem Vetter, dem König Jayme II. von Mallorka, der sich der Lehenshoheit entziehen wollte, in Anspruch nahmen. Da Jayme die Ladung vor des Königs Gericht unbeachtet liefs, wurde ihm der Besitz aller Lehen und Güter abgesprochen (1343) und die Balearen auf ewige Zeiten den aragonesischen Reichen einverleibt (1344). Jayme starb während der Versuche, seinen Besitz wieder zu gewinnen (1349); seinem gleichnamigen Sohne blieb nichts als der Königstitel. Waren die Unruhen auf Sardinien noch 1336 durch einen Frieden mit Genua beigelegt worden, so brach der Kampf 1347 von neuem aus, als sich das Haus Doria gegen die aragonische Herrschaft erhob und Genua den Augenblick benützen wollte, um seinen Einflufs auf die Insel zurückzugewinnen. Pedro IV. schlofs dagegen. ein Bündnis mit Venedig, und gewann bedeutende Erfolge, aber seine Herrschaft über die Insel blieb doch eine unsichere. Von der gröfsten Bedeutung war der lange Streit Pedros IV. mit seinen Stiefbrüdern, denn er rief nicht nur die Einmischung Kastiliens hervor, sondern hatte auch grofsen Einflufs auf die Verfassung von Aragonien. Da Pedro aus seiner Ehe mit Maria von Navarra keine Söhne hatte, wollte er, den Gesetzen des Landes entgegen, seiner Tochter Konstanze die Nachfolge verschaffen und bewog seinen Oheim Pedro und einzelne Grofse ihr die Huldigung zu leisten (1347). Damit wurden die Rechte Jaymes, des Grafen von Urgel, und der übrigen Mitglieder vom Mannestamm des königlichen Hauses verletzt, denen nach heimischem Recht ein näheres Recht auf die Krone zustand. Für Jayme traten nicht blofs dessen Stiefbrüder Fernando und Juan, sondern auch die Stände in die Schranken. Es bildete sich eine Union zur Wahrung der verletzten Rechte, die auch in Valencia Nachahmung fand und den König 23*

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Fortbildung der ständischen Rechte Aragoniens.

bewog, seine Anordnungen zu widerrufen. Kaum aber fühlte er sich durch seinen Anhang in Katalonien und Valencia genügend gekräftigt, als er dagegen protestierte. Nach Jaymes Tode trat der Infant Fernando an die Spitze der Union; wiewohl er als Neffe Alfons' X I . von Kastilien dessen Unterstützung fand, endete der Kampf doch zugunsten des Königtums, denn Pedro IV. hatte an dem tapferen Grafen Pedro von Exerica, der sich an die Spitze einer Gegenunion stellte, eine mächtige Unterstützung gewonnen und besafs an dem staatsklugen Majordomus Bernardo de Cabrera einen trefflichen Berater. Die Union der aragonischen Stände erlitt bei E p i l a (1348) eine gänzliche Niederlage. Pedro stellte durch seinen Sieg das Ansehen des Königtums wieder her, schwur aber doch den Ständen zu, die Freiheiten, Rechte und Gewohnheiten des Landes getreu zu beobachten und setzte fest, dafs dieser Eid auch von seinen Nachfolgern und sämtlichen Beamten des Reiches geleistet werden solle. Zugleich' wurde dem Justitia eine Gewalt übertragen, welche die konstitutionellen Freiheiten mehr sicherte, als dies durch die Union möglich gewesen wäre: er wurde der verfassungsmäfsige Richter in allen künftigen Streitigkeiten zwischen Königtum und Ständen und der Stände untereinander. Nun wurde auch Valenzia unterworfen. Die Union wurde bei Miglata (1348, Dezember) geschlagen. Die Schuldigen wurden härter gestraft als in Aragonien, auch erhielt der Justitia hier geringere Rechte. Die Ruhe wurde noch mehr befestigt, als des Königs dritte Gemahlin, Eleonore von Sizilien, ihm einen Sohn gebar, den Infanten J u a n , denn nun waren die Ansprüche des Infanten Fernando vernichtet, und die Partei, die zu ihm gehalten hatte, löste sich auf. Mit Pedro dem Grausamen führte Pedro IV. einen fast ununterbrochenen Kampf; wie jener die Ansprüche des Infanten Fernando, unterstützte dieser Heinrich von Trastamara. Der Krieg mit Kastilien fand erst durch den Frieden von Almazan (1374, 10. Mai) ein Ende; Pedro IV. gab seine kastilischen Eroberungen gegen den Ersatz der Kriegskosten zurück und vermählte seine Tochter Eleonore mit dem kastilischen Thronerben Johann. Im Juli 1377 starb König Friedrich III. von Sizilien, ohne einen legitimen Sohn zu hinterlassen. Als Erben des Reiches bestimmte er seine Tochter M a r i a und, wenn diese ohne legitime Erben stürbe, seinen unechten Sohn Wilhelm; falls auch dieser ohne legitime Söhne abginge, sollte das Königreich Sizilien an seine Schwester E l e o n o r e fallen, die mit Pedro IV. vermählt war. Pedro erhob indes schon jetzt, gestützt auf das Testament Friedrichs II., auf das ganze Erbe Anspruch und setzte ihn trotz der Gegnerschaft Urbans VI. auch durch. Indem er sich Titel und Herrschaft über Sizilien für seine Lebenszeit vorbehielt, ernannte er seinen jüngeren Sohn Martin 1380 zum Generalstatthalter von Sizilien, worauf sich auch die Herzogtümer Athen und Neopatria der Krone Aragoniens unterwarfen. Die letzten Zeiten seines Lebens wurden durch Streitigkeiten mit seinem älteren Sohne Johann getrübt, die durch seine vierte Gemahlin Sibilla de Forcia hervorgerufen worden waren. Als Pedro IV. am 5. Januar 1387 starb, folgte ihm in dem Besitz Aragoniens Johann I.

Portugals Fortschritte unter K. Diniz.

Die Universität Coimbra.

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§ 85. Die Entwicklung Portugals rom letzten Viertel des 13. bis zum letzten Viertel des 14. Jahrhunderts. 1. Seit Portugal im Kampfe mit den Mauren seine natürlichen Grenzen erreicht hatte, konnte es sich ungestört entwickeln. Unter der Fürsorge weiser Könige fielen hier frühzeitig die Schranken, die die einzelnen Stände voneinander schieden. Während der Friedensjahre gelangten die Städte zu Reichtum und Macht; im Verkehr zwischen Bürgertum und Adel trat ein Zustand ein, der sich mit dem der italienischen Städterepubliken vergleichen läfst. Begründer dieser Blüte war König D i n i z (1279—1325), den die dankbare Mitwelt el Jiisto (den Gerechten) oder el Labrador (den Ackerbauer) genannt hat. Schon bei Lebzeiten seines Vaters an der Regierung beteiligt, bestieg er mit 18 Jahren den Thron. Drei Jahre später heiratete er Isabella, die Tochter Pedros III. von Aragonien, eine Urenkelin Kaiser Friedrichs II., deren hohe Tugenden sie in den Ruf der Heiligkeit brachten. In seinem Eifer, die der Krone entfremdeten Güter und Gerechtsame wieder zu gewinnen, kam er in schwere Streitigkeiten mit dem Klerus. Kirchenstrafen und Interdikte folgten, bis (1289) ein Konkordat — die erste Konkordia — den Frieden herstellte. Doch bedurfte es noch zweier Konkordien, bis das Einvernehmen zwischen Staats- und Kirchengewalt gesichert war; immerhin endete der Streit hier nicht mit einer Niederlage des Königtums. Das von den Cortes (1291) beschlossene Amortisationsgesetz verbot die fortgesetzte Bereicherung des Klerus durch Verkäufe, Schenkungen und Vermächtnisse. Das selbständige Vorgehen der Krone der Kurie gegenüber zeigte sich auch später noch im Templerprozefs, denn die Stiftung des C h r i s t u s o r d e n s bedeutete in Wirklichkeit nichts anderes, als die Wiederherstellung der Templer unter anderm Namen (1319). Sie erhielten all ihr Gut zurück und dazu noch als Hauptsitz das stark befestigte Castro Marim in Algarve. Die Beziehungen des Königreiches zu den auswärtigen Mächten waren meist friedliche. Nur durch den Infanten Alfonso, der übrigens auch das Königtum Diniz' durch haltlose Ansprüche anfocht, wurde Portugal eine Zeitlang in die Thronstreitigkeiten Kastiliens verwicklt. Hervorragend sind die Verdienste des Königs Diniz um die Förderung der materiellen und geistigen Interessen des Landes. Die gröfste Sorgfalt verwendete er auf den Anbau des Landes. Da wurden Sümpfe entwässert, wüste Ländereien unter den Pflug genommen und eingegangene Ortschaften wiederhergestellt. Bergbau und Handel erfuhren die Fürsorge des Königs. Schon konnte sich die portugiesische Marine an gröfsere Aufgaben an der afrikanischen Küste wagen. Für die geistigen Bedürfnisse des Volkes wurde 1290 in Lissabon eine Universität errichtet, die 1308 nach Coimbra verlegt wurde. Die letzten Jahre des Königs waren durch Streitigkeiten mit seinem Sohne Alfonso getrübt, der von der Sorge beherrscht war, der Vater möchte die Krone seinem natürlichen Sohne Alfonso Sanchez hinterlassen. 2. A l f o n s o IV. (1325—1357) behielt das Mifstrauen gegen seinen Bruder bis zu dessen Tode bei. Einem Lieblingswunsche der Königin

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Alfonso IV. Der Sieg am Salado. Inez de Castro.

folgend hatte der König seine Tochter Maria mit Alfonso XI. von Kastilien vermählt. Sein Sohn, der Thronerbe Pedro, vermählte sich seinerseits mit Blanka, der Tochter des Infanten Pedro von Kastilien. Die beiden von der Politik geschlossenen Ehen waren unglücklich. Wie Alfonso XI. von Kastilien seine Glinst Eleonoren von Guzman zuwandte, veretiefs Pedro seine Gattin Blanka und vermählte sich mit Konstanze, der früher von Alfonso XI. zurückgewiesenen Tochter des Infanten Juan, Herzogs von Villena. Darüber kam es zu einem Kriege zwischen Portugal und Kastilien, der schließlich durch die Vermittlung des Papstes beigelegt wurde (1339). Beide Staaten einigten sich nunmehr zum Kampfe gegen die Mauren, und der grofse Sieg am S a l a d o war wesentlich ein Verdienst Alfonsos IV. Grofsmütig verzichtete er auf die reichen Kriegstrophäen zugunsten seines Schwiegersohnes. — In Portugal selbst kam es wenige Jahre nachher zu tragischen Ereignissen im königlichen Hause. Mit Konstanze war als deren Verwandte und Hoffräulein Inez de Castro an den Hof gekommen und hatte durch Schönheit und Anmut den Erbprinzen derart gefesselt, dafs er sich, als er Witwer geworden, heimlich mit ihr vermählte. Sie gebar ihm vier Kinder. Mifsgünstig blickten die Grofsen auf den Einflufs ihrer Brüder; die Sache erhielt ein gefährlicheres Aussehen, als sich zahlreiche Kastilianer vor Pedro dem Grausamen nach Portugal flüchteten. Je eifriger der Infant sich dem Wunsche des Königs und der Grofsen, sich wieder zu vermählen, entgegensetzte, um so mehr wuchs der Verdacht, dafs er heimlich mit Inez vermählt sei. Im Rate des Königs brach sich die Überzeugung durch, dafs nur ihr Tod das Reich vor grofsen Gefahren zu schützen vermöge. Während der Infant auf der Jagd weilte, wurde sie trotz ihres Flehens um Schonung mit Wissen des Königs ermordet (1355). Aus Schmerz und Rachsucht griff Pedro zum Schwerte; endlich gelang es seiner Mutter, ihn friedlich zu stimmen. Die drei Hauptschuldigen befolgten aber den Rat, den ihnen der König selbst gab, aus dem Lande zu fliehen. Hatten die Kämpfe Alfonsos IV. ihm den Vorwurf eingetragen, ein undankbarer Sohn, ein ungerechter Bruder und grausamer Vater gewesen zu sein: für sein Land und Volk war seine Regierung, die er im Geiste seines Vaters führte, eine wohltätige, und wenn er gegen Bruder und Sohn mit starrer Strenge einschritt, geschah es, weil er die Pflichten als Regent über die des Bruders und Vaters stellte. 3. P e d r o I. (1357—1367) nahm an zweien der Mörder, die Kastilien ausgeliefert hatte, grausame Rache. Der dritte war nach Frankreich entkommen. Vor den Grofsen erklärte er hierauf seine Ehe mit Inez als eine rechtmäTsige und veranstaltete ihr eine glänzende Krönungs- und Totenfeier. Gleich seinem Vater und Grofsvater auf die Hebung des Landes bedacht, einigte sich Pedro mit den Cortes (1361) zur Abstellung verschiedener Mifsbräuche. Er bestätigte den Gemeinden ihre Gerechtsame und Freiheiten, sorgte für geordnete Verwaltung und bessere Handhabung der Justiz und überwachte mit unnachsichtiger Strenge die Einhaltung seiner Anordnungen — einer Strenge, die ihm den Beinamen des Strenggerechten, ja des Grausamen, eintrug. Nicht selten verschärfte

Blüte Portugals unter Pedro I.

Verfall unter Fernando.

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er die Urteile des Richters. Gesetz und König waren ihm dasselbe, weshalb er in der Verletzung des Gesetzes eine solche seiner eigenen Person erblickte. Nahm unter seiner friedlichen, durchaus geordneten Verwaltung Portugal einen Aufschwung, dafs man am Grabe dieses Königs sagen durfte: Solche zehn Jahre hat Portugal niemals gehabt, so verschleuderte sein Sohn F e r n a n d o (1367—1383), was vier Könige gesammelt und aufgebaut hatten. Hatten sich diese von kriegerischen Verwicklungen fern gehalten, so erschöpfte er durch seine unbesonnenerweise unternommenen Kriege gegen Heinrich Trastamara die Mittel des Landes. Wiewohl er sich nach dem ersten Friedensschlufs (1371) mit der kastilischen Infantin Leonore verlobt hatte, fiel er in die Schlingen der schönen Gattin eines angesehenen Edelmannes, Leonore Teiles, entführte sie und machte sie trotz des allgemeinen Unwillens zu seiner Gemahlin. Sie verstand es zwar, sich durch Anmut, Leutseligkeit und Freigebigkeit einen Anhang zu schaffen, die Masse des Volkes blieb ihr aber immer abgeneigt. Der zweite Krieg, den Fernando im Bunde mit Lancaster (s. oben) gegen Kastilien führte, endete (1373) unrühmlich wie der erste. Der Hais des Volkes gegen die Königin wuchs, als sie des Königs Bruder Johann, der sich mit ihrer schönen und tugendhaften Schwester Maria Teiles, der Witwe des angesehenen Edelmannes Alvaro Diaz di Sousa, vermählt hatte, durch die Hoffnung auf die Hand ihrer Tochter Beatrix und die Nachfolge in Portugal zur Ermordung seiner Gemahlin verleitete, ihn aber eben dadurch um die Nachfolge brachte. Die ihm zugesagte Prinzessin wurde mit dem Erben Kastiliens und als Fernando sich nochmals gegen dieses mit England verband, mit dem Sohne des Herzogs von Cambridge, hierauf nach dem unglücklich geführten Kriege abermals mit dem kastilischen Thronerben verlobt, schliefslich mit König Johann von Kastilien selbst, der während des Krieges Witwer geworden war, vermählt. Für Portugal bestand demnach beim Tode Fernandos die Gefahr, mit Kastilien vereinigt zu werden. 6. Kapitel.

Der Norden and Osten Europas und der Ausgang Karls IV. § 86. Die nordischen Staaten bis zum Aasgang der alten Dynastien. Q u e l l e n s. § 13. Dazu Diplomat. Isl!* II (bis 1350) und HI. (bis 1416). Kop. 1893—96. Urk. Mat. auch in S t y f f e , Bidrag tili Skandinaviens Historia I, 1314—97, II bis 1448. Stockh. 1859—64. Die Zahl der darstellenden Quellen steht zu ihrer Bedeutung in keinem Verhältnis. S. d. Vera, bei Potthast II, 1724—27. Daraus die Narratio litis inter Christophorum I regem Daniae et Jacobum etc. Langeb. V, 583—614. MM. Germ. 8S. X X I X , 214. LH. bei Potth. II, 805. Actiones adversariae Erici regis et Johannis archiep. Lund. coram curia 1296—1299, ib. VI, 276—372. Actio in Esgerum arch. Lund. cor. pontif. Rom. a. 1317, ib. VI, 536 — 545. Die Hakonar-Saga and a fragment of Magnus-Saga, ed. Vigfusson in Rolls Ser. 88, reicht v. 1203—1276. H i l f s s c h r i f t e n wie § 13. Dazu: D. S c h ä f e r , Die Hansestädte und König Waldemar von Dänemark bis 1376. Jena 1879. D. S c h ä f e r , Gesch. der Hanse und Lindner wie oben. D a e n e 11, Gesch. d. Hanse in der 2. Hälfte des 14. Jahrh. Leipz. 1897,

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Niedergang der dänischen Königsmacht seit Waldemar Q.

W. S t e i n , Beitr. z. Gesch. d. d. Hanse bis am d. Mitte des 15. J&hrh. Giefsen 1900. O e h l e r , Die Bez. Deutschlands za Dänemark v. d. Köln. KonfOder. bis zam Tode KarlsIV. Halle 1892. G i r g e n s o h n , Die skand Polit d. Hanse 1375—%. Upsala 1899. De n i c k e , Die Hansestädte, Dänemark u. Norwegen 1369—76. Halle 1880. K e u t g e n , Die Bez. d. Hanse zu England. Giefsen 1890. M e i n h a r d , Valdemar Allerdag 1880. B o s e n o r n , Greve Gert of Holsten etc. Kop. 1901. H i l d e b r a n d , Sverriges Medeltid 1350-1521. Stockh. 1817. Ober Quellen a. Hilfsschr. s. auch unten, § 130.

1. Seit Dänemark infolge des Verlustes seiner Vormachtstellung im Norden Europas unter Waldemar II. die jüngeren Königssöhne nicht mehr mit auswärtigen Ländern versorgen konnte, sondern mit dänischen Landesteilen ausstattete, kam es zu einer Zerrüttung des Reiches, die fast 100 Jahre andauerte. Schon unter Waldemars II. nicht unbegabtem Sohne E r i c h (1241 —1250), wegen einer den Bauern auferlegten mifsliebigen Steuer, der » P f l u g p f e n n i g « genannt, kam der Satz zur Geltung, dafs der König seine Würde der Wahl der Grofsen verdanke. Sein Bruder A b e l (1250—1252) wurde erst gewählt,- nachdem er sich von dem Verdacht der Teilnahme an dem Morde gereinigt hatte, dem Erich erlegen war. Ein Freund der Städte, wie denn auch zu seinem Krönungsreichstage zum erstenmal Städtevertreter erschienen, fand er im Kampfe gegen die Friesen, die sich weigerten, den Pflugpfennig zu zahlen, den Tod. Die Regierung seines Bruders C h r i s t o p h (1252—1259) ist durch seinen Streit mit dem Erzbischof Jakob von Lund bemerkenswert, der, ohne den König zu fragen, das Erzbistum an sich genommen hatte. Indem Christoph dem Klerus seinen Schutz entzog und ihn so allen Angriffen aussetzte, wurde das Interdikt über das Land verhängt. Der Kampf endete erst unter seinem Sohne E r i c h Glipping (1259—1286) und zwar auch hier mit einer Minderung der königlichen Gewalt. Wichtige Kronrechte gingen an Adel und Geistlichkeit verloren. Während diese Zusicherungen gegen willkürliche Verhaftung lind Strafen erhielten, geriet der Bauernstand allmählich in Leibeigenschaft. Auf dem Reichstag von 1282 mufste Erich geloben, alljährlich zur Fastenzeit eine Reichsversammlung zu berufen. Die Kämpfe seines Sohnes E r i c h M e n v e d (1286 —1319) mit dem Erzbischof von Lund und Bonifaz VIII. endeten mit einer vollständigen Niederlage des Königs. Ebenso unglücklich war er in seinen Streitigkeiten mit Norwegen und Schweden, und trotz einzelner Erfolge mifslang sein Versuch, Transalbingien und Mecklenburg wieder an Dänemark zu bringen. Sein Bruder C h r i s t o p h II. (1320—1326), als Freund der Deutschen unbeliebt, hatte vor seiner Wahl eine Kapitulation beschworen, die die Rechte des Königtums noch mehr einengte. Solche Kapitulationen sind bei allen späteren Königswahlen bis zur Einführung des Erbrechtes der Krone und des absoluten Königtums (1660) in Gebrauch. Alljährlich sollte ein Parlament zusammentreten, wegen freier Verteidigung der Landesrechte niemand zur Verantwortung gezogen und neue Gesetze nur mit Zustimmung der Reichsversammlung erlassen werden. Öffentliche Volksgerichte sollten Freiheit und Eigentum der einzelnen schirmen. Von den Gerichten durfte an den König und zuletzt an das Parlament appelliert werden. Verhaftungen sind nur auf Grund gerichtlicher

Drohender Zerfall Dänemarks.

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Untersuchung gestattet. Zwar werden auch Freiheit des Handels und des Bürgerstandes Rechte verbürgt, am meisten ist aber für Klerus und Adel gesorgt, denen der ruhige Besitz des auf Kosten der Krone erworbenen Gutes gesichert ist. Bezüglich der Steuern und Abgaben ist das Königtum an ihre Zustimmung gebunden. Stärker als früher wird nun auch die Oberherrlichkeit des Papsttums über Dänemark betont, indem der Papst den Ständen verbot, den König zu krönen, es sei denn mit Zustimmung des Erzbischofs von Lund.1) Der König hatte mit alledem versprochen, was er weder halten wollte noch konnte. Unter dem Vorwand, die Schulden seiner Vorgänger zu bezahlen, legte er (1323) eine starke Steuer auf Klerus und Adel als Besitzer des Krongutes. Hierüber kam es zu schweren Kämpfen. Der König und sein bereits zum Nachfolger gewählter Sohn Erich wurden zur Flucht genötigt und Graf Gerhard von Holstein als Reichsverweser eingesetzt (1326). Während Christoph II. mit Hilfe deutscher Fürsten sein Reich wieder zu gewinnen hoffte, wählten die Stände Gerhards Neffen und Mündel, den zwölfjährigen Herzog Waldemar III. (1326—1330) zum König. Indem sich Gerhard den Besitz von Südjütland (Schleswig) auf immerwährende Zeiten übertragen liefs, wodurch Schleswig und Holstein vereinigt wurden, und auch andere Grofse durch Übertragung von Lehen zu gewinnen hofften, gewann es den Anschein, als würde sich Dänemark in eine Anzahl voneinander unabhängiger Fürstentümer auflösen.2) Dies und der Unmut der Dänen über die Begünstigung der Holsteiner führten C h r i s t o p h II. (1330—1332) auf den Thron zurück.3) Doch schon im folgenden Jahre brachen neue'Kämpfe aus, und Christoph mufste seinem Gegner Gerhard Fünen und Nordjütland pfandweise überlassen. Des Königs Sohn Erich war im Kampfe gefallen; der König selbst starb im nächsten Jahre. Wohl suchte nun sein Sohn Otto die Krone zu gewinnen, dem »grofsent Grafen Gerhard war er aber nicht gewachsen; dieser konnte daran denken, selbst die Herrschaft über Dänemark zu gewinnen. Das holsteinische Regiment war jedoch so verhafst, dafs sich Schonen lieber an Norwegen anschlofs, dessen König Magnus mit dem Papste in Verhandlung trat, um ganz Dänemark zu gewinnen.4) Dieses Reich bestand jetzt aus vier voneinander unabhängigen Gebieten: Nordjütland mit Fünen und Holstein unter den holsteinischen Grafen Gerhard und Johann, Schleswig unter dem ehemaligen König Waldemar III. und Schonen unter Magnus. Dieses »Zwischenreich« dauerte acht Jahre und fand erst ein Ende, als Gerhard (1340) dem Hasse der Dänen erlegen war. Unter Kaiser Ludwigs Vermittlung kam es zu einem Vergleich zwischen Gerhards Söhnen und Waldemar III., nach welchem dieser auf die Krone verzichtete und seine Schwester mit W a l d e m a r IV., dem Sohne Christophs II., vermählte, der nun von den Grofsen zum König gewählt wurde. Damit fand die traurigste ') ») *) *)

Eayn. ad. a. 1320. Dahlmann I, 461—464. Aus dieser Zeit stammt der Planctus de statu regni Daniae bei Langebeck VI, 651. Dahlmann, 477.

Norwegen.

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Schweden unter den ersten Folkungern.

Periode der dänischen Geschichte ihren Abschlufs. Je trostloser sich die politischen Zustände Dänemarks in dieser Zeit gestaltet hatten, um so hilfloser stand es der Hanse gegenüber, die sich unter diesen Verhältnissen zur Vormacht des Nordens erhob. 2. Auch in Norwegen geriet schon Magnus Lagabetters (§ 13) Sohn E r i c h II. (1280—1299), wegen seines von den Bauern gegen Klerus und Adel unterstützten Versuches, die Übermacht der Hierarchie zu brechen, der Priesterfeind genannt, in einen aussichtslosen Kampf mit der Hanse, die eben jetzt den ausschliefslichen Handel in Norwegen erlangte. Sein Bruder H a k o n VII. (1299—1319) stellte die guten Beziehungen zur Kirchengewalt wieder her. Ein Versuch, seiner Tochter Ingeborg die Nachfolge zu verschaffen, mifslang, doch wurde ihr Sohn Magnus (Smek), den sie ihrem Gemahl, Erich von Schweden, geboren hatte, nach Hakons Tode gewählt, so dafs, da Magnus (1319—1363) auch in Schweden zur Regierung gelangte, beide Reiche durch Personalunion miteinander vereinigt waren. — Wie die dänische und norwegische ist auch die schwedische Geschichte dieses Zeitraums von inneren Kämpfen angefüllt. 3. Für den ersten Folkunger W a l d e m a r I. (1251—1275) führte dessen tatkräftiger Vater Birger Jarl (f 1266) lange Zeit die Regierung, warf aber durch die Bestimmung, dafs auch seinen jüngeren Söhnen Teile des Reiches zugewiesen würden und die Töchter das Recht erhielten, halb soviel als die Söhne zu erben, die Fackel der Zwietracht in das eigene Haus. Mit Hamburg und Lübeck, sowie mit England wurde ein reger Verkehr unterhalten und Stockolm, das vielleicht schon länger bestand, mit Befestigungen versehen. Eine volkreiche Stadt wurde es erst im 14. Jahrhundert. 1 ) Waldemar verlor unter seinen Liebeshändeln das Reich an seinen Bruder M a g n u s (1275—1290), der sich vornehmlich auf Gerhard von Holstein und dessen deutsche Ritterschaft stützte. Seiner Sorge für den Landfrieden und das Gut der Bauern dankt er seinen Beinamen Laduläs (Scheunenschlofs); er war es, der das, was von den Bauern bisher mllkürlich erprefst wurde, in eine regelmäfsige, demnach weniger drückende, dafür aber freilich dauernde Belastung umwandelte. Indem er allen, »die zu Rosse dienten, Abgabenfreiheit gewährte«, schuf er das erste Privilegium des Adels. Auch die Geistlichkeit erhielt zahlreiche Vergünstigungen. Für seinen minderjährigen Sohn B i r g e r (1290—1318) führte der Marschall Torkel Knutson die Regentschaft. Unter ihm wurde Karehen unterworfen und Schwedens Herrschaft über Finnland ausgedehnt; bei dieser Gelegenheit erhielten die Hanseaten grofse Vorrechte. Unter Torkels weiser Regentschaft wurden die alten Volksrechte aufgezeichnet, das »Uplandsgesetz«, das von königlichen Lagmännern geprüft, von allen Männern genehmigt und vom König bestätigt wurde.2) Nachdem Torkel dem Hasse der Brüder des Königs, Erichs und Waldemars, zum Opfer gefallen war (1306), verlor der König selbst seine Gewalt an !) Geijer, S. 158. ) S. 172.

2

Dänemarks Wiederaufrichtung durch Waldemar IV.

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sie und wurde von ihnen gefangen gehalten. Nur Magnus, sein Erstgeborener, hatte sich nach Dänemark gerettet. Mit Hilfe deutscher Ritterscharen, die der Dänenkönig geworben, wurde Birger in seine Herrschaft wieder eingesetzt, doch mufsten seinen Brüdern Teile des Reiches überlassen werden. Sieben Jahre später lockte Birger sie an seinen Hof, nahm sie gefangen und liefs sie des Hungertodes sterben. Darüber entstand ein Aufruhr. Birgers Sohn Magnus wurde gefangen und wegen der Verbrechen, die sein Vater befohlen, er selbst aber nicht gehindert hatte, hingerichtet. Birger selbst, der sich aus dem Lande geflüchtet hatte, starb aus Schmerz über den schmachvollen Tod seines Sohnes. Nun wurde der erst drei Jahre alte Sohn seines Bruders Erich, M a g n u s (Smek), dem als Enkel Hakons VII. auch Norwegen zufiel (1319—1363), von den schwedischen Ständen, zu denen nun auch bereits Vertreter der Städte und Bauern gehörten, zum König gewählt. Seine schwache Regierung, die er seit 1333 selbständig führte, stand im vollen Gegensatz zu dem kraftvollen Regiment, das soeben in Dänemark unter Waldemar IV. grofse Erfolge errang. 4. Die Absichten W a l d e m a r s IV. A t t e r dag (1340—1375) gingen dahin, die alte Macht Dänemarks wieder herzustellen und das drückende Übergewicht der Hanse zu brechen. Ein kluger Politiker wie sein Zeitgenosse Karl IV., wartete er in der Politik die rechte Stunde ab, in der ihm der Erfolg gesichert warx), und war selbst zu Zugeständnissen an seine mächtigen Nachbarn geneigt, in der Zuversicht, sie bei besserer Zeitlage wieder zurücknehmen zu können. Entlegene, schwer zu behauptende Besitzungen gab er auf; so die jenseits des Oresunds (Schonen, Halland und Bleckingen), die er gegen eine Geldentschädigung an König Magnus von Schweden überliefs. Die Söhne Gerhards von Holstein liefs er im Besitz von Fünen, die dänischen Ansprüche auf Estland verkaufte er an den Deutschen Orden (1346); dagegen erwarb er von seinem Oheim, dem Grafen Johann von Holstein S e e l a n d , das von da an »der Pfeiler des Reiches« wurde, und gewann bereits 1348 Fünen zurück. Im folgenden Jahre konnte nach langer Zeit wieder ein allgemeiner Reichstag in Roeskilde abgehalten werden. Da die grofsen Verluste Dänemarks eine Folge der anarchischen Zustände unter den vorhergegangenen Regierungen waren, führte er ein scharfes Regiment und hielt es selbst gegen die bittere Stimmung, die im Adel und Volke wegen des Druckes seiner Auflagen und der Verschlechterung der Münze wider ihn herrschte, aufrecht. Doch vermied er es, allgemeine Reichsversammlungen einzuberufen, und verhandelte lieber mit den einzelnen Provinzen. Die Schwäche des Königs Magnus bot ihm Gelegenheit, sich in die Verhältnisse Schwedens, wo sich der Prinz Erich gegen seinen Vater erhoben hatte, einzumischen. Um die Dänen hiefür zu gewinnen, machte Waldemar auf dem Reichstag von 1360 das Zugeständnis, fortan im Sinne der Landesfreiheiten zu regieren und die gesetzlichen Reichs') Daher sein Beiname > Atter dag t nach seinem Wahlspruche: «Morgen ist auch ein Tag.
) Caro H, 71. ') Die böhm. Herrschaft in Polen galt sonach als Usurpation.

Kasimir der Grofse, der Bauernkönig. Karl Robert von Ungarn.

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gröfsten Teil des Halitscher Landes an sich zu bringen. Grofs waren seine Leistungen auf dem Gebiete der Verwaltung und Rechtspflege, bei denen er sich jene Einrichtungen nicht entgehen liefe, die sich in Deutschland erprobt hatten. Um den Übelständen abzuhelfen, die durch die Teilungen des polnischen Reiches bisher hervorgerufen worden waren, wurde (1347) den Ständen Grofspolens zu Petrokow, denen von Kleinpolen zu Wislitza ein Gesetzentwurf vorgelegt, der die alten Rechtsgewohnheiten des Volkes und die Verordnungen früherer Fürsten zusammenstellte und 1368 von einer gemeinsamen Versammlung geistlicher und weltlicher Würdenträger zu Wislitza als allgemeines Gesetzbuch angenommen wurde.*) Wegen der Sorge Kasimirs für den Bürger- und Bauernstand pflegt man diesen König wohl auch den Begründer des polnischen Bürgerstandes und den Bauernkönig zu nennen. Beides mit Recht; wie er die Bauern gegen den Druck des Adels in Schutz nahm, so hat er zahlreiche offene Städte mit festen Mauern umgeben und deutsche Bürger ins Land gezogen. Für die geistige Bildung des Volkes sorgte er, indem er (1364) den Grund zu der Universität in Krakau legte, die allerdings erst 1400 ihre feste Begründung erhielt. Kasimir hatte keine männlichen Leibeserben. Trotzdem die kujavische Linie zweifellos ein näheres Recht auf die Krone hatte, bestimmte er doch seinen Neffen, König Ludwig von Ungarn, zu seinem Nachfolger. 2. Im Kampfe gegen die Pfemysliden und vom Papsttum unterstützt, war in Ungarn das Haus A n j o u - N e a p e l mit K a r l R o b e r t (1307—1342) zur Regierung gekommen. Eine am Rakosfelde bei Pest tagende Reichsversammlung erklärte (1307, 10. Oktober), »ihn mit seiner Nachkommenschaft, wie es die königliche Erbfolge mit sich bringt, zum König und natürlichen Herrn anzunehmen«. 2 ) Aber der Versuch der Kurie, Ungarn in dieselbe Abhängigkeit wie Neapel zu bringen, wurde abgewiesen und ihr nur das Recht zugestanden, jenen als König zu bestätigen, den die Stände frei gewählt hätten. Es dauerte allerdings fast ein Jahrzehnt, ehe Karl Robert — trotzdem er zweimal gekrönt wurde — die allgemeine Anerkennung fand. Die Wirren der letzten Jahrzehnte hatten die ungarische Königsmacht in ihren Grundfesten erschüttert, Besitzungen und Rechte der Krone waren an die Magnaten gekommen, von denen einige, wie die S c h u b i t s c h in Dalmatien, Kroatien und Bosnien oder die C z a k y im nordwestlichen Ungarn, eine fast königliche Macht besafsen. Gegen einzelne mufste ein jahrelanger Kampf geführt werden, andere wurden durch Gnadenbezeigungen und materielle Vorteile gewonnen. Karl Robert wandte frühzeitig seine Aufmerksamkeit dem ungarischen Städtewesen zu. Städte wie Gran, Stuhlweifsenburg, vornehmlich aber Bartfeld und Kaschau erfuhren seine Gnade, und die deutsche Kolonisation machte bedeutende Fortschritte. Grofs sind die Leistungen dieses Königs für die Hebung der Wehrkraft, die Verbesserung des Finanzwesens und der Rechtspflege. Seit den zwanziger Jahren befestigte sich ') Da« Statut von Wislitza, Caro, Gesch. Polens, 589. •) Fejör V m , 1, 221.

24*

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Serbien unter Stephan Duachan. Die Walachei. Ludwig d. G. v. Ungarn.

seine Macht so bedeutend, dafs er den Reichstag zur Seite schieben konnte und durch einen Rat von Prälaten und hohen Beamten ersetzte. Nun trat er auch nach aufsen hin kraftvoller auf, ohne freilich immer die gewünschten Erfolge zu erzielen. So liefs sich Zara, das sich gegen Venedig empört und Ungarns Herrschaft angenommen hatte, nicht nur nicht behaupten, es gelang den Venezianern noch, Traü, Sebenico und Spalato zu gewinnen. Der Ban von Bosnien war tatsächlich von Ungarn unabhängig, und Serbiens Angriffe auf Südungarn mufsten mit Waffengewalt zurückgewiesen werden. Dabei wurde Serbien so wenig geschwächt, dafs es sich unter Stephan Urosch III. und S t e p h a n D u s c h a n (1331—1355) zur ersten Macht auf der Balkanhalbinsel erhob. Vergeblich war auch Karl Roberts Versuch (1330), die Walachei zu erobern. Dort hatte um 1290 R a d u N e g r u (Rudolf der Schwarze) mit rumänischen, ihres schismatischen Glaubens wegen in Siebenbürgen bedrängten Volksgenossen das w a l a c h i s c h e F ü r s t e n t u m begründet; sein zweiter Nachfolger Alexander (Bassarabe 1325—1365) konnte Karl Roberts Angriffe um so erfolgreicher abweisen, als dieser sein Augenmerk mehr den Verhältnissen des Abendlandes, vornehmlich denen Neapels, zuwandte (s. oben), in den Kämpfen im deutschen Reiche als Vermittler auftrat und in die Streitigkeiten Böhmens, Polens und des Deutschen Ordens kräftig eingriff. Wie zuWladislaw Lokietek, stand Karl Robert auch zu dessen Sohn Kasimir in freundschaftlichen Beziehungen. Da dieser von seiner Gemahlin Anna von Litauen keine Kinder hatte, fafste Karl Robert die Erwerbung Polens ins Auge und setzte es bei der Freundschaft, die ihn mit dem verwandten polnischen Königshause verband, auch durch, dafs sein älterer Sohn als Thronerbe in Polen angenommen wurde (1339). L u d w i g (1342—1382) führte die Regierung im Geiste seines Vaters, doch viel tatkräftiger und erfolgreicher weiter. Sein Ziel ging nicht blofs dahin, die dem Reiche verloren gegangenen Besitzungen wieder zu gewinnen, sondern auch Ungarns Ansprüche auf einzelne Nachbarländer zur Geltung zu bringen; er wurde hierin derart vom Glück begünstigt, dafs Ungarn unter ihm eine Ausdehnung erreichte, die es weder vor noch nach ihm jemals besessen hat. Als er die wegen der Steuergesetze seines Vorgängers erregte Stimmung unter den Sachsen Siebenbürgens beschwichtigte, fand sich der Woiwode Alexander freiwillig bei ihm ein und erkannte Ungarns Oberhoheit über die Walachei an (1343). In den nächsten Jahren wandte er sein Augenmerk teils den Verhältnissen Kroatiens und Dalmatiens zu, wo er die Grofsen und die der Schutzherrschaft Venedigs unterworfenen Küstenstädte wieder zu unterwerfen bemüht war, teils dem Königreiche Neapel, wo er die Ermordung seines Bruders Andreas rächte (s. oben). Ludwigs Oheim, König Kasimir von Polen, hatte im Kampfe gegen die Litauer (1349) zwar den gröfsten Teil der ehemaligen Fürstentümer Halitsch und Wladimir erobert, aber nicht behaupten können. Ludwig zog seinem Oheim zu Hilfe (1351) und bewog die Litauerfürsten Kieystut und Olgierd nicht blofs zum Frieden, sondern auch zur Annahme des Christentums, falls Kieystut vom Papste die Königskrone erhalte. Die Fürsten hielten sich aber wenig an ihre Zusagen;

Grölst« Ausdehnung Ungarns im Mittelalter.

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schon im folgenden Jahre zog Ludwig im Bunde mit Kasimir gegen sie zu Felde und trat diesem seine Ansprüche auf RotruTsland ab, doch unter der Bedingung, daTs dieses Land zugleich mit Polen beim kinderlosen Abgang Kasimirs an Ungarn fallen solle. 3. In den vierziger Jahren hatten Rumänen aus der Marmarosch, die unter den ungarischen Königen von alters her eine nationale Autonomie unter eigenen Woiwoden genossen1), während eines Kriegszuges Ludwigs gegen die Tataren, unter ihrem Führer D r a g o s c h , die nach dem Flusse Moldova benannte M o l d a u besetzt und die Grundlagen zu dem späteren F ü r s t e n t u m M o l d a u gelegt.2) Ludwig betrachtete es als Gebiet der ungarischen Krone. Der Woiwode Bogdan3), der gleichfalls aus der Marmarosch dahin gezogen war, richtete das Land als selbstständiges Staatswesen ein und behauptete sich gegen die Nachkommen des Dragosch ebenso wie gegen Ludwig. Er ist sonach der wahre Begründer des moldauischen Fürstentums (1348). König Ludwig mufste sich mit der Anerkennung seiner Oberhoheit und Zahlung eines Tributes begnügen. — Auch der Ban von Bosnien erkannte (1356) Ungarns Oberhoheit an; weniger richtete Ludwig gegen Stephan Duschan von Serbien aus, der sich 1346 zum Zaren der Serben hatte krönen lassen und dessen Macht von der Donau bis an die Meerbusen von Patras und Volo und von Timok bis ans Adriatische und Jonische Meer reichte. Als nach seinem Tode (1355) seine Söhne Urosch und Simeon miteinander in Streit gerieten, sammelte Ludwig ein Kreuzheer gegen die »ketzerischen« Serben, wandte sich aber gegen die Venezianer, welche die Herausgabe der dalmatinischen Städte verweigerten, und gewann im folgenden Jahre Spalato und Traü, dessen Einwohner, der venezianischen Herrschaft müde, sich an ihn anschlössen. Nach hartem Kampfe wurde auch Zara erobert, und da die ungarischen Truppen auch in der Terra firma Vorteile errangen, schlofs Venedig (1358) einen Frieden, in welchem es alle Inseln und Küstenplätze zwischen dem Quarnero und Durazzo abtrat. Zugleich verzichtete der Doge auf den Titel eines Herzogs von Kroatien und Dalmatien. Ungarn besafs nun den lang ersehnten Zutritt zum Meere. Erst jetzt wurde der Kampf gegen -Serbien erfolgreich aufgenommen; die Grofsmachtstellung dieses Staates brach schon wenige Jahre nach dem Tode ihres Begründers zusammen — freilich nicht unter den Schlägen der Ungarn, sondern der Osmanen (s. unten). Auch König Twartko von Bosnien, der von seinem Bruder und den Grofsen vertrieben, in Ungarn Hilfe suchte, erkannte dessen Oberherrschaft an. Endlich setzte sich Ludwig auch in den Besitz des zu Bulgarien gehörigen Gebietes von Widdin und bildete aus den gewonnenen Landschaften und einigen altungarischen Bezirken ein eigenes Banat. Seine Macht im Süden hatte damit ihren Höhepunkt erreicht. Mit der ungarischen Oberhoheit ging die katholische, von Franziskanern geleitete Propaganda ') Onciul, Zur Gesch. der Bukowina, S. 24. •) Den Kern des Fürstentums bildet die Bukowina. Hier war die Fürstenresidenz Suczawa, bis sie im 16. Jahrh. nach Jassy verlegt wurde. *) Die Lilien auf Bogdans Münzen weisen auf die Lilien des Hauses Anjou hin.

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Die Erwerbung Polens.

Kämpfe in Italien.

Hand in Hand. Die ungarische Macht war aber nicht stark genug, die Balkanstaaten unter ihrer Herrschaft zu behaupten. Schon 1365 weigerte sich der walachische Fürst Laie (1365—1372) eine Zeitlang, die Zustimmung Ungarns zu seiner Thronbesteigung einzuholen, und ein Krieg, der aus unbekannten Ursachen im Herbste 1368 oder im Frühjahr 1369 ausbrach, endete für Ungarn ungünstig. Um den Woiwoden an sich zu fesseln, überliefe Ludwig ihm das Gebiet von Fogarasch. Dem Beispiel der Walachen folgten die Bulgaren; um sich der Angriffe des Bulgarenkaisers Schischman zu erwehren, übergab Ludwig das Gebiet von Widdin dem Bulgaren Straiimir als Vasallenfürstentum. 4. Das Zurückweichen Ungarns bot um so gröfsere Gefahren, als eine straffere Zusammenfassung aller christlichen Kräfte auf der Balkanhalbinsel gegen die steigende Macht der Osmanen erforderlich und nur Ungarn imstande war, diesen mächtigen Feind, der sich 1356 bei Gallipoli festgesetzt hatte und 1363 Adrianopel eroberte, nach Asien zurückzuwerfen. In der Tat fafste König Ludwig 10 Jahre später auf Bitten des griechischen Kaisers den Plan, den Kampf gegen die Osmanen zu Wasser und zu Lande aufzunehmen, ohne ihn aber angesichts der allgemeinen politischen Lage durchführen zu können. Und doch drangen die Türken, nachdem sie 1371 die Serben besiegt, den König Vulkaschin getötet und die serbischen Fürstentümer in Mazedonien teils erobert teils tributpflichtig gemacht hatten, immer näher an Ungarns Grenzen heran. König Twartko von Bosnien machte sich von der ungarischen Herrschaft frei, und auch der walachische Fürst Radu II. erscheint als völlig unabhängig. Die Oberherrschaft über das westliche Bulgarien und das nördliche Serbien war gleichfalls nur noch eine nominelle. Einen Ersatz für so grofse Einbufsen bot die Erwerbung Polens, zu dessen König Ludwig am 17. November 1370 gekrönt wurde. Die Verwaltung dieses Landes übertrug er seiner Mutter Elisabeth, die ihrer Aufgabe freilich wenig gewachsen war und 1377 auf ihre Stellung verzichtete. Übrigens wurde Rotrufsland (Ende 1380 oder anfangs 1381) von Polen abgetrennt und mit Ungarn vereinigt. — Als Sprosse des Hauses Anjou wandte Ludwig den Verhältnissen Italiens grofse Aufmerksamkeit zu, unterstützte die Mission des Kardinals Albornoz und war Gegner der dem Papsttum feindlichen Visconti. Daher gelangte er in Italien zu einem Ansehen, mit dem sich das des Kaisers nicht messen konnte. Sprach man doch 1359 von einer Ersetzung Kaiser Karls IV. durch König Ludwig von Ungarn. Er half Franz von Carrara in dem Kampfo gegen Venedig, der (1373) zu dessen Gunsten endete; der Krieg wurde fünf Jahre später wieder aufgenommen; der Friede von Turin (1381) liefs auch diesmal die territorialen Verhältnisse ungeändert, bis auf Triest, das die Venezianer an den Patriarchen von Aquileja abtraten. Hatte Ludwig diesen Krieg nur lau geführt, wiewohl eine ausgiebige Schwächung Venedigs in Ungarns Interesse lag, so trugen eben auch hier wie in der Politik gegen die Balkanstaaten die angiovinischen Hausinteressen den Sieg über den Vorteil Ungarns davon. Ludwig dachte erst daran, Neapel für seine älteste Tochter Katharina zu erwerben; als diese starb, ruhten

Karl von Durazzo wird König v. Neapel.

Die ung.-poln. Grofsmacht.

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seine Pläne, bis sie in anderer Gestalt 1378 wieder aufgenommen wurden. Da die Königin Johanna beim Ausbruch des Schismas (s. unten) sich auf Avignons Seite gestellt hatte, wurde sie von Urban VI. gebannt. Neapels Krone sollte nun an den Sohn des 1348 enthaupteten Prinzen Karl von Kalabrien, Karl von Durazzo, gelangen, der an Ludwigs Hof erzogen und von ihm zum Herzog von Dalmatien und Kroatien ernannt worden war. Zu seinen Gunsten hatte Ludwig seinen Ansprüchen auf Neapel entsagt, wogegen Karl auf seine Rechte auf Ungarn und Polen zugunsten der Töchter Ludwigs verzichtete. Ein ungarisches Heer rückte in Italien ein; Karl wurde vom Papste mit Neapel belehnt (1381), Johanna im Castell dell' Uovo belagert, gefangen genommen und (1382) erdrosselt. Noch in demselben Jahre starb König Ludwig selbst. War seine Macht nach aufsen hin eine überragende, so waren auch die Zustände im Innern Ungarns befriedigendere als jemals zuvor. Ludwig hat im Geiste seines Vaters die Macht des Königtums gestärkt und gehoben, und nie war die Königsmacht in Ungarn so unumschränkt als damals. Der Reichstag wurde nicht einberufen und die wichtigsten Angelegenheiten mit einem dem Könige durchaus ergebenen Rate • von Prälaten, Magnaten und Würdenträgern erledigt. Bei dem guten Zustand der Finanzen konnte Ludwig der Bewilligungen des Reichstages entraten. Um den Adel für seine Kriege zu gewinnen, gewährte er ihm reichliche Vergabungen; die Städte wurden zwar begünstigt, nicht selten aber doch derart mit Steuern belastet, dafs.sie zu Aufständen geneigt waren. Ludwig hob Handel und Gewerbe, freilich auch nur, um sie für seine Finanzen auszubeuten. Für die höhere Bildung im Lande wurde 1367 in Fünfkirchen eine Universität gestiftet, welcher der Papst aber die theologische Fakultät versagte. Alles in allem erschien die ungarisch-polnische Groismacht nach aufsen hin bedeutender als sie in Wirklichkeit war; das Wichtigste wurde aufs er acht gelassen, sie gegen die anwachsende Türkenmacht zu einem unüberwindlichen Bollwerk auszugestalten. § 89. Die letzten Regierungsjalire Karls IY. und der Ausgang des ayignoneslschen Papsttums. Q u e l l e n wie oben. Für die Wahl Wenzels s. noch deutsche Reichstagsakten 1. München 1868. Zur Gesch. Gregors XI. Die Vita Gregorii prima Ms quarta. Baluze, Vitae pap. Aven,, S. 425 ff. Muratori III, 2. 645 ff. Itinerarium D. Greg. XI. inceptum XIII. Sept. a. 1376 a Petro Aurelio Alectensi exaratum. Murat. III, 2. Zur Reise Karls IV. nach Frankreich die Entrevue du Charles IV . . . et de Charles V p. p. Godefroy. Paris 1614. H i l f s s c h r i f t e n wie oben. Dazu K i r s c h , Die Bückkehr der Päpste Urban V. und Gregor XI. von Avignon nach Rom. Paderborn 1898. S c h o l z , Die Rückkehr Gregors XI. von Avignon nach Rom. Progr. Hirschb. 1884. M i r o t , La politique pontif. et le retour du Saint Siege ä Rome en 1376. Paris 1899. Sylvestre, Budes et les Bretons en Italie. BÜCh. L V n i . Zur Wahl Wenzels s. L i n d n e r . Gesch. d. d. Reiches unter K.Wenzel I H e n r i c h , De Wenceslai regni Romanorum electione 1868. J e n k n e r , Über die Wahl König Wenzels 1873. L i n d n e r , Die Wahl König Wenzels Forsch. XIV, 240 ff. H ö f l e r , Karls IV. Ordnung der Nachfolge im Reich. 1376. MVGDB. HI. Wenzels von Luxemburg Wahl zum römischen König 1376. Wien. SB. LX, 649—674. W e i z s ä c k e r , Rense als Wahlort. Abh. d. Berl. Ak. 1891. S c h m i d t , Die staatsrechtliche Anwendung der Goldenen Bulle bis zum Tode Sigmunds. Halle 1894.

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Karl IV. and die Wittelsbacher.

K l ü p f e l , Der Schw. Band. HT. VIF., 2. L i n d n e r , Zur Gesch. des schwäb. StOdtebondes. Forsch. XIX, s. anch V i s c h e r . Ebenda II n. IQ. Vochezer, ebenda XV. J a c o b s e n , Die Schlacht bei Reutlingen. 1882. Für die Bez. zu Frankr.: G o t t l o b und Fournier w. o. S c h o l z , Die Zusammenkunft Karls IV. u. Karls V. v. Frankr. Progr. Brieg 1877. W i n k e l m a n n , Die Beziehungen Karls IV. zum Königreich Arelat. StraTsbnrg 1827. V a l o i s , Le Projet de manage entre Louis de France et Catherine de Hongrie et le voyage de l'empereur Charles IV ä Paris. Paris 1893. Zur Ländert: die oben genannten Handbücher zur böhm. Gesch. Dazu G e l b e , Herzog Johann von Görlitz NL. Mag. LIX. S c h l e s i n g e r , Eine Erbteilungs- u. Erbfolgeordnung v. 21. Dez. 1376. MVGDB. XXXI, 1.

1. Die bayrischen Herzoge hatten den Verlust Tirols lange Zeit hindurch nicht verschmerzen können und noch 1365 Verträge mit Meinhard von Görz gegen Österreich geschlossen. Während sich die Habsburger, denen es seit Rudolfs IV. Tode an einer zielbewufsten Leitung fehlte, an den Kaiser anschlössen, lehnte. Bayern sich an Ungarn an, zu dem sich Osterreich in gespannten Beziehungen befand, seitdem das Verlöbnis Elisabeths, der voraussichtlichen Erbin König Ludwigs, mit Herzog Albrecht von Osterreich aufgelöst wurde. Karl IV. hatte die Habsburger versöhnt, indem er . dem Herzog seine eigene Tochter Elisabeth als Gattin anbot. Die Verstimmung zwischen Osterreich und Ungarn blieb bestehen. Die bayrischen Herzoge schlössen mit Ungarn einen Vertrag, der sogar die Teilung des österreichischen Gebietes in Aussicht nahm (1367). Aber Osterreich konnte auf die Hilfe Karls IV. und der in Osterreich begüterten geistlichen Fürsten des Reiches rechnen. Da Ungarn sich schliefslich ruhig verhielt, hatte der Feldzug, den die Bayern 1368 gegen Tirol unternahmen, einzelner Vorteile ungeachtet, nicht den gewünschten Erfolg. Im Frieden von Schärding verzichteten sie (1369, 29. September) gegen eine Geldentschädigung und einige feste Plätze endgültig auf Tirol. So hatte sich auch dieses Mal das luxemburgische Haus in Gegensatz zu den Wittelsbachern gestellt. Um so eifriger schlössen sich diese der Koalition an, die König Ludwig gegen den Kaiser zustande gebracht hatte. Auch der Pfalzgraf war diesmal geneigt, für die Interessen des wittelsbachischen Gesamthauses einzutreten. Noch mehr war dies mit dem Markgrafen Otto von Brandenburg der Fall. Schon 1370 fafste der Kaiser den Verdacht, dafs Otto den mit den Luxemburgern geschlossenen Erbvertrag brechen und Brandenburg den Söhnen seines Bruders Stephan zuwenden wolle. Um ihm zuvorzukommen, erwarb er Fürstenberg a. d. Oder, liefs es als Stützpunkt für einen Angriff auf Brandenburg befestigen, zog Herzog Magnus von Braunschweig von seinem Bunde mit Otto ab, brachte Pommern und Sachsen auf seine Seite und wufste auch diesmal die Interessen der Wittelsbacher zu teilen. Indem er Wenzel mit Johanna, der Tochter Herzog Albrechts von Straubing, vermählte, und dessen gleichnamigen Sohn mit seiner Tochter Anna verlobte, erhielt er sogar noch die Aussicht auf den Erwerb eines Teils von Niederbayern. Otto von Brandenburg war isoliert, denn seine Bundesgenossen waren fern. Dahin gelangt, richtete der Kaiser an ihn die Forderung, schon jetzt der Regierung zu entsagen. Otto trat dagegen in der Hoffnung auf die Hilfe

Die Luxemburger erwerben Brandenburg.

Die Nachfolgefrage.

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des Pfalzgrafen, der bayrischen Herzoge, Ungarns, Salzburgs und Meifsens gegen den Kaiser auf, der ihm nun (1371, 22. Juni) den Krieg erklärte und in die Mark einbrach. Eine Reihe glücklicher Ereignisse besserte die Lage des Kaisers: die Wahl Gregors XI., der für ihn eintrat, der Tod Kasimirs von Polen, wodurch Ungarns Kraft auf Polen gelenkt wurde, der Tod Gerlachs von Mainz, der sich gleichfalls den Gegnern des Kaisers zugesellt hatte, nun aber durch einen Verwandten Karls ersetzt wurde. Es half Otto wenig, dafs Dänemark die Herzoge Pommerns zum Frieden bewog. Wohl brachen die Ungarn in Mähren ein, Karl schlofs aber mit Ludwig einen Waffenstillstand bis 1373 und benützte die Zwischenzeit, den Bund seiner Gegner völlig zu sprengen. Schliefslich war Otto von Brandenburg auf seine eigenen Kräfte angewiesen. Unter diesen Umständen kam es am 15. August 1373 zu dem Frieden von F ü r s t e n w a l d e , in welchem Otto gegen Zahlung von 500000 Goldgulden, die Beibehaltung des Titels und der Rechte eines Kurfürsten und den Nutzgenufs einiger oberpfälzischer Schlösser, Brandenburg schon bei Lebzeiten an die Luxemburger abtrat. Von den drei grofsen Erwerbungen Kaiser Ludwigs war sonach auch die zweite für Wittelsbach verloren. Der Erwerb Brandenburgs durch den Kaiser hatte zur Folge, dafs er nun auch den maritimen Interessen des Reichs näher trat. Doch dauerte seine Regierung nicht mehr lange genug, um auf die Staaten des Nordens noch einen gröfseren Einflufs zu gewinnen. 2. Die grofsen Landerwerbungen des Kaisers konnten, wie das wittelsbachische Beispiel gelehrt hatte, nur dann als gesichert angesehen werden, wenn es ihm gelang, seinem Hause auch die Kaiserkrone zu verschaffen. Wenn er starb, ohne die Nachfolge im Reiche zu dessen Gunsten geregelt zu haben, stand bei der ungeheuren Macht Böhmens zu gewärtigen, dafs sich die Rivalen dieses Hauses gegen die Wahl eines Luxemburgers aussprechen würden. Wiewohl nun die Goldene Bulle die Königswahl erst nach der durch Tod erfolgten Erledigung des Thrones in Aussicht nahm, gingen Karls Bestrebungen dahin, noch zu seinen Lebzeiten die Krone des Reiches seinem bereits zum König Böhmens gekrönten Sohne Wenzel zu verschaffen. Seine Bemühungen reichen schon in das Jahr 1367 zurück. Bei der Schwierigkeit, die Kurfürsten schon jetzt zu gewinnen, suchte er zuerst Anschlufs an die Reichsstädte. Seit der Erwerbung der Mark Brandenburg begannen die Verhandlungen mit den einzelnen Kurfürsten, von denen nur einige, wie Trier und Pfalz, schwer zu gewinnen waren. Die Preise für die einzelnen Stimmen waren je nach der Schwierigkeit, sie zu erlangen, verschieden, alle aber sehr bedeutend. Aufser den Kurfürsten wurden auch die mächtigeren Fürsten des Reiches, wie Osterreich, Württemberg u. a., bewogen, Wenzels Wahl anzuerkennen. Da dieser noch jung an Jahren war, mufste gewartet werden, bis er das 15. Lebensjahr erreicht hatte und damit nach altem Rechte mündig wurde. Trotzdem die Goldene Bulle das Approbationsrecht der Wahl durch die Kurie nicht anerkennt, legte Karl auch auf ihre Zustimmung grofses Gewicht. Diese verlangte Erneuerung der von Karl IV. dem Papste Klemens VI. ge-

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Rückkehr d. pftpstL Stuhles nach Rom. Die Königswahl Wenzels.

schworenen Eide. Sie stellte sich damit auf einen Standpunkt, der mit ihrer augenblicklichen Lage nichts gemein hatte. Auf dem päpstlichen Stuhl safe G r e g o r XI. (1370—1378), ein Mitglied der Familie Roger, die seit Klemens VI. einen grofsenTeil der obersten kirchlichen Ämter und damit den ganzen Einflufs in den Angelegenheiten der Kirche an sich gerissen hatte. Der Mahnungen von italienischer Seite ungeachtet, behielt Gregor XI. seine Residenz in Avignon bei. Schliefslich konnten aber die Rufe aus Italien und die der grolsen Heiligen jener Tage, der hl. Brigitta und Katharina von Siena, nicht mehr überhört werden. Vornehmlich waren es freilich politische Motive, die das Papsttum an die Heimkehr mahnten. Ganz Italien erhob sich gegen die verhafsten französischen Legaten und deren Hochmut und unerträgliche Tyrannei. Fast überall trat ein Hais gegen die weltliche Macht des Papsttums und den weltlichen Besitz der Kirche zutage. Die Visconti, Florenz, einst die eifrigste Verteidigerin des Papsttums, die übrigen Städte Toskanas schlössen einen Bund gegen die Legaten, »die ungerechten Pastoren der Kirche«. In Florenz wurde das Inquisitionsgebäude niedergerissen, das Kirchengut eingezogen und die Priesterschaft an Leib und Leben bedroht. In den Städten des Kirchenstaates entstand ein offener Aufruhr. Im März 1376 erhob sich, von Florenz unterstützt, Bologna. Da sprach Gregor XI. den Bannfluch über die Florentiner aus und erklärte ihr Hab und Gut als vogelfrei, In England und Frankreich, wo sie sich als Geldwechsler aufhielten, ward Hand darauf gelegt. Unter diesen Umständen mufste der Papst zurückkehren, sollten nicht alle Erfolge des Kardinals Albornoz, ja der Kirchenstaat selbst verloren gehen. Trotz der Warnungen seiner Angehörigen und des Unwillens der an Frankreich hängenden Kardinäle brach Gregor XI. am 2. Oktober 1376 von Marseille auf und traf im Januar 1377 in Rom ein. Eine der wichtigsten Fragen, an die er herantrat, betraf sein Verhältnis zum Kaiser. Schon am 20. März 1376 hatte Karl IV. dem Papste erklärt, die Kurfürsten gedächten, am 1. Juni die Wahl zu vollziehen und ihr unmittelbar die Krönung folgen zu lassen. Gregor XI. verlangte, dafs die Krönung wenigstens nicht v o r erlangter Approbation stattfinde. Doch auch dagegen waren die Wähler, und Karl IV. erklärte sich schliefslich nur dazu bereit, Wahl und Krönung um einige Tage zu verschieben, damit der Papst die Wahl noch vor der Krönung approbieren könne. Ohne weiteres Zögern wurde nun Wenzel am 10. Juni 1376 in Frankfurt gewählt und am 6. Juli in Aachen gekrönt, ehe der Papst noch in die Lage kam, die Bestätigung zu erteilen. Wenzel war nunmehr rechtmäfsiger König und trat auch als solcher auf. Da sich der Papst aber weigerte, Wenzels Wahl anzuerkennen, bat Karl noch nachträglich um die Genehmigung der Wahl. Von einem scharfen Auftreten des Papstes konnte aber keine Rede sein. Nach allen Seiten warteten seiner die schwierigsten Aufgaben; es galt, rebellische Städte und Landschaften zu unterwerfen, die unterworfenen zu pazifizieren und neue Organisationen zu schaffen. Mitten unter Plänen aller Art, und ehe noch der Friede mit den Florentinern hergestellt war, starb Gregor XI., dessen Wille stark, dessen Kräfte aber schwach waren, am

Der schwäbische Städtebund.

Schlacht bei Reutlingen.

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27. März 1378 — der letzte der avignonesischen Päpste. Erst nach dem Ausbruch des Schismas erfolgte die Anerkennung des Königtums Wenzels durch den Papst und Gegenpapst. 3. Um die Kosten der Erwerbung Brandenburgs und der Königswahl Wenzels hereinzubringen, war der Kaiser genötigt, den Städten aufsergewöhnliche Steuern aufzubürden. Dagegen vereinigten sich am 4. Juli 1376 vierzehn schwäbische Städte zum s c h w ä b i s c h e n S t ä d t e b u n d e , der bis April 1380 dauern sollte und den Zweck verfolgte, jede Verpfändung oder ungewöhnliche Besteuerung zu verhindern. Sie wollten »unbeschätzt, unversetzt, unverkauft bei ihrer gewöhnlichen Steuer« beim Reiche verbleiben. Vergebens begehrte Karl IV. die Auflösung des Bundes und erklärte die Städte in die Acht. Sein Versuch, sie mit Waffengewalt zu bezwingen, mifslang: er mufste nach kurzer Belagerung Ulms abziehen und überliefs die Fortsetzung des Kampfes den bayrischen Herzogen und dem Grafen Eberhard von Württemberg. Es entstand so ein Gegensatz zwischen Reichsstädten und Fürsten, der über ein Jahrhundert dauerte. Eberhards Sohn Ulrich erlitt am 14. Mai 1377 bei R e u t l i n g e n eine entscheidende Niederlage. Schliefslich wurde ein Landfrieden festgesetzt, der die Städte vor Verpfändung sicherte und ihnen das Recht gemeinsamer Verteidigung gewährte. Der schwäbische Städtebund breitete sich rasch aus; selbst die österreichischen Herzoge schlössen mit ihm ein Schutz- und Trutzbündnis (1378, 13. Februar). Der Krieg gegen Württemberg wurde schliefslich durch die Vermittlung des Kaisers zugunsten der Städte beigelegt. Die nächsten Bemühungen des Kaisers betrafen die Herstellung eines allgemeinen Landfriedens im Reiche. 4. Karl IV. hatte in den letzten Jahren mit qualvollen Leiden zu kämpfen. Trotzdem unterzog er sich noch anstrengenden Reisen. Von Tangermünde1), wo er gern verweilte, zog er im Herbst 1377 über Westfalen an die Stätten, wo er seine Jugend verlebt hatte. Um Frankreich seinem Hause günstig zu stimmen, übertrug er dem Dauphin das Reichsvikariat über ganz Burgund; die Angliederung dieser Landschaften an Frankreich machte hiedurch einen grofsen Schritt vorwärts. Über die Teilung des von ihm beherrschten Ländergebietes hatte Karl IV. bereits im Jahre 1376 Verfügungen getroffen. Danach erhielt Wenzel Böhmen, Schlesien, Bautzen und den westlichen Teil der Niederlausitz, die luxemburgischen Besitzungen in Bayern, Franken und Sachsen und die Oberhoheit über sämtliche Länder der böhmischen Krone; das so mühsam erworbene Brandenburg wurde der Führung der Kurstimme wegen, die mit der böhmischen nicht in einer Hand vereinigt sein durfte, an den zweiten Sohn Sigmund gegeben, .der jüngste, Johann, erhielt das neugeschaffene Herzogtum Görlitz und die Neumark.2) Im Königreiche und den beiden ') Z a h n , Karl IV. in Tangermünde. 1902. ) Die betreffende Urkunde vom 21. Dez. 1376 (sie findet sich in einem Saazer Formelbuch) ist in deutscher, nicht ganz korrekter Übersetzung erhalten. Siehe Schlesinger in den MVGDB. X X X I , 5—13. s

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Charakteristik Karls IV.

andern Ländern sollte das Recht der Primogenitur festgehalten und die Rechte der Hauptlinie bei ihrem etwaigen Erlöschen im Mannesstamm auf die mährische Linie (s. oben) übergehen. Für Brandenburg wurde bestimmt, dafs nach dem Erlöschen der Linie Sigmunds die Johanns von Görlitz zu folgen habe.1) Sollte die böhmische und mährische Linie im Mannesstamm erlöschen, dann sollte >die älteste Tochter des Geschlechtes« die Nachfolge erhalten. Von einem Erbrecht Herzog Wenzels von Luxemburg, des jüngsten Bruders Karls IV., ist in der Ordnung keine Rede; dagegen hatte dieser auf den W.unsch Karls IV. noch am 31. Januar 1378 König Wenzel zum Erben seines Herzogtums und der Grafschaft Chiny eingesetzt, falls er — wie zu erwarten stand — ohne Erben stürbe. 5. Karl IV. starb mitten unter seinen Bemühungen zur Beilegung des Schismas (s. unten) an einem schleichenden Fieber am 29. November 1378. Sein Wirken ist schon von seinen Zeitgenossen verschiedenartig beurteilt, von den einen ebenso übermäTsig gelobt wie von den andern getadelt worden.2) Wenn man sein Vorgehen gegen die Wittelsbacher tadelt, wird übersehen, dafs er sich von keiner grundsätzlichen Feindschaft gegen dieses Haus leiten liefs, wohl aber als tüchtiger Diplomat — und nach dieser Seite lag seine ganze Stärke — sich die Schwächen seiner wittelsbachischen wie seiner andern Gegner zunutze machte. Es ist ebenso richtig, dafs er die Interessen seiner Erbländer mit gröfstem Erfolge wahrgenommen, als es unrichtig ist, dafs er darüber die des übrigen Deutschland vernachlässigt habe. Der Satz vom Erzstiefvater des deutschen Reiches ist wenig gerecht.3) Viel von dem, was er für seine Erblande tat, kam dem ganzen Reiche zugute. Nur wenige seiner Zeitgenossen hatten gleich ihm nicht nur für das wirtschaftliche Gedeihen, sondern auch für den geistigen Fortschritt aller seiner Länder Sinn. Er unterstützte Gelehrte, Dichter und Künstler. Mit Petrarca, dem bedeutendsten Dichter der Zeit, steht er in regem Verkehr. Unter den Wissenschaften, die seine volle Gunst geniefsen, ist es vornehmlich die Geschichte: sie erschien ihm als die wahre Lehrerin des Lebens, und darum hat er in den Tagen, als sein jugendlicher Sohn die Krone, des Reiches erlangte, selbst zur Feder gegriffen, um ihm und seinen Nachfolgern zu zeigen, wie sie sich in kritischen politischen Lagen zu verhalten haben. Höher steht ihm freilich noch die Gottesgelehrtheit. Fast ebensogut wie sein einstiger väterlicher Freund und Lehrer und späterer Gönner Klemens VI. verstand er es, Bibelstellen zu erläutern und Homilien zu schreiben. Auch ') Daher sollte Johann von Görlitz schon jetzt den Titel eines Markgrafen von Brandenburg führen. •) S. hierüber schon Palacky II, 2, 897 ff., jetzt vornehmlich Haber in der Einleitung zu den Regesten und Lindner, DG. II, 93 ff. *) Das Wort vom Vater des böhmischen und Stiefvater des deutschen Reiches, das Maximilian I. von Karl IV. gebraucht, finde ich schon bei Ludolf von Sagan, Tractatua de longevo »chiimate (AÖG. 60, 517): Et talem vasallum homagialem iuratum et subditum sibi electorem et camerarium imperii au/erre volumus propter facta Karali Semper Augusti. Salva eius igitur in hoc reverencia magis Auguttus /uitse creditur natalis soli sui Bohemici quam imperialis et Bomani.

Das Ende des avignonesischen Papsttums.

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sonst sind es oft genug wissenschaftliche Fragen, die er erörtert. Prag wird unter ihm eine Stadt der Gelehrten, Dichter und bildenden Künstler. In Böhmen werden deutsche, bald auch tschechische Bibelübersetzungen veranstaltet; hier wird das beste deutsche Prosawerk der Zeit — der Ackermann aus Böhmen — seinem englischen Orignal nachgebildet. Der Stil in den Briefen und Urkunden der kaiserlichen Kanzlei — noch stark verkünstelt und schwulstig — wird für die Kanzleien fürstlicher und städtischer Amter mafsgebend und die deutsche Kanzleisprache seines Hofes eines der wesentlichsten Elemente, aus denen sich das Neuhochdeutsche entwickelt. So kann Karl IV. in gewissem Sinne schon als Förderer der neuen humanistischen Richtung bezeichnet werden. Ist mit dem Ende des avignonesischen Papsttums und dem Ausbruch des grofsen Schismas der Ausgang einer grofsen Entwicklungsperiode der mittelalterlichen Geschichte gegeben, so stellten ihn seine humanistischen Bestrebungen bereits an den Beginn einer neuen Periode; an diese reicht er auch in anderm Sinne heran, denn unter seiner Regierung zeigen sich bereits die Spuren jener gewaltigen Opposition, welche die Kirche in ihren Grundfesten erschütterte. Schon konnte ein Mann wie Milicius von Kremsier es wagen, dem Kaiser in grofser Versammlung das bittere Wort zuzuschleudern, er sei der grofse Antichrist, der dem Ende der Dinge verangehe. In Böhmen mehr als sonst im deutschen Reiche mehrten sich die Anzeichen jener kirchlichen Bewegung, der das beginnende Schisma die Wege ebnete und die der politischen Oberherrschaft der Päpste ein völliges Ende bereitete.

IL Die Zeit der grofsen Konzilien und des Humanismus (1378-1492).

I. Teil.

Die Zeit des Schismas und der grofsen Konzilien

1. Abschnitt.

Papsttum und Kaisertum im Zeitalter der groisen Konzilien. 1. Kapitel. Das grofse Schisma. § 90. Die Kirche and die kirchlichen Oppositionsparteien beim Ausbrach des Schismas. Das Q u e l l e n m a t e r i a l für die Gesch. der Katharer, Waldesier, Spiritualen und der ihnen verwandten Gruppen s. §§ 3, 6 u. 61. Dazu: Salimbene wie oben (für die Gesch. der Apostoliker). Die Historia fratrie Dolcini, samt Additamentum, bei Muratori IX, 427 ff., 448 ff. Prozesse gegen die Spiritualen ed. Ehrle, ALKG. d. MA. m , IV. Zu den Mystikern : Deutsche Mystiker des 14. Jahrh. I , II. (Bd. II enth. Meister Eckhart.) €6 Predigten Es, herausg. v. Sievers. ZDA. XV. Tauler, ed. Hamburger. Frkf. 1864. Suso, ed. Diepenbrock. 3. A. 1854. Denifle, Bd. 1 u. 2. München 1876—1878. Mathilde v. Magdeburg, ed. Morel. 1869. Rusbroeke, ed. David. Gentl860—68. Andere Ausg. s. in Überweg, § 36. Nikol. v. Basel, Leben u. ausg. Schriften. Wien 1866. (S. Langenberg, Quellen u. Forschungen zur Gesch. d. d. Mystik. Bonn 1902.) Neuere Lit. : s. oben §§ 3, 6, 61, die Werke von L e a u. a. Dazu S a c h s s e , Bernardus Guidonis und die Apostelbrüder. 1891. H a u s r a t h , Die Arnoldisten, wie oben. H a u p t , Waldensertum u. Inquisition im sö. Deutschi. ZGW. 1. Deutsch-böhmische Waldenser um 1390. ZKG. W a t t e n b a c h , Über die Inquisition gegen d. Waldenser in Pommern und Brandenburg. Ab.Berl. Ak. 1886. H a u p t , Beiträge zur Gesch. der Sekten von freiem Geist und das Beghardentum. ZKG. VII (s auch Haupt in der RE. prot Th. II, 586, woselbst die übrige Lit. zur Gesch. der Beginen u. Begarden). W a t t e n b a c h , Über die Sekten der Brüder vom freien Geist. SBBerl. Akad. 1887. P r e g e r , Gesch. d. deutschen Mystik im MA. 3 Bde. 1874—93. B ö h r i n g e r , Die deutschen Mystiker des 14. u. 15. Jahrh. Zürich 1855. M a r t e n s e n , Meister Eckart. 1842. B a c h , M. Eckart, der Vater der deutschen Spekulation. Wien 1864. L a s s o n , ME. der Mystiker. Berl. 1868. D e n i f l e , M. Es. lat. Schriften u. die Grundanschauung seiner Lehren. ALKG. II. K r a m m , Meister Eckart im Lichte D.scher Funde. 1889. J o s t e s , ME. u. s. Jünger. Coli. Frib. fasc. 4. 1895. S c h m i d t , Johannes Tauler v. Strafsburg. Hamb. 1841. Études sur le mysticisme Allemand au 14e siècle. Paris 1847. L o a e r t b , Geschichte des späteren Mittelalters.

25

Ansprüche des Papsttums auf die Weltherrschaft.

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Die Gottesfreunde im 14. Jahrh. Jena 1864. G r é i t h , D. Deutsche Mystik im Prediger, orden. Freib. 1861. M. R i e g e r , Die Gottesfreunde im MA. Heidelb. 1879. J u n d t , Les amis de Dieu au 14e siècle. Paris 1879. — Rulman Merewin et l'ami de Dieu de I'Oberland. Paris 1890. D é n i f i e . Die Dichtungen der Gottesfreunde im Oberl. ZDA. XXIV. R i e d e r , Z. Frage d. Gottesfr. ZG. Oberrh. NF. XVII.

1. Trotz aller Einbufse, die das Papsttum an ftufserer Machtstellung und Ansehen bei den Völkern des Abendlandes im avignonesischen Zeitalter erlitten hatte, hielten die Päpste in der Theorie jene Rechte und Ansprüche aufrecht, die sie aus dem Satze, dafs sie Stellvertreter Christi auf Erden seien, gefolgert hatten. Päpstlich gesinnte Schriftsteller, wie Augustinus Triumphus oder Alvaro Pelayo (f 1352), dehnten sie sogar noch mafslos aus. Nach Pelayo ist die ganze Christenheit E i n Reich, in diesem Reiche E i n Fürst, und dieser Fürst ist der Papst. Seine Gewalt umfafst das Geistliche und Weltliche ; sie ist eine absolute ; erst durch sie hat jede andere Gewalt ihre Berechtigung. Der Papst allein vermag mehr als die übrige Kirche. Sein Tribunal ist das Tribunal Christi. Wer ihn nicht als Haupt anerkennt, hat Christus nicht zum Haupte; ohne Gemeinschaft mit ihm gibt es kein ewiges Leben. Von seinem Urteil ist keine Berufung gestattet, es sei denn an Gott. Ihm ist die oberste Gerichtsbarkeit auch über Fürsten und ihre Reiche gegeben. Als Vikarius Christi aber auch kraft der Schenkung Konstantins ist er Herr des römischen Reiches. Zwar hat er dies an Karl den Grofsen gegeben und gestattet, dafs die Kurfürsten die Wahl vornehmen, aber sie haben dies Recht nur, so lange die Kirche es zuläfst, denn sie allein hat die Macht, Reiche zu übertragen und Fürsten ihrer Gewalt zu entkleiden. Der Kaiser ist des Papstes Vikar, ihm leistet er den Lehenseid. 2. Das theokratische System, das nun seit Innozenz III. auf allen Völkern des Abendlandes lastete, war allerdings schon stark erschüttert. Erst hatte die französische, dann die deutsche Opposition, eine immer schärfer als die andere, die Unabhängigkeit des Königtums in allen weltlichen Fragen betont; schärfer als beide war die englische an der Arbeit, die Oberherrschaft der Päpste in weltlichen Fragen niederzuringen. Schon konnte Pedro von Aragonien dem Papste Klemens VI. erklären, als König aufser Gott keinen Oberen anzuerkennen ; schon wurde in den Tagen Ludwigs des Bayers gelehrt, dafs die Einheit der Kirche zwar nicht zerrissen werden dürfe, zu deren Erhaltung die Existenz des Papsttums aber nicht unbedingt notwendig sei, dafs sich vielmehr die Kirche jederzeit die ihrem Wesen und ihrer Aufgabe entsprechende Verfassung geben könne.1) Was diese Angriffe auf die Machtstellung des Papsttums unterstützte, war der beispiellose Verfall der kirchlichen Zucht infolge der Verweltlichung2) des Klerus. Je mehr die Abhängigl

) Die Zitate aus Schwab, Johann Gereon, S. 24 ff. S. auch Riezler, Lit. Widersacher, S. 284 ff. *) Die englische Opposition nennt es »Verkaiserung« der Kirche und führt alles Übel in ihr auf die sog. konstantdniscbe Schenkung zurück. Daher muTB auf Zustände zurückgelenkt werden, die vor dieser Schenkung bestanden. S. unten.

Niedergang des theokratischen Systems. Verfall des kirchlichen Lebens.

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keit von Frankreich Machtstellung und Ansehen der Kurie untergrub, um so mehr suchte sie ihre Verluste einerseits durch starres Festhalten an übertriebenen Ansprüchen, so wenig sie ihrer nunmehrigen Lage entsprachen, anderseits durch eine Fülle äufseren Glanzes, in dem nun der Hof des Papstes erstrahlte, zu verdecken. Die kostspielige Hofhaltung der Päpste, ihre Fürsorge für die Nepoten, die glänzende Ausstattung der Kardinäle und nicht zum wenigsten der Aufwand für die Aufrechterhaltung des weltlichen Besitzes im fernen Italien hatte eine stetige Steigerung der finanziellen Bedürfnisse der Kurie und demgemäfs eine harte Bedrückung der einzelnen Landeskirchen zur Folge. Die Annaten, Reservationen, Provisionen, Spolien, Anwartschaften, die Gebühren für die Konfirmationen (s. § 61), all das reichte zur Befriedigung dieser Bedürfnisse nicht mehr aus; und der Druck auf die einzelner Landeskirchen wurde um so härter empfunden, als die ungeheuren Summen, die von den Prälaten erhoben wurden, von diesen auf die Niederstehenden abgewälzt wurden und von ihrer Verwendung für religiöse Zwecke schon längst keine Rede mehr war. Wohl machten einzelne Päpste Versuche, den Übelständen zu steuern, aber Erfolge in dieser Richtung reichten kaum über die Regierungszeit eines Papstes hinaus. Verwandte des Papstes und der Kardinäle, Günstlinge des Hofes wurden mit den fettesten Pfründen beteilt und Benefizien um Geld dahin gegeben. Schon galt der Satz, dafs am Hofe des Papstes ohne Geld nichts zu erhalten sei.1) In der Tat wucherte in Avignon die Simonie wie in den schlimmsten Zeiten des 11. Jahrhunderts. 2 ) Der Kauf und Verkauf von geistlichen Amtern hatte zur Folge, dafs oft untaugliche oder unwürdige Personen zu hohen Kirchenämtern befördert wurden. Um das Ziel ihres Ehrgeizes bequemer zu erreichen, vernachlässigten Bischöfe und andere Kleriker ihre Residenzpflicht und strömten am Hofe des Papstes zusammen. Nach dem Vorgange der Kurie gestaltete sich das kirchliche Leben an den Höfen der übrigen Hierarchie — nur in vergröberter Form, je mehr man in die Tiefe stieg. In seltenen Fällen erfüllt diese Hierarchie ihre Pflicht, das Volk zu erziehen. Die Visitationsakten einzelner Kirchenprovinzen bieten ein grauenhaftes Bild vom Verfall der Kirchenzucht. Da ist kaum e i n e Kirche, an der ein Visitator ein Leben der Geistlichkeit in Gemäfsheit der kirchlichen Vorschriften fände. Die stärksten Klagen betreffen den Verfall der Zucht im Hinblick auf den Zölibat. Wohl werden in den einzelnen Sprengein Synoden gehalten, die scharfe Verordnungen wider die im Klerus eingewurzelten Laster erlassen; sie trugen aber geringe Frucht, weil das an den obersten Stellen gegebene Beispiel bis in die untersten wirkte. 8 ) 3. Unter solchen Umständen erstarkten die älteren, lange niedergehaltenen Oppositionsparteien der Kirche, wie die W a l d e s i e r , die ') Peter von Königsaal: Curia Romana non pascit ovem sine lana. *) Die hl. Brigitta an Gregor X I . : In curia tua residet. , . vorago pessima bilis simoniae, iam nunc magis veneratur lupanar, quam sancta . . . ecclesia. 3) Schwab, 40. 25*

horri-

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Alte und neae Oppositionsparteien.

nicht blofs in Südfrankreich, im nördlichen Italien, Süddeutschland und den Rheingegenden, sondern auch im Norden bis nach Preufsen und Polen eine kraftvolle Propaganda entfalteten. Neben ihnen erhoben sich neue Oppositionsparteien: in Italien die A p o s t o l i k e r , die, von den Minoriten abzweigend, unter S e g a r e l l i von Parma und nach dessen Verbrennung (1300) unter D o l c i n o in Oberitalien grofsen Zulauf fanden und deren Reste nach Dolcinos Hinrichtung sich bis nach Frankreich und Spanien verliefen. Ihr Streben ist es, nach der Lehre und dem Beispiel der Apostel, deren Heiligkeit und Vollkommenheit durch ein Leben evangelischer Armut zu erreichen. In Mittel- und Süditalien behaupten sich allen Verfolgungen der kirchlichen Behörden zum Trotz die F r a t i c e i l e n . In Deutschland treten freie Vereinigungen von Männern und Frauen, wie sie schon im 11. Jahrhundert bestanden, hervor, in denen das Drängen der Laienwelt nach einer selbsttätigen, der priesterlichen Bevormundung sich entwindenden Teilnahme an der Lösung der religiösen Grundfragen, zugleich aber auch an einer Verinnerlichung des kirchlichen Lebens zum Durchbruch gelangt ist.1) Es sind die Beginen und Begarden2), von denen jene in eigenen Häusern — den Beginenhöfen — den Versuchungen dieser Welt entrückt, unter eigener Leitung ihr Leben nach dem »Gesetze Christic führten. Das Ideal des älteren Beginentums war, in selbstgewählter Armut zu leben. »Wann kommt der Tag», ruft die neunjährige Patrizierstochter Margareta Ebner aus, »dafs ich betteln soll um Gotteswillen!» Als das Ideal schwand, suchten die Leute vor Not und Elend in den Beginenhäusern Zuflucht: aus den Stätten religiöser Begeisterimg wurden Armenhäuser. Um 1400 hatten selbst kleine deutsche Städte ihre Beginenhäuser. Vielfach wurden Mendikanten mit ihrer kirchlichen Leitung betraut, und ihre Verbindung mit den Spiritualen leitet ihren Eintritt in die kirchliche Opposition ein. Die Beginen lebten übrigens nicht blofs in den von frommer Hand gestifteten Versorgungshäusern, sondern in asketischer Weise auch einzeln als Einsiedlerinnen und widmen sich der Krankenpflege. In den Niederlanden gewannen die B r ü d e r vom g e m e i n s a m e n L e b e n , die sich unter der Führung G e r h a r d G r o o t s aus Deventer vornehmlich mit Volks- und Jugendunterricht beschäftigten, grofsen Anhang. Auch ihr Ziel ist, die Vollkommenheit in der Nachfolge Christi zu erreichen. Gerhard Groot gehört schon den Mystikern zu, wogegen M e i s t e r E c k a r t (t 1327), den man wohl auch — freilich nicht mit Recht — den Vater der deutschen Spekulation genannt hat, noch auf dem Boden der Scholastik steht. Wiewohl auf den Lehren älterer Theologen fufsend, suchte er mit kühner Originalität, das Alte in neuem Geiste umgestaltend, das Christentum durch transzendenten Vernunftgebrauch begreiflich zu machen. Wäre Gott, lehrte er, imstande, sich von der Wahrheit abzuwenden, ich würde Gott verlassen und mich an ') Haupt, Beginen u. Begarden, BE. 517. ') Genannt nach dem Lütticher Priester Lambert le Beghe (f 1187), dessen Auftreten in einzelnen Zügen eine Verwandtschaft mit dem des Pierre Waldes und Franz von Assisi hat.

Die deutsche Mystik.

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die Wahrheit heften. Ihm folgten J o h a n n e s T a u l e r in Strafsburg (f 1361), der den Pantheismus, von dem Eckard nicht ganz freizusprechen ist, vermeidend, in seinen ergreifenden Predigten an die Nachfolge Christi mahnt, dann H e i n r i c h S e u s e (Suso) aus Uberlingen, der »Minnedichter der Gottesliebe«, hierauf der Verfasser der ¡»deutschen Theologie«, eines Buches, das noch auf Luther tiefen Eindruck machte, endlich J o h a n n e s R u s b r o e c k (f 1381) »der kontemplative Mystiker« und wie Meister Eckart pantheistischer Lehren verdächtig.1) Während die beiden ersten des Menschen Seele durch strengste Selbstzucht von allem Aufserlichen abziehen, bis sie selig in Gottes Anschauimg mit ihm eins ist, suchen die andern den Weg zur Gottheit im innigsten Verkehr mit dem Jesukind, dem leidenden Heiland und der Gottesmutter. Ihre Erbauungsschriften schreiben die Mystiker in der Sprache des Volkes, auch greifen Klosterfrauen, wie M a r g a r e t a E b n e r , zur Feder, um ihre mystischen Anschauungen aufzuzeichnen. Diese ganze Gruppe »gottesinniger«: Menschen verabscheut äufserliche Werkheiligkeit, ersetzt sie durch die innigste Anbetung des dreieinigen Gottes und weist statt auf die Legenden auf die Bibel hin, die nun durch sie weiten Kreisen des Volkes zugänglich wird. 4. Die Kirche trat diesen Oppositionggruppen je nach ihrer Bedeutung mit geistlichen und weltlichen Waffen entgegen. Von den letzten Päpsten waren Urban V. und Gregor XI. mit gröfstem Eifer um die Erhaltung der herrschenden Kirchenlehren besorgt. Gregor XI. erliefs die schärfsten Bullen gegen die Ketzereien, wo sie sich fanden: gegen ketzerische Lehren, die in Katalonien verbreitet wurden, gegen die Waldesier in Deutschland, besonders aber, wo sie nun kräftiger auftraten, im nördlichen Italien, Savoyen, im Delphinat und in Venaissin; er kämpfte gegen jene Mystiker in Böhmen, die als Vorläufer Hussens bekannt sind, sowie gegen einige als ketzerisch bezeichnete Sätze des Sachsenspiegels, die Karl IV. auf seinen Wunsch hin von einer Kommission ausheben und verdammen liefs. Am schärfsten schritt er aber gegen die unter Wiclifs Führung stehende englische Opposition ein, als diese Miene machte, aus dessen Lehren die entsprechenden Folgerungen zu ziehen und das englische Kirchengut für Zwecke des Staates einzuziehen. § 91. Johann von Wiclif 2 ) and die kirchliche Opposition in England. Q u e l l e n : Von den zahlreichen Werken Wiclifs ist noch vieles ungedruckt. Man kannte bis ins 19. Jahrhundert den Trialogus, der, zum erstenmal 1527 in Basel, dann 1753 zu lx;ipzig und Frankfurt gedruckt, nun in der Ausgabe Gotthard L e c h l e r s unter dem Titel Joannis Wiclif Trialogus cum supplemento Trialogi Oxoniae 1869 ') Über den Pantheismus Eckarts s. Denifle, ALKG. II, 518 ff. s ) In Deutschland wird nach Lechlers Vorgang Wiclif, in England neuestens Wyclif geschrieben. Letztere Schreibung hat nach Matthew das meiste für sich. (Academy 1884, Juni 7.) In Böhmen wurde im 15. Jahrh. meist Wiclef geschrieben, und so ist diese Schreibweise dort auch heute noch verbreitet. Dafs neben Wyclif auch Wiclif begründet ist, s. bei Buddensieg 92.

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Johann von Wiclif

vorliegt. In gewissem Sinne ist der Trialogus Wiclifs Hauptwerk, da er im wesentlichen eine kurze Zusammenfassung seiner groDsen 12 Bficher umfassenden Summa Theologiae enthält Lechler gab übrigens schon 1863 den kleinen Traktat Ws. : De Officio pastorali heraus. Von den englischen Schriften erschien zuerst seine Predigt >WicketEs gibt nur eine allgemeine Kirche und aufser ihr kein Heil. H a u p t dieser Kirche ist Christus. Kein Papst darf sich anmafaen, Haupt der Kirche zu sein. Er weifs ja nicht einmal, ob er zur Seligkeit prädestiniert, also ein Mitglied der Kirche sei, denn nur die von Ewigkeit her zur Seligkeit Bestimmten gehören ihr an. Niemand brauche, um selig zu werden, dem Papste gehorchen. Schon in der Zeit, du man vom Papsttum nichts gewufst, habe es heiligmäfsige Männer gegeben. Man dürfe den Papst nicht als Haupt der allgemeinen, sondern höchstens der streitenden Kirche auf Erden ansehen, aber auch nur dann, wenn seine Handlungen den Glauben erwecken, data er es sei. Dem Christen genügt zum Seelenheil der vollendete Glaube. Bei päpstlichen Anordnungen muis untersucht werden, ob sie schriftgemäfs seien, und dies ist der Grund, weshalb jeder Christ die hl. Schrift kennen müsse. Des Menschen Heil beruht auf der Gnade Gottes in der Vorherbestimmung, nicht auf der Verbindung mit der amtlichen Kirche und der Vermittlung der Hierarchie. > In diesem Kirchenbegriff Wiclifs liegt somit die Anerkennung des freien und unmittelbaren Zuganges der Gläubigen zur Gnade Gottes, »des allgemeinen Priestprtums der Gläubigen«.') Der Anspruch des Klerus auf irdische Herrschaft wird auch hier verworfen, dagegen die Zivilgewalt des Königtums über ihn nachdrücklich betont: »Der König ist nicht mehr Herr von England, wenn mehr als der vierte Teil des Landes der Toten Hand zugehört und seiner Macht entzogen ist. Privilegien und irdische Güter sind dem Klerus bedingungsweise gegeben. Erfüllt er die Bedingungen nicht, so verfällt er der Strafe der Gütereinziehung Auch die weltliche Herrschaft der römischen Kirche ist aus der Bibel nicht zu erweisen und weder die Notwendigkeit, dafs der Kaiser aus päpstlichen Händen die Krone empfange, noch der Anspruch der Päpste auf Weltherrschaft in ihr begründet. Sowohl die weltliche als die geistliche Gewalt rührt unmittelbar von Gott her, ohne dafs die eine die andere einsetzte oder autorisierte. *) In einer Flugschrift aus derselben Zeit, weist Wiclif noch insbesondere die Unabhängigkeit Englands in weltlichen Dingen vom Papste nach. In dem Buch »von der Gewalt des Papstes«') wird selbst die geistliche Machtfülle der Priester sehr eingeschränkt. Petrus hatte wohl einen gewissen Vorrang vor den andern Aposteln und ihn verdient durch seinen Glauben, seine Demut und Liebe. Er wurde Christi Stellvertreter, weil er in Leben und Lehre ihm folgte, und so kann niemand sein Nachfolger sein, der Christo nicht nachfolgt. Keine menschliche Wahl gilt, wenn sie der Gottes nicht entspricht. Von der Art der Wahl ist die durch das Los die sicherste. Alle Wahlgesetze sind überflüssig. Des Petrus Vorrang bezog sich übrigens auf keine allgemeine Jurisdiktion über die streitende Kirche oder die andern Apostel. Paulus konnte den Petrus »in seiner eigenen Pfarre tadeln«. Will der Papst — schon dieser Name gefällt Wiclif nicht — Christi Stellvertreter sein, so mufs er in Armut leben. Wäre das anders, so hätte schon Christus die Kirche dotiert. Vor der Dotation der Kirche waren die Kaiser die obersten Priester. Die Bischöfe lebten arm und entbehrten — wie ironisch beigefügt wird — jener Vollendung, die jetzt die Kirche durch ihren Reichtum besitzt. Wiclif leugnet die universelle Macht des Papstes in der Kirche. Einst wurde sie regiert durch den gemeinsamen Rat der Priester: dieser war es, der auch Petrus ausgesandt hat. Sein Primat bestand in keiner äufseren Herrschaft, sondern in der gröfseren Demut. Ein gröfseres Regiment als Petrus hat Paulus besessen. Da sich Wiclif bei seinen Ausführungen auf die Bibel beruft, spricht er von ihr als der alleinigen Norm ') Daher fallen die Unterschiede zwischen Klerus u. Laien und kann auch ein Laie das Abendmahl spenden. Gleichwohl drückt sich W. hierüber noch sehr vorsichtig aus. Die Konsequenzen daraus haben erst seine eigentlichen Schüler — die Taboriten — gezogen. *) In allen gröfseren Werken Wiclifs aus seinen letzten sechs Lebensjahren finden sich diese Erörterungen. Es kann daher von einer besonderen Inhaltsangabe aller dieser Werke abgesehen werden, und nur jene dürfen in die Darstellung einbezogen werden, die später auf die Entwicklung der hussitischen Lehre bedeutungsvoll wurden: das sind aufser De Ecclesia und De Potestate Pape vornehmlich seine AbendmahlBlehre und seine Predigten. ') Noch ungedruckt. Daher sind die Auszüge oben etwas ausführlicher.

Christ und Antichrist.

Das Schriftprinzip.

Die Bibelabersetzung.

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des Glaubens. Die Gesetze des Papstes ihr gleichzustellen, sei eine Anmafiaung ohnegleichen. Schon hier, schärfer noch in den späteren Streitschriften, betont er den Gegensatz zwischen dem Leben Christi und der heutigen Päpste: Jener ist die Wahrheit, dieser die Lüge, jener arm, dieser reich usw. Da der Papst Bonach in allem Christo zuwider ist, ist er in Wahrheit ein Antichrist. Von allen Reformatoren v o r Luther hat Wiclif das Schriftprinzip am stärksten betont, und je mehr sich der Streit mit seinen Gegnern verdichtete, um so mehr zog er sich auf dies erste Fundament aller christlichen Lehrmeinung zurück. Ihm dieses Fundament unter den Fölsen hinwegzuziehen, war die wenig dankenswerte Arbeit seiner Gegner, und um deren Argumente, dafs sie z. B. auch Falsches enthalte, zu widerlegen, schrieb er sein Buch »von der Wahrheit der hl. Schrift« '). Diese reiche zur Regierung der Kirche vollkommen aas.

In den folgenden Schriften Wiclifs tritt eine sich stetig steigernde Feindschaft gegen das bestehende Kirchenregiment zutage. Fast in allen wird beklagt, dafs Gottes Gesetz — die Bibel — dem Volke unbekannt sei, und gefordert, dafs sie das Gemeingut jedes Christen werde. Sie wurde demnach zu Zwecken allgemeinen Gebrauches in die Sprache des Volkes — seit Ulfilas zum erstenmal in eine germanische Sprache — übersetzt. Die nationale Ehre erheischte es gleichfalls: denn schon gab es Lords, die französische Bibeln besafsen.2) Wiclif selbst ging ans Werk. Zwar läfst sich der Anteil, den er an der Bibelübersetzung genommen, nicht bis ins einzelne bestimmen, sicher aber ist, dafs er persönlich daran beteiligt war und die Arbeit in jeder Weise gefördert hat. 8 ) Kurz nach seinem Tode war das Werk in den Händen des Volkes. »Das Kleinod der Geistlichen«, klagt ein Zeitgenosse, »ist in ein Spielzeug der Laien verkehrt worden.« Durch die Arbeit an der Übersetzung des Neuen Testaments wurde seine Überzeugung »von der Alleingenügsamkeit der Bibel zum Regiment dieser Welt« 4 ) noch mehr gefestigt: »Und wenn es hundert Päpste gäbe«, lehrt er, >und alle Bettelmönche Kardinäle würden, man dürfte ihnen nur insoweit glauben, als sie mit der hl. Schrift übereinstimmen.« 5. Wiclifs Lehren von der Verweltlichung der Kirche hätten ihn in eine Linie mit den Bettelorden stellen müssen, wie ja noch 1377 Minoriten seine Verteidiger waren. Nannte er damals noch die Mendikanten einen verehrungswürdigen Orden, dessen Liebe zur Armut »er bis zu den Sternen erhob«,5) so gewahrt man bald die Spuren eines Risses. Mit der Erklärung: die Sache der besitzenden Orden sei Sache a l l e r Orden, wandten sich nämlich die Mendikanten gegen ihn, und nun nahm Wiclif auch gegen sie den Kampf auf: die Kirche bedürfe ') Sie wird eben gedruckt. «) Matthew, The English Works of Wyclif, 429. •) Matthew, The Autorship etc. EHR. 1895. Eine Polemik gegen Gasquet, der Ws. Autorschaft leugnete. Wiclif selbst wird die Übersetzung des NT. zugeschrieben. Das AT. übersetzte zum gröfsten Teil sein Freund Hereford, den Rest Wiclif. Überarbeitet und verbessert wurde das Ganze von dem zweiten Freunde Ws., John Purvey. Dessen Arbeit war 1388 vollendet. W. wurde so der Meister der englischen Prosa, wie zur selben Zeit Chaucer der der engl. Poesie. 4 ) De sufficientia legis Christi. Diesen Titel führt eine von Hufs wörtlich abgeschriebene Predigt Wiclifs. 5 ) Chron. a. Mon. St. Albani.

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Wiclifs Kampf gegen d. Bettelorden n. d. Hierarchie. D. armen Priester.

keiner neuen Sekten — so nennt er meist die Orden — keiner neuen Religionen, ihr genüge die Religion Christi, wie sie ihr in den ersten Jahrhunderten ihres Bestandes genügte. Damit begann eine Polemik, die von Jahr zu Jahr leidenschaftlicher geführt wurde. Nicht weniger als 20 Streitschriften — meist knappe Flugschriften — hat er gegen die »Sekten« geschleudert. Aber fast heftiger noch tritt er in seinen Predigten, im »Spiegel der streitenden Kirche«, im Trialog wider sie auf. Sie seien Körperschaften, die in der Bibel keine Begründung haben, verderblichen Lastern frönen, Kirche und Staat zur Last fallen und samt ihren stolzen Tempelbauten vernichtet werden müssen. Diese Predigten hatten eine unmittelbare Wirkung: In London und andern Städten kam es zu einer lebhaften Erregung des Volkes. Schon wurden den Mönchen die Almosen entzogen, schon wurden sie an die körperliche Arbeit gewiesen. Noch gröfsere Wirkungen hatten diese Angriffe auf die Orden und ihren Besitz in Böhmen. Indem nämlich Hufs diese Lehrsätze seines englischen Meisters wortgetreu aufnahm, die Taboriten diesem Beispiel folgten, kam es zu jenem ungeheuren Klostersturm, dem die herrlichen Stifte und in weiterer Folge das böhmische Kirchengut zum Opfer fiel. Freilich fiel es nicht, wie Wiclif es wünschte, an den Staat, sondern an die Barone des Landes. Sein Kampf schlug immer heftigere Wogen: zuletzt sind es nicht mehr die Bettelmönche allein, die ganze Hierarchie, voran »das Nest, das die letzte Zufluchtstätte der Mönche bildet«, die römische Kurie wird Zielpunkt seiner Angriffe. In umfangreichen Werken, wie seinem unvollendet gebliebenen Antichrist, oder in kleineren Flugschriften, wendet er sich gegen das »zweigeteilte« Papsttum, dessen Kriege besonders scharf gegeifselt werden. Aus demselben Grunde, um diese Hierarchie aufs schärfste zu treffen, tritt er der herrschenden Lehre von der Transsubstantiation entgegen, indem er die Ansicht bekämpft, als könne der Priester Gott, ein Geschöpf seinen Schöpfer, »machen« (conficere). Im Sakramente sehen wir den Herrn nicht mit leiblichen Augen, sondern im Glauben, wie sich der Mensch im Spiegel sieht, im Gleichnisse. Wir berühren und fassen ihn nicht und nehmen ihn nicht körperlich, sondern im Geiste zu uns. 6. Indem Wiclif die bestehende Hierarchie abschaffen will, setzt er an ihre Stelle einfache Priester (poor priests), die in Armut lebend das Evangelium verkünden und denen jede weltliche Herrschaft untersagt ist. Diese verbreiteten ihre Lehren in den breiteren Schichten des Volkes. Im Sommer 1381 fafste Wiclif selbst seine Lehre vom Abendmahl in 12 kurze Sätze zusammen, und machte sich anheischig, sie gegen jedermann zu verteidigen1). Da schritt die englische Hierarchie wider ihn ein. Der Kanzler der Universität liefs- einige von den Sätzen als ketzerisch erklären. In Gegenwart der Kommission, die ihm dies Urteil mitten in seinem Auditorium verkündete, erklärte er, weder der Kanzler noch sonst jemand vermöge etwas an seiner Überzeugung zu ') Gedruckt Fase. ziz. 105—6. Das Bekenntnis seiner Abendmahlslehre ebenda, S. IIB. Seine Flugschrift Wycket, d. i. die enge Pforte, s. Shirley, A Catalogue, S. 33.

Die Loll&rden. Der Bauernaufstand a. dessen Rückwirkung auf Wiclif.

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ändern, und appellierte — nicht etwa an den Papst oder an die geistlichen Behörden des Landes, sondern an Richard II. Sein Auftreten wird immer kühner, sein Anhang immer gröfser. Jeder zweite Mann, schreibt ein Zeitgenosse, ist ein Lollarde1), ein Unkrautsäer, wie man seine Anhänger nannte. Mitten in diese grofse Bewegung fiel nun aber (1381) der grofse Bauernaufstand (s. § 123). Wiewohl Wiclif seine Mifsbilligung darüber aussprach und die Sympathien der Aufständischen eher auf seiten der Bettelmönche waren, wurde der Aufstand ihm zur Last gelegt und die Verfolgung gegen ihn eingeleitet. Der alte Gegner Wiclifs, William Courtenay, jetzt Erzbischof von Canterbury, berief am 17. Mai eine Notablenversammlung nach London, um über seine Lehren zu Gericht zu sitzen. Während der Versammlung entstand ein Erdbeben. Erschreckt baten die Teilnehmer, von weiterer Beratung abzustehen. Courtenay erklärte es aber als gutes Vorzeichen: der Reinigung des Reiches von Irrlehren. So wurden nun 24 Lehrsätze Wiclifs teils als ketzerisch (10) teils als irrig (14) erklärt4). Courtenay suchte die Hilfe des Staates zur Ausrottimg der »armen Priester« zu gewinnen, das Haus der Gemeinen lehnte es aber ab, darauf einzugehen. Gleichwohl gelang es ihm, der Lollardenbewegung in Oxford Herr zu werden. Wiclif selbst wurde im Herbste 1382 vor eine Kommission gerufen, aber im Hinblick auf die Stimmung im Unterhause geschont. Er zog sich auf seine Pfarre nach Lutterworth zurück. Jetzt sandte er erst recht Flugschriften unter die Menge: die schärfsten gegen Urban VI., als das Kreuz gegen die dem Gegenpapst anhängenden Flandrer gepredigt wurde. Am 28. Dezember 1384 wurde er, während er Messe las, vom Schlage gerührt und starb drei Tage später. Übersieht man seine Tätigkeit, so gewahrt man ein methodisches Vorgehen auf dem Wege der Reformation: Steht er 1376 noch etwa auf dem Standpunkt der kirchlichen Opposition unter Ludwig dem Bayer und Eduard III., so ist er vier Jahre später schon, auf einer Stufe angelangt, auf der man erst wieder die kirchliche Bewegung des 16. Jahrhunderts findet. Indem er die Bibel als die alleinige Autorität für den Glauben bezeichnet, zieht er hieraus die entsprechenden Folgerungen. Er kämpft gegen die bisherige Lehre von den Sakramenten, von denen er einige wie die Firmung und letzte Ölung ganz oder die Priesterweihe in ihrer bisherigen Bedeutung verwirft. Die Ohrenbeicht nennt er eine späte Erfindung, den Zölibat unsittlich und verderblich. Er verwirft die Schlüsselgewalt des Papstes, die Sündenvergebung durch den Priester, den Heiligenkultus, den Bilderund Reliquiendienst, Wallfahrten, Totenmessen und zuletzt auch das ') Über das Entstehen des Namens (von Lollium, der Lolch, das Unkraut) siehe Lechler n , 4, und Buddensieg, 616. Solche aus der Pflanzenwelt stammende Namen sind damals beliebt, s. Fasciculi zizanniorum = die TJnkrautbündel des Netter of Waiden oder die Medidia tritiei = das Mark des Weizens von Stephan v. Dolein. Anders die Erklärung Buddensiegs von >löllen) RA. m , Nr. 106-7. Lindner, Beil. XXVI.

Seine Absetzung.

Rechtsgrundlage des kurfürstlichen Verfahrens.

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das Reich zu bestellen«. Auch der KurfürstT von Sachsen und Jost von Mähren waren geladen. Würden sie nicht erscheinen, würde man ohne sie vorgehen. Noch hätte ein fester Entschluis den König, den Frankfurt von dem Vorhaben der Fürsten verständigt hatte, retten können. Aber er zögerte. So nahmen die Ereignisse ihren Lauf. Am 10. August traten die vier rheinischen Fürsten in Oberlahnstein zusammen. Dafs Wenzel nicht erschien, wurde dahin gedeutet, dafs er sich des Reiches nicht weiter annehmen wolle. Die Absetzung des Königs wurde sonach beschlossen. Uber den Nachfolger hatte man sich längst geeinigt. Nur um der Form zu genügen, wurde Ruprecht um seine Zustimmung gefragt. Er gelobte, die Rechte der Kurfürsten zu bestätigen, die seit 30 Jahren am Rhein errichteten Zölle zu widerrufen, Mailand und die übrigen dem Reiche entfremdeten Länder zurückzubringen und für das Wohl der Kirche zu sorgen. Am 20. August erklärte der Mainzer den König Wenzel als einen unnützen, trägen, unachtsamen Entgliederer und unwürdigen Inhaber des Reiches für abgesetzt. Alle Reichsangehörigen wurden ihrer Pflichten gegen ihn losgesprochen und an den künftigen König gewiesen.1) Die dem König zum Vorwurf gemachten Vergehen sind großenteils Bchon in den Frankfurter Klagepunkten des Jahres 1397 enthalten. Es war eine starke Übertreibung des Sachverhalts; an vielen Gebrechen waren die Kurfürsten ebenso schuldig als der König. Das Verfahren wider ihn entbehrte jeder rechtlichen Grundlage. Zudem war der Zeitpunkt der Absetzung schlecht gewählt und die Frage, ob der neue Herrscher sich gegen den alten behaupten würde, nicht leicht zu bejahen. Gewifs rechneten die Kurfürsten auf die sprichwörtliche Untätigkeit Wenzels. Wohl rief dieser a u s : »Ich will das rächen oder tot sein«, und Jost fügte bei: »Wir wollen das rächen, oder ich will kein Haar in meinem Barte behalten« s ), aber diese Drohungen waren leerer Schall. In Wirklichkeit tat Wenzel keinen ernsthaften Schritt, ihnen den nötigen Nachdruck zu verleihen, und bei dem Eigennutz, den die Luxemburger selbst in dieser äufsersten Notlage Wenzels an den Tag legten, ward ihm ein tatkräftiges Vorgehen, auch wenn er es beabsichtigt hätte, unmöglich gemacht.

§ 101. Die Wahl König Ruprechts. Der böhmische Krieg. Der Römerzug Ruprechts. Q u e l l e n . U r k k . : Chmel, Regesta Ruperti. Frankf. 1834. (Lindner, Das Urk."Wesen, wie oben.) Köln u. König Ruprecht: Briefe, herausg. v. Höhlbaum. Mitt. aus d. Stadtarch. von Köln XIV. G. Seeliger, Aus Ruprechts Registern. NA. XIX. DRA. unter König Ruprecht, ed. Weizsäcker. Gotha 1682—88. (S. auch Stern, König Ruprecht v. d. Pf. in s. Beziehungen zu den Juden. Kiel 1898.) Janssen, Frankfurts Reichskorrespondenz I. Freib. 1863—72. S. 65—153 und 526—807. Geschichts c h r e i b e r : s. oben § 96. Dazu: Andreas de Gataris, Chronic. Patavinum. Murat. XVII, 7—944 (s. aber Lindner, MJÖG. XIII, 377). Cronaca di Buonaccorso Pitü, «d. Firenze 1720. Die Verhandl. mit Ruprecht bei Janssen a. a. O. I, 641. DRA. IV, 361. Sercambi, Croniche bis 1409, ed. Fonti per la stör. d'Italia XIV. XV. 1892—93. Sozomenus, Historiae seu Chronicon univ. bis 1455. Murat. XVI. Piero Minerbetti, Oron. Fiorentina, ed. Tartini. RItSS. I I , 79—628. Hilfsschriften: Höfler, Ruprecht v. d. Pfalz, genannt Klem, röm. König. Freib 1861. T h o r b e c k e , Ruprecht. D.K. ADB. XXIX. H ä u s s e r , Gesch. d. rh. Pfalz I. Heidelb. 1861. L i n d n e r , D. G., •wie oben. W e i z s ä c k e r , Die Urkunden der Approbation K. Ruprechts. A.Berl. Ak. 1889. *) Die Absetzungsurkunde in RA. IH, Nr. 204 (deutsche) u. 205 (lat. Fassung). Eine treffliche Zusammenstellung älterer u. neuerer Ansichten über Wenzels Absetzung und deren Rechtsgrundlage s. bei Lindner II, 430—440. >) RA. i n , 8. 299.

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Die Wahl König Ruprechts.

F r e y , Verh. mit d. Kurie über d. Approbat. Dias. 1886. H e i m o l t , K. Ruprecht 1401. HJb. XV. E. B e r g m a n n , Zur Gesch. d. Romzuges R. v. d. Pf. Braunschw. 1891. W i n k e l m a n n , Der Romzug Ruprechts v. d. Pf. Innsbr. 1893. H e l m o l t , K. Rs. Zug nach Italien. Leipz. 1892. D o n e m i l l e r , Der Römeraug Rs. und dessen Verh. zu Österreich, bes. zu Herzog Leopold. Rudolfswerth 1881. Th. L i n d n . e r , Die Schlacht bei Brescia. MJÖG. XHI P i v a , Venezia, Scaligeri e Carraresi. Rovigo 1899. R o m a n o , Gian Galeazzo Visconti e gli eredi di Bernabò. Milano 1891. S c h m i t z , Konrad von Soltau. 1891. S o m m e r l a d , Matthäus v. Krakau. Halle 1891. S c h i n d e l w i c k , wie oben. L i e b i s c h , Beitr. z. Gesch. Ruprechts. Neutitschein 1900. S. auch S c h e l i h a f s , Das Königslager vor Aachen u. vor Frankfurt. Beri. 1887. Palacky, wie oben. Aschbach, Gesch. K. Sigmunds, I. Hamb. 1838.

1. Der Absetzung Wenzels folgte die Wahl Ruprechts auf dem Fufse nach. Der Sohn des tatkräftigen Kurfürsten Ruprecht II. war er von diesem und seinem gleichnamigen Grofsoheim in die Staatsgeschäfte eingeführt worden. Da er selbst einen Sohn namens Ruprecht hatte, gab es bis 1390 in der kurfürstlichen Familie gleichzeitig vier Träger dieses Namens. Man unterschied sie durch Beinamen. So hiefs Ruprecht III. Klem, ein Name, dessen Bedeutung nicht sicher zu erklären ist. 1 ) Er hatte sich seit 1370 in Fragen der deutschen Politik und im Felde hervorgetan. Seit 1398 Kurfürst, ging sein Streben auf die Machtvergröfserung seines Kurhauses. Er lieh den revolutionären, auf Wenzels Sturz gerichteten Absichten der geistlichen Kurfürsten seine Unterstützung, weil sie seinen Hausinteressen entsprachen. In der Kirchenpolitik hielt er unwandelbar zur römischen Obedienz. Ein milder und gerechter Fürst, Freund der Wissenschaften und ihrer Jünger, liefs er sich die Förderung der Universität Heidelberg angelegen sein. Zu seinen Freunden gehörte der in den Kreisen der sog. Vorreformatoren gefeierte Bischof von Worms, M a t t h ä u s von K r a k a u . — Am 21. August, dem Tage nach Wenzels Absetzimg, setzten die Kurfürsten nach Rense über und wählten dort R u p r e c h t (1400—1410) zum König. 2 ) Drei Tage später meldeten sie Wenzels Absetzung und Ruprechts Wahl dem Papste und baten um seine Approbation. Bonifaz IX.^ mochte erwarten, dafs Ruprecht tatkräftiger als Wenzel in der Kirchenfrage zu Roms Gunsten einschreiten würde. Gegen das Versprechen, sich in der Schismafrage ganz an seine Politik anzuschliefsen, erbot er sich zur sorgsamen Prüfung der Wahlvorgänge. Offenbar wollte er zuwarten, bis Ruprecht in Deutschland allgemein anerkannt sei.3) Für die grofsen Fragen, deren Lösung der König übernommen hatte, fehlte diesem weniger der gute Wille als die entsprechenden Mittel. Erst am 26. Oktober 1400, nachdem er 6 Wochen und 3 Tage vor den Mauern gelagert — öffnete ihm Frankfurt die Tore und leistete die Huldigung. Solange hatte es noch auf einen Umschwung zu Wenzels Gunsten gewartet. Aachen verweigerte ihm vollends den Eintritt. Daher wurde seine Krönung erst am 6. Januar 1401 in Köln vollzogen. Leicht gewann er die übrigen rheinischen Städte, schwerer die schwäbischen; am längsten standen der Norden und Osten ') Die Zeitgenossen sahen darin eine Verkürzung von Klemens. RA. IV, Nr.259,8.303. •) Es wählten die drei geistlichen Kurfürsten aber mit vier Stimmen, weil dann, wenn ein Kurfürst gewählt wird, seine Zustimmung als Stimme gilt. ») RA. IV, 17.

Der böhmische Krieg.

Galeazzo Visconti von Mailand.

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des Reiches abseits. Auch die meisten Fürsten zögerten mit dem Anschlufs. Ruprecht mufste seinen Gegner entweder mit Gewalt bezwingen oder durch friedliche Mittel zum Verzicht auf die Krone bewegen oder ihm endlich durch den Empfang der Kaiserkrone seine Anhänger abwendig machen. Er betrat alle drei Wege nacheinander, aber alle mit halben Mitteln und darum auch mit unbefriedigenden Ergebnissen. Den Krieg gegen Böhmen begannen die bayrischen Herzoge in der Oberpfalz. Im Norden Böhmens errang der Markgraf von Meifsen einige Erfolge. Erst nach dem Übertritt Nürnbergs nahm Ruprecht den Kampf nachdrücklicher auf, wogegen Wenzel Böhmens Grenzen im Norden und Westen nach altem Brauch durch Verhaue und Grenzbefestigungen in Verteidigungszustand setzte. 1 ) Darauf bedacht, mit Wenzel einen annehmbaren Frieden zu schliefsen, um sich der Lösung der italienischen Frage zuzuwenden, verlangte er von diesem Verzieht auf die Krone und Huldigung, wogegen er ihn gegen jedermann, der ihm die Krone streitig mache — gemeint war Sigmund — verteidigen würde. 2 ) Da Wenzel darauf nur eingehen wollte, wenn ihm Titel und Würde eines römischen Kaisers verblieben, zerschlugen sich die Verhandlungen. Während Ruprechts Sohn Ludwig mit Erfolg im Westen Böhmens, »im Lande vor dem Walde«, operierte, drangen die Meifsner und die Truppen des böhmischen Herrenbundes, der sich wie auch die Markgrafen Jost und Prokop an Ruprecht angeschlossen hatte, bis in die Nähe von Prag; kaum hatte der Herrenbund aber seine nächsten Ziele — die Einsetzung eines Regentschaftsrates — erreicht, schlofs er mit Wenzel Frieden, und den Markgrafen blieb nichts übrig, als diesem Beispiel zu folgen. Die Meifsner mufsten die eroberten Gebiete räumen. So endete der unter guten Auspizien begonnene Feldzug ohne Ergebnis. 3 ) Die Schuld daran trug Ruprecht, der, in seine italienischen Pläne vertieft, es verabsäumt hatte, seine volle Kraft einzusetzen. 2. In Italien hatte Ruprechts Wahl bei allen Gegnern Galeazzo Viscontis Anklang gefunden. Galeazzo hatte 1385 seinen Oheim Barnabö und dessen Söhne verdrängt. Er hatte bisher eine friedliche Rolle gespielt. Seit er aber die Herrschaft seines Oheims mit seiner eigenen vereinigt hatte, trat er als Eroberer auf, und Mailand bildete nun eine ständige Gefahr für die benachbarten Signorien, die freilich durch ihre Zwietracht sein Aufwärtssteigen beförderten. Mit Francesco di Carrara stürzte er die Scaliger in Verona und Vicenza (1387), verbündete sich dann (1388) mit Venedig gegen Carrara und erhielt aus deren Besitz Padua, Belluno, Feltre und Valsugana, während das Gebiet von Treviso an Venedig kam. Doch gewann der jüngere Francesco von Carrara Padua 1389 zurück. Da Galeazzo bei weiterem Vordringen nach Osten mit Venedig in Streit geraten mufste, wandte er seinen Blick auf das in kleine Staaten zersplitterte Toskana, kämpfte im Bunde mit den Häusern Gonzaga und Este 1390 gegen das von Florenz unterstützte Bologna und sicherte im Frieden von 1392 seine Eroberungen. Nachdem er von ') S. meinen Aufsatz >Der Grenzwald Böhmens« in MVGDB. X X , 77. ') Diese und die übrigen Bedingungen RA. Xr. 340. ') Ludolf V. Sagan, S. 431. Andere Belegstellen bei Höfler, S. 222.

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Die Romfahrt Ruprechts und ihr Ausgang.

Wenzel (1395) die Herzogswürde erhalten (s. oben), fafste er den Erwerb von Genua ins Auge, geriet darüber aber mit Frankreich in Streit, das nun mit Florenz und Bologna, dem Markgrafen von Ferrara und den Herren von Padua ein Bündnis schlofs und sich in den Besitz von Genua setzte. Galeazzo führte den Krieg nicht ohne Erfolg; der Anschlufs Venedigs an seine Gegner zwang ihn aber zu einem Waffenstillstand auf zehn Jahre. Nun richtete er seine Pläne wieder auf Toskana. Pisa und Siena kamen in seine Gewalt (1399); im Januar 1400 erkannte auch Perugia seine Herrschaft an. Sein nächstes Opfer sollte Florenz sein; und die Florentiner waren es nun, die sich, wie Venedig und Franz von Carrara, an Ruprecht wandten und ihm reiche Geldsummen zur Verfügung stellten, wenn er noch 1401 zu Felde zöge. Da auch von andern Seiten Aufforderungen an ihn gelangten, welche die Herstellung der Kaisermacht zum Ziele hatten1), so kam die Frage des Römerzuges auf dem nächsten Reichstage zur Sprache, und Ruprecht suchte nach allen Seiten Anknüpfungspunkte: in der Schweiz, in England, Aragonien und selbst in Frankreich.2) Von besonderer Wichtigkeit war es, dafs er die Unterstützung Österreichs gewann, wiewohl dieses noch ein Jahr zuvor ein Bündnis mit Galeazzo abgeschlossen hatte. Mitte September 1401 setzte sich das Heer von Augsburg aus in Bewegung. Es zählte ursprünglich 15000 Berittene. Da die Mittel zu seiner Unterhaltung fehlten und die Florentiner erklärten, Hilfsgelder erst zu leisten, wenn das Heer den Boden Italiens betreten hätte, wäre es vorteilhafter gewesen, den Feldzug aufzugeben; aber Ruprecht wollte die bereits aufgewendeten Mittel nicht verlieren; er entliefs ein Drittel und zog in langsamen Märschen nach Süden, indes Galeazzo die ihm hiedurch gegönnte Frist ausnützte und ein Heer zusammenbrachte, das, besser gerüstet als das deutsche, auch in seiner Treue zuverlässiger war. Von Trient zog Ruprecht bis vor Brescia; hier erlitten die Deutschen am 24. Oktober durch eine im Hinterhalt liegende Reiterschar der Mailänder grofse Verluste. Eine eigentliche Schlacht fand aber nicht statt. Da Brescia nicht, wie man hoffte, durch Verrat fiel, weil Galeazzo eine Verschwörung daselbst noch im Keime erstickte, die Stadt auch zu stark war, als dafs sie im Sturm genommen werden konnte, der König sich übrigens in keine lange Belagerung einlassen wollte, fafsten die deutschen Fürsten den Entechlufs, nach Hause zu ziehen. Der König brach das Lager ab und zog sich nach Trient zurück. So war der Römerzug schon in seinen Anfängen gescheitert. Ruprecht entliefs den gröfsten Teil seines Heeres; mit dem Reste zog er durch das Pustertal nach Friaul und Padua, wo er den Winter zubrachte. Er machte den Versuch, neue Bundesgenossen zu werben, aber die Venetianer hielten sich zurück. Ihr Bestreben war es, einen allgemeinen Frieden in Italien herzustellen. Da schliefslich auch der Papst für die Anerkennung Ruprechts zu schwere Bedingungen stellte, kehrte der König, einem Besiegten gleich, »ohne Heer und ohne Geld, ohne Krone und ohne Ehre« in die Heimat zurück. ') RA. IV, Nr. 261. ») Nr. 258—263.

Die zweite Gefangennahme Wenzel« und die Pläne Sigmunds.

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§ 102. Ruprecht und die Luxemburger von 1401—1406. Der Marbacher Bund. Hilfsschriften s. oben. Dazu: P c l z e l , Dipl. Beweise, dal» K. Wenzel nicht dreimal, sondern nur zweimal gefangen wurde. Abh. einer Privat-Ges. in Böhmen IV, 18—50. Zum Marbacher Bund findet sich das urk. Material in RA. V, VI. S. auch S c h m i t z , Der Fürstentag zu Frankfurt 1409. II.II). XVI. F r i e d l ä n d e r , Zur Gesch. des Marb. Bundes. Gleisen 1893. G e r i t s , Z. G. d. Krzb. .loh. III. von Mainz. Diss. Halle 1882. F e s t e r , Markgr. Bernhard I. v. Baden. Karlsruhe 1896.

1. Der unglückliche Ausgang der Romfahrt wirkte auf Ruprechts Stellung in Deutschland nachteilig ein. Der Reichsverweser Pfalzgraf Ludwig war aus Mangel an Erfahrung und Mitteln aufserstande, die Ordnung aufrecht zu erhalten. Nach langem Zwiste fanden sich die Luxemburger in dem Bestreben zusammen, ihre alte Machtstellung wieder zu erwerben. Bereits im November 1401 hatte Galeazzo Wenzel zur Romfahrt aufgefordert und ihm seine Heeresmacht zur Verfügung gestellt. Jetzt schlofs -sich Wenzel eng an Sigmund an, verlieh ihm aufs neue das Reichsvikariat (1402, 4. Februar) und ernannte ihn zum Verweser in Böhmen. Wenn sich Wenzel auch die königliche Würde im Reiche und in Böhmen vorbehielt, so sollte er doch in allen Dingen an den Rat seines Bruders gebunden sein. Dieser wurde sonach der wahre Beherrscher Böhmens.') Schon teilt er Galeazzo seine Absicht mit, vereint mit Wenzel in Italien zu erscheinen.2) Die Grenze gegen Bayern sollte durch den Markgrafen Prokop gesichert werden. Aber die guten Beziehungen zwischen Wenzel und Sigmund hatten keinen Bestand. Ein heftigerer Zwist als der frühere brach aus. Im Einverständnis mit den hervorragendsten Landesbaronen liefs Sigmund den König verhaften und nach dem Hradschin abführen (1402, 6. März). Auch diesmal standen der niedere Adel und das Bürgertum zu Wenzel. Dagegen suchte Sigmund seine Beziehungen zu auswärtigen Mächten enger zu knüpfen, drückte die gegnerische Bewegung in Böhmen nieder, nahm Prokop gefangen und führte Wenzel nach der oberösterreichischen Burg Schauenburg. Er hatte, woran man mit Unrecht zweifelt, die Absicht, ihn zur Kaiserkrönung nach Italien zu führen. Um die Habsburger zu gewinnen, erneuerte er die alten Erbverträge mit ihnen, versprach, im Falle er ohne männliche Erben stürbe, Ungarn einem der drei Herzoge, Wilhelm, Albrecht IV. oder Ernst zu vermachen, entzog seinem Vetter Jost, der sich in Verhandlungen mit Ruprecht eingelassen hatte, die ihm den Besitz Böhmens verschaffen sollten, die Nachfolge in Ungarn, bestimmte auf dem Prefsburger Reichstage (1402, 24. September) Herzog Albrecht zu seinem Nachfolger und verschaffte ihm die Zustimmung der ungarischen Stände. Wenzel war mittlerweile an die Herzoge von Österreich ausgeliefert worden und wurde zu Wien in einer leichten Haft gehalten. ') So wollen wir . . . unserm bruder genzlich gehorsam sein u. unsere sacken nach seinem rat . . . volfürn, beide, in dem hl. reich u. dem kunigreieh zu Behem, doch in tulcher weis u. mause, dafs wir herre und bey unsern würden bleiben. So auch Sigm u n d an Galeazzo. RA. V, 189. über Wenzels Absichten auf die Kaiserkrone ebenda S. 196. ») RA. V, 189 ff.

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Zerwürfnisse unter den Luxemburgern.

Wenn es Sigmund mit Wenzels Kaiserkrönung auch ernst war: sein Plan konnte nicht mehr ausgeführt werden, da Galeazzo bereits am 3. September 1402 starb. In Böhmen erzielte Sigmund grofse Erfolge. Mit den durch die Verpfändung der Neumark an den Deutschen Orden gewonnenen Mitteln ~ warb er ein Heer, unterwarf Kuttenberg und bemächtigte sich der dort aufgehäuften Schätze Wenzels. Aber mitten unter solchen Erfolgen in Böhmen gewann es den Anschein, als sollte ihm Ungarn verloren gehen. Im Süden dieses Landes hatte sich die angiovinische Partei erhoben und Ladislaus am 5. August 1403 in Zara zum König von Ungarn gekrönt. Über die Parteinahme Bonifaz' I X . für Ruprecht und Ladislaus erbittert, entzog Sigmund dem Papste alle Einkünfte in Böhmen und warf hierauf den ungarischen Aufstand nieder. Inzwischen war aber Wenzel seiner Haft entkommen. In Böhmen freudig empfangen, versöhnte er sich mit den mährischen Vettern und entzog Sigmund die Regierung. Dieser erklärte an die österreichischen Herzoge, denen er die Schuld an Wenzels Entkommen beimafs, den Krieg, liefs sich aber durch das Versprechen, ihm gegen Wenzel Hilfe zu leisten, wieder beschwichtigen (1404, April). Die Verbündeten begannen den Kampf mit einem Angriff auf Mähren; als aber Albrecht IV. starb (14. September), schlössen seine Brüder einen Waffenstillstand und schliefslich einen Frieden und ein förmliches Bündnis (1405, Februar) mit Wenzel, der sich überdies auch noch durch ein Bündnis mit Polen gegen Sigmunds Angriffe schützte. Der ungarische König mischte sich nun fast ein halbes Jahrzehnt hindurch weder in die böhmischen noch auch in die deutschen Angelegenheiten, wozu ihn die Drohung Wenzels, ihm die Nachfolge zu entziehen oder Teile Böhmens zu veräufsern, bewogen haben mag. Der Tod Prokops förderte die Herstellung der Ruhe in Böhmen, denn indem Wenzel dessen Besitz Jost übertrug, erhielt er auch von dieser Seite die Versicherung kräftiger Unterstützung und konnte nun daran denken, den Kampf gegen Ruprecht nachdrücklich aufzunehmen. 2. Ruprecht, der das Scheitern des Römerzuges der kühlen Haltung des Papstes und der geringen Unterstützung seiner italienischen Bundesgenossen beimafs, berief noch von Italien aus einen Kurfürstentag nach Mainz, um die Reichsangelegenheiten zu besprechen. Statt aber die grofsen Zeitfragen in Beratung zu ziehen, wurde nur ein Münzedikt erlassen (1402, 23. Juni) und eine Landfriedensordnung für Franken festgesetzt. Die Vermählung seines Sohnes Ludwig mit der englischen Prinzessin Blanka führte keine Änderung in der bisherigen Politik herbei, dagegen legte die Haltung des Papstes ilim den Anschlufs an die französische Kirchenpolitik nahe. Dadurch konnte er wenigstens eine Stütze gegen Mailand erhalten, über dessen Fortschritte seine italienischen Freunde Klage führten.1) Um der Schuldenlast, die er sich durch die Romfahrt aufgeladen hatte, los zu werden, begehrte er nicht nur von den Reichsstädten aufserordentliche Beiträge, sondern nahm auch die ') RA. V, 286, 325.

Der Marbacher Bund.

König Ruprechts Krönung.

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Mitgift seiner Schwiegertochter in Anspruch, wofür er seinem Sohne Reichsgüter verpfändete. Die Annäherung an Frankreich hatte jedoch ein frühzeitiges Ende, und schon im Frühjahr 1403 kehrte er zur römischen Obedienz zurück. Italienische Einladungen zu einer neuen Romfahrt blieben zunächst im Hinblick auf sein Verhältnis zu den Luxemburgern vergeblich; dann aber zeigten sich schon die Ansätze der Opposition jener Fürsten, denen er seine Wahl verdankte. Sie traten mit Ludwig von Orleans, dem Verlobten von Wenzels Nichte Elisabeth, in Beziehungen. Selbst Erzbischof Johann von Mainz findet sich unter Ruprechts Gegnern; nur die rasche Entschlossenheit, mit der Ruprecht den Markgrafen Bernhard von Baden demütigte, vereitelte ihre Pläne. So nahm er den Gedanken an einen zweiten Römerzug wieder auf, wozu ihm der Papst, der ihm endlich auch die Approbation gewährt hatte (1403, 1. Oktober) den zehnten Teil aller geistlichen Einkünfte in Deutschland bewilligte.1) Das italienische Unternehmen schien diesmal um so aussichtsvoller zu sein, als mit Galeazzos Tode dessen Macht zusammengebrochen war. Aber zuerst trat ihm der Streit mit Franz von Carrara über den Besitz Veronas, dann die deutsche Opposition hindernd in den Weg. Eine Anzahl von Fürsten, durch seine Hauspolitik in ihren Interessen verletzt, schlofs am 14. September 1405 in M a r b a c h einen Bund auf fünf Jahre zu dem Zwecke, um alle Eingriffe des Königs in die Rechte einzelner Bundesglieder abzuwehren. 2 ) Als solche Eingriffe wurden nun schon die Versuche des Königs, seine Macht zu festigen, angesehen. In dem Briefe, der ihm den Abschlufs des Bundes meldet, versichern sie ihn ihrer freundlichen Gesinnung, »so lange man sie bei ihren fürstlichen Freiheiten und Rechten lasse«. Dem Reichstage zu Mainz (20. Oktober), auf dem über ihre Beschwerden verhandelt werden sollte, blieben sie fern; den nächsten (6. Januar) wollten sie nur dann beschicken, wenn sie der König »nur mit der Güte« ansprechen wolle. Die gegenseitige Aussprache führte aber nur zu gröfserer Verbitterung. Erst nach langen Verhandlungen wurde ein Friede zwischen dem König und dem Erzbischof Johann vereinbart (1407, Februar), wonach weder Ruprecht noch der Erzbischof ohne Wissen der andern Bündnisse eingehen, der Marbacher Bund nicht über die bestimmte Zeit hinaus verlängert, auch keine neuen Bundesmitglieder aufgenommen werden sollten. Da Ruprecht die geforderte Auflösung des Bundes nicht erreichte, bedeutete der Friedensschlufs eine Niederlage des Königtums. Der Marbacher Bund und das bisher bestrittene Bündnisrecht der Reichsstände hatte jetzt, soweit Fürsten in Betracht kamen, in gewissem Sinne Anerkennung gefunden. 3 ) Die Lage des Königs wurde übrigens jetzt eine bessere. Nachdem sich der Herzog von Geldern zu seiner Anerkennung bequemt hatte, gab auch Aachen den Widerstand auf. Jetzt erst — am 14. November 1407 — wurde Ruprecht daselbst gekrönt. Wenzels Versuche, Ruprechts Zerwürfnis mit dem Marbacher Bund zu seinen ') S. 547. • ') Die Bundesurk. ebenda S. 750 - 6 1 . . s ) RA. VI, 103.

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König Ruprecht und das Schisma.

Gunsten auszunützen, schlugen fehl, und die Stadt Rotenburg, die, von Ruprecht in die Reichsacht erklärt, in ihrem Kampfe wider den Burggrafen von Nürnberg1) seine Hilfe nachgesucht hatte, mufste sich (1408, Juli) unterwerfen. Dagegen gelang es Ruprecht nicht, Brabant ans Reich zurückzubringen, wozu er sich bei seiner Thronbesteigung verpflichtet hatte. Nach dem Tode Herzog Wenzels von Luxemburg hatte dessen Witwe Johanna ihren Neffen Anton, den zweiten Sohn Philipps von Burgund, an Sohnes Statt angenommen und als Erben von Brabant huldigen lassen. Als solcher folgte er ihr trotz Ruprechts Einsprache {1406) nach. Um den Herzog auf seine Seite zu ziehen, gab ihm König Wenzel (1408) seine Nichte Elisabeth von Görlitz zur Ehe, verschaffte ihm das Herzogtum Luxemburg als Pfandbesitz und schlofs mit Burgund und Brabant ein Bündnis gegen Ruprecht. 2 ) Noch einmal hatte Wenzel Aussicht, den Sieg über seinen Gegner davonzutragen. Diesem galten Bonifaz IX., Innozenz VII. und Gregor XII. als die rechtmäfsigen Päpste. In dieser Überzeugung wurde er durch die Gelehrten seiner Umgebung und die Heidelberger Professoren bestärkt, die das Vorgehen der konziliaren Partei für ein verwerfliches hielten. Ruprecht war demnach ausgesprochener Gegner der Kardinäle, die das Konzil nach Pisa ausgeschrieben und den Kardinal Landulf von Bari in Konzilssachen nach Deutschland gesandt hatten. Es gelang diesem nicht, den König zu gewinnen. Dies Verhalten brachte Ruprecht in einen Gegensatz zur Mehrheit der deutschen Fürsten, die, wie Mainz und Köln, den konziliaren Ideen huldigten. Um so gröfseren Erfolg hatte Landulf in Böhmen. Wenzel verbot, Gregor XII. als rechtmäfsigen Papst anzuerkennen und versprach, sich den Konzilsbeschlüssen zu fügen. Dagegen gelobte Landulf namens der Kardinäle, dafs er vom Konzil als römischer König anerkannt würde. Ruprecht blieb trotzdem seiner Haltung treu: er forderte Fürsten und Städte auf, sich an Gregor XII. zu halten, und erhob Einspruch gegen die von den Kardinälen berufene Versammlung (s. § 103). Das Konzil erkannte dagegen Wenzel als römischen König an und gab seinen Gesandten den Vortritt vor den andern. Ruprechts Vorgehen mufste ihm im Reiche zu den alten noch neue Gegner schaffen, da sich die Mehrheit der Fürsten für die Haltung des Konzils entschied. Wieder regten sich seine alten Feinde, und es drohte zu einem Kriege und diesmal auch zur Einmischung Frankreichs zu kommen. Da starb Ruprecht am 18. Mai 1410 auf seinem Schlosse Landskron bei Oppenheim. § 103. Das Konzil von Pisa (1409). Q u e l l e n . Über Quellensammlungen s. Hefele-Knöpfler VI, 992. RE'. Potth. 1,338. Sie sind in vier von Anhängern der Konzilspartei und Ohrenzeugen veranstalteten Sammlungen enthalten. Concilium Pisanum universale in Harduin VIII, 5 ff., Mansi XXVI, 1136 ff., Labbe XV, 1127—1152. Forma servata in celebratione concilii etc. Harduin 46 ff., Mansi 1184, Labbe 1176. Acta concilii Pisani ex MS. Vindob. Mansi X X V I I , 115, Labbe X V , 136, v. d. Haardt II, 90. Mansi XXVII, 358 ff. Martine et l ) Die Materialien hierüber ebenda S. 174. Urkk. S. 208ff. ») Ebenda S. 342.

Versuche der Kardinäle zur Beilegung des Schismas.

Ailli's Thesen.

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Durand. Vet. Scr. ampl. Coli. VII u. Concilium PiHanum super electione unici summi pontificis celebratum ex Historia Karoli VI regis Francorum a monacho Sandionysiano. Mansi XXVII, 1—10, Harduin 115—120, Labbe 1248. Von kl. Quellen . Bonifatius Ferrers Traktat, ed. Martene et Durand. The». II, 143G mit Aillis Gegenschrift: Apologia concilii Pisani, ed. Tschackert, Append. 31. Die von Mansi XXVIII gesammelten Urkk. und Notizen. Rayn. Ann. Eccl. DRA. VI. Geschichtschreiber wie oben § 96. H i l f s s c h r i f t e n : M a i m b o u r g , Hist. du grand Schisme d'Occident. Lenfant, Histoire du Concile de Pise. 2 Bde. Amsterd. 1724—1727. H e f e l e , C h r i s t o p h e , , wie oben. W e s s e n b e r g , Die grofsen Kirchenversammlungen des 15. u. 16. Jahrh. 2. Bd. Konst. 1840. R a u m e r , Die Kirchen Versammlungen von Pisa, Kostnitz u. Basel. HT. NF X. S a u e r l a n d , Gregor XII. v. s. Wahl bis zum Vertrag von Marseille. HZ. XXXII. — Kard. Joh. Dominici u. s. Verhalten zu den kirchl. Unionsbestrebungen 1406—1415. ZKG. IX, X. H ö f l e r , Ruprecht v. d. Pf., wie oben. K ö t z s c h k e , . Ruprecht v. d. Pfalz und das Konzil zu Pisa. J e n a 1889. E r l e r , Florenz, Neapel und das päpstl. Schisma. HT. 1889. — Z. G. d. pis. Konz. Progr. I^eipz. 18S4. S c h m i t z , Zur Gesch. d. Konz. v. Pisa 1409. RQSchr. IX, 1895. S t u h r , Die Organisation und Geschäftsordnung des Pisaner u. Konst. Konzils. Schwerin 1891. R o f s b a c h , Das Leben Carvajals und das schism. concil. Pisanum. Diss. 1892. B e f s , Gerson u. d. kirchenpol. Parteien Frankreichs vor d. Konz, zu Pisa. Diss. 1890. M e i s t e r , Das Konzil von Cividale. HJb. XUI. S c h m i t z , Die Quellen z. Gesch. d. Konz. v. Cividale. RQSch. VIH. Z i m m e r m a n n , Die kirchl. Verfassungskämpfe im 15. Jahrh. 1882. Die allg. Werke wie oben.

1. Während die Kardinäle beider Obedienzen von Pisa aus neue Einladungsschreiben aussandten, versuchten sie es noch einmal, freilich vergebens, beide Päpste zur Zession zu bewegen. Dafs Kardinäle gegen den Papst ein allgemeines Konzil ansagten, die Verfassung der Kirche demnach nicht eine streng monarchische, sondern eine repräsentativesein sollte, fand keineswegs überall Billigung1), aber die Mehrheit der Gläubigen sah in dem Drange nach Beendigung des Schismas über kanonistische Bedenken hinweg, von den Universitäten vornehmlich Bologna und Paris, von den Gelehrten Ailli und Gerson. Bologna gab ein Gutachten in diesem Sinne ab, und mit ihrem stimmte das Urteil der französischen Theologen überein. Auf der Provinzialsynode von Aix (1409, 1. Januar) und etwas später zu Taraskon stellte Ailli eine Reihe antipäpstlicher Thesen auf.2) Im gleichen Sinne schrieb er seine Schrift „über das Konzil." Den 29. Januar begann Gerson seinen Traktat »von ') Hefele VI, 920. ') Die wichtigsten sind: Haupt der Kirche ist Christus. In der Einheit mit i h m , nicht notwendig in der Einheit mit dem Papste, besteht die Einheit der universalen Kirche. Auch ohne Papst bleibt sie E i n e : denn wo immer sich zwei oder drei in Christi Namen versammeln, ist er unter ihnen. Auch nach natürlichem Rechte. Da jeder Körper der Trennung widerstrebt, hat die Kirche diese Gewalt und hat sie geübt und Konzilien abgehalten, ohne dafs der Papst den Vorsitz führte. Wenn dies Recht später beschrankt wurde, ist es deswegen nicht aufgehoben. Daher kann die Kirche auch jetzt in gewissen Fällen ein allgemeines Konzil berufen, 1. bei Sedisvakanz, 2. wenn der Papst dem Wahnsinn oder der Ketzerei verfällt oder sonst untauglich wird, 3. wenn er die verlangte Berufung beharrlich verweigert und 4. wenn mehrere Prätendenten um das Papsttum streiten. Ailli fafste aber nicht die sofortige Absetzung der beiden Päpste ins Auge. Sie sollen gehalten sein, ihre Zession selbst anzubieten, und erst wenn sie diese verweigern, darf das Konzil zur Neuwahl schreiten. Diese empfiehlt sich nur dann, wenn es sicher ist, dafs die ganze Christenheit oder ihr gröfster Teil ihr beistimmt und die Obedienz der beiden Prätendenten aufhebt, denn sonst würde zum alten ein neues Schisma kommen.

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Gereons Traktat v. d. Einheit der Kirche.

Das Pisaner Konzil.

der Einheit der Kirche*..1) Er widerlegt die Bedenken gegen die Zession und die Versammlung eines Konzils ohne Autorisation des Papstes. Falls viele Anhänger des einen oder des andern Papstes eine Neuwahl nicht anerkennen würden, sei sie zu unterlassen und Anstalt zu treffen, dafs nach dem Tode des einen der Prätendenten keine Neuwahl stattfinde, denn es sei besser, den Frieden später als gar nicht zu erhalten. Gerson empfiehlt übrigens die Union mit einer Reformation der Sitten in allen Gliedern der Kirche einzuleiten. Die Winke der beiden bezüglich der Neuwahl wurden vom Konzil weniger berücksichtigt als die von ihnen aufgestellten Prinzipien. Gersons Haltung war wie die Aillis eine versöhnliche.2) Ob das Konzil den heifs ersehnten Frieden bringen werde, war zweifelhaft, denn noch gab es Mächte, die, wie Florenz, Venedig, Siena, Karl Malatesta von Rimini, König Sigmund, für eine Vergleichung der streitenden Parteien stimmten. Aber ihre Pläne fanden nicht die Zustimmung der Kardinäle, die das Erscheinen der Päpste vor dem Konzil und Verzicht auf ihre Würde verlangten. Andere Kreise arbeiteten dahin, immer mehr Anhänger für die Obedienzentziehung zu gewinnen und so beide zur Nachgiebigkeit zu zwingen. Diese selbst waren bemüht, die öffentliche Meinung gegen die Kardinäle aufzuregen. Die letzteren wünschten die Unterstützung des römischen Königs, damit er, wie Otto I. die kirchliche Ordnung herstelle. Heinrich IV. von England mahnte Ruprecht an seine Pflicht, als Vogt der Kirche für die Herstellung der kirchlichen Einheit zu wirken. Wiewohl Ruprecht bei seiner Wahl hierüber Versprechungen gemacht hatte, hielt er an Gregor XII. fest; von dem Verhalten der Kardinäle erwartete er höchstens eine Verschärfung des Schismas. Mittlerweile hatte Gregor XII. den von ihm abgefallenen Kardinälen Verzeihung verheifsen, falls sie binnen 30 Tagen zu ihm zurückkehren würden. Als dies nicht geschah, wurden sie in den Bann gelegt und mit Verlust ihrer Würden bestraft. Kurz zuvor hatte auch Benedikt XIII. mit seinen Kardinälen endgültig gebrochen, nicht ohne sie gewarnt zu haben, eine neue Papstwahl vorzunehmen. 2. Am Feste Maria Verkündigung (25. März) wurde das Konzil im Langschiffe des Domes zu Pisa eröffnet. Die Kardinäle beider Obedienzen waren nahezu vollzählig anwesend. Man zählte zur Zeit der höchsten Frequenz 24 Kardinäle, 4 Patriarchen, 12 Erzbischöfe, 80 Bischöfe, 87 Äbte, die zahlreichen Vertreter der abwesenden Bischöfe und Abte, Prioren und Generale der einzelnen Orden, Vertreter der Universitäten, von mehr als 100 Domkapiteln, 300 Doktoren der Theologie und Gesandte fast aller Staaten des Abendlandes. In der ersten Sitzung predigte der Kardinal von Mailand »über die Schuld der beiden Päpste und die Notwendigkeit eines allgemeinen Konzils*. Da beide Päpste weder selbst erschienen waren noch Vertreter gesandt hatten, Y u r ^ e n 8 i e (dritte Sitzung) für hartnäckig erkannt und die Kardinäle, die noch auf ihrer Seite ') Analyse bei Schwab, 223 ff. *) Dieselben Grundgedanken kehren in seiner Schrift »von der Absetzbarkeit des Papstes« (de auferibilitate papa) wieder, die er während des Konzils geschrieben hat.

Vorladung der Päpste.

Ihre Absetzung.

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standen, vorgeladen. Am 10. April erschien Karl Malatesta, der Schützer Gregors; Gesandte Ruprechts hatten zuvor noch mit diesem verhandelt; er weigerte sich, in Pisa zu erscheinen, weil die Florentiner seine Gegner seien, und verlangte Verlegung des Konzils an einen andern Ort. In der vierten Sitzung brachten die deutschen Gesandten 24 Bedenken*) gegen das Vorgehen der Kardinäle vor, verlangten Verlegung des Konzils an einen andern Ort, wo Gregor XII, erscheinen müfste, widrigenfalls ihm der König die Obedienz entziehen würde. Darauf ging das Konzil nicht ein, und die Gesandten verliefsen Pisa (21. April), nachdem sie gegen das Vorgehen der Pisaner Berufung eingelegt hatten. Die Kardinäle machten wiederholte Versuche, Malatesta auf ihre Seite zu bringen, er sollte den Papst bestimmen, nach Pisa zu gehen und seinem Versprechen nach zu resignieren. Dieser erklärte aber bestimmt, .sich an keinen Ort des Florentiner Gebiets zu begeben. In der fünften Sitzung wurde eine Denkschrift über die Entstehung und den Fortgang des Schismas vorgelegt, in den folgenden drei Sitzungen der Standpunkt des Konzils verteidigt und in der neunten bis zur fünfzehnten der Prozefs gegen die beiden Päpste verhandelt. Während der Verhandlungen wurde (29. Mai) durch den Pariser Magister Pierre Plaoul die Erklärung abgegeben, dafs d i e K i r c h e ü b e r d e m P a p s t e s t e h e . Der Urteilsspruch gegen beide Päpste erfolgte in der fünfzehnten Sitzung (5. Juni): Petrus de Luna und Angelo Correr wurden als notorische Schismatiker und Häretiker ihrer Würde entsetzt, die römische Kirche als vakant und alle von beiden gegen die Kardinäle geschleuderten Sentenzen, auch ihre jüngsten Kardinalsernennungen für null und nichtig erklärt. Am 10. und 13. Juni geschahen die Vorbereitungen zur Neuwahl. Einstimmig erklärten die Kardinäle, falls einer von ihnen gewählt würde, das Konzil nicht aufzulösen, ehe die notwendige Reform an Haupt und Gliedern erfolgt sei. Würde ein anderer gewählt, so würde von ihm v o r Verkündigung der Wahl das gleiche Versprechen verlangt werden. Nur ein solcher solle Papst werden, den beide Kollegien entweder einstimmig ') S. auch RA., VI., 334, 497, die Bedenken im Einzelnen bei Hefele-Knöpfler VI., 999. Ihre Einwendungen bezogen sich hauptsächlich auf die Frage, ob die Kardinäle, nachdem sie den Papst als rechtmäfsigen Inhaber des päpstlichen Stuhles anerkannt hatten, ihm den Gehorsam entziehen konnten, ob sie ein allgemeines Konzil berufen dürfen, da sie keine Autorität dazu haben, oder wie sich zwei Kollegien, von denen das eine das wahre und legitime, das andere das falsche und illegitime sei, zu einem einzigen vereinigen und das eine dem andern Recht und Macht geben könne, einen Papst zu wählen. Die Widerlegung dieser Einwendung hatte der Rechtsgelehrte Pietro d'Anchorano ausgearbeitet und in der 7. Sitzung vorgetragen. Seine scharfsinnigen Erörterungen vermochten doch nicht alle Bedenken zu zerstreuen. Das Konzil antwortete, dafs man bei einem solchen Schisma den Gehorsam nicht blofs versagen könne, sondern müsse, zumal Gregor XII. seiner Handlungsweise nach nicht nur als Schismatiker, sondern auch als Ketzer betrachtet werden müsse. Wenn ein allgemeines Konzil berufen werden mufs und der Papst es nicht berufen kann oder will, ist es Pflicht der Kardinäle, es zu berufen. Die Mitglieder beider Kollegien könnten sich mit Recht zu einem einzigen vereinigen, um die Einheit der Kirche herzustellen. In diesem Falle dürfe man selbst mit Exkommunizierten und Schismatikern in Verbindung treten.

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Die Wahl Alexanders V.

Ergebnisse des Konzils.

oder mit Zweidrittelmehrheit wählen. Zugleich wurden die Kardinäle zur Vornahme der Wahl legitimiert. Am 15. Juni traten sie zum Konklave zusammen. Tags zuvor waren Gesandt« Benedikts XIII. und Aragoniens erschienen, wagten aber bei der Stimmung des Volkes nicht, ihre Aufträge zu vollziehen. Unter den Kardinälen genofs der Erzbischof von Mailand, Peter Philarghi, grofses Ansehen. Von Geburt kandiotischer Grieche, vereinigte er die Stimmen der Wähler zum guten Teil auch aus dem Grunde auf sich, weil man von ihm die Vereinigung der griechischen und lateinischen Kirche erwartete. Er nannte sich A l e x a n d e r V. (1409—1410). Er versprach ungesäumte Durchführung der Reformation und verlangte die Wahl eines Ausschusses der gelehrtesten und tüchtigsten Männer aller Nationen, um mit den Kardinälen die Sache zu beraten, erklärte aber bereits in der 23. Sitzung (7. August), die Reformation wegen der Abreise vieler Prälaten nicht durchführen zu können; daher verschob er sie mit Zustimmung der Versammlung auf das nächste Konzil. So schlofs die Synode; die abendländische Kirche hatte drei Päpste aber keine Reform. Nur einige Anträge, die eine Milderung der schweren kirchlichen Auflagen und eine Erweiterung der durch die Päpste beschränkten bischöflichen Jurisdiktionsrechte betrafen, fanden Berücksichtigung. Im Augenblick konnte wohl auch nicht mehr geschehen, denn die Reform bedurfte grofser Vorbereitungen; um diese ins Werk zu setzen, wurde schon jetzt der Befehl erteilt, dafs alle Diözesen , Kirchenprovinzen und Orden, entsprechende Gutachten einreichen sollten. 3. Kapitel.

König Sigmund und das Konzil von Konstanz. § 104. Die Wahl Sigmunds. Die Belehnnng der Hohenzollern mit Brandenburg. U r k k . u. K o r r e s p . : Altmann, Regesta imp. XI. Die Urkk. Kaiser Sigmunds. 2 Bde. Innsbr. 1896—1900. Die ungar. Urkk. in Ft'jör Cod. dipl. Hungariae. Für Polen : Cod. opiat. Vitoldi, ed. Prohazka, Krakau 1882, und der Liber cancell. Stanisl. Ciolek, ed. Caro, Arch. f. öst. Gesch., XLV und LII. J. Caro, Ans der Kanzlei Sigmunds. AÖG. LIX. Brefslau, Regg. Sigismunds. Forschung. XVIII. Bd. DRA. unter K. Sigmund, ed. Kerler, Herre und Beckmann. München 1878—1901. (RA. Bd. V I I - X U . ) Janssen, Frankfurt« ReichBkorreap. I, S. 154—269, wie oben. Weiteres s. unten § 107, 112 und 115. E r z ä h l e n d e Q u e l l e n : Stiidteclironiken wie oben. Dazu: Eberhart Windeckes Denkwürdigkeiten zur Gesch. des Zeitalters K. Sigmunds. Herausgeg. von Altmann. Berlin 1893. (Lit. bei Potthast I, 1118 u. Lorenz H, 294.) Andreas v. Regensburg, Chronic, pontiff. et imp. Romanor." Conc. C'onst. und Diarium sexennale 1422—1427, herausg. v. Leidinger, München 1903. Engelbert Wusterwitz, Märkische Chronik nach Angelus und Hafftitz, herausgeg. v. Heidemiinn. Berl. 1878. Reicht von 1388—1425. Lorenz II, 125. Dort die übrigen märkischen Quellen. H i l f s s c h r i f t e n : A s c h b u c h , Gesch. Kaiser Sigmunds. 4 Bde. Hamburg 1838—1845. L i n d n e r , Deutsche Gesch. unter den Habsburgern u. Luxemburgern II. St. 1893. Li n d n e r , Kaiser Sigmund. ADB. XXXIV. D r o y s e n , Gesch. d. preufs. Pol. I. Bd. v. B e z o l d , König Sigmund u. die Reichskriege gegen die Husiten (enth. auch Reichsgesch.). Münch. 1872. H u b e r , Gesch. Üsterr. II, P a l a c k v , Gesch. Böhmens HL

Die politischen Parteien in Deutschland beim Tode König Ruprechts.

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F e i s l e r - K l e i n , Gesch. v. Ungarn II. C s u d a y , Gesch. v . U n g a r n I. S. auch noch H o r m a y e r , öst. Plutarch. XVII. Einzelschriften : S c h r o 11 e r , Die Wahl Sigmunds zum röm. König. Breslau 1875. K a u f m a n n , Die Wahl etc. MVGDB. XVII. Q u i d d e , König Sigmund und d. d. Reich 1410—1419. 1. Abt. Die Wahl Sigmunds. Gött. 1881. S c h r o h e , Die Wahl Sigmunds zum röm. König. MJÖG. XIX. S c h w e r d f e g e r , Papst Johann XIH. u. die Wahl Sigismunds. Wien 1898. F i n k e , König Sigmunds reichsstädtische Politik 1410—1418. Tüb. 1880. D i e t z , Die pol. Stellung der deutschen Städte. Giefsen 1889. B r e t h o l z , Zur Biographie Jodoks. ZGMährens III. H e u e r , Städtebundsbestrebungen unter Sigmund. Berl. 1887. T u m b ü 11, Schwäbische Einigungsbestrebungen. MJÖG. X. Ch. M a y e r , Der bayr.-österr. Krieg 1410 und die schwäb. Städte. Forsch. XV, 131. W e i g e 1, Die Landfriedensverhandlungen unter K. S. Halle 1884. W e n d t , Der deutsche Reichstag unter König Sigmund. Breslau 1889. K a g e l m a c h e r , Filippo Maria Visconti u. König Sigmund 1413—1431. S. dazu DZG. VII, 323. Zur Erwerbung der Mark Brandenburg durch die Hohenzollern : S c h w a l b e , Die Übertragung des Kurf. Brandenburg an Friedrich I. v. H. Progr. 1869. H e i d e m a n n , Die Mark Brandenburg unter Jobst v. Mähren. Berlin 1881. P r u t z , Preufs. Geschichte I. Stuttg 1900. P r i e b a t s c h , Die Hohenzollern und der Adel der Mark HZ. 88, 193. G ö t z e , Die Erwerb, d. Mark durch d. Hohenzollern. Märk. Forsch. XV. B r a n d e n b u r g , König Sigmund und Kurfürst Friedrich I. y. Brandenburg 1409—1428. Berl. Diss. 1891. O. F r a n k l i n , Die deutsche Politik Friedrichs I. v. Brandenburg. Berl. 1851. v. K1 ö d e n , Die Quitzows und ihre Zeit. 3. Aufl. Berlin 1890. R i e d e l , Zehn Jahre aus der Gesch. der Ahnherren des preufs. Königshauses. Berlin 1851. J. V o i g t , Die Erwerbung der Neumark 1402—1457. Berl. 1863. R a n k e , Zwölf Bücher preußischer Gesch. I (Werke XXV). E b e r h a r d , Ludwig III., Kurfürst von der Pfalz und das Reich.

1. Schroffer als bei der Wahl Ruprechts standen die Parteien in Deutschland bei dessen Tod einander gegenüber. Zum politischen war noch der kirchliche Gegensatz hinzu gekommen. Während Pfalz und Trier auf Seiten Gregors XII. standen, waren Mainz und Köln Anhänger des Konzilpapstes. Für Brandenburg und Sachsen galt Wenzel, dessen Anhang durch die jüngsten Ereignisse gestiegen war, als rechtmäfsiger König. Nachdem Heinrich IV. von England eine Thronbewerbung abgelehnt hatte, wandte sich die mainz-kölnische Partei an den ihr von Johann XXIII. (§ 105) empfohlenen König von Ungarn. Sigmund empfahl sich als Mitglied des luxemburgischen Hauses, dem zwei Kurstimmen gehörten und der schon seit 1396 den Titel eines Reichsvikars führte. Von den ihm gestellten Bedingungen sagte ihm die am wenigsten zu, welche die Ernennung des Reichsvikars von der Zustimmung der deutschen Fürsten abhängig machte. Er lehnte sie daher ab (1410, 25. Juli). Nun wandten sich Mainz und Köln an Jost. Dieser, ein habgieriger, gewissenloser Fürst, »der grofse Lügner«, wie ihn Windecke nennt, im übrigen im Besitz einer starken Hausmacht und reicher Geldmittel, ging ohne Zögern auf die von Sigmund zurückgewiesenen Bedingungen ein und trat, um die Mehrheit der Stimmen zu gewinnen, mit König Wenzel und Sachsen in Unterhandlungen. Noch waren diese nicht abgeschlossen, als der Wahltag erschien. Mittlerweile hatten sich auch Pfalz und Trier durch den Burggrafen Friedrich von Nürnberg, der 1409 aus Ruprechts Diensten in die Ungarns getreten war, an Sigmund gewandt. Indem dieser Ruprechts Regierungshandlungen anerkannte und in der Kirchenfrage eine tolerante Haltung einnahm, sicherten beide Kurfürsten ihm (5.—6. August) ihre Stimmen zu. Als die vier rheinischen Wähler am 1. September zur Wahl erschienen, waren die Verhandlungen der beiden I./Oserth, Geschichte des späteren Mittelalters.

29

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J 0 8 ^ von Mähren u. K. Sigmund v. Ungarn.

Die Wahl Sigmunds.

andern Kurfürsten mit Jost noch nicht abgeschlossen. Mainz und Köln, noch immer geneigt, für Sigmund zu stimmen, verlangten nur den Beitritt der Pfalz und Triers zur Pisaner Obedienz. Hier aber fanden sie hartnäckigen Widerstand. Diese beiden drängten auf die Vornahme der Wahl am 20. September. Um sie zu verhüten, belegte der Mainzer das Wahllokal — die Bartholomäuskirche — mit dem Interdikt. Da traten Pfalz und Trier hinter dem Hochaltar der Kirche auf dem Kirchhofe zusammen, erkannten den Burggrafen von Nürnberg als Bevollmächtigten des zur Kur berechtigten Markgrafen von Brandenburg an und wählten Sigmund zum römischen König. Mainz und Köln warteten auf die Boten Josts und Wenzels. Diese erschienen am 28. September. Da Wenzel erklärte, im Interesse der Einigkeit auf die Krone zu verzichten, und seine Boten beauftragte, mit Mainz und Köln zu stimmen, wurde Markgraf Jost von Mähren mit den Stimmen von Mainz, Köln und Böhmen zum König gewählt (1. Oktober). Es war sonach die kirchliche Frage, welche die zwiespältige Wahl hervorgerufen hatte. Beiden Wahlen fehlten die Vorbedingungen, sie zu einer rechtsgültigen zu machen. 1 ) Weder der eine noch der andere der Gewählten machte einen Versuch, vom Reiche Besitz zu ergreifen. Erst als Sigmund erwarten durfte, sich durch ein Übereinkommen mit Jost behaupten zu können, erklärte er, die Wahl anzunehmen.2) Für den 8. Januar ward eine Zusammenkunft beider in Ofen festgesetzt, sie fand aber nicht statt, und Jost starb bereits zehn Tage später in Brünn. Nun gingen auf die Mahnung Johanns X X I I I . auch Mainz und Köln zu Sigmund über und brachten auch Wenzel und mit diesem Rudolf von Sachsen auf seine Seite. Am 9. Juli 1411 traf Sigmund ein Übereinkommen mit Wenzel, nach welchem diesem die Kaiserkrone bestimmt war; Sigmund sollte sich mit der Würde eines römischen Königs begnügen, die Einnahmen aus dem Reiche unter beide geteilt und eine Neuwahl zwar vorgenommen werden, doch so, dafs Sigmund König bleibe. Die Neuwahl, gegen die sich Sigmund eine Zeitlang sträubte, fand am 21. Juli 1411 statt. Er hielt sich übrigens an das ihm durch die erste Wahl gegebene Recht und rechnete nach ihr die Jahre seiner Regierung. Sigmund war jetzt 44 Jahre alt, eine männlich schöne Erscheinung, »ein hübscher Herre«, von ritterlichem, gewinnendem Wesen. Ohne literarische Neigungen, besafs er eine ausgezeichnete Bildung, die Gabe eindrucksvoller Rede und sprach nicht weniger als sieben Sprachen. Voll Ehrgeiz und Unternehmungslust, zeigte er in den Geschäften unermüdliche Ausdauer. In den Kämpfen gegen die Türken hatte er militärischen Ruf erlangt. Für politische und wirtschaftliche Fragen bekundete er Interesse, und dem kirchlichen Notstand der Zeit kam er mit einem Eifer entgegen, der die Bewunderung der Zeitgenossen erregte. Diesen blieben freilich auch die schlechten Seiten seines Charakters nicht verborgen: in Ungarn klagte man über seine Verschwendung und Grausamkeit, in Böhmen über seine Gewalttätigkeiten, überall über seinen unmoralischen Lebenswandel, worin ihn übrigens Beine zweite Gemahlin, Barbara von Cilli, noch übertraf. Wiewohl er sich um die deutsche Krone ») Schrohe, S. 481. ') RA. Nr. 36, 37.

Charakteristik Sigmunds. Die Hohenzollern in Brandenburg.

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lebhaft bemüht hatte, beschränkte sich seine Politik nicht auf Deutschland allein, vielmehr stellte er die Interessen Ungarns und in der Folge auch die Böhmens denen Deutschlands voran. Gab er doch ein Land auf, auf welchem im Grunde seine in Deutschland errungene Machtstellung beruhte, die Mark Brandenburg, deren Verlust seine hussitischen Untertanen nimmermehr verschmerzt haben.') Es ist aber doch nicht zu übersehen, dafs er seine Stellung im Reiche in einer Weise auffafste, die an die alten deutschen Kaiser erinnert. Er liebte es, als Haupt der Christenheit und Schirmherr der Kirche zu erscheinen. Für die unleugbar grofse Idee der Herstellung der kirchlichen Einheit hat er die schwersten Opfer gebracht und die beschwerlichsten Fahrten unternommen.

2. Im Besitz jener Länder, die einen grofsen Teil des heutigen Osterreich bilden, sah Sigmund in ihrer Vereinigung ein Gebot der Notwendigkeit, um den Kampf gegen die Türken mit Erfolg aufnehmen zu können. Nachdem er oft genug auf die Zusammengehörigkeit dieser Länder hingewiesen, hat er auch auf ihre Vereinigung hingearbeitet. Von diesem höheren Gesichtspunkt aus wird man die Entäufserung der von seinem übrigen Ländergebiet weit entlegenen Mark Brandenburg zu betrachten haben. Sigmund und Jost fanden die Anarchie in diesem Lande bereits in voller Blüte.2) Seit jener in die polnisch-ungarischen Thronstreitigkeiten verwickelt wurde, hatte Brandenburg für ihn nur noch als steuerzahlende Provinz und Pfandobjekt bei der Aufnahme von Darlehen eine Bedeutung. Noch ärger wurde es unter Jost; selbst Mähren, das er 1375 von seinem Vater in blühendem Zustande übernommen hatte, bot bald ein Bild allgemeiner Gesetzlosigkeit dar. Nach Josts Tode hatte Sigmund Brandenburg zurückerhalten. Eine Abordnung von Märkern schilderte ihm in Ofen die Lage der Mark, worauf er ihnen eröffnete, dafs er den Burggrafen Friedrich VI. von Nürnberg mit der Herstellung der Ordnung betraut habe. Am 8. Juli 1411 bestellte er ihn zum Verweser und obersten Hauptmann mit allen Rechten, das Kurrecht ausgenommen, und verschrieb ihm als Beitrag für die Herstellung geordneter Zustände die Summe von 100000 ungarischen Gulden.3) Hiedurch sollte Friedrich für seine baren Auslagen entschädigt und für seine persönlichen Bemühungen entlohnt werden. Da zu erwarten stand, dafs der stets geldbedürftige König diese Summe 4 ) niemals bezahlen würde, war es aufser Zweifel, dafs der Burggraf schon jetzt begründete Aussicht auf den dauernden Besitz des Kurlandes besafs. Der Chronist der Mark begrüfst sein Erscheinen in der Mark mit den Worten: »Gott hat ihn also von der Höhe hergesandt«. Damit beginnt die welthistorische Mission des Hohenzollernschen Hauses. Die Burggrafen von Nürnberg entstammen einem alten schwäbischen Geschlechte, das nach seiner am Zollerberge 6 ), am westlichen Abhang der schwäbischen Alb, erbauten ') Höfler, Gesch. d. hussit. Bew. I, 472. S. die Verteidigung dieser Mafsregel durch Ludolf von Sagan, p. 516. 2) S. aufser Heidemann auch Droysen, Gesch. d. pr. Pol. I, 19 ff. 3 ) Eegg. Nr. 58. 4 ) Die im folgenden Monat aus Anlafs der Verlobung Johanns, des ältesten Sohnes des Burggrafen, mit einer Tochter Rudolfs von Sachsen noch erhöht wurde. 6 ) Engelbert Wusterwitz, S. 84. e ) Wahrscheinlich von Söller, die Höhe. 29*

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Ältere Geschichte der Hohenzollem.

Friedrich VL

(I.)

Stammburg benannt ist. Der Stammvater der Hohenzollem, Graf Barchard, starb 1061. Sein Urenkel Friedrich I., mit der Gräfin Sophie von Raabs, der Erbtochter des Burggrafen Konrad II. von Nürnberg, vermählt, erhielt die Stammgflter dieses Hauses in Österreich und Franken und wurde 1191 mit der Burggrafschaft Nürnberg belehnt. Die Burggrafen hatten ihren Sitz in der kaiserlichen Pfalz daselbst; die Stadt hatte sich zwar schon früh von ihren Verpflichtungen gegen sie frei gemacht, aber die Stellung der Burggrafen war auch ohne das bedeutend genug. Sie führten die Aufsicht über die zahlreichen Reichs- und die Erbgüter des staufischen Hauses und hatten den Heer- und Gerichtsbann. Für sich selbst erhielten sie zunächst nur die Nutznieisung von einer Anzahl von Gütern und Einkünften, aber sie erwarben durch Kauf, Pfandund Erbschaft und nicht zuletzt auch durch Geschenke der Kaiser reichen Eigenbesitz. Nach dem Tode des Meraniers Otto H. (1348), fiel ein Teil des meranischen Besitzes an Ottos Schwestern, von denen eine mit dem Burggrafen Friedrich III. vermählt war. Als meranisches Erbe erhielten die Zollern Bayreuth und die Lehenshoheit über das Land Regnitz mit der Stadt Hof. Seit 1227 waren sie in die zwei heute noch blühenden Linien geteilt. Ihr Ansehen, im raschen Aufschwung begriffen, war zwar kein solches, dafs sie nach dem Ausgang der Staufer selbst die Hand nach der Krone hätten ausstrecken dürfen, aber bei der zentralen Lage ihres Besitzes und ihren mannigfachen dynastischen Verbindungen vermochten sie doch immer bei deutschen Königswahlen grofsen Einflufs auszuüben. So erwarb sich schon Friedrich Hl. erst um die Wahl Rudolfs von Habsburg, dann um die Begründung der Machtstellung des habsburgischen Hauses grofse Verdienste. Hielten die Zollem treu zum Reiche, so doch nicht immer zu dem Geschlechte, das sich in dem Besitz des Reiches zu behaupten suchte. Friedrich IV. stand auf der Seite Ludwigs deB Bayers. Er erwarb durch Kauf Ansbach. Die Macht seines Sohnes stieg durch den Anfall der Herrschaft Flassenberg mit der Stadt Kulmbacli. Er ist der erste Hohenzoller, der in nahe Berührung zur Mark Brandenburg kam, wo er 1345 als Stellvertreter des Markgrafen Ludwig das Amt eines Hauptmanns erhielt. Karl IV. bestätigte den Burggrafen (1363) die fürstliche Würde und erteilte ihnen fürstliche Rechte; allgemein wird den Burggrafen aber erst seit 1385 der Fürstentitel gegeben. •) Friedrich V. teilte 1398 seinen Besitz derart, dafs Johann III. Bayreuth, Friedrich Ansbach erhielt. Die burggräflichen Rechte und die Besitzungen in Österreich blieben gemeinsam. Stand jener auch nach dem Umschwung der Dinge im Reiche im Jahre 1400 auf Seiten Wenzels, so hielt dieser zu König Ruprecht. Die Rotenburger Fehde (s. oben) brachte ihn in grofse Geldnot, was ihn bewog, in die Dienste König Sigmunds zu treten.

Friedrich VI. hatte nach seinem Erscheinen in der Mark (1412) einen hartnäckigen, zwei Jahre währenden Kampf gegen den unbotmäfsigen märkischen Adel zu bestehen, der bisher unter der Führung der Quitzow, Rochow und anderer jeder landesherrlichen Autorität Trotz geboten hatte.2) Am 30. April 1415 verlieh Sigmund dem Burggrafen für seine erfolgreiche Teilnahme an den grofsen Angelegenheiten der Kirche und des Reiches die Mark Brandenburg samt der Kurwürde. Zwar wurde auch jetzt noch, um den König Wenzel zu beruhigen, der Rückfall des Landes an das Haus Luxemburg vorbehalten, indem aber daran die Bedingung geknüpft wurde, dafs in diesem Falle die Schuldforderungen Friedrichs in der Höhe von 400000 Gulden beglichen werden mufsten, war zu erwarten, dafs die Verleihung eine dauernde sein würde. Die Belehnung erfolgte in feierlicher Weise in Konstanz am 18. April 1417. ') Ficker, Vom Reichsfürstenstand, S. 211. ') Dafs die landläufige Geschichtsschreibung das Bild einigermafsen verschoben hat, s. bei Priebatsch, S. 205.

von

diesen Kämpfen

Das Papsttum nach dem Konzil von Pisa.

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§ 105. Das Schisma unter Alexander Y. und Johann XXIII. Das römische Konzil 1412—1413. Q u e l l e n , s. oben. S c h m i t z , Die Quellen zur Gesch. d. Eonz. v. Cividale. RQSehrChrA. IV. Neues Aktenmaterial für die Jahre 1410—1414 findet sich in der trefflichen Publikation Finkes, Acta concilii Constantiensis. 1. Bd. Akten zur Vorgesch. des Konst. Konzils 1410—1414. Münster 1896. Ebenso in dessen Forschungen und Quellen zur Gesch. des Konstanzer Konzils. Paderborn 1889. Zum Konzil von 1413 s. d. Diarium des Antonius Petri bei Muratori XXIV, 1029. Palacky, Doc. mag. Joan. Hus u. Loserth, Beitrage z. Gesch. d. hus. Bew. V. De Joanne XXIII., Murat. III, 12, 846. Niem, Hist. de vita Johannis XXIII pont. Rom. v. d. Hardt II, p. 15, 365—410. Lib. pontif., ed. Duchesne II. Einzelne Dokumente zur Gesch. Johanns XXIII. s. in dem Buch von Gozzadini (s. unten). H i l f s s c h r i f t e n : S c h w e r d f e g e r u. K a g e l m a c h e t wieoben. S a u e r b r e i , Die ital. Polit. K. Sigmunds 1410—1415. Diss. 1893. G o z z a d i n i , Nanne Gozzadini e Baldassare Cossa poi Giovanni XXIII. Bologna 1880. H u n g e r , Zur Gesch. Papst Joh. X X i n . . Bonn 1876. E. G ö l l e r , König Sigismunds Kirchenpolitik vom Tode Bonifaz' IX. bis zur Berufung des Konst. Konzils. Freib. 1902. Souchon und Kötzschke wieoben. B l u m e n t h a l , JohannXIII, seine Wahl u. seine Persönlichkeit, ZKG. XXI.

1. Das Pisaner Konzil hatte der Kirche die ersehnte Einheit nicht gebracht. Gregor XII. und Benedikt XIII. legten, jener auf der Synode zu Cividale gegen Alexander V., den »Schismatiker« Petrus von Candia, Einsprache ein. Wie Gregor in Neapel und andern Teilen Italiens, bei König Ruprecht und einzelnen deutschen Reichsfürsten, fand Benedikt in Spanien, Portugal und Schottland Anerkennung. Indem die übrigen Länder der Obedienz Alexanders V. zugehörten, war, wie die Zeitgenossen klagten, aus der »verruchten« Zweiheit eine »verfluchte« Dreiheit geworden.1) Während in Deutschland früher weder Klemens VII. noch Benedikt XIII. dauernden Anhang gefunden hatten, zerrifs die Pisaner Neuwahl Deutschland in Gegensätze, die meist mit inneren Streitigkeiten verquickt waren. Entschieden sich einzelne Bischöfe für den einen Papst, so traten nicht selten Äbte und niedere Geistliche desselben Sprengeis für den andern ein. Erkannten z. B. in der Kirchenprovinz Mainz der Erzbischof, dann die Bischöfe von Strafsburg, Halberstadt und Hildesheim den Konzilspapst an, so hielten sich die Bischöfe von Worms, Speyer, Eichstätt, Würzburg an Gregor XH., und Paderborn und einige andere waren unsicher. Gregor XII. wollte zwar seine Würde niederlegen, falls dies auch die andern Päpste täten, aber die Pisaner Partei konnte nicht gestatten, dafs der Konzilspapst ebenso behandelt werde, wie seine Gegner, sondern suchte ihm die Obedienz der ganzen Christenheit zu verschaffen. Gregor XII., der sich iji Cividale nicht sicher fühlte, begab sich zum König Ladislaus, der für seinen Schützling den Kirchenstaat besetzt hatte. Alexander V. legte ihn daher in den Bann, erklärte ihn des Thrones verlustig und gewann im Bunde mit Ludwig II. von Anjou und den Florentinern den ganzen Kirchenstaat. Das Hauptverdienst hiebei hatte der Kardinal Cossa, der die Liga zustande gebracht hatte. Unter diesen Umständen kam die vom Konzil beschlossene Vorbereitung einer Reform der Kirche an Haupt und Gliedern nicht >) Finke, Forschungen S. 281 u. 1.

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Tod Alexanders V. Wahl und Charakter Johanns XXIII.

einmal über die Anfänge hinaus. Alexander V. stand ganz unter Cossas Einflufs; dieser bewog ihn, die Kurie nach Bologna zu verlegen, wo Cossa selbst schon durch sieben Jahre ein eisernes Regiment geführt hatte und Papst und Kurie noch mehr in seine Abhängigkeit gerieten. Hier erkrankte der Papst und starb in der Nacht vom 3. auf den 4. Mai 1410. Es verbreitete sich das Gerücht, dafs Cossa ihn habe vergiften lassen. 2. Malatesta suchte die rasche Vornahme einer Neuwahl zu verhindern, aber schon hielt Cossa den Augenblick für gekommen, selbst den Thron zu besteigen, den er schon zu Lebzeiten Alexanders beherrscht hatte. So wenig Sympathien er auch unter den Kardinälen hatte: die Rücksicht auf seine militärische Macht und auf Ludwig II. von Anjou, der von ihm eine kräftige Unterstützung seines Kampfes gegen Ladislaus erwartete, bewog sie, ihre Stimmen auf ihn zu vereinigen (1410, 17. Mai). Er bestieg als J o h a n n XXIII. (1410—1415) den päpstlichen Stuhl. Sein Leumund war schon vor seiner Wahl der schlechteste, und es hält schwer, aus den verschiedenartigsten Gerüchten über ihn Wahres und Falsches zu scheiden: man wufste von ihm zu erzählen, dafs er Leute mit eigener Hand getötet, unschuldiges Blut vergossen, die Zeit, bis er Papst geworden, nicht gebeichtet habe, dafs er an kein Jenseits glaube usw. Viele Anschuldigungen sind sicher falsch oder übertrieben; was aber noch übrig bleibt, ist für ihn belastend genug. Balthasar Cossa entstammte einer vornehmen aber verarmten Familie Neapels, deren Gewerbe der Kriegsdienst zur See war, und so soll auch Balthasar sich in seiner Jugend an den Raubzügen beteiligt haben, zu denen der Kampf der Gegenkönige Neapels Anlafs bot. Sein Emporkommen dankte er Bonifaz IX., mit dem er wahrscheinlich verwandt war. Das geistliche Wesen lag ihm freilich fern, hatte er doch vor seiner Wahl noch nicht einmal die Priesterweihe erhalten. 1396 Archidiakon von Bologna, wurde er 1402 Kardinal. 1403 erhielt er die Aufgabe, den Legationsbezirk von Bologna dem hl. Stuhl zurückzuerobern. Hiebei erwies er sich als grausam und habgierig. Die mit Gregor XII. entzweiten Kardinäle verpflichtete er sich durch Geldunterstützung und seine diplomatischen Verbindungen. Von ihm erwarteten seine Wähler, dafs er »das Krumme gerade machen« würde.1) Von den im Unionskampf bewährten Männern zog er Ailli und Zabarella ins Kardinalskollegium. Den Kardinälen liefs er zwar einen wesentlichen Anteil an den Geschäften, doch schufen ihm sein Nepotismus, sein ausgedehnter Amterhandel, seine Erpressungen und die Laster, deren er offen beschuldigt wurde, heftige Gegner. 3. Zunächst unterstützte er Ludwig von Anjou mit allem Nachdruck. Ladislaus wurde (1411, 19. Mai) bei Rocca sicca geschlagen, stand aber bald wieder kampfgerüstet da und zwang Ludwig, sich in die Provence zurückzuziehen. Es war umsonst, dafs Johann XXIII. Ladislaus vor seinen Richterstuhl zitierte und das Kreuz wider ihn predigen liefs. In Böhmen hatte dies eine heftige Erregung zur Folge *) » Indirecta

dirigere ) Finke, Q. u. F. S. 7. *) Es ist nicht ohne Interesse, zu sehen, wie gering die böhmische Bewegung damals noch von so reformfreundlichen Männern wie Clemangis eingeschätzt wurde. Er spricht von Verhandlungen auf dem römischen Konzil: In rebus sup er v acuis, nichü ad utilitatem ecclesiae pertinentibus.

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Ausbreitung des Wiclifismus in Böhmen.

Spisy latinBk^, ed. Flajihans. Prag 1903. Opera Omni», tom. I. fasc. 1. Expositio Decalogi. Hufs' Predigten Obers, v. Xovotny. Görlitz 1855. v. d. Hardt, wie oben. Dazu jetzt: F i n k e , Forschungen etc., und Acta concilii Con«t., wie oben. Von grofser Wichtigkeit sind trotz der beispiellosen Mängel in Bezug auf die Ausgabe als solche (s. hierüber Palacky, Hussitentum und Prof. Höfler. 2. A. 1868) die Geschichtschreiber d. hussitischen Bewegung, herausg. v. C. Höfler, 1—3 (Fontes rer. Austr. SS. 2, 6, 7). Wien 1856—66. Von den wichtigeren Werken finden sich im Bd. 1 die Historien des Lorenz von Bfezova (nicht Brezina) und Peter von Mladenowitz (hier besser zu benützen als in den Documenta, ed. Palacky), im Bd. 2 die grofse Taboritenchronik des Johann von Lukawetz u. Nikolaus von Pelhrimow, im Bd. 3 eine Verdeutschung der tschechischen Annalen der Hussitenzeit, die als Bd. 3 in den SS. rer. Bohemic. von. Pelzel, Dobrowsky u. Palacky (Prag, 1829) herausgegeben sind. Viele Materialien zur Vorgeschichte des Hussitentums s. in Höfler, Concilia Pragensia. Eine korrektere Ausgabe der wichtigeren Chroniken aus der Hussitenzeit enthält der 6. Bd der Fontes rer. Bohem. Prag 1893. Hier die Chronik des Bfezova, das chronicon universitatis Prag und die Chronik des Bartossek v. Drahonic in der Ausg. v. Jar. Göll. Loserth, Beitr. z. Gesch. d. huss. Bewegung, 1—5. AÖG. 55, 57, 60, 75, 82. 1. enthält den Cod. epist. des Prager Erzb. Joh. v. Jenzenstein; 2. das Leben und die Schriften des Magisters Adalbertus Ranconis de Ericinio; 3. den Traktat Ludolfs von Sagan »de longevo schismate K. v. K. Düren 1879. L e n z , K. Sigmund u. Heinrich V. von England. Berlin 1879. L e n z , Drei Traktate aus dem Handschriftenzyklus d. K. K. Marb. 1876. J. C a r o , Das Bündnis v. Canterbury. Gotha 1861. G i e r t h , Vermittlungsversuche Sigmunds zw. Frankr. u. Engl. 1410. Halle 1896. B e f s , Das Bündnis von Canterbury. MJÖG. XXII. F r o m m e , Die span. Nation u. das K. Konzil. Münster 1894, und erweitert 1896. B e r n h a r d t , Der Einflufs des Kardinalkollegs auf die Verhandlungen d. K. K. 1880. B e f s , Zur Gesch. d. K. K. Marb. 1891. B e f s , Johann Falkenberg u. der preuTsisch-polnische Streit vor dem Konstanzer K. ZKG. XVI. T r u t t m a n n , Das Konklave zu Konst. Strafst). 1899. T e i g m a n n , Das Konklave in Konstanz 1417. Strafsb. 1900. F r o m m e , Die Wahl Martins V. RQSchr. 1896. — Der erste Prioritätsstreit. RQSchChA. X. H e y d e n r e i c h , Das K. K., Beil. Allg. Z. 1896. H ö f l e r , Der Streit der Polen u. Deutschen vor dem K. K. 1879. S i m o n s f e l d , Analekten zur Papst- u. Konziliengesch. Abh. bayr. Akad. III. Kl. XX. F u n c k , Martin V. u. d. K. v. Konst. Kirchengesch. Abh. I. B e f s , Die Annatendebatte. ZKG. XXII. A s c h b a c h , Gesch K. Sigmunds, wie oben. S. auch § 106 u. 112.

1. Hatten hervorragende Gelehrte wie Zabarella schon vor dem Pisaner Konzil dem Kaisertum die Aufgabe vindiziert, in kirchlichen Dingen Ordnung zu schaffen, so erwarteten bald alle abendländischen Zeitgenossen von ihm allein Hilfe gegen die allgemeine Not. Und dies um so mehr, als die Staaten des Südens und Westens von schweren Kämpfen und Parteiungen heimgesucht waren. Wenn es daran auch in den Reichen Sigmunds nicht fehlte, wandte er sich doch voll Eifer dieser wichtigen Aufgabe zu und suchte Fürsten, Kommunen und gelehrte Korporationen hiefür zu begeistern.*) Der von Johann XXIII. für die Fortsetzung des römischen Konzils in Aussicht genommene Termin konnte nicht eingehalten werden; am 8. Juni 1413 wurde nämlich Rom von König Ladislaus, der unter nichtigen Vorwänden seine Verträge gebrochen hatte, erobert und der Papst zur Flucht genötigt. Sigmund war der einzige Herrscher, der Rom für den Papst zurückgewinnen konnte, um so gefügiger mufste sich dieser den Absichten des Königs erweisen. Wünschte der Papst als Ort des Konzils Bologna oder Rom, so trat Sigmund für einen Ort ein, der dem Einflufs jedes der drei Päpste so weit als möglich entrückt war.2) Als Sigmund im Oktober 1413 in Oberitalien erschien, um Fiüppo Maria Visconti zu unterwerfen, wurden auch die Konzilspläne kräftig gefördert und bei seiner Zusammenkunft mit dem Papste in Lodi festgesetzt, dafs das Konzil zu Allerheiligen 1414 in Konstanz zusammentreten solle.3) Wohl gab es noch eine Zeit, in der die Konzilspläne Sigmunds zu scheitern schienen, als der Papst nach Ladislaus' Tode (1414, 6. August) die Wiedergewinnung des Kirchenstaates in Angriff zu nehmen beabsichtigte; um so eifriger setzten sich die Kardinäle dafür ein, und einige von ihnen be') Seine Verdienste bei Ludolf v. Sagan, Kap. 51. Andere Belege bei Schwab, S. 497. ») Finke, Acta I, 171. J ) Näheres hierüber in der Copia instrumenti super concilio celebrando bei Palacky, Documenta S. 567 : Ipse rex nominavit eisdem pro loco concilii civitatem Constanti ens em . . . locum idoneum, tutum et convenientem omnibus nacionibus ad concilium Venturis. Auch Zabarella wurde das Verdienst zuerkannt, auf Konstanz hingewiesen zu haben, v. d. Hardt 1, IX, 540: Fuit imprimis auctor huius loci statuendi.

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Programmentwürfe und Reformvorschläge.

schäftigten sich schon jetzt mit der Zusammenstellung von Programmentwürfen und Reformvorschlägen, womit sich auch weitere Kreise eifrig bemühten. A i l l i s Programm — er hat es in der Schrift »von der kirchlichen Gewalt«, die am 1. Oktober 1416 in der Paulskirche zu Konstanz öffentlich verlesen wurde, niedergelegt — war ein durchaus gemäfsigtes. An der bestehenden Hierarchie soll nicht gerüttelt, die Kirche nicht auf den Stand der apostolischen Zeit zurückgeführt, das Papsttum dagegen mit einer Reihe von Schranken umgeben werden. F ü r die Verwaltung der kirchlichen Einkünfte und zur Verhütung von Mifsbräuchen wird ein aus allen Kirchenprovinzen gewählter Ausschufs dem Papst als Regierungskollegium zur Seite stehen. *) Trotz seines konservativen Standpunktes verlangt Ailli, dafs der Papst, wiewohl Träger der Kirchengewalt, doch dem allgemeinen Konzil unterworfen sei. Unfehlbarkeit, so lehrt er in seiner Schrift »vom allgemeinen Konzil«, h a t n u r die allgemeine Kirche und, wie man glauben darf, auch das allgemeine Konzil, w e n n es sich auf die hl. Schrift stützt. Die wichtigsten Reformideen Aillis finden sich i n seinen Tractatus agendorum und Canones reformationig. Um die Kirchenverbesserung an Haupt und Gliedern durchführen zu können, sollen alle zehn Jahre General- u n d von drei zu drei Jahren Provinzialkonzilien gehalten werden. Jene besehliefsen über die allgemeinen Reformen in der Kirche, die Vereinigung der morgen- und abendländischen Kirche und den Kampf wider den Islam. Er empfiehlt die Abschaffung einer Reihe von Mifsbräuchen, Erleichterung in den kirchlichen Abgaben, Verminderung der Zahl der Kardinäle und Einschränkung der Exkommunikation. Eine durchgreifende R e f o r m ist dem Prälatenstand und dem Mönchtum zugedacht. Gersons Programm findet sich in seiner Schrift »Von der Kirchengewalt und dem Ursprung des Rechtes.« 2) Die englische Opposition leugnete wie einst schon Marsiglio die göttliche Einsetzung des Primats und führt ihn auf kaiserlichen Ursprung zurück. Von solchem Standpunkt sind Ailli und Gerson weit entfernt. Gerson bezeichnet die Leugnung der Notwendigkeit und des göttlichen Rechtes des Primats geradezu als Häresie. Gegenüber der Lehre der meisten französischen Theologen, nach welcher die Kirche die Gemeinschaft von Gleichberechtigten ist, welche die Befugnis besitzt, sich die ihren Bedürfnissen entsprechende Verfassung zu geben, wonach diese also eine repräsentative ist, lehrt Gerson: »Die kirchliche Gewalt, übernatürlichen Ursprungs und unveränderlich, hat ihren Schwer- und Schlufspunkt im Primat, der unmittelbar von Christus im Interesse der kirchlichen Einheit geschaffen ist«. Wiewohl diese Lehre mit der obigen unverträglich ist, hat man sie doch miteinander in Einklang zu bringen versucht. Gerson scheidet nämlich zwischen »Gewalt an sich« und »Gewalt in ihren Trägern«. "Während jene, als von Gott herrührend, unwandelbar ist, ist es diese nicht. Den Primat hat Gott geschaffen, der Papst ist durch die Kirche gesetzt. Der Primat ist von dieser unzertrennbar, vom Papst kann sich die Kirche scheiden, so oft es in ihrem Interesse Hegt. Die Gewalt des Primats kann als die höchste von niemanden, auch von der Kirche nicht, gerichtet werden, die des Papstes unterliegt dem Richterstuhl der Kirche, die sie auf dem allgemeinen Konzil einschränken, suspendieren oder an sich ziehen kann. Primat und Papst verhalten sich wie Göttliches und Menschliches zueinander. Die Fülle der kirchlichen Gewalt ruht demnach in der Kirche, wird aber zufolge göttlicher Anordnung vom Papste geübt; doch hat sie vermöge ihrer Unfehlbarkeit stets die Regulierung dieser Gewalt mifsbräuchlicher Übung gegenüber in den H ä n d e n . So ist der Papst zwar der Höchste i n der Kirche, steht aber ebensowenig ü b e r der Kirche wie der Teil über dem Ganzen. Diese Ansichten hat Gerson in Konstanz eifrig vertreten und darum die entgegengesetzten Lehren des Wiclifismus schonungslos verurteilt, trotzdem selbst einzelne Mitglieder des Konzils die Behauptung, dafs der Papst zum Kirchenregiment notwendig sei, als eine irrige angriffen. Da eine Stellung, wie sie Gerson dem Papste zuweist, weder mit dem Begriff des Primats noch mit ') Ein solches Verlangen hatte schon Johannes von Paris gestellt. S. oben. ) Das Folgende zum Teil nach Schwab, 722 ff. Eine ausgezeichnete Analyse findet sich auch bei Hübler, 385—388. 2

L o s e r t h , Geschichte des späteren Mittelalters.

30

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Beginn des Konzils.

Haltung Johanns XXIII.

dem der kirchliehen Gewalt als einer unmittelbar von Christus gegebenen im Einklang steht, konnte es an Gegnern seiner Auffassung nicht fehlen, welche wie Turrecremata die schwachen Seiten solcher Theorien angriffen; ebenso konnten die Päpste fortan auf der göttlichen Grundlage ihres Rechtes fussend ihre Ansprüche bis zu Mifsbräuchen steigern und jeden Angriff auf diese als einen Angriff auf das göttliche Recht des Primats verdächtigen. Diese Grundlehren Gersons halfen dem Papsttum, den früheren Einflufs auf die Gestaltung des kirchlichen Lebens zurückzugewinnen. Anders Randuf. Seine Schrift > Von der Art, die Kirche zu einigen und zu reformierenzeigt eine Ähnlichkeit mit den Lehren der englischen Opposition, ja geht in einzelnem über alles hinaus, was von dieser gelehrt wurde. Auch hier ist zwischen der allgemeinen Kirche, deren Haupt Christus, und der partikularen geschieden,- als deren Haupt man den Papst anzusehen pflegt. Die Gewalt der römischen Kirche ist eine beschränkte und ihr von der allgemeinen Kirche, die alle Christen umfafst, gegeben. Nur diese allein hat das Recht zu binden und zu lösen. Sie wird durch das allgemeine Konzil repräsentiert, das unbedingt über dem Papste steht und die Befugnis hat, dessen Gewalten einzuschränken, aufzuheben und ihn abzusetzen. Von diesem Konzil gibt es keine Appellation. Seine Beschlüsse sind den Evangelien gleichzuhalten, wie von diesen gibt es auch von den Beschlüssen des Konzils keine Dispens. Zur Aufrechthaltung der Gewalten der allgemeinen Kirche sind alle Mittel erlaubt. Der Zweck der Einheit heiligt jedes Mittel, denn alle Ordnung ist um der Gesamtheit willen da, und der einzelne muls der Allgemeinheit weichen. — Mit einem Programm war auch der jetzige Wortführer des Wiclifismus — Johannes Hufs — in Konstanz erschienen, aber nicht dazu gekommen, die Lehren seines englischen Meisters daselbst zu verkünden.

2. Mit schweren Sorgen trat Johann XXIII. am 1. Oktober 1414 die Reise nach Konstanz an. Schon, dai's auch seine Gegner geladen waren, wies darauf hin, dafs ein Richterspruch des Konzils bestimmt sei, das Schisma zu enden. Daher sah er sich nach stärkerem Schutze um, als ihm der Geleitsbrief Sigmunds geben konnte: er schlofs mit Friedrich von Österreich einen YTertrag, der diesen zum Schutze des Papstes verpflichtete, und gewann den Markgrafen von Baden durch reiche Geschenke. Am 28. Oktober hielt er seinen Einzug in Konstanz. Am 5. November fand die Eröffnung, am 16. die erste Sitzung des Konzils statt. So grofsartig sich die Versammlung im folgenden Jahre gestaltete, im Anfange war sie spärlich besucht. Von den Versammelten scheuten sich die einen, die Unionsfrage in Angriff zu nehmen, die andern wünschten sie erst nach der Ankunft der Franzosen und Engländer zu erledigen. Daher wurde anfangs nur über vorbereitende Dinge verhandelt. Schon jetzt platzten die Gegensätze aufeinander. Am 17. November war Ailli eingetroffen; am folgenden Tage beantragten die vom Papst Johann abhängigen Italiener in einer Sondersitzung, über die Anerkennung des Pisaner Konzils und die Ausführung der dort gefafsten Beschlüsse zu beraten. Dagegen erhob Ailli Einsprache: »Zuerst müfsten die Boten Gregors XII. und Benedikts XIII. gehört werden, sonst sei es nicht möglich, mit ihnen zu verhandeln und die Union auf friedlichem Wege zu erreichen.« Johann XXIII. gab sich hierauf der Hoffnung hin, die Tätigkeit des Konzils auf die Behandlung der Glaubensangelegenheit ablenken zu können. Es wurde denn auch mit der Erörterung der wiclif-hussitischen Frage begonnen (s. unten). Trotzdem ging die Mehrheit des Konzils ihren eigenen Weg. Am 19. November erschienen Gesandte Gregors XII. unter der Führung des Kardinals Dominici

Gleichmäfsige Behandlung der Päpste.

Geschäftsordnung des Konzils.

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und erhielten im Augustinerkonvent eine Wohnung angewiesen. Als sie dort das päpstliche Wappen Gregors XII. angebracht hatten, wurde es in der Nacht, wahrscheinlich auf Befehl Johanns XXIII., wieder entfernt. Eine Versammlung von Kardinälen und Prälaten entschied am nächsten Tage, dafs man dies Wappen nur dulden könne, wenn Gregor X I I . selbst anwesend sei, ein Zugeständnis an diesen, das mit den Beschlüssen von Pisa nicht im Einklang stand; als die Italiener beantragten, Johann X X I I I . Vollmacht zu geben, in Gemäfsheit der Bestimmungen von Pisa wider seine beiden Gegner vorzugehen, falls er es nicht für besser erachte, sich mit ihnen in Frieden zu einigen, erklärte Ailli, dafs die Beschlüsse von Pisa nicht binden könnten, und empfahl, mit Gregor XII. und Benedikt X I I I . in Unterhandlungen einzutreten. Darüber verzögerte sich die Abhaltung der zweiten Sitzung bis zum 2. März 1415. Inzwischen war Sigmund am 24. Dezember eingetroffen. Von Ailli unterstützt, setzte er es durch, dafs die Gesandten Gregors und Benedikts als päpstliche Legaten empfangen werden sollten. Die Boten Benedikta erklärten seine Bereitwilligkeit, mit Sigmund in Nizza zusammenzutreffen. Einige Tage später boten die Gesandten Gregors dessen Resignation an, falls auch die beiden andern Päpste zurücktreten würden. Allseitig war der Wunsch vorhanden, die Union zum Abschlufs zu bringen. Es war Wilhelm Fillastre, Kardinal von San Marco, der den Gedanken aussprach, dafs alle drei Päpste'gleich behandelt werden sollten. Danach sollte auch Johann X X I I I . abdanken, dazu sei er verpflichtet, wenn er wirklich der gute Hirte sein wolle. Das Wort rifs die meisten mit. Noch hoffte Johann X X I I I . die Mehrheit zu erlangen, falls nach Köpfen abgestimmt würde, denn die Italiener waren am stärksten vertreten, viele arme Bischöfe von ihm abhängig und noch in der letzten Zeit nicht weniger als 50 Kurialisten zu Hausprälaten ernannt worden. Um ihm diese Mehrheit zu entziehen, wurde beschlossen, nicht nach Köpfen, sondern nach Nationen abzustimmen. Die Prälaten wurden sonach in v i e r N a t i o n e n , die italienische, französische, englische und deutsche geteilt. Zu der letzten gehörten auch die Böhmen, Ungarn, Polen, Schotten, Dänen und Skandinavier. Jede Nation wählte aus ihrer Mitte eine Anzahl Deputierter, die unter einem allmonatlich wechselnden Präsidium standen. " Diese vier Deputationen berieten gesondert und setzten sich sodann mit den andern in Verbindung. Waren sie in einer Sache einig, so wurde sie vor die Vollversammlung gebracht, in der jeder der vier Nationen eine Stimme eingeräumt war. Aufserdem wurde aber schliefslich noch den Kardinälen eine fünfte Stimme zugewiesen. Der in der Vollversammlung gefafste Beschlufs wurde sodann in der feierlichen Sitzung als Konzilsbeschlufs verkündigt. Erst jetzt nahmen die Verhandlungen einen rascheren Gang und wurden die Hauptaufgaben des Konzils ihrer Erledigung zugeführt. Solche waren die Herstellung der kirchlichen Union (causa unionis), die Sicherung des katholischen Glaubens gegen Irrlehren (causa fidei) und die Durchführung der allgemeinen Reformation an Haupt und Gliedern (causa reformationis). 30*

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Die Flucht Johann« X X f f l .

§ 108. Die Beilegung des Schismas. 1. Wäre Johann X X I I I . eine unbemakelte Persönlichkeit gewesen tmd dem Verlangen nach einer durchgreifenden Reformation der Kirche entgegengekommen, so hätte er seine beiden Gegner leicht besiegen und entscheidenden Einflufs auf die Verhandlungen gewinnen können. Aber schon zu Anfang 1415 wurden heftige Klagen über seine Lebensführung laut. Bald kam es hierüber zu lebhaften Anschuldigungen, deren öffentliche Erörterung dem Papste peinlich, dem Ansehen des Papsttums und der Kirche abträglich sein mufste. Man benützte diese Lage, ihn zur Abdankung zu bewegen. Und in der Tat gab er in der zweiten öffentlichen Sitzung das eidliche Versprechen ab, abzudanken, falls seine Gegner dasselbe täten. Es handelte sich nur noch darum, Benedikt X I I I . für die Zession zu gewinnen. Sigmund selbst erklärte sich bereit, mit Ferdinand von Aragonien über Benedikts Abdankung zu verhandeln. Johann X X I I I . bereute aber bald seine Nachgiebigkeit. Er rechnete darauf, jene Mitglieder des Konzils auf seine Seite zu ziehen, die von allzu schroffen Malsregeln gegen ihn nichts wissen wollten; daher weigerte er sich, Sigmund Vollmacht für die Verhandlungen mit Benedikt zu geben, in seinem Namen die Abdankung auszusprechen, erklärte sich dagegen bereit, mit Benedikt in Nizza selbst zu verhandeln. Schon fürchtete man, er werde seine Reise benützen, um das Konzil zu sprengen. Bald waren denn auch Gerüchte über seine Flucht in Umlauf. Trotz sorgsamer Bewachung der Stadttore gelang es ihm mit Unterstützung Herzog Friedrichs von Tirol, während eines Turniers in der Kleidung eines Stallknechts in die österreichische Stadt Schaffhausen zu entkommen (20. März). Von hier schickte er Briefe an Sigmund und die Kardinäle und gab seine Absicht kund, von seinem Zessionsversprechen nicht zurückzutreten. Die Flucht des Papstes erzeugte in Konstanz allgemeine Aufregung. Viele folgten ihm. .Der Papst selbst rief seine Kurialen zu sich und erhob Beschwerde wider jene Partei, die alle Macht an sich gerissen, durch gewaltsame Mafsregeln den Abschlufs des Friedens bedroht und ihm kein anderes Mittel als die Flucht übrig gelassen habe. Aber seine Hoffnung, die Auflösung des Konzils zu erreichen, täuschte ihn. Mitglieder der französischen, englischen und deutschen Nation wirkten mit Sigmund einträchtig zusammen, und Gerson, jetzt schon die Seele des Konzils genannt, trat in einer feurigen Rede für dessen Erhaltung ein (23. März). Vielen Mitgliedern erschienen seine scharfen, gegen das Papsttum gerichteten Sätze anstöfsig. Noch entflohen einzelne Kardinäle und Kurialen nach Schaffhausen, die übrigen beschlossen dagegen (dritte Sitzung)1), dafs niemand das Konzilium auflösen, verlegen oder verlassen dürfe, ehe nicht die Kirchenspaltung beseitigt und die Kirchenverbesserung zustande gebracht sei. 2 ) Friedrich von Tirol wurde von Sigmund zur Verantwortung vorgeladen und, da er nicht erschien, in die Reichsacht erklärt ') Der von den Kardinälen aufser Ailli nur Zabarella beiwohnte. *) Quousque ecclesia eit reformata in fide et moribus, in capite et

membris.

Die Superiorität der Konzilien.

Der IVozefs gegen J o b a n n

XXIII.

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(30. März). Nun entwich der Papst nach Laufenburg; seine Lage verschlechterte sich mit jedem Tage; war es bisher noch den Kardinälen gelungen, die Verkündigung von Beschlüssen zu verhindern, die der päpstlichen Autorität abträglich waren, so wurden nunmehr (fünfte Sitzung, 6. April) vier Dekrete verlesen, von denen die beiden ersten die S u p e r i o r i t ä t d e s K o n z i l s ü b e r d e n P a p s t aussprachen, die beiden andern ihre Spitze gegen Johann X X I I I . richteten: das Konzil repräsentiere die ganze streitende Kirche; seine Gewalt rühre unmittelbar von Christus her, und ein jeder sei ihm in Sachen des Glaubens, der Beilegung des Schismas und der Reformation der Kirche unterworfen. Johann dürfe die Kurialen vom Sitz des Konzils nur mit dessen Zustimmung abberufen, die von ihm seit seiner Entfernung verfügten Strafen seien kraftlos. 2. Der Papst war nunmehr auch von den letzten Kardinälen, die noch bei ihm geweilt hatten, verlassen, sein Sturz nur noch eine Frage der Zeit. Von seinen Anhängern entwichen die einen in ihre Heimat, die andern begaben sich zum Konzil zurück. Mittlerweile begann Sigmund den Kampf gegen Herzog Friedrich. Von allen Seiten erhielt dieser Fehdebriefe. Am rührigsten waren die Eidgenossen, und die vorderösterreichischen Gebiete fielen gröfstenteils in ihre Hände. Johann X X I I I . hatte sich nach Freiburg und von dort, um dem befreundeten Burgund näher zu sein, nach Breisach geflüchtet. Die Widerstandskraft Friedrichs war bald gebrochen. Schon am 7. Mai unterwarf er sich, gelobte, den Papst in acht Tagen in des Königs Gewalt nach Konstanz einzuliefern, und bis dies geschehen, selbst als Geisel daselbst zu bleiben. 1 ) In allen Ländern Friedrichs sollte dem König gehuldigt werden. Nicht alle taten es; vornehmlich konnte Tirol nicht zur Unterwerfung unter den König gebracht werden. Daher blieb Friedrich in Haft. Mittlerweile unterhandelten Gesandte des Konzils mit dem Papst über die Abdankung. Ohne eine endgültige Antwort zu geben, ging er nach Neuenburg, in der Absicht, über Burgund nach Avignon zu fliehen. Daran gehindert, kehrte er nach Freiburg zurück und erklärte sich jetzt zur Zession selbst für den Fall bereit, dafs die beiden andern Päpste nicht zurücktreten würden. Aber schon hatte beim Konzil eine Stimmung gegen ihn die Überhand gewonnen, die auf seine Verurteilung und Absetzung abzielte. In dem wider ihn (2. Mai) eröffneten Prozefs wurde er der Häresie, Förderung des Schismas, der Simonie und anderer Verbrechen beschuldigt. Nun wurde auch den Kardinälen das Stimmrecht entzogen und gefordert, dafs sie sich hinfort . ihren Nationen anzuschliefsen hätten, der Papst hierauf suspendiert und die ungeheuerlichsten Anklagen gegen ihn vorgebracht: dafs er ein unreines, unverbesserliches Leben führe, seinen Vorgänger vergiftet, ketzerischen Lehren gehuldigt habe usw. Das wenigste von diesen Anklagen 2 ) war gerechtfertigt; es ist ist aber immerhin bemerkens') S. Zöfsmaier, S. 10. «) Die 72 Anklugepunkte bei Hefele VII, 125.

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Absetzung Johanns XXIII., Abdankung Gregor» XII.

wert, dafs man den Papst solcher Verbrechen beschuldigen durfte. Er hatte allen Mut verloren. Man hatte ihn nach Radolfszell geführt und in einen festen Turm gelegt. Jetzt erklärte er, sich allen Beschlüssen zu fügen, man möge nur seine Ehre, seinen Stand und seine Person im Auge behalten. In der zwölften Sitzung (29. Mai) wurde seine Absetzung ausgesprochen und die Christen des Gehorsams gegen ihn entbunden, jede Neuwahl ohne des Konzils Genehmigung untersagt und verboten, einen der drei Päpste aufs neue zu wählen. Mit dem Wunsche, er möchte niemals Papst geworden sein, nahm er den Ausspruch entgegen und empfahl sich der Gnade des Konzils. Er wurde in der Burg Rheinhausen (später Eichelsheim genannt) bei Mannheim gefangen gehalten. Erst nach drei Jahren erhielt er auf Verwendung Martins Y. die Freiheit und trat dann als erster Kardinal wieder in die Reihe der Kirchenfürsten ein. Das Urteil wider ihn ward in den Ländern seiner Obedienz verkündet und zumeist anerkannt. 3. Nun legte auch Gregor XII., nachdem er das Konzil auch in seinem Namen berufen, durch seinen Bevollmächtigten Karl Malatesta seine Würde nieder (4. Juli), wurde zum Kardinalbischof von Porto und lebenslänglichen Legaten von Ancona ernannt. Auch seine Obedienz löste sich auf. Zur völligen Herstellung der Union fehlte nur noch der Verzicht Benedikts XIII. Trotzdem er aufgefordert worden war, seiner Würde zu entsagen, um nicht als Schismatiker und Häretiker behandelt zu werden, wurden Verhandlungen mit ihm angeknüpft. Die Flucht Johanns hatte Sigmund gehindert, nach Nizza zu gehen. Dann wurde Perpignan als Ort der Zusammenkunft ausersehen. Auch diese kam nicht zustande. Sigmund trat nun, von den Segenswünschen des Konzils begleitet, am 18. Juli die Reise an, um mit Benedikt persönlich zu verhandeln. Die Verhandlungen, die in Narbonne, dann in Perpignan gepflogen wurden, führten aber zu keinem Ziele. Benedikt begehrte Verwerfung des Pisaner, Auflösung des Konstanzer und Berufung eines neuen Konzils, seine Anerkennung als Papst und nach seiner Zession eine hervorragende Stellung. Sigmund konnte darauf nicht eingehen und kehrte nach Narbonne zurück. Nachdem auch die Versuche der spanischen Fürsten, Benedikt zum Rücktritt zu bewegen, gescheitert waren, schlofs Sigmund einen Vertrag mit den Gesandten Frankreichs, Aragoniens, Kastiliens, Navarras und Schottlands, wonach das Konzil die Obedienz Benedikts XIII. einlud, in Konstanz zu erscheinen. Nun entzogen die Staaten, die zu seiner Obedienz gehört hatten, ihm den Gehorsam. Sigmund, bemüht, auch sonst die Aufgaben des Konzils zu fördern, die durch den Kampf zwischen England und Frankreich (s. unten) gefährdet waren, nahm auf Wunsch Frankreichs die Friedensvermittlung zwischen beiden in die Hand und begab sich nach Paris und London, ohne freilich seine Absicht zu erreichen. Erst Ende Januar 1417 kehrte er nach Konstanz zurück. Dort hatten sich mittlerweile am 15. September 1416 die Aragonier eingefunden. Als die letzten erschienen — im Frühling 1417 — die Kastilien Die Spanier bildeten nunmehr die f ü n f t e Nation. Inzwischen war auch

Absetzung Benedikts XIII.

Der Prozefs gegen Hufs.

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(1416, 5. November) das Verfahren gegen Benedikt XIII. eingeleitet worden. 27 Klagepunkt«, die sich insgesamt auf die Verweigerung der Zession bezogen — denn sein Privatleben war unbemakelt — wurden gegen ihn eingereicht und am 26. Juli 1417 das Urteil gegen ihn als Schismatiker und Häretiker ausgesprochen. Er hielt an seiner Würde fest und zog sich nach Peniscola bei Valencia, einem seiner eigenen Familie gehörigen Schlosse zurück. Dort, nicht in Konstanz, liefs er sich vernehmen, sei die Kirche. Dort ist er im November 1424 gestorben. § 109. Der Prozefs des Hufs und Hieronymus von Prag. 1. Dem Könige Sigmund lag als Erben der böhmischen Krone daran, den Makel der Häresie von Böhmen zu nehmen. Auch Hufs wünschte, dem wüsten Geschrei ein Ende zu machen, und war gern bereit, der Aufforderung Sigmunds, nach Konstanz zu gehen, Folge zu leisten. Dort hofft« er Grofses zu erzielen : a u s d e n d a h i n mitg e n o m m e n e n P r e d i g t e n e n t n i m m t m a n s e i n e A b s i c h t , die v e r s a m m e l t e n V ä t e r zu s e i n e n , d. h. zu W i c l i f s H a u p t l e h r e n zu b e k e h r e n . Sigmund stellte ihm einen Geleitsbrief aus, der allerdings nicht viel mehr als ein Reisepafs war, bestimmt, ihm Erleichterungen auf der Fahrt zu gewähren. Drei Herren vom böhmischen Adel hatten den Auftrag, für seine Sicherheit auf der Reise und während des Konzils zu sorgen. Nachdem er sich in Prag mit Zeugnissen über seine Rechtgläubigkeit versehen und wie in der Ahnung, dafs er in den Tod gehe, sein Haus bestellt hatte, machte er sich auf den Weg. Den Absichten Sigmunds entsprechend, hätte er die Reise in dessen Begleitung machen sollen, und das wäre für seine Sache auch besser gewesen. Am 11. Oktober brach er auf. Mit Freuden meldete er nach Hause, die Deutschen kämen ihm — er hatte das zweifellos nicht erwartet— freundlich entgegen. Er sollte es bald in der Tat erfahren, dafs seine ärgsten Feinde unter den eigenen Landsleuten ständen. Diese hatten sich schon gerüstet: am 3. November langte Hufs in Konstanz an, und schon am folgenden Tage konnte man an den Kirchentüren lesen, dafs Michael von Deutschbrod gegen den Ketzer Hufs auftreten werde. Dieser befand sich anfangs auf freiem Fufse. Aber schon nach wenigen Wochen gelang es seinen Widersachern, ihn auf das Gerücht hin, dafs er zu fliehen beabsichtige, gefangen zu setzen (28. November). Zwar brauste Sigmund auf, als er hörte, dafs man seinen Geleitsbrief mifsachte, und liefs die Prälaten seinen Zorn fühlen, als diese aber auf die Drohung des Königs, das Konzil zu verlassen, antworteten, dafs es damit eben aufgelöst wäre, schickte er sich in die Tatsache. So war Hussens Schicksal besiegelt. Bereits am 4. Dezember hatte der Papst einen Ausschufs mit der Voruntersuchung gegen ihn betraut. Die Belastungszeugen wurden vernommen, ohne dafs ihm ein Anwalt, um den er gebeten hatte und der ihm anfangs auch verheifsen ward, gegeben wurde. Auf die Nachricht, dafs Jakob von Mies in Prag begonnen habe, das Abendmahl unter beiden Gestalten zu spenden,

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Die Verhöre de« Hufs.

kam zu den ihm zur Last gelegten (42) Irrtümern noch der Laienkelch als Anklagepunkt hinzu. Hussens Lage verschlechterte sich, seit Johann aus Konstanz entwichen war. Bisher Gefangener des Papstes und in stetem Verkehr mit seinen Freunden, wurde er nun der Hut des Bischofs von Konstanz übergeben und in dessen Burg Gottlieben am Rhein gebracht. Hier weilte er, bei Tag gefesselt, des Nachts mit den Händen an die Wand gekettet, schlecht genährt und von Krankheit gepeinigt. Da durch die Flucht Johanns XXIII. die Vollmacht der mit seiner Sache betrauten Kommission erloschen war, wurde sie nun an vier andere Prälaten übergeben, unter denen sich auch der Kardinal d'Ailli befand. Dieser Ausschufs hatte auch die Berichterstattung über Wiclifs Lehre übernommen, da das Konzil in richtiger Erwägung beide Angelegenheiten als untrennbar ansah. Als nun am 4. Mai das Verdammungsurteil über Wiclif gefällt wurde, war dies für Hufs von übelster Vorbedeutung. Am 5. Juni wurde er zum erstenmal verhört und zu dem Zwecke in das Franziskanerkloster gebracht, wo er die letzten Wochen seines Lebens zubrachte. Nachdem er sich bereit erklärt hatte, zu widerrufen, falls man ihm etwas Irriges nachweise, wurden ihm die aus seinen Schriften gezogenen Sätze nebst den Zeugenaussagen vorgelesen; wie er jedoch auf einzelne Punkte antworten wollte, schrien viele zugleich auf ihn ein; schwieg er aber, so erklärte man es als Beweis seines Irrtums. Unmutig brach er in die Worte aus: Ich hatte gedacht, mehr Anstand und Güte und bessere Zucht beim Konzil zu finden. Das Verhör wurde am 7. Juni fortgesetzt. Sigmund war selbst anwesend; es nahm daher auch einen würdigeren Gang. Ein Engländer meinte den leibhaftigen Wiclif vor sich zu haben, als er Hussens Antworten hörte. Es kam denn auch sein Verhältnis zu jenem zur Sprache; seine tiefe Verehrung Wiclifs gab er zu, dagegen bestritt er, die Wiclifsche Abendmahlslehre oder die 45 Artikel verteidigt zu haben: er sei nur gegen deren Verurteilung in Bausch und Bogen aufgetreten. Noch mahnte ihn der König, sich der Gnade des Konzils zu überlassen; er wolle keinen Ketzer in Schutz nehmen. Hufs antwortete demütig, er sei nicht gekommen, etwas hartnäckig zu behaupten, sondern lasse sich eines Besseren belehren, falls man ihm einen Irrtum nachweise. Beim letzten Verhör (am 8. Juni) wurden ihm 39 seiner Lehrsätze vorgelesen. Hufs lehnte einige ab, andere versuchte er zu erläutern. Dem König hatte man das Gemeingefährliche einiger Lehren für den Bestand der weltlichen Herrschaft nahegelegt, um ihn wider Hufs zu erbittern. Ailli mahnte diesen schliefslich, sich zu fügen, dann werde man seiner schonen. Hufs erklärte, bereit zu sein, sich eines Besseren zu belehren. Nur bitte er um Gehör, um seine Ansichten besser zu begründen. Sowohl jetzt als auch nach dem Verhör bis zu Ende des Monats wurden Versuche gemacht, ihn zum Widerruf zu bewegen. Er hat sie alle abgelehnt. Am 18. Juni wurden die Artikel formuliert, wie sie die Grundlage seiner Verurteilung bilden sollten. Zu 25 von ihnen machte er teils erklärende, teils einschränkende Bemerkungen.

Seine Verurteilung und Verbrennung.

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Am 24. wurden seine Bücher zum Feuer verurteilt. Acht Tage später überreichte er dem Konzil eine Erklärung, durch die er sich dem gegnerischen Standpunkt so weit näherte, als es ihm möglich war. Zu einer Verständigung ist es nicht mehr gekommen. Für das Verhalten König Sigmunds waren politische Erwägungen mafsgebend. Er hielt zur Meinung jener, die Hussens Rückkehr fürchteten: » D a n n w ü r d e d a s F e u e r e r s t r e c h t a u f l o d e r n . Am besten sei es, h i e r die Wurzel abzugraben, d o r t die Aste zu vernichten; der Schrecken würde seine Wirkung tun.« Hufs selbst gab sich keiner Täuschung hin. Das Martyrium entsprach seinem eigenen Wunsche. Für ihn war es kein Zweifel, dafs Sigmund ihm das Wort gebrochen. Setzt euer Vertrauen, schreibt er, nicht auf die Fürsten. — Am 6. Juli — es war ein Sonnabend — erfolgte in feierlicher Volksversammlung im Dom seine Verurteilung und hierauf seine Verbrennung. Der Bischof von Lodi hielt eine Rede über die Pflicht, die Ketzerei auszurotten ; dann wurden einzelne der von Hufs und Wiclif aufgestellten Sätze und so auch ein Bericht über seinen Prozefs verlesen. Hufs machte mehrmals den Versuch, Einsprache zu erheben. Nochmals betonte er: Frei bin ich, versehen mit dem Geleitsbrief des KönigB, der hier sitzt, hiehcr gekommen, meine Unschuld zu erweisen und von meinem Glauben Rechenschaft zu geben. Es ist eine alte Sage, dafs er bei diesen Worten fest auf den König blickte und dieser errötete. Ein italienischer Prälat verkündigte den Richterspruch: Hufs sei ein Ketzer und als solcher zu behandeln. Auch jetzt widersprach Hufs, fiel auf die Knie und bat um Verzeihung für seine Feinde. Dann erfolgte seine Degradation; schliefslich wurde die Sentenz verkündigt, dafs ihm alle seine kirchlichen Rechte genommen und er dem welllichen Arm übergeben werde. Eine ellenhohe Papiermütze wurde ihm aufgesetzt, welche die Umschrift: Haeresiarcha trug. Auf des Königs Befehl übernahm der Pfalzgraf Ludwig den Verurteilten, mit ihm zu tun, »als mit einem Ketzer». So wurde Hufs, während das Konzil weiter tagte, unter einem starken Geleite von Bewaffneten abgeführt. Er ging festen Schrittes, singend und betend zur Richtstätte, dem »Brühl« zwischen Stadtmauer und Graben. Dort kniete er nieder, breitete die Hände aus und betete laut. Von den Anwesenden meinten einige, man solle ihm einen Beichtvater geben; dagegen eiferte ein Geistlicher : einem Ketzer dürfe weder Gehör noch ein Beichtvater gegeben werden. Die Henker banden seine Hände rückwärts mit Stricken und seinen Hals mit einer Kette an einen Pfahl, um den Holz mit Stroh aufgeschichtet wurde, so dafs es ihm bis an den Hals reichte. Noch im letzten Augenblicke mahnte ihn der Reichsmarschall von Pappenheim, sein Leben durch einen Widerruf zu retten. Er lehnte dies ab. Da wurde der Scheiterhaufen angezündet. Mit erhobener Stimme sang er: Christus, du Sohn des lebendigen GotteB, erbarme dich meiner. Als er zum drittenmal anhob und fortfuhr: der du geboren bist aus Maria der Jungfrau, schlug ihm der Wind die Flamme ins Gesicht; noch bewegte er die Lippen und das Haupt, dann erstickte er lautlos. Sein Todeskampf dauerte so lange, als man schnell zwei, aufs höchste drei Vaterunser betet. Seine Kleider wurden in das brennende Feuer geworfen, seine Asche gesammelt und in den nahen Rhein geschüttet. Die berühmtesten Theologen beim Konzil hielten seine Verdammung für durchaus gerechtfertigt. Seine von Wiclif übernommene Lehre von der Kirche als der Gemeinschaft aller zur Seligkeit vorherbestimmten, verletzte die bestehende Kirchenverfassung. Ailli hätte selbst den Purpur ablegen müssen, hätte er Hufs anerkannt. ') Noch schärfer urteilte Gerson: doch verdient immerhin seine Aufserung erwähnt zu werden: Man habe Hufs als Häretiker erklärt und verdammt. Hätte man ihm einen Advokaten gewährt: niemals wäre er überwiesen worden. *) ') Tschackert, S. 275. ) 388.

s

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Charakteristik des Hufs.

Sein Verhältnis zu Wiclif.

Hatte der gröfste Teil des tschechischen Volkes schon bisher an ihm wie an einem Apostel gehangen, so wurde er jetzt als Märtyrer u n d Heiliger verehrt; auf Wegen und Strafsen ertönten Klagelieder. Sein Fest wurde mit vorgeschriebenem Zeremoniell am 6. Juli gefeiert. Einen Lobspruch, der freilich zu überschwanglich ist, als dafs er ganz wahr Bein könnte, hat ihm die Prager Universität in einem an »verschiedene Königreiche u n d Länder« ausgegangenen Ausschreiben (vom 23. Mai 1416) gewidmet. Sie n e n n t ihn die Tugend selbst u n d einen Lehrer ohnegleichen. H u f s besafs ja zweifellos h o h e Tugenden. I n den K ä m p f e n a n der Prager Universität und mit seinen kirchlichen Gegnern kehrte er aber doch nicht selten die rauheste Seite hervor; er greift zum Schmäh- und Scheltwort. Er war ein viel zu leidenschaftlicher Kämpfer f ü r die nationalen Interessen seiner Nation — der geheiligten —, als dafs er den Deutschen gerecht werden k o n n t e ; denn daran ist kein Zweifel: von H a l s gegen die Deutschen k a n n er nicht freigesprochen werden. Auch was seine Gelehrsamkeit betrifft, müssen starke Einschränkungen gemacht w e r d e n : denn wo er über Wiclif hinausgeht, wird er unsicher, schwerfällig oder weitschweifig. W a s an reformatorischen Schriften a u s seiner Feder vorliegt, ist nicht viel; im wesentlichen sind es seine Streitschriften gegen Stanislaus u n d Palecz u n d sein Buch von der Kirche, und auch hier r u h t alles auf Wiclif. Dafs ihm a l l e W e r k e Wiclifs b e k a n n t waren, darf man bezweifeln. Man weifs, dafs er Wiclifs Trialogus übersetzt und d e m Markgrafen Jodok von Mähren u n d andern vornehmen Männern, auch Laien und selbst Frauen übersendet hat. Daneben kannte er Wiclifs W e r k e vom Leibe des Herrn, von der Kirche, von der Gewalt des Papstes u n d namentlich die Predigten sehr genau. Wiclifs Buch von der Kirche h a t er sich ganz zu eigen gemacht. Dieses und das Buch De potestate papae enthalten das Wesentliche seiner Lehre. Was er in seinen Predigten über die Verderbtheit der Kirche sagt, über die grofsen Schäden des Besitzes der Toten H a n d f ü r die Besitzer und für ganze Länder und Reiche, über die Pflicht der Obrigkeit, die Kirche zu reinigen: all das stammt meist wortgetreu aus Wiclifs Predigten. E s ist wohl das bezeichnendste Moment, dafs jene drei grofsen Keden, durch die er das ganze Konzil hinreifsen wollte, wortgetreu Predigten Wiclifs sind '), und dafs sie in Böhmen als Predigten des H u f s gegolten h a b e n , wie ja Hufs auch sonst in seinen kleineren Arbeiten an den Stellen, wo Wiclif von Anglia spricht, einfach Boemia substituiert. Es ist im allgemeinen richtig, dafs er die Angriffe Wiclifs auf die sakralen Einrichtungen der Kirche n u r in geringem Ausmafs übernommen hat, aber anderseits weifs man darüber doch nichts Endgültiges zu sagen, da er seine Lehre eben nicht wie Wiclif in grofsen Werken oder in knapper Verkürzung zusammenfassend vorgetragen hat. Es Bteht trotz seiner Behauptung, die Wiclifsche Lehre vom Abendmahl nicht gelehrt zu haben, nicht ganz fest, dafs dem so ist. Gerade für diese Lehre war in Böhmen der Boden wohl vorbereitet Man hatte dort in der zweiten Hälfte des 14. J a h r h u n d e r t s lebhaft gestritten, ob m a n das Abendmahl nur einmal oder oft oder selbst täglich n e h m e n solle. Jetzt stiefs m a n auf eine Lehre, die den Wert des Abendmahls, in der bisherigen Weise genommen, nur gering anschlug und die bisherigen Ansichten über Transsubstantiation über den H a u f e n zu werfen drohte. Nach einer freilich nicht über jeden Zweifel erhabenen Angabe wurde Wiclifs Abendmahlslehre schon 1399 in Prag verbreitet. Seit 1403, wo sie verboten ward, gewann sie erst recht an Boden. H u f s mag sie ja vielleicht n u r »in scholastischer Weise« vorgetragen haben, in jener, welche die Gründe für u n d gegen erörtert, ohne selbst Partei zu ergreifen. Nur so läfst sich der Widerspruch zwischen den Anschuldigungen seiner Gegner u n d seiner Abwehr erklären. W e n n er ihr aber auch eine Zeit zuneigte, festgehalten h a t er an ihr nicht. Dagegen wurde sie von der radikalen Partei — den Taboriten — lebhaft aufgegriffen und der Mittelpunkt ihres ganzen Systems. Die grofsen Erfolge des Hufs in seiner Heimat sind n u r aus seiner geradezu unvergleichlichen pastoralen Tätigkeit, die j e n e der alten berühmten Prediger Böhmens weit hinter sich liefs und deren Ruf noch in späten Tagen lebendig war, zu erklären. ') Es sind die Predigten: De sufficientia und De pace.

legis Christi,

De fidei suae

elucidatione

Hieronymus von Prag und «eine Propaganda ffir Wiclif.

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Aber auch hier ist er nur der gelehrige Schüler des Engländers gewesen. Wie Wiclif in seinen letzten Lebensjahren eine umfassende Tätigkeit entwickelt, seine Predigten sammelt, seine »einfachen Priestert aussendet und Belehrungen gibt, w e r , w a s und w i e man dem Volke zu predigen habe: ko ersehnt auch Hufs, in die enge Kerkerzelle eingeschlossen, seine Befreiung nur, um dein Volke durch Beine Predigt zu nützen, und wie er selbst von der höchsten Wertschätzung der Predigt durchdrungen war, so verstand er es auch, die Massen für sie zu begeistern. Er hat in der Bethlehemskapelle eine ans Demagogische streifende Tätigkeit entfaltet; als er 1413 und 1414 im Exil weilte, predigte er in Dörfern, auf freiem Felde, selbst im Walde. Seine Predigten waren oft durch ihren Inhalt aufreizend; er zieht seine Streitsachen mit den geistlichen Vorgesetzten herein, gibt sein Urteil über einzelne Ereignisse ans der Geschichte dieser Tage ab oder ruft endlich seine Gemeinde zum Zeugen oder zum Richter auf. Eben dies demagogische Wesen schuf ihm seinen grofsen Anhang, und so wurde er, ohne selbst Theoretiker in theologischen Fragen zu sein, der rechte Apostel seines englischen Meisters. Er hatte Genossen, die ihn an Wissen und an Beredsamkeit überragten, in der Kunst der Beherrschung der Menge war er unübertroffen.

2. Sein Schicksal teilte H i e r o n y m u s v o n P r a g . Er entstammte einem Prager Geschlechte. Es ist ein alter, auf eine Verwechslung mit Nikolaus Faulfisch zurückreichender Irrtum, wenn man als seinen Familiennamen Faulfisch nennt. Nachdem er seine ersten Studien in Prag gemacht und Baccalaureus geworden — den priesterlichen Stand strebte er nicht an — zog er nach Oxford. Dort lernte er Wiclifs Schriften, vornehmlich den Dialogus und Trialogus, kennen und brachte sie — spätestens 1402 — nach Prag. Hier duldete es ihn nicht lange: er ging auf Reisen, die ihn, wie man meint, selbst nach Jerusalem führten. In Paris befand er sich im Besitz Wiclifscher Schriften (1404); er schreibt an die Prager Freunde, er werde ihnen Bücher senden, über die sie eine grofse Freude haben würden. In Paris wurde er Magister. Dann ging er nach Heidelberg, wo er 1406 wegen Verteidigung realistischer Lehrsätze aus der artistischen Fakultät ausgeschlossen wurde. Für die Philosophie Wiclifs war er auch in Köln tätig. 1407 weilte er wieder in Prag. Am Stimmenstreit nahm er lebhaften Anteil, mehr aber noch an den Kämpfen um die Lehren Wiclifs; diesen pries er ganz offen als heiligen Mann, »dessen Doktrinen man gröfseren Glauben beimessen dürfe als selbst dem hl. Augustinus ;) Huber III, 4.

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Der Türkenkrieg.

Tod Albrechts II.

Albrecht zum König; nach einigem Zögern und nachdem auch die Ungarn ihre Opposition dagegen aufgegeben hatten, nahm er die Wahl an (29. April). Bereitwillig ging er auf die von den Kurfürsten gestellten Wünsche ein, soweit sie nicht eine abermalige Schmälerung der königlichen Macht bedeuteten. In diesem Sinne lehnte er die Forderung ab, dafs die Privilegien, vornehmlich die der Städte, nur mit Zustimmung der Kurfürsten bestätigt werden sollten. Auf den beiden nächsten Reichstagen, die im Juli und Oktober in Nürnberg abgehalten wurden, wurde nebst der Landfriedensfrage auch über die notwendigen Reformen verhandelt, aber der Zwiespalt der Stände vereitelte derlei Versuche. Dagegen erhielt nun der König die Mittel, seine tschechisch-polnischen Gegner in Böhmen und Schlesien zurückzudrängen. Unter der Vermittlung von Papst und Konzil kam es 1438 zu einem Waffenstillstand, der anfangs bis 24. Juni 1439 festgesetzt, im Hinblick auf den Türkenkrieg aber noch weiter verlängert wurde. 2. Die Türken hatten schon 1438 einen verheerenden Einfall nach Siebenbürgen unternommen und belagerten nunmehr die Festung Semendria in Serbien, den wichtigsten Platz für ihre weiteren Angriffe auf Ungarn. Fürst Georg und sein Sohn Lazar hatten sich an Albrecht um Hilfe gewandt. Aber die ungarischen Stände, mehr auf die Sicherstellung ihrer Sonderrechte und die Fernhaltung des deutschen Elementes als auf die Sicherung ihres Reiches bedacht, stellten dem König nur ungenügende Hilfsmittel zur Verfügung und lehnten seine Vorschläge, die Hilfe deutscher Fürsten anzurufen, ab. Unter diesen Umständen fiel Semendria mit dem gröfsten Teil Serbiens in die Gewalt der Türken. Das durch ansteckende Krankheiten stark mitgenommene ungarische Heer lief grofsenteils auseinander. Erst jetzt waren die Grofsen zu Opfern bereit und versprachen die Aufstellung eines gröfseren Söldnerheeres für den nächsten Frühling. Inzwischen ward der König selbst von der Ruhr ergriffen und starb auf der Reise nach Wien, wo er seine Gesundheit wieder zu finden hoffte, zu Nesm^ly (zwischen Gran und Raab) am 27. Oktober 1439 im Alter von 42 Jahren, viel beklagt von »Edlen und Unedlen«.1) Selbst in Böhmen, wo er ebenso wie in Ungarn wenig populär war, weil er das Tschechische ebensowenig wie das Ungarische verstand, fand seine Tüchtigkeit Anerkennung: Er war, sagt ein tschechischer Chronist, gut, kühn und mitleidig, trotzdem er ein Deutscher war.2) § 119. Die Baseler Reformbeschlüsse und die Union mit den Griechen. Zur Union s. aufser Binterim, Haller, Hefele, Pichler u. Zhischmann, wie oben. W a r s c h a u e r , Die Quellen z. Gesch. des Flor. Konzils. Bresl. 1881. (Dort weitere Literaturvermerke.) C e c c o n i , Studi storici sul conc di Firenze 1869. K a l o g e r a s , Die Verhandlungen zwischen der orthodox-katholischen Kirche und dem Konzil von Basel über die Wiedervereinigung der Kirchen. R. intemat. de theol I, 39. H e f e l e , Die temporäre Wiedervereinigung der griechischen u. lat. Kirche. ThQSchr. XXIX, XXX. ') Windecke, S. 455. ») FF. rer. Boh. V, 623.

Eugen IV. und der Kirchenstaat.

Die Unions frage. KonriUbeschlüsse.

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D r a e s e c k e , Zum Kircheneinigungsversuch 1439. Byz.Z. V. F r o m m a n n , Krit.Beitr. zur Gesch. d. Flor. Kircheneinigung. Halle 1872. K a r g e , Die Reise der russischen Konzilsgesandten durch die Ordenslande. Altpr. Monatsschrift XXXII. (Hinneigung des mss. Metropoliten zum lat. Ritus.) Sonst reiche Lit.-Angaben in Krumbacher, Gesch. der byz. Lit. 2 A. 1091 f.

1. Um sich seiner zahlreichen Gegner im Kirchenstaate zu entledigen, schlofs Eugen I V . mit Sforza (1434, März) einen Vertrag; indem er ihm das Vikariat der Mark Ankona übertrug, wurde er der Begründer der Macht dieses Hauses. Der Krieg dauerte übrigens fort; die schweren Leiden trieben die Römer zur Empörung, und als der Papst den von ihnen geforderten Verzicht auf die weltliche Herrschaft zurückwies, zur Aufrichtung der Republik (1434, 29. Mai). Mit Mühe gelang es dem Papste, nach Florenz zu entkommen; wo er nun seine Residenz aufschlug. Das republikanische Regiment in Rom stürzte übrigens schon nach kurzem Bestände zusammen; seine letzten Spuren wurden von dem Legaten V i t e l l e s c h i mit kraftvoller Hand beseitigt. Diese Erfolge kräftigten die Stellung des Papstes dem Konzil gegenüber. Noch am 24. April 1434 hatten seine Legaten die Aufrechthaltung der Konzilsbeschlüsse, darunter auch den von der Superiorität der Konzilien, beschworen. Nun wurde auch die griechische Unionsangelegenheit in Angriff genommen. Griechische Gesandte gingen nach Basel (August), Gesandte des Konzils nach Konstantinopel. Beiderseits wurde vereinbart, dafs das Unionskonzil an einem Orte stattfinden solle, der dem Papste ebenso bequem sei wie den Griechen. In Basel wurden in den nächsten Sitzungen neue Reformdekrete erlassen, die eine starke Schmälerung der päpstlichen Vorrechte bezweckten. Mit der Wiederherstellung der ordnungsmäfsigen Amterverleihung wurden Annaten, Palliengelder und Taxen bei Verleihung oder Bestätigung geistlicher Würden abgeschafft und jede künftige Verleihung gegen diese Anordnung als Simonie bezeichnet, die vor das Forum des Konzils gebracht werden müsse. Die Legaten erklärten sich bereit, auf diese ergiebige Einnahmsquelle zu verzichten, wofern das Konzil für die Bedürfnisse des hl. Stuhles Ersatz schaffe. Ein solcher wurde wohl verheifsen, aber niemals festgesetzt. Jeder neugewählte Papst sollte auf die Beschlüsse von Konstanz und Basel vereidigt werden. Die Anzahl der Kardinäle wird auf 2 4 festgesetzt, dabei dürfe keine Nation mehr als ein Drittel der Stellen besitzen (23. Sitzung). Falls sich der Papst nicht an den R a t der Kardinäle hält, erfolgt die Anzeige bei dem nächsten Konzil. Die kirchlichen Wahlen müssen unbedingt frei sein. Damit entfallen die Anwartschaften, Anweisungen und Zurückbehaltungen von Benefizien. Derselben Richtung gehört das Verbot der Amterhäufung und das Gebot der Residenzpflicht der Geistlichen an. Zahlreiche Rechtsfälle werden dem päpstlichen Forum entzogen und dem ordentlichen einheimischen Gericht zugewiesen. Das Konstanzer Edikt über Exkommunikationen wird wieder hergestellt und ein neues erlassen, das die Verhängung des Interdiktes wesentlich einschränkt (20. Sitzung. 1 ) Diese Beschlüsse ordnungsmäfsig durch') Zu dem Obigen Pückert, 8. 43 u. 45. L o s e r t h , Geschichte des späteren Mittelalters.

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Brach zwischen Papst und Konzil.

Basel and Ferrara.

geführt, hätten zweifellos das kirchliche Leben besser gestaltet. Indem eich aber die meisten Reformen mit einseitiger und unnützer Schärfe gegen die Kurie wandten und ihr die wichtigsten Einnahmsquellen in einem Augenblick entzogen wurden, da sie ihrer am meisten bedurfte, erhob sie einen lebhaften Widerspruch. Schliefslich bot die Unionsfrage Anlafs zu völligem Bruch zwischen Papst und Konzil. Während nämlich die päpstliche Partei als Ort des Unionskonzils eine italienische Stadt wünschte, sprach sich die Majorität unter Führung des leidenschaftlichen Kardinals und Erzbischofs Louis d'Allemand dagegen aus und setzte den Beschlufs durch, das Unionskonzil in Avignon abzuhalten. Die Minorität, die sich das Siegel des Konzils zu verschaffen wufste, erliefs (25. Sitzung) ein Dekret, wonach das Konzil in Florenz tagen sollte. Bei dem Widerstand der Mehrheit war ein neues Schisma bevorstehend und die Kirchenreform aufs neue in Frage gestellt. Cesarini legte das Präsidium nieder. Nunmehr wurden (26. Sitzung) Papst und Kardinäle vorgeladen, sich binnen 60 Tagen zur Verantwortung zu stellen. Eugen antwortete mit dem Befehl, nach 31 Tagen die konziliare Tätigkeit einzustellen und sich innerhalb dieser Zeit mit der böhmischen Frage zu beschäftigen. Nach Ablauf der 60 Tage wurde das Verfahren gegen den Papst begonnen. Kaiser Sigmund und andere Fürsten äufserten sich laut dagegen. Weil das Konzil wegen der zwischen Florenz und Mailand bestehenden Feindschaft in Florenz nicht abgehalten werden konnte, verlegte es der Papst nach F e r r a r a . Die Baseler erklärten hingegen die Verlegung für null und nichtig. Bei Strafe der Exkommunikation und des Benefizienverlustes wurde jedem Kleriker verboten, von Basel hinweg und nach Ferrara zu gehen. Trotzdem verliefs Cesarini nach einem mifsglückten Versuche, einen Ausgleich anzubahnen, die Stadt. 2. Das K o n z i l zu F e r r a r a wurde am 8. Januar 1438 von Cesarini eröffnet. Schon jetzt gab Nikolaus von Cues die Sache der Baseler preis. Diese sprachen ihrerseits die Suspension des Papstes aus (24. Januar) und zogen die Verwaltung der weltlichen und geistlichen Angelegenheiten des Papsttums an sich. Die Beschlüsse des Konzils erhielten nun von Sitzung zu Sitzung eine immer schärfere Spitze gegen den Papst. Die Synode von Ferrara wurde verdammt und ihre Beschlüsse für ungültig erklärt (24. März), dann die Superiorität des Konzils über den Papst und dafs es ohne eigene Zustimmung weder verlegt noch • aufgehoben werden könne, als Glaubenswahrheit erklärt, endlich (1439, 25. Juni) Eugen IV. als Schismatiker und Ketzer in förmlicher Weise abgesetzt. J e schärfer die Beschlüsse lauteten, desto mehr Prälaten zogen sich von Basel zurück, wurden aber gleichwohl durch ihre Stellvertreter, meist Geistliche niederen Ranges, ersetzt. Wohl hielten die Staaten des Abendlandes zu Basel, es konnte aber doch nicht verhindert werden, dafs das Papsttum eben damals einen höchst bedeutenden, wenngleich kurzlebigen Erfolg erzielte: d i e U n i o n d e r m o r g e n - und a b e n d l ä n d i s c h e n K i r c h e . Die Griechen, an ihrer Spitze der Kaiser Manuel Paläologos und der Patriarch von Konstantinopel, waren in Ferrara erschienen. Dort fanden (bis 8. Dezember) 15 Konzilssitzungen statt. Dann wurde das Konzil

D. kirchliche Union. D. Florentiner Konzil. D. pragmatische Sanktion.

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nach F l o r e n z verlegt (1439, Januar), wo noch acht Sitzungen abgehalten wurden. Nach mühevollen Verhandlungen und stetigem Zurückweisen der Griechen wurde der Primat des Papstes anerkannt, doch lohne Beeinträchtigung der Rechte und Privilegien der orientalischen Patriarchen«, und am 5. Juli das Unionsdekret unterfertigt. Den Teilnehmern an den Verhandlungen wurde es unmittelbar klar, dafs das griechische Volk von der Union nichts wissen wolle. Gleich nach ihrer Abreise von Florenz sangen die Griechen beim Hochamt in Venedig ihr Symbolum ohne das Filioque und unterliefsen das Gedächtnis des Papstes. In ihrer Heimat erregte die Kunde von der Union einen. Sturm der Entrüstung, und schon vier Jahre später verdammten die Patriarchen von Alexandrien, Antiochien und Jerusalem und der Metropolit von Cäsarea die >Räubersynodet von Florenz. In Italien stand Eugen IV. als Sieger da. Zwar wurde Vitelleschi 1440 gestürzt, aber sein strenges Regiment blieb im Kirchenstaate aufrecht. 3. Auf die grofsen Staaten des Abendlandes machten diese Erfolge Eugens IV. nur geringen Eindruck. Vor allem gingen Deutschland und Frankreich im Streit zwischen Papst und Konzil ihre eigenen Wege. Ohne das Vorgehen der Baseler gegen den Papst zu billigen, suchten sie sich in den Besitz jener Vorteile zu setzen, die ihnen die Annahme der Baseler Reformdekrete bot. Wie 1408 wurde auch jetzt die Neutralität das Schlagwort, dem sie folgten. Die Kurfürsten sprachen sich schon am Tage vor der Königswahl Albrechts II. dafür aus. Einer der scharfsinnigsten Juristen, G r e g o r H e i m b u r g , brachte auf dem Frankfurter Fürstentage die Neutralitätsurkunde zur Verlesung. Danach verpflichteten sich die Kurfürsten, von keinem der streitenden Teile Befehle und Beschlüsse anzunehmen, bis sie sich mit dem neuen Reichsoberhaupt verständigt hätten, mit wem sie es halten wollten.1) Weiter gingen die Franzosen. Die Baseler hatten ihnen die Reformdekrete mit der Bitte gesandt, sie in Frankreich durchzuführen. Karl VII. berief eine Versammlung geistlicher und weltlicher Würdenträger nach Bourges, die dort vom 1. Mai bis 7. Juni 1438 tagte. Hier wurde jenes Reichsgesetz geschaffen, das als »die p r a g m a t i s c h e S a n k t i o n « bekannt ist. Neben kirchlichen sind auch politische Motive für sie mafsgebend gewesen, es sollten hinfort keine Prälaturen und andere Pfründen an Fremde gegeben werden. Von ihren 23 Kapiteln regeln die einen Frankreichs Beziehungen zum hl. Stuhle, indem sie die Bedingungen festsetzen, unter denen Appellationen nach Rom erlaubt seien und päpstliche Einkünfte in Frankreich erhoben werden könnten, die andern sichern die Freiheit der Kirchenwahlen vor auswärtigen Einflüssen. Um ') Die wichtigste Stelle (des aus einer vatikanischen Handschrift von Binterim VII, 166 mitgeteilten Textes) lautet: Edicimus et protestamur, . . . quod in praemissa discordia . . . nullarn partem adversus alteram . . . fovere proponimus, quin immo, si qua mandata . . . tarn a papa *quam a concüio ad nos emanare contingent, . . . nos animos nostros suspensos retinebimus, ne ulli parti adversus alteram favere videamur. Zu übersetzen ist doch nur: Wir werden mit unserer Gesinnung zurückhalten. S. Joachimson, S. 53.

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Die Neutralitat. Annahme der Reformdekrete in Deutschland.

ihr ein gröfseres Ansehen zu geben, wurde sie mit einer vermeintlichen ähnlichen Verordnung Ludwigs IX. (s. oben) in Zusammenhang gebracht. Im übrigen verlangte Karl VII., dafs das Konzil nicht weiter gegen den Papst einschreite. Das Vorgehen der Franzosen wirkt« auf die Deutschen ein.1) Albrecht II. trat der Neutralität bei, und diese wurde auf den nächsten Reichstagen verlängert. Vielleicht war es auch das Drängen Frankreichs, das die Reichsstände auf dem Mainzer Reichstag bewog, die Baseler Dekrete mit gewissen Einschränkungen und unter Ablehnung der gegen Eugen IV. getroffenen Verfügungen anzunehmen (1439, 26. März). Allerdings war zwischen dem Vorgehen Frankreichs und jenem des deutschen Reiches ein grofser Unterschied: Während dort die Beschlüsse sofort auch ausgeführt werden sollten, handelte es sich hier blofs um die Erklärung, sie anzunehmen. Für den Wegfall der Annaten wurde dem Papste eine Entschädigung zugesprochen und zwar sollte ihm von Erzbischöfen, Bischöfen und Äbten exempter Klöster der vierte Teil der bisherigen Taxe in Form einer Liebesgabe, von den Inhabern der geistlichen Stellen, deren Jahreserträgnis 4 Mark überschreitet, der zehnte Teil des Jahreseinkommens zugewendet werden. Albrecht II. war der Mainzer »Akzeptation« beigetreten. Der nächste Kurfürstentag (August) sprach sich abermals für die Neutralität aus, und auf dem Reichstage von Frankfurt (1. November) wurde die »Einigung« unter den Kurfürsten erneuert und die Neutralität insofern weiter ausgebildet, als sie auf alle kirchlichen Streitsachen ausgedehnt und an die Stelle der Autorität des Papstes und Konzils die der Metropoliten trat, an welche die Streitsachen gelangten. Die Neutralität hatte noch mehr als sieben Jahre Bestand. Sie erfüllte im übrigen die auf sie gesetzten Erwartungen nicht und wurde unter Umständen selbst von den Kurfürsten nicht beachtet. § 120. Die Wahl Friedrichs III. Seine Beziehungen zu Böhmen and Ungarn. Q u e l l e n (e. auch § 147). Urkk. u. Briefe: Chmel, Regesten K. Friedrichs III. Wien 1840. Chmel, Materialien zur öst. Gesch. 2 Bde. Wien 1837—38. Chmel, in den Beilagen zur Gesch. Friedrichs HI. (s. unten). Chmel, Österr. Geschichtsf. 2 Bde. Bachmann, Urkk. u. Aktenstücke zur öst. Gesch. im Zeitalter Friedrichs III. und K. Georgs von Böhmen 1440—1471. FF. rer. Aust. XLII. S. auch FF. XLVI u. LIV. Janssen, Frankfurts Reichskorrespondenz. 2. Bd. Aus der Zeit Kaiser Friedrichs III. bis zum Tode Maximilians 1.1440—1519. Freib. 1872. Von älteren Sammlungen: J. J. Müller, . .. Reichstagstheatrum . . . unter K. Friedrich V. von 1440—1493. Jena 1713. (Dazu Grofsmann, Forschungen XI.) Briefe u. histor. Aufzeichnungen in Birk, Beiträge zur Gesch. der K. Elisabeth von Ungarn und ihres Sohnes Ladislaus 1440—1417 in Q. u. Forsch, zur vat. Gesch. Wien 1849. Epistolae aliquot et eiusdem (Friderici) formula praecationis ad Deum pro imperii incolumitate 1440. Freher SS. rer. Germ. Die Briefe des Enea Silvio wie oben. Friedrichs HI. Reformation in Müller, Reichstagsth. p. 57. Altmann, Ausgew. Urkk. zur Erläuterung d. d. Verfassungsgesch. Berl. 1891. Lechner, Ein Register Friedrichs III, MJÖG. XX. G e s c h i c h t s c h r e i b e r : Enea Silvio, De vita et rebus gestis Friderici III, siv. hist. Austriaca bis 1452 bzw. 1458 mit der Forts, des Joh. Hinderbach. Ansg. ') Joachimson, 55. •) Ebenda, 65.

Die Wahl Friedrichs III.

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bei Potth. I, 20. Übers, v. Ilgen, Gesch. d. d. Y. 85, 87 (s. Lorenz II, 310, Bayer, Die Hist. Frid. Prag 1872 und Krones, B. K. Steierm. GQ. VIII). — Historia Bohemica, wie oben. Commentarii rer. memorab. quae temporibus suis contigerunt 1405—1463. Libri XII. Ausg. bei Potth. I, 19 De viris illustribus, BLYStuttg. 1842. In Europam, Freher II, 37. Ptentalogus de rebus ecclesiae et imperii, ed. Pez, Thea, anecd. IV. Im Ausz. bei Chmel, Gesch. Friedrichs II., 768 fi.. Excerpta ex diario Frid. III bei Chmel, Gesch. Friedr. III. I, 576 ff. Thomas Ebendörfer, wie oben. J. Grünbeck, Hist. Frid. III. et Maximiliani I. ed. Chmel, österr. Geschichtsf. I, 1838. Übers. Ilgen, G. d. d. V. 90. Chronica der edlen Grafen von Cilli 1359—1458, ed. v. Krones in >die Freien von Saneck und ihre Chronik als Grafen v. Cilli«. Graz 1883, s. Lorenz I, 283. Jacobi Unresti, Chron.' Austr. 1464—1500, ed. Hahn, Coli. mon. I, 537—803, s. Krones, AÖG. XLVHI. Veit Arnpeck, Chron. Austr. bis 1488. Pez, SS. rer. Austr. I, 1165. Anonym. Mellic. chron. Austriac. 1438—1464. Pez, SS. II, 461. Helene Kottanerin und Kolewinck, wie oben. Hartmann Schedel, Liber chronicorum bis 1492. Nürnb. 1493 bei Koburger. Joh. Nauclerus, Memorabilium omnis aetatis . . . Commentarii bis 1500. Ausg. Potth. II, 806. Joh. Trithemius, Ann. Hirsaugiensium, tomi 2. Ausg. u. Lit. bei Potth. Ii, 1071. Doch fehlt dort Wolff, Joh. Trithemius u. die älteste Gesch. d. Klosters Hirschau. Würt. Jb. f. Statist, u. Landesk. 1863 u. Silbernagl, Joh. Trith. 2. A. 1885. Schamdochner, Brev. chron. rer. quarundam sub Frid. III. gestarum 1440—1470. Oefele, Her. Boic. SS. 1,316 ff. Wilwolt von Schaumburg, Memoiren 1468—1505. BLYStuttg. 1859. Einzelnes in den Chroniken d. d. Städte. Über die Quellen zur Gesch. der Schlacht bei Varna s. Zeifsberg in Z. f. d. öst. Gymn. 1871 (dazu JBG. VIH, II, 290) u. Köhler, Die Schlachten v. Nicop. u. Varna. Breslau 1882. H i l f s s c h r i f t e n : C h m e l , Gesch. Friedrichs u. seines Sohnes Maximilian I. 2 Bde. 1840—1843. A. B a c h m a n n , Deutsche Reichsgesch. im Zeitalter Friedrichs HI. u n d Maximilians I. 2. Bde. 1884—1893. K u r z , Österr. unter K. Friedrich IV. Wien 1812. D r o y s e n , Gesch. d. preufs. Politik n . K r o n e s H u. H u b e r H, P a l a c k y IV, 1, F e f s l e r - K l e i n III, C a r o V, wie oben. V o i g t , Enea Silvio, P ü c k e r t u. B a c h m a n n , Über die kurf. Neutralität, wie oben. K e u s s e n , Die polit. Stellung der Reichsstädte mit bes. Berücksichtigung ihrer Reichsstandschaft unter Friedrich III. Bonn 1885. B r a n d s c h , Kaiser Friedrichs III. Beziehungen zu Ungarn 1440—53. Hermannst. 1883. H u b e r , Die Kriege zw. Ungarn u. den Türken. 1440—43. AÖG. LXVIII. H o f f m a n n , K. Friedrichs III. Beziehungen zu Ungarn 1458—1464. Progr. Glogau 1901. R i c h t e r , K. Friedrich III. Berl. 1901. V o i g t , K. Georg der Hussitenkönig. HZ. V. S c h w a r t z , Zur Gesch. des Friedensschlusses von Szegedin. Ung. R. 1894. Einzelnes siehe in den folgenden Paragraphen.

1. Da sich seit der Wahl Albrechts II. die politischen Verhältnisse in Deutschland nicht geändert hatten, war auch diesmal die Wahl eines Habsburgers zu gewärtigen. Haupt des Hauses war Friedrich V., Sohn des Herzogs oder, wie er sich seit 1414 nannte, Erzherzogs Ernst des Eisernen und Enkel des bei Sempach gefallenen Leopold III. Seine Hausmacht umfafste I n n e r ö s t e r r e i c h , d.jh. Steiermerk, Kärnten, Krain und Görz; dazu hatte er die Vormundschaft über Sigmund von Tirol und Vorderösterreich und für den Fall der Geburt eines männlichen Sprossen nach Albrecht II. auch über diesen. Der Wahltag war auf den 28. Januar 1440 festgesetzt. Da der böhmische Thron erledigt war, führte als Vertreter Böhmens Burggraf Heinrich von Meilsen die böhmische Stimme. Brandenburg und Meifsen traten für den angesehenen Landgrafen Ludwig von Hessen ein, der indes nicht gewillt war, seinen Hausbesitz an die Erwerbung und Erhaltung der deutschen Krone zu wenden1). Trotzdem schon jetzt das schwächliche, allzu ') Maluitque parva imperio a parentibus sibi relicto utiliter praeesse quam magnum aecipiens dissipare.

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Charakteristik Friedrichs i n .

Ladislaus Posthamas and

bedächtige Wesen Friedrichs mehrfach getadelt wurde, ward er am 2. Februar 1440 zum König gewählt. Als solcher nannte er sich selbst Friedrich III.1) Seine Wahl wurde von den Reichsstädten freudig begrüfet, weniger wegen seiner Friedens- und Gerechtigkeitsliebe, von der man ausserhalb der Grenzen Innerösterreichs wenig wufste, als weil er überhaupt ein Habsburger war, wie der seines frühen Todes wegen betrauerte Albrecht II.2) Und doch war er ganz anders geartet als* dieser und zur Beherrschung der Verhältnisse im deutschen Reiche und selbst in seinem Hause wenig geeignet. Ein Mann von einfachen Lebensgewohnheiten, dürftig im Auftreten, geizig, ohne gelehrte oder künstlerische Neigungen, besafs er im Gegensatz zu seinem tapferen Vater und zu seinem ehrgeizigen Bruder Albrecht eine phlegmatische Natur, die selbst durch schwere Kränkungen nicht aus dem Gleichgewicht gebracht werden konnte. Fragen der Politik liefsen ihn kühl; lieber beschäftigte er sich mit der Hauswirtschaft, mit Garten- und Obstzucht und mit dem Sammeln und Ordnen 'von Kleinodien. Von seines Hauses steigender Gröfse überzeugt, hätte er von seinen Rechten nicht das Mindeste preisgegeben. War er doch noch in späten Jahren schwer zu bewegen, den eigenen Sohn zum Nachfolger wählen zu lassen, und räumte ihm auch später keinen Anteil an der Reichsregierung ein. Jetzt entsprach es seinem phlegmatischen Wesen mehr als politischen Erwägungen, dafs er erst nach mehrwöchentlichem Zögern sich zur Annahme der Krone bereit erklärte. Den Beitritt zur kurfürstlichen Neutralität lehnte er ab. 2. Auch in die böhmischen und ungarischen Wirren griff er nicht mit jener Entschiedenheit ein, die Habsburgs Weltmachtstellung dauernd gesichert hätte. Indem Albrecht II. seine Gemahlin Elisabeth und Friedrich III. als Senior des Hauses Habsburg zu Vormündern für den Fall ernannte, wenn ihm ein Sohn geboren würde, und ihnen einen Ständerat von neun Mitgliedern zur Seite stellte, schien für alle drei Ländergruppen eine einheitliche Regierung geschaffen zu sein. Doch nur die österreichischen Stände erkannten Friedrich als Vormund an, Böhmen und Ungarn wünschten eine enge Verbindung mit Polen, jenes aus nationalen Gesichtspunkten, dieses, um dem Ansturm der Türken um so leichter zu begegnen. Daher fand in Ungarn die Kandidatur des Polenkönigs Wladislaw Anklang, der sich mit der Königin-Witwe vermählen sollte. Ihr und Albrechts Kind, falls es ein Sohn wäre, sollte Böhmen und Österreich, ein Sohn zweiter Ehe Ungarn erhalten. Nach langem Sträuben und nicht bedingungslos ging Elisabeth darauf ein, nahm aber nach der Geburt ihres Sohnes L a d i s l a u s P o s t h u m u s (1440, 22. Februar) ihre Zustimmung zurück, fest entschlossen, ihm den Besitz aller drei Ländergruppen zu wahren. Da sich Friedrich in der Verteidigung der Rechte seines Mündels lässig zeigte, übertrug sie die Vormundschaft an Herzog Albrecht und liefs Ladislaus zu Pfingsten (15. Mai) ') Friedrich IV. wird er von einzelnen österr. Historikern wie Chmel genannt, die Friedrich den Schönen als den Dritten zählen. *) Keussen, 10.

die Wirren in Österreich, Böhmen and Ungarn.

Geotg v. Podiebrad.

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in Stuhlweifsenburg krönen. Diesem Beispiel folgte (17. Juli) Wladislaw, der mittlerweile Ungarns Krone angenommen hatte und mit einem Heere in Ungarn eingerückt war. Elisabeth setzte notgedrungen Friedrich wieder in seine vormundschaftlichen Rechte ein und vertraute ihm ihren Sohn und die Krone des Reiches an. Es kam zu einem längeren Bürgerkrieg, bis es dem Kardinal Cesarini gelang, Friedensverhandlungen einzuleiten. Noch waren sie nicht abgeschlossen, als Elisabeth starb (1442, 19. Dezember). Ein Teil ihrer Anhänger trat zu Wladislaw über, die Mächtigeren hielten an Ladislaus fest und traten mit König Friedrich in Verbindung. Schliefslich brachte Cesarini auf Grund des Status quo einen Waffenstillstand zustande. Für das Haus Habsburg war damit der gröfsere Teil Ungarns verloren. 3. In B ö h m e n liefs die radikale Partei den Prinzen Kasimir in dem Augenblick fallen, als mit Albrechts II. Tode die hauptsächlichsten Schwierigkeiten seiner Erhebung beseitigt waren. Das Erbrecht Ladislaus' fand nur in Schlesien, der Lausitz und einem Teil von Mähren Anerkennung. Der böhmische Wahllandtag setzte sich über Habsburgs Rechte hinweg. Die radikale Partei und der kalixtinische Adel wünschten die Erhebung eines Königs, der imstande wäre, der Anarchie ein Ende zu machen, die Kompaktaten zur Durchführung zu bringen und die Anerkennung Rokytzanas als Erzbischof durchzusetzen. Nachdem mehrere Kandidaturen aufgestellt und wieder beseitigt waren, wählten die Stände Herzog Albrecht von Bayern-München, der aber im Hinblick auf die ihm zugemutete Einverleibung Bayerns in Böhmen und die dem Hause Habsburg zustehenden Erbrechte die Krone ablehnte. Auch Friedrich HI. schlug sie unter dem Hinweis auf ihren rechtmäfsigen Besitzer aus, und als die Stände bereit waren, Ladislaus anzuerkennen, wofern er ihn nach Prag brächte und dort als Vormund die Regentschaft übernähme, lehnte er auch dies ab. So kam zwar Habsburg nicht zu seinem Rechte, doch wurde auch kein auswärtiger Fürst auf den Thron berufen. Die Führung des utraquistischen Herrenbundes gelangte in die Hände G e o r g s von P o d i e b r a d . Am 24. April 1420 als Sohn Viktorin Botscheks von Kunstatt zu Podiebrad geboren, erwarb sich Georg in den letzten Jahren des Hussitenkrieges und im Kampf gegen Albrecht II. einen bedeutenden Namen. 1440 Hauptmann des Bunzlauer Kreises, trat er nach dem Tode Ptatscheks von Pirkstein, des Führers des Herrenbundes, an die Spitze der vier östlichen Kreise von Böhmen. Seine Politik, deren Endziele jetzt noch nicht deutlich zutage traten, war auf die Begründung eines hussitischen Königtums gerichtet. Enea Silvio bezeichnet ihn als einen Mann von kurzem Wuchs, massivem Körperbau, weifser Gesichtsfarbe, leuchtenden Augen und gefälligem Wesen, zwar angesteckt vom Hussitismus, sonst aber rechtschaffen und edel. Seine kirchlichen Uberzeugungen waren freilich nicht sonderlich fest.1) Enea lobt seine Erfahrung in Staats- und Kriegsangelegenheiten, seinen sicheren Blick in plötzlichen Gefahren, seine unermüdliche Tätigkeit und seinen ') Daher sagt Enea: Quem cum nos longo sermone de communione calicis tentavissemus, magix deceptum quam pertinacem invenimus.

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Das Haas Hunyady.

Der Tarkenkrieg.

Unternehmungsgeist. Mit List und Gewalt führte er den Kampf gegen die katholische Adelspartei. Durch die Überrumpelung Prags im Jahre 1448 (8. unten) warf er die katholische Reaktion vollends nieder. Wer nicht die Kompaktaten und Rokytzana anerkennen wollte, mufste die Hauptstadt verlassen. Das Domkapitel wanderte nach Pilsen, und die deutschen Magister und Studenten, die sich allmählich wieder an der Prager Hochschule niedergelassen hatten, zogen ab. Fortan sollte niemand in Prag die Kommunion unter einer Gestalt reichen. 4. Inzwischen hatte Wladislaw den Kampf gegen die Türken begonnen, die sich nach der Eroberung von Semendria ganz Serbiens bemächtigt hatten, im folgenden Jahre aber von dem sechs Monate erfolglos belagerten Belgrad wieder abziehen mufsten. Die Verteidigung des Südens übertrug er an Johannes Hunyady und Niklas Ujlaky zum Dank für einen Sieg, den sie im Herbste 1440 über die Anhänger Elisabeths davongetragen hatten. Es ist das erste Auftreten der Hunyady in der Geschichte. Sie sind geringer Herkunft.1) Johanns Vater Woyk, ein Walache, hatte im Dienste Sigmunds die Ritterwürde und die Burg H u n y a d y in Siebenbürgen erhalten. Johannes gewann durch militärische Tüchtigkeit in den Hussitenkämpfen Ruhm und Gewinn. Er wurde nun die Seele der gegen die Türken gerichteten Angriffe. 1441 brachte er ihnen bei Belgrad und 1442 in Siebenbürgen solche Niederlagen bei, dafs der walachische Woiwode Drakul von ihnen abfiel und sich an Ungarn anschlofs. Als sie Miene machten, wieder in Siebenbürgen einzufallen, brachte er ihnen, noch ehe sie die Karpathenpässe überschritten hatten, eine neue Niederlage bei. Diese ersten wider sie errungenen Erfolge weckten die Hoffnung, den Erbfeind der Christen doch noch aus Europa verjagen zu können. Die Ungarn rüsteten 1443 ein Heer aus, aber die Hilfe des Abendlandes blieb aus. Am wenigsten mochte Friedrich III. zum Siege seines Gegners beitragen. Trotzdem nahm der Krieg anfangs einen günstigen Verlauf. Wladislaw selbst drang von Belgrad aus nach dem Süden. In der Nähe von Nissa gewann Hunyady am 3. November einen Sieg, dessen Bedeutung darin liegt, dafs sich nun zahlreiche Scharen aus den unterdrückten Völkerschaften an die Ungarn anschlössen. Wladislaw, der bis an den Balkan gelangte, sah sich bei den starken Verteidigungsmitteln der Gegner und dem Mangel an Lebensmitteln zum Rückzug nach Ungarn genötigt. Auch hier brachten die Christen den Türken noch (24. Dezember) eine Niederlage bei. Diese machten nun günstige Friedensanträge, die auf dem Szegediner Reichstag zu einem zehnjährigen Waffenstillstand führten. Danach wurde Serbien frei und die Oberherrschaft Ungarns über die Walachei wieder anerkannt; damit waren aber auch Cesarinis Hoffnungen, die Türken aus Europa zu treiben, zerronnen. Er spornte daher den König zur Wiederaufnahme des Kampfes an und löste ihn von dem eben geschworenen Eide.2) Im Sommer 1444 wurde der Krieg wieder aufgenommen. Aber von Polen, selbst von ') Die Lit. über die Abstammung der Hunyady s. JBG. 1900, HI, 241. •) S. aber Prochazka in Finkeis JBG. 1900, III, 351.

Die Schlacht bei Varna.

Die Krönung Friedrichs ITT.

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Serbien kam keine Unterstützung; auch die Ungarn beteiligten sich schwach an dem Unternehmen. Das ungarische Heer, unterstützt von einer walachischen Abteilung, drang bis V a r n a vor. Um den Pässen auszuweichen, wollte es das Gebirge umgehen und längs der Meeresküste gegen Konstantinopel ziehen. Am 10. November 14-14 kam es zur Schlacht, die nach anfänglichen Erfolgen von den Christen verloren ward. Wladislaw wurde getötet, und Hunyady trat den Rückzug an. Auch Cesarini hatte den Tod gefunden. In Ungarn wandte sich jetzt die Stimmung dem legitimen Herrscher zu. Der Reichstag vom 7. Mai 1445 erkannte Ladislaus Posthumus unter der Bedingung als König an, dafs er samt der Reichskrone von Friedrich III. an die Ungarn ausgeliefert würde. § 121. Die Krönung Friedrichs III. in Aachen. Der Krieg gegen die Eidgenossen. Q u e l l e n , s. die §§ 59, 98 u. 120. Dazu: Die Aachener Krönungsreise Friedrichs III. Von einem Augenzeugen. Herausgeg. v. Seemüller. MJÖG. XVII, 589—665. Bericht Johann Burns von Mohausen über die Krönung Fa., her. v. Hansen. Z.Aach. GV. IX, 213 ff. S. dazu Potth. I, 471 Wülker, Urkk. u. Schreiben, betreffend den Zug der Armagnaken 1439—1444. Neujahrsbl. Ver. Gesch. u. Alt. zu Frankfurt 1873. Zu den Schweizer Quellen auftier Wyfs, Historiographie. S. 105—134 u. bes. 116 ff., auch Dierauer II, 72 ff. D i o m u e r I, II, und D ä n d l i k e r II, wie oben. P l a t t n e r , Die Entstehung des Freistaates der drei Bünde und sein Verhältnis zur alten Eidgenossensch. Davos 1894. v. K r a u s , Deutsche Geschichte am AuBg d. MA. Stuttg. 1894. W i t t e , Die armen Gecken oder Schinder und ihr Einfall im Elsafs. Strafsb. 1889. G. d u F r e s n e d e B e a u c o u r t , Histoire de Charles VII. tom. IV. Eine Anzahl von Einzelschriften s. bei Dändliker II, 749. B r ü n i n g , Die Aachener Krönungsfahrt Friedrichs III. Aus Aachens Vorzeit XI, 81.

1. Gleich den übrigen deutschen Fürstenhäusern hatte Habsburg seinen Besitz durch Teilungen zersplittert, den Zusammenhang der Erblande hiedurch gelockert und die Macht des Gesamthauses geschwächt. Nach der Teilung von 1379 in eine Albrechtinische und Leopoldinische Linie, von denen jene Österreich ob und unter der Enns, die andere alles übrige erhielt, folgte 1411 die Zersplitterung der letzteren in einen steirischen und einen tirolischen Zweig, und die Versuche Friedrichs III., wenigstens innerhalb der Leopoldinischen Linie eine gewisse Einheit herzustellen und sich die oberste Regierungsgewalt zu sichern, führten zu Streitigkeiten mit seinem Bruder Albrecht VI, die mit kurzen Unterbrechungen bis zu dessen Tode (1363) andauerten. 1 ) Diese Wirren und die schwierige Stellung seines Hauses in Ungarn und Böhmen hinderten ihn, dem Reiche seine Aufmerksamkeit zuzuwenden. Und doch hegte man dort von ihm grofse Hoffnungen. Aber die ersten Reichstage fanden statt, ohne dafs er erschien. Erst im Hinblick auf die Krönung, vielleicht auch auf seine Pläne gegen die Eidgenossen, verliefs er die Steiermark. Am 17. Juni 1442 empfing er zu Aachen die Krone. Der ') Zu den Teilungen s. Huber-Dopsch RG. 44. Bezüglich der Einzelheiten des Streites zwischen Friedrich III. und Albrecht VI. s. Huber III, 44 ff., 151 ff.

Friedrich ILL und die Eidgenossen.

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Reichstagsbeschlufs vom 14. August enthielt wohl eine Reihe wichtiger Anordnungen über den Landfrieden und die Reichsgerichtsbarkeit, es fehlte dem Könige aber an den zu ihrer Durchführung nötigen Mitteln. 2. Von Frankfurt zog Friedrich III. nach dem Elsafs und von dort in die Schweiz. Es galt einen Versuch, wenigstens einen Teil der Verluste hereinzubringen, die Habsburg hier in den letzten Jahrzehnten erlitten hatte. Der Bund der a c h t K a n t o n e war seit Sempach und Näfels rasch vorgeschritten. Zunächst schlössen die Glarner eine Allianz mit jenen Bünden, die sich wie d e r G o t t e s h a u s b u n d und d i e E i d g e n o s s e n s c h a f t d e s o b e r e n B u n d e s , zum Teil ebenfalls im Widerspruch mit den Interessen des Hauses Habsburg gebildet hatten. Auch unter den Gemeinden von W a l l i s griffen im 14. Jahrhundert demokratische Tendenzen um sich. Die Bischöfe von Sitten, von Savoyen und vom einheimischen Adel bedrängt, hatten ihnen umfassende Privilegien gewährt und Karl IV. sie 1354 bestätigt. Schon damals standen die Walliser in nahen Beziehungen zu den Eidgenossen. Als hierauf ein Streit zwischen dem Bistum und den alten adeligen Geschlechtern ausbrach, ergriff das Volk für jenes Partei, während der Adel von Savoyen Hilfe bekam. Endlich schlössen der Bischof von Sitten und die Landleute von Wallis am 3. Juni 1403 mit Uri, Unterwaiden und Luzern ein ewiges Burg- und Landrecht, so dafs sich fortan die Macht der drei Orte über einen Teil von Wallis erstreckte. In demselben Jahre drangen die Urner und Unterwaldner, gereizt durch eine ihren Landsleuten von Bewohnern des mailändischen Varese zugefügte Unbill, gegen die sie kein Recht gefunden hatten, auf der Südseite des Gotthard vor und nötigten die Bewohner des L i v i n e n t a l e s , sich in ihre Gewalt zu begeben. Von hier aus konnte die Erwerbung des ganzen Tessingebietes bis an die Seen in Angriff genommen werden. Bedeutsamer wurde der Anschlufs des der Abtei St. Gallen gehörigen A p p e n z e l l e r L a n d e s , wo seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts die demokratische Richtung gleichfalls zum Siege gelangte und die einzelnen Gemeinden sich allmählich der Herrschaft der Abtei entzogen. Im Jahre 1377 schlofs sich Appenzell . dem schwäbischen Bunde an, und zwei Jahre später erscheint »Appenzell das Land« als eine geschlossene, rechtliche und politische Gemeinschaft. 1 ) Im Kampfe gegen St. Gallen, das seine Wiederunterwerfung versuchte, und gegen dessen Bundesgenossen, Friedrich IV. von Österreich und den oberdeutschen Adel, errang es im Appenzeller Krieg (1405—1408) seine Freiheit. 2 ) Um sie auch für die Zukunft zu behaupten, liefsen sich die Appenzeller, die bereits während des Kampfes einen Bund mit Schwyz geschlossen hatten, von den sieben östlichen Orten in ein Burg- und Landrecht aufnehmen (1411). Auch St. G a l l e n schlofs sich nunmehr an die Eidgenossen an (1412), die jetzt nord- und westwärts bis an ihre natürlichen Grenzen, den Bodensee und den Jura, vorzurücken suchten; bald hatten sie Gel ) Dierauer I, 394. ») S. 406 ff.

Das Wachstum des eidg. Bundes. Parteikämpfe zwischen einzelnen Orten.

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legenheit, über den Aargau hinweg bis an den Rhein zu gelangen. Sie benützten nämlich die über Friedrich von Tirol ausgesprochene Reichsacht (s. § 108), um sich trotz des fünfzigjährigen, kurz zuvor mit Osterreich abgeschlossenen Friedens der altösterreichischen Stammlande zu bemächtigen. Ein Schlofs nach dem andern, die Habsburg nicht ausgenommen, fiel in ihre Hände. Trotz Friedrichs Unterwerfung und der Zurückforderung der von den Eidgenossen gemachten Eroberungen durch König Sigmund behielten sie, zunächst als Pfand, den ganzen Aargau, der zum Teil unter die zunächst gelegenen Orte Bern, Zürich und Luzern aufgeteilt wurde, zum Teil Gemeingut blieb. Die hochherzige Politik, ihn unzerrissen als neuen Ort in die Eidgenossenschaft aufzunehmen, war jener Zeit fremd. Die neue Erwerbung schlofs die Lücke, die zwischen Bern und Zürich bestanden hatte. Friedrich IV. verzichtete in aller Form für sich und seine Erben auf die Wiedererwerbung des Aargaus. 3. Das rasche Wachstum des Bundes erfolgte aber nicht ohne heftige Kollisionen, die sich aus den Gegensätzen zwischen Stadt und Land, zwischen älteren demokratischen und jüngeren aristokratischen Orten ergaben. Das Schwergewicht der eidgenössischen Politik lag jetzt in den Städten, und die Länder, die Gründer der Eidgenossenschaft, sahen mit Eifersucht auf die privilegierten Städte, die das grofse Wort führten.') Dieser Gegensatz spitzte sich zu in der Rivalität zwischen Zürich und Schwyz, von denen jenes unter den Städten, dieses unter den Ländern die Führung hatte. Als 1436 das Dynastenhaus Toggenburg ausstarb, dessen Besitz sowohl für Schwyz als für Zürich von höchstem Werte war, kam es (1439) zwischen Schwyz, das durch den tatkräftigen Landammann Jtal Reding d. Ä., und Zürich, das durch den ebenso energischen als leidenschaftlichen Rudolf Stüfsi geleitet wurde, zu einem hartnäckigen Kampfe (dem alten Zürichkrieg), der mit dem Sieg der Schwyzer endete. Zürich erhielt aus dem Toggenburger Erbe nicht nur nichts, sondern verlor auch das Gebiet der oberen Höfe und seinen Besitz im Oberland. In ihrer erbitterten Stimmung suchten die Züricher Anschlufs an Habsburg, das mit Zürichs Hilfe den Aargau zurückzugewinnen hoffte. So schlofs Friedrich drei Tage vor seiner Königskrönung ein Schutz- und Trutzbündnis mit Zürich, liefs sich am 23. September von den Zürichern aufser dem Reichseid noch den Eid auf den Bund mit Österreich leisten und versagte den übrigen Orten mit Ausnahme Uris, das an der Eroberung des Aargaues nicht teilgenommen, die Bestätigung ihrer Privilegien. Da Zürich am Bunde mit Osterreich festhielt, erklärten die Waldstätte an beide den Krieg (1443, Mai). Die Züricher wurden in mehreren Treffen geschlagen. Bei der Verteidigung der Sihlbrücke fiel Rudolf Stüfsi. Zürich selbst wurde belagert. Die Erbitterung der Eidgenossen gegen die mit dem alten Gegner verbündete Stadt machte sich in dem Blutbad von Greifensee Luft, dessen Besatzung Mann für Mann bis auf Kinder und ') Dändliker II, 69.

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Krieg gegen die Eidgenossen.

Die Armagnaken.

Greise enthauptet wurde. Inzwischen hatte sich Friedrich um die Gunst Frankreichs beworben; Karl VII. fand darin ein gutes Mittel, jener furchtbaren Söldnerscharen los zu werden, die nach einem ihrer früheren Führer die A r m a g n a k e n (»arme Gecken») genannt wurden und deren Hilfe das französische Königtum nach seinen grofsen inneren und auswärtigen Erfolgen nicht mehr bedurfte. Karl sandte einen Teil gegen Metz, den gröfseren führte der Dauphin gegen die Eidgenossen, die Zürich und die Farnsburg belagerten, um diese zu entsetzen, zunächst aber, um Basel zu erobern. Ein Teil des Farnsburger Belagerungsheeres warf sich auf die Vorhut der Franzosen und trieb sie zurück. Indem die Schweizer in dieser die ganze Stärke der Gegner vermuteten und sie zu hitzig verfolgten, wurden sie von der gegnerischen Hauptmacht beim Siechenhause von St. J a k o b an d e r B i r s angegriffen und aufs Haupt geschlagen (1444, 26. August). Die Belagerung von Farnsburg und Zürich mufste nun aufgegeben werden. Aber auch der Dauphin hatte schwere Verluste erlitten; da seine Ziele übrigens nach anderer Richtung gingen, wandte er sich nach dem Elsafs, begierig den Rhein als Grenze Frankreichs zu gewinnen. Nur das entschiedene Vorgehen der Elsässer und Lothringer gegen die französischen »Würger« vereitelte die Durchführung dieses Planes. Die Armagnaken konnten übrigens erst im folgenden Jahre durch eine Reihe von Verträgen aus dem Lande entfernt werden. In der Schweiz wurde nun der Krieg weitergeführt. Erst im Juli 1450 entsagte Zürich der Kampfgenossenschaft mit Osterreich und trat dem eidgenössischen Bunde wieder bei. Osterreich mufste, ohne dafs es zu einem förmlichen Frieden kam, seine Ansprüche auf den Aargau aufgeben.

§ 122. Friedrich III. and das Baseler Konzil. Q u e l l e n wie oben. Die Drucke des Wiener Konkordats s. bei Voigt I, 418, Chmel II, 436 und Pastor II, 318. Zu den oben vermerkten Hilfsschriften s. noch B r o c k h a u s , Gregor v. Heimburg. Leipz. 1861. J o a c h i m s o h n , Gregor Heimburg. Bamb. 1891. M a n g e r , Die Wahl Amadeos v Savoyen z. Papste. Diss. Marb. 1901. S c h ö l t e n , Eugen IV. u. das Clevesche Landesbistum Cleve 1884. B i r k , Der Köln. Erzb. Dietrich Graf v. Mörs u. P. Eugen IV. Bonn 1889. Ü b i n g e r , Kardinallegat Nikolaus Cusanus in Deutschland 1451—52. HJb. VIII, 629.

1. Die Absetzung Eugens IV. (s. § 119, 2) bedeutete den Beginn eines neuen Schismas. Das Baseler Konzil räumte zunächst die Hindernisse für die Wahl eines neuen Oberhauptes aus dem Wege. Ein aus 32 Mitgliedern bestehender Ausschufs unter dem Vorsitz des Kardinals von Arles bildete das Konklave. Die Wahl fiel auf den Herzog A m a d e u s von Savoyen (1439, 5. November). Er war der erste Fürst gewesen, der das Konzil anerkannt hatte; nun lebte er, seiner Herrschaft entsagend, einem Mönche gleich zu Ripaille am Genfer See. Er nannte sich F e l i x V. Da seine Einkünfte nicht hinreichten, um einen Hofstaat zu erhalten, mufste das Konzil ihm gegen seine eigenen Beschlüsse einen Zehent von allen Benefizien auf fünf Jahre bewilligen. Übrigens

Eugen IV. und Felix V. Friedrieh HL und das Konzil.

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hielten die meisten Fürsten zu Eugen IV. Hatte sich Albrecht II. der kurfürstlichen Neutralität angeschlossen, so gaben sich nun Eugen I V . einerseits, das Konzil anderseits Mühe, Friedrich I I I für sich zu gewinnen. Die Neutralität selbst fand weder bei Fürsten noch beim Volke Anklang. Lehnten sich die Universitäten von kirchlichen Gesichtspunkten aus dagegen auf, so kamen bei andern politische Erwägungen hinzu. Die Kurfürsten hatten die Neutralität zur Erweiterung ihrer Gerichtsbarkeit benützt, dadurch aber den Widerspruch kleinerer Reichsstftnde und des niederen Klerus wachgerufen. Während einzelne Fürsten Eugen IV. als Papst anerkannten, hatte das Konzil selbst in den Ländern des Königs Anhänger; schliefslich gaben die Kurfürsten die Neutralität preis, wenn es ihnen gut schien: all das bewog den König, zwar keinem der beiden Päpste seine Obedienz zu erweisen, aber auch jede Erklärung im Sinne der kurfürstlichen Neutralität zu vermeiden. Am Reichstage zu Mainz (1441, 2. Februar) trat er für die Einberufung eines Konzils an drittem Orte ein, ein Vorschlag, der nur gemacht war, um die Entscheidung hinauszuschieben. Wiewohl der Reichstag für den Fall, als sich die Parteien nicht auf einen Konzilsort einigen könnten, die Entscheidung dem König überliefs und die Eröffnung des neuen Konzils schon für den 1. August 1442 in Aussicht genommen war, eine Gesandtschaft des Reichstages den König auch für die rasche Durchführung dieser Beschlüsse gewinnen wollte, schob er die Entscheidung doch dem nächsten Reichstage zu; aber auch hier kam die Sache um keinen Schritt vorwärts. Dies bewog die Kurfürsten, einen Versuch zu machen, auch ohne Mitwirkung des Königs zu einer Einigung mit Eugen I V . zu gelangen. Sie sandten den Rechtsgelehrten G r e g o r H e i m b u r g nach Florenz (1441, Dezember) und verlangten als Preis ihrer Obedienz: Anerkennung der höheren Gewalt der Konzilien, Berufung eines neuen Konzils, persönliches Erscheinen des Papstes daselbst, Verzicht auf Reservationen und Expektanzen, Freiheit der Bischofswahlen und Abs^hlufs einer pragmatischen Sanktion. Der Papst gab eine ausweichende Antwort. In der Kirchenpolitik Friedrichs trat auch nach seiner Krönung kein Wandel ein. Schien er auch Anschlufs an Basel zu suchen und trat er mit Felix V. in Unterhandlungen (1442, November), so schlugen doch dessen Versuche, ihn ganz auf seine Seite zu ziehen, fehl. Die Franzosen und Engländer blieben Eugen treu; wenn anderseits die Kurfürsten geneigt waren, ihre Neutralität zugunsten des Konzilspapstes aufzugeben, so wurde Friedrich III. durch Kaspar Schlick, dem jetzt die Leitung der deutschen Geschäfte zugewiesen wurde, und Enea Silvio, den früheren Sekretär Felix' V., der nun in die Dienste der deutschen Reichskanzlei eintrat, immer mehr auf die Seite Eugens IV. gedrängt, für den am österreichischen Hofe auch noch Cesarini und der Nuntius Carvajal tätig waren. Ein Kongrefs, der zugleich mit dem Reichstage auf den 11. November 1443 einberufen ward, wurde nicht einmal von den deutschen Fürsten in eigener Person, geschweige denn von auswärtigen besucht, und auch die Versuche, auf den nächsten Reichstagen eine Einigung in der Kirchenfrage zu erzielen, blieben ergebnislos.

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Fortschritt« Eugens IV.

Die Kirchenpolitik Friedrich III.

2. Felix V. hatte mittlerweile seine Residenz nach Lausanne verlegt (144i, Dezember). Die Abwesenheit des Papstes, die Kämpfe in der Nähe des Konzilsortee, das Begehren des Kaisers, ein neues Konzil zu berufen, all das bewog die Baseler, vorläufig ihre Tätigkeit einzustellen. Im Mai 1443 wurde beschlossen, das nächste allgemeine Konzil in Lyon abzuhalten, wo es a l s F o r t s e t z u n g des B a s e l e r in drei Jahren zusammentreten sollte. Bis dahin sollte es allerdings noch in Basel verbleiben und nur im Falle der Unsicherheit nach Lausanne verlegt werden. Wichtige Angelegenheiten gelangten in Basel nicht mehr zur Verhandlung, wie auch öffentliche Sitzungen nicht mehr stattfanden. Inzwischen breitete sich Eugens Obedienz stetig aus. Von Wichtigkeit war der Anschlufs König Alfonsos von Aragonien und Neapel, der bisher aus politischen Motiven zum Konzil gehalten hatte. Nach einer fast zehnjährigen Abwesenheit kehrte Eugen IV. am 28. September 1443 wieder nach Rom zurück und begann hier das schwierige Werk der Restauration. Auch Schottland und Mailand wandten sich ihm zu, dagegen nahmen Florenz und Venedig seinen Frieden mit König Alfonso zum Anlafs ihrer Gegnerschaft und unterstützten Francesco Sforza, der mit dem Papste abermals in Streit geraten war. Nachdem auch der Nürnberger Reichstag von 1444 im wesentlichen ohne Ergebnis geendet hatte und Vermittlungsversuche, die in den nächsten Monaten gemacht wurden, gescheitert waren, erkannte Friedrich, dafs trotz der Stellungnahme der Kurfürsten die Neutralität nicht mehr zu halten sei. Er bedurfte zudem der Unterstützung Eugens IV., um die Rechte seines Mündels Ladislaus auf Ungarn durchzusetzen. Daher sandte er (1444, Dezember) Enea Silvio nach Italien, um die Verhandlungen wegen des Übertrittes zur Obedienz Eugens einzuleiten. Zwar wies der Papst das Verlangen, innerhalb einer bestimmten Frist ein neues Konzil zu berufen, ab, nahm aber des Königs Anerbieten, gegen entsprechende Zugeständnisse zu seiner Obedienz zu treten, gern entgegen. Die Verhandlungen wurden in Wien durch Carvajal fortgeführt und im September 1445 abgeschlossen. Für die Obedienz der österreichischen Länder verlangte und erhielt der König zur Stärkung seiner territorialen Macht das Recht der Nomination bei Erledigung der Bischofssitze von Gurk, Triest, Piben (in Istrien), Chur, Trient and Brixen, die Vergebung von 100 Kirchenpfründen und das Vorschlagsrecht für die Visitatoren österreichischer Klöster, für die Obedienzleistung namens des Reiches die Zusage der Kaiserkrone und einen Beitrag zu den Kosten der Krönungsfahrt. Für seine Kirchenpolitik hoffte Friedrich auch die Kurfürsten zu gewinnen. Sicher war er aber nur Brandenburgs, denn Sachsen wollte sich von den rheinischen Kurfürsten nicht trennen. Der Obedienz des Königs versichert, konnte Eugen auch gegen jene geistlichen Kurfürsten, die wie Trier und Köln zu seinen ausgesprochenen Gegnern gehörten, rücksichtsloser auftreten. Eine Bulle vom 24. Januar 1446 beraubte beide ihrer erzbischöflichen Sitze, aber dies Vorgehen — ein unerhörtes, Kurfürsten gegenüber — hatte nicht die gehoffte Wirkung. Der Papst überschätzte die Macht des Königs. Erzbischof Jakob von Trier schritt gegen alle ein, die des

Eugen IV. u. d. Kurfürsten v. Köln u. Trier. Obedienzerklärang d. d. Reiches.

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Papstes Bulle publizierten. Köln und Trier fanden an den in ihren Standesrechten verletzten Mitkurfürsten starken Rückhalt. Nachdem sich die rheinischen Kurfürsten bereits im Januar gegen das gewalttätige Einschreiten Roms wie gegen das eigenmächtige Verfahren des Königs geeinigt hatten, schlössen sie einen Bund zur Verteidigung ihrer Rechte, Würden und Besitzungen. Überdies begehrten sie vom Papste für ihre Obedienz Anerkennung der Konstanzer und Baseler Beschlüsse über die Obergewalt der Konzilien, Berufung des Konzils in eine deutsche Stadt zur Entscheidung des Kirchenzwistes, die Anerkennung der Baseler Reformdekrete von 1439 und im Zusammenhang damit auch die Abschaffung aller im Widerspruch mit der Neutralität stehenden Neuerungen. Drei Gesandte — unter ihnen Gregor Heimburg — gingen im Namen der Kurfürsten, Enea Silvio als der des Königs nach Rom. Heimburg entledigte sich seines Auftrages mit Würde; Enea riet wenigstens zu scheinbarer Nachgiebigkeit; aber der Papst hielt an der Absetzung der beiden Kirchenfürsten fest und verlangte überdies ein Einvernehmen zwischen König und Kurfürsten in der Kirchenfrage. Der Reichstag trat im September 1446 zusammen. In der Zwischenzeit hatte Friedrich III. eine Anzahl von Fürsten für seine Kirchenpolitik gewonnen, anderseits aber auch den Papst bewogen, sein Verfahren gegen Köln und Trier aufzugeben. Trotzdem nun Heimburg sich in öffentlicher Versammlung in lebhaften Klagen über den Mangel an Friedensliebe, bei der Kurie erging, gelang es dem gewandten Auftreten Enea Silvios und der Legaten Carvajal und Nikolaus von Cusa, die Verhandlungen auf dem Reichstage in das gewünschte Geleise zu bringen und den Kurfürstenbund zu sprengen. Am 22. September brachten die königlichen Gesandten, die Kurfürsten von Mainz und Brandenburg und andere Fürsten eine geheime Erklärung zustande, in der sie die Zugeständnisse des Papstes als genügend anerkannten, um zum Kirchenfrieden zu gelangen. Wohl gaben die felizianisch gesinnten Kirchenfürsten ihren Widerspruch nicht auf. Da trat wieder die Vermittlung des Königs ein: Zuerst sollte dem Papste die Obedienz geleistet werden, dieser in der bezeichneten Frist ein Konzil berufen, die deutschen Beschwerden im Sinne der Mainzer Akzeptation beseitigen und die abgesetzten Kurfürsten, falls sie sich für den Papst erklären, wieder in ihre Würden einsetzen. Die Mehrheit der Kurfürsten war damit einverstanden, trotzdem der Kardinal von Arles und die Erzbischöfe von Köln und Trier nochmals ihren Standpunkt dargelegt hatten. Nach längeren Verhandlungen erklärte eine deutsche Gesandtschaft am 7. Februar 1447 dem Papste, der bereits auf dem Sterbebette lag, ihre Obedienz. Wiewohl diese nur von einem Teil der Deutschen geleistet ward, entstand in Rom ein Jubel, als hätte sich das ganze Reich unterworfen. In den vier Bullen, die den deutschen Gesandten gegeben wurden, verhiefs der Papst, die beiden Erzbischöfe, sobald sie ihm Gehorsam geleistet hätten, wieder in ihre früheren Würden einzusetzen, ein Konzil zu berufen, die Beschlüsse von Konstanz, das Dekret über die Abhaltung von Konzilien und all das anzunehmen, was die deutsche Nation von den Baseler Dekreten akzeptiert habe. Wegen

Tod Eugens I V .

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Nikolaus V.

Das Wiener Konkordat.

der dem Papste für seine Verluste gebührenden Entschädigung soll noch weiter verhandelt, die von dem Konzil vorgenommene Verleihung von Pfründen anerkannt und die über die Neutralen verhängten Strafen aufgehoben werden. 1 ) 3. Es war dem Papste schwer geworden, diese von den Deutschen gering geschätzten Zugeständnisse zu machen. Noch auf dem Sterbebette erliefs er eine Bulle, die sie zurücknimmt, falls sie der Lehre der Väter und den Rechten des apostolischen Stuhles widersprächen. Wenige Tage später (23. Febr.) starb er. Seine letzten Worte waren: » 0 , Gabriel, wieviel nützlicher für dein Seelenheil wäre es gewesen, wärest du nie Kardinal und Papst geworden!« 2 ) Zehn Tage später wurde der Kardinal und Bischof von Bologna, Thomas P a r e n t u c e l l i , als N i k o l a u s V. (1447—1455) zum Papste gewählt. Ein ausgezeichneter Kenner der deutschen Verhältnisse, beeilte er sich, die von seinem Vorgänger getroffenen Vereinbarungen zu bestätigen. Während die Baseler alles aufboten, um ihre Partei zum Siege zu führen, machte Karl V I I . noch den Versuch, zwischen den Parteien zu vermitteln; ihm schlössen sich Köln, Trier, Pfalz und Sachsen an; auch einige aufserdeutsche Mächte wie England waren damit einverstanden. Eine Versammlung, die im Juni 1447 in Bourges tagte und später nach Lyon verlegt wurde, beschlofs, dafs Felix V . auf seine Würde verzichten, Nikolaus V. aber den Baselern in wichtigen Punkten nachgeben solle; aber weder dieser noch jener gingen darauf ein. Fast zu derselben Zeit tagte eine Fürsten Versammlung, die Friedrich III. nach Aschaffenburg berufen hatte und die den römischen Vereinbarungen beitrat. Köln, Sachsen, die Pfalz und endlich auch Trier gingen daran, sich mit Rom zu vergleichen. Am 21. August erschien ein königliches Edikt, das der deutschen Nation die Anerkennung Nikolaus' V . befahl. Nun wurden auch die Erzbischöfe von Köln und Trier, die zum Schlüsse noch die Vermittlung Karls V I I . in Anspruch genommen hatten, in ihre Würden wieder eingesetzt. Auch viele der deutschen Fürsten, die bisher der Anerkennung Nikolaus' V. widerstrebt hatten, schlössen sich jetzt schon den Aschaffenburger Beschlüssen an. In den hierüber vereinbarten Sonderverträgen wufsten sie sich eine Reihe von Vergünstigungen zu verschaffen. Im Spätherbste erschien Carvajal in Wien, um die Verhandlungen wegen der Entschädigung des päpstlichen Stuhles zu Ende zu führen. Das W i e n e r K o n k o r d a t , das am 17. Februar 1448 abgeschlossen und am 19. März von Nikolaus V . bestätigt wurde, hat seine Grundlage in den Aschaffenburger Vereinbarungen. Es bedeutete einen vollständigen Sieg des Papsttums über die konziliaren Ideen und enthielt an tatsächlichen Zugeständnissen .weniger, als Eugen I V . bewilligt hatte. Das Recht des Papstes, Pfründen zu verleihen, das ihm beim Konzil auf fünf Jahre bewilligt ward, wird ihm hier, wenn sie unter den vom kanonischen Rechte festgesetzten Bedingungen zur Erledigung gelangen, auf immer zugestanden; bei Metropolitanund Kathedralkirchen und den dem apostolischen Stuhle unmittelbar untergebenen ') Die Einzelheiten bei Hefele, VII, 840. S. oben § 115 unter den Quellen, die Berichte über seinen Tod.

s)

Verlegung des Konzils nach Lausanne.

Seine Auflösung.

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Klöstern sollen die Wahlen frei sein und, wenn sie in Gemäfsheit der kanonischen Gesetze vollzogen würden, vom Papste bestätigt werden. Ihm steht die Besetzung erledigter Kanonikate und Benefizien zu, die in den sechs ungeraden Monaten erledigt werden. Bei den Kathedralkirchen und Mannsklöstern ist der erste Jahresertrag in zwei Jahresraten, bei andern kirchlichen Ämtern mit einem 24 Gulden übersteigenden Erträgnis die Hälfte des Jahresertrages an die Kurie zu bezahlen.

Da man den Versuch nicht wagen wollte, das Übereinkommen einem allgemeinen Reichstage zur Genehmigung zu unterbreiten, trat man mit den einzelnen Fürsten in Unterhandlungen, die es gegen mehr oder minder erhebliche Zugeständnisse annahmen. Den gröfsten Widerstand leistete Strafsburg, das dem Konkordat erst 1476 beitrat. Die allgemeine Kirchenversammlung, welche nach bestimmten Zeiträumen zusammentreten sollte, ist nicht mehr zustande gekommen. Das Ende des Baseler Konzils war jetzt nur noch eine Frage der Zeit. Nachdem Friedrich III. schon im September 1447 den Befehl zur Auflösung der Versammlung gegeben hatte, und Anfang des nächsten Jahres ein noch schärferes Edikt erschienen war, beschlofs es am 25. Juni 1448 seine Verlegung nach Lausanne. Schliefslich gelang es den Bemühungen Frankreichs, Englands, Siziliens und mehrerer deutscher Fürsten, Felix V. zur Abdankung zu bewegen (1449, 7. April). Das Konzil erklärte nunmehr den päpstlichen Stuhl für erledigt, wählte, um seinerseits wenigstens den Schein der Autorität zu wahren, Nikolaus V. zum Papste und beschlofs am 25. April 1449 seine eigene Auflösung. Das war der Ausgang einer Kirchenversammlung, deren Zusammentritt vom ganzen Abendland mit den gröfsten Hoffnungen begrüfst worden war, die ihre Aufgabe — eine allgemeine Kirchenreformation — aber nicht zustande gebracht hatte. So grofn ihr eigenes Verschulden daran war, die Hauptursache des Scheiterns des Konzils lag doch in dem Mangel einer starken einheitlichen Reichsgewalt War das Königtum grofsenteils durch seine aufserdcutBchen Interessen in Anspruch genommen, so verfolgten die Fürsten ihre Sonderinteressen, und die Städte zeigten sich grofsenteils apathisch: gleichwohl blieb in den breiten Schichten des Volkes die antipäpstliche Opposition lebendig wie früher. In den gebildeten Kreisen waren es meist die Lehrer an den Hochschulen, die den konziliaren Ideen treu blieben. Es war nach den Worten Enea Silvio'« ein Waffenstillstand — kein Friede erreicht worden. Den Hauptgewinn aus dem langen Streite zog das Fürstentum, auf das nun zahlreiche Rechte, die früher die Kirche besessen hatte, übertragen wurden.

Loaerth, üpschichte des späteren Mittelalters.

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2. Abschnitt.

Die Übrige Staatenwelt des Abend- nnd Morgenlandes im Zeitalter der grofsen Konzilien. 1. Kapitel. Der hundertjährige Krieg zwischen England nnd Frankreich. (Zweiter Teil.)

§ 1:23. Richard II. ron England. Der Bauernaufstand von 1881. Q u e l l e n s. oben § 91. Urkundensammlungen, Korresp. u. pol. Traktate in Rymer, Bd. III, 3. ed. stud. G. Holmii, Hagae Com. 1740 (v. 1346—1401). B l i f s , wie § 78. (In Betracht kommen hier die Petitions to the Pope 1342 — 1419. 1. vol.) M o r r i s , Calendar of the Patent Bolls, Richard II, 1377—92. 4 Bde. Lond. 1895—1902. Wilkins, III., wie oben. Rotuli parliamentorum (Rolls of Parliaments) 111. Raynald u. Deutsche Reichstagsakten, wie oben. S. auch Liebermann, DZG. III, IV, VIII, Pauli IV, 734. Für Irland : Roll of the proceedings of the kings council in Ireland . . . 1392—93, ed. Graves, Rolls Ser. 69. Lit. Cantuar. Rolls Ser. 85. torn III. Für die sozialen Verhältnisse Englands in der Zeit des Bauernaufstandes findet sich Material in den bäuerlichen Dichtungen, die zum Teil allerdings schon einer früheren Zeit angehören. Für die Zeit Eduards III. bis Richard III : Political poems and songs relating to English history from the accession of Edward III to that of Richard III, ed. Thomas Wright. Rolls Series. 2 vol. Lond. 1859—61. (Groin Bibl. No. 2756.) William Langland, The vision of William concerning Piers the Plowman (Gesicht Peters des Pflügers), ed. W. W. Skeat. 2 voll. Oxford 1886 (s. Ernst G ü n t h e r , Englisches Leben im 14. Jahrh., dargestellt nach The vision of Piers the Plowman. Leipz. 1889. J u s s e r a n d , Les Anglais au Moyen-Age, l'Épopée Mystique de "William Langland. Paris 1893). S. Grofs a. a.