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German Pages 365 [376] Year 1940
Grundriß der allgemeinen Botanik Von Karl Wetzel o. Professor am Institut für Landwirtschaftliche Botanik der Universität Berlin
Mit 364 Abbildungen im Text und auf 4 Tafeln
W A L T E R DE G R U Y T E R & CO. / BERLIN W 3 5 vormals G. J. Göschen'sthe Verlagshandlung / J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer / Karl J. Trübner / Veit & Comp.
1940
A l l e R e c h t e , i n s b e s o n d e r e das der Ü b e r s e t z u n g , vorbehalten C o p y r i g h t 1940 b y W a l t e r d e G r u y t e r & Co. vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung — J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J . Trübner — Veit & Comp. Berlin W 35, Woyrschstraße Archiv-Nr. 52 58 40
13
Printed in Germany
Druck von Metzger & Wittig in Leipzig
Meinem hochverehrten Lehrer WILHELM
RUHLAND
in D a n k b a r k e i t gewidmet
VORWORT
Der vorliegende „Grundriß der allgemeinen B o t a n i k " wendet sich in erster Linie an die Studierenden der „angewandten" biologischen Wissenschaften. Wenn auch die Unterschiede zwischen angewandter und „reiner" Wissenschaft weniger im Grundsätzlichen und Methodischen als vielmehr in der Problemstellung und der Wahl der Untersuchungsobjekte liegen, so macht sich doch im Rahmen der verfügbaren Zeit eine gewisse stoffliche Beschränkung einzelner biologischer Teil- und Hilfswissenschaften im Unterricht der angewandten Biologie notwendig. Diese Einschränkung schließt die Gefahr einer Verflachung in sich, wenn sie vielerlei statt vielem übrig läßt. An die Stelle eines Grundrisses tritt dann ein Abriß, der zwar viele Begriffe, aber doch nur wenig an Vorstellung, Anschauung und Problematik zu übermitteln vermag. Das Bestreben des Verfassers ging dahin, unter Verzicht auf die eingehende Darlegung spezieller Teilgebiete, die bevorzugt die engere Fachbotanik interessieren, die verbleibenden allgemeinen biologischen Grundprobleme so eingehend zu behandeln, daß dem Studierenden die Anwendung der erworbenen Kenntnisse auf sein biologisches Spezialgebiet möglich wird. In der Zellenlehre sind die Ergebnisse der optischen Erforschung der Zelle zugunsten der physikalischchemischen Forschungsrichtung eingeschränkt worden. Gewebelehre und Organographie sind auf die Bedürfnisse der Physiologie abgestimmt. Die Morphologie ist weitgehend unter den Entwicklungsgedanken gestellt. Besonderen Wert aber legte der Verfasser darauf, der Physiologie auch im gegenwärtigen Lehrbetrieb jene Stellung und Ausdehnung zu geben, die ihr in der Forschung seit langem zukommt. Die Physiologie ist das Band, das alle biologischen Teilwissenschaften verbindet und allen Zweigen der angewandten Biologie Wesentliches zu vermitteln hat. Die relative Einfachheit der Abläufe wie auch der anzuwendenden Methoden machen die Pflanzenphysiologic zur Einführung in die Gesamtphysiologie besonders geeignet. Die gerade neuerdings erkannten engen Beziehungen zur Tierphysiologie nehmen ihr durchaus den Charakter einer engeren SpezialWissenschaft. In Verfolg der dargelegten Gesichtspunkte weicht das Lehrbuch in Anlage und Durchführung in mancherlei Hinsicht vom Herkömmlichen ab. Der Grund hierfür liegt nicht in billigem Bestreben nach gesuchter Originalität, sondern in dem Wunsch, die wissenschaftliche Botanik aus ihrer zum Teil selbstgewählten Beengung zu befreien und die Aufnahme ihrer Erkenntnisse und Ergebnisse in den allgemeinen Rahmen der angewandten biologischen Wissenschaften zu erleichtern. Die notwendige stoffliche Begrenzung der Morphologie und Anatomie suchte Verfasser durch reichliche Illustration auszugleichen. Die Zeichnungen sind nach bewährten Vorbildern umgezeichnet oder nach Originalen neu aufgenommen. Den größten Teil dieser Arbeit hat Herr F. Falbrede durchgeführt. In der Durchsicht der Korrekturen und der Aufstellung des Sachregisters hat mich Frl. Dr. R. Meißner weitgehend unterstützt. B e r l i n , im Mai 1940
Karl Wetzel
INHALT
Seite
Unterschiede zwischen Organischem und Unorganischem
I
Unterschiede zwischen Pflanze und Tier
3
T e i l g e b i e t e der P f l a n z e n l e h r e
4
Die Z e l l s t r u k t u r der P f l a n z e
5
Die E n t w i c k l u n g v o m Einzeller zur vielzelligen Pflanze Einzeller Koloniebildung Mehrzeller
6 6 7 10
Morphologie D i e G l i e d e r u n g des P f l a n z e n k ö r p e r s als A u s d r u c k der E n t w i c k l u n g s h ö h e
12
Der Thallus Vergrößerung der Oberfläche Morphologische und anatomische Differenzierungen
12 13 14
Der Kormus Differenzierung v o n Sproß und Wurzel D e r Sproß Der Vegetationspunkt D i e Knospe Die Sproßachse Die Verzweigung der Sproßachse Verzweigungssysteme Blattstellung
14 14 14 15 15 16 17 18 21
1
Das Blatt Entwicklung D a s Oberblatt D e r Blattgrund
24 24 24 31
Die W u r z e l B a u der W u r z e l Form des Wurzelsystems Länge des Wurzelsystems Sproßbürtige Wurzeln
34 34 35 35 36
Metamorphosen 1. Metamorphosen der W u r z e l 2. Metamorphosen des B l a t t e s 3. Metamorphosen des Sprosses (einschließlich der B l ü t e )
36 36 38 44
Analoge und homologe Organe
61
Lebensformen
62
Die F o r t p f l a n z u n g Die ungeschlechtliche F o r t p f l a n z u n g D i e geschlechtliche F o r t p f l a n z u n g Die Sexualität Die B e f r u c h t u n g
64 65 67 68 70
Beispiele v o n Kernphasen-, Generations- und Gestaltswechsel I. T h a l l o p h y t e n II. Archegoniaten III. Samenpflanzen ( S p e r m a t o p h y t e n )
74 74 75 78
Die physiologischen Bedingungen der verschiedenen Fortpflanzungsweisen B e d e u t u n g des Generationswechsels Altern und Tod Der Samen Der Keimling
83 86 86 88 89
Vili
Inhalt Seite
Die Frucht 1. Kapselfrüchte 2. Schließfrüchte Verbreitung der Samen und Früchte
90 91 92 92
Der anatomische Bau der Pflanze Die Zellenlehre (Zytologie) Bau der Zelle, Zellgröße, Zellformen A . Das Zytoplasma B. Der Zellkern C. Die Chromatophoren oder Piastiden D . Die Zellwand E . Vakuole und Zellsaft F. Inhaltsstoffe der Zelle Gewebslehre (Histologie) Bildung und Einteilung der Gewebe 1. Das Bildungsgewebe 2. Das Hautgewebe 3. Das mechanische System (Stützgewebe) 4. Das Leitungsgewebe 5. Das Speicher- und Grundgewebe 6. Das Exkretions- und Sekretionsgewebe A n a t o m i s c h e r B a u und E n t w i c k l u n g des Sprosses Die Sproßachse (Stengel) a) Der primäre Bau des Stengels b) Das sekundäre Sproßwachstum A n a t o m i s c h e r B a u u n d E n t w i c k l u n g des B l a t t e s A n a t o m i s c h e r B a u der W u r z e l Die Primäranlage der Wurzel Das sekundäre Dickenwachstum der Wurzel
95 95 97 107 111 113 118 118 121 121 121 123 128 132 136 138 141 141 141 144 150 154 154 156
Physiologie Die c h e m i s c h e Z u s a m m e n s e t z u n g der P f l a n z e Der Wassergehalt Die Trockensubstanz Die wichtigsten organischen Pflanzenstoffe Die Pflanzenasche Die S t o f f a u f n a h m e Die Diffusion Gase Lösungen Die Osmose Osmose von Gasen Osmose von gelösten Stoffen Die Zelle als Osmometer Die Bestimmung der osmotischen Zustandsgrößen der Zelle Der osmotische Wert in Pflanzenzellen Die Saugkraft der Zelle Der Turgor Die Permeabilität W a s s e r h a u s h a l t der P f l a n z e Übersicht Allgemeine Bedeutung des Wassers für das Leben der Pflanze Wasseraufnahme Wasserabgabe Wasserleitung Die Wasseraufnahme Die Physik der Dampfspannung Die Saugkraft der Wurzeln Die Saugkraft des Bodens Die Wasserbewegung im Boden Mechanismus des Wassereintritts in die Wurzeln Wasseraufnahme durch oberirdische Teile der Pflanze Messung der Wasseraufnahme
158 158 159 159 161 163 163 163 163 164 164 164 166 167 168 169 170 170 173 173 173 174 174 174 174 174 176 177 179 180 180 181
Inhalt Die Wasserabgabe Die Physik der Transpiration Die physiologische Komponente der Transpiration Die Bedeutung der Transpiration Das Bluten
IX Seite
182 182 184 190 190
Die Wasserleitung Die osmotische Wasserbewegung Die Massenströmung des Wassers
192 193 193
Die Wasserbilanz Ökologie des Wasserhaushalts Hygrophyten Mesophyten Xerophyten
195 196 196 196 197
Die M i n e r a l s t o f f e r n ä h r u n g der P f l a n z e Die unentbehrlichen Mineralstoffe Verwendung der Mineralstoffe im Stoffwechsel der Pflanze Die Aufnahme mineralischer Nährstoffe durch die Pflanze Boden und Pflanze Kalk- und Kieselpflanzen Moorpflanzen Salzpflanzen D i e A s s i m i l a t i o n des K o h l e n s t o f f e s Die Photosynthese Die Grundversuche Der physiologische Apparat der Photosynthese Meehanismus der Photosynthese Bestimmung der C0 2 -Assimilation Produkte der C0 2 -Assimilation Beeinflussung durch äußere Faktoren Die Wirkung des Lichtes Abhängigkeit vom C0 2 -Gehalt Temperatureinflüsse Wechselwirkung der Faktoren Beeinflussung durch innere Faktoren Die Assimilation in natürlichen Pflanzenbeständen
199 200 205 207 208 208 216 216 216 217 217 218 220 221 222 222 223 227 229 229 230 231
Die C h e m o s y n t h e s e Nitrifikation Die Schwefelbakterien Die Eisenbakterien Oxydation von Wasserstoff und Methan
232 233 233 234 235
D i e A s s i m i l a t i o n des S t i c k s t o f f s Symbiotische N-Sammler Freilebende N-Sammler
235 235 236
Die Aufnahme des Stickstoffs in die höhere Pflanze
237
Die chemischen Prozesse der Stickstoffassimilation Die Nitratreduktion Die -Synthese von Aminosäuren Die Eiweißbildung Die Eiweißmobilisierung Der pflanzliche Eiweißstoffwechsel als Fermentvorgang Das Eiweißproblem in der Ernährungswirtschaft
237 237 238 230 241 244 245
Die E r n ä h r u n g der h e t e r o t r o p h e n P f l a n z e n Insektivoren Symbiosen Parasiten und Saprophyten Höhere Pflanzen als Parasiten Niedere Pflanzen als Parasiten
246 246 247 248 248 249
Der F e t t s t o f f w e c h s e l Chemische Zusammensetzung der Fette Bildung und Mobilisierung der Fette
249 250 251
X
Inhalt
Der B e t r i e b s s t o f f w e c h s e l der P f l a n z e Die Fermente Spezifität Bau und Wirkungsweise Gewinnung Einteilung Die biologische Stärkespaltung Der biologische Zuckerabbau Die Gärungen Die Essigsäuregärung Die alkoholische G ä r u n g Die Milchsäuregärung Die Buttersäuregärung Die Pektingärung
Seite 252 253 253 253 254 255 257 258 260 260 261 267 268 268
Die A t m u n g Die Atmungsfermente Chemismus der A t m u n g Der Atmungsgaswechsel W i r k u n g der A u ß e n f a k t o r e n a u f die A t m u n g E n e r g i e b i l a n z der P f l a n z e
270 270 272 273 274 274
Kreislauf der Stoffe K r e i s l a u f des K o h l e n s t o f f s K r e i s l a u f des S t i c k s t o f f s
275 275 277
Die P h y s i o l o g i e des W a c h s t u m s und der E n t w i c k l u n g
278
Das Wachstum Wachstumsmessung Wachstumszonen Äußere Wachstumsfaktoren Innere W a c h s t u m s f a k t o r e n Die Wuchstoffe (Auxine) Andere Wuchshormone
278 279 280 283 282 287 292
Die E n t w i c k l u n g Ruhe und A k t i v i t ä t Die Samenruhe Die Keimung D i e experimentelle Beeinflussung der E n t w i c k l u n g Jahreszeitliche Periodizität Korrelation Polarität Neubildung Regulation
294 294 294 295 299 304 306 307 309 311
Die Vererbung D i e Mendelschen Vererbungsgesetze Die Geschlechtsvererbung Die Variabilität Modifikationen Kombinationen Mutationen P h y s i o l o g i e der B e w e g u n g e n Die lokomotorischen Bewegungen Die Krümmungsbewegungen Die hygroskopischen Bewegungen K r ü m m u n g s b e w e g u n g e n lebender Pflanzenteile Tropismen Nastien Sachregister
312 313 317 320 320 321 321 324 326 327 328 329 331 339 343
I
Unterschiede zwischen Organischem uncl Unorganischem Das Streben naturwissenschaftlicher Forschung geht dahin, den Bau der Naturkörper möglichst eingehend zu beschreiben, ihre Entstehung zu ermitteln und Naturvorgänge zu erklären, d. h. sie auf einfachste Gesetzmäßigkeiten zurückzuführen. Eine scheinbar scharfe Grenzlinie scheidet die Natur in die Welt des O r g a n i s c h e n und die des U n o r g a n i s c h e n . Soweit die erstere Lebensäußerungen zeigt, ist sie Forschungsgebiet d e r Biologie, der Wissenschaft vom Leben. Man hat früher irrtümlicherweise angenommen, organische Stoffe, d. h. die energiehaltigen Kohlenstoffverbindungen, seien ausschließlich das Erzeugnis einer unerklärlichen K r a f t , d e r L e b e n s k r a f t . d a b i s vor 100 Jahren alle Versuche, diese Stoffe auf chemischem Wege herzustellen, mißlungen warer. Auch als es Wähler 1828 zum erstenmal glückte, Harnstoff, ein verbreitetes tierisches Ausscheidungsprodukt, dasindessen auch im Pflanzenreich nicht ganz fehlt, aus anorganischem Ausgangsmaterial künstlich aufzubauen, schenkte man dieser grundlegenden chemischen Leistung nicht die ihr gebührende Beachtung. Erst als um die Mitte des vorigen Jahrhunderts dieser ersten Synthese eines Naturstoffes weitere folgten, streifte die organische Chemie die beengende Fessel einer veralteten Auffassung ab und ging von der Beschreibung zur Darstellung der Naturstoffe über. Erneuten Auftrieb erhielten die Vitalisten, d.h. die Anhänger der Lehre vom Wirken einer mystischen Lebenskraft, durch Pasteurs bedeutsame Entdeckung, wonach die alkoholische Gärung einen Lebensvorgang der Hefe darstellt. Aber als es um die Jahrhundertwende Buchner gelang, das gärungserregende Agens, das Zymaseferment, von der lebenden Hefe abzutrennen, war grundsätzlich die Entbehrlichkeit der sogenannten Lebenskraft für den Ablauf dieses Stoffwechselvorganges erwiesen. Damit aber war eine Aussicht eröffnet, einfache Lebensvorgänge auf physikalisch-chemische Gesetzmäßigkeiten zurückzuführen. Trotz alledem ist auch heute noch die Grenze zwischen Leblosem und Lebendem nicht verwischt, noch immer bestehen grundlegende U n t e r s c h i e d e zwischen den beiden Welten: 1. In jedem leblosen System wird ein Gleichgewicht unter Abgabe freier Energie (Entropie), der Abbau von Potentialgefällen, eine energetische Einebnung angestrebt, die schließlich zum „ W ä r m e t o d " der unorganischen Welt führt. Beispiele hierfür bieten unter anderem der Zerfall der radioaktiven Elemente wie auch die unter Energieverlust ablaufende Autolyse vorsichtig (unter Schonung der Fermente) abgetöteter Organismen. Im Gegensatz hierzu erhält der lebende Organismus dauernd Potentialdifferenzen aufrecht. Das Plasma, die lebende Substanz, ist geradezu ein System von Ungleichgewichten, zu deren Aufrechterhaltung der Organismus fortwährend Energie aufwenden muß (Ektropie). Mit dem Zerfall der Ungleichgewichte erlischt das Leben. Physikalisch gesehen wirkt sich die Lebenskraft als Energie zur Erhaltung der Ungleichgewichte aus. 2. Die Vorgänge der unbelebten Natur werden von Außenbedingungen ihrer Umgebung maßgeblich bestimmt. Die Erhöhung der Temperatur wirkt z. B. auf einen chemischen Prozeß in gesetzmäßiger, eindeutig definierter Weise ein: wenn Zucker verbrannt wird, beschleunigt die Temperaturerhöhung diesen Prozeß in ganz bestimmtem LTmfang. Die Atmung der Pflanze ist auch eine Zuckerverbrennung; in manchen Pflanzen wird die Atmlang durch Temperaturerhöhung auch in derselben Weise wie die physikalische Verbrennung gesteigert. Es gibt aber auch gewisse frostresistente Pflanzen, die ihren Zuckervorrat bei Temperaturerhöhung entgegen den physikalischen Gesetzmäßigkeiten W e t z e ! , Grundlagen der allgemeinen Botanik.
I
2
Unterschiede zwischen Organischem und
Unorganischem
zu schützen vermögen. Ganz allgemein können die Organismen ihre Lebensprozesse in einer zweckmäßigen, d. h. lebenserhaltenden Weise r e g u l i e r e n . In ähnlicher Weise v e r m a g der Organismus auch die Intensität der einzelnen Lebensprozesse so a u f einander abzustimmen, daß die E r h a l t u n g des labilen lebenden Systems, energetisch die Ektropie, gesichert bleibt. W i r d diese p h y s i o l o g i s c h e H a r m o n i e gestört, so verfällt der Organismus unrettbar der Selbstauflösung (Autolyse). Unsere bisherigen Forschungsergebnisse berechtigen uns indes noch nicht, in der E r h a l t u n g des L e b e n s nur die A u s w i r k u n g eines sehr komplizierten physikalisch-chemischen Systems z u sehen. 3. Völlig eigenartig und eindeutig v o n leblosen Vorgängen abgesetzt ist auch die A r t des A u f b a u s des lebenden Körpers aus anorganischen und organischen Nährstoffen, die in autonomer A u s w a h l und unter erheblichen chemischen u n d energetischen Umsetzungen der körpereigenen Substanz a n g e g l i c h e n (assimiliert) werden (Assimilation im weiteren Sinne). 4. Man hat den Organismus gern mit einer M a s c h i n e oder einer weitläufigen technischen Anlage verglichen, die aus dem Rohstoff eine komplizierte Fertigware herstellt. Man könnte sich vorstellen, d a ß eine besonders raffiniert gebaute Anlage ohne jeglichen menschlichen Handgriff aus R o h s t o f f e n bestimmte Fertigwaren herzustellen vermöchte. Bei hinreichend großen Reserven an R o h - und Betriebsstoffen würde schließlich die „ L e b e n s d a u e r " der Maschine die Gesamtleistung bestimmen. D a ß eine solche Maschine nach erfolgter betriebsstörender A b n u t z u n g jedoch ohne richtenden E i n f l u ß v o n außen her statt der bisherigen Fertigwaren nun auf einmal Maschinen ihrer eigenen K o n s t r u k t i o n und Leistung erzeugt, erscheint völlig ausgeschlossen. W i r kennen kein mechanisch betriebenes System, das neben einer Produktion spezifischer Erzeugnisse noch die Fähigkeit der S e l b s t e r n e u e r u n g besitzt. Die P f l a n z e hat dagegen die Fähigkeit, ungünstigen Lebensbedingungen, welche ihren Fortbestand bedrohen, mit der E r z e u g u n g neuer Organismen (Fortpflanzung) zu begegnen und so die Beständigkeit des Lebens zu sichern. 5. In derselben R i c h t u n g liegen die Fähigkeiten lebender Organismen, in Verlust geratene lebensnotwendige Teile zu ersetzen (Restitution) (Wurzelbildung bei Stecklingen; Neubildung von Sprossen aus schlafenden A u g e n usw.). In all dem wirkt sich eine K r a f t oder Energie aus, welche die E r h a l t u n g des Lebens anstrebt. Ihre W i r k s a m k e i t ist indes nicht unbegrenzt, sie ist vielmehr auch an bestimmte äußere F a k t o r e n gebunden, die jedoch für den Lebensvorgang nur Verwirklichungs-, niemals Erzeugungsfaktoren sind. Lebenskraft, Entelechie (Driesch), Dominanten sind N a m e n und Begriffe, die sachlich nichts zu erklären vermögen. 6. Besonders charakteristisch für die Organismen ist endlich ihr zellulärer B a u . Je n a c h der Organisationshöhe setzt sich der Organismus aus einer ± großen Z a h l von Einzelzellen zusammen, die alle ein gewisses Individualleben führen, dieses aber doch wieder den Bedürfnissen des Gesamtorganismus unterordnen. Der A u f b a u des Organismus erfolgt in einem v o n innerer Gesetzmäßigkeit und äußerer Faktoreneinwirkung bestimmten Entwicklungsgang. D e m A u f b a u u n d der E r h a l t u n g des Organismus (Formwechsel) dient ein autonom gesteuerter Stoffwechsel, der a u f b a u e n d der Stoffbildung (Assimilation),, abbauend der Energielieferung dient. Stoff-, Energie- und Formwechsel sind mannigfaltig wechselseitig verzahnt. Das Problem der A b g r e n z u n g des Lebenden gegen die unbelebte N a t u r ist mehr als ein Streit u m Begriffe, denn sie führt uns an den Ursprung des Lebensstromes zurück. Die Frage nach dem W o h e r des Lebens ist so alt wie die Philosophie. Die mechanistische A t o m l e h r e Demokrits u n d Epikurs überließ dem Zufall die mannigfaltigste K o m bination v o n A t o m e n , aus welcher die verschiedenartigsten Organe, A u g e n ohne Köpfe, Finger ohne A r m e usw., hervorgehen sollten. Unter unzähligen Organkombinationen erwiesen sich einige als zweckmäßig, d. h. sie konnten sich selbst erhalten; so entstanden erst die Pflanzen, dann die Tiere. A u c h im Mittelalter ließ m a n Insekten noch aus faulendem Fleisch entstehen, und Parasiten betrachtete man bis ins 19. Jahrhundert als Neubildung
Unterschiede zwischen Pflanze und Tier
3
der Wirtspflanze. Erst Pasteur hat uns die Erkenntnis vermittelt, daß sich alle Organismen aus K e i m e n derselben Art entwickeln, Lebendes also nur von Lebendem gebildet werden kann. Über die Entstehung des Lebens selbst vermag die Biologie keine Erklärung zu geben. Die sogenannte Urzeugung ist ein logisches Postulat, keine wissenschaftlich erwiesene Tatsache. Es ist uns nicht bekannt, wie das einfachste Lebewesen aussah, und auf welche Weise es aus dem Unbelebten gebildet wurde. Sicherlich aber liegt zwischen diesem ersten lebenden System und den erhalten gebliebenen einfachsten Lebewesen eine lange Entwicklungsreihe, von der uns leider keine Zwischenglieder bekannt geworden sind. Neuerdings glaubt man in bestimmten Viren, das sind Krankheitserreger, deren Größe weit unterhalb der Sichtbarkeitsgrenze unserer besten optischen Instrumente liegt, Lebensträger einer unvergleichlich einfacheren Struktur gegenüber derjenigen einer Amöbe gefunden zu haben. So ist das Virus der Mosaikkrankheit ein chemisch wohl definierter Eiweißkörper, der nach wiederholter Umkristallisierung eine charakteristische Lebensfunktion beibehält, nämlich sich in den Zellen seiner Wirtspflanze zu vermehren und auszubreiten, also aus den Nährstoffen des Wirtes körpereigene Substanz aufzubauen, zu assimilieren. Da sich indes Viren nur intrazellulär zu vermehren vermögen, scheint es wahrscheinlicher, daß sie auf die Wirtszelle nur einen auf Viruseiweißbildung hingerichteten Reiz ausüben. Die Beschreibung der Lebewesen nach Entstehung, Gestalt, Lebensweise und Verbreitung ist Aufgabe der B i o l o g i e . Die ganze Welt des Lebendigen stellt sich dem Beschauer in zwei scheinbar scharf getrennten „Reichen", dem d e r T i e r e und dem anderen d e r P f l a n z e n , dar.
Unterschiede zwischen Pflanze und Tier a) Das Tier i . Die Aufnahme organischer Stoffe durch vielgestaltige M u n d w e r k z e u g e , 2. weitgehende Gliederung des Körpers in O r g a n e mit spezifischer Leistung, 3. die f r e i e O r t s b e w e g u n g und in Verbindung damit die Ausbildung von Sinnesorganen zur Orientierung in dem sich erschließenden Raum, 4. vor allem aber eine der menschlichen Empfindungswelt irgendwie verwandte und verständliche Art der Reaktion auf die Außenwelt, der Besitz einer — wenn auch zum Teil wenig entwickelten — I n t e l l i g e n z , das alles sind Eigenschaften und Merkmale spezifisch tierischer Eigenart. b) Die Pflanze Dagegen tritt uns die Pflanze im allgemeinen 1. o r t s v e r b u n d e n , ohne Eigenbewegungen entgegen; 2. ihre Nahrung besteht aus a n o r g a n i s c h e m M a t e r i a l und wird durch die f r e i e O b e r f l ä c h e der Pflanze oder einzelner Teile aufgenommen. Diese Unterschiede treten indes nur bei den höher entwickelten Formen scharf hervor, während die ersten Anfänge de^. Lebens sich in Formen verlieren, in denen eine derartige Differenzierung noch nicht vollzogen ist. Wir haben vielmehr untrügliche Hinweise dafür, daß Pflanzen und Tiere aus g e m e i n s a m e n U r f o r m e n hervorgegangen sind. Die lebentragende Substanz, d a s Protoplasma, ist bei Pflanzen und Tieren von wesensgleicher Struktur, weshalb auch die wichtigsten Lebenserscheinungen ihrem Wesen nach bei Pflanze und Tier identisch sind. Selbst die bei den höher entwickelten Organismen so scharf in Erscheinung tretenden Unterschiede in der Ernährungsweise von Tier und Pflanze können sich bei niederen Formen so weit verwischen, daß ein und derselbe Organismus sich in Abhängigkeit von Außenbedingungen bald h e t e r o t r o p h , bald a u t o t r o p h ernähren kann. Außerdem wird die Ernährungsregel auch von den pflanzlichen Parasiten und Saprophyten durchbrochen (z. B. Pilze), die wie tierische Organismen 1*
4
Teilgebiete der Pflanzenlehre
organischer Nährstoffe zum A u f b a u und zur Erhaltung ihres Körpers bedürfen. Sicher aber steht fest, daß die Urformen des Lebens autotrophe, im üblichen Sprachgebrauch also pflanzliche Organismen waren. Die Ergebnisse der vergleichenden Untersuchungen über Formbildung und Stoffwechsel sowie die Resultate der Durchforschung der Erdschichten nach erhalten gebliebenen Überresten einer im weiteren Verlauf der Erdentwicklung zum Teil wieder verschwundenen Lebenswelt lassen die grundlegende Tatsache erkennen, daß unsere heutige lebende Formenwelt sich aus einfacher gebauten Organismen in einem grandiosen Entwicklungsgang entfaltet hat. Diese A b s t a m m u n g s - oder D e s z e n d e n z t h e o r i e ist ein Kernstück biologischer Forschung und Lehre.
Teilgebiete der Pflanzenlehre Hunger und Krankheit sind zweifellos die ersten botanischen Lehrer der Menschheit gewesen. Nur soweit die Pflanzen Spender von N a h r u n g und Träger von H e i l k r ä f t e n waren, konnten sie das Interesse des frühzeitlichen Menschen erregen. Daran änderte sich auch prinzipiell nichts, als mit fortschreitender K u l t u r die mündliche Überlieferung der Pflanzenkenntnisse in den schriftlichen Darstellungen eines Theophrast festere Formen annahm. Fast 2000 Jahre später mußten die deutschen Verfasser der Kräuterbücher die Pflanzenkunde aus der Wirrnis, in die philologischer Verbalismus sie gestürzt hatte, befreien und zwar durch exakte, auf dem Wege unmittelbarer Anschauung gewonnene Pflanzenbeschreibung. Dabei wurden zwar nur d i e Pflanzen berücksichtigt, denen man medizinische K r ä f t e zuschrieb. D a man indes der Mehrzahl aller bekannten Pflanzen irgendwelche Heilkräfte beimaß, kam in den Kräuterbüchern eine, wenn auch keineswegs vollständige, so doch reichhaltige Pflanzenbeschreibung zustande. Zum Range wissenschaftlicher Bestrebungen wurden diese Bemühungen erst erhoben, als man begann, die Pflanze um i h r e r s e l b s t w i l l e n zu studieren, um die Eigengesetzlichkeit ihrer Bildungsweise und ihrer Lebensäußerungen als selbständige Probleme zu erkennen und zu untersuchen. Hier waren es zunächst 2 Fragenkomplexe, welche die ersten wissenschaftlichen Botaniker bewegten, nämlich einerseits die r e g i o n a l e V e r b r e i t u n g der Pflanzen und andererseits i h r e n a t ü r l i c h e V e r w a n d t s c h a f t , die in einer äußeren Formenähnlichkeit in völliger Unabhängigkeit von der Heilwirkung ihren Ausdruck fand. Die im 17. Jahrhundert sich mehrenden regionalen Florenlisten sowie die Versuche, zunächst allerdings nur aus organisatorischen Gründen zu einem natürlichen System der Pflanzen zu gelangen, sind auf uns überkommen als Zeugnisse einer ersten wissenschaftlichen Botanik. So entwickelte sich eine rein b e s c h r e i b e n d e regionale Pflanzengeographie, die entweder von der Pflanze ausgehend eine möglichst genaue Festlegung der Verbreitungsgebiete (Areale) der Pflanzen zu erreichen suchte oder, mehr geographisch orientiert, den Pflanzenbestand einer natürlichen Landschaft zusammenstellte. Das Bestreben, eine übersichtliche Ordnung in die Pflanzenlisten zu bringen, beschäftigte, neben anderen besonders Linné, derein k ü n s t l i c h e s S y s t e m der Pflanzen schuf und ein n a t ü r l i c h e s anstrebte. Dieser Zweig botanischer Wissenschaft, die Systematik, verfuhr zunächst ebenfalls rein beschreibend und zog zur Diagnose einer Pflanzenart in erster Linie Merkmale des äußeren Pflanzenbaus heran, dessen exakte Beschreibung bald sich zu einem besonderen Wissenschaftszweig, der Morphologie, entwickelte. Mit der Erfindung des Mikroskops und seiner Verbesserung wurde in zunehmendem Maß der i n n e r e B a u der Pflanze einer Betrachtung zugänglich. Die Ergebnisse dieser Forschungen sind in der Anatomie zusammengefaßt. Sie beschäftigt sich insbesondere mit dem B a u der mikroskopisch kleinen Elementarbausteine des Organismus, den Z e l l e n , und ihren im Dienste einer weitgehenden Arbeitsteilung stehenden zahlreichen Formabwandlungen und Zusammenschlüssen zu Geweben (Zellenlehre = Zytologie und Gewebelehre = Histologie). Die zu einer
Die Zellstruktur der Pflanze
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Funktionseinheit höherer Ordnung vereinigten Gewebe bilden die O r g a n e . I m Gegensatz z u m T i e r ist die Organbildung im pflanzlichen K ö r p e r nur relativ wenig entwickelt, denn letzten Endes lassen sich alle Pflanzenorgane auf die drei morphologischen Grundformen: W u r z e l , S p r o ß u n d B l a t t zurückführen (Organographie). Im einzelnen freilich müssen diese Grundtypen unter dem E i n f l u ß des Standorts und im Dienste spezieller Funktionen weitgehender A b w a n d l u n g e n fähig sein, da die E n t f a l t u n g der Organfunktion v o n Außenbedingungen abhängig ist und die Anpassung des Organbaues an den Lebensraum der Pflanze notwendig macht. Die Beziehungen zwischen Organisation und Lebensweise der Pflanze einerseits, dem Standort andererseits sucht die Ökologie auf experimentellem W e g zu klären. Dabei m u ß sie allerdings auf die bedeutsamste botanische Disziplin, die Physiologie, zurückgreifen, deren A u f g a b e darin besteht, Lebensäußerungen der Pflanze soweit als möglich auf physikalisch-chemische Grundlagen zurückzuführen, wobei sich jeder einsichtige Physiologe darüber klar ist, daß der Gesamtkomplex Leben in einer derartigen mechanistischen A u f f a s s u n g niemals seine letzte E r klärung finden kann. Schon die das Leben der P f l a n z e erhaltende, ganzheitliche E i n ordnung der einzelnen physiologischen Teilprozesse, die ausgeglichene Harmonie der Lebensvorgänge und ihre Regulation machen einer e x a k t e n Erklärung heute noch scheinbar unüberwindliche Schwierigkeiten. Unsere Vorstellung v o m Wesen der Pflanze bleibt indes eine lückenhafte und einseitige, so lange sie die P l a s t i z i t ä t der P f l a n z e nicht in ihren R a h m e n einbezieht. Der pflanzliche Organismus ist das Ergebnis einer langreihigen stammesgeschichtlichen E n t w i c k l u n g und gleichzeitig Ausgangspunkt neuer Entwicklungsreihen. Die stammesgeschichtliche E n t w i c k l u n g (Phylogenie) spiegelt sich in ihren Grundzügen in der individuellen E n t w i c k l u n g (Ontogenie) der Pflanze wider. „ D i e Ontogenie ist eine abgekürzte Wiederholung der P h y l o g e n i e " ( B i o g e n e t i s c h e s G r u n d g e s e t z ) . Die Paläobotanik gibt uns einen, wenn auch in vielen Stufen lückenhaften Begriff von der E n t w i c k lungsgeschichte der heutigen pflanzlichen Formen. Die Vererbungslehre sucht einerseits an Stelle der überlebten Lamarckistischen und Darwinistischen Auffassungen die Wege und Ursachen dieser Entwicklungen aufzudecken und gleichzeitig im Vererbungsexperiment den konstitutionellen E r b b e s t a n d des Einzelindividuums festzustellen. Methodisch greift sie hierbei auf Zytologie und Physiologie zurück. Physiologie und Vererbungslehre sind die beiden tragenden Pfeiler des modernen Pflanzenbaues und daher von überragender wirtschaftlicher Bedeutung. Der jüngste Zweig botanischer Forschung ist die Pflanzensoziologie, welche — zunächst in überwiegend beschreibender Manier — das Zusammenleben der Pflanzen in sogenannten Lebensgemeinschaften darstellt und dieses dann als Ergebnis einer standortlichen Auslese und eines gegenseitigen Konkurrenzkampfes der in den soziologischen Einheiten zusammengeschlossenen Pflanzen zu erklären versucht.
Die Zellstruktur der Pflanze Im Jahre 1667 machte Robert Hooke die grundlegende E n t d e c k u n g , daß sich der K ö r p e r der Pflanzen aus mikroskopisch kleinen, in ihrer F o r m den Zellen der Bienenw a b e ähnelnden Elementarräumen zusammensetzt (Abb. 1). Freilich hat es fast noch 200 Jahre gedauert, bis man erkannte, d a ß diese sogenannten Zellen nicht nur die architektonischen Bauelemente, sondern auch die elementaren Träger des pflanzlichen Lebens darstellen. Dabei führt, wenigstens in der höher organisierten Pflanze, die einzelne Pflanzenzelle kein willkürliches und unabhängiges, individuelles Leben, sie ist vielmehr auch hinsichtlich ihrer Lebensäußerung in einen größeren R a h m e n eingespannt und hat einem Ganzen, nämlich der E r h a l t u n g des Gesamtorganismus, z u dienen. A l l die Millionen Zellen, die einen Organismus aufbauen, hängen gleichsam an einem unsichtbaren, aber
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Die Zellstruktur der Pflanze
trotzdem zwingenden Befehlsnetz, das die individuellen Lebensäußerungen der Einzelzelle auf das dem Ganzen dienliche A u s m a ß reguliert. W o sich einzelne Zellen dieser Unterordnung d e m Ganzen gegenüber entziehen, gefährden sie das L e b e n des Organismus wie ihr eigenes (Krebs). So gleicht die höhere P f l a n z e einer ausgedehnten u n d komplizierten technischen Anlage, die wir in ihren Einzelheiten wie in ihrer Gesamtheit nur verstehen können, wenn wir Zeuge ihrer E n t s t e h u n g aus kleinen A n f ä n g e n u n d eingeweiht in die bestimmenden Richtlinien ihrer E r b a u e r sind. Seit Darwins befreienden Darlegungen können w i r mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit annehmen, d a ß die kompliziert gebauten höheren P f l a n z e n sich aus einfachen F o r m e n u n d letzten E n d e s aus E i n z e l l e r n entwickelt haben. So müssen uns denn auch B a u und F u n k t i o n des einzelligen Organismus u n d der Zelle ü b e r h a u p t Schlüssel Abb. 1. Zellstruktur z u m Verständnis der höheren P f l a n z e werden. Diese B e t r a c h t u n g wird des Flaschenkorkes. (Nach Hooke) uns zeigen, wie die Einzelzelle mit zunehmendem Zusammenschluß z u m Mehrzeller ihre U n a b h ä n g i g k e i t u n d T o t i p o t e n z zugunsten einer im Gesamtinteresse liegenden A r b e i t s t e i l u n g und damit baulichen und f u n k tionellen S p e z i a l i s i e r u n g verliert.
Die Entwicklung vom Einzeller zur vielzelligen Pflanze Einzeller Die Urform, der P r o t o t y p des ersten einzelligen Organismus, ist sicherlich nicht erhalten geblieben. Ausgeschlossen jedoch ist es nicht, d a ß höher organisierte Einzeller sekundär wieder auf eine primitive E n t w i c k l u n g s s t u f e zurückgesunken sind und so ein,
wenn auch in Einzelheiten verzerrtes Bild der Urzelle geben. W i r haben Grund z u der A n n a h m e , d a ß Zellformen, wie sie uns in den n a c k t e n M y x a m ö b e n der Schleimpilze entgegentreten, d e m U r t y p der Zelle a m meisten v o n allen bestehenden Zellformen ähneln: ein winziges Schleimklümpchen (Protoplasma), das ein zentral gelegenes differenziertes tropfiges Gebilde (Zellkern) umschließt (Abb. 2), erweist sich in B e w e g u n g , Nahrungsa u f n a h m e u n d - a b g a b e sowie in der F ä h i g k e i t zur T e i l u n g in mehrere selbständige Indiv i d u e n als T r ä g e r der Vorgänge, die w i r in ihrer Gesamtheit als L e b e n bezeichnen. N u r
Die E n t w i c k l u n g v o m Einzeller zur vielzelligen Pflanze
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in den Zellen der Spaltalgen und der Bakterien fehlt ein wohlorganisierter Zellkern. Als dritter selbständiger Zellbestandteil treten in den meisten Zellen zu Zytoplasma und Zellkern noch die Chromatophoren, stark lichtbrechende, im Plasma eingebettete
Abb. 4.
Zellformen: (a, b u. g) Flagellaten; (c) B a n d a l g e ; (d) Kieselalge ; (e) H e f e ; (/) G r ü n a l g e ; (.h—l) Bakterien ; (m) B a k t e r i u m , stark vergrößert
Körperchen. Diesen drei Gebilden kommt eigene Individualität zu; ihre Vermehrung erfolgt nur aus eigener Substanz (Abb. 3). Entwicklungsgeschichtlich früh schon scheidet das Protoplasma zu eigenem Schutz eine aus chemisch j ; einheitlichem Stoff bestehende Hülle, die Zellwand, aus. Diese ist somit kein selbständiges Zellorgan, sondern ein Produkt des Protoplasmas. Mit ihr nimmt die Zelle eine i feste, zum Teil für die Art charakteristische Form an (Abb. 4). Im Verlauf der ontogenetischen Entwicklung der Zelle hält die Zytoplasmavermehrung mit der Größenzunahme der Zelle nicht ganz Schritt: es entstehen im Plasma zunächst kuglige, mit Flüssigkeit (Zellsaft) erfüllte Räume, die Vakuolen. Später verschmelzen A b b . 5. Zellentwicklung, (a, b, c) f o r t benachbarte Vakuolen, bis schließlich ein zentraler schreitende E n t w i c k l u n g s s t a d i e n ; (k) Saftraum entsteht, der das Plasma in Form eines Kern. (a) junge Zelle; (b) beginnende Vakuolenbildung; (j) Stengelblätter; (2?) Grundständige B l ä t t e r ; (s) Zwiebelscheibe. (Nach Troll)
Vegetations-
In den meisten Fällen entwickelt der oberirdische Sproß ein weitverzweigtes Stengelsystem, das seine •Vergrößerung und Erweiterung aus Vegetationspunkten oder Vegetationskegeln erfährt. Der primäre Vegetationskegel liegt an Abb. 25. Seriale Beiknospen (K^, K2, K3) Abb. 26. Laterale der Sproßspitze; wenig Beiknospen (t) an der von Lonicera. (bn) Blattnarben unterhalb derselben Zwiebel von Muscari entstehen die Blattanlagen (Abb. 23). Sie entfalten sich in akropetaler Folge und eilen im Wachstum bald dem Sproßende voraus, wobei die Blattunterseite zunächst am stärksten gefördert wird. Daher wölben sich die einzelnen Blätter kuppelartig über die schutzbedürftige zarte Vegetationsspitze. Dieser Entwicklungszustand wird als Knospe (Abb. 24) bezeichnet. Später bilden sich in den Blattachseln neue Vegetationspunkte, aus denen in den allermeisten Fällen die Verzweigung des Sproßsystems ihren Ursprung nimmt. Die Knospe. Die Knospen entstehen schon früh als exogene Hervorwölbungen der Sproßachse, bei den Pteridophyten n e b e n den Blatthöckern, bei den Samenpflanzen
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Morphologie
gewöhnlich in der Einzahl in der Achsel des sogenannten T r a g b l a t t e s . Gelegentlich folgen auf die Anlage dieser primären Achselknospe noch weitere Knospenbildungen (sogenannte B e i k n o s p e n ) , die entweder ü b e r (serial) z. B. Lonicera, Robinia (Abb. 25), oder n e b e n (lateral) der primären Achselknospe (Pfirsich, Allium- und Muscariarten, Abb. 26) liegen. Bei den krautigen Pflanzen folgt der Bildung der Knospen im allgemeinen unmittelbar ihre Entfaltung. Bei Holzgewächsen hingegen entsteht ein Großteil der Knospen im Frühsommer und verharrt bis zum kommenden Frühjahr in Ruhe. Diese sogenannten W i n t e r k n o s p e n (Abb. 27) sind gewöhnlich durch derbe ledrige K n o s p e n s c h u p p e n geschützt, nur selten (Schneeball) fehlen diese letzteren (nackte Knospen).
Abb. 27. Winterknospen
Abb. 28. Blattbürtige Jungpflänzchen auf Bryophyllum
Manche sogenannte s c h l a f e n d e A u g e n verharren sogar jahrelang in Ruhe (bei Eiche und Buche bis 100 Jahre), um unter besonders günstigen Verhältnissen, z. B. bei natürlichem Schnee- und Windbruch oder bei künstlicher Knospenverminderung (Baumschnitt), auszutreiben. Nicht selten werden solche ruhenden Augen an abgeschnittenen Sproßstücken zur Stecklingsvermehrung verwendet. Die Entfaltung der Knospen wird in erster Linie durch korrelative Beziehungen (s. S. 306) der Knospen untereinander geregelt. Im allgemeinen sind die endständigen Knospen im Austreiben begünstigt, was zur Bildung der besonderen Form der Baumkrone führt. Manche Pflanzen (Pappel, Pflaume, Rose, Rhus, Flieder) neigen stark zur Bildung von Wurzelschößlingen (Wurzelbrut). Besonders nach dem Fällen der Bäume entwickeln sich die ruhenden Adventivknospen der Wurzeln zu reichlichem Stockausschlag. Nur ausnahmsweise (z. B. bei Bryophyllum, nach Verletzung bei Begonien) entstehen Knospen auch auf Blättern (Abb. 28). Die Sproßachse. In einiger Entfernung vom Vegetationskegel beginnen sich beim Austreiben der Knospen die Zellen der Sproßachse zu strecken, wodurch sich die Blattanlagen mehr und mehr voneinander entfernen; die zwischen den Blättern sich erstreckenden Stengelstücke Abb. 29. werden als I n t e r n o d i e n , die Zonen der Blattansatzstellen als Nodien Tausendoder K n o t e n bezeichnet. J e ein Knoten mit einem Internodium macht güldenkraut. (kn) Knoten; ein S t e n g e l g l i e d aus. Im Knoten ist das Streckungswachstum sehr (7) Internodium. gering, in den Internodien dagegen ist es zum Teil sehr lebhaft und hält (Nach Troll) bisweilen lange Zeit an. Häufig nehmen die Internodien basalwärts zunächst an Länge erheblich zu, um dann wieder abzunehmen (Abb. 29). Bei manchen mehrjährigen Pflanzen erfolgt die Streckung der Sproßachse erst bei der Blütenbildung bzw. sogar erst bei der Blütenentfaltung. Die v e g e t a t i v e E n t w i c k l u n g schließt daher mit einer sehr gestauchten Sproßachse ab, an der die Blätter dicht gedrängt stehen. Diese Wuchsform wird als R o s e t t e bezeichnet. Reichlich
b) D e r K o r m u s
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vertreten sind derartige Rosetten bei zweijährigen Pflanzen, besonders in der alpinen Matten- und Felsenregion (Abb. 30). Die Verzweigung der Sproßachse. Die gestellte Aufgabe, die Blätter in möglichst günstige Beleuchtungslage zu bringen, vermag eine verzweigte Sproßachse weitergehend zu erfüllen als ein einfacher Stengel. Eine Verzweigung kann auch beim Sproß, ähnlich wie beim
A b b . 30. Rosette eines alpinen Steinbrechs ( S a x í f r a g a aizoon)
A b b . 31. Falsche Dichotomie der Mistel. (Nach
Troll)
Thallus, durch Gabelung der Mutterachse in zwei gleichwertige Tochterachsen ( g a b e l i g e V e r z w e i g u n g ) oder durch Entfaltung der seitlich stehenden Achselknospen ( s e i t l i c h e V e r z w e i g u n g ) e n t s t e h e n ; jedoch tritt die gabiige Verzweigung nur noch bei bestimmten Pteridophyten auf. Eine s c h e i n b a r gabiige Verzweigung kommt bei höheren Pflanzen gelegentlich dadurch zustande, daß die Endknospe zwischen zwei austreibenden Seitenknospen abstirbt (falsche Dichotomie, Mistel, A b b . 31). D i e s e i t l i c h e V e r z w e i g u n g ergibt je nach der relativen Wuchsfreudigkeit der Achsen verschiedener Ordnung und nach A r t der Orientierung im R a u m verschiedene Verzweigungssysteme. Bei Gräsern wachsen zuerst nur die untersten Achselknospen aus, so daß Büschel ( H o r s t e ) unverzweigter Halme entstehen. I m Strauch bilden kräftige basale Knospen die stärksten Achsen, die indes nur von begrenzter Lebensdauer sind, so daß sich der Strauch von einem kurzen basalen Stammstück aus immer wieder erneuert und verjüngt. A u c h die Seitentriebe gleicher Ordnung unterscheiden sich in manchen Fällen auffallend durch die Intensität ihres Streckungswachstums: nur ein Teil derselben zeigt erhebliche Intemodienstreckung und nimmt maßgeblichen E i n f l u ß auf die Gesamtarchitektur des VerzweiA b b . 32. Langtriebe ( L ) und K u r z gungssystems (Langtriebe, A b b . 32). Daneben finden triebe ( K ) der Lärche sich sogenannte Kurztriebe mit stark gestauchten Achsen und dichter Blattfolge, die nicht selten Stellen bevorzugter Blütenbildung sind, weshalb ihre reichliche Entwicklung durch entsprechenden Baumschnitt gefördert wird. Schöne W e t z e l , Grundlagen der allgemeinen Botanik.
2
Morphologie
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Beispiele für die Ausbildung von Lang- und Kurztrieben finden sich auch unter unseren heimischen Bäumen. So entwickelt die Rotbuche an den dicken Ästen häufig Kurztriebe, das sind kurze Ästchen, die mit einer Knospe abschließen. Der jährliche Zuwachs dieser Kurztriebe ist äußerst gering, und nach einem Jahrzehnt ist k a u m eine Länge von wenigen Zentimetern erreicht. Die Vergrößerung der Baumkronen erfolgt im wesentlichen durch die am Ende der großen Äste befindlichen Langtriebe. Bei der Waldkiefer schließt der Kurztrieb mit zwei von einer Scheide schuppenförmiger Blätter umschlossenen Nadeln ab (Abb. 45, 10), zwischen denen der Vegetationspunkt ruht, während die Langtriebe keine Nadeln, sondern nur braune Schuppen tragen.
m
Abb. 33
Abb. 34
Abb. 33.
Wuchsformen von Sempervivum Funkii. A im roten Licht, B im natürlichen Sonnenlicht, C im Dunkeln zur Streckung gebrachte Pflanzen. (Nach Kleis)
A b t . 34.
Etagenwuchs des Sonnentaus. ( i j ) Sproßgipfel des 1.Jahres; (2J) Sproßgipfel des 2.Jahres; (37) Sproßgipfel des 3. Jahres; (6) Blatt
D a ß das Maß der Internodienstreckung weitgehend von Außenbedingungen abhängig ist, hat Klebs an vielen Beispielen überzeugend darlegen können. Besonders Licht, Temperatur und Feuchtigkeit üben nach dieser Richtung einen starken morphogenetischen E i n f l u ß aus (Abb. 33). Bei manchen Pflanzen steht die Internodienverlängerung in enger Beziehung zum Standort; so entzieht sich der Sonnentau (Drosera rotundifolia) mit Hilfe seines Etagenwuchses der drohenden Überwucherung durch das umgebende Torfmoospolster (Abb. 34). V e r z w e i g u n g s s y s t e m c . In erster Linie wird das Verzweigungssystem durch das Wuchsverhältnis von Haupt- und Nebenachsen beeinflußt. Besonders vielgestaltig treten die Verzweigungssysteme in den B l ü t e n s t ä n d e n (Infloreszenzen) auf. Das sind Sprosse, deren Laubblätter entweder ganz fehlen oder als Hochblätter (Deckblätter, Brakteen) eine wesentlich einfachere Form annehmen, und deren Kurztriebe in Blüten (vgl. S. 44) umgewandelt sind. I m Gegensatz zum vegetativen Sproß kommen im Blütenstand a l l e Achselknospen zur Entfaltung, woraus sich die oben erwähnte Mannigfaltigkeit der Verzweigung erklärt. 1. I m razemösen System ist eine echte einheitliche Hauptachse ( M o n o p o d i u m ) Trägerin des ganzen Verzweigungssystems. Gewöhnlich wächst die Hauptachse senkrecht nach oben (orthotrop), indes die Seitenäste unter bestimmtem Winkel von der Längsachse abgehen. So entsteht die Pyramidenform vieler heimischer Bäume wie Tanne,
b) D e r K o r m u s
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F i c h t e und Lärche. I m Wurzelsystem erweist sich die Hauptachse als Pfahlwurzel, v o n d e r unter bestimmtem W i n k e l die Seitenwurzeln abgehen. N a c h L ä n g e und weiterer V e r z w e i g u n g d e r S e i t e n a c h s e n unterscheidet man die folgenden razemösen Verzweigungstypen:
E i n f a c h e Dolde
Zusammengesetzte Dolde
Köpfchen
A b b . 35.
Körbchen A b b . 36.
Razemöse
Verzweigungstypen
I. D i e H a u p t a c h s e ü b e r r a g t d e u t l i c h d i e
Nebenachsen.
A . S e i t e n a c h s e n 1. O r d n u n g u n v e r z w e i g t : a) S e i t e n a c h s e n g e s t r e c k t (Blüten gestielt), ihre Länge v o n der Basis zur Spitze der Hauptachse abnehmend: Traube (Abb. 35 a, Traubenkirsche, Hyazinthe). b) S e i t e n a c h s e n g e s t a u c h t (Blüten sitzend): a) H a u p t a c h s e u n v e r d i c k t : Ähre (Abb. 35 b, Gerste, Weizen). ß) H a u p t a c h s e k e u l e n a r t i g v e r d i c k t : Kolben (Abb. 35 c, Aronstab). B . S e i t e n a c h s e n 1. O r d n u n g v e r z w e i g t : Rispe (Abb. 35 d, Flieder, Hafer).
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Morphologie
II. H a u p t - u n d N e b e n a c h s e n w e r d e n e t w a g l e i c h
lang.
A . S e i t e n a c h s e n g e s t r e c k t (Blüten gestielt); ihre E n d e n mit dem der H a u p t achse in gleicher Höhe liegend: a) Die einfache Dolde: Die Nebenachsen (Strahlen) entspringen an e i n e m P u n k t der Hauptachse und unterscheiden sich in L ä n g e und Gestalt nicht merklich v o m überstehenden Teil der Hauptachse (Abb. 35 e, Primel). b) Die zusammengesetzte Dolde: Nebenachsen und gewöhnlich auch die Hauptachse tragen selbst Dolden 2. Ordnung ( D ö l d c h e n , A b b . 35/, Doldengewächse). B . S e i t e n a c h s e n g e s t a u c h t (Blüten sitzend): a) H a u p t a c h s e k u g e l f ö r m i g : Köpfchen (Abb. 36 a, Grasnelke). b) H a u p t a c h s e z u m B l ü t e n b o d e n verbreitert, der v o n zahlreichen H ü l l b l ä t t e r n ( H ü l l k e l c h ) u m g e b e n ist: Körbchen (Abb. 36 b, Korbblütler). 2. Zymöses System. Stellen dagegen die Spitzen der Mutterachsen das Wachst u m v o r ihren zugehörigen Tochterachsen ein, so fehlt dem Verzweigungssystem naturg e m ä ß eine durchgehende Hauptachse. Übernimmt hierbei jeweils nur eine Tochterachse die Fortsetzung des Systems, so ergibt sich ein Monochasium. Setzt hierbei die Tochterachse jeweils die R i c h t u n g der Mutterachse fort, so entsteht ein Sympodium (Abb. 37) mit einer s c h e i n b a r e n Hauptachse. T r o t z der äußeren Ähnlichkeit zwischen T r a u b e und S y m p o d i u m unterscheidet die Stellung des D e c k b l a t t e s doch die beiden ähnlichen Systeme eindeutig. Die Verzweigungssysteme vieler einheimischer L a u b b ä u m e (Buche, Linde) sind solche Sympodien. Je nach Stellung der Tochterzweige zu ihren zugehörigen A b s t a m m u n g s a c h s e n kann das Monochasium recht unterschiedliche Verzweigungsformen ergeben. Z u r Feststellung der Zweigstellung bedient man sich der folgenden Terminologie: Die Ebene, welche durch die A b s t a m m u n g s a c h s e sowie durch die Mittelrippe des D e c k b l a t t e s geht, heißt M e d i a n e b e n e und wird bei B e o b a c h t u n g in ÜberAbb. 37. einstimmung mit der Scheitelebene des Beschauers gebracht. Liegt die Sympodium Nebenachse in dieser Ebene, so heißt der R a u m zwischen Beschauer und Nebenachse vorn, d e r zwischen Neben- und (relativer) Hauptachse ( = A b stammungsachse) hinten. Die T r a n s v e r s a l e b e n e geht durch die Hauptachse und steht senkrecht auf der Medianebene; letztere scheidet eine rechte von einer linken Seite der Transversalebene. I. F ü r die Monochasien ergeben sich nun die folgenden Möglichkeiten: A . Die Seitensprosse aller Ordnungen liegen in der
Medianebene.
a) Sämtliche Seitenachsen entwickeln sich jeweils h i n t e r ihren Abstammungsachsen (Fächel, A b b . 38 y4). b) Die Seitenachsen stehen jeweils v o r ihren Mutterachsen (Sichel, A b b . 38 B). B . Die Tochterachsen liegen in der T r a n s v e r s a l e b e n e ihrer Abstammungsachse. a) Entspringen sie stets nach d e r s e l b e n Seite, so entsteht der (Abb. 38 C). b) B e i w e c h s e l n d e r R i c h t u n g wird ein Wickel (Abb. 38 D) gebildet.
Schraubel
II. Setzen z w e i gegenüberliegende Seitenachsen an Stelle des im W a c h s t u m gehemmten Hauptsprosses die Verzweigung fort, so k o m m t es zur B i l d u n g eines Dichasiums (Abb. 39).. W e n n die Ebenen der Dichasien verschiedener Abstammungsordnung nicht zusammenfallen, sondern etwa je zwei aufeinanderfolgende Systeme aufeinander senkrecht stehen, so k o m m t es zur Bildung einer dreidimensionalen Verzweigung.
b) D e r K o r m u s
21
I I I . E i n Pleiochasium endlich liegt v o r , w e n n m e h r als z w e i A c h s e n die V e r z w e i g u n g f o r t s e t z e n ; a u s r ä u m l i c h e n G r ü n d e n ist diese V e r z w e i g u n g auf d a s E n d e des V e r z w e i g u n g s s y s t e m s b e s c h r ä n k t (Euphorbia).
A b b . 38.
A
Fächel,
B
Sichel,
C
( / ) H a u p t a c h s e ; (2, 3, 4, 5 ) S e i t e n a c h s e n Ordnung.
D
Wickel:
(sj) H a u p t a c h s e ;
Schraubel: 1.,
2.,
3.' u s w .
(s 2 , s 3 , s 4 u s w . )
Seitenachsen
1., 2., 3. u s w . O r d n u n g ; ( i j ) T r a g b l a t t
Hauptachse;
(b,, b3, i 4 u s w . ) sind T r a g b l ä t t e r
A b b . 39. (//) H a u p t a c h s e ;
der
z u s2
Dichasium.
(j*, 2, 3) N e b e n a c h s e n
1., 2., 3. O r d n u n g
S c h e m a der V e r z w e i g u n g e n Unechte Verzweigung
Echte Verzweigung
Fadenbakterien, Gabiige Seitliche fadenförmige Verzweigung Verzweigung Blaualgen Riccia fluitans, Dictyota dichoRazemöse toma, Verzweigung einige | Monochasium Lycopodiaceen, Monopodium fossile | Pteridophyten Traube, Ähre, Rispe, Dolde, usw. Sympodium
Fächel
Zymöse Verzweigung Dichasium
Sichel
Pleiochasium-
Schraubel
Wickel
Blattstellung. I m D i e n s t e einer o p t i m a l e n L i c h t a u s n ü t z u n g h a t sich an den S p r o ß v e r z w e i g u n g s s y s t e m e n in A n p a s s u n g an den S t a n d o r t der P f l a n z e eine f ü r die A r t w e i t g e h e n d k o n s t a n t e u n d e i g e n t ü m l i c h e S t e l l u n g der B l ä t t e r a m S p r o ß a c h s e n s y s t e m herausgebildet ( B l a t t s t e l l u n g ) . D i e B l a t t s t e l l u n g ist bereits a m V e g e t a t i o n s p u n k t festgelegt. E n t w i r f t m a n v o m V e g e t a t i o n s k e g e l m i t den a n g e d e u t e t e n B l a t t h ö c k e r n einen G r u n d r i ß , so erhält m a n ein sogenanntes B l a t t s t e l l u n g s d i a g r a m m ( A b b . 40).
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Morphologie
A b b . 40 A
D i a g r a m m der 2 / 5 -Blattstellung
A b b . 41 a. Wirtelige B l a t t s t e l l u n g (Oleander)
A b b . 41 c. Spiralige B l a t t s t e l l u n g ( 2 / 5 -Divergenz, Ficus)
A b b . 40 B.
Grundspirale einer Rosettenpflanze
A b b . 41 b. Dekussierte Blattstellung (Tausendgüldenkraut)
A b b . 41 d.
Zweizeilige B l a t t s t e l l u n g (Gasteria)
b) Der Kormus
23
1. B e i manchen Formen setzen an einem Stengelknoten mehrere B l ä t t e r auf g l e i c h e r E b e n e an, in der die einzelnen B l ä t t e r gleiche W i n k e l gegeneinander bilden (wirtelige Blattstellung, A b b . 41 a). Je nach der Z a h l der B l ä t t e r spricht man v o n einem 3-, 4-, 5teiligen Wirtel. Entspringen nur zwei B l ä t t e r demselben K n o t e n , so stehen sie sich gegenüber (gegenständig). Sind die Ansatzstellen zweier aufeinanderfolgender B l a t t p a a r e u m go° gegeneinander verschoben, so liegt sogenannte gekreuzte oder dekussierte Blattstellung vor (Abb. 41 b). 2. Steht an jedem K n o t e n nur ein B l a t t , so erscheint der ganze Stengel i gleichm ä ß i g r u n d u m beblättert [wechselständige (spiralige) Blattstellung, A b b . 41 c]. Verbindet m a n die Blattansatzstellen durch eine Linie, so entsteht eine Spirale (Grundspirale, A b b . 42), an der nach gleichen Bruchteilen eines Umlaufes (Divergenz) ein B l a t t steht. Die durch den Sproß und die Mittelrippen zweier aufeinanderfolgender B l ä t t e r gelegten Ebenen schließen den Divergenzwinkel ein. Der Teil der Grundspirale, der von einem B l a t t bis z u m nächsten darüberliegenden B l a t t führt, heißt Zyklus. B e i Monokotylen herrscht die zweizeilige Blattstellung (Divergenz 1 / 2 ; Divergenzwinkel 180°) v o r (Abb. 41 d). B e i den D i k o t y l e n findet sich am häufigsten die folgende Hauptreihe wechselständiger Blattstellung : 1- '/ .'2
/3
!/
Hierbei gibt der Nenner die Z a h l der auf einem Z y k l u s liegenden Blätter, der Zähler die auf einem Z y k l u s vollführten Umkreisungen der Sproßachse an. Alle homolog in den einzelnen Z y k l e n liegenden Blätter stehen senkrecht übereinander in sogenannten Gerad-
/ Abb. 42
Abb. 43
Abb. 42. Blattstellungsmodell. 1, 2, 3, 4, 5, 6 Ansatzstellen der Blätter; die Verbindungslinie = Grundspirale; (1—6) = Zyklus. Divergenz 2/5. Divergenzwinkel 1440 Abb. 43.
Ananasfrucht mit deutlich hervortretenden Schrägzeilen
24
Morphologie
Zeilen (Orthostichen, Abb. 42). An gestauchten Sproßachsen treten daneben noch sogenannte Schrägreihen (Parastichen), gebildet von den Blättern mit geringstem seitlichen Abstand, in Erscheinung (Ananasfrucht, Abb. 43). Beispiele für verschiedene
Blattstellungssysteme:
Wirtelige Blattstellung: gegenständig: dekussiert: wirtelig: Spiralige Blattstellung:
Nelkengewächse. Buche, Lippenblütler, Flieder, Brennessel, Wasserpest, Einbeere. Wacholder. 1
j.2 Vs U 3 /8 °/ 1 3 a /.21 13 /3i
Iris, Mais, Gasteria (Abb. 41 d). Erle. Weide, Himbeere, Tabak. Kohl, Rettich, Löwenmaul. Königskerze. Fichtenzapfen. Rudbeckia.
Das Blatt Die Blätter sind nach Sachs im Grunde nichts als flächenartige Auswüchse des Sprosses, die dazu dienen, den gebildeten grünen Farbstoff (Chlorophyll) möglichst weitgehend dem Licht auszusetzen, um so die Bildung von Zucker und damit organischer Pflanzensubstanz überhaupt zu steigern. Sie sind im allgemeinen dorsiventral gebaut, besitzen Ober- und Unterseite, die morphologisch und anatomisch (vgl. S. 1 5 1 ) wesentliche Bauunterschiede zeigen. Entwicklung-. Die Blätter entwickeln sich exogen aus etwas unterhalb der Vegetationsspitze entstandenen, zunächst ungegliederten Höckern (vgl. Abb. 23), die anfangs, ähnlich dem Sproß, gefördertes Spitzenwachstum zeigen. Bald aber gehen die Zellen der Blattspitze in Dauergewebe über und stellen ihr Wachstum ein; extrem langanhaltendes Spitzenwachstum dagegen zeichnet die Farnblätter aus. Im Normalfall aber ist das Spitzenwachstum der Blätter im Gegensatz zu dem des Sprosses begrenzt. Das weitere Blattwachstum vollzieht sich in anderen Regionen des Blattes. Im Verlauf der pflanzlichen Gesamtentwicklung haben die Blätter verschiedenartige Funktionen zu übernehmen. Hier soll nur auf die Entwicklung des normalen Laubblattes eingegangen werden. Schon frühzeitig, lange vor Beendigung des Blattwachstums, vollzieht sich die erste Blattgliederung in zwei Abschnitte, das O b e r - u n d d a s U n t e r b l a t t (Abb. 44). Aus dem ersteren entwickelt sich die im einzelnen recht vielgestaltige B l a t t s p r e i t e , und auch der B l a t t s t i e l ist ein Bildungsprodukt des Oberblattes. Das Unterblatt dagegen liefert den B l a t t g r u n d , der vielfach gegenüber der Blattspreite wenig hervortritt, in einzelnen Fällen aber doch Abb. 44. Blattentwicklung. ansehnliche Gebilde entwickelt, z. B. die Blattscheide und die (0) Oberblatt; (g) BlattNebenblätter. grund ; (v) Vegetationskegel. (Nach Strasburger) a) Das Oberblatt. Überwiegend Bildungen des Oberblattes sind die normalen Laubblätter der höheren Pflanzen, die ganz auf C0 2 -Assimilation eingestellten Produktionsstellen organischer Pflanzensubstanz. Ihre wesentlichsten Teile sind: 1. Die Blattspreite. Während die Größe der Blattspreite selbst bei derselben Pflanzenart weitgehend von Außenbedingungen (Licht, Luftfeuchtigkeit) abhängig ist, bleibt doch die c h a r a k t e r i s t i s c h e F o r m im allgemeinen erhalten, so d a ß sie dia-
Das Blatt
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gnostisch zur Pflanzenbestimmung weitgehend herangezogen werden kann. F ü r die Unterteilung der Blattformen sind in erster Linie S p r e i t e n f o r m , S p r e i t e n g r u n d u n d ' R a n d e n t w i c k l u n g des B l a t t e s von Bedeutung. I m Verhältnis zur B l a t t f l ä c h e ist die R a n d e n t w i c k l u n g am geringsten beim kreisförmigen B l a t t . Mit zunehmender Ungleichheit der beiden Durchmesser nimmt die relative R a n d e n t w i c k l u n g zu. N a c h d e r F o r m d e s G e s a m t u m r i s s e s (Abb. 45) unterscheidet man kreisförmig ( j , Wassernabel), nierenförmig (2, Haselwurz), elliptisch (3, K i r s c h b a u m ) , eiförmig (4, Birnbaum), verkehrt eiförmig (Primel), spateiförmig (5, Gänseblümchen), rautenförmig (6, Schwarzpappel), lanzettlich (7, S, Seidelbast, Weidenröschen), linealisch (9, Gräser), nadeiförmig (10, Kiefer).
ellinti-i ¡1
Iii', l ulltürnll!^
kreisförmi apT
l -seh
9 linealisch
10
spateliorirm
rauteiliiirmig A b b . 45.
lanzcttlich
nadelföraiis
Blattumriß
N a c h d e r G e s t a l t u n g d e s S p r e i t e n g r u n d e s (vgl. A b b . 46) differenziert man herzförmig (1, Flieder), nierenförmig (2, Haselwurz), pfeilförmig (3, Pfeilkraut), spießförmig (4, Melde).
Morphologie
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herzförmig
nierenförmig A b b . 46.
spießförmig
Spreitengrund
N u r relativ selten ist der B l a t t r a n d völlig ungegliedert (ganzrandig). N a c h A r t der R a n d z e r t e i l u n g spricht man v o n G e s c h w e i f t : R a n d nur leicht gewellt (Spinat, A b b . 4 7 , 1 ) . G e s ä g t : wenn die spitzen Zähne in spitzem W i n k e l zusammenstehen (Rose, A b b . 47, 2). A b b . 47, 3 zeigt ein d o p p e l t g e s ä g t e s (Hainbuche), A b b . 47, 4 ein schrotsägeförmiges B l a t t (Löwenzahn). Beim g e z ä h n t e n B l a t t (Abb. 47, 5) stoßen die Zähne in stumpfem W i n k e l zusammen (kleine BrennesselJ; die U m k e h r u n g dieser R a n d k u r v e ergibt das g e k e r b t e B l a t t (Abb. 47, 6, Veilchen^. Beim b u c h t i g e n B l a t t (Eiche, A b b . 47, 7), sind ein- und ausspringende Stellen des Randes gerundet.
2 geschweift
gesägt
3 doppelt gesägt schrotsägeförmig A b b . 47.
B 1 a 1 1 r a 11 d
gebuchtet
Das Blatt
A b b . 4S, 1 — 9 . Z e r t e i l u n g d e r B l a t t s p r e i t e I fiederspaltig, 2 fiederteilig, 3 fingerspaltig, 4 paarig gefiedert, 5 unpaarig gefiedert, 6 unterbrochen gefiedert, 7 mehrfach gefiedert, 8 a 3-zählig, 8b 5-zählig, 9 f u ß f ö r m i g
28
Morphologie
F i e d e r s p a l t i g (Abb. 48, 1 ) : Tiefere Einschnitte laufen von'verschiedenen Stellen des Blattrandes ± parallel zueinander auf die Mittelrippe zu, ohne sie ganz zu erreichen (Raps); bleibt längs der Mittelrippe nur ein schmaler Spreitensaum erhalten, so nennt man das B l a t t fiederteilig (Abb. 48, 2, Wasserfeder). D a s leierförmig fiederteilige B l a t t besitzt einen vergrößerten Endlappen. Streben Spreiteneinschnitte dagegen einem
f
A b b . 49. a Stengelumfassendes B l a t t ; b am Stengel herablaufendes B l a t t ; , durchwachsenes B l a t t ; d schildförmiges B l a t t
P u n k t des Spreitengrundes zu, so liegt ein fingerspaltiges B l a t t v o r (Geranium- und Hahnenfußarten, A b b . 48, 3). Erreichen die Einschnitte die Mittelrippe des Blattes, so entsteht ein z u s a m m e n g e s e t z t e s B l a t t . JenachArt der Gliederung der Blattspreite in mehrere selbständige Teile unterscheidet man das p a a r i g (Abb. 48, 4, Platterbse) und u n p a a r i g(Süßholz, A b b . 48,5) g e f i e d e r t e , sowie das u n t e r b r o c h e n g e f i e d e r t e Blatt (Abb. 48, 6, Kartoffel). Sind die Fiederblättchen selbst wieder gefiedert, so entstehen d i e zwei- bis m e h r f a c h gefied e r t e n B l ä t t e r (Abb. 48, 7, Umbelliferen). W i e aus dem fiederteiligen B l a t t durch Verlängerung der Einschnitte das gefiederte B l a t t , so entsteht aus dem f ingerspaltigen das handförmige Blatt: 3-zählig (Abb. 48, 8 a) beim Klee, 5 - z ä h l i g (Abb. 48, 8b) bei Fingerkräutern, 7 - z ä h l i g bei der R o ß k a s t a n i e . A b b . 48, 9 zeigt das f u ß f ö r m i g e B l a t t derNießwurz an d e m die Teilblättchen nicht
v o n einem P u n k t , sondern v o n einer i senkrecht z u m Blattstiel verlaufenden L i n i e des Spreitengrundes ausgehen. Hinsichtlich der A u s b i l d u n g u n d A n s a t z s t e l l e d e r B l a t t s t i e l e g i b t e s : S i t z e n d e B l ä t t e r (Blattstiel fehlt). N i c h t selten ist dann der Spreitengrund s t e n g e l u m f a s s e n d (Abb. 49a, Schlafmohn) oder auch a m Stengel h e r a b l a u f e n d (Abb. 496, Wallwurz,), d u r c h w a c h s e n , wenn die R ä n d e r des Spreitengrundes miteinander verwachsen (Abb. 49 c, Hasenohr). G e s t i e l t e B l ä t t e r . Gewöhnlich sitzt der Blattstiel a m Spreitengrund, nur beim s c h i l d f ö r m i g e n B l a t t sitzt er in der Mitte der Spreite auf (Kapuzinerkresse, Wassernabel, A b b . 49d).
29
Das B l a t t
Blattrippen. Schon äußerlich ist auf den Blattspreiten ein reich verzweigtes Netzwerk von sogenannten Rippen (Nerven oder Adern) zu erkennen, die auf der Blattoberseite als seichte Vertiefungen, auf der Blattunterseite dagegen reliefartig erhaben in Erscheinung treten. Sie beherbergen das Leitungssystem des Blattes. Am stärksten ist vielfach die das Blatt in der Mediane durchziehende Rippe (Haupt- oder Mittelrippe) entwickelt. Bei den Blättern der Dikotylen setzen an der Mittelrippe netzartig sich verzweigend und anastomosierend Seitenrippen an (netznervige Blätter, Abb. 50a), während die Monokotylenblätter sich durch Parallel- oder Bogennervigkeit auszeichnen "(Abb. 506); die Verzweigung der Adern ist eine sehr weitgehende, so daß nur kleine Spreitenflächen ( I n t e r k o s t a l f e l d e r ) an die Nerven angeschlossen sind. Heterophyllie. Manche Pflanzen tragen in Abhängigkeit von der Entwicklungsphase oder auch der Umwelt Laubblätter verschiedenerGestalt ( H e t e r o p h y l l i e ) . Nicht selten sind die zu Beginn der Entwicklung der Pflanze gebildeten Blätter einfacher gebaut als die Laubblätter der älteren Pflanze (Jugendblätter bei Acacia, Abb. 51, Primordialblätter der Bohne, Abb. 5 2 ^ ) . Abb. 52 B zeigt die Blattfolge eines F a r n s vom ganzrandigen Keimblatt bis zum gefiederten Laubblatt. Wasserpflanzen bringen öfters untergetauchte, fein zerschlitzteWasserblätter neben Schwimmoder Luftblättern mit einheitlicher Blattspreite zur Ausbildung Abb (Wasserhahnenfuß, - 5°g^) Die Sonnen
a
^ e 1 : z n e r v l £ e s Blatt>
parallelnerviges B l a t t
blätter des Efeu sind wesentlich einfacher in der Form als die Schattenblätter (Abb. 54); die rundblättrige Glockenblume entwickelt unter dem Einfluß geringer Lichtintensität rundliche, bei hoher Intensität längliche, schmale Blätter. Anisophyllie. Sind die Blätter verschiedener Flanken des Sprosses unterschiedlich in Größe oder Form ausgebildet, so spricht man von Anisophyllie (Selaginella, Abb. 5 5 ) . 2. Der Blattstiel. E r geht in den meisten Fällen aus embryonalem Gewebe des Spreitengrundes hervor und soll das Sproßsystem in der Aufgabe, die Blätter in günstige Lichtlage zu bringen, unterstützen. E r ist daher in seiner Längenentwicklung von Form u n d Größe des Blattes, der Art der Blattstellung wie auch vom Verzweigungssystem des Sprosses abhängig.
Morphologie
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Abb. 51. Keimpflanze von Acacia pycnantha. Die Zahlen geben in aufsteigender Ordnung die Reihenfolge der Blattbildung wieder; (st) Blattstiel. (Nach Schenk)
Abb. 52 B.
Abb. 52 A
Bohnenkeimling. (Ibl) Primordialblätter
Entwicklung des gefiederten Blattes aus dem einfachen ganzrandigen Blatt bei einem Farn. a Keimblatt; ¿ — / P r i m ä r b l ä t t e r ; g Folgeblatt. (Nach Orth)
Das Blatt
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b) Der Blattgrund. Aus dem Blattgrund gehen hervor: 1. Die Blattscheide, die zum Teil als Knospenschutz (Abb. 56, Umbelliferen), zum Teil auch zur mechanischen Verstärkung zarter wachsender Sproßteile (Gräser) dient (Abb. 57)-
Abb. 54. Sonnenblatt (a) und Schattenblatt (b) vom Efeu
Abb. 53. Wasserhahnenfuß. (Ibl) Luftblätter; (wb[) Wasserblätter. (Nach Schenck)
Abb. 55. Selaginellasproß
Abb. 56. (bisch) Blattscheide einer Doldenpflanze
Abb. 57. Grassproß, (h) Halm; (spr) Blattspreite; (QLigula; (sch) Blattscheide; (ft) Knoten
2. Die Nebenblätter, die gewöhnlich klein (Rosaceen), manchmal aber auch ansehnlich sind, und dann als Knospenschutz dienen (Begonie, Magnolie). Gelegentlich können sie auch laubblattähnlich werden und die Blattspreiten funktionell ersetzen (Erbse, Abb. 58 u. 59). Bei den Polygonaceen und vielen Feigenarten sind sie zu einem röhrigen Gebilde, das den Sproß umfaßt (Ochrea), verwachsen; bei der Robinie sind sie in Dornen umgewandelt. Abb. 60 zeigt, wie zu Beginn der Blattentwicklung die Nebenblätter zunächst gefördert sind, dann aber bald von dem sich mächtig entfaltenden Oberblatt überflügelt werden.
32
Morphologie
3. Niederblätter. Die an den unterirdisch wachsenden Sproßachsen (Rhizomen, Knollen, Zwiebeln) (Abb. 61) sich entwickelnden B l a t t a n l a g e n zeigen insofern E n t wicklungshemmungen, als sich an ihnen nur der B l a t t g r u n d stärker z u einem farblosen schuppenartigen Niederblatt ausbildet, w ä h r e n d das Oberblatt nicht zur E n t f a l t u n g k o m m t oder doch rudimentär bleibt. I m Dienst der Stoffspeicherung können diese S c h u p p e n b l ä t t e r /._ ansehnlichere Größen (Zwiebelschuppen, A b b . 24, 2) f i \ j erreichen.
A b b . 58.
Erbsensproß, (tibi) N e b e n b l ä t t e r ; (bl) L a u b b l a t t ; (r) R a n k e ; (spr) S p r o ß ; (fbl) F i e d e r b l ä t t c h e n
A b b . 60. Vogelkirsche. 1 — 3 K n o s p e n s c h u p p e n ; 4 — 7 Ü b e r gangsformen z u m L a u b b l a t t , (spr) B l a t t s p r e i t e ; (5) B l a t t s t i e l ; (nbl) N e b e n b l ä t t e r ; (n) N e k t a r i e n . ( N a c h Schenck)
A b b . 59. N e b e n b l ä t t e r der R a n k e n p l a t t erbse. D a s O b e r b l a t t i s t zur R a n k e reduziert. ( N a c h Schenck)
A b b . 61. Maiglöckchen, (nd) Niederb l ä t t e r ; (hbl) H o c h b l ä t t e r ; (Ibl) L a u b blätter
A u c h die äußeren, derben braunen K n o s p e n s c h u p p e n der Holzgewächse sind Niederblätter, w ä h r e n d die inneren K n o s p e n h ü l l b l ä t t e r gelegentlich eine O b e r b l a t t e n t w i c k l u n g zeigen u n d damit Übergangsformen z u L a u b b l ä t t e r n darstellen ( A b b . 62). 4. Hochblätter. A n den B l ä t t e r n der oberen Regionen der Sproßachse tritt vielf a c h die A u s b i l d u n g des O b e r b l a t t e s gegenüber dem B l a t t g r u n d stark z u r ü c k (Abb. 63); d a m i t verlieren sie weitgehend ihre E r n ä h r u n g s f u n k t i o n . A l s D e c k b l ä t t e r dienen sie d e m Schutz der in ihrer A c h s e entspringenden B l ü t e n (Abb. 61). Sie können ansehnlicher in Größe und F a r b e werden, wenn sie an Stelle unscheinbarer B l ü t e n b l ä t t e r in den Dienst der B e s t ä u b u n g s v e r m i t t l u n g treten ( S c h a u a p p a r a t ) (Aronstab, E u p h o r b i a pulcherrima,
Das Blatt
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Bougainvillea). A u c h die K e l c h b l ä t t e r der meisten D i k o t y l e n und bei manchen P f l a n z e n auch die B l ü t e n b l ä t t e r (Hahnenfuß) sind Hochblätter. 5. Keimblätter. Vereinfachte Blattbildungen sind auch die Keimblätter, deren F u n k t i o n in der Speicherung von Reservestoffen besteht, um die erste heterotrophe Entwicklungsphase der Pflanze ernährungsphysiologisch z u überbrücken. Ihr B a u neigt
A b b . 62.
Ü b e r g a n g v o n K n o s p e n s c h u p p e n in L a u b b l ä t t e r bei A e s c u l u s p a r v i f l o r a .
(Nach
Troll)
daher weniger zur Flächen- als vielmehr zur räumlichen, dreidimensionalen E n t w i c k l u n g . Diese K e i m b l ä t t e r entstehen als erste Differenzierung aus dem noch ungegliederten Sproßembryo. N a c h der Zahl der zur E n t w i c k l u n g k o m m e n d e n K e i m b l ä t t e r teilt man die Samenpflanze:! in die beiden obersten Gruppen der Monokotylen mit e i n e m , und der Dikotylen mit z w e i K e i m b l ä t t e r n ein (Abb. 64 cot). Auf Grund v o n E n t w i c k l u n g s h e m m u n g vereinfachte Blätter sind in manchen Fällen auch die ersten auf die K e i m blätter folgenden Laubblätter, die P r i m ä r - oder J u g e n d b l ä t t e r (Bohne, A b b . 64 Ibl). Doch fehlt es auch nicht an Fällen, in denen die Jugendblätter komplizierter g e b a u t sind als die Folgeblätter (Acacia, A b b . 51). W e t z e l , Grundlagen der allgemeinen Botanik.
3
34
Morphologie
Die Wurzel In ihrer typischen Ausbildung ist die Wurzel der höheren P f l a n z e n v o m durch E n t s t e h u n g (vgl. S. 81), B a u , F u n k t i o n und Reaktionsweise verschieden.
Sproß
Schon bei niederen Wasserpflanzen wie Grün- u n d Braunalgen ergab sich mit d e r Vergrößerung des Pflanzenkörpers die Notwendigkeit seiner festen Verankerung i m Grund. Diese erfolgte z u m Teil durch einfache Thallusumbildung in Hapteren (Macrocystis, Laminaria, A b b . 14) oder durch Ausstülpung oberflächlicher Zellen zu f a d e n artigen Rhizoiden (Moose, Farnprothallien, A b b . 22 rh). Echte Wurzelbildung zeichnet indes erst die höheren Sporophyten (Farne, A b b . 22 w, und Samenpflanzen) a u s .
A b b . 65. Endogene Bildung der Seitenwurzeln. A, B, C fortschreitende Stadien. (end) Endodermis; (/>) Perizykel; (wh.) Wurzelhaube; (r) Wurzelrinde; (Ii) Zentralzylinder; (sj—s 5 ) entstehende Seitenwurzeln
Neben der Befestigung des Sprosses dient die W u r z e l vor allem dazu, die Pflanze mit d e m nötigen Wasser und den z u m A u f b a u der P f l a n z e unentbehrlichen Mineralstoffen z u versorgen. A u s dieser F u n k t i o n werden ihr Verhalten gegen Licht und S c h w e r k r a f t wie auch ihre besonderen Baueigentümlichkeiten verständlich. Bau der Wurzel. Schon wenn die Wurzelspitze aus dem Samen heraustritt, ist sie v o n einer schützenden Hülle, der Wurzelhaube, bedeckt, die alle Verletzungen auf dem W e g e durch die z u m Teil scharfkantigen Bodenpartikelchen a b f ä n g t und durch fortwährenden Z u w a c h s wieder ausgleicht. Dicht hinter der Wurzelhaube liegt das meristematische Gewebe, der Wurzelvegetationspunkt, dem in relativ kurzer Zone von wenigen Zentimetern die ausschließliche Wachstums- oder Streckungszone der Wurzel folgt. A u f die Zellstreckung folgt die Differenzierung der Gewebe, äußerlich in der Ausstülpung v o n Epidermiszellen zu Wurzelhaaren erkenntlich, kurzlebigen Gebilden, die zur Oberflächenvergrößerung der W u r z e l beitragen und als zarter F l a u m diese Wurzelzone bedecken. B e i m Mais wurden in diesem Bezirk e t w a 420 solcher dünnwandiger, einzelliger Haare pro Quadratmillimeter gezählt. Mit der fortschreitenden Verlagerung der Streckungszone wandert auch die Zone der Wurzelhaare. Indes die basalwärts stehenden Haare absterben (die Lebensdauer der Haare beträgt nur einige Tage), stülpen sich spitzenwärts neue Epidermiszellen aus. Mit den Wurzelhaaren stirbt' vielfach auch die ganze Epidermis ab, die funktionell durch ein K o r k g e w e b e (Exodermis) ersetzt wird. N a t u r g e m ä ß v e r m a g die W u r z e l von hier ab kein Wasser mehr auf-
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Wurzelsysteme
zunehmen. Sie dient nur mehr der Befestigung der Pflanze im Boden und der Bildung von Seiten wurzeln. Infolge der peripheren Korkbildung an der Hauptwurzel müssen die Seitenwurzeln im Gegensatz zu den Seitensprossen e n d o g e n angelegt werden. Die Wurzelrinde ist zur Zeit der Seitenwurzelbildung bereits in Dauergewebe übergegangen, das die Fähigkeit zur Neubildung von Vegetationspunkten verloren hat. Die ersten Zellteilungen zur Anlage der Seitenwurzeln spielen sich daher in einer tiefer liegenden, wenig differenzierten Schicht, d e m P e r i z y k e l , ab (Abb. 65). Seitenwurzeln entstehen also im Gegensatz zu den exogenen Sprossen e n d o g e n . Die Seitenwurzelspitze durchstößt die Rindenschichten der Abstammungswurzel und entwickelt sich dann in gleicher Weise und Zonierung wie die Hauptwurzel. Im Gegensatz zur senkrecht nach unten wachsenden Hauptwurzel gehen die Seitenwurzeln unter einem bestimmten Winkel ( G r e n z w i n k e l , A b b . 66) von ihrer Abstammungsachse ab. Diese Seitenwurzeln I.Ordnung können sich weiter verzweigen, und so kommt dann ein i kompliziertes Wurzelsystem zustande, dessen Ausgestaltungvielfach individuelle Züge trägt. Die letzten Verzweigungen sind sehr kurz und dicht mit Saughaaren besetzt. Sie sind es vor allem, welche der Pflanze Wasser und Nährsalze zuführen (Saugwurzeln). Form des Wurzelsystems. Viele D i k o t y l e n und G y m n o s p e r m e n entwickeln eine tiefgründige, senkrecht nach unten verlaufende Haupt- oder P f a h l w u r z e l , von der zahlreiche Seitenwurzeln abgehen. Solche T i e f w u r z l e r sind E i c h e , E r l e , K i e f e r , T a n n e u.a. Der A u f b a u des Wurzelsystems ist in diesem Falle nahezu ein Spiegelbild des Sproßsystems. Buche und Kernobstbäume senken gewöhnlich mehrere Hauptwurzeln (Herzwurzeln) in die Erde. Bei den F l a c h w u r z l e r n ( F i c h t e , P a p p e l , K a r t o f f e l ) dagegen tritt die Hauptwurzel gegenüber den langen, horiKeimling der Sonnenblume zontal flach unter dem Boden verlaufenden Seitenwurzeln stark zurück. Das Wurzelsystem bildet hier keine Pyramide, sondern eine flache Scheibe. Im allgemeinen siedeln sich auf flachgründigem Boden auch nur Pflanzen mit vorwiegend horizontal entwickeltem Wurzelsystem an; doch fehlt es auch auf solchen Böden nicht an Pflanzen, die durch Gesteinsrisse und Felsspalten ihre Wurzeln in die Tiefe treiben. Besonders auffallend tritt diese Befähigung bei den Bodenverhältnissen der alpinen Felstriften in Erscheinung, wo die pflanzlichen Besiedler in Anpassung an den zur Wurzelentfaltung verfügbaren R a u m zur Ausbildung ausgedehnter sogenannter W u r z e l t ü c h e r schreiten. So wurde an einem k a u m spannhohen Exemplar einer Glockenblume ein Wurzeltuch von 62 cm Breite und 82 cm Länge freigelegt. Länge des Wurzelsystems. Durch die L ä n g e i h r e s W u r z e l s y s t e m s zeichnen sich auch einige unserer Kulturpflanzen aus. Durchstößt schon der W e i z e n den Boden mehrere Meter tief mit seinen Wurzeln, so wurden bei der L u z e r n e gar Wurzellängen bis z u 18 m gemessen. Die Gesamtlänge der Wurzeln einer M a i s p f l a n z e soll 1 k m überschreiten. Ganz erstaunlich sind die Leistungen der W ü s t e n p f l a n z e n hinsichtlich der Wurzelbildung. Die kleine Dornenstaude A l h a g i c a m e l o r u m senkt ihre Pfahlwurzel 30—40 m t i e f in die Erde und erreicht auf diese Weise sogar den Grundwasserspiegel. So steht in diesem Fall der niedrig strauchartigen oberirdischen Bildung ein mächtiges baumartiges Wurzelsystem gegenüber, das die oberirdische Ausbildung der meisten unserer heimischen Bäume an Länge noch übertrifft. 3*
36
Morphologie
Sproßbürtige Wurzeln I. S t e l z w u r z e l n . Anders erfolgt die Bewurzelung der M o n o k o t y l e n , wofür der Mais ein klares Beispiel liefert (Abb. 67). Der schwache Wurzelvegetationspunkt erzeugt auch nur eine s c h w ä c h l i c h e H a u p t w u r z e l mit wenigen kurzen Seitenwurzeln, die bald das Wachstum einstellen. Dagegen verbreitert sich der Sproß mit zunehmender Länge sehr erheblich, und aus seinen Knoten entspringen sproßbürtige W u r z e l n , die schräg abwärts in den Boden vordringen und sich dort verzweigen. Besonders die höher am Sproß angelegten Stelzwurzeln halten die Pflanze fest wie die Spannseile eines Zeltes. Bei den meisten unserer G e t r e i d e a r t e n stirbt die Hauptwurzel frühzeitig ab, nachdem zahlreiche sproßbürtige Wurzeln reichlichen Ersatz geschaffen haben. Durch besonders mächtige Stelzwurzeln zeichnen sich M a n g r o v e p f l a n z e n aus, die als Küstenbewohner tropischer Meere dem unruhigen Niveauwechsel infolge von Ebbe und Flut ausgesetzt sind (Abb. 68, Rhizophora, s. Tafel II). 2. L u f t w u r z e l n . Manche T r o p e n p f l a n z e n ( A r a c e e n , F i c u s a r t e n ) zeichnen sich durch den Besitz von L u f t w u r z e l n (Abb. 69, s. Tafel I) aus, die von Ästen entspringend wie Taue nach unten hängen, bis ihre Spitze den Boden erreicht, um hier nach Art echter Wurzeln unter Verzweigung in die Erde einzudringen. Im einzelnen zeigen Luftwurzeln mancherlei Besonderheiten. Bei Ficus religiosa wachsen diese Luftwurzeln sekundär in die Dicke und bilden stammartige Säulen ( S t ü t z w u r z e l n ) in weitem Umkreis, so daß auf diese Weise Riesenbäume entstehen können (Abb. 70, s. Tafel II). DieWurzelepidermis tropischer O r c h i d e e n und A r a c e e n ist zu einer vielschichtigen W u r z e l h ü l l e umgebildet, welche zur Aufnahme und Speicherung oberirdisch gebotenen Wassers befähigt ist. Ziemlich allgemein aber kann man Pflanzen zur B i l d u n g s p r o ß b ü r t i g e r W u r z e l n zwingen, wenn man ihnen ihr normales Wurzelsystem nimmt bzw. einen Zweig von der Pflanze abtrennt und in feuchte Umgebung bringt, da sich an allen Sproßteilen s c h l a f e n d e W u r z e l a u g e n befinden. Hierauf beruht d i e S t e c k l i n g s v e r m e h r u n g , die bei manchen Pflanzen besonders leicht gelingt (Weide), während weniger reaktionsfähige Formen eines Antriebs durch zusätzliche W u c h s s t o f f g a b e n bedürfen ( O b s t s t e c k l i n g e ) . Besonders reichlich erfolgt vielfach die Bewurzelung aus dem W u n d k a l l u s (vgl. hierzu S. 309).
A b b . 67. Sproßbürtige W u r zeln beim Mais. (Ibl) L a u b blätter; (ek) E n d k n o s p e ; (sk) Seitenknospe; (vz) Streckungszonen; (o^—w 6 ) Seitenwurzeln; (hui) H a u p t wurzel; (i) Internodium
3. H a f t w u r z e l n . Vollkommen eingebüßt haben ihre ernährungsphysiologische Funktion die H a f t w u r z e l n , mit denen z. B. der E f e u sich an geeigneten Stützen festklammert. Neben den geschilderten Abweichungen in Bau und Funktion der Wurzel gibt es auch noch solche, in denen die Wurzel n e u e F u n k t i o n e n übernommen und infolgedessen ihren Bau so weit verändert hat, daß man folgerichtig von M e t a m o r p h o s e n sprechen kann.
Metamorphosen 1. Metamorphosen der Wurzel a) S p e i c h e r w u r z e l n . Am verbreitetsten ist die Umwandlung der Wurzel in ein S p e i c h e r o r g a n für organische Stoffe. Mit einem noch bescheidenen Anfang der Wurzelumbildung zum Reserveorgan begnügt sich der S p a r g e l . Die Wurzeln dieser Pflanze haben zwar die typische Form beibehalten, aber in der fleischigen Wurzelrinde sind doch
Wetzel,
Grundriß der allgemeinen B o t a n i k
W a l t e r d e G r u y t e r & C o . , B e r l i n W 35
Tafel I
Wetzel,
T a f e l II
Grundriß der allgemeinen B o t a n i k
A b b . 68.
A b b . 70.
Rhizophora mit
Stelzwurzcln.
(Nacli
fliehe)
Ficus bengalensis:
Stützwurzeln.
(Nach
Miehe)
W a l t e r de G r u y t e r it Co., B e r l i n W 35
Wetzel,
Grundriß der allgemeinen Botanik
A b b . 72.
A b b . 119.
Mangrove-Pneumatophoren.
Tafel III
(Nach v. Faber)
Flaschenbäume im südaustralischen Savannengebiet. (Aus Schimper-v. W a l t e r de G r u y t e r & C o . , B e r l i n W 35
Faber)
Metamorphosen
37
bereits erhebliche Mengen an Stärke u n d N-haltigem Reservematerial niedergelegt, das im F r ü h j a h r in die rasch wachsenden Sprosse wandert. Stärkere A u f t r e i b u n g erfahren schon die Wurzelknollen vieler einheimischer O r c h i d e e n , und diejenigen der D a h l i e sind bereits recht umfangreiche Inulinspeicher. Die k n o l l i g v e r d i c k t e H a u p t w u r z e l heißt Rübe ( Z u c k e r - , F u t t e r r ü b e , K a r o t t e ) . b) Atemwurzeln. Senkrecht nach oben wachsende Wurzeln besitzen manche tropischen S u m p f p f l a n z e n . Hier durchstoßen schlanke, kegelförmige weißliche Gebilde den Boden, u n d ihr weitmaschiges Gewebe dient wahrscheinlich der Versorgung der P f l a n z e n wurzeln mit dem nötigen, im S c h l a m m b o d e n nur spärlich vorhandenen S a u e r s t o f f (Atemwurzeln, A b b . 71). In ähnlicher Weise wurden auch die verholzten pfahlartigen Bildungen v o n M a n g r o v e n (Abb. 72, T a f e l III) als A t m u n g s o r g a n e gedeutet. Neuerdings h a t jedoch Troll wahrscheinlich g e m a c h t , d a ß es sich hierbei eher um A n s a t z s t e l l e n für Seiten- und S a u g w u r z e l n handelt, die infolge des stark veränderlichen B o d e n n i v e a u s der K ü s t e n r e g i o n in wechselnden E t a g e n angelegt werden müssen. A b b . 7 1 . (at) A t e m w u r z e l
A b b . 73. Haustorienbildung der Mistel. (m) Mistelsproß; (h) H a u s t o r i e n ; (hk) H o l z k ö r p e r ; (r) R i n d e ; (s) Senker
A b b . 74.
Myrmecodia. (w) W u r z e l n ; (wd) W u r z e l d o r n e n
c) Haustorien. Erheblich umgestaltet ist das W u r z e l s y s t e m n a t u r g e m ä ß bei S c h m a rotzern. Die halbparasitären R h i n a n t u s a r t e n , die unter anderem auch auf Getreide schmarotzen, treiben v o n einem noch voll ausgebildeten W u r z e l s y s t e m Saugorgane (Haustorien) in die W u r z e l n der W i r t s p f l a n z e n . Die K l e e s e i d e bildet nur mehr eine schwache K e i m w u r z e l , die bald abstirbt. D e r fädliche Sproß sucht sich eine W i r t s pflanze, die er u m w i n d e t und in die er sproßbürtige Haustorien eintreibt, u m sich auf diese Weise mit Wasser u n d N ä h r s t o f f e n z u versorgen, w o d u r c h ein bodenständiges W u r z e l s y s t e m entbehrlich wird. Die auf B ä u m e n keimende M i s t e l (Abb. 73) treibt zunächst einen S e n k e r in das H o l z der W i r t s p f l a n z e . Von diesem gehen Seitenwurzeln aus, die zwischen Holz und R i n d e v e r l a u f e n u n d ihrerseits senkrecht zur Oberfläche s e k u n d ä r e S e n k e r ins Holz der W i r t s p f l a n z e treiben. d) Weitere Metamorphosen. D a n e b e n treten gelegentlich noch andersartige W u r z e l metamorphosen auf, z. B . assimilierende, daher grüne Wurzeln (Taeniophyllum). B e i der Ameisenpflanze M y r m e c o d i a sterben die sproßbürtigen W u r z e l n an der Spitze ab, u n d die basalen Teile verholzen z u Wurzeldornen (Abb. 74). B e i e p i p h y t i s c h e n
Morphologie
3«
O r c h i d e e n u n d A r a c e e n bilden die Luftwurzeln ein dichtes korbartiges Geflecht, das als Humusbehälter dient. Einige Ernährungsspezialisten, z. B. C o r a l l i o r r h i z a und auch die epiphytische T i l l a n d s i a u s n e o i d e s , die in den Tropen nicht nur als flechtenähnliche Gebilde ganze Urwaldbäume überziehen (Abb. 75, s. Tafel I), sondern sogar auf Laternenpfählen und Leitungsdrähten wachsen, besitzen keine Wurzeln. Bei der Tillandsia sind die Wurzeln als Aufnahmeorgane durch b l a t t s t ä n d i g e S c h u p p e n h a a r e ersetzt, durch welche die Pflanze Wasser- und Nährsalze aufzunehmen vermag. In ähnlicherWeise vermag auch das B l a t t im Dienste sekundärer Funktionen Metamorphosen einzugehen. 2. Metamorphose des Blattes Die Ausbildung von Jugendblättern läßt die Plastizität der Blattform und ihre Abhängigkeit von i n n e r e n Entwicklungsbedingungen der Pflanze erkennen. In einzelnen Fällen können auch Außenbedingungen einen entscheidenden morphogenetischen Einfluß auf die Blätter ausüben. So entstehen beim P f e i l k r a u t unter dem E i n f l u ß geringer Lichtintensitäten schmale bandförmige Blätter. Mit steigender Lichtintensität nehmen die neugebildeten B l ä t t e r zunächst eiförmige, später die typische pfeilförmige Gestalt an. Die W i e s e n g l o c k e n b l u m e entwickelt bei schwacher Beleuchtung rundliche, bei hoher Lichtintensität dagegen schmal-lanzettliche Blattspreiten.
Es kann daher nicht verwundern, daß das Blatt mit der Übernahme besonderer Funktionen einer morphologischen Metamorphose unterliegt.
A b b . 76. L a t h y r u s aphaca. Blattranke
A b b . 77.
R a n k e n d e Blattstiele, a Solanum jasminoides. scandens. ( N a c h Pfeffer)
b Maurandia
a) Blattranke. Mit fortschreitender Reduktion der Blattspreite bis auf die Mittelrippe kann diese in eine Ranke umgewandelt werden (Lathyrus aphaca, Cobaea scandens, Abb. 76). Auch der B l a t t s t i e l , wie Solanum jasminoides und Maurandia scandens zeigen, kann zum Ranken befähigt werden (Abb. 77). b) Blattdornen. Zu Dornen werden die Blätter der L a n g t r i e b e v o n B e r b e r i s (Abb. 78a). Dieselbe Umbildung zeigen die N e b e n b l ä t t e r v o n R o b i n i a p s e u d a c a c i a (Abb. 78b) und einigen südamerikanischen A c a c i a - A r t e n . c) Wasserblätter. F u n k t i o n u n d ä u ß e r e F o r m v o n W u r z e l n haben die Wasserblätter von Salvinia natans (Abb. 79) übernommen.
Metamorphosen
39
d) Phyllodien. A n einigen neuholländischen A k a z i e n sind die Blattspreiten stark reduziert, und die blattartig verbreiterten Blattstiele (Phyllodien) übernehmen die F u n k t i o n der Spreite. Möglicherweise leiten sich die B l ä t t e r der Monokotylen v o n solchen Phyllodien der D i k o t y l e n ab.
sc.tmbl
A b b . 78 a. B e r b e r í s . (bid) B l a t t d o r n e n
A b b . 78 b. R o b i n i e . (nbl) N e b e n b l ä t t e r
A b b . 79. S a l v i n i a n a t a n s . (schwbl) S c h w i m m b l ä t t e r ; (ivbl) W a s s e r b l ä t t e r (sp) S p o r o k a r p i e n
A b b . 80 b.
A b b . 80 a.
A b b . 80 a.
Nepenthes. (k) K a n n e ; (st) (blgr) B l a t t g r u n d ; (d) D e c k e l
Blattstiel;
A b b . 80 b. D i s c h i d i a . 1 : (Ibt) L a u b b l ä t t e r ; (kbt) K a n n e n blätter. 2 : K a n n e n b l a t t a u f g e s c h n i t t e n , (w) W u r z e l ; (ö) Ö f f n u n g ; (st) S t i e l . ( N a c h Schürfeld).
e) Kannenblätter. Weitgehend spezialisiert u n d daher in der F o r m k a u m noch als B l a t t erkennbar sind die dem Tierfang dienenden Kannen des tropischen E p i p h y t e n Nepenthes (Abb. 80 a). A u f den verbreiterten B l a t t g r u n d folgt der Blattstiel, an dem eine Blattspreite in Form einer krugförmigen K a n n e hängt. A u c h D i s c h i d i a (Abb. 80 b) und S a r r a c e n i a bilden derartige K a n n e n aus, die indes in keiner Beziehung z u m Tierf a n g stehen. W o h l aber ist dies bei den zu Fangblasen metamorphosierten Blättern von U t r i c u l a r i a , dem Wasserschlauch unserer heimischen Gewässer, der F a l l (Abb. 81).
Morphologie
40-
A m b e d e u t u n g s v o l l s t e n u n d allgemein v e r b r e i t e t v o n einer b e s t i m m t e n E n t w i c k l u n g s h ö h e a b ist in V e r b i n d u n g m i t der A u s b i l d u n g v o n Sporangien auf B l a t t s p r e i t e n die U m w a n d l u n g der B l ä t t e r in S p o r o p h y l l e .
A b b . 81 A. (bl) Fangblasen.
Utricularia. (Nach Schenck)
A b b . 82.
A b b . 83 A. A b b . 82.
A b b . 81 B. Fangblase im Längsschnitt. (kl) Klappe. Vergr. 25. (Nach Goebel)
A b b . 83 B.
A b b . 83 C.
Schwärmsporenbildung bei Ulothrix
A b b . 83 A Sporangium einer Braunalge m i t einzelner Schwärmspore. (a) A u g e n f l e c k ; (ehr) Chromatop'hor. (Nach Kuckuck) —• A b b . 83 B. Vaucheria sessilis. (sp) Spore; (spg) Sporangium. (Nach Götz) — A b b . 83 C. Sporangium eines Schimmelpilzes, (c) Columella; (sp) Sporen; (tr) Sporangienträger
f) Sporophylle. I m Dienste einer raschen u n d ausgiebigen V e r m e h r u n g finden w i r schon bei den e n t w i c k l u n g s g e s c h i c h t l i c h niedrigstehenden G r ü n a l g e n die b e m e r k e n s w e r t e E r s c h e i n u n g , d a ß der I n h a l t einer einzelnen Zelle unter K e r n - u n d P l a s m a t e i l u n g in eine A n z a h l kleiner, z u m T e i l begeißelter u n d b e w e g l i c h e r oder a u c h geißelloser u n b e w e g licher Zellen zerfällt, die n a c h Verlassen der Mutterzelle z u selbständigen P f l ä n z c h e n a u s w a c h s e n . Diese Tochterzellen w e r d e n als Sporen, ihre Mutterzelle wird als S p o r a n gium bezeichnet ( A b b . 82). Mit steigender E n t w i c k l u n g s h ö h e u n d D i f f e r e n z i e r u n g der P f l a n z e n rücken diese Sporangien b e v o r z u g t an das E n d e der f ä d i g oder f l ä c h i g ausgebildeten T h a l l i (Abb. 83). B e i n i e d e r e n P i l z e n e n t w i c k e l n sich die Sporangien auf gesonderten S p o r a n g i e n t r ä g e r n ( A b b . 84). B e i h ö h e r e n P i l z e n n e h m e n die S p o r a n g i e n z u m Teil eine
Metamorphosen
4.x
eigenartige, f ü r die Pilzgruppe charakteristische F o r m an. D i e M o o s e entwickeln ihre Sporangien in den sogenannten Mooskapseln (Abb. 85), und bei den folgenden P t e r i d o p h y t e n mit ihrer Sonderung des K o r m u s in Sproß und Blätter r ü c k e n d i e S p o r a n g i e n a u f d i e B l ä t t e r . Im einfachsten F a l l behalten die Blätter ihre assimilatorische T ä t i g k e i t und ihre normale L a u b b l a t t f o r m bei ( z . B . Hirschzunge, A b b . 86 A). V i e l f a c h t r i t t ^
k
—
A b b . 84. Sporangien höherer Pilze. A: Trüffel (nach Tulasne)\ (h) H y p h e n ; (a) Sporangium; (sp) S p o r e ; (r) Rinde. B: Hallimasch, (sp) Spore; (k) Kerne; (si) Sterigmen (Stielchen). (Nach Ruhland). C: Sporen eines Rostpilzes, (k) Kern.
a b e r e i n e D i f f e r e n z i e r u n g in s p o r a n g i e n f r e i e g r ü n e L a u b - u n d in n i c h t s e l t e n a u s b l e i c h e n d e , s p o r a n g i e n t r a g e n d e B l ä t t e r a b w e i c h e n d e r F o r m ein (Botryc h i u m , A b b . 86 C, E q u i s e t u m ) . Diese s p o r a n g i e n t r a g e n d e n B l ä t t e r werden als Sporophylle b e z e i c h n e t . Mit aufsteigender E n t w i c k l u n g vermindert sich die auf ein B l a t t entfallende A n z a h l der Sporangien ( L y c o p o d i u m , A b b . 86 E). Schließlich setzt eine außerordentlich bedeutungsvolle g e s c h l e c h t l i c h e D i f f e r e n z i e r u n g der Sporen insofern ein, als aus den g r ö ß e r e n S p o r e n nur mehr Gebilde mit w e i b l i c h e n , aus den k l e i n e r e n solche mit m ä n n l i c h e n F o r t p f l a n z u n - g s o r g a n e n entstehen. Diese geschlechtliche Differenzierung greift auch auf die S p o r a n g i e n über: die großen weiblichen Sporen entstehen in sogenannten Makrosporangien, die kleinen m ä n n l i c h e n Sporen in Mikrosporangien. Dabei A b b . 85. Mooskapsel. drängt die E n t w i c k l u n g auf die B i l d u n g zahlreicher kleiner (ah) Haube; (w) KapselMikrosporen (rj) und weniger, aber entsprechend vergrößerter w a n d ; (sp) Sporen; (coy Makrosporen ($) ( S e l a g i n e l l a (Abb. 87^4, B, C). Auf diesem Säule (Columella) Entwicklungsstadium wird auch die F o r m d e s S p o r o p h y l l s in die geschlechtliche Differenzierung einbezogen" Makro- u n d Mikrosporangien e n t stehen getrennt voneinander auf Makro- bzw. Mikrosporophyllen. B e i den S a m e n f a r n e n treten d r e i w e i t e r e wichtige Änderungen a u f : 1. Die Makrospore l ö s t s i c h nach ihrer völligen Ausbildung n i c h t mehr v o m Sporop h y l l ab. 2. Die E n t w i c k l u n g der geschlechtlichen Generation bis zur Ausbildung der S e x u a l organe vollzieht sich im Innern der g e s c h l o s s e n e n S p o r e n .
42
Morphologie
3. Das Sporangium wird von b e c h e r a r t i g e n H ü l l e n , (Integumenten), umgeben ( L y g i n o d e n d r o n , Abb. 88).
A b b . 86 A.
den
Samenhäuten
Hirschzunge. Sporophylle m i t länglichen Sori (s). (Nach Schenck)
A b b . 86 B. Schnitt durch einen Farnsorus. (sp) Sporangium; (schl) Schleier A b b . 86 C.
Botrychium (i) L a u b b l a t t ;
lunaria. (sp) Sporophyll; (spg) Sporangien
A b b . 86 B.
A b b . 86 A.
A b b . 86 C.
Schon bei den P t e r i d o p h y t e n treten die Sporophylle in besonderen fertilen Sprossen zu Sporophyllständen zusammen. Diese nennt man Blüten. So entsprechen die Sporophyllstände von Bärlapp (Abb. 93) und Equisetum (Abb. 94) der einfachsten Blüte. A b b . 86 D.
Bei den G y m n o s p e r m e n geht die geschlechtliche Sonderung noch einen Schritt weiter: die Mikrosporophylle treten zu männlichen Blüten, die Makrosporophylle zu
A b b . 86 D. Sporophyll des Schachtelhalms (Equisetum) Spy
weiblichen Blüten zusammen.
Da-
bei weichen auch die Sporophyllformen der geschlechtlichen AntiA b b . 86 E. poden mehr und mehr voneinander ab. Die Mikrosporophylle sind im einzelnen noch sehr mannigfaltig gestaltet (Cycadeen, Pinus, Juniperus usw., Abb. 89^, 90 A, 95 A). Auch das Makrosporophyll zeigt noch recht verschiedene Formen (Cycas, Pinus, Juniperus, Abb. 89 B, 90 B, 95 B). B e d e u t u n g s v o l l w i r d das Heraus^ r ü c k e n der M a k r o s p o r a n g i e n bei C y c a d e e n an den R a n d des S p o r o p h v l l s (Abb. 89 B). A b b . 86 E. Sporophyll des Bärlapps (Lycopodium)
Metamorphosen
43
Von dem C y c a d e e n f r u c h t b l a t t führt ein einfacher Weg zur höchsten Entwicklung des Makrosporophylls bei den A n g i o s p e r m e n . Das Makrosporophyll ist hier ein grünes herzlanzettförmiges Blättchen mit ^ zahlreichen Makrosporangien an
A b b . 87. A Mikrosporophyll;
Sporophylle v o n
Selaginella.
Ii Makrosporophyll; C Makrosporangium geöffnet m i t 4 Makrosporen
A b b . 88. Lyginodendron. (MK) P o l l e n k a m m e r ; (J) Int e g u m e n t ; (C) Becher
A b b . 89 A. v o n Cycas.
(.spg)
Mikrosporophyll (sp) S p o r o p h y l l ; Sporangium
A b b . 89 B. Makrosporophyll (Fruchtb l a t t ) v o n Cycas revoluta. (sp) Sporop h y l l ; (spg) Makrosporangium
den freien Blatträndern. Im Gegensatz zu den Gymnospermen ( N a c k t s a m i g e ) v e r wachsen diese B l a t t r ä n d e r bei den A n g i o s p e r m e n und schließen sich zum Fruchtknoten (Abb. 91 B) z u s a m m e n , der nun die Makrosporangien (Samenanlagen) völlig bedeckt ( B e d e c k t s a m i g e , A n g i o s p e r m e n ) . (Einzelheiten über den Bau der Fruchtblätter vgl. S. 48).
Morphologie
44
Auch das M i k r o s p o r o p h y l l macht bei den Angiospermen wesentliche Formveränderungen durch. Der basale Blatteil wird schmal, fadenförmig, zum Filament ausgezogen; auf dem Spitzenteil entwickeln sich v i e r M i k r o s p o r a n g i e n (Pollensäcke). Je zwei von ihnen sind zur Theka vereinigt. Die beiden Theken sind durch ein längslaufendes Konnektiv verbunden und bilden zusammen die Anthere. Das Mikrosporophyll wird als Staubblatt (Stamen) bezeichnet, während die Mikrosporen nunmehr Pollenkörner genannt werden.
Abb. 90 A.
Abb. 90 B.
Abb. 91 A.
Abb. 91 B.
Abb. 90 A Mikrosporophyll (Staubblatt der Waldkiefer). (sp) Sporophyll; (ps) Pollensack (Sporangium)
Abb. 91 A. Mikrosporophyll (Staubblatt) der Angiospermen. (a) Anthere; (k) Konnektiv; (/) Filament
Abb. 9 0 S . Makrosporophyll (Fruchtblatt) der Waldkiefer von oben gesehen, (fr) Fruchtblatt; (so) Samenanlagen
Abb. 91 B. Angiospermenfruchtblatt zum Fruchtknoten geschlossen, (p) Ansatzstelle der Samenanlagen (Plazenta)
Bei der Reife platzen die Pollensäcke auf und entlassen die Pollenkörner, deren Weiterentwicklung sich nur auf besonderen Bestäubungsstellen des Fruchtknotens, den gewöhnlich endständigen Narben, vollziehen kann. Je nach Art des Pollentransports nehmen Staubblätter und Antheren recht unterschiedliche Formen an (vgl. hierzu S. 48). 3. Metamorphosen des Sprosses Die bedeutungsvollste Sproßmetamorphose stellt die Blüte dar. Sie ist ein Kurztrieb, der metamorphosierte Blätter, nämlich Hochblätter und Sporophylle, trägt. Die B l ü t e Im Dienste der Ausbildung von Fortpflanzungsorganen sind sowohl Sproßachse wie auch besonders die Blätter einer weitgehenden Metamorphose unterworfen worden. Die Sproßachse hat insofern eine grundlegende Veränderung erfahren, als sie nach Ausbildung der Blätter einer Vegetationsperiode ihr W a c h s t u m f ü r immer e i n s t e l l t ; der Sproßvegetationskegel wird beim Aufbau der jüngsten Blätter aufgebraucht. Nur ausnahmsweise bleibt er funktionstüchtig und setzt nach erfolgter Fruchtbildung das Sproßsystem fort (Ananas, Abb. 92). Die B l ä t t e r des im Wachstum begrenzten Blütensprosses haben ihren Laubblattcharakter verloren. Schon das D e c k b l a t t , in dessen Achsel die Blüte entspringt, ist ein H o c h b l a t t , und auch die blütenbürtigen Blätter selbst sind entweder H o c h b l ä t t e r oder S p o r o p h y l l e . Wesentlich für die Blüte sind nur die letzteren. Entwicklungsgeschichtlich treten die ersten Blüten bereits schon bei den Pteridophyten auf. Die p r i m i t i v s t e B l ü t e dieser Art ist der S p o r o p h y l l s t a n d des B ä r l a p p s : an einer Sproßachse stehen in dichter Folge die kurz gestielten S p o r o p h y l l e , die an der Basis ihrer Oberseite das Sporangium tragen (Abb. 86E und 93). Auch die S p o r o p h y l l s t ä n d e des S c h a c h t e l h a l m s (Abb. 94) sind nach unserer Definition Blüten. Hier haben
Metamorphosen
45
die Sporophylle selbst schon im Dienste der Sporenbildung eine bedeutsame g e s t a l t l i c h e U m w a n d l u n g erfahren. Eine W e i t e r e n t w i c k l u n g in der R i c h t u n g auf den Blütenb a u der höher entwickelten P f l a n z e n z u stellt der S p o r o p h y l l s t a n d v o n S e l a g i n e l l a d a r . Hier t r ä g t die Blütenachse in vier Reihen gemischt M a k r o - u n d M i k r o s p o r o p h y l l e ; an der Basis der A c h s e befinden sich in F o r m v o n Hüllblättern einige sterile Sporophylle. D u r c h d i e g e s c h l e c h t l i c h e D i f f e r e n z i e r u n g d e r S p o r e n leitet
A b b . 92. Ananasirucht
A b b . 93. B ä r l a p p . (bl) S p o r o p h y l l s t a n d ; (vs) v e g e t a t i v e
Sprosse
A b b . 94. Sporop h y l l s t a n d des Schachtelhalms ; (.bl) Sporophyllstand ( B l ü t e )
Selaginella z u den Blüten der eigentlichen B l ü t e n p f l a n z e n ( A n t h o p h y t e n ) über. Diese geschlechtliche Differenzierung ist eines der wesentlichen Merkmale der höher entwickelten Blüte. Sie kompliziert die F o r t p f l a n z u n g insofern, als sowohl männliche wie weibliche Sporen für sich allein u n f ä h i g zur W e i t e r e n t w i c k l u n g bis z u m Sporophyten sind. Eine solche ist vielmehr erst möglich, wenn differenzierte Zellen (Sexualzellen) beider Sporengeschlechter sich vereinigen ( B e f r u c h t u n g v g l . S. 70 und 81). A u f die Sicherstellung der Ü b e r t r a g u n g der beweglichen Mikrosporen (Pollen) auf die Samenanlagen, die bei den höheren F o r m e n nicht m e h r das Wasser als verbindendes Medium vermittelt, sondern W i n d und Tieren anheimgegeben ist, zielen die wesentlichen morphologischen Merkmale der Blüten ab. B e i den Gymnospermen sind im allgemeinen Mikro- u n d Makrosporophylle, hier bereits als S t a u b - u n d F r u c h t b l ä t t e r bezeichnet, in getrennten Blüten bzw. Blütenständen untergebracht. Z u r näheren Beschreibung mögen die Blütenverhältnisse des Wacholders dienen. Die m ä n n l i c h e B l ü t e (Abb. 95 A ) besitzt eine zapfenartige G e s t a l t ; die Sproßachse t r ä g t an ihrer Basis eine die B l ü t e n k n o s p e schützende Hülle steriler Blätter, die als P e r i a n t h (Blütenhülle) bezeichnet wird. Darauf folgen in spiraliger A n o r d n u n g gedrängt die M i k r o s p o r o p h y l l e , an deren Unterseite mehrere M i k r o s p o r a n g i e n ( P o l l e n s ä c k e ) hängen. Die weibliche B l ü t e ( A b b . 9 5 ß ) bildet ebenfalls einen kurzen Sproß mit basalen S c h u p p e n b l ä t t e r n u n d drei endständigen Makrosporophyllen.
46
Morphologie
Bei K i e f e r , T a n n e , F i c h t e und anderen Gymnospermen entspricht der weibliche Zapfen einem B l ü t e n s t a n d (Abb. 96). Die Zapfenachse ist hier besetzt mit H o c h blättern, den D e c k s c h u p p e n , in deren Achseln die Blüten als scheinbar einsporophyllige Sprosse stehen. Die Achse des Blütensprosses ist verkürzt. Die aus der Blütenachse hervorgegangene F r u c h t s c h u p p e hat zwei ursprüngliche Sporophylle mit je einer nackten Samenanlage aufgenommen, die den u m eine doppelte Hülle ( I n t e g u m e n t ) bereicherten Makrosporangien der Pteridophyten entsprechen (Abb. 90). Die Gymnospermenblüte ist somit gekennzeichnet durch v
A b b . 95 A.
A b b . 95 B.
A b b . 96 A.
A b b . 95-4. Männliche Blüte des Wacholders. (s/>)Mikrosporophyll; (spg) Mikrosporangium; (seh.) Blütenhülle A b b . 95 B. Weibliche
Blüte des Wacholders,
(s)
Samenanlage;
(fr)
Fruchtblatt;
(b)
Blütenhüllblatt
A b b . 96.4. Männliche Blüte der Kiefer. A n einer gestreckten Blütenachse stehen die Mikrosporophyllc in spiraligcr A n o r d n u n g (Nach Strasburger)
A b b . 96 B. Weiblicher B l ü t e n s t a n d der Fichte. (sp) Makrosporophyll (Fruchtschuppe)
A b b . 97. F r u c h t s t a n d der Magnolie m i t spiraliger A n o r d n u n g der apokarpen Fruchtknoten
1. eine v e r l ä n g e r t e B l ü t e n a c h s e , 2. meist s p i r a l i g e Anordnung der Sporophylle, 3. n a c k t e Samenanlagen, 4. eine noch u n s c h e i n b a r e Blütenhülle (an der Basis der Blüte) und 5. G e t r e n n t g e s c h l e c h t l i c h k e i t . A b e r erst bei den Angiospermen tritt die ganze Mannigfaltigkeit des Blütenbaus mit den oft geradezu raffinierten Anpassungen an bestimmte Übertragungsweisen des Pollens in Erscheinung. T y p i s c h f ü r die Angiospermen ist die z w i t t r i g e B l ü t e , d. h. Staub- und F r u c h t b l ä t t e r treten an derselben Blütenachse auf. Die Blütenachse ist bei
Metamorphosen
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primitiven Angiospermen zum Teil noch als ± lange Sporophyllachse erhalten. So zeigen M a g n o l i e , M y o s u r u s u. a. noch einen z a p f e n f ö r m i g e n S p o r o p h y l l s t a n d , der an seiner Basis spiralig eingeordnet die Staubblätter, in höheren Lagen die Fruchtblätter trägt (Abb. 97). Höher entwickelte Formen zeigen eine fortschreitende V e r k ü r z u n g der Sporophyllachse, die sich am Ende vielfach zu einem B l ü t e n b o d e n verbreitert, an dem die Sporophylle oft in Kreisen angeordnet sind.
A b b . 98 A. Schema der Angiospermenblüte. (a) Blütenachse; (b) Blütenboden; (fe) Kelchblätter; (bl) B l ü t e n b l ä t t e r ; ^ ) S t a u b b l ä t t e r ; ( » F r u c h t b l ä t t e r
A b b . 98 B. Blütenschema. Blütenachse gestreckt. (o) Achse; (K) K e l c h ; (C) Blumenkrone; (A) Staubblattkreis; (G) Fruchtblattkreis (Fruchtknoten)
Als u n t e r s t e n B l a t t k r e i s (Abb. 98) entwickelt die Blüte den Kelch. Er besteht aus gewöhnlich grün gefärbten Hochblättern, deren Abstammung von Laubblättern gelegentlich noch an der Ausbildung einer reduzierten Blattspreite in Erscheinung tritt. Dem Kelch fällt im allgemeinen der S c h u t z der inneren Blütenorgane zu, besonders im Knospenzustand (Mohn). Seltener übernimmt der Kelch aber zur UnterA b b . 99. Übergang v o n Blüten- in Staubblätter stützung einer unscheinbaren Blumenkrone selbst Aussehen und Funktion eines S c h a u a p p a r a t e s (Kreuzblume, Akelei). Über dem Kelch steht ein Kranz (Krone, Corolle) von gewöhnlich lebhaft gefärbten Blütenblättern ( P e t a l e n ) , die in den meisten Fällen aus steril gewordenen Staubblättern hervorgegangen sind, wie man an gelegentlich auftretenden Ü b e r g a n g s f o r m e n zwischen beiden Blattypen noch deutlich erkennen kann (Abb. 99). Die lebhafte F ä r b u n g der Petalen dient in vielen Fällen der A n l o c k u n g von bestäubenden Insekten und ist daher bèi entomophilen Blüten besonders auffällig. Von unerschöpflicher Mannigfaltigkeit ist die F o r m der Blütenblätter, die entweder alle getrennt am Blütenboden ansetzen ( C h o r i p e t a l e n ) oder wenigstens mit ihren basalen Rändern verwachsen sind ( S y m p e t a l e n ) . In beiden Fällen haben sich einige natürliche V e r w a n d t s c h a f t s k r e i s e mit besonders charakteristischen Blütentypen wie die der O r c h i d e e n - , S c h m e t t e r l i n g s - und L i p p e n b l ü t l e r ent-
Morphologie
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•wickelt. Bei windblütigen ( a n e m o p h i l e n ) Formen ist die Krone häufig zurückgebildet (Kätzchenblüher). Kelch und Blumenkrone bilden das Perianth der Blüte. Sind die Blätter beider Kreise gleich geformt und gefärbt, so spricht man von einem Perigon. Auf die Blütenblätter folgen die Staubblattkreise ( A n d r o e c e u m ) . Die verschiedene Verbreitungsart des Pollens hat zu mannigfachen Bauvariationen geführt. Die Abb. ioo> gibt eine Vorstellung von einigen wichtigen Formen und deutet auch die verschiedenen Öffnungsmechanismen der Pollensäcke an.
Abb. 100.
Staubblattformen.
(p) Pollinium (bei Orchideen); (k) Klebscheibe
Abb. IOI. Fruchtknoten, i : Apokarper Frucht¡knoten; 2: Coenokarper Fruchtknoten; 3 : Griffel. (g) Griffel; Narbe (n); ( / ) Fruchtknoten. (Nach Berg u. Schmidt)
Abb. 102. Plazentation. (pl) Plazenta; (sa) Samenanlage
Verliert das Staubblatt die Fähigkeit zur Pollenbildung, so spricht man von einem S t a m i n o d i u m . In den g e f ü l l t e n B l ü t e n sind die Staubblätter zum Teil oder vollzählig in Blütenblätter übergegangen. Die Fruchtblätter. Den Abschluß der zwittrigen Blüte bildet der Kranz,der Fruchtblätter, das G y n a e c e u m . Verwachsen die Ränder desselben Fruchtblattes miteinander, so entsteht der a p o k a r p e Fruchtknoten (AJjb. 1 0 1 , J) ; tritt zwischen den Rändern b e n a c h b a r t e r Fruchtblätter Verwachsung ein, so kommt ein einheitlicher c o e n o k a r p e r Fruchtknoten zustande (Abb. 1 0 1 , 2). Die Samenanlagen sitzen im allgemeinen a n den Blatträndern, sie liegen daher beim apokarpen Fruchtknoten in 2 Reihen entlang der Ränder- oder B a u c h n a h t . Die R ü c k e n n a h t entspricht der M i t t e l r i p p e -des Blattes und ist frei von Samenknospen. Vielfach setzen die Samenanlagen auf i kräftigen Wucherungen des Sporophylls an, der sogenannten P l a z e n t a . Ragen diese Plazenten nur als s e i c h t e L e i s t e n in den zentralen Fruchtknotenraum vor, so nennt man diese Art der Verteilung der Samenanlagen p a r i e t a l (wandständig) (Abb. 1 0 2 , 1 ) .
Metamorphosen
49
Ihr steht die z e n t r a l w i n k e l s t ä n d i g e gegenüber, die dadurch zustande kommt, daß die Karpellränder bis zur M i t t e des Fruchtknotenraumes vordringen, so daß eine F ä c h e r u n g des Innenraumes eintritt, wobei Plazenten und Samenanlagen nach den
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K, st < ,
Abb. 103. Entwicklung der Blüte, (v) Sproßvegetationspunkt; bis Kt) Kelchblätter; blätter; ([st) Staubblätter; (/r) Fruchtknoten. (Nach Payer.)
(C l t C^) Blumen-
zentralen Winkelräumen abgedrängt werden (Abb. 102, 2). Nach oben können die Fruchtblätter in einen sterilen Fortsatz, den G r i f f e l , übergehen, an dessen Ende die mannigfaltig geformte N a r b e , das Aufnahmeorgan für die Pollenkörner, liegt. Ihrer Funktion entsprechend ist sie an der Oberfläche mit papillösen, eine klebrige Flüssigkeit aussondernden Zellen besetzt (Abb. 1 0 1 , 3). Die typische Angiospermenblüte baut sich somit aus 5 K r e i s e n oder Blattwirteln auf: K e l c h , K r o n e , ä u ß e r e r und i n n e r e r S t a u b b l a t t k r e i s und F r u c h t b l a t t k r e i s (pentazyklisch). Durch Reduktion kann dieser Aufbau vereinfacht werden: so kann bald Kelch oder Kronenblattkreis, bald auch ein Staubblattkreis verschwinden (tetrazyklische Blüte). Abb. 103 zeigt die zeitliche Entwicklungsfolge der einzelnen Blütenteile. Die Blütenachse. Hat die Blütenachse ihre ursprüngliche kegelförmige Gestalt beibehalten, so bildet der Fruchtknoten den Abschluß der Blüte nach oben, die übrigen Blattkreise der Blüte stehen u n t e r ihm, er selbst ist o b e r s t ä n d i g . Flacht sich Abb. 104. Stellung des Fruchtknotens. die Achse aber zu einem t e l l e r f ö r m i g e n Blüten- 1 : oberständig; 2 u. 3: mittelständig; 4: unterständig boden ab, oder zeigt sie eine s c h ü s s e l - oder k r u g f ö r m i g e Vertiefung, in deren Grund der Fruchtknoten sitzt, so nennt man diesen m i t t e l s t ä n d i g . Schließt sich diese Vertiefung an den oberen Rändern des Blütenbodens, so daß nur mehr Griffel und Narbe des Fruchtknotens sichtbar bleiben, so bezeichnet man diese Lage des Fruchtknotens als u n t e r s t ä n d i g (Abb. 104). W e t z e l , Grundlagen der allgemeinen Botanik.
4
50
Morphologie
Blütendiagramm. Anzahl und B a u der einzelnen Blütenorgane sowie deren Lage gegeneinander sind außerordentlich s t a b i l e und daher füV'die systematische Stellung der Pflanze eindeutig c h a r a k t e r i s t i s c h e M e r k m a l e , die allen äußeren und inneren Einflüssen gegenüber weitgehend ihre Organisation beibehalten. Der Blütenbau ist daher das wichtigste systematische Merkmal einer Pflanze. Zur erleichterten Blütenübersicht bedient man sich der sogenannten B l ü t e n d i a g r a m m e , d. s. Grundrißzeichnungen der Blüten. Dabei wird die Blüte so orientiert, daß die Abstammungsachse nach oben, das Deckblatt nach unten zu liegen kommt. Abb. 105 zeigt Diagramme einer pentazyklischen Mono-(A) und Dikotylenblüte (B). Aus ihnen wird ersichtlich, daß in der Regel die Glieder der folgenden Kreise auf Lücke der vorangehenden stehen (alternieren).
Abb. 105. Blütendiagramme. A. Monokotylenblüte, B. Dikotylenblüte
Abb. 106 A. Strahlige Blüte (Mohn)
Abb. 106 B. Zygomorphe Blüte (Eisenhut)
Symmetrie Verhältnisse. Sind jeweils alle Glieder eines Blütenkreises g l e i c h g e s t a l t e t und g l e i c h m ä ß i g um die Achse verteilt, so entsteht eine r e g e l m ä ß i g e , s t r a h l i g e Blüte (aktinomorph), die mehrere Symmetrieebenen besitzt (Abb. 106A). Dagegen weist die z y g o m o r p h e Blüte nur mehr e i n e Symmetrieebene auf (Abb. 10623). Völlig a s y m m e t r i s c h e Blüten sind relativ selten (Roßkastanie, Canna indica). Blütenformel. Man bezeichnet Kelch = K ; Krone = C; Perianth = P ; Androeceum = A; Gynoeceum = G, wobei ( ) = verwachsen, G = unterständiger, G = oberständiger Fruchtknoten bedeutet. Zum Beispiel: G e r a n i u m K 5 C 5 A 5 + 5 G (5). Tulpe P 3 + 3 A 3 + 3 Q (3). Zur C h a r a k t e r i s i e r u n g d e r B l ü t e n sind weiterhin die folgenden Merkmale bedeutungsvoll: 1. B l ü t e n h ü l l e f e h l e n d : Blüte nackt ( a c h l a m y d e i s c h ) . 2. H ü l l b l a t t k r e i s v o r h a n d e n : a) Blütenhülle e i n f a c h ( m o n o c h l a m y d e i s c h ) . b) z w e i Hüllblattkreise vorhanden: (heterochlamydeisch). 3. Staubblätter in 2 K r e i s e n : d i p l o s t e m o n (den Krön blättern opponiert: obdiplostemon). 4. Staubblätter in 1 K r e i s : h a p l o s t e m o n . 5. Nur e i n e Art Sporophyll in der B l ü t e : e i n g e s c h l e c h t l i c h ( d i k l i n ) , und zwar mit Staubblättern m ä n n l i c h (¿J), mit Fruchtknoten w e i b l i c h ($). 6. Verschieden geschlechtliche Sporophylle in e i n e r B l ü t e : z w i t t r i g . I m einzelnen kann d i e ' V e r t e i l u n g d e r v e r s c h i e d e n geschlechtlichen Blüten sehr mannigfaltig sein:
.Metamorphosen
51
A . N u r z w e i g e s c h l e c h t l i c h e Blüten vorhanden: z w i t t r i g . B . N u r e i n g e s c h l e c h t l i c h e Blüten treibend: a) Blüten beiderlei Geschlechts auf e i n e r P f l a n z e : m o n ö z i s c h . b) auf einer P f l a n z e nur männliche oder nur weibliche B l ü t e n : d i ö z i s c h . C. E s werden eingeschlechtliche und zwittrige Blüten gebildet ( P o l y g a m i e ) a) auf e i n e r P f l a n z e : z w i t t r i g e u n d m ä n n l i c h e Blüten: A n d r o m o n ö z i e , z w i t t r i g e u n d w e i b l i c h e Blüten: G y n ä m o n ö z i e . b) auf v e r s c h i e d e n e n P f l a n z e n : zwittrige und männliche P f l a n z e n : Androdiözie, zwittrige und weibliche Pflanzen: Gynädiözie. F u n k t i o n e l l wird eine Geschlechtertrennung auch in Z w i t t e r b l ü t e n durch u n g l e i c h z e i t i g e geschlechtliche Reife der Staub- und Fruchtblätter erreicht (Dichogamie). S t a u b b l ä t t e r reifen v o r den F r u c h t b l ä t t e r n : P r o t a n d r i e (Glockenblumen). F r u c h t b l ä t t e r reifen v o r den S t a u b b l ä t t e r n : P r o t o g y n i e (Wegerich). 7. S t e l l u n g d e r F r u c h t k n o t e n : o b e r - , m i t t e l - , u n t e r s t ä n d i g . 8. S t e l l u n g d e r B l ä t t e r a n d e r B l ü t e n a c h s e : s p i r a l i g , wirtelig. 9. S y m m e t r i e v e r h ä l t n i s s e : a k t i n o m o r p h ( s t r a h l i g ) , z y g o m o r p h (einseitig symmetrisch), a s y m m e t r i s c h (unregelmäßig). Blütenstände Die Blüten können e i n z e l n an der P f l a n z e stehen. Schließen sie das W a c h s t u m der Hauptachse ab, so bezeichnet man sie als endständig (Tulpe). Sie können aber auch s e i t l i c h in der Achsel eines Deckblattes (achselständig) stehen. Vielfach, besonders bei kleineren Einzelblüten, tragen ganze Verzweigungssysteme des Sprosses Blüten. Derartige Infloreszenzen zeichnen sich vor v e g e t a t i v e n Sprossen durch die gedrängte Stellung ihrer Seitenachsen, die Vereinfachung der als Deckblätter dienenden Hochblätter sowie das vollständige Austreiben aller Achselknospen (Blüten) aus. A u c h hier lassen sich wieder die beiden H a u p t g r u p p e n der r a z e m ö s e n und z y m ö s e n Verzweigungsformen unterscheiden (vgl. S. 18ff.). S c h e i n b l ü t e n . Pflanzen, die nur unscheinbare Einzelblüten entwickeln, rücken diese in manchen Fällen so zusammen, daß der Blütenstand den E i n d r u c k einer vergrößerten Einzelblüte m a c h t (Scheinblüte). Bei I b e r i s ( S c h l e i f e n b l u m e ) wird das dadurch erreicht, daß die Hauptachse des traubigen Blutenstandes anfangs gestaucht bleibt, so daß die Einzelblüten in eine E b e n e gelangen. W e n n dann die äußersten (untersten) B l ü t e n zuerst aufblühen, ist wenigstens zu Beginn der A n t h e s e das Aussehen einer Einzelblüte nachgeahmt. V o l l k o m m e n e r ist die Scheinblütenbildung schon bei U m b e l l i f e r e n , wo einzelne Blütenblätter der R a n d blüten einer D o l d e ungewöhnlich vergrößert werden ( C o r i a n d e r ) ; A s t r a n t i a h a t die Hochblätter der,, Hülle'' b l u m e n b l a t t a r t i g vergrößert und gefärbt. A m weitesten g e h t die Scheinblütenbildung bei den K o r b b l ü t l e r n , wo die R a n d b l ü t e n entweder flach strahlenförmig sind (Strahlenblütler) oder die röhrigen R a n d blüten zu auffälligen S c h a u a p p a r a t e n umgewandelt sind (Kornblume). A u c h die Hochblätter des Hüllkelches können petaloide Gestalt annehmen (Silberdistel).
B i o l o g i e der
Blüte
Mit der E n t w i c k l u n g von Pollenkörnern und Samenanlagen ist die geschlechtliche F o r t p f l a n z u n g noch nicht sichergestellt. D a z u bedarf es vielmehr eines T r a n s p o r t e s von Pollenkörnern auf die Narben der F r u c h t k n o t e n . E s ist verständlich, d a ß Organisation und Gestalt der B l ü t e sich weitgehend dem Modus der Pollenübertragung angepaßt haben. I m wesentlichen sind z w e i verschiedene Pollenübertragungsweisen in der N a t u r verwirklicht: 4*
52
Morphologie
1. D i e Ü b e r t r a g u n g erfolgt d u r c h d e n W i n d
(Anemophilie).
2. A l s P o l l e n ü b e r t r ä g e r dienen T i e r e , v o r a l l e m I n s e k t e n
(Zoidophilie).
D a n a c h unterscheidet m a n windblütige u n d tier- bzw. insektenblütige P f l a n z e n . D i e erste G r u p p e (die a n e m o p h i l e n P f l a n z e n ) z e i g t eine m e h r oder w e n i g e r e i n h e i t liche T y p i s i e r u n g der B l ü t e , d a g e g e n sind die zoidophilen B l ü t e n e n t s p r e c h e n d der M a n n i g f a l t i g k e i t der O r g a n i s a t i o n ihrer B e s t ä u b e r u n g e m e i n v i e l g e s t a l t i g . Die windblütigen Pflanzen. A u s g e z e i c h n e t sind viele P f l a n z e n dieser G r u p p e d u r c h die a u ß e r o r d e n t l i c h r e i c h l i c h e P r o d u k t i o n v o n B l ü t e n s t a u b (Pollen). Dieser ist so u n t e r g e b r a c h t , d a ß er leicht v o m W i n d e a u s g e s c h ü t t e l t w e r d e n k a n n , w o b e i seine L e i c h t i g k e i t , z u m T e i l a u c h besondere F l u g e i n r i c h t u n g e n (Kiefer) seine V e r b r e i t u n g begünstigen. S o t r a g e n eine A n z a h l unserer heimischen w i n d b l ü t i g e n B ä u m e (Pappel, B u c h e , E i c h e , Hasel, H a i n b u c h e , B i r k e , N u ß , Erle) s c h l a f f e , h e r a b h ä n g e n d e u n d daher leicht b e w e g l i c h e $ B l ü t e n k ä t z c h e n . Die Kiefer prod u z i e r t in z a p f e n a r t i g e n m ä n n l i c h e n B l ü t e n s t ä n d e n eine erstaunliche M e n g e v o n P o l l e n (Schwefelregen). D i e Gräser t r a g e n die A n t h e r e n sehr b e w e g l i c h a n l a n g e n S t a u b f ä d e n aufgehängt. D i e G r i f f e l der w i n d b l ü t i g e n P f l a n z e n sind g e w ö h n l i c h sehr m ä c h t i g e n t w i c k e l t u n d m i t l a n g e n F a n g h a a r e n a u s g e s t a t t e t (Gräser). A u ß e r d e m stehen die S a m e n a n l a g e n b e i unseren w i n d b l ü t i g e n B ä u m e n a n e x p o n i e r t e n Z w e i g e n d e n , die v o n d e n B l ü t e n s t a u b w o l k e n u m so leichter erreicht werden, als die B e s t ä u b u n g s z e i t v o r die E n t w i c k l u n g d e r B l ä t t e r g e r ü c k t ist. I m allgemeinen ist eine Ö f f n u n g der A n t h e r e n a n b e s t i m m t e , d i e P o l l e n v e r b r e i t u n g b e g ü n s t i g e n d e W i t t e r u n g s b e d i n g u n g e n (Sonnenschein, leicht a u s t r o c k nende Winde) gebunden. Die zoidophilen Pflanzen. D i e u r s p r ü n g l i c h e B e s t ä u b u n g s a r t ist w a h r s c h e i n l i c h d i e j e n i g e d u r c h Tiere, besonders d u r c h I n s e k t e n (Zoidophilie b z w . E n t o m o p h i l i e ) . D i e anemophilen B l ü t e n h a b e n sich w a h r s c h e i n l i c h a u s z o i d o p h i l e n e n t w i c k e l t . D i e W e c h s e l b e z i e h u n g e n z w i s c h e n I n s e k t e n u n d B l ü t e n h a t Konrad Sprengel i m J a h r e 1793 e n t d e c k t . D a n a c h b e d e u t e t die g a n z e B l ü t e n p r a c h t unserer s o m m e r l i c h e n W i e s e n u n d M a t t e n n i c h t s anderes als eine festliche E i n l a d u n g z u m I n s e k t e n b e s u c h . D i e T r i e b f e d e r f ü r »den B l ü t e n b e s u c h d e r ( T i e r e liegt n a t ü r l i c h i m N a h r u n g s e r w e r b , sei er auf Pollen oder H o n i g g e r i c h t e t . A l s A n l o c k u n g s m i t t e l dienen l e u c h t e n d e F a r b e n d e r B l ü t e n h ü l l e n , besondere S a f t m a l e , die den W e g n a c h d e m H o n i g b e h ä l t e r weisen, u n d auch m a n c h e r l e i D u f t s t o f f e . D a b e i ist m a n b i s in die n e u e s t e Z e i t hinein v o n d e r n a i v e n A u f f a s s u n g ausgegangen, d a ß d a s F a c e t t e n a u g e der I n s e k t e n die D i n g e n a c h G e s t a l t u n d F a r b e in derselben W e i s e w i e d a s m e n s c h l i c h e A u g e z u e i n e m bleibenden E i n d r u c k v e r m i t t l e . Diese o b e r f l ä c h l i c h e A n n a h m e ist n u n n e u e r d i n g s d u r c h die g r u n d l e g e n d e n U n t e r s u c h u n g e n von Frischs f ü r die w i c h t i g s t e n B e s t ä u b e r , die B i e n e n , korrigiert worden. E s ist e x p e r i m e n t e l l erwiesen, d a ß die B i e n e n die H a u p t b e z i r k e des S p e k t r u m s w o h l z u unterscheiden v e r m ö g e n . D a b e i h a b e n sich die B i e n e n o f f e n s i c h t l i c h schon in die A r b e i t geteilt, denn n e b e n d e n eigentlichen S a m m l e r n g i b t es eine S p e z i a l t r u p p e v o n S u c h e r n , die ihre B e o b a c h t u n g e n d e n S t o c k g e n o s s e n in einer eigenartigen Z e i c h e n s p r a c h e m i t z u t e i l e n v e r m ö g e n . Z w e c k des I n s e k t e n b e s u c h e s ist f ü r die P f l a n z e die B e s t ä u b u n g . D e r H©nig ist in der P f l a n z e so u n t e r g e b r a c h t , d a ß d a s I n s e k t seiner n i c h t h a b h a f t w e r d e n k a n n , ohne eine B e s t ä u b u n g z u vollziehen. D i e honigausscheidenden D r ü s e n ( N e k t a r i e n ) b e f i n d e n sich g e w ö h n l i c h a m G r u n d der B l ü t e , so d a ß S t a u b b e u t e l u n d N a r b e n v o n d e m b e s u c h e n d e n I n s e k t gestreift w e r d e n müssen. I n v i e l e n F ä l l e n w i r d die W a h r s c h e i n l i c h k e i t der B e s t ä u b u n g n o c h d a d u r c h erhöht, d a ß die O r g a n i s a t i o n der B l ü t e d e m B a u g a n z b e s t i m m t e r Insekten angepaßt wird. So wird beim E r d r a u c h , L e r c h e n s p o r n und V e i l c h e n u n d a u c h b e i m a n c h e n O r c h i d e e n ein B l ü t e n b l a t t z u einem k u r z e n s a c k -
53
Metamorphosen
artigen S p o r n ausgebeult. Hier können noch kurzrüßlige Insekten zum Honig gelangen. Den B i e n e n ist der Honig in Spornen bis zu 6,5 mm zugänglich; in längeren Spornen können ihn H u m m e l n noch erreichen ( A k e l e i , R i t t e r s p o r n , O r c h i d e e n ) . Dielängsten Saugorgane besitzen S c h m e t t e r l i n g e , besonders Nachtfalter. Für sie stellen auch die Blumenkronröhren vom K r o k u s , der Wunderblume und die extrem langen Sporne mancher t r o p i s c h e r O r c h i d e e n keine unüberwindlichen Hindernisse dar (Abb. 107). ' v:; 7 Bei der einheimischen W i e s e n s a l b e i ist das S t a u b b l a t t i m Dienst der Bestäubungssicher u n g zu einem merkwürdigen H e b e l m e c h a n i s m u s u m g e w a n d e l t : eine T h e k e ist fertil geblieben, das K o n e k t i v ist staubfadenartig verlängert und bogenförmig aufgespalten. D i e andere Anthere ist zum plattenartigen kurzen H e b e l a r m umgewandelt, der gelenkig m i t dem kurzen Filament verbunden ist. Beim Einkriechen des Insekts in die B l ü t e senkt sich die fertile Anthere am langen K o n e k t i v a s t auf den R ü c k e n des bestäubenden Tieres. Später erst w ä c h s t die N a r b e aus der Oberlippe heraus und s e n k t sich bis an d i e Stelle, zu der in der jungen Blüte das S t a u b b l a t t herabgedrückt werden konnte, so daß die besuchenden Insekten zwangsläufig den Blütenstaub junger B l ü t e n auf die Narben älterer Blüten übertragen. B e i d e n O r c h i d e e n ist der Pollen nicht mehr in geschlossenem Pollenspeicher. E r ist vielmehr zu P o l l e n p a k e t e n ( P o l l i n i e n ) zusammengeklebt, welche auf einem Stielchen m i t K l e b s c h i c h t ruhen, womit sie sich auf dem K o p f besuchender Insekten festsetzen. B e i m Eintrocknen krümmen sie sich vornüber und stehen wie kleine Hörnchen v o m Insektenkopf ab.
A b b . 108. (Seh)
Asclepiadaceenblüte.
Schloß;
(an) A n t h e r e ;
(o) S t a u b b l a t t ; Die
Blütenhülle
(fr)
(unten)
(gr)
(p)
A b b . 107. Langröhrige „ S c h w ä r m e r b l ü t e n " des G e i ß b l a t t s
gr
Griffel;
Pollensack;
Fruchtknoten. ist
zum
Teil
ab-
geschnitten A b b . 108.
In der A s c l e p i a d a c e e n b l ü t e sind Anhängsel benachbarter Pollinien z u einem zweiteiligen S c h l ' o ß verwachsen, das nach außen zwei krallenartige Fortsätze entsendet, zwischen denen eine schmale Fuge^klafft. Die besuchenden Insekten suchen gerade hier in der sonst sehr glatten B l ü t e Halt. D a b e i legen sich die Schlösser wie F u ß a n g e l n um die greifenden Insektenbeine, die beim A b f l u g die Pollinien aus ihren T a s c h e n reißen und den B l ü t e n s t a u b auf fremde B l ü t e n verschleppen ( A b b . 108).
Während bei Bienen hauptsächlich (jedoch nicht ausschließlich: vgl. wilder Wein) der Gesichtssinn zur Auffindung der Nahrungsquellen dient, folgen die K o t i n s e k t e n (Fliegen, Käfer) ihrem Geruchssinn auf dem Weg zu den A a s b l ü t e n . Besonders interessant sind die Verhältnisse beim A r o n s t a b (Abb. 110).
Morphologie
54
Diese Scheinblüte besteht aus einem weißlich grünen H o c h b l a t t (Spatha), das den eigentlichen B l ü t e n stand z u m großen Teil verschließt; nach oben ragt nur das blütenfreie E n d e der Infloreszenzachse, der v i o l e t t gefärbte K o l b e n , heraus. Im Inneren des tütenförmig zusammengefalteten Hochblattes befindet sich der fertile Teil des Blütenstandes: zu unterst die weiblichen Blüten, darüber ein K r a n z v o n männlichen Blüten, und an der V e r e n g u n g s s t e l l e der S p a t h a stehen rings u m die Infloreszenzachse steril gewordene (J Blüten in F o r m v o n R e u s e n h a a r e n , welche die durch einen harnartigen Geruch angelockten Insekten zwar in die „ K e s s e l f a l l e " herein, aber nicht eher hinauskriechen lassen, als bis nach erfolgter B e s t ä u b u n g die Reusenhaare abdorren.
Reizbare Staubfäden und Narbenäste. I n m a n c h e n B l ü t e n f ü h r e n die S t a u b fäden b z w . N a r b e n ä s t e sogar a k t i v e B e w e g u n g e n aus im Dienste einer B e s t ä u b u n g s sicherung. B e i der G a u k l e r b l u m e (Mimulus) k l a p p e n die gespreizten N a r b e n ä s t e bei B e rührung z u s a m m e n , so d a ß n a c h B e s t ä u b u n g der Pollen v o r d e m A b f a l l e n g e s c h ü t z t ist. Die F i l a m e n t e der S t a u b b l ä t t e r v o n B e r b e r i s k r ü m m e n sich n a c h B e r ü h r u n g ihrer Basis n a c h innen u n d d r ü c k e n die A n t h e r e n auf d a s besuchende I n s e k t . D i e S t a u b f ä d e n der F l o c k e n b l u m e n v e r k ü r z e n sich bei leisester B e r ü h r u n g , u n d die F e g e h a a r e des Griffels schieben die Pollenmassen aus der Antherenröhre. Bei der F e i g e und bei Y u c c a steht die B e s t ä u b u n g in Beziehung zur F o r t p f l a n z u n g bzw. B r u t pflege der Pollenüberträger. D i e F e i g e entwickelt viererlei B l ü t e n : 1. M ä n n l i c h e B l ü t e n (¡¡). A n kurzen Stielchen stehen ein A n z a h l Blütenhüllblätter, auf die ein K r a n z v o n 3 — 5 Staubblättern folgt. 2. F e r t i l e w e i b l i c h e B l ü t e n ($). In einer unscheinbar gefärbten Blütenhülle sitzt der Fruchtknoten, der in einen langen Griffel mir~2 Narbenendigungen ausläuft. 3. S t e r i l e w e i b l i c h e Blüten ( § ) . unterschieden:
Sie sind äußerlich v o n den normalen weiblichen Blüten nicht
4. G a l l e n b l ü t e n ( $ ) . D a s sind weibliche Blüten m i t kurzem, scharf g e k r ü m m t e m Griffel, ohne N a r b e n ; der Griffelkanal erweitert sich nach oben zum Trichter. Stets finden sich diese Blüten ständen vereinigt.
in b e c h e r f ö r m i g e n
Aushöhlungen
Die K u l t u r f e i g e
tritt
der Blütenachse zu
Bluten-
in 2 Geschlechtspflanzen
auf:
1. als W i 1 d f e i g e mit bevorzugt m ä n n l i c h e n B l ü t e n ; 2. als e ß b a r e weiblichen
natvr/u tlt
• 7 ß,
r ;
Früchte Blüten.
(J^)
liefernde
Pflanze
mit
D i e folgende A b b i l d u n g ( A b b . 109) g i b t die jahreszeitliche Folge v o n B l ü t e n s t ä n d e n auf beiden verschieden geschlechtigen P f l a n z e n sowie den W e g der B e s t ä u b u n g wieder. Wildfeige, eßbare Feige I. A n l a g e : S e p t e m b e r — O k t o b e r . Bestäubung: Oktober—November. I. R e i f e : M ä r z — A p r i l . II. A n l a g e : F e b r u a r — M ä r z . Bestäubung: März—April. II. R e i f e : J u n i — J u l i . III. A n l a g e : M a i — J u n i . Bestäubung: Juni—Juli. III. R e i f e : A u g u s t — S e p t e m b e r .
A b b . 109. A b b . 109.
Jahreszeitliche Folge der Blütenentwicklung und B e s t ä u b u n g bei der Feige
Metamorphosen
55
Einfacher sind die Verhältnisse bei Y u c c a . Hier legt eine Motte ihre Eier in den Fruchtknoten der Blüte. Die E n t w i c k l u n g der jungen Maden geht nicht ohne Zerstörung eines Teils der Samenanlagen v o r sich, der Rest entwickelt sich jedoch zu normalem Samen. Die V a n i l l e m u ß in unseren Gewächshäusern künstlich bestäubt werden, weil die zur Pollenübertragung geeigneten Insekten fehlen.
Abb. I i i .
Blütenstand v o n Marcgravia umbellata. (h) H o n i g b l ä t t e r ; (il) Blüten
A b b . HO. Blüte des Aronstabs. (h) Hochblatt ( S p a t h a ) ; (k) K o l b e n ; (r) Reusenhaare; ( ^ m ä n n liche B l ü t e n ; (!j>) weibliche Blüten
A b b . 112. Vogelblüte v o n Strelitzia reginae. ( g ) G r i f f e l ; (/>) Pollen; (r) Griffelrinne im Blütenblatt
Abb. H2.
In den Tropen spielen auch V ö g e l (Kolibri) als Bestäuber eine Rolle; bei Nachtblühern betätigen sich F l e d e r m ä u s e in ähnlicher Weise. Natürlich zeigen die ornithophilen Pflanzen mannigfaltige Anpassung an ihre Bestäuber. Im tropischen A m e r i k a fiel Forschungsreisenden auf, d a ß sich unter bestimmten B ä u m e n stets größere oder kleinere Scharen v o n Kolibris aufhielten. Eingehendere B e o b a c h t u n g ergab dann, d a ß diese kleinen Vögel im Dienste der B l ü t e n b e s t ä u b u n g jener B ä u m e stehen. A b b . I i i g i b t den Blütenstand einer derartigen ornithophilen P f l a n z e ( M a r c g r a v i a u m b e l l a t a ) wieder. Die B l ü t e n dieser Liane sind kreisförmig um eine Hauptachse angeordnet, v o n deren E n d e einige kannenförmige, honighaltige Gebilde herabhängen. D e m I n h a l t dieser K a n n e n stellen die Kolibris nach, und wenn sie vor den Blüten schwirrend die langen Schnäbel in die K a n n e n tauchen, stäuben sie sich unvermeidlich m i t Pollen ein, den sie auf den nächst besuchten Blütenstand übertragen. In A f r i k a spielen die sogenannten H o n i g v ö g e l dieselbe blütenbestäubende Rolle wie die Kolibris in der neuen W e l t . Hier sind es unter anderem P r o t e a c e e n , deren rotgefärbte Hochblätter a m R a n d e Honig abscheiden. Die auffälligste A n p a s s u n g an Vogelbesuch h a t w o h l eine Verwandte der B a n a n e ( S t r e l i t z i a r e g i n a e ) entwickelt ( A b b . 112). Innerhalb dreier äußerer orange gefärbter Blütenblätter fällt v o m inneren Blütenhüllkreis v o r allem das untere, lebhaft blau ge-
56
Morphologie
färbte lippenförmige Blatt auf, dessen mittlerer Teil zu einer Rinne umgewandelt ist, in der Staubgefäße und Griffel liegen. Letzterer ragt m i t seiner Narbe frei aus der Blattröhre hervor. Der flache Lippenteil dient als Anflugstelle für die Honigvögel. Die Honigdrüsen scheiden den Nektar in die Lippenröhre ab, aus welcher ihn die Vögel absaugen, gleichzeitig die Bestäubung vollziehend. Die Gemeinschaft zwischen Pflanze und Tier hat hier auch zu einer auffallend übereinstimmenden Färbung beider biologischer Partner geführt. Bei einigen wenigen Wasserpflanzen übernimmt auch d a s W a s s e r den Pollentransport zu Griffel und Narbe hin. Eigenartige Verhältnisse haben sich unter anderen bei der Wasserpflanze V a l l i s n e r i a , einer unserer bekanntesten Aquariumpflanzen, entwickelt. Die Pflanze ist einhäusig; die männlichen Blütenstände entwickeln sich unter Wasser, die weiblichen Blüten ragen mit langen spiralig gewundenen Stielen bis an die Wasseroberfläche herauf. Bei der Blütenreife lösen sich die noch geschlossenen männlichen Blüten v o m Blütenstand ab, treiben an die Wasseroberfläche, wo sich bald danach ihre Blütenhülle zu einem bojenartigen Schwimmkörper öffnet, der an der Spitze zwei fertile Staubblätter trägt. Eiese freischwimmenden männlichen Blüten treiben bei leichtem Wind auf die weiblichen Blüten zu und vollziehen die Bestäubung.
Autogamie — Allogamie. In der zwittrigen Blüte scheint die Bestäubung der Narbe durch blüteneigene Pollen besonders begünstigt. Aber gerade diese S e l b s t b e s t ä u b u n g ( A u t o g a m i e ) suchen die meisten Pflanzen zu verhindern. Für viele Pflanzen führt nämlich die Bestäubung der Narbe mit Pollen derselben Zwitterblüte oder auch nur derselben Pflanze zu mangelhaftem Samen- und Fruchtansatz im Verhältnis zu solchen Blüten, die mit fremdem Blütenstaub derselben Art bestäubt wurden ( A l l o g a m i e , F r e m d b e s t ä u b u n g ) . Die hierher gehörigen Pflanzen weisen daher mancherlei morphologische und biologische Einrichtungen zur Verhinderung der Selbstbestäubung auf (Herkogamie). Hierher gehört unter anderem das z e i t l i c h v e r s c h i e d e n e Reifen bzw. öffnen von Staubblättern und Narben ( D i c h o g a m i e ) , die H e t e r o s t y l i e mit der Ausbildung von zweierlei Blüten, nämlich kurzgriff]iger mit hochstehenden Antheren und langgriffliger mit tiefliegenden Staubblättern (Primel), und endlich besondere Einrichtungen, um die Narben vor eigenem Blütenstaub zu schützen. Manche Blüten können bei Ausbleiben der Fremdbestäubung die herkogamen Schutzeinrichtungen beseitigen und die Selbstbestäubung als E r s a t z der Fremdbestäubung erzwingen. In k l e i s t o g a m e n Blüten (Veilchen) ist die Selbstbestäubung zur Regel geworden. Die Gefahr der Selbstbestäubung wird heute ziemlich allgemein darin gesehen, daß sie zu einer Anhäufung krankhafter Anlagen (Gene) führen kann. Da naturgemäß die männlichen und weiblichen Kerne in Geschlechtszellen aus d e r s e l b e n Blüte bzw. derselben Pflanze ähnliche Erbsätze besitzen, so ist die Möglichkeit vorhanden, daß beiden Geschlechtszellen ein gleicher Defekt anhängt, der sich in der Zygote in gefährlicher Weise häuft und sich zum krankhaften Merkmal entwickeln kann. Aber diese Überlegenheit der Fremdbestäubung ist keine allgemein gültige Regel. Eine ganze Anzahl unserer Kulturpflanzen wie W e i z e n , H a f e r , G e r s t e (eine Ausnahme macht der Roggen), E r b s e usw. werden fast immer durch e i g e n e n Pollen bestäubt und bringen trotzdem vollen Frucht- bzw. Samenertrag. Eine Befruchtung kann naturgemäß nur zwischen Pollen und Samenanlagen d e r s e l b e n P f l a n z e n a r t vollzogen werden. Es ist daher von größter Bedeutung, daß die Insekten zu bestimmten Zeiten bevorzugt Pflanzen derselben Art besuchen, so daß die Gewähr für eine Übertragung arteigenen Fremdpollens auf die Narbe gegeben ist. Parthenogenese. Unabhängig vom Bestäuberbesuch haben sich jene Pflanzen gemacht, deren Eizellen sich ohne Befruchtung weiter zu entwickeln vermögen (Parthenogenese). Der Löwenzahn bildet zwar weiterhin Pollen als Bienennahrung aus, obwohl seine Eizellen sich parthenogenetisch entwickeln.
Metamorphosen
Weitere
57
Sproßmetamorphosen
In vielen unserer mehrjährigen Pflanzen wird ein Großteil der während der Vegetationsperiode produzierten Reservestoffe im Sproß untergebracht. So ist z. B . die R i n d e vieler B ä u m e ein prall gefüllter Reservestoffspeicher. B e i den krautigen Gewächsen, deren oberirdische Teile der W i n t e r k ä l t e z u m Opfer fallen, m u ß ein Teil des Sprosses in die schützende E r d e zurückgezogen werden. D a b e i nimmt der Sproß n a t u r g e m ä ß eine v o m oberirdischen Sproßteil wesentlich verschiedene F o r m an, die bei einzelnen Pflanzen selbst wieder erheblich variiert.
A b b . 113 a. R h i z o m der W e i ß wurz. (sj, s2, s 3 , s 4 ) N a r b e n der abgestorbenen Sprosse aufeinander folgender Jahre; (s 5 ) eben austreibender Sproß der neuen Vegetationsperiode
A b b . 113 b. R h i z o m des Wasserschierlings (rh); (w) Wurzeln
A b b . 113 c. Ausläufer der Erdbeere. (.a) A u s l ä u f e r ; (rh) R h i z o m ; (it^) Adventivwurzeln
a) Das Rhizom. Beispiele für die Ausbildung v o n Rhizomen bieten unter anderem S p a r g e l , I r i s u n d eine ganze A n z a h l F r ü h j a h r s b l i i h e r unseres Buchenwaldes wie A n e m o n e n , W e i ß w u r z (Abb. 1 1 3 a, V), E i n b e e r e , L e b e r b l ü m c h e n , V e i l c h e n , M a i g l ö c k c h e n u. a. m. D a s R h i z o m stellt eine o f t stark verdickte, gewöhnlich horizontal verlaufende unterirdische Sproßachse mit gestauchten Internodien dar. Die K n o t e n tragen nur kleine s c h u p p e n f ö r m i g e B l ä t t e r von gelblicher oder bräunlicher Farbe. Bei der W e i ß w u r z w ä c h s t die austreibende E n d k n o s p e nach oben, und das R h i z o m wird in der E r d e durch eine sich in die ursprüngliche R i c h t u n g der H a u p t a c h s e stellende Seitenknospe verlängert ( S y m podium). Bei der E i n b e e r e dagegen entstehen die blühenden Sprosse aus Seitenknospen, während die Hauptachse das R h i z o m fortsetzt.
Strecken sich die Internodien der Rhizome, w a s man auch experimentell erzwingen kann, so gehen die R h i z o m e ohne scharfe morphologische T r e n n u n g in b) die Ausläufer über. Immerhin tritt beim Ausläufer zugunsten der Längenentwicklung die Reservefunktion stark zurück, und außerdem drängt er an die Bodenoberfläche. E r d b e e r e (Abb. 1 1 3 c), k r i e c h e n d e r H a h n e n f u ß u n d G ü n s e l zeigen typische oberirdische Ausläufer. Sie entstehen als fadenförmige Seitenzweige aus der Rosette und entwickeln aus Knospen neue Tochterpflanzen, die n a c h A b s t e r b e n des Ausläufers selbständig werden. Manche Unkräuter wie A c k e r s c h a c h t e l h a l m , H u f l a t t i c h , besonders die lästige Q u e c k e und G i e r s c h entwickeln ein ausgebreitetes, unterirdisch verlaufendes Ausläufersystem, das ihre B e k ä m p f u n g außerordentlich erschwert. c) Sproßknollen. B e i der K a r t o f f e l schwellen unter dem E i n f l u ß der abgelagerten Reservestoffe (besonders Stärke) die Enden der unterirdischen Ausläufer (Stolonen)
Morphologie
58
knollenförmig an (Abb. 1 1 4 a). Ihre S p r o ß n a t u r verraten diese Knollen durch den Besitz von kleinen schuppenförmigen bräunlichen Blättchen, die zwar frühzeitig abfallen, in deren Achseln sich jedoch die eingesenkten Knospen ( A u g e n ) der Kartoffel entwickeln. Bei den Kultursorten sind die Knollen auf dem Wege der Züchtung gegenüber den Stammformen erheblich vergrößert. Sie dienen in feldmäßigem A n b a u auch als ausschließliches S a a t g u t zur vegetativen Vermehrung der Pflanzen. Beim K o h l r a b i schwillt ähnlich wie beim A l p e n v e i l c h e n (Abb. 1 1 4 6 ) und bei vielen epiphytischen O r c h i d e e n die gestauchte oberirdische Sproßachse zur Knolle an (Basalknolle), während am A u f b a u des R e t t i c h s unterster Sproß- und oberer'Wurzelabschnitt beteiligt sind.
A b b . 114 a.
A b b . 114
fr.
A b b . 1 1 4 c.
Abb. 114 a. Sproßknollen der K a r t o f f e l , (spr) S p r o ß ; (st) Stolonen; (if) W u r z e l n ; (kn) Knollen; (ivh) Wurzelhals A b b . 114 b. A b b . 114 t.
Alpenveilchen
Sproßknolle der Herbstzeitlose, (h) Hüllblätter; (Ibl) L a u b b l ä t t e r ; (blsp) Blütensprosse; (¿i) alte Sproßknolle; neue Sproßknolle; (k 3 ) Seitenknospe; (ICK) Wurzeln
A b b . 114 c zeigt die Sproßknolle einer H e r b s t z e i t l o s e . A n der linken Seite der Hauptknolle hat sich im Verlauf des Sommers ein Seitensproß entwickelt, der bereits im Herbst die endständigen Blüten entfaltet. Im Frühjahr streckt sich das unter den Blüten liegende Internodium zum Sproß, das basale Internodium- (k2) dagegen schwillt auf Kosten von k t zur neuen Sproßknolle an, in deren Blattachseln dann die Knospenanlage für die nächste Vegetationsperiode entsteht (k3). N i c h t selten nehmen die unterirdischen Sproßbildungen eine ganz bestimmte T i e f e n l a g e ein. So liegen z. B. die Rhizome der E i n b e e r e 2 — 5 cm, die Knollen v o m A r o n s t a b 6 — 1 2 , die der H e f bs t z e i t l o s e 1 0 — 1 6 und die S p a r g e l r h i z o m e 20—40 cm unter der Erde. Die Tiefenlage wird entweder durch die Wuchsrichtung der Verlängerungsknospe oder aber, wie bei Zwiebeln (vgl. A b b . 115), durch die T ä t i g k e i t kontraktiler Wurzeln reguliert.
d) Zwiebeln. E x t r e m k u r z wie bei den Rosetten bleibt den Sproß bei der unter der Erde sich entwickelnden Zwiebel(Abb. 116 A u. B). E r ist hier im Gegensatz zur Sproßknolle auf ein flaches tellerartiges Basalstück der Zwiebel beschränkt, den Z w i e b e l t e l l e r , dessen Hauptvegetationskegel zu einem Längssproß auswächst, der im allgemeinen mit einem Blütentrieb abschließt. Zwischen Blütenknospe und basaler Ansatzstelle sitzen am austreibenden Sproß die L a u b b l ä t t e r . A m basalen Teil des Zwiebeltellers entwickelt sich aus den Blattanlagen nur jeweils der Blattgrund zu den schuppenförmigen
Metamorphosen
59
N i e d e r b l ä t t e r n , die, ähnlich wie die Basalteile abgestorbener Laubblätter, Dienste einer reichlichen Stoffspeicherung fleischig anschwellen.
im
Auch die bräunlichen häutigen Hüllen, welche die Zwiebel nach außen abschließen, sind solche Niederb l ä t t e r bzw. Laubblattbasen, die ihre Reservestoffe (besonders Zucker und lösliche organische N-Verbindungen) allerdings bereits zum Aufbau der Blütensproßanlage abgegeben haben und im wesentlichen nur mehr aus den Zellwänden der Epidermen und Reservezellen I bestehen. |
In den A c h s e l n d e r N i e d e r b l ä t t e r bilden sich zum Ersatz für den am Ende der Vegetationsperiode absterbenden Blütensproß S e i t e n k n o s p e n , die sich zu Tochterzwiebeln entwickeln, und in Aufbau und Entfaltung der Mutterzwiebel durchaus entsprechen. e) Flachsprosse. Bei starker Verringerung der Blattfläche nimmt der Sproß im Dienste der Assimilation eine ± blattartige Ausbildung an (Flachsproß, Abb. 1 1 7 ) . Handelt es sich hierbei tr
, •,
n u n
um Kurztriebe, so spricht man von P h y l l o k l a d i e n , W i e sie bei Ruscusarten auftreten. 1 1/j\ i
Abb. 116 A. Ruhende Zwiebel. (vk) Vegetationskegel des Sprosses; (s) Zwiebelteller (Sproßbasis); ( i j ) Blattanlagen; (B) Niederblätter
|
*
'
•
Abb. 115. Tieienlage der Zwiebel von Lilium Martagon. (1) Auskeimen des Samens; (2) B;fdung
Zwiebel. ( j ) Absinken
einer
älteren Zwiebel (der K n i c k der äußeren Wurzel gibt die Kontraktionswirkung der jüngeren inneren Wurzel zu erkennen); (4) Tiefenlage der ausgewachsenen Zwiebel; ( 5 ) L ä n g s s c h n i t t durch eine kontrahierte Wurzel (Nach Rimbach)
Abb. 116 B. Zwiebel in Entwicklung. (Ibl) L a u b b l ä t t e r ; (h) Hüllblätter; (n2>/)Niederb l ä t t e r ; ( b l s p ) Blütensproß; ( a k n ) Seitenknospe; (t) Sproß (Zwiebelteller)
Am Sproß der xerophytischen Sträucher stehen trockenhäutige schuppenförmige Blätter, in deren Achseln die blattähnlichen P h y l l o k l a d i e n entspringen. Ihre Sproßnatur kommt in der Ausbildung von B l ä t t e r n und Blüten auf dem Phyllokladium zum Ausdruck (Abb. 118). Flachsprossige Langtriebe werden als K l a d o d i e n bezeichnet.
Werden zwischen die assimilierenden Schichten der Flachsprosse noch Wasserspeichergewebe eingelegt, so gehen die Flachsprosse ohne scharfe Grenze in f ) Sukkulente Sprosse über. Die beiden Familien der Kakteen und Euphorbiaceen und zum Teil auch der Asclepiadaceen bieten hier eine auffallende Konvergenz. Beispiele für derartige Metamorphosen sind als Anpassung an extreme Wasserverhältnisse mit oft langen Regenpausen zu deuten, denn mit zunehmendem Sukkulenzgrad bis zum
6o
Morphologie
tonnenförmigen Stamm nimmt die relative Größe der transpirierenden Oberfläche ab, während der relative Inhalt, d. h. das Wasserfassungsvermögen, zunimmt (Opuntia, Phyllocactus, Cereus, Tonnenbäume, A b b . 119, s. Tafel III).
A b b . 117. Flachsprosse v o n Mühlenbeckia. (spr) Sproß; (Ibl) L a u b b l a t t
A b b . 118. Ruscus aculeatus. Phyllokladien (ph); (d) D e c k b l a t t ; (bl) Blüte
A b b . 120. Sproßranke des Weins. (Nach Giesenhagen)
A b b . 121. Wilder Wein. (spr) Sproßranke; (h) H a f t scheibe. (Nach Noll) A b b . 122. Sproßdornen beim Schwarzdorn. (Nach Strasburges Lehrb.)
A b b . 121.
g) Sproßranken. Da, wo eine raschwüchsige Vegetation einen erbitterten Kampf um das Licht führt, finden sich stets auch sogenannte K l e t t e r p f l a n z e n , die sichZeitund Baustoffe zum Aufbau eines tragfähigen Sprosses sparen und dafür am Stamm anderer Pflanzen mittels verschiedenartiger Ausbildungen emporzuklettern versuchen. Zu diesen K l e t t e r o r g a n e n steuert der Sproß die S p r o ß r a n k e n bei, das sind fadenartige, zum Teil verzweigte Gebilde, die vermöge einer empfindlichen K o n t a k t r e i z b a r k e i t fremde Stützen umwachsen, um so der eigenen Pflanze Halt zu geben (Abb. 120, Wein). Die Rankenenden des wilden Weines sind außerdem noch mit H a f t s c h e i b e n ausgestattet, die eine Befestigung an glatten Flächen ermöglichen (Abb. 121). Die S p r e i z k l i m m e r vermögen sich durch Widerhaken bildende Kurztriebe an ihrer Stütze festzuklammern ( K l e t t e r h a k e n ) . Ebenfalls von beschränkter Wuchsdauer sind die Kurztriebe, die in Sproßdornen übergehen, wobei sich der Vegetationspunkt zu Dauergewebe umwandelt (Schwarzdorn, Weißdorn usw., Abb. 122).
61
Analoge und homologe Organe
h) Brutknospen. Daß Sproßteile als sogenannte S t e c k l i n g e in vielen Fällen zur Vermehrung herangezogen werden, ist wohlbekannt. Aber auch die Natur selbst bildet gelegentlich Sprosse zu diesem besonderen Zwecke aus. So entstehen in den Achseln der Hochblätter des Blütenstandes von P o l y g o n u m v i v i p a r u m (Knollenknöterich) an Stelle von Blüten k n ö l l c h e n a r t i g e S e i t e n s p r o s s e , die bereits auf der Mutterpflanze Blättchen entwickeln, sich nach dem Abfallen bewurzeln und neue Pflanzen bilden ( V i v i p a r i e ) . Auch beim Lauch entstehen in ähnlicher Weise „ B r u t k n o s p e n " in den Achseln von Hochblättern (Abb. 123).
A b b . 123. Brutknospen im Blütenstand eines Lauchs. (1bt) B l ü t e ; (zw) Brutknospe. (Nach Giesenhagen)
A b b . 124. D e n t a r i a bulbifera. (zw) Brutknospe. (Nach Schenck)
Ähnliche Achselknospen finden sich bei der F e ig w ü r z (Himmelsgerste). Zwiebelartige Gebilde treten in den Achseln der Laubblätter von D e n t a r i a b u l b i f e r a (Zwiebelzahnwurz) (Abb. 124) und einer Anzahl L i l i e n auf. Bei Dioscorea bulbifera erreichen diese Knollen bis Faustgröße und sind ihres Stärkereichtums wegen als Nahrungsmittel geschätzt.
Analoge und homologe Organe Analoge Organe. Die wechselnden äußeren Lebensbedingungen, unter denen sich die Pflanzen entwickeln, und eine erstaunliche Plastizität des inneren Erbgefüges der Pflanze schufen eine höchst mannigfaltige Gestaltung der äußeren Formen der ganzen Pflanze und ihrer Organe. Ein und dasselbe A n p a s s u n g s z i e l kann auf v e r s c h i e d e n e n W e g e n erreicht werden. So können Organe bestimmter spezifischer Funktion aus verschiedenen Grundorganen entwickelt werden. O r g a n e g l e i c h e r F u n k t i o n w e r d e n a l s analoge O r g a n e b e z e i c h n e t , so z. B. Befestigungsorgane für den Sproß: Sproßranken Blattranken Windende Blattstiele Windende Sprosse Kletterhaken Haftwurzeln
Schauapparat der Blüte: Hochblätter Kelchblätter Blumenblätter
Speicherorgane: Rübe Rhizom Sproß- und Wurzelknollen Zwiebel i
Morphologie
62
Analoge Organe weisen in Anpassung an dieselbe F u n k t i o n große Formähnlichkeit auf (z. B . Sproß- und B l a t t r a n k e n ; Sproß-, B l a t t - und Wurzeldornen). In der Stellung zum Gesamtorganismus wie auch in der inneren Bauanlage zeigen sie große Verschiedenheiten. Homologe Organe. I m Gegensatz hierzu stammen die h o m o l o g e n Organe phylogenetisch von d e m s e l b e n G r u n d o r g a n ab. Sie besitzen dieselbe L a g e z u m G e s a m t O r g a n i s m u s und bei verwandten Pflanzen auch übereinstimmenden i n n e r e n B a u p l a n trotz äußerer Formverschiedenheit und F u n k t i o n . Sproßorgane:
Blattorgane:
Wurzelorgane:
Rhizom Ausläufer Sproßknolle Zwiebel Blüte Sproßranken Sproßdornen Knospen
Keimblätter Blattranken Blattdornen Kannenblätter Kelchblätter Blumenblätter Staubblätter Fruchtblätter
Wurzelknollen Rüben Atemwurzeln Stelzwurzeln Luftwurzeln Wurzeldornen Haustorien
Lebensformen Nur die e i n j ä h r i g e n Pflanzen schließen innerhalb einer Vegetationsperiode ihren Lebenszyklus v o n der Samenkeimung bis zur neuen Samenbildung ab. A b e r gerade die pflanzlichen G r o ß f o r m e n können den A u f b a u ihrer Pflanzenkörper nicht alljährlich wieder völlig neu beginnen, sondern sie müssen die Leistung des V o r j a h r e s weiterführen. Das aber setzt eine E r h a l t u n g des Pflanzenkörpers über ungünstige Jahreszeiten voraus. In den gemäßigten und kalten Zonen ist die kritische Jahreszeit der Winter, in den Subtropengebieten die regenfreie Zeit. N a c h Art der Überwindung solch vegetationsfeindlicher Zeiten kann man besonders nach der L a g e der überlebenden Organe bestimmte L e b e n s f o r m e n unterscheiden. Ihr besonderer B a u ist der A u s d r u c k einer A n p a s s u n g an die das Leben begrenzenden Faktoren des Standortes. 1. A m wenigsten geschützt sind die sogenannten Luftpflanzen, deren Überdauerungsknopsen ziemlich frei allen Unbilden der W i t t e r u n g ausgesetzt sind. Hierher gehören die B ä u m e und Sträucher. Die Knospenschuppen schützen den Vegetationsp u n k t gegen niedere T e m p e r a t u r und Wasserverlust nur in beschränktem U m f a n g . Daher halten sich in unserem Gebiet nur B ä u m e , welche physiologisch durch eine erhebliche Frostresistenz geschützt sind. D a s Haupt Verbreitungsgebiet dieser Lebensform aber liegt in den T r o p e n . 2. Die Zwergpflanzen erheben ihre Knospen nicht über 25 cm in den L u f t r a u m . Diese bodennahe L a g e kann auf verschiedene Weise erreicht werden. a) Der ganze Zwergstrauch überdauert die ungünstige Periode (Calluna, Vacciniumarten). b) E i n oberer krautiger Teil der P f l a n z e stirbt ab und nur der untere verholzte Rest überwintert (Quendel, Lavendel). c) Der Sproß neigt sich passiv infolge der eigenen Schwere z u m Boden (Veilchen, Hainmiere, Gundermann). d) Der Sproß ist a k t i v plagiotrop (Sonnenröschen, Pfennigkraut, E c h t e r Ehrenpreis, Hufeisenklee).
Lebensformen
63
3. Oberflächenpflanzen. Die w i c h t i g s t e G r u p p e f ü r das g e m ä ß i g t e K l i m a g e b i e t , die H ä l f t e unserer heimischen P f l a n z e n , zeigt diese Ü b e r w i n t e r u n g s f o r m . E i n winterlicher G a n g d u r c h W a l d u n d W i e s e e r w e c k t den E i n d r u c k , als o b der g r ö ß t e Teil der B o d e n f l o r a v ö l l i g abgestorben wäre. Die Wiese erscheint b r a u n v o n den abgestorbenen G r a s b l ä t t e r n , im W a l d d e c k t eine L a u b s c h i c h t alles L e b e n zu. W i r k l i c h abgestorbene P f l a n z e n lassen sich i m allgemeinen leicht v o m B o d e n a b h e b e n , d a d a s W u r z e l s y s t e m mit abstirbt. A u f f a l l e n d ist, d a ß viele scheinbar toten P f l a n z e n d u r c h ein gesundes W u r z e l s y s t e m mit d e m B o d e n fest v e r h a f t e t bleiben. E i n e nähere U n t e r s u c h u n g zeigt dann, d a ß solche P f l a n z e n mindestens n o c h lebende K n o s p e n besitzen. Diese liegen dicht an der E r d o b e r f l ä c h e , werden also bereits
A b b . 125. D i e Lebensformen v o n Raunkiaer in schematischer Darstellung. Die schwarzen Pflanzenteile überwintern, die anderen sterben im Herbst ab. 1. L u f t p f l a n z e n ; 2 a und 2b. Z w e r g p f l a n z e n ; 3. erdnahe Pflanzen (a: Rosettenpflanze, b : Halbrosettenpflanze, c : Pflanze ohne Rosetten); 4 a und 4b. E r d p f l a n z e n ; 5. einjährige Pflanzen
durch d a s eigene a b s t e r b e n d e B l a t t - u n d Stengelmaterial g e s c h ü t z t . A u c h die leichteste S c h n e e d e c k e ist ihnen bereits ein hinreichender S c h u t z gegen K ä l t e und a u s t r o c k n e n d e W i n d e . D a b e i lassen sich folgende T y p e n unterscheiden: a) D i e g e s a m t e n o b e r i r d i s c h e n Teile sterben bis auf die b o d e n n a h e n K n o s p e n ab. Diese liegen d i c h t ü b e r oder u n t e r der B o d e n o b e r f l ä c h e ( J o h a n n i s k r a u t , R i t t e r s p o r n , A r t e m i s i a , S e i f e n k r a u t usw.). b) E s bleiben m e h r oder w e n i g e r dicht gestellte basale B l ä t t e r w i n t e r h a r t , u n d die ü b e r d a u e r n d e n K n o s p e n stehen d a n n in den B l a t t a c h s e l n oder a m E n d e v o n A u s l ä u f e r n ( H a h n e n f u ß , O d e r m e n n i g , S c h a f g a r b e , Gräser, Günsel). c) R o s e t t e n p f l a n z e n . E i n e dichte B l a t t r o s e t t e bleibt erhalten u n d ü b e r w i n t e r t (Fingerhut, K ö n i g s k e r z e u. a. z w e i j ä h r i g e P f l a n z e n ) . B e i R u b u s - A r t e n stirbt der f r u c h t e n d e z w e i j ä h r i g e S p r o ß ab, und es ü b e r w i n t e r t der e i n j ä h r i g e a u s Basalknospen entstehende Trieb. 4. Erdpflanzen. erfolgt
Die oberirdischen O r g a n e sterben völlig ab.
Die Überwinterung
Morphologie
64
a) durch R h i z o m e (Anemone, Weißwurz, Spargel), b) durch S t e n g e l k n o l l e n (Kartoffel, Herbstzeitlose, Krokus), c) durch W u r z e l n : Rüben, Wurzelknollen (Orchideen). d) durch Z w i e b e l n (Tulpen, Hyazinthen). Hier ist der Sproß bereits im Herbst vorgebildet und bedarf im Frühjahr nur ganz kurzer Vegetationszeit zur Entfaltung und zum Abschluß des Lebenszyklus bis zur Samenbildung. In diese Gruppe gehört die Mehrzahl der typischen Steppenpflanzen. 5. Einjährige Pflanzen. Sie treten bei uns stark zurück. A m häufigsten erscheinen sie als Unkräuter in gutem Ackerboden, als Kulturpflanzen (Sommergetreide, Mohn, Lein, Gemüsepflanzen wie Salat, Gurke usw.) unter Schutz und Pflege des Menschen oder als Ruderalpflanzen. Die S o m m e r a n n u e l l e n keimen im Frühjahr aus und sterben im Herbst ab, d i e W i n t e r a n n u e l l e n dagegen treiben im Herbst schon eine kleine Rosette, die winterhart ist und im F r ü h j a h r den Blütensproß treibt. Manche überwintern auch in der voll entwickelten Form wie z. B . die Vogelmiere, Brennessel, Taubnesselarten, Kreuzkraut, Ehrenpreis u. a. J e d e dieser Lebensformen ist ganz bestimmten Standortsverhältnissen, besonders klimatischen Verhältnissen angepaßt. Daher ist das Verhältnis der einzelnen Lebensformen für jedes klimatische Gebiet ein ganz bestimmtes und charakteristisches (biologisches Spektrum). Luftpflanzen j Tropische Zone Wüstenzone Mittelmeerzone Gemäßigte Zone Arktische Zone
! i
0/ /0 61 12 12 7 1
Zwergpflanzen /0
Oberflächenpflanzen 0/
6 21 6 3 22
Erdpflanzen
Einjährige Pflanzen
10
0//o
/0
12 20 29 50 60
5 5 11 22 15
16 42 42 18 2
Die Fortpflanzung Auch das Leben der Pflanze ist nicht unbegrenzt. Früher oder später wird jedes Gewächs einem natürlichen oder auch gewaltsamen Tod (Nutzpflanzen) anheimfallen. U m eine Pflanzenart vor dem Aussterben zu schützen, ist daher eine V e r j ü n g u n g von Pflanzenteilen nötig, die nicht mit in die natürliche Alterskatastrophe hereingerissen werden. Ausreichend f ü r die Arterhaltung wird im Hinblick auf die unsicheren Entwicklungsbedingungen eine solche Verjüngung nur dann, wenn sie gleichzeitig mit einer V e r m e h r u n g verbunden ist. Bei den n i e d e r s t e n , vor allem bei einzelligen pflanzlichen Formen, bei B a k t e r i e n und S p a l t a l g e n sowie bei einer Reihe von Flagellaten, erfolgt die Fortpflanzung durch einfache Zellteilung mit nachfolgender Trennung der beiden Zellen, die nun selbständige Individuen werden (Abb. 126). Die Entwicklungsbedingungen schon Abb. 126. f ü r die niedersten Organismen sind niemals stetig. Immer wieder Bakterienteilung werden zwischen Zeiten günstiger Lebensbedingungen solche eingeschaltet sein, die ein normales Leben und auch die Entwicklung neuer Individuen ausschließen: Der natürliche Nährboden der Bakterien und Pilze erschöpft sich, der von Algen bewohnte Wassertümpel trocknet aus, Temperatur und Feuchtigkeitsverhältnisse gestalten sich zeitweise ungünstig. In solchen Zeiten müssen die Lebensvorgänge und -äußerungen auf ein Minimum eingeschränkt werden, es bilden sich
Die F o r t p f l a n z u n g
65
sogenannte Dauerformen der Pflanzen. Im einfachsten Fall v o n Einzellern zieht sich das Plasma zusammen und umgibt sich mit einer neuen d e r b e n M e m b r a n (Dauerspore, A b b . 127). Unseren Blicken verborgen hat sich aber in einer A r t U m s c h m e l z u n g d e s P l a s m a s das Wesentliche vollzogen, was nun dem Lebensträger gegenüber ungünstigen Lebensbedingungen eine e r h ö h t e R e s i s t e n z verleiht. Gleichzeitig aber sind diese Dauerformen ihrer Kleinheit wegen zur Verbreitung und damit auch zur A u f f i n d u n g günstiger Lebensbedingungen besonders geeignet. Z e l l v e r m e h r u n g u n d Z e l l v e r b r e i t u n g z u s a m m e n erst g e w ä h r l e i s t e n die F o r t p f l a n z u n g der Art. Bei den m e h r z e l l i g e n P f l a n z e n tritt an Stelle der einfachen Zellteilung als Fortpflanzungsmodus allgemein die Keimbildung: Der Zellinhalt zerfällt in eine A n z a h l von einzelligen Keimen ( S p o r e n ) , die sich entweder direkt, jede Spore für sich allein, zu einer neuen Pflanze entwickeln (ungeschlechtliche Fortpflanzung), oder aber jeder K e i m ist für sich allein nicht entwicklungsfähig, und erst aus dem Verschmelzungsprodukt ( Z y g o t e ) zweier morphologisch oder physiologisch unterschiedlicher, stets einzelliger Keime ( G e s c h l e c h t s z e l l e n ) kann sich eine neue P f l a n z e entwickeln (geschlechtliche Fortpflanzung).
D i e ungesdileditliche Fortpflanzung Formen
der
ungeschlechtlichen
Vermehrung:
1. Zellteilung. (Bakterien, Kieselalgen, Desmidiaceen, Flagellaten) (Abb. 126). 2. Keimbildung. a) E i n z e l l i g e K e i m e
(Sporen).
a) E x o s p o r e n . Einzelne Zellen lösen sich aus dem Zellverband und nehmen K e i m n a t u r an (Brandsporen der Brandpilze), oder endständige Zellen werden abgeschnürt, z. B. die Konidien bei Pilzen (Konidien v o n P h y tophthora und Pinselschimmel; Äcidiosporen, A b b . 128^4 u. B).
A b b . 127. Dauerspore von * E u g l e n a gracilis. Vergr. etwa 1000. • (Nach Zumsleirt)
A b b . 128 A. Exosporen. Äcidiosporenbildung eines Rostpilzes. (e) Blattepidermis; (m) P i l z h y p h e n ; (h) Hülle des Acidiums; (.sp) Äcidiosporen
A b b . 128 B. Pinselschimmel: Konidienbildung. ( N a c h Kny)
ß ) E n d o s p o r e n . Die Sporen entstehen innerhalb besonderer Zellen (Abb. 129^4 u. D) oder höher organisierter Behälter ( S p o r a n g i e n , A b b . 1 2 9 B u. C, 130/4 u. B). B e i niederen, das Wasser bewohnenden Formen sind die Sporen gewöhnlich begeißelt und beweglich ( Z o o s p o r e n , A b b . 129Z? u. C), bei landbewohnenden Pflanzen dagegen von resistenter derber Hülle u m geben und nur passiv beweglich ( A p l a n o s p o r e n , A b b . 1 2 9 D ) . W e t z e l , Giundlagen der allgemeinen Botanik.
5
66
Morphologie
Endosporen
A b b . 129 D A b b . 129 D. Aplanosporenbildung bei Chlorella vulgaris. 1 Sporenmutterzelle; 2 T e i l u n g in 8 A p l a n o s p o r e n ; 3 Ö f f n u n g der Sporenmutterzelle. ( N a c h Grintzesco) A b b . 129 C. Schwärmsporenbildung des Algenpilzes Saprolegnia m i x t a . (spg) Sporangium; (sp) Sporen A b b . 129 B. Schwärmspore (sp) und Sporangium (spg) der Schlauchalge Vaucheria. (Nach Slrasburger) A b b . 129 A A b b . 129 A.
A b b . 129 B.
A b b . 129 C.
Endosporen beim Heubazillus; (sp) Sporen
Die S p o r a n g i e n der M o o s e und F a r n e sind komplizierte Gebilde, die außer den Wandzellen aus p e r i p h e r e m N ä h r g e w e b e ( T a p e t e n s c h i c h t ) und z e n t r a l e m S p o r e n b i l d u n g s g e w e b e ( A r c h e s p o r ) bestehen (Abb. 1 3 0 A , B).
A b b . 130 A Mooskapsel. (ah) Archegoniumhals ( H a u b e ) ; (a>)Wand; (sp) Sporen; (co) Säulchen (Columella); ( / ) F u ß . (Nach Schimper)
A b b . 130 B. Farnsporangium
A b b . J31. Brutkörper von Marchantía polymorpha. (a) A n s a t z s t e l l e ; ( S ) Scheitel; (r) Rhizoidzelle; (0) Ölzelle
b) M e h r z e l l i g e K e i m e . Im Hinblick auf ihre O r g a n i s a t i o n s h ö h e unterscheidet man: a) wenig gegliederte B r u t k ö r p e r , wie sie z. B. in den Brutbechern eines Lebermooses (Marchantia) gebildet werden (Abb. 131).
67
Die F o r t p f l a n z u n g
ß) H o c h o r g a n i s i e r t e u n d d i f f e r e n z i e r t e G e b i l d e . B r u t k n o s p e n , B r u t z w i e b e l , die Ü b e r w i n t e r u n g s k n o s p e n vieler Wasserpflanzen, S t e n g e l - u n d W u r z e l k n o l l e n (Kartoffel, Dahlie), auch A u s l ä u f e r (Erdbeere), R h i z o m e (Einbeere), ja alle Sproß- und Wurzelstücke, die ausgebildete oder schlafende Vegetationspunkte (Augen) besitzen, können nach Ablösung von der Mutterpflanze neue selbständige Tochterpflanzen zur Entwicklung bringen.
Die geschlechtliche Fortpflanzung Bei den niederen Organismen gibt es von der ungeschlechtlichen zur geschlechtlichen Fortpflanzung gewissermaßen gleitende Übergänge. A u c h bei der sexuellen Fortpflanzung kommt es zunächst noch zur Ausbildung von freibeweglichen Keimen, die in Organisation, Gestalt und Größe den Zoosporen durchaus ähnlich sein können, sich von ihnen funktionell jedoch dadurch unterscheiden, daß sie zur Weiterentwicklung der Vereinigung mit einem Partner bedürfen (Kopulation). Diese kopulationsbedürftigen Keime werden als Gameten bezeichnet. Ihr entwicklungsfähiges Kopulationsprodukt ist die Zygote. A m Anfang dieser für die phylogenetische Entwicklung ungemein bedeutungsvollen Erscheinung der sexuellen Fortpflanzung steht also die Ausbildung von äußerlich einheitlich gestalteten Gameten (Isogameten, A b b . 132 A), die ähnlich wie die Sporen durch Teilung von Kern, und Plasma einer Zelle oder in spezialisierten Behältern, den Gametangien, die den Sporangien durchaus homolog sind, gewöhnlich in größerer Zahl entstehen. Aber schon bei Algen und Pilzen kommt es zu einer fortschreitenden Differenzierung von zweierlei Gameten (Anisogamie, A b b . 132 B), den größeren, ihre Beweglichkeit mehr und mehr einbüßenden w e i b l i c h e n und den kleineren, sehr beweglichen m ä n n l i c h e n Gameten. Beide Gametengeschlechter entstehen getrennt in differenzierten Gametangien. Hat der weibliche Gamet seine a k t i v e Bewegungsfähigkeit verloren, so wird er als Ei, seine Mutterzelle als Oogonium bezeichnet, während die äußerst kleinen und beweglichen männlichen Gameten Spermien (Spermatozoide) und ihre Bildungsstätten Antheridien heißen (Abb. 132 C — F ) . Die Spermien suchen, durch chemische v o m E i ausgehende Einflüsse geleitet, dieses auf. Die Kopulation findet bei frei schwimmenden Eiern im gemeinsamen wässerigen Medium, bei festsitzenden Eiern im Oogonium statt, in das die Spermien durch vorgebildete Öffnungen eindringen. Die Zygote keimt entweder sofort oder nach Abi Pflanze aus. J
¡r
bH A. Isogameten (s) v o n Ulothrix. ( N a c h Lind)
B. Anisogameten der Braunalge E c t o c a r p u s siliculosus. (Nach Olimanns)
A b b . 132 A — C .
Gameten
C. Peronospora parasitica. Vielkerniges Oogonium (og); (k) K e r n ; (an) Antheridium. Vergr. 666. (Nach Wäger) 5*
68
Morphologie
D. E i e r v o n Fucus. ( N a c h Truret) F.
E.
A n t h e r i d i u m v o n Fucus. (sp) Spermatozoid. ( N a c h Truret)
Saprolegnia m i x t a . (g) junges Oogonium; (a) A n t h e r i d i u m ; (h) Hyphe. (Nach
(o x u. o 2 ) Klebs)
A b b . 132 D—F.
Eier;
Gameten
Die Sexualität Ü b e r die U r s a c h e n der sexuellen D i f f e r e n z i e r u n g h a b e n uns erst U n t e r s u c h u n g e n aus der neuesten Zeit eingehender u n t e r r i c h t e t . D i e S e x u a l i t ä t ist b e s t i m m t d u r c h spezifische Geschlechtsstoffe, deren B i l d u n g v o n R e a l i s a t o r e n ausgeht, die in den C h r o m o s o m e n lokalisiert sind. J e d e P f l a n z e b e s i t z t z w e i R e a l i s a t o r e n ; der eine erzeugt den m ä n n l i c h e n , der andere den w e i b l i c h e n G e s c h l e c h t s s t o f f . J e d e r G a m e t e n t h ä l t beide R e a l i s a t o r e n u n d d a h e r a u c h beide G e s c h l e c h t s s t o f f e , er ist also bisexuell. W e l c h e s G e s c h l e c h t nun i m G a m e t e n v e r w i r k l i c h t wird, h ä n g t nur v o n d e m m e n g e n m ä ß i g e n V e r h ä l t n i s der beiden G e s c h l e c h t s s t o f f e a b : I m w e i b l i c h e n G a m e t herrscht der w e i b liche S e x u a l s t o f f (f) vor, i m m ä n n l i c h e n G a m e t e n der m ä n n l i c h e S e x u a l s t o f f (m). I m F a l l eines F l a g e l l a t e n ( C h l a m y d o m o n a s ) sind beide S e x u a l s t o f f e b e k a n n t g e w o r d e n : der w e i b l i c h e G e s c h l e c h t s s t o f f ist c i s - C r o c e t i n d i m e t h y l e s t e r , der m ä n n l i c h e G e s c h l e c h t s s t o f f ist
trans-Crocetindimethylester.
Z u r K o p u l a t i o n k ö n n e n n u r solche G a m e t e n k o m m e n , die einen b e s t i m m t e n Minimalunterschied im V e r h ä l t n i s v o n f : m überschreiten. Dieses V e r h ä l t n i s s c h w a n k t n o c h in w e i t e n G r e n z e n i n n e r h a l b der G a m e t e n desselben G e s c h l e c h t s . Weibliche
Gameten: sehr s t a r k e W e i b c h e n starke „ mittelstarke ,, schwache ,,
f:m (IV) (III) (II) (I)
95 : 85: 75: 65:
5 15 25 35
69
Die Sexualität
Gameten:
f :m
schwache Männchen mittelstarke starke sehr starke
35:: 65 25:: 75 15: 5 : : 95
(1)
(2)
(3) (4)
Die folgende Tabelle gibt die Kopulationsmöglichkeiten zwischen den Sorten 'wieder:
IV III II I 1 2
3 4
IV 0 0 + + + +
+
III 0 0 0
+ + + +
+ + + + +
+ + + +
+ + + +
i1 II + 0
1 1! ! 0
1
+ + +
++ +
2
3
4
:+++ + + + + + +
+++;+++ + + + + + + + + + ! + ++ + + + + + + ++ !+ + + + + + + + + 0 I 0 + + + !+ + + + + 0 0 + + + + i+ + + 0 0 I+ + + + + + + ! 0 0 0 !+ + + + + + ++ i + 0
+ + + +
1
Gameten-
0 0
! -
0 bedeutet keine Kopulation; die Anzahl der Kreuze gibt ein Maß für die Kopulationsfreudigkeit . Hieraus ist zu ersehen, daß sowohl männliche wie weibliche Gameten unter sich kopulieren können, so fern nur das Verhältnis f : m hinreichend verschieden ist. Die Sexualität ist somit ein r e l a t i v e r Begriff, der durch q u a n t i t a t i v e , nicht durch qualitative Unterschiede bedingt ist. Neuerdings ist R. Kuhn und F. Moewus eine weitergehende Analyse der am Kopulationsvorgang direkt und indirekt beteiligten Stoffe geglückt. Physiologisch gehen dem eigentlichen Kopulationsprozeß bestimmte vorbereitende Prozesse voraus, und der ganze Kopulationsablauf stellt eine sehr komplexe Kettenreaktion dar. Es ist nun bewunderswert, wie die Pflanze durch den engen chemischen Zusammenhang aller an den Einzelprozessen beteiligten Wirkungsstoffe die Einheitlichkeit des Gesamtvorgangs wieder sicherstellt. In den Einzelakten des gesamten Befruchtungsschauspiels treten „Anlockungsstoffe", „Beweglichkeitsstoffe", „Kopulationsstoffe", „Agglutinierungsstoffe" u. a. in Tätigkeit. Wesentlich ist nun, daß alle diese Stoffe chemisch aufs engste verknüpft sind; man bezeichnet sie als „Gamone". Daneben spielen die geschlechtsbestimmenden Stoffe (Termone) eine bedeutsame Rolle. Und auch zwischen diesen beiden Gruppen besteht enge chemische Verwandtschaft. Im Dunkeln entsteht in allen Zellen als gemeinsame Vorstufe das Protocrocin (I). Unter Sauerstoffaufnahme können die beiden Seitengruppen als Pikrocrociri (V) abgespalten werden. Dieser Körper wirkt als „ G y n o t e r m o n " , d. h. er verleiht allen Zellen der benutzten Algenkultur weiblichen Charakter. Der Rest vom Protocrocin, das Crocin selbst (II), macht unter anaeroben Bedingungen alle Gameten beweglich (Beweglichkeitsstoff). Spaltet man vom Crocin noch die beiden seitlichen Disaccharide (Gentiobiose) ab, so bleibt das Crocetin übrig, das methyliert (III) den Anlockungsstoff zur Kopulation liefert, wobei im $ Gameten die eis-, im Gameten die trans-Form überwiegt. Die restliche Gentiobiose (IV) vermag unter aeroben Bedingungen die Gameten beweglich
70
Morphologie
zu machen. Löst man v o m Pikrocrocin endlich den Zucker ab, so bleibt das Safranal übrig (VI), das als Androtermon wirkt, d. h. allen Zellen Charakter verleiht (vgl. Tabelle S. 71). Ob diese Stoffe mit den natürlichen Befruchtungstermonen identisch sind, bleibt noch abzuwarten. Sicherlich aber sind sie ihnen wirkungsgleich und auch chemisch nahe verwandt. Bei vielen niederen Tieren ist die Gemischtgeschlechtlichkeit der Gameten weit verbreitet. Hier entscheiden vielfach innere und äußere Entwicklungsfaktoren über die endgültige Geschlechtsbestimmung, und zwar über die Bildung geschlechtsbestimmender Stoffe (Termone) hinweg. In höheren Pflanzen ist die geschlechtliche Bestimmung wohl im wesentlichen genetisch festgelegt, und eine A b w a n d l u n g des Geschlechts kann dann nur mehr über eine Änderung am Chromosomenbau gehen. Derartige Eingriffe sind schon in verschiedenen Fällen mit E r f o l g durchgeführt worden.
D i e Befruchtung N a c h der Kopulation der beiden verschieden geschlechtigen Gameten vereinigen sich nicht nur deren Plasmakörper (Plasmogamie), sondern das wesentlichste Moment der Befruchtung liegt vielmehr in einer Verschmelzung der beiden Sexualkerne zum Zygotenkern. Diese letztere Verschmelzung ist jedoch keine vollständige. V o n größter Bedeutung ist die Tatsache, daß die Chromosomen (vgl. S. 108 u. 109) der Kerne und damit ihr Erbgefüge ( G e n o m ) unvermischt bleiben. Die Folge davon ist, daß der Z y g o t e n k e r n im Gegensatz z u m h a p l o i d e n Gametenkern die doppelte Anzahl von Chromosomen ( d i p l o i d ) , und zwar je einen Satz männlicher und einen Satz weiblicher Chromosomen besitzt, wobei sich die Chromosomen je paarweise gleichen und entsprechen ( h o m o l o g e C h r o m o s o m e n ) . A b e r auch die aus dem Zygotenkern sich entwickelnde Pflanze besteht ausschließlich aus diploiden Zellen. Sollen die Gameten der neuen Pflanze wieder haploid sein, und das ist notwendig, wenn in der künftigen Z y g o t e nicht mehr als je ein Satz väterlicher und ein Satz mütterlicher Chromosomen vereinigt werden sollen, so m u ß vor der Gametenbildung jeweils eine Reduktion der Chromosomenzahl eintreten. Diese erfolgt stets in Verbindung mit einer Kern- und Zellteilung (Reduktionsteilung). Näheres vgl. S. 109ff. Die entstehenden Tochterkerne besitzen nach erfolgter Reduktionsteilung nur mehr die einfache Chromosomenzahl. Auf die Reduktionsteilung folgt gewöhnlich unmittelbar eine typische Teilung, so daß aus der diploiden Mutterzelle mindestens vier haploide Urkernzellen (Tetrade) entstehen ( R e i f e t e i l u n g e n ) . F ü r den Ablauf des gesamten Lebenszyklus einer Pflanze ist es nun von e n t s c h e i d e n d e r B e d e u t u n g , a n w e l c h e r S t e l l e d e r E n t w i c k l u n g die Reduktionsteilung stattfindet. Das ist bei den einzelnen Pflanzen recht unterschiedlich. I m einfachsten Fall ist schon die e r s t e Teilung der Zygote eine Reduktionsteilung (vgl. A b b . 134, j ) . Sie kann aber auch weit hinausgeschoben sein und erst in der G a m e t e n m u t t e r z e l l e , also unmittelbar vor der Gametenbildung, erfolgen. Die Reduktionsteilung erzeugt, wie bereits erwähnt, haploide Kerne, und alles Gewebe, das aus der Tetrade der Reduktionsteilung hervorgeht, ist h a p l o i d . Erst die Kopulation, d. i. die Vereinigung zweier Gameten, beendet die haploide Entwicklungsphase. Der Haplont reicht also von der Reduktionsteilung bis zur Kopulation. D a s aus der befruchteten Eizelle sich entwickelnde Gewebe ist bis z u m Eintritt der Reduktionsteilung diploid (Diplont). So ist karyologisch, das heißt nach B a u und Inhalt des Zellkerns, jede kopulationsbefähigte Pflanze in zwei E n t w i c k l u n g s p h a s e n getrennt, 1. in eine h a p l o i d e von der Reduktionsteilung bis zur Kopulation
(Haplont),
2. in eine d i p l o i d e von der Kopulation bis zur Reduktionsteilung
(Diplont).
Die
Sexualität
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Morphologite 1
72
Man bezeichnet den regelmäßigen Wechsel haploider und diploider Generationen als Kernphasenwechsel. Die Größe des Anteils beider Phasen am G e s a m t a u f b a u der Pflanze ist sehr verschieden, wie aus Beispielen noch klar gemacht werden soll. Begrifflich und sachlich scharf z u trennen v o n diesem Kernphasenwechsel ist der W e c h s e l i n d e r A r t d e r F o r t p f l a n z u n g . Man bezeichnet das regelmäßige Abwechseln von ungeschlechtlicher u n d geschlechtlicher F o r t p f l a n z u n g im R a h m e n der Gesamtentwicklung eines Individuums als Generationswechsel. D a b e i bauen Sporen oder ihnen homologe Gebilde in ungeschlechtlicher Weise eine erste Entwicklungsphase der Pflanze auf, die mit der Bildung von Sexualorganen und Gameten abschließt ( G a m e t o p h y t ) . Die zweite Entwicklungsphase beginnt mit der Gametenvereinigung zur Zygote, die ihrerseits in zahlreichen Teilungsschritten nun die zweite Entwicklungsgeneration aufbaut, welche m i t der Bildung v o n Sporen endigt ( S p o r o p h y t ) . E s entsteht also der G a m e t o p h y t aus der ungeschlechtlichen V e r m e h r u n g über die Sporenkeimung, der Sporophyt im A n s c h l u ß an die geschlechtliche F o r t p f l a n z u n g aus der Zygotenkeimung.
A b b . 133. 1:
K o p u l a t i o n s v o r g a n g und K e i m u n g der Z y g o t e bei der A l g e Spirogyra longata.
Gametenkerne
und
2: Z y g o t e n k e r n (k)\ 3 u. 4: D i e aus der Reduktions- u. folgenden Äquations-
teilung hervorgehenden Tochterkerne; (gfe) Großkern, (klk) Kleinkerne); 5 : K e i m u n g der Z y g o t e . hülle («>'); einzelliger
Keimling
mit
Chromatophoren (ehr) (Nach
und
Stärkebildungsherden
Zygoten-
(pyr) Pyrenoid.
TrÖndle)
Gestaltswechsel. A u c h gestaltlich vollzieht sich wenigstens bei den höheren Pflanzen die Gesamtentwicklung der Pflanzen gewöhnlich in deutlich unterscheidbaren R h y t h m e n . So treten z . B . b e i m M o o s d r e i g e s t a l t l i c h d i f f e r e n z i e r t e P h a s e n in Erscheinung: das P r o t o n e m a , das M o o s p f l ä n z c h e n und die M o o s k a p s e l (vgl. A b b . 134, 5 u. 137). B e i m F a r n sind es nur z w e i morphologische P h a s e n : V o r k e i m (Prothallium) und F a r n p f l a n z e (vgl. A b b . 134, 6 u. 138). Kernphasen-, Generations- und Gestaltswechsel erscheinen in vielen Fällen in bestimmter Weise miteinander gekoppelt. A b e r hierbei handelt es sich nur u m Parallelerscheinungen und keineswegs u m kausale Beziehungen. So ist die R e d u k t i o n der Chromosomenzahl weder die Ursache für die A u s b i l d u n g der morphologischen Besonderheit noch diejenige für die A u s b i l d u n g kopulationsbedürftiger Gameten. E s gibt, wenn auch nur in Ausnahmefällen, sowohl diploide G a m e t o p h y t e n (Prothallien) wie auch haploide Sporophyten. Andererseits bedingt der Kernphasenwechsel auch nicht immer eine morphologische Differenzierung. So sind bei verschiedenen A l g e n (Cladophora) die haploide und die diploide Phase bis auf die G a m e t e n bzw. Sporen im Habitus völlig gleich, und wenn eine gestaltliche Differenzierung eingetreten ist, k a n n selbst innerhalb enger verwandtschaftlicher Grenzen der einen und der anderen Kernphase die größere und höher organisierte Pflanzenform zukommen (vgl. Cutleria und Laminaria). Beispiele für den Kernphasen-, Gestalts- und Generationswechsel sollen an H a n d der ontogenetischen E n t w i c k l u n g der wichtigsten Pflanzengruppen gezeigt werden. E i n e n Kernphasenwechsel m u ß notgedrungen jeder Organismus m i t geschlechtlicher Vermehrung aufweisen, denn stets m u ß eine Reduktionsteilung für die K o n s t a n z der Chromosomenzahl sorgen.
Die Sexualität
Abb. 134.
Generationswechsel, Kernphasenwechsel und Gestaltswechsel mit fortschreitender Entwicklungshöhe der Pflanzen. Schwach ausgezogen = Gametophyt (schraffiert ¡5", weiß §), kräftig ausgezeichnet = Sporophyt; R = Reduktionsteilung; O Zygote. I Ulothrix; 2 Cutleria; 3 Dictyota; 4 Laminaria; 5 Moos; 6 F a r n ; 7 Blütenpflanze. (Nach Härder)
74
Morphologie
Beispiele von Kernphasen-, Generations- und Gestaltswechsel mit fortschreitender Entwiddungshöhe der Pflanzen I. Thallophyten 1. Der ursprüngliche Typus des Generationswechsels ist wohl bei U l o t h r i x (Abb. 134, 1), V a u c h e r i a und anderen G r ü n a l g e n verwirklicht. Hier ist bereits die e r s t e Kernteilung der auskeimenden Z y g o t e eine Reduktionsteilung, so daß die Pflanze ihre Gesamtentwicklung a l s H a p l o n t durchläuft. Sporen und Gameten treten am gleichen Individuum auf. Die Sporophytengeneration ist auf die ungekeimte Z y g o t e beschränkt. 2. B e i höher organisierten Grünalgen wie auch bei zahlreichen Braunalgen ist die Reduktionsteilung h i n a u s g e s c h o b e n worden. Die Z y g o t e keimt o h n e Reduktionsteilung und entwickelt eine d i p l o i d e P f l a n z e . A u f dieser entstehen Sporen (Sporophyt). Dieser Sporenbildungsprozeß wird durch eine Reduktionsteilung eingeleitet, wobei es zu einer geschlechtlichen Differenzierung der Sporen kommen kann.
A b b . 135 A. Laminaria digitata. Weiblicher G a m e t o p h y t . (og) Oogonium; (e) Eizelle. Vergr. e t w a 300. (Nach Kylin)
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A b b . 135 B. Laminaria. Sporophyt
A u s den geschlechtlich differenzierten Sporen entstehen dann weibliche und männliche haploide Gametophyten, welche in Gametangien die Gameten bilden. Kernphasen- und Generationswechsel sind hier also gekoppelt, da der Sporophyt stets diploid, der Gametop h y t regelmäßig haploid ist. Die Reduktionsteilung scheidet in solchen Fällen auch die beiden Generationen, die im einfachsten F a l l noch gleichgestaltet sind. Eine gestaltliche Differenzierung der beiden Generationen setzt bei manchen Braunalgen ein. B e i C u t l e r i a (Abb. 134, 2) ist der G a m e t o p h y t eine ansehnliche aufrechte, gabelig verzweigte Pflanze, der Sporophyt dagegen ein kleines krustenförmiges Gebilde. Umgekehrt ist bei L a m i n a r i a der G a m e t o p h y t auf einen winzigen Zwergrasen reduziert, während der Sporophyt gewaltige A u s m a ß e und hohe morphologische und anatomische Gliederung annehmen kann (Abb. 134, 4, 135 A, B). A u c h hier k o m m t es im Anschluß an die Reduktionsteilung zu einer geschlechtlichen Differenzierung der Sporen. 3. Verläuft auch die Sporenbildung noch ohne Reduktionsteilung, wird die letztere vielmehr bis zur Gametenbildung hinausgeschoben, so sind die Gameten die einzigen haploiden Zellen im ganzen E n t w i c k l u n g s z y k l u s der P f l a n z e (Fucus). 4. B e i den niederen Pilzen kann man von einem regelmäßigen Generationswechsel nicht mehr reden, da hier die A r t der F o r t p f l a n z u n g nicht v o n inneren Entwicklungsgesetzen, sondern von äußeren Bedingungen (besonders der Ernährung) bestimmt
Die Sexualität
75
werden. So bildet z . B . S a p r o l e g n i a , ein Fäulnispilz, unter günstigen Ernährungsbedingungen Sporen, bei Erschöpfung der verfügbaren Nahrung dagegen Gameten. Bei den höheren Pilzen ist die erste Teilung der Zygote stets eine Reduktionsteilung, so daß ein Diplont hier gar nicht mehr in Erscheinung treten kann. Dagegen ist ein Kernphasenwechsel — wenn auch in versteckter Form — noch vorhanden. II. Archegoniaten Eine r e g e 1 m ä ß i g e Erscheinung wird der Generationswechsel dagegen bei den A r c h e g o n i a t e n, das sind Pflanzen, bei welchen die geschlechtliche Differenzierung der Gameten und Gametangien weitere Fortschritte gemacht hat. Die männlichen Gameten werden in großer Zahl als sogenannte Spermatozoiden in charakteristisch gebauten A n t h e r i d i e n (Abb. 1 3 6 A) gebildet, während die weiblichen Gameten (Eizellen) stets in der Einzahl in mehrzelligen, flaschenähnlichen Gametangien, den A r c h e g o n i e n (Abb. 1 3 6 B u. C), entstehen. Bei den Archegoniaten sind Generations- und Kernphasenwechsel in der Regel verknüpft.
Abb. 136 B.
Abb. 136 C.
Abb. 1 3 6 ^ . Sich öffnendes Farnantheridium. (sp) Spermatozoiden; (Kz) Spermatozoidzelle; (pl) Restplasma der Spermatozoidbildungszelle; (tt>z) Wandzellen
Abb. 1 3 6 A.
Abb. 136 B u. C. Archegonium des Tüpfelfarns. B geschlossen: (w) Wand; (h) Halskanalzelle; (b) Bauchkanalzelle; (e) Eizelle. C geöffnet. Vergr. 240. (Nach Strasburger)
1. Moose. Aus den haploiden Sporen entwickelt sich ein fadenförmiger Vorkeim, das P r o t o n e m a (Abb. 1 3 7 A). Ohne Kernphasenwechsel vollzieht sich auf dem Vorkeim ein Gestaltswechsel, indem aus Endzellen der Seitenfäden durch gesetzmäßig verlaufende Zellteilungen einige Knospen entstehen, die sich zu den bekannten Moospflänzchen entwickeln. Auf diesen erst werden die Antheridien und Archegonien mit Spermatozoiden und Eizellen gebildet. Bis hierher reicht der haploide Gametophyt (Abb. 1 3 7 B, C). Die b e f r u c h t e t e E i z e l l e eines Archegons wächst ohne Reduktionsteilung zur M o o s k a p s e l heran; diese stellt daher den Sporophyten dar. In der Mooskapsel differenziert sich ein zentrales Gewebe, das A r c h e s p o r , welches die S p o r e n m u t t e r z e l l e n liefert. J e d e dieser letzteren entwickelt vier Tochterzellen, die S p o r e n . D i e e r s t e S p o r e n m u t t e r z e l l e n t e i l u n g i s t e i n e R e d u k t i o n s t e i l u n g , so daß die Sporen haploid werden. Die sporophytische Entwicklung reicht also von der befruchteten
y6
Morphologie
Eizelle bis zur ersten Teilung der Sporenmutterzelle. Die auskeimenden Sporen liefern dann wieder das Protonema usw. Der Sporophyt führt kein selbständiges Da,sein mehr, sondern lebt parasitisch auf dem Gametophyten (Abb. 134, 5). .
Abb. 137 A.
Abb. 137 B.
Abb. 137 C.
Abb. 137 A. Moosprotohema. (kn) Knospe; (rh) Rhizom; (pr) Protonema Abb. 137 B. Moospflänzchen. (h) Haube; (ka) Kapsel; (st) Stiel (Seta); (rh) Rhizoiden Abb. 137 C. Spitze eines Moospflänzchens mit Archegonien (arch) und Antheridien (an)
2. Farne. Auch bei den Farnen entsteht aus der keimenden Spore zunächst ein haploides P r o t h a l l i u m , das auf seiner Unterseite die Antheridien und Archegonien -entwickelt (Gametophyt) (Abb. 138 u. 134, 6). Aus der befruchteten Eizelle entsteht ein in Wurzel und Sproß gegliederter K e i m l i n g ( E m b r y o ) , der zur Farnpflanze auswächst (Abb. 138 5), auf deren Blättern dann die Entwicklung der Sporen sich vollzieht. Diese entstehen in S p o r a n g i e n , die gehäuft in sogenannten Sori zusammenstehen (Abb. 138 C). Die Sporangien entwickeln ihre Sporen ebenfalls aus zen'\ tral gelegenen Sporenmutterzellen, deren j m m < erste Teilung eine Reduktionsteilung ist.
Abb. 1 3 8 / î . Farnprothallium (pr). (ar) Archegonien ; (ar-) Antheridien ; (rh) Rhizoiden. (Nach Schenck)
Abb. 138 B. Farnprothallium (pr) mit junger Farnpflanze. (Ib) Laubblatt; (iv) Wurzel; (rh) Rhizome. (Nach Schenck)
Abb. 138 C.
Fiederbättchen eines Farns mit Sori (s) 1 Sori geschlossen 2 Sporangien (spg) unter dem Schleier (sch) hervorragend
Die Sexualität
77
Der Sporophyt umgreift hier wie bei den Moosen das Stadium von der befruchteten Eizelle bis zur Sporenbildung. Im Gegensatz zu den Moosen tritt der Gametophyt bei den Farnen stark zurück. Diese Neigung verstärkt sich mit steigender Entwicklungshöhe schließlich so weit, daß der G a m e t o p h y t s e i n e S e l b s t ä n d i g k e i t v o l l s t ä n d i g e i n b ü ß t u n d m e h r u n d m e h r d i e R o l l e e i n e s k l e i n e n O r g a n s an d e m s i c h m ä c h t i g e n t f a l t e n den S p o r o p h y t e n z u g e w i e s e n b e k o m m t . Natürlich nähert sich auch diese Entwicklung nur schrittweise dem geschilderten Endzustand. A ^gSSS^ftO^vCTo "
A b b . 139 A. Selaginella. Mikrosporangium. (mi) Mikrosporen; (/) Tapetenschicht. (Nach Sachs)
A b b . 139 B. Selaginella. Makrosporangium. (ma) Makrospore. (Nach Sachs)
A b b . 140 A. Selaginella. Mikrosporenkeimung. (5) spermatogene Zelle; (w) W a n d z e l l e ; (p) Prothalliumzelle
A b b . 140 B. Selaginella. Makrosporenkeimung. (ar) A r c h e g o n i u m ; (pr) P r o t h a l l i u m ; (rh) Rhizoiden. (Nach Belajeff)
E i n e starke R e d u k t i o n erfährt der Vorkeim bereits beim B ä r l a p p . Hier entwickelt sich aus den Sporen zunächst nur ein 5 zelliger Keimling, der zu seiner W e i t e r e n t w i c k l u n g der Symbiose eines Pilzes nach A r t der endotrophen Mykorrhiza (vgl. S. 247) bedarf. A b e r auch unter dieser Beihilfe erreicht der saprophytisch lebende V o r k e i m nur Stecknadelkopfgröße. L a n g e Zeit w a r diese unterirdisch lebende gametophytische Generation ihrer Kleinheit wegen den Forschern verborgen geblieben.
Ein weiterer entscheidender Schritt in der Zurückdrängung der Gametophytenphase erfolgte mit der V e r l e g u n g d e r V o r k e i m b i l d u n g in d a s I n n e r e d e r S p o r e . Diese keimt sozusagen nicht mehr nach außen, sondern nach innen.
78
Morphologie
Das ist bereits bei Selaginella verwirklicht. Diese Pflanze entwickelt zweierlei Sporangien: in den M i k r o s p o r a n g i e n entstehen zahlreiche M i k r o s p o r e n (Abb. 1 3 9 ^ ) , während die Zahl der M a k r o s p o r e n auf 4 pro Makrosporangium beschränkt ist (Abb. 139 B). M i k r o s p o r e n k e i m u n g . Die Mikrospore keimt bei geschlossen bleibender Wand. Zunächst wird an einem Pol eine linsenförmige Zelle abgeschnürt. Diese stellt das ganze Prothallium dar. Der Rest der Mikrospore bildet darauf sterile wandständige und spermatogene Zentralzellen, in denen die Spermatozoiden gebildet werden, die nach Aufplatzen der Wand ins Freie gelangen (Abb. 140 A). M a k r o s p o r e n k e i m u n g . Der primäre Sporenkern teilt sich in zahlreiche Tochterkerne, die ein vielzelliges Gewebe, das weibliche Prothallium, bilden. Am Scheitel des Prothalliums entstehen einige wenige Archegonien. Hiernach platzt die Sporenwand auf und die Befruchtung kann vollzogen werden. Die Zygote wächst ohne Reduktionsteilung zum Keimling und zur grünen Pflanze heran. Das Gametenstadium ist hier also bereits in die Spore selbst hinein verlegt (Abb. 140 B). III. Samenpflanzen (Spcrmatophyten) Physiologisch bedeutungsvoll ist die Tatsache, daß der Vorkeim vollkommen heterotroph geworden ist, sich also aus den in der Spore gespeicherten Reserven ernähren muß. Das bringt besonders für die Makrospore neue Aufgaben mit sich, da sie den jungen Embryo zu versorgen hat. Hieraus wird es verständlich, daß schließlich bei den höchstentwickelten Pflanzengruppen die M a k r o s p o r e b i s z u m A u f b a u d e s E m b r y o s in V e r b i n d u n g m i t d e m S p o r o p h y t e n b l e i b t , wodurch alle Ernährungsschwierigkeiten behoben werden. So wird die Makrospore der Samenpflanzen für die ganze Dauer ihrer Keimung von der festsitzenden Samenanlage umschlossen, auf welche nun zur Befruchtung die Mikrospore (Pollen) übertragen werden muß (Bestäubung). 1. Gymnospermen. a) D i e M a k r o s p o r e n . In der Samenanlage (Abb. 1 4 1 ) entspricht der Nucellus dem Makrosporangium der Pteridophyten. E r ist von zwei Hüllen, den Integumenten, umgeben, die am einen Ende einen offenen Kanal zum Nucellusscheitel freilassen (Mikropyle). In der Mitte des Nucellus liegt das sporogene Gewebe. E s bildet nur eine einzige entwicklungsfähige Makrospore aus, die gewissermaßen nach innen keimt: Zellkern und Plasma teilen sich fortlaufend und erfüllen so die Makrospore unter mächtiger Ausweitung derselben mit kleinzelligem Prothalliumgewebe, das in Scheitelnähe einige Archegonien ausbildet, die aus mächtiger Eizelle und verkümmertem Halsteil bestehen.
b) D i e M i k r o s p o r e n (Pollenkörner) entstehen aus dem sporogenen Gewebe der Mikrosporangien (Pollensäcke) in Tetraden aus den Sporenmutterzellen. Die erste Teilung der Sporenmutterzelle ist eine Reduktionsteilung. Im Pollenkorn vollziehen sich nun Kernteilungen und Zellbildung, die denen bei der Keimung der Pteridophytenmikrosporen homolog sind. Im einfachsten Fall teilt sich der Mikrosporenkern und bildet eine oder mehrere wandständige P r o t h a l l i u m z e l l e n (Abb. 142). Diese scheiden nach dem Zellinneren zu eine A n t h e r i d i u m z e l l e ab, aus der schließlich zwei g e n e r a t i v e Z e l l e n entstehen, welche den Spermatozoiden der Farne homolog sind. (Den entwicklungsgeschichtlichen Anschluß an diese bilden die bewimperten und noch frei beweglichen Spermatozoiden der Cycadeen.) Während dieser Entwicklung wird der Pollen auf die Samenanlage befördert ( B e s t ä u b u n g ) , wonach das Pollenkorn einen Pollenschlauch treibt, durch den die generativen Zellen bzw. Kerne dann den Weg in die Archegonien und zur Eizelle gewiesen erhalten. Da die inneren Keimungsvorgänge in der Makrospore nicht immer gleichzeitig mit denen im Pollenkorn abgeschlossen sind, sondern vielfach erst viel später beendet werden, liegt bei den Koniferen zwischen Bestäubung und Befruchtung eine wechselnde Zeitspanne von wenigen Wochen bis zu einem J a h r und mehr. Aus der befruchteten Eizelle entwickelt sich dann ein v i e l z e l l i g e r E m b r y o , dessen Aufbau vom primären Nährgewebe des Nucellus gespeist wird.
2. Angiospermen, a) M i k r o s p o r e n . In den P o l l e n s ä c k e n der Antheren (vgl. S.44) entstehen in ähnlicher Weise wie bei den Gymnospermen die P o l l e n k ö r n e r (Mikrosporen). Schon vor dem Ausstäuben teilt sich der Pollenkern, und es wird eine wandständige uhrglasförmige Zelle ( A n t h e r i d i u m z e l l e ) an der Pollen wand angelagert (Abb. 143). Diese löst sich später los und liegt zur Zeit der Pollenübertragung als spindelförmiges Gebilde neben dem Kern der vegetativen Pollenzelle. Auf der N a r b e
Die Sexualität
79
d e s F r u c h t k n o t e n s treibt das Pollenkorn einen P o l l e n s c h l a u c h . Die Antheridiumzelle teilt sich in zwei g e n e r a t i v e Z e l l e n / die in den Pollenschlauch einwandern, an dessen Spitze der v e g e t a t i v e Pollenkern liegt, der das Spitzenwachstum des Schlauches reguliert.
Abb. 1 4 1 . Samenanlage der Gymnospermen (Kiefer). (p) Pollenkörner; (ps) Pollenschläuche; (g) generative Kerne; (b) Bauchkanalzelle des Archegoniums; ([e) Eizelle des Archegoniums; (i) Integument. (Nach Strasburger)
Abb. 142. Mikrosporenkeimung der Gymnospermen. I = Pollenkorn, (s) Luftsäcke; (p) Prothalliumzellen; (sp) Antheridiumzelle; (vk) vegetativer Kern. 2 = Keimung des Pollenkorns. (d) Stielzelle; (sp) spermatogene Zelle; (vk) vegetativer Kern. 3 = späteres Stadium der Pollenkeimung. (gj u. g 2 ) generative Kerne; (d) Stielzelle; (vk) vegetativer Kern. (Nach Coulter u. Chamberlain)
Abb. 143. Mikrosporenkeimung bei den Angiospermen (Lilium Martagon). (an) Antheridiumzelle; (gx u. g 2 ) generative Kerne; (vk) vegetativer Kern. (Nach Strasburger)
b) D i e S a m e n a n l a g e . Auch bei den Angiospermen (Abb. 144) 'entspricht der Nucellus dem Makrosporangium der Pteridophyten. E r ist wie bei den Gymnospermen von becherförmigen Hüllen, einem äußeren und einem inneren Integument, umschlossen und nur durch die Mikropyle von außen her zugänglich. Der Nucellusgrund wird als Chalaza bezeichnet. Mit dem Fruchtblatt ist die Samenanlage durch das Stielchen (Funiculus) verwachsen (Ansatzstelle = Placenta).
8o
Morphologie
Die Lage des Nucellus zum Stiel kann verschieden sein: a) Der Nucellus liegt gerade in der Richtung des Stielchens (atrop) (Abb. 145, 1). b) Der Nucellus ist gerade, aber umgewendet, so daß die Mikropyle zur Ansatzstelle des Stielchens am Fruchtblatt sieht (anatrop) (Abb. 145, 2). c) Der Nucellus ist S-förmig gekrümmt ( c a m p y l o t r o p ) (Abb. 145,3).
Abb. 145. Samenanlagen. 1 = atrop (aufrecht); 2 = anatrop (hängend); 3 — campylotrop (gekrümmt), (tri) Mikropyle; (i'j) äußeres (z2) inneres Integument; (emb) Embryosack; (ch) Chalaza; ( / ) Fuß (Funiculus)
Abb. 144. Samenanlage bei Angiospermen. (po) Pollenkörner; (ps) Pollenschläuche; (mi) Mikropyle; (¿1) äußeres, (¿ 2 )innereslntegument; (nu) Nucellus; (sy) Schwesterzelle; (e) Eizelle; (sk) sekundärer E m bryosackkern; (an) Antipoden; (cha) Chalaza; (Ib) Leitbündel; (fr) Fruchtknotenwand. (Nach Scheuch)
Abb. 146. Bildung des Embryosacks (x—3), Keimung des Embryosacks (6—10). (mu) Embryosackmutterzelle; (emb) Embryosack; (e) Eizelle; (s) Schwesterzellen; (e2) sekundärer Embryosackkern; (a) Antipoden
Abb. 146.
Der Nucellus bringt nur eine Sporenmutterzelle zur Entwicklung. Von den ursprünglich vier Makrosporen entwickelt sich nur eine e i n z i g e zum E m b r y o s a c k . Bei der inneren Keimung des Embryosacks teilt sich der primäre Embryosackkern in drei Teilungsschritten ( S p o r e n k e i m u n g ) zu insgesamt acht Kernen, wobei die erste dieser Teilungen eine Reduktionsteilung ist (Abb. 146). J e drei Kerne wandern nach den
8l
D i e Sexualität
entgegengesetzten Polen des E m b r y o s a c k s und umgeben sich unter Zellbildung mit Plasma. Die beiden restlichen K e r n e verschmelzen in der Mitte des E m b r y o s a c k s z u m diploiden s e k u n d ä r e n E m b r y o s a c k k e r n . Die an dem der Chalaza zugekehrten E m b r y o s a c k e n d e angelagerten Zellen ( A n t i p o d e n oder Gegenfüßlerinnen) entsprechen d e m Prothallium der Farne, die der Mikropyle zu gelegenen Zellen stellen den E i a p p a r a t dar. V o n ihnen ist nur die mittlere Zelle ( E i z e l l e ) fertil, die beiden seitlichen G e h i l f i n n e n vermitteln den Eintritt der generativen Pollenkerne in den E m b r y o s a c k . Die Befruchtung. D e r Pollenschlauch wächst von der N a r b e durch den Griffelkanal und weiter durch die Mikropyle herein, durchstößt die oberen Nucelluszellen, zerstört die Gehilfinnenzellen, u n d n u n vereinigt sich der eine generative K e r n mit dem Eikern z u m diploiden Z y g o t e n k e r n , während der zweite generative Pollenkern mit dem sekundären E m b r y o s a c k k e r n z u m t r i p l o i d e n E n d o s p e r m k e r n verschmilzt. V o n den beiden befruchteten Kernen entwickelt sich zunächst der Endospermkern. Unter zahlreichen Zellteilungen liefert er das s e k u n d ä r e N ä h r g e w e b e (sekundäres Prothallium), dann erst erfolgen die ersten Teilungen des Zygotenkerns z u m A u f b a u d e s K e i m l i n g s (Embryo). B e i den Angiospermen findet also doppelte B e f r u c h t u n g statt. Die Prothalliumbildung ist zunächst auf die drei Antipoden beschränkt. Sie findet eine Fortsetzung erst nach B e f r u c h t u n g des sekundären E m b r y o s a c k k e r n s in der B i l d u n g des sekundären Nährgewebes (fraktionierte Endospermbildung). Embryoentwicklung. Die befruchtete Eizelle wächst zunächst z u einem fadenartigen Gebilde, dem V o r k e i m , aus, der nur aus einer Reihe v o n wenigen Zellen besteht. Die e i n e Endzelle des Vorkeims schwillt im weiteren Verlauf der E n t w i c k lung stark an (Abb. 147), ohne sich weiter z u teilen. Die a n d e r e Endzelle dagegen erfährt zunächst eine Teilung in der Längsrichtung des Fadens. Ihr folgt eine dazu verlaufende Querteilung. Hierbei schwillt dieser endständige 4-teilige Zellkomplex kugelig an ( K e i m kugel). A u s ihm entsteht im weiteren Entwicklungsverlauf der ganze K e i m l i n g ( E m b r y o ) , während der Rest des V o r k e i m s als sogenannter K e i m t r ä g e r dient. Die A b b . 147. E m b r y o e n t w i c k l u n g v o m Hirtentäschelerste Querteilung der K e i m k u g e l scheidet kraut. I : (fe) K e i m k u g e l ; (tr) Keimträger. 2 u. 3 : bereits S p r o ß und W u r z e l g e w e b e v o n weitere Teilungen in der Keimkugel. 4: (c) K o t y einander. Die beiden endständigen Zellen ledonen; (v) Vegetationspunkt. (Nach Hanstein) bauen durch weitere Zellteilung den Sproß, die dem K e i m t r ä g e r zugekehrten Zellen die W u r z e l auf. A m Sproßteil differenzieren sich zuerst die K e i m b l ä t t e r (vgl. S. 33), zwischen denen ein Nest von Zellen ihren meristematischen Charakter beibehält (SproßVegetationspunkt). D a s aus den Wurzelmutterzellen hervorgehende Gewebe läßt schon in der äußeren zylindrischen F o r m und der längsreihigen Anordnung seiner Zellen ein v o m Sproß grundlegend verschiedenes Bauprinzip ahnen. N a h e am distalen E n d e verbleibt auch hier ein Rest rein meristematischer Zellen, der V e g e t a t i o n s p u n k t der Wurzel. D a s haploide Entwicklungsstadium u m f a ß t somit bei den Angiospermen nur die Phase von der Tetradenteilung der Sporenmutterzellen bis zur Befruchtung. Der G a m e t o p h y t ist also auf das Pollenkorn bzw. die innere K e i m u n g (Reifung) des primären E m b r y o s a c k s beschränkt. Die ganze übrige E n t w i c k l u n g der Angiospermen spielt sich am Sporophyten ab. Gelegentlich tritt keine Gametenkopulation mehr ein, nämlich wenn die unbefruchtete Eizelle sich entwickeln k a n n ( P a r t h e n o g e n e s e ) oder wenn nicht die W e t z e l , Grundlagen der allgemeinen Botanik.
6
82
Morphologie
Eizelle, sondern andere Zellen, etwa Gehilfinnen oder Antipoden bzw. Zellen des Nucellus oder der Integumente den Embryo aufbauen ( A p o g a m i e ) (Abb. 148 A 11. B).
A b b . 148 A. F u n k i a ovata. A u s dem Nucellusscheitel entstehen neben dem E m b r y o aus der Eizelle (0) noch A d v e n t i v e m b r y o n e n (ae)\ (m) inneres I n t e g u m e n t ; dunkel schraffiert sind die Nucelluszellen. ( N a c h Strasburger)
A b b . 148 B. Hieracium flagellare. E n t s t e h u n g des E m b r y o s a c k s aus einer Integumentzelle (t). Die Makrosporentetrade (t) ist desorganisiert. (Nach Rosenberg)
Die Abb. 149 gibt in schematischer Form den normalen Entwicklungszyklus einer
A b b . 149. E n t w i c k l u n g s z y k l u s der Samenpflanzen. Die E n t w i c k l u n g v o m Samen bis zur Blütenbildung wird als vegetative Phase, diejenige v o n der Blüte bis zur Samenbildung als reproduktive Phase bezeichnet. R = Reduktionsteilung
Die physiologischen Bedingtingen der verschiedenen Fortpflanzungsweisen
83
D i e physiologischen Bedingungen der verschiedenen Fortpflanzungsweisen Lange Zeit hat man den Generationswechsel für eine Erscheinung gehalten, die ihre Ursache in einem umwandelbaren inneren E n t w i c k l u n g s r h y t h m u s habe. Die experimentelle Erforschung dieses Problems hat aber ergeben, daß die Fortpflanzungsart in vielen Fällen durch die Ernährungslage des Organismus entschieden wird. So teilen sich viele Algen bei reichlicher Z u f u h r von Mineralsalzen dauernd v e g e t a t i v , während sie bei Drosselung der Mineralstoffzufuhr . c (besonders unter günstigen Lichtverhältnissen) zur Gametenbildung übergehen. V"*\\
Sporangium
von
A b b . 150 A. Saprolegnia Spören (sp)
(spg);
Schwärm-
A b b . 150 B. G a m e t a n g i e n v o n Saprolegnia. (a) A n t h e r i d i u m ; ( " i u - o 2 )Oogonien; (h) P i l z h y p h e ; (g) junges Oogonium
Der A l g e n p i l z S a p r o l e g n i a , der sich auf dem Körper ins Wasser gefallener Insekten entwickelt, bildet in unmittelbarer N ä h e des Nährsubstrats zunächst ein Myzel, dessen H y p h e n später an ihrem E n d e Sporangien mit zahlreichen Schwärmsporen (Abb. 150 A ) ausbilden. B e i sich verschärfender Nährstoffknappheit geht dann der Pilz zur A u s b i l d u n g der Gametangien über (Abb. 150 B). Mit Hilfe entsprechender Variation künstlicher Nährböden kann man alle drei E n t w i c k l u n g s f o r m e n : Myzelwachstum, Sporenu n d Gametenbildung willkürlich erzeugen und auch die zeitliche Aufeinanderfolge der einzelnen Entwicklungsphasen beliebig variieren. In ähnlicher Weise ist aber auch der Ü b e r g a n g v o m rein vegetativen Wachstum der höheren Pflanze zur Blütenbildung weitgehend von Außenfaktoren bzw. von der durch Außenfaktoren beeinflußten Ernährungslage der Pflanzen bestimmt. Zwar erweckt die jahreszeitliche Periodizität der P f l a n z e n e n t w i c k l u n g zunächst den Eindruck eines unabänderlichen R h y t h m u s , aber Klebs u n d Vöchting haben die W i r k u n g der A u ß e n faktoren auf den Ablauf der E n t w i c k l u n g auch bei Blütenpflanzen klar herausstellen können. A m besten sind diese Einflüsse bei einer Dachwurzart (Sempervivum Funkii) untersucht (Abb. 151) : a) B e i dauernd reichlicher Nährstoffzufuhr, günstiger Beleuchtung und Vermeidung tiefer'Temperaturen wächst die Pflanze jahreweis r e i n v e g e t a t i v , ohne zur Blüten( bildung zu k o m m e n . 6*
84
Morphologie
Abb. 151 A. Rosetten vom Sempervivum Funkii zur Streckung gebracht. 1 im Tageslicht, 2 im roten Licht, 3 im blauen Licht, 4 im Dunkeln
Abb. 151 A.
b) Unter natürlichen Bedingungen erlangen viele Pflanzen schon im Herbst die sogenannte B l ü h r e i f e , d . h . sie schreiten imFrühjahr nach Überwindung der winterlichen Ruheperiode unter günstigen Lichtbedingungen zur Blütenbildung. Hält man dagegen die im Herbst blühreif gewordenen Pflanzen den Winter über warm und feucht, so wird die Blühreife wieder vernichtet und imFrühjahr entwickeln sich rein vegetative Sprosse. In ähnlicher Weise vermag kurzwelliges (blaues) Licht die Blühreife zu vernichten (Abb. 151^3), während rotesLicht zur Blütenbildung und Entfaltung führt (Abb. 151 y42). Ein anderes Beispiel für die Wirkung der Außenfaktoren auf den Entwicklungsablauf der Pflanze bietet die Zuckerrübe. Unter normalen Bedingungen bildet die Pflanze
Die physiologischen Bedingungen der verschiedenen Fortpflanzungsweisen
85
im ersten Jahr eine B l a t t r o s e t t e mit der verdickten Wurzel ( R ü b e ) ; im zweiten Jahr entwickelt die letztere dann den B l ü t e n s p r o ß . Hält man dagegen die beblätterte R ü b e den Winter über bei 15—20°, so wächst sie im folgenden F r ü h j a h r rein v e g e t a t i v weiter. In vielen einjährigen Pflanzen wird über die Blühreife und damit über den zeitlichen Eintritt der Blütenbildung schon sehr früh, oft kurz nach der K e i m u n g entschieden. Keimstimmung, a) Temperaturnachwirkung. Wenn man eben gekeimte Samen oder auch einige T a g e alte Keimlinge relativ niederen Temperaturen v o n wenigen Graden über dem Gefrierpunkt aussetzt, wird die v e g e t a t i v e E n t w i c k l u n g s p e r i o d e z u m Teil stark a b g e k ü r z t . Die so behandelte Pflanze gelangt erheblich früher zur Blütenbildung als unbehandelte Kontrollpflanzen. Auf diese Weise gelingt es, den zeitlichen Entwicklungsablauf der Pflanze von der Samenkeimung bis z u r erneuten Samenbildung beträchtlich abzukürzen. b) Photoperiodische Nachwirkung. Neben der Temperatur spielt auch das L i c h t hierbei eine entscheidende Rolle, insofern, als die Dauer der täglichen Belichtungszeit des Keimlings den Eintritt des Blühtermins stark beeinflußt (photoperiodische N a c h wirkung). Die meisten unserer einheimischen Kulturpflanzen beschleunigen ihre E n t wicklung, wenn ihre Keimlinge in einen täglichen Lichtgenuß von mehr als 12 Stunden gesetzt werden (Langtagpflanzen), dagegen sind die tropischen Pflanzen in der Mehrzahl sogenannte Kurztagpflanzen, die rascher zur Blüte gelangen, wenn ihre
1 A b b . 151 B.
;
J
R o s e t t e n v o n S e m p e r v i v u m Funkii zur S t r e c k u n g gebracht.
1 nach 5 T a g e n , 2 nach 4 T a g e n , 3 nach 3 Tagen, 4 nach 2 T a g e n Dauerbeleuchtung. (Nach Klebs)
Keimpflanzen unter nur 8—10-stündiger täglicher Beleuchtung aufgewachsen sind. Die Entscheidung über den Blüheintritt fällt also bereits im zarten Keimlingsalter und wird vor allem durch A u ß e n f a k t o r e n (Temperatur und Licht) bestimmt. Früher suchte man den A n s t o ß zur Blütenbildung in einem starken Überwiegen der Kohlehydrate über die Mineralstoffe, besonders über den Stickstoff in der Pflanze. Neuerdings ist man geneigt, die Blütenbildung als Wirkung besonderer blütenbildender Stoffe (Hormone) zu betrachten. D a f ü r sprechen einige bedeutsame Hinweise:
86
Morphologie
1. Blatt- und Sproßstecklinge b l ü h e n d e r Mutterpflanzen gelangen früher zur Blütenbildung als Ableger von n i c h t b l ü h e n d e n Pflanzen. 2. Pfropfreiser von Bilsenkrautpflanzen, die normalerweise im ersten Jahr nicht zum Blühen kommen, auf blühende Pflanzen aufgepfropft, entwickeln bereits im ersten Jahr Blüten. 3. Pfropfreiser n i c h t b l ü h e n d e r R a s s e n d e s Löwenmauls auf Unterlagen blühender Rassen aufgesetzt, kommen ebenfalls zum Blühen. Über die Natur dieser vermuteten blütenbildenden Stoffe ist noch nichts Näheres bekannt; mit tierischen Sexualhormonen scheinen sie nicht identisch zu sein (vgl. hierzu S. 304). Bedeutung des Generationswechsels
Am Anfang des Generationswechsels steht die g e s c h l e c h t l i c h e D i f f e r e n z i e r u n g , also die ungleiche Lokalisierung von Sexualhormonen beim Zerfall der Mutterzelle in Keime. Bei gleicher Verteilung entstehen S p o r e n , bei ungleicher dagegen G a m e t e n . Die Ausbildung von Sexualhormonen ist zweifellos an bestimmte Gene bzw. an bestimmte Chromosomen gebunden. Bei völlig gleichartiger Verteilung dieser Träger der sexuellen Determinierung werden asexuelle Keime (Sporen), bei ungleicher Verteilung dagegen sexuell differenzierte Keime (Gameten) gebildet. Die phylogenetische Vorstufe des Generationswechsels ist das Nebeneinanderbestehen beider Keimbildungsformen, die beide wahrscheinlich durch Ernährungsbedingungen ausgelöst werden. Später erst treten beide Keimbildungsvorgänge in regelmäßigem Wechsel auf. Eine Notwendigkeit einer solchen Verknüpfung aber erkennen wir erst bei denFormen, bei denen K e r n p h a s e n - und G e n e r a t i o n s w e c h s e l gekoppelt sind. Das ist bei den A r c h e g o n i a t e n allgemein der Fall. Die Bedeutung des Generationswechsels hat man zunächst in einer angeblich verjüngenden Wirkung der Befruchtung sehen wollen. Inzwischen aber ist klar geworden, daß es möglich ist, unter Ausschaltung der geschlechtlichen Vermehrung Organismen durch rein vegetative Vermehrung durch Tausende von Generationen hindurch zu erhalten. Auch ein Großteil unserer Nutzpflanzen (Kartoffel, Banane, Wein, Weiden, Zuckerrohr usw.) werden seit Jahrhunderten ohne Anzeichen der Entartung rein vegetativ vermehrt. Viele Frühjahrsblüher wie Schneeglöckchen, Feigwurz, Anemone u. a. vermehren sich sogar unter natürlichen Verhältnissen fast ausschließlich vegetativ. So müssen wir zunächst noch die Erscheinung des Generationswechsels als Tatsache hinnehmen, die nur phylogenetisch, nicht aber physiologisch verständlich erscheint.
Altern und T o d
D a s A l t e r d e r P f l a n z e n . Das Alter, das die Pflanzen unter natürlichen Bedingungen erreichen, läßt sich in den meisten Fällen durch günstige und streng kontrollierte Kultürmaßnahmen noch erheblich steigern. In vielen Fällen schließt der j a h r e s p e r i o d i s c h e W i t t e r u n g s w e c h s e l das Leben der Pflanzen. Algen und Pilze, die in der freien Natur nur ein Alter von wenigen Monaten erreichen, lassen sich in Kulturen jahrelang am Leben erhalten. Daneben gibt es aber auch Formen, deren Alter durch i n n e r e Bedingungen begrenzt wird. So sterben die einjährigen Pflanzen nach der Fruchtreife ab. In manchen Fällen kommt es dabei im Verlauf eines einzigen Sommers sogar zur Ausbildung mehrerer Generationen (Bingelkraut, Hungerblümchen, efeublättriger Ehrenpreis usw.). Hier wirkt sich offensichtlich die Befruchtung als begrenzend für das Leben der Pflanzen aus; das Blühen und Fruchten ist für diese Pflanzen eine „tödliche Krankheit". Die zweijährigen Pflanzen vollenden ihren
Altern und Tod
87
Lebenszyklus in einer zweijährigen Entwicklung: das erste Jahr bringt die vegetative Entwicklung, die mit der Ausbildung von Reserveorganen (Rübe, Rettich, Kohlrabi usw.) abschließt, im zweiten Jahr erlebt dann die Pflanze die Blüten- und Fruchtbildung. Die A g a v e braucht in ihrer mexikanischen Heimat etwa 10 Jahre, in Europa 40—100 Jahre zur Entwicklung der Blüte. Aber in all diesen Fällen läßt sich der frühe Tod der Pflanze durch Verhinderung der Blütenbildung hinausschieben, selbst einjährige Pflanzen können unter geeigneten Bedingungen, allerdings ohne Blütenbildung, viele Jahre erhalten bleiben. Wesentlich höher ist das Alter von Sträuchern und Bäumen. Beispiele: Heidelbeere 25 Jahre, Heidekraut 42 Jahre, Rhododendron 88 Jahre, Magnolie 100 Jahre, Weinstock 130 Jahre, Efeu, Rosen, Wacholder, Kiefer, Fichten 300—400 Jahre, Buchen und Linden bis 900 Jahre, Eichen über 1000 Jahre, Eibe 2000—3000 Jahre, Mammutbaum 4000 Jahre, Drachenbaum von Teneriffa und Wasserzypresse von Thüle werden auf etwa 6000 Jahre geschätzt. D a s A l t e r n d e r Z e l l e . Die Ursache für das Absterben dieser Pflanzen liegt — abgesehen von den von außen her bedingten Katastrophen — vielfach in einer Störung der Gesamtharmonie der einzelnen Teile; Stecklinge alter Pflanzen wachsen denn auch unvermindert weiter. Gibt es nun neben diesen indirekten Alterserscheinungen auch ein direktes Altern von Zellen? Erfahrungsgemäß halten sich e m b r y o n a l e Zellen unbegrenzte Zeit, sofern sie nur die Möglichkeit zu Wachstum und Teilung besitzen. Anders dagegen liegen die Verhältnisse bei den D a u e r z e l l e n . Hier scheint vor allem das Ausmaß der D i f f e r e n z i e r u n g maßgeblich für die Lebensdauer der Zelle zu sein. Steinzellen, Fasern, Tracheen sind Zellen, deren Differenzierung schließlich unvermeidbar zum Tode führt. Diese Tatsache legt nun verschiedene Fragen nahe: 1. Ist entwicklungsmäßige Progression (Differenzierung) zwangsläufig mit einem Altern der Zelle verbunden ? 2. Beruht die ewige Jugend meristematischer Zellen auf ihrer Fähigkeit zur Zellteilung ? Ist diese letztere also ein Mittel zur Verjüngung der Zelle ? Verhindert man Hefe- und Algenzellen an der Teilung, so wachsen sie unter Umständen zu Riesenzellen aus, die jedoch bald zugrunde gehen. Ursache dieses vorzeitigen Todes ist nicht die verhinderte Teilung, sondern offensichtlich nur die mit steigender Zellgröße zunehmende Unfähigkeit der Ausstoßung giftiger Stoffwechselprodukte. So konnten z. B. Amöben, an denen täglich Amputationen vorgenommen wurden, 130 Tage ohne Teilungen am Leben erhalten bleiben. Auch Algen und Wasserpolypen stellten bei gedrosselter Ernährung Zellteilungen ein, ohne dadurch geschädigt zu werden. Aus diesen Versuchen erhellt, daß nicht die Zellteilung, sondern das Zellwachstum Altern und natürlichen Tod der Zelle verhindern. Ob auch das Wachstum als Mittel der Verhinderung des Alterns ersetzbar ist, bleibt eine offene Frage. Hartmann ist der Auffassung, daß man ebenso wie die Zellteilung auch das Wachstum von der Zelle ausschließen kann, ohne sie altern und sterben zu lassen. Das Geheimnis der Erhaltung des individuellen Lebens liegt nach diesem Biologen vielmehr darin, Assimilation und Abbau jederzeit genau im Gleichgewicht zu halten, was bisher nur in der wachsenden bzw. sich teilenden Zelle erreicht wurde. D 6 r n a t ü r l i c h e Z e l l t o d . Wenn wir die irreversible Differenzierung schon als Altersprozeß auffassen, so bleibt die Frage noch offen, ob diese Art von Altern unvermeidbar zum Tode führen muß, d. h. ob in solchen differenzierten Zellen eine zunehmende Struktu'ränderung stattfindet, die schließlich zu Erschöpfung und Tod führt. Selbst im menschlichen Organismus gibt es Zellen, die ohne Teilung und Wachstum über 100 Jahre alt werden und wahrscheinlich noch viel älter würden, wenn sie nicht in die Katastrophe des Individualtodes hinein gerissen würden. Es ist daher wahrscheinlich, daß der Tod
88
Morphologie
der Zellen nicht aus inneren Ursachen der Entwicklung heraus erfolgen muß, sondern daß er die Folge von Störungen ist, die von außen her an die Einzelzelle herangetragen werden. Funktionelle Erschöpfung von alten Zellen ist zwar häufig beobachtet worden, aber eine solche Ruhezeit kann auch periodisch auftreten und steht daher in keiner direkten Beziehung zum Problem des Zellaiterns und des natürlichen Zelltodes. Vom Zelltod ist der Individualtod streng zu trennen. Ein solcher tritt nach Hartmann bei allen wesentlichen Änderungen der individuellen Struktur ein. Wenn also aus Sporenmutterzellen Sporen gebildet werden, so verschwindet schon bei einfachen Zellteilungen das Mutterindividuum. Die Tochterzellen setzen zwar das Leben der Art, nicht aber dasjenige des Individuums fort. Es wird dann allerdings schwer sein, die Grenzen zwischen Ruhezuständen, Entwicklungsphasen und Individualtod zu ziehen. Stirbt die Raupe, wenn sie sich verpuppt, und gibt die Puppe ihr individuelles Leben auf, wenn ihr der Schmetterling entschlüpft ? Ist nicht jeder gealterte Organismus in Struktur und Reaktionsweise ein gegenüber seinem Jugendzustand weitgehend verändertes System? Was verbindet den älteren Menschen mit seiner Jugend außer der Erinnerung und der Verantwortlichkeit ? Der
Samen
Aus der Samenanlage entwickelt sich nach erfolgter Befruchtung auf der Mutterpflanze der Samen. Er setzt sich zusammen aus:
Abb. 152. Samen der Bohne. (a) Keimblatt; (kn) Knospe; (w) Würzelchen. (Nach Troll)
Abb. 153, I — 3 . 1 Mohnsamen, (na) Nabel. 2 Samen des Lerchensporns, (seto) Nabelschwiele. 3 Samen der Eibe, (ar) Arillus (Samenmantel); (fr) Samen
1. Dem Embryo, der aus der befruchteten Eizelle entsteht (Abb. 152). 2. Dem sekundären Nährgewebe, das vom befruchteten sekundären Embryosackkern aufgebaut wird (Endosperm). In manchen Fällen bleibt auch noch ein Rest des ursprünglichen Nucellusgewebes erhalten (Perisperm). Gewöhnlich wird dieses Gewebe allerdings beim Aufbau des sekundären Endosperms aufgebraucht. Die Zellen des letzteren sind dicht mit Reservestoffen gefüllt. Je nach der chemischen Beschaffenheit derselben unterscheidet man ö l - (Kruziferen, Mohn, Lein, Sonnenblume, Rizinus, Nuß, Haselnuß), S t ä r k e - (Getreide, Buchweizen) und E i w e i ß s a m e n (Leguminosen, besonders Lupine). 3. Der Samenschale, die aus dem oder den Integumenten gebildet wird, wobei die letzteren durch Verdickung, Verholzung oder auch Verkorkung ihrer Zellen dem umschlossenen Gewebe einen wirksamen Schutz geben. Die E p i d e r m i s der Samenschale zeigt mancherlei besondere Ausbildungen in Form von S c h l e i m z e l l e n , H a a r e n , B o r s t e n und dergleichen, die in Beziehung zur ersten Wasseraufnahme, zur Verbreitung oder auch zur Befestigung am Boden dienen. Vielfach ist die Samenschale mehr oder weniger lebhaft 1 g e f ä r b t . Diese Färbung und auch spezifische in der Samenschale enthaltene Stoffe stehen in Beziehung zur Keimung und zum Lichteinfluß auf die Keimung (vgl. S. 296).
Der Keimling
89
Die Ansatzstelle des Stielchens ist als Nabel (Hylum) vielfach noch erkennbar (Abb. 153, j ) . Fleischige, vielfach auffällig gefärbte Auswüchse an der Samenschale bzw. dem Stielchen stehen in Zusammenhang mit der Verbreitung durch Tiere, denen diese Bildungen als Nahrung dienen ( S a m e n m a n t e l d e r E i b e , Abb. 153, 2, Nabels c h w i e l e des Lerchensporns, des Veilchens und des Schöllkrauts, Abb. 153, 3). D e r Keimling Mit der Wasseraufnahme des Samens beginnt die Streckung des Keimlings; sein Würzelchen (Radicula) durchstößt an der Mikropyle die Samenschale, um sich in die Erde zu senken. Die Bewegung und endgültige Lage der Keimblätter ist von der Wachstumsintensität des zwischen Wurzel und Keimblättern liegenden Stammstückes ( H y p o -
Abb. 154.
Abb. 155.
Abb. 156.
Abb. 154. Epigaische Keimung der Sonnenblume. (kn) Knospe; {co) Keimblatt; (h) Hypokotyl Abb. 155.
Hypogäische Keimung der Bohne, {hw) Hauptwurzel; («7t') Nebenwurzeln; {hyp) Hypokotyl; {cot) Kotyledonen; {ep) Epikotyl; {lb) Laubblatt; {sp) Sproßknospe
Abb. 156. Schnitt durch das Weizenkorn. Links unten der Embryo: {h) Wurzelhaube; (w2) Wurzelvegetationspunkt; {wsch) Wurzelscheide; («) Epiblast; (i»j) Sproßvegetationspunkt; {lb1 u. lb%) Laubblätter; {k) Koleoptile; {sch) Schildchen mit Zylinderepithel {ce). Nährgewebe: {at) Aleuronschicht; (s£) Stärkeschicht; (/) Furche. (Nach Sirasburger)
kotyl) abhängig. Streckt sich dieses sehr stark, so zieht es die Keimblätter mit aus der Samenschale heraus an die Oberfläche ( e p i g ä i s c h e K e i m u n g ) (Sonnenblume, Abb. 154; Kürbis, Rettich); nicht selten ziehen dabei die Kotyledonen die Samenschale mit aus dem Boden, um sie dann abzuwerfen. Gelegentlich aber bleibt die Samenschale auch bis zur völligen Entleerung der Kotyledonen wie eine Schutzkappe übergestülpt (Rizinus). Verbleibt das Hypokotyl dagegen sehr kurz, so wächst die Stammknospe zwischen den von der Samenschale umhüllten Keimblättern nach oben durch ( h y p o g ä i s c h e K e i m u n g von Eiche, Erbse, Kastanie, Nuß). Mit dem Auswachsen der Stammknospe streckt sich auch der über den Kotyledonen liegende Sproßteil, das Epikotyl (Abb. 155). Bei den M o n o k o t y l e n (z. B. den Gräsern) bleibt das Hypokotyl kurz, nur ein Teil des Keimblattes, nämlich die Scheide ( K o l e o p t i l e ) , wächst in Form eines oben zugespitzten Zylinders aus dem Samen nach oben, während dem basalen Teil der Keim-
go
Morphologie
blätter, dem Schildchen, die A u f g a b e zufällt, die Verbindung zwischen Nährgewebe und Keimling herzustellen (Abb. 156). Die Koleoptile umschließt schützend die geknickten Laubblätter und den Sproßvegetationspunkt (Plumula). Die von einer Wurzelscheide umgebene und von einer Wurzelhaube geschützte Primärwurzel dringt durch die Mikropyle in die Erde ein. D i e Frucht E s ist wohl verständlich, daß als Folge der Befruchtung und der damit verknüpften Samenentwicklung auch das tragende und ernährende Organ der Samenanlage, das Frucht-
Tulpe (septicid)
Balgfrucht des Eisenhuts
Veilchen (loculicid). (k) Kelch; (Jbt) Fruchtblatt; (sa) Samen
Löwenmaul (poricid). (g) Griffel; (p) Pore; (k) Kelch
Hülse des Blasenstrauchs Abb. 157.
Ackergauchheil (Deckelkapsel), (d) Deckel; (sa) Samen; (ft) Kelch
Schötchen vom Silberblatt, (sa) Samen; (pt) Placenta; (Jbt) Fruchtblatt; (scK) falsche Scheidewand. (Nach Hegi)
Kapselfrüchte
blatt (Sporophyll) bzw. bei den Angiospermen der Fruchtknoten, einen neuen Wachstumsimpuls erhält, der in nicht allzu seltenen Fällen auch noch dem Blütenboden und den Kelchblättern mitgeteilt wird. Man bezeichnet das ganze aus dem Fruchtknoten hervorgehende Gebilde als Frucht. In ihr bleiben die Samen bis zur Reife eingeschlossen. Beim oberständigen Fruchtknoten wird die Fruchtknotenwand durch die Fruchtblätter (Karpelle) gebildet; beim unterständigen Fruchtknoten ist am A u f b a u der Wandschichten auch noch die ausgehöhlte Blütenachse mitbeteiligt. Die endgültige Ausgestaltung der
Die F r u c h t
91
Fruchtknotenwand, des sogenannten Perikarps, gibt einen brauchbaren Einteilungsgrund der Früchte ab. Vielfach ist das Perikarp gegliedert in eine äußere (Exokarp), eine mittlere (Mesokarp) und eine innere (Endokarp) Schicht.
Steinfrucht. S c h n i t t durch eine Kirsche, (ex) E x o k a r p ; (mes) Mesokarp; (en) E n d o k a r p ; (so) Samen
S c h n i t t durch die Haselnuß. (r) W ü r z e l c h e n ; (fr) Fruchtschale; (s) Samenschale; (c) N ä h r g e w e b e . ( N a c h Firbas)
Teilfrüchte der Malve.
( N a c h Hegi)
S a m m e l f r u c h t der Himbeere. (g) G r i f f e l ; (fr) F r ü c h t c h e n ; (stbl) S t a u b b l ä t t e r ; (k) K e l c h
Maulbeere. (g) G r i f f e l ; (fr) E i n z e l f r u c h t
A n a n a s •— F r u c h t s t a n d
S c h n i t t durch die Scheinfrucht der Quitte. (k) K e l c h ; (a) fleischige Blütenachse; (b) Fruchtblatt; (c) S a m e n ; (Ib) L a u b b l ä t t e r . ( N a c h Hegi)
Scheinfrüchte A b b . 158.
Der unübersehbaren Baumannigfaltigkeit der Fruchtblätter bzw. Fruchtknoten entspricht eine ebensolche der Früchte. E s lassen sich aus der Vielgestaltigkeit nur einige wenige besonders typische Gruppen herausgreifen (Abb. 157). 1. Kapselirüchte. Perikarp trockenhäutig, bei der Reife sich öffnend: a) Öffnung entlang der Karpellränder: s e p t i c i d (Tulpe). b) Öffnung entlang der Mittellinie der Karpelle: l o c u l i c i d (Veilchen). c) Öffnung durch mehrere Löcher: p o r i c i d (Löwenmaul).
92
Morphologie
d) Öffnung durch Ablösen eines Deckels: D e c k e l k a p s e l (Ackergauchheil). e) Fruchtknoten besteht nur aus einem Karpell (apokarper Fruchtknoten). a) Öffnung längs der Karpellränder (Bauchnaht): B a l g f r u c h t (Ranunculaceen). ß) Öffnung längs der Karpellränder u n d der Mittellinie des Karpells: H ü l s e (Leguminosen). f) Fruchtknoten besteht aus zwei K a r p e l l e n , zwischen denen eine durch Gewebswucherung entstandene f a l s c h e S c h e i d e w a n d ausgespannt ist. a) Frucht mehr als 3mal so lang wie breit: S c h o t e (Senf). ß) Frucht höchstens 3mal so lang als breit: S c h ö t c h e n (Silberblatt). 2. Schließfrüchte. Bei der Reife sich nicht öffnend (Abb. 158): a) Perikarp in allen Schichten fleischig: Beere (Heidelbeere, Kürbis). b) Exokarp häutig, Mesokarp fleischig, Endokarp hartschalig: S t e i n f r u c h t (Kirsche, Pflaume). c) Perikarp hart: N u ß (Haselnuß, Sonnenblume, Linde; nicht aber die Walnuß, die eine Steinfrucht darstellt). d) Perikarp häutig: a) Mit der Samenschale verwachsen: K a r y o p s e (Gräser). ß) Mit der Samenschale nicht verwachsen: A c h ä n e (Korbblütler). e) Die einzelnen Fruchtblätter des Fruchtknotens lösen sich voneinander bei der Reife. So entstehen T e i l f r ü c h t e oder S p a l t f r ü c h t e (Umbelliferen, Malven). f) In einer Blüte stehen z a h l r e i c h e a p o k a r p e F r u c h t k n o t e n (Himbeere, Erdbeere), die bei der Reife in einer S a m m e l f r u c h t vereinigt sind. g) Nehmen F r u c h t s t ä n d e Gestalt einer Einzelfrucht an (Feige, Maulbeere, Ananas), so entsteht eine S c h e i n f r u c h t . Dieselbe Bezeichnung gebraucht man für Früchte, an deren Aufbau außerhalb des Fruchtknotens liegende Teile maßgeblich beteiligt sind (Quitte). V erbreitung der Samen uncl Früchte Die Samenproduktion ist bei vielen Pflanzen eine erstaunlich große. Ein einziger Stock der Wegerauke produziert pro Jahr durchschnittlich 3/4 Millionen Samen, der Tabak bringt es noch auf etwa 360000, und das Hirtentäschelkraut streut alljährlich zum Leidwesen der Gärtner etwa 64000 Samen aus. Nun nützt aber diese imponierende Samenmenge wenig zur Erhaltung der Art, wenn der Same ausschließlich am Wuchsort der Mutterpflanze niederfällt. Zwar würde ein dichtgestelltes Heer von Keimlingen entstehen, die aber zum allergrößten Teil infolge Licht-, Raum- und Nährstoffmangels wieder zugrunde gingen. Dieser Gefahr begegnet die Pflanze durch Ausbildung besonderer Hilfsmittel zur Verbreitung der Samen auf weite Strecken. Die Pflanze sendet gleichsam wahllos ihre Sendboten über weite Flächen aus und überläßt es dem Zufall und der großen Zahl der Samen, besiedlungsfähige Stellen zu besetzen. Einrichtungen zur Verbreitung des Samens. Auffällig u n d in der W i r k u n g leicht
zu beobachten sind Einrichtungen der Frucht, welche den Samen mit ziemlicher Gewalt ausschleudern. Das unsere Wälder neuerdings stark besiedelnde S p r i n g k r a u t (Abb. 159, 8) bringt die reifen Früchte bei leiser Berührung zum Platzen. An heißen Tagen hört-man das Platzen der Hülsen des E r b s e n s t r a u c h e s recht vernehmlich. Die S p r i t z g u r k e schleudert im Augenblick der Fruchtablösung vom Stiel Samen und Flüssigkeit aus. Die aktive S c h l e u d e r w e i t e ist besonders bei größeren Samen recht ansehnlich und erreicht bei den 3 cm langen Samen der B a u h i n i a bis zu 18 m. Viele
V e r b r e i t u n g der S a m e n u n d F r ü c h t e
A b b . 159.
E i n r i c h t u n g e n zur Verbreitung von Samen und F r ü c h t e n .
93
I Esche, 2 u n d 5 Ulme, 3 L ö w e n -
z a h n , 4 Z a n o n i a j a v a n i c a Q-/2 n a t . G r ö ß e ) , 6 D i p t e r o c a r p u s , 7 A h o r n , 8 S p r i n g k r a u t (o g e s c h l o s s e n , b g e ö f f n e t ) , 9 S p r i n g f r u c h t des R e i h e r s c h n a b e l s , 10
Ackerhahnenfuß
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Morphologie
Kapselfrüchte stehen auf e l a s t i s c h e n F r u c h t s t i e l e n . B e i starkem W i n d werden die Samen aus der F r u c h t herausgeschleudert und v o n der L u f t s t r ö m u n g mitgerissen. Nicht selten besitzen die Samen, z u m Teil auch die ganzen Früchte, bestimmte Flugeinrichtungen, v o n denen eine A u s w a h l in A b b . 1 5 9 ; 1 — 7 zusammengestellt ist. In anderen Fällen sorgen Schleuderbewegungen u n d hygroskopische Torsionen für eine Verbreitung der Samen und F r ü c h t e (Abb. 159, 8 u . g ) . V g l . auch S. 328. D u r c h die B i l d u n g von lufthaltigem, leichtem Gewebe erlangen Samen u n d F r ü c h t e v o n Wasser- und Küstenpflanzen Schwimmfähigkeit. So ist das faserige Mesokarp für d i e K o k o s n u ß eine tragende Schwimmhülle, während das steinharte E n d o k a r p die F r u c h t vor Beschädigung in der bewegten Brandungszone schützt. D a s Fruchtfleisch oder auch mancherlei fleischige Anhängsel (vgl. S. 88) des Samens (Samenmantel u n d -Schwiele) sind Anlockungsmittel für die Samen verbreitenden Vögel (Holunder, Eibe, Mistel, E v o n y m u s ) u n d auch f ü r Insekten (Ameisen). Weniger freiwillig ist diejenige Verbreitung v o n Früchten durch Tiere, welche durch besondere Anhaftungsmittel (Abb. 159, 10) bedingt ist (Hundszunge, K l e t t e , K l e b kraut usw.). D a ß auch der Mensch ungewollt eine nicht unbedeutende Rolle bei der Verbreitung v o n Pflanzensamen und Früchten spielt, erhellt a m auffälligsten aus der reichen Liste der z u m Teil sogar aus Übersee auf den üblichen Handelswegen sich ausbreitenden eingewanderten Unkräuter (Adventivpflanzen) (Nachtkerze, strahlenlose Kamille, Wasserpest, Franzosenkraut usw.). Eine Vorstellung v o n der Samenverbreitung gewinnt man leicht aus der spontanen Besiedlung v o n frisch gerodeten Flächen z. B . Waldkahlschlägen, auf denen besonders in den ersten Jahren das ganze fliegende Heer der Pflanzensamen zur Entfaltung k o m m t .
DER A N A T O M I S C H E BAU DER PFLANZE
Die Zellenlehre Bau der Zelle. Die E n t d e c k u n g der Zelle als Elementarbaustein pflanzlicher Gewebe wurde, wie eingangs erwähnt, am Flaschenkork, also an totem Material gemacht. E s ist daher nicht verwunderlich, d a ß Hooke auch nur die toten Bestandteile der Zelle beschrieb, nämlich die Z e l l w ä n d e . Erst um die Mitte des vorigen Jahrhunderts hat man erkannt,
A b b . 160. E m b r y o n a l e Zelle aus der Wurzelspitze des Hafers, (m) Zellwand; (kw) K e r n w a n d ; (n) Nucleolus; (k) K e r n ; (pl) P l a s m a ; (ch) Chromatophoren. Vergr. etwa 3000. ( N a c h Lewitski)
A b b . 161. Zellentwicklung. a, b, c fortschreitende Entwicklungsstadien, (fe) K e r n ; (p) P l a s m a ; (v) Vakuole. Vergr. 280
d a ß die Zellwand nicht das Wesentliche der Zelle, sondern nur ein Gehäuse darstellt, das den lebenden Zelleib (Protoplasten) schützend umschließt. Der Träger des Lebens und damit auch der Stoff- und Formbildner in der P f l a n z e ist das Protoplasma, eine von größeren und kleinen Einschlüssen durchsetzte zähe „ F l ü s s i g k e i t " , die niemals fehlt, w o sich auch noch so primitives Leben regt. W i r dürfen annehmen, daß alle übrigen Bestandteile des Zelleibes aus dieser Substanz gebildet worden sind, auch dann, wenn sie uns jetzt in der Zelle als selbständige Organellen, wie Zellkern und Chromatophoren, entgegentreten. Die A b b . 160 stellt eine Zelle aus der Wurzelspitze des Hafers dar und gibt einen Überblick über die wesentlichen mikroskopisch erkennbaren Formbestandteile des Protoplasten. In der Zellmitte liegt ein hier auffallend großer kugliger Zellkern, der das stark lichtbrechende Kernkörperchen, den Nucleolus, einschließt. I m restlichen Zytoplasma, einer zähen trüben Masse, fallen vor allem die charakteristisch geformten C h r o m a t o p h o r e n auf. Eine dünne, straff gespannte Zellwand grenzt die Zelle gegen die Nachbarzellen ab. In dieser F o r m tritt uns die Zelle nur in dem noch jungen Gewebe der Vegetationskegel entgegen. I m Verlauf der Zellstreckung kann die Plasmavermehrung mit dem Zellwachstum nicht Schritt halten; es entstehen im P l a s m a kleine mit Flüssigkeit erfüllte Bläschen, die Vakuolen, die später z u größeren Flüssigkeitsräumen zusammenfließen (vgl. A b b . 161). Die Folge hiervon ist, daß das P l a s m a in einen wandständigen Belag und
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D e r anatomische B a u der Pflanze
zentrale Lamellen oder F ä d e n zerlegt wird. E n d z u s t a n d einer derartigen E n t w i c k l u n g ist schließlich eine einheitliche zentrale Vakuole (Zellsaitraum) und ein wandständiges Protoplasma ( P r o t o p l a s m a s c h l a u c h ) , das den Zellkern und die Chromatophoren einschließt. Man k a n n diese E n t w i c k l u n g der Zellstruktur leicht an Längsschnitten durch Sproß- und Wurzelspitzen v e r folgen. Doch gibt es auch ausgewachsene Zellen, in denen der S a f t r a u m dauernd v o n Plasmasträngen durchzogen bleibt (Abb. 162), wenn auch das B i l d sich infolge Einschmelzung und Neubildung v o n Fäden fortlaufend ändert. Die Zellgröße. Die Zellgröße schwankt innerhalb weiter Grenzen. Die Größe mancher Bakterien liegt bereits an der unteren Grenze des mikroskopisch Erkennbaren (0,2 fi). A b e r auch nach oben hin sind die Grenzen der möglichen Zellgrößen weit hinausgeschoben. Selbst wenn wir von den vielkernigen, aber ungekammerten Formen der S c h l a u c h a l g e n u n d A l g e n p i l z e absehen, können die F a s e r z e l l e n mancher Pflanzen doch die L ä n g e v o n mehreren Zentimetern (Flachs) annehmen. Die Ramiefaser wird sogar 20 cm und darüber lang, und ebenso lang werden die Gerbstoffzellen im Holundermark. Die Milchröhren wachsen A b b . 162. Zelle aus einem Kürbishaar. zu meterlangen Schläuchen aus. Hier liegt indes (•m) Z e l l w a n d ; (k) K e r n ; (sch) wandständiger Plasmaschlauch; (w) V a k u o l e ; gestaltliche Anpassung an spezialisierte Funktionen ( / ) Plasmastrang. (Nach Heidenhain) vor. I m allgemeinen gehen die Zellen der höheren Pflanzen über ein gewisses Mittelmaß selten erheblich hinaus. Auf einen Sproßquerschnitt v o n A r u n d o donax wurden die folgenden Zelldurchmesser festgestellt: Epidermiszellen Zellen des Sklerenchymrings . Parenchymzelle Siebröhre Geleitzelle Trachee Ringtracheide Fasertracheide
0,01 m m 0,02 . 0,045—0,075 „ 0,015 „ 0,005 .. 0,09 0,015 „ 0,008 ,,
Nur ein gutes A u g e kann in einzelnen Fällen die Zellen eben noch als gesonderte Gebilde wahrnehmen (Epidermis der Zwiebelschuppe, isolierte Zellen mürber Ä p f e l usw.). In den meisten Fällen eröffnet uns erst das Mikroskop den B l i c k in die Zellstruktur der Pflanzen. Form der Zellen. V o m Formenreichtum der Einzeller gibt die Zusammenstellung in A b b . 4 nur eine m a t t e Vorstellung. Dagegen ist die Gestalt der Gewebe aufbauenden Zellen der höheren Pflanzen ziemlich eintönig. V o n den isodiametrischen, kugeligen, würfelförmigen oder polyedrischen Parenchymzellen unterscheiden sich die Prosenchymzellen, bei denen das Zellwachstum bevorzugt längs e i n e r A c h s e verläuft, so daß mehr oder weniger langgestreckte, in den E n d e n vielfach zugespitzte Zellen entstehen. In jedem Fall bestimmt die Zellwand die Gestalt der Zelle.
B a u der Zelle
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A. Das Zytoplasma A u s der Vielgestaltigkeit der pflanzlichen Erscheinungsformen und aus der Mannigfaltigkeit ihrer Lebensäußerung müssen wir schließen, daß der Former und Träger dieses Lebens, das Zytoplasma, eine außerordentlich kompliziert strukturierte Substanz sein muß. Mit Hilfe unserer optischen Methoden ist allerdings davon wenig zu erkennen. Eine gewisse Schichtung ist insofern zu beobachten, als der äußerste wandständige Plasmabelag gewöhnlich optisch so gut wie leer ist, also das Bild einer hyalinen, zähen Flüssigkeit darbietet (Hyaloplasma), während in den tieferen Schichten in diese Grundsubstanz geformte, körnige Bestandteile eingelagert sind ( K ö r n e r p l a s m a ) . Diese sogenannten Mikrosomen sind stofflich sicherlich recht verschiedener N a t u r : neben Fett- und Eiweißtröpfchen, kleinen, mit Flüssigkeit erfüllten Vakuolen, finden sich noch sogenannte Chondriosomen, das sind geformte Kügelchen, Stäbchen, kleine Hanteln, deren Natur und Bedeutung zur Zeit wenig geklärt ist. Aber diese Strukturelemente haben für die Gestalt u n g des Lebens wenig zu sagen. Die im f i x i e r t e n Plasma beobachteten Strukturen kommen dem lebenden Plasma nicht in gleicher Weise zu. Sie sind sicher zum Teil K u n s t p r o d u k t e , die mehr über das physikalisch-chemische Verhalten der Plasmakomponenten gegenüber dem Fixierungsmittel als über natürliche Strukturen aussagen. Jene mehr oder weniger hypothetischen lebentragenden Strukturen des Plasmas sind optisch nicht mehr erkennbar, sie müssen vielmehr aus dem physikalisch-chemischen Verhalten des Plasmas erschlossen werden. Damit aber kommt einer physikalisch-chemischen Analyse des Plasmas für die Erklärung der Lebensprozesse eine ungleich größere Bedeutung als der optischen Analyse zu. Zur Chemie des Plasmas. Als Untersuchungsmaterial diente u. a. wandfreies Plasma, wie es in den Plasmodien der Schleimpilze vorliegt. Mengenmäßig übertrifft das Wasser alle übrigen Bestandteile im Plasma ( 7 5 — 9 6 % ) . V o n der Trockensubstanz des Plasmas gibt die Analyse eines Schleimpilzes die folgende Übersicht: Analyse des Protoplasmas von L y c o g a l a epidendron (nach Kiesel) Gehalt in Trockensubstanz E i w e i ß (außer Plastine) einschl. Nucleoproteide Plastin (individueller Eiweißkörper) Nucleinsäure N-haltige Extraktstoffe Öl-Lezithine Cholesterine Ä t h e r - und alkohollösliche Best. (Lipoide) Polyzyklischer Alkohol Harzartige Substanzen U n b e k a n n t e Lipoide F l ü c h t i g e Säuren Reduzierende K o h l e h y d r a t e Nichtreduzierende K o h l e h y d r a t e Glykogen Myxoglucosan U n b e k a n n t e Substanzen
Plasmodien
18,37 11,96
18,19 16,91
5,20
4,30 33,22 i,3i 2,39 0,21
+
37,51 1,16 0,66 0,26 4,29 1,20 0,26 1
Unreife Fruchtkörp
o,53 io,06 13,10 i,79 2,65
+
9,04 2,29 0,14 0,46 11,06 5,98 4,87 2,15
Ob die chemische Analyse die plasmatischen Stoffe unverändert erfaßt hat, ist nicht sicher. A u c h gibt die Analyse keinen Aufschluß darüber, welche dieser Stoffe zum Leben unentbehrlich sind. Man neigt der Annahme zu, d a ß k e i n . e i n z . e l n e r Stoff alleiniger Träger des Lebens ist, daß vielmehr ein w o h l g e o r d n e t e s S y s t e m dieser Stoffe von bestimmter physikalisch-chemischer Beschaffenheit den Ablauf der Lebensäußerungen ermöglicht. D a f ü r spricht auch die Tatsache, daß zur Entwicklung der Pflanzen eine ganze Anzahl W e t z e l , Grundlagen der allgemeinen Botanik.
7
Der anatomische B a u der Pflanze
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v o n E l e m e n t e n unentbehrlich sind, so daß der Mangel eines einzigen solchen Elementes bereits den T o d der Zellen herbeiführt. Die Plasmastruktur. W e n n wir die Pflanzensubstanz einer chemischen A n a l y s e unterwerfen, werden wir durch die ungeheure Z a h l verschiedener Pflanzenstoffe aufs höchste überrascht. Die Biochemie h a t im L a u f e der Zeit eine große Z a h l v o n Pflanzenstoffen bestimmt, deren Beschreibung ein mehrbändiges W e r k füllen. D a b e i ist die biochemische Erforschung noch durchaus nicht abgeschlossen, u n d alljährlich wird die Z a h l der Pflanzenstoffe weiterhin vermehrt. W e n n auch manche dieser Pflanzenstoffe in bestimmten spezialisierten Zellen entstehen, so bleibt doch noch eine unübersehbare Reihe von biochemischen Stoffen, die in j e d e r Zelle gebildet werden können und dort auch in bestimmter Menge und Reihenfolge aufgebaut werden. W i e im L a b o r a t o r i u m setzt auch in der Zelle die Synthese verschiedener Stoffe verschiedene, getrennte Bildungsstätten voraus. Der Chemiker würde eine A n l a g e v o n unabschätzbarer A u s d e h n u n g brauchen, u m mit Hilfe v o n hochgespannter Energie alle diese Stoffe zu synthetisieren. Der Pflanze steht nur ein R a u m v o n Zellgröße, also mikroskopischem A u s m a ß , zur Verfügung. Dieser R a u m m u ß also ungemein differenziert und gegliedert sein. A u s langjähriger B e o b a c h t u n g wurde die E r fahrung abgeleitet, daß diese Stoffsynthesen z u m größten Teil im P l a s m a sich abspielen. Dieses m u ß also eine ungewöhnlich reiche Gliederung bzw. S t r u k t u r besitzen. Wir nennen ein S y s t e m h o m o g e n , wenn alle beliebig herausgegriffenen Teilstücke gleichartige Zusammensetzung zeigen; ist das nicht der Fall, so liegt ein h e t e r o g e n e s G e misch vor. Die E r k e n n u n g der S t r u k t u r eines Systems hängt natürlich v o n dem A u f l ö s u n g s v e r m ö g e n der zur A n w e n d u n g gebrachten Untersuchungsapparaturen ab. Das unbewaffnete A u g e des Fliegers sieht eine Wiese als homogenen grünen, den A c k e r als braunen F a r b f l e c k . Fein gemahlenes Mehl möchten wir, auch aus der N ä h e besehen, homogen nennen; aber die Lupe und noch mehr das Mikroskop enthüllen die H e t e r o g e n i t ä t des Gemisches. Besitzen alle Teile des Gemisches in bezug auf das für uns sichtbare Licht gleiche optische Eigenschaften, so erscheint dieses Gemisch optisch leer, und wir werden auch mikroskopisch die Heterogenität nicht mehr erkennen. Dasselbe ist der Fall, wenn die Teilchengröße unter die Grenze der Auflösbarkeit der mikroskopischen Optik herabsinkt (0,15 (i). I m Ultramikroskop sind Teilchen noch bis z u 0,006 /z erkennbar zu machen (submikroskopisch). U n t e r h a l b dieser Teilchengröße versagen die besten optischen Hilfsmittel (amikroskopisch). A b e r die Strukturelemente hören bei dieser Größenordnung nicht auf. Vielmehr beginnt die W e l t der Molekularstruktur, d. h. der eigentliche Feinbau der Stoffe u n d Systeme, erst weit unterhalb dieser Grenzen. I m Elektronenmikroskop scheint ein modernes Gerät gefunden zu sein, das die Sichtbarkeitsgrenze bis ins Gebiet der molekularen Größenordnung z u verschieben vermag. Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die verschiedenen Größenreihen und die zu ihrer Erforschung angewandten Untersuchungsmittel. Morphologische Hierarchie
Untersuchungsmittel
Größenordnung
Maßstäbe
Organlehre
Auge, Lupe
Millimetermaß
Gewebelehre
Mikroskop
Mikrometer
Zellenlehre
Immersi ons-Ultramikroskop
Wellenlänge Lichtes
Feinbaulehre
Polarisationsmikroskop
Bruchteile der des Lichtes
Molekülbaulehre
Röntgenstrahlen
Wellenlänge strahlen
Atombaulehre
Elektronenstrahlen
Wellenlänge der elektrischen Strahlen
0,1 mm 1 ß des
benutzten 0,1 ¡X
Wellenlänge
der
(nach
0,1 n Röntgen1 A
Frey-Wyßlin^
IÄ
B a u der Zelle
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W i e bereits erwähnt, stellt sich das Plasma im Mikroskop als homogene Grundsubstanz dar, in welche allerlei geformte Bestandteile, die Piastiden, Mikrosomen, Chondriosomen, Fett-Eiweißtröpfchen, Gerbstoffvakuolen usw., eingestreut sein können. Diese Formbestandteile können aber auch fehlen, ohne daß das Plasma eine wesentliche Eigenschaft und Fähigkeit dadurch verliert. Physikalische Chemie des Plasmas. Das Protoplasma zeigt gewisse physikalische Eigenschaften einer F l ü s s i g k e i t : 1. Seine Teile sind leicht gegeneinander verschiebbar. E i n unmittelbarer Hinweis hierfür ist die besonders nach Verletzung oder n a c h Z u g a b e v o n Aminosäuren (Histidin) einsetzende oder sich verstärkende B e w e g u n g d e s P l a s m a s in den Zellen ( P r o t o p l a s m a s t r ö m u n g ) . Dabei bleibt die äußerste an die Zellwand grenzende Plasmaschicht von der B e w e g u n g unberührt; in den tieferen L a g e n werden die Plasmaeinschlüsse (Zellkern, Chromatophoren, Mikrosomen usw.) durch das strömende P l a s m a mitgerissen. In den Zellen mit ausschließlich wandständigem Plasmaschlauch kreist das P l a s m a in einheitlicher R i c h t u n g ( R o t a t i o n ) . Durchziehen Plasmafäden die Vakuole, so ist die Bewegungsrichtung in benachbarten Fäden, j a sogar in beiden F l a n k e n der stärkeren Fäden völlig unabhängig ( Z i r k u l a t i o n ) . Die biologische B e d e u t u n g dieser auffälligen Massenströmung ist noch nicht mit Sicherheit festgestellt. F ü r den Stofftransport scheint sie keine bedeutsame Rolle z u spielen. 2. Die schwärmenden Moleküle versetzen auch die größeren sichtbaren Einschlüsse (Körnchen) in lebhafte unregelmäßige B e w e g u n g ( B n w w s c h e M o l e k u l a r b e w e g u n g ) . Eine solche Molekularbewegung ist nur in Flüssigkeiten möglich. 3. Isolierte Plasmateile runden sich im Wasser zur K u g e l ab u n d vermögen miteinander z u v e r s c h m e l z e n . Alles das sind + typische Flüssigkeitsmerkmale. D e r Charakter einer Flüssigkeit ist vor allem durch ihren inneren Widerstand gegen Teilchenverschiebung, die V i s k o s i t ä t , gekennzeichnet. Je größer diese ist, um so zähflüssiger wird die S u b s t a n z ; man hat Plasmaviskositäten von 2 — 1 8 fächern B e t r a g derjenigen des Wassers gemessen. Das wasserarme Plasma der Samen verliert in vielen Fällen seinen Flüssigkeitscharakter und nimmt Eigenschaften der festen K ö r p e r (Elastizität) an. Die Eigenschaften von Flüssigkeiten sind aber auch weitgehend v o n der Größe der in ihnen gelösten Teilchen abhängig. Echte und kolloidale
Lösungen
In e c h t e n Lösungen sind die gelosten Stoffe in so feiner Verteilung vorhanden, d a ß sie selbst m i t den stärksten optischen Hilfsmitteln nicht mehr als gesonderte Teilehen neben dem Lösungsmittel wahrgenommen werden können. Die Adsorption des Lösungsmittels an die Moleküle des gelösten Stoffes ist größer als die gegenseitige Anziehung der Moleküle. Infolgedessen drängt sich das Lösungsmittel überall zwischen die Moleküle und bringt die Stoffe zu m o l e k u l a r d i s p e r s e r V e r t e i l u n g . D a b e i bezeichnet man das Lösungsmittel als D i s p e r s i o n s m i t t e l und den gelösten Stoff als d i s p e r s e P h a s e . B r i n g t man jedoch z. B. E i s e n o x y d in Wasser, so bleiben größere Molekülgruppen in Verbindung, da die A f f i n i t ä t des Wassers zu dem E i s e n o x y d geringer ist als die eigenen molekularen Anziehungskräfte. D a s E i s e n o x y d bleibt relativ grob zerteilt. Man nennt ein derartiges S y s t e m eine S u s p e n s i o n oder eine A u f schwemmung. E c h t e Lösungen und Suspensionen unterscheiden sich somit durch die Größe ihrer dispergierten Teilchen. Teilchengröße in Suspensionen über 0,15 /x (also mikroskopisch sichtbar); Teilchengröße in echten L ö s u n g e n : Molekülgröße < 0,001/i (also amikroskopisch). Zwischen beiden Systemen liegen solche mit Teilchengrößen v o n 0 , 0 0 1 — 0 , 1 5 ^ (in den meisten Fällen submikroskopisch, also durch das Ultramikroskop erkennbar). Systeme mit Teilchen dieser Größenordnung heißen k o l l o i d a l e L ö s u n g e n . DieTeilchen der kolloidalen L ö s u n g sind entweder sehr große E i n z e l m o l e k ü l e (Eiweiß) oder M o l e k ü l a g g r e g a t e . Von den echten Lösungen unterscheiden sie sich auch in ihrem Verhalten: sie besitzen leimartige Konsistenz, kristallisieren im allgemeinen nicht und gehen nur sehr langsam oder g a r nicht durch feinporige Membranen hindurch. Daher ist die D i a l y s e einMittel, u m echt gelöste Teilchen v o n kolloidal gelösten zu trennen. N i c h t immer ist es möglich, in kolloidalen Lösungen die gelösten Teilchen noch gesondert als solche zu erkennen; derartige Systeme nennt man dann m i k r o h e t e r o g e n e 7*
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Der anatomische Bau der Pflanze
S y s t e m e . So erscheint eine kolloidale Eisenhydroxydlösung völlig homogen und klar, obwohl ihre Teilchen nicht molekulardispers sind, wie die Dialyse sofort zeigt. Durchfallendes Licht erfährt Zerstreuung auf den Teilchen und erzeugt den T y n d a l l e f f e k t . E n g t man derartige „Scheinlösungen" immer weiter ein, so fällt schließlich die disperse Phase aus, und gibt man erneut Wasser zu, so ist der Niederschlag nicht wieder in Lösung zu bringen, denn dazu ist die Affinität des Wassers zum Eisenhydroxyd zu klein ( h y d r o p h o b e = wasserscheue K o l l o i d e ) . Ganz anders verhält sich eine kolloidale Eiweißlösung beim Eintrocknen. Mit zunehmendem Wasserverlust erstarrt die Lösung g a l l e r t a r t i g ; das Sol ist in ein G e l übergegangen, indem es keine freie Beweglichkeit der Eiweißteilchen mehr gibt. Schließlich trocknet dieses Gel zu einer harten, hornartigen Masse ein. Gibt man zu dieser jedoch erneut Wasser, so entsteht zunächst wieder ein Gel und zuletzt das ursprüngliche Sol mit unveränderten Eigenschaften. Die Affinität des Wassers zum Eiweiß bringt dieses wieder in kolloidale Lösung ( h y d r o p h i l e = w a s s e r l i e b e n d e K o l l o i d e ) . Für die Physiologie spielen diese hydrophilen Kolloide eine außerordentlich bedeutsame Rolle, ^ denn die im Plasma auftretenden Eiweißstoffe, Lezithine, X Gummiarten usw. sind derA . artige hydrophile Kolloide. Das Plasma selbst ist ein Mischkolloid hydrophilen Charakters. An solche hydrophile Kolloidteilchen lagern sich Wassermoleküle an ( H y d r a t a t i o n ) . u u Diese Wasseranziehung kommt auf elektrischem Wege zustande. Im Wassermolekül sind die + geladenen H - A t o m e räumlich von dem negativ geladenen O - A t o m getrennt Abb. 163 B. Abb. 163 A. Abb. 163 C. (Abb. 163). Im elektrischen Feld Schwache Wasserhülle Starke Wasserhülle verhält sich das Wassermolekül daher wie ein kleiner Magnet: Abb. 163 A. Modell des Wassermoleküls und Dipolschema es besitzt D i p o l c h a r a k t e r . Abb. 163 B. Hydratation eines isoelektrischen Kolloidteilchens Auch das Kolloidteilchen kann Abb. 163 C. Hydratation eines geladenen Kolloidteilchens bestimmte Ladung haben, und (nach Pallmann, 1931) danach richten sich die Wasser-
K" > Na' > Li' und damit die b) Q u e l l u n g s r e i h e : Li' > Na' > K* > R b ' > Cs' (lyotrope Reihe). Besitzt das Kolloidteilchen dagegen p o s i t i v e Ladung, so wirken die Kationen nur indirekt auf die Ladung und Wasserhüllen des Teilchens ein durch die Anziehung, mit der sie die negativ geladenen Anionen festhalten und damit den Ladungsaustausch der letz-
Abb. 164.
Ionen der Alkalireihe.
Hydratationshülle punktiert (nach
Frey-Wyßling)
teren mit dem Kolloid erschweren. Die Anziehungskräfte zwischen Anion und Kation sinken mit der Dicke des Wassermantels, der zwischen ihre Ladungen geschaltet ist, und damit steigt die Reaktionsfähigkeit (d. h. Entquellung) eines bestimmten Anions mit dem + geladenen Kolloid. Aus der Dicke der Kationen-Wasserhüllen ergibt sich daher bei positiver Eigenladung des Teilchens folgende E n t q u e l l u n g s r e i h e : Li' > Na' > K ' > R b ' > Cs", d. h., die l y o t r o p e Ionenreihe hat eine Umkehr erfahren. Stärker als Kationen wirken die gegensinnig geladenen Anionen auf die -(-geladenen Kolloide. Nach der q u e l l e n d e n Wirkung ordnen sich die Anionen ebenfalls in eine lyotrope Reihe: A n i o n e n r e i h e : OH' > CNS' > J ' > N 0 3 ' > B r ' > Cl' > A z e t a t ' . Natürlich spielen auch die Wertigkeiten der Ionen eine Rolle bei der Quellung bzw. Entquellung der Teilchen. Mit der Wertigkeit, d. h. mit der damit verbundenen erhöhten elektrischen Ladung, steigt auch die entquellende Wirkung der gegensinnig geladenen Teilchen. Quellungsreihen: a) Kationenreihe, wirksam auf Teilchen mit negativer Ladung Li' > Na' > K ' > NH' 4 > Ca" > Mg" > Zn" > AI'" > Hg' > Ag'. b) Anionenreihe, wirksam auf Teilchen mit positiver Ladung: CNS' > J ' > NO3' > B r ' > Cl' > Azetat' > S 0 4 " > Tartrat" > Citrat'". Befindet sich ein Kolloid in einem Ionengemisch, so entspricht der Quellungsgrad dieses Kolloids der Resultante aus den einzelnen Ionenwirkungskomponenten. Der quellenden Wirkung der am Anfang der Quellungsreihen stehenden Ionen wirkt der entquellende Einfluß der endständigen Ionen entgegen ( I o n e n a n t a g o n i s m u s ) . Umgekehrt kann ein bestimmter Quellungsgrad der Kolloide nur in Gegenwart einer ganz bestimmten Ionenmischung erreicht werden. Da nun das Plasma zum Ablauf seiner Lebensprozesse eines ganz bestimmten Quellungsgrades bedarf, kann es nur in einem bestimmten Ionengemisch (Ionengleichgewicht) lebensfähig bleiben. Lösungen von derartig geeignetem Ionengehalt nennt man physiologisch ausgeglichene oder balancierte Lösungen. Alle geeigneten Nährlösungen (vgl. S. 2Qoff.) sind solche balancierte Lösungen.
Der anatomische B a u der Pflanze
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A b h ä n g i g k e i t der L a d u n g d e r P l a s m a k o l l o i d e v o n d e r H'-K o n z e n t r a t i o n Welche Faktoren bestimmen nun die Eigenladung im Plasmakolloidteilchen ? Von den auf S. 97 genannten chemischen Plasmabestandteilchen sollen hier nur die Eiweiße näher betrachtet werden. E i w e i ß c h e m i e . D a s Eiweißmolekül entsteht durch V e r k n ü p f u n g der Aminosäuren, deren saure C O O H - G r u p p e n m i t den basischen N H 2 - G r u p p e n amidartig zu einer gebrochenen K e t t e zusammentreten. 1.
Aminosäuren: Monoaminosäure: R — C H N H 2 — C O O H . Aminodikarbonsäure: C O O H — R — C H N H 2 — C O O H . Diaminosäure: N H 2 C H 2 — R — C H N H 2 — ' C O O H .
Rj-CH " " ^ - C O OH
Rj-CH CO v
N H < ^ H-CR2
HOOG-"-"""
+ H2O amidartige
Bindung.
HOOC'^"^
Polypeptidkette. W i e seine Bausteine, die Aminosäuren, ist auch jedes E i w e i ß m o l e k ü l ein a m p h o t e r e r Körper, d. h. er n i m m t i n stark saurer L ö s u n g Basen-, in stark alkalischer L ö s u n g dagegen Säurecharakter an. Diese amphotere E i g e n s c h a f t geht auf zwei G r u p p e n im E i w e i ß m o l e k ü l zurück, nämlich auf die saure C O O H und die basische N H 2 - G r u p p e . Die erstere spaltet leicht H° ab, die letztere dagegen nach Wasseraufnahme OH-Ionen. In saurer L ö s u n g wird die Dissoziation v o n H" verringert, diejenige v o n O H ' dagegen begünstigt. D a m i t ändern sich aber auch die Ladungsverhältnisse des Eiweißmoleküls. Saure Gruppe RCOOH unelektrisch
RCOO-
Basische Gruppe H+
dissoziiert
RNH3OH unelektrisch
RNH3+
OH-
dissoziiert
Starkes Abdissoziieren v o n H ' bedingt daher negative, erhöhte A b s p a l t u n g v o n O H ' dagegen positive E i g e n l a d u n g des amphoteren Stoffes. In stark saurer L ö s u n g besitzt das Eiweißmolekül (wegen Behinderung der Abdissoziierung v o n H ' und erhöhter O H ' - A b s p a l t u n g ) daher positive, in stark alkalischer L ö s u n g (bei B e g ü n s t i g u n g der Abdissoziierung v o n H ' ) dagegen negative Eigenladung. Bei ganz bestimmter — f ü r jeden E i w e i ß k ö r p e r charakteristischer — R e a k t i o n entspricht die Zahl der abdissoziierten H ' derjenigen der O H ' , und dann ist das E i w e i ß unelektrisch. D a s ist im sogenannten i s o e l e k t r i s c h e n P u n k t ( I E P ) des Eiweißes der Fall. Dabei treten wichtige physikalische Änderungen des Eiweißes ein: die Quellung erreicht ein Minimum, die Wasserhüllen verringern sich sehr erheblich, das E i w e i ß neigt zum A u s f l o c k e n (isolabil). N u r bestimmte E i w e i ß k ö r p e r sind auch im I E P stabil (isostabile Eiweiße). In einer R e a k t i o n , die saurer ist, als dem I E P des Eiweißes entspricht, ist dieses daher p o s i t i v geladen, in weniger saurer L ö s u n g dagegen besitzt es n e g a t i v e Eigenladung. H ' und O H ' beeinflussen nicht nur die Quellung des Plasmaeiweißes, sondern sie bestimmen über die E i g e n l a d u n g des Eiweißes hinweg a u c h die Quellungswirkung der übrigen Ionen. D a m i t aber ist auch der A g g r e g a t z u s t a n d stark der R e a k t i o n unterworfen: Quellung bedingt dicke Wasserhüllen und freie Beweglichk e i t der Teilchen ( S o l ) , E n t q u e l l u n g f ü h r t zur Zusammenballung der Teilchen zu faden-, netz- oder wabenartigen Verbänden, zwischen deren Maschen freies W a s s e r eingelagert ist. D i e freie Beweglichkeit der Teilchen hört d a n n auf, das Sol erstarrt z u m G e l und n i m m t d a m i t neue physikalische Eigenschaften, z. B . die der E l a s t i z i t ä t , an.
Wenn auf S. 99 die F l ü s s i g k e i t s e i g e n s c h a f t e n des Plasmas zusammengestellt wurden, so darf nicht verschwiegen werden, daß es auch an Hinweisen für eine f e s t e S t r u k t u r d e s P l a s m a s nicht fehlt:
103
B a u der Zelle
a) Die V i s k o s i t ä t des Plasmas nimmt bei Druckerhöhung ab, w a s für Gele typisch ist, bei Flüssigkeiten dagegen nicht eintritt. b) D a s Plasma kann z u F ä d e n ausgezogen werden, die eine gewisse Elastizität besitzen, eine Eigenschaft, die echten Lösungen völlig abgeht. Das Plasma besitzt also gleichzeitig Eigenschaften von F l ü s s i g k e i t e n u n d festen Stoffen (halbfestes System). E n t g e g e n älteren Theorien (Emulsions-, Körnchen-, Wabenstruktur) schreibt man neuerdings dem P l a s m a eine G e r ü s t s t r u k t u r zu, weil sie allein eine Erk l ä r u n g f ü r die vielseitigen chemischen Leistungen des Protoplasmas zu geben v e r m a g . Dieses Gerüst ist nach FreyWyssling freilich v o n einer Größenordnung, die weit unter dem mikroskopischen Auflösungsvermögen der besten Optik liegt. W a h r s c h e i n l i c h h a n d e l t es sich h i e r b e i u m ein Ger ü s t w e r k , das im w e s e n t l i c h e n aus E i w e i ß m o l e k ü l e n a u f g e b a u t ist. W i e die Tabelle auf S. 97 nachA b b . 165. S c h e m a der m o l e k u l a r e n P l a s m a s t r u k t u r . Frey-Wyßling) • = Haftpunkte. (Nach weist, sind von allen Bauelementen des P l a s m a s die Eiweißkörper mengenmäßig a m stärksten vertreten. Saure Seitenketten Basische Seitenketten / Molekularstruktur des Protoplas- N Nh U ^CH-CM,-COOH mas. Frey- Wyßling entwirft das folgende ^CH-CHj-CHr-NHt CO theoretische Bild von der Molekularstruk- CsO N Ornithin • Asparaginsäurt tur des P l a s m a s : Die K e t t e n der EiweißN M MH stoffe können außerordentlich vielgliedrig ^CH-CHJ-CMJ-COOM )CH—Chj- Cht-CHj-NH-C werden und nehmen dann die F o r m von Nyh, cso F a d e n m o l e k ü l e n an. Solche MoleGlutaminsäure Arginin (Valin * Guanidin) küle können nun an reaktionsfähigen Lipaphile Seitenketten Hydrophile Seitenkelten E n d - und Seitengruppen (Haftpunkte, NU rM NH A b b . 165) mit anderen Fadenmolekülen yCH-CHt—CH ^CH-CHt—OH ^CHj z u einem räumlichen Gerüstwerk zusam- CO V Serin Leuzin mentreten, während die Einordnung in / / ein Kristallgitter und damit die Kristalli- NH NH > sation durch die ungleichen Seitengruppen ^CM-cm 2 -0 C O C O behindert wird. So entsteht im Plasma N Phenylalanin x Tyrusin ein feines N e t z w e r k aus Eiweißmolekülen, Möglicher Kettenabschluß Schwefelhaltige Seitenkette das natürlich mikroskopisch nicht zu erkennen ist, aber trotzdem die Struktur- NH NH T ^CM-CHj-SH ^CH» grundlage des Protoplasmas ausmacht. CO A n diesem Gerüst spielen sich die wichC Zystein s° Prolin tigsten physiologischen Prozesse ab, S e i t e n k e t t e n R der P o l y p e p t i d k e t t e n Abb. ii und zwar sind vor allem die freien E n d und Seitengruppen der Fadenmoleküle (Abb. 167) Schauplatz des physiologischen Geschehens. Die Steuerung des Stoffwechsels hängt daher weitgehend von der N a t u r dieser freien Seitengruppen ab. D a s Eiweißmolekül zeichnet sich durch einen ungeheuren R e i c h t u m an verschiedenen solchen Seitenketten aus (Abb. 166).
y»-
Der anatomische Bau der Pflanze
104
Bild eines Eiweißfadenmoleküls
COOH
NH,
NH
Abb. 167.
Lipophile und hydrophile Gruppen. Die Seitengruppen verhalten sich dem W a s s e r gegenüber recht unterschiedlich. Die einen ziehen die Wassermoleküle stark an ( h y d r o p h i l ) , bilden dichte Wasserhüllen und sind daher wasserlöslich. Andere Gruppen stoßen die Wassermoleküle ab, sie sind wasserscheu ( h y d r o p h o b ) . In ähnlicher Weise verschieden verhalten sich die Gruppen dem Fett gegenüber (lipophil und lipophob). Im allgemeinen sind Hydrophilie und Lipophobie und umgekehrt vergesellschaftet. Außerdem kann man beobachten, daß diese Eigenschaften in gestuften Ausmaßen einzelnen Gruppen zukommen. hydrophile (lipophobe) Gruppen —COOH-Säure _ ~
H
r • c—S—S—CRi + 2 H Schwefelbrücke
V
R
'Cii2—CH2'Ri +
2 H
Methylenbrücke B e i l e t z t e r e n R e a k t i o n e n w i r k e n b e r e i t s r e d u z i e r e n d e u n d o x y d i e r e n d e (also d e s m o l y t i s c h e ) Fermente mit. Zusammenfassung. Träger
Das Plasma
besitzt
ein aus E i w e i ß f a d e n m o l e k ü l e n
Zwischen substanz
den Maschen von
dieses Netzwerkes
kolloidalem
Charakter,
anderen organischen
Dispersionsmittel
zum
ketten
Reaktionen
Teil
spielen
der E i w e i ß m o l e k ü l e
bestimmtes
frei
Gleichgewicht
Ein
sich eine Phase
dessen
darstellt.
Interstitialaus
Lipoiden,
Substanzen besteht, während Wasser
im wesentlichen gewisser
zwischen
Gerüstwerk
disperse
bewegliches
sich
ab.
befindet
deren
Reserveeiweiß und logischen
eine Molekularstruktur,
aufgebautes
ist.
an den
Die freien
Quellungszustand
besetzten
und
freien
Seiten-
sowie
zuviel
dicken Mizellen träglicher völlig
Wasser
entzogen,
zusammen und
Weise.
Sind
alle
dann
vergröbern
Seitengruppen
treten dadurch
Wird
die F a d e n m o l e k ü l e die S t r u k t u r
abgedeckt,
ein
Seitengruppen
sind V o r a u s s e t z u n g für eine normale R e a k t i o n s f ä h i g k e i t des Plasmas. demPlasma
das
physio-
wird
in
das
zu
unerGerüst
reaktionsträge.
Das Hautschichtenproblem D i e O b e r f l ä c h e n s p a n n u n g . Selbst in einem sogenannten homogenen System herrscht an Phasengrenzflächen eine andere Teilchendichte als im Innern. Die gleichartigen Teilchen eines Systems unterliegen starken gegenseitigen Anziehungskräften, deren Resultante bei allseitiger Wirkung gleich null ist. An der Phasengrenze z. B. von Flüssigkeit/Luft fehlt die Anziehungswirkung auf die Außenseite der Grenzmoleküle so gut wie vollständig. Daher unterliegen diese Teilchcn dem einseitigen Zug nach dem Innern der flüssigen Phase, wodurch sie in der Grenzfläche eine gegenseitige Annäherung erfahren. Es entsteht ein O b e r f l ä c h e n h ä u t c h e n . Dieses letztere besitzt infolge der dichteren Teilchenlagerung eine gewisse Festigkeit, die man an der Kraft messen kann, die nötig ist, um dieses Häutchen zu zerreißen. Die Größe dieser Kraft ist unabhängig von der Dicke des Häutchens, fällt aber mit der Ausdehnung, längs der die Kraft angreifen kann, ab. Die in der Grenzfläche wirksame Kohäsionskraft wird als O b e r f l ä c h e n s p a n n u n g (A) bezeichnet. Da sie an beiden Seiten einer Lamelle wirksam ist, so ergibt sich zwischen belastendem Gewicht p, Oberflächenspannung und Lamellenlänge L die folgende Beziehung:
Die Oberflächenspannung des Wassers ist bei 150 = 7,30 mg pro Millimeter Lamellenlänge, = 71,6 Dyn pro Zentimeter Lamellenlänge. Die Oberflächenspannung ist auch auf anderem Wege meßbar, nämlich in der Steighöhe einer Flüssig- . keit in Kapillaren bestimmten lichten Durchmessers. Die Größenordnung der Oberflächenspannung eines Systems erkennt man ungefähr an der Fähigkeit der Tropfenbildung auf einer Glasunterlage. So bildet Quecksilber auf Glas fast kugelförmige Tropfen, die von Wasser sind bereits flacher. Alkohol, Äther und Petroläther besitzen ein zunehmendes Spreitvermögen, also fallende Oberflächenspannung. Die Oberflächenspannung eines Systems ist nicht unveränderlich. So ändert sich die Oberflächenspannung von Quecksilber gegen Schwefelsäure beim Durchgang elektrischer Ströme sehr erheblich. Seifenlösungen und Alkali' bewirken eine starke Änderung der Oberflächenspannung von fetten' Ölen' gegen Wasser. Von sache,
größter Wichtigkeit
daß
Stoffe, welche
die
und biologischer
B e d e u t u n g ist nun die
Oberflächenspannung
eines
Systems
Tatgegen
io6
D e r anatomische B a u der Pflanze
e i n a n d e r e s v e r r i n g e r n , an d i e Phasengrenzfläche g e d r ä n g t w e r d e n . Die Fähigkeit der Stoffe, sich in Grenzschichten zu verdichten, wird als O b e r f l ä c h e n a k t i v i t ä t bezeichnet. Die Teilchenverdichtung an Grenzflächen wird als p o s i t i v e A d s o r p t i o n bezeichnet. Die an der Oberfläche einer Phase adsorbierte Menge eines Stoffes ist a b h ä n g i g v o n dessen Konzentration. Die A b b . 169 gibt die Beziehung zwischen Adsorption (Ordinate) und K o n z e n tration wieder. Sie zeigt, d a ß relativ die Adsorption bei niederer Konzentration a m höchsten ist. A u s einem Stoffgemisch werden die Stoffe nach M a ß g a b e ihrer Konzentration und Oberflächena k t i v i t ä t adsorbiert. Oberflächenaktive Stoffe können solche mit geringerer A k t i v i t ä t v o n der Grenzfläche verdrängen (Adsorptionsverdrängung). A u s Salzlösungen werden die Ionen verschieden stark adsorbiert; stärker adsorbierte Ionen können schwach adsorbierte v o n der Grenzfläche verdrängen (Ionenaustausch).
Die
£
3
4-
- Konzentration
A b b . 169. A b h ä n g i g k e i t der Adsorption von der K o n z e n t r a t i o n
Plasmagrenzschichten
Die verschiedene Oberflächenaktivität der in einem heterogenen System vorhandenen Stoffe erzeugt besondere Hautschichten. So müssen auch im Plasma getrennte Hautschichten mit verschiedenen Eigenschaften einerseits gegen die Zellwand hin (äußere Plasmagrenzhaut), andererseits nach der Vakuole zu (Tonoplast) angenommen werden. Abb. 170 gibt eine Vorstellung vom Bau der Plasmagrenzschichten. a)
I n d e r äußeren Plasmahautschicht
haben
sich Lipoidteilchen zu einer Lipoidhaut zusammengeschlossen, in welche Äste des Eiweißfadengerüstes hereinreichen. Diesen Eiweißbestandteilen verdankt die Grenzschicht ihre Elastizität, da reine Lipoidhäute unelastisch sind. b) D i e Vakuolenhaut (Tono-
plast) besitzt höheren Lipoidgehalt, so daß sich eine ziemlich geschlossene Lipoidhaut bildet. Vakuole
Der stoffliche C h a r a k t e r der G r e n z h ä u t e ist insofern von besonderer Bedeutung, als er die D u r c h l ä s s i g k e i t für bestimmte Stoffe maßgeblich beeinflußt. Die äußere Plasmagrenzschicht ist für h y d r o p h i l e u n d l i p o p h i l e Stoffe durchlässig, während die T o n o p l a s t e n s c h i c h t b e v o r z u g t v o n l i p o p h y l e n Stoffen passiert wird. Den Eintritt der Stoffe in das Plasmainnere bezeichnet man als Intrabilität, das Vordringen bis zur Vakuole dagegen als Permeabilität. Nährstoff- sowie Wasseraufnahme und -Verteilung sind entscheidend von der Durchlässigkeit der Plasmahäute für diese Stoffe bestimmt (vgl. S. 170). A b b . 170. S t r u k t u r der Plasmagrenzschichten. Lipoide punktiert. (Nach Frey-Wyssling)
W i r k u n g e n der A u ß e n f a k t o r e n auf das
Plasma
1. T e m p e r a t u r . Das Plasma vermag seine lebentragende Struktur nur innerhalb bestimmter Temperaturgrenzen zu bewahren, die natürlich nicht für alle Organismen die-
B a u der Zelle
107
selben sind und deren L a g e bei ein und derselben Pflanze unter anderem besonders v o m Quellungsgrad des Plasmas abhängt. Mit zunehmender Quellung nimmt die H i t z e e m p f i n d l i c h k e i t des Plasmas zu. Sehr wasserarmes Plasma, wie es z. B . in ruhenden Samen und Sporen oder in stark ausgetrockneten Moosen und Flechten vorliegt, kann erstaunlich hohe Temperaturen (sogar über ioo°) ertragen. Die kritischen Temperaturen wasserreicher Zellen liegen im Mittel zwischen 45 0 und 55 0 . D o c h gibt es auch besondere Spezialisten: so ertragen schon die Schließzellen wesentlich höhere Temperaturen als die umgebenden Epidermiszellen. A u c h manche Bakterien und Blaualgen sind erstaunlich hitzeresistent. Natürlich spielt hierbei auch der Zeitfaktor eine bedeutsame Rolle. D e r H i t z e t o d des Plasmas erfolgt unter dem Bild der A u s f l o c k u n g der eiweißhaltigen Phasen. W i e extrem hohe können auch sehr n i e d r i g e T e m p e r a t u r e n tödlich wirken. Einige Pflanzen sterben bereits bei Temperaturen über o° ab. I m übrigen scheint die K ä l t e besonders durch den mit der Eisbildung verbundenen Wasserentzug und die E n t q u e l l u n g des Plasmas schädlich zu wirken. A b e r auch die nachträgliche A u f t a u u n g des Plasmas birgt bei raschem Ablauf schwere Gefahren f ü r die Plasmastruktur. Viele Zellen ertragen die Eisbildung ohne Schaden, und hier entscheidet dann die Geschwindigkeit des A u f t a u e n s über Leben und T o d der Zelle. Gewisse Änderungen im Stoffwechsel lassen indes erkennen, daß auch ohne Eisbildung die Senkung der Temperatur eine weitgehende, kolloidchemisch bedingte Änderung der P l a s m a s t r u k t u r herbeiführt, die gelegentlich schon über d e m Gefrierpunkt zu Schädigungen und z u m T o d der Pflanzen oder einzelner Zellen führen kann. 2. D a s L i c h t . Schädigen können hier besonders die kurzwelligen Strahlen: Ultraviolettlicht, Korpuskular-, Radium- und Kathodenstrahlen setzen schon in relativ geringer Intensität schwere Schädigung, die vor allem den Zellkern treffen. 3. E l e k t r o l y t e . Die E l e k t r o l y t w i r k u n g auf das kolloidale Plasma ist eine Ionenwirkung. Entsprechend den Befunden an Eiweißsolen wirken die Ionen a u f den Quellungsgrad des Plasmas in der Ordnung der Hofmeister sehen lyotropen Reihe, wobei ihre Wirkungsweise stark von der Wasserstoffionenkonzentration abhängt. 4. N a r k o t i k a . Sie wirken wahrscheinlich nach Maßgabe ihrer Oberflächenaktivität durch Blockierung der Phasengrenzflächen. B. Der Zellkern Die Differenzierung des Zellkerns aus dem Plasma m u ß schon sehr frühzeitig in der E n t w i c k l u n g organischer Individuen erfolgt sein. Selbst den primitiven A m ö b e n und Flagellaten fehlt er nicht. N u r Bakterien und Blaualgen lassen keinen einheitlichen Zellkern erkennen. D o c h ist es wahrscheinlich, daß es hier nur nicht z u m Zusammenschluß einer im Plasma noch diffus verteilten Kernmasse gekommen ist. In vielen Zellen ist der K e r n ohne A n w e n d u n g einer besonderen Färbemethode als kugeliges, im P l a s m a eingebettetes Gebilde sichtbar, das von einer hyalinen K e r n w a n d u n g begrenzt wird. Die Größe des Zellkerns schwankt bei verschiedenen Zellen in ziemlich weiten Grenzen. Man hat in Pilzen Kerne von 1 — 5 fj, Durchmesser gesehen, während in Eizellen Riesenkerne bis zu 1 m m Durchmesser vorkommen. Die Mittelwerte liegen etwa zwischen 5 und 25 fi. Zellkern und Zytoplasmamasse gewebsgleicher Zellen derselben Organismen stehen in festem Mengenverhältnis ( K e r n p l a s m a r e l a t i o n ) . Die Form der Kerne ist keine einheitliche. Z w a r herrscht im allgemeinen die K u g e l - bzw. Ellipsoidform vor, doch trifft man auch gelegentlich l i n s e n - u n d - p l a t t e n förmige, amöboidartige, j a sogar fadenförmige Zellkerne an. Die Zahl der Kerne. A l s Norm findet sich in jeder Zelle e i n Zellkern. D o c h verfügen große Zellen nicht selten auch über eine Mehrzahl von Kernen. Die ungekammerten
io8
D e r anatomische B a u der Pflanze
Schlauchalgen besitzen zum Teil Hunderte von Kernen, und in den Zellen einer R o t alge wurden deren sogar nach Tausenden gezählt. Der F e i n b a u des Kerns. Die chemische Untersuchung der Kernsubstanzen hat vor allem zwei wichtige Komponenten des Kerngerüstes ergeben : a) E i w e i ß s t o f f e , b) N u k l e i n s ä u r e n . Der überragende Gehalt von Diaminosäuren verleiht den Kerneiweißen b a s i s c h e n C h a r a k t e r . Die Nukleinsäuren sind Verbindungen von Zuckerphosphorsäuren mit Stickstoffbasen. Schon bei schwacher Hydrolyse geben sie Aldehydreaktionen, wodurch sie gesondert angefärbt werden können (Feulgensehe Nukleinsäurereaktion). Beide Stoffe sind wenigstens zeitweise zu Nukleoproteiden verbunden, wobei sich die Nukleinsäuren an basische Seitengruppen der Eiweißketten anlagern. Wie im Plasma, so liegt auch im Kern aller Wahrscheinlichkeit nach ein + festes Gerüst vor, das aus Fadenmolekülen von Eiweißkörpern aufgebaut wird. An den Hauptund Seitengruppen dieser Eiweißmoleküle spielen sich die wesentlichen physiologischen Arbeitsprozesse des Kerns ab. Der Arbeitskern hat daher viele solche freien Gruppen. Bei Einleitung der Kernteilung dagegen werden die basischen Eiweißgruppen durch
A b b . 171. Feinbau eines Chromosoms. (cf) C h r o m o n e m a t a ; (ehr) Chromomer. (Aus Frey-Wyssling)
A b b . 172. Scheibenförmige Chromomeren. (nucl) Kernkörperchen. (Nach Alverdes)
die Nukleinsäuren abgedeckt und so inaktiviert. Das mikroskopische Bild zeigt daher auch zunehmende Zusammenballung der Nukleinsäuren bei Einleitung der Kernteilung. Die dabei auftretenden Kernspindelfibrillen sind wohl ebenfalls aus Eiweißmolekülen aufgebaut. Aus dem Kerngerüst gestalten sich auch die Chromosomen, die als Erbträger ganz besondere Bedeutung erlangen. Jedes Chromosom beherbergt mindestens zwei schraubenartig gewundene Fäden ( C h r o m o n e m a t a ) , die aus Eiweißfibrillen aufgebaut und in gesetzmäßiger Weise von färbbaren Knötchen (Chromomeren) besetzt sind (Abb. 171). In manchen Chromosomen sind zahlreiche solche Chromonemata zu breiten Bändern und die Chromomeren zu Querscheiben vereinigt (Abb. 172), durch welche das Eiweißgerüst aber ununterbrochen hindurchzieht. Es ist nun wahrscheinlich, daß die Chromomeren diejenigen Seitengruppen des Gerüstes enthalten, welche die Reaktionsweise des Kerns bestimmen. Sie sind die stoffliche Grundlage für die „Erbanlagen" der Pflanze (Gene). Durch Zählung der Chromomeren und Messung der Abstände zwischen zwei Seitengruppen wurde für das Paradeobjekt der Genetiker, Drosophila, die Zahl der Gene auf 5—10000 berechnet.
Bau der Zelle
log
Diese spezifischen Gruppen können offenbar nur vom Kerngerüst, dagegen nicht vom Plasma aufgebaut werden. Von gewisser Organisationshöhe der Zelle ab sind Plasma- und Kerngerüst auch lokal getrennt, woraus sich die Notwendigkeit der Beziehungen zwischen Zell- und Kernteilung zwanglos ergibt. Auch das Plasmagerüst besitzt spezifische Gruppen, welche Grundlage bestimmter Reaktionsweisen sind. Es gibt daher Plasma- und Kernvererbung, wobei der letzteren allerdings überragende Bedeutung zukommt, da die architektonischen Fähigkeiten der Zelle überwiegend im G e n o m , nicht im P l a s m o n verankert sind. Über die Funktion des Zellkerns wissen wir wenig Bestimmtes. Zweifellos spielt er bei Wachstumsvorgängen eine wesentliche Rolle, und in der Befruchtung verleiht der
Abb. 173.
Kern- und Zellteilung einer Zelle aus der Wurzelspitze einer höheren Pflanze. (Nach
Schaffstein)
männliche Sexualkern der Eizelle erst die Fähigkeit zur Weiterentwicklung. Neuere Versuche machen es wahrscheinlich, daß der Kern die Produktion von gestaltsbestimmenden Stoffen (Hormonen) maßgeblich beeinflußt. Vermehrung der Elemente des Zelleibes (Protoplast). Eine Massenvermehrung des Protoplasten erfolgt nur innerhalb des Zelleibes durch Wachstum, das schon aus räumlichen Gründen eng begrenzt ist. Dieser Beengung entzieht sich der Protoplast durch Teilung und einer damit verbundenen Zellneubildung. Eine Zellteilung wird im allgemeinen durch eine Kernteilung eingeleitet. Die typische Kernteilung. Die Kernteilung erfolgt nur ausnahmsweise durch einfache Durchschnürung der Kernmasse ( d i r e k t e K e r n t e i l u n g ) . Im Normalfall verläuft sie in einer Folge einzelner, wohldefinierter Teilungsstadien (in di r e k t e T e i 1 u n g), die im wesentlichen bei Tier- und Pflanzenzellen übereinstimmen. Den Ablauf des Gesamtvorganges
Der anatomische Bau der Pflanze
110
zeigt A b b . 173, welche an H a n d v o n g e f ä r b t e m Zellmaterial aus einer Wurzelspitze entworfen wurde. Phase 1 zeigt den K e r n noch im R u h e s t a d i u m . Man erkennt ein sich v o m K e r n s a f t aussonderndes, stark f ä r b b a r e s G e r ü s t w e r k (Chromatin), das in Phase 2 bereits deutliche F a d e n s t r u k t u r aufweist ( S p i r e m s t a d i u m ) . In Phase 3 ist das Gerüstwerk stark a u f g e l o c k e r t , die F ä d e n sind offenbar kürzer u n d dicker geworden. Phase 4 deutet bereits eine L ä n g s s p a l t u n g dieser F ä d e n ( C h r o m o s o m e n ) an. Die Chromosomenlängshälften bleiben zunächst noch z u s a m m e n und w a n dern der K e r n m i t t e zu (5), w o sie sich sternförmig in der Äquatorialebene anordnen ( K e r n p l a t t e , 6 u n d 7) u n d so die spätere Teilungsebene andeuten. N u n beginnen sich die Chromosomenhälften voneinander z u lösen. Inzwischen sind in der N ä h e der beiden Kernpole schirmartig angeordnete Fasern entstanden ( P o l k a p p e n , 6 — 1 1 ) . K e r n w a n d u n d Nucleoli werden aufgelöst, die Fasern verlängern sich gegen die Ä q u a t o r i a l p l a t t e hin, w o sie sich entweder an Chromosomenlängshälften anheften oder mit den E n d e n der gegenpoligen F ä d e n verschmelzen. Diese Fasern erstrecken sich bald über den ganzen K e r n hinweg u n d zerren ihn in die L ä n g e . D a m i t ist die K e r n s p i n d e l geschaffen. Jeweils zwei L ä n g s h ä l f t e n eines Chromosoms rücken n u n als Tochterchromosomen an die entgegengesetzten Pole der Spindel, w o auf diese Weise zwei neue Sternfiguren v o n Chromosomen entstehen ( D i a s t e r , 9, 10). Schon hier wird f ü r die nächste K e r n t e i l u n g die Längsteilung der U - f ö r m i g g e k r ü m m t e n Chromosomen vorbereitet. Darauf drängen sich die Chromosomen an den beiden Polen z u s a m m e n u n d verdichten sich z u m D i s p i r e m s t a d i u m (11). U m beide Chromosomenknäuel werden neue K e r n w a n d u n g e n gebildet, u n d auch die N u c l e o l i treten wieder auf. D a s Chromosomengerüstwerk wird undeutlicher (d.h. es ist nicht mehr differenziert färbbar) und scheint fast völlig einzuschmelzen. T r o t z d e m m u ß m a n jedoch annehmen, d a ß die I n d i v i d u a l i t ä t d e r C h r o m o s o m e n gewahrt bleibt. Sinn u n d B e d e u t u n g dieses komplizierten Mechanismus liegen in der Sicherung einer v o l l k o m m e n g l e i c h m ä ß i g e n V e r t e i l u n g d e s C h r o m o s o m e n b e s t a n d e s auf die beiden Tochterkerne. D a die Chromosomen T r ä g e r der ausschlaggebenden Erbanlagen sind, sichert ein auf Scheidung v o n Chromosomenhälften a u f g e b a u t e r Teilungsmechanism u s die B e s t ä n d i g k e i t des E r b g u t e s durch alle Generationenreihen hindurch (Näheres S. 318). Die Zellteilung. Normalerweise ist die K e r n t e i l u n g nur A u f t a k t einer Zellteilung. Die v o n P o l z u Pol reichenden Verbindungsfäden bei der K e r n t e i l u n g verdichten sich in der Ä q u a t o r i a l p l a t t e zur Z e l l p l a t t e , die entweder sofort oder in breiten Zellen nach beendetem W a c h s t u m die W ä n d e der Mutterzelle erreicht (Abb. 1 7 3 , 1 2 ) . N a c h d e m an der Grenzstelle der beiden Tochterzellen neue Zellwände ausgebildet sind, ist auch die Zellteilung endgültig vollzogen. N a t u r g e m ä ß sind K e r n - u n d Zellteilung auch mit einer N e u b i l d u n g v o n P l a s m a verbunden. Leider sind Einzelheiten über diesen grundlegenden P r o z e ß nicht bekannt.
> '¿t^ri >
In A u s n a h m e f ä l l e n folgt der K e r n t e i l u n g nicht sofort anschließend eine Zellteilung. In den einzelligen u n d vielkernigen Schlauchalgen unterbleibt die Zellteilung ganz. I m E m b r y o s a c k der Angiospermen ist die freie Kernteilung z u beobachten, wobei zahlreiche Tochterkerne entstehen, die sich erst später mit ihrer zugehörigen Plasmaportion u m g e b e n u n d letztere durch W ä n d e abgrenzen (Vielzellbildung). B e i der freien Zellbildung h a b e n sich die n a c k t e n Tochterzellen bereits v o r der W a n d b i l d u n g voneinander getrennt. In der Zellsprossung entsteht die Tochterzelle nicht als gleichwertiges Teilungsäquivalent, sondern als A u s w u c h s der Mutterzelle (Hefe), in den der Tochterkern einwandert (Abb. 174). Abb. 174. Sprossung der Hefe
Bau der Zelle
III
C. Die Chromatophorcn oder Piastiden A l s d r i t t e s i n d i v i d u e l l e s G e b i l d e t r e t e n in d e r P f l a n z e n z e l l e die C h r o m a t o p h o r e n auf, die n u r B a k t e r i e n , B l a u a l g e n , m a n c h e n F l a g e l l a t e n u n d i n f o l g e R ü c k b i l d u n g den P i l z e n fehlen. D i e Piastiden b e s t e h e n a u s einer m i t d e m P l a s m a n i c h t m i s c h b a r e n G r u n d s u b s t a n z ( S t r o m a ) , in d a s F a r b s t o f f e e i n g e l a g e r t sein k ö n n e n . J e n a c h d e r N a t u r dieser F a r b s t o f f e u n t e r s c h e i d e t m a n : Chloroplasten (grün), Leukoplasten (farblos) u n d Chromoplasten (rot, o r a n g e , gelb). i . D i e Chloroplasten sind i m allg e m e i n e n l i n s e n f ö r m i g e G e b i l d e , die in der A u f s i c h t r u n d l i c h e n , in der P r o f i l s t e l l u n g s c h m a l elliptischen U m riß zeigen. Sie sind s t e t s ins P l a s m a e i n g e b e t t e t u n d m a c h e n die P l a s m a strömung vielfach passiv mit. Der g r ü n e F a r b s t o f f (Chlorophyll) ist auf die C h l o r o p l a s t e n b e s c h r ä n k t , u n d z w a r ist er n i c h t g l e i c h m ä ß i g i m S t r o m a v e r t e i l t , sondern in linsenförmigen Scheibchen (Grana) ins S t r o m a eingelagert. E r v e r l e i h t d e n B l ä t t e r n ihre g r ü n e F a r b e . F o r m u n d G r ö ß e der C h l o r o p l a s t e n sind sehr unterschiedlich. In m ä n n l i c h e n S e x u a l zellen g e h e n sie b i s a n die G r e n z e d e r Sichtbarkeit herab, und andererseits bilden sie z. B . in A l g e n a n s e h n l i c h e Spiralen ( S p i r o g y r a , A b b . 176), S t e r n e ( Z y g n e m a ) u n d P l a t t e n (Mougeotia). D i e linsenförmigen C h l o r o p h y l l k ö r n e r der S a m e n p f l a n z e n erreichen i m allg e m e i n e n eine G r ö ß e v o n 6 — 8 fi. P h y s i o l o g i s c h sind die P i a s t i d e n die w i c h t i g s t e n E r n ä h r u n g s o r g a n e l l e n , denn in ihnen v o l l z i e h t sich d e r A u f b a u organischer S u b s t a n z a u s d e r a n organischen K o h l e n s ä u r e (Assimilation) . Z u r D u r c h f ü h r u n g dieses lebensw i c h t i g e n Prozesses sind F a r b s t o f f und S t r o m a u n e n t b e h r l i c h . A l s erstes sichtbares A s s i m i l a t i o n s p r o d u k t s a m melt sich in den C h l o r o p l a s t e n die A s s i m i l a t i o n s s t ä r k e an.
Größenordnung . Zw- - • I
aiP P L ' P L : P
ca.soA ca 250Ä
#
3K) Sklerenchymring; (Ib) Leitbündel; (p) Grundgewebe. (Nach Schmck)
D. Einfacher ( A ) und zusammengesetzter Träger
(B);
(g u. g') Gurtungen des einfachen Trägers; ( / ) Füllung. a a b b', c c' Gurtungspaare des zusammengesetzten Trägers. (Nach F.
Haberlandt)
Zugfestes mechanisches System in der Wurzel. (r) Rinde; (m) Mark Abb. 2 1 3 .
Anordnung des mechanischen Gewebes.
D e r anatomische B a u der Pflanze
132
verkürzender Druckwirkung, während die Mittelstreifen eine neutrale Zone darstellen. Deshalb besitzt eine Röhre fast dieselbe Biegungsfestigkeit wie ein Vollzylinder gleichen Durchmessers. Der Biegungsdruck lastet daher im wesentlichen auf den in der D r u c k u n d Zugrichtung gelegenen Flanken. Der Techniker legt hierher die Gurtungen aus drucktechnisch hochwertigem Material, dazwischen k o m m t die weniger belastete Füllung. Eine derartige Konstruktion wird als T r ä g e r bezeichnet. I m pflanzlichen O b j e k t kommen neben einfachen auch zusammengesetzte Träger zur Ausbildung (Abb. 213 A — D ) , deren Gurtungen selbst wieder nach dem Trägerprinzip gebaut sind. Die einfachen Gurtungen bestehen aus mechanischen Zellen; daher finden wir auf Querschnitten der Achsenorgane das mechanische Gewebe vorwiegend auf die P e r i p h e r i e verteilt, während das Leitgewebe als Trägerfüllmaterial gelagert wird und dadurch zugleich D r u c k s c h u t z genießt. 2. Z u g f e s t i g k e i t . A u f Zugfestigkeit beansprucht werden neben unterirdischen Organen, wie Wurzeln und Rhizomen, noch die hängenden Fruchtstiele, die oft seilartig gespannten Klettersprosse der Lianen, die R a n k e n sowie die Sprosse der in stark strömendem Wasser lebenden Pflanzen. D a die Größe der Zugfestigkeit nur von der Querschnittsfläche des mechanischen Gewebes abhängt, eine örtliche Überdehnung aber am sichersten bei Zusammenfassung aller Festigungsgewebe in einem Strang vermieden wird, ist bei allen auf Z u g beanspruchten Organen die Neigung zu einer zentralen Verlagerung des Stützgewebes zu bemerken (Abb. 213 F). 4. Das Leitungsgewebe W i e die Ausbildung des mechanischen Gewebes, so hängt auch diejenige des Leitgewebes aufs engste mit der E n t w i c k l u n g v o n der Wasser- zur L a n d p f l a n z e zusammen. Sobald die w a s s e r a u f n e h m e n d e n Organe (Wurzeln) in größere E n t f e r n u n g von den w a s s e r v e r b r a u c h e n d e n Organen (Blätter) gelangen, m a c h t sich die Ausbildung v o n spezifischen Leitungsbahnen notwendig. Z w a r kann das Wasser auch v o n Zelle zu Zelle geleitet werden, aber die Geschwindigkeit dieser A r t v o n Wasserleitung steht in krassem Mißverhältnis zur Schnelligkeit der Wasserabgabe durch die Blätter. Die unzähligen Zellquerwände wie auch das P l a s m a selbst setzen einen viel zu hohen Filtrationswiderstand für eine rasche Wasserleitung. Die kleinen Moospflänzchen (Abb. 214) behelfen sich noch mit einer Streckung der Zellen eines zentral gelegenen Zellstranges. A b e r schon v o n den Farnen ab schreitet die P f l a n z e zur Ausbildung hoch s p e z i f i z i e r t e r A b b . 214.
Querschnitt
durch
ein
Moos-
Leitungsgewebe
(Gefäßkryptogamen)
die
stämmchen. (/) stammeigenes Leitgewebe; (bl) blattbürtiges Leitgewebe
dann m den Samenpflanzen ihre höchste E n t w i c k l u n g und Leistungsfähigkeit erfahren. W ä h r e n d der Wasser- und Nährsalzstrom die Pflanze v o n der Wurzel nach der Pflanzenspitze durchzieht, führt ein Gegenstrom die Assimilationsüberschüsse von den Blättern an die Stellen des Verbrauchs bzw. der Speicherung. Die Gegensinnigkeit der Stromrichtung wie auch die physiologische Eigengesetzlichkeit beider Vorgänge bedingt die Ausbildung eines d o p p e l t e n L e i t u n g s s y s t e m s : a) des Holzteils, in dem hauptsächlich Wasser und gelöste Nährsalze geleitet werden, b) des Siebteils, der Leitungsbahn organischer Substanzen. Beide B a h n e n sind lokal z u m Leitbündel verbunden.
Gewebelehre (Histologie)
133
Die Leitungselemente des Holzteils. Die wichtigsten und leistungsfähigsten Leitungselemente des Holzteils sind die 1. T r a c h e e n o d e r G e f ä ß e . Sie setzen sich aus zahlreichen weitlumigen, zylindrischen Zellen zusammen, deren Querwände später bis auf einen wandständigen W u l s t aufgelöst werden, so daß durchgängige Röhren v o n erheblicher L ä n g e (bei der Eiche mehrere Meter) entstehen. Gleichzeitig mit der Auflösung der Querwände sterben die Zellen ab, so d a ß die Tracheen also t o t e Elemente darstellen. Sicherlich reichen aber diese Tracheen nicht als einheitliche, ununterbrochene Röhren durch die ganze P f l a n z e , vielmehr sind in gewissen Abständen i m m e r wieder Querwände zwischengeschaltet. Trotzdem ist natürlich im ganzen Leitungssystem der Filtrationswiderstand gegenüber der Leitung von Zelle z u Zelle stark vermindert. L ä n g e und Weite der Gefäße stehen in engster Beziehung z u m Wasserverbrauch der Pflanze. Die ungestörte Leitung erfordert gegenüber den anliegenden prall gefüllten lebenden Zellen eine bestimmte Druckfestigkeit A b b . 215. Hoftüpfel. (prn) Prider Tracheen wände. D a indes die Gefäße auch das anmärmembran ; (sm) Sekundärliegende Gewebe mit Wasser zu versorgen haben, darf m e m b r a n ; (h) H o f ; (t) Schließdie V e r s t ä r k u n g der W ä n d e nicht auf Kosten einer Leihaut. (Nach Strasburger) tungshemmung nach den angrenzenden Zellen (also in radialer R i c h t u n g des Sprosses) erfolgen. A u s diesem Grunde wird an die Primärwand der die Gefäße bildenden Zellen keine ununterbrochene Sekundärwand angelegt. Vielmehr bleiben einzelne Stellen un verdickt ( T ü p f e l ) . Zur Versteifung der Tracheenwand verholzen die Restteile der Membran später. In diesem F a l l k o m m t es zur Ausbildung sogenannter H o f t ü p f e l (Abb. 215 u. 216): A n den Tüpfelrändern wölbt sich die verholzte Sekundärmembran blasenförmig auf und läßt nur in der Mitte der uhrglasförmigen A u f w ö l b u n g eine zentrale blendenförmige Ö f f n u n g frei. Sie führt in den basal erweiterten Hof zwischen Sekundärw a n d und Primärmembran. Die letztere ist vielfach in der Mitte des Tüpfels verdickt ( T o r u s ) . Die Bewegung des Torus gegen die Öffnungen der Hoftüpfel ermöglicht eine ventilartige Regulation der Wasserbewegungen in radialer Richtung. I m einfachsten Fall besitzt der Hof kreisförmigen Umriß, u n d die Ö f f n u n g erscheint dann in A b b . 216. Tüpfelgefäß, (ht) Hofder Aufsicht als konzentrischer Kreis zur Hof ansatzstelle. tüpfel ; (hp) Holzparenchymzellen D o c h zeigen Tracheen der verschiedenen Pflanzen mannigfaltige Formvariationen der Hoftüpfel. Bei Angrenzung der Tracheen an Nachbarzellen mit verholzten Membranen k o m m t es zur Ausbildung doppelt behöfter Tüpfel ( A b b . 215). Die T ü p f e l g e f ä ß e (Abb. 216) weisen kleine enggestellte, oft polygonal gegeneinander abgeplattete Höfe mit runden oder auch länglichen Hoföffnungen auf. I n den L e i t e r g e f ä ß e n (Abb. 217) sind die T ü p f e l langgestreckt und quer zur Tracheenachse gestellt. N e t z g e f ä ß e besitzen netzartig anastomosierende Verdickungsleisten. B e i den Ringgefäßen l ä u f t der T ü p f e l rings u m die Trachee, u n d die Sekundärmembran ist auf einen R i n g mit schmaler Ansatzstelle an der Primärwand reduziert. D u r c h manche Übergänge sind die R i n g g e f ä ß e mit S p i r a l g e f ä ß e n verbunden, in denen die Sekundärmembran auf spiralige Verdickungsleisten, die sich z u m Teil korkzieherartig ausziehen lassen, verschmälert ist. Diese Art der W a n d v e r s t ä r k u n g läßt eine gewisse D e h n u n g der Ring- und Spiralgefäße im Gegensatz z u den Tüpfel- und Netzgefäßen zu.
Der anatomische Bau der Pflanze
134
Bei Verletzung der Gefäße und in manchen Pflanzen auch in alten unverletzten Tracheen wachsen die an das Gefäß angrenzenden lebenden Holzparenchymzellen blasenartig durch die Tüpfel in das Gefäßlumen hinein ( T h y l l e n , Abb. 218) und verschließen es mehr oder weniger vollständig, so daß solche Gefäße praktisch außer Funktion treten.
Abb. 218.
Abb. 217 A bis C. A, Ringgefäß. B, Spiralgefäß. C, Leitergefäß. (t) Tüpfel; (suf) Sekundärwand
Abb. 217 A bis C. Abb. 218.
Abb. 219.
Abb. 220.
Querschnitt durch ein mit Thyllen verstopftes Gefäß der Robinie. (a) Durchwachsstelle der Holzparenchymzelle; (Ih) Thylle; (hp) Holzparenchymzelle. (Nach Schenck) Abb. 219. Tracheide mit spiraliger Verdickung der Wand
Abb. 220.
Siebröhre, (g) Geleitzelle; (s) Siebröhre; (pl) Plasma; (sp) Siebplatte; (p) Poren
2. D i e T r a c h e i d e n . Sie unterscheiden sich anatomisch von den Tracheen dadurch, daß sie prosenchymatische Einzelzellen sind, schräg gestellte Q u e r w ä n d e besitzen und daher niemals die Länge von Tracheen erreichen. Funktionell sind sie weniger leistungsfähig als die Gefäße, gewähren aber erhöhte Sicherheit gegen Leitungsstörungen. Phylogenetisch (bei Farnen) wie ontogenetisch (Primanen) erscheinen sie als Erstlinge eines Leitungssystems. Das Koniferenholz ist ausschließlich aus Tracheiden aufgebaut, aber auch in Angiospermen treten Tracheiden reichlich, gewöhnlich in Gruppen auf. Ihre Wand ist ähnlich wie diejenige der Tracheen unter Aussparung von Tüpfeln verholzt. Besonders häufig übernehmen spiralige Verdickungsleisten die notwendige Aussteifung der Tracheiden (Abb. 219). Zwischen Tracheen und Tracheiden trifft man nicht selten mannigfache Übergänge an.
Gewebelehre (Histologie)
Die Leitungselemente des Siebteils. Die ausschließliche Leitungsb a h n i m Siebteil sind die S i e b r ö h r e n (Abb. 220). Sie unterscheiden sich in B a u u n d Funktion v o n den Tracheen. a) B a u d e r S i e b r ö h r e n . Die Siebröhren stellen zwar wie die T r a cheen Züge längsgestreckter Zellen dar, aber diese bleiben bei den Siebröhren während der Dauer ihrer Funktionstüchtigkeit lebend, besitzen P l a s m a u n d Zellkern. Ihre Querwände werden nicht aufgelöst, sondern nur siebartig durchlöchert ( S i e b p l a t t e n ) , so d a ß eine ausgiebige plasmatische V e r b i n d u n g zwischen benachbarten Zellen besteht. Die L ä n g s w ä n d e bleiben dünn und unverholzt. U n t e r der W i r k u n g des zunehmenden D r u c k s in der R i n d e wachsender Sprosse werden die älteren Siebröhren zusammengedrückt, ihre Siebplatten bedecken sich m i t dickem Schleim (Kailose). A u s diesen Gründen bleiben Siebröhren gewöhnlich nur eine Vegetationsperiode in Funktion. I m Verlauf ihrer E n t w i c k l u n g spalten die Zellen der Siebröhren durch eine Längsteilung die G e l e i t z e l l e n a b , das sind plasmareiche Zellen, die der Speicherung, nicht der Leitung dienen. Gelegentlich treten als Grenze benachbarter Siebröhrenzellen schräg gestellte W ä n d e auf, die dann größere S i e b f e l d e r tragen. b) F u n k t i o n d e r S i e b r ö h r e n . I m Gegensatz zu Tracheen und T r a cheiden wird in Siebröhren organisches Material, vor allem Zucker und N-haltige Substanzen (Amide, Aminosäuren, Eiweiß) geleitet. Die
P sch
hp rtni SP r
/
1 y^f
1 A (
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A b b . 221. Kollaterales geschlossenes Leitbündel v o m Mais. (p) G r u n d g e w e b e ; (sch) Leitbündelscheide; (sr) Siebröhre; (g) Geleitzelle; (tr) T r a c h e e ; (hp) H o l z p a r e n c h y m ; (ftrd) Fasertracheiden; (sp) Spiralgefäß; (r) R i n g g e f ä ß ; (i) Interzellularlücke. (Nach Strasburger)
Leitbündel
Mit Stütz- und Speicherelementen sind die Leitelemente z u gemischten Geweben zusammengesetzt, die T r a cheen und Tracheiden z u m Holzteil, die Siebröhren z u m Siebteil. Holzund Siebteil ihrerseits sind z u L e i t s t r ä n g e n oder L e i t b ü n d e l n vereinigt, die die Pflanze von der W u r z e l bis in die Spitzen der Sprosse und
A b b . 222. Querschnitt durch das kollaterale offene Leitbündel v o m kriechenden Hahnenfuß. (Ir) Tracheen; (r) K a m b i u m ; (g) Geleitzellen; (r) Siebröhren; (sch) Leitbündelscheide. (Nach Strasburger)
136
Der anatomische Bau der Pflanze
Blätter ununterbrochen durchziehen. J e nach den Lagebeziehungen von Holz- und Siebteil werden verschiedene L e i t b ü n d e l t y p e n unterschieden: 1. Das kollaterale Leitbündel. Holz- und Siebteil liegen in radialer Richtung übereinander, wobei der Holzteil nach innen, der Siebteil nach außen zu liegen kommt Im g e s c h l o s s e n e n Leitbündel grenzen Holz- und Siebelemente unmittelbar aneinander (Abb. 221); bei den o f f e n e n Leitbündeln (Abb. 222) schiebt sich zwischen Holz- und Siebteil ein Gürtel undifferenzierter Zellen (Kambium), die nachträglich wieder ihre Teilungsfähigkeit zurückgewinnen. Das kollaterale Leitbündel ist der normale Leitstrangtypus der Angiosperemensprosse, wobei das geschlossene Bündel den Monokotylen, das offene den Dikotylen eigentümlich ist. B i k o l l a t e r a l e L e i t b ü n d e l besitzen einen äußeren und einen inneren Siebteil (Cucurbita, Nicotiana, Nerium). 2. Das radiäre Leitbündel. Die W u r z e l n der Pflanzen zeigen eine andere Anordnung von Holz- und Siebteilen: Diese liegen hier nicht in radialer, sondern in tangentialer Richtung nebeneinander (Abb. 223).
Abb. 223. Radiäres Leitbündel aus der Wurzel von Iris florentina. {h) Holzteil; (s) Siebteil
Abb. 224. Konzentrisches Leitbündel aus dem Rhizom des Maiglöckchens, (s) Sieb teil; (h) Holzteil
3. Das konzentrische Leitbündel. In den k o n z e n t r i s c h e n L e i t b ü n d e l n wird der eine Teil vom anderen ringförmig umschlossen. Dabei kann der Siebteil (leptozentrisch, Maiglöckchen, Abb. 224) oder der Holzteil (hadrozentrisch) nach innen zu liegen kommen (Adlerfarn). 5. Das Speicher- und Grundgewebe Als verbindende Grundlage, in die alle differenzierten Gewebe eingebettet sind, dient das G r u n d g e w e b e . Seine Zellen sind von parenchymatischer Form und wenig differenziert. Sie können in einzelnen Fällen auch sehr verschiedene Funktionen ausüben. Nicht selten dienen ihre geräumigen Kammern der S p e i c h e r u n g wichtiger Reservestoffe (Speichergewebe). Der chemische Charakter dieser Reservestoffe übt kaum einen Einfluß auf den Bau der Speicherzellen aus. S p e i c h e r u n g o r g a n i s c h e r S t o f f e . In einzelnen Fällen ist eine mehr oder weniger strenge Lokalisierung der Speicherstoffe eingetreten (vgl. Abb. 225, Stärke- und Eiweißzellen beim Weizenkorn). In anderen Pflanzen werden Eiweiß, Fett und Kohlehydrate in einer Zelle nebeneinander gespeichert (Lindenrinde, Erbsenkeimblätter, Rizinuskeimblätter, Abb. 226).
Gewebelehre (Histologie)
137
W a s s e r s p e i c h e r u n g. Pflanzen mit unregelmäßiger Wasserversorgung bilden häufig W a s s e r s p e i c h e r g e w e b e aus. Einen wasserspeichernden Gewebsmantel stellt schon die Epidermis dar. Wirksam gesteigert erscheint diese Funktion bei Entwicklung m e h r s c h i c h t i g e r E p i d e r m e n (Begonie, Abb. 227), zwischen denen das chlorophyllführende Gewebe wohlgeschützt eingebettet liegt. Pflanzen, die stärkerem Wasserverbrauch unterliegen, lagern umgekehrt das Wasserspeichergewebe in das Organinnere ein. So findet sich in Akazienblättern vielfach ein zentral gelegenes, großzelliges Wassergewebe vor. A m auffälligsten ist diese Erscheinung jedoch bei den Sukkulenten, deren Form weitgehend auf Verringerung der Oberfläche und Erhöhung des Volumens abgestellt
fr saa
-
al-
st
A b b . 225.
A b b . 226. das Weizenkorn, (fr) Fruchtschale; (sa) ( o i ) A l e u r o n ; (st) Stärke
A b b . 227.
A b b . 225.
Schnitt durch
Samenschale;
(n)
Nuzellarschicht;
A b b . 226.
Zelle aus einem K e i m b l a t t des Rizinus, (ek) E i w e i ß k r i s t a l l ; (gl) Globoid; schraffiert: F e t t tröpfchen
A b b . 227. Mehrschichtige Epidermis der Begonie. (E) Epidermis; (Chi) Assimilationsgewebe. (Nach
ist. Dabei sind alle übrigen Gewebe in die Außenzonen der Organe verlegt, und der Zentralraum wird völlig vom Wasserspeichergewebe erfüllt, das sich aus polygonalen großen dünnwandigen Zellen zusammensetzt, die nur wenig oder gar keine Chloroplasten und einen dünnen Plasmaschlauch besitzen.
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%v » L u f t s p e i c h e r u n g . Wasserpflanzen haben • » s . V V V • l/rLK ¡(Mf" wegen der geringen Wasserlöslichkeit des SauerVf?;. XX^ yKrt/ stoffs Schwierigkeiten, sich dieses lebenswichtige 0 Gas in hinreichender Menge zu beschaffen. Sie bauen ein luftreiches, stark zerklüftetes Gewebe A b b . 228. Luftspeichergewebe. ( L u f t s p e i c h e r g e w e b e ) auf, um darin einen (i) Interzellularraum erheblichen Luftvorrat unterzubringen (Stengel und Blattstiel der Teichrose, Abb. 228). Ragen einzelne Pflanzenteile der Wasserpflanzen in die Luft, so unterbleibt oberhalb der Wasserlinie auch die Ausbildung des Luftspeichergewebes. In peripheren Lagen bilden die Grundgewebszellen nicht selten noch Chlorophyllkörner aus und dienen der Assimilation; diese Art von Grundgewebe wird als C h l o r e n c h y m bezeichnet. Die äußeren Rindenzellen grüner Sprosse, vor allem aber die Hauptmasse der Blattzellen, gehören dieser Gewebsart zu.
138
Der anatomische Bau der Pflanze
6. Das Exkretions- und Sekretionsgewebe Den Begriff der R e s e r v e s t o f f e hat man auf Pflanzensubstanzen zeitlich begrenzter Anhäufung beschränkt, also auf Stoffe, die leicht unter bestimmten äußeren und inneren Bedingungen wieder in den Bau- oder Betriebsstoffwechsel einbezogen werden können. Stoffe, die endgültig aus dem Stoffwechsel ausgeschaltet werden, fallen unter den Begriff der E x krete. Sie zeigen nach chemischer Natur, Entstehung, Stellung im Stoffwechsel und nach A r t ihrer Unterbringung mannigfaltigste Verschiedenheit. Schon rein chemisch-physiologisch kann man in ihnen nicht ausschließlich Schlackenstoffe sehen. Man muß sich vielmehr mit der Tatsache vertraut machen, daß der Gesamtentwicklungsgang einer Pflanze nicht nur einen bestimmten architektonischen Aufbau, sondern auch eine ebenso charakteristische und lebensnotwendige chemische Ausstattung anstrebt, die in gleicher Weise wie eine bestimmte Architektur Ausdruck einer Anpassung an Standortsverhältnisse sein kann. Daher kann auch ein Exkret von hoher biologischer Bedeutung sein. Daneben gibt es freilich auch Schlackenstoffe, für die die Pflanze keine Verwendung mehr hat, und die sie deshalb entweder ausscheidet oder aber in Exkretbehältern abkapselt. Gelegentlich mag es sich hierbei auch um Entgiftungsformen störender biochemischer Stoffe handeln (Glykoside). Endlich können auch Stoffe von hohem Nährwert zu Spezialzwecken aus dem Stoffwechsel ausgeschieden werden. Diese Stoffe werden dann gewöhnlich in gelöster Form von der Pflanze abgegeben. Jegliche solche Ausscheidung, unabhängig vom physiologischen Nährwert des ausgeschiedenen Stoffes, wird als Sekretion bezeichnet. Die anatomische Einteilung der E x k r e t i o n s g e w e b e erfolgt am besten nach dem Gesichtspunkt der Lokalisation der Exkrete. i. Die ä u ß e r e n E x k r e t i o n s o r g a n e Im allgemeinen sind die äußeren Exkretionsorgane Epidermiszellen oder deren Abkömmlinge. Der in ihnen angehäufte Stoff wird gewöhnlich nach außen sezerniert; die sezernierenden Zellen besitzen daher aktive D r ü s e n t ä t i g k e i t . Im einfachsten Fall ist der sezernierte Stoff reines Wasser. Das trifft bei den W a s s e r d r ü s e n oder aktiven Hydathoden zu. Hierbei handelt es sich um ein- oder mehrzellige epidermale Gebilde, die durch aktive Pumpwirkung das Wasser durch ihre Außenwände hindurchpressen (Abb. 229 und 203). Vielfach stehen die sezernierenden Zellen in direktem Zusammenhang mit dem Leitungssystem. Enthält der ausgepreßte Saft erhebliche Mengen Zucker, so werden die ausscheidenden Organe als Nektarien bezeichnet. Diese sind gewöhnlich mehrzellige Komplexe, welche durch eine Fußzelle mit dem tiefer liegenden Gewebe verbunden sind. Der übrige Teil der Drüsen besitzt häufig kutinisierte Wände. Diese Nektarien entwickelten sich wohl zuerst an vegetativen Organen (extraflorale Nektarien) und bleiben hier ohne größere physiologische Bedeutung. Mit dem Einwandern in die Blüte jedoch tritt ihre Funktion in engste Beziehung zur Bestäubung, da der ausgeschiedene Nektar bekanntlich als Anlockungsmittel für bestäubende Insekten dient. Dabei wird im allgemeinen der Zucker aktiv ausgeschieden und zieht seinerseits nun Wasser aus der Zelle rein osmotisch nach.
Gewebelehre (Histologie)
139
Die Verdauungsdrüsen der Insektivoren scheiden einen S a f t aus, der neben organischen Säuren eiweiß- bzw. peptidspaltende Fermente f ü h r t . Salzausscheidende Drüsen finden sich besonders zahlreich unter den Wüstenpflanzen. B e i m A b t r o c k n e n der Oberfläche bilden sich auf den Blättern dieser Pflanzen oft zusammenhängende Salzkrusten aus Na-, Mg- und Ca-Salzen, der Salz-, Phosphor-, Salpeter- und Kohlensäure. Schuppen v o n K a l z i u m k a r b o n a t finden sich u. a. besonders auffällig auf den Blättern mancher Steinbrecharten (Abb. 30). I m Dienste des Knospenschutzes stehen die Harzdrüsen der Knospenschuppen, z. B . der Roßkastanie. Besonders häufig und durch den ausströmenden D u f t auffällig sind die äußeren Exkretionsorgane, die ätherisches Ol führen. Sie sind am häufigsten in F o r m von Drüsenhaaren mannigfaltigen B a u e s ausgebildet. A b b . 230 zeigt solche Drüsenhaare v o n Pelargoniumblattstielen. Die Epidermiszelle wächst z u einem einreihigen mehrzelligen Stiel aus, der eine plasmareiche Köpfchenzelle trägt, in der das ätheAbb. 230. Driisenhaare von Pelargonium. (V) K u t i k u l a ; rische ö l gebildet wird. Dieses wird zwi(0) 01; (kz) Kopfchenzelle; (k) K e r n ; (ri) Stiel; (e) E p i schen Zellulosewand und K u t i k u l a ausdermis geschieden, bis schließlich letztere längs einer vorgebildeten N a h t aufplatzt und das ätherische ö l freigibt. Besonders reich an solchen Drüsenhaaren sind L a b i a t e n , Zystazeen, Primeln usw. Trichterförmige Drüsenschuppen befinden sich auf den Fruchtschuppen und Perigonblättern des Hopfens (Abb. 231). Sie gehen aus Epidermiszellen hervor. Das von ihnen ausgeschiedene Hopfenöl sammelt sich zwischen Abb. 232. A b b . 231. D r ü s e n s c h u p p e n den Becherzellwänden und der K u t i Lysigener Ölraum des Hopfens. I junges kula, die dabei kuppelartig gehoben im B l a t t des D i p t a m s . Organ, 2 m i t E x k r e t gefüllt. wird. D a s Hopfenöl selbst besteht aus ( N a c h Rothert) (k) K u t i k u l a ; (sr) E x k r e t verschiedenen ätherischen ö l e n , Harzen (55%), Bitterstoffen, Gerbstoffen und einem narkotischen A l k a l o i d (Lupulin). Der Hopfen verleiht bekanntlich vermöge dieses E x k r e t s d e m Bier seinen aromatischen, bitteren G e s c h m a c k und erhöht durch Behinderung der Milchsäurebakterienentwicklung die H a l t b a r k e i t des Bieres. 2. D i e G e w e b s l ü c k e n a l s E x k r e t b e h ä l t e r I m Inneren der Organe können E x k r e t b e h ä l t e r durch Auseinanderweichen von Zellen entstehen. D a b e i bilden sich kammer- oder gangförmige Interzellularen, die
140
Der anatomische Bau der Pflanze
zunächst v o n den sezernierenden Zellen ausgekleidet werden. Zu den k a m m e r f ö r m i g e n E x k r e t b e h ä l t e r n gehören die ätherische ö l e führenden s c h i z o g e n e n Ölräume (Myrtazeen, R u t a z e e n , z. B. Apfelsine, Zitrone). B e i den l y s i g e n e n ö l r ä u m e n entstehen die Hohlräume durch A u f l ö s u n g der sezernierenden Epithelzellen (Diptam, A b b . 232). H a r z u n d ätherisches ö l führende Sekretgänge besitzen u. a. die F r ü c h t e der Umbelliferen, w ä h r e n d die Koniferen sich durch den Besitz zahlreicher H a r z k a n ä l e auszeichnen. 3. D i e z e l l u l ä r e n
Exkretbehälter
A m weitesten verbreitet sind die Kristallzellen, die entweder große Einzelkristalle, Kristalldrusen oder feinen Kristallsand (bzw. Kristallnadeln, Raphiden) enthalten. Besonders h ä u f i g treten C a - O x a l a t - und Ca-Zitratkristalle auf. N i c h t selten finden sich diese Kristalle längs der L e i t b ü n d e l in ganzen Reihen v o n Zellen (Abb. 233). Ihre B i l d u n g tritt da ein, w o C a " u n d Oxalationen reichlich zusammentreffen. Ihre physiologische Abb. 234. Gegliederte Abb. 233. KristallB e d e u t u n g sieht man in einer Beseitigung Milchröhren aus der Wurschlauch aus der bzw. Festlegung überschüssigen K a l z i u m s ; zelrinde der SchwarzRinde der Kastanie. doch handelt es sich vielleicht mehr um wurzel (Nach Haberlandt) eine unvermeidliche, als u m eine planvoll gesteuerte R e a k t i o n . Die Zystolithen in den inneren Epidermiszellen v o n Ficus elastica sind Kalkeinlagerungen in eine keulenförmige W u c h e r u n g der Zellwand in die V a k u o l e hinein. A u f f ä l l i g u n d in ihrer physiologischen B e d e u t u n g wenig geklärt sind die Milchröhren. Die u n g e g l i e d e r t e n M i l c h r ö h r e n stellen eine einzige lange verzweigte Zelle dar (Euphorbiazeen, v g l . A b b . 235), w ä h r e n d die g e g l i e d e r t e n M i l c h r ö h r e n anastomosierende Zellzüge sind, die, ähnlich wie die Tracheen, durch Zellfusionen entstehen (Abb. 234). D e r Milchsaft (Latex) entspricht der Vakuolenflüssigkeit der Zellen. E r stellt eine Emulsion v o n K a u t s c h u k - (bzw. Guttapercha-) T r ö p f c h e n in einem wässerigen Zellsaft dar. B e i Z u s a t z v o n Zellsaft gewöhnlicher Zellen der betreffenden P f l a n z e entmischt sich der Milchsaft. Der K a u t s c h u k wird v o n dem wässerigen Zellsaft getrennt, in d e m neben Zucker, E i w e i ß , organischen Salzen z u m Teil auch F e r m e n t e v o r k o m m e n . Sehr auffällig sind Abb. 235. Ungegliederte Milchröhre in den Milchröhren der Euphorbiazeen lange hanteiaus der Rinde von Euphorbia splenförmige Stärkekörner. Die physiologische Bedens mit hanteiförmigen Stärkekörnern d e u t u n g des Milchsaftes ist wie diejenige anderer organischer E x k r e t e (Harze, Gerbstoffe usw.) noch so gut wie völlig ungeklärt. Möglicherweise dient er, ähnlich wie die Harze, dem W u n d verschluß, vielleicht schützt sein bitterer G e s c h m a c k und die z u m Teil giftige W i r k u n g v o r Tierfraß. V o n größter wirtschaftlicher B e d e u t u n g sind die tropischen K a u t s c h u k pflanzen. E t w a 50 A r t e n werden zur L a t e x g e w i n n u n g herangezogen (Hevea brasiliensis, Castilloa elastica, Mannihot, F i c u s elastica u. a. m).
Anatomischer Bau und Entwicklung des Sprosses
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Anatomischer Bau und Entwicklung des Sprosses 1. D i e Sproßachse
(Stengel),
a) Der primäre innere Bau des Stengels D i e Sproßachse zeigt ausgesprochenes Scheitelwachstum, d. h. ihre W a c h s t u m s zone befindet sich an der äußersten Spitze. W o h l g e s c h ü t z t u n t e r einer K u p p e l sich entf a l t e n d e r L a u b b l ä t t e r liegt der Vegetationspunkt, der das U r b i l d u n g s g e w e b e (Urmeristem) umschließt, die H a u p t s t ä t t e v o n P l a s m a und Zellbil.¡.M | dung. I 'I^f'T"
A b b . 236.
(P.M.) primärer Meristemring. (Nach Helm)
A b b . 237. Sproßdifferenzierung. («) Urmeristem; (bl) Blattanlagen; (pc) Prokambium; (.sr) Siebröhren; (gz) Geleitzellen; (sp) Spiralgefäße; (m) Mark; (A) Holzteil; (V) K a m b i u m ; (5) Siebteil
Abb. 237.
Schon wenige Millimeter unter d e m U r m e r i s t e m m a c h e n sich die ersten Zeichen einer beginnenden Z e l l d i f f e r e n z i e r u n g b e m e r k b a r , u n d z w a r geht — wie immer — der g e s t a l t l i c h e n D i f f e r e n z i e r u n g eine p h y s i o l o g i s c h e v o r a u s : E i n A u s d r u c k d a f ü r ist die T a t s a c h e , d a ß bei Z u g a b e b e s t i m m t e r F a r b s t o f f e sich n u r m e h r die P l a s m a k ö r p e r der in einem R i n g zwischen S p r o ß m i t t e und Peripherie liegenden Zellen färben (primärer Meristemring, A b b . 236). D i e u n g e f ä r b t e n , a u ß e r h a l b u n d innerhalb des g e f ä r b t e n R i n g e s liegenden Zellen w a n d e l n sich n a c h ausklingenden Zellteilungen in p a r e n c h y m a t i s c h e s H a u t - und G r u n d g e w e b e (Dauergewebe) u m . Vielgestaltiger und interessanter v e r l ä u f t der weitere E n t w i c k l u n g s g a n g der Zellen des primären Meristemringes. U n t e r der E i n w i r k u n g v o n inneren G e s t a l t u n g s v o r g ä n g e n in "den w a c h s e n d e n B l a t t h ö c k e r n beginnen sich g e g e n ü b e r den B l a t t a n s a t z s t e l l e n die Zellen des primären Meristemringes z u s t r e c k e n u n d L ä n g s t e i l u n g e n durchzuführen. A u f diese Weise entstehen hier G r u p p e n meißeiförmiger Zellen, die Prokambiumbündel (Abb. 2 3 7 p c ) . D u r c h weitere L ä n g s t e i l u n g e n u n d gleitendes W a c h s t u m durchsetzen diese B ü n d e l das ganze erste Internodium.
Der anatomische B a u der Pflanze
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Schon hier beginnt auch die Ausdifferenzierung der Prokambiumzellen im Dienst der zu erwartenden Funktionen. Diese Differenzierung beginnt ziemlich gleichzeitig a m Innen- und Ä u ß e n r a n d des Prokambiumbündels n a c h dem Bündelinneren fortschreitend : Die äußeren Zellen differenzieren sich z u S i e b g e w e b e ( p r i m ä r e r S i e b t e i l ) , die inneren dagegen zu H o l z e l e m e n t e n ( p r i m ä r e r H o l z t e i l ) aus. In den Monokotylen erfaßt die Differenzierung das P r o k a m b i u m vollständig, so daß Holz- und Siebteil unmittelbar aneinander grenzen ( g e s c h l o s s e n e s L e i t b ü n d e l ) . In den D i k o t y l e n dagegen bleibt eine mittlere Zellzone des Prokambiumbündels undifferenziert liegen ( o f f e n e s L e i t b ü n d e l ) u n d kehrt später z u neuer Teilungstätigkeit zurück (Kambium). Die aus den Prokambiumzellen unmittelbar ausdifferenzierten B ü n d e l werden als p r i m ä r e L e i t b ü n d e l bezeichnet. Hinsichtlich der Verteilung der Leitbündel m a c h t sich ein durchgreifender Unterschied zwischen einzelnen systematischen Gruppen bemerkbar. Die ursprünglichen F o r m e n (z. B . einige Farne, Lycopodium) besitzen nur ein einziges zentrales Leitbündel im Stengel. Die höheren Pflanzen besitzen zahlreiche sproßbürtige B ü n d e l : sie sind bei den D i k o t y l e n r i n g f ö r m i g angeordnet, bei den M o n o k o t y l e n dagegen u n r e g e l m ä ß i g über den ganzen Querschnitt zerstreut. A b b . 238. Querschnitt durch den Maisstengel. (r) Sklerenchymring; (1Ib) Leitbündel; (p) Grundgewebe. (Nach Schenck)
Die monokotyle Sproßachse Verteilung der Gewebe. A b b . 238 gibt eine Übersicht über die inneren Bauverhältnisse des Monokotylensprosses.
In das an die Epidermis anschließende Rindengewebe ist häufig ein S k l e r e n c h y m r i n g eingelagert, der dem Sproß eine ausreichende Biegungsfestigkeit geben soll. Außerdem liegen über den ganzen Querschnitt völlig unregelmäßig verteilt die Leitbündel in das Grundgewebe eingebettet. Im allgemeinen nimmt die Verteilungsdichte nach dem Stamminneren ab, während die Größe des einzelnen Leitbündelquerschnitts in derselben R i c h t u n g zunimmt. Die Mehrzahl der Leitbündelspuren rühren im Monokotylenstamm v o n blatteigenen Bündeln her, während die stammeigenen stark zurücktreten oder ganz fehlen. Leitbündelverlauf. A b b . 239 zeigt den L ä n g s v e r l a u f der Leitstränge im Monokotylensproß. Die blatteigenen B ü n d e l treten unter einem schrägen W i n k e l in den S t a m m ein, stoßen gewöhnlich in radialer R i c h t u n g nach dem Sproßinneren vor, u m dann nach unten umzubiegen und schräg nach der Peripherie abzustreichen. Die stammeigenen B ü n d e l liegen hauptsächlich peripher und nehmen einen zur Längsachse parallelen Verlauf.
A b b . 239. Leitbündelverlauf im Palmenstamm. (a, b, ¡r) B l a t t reste mit blattbürtigen Bündeln. (Nach Rothert)
Die O r i e n t i e r u n g d e r E i n z e l b ü n d e l ist einheitlich: stets ist der Holzteil nach innen, der Siebteil nach außen gekehrt. Bau des monokotylen Leitbündels. A l s N o r m tritt das geschlossene kollaterale Leitbündel auf. A b b . 221 gibt das Querschnittsbild eines Monokotylenleitbündels.
D e r H o l z t e i l . Die Differenzierung beginnt mit der Ausbildung der H o l z p r i m a n e n , englumiger Elemente, die bald ihr Wachst u m einstellen. A n sie schließen sich die dehnungsfähigen R i n g - u n d S c h r a u b e n g e f ä ß e an. D a s sie umgebende kleinmaschige Gewebe stellt wie die Holzprimanen früh sein Streckungswachstum ein. Infolgedessen reißt an der Grenze zwischen Ring-
Anatomischer Bau und Entwicklung des Sprosses
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g e f ä ß und diesem kleinzelligen Gewebe ein klaffender Interzellularraum a u f ; die kleinen Randzellen desselben bleiben vielfach unverholzt. Beherrscht wird das B i l d des Holzteils durch die beiden großen T ü p f e l g e f ä ß e (Tracheen), die lückenlos je mit einem K r a n z derbwandiger, aber lebender Holzparenchymzellen umgeben sind. Zwischen den Tracheen sind engmaschige dickwandige F a s e r t r a c h e i d e n u n d auch H o l z f a s e r n zur A u s b i l d u n g gekommen, die unmittelb a r an den v o n außen her e t w a s eingedrückten S i e b t e i l angrenzen. D e r S i e b t e i l . E r besteht bei Monokotylen nur aus S i e b r ö h r e n u n d G e l e i t z e l l e n ; an seinem äußeren R a n d sind noch die verquollenen Siebprimanen z u erkennen. A u ß e n - und Innenseite des Bündels sind v o n einer sklerenchymatischen Leitbündels c h e i d e umschlossen, die in F o r m einer T r ä g e r k o n s t r u k t i o n das Leitgewebe als F ü l l u n g schützend umgibt Abb. 240. Querschnitt durch einen jungen Dikotylensproß (Aristolochia sipho). (