Griechenland: EVAs Biblische Reiseführer 3374024637, 9783374024636

"Griechenland ist seit Jahrzehnten ein beliebtes Reiseziel – nicht nur wegen der warmen Mittelmeersonne. Es ist die

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German Pages 280 [283] Year 2007

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Übersicht
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
I. Das antike Griechenland – kulturhistorischer Überblick
II. Die 2. Missionsreise des Paulus und die Via Egnatia
III. Nord-Griechenland (Makedonien)
Philippi und Neapolis (Kavála)
Amphipolis und Apollonia
Thessaloniki
Beroia (Veria)
Exkurs I: Pella
Exkurs II: Vergina
IV. Süd-Griechenland
1. Athen
Exkurs I: Eleusis
Korinth und Isthmia
Exkurs II: Epidauros
Exkurs III: Delphi
Exkurs IV: Olympia
Anhang
Karten
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Griechenland: EVAs Biblische Reiseführer
 3374024637, 9783374024636

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Der Griechenland-Band folgt den Spuren des Apostel Paulus, der um 50 n. Chr. zwei große Missionsreisen durch das Land unternommen hat. Die Reiseroute konzentriert sich daher auf das Festland, besonders auf die Küstenregion der Ägäis.

ISBN

9

Griechenland EVAs  Biblische Reiseführer

Die Biblischen Reiseführer sind eine ideale Reiselektüre für kulturell und religiös interessierte Individual- und Gruppenreisende. Reichhaltig bebildert und sachlich fundiert, geben sie Auskunft über biblische und frühchristliche Spuren in den Reise­ländern. Die Bände orientieren sich an beliebten Reiserouten und umfassen exkursartig auch touristisch interessante nicht-biblische Stätten der Regionen. Mit praktischen Hinweisen für die Besichtigungen der Ausgrabungsstätten sowie mit Kartenmaterial versehen, sind diese Reiseführer eine Bereicherung für jede Reise.

Christoph vom Brocke

Griechenland

978-3-374-02463-6

783374 024636

EUR 16,80 [D]

EVAs  Biblische Reiseführer

Christoph vom Brocke

Griechenland

Die Deutsche Bibliothek – Bibliographische Informationen Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über abrufbar. © 2007 by Evangelische Verlagsanstalt GmbH, Leipzig Printed in EU · H 7168 Alle Rechte vorbehalten Gesamtgestaltung: behnelux gestaltung, Halle/Saale Coverbild: Archiv Biblische Reisen ISBN 978-3-374-02463-6 www.eva-leipzig.de

Christoph vom Brocke

Griechenland

EVAs  Biblische Reiseführer

EVAs  Biblische Reiseführer Bereits erschienen: Band 1: Griechenland Band 2: Jordanien

In Planung: Band 3: Westliches Kleinasien Band 4: Mittleres und östliches Kleinasien Band 5: Ägypten Band 6: Israel Band 7: Syrien Band 8: Rom Band 9: Zypern

Übersicht Einleitung

12

I. Das antike Griechenland – kulturhistorischer Überblick

16

II. Die 2. Missionsreise des Paulus und die Via Egnatia

26

III. Nord-Griechenland (Makedonien) Philippi und Neapolis (Kavála)

34

Amphipolis und Apollonia

72

Thessaloniki

82

Beroia (Véria)

120

Exkurs I: Pella

138

Exkurs II: Vergina

146

IV. Süd-Griechenland Athen

154

Exkurs I: Eleusis

194

Korinth und Isthmia

208

Exkurs II: Epidauros

244

Exkurs III: Delphi

252

Exkurs IV: Olympia

264

Inhaltsverzeichnis Einleitung

12

I. Das antike Griechenland – kulturhistorischer Überblick 16 Griechenland bis zur klassischen Zeit ........................17 Die Kriege gegen die Perser (490–479 v. Chr.) .........18 Der Aufstieg des Makedonischen Königreiches .......19 Griechenland im Zeitalter des Hellenismus . ........... 20 Griechenland unter den Römern ................................ 22 Die Religion im antiken Griechenland ...................... 24 II. Die 2. Missionsreise des Paulus und die Via Egnatia 26 Die 2. Missionsreise .........................................................27 Die Via Egnatia ................................................................31 III. Nord-Griechenland (Makedonien)

34

34 Philippi und Neapolis (Kavála) Einleitung . ........................................................................ 35 Neapolis ............................................................................. 35 Paulus auf dem Weg nach Philippi . ........................... 36 Geschichtliches ................................................................ 38 Paulus in Philippi ............................................................ 42 Die Gründung der Gemeinde und die Taufe der Lydia ............................................................... 43 Die Wahrsagerin und ihr Python ................................ 44 Der kurze Prozess ........................................................... 45 Die Taufe des Gefängniswärters ................................. 46 Die Entlassung ..................................................................47 Das religiöse Leben im antiken Philippi ................... 48 Der Kult des Dionysos ................................................... 48 Der Thrakische Reiter ................................................... 49 Der Kult des Silvanus .................................................... 50 Der Kaiserkult ................................................................. 50 Antike und frühchristliche Baudenkmäler ............... 52

 Die Stadtmauer und die Akropolis .............................54 Das Theater ...................................................................... 55 Die Felsenheiligtümer .................................................... 56 Die Basilika A ...................................................................57 Das »Gefängnis« des Paulus ......................................... 59 Die Basilika C .................................................................. 60 Das Forum .........................................................................61 Der Handelsmarkt (macellum) .................................... 63 Die Basilika B . ................................................................. 63 Die Palästra und die Latrinen ..................................... 65 Der Oktogon-Komplex .................................................. 66 Ein öffentliches Bad (balneum) . .................................. 68 Weitere Monumente ....................................................... 69 Die Taufkapelle der Lydia und die Taufstelle ......... 69 72 Amphipolis und Apollonia Paulus auf dem Weg durch Amphipolis und Apollonia ........................................................................... 73 Amphipolis – Geschichtliches . .....................................74 Antike Baudenkmäler .....................................................77 Die Stadtmauer und die Strymon-Brücke .................77 Das Gymnasium . ............................................................ 78 Die Heiligtümer ............................................................... 78 Die Friedhöfe ................................................................... 79 Die frühchristlichen Basiliken ..................................... 79 Apollonia ........................................................................... 80 82 Thessaloniki Einleitung . ........................................................................ 83 Paulus auf der Reise nach Thessaloniki . .................. 83 Geschichtliches ................................................................ 84 Lage und Aufriss der antiken Stadt ........................... 89 Paulus in Thessaloniki ................................................... 90 Das religiöse Leben in der antiken Stadt .................. 93 Der Kult des Dionysos ....................................................94 Der Kult des Kabirus ..................................................... 95 Der Kult der ägyptischen Götter . ............................... 96





 Der Kaiserkult ................................................................. 98 Antike Baudenkmäler .................................................... 99 Die Stadtmauern ............................................................101 Die römische Agora . .................................................... 105 Der Galerius-Komplex ................................................. 108 Der Galerius-Palast ....................................................... 109 Der Galerius-Bogen (Kamara) ....................................110 Die Rotunda ....................................................................112 Die Kirchen von Thessaloniki ....................................113 Die Demetrios-Kirche ...................................................114 Die Kirche Acheiropoietos . .........................................117 Die Kirche Osios David . ..............................................118 120 Beroia (Véria) Einleitung . .......................................................................121 Geschichtliches ...............................................................121 Paulus auf der Reise nach Beroia ............................. 124 Paulus in Beroia . ........................................................... 126 Das Paulus-Denkmal .................................................... 128 Das religiöse Leben in der antiken Stadt ................ 130 Antike Baudenkmäler ...................................................131 Die Stadtmauer . ............................................................ 133 Die Kirchen von Beroia ............................................... 134 Eine frühchristliche Basilika ...................................... 134 Die Kirche Agios Patapios mit Ausgrabungen ...... 134 Die Kirche der Panagouda ......................................... 135 Die Kirche Agia Anna ................................................. 136 Die alte Metropolitankirche ....................................... 136 Die Auferstehungskirche (Christus-Kirche) ........... 136 138 Exkurs I: Pella Einleitung . ...................................................................... 139 Paulus in Pella? .............................................................. 139 Geschichtliches ...............................................................140 Die antike Stadt ..............................................................142 Die Wohnhäuser .............................................................142 Der Palast .........................................................................144

 Die Stadtmauer . .............................................................144 Die Heiligtümer und die Kulte ...................................144 146 Exkurs II: Vergina Einleitung . .......................................................................147 Die Bestattungskultur im Makedonischen Königreich .......................................................................147 Die drei Königsgräber ..................................................148 Das Theater und der Palast des antiken Aigai .......151 IV. Süd-Griechenland

154

154 Athen Einleitung . ...................................................................... 155 Paulus auf dem Weg nach Athen .............................. 155 Geschichtliches ...............................................................157 Paulus in Athen ..............................................................161 Paulus auf der Agora . .................................................. 162 Paulus und der Areopag . ............................................ 165 Die Areopagrede ............................................................167 Missionserfolg in Athen? . ........................................... 169 Die antike Stadt und ihre Baudenkmäler ............... 169 Die Akropolis und der panathenäische Festzug .....170 Die Propyläen und die Athena Promachos .............172 Der Parthenon ................................................................174 Das Erechtheion .............................................................175 Antike Baudenkmäler auf und an der Akropolis ...177 Das Odeion des Herodes Atticus ...............................178 Die Säulenhalle des Eumenes .....................................179 Dionysos-Theater und Odeion des Perikles ............179 Das Heiligtum des Asklepios (Asklepieion) ........... 180 Das Heiligtum des Olympischen Zeus (Olympieion) . ..................................................................181 Die griechische Agora .................................................. 182 Die Westseite der Agora .............................................. 184 Das Hephaisteion (Theseion) ..................................... 186 Die Südseite der Agora . .............................................. 187



10

 Die Ostseite der Agora ................................................ 187 Die Nordseite der Agora ............................................. 188 Das Zentrum der Agora .............................................. 189 Die Römische Agora und die Bibliothek des Hadrian . ....................................... 190 194 Exkurs I: Eleusis Einleitung . ...................................................................... 195 Christliche Mysterien? ................................................. 196 Der Weg nach Eleusis .................................................. 196 Die Göttin Demeter und der Mythos . ..................... 197 Der Mysterienkult von Eleusis und der große Festzug .......................................................... 199 Das Grabungsgelände .................................................. 203 208 Korinth und Isthmia Einleitung . ...................................................................... 209 Paulus auf dem Weg nach Korinth . ......................... 209 Geschichtliches ...............................................................211 Paulus in Korinth ...........................................................212 Die christliche Gemeinde und Erastus .....................215 Paulus, der Statthalter Gallio und das Bema ..........217 Paulus und die Gemeinde von Korinth – eine schwierige Geschichte ..........................................218 Der Fleischmarkt, Götzenopferfleisch und Tempelbankette ............................................................. 220 Das Heiligtum des Asklepios ..................................... 222 Die Unzucht und der Tempel der Aphrodite ......... 223 Die antike Stadt und ihre Baudenkmäler ............... 224 Das Zentrum des antiken Korinth . .......................... 226 Die Glauke-Quelle . ....................................................... 226 Der archaische Tempel (Apollon-Tempel) und der römische Nordmarkt .................................... 227 Das römische Forum .................................................... 228 Die Nordseite ................................................................. 229 Die Westseite .................................................................. 230 Die Süd- und Ostseite ...................................................231

 Die Lechaion-Straße ..................................................... 232 Das Odeion und das Theater . ................................... 234 Akrokorinth .................................................................... 235 Der Hafen von Lechaion ............................................. 237 Der Hafen von Kenchreai ........................................... 238 Isthmia und die Isthmischen Spiele ......................... 241 244 Exkurs II: Epidauros Einleitung . ...................................................................... 245 Die Heilbehandlung in Epidauros ............................ 245 Der Heilschlaf ................................................................ 246 Das Theater .................................................................... 248 Weitere antike Baudenkmäler.................................... 249 252 Exkurs III: Delphi Einleitung . ...................................................................... 253 Das Orakel von Delphi ................................................ 254 Antike Baudenkmäler .................................................. 257 Das Apollonheiligtum und das Stadion .................. 258 Das Gymnasium und das Athenaheiligtum (Marmariá) . .................................................................... 260 Das Museum .................................................................. 262 Exkurs IV: Olympia 264 Einleitung . ...................................................................... 265 Die olympischen Disziplinen . .................................... 265 Antike Baudenkmäler .................................................. 267 Die Werkstatt des Phidias ........................................... 268 Das Leonidaion und der Hera-Tempel .................... 269 Der Tempel des Zeus ................................................... 270 Das Stadion .....................................................................271 272 Anhang Register ............................................................................ 272 Literaturverzeichnis ..................................................... 277 Bildquellen....................................................................... 279

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Einleitung

Säule der Basilika A in Philippi

 Griechenland ist seit Jahrzehnten ein beliebtes Reiseziel, und das nicht nur wegen des Klimas und der warmen Mittelmeersonne. Griechenland ist auch ein Ziel des Bildungstourismus, denn hier liegt die Wiege der abendländischen Kultur und damit der Anfang der europäischen Zivilisation. Kaum ein anderes Land kann derart viele kulturhistorisch bedeutsame archäologische Stätten auf so engem Raum bieten wie Griechenland: die Akropolis in Athen, das alte Korinth, das Heiligtum von Delphi, die Königs­gräber von Vergina und vieles andere mehr, was inzwischen nicht nur Eingeweihten bekannt ist. Aber den wenigsten ist bewusst, dass Griechenland auch ein biblisches Land ist. Zwar kein »heiliges Land« im engeren Sinn, aber immerhin eine der großen Wirkungsstätten des Apostels Paulus. Er hat Griechenland mehrfach besucht und dort christliche Gemeinden gegründet, die zum großen Teil noch heute bestehen und auch nicht durch 450 Jahre Türkenherrschaft ausgelöscht wurden. Als der Apostel zwischen den Jahren 49 und 55/56 n. Chr. hierher kam, fand er ein Land vor, das schon lange kein eigenständiges Staatengebilde mehr war, sondern Teil des Römischen Reiches. Überhaupt kann man sagen, dass das heutige Griechenland in der Geschichte des Landes – sieht man von wenigen Epochen ab – in mehrfacher Hinsicht eine Ausnahme darstellt: Betrachtet man beispielsweise die vorchristliche Zeit, so wird man schnell feststellen, dass die Geschichte Griechenlands zumeist die Geschichte einzelner Stadtstaaten war, die regional begrenzt waren. Kulturhistorisch so bedeutende Philosophen wie Platon oder Sokrates sind im engeren Sinn keine hellenischen Persönlichkeiten gewesen, sondern entstammten dem Athener Stadtstaat. Erst im 4. Jh. v. Chr. gelang es – unter der Führung ­Makedoniens – Griechenland zu einem größeren Staatengebilde zu vereinen. Bereits im 2. Jh. v. Chr. war diese politische Eigenständigkeit wieder verloren, und unter römischer Herrschaft wurde das Land in zwei etwa gleich große Provinzen aufgeteilt: Der Norden Griechenlands – also die makedonischen Stamm­lande – einschließlich einiger Gebiete der heutigen Republiken Albanien und Maze­ donien gehörte zur Provinz Macedonia, während der Süden (Boiotien, Attika, die Peloponnes sowie Epirus) die Provinz Achaia bildete. Durch die Eingliederung in das Imperium Romanum war Griechenland somit nur noch Teil eines größeren Gebildes, das sich von Spanien bis nach Palästina und von Nordafrika bis nach Britannien erstreckte. Nach der Teilung des Römischen Reiches in einen westlichen und einen östlichen Teil Ende des 4. Jh. n. Chr. ging Griechenland für etwa 1 000 Jahre

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14

Einleitung im Byzantinischen Reich auf und bestimmte dessen sprachliche, kulturelle und religiöse Entwicklung. Als 1453 die Hauptstadt Konstantinopel von den Türken erobert wurde, begann abermals eine Epoche der Fremdherrschaft. Erst im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts und nach einer Reihe von Kriegen entwickelte sich Griechenland zu dem Staatengebilde, das wir heute kennen. Geographisch gesehen ist Griechenland die Fortsetzung der Balkanhalb­ insel und wird auf drei Seiten vom Meer begrenzt: im Westen und Süden vom Ionischen Meer, im Osten vom Ägäischen Meer. Insbesondere die Ägäis wurde immer als zum griechischen Territorium zugehörig betrachtet, finden sich hier doch fast alle griechische Inseln. Das Festland zerfällt klimatisch und von der Landesnatur her in einen nördlichen und einen südlichen Teil, was sich ungefähr mit der alten römischen Provinzeinteilung deckt. Während der Süden, insbesondere die Peloponnes – jene Halbinsel mit dem »Daumen und den drei kurzen Fingern« – wegen der Trockenheit und der Hitze im Sommer als recht karg bekannt ist, hat der Norden Griechenlands mehr Niederschläge zu verzeichnen und ist dementsprechend dichter bewaldet. Hier schneit es im Winter auch regelmäßig. Das gilt im Übrigen ebenso für die bergigen Regionen, die über ganz Griechenland verteilt sind: Nicht nur der fast 3 000 Meter hohe »Götter­berg« Olymp und seine Umgebung gilt als Wintersportgebiet, auch auf der Peloponnes gibt es Skigebiete! Bewegen wir uns allerdings auf den Spuren des Apostels Paulus durch das Land, so beschränkt sich der Radius auf das griechische Festland und dort wiederum besonders auf die Küstenregionen der Ägäis, während das bergige Hinterland und auch die Gebiete im Westen am Ionischen Meer unberücksichtigt bleiben. Als paulinische Stätten zu nennen sind daher (von Norden nach Süden) Philippi und Neapolis (Kavála), Amphipolis und Apollonia, Thessaloniki, Beroia (Veria), Athen sowie Korinth mit Kenchreä. Mit Ausnahme von Beroia und Apollonia sind das alles Hafenstädte, die verkehrstechnisch sehr gut erreichbar waren. Die ägäischen Inseln spielen dagegen bei den Reisen des Apostels Paulus keine Rolle. Zwar werden einige bei der Beschreibung der Reiseroute erwähnt – so etwa Samothrake, Kos und Rhodos (vgl. Apg 16, 11; 21, 1) – doch wissen wir von keinem Aufenthalt dort und auch von keiner einzigen Gemeindegründung. Das gilt ebenso für die größte der griechischen Inseln, nämlich Kreta, die von dem Schiff, das den Apostel als Gefangenen nach Rom bringt, mehrfach angesteuert wird (vgl. Apg 27, 7 ff.). So können wir uns ruhigen Gewissens

 auf die besagten Städte beschränken, um dort den Spuren nachzuspüren, die aus jener Zeit noch erhalten sind. Mit Hilfe von Exkursen werden wir uns gelegentlich auch das weitere Umfeld der paulinischen Missionsreisen erschließen und damit Stätten miteinbeziehen, die nicht direkt auf dem Weg des Apostels lagen, aber den kulturellen und geschichtlichen Hintergrund des frühen Christentums beleuchten. Aus diesem Grunde sind in diesem »Biblischen Reiseführer« neben den paulinischen Städten auch Pella und Vergina (Aigai) sowie Eleusis, Epidauros, Delphi und Olympia aufgenommen.

Pittoreske Gasse in der Altstadt von Beroia (Véria)

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I. Das antike Griechenland – kulturhistorischer Überblick

»Löwentor« in Mykene (13. Jh. v. Chr.)

17 Griechenland bis zur klassischen Zeit Archäologische Funde belegen, dass der ägäische Raum schon früh besiedelt war. Bereits in der Bronzezeit (ca. 2 500 v. Chr.) entstand eine erste Hochkultur (Minoische Kultur), deren Zentrum die Insel Kreta bildete. Parallel dazu entwickelte sich um die Mitte des 2. Jahrtausends auf dem griechischen Festland die Mykenische Kultur, die nach ihrem Zentrum, der Stadt Mykene auf der Peloponnes, benannt wurde. Reste gewaltiger Burganlagen zeugen noch heute von dieser Epoche (vgl. Abb.). Die für Griechenland so prägend gewordenen Stadtstaaten entwickelten sich in geometrischer Zeit (1 000–750 v. Chr.). Kleinere Städte (Poleis) wie Athen, Korinth, Argos oder Theben bildeten die Zentren einer regional orientierten Kultur. Diese Poleis wurden jeweils von einem König regiert und waren wirtschaftlich wie politisch autark. Die politischen und Bronze-Diadem um 900 v. Chr. (Vergina) gesellschaftlichen Verhältnisse dieser Epoche bilden den Hintergrund für den Kampf um Troja, wie ihn der Dichter Homer in seinen Werken beschreibt. Die darauf folgenden archaische Zeit (750– 550 v. Chr.) ist von einer großen Welle der Kolonisation geprägt, durch die an den Küsten Kleinasiens, des Schwarzen Meers und auch in Unteritalien neue Städte gegründet werden. Innenpolitisch entwickeln sich in den Stadtstaaten des griechischen Mutterlandes schon bald Ansätze zu demokratischen Staatsformen, die – wie im Fall Athens – den Bürgern (nicht den Sklaven und Frauen) eine Teilnahme an den politischen Entscheidungen ihres Gemeinwesens ermöglichen (klassische Zeit ca. 550– 350 v. Chr.).

Doppelaxt um 900 v. Chr. (Vergina)

18

Das antike Griechenland – kulturhistorischer Überblick Die Kriege gegen die Perser (490 – 479 v. Chr.) Der Überfall der Perser auf Griechenland zwang die Stadtstaaten zur Einigung und schuf zum ersten Mal so etwas wie ein griechisches Nationalbewusstsein. In der Schlacht bei Marathon (490 v. Chr.) siegten zunächst allein die Athener, zehn Jahre später, in der Seeschlacht bei Salamis, ein Bündnis von Spartanern, Athenern und anderen Stadtstaaten Griechenlands. Durch die Siege über die Perser stieg Athen zur Seemacht auf und gründete 478/477 v. Chr. den Attischen Seebund. Sein Ziel war zwar die endgültige Vertreibung der Perser aus dem ägäischen Raum, de facto wurde er aber zu einem politischen Instrument, mit dem Athen sich die Führung in Griechenland sicherte. Diese Politik führte konsequenterweise zum Konflikt mit den Spartanern und mündete im 1. Peloponnesischen Krieg (460 –445 v. Chr.). Zunächst konnte Athen militärische Erfolge verzeichnen, sah sich aber – je länger, je mehr – zum Friedensschluss gezwungen. Die Kämpfe brachen aller­ dings 431 v. Chr. erneut aus und endeten 404 v. Chr. mit der Kapitulation der Athener. Zwar hatte Sparta gesiegt, doch war es zu geschwächt, um die

Szene aus dem Perserfeldzug Alexanders d. Gr. (Sarkophag-Relief, 4./3. Jh. v. Chr.)

19 Führungsrolle in Griechenland zu übernehmen. Neue Bündnisse und weitere Kriege waren die Folge. Aus den Wirren dieser Jahre konnte der Stadtstaat Theben am meisten Nutzen ziehen und sich für wenige Jahre zur griechischen Hegemonialmacht aufschwingen. Doch inzwischen war im Norden Griechenlands eine neue Macht herangewachsen, deren weltgeschichtliche Bedeutung die aller anderen Griechen übertreffen sollte.

Der Aufstieg des Makedonischen Königreiches Durch die raue Berglandschaft von der übrigen griechischen Welt getrennt, erfuhren der Norden und Nordosten Griechenlands eine andere politische und kulturelle Entwicklung. Hier gab es keine Stadtstaaten, sondern hier entstand unter der Dynastie der Argeaden (6./5. Jh. v. Chr.) ein Königreich, das zunächst auf die Gegend um die Hauptstadt Aigai (heute: Vergina) beschränkt war, sich aber nach siegreichen Kämpfen gegen Illyrer und Thraker weiter ausbreiten konnte. Die Integration dieses makedonischen Königreichs in die griechische Kulturgemeinschaft erfolgte Anfang des 5. Jahrhunderts v. Chr. durch die Teilnahme an den Olympischen Spielen, welche nur Griechen erlaubt war. Hatten sich die MaAlexander I., makedonischer König kedonen bereits in den Perserkriegen einigen (5. Jh. v. Chr.) Respekt verschafft, so schickte sich der makedonische König Philipp II. (356–336 v. Chr.) an, die Hegemonie über ganz Griechenland zu erreichen. Er schuf ein stehendes Heer von gut ausgebildeten Kämpfern und errang 352 v. Chr. die Vorherrschaft in Thessalien. 343 v. Chr. folgte die Eroberung Thrakiens samt der dortigen Goldbergwerke, 338 v. Chr. schlug Philipp das Bündnisheer der Griechen und wurde dadurch faktisch zum Herrscher über ganz Griechenland. Den Plan eines Feldzuges gegen die PerKönig Philipp II. (356-336 v. Chr.) ser konnte er allerdings nicht mehr in die Tat

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Das antike Griechenland – kulturhistorischer Überblick umsetzen. Dieser blieb seinem Sohn, Alexander d. Gr., vorbehalten, der 333 v. Chr. den Perserkönig Dareios III. bei Issos in Kleinasien besiegte. Alexander stieß damit das Tor zu einer neuen Welt auf. Bis nach Indien rückte er vor und gründete ein Reich von nie zuvor dagewesener Größe. Obwohl seine Herrschaft nur gut zehn Jahre dauerte, war sie für die kulturhistorische Entwicklung von Weltbedeutung. Denn mit seiner Herrschaft begann das Zeitalter des Hellenismus, in dem sich die griechische Kultur, die griechische Sprache und die griechische Religion über den gesamten östlichen Mittelmeerraum bis nach Persien, ja sogar bis nach Afghanistan verbreiteten.

Griechenland im Zeitalter des Hellenismus Nach Alexanders Tod wurde das Riesenreich unter seinen Feldherrn aufgeteilt. Es entstanden neue Teilreiche mit prachtvollen Hauptstädten (Alexandria, Antiochia in Syrien), in denen die griechisch-makedonische Kultur

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5 IFT T B M JFO Die makedonischen Verwaltungsbezirke unter römischer Herrschaft (nach 168 v. Chr.)

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21 gepflegt wurde. Griechenland selbst dagegen wurde zum Schlachtfeld der um die makedonische Krone streitenden Feldherrn, nachdem zuvor Alexanders Mutter, seine Frau Roxane sowie sein Sohn Alexander IV. ermordet worden waren. Aus den wechselvollen Kämpfen ging die Dynastie der Antigoniden als Sieger hervor, die bis 168 v. Chr., d. h. bis zur Niederlage gegen die Römer, auf dem makedonischen Thron verblieb. Politisch gesehen war Makedonien nach den Diadochenkämpfen (griech. Diadoche = Nachfolge) zwar auf sein Kernterritorium im mittleren und nördlichen Griechenland reduziert, behielt aber nach wie vor den Einfluss auf die Stadtstaaten in Südgriechenland. Außerdem blieb das makedonische Königtum zunächst noch stark genug, um den nach Osten vordringenden Römern militärisch entgegentreten zu können. So verlief der erste Zusammenstoß mit Rom für Philipp V. noch siegreich (1. Makedonischrömischer Krieg 215–205 v. Chr.) und stärkte seine Vormachtstellung in Griechenland. Aber der zweite Krieg gegen die Römer ging Denkmal in Delphi für den Sieg der Römer verloren (200–197 v. Chr.) und führte faktisch 168 v. Chr. (Rekonstruktion) zum Verlust der Souveränität und jeglichen Einflusses in Griechenland. 196 v. Chr. verkündete der römische General Titus Quinctius Flamininus die Freiheit Griechenlands, deren Schutzmacht nun Rom wurde. Daran änderte auch das letzte Aufbäumen der Makedonen unter ihrem König Perseus (179–168 v. Chr.) nichts. Nach der Schlacht bei Pydna 168 v. Chr. war das Schicksal Makedoniens besiegelt. Das Königreich wurde zerstückelt und in vier unabhängige Verwaltungsbezirke aufgeteilt (µερίδες). König Perseus (179-168 v. Chr.)

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Das antike Griechenland – kulturhistorischer Überblick Griechenland unter den Römern In den folgenden 20 Jahren kam es in Makedonien immer wieder zu innenpolitischen Unruhen, die sich schließlich in einem Aufstand gegen die Römer unter Führung eines gewissen Andriskos entluden. Dieser behauptete, ein Sohn des letzten makedonischen Königs Perseus zu sein. Nach einigen Anfangserfolgen wurde er 148 v. Chr. von den Römern unter der Führung des Feldherrn Quintus Caecilius Metellus geschlagen. Makedonien wurde nun in eine römische Provinz umgewandelt und damit endgültig dem Römischen Reich eingegliedert. Hauptstadt der neuen Provinz Macedonia wurde Thessaloniki. Gleichzeitig engagierten sich die Römer nun auch im übrigen Griechenland. Die Freiheitsbestrebungen des Achäischen Bundes, eines Zusammenschlusses von 12 peloponnesischen Städten, endeten 146 v. Chr. mit der Zerstörung Korinths. Der südliche Teil Griechenlands wurde der Provinz Macedonia zugeschlagen, bis auch hier eine eigenständige Verwaltung eingerichtet wurde. Das geschah 27 v. Chr. mit der Gründung der Provinz Achaia. Sitz des Statthalters wurde Korinth, das als römische Kolonie wiedererrichtet wurde. Die Zeit dazwischen ist vor allem durch zwei politische Ereignisse geprägt: die Auseinandersetzungen mit Mithridates von Pontus und die römischen Bürgerkriege, deren entscheidende Schlachten auf griechischem Boden ausgetragen wurden. Mithridates VI., König von Pontus (132–63 v. Chr.), betrieb im nördlichen Kleinasien und rund um das Schwarze Meer eine Politik massiver Expan­sion, die im Laufe der Zeit mit den römischen Interessen kollidierte und in drei blutige Kriege mündete (89–84; 83–82; 74–64 v. Chr.). Zunächst überrannte er die römische Provinz Asia und brachte viele der dort lebenden Römer um. Danach fiel er in Griechenland ein, schlug die Römer und plünderte Athen. Erst 20 Jahre später konnte er vom römischen Feldherrn Pompeius d. Gr. besiegt werden. Danach erschütterten die ersten Bürgerkriege das Römische Reich, in denen Makedonien den Hauptkriegsschauplatz abgab. Hatten schon Caesar und Pompeius bei Pharsalos (48 v. Chr.) gegeneinander gekämpft, so kamen im Jahre 44 v. Chr. die Caesarmörder Cassius und Brutus nach Makedonien, um dort ihre Heere zu sammeln. Bei Philippi wurden sie von Marcus Antonius und Caius Octavianus, dem späteren Kaiser Augustus, besiegt (42 v. Chr.). Mehr als 100 000 Soldaten hatten zuvor monatelang das Land durchzogen und sich nach Gutdünken von den Früchten der Äcker ernährt.

23 Einige Jahre später (31 v. Chr.) stehen sich die Sieger von Philippi selbst gegenüber: In der Seeschlacht von Actium (an der Westküste Mittelgriechenlands) besiegt Octavian die Flotte des Marcus Antonius und der Kleopatra und beendet damit die Wirren des Bürgerkrieges. Ein neues, sehnlich erwartetes Zeitalter kann beginnen: die pax Romana, »der römische Friede«, mit dem innere Stabilität und wirtschaftlicher Aufschwung einhergehen. Wenn auch die politische Eigenständigkeit der Griechen (und Makedonen) mit dem Auftreten der Römer verloren ging, so lebte ihre Kultur im Römischen Reich weiter und machte die Kaiser Nero, 54-68 n. Chr. einst Besiegten zu den eigentlichen Siegern. (Korinth, Archäologisches Museum) Griechische Literatur und Philosophie prägten zunehmend auch die römische Zivilisation. Römische Kaiser wie Nero (54–68 n. Chr.), Claudius (41–54 n. Chr.) oder später Hadrian (117– 138 n. Chr.) waren große Griechenfreunde und gewährten dem Land eine Reihe von Privilegien. Viele berühmte Bauwerke Griechenlands wurden von den Kaisern gestiftet und errichtet. Zahlreiche Städte wurden im 2./3. Jh. n. Chr. in staatlichen Bauprogrammen vergrößert und monumental ausgestaltet. Bis in die Spätantike hinein war es für die Eliten Roms selbstverständlich, ihre Sprösslinge zum Studium nach Athen zu schicken. Selbstverständlich sprach man neben Latein auch Griechisch, wie überhaupt im Zuge des Hellenismus das Griechische im gesamten Osten des Römischen Reiches die vorherrschende Sprache blieb. Nur so ist es zu erklären, dass auch das Neue Testament des im Judentum wurzelnden Christentums auf Griechisch geschrieben wurde. Die Reichskrise im 3. Jh. n. Chr. traf auch Griechenland, das schwer unter der Völkerwanderung zu leiden hatte. Kaum ein Ort, der nicht durch Barbareneinfälle verwüstet wurde. Die zunehmenden Spannungen innerhalb der von Kaiser Diokletian (284 –305 n. Chr.) eingeführten Tetrarchie (»Vierkaisertum«) führten schließlich zur Spaltung des Römischen Reiches in einen westlichen und einen östlichen Teil. Das Jahr 395 n. Chr. gilt als das Datum der Reichsteilung des inzwischen christlich gewordenen Imperiums. Griechenland gehörte von da

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Das antike Griechenland – kulturhistorischer Überblick an bis ins Mittelalter zum Oströmischen bzw. Byzantinischen Reich mit der Hauptstadt Byzanz bzw. Konstantinopel. Seit dem 6. Jahrhundert drangen slawische Völker in die oströmischen Balkanprovinzen ein und errichteten ihre eigenen Reiche; aber nach und nach konnte Griechenland zurückerobert werden, sodass die griechische Sprache und die griechische Kultur bis zur Einnahme Konstantinopels durch die Türken (1453) vorherrschend blieben. Während der Türkenherrschaft, die im Norden Griechenlands bis zum 1. Weltkrieg dauerte, war es vor allen Dingen die griechisch-orthodoxe Kirche, in der griechischer Geist und griechisches Nationalbewusstsein überlebten und zur Bildung des heutigen Staates beitrugen.

Die Religion im antiken Griechenland Betrachtet man die religiöse Landschaft im antiken Griechenland, so muss man zunächst feststellen, dass es eben nicht die Religion gab, sondern allen­ falls eine Vielzahl religiöser Kulte. Demzufolge gestaltete sich das religiöse Leben der Menschen völlig anders als heute. Man verehrte nicht nur einen Gott, sondern eine große Anzahl von Göttern, die man am Olymp beheimatet glaubte. Diese bunte Mischung menschenähnlich vorgestellter Gottheiten reichte von A wie Aphrodite bis Z wie Zeus. Auf der anderen Seite war eine kontinuierliche religiöse Bindung von der Wiege bis zur Bahre – wie es in der Gegenwart üblich ist – völlig undenkbar. Überhaupt kannten keine Religion und kein Kult der Antike – sieht man vom Juden­tum ab – einen derartigen Absolutheitsanspruch, wie ihn das Judentum, das Christentum oder der Islam vertreten. Im antiken Griechenland war es nichts Außergewöhnliches, dass man Verehrer des Herakles war und gleichzeitig der heimischen Stadtgottheit Athena opferte. Hinzu kommt, dass es in hellenistischer und noch stärker in römischer Zeit auch zu religiösen Vermischungen kam. Hatte Alexander durch seinen Feldzug das Tor zum Osten aufgestoßen, so galt das natürlich auch umgekehrt. Die orientalischen Gottheiten drangen nun ihrerseits nach Westen vor. Als Beispiel sei der Kult der großen Muttergottheit Isis genannt. Er war ursprünglich in Ägypten beheimatet, gelangte dann nach Griechenland und war in der römischen Kaiserzeit in nahezu jeder größeren Stadt zu finden. In vielen Fällen verschmolz er mit anderen einheimischen Kulten, in denen Frauengestalten verehrt wurden. Dieser Prozess war im Übrigen auch mit der Christianisierung keineswegs abgeschlossen. So orientierten sich die frühen christlichen Dar-

25 stellungen der Mutter Gottes an denen der antiken Isis-Statuen. Weitere fremde Kulte gelangten durch den Übergang in die römische Herrschaft nach Griechenland. So findet man beispielsweise im 1. Jh. n. Chr. in Philippi den Kult des Silvanus, eine ursprünglich nur in Italien verehrte Waldgottheit. Auch der Kaiserkult hielt in dieser Zeit Einzug in Griechenland und darüber hinaus im gesamten römischen Osten. Allen diesen Kulten gemeinsam war, dass sie keineswegs Exklusivität beanspruchten. Die »Gläubigen« konnten regelmäßig am Kaiserkult teilnehmen, ohne ihre Mitgliedschaft im Verein zur Verehrung des Dionysos kündigen zu müssen. Allein das zeigt, wie liberal und pluralistisch die religiöse Einstellung in der griechisch-römischen Antike war. Als sich dann im 3./4. Jh. n. Chr. das Christentum anschickte, zur bestimmenden Religion im Römischen Reich zu werden, musste sich dieses allerdings ändern. Nach und nach wurden die heidnischen Kulte verdrängt oder verboten, ihre Tempel nicht selten in christliche Kirchen umgewandelt. Doch bevor es so weit war, sollte das Christentum noch einen langen Weg durchschreiten. Und dieser begann in der Mitte des 1. Jh. n. Chr. mit den Missionsreisen des Apostels Paulus.

Kopf eines Satyrn – lüstern und bockbeinig dargestellte Satyrn gehörten zum Gefolge des Gottes Dionysos

Kopf des Zeus mit Eichenlaub

II. Die 2. Missionsreise des Paulus und die Via Egnatia

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 Die 2. Missionsreise Von Anfang an sah sich Paulus als derjenige unter den Aposteln, der zu den Völkern gesandt war. Dementsprechend bezeichnete er sich selbst als der »Apostel der Heiden« (vgl. Röm 1, 5; 11,1 3). Das unterschied ihn von den anderen Missionaren wie Petrus, die ihre Hauptaufgabe vordringlich in der Sammlung Israels, d. h. in der Verkündigung des Evangeliums unter den Juden sahen. Bei der Zusammenkunft mit den Leitern der Jerusalemer Urgemeinde war dieses auch offiziell bestätigt worden. Das sogenannte Apostelkonzil (besser »Apostelkonvent«), bei dem Paulus zusammen mit Barnabas und Titus mit Jakobus, Petrus und Johannes zusammentraf, fand im Jahre 48 n. Chr. statt und formulierte den Beschluss, dass Petrus zu den Juden, Paulus aber zu den Heiden gehen sollte. Die aus der Sicht des Paulus formulierte Übereinkunft lautete (Gal 2, 7 ff.): »Im Gegenteil, da sie sahen, daß mir anvertraut war das Evangelium an die Heiden so wie Petrus das Evangelium an die Juden … und da sie die Gnade erkannten, die mir gegeben war, gaben Jakobus und Kephas und Johannes, die als Säulen angesehen werden, mir und Barnabas die rech­ te Hand und wurden mit uns eins, daß wir unter den Heiden, sie aber unter den Juden predigen sollten.« Damit war gewissermaßen der Weg frei für den kühnen Plan des Paulus, das Evangelium auch in weiter entfernte Gebiete des römischen Imperiums, ja sogar bis nach Spanien zu bringen (vgl. Röm 15, 23). Aber bis dahin war es noch ein langer Weg, galt es doch zunächst, Kleinasien und Griechenland zu gewinnen. Dabei dachte Paulus durchaus strategisch. Er ließ sich nicht auf eine zeitraubende, flächendeckende Mission der Städte und Dörfer ein, sondern konzentrierte sich auf die großen urbanen Zentren. Dort gründete er christliche Gemeinden, die ihrerseits als Keimzellen für das sie umgebende Territorium wirken und das Evangelium aufs Land bringen sollten. Wie sich zeigen sollte, war das eine überaus effiziente und erfolgreiche Strategie. Denn dadurch gelang es dem Apostel, in relativ kurzer Zeit im gesamten Osten des Römischen Imperiums christliche Gemeinden zu gründen, sodass er selbst nur wenige Jahre nach dem Apostelkonvent im Brief an die Gemeinde in Rom sagen konnte (ca. 56 n. Chr.), dass das ganze Gebiet von Jerusalem bis nach Illyrien (der heutige Balkan) bereits mit der Verkündigung des Evangeliums in Berührung gekommen sei (Röm 15, 19): »So habe ich von Jerusalem aus ringsumher bis nach Illyrien das Evange­ lium von Christus voll ausgerichtet.«

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Die 2. Missionsreise des Paulus und die Via Egnatia Aber zuvor sollten Kleinasien und vor allem Griechenland auf dem Plan stehen. Dafür sind wir auf die Informationen der Apostelgeschichte angewiesen, in der die Reiserouten des Paulus detailliert beschrieben werden. In Apostelgeschichte 15, 35 beginnt der Bericht über die sogenannte 2. Missionsreise, die den Apostel und seine Begleiter nach Griechenland führen sollte (vgl. Abb.). Ausgangspunkt der Reise war Antiochia am Orontes, die Hauptstadt der römischen Provinz Syrien und zugleich mit über 500 000 Einwohnern die drittgrößte Stadt im Römischen Reich. Dort hatte sich schon früh eine große christliche Gemeinde etabliert, die auch Mission unter Nicht-Juden betrieb. Es entwickelte sich eine Art »Missionarisches Zentrum«, das Start- und Zielpunkt für alle drei in der Apostelgeschichte erwähnten Missionsreisen des Paulus wurde. Nach Apostelgeschichte 15, 41 führte die Route der 2. Missionsreise zunächst durch die Provinzen Syrien und Kilikien, dann nach Lykaonien, wo die im Verlauf der 1. Missionsreise (Apg 13 f.) gegründeten Gemeinden in Derbe und Lystra besucht wurden. Danach durchzogen Paulus und seine Begleiter Phrygien und das Land Galatien, also die heutige Zentraltürkei, um in die Provinz Asien, wohl nach Ephesus zu gelangen. Dieser Plan ließ sich aber nicht umsetzen, sodass man nach Norden ausweichen musste und schließlich nach Troas in Mysien, in der Nähe des alten Troja, gelangte (vgl. Apg 16, 6–8). Nach Apostelgeschichte 16, 9 hatte Paulus hier einen merkwürdigen Traum, der ihn zur Überfahrt nach Makedonien und damit nach Europa veranlasste: »Und Paulus sah eine Erscheinung bei Nacht: Ein Mann aus Makedonien stand da und bat ihn: Komm herüber nach Makedonien und hilf uns! Als er aber die Erscheinung gesehen hatte, da suchten wir sogleich nach Makedoni­ en zu reisen, gewiß, daß uns Gott dahin berufen hatte, ihnen das Evangelium zu predigen.« Und so segelten die Missionare zunächst nach Samothrake, einer Insel in der nordöstlichen Ägäis, die wegen des dort ansässigen Mysterienkultes berühmt war, ehe sie im Jahre 49 in Neapolis, einer kleinen Hafenstadt in Makedonien, an Land gingen und damit zum ersten Mal europäischen Boden unter den Füßen hatten. Diese Route war damals durchaus üblich, wie einige Jahrzehnte später das Beispiel des Bischofs Ignatius von Antiochien (um 110 n. Chr.) zeigt, der auf derselben Strecke als Gefangener nach Rom gebracht wurde. Natürlich kann man sich die Frage stellen, warum der Apostel gerade in Neapolis bei Philippi an Land ging. Vermutlich war es der schlichten Tat-

29 sache geschuldet, dass es einen regen Schiffsverkehr zwischen Troas und Neapolis und damit regelmäßige Verbindungen gab, die der Apostel für seine Zwecke nutzte. Hinzu kommt sicher auch, dass es kaum Alternativen für den »Sprung« nach Makedonien gab. Gewiss hätte Paulus auch gleich bis zur Provinzhauptstadt Thessaloniki segeln können, auch dafür sind feste Verbindungen bezeugt. Allerdings wäre ihm dann Philippi entgangen, auch das größere Amphipolis. Ein anderer Hafen östlich von Neapolis kam als Alternative ohnehin nicht in Frage, da er nicht mehr Teil der Provinz Macedonia gewesen wäre. Und von Plänen einer Mission in der erst 46 n. Chr. gegründeten Provinz Thracia hören wir weder in der Apostelgeschichte noch in den paulinischen Briefen. Und so gehen Paulus und seine Begleiter in Neapolis an Land und setzen ihre Reise auf dem Landweg fort. Dabei nutzen sie eine gut ausgebaute römische Fernstraße, die sogenannte Via Egnatia. Diese führte über Philippi

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Die Via Egnatia

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Die 2. Missionsreise des Paulus und die Via Egnatia nach Amphipolis und Apollonia und von dort nach Thessaloniki, der Hauptstadt der Provinz Macedonia. Alle diese Stationen werden demgemäß auch für die Reiseroute des Apostels genannt (vgl. Apg 16, 11 f.; 17, 1). Daher ist deutlich, dass die Via Egnatia im Konzept des Apostels eine wichtige Rolle gespielt hat, war auf ihr doch relativ komfortables und zügiges Reisen bis an die Adria, ja sogar bis nach Rom möglich (vgl. Abb.). Die Via Egnatia war als Gegenstück der Via Appia in Italien konzipiert und wurde als solche auch genutzt, wie das Beispiel des Schriftstellers Cicero zeigt. Dieser war im Jahre 58 aus Rom verbannt worden und wählte Thessaloniki als Ort seines Exils, weil er von hier aus über die Via Egnatia relativ zügig wieder nach Rom zurückkehren konnte. Daher wurde zu Recht die Frage aufgeworfen, ob nicht auch der Apostel Paulus schon während der Reise nach Griechenland (49/50 n. Chr.) den Plan hegte, so schnell wie möglich nach Rom zu gelangen. Dass er dorthin wollte und dann weiter nach Spanien, ist auf Grund einer Aussage im Brief an die Gemeinde in Rom gesichert (vgl. Röm 15, 28: »will ich von euch aus nach Spa­ nien ziehen«). Umso auffälliger ist die Abweichung von der Route im weiteren Verlauf der 2. Missionsreise. Denn während die Via Egnatia weiter Richtung Westen bis an die Adria führte, finden wir den Apostel und seine Begleiter in Beroia wieder (Apg 17, 10). Diese makedonische Stadt lag nicht mehr an der Via Egnatia, die nächsten Stationen sogar noch weiter südlich in der römischen Provinz Achaia: Athen als Metropole des Denkens und der Philosophie und Korinth als Hauptstadt und Sitz des Statthalters. Entsprechend ausführlich berichtet die Apostelgeschichte über den dortigen Aufenthalt des Paulus (vgl. Apg 17, 16 ff. und Apg 18). Von Korinth aus kehrte der Apostel über Ephesus wieder nach Syrien zurück, wo er die Reise begonnen hatte. Aber es sollte nicht der letzte Besuch in Griechenland bleiben. Denn im Verlauf der 3. Missionsreise kam Paulus noch einmal sowohl nach Makedonien als auch nach Achaia (vgl. Apg 20, 1–3). Allerdings berichtet die Apostelgeschichte darüber nur sehr kurz und recht summarisch, d. h. ohne die einzelnen Städte zu erwähnen. Lediglich Philippi wird genannt. Von dort aus sei Paulus mit dem Schiff nach Troas gereist (Apg 20, 6), bevor er sich in Milet zur Weiterfahrt nach Tyrus eingeschifft habe (vgl. Apg 21, 2 f.).

31 Die Via Egnatia Die Via Egnatia, die noch heute an einigen Stellen Nordgriechenlands im Originalzustand erhalten ist, wurde um 130 v. Chr. von den Römern als Militärstraße (via militaris) angelegt. Als ihr Erbauer gilt der römische Prokonsul Gnaeus Egnatius, der der Straße auch seinen Namen gab. Geplant war sie als schnelle Verbindung zwischen Italien und den neuen römischen Provinzen im Osten, quasi als Verlängerung der Via Appia. Man musste nur in Brundisium über die Adria setzen, um in Apollonia oder Dyrrhachium im heutigen Albanien an Land zu gehen (vgl. Abb.). Von dort aus ging es auf der Via Egnatia quer durch Makedonien in Richtung Thessaloniki und – wenn man wollte – weiter nach Osten bis an den Bosporus. Denn die Via Egnatia war bereits im 1. Jh. n. Chr. bis zum Fluss Hebros ausgebaut und hatte somit eine Länge von etwa 800 Kilometern. Im Abstand von rund 50 Kilometern, was einer durchschnittlichen Tagesreise entsprach, befanden sich Raststationen (mansiones), in denen sich nicht nur Gelegenheit zur Einkehr, sondern auch zur Übernachtung bot. Außerdem konnte man hier die Pferde oder andere Lasttiere wechseln. Die meisten Menschen, insbesondere die der unteren gesellschaftlichen Schichten, reisRelief mit Reisewagen (Klagenfurt) ten wohl zu Fuß, viele aber auch zu Pferde oder mit einem Maulesel. Wer es sich leisten konnte oder mehr Gepäck hatte, benutzte einen Reisewagen (vgl. Abb.), dessen leichteste Ausführung nur eine Achse besaß. Aber es gab auch vierrädrige Wagen, die von 8 bis 10 Mauleseln gezogen wurden. Nach jeder römischen Meile (1 475 Meter) passierte man einen Meilenstein (milliarium). Bei der Via Egnatia waren das insgesamt mehr als 500 Meilensteine! Einige wenige dieser über einen Meter hohen, zylinderförmigen Steine sind erhalten und im Museum in Kavála bzw. Thessaloniki ausgestellt. Sie waren Reisewagen (Rekonstruktion) unseren modernen Straßenschildern ähnlich

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Die 2. Missionsreise des Paulus und die Via Egnatia

und trugen neben diversen Entfernungsangaben auch Informationen über den Bauherrn der Straße. In Makedonien waren sie in der Regel zweisprachig, griechisch und lateinisch, abgefasst. Ein Meilenstein aus der Nähe von Thessaloniki enthielt neben der Angabe der Entfernung des Steines bis zur Adriaküste (in diesem Fall 260 römische Meilen) auch den Namen des Prokonsuls Gnaeus Egnatius (vgl. Abb.). Auch wenn die Via Egnatia eine der meistbereisten Strecken im Römischen Reich war, so war sie doch nur ein Teilstück eines viel größeren Systems, das in der Antike seinesgleichen suchte. Denn das römische Fernstraßennetz umfasste in seiner umfangreichsten Ausbaustufe etwa 80 000 Kilometer! Damit würde es Meilenstein mit dem Namen des auch noch heute das Fernstraßennetz mancher Gnaeus Egnatius moderner Staaten in den Schatten stellen. Dieses dichte Netz von durchgängig gepflasterten Straßen, die mit Hilfe von Brücken breite Täler überquerten und in den Alpen sogar durch eigens angelegte Tunnel führten, diente dazu, das Zentrum in Rom mit den jeweiligen Provinzen zu verbinden und damit die Regierungsfähigkeit des riesigen Imperiums zu gewährleisten. Dass auch Handel und Wandel, ja sogar der Apostel Paulus in seinen Bemühungen, das Christentum zu verbreiten, von diesem einzigFaksimile der Inschrift auf dem »Egnatius-Meilenstein« artigen Straßensystem profitierten, versteht sich von selbst. Ja, man kann sogar behaupten: Ohne das gut ausgebaute Straßennetz des Römischen Reiches hätte sich das Christentum gewiss nicht so schnell über den gesamten Mittelmeerraum ausbreiten können. Insofern waren die Straßen Roms nicht nur ein Vorteil für die römischen Truppen, sondern auch ein Segen für die Anhänger des Mannes aus Nazareth. Eine Kuriosität am Rande: An die große Tradition des römischen Fernstraßennetzes versucht man in Griechenland auch heute wieder anzuknüpfen. Die

 Trasse der neu gebauten Ost-West-Autobahn folgt in wesentlichen Zügen der alten Via Egnatia, und auch der Name ist der gleiche, nur eben griechisch: ΕΓΝΑΤΙΑ ΟΔΟΣ.

Die Via Egnatia bei Kavála unterhalb der modernen Straße nach Drama

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) Philippi und Neapolis (Kavála)

Die sogenannte Paulus-Bucht in Neapolis mit byzantinischer Akropolis (links) und Aquädukt (rechts)

Philippi und Neapolis (Kavála)

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Einleitung Philippi – im Osten Makedoniens gelegen – ist in mehrfacher Hinsicht eine Reise wert. Hier fand im Jahre 42 v. Chr. eine der gewaltigsten Schlachten der römischen Bürgerkriege statt, hier gründete der Apostel Paulus die erste Gemeinde auf europäischem Boden. Und hier findet sich heute eines der größten archäologischen Grabungsgebiete Nordgriechenlands. In der Regel beginnt man allerdings mit Neapolis, dem heutigen Kavála und einstigen Hafen von Philippi, und folgt damit der paulinischen Route: »Da fuhren wir von Troas ab und kamen geradewegs nach Samothrake, am nächsten Tag nach Neapolis« (Apg 16, 11).

Neapolis Während Philippi bereits im Mittelalter verlassen wurde, blickt die Hafenstadt Neapolis (»Neue Stadt«) auf eine über 2 500-jährige Geschichte zurück. Unter dem Namen Kavála ist sie heute mit ca. 60 000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Makedoniens (nach Thessaloniki). Die alte Bezeichnung Neapolis lebt aber in den kirchlichen Aufsichtsbezirken weiter (Metropolie von Philippi und Neapolis). Wohl schon im 7. Jh. v. Chr. von Kolonisten der Inseln Thasos und Paros gegründet, erlebte Neapolis bereits um 500 v. Chr. eine erste Blüte. Davon zeugen beeindruckende Kleinfunde sowie die Reste eines Tempels der Stadtgöttin Parthenos (»Jungfrau«), die heute im Archäologischen Museum der Stadt ausgestellt sind. Zu dieser Zeit gab es in Philippi nur ein paar kleinere Siedlungen. Im 5. Jh. v. Chr. war Neapolis Mitglied im ersten Attischen Seebund, der als Allianz gegen die Hegemonie der Perser gegründet worden war. In den Listen des Bundes ist Neapolis noch als eine Stadt in Thrakien geführt. Denn die Gegend um Neapolis war Thraker-Land.

Das Paulus-Denkmal in Neapolis (Kavála)

Münze aus Neapolis mit Gorgonenfratze (5. Jh. v. Chr.)

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) Im Peloponnesischen Krieg 412/411 v. Chr. von den Spartanern belagert, wird Neapolis 377 v. Chr. Mitglied im zweiten Attischen Seebund, den es gegen die Expansionspläne des makedonischen Königs Philipp II. um Hilfe ersucht. Aber letztlich bleibt das Bemühen, die Unabhängigkeit zu verteidigen, erfolglos. Um 340 v. Chr. herum wird Neapolis dem makedonischen Königreich einverleibt und kurzerhand zum Hafen (griech. ἐπίνειον) von Philippi erklärt. Damit beginnt der Abstieg, und der Name der Stadt verschwindet in den folgenden Jahrhunderten fast ganz aus der Geschichte, bis 42 v. Chr. die Caesarmörder Cassius und Brutus den Hafen als Basis für ihre Flotte nutzten. In römischer Zeit ist die Stadt als Station an der Via Egnatia bekannt, weshalb auch der Apostel Paulus hier an Land geht. Insofern darf Neapolis sich in der Tat rühmen, die erste paulinische Stätte auf europäischem Boden zu sein. Eine Paulus-Gedenkstelle unweit der Kirche Agiou Nikolaou erinnert daran. Hier werden auch die Poller gezeigt, an denen das Schiff angeblich festgemacht haben soll. Auf die christliche Tradition weist ansonsten – neben der sogenannten »Paulusbucht« östlich der Akropolis – der im 9. Jahrhundert bezeugte zweite Name der Stadt hin: Christoupolis, »Stadt Christi«. Im Mittelalter durch zahlreiche Eroberungen schwer gebeutelt, wurde die Stadt von den byzantinischen Kaisern stark befestigt. Aus dieser Zeit stammt auch die Burganlage auf der Akropolis. Aber diese Maßnahmen konnten die Einnahme durch die Türken nicht verhindern, die der Stadt schon bald den heutigen Namen Kavála gaben. Unter Sultan Suleiman (1521–1566) wurde nach römischem Vorbild das großartige, zweistöckige Aquädukt errichtet, das heute das Wahrzeichen der Stadt darstellt. Die Epoche der Türkenherrschaft währte über 500 Jahre. Erst am 27. Juni 1913 wurde Kavála wieder griechisch und zählt heute mit seiner Altstadt sowie dem orientalischen Flair für viele zu den schönsten Städten ­Griechenlands.

Paulus auf dem Weg nach Philippi Nach dem Bericht der Apostelgeschichte kam Paulus im Verlauf der 2. Missionsreise (49 n. Chr.) mit dem Schiff von Troas (in der Nähe des alten Trojas) über die Insel Samothrake nach Neapolis und ging dort an Land. Eine damals übliche Route, jedenfalls für die Sommerzeit. Denn im Winter vermied man es wegen des schlechten Wetters, das Mittelmeer mit dem Schiff zu befahren,

Philippi und Neapolis (Kavála)

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sondern man wählte den Landweg über den Bosporus, um nach Makedonien zu gelangen. Paulus und seine Begleiter gehen also in Neapolis an Land und setzen ihren Weg auf der Via Egnatia fort, von der westlich von Kavála (an der Straße nach Drama beim Dörfchen Stavros) noch einige Abschnitte erhalten sind (vgl. Abb.). Nach etwa 15 Kilometern in Richtung Westen – d. h. nach ungefähr einem halben Tagesmarsch – erreichen die Missionare die Stadt Philippi. In der Apostelgeschichte des Lukas lesen wir: »Da fuhren wir von Troas ab und kamen geradewegs nach Samothrake, am nächsten Tag nach Neapolis und von da nach Philippi, das ist eine Stadt des ersten Bezirks von Mazedoni­ en, eine römische Kolonie« (Apg 16, 11). Völlig richtig und detailgenau gibt Lukas an, dass die Stadt Philippi zum ersten Bezirk (griech. µερίς πρώτη) der römischen Provinz Macedonia gehörte, dessen Hauptstadt das größere Amphipolis war. Die Römer hatten das alte makedonische Königreich bereits im Jahre 167 v. Chr. in vier Bezirke eingeteilt, die von Osten nach Westen einfach der Reihe nach gezählt wurden. Danach gehörte das Gebiet zwischen den Flüssen Strymon und Nestos, in dem Philippi lag, zum ersten Bezirk. Auch die andere Information ist von BedeuModernes Wegeschild: »Via Egnatia« tung: Philippi war keine »normale« makedonische Stadt, sondern eine römische Kolonie und trug offiziell den lateinischen Namen Co­ lonia Iulia Augusta Philippensis. Ihr Gepräge war entsprechend römisch. Man sprach und dachte vorwiegend lateinisch und lebte auf römische Art und Weise. Obwohl das für Makedonien etwas Besonderes darstellte, war es für Paulus und seine Begleiter so neu nicht. Auch das pisidische Antiochien in Kleinasien – eine Station der 1. Missionsreise (vgl. Apg 13) – war eine römische Kolonie (Colonia Caesarea Antiochia). Ebenso Alexandria Troas, der Ausgangspunkt für die Überfahrt nach MakedoniDie Pflasterung der Via Egnatia bei Kavála en, wenngleich der Grad der Romanisierung in

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) Philippi deutlich höher war. Waren die Meilensteine, die Paulus auf der Straße von Neapolis nach Philippi las, noch zweisprachig, dominierte in der Nähe der Stadt die lateinische Sprache. Die Grabinschriften rechts und links der Einfallsstraße waren lateinisch (vgl. Abb.), und in Philippi selbst konnte Paulus nur ganz wenige griechische Inschriften finden. Bei alledem fragt man sich, wie der Apostel hier sprachlich zurechtkam. Konnte er auch Lateinisch, oder zumindest einer seiner Begleiter? Oder sprach er nur zu dem griechisch­ sprachigen Teil der Bewohner? Die erste christliche Gemeinde jedenfalls erhält den Brief des Paulus (Philipperbrief) in griechischer Sprache.

Lateinische Inschrift auf dem Westfriedhof von Philippi für Lucius Salvius Secundinus (2. Jh. n. Chr.; L839)

Das Zentrum Philippis mit Pangaion-Gebirge im Hintergrund

Geschichtliches Die Ruinen der Stadt Philippi liegen am Rande einer heute fruchtbaren, in der Antike sumpfigen Ebene – etwa auf der Hälfte der Strecke von Kavála nach Drama beim Dorf Krenides. Bereits in prähistorischer Zeit (5 000 v. Chr.) war die Gegend von thrakischen Ureinwohnern besiedelt, später entstand auf dem Hügel von Philippi eine neue Siedlung, die im 4. Jh. v. Chr. durch Kolonisten von der Insel Thasos zu einer kleinen Stadt ausgebaut und wegen ihres Wasserreichtums Krenides (griech. κρήνη  = Quelle) genannt wurde. Im Jahre 356 v. Chr. nahm der makedonische König Philipp II. die Stadt ein, versah sie mit einer starken Mauer und siedelte makedonische Kolonisten an. Gleichzeitig gab er der Stadt seinen Namen: Philippi. Die Stadt war für ihn als östlicher Außenposten im Kampf gegen die Thraker von strategischer Bedeutung, aber auch wegen der reichen Gold-

Philippi und Neapolis (Kavála) vorkommen des nahen Pangaiongebirges interessant (vgl. Abb.). So entwickelte sich die Stadt zu einem recht bedeutenden wirtschaftlichen Zentrum, das es allerdings nicht lange blieb. Als die Römer im Jahre 168 v. Chr. das makedonische Königtum besiegten und anschließend eine administrative Neuordnung vornahmen, wurde das etwa 40 Kilometer weiter südwestlich gelegene und um einiges größere Amphipolis Verwaltungssitz des neu geschaffenen ersten makedonischen Bezirkes. Philippi hingegen muss in dieser Zeit zu einem eher bescheidenen Stationsort an der Via Egnatia verkommen sein, den der Geograph und Historiker Strabon (65 v.–20 n. Chr.) als »kleine Ansiedlung« bezeichnet (Strabon VII, Fragm. 41). Im Jahre 42 v. Chr. wurde die Stadt auf die Bühne der Weltgeschichte zurückkatapultiert. Zwei Schlachten zwischen den Cäsarmördern unter Führung von Cassius und Brutus auf der einen und Antonius und Octavianus auf der anderen Seite wurden in der Nähe geschlagen. Etwa 100 000 Mann sollen sich hier gegenübergestanden haben. Nach der Niederlage der Caesarmörder wurde Philippi in eine römische Kolonie (Colonia Victoria Philippensis) umgewandelt und eine große Zahl ausgedienter Legionäre angesiedelt. Ein paar Jahre später, nach der Seeschlacht von Actium (31 v. Chr.), kamen weitere Veteranen (auch Prätorianer) sowie italische Siedler dazu, um dort für die Enteignung in ihrem Heimatland entschädigt zu werden. Octavian teilte ihnen ein Stück Land zu, nachdem er die Kolonie neu gegründet und ihr den Namen Colonia Iulia Augusta Philippensis gegeben hatte. Damit trug Philippi den Namen der kaiserlichen Familie. Mit der Koloniegründung verlor Philippi den Status einer freien, griechischen Stadt und Goldmünze Philipps II. (356-336 v. Chr.), Oben: der Kopf des Gottes Apollon, war nunmehr eine Tochtergemeinde Roms, Unten: ein Zweigespann, darunter die die nach römischem Recht (ius italicum) mit Aufschrift »des Philipp« römischen Institutionen (decuriones, duumviri

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) usw.) verwaltet wurde. Ihre Bürger waren Mitglied der in Rom notierten tribus Voltinia – einer Abteilung der Bürgerschaft – und damit zugleich Bürger der Stadt Rom. Demgegenüber wird der Apostel Paulus später im Philipperbrief betonen, dass er von seiner jüdischen Herkunft her der tribus Beniamin entstammt (griech. ϕυλὴ Βενιαµίν Phil 3, 5). Selbstredend, dass die Amtssprache in Philippi nicht Griechisch, sondern Lateinisch war. Allein schon dadurch unterschied sich die Stadt grundlegend von ihrer Umgebung. Trotzdem bezeugen die Inschriften, dass es neben den gesellschaftlich bestimmenden Römern auch Makedonen, Griechen sowie alteingesessene Thraker gab, die weiterhin ihre angestammte Sprache pflegten. Mit der Gründung der römischen Kolonie nahm der Aufschwung seinen Lauf: Das forum wurde umgestaltet, repräsentative Bauten und Bäder wurden errichtet, das Theater umgebaut und dem römischen Geschmack angepasst. Die Installation der römischen Provinz Thracia unter Kaiser Claudius im Jahre 46 n. Chr. hatte gewiss stabilisierende Wirkung für die Entwicklung der östlichen Grenzregion und damit Philippis. Denn man muss sich klarmachen, dass die Grenze der römischen Provinz Macedonia am Flusse Nestos verlief, d. h. nicht einmal 30 Kilometer östlich von Neapolis. Dahinter lag das

Blick auf die Ebene der Doppelschlacht von Philippi (im Hintergrund)

Philippi und Neapolis (Kavála) freie Thrakien, das seit je her feindselige Beziehungen zum Römischen Reich pflegte. Eine stabile politische Lage war erst mit dem Jahre 46 n. Chr. erreicht. Man sieht daran, wie günstig auch die äußeren Bedingungen für die paulinische Mission waren. Fragt man danach, wovon man im römischen Philippi lebte, dann sind es vor allem drei Dinge: Handel, Landwirtschaft und Handwerk. Ersteres versteht sich von selbst. Die Lage an der Via Egnatia war überaus günstig, der Hafen in Neapolis nicht weit entfernt. Bei der Landwirtschaft, die im fruchtbaren Territorium von Philippi betrieben wurde, ist neben dem Getreideanbau vor allem der Wein­anbau zu nennen. Der hier in großer Menge und auch zum Export erzeugte Wein war von solcher Qualität, dass er unter den Weintrinkern der Antike hoch geschätzt war. Was das Handwerk betrifft, so muss zunächst festgestellt werden, dass die Goldvorkommen des nahen Pangaiongebirges in römischer Zeit längst erschöpft waren und von daher der Bergbau keine Rolle mehr spielte. Dafür aber der Abbau von Marmor, der den Rohstoff für die Bauprojekte in Philippi und Umgebung lieferte. Steinbrüche, in denen Marmor abgebaut wurde, finden sich im gesamten Bereich unterhalb der Akropolis. Die weitere Geschichte der Stadt ist zunächst durch eine einzigartige Blüte geprägt, die ihren Höhepunkt Ende des 2. Jh. n. Chr. erreicht. Gleichzeitig beginnt das Griechische an Boden zurückzugewinnen, bis es im 3. /4. Jahrhundert wieder die vorherrschende Sprache wird, wie die frühchristlichen Grabsteine belegen. Im 4. Jahrhundert trat das Christentum reichsweit und auch in Philippi endgültig seinen Siegeszug an. Philippi wurde Bischofssitz und war nur dem Metropoliten von Thessaloniki unterstellt. Große Kirchen wurden gebaut, deren Überbleibsel noch heute von einer großartigen Vergangenheit künden. Aber die Völkerwanderung machte auch vor Philippi nicht halt: 473 n. Chr. wurde die Stadt von den Goten belagert, die vor den Toren ein Bild der Verwüstung hinterließen. Vom 6.  /7. Jahrhundert an sind erste Spuren des Verfalls erkennbar. Die Stadt war nicht mehr in der Lage, alle durch Erdbeben beschädigten Gebäude zu reparieren oder durch neue zu ersetzen. Die Marmorsäulen zerstörter Gebäude wurden zur Wiederverwendung auf das Pflaster der Straßen gelegt, wo sie z. T. heute noch liegen. Die Bewohner der Stadt verließen die flacher gelegenen Stadtteile und siedelten verstärkt am Fuße des Akropolishügels. In der Folgezeit mehrfach von Slawen belagert, wurde die Stadt im Jahre 837 von Bulgaren erobert und zerstört, aber anschließend wieder besiedelt. Im

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) 10. Jahrhundert als Festung ausgebaut, erscheint Philippi in der Folgzeit wieder erstarkt, ehe die Stadt im 14. Jahrhundert (wohl 1387) von den Türken eingenommen und anschließend aufgegeben wurde. Zurück blieben nur die Ruinen (vgl. Abb), und der Name Philippi schmückt seitdem ein Dorf, das ein paar Kilometer weit entfernt liegt.

Paulus in Philippi Philippi war unbestritten die Lieblingsgemeinde des Apostels Paulus. Das geht aus dem Philipperbrief hervor, den Paulus einige Jahre nach der Gründung der Gemeinde aus der Gefangenschaft heraus schrieb. Darin betont er, wie sehr er sich nach der Gemeinde sehne und dass er sie stets in seinem Herzen trage (Phil 1, 7 f.). Am Ende erfahren wir, dass Paulus von keiner anderen Gemeinde im Laufe seiner Reisen durch Griechenland Unterstützung für den Lebensunterhalt angenommen hat (vgl. Phil 4, 15 f.). Hat dieses gute Verhältnis etwas damit zu tun, dass es die erste Gemeinde des Paulus in Europa war, also die »Erstlingsfrucht« auf dem Weg in den Westen des Reiches (vgl. Röm 16, 5; 1Kor 16, 15)?

Das Zentrum Philippis mit Pangaion-Gebirge im Hintergrund

Philippi und Neapolis (Kavála) Diese Unterstützung ist Paulus persönlich von einem Mitarbeiter der Gemeinde überbracht worden. Möglicherweise von Epaphroditus, der ihm auch in der späteren Gefangenschaft einiges von der Gemeinde hat zukommen lassen (vgl. Phil 2, 25; 4, 18). Für die Gemeinde war dieses selbstverständlich. Außerdem entsprach es römischer Denkweise, Empfangenes – immateriell oder materiell – auf irgendeine Art wieder zu vergelten (lat. do ut des  = »ich gebe, damit du gibst«). Wie aber ist es zu der Gründung der Gemeinde gekommen, zu der Paulus ein so inniges Verhältnis hatte?

Die Gründung der Gemeinde und die Taufe der Lydia Der Philippi-Abschnitt in der Apostelgeschichte ist einer der ausführlichsten überhaupt (Apg 16, 11–40). So weiß Lukas vom Beginn der Missionstätigkeit folgendes zu berichten: »Am Sabbattag gingen wir hinaus vor die Stadt an den Fluß, wo wir dachten, daß man zu beten pflegte, und wir setzten uns und redeten mit den Frauen, die dort zusammenkamen« (Apg 16, 13). Paulus, Silas und Timotheus verließen demnach am Sabbat die Stadt – wohl durch das »Tor der Sümpfe« im südlichen Teil der Stadt oder durch ein bislang unbekanntes »Flusstor« (Apg 16, 13: πυλὴ παρὰ ποταµόν  = »Tor am Fluss«) – und gelangten nach wenigen Metern an das Flüsschen. Dort sollte sich, wie die Missionare erfahren hatten, eine jüdische Gebetsstätte (griech. προσευχή) befinden. Viele Mitglieder kann die hiesige jüdische Gemeinde nicht gehabt haben. Denn sie verfügte offensichtlich über keine Synagoge. Stattdessen ist hier nur von einer Gebetsstätte die Rede, die außerhalb der Stadt lag und offenbar nur von Frauen besucht wurde. Wenigstens konnte Paulus sicher sein, dort Anknüpfungspunkte für die Predigt des Evangeliums zu finden. Denn erstens war er selbst Jude, und zweitens hatte er wohl neben den Juden als Zielgruppe seiner Mission die sogenannten Gottesfürchtigen im Visier. Darunter verstand man diejenigen Heiden, die sich zum Judentum hingezogen fühlten, das Sabbatgebot hielten und die regelmäßigen Versammlungen besuchten, ohne den letzten Schritt zum Übertritt zu wagen. Diese Überlegung hat prompt Erfolg. Eine Gottesfürchtige ist es, die sich der Predigt des Evangeliums öffnet und sich zusammen mit ihrem ganzen Haus, d. h. mit Dienstpersonal, Sklaven und Kindern, taufen lässt.

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III. Nord-Griechenland (Makedonien)

Ihr Name ist Lydia. Sie wird die erste Christin Europas sein, was ihr die besondere Verehrung der griechisch-orthodoxen Kirche eingetragen hat (vgl. Abb.). Lydia kommt – wie Lukas berichtet (Apg 16, 14) – aus dem kleinasiatischen Thyatira und ist von Beruf Purpurhändlerin. Sie ist nicht die Frau eines Purpurhändlers, sondern offensichtlich selbst geschäftlich tätig, was für damalige Verhältnisse ungewöhnlich und bemerkenswert ist. Der Bedarf an Purpur war in einer römischen Kolonie wie Philippi wohl vorhanden, die Zahl der Träger eines Gewandes mit Purpursaum sicher beträchtlich. Außerdem waren PurpurDarstellung der Lydia im Eingangsbereich der stoffe als Zeichen von Hoheit und Ansehen im Taufkapelle (vgl. u.) 1. Jh. n. Chr. sehr in Mode gekommen, sodass der Purpurhandel ein recht einträgliches Geschäft gewesen sein dürfte. Daher wird Lydia wohl zur wohlhabenden Schicht gehört haben, wenn auch nicht zur führenden römischen Klasse. Denn sie war ja keine Römerin, sondern eine Griechin aus Kleinasien. Im Übrigen ist inschriftlich belegt, dass es in Philippi Purpurfärber aus Thyatira gab. Die Küste vor Neapolis war reich an Meeresschnecken, aus denen der Farbstoff zum Färben gewonnen werden konnte. Die Anwesenheit von Purpurfärbern und einer Purpurhändlerin aus Thyatira ist also nicht verwunderlich. Die Apostelgeschichte berichtet weiter, dass die Missionare anschließend im Haus der Lydia zu Gast waren und dort eine Zeitlang blieben. Man wird in der Annahme nicht fehlgehen, dass das Haus der Lydia die Keimzelle für die spätere Gemeinde bildete (vgl. Apg 16, 40), die zunächst aus einzelnen Hausgemeinden ohne zentrales Versammlungsgebäude bestand.

Die Wahrsagerin und ihr Python So gut wie die Mission in Philippi begonnen hatte, so schwierig drohte sie im weiteren Verlauf zu werden: Auf dem Weg zum Fluss wird Paulus in der Stadt mehrmals von einer Sklavin bedrängt, die einen Geist besitzt, mit dessen Hilfe sie Wahrsagerei praktizierte und damit ihren Herren – und vielleicht auch sich

Philippi und Neapolis (Kavála) selbst – einen einträglichen Verdienst einbrachte. Lukas bezeichnet diesen Wahrsagegeist als »Python« (griech. πύθων) und stellt damit den Zusammenhang zum Orakel von Delphi her (vgl. u.). Dort weissagten die Priesterinnen des pythischen Apollon, der in der gesamten antiken Welt durch seine Prophezeiungen bekannt war. Diese Sklavin folgte Paulus nun immer wieder und schrie (Apg 16, 17): »Diese Menschen sind Knechte des allerhöchsten Gottes, die euch den Weg des Heils verkündigen.« Sie erkennt Paulus und seine Begleiter, sie weiß, wer diese sind. Und doch ist ihre Prophezeiung so undeutlich wie ein Ausspruch des pythischen Apollon, weil er für unterschiedliche Interpretationen offen ist. Während die Einwohner Philippis unter dem »höchsten Gott« (griech. ΘΕΟΣ ΥΨΙΣΤΟΣ) die besonders in Makedonien und Thrakien verehrte Gottheit des »höchsten Zeus« (griech. ΖΕΥΣ ΥΨΙΣΤΟΣ) verstanden, war die Prophezeiung für Paulus und Begleiter ein Hinweis auf den jüdischen bzw. christlichen Gott, für den die Bezeichnung »höchster Gott« ebenfalls belegt ist. Man sieht also, die Prophezeiung hätte dem Orakel von Delphi alle Ehre gemacht. Paulus reagierte schließlich so, »daß er sich umwandte und zu dem Geist sprach: Ich gebiete dir im Namen Jesu Christi, daß du von ihr ausfährst. Und er fuhr aus zu derselben Stunde« (Apg 16, 17 f.). Allerdings hatte der Apostel die Rechnung ohne die Herren der Sklavin gemacht.

Der kurze Prozess Natürlich musste dieser Exorzismus die Reaktion der Herren provozieren, die sich um ihren Gewinn gebracht sahen. Kurzerhand schleiften sie Paulus und Silas auf das Forum (vgl. u.) in der Mitte der Stadt (Apg 16, 19: ἀγορά). Dort werden sie den Stadtoberen, den sogenannten duumviri (Apg 16, 20 a: στρατηγοί), vorgeführt. Die Anklage ist geschickt formuliert (Apg 16, 20 f.): »Diese Menschen bringen unsre Stadt in Aufruhr; sie sind Juden und verkünden Ordnungen, die wir weder annehmen noch einhalten dürfen, weil wir Römer sind.« Die Anklage lautet demnach auf Einführung jüdischer Sitten und Gebräuche. Und damit trifft sie gleichsam den Nerv der römischen Kolonie, kam eine Neuerung in Sitten und Gebräuchen doch einem Angriff auf die römische Lebensform insgesamt gleich. Denn jüdische Ordnungen einzuführen, hieße beispielsweise auch: Unmöglichkeit des Kriegsdienstes – und das in ­einer Veteranenkolonie! Ganz zu schweigen von Sabbatgesetzen und anderen Rein-

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) heits- und Speisegeboten. Alles Dinge, die für einen Römer nicht in Frage kamen und die an den Grundfesten einer nach römischem Recht organisierten Kolonie rüttelten. Hinter der Anklage stehen vielleicht auch antijüdische Ressentiments, die durch das kurz vorher erlassene Edikt des Kaisers Claudius (41–54 n. Chr.), wonach die Juden Rom verlassen mussten, verstärkt wurden. Dementsprechend eindeutig fiel das Urteil aus. Ein ordentliches Verfahren erschien überflüssig, obschon es rechtlich geboten war. Und so werden Paulus und Silas wohl noch auf dem Forum von den Amtsdienern entkleidet und geschlagen, um anschließend ins Gefängnis geworfen zu werden.

Die Taufe des Gefängniswärters Es ist anzunehmen, dass Paulus in seinem späteren Brief an die Thessalonicher auf diese Ereignisse anspielt, wenn er im Rückblick auf den Beginn der Mission in Philippi schreibt (1Thess 2, 2): »denn obgleich wir zuvor in Philippi gelitten hatten und mißhandelt worden waren.« Ebenso ist im Philipperbrief zu lesen (Phil 1, 29 f.): »Denn euch ist es gegeben um Christi willen … zu lei­ den, habt ihr doch denselben Kampf, den ihr an mir gesehen habt.« Diese Andeutungen sind wohl der persönliche Kommentar des Betroffenen zu dem, was in Apostelgeschichte 16, 20 ff. berichtet ist.

Ruine der Basilika B (Kupferstich aus dem 19. Jh.)

Philippi und Neapolis (Kavála) Die weitere Erzählung bei Lukas ist eine erbauliche Missionsgeschichte (Apg 16, 25 ff.). Durch ein Erdbeben öffnen sich die Türen, worauf der Gefängniswärter in der Meinung, die Gefangenen seien entkommen, sich selbst mit einem Schwert töten will. Denn nach römischem Recht haftete er mit seinem Leben für die Verwahrung der Gefangenen. Doch Paulus und Silas hatten die Gunst der Stunde nicht genutzt, sondern waren im Gefängnis geblieben, wo sie nun den Wärter durch ihr Verhalten für das Christentum gewinnen konnten: »Und der Gefängniswärter nahm sie zu sich in derselben Stunde der Nacht und wusch ihnen die Wunden. Und er ließ sich und alle die Seinen sogleich taufen und führte sie in sein Haus und deckte ihnen den Tisch und freute sich mit seinem ganzen Hause, daß er zum Glauben an Gott gekommen war« (Apg 16, 33 f.). Damit ist der Gefängniswärter die zweite Person in Philippi, die zusammen mit ihrem ganzen Haus zum Christentum übertritt.

Die Entlassung Der weitere Verlauf der Geschichte gibt dem Leser einige Fragen auf. Am darauffolgenden Tage ließen die Stadtoberen dem Gefängniswärter durch ihre Amtsdiener, die lictores (Apg 16, 35: ῥαβδοῦχοι), mitteilen, dass die Inhaftierten freigelassen werden sollten. Nun aber bringen Paulus und Silas plötzlich ihr römisches Bürgerrecht ins Spiel und verlangen, dass die Stadtoberen gefälligst selbst kommen und sich entschuldigen. Denn nach römischer Gesetzgebung (lex Porcia de tergo civium) war es verboten, römische Bürger züchtigen zu lassen. Zurecht fragt man sich, warum Paulus dieses nicht schon früher ins Spiel gebracht hatte. Tat er es absichtlich nicht, oder ist hier vielmehr der Verfasser Lukas am Werk, der die ganze Szene dramatischer gestalten wollte? Auf jeden Fall kommen die Missionare wieder frei und kehren in das Haus der Lydia zurück, ehe sie ihren Weg auf der Via Egnatia in Richtung Amphipolis fortsetzen. Damit ist die Erzählung zu Ende, nicht dagegen die Geschichte der christlichen Gemeinde, die über ihren Mitarbeiter Epaphroditus sowie über Timotheus weiterhin Kontakt mit dem Apostel hält und ihn zu einem neuerlichen Besuch erwartet. Allerdings wird es ein paar Jahre dauern, bis Paulus wieder nach Philippi kommt. Aus Apostelgeschichte 20, 1–3 kann geschlossen werden, dass er im Verlauf der 3. Missionsreise (etwa 56 n. Chr.) noch zwei weitere Male die Gemeinde in Philippi besucht hat.

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) Das religiöse Leben im antiken Philippi Das von Paulus und seinen Begleitern verkündete Christentum traf nicht auf ein religiöses Vakuum. Die Einwohner Philippis waren keine Atheisten, im Gegenteil: Sie verehrten eine ganze Reihe von Göttern. Überhaupt war das religiöse Leben von einer Vielfalt geprägt, die uns heute fremd ist. Hier herrschte ein hohes Maß an Toleranz, sieht man vom Kult des vergöttlichten Kaisers ab. Ein Wegbleiben bei diesen offiziellen Zeremonien fiel negativ auf, zumal in einer so römischen Stadt wie Philippi. Aber ansonsten war das religiöse Leben in der Colonia Iulia Philippensis sehr vielfältig. So hielt beispielsweise die thrakische Urbevölkerung »noch in der Kaiserzeit an thrakischen Göttern fest und brachte manche Gottheiten auch den griechischen und römischen Bewohnern nahe« (Pilhofer, Philippi I, S. 92). Synkretismus, d. h. religiöse Vermischung, war die Folge. Ein Beispiel dafür ist der ursprünglich thrakische Gott Dionysos, dessen Kult sich längst bei Griechen und Makedonen eingebürgert hatte und der dann von den Römern in Philippi auch als Liber pater verehrt wurde. Umgekehrt bringen die römischen Veteranen und Kolonisten neue Götter mit nach Makedonien, so etwa den Gott Silvanus. Schließlich gelangen auch orientalische Gottheiten wie Kybele und Isis nach Philippi. Aus diesem Götter-Pantheon ragen vier Kulte von größerer Bedeutung hervor, die im Folgenden näher erläutert werden.

Der Kult des Dionysos Dionysos ist wahrscheinlich die älteste Gottheit, die im Gebiet von Philippi verehrt wurde. Bereits vor Ankunft der Griechen im 4. Jh. v. Chr. war der Kult des Dionysos unter der thrakischen Einwohnerschaft verbreitet. Das Zentrum der Verehrung lag offenbar in Drama, etwa 20 Kilometer nordöstlich von Phi­ lippi. Dort gab es ein bedeutendes Heiligtum des Dionysos, das bis in die römische Zeit Bestand hatte. In Philippi selbst existierte wohl weder ein zentrales Heiligtum noch eine entsprechende Priesterschaft. Der Gott Dionysos – inschriftlich auch Bacchus oder Liber pater bzw. nur Liber genannt – wurde in Kultvereinen (Thiasoi) verehrt. Hier traf man sich zu geselligem Zusammensein, zu gemeinsamen Mahlzeiten, zu Festen und natürlich auch, um die Gottheit zu verehren. Das konnte von Verein zu Verein unterschiedlich sein. Darüber hinaus sind einige Thiasoi bekannt, die am Rosalienfest (rosa = Rose) ihrer gestorbenen Mitglieder gedachten. Dazu begab man sich zur Zeit der Rosenblüte an die Gräber, um dort Rosen niederzulegen oder sie zu verbrennen. Der Thiasos des Dionysos

Philippi und Neapolis (Kavála) übernahm also auch die Aufgabe von Begräbnis- und Gedächtnisvereinen. Vielleicht lag das deshalb nahe, weil sich mit diesem Kult auch die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tode verknüpfte. Jedenfalls bezeugt eine lateinische Grabinschrift für einen verstorbenen Jungen aus dem 10 Kilometer entfernten Doxato, dass die Dionysos-Anhänger fest an ein Weiterleben glaubten: »Du aber lebst, in Ruhe verklärt, auf der Elysischen Au. So war es der Ratschluß der Götter, daß fortlebe in ewiger Form, der so hohes Verdienst sich erwarb, um die himmlische Gottheit.« »Gleich die erste Zeile spricht den entscheidenden Sachverhalt an: Der Verstorbene lebt im Elysium, ›in ewiger Form‹« (Pilhofer, Philippi I, S. 107). Damit ist die Angst vor dem Tod durch die Hoffnung auf ewiges Leben abgelöst. Eine verblüffende Parallele zum Christentum! Allerdings wird auch der Unterschied deutlich: Von einer Auferstehung, von einem Gott, der Jesus Christus auferweckt hat und auch die Christen auferwecken wird (vgl. 1Thess 4, 13–18), ist hier gerade nicht die Rede.

Der Thrakische Reiter Kein anderer Kult weist in Philippi eine solche Kontinuität auf wie der Kult des thrakischen Reiters. Die archäologischen Spuren reichen von der hellenistischen bis in die frühchristliche Zeit und erstrecken sich damit über einen Zeitraum von mehr als 600 Jahren! In Philippi wurde er als Heros Auloneites (griech. Ἥρως Αὐλωνείτης) verehrt und hatte seine Anhänger nicht nur unter den thrakischen Ureinwohnern. In der Regel wurde er als ein Wesen mit göttlicher und menschlicher Natur dargestellt, das in Verbindung zum Totenkult stand. Auf einem Relief reitet der Heros auf einen Altar zu. Daneben befindet sich ein Baum, um den sich eine große Schlange windet. Sie symbolisiert die Erdverbundenheit und damit das Totenreich (vgl. Abb.). In römischer Zeit genoss dieser Kult sogar offizielle städtische Förderung. Das beweist Relief eines thrakischen Reiterheros eine auf der Insel Thasos gefundene Münze aus (Philippi, Archäologisches Museum) Philippi, die auf der Rückseite den thrakischen

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) Reiter abbildet. Darunter sind die Initialen der Stadt Philippi RPCP (Res Publi­ ca Coloniae Philippensis) zu lesen. Keiner anderen Gottheit in Philippi wurde diese höchst offizielle Ehre zuteil – sieht man einmal vom Kaiserkult ab.

Der Kult des Silvanus Eine rein römische Angelegenheit war die Verehrung des Silvanus. Er war der Gott des Waldes (lat. silva  =  Wald) und stammte ursprünglich aus Italien. Dort brachten ihm die Bauern einmal im Jahr im Wald ein Opfer, wobei Frauen nicht zugelassen waren. Nach Philippi kam dieser Kult durch die Veteranen und Kolonisten. Damit ist Philippi etwas Besonderes. Denn im gesamten griechischmakedonischen Raum findet sich sonst keine Kultstätte des Silvanus. Sein Heiligtum findet sich unter den denjenigen, die oberhalb der Basilika A in den Akropolishügel hineingebaut waren. Hier versammelten sich unter der Leitung des Priesters offenbar vorwiegend Angehörige der unteren Bevölkerungsschichten. Über einer aus dem Felsen gehauenen Bank finden sich vier lateinischen Inschriften, die mehr als 100 Namen von Silvanus-Verehrern überliefern. Doch darunter ist kein einziger von Rang. Bezeichnend ist, dass der Hauptsponsor des Heiligtums, dessen Name noch sehr gut zu lesen ist, nämlich P(ublius) Hostilius Philadelphus, ein ehemaliger Sklave war. Kaum verwunderlich ist dagegen, dass die Namen von Thrakern und Griechen fast völlig fehlen – ebenso wie die von Frauen. Denn dieser Kult war eben eine Männersache, noch dazu eine rein römische!

Der Kaiserkult Der Kaiserkult ist aus der Verehrung für den Herrscher hervorgegangen, dessen Person nach und nach religiös überhöht wurde. Im Römischen Reich begann diese Entwicklung im Jahre 42 v. Chr. mit der Vergöttlichung des ermordeten Caesars und pflanzte sich in der Bezeichnung seines Nachfolgers als Divi filius (»Sohn des Vergöttlichten«) fort. In der Folgezeit sind fast alle römischen Kaiser nach ihrem Tode, einige sogar zu Lebzeiten, vergöttlicht und Gegenstand der Verehrung geworden, vor allem im Osten des Reiches, wo man schon vorher vereinzelt hellenistische Herrscher als Götter verehrt hatte. Der Kaiserkult war durch eigene Tempel und eine eigens dafür bestellte Priesterschaft gut organisiert. Im Makedonien war dies Angelegenheit des makedonischen Provinziallandtages, des sogenannten Koinons, das seinen Sitz

Philippi und Neapolis (Kavála)

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in Beroia hatte. Als römische Kolonie mit eigenem Rechtsstatus war Philippi dort nicht vertreten und sorgte daher selbst für den Kaiserkult. Die Inschriften bezeugen eine große Anzahl von Priestern und Priesterinnen, allerdings nur wenige für die Zeit des Paulus. Immerhin sind einige Priester für Augustus sowie Priesterinnen Ehreninschrift auf der Nordostseite des Forums für die Priesterinnen der vergöttlichten Kaiserin für seine Gattin Livia belegt (vgl. Abb.). Dem (1. Jh. n. Chr.; L344) entspricht der archäologische Befund, wonach sich im Nordostflügel des Forums ein Tempel (»Osttempel«) für den Kaiserkult befand. Die höchsten Ämter trugen die lateinischen Titel flamen oder sacerdos (»Priester«) und waren ausschließlich römischen Bürgern vorbehalten, »die das Bürgerrecht von Geburt an (evtl. seit drei Generationen) besaßen« (Bormann, Philippi, S. 42). Es war ein Ehrenamt, das ohne Bezahlung ausgeübt wurde, aber dennoch höchst begehrt war, genoss der Inhaber doch hohes Ansehen in der gesamten Colonia. Eine Stufe darunter gab es das Amt der seviri Augustales, das überwiegend an Freigelassene vergeben wurde. Es war ebenfalls ein Ehrenamt, musste allerdings mit der Zahlung einer Summe an die Stadtkasse erkauft werden! Dafür wurden den Inhabern aber auch Ehrenplätze im Theater zugewiesen. Ihre Hauptaufgabe bestand in der Organisation und Durchführung der Festlichkeiten zu Ehren des göttlichen Augustus, die etwa zehnmal im Jahr stattfanden. Als Termine kamen die Geburtstage der kaiserlichen Familie, besondere Jahrestage, wie etwa gewonnene Schlachten (z. B. 42 v. Chr.), oder andere wichtige Gedenktage in Frage. Die Feierlichkeiten wurden meist mit einem öffentlichen Opfer, das die Priester zelebrierten, und einer gemeinsamen Mahlzeit begangen. Aus anderen Städten ist überliefert, dass die Bevölkerung zu diesem Anlass Honigwein und süßes Gebäck aus öffentlichen Mitteln bekam. Daran schloss sich in der Regel ein öffentlicher Prozessionszug an, der streng nach der Hierarchie der Ämter gegliedert war. Einen besonderen Höhepunkt der Festivitäten bildeten die Spiele. Sie waren ein gesellschaftliches Großereignis, das bei uns nur mit Veranstaltungen wie der Fußballweltmeisterschaft zu vergleichen ist. Mit dem Kaiserkult scheint bisweilen auch ein Treueid verbunden gewesen zu sein, der sich im 1. Jh. n. Chr. beim jeweiligen Amtsantritt des Herrschers herausgebildet hatte. Dieser Treueid für den Kaiser war generell für

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) alle ­Einwohner, auch für die nichtrömische Bevölkerung, verpflichtend. »Sein Inhalt verlangt in recht allgemeiner Formulierung die Unterstützung des Prinzeps und seiner Angehörigen gegen deren Feinde« (Bormann, S. 49). Dabei tritt auch der Kaiser selbst, der divus Augustus, in die Reihe der Götter, die einen Bruch des Eides sühnen sollen. Man kann sich leicht vorstellen, dass dieser religiöse Akt für die christliche Gemeinde ein Problem sein konnte. Möglicherweise fiel es zunächst nicht besonders auf, wenn sie daran nicht teilnahm, solange ihre Zahl sehr gering war. Schätzungen gehen davon aus, dass die Gemeinde in Philippi im 1. Jh. n. Chr. nicht mehr als 50 Mitglieder hatte. Das wären nicht einmal 1 Prozent der Gesamtbevölkerung. Erst in den folgenden Jahrhunderten stieg ihre Zahl langsam an (200 n. Chr. ca. 250; 300 n. Chr. ca. 1 000 Mitglieder). Dementsprechend hören wir von großen Christenverfolgungen erst im 3. Jh. n. Chr.

Antike und frühchristliche Baudenkmäler Seit Beginn des 20. Jahrhunderts finden in Philippi systematische Aus­ grabungen statt. Zunächst durch die Franzosen, seit dem 2. Weltkrieg durch griechische Archäologen, die bis heute an der Freilegung der antiken und frühchristlichen Stadt arbeiten. Auch wenn das derzeitige Grabungsfeld nur den zentralen Teil der antiken Stadt abdeckt, so kann man sich doch – mit etwas Fantasie – ein gutes Bild von den damaligen Gegebenheiten machen. Leider ist gerade aus der Zeit des Paulus (Mitte des 1. Jahrhunderts) relativ wenig erhalten. Immerhin – die Grundstruktur der Stadt ist an den Straßenzügen gut erkennbar: Das rechtwinklige System (Hippodamisches System) zog eine ebenso rechtwinklige Anlage von Gebäudekomplexen (insulae) unterschiedlicher Größe nach sich. Die Hauptachse der Stadt war wohl die sogenannte Via Egnatia, die die Stadt von Ost nach West durchzog (decuma­ nus maximus) und die (z. B. direkt am Forum) noch gut erhalten ist. An dieser Hauptachse orientierte sich die Anlage der übrigen Straßen, die dazu entweder parallel (decumani) oder im rechten Winkel verliefen (cardines). Einige sind bereits freigelegt (z. B. die »Handelsstraße« südlich vom Forum), andere werden noch ausgegraben (z B. östlich des Oktogons). Sie waren mit gro­ßen Marmorplatten gepflastert und verfügten selbstverständlich über eine Kanalisation. Begibt man sich auf einen virtuellen Rundgang durch das Philippi des 1. Jahrhunderts, so dürfte neben den Stadtmauern vor allem das Theater das

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Philippi und Neapolis (Kavála) markanteste Bauwerk sein. Dieses hat selbst der Apostel Paulus schon gesehen, als er die Stadt am »Neaopolistor« betrat und weiter in Richtung Zentrum ging. Dort lag das Forum, dessen Anlage in seiner heute erkennbaren Form allerdings auf das 2. Jh. n. Chr. zurückgeht. Südöstlich dieses Platzes, im Bereich des späteren Oktogons (4. Jahrhundert), befand sich ein kleines römisches Bad, in dem auch schon der Apostel hätte Entspannung finden können, wenn er es gewollt hätte. Sicher hat er auch das makedonische Kammergrab aus dem 2. Jh. v. Chr. gesehen, das ein paar Meter weiter lag und mit einem tempelförmigen Gebäude überbaut war. Die übrigen Sehenswürdigkeiten sind alle etwas jünger: So der Handelsmarkt (macellum) und die Sportstätte (Palästra) südlich des Forums, auch die damit in Zusammenhang stehenden Toilettenanlagen, die jedem heutigen Besucher unwiderruflich im Gedächtnis bleiben. Die Zeugen aus christlicher Zeit sind ebenfalls nicht weit: Die Basilika B aus dem 6. Jahrhundert grenzt an die Palästra, das Oktogon und der Bischofspalast (4. Jahrhundert) schließen sich an die Ostseite des Forums an, während die Basilika A (um 500 n. Chr.) oberhalb der modernen Straße liegt. In

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III. Nord-Griechenland (Makedonien)

Die Akropolis von Philippi

Richtung Museum findet man dann noch die dritte Basilika (Basilika C) sowie – noch höher gelegen und etwas versteckt – das Heiligtum der ägyptischen Götter aus römischer Zeit. Insgesamt also ein buntes Gemisch aus unterschiedlichen Zeiten und Epochen, die dem heutigen Besucher alle auf einmal begegnen. Die im Folgenden beschriebenen Sehenswürdigkeiten sind – soweit das möglich ist – nach ihrer Lokalisierung, nicht nach ihrer Entstehung geordnet. Wir beginnen mit den Monumenten, die sich oberhalb der modernen Straße finden.

Die Stadtmauer und die Akropolis Das äußere Erscheinungsbild der Stadt ist von der Akropolis und den Stadtmauern bestimmt, die sowohl den Akropolishügel als auch Teile der Ebene umfassen. Die älteste Bauphase, die Reste des Neapolis-Tores an der Ostseite und auf der Akropolis an gleichförmigen Steinquadern (isodomes Mauerwerk ohne Mörtel) erkennbar ist, geht auf Philipp II. (382–336 v. Chr.) zurück. Ursprünglich war die Befestigung etwa 2,50 Meter breit, wurde aber in byzantinischer Zeit unter Kaiser Iustinian (527– 65 n. Chr.) auf etwa 5 Meter verstärkt und in der Ebene zusätzlich mit einer Vormauer versehen, die allerdings nicht mehr erhalten ist. Es gab mindestens drei Stadttore: das »Neapolis-Tor« im Osten (vgl. Abb.), das »Amphipolis-Tor« im Nord-Westen (auch »Krenides-Tor« genannt) und das »Sumpf-Tor« im Westen. Die Gesamtlänge der Mauer betrug ca. 3,5 Kilometer, die Entfernung von einem gegenüberliegenden Tor zum andern nur etwa einen Kilometer. Das sind im Vergleich zu anderen Städten relativ bescheidene Maße. Die durch die Mauern eingeschlossene Fläche betrug etwa 70 Hektar, wovon ca. 50 Hektar bebaut waren. Auf dieser Fläche lebten – unterschiedlichen Berechnungen zufolge – im 1. /2. Jh. n. Chr. zwischen 5 000 und 10 000 Menschen. Das heute ausgegrabene Areal umfasst nicht einmal ein Viertel davon! Der Aufstieg zur Akropolis ist beschwerlich, aber wegen des fantastischen Ausblickes lohnend. Hinauf führt ein Pfad, der beim Museum beginnt, aber

Philippi und Neapolis (Kavála) nicht leicht zu finden ist. Einfacher ist es, entlang der Mauer oberhalb des Theaters zur Bergspitze zu kraxeln. Auf der Akropolis finden sich Bauphasen aus über 1 000 Jahren Geschichte, u. a. zwei Türme sowie eine Mauererweiterung aus byzantinischer Zeit (10. Jahrhundert).

Das Theater Das Theater wurde unter Ausnutzung des natürlichen Gefälles am Südostabhang des Akropolishügels errichtet (vgl. Abb.). Man wird nicht fehlgehen in der Annahme, dass der Bau noch auf die Initiative Philipps II. zurückgeht und damit in das 4. Jh. v. Chr. gehört. Auf Grund der kontinuierlichen Nutzung bis weit in die römische Zeit hinein erfuhr das Theater mehrere Umbaumaßnahmen. Aus der früheren Periode stammen noch einige Stützmauern an den Zugängen, die aus verschieden hohen Quaderschichten errichtet wurden sowie der kreisrunde Platz (orchestra),

Theater: Orchestra und Zuschauerränge

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III. Nord-Griechenland (Makedonien)

der einen Durchmesser von etwa 21 Metern hatte und auf dem die Schauspieler ihre Aufführungen inszenierten. Ursprünglich war die orchestra auch nicht marmorgepflastert, sondern besaß einen gestampften Lehmboden. Wegen seiner Größe (ca. 5 000 Sitzplätze) zählte das Theater eher zu den kleineren der hellenistischen Antike. Im 2. Jh. n. Chr. wurde es nach und nach der wachsenden Bevölkerungszahl und dem veränderten Geschmack angepasst. Zunächst wurden die oberen Sitzreihen aufgestockt und ein zweistöckiges Bühnengebäude (Skene) errichtet, in dem sich die Umkleidekabinen und Räume für Requisiten befanden. Die orchestra wurde mit heimischen Marmorplatten ausgelegt und durch das Entfernen der unteren Sitzreihen verbreitert. Zusätzlich wurde sie mit einem Schutzgitter umgeben, um Tierhetzen und andere Kampfspiele veranstalten zu können. In einer weiteren Umbauphase wurde das Theater: Stützmauern Bühnengebäude wieder abgetragen und ein unterirdischer Gang angelegt, der vermutlich dazu diente, die Tiere aus den Kellerräumen in die Mitte der orchestra zu treiben. Damit war aus einem griechischen Theater eine römische Arena geworden. Erst die christliche Zeit bereitete diesen grausamen Schauspielen ein Ende. Seit einigen Jahren wird das Theater an verschiedenen Stellen restauriert und rekonstruFelsenheiligtümer oberhalb der Basilika A iert, außerdem finden in den Sommermonaten regelmäßig Freiluftaufführungen statt.

Die Felsenheiligtümer

Inschriften aus dem Felsenheiligtum des Silvanus

Im 1. /2. Jh. n. Chr. wurde am Südabhang des Hügels eine Reihe von Heiligtümern in den Felsen gehauen, die leider nur noch teilweise oder sehr schwierig zugänglich sind. Die früheren Steinbrüche wurden als Basis genutzt und waren ganz verschiedenen Göttern gewidmet. Die

Philippi und Neapolis (Kavála) übrig gebliebenen Zeugnisse sind vor allem in die Felswände eingemeißelte Inschriften und Reliefs. Man muss sich vorstellen, dass ursprünglich noch tempelähnliche Bauten und entsprechende Aufgänge dazu gehörten, die nicht mehr erhalten sind. Geht man vom Theater in Richtung Forum, so kommt man zunächst an zwei Felsheiligtümern vorbei, die etwas oberhalb des Weges liegen und mit einem Zaun abgesperrt sind (vgl. Abb.). Das größere war das Silvanus-Heiligtum, das bereits oben erwähnt wurde. Das kleinere Heiligtum für Artemis (lat. Diana) liegt ganz in der Nähe. Hier finden sich drei Felsreliefs, die die Göttin der Jagd beim Erlegen eines Hirsches zeigen. Ähnliche Darstellungen finden sich auch an anderen Stellen des Akropolishügels. Insgesamt sind etwa 90 Felsreliefs bekannt, was die Bedeutung dieses Kultes unterstreicht. Etwa 150 Meter nordwestlich der Basilika A, etwas oberhalb des Weges zum Museum, liegt auf einer 40 Meter langen und 11 Meter breiten Terrasse das Heiligtum der ägyptischen Götter Isis, Serapis und Harpokrates. Dieser Kult hatte schon in hellenistischer Zeit in vielen Städten des östlichen Mittelmeerraumes Fuß gefasst und war nur den Eingeweihten, den sogenannten Mysten zugänglich. Wann er nach Philippi kam, kann nur vermutet werden. Der in den Fels gehauene Aufgang zum Heiligtum wurde jedenfalls erst im 2./3. Jh. n. Chr. auf Kosten des damaligen Isispriesters Lucius Titonius Suavis angelegt. Das Heiligtum selbst beherbergte eine Reihe von Räumen unterschiedlicher Größe, die zu Versammlungen oder für gemeinsame Kultmahlzeiten genutzt wurden. Das für den Kult benötigte Wasser wurde über eine Leitung aus Tonrohren zugeführt. Das Heiligtum diente vermutlich auch als Stätte der göttlichen Heilung, in der man sich zum »Heilschlaf« niederlegte.

Die Basilika A Kommt man vom Theater, so stößt man oberhalb der Straße direkt auf die Reste einer frühchristlichen Kirche. Da unbekannt ist, wem sie geweiht war, wird sie in Ermangelung einer sinnvolleren Bezeichnung einfach Basilika A genannt – denn es gibt auch noch Basilika B und C. Diese dreischiffige Kirche dürfte um 500 n. Chr. erbaut worden sein und misst –

Basilika A: Säulen des Querschiffes am Altarraum

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Basilika A: Grundriss und Aufriss der Westseite

zusammen mit den Anbauten – kolossale 130 ×50 Meter! Der Kirchenraum selbst ist allerdings kleiner (47 ×27 Meter). Nimmt man den Grundriss zu Hilfe (vgl. Abb.), so wird schnell deutlich, woher die Maße rühren. Der Kirchenbau besteht eigentlich aus drei Teilen, die auf unterschiedlichen Ebenen liegen: Eingangsbereich, Innenhof mit Brunnenanlage (Atrium), die eigentliche Basilika mit Vorraum (Narthex) und Querschiff an der Ostseite. Aber der Reihe nach: Von der Straße kommend (von Süden) führte eine breite Treppe in den großzügigen Eingangsbereich, der als Säulenhof gestaltet war und in dessen Mitte sich ein Wasserbecken befand. Dieser Säulenhof wurde auf den Resten eines heidnischen Tempels errichtet (Datierung ungewiss: 2. Jh. v. Chr. o. 2. Jh. n. Chr.), dessen Fundamente aus großen Marmorblöcken noch zu sehen sind. Von hier aus gelangte man ostwärts durch zwei Türen in die nächst höher gelegene Ebene. Dort lag ein Atrium (40 ×30 Meter) mit einer zweistöckigen Brunnenanlage auf der Westseite, wo sich die Gläubigen reinigten, bevor sie den eigentlichen Kirchenraum betraten. Ein paar Stufen höher steigend gelangte man in den Narthex (Vorraum), wo sich während des Gottesdienstes die noch nicht Getauften aufhielten. Links erreichte man die Frauenempore und den Vorraum des Baptisteriums (Taufraum), in dem sich ein transportables Taufbecken befand, geradeaus führten drei Durchgänge in die Kirche hinein. Das Mittelschiff war durch Säulenreihen von den Seitenschiffen getrennt. Zwischen den Säulen waren Platten angebracht, sodass ein Durchgang zum Mittelschiff nicht möglich war.

Philippi und Neapolis (Kavála) Denn dieses war dem Klerus, d. h. dem Bischof, den Priestern und den Diakonen vorbehalten. Etwa in der Mitte stand eine Art Kanzel (Ambo), die von zwei Seiten betreten werden konnte. Vor dem Altarraum knickten die Säulenreihen im rechten Winkel ab und bildeten dadurch ein Querschiff, sodass sich für den Grundriss der Kirche die Form eines Kreuzes ergab. Der Altarraum selbst war vom Mittelschiff durch eine Schranke abgetrennt und nur den Priestern und Bischöfen zugänglich. Sie saßen auf gemauerten Bänken (Synthronon) in dem eigens für sie vorgesehenen Halbrund, der Apsis, wobei der Bischof den exponierten Platz in der Mitte einnahm (Kathedra). Wann die Basilika A zerstört wurde, ist nicht bekannt. Man nimmt an, dass ihr kein langes Leben beschieden war und sie bereits um 550 n. Chr. nicht mehr benutzt wurde. Diese Annahme lässt sich nicht mit Sicherheit belegen.

Basilika A mit Altarraum im Vordergrund

Das »Gefängnis« des Paulus Sicher dagegen ist, dass nach der Zerstörung der Kirche an der Südecke des Atriums – rechts neben dem Treppenaufgang – über einer römischen Zisterne eine kleine Kapelle errichtet wurde, die man nun anstelle der Basilika nutzte und die sich später zu einer Stätte der Verehrung des Paulus wandelte. Sie enthielt Wandmalereien mit einer Christus-Darstellung und Szenen aus dem Philippi-Abschnitt der Apostelgeschichte, auf denen u. a. die Taufe des Gefängniswärters und seiner Familie zu sehen war. Daraus hatte man geschlossen, dass es sich bei diesem Raum ehemals um das Gefängnis des Paulus handele. Überzeugend ist

Basilika C: Altarraum mit Bodenmosaik

Das sogenannte Gefängnis des Paulus

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) dieser Schluss natürlich nicht. Heute sieht man nur noch einen kleinen, balkenabgestützten Raum, der zur Westseite der Kapelle gehörte (vgl. Abb.).

Die Basilika C

Basilika C, Grundriss

Basilka C von Westen

Forum und Basilika B (im Hintergrund)

Die Basilika C ist die dritte Kirche, die in Philippi im Laufe des 6. Jahrhunderts errichtet wurde. Sie wurde bei den Bauarbeiten zum Museum entdeckt und befindet sich ganz in seiner Nähe. Leider ist das Betreten des Geländes nur mit besonderer Erlaubnis möglich. Die Basilika war dreischiffig angelegt, mit großzügigem Atrium und Vorraum (Narthex) im Westen und mit Querschiff im Osten. Emporen erhoben sich über den Seitenschiffen. Sehenswert ist vor allem die kunstvolle Bodenverzierung des Querschiffes, die an einigen Stellen noch gut erhalten ist. Überaus interessant ist der Fund von farbigen Gläsern, die sich in den Fenstern der Apsis befanden. Man kannte zu dieser Zeit also schon Fensterglas! Die Sitzbank für den Klerus (Synthronon) war nicht umlaufend gemauert, sondern seitlich angebracht. Auch hier war der Altarraum durch eine Schrankenanlage (Templon) vom Mittelschiff abgetrennt, an der sich auf der rechten Seite ein kleiner Ambo befand, der wohl nur vom Bischof benutzte wurde. Ein zweiter, größerer Ambo stand im Mittelschiff (heute im Byzantinischen Museum Thessaloniki). Später wurden nördlich des Narthex noch einige Anbauten mit Baptisterium, Lagerräumen und einem Versammlungssaal hinzugefügt. Nach dem erdbebenbedingten Einsturz der Kirche im 7. Jahrhundert wurde der Narthex bis ins 12. Jahrhundert hinein als Begräbnisstätte genutzt.

Philippi und Neapolis (Kavála) Das Forum Zentrum der römischen Kolonie und Mittelpunkt des archäologischen Geländes ist das Forum (»Marktplatz«), ein etwa 70 ×145 Meter großer Komplex, der sich unterhalb der modernen Straße zwischen der antiken Trasse der sogenannten Via Egnatia und der »Handels-Straße« erstreckte. In den Pflastersteinen dieser Straßen sind noch die Furchen zu erkennen, die hier fahrende Wagen und Karren hinterlassen haben. Das Forum wurde Mitte des 1. Jh. n. Chr. – also zur Zeit des Paulus – über den Resten älterer Bauten angelegt und im 2. Jahrhundert großzügig ausgebaut. Es war ein Komplex unterschiedlicher Gebäude, die sich nach einheitlichem Plan um einen zentralen, marmorgepflasterten Platz (50 ×100 Meter)

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gruppierten, der nur im Norden von der sogenannten Via Egnatia aus und im Südosten durch relativ schmale Eingänge (nur für Fußgänger) zugänglich war. An seinen Flanken befanden sich Säulenhallen (Stoën)*, hinter denen unterschiedliche Räume lagen; nur die Nordseite zur Via Egnatia war anders gestaltet. Hier lagen in der Mitte eine Rednerbühne (Bema) mit Geländer, rechts und links davon jeweils eine über Forum, Südstoa 20 Meter lange Brunnenanlage sowie andere Monumente. Auf der Ostseite befand sich der Tempel für den Kaiserkult sowie eine Reihe von Räumen, die in Zusammenhang mit der städtischen Bibliothek standen. Hinter der Stoa auf der Südseite lagen – auf einer etwas tieferen Ebene – über 20 Laden­lokale und Werkstätten, deren Front nach Süden zur Handelsstraße gerichtet war. Ähnlich war im Übrigen auch die Agora in Thessaloniki angelegt. Die Westseite des Forums wird von drei Gebäuden bestimmt. Im Süden – mit quadratischem Grundriss – das städtische Archiv (tabularium), in dem die offiziellen Schriftstücke, wie Korrespondenzen mit dem Statthalter bzw. dem Kaiser sowie die für den Handel in Philippi geeichten Gewichts-, Längenund Hohlmaße, aufbewahrt wurden. Interessant ist der Fund eines marmornen Tisches mit fünf halbkugelförmigen Mulden unterschiedlicher Größe, die zur Festlegung von Flüssigkeitsmaßen dienten. Im Norden lag ein Gebäude mit einer viersäuligen Vorhalle, das entweder als Tempel oder als Rathaus (curia) gedeutet wird. Dazwischen lag die Basilika, ein langgestrecktes Gebäude mit mehreren Räumen, das etwa in der Mitte eine nach Westen gerichtete Apsis aufwies. Falls die Deutung des nördlichen Gebäudes als Rathaus richtig ist, wäre das der Ort gewesen, an dem Paulus und Silas den städtischen Beamten vorgeführt wurden (vgl. Apg 16, 20 a). Diese hatten nämlich hier an der Westseite des Forums ihre Amtsräume. Das Forum wurde um 500 n. Chr. durch ein Erdbeben stark in Mitleidenschaft gezogen, aber wieder notdürftig restauriert. Im 7. Jahrhundert wurde es * Eine Stoa (lat. porticus) ist eine Halle, die an einer Seite von einer Säulenreihe (anstelle einer Wand) getragen wird. Auf diese Weise entsteht ein luftiger, halboffener Raum, der dennoch Schutz gegen Sonne und Regen bietet.

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Philippi und Neapolis (Kavála) mit kleinen Wohnhäusern überbaut, in denen die Landbevölkerung, die außerhalb der Stadtmauern wohnte und unter den Einfällen fremder Heere schwer zu leiden hatte, nun sichere Unterkunft fand.

Der Handelsmarkt (macellum) Südlich des Forums, jenseits der Handelsstraße, sind die Reste des antiken Handelsmarktes erhalten (2. Jh. n. Chr.). Viel ist nicht mehr zu sehen. Denn der größte Teil wurde Mitte des 6. Jahrhunderts von der Basilika B überbaut. Die Grundmauern weisen auf eine Anzahl von Ladenlokalen hin, die um einen Säulenhof angeordnet waren. Der ganze Komplex war etwa 25 ×60 Meter groß und verfügte im Norden über eine Vorhalle mit Säulenfront, die auf die gegenüberliegenden Geschäfte des Forums gerichtet war und den Zugang zum Markt bildete (vgl. Abb.). Erhalten geblieben ist auch ein in den Boden geritztes Würfelspiel. Es zeigt, dass dieser Ort nicht nur zum Kaufen und Verkaufen genutzt wurde, sondern auch als gesellschaftlicher Treffpunkt. Solche Spiele sind auch an anderen Stellen des Forums zu finden (vgl. Abb.).

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Grundrisse von Handelsmarkt, Basilika B und Palästra

Die Basilika B Zu den Highlights des archäologischen Parks von Philippi gehört zweifelsohne die Basilika B. War vor Beginn der Grabungsperiode vom antiken Philippi nicht viel sichtbar, so doch die Ruinen dieser imposanten Basilika, die in beachtlicher Höhe erhalten sind. Der um 550 n. Chr. errichtete Kuppelbau hat einen Grundriss von 62 ×47 Metern und

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In Stein geritztes Brettspiel

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wurde über ein Eingangsportal betreten. Der Torbogen sowie die Wand, die Narthex und Kirchenraum von einander trennt, sind noch gut erhalten und weisen durch die Art des Mauerwerkes mit Naturstein- und Ziegelschichten auf die Ära des Kaisers Justinian I. (527–65 n. Chr.). An der Südseite des Narthex befand sich eine Treppe, die hinauf zu den Emporen führte. Der Kirchenraum selbst wurde durch jeweils sechs Säulen mit sehenswerten Kapitellen in drei Schiffe sowie einen dazu quer laufenden Altarraum unterteilt, wobei das Mittelschiff einen beinahe quadratischen Grundriss aufweist und mit einer Kuppel überspannt war. Die vier massigen, aus unterschiedlich großen Steinblöcken gefertigten Stützpfeiler, auf denen die Kuppel ruhte, sind noch gut erhalten. Der Altarraum, der vom Querschiff durch eine Schrankenanlage abgeteilt war, von der die Sockel noch gut erhalten sind, war ebenfalls von einer zentralen Kuppel bedeckt. Rechts und links des Kirchenraumes wurden jeweils Nebenräume mit nach Osten gerichteter Apsis angebaut, die als Taufraum (BaptisBasilika B, Westseite des Kirchenschiffs mit später angebauter Apsis terium) sowie zur Aufbewahrung liturgischer Gegenstände genutzt wurden (Diakonikon). Vom Bautypus her ähnelt die Kirche der Hagia Sophia von Konstantinopel. Mit ihr teilt sie auch das Schicksal, denn die Statik des Kuppelbaus sollte sich als wenig haltbar erweisen. Schon nach wenigen Jahren stürzten die Kuppeln ein und wurden nicht wieder hergestellt. Im 8./9. Jahrhundert, als große Basiliken auf Grund des Einwohnerschwundes in Philippi nicht mehr unterhalten werden konnten, wurde – wie noch gut zu sehen – hinter dem Torbogen, der in den Kirchenraum führte, eine Apsis errichtet, sodass zusammen mit dem Narthex eine kleine Kirche entstand, die zu gottesdienstlichen Zwecken genutzt werden konnte. Grundriss und Aufriss der Basilika B

Philippi und Neapolis (Kavála) Die Palästra und die Latrinen Direkt neben dem Eingangsbereich der Basilika B – aber auf niedrigerem Niveau – kamen Reste eines Übungsplatz für Ringkämpfer (Palästra) aus dem 2. Jh. n. Chr. ans Licht. Diese Palästra war ein rechteckiger Komplex (ca. 60 ×80 Meter), in dessen Mitte ein Säulenhof lag, der als Sportplatz genutzt wurde. Darum gruppierten sich allerlei Räume sowie an der Ostseite – etwa da, wo sich das Eingangsportal zur Basilika B befand – ein kleines Odeion, ein geschlossener Theaterbau mit sieben Sitzreihen. Der am besten erhaltene Bereich der Palästra ist die ein paar Meter weiter gelegene Toilettenanlage. Sie bot 42 Personen die Möglichkeit, ihr »Geschäft« gleichzeitig zu verrichten. Es handelt sich um einen langgestreckten Raum (14 ×5,5 Meter), in dem eine über drei Seiten umlaufende, steinerne Bank angebracht war, in die in regelmäßigen Abständen Öffnungen in Form eines Schlüssellochs eingelassen waren (vgl. Abb.). Unter der Sitzbank verlief ein Kanal, in dem ständig Wasser floss, das die Exkremente in die Kanalisation transportierte. Toilettenpapier war unbekannt. Stattdessen benutzte man ein Stäbchen mit Watte, das man in die Wasserrille vor der Sitzbank tunkte, und reinigte sich auf diese Weise.

Latrinen in der Palästra

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) Der Oktogon-Komplex

Der östlich des Forums gelegene, über einen Hektar große Komplex, der durch eine Dachkonstruktion vor der Witterung geschützt wurde, umfasste neben der achteckigen Metropolitankirche (Oktogon) mit Baptisterium und Gästehaus auch die zweistöckige Bischofsresidenz (Episkopie) sowie ein öffentliches Bad. Den historischen Kern des Gebäudes bildete ein makedonisches Kammergrab mit Tonnengewölbe (2. Jh. v. Chr.), in dem vermutlich eine wichtige Persönlichkeit des antiken Philippi verehrt wur#BE de. Denn die Überreste der gewöhnlichen Menschen wurden auf den Friedhöfen außerhalb der Stadt entlang der Via Egnatia bestattet. In der Mitte des Kammergrabes fand man einen steinernen Sarg (Kistengrab) mit wertvollen Schmuckgegenständen. Auf seinem Deckel ,BNNFSHSBC stand die Aufschrift: »Euephenes, Sohn des 0LUPHPO Exekestos« (ΕΥΗΦΕΝΗΣ ΣΞΗΚΕΣΤΟΥ). Eine Person gleichen Namens ist als Mitglied der Mysterienkulte auf der Insel Samothrake Oktogon-Komplex, Grundriss bekannt. Das Bemerkenswerte ist nun, dass dieses Heroengrab in christlicher Zeit nicht zerstört, sondern in den neuen Komplex miteinbezogen wurde. Möglicherweise wurde dieses Grab christlich umgewidmet, indem die Verehrung des Heroen durch die Verehrung eines christlichen Heiligen, vielleicht sogar des Apostels Paulus selbst, abgelöst wurde. Das wird spätestens um 340 n. Chr. gewesen sein. Denn dann wurde eine Basilika (ca. 25 ×10 Meter) gebaut, die von Bischof Porphyrius (312– 343 n. Chr.) als Paulus-Kirche geweiht wurde. Damit ist sie die älteste Kirche Philippis und überhaupt eine der ältesten im gesamten südlichen Europa. Oktogon, Makedonisches Kammergrab Um 400 n. Chr. wurde diese Basilika von (Aufriss und Schnitt) einem größeren Bau abgelöst, der im Laufe der

Philippi und Neapolis (Kavála) Zeit eine Reihe von An- und Umbauten erfuhr, die schließlich den heute sichtbaren Gebäudekomplex bilden. Das Oktogon selbst, das von seiner Form her einzigartig im griechischen Raum ist, hat außen einen nahezu quadratischen (ca. 30 ×28 Meter) und innen einen achteckigen Grundriss, aus dem im Osten eine Apsis heraustritt. In seiner Mitte befand sich eine Säulenstellung, die der achteckigen Form nachempfunden, aber nach Oktogon-Komplex, Taufbecken Osten zum Chorraum hin geöffnet war, wo die Schranke sowie einer der beiden Ambonen und der Altar standen. Die Säulen stützten die darüberliegende Empore sowie die Kuppel. Ungewöhnlich war auch die Anlage des Vorraumes (Narthex) im Westen der Kirche, durch den man das Oktogon betrat. Dieser war ein rechteckiger Raum, der vom Grundriss einige Meter über die Kirche hinausschoss. Das halbkreisförmige Eingangsportal zur Kirche lag im Südwesten zur Straße hin, direkt gegenüber dem Atrium des Gästehauses. Das Baptisterium, das sich weiter nördlich anschloss, zeigt, wie sehr sich die frühchristliche Taufpraxis von der heutigen unterschied. Das Baptisterium bestand aus fünf verschiedenen Räumen, die man nur über eine Brunnen­ anlage erreichen konnte. Zunächst gelangte man in den Umkleideraum, dann in den Unterrichtsraum, in dem die Katechumenen den Taufunterricht erfuhren und wo auch die Salbung mit Exorzismus-Öl vorgenommen wurde. Diese stand im Zusammenhang mit der Absage an den Teufel vor dem Taufakt (präbaptismale Salbung). Dann folgte der eigentliche Taufraum, das Baptisterium, mit gemauertem Becken in Form eines gleichschenkligen Kreuzes, in das die Täuflinge hinabstiegen. Das Wasser kam über eine Bleileitung aus der Zisterne des nahegelegenen Bades und dürfte erwärmt gewesen sein. Nach der Taufe begaben sich die Getauften in einen weiteren Raum, in dem sie noch einmal gesalbt (postbaptismale Salbung) und schließlich angekleidet wurden.

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) Ein öffentliches Bad (balneum) Zwischen Oktogon und Via Egnatia lag eines der öffentlichen Bäder, das von seiner Anlage her in der Tradition der Bäder von Pompeji steht. Errichtet wurde es bereits unter Kaiser Augustus (31 v. Chr.–14 n. Chr.) und gehört daher zu den ältesten erhaltenen Gebäuden der römischen Kolonie Philippi. Römische Bäder haben wenig mit modernen Schwimmbädern zu tun, eher schon mit Hallenbädern und Saunen. Der Eingang dieses Bades lag zur sogenannten Via Egnatia. Kam man von dort, so stand man schon bald vor der Kasse, an der Eintritt zu entrichten war. Die Umkleideräume, Toiletten und Duschen waren um einen Innenhof angeordnet, der zu gymnastischen Übungen genutzt wurde. Die eigentlichen Baderäume – ein Kaltraum mit großem Wasserbecken (frigidarium), ein Warmraum (tepidarium) und ein Schwitzbad (caldarium) waren im hinteren Teil des Gebäudes platziert

Oktogon-Komplex, öffentliches Bad (Rekonstruktion: I. A. Kiagias)

Philippi und Neapolis (Kavála)

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(vgl. Abb.). Dort befand sich auch die Heizungsanlage (praefurnium), die die Fußböden und Wände mit Heißluft erwärmte. In frühchristlicher Zeit wurde das Bad umgebaut, sodass nun Männer und Frauen in eigenen Bereichen gleichzeitig baden konnten, was zuvor nicht der Fall war. Parallel dazu wurde das Bad in den Oktogon-Komplex einbezogen und ging damit wohl in den Besitz der Kirche über.

Weitere Monumente Es gibt auf dem weitläufigen archäologischen Gelände und im Umfeld von Philippi noch eine Reihe weiterer sehenswerter Monumente, die zu beschreiben hier der Platz nicht ausreicht. So das »Haus mit Bad« (3. Jh. n. Chr.), etwa 150 Meter südwestlich der Palästra, mit einem kunstvollen Bodenmosaik, oder im Dorf Krenides die Friedhofsbasilika aus dem 4. Jh. n. Chr. (Basilika extra muros). Ebenfalls in Krenides befinden sich das Monument des römischen Offiziers Gaius Vibius Quartus und noch so einige andere Funde von den Friedhöfen östlich und westlich von Philippi. Auch von den laufenden Grabungsaktivitäten, die sich auf das Gebiet östlich des Oktogonkomplexes erstrecken, ist einiges an neuen Funden zutage gefördert worden (neue Straßenzüge und Taufkapelle der Lydia im gleichnamigen Dorf Wohnviertel) und für die Zukunft Weiteres zu erwarten.

Die Taufkapelle der Lydia und die Taufstelle Am Eingang des Dorfes Lydia, etwa einen Kilometer von der Ausgrabungsstelle entfernt, befindet sich auf dem Gelände des antiken Friedhofes (Westnekropole) am Flüsschen Zigakti eine Taufstelle sowie eine Taufkapelle zum Andenken an die erste Christin Europas (vgl. Abb.). Beide wurden 1974 fertig gestellt und

Taufstelle am Fluss

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III. Nord-Griechenland (Makedonien)

werden seitdem von Christen aus aller Welt besucht. Jedes Jahr am 20. Mai wird in der Kapelle ein von Mönchen des Athos entworfener Gottes­dienst zu Ehren der Lydia gefeiert, die der griechisch-orthodoxen Kirche seit 1972 als den Aposteln gleichgestellt gilt (Iso-Apostel). Im Umfeld dieser Feierlichkeiten werden nach urchristlichem Vorbild auch Taufen im Freien vorgenommen. Allerdings darf bezweifelt werden, dass dieses auch die Stelle ist, wo Lydia von Paulus getauft wurde. Denn nach Auskunft der Apostel­geschichte befand sich an diesem Ort die jüdische Gebetsstätte. Diese wiederum wird wegen des jüdischen ReinPaulus-Darstellung im Eingangsbereich der Taufkapelle heitsverständnisses kaum in der Nähe eines heidnischen Friedhofs gelegen haben. Daher ist die Taufstelle eher ein paar Hundert Meter weiter in Richtung Grabungsgelände in der Nähe des 3. oder 4. Stadttores zu suchen. Die Taufkapelle selbst ist von ihrer architektonischen Anlage her der frühchristlichen Tauftradition nachempfunden und hat neben dem eigentlichen Taufraum (Baptisterium) auch Räume zur Taufvorbereitung. Den Besucher empfängt der Vorraum mit einer Darstellung des Apostels Paulus auf der rechten Seite, der kurioserweise ein Modell der Taufkapelle in der Hand hält (vgl. Abb.), während auf der linken Seite die »heilige Lydia« abgebildet ist. Das Baptisterium selbst liegt etwas höher und besteht aus einem achteckigen, marmornen Taufbad (lat. piscina), das in den Boden eingelassen wurde und in das vier Stufen hinunterführen. Dort steht – moderner Tradition folgend – ein Taufstein (vgl. Abb.). Das Taufbad ist von einer Säulenstellung gerahmt, über der sich eine Kuppel erhebt. Sehenswert sind auch die bunten Bleiglasfenster der Kapelle, die von einer Athener Künstlerin nach byzantinischem Vorbild gefertigt wurden und auf denen einige Apostel und Heilige abgebildet sind.

Philippi und Neapolis (Kavála)

Taufkapelle der Lydia, Baptisterium im Innenraum

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) Amphipolis und Apollonia

Die Ebene von Apollonia mit Volvi-See und Gebirge im Hintergrund

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Amphipolis und Appollonia Paulus auf dem Weg durch Amphipolis und Apollonia Nach dem, was wir in der Apostelgeschichte lesen, war der Weg des Apostels kein Weg nach, sondern nur ein Weg durch Amphipolis und Apollonia. Denn nachdem er Philippi verlassen hatte, war das nächste Ziel die Provinzhauptstadt Thessaloniki. Lukas schreibt daher kurz und prägnant: »Nachdem sie aber durch Amphipolis und Apollonia gereist waren, kamen sie nach Thessa­ lonich« (Apg 17, 1 a). Also kein Wort darüber, dass Paulus und seine Begleiter überhaupt in diesen beiden Städten Station gemacht hätten. Trotzdem ist das anzunehmen. Denn die Entfernung von Philippi nach Thessaloniki betrug immerhin etwas mehr als 150 Kilometer, und die Route über die Via Egnatia war ohne Alternative (vgl. Abb.). Selbst ohne großen Aufenthalt dürften die Missionare mindestens 4–5 Tage zu Fuß unterwegs gewesen sein. Man wird also annehmen dürfen, dass Amphipolis und Apollonia für Paulus zumindest Durchgangs- bzw. Übernachtungsstationen (mansiones) gewesen sind.

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Die Via Egnatia von Philippi nach Thessaloniki

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) Das mag insbesondere bei Amphipolis verwundern. Denn immerhin war diese Stadt eine der bedeutendsten in Makedonien, auf jeden Fall erheblich größer als Philippi, und immerhin Hauptstadt des ersten makedonischen Bezirkes, wozu auch Philippi gehörte. Daher verwundert es umso mehr, dass Paulus nach den Angaben der Apostelgeschichte hier nicht länger verweilte. Lag es am griechischen Charakter der Stadt? Wollte er nur römische Kolonien wie Philippi und Provinzhauptstädte wie Thessaloniki besuchen, um für das Fernziel Rom gerüstet zu sein? Oder gab es dort keine jüdische Gemeinde, so dass einfach der missionarische Anknüpfungspunkt fehlte? Und was ist mit Apollonia? War diese Stadt zu unbedeutend? Letztlich sind diese Fragen nicht zu beantworten, und wir müssen akzeptieren, dass Paulus sich – nach dem, was wir wissen – in diesen Städten nicht länger aufgehalten hat, obwohl sie gewiss einiges zu bieten hatten, wie die Ausgrabungen zeigen. Die erste Etappe von Philippi nach Amphipolis (ca. 60 km) dürfte der Apostel in ungefähr zwei Tagen zurückgelegt haben. Sie führte nördlich um das Pangaiongebirge herum und dann in das Tal des Flusses Strymon, wo Amphipolis lag.

Amphipolis – Geschichtliches Amphipolis lag ein paar Kilometer vom Meer entfernt flussaufwärts und von je her strategisch günstig an wichtigen Verkehrsrouten. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die erste Besiedlung der Gegend weit in prähistorische Zeit zurückreicht. Im 6. Jh. v. Chr. gründeten Thraker oberhalb des Flusses Strymon auf einem Plateau, das an drei Seiten vom Wasser umgeben war, eine Stadt und nannten sie »Neun Straßen« (Ennea Hodoi). Die Einwohner kontrollierten das Flusstal und damit die Route von Makedonien nach Thrakien, die hier den Fluss überquerte. Der größte Reichtum der Gegend waren aber die Goldvorkommen im nahen Pangaiongebirge. Im Jahre 437 v. Chr. wurde die Stadt von den Athenern erobert und in Amphipolis (»Stadt am Umlauf«) umbenannt. Neue Siedler aus Griechenland wurden ansässig und brachten die Stadt zur Blüte. Gleichzeitig wurde eine große Mauer um die Stadt errichtet. Ein paar Jahre später im Peloponnesischen Krieg (424 v. Chr.) wurde Amphipolis von den Spartanern erobert. Der spätere Historiker Thukydides war

Amphipolis und Appollonia damals von den Athenern damit beauftragt, Amphipolis zu Hilfe zu eilen. Aber er kam zu spät. Dafür wurde er verbannt und schrieb im Exil seine berühmte »Geschichte des Peloponnesischen Krieges«. 422 v. Chr. fielen ganz in der Nähe der Stadt sowohl der spartanische General Brasidas als auch der Feldherr der Athener namens Kleon. Im Übrigen kämpfte auch der Philosoph Sokrates hier. Nach dem Ende des Peloponnesischen Krieges blieb Amphipolis nominell eine Kolonie Athens, agierte aber faktisch völlig unabhängig, bis der makedonische König Philipp II. die Stadt im Jahre 357 v. Chr. seinem Reich einverleibte. Mit einer makedonischen Besatzung ausgestattet und von einem königlichen Beamten kontrolliert, brachte Amphipolis in der Folgezeit eine Reihe namhafter Feldherrn hervor, die im Dienste Alexanders d. Gr. standen. Alexander scheint große Sympathien für die Stadt gehabt zu haben, plante er doch, für die unglaubliche Summe von 1 500 Talenten Silber (ca. 37 Tonnen) einen neuen Tempel für die Göttin Artemis zu bauen. Dazu kam es nicht mehr. Aber seine Frau Roxane lebte auch nach dem Tode Alexanders (323 v. Chr.) in der Stadt, in der von nun an die makedonischen Könige häufiger residieren sollten. Allein dieses ist Zeichen genug für die Bedeutung der Stadt in der damaligen Epoche. Nicht zu vergessen ist auch, dass viele der offiziellen makedonischen Münzen in Amphipolis geprägt wurden. Als die Römer das makedonische Königreich zerschlugen (168 v. Chr.), war Amphipolis zunächst für kurze Zeit Amtssitz des siegreichen römischen

Makedonische Tetradrachme aus der Anfangszeit der römischen Herrschaft (nach 168 v. Chr.)

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III. Nord-Griechenland (Makedonien)

Amphipolis, antikes Löwen-Denkmal (Rekonstruktion)

»Der Löwe von Amphipolis« heute

Teil der Stadtmauer von Amphipolis mit verschüttetem Tor (5. Jh. v. Chr.)

Feldherrn Aemilius Paullus, der von hier aus die neue Ordnung für Makedonien proklamierte. So wurde Amphipolis Hauptstadt des ersten makedonischen Bezirkes (Macedonia prima), des Gebietes zwischen den Flüssen Nestos und Strymon, und alsbald an die neue Römerstraße, die Via Egnatia, angeschlossen. Im Krieg gegen Mithridates von Pontus erobert (86 v. Chr.), diente Amphipolis im 1. Jh. v. Chr. unterschiedlichen Feldherrn als militärische Basis. So flüchtete sich im Jahre 48 v. Chr. Pompeius der Große nach seiner Nieder­lage bei Pharsalos (48 v. Chr.) hierher, um neue Kräfte gegen Caesar zu sammeln. Und im Jahre 42 v. Chr. wurde die Stadt von Marcus Antonius und Gaius Octavianus als Stützpunkt genutzt, und wieder etwas später (31 v. Chr.) sollte Marcus Antonius seine Flotte für die bevorstehende Seeschlacht bei Aktium hier konzentrieren. Nach der Schlacht bei Philippi zur »freien Stadt« (civitas libera) erklärt, behielt Amphipolis auch in römischer Zeit eine gewisse Autonomie in Fragen der inneren Organisation und erlebte in den ersten drei nachchrist­ lichen Jahrhunderten eine erneute wirtschaftliche Blüte. Zwar kam auch der Apostel Paulus Mitte des 1. Jh. n. Chr. auf seinem Weg nach Thessaloniki hier vorbei, doch hören wir von keiner Gemeindegründung. Immerhin muss Amphipolis in frühchristlicher Zeit eine große Bedeutung gehabt haben, denn schon Ende des 3. Jh. n. Chr. ist die Stadt als Sitz eines Bischofs erwähnt, der unter Kaiser Diokle­tian (284–305) den Märtyrertod erlitt. Außerdem kamen bei Ausgrabungen nicht weniger als fünf Basiliken zum

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Amphipolis und Appollonia 4 NPO

Antike Baudenkmäler

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Vorschein, die in das 5. /6. Jahrhundert datiert werden. Hundert Jahre später setzte der Niedergang der Stadt ein, der offenbar mit den Slaveneinfällen in Zusammenhang stand. Erst in spätbyzantinischer Zeit (13. /14. Jahrhundert) wissen wir von einer erneuten Besiedlung.

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In der Nähe der modernen Ortschaft gleichen ,BNNFSHSÊCFS Namens liegt zwischen Wiesen und Feldern ,BWBMB das weitläufige Grabungsgelände des anti4UBEUNBVFS -¹XFO%FOLNBM ken Amphipolis. Bevor man dieses erreicht, /JHSJUB passiert man – von der Küstenstraße kommend – den Löwen von Amphipolis, der quasi ] ]N das Wahrzeichen der archäologischen Stätte 5FTTBMPOJLJ von Amphipolis darstellt (vgl. Abb.). Diese fünf Amphipolis, Übersichtskarte Meter hohe Löwenfigur wurde 1937 restauriert und hier aufgestellt, nachdem man die bereits im 1. Weltkrieg verstreut gefundenen Teile wieder zusammengesetzt hatte. Ursprünglich war der Löwe Teil eines größeren Kriegerdenkmals oder – einer anderen Meinung zufolge – eines Grabmals für einen aus Amphipolis stammenden General Alexanders des Großen und wird deshalb in das 4. Jh. v. Chr. datiert. SZ

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PO

Die Stadtmauer und die Strymon-Brücke Die antike Stadt war bereits von den Athenern mit einer über 7 Kilometer langen Mauer befestigt worden. Das sind relativ üppige Dimensionen, wenn man bedenkt, dass die Mauer von Philippi nur halb so lang war. Daher dürfte der Schluss nicht falsch sein, dass Amphipolis auch von der Zahl der Einwohner her doppelt so groß wie Philippi war. Ein zweiter, etwa 2 Kilometer langer Befestigungsring bildete einen inneren Bereich und umfasste nur das dicht bebaute Gebiet im Stadtzentrum, während die »Lange Mauer« auch die nähere Umgebung mit einschloss (vgl. Abb.). Teile dieser aus klassischer Zeit (5. /4. Jh. v. Chr.) stammenden Befestigung sind zusammen mit späteren Ausbesserungen und Verstärkungen an vielen Stellen noch gut erhalten. In einigen Abschnitten steht die Mauer noch mit einer Höhe von bis zu 7 Metern! Interessant sind die zahlreichen in die Mauer wie Schießscharten eingelassenen Aussparungen, durch die

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) das Regenwasser nach außen abfließen kann, ohne das Mauerwerk zu beschädigen. Fünf Stadttore aus klassischer und römischer Zeit sind bislang bekannt. Vermutlich wird Paulus durch das im Süden gelegene Tor die Stadt betreten haben, als er von der Via Egnatia kam. Nordwestlich der Stadt hat man den aus über 2 000 Pfählen bestehenden Unterbau einer Brücke über den Strymon freigelegt, der heute durch eine Dachkonstruktion vor dem Verfall geschützt wird. Die Brücke wurde um 500 v. Chr. errichtet und war etwa 5 Meter breit. Sie spielte im Zusammenhang mit der Schlacht zwischen den Spartanern und den Athenern im Jahre 422 v. Chr. eine Rolle (Thukydides IV 103. 108).

Das Gymnasium Zu den wenigen öffentliche Bauten, die bislang durch Grabungen freigelegt wurden, gehört das Gymnasium, das seit dem 4. Jh. v. Chr. bis in die Mitte des 1. Jh. n. Chr. in Benutzung stand. Zwischenzeitlich durch Brand zerstört (1. Jh. v. Chr.), wurde es in der frühen Kaiserzeit wieder instand gesetzt, damit die männliche Jugend der Stadt durch sportliche Übungen Disziplin und Ausdauer erlernte. Über die pädagogischen Grundlagen und Regeln für die sportliche Betätigung informierte eine Inschrift (Gymnasiarchengesetz), die sich heute im Museum von Amphipolis befindet. Das rechteckige Bauwerk (ca. 45 ×35 Meter) besaß an der Ostseite einen fast 9 Meter breiten monumentalen Treppenaufgang und war um einen zentralen Innenhof (ca. 20 ×15 Meter) angeordnet, der für Sport und Spiel diente und mit Säulenhallen (Stoen) umgeben war. Dahinter lagen diverse Räume und auch Bäder, die nach der körperlichen Anstrengung zur Entspannung genutzt wurden. In unmittelbarer Nähe des Gymnasiums wird im Übrigen auch das Theater der Stadt vermutet.

Die Heiligtümer An verschiedenen Stellen des weitläufigen Grabungsgeländes wurden Heiligtümer entdeckt. So etwa für die ägyptischen Götter, für die kleinasiatischen Gottheiten Kybele und Attis, für die Göttin Demeter sowie ein kleines Heiligtum für eine Muse namens Klio. Die Musen galten als Töchter des Zeus und waren Göttinnen des Gesangs und der Dichtung.

Amphipolis und Appollonia

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Andere Heiligtümer konnten noch nicht lokalisiert werden, sind aber aus Inschriften und ­literarischen Angaben bekannt. Besondere Verehrung genossen offenbar die Göttin Artemis, der Alexander der Große einen monumentalen Tempel errichten wollte sowie der Flussgott Strymon. Beide sind auch auf zahlreichen Münzen der Stadt Amphipolis abgebildet.

Die Friedhöfe Einige hundert Gräber unterschiedlicher Art – darunter auch makedonische Kammergräber – sind bislang östlich der Stadt entdeckt worden, in denen sich z. T. außerordentlich wertvolle Schmuckgegenstände befanden, die heute in den Museen von Amphipolis bzw. Kavála ausgestellt sind.

Die frühchristlichen Basiliken Bislang sind nicht weniger als fünf frühchristliche Kirchen ans Licht gekommen, wovon eine – der sogenannte Zentralbau – durch ihren ungewöhnlichen Grundriss besondere Beachtung gefunden hat. Während der Eingangsbereich durch einen beinahe quadratisch angelegten Säulenhof gebildet wurde, an dessen Seiten sich Anbauten fanden, hatte der Kirchenraum selbst einen ovalen Grundriss. Dieses Oval wiederum wurde durch eine sechseckige Säulenstellung in ein Haupt- und ein Nebenschiff unterteilt, wobei die östliche Seite zu einer halbrunden Apsis hin geöffnet war. Innerhalb dieser Säulenstellung befand sich der Ambo (Kanzel), der von zwei Seiten

Amphipolis, Grundrisse der Basiliken A – D (oben) sowie des »Zentralbaus« (unten)

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) bestiegen werden konnte. Die Errichtung dieser ungewöhnlichen Kirche wird auf ca. 500 n. Chr. datiert. Drei der anderen Kirchen (Basilika A, B und D) sind klassische Basiliken mit Atrium und Narthex im Westen sowie dreischiffigem Kirchen­raum mit halbrunder Apsis im Osten. Nur die Basilika C weicht mit einem größeren, quadratischen Anbau an der Südseite von diesem Grundriss ab.

Apollonia Die zweite Station auf dem Weg von Philippi nach Thessaloniki war laut Apostelgeschichte 17, 1 a Apollonia. Diese Stadt lag ca. 45 Kilometer westlich von Amphipolis und war damit etwa einen Tagesmarsch entfernt (vgl. Livius 45, 28).

Apollonia, Straßenschild des heutigen Ortes

Amphipolis und Appollonia Die Trasse der Via Egnatia folgte dabei in etwa der der heutigen Fernstraße von Kavála nach Thessaloniki, verlief also zunächst am Meer und dann an der Südseite des Volvisees entlang, wo auch Apollonia lag. Die exakte Lokalisierung der antiken Stadt war lange Zeit umstritten. Sicher war nur, dass sie irgendwo in der Gegend der heutigen Dörfern Apollonia und Nea Apollonia gesucht werden musste. Im Jahr 2000 entdeckte ein Bauer bei Arbeiten auf seinem Feld zufällig einen Kranz aus goldenen Efeublättern, der offenbar aus einer Grabanlage stammte und den er sofort den Behörden meldete. Daraufhin fanden östlich von Nea Apollonia mehrere Ausgrabungen statt, die zunächst Gräber aus dem 4. Jh. v. Chr. sowie einige Abschnitte der antiken Stadtmauer ans Licht brachten. Die Gesamtlänge der Befestigungsanlage, die aus gro­ßen Kalksteinblöcken bestand und eine Dicke von etwa 2,20 Metern aufwies, wurde auf ca. 3 Kilometer berechnet. Damit ist sie ein eindrucksvolles Zeugnis für die Größe und Bedeutung der antiken Stadt Apollonia. Von der Stadt selbst ist nicht viel bekannt: Wohl von Perdikkas II. im 5. Jh. v. Chr. gegründet, erhielt sie ihren Namen zu Ehren des Gottes Apollon und konkurrierte schon bald mit dem im Süden der Halbinsel Chalkidiki gelegenen Olynthos. Für das Heer Alexanders des Großen stellte Apollonia eine Kavallerieeinheit, unter Philipp V. (238–179 v. Chr.) besaß die Stadt das Münzprägerecht und am Ende des 3. römisch-makedonischen Krieges (168 v. Chr.) verhandelte hier der siegreiche römische Feldherr Aemilius Paullus mit dem letzten makedonische König Perseus, der – wie der Apostel Paulus 200 Jahre später – von Amphipolis aus angereist war (Livius 45, 28). Inschriftlich belegt sind die Existenz eines Gymnasiums und eines Dionysos-Tempels. Welche Bedeutung die Stadt im 1. Jh. n. Chr. hatte, als sie zugleich eine Station (mansio) der Via Egnatia war, ist nicht bekannt. Dementsprechend lässt sich auch nicht sagen, aus welchem Grunde der Apostel hier nicht länger Station gemacht hat, sondern nur auf der Durchreise war. Auf jeden Fall war Apollonia noch in byzantinischer Zeit eine nicht unbedeutende Stadt, die über einen Bischofssitz verfügte.

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) Thessaloniki

Der Weiße Turm – das Wahrzeichen von Thessaloniki

Thessaloniki Einleitung Viele Studienfahrten auf den Spuren des Paulus beginnen in Thessaloniki. Das deshalb, weil Saloniki – wie die Griechen sagen – die einzige Stadt im nördlichen Griechenland ist, die über einen Flughafen mit regelmäßigen Verbindungen nach ganz Europa verfügt. Mit über einer Million Einwohnern ist Thessaloniki nach Athen die zweitgrößte Stadt Griechenlands und gleichzeitig Metropole für den gesamten Norden des Landes (Makedonien). Das war früher – vor 2000 Jahren – auch Promenade am Weißen Turm nicht viel anders. Viele Wege und Straßen führten nach Thessaloniki. Und diejenigen, die per Schiff aus Kleinasien oder Ägypten kamen und weiter auf die Balkanhalb­ insel reisen wollten, betraten im Hafen von Thessaloniki zum ersten Mal griechischen Boden. Andere kamen auf dem Landweg hierher, sowohl von Italien als auch vom Bosporus. Denn die gut ausgebaute Via Egnatia, die quer durch ­Makedonien verlief, verband Thessaloniki mit dem römischen Fernstraßennetz. Diesen Umstand machte sich Mitte des 1. Jh. n. Chr. auch der Apostel Paulus ­zunutze, als er von Philippi kommend Thessaloniki erreichte.

Paulus auf der Reise nach Thessaloniki Die Apostelgeschichte berichtet, dass Paulus und seine Begleiter von Philippi aus, wo um die Purpurhändlerin Lydia eine erste christliche Gemeinde entstanden war, aufbrachen und auf der Via Egnatia weiter Richtung Westen reisten. Über die Städte Amphipolis und Apollonia kamen sie nach Thessaloniki. (vgl. Apg 17, 1: »Nachdem sie aber durch Amphipolis und Apollonia gereist waren, kamen sie nach Thessalonich.«) Da die Via Egnatia an der Westseite Thessalonikis vorbeilief, dürfte Paulus von hier aus die Stadt betreten haben. Der Apostel kam nicht allein. Nach Apostelgeschichte 16, 25 bzw. 17, 14 waren mindestens noch Silas und Timotheus bei ihm. Vielleicht auch noch andere Missionare. Ihr Ziel war die Gründung einer weiteren Gemeinde in der römischen Provinz Makedonien. Nachdem man in Philippi einen Anfang

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) gemacht hatte, galt es nun in der Hauptstadt der Provinz Fuß zu fassen, um von da aus das weitere Umfeld mit dem Evangelium zu erreichen. Thessaloniki war zu dieser Zeit bereits eine bedeutende Stadt mit etwa 20–30 000 Einwohnern. Damit gehörte sie durchaus zu den mittelgroßen Städten des Römischen Reiches, in Griechenland war nur noch Korinth größer. Natürlich war sie nicht zu vergleichen mit den Großstädten Rom oder Alexandria (ca. 1 Million Einwohner). Aber immerhin war Thessaloniki die Hauptstadt der römischen Provinz Macedonia. Hier residierte der Statthalter, hier war das Verwaltungszentrum für den nördlichen Teil Griechenlands. Insofern war Thessaloniki für Paulus eine missionsstrategisch wichtige Station.

Geschichtliches Münzprägung des Kassandros (317–298 v. Chr.)

Sockel-Inschrift für die Königin Thessaloniki

Teile des Ionischen Tempels

Als der Apostel und seine Begleiter im Jahre 49/50 n. Chr. Thessaloniki erreichten, war die Stadt bereits mehr als 350 Jahre alt. Ein gewisser Kassandros, Feldherr Alexanders des Großen und nach dessen Tod König von Makedonien, hatte Thessaloniki im Jahre 315 v. Chr. gegründet. Um seine dynastischen Ansprüche auf den Thron Makedoniens zu untermauern, heiratete er eine Halbschwester Alexanders, die den Namen »Thessaloniki« trug. Ihr zu Ehren nannte er die neu gegründete Stadt am Thermaischen Golf »Thessaloniki«. Dabei rekrutierte sich die Bevölkerung der neuen Stadt aus den Bewohnern der umliegenden Siedlungen. Auch die Stelle selbst, an der Thessaloniki gegründet wurde, war nicht unbesiedelt. Davon zeugen beispielsweise die Überreste eines Ionischen Tempels aus dem 5. Jh. v. Chr., die in der Altstadt gefunden wurden und heute im Archäologischen Museum der Stadt zu sehen sind (vgl. Abb.). Möglicherweise befand sich auch die in der antiken Literatur genannte Stadt Therme ganz in der Nähe.

Thessaloniki Aus der Gründungszeit selbst ist so gut wie nichts mehr erhalten, sieht man einmal von ein paar Resten im Inneren der Stadtmauer ab. Die Lage Thessalonikis war – damals wie heute – von einiger wirtschaftlicher und strategischer Bedeutung. Der Thermaische Golf bot durch seine enorme Ausbuchtung einen idealen Naturhafen. So war die Stadt in makedonischer Zeit (bis 168 v. Chr.) im Wesentlichen Handelshafen und Flottenstützpunkt. Archäologische Funde scheinen die Lokalisierung des Hafens im Südosten der Altstadt zu bestätigen. Nach der Niederlage des letzten makedonischen Königs Perseus gegen die Römer im Jahre 168 v. Chr. wurde Thessaloniki zunächst Hauptstadt des zweiten makedonischen Teilstaates, 20 Jahre später sogar Hauptstadt der neu gegründeten römischen Provinz Macedonia und damit Sitz des Statthalters und der Provinzialverwaltung. So seltsam es klingt: Mit dem Untergang Makedoniens als selbstständiger Staat begann der politische und wirtschaftliche Aufstieg Thessalonikis. Durch die um 130 v. Chr. erfolgte Anbindung an die Via Egnatia wuchs die Attraktivität der Stadt weiter, Handel und Verkehr blühten auf. Wie alte Inschriften beweisen, ließen sich nun vermehrt römische Kaufleute aus Italien in der Stadt nieder. Sie trafen auf alteingesessene Thraker und Makedonen sowie auf Griechen aus anderen Städten der Ägäis, die aus unterschiedlichsten Gründen nach Thessaloniki gekommen waren und dort lebten. Im Laufe des 1. Jh. v. Chr. gab es immer wieder Einfälle barbarischer Stämme, die aus dem Donauraum nach Süden drängten und für Unruhe sorgten. So weiß beispielsweise der römische Schriftsteller Marcus Tullius Cicero, der sich 57–55 v. Chr. in Thessaloniki aufhielt, von Überfällen barbarischer Horden auf die Stadt zu berichten. Noch einschneidender waren aber die Wirren der römischen Bürgerkriege, in denen Makedonien den Hauptkriegsschauplatz abgab. Im Jahre 44 v. Chr. kamen die Caesarmörder Cassius und Brutus nach Makedonien und wurden zwei Jahre später in der denkwürdigen Schlacht bei Philippi von Marcus Antonius Marcus Antonius (82–30 v. Chr.) und Gaius Octavianus, dem späteren Kaiser

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III. Nord-Griechenland (Makedonien)

Augustus, besiegt. Dieses Ereignis setzt einen der entscheidenden Punkte in der Geschichte Thessalonikis. Denn die Stadt hatte den Caesarmördern zuvor die Aufnahme in ihre Mauern verweigert. Wir wissen sogar davon, dass Brutus seinen Soldaten vor der Schlacht von Philippi für den Fall eines Sieges die Plünderung Thessalonikis versprochen hatte. Zum Glück kam es ganz anders: Die Stadt wurde als Belohnung für ihre Loyalität zur »Freistadt« (civi­ tas libera) erhoben, eine Stufe politischer und wirtschaftlicher Souveränität gegenüber der Zentralregierung in Rom. Zahlreiche Münzen, Gaius Octavianus (63 v.–14 n. Chr.) die in jener Zeit in Thessaloniki geprägt wurden, tragen den Hinweis »Freiheit« (ἐλευθερία). Zu Ehren des Marcus Antonius wurde sogar eine neue Zeitrechnung eingeführt, die nach Antoniusjahren zählte und 42 v. Chr. begann. Darüber hinaus wurde an der westlichen Stadtgrenze ein Triumphbogen errichtet, der im 3. Jh. n. Chr. in die dann errichtete Befestigung integriert und zum »Goldenen Tor« umfunktiDas Goldene Tor im 19. Jh. oniert wurde. Im 19. Jahrhundert war dieser Triumphbogen noch zu sehen. Auf einer alten Lithographie erkennt man rechts und links des Bogens jeweils ein Relief, auf dem ein Reiter vor seinem Pferd steht (vgl. Abb.). Man kann annehmen, dass mit den Reitern Antonius und Octavian gemeint sind, die der Stadt Thessaloniki die Freiheit verliehen hatten. Überhaupt konnte die Stadt – im Gegensatz zu Philippi – trotz der Einflussnahme der Römer ihren griechischen Charakter fast vollständig bewahren. Nicht nur, dass man nahezu ausschließlich Griechisch sprach, sogar die zugewanderten Römer schmückten ihre Grabsteine nicht mit lateinischen, sondern mit griechischen Inschriften. Hinzu kam, dass auch die administrativen Institutionen der Stadt die alten, aus makedonischer Zeit bekannten, blieben. So gab es einen Rat (bou­ le), eine Volksversammlung (demos) sowie höhere Beamte, die mit dem griechischen Begriff »Politarchen« bezeichnet wurden. Folgerichtig weiß die

Thessaloniki

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Apostelgeschichte um 80 n. Chr. davon zu berichten (vgl. Apg 17, 6), dass einige der ersten Christen Thessalonikis (darunter ein gewisser Jason) von einer aufgewiegelten Menge vor die »Politarchen« (Lutherübersetzung: die »Oberen der Stadt«) gezerrt wurden, um dort abgeurteilt zu werden. Mit der Regierungszeit des Kaisers Augustus (29 v. Chr.–14 n. Chr.) beginnt im Römischen Reich eine längere Periode der Konsolidierung und des Friedens, von der auch Thessaloniki profitiert. Geld wird von nun an regelmäßig geprägt, ein Zeichen für die Normalisierung der Verhältnisse und die wachsende Bedeutung der Stadt. In kultureller Hinsicht entwickelte sich Thessaloniki sowohl zu einem Anziehungspunkt als auch zur Wiege für Redner und Dichter jeglicher Couleur. Der ansonsten recht unbekannte Dichter Antipater, der zur Zeit des Augustus lebte und ein Kind der Stadt war, nennt Thessaloniki jetzt »Mutter ganz Makedoniens«. Und der griechische Geograph und Historiker Strabon sagt etwa zur selben Zeit, dass Thessaloniki die volkreichste Stadt der ganzen Gegend war. Aber auch über die Grenzen Makedoniens hinweg dringt der Ruf Thessalonikis als einer wachsenden Metropole, ja sogar mit weiter entfernten Gebieten unterhält man Kontakte. So hat man eine Münze aus Thessaloniki in der römischen Provinz Africa proconsularis gefunden (heute Tunesien bzw. Libyen), und wir wissen von Thessalonichern in Rom, in Pannonien (Donauprovinz) und sogar im germanischen Bonn. Der Satz des Paulus im ersten Brief an die Thessalonicher, dass der Glaube der jungen Christengemeinde nicht nur in den Provinzen Makedonien und Achaia bekannt geworden sei, sondern »an allen Orten« (1Thess 1, 8) erscheint zwar noch als recht übertrieben, aber doch in einem anderen Licht. Die weitere Geschichte der Stadt bis ins 4. Jh. n. Chr. ist die eines kontinuierlichen Aufstieges. Sichtbares Zeichen dieser Entwicklung ist die Erhebung zur kaiserlichen Residenzstadt unter Galerius (299 n. Chr.). Damit wurde Thessaloniki auf eine Stufe mit anderen Metropolen des allmählich zerfallenden Römischen Reiches gestellt. Ein umfangreicher Kaiser Galerius (305–311 n. Chr.) auf einem Palastkomplex wurde errichtet, von dem Marmormedaillon (Thessaloniki, Oktogon) noch heute ein kolossaler, später zur Kirche

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) umgewandelter Rundbau (»Rotunda«), Teile eines mächtigen Triumphbogens sowie Grabungsfunde im Südosten der Altstadt (Oktogon usw.) zeugen. Zehn Jahre nach dem Tod des Galerius kam Konstantin der Große in die Stadt (321 n. Chr.), um sich für den Kampf gegen seinen Rivalen Licinius zu rüsten. Er verstärkte die Mauern der Stadt, baute eine Flotte und schuf einen großen, befestigten Hafen im Südwesten der heutigen Altstadt. Eine Zeit lang erwog er sogar Thessaloniki zur zweiten Stadt des Reiches zu erheben. Letztlich entschied er sich aber für das viel kleinere Byzanz am Bosporus, das später in Konstantinopel umbenannt wurde. Nichtsdestoweniger galt Thessaloniki auch in der auf die Römer folgenden »byzantinischen« Zeit mit seinen zahllosen Kirchen und Klöstern sowie den mächtigen sie beschützenden Mauern als die heimliche Hauptstadt des byzantinischen Kaiserreiches und war nach Konstantinopel die zweitgrößte Stadt auf der Balkanhalbinsel. Die türkische Eroberung im 15. Jahrhundert dagegen führte zunächst zu einem rapiden Bevölkerungsrückgang. Durch den Zuzug vertriebener Juden – vornehmlich aus Spanien – und die Ansiedlung türkischstämmiger Bevöl-

Thessaloniki Ende des 19. Jh. (im Vordergrund die Promenade, rechts der Weiße Turm)

Thessaloniki

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kerung konnte sich die Stadt langsam wieder erholen. Den alten Stand von etwa 100 000 Einwohnern erreichte sie allerdings erst wieder gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Als Thessaloniki 1912 von der türkischen Herrschaft befreit und wieder griechisch wurde, waren es bereits 150 000 Menschen, die in der Stadt lebten.

Lage und Aufriss der antiken Stadt Für Thessaloniki war und ist die Hanglage charakteristisch: Während das Gelände in der Nähe der Küste nur langsam ansteigt und bis zur Höhe der Straße »Egnatia« (Εγνατία: die größte Quertangente der Altstadt – nicht zu verwechseln mit der Via Egnatia) nur 10 Meter ü. d. M. liegt, sind es bis zur »Römischen Agora« im Zentrum der Altstadt schon 20 Meter ü.d. M., nur 200 Meter weiter nördlich im Bereich der Kirche »Hagios Demetrios« (s. Abb.) bereits 30 Meter ü. d. M., und im Bereich der Nord-Mauern in Richtung Akropolis mehr als 100 Meter ü. d. M. Das hat zur Folge, dass die Häuser und Wohnblöcke immer nur terrassenförmig angelegt werden konnten. Dieses System der Terrassierung war in der Antike sicher noch deutlicher sichtbar als heute. Wirft man aus der Luft einen Blick auf die Altstadt Thessalonikis, so fällt die beinahe quadratische Anlage ins Auge, die sich auch im Straßensystem widerspiegelt. Dieses rechtwinklige System geht auf vorchristliche Zeit zurück, sodass schon der Apostel Paulus es so vorgefunden hat. In vielen Fällen dürfte sogar die Annahme richtig sein, dass der Apostel auf denselben Straßen wie heute gegangen ist. Denn oftmals liegen die Straßen der heutigen Altstadt über den Trassen der alten römischen Pflasterung. Das gilt allerdings nicht für einen großen Teil der heute noch sichtbaren Stadtmauern. Sie stammen überwiegend aus späterer byzantinischer Zeit, als die Stadt mit etwa 100 000 Einwohnern mehr als doppelt so groß war wie im 1. Jh. n. Chr. Zur Zeit des Paulus war Thessaloniki deutlich kleiner. Das gilt sowohl für die bebaute Fläche als auch für den Umfang der Mauern, auch wenn es auf manchem Stadtplan zum antiken Thessaloniki anders verzeichnet ist. Blick vom Trigonion-Turm hinab zum Meer

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) Paulus in Thessaloniki

Paulus selbst äußert sich über seinen Aufenthalt in Thessaloniki, der zur Gründung der dortigen christlichen Gemeinde geführt hat, nur sehr sporadisch. Im ersten Thessalonicherbrief schreibt er (1 Thess 2, 5–6): »Denn weder sind wir je mit Schmeichelrede aufgetreten, wie ihr wisst, noch unter einem habsüch­ tigen Vorwand – Gott ist Zeuge – noch haben wir Ehre von Menschen gesucht, weder bei euch noch bei andern.« Und einige Verse weiter ist Paulus froh darüber, »daß ihr das von uns gepredigte Wort Gottes, als ihr es empfingt, aufgenommen habt nicht als Wort von Menschen, sondern, wie es das in Wahrheit ist, als Wort Gottes« (1 Thess 2, 13). Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, als müsse der Apostel sich hier verteidigen gegen den Vorwurf, seine Predigt sei nur Menschenwort, sei nur Schmeichelrede, mit der er seinen Zuhörern gefallen wolle, um ihnen das Geld aus der Tasche zu locken. Grund für diese Vorwürfe waren offenbar die negativen Erfahrungen, die die Thessalonicher schon mit einer Reihe von anderen Wanderpredigern gemacht hatten. Denn berufsmäßige Philosophen und Rhetoren, die es mit geschickt vorgetragenen Reden und Gedichten auf das Geld ihrer Zuhörer abgesehen hatten, gab es in Thessaloniki zuhauf. Um nicht mit ihnen auf eine Stufe gestellt zu werden, verweist Paulus auf die Bescheidenheit des Evangeliums und seine eigene finanzielle Unabhängigkeit. Sie ist Beweis für die Wahrheit und Lauterkeit seiner Worte: »Denn ihr erinnert euch, ihr Brüder, unsrer Ar­ beit und Mühe: indem wir Tag und Nacht arbei­ teten, um niemandem von euch beschwerlich zu fallen« (1 Thess 2, 9). Paulus hat demnach während seines Aufenthaltes in Thessaloniki für seinen Lebensunterhalt gearbeitet. Er wollte sich nicht nachsagen lassen, dass er das Evangelium nur verkünde, um sich von der Gemeinde aushalten zu lassen. Überhaupt hat er nur in einem Fall Byzantinische Paulusdarstellung Unterstützung angenommen, und zwar von der

Thessaloniki Gemeinde in Philippi, zu der er ein besonders herzliches Verhältnis hatte. Aus dem Philipperbrief wissen wir, dass Paulus von ihr finanzielle Unter­stützung erhalten hat (Phil 4, 16), als er in Thessaloniki war. Und das tat er auch nur, weil er den Thessalonichern nicht zur Last fallen und keinen Anlass für mögliche Vorwürfe geben wollte. Die Gründung der Gemeinde in Thessaloniki ist also nicht ohne Spannungen vor sich gegangen. Möglicherweise spielt Paulus darauf an, wenn er in Bezug auf seine anfängliche Verkündigung in Thessaloniki sagt, dass sie »unter viel Kampf« geschah (1 Thess 2, 2). Mehr über den Aufenthalt in der Stadt erfahren wir von Paulus selbst nicht. Allein die Apostelgeschichte weiß in ihrem Thessaloniki-Abschnitt (Apg 17, 1– 10) Ausführlicheres zu berichten. Hier lesen wir (Apg 17, 1–2), dass Paulus zu Beginn seiner Missionstätigkeit in die örtliche Synagoge gegangen sei, um dort Gelegenheit zur Predigt zu bekommen. Dass es in Thessaloniki eine jüdische Synagoge gab, dürfte korrekt sein, wie neuere Untersuchungen zeigen. Aber warum geht Paulus zuerst in die Synagoge? Es ist wohl der gleiche Grund, der den Apostel auch in Philippi eine jüdische Gebetsstätte aufsuchen lässt. Hier konnte er sicher sein, mit der Predigt des Evangeliums Anknüpfungspunkte zu finden. Denn erstens war er selbst ein Jude, ja, ein ehemaliger Pharisäer (Phil 3, 5). Und zweitens wollte Paulus die sogenannten »Gottesfürchtigen« ansprechen: Heiden, die mit dem Judentum sympathisierten und die die Gottesdienste in der Synagoge besuchten, ohne den letzten Schritt zur Konversion zu wagen. Jene gottesfürchtigen Heiden hatte Paulus also im Visier, als er in der Synagoge von Thessaloniki die Gelegenheit zur Predigt wahrnahm. Sodann berichtet die Apostelgeschichte auch von einem Missionserfolg unter den »gottesfürchtigen Griechen, dazu nicht wenige von den angesehensten Frauen« (Apg 17, 4). Im Übrigen ist vollkommen klar, dass in dieser Synagoge (wie fast überall im östlichen Mittelmeerraum) Griechisch gesprochen wurde, sodass Paulus als ehemaliger Diasporajude aus Tarsus keine Probleme gehabt haben dürfte, sich zu verständigen. Die Situation war hier also anders als in Philippi, wo die lateinische Sprache viel verbreiteter war. Die Apostelgeschichte berichtet weiter, dass es in Folge der Missionstätigkeit des Paulus zu Auseinandersetzungen gekommen sei (vgl. Apg 17, 5). Eine aufgewiegelte Menschenmenge zog vor das Haus eines gewissen Jason, um die Missionare herauszuholen und sie vor die Volksversammlung zu führen, wohl mit dem Ziel, sie aburteilen zu lassen. Offensichtlich war dieser Jason ein

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) Mitglied der noch jungen Christengemeinde und Gastgeber des Paulus und seiner Begleiter. Darüber hinaus fungierte er als Patron der ersten Gemeinde, die sich in seinem Haus versammelte. Denn als die Menge bemerkte, dass die Missionare nicht im Hause waren (Apg 17, 6), da »schleiften sie Jason und einige Brüder vor die Oberen der Stadt«, die Politarchen. Anschließend fand vor den Politarchen eine kurze Verhandlung statt, die damit endete, dass Jason und die anderen Christen gegen Stellung einer Kaution wieder frei gelassen wurden. Diese kurze Verhandlung war offensichtlich Anlass genug, Paulus und Silas in einer Nacht- und Nebelaktion aus der Stadt zu geleiten und nach Beroia zu verabschieden (Apg 17, 10). Damit endet der Thessaloniki-Abschnitt der Apostelgeschichte. Auch wenn Lukas, der Verfasser der Apostelgeschichte, der etwa 30– 40 Jahre nach den von ihm berichteten Ereignissen schreibt, im Kern historische Kenntnis verarbeitet hat, dürfen – nach derzeitigem Kenntnisstand der neutestamentlichen Wissenschaft – nicht alle Einzelheiten des Thessaloniki-Abschnittes auf die Goldwaage gelegt werden. Das zeigt sich beispielsweise an Apostelgeschichte 17, 2. Dort heißt es: »Wie nun Paulus gewohnt war, ging er zu ihnen (in die Synagoge) hinein und redete mit ihnen an drei Sabbaten von der Schrift.« Damit suggeriert die Apostelgeschichte, dass der Aufenthalt des Paulus in Thessaloniki, in dessen Verlauf sich die christliche Gemeinde bildete, nur ein paar Wochen dauerte, da der Apostel ja nur an drei Sabbaten gepredigt habe. Diese Zeit erscheint für eine Gemeindegründung jedoch sehr knapp bemessen.

Namensliste der Politarchen aus dem 1. Jh. n. Chr. (IG X 2,1 Nr. 126)

Thessaloniki Hinzu kommt, dass aus dem Brief an die Philipper deutlich hervorgeht (vgl. Phil 4, 16), dass Paulus während seines Aufenthaltes in Thessaloniki mindestens zweimal (oder sogar mehrmals) Unterstützung aus Philippi erhalten hat, was ebenfalls auf einen längeren Zeitraum hinweist. Denn die über 150 Kilometer lange Strecke von Thessaloniki nach Philippi war für damalige Verhältnisse einfach zu weit, als dass man sie in 2–3 Wochen mehrmals zurücklegen konnte. Der Gründungsaufenthalt sollte nicht der einzige Besuch des Paulus in Thessaloniki bleiben: Im Verlauf der 3. Missionsreise, auf seinem Weg von Ephesus nach Griechenland, wird er die Gemeinde wohl noch zweimal besucht haben. Das geht sowohl aus der Apostelgeschichte (Apg 20, 1.3) als auch aus dem 1. Korintherbrief des Paulus hervor (vgl. 1 Kor 16, 5). Erstere erwähnt sogar, dass sich unter den Mitarbeitern, die den Apostel auf dieser Reise begleiteten, zwei aus der Gemeinde von Thessaloniki befanden: »Es zogen aber mit ihm Sopater aus Beroia, der Sohn des Pyrrhus, aus Thessalonich aber Aristarch und Sekundus und Gajus aus Derbe und Timotheus, aus der Provinz Asien aber Tychikus und Trophimus« (Apg 20, 4). Zu diesem Zeitpunkt (ca. 55/56 n. Chr.) war die Gemeinde von Thessaloniki demnach schon so weit gewachsen und gefestigt, dass sie sich gegenüber dem vielfältigen religiösen Angebot etablieren konnte und für die Zukunft gerüstet war. Denn die Gemeinde des Paulus sollte sich als Keimzelle für die nunmehr fast 2000-jährige Geschichte des Christentums in Thessaloniki erweisen.

Das religiöse Leben in der antiken Stadt Im ersten Thessalonicherbrief spricht Paulus von der Bekehrung der Thessalonicher hin zu Gott und »weg von den Götzenbildern« (1 Thess 1, 9). Damit spielt er auf die Zeit an, als die Thessalonicher noch keine Christen waren und den Kulten heidnischer Götter nachgingen. Welche Kulte aber waren es, die Paulus hier im Auge hatte, ohne sie zu nennen? Auch wenn man eine Vielzahl von griechischen Göttern – angefangen bei A wie Aphro­dite bis hin zu Z wie Zeus – verehrte, sind in Thessaloniki ganz bestimmte Besonderheiten zu beobachten, auf die im Folgenden eingegangen werden soll.

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) Der Kult des Dionysos

Aus dem weiten Kreis des griechischen Pantheons tritt in Thessaloniki besonders Dionysos hervor, der Gott des Weines. Seine Verehrung reicht bis in die Zeit der Vorgängersiedlung zurück. Eine Zeit lang war er sogar für die Stadt ganz offiziell von Bedeutung. Das beweisen die Abbildungen des Gottes auf den Münzen sowie die Ausrichtung regelmäßiger Dionysien, großer Volksfeste zu Ehren des Gottes, bei denen der Wein in Strömen floss. Einen Tempel des Dionysos hat man in Thessaloniki allerdings bis heute nicht gefunden. Offensichtlich wurde dieser Fruchtbarkeitsgott hauptsächlich in privaten Vereinen, den sogenannten thiasoi, gepflegt. Davon gab es eine ganze Reihe in der Stadt. Aus Inschriften kennen wir teilweise sogar die Namen der Mitglieder, zu denen auch Frauen gehörten. Wir wissen außerdem von einem Fall, wo eine Frau das Amt einer Priesterin des Dionysos bekleidete. Wahrscheinlich nahmen schon die Kinder an Kulthandlungen teil. Denn die Mitglieder der Kultvereine haben ihre Kinder schon gleich nach der Geburt, wenn die Neugeborenen gebadet wurden, dem Gott geweiht, damit dieser sie in ihrem weiteren Leben begleite. Einen großen Stellenwert im Kult des Dionysos nahmen die verschiedenen Feste ein, von denen das größte gegen Ende der Weinlese gefeiert wurde. Für diese Zeit des Festes kehrte das ersehnte goldene Zeitalter zurück, in dem man aller Ängste und Nöte enthoben war. Essen und Trinken spielte eine große Rolle. Nächtliche Aphrodite (Thessaloniki, Archäolog. Museum) Bankette wurden veranstaltet, bei denen reichlich Wein floss, in dem sich die Kraft des Gottes angeblich am deutlichsten zeigte. Diese Gelage waren berühmt und berüchtigt. Man verkleidete sich als Hirten und Böcke, saß fröhlich zusammen, aß, trank, tanzte und spielte. Nicht selten kam es vor, dass man anschließend johlend und grölend durch die Stadt zog und allerlei Dionysischer Thiasos, Sarkophag Verrücktheiten anstellte, die der Gott selbst be(3. Jh. n. Chr.?) fohlen habe.

Thessaloniki Obwohl diese nächtlichen Zusammenkünfte nach antiken Maßstäben kaum unmoralischer waren als die anderer Religionen und Kulte, brachten sie allerlei Verdächtigungen und Verleumdungen mit sich. Gut möglich, dass die Mahnungen des Paulus im 1. Thessalonicherbrief ihren Anlass in entsprechenden Praktiken der Dionysosverehrer hatten. Denn der jungen christlichen Gemeinde in Thessaloniki schrieb der Apostel: »So lasst uns nun … wachen und nüchtern sein. Denn die schlafen, die schlafen des Nachts, und die be­ trunken sind, die sind des Nachts betrunken. Wir aber, die wir Kinder des Ta­ ges sind, wollen nüchtern sein, angetan mit dem Panzer des Glaubens und der Liebe und mit dem Helm der Hoffnung auf das Heil« (1 Thess 5, 6–8).

Der Kult des Kabirus Die merkwürdigste und zugleich charaktervollste Erscheinung unter den verehrten Göttern Thessalonikis war der Kabirus. Er galt in römischer Zeit als der Stadtgott schlechthin und wird in einer Inschrift als der »heiligste« unter allen Göttern bezeichnet. Auf den Münzen der Stadt wird er als jugendliche Gestalt mit einem großen Schmiedehammer abgebildet (vgl. Abb.). Über die Praktiken dieses Kultes wissen wir so gut wie nichts, nur dass es wohl ein blutiger Kult gewesen sein muss. Der Kirchenvater Clemens von Alexandrien (um 200 n. Chr.) überliefert, dass es sich bei den Kabiren ursprünglich um drei Brüder gehandelt habe. Der Dritte sei von den beiden anderen umgebracht worden, sein Kopf sei abgeschlagen, in ein purpurnes Tuch gewickelt und am Fuße des Götterberges Olymp begraben worden. Bei den Kulten, die auf der nicht weit entfernten Insel Samothrake ausgeübt wurden, spielten die Kabiren ebenfalls eine Rolle. Ungewöhnlich für Thessaloniki ist aber, dass man hier offenbar nur einen Kabirus verehrte. Firmicus Maternus, ein Redner aus Sizilien, der Christ wurde, schreibt Mitte des 4. Jh. n. Chr., Relieffigur des Dionysos (Paris, Louvre) dass die Thessalonicher nur einen einzigen

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) Kabirus verehrt hätten. Diesen identifiziert er mit dem ermordeten dritten Bruder, der am Fuße des Olymp begraben wurde.

Der Kult der ägyptischen Götter

Bronzemünze mit Kabirus und der personifizierten Stadt Thessaloniki (Athen, 2. Jh. n. Chr.)

Modell des Naiskos (Archäologisches Museum)

Kopf des Serapis (Archäologisches Museum)

Neben dem Kult des Kabirus spielte die Verehrung der ägyptischen Gottheiten Isis, Serapis und Osiris eine Rolle. Davon zeugen nicht nur eine Fülle von Inschriften, sondern auch die Existenz eines »Serapeions«, eines Gebäudekomplexes, das dem Kult der ägyptischen Götter vorbehalten war. Im Jahre 1920, geleitet von zufälligen Funden im Rahmen von Bauarbeiten, und wiederum 1939 wurden in der Nähe des »Platzes der Antigoniden« (Πλατία Αντιγονίδων) Teile dieses Gebäudekomplexes ausgegraben. Da anschließend alles wieder zugeschüttet wurde, bleiben heute nur die spärlichen Grabungsberichte von damals. Das gilt auch für den 1939 gefundenen Naiskos (»Tempelchen«). Dieses nur 11×8 Meter große Gebäude bestand aus einem Vorraum und einer kleinen Halle, an deren Ende sich eine Nische mit der zu verehrenden Götterstatue befand. Ein Modell dieses Naiskos ist heute im Archäologischen Museum des Stadt zu besichtigen. Der Kult der ägyptischen Götter wurde schon von den letzten makedonischen Königen gepflegt und gefördert. Aber er blühte nach dem Sieg über die Caesarmörder erneut auf, als Marcus Antonius und Kleopatra ihre Herrschaft auf Griechenland und Makedonien ausdehnten (42–31 v. Chr.). Allgemein lässt sich sagen, dass zur Zeit des Paulus der Kult der ägyptischen Götter in vielen Hafenstädten des Mittelmeeres in voller Blüte stand.

Thessaloniki Mehr als 70 Inschriften, die in Thessaloniki gefunden wurden, geben einen Eindruck von der Vielfalt, die den Kult der ägyptischen Götter bestimmt haben muss: So wurden im Serapeion neben der großen Mutter-Göttin Isis auch Serapis, Osiris, Anubis, Harpokrates und wohl noch andere Götter verehrt. Das Heiligtum hatte offensichtlich auch die Funktion eines Orakels, in dem man sich auf Traumdeutung verstand. Wahrscheinlich legte man sich im Serapeion zum Schlafen nieder, um der Gottheit im Traum zu begegnen. Überhaupt war das Serapeion ein Ort der mystischen Gottesverehrung. Unter dem erwähnten Naiskos befand sich eine gewölbegedeckte Krypta, ein 4 Meter langer und 1,6 Meter breiter Raum, in dem mystische Zeremonien vorgenommen wurden. In den unterirdischen Gewölben wurde sinnlich veranschaulicht, welche Finsternis der Mensch auf seinem Weg zum Licht der Gottheit überwinden musste. Im Dunkel der Gewölbe wurde dem »Gläubigen« klar gemacht, in welcher Verlorenheit er sich befand, bevor er aus der »unterirdischen Welt« wieder ans Licht steigen durfte, wo er die »überirdischen Götter« verehrte. Die Hauptgottheit dieses Heiligtums war Isis. Sie war die große Muttergottheit der Antike. Die ihr zugelegten Eigenschaften waren fast universell. So schrieb man ihr zu, dass sie die menschliche Kultur und Sitte geschaffen habe, dass sie den Menschen Ackerbau, Schifffahrt, Schrift und Sprache geschenkt habe, dass sie Mann und Frau zusammenführe und vieles andere mehr. Mit Isis verwandt war der Gott Serapis (auch Sarapis genannt). Er galt in Thessaloniki als der

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Kopf der Göttin Isis (Archäologisches Museum)

Edikt Philipps V. zum Schutze des Tempelschatzes im Serapeion (187 v. Chr.; IG X 2,1 Nr. 3)

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) Bruder der Isis und wurde fast ausschließlich zusammen mit ihr verehrt. Darüber hinaus spielte auch Osiris eine Rolle, der in einem Gedicht als der Gott des Meeres und Beschützer der Seefahrer erscheint. Seine Verehrung in einer Hafenstadt wie Thessaloniki mag deshalb nicht verwundern. Der Kult der ägyptischen Götter muss so attraktiv gewesen sein, dass sich ihm nicht nur Makedonen und Griechen, sondern auch Römer hingaben, deren Namen durch Inschriften bis heute erhalten geblieben sind.

Der Kaiserkult Von den Römern neu eingeführt und mit offizieller städtischer Unterstützung versehen, war der Kaiserkult. Schon zu Zeiten des Kaisers Augustus (29 v. Chr.–14 n. Chr.) errichtete man in Thessaloniki ein Caesareum, einen Tempel, in dem zunächst nur der vergöttlichte Julius Caesar, der divus Iulius, später auch andere Kaiser verehrt wurden. Außerdem ist auf einigen Münzen der Stadt, die auf der Vorderseite den Kopf des Iulius Caesar zeigen, die dazugehörige UmStele mit Opferszene (Archäologisches Museum) schrift »Gottheit« (ΘΕΟΣ) zu lesen. Etwa zu der Zeit, als der Apostel Paulus in Thessaloniki war, wurde eine weitere Münzserie geprägt, die auf der Vorderseite den Kopf des amtierenden Kaisers Claudius (41-54 n. Chr.) und rückseitig den Kopf des Augustus mit der Umschrift »Erhabene Gottheit« (ΘΕΟΣ ΣΕΒΑΣΤΟΣ) zeigte. Für die offizielle Seite des Kaiserkultes war ein Priester zuständig, der auch die Ausrichtung von Kampfspielen überwachte, die zu Ehren des vergöttlichten Kaisers durchgeführt wurden. »Brot und Spiele« waren offenbar ein wichtiges Element in diesem Kult (vgl. o. im Abschnitt »Philippi«). Neben der religiösen Dimension besaß der Kaiserkult auch eine politische Komponente, insofern er als Akt der Loyalität gegenüber der Herrschaft der Römer verstanden wurde. In seinem Umkreis kursierten Parolen imperialer

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Ideologie: Schlagwörter wie Frieden (pax) und Sicherheit (securitas) wurden unter das Volk gebracht, um für die Pax Romana, den »römischen Frieden«, und den Kaiser, der ihn garantierte, zu werben. Der Apostel Paulus wandte sich scharf gegen solche Parolen, die seiner Meinung nach an der Realität vorbeigingen und falsche Sicherheit vorgaukelten. Denn die Wiederkunft des Herrn (Parusie) stehe unmittelbar bevor, schreibt er der christlichen Gemeinde von Thessaloniki unmissverständlich (1 Thess 5, 3): »Wenn sie sagen: Es ist Friede und Sicherheit, dann wird sie das Verderben schnell überfallen wie die Wehen eine schwangere Frau, und sie werden nicht entfliehen.« Paulus war demnach der festen Überzeugung, dass die römischen Propagandisten sowie ihre Anhänger dem Zorn Gottes (vgl. 1 Thess 1, 10) nicht entrinnen werden.

Antike Baudenkmäler

Statue des Augustus aus dem Caesareum von Thessaloniki (Archäologisches Museum)

Generell lässt sich sagen, dass monumentale archäologische Zeugnisse aus der Zeit des Paulus auf Grund der späteren Überbauung relativ rar sind. Denn leider liegt die antike Stadt – anders als Philippi – direkt unter der modernen. Fast jeder Quadratmeter, der in der heutigen Altstadt bebaut ist, liegt über Monumenten aus früherer Zeit. Manchmal sind sogar 2000 Jahre alte Bauabschnitte inmitten moderner Gebäude erkennbar. Für die Archäologen ist das eine sehr schwierige Situation, da es in der heutigen Altstadt nur wenige Flächen gibt, wo wirklich intensive Ausgrabungen durchgeführt werden können, ohne bewohnte Gebäude zu gefährden. Auf der anderen Seite hat die jahrhundertelange Überbauung oftmals darunter liegende Vorgängerbauten zerstört. So beispielsweise geschehen bei dem im 1. Jh. n. Chr. errichteten Theater, einem multi-funktionalen Bau (die Archäologen sprechen von einem Theater-Stadion), der Platz für etwa 20 000 Zuschauer bot. Im Südosten der Altstadt, nur wenige Meter vom

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III. Nord-Griechenland (Makedonien)

späteren Galerius-Palast entfernt, sind in den tieferen Schichten einiger Häusergrundstücke Teile der Zuschauerränge dieses großen Bauwerkes ans Licht gekommen. Vom Typus her war es offensichtlich ein bis zur Länge eines Stadions ausgebautes Theater. Eine Form, die in den östlichen Provinzen des Römischen Reiches sehr beliebt war. Die Gesamtbreite des Bauwerks wurde auf etwa 100 Meter, die Länge Relief mit einer Kampfszene (Reiter und Löwe) auf ca. 250 Meter berechnet. Demnach müsste man die Westecke des Theater-Stadions etwa an der Stelle suchen, wo heute die Kirche »Hagia Sophia« (»Heilige Weisheit«) steht. Es erstreckte sich dann etwa 250 Meter in westöstlicher Richtung bis in den Bereich, wo Teile der Sitzreihen gefunden wurden. Von seiner Anlage her war das Bauwerk für zwei verschiedene Arten von Schauspielen geeignet: Zum einen für die klassisch griechischen Sportwettkämpfe, die gewöhnlich im Stadion ausgetragen wurden, und zum anderen für die römischen Kampfschauspiele mit ihren Tierhetzen und Gladiatorenspielen, die andernorts auch im Amphitheater oder im Circus stattfanden. Bei diesem Theater-Stadion handelte es sich also nicht um ein Gebäude für klassische Theateraufführungen, sondern eher um eine Sport- und Kampfarena. Wie Münzfunde zeigen, wird das Theater-Stadion schon um 80 n. Chr. für Veranstaltungen benutzt worden sein. Der Apostel Paulus wird es also vielleicht schon gesehen haben, zumindest befand sich dieses gewaltige Bauwerk zu seiner Zeit bereits in Bau. Heute sind die ohnehin nur für den archäologischen Fachmann erkennbaren Reste auf Grund der darüberliegenden Bebauung für die interessierte Öffentlichkeit leider nicht mehr zugänglich. Nicht anders steht es mit dem Hippodrom (»Pferde-Rennbahn«) aus spätrömischer Zeit (Ende des 3. Jh. n. Chr.). Er lag im äußersten Südosten der Stadt und erstreckte sich über 400 Meter an der Stadtmauer entlang. In ihm wurden neben den klassischen Wagenrennen auch die beliebten Zweikämpfe zwischen Gladiatoren abgehalten. Darüber hinaus ist der Hippodrom durch eine weitere unrühmliche Begebenheit in Erinnerung geblieben: Hier wurden im Jahre 390 n. Chr. auf Befehl des römischen Kaisers Theodosius 7 000 Thessalonicher niedergemetzelt, weil sie sich gegen die gotische Leibwache erhoben hatten. Der Bischof Ambrosius von Mailand zwang daraufhin den Herrscher, öffentlich Buße zu tun.

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Später riss man die marmornen Sitzreihen aus dem Hippodrom und verwendete sie als Baumaterial für die Mauern auf der Westseite der Stadt. So lassen sich wenigsten dort einige Reste bewundern. Hingegen erinnert an der Stelle, wo der Hip­ Fenster in der Ostmauer (etwa in Höhe des podrom einmal gestanden hat, nur noch das Friedhofes) Straßenschild des gleich­namigen Platzes Ippodromiou (Πλατία Ιπποδροµίου  =  Platz des Hippodroms) an dieses gewaltige Bauwerk. Auch von den antiken Hafenanlagen ist nichts Sichtbares erhalten. Immerhin wissen wir heute, wo sie zu lokalisieren sind: Der Hafen, der 322 n. Chr. unter Kaiser Konstantin angeWestmauer mit verbauten Marmorbänken legt wurde, befand sich etwas nördlich der heuaus dem Hippodrom tigen Hafenan­lagen im Südwesten der Altstadt. Der hellenistische Hafen dagegen, den auch der Apostel Paulus noch gesehen hatte, lag wohl in der Nähe des späteren Weißen Turmes im Südosten der Stadt und wurde irgendwann zugeschüttet. In den letzten Jahren ist es gelungen, die schon ältere Theorie zu erhärten, nach der sich die römische Provinzialverwaltung und das praetorium, d. h. der Amtssitz des Statthalters, etwa 250 Meter nordwestlich der römischen Agora am Diikitiriou-Platz (Πλατία Διοικητηρίου) befanden. Denn hier ist ein repräsentatives Gebäude ausgegraben worden, in dem man u. a. auch vier Tierköpfe gefunden hat, die zu einem Triumphwagen gehörten. Überhaupt sind inzwischen eine ganze Reihe von größeren archäologischen Untersuchungen durchgeführt worden, die es ermöglichen, sich ein gutes Bild von der antiken Stadt zu machen. Insbesondere die Ausgrabungen auf dem zentralen Marktplatz, der sogenannten »Römischen Agora«, und an einigen ausgewählten Stellen der Stadtmauern sowie im Bereich des sogenannten Galerius-Komplexes sind hier zu nennen.

Die Stadtmauern Die Stadtmauern sind heute eines der beliebtesten Ziele für Touristen aus aller Welt. Das gilt besonders für die oberen Abschnitte in der Nähe der byzantinischen Akropolis, wo in der Hochsaison täglich Dutzende von Reisebussen

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III. Nord-Griechenland (Makedonien)

ankommen. Seit einiger Zeit befindet sich direkt am Trigonion-Turm (Nordostecke der Mauer) eine Aussichtsplattform, die einen fantastischen Ausblick auf die Altstadt und einen Teil ihrer Ummauerung bietet. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts mussten viele Abschnitte der Mauern den Erfordernissen des wachsenden Verkehrs und der modernen Stadtplanung weichen. Vom ursprünglichen Mauerumfang (knapp 8 Kilometer) ist nicht einmal mehr die Hälfte erhalten. Nur die nördlichen Abschnitte – im Osten un­gefähr von der Höhe der heutigen Straße »Kassandrou« (Κασσάνδρου) an, im Westen nördlich der »Egnatia« – sind noch vorhanden, während die Küstenmauer und vor allem weite Teile im Südosten abgerissen worden sind. Die Mauern in ihrer jetzigen Gestalt mit einer Höhe von 10–12 Metern und einer durchschnittliche Breite von 4,5 Metern sind überwiegend byzantinischen Ursprungs. Ihre Substanz stammt aber aus früherer Zeit, an einigen Stellen sogar aus der Zeit der Gründung der Stadt. Deshalb wird immer wieder behauptet, die Ummauerung habe so oder ganz ähnlich auch schon das Bild der hellenistischen Stadt geprägt. Das ist nur bedingt richtig. Denn die Mauern sind im Laufe ihrer Geschichte mehrfach erweitert, verstärkt und dem Wachstum der Stadt angepasst worden. So hat man z. B. in spätrömischer Zeit (4. Jh. n. Chr.) unter Kaiser Theodosius die Ost– und Westseite der Befestigung dadurch verstärkt, dass man in einem Abstand von ca. 10 Metern einfach eine neue Mauer vor die alte gebaut hat (sogenannte ­Vormauer). Oberer Abschnitt der Ostmauer mit An anderen Stellen hingegen wurde der Trigonion-Turm (rechts außen) Mauerkorpus einfach verbreitert und mit Hilfe von zusätzlichen Türmen verstärkt. Die unter­ schiedlichen Baumaterialien, die aus verschiedenen Epochen stammen, sind oft auch für den Laien erkennbar. So z. B. an der bereits erwähnten Nordost-Ecke, in der Nähe des Trigonion-Turmes, wo Mauerteile aus byzantinischer Zeit (5.– 10. Jh. n. Chr.) auf solche aus römischer (1.–4. Jh. n. Chr.) und sogar helleMauerstück aus hellenistischer Zeit südlich nistischer Zeit (3./2. Jh. v. Chr.) treffen. Dabei des Trigonion-Turms fallen vor allem die grob behauenen Tuff-, bzw.

Thessaloniki Kalkstein-Quader in den unteren Schichten der Mauer ins Auge. Sie heben sich deutlich vom darüberliegenden, byzantinischen Mauerwerk ab, das aus einer Mischung von Ziegelschichten und dünneren Schottersteinen besteht. Diese Quader stammen nach neueren Untersuchungen aus spät-hellenistischer Zeit (2./1. Jh. v. Chr.). Hingegen sind andere Abschnitte der Befestigung noch älter. Im nördlichen Abschnitt der Ostmauer, ungefähr 50 Meter südlich des Trigonion-Turmes, findet sich vor der Innenseite der byzantinischen Befestigung ein etwa 30 Meter langes Mauerstück, das aus roh behauenen, grünlichen Steinen besteht. Es sind 1,20–1,60 Meter große Schieferblöcke, die nur auf der Innenseite mit Lehmmörtel zusammengehalten werden. Durch den Vergleich mit ähnlichen Mauerstücken, u. a. auch auf der Akropolis von Philippi, legt sich eine Datierung in die Zeit der Gründung der Stadt nahe. 0TJPT%BWJE ,JSDIF

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Stadtplan Thessaloniki

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) Erst vor ein paar Jahren wurden ähnliche Blöcke etwas weiter südlich in Höhe des heutigen Zentralkrankenhauses gefunden. Auch dieser Abschnitt der Befestigung wird also schon seit der Gründung der Stadt vorhanden gewesen sein. Aus diesen Umständen lässt sich zusammenfassen, dass die noch heute sichtbare Befestigung im äußersten Norden und Nordosten der Stadt schon zu hellenistischer Zeit existierte. In Bezug auf die Südausdehnung der Mauer ist bislang durch Grabungen nur äußerst wenig ans Licht gekommen, sodass vieles Theorie bleiben muss. Jedenfalls sind in der Nähe der Kirche »Acheiropoietos« sechs Gräber aus hellenistischer Zeit entdeckt worden. Und auch südlich des Galerius-Bogens befanden sich zu dieser Zeit Gräber. Da Grabanlagen in der heidnischen Antike (anders als in christlicher Zeit) normalerweise außerhalb der Mauern lagen, bedeutet dieser Fund, dass hier die Eckpunkte für die Ausdehnung der hellenistischen Mauern im Südosten lagen. Deshalb verlief die Südmauer der hellenistischen Stadt wohl im Bereich der Straße »Agiou Dimitriou«, die die obere Hälfte der Altstadt in west-östlicher Richtung durchquerte. Auf jeden Fall erstreckte sich die Ummauerung noch nicht – wie in späterer Zeit (Ende 3. Jh. n. Chr.) – bis ans Meer, sondern war auf den steilen Bereich im Norden und Nordosten der heutigen Altstadt beschränkt. Als der Apostel Paulus im Jahre 49/50 n. Chr. in die Stadt kam, wird das im wesentlichen auch noch so gewesen sein, wenngleich die Mauern des Kassander von der römischen Bebauung längst überschritten wurden. Außerhalb der ursprünglichen Ummauerung entstanden neue Viertel und Gebäudekomplexe, ohne dass die alten Mauerbefestigungen verlängert und der wachsenden Bebauung angepasst wurden. Das geschah erst 200 Jahre später unter dem Druck der ersten Welle der Völkerwanderung, als die Goten zweimal kurz hintereinander Thessaloniki belagerten (254/268 n. Chr.). In dieser Zeit erhielt die Stadt auch in den tiefer gelegenen Abschnitten sowie am Meer eine wirksame Befestigung und erreichte damit ungefähr diejenige Ausdehnung, die sie – mit leichten Modifikationen – bis ins 19. Jahrhundert behielt. Lediglich der Bereich der Akropolis mit der Zitadelle »Heptapyrgion« (7-Türme), nordwestlich des Trigonion-Turmes, ist eine spätere Erweiterung. Ebenso der sogenannte »Weiße Turm« (λεύκος πύργος), das Wahrzeichen der heutigen Stadt. Er ist im 15. Jahrhundert unter den Venezianern erbaut worden (1423 –1430), während der ebenfalls runde Trigonion-Turm ein türkisches Bauwerk ist.

Thessaloniki Die römische Agora Der Platz in der Mitte der Altstadt ist seit einigen Jahrzehnten Gegenstand archäologischer Forschung. Er ist gleichzeitig das ehrgeizigste, aber auch langwierigste Grabungsprojekt in der Altstadt von Thessaloniki, sodass zum gegenwärtigen Zeitpunkt von einem Abschluss der Arbeiten keine Rede sein kann. Der Platz bildete die »Römische Agora«, wie der Fachausdruck heißt. Hier lag das Zentrum des römischen Thessaloniki. Der nunmehr ausgegrabene, ungefähr 100 ×200 Meter große Komplex war, ganz ähnlich wie in Philippi, um einen Zentralhof angeordnet, einem rechtwinkligen, marmorgepflasterten Platz, der nur durch bestimmte Türen und Eingänge betreten werden konnte. Die Maße dieses Zentralhofes sind 65 Meter in der Nord-Süd- und 146 Meter in der Ost-West-Ausdehnung. Architektonisch handelt es sich um eine sogenannte Peristyl-Agora, bei der die 0 MJNCPZ

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Die Agora von Thessaloniki (Grabungsskizze)

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III. Nord-Griechenland (Makedonien)

nördliche Seite unbebaut war, während die anderen drei Seiten mit Gebäuden abschlossen. Vor diesen Gebäuden befand sich eine doppelte Stoa im korinthischen Stil (vgl. Abb.). Ihr Fußboden war überaus sorgfältig mit Mosaiken ausgelegt, was an der Ostseite noch gut zu sehen ist. Die Sockel der Säulen sind großenteils erhalten, während von den Säulen selbst nur Agora, Oststoa (Rekonstruktion) eine einzige gefunden wurde, die man schon in den 60er Jahren wieder aufgerichtet hat. Ein kleines, ursprünglich überdachtes The­ ater, ein sogenanntes Odeion, nahm die zentrale Stelle auf der Ostseite der Agora ein. Es wurde Ende des 2. Jh. n. Chr. errichtet, später dann zu einem Arenagebäude für Tierhetzen usw. mit 3–4 000 Sitzplätzen erweitert. Wahrscheinlich fand dieses Odeion auch als VerAgora, Odeion sammlungsgebäude für den städtischen Rat Verwendung (Bouleuterion). Erhalten geblieben ist die marmorgepflasterte Bühne (Orchestra), Teile der Zuschauerränge sowie eines Bühnengebäudes. Unter der Südstoa der Agora erstreckte sich – auf tiefer liegendem Niveau – eine zweite, doppelte Säulenhalle, die mit Gewölben bedeckt war: ein sogenannter Cryptoporticus. Hier soll eine Ausstellung entstehen, in der die Kleinfunde (Münzen, Keramik etc.) der Agora Agora, Cryptoporticus präsentiert werden können. Diesen Cryptoporticus erreichte man, von der Agora kommend, über eine Treppe, die ein Stockwerk tiefer führte. Hier be­ fanden sich zahlreiche Geschäfte und Lagerräume. Davor verlief eine schmale, ca. 2,5 Meter breite Einkaufsstraße. Diese »antike Shoppingmeile« entsprach in ihrem Verlauf ungefähr dem der heutigen Straße »Philippou«, natürlich auf tiefer liegendem Niveau. An der Südostecke der Agora ist im Übrigen die Trasse einer römischen Straße ausgegraben worden, die hier endete. Vielleicht führte sie irgendwo

Thessaloniki auf der anderen Seite des Marktes weiter. Möglich ist aber auch, dass die Einkaufsstraße auf dem Niveau des Cryptoporticus als ihre Verlängerung gedacht war. Insgesamt gesehen zeigen die bislang erfolgten Ausgrabungen, dass der mitten in der Stadt liegende Platz vor allem das Zentrum des öffentlichen Lebens dar­stellte. Hier kam man zu Versammlungen zusammen, hier hielt man öffentliche Urkunden unter Verschluss, hier waren der Gerichtsort und die Münzprägestätte der Stadt. Natürlich waren hier auch Stelen und Statuen für verdiente Persönlichkeiten aufgestellt. Seit dem 2. Jh. n. Chr. gab es außerdem eine öffentliche Bibliothek, deren Überreste nur wenige Meter von der Nordostecke der Agora entfernt zum Vorschein gekommen sind. In Bezug auf den Apostel Paulus und seinen Aufenthalt in der Stadt gibt es ein Problem, das nicht verschwiegen werden soll: Die architektonische Anordnung der Agora stammt erst aus dem 2. Jh. n. Chr., sodass man nicht einfach davon ausgehen kann, dass der Apostel Paulus die Agora in der heute ausgegrabenen Gestalt gesehen hat. Wohl eher in einer früheren Form. Das in der Südostecke der Agora entdeckte Badehaus einschließlich Bordell hat er sicher gesehen, denn es war zu seiner Zeit in Betrieb. Ursprünglich war es ein Teil des städtischen Gymnasiums – was in der Antike nichts mit Schule zu tun hatte, sondern eher mit sportlicher Ertüchtigung und Wellness. Die kreisförmig angeordneten Wannen des Bades sind heute noch zu sehen. Dass der Apostel überhaupt auf der Agora war, wenn er schon in Thessaloniki weilte,

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Römisches Badehaus (Rekonstruktion)

Agora, Wannen des römischen Badehauses

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) d­ avon kann man sicher ausgehen. Vielleicht hat er sogar hier gepredigt, denn dieser recht belebte Platz bot die Möglichkeit, eine größere Zuhörerschaft zu erreichen. Ende des 4. Jh. n. Chr. verlor die Agora ihre Funktion als Mittelpunkt der antiken Stadt. Langsam setzte ihr Verfall ein, und im Jahre 620 n. Chr. besiegelte ein Erdbeben ihr Schicksal, sodass der Platz in der Mitte der Stadt für lange Zeit nur noch als Steinbruch genutzt wurde.

Der Galerius-Komplex Ende des 3. Jh. n. Chr. wurde das monarchische Regierungssystem des Römischen Reiches in ein System kollektiver Regierung verändert. Kaiser Dio­ kletian (284–305 n. Chr.) erkannte, dass das riesige Imperium angesichts des zunehmenden Drucks durch die Völkerwanderung dringend einer Reform bedurfte. Daher ordnete er 285 n. Chr. an, dass Maximian zum Mitherrscher ernannt wurde, sodass es an der Spitze des Reiches fortan zwei Augusti (»Erhabene«) geben sollte. 293 n. Chr. jedoch erhoben die beiden Augusti ihrerseits die Generäle Constantius und Galerius zu Cäsaren, sodass aus der einstigen Monarchie eine Tetrarchie wurde: An der Spitze des Reiches stand nicht mehr ein Alleinherrscher, sondern zwei Augusti und zwei Caesares. Zwar blieb Rom nominell die Hauptstadt, doch regierten die Tetrarchen in ihren Residenz­städten, die näher an den Grenzen des Reiches lagen. Galerius, der 298 n. Chr. siegreich gegen die Perser gekämpft hatte, kehrte bald darauf auf die Balkanhalbinsel zurück und erhob Thessaloniki zu seiner Residenzstadt. In den Jahren 298–303 und 308–311 lebte er in der Stadt und ließ sie prachtvoll ausbauen. Der ehrgeizige Tetrarch errichtete einen 15 Hektar großen Komplex an der Südostgrenze der Stadt zwischen Stadion und Stadtmauer. Dieser Galerius-Komplex schloss einen Palast, einen Hippodrom und im Norden einen Triumphbogen ein (in Thessaloniki bekannt als »Kamara«), der als Aufgang zu einem imposanten Rundbau, der sogenannten »Rotunda«, gedacht war. Alle Gebäude lagen in einer von Nord nach Süd ausgerichteten Achse, die bei der »Rotunda« begann und über den Palast bis ans Meer reichte. In dieser Zeit wurde auch das Zentrum der Verwaltung, sowohl der Stadt als auch der gesamten Region, von der römischen Agora in den Palast verlegt.

Thessaloniki Der Galerius-Palast Im Bereich des »Navarinou-Platzes« kam bei Grabungen ein Palastkomplex ans Licht, der aus unterschiedlichen, wohl zweigeschossigen Gebäuden bestand. So fand man eine große rechteckige Anlage, in deren Mitte sich ein Innenhof (Atrium) befand, um den ein Säulengang angelegt war (Peristyl-Stoa). Daran schlossen sich einzelne Räume an, die mit wertvollen Mosaikfußböden und WandGalerius-Palast (Luftbild) malereien verziert waren. So z. B. ein Saal für Versammlungen und Empfänge, Räume für kultische Zwecke und Feierlichkeiten, Schlafgemächer sowie Quartiere für die Palastwache. Darüber hinaus gab es auf dem Gelände auch Bäder, Springbrunnen und Wasseranlagen (vgl. Abb.), die zusammen mit einer zweistöckigen Säulenhalle im Ostteil des Geländes gefunden wurden. Der Haupteingang des Palastes wird nach Süden zum Meer hin gewesen sein, wo sich in der Nähe auch der vorkonstantinische Hafen befand, sodass eine Verschiffung in andere Galerius-Palast (Teil-Rekonstruktion) Teile des Reiches schnell und ohne Anfahrtsweg möglich war. Im Südwestteil des Grabungsfeldes ist ein großes, achteckiges Gebäude (»Oktogon«), zum Vorschein gekommen. Es hat einen Durchmesser von etwa 30 Metern, und seine Funktion könnte die eines Thronsaales gewesen sein. Das Oktogon hatte in seinem Inneren eine Vorhalle, an deren Ende Wendeltreppen nach oben führten. Sieben Nischen zierten die Halle – jeweils an einer Seite des Achtecks, während die achte durch den Zugang eingenommen wurde. Die Räume waren mit Marmorfliesen ausgelegt, während die Wände mit prachtvollen Marmorplatten ausstaffiert waren. Die beweglichen Funde aus diesem Gebäude – darunter einige Götterdarstellungen (z. B. Dionysos und Kabirus) sowie ein ca. 2,5 Meter großer Marmorbogen mit dem Abbild des Galerius und der personifizierten Stadt Thessaloniki – sind heute im Archäologischen Museum ausgestellt.

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) Man schätzt, dass die gesamte Palastanlage doppelt so groß gewesen ist wie das heute ausgegrabene Areal.

Der Galerius-Bogen (Kamara) Neben den Stadtmauern, der römischen Agora und dem Palast ist der Galerius-Bogen eine weitere archäologische Attraktion. Er befindet sich an der Ostgrenze der Altstadt, direkt neben der »Egnatia«, der Hauptverkehrsstraße Thessalonikis (nicht zu verwechseln mit der Via Egnatia), die noch bis zu Beginn des 2. Weltkrieges direkt durch den mittleren Bogen dieses Bauwerks hindurch führte. Galerius-Bogen, Relief mit einer Szene aus Der Triumphbogen wurde 305 n. Chr. aus dem Perserkrieg 296 n. Chr. Anlass der Siege des Galerius über die Perser errichtet. Ursprünglich war er gar kein Triumphbogen im klassischen Sinne. Er war auch kein frei stehendes Bauwerk. Zusammen mit einer Halle, die sich an seiner Südseite als Vorbau anschloss, bildete er das »Entree« zu einem Heiligen Bezirk, in dessen Zentrum die Rotunda (s. u.) stand. Entweder von der Halle oder von zwei Rampen aus gelangte man unter den Bogen und von da aus weiter auf einen großzügig angelegten Platz, der auf die Rotunda ausgerichtet war (vgl. Abb. S. 112). Man wird nicht fehlgehen, wenn man diese architektonische Anordnung als eine Art »Prozessions­ straße« deutet. Der Galerius-Bogen hatte ursprünglich vier große Zentralpfeiler, von denen heute nur noch zwei auf der Westseite erhalten sind. Diese vier Pfeiler bildeten die Basis für das Bauwerk, das später mit einer Kuppel versehen wurde und durch das eine rampenähnliche Zufahrt führte. Der kleinere, äußere Bogen auf der Südseite (zur Straße hin), von dem nur noch eine Hälfte erhalten ist, bildete den Ansatz für den besagten Vorbau: eine repräsentative Halle, in der Galerius Gesandtschaften empfing, Audienzen abhielt und Versammlungen einberief. Der kleinere Bogen auf der Nordseite gehört dagegen nicht zum ursprünglichen Bauwerk, sondern ist erst in frühchristlicher Zeit hinzugefügt worden, als auch die Rotunda verändert und in eine christliche Kirche umgewandelt wurde (nach 380 n. Chr.). Durch diese Veränderung entstand ein Bauwerk mit

Thessaloniki insgesamt acht (statt ursprünglich sechs) Pfeilern, von denen heute noch drei zu sehen sind. Die Reliefdarstellungen auf den beiden großen Pfeilern stehen in Zusammenhang mit den Kriegen gegen die Perser. Die Darstellungen sind künstlerisch nicht besonders wertvoll, außerdem hat sich ihr Erhaltungszustand in den letzten Jahren wegen des starken Verkehrs dramatisch verschlechtert, sodass sie schon mehrfach restauriert werden mussten. Die Reliefdarstellungen sind in vier übereinanderliegenden Bildzonen aufgeteilt, wobei die einzelnen Reihen durch Zöpfe, Girlanden und Blumen voneinander abgesetzt sind. Die oberste Reihe zeigt Gladiatorenspiele sowie den Caesar Galerius, wie er als siegreicher Feldherr auf einem Pferd nach Thessaloniki einzieht und von der Bevölkerung triumphal empfangen wird. Die darunter liegende Reihe zeigt vor allem Szenen aus dem Krieg zwischen den Römern und den Persern. In der dritten Reihe sind Galerius und Diokletian bei unterschiedlichen Opferfeierlichkeiten dargestellt. Dagegen sind in der untersten Reihe kleinere Nischen erkennbar, in denen die Siegesgöttin Nike mit verschiedenen Trophäen abgebildet ist.

Galerius-Bogen (Kamara) von Westen

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) Die Rotunda

Die Rotunda befindet sich nur 150 Meter nördlich vom Galerius-Bogen und stand funkti­onell in Zusammenhang mit ihm. Das ist auch der Grund, weshalb angenommen wird, dass die Rotunda ebenfalls unter Galerius errichtet wurde. Das genaue Datum ist allerdings nicht bekannt. Dieser Rundbau ist ein einzigartiges GebäuGalerius-Bogen und Rotunda (Rekonstruktion) de und vergleichbar mit dem Pantheon in Rom. Der an sich schlicht und schmucklos gehaltene Backsteinbau, dessen Mauern 6,30 Meter dick sind, hat einen Durchmesser von etwa 24 Metern und ist mit einer riesigen Kuppel überwölbt, die von außen nicht zu sehen ist. Über die Funktion dieses Bauwerks ist lange diskutiert worden, ohne dass man zu einem abschließenden Ergebnis gekommen ist. Wahrscheinlich war die Rotunda ein Tempelbau für Rotunda, Südseite (Rekonstruktion) eine Reihe von Göttern (Zeus? Kabirus?), wenn auch die andere Theorie, nach der es sich um ein Mausoleum für Galerius handele, immer noch vertreten wird. Auf jeden Fall wurde dieser Rundbau kurz nach 380 n. Chr. unter dem christlichen Kaiser Theodosius in eine Kirche umgewandelt. Damit ist die Rotunda nicht nur die älteste Kirche Thessalonikis, sondern eine der ältesten erhaltenen Kirchen des Christentums überhaupt! Für den Umbau zu einer Kirche wurden im 5. Jahrhundert eine Reihe von Änderungen und Rotunda, Innenraum (Rekonstruktion) Anbauten vorgenommen. So wurde eine der Nischen, die nach Osten gerichtet war, erweitert, um einen Altarraum zu schaffen. Gleichzeitig wurde der ehemalige Haupteingang von Süden nach Westen – wie in fast allen Kirchen üblich – verlegt. Zusätzlich wurde außen, um den Rundbau herum, ein Säulengang (Kolonnade) von 8 Metern Breite angelegt und mit einem Dach versehen.

Thessaloniki Innen fallen besonders die Nischen sowie die Bögen ins Auge. Über ihnen befindet sich jeweils ein Fenster und noch höher in Richtung Kuppel eine Reihe weiterer, aber kleinerer Fenster. Die Innenwände waren mit Marmor oder Mosaiken ausstaffiert. Ein Teil dieser Mosaike ist vor allem noch in der Kuppel, aber auch an Rotunda von Südosten anderen Stellen erhalten. Auf ihnen sind Heilige des frühen Christentums vor einer architektonischen Szenerie abgebildet. Das Besondere an ihnen ist die frontale Ganzkörperdarstellung. Nach Angaben aus byzantinischer Zeit war die Kirche zuerst den Erzengeln geweiht und hieß »Kirche der Unkörperlichen« (Ασωµάτων). Sie war bis in das 13. Jahrhundert hinein die Hauptkirche der Stadt und Sitz einer Metropolie (Bischofssitz). 1591 wurde sie von den Türken Rotunda, Grundriss in eine Moschee umgewandelt. Das Minarett – direkt neben der Kirche – ist noch erhalten. Heute ist sie die Kirche des »Heiligen Georg« (Αγίου Γεωργίου). Möglicherweise hängt das damit zusammen, dass in der türkischen Zeit die christliche Gemeinde ihren Gottesdienst in der kleinen benachbarten Kirche westlich des Rundbaus abhalten musste. Diese Kirche war bereits dem »Heiligen Georg« geweiht. Dorthin waren auch wertvolle Kunstgegenstände und Kostbarkeiten aus der Rotunda gebracht worden.

Die Kirchen von Thessaloniki Die Kirchen von Thessaloniki sind berühmt wegen ihres Alters und ihrer Schönheit. Bereits in byzantinischer Zeit gab es eine Reihe von Kirchen und Klöstern in der Stadt, von denen viele noch heute erhalten sind. Sie bieten den Interessierten eine große Zahl an Kunstschätzen (Mosaiken, Fresken, Ikonen usw.) aus der Zeit des byzantinischen Christentums. Auf alle kann hier nicht eingegangen werden. Das würde nicht nur den gesteckten Rahmen dieses Buches, sondern vor allem auch den zeitlichen Ansatz sprengen, dessen Zentrum die Zeit des Paulus und damit die römische

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) Antike bildet. Einige Hinweise für den Besuch der ältesten Kirchen der Stadt seien dennoch gegeben und sollen gewissermaßen Appetit machen. Die Rotunda, die Ende des 4. Jh. n. Chr. in eine Kirche umgewandelt wurde und damit die älteste Kirche der Stadt ist, wurde bereits beschrieben. Drei weitere Kirchen sind nur um weniges jünger und reichen in ihrer Geschichte bis in das 5. Jahrhundert zurück: die Kirche des »Heiligen Demetrios«, die Kirche »Acheiropoietos« (»nicht von Händen gemacht«) und die Kirche »Osios David« (»Heiliger David«).

Die Demetrios-Kirche

Demetrios-Kirche, Westseite mit Vorplatz

Demetrios-Kirche, Grundriss

Die Kirche des »Heiligen Demetrios« liegt im Zentrum der Altstadt, etwas oberhalb der »Römischen Agora«, direkt an der gleichnamigen großen Querstraße (Οδός Αγίου Δηµητρίου). Ihr Bau geht auf das 5. Jh. n. Chr. zurück und erfolgte an der Stelle eines älteren Vorgängerbaus, eines kleinen »Kirchleins« (οἰκίσκος). Dieses war zu Ehren des Märtyrers und Stadtheiligen Demetrios über den Ruinen eines römischen Bades errichtet worden, in dem – so die Überlieferung – der christliche Offizier Demetrios unter Kaiser Galerius inhaftiert und ermordet wurde. Zuvor habe Demetrius einen jungen Christen mit Namen Nestor gesegnet, der dazu verurteilt war, im Stadion gegen einen heidnischen Gladiator zu kämpfen. Nachdem Nestor dort einen unerwarteten Sieg davongetragen hatte, wurde Demetrios auf Befehl des wütenden Kaisers »mit Speeren geschlachtet«. Der Ort des Martyriums und die dort errichtete kleine Kirche entwickelte sich rasch zu einer Pilgerstätte. Unter den Pilgern war im Jahre 413 n. Chr. auch ein gewisser Leontius, der das Amt eines Präfekten von Illyrien bekleidete und der durch den Besuch der Pilgerstätte von einer

Thessaloniki schweren Krankheit geheilt wurde. Aus Dankbarkeit und zu Ehren des Heiligen Demetrios ließ er eine neue, prächtige Basilika bauen, die auf Grund ihrer Größe und ihrer Lage am Fuße der Oberstadt das Stadtbild des byzantinischen Thessaloniki beherrschen sollte. Die Kirche, die um 620 durch Feuerausbruch zerstört worden war, wurde bald darauf wieder aufgebaut, bis sie 1917 erneut Opfer der Flammen jenes großen Brandes wurde, der nahezu ganz Thessaloniki in Schutt und Asche legte. Es dauerte einige Zeit, bis die Kirche im Stil des 5. und 7. Jahrhunderts wieder neu errichtet war. Die Kirche ist 43 Meter lang und 33 Meter breit und stellt sich heute als fünfschiffige Basilika mit einem seitlich herausragenden Querschiff dar, das hinter der Ikonostase (Trennwand) liegt, und in dem sich auch der Altar und das Allerheiligste befinden (vgl. Abb.). Das Mittelschiff ist mit 12 Metern Breite größer und höher als die anderen. Die einzelnen Kirchenschiffe sind durch vier marmorne Säulenreihen getrennt, deren Kapitelle wegen der Vielfalt der Typen und Schmuckelemente sehenswert sind. Die vielen Mosaike und Wandmalereien folgen keinem speziellen Stil, da sie zu unterschiedlichen Zeiten zwischen dem 5. und dem 15. Jahrhundert geschaffen wurden. Die ältesten Mosaike zeigen den Heiligen Demetrius. Eines stellt den Heiligen in Militäruniform dar, umgeben von Engeln, ein anderes zeigt, wie zwei Kinder dem Schutz des Heiligen anempfohlen werden. Als die Basilika errichtet wurde, sollen die Reliquien des Märtyrers aus dem kleinen

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Demetrios-Kirche, Ikonostase

Demetrios-Kirche (Nordseite), modernes ciborium

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III. Nord-Griechenland (Makedonien)

»Kirchlein« in die neue Kirche überführt worden sein. Etwa in der Mitte des Hauptschiffes auf der linken Seite ist dann eine kleine Kultstätte (ciborium) aus Marmor errichtet worden, die den Reliquienschrein und eine Abbildung des Demetrios enthielt. Man kann sich ein Vorstellung davon machen, wenn man die heutige Kultstätte im linken Seitenschiff zum Vergleich heranzieht, die dem alten ciborium nachempfunden ist (vgl. Abb.). Von dieser Pilgerstätte erwarteten nicht nur einzelne Gläubige Schutz und Bewahrung, sondern auch die gesamte Stadt im Kampfe gegen ihre Feinde, sodass der heilige Demetrios mit der Zeit zum offiziellen Schutzpatron der Stadt wurde. Hauptattraktion der Kirche ist zweifellos die gewölbegedeckte Krypta unter dem Altarraum. Diese Räumlichkeiten, die man über eine schmale Treppe auf der rechte Seite des Altarraumes erreicht, beherbergen die Reste jenes römischen Bades, in dem Demetrius eingekerkert und hingerichtet wurde. Neben einer kleiner Museumsausstellung, die auch die Reste des marmornen ciborium zeigt, findet man in der Krypta direkt neben der Treppe eine Kapelle, die möglicherweise mit Demetrios-Kirche, Mosaik mit dem dem kleinen »Kirchlein« identisch ist. Hl. Demetrios und zwei Kindern (7. Jh.) Mittelpunkt der unterirdischen Räume ist eine halbkreisförmige Brunnenanlage, die von starken Pfeilern gerahmt ist. Diese liegt direkt unter der Apsis der Basilika. Hier wurde in byzantinischer Zeit das »heilige Wasser« gesammelt, das – so der Volksglaube – dem Grab des Demetrios entquoll und wunderbare Wirkung entfaltete. Vor dem Brunnen wurde ein Becken angebracht, aus dem die Gläubigen, die aus allen Teilen des Landes kamen, das heilende »Weihöl« schöpfen konnten. Mit der im Mittelalter hier ansässigen Pilgerstätte stehen auch die übrigen Räume der Krypta in Zusammenhang.

Thessaloniki

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In der Zeit der türkischen Besatzung war die Krypta zugeschüttet und wurde erst im Rahmen der Renovierungsarbeiten nach dem Brand von 1917 wiederentdeckt.

Die Kirche Acheiropoietos Die Kirche Acheiropoietos liegt am »Platz Makedonomachon« (Πλατία Μακεδονοµάχων = Platz der makedonischen Kämpfer) südöstlich der Agora und wurde über den Ruinen eines römischen Bades errichtet. Auf einigen Stadtplänen ist sie mit dem Namen »Hagia Paraskevi« verzeichnet, der noch aus der Zeit der türkischen Besatzung stammt. Die 3-schiffige Basilika war aber bereits im 14. Jahrhundert unter dem Namen Acheiropoietos bekannt. Dieses griechische Wort bedeutet »ohne (menschliche) Hände gemacht« und bezieht sich darauf, dass es in der Kirche eine Ikone der Mutter Jesu gegeben haben soll, die nicht von menschlicher Hand geschaffen, sondern vom Himmel gefallen war. Vorher trug die Kirche den Namen der »Jungfrau und Gottesgebärerin«. Daher wird angenommen, dass sie im 5. Jahrhundert nach dem Ökumenischen Konzil von Ephesus (431 n. Chr.) errichtet wurde. Dort wurde die zuvor umstrittene Lehrmeinung angenommen, dass Maria nicht nur »Christusgebärerin«, sondern auch »Gottesgebärerin« gewesen sei. Untersuchungen des Mauerwerks bestätigen diese Datierung. Auch zwei Gründerinschriften, die an den Bögen in der Mitte der rechten Säulenreihe des Kirchenschiffs gefunden wurden, weisen in diese Zeit. Die Kirche war die erste, die direkt nach der Eroberung durch die Türken im Jahre 1430

Demetrios-Kirche, Brunnenanlage in der Krypta

Acheiropoietos-Kirche, Grundriss

Acheiropoietos-Kirche von Westen

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III. Nord-Griechenland (Makedonien)

in eine Moschee umgewandelt wurde. Zeugnis davon gibt eine Inschrift in arabischer Sprache auf der achten Säule der linken Kolonnade des Mittelschiffes, auf der zu lesen ist: »Der Sultan Murat nahm 833 (  =  1430 n. Chr.) Thessaloniki ein« (vgl. Abb.). Die Kirche ist ca. 52 Meter lang und 31 Meter breit und hatte ursprünglich einen größeren Vorbau. Vom Typus her ist sie eine schlichte Hallenkirche (»Basilika«), die durch zahlreiche Fenster relativ hell wirkt. Das Mittelschiff misst in der Länge 37 Meter, in der Breite 15,5 Meter und ist durch zwei Reihen Marmorsäulen von den Seitenschiffen abgetrennt. Die Kirche ist erst seit 1930 wieder vollständig für den christlichen Gottesdienst nutzbar. Denn nach der Befreiung von der Türkenherrschaft im Jahre 1912 mussten zahlreiche Reparaturen vorgenommen werden, die 500 Jahre Acheiropoietos-Kirche, Innenansicht Fremdherrschaft und Fremdnutzung erforderlich gemacht hatten.

Die Kirche Osios David

Acheiropoietos-Kirche, Arabische Inschrift auf einer Säule im Kirchenschiff

Kirche Osios David, Südseite mit Eingangstür

Die kleine Kirche Osios David (»Heiliger David«) liegt im höher gelegenen Abschnitt der Altstadt, der sogenannten Oberstadt, am Ende der Straße »Timotheou« nicht weit entfernt vom Kloster Vlatadon. Durch die dichte Bebauung mit Wohnhäusern ist die Kirche schwer zu finden, zumal sie sehr klein ist und der Eingang an der Südseite (Hausnummer 4) leicht übersehen werden kann. Ungewöhnlich an dieser Kirche ist zum einen die kreuzförmige Anlage, zum anderen die darüber gespannte Kuppel. Kirchen dieses Typs sind normalerweise erst im Mittelalter gebaut worden. Diese Kirche stammt jedoch schon aus dem 5. Jh. n. Chr. und ist auf den Resten eines römischen Bades errichtet worden. Ursprünglich

Thessaloniki war sie Teil eines Klosters, das auf Grund der Nähe zu einem Steinbruch den Namen »Latomou« (λατόµος = Steinbrecher) trug – daher auch der ehemalige Name: Kirche des Klosters Latomou. Der Grundriss war ursprünglich mit 12,1 ×12,3 Meter beinahe quadratisch, ist aber später vor allem auf der Westseite verkürzt worden (vgl. Abb.). Besonders wertvoll sind im Inneren der kleinen Kirche die Wandmalereien und -mosaike, deren Entstehungszeit vom 5. Jahrhundert bis ins 14. Jahrhundert reicht. Das zentrale Mosaik in der Altarkuppel stellt Christus in einem roten Gewand dar, der auf einem leuchtenden Bogen sitzt und von vier Evangelisten bzw. deren Symbolen (Löwe = Markus, Stier = Lukas) umgeben ist. In den unteren Ecken sind die alttestamentlichen Propheten Hesekiel (links) und Habakuk (rechts) abgebildet. Auf der Rolle, die Christus in der linken Hand hält, sind Verse aus dem Alten Testament in griechischer Übersetzung zu lesen. Es ist ein bekannter Abschnitt aus dem Propheten Jesaja (Jes 25, 9–10), der hier allerdings in leicht abgewandelter Form geboten wird. Übersetzt heißt er: »Siehe, das ist unser Gott, auf ihn hoffen wir und freuen uns über unser Heil. Denn Ruhe wird er geben über dieses Haus« (vgl. Abb.). Das Mosaik war in der Zeit der Türkenherrschaft, als das Gebäude in eine Moschee umgewandelt war, mit Mörtel überdeckt und ist erst im Jahre 1921 wieder freigelegt worden. Im selben Jahr wurde die Kirche für den christlichen Gebrauch wieder eingeweiht und erhielt ihren heutigen Namen (Osios David) nach dem Asketen David, der in Thessaloniki lange Zeit auf einem Baum gelebt haben soll.

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Kirche Osios David, Grundriss

Kirche Osios David, Kuppelmosaik

Versteckter Zugang zur Kirche Osios David

III. Nord-Griechenland (Makedonien) Beroia (Veria)

Eine für Beroia typische kleine Kirche aus byzantinischer Zeit in schlechtem Erhaltungszustand

Beroia (Véria)

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Einleitung Die heute etwa 40 000 Einwohner zählende Stadt Beroia (Veria) liegt am Fluss Tripotamos – etwa 70 Kilometer südwestlich von Thessaloniki an den Ausläufern des 2 000 Meter hohen Vermion-Gebirges und damit ein wenig abseits der großen Verkehrsströme. Das war in der Antike nicht anders. Obwohl bereits damals keine unbedeutende Stadt, lag Beroia nicht so verkehrsgünstig wie Philippi, Thessaloniki oder Pella. Die Via Egnatia, die wichtigste Straße im nördlichen Griechenland, verlief etwa 40 Kilo­ meter weiter nördlich. Der römische Redner und Schriftsteller Cicero (106–43 v. Chr.) kann Beroia deshalb ein oppidum devium (»abseitige Plakat für die Paulus-Festspiele in Beroia Stadt«) nennen. Heute aber ist die Stadt über die neu erbaute Autobahn verkehrstechnisch gut erreichbar. Dennoch gehört sie zweifelsohne nicht zu den Attraktionen der Studienfahrten auf den Spuren des Paulus. Das liegt wohl daran, dass es – vom archäologischen Standpunkt aus gesehen – hier nicht viel zu sehen gibt: kein Grabungsgelände, kein archäologischer Park, keine monumentalen Überbleibsel wie in Philippi oder Thessaloniki. Doch hat auch diese paulinische Stätte ihren Reiz. Zum einen findet man hier auf engstem Raum eine Fülle von kleinen Kirchen aus byzantinischer Zeit. Zum anderen ist sich kaum eine Stadt in Makedonien der paulinischen Tradition so bewusst wie Beroia. Jedes Jahr im Juni ist die Stadt Veranstalter religiöser Festspiele zu Ehren des Apostels Paulus, der sogenannten »Paulia« (vgl. Abb.), deren Abschluss ein feierlicher Abendgottesdienst am Paulus-Denkmal bildet. Damit knüpft die Stadt noch heute an die Geschehnisse vor 2000 Jahren an, als der Apostel von Thessaloniki kommend hier eine erste kleine christliche Gemeinde gegründet hat. Die Geschichte der Stadt ist allerdings noch älter.

Geschichtliches Umgeben von den Wäldern des Vermion-Gebirges und gesegnet mit dem Wasserreichtum des Tripotamos ist Beroia eine der ältesten Städte Makedoniens.

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) Der früheste literarische Beleg für Beroia stammt aus der Feder keines Geringeren als des griechischen Historikers Thukydides (460–396 v. Chr.). Er erwähnt in seiner »Geschichte des Peloponnesischen Krieges« eine militärische Expedition der Athener nach Nordgriechenland, in deren Verlauf auch Beroia genannt ist (1, 61, 4). Als der Apostel Paulus und seine Begleiter im Jahre 49/50 n. Chr. hierher kamen, war die Stadt also schon mehr als 500 Jahre alt. Eine Reihe von Kleinfunden aus Gräbern des 4. Jh. v. Chr. (Ohrringe und Schmuck), die – wie in der Antike üblich – außerhalb der Mauern angelegt wurden, zeugen von der Kunstfertigkeit des Handwerks und vom Wohlstand der damaligen Einwohner Beroias. Die Bedeutung der Stadt in dieser Zeit unterstreicht die Tatsache, dass die königliche Dynastie der Antigoniden, die in Makedonien bis 168 v. Chr. regierte, aus Beroia stammte. Wie auch in Thessaloniki gab es eine Volks-

Blick vom Altstadt-Plateau (Elia-Park) auf die fruchtbare Ebene von Beroia

Beroia (Véria)

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versammlung, einen Rat sowie Politarchen, welche die Geschicke der Stadt lenkten. Außerdem residierte ein königlicher Beamter (διοικητής) in der Stadt, der sicherstellte, dass keine Entscheidung von Rang ohne die Zustimmung des Königs gefällt wurde. Als 168 v. Chr. der letzte makedonische König gegen die Römer unterliegt, ist Beroia eine der ersten Städte, die sich den neuen Herrschern ergibt (Livius 44, 45). Danach gehört die Stadt zum dritten makedonischen Teilstaat mit der Hauptstadt Pella, ab 148 v. Chr. zur römischen Provinz Mace­ donia, die vom Statthalter in Thessaloniki regiert wird. Nach und nach lassen sich auch die ersten Römer in der Stadt nieder. Es sind vornehmlich Händler und Kaufleute, die vom wirtschaftlichen Potential der neuen Provinz profitieren wollen. Hautnah erlebt Beroia die römischen Bürgerkriege. Im Jahre 49 v. Chr. lässt sich Pompeius d. Gr. im Kampf gegen Iulius Caesar mit seinen politischen Anhängern in Thessaloniki nieder, während seine Legionen in der Ebene bei Beroia Lager beziehen. Erst unter Kaiser Augustus (29 v. Chr.– 14 n. Chr.) beginnt eine längere Phase der Ruhe und Stabilität (pax Augusta). Im sicheren Hinterland gelegen, am Rande einer fruchtbaren Ebene, die durch den Fluss Aliakmon gebildet wurde, wird Beroia für die nächsten Jahrhunderte von Kriegen verschont bleiben und sich zu einer »großen und viel bevölkerten Stadt« entwickeln (Pseudo-Lukian, Lucius 34). Noch im 1. Jh. n. Chr. erhält die Stadt den Ehrentitel »Metropolis« und ist Sitz des makedonischen Landtages, des sogenannten Koinons, in dem alle makedonischen Städte (mit Ausnahme der römischen Kolonien und der »freien Städte« wie Thessaloniki) vertreten waren. Davon zeugen eine Reihe von Münzen, die in Beroia geprägt wurden und auf der Rückseite die Aufschrift des Makedonischen Koinons (ΚΟΙΝΟΝ ΜΑΚΕΔΌΝΩΝ) tragen (vgl. Abb.). Bronzemünze des Makedonischen Koinon

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III. Nord-Griechenland (Makedonien)

Im 1. Jh. n. Chr. oblag dem Koinon die ­Aufsicht über den Kaiserkult und die Ausrichtung gro­ßer Festspiele zu Ehren des Herrschers. Für diese Wettkämpfe sportlicher und künstlerischer Art, die alle fünf Jahre stattfanden, kam man aus dem gesamten Imperium nach Beroia. Im 3. Jh. n. Chr. entbrannte ein Streit zwischen Beroia und Thessaloniki um den Titel »Neo­koros« (wörtl. »Tempelaufseher«) und das damit verbundene Recht, dem noch lebenden Imperator eine Kultstätte errichten zu dürfen. Aus dieser Auseinandersetzung ging Beroia als Sieger hervor und konnte deshalb voller Stolz offiziell verkünden lassen: »Zum 4. Mal Neokoros!« Pittoreske Gasse in der Altstadt von Beroia Die weitere Geschichte der Stadt (ab dem 4. Jh. n. Chr.) verläuft in weniger ruhigen Bahnen. Fremde Völker wie Karpen, Goten, Hunnen, später Slawen, Awaren und Bulgaren, ja sogar Normannen fallen in Makedonien ein und verwüsten weite Landstriche. Das byzantinische Kaiserreich, das im Osten des Mittelmeerraumes das Erbe Roms angetreten hatte, stand in seiner fast 1000-jährigen Geschichte in einem permanenten Kampf gegen Eindringlinge aller Art. Trotz der immer wieder instabilen politischen Lage ist gerade die byzantinische Zeit (5.–15. Jahrhundert) eine Epoche großer künstlerischer Schaffenskraft, in der viele einzigartige Kirchen und Klöster mit unschätzbaren Kunstwerken entstehen. Den sicher größten Einschnitt in der Geschichte der Stadt bildet die Einnahme durch die Türken im Jahre 1448/49 und die sich daran anschließende fast 500-jährige Fremdherrschaft. Die meisten der Kirchen wurden in Moscheen umgewandelt, andere aufgegeben und verlassen. Erst am 16. Oktober 1912 wurde Beroia befreit und wieder in den griechischen Staat eingegliedert. Damals hatte die Stadt etwa 6 000 Einwohner, 15 Moscheen und 72 ( z. T. verfallene) Kirchen.

Paulus auf der Reise nach Beroia Wie die Apostelgeschichte berichtet, gelangten Paulus und seine Begleiter im Verlauf der 2. Missionsreise nach Beroia. Nach den Angaben aus dem Neuen Testament wird das im Jahr 49/50 n. Chr. gewesen sein. Die vorhe-

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Beroia (Véria)

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HOB rigen Stationen in Makedonien waren Neapolis UJB und Philippi, Amphipolis und Apollonia sowie &EFTTB 1FMMB vor allem die Provinzhauptstadt Thessaloniki. Nach Apostelgeschichte 17 war der Abschied aus Thessaloniki kein freiwilliger, sondern stand in Zusammenhang mit dem Prozess ge#FSPJB gen Jason, dem Gastgeber des Paulus. Um der Nachstellung durch die Behörden zu entgehen, 5 IFS NBJTDIFS ( PMG mussten Paulus und Silas bei Nacht die Stadt verlassen und kamen nach Beroia: »Die Brüder Von der Via Egnatia nach Beroia aber schickten noch in derselben Nacht Paulus und Silas nach Beroia« (Apg 19, 10 a). Man darf annehmen, dass die Missionare von Thessaloniki aus zunächst auf der Via Egnatia in Richtung Westen (Pella) reisten, um dann etwa in Höhe des Flusses Axios die römische Reichsstraße zu verlassen und nach Südosten auf die Straße nach Beroia abzubiegen (vgl. Abb.). Die Strecke von 70– 80 Kilometern dürften sie in etwa zwei Tagen zurückgelegt haben. Obwohl relativ groß, galt Beroia als eine eher beschauliche Stadt, die auf Grund ihrer Lage – abseits der Via Egnatia und ohne direkten Zugang zum Meer – der hektischen Betriebsamkeit entbehrte, die für die Provinzhauptstadt typisch war. Diese relative Abgelegenheit dürfte der Grund dafür gewesen sein, weshalb die »Brüder« in Thessaloniki Paulus und Silas nach Beroia entsandten (Apg 17, 10), vor allem, wenn man bedenkt, dass nach den Erfahrungen mit dem aufgebrachten Mob in Thessaloniki (vgl. Apg 17, 5 f.) mit weiteren Zwischenfällen zu rechnen war. Ein ganz ähnliches Zeugnis liefert der bereits erwähnte römische Schriftsteller Cicero. Er wirft dem damaligen Statthalter von Makedonien Lucius Calpurnius Piso vor, er sei (genau wie 100 Jahre später der Apostel Paulus) von Thessaloniki nach Beroia geflohen, weil er die Demonstrationen und Querelen in der Provinzhauptstadt nicht mehr ertragen wollte (In Pisonem 89). Ebenso wichtig wie die Abgelegenheit der Stadt war jedoch, dass die Kompetenz der Politarchen, die die Verhandlung gegen Jason und einige andere »Brüder« geleitet hatten (vgl. Apg 17, 6 ff.), an der Grenze Thessalonikis endete und Paulus deshalb in Beroia nicht allzu viel zu befürchten hatte. Des Weiteren spielte sicherlich eine Rolle, dass es in Beroia eine jüdische Gemeinde gab, die als Anknüpfungspunkt für die weitere Mission dienen konnte, was dann in der Apostelgeschichte auch so notiert wird: VE

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) »Als sie dahin (sc. nach Beroia) kamen, gingen sie in die Synagoge der Juden« (Apg 17, 10  b). Diese Synagoge zur Zeit des Paulus darf allerdings nicht mit der heutigen verwechselt werden, die sich nahe der Altstadt im jüdischen Viertel Barbouta (Olganos-Straße) befindet. Die antike Synagoge vermutet man eher an anderer Stelle, nämlich in der Nähe des Paulus-Denkmals.

Paulus in Beroia Über den Aufenthalt des Apostels in Beroia gibt allein der kurze Abschnitt in der Apostelgeschichte Auskunft (Apg 17, 10–16). In den Briefen des Paulus findet sich darüber nichts. Nach Apostelgeschichte 17 begannen Paulus und Silas nach ihrer Ankunft in Beroia mit der Missionspredigt in der jüdischen Synagoge und hatten dort auch Erfolg: »Diese (Juden) aber waren freundlicher als die in Thessalonich; sie nahmen das Wort bereitwillig auf und forschten täglich in der Schrift, ob sich‘s so verhielte. So glaubten nun viele von ihnen, darunter nicht wenige von den vornehmen griechischen Frauen und Männern« (Apg 17, 6). An dieser eher stereotypen Formulierung (vgl. Apg 17, 4) ist zweierlei interessant. Zum einen: Neben Juden sind es auch Griechen, die sich zum Christentum bekehren. Man wird nicht fehlgehen, wenn es sich hierbei – wie schon in Thessaloniki – um sogenannte Gottesfürchtige handelte, die eine lockere Verbindung zur Synagoge pflegten. Zum anderen sind es aber auch griechische Frauen aus den vornehmen Kreisen, die Paulus gewinnen konnte. In diesem Zusammenhang ist die Beobachtung erhellend, dass die Frauen in Beroia offenbar eine größere Rolle gespielt haben als anderswo. Nicht nur als Mitglieder des makedonischen Koinons und Priesterinnen des Augustus sind sie inschriftlich erwähnt, sondern in einem Fall auch als Vorsitzende des Koinons (Makedoniarchissa), was für damalige Zeit gänzlich ungewöhnlich ist. Die weiteren in der Apostelgeschichte berichteten Ereignisse knüpfen an die Begebenheiten in Thessaloniki an und erinnern in der Formulierung stark an bereits dort Berichtetes: »Als aber die Juden von Thessalonich erfuhren, dass auch in Beroia das Wort Gottes von Paulus verkündigt wurde, kamen sie und erregten Unruhe und verwirrten auch dort das Volk« (Apg 17, 13). Die Konsequenz dieser Unruhe ist, dass Paulus die Stadt sofort verlässt, um ans Meer zu gelangen und von dort weiter nach Athen. Dabei wird er von den »Brüdern«, also von Mitgliedern der Gemeinde begleitet. Unklar bleibt, ob Paulus den weiteren Weg per Schiff zurücklegt – wie Apostelgeschichte

Beroia (Véria) 17,14 nahelegt – oder doch den Landweg über Thessalien wählt. Silas und Timotheus bleiben noch eine Zeit lang in Beroia, um erst in Korinth wieder mit Paulus zusammenzutreffen (vgl. Apg 18, 5; 1 Thess 3, 6). Man darf annehmen, dass diese beiden Mitarbeiter des Paulus die neu gegründete Gemeinde weiter begleiten sollten, um ihre Existenz auch längerfristig zu sichern. Dass dies gelang, lässt sich einer kurzen Notiz entnehmen, wonach Paulus einige Jahre später im Rahmen der 3. Missionsreise (ca. 55/56 n. Chr.) noch einmal Makedonien besucht hat (Apg 20, 1.3),

In Form eines Flügelaltars gestaltetes Paulus-Denkmal

Areal des Paulus-Denkmals

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) und zwar zweimal kurz hintereinander, als er auf dem Weg von Ephesus nach Achaia und wieder zurück war – was im Übrigen von Paulus selbst bestätigt wird (vgl. 1 Kor 16, 5). In diesem Zusammenhang wird ein Mitarbeiter des Paulus erwähnt, der aus der Gemeinde in Beroia stammte: »Es zogen aber mit ihm Sopater aus Beroia, der Sohn des Pyrrhus« (Apg 20, 4 a). Das bedeutet, dass die Gründung der christlichen Gemeinde von Beroia im Jahre 49/50 n. Chr. den Auftakt zu einer bis heute andauernden Geschichte markiert.

Das Paulus-Denkmal Das Paulus-Denkmal gehört – obwohl kein Relikt aus der Antike, sondern ein Bauwerk aus den Jahren 1953–63 – zum Pflichtprogramm eines jeden, der auf den Spuren des Apostels unterwegs ist. Es befindet sich am südlichen Rand der Altstadt, bereits außerhalb der Mauern, in der Straße Mavromichali. Das liebevoll angelegte, mit Schatten spendenden Bäumen und einem kleinen Brunnen ausgestattete Areal lädt dazu ein, sich die Begebenheiten um die Gründung der Gemeinde noch einmal vor Augen zu führen. Das Monument erhebt nicht den Anspruch, den historischen Ort der paulinischen Missionspredigt abzubilden (wie ab und an zu lesen oder zu hören ist), sondern ist eher eine Stätte der Anbetung. Daher wird es bisweilen auch als »Apostel Paulus-Heiligtum«, in der Stiftungsinschrift gar als »Heiliger Altar des Paulus« bezeichnet. Schon am Aufgang zum Denkmal stößt man auf eine Metallplatte mit einem leicht abgewandelten Vers aus dem Beroia-Abschnitt der Apostelgeschichte in englischer Sprache: »In Beroia nahmen sie das Wort auf mit allem Eifer, täglich in den Schriften forschend, um zu sehen, ob die Dinge so waren« (Apg 17, 11). Darunter findet sich ein vierzeiliger Reim mit geistlichem Inhalt (vgl. Abb.). Den Mittelpunkt des Denkmals, das wie ein überdimensionaler halbrunder Flügelaltar aus Marmor gestaltet ist, bilden die beiden Mosaike mit Szenen aus der Apostelgeschichte. In ihrer Mitte befindet sich eine Nische mit dem Mosaik des Apostels sowie der Gründungsinschrift für das Paulus-Denkmal. Das linke Mosaik trägt die Überschrift »Die Vision des Apostels Paulus« (τὸ ὅραµα τοῦ ἀποστόλου Παύλου) und bezieht sich somit auf eine Schlüsselstelle der Apostelgeschichte, an der von einer nächtlichen Vision in Alexandria Troas in Kleinasien die Rede ist: »Und Paulus sah eine Erscheinung bei Nacht: Ein Mann aus Makedonien stand da und bat ihn: Komm herüber nach Make­ donien und hilf uns« (Apg 16, 9).

Beroia (Véria) Für die Apostelgeschichte ist dieses Ereignis deshalb von großer Bedeutung, weil der Apostel auf Grund dieser Vision den Schritt von Kleinasien nach Makedonien wagt. Darauf bezieht sich die Abbildung des linken Mosaiks: Die Stadtmauer oben rechts ist die von Troas, im Hintergrund ist die Ägäis zu sehen, in der Mitte – liegend – der Apostel Paulus, während der makedonische Mann hier eher als Engel dargestellt ist. Aber immerhin sind seine Worte ein direktes Zitat aus Apostelgeschichte 16, 9: »Komm herüber nach Make­ donien und hilf uns« (διαβάς εἰς Μακεδονίαν βοήθησον ἡµίν). Das rechte Wandmosaik zeigt den Apostel bei seiner Predigt vor den Mauern Beroias (ἡ πόλις Βέροια  =  die Stadt Beroia). Paulus hat eine Schriftrolle in der Hand, die – merkwürdigerweise und in künstlerischer Freiheit – eine Stelle aus seinem ersten Brief an die Thessalonicher bietet, der erst später und von Korinth aus geschrieben wurde. Darauf steht (1 Thess 4, 1): »Weiter, liebe Brüder, bitten und ermahnen wir euch in dem Herrn Jesus, da ihr von uns empfangen habt, wie ihr leben sollt, um Gott zu gefallen.« Das Publikum im Vordergrund scheint – gemäß Apostelgeschichte 17, 11 – die in der Schrift forschenden Juden darzustellen, während die Personen im Hintergrund offenbar die vornehmen griechischen Frauen und Männer aus Apostelgeschichte 17, 12 sind. Der mitschreibende, in rot gekleidete junge Mann in der ersten Reihe, dürfte der Evangelist Lukas sein, der die Apostelgeschichte verfasst hat. Auf der linken Seite des Monuments steht ein weiterer Paulus-Altar (vgl. Abb.), der für

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Altar mit Paulus-Ikone

Linker Flügel des Paulus-Denkmals: die Vision des Paulus in Troas (Apg 16,9)

Tafel am Aufgang zum Paulus-Denkmal Tafel am Aufgang zum Paulus-Denkmal

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) griechisch-orthodoxe Christen ebenfalls Gegenstand der Anbetung ist. Er zeigt in seinem Giebel den die Hände ausbreitenden Christus, darunter den Apostel mit einem Schwert in der rechten und mit Schriftrollen in der linken Hand. Der Text darunter ist ein Dankgebet an Jesus Christus für die Missionspredigt des Paulus in Beroia und die Errichtung dieses Denkmals.

Das religiöse Leben in der antiken Stadt In der Stadt existierten eine Reihe von Tempeln und Heiligtümern, deren Reste auf Grund der kontinuierlichen Überbauung weitgehend spärlich ausfallen. Und nicht in allen Fällen gelang es, ihre Lage ausfindig zu machen. Immerhin wissen wir heute von Heiligtümern für eine ganze Reihe von griechischen Göttern (z. B. Herakles, Asklepios, Athena, Aphrodite, Artemis, Dionysos). Mit der römischen Herrschaft (ab 168 v. Chr.) und dem Zuzug von Händlern kamen auch römische Aphrodite-Statue (Beroia, Archäologisches Museum) Götter wie Juppiter oder Venus sowie der Kaiserkult (1. Jh. n. Chr.) nach Beroia, später – bedingt durch die Globalisierung innerhalb des römischen Imperiums – auch weitere fremde Gottheiten: So der Kult der ägyptischen Götter Isis, Serapis und Harpokrates. Dieser Mysterienkult, der nur Eingeweihten zugänglich war, übte mit seinen Reinigungs- und Einweihungsriten, mit seinen speziellen Festen und Mahlzeiten auch hier eine besondere Faszination auf viele Menschen aus. Dass auch das Judentum in Beroia vertreten war, ist bereits erwähnt worden. Eine Besonderheit der Stadt Beroia ist der inschriftlich schon in vorchristlicher Zeit bezeugte Kult der Syria Dea (»die syrische Göttin«). Lukian von Samosata (ca. 120–180 n. Chr.) berichtet in seinem Roman »Lukios oder der Esel« voller Spott über den Schindluder, der mit diesem Kult getrieben wurde. Er erzählt von einem Mann, der das Bild der Göttin auf einem Esel durch die Dörfer Beroias trug, um sich damit – zusammen mit seinen Begleitern – den Lebensunterhalt zu verdienen: »Am folgenden Tage gingen sie, wie sie selbst

Beroia (Véria)

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sagten, an die Arbeit; sie putzen die Göttin aus und setzen sie« auf einen Esel. »Alsdann rückten wir aus der Stadt aus und zogen in dem Lande umher. So oft wir in ein Dorf kamen«, musste der Esel stehen bleiben; »der Chor der Flötenspieler blies ein begeistertes Lied; die Diener der Göttin warfen ihre Kopfbinden ab, drehten sich mit gesenkten Häuptern im Kreise herum und zerschnitten sich mit den Schwertern ihre Ellbogen; alle streckten die Zunge aus den Zähnen heraus und machten auch in sie Einschnitte, sodass in kurzer Zeit alles von dem Blute« voll war. »Nachdem sie sich auf diese Weise zerfetzt hatten, sammelten sie von den umstehenden Zuschauern« Geld ein; »ein anderer gab trockene Feigen, Käse, ein Fässchen Wein oder einen Scheffel Weizen und Gerste für den Esel. Hiervon lebten sie und bestritten die Ausgaben für die Göttin« (37  =  Apuleius, Metamorphoses VIII 28). Auch wenn hier sicher einiges übertrieben dargestellt ist, so wirft dieser Bericht doch ein interessantes Licht auf die Praktiken dieses ursprünglich orientalischen Kultes.

Antike Baudenkmäler Wie der Verlauf der Stadtmauern zeigt, war das antike Beroia auf das Gebiet der heutigen Altstadt beschränkt. Viel davon ist nicht erhalten, weder vom makedonischen noch vom römischen Beroia. Grund dafür ist auch hier die kontinuierliche Bebauung der Stadt. Aber überall, wo Erdarbeiten nötig sind, kann man sicher sein, auf die Reste der antiken Stadt zu stoßen. Die zahlreichen Kleinfunde wie Inschriften, Skulpturen, Grabstelen und Schmuck sind im Archäologischen Museum der Stadt ausgestellt. Besonders der Garten des Museums ist ein wahres Eldorado für Freunde von Inschriften. Die ursprünglich rechtwinklige Anlage des Straßensystems ist nur noch vereinzelt er­ kennbar. Immerhin dürften die Hauptstraßen der Altstadt (Mitropoleos, Venezelou sowie

Mitropoleos-Straße in der Altstadt von Beroia

Römisches Pflaster in der Mitropoleos-Straße

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) Elias) auch schon zu Paulus Zeiten die wichtigsten Straßen der antiken Stadt gewesen sein (cardo bzw. decumanus). Unter und entlang der Hauptstraßen hat man ältere Trassen aus römischer Zeit gefunden. An einigen Stellen der Mitropoleos-Straße ist das Pflaster aus dem 2. /3. Jh. n. Chr. freigelegt (z. B. gegenüber der neuen Metropolitankirche). Die Straßen waren ca. 4 Meter breit und verfügten selbstverständlich über ein unterirdisches Abwassersystem sowie über Rohrleitungen, die frisches Wasser an die Häuserblöcke transportierten. Das Zentrum der antiken Stadt, die Agora, lag wohl in der Nähe der Kirche Agiou Antoniou, wo auch heute noch ein großer Platz vorhanden ist. Andere größere Gebäudekomplexe aus hellenistischer Zeit, wie z. B. die antike Sportstätte (Gymnasium) oder das Stadion sind inzwischen ebenfalls lokalisierbar. Beide lagen wohl am Ostabhang der Stadt und damit ganz nahe an der Stadtmauer. Aus römischer Zeit stammen eine Reihe von öffentlichen Bädern, ein kleines überdachtes Theater (Odeion) sowie das Heiligtum für den Kaiser Augustus.

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Antikes und frühchristliches Beroia, Übersichtskarte

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Beroia (Véria) Die Stadtmauer Das einzige größere Monument der Antike, das noch heute in situ (d. h. an der ursprünglichen Stelle) besichtigt werden kann, ist die Stadtmauer. Sie stammt in ihren ältesten Teilen aus makedonischer Zeit (große Kalksteinquader gleicher Größe) und ist vielleicht identisch mit der Befestigung, deren Existenz bei Plutarch Antike Stadtmauer am Byzantinischen vorausgesetzt ist in der Schilderung der BelaMuseum gerung durch Demetrios Poliorketes im Jahre 288 v. Chr. (Pyrrhos 11). Man kann davon ausgehen, dass die Befestigung das ganze Plateau der heutigen Altstadt umfasste. Diese Vermutung legen die Mauerstücke nahe, die besonders im Süden und Südosten, z. T. auch im Norden (in der Nähe des »Königstores«) noch erhalten sind. Auf der Westseite war durch den Fluss eine zusätzliche Sicherung gegeben. Die Verteidigungsanlage war durch Türme verstärkt und an mindestens drei Toren durchlässig. Insgesamt hatte sie wohl eine Länge von ca. 3 500 Metern und war damit ungefähr so groß wie die in Philippi. Ende des 3. Jh. n. Chr. im Zuge der beginRömischer Turm (3. Jh. n. Chr.) im nenden Völkerwanderung kamen germanische Nordabschnitt der Mauer unterhalb der Straße Antheon Stämme nach Makedonien und verbreiteten Angst und Schrecken. Die Befestigungsanlagen wurden in großer Eile verstärkt. Daher sind die Mauern teilweise mit atypischem Material wie etwa marmornen Grabsteinen aufgefüllt worden, die man von den Friedhöfen entlang der Ausfallstraßen herbeigeschafft hatte. Aber auch in byzantinischer Zeit wurden die Mauern immer wieder ausgebessert und verstärkt. Auffällig sind die Über- und Anbauten aus neuerer Zeit: Häuser, ganze Wohnblocks wurden in die Mauer hineingebaut (vgl. Abb.). Für die Archäologen ein Glücksfall. Denn so entging ein wichtiges Monument des antiken Beroia der vollständigen Zerstörung.

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) Die Kirchen von Beroia

Kirche des Theologen Johannes (12./13. Jh.) in der Venizelou-Straße

Beroia ist berühmt wegen seiner Kirchen, weswegen man auch schon von »Klein-Jerusalem« gesprochen hat. Von ehemals 72 Kirchen und Kirchlein sind noch heute etwa 50 – z. T. weniger gut – erhalten. Diese beherbergen eine Vielzahl mittelalterlicher Fresken aus dem 12. bis zum 18. Jahrhundert, welche kunstgeschichtlich von hohem Wert sind. Einige Kirchen sind als solche wegen ihrer geringen Größe kaum erkennbar, andere liegen versteckt in Hinterhöfen größerer Wohnhäuser. Im Folgenden beschränken wir uns auf die Kirchen, die auf den Fundamenten älterer, z. T. frühchristlicher Bauten errichtet worden sind, deren Reste bisweilen noch sichtbar sind.

Eine frühchristliche Basilika In der Straße Karatasou sind die hervorstehende Apsis, das Zentralschiff und der Vorraum (Narthex) einer frühchristlichen Basilika aus dem 6. Jahrhundert zum Vorschein gekommen. Das Zentralschiff war mit einem farbigen Bodenmosaik (opus sectile) geschmückt, der Vorraum ebenfalls mit Mosaiken bestückt.

Die Kirche Agios Patapios mit Ausgrabungen Die postbyzantinische Kirche des Heiligen Patapios liegt unweit der Hauptstraße Venizelou in der Straße Kapetan Agra. Sie stammt aus dem 16. Jahrhundert und ist weniger wegen ihrer Fresken (16.–18. Jahrhundert) als vielmehr wegen der sie umgebenden Ausgrabungen interessant. Die Kirche steht nämlich auf den Mauern eines Vorgängerbaus aus frühchristlicher Zeit. So stieß man auf einen Taufkomplex aus dem 4. Jahrhundert sowie eine dreischiffige Basilika aus dem 5. Jahrhundert. Offensichtlich war die Basilika ihrerseits über einem älteren Baptisterium (Taufgebäude) errichtet worden, von dem eine achteckige Taufe sowie Teile eines Innenhofes (Atrium) mit Bodenmosaiken erhalten sind. An die Basilika schloss sich ein weiteres Gebäude an, das ebenfalls mit

Beroia (Véria) Bodenmosaiken ausgestattet war und als Residenz des Bischofs identifiziert wurde. Möglicherweise handelt es sich bei diesem ausgegrabenen Gebäudekomplex um die Hauptkirche des frühchristlichen Beroia.

Die Kirche der Panagouda Die Kirche der Panagouda (»All-Heilige«  =  Maria) liegt mitten im pittoresken Südviertel der Altstadt namens Kiriotissa. Auch diese kleine Basilika ist auf den Mauern einer frühchristlichen Kirche errichtet. Während diese dreischiffig war, ist die heutige nur zweischiffig und hat einen Vorraum (Narthex). Die ältesten Wandmalereien befinden sich in der Apsis des Allerheiligsten (sanc­ tuarium) und stammen aus dem 15. Jahrhundert, die übrigen Fresken – und auch das Kirchenschiff – sind aus dem Jahre 1706, wie die Gründungsinschrift belegt.

Kirche der Panagouda in einem Hinterhof

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) Die Kirche Agia Anna Die Kirche der Heiligen Anna befindet sich im Zentrum der Altstadt in der Straße Tsoupeli, unweit der Kreuzung zur Venezelou. Sie ist zweischiffig und stammt aus dem 16. Jahrhundert. An der gleichen Stelle stand zuvor eine einschiffige Kirche, die im 15. Jahrhundert auf den Ruinen einer frühchristlichen Basilika des 6. Jahrhunderts errichtet worden war. Die Wandmalereien im Inneren der Kirche sind alle in die Zeit von 1500 bis 1550 datiert.

Die alte Metropolitankirche Die alte Metropolitankirche ist insofern etwas Besonderes, als dass sie bereits im 11. Jahrhundert unter Bischof Nikitas aus dem Material (Säulen usw.) einer frühchristlichen Basilika errichtet wurde. Damit ist sie nicht nur die älteste erhaltene Kirche Beroias, sondern gehörte zur Zeit ihrer Erbauung sogar zu den größten Bischofskirchen Makedoniens. Sie befindet sich im südlichen Teil der Altstadt zwischen den Straßen Kentrikis bzw. A. Kamara und ist heute Alte Metropolitan-Kirche (11. Jh.) in einem erbarmungswürdigen Zustand. Das Mittelschiff der ursprünglich dreischiffigen Basilika ist erhöht, das südliche heute nicht mehr vorhanden. Wann es abgerissen wurde, ist nicht bekannt. Während der Türkenherrschaft wurde die Kirche in eine Moschee umgewandelt und erhielt den Namen Sieges-Moschee. Davon zeugt das noch heute erhaltene Minarett an der Nord-Ost-Seite der Kirche. In ihrem Inneren birgt die Kirche Wandmalereien von unschätzbarem Wert. Die ältesten Malereien stammen aus dem 13., die jüngeren aus dem 14. Jahrhundert.

Die Auferstehungskirche (Christus-Kirche) Die einschiffige Kirche der Auferstehung Christi am Anfang der Straße Mitropoleos gilt als das Juwel unter den Gotteshäusern Beroias. Nach Auskunft der metrischen Inschrift (Iambische Trimeter) über dem Westeingang war ihr Baumeister ein gewisser Xenos Psalidas, der die Fertigstellung dieser der Auf-

Beroia (Véria) erstehung Christi geweihten Kirche allerdings nicht mehr erlebte, sondern sie seiner Ehefrau überlassen musste. Die Fresken in Inneren der Kirche sind von höchster künstlerischer Qualität und wurden von keinem Geringeren als dem Sakralmaler Georgos Kallierges aus Thessaloniki hergestellt, der zu seiner Zeit als einer der begabtesten Maler in ganz Nordgriechenland galt. 1314/15 ursprünglich als Klosterkirche erbaut, wurden die Wandmalereien erst 1326 bzw. 1355 vollendet. Sie zeigen alttestamentliche Propheten, Heilige und Märtyrer der Alten Kirche und vor allem Szenen aus dem Leben Jesu von der Geburt bis zur Auferstehung.

Kirche der Auferstehung Christi (14. Jh.) im Zentrum der Altstadt (Mitropoleos-Straße)

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) Exkurs I: Pella

Pella, Luftaufnahme des Grabungsgeländes (im Hintergrund das heutige Dorf Pella)

Exkurs I: Pella

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Einleitung Die archäologische Stätte von Pella liegt ca. 40 Kilometer westlich von Thessaloniki, direkt an der stark befahrenen Straße nach Giannitsa bzw. Edessa. Sie gehört seit einigen Jahrzehnten zu den größten Grabungsgebieten in Makedonien. Dennoch liegt das meiste noch unter der Erde, sodass auch für die Zukunft einiges an Funden zu erwarten ist (vgl. Abb.). Die bisherigen Ausgrabungen in der einstigen makedonischen Königsstadt haben südlich der Agora eine Reihe von Bodenmosaiken zutage gefördert, die kunsthistorisch von einzigartigem Wert sind. Sie gehörten zu großzügig Grabrelief des 4. Jh.s v. Chr. (Pella, Museum) angelegten Wohnhäusern des 4./3. Jh. v. Chr. Die zahlreichen Kleinfunde aus den Gräbern der Stadt, die im Museum am Grabungsgelände ausgestellt sind (Statuetten, Gefäße und Schmuck), sind ebenfalls sehenswert und zeugen vom Reichtum des antiken Pella.

Paulus in Pella? Pella gehört nicht zu den paulinischen Stätten. Ob der Apostel Paulus jemals hier gewesen ist, lässt sich nicht sagen. Jedenfalls kommt der Name der Stadt im Neuen Testament nirgendwo vor, weder in der Apostelgeschichte noch in den Briefen des Paulus. Allerdings gibt es unter Neutestamentlern die Theorie, dass Paulus im Verlauf der 2. Missionsreise möglicherweise doch nach Pella gekommen sei (A. Suhl). Diese Theorie stützt sich auf den Plan des Apostels, die Mission in den Westen des Reiches (nach Spanien) zu bringen. Im Brief an die Römer schreibt Paulus nämlich, dass er »seit vielen Jahren das Verlangen« (Röm 15, 23 f.) verspüre, nach Rom zu kommen, um weiter nach Spanien zu reisen. Daher – so die Theorie – sei anzunehmen, dass Paulus bereits bei seiner Reise durch Makedonien im Jahre 49/50 n. Chr. als eigentliches Ziel Rom im Auge gehabt habe. Infolgedessen sei er von Thessaloniki aus auf der Via Egnatia weiter nach Westen gereist, um an der Adriaküste nach Italien überzusetzen.

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) Allerdings ist dagegen zu halten, dass die Apostelgeschichte in ihrer Beschreibung der Reiseroute an keiner Stelle davon spricht. Im Gegenteil: Nach Apostelgeschichte 17, 10 ist die auf Thessaloniki folgende Station eben nicht Pella, sondern das ca. 40 Kilometer weiter südlich liegende Beroia. Außerdem muss man sagen: Selbst wenn Paulus nach Pella gekommen wäre, hätte er zu seiner Zeit nur noch ein paar Ruinen angetroffen. Denn viel mehr war Mitte des 1. Jh. n. Chr. nicht übrig geblieben vom einstigen Glanz der Stadt. Der griechische Redner Dion Chrysostomos (40–120 n. Chr.) schreibt, dass die vielen zerbrochenen und überall verstreut herumliegenden Dachziegel (vgl. Abb.) das Einzige gewesen seien, was an den Ruhm der Stadt erinnerte (XXXIII). Und andere Zeugnisse des 2. Jh. n. Chr. sprechen von nur noch sehr wenigen Bewohnern in der Stadt (vgl. Lukian, Alexandros 6).

Geschichtliches

Marmorne Reiterstatuette aus dem 4. Jh. v. Chr. (Pella, Museum)

Dachziegel mit antikem »Pella«-Stempel

Die ältesten literarischen Belege für die Existenz der Stadt Pella gehen auf die griechischen Historiker Herodot und Thukydides (5. Jh. v. Chr.) zurück. Damals war Pella noch nicht die Hauptstadt des makedonischen Königreiches. Erst unter Archelaos (413–399 v. Chr.) wurde der Sitz des Königshauses von Aigai (heute: Vergina) nach Pella verlegt. Offensichtlich erkannte man die strategisch günstigere Lage mit Zugang zum Meer. Denn der Ludias-See, an dessen Rand Pella lag, war damals noch mit dem Meer verbunden, sodass die Schiffe direkt in Pella anlegen konnten. Heute ist der See längst verlandet, und Pella liegt ca. 30 Kilometer vom Thermaischen Golf entfernt! In der Folgezeit rasch ausgebaut, wird Pella schon bei Xenophon (430– 354 v. Chr.) als die größte Stadt in Makedonien bezeichnet (Hellenika V 2, 13). Philipp II., der Vater Alexanders d. Gr., der bereits hier geboren wurde, ließ die Stadt weiter

Exkurs I: Pella ausbauen und auf dem nahegelegenen Hügel einen prächtigen Palast anlegen (Akropolis), der fortan als Residenz der makedonischen Könige genutzt wurde. Die Gesamtfläche der Stadt betrug damals beachtliche 2–3 Quadratkilometer, die Stadtmauer umfasste eine Länge von etwa 8 Kilometern! Philipp lud Künstler, Dichter und Philosophen an seinen Hof, die in ihm einen großzügigen Mäzen fanden. Unter ihnen befand sich auch der Platonschüler Aristoteles, der ab 342 v. Chr. für die Erziehung von Philipps Sohn Alexander zuständig war. Infolge des großen Feldzuges, den Alexander nach Kleinasien und bis nach Indien unternahm, flossen enorme Reichtümer in die Heimat zurück und wurden zu einem großen Teil in der königlichen Schatzkammer auf der Insel Phakos im Ludias-See aufbewahrt. Diese war der Stadt Pella direkt vorgelagert und durch eine hölzerne Brücke mit ihr verbunden. Als 168 v. Chr. der makedonische König Philipp V. den Römern unterlag und der siegreiche Feldherr Aemilius Paullus nach Pella kam, um die Stadt zu übernehmen, staunte er nicht schlecht, welche unermesslichen Schätze hier angesammelt waren. Im gleichen Jahr wird das makedonische Königreich von den Römern aufgelöst und damit der Niedergang Pellas eingeleitet. Zwar bleibt die Stadt für einige Jahre Hauptort des 3. makedonischen Bezirkes, muss aber 148 v. Chr. bei der Gründung der römischen Provinz Macedonia mit ansehen, wie Thessaloniki zur neuen Hauptstadt erkoren und ausgebaut wird. Einige Jahre später wird wenige Kilometer weiter westlich eine römische Kolonie gegründet, die das alte Pella schnell an Bedeutung übertreffen sollte. Sie trägt den Namen Colonia Pellensis bzw. Colonia Iulia Augusta Pella – beides ist auf Münzen bezeugt. Im 1. Jh. v. Chr. setzen Erdbeben der ruhmreichen Königsstadt schwer zu und leiten ihren Verfall ein. Schon bald bestimmen nur noch verlassene Häuser und Reste von eingestürzten Gebäuden das Bild der Stadt, die einst den stolzen Heerscharen Alexanders auf ihrem Weg nach Asien zugejubelt hatte. Über 1 500 Jahre später werden die Ruinen Pellas den türkischen Eroberern bei der Errichtung der Stadt Giannitsa als Baumaterial gute Dienste leisten. An diesem Vorgang zeigte sich »die Rache des Ostens für seine Eroberung durch Alexander«, wie der griechische Archäologe Touratsoglou kommentiert (Touratsoglou, S. 140).

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) ]

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Pella, Übersichtskarte

Haus des Dionysos, Innenhof (von Osten)

Die antike Stadt Pella wurde nach dem hippodamischen System angelegt, d. h. mit rechtwinklig aufeinanderzulaufenden Straßen. Dazwischen lagen die ebenfalls rechtwinklig zugeschnittenen Wohnblöcke (insulae). Etwa in der Stadtmitte befand sich eine großzügig angelegte Agora (Marktplatz), die die Fläche mehrerer insu­ lae einnahm (200 ×180 Meter). Hier lag das Zentrum der antiken Stadt mit öffentlichen Versammlungsräumen, mit Archiv und Katasteramt, aber auch mit Geschäften und Werkstätten (vgl. Abb.). Die von Ost nach West verlaufenden Straßen waren etwa 9 Meter, die von Nord nach Süd verlaufenden 6 Meter breit. Die Hauptverkehrsachse, die von Ost nach West mitten durch die Stadt verlief und Pella mit Thessaloniki und Edessa verband, war sogar gewaltige 15 Meter breit! Die Wohnblöcke selbst maßen in der Breite (West-Ost) immer 47 Meter, während ihre Länge (Nord-Süd) zwischen 110 und 150 Metern schwankte. Von der Stadt des Philipp oder seiner Vorgänger ist bis auf den Palast auf der Akropolis und den Kistengräbern östlich der Mauer nicht mehr viel erhalten. Das meiste heute Ausgegrabene ist etwas jünger und stammt aus dem umfangreichen Bauprogramm, mit dem Kassandros (317–298 v. Chr.) die Stadt planmäßig umgestalten ließ.

Die Wohnhäuser Betritt man das Grabungsgelände, so führt der Weg direkt zu den Privathäusern südlich der Agora. Mit ihren reich dekorierten Wänden und den

Exkurs I: Pella

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kunstvollen Bodenmosaiken stellten sie bereits in der Antike etwas ganz Besonderes dar. Alle Häuser waren um einen quadratischen Innenhof angeordnet und überaus großzügig dimensioniert. Die Nähe zur Agora garantierte beste Wohnlage und war den reichen und angesehenen Bürgern der Stadt vorbehalten. Pella, Haus mit Wandbemalung (3./2. Jh. v. Chr.; Rekonstruktion) Das Haus der Dionysos (vgl. Abb.) hatte eine Grundfläche von ca. 3 000 Quadratmetern und war um zwei zentrale Innenhöfe angeordnet, von denen der größere 300 Quadratmeter maß. Um die Höfe herum lagen die Wohn- und Empfangsräume, die überaus luxuriös ausgestattet waren. In den Banketträumen, wo man auf eleganten Liegen speiste, fanden sich Bodenmosaik mit Löwenjagd (325-300 v. Chr.) aus dem Haus des Dionysos (Pella, Museum) Bodenmosaike von einzigartigem Wert (heute im Museum). So z. B. das mit der Darstellung einer Löwenjagd. Das Motiv geht auf eine Begebenheit während des Feldzugs in Kleinasien zurück, in der Alexander d. Gr. in letzter Minute von seinem Freund Krateros vor den Klauen eines Löwen gerettet wurde (vgl. Abb.). Im Raum daneben befand sich ein weiteres Mosaik, das dem Haus den Namen gab. Es zeigt den Gott Dionysos, wie er auf einem Panther reitet und in der rechten Hand den Thyrsos-Stab hält (vgl. Abb.). Bodenmosaik mit Dionysos auf einem Panther Auf zwei weiteren Bodenmosaiken, die in aus dem Haus des Dionysos (Pella, Museum) Türschwellen eingearbeitet waren, sind ein Kentaure – ein Mischwesen aus Mensch und Pferd – vor dem Eingang einer Höhle sowie ein Greif zu sehen, wie er einen Hirsch reißt. Das Haus des Helena-Raubes – zwei insulae weiter westlich gelegen – war nicht minder luxuriös ausgestattet, aber einfacher angelegt und etwas kleiner (ca. 2 300 Quadratmeter). Hier fanden sich drei nebeneinanderliegende Banketträume mit unterschiedlichen Bodenmosaiken. Das Größte misst ca. 8 ×3 Meter und zeigt den Raub der Helena durch den Heroen The-

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) seus: Ein von vier Pferden gezogener Wagen wartet auf Theseus, der Helena mit sich führt, während diese ihre Arme hilfesuchend der Freundin Dianeira entgegenstreckt. Im Nachbarraum ist eine Szene mit einer Hirschjagd abgebildet. Dieses Mosaik ist das erste in der Kunstgeschichte, das den Namen des Künstlers angibt. Deutlich erkennt man am oberen Rand die Buchstaben: »Gnosis hat es gemacht« (ΓΝΩΣΙΣ ΕΠΟΗΣΕΝ). Alle Mosaiken – auch die aus dem Haus des Dionysos – werden auf das 4. bzw. 3. Jh. v. Chr. datiert. Ein anderes Haus weiter südlich ist ebenfalls von Bedeutung, weil es hier möglich wurde, einen der Innenräume einschließlich der Wandmalereien bis zu einer Höhe von 5 Metern zu rekonstruieren (vgl. Abb.). Der Raum war 7 ×7 Meter groß und durch zwei dorische Säulen zum Innenhof hin geöffnet. Die Rekonstruktion ist im Museum zu sehen.

Der Palast Auf einem Hügel nördlich der Stadt ließ Philipp II. einen Palastkomplex angelegen, der von seinen Nachfolgern weiter ausgebaut wurde. Der Komplex nahm mit ca. 60 000 Quadratmetern den gesamten Hügel ein und bestand aus drei, z. T. zweigeschossigen Gebäudekomplexen, die jeweils um einen zentralen Innenhof angeordnet waren. Besonders imposant war die Südseite ausgestaltet, die über eine riesige Aussichtsterrasse verfügte, von der die königliche Familie einen fantastischen Blick hinunter auf die Stadt und das weite Land bis hin zum Meer hatte.

Die Stadtmauer Von den 8 Kilometern Stadtmauer ist heute nicht mehr viel erhalten. Nur an einer Stelle ragt sie noch 4 Meter in die Höhe. Die Mauer war 5 Meter dick und besaß alle 28 Meter viereckige Wachtürme. In einem Bereich der Südmauer wurden die Grundmauern eines 9 Meter breiten Tores ausgegraben, durch das eine der großen Nord-Süd-Straßen verlief. Alle Bereiche der Mauer werden auf die 2. Hälfte des 4. Jh. v. Chr. datiert.

Die Heiligtümer und die Kulte Literarisch und inschriftlich bekannt waren die Kulte des Dionysos, des Herakles, der Athena, des Poseidon und des Pan. Die archäologische Forschung

Exkurs I: Pella

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hat dem einige hinzufügen können. So kam nördlich der Agora ein Heiligtum ans Licht, das der Aphrodite und der »Götter-Mutter« geweiht war. Der kleine Tempel war in ostwestlicher Richtung angelegt und besaß einen Vorraum (Prodromos) und eine Cella, in der sich die Statue der Gottheit befand. Nördlich davon schloss sich ein großer Bankettsaal an, in dem offenPella, Archäologisches Museum (Eingang) sichtlich Kultmahlzeiten abgehalten wurden. Der Komplex wurde im 3. Jh. v. Chr. errichtet. Das Heiligtum der Demeter, der Göttin der Fruchtbarkeit und des Ackerbaus, das im Nordosten Pellas gefunden wurde, hatte einen runden Grundriss und stand in Verbindung mit dem Fest der Thesmophoria, das überall in Griechenland im Herbst gefeiert wurde und Wachsen und Gedeihen der neuen Aussaat fördern sollte. Dabei wurden die Knochen und Pella, Archäologisches Museum (Garten) andere Überbleibsel von Schweinen, Schafen und Ziegen der Göttin geweiht und zusammen mit dem Saatgut auf den Altar gelegt. Dadurch sollten sie die Fruchtbarkeit stiftenden Kräfte der Göttin aufnehmen. Anschließend wurde das Saatgut aufs Land gebracht und ausgesät. In diesem Kult spielte offenbar das Schwein eine besondere Rolle, wohl wegen seiner bekannten Fruchtbarkeit. Jedenfalls wurden im Demeterheiligtum zahlreiche Knochen und kleine Tonfiguren von Schweinen gefunden. Etwa 250 Meter südwestlich des Museums, bereits außerhalb der Stadtmauern, fand sich ein weiteres Heiligtum. Es war dem Heilgott Darrhon geweiht, wie aus einer dort gefundenen Inschrift hervorgeht. Das war insofern eine Sensation, als dass der Name des Gottes bis dahin nur durch eine Notiz im Lexikon des Hesychius (5. Jahrhundert) bekannt war. Über die Art dieses Kultes weiß man allerdings so gut wie nichts.

III. Nord-Griechenland (Makedonien) Exkurs II: Vergina

Großer Tumulus mit den Gräbern der makedonischen Königsfamilie

Exkurs II: Vergina

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Einleitung Mit dem Namen Vergina – einem kleinen Dorf etwa 10 Kilometer südöstlich von Beroia – verbindet man seit einigen Jahren die weltberühmten makedonischen Königsgräber. Gemessen am Rummel und den Bussen, die tagtäglich mit Touristen aus aller Welt hier eintreffen, und gemessen an den Sicherheitsvorkehrungen in der Ausstellung könnte man annehmen, es handele sich gewissermaßen Der Stern von Vergina auf der goldenen Urnenschatulle aus dem Grab Philipps II. um ein Nationalheiligtum, sozusagen ein griechisches Walhalla. Auch der Stern auf den goldenen Urnenkästchen der Königsgräber ist für viele Griechen inzwischen zu einem patriotischen Motiv geworden, zumindest seitdem die ehemalige jugoslawische Teilrepublik Mazedonien in den 90er Jahren versucht hatte, den »Stern von Vergina« auf ihrer Nationalflagge zu führen (vgl. Abb.). Den Anfang dieses Rummels machte im Herbst 1977 eine Sensationsmeldung: Der griechische Archäologe Manolis Andronikos hatte das Grab eines makedonischen Königs entdeckt, das auf Grund der prachtvollen Beigaben als das Grab Philipps II., des Vaters Alexanders d. Gr., identifiziert werden konnte. Der Sensation nicht genug gelang es im Verlauf der Grabungen, weitere Gräber der königlichen Familie freizulegen. Mit der Auffindung der Königsgräber konnte gleichzeitig das alte Aigai, die erste makedonische Königsstadt, lokalisiert werden. Denn hier wurden – auch noch nach Verlegung des Regierungssitzes nach Pella – die verstorbenen Könige beigesetzt. Die bisher freigelegten Königsgräber befinden sich unter dem sogenannten großen Tumulus (Grabhügel) und sind heute in einem unterirdischen Schutzbau zu besichtigen, der 1997 eröffnet wurde und architektonisch die Form des ursprünglichen Grabhügels nachahmt (vgl. Abb.).

Die Bestattungskultur im Makedonischen Königreich Im Gegensatz zum übrigen Griechenland, wo die Toten relativ schlicht unter Beigabe von Alltagsprodukten bestattet wurden und das Grab mit einer steinernen Inschrift gekennzeichnet wurde, war die Bestattung im makedonischen Königreich ein prunkvoller Akt und ein Mittel offizieller Repräsentation.

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) Bezeichnend ist, dass die kostbarsten archäologischen Funde in Makedonien aus den Gräbern stammen. Den Toten wurden die wertvollsten Gegenstände mit ins Jenseits gegeben: goldene Armreife, eiserne Brustpanzer, Elfenbeinarbeiten, kunstvoll geschmiedete Waffen, Schwerter, Schilde u. a. Auch die Grabanlagen selbst waren prachtvoll ausgestattet: Während im übrigen Griechenland einfache Erdgräber dominierten, ist für Makedonien das sogenannte Kammergrab charakteristisch. Darunter versteht man regelrechte Totenhäuser, z. T. mit mehreren Kammern, die meist mit einem Tonnengewölbe überdacht waren. Die Wände waren häufig farbig und mit allerlei Verzierungen ausgestaltet, so, als ob es galt, den Verstorbenen ihren letzten Aufenthalt so angenehm und so lebensnah wie möglich zu gestalten. Diese Totenhäuser wurden nach der Bestattung wieder zugeschüttet und waren daher äußerlich nur an einem Erdhügel erkennbar, dem sogenannten Tumulus (Grabhügel). Solche Tumuli finden sich zwar verstreut in ganz Makedonien, ihre prächtigsten Exemplare sind aber die Königsgräber von Vergina. Nicht nur die Grabkammern wurden unter großem Arbeitsaufwand von eigens darauf spezialisierten Architekten errichtet, auch viele der Grabbeigaben selbst scheinen ausschließlich für die Bestattung hergestellt worden zu sein. »Dem Nicht-Makedonen musste sich hier der imponierende Eindruck einer verschwenderischen ›Einweg-Kultur‹ aufdrängen« (Schneider/Höcker, S. 321), mit der man nach außen hin signalisierte, dass man über unermessliche Reichtümer verfügte. Die Art der Bestattung war also nicht nur ein Dienst an den Toten, sondern auch eine Demonstration des gesellschaftlichen und politischen Status. Als die Römer 168 v. Chr. die Herrschaft in Makedonien antraten, geht mit dem makedonischen Königreich auch dessen Bestattungskultur unter. Sie beginnt sich den anderswo üblichen Formen anzugleichen: Einfache Gräber mit Steintafeln und später ab dem 2. /3. Jh. n. Chr. – der damaligen Mode entsprechend – auch Beisetzungen in steinernen Sarkophagen.

Die drei Königsgräber Schon durch seine äußeren Maße – 13 Meter in der Höhe und über 100 Meter im Durchmesser – übertrifft der große Tumulus alles bis jetzt Bekannte. Dieser künstliche Hügel wurde bereits kurz nach 275 v. Chr. aufgeschüttet, um die darunter liegenden Tumuli mit den Königsgräbern vor Plünderung zu schützen. Denn kurz zuvor waren die Soldaten des Pyrrhos, des König von Epirus,

Exkurs II: Vergina marodierend durch Makedonien gezogen und hatten alles mitgenommen, was ihnen begehrlich erschien. Drei Königsgräber wurden unter dem großen Tumulus entdeckt. Das Berühmteste ist das Grab Philipps II. (359–336 v. Chr.). Es lag etwa in der Mitte des Hügels und war mit 10 ×6 Metern das größte. Die Vorderseite war mit einer Säulenfassade ausgestaltet, an der sich ein über 5 Meter breiter Fries befand. Darauf waren Jagdszenen vor dem Hintergrund einer Waldlandschaft abgebildet (vgl. Abb.). Der Grabbau selbst bestand aus zwei überwölbten Kammern, deren Wände unterschiedlich verziert waren. In der Vorkammer fand man in einem marmornen Kasten (Osteothek) eine goldene Schatulle mit den Überresten einer jungen Frau, die in einen Stoff aus Gold und Purpur gehüllt waren. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um Kleopatra, die letzte Gemahlin Philipps II. Auf dem Boden fand man eine Reihe von Kostbarkeiten, u. a. einen Köcher aus einer Gold-Silber-Legierung sowie zwei unterschiedlich lange vergoldete Beinschienen. Aus den Berichten antiker Schriftsteller wissen wir, dass Philipp II. von Geburt an zwei ungleiche Beine hatte. In der Hauptkammer waren die Funde noch zahlreicher. Hier befand sich – ebenfalls in einer Osteothek aus Marmor – eine weitere goldene Schatulle, diesmal mit der Asche Philipps II. und einem goldenen Diadem. Daneben stießen die Archäologen auf eine vergoldete Paraderüstung, einen Schild aus Elfenbein und Gold, einen Eisenhelm, zahlreiche Silbergefäße und Waffen aus Bronze sowie einige Kleinkunstwerke aus Elfenbein, mit denen wahrscheinlich das hölzerne Totenbett verziert war.

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Rekonstruktion der tempelähnlichen Fassade des Romaios-Grabes

Fassade des Grabes Philipps II. (Rekonstruktion)

Schnittzeichnung durch den Großen Tumulus und das darunter liegende Grab Philipps II.

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III. Nord-Griechenland (Makedonien)

Neben dem Grab Philipps II. wurde 1978 ein zweites unberührtes Kammergrab entdeckt. Der Tote war ein Jugendlicher von etwa 14 Jah(SÊCFSWPO1BMBUJUTB (SP•FS5VNVMVT )´HFMHSÊCFS ren, weshalb die Archäologen das Grab als ein Prinzengrab deuteten. Es bestand ebenfalls 7FSHJOB aus zwei Kammern mit einer ausgestalteten Vorderfront, war aber mit 6×5 Metern etwas kleiner. Auch hier waren noch alle Beigaben des &VSZEJLF(SBC Toten vorhanden: kostbare Gefäße aus Silber, 3PNBJPT(SBC "HPSB die bei Gastmählern und Trinkgelagen verwen&VLMFJB)FJMJHUVN det wurden, Waffenteile und auch Reste eines 5IFBUFS 1BMBTU goldgeschmückten Gewandes. Bemerkenswert 1BSLQMBU[ gut erhalten sind die Malereien, die die Wände der Vorkammer schmücken und Szenen aus einem Wagenrennen mit Zweigespannen darstellen. Die Asche des Toten befand sich in der "LSPQPMJT Hauptkammer in einem Silbergefäß, das auf ]]N einem altarähnlichen Steinsockel stand und Vergina, Übersichtskarte mit einem Kranz aus goldenem Eichenlaub geschmückt war. Am Rande des Tumulus befand sich ein weiterer Grabbau, der – nach den Abbildungen auf den Wandmalereien – Persephonegrab genannt wird. Es ist mit ca. 3,5×2 Metern das kleinste und war bei seiner Entdeckung bereits geplündert. Dieses Kammergrab besaß keine Eingangstür, der Tote wurde wie bei einem Kistengrab von oben hineingelegt. Die Wandmalereien im Inneren der Grabkammer zeigen, wie der Gott der Unterwelt, Hades, die Tochter der Göttin Demeter, Persephone, in die Dunkelheit seiner Welt entführt. Eine Szene, die besonders in den Mysterienkulten von Eleusis eine Rolle spielt. Am Rande des großen Tumulus wurden 1980 die Reste eines vierten Kammergrabes gefunden, von dem allerdings nur die vordere Säulenfront erhalten ist. Es muss etwas später als die anderen, nämlich um 300 v. Chr. entstanden sein und war ebenfalls reich ausgestattet.

Exkurs II: Vergina Das Theater und der Palast des antiken Aigai Angesichts der Pracht der Königsgräber kann man leicht übersehen, dass Vergina noch mehr zu bieten hat, nämlich die Reste des antiken Aigai, wie z. B. die Stadtmauer, das Eukleia-Heiligtum oder die prähistorischen Hügelgräber. Am bekanntesten sind allerdings der Palast und vor allem das geschichtsträchtige Theater, denn dieses war der Ort, an dem Philipp II. im Jahre 336 v. Chr. bei der Hochzeitsfeier seiner Tochter Kleopatra ermordet wurde. Der Historiker Diodor von Sizilien (1. Jh. v. Chr.) berichtet, dass man sich angesichts der Festlichkeiten im Theater versammelt hatte, wo das Volk auf den Brautvater wartete. Als dieser den Eingang zum Theater betrat, um seine Gäste zu begrüßen, wurde er von einem gewissen Pausanias mit einem keltischen Schwert niedergestreckt und war sofort tot. Grundriss des Theaters von Vergina (4. Jh. v. Chr.)

Theater von Vergina, Reste der Orchestra und der Zuschauerränge

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III. Nord-Griechenland (Makedonien) Die archäologischen Reste des Palastes und des Theaters befinden sich auf einer Anhöhe etwa ein Kilometer nördlich vom großen Tumulus. Vom Palast sind nur noch die Fundamente, vom Theater, das auf einer Terrasse unterhalb des Palastes liegt, immerhin einige interessante Details erhalten. Auch wenn die Sitzreihen nicht mehr vorhanden sind, weil sie aus Holz gefertigt waren, sind doch deren steinerne Sockel sowie die hufeisenförmige Orchestra gut erkennbar. Sie hat einen Durchmesser von fast 30 Metern. In ihrer Mitte stand ein Dionysos-Altar, auf dem zu feierlichen Anlässen geopfert wurde. Davon ist nur noch der Steinsockel erhalten, ebenso wie vom 12 Meter langen Bühnengebäude (Skene), das an der Nordseite der Orchestra stand und die Umkleide- und Requisitenräume für die Schauspieler beherbergte. Das Zuschauerrund war nach Norden ausgerichtet und gab den Besuchern damit den Blick auf die weite Ebene von Vergina frei. Acht relativ schma­ le (0,75 Meter), gepflasterte Treppenaufgänge teilten es in neun gleich große Teile (vgl. Abb.). Vor der ersten Sitzreihe befand sich eine 50 cm breite Rinne, die das Regenwasser aufnehmen konnte, das von der Orchestra und den Zuschauerrängen hier hineinlief. Das Theater wurde zusammen mit dem Palast in der 2. Hälfte des 4. Jh. v. Chr. errichtet und war eines der größten in Griechenland. Zwar sind die Sitzreihen nicht mehr erhalten, sodass eine Hochrechnung auf die Anzahl der Plätze nicht möglich ist, doch zeigt die Größe der Orchestra im Vergleich zu Philippi (21 Meter im Durchmesser), dass das Theater in Aigai für eine noch größere Kapazität ausgelegt war.

Königspalast von Vergina im 4/3. Jh. v. Chr. (Rekonstruktion)

Exkurs II: Vergina

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Der Palastkomplex oberhalb des Theaters gilt als der »imposanteste« (Touratsoglou, S. 217) im makedonischen Raum. Allerdings benötigt man schon die Vorstellungskraft eines Archäologen, um seine ursprüngliche Form aus den vorhandenen Resten rekonstruieren zu können (vgl. Abb.). Der ganze Gebäudekomplex (104,5 x 88,5 Meter) war um einen zentralen quadratischen Säulenhof angeordnet und wurde an der Nordseite von einer imposanten Aussichtsterrasse abgeschlossen (vgl. Abb.). Um den zentralen Innenhof gruppierten sich die zumeist ebenfalls quadratischen Räume, von denen die auf der Westseite besonders geräumig (ca. 16 ×17 Meter), die auf der Südseite mit prachtvollen Bodenmosaiken ausgestattet waren. Hier fanden die berühmten Symposien, die Festgelage des makedonischen Hofes und seines Gefolges, statt, bei denen der Zusammenhalt des Adels und die Treue zum König beschworen wurden. Der Eingang zum Palast lag an der Ostseite, wo sich im Obergeschoss auch die Gemächer der königlichen Familie befanden. Außer den Angehörigen des Königs lebten zeitweise auch Gäste und Freunde sowie Mitglieder der königlichen Leibgarde im Palast. Der Anbau an der Südwestseite stammt aus späterer Zeit (ca. 3. Jh. v. Chr.) und wurde – wie der Palast selbst – nach dem Sieg der Römer über das makedonische Königreich (168 v. Chr.) verlassen.

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Grundriss des Königspalastes von Vergina

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IV. Süd-Griechenland 1. Athen

Akropolis (Ostseite), vorne der zweistöckige Torbogen des Kaisers Hadrian (131/2 n. Chr.)

Athen

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Einleitung Der ehemalige Bundespräsident Theodor ­Heuss (1884–1963) sagte einmal, dass unsere abendländische Kultur auf drei Hügeln ruhe: Der erste Hügel sei der von Golgatha in Jerusalem. Er stehe für das Christentum. Der zweite Das moderne Athen vom Akropolishügel aus sei das Kapitol in Rom als Sinnbild des Römischen Reiches, das mit seinem Rechtssystem und seiner Sprache Europa nachhaltig geprägt hat. Und der dritte Hügel sei die Akropolis in Athen (vgl. Abb.). Sie symbolisiere Weisheit und Philosophie, Gelehrsamkeit und Wissenschaft, aber auch Kunst und Kultur. Wenn schon Griechenland als die Wiege der abendländischen Zivilisation gilt, so trifft das in besonderem Maße für die Hauptstadt Athen zu. Sie ist nicht nur die erste Stadt in Griechenland, sondern eine der großen Kulturhauptstädte Europas. Dementsprechend zahlreich sind die Touristen, die in der Hochsaison Tag für Tag zur Akropolis hinaufströmen und sich anschließend über die antike Agora (Marktplatz) ergießen, wo sich seit dem 5. Jh. v. Chr. das Zentrum der attischen Demokratie befand. Dabei ist der Kulturtourismus für die gut 3,5 Millionen Einwohner des Großraums Athen nichts Neues. Schon vor 2 000 Jahren galt Athen als eines der beliebtesten Reiseziele. Zum einen wegen der beeindruckenden Bauten, zum andern wegen der sprichwörtlichen Bildung und Gelehrsamkeit, wegen der zahlreichen philosophischen Schulen und Akademien, die Athen zu einer antiken Universitätsstadt machten. Wen wundert es da, dass man im Jahre 49/50 n. Chr. auch den Apostel Paulus unter den Besuchern dieser ehrwürdigen Stadt findet. Davon zeugen sowohl die Apostelgeschichte (17, 1634) als auch Paulus selbst in einer kurzen Notiz (1Thess 3, 1).

Paulus auf dem Weg nach Athen Die Apostelgeschichte erzählt von der 2. Missionsreise, dass Paulus die makedonische Stadt Beroia verlassen musste und danach ans Meer gelangte (Apg 17, 14). Unklar bleibt, ob Paulus den weiteren Weg per Schiff zurücklegte oder den Landweg über Thessalien wählte, wie einige – aber schlechtere – Handschriften zu Apg 17, 5 überliefern (»Er durchzog aber Thessalien«). In der Regel nimmt man an, dass der Apostel Makedonien mit dem Schiff verließ. Wo er dieses Schiff bestieg, darf allenfalls vermutet werden. Sicher

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IV. Süd-Griechenland

wäre das in Dion möglich gewesen. Diese etwa 50 Kilometer südöstlich von Beroia gelegene römische Kolonie lag damals noch näher am Meer und verfügte über einen Hafen. Nach Apg 17,14 f. reiste Paulus auf dieser Kap Sounion, Poseidonheiligtum (Rekonstruktion) Strecke nicht allein, sondern wurde von den »Brüdern« der Gemeinde in Beroia begleitet, während seine Mitarbeiter – Timotheus und Silas – dort zurückblieben und erst später wieder mit Paulus zusammentrafen (vgl. Apg 18,5; 1Thess 3,6). Das Schiff, das Paulus und seine Begleiter nach Athen brachte, dürfte in Küstennähe nach Süden gesegelt sein, vorbei an der Insel Euböa und dann entlang der Küste Attikas. Am südlichsten Punkt, dem Kap Sunion, wo auf einem steilen Felsen ein mächtiger Poseidon-Tempel stand (vgl. Abb.), wäre das Schiff dann nach Westen in den Saronischen Golf abgebogen, um an der Insel Ägina vorbei in den Hafen von Piräus einzulaufen. Aus den Berichten des Pausanias, der Griechenland im 2. Jh. n. Chr. besuchte und daraufhin eine Art Reiseführer verfasste, wissen wir (Descriptio Graeciae I 28, 2), dass man vom Hafen aus bereits die vergoldete Speerspitze des Standbildes der Athena Promachos (»Vorkämpferin«) auf der Akropolis sehen konnte. Piräus, heute der größte Hafen Griechenlands, war seit dem 5. Jh. v. Chr. durch die »langen Mauern« mit dem etwa 6 Kilometer entfernten Athen verbunden und gehörte damit zum Stadtgebiet (vgl. Abb.). Allerdings waren die­se Mauern im Jahre 86 v. Chr. durch die Römer zerstört worden. Das wird auch dem Apostel und seinen Begleitern nicht entgangen sein, nachdem sie in Piräus an Land gegangen waren und sich in Richtung Athen aufgemacht hatten. Je weiter sie in die Nähe von Athen kamen, desto mehr umgab sie das Flair einer Universitätsstadt. Davon zeichnet Philostrat in seiner Biografie des Apollonios von Tyana (1. Jh. n. Chr.) ein anschauliches Bild. Er schreibt, dass Apollonios nach der Landung in Piräus auf dem Weg nach Athen auf eine Gruppe von jungen Leuten getroffen sei, von denen einige nackt die warme Herbstsonne genossen, während andere in ihre Bücher vertieft waren, auswendig lernten oder diskutierten (Vita Apollonii IV 17–19). Wir dürfen annehmen, dass auch Paulus und seine makedonischen Begleiter ähnliche Eindrücke sammeln konnten, als sie sich der Stadt näherten. Ob sie die Stadt auf der Westseite erreichten und dabei den Hauptzugang im Stadtteil Kerameikos benutzten, wo sich die beiden berühmten Tore, das Dipylon, eine Doppeltoranlage sowie das Heilige Tor befanden, lässt sich nicht genau sagen. Aber nehmen wir ein-

Athen mal an, dass sie diesen Weg wählten, dann wären sie gewiss an den Gräbern vorbei gekommen, die den Weg kurz vor den Mauern der Stadt säumten. Dort lagen die Berühmtheiten der Stadt und die im Krieg gefallenen Helden begraben. Ihre Ruhestätten, die z. T. noch heute erhalten sind, waren mit Statuen und Stelen von hohem künstlerischen Wert geschmückt. Mit der Ankunft in Athen setzt der Bericht der Apostelgeschichte wieder ein (17, 5): »Die aber Paulus geleiteten, brachten ihn bis nach Athen. Und nachdem sie den Auftrag empfangen hatten, dass Silas und Timotheus so schnell wie möglich zu ihm kommen sollten, kehrten sie zurück.« Mit anderen Worten: Während die Begleiter nach Makedonien zurückkehren, bleibt Paulus allein in Athen. Jedenfalls für eine gewisse Zeit. Denn irgendwann später muss auch Timotheus nach Athen gekommen sein, wie Paulus im ersten Thessalonicherbrief selbst erwähnt (1Thess 3, 6; anders Apg 18, 6).

Geschichtliches Als der Apostel Paulus im Jahre 49/50 n. Chr. in Athen weilte, hatte die Stadt wirtschaftlich und politisch gesehen ihren Höhepunkt längst hinter sich. Auch von der Zahl der Einwohner her blieb das Athen des 1. Jh. n. Chr. weit hinter der klassischen Periode unter Perikles (495–429 v. Chr.) zurück. Waren es im 5. Jh. v. Chr. unterschiedlichen Schätzungen zufolge mehr als 200 000 Einwohner, so dürften es zur Zeit des Paulus nur noch 10–20 000 gewesen sein.

Athen mit Piräus im 5. Jh. v. Chr. (Rekonstruktion)

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IV. Süd-Griechenland

Dementsprechend zahlreich waren die Klagen antiker Schriftsteller über den Verfall Athens. So seufzte der römische Dichter Ovid (43 v.–18 n. Chr.) in seinen Metamorphosen (XV, 430): »Was ist von Athen geblieben außer dem Namen?« Und manch anderer spöttelte, Athen gewähre den angenehmsten Aufenthalt, vorausgesetzt, man bringe sein Essen selber mit. Doch all das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Stadt auch in römischer Zeit eine hochgeachtete und vielbesuchte Bildungsmetropole blieb, in der die Erinnerung an die über 1 000-jährige Geschichte stets präsent war. Die Stadtgeschichte beginnt in mykenischer Zeit (15.–11. Jh. v. Chr.), als man auf der Akropolis einen Palast (Megaron) für den dort regierenden König errichtete (vgl. Abb.). Eine erste städtebauliche Blüte, gekennzeichnet durch nachhaltige bauliche Erweiterung, bringt die archaische Epoche (7./6. Jh. v. Chr.) hervor, die von weitgehenden gesellschaftlichen Reformen unter Drakon und Solon geprägt ist. Nicht nur der Umbau der Akropolis zum Kultzentrum der Stadt und ganz Attikas (»Alter Athenatempel«), auch die Anlage einer Agora mit Altären, Heiligtümern, Rathaus, Gerichtshof usw. fällt in diese Zeit und hängt mit der Entwicklung der Stadt zu einer demokratischen Polis zusammen, deren Geschicke nicht mehr von einem König, sondern von Rat, Volksversammlung und Areopag gelenkt werden. Die Zerstörung Athens durch die Perser konnte diese Entwicklung nur kurzzeitig unterbrechen. Nach den Siegen bei Marathon (490 v. Chr.), Salamis (480 v. Chr.) und Plataiai (479 v. Chr.) sicherte sich Athen durch die Gründung des Attisch-Delischen Seebundes für ein halbes Jahrhundert die Vorherrschaft über Griechenland. Darüber hinaus entwickelte sich die Stadt, vor allem unter der Führung des Perikles ab 461 v. Chr., zum geistigen Zentrum der griechischen Welt. Durch das Prinzip der demokratischen Entscheidungsfindung gewann die Polis Athen welthistorische Bedeutung. Dem korrespondierte eine einzigartige Bautätigkeit sowohl auf der Akropolis als auch auf der Agora (vgl. u.). Nach der Niederlage im Peloponnesischen Megaron, Zentrum eines mykenischen Palastes (431–404 v. Chr.) verlor Athen seine HeKrieg (Rekonstruktionsversuch) gemonialstellung und geriet in der Folgezeit in

Athen Konflikt mit dem aufstrebenden makedonischen Königreich. Nach dem Sieg Philipps II. bei Chaironeia gegen die verbündeten Griechen (338 v. Chr.) gehörte Athen de facto zum Einflussbereich Makedoniens, wenngleich es der Stadt immer wieder gelang, sich aus der Umklammerung durch die makedonischen Herrscher zu lösen und deren Besatzung aus Athen zu vertreiben. Die letzten Jahrzehnte der makedonischen und der Beginn der römischen Herrschaft, insbesondere aber die Rückgabe der Insel Delos an Athen (168 v. Chr.), bescherte der Stadt eine Periode relativer Unabhängigkeit und wirtschaftlicher Stabilität. Es war die Zeit, in der der alte Anspruch Athens, kultureller Mittelpunkt der mediterranen Welt zu sein, wieder auflebte. Man kam von weit her, um bei den Athener Philosophen und Lehrern Rhetorik und Logik zu studieren. Etliche Prominente aus den hellenistischen Königshäusern waren darunter: so der Seleukidenherrscher Antiochus IV. (175–164 v. Chr.) und die Könige von Pergamon Eumenes II. (197–159 v. Chr.) sowie sein Bruder Attalos II. (159–138 v. Chr.). Dieser Philhellenismus (»Griechenland-Liebe«) fand seinen Niederschlag in der großzügigen Finanzierung öffentlicher Gebäude. Auf Grund der Parteinahme für König Mithridates von Pontus wurde Athen im Jahre 86 v. Chr. durch den römischen Feldherrn Sulla erobert und teilweise zerstört, was gleichzeitig das Ende jeglicher politischen Autonomie war. Weil die Stadt aber den Titel einer »freien und verbündeten Stadt« (civitas libe­ ra et foederata) führen und die aus demokratischer Tradition stammenden Institutionen behalten durfte (Rat, Areopag usw.), war der Übergang in die

Griechische Agora mit Akropolis im Hintergrund (vom Hephaisteion aus)

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römische Herrschaft nach außen hin kaum erkennbar. Athen blieb, was es war: ein Zentrum griechischer Bildung, in dem zahlreiche philosophische Schulen ansässig waren. Auch die römische Oberschicht schickte ihre Söhne zum Studium hierher. Der Dichter Horaz (65–8 v. Chr.) erzählt von sich, dass er in Rom aufgewachsen und ausgebildet wurde, Kunst und Wissenschaft aber erst im »schönen« Athen Akropolis in byzantinischer Zeit kennengelernt habe (Epistulae 2, 2 , 41 ff). Nicht wenige Römer – von der Aura der Stadt angezogen – ließen sich in Athen nieder, wurden angesehene Bürger und bekleideten hohe städtische Ämter. Die Ära der Bürgerkriege (49–31 v. Chr.), deren Schlachten auf griechischem Boden ausgetragen wurden, führte viele prominente Römer nach Athen: Nacheinander besuchten Pompeius, Caesar, Brutus, Cassius und Octavian, der spätere Kaiser Augustus, die Stadt. Antonius und Kleopatra hielten sich sogar für längere Zeit hier auf. Ihnen allen setzten die Athener steinerne Denkmäler, während sich die Geehrten ihrerseits mit der Finanzierung neuer Bauvorhaben revanchierten (Odeion, Arestempel, Römische Agora usw.; vgl. u.). Von den Nachfolgern des Augustus war vor allem Kaiser Claudius (41– 54 n. Chr.) Athen sehr zugeneigt, und Kaiser Nero (54–68 n. Chr.), dessen Gesangstalent mehr als zweifelhaft war, setzte alles daran, auch in Athen als bedeutender Sänger anerkannt zu werden. Die Regentschaften der Kaiser Trajan (98–117 n. Chr.) und Hadrian (117–138 n. Chr.) leiteten eine Zeit der neuerlichen Blüte ein: Relativ kurz nacheinander wurden an der Agora die Bibliothek des Pantainos und nicht weit entfernt davon die viel größere Bibliothek des Hadrian mit Vortrags- und Seminarräumen errichtet, sodass die Stadt ihren Ruf als Bildungs- und Kulturmetropole ausbauen konnte. Im Zuge der Völkerwanderung fielen 267 n. Chr. die Heruler in Athen ein und wüteten schrecklich. Viele Baudenkmäler wurden zerstört und konnten lange Zeit nicht wieder aufgebaut werden. Als 529 n. Chr. auf Anordnung des christlichen Kaisers Justinian die philosophischen Schulen geschlossen wurden, setzte der endgültige Niedergang Athens ein. Kurz zuvor waren bereits die ersten Tempel in christliche Kirchen umgewandelt worden, was sich Jahrhunderte später für die Archäologen als Glücksfall herausstellen sollte. Denn

Athen

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zumeist wurden dadurch die in den Kirchenbau integrierten antiken Bauwerke vor weiterer Zerstörung geschützt. In byzantinischer Zeit wurde die Akropolis wieder zur Burg (vgl. Abb.). Zwischen den antiken Bauwerken und auf den freien Plätzen entstanden neue Wohnhäuser, sodass die Bombardierung der Akropolis durch die Stadt im 11. Jh. eine letzte bescheidene Blüte Venezianer im Jahre 1687 (Venedig 1707) erlebte. 1458 besetzten die Türken die Akropolis und leiteten damit die Epoche einer fast 400jährigen Fremdherrschaft ein. Durch die Kämpfe zwischen Türken und Venezianern kam es 1687 zu einer großen Explosion auf der Akropolis, die einen beträchtlichen Teil der antiken Gebäude zerstörte (vgl. Abb.). Im Kampf um die Unabhängigkeit Griechenlands wurde Athen erneut zum SchlachtDer Parthenon auf der Akropolis um 1750 feld, bis die letzte türkische Besatzung am 31. März 1833 die Akropolis räumte. Wenig später wurde Athen zur Hauptstadt des freien Griechenlands erklärt und nahm daraufhin eine rasante Entwicklung. Heute ist Athen wieder das, was es in klassischer Zeit war: eine der größten Metropolen des Mittelmeerraums.

Paulus in Athen Zurück ins 1. Jh. n. Chr. Die Apostelgeschichte berichtet in ihrem 17. Kapitel recht ausführlich über den Aufenthalt des Paulus, vor allem über die Areopagrede des Apostels. Sie gilt in literarischer Hinsicht als der Höhepunkt der 2. Missionsreise. Hinzu kommt die präzise Erfassung des Lokalkolorits, die in der gebotenen Dichte auch für die Apostelgeschichte etwas Besonderes darstellt. Allerdings ist sich die neutestamentliche Wissenschaft bis heute nicht einig darüber, inwieweit es sich bei Apg 17, 16–34 um einen historisch zuverlässigen oder vielmehr um einen vom Autor idealisierten Bericht handelt. In der Regel wird Letzteres für den Redeteil, die sogenannte Areopagrede (17, 22–31), angenommen, während der Rahmenbericht (17, 16–21 und 32–34) bzw. Teile aus ihm als historisches Gerüst angesehen werden.

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Dieser Rahmenbericht beginnt mit dem Rundgang des Apostels durch die Stadt (Apg 17, 16): »Als aber Paulus in Athen auf sie (Timotheus und Silas) wartete, ergrimmte sein Geist in ihm, als er die Stadt voller Götzenbilder sah.« Demnach nutzte Paulus die Zeit des Wartens auf die Rückkehr seiner Mitarbeiter zu einem Rundgang durch die Stadt. Damit tat er nichts Besonderes, sondern verhielt sich so, wie es viele Griechische Agora mit der modernen Stadt taten, die als Besucher nach Athen kamen. im Hintergrund (vom Areopag aus) Bei seinem Stadtrundgang fiel ihm auf, was zwar andernorts auch zu beobachten war, sich hier aber in besonderer Fülle und Dichte konzentrierte: die übergroße Anzahl von Götterbildern, die Paulus sowohl auf der Agora und der Akropolis als auch an anderen Orten der Stadt zu sehen bekam. Nach der Beschreibung des Pausanias (2. Jh. n. Chr.) waren die freien Flächen zwischen den großen Bauwerken Athens förmlich übersät mit Standbildern und Statuen für Götter und Heroen. Der Geograph Strabon (65 v.–20 n. Chr.) erwähnt, dass allein die AufStatuen der Athena (links) und der Artemis (rechts) stellung der Weihgeschenke auf der Akropolis, die unterschiedlichen Göttern dargebracht worden waren, vier ganze Bücher umfasste! Der römische Schriftsteller Plinius (Historia Naturalis 34, 36) spricht davon, dass in Athen 3 000 Götter und Göttinnen verehrt wurden. Angesichts dieser Zahl nehmen sich die 13 Altäre für den vergöttlichten Augustus geradezu bescheiden aus! Dass dieses für einen christlichen Missionar, der mit dem jüdischen Bekenntnis zu dem einen und einzigen Gott aufgewachsen war (vgl. 5. Mose 6, 4), eine große Anfechtung gewesen sein muss, kann man gut verstehen.

Paulus auf der Agora In der Apostelgeschichte lesen wir weiter (17, 17): »Und Paulus redete zu den Juden und den Gottesfürchtigen in der Synagoge und täglich auf dem Markt (Agora) zu denen, die sich einfanden.« Dass Paulus sich an den Stationen

Athen seiner Missionsreisen zunächst an die örtliche Synagoge hält, haben wir schon zur Kenntnis genommen und die Gründe dafür erörtert. Im Übrigen ist die Existenz von Juden in und um Athen herum durch Inschriften gesichert (vgl. IG II Nr. 8924. 8934. 9756 u. a.). Von besonderem Wert ist eine Inschrift aus Oropos (ca. 50 Kilometer nördlich von Athen), erwähnt Akropolis, Westseite mit Aufgang rekonstruierende Ansicht sie doch bereits für das 3. Jh. v. Chr. einen (Ölgemälde von Leo von Klenze, 1846) jüdischen Sklaven mit dem Namen Moschos. Damit ist dieser Moschos der erste inschriftlich bekannte Jude auf dem griechischen Festland! Die Predigt unter den Juden scheint nicht von großem Erfolg gekrönt gewesen zu sein, jedenfalls weiß Lukas diesbezüglich nichts zu berichten. Statt dessen finden wir Paulus als »Straßenmissionar« wieder, der zu den Leuten spricht, die gerade auf der Agora (Marktplatz) zugegen sind. Auf diesem belebten Platz (vgl. Abb.) am Fuße der Akropolis hatte 450 Jahre zuvor der Philosoph Sokrates die zufällig anStatue des Zeus (oder Poseidon?) wesenden Passanten mit der scheinbar harmlosen Frage »Wohin so eilig des Weges?« geködert und mit unbequemen philosophischen Gedankenspielen konfrontiert. Sollte in der Apostelgeschichte also das Bild vermittelt werden, dass Paulus ein neuer Sokrates ist? Oder nutzte Paulus tatsächlich die Bekanntheit des Ortes, um sich im Rahmen des philosophischen Ambientes Gehör für seine Lehre zu verschaffen? Beides ist möglich. Die Apostelgeschichte weiß darüber hinaus zu berichten (17, 18), dass die Zuhörerschaft aus Epikureern und Stoikern bestand und dass diese mit Paulus in eine akademische Diskussion einstiegen. Beide repräsentierten die populärsten Strömungen der kaiserzeitlichen Philosophie, die im 1. Jh. n. Chr. zahlreiche Anhänger hatten und zu Modephilosophien geworden waren. Die Epikureer leugneten die Existenz Gottes bzw. der Götter und vertraten eine Philosophie der unerschütterlichen »Freude«, nicht jedoch der »Lust«, wie vielfach gesagt wird. Ihren Namen führten sie auf den Philosophen

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IV. Süd-Griechenland Epikur (341–270 v. Chr.) zurück, der 306 v. Chr. seine Philosophenschule von der Insel Lesbos nach Athen verlegt hatte. Das Ziel menschlicher Existenz sahen die Epikureer in einem Leben voller Freude, womit sie Ruhe und Ausge­glichenheit, Freiheit von Angst und Schmerz, ja tiefen inneren Frieden meinten (Ataraxie). Die Stoiker hingegen leiteten ihren Namen von der »bunten Säulen­halle« (Stoa Poikile) ab, die am Nordrand der Agora lag (vgl. Abb.). In dieser Stoa hatte um 300 v. Chr. der Philosoph Zenon von Kition gelehrt und eine Philosophenschule gegründet. Seine Anhänger nannten sich daher Stoiker (»Hallen-Philosophen«). Sie lehrten die Planmäßigkeit des gesamten Weltgeschehens, das sie auf ein inneres Prinzip zurückführten, das alle Dinge, auch den Menschen durchdringe (Logos). Ihr Ziel war ein sittliches Leben in großer Tugendhaftigkeit, die in der Freiheit von Maßlosigkeit und Begierden bestand und schließlich zur sprichwörtlichen »stoischen« Ruhe führen sollte. Beide philosophischen Schulen unterschieden sich in der theoretischen Basis erheblich, jedoch weniger in ihrer ethischen Ausrichtung und dem Ziel eines von Affekten freien Lebens. Das Ergebnis der Diskussion zwischen Paulus und den Vertretern dieser philosophischen Schulen ist zwiespältig: Während die einen Paulus als

Agora von Athen, Stoa Poikile (Rekonstruktion)

Athen »Schwätzer« bzw. »Körnerpicker« (σπερµολόγος) bezeichnen, der »fremdes Wissen häppchenweise zusammenklaubt und damit zu glänzen versucht« (Then, S. 164), haben die anderen ihn offenbar nicht verstanden: Paulus erscheint ihnen – wie schon 450 Jahre vorher Sokrates – als ein Verkünder fremder Gottheiten, da er »Jesus« und die »Auferstehung« predige. OffenDer Areopag-Hügel von Süden sichtlich hielten sie diese für ein Götterpaar, so wie es z. B. von den ägyptischen Gottheiten Isis und Osiris (vgl. o.) bekannt war. Die sprichwörtliche Neugierde der Athener und das Bedürfnis, neue philosophische Lehren kennenzulernen, lässt die Episode hier noch nicht enden. Die Apostelgeschichte berichtet weiter: »Sie nahmen Paulus aber mit und führten ihn auf (bzw. vor) den Areopag und sprachen: Können wir erfahren, was das für eine neue Lehre ist, die du lehrst? Denn du bringst etwas Neues vor unsere Ohren; nun wollen wir gerne wissen, was das ist. Alle Athener nämlich, auch die Fremden, die bei ihnen wohnten, hatten nichts anderes im Sinn, als etwas Neues zu sagen oder zu hören. Paulus aber stellte sich in die Mitte des Areopags und sprach« (17, 19–22).

Paulus und der Areopag Geht man von der Agora in Richtung Akropolis, so kommt man am Areopag vorbei, einem Felshügel mit steilen Abhängen, der dem Kriegsgott Ares geweiht war (vgl. Abb.). Seine Kuppe ist zwar plateauähnlich und flach, aber relativ uneben und schwer begehbar. Dafür entschädigt die gute Aussicht auf die Agora. Eine am Fels neben dem Aufgang angebrachte Bronzeplatte mit dem Text von Apostelgeschichte 17 erinnert an die Begebenheiten beim Besuch des Apostels Paulus. Von den Gebäuden, die in der Antike hier standen, ist heute nichts mehr zu sehen. Schon Pausanias (2. Jh. n. Chr.) sah nur noch einen Altar für die Athena Areia (Descriptio Graeciae I 28, 5). In alter Zeit (7. Jh. v. Chr.) tagte hier der Adelsrat, der sogenannte Areopag, der die Geschicke der Stadt lenkte und dem Hügel seinen Namen gab. Wie Inschriften beweisen, gab es diese Institution auch noch zur Zeit des Paulus. Sie überwachte die in Athen geprägten Münzen, die verwendeten Maße und Gewichte, führte Aufsicht über die Heiligtümer und beschäftigte sich mit juristischen Fragen.

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IV. Süd-Griechenland Seit dem 4. Jh. v. Chr. konnte der Areopag offenbar auch woanders tagen, z. B. in einem der Gebäude an der Agora. Daher stellt sich die Frage, mit welchem Ort wir die Angabe aus der Apostelgeschichte verbinden müssen, dass Paulus »auf den Areopag« bzw. »vor den Areopag« – wie man auch übersetzen könnte – geführt wurde. Obwohl diese Frage schon seit Langem Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion ist, gilt sie bis heute als nicht endgültig entschieden. Berücksichtigt man die lokalen Gegebenheiten, so fällt zumindest auf, dass der Areopaghügel relativ weit von der Agora entfernt ist. Wenn die Erstbegegnung zwischen Paulus und den Philosophen auf der Agora stattgefunden haben soll (vgl. Apg 17, 17) und man danach mehr über seine »neue Lehre« erfahren wollte, dann hätten sich dafür ganz in der Nähe, bzw. unmittelbar auf der Agora, genügend Räumlichkeiten angeboten (Stoa Poikile, Stoa Basileios, AttalosStoa usw., dazu vgl. u.). Sollte Lukas trotzdem diese »unebene und höchst unbequeme Kalksteinkuppe des Areshügels« (Elliger, S. 76) gemeint haben, die für Diskussionen vor einem größeren Publikum sicher weniger geeignet war? Oder ist Apg 17, 19 eher so zu verstehen, dass man Paulus »vor den Areopag«, also vor den Adelsrat brachte, der nicht nur auf dem besagten Kalksteinfelsen tagte. Dafür könnte das Ende des Athenabschnitts sprechen, wo davon die Rede ist, dass sich unter denen, die Paulus für seine »Lehre« gewinnen konnte, ein Mitglied des Areopags namens Dionysios befand (Apg 17, 34): »Einige Männer schlossen sich ihm an und wurden gläubig; unter ihnen war auch Dionysios, einer aus dem Rat (Areopag) und eine Frau mit Namen Damaris und andere mit ihnen.« Hinzu kommt, dass Lukas im Verlauf der Apostel­ geschichte immmer wieder großes Interessse daran hat darzustellen, dass sich auch höhergestellte Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft der »neuen Lehre« gegenüber aufgeschlossen zeigen (vgl. z. B. Apg 13, 12). Dazu würde ein Auftritt des Apostels vor dem erlauchten Gremium des Areopags gut passen. Zwar könnte man einwenden, aus welchem Grunde Paulus vor einer städtischen Behörde wie dem Areopag hätte sprechen sollen, wenn man nur aus Neugierde von seiner »neuen Lehre« (17, 19) hören wollte. Doch führt diese Frage am Text vorbei. Andererseits ist offenbar vorausgesetzt, dass nicht nur Mitglieder des Areopags anwesend waren, sondern auch andere Personen. Darauf deutet die Erwähnung der Damaris am Ende des Abschnittes hin (Apg 17, 34). Die Tatsache, dass sich für beide Interpretationen Argumente anführen lassen, könnte darauf hinweisen, dass der Text ganz bewusst nach beiden Seiten hin offengehalten ist. Die lukanische Darstellung müsste demnach so

Athen verstanden werden, dass die Areopagrede sowohl vor dem Gremium des Areopags als auch in geographischer Nähe zum Areopaghügel vor einem größeren Hörerkreis gehalten wurde. Im Deutschen könnte das vielleicht durch die Übersetzung »zum Areopag« angedeutet werden: »Sie nahmen Paulus aber mit und führten ihn zum (!) Areopag« (Apg 17, 19). Diese Übersetzung wäre nicht nur grammatisch möglich (vgl. auch die lat. Übersetzung der Vulgata: ad Areopagum), sie ließe auch Spielraum für die Deutung des Areopags als Gremium bzw. als Ortsangabe.

Die Areopagrede Die von Lukas überlieferte Rede des Paulus vor dem erlauchten Publikum des Areopags (Apg 17, 22–31) ist in ihrer Komposition im Neuen Testament einzigartig. Sie ist ein Musterbeispiel dafür, wie sich eine christliche Predigt mit ihren theologischen Anliegen auf heidnisch-philosophisches Denken einlassen kann, ohne das eigene Profil zu verlieren. Dabei besteht der besondere Reiz der Rede darin, dass sie Elemente eines philosophisch-stoischen Traktates aufgreift, die sich auch vor dem Hintergrund alttestamentlichen Denkens verstehen lassen. Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Wenn Paulus nach Apg 17, 17 in der Mitte der Rede sagt: »und fürwahr, Gott ist nicht ferne von einem jeden unter uns« und diese seine Behauptung anschließend mit einem Zitat des griechischen Dichters Arat (310–245 v. Chr.) aus dessen Werk »Himmelserscheinungen« (Phainomena 5) untermauert (17, 28: »Denn in ihm leben, weben und sind wir; wie auch einige Dichter bei euch gesagt haben: Wir sind seines Geschlechts«), dann kann man das sowohl christlich als auch philosophisch verstehen. Die Aussage »Wir sind seines Geschlechts« stimmt sowohl im Kontext der alttestamentlichen Tradition des Schöpfungsberichtes (vgl. auch Jer 23,  23 f.; Ps 145, 18) als auch im Zusammenhang stoischen Gedankenguts, wonach Gott als das Göttliche (Logos) im All, d. h. im gesamten Kosmos und damit auch in jedem Menschen, zu finden ist. Nicht minder geschickt formuliert ist der Beginn der Rede, der sich auf einen Altar für den unbekannten Gott (ἀγνώστῳ θεῷ) bezieht und damit den Erfahrungshorizont der Athener aufgreift (Apg 17, 22–24): »Ihr Männer von Athen, ich sehe, dass ihr die Götter in allen Stücken sehr verehrt. Ich bin umhergegangen und habe eure Heiligtümer angesehen und fand einen Altar, auf dem stand geschrieben: ›Dem unbekannten Gott‹. Nun verkündige ich euch, was ihr unwissend verehrt: Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darin ist.«

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IV. Süd-Griechenland Ein solcher Altar ist bislang noch nicht gefunden worden, aber immerhin: Aus den Beschreibungen des Pausanias (2. Jh. n. Chr.) wissen wir von Altären für »Unbekannte Götter« in Phaleron, dem zweiten Hafen Athens (I 1, 4). In der Rede wäre daraus dann die Singularform geworden, um den Zuhörern den einen, christlichen Gott als den unbekannt verehrten vor Augen zu führen. Angesichts der geschickten Komposition der Rede wird häufig die Frage gestellt, wer ihr eigentlicher Verfasser ist: Lukas oder Paulus? Hat Lukas sie eigenständig geschaffen, quasi als ideale Szene, um zu zeigen, wie das frühe Christentum vor der Konkurrenz antiker Religionen und Philosophien bestehen konnte? Die Stadt Athen gab dafür das geeignete Ambiente ab. Oder beruht die Areopagrede in ihrem Kern auf Ausführungen des Apostels selbst? Wie auch immer man diese Frage beantwortet, die Areopagrede bleibt ein einzigartiges Dokument der intellektuellen Auseinandersetzung des frühen Christentums mit den Religionen und Philosophien seiner Umwelt.

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Athen, Übersichtskarte: antike Stätten und moderner Stadtplan

Athen Missionserfolg in Athen? Ob die Missionstätigkeit des Apostels in Athen von Erfolg gekrönt gewesen ist, ist unklar. Bei Paulus selbst findet sich jedenfalls keinerlei Hinweis auf die Existenz einer christlichen Gemeinde, wenngleich die Apostelgeschichte von einigen Männern weiß, die Christen wurden, und sogar zwei ihrer Mitglieder mit Namen nennt (Apg 17, 34): Damaris und Dionysios. Letzterer gilt in der griechisch-orthodoxen Tradition als der erste Bischof der Stadt und wird gleichzeitig als ihr Schutzheiliger verehrt. Ihm zu Ehren wurde im Zentrum Athens, in der Odos Skoupha, eine gleichnamige Kirche errichtet, die mit einer Mosaikdarstellung der Areopagszene geschmückt ist. So ungewiss die Bildung einer ersten christlichen Gemeinde nach dem Aufenthalt des Paulus ist, so unklar ist auch, ob der Apostel im Verlauf seiner 3. Missionsreise (55/56 n. Chr.) noch ein zweites Mal nach Athen gekommen ist. Die Apostelgeschichte berichtet lediglich davon, dass Paulus über Makedonien nach Griechenland reiste und dort drei Monate verbrachte (vgl. Apg 20, 2 f.). Ein weiterer Aufenthalt in Athen wäre demnach zumindest nicht ausgeschlossen, wenngleich auch hier konkrete Hinweise fehlen.

Die antike Stadt und ihre Baudenkmäler Antike Monumente, Statuen und andere Kunstgegenstände findet man in Athen buchstäblich an jeder Ecke. Wir müssen uns daher auf das Wichtigste wie die Akropolis und den Bereich um sie herum (Agora, Römische Agora u. a.) konzentrieren. Dabei liegt besonders die Zeit des Paulus, also das 1. Jh. n. Chr., im Fokus unserer Betrachtung. Akropolis und Agora bildeten seit je her das Zentrum der Stadt sowohl kultisch als auch politisch und administrativ. Geographisch lagen sie allerdings nicht ganz in der Mitte des Stadtgebietes, das durch den Verlauf der Stadtmauern bestimmt war. Diese waren nach der Zerstörung Athens durch die Perser (480/79 v. Chr.) neu errichtet worden. Ihr Um-

Athen im 2. Jh. n. Chr. (Modell)

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IV. Süd-Griechenland fang betrug ca. sechs Kilometer, die dadurch eingeschlossene Fläche etwa 200 Hektar. Mindestens 15 Tore sind überliefert. Das Haupttor, das Dipylon, lag zusammen mit dem Heiligen Tor (nach Eleusis) im Viertel Kerameikos im Nordwesten der Stadt und ist heute ausgegraben. Im Südwesten der Befestigung setzten sowohl die Mauern nach Phaleron als auch nach Piräus an, wo sie einen etwa sechs Kilometer langen, aber schmalen Korridor zum Hafen bildeten. Diese Mauern wurden im Jahre 86 v. Chr. durch die Römer zerstört. Erst als die Völkerwanderung Mitte des 3. Jh. n. Chr. drohend am Horizont aufzog, wurde die Befestigungsanlage in Stand gesetzt und dabei auch um die unter Kaiser Hadrian (117–138 n. Chr.) im Südwesten angelegte Neustadt erweitert. Nach dem verheerenden Einfall der Heruler im Jahre 267 n. Chr. wurde östlich der Agora eine kleine Ringmauer errichtet, die auch die Akropolis in die Verteidigungsanlage mit einschloss. Die alte Agora, einst Zentrum der Stadt, lag nun – Ende des 3. Jahrhunderts – außerhalb der Mauern. Das Material für diese Ringmauer lieferten die zerstörten Gebäude. Ein Abschnitt dieser spätrömischen Befestigung ist auf der Agora unmittelbar neben der Stoa des Attalos (vgl. u.) erhalten.

Die Akropolis und der panathenäische Festzug

Akropolis mit Festzug (Modell)

Akropolis in klassischer Zeit (Rekonstruktion)

Die 156 Meter hohe Akropolis, in ältester Zeit Burghügel, war vom 6 Jh. v. Chr. an Kultstätte für die Stadtgöttin Athena. In klassischer Zeit (5. Jh. v. Chr.) mit prachtvollen Bauten ausgestattet (vgl. Abb.), zu denen sich später nur noch kleinere An- und Umbauten hinzugesellten, war sie Zielpunkt jenes großen panathenäischen (»gesamtgriechischen«) Festzuges, der bis in römische Zeit hinein alle vier Jahre zu Ehren der Athena veranstaltet wurde. Dieses Fest der Panathenäen, von dem es auch eine jährlich gefeierte, bescheidenere Variante gab (»Kleine Panathenäen«), fand jeweils im Sommer statt (im Monat Hekatombaion) und hielt nicht nur die Einwohner von Athen, sondern auch die zu diesem Anlass zahlreich an-

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Athen gereisten Gäste in Atem: Sportliche und musische Wettkämpfe, die zu Ehren der Stadtgöttin veranstaltet wurden, standen auf dem Programm. Höhepunkt der Feierlichkeiten war aber die aufwendig gestaltete Prozession zur Akropolis, wo der »vom Himmel gefallenen« Statue der Athena Polias (»Beschützerin«) ein neues Gewand übergeben wurde. Es war ein Fest, das man frühzeitig vorzubereiten pflegte. Zwei Mädchen aus vornehmem Hause wurden auserwählt, um das Gewand zu weben. Neun Monate lang lebten sie auf der Akropolis und trugen nur noch heilige, weiße Kleider. Dutzende von Helferinnen standen ihnen bei der Herstellung des Gewandes aus gelber Wolle zur Seite. In der Nacht vor der Prozession wurde unter der Jugend ein Fackellauf veranstaltet, der in der Stadt begann und die Akropolis hinauf bis zum Altar der Athena führte, wo ein Feuer entzündet wurde. Der Sieger dieses Wettlaufes erhielt einen Preis, und die ganze Nacht hindurch wurde auf der Akropolis gefeiert, getanzt und gesungen.

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Akropolis im 2. Jh. n. Chr., Übersichtskarte

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IV. Süd-Griechenland

Am anderen Morgen sammelte man sich beim Dipylon und zog danach in streng gegliederter Reihenfolge quer über die Agora. Begleiten wir einen Moment lang den feierlichen Zug und folgen ihm hinauf zur Akropolis: An der Spitze des Zuges stand ein Schiffskarren, auf dem das Gewand der Athena wie ein Segel aufgespannt war. Nur die Priester und Priesterinnen durften auf dem Karren sitzen. Hinter ihnen kamen jungfräuliche Korbträgerinnen, die Opfer- und Weihegaben, Messer, Binden, goldene Tempel der Athena Nike (Rekonstruktion) und silberne Schüsseln sowie Räuchergefäße trugen. Junge Männer führten Tiere mit sich für das anschließende Opfermahl. Jede Gemeinde Attikas – und in klassischer Zeit auch die Kolonien – war verpflichtet, ein Opferrind zu stellen. Danach kamen die Wasserträger, die Musikanten, Ratsherren, Soldaten und Vertreter anderer Städte und Gemeinden. Am Fuße der Akropolis, wo der Weg steiler wird, machte der Zug halt, und die Priester und Priesterinnen stiegen aus. Vor der ersten Stufe der Treppenrampe formierten sie sich und schritten hinauf. Die Prozession folgte ihnen. Auf der rechten Seite passierte man den kleinen Tempel der Athena Nike (νίκη  =  Sieg). Er war aus Dankbarkeit über den Sieg gegen die Perser errichtet worden und um das Jahr 425 v. Chr. an die Stelle eines früheren Bauwerks getreten (vgl. Abb.). Etwa auf der gleichen Höhe, nur auf der gegenüberliegenden Seite, befand sich seit 178 v. Chr. ein mächtiger Pfeiler, den Eumenes II., König von Pergamon (197–159 v. Chr.), hatte errichten lassen. Ursprünglich stand darauf ein bronzenes Wagengespann, das als Lenker zunächst Eumenes, ab 27 v. Chr. den Schwiegersohn des Kaisers Augustus Marcus Vipsanius Agrippa zeigte.

Die Propyläen und die Athena Promachos Einige Stufen weiter erreichte der Festzug das monumental ausgestaltete Eingangsportal: die Propyläen (vgl. Abb.). Wo sich in mykenischer Zeit ein schmaler Pfad zur Burg hoch geschlängelt hatte, war schon im 6. Jahrhundert eine Rampe mit einer Toranlage angelegt worden. Diese wiederum war in den Perserkriegen zerstört worden, sodass man sich zu einem kompletten Neubau entschied, der in den Jahren 437–432 v. Chr. unter der Aufsicht des

Athen

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Architekten Mnesikles fertiggestellt wurde. Er übertraf »an Größe und Kühnheit alle bis dahin in Griechenland errichteten Torbauten. Die eigentliche Eingangshalle mit sechs dorischen Säulen und Giebeldach wirkt wie ein Tempel, die weit vorgezogenen Seitenflügel flankieren den Mittelbau auf hohen Podesten« (Elliger, S. 84). Aufgang zu den Propyläen Beim Durchgang durch die Propyläen sollten die Pilger des Festzuges spüren, dass sie den weltlichen Raum verließen und heiligen Boden betraten. Ihr Blick fiel dabei zuerst auf die neun Meter hohe bronzene Statue der Athena Promachos (»Vorkämpferin«) mit ihrer vergoldeten Speerspitze. Sie stand ca. 30 Meter hinter den Propyläen, direkt vor der Begrenzungsmauer des alten Athena Tempels, der 480 /79 v. Chr. von den Persern zerstört worden war (vgl. Abb.). Propyläen im 5. Jh. v. Chr. (Rekonstruktion) Der berühmte Athener Bildhauer Phidias hatte sie Mitte des 5. Jh.s v. Chr. geschaffen. »Heute zeugt nur noch eine etwa 5×5 Meter große Ausnehmung von diesem gewaltigen Denkmal, das wahrscheinlich mit Beutegeldern aus einer der Perserschlachten errichtet wurde« (Schneider/ Höcker, Akropolis, S. 156). Aber die Festprozession hielt sich hier nicht länger auf, sondern bewegte sich weiter auf der »Heiligen Straße« nach halb rechts, vorDer Parthenon bei an diversen Standbildern und kunstvollen Stelen, vorbei auch am Heiligtum der Artemis Brauronia. Die Göttin der Jagd und der Natur war im 6. Jh. v. Chr. aus dem 25 Kilometer entfernt gelegenen Brauron nach Athen geholt worden. Ihr Kultbezirk bestand aus einem Hof, der von zwei Säulenhallen begrenzt war. Dort standen eine Kultstatue und ein Altar. Daneben schloss sich die Chalkothek an, ein langgestreckter, rechteckiger Bau aus dem 4./5. Jh. v. Chr., der als Lagerraum für Weihgeschenke und als Waffenkammer diente. Von alledem sind heute leider nur noch die Grundmauern zu sehen.

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IV. Süd-Griechenland Der Parthenon

Kurvatur des Parthenon (Zeichnung)

Westseite des Parthenon (Rekonstruktion)

Standbild der Athena im Parthenon (Rekonstruktion)

Dafür um sehr mehr vom Parthenon, dem Tempel der »jungfräulichen« Athena, auf den sich der Festzug zubewegte und der allein durch seine Größe das die Akropolis beherrschende Bauwerk war (vgl. Abb.): Der ganz aus Marmor gefertigte Bau war fast 70 Meter lang, 31 Meter breit und 14 Meter hoch. Das Marmordach wurde von 46 über zehn Meter hohen Säulen getragen. Damit war er einer der größten Tempel der griechischen Welt. Er wurde in der Rekordzeit von knapp zehn Jahren (447– 438 v. Chr.) auf den Fundamenten eines unvollendet gebliebenen Vorgängerbaus errichtet. Auch die architektonische Konstruktion war überaus aufwendig. So bildeten die Standflächen der Säulen keine planen Flächen, sondern wiesen eine leichte Krümmung (Kurvatur) auf. Diese betrug auf der Längsseite immerhin zwölf Zentimeter und ist sogar heute noch mit bloßem Auge sichtbar (vgl. Abb.). Diese Kurvatur setzte sich bis unter das Dach fort und verlieh dem Bauwerk zusammen mit der Innenneigung der Säulen und Wände eine einzigartige Harmonie, verlangte den Handwerkern aber gleichzeitig eine Meisterleistung ab. Denn durch Kurvatur und Neigung entstanden an jedem Punkt des Baus unterschiedliche Winkel und Flächen, sodass fast jeder Stein eine völlig eigene Form hatte und nur an einer einzigen Stelle des Gesamtwerkes verwendet werden konnte. Die Giebelseiten waren mit schönen Plastiken geschmückt (vgl. Abb.), konnten allerdings erst 431 v. Chr. fertiggestellt werden. Auf der Ostseite, über dem Eingang, war die Geburt der Athena, auf der Westseite der Kampf mit

Athen Poseidon dargestellt. Auf den Reliefen der Metopen waren Kämpfe zwischen Göttern und Heroen, aber auch Szenen aus dem Trojanischen Krieg zu sehen. Im Übrigen waren alle 92 Metopen mit Reliefen verziert, was immense Kosten verursacht haben muss. Auf dem 160 Meter langen und ein Meter hohen Fries, der den Giebel des Innenbaus wie ein umlaufendes Band schmückte, waren Szenen aus dem panathenäischen Festzug abgebildet. Das Innere des Tempels (die cella) bestand aus zwei Teilen: Während der Raum auf der Westseite vermutlich als Schatzkammer genutzt wurde, stand im anderen eine riesige, zwölf Meter hohe Statue der Athena. Sie war aus Holz, Gold und Elfenbein gefertigt und – wie die Skulpturen und Metopen – ein Werk des Phidias. Die goldenen Platten des Gewandes waren abnehmbar und bildeten somit einen Teil der Athener Finanzreserven. In der rechten Hand hielt die Göttin eine zwei Meter hohe Nike (Siegesgöttin), in der anderen lehnte eine Lanze, daneben stand ein runder Schild und dazwischen wand sich die Burgschlange, von der – der Sage nach – der mythische Urkönig Erechth­eus abstammte (vgl. Abb.). Zum Fest der Panathenäen sollte die Göttin ein neues Gewand erhalten. Aber das geschah nicht hier, denn der Parthenon war kein Ort des Kultes. Er besaß noch nicht einmal einen Altar. Stattdessen bewegte sich der Zug nach NorFarbige Metopen des Parthenon (Rekonstruktion) den vor das gegenüberliegende Gebäude: das Erechtheion.

Das Erechtheion Das Erechtheion stellte das eigentliche Kultzentrum der Akropolis dar. Denn hier wurde die »vom Himmel gefallene« Holzstatue der Athena Polias aufbewahrt. Daher lautete der Name des Bauwerks in offiziellen Inschriften nur: »Tempel auf der Akropolis mit der alten Statue«.

Erechtheion von Südwesten

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IV. Süd-Griechenland

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Grundriss des Erechtheion

Westseite des Erechtheion (Rekonstruktion)

Die sogenannte Korenhalle am Erechtheion

Ursprünglich stand diese im »Alten Athenatempel«, der 480/79 v. Chr. durch den Einfall der Perser stark in Mitleidenschaft gezogen worden war und dessen Fundamente z. T. noch heute vor dem Erechtheion erkennbar sind. Das Erechtheion, das in den Jahren 421– 406 v. Chr. errichtet wurde, war der merkwürdigste Bau auf der Akropolis (vgl. Abb.). Da hier neben der Athena noch eine Reihe anderer Gottheiten wie Zeus, Poseidon, Hephaistos usw. verehrt wurden und hier außerdem die uralten Gräber der Könige Erechtheus und Kekrops lagen, entschied sich der Architekt für eine geniale Lösung, die das Gebäude einzigartig machen sollte. Er entwarf drei voneinander unabhängige Gebäudeteile mit drei unterschiedlichen Dächern auf vier Ebenen, die mit Säulen in drei verschiedenen Anordnungen und Proportionen ausgestattet waren (vgl. Abb.). Der Effekt war, dass das Bauwerk von jeder Seite völlig anders aussah. Grundsätzlich zerfiel es in zwei Bereiche: in den östlichen mit Eingangsportal und sechs nebeneinanderstehenden Säulen, der der Athena Polias gewidmet war, und den westlichen, der anscheinend Poseidon und Erechtheus vorbehalten war. An seiner Nordseite war eine kleine Halle mit sechs Säulen angebaut, in der sich ein rechteckiges Brunnenbassin befand. Es symbolisierte die Salzquelle, die Poseidon – der Sage nach – mit seinem Dreizack aus dem Akropolisfelsen herausgesprengt hatte. Direkt darüber war in der Decke »ein ebenfalls rechteckiges Stück über dem Wasserbecken ausgespart, als sei der Dreizack des Gottes gerade eben durch die Decke des Erechtheion bis in den Boden gefahren« (Schneider, Akropolis, S. 175).

Athen Im Südwesten lag die sogenannte Korenhalle (»Mädchenhalle«), die das Gebäude durch eine Art Balkon erweiterte und die nur von innen zugänglich war. Sie erhielt ihren Namen nach den die Überdachung des Balkons tragenden Pfeilern, die zu Frauenfiguren mit langen Gewändern stilisiert waren (vgl. Abb.). An der Westseite, die wegen des unterschiedlichen Bodenniveaus zweigeschossig war und im oberen Teil eine mit vier Halbsäulen abgestützte Fensterfront aufwies, schloss sich ein ummauerter Garten an, in dem sich der legendäre Ölbaum der Athena befand. Da das ganze Bauwerk bemalt und teilweise mit Blattgold (!) überzogen war, galt es nicht nur als das prächtigst geschmückte, sondern auch als das farbenfrohste Gebäude auf der Akropolis. Bei den Panathenäen bildete es den Zielpunkt der feierlichen Prozession. Direkt vor diesem Gebäude machte der Festzug halt und stimmte feierliche Hymnen an, während die Priester der Göttin Athena ihr neues Gewand übergaben. Danach schritten sie hinauf zum Altar der Athena, der auf dem freien Platz vor dem Erechtheion stand, und schlachtete zahllose Opfertiere, die im Festzug mitgeführt worden waren. Am anschließenden Opfermahl durften nur die höchsten Würden­träger der Stadt, Priester und Beamte teilnehmen. Danach begab sich der Festzug wieder hinunter in die Stadt, wo das Fest weiterging: Das Fleisch der Tiere, das von den Opfern übrig geblieben war, wurde nun unter das Volk verteilt, wo es während eines großen Festessens verzehrt wurde.

Antike Baudenkmäler auf und an der Akropolis Neben den großen Bauwerken des 5. Jh. v. Chr. (Propyläen, Parthenon, Erechtheion), die auch noch den heutigen Besucher in ihren Bann ziehen, gab es zur Zeit des Apostels Paulus auf der Akropolis, aber vor allem an den Abhängen, eine Reihe weiterer Gebäude, die z. T. schon seit alter Zeit bestanden. Am Nordhang wären da in westöstlicher Richtung eine Brunnenanlage, die Klepshydra, die Heiligtümer für Apollon, Zeus und Pan sowie das Aphroditeund Erosheiligtum zu nennen. Auf dem Burgberg selbst kämen an der Stelle des heutigen Museums noch der heilige Bezirk des Pandion dazu, eines alten attischen Heroen, sowie auf dem höchsten Punkt der Akropolis der Kultbezirk des Zeus mit einem kleinen Tempel (beide 6. Jh. v. Chr.). Erheblich später errichtet wurde ein Pfeilermonument mit einem Viergespann an der Nordostecke des Parthenon, das dem Gedächtnis des pergamenischen Königs

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IV. Süd-Griechenland Attalos II (159–138 v. Chr.) diente. Noch jünger ist der Rundbau vor der Ostseite des Parthenon, der 27 v. Chr. als Augustus- und Roma-Tempel errichtet wurde (vgl. Abb.). Er nahm exakt den Platz ein, den der Altar des Parthenon eingenommen hätte, wenn er jemals gebaut worden wäre. Das war durchaus kalkuliert. Denn dadurch setzte man die beiden Stadtgöttinnen der bedeutendsten Städte der Antike – Athen und Rom – zueinander in Beziehung. Und der Kaiser Augustus, der den Rundbau an Altares Stelle errichten ließ, stieg somit zum Vollender des klassischen Parthenon auf – ein gutes Beispiel für in Stein gehauene römische Propaganda. Das dürfte auch den antiken Zeitgenossen nicht entgangen sein. Heute sind an Ort und Stelle allerdings nur noch Teile des Rundbaus, vornehmlich der Säulen und Kapitelle, zu sehen.

Das Odeion des Herodes Atticus

Augustus– und Roma-Tempel (1. Jh. v. Chr., Rekonstruktion)

Odeion des Herodes Atticus (2. Jh. n. Chr.)

Von allen Gebäuden am Südhang der Akropolis macht das Odeion des Herodes Atticus auf den heutigen Besucher wohl den größten Eindruck, wirkt es doch im Vergleich zu den anderen Bauwerken besonders massig (vgl. Abb.). Der Multimillionär und Kunstliebhaber Herodes Atticus, der mit Kaiser Hadrian (117–138 n. Chr.) befreundet war und mit diesem die Liebe zu Griechenland teilte, hatte es in den Jahren 161– 174 n. Chr. erbauen lassen. Der Apostel Paulus konnte diese monströse Konzerthalle also noch nicht sehen. Allein der muschelförmige Zuschauerraum maß 76 Meter im Durchmesser und bot 5 000(!) Menschen Platz. Damit war das Odeion eines der größten der Antike. Eine technische Meisterleistung war die Dachkonstruktion aus Zedernholz, die eine für damalige Verhältnisse riesige Fläche zu überspannen hatte. Auch bei den verwendeten Materialien wurde nicht gespart: Marmorverkleidung an den Stützmauern, Mosaikfußböden, Bankreihen aus weißem Marmor und sogar Marmorfliesen auf der Or-

Athen

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chestra (Bühnenplatz) machten das Odeion des Herodes Atticus zu einem Luxusbau. Der gute Erhaltungszustand und die geräumige Anlage lassen auch heute noch unterschiedlichste Theater- und Musikaufführungen zu.

Die Säulenhalle des Eumenes Östlich des Odeions schloss sich die lange Säulenhalle (Stoa) des Eumenes an, die es den kunstbeflissenen Besuchern der Antike ermöglichte, geschützt vor Wind und Wetter zwischen Konzerthalle und Dionysostheater zu flanieren. Ihre genaue Funktion ist allerdings bis heute nicht geklärt. König Eumenes von Pergamon (197–159 v. Chr.), der zu den Griechenlandfreunden unter den hellenistischen Herrschern gehörte, hatte die Bauteile für diese zweigeschossige und über 160 Meter lange Säulenhalle in Pergamon vorfertigen und dann nach Athen verschiffen lassen, wo sie von einem eigens dafür zusammengestellten Bautrupp zusammengesetzt wurden. Am Fuße des Südhanges platziert, wirkte die Säulenhalle architektonisch wie ein Schmuckband, das sich vor die steile Akropolis mit ihren schroffen Naturfelsen und dem sich anschließenden mykenischen Mauerwerk schob.

Das Dionysos-Theater und Odeion des Perikles Östlich der Säulenhalle des Eumenes erstreckte sich ein größerer Komplex von Bauten aus klassischer Zeit: Wo ursprünglich ein heiliger Bezirk für den Gott Dionysos mit Altären und kleineren Tempeln war, begann man wohl schon im 6. /5. Jh. v. Chr. mit dem Bau eines großzügig dimensionierten Theaters, das heute als Geburtsstätte des europäischen Schauspiels gilt (vgl. Abb.). Allerdings wurden hier nicht nur Theaterstücke aufgeführt, sondern auch Versammlungen unterschiedlicher Art abgehalten. So z. B. im Zusammenhang mit den Dionysischen Festspielen, die musische und poetische Wettbewerbe umfassten. Für die Errichtung der Zuschauerränge, deren Bänke in der ersten Bauphase noch aus Holz gefertigt waren, konnte das zur Akropolis hin ansteigende Gelände gut genutzt werden. Dionysos-Theater am Südhang der Akropolis Erst im 4. Jh. v. Chr. gab es steinerne Bänke mit

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IV. Süd-Griechenland mehr als 15 000 Sitzplätzen, die bis fast an den Sockel der Burgmauer heranreichten. Etwas später dürfte die kreisrunde Orchestra verändert und eine Bühne installiert worden sein, auf der die Schauspieler nun agieren konnten, um die Theaterstücke berühmter Dichter dem Athener Publikum zu Gehör zu bringen. Dabei war die erste Reihe mit ihren schmucken Marmorsesseln für die Honoratioren der Stadt bestimmt, die hier neben dem Dionysospriester ihre Ehrenplätze hatten. Das Theater wurde bei der Eroberung Athens durch die Römer 86 v. Chr. schwer beschädigt, in der Folgezeit aber wieder repariert. Die Reste des heute sichtbaren Bühnengebäudes sowie das marmorne Pflaster der zu einem Halbrund reduzierten Orchestra stammen im Wesentlichen aus der Zeit des Kaisers Nero (54–68 n. Chr.), einige Teile sogar erst aus dem 2. Jh. n. Chr. In römischer Zeit wurden auch die senkrecht stehenden Platten installiert, um die Zuschauer bei Kampfspielen, die nun hier stattfanden, vor Übergriffen wilder Tiere oder Gladiatoren zu schützten. Weitere Reste zeugen davon, dass in späterer Zeit im östlichen Zugangsbereich eine Kirche gebaut wurde. Unmittelbar neben dem Theater auf der Ostseite erstreckte sich ein gro­ ßer, fast quadratischer Bau (ca. 62×69 Meter) mit inneren Säulenstellungen, der auf Betreiben des Perikles (495–429 v. Chr.) errichtet worden war und als Konzerthalle diente. Dieses Odeion des Perikles musste eine riesige Dachkonstruktion in Form einer Pyramide besessen haben und war allein schon dadurch ein höchst ungewöhnliches Bauwerk. Kurz vor dem Einmarsch der Römer (vgl. o.) wurde es von den Athenern in Brand gesteckt, um das hier verarbeitete Holz nicht in die Hände des Feindes gelangen zu lassen. In den Jahren darauf wurde es aber wieder aufgebaut und restauriert.

Das Heiligtum des Asklepios (Asklepieion) Westlich des Theaters und oberhalb der Säulenhalle des Eumenes schloss sich das Heiligtum des Heilgottes Asklepios an, das sich seit seiner Gründung im Jahre 419 v. Chr. und nicht nur wegen der hier dem Felsen entspringenden Heilquellen großer Beliebtheit erfreute. Der Kult des Asklepios besaß sein Zentrum in Epidauros (vgl. u.), hatte aber auch Ableger in anderen Orten wie Korinth und Athen. Zur Ausrüstung des Heiligtums gehörte neben dem Tempel mit Altar vor allem eine Liegehalle mit Ruhebetten für den Heilschlaf, das sogenannte Abaton. Denn dieses spielte bei der Heilung der Kranken eine große Rolle. Wie viele Geheilte berichten, erschien ihnen hier im Traum der

Athen Gott ­Asklepios und ordnete diverse Maßnahmen gegen die Krankheit an. Auf diese Weise wurden auch Augenleiden, ja sogar Blindheit geheilt. In frühchristlicher Zeit (5./6. Jh.) wurde das Heiligtum des Asklepios mit einer dreischiffigen Basilika überbaut. Diese war – offenbar noch unter dem Einfluss des Asklepioskultes – den Heiligen Anargyroi (»Geldlose«) gewidmet. In der christlichen Tradition waren damit die beiden »Arztheiligen« Kosmas und Damian gemeint, die »ohne Geld« heilten. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die frühe Kirche gegen keinen heidnischen Kult so heftig gekämpft hat wie gegen den Kult des Asklepios. Die Kirchenväter haben sich dabei auch nicht gescheut, Jesus Christus als den besseren und wahren Heilgott darzustellen.

Das Heiligtum des Olympischen Zeus (Olympieion) Keine 500 Meter östlich vom Dionysos-Theater liegt das kolossalste Bauwerk des antiken Athen (vgl. Abb.). Seine Baugeschichte ist dabei nicht minder kurios: Auf einem kleinen Hügel in der Nähe des Flusses Ilissos lag in alter Zeit ein Heiligtum für den olympischen Zeus, das schon im späten 6. Jh. v. Chr. zu einem damals großen Tempel ausgebaut werden sollte. Zwar hatte man bereits mit den Arbeiten begonnen, konnte diese aber nicht fertigstellen, sodass viele Bauteile in der Folgezeit anderweitig verwendet wurden (z. B. in der Stadtmauer). Erst 350 Jahre später, nämlich 174 v. Chr., wurden die Bauarbeiten wieder aufgenommen. Für die Finanzierung sorgte Olympieion (von der Akropolis aus) der Seleukidenkönig Antiochos IV. Epiphanes (175–164 v. Chr.), der in Antiochia (Syrien) residierte und ein großer Verehrer Griechenlands war. Er war »von der Idee besessen, den religiös zersplitterten Osten in der Verehrung des Olympischen Zeus zu einen« (Elliger, S. 68). Zu diesem Zweck sollte der Tempel für den Olympischen Zeus in gigantischer Größe wiedererstehen (ca. 40×110 Meter). Im Übrigen hatte diese Politik auch AuswirOlympieion, Südost-Ecke kungen auf Palästina: Denn sogar im Tempel

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IV. Süd-Griechenland

von Jerusalem versuchte Antiochus, den Kult des Olympischen Zeus einzuführen mit dem Ziel, den Gott der Juden (Jahwe) mit Zeus zu verschmelzen. Darauf bezieht sich anscheinend eine Stelle aus dem alttestamentlichen Buch Daniel, wo von dem »Greuel der Verwüstung« die Rede ist (9, 27: »Und im Heiligtum wird stehen ein Greuelbild, das Verwüstung anrichtet«). Wie man in den apokryphen Makkabäerbüchern nachlesen kann, scheiterte das Vorhaben des Antiochus am bewaffneten Widerstand der Juden. Auch in Athen war sein Bemühen nicht von Erfolg gekrönt. Denn es gelang nicht, den Tempel mit seinen 104 über 17 Meter (!) hohen Säulen, für die allein über 15 000 Tonnen Noch stehende Säulen des Olympieion Marmor verarbeitet wurden, fertigzustellen (vgl. Abb.). Das sollte dem römischen Kaiser Hadrian – 300 Jahre später – vorbehalten sein, der hier sein Standbild neben dem des Zeus aufstellen ließ. Heute stehen immer noch einige Säulen an Ort und Stelle (in situ) und beeindrucken den Besucher sowohl durch ihre gewaltige Größe als auch durch die filigrane Bearbeitung der Kapitelle.

Die griechische Agora Im Schatten der Akropolis – etwa 500 Meter nordöstlich – liegt die griechische Agora, das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Zentrum der einst so ruhmreichen Stadt. Hier wurden politische Entscheidungen getroffen, hier wurde Gericht gehalten, hier traf man sich, um den neusten Klatsch und Tratsch auszutauschen. Was sich dem heutigen Besucher der Grabungsstätte bietet, ist dagegen einigermaßen ernüchternd. Sieht man von der um 1000 n. Chr. errichteten Apostelkirche mitten auf der Agora ab, so ragen aus der immensen Vielfalt der antiken Überreste eigentlich nur zwei Bauten durch ihren guten Erhaltungszustand heraus: Das Hephaisteion auf der Westseite und die 1953–56 rekonstruierte große Säulenhalle des Attalos. An das Odeion des Agrippa erinnern eigentlich nur noch ein paar der tragenden Pfeiler.

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Athen Die Agora erfuhr im Laufe ihrer Geschichte verschiedene Bebauungsphasen, wobei die im 6./5. Jh. v. Chr. angelegte Grundstruktur während der gesamten Antike erhalten blieb. »Zur Zeit, als Paulus in Athen weilte, präsentierte sich die Agora in jener Form, die sie in der hellenistischen und frührömischen Zeit angenommen hatte: als ein unregelmäßiges Viereck, dessen Seiten größtenteils von Säulenhallen gebildet wurden« (Elliger, S. 69). Quer über diesen viereckigen Platz – quasi als Diagonale – verlief die berühmteste aller Athener Straßen: Die zehn Meter breite Panathenäenstraße, auf der sich in der Antike der oben beschriebene Festzug in Richtung Akropolis bewegte und die heute eigens für den unkundigen Touristen ausgeschildert ist. Sicher hat auch Paulus die Agora gesehen, die Apostelgeschichte berichtet sogar, dass er hier täglich gepredigt habe: »Und er redete ... täglich auf der Agora zu denen, die sich einfanden. Einige Philosophen aber, Epikureer und 1BOBUIFOÊFOXFH 4UPB1PJLJMF 4UPB#BTJMFJPT ;FVT4UPB

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Griechische Agora, Übersichtskarte

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IV. Süd-Griechenland Stoiker, stritten mit ihm« (Apg 17, 17). Und dass Lukas damit nicht etwa die erst in römischer Zeit entstandene Römische Agora im Blick hatte, die etwas weiter östlich lag und überwiegend kommerziellen Zwecken diente (vgl. u.), ergibt sich aus der Anwesenheit der Philosophen und dem sokratischen Ambiente des Abschnittes. Beginnen wir somit unseren Rundgang über die Agora und fragen danach, welche Bauwerke im 1. Jh. n. Chr. zu sehen waren.

Die Westseite der Agora Wir starten im Nordwesten an dem Punkt, wo die Panathenäenstraße – vom Dipylon, dem Haupttor der Stadt, kommend – die Agora erreichte. Direkt auf der Ecke stand eines der ältesten Gebäude der Agora: die Stoa Basileios (»Königliche Halle«; 5. Jh. v. Chr.), die als Amtssitz für den wichtigsten Magistrat (ἄρχων βασιλεύς) diente. Hierher wurde der Philosoph Sokrates 399 v. Chr. im Rahmen seines Religionsprozesses zum Verhör geladen. Daneben befand sich eine größere Säulenhalle, die dem Zeus Eleutherios (»Freiheits-Zeus) gewidmet war. Sie war aus Dankbarkeit für die Abwehr der Persergefahr um 425 v. Chr. errichtet worden und galt als einer der Lieblingsplätze des So­ krates. Auf einem Sockel vor ihrer Front stand eine große Zeusstatue. Auf der Rückseite waren zur Zeit des Paulus bereits neue Räumlichkeiten angebaut worden, die für den Kult des römischen Kaisers genutzt wurden. Denn auch der Kaiser Augustus trug den Titel Eleutherios. Der sich südlich anschließende kleine Rekonstruktion des Rathauses (Bouleuterion) Tempel (um 330 v. Chr.) war ein Heiligtum des Apollon Patroos (»heimischer Apollon«). Dieser galt als Vater des Ion, des Urahnen der Ionier, zu denen sich auch die Athener zählten. Gegenüber, auf der anderen Straßenseite, hätte Paulus bei seinem Rundgang den berühmten Altar der 12 Götter erblicken können (522 v. Chr.; vgl. Abb.). Er war der geometrische Mittelpunkt der Stadt, von dem aus die Entfernungen von und nach Athen berechnet wurden. Darüber Altar der zwölf Götter (Rekonstruktion) hinaus war er als Asylstätte für entflohene

Athen

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Sklaven und Verfolgte bekannt, weshalb er von Pausanias »Mitleidsaltar« genannt wurde (I 17, 1). Leider ist heute nur noch eine kleine Ecke von ihm zu sehen ist, während der größte Teil unter der Trasse der Metrolinie liegt. Neben dem Apollon-Tempel lag das sogenannte Metroon, ein Heiligtum für die »Mutter Die eponymen Heroen (Rekonstruktion) der Götter«, dessen erhaltene Reste aus dem 2. Jh. v. Chr. stammen. Ein Teil des Gebäudes wurde als Archiv für die Protokolle und Beschlüsse der Ratssitzungen genutzt, die in einem separaten Gebäude hinter dem Heiligtum stattfanden. Dieses Bouleuterion (»Rathaus«) war seit dem 5. Jh. v. Chr. Tagungsort des Rates (βουλή), dem 500 durch Losverfahren bestimmte Bürger Athens für jeweils ein Jahr angehörten. Da der Rat in der Regel täglich – außer an Festtagen – zusammenkam, bedeutete das Amt des Ratsherrn großen Aufwand. Man kann sich gut vorstellen, dass sich Bürger der weniger vermögenden Schichten diesen Luxus nur schwer leisten konnten. Die Aufgabe des Rates war es, Gesetzesvorlagen zu erarbeiten. Diese wurden anschließend der Volksversammlung der freien Bürger (ἐκκλησία) zum Beschluss vorgelegt. Unmittelbar neben dem Rathaus und dem Metroon lag die Tholos, ein »Rundbau« aus dem 5. Jh. v. Chr. mit einem Durchmesser von 8,5 Metern, der nach der Überlieferung des Aristoteles (384–322 v. Chr.) Amtssitz des geschäftsführenden Ausschusses des Rates war. Dieser geschäftsführende Ausschuss hatte 50 Mitglieder, die sogenannten Prytanen, die auf Staatskosten in der Tholos verpflegt wurden. Ein Drittel stand in permanenter Dienstbereitschaft, um in Notfällen schnell entscheiden zu können und hatte daher in der Tholos sein Quartier. Damit war dieser Rundbau das administrative Herzstück der Attischen Demokratie. Ob das in römischer Zeit auch noch der Fall war, ist durchaus fraglich. Zwar sind Prytanen für diese Zeit inschriftlich bezeugt, doch blieben die wichtigen politischen Entscheidungen den herrschenden Römern vorbehalten. Sicher ist jedoch, dass das Gebäude Mitte des 1. Jh. n. Chr. noch in Nutzung stand, da der Fußboden mit neuen Marmorsplittern ausgelegt wurde. Auf der anderen Straßenseite – gegenüber dem Metroon – befanden sich auf einem langen steinernen Sockel die Bronzestatuen der eponymen Heroen, die den unterschiedlichen Abteilungen der Bürgerschaft Athens ihren Namen gegeben hatten. Ihre Anzahl schwankte zwischen zehn im

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IV. Süd-Griechenland 5./4. Jh. v. Chr. und 13 in hellenistisch-römischer Zeit. Das Monument, von dem nur die unteren Abschnitte erhalten sind, ist deshalb interessant, weil die Vorderseite des Sockels quasi als »Schwarzes Brett« diente, wo allerlei Neuigkeiten und öffentliche Bekanntmachungen auf Holztafeln angeschlagen wurden (vgl. Abb.).

Hephaisteion von Osten

Das Hephaisteion (Theseion) Auf einer Anhöhe hinter dem Heiligtum des Apollon Patroos war bereits im 5. Jh. v. Chr. ein Tempel mit 6 Säulen auf der Schmal- und 13 Säulen auf der Längsseite errichtet worden, der heute zu den am besten erhaltenen des griechischen Festlands gehört (vgl. Abb.). Grundriss des Hephaisteion (5. Jh. v. Chr.) Auf Grund seiner erhöhten Lage beherrschte er die gesamte Westseite der Agora. In seinem Inneren (cella) befanden sich zwei Kultstatuen: Die der Athena Ergane (»Handwerkerin«) und die des Hephaistos. Letzterer ist als hinkender Gott des Feuers und der Schmiedekunst bekannt. Beide wurden besonders von den in der Nähe wohnenden Handwerkern und Gewerbetreibenden als Schutzgötter verehrt. Auf den Giebeln und den Metopen waren die Taten des Herakles und des Theseus, zweier Heroen der Vorzeit, abgebildet. Das ist auch der Grund, weshalb man das Gebäude lange Zeit für einen Theseustempel (Theseion) gehalten hat. Bereits im 3. Jh. v. Chr. wurde der Tempel mit einer Anpflanzung umgeben, von der quadratische Erdlöcher ans Licht gekommen sind, in denen offensichtlich Pflanztöpfe platziert worden waren. Ebenfalls aus dem 3. Jh. v. Chr. stammt die große Treppe, die den Tempelbezirk mit der tiefer liegenden Agora verbindet. Seinen guten Erhaltungszustand verdankt der Tempel der Tatsache, dass er in frühchristlicher Zeit in eine Kirche umgewandelt wurde, was zwar die Verlagerung des Eingangs auf die Westseite und den Einbau einer Apsis auf der Ostseite notwendig machte, aber die Gebäudesubstanz unberührt ließ (vgl. Abb.).

Athen Die Südseite der Agora Die Südseite der Agora erfuhr vor allem in hellenistischer Zeit einige Umbaumaßnahmen, die das spätere Bild bestimmten. Aber schon vorher standen hier einige Gebäude: so zwei Brunnenhäuser in der Südwest- und Südostecke (4. bzw. 6. Jh. v. Chr.), die ihr Wasser durch unterirdisch verlegte Zuleitungen aus Ton erhielten. Öffentliche Brunnenanlagen waren bei der notorischen Wasserarmut Athens von großer Bedeutung für die Bevölkerung. Nur wenige Meter vom Südwestbrunnenhaus entfernt befanden sich zwei Gebäude, die in Zusammenhang mit dem Philosophen Sokrates gebracht werden: das Haus eines Schusters namens Simon und das Gefängnis, in dem Sokrates vor seiner Hinrichtung einsaß. An das Südwestbrunnenhaus schloss sich in östlicher Richtung das Aiakeion an (5. Jh. v. Chr.), ein etwa 30 Meter breites, fast quadratisches Gebäude. Dieses wurde früher – wohl fälschlicherweise – für den Gerichtshof, die sogenannte Heliaia gehalten, war aber dem Aiakos, einem Richter der Unterwelt, geweiht und wurde seit dem 4. Jh. v. Chr. als Kornspeicher genutzt. Zwischen den beiden Brunnenhäusern wurde im 2. Jh. v. Chr. über den Fundamenten einer älteren Stoa (»Süd-Stoa I«; 4. Jh. v. Chr.) ein größerer Komplex angelegt, der aus zwei gegenüberliegenden Säulenhallen bestand (Mittel-Stoa und Süd-Stoa II). Die recht einfach ausgestattete Mittel-Stoa war fast 150 Meter lang und damit das größte Gebäude auf der Agora. Sie besaß auf allen Seiten Kolonnaden, deren Säulen allerdings nur aus Kalkstein gefertigt waren. Drei von ihnen stehen heute noch in situ. Gegenüber und parallel dazu verlief die sogenannte Süd-Stoa II. Da sie unmittelbar am Aiakeion ansetzte, war sie etwas kleiner als die Mittel-Stoa. Beide Säulenhallen waren an ihrer Ostseite durch ein weiteres Gebäude (Ostgebäude) zu einem Komplex verbunden. Die hier gefundenen Möbelstücke (Teile von Geldwechseltischen) lassen annehmen, dass die Säulenhallen kommerziellen Zwecken dienten.

Die Ostseite der Agora Die Ostseite wurde seit dem ausgehenden 2. Jh. v. Chr. komplett von der Säulenhalle des Attalos eingenommen. Das 112 Meter lange Bauwerk präsentiert sich heute ­ vollständig

Stoa des Attalos (Innenansicht)

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IV. Süd-Griechenland r­ estauriert, sodass sich jeder Besucher selbst ein Bild von dieser zwei­ stöckigen Stoa machen kann (vgl. Abb.). Die Stoa wurde der Stadt vom pergamenischen König Attalos II. (159– 138 v. Chr.) gestiftet. Attalos hatte beim Philosophen Karneades (214– 129 v. Chr.) studiert und verstand sein großzügiges Geschenk als Dank für die in Athen erfahrene Ausbildung. Natürlich geschah diese »Wohltat« nicht ohne den Hintergedanken, sich hier ein eigenes Denkmal zu setzen. Der Bau diente nicht nur als monumentaler Abschluss der Ostseite, sondern hatte auch ganz praktische Zwecke: 21 Geschäfte auf jeder Etage machten das Bauwerk zu einer antiken Markthalle, in der es sich – geschützt vor Sonne und Wind – zu jeder Jahreszeit einkaufen ließ. 267 n. Chr. wurde die Stoa von den Herulern zerstört und danach baulich in die neu errichtete Stadtmauer integriert. Heute beherbergt sie ein Museum, in dem zahlreiche Kleinfunde der Agora ausgestellt sind, sowie weitere Räumlichkeiten, die als Archive und Arbeitsstätten der Archäologen dienen.

Die Nordseite der Agora An der Nordseite der Agora sind die neuesten Ausgrabungen zu sehen. Sie reichen über die Stadtbahnlinie hinaus und haben u. a. auch die Reste der berühmten Stoa Poikile (»bunte Säulenhalle«) freigelegt, die von Pausanias (I 15, 1) ausführlich beschrieben wurde. Zwischen 470 und 460 v. Chr. errichtet, erhielt sie ihren Namen auf Grund der bunten Gemälde an der Innenwand, die Szenen aus den wichtigsten Schlachten der Athener zeigten. Fast 600 Jahre später konnte Pausanias immerhin noch vier von ihnen besichtigen.

Grundriss der Stoa des Attalos

Athen

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Berühmtheit erlangte diese Stoa aber erst durch den Philosophen Zenon von Kition, der um 300 v. Chr. diese Halle als Vorlesungsraum nutzte. Die von ihm gegründete philosophische Schule trug seitdem den Namen Stoa, seine Anhänger den Namen Stoiker. Östlich der Stoa Poikile und nördlich der Stoa des Attalos ist ein weiteres großes Gebäude ans Licht gekommen, das als römische ]]N Basilika identifiziert werden konnte. Dieses GeGrundriss des Arestempels bäude ist allerdings erst im 2. Jh. n. Chr. errichtet worden, spielt also für die Zeit des Apostels Paulus noch keine Rolle.

Das Zentrum der Agora Die Mitte des Platzes war in klassischer und hellenistischer Zeit frei geblieben. Erst wenige Jahrzehnte vor der Ankunft des Apostels wurden hier zwei große Bauwerke errichtet. Das erste war der Tempel des Kriegsgottes Ares (5. Jh. v. Chr.). Dieser stand ursprünglich woanders, wurde aber um 15 v. Chr. Stein für Stein abgetragen und in einer spektakulären Aktion auf der Agora wieder aufgebaut. Das zweite Bauwerk war ein zweigeschossiges Odeion mit etwa 1 000 Plätzen, das Marcus Vipsanius Agrippa, der Schwiegersohn des Kaisers Augustus (30 v.–14 n. Chr.), erbauen ließ. Über dem Auditorium, das aus 18 halbkreisförmigen Sitzreihen bestand, erstreckte sich eine kühne Dachkonstruktion von etwa 25 Metern Spannweite, die ohne Innenstützen auskam und später (um 150 n. Chr.) einstürzte. Zwar wurde der Schaden bald wieder repariert, gleichzeitig aber auch die Anzahl der Sitzplätze um die Hälfte reduziert. Möglicherweise gab das den Anstoß zum Bau des größeren Odei-

Odeion des Agrippa (Frontseite) nach dem Umbau um 150 n. Chr. (Rekonstruktion)

Odeion, Frontseite mit Giganten

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IV. Süd-Griechenland ons des Herodes Atticus am Südhang der Akropolis (vgl. o.). Die Giganten, große Skulpturen, die als Stützpfeiler am Eingang des wiedererrichteten Bauwerks dienten, schmücken auch noch heute den Zugang zu den Fundamenten des Odeions (vgl. Abb.). Insgesamt zeigt damit unser Rundgang über die Agora, dass die einzelnen Bereiche in klassischer und hellenistischer Zeit unterschiedlichen Charakter besaßen: Die Westseite bildete das administrative Zentrum, während der Südteil und vor allem die Ostseite mit der Attalos-Stoa kommerziellen Zwecken dienten. Diese Situation veränderte sich aber in römischer Zeit. Einerseits nahm die politische und wirtschaftliche Bedeutung der Agora immer mehr ab, andererseits verstärkte sich ihre gesellschaftliche Relevanz durch die Errichtung des Odeions auf dem zentralen Platz, der jahrhundertelang unbebaut geblieben war. Man wird annehmen dürfen, dass diese Entwicklung nicht zufällig geschah, sondern in ursächlichem Zusammenhang mit der Gründung der neuen Agora (1. Jh. v. Chr.) etwas weiter östlich stand, die von den Römern als kommerzielles Zentrum der Stadt ausgebaut wurde.

Römische Agora: Mitte links das Tor der Athena, Mitte rechts der Turm der Winde

Zugang zur Römischen Agora (Rekonstruktion)

Die Römische Agora und die Bibliothek des Hadrian Im ausgehenden 1. Jh. v. Chr. begannen die Römer mit der Anlage eines neuen Zentrums, das mit der alten Agora architektonisch verbunden war und nur wenige Meter weiter östlich lag. Eine zehn Meter breite, marmorgepflasterte Promenade, deren Gehsteige als Säulenhallen ausgestaltet waren, führte von der Südostecke der Agora – unmittelbar zwischen der AttalosStoa und der späteren Bibliothek des Pantainos (ca. 100 n. Chr.) – zum »Tor der Athena«, das den westlichen Zugang zur Römischen Agora bildete (vgl. Abb.). Das Tor war von Gaius Iulius Caesar und Kaiser Augustus finanziert worden und wurde im Jahre 11/10 v. Chr. der Athena Archegetes (»Gründerin«) geweiht.

Athen )BESJBOTCJCMJPUIFL Die Römische Agora – bisweilen auch Augus.BSLUC´SP 5VSNEFS8JOEF tusforum genannt – war eine typisch rö-BUSJOFO mische Anlage mit einem von Säulenhallen 0TUFJOHBOH umgebenen rechteckigen Platz. Der gesamte Komplex (ca. 95×110 Meter) wird Anfang des 2. Jh. n. Chr. fertiggestellt worden sein und diente vorwiegend als Marktplatz. Aus einer Inschrift ist bekannt, dass die römische Agora zu dieser Zeit Athens Haupthandelsplatz für 8FTUFJOHBOH Olivenöl war. Die Geschäfte lagen vor allem 5PSEFS"UIFOB

auf der Ostseite hinter dem Säulengang, aber auch in den freien Räumen zwischen den Säulen der Südseite. Dort haben sich, nördlich des ]]N Brunnens, Hohlmaße unterschiedlicher Größe Römische Agora, Übersichtskarte erhalten, die in den Stylobat der Säulen eingearbeitet waren. Offensichtlich wurden sie von den Händlern zum Abmessen von Flüssigkeitsmengen benutzt. Vor der Ostseite, wo sich ein weiterer Zugang befand, lag ein öffentliches Latrinenhaus mit 70 »Sitzplätzen« (1. Jh. n. Chr.) und einem quadratischen Innenhof, der der Belüftung diente. Dahinter erhob sich der berühmte »Turm der Winde« sowie ein Gebäude, das nach 60 n. Chr. errichtet und früher als das Büro der Marktaufsicht (Agoranomeion) gedeutet wurde. Der »Turm der Winde« galt nicht nur in der Antike als ein technisches Meisterwerk. Der achteckige, über zwölf Meter hohe Turm besaß außen eine Sonnenuhr und in seinem Der Turm der Winde (Rekonstruktion) Inneren eine wetterunabhängige Wasseruhr, deren Funktionsweise bis heute nicht vollständig geklärt ist. Ein Astronom namens Andronikos aus Kyrrhos (Makedonien) hatte sie im 1. Jh. v. Chr. (oder etwas früher) konstruiert. Auf jeden Fall dürfte auch der Apostel Paulus bei seinem Besuch in Athen dieses Bauwerk mit den zwei Uhren bestaunt haben. Seinen Namen erhielt der Turm von den acht Reliefen unterhalb des Daches, die jeweils eine personifizierte Windrichtung

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Grundriss der Hadriansbibliothek

darstellten. Auf der Spitze des Gebäudes befand sich in der Antike ein Wetterhahn aus Bronze, der den Händlern auf dem Markt die Windrichtung anzeigte, auf Grund der sie die Ankunft der erwarteten Frachtschiffe abschätzen konnten. Die Römische Agora wurde nach dem Herulereinfall (267 n. Chr.), der die griechische Agora zerstörte, zum Verwaltungszentrum der Stadt. In byzantinischer Zeit wurden hier mehrere Kirchen gebaut, die während der Türkenherrschaft teilweise in Moscheen umgewandelt wurden. Unmittelbar nördlich der Römischen Agora ließ Kaiser Hadrian (117–138 n. Chr.) eine großzügig angelegte Bibliothek erbauen, die heute als eines der brillantesten Bauwerke des römischen Athen gilt. Dieses bestand aus

Bibliothek des Hadrian (um 130 n. Chr.) mit Resten der frühchristlichen Kirche (5. Jh. n. Chr.)

Athen einem rechteckigen Gebäudekomplex mit zentralem Innenhof, der in etwa die Maße der Römische Agora hatte. Pausanias berichtet, dass dafür 100 Säulen aus phrygischem Marmor verarbeitet wurden (I 18, 9). Neben dem zweistöckigen Magazin zur Aufbewahrung der Buchrollen gab es Ruhebereiche, Lese– und Vortragssäle, die die Bibliothek des Hadrian zu einem akademischen Bildungszentrum machten, das in vielem mit den heutigen Universitätsbibliotheken vergleichbar war. Im 5. Jh. n. Chr. wurde mitten auf dem Innenhof, wo sich zuvor ein langgestrecktes Wasserbecken befunden hatte, eine Kirche mit vier halbrunden Nischen (Apsiden) errichtet. Obwohl in den nachfolgenden Jahrhunderten mehrfach überbaut und verändert, lässt sich ihr ungewöhnlicher Grundriss noch heute an den Fundamenten ablesen.

Modell der Bibliothek des Hadrian (Rom, Museo Civiltà Romana)

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IV. Süd-Griechenland Exkurs I: Eleusis

Reste der »Heiligen Halle« (Telesterion) von Eleusis

Exkurs I: Eleusis Einleitung »Nur für Eingeweihte« sagen wir manchmal und meinen damit, dass wir etwas für uns behalten wollen, was andere nichts angeht. Ob wir allerdings wissen, dass diese Wendung ursprünglich mit den Gebräuchen der alten Mysterienkulte verbunden war? Mysterium, das hat etwas mit »mysteriös«, mit »seltsam«, mit »geheimnisumwoben« zu tun. Und in der Tat: Der griechische Begriff »Mysterion« (µυστήριον) bedeutet »Geheimnis«. Dementsprechend war das grundlegende Kennzeichen der Mysterienkulte die Geheimhaltung der Kulthandlung. Viele Äußerlichkeiten wie etwa die öffentlichen Prozessionen und Feierlichkeiten waren zwar für jeden sichtbar und erfahrbar, aber die Kulthandlung selbst, d. h. die Begegnung mit der Gottheit und den heiligen Gegenständen, war geheim und nur etwas für Eingeweihte, für die sogenannten Mysten. Diese waren darauf verpflichtet worden, über das, was sie sahen und erlebten, bei Todesstrafe Stillschweigen zu bewahren (Arkandisziplin). Diese Verpflichtung scheint in der Antike weitgehend eingehalten worden zu sein, denn über bestimmte Elemente der Mysterienkulte wissen wir bis heute nicht viel. Dazu passt, was Pausanias im 2. Jh. n. Chr. über seinen Besuch der Mysterien von Eleusis schreibt (I 38, 7): »Was innerhalb der Mauer des Heiligtums ist, zu beschreiben, hat mir der Traum verboten, und den Nichteingeweihten, die vom Zuschauen ausgeschlossen sind, ist also nicht einmal das zu erfahren gestattet.« Im griechischen Raum gab es unterschiedliche Ausformungen der Mysterienkulte, von denen in der römischen Kaiserzeit und damit der Zeit des frühen Christentums das Heiligtum der Kabiren auf der Insel Samothrake und das Demeterheiligtum in Eleusis die bekanntesten waren. Eleusis nahm insofern eine besondere Stellung ein, als dass das dortige Heiligtum eine gemein­ griechische Einrichtung war, die über fast 1 000 Jahre hinweg bis in christliche Zeit hinein in großem Ansehen stand. Schon im 7. Jh. v. Chr. belegt, erfuhr es auch in römischer Zeit immer wieder bauliche Erweiterungen, und sogar nach der Verwüstung durch thrakische Stämme im Jahre 170 n. Chr. wurde das Heiligtum von Eleusis wieder aufgebaut. Erst nach der erneuten Zerstörung durch die Westgoten unter Alarich (395 n. Chr.) wurde es auf Anordnung der christlichen Kaiser geschlossen.

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IV. Süd-Griechenland Christliche Mysterien? In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass auch das frühe Christentum bisweilen als eine Mysterienreligion angesehen worden ist. Das hängt wohl zum einen mit der Tatsache zusammen, dass man sich in der Anfangszeit nicht in öffentlichen, sondern in privaten Räumlichkeiten versammelte, zum andern damit, dass die Teilnahme an den heiligen Mahlfeiern (Herrenmahl bzw. Eucharistie) nur für Eingeweihte, d. h. für im Glauben unterwiesene und getaufte Christen, erlaubt war. Darüber hinaus hat man in der sakramentalen Vereinigung zwischen den Kommunikanten und dem sich im Abendmahl gebenden Herrn eine Parallele zu den Kultmählern der Mysterien gesehen (H.-J. Klauck). Auf Begrifflichkeiten aus den Mysterienkulten greift auch der Apostel Paulus an einigen Stellen in seinen Briefen zurück (vgl. z. B. Phil 4, 12). So spricht er im ersten Korintherbrief mehrfach von den »Mysterien« (vgl. 1Kor 2, 7; 4, 1; 13, 2; 14, 2, 15, 51) und meint damit »geheimes Wissen«, das nur ihm bekannt war, z. B. über die Wiederkunft Christi (Parusie). Die Korinther lässt er an diesen »Geheimnissen« teilhaben. Er schreibt: »Siehe, ich sage euch ein Geheimnis (µυστήριον): Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden« (1Kor 15, 51). An einer anderen Stelle des gleichen Briefes sagt der Apostel von sich selbst, dass er ein Ökonom, d. h. ein Verwalter der Geheimnisse Gottes sei (1Kor 4, 1: »Dafür halte uns jedermann: für Diener Christi und Haushalter über Gottes Geheimnisse«). Vor dem Hintergrund der großen Beliebtheit antiker Mysterienkulte bekommen diese Worte einen besonderen Klang. Wir können davon ausgehen, dass sich Paulus und die von ihm angeschriebenen Korinther dieser Anspielung durchaus bewusst waren. Beide kannten Mysterienkulte aus eigener Anschauung. Die Korinther hätten dazu nicht einmal nach Eleusis reisen müssen, gab es doch in ihrer Stadt ein – wenn auch kleines – Mysterienheiligtum (vgl. u.). Ob der Apostel Paulus jemals nach Eleusis gekommen ist, muss zwar Spekulation bleiben. Aber Gelegenheit dazu hätte er gehabt.

Der Weg nach Eleusis Dem Verlauf der 2. Missionsreise entsprechend finden wir den Apostel nach dem Verlassen Athens in Korinth wieder (Apg 18, 1). Auf welchem Wege er von Athen nach Korinth reiste, wird nicht berichtet. Auch nicht, ob er die rund 100 Kilometer lange Strecke mit dem Schiff oder auf dem Landweg zurück-

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legte. Beides wäre möglich gewesen. Es mag allerdings sein, dass die relativ geringe Entfernung und das gut ausgebaute Straßennetz den Apostel den Landweg nehmen ließen. Wenn das der Fall war, dann wäre Paulus mit Sicherheit am Städtchen Eleusis vorbeigekommen. Denn dieses lag etwa 20 Kilometer westlich von Athen, direkt an der Straße nach Korinth. Und dass er sich dann die Gelegenheit nicht entgehen ließ, diese weltberühmte Kultstätte einmal selbst in Augenschein zu nehmen, erscheint beinahe selbstverständlich. Doch natürlich sind dies nur Vermutungen. Die Heilige Straße nach Eleusis, wie sie hieß, nahm ihren Anfang am Heiligen Tor in Athen, nur wenige Meter südlich des Dipylon im Stadtteil Kerameikos (vgl. o.) und führte mitten durch den rechts und links gelegenen »Staatsfriedhof« Athens. Weiter ging es – wie Pausanias berichtet (vgl. I 36, 3 ff.) – vorbei an Altären, Statuen und kleineren Tempeln in Richtung Eleusis, wo die Heilige Straße am Eingang des Demeterheiligtums endete. Ihren Namen erhielt sie von den Festprozessionen, die jedes Jahr von Athen nach Eleusis führten.

Die Göttin Demeter und der Mythos Der Name der Göttin Demeter (vgl. Abb.) dürfte heutzutage nur noch vom Markenetikett biologisch angebauter Lebensmittel her bekannt sein, was immerhin in die richtige Richtung weist. Denn Demeter galt in der Antike als Göttin des Ackerbaus und der Fruchtbarkeit. Allein ihr Name bedeutet soviel wie »Erdenmutter«. Ihre Haare stellte man sich so blond vor wie die Ähren des reifen Weizens, den sie wachsen, aber auch wieder verwelken und absterben ließ. Leben und Tod fielen in elementarster Weise in ihren Zuständigkeitsbereich. Das kommt auch im Mythos zum Ausdruck, den man sich über Demeter, über ihre Tochter Persephone (bzw. »Kore« = Mädchen) und über den Gott der Unterwelt, Hades, erzählte. Demnach pflückte Persephone einst auf einer Wiese Frühlingsblumen, als sich plötzlich die Erde auftat und Hades mit einem

Statue der Göttin Demeter (Eleusis, Museum)

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IV. Süd-Griechenland

Pferdegespann hervorstürmte, um die um Hilfe schreiende Persephone in die Unterwelt zu entführen. Dort sollte sie seine Gemahlin werden. Als Demeter den Verlust ihrer Tochter bemerkte, wanderte sie rastlos suchend, ohne zu essen und zu trinken durch die Lande, bis sie endlich nach neun Tagen vom Sonnengott Helios erfuhr, dass ihre Tochter von Hades geraubt worden war. Voller Trauer und Zorn darüber verwandelte sie ihre Gestalt in eine hässliche alte Frau und kam so nach Eleusis. Hier machte sie halt an einem Brunnen, wo sie ihrer Trauer freien Lauf ließ und durch niemanden getröstet werden konnte. In einem alten Demeterhymnus ist zu lesen: Sie »hielt mit den Händen das Kopftuch sich vor die Augen und saß so voller Betrübnis lang auf dem Sitz und ließ nichts verlauten. Keinen begrüßte sie, weder mit Worten noch mit Gebärden; ohne zu lächeln, ohne zu essen, ohne zu trinken, voller Sehnsucht und Harm um die tiefgegürtete Tochter« (HomeHades, der Gott der Unterwelt rische Hymnen 2, 195–201). Als die Tochter des Königs von Eleusis an den Brunnen kommt, nimmt sie sich der Göttin an. Demeter findet Aufnahme im Königshaus und Anstellung als Amme für den neugeborenen Prinzen. Sie macht ihre Sache gut und vergisst darüber die Trauer. Das Kind wächst und gedeiht. Kein Wunder, denn Demeter salbt es mit himmlischen Ölen und hält es nachts unbemerkt ins Feuer, um ihm durch diese »Feuerprobe« die Unsterblichkeit zu verleihen. Doch eines Nachts wird sie dabei von der Königin entdeckt, die mit Entsetzen reagiert und Demeter aus dem Palast jagt. In ihrem Zorn darüber gibt Demeter sich als Göttin zu erkennen und fordert den Bau eines Tempels zu ihren Ehren, verspricht aber im Gegenzug die Stiftung eines Mysterienkultes. Gleichzeitig will sie nun Hades Das große eleusinische Relief: links Demeter, zwingen, ihre Tochter herauszugeben. Demeter rechts Persephone, in der Mitte Triptolemos schickt Trockenheit über das Land, Hunger

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verbreitet sich unter den Menschen, bis sie beim Göttervater Zeus erreicht, dass ihre Tochter wenigstens im Frühjahr für ein paar Monate aus der Unterwelt hinaufsteigen darf. Hades bringt Persephone zum Tempel nach Eleusis, wo Demeter auf ihre Tochter wartet. Aus Freude über das Wiedersehen gibt die Göttin der Erde ihre Fruchtbarkeit zurück, lehrt die Menschen die Kunst des Ackerbaus und stiftet den Einwohnern von Eleusis den erhabenen Mysterienkult und die damit verbundenen Feierlichkeiten (Eleusinien), in die als Erster der junge Königssohn Triptolemos eingeweiht wird (vgl. Abb.).

Der Mysterienkult von Eleusis und der große Festzug Seitdem der Mysterienkult von Eleusis im 5. Jh. v. Chr. zu einer panhellenischen (»gesamtgriechischen«) Veranstaltung geworden war, fanden im Frühjahr in einem Athener Vorort die »kleinen Mysterien« und im September in Eleusis die »großen Mysterien« statt. Erstere dienten dabei als Vorbereitung und verliehen den »Bewerbern« die unterste Weihestufe, die zur Teilnahme am großen Festzug nach Eleusis berechtigte. Die großen Mysterien, die die höheren Weihen verliehen, dauerten 9 Tage. So lange, wie Demeter auf der Suche nach ihrer Tochter war. Während dieser Zeit ruhten in Griechenland alle Feindseligkeiten, denn es sollte »göttlicher Friede« herrschen. Die Mysterien begannen in Eleusis mit der Darbringung von Opfern (vgl. u.). Danach bildete sich ein Festzug mit der Demeterpriesterin an der Spitze, die in einem »heiligen Korb« (cista mystica) die geheimen Symbole der Gottheit vorantrug, um sie in das Eleusinion nach Athen zu überführen (vgl. Abb.). Dieses befand sich am Südostrand der Agora, kurz vor dem Aufstieg zur Akropolis.

Mädchenfigur mit »heiligem Korb« als Gebälkträgerin der Kleinen Propyläen (Eleusis, Museum)

Ferkel als Weihegabe (Eleusis, Museum)

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Am zweiten Tag wurden die Mysterienfeierlichkeiten in der Stoa Poikile auf der Agora (vgl. o.) offiziell eröffnet. Dort erschienen die Einzuweihenden zusammen mit ihrem Mystagogen, einer Art Pate, und meldeten sich offiziell an. Der folgende Tag war für ein Reinigungsbad in der Bucht von Phaleron vorgesehen. »Jeder trug ein Ferkel bei sich, das ebenfalls gewaschen und dann als Einweihungsopfer dargebracht wurde« (M. Giebel, S. 33; vgl. Abb.). Auch Fasten gehörte zu den Vorbereitungen. Erst danach begannen die eigentlichen Mysterien mit einer großen Prozession, die die heiligen Symbole nach Eleusis zurückbringen sollte. Man sammelte sich am Eleusinion, zog zum Heiligen Tor und weiter auf der Heiligen Straße in Richtung Eleusis. Unterwegs wurden Hymnen gesungen, und immer wieder hielt man an, um die »trauernde Demeter« mit obszönen Witzen und Scherzen aufzuheitern. Die Mysten trugen Myrtenkränze im Haar und in der Hand einen Stab, der mit Myrtenzweigen umwunden war und an dem ein Bündel hing. In ihm wurden Proviant und neue Gewänder aufbewahrt, die man am Morgen nach der nächtlichen Weihe anziehen wollte. Damit sollte gezeigt werden, dass man nun ein »neuer Mensch« geworden war. Ein Brauch, den das frühe Christentum mit dem Anlegen der weißen Taufkleider in ganz ähnlicher Weise kannte. Der riesige Festzug, dem sich bisweilen auch Freunde und Verwandte der Mysten sowie Schaulustige anschlossen, war den ganzen Tag unterwegs und erreichte erst im Dunkeln das Heiligtum von Eleusis. Dort wurde er von den Priestern und Priesterinnen im Schein der Fackeln empfangen. Anschließend wurde die ganze Nacht hindurch im Vorhof des Heiligtums am Kallichorosbrunnen getanzt und gefeiert, dort, wo sich die Göttin einstmals auf der Suche nach ihrer Tochter niedergelassen hatte und sich durch niemanden trösten ließ. Danach erging der feierliche Ruf des Hierophanten, des obersten Priesters: »Nur für Eingeweihte«, worauf alle anderen den Vorhof des Heiligtums Tontafel mit eleusinischen Kultszenen verlassen mussten. Die Mysten zogen durch (4. Jh. v. Chr.): Mysten werden zur die Großen Propyläen in den heiligen Bezirk Göttin geleitet ein, und die Zeremonien begannen. Zunächst

Exkurs I: Eleusis

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mussten sie noch weiter geläutert werden, diesmal mit Feuer: »Der Myste hatte mit verhülltem Haupt den feurigen Reinigungsritus zu ertragen, bei dem Fackeln gegen ihn gerichtet wurden. Blind und ›ausgesetzt‹ lernte er, sich loszulassen« (M. Giebel, S. 39). Erst danach folgte der nächste Grad der Weihe. Der Kirchenvater Clemens von Alexandrien überliefert eine Art Passwort, das die Mysten beim Einzug in das Telesterion, den großen Saal der »Vollendung« (vgl. u.), sprechen mussten: »Ich fastete – ich trank den Mischtrank, ich nahm aus der Cista, ich hantierte (mit Gegenständen) und legte dann in den Korb und aus dem Korb wieder in die Cista« (ProtreptiEine der zahlreichen Inschriften von Eleusis kos 21, 2). Wahrscheinlich wurden Handlungen aus dem Mythos dargestellt, geheime Sätze gesprochen und heilige Symbole gezeigt. Ob es sich dabei um eine abgeschnittene Kornähre oder andere symbolträchtige Gegenstände (Granatäpfel, Schlangen usw.) handelte, ist nicht deutlich. Sicher aber ist, dass die Einweihung in unterschiedlichen Stufen erfolgte, von denen die höchste im Schauen (ἐποτεία) des Göttlichen bestand. Zunächst herrschte im Saal tiefes, schreckenerregendes Dunkel, dann plötzlich wurde es hell durch ein gewaltiges aufloderndes Feuer aus dem Anaktoron« (vgl. u.). Der Priester schlug einen Gong und rief mit lauter Stimme die Göttin Demeter herauf. Diese bringt »aus dem Dunkel der Tiefe das Kind (=  Persephone) herauf ins strahlende Licht der Weihenacht: Leben aus dem Bereich des Todes« (M. Giebel, S. 46). All das klingt für uns heute merkwürdig und geheimnisvoll, vielleicht sogar ein wenig nach Scharlatanerie. Aber es muss einen so starken und nachhaltigen Eindruck auf die Menschen gemacht haben, dass sie die Geheimnisse dieses Kultes mit ins Grab nahmen. Auf jeden Fall verließen die Mysten den Weihesaal innerlich gestärkt, nicht nur für ein besseres Leben, sondern auch in der Hoffnung auf ein Jenseits. Auf einer in Eleusis gefunden Inschrift kommt ein Myste ins Schwärmen: »Wundervoll ist fürwahr das Mysterium, das uns von den seligen Göttern gegeben wurde; der Tod ist für die Sterblichen nicht länger ein Übel, sondern ein Segen«

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IV. Süd-Griechenland (M. Giebel, S. 47). Und der römische Schriftsteller Cicero (106-43 v. Chr.) schreibt über die Mysterien von Eleusis, dass er durch sie »nicht nur mit Freude zu leben, sondern auch mit besserer Hoffnung zu sterben gelernt« habe (De legibus 2, 36). Einen Tag nach der Weihe zogen die Mysten ihre neue Kleidung über und trafen sich zu einem gemeinsamen Mahl, in dem die Gemeinschaft mit der Gottheit und untereinander gefeiert wurde. Die Anziehungskraft der Mysterien von Eleusis, zu denen Sklaven und Freie, Männer und Frauen Zugang hatten, war in der gesamten Antike enorm. Kaum eine Persönlichkeit von Rang und Namen ließ es sich entgehen, in die Geheimnisse eingeweiht zu werden. So finden sich berühmte Römer wie Cicero oder Seneca genauso unter den Mysten wie die späteren Kaiser Augustus, Hadrian, Marc Aurel und sogar Julian Apostata (360–63 n. Chr.). Sie alle zusammen mit dem gemeinen Volk, ja sogar zusammen mit ihren eigenen Sklaven, bildeten eine verschworene Kultgemeinschaft, wie sie ihresgleichen in der Antike nur noch im Christentum zu finden war.

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" L S PQ PM J T Das Heiligtum von Eleusis im 2. Jh. n. Chr., Übersichtskarte

Exkurs I: Eleusis Das Grabungsgelände Die Gestalt des Heiligtums, wie es sich dem heutigen Besucher aus den Überbleibseln erschließt, stammt überwiegend aus dem 2. Jh. n. Chr. Allerdings sind insbesondere im Telesterion und in den Umfassungsmauern noch wesentlich ältere Reste zum Vorschein gekommen, von denen das meiste aus der großen Um- und Ausbauperiode unter Perikles (5. Jh. v. Chr.) stammt. Beginnen wir unseren Rundgang über das Grabungsgelände mit dem großen, marmorgepflasterten Vorhof (ca. 65 ×40 Meter) unmittelbar hinter dem Eingang (vgl. Abb.). Hier nahm der aus Athen kommende Festzug Aufstellung und wurde von den Priestern des Heiligtums empfangen. Diese standen vermutlich auf einer Art Tribüne, der Exedra, deren Fundamente rechts neben dem Eingang zu sehen sind. Dahinter liegen die Reste der übereck angelegten Nordwesthalle (2. Jh. n. Chr.), vor der sich eine mit Ziegeln ausgemauerte Feuerstelle (ca. 1,5 ×1,0 Meter) befand, auf der zu unterschiedlichen Anlässen geopfert wurde. In der Mitte des Vorhofs trifft man auf die Reste eines Tempels für Artemis Propylaia (die »Vorhof-Artemis«) und Poseidon (2. Jh. n. Chr.), vor dem sich zwei etwa gleich große Altäre (ca. 3,7 ×3,0 und 4,0 ×3,3 Meter) befanden. Die Göttin Artemis galt als die Tochter der Demeter und des Poseidons, was der Grund dafür gewesen sein dürfte, dass sie hier verehrt wurde. Auf der West- und auf der Ostseite des Vorhofs befanden sich zwei monumental ausgestaltete, über 15 Meter hohe Torbögen (vgl. Abb.). Der westliche führte nach Megara, der östliche zum Hafen von Eleusis. Daneben sind

Der Vorhof des Heiligtums (Modell)

Römischer Torbogen (Rekonstruktion)

Reste der Großen Propyläen

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IV. Süd-Griechenland

Reliefbüste des Kaisers Marc Aurel (161-180 n. Chr.) von den Großen Propyläen

Kleine Propyläen, Vorderseite (Rekonstruktion)

Reste der Kleinen Propyläen – im Hintergrund die Großen Propyläen und der Vorhof

die Reste einer Brunnenanlage sowie einer Stoa zu sehen (alles 2. Jh. n. Chr.). Der Weg führt uns weiter zu einem sechsstufigen Treppenaufgang. Links davon liegt auf etwas niedrigerem Niveau die Öffnung des Kallichorosbrunnens (6. Jh. v. Chr.). Hinter dem Treppenaufgang erhoben sich die »Großen Propyläen«. Sie bildeten den Hauptzugang zum Heiligtum und waren eine leicht veränderte römische Kopie (2. Jh. n. Chr.) der viel älteren Toranlage auf der Akropolis in Athen. Von ihrem Giebel stammt eine als Kranz ausgearbeitete große Reliefbüste des Kaisers Marc Aurel (vgl. Abb.), die rechts vom Treppenaufgang vor einem Abschnitt der alten Umfassungsmauer des Heiligtums (6. Jh. v. Chr.) aufgerichtet ist. Zu beiden Seiten der Großen Propyläen waren Magazinbauten sowie Verwaltungsgebäude angelegt. Ein paar Meter weiter auf dem »Heiligen Weg« liegt eine zweite, aber kleinere Toranlage, die »Kleinen Propyläen« (vgl. Abb.), die gemäß einer Inschrift Mitte des 1. Jh. v. Chr. eingeweiht wurden. Die Rollen unter den schweren Türflügeln haben in den Marmorplatten deutliche Spuren hinterlassen (vgl. Abb.). Die Rückseite war durch zwei große Mädchenfiguren rechts und links der Türöffnung beherrscht, die auf dem Kopf einen Behälter, die »heilige Kiste«, trugen, und als tragender Pfeiler für die Dachkonstruktion dienten (vgl. Abb.). Eine der Figuren steht heute im Museum auf dem Grabungsgelände. Geht man durch die Kleinen Propyläen hindurch, so erblickt man rechts einen heiligen Bezirk (Plutoneion), in dessen Mitte ein kleiner Tempel für Hades, den Gott der Unterwelt (lat.

Exkurs I: Eleusis

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Pluto), stand. Im Felsen sieht man eine Höhle, die Grotte des Hades, und daneben – unterhalb der Umfassungsmauer – ein tiefes Loch in der Erde, das als Eingang zur Unterwelt gedeutet wird (vgl. Abb.). Das Heiligtum ist sehr alt und wurde vom 5. Jh. v. Chr. bis in römische Zeit mehrfach umgebaut. Man darf annehmen, dass die Mysten des Festzuges hier einer DarKleine Propyläen, Rückseite (Rekonstruktion) stellung folgten, die mit der Entführung und der Wiederkehr der Persephone zu tun hatte. Manche Zeugnisse sprechen »von furchterregenden Erscheinungen im Dunkel, die den Mysten in Schauder und Schrecken versetzen, bevor ihn dann helles Licht und die tröstliche Gewissheit göttlicher Gegenwart umgaben« (M. Giebel, S. 40). Vielleicht geschah das hier im Plutoneion. Ein paar Meter weiter den »heiligen Weg« hinauf liegen rechts zunächst ein in den Fels Eingang zur Unterwelt neben dem Plutoneion gearbeiteter Treppenzugang zu einer Terrasse und dahinter die Reste eines kleinen Tempels der Hekate – einer Göttin des Zaubers und der Gespenster, die häufig mit Persephone identifiziert wurde. Gegenüber befindet sich der »Fels der Tränen«, ein kleiner Absatz, wo sich Demeter dem Mythos nach, als sie nach der Entführung ihrer Tochter nach Eleusis kam, ausruhte und weinte (vgl. Abb.). Vom Vorhof bis hierher hatte der Myste etwa 100 Meter zurückgelegt und damit das heiligsDer Heilige Weg zum Telesterion te und wichtigste Gebäude beinahe erreicht. (links Felsterrasse, rechts Fels der Tränen) Nur noch ein paar Meter und er stand vor dem Telesterion, dem Saal der Vollendung. Dieses Gebäude war kein Tempel, sondern ein Weihesaal. Hier zeigte der Weihepriester (»Hierophant«) dem Mysten die heiligen Symbole, hier wurden die heiligen Texte verlesen und hier erreichte der Eingeweihte durch das »Schauen« die höchste Stufe der Weihe.

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IV. Süd-Griechenland

Das Anaktoron (Rekonstruktion)

Telesterion, Grundriss im 5. Jh. v. Chr. (oben) und in späterer Zeit (unten)

Telesterion in römischer Zeit (Modell)

Zentrum des Gebäudes war das Anaktoron (»Götterwohnung«), ein rechteckiger Bau von ca. 14 ×5 Metern Größe (vgl. Abb.), der einen kleinen Tempel aus spätmykenischer Zeit (»das sogenannte Megaron B«) als Behausung der Göttin Demeter abgelöst hatte. Zu diesem Allerheiligsten hatte nur der Hierophant Zutritt. Denn hier wurden die geheimen Kultgeräte aufbewahrt, die bei der »Schau« dem Mysten gezeigt wurden. Außerdem befand sich in seinem Inneren ein runder Herd, auf dem das heilige Feuer entzündet wurde. Der Weihesaal selbst, in dessen Mitte das Anaktoron lag, war in seiner Geschichte seit dem 6. Jh. v. Chr. mehrfach umgebaut und erweitert worden (vgl. Abb.). Die letzte hellenistisch-römische Bauphase hinterließ ein riesiges, nahezu quadratisches Gebäude (etwa 50 ×50 Meter) mit einer Vorhalle an der Ostseite (»Halle des Philon«; ca. 310 v. Chr.), von der die marmornen Bodenplatten noch gut erhalten sind. Der Bau, der auf jeder Seite zwei Eingänge hatte, ruhte auf 42 Säulen und bot Raum für mehr als 3 000 Personen. Diese konnten auf allen Seiten des Saales auf steinernen Stufenreihen Platz nehmen, von wo aus man die nächtlichen MysterienZeremonien verfolgen konnte. An der Nordostseite zum Fels hin sind die Stufen noch gut erhalten. Um das Telesterion herum gruppierten sich ein Reihe von kleineren Gebäuden, die vor allem im 2. Jh. n. Chr. errichtet wurden. So etwa an der Nordostecke ein kleiner Tempel (oder ein Schatzhaus?) mit Treppenaufgang, oberhalb davon ein weiterer Tempel für Faustina, der Gemahlin des Kaisers Antoninus Pius

Exkurs I: Eleusis (138–161 n. Chr.). Letzterer wird heute teilweise von einer kleinen, spätbyzantinischen Kapelle überlagert (vgl. Abb.). An der Südwestseite des Telesterions finden sich zwei römische Säulenhallen, von denen die eine auf den Resten eines älteren Bouleuterions (»Rathaus«) errichtet wurde, in dem im 4. Jh. v. Chr. der Ältestenrat der Priester, aber auch der Rat der Stadt Eleusis tagte. Der Besuch des Museums auf der Anhöhe östlich des Telesterions, in dem Statuen und Kleinfunde sowie einige Modelle mit interessanten Rekonstruktionen des Heiligtums präsentiert werden, lohnt ebenso wie ein Rundgang entlang der östlichen Befestigungsmauer, der an den Resten zahlreicher Bauten aus römischer Zeit vorbeiführt (Mithrastempel, Gymnasium, Magazine, Bäder usw.).

Telesterion, Sitzstufen (rechts) und Treppenaufgang zu Tempel und Kapelle (oben)

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IV. Süd-Griechenland Korinth und Isthmia

Der Kanal durch den Isthmos

Korinth und Isthmia Einleitung Beim Stichwort Korinth denken die meisten Menschen wohl an Korinthen. Auch wenn das dem Eingeweihten allzu profan anmutet, weist es doch in die richtige Richtung. Denn diese kleinen, getrockneten Weintrauben haben ihren Namen tatsächlich nach der Stadt Korinth erhalten, von wo aus sie bereits in der Antike in die ganze Welt verschifft wurden. Die Stadt am Isthmos, der schmalen Landenge zwischen Festland und Peloponnes, welche den Zugang sowohl zum Saronischen als auch zum Korinthischen Golf ermöglichte, war schon immer für den Handel und die Seefahrt prädestiniert. Das ist sie im Grunde auch heute noch, wie die hässlichen Industrieanlagen und Gewerbegebiete in der Nähe des Isthmos beweisen. Allerdings liegt das heutige Korinth nicht mehr an der gleichen Stelle wie in der Antike. Schuld daran sind die Erdbeben, die diese Gegend in der Vergangenheit immer wieder heimgesucht haben. 1858 zerstörte ein Erbeben das Dorf, das bis heute den Namen »Alt-Korinth« (Αρχαία Κόρινθος) trägt und in dem sich auch die Ausgrabungsstätte des antiken Korinth befindet. Das neue Korinth verlegte man daraufhin ca. sieben Kilometer weiter nordwestlich, direkt an den Golf von Korinth, wo seitdem eine moderne Industriestadt mit etwa 25 000 Einwohnern herangewachsen ist. Diese ist allerdings nur ein schwacher Abglanz ihres antiken Vorgängers. Denn in den goldenen Zeiten des 5. Jh. v. Chr. und des 2./3. Jh. n. Chr. hatte Korinth bereits ca. 100 000 Einwohner.

Paulus auf dem Weg nach Korinth Auf der 2. Missionsreise, die ihn zuvor nach Athen geführt hatte (vgl. o.), kam der Apostel Paulus auch nach Korinth. Ob er für die etwa 100 Kilometer lange Strecke von Athen aus den Landweg wählte oder die Reise mit dem Schiff von Piräus aus antrat, lässt sich nicht mehr sagen. Die Apostelgeschichte ist an dieser Stelle äußerst knapp (Apg 18, 1) und berichtet lediglich: »Danach verließ Paulus Athen und kam nach Korinth.« Wenn wir annehmen, dass Paulus das Schiff gewählt hat, dann wäre er durch den Saronischen Golf an der Insel Salamis vorbeigefahren und gewiss in Kenchreai, dem östlichen Hafen von Korinth, an Land gegangen. Auf Grund der relativ geringen Entfernung und des gut ausgebauten Straßennetzes dürfte es wahrscheinlicher sein, dass Paulus sich für den Landweg entschied. Die Straße verlief auch in der Antike etwa dort, wo sie heute noch verläuft, nämlich über Eleusis und Megara bis zum Isthmos und von dort weiter nach Korinth.

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IV. Süd-Griechenland

Der Isthmos von Korinth, die sechs Kilometer schmale Landenge, die das griechische Festland mit der Halbinsel Peloponnes verbindet, wird heute von einem etwa 25 Meter breiten Kanal durchzogen, dessen steile Wände bis zu 80 Meter in die Höhe ragen (vgl. Abb.). Der Kanal wurde 1893 nach über zehnjähriger Bauzeit Der sogenannte Diolkos eröffnet, die Pläne für ihn waren allerdings viel älter. Bereits in der Antike hatte man mehrfach versucht, den Isthmos zu durchstoßen: Unter Kaiser Nero (67 n. Chr.) hatten mehrere Tausend Arbeiter damit begonnen, sich von beiden Seiten durch die Landenge zu arbeiten. Die Schiffe, die von Italien nach Kleinasien fuhren, sollten sich den gefährlicheren Weg um den Peloponnes herum ersparen. Aber die Arbeiten wurden nie vollendet. Für den heutigen Touristen ist ein kurzer Der Akropolisfelsen von Korinth Stopp am Isthmos und ein Blick auf den Kanal selbstverständlich. Wenn man Glück hat, kann man sehen, wie sich gerade ein Schiff durch den Kanal zwängt. Für die meisten modernen Schiffe ist der Kanal längst zu schmal und auch nicht tief genug (nur acht Meter). In der Antike half man sich mit dem sogenannten Diolkos, von dem auf der westlichen Seite des Isthmos noch Reste erhalten sind (vgl. Abb.). Auf diesem ca. vier bis sechs Meter breiten und gepflasterten Weg wurden die Schiffe im »Huckepackverfahren« vom Saronischen zum Korinthischen Golf und umgekehrt »gezogen« (διέλκω). Dazu wurden sie entladen und auf rollbaren Untersätzen zur gegenüberliegenden Meeresseite transportiert. Die Räder dieser »Untersätze« liefen in einer 1,5 Meter breiten Spur, die in der Pflasterung noch erkennbar ist. Dieses Verfahren war allerdings nur für Kriegsschiffe und leichtere Frachtschiffe geeignet, da der Aufwand für das Verladen der Güter hoch und damit kostspielig war. Sobald man den Isthmos hinter sich gelassen hat, ist Korinth nicht mehr weit. Der 575 Meter hohe Kalkfelsen, auf dem die Burg von Korinth liegt (Akrokorinth), ist das Erste, was man vom antiken Korinth zu Gesicht bekommt (vgl. Abb.).

Korinth und Isthmia

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Geschichtliches Die Geschichte der Stadt Korinth beginnt im 10./9. Jh. v. Chr., als die Dorer, ein griechischer Volksstamm, von Argos kommend das Gebiet in Besitz nahmen und eine Stadt gründeten. Auf Grund der fortgeschrittenen Technik in Keramikherstellung und Metallverarbeitung (vgl. Abb.) sowie der vorteilhaften Lage an zwei Meeren entwickelte sich Korinth rasch zu einer großen und bevölkerungsreichen Stadt, die beBronzene Spiegel aus einer korinthischen reits im 8. Jh. v. Chr. in weit entfernten Gebieten Werkstatt (Athen, Nationalmuseum) Kolonien gründete (z. B. Syrakus in Sizilien). Ihre ( PM G  WPO  ,PS J OU I größte Blüte erlebte die Stadt im 5. Jh. v. Chr., wo sie in den Perserkriegen sowohl zu Land als )BGFOWPO-FDIBJPO auch zu Wasser große Truppenkontingente stelMBOHF.BVFSO len konnte. Ausgestattet mit zwei Häfen – einen in Lechaion ca. drei Kilometer nördlich der Stadt und einen in Kenchreai am Saronischen Golf – OBDI*TUINJB galt Korinth zu dieser Zeit als die bedeu5IFBUFS "TLMFQJFJPO "HPSB tendste Seemacht in Griechenland. Nach dem Sieg über die Perser wuchs die RivaliOBDI4JLZPO tät mit dem aufstrebenden Athen, die sich schließlich im Peloponnesischen Krieg entlud OBDI,FODISFBJ (431–404 v. Chr.). In der Folgezeit geriet der Stadtstaat zunehmend in das Fahrwasser der Politik der Großmächte. Seit 338 v. Chr. unter makedonischer Herrschaft, schwingt sich %FNFUFS)FJMJHUVN Korinth aber im 3./2. Jh. v Chr. noch einmal "LSPLPSJOUI zur führenden Macht des Achäischen Bundes auf, kam aber schließlich in Konflikt mit den Römern. Im Jahre 146 v. Chr. kam es daraufKorinth in der Antike, Übersichtskarte hin zur Katastrophe, als die Stadt durch den römischen Feldherrn L. Mummius und seinen Truppen eingenommen und niedergebrannt wurde. Viele Gebäude wurden zerstört, zahllose Wertgegenstände nach Rom gebracht. Ein großer Teil der Bevölkerung wurde auf den Sklavenmärkten verkauft und das Gebiet zu römischem Staatseigentum (ager publicus) erklärt.

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IV. Süd-Griechenland Allerdings dürfte die ältere Meinung, wonach Korinth nach dieser Katastrophe für etwa 100 Jahre entvölkert und menschenleer geblieben sei, nicht den Tatsachen entsprechen. Das Leben ging offenbar weiter, wenn auch auf einem wesentlich bescheidenerem Niveau. Im Jahre 44 v. Chr. wurde Korinth von Iulius Caesar (100–44 v. Chr.) als römische Kolonie neu gegründet und wieder aufgebaut: Von nun an trug die Stadt den Namen Colonia Laus Iulia Corinthiensis (bzw. auf Münzen auch C.  L.  I. Corinthus). Vor allem Freigelassene aus der städtischen Bevölkerung Roms und römische Veteranen wurden hier angesiedelt: Zunächst waren es wohl nicht mehr als 3 000 Personen, an die der ager publicus verteilt wurde. Aber schon bald ließen sich auch Händler und Kaufleute aus den östlichen Provinzen hier nieder und trugen zum raschen Aufschwung der Stadt bei. Im Jahre 27 v. Chr. zur Hauptstadt der neu gegründeten römischen Provinz Achaia und damit zum Sitz des Statthalters erhoben, erlebte Korinth im ersten und vor allem im zweiten Jahrhundert eine erneute Blüte, die Pausanias, unser Griechenlandreisender des 2. Jh. n. Chr., detailliert beschreibt (Descriptio Graeciae II 1, 1–5, 5). Den Charakter einer pulsierenden Handelsstadt behielt Korinth bis in das 3. Jh. n. Chr. hinein. Der Einfall der Heruler (267 n. Chr.) und der Goten unter Alarich 395 n. Chr. sowie eine Reihe von Erdbeben leiteten den langsamen Verfall ein. Als der byzantinische Kaiser Justinian im 6. Jahrhundert unter Einbeziehung älterer Befestigungen eine ca. sieben Kilometer lange Mauer quer über den Isthmos bauen ließ (Hexamilion), benutzte man dazu bereits Steine von verfallenen Bauwerken aus Korinth. Im Jahre 551 n. Chr. wurde die Stadt von einem verheerenden Erbeben heimgesucht, konnte sich in der Folgezeit aber wieder erholen und erreichte im 11. Jahrhundert als Hauptort des byzantinischen Verwaltungsbezirkes Peloponnes noch einmal eine – wenn auch bescheidene – Blüte. Von da an ist die Geschichte der Stadt eigentlich nur noch eine Geschichte von Akro-Korinth, der Festung auf dem Burgberg, die von unterschiedlichen Machthabern aus- und umgebaut wurde: Franken, Byzantiner, Türken, Malteser, Venezianer und wieder Türken eroberten sie nacheinander, ehe die Festung und das umliegende Gebiet 1822 im Laufe des Befreiungskampfes wieder in griechischen Staatsbesitz überging.

Paulus in Korinth Als der Apostel Paulus im Jahre 50 n. Chr. nach Korinth kam, fand er eine aufstrebende Provinzhauptstadt vor, die mit ungefähr 50 000 Einwohnern die

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größte Stadt Griechenlands war. Ihr Gepräge war römisch: Das gilt sowohl für die architektonische Anlage als auch für die offiziellen Verlautbarungen, die auf Latein abgefasst wurden (vgl. Abb.), aber auch für den Rechtsstatus dieser Colonia, die – ganz ähnlich wie Philippi – nach römischem Recht (ius italicum) mit römischen Institutionen (comitia tributa, de­ Reste des antiken Korinth (in der Bildmitte) – curio, aediles, duumviri usw.) verwaltet wurde. im Hintergrund der Golf von Korinth Nichtsdestoweniger wird bereits im 1. Jh. n. Chr. der Griechisch sprechende Bevölkerungsteil, der später dominierte, durch die Zuwanderung von Händlern und Kaufleuten aus anderen Provinzen des Römischen Reiches beträchtlich gewesen sein. Eine echte Metropole also, die für die paulinische Mission offenbar gute Voraussetzungen bot. Nach Apg 18, 11 hat sich Paulus mindestens 18 Monate lang in Korinth aufgehalten. In Lateinische Inschrift am Babbius-Monument (Forum, Westseite) keiner anderen Stadt Griechenlands verweilte er so lange, und mit keiner anderen urchrist­ lichen Gemeinde unterhielt er eine so rege Korrespondenz. Mindestens drei Briefe schrieb der Apostel an diese Gemeinde, von denen der erste nicht mehr erhalten ist. Aber auch von keiner anderen Gemeinde sind so viele Streitigkeiten und Schwierigkeiten überliefert, welche das Verhältnis zwischen den Korinthern und ihrem Gründervater ein ums andere Mal trübten, ja den Apostel sogar in Tränen ausbrechen ließen (vgl. 2 Kor 2, 4). Nach Apg 18, 2 traf Paulus bald nach seiner Ankunft in Korinth auf ein jüdisches Ehepaar mit Namen Aquila und Priscilla, das »jüngst« (προσφάτως) aus Rom nach Korinth gekommen war, weil es die Stadt auf Grund eines kaiserlichen Ediktes verlassen musste. Dieses sogenannte Claudiusedikt, das die Ausweisung der Juden aus Rom anordnete, wird im Allgemeinen in das Jahr 49 n. Chr. datiert. Zu diesem Ehepaar, das man auf Grund seiner späteren Tätigkeit in unterschiedlichen christlichen Gemeinden getrost als Missionars­ ehepaar bezeichnen kann, entwickelte Paulus sehr bald eine enge Beziehung, die auch berufliche Anknüpfungspunkte hatte. Denn wie Paulus waren sie von

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Beruf Zeltmacher. Die Apostelgeschichte berichtet: »Und weil Paulus das gleiche Handwerk hatte, blieb er bei ihnen und arbeitete mit ihnen; sie waren nämlich von Beruf Zeltmacher« (Apg 18, 2). Das Zentrum des antiken Korinth im Vielleicht darf man annehmen, dass 2. Jh. n. Chr. (Rekonstruktion) Aquila und Priscilla eine von den kleinen, ca. 4 ×3 Meter, großen Werkstätten gemietet hatten, die im römischen Markt nördlich des Forums (»Nordmarkt«, vgl. u.) ans Licht gekommen sind (vgl. Abb.). Das Auskommen als Zeltmacher, welcher Leder- und Leinenarbeiten verrichtete, mag in Korinth durchaus hinreichend gewesen sein. Antike Quellen berichten, dass der Bedarf an Zelten insbesondere während der alle zwei Jahre stattfindenden Isthmischen Spiele hoch war. Da die Gäste, die aus Werkstätten des Nordmarktes dem ganzen Römischen Reich an den Isthmos reisten, nicht alle in Hotels untergebracht werden konnten, wurden provisorische Unterkünfte in Zeltstädten errichtet. Der Apostelgeschichte zufolge beginnt auch in Korinth die Missionstätigkeit des Apostels in der Synagoge, wo neben den Juden auch »gottesfürchtige Heiden« zugegen sind. Diese Synagoge des 1. Jh. n. Chr. konnte bislang archäologisch noch nicht belegt werden. Eine Jüdische Menorah (Korinth, Museum) Inschrift mit dem Text »Synagoge der Hebräer« (συναγωγή Ἑβραίων) stammt erst aus späterer Zeit, ebenfalls ein im Museum gezeigter Stein (vgl. Abb.) mit drei siebenarmigen Leuchtern (Menorah). Immerhin sind Juden in Korinth bei Philo von Ale­ xandrien, einem Zeitgenossen des Paulus erwähnt (legatio ad Gaium 281). Die paulinische Verkündigung fand nach Apg 18, 6 unter den Juden nicht allzu viel Anklang, wenn auch der Synagogenvorsteher namens Crispus sich von der »Verkündigung des Wortes« beeindrucken lässt und zusammen mit seinem ganzen Haus, d. h. mit Familienangehörigen und Sklaven, »zum Glauben« kommt (Apg 18, 8; vgl. 1 Kor 1, 14).

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Der Erfolg unter den Gottesfürchtigen ist offenbar größer, sodass Paulus im Haus des Titius Iustus direkt neben der Synagoge Aufnahme findet. Dort scheint sich eine der ersten Hausgemeinden von Korinth gebildet zu haben. Weitere sollten folgen.

Die christliche Gemeinde und Erastus Die christliche Gemeinde von Korinth – so legen auch die beiden Korintherbriefe nahe – bestand zum größten Teil aus ehemaligen Heiden. Juden waren in der Minderheit. Darüber hinaus schreibt Paulus über ihre soziale Herkunft: »Seht doch, liebe Brüder, auf eure Berufung. Nicht viele Weise nach dem Fleisch, nicht viele Mächtige, nicht viele Angesehene sind berufen« (1 Kor 1, 26). Obwohl demzufolge die meisten Mitglieder der ersten christlichen Gemeinde den unteren gesellschaftlichen Schichten zuzuordnen sind, hat es doch gewiss auch »Weise« und »Angesehene« gegeben. Diese wenigen Wohlhabenden waren es, die der Gemeinde ihre Häuser zu gemeindlichen Versammlungen zur Verfügung stellten. Die Archäologie hat einige für Korinth typische Häuser (vgl. Abb.), auch aus dem 1. Jh. n. Chr., freilegen können. Sie besaßen eine Grundfläche von etwa 200 m2. In der Mitte lag ein ca. 30 m2 großer Innenhof (atrium) mit Wasserbecken (impluvium), um den herum sich unterschiedliche Räumlichkeiten gruppierten. Der größte Raum war der Speiseraum (triclinium) mit etwa 5,5 ×7,5 Metern, wo man zu Tisch »lag«. Diese Ausmaße sind durchaus repräsentativ für die damaligen Verhältnisse, sodass man auch im Hinblick auf die Versammlung der Gemeinde von Korinth Ähnliches voraussetzen muss. Allerdings dürften diese Räumlichkeiten kaum ausgereicht haben, um alle (50?) Gemeindeglieder zu versammeln. Dazu waren weder der Innenhof noch der Speiseraum groß genug. Vielleicht darf man annehmen, dass bei einer Gemeindeversammlung, z. B. aus Anlass der Grundriss einer Villa im römischen Korinth gemeinsamen Mahlfeier (»Herrenmahl«), beide

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Räume zusammen genutzt wurden. Dabei waren die Plätze im triclinium sicher die besseren und dürften für die wohlhabenderen Mitglieder reserviert gewesen sein, während die Plätze draußen im Atrium unter freiem Himmel lagen. Ob sich dadurch die sozialen Spannungen in der Gemeinde noch verstärkten, die sich im 1. Korintherbrief des Paulus mehrfach andeuten? Auf jeden Fall musste der Apostel die Gemeinde später im Hinblick auf ihre Zusammenkünfte ermahnen. Er schreibt: »Ich kann’s nicht Mosaik einer römischen Villa des loben, dass ihr nicht zu eurem Nutzen, sondern 2./3. Jh.s. n. Chr. (Korinth, Museum) zu eurem Schaden zusammenkommt. Zum ersten höre ich: Wenn ihr in der Gemeinde zusammenkommt, sind Spaltungen unter euch« (1 Kor 11, 17 f.). Von den wohlhabenderen Gemeindemitgliedern sind uns einige namentlich bekannt, so z. B. die ehemaligen Synagogenvorsteher Crispus (Apg 18, 8; 1 Kor 1, 14) und Sosthenes »Erastus-Inschrift« (Korinth, Theater) (1 Kor 1, 1; Apg 18, 17), Stephanas, der Erstgetaufte der Gemeinde (1 Kor 1, 16; 16, 16), ein gewisser Gaius, von dem Paulus als »mein und der ganzen Gemeinde Gastge­ ber« spricht (Röm 16, 23), aber auch Fortunatus und Achaïcus (1 Kor 16, 17) sowie Titius Iustus, dessen Haus neben der Synagoge stand (Apg 18, 7). Doch diese gehörten trotz eines gewissen Wohlstandes sicher nicht zu der durchweg römisch geprägten und lateinisch sprechenden städtischen Elite. Allenfalls bei dem in der Grußliste des Römerbriefes erwähnten Erastus könnte die Situation anders gewesen sein. In diesem von Korinth aus geschriebenen Brief nennt Paulus den Erastus einen »Schatzmeister der Stadt« (Röm 16, 23: οἰκονόµος τῆς πόλεως). Dieser könnte identisch sein mit dem in einer Bodenplatte vor dem Theater von Korinth genannten Erastus. Diese Inschrift, die aus dem 1. Jh. n. Chr. stammt und nicht mehr komplett erhalten ist, befindet sich noch heute an Ort und Stelle (in situ). Sie enthält einen lateinischen Text, dessen für uns wichtige Passage folgendermaßen lautet (vgl. Abb.): ... Erastus pro aedilit[at]e ... s(ua) p(ecunia) stravit. Das heißt, dass Erastus aus Dankbarkeit für das ihm verliehene Amt eines Aedilen (pro aedilitate) die Pflasterung

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des Platzes aus seinem persönlichen Vermögen (sua pecunia) finanziert hat. Wenn dieser Erastus mit dem bei Paulus erwähnten Schatzmeister identisch ist, dann wäre er in der Tat ein prominentes Mitglied der christlichen Gemeinde gewesen, da das Amt eines Aedilen in der Hierarchie einer römischen Kolonie nur noch von dem der Bürgermeister (duumviri iure dicundo) übertroffen wurde.

Paulus, der Statthalter Gallio und das Bema Während seines Aufenthaltes in Korinth kommt es zu einer Begegnung mit dem römischen Provinzstatthalter Lucius Iunius Gallio. So lesen wir in Apg 18,12– 16: »Als aber Gallio Statthalter in Achaia war, empörten sich die Juden einmütig gegen Paulus und führten ihn vor den Richterstuhl (βῆµα) und sprachen: Dieser Mensch überredet die Leute, Gott zu dienen dem Gesetz zuwider. Als aber Paulus den Mund auftun wollte, sprach Gallio zu den Juden: Wenn es um einen Frevel oder ein Vergehen ginge, ihr Juden, so würde ich euch anhören, wie es recht ist; weil es aber Fragen sind über Lehre und Namen und das Gesetz bei euch, so seht ihr selber zu; ich gedenke, darüber nicht Richter zu sein. Und er trieb sie weg von dem Richterstuhl.« Diese Begegnung zwischen Paulus und Gallio ist für die chronologische Fixierung der Biografie des Apostels von größter Bedeutung. Denn nirgends im ganzen Neuen Testament lassen sich die Missionsreisen zeitlich so genau einordnen wie hier. Das liegt daran, dass sich die Amtszeit des Gallio, eines Bruders des Philosophen Seneca (4 v.–65 n. Chr.), mithilfe einer Inschrift aus Delphi ziemlich genau bestimmen lässt (vgl. u.). Nach der wahrscheinlichsten Berechnung war Lucius Iunius Gallio von Sommer 51 n. Chr. bis Sommer 52 n. Chr. Statthalter der Provinz Achaia. Die Apostelgeschichte erweckt durch die Art ihrer Schilderung den Eindruck, als habe die Begegnung mit Paulus am Anfang der Amtszeit stattgefunden. Das hieße, dass der Apostel noch im Jahr 51 n. Chr. vor dem Richterstuhl (βῆµα) des Gallio stand. Mit diesem Bema ist vermutlich nicht ein transportabler Richterstuhl gemeint, sondern das Podium, lateinisch rostra, das noch heute Das Bema auf dem Forum (vgl. Apg 18,12) im Zentrum des Forums zu sehen ist (vgl. Abb.).

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IV. Süd-Griechenland Diese 15 ×17 Meter große und über zwei Meter hohe Bühne eignete sich gut für öffentliche Bekanntmachungen und offizielle Verhandlungen. Bei einer Verhandlung stand der Delinquent zusammen mit seinen Anklägern unten vor dem Podium, während sich der Statthalter und sein Mitarbeiterstab auf dem Bema befanden. Das ist offensichtlich auch die Situation von Apg 18, 12 ff. Während Paulus vor dem Podium von den Juden angeklagt wird, spricht Gallio von oben herab. Die Erinnerung an diesen Ort und die Verhandlung vor Gallio blieb in der Gemeinde von Korinth offenbar noch lange wach. Denn in byzantinischer Zeit wurde direkt über dem Podium eine kleine Kirche errichtet (10. Jahrhundert). Allerdings gibt es auch kritische Stimmen, die den Verhandlungsort und damit das Bema des Gallio nicht auf dem Forum, sondern in einem geschützten Raum wie etwa der Basilica Iulia (vgl. u.) lokalisieren möchten. Wie auch immer man diese Frage entscheidet – der Richterstuhl des Statthalters hat auch theologisch nachgewirkt. Denn er liefert das Anschauungsmaterial für die Rede des Apostels vom Richterstuhl Gottes bzw. Christi, vor dem die Christen erscheinen müssen (vgl. Röm 14, 10; 2 Kor 5, 10). Nach der Verhandlung vor dem Statthalter – so lesen wir in Apg 18, 18 ff. weiter – blieb Paulus noch eine Zeit lang in Korinth und trat dann zusammen mit Aquila und Priscilla vom Hafen Kenchreai aus die Rückreise nach Syrien an. In Ephesus machte er Zwischenstation, bestieg dann ein Schiff nach Caesa­rea am Meer und reiste von dort weiter nach Antiochia, dem Ausgangspunkt der 2. Missionsreise.

Paulus und die Gemeinde von Korinth – eine schwierige Geschichte Der Gründungsaufenthalt in den Jahren 50 und 51 n. Chr. sollte nicht der einzige Besuch des Apostels in Korinth bleiben. Schon bald nach der Rückkehr nach Antiochia finden wir den Apostel auf seiner 3. Missionsreise, die ihn vor allem nach Ephesus, der Hauptstadt der Provinz Asia führte, wo er nach Angabe der Apostelgeschichte über zwei Jahre verbrachte (ca. 52–54 n. Chr.). Von hier aus schrieb er auch einen inzwischen verloren gegangenen Brief an die Korinther (vgl. 1 Kor 5, 9). Darin hatte der Apostel die Gemeinde schwer ermahnt, keinen Kontakt mit »Unzüchtigen«, »Habgierigen«, »Götzendienern«, »Lästerern« und anderen zweifelhaften Personen zu haben. Offensichtlich stand es um die ethische Ausrichtung der Gemeinde nicht gut.

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Aber das war nicht alles: Die Gemeinde war in sich gespalten und in unterschiedliche Parteien zerfallen, die »Starken« nahmen keine Rücksicht auf die »Schwachen«, und beim Herrenmahl wartete man nicht aufeinander. Das alles zwang den Apostel zum erneuten Eingreifen. Zunächst schrieb Paulus einen zweiten Brief – unseren 1. Korintherbrief – und kündigte sein baldiges Kommen an (1 Kor 11, 34; 14, 6; 16, 6). Doch weitere schlechte Nachrichten zwangen den Apostel zum sofortigen Handeln: So brach er ca. 54 n. Chr. zu einer kurzen Visite nach Korinth auf (»Zwischenbesuch«). Doch dort erlebte er sein persönliches Desaster. Die Gemeinde hatte sich inzwischen anderen Missionaren angeschlossen, Paulus selbst wurde angegriffen und beschimpft. Dabei wurde ihm vor allem die Berechtigung zum Apostelamt abgesprochen. Höchst betrübt und innerlich gekränkt reiste Paulus ab und kehrte nach Ephe­ sus zurück. Von dort schrieb er seinen »Tränenbrief« an die Gemeinde, den viele Neutestamentler in 2 Kor 10–13 erhalten sehen: »Ich hatte aber dies bei mir beschlossen, dass ich nicht abermals in Traurigkeit zu euch käme ... Denn ich schrieb euch aus großer Trübsal und Angst des Herzens unter vielen Tränen« (2 Kor 2, 1.4). Kurze Zeit später begab sich der Apostel über Troas nach Makedonien (vgl. Apg 20, 1; 2 Kor 2, 12), wo er seinen Mitarbeiter Titus traf, der nun endlich die lang ersehnte gute Nachricht aus Korinth brachte: Die Stimmung hatte sich gedreht, und die Gemeinde wartete freudig auf den Besuch des Paulus (2 Kor 2, 5–7). So schrieb der Apostel einen weiteren Brief und reiste nach Korinth, wo er drei Monate verbringen sollte (Apg 20, 3). Das war der dritte und letzte Besuch des Apostels in der Hauptstadt der Provinz Achaia (ca. 55/56 n. Chr.). In dieser Zeit schrieb er auch den Brief an die Christen in Rom (Römerbrief). Wie sich die Gemeinde weiterentwickelt hat, entzieht sich unserer Kenntnis. Zumindest bezeugt der 65 Kapitel (!) umfassende Brief des Clemens von Rom an die Gemeinde in Korinth (ca. 95 n. Chr.), dass es auch noch Ende des 1. Jh. n. Chr. innergemeindliche Streitigkeiten gab: Einige Presbyter waren offensichtlich rechtswidrig abgesetzt und durch Jüngere ersetzt worden (vgl. 1 Clem 40 ff.), und auch Moderne Kirche am römischen Forum von sonst scheint die Gemeinde an der Schwelle Korinth zum 2. Jh. n. Chr. kein Bild von Eintracht und

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IV. Süd-Griechenland Einmütigkeit abgegeben zu haben (vgl. 1 Clem 19). Erst für das 2. Jh. n. Chr. sind ruhigere Verhältnisse und die ersten Bischöfe bezeugt (z. B. Dionysios von Korinth).

Der Fleischmarkt, Götzenopferfleisch und Tempelbankette Von den vielfältigen Problemen, die die Frühzeit der Gemeinde prägten, seien zwei aufgegriffen, die unmittelbar mit den archäologischen Befunden verknüpft werden können. Das erste ist das Problem des Götzenopferfleisches, das Paulus in 1 Kor 8–10 behandelt. Im Hintergrund dieser Problematik steht der schlichte Sachverhalt, dass bei kultischen Opferungen von Tieren – je nach Gottheit in der Regel Schweine, Ziegen oder Rinder – eine große Menge an Fleisch übrig blieb. Der Gottheit wurden nur ganz bestimmte Teile eines Tieres geopfert, zumeist Knochen, Innereien und Fett, während der Rest entweder in den Fleischhandel gelangte oder in tempeleigenen Speiseräumen verzehrt wurde. Beide Fälle spielen bei den ersten Christen von Korinth eine Rolle und wurden zu einem Problem. Denn die Christen fragten sich, ob sie dieses Fleisch überhaupt essen durften. Schließlich stammte es von einem Tier, das einer heidnischen Gottheit geweiht war. Heute würde man vielleicht sagen: »Fleisch ist Fleisch.« Aber genau das war ein Teil des Problems: Denn normales Fleisch war optisch von Götzenopferfleisch nicht zu unterscheiden. Man konnte also – ohne es zu wollen – beim Fleischkauf an Ware von Opfertieren gelangen. Für viele andere Einwohner Korinths war das Götzenopferfleisch eigentlich ein Segen. Denn in einer relativ kurzen Periode, vor allem in der Zeit der großen Festlichkeiten (z. B. anlässlich der Isthmischen Spiele), wurden riesige Mengen an Fleisch freigesetzt und auf den Markt gebracht. Das drückte die Preise so sehr, dass auch die einfachen Leute sich in dieser Zeit die Luxus­ ware Fleisch leisten konnten. Fleisch und Fleischprodukte wurden auf separaten Fleisch- und Fischmärkten angeboten. Der Fleischmarkt von Korinth (lat. macellum) lag im Nordosten des Forums, direkt an der Straße nach Lechaion (vgl. Abb.). Paulus kannte diesen Ort. Er schreibt in 1 Kor 10, 25 f. zu diesem Problem: »Alles, was auf dem Fleischmarkt (ἐν τῷ µακέλλῳ) verkauft wird, das esst, und forscht nicht nach, damit ihr das Gewissen nicht beschwert. Denn »die Erde ist des Herrn und was darinnen ist«. Für Paulus ist die Sache also klar. Auch das Fleisch von Opfertieren ist Teil der Schöpfung Gottes und kann unbedenklich verzehrt

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werden. Allerdings fordert er Rücksichtnahme auf die »Schwachen« im Glauben, deren Gewissen durch den Verzehr von Götzenopferfleisch belastet würde. Das macht er an einem anderen Beispiel deutlich: »Seht aber zu, dass diese eure Freiheit für die Schwachen nicht zum Anstoß wird! Denn wenn jemand dich, der du die Erkenntnis hast, im Götzentempel zu Tische Peribolos (Hl. Bezirk) des Apollon, vorher liegen sieht, wird dann nicht sein Gewissen, da Fleischmarkt (macellum) er doch schwach ist, verleitet, das Götzenopfer zu essen?« (1 Kor 8, 9–10). Dieser Fall bezieht sich auf die Festessen (Bankette) im Tempel, wie sie in Korinth sicher öfter vorkamen, im Grunde genommen bei jedem größeren Opfer, das im Zusammenhang mit bestimmten Festlichkeiten dargebracht wurde. Das konnten sowohl öffentliche als auch private Feste, wie z. B. eine Hochzeit oder die Geburt eines Kindes, sein. Für die Blick auf die Lechaion-Straße, rechts oben der Peribolos des Apollon Ausrichtung familiärer Feiern nutzte man bisweilen auch spezielle Räumlichkeiten in den Heiligtümern, wenn man im Haus oder in der Mietwohnung nicht genügend Platz hatte. Das hatte den weiteren Vorteil, dass das Fleisch nach der Opferung des Tieres nicht weit transportiert werden musste. Und für das Heiligtum und dessen Priesterschaft war es eine zusätzliche Einnahmequelle. Auf der Einladungskarte zu einem Festessen könnte dann gestanden haben: »Herais lädt dich ein zu einem Bankett in den Räumen des Asklepiosheiligtums am morgigen 11. des Monats von der 9. Stunde an« (vgl. MurphyO’Connor, S. 189). Selbstverständlich steht das Asklepiosheiligtum nur als ein Beispiel für viele heidnische Tempel, in denen sich die Problematik des Götzenopferfleisches für die ersten Christen in ähnlicher Weise ergeben konnte. So etwa beim Kult des Poseidons und der Aphrodite, die seit alter Zeit als Stadtgottheiten galten, oder beim Kult der Athena und der Schicksalsgöttin Tyche (lat. fortuna) – beide werden auf den Münzen der Stadt häufig abgebildet. Hinzu kommen römische Götter, die in großer Zahl belegt sind (Victoria, Concordia, Iuppiter, Neptun, Ianus usw.), aber auch orientalische wie Isis und Serapis.

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IV. Süd-Griechenland Das Heiligtum des Asklepios

Schauen wir uns die Verhältnisse am Heiligtum des Asklepios, an dem sich die Problematik der Tempelbankette eindrücklich zeigen lässt, genauer an: Das Heiligtum lag etwa 400 Meter nördlich des Forums unmittelbar an der Stadtmauer und war im 4. Jh. v. Chr. errichtet worden. Nach der Beschädigung durch die Römer (146 v. Chr.) wurde es in der ersten Hälfte des 1. Jh. n. Chr. wieder restauriert. Das Heiligtum bestand aus einem lang gestreckten Gebäudekomplex, zu dem neben dem Tempel (ca. 15×8,5 Meter), vor dem ein Altar stand, auch das »Abaton« gehörte, in dem der Heilschlaf stattfand (vgl. Abb.). Denn – wie andernorts auch – war das Asklepiosheiligtum in Korinth eine Stätte der Heilung, an der viele Menschen Linderung ihrer Krankheit suchten. Dass sie diese auch fanden, beweisen die zahllosen menschlichen Körperteile aus Ton, die aus Dankbarkeit für die Heilung geopfert wurden: Oberschenkel, Füße mit Schienbeinen, vollständige Arme, Unterarme mit Händen, Oberarme und über 100 einzelne Hände und Füße, sogar ganze Köpfe, aber auch kleinere Teile wie Ohren, weibliche Brüste und männliche Genitalien. Insgesamt etwa zehn Kubikmeter Fundstücke, die von amerikanischen Archäologen auf dem Gelände des Asklepiosheiligtums gefunden wurDas Asklepiosheiligtum von Korinth, den und von denen einiges heute im Museum Grundriss (oben) und Querschnitt (unten) auf dem Grabungsgelände zu sehen ist. An das Abaton schloss sich, etwas tiefer liegend, ein Innenhof mit ursprünglich umlaufender Säulenkolonnade an, die beim Wiederaufbau im Jahre 44 v. Chr. allerdings nicht mitberücksichtigt wurde. Unter dem Abaton befanden sich drei quadratische Speiseräume (triclinia) von gleicher Größe (ca. 6,5×6,5 Meter). An den Wänden standen jeweils elf Liegen und davor sieben Tische. In der Mitte lag die Feuerstelle, auf der gekocht werden konnte. Bei Bedarf konnten alle drei nebeneinanderliegende Speiseräume gemietet werden, sodass sich hier auch größere Weihegaben für den Heilgott Asklepios Familienfeiern ausrichten ließen.

Korinth und Isthmia Dieses Bild vor Augen, lässt sich gut nachvollziehen, dass einige der ersten Christen Korinths in Gewissenskonflikte gerieten, wenn sie von Freunden oder Verwandten zu einem Bankett in das Heiligtum des Asklepios eingeladen wurden. Auf der anderen Seite konnte es sicher auch passieren, dass man als Spaziergänger am Asklepiosheiligtum vorbeiging und die Festgesellschaft beim Dinieren sah. Denn das Gelände lag abseits der Betriebsamkeit und war vor allem im Sommer ein beliebter Platz zum Verweilen. Was nun, wenn einer der ersten Christen, der aus Gewissensgründen kein Götzenopferfleisch essen mochte, seinen Bruder dort zu Tisch liegen sah? Vielleicht hatte Paulus diese Situation vor Augen, als er schrieb: »Wenn jemand dich, der du die Erkenntnis hast, im Götzentempel zu Tische liegen sieht, wird dann nicht sein Gewissen, da er doch schwach ist, verleitet, das Götzenopfer zu essen?« (1 Kor 8, 9–10). Einige Christen in Korinth hatten also mit der Teilnahme an Tempelbanketten keine Probleme und konnten dieses mit ihrem Gewissen gut vereinbaren. Andere wiederum nicht. Paulus ermahnt daher die »Starken«, Rücksicht auf den schwachen Glauben der anderen zu nehmen und im Zweifelsfall auf das Essen von Götzenopferfleisch zu verzichten. Die Liebe zu dem »Bruder im Herrn« verbiete es, die eigene Erkenntnis über das Gewissen des anderen zu stellen.

Die Unzucht und der Tempel der Aphrodite Seit alter Zeit galt Korinth als Sündenpfuhl Griechenlands und als die Stadt der käuflichen Liebe. Im Griechischen gab es das Wort »sich wie ein Korinther benehmen« (κορινθιάζοµαι), worunter man soviel verstand wie »Unzucht« oder »Hurerei treiben«. Natürlich lockten die Weite und Offenheit der Provinzhauptstadt verbunden mit zwei blühenden Häfen auch das zwielichtige Gewerbe an. So galt Korinth – neben Piräus – in der Antike als ein Zentrum der Prostitution. Der zweifelhafte Ruf der Stadt wurde dadurch noch vergrößert, dass man ihn mit dem örtlichen Aphroditekult in Zusammenhang brachte. Auffällig ist, dass unter den zahlreichen Missständen innerhalb der christlichen Gemeinde von Korinth auch Fälle von »Unzucht« (πορνεία) zu beklagen waren. Dabei spricht der Apostel im ersten Korintherbrief sowohl ganz allgemein von »Unzucht« als auch von speziellen Fällen: »Überhaupt geht die Rede, dass Unzucht unter euch ist, und zwar eine solche Unzucht, wie es sie nicht einmal unter den Heiden gibt: daß einer die Frau seines Vaters hat« (1 Kor 5, 1).

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IV. Süd-Griechenland

Kopf einer Aphrodite, um 300 v. Chr. (Korinth, Museum)

Solche sittlichen Entgleisungen waren aber mit Sicherheit kein spezifisch korinthisches Phänomen. Vermutlich war die Situation hier nicht viel schlechter als in anderen Städten. Und dass sie mit dem Aphroditetempel zusammenhingen (vgl. Abb.), dürfte für das römische Korinth nicht mehr gelten. Jedenfalls sah der Geograph Strabon (65 v.–20 n. Chr.), der für die vorrömische Zeit von 1 000 Tempelprostituierten spricht (VIII 6, 20), bei seinem Besuch in Korinth nur noch einen kleinen Aphroditetempel auf dem Burgberg. Und der dürfte für diese große Anzahl von Prostituierten viel zu klein gewesen sein. So wird man wohl schließen müssen, dass die sexuellen Entgleisungen in der Gemeinde von Korinth weniger in der Existenz eines angeblichen »Bordells zur goldenen Aphrodite« begründet sind als in der allgemein zu beobachtenden Laxheit der Gesellschaft einer antiken Metropole.

Die antike Stadt und ihre Baudenkmäler Auf Grund der jahrzehntelangen Grabungen, die seit 1896 unter der Führung der American School of Classical Studies durchgeführt wurden, wissen wir über Korinth mehr als über viele andere antike Städte Griechenlands. Die sorgfältig dokumentierten Grabungen zusammen mit den Angaben antiker Schriftsteller – vor allem des Pausanias (2. Jh. n. Chr.) – lassen sogar eine relativ genaue Rekonstruktion des Stadtzentrums zu, die dem heutigen Betrachter ein anschauliches Bild vom römischen Korinth vermitteln kann. Von der griechischen Stadt vor ihrer Zerstörung durch die Römer sind allerdings bis auf das Theater und den archaischen Tempel oberhalb des Forums nur kärgliche Reste erhalten. Als man in Korinth im Jahre 44 v. Chr. eine römische Kolonie gründete, tat man das natürlich nach römischem Muster mit einem rechtwinklig angelegten Straßensystem, in dessen Mitte das Forum lag. Die größte Straße verlief von Süd nach Nord (cardo maximus) und durchschnitt das bebaute

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Korinth und Isthmia Gebiet ziemlich genau in der Mitte. Der nördliche Teil ist als Straße zum Hafen Lechaion an der Nordostseite des Forums noch ganz gut erhalten. Die bebaute Fläche mit mehr als 500 rechtwinkligen, aber unterschiedlich großen Grundstückseinheiten (insulae) betrug knapp 250 Hektar (ca. 1 100 ×2 300 Meter = 2,5 km2) und nahm damit etwa die Hälfte des durch die Mauern abgesteckten Bereiches ein. Zum Vergleich: Die bebaute Fläche in Philippi umfasste nur ein Fünftel davon (ca. 50 Hektar = 0,5 km2), die in Thessaloniki etwa 200 Hektar, während Pella ungefähr genauso groß war. Für Korinth muss aber berücksichtigt werden, dass der Bereich zwischen der Mauer und dem Hafen in Lechaion ebenfalls zum Stadtgebiet gehörte, wodurch sich die bewohnte Fläche weiter vergrößerte. Man sieht also, dass das römische Korinth eine vergleichsweise große Stadt war.

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IV. Süd-Griechenland Das Zentrum des antiken Korinth Der Platz in der Mitte der antiken Stadt ist heute Anziehungspunkt für Touristen aus aller Welt. Von allen antiken Überbleibseln Korinths ist er am besten erforscht und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Der Parkplatz für die Reisebusse, die hier fast täglich ankommen, liegt auf einer freien Fläche zwischen dem Archaischen Tempel und dem Odeion. In der Antike befand sich hier ein Heiligtum der Athena Chalinites (χαλινῖτις = »die Aufzäumende«). Ihren Beinamen erhielt die Göttin – so der Mythos – nachdem sie dem korinthischen Königssohn Bellerophon die Zügel gegeben hatte, mit denen er das geflügelte Pferd Pegasus zähmen konnte. Seitdem galt Pegasus als das Wappentier Korinths und wurde auf zahlreichen Münzen der Stadt abgebildet (vgl. Abb.). Bei einem Rundgang über das archäologische Gelände muss man bedenken, dass die Grabungen und Rekonstruktionen den Zustand des 2. Jh. n. Chr. repräsentieren. Für die Zeit des Paulus wird man daher mit einigen Modifikationen rechnen müssen, auf die im Einzelnen hinzuweisen sein wird.

Die Glauke-Quelle

Münze aus Korinth mit Darstellung eines geflügelten Pferdes (Pegasus)

Glauke-Quelle, Frontseite

In der Regel beginnt der Rundgang mit der Glauke-Quelle unterhalb des Eingangs. Es handelt sich dabei um einen grob behauenen Felsklotz, in dem schon in alter Zeit (6. Jh. v. Chr.) eine Brunnenanlage mit vier länglichen Zisternen und Schöpfbecken installiert war. Seine Front auf der Nordseite war ursprünglich mit einem überdachten Vorbau versehen, wie die in den Fels gearbeiteten Stufen erahnen lassen (vgl. Abb.). Die antiken Schriftsteller berichten von einer schaurigen Geschichte, die der Quelle ihren Namen gab. Danach soll sich Glauke, die Tochter des korinthischen Königs Kreon, voller Verzweiflung in diesen Brunnen gestürzt haben. Vorausgegangen war eine typische Eifersuchtsgeschichte: Jason, der mit der thessalischen Königstochter und Zauberin Medea verheiratet

Korinth und Isthmia war, verliebte sich in Glauke. Um diese heiraten zu können, verstieß er seine Frau. Doch diese wollte das nicht einfach so hinnehmen und heckte einen teuflischen Plan aus. Sie sandte der Braut – sich scheinbar in ihr Schicksal fügend – als Hochzeitsgeschenk ein verzaubertes Gewand, das beim Anziehen in Feuer aufgehen sollte. Als Glauke das Kleid anlegte, wurde sie vom Feuer verzehrt und stürzte in diesen Brunnen, der fortan ihren Namen trug. Direkt gegenüber der Glauke-Quelle, neben dem Museum, liegen die spärlichen Reste einer Ummauerung, die zu einem heiligen Bezirk aus römischer Zeit gehörten. In seiner Mitte lag ein Tempel (Tempel C), der vielleicht der Göttin Hera, der Gattin des Zeus, geweiht war. Sie war zuvor in Perachora auf der anderen Seite des Golfes von Korinth verehrt worden und wurde irgendwann hierher »überführt«.

Der archaische Tempel (Apollon-Tempel) und der römische Nordmarkt Das berühmteste und zugleich am besten erhaltene Bauwerk des alten (vorrömischen) Korinths ist der archaische Tempel, der oberhalb des Forums auf einer kleinen Anhöhe steht und antiken Berichten zufolge schon vom Meer aus sichtbar war. Ob er dem Gott Apollon geweiht war, ist nicht ganz sicher. Auf jeden Fall wurde er im 6. Jh. v. Chr. errichtet und ist damit einer der ältesten erhaltenen Tempel Griechenlands. Von den ursprünglich 38 dorischen Säulen auf der Außenseite des Tempels sind heute noch sieben erhalten (Südwestseite), fünf (von ursprünglich sechs) gehören zur Schmal- und zwei (von ursprünglich 15) zur Längsseite (vgl. Abb.). Im Inneren des Tempels, wo sich die aus zwei Räumen bestehende Cella befand, stützten zwei zusätzliche Säulenreihen die schwere Deckenkonstruktion ab. Die Säulen wiesen im unteren Bereich einen Durchmesser von etwa zwei Metern auf. Zu den Ecken hin standen sie

Apollon-Tempel von Korinth, Grundriss

Apollon-Tempel, Westseite

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IV. Süd-Griechenland immer enger (Eckkontraktion), wodurch der Tempel geschlossener wirkte. Der relativ langgestreckte Bau (ca. 22 ×54 Meter) ruht auf einem Sockel mit vier anstelle der damals üblichen zwei Stufen. Zum ersten Mal in der griechischen Welt wurde hier mit einer Kurvatur gearbeitet – allerdings nur zwei Zentimeter an der Längsseite. Dieses Phänomen war bereits beim jüngeren Parthenontempel auf der Akropolis zu beobachten (vgl. o.). Dort betrug die Kurvatur jedoch zwölf Zentimeter und war mit bloßem Auge sichtbar. Als Material für den Bau des Tempels wurde heimischer Kalkstein (»Poros«) verwendet, der wegen seiner gelblichen Farbe mit hellem Stuck überzogen wurde. Der Stuck wurde bei der Restaurierung des Tempels Anfang des 1. Jh. n. Chr. erneuert. Nördlich des Tempels, aber auf niedrigerem Niveau, wurde nach der Gründung der Kolonie ein Marktplatz (Nordmarkt) eingerichtet, der aus einem rechteckigen Innenhof mit einer umlaufenden Säulenkolonnade bestand. Hinter der Kolonnade lagen auf allen vier Seiten 45 kleinere Räume, die als Geschäfte bzw. Werkstätten dienen konnten. Sie hatten eine Größe von 4 ×3 bis 4 ×4 Metern. Die Räume des südlichen Bereiches sind freigelegt und schon von der modernen Straße aus gut erkennbar. Hier könnte der Ort gewesen sein, an dem Aquila und Priscilla ihre Werkstatt hatten, in der auch Paulus während seines Aufenthaltes in Korinth arbeitete. Der Eingang zu diesem Nordmarkt befand sich auf der Ostseite und war von der Lechaion-Straße aus erreichbar (vgl. u.).

Das römische Forum Der Platz in der Mitte der Stadt bildete während der gesamten Antike den Mittelpunkt des öffentlichen und administrativen Lebens. Das gilt sowohl für die griechische als auch für die römische Zeit. Die jetzt erkennbare Struktur stammt überwiegend aus dem 2. Jh. n. Chr. Reste der früheren griechischen Agora, die ebenfalls an dieser Stelle lag, sind dagegen nur sehr spärlich zum Vorschein gekommen. Das dürfte an der Zerstörung durch die Römer und der kompletten Neugestaltung in der frühen Kaiserzeit liegen. Lediglich eine halbrunde Terrasse, die als Orchestra für die Aufführung von Chorliedern und Dramen diente, und Spuren einer Startlinie für Wettrennen (beide im Südosten der Agora) sowie ein stumpfer Winkel vor den Nordwestläden, der zu einem zehn Meter weiter nördlich liegenden, kleinen Orakelheiligtum gehörte (6. Jh. v. Chr.), stammen aus der Zeit der griechischen Agora.

Korinth und Isthmia

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In der römischen Zeit gruppierten sich um den nahezu rechteckigen Platz (ca. 100 ×165 Meter) unterschiedliche Gebäude mit öffentlichem Charakter. Der Platz selbst war im 2. Jh. n. Chr. durch die sogenannten Zentralläden, die quer über das Forum verliefen, in zwei unterschiedlich große Bereiche geteilt (vgl. Abb.). Während der tiefer liegende Bereich im Norden dem geschäftlichem Treiben im engeren Sinne diente (forum vulgare) und dementsprechend größer dimensioniert war (ca. 65 ×165 Meter), konzentrierte sich im südlichen Bereich die städtische Verwaltung (forum civile). Diese Teilung war Mitte des 1. Jh. n. Chr. architektonisch noch nicht so ausgeprägt, da die Zentralläden erst im östlichen Bereich etwa bis zum Bema (vgl. o.) fertiggestellt waren. Der Rest fehlte noch. Die relativ kleinen Läden Römisches Forum, Zentralläden (ca. 2 ×3 Meter) östlich des Bemas lagen Wand an Wand und wurden nur in der Mitte durch einen kleinen Tempel der Göttin Artemis (Diana) in zwei Abschnitte mit jeweils sieben Räumen unterteilt. Vermutlich waren die Räume an Banken oder Juweliere vermietet. Auf dem freien Platz vor dem Bema und den Zentralläden (vgl. Abb.) sah Pausanias im 2. Jh. n. Chr. eine große bronzene Statue der Athena, von deren Fundament nur noch geringe Römisches Forum von Südosten Spuren erhalten. Ebenso von dem Altar und (im Vordergrund Reste der Zentralläden) einem gestuften Sockel ganz in der Nähe.

Die Nordseite Die Nordseite des Forums liegt südlich des archaischen Tempels am Fuße der kleinen Anhöhe. Dort fällt der Blick zunächst auf die Reste einer hellenistischen Säulenhalle (3. Jh. v. Chr.), die sogenannte Nordweststoa. Südlich davon liegt eine Galerie von 14 (bzw. 16) Läden, die Anfang des 1. Jh.n. Chr. errichtet wurde und die die Nordwestseite des Forums

Nordseite des römischen Forums von Süden (im Hintergrund der Apollon-Tempel)

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ausfüllte. Vor ­ihrer etwa 70 Meter langen Front verlief ein überdachter Säulengang, der es den Besuchern ermöglichte, auch bei regnerischem Wetter trockenen Fußes ihre Einkäufe zu tätigen. In der Mitte lag ein gewölbter Raum, der noch heute gut erkennbar ist und in christlicher Zeit als Kirche genutzt wurde (vgl. Abb.). Östlich davon schloss sich ein langgestrecktes zweistöckiges Gebäude (Basilika) an, das Gewölbter Raum an der Nordseite des Forums eigentlich bereits an der Lechaion-Straße lag, dessen Front aber nach Süden zum Forum hin zeigte. Die Basilika, die vielleicht als Gerichtsgebäude diente, wurde noch im 1. Jh. v. Chr. errichtet. Mitte des 2. Jh. n. Chr. wurde ihre Front mit der prachtvollen »Fassade der Gefangenen« ausgestaltet, die ihren Namen auf Grund der Barbarenstatuen am Obergeschoss erhielt, welche heute im Museum bewundert werden können.

Die Westseite Die westliche Seite des Forums wurde von sechs kleinen Tempeln eingenommen, die nach römischer Manier auf einem Podium mit Treppenzugang standen. Da sie außerdem auf einer Böschung lagen, blickte ihre Front auf das Forum herab. Chronologisch gehören sie in die Zeit des 1. und 2. Jh. n. Chr. Ihre Zuordnung zu einzelnen Göttern bzw. Göttinnen ist unklar. Pausanias (II 2, 8) erwähnt einen Tempel der Schicksalsgöttin Tyche (lat. Fortuna), der schon unter Augustus errichtet wurde sowie ein Heiligtum für alle Götter (Pantheon). Außerdem erwähnt er Statuen des Poseidons, des Apollon und der Aphrodite (lat. Venus), sodass man annehmen darf, dass die übrigen Tempel ihnen gewidmet waren. Aus der architektonischen Reihe fällt ein kleines, aus acht Säulen bestehendes Rundmonument, das von einem gewissen Gnaeus Babbius Phi­ linus – einem ehemaligen Sklaven – gestiftet wurde, der in der ersten Hälfte des 1. Jh.  n. Chr. einige städtische Ämter innehatte. Hinter der Westseite, oberhalb der kleinen Tempel lag das weitflächige Areal eines Heiligtums (Octaviatempel?), auf dem sich heute auch das Museum befindet (vgl. Abb.). Der Tempel lag etwas erhöht inmitten eines großen Säulenhofes und beherbergte in seinem Inneren ein Standbild der Octavia,

Korinth und Isthmia der Schwester des Kaisers Augustus. Man wird nicht fehlgehen anzunehmen, dass es in Zusammenhang mit dem Kult der kaiserlichen Familie stand. Da der Tempel etwa Mitte des 1. Jh. n. Chr. errichtet wurde, dürfte Paulus ihn bereits gesehen haben. Heute sind direkt neben dem Museum noch drei teilweise rekonstruierte Säulen der Vorderseite des Tempels zu sehen. Im 2. Jh. n. Chr. wurde der Eingangsbereich dieses heiligen Bezirkes zu gewerblichen Zwecken (Westläden) umgestaltet.

Octavia-Tempel (?), Frontseite

Die Süd- und Ostseite Das größte Gebäude auf dem Forum war eine etwa 165 Meter lange Stoa aus dem 4. Jh. v. Chr., die die Südseite des Forums vollständig einnahm. Sie lag auf einer Terrasse oberhalb des Bemas und der ZentralläWestseite des Forums den. 71 Säulen standen auf der Außenseite (Nordseite), weitere 34 im Inneren (vgl. Abb.). Dahinter befand sich eine ganze Reihe von langgestreckten Räumen, die durch eine Querwand in zwei etwa gleich große Bereiche geteilt wurden (ca. 3 ×3 Meter). Fast alle Räume besaßen im Vorderzimmer einen tiefen Brunnen, der über eine Wasserleitung mit einer Quelle verbunden war. Da man außerdem noch eine Menge Scherben fand »mit Aufschriften verSüdseite des Forums – Südstoa sehen wie ›Prost‹, ›Gesundheit‹, ›Dionysos‹, ›Gegen Schluckauf‹« (Elliger, S. 98), liegt die Annahme nahe, dass es sich um Tavernen handelte, die die Brunnenschächte zur Kühlung von Getränken nutzten. Über den Räumen lag ein zweites Stockwerk, welches der Unterkunft von Gästen diente. Von alledem ist heute nicht mehr viel zu sehen. Bei der Umgestaltung Anfang des 1. Jh. n. Chr. wurden die meisten der kleinen »Kneipen« abgerissen und zu größeren Einheiten zusammengefasst, um

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Platz für öffentliche Räumlichkeiten zu schaffen. So z. B. für einen elliptischen Bau etwa in der Mitte der Säulenhalle, an dessen Rückwand eine steinerne Bank verlief und der offensichtlich zu Versammlungszwecken diente. Daher wird dieser eigenartige Bau als Rathaus (lat. curia, griech. Bouleuterion) gedeutet. Ganz am Ende der Stoa lagen das Büro des Agonotheten und die Räumlichkeiten der »Zehn Kampfrichter« (Hellanodikai) der Isthmischen Spiele. Dahinter erhob sich eine große Basilika (Süd-Basilika), deren Zweck unklar ist. In dem »Südostgebäude«, das sich an die Säulenhalle anschloss und schon auf der Ostseite des Forums lag, vermutet man die Bibliothek bzw. das Archiv (lat. tabularium) des römischen Korinths. Die Ostseite des forum vulgare wird Ostseite des Forums – Basilica Iulia von der Basilica Iulia eingenommen (vgl. Abb.). Sie hatte den gleichen Grundriss wie die SüdBasilika und wurde unter Augustus (29 v.– 14. n. Chr.) oder seinem Nachfolger Tiberius (14–37 n. Chr.) errichtet. Ihren Namen erhielt sie von den hier gefundenen Statuen der kaiserlichen Familie der Iulier (Augustus bis Nero), die im Museum zu besichtigen sind.

Lechaion-Straße von Süden

Propyläen – Aufgang zum Forum

Die Lechaion-Straße Eines der schönsten Bauwerke auf dem Forum waren die Propyläen, die den Beginn der etwa drei Kilometer langen Prachtstraße nach Lechaion markierten, bzw. umgekehrt für die von Lechaion Kommenden den Eingang zum Forum darstellten (vgl. Abb.). Schon unter Augustus (29 v.–14 n. Chr.) dürfte ein schlichter Torbogen mit zwei kleineren Seitenbögen errichtet worden sein, der Ende des 1. Jh. n. Chr. zu einem Triumphbogen aus Marmor ausgestaltet wurde. Die von Pausanias beschrie-

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benen vergoldeten Gespanne mit dem Sonnengott Helios und seinem Sohn Phaeton auf dem Dach des Bogens waren zu Paulus Zeiten ebenfalls noch nicht vorhanden. Die Straße selbst, die den nördlichen Teil des cardo maximus bildete (vgl. o.) und von der heute etwa 100 Meter freigelegt sind, war 15 Meter breit und marmorgepflastert. Auch die Bürgersteige mit den Rinnsteinen für das abfließende Regenwasser sind gut erhalten. Nach dem Erdbeben von 77 n. Chr. und der anschließenden Restaurierung der Straße wurden sie sogar teilweise mit überdachten Säulengängen (Kolonnaden) versehen. Da die Lechaion-Straße auf Grund des zum Meer hin abschüssigen Geländes terrassiert war und daher an einigen Stellen von Treppenaufgängen unterbrochen wurde, war sie für den Wagenverkehr nicht nutzbar. Dafür umso mehr als Flaniermeile und Prachtstraße für Staatsakte und Festzüge. Ging man nun vom Forum kommend durch die Propyläen die Treppe abwärts, so befand sich auf der linken Seite die bereits erwähnte Basilika mit der prachtvollen Fassade der Gefangenen (vgl. o.). Dahinter schloss sich zur Zeit des Paulus ein rechteckiges Marktgebäude mit Geschäften an, das später zu einer sich zur Straße hin öffnenden, halbkreisförmigen Säulenhalle umgebaut wurde (vgl. Abb.). Während die antiken Reste auf dieser Seite der Lechaion-Straße vergleichsweise unansehnlich sind, ist die gegenüberliegende Seite relativ gut erhalten. Zunächst sieht man neben den Propyläen die Peirenequelle, »eines von mehreren Marktgebäude an der Lechaion-Straße Quellhäusern, um die die Stadt in der Antike beneidet wurde« (Elliger, S. 95). Nach dem Mythos, den Pausanias überliefert (II 3, 2), weinte Peirene, die Tochter eines Flussgottes, so heftig um ihren Sohn Kenchrias, der aus Versehen von der Göttin Artemis getötet worden war, dass sie sich an Ort und Stelle in eine Quelle verwandelte, die bis heute nicht versiegt ist. Seit alter Zeit stand über der Quelle eine Brunnenanlage, die nach und nach umgebaut und erweitert wurde, bis sie im 2. Jh. n. Chr. Peirene-Quelle mit Wasserbecken (vorne) den jetzt sichtbaren Zustand erreichte (vgl.

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IV. Süd-Griechenland Abb.). Der Millionär und Griechenlandfreund Herodes Atticus, der sich auch anderswo in Griechenland als Sponsor prachtvoller Bauten betätigte, ließ die Brunnenanlage zu einem repräsentativen Gebäudekomplex mit herzblattförmigem Grundriss umbauen. Um ein zentrales Wasserbecken wurden an drei Seiten halbkreisförmige Ausbuchtungen (Apsiden) angelegt, die mit Gewölben gedeckt waren und an deren Wänden sich Nischen mit Marmorstatuen sowie Sitzbänke befanden. Auf der Südseite der Brunnenanlage, d. h. zum Forum hin, lag eine zweistöckige Fassade mit jeweils sechs Arkadenbögen. Durch die unteren Bogenöffnungen, die noch erhalten sind, gelangte man über ein paar Stufen hinab zu den Schöpfbecken. Das Wasser soll nach Pausanias (II 3, 3) »süß« geschmeckt haben. Zur Zeit des Paulus wird die Brunnenanlage noch nicht so aufwendig ausgestattet gewesen sein, insbesondere ohne das zentrale Wasserbecken und die drei überwölbten Apsiden. Nördlich der Peirenequelle lag im 1. Jh. n. Chr. ein rechteckiges Gebäude, das als Fleisch- und Fischmarkt (macellum) genutzt wurde. Es könnte mit dem identisch sein, das Paulus in 1 Kor 10, 25 erwähnt (vgl. o.). Der Innenhof war an drei Seiten von einer Kolonnade umgeben, hinter der sich mehrere nebeneinanderliegende Geschäfte befanden, in denen Fleisch– und Fischwaren angeboten wurden. Im 2. Jh. n. Chr. wurde das Macellum umgebaut und in einen »Peribolos des Apollon« (περίβολος  =  »Einfriedung«, »Hof«) umgewandelt. Das war wohl deshalb möglich, weil sich schon in vorrömischer Zeit an der gleichen Stelle – direkt an der Lechaion-Straße – ein kleiner Tempel für den Gott Apollon befunden hatte. Nördlich des Peribolos schlossen sich eine öffentliche Toilettenanlage mit mehreren Sitzen und Wasserrinne – ähnlich der in Philippi und Athen (vgl. o.) – sowie ein Badekomplex an. Beide Gebäude dürften »nachpaulinisch« sein.

Das Odeion und das Theater Rechts neben dem Busparkplatz auf niedrigerem Niveau liegen die Reste eines Odeions, von dem sich die Zuschauerränge und die Grundmauern des Bühnengebäudes erhalten haben. Der überdachte, halbkreisförmige Konzertsaal bot etwa 3 000 Zuschauern Platz. Da er Ende des 1. Jh.n. Chr. errichtet wurde, konnte der Apostel Paulus ihn noch nicht sehen. Im 2. Jh. n. Chr. durch Herodes Atticus umfassend neu gestaltet, wurde das Odeion im 3. Jh. n. Chr. weiter umgebaut, um auch für Gladiatorenkämpfe genutzt werden zu können.

Korinth und Isthmia Unterhalb des Odeions, auf nochmals erheblich tieferem Niveau, befindet sich das Theater, das neben dem Archaischen Tempel zu den eindrucksvollsten Bauwerken des vor­ römischen Korinths gehört. Allerdings ist das für etwa 15 000 Zuschauer ausgelegte Bauwerk nicht besonders gut erhalten, und inzwischen sind auch die durch Grabungen freigelegten Abschnitte längst wieder überwachsen (vgl. Abb.). Unter Ausnutzung der Hanglage im 5. Jh. v. Chr. errichtet – allerdings noch ohne Bühnengebäude und mit runder Orchestra – wurde es nach der Gründung der römischen Kolonie vollständig restauriert und danach in mehreren Etappen zu einer Arena umgestaltet, in der Tierhetzen und Seeschlachten stattfinden konnten. Davon zeugen die großen, senkrecht stehenden Steinplatten, die die untersten Zuschauerreihen von dem Spektakel auf der Spielfläche trennten. Die heute vorhandenen Überbleibsel repräsentieren demgemäß den Zustand der spätrömischen Zeit (3./4. Jh. n. Chr.).

Das Odeion von Osten

Das Theater

Akrokorinth Wer das alte Korinth besucht, der sollte sich Die Festungsanlage von Akrokorinth auch den 575 Meter hohen Burgberg und die dortige Befestigungsanlage (Akrokorinth) nicht entgehen lassen. Denn das gewaltige Festungswerk ist einzigartig in Griechenland. Seine heutige Gestalt stammt zwar erst aus dem Mittelalter, der Kern reicht aber bis weit in vorchristliche Zeit zurück. Denn die alten Mauern aus hellenistischer Zeit wurden von den Byzantinern (11./12. Jahrhundert), von den Franken (13. Jahrhundert), Türken (15./16. Jahrhundert) und Venezianern (17. Jahrhundert) teilweise nur verstärkt bzw. durch die Anlage von zusätzlichen Mauerabschnitten und Türmen erweitert.

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Die z. T. recht steile Straße nach Akrokorinth führt zunächst vorbei an einem alten Heiligtum für Demeter und Persephone. Dieser lokale Ableger des Mysterienheiligtums von Eleusis (vgl. o.) stand vom 6. Jh. v. Chr. bis zum 4. Jh. n. Chr. in Benutzung und wurde im Laufe dieser Zeit immer wieder restauriert und erweitert. Die Größe der Anlage, die sich über drei Terrassen erstreckte und durch eine Treppe in der Mitte erschlossen wurde, zeigt, dass dieser Mysterienkult auch in Korinth viele Anhänger hatte. Eine große Anzahl von Banketträumen (triclinia) mit an den Wänden aufgemauerten Speiseliegen (»Klinen«) konnten auf den verschiedenen Ebenen nachgewiesen werden. Diese Klinen waren an der Kopfseite leicht erhöht und besaßen Aushöhlungen »für einen besseren Sitz der Polsterkissen. Davor standen niedrige Tische, und mehrere Raumeinheiten besaßen jeweils eine gemeinsame Küche« (Elliger, S. 106). Darüber hinaus fanden sich auf den Terrassen weitere Gebäude, Tempel und andere Räumlichkeiten mit in den Fels gehauenen Sitzreihen, die zu Versammlungszwecken dienten. Am unteren Hang des Burgberges gab es antiken Berichten zufolge weitere Heiligtümer, die in der Volksfrömmigkeit eine große Rolle spielten. So z. B. ein Heiligtum der ägyptischen Götter Isis und Serapis, das bei Pausanias erwähnt wird (II 4, 7). Auf engen Serpentinen geht es weiter den Berg hinauf bis zu einem Plateau, das unterhalb der Westseite der Befestigungsanlage liegt und von dem aus ein Fußweg durch das Eingangstor bis zur Bergspitze führt. Die unterschiedlichen Ausbauphasen der Türme und Mauern sind teilweise noch gut erkennbar: Insbesondere das antike Mauerwerk mit seinen großen buckeligen Kalksteinquadern lässt sich 5PS 5PS /PSECBTUJPO von den späteren Phasen mit kleineren Steinen leicht unterscheiden. .PTDIFF "QISPEJUF)FJMJHUVN Der Weg hinauf führt zunächst auf spitzem Pflaster durch Tore und Mauern verschiedener Epochen. Weiter oben geht es vorbei an einer kleinen Kirche, bis man zu einem Plateau gelangt, unter dem sich eine Zisterne befindet. Gegenüber sieht man eine verfallene Moschee 0CFSF1FJSFOFRVFMMF ;JTUFSOF &JOHBOH 'SÊOLJTDIF#VSH aus dem 16./17. Jahrhundert sowie weitere Ar5PS ]]N chitekturreste (vgl. Abb.). Von da aus führt nur noch ein steiler Pfad Akrokorinth, Übersichtskarte zur Bergspitze hinauf. Auf dem Gipfel stand in

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der Antike der berühmte Aphroditetempel, ein relativ kleiner Bau (10 ×13 Meter), auf dessen Mauern später eine christliche Basilika (5. Jahrhundert) und im Mittelalter sowie in der Zeit der Türkenherrschaft andere Gebäude errichtet wurden. Viel beeindruckender als die spärlichen Reste dieser Gebäude (vgl. Abb.) ist der phänomenale Ausblick auf den Isthmos: links der Golf von Korinth und die dahinter hochragenden Gebirgszüge, rechts der Saronische Golf mit der Insel Ägina. An der Südseite des Gipfels auf niedrigerem Niveau liegt die obere Peirenequelle, von der man in der Antike glaubte, dass sie mit der Peirenequelle am Forum (vgl. o.) verbunden war. In den Felsen gehauene Stufen führen hinab zu dieser Brunnenanlage aus hellenistischer Zeit (3. Jh. v. Chr.). Auf dem Weg dorthin stößt man auf antike Wandkritzeleien, vorausgesetzt, man hat eine Taschenlampe dabei!

Der Hafen von Lechaion Ging man im 1. Jh. n. Chr. vom Forum aus auf der Prachtstraße nach Lechaion, so stand man nach etwa 4 Kilometern an den Hafenanlagen. Da Lechaion schon seit dem 5. Jh. v. Chr. durch die langen Mauern mit Korinth verbunden war, entwickelte sich der Hafen immer mehr zu einer Vorstadt. Heute ist er völlig verlandet, sein Verlauf lässt sich aber an einigen Stellen noch erahnen. Er verfügte über ein inneres und ein äußeres Hafenbecken mit einer geschätzten Alte Moschee auf Akrokorinth Gesamtfläche von etwa 150 000 m2. Damit war Korinth/Lechaion nach Ostia bei Rom und Caesarea am Meer der drittgrößte Hafen im Römischen Reich. Aus antiken Berichten wissen wir von einem Poseidonheiligtum und einem Aphroditetempel in Lechaion. Auf Münzen ist außerdem ein großer Leuchtturm abgebildet. Abgesehen von Gipfel von Akrokorinth – im Hintergrund der einer Hafenmole ist bislang aber nicht viel zutaGolf von Korinth ge gefördert worden.

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IV. Süd-Griechenland Der bedeutendste archäologische Fund stammt aus christlicher Zeit. In unmittelbarer Nähe zu den Hafenanlagen war im 5. Jahrhundert eine riesige Basilika errichtet worden zu Ehren von Bischof Leonides von Korinth, der in der großen Christenverfolgung unter Kaiser Decius (249–251 n. Chr.) den Märtyrertod gefunden hatte. Mit ca. 180 Metern (!) Länge war diese Bischofskirche die größte Kirche in ganz Griechenland, selbst der Petersdom in Rom ist nicht viel größer (vgl. Abb.). Die gewaltigen Ausmaße ergaben sich aus der Aneinanderreihung einzelner architektonischer Elemente. Das erste Element im Westen des Gebäudekomplexes war ein rechteckiges Atrium mit Säulenhallen an drei Seiten. Dahinter lag ein weiterer, aber halbrunder Hof mit einem Wasserbecken, woran sich ein quer zum Kirchenschiff verlaufender Exo-Narthex (»VorVorraum«) anschloss. Von da aus ging man durch schmale Türen in den fünfschiffigen Narthex (»Vorraum«), hinter dem der Kirchenraum lag. Dieser war ein über 100 Meter langer dreischiffiger Bau mit umlaufenden Emporen und einer halbrunden Apsis im Osten, wo die Sitze für den Klerus lagen. Im vorderen Bereich des Kirchenraums, in Höhe des Altarraums setzten zwei weitere kleine Längsschiffe an, die zusammen ein seitlich vorspringendes Querhaus bildeten. Etwa in der Mitte des Zentralschiffes, das durch je 23 Säulen von den Seitenschiffen getrennt war, befand sich eine Kanzel (Ambo), die durch einen ca. 20 Meter langen Gang mit dem Chorraum verbunden war. Darüber hinaus waren eine Reihe von Nebenräumen in diesen Komplex integriert, u. a. auch ein Inkubationsraum für den Heilschlaf, wie er sonst nur für Asklepiosheiligtümer bekannt ist (vgl. o). Offenbar wurde hier ein Element eines heidnischen Kultes »verchristlicht«. Erwähnenswert sind noch die beiden Baptisterien an der Nordseite, von denen das kleinere einen kleeblattförmigen, das größere einen achteckigen Grundriss hat. Beide sind durch einen gemeinsamen Vorraum miteinander verbunden. Dieser ungewöhnlichen Kirche war leider kein langes Leben beschieden. Wie auch andere Gebäude in der Gegend wurde sie 551 n. Chr. durch ein Erdbeben zerstört.

Der Hafen von Kenchreai Der zweite Hafen von Korinth lag ca. neun Kilometer östlich der Stadt direkt am Saronischen Golf. Er verfügte über eine natürliche Ausbuchtung, die durch den Bau zweier großer Molen zu einer hufeisenförmigen Hafenanlage erweitert wurde (1. Jh. n. Chr.). Diese war zwar mit etwa 50 000 m2 ­ Hafenfläche

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erheblich kleiner als die von Lechaion, aber für Korinth unverzichtbar. Denn hier wurde der Handel und Verkehr mit dem Osten des Römischen Reiches abgewickelt. Vor allem Schiffe aus Kleinasien legten hier an. So ist Basilika in Lechaion (5. Jh.), Grundriss es nicht verwunderlich, dass auch der Apostel Paulus die Heimreise nach Syrien von Ken,PSJOUI chreai aus antrat. In der Apostelgeschichte lesen wir: »Paulus aber blieb noch eine Zeitlang in Korinth. Danach nahm er Abschied von den Brüdern und wollte nach Syrien fahren und mit ihm Priszilla und Aquila. Zuvor ließ er sich in &QJEBVSPT "MUFS)BGFO Kenchreai sein Haupt scheren, denn er hatte WPO,FODISFÊ ein Gelübde getan« (Apg 18, 18). #BTJMJLB In der Hafenstadt Kenchreai gab es auch eine christliche Gemeinde (ἐκκλησία), die wohl ein *TJT)FJMJHUVN Ableger der Gemeinde von Korinth war. Als ihre Patronin fungierte eine gewisse Phoibe, die von Antiker Hafen von Kenchreai, Übersichtskarte Paulus mit dem männlichen Begriff »Diakon« bezeichnet wird (vgl. Röm 16, 1 f). Archäologisch ist der Hafen von Kenchreai besser erschlossen als der von Lechaion. So konnten nicht nur die beiden Hafenmolen, die heute zum großen Teil unter Wasser liegen und an denen in der Antike Schiffe bis zu einer Länge von 40 Metern anlegen konnten, lokalisiert Der Hafen von Kenchreai heute werden, sondern auch andere Hafengebäude (vgl. Abb.). So stand beispielsweise an der Basis der nördlichen Mole in spätrömischer Zeit ein Turm, der wohl der Navigation der Schiffe diente (Leuchtturm?). Ganz in der Nähe befand sich ein Aphroditetempel (4. Jh. v. Chr.), der von Pausanias erwähnt wird. Dieser berichtet darüber hinaus, dass es auf der Nordmole eine bronzene Statue des Poseidon gegeben habe (II 2, 3). Entlang der ca. 400 Meter langen Hafenpromenade – in etwa dort, wo heute die moderne Straße verläuft – befanden sich in der Antike zahlreiche Geschäfte und Tavernen, ganz so, wie wir es heute noch von vielen griechischen Hafenstädten kennen.

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Die südliche Mole war die größere: Hier befand sich ein etwa 150 Meter langer Komplex von unterschiedlichen Gebäuden, vor allem Lagerhäuser, aber auch ein großes Isisheiligtum (1./2. Jh. n. Chr.), vom 6. Jahrhundert an sogar eine christliche Basilika (vgl. Abb.). Die wertvollen Kleinfunde aus diesen Gebäuden lagern heute im Museum von Isthmia, u. a. auch eine Reihe von kunstvollen und farbenfrohen Einlegearbeiten aus Glas (Glasintarsien), die zur Verzierung von Fußböden bestimmt waren. Am äußersten Ende der Mole befanden sich Wasserbecken, in denen Fische gefangen wurden. Das Isisheiligtum auf der südlichen Mole erlangte in der Antike Weltruhm durch den satirischen Roman »Metamorphosen« (»Verwandlungen«) von Apuleius (ca. 125–180 n. Chr.). Darin wird erzählt, wie der in einen Esel verwandelte Lucius durch die Lande zog und erst in Kenchreai durch die Kraft der Göttin Isis von den Fesseln seiner widernatürlichen Gestalt befreit wurde. Das geschah zur Zeit des großen Isisfestes, das im Frühjahr zur Wiedereröffnung der Schifffahrt begangen wurde. Fangen wir ein wenig ein von der Zeremonie dieses Frühjahrsfestes, wie es der Romanheld Lucius am Hafen von Kenchreai erlebte: »Mit keuschem Munde verrichtete sodann der Hohepriester ein förmliches Gebet, reinigte mit brennender Fackel … ein kunstvoll gezimmertes, ringsum mit ägyptischen Wundermalereien geziertes Schiff und weihte und heiligte es der Göttin. Im blendenden Segel dieses heiligen Kiels stand mit großen Buchstaben das Gelübde für die gesegnete Schifffahrt des neuen Jahrs Reste der südlichen Hafenmole mit geschrieben … Nun kamen Priester und Laien frühchristlicher Basilika im Vordergrund und trugen um die Wette Körbe voll Gewürz und ähnliche Geschenke herbei und gossen eine Mischung aus Milch über die Wellen hin. Als endlich das ganze Schiff mit reichlichen Gaben und Sühnopfer angefüllt war, wurden die Ankertaue gelöst, und ein eigener, frischer Wind trieb es in die hohe See hinaus. Sobald es unserm Gesicht entschwunden war ... kehrte die Prozession fröhlich wieder zum Tempel zurück.« Dort sprach ein Priester »von einer Reste des Isis-Heiligtums auf der Südmole hohen Kanzel herab nach einem Buche und

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Korinth und Isthmia aus besonderen Schriften den Segen über den Kaiser, den Senat … und das ganze römische Volk, über die Schifffahrt und über alles aus, was der Herrschaft unsres Reiches untertan ist, und verkündete endlich mit griechischem Wort und Brauch die Eröffnung der Schifffahrt.« Daraufhin »küßten alle, überströmend vor Freuden, die Füße der Göttin, die, aus Silber gebildet, auf den Stufen des Tempels stand, und zogen dann jeder seines Weges heim« (Apul. Met. XI 17).

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Isthmia, Übersichtskarte

Isthmia und die Isthmischen Spiele Nur ein paar Kilometer nördlich von Kenchreai auf der Ostseite des Isthmos lag Isthmia, der Ort der gleichnamigen antiken Wettkämpfe. Seit dem 6. Jh. v. Chr. fanden hier alle zwei Jahre im Frühjahr die Isthmischen Spiele statt, die nicht nur aus sportlichen, sondern auch aus musischen und poetischen Wettbewerben bestanden. Das entsprach durchaus dem antiken Menschenbild, welches die Römer später so trefflich mit dem Ausspruch kennzeichneten: mens sana in corpore sano (»Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper«). Die »Isthmien« waren nach den Olympischen Spielen die wichtigsten Wettkämpfe in ganz Griechenland. Tausende von Zuschauern und Touristen sowie Hunderte von Athleten strömten dazu herbei. Nach der Zerstörung Korinths durch die Römer (146 v. Chr.) ging die Organisation der Spiele zunächst in die Hände der Stadt Sikyon ca. zehn Kilometer nordwestlich von Korinth über, wo sie im dortigen Stadion ausgerichtet wurden. Erst in der Mitte des 1. Jh. n. Chr., also gerade zur Zeit, als der Apostel Paulus die Gegend bereiste, fanden die Spiele wieder in Isthmia statt. Diese waren besonders für die Einwohner Korinths ein gesellschaftlicher Höhepunkt, da sie regelmäßig mit Volksbelustigung und großzügig ausgerichteten Banketten einhergingen, für die der Agonothet, der Präsident und Sponsor der Isthmischen Spiele, aufkommen musste. Im Jahre 50/51 n. Chr. könnte das der »Bürgermeister« (duumvir) von Korinth Gnaius Publicius Re­ gulus gewesen sein. Ob Paulus als ehemaliger Pharisäer die Spiele auch besucht hat, wenn er schon hier weilte, ist unbekannt. Aber dass der Apostel die Isthmischen

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IV. Süd-Griechenland

Spiele zumindest kannte, dürfte gewiss sein. Denn da er mindestens 18 Monate in Korinth verbrachte, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sie während seines Aufenthaltes stattfanden. Außerdem greift er in einem seiner Briefe an die Gemeinde in Korinth auf Beispiele aus sportlichen Wettkämpfen zurück. Darin vergleicht er sich und die Gemeinde mit Athleten, die um den Siegeskranz wetteifern und sich dafür einer entsprechenden entbehrungsreichen Vorbereitung unterziehen müssen. Dabei stellt Archaisches Weihwasserbecken (7. Jh. v. Chr.) er zwei Sportarten, die auch in Olympia (vgl. aus dem Poseidontempel von Isthmia u.) zum offiziellen Programm gehörten, heraus: den Wettlauf und den Faustkampf. Er schreibt: »Wisst ihr nicht, dass die, die in der Kampfbahn laufen, die laufen alle, aber nur einer empfängt den Siegespreis? Lauft so, dass ihr ihn erlangt. Jeder aber, der kämpft, enthält sich aller Dinge; jene nun, damit sie einen vergänglichen Kranz empfangen, wir aber einen unvergänglichen. Ich aber laufe nicht wie aufs Ungewisse; ich Überreste des Poseidon-Heiligtums von kämpfe mit der Faust, nicht wie einer, der in die Isthmia Luft schlägt, sondern ich bezwinge meinen Leib und zähme ihn« (1 Kor 9, 24–27). Die bedeutendsten Baudenkmäler in Isthmia sind das Heiligtum des Poseidon (vgl. Abb.), ein kleines Theater, römische Bäder sowie ein antikes Stadion. Die heute noch vorhandenen Überbleibsel muten allerdings mit Ausnahme der römischen Bäder recht bescheiden an. Das Poseidonheiligtum, von dem noch die Grundmauern und einige Säulenstümpfe erhalten sind, war im 5. Jh. v. Chr. auf den Mauern eines Vorgängerbaus errichtet worden. Zweimal zerstört – Anfang des 4. Jh. v. Chr. im Laufe des Korinthischen Krieges durch die Spartaner und 146 v. Chr. durch die Römer – wurde der Tempel Mitte des 1. Jh. n. Chr. in seinen ursprünglichen Ausmaßen (ca. 54 ×23 Meter) mit 6 ×13 Säulen inmitten eines Peribolos (»Einfriedung«) wieder aufgebaut. Im 2. Jh. n. Chr. wurde der Peribolos an drei Seiten mit Säulenhallen (Stoën) umgeben, die zum Tempel hin offen waren. Ein interessanter Kleinfund aus dem Poseidon-Tempel ist eine Art marmornes

Korinth und Isthmia

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Weihwasserbecken (vgl. Abb.), das zur Reinigung diente und aus dem 7. Jh. v. Chr. stammt (heute im Museum). Hauptattraktion für Touristen ist allerdings ein Teil des klassischen Stadions, nämlich die Startlinie für den Wettlauf, die unterhalb des Museums unweit der Straße zu sehen ist. Der gepflasterte Startbereich war mit einer mechanischen Konstruktion ausgestattet, die gewährleistete, dass alle Läufer zur gleichen Startanlage des griechischen Stadions Zeit starteten. Das geschah mit Hilfe von klappbaren Schranken, die mit einem Schnursystem verbunden waren, das von einem Starthelfer bedient wurde (vgl. Abb.). Das Stadion ist später verlegt worden und befand sich in römischer Zeit etwa 100 Meter weiter südlich, unweit der Kyklopenmauer aus mykenischer Zeit und gegenüber einer Ausbuchtung der späteren Isthmosbefestigung Antike Startvorrichtung (Rekonstruktion) (Hexamilion). Das Stadion von Isthmia hatte eine Länge von 181 Metern. Vom Theater ist nicht mehr allzu viel erhalten: Das meiste ist im 6. Jahrhundert abgetragen und zum Bau der Isthmosmauer verwendet worden. Immerhin sind das Zuschauerrund und die Orchestra noch erkennbar. Vom römischen Bühnengebäude und den Zugängen (Parodoi) sind dagegen nur noch Spuren vorhanden. Hinter dem Theater befanden sich Säulenhallen mit »Fremdenzimmern« für die Besucher der Isthmischen Spiele. Der römische Badekomplex ist dagegen recht gut erhalten, sogar die Konstruktion der Fußbodenheizung (Hypokausten) ist noch sichtbar. Imposant sind auch die großen Mosaikfußböden aus kleinen schwarzen und weißen Steinen (4. Jh. n. Chr.). Auf einigen sind kunstvoll ausgestaltete Darstellungen von Meereswesen, Delfinen und Fischen zu sehen (heute im Museum).

IV. Süd-Griechenland Exkurs II: Epidauros

Theater von Epidauros mit kreisrunder Orchestra und Resten des Bühnengebäudes

Exkurs II: Epidauros

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Einleitung Epidauros – etwa 40 Kilometer südöstlich von Korinth – gehört für jeden, der Süd-Griechenland bereist, zum Pflichtprogramm. Vor allem das erstaunlich gut erhaltene Theater, das seit 1988 auf der Liste der Bauten des »WeltKultur-Erbes« steht, zieht in der Hauptsaison Tausende von Touristen an. In der Antike war es Teil eines Heil- und Kurzentrums, in dem Krankheiten nach einem ganzheitlichen Ansatz behandelt wurden. Körper und Geist sollten in Einklang miteinander gebracht werden, und dazu gehörte neben der medizinischen Versorgung und dem überaus reizvollen landschaftlichen Ambiente auch Unterhaltung durch Theater, Musik und Sport. Dieses Konzept ging auf und ließ das Asklepiosheiligtum in Epidauros zum größten Heil- und Kurzentrum der antiken Welt aufsteigen. Jeglicher Heilungserfolg basierte auf der Zuwendung des Gottes Asklepios, dessen Stab mit der sich in die Höhe windenden Schlange bis heute das Symbol der heilenden Der junge Asklepios (Athen, Nationalmuseum) Berufe ist (vgl. Abb.). Sein Tempel war das wichtigste und – neben der Tholos – auch das kostbarste Gebäude in Epidauros. Auf dem Gelände des Asklepiosheiligtums galten besondere Regeln, die es von seiner »unheiligen« Umwelt absetzten. Aber gerade das machte es für den antiken Menschen um so attraktiver. Bevor der Heilungssuchende nach Epidauros kam, hatte er bereits die ganze Palette antiker Schulmedizin ausprobiert, sodass sich seine letzten Hoffnungen ganz auf die Heilkraft des Gottes konzentrierten.

Die Heilbehandlung in Epidauros Die Heilungsberichte (»Iamata«) erwähnen eine ganze Klaviatur von Krankheiten. Angefangen bei kleineren Beschwerden wie Verdauungsschwierigkeiten oder Hautausschlägen bis hin zu Blindheit und Unfruchtbarkeit. Alle

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IV. Süd-Griechenland

diese Krankheiten wurden geheilt, und wir fragen uns heute, wie das ohne die moderne Medizintechnik vor sich gehen konnte. Aus den antiken Berichten (vgl. Abb.) wissen wir, dass sich jeder Kranke einer festen Prozedur unterziehen musste. Nachdem er das Heiligtum betreten hatte, erfolgte eine Reinigung, die sowohl hygienischen als auch rituellen Zwecken diente. Der von außerhalb angereiste Patient musste sich reinigen, um dem Gott innerlich und äußerlich »sauber« gegenübertreten zu können. An die Reinigung schloss sich die Darbringung eines Opfers an Asklepios und seinen Vater Apollon an. Dieses konnte je nach den finanziellen Möglichkeiten des Patienten unterschiedlich ausfallen. Die Reichen opferten große Tiere bis hin zu Ochsen, während für weniger Wohlhabende ein Hahn genügte. ManHeilungsinschrift des Marcus Iulius Apella (Epidaurus, Museum) che überbrachten anstelle der Opfertiere auch Geldspenden. Die Behandlung der Krankheit erfolgte – vor allem in römischer Zeit – nach einem eingehenden Gespräch mit den Priesterärzten. Diese verordneten bei Bedarf bestimmte Maßnahmen wie Heilfasten, Badekuren oder Massagen, in bestimmten Fällen nahmen sie auch kleinere operative Eingriffe vor, wie die Funde medizinischer Gerätschaften erkennen lassen.

Der Heilschlaf Die eigentliche Behandlung fand aber durch den Gott selbst statt. Dazu begab sich der Patient in weiße Gewänder gehüllt zusammen mit den Priesterärzten in die »Ruhehalle«, das Abaton (auch Enkoimeterion). Dort legte er sich zum sogenannten Heilschlaf nieder. Unklar ist, ob vorher bestimmte Medikamente oder gar Halluzinogene verabreicht wurden. Wenn der Gott nahe genug schien, wurde das Licht der Öllampen und Fackeln gelöscht. Im Schlaf erschien dann Asklepios selbst und heilte den Patienten von seiner Krankheit (vgl. Abb.). Das konnte auf ganz unterschiedliche Art und Weise geschehen. Die geheilten Patienten berichteten später entweder, dass

Exkurs II: Epidauros ihnen der Gott erschienen sei und sie einfach gesund gemacht habe, oder dass er ihnen aufgetragen habe, bestimmte Medikamente oder Lebensmittel einzunehmen. In einigen Fällen wurde Asklepios aber auch chirurgisch tätig, freilich nicht ohne sich vorher eines bestimmten Lohnes versichert zu haben. So liest Asklepios behandelt einen Kranken (4. Jh. v. Chr.) man von einer Frau aus Athen, die auf einem Auge blind war. Sie träumte, dass der Gott Asklepios vor sie getreten sei und gesagt habe, dass er sie zwar gesund machen werde, aber als Lohn dafür von ihr verlange, dass sie ihm im Tempel ein silbernes Schwein stifte. Danach habe er das blinde Auge aufgeschlitzt und ein Heilmittel hineingegossen. Am nächsten Morgen konnte die Frau wieder sehen. In einem anderen Fall, bei dem ein Mann aus Thessalien mit einem Stigma (Muttermal?) auf der Stirn nach Epidauros kam, erschien Asklepios im Traum und legte seinem Patienten eine Binde um. Dann befahl er ihm, diese am anderen Morgen wieder abzunehmen und im Tempel zu weihen. Als es Tag wurde, stand der Mann auf, nahm die Binde ab und fand seine Stirn frei von dem Mal. Die Binde aber weihte er dem Asklepios (vgl. IG IV 2, 1 Nr. 121). Vieles aus diesen Heilungsberichten klingt für unsere Ohren fantastisch. In der Vergangenheit ist daher viel nach den Ursachen für den angeblichen Heilungserfolg geforscht worden, ohne dass man bis heute zu einem befriedigenden Ergebnis gekommen ist. Sicher lassen sich einige Heilungen, vor allem der leichteren Erkrankungen, auf Autosuggestion bzw. auf die psychosomatisch günstige Gesamtatmosphäre im Heiligtum zurückführen. Es bleibt aber ein Rest an Ungereimtheiten, der sich auch nicht mit Scharlatanerie erklären lässt. Immerhin war Epidauros vom 6. Jh. v. Chr. an fast 1 000 Jahre lang als Heil- und Kurort erfolgreich in Betrieb, und nicht umsonst führte das frühe Christentum gerade mit dem Kult des Asklepios eine überaus heftige Auseinandersetzung, sah es doch in ihm eine ernst zu nehmende Konkurrenz zum Glauben an den Heiler und Retter Jesus Christus. Als Kaiser Theodosius II. im 5. Jahrhundert das heidnische Kultzentrum in Epidauros schließen ließ, war dieser Streit zwar zu Gunsten des Christentums entschieden, der Heilschlaf lebte aber fort und wurde unter christlichem Vorzeichen in speziellen Nebenräumen der Kirchen praktiziert (z. B. in Lechaion).

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IV. Süd-Griechenland Das Theater

Der Rundgang über das archäologische Gelände von Epidauros beginnt mit dem Theater (vgl. Abb.). Den wenigsten Besuchern dürfte dabei bewusst sein, dass sie damit »das Pferd von hinten aufzäumen«. Denn der Eingang lag ]]N in der Antike genau in der gegenüberliegenden Grundriss des Theaters von Epidauros Ecke bei den Propyläen. Nichtsdestoweniger ist das Theater das 'S´IDISJTUMJDIF imposanteste Bauwerk der gesamten Anlage, #BTJMJLB 1SPQZMÊFO das bereits Pausanias (II 27, 5) im 2. Jh. n. Chr. 5FNQFMEFS"QISPEJUF wegen seiner Symmetrie und Schönheit be/PSEPTU4UPB 5IFSNFO wunderte. Es besteht deutlich sichtbar aus "CBUPO zwei Bereichen: Der untere umfasst die ersten 5FNQFMEFT "TLMFQJPT 34 Reihen, die durch 13 Treppenaufgänge in zwölf Sektoren unterteilt werden. Dieser Bereich bietet 6–7 000 Personen Platz und wurde zusammen mit der runden Orchestra 1BMÊTUSB (ZNOBTJPO und dem davor stehenden Bühnengebäude (Skene) im 4. Jh. v. Chr. errichtet. Die dar5IPMPT überliegenden 21 Reihen mit 22 Sektoren 4UBEJPO 5FNQFMEFS wurden erst im 2. Jh. v. Chr. hinzugefügt, so"SUFNJT 0EFJPO dass das Theater danach eine Kapazität von (ÊTUFIBVT ,BUBHPHFJPO

12–14 000 Per sonen hatte. 5IFBUFS ]]N Die Akustik des Theaters ist so gut, dass man auch noch in der letzten Reihe in Epidauros, Übersichtskarte ca. 22 Metern Höhe jedes unten gesprochene Wort verstehen kann. Die erste Reihe mit den komfortablen Rückenlehnen war den Honoratioren vorbehalten. In der Mitte der Orchestra, deren Durchmesser bei etwa 20 Metern liegt, stand ein Altar für Dionysos, den Gott des Weines und des Gesanges. Dahinter lag ein zweigeschossiges Bühnengebäude, das den antiken Zuschauern in den unteren Reihen die schöne Aussicht auf die anmutige Landschaft versperrte. Dafür sahen sie vor der Skene die 22 Meter lange, aber nur zwei Meter breite Bühne (Proskenion), auf der die Schauspieler agierten. Dorthin führten zwei seitliche Rampen, vor denen jeweils ein prachtvolles Eingangsportal lag.

Exkurs II: Epidauros

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Weitere antike Baudenkmäler Der Weg zum Zentrum des Heiligtums, dem Tempel des Asklepios, führt vorbei an den Resten eines riesigen quadratischen Bauwerks (76 ×76 Meter), das im 4. Jh. v. Chr. errichtet wurde: Dieses Gästehaus (Katagogion) mit insgesamt 160 Zimmern auf zwei Stockwerken Das Zentrum des Heiligtums von Epidauros bestand aus vier gleich großen Komplexen, die (Rekonstruktion) jeweils um einen quadratischen Innenhof angeordnet waren. Ein paar Meter weiter lag eine Badeanlage (3. Jh. v. Chr.) mit Wannen und Becken. Diese war entweder dem Gästehaus angeschlossen oder stand in Verbindung mit dem in der ]]N Nähe liegenden rechteckigen Bauwerk (ca. 75 ×70 Meter), das entweder als GymnasiGrundriss des Asklepios-Tempels (4. Jh. v. Chr.) um oder als Speisehaus (Hestiatorion) für die Priester gedeutet wird (4./3. Jh. v. Chr.). In seinem Innenhof wurde in römischer Zeit ein Odeion errichtet. Im Norden schließen sich ein weiteres großes Gebäude (ca. 30 ×34 Meter; Palästra oder Heiligtum des Apollon?) sowie zwei kleinere Tempel für Artemis bzw. Themis an (4. Jh. v. Chr.). Asklepios-Tempel während Rekonstruktionsarbeiten im Jahr 2005 Dahinter und damit bereits im inneren Bereich des Heiligtums (vgl. Abb.), dessen Begrenzung an den Resten der späteren byzantinischen Befestigung erkennbar ist, liegen die Grundmauern des alten Abatons (ca. 21 ×24 Meter; 6. Jh. v. Chr.), in dem in römischer Zeit die Priester wohnungen untergebracht waren. Nordwestlich davon liegt der Tempel des Asklepios und damit das Zentrum des Heiligtums von Epidauros. Der Tempel wurde Anfang des 4. Jh.s v. Chr. in fünfjähriger Bauzeit errichtet. Wegen seines prachtvollen Schmuckwerks (heute z. T. im Museum) galt er in der Antike als einer der schönsten Tempel. Schon das Kultbild in seinem Inneren (cella) war eine Kostbarkeit. Es war aus Gold und Elfenbein gefertigt und zeigte den Gott Asklepios als bärtigen Mann auf einem Thron sitzend. In der rechten Hand hielt er einen schlangenumwundenen Stab, während seine linke auf dem Kopf einer Schlange ruhte (vgl. Abb.).

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IV. Süd-Griechenland

Schnitt durch den Asklepios-Tempel mit Kultstatue (Rekonstruktion)

Tholos (Mitte) und Abaton (im Hintengrund)

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Rekonstruierter Aufriss (oben) und Grundriss (unten) der Tholos

Der Tempel selbst mit sechs Säulen auf der Schmal- und elf Säulen auf der Längsseite war relativ klein (ca. 24 ×13 Meter) und lag auf einem Sockel, der über eine Rampe an der Ostseite zugänglich war. Da der Tempel nur als eine Wohnstätte des Gottes diente, wurden die Kulthandlungen (Opferungen usw.) auf Altären außerhalb des Tempels vollzogen. Das sicherlich interessanteste und zugleich rätselhafteste Bauwerk im Heiligtum von Epidauros ist die Tholos, ein Rundbau des 4. Jh. v. Chr. mit einem älteren Kern, der nur wenige Meter westlich des Asklepios-Tempels liegt (vgl. Abb.). Die Tholos hat einen Durchmesser von ca. 21 Metern: 26 Säulen standen im Kreis um eine ebenfalls kreisrunde Cella mit einer inneren Säulenstellung aus weiteren 14 Säulen. Darüber erhob sich ein flaches, kegelförmiges Dach. Die prächtige Kassettendecke – im Museum zu sehen – war mit kunstvollen Marmorblumen geschmückt, während der Boden abwechselnd mit weißen und schwarzen rhombischen Marmorplatten ausgelegt war. Der Zugang zur Tholos erfolgte über eine Rampe auf der Ostseite. Merkwürdig ist der Unterbau der Tholos, der durch eine herausnehmbare Marmorplatte mit der Cella verbunden war: Um eine runde zentrale Kammer war in konzentrischen Kreisen ein Labyrinth aus zwei Gängen angelegt. Welche Funktion diese Konstruktion hatte, ist bis heute nicht geklärt: Vielleicht war es das Grab des Asklepios, in das die Pilger bei den Opferzeremonien geführt wurden. Nach einer anderen Theorie wurden hier die heiligen Schlangen gehalten, die im Asklepioskult eine Rolle spielten.

Exkurs II: Epidauros Nördlich der Tholos schließt sich eine über 70 Meter lange, aber nur knapp zehn Meter breite Säulenhalle an: das Abaton. In dieser schmucklosen Stoa legten sich die Patienten zum Heilschlaf nieder. Der östliche Teil des Propyläen, Südseite mit Rampe Abatons wurde noch im 4. Jh. v. Chr. errichtet, der westliche zweistöckige etwa 100 Jahre später. In der Nähe befanden sich auch eine Badeanlage sowie eine Bibliothek. Im Nordwesten des Festplatzes lagen ein Tempel der Aphrodite (4. Jh. v. Chr.), im Norden eine große Säulenhalle (3. Jh. v. Chr.) und daneben ein römischer Badekomplex. Die OstStadion von Osten seite war frei von größerer Bebauung. Nördlich des Festplatzes und etwas tiefer liegend befanden sich die Propyläen, der Haupteingang zum Heiligtum (vgl. Abb.). Hier kam die Straße aus Alt-Epidauros an. Die Toranlage aus dem 4. Jh. v. Chr. hatte rein symbolischen Wert, da das Heiligtum von keiner Befestigungsanlage geschützt wurde. Aber immerhin war die Toranlage so konstruiert, dass keine Wagen hindurchfahren konnten. Der Patient oder der Besucher musste sich also zu Fuß in das Heiligtum begeben und sich alsbald den vorgeschriebenen Reinigungsriten unterziehen. Nur ein paar Meter östlich vom Propylon liegen die Reste einer frühchristlichen Basilika mit seitlichem Baptisterium (5. Jahrhundert). Sie war aus Steinen des bereits verfallenen Heiligtums angelegt und mit einem Mosaikfußboden ausgeschmückt worden. Die Apsis, der Chorraum und der fünfschiffige Kirchenraum sind noch erkennbar. Diese Basilika könnte ein Indiz dafür sein, dass der Heilglaube von Epidaurus in christlicher Zeit fortlebte, aber vom Christentum aufgesogen wurde. Südöstlich des Festplatzes in einer Senke lag das antike Stadion (vgl. Abb.). Es war im 5./4. Jh. v. Chr. angelegt worden und verfügte über eine Laufbahn von etwa 181 Metern Länge, auf der ursprünglich elf, später nur noch sechs Athleten gleichzeitig starten konnten, wie an den Steinplatten im Boden erkennbar ist. Die Zuschauerränge auf der Südseite mit der Ehrentribüne sind noch ganz gut erhalten, von denen auf der Nordseite sind nur noch Reste zu sehen. Hier gab es auch einen unterirdischen Gang, der das Stadion mit den Quartieren der Athleten verband.

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IV. Süd-Griechenland Exkurs III: Delphi

Der Apollon-Tempel – Sitz des Orakels von Delphi

Exkurs III: Delphi

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Einleitung Mitten in einer faszinierenden Berglandschaft am Fuße des Parnassgebirges (2 457 Meter) liegt auf einer Höhe von 500–700 Metern Delphi, die Stätte des in der Antike weltbekannten Orakels (vgl. Abb.). Orakelstätten gab es in der griechisch-römischen Welt einige. Aber die in Delphi, wo der Gott Apollon durch den Mund der Pythia weissagte, war die bekannteste und angesehenste. Außerdem lag hier, wie man sich erzählte, der Nabel (Omphalos) der Welt (vgl. Abb.). Denn dem Mythos nach waren die beiden Adler, die Zeus von den Enden der Erde entsandt hatte, um den Mittelpunkt des Erdkreises zu ergründen, hier in Delphi zusammengetroffen. Zum delphischen Orakel kamen nicht nur Privatleute, sondern auch Gesandtschaften von Regierungen und Königen, um sich Rat in schwierigen politischen Entscheidungen zu holen. Die bekannteste uns überlieferte Anfrage stammt aus dem 6. Jh. v. Chr. und ist die des reichen Königs von Lydien, Kroisos (»Krösus«). Er soll das Orakel gefragt haben, ob er einen Krieg gegen die Perser beginnen solle. Das Orakel antwortete ihm daraufhin scheinbar ermutigend: Wenn Kroisos den Fluss Halys überquere (der die Grenze zum Perserreich darstellte), dann werde er ein großes Reich zerstören. Natürlich verstand Kroisos dieses als ein gutes Omen und überquerte den Halys. Doch er verlor den Krieg, worauf er verärgert nach Delphi sandte, um sich über die falsche Prophezeiung zu beschweren. Seine Gesandtschaft erhielt aber zur Antwort, dass er gut beraten gewesen wäre, vor Beginn des Krieges noch einmal zurückzufragen, welches große Reich im Orakel-

Marmorner Omphalos (Delphi, Museum)

Wagenlenker aus Bronze (5. Jh. v. Chr.)

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IV. Süd-Griechenland spruch denn gemeint war, sein eigenes oder das der Perser. So resümiert das Orakel: »Da er den Spruch nun nicht verstanden noch wieder angefragt, soll er sich selbst die Schuld zusprechen« (Herodot I 91). Dieses Beispiel zeigt, dass die Mehrdeutigkeit der Orakelsprüche ein Mittel war, dessen man sich bediente, um eine Prophezeiung stets richtig auszulegen. Offenbar hat das über Jahrhunderte hinweg funktioniert, wie die unermesslichen Weihegaben, die Schatzhäuser griechischer Städte und die schiere Fülle von Statuen aus unterschiedlichen Epochen zeigen, die aus Dankbarkeit dem Orakel gegenüber auf dem Gelände des Apollonheiligtums errichtet wurden. Erst in römischer Zeit setzte der allmähliche Niedergang des Heiligtums ein: von Lucius Cornelius Sulla im Jahre 84 v. Chr. geplündert, versuchten die römischen Kaiser im 1./2. Jh. n. Chr. dem Heiligtum neuen Glanz zu verleihen, bis die christliche Zeit (4./5. Jh. n. Chr.) dem Orakelwesen ein Ende machte. Die letzte melancholische Weissagung erging an den heidnischen Kaiser Julian Apostata (360–363 n. Chr.) mit den Worten: »Sagt es dem Herrscher: zerstört ist die kunstgesegnete Stätte; Phoibos (=  Apollon) hat keine Heimstatt mehr und keinen prophetischen Lorbeer; nicht mehr dient ihm die Quelle, verstummt ist das murmelnde Wasser« (Petsas, S. 17).

Das Orakel von Delphi Mittelpunkt des Orakels war seit dem 8. Jh. v. Chr. der Tempel des Apollon. Nach dem Mythos war der Gott nach Delphi gekommen und hatte den Python getötet, der eine weissagende Quelle behütete. Um sich von dem Blut der Schlange zu säubern, begab er sich ins nahegelegene Tempetal und brachte von dort den Lorbeer mit, mit dem er seine erste Hütte baute. Nach und nach wurde daraus ein steinerner Tempel, in dem der Gott durch den Mund der Pythia zu den Menschen sprach. Diese Pythia war eine Frau fortgeschrittenen Alters, die ihre Familie verlassen hatte, um in der Nähe des Gottes nach strengen heiligen Regeln zu leben. Später, als das Heiligtum zu Weltruhm gelangt war und Anfragen aus dem ganzen Mittelmeerraum zu beantworten waren, gab es drei Frauen, die dieses »Amt« gleichzeitig ausübten. In alter Zeit erteilte das Orakel nur einmal im Jahr Weissagungen, vom 6. Jh. v. Chr. an einmal pro Monat. Allerdings konnte man auch Sondertermine vereinbaren, sofern der Gott nichts dagegen hatte. »Um den Willen des Gottes zu erforschen, mußte ein Ziegenbock geopfert werden; zuvor wurde das Tier mit kaltem Wasser übergossen, und wenn der Bock zitterte und sich

Exkurs III: Delphi von Kopf bis Fuß schüttelte, bedeutete das, dass der Gott einverstanden war« (Petsas, S. 11). Wer das Orakel befragen wollte, musste sich zunächst an der nahegelegenen Kastaliaquelle reinigen und einen Geldbetrag entrichten. Danach war dem Apollon ein Opfer zu bringen. Es folgte die Festlegung der Reihenfolge, in der die Pythia die Anfragen beantwortete. Anschließend hieß es erst einmal warten, bis der Zeitpunkt der Wahrsagung gekommen war. War der Tag endlich da, so stieg die Pythia im Morgengrauen zur Kastaliaquelle hinab, um sich rituell zu reinigen. Aus einer zweiten Quelle (der Kassotisquelle) trank sie heiliges Wasser, kaute Lorbeerblätter und kehrte dann in den Tempel zurück. Dort nahm sie auf einem Dreifuß Platz, der über einer Erdspalte stand, aus der göttlicher Dunst aufstieg (vgl. Abb.). Den Ratsuchenden führte man ebenfalls zum Tempel, allerdings ohne dass er die Pythia zu Gesicht bekam. Seine Frage wurde der Pythia von einem

Die Pythia in Weissagungshaltung (rekonstruierender Holzstich)

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IV. Süd-Griechenland

Delphi, Apollonheiligtum und umliegende Bauwerke (Rekonstruktion)

Delphi, Gymnasium (links oben) und Heiligtum der Athena (unten rechts) mit Tholos (Rekonstruktion)

Exkurs III: Delphi

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Orakelbefrager (»Theopropos«) übermittelt. Durch Räucherwerk, Weihrauch und das Kauen der Lorbeerblätter in Trance versetzt bzw. hypnotisiert, ergingen die Antworten der Pythia in gestammelten Worten, bisweilen auch in Schreien. Diese wurden von den »Propheten« übersetzt, aufgeschrieben – z. T. sogar im Versmaß (Hexameter) – und den Ratsuchenden übermittelt. Auf welche Weise die durchaus sinnvollen und zukunftsweisenden Antworten zustande kamen, ist nicht bekannt. Anzunehmen ist, dass auch die delphische Priesterschaft, die über Jahrhunderte hinweg großes Wissen über politische Zusammenhänge angehäuft hatte, an den Weissagungen beteiligt war. Neben dem bekannten Spruchorakel gab es auch sogenannte Losorakel. Dabei wurde eine einfache Frage per Los mit »Ja« oder »Nein« beantwortet. Zu diesem Zweck zog die Pythia aus dem Dreifuß eine weiße Bohne für »Ja« oder eine schwarze für »Nein«. Losverfahren als Mittel göttlicher Entscheidung sind im Übrigen auch dem Neuen Testament nicht unbekannt: Als die 11 Apostel nach der Himmelfahrt Jesu Christi für Judas Iskarioth einen Ersatzmann suchen, stehen zwei Kandidaten zur Auswahl. Die Apostelgeschichte berichtet (Apg 1, 24–26): »Daraufhin beteten die Apostel: Herr, der du aller Herzen kennst, zeige an, welchen du erwählt hast von diesen beiden … Und sie warfen das Los über sie, und das Los fiel auf Matthias.«

Antike Baudenkmäler Die Sehenswürdigkeiten des antiken Delphi liegen auf zwei verschiedenen Ebenen: Das Hauptheiligtum des Apollon und das Stadion liegen oberhalb der Straße nicht weit vom Museum entfernt, während sich das Gymnasium und das Heiligtum der Athena weiter östlich unterhalb der Straße befinden. Etwa in der Mitte liegt die Kastaliaquelle. Alle Sehenswürdigkeiten sind bereits im 2. Jh. n. Chr. von Pausanias eingehend beschrieben worden (Descriptio Graeciae X 5, 5–32, 7) und daher gut rekonstruierbar.

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Apollonheiligtum von Delphi, Übersichtskarte

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IV. Süd-Griechenland Das Apollonheiligtum und das Stadion

Die Fassade des Apollon-Tempels (Rekonstruktion von F. Courby)

Der Apollon-Tempel und die Halle der Athener (Rekonstruktion von P. Amandry)

Apollon-Tempel, Frontseite mit Rampe

Beginnen wir unseren Rundgang mit dem Apollonheiligtum. Der an einem steilen Hang liegende und von einer Umfassungsmauer umgebene heilige Bezirk (ca. 135 ×190 Meter) war in der Antike förmlich übersäht mit kleineren Bauten, Statuen und Inschriften. Die archäologische Karte verzeichnet über 50 mehr oder weniger gut erhaltene Monumente. Bereits kurz hinter dem Eingang, der an einer rechteckigen spätrömischen (oder frühbyzantinischen) Platzanlage liegt, führt der »Heilige Weg« hinauf zum Tempel des Apollon vorbei an Weihgeschenken aus dem 4./5. Jh. v. Chr. Danach macht der Weg eine Kehre, wo die Reste der Schatzhäuser verschiedener Städte (Theben, Megara, Athen usw.) zu sehen sind, in denen sich kostbare Weihgeschenke befanden. Dabei zieht das rekonstruierte Schatzhaus der Athener (5. Jh. v. Chr.) die meiste Aufmerksamkeit auf sich. Ein paar Meter weiter liegt auf der linken Seite der Felsen der Sybille, die im unter­ italienischen Cumae ihre Orakelstätte hatte. Dahinter sieht man bereits die Stützmauer für die Tempelterrasse (vgl. Abb.), vor der eine etwa 30 Meter lange Säulenhalle, die Halle der Athener (5. Jh. v. Chr.), lag. Vorbei an weiteren Schatzhäusern (Korinth, Kyrene, Akanthos) führt der steil ansteigende Weg auf den Tempelvorplatz. Dort fallen die Basen weiterer Monumente, vor allem der rekonstruierte Sockel der Prusiasstatue, auf, des Königs von Bithynien (2. Jh. v. Chr.). Direkt davor stand in der Antike eine riesige Apollonstatue.

Exkurs III: Delphi Auf der linken Seite des Tempelvorplatzes sieht man die Reste des Altars (5. Jh. v. Chr.), auf dem die Opfertiere dargebracht wurden. Dahinter liegt der etwa 22 ×58 Meter große Apollon-Tempel, der durch seine exponierte Lage das ganze Heiligtum beherrschte. An der Ostseite, wo der Zugang über eine Rampe erfolgte, sind sechs Säulen wieder aufgerichtet (vgl. Abb.). Die jetzt sichtbare Gestalt des Tempels stammt aus dem 4. Jh. v. Chr., während die Reste der Vorgängerbauten (7./6. Jh. v. Chr.), die durch Brand oder Erdbeben zerstört worden waren, nur für den Fachmann erkennbar sind. Der Kultraum im Inneren (cella) war von 6 ×15 Säulen umgeben und bestand aus zwei Räumen: Im Vorderraum (Pronaos) befanden sich Statuen des Apollon und des Zeus sowie ein Altar des Poseidon. Außerdem waren hier apollinische Weisheiten wie »Erkenne dich selbst« oder »Nichts im Übermaß« zu lesen. Der hintere Raum (Adyton) war nur für wenige Menschen zugänglich. Denn er war die Stelle, wo die Pythia auf ihrem Dreifuß saß. In archaischer Zeit befand sich die Kassotisquelle, deren Wasser bei der Weissagung eine Rolle spielte, ebenfalls im Tempel. Später wurde sie umgeleitet, sodass sie ein paar Meter nordöstlich des Tempels an die Oberfläche trat. Oberhalb des Tempels – in den Hang hinein gebaut – liegt das Theater (ca. 3. Jh. v. Chr.), das etwa 5 000 Menschen Platz bot. Vom Bühnengebäude (Skene) sind zwar nur noch die Fundamente zu sehen, dafür sind die Pflasterung der Orchestra (Durchmesser: ca. 18,5 Meter) und die 35 steinernen Bankreihen gut erhalten (vgl. Theater von Delphi Abb.). Sie ersetzten wohl einen hölzernen Vorgängerbau. Die unteren Reihen werden durch sechs Treppen in sieben Sektoren unterteilt. Sie sind von den oberen Rängen durch einen Umgang getrennt, der als zusätzlicher Aus- und Eingang diente. Das Theater wurde vor allem während der Pythischen Spiele für die lyrischen und musischen Wettkämpfe genutzt, die seit 586 v. Chr. alle vier Jahre in Delphi stattfanden. Mit diesen panhellenischen (gesamtgriechischen) Spielen waren auch athletische WettStadion von Delphi, Nordseite kämpfe wie Wettlauf, Speer- und Diskuswurf,

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IV. Süd-Griechenland Faust- und Ringkampf verbunden, die vor allem im Stadion (5. Jh. v. Chr.), etwa 200 Meter nordwestlich vom Theater, stattfanden. Der Weg dorthin ist steil, aber lohnend. Denn der Erhaltungszustand der nördlichen Sitzreihen (vgl. Abb.) sowie der Start- und Zielanlagen des hufeisenförmigen Stadions ist gut. Die Länge der Laufbahn betrug knapp 178 Meter (600 Fuß), die Breite fast 26 Meter. Die Sitzreihen – 12 auf der Nordseite und 6 auf der Südseite – waren von der Lauffläche durch ein ca. 1,3 Meter hohes Podest abgesetzt und boten Platz für ungefähr 7 000 Menschen. Nach dem Bericht des Pausanias (Descriptio Graeciae X 32, 1) wurden die Sitze erst in römischer Zeit durch Herodes Atticus (2. Jh. n. Chr.) angelegt. In der Mitte der Nordseite fällt eine lange Bank mit Rückenlehnen auf. Offenbar saßen hier die obersten Schiedsrichter und andere Ehrengäste.

Das Gymnasium und das Athenaheiligtum (Marmariá) Östlich des Apollonheiligtums in einer scharfen Kurve liegt oberhalb der Straße die Kastaliaquelle. Ein paar Meter weiter, aber unterhalb der Landstraße befindet sich das antike Gymnasium, das auf zwei Terrassen angelegt war (vgl. Abb.). Die obere Terrasse mit einer 185 Meter langen und 7,5 Meter breiten Säulenhalle und einer davorliegenden Laufbahn ist heute stark überwuchert. Die untere Terrasse wurde von einer Palästra und einer Badeanlage mit einem -BVGCBIOFO kreisrunden Becken, in das drei Stufen hinunterführten, eingenommen (2. Jh. n. Chr.?). 4ÊVMFOIBMMF Die Palästra, die dem Training von Faust- und #ÊEFS Ringkämpfern diente, war ein Bau mit einem 8BTTFSCFDLFO quadratischen Innenhof (14 ×14 Meter), um den ein Säulengang angelegt war. Dahinter lagen auf der Süd- und Westseite verschiedene Räumlichkeiten (z. B. Umkleideräume usw.). Bei gutem Wetter wurde im Innenhof trainiert, bei schlechtem in der Stoa. In christlicher Zeit 1BMÊTUSBNJU1FSJTUZMIPG wurde der Innenhof der Palästra mit einer Kir]]N che überbaut. Das Gymnasium von Delphi, Übersichtskarte

261

Exkurs III: Delphi Etwa 200 Meter weiter südöstlich liegt der im 19. Jahrhundert als Marmorsteinbruch genutzte und daher sogenannte Marmariá-Bezirk (vgl. Abb.) mit dem Heiligtum der Athena Pronaia (»vor dem Tempel«). Kurz hinter dem Eingang stößt man auf die Ruinen zweier kleiner Schatzhäuser (7./6. Jh. v. Chr.) sowie mehrerer Opferaltäre. Dahinter liegt der archaische Athena-Tempel (um 500 v. Chr.), der über einem älteren Vorgängerbau (7. Jh. v. Chr.), von dem noch einige Säulenteile erhalten sind, errichtet worden war. Der 13 ×27,5 Meter große Bau besaß ursprünglich um die Cella herum 6 ×12 Säulen, von denen heute nur noch ein paar aufrecht stehen. Neben diesem Tempel liegen zwei an ihren Grundmauern gut erkennbare Schatzhäuser (5. Jh. v. Chr.). Das spektakulärste Bauwerk des MarmariáBezirks ist ein teilweise rekonstruierter Rundbau (Tholos) aus dem 4. Jh. v. Chr. mit einem

Die Tholos im Heiligtum der Athena

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Heiligtum der Athena (Marmaria-Bezirk), Übersichtskarte

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IV. Süd-Griechenland

Die Tholos (Rekonstruktion von H. Pomtow)

Deteilaufnahme der »Gallio-Inschrift«

Durchmesser von 13,5 Metern. Über einem dreistufigen Sockel erhob sich ein Kranz von 20 schlanken Säulen, die eine kegelförmige Dachkonstruktion trugen (vgl. Abb.). Die Säulen bargen in ihrer Mitte einen runden Kultraum, der von 10 Halbsäulen gestützt wurde. Der Eingang lag auf der Südseite, wo die Schwelle noch erkennbar ist. Die besonders wertvollen Teile des Skulpturenschmuckes sind im Museum ausgestellt. Ein paar Meter links davon gelangt man zu dem letzten Bauwerk des Bezirks und damit zu den Grundmauern eines weiteren Tempels aus dem 4. Jh. v. Chr. Dieser wohl auch der Athena geweihte Tempel war 23 ×12 Meter groß und an seiner Front mit sechs Säulen geschmückt. An der Westseite schloss sich ein älterer, rechteckiger Bau an (12 ×11 Meter), der allgemein als »Haus der Priester« gedeutet wird.

Das Museum Ein Besuch des Museums ist ein absolutes Muss. Denn es birgt in seinen Mauern außerordentliche Kostbarkeiten, die das Bild der auf dem archäologischen Gelände sichtbaren Architekturreste sinnvoll ergänzen. Sehenswert sind der marmorne Omphalos, die Sphinx der Naxier (6. Jh. v. Chr.; vgl. Abb.), die Skulpturen von den Schatzhäusern der Siphnier und Athener sowie die Teile vom Ostgiebel des Apollon-Tempels. Das berühmteste Exponat ist sicher der bronzene Wagenlenker, der vermutlich nach einem Sieg bei den Pythischen Spielen 478 oder 474 v. Chr. gestiftet wurde (vgl. Abb.). Für Theologen interessant ist außerdem die sogenannte Gallioinschrift (vgl. Abb.), die vermutlich an der Südseite des Apollon-Tempels angebracht war. Mit ihrer Hilfe lässt sich der Aufenthalt des Paulus in Korinth auf die Jahre 50/51 n. Chr. bestimmen (vgl. o.).

Exkurs III: Delphi

Die Sphinx der Naxier aus dem 6. Jh. v. Chr. (Delphi, Museum)

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IV. Süd-Griechenland Exkurs IV: Olympia

Antiker Diskuswerfer (Olympia, Museum)

Exkurs IV: Olympia

265

Einleitung Was die Olympischen Spiele sind, weiß heutzutage jedes Kind. Aber dass diese sportlichen Wettkämpfe auf eine uralte Tradition zurückgehen, die im griechischen Olympia beheimatet war, wissen nur die wenigsten. Hier im Nordwesten der Peloponnes fanden seit dem 8. Jh. v. Chr. alle vier Jahre die wichtigsten WettAntiker Freistilkampf, sogenanntes Pankration (Olympia, Museum) kämpfe ganz Griechenlands statt. Anfangs dauerten sie nur ein bis zwei Tage, später fast eine ganze Woche. Da Athleten aus allen griechischen Ländern und Stadtstaaten teilnahmen, hatten die Spiele einen integrativen und Nationalbewusstsein fördernden Charakter. Ausländern war die Teilnahme verboten, was bisweilen zu Konflikten führen konnte, wie das Beispiel der Makedonen zeigt, die erst vom 5. Jh. v. Chr. an teilnahmeberechtigt waren. Allerdings: Als die Römer Herren über Griechenland wurden (146 v. Chr.), konnte man auch ihnen die Teilnahme nicht verweigern. So gewann im Jahre 4 v. Chr. der spätere Kaiser Tiberius als erster Römer eine olympische Disziplin (Viergespann-Rennen). Da die Olympischen Spiele unter der Schirmherrschaft und zu Ehren des Göttervaters Zeus ausgerichtet wurden, hatten sie grundsätzlich einen religiösen Charakter. Großzügige Opfer, Prozessionen und andere Rituale gingen mit den Spielen einher. Daher wurden sie unter dem christlichen Kaiser Theodosius eingestellt (392 n. Chr.) und erst in der Neuzeit (1896) wieder aufgenommen. Seitdem werden sie – wenn auch mit zeitweiligen Unterbrechungen – alle vier Jahre an wechselnden Orten durchgeführt.

Die olympischen Disziplinen Die heutigen Spiele haben mit denen in der Antike nicht mehr viel gemein. Allenfalls die Tatsache, dass sie schon damals Massen an Zuschauern aus aller Welt nach Olympia lockten, verbindet. Die antiken Wettkämpfe beschränkten sich auf die klassischen Disziplinen wie Wettlauf (auch mit Waffen), Fünfkampf (Weitsprung, Schnelllauf, Diskus- und Speerwurf, Ringkampf), Faustkampf und Pankration (eine Art »Freistilkampf«; vgl. Abb.). Hinzu kamen Pferde- und Wagenrennen zwischen den einzelnen Gestüten sowie ab dem 4. Jh. v. Chr. Wettbewerbe zwischen Trompetern und Herolden. Poetische Wettbewerbe wie z. B. in Isthmia oder

266

IV. Süd-Griechenland

Delphi (vgl. o.) gab es in Olympia nicht. Dennoch nutzten viele Künstler und Gelehrte die große Öffentlichkeit der Spiele, um ihre neuesten Werke zu präsentieren. Die Laufdisziplinen waren in unterschiedliche Kategorien eingeteilt: Der einfache Stadionlauf führte über die Distanz von einem Stadion, d. h. etwa 180 Meter, in Olympia allerdings 192 Meter. Der doppelte StadiLäufer in Starthaltung (Olympia, Museum) onlauf (δίαυλος) führte am Ende der Laufbahn um einen Pfosten herum und zurück zur Startlinie, während der sogenannte Dolichos über eine längere Distanz – in der Regel zwölf Stadien – ausgetragen wurde. Den heute so bekannten Marathonlauf (ca. 42 Kilometer) gab es in der Antike noch nicht. Er wurde erst bei der Wiederaufnahme der Olympischen Spiele als Wettkampfdisziplin eingeführt. Die Läufer gingen – wie antike Zeugnisse belegen – barfuß und nackt an den Start (vgl. Abb.). Die Startplätze wurden ausgelost, bisweilen verfügte man – wie in Isthmia (vgl. o.) – über Startvorrichtungen, die gewährleisteten, dass alle Starter gleichzeitig ins Rennen gingen. Fehlstarter wurden mit Rutenschlägen bestraft. Die Sieger der Spiele, die Olympioniken, erhielten im Zeustempel ihren »Siegeskranz« und im Prytaneion ein »Siegerbankett«. Darüber hinaus wurden sie in die offiziellen Siegerlisten eingetragen und in ihrer Heimat mit Ehren und Geschenken überhäuft. Die Vorbereitung für die Wettkämpfe wurde schon früh zu einer professionellen Angelegenheit, hatte der Athlet doch bereits in seiner Heimatstadt diverse Vorausscheidungen zu gewinnen. Ein paar Wochen vor den Spielen mussten sich die Athleten in Olympia einfinden, wo sie in die unterschiedlichen Wettkampfklassen eingeteilt wurden. Kurz vor Beginn der Spiele leisteten sie im Bouleuterion vor dem Standbild des Zeus den Olympischen Eid. Auch Betrug und Bestechung waren damals schon bekannt und wurden von den Kampfrichtern (Hellanodikai) schwer geahndet. Oftmals wurden Bußgelder verhängt, wie die damit finanzierten Zeusstatuen (»Zanes«) vor dem Zugang zum Stadion unterhalb der Schatzhäuser zeigen (vgl. Pausanias, De­ scriptio Graeciae V 21, 3 ff.).

267

Exkurs IV: Olympia Antike Baudenkmäler Das antike Olympia war niemals eine Stadt, sondern immer nur ein Heiligtum. Der heutige Ort verdankt seine Existenz fast ausschließlich dem mit dem archäologischen Park verbundenen Tourismus. Olympia liegt im Nordwesten der Peloponnes am Fuße des 125 Meter hohen Kronoshügels knapp 20 Kilometer von der Küste entfernt. Die Ausgrabungen der durch den Schlamm des nahen Flusses verschütteten Gebäude begannen im 19. Jahrhundert, vor allem unter der Leitung des Deutschen Archäologischen Institutes, und haben seitdem eine Fülle von Bauwerken ans Licht gebracht (vgl. Abb.). Wir müssen uns daher auf die wichtigsten beschränken. Dazu gehören vor allem der mächtige Zeustempel in der Mitte des Heiligtums, natürlich das Stadion, die große Palästra und das geräumige Gästehaus (Leonidaion), die Werkstatt des Phidias sowie der relativ gut erhaltene Heratempel. Bereits dicht am Eingang zum Archäologischen Park stößt der Besucher auf die Reste einer langgestreckten Säulenkolonnade (2. Jh. v. Chr.), die den östlichen Teil des Gymnasiums bildete und als überdachte Trainingsstrecke für Läufer diente. Der Rest des riesigen Gebäudekomplexes (ca. 220 ×100 Meter) (ZNOBTJPO

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Das antike Olympia, Übersichtskarte

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IV. Süd-Griechenland

Säulenreihe in der Palästra

ist im Laufe der Zeit von den Fluten des nahegelegenen Flusses weggerissen worden. Direkt dahinter schließt sich die antike Palästra an (3. Jh. v. Chr.), in der vor allem die Kampfsportarten trainiert wurden (vgl. Abb.). Sie ist ein nahezu quadratisches Gebäude (ca. 66 ×66 Meter), das um einen zentralen Innenhof mit umlaufenden Säulenreihen angelegt wurde (41 Meter Seitenlänge). Die meisten Säulen sind heute wieder aufgerichtet. Hinter der Säulenkolonnade lagen die Umkleide- und Trainingsräume für die Athleten, aber auch andere Räumlichkeiten. Der Haupteingang befand sich auf der dem Fluss zugewandten Seite in der Nordwestecke.

Die Werkstatt des Phidias

Die Zeus-Statue des Phidias (Rekonstruktion)

Innenhof des Leonidaion

Direkt hinter der Palästra liegt das sogenannte Theokoleon, in dem – der gängigsten Deutung zufolge – die obersten Priester von Olympia (Theokoloi) ihren Amtssitz hatten. Die ältesten Teile des Gebäudes stammen wohl noch aus dem 5. Jh. v. Chr., die jüngsten aus römischer Zeit. Südlich davon zeigt man die Werkstatt des Phidias (5. Jh. v. Chr.), jenes berühmten Bildhauers, der neben der Statue der Athena im Parthenon (Athen) auch die große Zeusstatue in Olympia angefertigt hat (vgl. u.). Ob die Werkstatt des Künstlers genau hier lag, ist neuerdings mit guten Gründen bezweifelt worden. Stattdessen soll es sich eher um ein Depot für Gerätschaften des Zeusheiligtums handeln. Von der Werkstatt ist ohnehin nicht mehr viel zu sehen. Denn das heutige Erscheinungsbild ist geprägt von einer christlichen Basilika, die hier im 5. Jahrhundert errichtet wurde. Von der dreischiffigen Kirche mit halbrunder Apsis an

Exkurs IV: Olympia der Ostseite und Vorraum (Narthex) im Westen ist einiges noch gut erhalten: so etwa die Fenster in den Wänden aus gebrannten Ziegeln, die Schranke zum Chorraum, Teile der stützenden Säulen oder die Stufen und der Unterbau der Kanzel (Ambo).

Das Leonidaion und der Hera-Tempel

Überreste des Hera-Tempels

Noch weiter südlich liegt eines der größten Gebäude des antiken Olympia: das sogenannte Leonidaion. Ein reicher Mann aus Naxos mit Namen Leonidas hatte es im 4. Jh. v. Chr. als eine Art Hotel für die Ehrengäste der Olympischen Spiele errichten lassen. Das ca. 75 ×81 Meter große Bauwerk war von einer umlaufenden Säulenhalle mit 138 (!) Säulen umgeben. Dahinter lagen verschiedene Unterkünfte (auch große »Suiten«), die um einen zentralen Innenhof mit umlaufender Säulenhalle angeordnet waren. Nach einem Brand Mitte des 2. Jh. n. Chr. wurde der Innenhof umgestaltet: Ein großes Wasserbecken mit einer künstlichen Insel wurde angelegt, in deren Mitte sich ein weiteres Wasserbecken mit einem Brunnen befand. Die Insel selbst war als Gartenanlage mit Blumenbeeten und Rabatten ausgestaltet. Vom Leonidaion führt unser Rundgang wieder zurück in Richtung Eingang, und wir wenden uns dem heiligen Bezirk, der sogenannten Altis, zu, die in der Antike durch eine Mauer vom übrigen Bereich abgegrenzt war. Auf dem Weg zum großen Zeustempel passieren wir das Prytaneion (5./4. Jh. v. Chr.), in dem die Olympioniken ihr Festessen einnahmen, und kommen an einen Rundbau, den Philipp II. von Makedonien (356–336 v. Chr.) für die Standbilder seiner Dynastie hatte errichten lassen. Nur ein paar Meter entfernt sind die Reste des Hera-Tempels (ca. 600 v. Chr.) zu bewundern, der das erste monumentale Bauwerk in Olympia war. Er war mit etwa 50 Metern relativ lang, aber nur knapp 19 Meter breit. 6 Säulen auf der Schmal- und 16 auf der Längsseite (6 ×16) umgaben die Cella, von der die wuchtigen Mauersockel erhalten sind (vgl. Abb.). Ein paar Säulen waren zunächst aus Holz und wurden nach und nach durch steinerne ersetzt. Ihr Durchmesser variierte zwischen 1,0 und 1,28 Metern. Einige der über fünf Meter hohen Säulen sind inzwischen wieder aufgerichtet worden. Über den Säulen ruhte eine hölzerne Dachkonstruktion, die mit Tonziegeln gedeckt war. Auf der Ostseite des ­Tempels lag der Eingang

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IV. Süd-Griechenland zur Cella, in der Pausanias im 2. Jh. n. Chr. zwei Statuen sah (Descriptio Graeciae V 17, 1): eine sitzenden Hera und einen stehenden Zeus. Daneben gab es weitere Statuen wie z. B. die der Göttin Athena, der Artemis oder des Apollon. Außerdem wurden im Tempel wertvolle Kunstgegenstände aufbewahrt.

Der Tempel des Zeus, Ostseite mit Rampe (Rekonstruktion)

Der Tempel des Zeus

Umgestürzte Säulen des Zeus-Tempels

Rampe des Zeus-Tempels

Hinter dem Hügel des Pelopeions, in dem das Grab des sagenhaften Königs Pelops lag, erhob sich als Mittelpunkt des Heiligtums von Olympia der Tempel des Zeus. Der Mitte des 5. Jh. v. Chr. aus porösem Muschelkalk fertiggestellte Bau ist mit etwa 28×64 Metern der größte Ringhallentempel auf der Peloponnes. Im 6. Jahrhundert wurde er durch ein Erdbeben zerstört und seitdem liegen die wuchtigen Trommeln der 13×6 Säulen da, als sei das Beben gestern gewesen (vgl. Abb.). Die Säulen waren über zehn Meter hoch und trugen ein 4,17 Meter hohes Gebälk, das mit Skulpturen und Reliefen geschmückt war (vgl. Abb.). Das ganze Bauwerk lag etwa vier Meter über dem Niveau des heiligen Bezirkes, wovon 2,5 Meter auf das Konto eines künstlichen Erdhügels und weitere 1,5 Meter auf die Höhe des Unterbaus gehen. Der Zugang zum Tempel erfolgte daher über eine Rampe an der Ostseite (vgl. Abb.) und nicht über die riesigen Stufen (ca. 0,5 Meter), die zum Hinaufsteigen viel zu groß waren. Hinter einer 5×9 Meter großen hölzernen Tür lag die Cella. Sie war mit Kalksteinplatten ausgelegt und ließ den Besucher auf das am anderen Ende stehende riesige Standbild des Zeus blicken. Es war ein Werk des Phidias, wie

Exkurs IV: Olympia auf einer Inschrift am Fuße der Statue zu lesen war und zeigte den Göttervater auf seinem Thron sitzend, in der Linken ein Zepter und in der Rechten eine zwei Meter große Siegesgöttin (Nike) haltend (vgl. Abb.). Das Standbild war über zwölf Meter hoch (!) und bestand aus einem hölzernen Kern, der mit Gold und Elfenbein überzogen war. Wegen seiner Größe muss es die gesamte Breite (ca. 6,5 Meter) und Höhe der Cella eingenommen haben. Vor dem Kultbild war ein Becken eingelassen, wo sich das Öl sammelte, mit dem das Standbild gereinigt wurde. Die Zeusstatue, die als eines der Sieben Weltwunder galt, soll nach dem Verbot der Olympischen Spiele nach Konstantinopel gebracht worden sein, wo sie im Jahre 475 n. Chr. durch ein Feuer zerstört wurde.

Eingang des Stadions

Das Stadion von Südwesten

Das Stadion Das Stadion war der sportliche Mittelpunkt von Olympia (vgl. Abb.). Hier fanden die meisten Wettkämpfe statt. Nur die Wagenrennen wurden im Hippodrom südlich vom Stadion ausgetragen. Der Zugang zum Stadion erfolgt heute durch einen schmalen, ehemals überwölbten Gang an der Nordwestseite, der um 200 v. Chr. hinzugefügt wurde (vgl. Abb.). Auf den künstlich aufgeworfenen Bösch­ungen konnten 40–50 000 Zuschauer die Wett­kämpfe verfolgen. Sie lagerten auf dem Boden, hölzerne Sitze wurden erst viel später installiert. Nur für die Kampfrichter (Hellano­dikai) gab es auf der Südseite eine kleine Tribüne, die in römischer Zeit durch zusätzliche Sitzreihen vergrößert wurde. Gegenüber, auf der Nordseite, lag der Sitz der Demeterpriesterin, von dem noch Rudimente zu sehen sind. Die Länge der Laufbahn betrug etwa 210 Meter, die olympische Strecke von der Start- bis zur Ziellinie, deren steinerne Schwellen mit den Rillen für die Füße der Athleten noch sichtbar sind, misst nur 192 Meter. Um die Lauffläche herum sind Rinnen erkennbar, die das bei Regen von den Böschungen herablaufende Wasser aufnahmen und über einen an der Südostecke unter dem Wall angelegten Kanal abführten.

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Register Register A Abaton 180 Achaia 13 Actium 23 Aemilius Paullus 76, 141 Ägina 156 Ägyptische Götter 54 Aigai 19, 140 Akropolis 13 Alexander d. Gr. 20 Alexander IV. 21 Altar der 12 Götter 184 Ambo 59 Ambrosius 100 Amphipolis 14, 73 Amphipolis-Tor 54 Andronikos aus Kyrrhos 191 Antigoniden 21 Antiochia 28 Antiochus IV. 159 Anubis 97 Aphrodite 24 Apollon 45 Apollon-Tempel 227 Apollonheiligtum 258 Apollonia 14, 30, 73 Apollonios von Tyana 156 Apsis 59 Apuleius 240 archaische Zeit 17

Arena 56 Areopag 158 Areopagrede 161 Ares 165 Argeaden 19 Aristoteles 141 Artemis 57 Artemis Brauronia 173 Asia 22, 218 Asklepieion 180 Asklepios 130 Athen 14 Athena 24 Athena Archegetes 190 Athena Chalinites 226 Athena Ergane 186 Athenaheiligtum 260 Athena Polias 171 Athena Promachos 156 Athena Pronaia 261 Atrium 58 Attalos II. 159 Attis 78 Attischer Seebund 35 Auferstehungskirche 136 Augustus 22 Augustusforum 191 Axios 125

B Bacchus 48 Bad 68 Baptisterium 58 Basilika A 53 Basilika B 53 Basilika C 54 Bema 62, 217 Beroia (Veria) 14 Bestattungskultur 147 Bibliothek des Hadrian 190 Brasidas 75 Brutus 22 Bühnengebäude 56 Bürgerkrieg 22 Byzantinisches Reich 14 Byzanz 88

C Caesar 22 Caesarea am Meer 218 Caesareum 98 Caius Octavianus 22 cardines 52 Cassius 22 Chalkothek 173 Cicero 30 civitas libera 76 Claudius 23, 98 Claudiusedikt 213 Colonia Caesarea Antiochia 37 Colonia Iulia Augusta

Register Philippensis 37 Colonia Victoria Philippensis 39 Constantius 108 Crispus 214 Cryptoporticus 106

D Damaris 166 Dareios III. 20 Darrhon 145 Decius 238 decumanus maximus 52 Delphi 15 Demeter 78 Demeterheiligtum 197 Demeterhymnus 198 Demetrios 114 Demetrios-Kirche 114 Demetrios Poliorketes 133 Diakonikon 64 Diana 57 Diokletian 23 Dion 156 Dionysios 166 Dionysos 25, 48, 94 Dionysos-Theater 179 Dipylon 156 Drakon 158 Drama 38

E

H

Eingeweihte 13, 57 Eleusis 15 Ephesus 28, 218 Epidauros 15 Epikur 164 eponyme Heroen 185 Erastus 215 Erechtheus 175 Eumenes II. 159

Hades 150 Hadrian 23, 160 Halbschwester Alexanders 84 Harpokrates 57 Heilige Straße 197 Heiligtum des Apollon Patroos 184 Heiligtum des Asklepios 180 Heiligtum des Olympischen Zeus 181 Heilschlaf 57 Hekate 205 Hellenismus 20 Hephaisteion 186 Hephaistos 176, 186 Hera 227, 270 Herakles 130, 186 Heratempel 269 Herodes Atticus 178 Herodot 140 Heros Auloneites 49 Heruler 170 Hippodamisches System 52 Horaz 160

F Felsenheiligtümer 56 Fleischmarkt 220

G Galerius 87 Galerius-Bogen 104, 110 Galerius-Komplex 101 Galerius-Palast 100, 109 Gebetsstätte 43 Gefängniswärter 46 Georgos Kallierges 137 Gnaeus Egnatius 31 Goten 212 Gottesfürchtige 43 Götzenopferfleisch 220 Griechisch 23 griechische Agora 182 Gymnasium 78

I Ignatius von Antiochien 28 Ilissos 181 insulae 52 Ionischen Tempel 84 Isis 24, 48 Isthmia 241

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Register Isthmischen Spiele 214 Isthmos 209 Iuppiter 130 ius italicum 39 Iustinian 54

J Jason 91 Juden 27 Judentum 24 Julian Apostata 254

K Kabirus 95 Kaiserkult 25, 50, 98 Kanzel 59 Kassandros 84 Kekrops 176 Kenchreä 14 Kenchreai 209, 211, 238 Kephas 27 Kerameikos 156 Kirche Acheiropoietos 117 Kirche Agia Anna 136 Kirche Agios Patapios 134 Kirche der Panagouda 135 Kirche Osios David 118 klassische Zeit 17 Perser 18 Kleon 75

Kleopatra 23 Koinon 50 Kolonie 22 Königsgräber 13 Konstantin 88 Konstantinopel 14, 88 Korinth 14 Kos 14 Krenides 38 Krenides-Tor 54 Kreta 14 Kultvereine (Thiasoi) 48 Kybele 48, 78

L Latein 23 Latrinen 65 Lechaion 211, 237 Leonidaion 269 Liber pater 48 lictores 47 Losorakel 257 Löwen von Amphipolis 77 Ludias-See 140 Lydia 44 Lydia, das Dorf 69

M Macedonia 13 macellum 53, 220 makedonischer Teilstaat 123 Makedonisches Königreich 19

Marathon 18 Marc Aurel 204 Marcus Antonius 22 Marmariá-Bezirk 261 Maximian 108 Megaron 158 Meilenstein 32 Metopen 175 Metroon 185 alte Metropolitankirche 136 Missionsreise 25, 93 Mithridates 22 Moschee 113 Moschos 163 Musen 78 Mysten 57 Mysterienkult 28, 130, 195

N Narthex 58 Neapolis (Kavala) 14 Neapolis-Tor 54 Nero 23, 160 Nestos 76 Nike 111, 175

O Octavia 230 Odeion 106 Odeion des Herodes Atticus 178 Odeion des Perikles 179 Oktogon 53 Olymp 14

Register Olympia 15 Olympieion 181 Orakel 45, 97 Orakel von Delphi 254 orchestra 55 Osiris 96 Ovid 158

Propyläen 172 Prytanen 185 Purpurhändler 83 Pyrrhos 148 Pythia 253 Pythischen Spiele 259

P

Religion 24 Rhodos 14 Rom 14 Römische Agora 105, 190 Römische Bäder 68 römische Forum 228 Römischen Agora 89 römische Nordmarkt 227 römisches Recht 39 Rosalienfest 48 Rotunda 88 Roxane 75

Palastkomplex 87 Palästra 53, 65 panathenäische Festzug 170 Parthenon 174 Paulus-Denkmal 128 Pausanias 156, 162 pax Romana 23 Pegasus 226 Pella 15 Perikles 157 Persephone 150 Perser 18, 108 Perseus 22 Petrus 27 Phaleron 170, 200 Phidias 268 Philippi 14 Philipp II. 19 Philipp V. 21 Phoibe 239 Piräus 156 Plinius 162 Politarchen 86 Pompeius d. Gr. 22 porticus 62 Poseidon 144

R

S Samothrake 14, 28, 95 Säulenhalle des Eumenes 179 Serapeions 96 Serapis 57 Silas 43, 45, 83 Silvanus 25, 50 Skene 56 Sokrates 75 Solon 158 Stadion 258

Stadtstaaten 17 Statthalter 22 Stoa 62 Stoa Basileios 184 Stoa Poikile 164 Strabon 162 Strymon 74 Sulla 159, 254 Sumpf-Tor 54 Synagoge 43, 91 Synthronon 59 Syria Dea 130 Syrien 28

T Taufkapelle der Lydia 69 Tempelbankette 220 Tetrarchie 23, 108 Theater 55 Theben 19 Theodosius 100 Theodosius II. 247 Thermaischen Golf 84 Therme 84 Theseion 186 Theseus 186 Thessaloniki 14, 84 Thiasos 48 Tholos 185 Thracia 40 Thraker 19 Thrakien 19 Thrakische Reiter 49 Thukydides 74 Thyatira 44

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Register Tiberius 232 Timotheus 43, 47 Titius Iustus 215 Titus 27 Trajan 160 Treueid 51 Trigonion-Turm 102 Tripotamos 121 Triumphbogen 88, 110 Troas 28 Türken 14 Türkenherrschaft 24 Turm der Winde 191 Tyche 221

U Unzucht 223

V Venus 130 Vergina (Aigai) 15 Via Appia 30 Via Egnatia 29 Völkerwanderung 108

W Weißer Turm 101

X Xenophon 140

Z Zenon von Kition 164, 189 Zeus 24

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