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German Pages [1400] Year 1973
GRAMMATIK DER
OSKISCH-UMBRISCHEN DIALEKTE VON
ROBERT VON PLANTA.
ERSTER BAND. EINLEITUNG UND LAUTLEHRE.
STRASSBÜRG, VERLAG VON K A R L J. TRÜBNER. 1892. PH Ο T O Μ EC H A N IS CH ER
NACHDRUCK
WALTER DE G R U Y T E R · B E R L I N · N E W Y O R K 1973
ISBN 311004563 Χ © 1892/1973 by Walter de Gruyter & Co., vormals J. Göschen'sche Verlagsbandlung — J. Guttcntag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J. Trübner — Veit 6c Comp., Berlin 30 Printed in the Netherlands Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung, sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Vorbemerkung. Dem vorliegenden ersten Bande soll der zweite und letzte binnen Jahresfrist folgen.
Derselbe wird enthalten: die Stamm-
bildungs- und Flexionslehre,
die Syntax,
einen Anhang
mit
Bemerkungen zu einzelnen Inschriften und Stellen von Inschriften, eine vollständige Sammlung der Inschriften, ein (zugleich als Glossar dienendes) Wortverzeichniss, Nachträge und Berichtigungen zu beiden Bänden,
ferner das Vorwort zum ganzen
W e r k nebst einem ausführlichen Litteraturverzeichniss. An dieser Stelle
beschränken wir
uns
auf
einige
zum
Verständniss des ersten Bandes erforderliche Bemerkungen. Die cursiven Zahlen bezeichnen die Nummer der Inschriften in der Inschriften-Sammlung am Schlüsse des zweiten Bandes. Von Abkürzungen seien erwähnt: C. A . = lanus, Τ . B. = Bit. =
Tabula Bantina, Τ . A . =
Cippus Abel-
T a f e l von Agnone,
Bleitafel (die grössere, von Bücheler publicirte), A . S.
Altitalische Studien,
S. J. 0 . =
rum von Zvetaieff, J. J. M. D. =
=
Sylloge Inscriptionum OscaInscriptiones Italiae Mediae
Dialecticae von dems., J. J. J. D. =
Inscriptiones Italiae In-
ferioris Dialecticae von dems., App. =
Appendix in J. J. J. D.,
Ree. =
Deeckes Recension der Zvetaieffschen Bücher in der
Woch. f. klass. Philol. 1887, Stolz 2 =
Lateinische Grammatik
von Stolz in I w . Müllers Handbuch I I , 2. Auflage, Gr. Gr. 2 =
Brugmann
Griechische Grammatik von Brugmann ebd.; u. ist
immer — umbrisch, ausser in den bekannten Abkürzungen s. u., u. s. w., u. dgl., o. immer = altumbrisch, nu. = Ein
oskisch, ausser in s. o.; au. =
neuumbrisch, vo. =
sinnstörender Druckfehler
ist
volscisch. S. 527
Zeile 4
von
unten das ζ statt r. Das während des Druckes der zweiten Hälfte erschienene Buch von Buck Der Vocalismus der oskischen Sprache (Leipzig, Köhlers Antiquarium) konnte leider nicht mehr berücksichtigt werden. F ü r s t e n a u in Graubündten, 7. September 1892.
R. v. Planta.
Inhalt des ersten Bandes. Einleitung.
Seite
Geschichtlicher Ueberblick Die Sprachen und Völker des alten Italiens Verhältniss des Oskisch-Umbrischen zum Lateinischen . . . . Verhältniss der oskisch-umbrischen Dialekte unter sich . . . Das Oskische Die sabellischen Dialekte Das Volscische Das Umbrische Chronologie der Inschriften Indirecte Quellen Dauer der Dialekte
1 6 8 12 14 18 24 26 29 36 39
Lautlehre. Schrift und Orthographie Alphabet Consonantengemination Vocalgemination Bezeichnung der Länge durch A h als Trennungszeichen i longa Consonantische Aspiration Oskisch i Unächtes ei Darstellung der Vocale in griechischer Schrift Das Zeichen ζ Vocale ä ä e e l i
41 41 50 55 57 60 61 61 62 64 . . 67 70 75 75 77 83 89 % 102
VI
Inhalt. Seite
ο ö ü ü Anmerkung Diphthonge
108 116 122 129 136 137 141 ei 144 oi 150 au 154 ou 157 Lange Diphthonge 161 i u als C o n s o n a n t e n 165 i 165 Postconsonantisch 165 Lautgruppe wj 169 Intervocalisch 174 u 180 Postconsonantisch 182 Assimilation (In etc.) 185 Intervocalisch 198 L ä n g u n g und K ü r z u n g von Vocalen 206 Vocalsyncope 212 In Mittelsilben 213 In Schlusssilben 228 Vocalschwächung 235 Vocalaeeimilation 247 Anaptyxe 251 Anteriorisch 253 Posteriorisch 260 Hiatus und Contraction 271 Ablaut 276 Liquidae . . v 285 Anlaut (umbr. u- aus 1-?) 285 Inlaut (umbr. f rs aus l, Schwund von r l, etc.) . . 289 Nasale 301 Lautgruppen mn, mr, rni, mt, ms etc 301 Auslassung von Nasalen vor Cons 308 Sonantische Liquidae und Nasale 314 Idg. f i 314 Idg. 315 Idg. f l # ψ 319 Neue f l q 323 G u t t u r a l e T e n u i s u n d Media 325 Urft, k = idg. k q1 326
Inhalt.
VII Seite
Urit. g = idg. § g' Urit. kV- g U = idg. q 1 g 2 Fehlen der Labialisation Gutturale + äclitem u kt k g vor e i j ks Guttural + Nasal Ausdrängung von k D e n t a l e T e n u i s und M e d i a Die Tenuis t Assibilation tl, tr 388, ts st tn tktptf Die Media d Umbr. r TS aus D Pälign. d d oder f zu r di dy, Assimilation von d Dental + t L a b i a l e T e n u i s und M e d i a Die Tenuis ρ pt ps pm pn pf Die Media b mb bn Die idg. Mediae aspiratae Idg. gh gxh (g statt Λ 439, f statt Λ 442, Schwund von Λ 445) Idg. g*h Idg. dh Idg. bh Unklare f f zu h, etc Mediae statt tonlosen Spiranten D i e idg. T e n u e s a s p i r a t a e I d g . urit. s und ζ (s)t- (s)k• (s)p- etc
329 331 338 346 350 359 376 379 384 385 385 386 389 390 392 394 396 396 398 405 406 410 413 416 419 424 424 425 427 429 430 432 433 434 436 447 451 456 458 463 465 469 472 473
VIII
Inhalt. Seite
ss sr sn sm sl sd (zd) rs Is ns s zwischen Vocalen Umbrischer Rhotacismus Mouillirung von Consonanten Verdoppelung einfacher Consonanten Vereinfachung von Doppelconsonanten E r w e i c h u n g von Tenues Verhärtung von Mediae Auslaut Vocale Liquidae, Nasale Tenues Mediae (-d) •f -s Betonung Tonanschluss Silbendissimilation
474 476 478 483 486 498 499 514 521 531 537 . . . . . . 545 547 555 563 563 568, 570 573 577 580 581 589 596 599
Einleitung. 1. Geschichtlicher Ueberblick über die E r f o r s c h u n g der o s k i s c h - u m b r i s c h e n D i a l e k t e x ) . Bei den alten Römern kann von einer wissenschaftlichen Beschäftigung mit den oskisch-umbrischen Dialekten noch kaum gesprochen werden, man wolle denn als erste Spuren einer solchen die Erwähnungen von Dialektwörtem bei Varro und Festus gelten lassen. Im Allgemeinen betrachtete man damals wohl diese Idiome als entartete oder bäurische Sprachen mit Geringschätzung 2 ). Nachdem dann in den ersten Jahrhunderten nach Chr. Geburt die Dialekte ausgestorben und dem Lateinischen gewichen waren, konnte eine erneuerte Kenntniss derselben nur aus den Inschriften, welche jene Völker hinterlassen hatten, gewonnen werden. Der früheste Fund, über den wir Kunde haben, ist zugleich der grösste und wichtigste: im Jahre 1444 wurden in dem umbrischen Städtchen Gubbio, dem alten Iguvium, die sieben Erztafeln entdeckt, welche das Hauptdenkmal der umbrischen Sprache bilden. Bis zu den Anfangen einer methodischen Erforschung der Sprache und des Inhalts dieser Tafeln vergingen jedoch noch mehrere Jahrhunderte. Die ältesten Versuche und Textpublicationen rühren von folgenden Gelehr1) Vgl. zum Umbrischen Lepsius De tabulis Eugubinis Iff., Inscriptiones Umbricae et Oscae Iff., Aufrecht-Kirchhoff I 3 ff., Huschke Iguv. Tafeln 6ff., Breal Les tables Eugubines III ff., zum Oskischen Curtius Ztsehr. f. Altthswiss. 1847, 385 ff. 2) In solchem Sinne ist vielleicht die Stelle aus dem Komiker Titinnius qui Obsce et Volsce fäbulantur nam, Latine nesciunt (bei Festus) zu verstehen. 1
2
Einleitung·.
teil her: B e r n a r d i n o B a l d o (Divinatio 1613), van S k r i e c k (Origines 1614), D e m p s t e r (De Etruria regali, verfasst 1619, herausgegeben 1723—24 von B o n a r o t a , mit Beifügung guter Facsimile's sämmtlicher 7 Tafeln), B o u r g u e t (erkannte 1734 die Identität vieler Partien in umbrischer Schrift mit solchen in lateinischer Schrift), M a f f e i , O l i v i e r i (erkannte, dass I k u v i n a Iiouina zum Stadtnamen Iguvium gehöre), G o r i , P a s s e r i , L a m i (Pseudon. Bini), B a r d e t t i . In den Deutungsversuchen dieser Männer herrscht noch durchweg ein planloses, willkürliches Etymologisiren; die Meisten gingen vom Griechischen und Hebräischen aus (van Skrieck gar vom Niederländischen). Der Erste, der mit etwas mehr Methode und kritischem Sinn an die Erklärung der iguvinischen Tafeln herantrat, war L a n z i in seinem berühmten Saggio di lingua Etrusca e di altre antiche d'Italia, Eom 1789; er hat eine Anzahl Wörter richtig gedeutet und als Inhalt der Tafeln mit Bestimmtheit rituale Vorschriften und Litaneien erkannt. Bei Lanzi finden wir auch zum ersten Mal eine, freilich noch sehr bescheidene, Sammlung von oskischen und sabellischen Inschriften, nämlich den Cippus Abellanus (nur die zweite Seite und in völlig entstellender Lesung), die Nummern 117, 125, 126, 140, 184, 208 und einige Münzen, ferner die sabinische Inschrift 280, die volscische Tafel von Velletri 240. Nach Lanzi trat, trotzdem im Jahre 1793 das umfangreichste Denkmal der oskischen Sprache, die Tabula Bantina, aufgefunden worden war, eine Pause von ungefähr 40 Jahren ein. Dann begann die d e u t s c h e Wissenschaft ihre Aufmerksamkeit unseren Dialekten zuzuwenden. Die im zweiten Decennium dieses Jahrhunderts durch Bopp begründete vergleichende indogermanische Sprachforschung konnte nicht ohne anregenden Einfluss bleiben. Zuerst war es K. 0 . Müller, der in seinem 1828 erschienenen Werke über die Etrusker die oskisch-umbrischen Sprachen näher ins Auge fasste. Neben der richtigen Erkenntniss einiger Flexionsformen und mehreren guten Deutungen (ζ. B. f e i t u „facito") war sein Hauptverdienst, dass er mit aller Entschiedenheit das Umbrische und Oskische von dem (seiner Ansicht nach durchaus fremdartigen) Etruskischen sonderte und deren nahe Verwandtschaft mit dem Lateinischen hervorhob. So trat nun das Lateinische mit dem Oskisch-Umbrischen als einheitlicher itali-
§ 1.] Gesch. Ueberblick üb. d. Erforsch, der osk.-umbr. Dialekte.
3
scher Sprachstamm neben die übrigen Glieder der indogermanischen Sprachfamilie 1 ). Im Jahre 183B folgte der erste systematisch angelegte Versuch zu einer Erklärung der umbrischen Sprachdenkmäler, Chr. L a s s e n s (des bekannten Sanskritisten) Beiträge zur Deutung der Eugubinischen Tafeln, in denen die Partie Via 22—59 ausführlich behandelt wurde. Lassen erkannte die Bedeutung einiger weiterer Flexionsformen und gab mehrere richtige Wortdeutungen (ocri-, pase etc.). Im selben Jahre erschien die Dissertation von L e p s i u s , De tabulis Eugubinis, deren wichtigstes Verdienst die definitive Bestimmung des altumbr. Alphabets (noch Lassen hatte ζ. B. ζ als χ gelesen) und die Fixirung der Reihenfolge der Tafeln war. Diesen Arbeiten gegenüber zeigt G. F. G r o t e f e n d s (des Entzifferers der persischen Keilschrift) Werk Rudimenta linguae Umbricae, erschienen 1835—1839, einen merklichen Rückschritt durch den Mangel an einer festen Methode und ein regelloses Etymologisiren, das oft an Lanzi und seine Vorgänger erinnert·, doch findet sich eine nicht unbeträchtliche Anzahl guter Einfalle. Ziemlich vernachlässigt war bisher das Oskische, was sich bei dem Fehlen einer nur irgendwie zuverlässigen Sammlung von oskischen Inschriften leicht begreift. Grotefend in seinen 1839 erschienenen Rudimenta linguae Oscae bietet nur wenig Inschriften mehr als Lanzi (die Tab. Bant, und einige pompejanische) und die Lesung ist noch überall äusserst fehlerhaft, selbst in der lateinisch geschriebenen Tab. Bantina. Diesen Uebelständen half 1841 Lepsius ab durch die sorgfaltige Ausgabe von oskischen Inschriften in seinen Inscriptiones Umbricae et Oscae (mit Tafeln). Er gibt ausser den Münzen bereits 28 oskische Inschriften. Nun kam auch die Erforschung des Oskischen in Fluss. Schon 1839 war K l e n z e s Arbeit über die Tab. Bantina, 1841 in Neapel A v e l l i n o s Schrift Conghietture sopra un' iscrizione sannitica erschienen. 1842 gab C. P e t e r in der Allg. Litteraturzeitung eine gute Darstellung der oskischen Formenlehre und treffliche Bemerkungen zum Cipp. Abell. und anderen Inschrif1) Die Unrichtigkeit der von K. 0. Müller noch getheilten Ansicht von einem griechischen und einem ungriechischen Bestandtheil im Lateinischen (und Oskisch-Umbrischen) war bereits mehrfach ausgesprochen worden.
4
Einleitung.
[81.
ten. Alsdann folgten die Vorläufer von Mommsens Unteritalischen Dialekten, seine Oskisehen Studien 1845 (ausführlich recensirt von Corssen), Nachträge dazu 1846 und Aufsätze im Bulletino und den Annali dell' Istituto. Die „Nachträge" berichtigten in vielen Punkten die Lesung von Lepsius. Die 1848 aufgefundene Tafel von Agnone wurde noch im gleichen Jahre von Henzen und von Mommsen in den Annali behandelt. Im Jahre 1850 erschienen endlich Mommsens „Unteritalische Dialekte". Dieses für die Folgezeit grundlegende Werk brachte eine zusammenfassende und systematische Behandlung des gesammten damals bekannten Materials nach den verschiedenen Seiten hin: Alphabet, Grammatik, Lexicon, sachliche Interpretation, Abgrenzung der Dialekte, Chronologie, ausserdem sehr genaue Reproductionen der Inschriften, die durch Zvetaieffs Abbildungen in der Sylloge (1878) nur in ganz vereinzelten Puneten verbessert wurden. Ungefähr zur selben Zeit erschien auch für's Umbrische, an dem sieh in der Zwischenzeit noch K n ö t e l in einem verdienstlichen Aufsatze (Ztschr. f. Altthswiss. 1848) versucht hatte, das grundlegende Hauptwerk, die „Umbrischen Sprachdenkmäler" von Aufrecht und Kirchhoff (11849, II 1851), gleich ausgezeichnet durch strenge Methode wie durch Gelehrtheit und Scharfsinn; nach der grammatischen Seite hin ist dieses Werk dem Mommsenschen weit überlegen. In der nächstfolgenden Zeit wurde die damals begründete Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung von Kuhn und Aufrecht das Hauptorgan für die Studien auf dem Gebiete der italischen Dialektforschung. Die meisten und besten Aufsätze in den acht ersten Jahrgängen (1852—59) lieferten B u g g e und Ebel. Ausserdem fällt in diese Zeit namentlich K i r c h h o f f s meisterhafte Abhandlung Das Stadtrecht von Bantia (1853), welche die Klenze-Mommsensche Auffassung der Tab. Bantina als Agrargesetz beseitigte. Der Erste, der wieder die Dialektdenkmäler im ganzen Umfang behandelte, war Huschle e: 1856 Die osk. und sabell. Sprachdenkmale, 1857 Die kleineren umbr. Inschriften (Rhein. Mus. XI 340—378), 1859 Die iguvischen Tafeln. Neben vielem Scharfsinn und genauer Kenntniss der römischen Alterthümer zeigen diese Arbeiten das Walten einer ungezügelten Phantasie und völlig verkehrte grammatische Anschauungen; charakteristisch ist besonders, dass fast Alles aus dem Griechischen erklärt wird. Trotzdem sind
§ 1.] Gesch. Ueberblick üb. d. Erforsch, der osk.-umbr. Dialekte.
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Huschkes Arbeiten im Allgemeinen zu geringschätzig behandelt worden; namentlich das Werk über die iguv. Tafeln enthält eine sehr grosse Zahl guter neuer Gedanken, in denen später vielfach Bücheler mit Huschke zusammentraf. Viel unbedeutender ist N e w m a n ' s 1864 erschienene Interpretation der iguv. Tafeln1). In den 60ger Jahren war Corssen der hervorragendste Gelehrte auf dem Gebiete der italischen Sprachforschung. Seine Arbeiten über das Oskische und Sabellische (das Umbrische berührte Corssen mehr nebenbei) sind hauptsächlich in der Kuhnschen Zeitschrift niedergelegt von Band IX (1860; ein kürzerer Aufsatz schon in Band V) bis Band XXII (1874), ausserdem ist namentlich die Schrift De Volscorum lingua (1858) und die Nachlese zu Mommsens Unterital. Dialekten in der Ephemeris epigraphica II (1874) zu erwähnen. Ausführlich berücksichtigt sind die Dialekte auch in Corssens Hauptwerk Aussprache Vocalismus und Betonung der latein. Sprache und dessen Nachtrag Beiträge zur italischen Sprachkunde (1876, posthum). In den letzten Arbeiten zeigt sich öfters ein hartnäckiges Festhalten an einmal aufgestellten Ansichten. Aus der Corssenschen Zeit sind noch zu nennen die Arbeiten von Z e y s s (De vocabulorum Umbricorum Actione 1861—65, weniger gut einige Aufsätze in Kuhns Zeitschrift) und die verdienstlichen Bearbeitungen der oskischen Laut-und Formenlehre von B r u p p a c h e r (1869) und E n d e r i s (1871), welche auf Corssenschen Anschauungen fassen. Mitte der 70ger Jahre beginnen dann die Arbeiten von Β real und Büc h e l e r auf unserem Gebiete. Des Ersteren Hauptwerk ist das 1875 erschienene vortreffliche Buch Les tables Eugubines; auch mit dem Oskischen und den kleineren Dialekten hat sich Breal öfters mit Glück beschäftigt (Aufsätze in den Mdmoires de la societe de linguistique, der Revue archeologique etc.). Gleichzeitig mit Breal begann Bücheler seine Untersuchungen über's Umbrische zu veröffentlichen in Fleckeisens Jahrbüchern 1875, fortgesetzt in einigen Bonner Programmen. Diese zerstreuten Aufsätze sind (stellenweise umgearbeitet) vereinigt und mit Grammatik und Glossar versehen in den Umbrica (Bonn 1883). Büchelers Behandlung der iguvinischen Tafeln zeichnet 1) Ganz werthlos scheint R a b a s t 6's mir unbekanntes Buch La langue Osque (1865) zu sein (vgl. ζ. B. Havet Rev. crit. 1878,171).
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Einleitung.
sich namentlich durch die Sicherheit des Urtheils in sachlichen Dingen und ein feines Gefühl für das Wahrscheinliche im Sinn und Zusammenhang aus. Die Arbeiten Büchelers über das Oskische und die sabellischen Dialekte sind meistentheils im Rhein. Museum veröffentlicht, vom dreissigsten Band (1875) bis in die letzten Jahrgänge, welche die mustergültigen Publicationen der neuesten capuanischen Inschriftenfunde enthalten; ausserdem ist zu erwähnen die Behandlung des Cippus Abellanus in den Commentationes Mommsenianae, diejenige der Tabula Bantina in Bruns' fontes juris Romani und das Lexicon Italicum. Nach langer Pause ist auch B u g g e wieder mit ausgezeichneten Arbeiten auf diesem Gebiete hervorgetreten, den Aufsätzen im 22. Bande von Kuhns Zeitschrift (1874) und den „Altitalischen Studien" (1878). Durch inhaltsvolle Recensionen hat sich in älterer und neuerer Zeit Sc Ii we i z e r - S idl e r Verdienste erworben. Aus der neuesten Zeit sind von vergleichenden Sprachforschern vor Allem D a n i e l s s o n (Aufsätze in Paulis Altital. Stud. III und IV) und B r u g m a n n (Behandlung des Oskisch-Umbrischen im Grundriss der vergl. Gramm, der idg. Sprachen, neuesiens ein Aufsatz in den Sitzungsber. der sächs. Ges. der Wiss.) zu nennen. Den letzten Jahren gehören auch einige Arbeiten von P a u l i (Altit. Stud. II, Y) und D e e c k e auf unserem Gebiete an. Eine neue Ausgabe des inschriftlichen Materials (ausser dem umbr.) mit Litteratur-Angaben und Inschriften-Tafeln verdanken wir Z v e t a i e f f in seiner Sylloge inscriptionumOscarum(1878) und seinen Inscriptiones Italiae mediae dialecticae (1884—85), beide mit Glossar; die sämmtlichen (nichtumbr.) Inschriften sind dann vereinigt in Zvetaieffs Inscriptiones Italiae inferiores dialecticae (1886), ebenfalls mit Glossar, doch ohne die Inschriften-Tafeln. 2. Die Sprachen und Völker des alten Italiens. Auf der italischen Halbinsel bestanden einst, ehe das Lateinische alles Andere überwucherte, sehr verschiedenartige Sprachen. Man bezeichnet unter denselben als „italische" („altitalische") im engeren Sinne diejenigen, welche von dem indogermanischen Stamme der Italiker gesprochen wurden; die Hauptmnndarten dieses Sprachzweiges waren Lateinisch, Oskisch und Umbrisch (über das Etruskische s. u.). Von dieser Gruppe sind scharf zu sondern die Sprachen der übrigen auf der Halb-
§ 2.]
Die Sprachen und Völker des alten Italiens.
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insel niedergelassenen Stämme indogermanischer, z. Th. auch dunkler Herkunft, der Messapier, Veneter, Gallier, Ligurer u. s. w. Der grösste Theil dieser nicht specifiseh „italischen" Sprachen ist ziemlich spurlos untergegangen, aus inschriftlichen Resten einigermassen bekannt ist das M e s s a p i s c h e und das V e n e t i s c h e , welche beide dem illyrischen Sprachkreise (dem wahrscheinlich auch das Albanesische entstammt) beigezählt worden sind, freilich vorläufig ohne endgültige Beweise 1 ). Immer noch ungelöst ist die Frage nach der Herkunft der E t r u s k e r , deren Sprache uns in ungefähr 6000 Inschriften (worunter jedoch nur wenige, die einen zusammenhängenden Text bieten) erhalten ist. Deecke hält das Etruskische, wie früher Corssen, für eine specifisch italische, mit dem Lateinischen aächstverwandte Sprache, Bugge für einen selbstständigen Zweig des Indogermanischen (neuestens für einen Verwandten des Armenischen, s. Etruskisch und Armenisch I, Christiania 1890); von Anderen dagegen, wie Pauli, Schäfer, Breal, 0 . Gruppe (früher auch von Deecke selbst) wird der indogermanische Charakter des Etruskischen entweder entschieden in Abrede gestellt oder doch für völlig unbeweisbar erklärt 2 ). Auch uns gilt die Hypothese des indogermanischen Ursprungs als unerwiesen. Es wird im Folgenden nur ausnahmsweise vom Etruskischen die Rede sein. Das Italische im engeren Sinne, zu dem wir nun zurückkehren, bildet eines von den acht Hauptgliedern der indogermanischen Sprachfamilie, welche nach der üblichen Reihenfolge sind: Arisch (Altindisch und Altiranisch), Armenisch, Griechisch, Albanesisch, Italisch, Keltisch, Germanisch, Baltisch-Slavisch (Näheres s. bei Brugmann I 3 if.). Mit dem Italischen am nächsten verwandt ist sehr wahrscheinlich das Keltische, von den übrigen Sprachen v i e l l e i c h t 3 ) das Griechische. Das Italische selbst zerfällt in zwei Hauptgruppen, 1) Ueber's Messapisehe vgl. besonders Deecke Rh. Mus. 36, 576ff.; 37, 373ff.; 40, 133ff. (die Aechtheit vieler Inschriften ist noch zweifelhaft, s. Kühl Β. Β. XIV 307 f.), über's Venetische Pauli Inschriften nordetr. Alphabets und jetzt Altitalische Forschungen III. 2) Vgl. noch ζ. B. Bücheler Pop. Iguv. lustr. 3, Stolz 2 248, Schweizer-Sidler2 1, Nissen Ital. Landeskunde 495 f. 3) Vgl. über diese vielumstrittene Frage Stolz 2 247 und die dort citirte Litteratur.
8
Einleitung.
das Lateinische mit einigen anderen Dialekten, von denen aber nur das Faliskische x ) .einigermassen bekannt ist, einerseits, die oskiseh-umbrischen Dialekte andererseits. Letztere werden so genannt 2 ) nach den beiden Hauptmundarten, welche zugleich die Endpuncte des Sprachgebietes bilden, Oskischim Süden (Samnium, Campanien, z. Th. Lucanien und Bruttium, Messana), Umbrisch im Norden. Sprachlich wie geographisch zwischen beiden drin liegen, nur aus ziemlich dürftigen Resten bekannt, die sogen, sabellischen Dialekte: Marsisch, Pälignisch, Marrucinisch, Vestinisch, Sabinisch, Piceniscli etc. und das Volcische, erstere dem Oskischen, letzteres nach der gewöhnlichen Annahme (doch s. u. § 7) dem Umbrischen näher stehend 8 ). 3. Verhältniss des Oskisch-Umbrischen zum Lateinischen. Die Uebereinstimmung des Osk.-Umbrischen mit dem Lateinischen, wie sie in Laut- und Formenentwicklung, Stammbildung, Syntax und sehr stark auch im Wortschatz, kurz im ganzen Umfang der Sprache zu Tage tritt, ist eine so grosse und augenscheinliche, dass an der nahen Verwandtschaft der beiden Zweige und der Berechtigung, dieselben auf eine gemeinsame italische Ursprache zurückzuführen, kein Zweifel bestehen kann. Nähere Uebereinstimmungen bloss des einen Zweiges mit ausseritalischen Sprachen beruhen theils auf zufälligem Zusammentreffen in der Bewahrung von Ursprünglichem, ζ. B. Nom. PI. 1) Grammatik bei Deecke, DieFalisker 245—274, Glossar ebenda 230—244. 2) Andere Bezeichnungen sind umbrisch-samnitisch (so ζ. B. Brugmann) oder umbrisch-sabellisch. 3) Vgl. über die Sprachen- und Völkerverhältnisse im alten Italien u. a. Müller Etrusker I 1 44 f., 70 ff., Kämpf Umbricorum specimen (1834), Klenze Philol. Abh. 55—105, Grotefend Zur Geographie und Geschichte von Altitalien (Hannover 1840—42), Lepsius Ueber die tyrrhenischen Pelasger in Etrarien (Lpz. 1842), Abeken Mittelitalien vor den Zeiten römischer Herrschaft (1843), Mommsen U. D. passim und Köm. Gesch. I. Buch, Knötel Der opisch-lateinische Volksstamm (Glogau 1853), Heibig Die Italiker in der Poebene (1879), Nissen Ital. Landeskunde (1883), Pauli Die Inschrr. nordetr. Alphabets und jetzt Altital. Forsch. III 413 ff., Deecke in Gröbers Grundriss I 335—350 (mit Litteraturangaben), Kovaö Listy filologick61889, Iff., Fligier Zur prähistor. Ethnologie Italiens (1877) und Die Urzeit von Hellas und Italien (1881).
§ 3.]
Verhältniss des Oskisch-Umbrischen zum Lateinischen.
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der o-Stämme auf -ös osk. A b e l l a n ü s umbr. I k u v i n u s wie got. vulfös gegenüber -oi in 1. equl gr. ίπποι, theils auf gesonderter gleichmässiger Entwicklung, ζ. B. hat das ρ in osk. p ü t ü r ü s p i d umbr. podruhpei so wenig direeten Zusammenhang mit demjenigen in gr. πότερον, als die lat. Media in amabo medius mit derjenigen in air. no charub oder got. midjis und urslav. *media (aksl. mezda). Neben der grossen Uebereinstimmung im Allgemeinen bestehen nun aber im Einzelnen zahlreiche U n t e r s c h i e d e . Die wichtigeren Merkmale des Osk.-Umbrischen gegenüber dem Lateinischen sind folgende : a) l a u t l i e h e : die Vertretung von urit. Jeu gu lat. qu u (gu nach n) durch ρ b, ζ. B. pis 1. quis, biuo- beru- 1. uiuus ueru; die Erhaltung der urital. Spiranten auch im Inlaut, wo sie im Lat. zu Medien wurden, z. B. alfo- 1. albus, mefio 1. medius1), die weitgehende Syncope kurzer Yocale z.B. osk. actud „agito", factud „facito", Vezkei 1. uetuscus, umbr. mersto- 1. *medestus (imodestus), namentlich auch in Endsilben ζ. B. osk. hürz = 1. Jiortus, umbr. μ i h a ζ = piatus; der Wandel von Jet zu ht, pt zu ft (umbr. weiter ht), ζ. B. o. U h t a v i s „Octauius", seriftas „scriptae", u. r e h t e „recte" (screihtor „scripti"); die Assimilation von nd zu nn (wohl auch mb zu mm), z.B. o. ü p s a n n a m „operandam", u.pihaner „piandi"; die Assimilation von Jcs zu ss (s), ζ. B. o. d e s t r s t u. destra- 1. dextra, o. m e d d i s s aus *meddiJe(e)s, u. uas aus *udk(o)s (ebenso wurde wohl urspr. ps zu ss, s. § 208); die Erhaltung von s vor Nas. und Liq. im An- und Inlaut, ζ. B. o. slaagi-: 1. locus, u. s n a t a : 1. nare, o.-u. fesna-: 1. fänum — *fasnum, päl. prismu: 1. primus, ebenso vor d in u. sistu = *sisd(e)tu 1. sidito; die Behandlung von auslautendem urspr. -ns (-nts etc.), das im Umbr. als - f , im Osk. als -f und -gs erscheint; die Verdumpfung von ~a zu -ο, ζ. B. o. vi vi „uia", u. proseseto „prosecta"; die doppelte Vertretung von rs, ^nämlich im Osk. r mit Ersatzdehnung und rr mit kurzem Vocai (teerum, Kerri), im Umbr, rs und rf (tursitu, Serfo-); die Entwicklung des ei ou in der Richtung nach (ee) e, (oo) δ (im Osk. jedoch noch kaum spürbar) gegenüber derjenigen 1) In diesem Puncte geht das Faliskische und Lanuviuische mit dem Osk.-Umbrischen, s. § 214.
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Einleitung.
[9 8.
zu (ii) i, (uu) ü im Lateinischen 1 ); die Schwächung- des unbetonten ä zu ο u gegenüber derjenigen zu ei im Lat. b) f l e x i v i s c h e : das «-Futurum gegenüber dem lat.-fal. f- δ-Futurum z. B. o. deiuast u. p r u - p e h a s t : fal. pipafo 1. amabo; die schwachen Perfecta, nämlich das /"-Perfeetum (ζ. B. o. a a m a n a f f e d u. andersafust), das ί-Perfectum (ζ. B. o. d a d i k a t t e d ; im Umbr. nicht belegt), das Z-Perfectum (u. * enteleid) entelust\ im Osk. nicht belegt), das «&-Perfectum (u. combifiansi etc., im Osk. nur das sehr zweifelhafte Beispiel λιοκακειτ), ferner die Perfecta wie o. u u p s e n s von opsä-, u. *portens portust von porta-, alle an Stelle des lateinischen «-Perfects (das jedoch wahrscheinlich auch selbst im O.-U. vorhanden war); die Bildung des Fut. ΙΪ aller Verba mit -us-, ζ. B. o. per-emust „peremerit"; der Inf. auf -om z.B. o. deik u m „dicere", u. a{n)-fero{m) „eircumferre"; die secundären Personalendungen -d -ns (die erstere wie es scheint auch altlat.); der Imperativ auf *-möd *-mör (letzteres mit angefügtem Passiv-»*), ζ. B. u. persnimu o. censamur, falls *-möd nicht aus *-mnöd 1. -mino erklärt werden kann; die Pluralimperative auf *-töta *-mömä (nur umbr. belegt); -er im Pass, neben -or -ur (letzteres nur umbr. belegt), ζ. B. o. s a k a r a t e r gegenüber 1. sacratur\ relative Häufigkeit von Passivformen des Perf. Conj. und Fut. II, ζ. B. o. l a m a t i r s a k r a f i r comparascuster, u. pihafi(r) benuso(r) (?), vgl. altl. turbassitur etc.; Bildungen wie u. stahitu o. s t a i t s t a h i n t s a k a h i t e r s a k r u v i s t von Verben auf urspr. -aiö -uiö\ weitere Verbreitung der Participia auf -eto- (-lto-'ί) zu «-Verben wie spätlat. rogitus probitus, ζ. B. u. oseto „operata", o. prixftü- (syncopirt) = 1. probitu-s; die Beibehaltung der ursprünglichen Endung -ös im Nom. PI. und -om im Gen. PI. der substantivischen o-Stämme und Ausdehnung derselben auf die Pronomina (ζ. B. Nom. PI. o. p ü s , Gen. PI. u. erom), während im Lat. umgekehrt dis Pronominalendung auf die Substantiva übertragen wurde (egul equörum); Bewahrung der Endung -as im Gen. Sg. und Fom. PI. der « Stämme, im Lat. in beiden Casus durch -αϊ-ae verdrängt; der Aße. Sg. der cons. Stämme auf -om, neugebildet anstelle der im Lat. bewahrten Endung -em· aus -m; der Gen. Sg. der o- i- und cons. Stämme auf-eis (umbr. -es -er) gegen1) Auch hier geht das Faliskische mit dem Osk.-Umbrischen.
§ 3.]
Verhältniss des Oskisch-Umbrischeii zum Lateinischen.
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über 1. -I aus -ei (-oi?) bei den o-Stämmen und -is (aus -is) bei den i- und cons. Stämmen (bei den i-Stämmen bewahrt das Osk.-Umbrische, bei den o- und cons. Stämmen das Lateinische das Ursprünglichere); Bewahrung von -es (dessen e syncopirt wurde) im Nom. PI. der cons. Stämme gegenüber der lat. Neubildung -es (nach den z-Stämmen); Bewahrung des Locativs der o-Stämme auf -ei in lebendiger Casusfunction; Dat. Sg. auf -oi (woraus umbr. -e) gegenüber lat. -ö (letzteres jedoch auch vestinisch und sonst vielleicht vereinzelt), wobei allerdings die Möglichkeit, dass beide auf dieselbe Form -oi zurückgingen, nicht ausgeschlossen ist; wahrscheinlich Einiges in der Flexion der io-Stämme, worüber § 275 ff. Verallgemeinerung der Form -in- (-in-?) bei den iew-Stämmen gegenüber derjenigen von -tön- im Lat. (z. B. u. n a t i n e 1. natiöne), ausgenommen im Nom. Sg., wo das Oskische gewöhnlich -iuf (wohl = -iön + s) hat; vgl. auch die Tiefstufe in u. u h t r etie k v e s t r - e t i e gegenüber 1. auctör-itas (in letzteren Wörtern ist auch Suff, -tie- gegenüber 1. -tat- zu beachten, s. §264). c) s y n t a k t i s c h e : grosse Beliebtheit der Postpositionen (-en, -Tconi, -ad, -per)·, Präpos. op, post (anter) mit dem Ablativ; zuweilen Casus ohne Präpos., wo das Lat. eine Präpos. setzt, ζ. B. u. nesimei asa est „proxime ab ara est", vgl. auch die oben erwähnte Erhaltung des Locativs als lebendiger Casus ζ. B. o. thesavref lat. in thesauro; der Gen. als Object in u. s t r u l i c l a s f i k l a s s u f a f i a s k u m a l t u e t c . und als Zeitbestimmung in o. zicolom XXX nesimum. Andere Einzelheiten s. in der Syntax. d) l e x i c a l i s c h e : einige wichtigere sind her- 1. uelle, touta- 1. ciuitas, ais- in Wörtern für deus diuinus, ner- „άνήρ" neben uiro-, *med(o)s 1. iüs, *pür (u.pir o. p u r a s i a i ) 1. ignis, Tcupro- 1. bonus, ο. ualaemo- 1. optimus, o. egma- 1. res (dagegen u. re-), o.-sabell. eitua-1. pecunia, o. tangion-1. sententia, u. *tudes- I. finis, u. fe- neben fak- „facere", Pron. o. eizou. ero- „is, ille", o. eko- eJcso- u. es(s)o- „hie", Präpos. anter 1. inter, *dad 1. de, an- privativum 1. in-. Am meisten Gewicht haben unter den angeführten die flexivischen Unterschiede, die in der That für so nahe zusammengehörige Dialekte auffallend gross sind1). 1) Umgekehrt sind ζ. B. zwischen den beiden Zweigen des
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Einleitung.
Wann und wo sich die Lostrennung der osk.-umbr. Gruppe von der lateinischen vollzog oder (wie man sich auch ausdrückt) die uritalische Einheit sich auflöste, und ob die Continuität zwischen den beiden Gruppen überhaupt einmal völlig unterbrochen war, ist bei der Unsicherheit aller Vermuthungen über die altitalischen Völkerzüge schwer zu entscheiden1). 4. Verhältniss der osk.-umbrischen Dialekte unter sich. Die Unterschiede zwischen Oskisch und Umbrisch sind im Verhältniss zu ihren gemeinsamen Merkmalen gegenüber dem Lateinischen unbedeutend. Sie beruhen zum grössten Theil auf secundären Lautvorgängen im Umbrischen: das Umbrische monophthongisirt die Diphthonge; es wandelt d zwischen Vocalen zu f rs; es assibilirt Je vor ei zu 9 g zu i (j>); es erweicht die Tenues (und f?) nach Nasalen, ebenso pr zu br, z. Th. auch tr zu dr\ es wandelt ft (ζ. Th. aus pt) zu ht, secundäres (durch Syncope entstandenes) Jet zu it (jt) ζ. B. aitu = 0. actud\ es rhotacisirt inlautendes s (ζ) zwischen Vocalen; es wandelt ü zu ( ü ) 1 (allerdings wahrscheinlich auch ban tinisch), um zu om, secundäres ps zu ss (osatu: 0. üpsa-), secundäres ms zu ns (onse aus *omeso-: 0. Niumsis aus *Nomesio-), nss rss = ntt rtt zu (n)f rf (mefa trahuorfi, gegenüber 0. Fepffopei), altes It zu t (motar etc.; eine Spur davon wohl im Bantinischen in der einmaligen Schreibung atrud); es lässt auslautendes -d regelmässig schwinden (Abi. Sg., Imper. etc.; über - a f s. §254), vielfach auch andere Consonanten wie -s -r -f -t\ es wandelt, wie es scheint, inlautendes l zwischen Vocalen z. Th. (vor i e?) zu r rs\ weniger sicher ist, ob anArischen, dem Altindischen und dem Altiranischen, die flexivischen Unterschiede gering, die lautlichen sehr gross. Auch die griechischen Dialekte zeigen unter sich verhältnissmässig weniger schwerwiegende flexivische Unterschiede als die italischen. 1) Deecke bei Gröber I 337 denkt an die „vorhistorische Wanderzeit, als das Volk Italien noch gar nicht erreicht hatte, sondern auf dem Zuge dahin in den Donauebenen oder den Alpen rastete" ; man könnte auch bis auf die Periode des Aufenthaltes in der Poebene oder des successiven Wegzuges der Stämme von dort nach dem Süden herabgehen. Uebrigens haben die Unterschiede sich natürlich zu verschiedenen Zeiten und ganz allmälig entwickelt, waren also z. Th. jedenfalls schon in der Periode des „Zusammenlebens1' vorhanden.
§ 4.]
Verhältniss der osk.-umbrischen Dialekte unter sich.
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lautendes l zu u wurde, sehr unsicher, ob sue- im Umbr. zu so- wurde gegenüber Erhaltung im Oskischen. Dagegen ist die jüngere Lautstufe auf Seite des Oskischen in der weiter gehenden Wandlung von e ΰ zu l ü ( f i i s n a - : u. f e s n a - , s v e r r u n e i : u. Uofiöne etc.), in der Entwicklung der Anaptyxe vor und nach Nas. und Liq., in der Assimilation von unbetontem e in derselben Stellung (pertumum aus *pertemum etc.), iu der Wandlung von ü nach Dentalen zu i u (wohl = ü). Sonstige lautliche Verschiedenheiten: idg. -ns wird osk. -ss, umbr. -/"; rs wird osk. r mit Ersatzdehnung davor oder rr mit kurzem Vocal ( t e e r ü m : Κ e r r i ) , umbr. rs oder rf (tursitu: Serfo-), vgl. auch das oben erwähnte o. Fepaopei: u. trahuorfi. F l e x i v i s c h e U n t e r s c h i e d e zwischen Osk. und Umbr. sind selten: das Osk. bildet den Abi. Sg. der consonant. Stämme auf -od -ud, das Umbr. auf -e; das Osk. bildet den Dat.-Abl. PI. der cons. Stämme auf -iss, das Umbr. auf -uss; im Osk. ist das Z-Perf. und wÄr-Perf. nicht nachgewiesen (Xioκακβιτ sehr zweifelhaft), im Umbr. das f-Perfect. Als l e x i c a l i s c h e U n t e r s c h i e d e sind etwa zu nennen o. egma-: u. re-} o. inim „et": u. et (inum ennom „tum"), die Verwendung von -dum im Osk., -hont im Umbr. zur Bezeichnung der Identität (is-i-dum: er-i-hont etc.), die Verwendung von es- im Osk., fu- im Umbr. im Imperativ von „sein" (o. e s t u d u. f u t u fututo), o. s i f e i päl. sefei „sibi" gegenüber u. seso „sibi", osk. eko- neben eJcso- für „hic", umbr. nur es(s)o- (wohl aus
*elcso-).
Die Z w i s c h e n d i a l e k t e schliessen sieh fast immer entweder dem Osk. oder dem Umbr. an; besondere Eigentümlichkeiten der Zwischendialekte sind: die Dative Sg. auf -ä -0 (jedoch Spuren davon vielleicht auch im Osk. und Umbr., s. § 271, 273), der Dat. PI. auf -os neben -ois (nicht ganz sicher, s. § 274), die Bewahrung von -ä als -a statt -o (doch vgl. aumbr. -a und s. § 29), auf der pälign. Herentasinschrift d aus d zwischen Voc. (doch vgl. umbr. f) und -cirix aus *-trix').
Die Einheitlichkeit der osk.-umbr. Gruppe gegenüber der lateinischen wird durch die oben angeführten, im Ganzen doch 1) Von den „altsabellischen" Inschriften (281—289) ist hier abgesehen, s. über dieselben Band II, Anhang.
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Einleitung1.
[§ 5.
geringen Unterschiede zwischen einzelnen Gliedern derselben nicht wesentlich beeinträchtigt. Auch durch Uebereinstimmungen wie die des Umbr. mit dem Lat. im Wandel von oi zu w (umbr. wohl ö) und im Rhotacismus, während im Osk. oi und s erhalten blieben, geschieht dies nicht, da es klärlich spät aufgekommene Lautwandlungen sind (in Rom beide erst zu Anfang der historischen Zeit), die ihr eigenes, von den eigentlichen Dialektgrenzen verschiedenes Gebiet hatten. Es mag demnach gestattet sein, von „uroskisch-umbrischer" Sprache zu reden, sofern man sich nur gegenwärtig hält, dass dieser Ausdruck, was ja grossentheils auch von der Bezeichnung „ur i t a l i s c h " gilt, cum grano salis zu verstehen ist. Vorsichtigere Ausdrücke sind „gemeinitalisch", „gemeinoskischumbrisch". δ. Das Oskische war die Sprache der Samniter, eines von den Sabinern oder Sabellern ausgegangenen oder doch mit ihnen nächstverwandten Stammes, wie der Name (Samnium aus *Sabniom *Safniom, Sabellus aus *Safnolos) und die Ueberlieferung der Alten lehrt1). Es gehören zu diesem Stamme ausser den Samnitern im engeren Sinne die Frentaner, die Hirpiner und die Campaner; ferner breiteten sich die Samniter und das Samnitische über den nordwestlichsten Streifen von Apulien, sowie über Lucanien und Bruttium (ausgenommen die östlichen Küstenstriche) aus und auf Sicilien ist Messana eine samnitische Colonie (Mamertiner). Auf allen diesen Gebieten haben sich oskische Inschriften gefunden. Oskische Schrift zeigen auch die a u r u n k i s e h e n Münzen und zwei im A e q u i s c h e n gefundene Inschriften, doch s. über erstere § 238, über letztere S. 22 f. Die canipanischen Samniter waren aus dem Gebirge nach Campanien herabgestiegen und hatten den dort wohnenden (nicht samnitisclien) Stamm der Osker unterworfen (423 a. C. Besetzung von Capua, 420 von Cumae, U. D. 104). Von letzterem hatten sie nach der gewöhnlichen Ansicht den Namen oskisch statt samnitisch für ihre eigene, dann auch die Sprache der übrigen Samniter, angenommen2). 1) Vgl. zum Folgenden Mommsen U. D. 109ff., Deecke a. 0. 338ff., Jung Iw. Müllers Handb. III 580ff. 2) Dagegen vermuthet Deecke (339), wie schon 0. Müller
§5.]
£>as Oekische.
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Eine oskiscbe höhere Cultur und oskisehe, der gleichzeitigen lateinischen vielleicht ebenbürtige oder überlegene Litteratur scheint namentlich für Campanien mit Fug angenommen werden zu dürfen, s. Mommsen U. D. 101, 116 if., Kirchhoff Allg. Monatsschrift 1852, 596, Breal Mem. soc. IV 383 f., Deecke a. 0 . 339 f. (vgl. Nissen a. 0 . 523 f.) 1 ). Dass die E t r u s k e r in früher Zeit (man nimmt an etwa vom achten Jahrhundert a. C. bis zur samnitischen Einwanderung im letzten Viertel des fünften Jahrhunderts) in Campanien Niederlassungen hatten, vielleicht sogar eine Art Herrschaft ausübten, namentlich in einer Anzahl grösserer Städte wie Capua (etrusk. Name Volturnum?) und Nola, wird wohl mit Recht von den Meisten angenommen 2 ). Ausser den Nachrichten der Alten sprechen namentlich auch die in beträchtlicher Anzahl aufgefundenen Thongefasse mit etruskischen und etruskiach geschriebenen oskischen Aufschriften dafür (über letztere s. Band II, Anhang, zu 172—179)3). Wahrscheinlich waren die Etrusker Anfangs den Oskern an Bildung überlegen; sie mögen damals letzteren ihr Alphabet überliefert haben, welches später allerdings einige Modificationen erlitt (s. § 12 f.). Die oskisehe Sprache ist uns (von den eben erwähnten Gefässinschriften, bei denen zwischen Oskisch und Etruskisch Etrusk. I 1 40, die samnitischen Campaner hätten wirklich die Sprache der unterlegenen, aber höher gebildeten Osker angenommen und dieselbe dann auch ihren Stammgenossen in den übrigen Gegenden mitgetheilt, so dass uns doch die richtige oskisehe, nicht eine so getaiifte samnitische Sprache erhalten wäre. Deeckes Argument, das uns überlieferte Oskisch könne nicht für eine sabellische Sprache gelten, scheint mir jedoch keineswegs durchschlagend, die, so weit man bis jetzt sieht, sehr nahe Verwandtschaft des Pälignischen mit dem Osk. (s. u.) spricht wohl im Gegentheil eher gegen Deeckes Hypothese. 1) Dagegen Bergk Zeitschr. f. Altthswiss. 1851, 16 (vgl. auch Jordan Krit. Beitr. 159). 2) Am ausführlichsten hierüber O. Müller Etrusker I 166ff. (I 2 160ff.); erwähnt sei noch Deecke bei Gröber I 339, 345f. und ders. Falisker 116 f. Zweifel sind früher von Niebuhr, in neuerer Zeit besonders durch v. Duhn in einem Vortrage über die Geschichte Campaniens an der Trierer Philologenversammlung 1879 (Verhandlungen S. 141—157, spec. 147 ff.) geäussert worden. 3) Deecke Kec. 132 hält auch 116 aus Pompeji für eher etruskisch als oskisch, vgl. Bd. Π Anhang, ebd. über 11.
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Einleitung.
oft schwer zu scheiden ist, abgesehen) in ungefähr 230 Inschriften erhalten, von welchen jedoch viele bloss Namen enthalten, andere arg verstümmelt sind. Die einzigen einigermassen umfangreichen Inschriften sind: die Tafel von Bantia (ein Fragment des Stadtrechts von Bantia), der Cippus von Abella (Tempelvertrag zwischen Nola und Abella), die Tafel von Agnone (Tempelordnung) und die Bleitafel von Capua 128 (Execration). Yon den kleineren Inschriften sind die meisten in Pompeji, neuerdings auch viele in Capua gefunden worden, in den übrigen Gegenden meist nur einzelne. Dem Inhalt nach sind die kleineren Inschriften meistens Weih- und Schenkungsinsehriften oder officielle Urkunden über Bau und Approbation von öffentlichen Gebäuden etc.; die capuanischen befassen sich meistens mit Cultusangelegenheiten (Weihung der iovilae, Viscerationen etc.); ein Seitenstück zur grösseren bildet die kleinere ebenfalls capuanische Verwünschungsinschrift 129 \ ziemlich selten sind Grabinschriften; endlich sind in ansehnlicher Zahl oskische Münzen gefunden worden 1 ). Dialektische Abweichungen innerhalb des Oskischen finden sich namentlich in Capua und in Bantia; in Capua: Fehlen der Anaptyxe, wenn die Liq. in der Lautgruppe die zweite Stelle einnimmt (hierin mit dem Pälign. übereinstimmend, s. § 137 f.), s t a h i n t s t a h i n t für s t a i e t des C. A. (s. § 295, 304), est für ist des C. A. (s. § 31), a v t in der Bedeutung „aut" und „autem" während sonst avt „autem" („at"), dagegen a v t i auti „aut" bedeutet; in Bantia: s aus ti (Bansae, s. § 187), ζ aus di (zicolo-, s. § 201), II aus Ii (alio famelo, s. § 242), x, d. h. wohl ks, aus ki (meddixud, s. ebd.), atrud = *altrud (§148), maimas = *maismas (? s. §230), l (ü ) aus ü wie im Umbr. (nicht ganz sicher, s. § 57), i für ü — iu der nation. Schrift in manim petiro-pert (auch nicht ganz zweifellos, s. § 53, ebd. über bantinisch eitua- gegenüber e f t i u v a - der nat. Schrift). Eine wichtige dialektische Differenz wäre es, wenn aus capuanisch Ind. Perf. f u f e n s gegenüber bantinisch Conj. Perf. fuid, Fut. II fust (Τ. Β. 28) auf cap. * f u f i d * f u f u s t , andererseits bant. *fuens etc. geschlossen werden dürfte, doch ist dies keineswegs sicher (s. § 316). Fepffopet 4 aus Vibo kann 1) J. Friedländer, Die oskischen Münzen, mit zehn Kupfertafeln (Leipzig 1&50).
§5.]
Das Oskische.
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gegenüber ύ ί η ί v e r e s i m 134 aus Capua blosse ungenauere Schreibung sein (vgl. § 131). Ueber -um neben -om s. § 44, über -üd neben -öd, -üs neben -ös § 47, über die häufige Weglassung von -m in Pompeji § 252, über μβδδειΣ (Messana) neben m e d d i s s (Abella) § 183, über e h [ s t i t (Abella) neben e e s t l n t (Agnone) § 107. Die letztgenannten Unterschiede sind sehr geringfügig und beruhen z. Th. bloss auf verschiedener Orthographie. Dagegen ist es zweifellos, dass das Bantinisehe eine besondere Mundart bildete, und auch das Capuanische wird vielleicht, namentlich wegen des erstgenannten Punctes, als solche bezeichnet werden können. Fünf samnitische γλώσσαι ήτοι στόματα, nämlich Λατερνιοι Όπικοί Κραμόνες, Βορεοντΐνοι ΤΤευκετιεΐς, unterschied im vierten Jahrh. a. C. Skylax im Periplus an der bei Mommsen U. D. 95 Anm., 110 f. mit Anm. behandelten Stelle. Man mag dieselben ungefähr verstehen als Südcampanisch, Nordcampanisch (Capua), Samnitisch im engeren Sinne, Frentanisch und Nordost-Lucanisch (Bantia) Mommsen nimmt unter Zustimmung von Bergk Ztschr. f. Altthswiss. 1851, 15 f. an, die Unterschiede seien in der Zeit, aus welcher unsere Denkmäler stammen, verwischt gewesen, indem „eine gemeinsame samnitisch-oskische Sprache entstanden" war. Jedenfalls wäre dabei nach Obigem das Ban tinische und etwa das Capuanische auszunehmen. Von diesen abgesehen ist es aber richtig, dass bei der weiten Ausdehnung des Gebietes, aus dem die Inschriften stammen, die Unterschiede auffallend gering sind und dass sich in der Orthographie, ζ. B. in der Verwendung des Zeichens ί (s. § 23), eine grosse Gleichmässigkeit zeigt. Vielleicht könnte also daraus auf eine Art oskischer Schriftsprache geschlossen werden, neben welcher die verschiedenen Dialekte in der Sprache des Volkes sich weiter erhalten hätten. Doch bleibt eine solche Hypothese natürlich ganz unsicher, da sehr viele Dialektunterschiede auch in der Sprache der Inschriften bestanden haben können, die 1) Im Anschlüsse an Mommsen, ausser beim letztgenannten, denn Mommsens Vermuthung, die ΤΤευκετκίς seien die Sabiner, ist mir nicht wahrscheinlich (was von ihm S. 293 Etymologisches dafür vorgebracht wird, ist hinfällig). Der Nord - Osten von Lucanien grenzte an das Gebiet der Poediculer oder Peucetier, woraus des Skylax Bezeichnung der fünften Mundart wohl erklärlich ist. Anders als Mommsen Huschke Osk.-sabell. Sprdkm. 279 ff.
2
18
Einleitung.
nnr wegen bleiben.
der Spärlichkeit
des Materials
uns verborgen
6 . Sabellisch. Unter Sabellern verstehen wir mit Deecke Gröbers Grdr. I 338, 340 f. nicht bloss die oft im engeren Sinne sabellisch genannten Stämme der Marser Päligner Marruciner Vestiner, sondern sämmtliche mit diesen nächstverwandte Stämme des zwischen den Samnitern und Umbrern liegenden Gebietes, also auch die Hemiker (?) Aequer Aequiculer Sabiner 1 ) Prätuttier Picener. Von den Dialekten dieser Völker sind uns nur ziemlich dürftige inschriftliche Reste erhalten, gar keine vom Hernikischen 2 ), zweifelhafte vom Aequischen (Aequicul.), Prätuttischen und Picenischen. Eine allgemeine Charakteristik der sabellischen Dialekte ist bei unserer mangelhaften Kenntniss derselben kaum zu geben. So viel scheint jedoch sicher, dass sie Mittelglieder zwischen Osk. und Umbr. bilden, da sie mit letzteren in allen Hauptmerkmalen gegenüber dem Lat. übereinstimmen und, wo Osk. und Umbr. sich scheiden, fast immer mit dem einen von beiden zusammengehen; die wenigen Ausnahmen sind oben S. 13 erwähnt. Im Allgemeinen standen die Dialekte der Sabeller jedenfalls dem Oskischen, welches j a die Sprache der nächstverwandten Samniter war, näher als dem Umbrischen; die Abweichungen vom ersteren und Annäherungen an's letztere bestehen hauptsächlich in der Monophthongisirung der Diphthonge im Mars., (Pic.?), z. Th. auch imMarruc. und wahrscheinlich (doch nur bei ei) im Pälign., dem -f im Acc. PI. in marruc. iaf-c, dem ä aus d und rf aus rs (auch % aus ü ?) auf der päl. Herentasinschrift und dem Abi. eines cons. Stammes auf -e in päl. aetate 255 (auch marr. agine?) gegenüber osk. -öd -üd (päl. aetatu 254 wohl Acc., nicht Abi.). Eine starke Annäherung an das (benachbarte) Umbrische würde das Picenische zeigen, falls daselbst wirklich der Rhotaeismus eingetreten war'und ο in -seoure 288 wie umbr. 9 zu beurtheilen ist (beides sehr unsicher, s. § 239, 181). 1) Diese letzteren können um so eher unter den weiteren Begriff Sabeller eingereiht werden, als Sabellus nicht, wie gewöhnlich angenommen wird, Deminutivum zu Sabinus (wäre *Sabillus), sondern zu der auch in Samhium vorliegenden kürzeren Form *Safno-
*Sabno- ist (vgl. § 114). 2) Einziges Ueberbleibsel 'samenturn'
Fronto ep. IV4.
Die sabellischen Dialekte.
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Pälignisch (vgl. namentlich Bugge A. S. 80 ff., Pauli A. S. V 18 ff., 160 f. und passim). Das Päl. ist erhalten in gegen 30 meist ganz kurzen Inschriften. Die einzige etwas grössere ist die, in einigen Puncten vom gewöhnlichen Pälign. abweichende, sechszeilige corfinische Inschrift 254 (von uns der Einfachheit halber „Herentas-Inschrift" genannt). Die hauptsächlichsten Uebereinstimmungen des Päl. mit dem Osk. und Abweichungen vom Umbr. sind folgende: die Diphthonge bleiben durchweg erhalten (ai als ai und ae d. h. ae) mit Ausnahme von zwei- oder dreimaligem e für ei (nicht einmal ganz zweifellos, s. § 106); einfaches s zwischen Vocalen bleibt erhalten ζ. B. coisatens: u. k u r a i a , upsaseter: 1. operaretur u. s t a h e r e n ; zwischen r l + Cons, tritt Anaptyxe ein ζ. B. Alafis (dagegen fehlt sie wie im Osk. von Capua zwischen Cons + rl)\ö erscheint wohl durchweg als ü, ζ. B. Apünies wie osk. sverrünei gegen umbr. Uofiöne; rr aus rs in Cerri wie in o. K e r r l gegenüber rf in u. terfo- (hier scheint die Herentasinschr., sowie das Marsische, mit dem Umbr. zu gehen, s. § 232); ps erhalten in upsaseter wie in o. üpsannam gegen u. osatu oseto\ Je vor e i nicht zu ς1): Cerri Cerfum ecic Peticis Loucies Pacta pperci; ft nicht zu ht: Ofturies\ nt nicht zu nd: Herentas Ponties; i-Perfect in coisatens \ sefei wie o. sifei gegen u. seso] Pron. eko- in ecuc ecic ecuf, im Umbr. nicht nachweisbar. Wichtig wäre noch -s{s) aus -ns im Acc. PI. gegenüber umbr. - f , besonders weil hier sogar das nächstverwandte Marruc. mit dem Umbr. geht (iaf-c), aber die Beispiele, pes pros 255 und lexe 254, sind höchst zweifelhaft (s. Bd. II Anhang). Spärlich sind dagegen Uebereinstimmungen mit dem Umbr. und Abweichungen vom Osk.; die wichtigste ist der Abi. auf -e aetate von aetät- (kaum von aetati-, s. § 283) wie u. n a t i n e p u r e etc. gegen o. t a n g i n ü d ligud etc.; ferner: -d fallt mehrfach ab (im Osk. nur in zwei bis drei besonderen Fällen, s. § 254; wenig ist auf den auch im Osk. zuweilen vorkommenden Abfall von -m zu geben, s. § 252); wahrscheinlich zwei bis dreimal e für ei (s. o.); ursprgl. e wie es scheint noch etwas offener als im Osk. (/es«, wie u. f esnaf-e gegen o. fiisna1) Denkbar ist freilich, dass eine Veränderung in der Richtung gegen ς eingetreten war, in der Schrift jedoch unbezeichnet blieb.
Einleitung.
ctc., s. § 34); -a statt -o für -d erinnert an au. muta v e s k l a etc. neben mutu v e s k l u etc. (s. §. 29); inom „et" wie u. enom (doch bedeutet letzteres „tum"), gegen o. inim inim. Etwas näher als das gewöhnliche Pälign. scheint dem Umbr. dasjenige der H e r e n t a s i n s c h r i f t (254) zu stehen: Cerfurn mit rf wie u. Serfo- gegen Cerri 256, o. K e r r i ; d aus d zwischen Vocalen, an umbr. ϊ (von Einigen d umschrieben) erinnernd, doch s. §. 199; möglicherweise i (ü) aus ü (allerdings wahrscheinlich auch im Ban tinischen). Vom gewöhnlichen Päl. weicht die Inschrift auch im Verhalten gegenüber der Anaptyxe ab, s. § 138, ferner im Nom. Sg. Fem., der auf -u, nicht -a, auszugehen scheint (s. § 29; in diesem Puncte gleicht die Sprache dieser Inschr. also mehr dem Osk., welches -ύ -u -o -u hat; doch -u vielleicht auch im Volscischen, s. u.); dagegen ist aetatu wohl Acc., nicht Abi. (was gegen aetate 255 eine starke Abweichung wäre), s. Bd. II Anh. — Als Eigenheit des Pälign., die weder im Osk. noch im Umbr. sicher nachweisbar ist, wurde bereits erwähnt der Dat. Sg. (Masc. auf *-o) Fem. auf -a (Anceta, vielleicht Minerua). Für die Stellung des Pälign. ergibt sich also, dass es ein dem Oskischen nahe verwandter Dialekt war, der aber doch in einigen Puncten von demselben in der Richtung gegen das Umbrische hin abweicht. Dies ist, was auch die geographische Lage und die nahe Zusammengehörigkeit mit den übrigen sabellischen Dialekten, dem Marruc. Vest. Mars etc., welche in der Behandlung der Diphthonge eine stufenweise Annäherung ans Umbrische zeigen (vgl. § 61), erwarten lässt. Bugge (a. 0. 80) bezeichnet also mit Recht das Pälignische als ein Mittelglied zwischen Oskisch und Umbrisch, nur dass es ersterem nicht „ein wenig", sondern sehr viel näher steht als dem Umbrischen. Hienach scheint mir zu modificiren, was Pauli a. 0. 160 gegen Bugge äussert (vgl. auch Deecke D. L. Z. 1888, 1408). Ueber den auf pälignischem Boden gefundenen „altsabellischen" Stein von Superaequum (Casteldieri) 281 s. Bd. II Anhang. Marrucinisch. Nur in zwei Inschriften, der Tafel von Rapino 274 (zwölf kurze Zeilen) und der kleinen Inschr. von Teate 275 (bloss zwei Namen) überliefert. Das Marruc. scheint dem Pälign. sehr nahe zu stehen. Die Diphthonge sind noch
§6.]
Die sabellischen Dialekte.
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fast so regelmässig als im Päl. bewahrt (Ausnahmen 1 maliges totai, Gen. Sg. Joues patres ocres Tarincris mit -es -is ans -eis, s. § 70, 81); Oerie, d. h. wohl *Cerrie, mit rr wie päl. Cerri o. K e r r i , nicht rf wie im Päl. der Herentasinschr., (im Mars.) und im Umbr.; ί-Perf. in amatens. -d fehlt in beiden vorkommenden Beispielen, ta[h]a oder ta\g\a und pacr-si (auchpedi??), dagegen ist -m überall (4m.) geschrieben. Jouia, ob Dat. oder Nom. (schwerlich Vocativ), stimmt mit dem Päl. gegenüber Osk. und Umbr. (doch s. o.) überein. Dat. PL aisos wie mars, esos, gegenüber päl. cnatois puclois etc., auch mars, pucles (doch s. § 274). Im Acc. PI. stimmt das Marruc. mit dem Umbr. überein: iaf-c, gegenüber osk. v i a s s etc. (wie sich das Päl. hierin verhielt ist unsicher, s. o.), dagegen bleibt c g vor e i erhalten: Oerie1) agine regena, nt wird nicht nd : ferenter. — Ueber den auf marrucinischen (genauer vielleicht frentanischem) Boden gefundenen altsabellischen Stein von Grecchio (282) s. Bd. II Anhang. Ueber das Vestinische ist nach der einzigen kurzen Inschrift 276 schwer zu urtheilen; es wird wohl dem Päl. und Marr. nahe verwandt gewesen sein, ü aus ö (düno) wie päl. osk.; d (nicht = c als Media g, falls sie nicht aus späterer Neuordnung der im Etrusk. zwischen k und c eingetretenen Verwirrung erklärlich ist 1 ). Ueber das altsabellische Alphabet wird bei der Besprechung der schwierigen in diesem Alphabet aufgezeichneten Inschriften (281—289) in Bd. II Anhang gehandelt werden. 13. Oskisch. Buchstaben:
Das osk. Alphabet hatte folgende 21
R3lhVVDHWa>l>ITn>Jia^8BI
=
a e i ί u ύ, ν, η m r 1, k t p, g d b, s f h, ζ ( = ts)2). Die
vorkommenden Varianten zu den angegebenen normalen Formen sind auf der Tafel bei Zvet. zu Anfang von S. I. 0. zusammengestellt (vgl. auch Fabretti, Pal. Stud.). Auffallend ist die Form • der beiden a in S t a a t i i s 193, vgl. § 29. Neben der Form D des Digamma erscheint 1 in Savfi (Avfi?) 27, auf einigen Münzen mit N u v k r i n u m und in etraskischer Schrift auf 172 (Fabretti 2782a). Das > ( = lat. C, welches bekanntlich ursprünglich die Media bezeichnete) scheint in der abgerundeten Gestalt in f i g . . . 145, . . igu . . 171 vorzuliegen. Ueber ζ = s in der Sigle Z. s. u. § 26. Merkwür1) Die Ueberlieferung· des Alphabets an die Osker wird während der oben S. 15 erwähnten Niederlassung der Etrusker in Campanien, die nach gewöhnlicher Annahme ca. von 800 a. C. bis gegen Ende des fünften Jahrh. a. C. dauerte, stattgefunden haben. 2) Die osk. Reihenfolge war vermuthlich a b g d e v z h i k l m n p r s t u f i u (vgl. das Alphabet aus Pompeji S. J. O. XVII 17).
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Alphabet.
[§13.
dig ist die Vertauschung der Zeichen für d und r, denn im griech. Mutteralphabet war 0 = d, 1 1 = r (ebenso im Lat., nur dass hier, weil Π = Π sich zu Ρ Ρ abrundete, die differenzirte Form R ( = fl) allein für r im Gebrauch blieb). Die Vertauschung erscheint auch im Umbrischen, wo wie im Oskischen Q = r, 'λ — ά (d f) ist. Aus blosser Aehnlichkcit der Laute, die j a auf keinen Fall so weit ging, dass Verwechslung eintreten konnte (vgl. § 200), ist eine solche Vertauschung m. E. nicht erklärlich. Vielmehr setzt dieselbe, wie (fürs Oskische) Kirchhoff 131 f. mit Recht annimmt (vgl. auch Breal Mem. soc. VII 132), ein älteres Stadium voraus, in welchem d wie im Etruskischen fehlte. Vermuthlich wurden damals 0 und wie es im Etruskischen thatsächlich der Fall ist, gleichbedeutend neben einander in der Geltung von r verwendet, später aber, als mau das Bedürfniss nach einem Zeichen für d empfand, wurde 0 auf die Geltung von r beschränkt und so 1 (im Oskischen in der differenzirten Gestalt 1) als Zeichen für d gewonnen 1 ). — Die Zeichen h und V waren erst in später Zeit aufgekommene Diiferenzirungen des I und V; sie fehlen noch auf mehreren der älteren capuanischen Inschriften: 139—141, 143, 144, 146, 1472) und besonders 130, ferner auf den Münzen N u v k r i n u m N u v k i r i n u m , vielleicht auch F i s t l u i s F i s t l u s und U r i n a i U r e n a neben F i s t l ü i s und U r i n a (oder blosse "Ungenauigkeit? vgl. U. D. 113, Corssenll 2 HO) 3 ). Die Bleitafel kennt ύ, aber ί noch nicht (ebenso die Münze F i s t l ü i s , da man * F i s t l ü i s oder *F i s t l ü i s erwartet?); sehr unsicher ist der Gebrauch des ί auch noch auf den capuanischen Inschriften 131, 132. Vielleicht fiel (wenigstens in Capua) die Einführung des ύ in frühere Zeit als die des i, jedenfalls wird j a das Bedürfniss nach einer Unterscheidung von ο und u dringender 1) Die Verwendung von Q (eigentlich = d) neben 1 als r in dem erschlossenen älteren Stadium des osk. und umbr. Alphabets setzt voraus, dass in dem beiden zu Grunde liegenden Alphabet (welches eben ein etruskisches war) Q in der Geltung· als Media d überflüssig geworden war und so das Zeichen Q sich mit dem ihm ähnlichen Zeichen das ζ. B. auch messapisch war, abgerundet?
Vo c a l e 1 ) . ä. 27. Im Italischen fielen im kurzen a, wie in allen europäischen Sprachen (und im Armenischen), zwei verschiedene idg. Vocale, ä und a, zusammen, die im Arischen als α und i auseinandergehalten werden (s. Brugmann Grundr. I 101 ff.)2). Das idg. α hat seine Stelle in der α-Beihe als erste Hochstufe, das a bildet die eine Tiefstufe der a- e- und ö-Reihe, nach einigen Gelehrten sogar sämmtlicher Vocalreihen (s. § 141). Wo das Zeugniss des Arischen fehlt und die Stellung im Ablautssystem unsicher ist, kann nicht entschieden werden, ob a auf idg. α oder a zurückgeht. Idg. α liegt im Oskisch-Umbrischen vor in osk. acum actud, marr. agine, uinbr. aitu (aus *actu) ager a k r u - t u : 1. ago ager gr. άγω αγρός ai. djati äjra-; päl. af-ded „abdidit" ('?), u. a p - e h t r e : 1. ah gr. από ai. άρα\ u. k a p i f - (ο. καπιδιτωμ?) 1. capid- falls zu ai. Tcapäla- (vgl. S. 62 und § 227). Dagegen idg. a in o. pat e r e i p a t i r , marr. patres, u. p a t r e J u p a t e r , 1. pater: ai. pitär- gr. πατήρ; ο. s t a t ü s s t a t i f , vo. statom, u. s t a t i t a staflari-, 1. stätio stäbulum: ai. sthitd- sthiti- gr. στάσις (idg. W. sthü-)·, o. f a k i i a d factud, vo. faoia, u. fa