Gesundheitstourismus und touristische Destinationsentwicklung: Ein Lehrbuch 9783486741889, 9783486719185

Dieses Lehrbuch führt zugleich theoriebasiert als auch praxisnah in die Grundlagen des Themenfeldes Gesundheitstourismus

499 24 5MB

German Pages 230 [231] Year 2013

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Gesundheitstourismus und touristische Destinationsentwicklung: Ein Lehrbuch
 9783486741889, 9783486719185

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Gesundheitstourismus und touristische Destinationsentwicklung Ein Lehrbuch von

Dr. Manfred Cassens

Oldenbourg Verlag München

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2013 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 143, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 www.oldenbourg-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Lektorat: Anne Lennartz Herstellung: Tina Bonertz Titelbild: © Cornelia Lackner, Grafik im Vorzimmer, A-6020 Innsbruck Einbandgestaltung: hauser lacour Gesamtherstellung: Grafik + Druck GmbH, München Dieses Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. ISBN 978-3-486-71918-5 eISBN 978-3-486-74188-9

Danksagung Im Lauf der vergangenen Jahre (seit 2009) ist eine Kooperation zwischen dem TÜV Nord und dem Verein Institut für Gesundheitswissenschaften entstanden. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit unterziehen sich derzeit (2013) erstmals die Gemeinden der Olympiaregion Seefeld einem Zertifizierungsprozess. Sie verfolgen das Ziel, sich durch einen strukturierten Maßnahmenkatalog bzgl. Verhaltens- und Verhältnisprävention zur „Gesunden Gemeinde“ zertifizieren zu lassen. Das von der Grafikerin Cornelia Lackner entworfene Logo (siehe Umschlag) wird den Gemeinden nach erfolgreicher Zertifizierung verliehen. Der TÜV Nord unterstützte im Gegenzug für die wissenschaftliche Unterstützung die Realisierung dieses Buchprojektes. Daher gilt dem TÜV Nord mein ganz besonderer Dank. Manfred Cassens

Vorwort des Autors „Eine Reise ist ein Trunk aus der Quelle des Lebens“. Mit diesem mehrfach interpretierbaren Zitat des deutschen Dramatikers und Lyrikers Christian Friedrich Hebbel (1813–1863) möchte ich Sie herzlich am Beginn dieses Buches über Gesundheitstourismus begrüßen. Sie, die Lesenden sind bereits Teil dieser Quelle des Lebens – oder wollen es zumindest werden. Vielleicht kann dieses Werk einen kleinen Beitrag dazu leisten, Sie in Ihrer Berufsentscheidung zu bestärken. Die Gesundheitswissenschaften sind in ihrer heutigen Form als New Public Health eine noch sehr junge Wissenschaft, eine sog. Interdisziplin. Gesundheitstourismus etabliert sich dabei aktuell an Universitäten und Hochschulen als Subdisziplin zumeist ökonomisch-touristischer Studiengänge. Dementsprechend passt der vom deutschen Wirtschaftsministerium verwendete Terminus Neuer Gesundheitstourismus (BMWi 2011) in Richtung dieser akademischen Gesamtentwicklungen. Als Lehrbuch enthält es einige neue Aspekte wie die Anthropologie und die Ethik. Beides sollten perspektivisch Bestandteile von Curricula und Lehrplänen sein, da sie für den wissenschaftlichen Anspruch als elementar erscheinen. Es war meiner Lektorin Anne Lennartz und mir von Anbeginn der Zusammenarbeit wichtig, didaktisch von der Warte der Leserinnen und Leser her zu schreiben. Wir hoffen zum Beispiel, dass Sie viele sorgsam recherchierten Tipps in ihren Bann ziehen werden und Sie regen Gebrauch davon machen. Denn Wissenschaft soll nicht nur qualifizieren, sie soll in erster Linie zu Handeln als Akademikerin und Akademiker sowie zu lebensbegleitendem Lernen motivieren. Ganz in diesem Sinne darf ich nicht nur Frau Lennartz, sondern auch dem Oldenbourg-Verlag für die Realisierung des Buches danken. Weiterhin gilt mein Dank auch der Tourismuswerbeexpertin Cornelia Lackner (Grafik im Vorzimmer), die uns das Logo des Frontcovers zur Verfügung stellt und somit ihren Beitrag zum Buch geleistet hat. X+leben ist das Logo eines Forschungsprojektes und Zertifizierungsprozesses des TÜV Nord, an dem die Gemeinden und Einzelbetriebe der Olympiaregion Seefeld in Tirol aktuell teilnehmen; es heißt „Xsund leben in der Olympiaregion“. Mit den frischen Farben bringt die Künstlerin den Wind der Innovation und des Neuen zum Ausdruck, sie sollen zudem gerade die jungen Menschen ansprechen. Auch sollen in Zeiten von „B2B“ oder „Coffee2go“ mit dem „X+“ gerade diejenigen angesprochen werden, die diese Form der Kommunikation mögen; sie gehören wohl auch wieder primär der jüngeren Altersgruppe von potenziellen Nachwuchsführungskräften an. Die vier Quadrate im Logo deuten abschließend auf die vier Altersgruppen hin, von denen auch in diesem Buch öfters die Rede sein wird (vgl. Faltermaier 2005). Mein abschließender und ganz persönlicher Dank gilt zudem Klaus Strassenberger, der mir stets mit Rat und Tat zur Seite stand, wenn es wieder einmal Probleme mit Laptop und/oder der Software gab.

Inhaltsverzeichnis Danksagung Vorwort des Autors Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis

V  VII  XI  XIII 

1  1.1  1.2 

Einleitung Inhaltlicher Aufbau des Buches ............................................................................ Didaktische Struktur .............................................................................................

1  3  6 

2  2.1  2.1.1  2.1.2  2.1.3  2.2  2.2.1  2.2.2  2.2.3  2.2.4 

Wissenschaftliche Grundlegung Gesundheitswissenschaftlich anthropologische Hinführung ................................ Krankheit als Facette von Gesundheit .................................................................. Dimensionen von Gesundheit ............................................................................... Gesundheitskommunikation als pädagogische Herausforderung.......................... Gesundheitstourismus – Kulturanthropologisch-historiografische Hinführung ... Prototouristische Vorformen im Imperium Romanum .......................................... Die Anfänge des aktuellen Gesundheitstourismus ................................................ Die Entwicklung nach dem Ende des Ersten Weltkrieges..................................... Gesundheitstourismus nach dem Zweiten Weltkrieg ............................................

9  11  18  21  23  26  28  30  32  33 

3  3.1  3.1.1  3.1.2  3.1.3  3.2  3.2.1  3.2.2  3.2.3  3.2.4  3.2.5  3.2.6  3.3  3.3.1  3.3.2  3.3.3  3.3.4 

Indikationsunspezifische Interventionen und deren Grundlagen Bezugsdisziplinen der Gesundheitsbildung .......................................................... Gesundheitspsychologische Motivationsmodelle ................................................. Gesundheitssoziologische Tourismusaspekte ....................................................... Gesundheitspädagogisch-didaktische Einführung ................................................ Ausgangsbasis: Gesundheitstouristische Settings ................................................. Medizintourismus ................................................................................................. Kur-, Vorsorge- und Rehabilitationstourismus ...................................................... Gesundheitszentren ............................................................................................... Wellness-Tourismus .............................................................................................. Naturnaher Gesundheitstourismus ........................................................................ Day Spas ............................................................................................................... Indikationsunspezifische Interventionen............................................................... Bewegung ............................................................................................................. Ernährung ............................................................................................................. Entspannung ......................................................................................................... Kommunikation ....................................................................................................

39  41  43  47  50  54  56  59  61  63  66  67  70  73  77  81  85 

X

Inhaltsverzeichnis



Gesundheitstouristische Betriebsentwicklung

89 

4.1  4.1.1  4.1.2  4.1.3  4.1.4 

Betriebe im naturnahen Gesundheitstourismus ..................................................... 92  Architekturkonzept ................................................................................................ 94  Inhalts- und Betreiberkonzept................................................................................ 96  Exemplarische Finanzierungsstrategie I ................................................................ 100  Marketing und Zielgruppen ................................................................................... 103 

4.2  4.2.1  4.2.2  4.2.3  4.2.4 

Gesundheitstourismus im Setting Wellnesshotel ................................................... 108  Inhaltskonzept........................................................................................................ 110  Architekturkonzept ................................................................................................ 115  Exemplarische Finanzierungsstrategie II ............................................................... 118  Marketing und Zielgruppe ..................................................................................... 121 

4.3  4.3.1  4.3.2  4.3.3  4.3.4 

Gesundheitszentren als informelle Bildungssettings ............................................. 126  Inhaltskonzept........................................................................................................ 127  Architekturkonzept ................................................................................................ 131  Exemplarische Finanzierungsstrategie III ............................................................. 135  Zielgruppen und Marketing ................................................................................... 138 



Gesundheitstouristische Destinationsentwicklung

5.1  5.1.1  5.1.2  5.1.3  5.1.4 

Verhältnispräventive Entwicklungsaufgaben ......................................................... 147  Ortsbild .................................................................................................................. 148  Naturpotenziale...................................................................................................... 151  Einzelhandel .......................................................................................................... 153  Verkehrsproblematik .............................................................................................. 156 

5.2  5.2.1  5.2.2  5.2.3  5.2.4  5.2.5 

Verhaltenspräventive Entwicklungsaufgaben ........................................................ 158  Schaffung gesundheitsförderlicher Lebenswelten ................................................. 160  Stärkung und Unterstützung gesundheitsbezogener Gemeinschaftsaktionen ........ 162  Entwicklung einer gesundheitsfördernden regionalen Gesamtpolitik ................... 165  Entwicklung kommunaler gesundheitlicher Kompetenz ....................................... 167  Neuorientierung kommunaler Gesundheitsdienste ................................................ 169 

5.3  5.3.1  5.3.2  5.3.3  5.3.4 

Gesundheitstouristisches Destinationsmarketing................................................... 171  Führung gesundheitstouristischen Destinationsmarketings ................................... 173  Marke und Branding einer Gesundheitsdestination ............................................... 176  Umsetzungsparameter des Destinationsmarketings ............................................... 178  Erfolgsmessung von Destinationsmarketing.......................................................... 180 



Ethik im Gesundheitstourismus

6.1  6.1.1  6.1.2 

Bereichsethiken mit Bezug zu Rahmenbedingungen............................................. 188  Sozial- und Gesundheitsethik ................................................................................ 189  Umweltethik .......................................................................................................... 192 

6.2  6.2.1  6.2.2 

Bereichsethiken mit Bezug zum Handlungsfeld .................................................... 193  Medizin- und Pflegeethik ...................................................................................... 194  Unternehmensethik ................................................................................................ 196 

143 

185 

Literatur

199 

Index

215 

Abbildungsverzeichnis Abb. 1.1:  Abb. 2.1:  Abb. 2.2:  Abb. 2.3:  Abb. 2.4:  Abb. 2.5:  Abb. 2.6:  Abb. 3.1:  Abb. 3.2:  Abb. 3.3:  Abb. 3.4:  Abb. 3.5:  Abb. 3.6:  Abb. 3.7:  Abb. 3.8:  Abb. 3.9:  Abb. 4.1:  Abb. 4.2:  Abb. 4.3:  Abb. 4.4:  Abb. 4.5:  Abb. 4.6:  Abb. 4.7:  Abb. 4.8:  Abb. 4.9:  Abb. 4.10:  Abb. 4.11:  Abb. 4.12: 

Tourismuswissenschaft als Komplementärwissenschaft (vgl. Freyer 2006) ... 4  Das Mandala-Modell von Hancock (in: Waller 2006)..................................... 13  Das Gesundheits-Krankheitskontinuum nach Travis (1972) ........................... 14  Trimmy, das Symbol der bundesdeutschen Wellnessbewegung der 1970er Jahre (DOSB 2013) ............................................................................. 15  Einflussfaktoren auf das Gesundheits-Krankheitskontinuum. ........................ 16  Mögliche Beurteilungshinweise von Krankheit (Naidoo und Wills 2010)...... 19  Mögliche Kategorisierung von Kurorten......................................................... 31  Basisinnovationen nach dem Kondratieffprinzip (Nefiodov 2001) ................. 39  Gesundheitspsychologische Modelle des Gesundheitsverhaltens (Lippke und Renneberg 2006) ......................................................................... 44  Semantische Struktur des Umweltbegriffs (in Anlehnung an Tretter 1999) .... 48  Schematische Darstellung des ARIVA-Schemas (Kiel 2008) ......................... 53  Empirisch erhobene Beweggründe für den Gesundheitsaufenthalt (Rulle, Hoffmann, Kraft 2010) ........................................................................ 71  Einflussfaktoren auf den Menschen in dessen Work-Life-Balance. ................ 72  Effekte regelmäßiger Bewegung ..................................................................... 75  Faktoren der Diätetik Galens (nach Schipperges 1985) .................................. 78  Verarbeitung von Stress durch Entspannung im gesundheitstouristischen Kontext ............................................................................................................ 82  Hinreichende Bedingungen für eine gesundheitstouristische Projektfinanzierung ......................................................................................... 90  Parameter naturnaher Gesundheitstourismuskonzepte am Beispiel Forsthaus Aquila ............................................................................................. 93  Zusammenwirken der wesentlichen Parameter im naturnahen Setting ........... 94  Didaktische Konstellation von Gesundheitsbildung im naturnahen Setting (grau unterlegt). ............................................................................................... 98  Nachwuchsführungskräfte als Zielgruppe ........................................................ 105  Das Marketingrad der vier P (Kotler 1999). ..................................................... 106  Inhaltskonzept und perspektivische Rollenverteilung im Wellnessresort als Setting. ............................................................................................................. 111  Gesundheitsbildung unter Einbettung des gesundheitstouristischen Settings Wellness .......................................................................................................... 113  Einflüsse auf die Architektur eines Wellnesshotels ......................................... 116  Darstellung der Klassifizierung im Sternesystem der Österreichischen Wirtschaftskammer (WKO 2009) ................................................................... 117  Investitionsmechanismen für Hotels mit Wohneigentümergesellschaft .......... 119  Gesundheitskompetenz, Gesundheitsverhalten und Gesundheit (Lenartz 2011). ................................................................................................. 128 

XII

Abbildungsverzeichnis

Abb. 4.13:  Anwendung der konstruktivistischen Didaktik im Setting Gesundheitszentrum ......................................................................................... 130  Abb. 4.14:  Architektonische Anforderungen an Gesundheitszentren ................................ 133  Abb. 4.15:  Strukturelemente eines Geschäftsplans ............................................................ 136  Abb. 5.1:  Das Nachhaltigkeitshaus .................................................................................. 144  Abb. 5.2:  Die Destination (Gabler Wirtschaftslexikon 2012). ......................................... 148  Abb. 5.3:  Auswahl von personalen (Kreis) und infrastrukturellen (Pfeile) Parametern, die ein Ortsbild prägen. .................................................................................... 149  Abb. 5.4:  Die Natur als Breitbandtherapeutikum............................................................. 151  Abb. 5.5:  Grafische Wertschöpfungskette im Gesundheitstourismus mit Schwerpunkt der Vor-Ort-Präsenz ......................................................................................... 154  Abb. 5.6:  Gefährdungspotenziale und Folgen von Verkehr ............................................. 157  Abb. 5.7:  Entwicklungsstrukturen einer gesundheitsförderlichen Gesamtpolitik ............ 166  Abb. 5.8:  Health Literacy Model (Pelikan, Röthlin und Ganahl 2011)............................ 167  Abb. 5.9:  Einflussgrößen für Destinationsmarketingorganisationen (DMO)................... 172  Abb. 5.10:  Einflussfaktoren der Marketinggrundsätze (Weis 2012, S. 23). ....................... 174  Abb. 5.11:  Markenidentitätskreise (Aaker und Joachimsthaler 2000) ............................... 177  Abb. 5.12:  Maretinginstrumente (Weis 2012, S. 24).......................................................... 179  Abb. 5.13:  Strategisches Marketingcontrolling ................................................................. 182  Abb. 6.1:  Ethisch ambivalente Ausgangspositionen (in Anlehnung an Veit 2005) .......... 186  Abb. 6.2:  Dimensionen der ethischen Beurteilung (Veit 2005) ....................................... 188  Abb. 6.3:  Demografische Entwicklung der deutschen Bevölkerung 1910, 2000 und 2050 .......................................................................................................... 190 

Tabellenverzeichnis Tab. 2.1:  Tab. 2.2:  Tab. 2.3:  Tab. 2.4:  Tab. 3.1:  Tab. 3.2:  Tab. 3.3:  Tab. 4.1:  Tab. 4.2:  Tab. 4.3:  Tab. 4.4:  Tab. 4.5:  Tab. 4.6:  Tab. 4.7:  Tab. 5.1:  Tab. 5.2:  Tab. 5.3:  Tab. 6.1: 

Theoretische Unterschiede zwischen Gesundheitsförderung, Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention (Cassens, Hörmann, Tarnai, Stosiek und Meyer 2012) ..................................................................................................... 21  Die drei Dimensionen von Gesundheit............................................................. 22  Etablierung von Freizeit als Indikator für den Massentourismus (Opaschowski 1987 in Freyer 2006) ................................................................ 26  Durchschnittliche Aufenthaltsdauer von Gesundheitsgästen am Beispiel Merans als Indikator für geänderte Reisegepflogenheiten (Solderer 2000) ..... 32  Der 6. Kondratieff: Paradigmenwechsel im Gesundheitssektor (Nefiodov 2001) ............................................................................................... 40  Handlungsphasen nach dem Rubikonmodell (Heckhausen und Gollwitzer 1987) .................................................................. 46  Transtheoretisches Modell mit gesundheitstouristischem Bezug (in Anlehnung an Lippke und Renneberg 2006) .............................................. 46  Möglichkeiten und Anlässe im naturnahen Setting. ......................................... 97  Gesundheitstouristische Marketingstrategien im Vergleich (in Anlehnung an Becker 2007)........................................................................ 105  Anteile der Hauptgruppen an den verfügbaren Einkünften (Reckendreers 2007) ........................................................................................ 108  Möglichkeiten des barrierefreien Erfahrungsaufbaus im Setting Wellness ...... 114  Qualitäts- und Dienstleistungsdimensionen in der Hotellerie (Schulz, Berg, Gardini, Kirstges und Eisenstein 2010) .................................... 123  Marketingstrategisch relevante Merkmale von Gästen des Settings Wellness (vgl. Illing 2009 sowie Rulle, Hoffmann und Kraft 2010) ............................... 124  Eigenschaften der LOHAS (Soyez, Thielow und Gurtner 2012) ..................... 140  Kommunale Aktionen „gesunder Gemeinden“ am Beispiel Oberösterreichs im Jahr 2005 (Quelle: Institut für Gesundheitsplanung 2006) ......................... 163  Kotlers vier „P“ im gesundheitstouristischen Destinationsmarketingmix ........ 180  Instrumente des operativen Marketingcontrolling (Kotler und Bliemel 2001) ............................................................................... 182  Chronische bzw. irreversible Krankheitsverläufen und daraus resultierender Arbeitsmehraufwand (2007/2030, BMWi 2011a). ........................................... 190 

1

Einleitung

Eingangs dieses Buches möchte ich Sie zur Beantwortung einer Frage animieren: Reicht es wirklich aus, Gesundheit in seinem touristischen Kontext als primär wirtschaftliches Phänomen, als ökonomischen „Megatrend“ zu bezeichnen (vgl. Berg 2008, Schwaiger 2007)? Zu einer ersten Beantwortung dieser Frage möchte ich die viel zitierte Aussage des römischen Satirikers Juvenal (ca. 60–138 n.Chr.) mens sana in corpore sano anführen. In der Alltagspraxis vieler Wellnessresorts finden wir heute die einseitige Interpretation dieses Satzes vor, bei der in fehlerhafter Interpretation suggeriert wird, dass lediglich in einem gesunden, attraktiven Körper auch ein gesunder Geist wohnen kann. Großzügig angelegte SpaLandschaften, die allein im Indoorbereich nicht selten 2.000 bis 3.000 m2 groß sind, legen nahe, dass das Architekturkonzept nicht nur zu Ruhe und Entspannung einlädt, sondern auch Raum für „Gesundheitswahn und übersteigerter Fitnesskultur“ (vgl. Lütz 2002) schafft mit dem Reisemotiv ewiger Jugend und Schönheit („Forever young“, Strunz 2000). Wasser und Schönheit bzw. ewige Jugend, dieses Bild provozierte bereits in mythischer Vorzeit, nach dem ewigen Jungbrunnen oder dem Heiligen Gral zu suchen, um dort bleibende Schönheit, Unversehrtheit und Jugend zu finden. Die Vorstellungen gingen in die Richtung, wie sie Lucas Cranach d.Ä. (1475–1553) in seinem 1546 geschaffenen Gemälde Der Jungbrunnen zum Ausdruck brachte: Deutlich zu erkennen sind auf der linken Seite, dass alte und gebrechliche Menschen in den crater (lat. = Wasserbecken, Bassin) steigen oder gehoben werden, aus dem junge und gesunde Menschen selbständig hinausschreiten. Wasser als Quelle – nicht nur von Schönheit und ewiger Jugend, sondern vielmehr auch als diejenige von Gesundheit. Das will uns die Abkürzung Spa (lat. = sanus per aquam) nahe bringen. Diese Entdeckung machten bereits die Gesundheitsexperten des antiken Hellas und mehr noch des Imperiums Romanum. Aus dieser Zeit sind uns bereits Reiseaktivitäten bekannt, die – wie während der weiteren Entwicklungsgeschichte des Gesundheitstourismus – Gesundheits- und gesellschaftliche Motive miteinander verbanden. Nun hoffe ich, Sie mit diesem kleinen Exkurs bereits für eine der anthropologischen Facetten dieses Buches interessieren zu können. Der Terminus anthropos stammt übrigens aus dem Alt-Griechischen und bedeutet der Mensch. Doch zurück in die Gegenwart: Es besteht kein Zweifel darüber, dass Spa-Bereiche und das Gesamtambiente einer (Rehabilitations-)Klinik, eines Gesundheitszentrums, besonders aber eines Wellnesshotels zentralen Einfluss auf die Kaufentscheidung von Touristen haben, die wir in unserem Kontext fürderhin mit dem alle Settings gleichermaßen erfassenden Terminus Gesundheitsgäste bezeichnen wollen. Die Architektur kann bei der Konstruktion und Spezifikation eines Settings in Form von Unterkünften und der Ausgestaltung von Spa-Bereichen lediglich einen Beitrag zum Gesamtambiente leisten; genauso, wie „Heilstechnik“ auch lediglich den funktional-kausalen Prozess des medizinischen Anspruchs restitutio ad integrum (lat. = Wiederherstellung der Unversehrtheit) erfasst. Essentielle Bestandteile des gesamten Aufenthaltes im gesundheitstouristischen Setting sind genauso soziale wie auch emotionale Prozesse. Hierzu gehören Gespräche der Gesundheitsgäste mit ärztlichem, therapeutischem,

2

1 Einleitung

ggf. pflegerischem und sonstigem Fachpersonal und auch die Kommunikation mit dem administrativen Servicemanagementpersonal. Die gelungene Gesamtkombination dieser verschiedensten Elemente lässt aus einem Resort und einer Destination ein Potpourri (frz. = Allerlei, kunterbunte Mischung) werden, welches im musikalisch übertragenen Sinne den Wohlklang einer Melodie ausmacht. Um diesen Wohlklang des Potpourris im gesundheitstouristischen Setting geht es im vorliegenden Buch. Es handelt davon, Gesundheitstourismus zumindest temporär aus seiner primär ökonomischen Verortung zu entkoppeln. Ich möchte dies mit dem humoristischen Anspruch begründen, dass -tourismus inhaltlich betrachtet lediglich 50 % des Wortkompositums ausmachen, prozentual (bezogen auf die Anzahl der Buchstaben) sogar lediglich 43,5 %, während Gesundheits- bei eindrucksvollen 56,5 % liegt. Bedeutend ernster als dieses Zahlenspiel sind die Zukunftsszenarien unserer zentraleuropäischen Gesundheitssysteme, die wohl unstreitbar mit dem Behandlungsgegenstand dieses Buches in Verbindung stehen; sowohl in der Theorie, als auch in der Praxis. Da sind zum einen die Prognosen aus der Epidemiologie (gr. epi = auf über, demos = Volk, logos = Lehre) zu nennen. Diese elaboriert die „die Gesundheit beeinflussenden Determinanten wie biologische, chemische, physikalische, soziale, kulturelle, ökonomische, genetische und Verhaltensfaktoren“ (Bonita, Beaglehole und Kjellström 2008). Zum anderen befasst sich die Demografie (gr. demos = Volk, logos = beschreiben), u.a. mit der Natalität, der Fertilitätsziffer, der Letalität, der Morbidität und letztlich auch der Sterbeziffer (u.a. Weiß 2010). Aktuelle Datensätze beider medizinstatistischen Analyse- und Prognoseinstrumente können dahingehend zusammengefasst werden, dass die Bevölkerung im deutschsprachigen Raum eine individuell steigende Lebenserwartung hat, mit der Baby-Boom-Generation (Jahrgänge ca. 1955–1970) ihre zahlenmäßige Hauptgruppe aufweist und von kontinuierlich früher im Lebenslauf auftretenden, Lebensstil bedingten chronifizierten Langzeitkrankheiten gekennzeichnet ist. Vorläufig handelt es sich bei diesen Datensätzen ja noch um Prognosen, welche in Richtung Infarkt des Gesundheitssystems gehen, nicht jedoch um Kausalitäten. Entlastend wirkt dabei der Vergleich, dass es in den 1970er Jahren auch besorgniserregende Prognosen über das Waldsterben gegeben hat. Diese wurden keinesfalls unterschätzt, sondern im Gegenteil: Anhand dieser Prognosen begann die Wald- und Forstwissenschaft auf wissenschaftlicher Ebene, nach einem Instrumentarium zu forschen, das helfen sollte, zu retten, was noch zu retten war; dies mit bekanntlich positivem Ausgang. Vor einer ähnlichen Situation stehen wir als Vertreter des Gesundheitssystems heute. Wir wissen bereits länger, dass wir in einer Wohlstandsgesellschaft leben, in der allzu viele Menschen ein Problem haben, welches als fehlende Fähigkeit zur Selbstregulation bezeichnet wird. Der Aufbau von Gesundheitskompetenz scheint, das zeigt beispielsweise die aktuelle HLS-EU-Studie (engl. Abk. = Health Literacy Survey – Europe), ein Schlüsselinstrument hierfür zu sein. Um das Dilemma der Wohlstandsgesellschaft zu lösen, suchen Wissenschaftler in den Vereinigten Staaten bereits seit den frühen 1960er, bei uns seit den 1970er Jahren nach Lösungen, wie zum individuellen Lernen von Gesundheitskompetenz angeregt werden kann. Leider zeigt insbes. die gesundheitspsychologische Forschung (vgl. u.a. Lippke und Renneberg 2006), dass die Verlockung der mit Pralinés angereicherte Nordwand des heimischen conopeums (lat. = Himmelbett) zu häufig näher liegt, als der Gang ins Schwimmbad oder Fitnessstudio. Gesundheitskompetenz wird so zu einer Lern- und Bildungsaufgabe (Knoll, Scholz und Rieckmann 2011). Dieser Ansatz, aus eigener Motivation und Einsicht heraus lernen zu wollen, ist aktuell nicht nur vielversprechend, Gesundheitsbildung ist vielmehr die einzige noch bleibende Alternative

1.1 Inhaltlicher Aufbau des Buches

3

eines ansonsten weitgehend elaborierten Interventionsinstrumentariums, das aus Gesundheitsaufklärung/-information, Gesundheitsberatung und Gesundheitserziehung besteht. Gesundheitsbildung darf begangene, aus asymmetrischen Kommunikationsverhältnissen entstandene Fehler der oben genannten Instrumente nicht wiederholen. Sie sollte auf einer individuellen und subjektiv empfundenen Reise prozessoffen helfen, begleiten, unterstützen und beraten. Uns als Akteuren im Theorie- und Praxisfeld gesundheitstouristischer Settings bleibt somit die Aufgabe, gesundheitliche Lernprozesse i.S. des Konstruktivismus zu ermöglichen, ja zu provozieren. Die verschiedenen Varianten des Gesundheitstourismus bieten hierfür in den meisten Fällen hervorragende Voraussetzungen. Sie werden leider bis dato nur allzu selten im Sinne von „Unterrichtswirklichkeit“ (Kron 2008) als informelles Bildungssetting gesucht und genutzt. Wenn das Deutsche Bundesministerium für Wirtschaft und der Deutsche Tourismusverband bereits 2011 den innovativen Gesundheitstourismus proklamieren, so fokussieren sie sich leider stark auf Medizintechnik und Kommunikationstechnologie (vgl. DTV 2011a–f). In unseren Settings bedeutet Innovation darüber hinaus jedoch die inhaltliche Beschäftigung mit dem Menschen vor uns, dem homo patiens (Schipperges 1985), der zunehmend nicht mehr von einer restitutio ad integrum ausgehen kann, sondern häufig aufgrund einer chronifizierten Langzeitkrankheit mit einer restitutio ad integritatem umzugehen lernen muss, bei der die Restitution eben nur teilweise gelingt. Die Übernahme solcher Lernprozess kann viel deutlicher als bisher Aufgabe von Wellnesshotels und naturnahen Settings sein, mehr noch diejenige von Gesundheitszentren. Diese drei informellen Bildungsorte sollten im Kontext von Gesundheitstourismus vom Merkmal der aktiven und proaktiven Gesundheitsförderung geprägt sein. So ist eine notwendige Differenzierung des Neuen Gesundheitstourismus von den etablierten Settings von Kliniken und Rehabilitationszentren möglich, die sich primär auf curare (lat. = heilen, pflegen) beziehen.

1.1

Inhaltlicher Aufbau des Buches

Konstituierende Grundlage für den inhaltlichen Aufbau dieses Buches waren drei Überlegungen, die ich Ihnen in Form von Fragestellungen nahe bringen möchte:  Die wohl wichtigste Dimension: Was sollten Absolventinnen und Absolventen relevanter Studiengänge an Wissen ins Praxisfeld mitnehmen können? Welche Literatur ist in Anlehnung daran zugänglich?  Wie sind diese Wissensbestände in universitären und hochschulischen Studiengängen und deren Curricula bzw. Lehrplänen präsent?  Können ggf. Lücken identifiziert werden, die es im weiteren Etablierungsprozess dieser wissenschaftlichen Teildisziplin aufzufüllen gibt? Um uns nun dem inhaltlichen Aufbau dieses Buches in Form eines einführenden Überblicks anzunähern, möchte ich mit den letzten beiden Fragen beginnen. Viele Bezugsdisziplinen des Gesundheitstourismus, allen voran die Medizin, die Psychologie und die Pädagogik verfügen im Studium über modularisierte Fachanthropologien. Wie bereits erwähnt, der alt-griechische Terminus anthropos ins Deutsche übersetzt Mensch, logos Lehre. Inhaltlich behandelt die Anthropologie aus ihrer jeweiligen fachlichen Provenienz heraus die Entwicklung der Menschheit. Wenn wir diesen wichtigen Schritt im zweiten Kapitel unternehmen, so machen wir das zum einen aus dem Blickwinkel der naturwissenschaftlichen Anthropologie. Allgemein ausgedrückt untersucht diese „den Menschen als Naturwesen im

4

1 Einleitung

Zusammenhang mit seiner natürlichen Umwelt“ (Schaub und Zenke 2007). Auf unseren Kontext bezogen bedeutet dies die nur vordergründig einfache Beantwortung der Frage, was Gesundheit ist. Wir werden auf unserer Reise feststellen, dass es sich bei Gesundheit und Krankheit keinesfalls um Widersprüche, sog. Antonomien, handelt, die sich gegenseitig ausschließen. Im Sinne neuerer Forschung zur Salutogenese wird das Verhältnis der Begriffe vielmehr als ein Kontinuum verstanden, das terminologisch als Gesundheits-Krankheitskontinuum etabliert ist. Darauf aufbauend werden wir weitere Facetten des Gesundheitsbegriffs reflektieren. In Schlagworte gefasst, dürfen Sie sich genauso auf Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention einrichten (Lülsdorf 2012), wie auf Aspekte der Gesundheitsförderung (u.a. Zöchling 2008, Grossarth-Maticek 2008). Neben diese einführende naturwissenschaftlichanthropologische Reflexion habe ich im zweiten Unterkapitel die kulturanthropologische Reflexion gestellt. Gesundheitliche Sitten und Gebräuche haben spätestens seit dem Zeitalter der römischen Antike eine touristische Facette, die durch umfangreiche Ausgrabungen und Textdokumente belegt sind. Wie ein roter Faden ziehen sich Gesundheitsreisen durch die Menschheitsgeschichte bis in die Neuzeit. Hierüber sollen interessante historiografische Einblicke über einen Gesamtprozess verleihen. Wirklich faszinierend ist die Tatsache, dass Gesundheitstourismus als „Interdisziplin in der Interdisziplin“ aufgestellt ist, wie Abb. 1.1 zeigt.

Abb. 1.1:

Tourismuswissenschaft als Komplementärwissenschaft (vgl. Freyer 2006)

Tourismuswissenschaft, Gesundheitswissenschaften, Betriebswirtschaft – sie alle sind von der wissenschaftlichen Erschließung her als Interdisziplinen zu bezeichnen. Dies gilt in nochmals spezifizierter Form für den Gesundheitstourismus. Um eine diesbezügliche Sensibilisierung zu erreichen, habe ich das dritte Kapitel wie folgt dreigeteilt: Im ersten Unterkapitel möchte ich Sie zu einem kurzen Ausflug in grundlegende Bezugsdisziplinen einladen. Hierzu gehören die Gesundheitspsychologie, die Gesundheitssoziologie und die Gesundheitspädagogik. Dies erachte ich als grundlegend, weil sich gesundheitstouristische Reisemotive deutlich von denen anderer touristischer Gruppen unterscheiden, was sowohl durch den gesundheitspsychologi-

1.1 Inhaltlicher Aufbau des Buches

5

schen, als auch durch den gesundheitssoziologischen Zugang verdeutlicht wird. Wenn im Vorfeld von informellem Bildungssetting bereits die Rede war, die Gesundheit als Erlebnis im Setting erfahrbar machen soll, so kann dies nicht ohne pädagogische Reflexion erfolgen. Diese schließt den vorläufigen Bogen zu einigen der Bezugsdisziplinen ab. Hieran schließt die Darstellung der sechs gesundheitstouristischen Settings an, die jeweils mit interessanten Praxisbeispielen angereichert sind. Im dritten Unterkapitel wenden wir uns den sog. Indikationsunspezifischen Interventionsformen zu. Diese sind in allen sechs Settings anwendbar und stellen zugleich die Verbindung zu weiteren Bezugsdisziplinen dar: Den Sportwissenschaften (Bewegung), der Ökotrophologie (Ernährung), der Psychologie (Entspannung und Resilienz) und den Kommunikationswissenschaften. Neben den genannten Bezugsdisziplinen wird die Präsenz relevanter medizinischer Fachdisziplinen in allen Settings für selbstverständlich erachtet. Im Zentrum der gesundheitstouristischen Praxis stehen Betriebe und Destinationen. Daher wenden wir uns im vierten Kapitel zuerst der Kategorie Betriebe zu. Aufbauend auf die Einführungen des dritten Kapitels fokussiere ich bei meinen Ausführungen die gesundheitsförderlichen Varianten des Neuen Gesundheitstourismus: das naturnahe Setting, Wellness und Gesundheitszentren. Hierbei erschienen mir insgesamt vier Dimensionen von besonderer Relevanz zu sein: die Inhalts-/Betreiberkonzepte mit starken Bezügen zur Gesundheitspsychologie und Gesundheitspädagogik, Architekturkonzepte, alternative Finanzierungskonzepte und Marketing/Zielgruppen mit Bezug zu gesundheitssoziologischen Analyseaspekten. Hinsichtlich der Finanzierungskonzepte hoffe ich, Ihr besonderes Interesse durch den Umstand zu wecken, wie trotz fehlenden Eigenkapitals von Projektinitiatoren die Realisierung von Basisinnovationen möglich ist. Dies erschien mir aufgrund einer Studie der FH Joanneum relevant (Abuzahra, Grasser, Binder, Adamer-König 2011): Demnach arbeiten lediglich 13 % der Studienabsolventinnen und -absolventen im genuinen Bereich des Gesundheitstourismus. Die vergleichsweise große Anzahl von 67 % finden demgegenüber einen Job in verwandten Feldern des Managements (z.B. Hospitalitymanagement, Destinationsmanagement) oder des Gesundheitswesens (genannt sind z.B. Krankenanstalten). Vielleicht entsteht aufgrund der hier dargestellten Finanzierungsalternativen das Interesse, eine eigene Idee umsetzen zu wollen. Die genannte Auswertung impliziert jedoch auch, dass der Großteil der Absolvierenden in verwandten Feldern beruflich aktiv wird. Daher fokussiert das fünfte Kapitel die sog. Destinationsentwicklung. Auch hierbei sind Vernetzungen unerlässlich, um die gesundheitstouristische Reflexion nicht in eine redundante Entwicklung zu führen. Maßgebliche Impulse für dieses Kapitel verleihen die Ergebnisse der Ottawa-Charta (1986), der Bericht der BrundtlandKommission „Unsere gemeinsame Zukunft“ aus dem Jahre 1987, sowie die aktuelleren Positionspapiere des Agenda-21-Prozesses. In unserem Zusammenhang sind vor allem die Lokale Agenda 21 (LA 21) und die Agenda 21 der Reise- und Tourismusindustrie zu nennen. Aus der Dokumentenanalyse heraus ergab sich daraufhin der Bedarf, das Kapitel in drei Bereiche zu unterteilen. Mit der Verhältnisprävention werden in vier Themenbereichen Maßnahmen angeregt, die zur Veränderung der Lebensverhältnisse innerhalb gesundheitstouristischer Destination führen können. Daran anschließend werden in Anlehnung an die Ottawa-Charta deren fünf Kernaufgaben auf die Destinationsentwicklung übertragen, ehe abschließend das besonders herausfordernde gesundheitstouristisches Marketing reflektiert wird (u.a. Soyez et al. 2012, Winkelmann 2010, Barth 1999). All dies geschieht, wie auch in den Vorkapiteln, unter Einführung interessanter Praxisbeispiele, Links und Literaturdokumente.

6

1 Einleitung

Nicht nur, um den Ansprüchen eines universitären Studiengangs zu entsprechen, bildet ein Ausflug in die Ethik den würdigen Abschluss unserer Reise durch den Gesundheitstourismus. Gemeinsam mit der Anthropologie konnte hier ein zweites Themenfeld identifiziert werden, das der Forcierung in gesundheitswissenschaftlichen Studiengängen bedarf. Ethik kann vorab als Oberbegriff von Moral, Werten und Normen verstanden werden. Vor dem Hintergrund sich ändernder Rahmenbedingungen – Zielgruppen und ökologische Verhältnisse, habe ich nach direkten Bezugsdisziplinen, den sog. Bereichsethiken gesucht und diese in Form der Medizin- und Pflegeethik sowie der Unternehmensethik gefunden. Es wird sich herausstellen, dass gesundheitstouristisches Handeln ohne anthropologische und ethische Grundlegung lediglich „Handeln um des Handelns willen“ ist – es fehlen jedoch wesentliche Dimensionen wissenschaftlicher Grundlagenarbeit, die eine akademische Positionierung erlaubt.

1.2

Didaktische Struktur

Ohne an dieser Stelle in eine vertiefende pädagogische Diskussion einmünden zu wollen, kann es von Nutzen sein, einige Aspekte zu erörtern, die Ihnen die Erarbeitung der Inhalte des vorliegenden Buches erleichtern. Wenn auch in der weiteren Folge dieses Werkes der Terminus Didaktik fällt, so geschieht dies nach Definition von Raithel, Dollinger und Hörmann (2009) im weitesten Sinne: als Theorie des „organisierten Lehrens und Lernens in allen möglichen Situationen und Zusammenhängen“. Darüber hinaus nennen Kaiser & Kaiser (2011) fünf didaktische Prinzipien, die ich Ihnen mit Relevanz für die ausgewählten Inhalte, deren Aufbereitung, die Praxisbeispiele und vertiefender Recherchemöglichkeiten nicht vorenthalten möchte:  Prinzip der Situationsbezogenheit: Gudjons (2010) erwähnt die sog. Alltagswende. Hiermit bezieht er sich auf die Hinwendung eher theoretisch operierender Wissenschaften zu konkreten Beispielen aus der konkreten Lebenswelt. Beispiele aus der eigenen, fachlichen Forschungstätigkeit des Autors im Anwendungsbereich des Gesundheitstourismus stellen derlei Beispiele für Situationsbezogenheit dar. Oftmals stellen sie modellhaft reale Situationen dar, die Studierenden Lösungen aus dem gesundheitstouristischen Praxisfeld bieten.  Prinzip der Handlungsorientierung: Dieses Lehrbuch ist in der Form aufgebaut, dass es in einem ersten Schritt dabei helfen soll und hoffentlich wird, das eigene primär theorieaffine Lernziel Studienabschluss zu erreichen. Darüber hinaus soll es aber auch Orientierungshilfen und Hilfestellungen für ein späteres reflektiertes, wissenschaftsbasiertes Handeln im Praxisfeld geben.  Prinzip der Wissenschaftsorientierung: Dieses Prinzip korrespondiert mit den beiden vorhergehenden. Einerseits wurden die Inhalte des Buches unter dem Paradigma der Praxisnotwenigkeit ausgesucht. Andererseits sollte die Wissenschaft auch in der späteren beruflichen Praxis den dann ehemaligen Studierenden Orientierung bietende Hilfeleistungen anbieten. Für Akademiker bedeutet die Rückbesinnung auf die gesundheitstouristische Wissenschaft die Möglichkeit, das eigene Handeln und die daraus abgeleiteten Argumentationen auf die Basis abgesicherter Erkenntnisse und Forschungsgegenstände zu stellen.  Prinzip des Exemplarischen: Kaiser & Kaiser (2011) nennen im Zusammenhang die grundlegenden Prinzipien der quantitativen Reduktion und der qualitative Verdichtung.

1.2 Didaktische Struktur

7

Gemeint sind hiermit Ergebnisse von durchaus umfangreichen Auswahlprozessen, die Lesenden bei den Lernprozessen Hilfestellungen leisten, indem sie Sachverhalte besonders plastisch darstellen. Sie erleichtern so das induktive Lernen (das Beispiel lässt Rückschlüsse für allgemeine Sachverhalte zu).  Prinzip der Struktur: Wie bereits erwähnt, wurden für die Erstellung der Struktur dieses Lehrbuches mehrere Quellen zugrunde gelegt: vorliegende Lehrpläne, Literaturquellen und eigene Erfahrungen. Neben den Aspekten der so entstandenen Inhaltsstruktur stellten sich Fragen an die zu entwickelnden Aspekte der methodischen Struktur. Unter Methodik kann die zusammenfassende Lehre von den Methoden verstanden werden, die eingesetzt werden, um die Lehrziele zu erreichen (Schaub & Zenke 2007). Wenn in dem Zusammenhang der bekannte Neurologe Frederic Vester (2011) in seinem Standardwerk ein Kapitel dem Thema „Schulbücher, die das Lernen verhindern“ widmet, so war dies neben meinen eigenen Erfahrungen Anlass genug, nach Impulsen zu recherchieren, die im Ergebnis zu einer plausiblen methodischen Struktur führten. Dass gerade Schul- und Lehrbücher dazu neigen, „die Lernfähigkeit zu töten“, führt Vester (ebd.) übrigens auf der Basis neurobiologischer Evidenzen zu einem klaren Urteil: „Viele solcher Formulierungen werden, gerade weil sie im akademischen Sinne exakt und vollständig sind, äußerst inexakt assoziiert. Sie verwirren, nehmen die Lust am Lernen, blockieren die Aufnahme und das Verständnis“ (Vester 2011). Die nun folgende Sammlung von Symbolen und den ihnen zugeordneten Erklärungen soll Ihnen den Umgang mit dem vorliegenden Lehrbuch erleichtern. In diesem Kapitel Die Silhouette eines lesenden Menschen weist darauf hin, dass die Inhalte des Kapitels hier in Kürze eingeführt werden.

Praxisbeispiel Natürlich erleichtern Praxisbeispiele den Verstehensprozess. Veranschaulicht werden sie durch das Haus im Kreis. Sie helfen in diesem Lehrbuch jedoch nicht nur dabei, Inhalte veranschaulichend zu transportieren. Studierende erhalten hier Impulse für das Praxissemester und die Bachelor- bzw. die Masterarbeit. Übungen Die Übungen dienen primär der Vorbereitung auf mögliche Prüfungsinhalte. Die Lösungen können sowohl individuell, als auch in Gruppenprozessen erarbeitet werden. Beide Varianten bieten vom Lernprozess her Vorteile; eine Kombination von Einzel- und Gruppenarbeit empfiehlt sich daher auch bei der Nutzung dieses Lehrbuches. Übungen bedeuten: Eigenständiges Reflektieren und Arbeiten.

8

1 Einleitung Informationen/Vertiefungstipps Dieses Symbol weist darauf hin, wo Vertiefungsinformationen abgerufen werden können. Dies können einerseits interessante, öffentlich zugängliche Rechercheangebote im Internet sein, als auch andererseits Vertiefungsliteratur in Printmedien. Wo dies sinnvoll erscheint, erfolgt eine Kurzkommentierung zur Recherchequelle. Definition Im Endeffekt kommt kein Lehrbuch ohne Definitionen aus. Diese stellvertretend mit einer Brille dargestellt, die sagen soll: Hier sollte man genauer hinschauen, Dinge vielleicht ein zweites Mal lesen und sich die Ergebnisse in jedem Fall merken. Zusammenfassung Symbolisch wird die Zusammenfassung duch eine Büroklammer dargestellt.

Der Gesundheitssoziologe Vester hat in seinem Werk Tourismustheorie (1999) das Lesen eines Buches mit einer Reise verglichen. Daran möchte ich mich nun anlehnen und mit Ihnen gemeinsam in St. Moritz den Glacier-Express besteigen, um mit ihm einige der schönsten alpinen Naturschönheiten zu erkunden. Der Einleitung kommt dabei die Funktion der Reisevorbereitung gleich, die aus Reisebuchung, Streckenplanung und Anreise besteht. Ganz im Sinne, diese Vorbereitungen nun abgeschlossen zu haben, darf ich Ihnen nun eine gute Reise wünschen.

2

Wissenschaftliche Grundlegung

Wenn am Beginn dieser Reise eine wissenschaftliche Grundlegung erfolgt, so geschieht es aus zwei Motiven heraus. Zum einen sollte die Anthropologie Basis eines jeden humanwissenschaftlichen Studiengangs darstellen. Sie wird bereits im Duden als „Wissenschaft vom Menschen und seiner Entwicklung in natur- und geisteswissenschaftlicher Hinsicht“ beschrieben. Als Fach eines Studiengangs ist sie daher in vielen Wissenschaften vertreten, so auch in der Psychologie, der Biologie und der Pädagogik. Die anthropologische Medizin kann im deutschsprachigen Raum vor allem mit den Namen Krehl, Siebeck und von Weizsäcker im Zusammenhang mit der Heidelberger Schule der Psychosomatik verbunden werden (Schipperges 2003). Als Teil eines Lehrbuches sollte aus dem theorie-praktischen Kontext heraus eine solch grundlegende Reflexionsarbeit daher auch für den Gesundheitstourismus erfolgen. Eine zweite Argumentationslinie erhärtet dieses Ansinnen: Lehrbücher stehen als ein symbolischer Indikator für den Etablierungsgrad einer Wissenschaft und ihrer Teildisziplinen. Wenn die in den Publikationen behandelten gesundheitstouristischen Themen ausschließlich deskriptiver und interpretierender Natur wären, so würde lediglich „Handeln um des Handelns willen“ betrieben. Neben wissenschaftlichen Publikationen (Lenzen 1997, Wulfhorst 2003) gibt es weitere Indikatoren, die über die akademische Etablierung einer Wissenschaft Aufschluss geben. So nennt Wulfhorst (ebd.) auf der höchsten Etablierungsstufe die Präsenz eines Faches als akademische Subdisziplin, worunter sie Institute, Studiengänge, Lehrbefähigungen und wissenschaftliche Gesellschaften in quantitativer Form zusammenfasst. Die im vergangenen Jahrzehnt rapide gestiegene Anzahl von touristischen Instituten, Studiengängen und auch die Deutsche Gesellschaft für Tourismuswissenschaften indizieren, dass sich Tourismus als Wissenschaft bereits etabliert hat. Weniger etabliert ist eine Wissenschaft, wenn sie als Fachdisziplin bezeichnet wird, wie das beim Gesundheitstourismus der Fall ist. Im Unterschied zur Subdisziplin zielen Fachdisziplinen darauf ab, wissenschaftliche Reaktionen auszuprägen, die in der Lage sind, Antworten auf gesellschaftliche Probleme zu geben (vgl. Wulfhorst 2003). Wenn Hachtmann (2008) den Tourismus als Spiegel und Zerrspiegel politischer, gesellschaftlicher und ökonomischer Phänomene bezeichnet, so ist dies ein Beleg dafür, dass der Gesundheitstourismus in diesem Zusammenhang etabliert zu sein scheint. Die dritte Ebene fokussiert die Praxisorientierung und hebt sich dadurch von den zuvor genannten Stufen deutlich ab. Die weitere Etablierung von Tourismus und v.a. des Gesundheitstourismus als Fachdisziplin fordert insbes. im universitären Kontext die Reflexion anthropologischer und später auch ethischer Aspekte ein. In diesem Kapitel Gesundheitstourismus lebt von der Dynamik und Interaktivität der Gesundheit. Sie wird vor allem als Zustand erlebt, der individuell zwischen den Extremen Höchste subjektive Lebensqualität und Vorzeitiger Tod täglich gelebt wird. Die anfängliche Aufgabenstellung lautet daher, Gesundheit als Konstrukt eines Kontinuums zu entwi-

10

2 Wissenschaftliche Grundlegung ckeln. Krankheit wird daraufhin als eine Facette von Gesundheit interpretiert. Hierbei scheint es notwendig, allgemeine Kennzeichen und Vorstellungen zu den Begriffen Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention zu vertiefen, und diese ganz i.S. der Vorstellungen des Kontinuums in den Kontext von Gesundheitsförderung zu bringen.

Dies ist kein Gegensatz, sondern eine komplementäre Ergänzung, wie sich später zeigen wird. Im zweiten Teilabschnitt wird der Gesundheitsbegriff näher erörtert. Dies geschieht anhand dreier Modellansätze: Neben dem biomedizinischen Modell und demjenigen der Salutogenese wird in das noch junge Konstrukt der subjektiven Lebensqualität eingeführt, alle drei Modelle sind im Praxisfeld von Relevanz. Das erste Unterkapitel schließt mit Überlegungen zu Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention. Beide Begriffe sind für das Gesundheitssystem von elementarer Wichtigkeit und zeigen daher in einem der vielen Effekte Auswirkungen auf die Varianten gesundheitstouristischer Settings. Im kulturanthropologischen Unterkapitel wenden wir uns der Historiografie des Gesundheitstourismus zu. Diese Teiletappe führt uns eingangs in die prototouristischen Anfänge des antiken Rom zurück. Hier hatten Körper und Körperlichkeit hohen Stellenwert, standen doch Wehrtüchtigkeit und Tapferkeit im Spitzenfeld der erstrebenswerten Tugenden (Müller 1995). Und: Gibt es heutzutage eine Diskussion um egozentrische Formen des Hedonismus, der möglicherweise in Wellnessresorts und Day Spas ausgelebt wird, so beschwerten sich bereits in römischer Zeit keine Geringeren als Seneca und Cicero über „schlimme Sündenpfuhle und Tummelplätze für Vergnügungssüchtige“ (Hachtmann 2008). Gemeint war hiermit vor allem ein antiker Ort namens Baiae (nahe Neapel). Dort gab es bereits vor ca. 2.000 Jahren eine Häufung von zeitgemäßen Wellnessanlagen wie Schwefelbäder und Kurhäuser. Doch nicht nur Baiae zeugt von einer ausgeprägten antiken Wellnesskultur. Auch die Diocletiansthermen mit ihrer Grundfläche von ca. 11 Hektar weisen in diese Richtung – Grund genug, den prototouristischen Erscheinungsformen des Gesundheitstourismus einen Teilabschnitt zu widmen. Mit dem Zerfall des Imperium Romanum einher ging die Degenerierung der gesundheitsfördernden Lebenskultur. Bei Bohus (1986) heißt es: „Die Restsubstanz der spätantiken Lebenskultur war zu schwach, um einer kommenden Epoche echte Impulse vermitteln zu können.“ Erst im Zeitalter des Humanismus (1400–1600) wurden antike Werte wiederentdeckt; in diese Zeit fällt wohl auch deshalb die Gründung der ersten Bäder im deutschsprachigen Raum. Hierzu gehören u.a. Baden bei Wien oder Bad Gastein. In der Folge waren es Kriege, deren teils lang anhaltende Folgen und menschliche Leitbilder, wie das des absolutistischen Ideals vom galant homme (Bohus 1986), welche eine flächendeckende Renaissance römischer Thermen- und Bäderanlagen verhinderten. Den zweiten Schwerpunkt der historiografischen Teiletappe bilden daher die Ursprünge des heutigen Gesundheitstourismus. Hier sind vor allem die Heil- und Seebäder zu nennen. Deren Nutzung war über einen langen Zeitraum exklusiver Natur und somit anfangs Adeligen und später der neuen Schicht des Großbürgertums vorbehalten. Die breite Öffnung für die aktuell breiten Facetten des Gesundheitstourismus erfolgte erst nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, einer Zeit, die der Historiker Hachtmann (2008) auch bezogen auf den Tourismus als Phase des sozialen Dammbruchs bezeichnet. In diese zeitliche Etappe von ca. 1950 bis heute führt der vierte und letzte Teilabschnitt dieser historiografischen Teiletappe abschließend ein.

2.1 Gesundheitswissenschaftlich anthropologische Hinführung

11

Lernziele  Den theoretischen Unterschied zwischen Gesundheit und Krankheit kennen und beide Begriffe klar voneinander abgrenzen können.  Darauf basierend den Unterschied von Gesundheitsförderung und den drei Varianten von Prävention kennen und den Bezug zum Gesundheitstourismus herstellen können.  Gesundheitsmodelle und deren Relevanz für den Gesundheitstourismus kennen.  Gesundheitstourismus in seiner historiografischen Entwicklung nachzeichnen können.  Die gegenwärtige Situation in Bezug zum aktuellen Gesundheitssystem und das Urlaubs- und Freizeitverhalten einordnen können.

2.1

Gesundheitswissenschaftlich anthropologische Hinführung

Vom Philosophen Arthur Schopenhauer (1788–1860) stammt das Zitat, dass „Gesundheit nicht alles, ohne Gesundheit allerdings alles nichts ist“. Um nicht auf dem Niveau dieser viel zitierten Aussage zu verbleiben, wollen wir uns eingangs dem Begriff etymologisch (gr. étymos = wahr, logos = Wort) annähern. Hierunter versteht der Duden die „Lehre von der Herkunft, Geschichte und Grundbedeutung eines Wortes“. Oftmals ist bereits in der etymologischen Herleitung der Schlüssel für ein ausreichendes Grundverständnis des Wortes gegeben. Leider gilt dies nicht für den Gesundheitsbegriff. So hat bereits eine Vielzahl von Wissenschaftlern verschiedener Provenienz an einem konsensfähigen Definitionsversuch gearbeitet – ohne jedoch eine in allen Wissenschaften akzeptierte Version zu finden. So stellt Hölter (2011) zutreffend fest, dass Gesundheit oft „zunächst selbstverständlich erscheint, sich aus wissenschaftlicher Sicht heraus jedoch als recht heterogen und komplex“ darstellt. Die einführende etymologische Reflexion ist dennoch indiziert, um Gesundheit in seiner interessanten Vielschichtigkeit mit Bezug zum vorliegenden Gesamtkontext und Ihrem späteren beruflichen Selbstverständnis zumindest ansatzweise zu reflektieren. Zudem erscheint dieser Schritt notwendig, weil die Arbeit im Praxisfeld eines zeigt: Die besonders relevanten Begriffe Gesundheitsförderung und Prävention scheinen für viele Akteure beliebig vertauschbar zu sein, weil die notwendige Trennschärfe der Diktion häufig nicht gegeben ist. Ein Beispiel für diese Beliebigkeit stammt von Gee und Fayos-Sola (1997): „Tourism associated with travel to health spas or resort destinations where the primary purpose is to improve the traveller’s physical well-being through a regimen of physical exercise and therapy, dietary control, and medical services relevant to health maintenance“ (in Rulle 2008). Als Orte werden hierbei zwar sowohl Hotels als auch Kurzentren genannt, Ziel ist dabei die Aufrechterhaltung, Wahrung, Beibehaltung von Gesundheit durch Kuranwendungen. Die durch den Begriff maintainance genannten Ziele greifen für diejenigen des kurativen Bereichs von Gesundheitstourismus auf jeden Fall zu kurz. Denn die restitutio ad integrum würde mit recovery zu übersetzen sein, die Vorbeugung einer drohenden Erkrankung mit prevention. Diese terminologisch-etymologische Diskussion in nahezu seziererischer Qualität zu betreiben mag anfangs befremdlich wirken, ja sogar haarspalterisch – sie ist es aber nicht. Denn spätestens, wenn es um die Übernahme von Kosten für den Aufenthalt oder für physikalische Anwendungen – wie die viel beliebten Moorbäder oder Massagen von Gesundheitsgästen geht – gleitet diese theoretische Diskussion hinüber in die praktische Facette der Kostenträ-

12

2 Wissenschaftliche Grundlegung

gerschaft. Aus genau diesem Grund ist es wichtig zu wissen, was unter dem Terminus Gesundheit mit Bezug zum Gesundheitstourismus zu verstehen ist. Einleitend mag man spontan vielleicht der ursprünglichen Definition des Gesundheitsbegriffs der WHO zustimmen, in der es lautet: „Gesundheit ist der Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur des Freiseins von Krankheit und Gebrechen“ (Wulfhorst 2003). Den Hauptkritikpunkt dieser aus dem Jahr 1948 stammenden Definition kann man wohl in der zu statischen Umschreibung eines Idealzustandes von Gesundheit identifizieren. Seedhouse (in: Hurrelmann und Franzkowiak 2006) umschreibt den Gesundheitsbegriff im Kontext „früher wissenschaftlicher Theorien“ ähnlich der Definition durch die WHO, ergänzt diese aber durch drei weitere Aspekte:  „Gesundheit als persönliche Stärke, die auf körperlichen und psychischen Eigenschaften beruht.  Gesundheit als Leistungsfähigkeit der Erfüllung von gesellschaftlichen Anforderungen.  Gesundheit als Gebrauchsgut, das hergestellt und „eingekauft werden kann“. Aufgrund einer Vielzahl von Erkenntnissen „neueren Datums“ (Denkströmungen, diagnostische Möglichkeiten, ökonomische Veränderungen) bedurfte die von der WHO vorgelegte Definition einer Aktualisierung. Auch dies ist bereits mannigfach geschehen (u.a. Nicolaus et al. 2009, Zwick 2003), namentlich durch die Organisation selbst. Exemplarisch soll in die aktuellen Definitionen mit dem Mandala-Modell der Gesundheit von Hancock eingeführt werden (siehe Abb. 2.1). Bei Mandalas handelt es sich generell um fernöstlich-religiöse Symbole. Das in Abb. 2.1 abgebildete Mandala wurde von einer Arbeitsgruppe unter Leitung von Trevor Hancock 1990 publiziert. Es soll stellvertretend auf die „grundlegende Einheit von Individuum und Universum“ hinweisen (Waller 2006). Im Zentrum dieser Interpretation des Gesundheitsbegriffs steht die für therapeutische Kontexte untrennbare Verbindung der Trias Körper – Geist – Seele (vgl. Bünting 1999). Die Trias wird akzentuiert, weil sie zentrale Grundlagen des Sichselbst-Erlebens in der Interaktion mit der Außenwelt darstellt (vgl. Waller 2006). Dieses mehrdimensionale Mandala zu verwenden, schien bei der Installierung eines die Gesundheitsförderung stärker akzentuierenden Gesundheitssystems in Toronto (1990) sinnvoll und notwendig. Insofern symbolisiert das Mandala-Modell neben seiner genuinen Aussagekraft auch den eingeleiteten Paradigmenwechsel im kanadischen Gesundheitssystem der 1990er Jahre. Die Abb. 2.1 führt neben der Trias im Zentrum vier weitere Termini des familiären Umfeldes: So steht die Humanbiologie im Kontext von familiärer Einflussnahme für das genetische Erbgut. Zum anderen ist die Familie aber auch das Setting der sog. Primärsozialisation. Menschen werden in die Gesellschaft „hineinerzogen“, Eltern und ggf. Geschwister geben die ersten Impulse für das Verhalten des jungen Menschen – dies geschieht neuesten neurowissenschaftlichen Erkenntnissen zur Folge in gewissem Umfang bereits pränatal (vgl. Rothenberger 2010). Der Einfluss der Familie bleibt bezogen auf die Gesundheitserziehung darüber hinaus mindestens so lange von großer Bedeutung, bis die dann jungen Erwachsenen einen Grad an Autonomie erreicht haben, den selbstverantwortlichen Erwerb von Gesundheitskompetenz durch Gesundheitsbildung ermöglicht. Problematisch ist an dieser Konstellation, dass das primärsozialisierte Gesundheitsverhalten schwer zu verändern ist (u.a. Faltermaier 2005), es zieht häufig lebenslange Konsequenzen hinsichtlich des Lebensstils, Lebensweise und subjektiver Lebensqualität nach. So zeigen

2.1 Gesundheitswissenschaftlich anthropologische Hinführung

13

aktuelle Ergebnisse des Max-Rubner-Instituts zur Ernährung am Beispiel der Adipositas (krankhaftes Übergewicht, vgl. MRI 2008), wie schwierig es im weiteren Lebensverlauf ist, die in der Primärsozialisation erlernten, ungesunden Ernährungsweisen abzulegen. Dieser innere Zirkel des Gesundheitsmandalas kann in anfangs begrenztem und im weiteren Lebenslauf größeren Umfang durch Lernen im sozialen Kontext vom Individuum beeinflusst werden: In unserem Gesundheitssystem bleibt es weitgehend der individuellen und freien Entscheidung überlassen, wo man arbeitet, welche Art des Lebensstils man wählt und grundsätzlich auch, wie man sich krankenversichert.

Kultur Gemeinde Lebensweise Psychosozioökonomische Umwelt

Persönliches Verhalten Geist Krankenversorgungssystem

Arbeit Seele

Körper

Humansoziologie

Physikalische Umwelt

vom Menschen gemachte Umwelt

Biosphäre

Abb. 2.1:

Das Mandala-Modell von Hancock (in: Waller 2006)

Der später noch zu vertiefende Begriff Humanökologie erfasst in seiner Relevanz eine Vielzahl weiterer Komponenten, die zu Konstituierung von Gesundheit beitragen. Im vorliegenden Zusammenhang nimmt die Humanökologie eine Brückenfunktion zu weiteren, bislang nicht erwähnten Aspekten ein. So nimmt die Gemeinde eine weitere Kernfunktion von Gesundheit ein, weshalb sie als „Mutter aller Settings“ bezeichnet wird (Gesundheit Österreich 2012). Dies rührt einerseits daher, dass Gemeinden für spezifischere Settings wie Kindergärten, Schulen, Familien und (touristische) Betriebe eine integrative Handlungsstrategie erstellen (siehe Kap. 5), andererseits in vielen Bereichen Träger des öffentlichen Gesundheitssystems sind (Seniorenresidenzen, Krankenhäuser, Pflegedienste). In Korrespondenz zum Begriff Vom Menschen gemachte Umwelt (Abb. 2.1) sind die Gemeinden für eine Vielzahl von Gesundheitsparametern als Lebensraum verantwortlich: Trinkwasser- und Luftqualität, Wegesicherheit, Ausstattung öffentlicher Gebäude mit ergonomischen Möbeln (v.a. Schulen und Kindergärten), usw.. Auf die damit verbundenen Möglichkeiten der Gesundheitsförderung durch Gemeinden wird im Kap. 5 vertiefend eingegangen. Im weitesten Kontext sind im Mandala-Modell die Begriffe Kultur und Biosphäre genannt. Während der zuletzt ge-

14

2 Wissenschaftliche Grundlegung

nannte Begriff eher die allgemeinen und somit grundlegenden Parameter Lebensumwelt erfasst, bezieht sich der Terminus Kultur vor allem auf traditionelle und religiöse Dimensionen von Gesundheit. Von dieser komplexen Darstellung unterscheidet sich das bereits erwähnte GesundheitsKrankheitskontinuum (Illness/Wellness-Continuum) deutlich (Siehe Abb. 2.3). Dokumentiert ist dessen erstmalige Publikation durch den US-amerikanischen Wellnesspionier John W. Travis im Jahr 1972. Gemeinsam mit anderen im Zusammenhang wichtigen Personen wie Halbert Dunn (1869–1975) und Donald Ardell ging es Travis darum, den sich ändernden Krankheitsbildern der Zivilisationsgesellschaft durch Wellness zu begegnen. Beim Terminus Wellness handelt es sich ursprünglich um ein englischsprachiges Kompositum, das sich aus den Begriffen well-being (subjektive Lebensqualität) und fitness zusammensetzt. Dass sich diese Bewegung zuerst in den USA etablierte, liegt daran, dass der Wechsel von Infektionszu Zivilisationskrankheiten hier wegen der deutlich geringeren Effekte des II. Weltkrieges früher einsetzten, als dies in Europa der Fall war (Schipperges 1985). Zur Gruppe der Zivilisationskrankheiten zählen diejenigen, die in ihrer individuellen Entstehungsgeschichte (Ätiologie) auf einen ungesunden Lebensstil zurück geführt werden können. Grundlage dieser Idee war es, durch eigenes Bemühen den Zustand von Wellness zu erreichen. Das Kontinuum sollte im Gegenzug verdeutlichen, dass Inaktivität zum vorzeitigen Tod führt. Zeitlich daher, Bewegung, Ernährung und Entspannung durch gezielte Aktivität wieder in ein Wohlverhältnis zu bringen. Anfangs war Wellness von seiner Konzeption her als Volksbewegung gedacht.

Abb. 2.2:

Das Gesundheits-Krankheitskontinuum nach Travis (1972)

Die epidemiologische Verschiebung in Richtung der Zivilisationskrankheiten trat in Westeuropa während der frühen 1970er Jahre auf. Entsprechend der US-amerikanischen WellnessBewegung als quasi „Volksbewegung“ startete beispielsweise in der Bundesrepublik Deutschland die Gegenmaßnahme des Deutsche Sportbundes am 16.03.1970 unter dem Titel „TrimmDich – Durch Sport“, für die das bekannte Maskottchen Trimmy Pate stand (Abb. 2.3).

2.1 Gesundheitswissenschaftlich anthropologische Hinführung

15

durch Sport

Abb. 2.3:

Trimmy, das Symbol der bundesdeutschen Wellnessbewegung der 1970er Jahre (DOSB 2013)

Die Trimm-Dich – durch Sport-Bewegung war maßgeblich von der Einrichtung der sog. Trimm-Dich-Pfade geprägt. Auch medial trat die Kooperative, bestehend aus dem Bundesgesundheitsministerium, den Gesetzlichen Krankenkassen und eben dem Deutschen Sportbund, den Kampf gegen die Zivilisationskrankheiten den Wettkampf an. Unter dem Slogan „Ein Schlauer trimmt die Ausdauer“ (u.a.: www.youtube.com/watch?v=z7n-lUy1dAs) wurde über die Fernsehsender auf die Funktion von Ausdauersport aufmerksam gemacht. Ziel der Kampagne war ebenfalls Wellness in Form eines aktiven Lebensstils – wie in den Vereinigten Staaten. Als in den 1980er Jahren die Jogging-Welle auch Europa erreichte, zudem der Unterhalt der Trimm-Dich-Pfade auf die Gemeinden übertragen wurde, ebbte die Bewegung wieder ab. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass es die Form von Wellness als vom Staat initiierte Volksbewegung nicht nur in den USA, sondern auch bei uns gab. Der Begriff des Gesundheits-Krankheitskontinuums wurde jedoch nicht von Travis maßgeblich geprägt. Vielmehr geschah dies durch den israelischen Medizinsoziologen Aaron Antonovsky (1923–1994). Seine Forschungsarbeiten zu Stress und Stressverarbeitung führten ebenfalls zur Erkenntnis, dass nicht nur Krankheiten i.e.S. vorgebeugt (präveniert) werden kann, sondern vielmehr eine gesundheitsförderliche Lebensweise und ein adäquater Lebensstil zu generalisierten Widerstandsfaktoren (generalized resistance resources, GRR) führen. Ihm gelang der Nachweis, dass die individuelle Verarbeitung von Stress aus subjektiven Einstellungen zur Gesundheit resultiert (vgl. Antonovsky 1997). Untrennbar scheint die Arbeit Antonovskys mit dem Terminus Salutogenese verbunden zu sein. Salus (lat = Gesundheit/Wohlbefinden) und genesis (gr. = Geburt, Ursprung, Entstehung) umschreiben als altsprachliches Kompositum die Entstehung und die Erhaltung von individueller Gesundheit. Die generalisierten Widerstandsfaktoren helfen oder bremsen demnach bei der Verarbeitung von Stress. Die folgende Abb. 2.4. verdeutlicht den Zusammenhang nochmals: Gelingt die Verarbeitung von Stressoren, so wirkt dies protektiv und stabilisierend: Physis und Psyche werden gestärkt, dabei wird auf gesundheitspsychologischer Ebene eine funktionale Realitätstheorie entworfen (Becker 1995). Tritt der negative Fall der Verarbeitung von Stressoren ein, so wird der homöostatische Zustand ebenfalls verlassen, negative Einflüsse können Physis und Psyche als Risikofaktoren belasten. Bei längerfristigem Einfluss von Di-Stress und Frustratoren, kann es zur Ausprägung krankhafter Indikationen kommen.

16

Abb. 2.4:

2 Wissenschaftliche Grundlegung

Einflussfaktoren auf das Gesundheits-Krankheitskontinuum.

Der Definitionsversuch kann Ihnen vielleicht dabei helfen, sich die wichtigsten Facetten des Gesundheitsbegriffs in kompakter Form zu merken. Definition Gesundheit Gesundheit kann interpretiert werden als  ein relativer, objektiv messbarer Zustand,  eine subjektiv empfundene Zustandsbeschreibung,  ein Zustand, der stark vom Lebensstil abhängt, bei dem eher schonend oder riskant mit eigenen Ressourcen umgegangen wird und  ein Marktsegment, in dem Waren und Dienstleistungen umgesetzt werden. Insbesondere der zuletzt genannte Punkt fehlt vielen Definitionen von Gesundheit, wenngleich er für den Gesundheitstourismus in seiner ökonomischen Dimension entscheidend ist. Besondere Bedeutung kommt im Zusammenhang von Gesundheitstourismus der zweiten Strichaufzählung zu, der subjektiv empfundenen Zustandsbeschreibung. Diesbezüglich hat sich mittlerweile parallel zum deliberalisierenden Terminus „Laienmodell von Gesundheit“ derjenige der subjektiven Lebensqualität etabliert. Mit dem veralteten Laienbegriff können durchaus negative Konnotationen wie Debütant, Novize, Nichtfachmann oder Grünschnabel assoziiert werden. Trotz berechtigt erscheinender Kritik bezüglich der Messbarkeit des Konstrukts subjektive Lebensqualität (u.a. Möller-Leimkühler 2008) hat diese Dimension gerade für den Gesundheitstourismus eine hohe Relevanz. Die Aussicht auf pädagogisch und psychologisch relevante Dimensionen wie Selbstwirksamkeit, Selbstwahrnehmung und Lernerfolge verhelfen erst zur Disposition unserer Gesundheitsgäste, Gesundheit im inoffiziellen Bildungssetting eines Gesundheitszentrums oder Wellnessresorts freiwillig erlernen zu wollen. Die Importanz von Bildungswilligkeit als Grundvoraussetzung ist auch in der Medizin wichtige Grundlage für die Gestaltung von Therapieplänen (Klußmann 1998, Rudolf und Henningsen 2007).

2.1 Gesundheitswissenschaftlich anthropologische Hinführung

17

Übung Versetzen Sie sich in die sicherlich schwierig zu interpretierende Rolle einer Krebspatientin und beschreiben Sie deren Situation aus den genannten Perspektiven heraus. Vielleicht aus derjenigen einer Person mit einschlägiger Familienanamnese (Großmutter und Mutter hatten beispielsweise dieselbe Diagnose) im Hinblick auf das Mandala-Modell. Vielleicht fällt Ihre Wahl ja auch auf die Perspektive, das kurative Szenario bezüglich der eigenen Ziele vor dem anstehenden Kur-Aufenthalt beschreiben zu wollen. Wichtig an dieser Übung ist, zu beachten, dass dieser Reflexionsprozess unter bewusster Abwägung von Risiko- und Schutzfaktoren vollzogen wird. Sie können auch ein komplett anderes Setting wählen, indem Sie mit Bezug zu Risiko- und Schutzfaktoren beschreiben, warum Sie nach einem lang und strapaziös erscheinenden Arbeitsjahr einen Wellnessurlaub machen wollen. Protokollieren Sie am besten Ihre Ergebnisse unter Bezugnahme auf die ersten vier Punkte der Definition. Tipps im www zur weiteren Recherche  http://www.wido.de: Bei dieser Seite handelt es sich um die Homepage des Wissenschaftlichen Institutes der deutschen Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK). Für besonderes Aufsehen sorgt der Fehlzeiten-Report, den dieses Institut alljährlich seit 1999 publiziert. Ein Blick auf die Unterseiten „Versorgungsanalysen“ und „Gesundheitssystem“ lohnt sich stets, Veränderungen im Bereich der Kostenträgerschaft von Kranken und Gesundenaufenthalten zu prüfen.  http://www.goeg.at: Die Gesundheit Österreich GmbH ist eine Tochter des österreichischen Gesundheitsministeriums. Auf der Homepage finden sich vor allem aktuelle Informationen über das Gesundheitswesen sowie Informationen über Gesundheits-Dienstleistungen, medizinische Rehabilitation oder auch Krankenanstalten.  http://www.bzga.de: Auch die deutsche Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bietet eine Vielzahl von Informationen zum Thema Gesundheit (v.a. im Downloadbereich). Tipps zum Vertiefen in Literaturform  Antonovsky, Aaron, Salutogenese – Zur Entmystifizierung der Gesundheit, Deutsche Herausgabe von Franke, Alexa, Tübingen 1997.  Hurrelmann, Klaus, Gesundheitssoziologie – Eine Einführung in sozialwissenschaftliche Theorien von Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung, Weinheim und München 2006.  Kaluza, Gert, Stressbewältigung – Trainingsmanual zur psychologischen Gesundheitsförderung, Heidelberg und Berlin 2004.  Frank, Renate, Therapieziel Wohlbefinden – Ressourcen aktivieren in der Psychotherapie, Heidelberg und Berlin 2007.

18

2.1.1

2 Wissenschaftliche Grundlegung

Krankheit als Facette von Gesundheit

Über viele Jahrhunderte stand in Europa die „Heilskunst“ im Zentrum medizinischen Handelns. Epochen prägende Namen aus dem antiken Zeitalter wie derjenige des Hippokrates von Kos (ca. 460–370 v.Chr.) oder der des Galen (ca. 129–216), der Epoche des Mittelalters, wie derjenige der Hildegard von Bingen (1098–1179) oder auch des Paracelsus (ca. 1493– 1541) zeugen von der medizinischen Suche nach Balance unter der zentralen Vorstellung von Unversehrtheit und Gesundheit. Sie alle versuchten mit ihren bescheidenen diagnostischen Mitteln, aber durchaus hohen philosophischen Anlagen, nach Gesundheit in Form der Humanökologie zu suchen. Die Medizin wurde über mehr als zwei Jahrtausende aus einer holistischen Perspektive heraus betrieben, was den Medizinhistoriker Heinrich Schipperges (1918–2003) dazu bewegte, von Heilskunst zu schreiben (vgl. Schipperges 1985). Erst zu Beginn des 19. Jh. entwickelte sich die Medizin in Anlehnung an einige seit dieser Zeit rasch an Popularität gewinnenden Naturwissenschaften. Mit dieser Entwicklung einher kam es seither nicht nur zu atemberaubenden Innovationen, die der Medizin letztlich ihren heutigen gesellschaftlich hohen Stellenwert verdankt. Auf der Schattenseite dieses Entwicklungsprozesses entwickelte sich die Medizin von der Heilskunst zur „Heilstechnik“ (Schipperges 1985), die sich primär am organischen Funktionieren des homo patiens orientiert. Auch wurde Krankheit mehr und mehr zum Behandlungsgegenstand der Medizin, zu Ungunsten der Gesundheit und ihrer Förderung. In einer ersten Auslegung ist daher heute im medizinischen Nachschlagewerk Pschyrembel (1998) über Krankheit nachzulesen, sie sei die diagnosefähige „Störung der Lebensvorgänge in Organen oder im gesamten Organismus mit der Folge von subjektiv feststellbaren körperlichen, geistigen bzw. seelischen Veränderungen“. Der nicht eindeutig zuordnungsfähige Begriff „subjektiv“ wird im zweiten angebotenen Annäherungsversuch geklärt („Erforderlichkeit einer Diagnosestellung“). Im medizinischen Wörterbuch, das belegt dieses Zitat, wird weithin ein Modell favorisiert, das als kausal-biomedizinisch bezeichnet wird. In anderem Zusammenhang verwende ich in Anlehnung an Schipperges (1985) deshalb den Terminus „Heilstechnik“, die sich in negativer Weise von der „Heilskunst“ unterscheidet. Kausalität kann im Sinne von Heilstechnik wie folgt interpretiert werden: konkrete(r) Erreger/ Ursache – Anamnese – Diagnose – Therapie – Heilung. Antonovsky bewertet diese Diagnostik nicht nur als inadäquat, sondern sogar als inhuman, weil sie „zu einem Verkennen der Ätiologie des Gesundheitsstatus der Person führt“ (1997). Abb. 2.5 verdeutlicht mögliche Diskrepanzen, die zwischen dem Versuch, Gesundheit objektiv im Rahmen von Diagnose erfassen zu können, und der subjektiv empfundenen Zustandsbeschreibung entstehen können. Das Gesundheits-Krankheitskontinuum erfährt hier eine weitere Ergänzung. Denn zu den im Kontinuum abgebildeten Ereignissen +/+ und –/– kommen zwei weitere hinzu. Diese erlangen aufgrund aktueller epidemiologischer Szenarien ein hohes Maß an Bedeutung.

2.1 Gesundheitswissenschaftlich anthropologische Hinführung

19

Subjektive Erfahrung des Krankseins

+

Objektive Diagnose einer Krankheit

Abb. 2.5:

Fühlt sich krank, hat eine diagnosefähige Krankheit

Fühlt sich krank, eine Diagnose kann nicht gestellt werden

Fühlt sich gesund, hat eine diagnosefähige Krankheit

Fühlt sich gesund, hat keine diagnosefähige Krankheit

+

Mögliche Beurteilungshinweise von Krankheit (Naidoo und Wills 2010)

Praxisbeispiel ... ... für das Ereignis +/–: Jemand fühlt sich gesund, hat jedoch eine diagnosefähige Krankheit. Eine deutliche Mehrzahl chronischer Langzeiterkrankungen hat eine mehr oder weniger lange Latenzphase, was u.a. für die Vorgeschichte der Diabetes Mellitus II gilt. Hierbei handelt es sich um die Lebensstil bedingte Variante der Erkrankung. Häufig korrespondieren über viele Jahre, teils auch Jahrzehnte ein zu geringes Maß an Bewegung mit zu kalorienreicher Ernährung, bevor der Lebensstil zu einer diagnosefähigen Indikation führt, welche wiederum therapeutische Interventionen ermöglichen. ... für das Ereignis –/+: Jemand fühlt sich krank, eine evidenzbasierte Diagnose kann jedoch nicht gestellt werden. Aufgrund noch fehlender apparatediagnostischer Kompetenz gehören hierzu eine Vielzahl psychischer Störungen. Würden wir heutzutage bereits über eine Medizintechnik verfügen, die die Differenzialdiagnostik ermöglichen könnte, so würde eine Vielzahl von bislang als Syndromen klassifizierten Störungen gezielter behandelt werden können. Aufgrund fehlender apparatediagnostischer Kompetenz fühlen sich Betroffene häufig als Simulanten stigmatisiert, was vielleicht erklärt, dass immer noch lediglich 12 % Betroffener tatsächlich Dienste der psychischen Gesundheitsversorgung wahrnehmen, während sich die Dunkelziffer bei 88 % bewegt – weltweit (vgl. Segal, Williams und Teasdale 2008). Krankheit schränkt Gesundheit ein; sie ersetzt sie nicht, sondern bleibt Teil von ihr. Ausnahmen dieser Interpretation sind v.a. in der Arbeitsmedizin etabliert, welcher die Aufgabe zukommt, über die Arbeitsfähigkeit bzw. deren Einschränkung von Mitarbeitern und zugleich Versicherungsnehmern zu entscheiden. Doch analog zum Gesundheitsbegriff beinhaltet auch der Terminus Krankheit einige weitere Facetten, die für den Gesundheitstourismus Relevanz haben.

20

2 Wissenschaftliche Grundlegung

So wird einerseits zwischen akuten und chronischen Krankheiten differenziert. Unter Akuterkrankungen sind diejenigen zu verstehen, deren Eintritt plötzlich erfolgt, deren Symptomatik jedoch auch wieder abklingen (Franzkowiak 2006). Der touristische Bezug entsteht dabei häufig ausschließlich im Kontext von Unfällen: Ski- oder Tauchunfälle, Stürze vom Mountainbike mit anschließender Akutversorgung, welche mit institutionalisierter Primärversorgung vor Ort durch die Bergrettung oder die Wasserwacht beginnt und häufig mit der Versorgung im regional zuständigen Spital weitergeführt wird. Chronische Erkrankungen haben demgegenüber eine deutlichere Beziehung zum Gesundheitstourismus, bislang v.a. in Form von Kuren. Definition Krankheit  Krankheit kann objektiv diagnostiziert oder auch subjektiv empfunden werden.  Trotz des Eintretens oder der Manifestation von Krankheit erlischt die Gesundheit nicht. Im Sinne des Kontinuums wird die Gesundheit geschwächt. Wie stark dies erfolgt, hängt von der Progredienz des diagnostizierten oder auch subjektiv empfundenen Krankheitszustandes ab.  Krankheit muss zwischen akut und chronisch bzw. manifestiert unterschieden werden.  Krankheiten erfordern kurative Interventionen; Ausnahmefälle sind diejenigen, bei denen sämtliche therapeutischen Maßnahmen nicht (mehr) greifen (z.B.: Präfinalfälle einer Krebserkrankung). Wenn diese Definition von Ihnen akzeptiert werden kann, so möchte ich Sie darauf aufbauend an weitere Begriffe heranführen, die für das therapeutische Vorgehen, die Behandlung entscheidend sind. Dabei wird das Stadium der Krankheit entscheidend. Tab. 2.1 führt daher in die Themenbereiche kurativen Handelns ein, die in Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention unterschieden werden können. Diese drei wichtigen Termini können unter dem therapeutischen Zielbegriff Restitution zusammengefasst werden. Sie unterscheiden sich grundsätzlich von der Gesundheitsförderung, die grundsätzlich auf die Erhöhung der subjektiven Lebensqualität abzielt. Im kurativen Praxisfeld gestaltet sich gerade im Falle psychischer Störungen eine stadienbezogene Diagnose oftmals schwieriger, als bei rein physischen Schädigungen oder Schäden. Da die Träger der Gesundheitskosten jedoch auch mit Hinblick auf die Genehmigung eines vorbeugenden oder rehabilitativen Aufenthaltes in einem unserer Settings eine klare Indikationsstellung einfordern, ist die Tab. 2.1 nicht lediglich als theoretische Abhandlung zu verstehen. Die dortige Klassifizierung ist vielmehr Bestandteil des ärztlich-diagnostischen Alltags.

2.1 Gesundheitswissenschaftlich anthropologische Hinführung Tab. 2.1:

Theoretische Unterschiede zwischen Gesundheitsförderung, Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention (Cassens, Hörmann, Tarnai, Stosiek und Meyer 2012) Gesundheitsförderung

Ansatzpunkt

Steigerung der Gesundheitspotenziale ohne Risiko- und Krankheitsbezug.

Gesundheitsbegriff

Biopsychosozialer Gesundheitsbegriff.

Zielgruppe

Gesundheitsgäste ohne spezielle Indikationsstellung.

Ziel

Stärkung der Schutzfaktoren.

2.1.2

21

Primäre Prävention (Hoch-)Risikogruppen, jedoch ohne klinisch relevante Diagnose; Symptomatik kann jedoch vorhanden sein. Biopsychosozialer und biomedizinischer Gesundheitsbegriff. Gäste, teils mit Indikation und Diagnose; erhöhte und hohe Risikodisposition. Verringerung der Wahrscheinlichkeit einer drohenden Erkrankung.

Sekundäre Prävention Stationäre oder ambulante Intervention nach Krankheitsdiagnose bei möglichst geringfügiger Symptomatik. Biomedizinischer Gesundheitsbegriff.

Tertiäre Prävention Stationäre oder ambulante Fortsetzungs- und Erhaltungstherapie nach abgeschlossener Sekundärprävention. Biomedizinischer Gesundheitsbegriff.

Patienten mit diagnoserelevanter Indikation.

Patienten in ihrer Fortsetzungs- und Erhaltungstherapie.

Möglichst frühe Eindämmung der Progredienz einer Krankheit.

Verhinderung von Folgeschäden, weiterer Manifestation bzw. Rezidive.

Dimensionen von Gesundheit

Erst ab ca. den 1970er Jahren begann man in den medizinischen Fakultäten im deutschsprachigen Raum, sich wieder stärker auf die gesundheitsfördernden Ansprüche der Heilskunst einzurichten. Das im Vorfeld bereits genannte Beispiel der Trimm-Dich-Bewegung mag als Indiz dafür gelten, dass man erkannt hat, auf die Gruppe der sog. Zivilisationskrankheiten in Form präventiver Konzepte reagieren zu müssen. Diese Bewegung stand jedoch einer mediengestützten Omnipräsenz von Tabak- und Alkoholprodukten gegenüber, die zum risikofreudigen Lebensstil der 1970er Jahre führte. In seiner Ohnmacht und Hilflosigkeit reagierte das Gesundheitssystem mit Maßnahmenbündeln der Gesundheitsaufklärung und -information, die in der Gesundheitspsychologie als Furchtappelltheorien bekannt sind (vgl. Lippke und Renneberg 2006). Mit der Wiederentdeckung von Gesundheit entwickelten sich parallel zur Medizin ab den 1980er Jahren die Gesundheitswissenschaften (New Public Health). Aus der Old Public Health, die ca. 50 Jahre lang im Wesentlichen aus Sozialmedizin, Umweltmedizin und Epidemiologie bestand (vgl. Hurrelmann, Laaser und Razum 2006), entwickelte sich nun eine Interdisziplin. Es dauerte jedoch noch bis 1993, ehe sich dieses Fach erstmals im deutschen Sprachraum mit Fakultätsstatus an der Universität Bielefeld etablieren konnte. Im Rahmen dieser Interdisziplin konstituierte sich allmählich der Gegenentwurf zum pathologisierten homo patiens. Folgende Wissenschaften gaben hierzu maßgebliche Impulse:  Die Gesundheitspsychologie, zu deren namentlichen Protagonisten beispielsweise Ralf Schwarzer, Toni Faltermaier und Peter Becker zählen,  Die Gesundheitssoziologie, u.a. vertreten durch Klaus Hurrelmann und Bernhard Badura, sowie  die Gesundheitspädagogik, die v.a. durch Georg Hörmann und Wolfgang Narstedt präsent ist.

22

2 Wissenschaftliche Grundlegung

Aufgrund dieser Entwicklungen gesellten sich in der Forschung nach Gesundheit neben das medizinisch tradierte biomedizinische Modell weitere, von denen in Tab. 2.2 exemplarisch das Salutogenesemodell des bereits erwähnten israelischen Stressforschers Antonovsky und das Modell der subjektiven Lebensqualität ausgewählt wurden. In Anlehnung an den Gesundheitspsychologen Peter Becker (2000) habe ich sieben Dimensionen entwickelt, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede verschiedener Formen von Gesundheit verdeutlichen sollen. Für Akteure im Gesundheitstourismus ist es wichtig, diese Unterschiede zu kennen, weil im Praxisfeld häufig ein Vermittlungsbedarf zwischen den verschiedenen Positionen notwendig ist. Tab. 2.2:

Die drei Dimensionen von Gesundheit

Kategorie

Biomedizinische Gesundheitsdimension

Salutogenetische Gesundheitsdimension

Dimension der subjektiven Lebensqualität

Orientierung/

Biomedizin, Ätiologie.

Biopsychosoziales Modell der Salutogenese.

(Selbst-)Erfahrung.

Herleitung von Krankheitsursachen

Kausale Herleitung, die durchaus multipler Natur sein kann.

Konstituierung von Gesundheit

Primär physiologische Anamnese und Diagnostik mit Affinität zu akzeptierten Bezugswissenschaften (z.B. Pharmakologie, Psychologie).

Phänomenologisch, allenfalls familienanamnetische Herleitung. Subjektive Selbst- und Fremdwahrnehmung.

Diagnostische Aspekte

Diagnostik mit Hilfe von Kategorisierungshilfen (ICD-10). Verhalten und Lebensverhältnisse nehmen zunehmend an Bedeutung zu.

Inhaltlicher Schwerpunkt

Kuratives Handeln, Intervention nach Indikation.

Stress führt zu Dysbalance innerhalb des Gesundheits-KrankheitsKontinuums. Gesundheits-KrankheitsKontinuum als Ausgangsbasis. Medizinische, bzw. psychotherapeutische Anamnese und Diagnostik unter Akzentuierung von Stressfaktoren. Diagnostik mit Hilfe von Kategorisierungshilfen. Darüber hinaus Bezugnahme zu Verhalten und Lebensverhältnissen der Betroffenen um Stress auslösende Faktoren zu erkennen. Vorbeugendes Handeln, „Menschen gesund erhalten“.

Umgang mit Risikofaktoren

Umwelteinflüsse, pathogene Reaktionen und Verhaltensweisen.

Umgang mit Schutzfaktoren

Prophylaxe-Impfungen, Informationsveranstaltungen, Gesundheitsberatung.

Umgang mit Schutzfaktoren

Prophylaxe-Impfungen, Informationsveranstaltungen, Gesundheitsberatung.

Akzentuierung

Vermeidung und Abbau von Risikofaktoren vor Ausbruch einer Krankheit. Gezielte Gesundheitsförderung in Settings.

Gezielte Gesundheitsförderung in Settings.

Audiotone, visuelle und allenfalls olfaktorische Indizieninterpretation (z.B. geänderter oder als abnormal empfundener starker Schweiß- oder Mundgeruch). Häufig unbewusste, indifferente Einstellung zur Gesundheit bis zum Auftreten einer wahrgenommenen Dysbalance. Stark vom individuellen Lebensstil und dem Umgang mit Umweltrisiken abhängig. Ebenfalls stark vom individuellen Lebensstil und dem Umgang mit Umweltrisiken abhängig. Ebenfalls stark vom individuellen Lebensstil und dem Umgang mit Umweltrisiken abhängig.

2.1 Gesundheitswissenschaftlich anthropologische Hinführung

2.1.3

23

Gesundheitskommunikation als pädagogische Herausforderung

Krankheit beschreibt i.S. des Gesundheits-Krankheitskontinuums lediglich deren pathologisch relevante Erscheinungsformen. Spätestens seit den 1970er Jahren wurden von den Akteuren des Gesundheitssystems verstärkte Anstrengungen unternommen, nicht nur Krankheit zu prävenieren, sondern gleichzeitig Gesundheit zu fördern (vgl. Schnabel 2006). Wurden zuvor bereits theoriebasierte Konzepte der Gesundheitspsychologie, der -soziologie und der -pädagogik als Grundlagen der Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung genannt, so bedarf es an dieser Stelle ihrer erstmaligen Vertiefung. Denn hierbei handelt es sich um ein lediglich oberflächlich sehr ähnlich scheinendes Begriffspaar. Sowohl konzeptionell als auch in der praktischen Umsetzung sind sie jedoch kaum vergleichbar (u.a. Altgeld und Kolip 2009). Die Begriffe Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention beziehen sich auf drohende, akute oder nachzubehandelnde Gesundheitszustände. Gesundheitsgäste, die sich im Setting befinden, können von der Klassifizierung her als homo patiens, sie behandelnde Akteure als homo compatiens beschrieben werden. Das Rollenverständnis zwischen behandelndem Ärzte- und Pflegerteam entsteht zumeist aus einer Not heraus (vgl. Marckmann 2013). Seibt (2006) stellt im Zusammenhang wenig optimistisch fest: „Nur, wer sich selbst durch eine Erkrankung überhaupt verletzlich fühlt, wird bereit sein, sich präventiv zu verhalten oder gesundheitlichem Rat Folge zu leisten.“ Möglicherweise verfügen Sie im persönlichen Umfeld über Bekannte und/oder Verwandte, die schon einmal eine Vorsorge- oder Anschluss-Heilbehandlung im gesundheitstouristischen Setting absolviert haben. Vielleicht wird Ihnen anhand der von Seibt beschriebenen Lernmotivation jedoch auch deutlich, wie groß die Probleme im kurativen Setting häufig sind: Wenn Gesundheitsgäste aus einer innerlich nicht gewollt herbeigeführten Situation heraus einen kurativen Aufenthalt anstreben, so tun sie dies selten aus einer positiven Grundmotivation heraus. Gerade chronische Krankheitsverläufe mit ihren oft über viele Jahre verborgenen Latenzzeiten führen zur fälschlichen Annahme, man lebe gesund. Erst die Perturbation (Störung) des bisherigen Lebens, häufig durch eine Akuterkrankung wie einen Apoplex oder einen Myokardinfakt ausgelöst, führt ins Setting. Während der stationären oder ambulanten Vorbeuge- oder Rehabilitationsphase im wohnortfernen gesundheitstouristischen Setting gilt es nicht nur, physiologisch die Restitution zu erwirken. Vielmehr sollen dort gesündere Verhaltensweisen erlernt – oder noch deutlicher ausgedrückt: konditioniert werden. Aus dieser zweifelsfrei logisch begründbaren Konstellation zwischen homo compatiens und homo patiens ergibt sich jedoch ein gesundheitspädagogisches Dilemma das nur allzu häufig auf Asymmetrie beruht. In einer Phase starker Verunsicherung sollen von Lernenden Verhaltensweisen erlernt werden. Auf therapeutischer Seite impliziert dies Gesundheitsberatung, in vielen Fällen sogar die noch deliberalisierendere Variante der Gesundheitserziehung. In Grundkonzepte psychoedukativer Verfahren, die eine besondere Relevanz für die stationäre und ambulante wohnortferne Sekundär- und Tertiärprävention aufweisen, führt beispielsweise das Standardwerk von Kriz (2007) ein. Gerade die hohen Rezidivquoten bei stoffbedingten Abususerkrankungen (z.B. Alkoholabusus mit ca. 50 %, vgl. Suchtmittel.de 2013) implizieren die perspektivisch hohen pädagogischen Herausforderungen an das therapeutische Personal im Setting. Die iatrogenen Folgekosten nicht erfolgreicher Behandlungen belasten derzeit noch die Betroffenen und das Gesundheitssystem in zu hohem Maße. Wie befremdlich klingt es da im Kontext von „Heilstechnik“, wenn Strotzka (1984) für die Psychotherapie feststellt, dass sie eine „lehrbare Technik mit einem definierten Ziel handelt,

24

2 Wissenschaftliche Grundlegung

die auf Basis einer Theorie über normales und abnormales Verhalten basiert“. „Heilskunst“ i.S. Schipperges (1985) wird demgegenüber danach suchen, im therapeutischen Geschehen nach individuellen Fähigkeitsdimensionen zu suchen, die im Fallbeispiel zu dauerhaft abstinentem Verhalten in frei gewählter Selbstbestimmung führt (vgl. Kron 2008). Es bleibt jedoch festzuhalten, dass die krankheitspräventiven gesundheitstouristischen Settings auch langfristig primär von Gesundheitsberatung und -erziehung geprägt sein werden. Gesundheitsförderung steht dem gegenüber. Der Anlass für einen solchen Aufenthalt im gesundheitstouristischen Setting erfolgt durch die freie Wahl und Kaufentscheidung der Gesundheitsgäste. Einige österreichische private Zusatzversicherungen bieten ergänzend Polizzen an, bei denen zyklische Aufenthalte in Settings des Neuen Gesundheitstourismus vorgesehen sind. Deutsche Gesetzliche Krankenversicherungen subventionieren die Aufenthalte Ihrer Versicherten. Ziel dieser Strategie ist es in Fortsetzung der Trimm-Dich-Bewegung der 1970er Jahre, einen gesunden Lebensstil auszuprägen, der auch im Alltag gelebt wird. Die Settings des Neuen Gesundheitstourismus können im Kontext des Erlernens von gesteigerter Gesundheitskompetenz (Lenartz 2011) perspektivisch entscheidende Bedeutung erlangen. Ziel muss es sein, sie als informelle Bildungsorte zu etablieren, in denen Gesundheit in besonders selbstreflexivem und selbstwirksamem Maße gelernt wird. Gesundheitsbildung setzt sich da von Gesundheitserziehungs- und -beratungskonzepten ab, wo im Setting zu selbstorganisiertem und -motiviertem Lernen motiviert wird. Diese Facette von Pädagogik des Ermöglichens hat eine spezielle Bezeichnung; der Terminus lautet konstruktuvistische Didaktik. An dieser Stelle sei mit Bezug zum vorliegenden Kontext und zur Vergangenheit der Trimm-Dich- und Wellness-Bewegung erwähnt, dass der Gesundheitspädagoge Wolfgang Nahrstedt u.a. die monografische Publikation Wellnessbildung (2007) verfasst hat, welche sich mit der adäquaten „Gesundheitssteigerung in der Wohlfühlgesellschaft“ auseinandersetzt. Dies erfolgt weit abseits der etwaigen Befürchtungen von „Diätsadismus und Gesundheitswahn“ (Lütz 2002). Der „kleinste gemeinsame Nenner“ von Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung scheint bei derart unterschiedlichen gesundheitlichen Zielen und pädagogischen Herausforderungen wohl im erlebnisorientierten Arrangement des gesundheitstouristischen Settings zu liegen: „Die motivierenden Anfänge für eine vertiefende Kompetenzaneignung können durchaus in Freizeitwelten liegen und durch neue Formen informeller Bildung gestützt werden“ (Nahrstedt 2002). Dies bedarf jedoch besonderer personeller und architektonischer Rahmenbedingungen (u.a.: Deutsche Rentenversicherung 2009, RIS 2012). Zusammenfassung Die Gesundheit gehört zum Menschen, Krankheit bildet innerhalb eines Kontinuums lediglich Facetten eines Gesamtzustandes ab. Sie ist zudem eine Zustandsbeschreibung, die sich auf drei Arten konstituiert. Gesundheit wird dabei sowohl von Experten als auch von den Betroffenen interpretiert. Krankheit wird im Gegensatz zur Gesundheit in drei präventive Stadien unterteilt, für die es verschiedene therapeutische Interventionsformen gibt. Diese bilden sich im gesundheitstouristischen Setting als etablierte Systeme ab. Insgesamt betrachtet, befinden wir uns in einer beginnenden Phase von abnehmender Bedeutung präventiver Interventionen, mit der die Akzentuierung gesundheitsförderlicher Konzepte und Strategien einhergeht.

2.1 Gesundheitswissenschaftlich anthropologische Hinführung

25

Tipps im www zur weiteren Recherche  http://www. deutsche-rentenversicherung.de/cae/servlet/ contentblob/35684/publicationFile/18158/rahmenkonzept_ medizinische_reha.pdf. Auch hier finden Interessierte weitere Informationen dazu. Der inhaltliche Schwerpunkt liegt jedoch eher auf Personal und Programmen.  http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=LrT&Ge setzesnummer=20000190. Wie bereits beschrieben, können Interessierte hier am Beispiel des Tiroler Krankenanstaltengesetzes recherchieren, wie umfangreich die Zulassungsbestimmungen für gesundheitstouristische Einrichtungen sind, die in der Prävention tätig sind Tipps zum Vertiefen in Literaturform  Krczal, Albin und Weiermeier, Klaus, Wellness und Produktentwicklung – Erfolgreiche Gesundheitsangebote im Tourismus, Berlin 2006. Hier wird aus primär praktischer Ebene heraus ein Einblick in die Gesundheitsförderung im touristischen Setting gegeben.  Nahrstedt, Wolfgang, Wellnessbildung – Gesundheitssteigerung in der Wohlfühlgesellschaft, Berlin 2007. In diesem Werk wird erstmals Lernen im gesundheitstouristischen Setting als Kernaufgabe identifiziert; allein deshalb ist das Werk bereits lesenswert. Übung Nehmen Sie sich basierend auf den Internetrecherchen, vielleicht auch dem ergänzenden Studium weiterführender Literatur Zeit für zwei Exkursionen. Besuchen Sie sowohl ein Reha-Zentrum als auch ein Wellnesshotel und werten Sie diese zwei Settings für sich im Nachhinein schriftlich aus. Folgende Leitfragen können Ihnen bei der Auswertung helfen:  Wie war mein erster Eindruck von der Einrichtung?  Wie kann ich diesen begründen?  Was hat mir gut gefallen?  Was hat mir schlecht und nicht gefallen?  Wie kann ich Bezüge zu den oben genannten Punkten herstellen?  Wie können diese Punkte mit dem Theoriewissen vernetzt werden?  Welches Fazit ziehe ich für mich?

26

2 Wissenschaftliche Grundlegung

2.2

Gesundheitstourismus – Kulturanthropologischhistoriografische Hinführung

Reisen um der Gesundheit willen, dieses Motiv ist spätestens seit der römischen Zeit nachgewiesen. In diesem Unterkapitel wollen wir uns nicht mit der allgemeinen Tourismushistoriografie beschäftigen, wie dies beispielsweise Hachtmann (2008) bereits gemacht hat. Freyer (2006) erwähnt im Zusammenhang die Eingrenzungsproblematik einer allgemeinen Tourismushistoriografie. Diese Problematik erscheint plausibel, denn zu unterschiedlich waren und sind die epochalen Motive, Transportmittel und Schichtspezifika des Reisens und der Gesundheit. Dennoch ist Gesundheitstourismus ein Alltagskulturgut, ein Brauch, der spätestens seit den Zeiten des Imperium Romanum von den jeweiligen Eliten prägender Hochkulturen gelebt wurde. Dies gilt insbes. seit dem Ende des II. Weltkrieges. Tab. 2.3:

Etablierung von Freizeit als Indikator für den Massentourismus (Opaschowski 1987 in Freyer 2006)

1950

   

1970 6-Tage-Woche 48 Arbeitsstunden/Woche 279 Arbeitstage 86 freie Tage

   

1990 5-Tage-Woche 42 Arbeitsstunden/Woche 238 Arbeitstage 127 freie Tage

   

5-Tagewoche 38 Arbeitsstunden/Woche 200 Arbeitstage 165 freie Tage

Tab. 2.3 verdeutlicht die rasante Entwicklung des Faktors Freizeit in der Bundesrepublik Deutschland. Wie das nun folgende Unterkapitel zeigen wird, hat sich parallel zu allgemeinen Entwicklungen auch der Gesundheitstourismus von einem lange Zeit stabilen Alltagskulturgut elitärer Schichten seit den Veränderungen von Mobilität und Gesundheitssystemen ab dem Ende des 19. Jh., v.a. aber seit Ende des II. Weltkrieges massiv verändert. Steinbach (2003) analysierte sich wandelnde Tourismusmärkte unter historiografischen Aspekten als dialektische Prozesse zwischen Anbietern und Nachfragenden. Demnach antizipieren beide Parteien die Phänomene Reise und Gesundheit unter sich wandelnden kulturellen, sozialen und ökonomischen Argumenten. Somit wird Hachtmann (2008) bestätigt, wenn er Tourismus als Spiegel und Zerrspiegel gesellschaftlicher Prozesse interpretiert. Dies trifft sehr wohl auch auf den Gesundheitstourismus zu. Wenn im vorhergehenden Unterkapitel die lange Phase der Heilskunst als eine einzige Epoche dargestellt wurde, so geschah dies aus argumentativ anderen Kontexten heraus. Aus tourismushistoriografischer Perspektive können und müssen wohl auch deutlich wechselnde Reisemotive festgestellt werden. So ist der Gesundheitstourismus im antiken Rom des 2. Jh. nach Christus kaum mit den ersten Erscheinungsformen im deutschsprachigen Raum des 14. Jh. vergleichbar, erst recht nicht mit denjenigen absolutistischer Herrscher, die die Kurorte als Treffpunkte des europäischen „Who is Who“ nutzten. Thermenaufenthalte und sportliche Aktivitäten der Männer in der Antike dienten vor allem der Förderung der Gesundheit, um „wehrhaft“ zu sein. Während es zu Zeiten des Imperium Romanum Vorformen des heutigen Gesundheitstourismus gab, verhinderte der Einfluss der kirchlichen Philosophie über viele Jahrhunderte die Weiterentwicklung der im Römischen Weltreich vorhandenen Standards. Die Wehrhaftigkeit wich der christlichen Tugend der Enthaltsamkeit – freilich ohne den Effekt einer geringeren Zahl von Kriegen. Bis weit in das 19. Jhd. gab es mehrfach wechselnde Motive, philosophische Einflüsse, staatliche Konstellationen, die zu Reiseaktivitäten führten. Gesundheitstouristische Aufenthalte, ein Motiv neben mehreren anderen, waren ausschließlich den sozialen Eliten vorbehalten. Noch heute

2.2 Gesundheitstourismus – Kulturanthropologisch-historiografische Hinführung

27

zeugen Bauwerke wie Konzerthäuser und Casinos von den thematischen Inhalten früher Kuraufenthalte des Adels. Definition Gesundheitstourismus  Gesundheitstourismus beinhaltet primär den wohnortfernen Aufenthalt, bedingt durch das primäre Motiv der indikationsfreien Gesundheitsförderung.  Liegt eine primär-, sekundär- oder tertiärpräventive Indikation vor, so ist ein indikationsspezifisches Motiv gegeben. Dies kann die Verringerung der Wahrscheinlichkeit des Eintretens, die möglichst frühzeitige Intervention oder auch die Verhinderung von Folgeschäden, die Manifestation oder das Auftreten eines Rezidivs betreffen.  Ausnahme Patiententourismus: Hier liegt das Motiv zugrunde, sich freiwillig einem Eingriff an einem anderen Ort, als dem Wohnort zu unterziehen Bezogen auf den Stand der medizinischen Erkenntnisse gibt es zeitliche Parallelen. Evidenzbasiertes medizinisches Handeln entwickelte sich bis in das 18. Jhd. nur langsam. Bezogen auf das Heilige Römische Reich Deutscher Nationen indizieren Johann Peter Franks „System einer vollständigen medicinischen Polizey“, dessen „Akademische Rede vom Volkselend als der Mutter der Krankheiten“ (beide 1790) und Bernhard Christoph Fausts „GesundheitsKatechismus zum Gebrauch in den Schulen und beym häuslichen Unterricht“ aus dem Jahre 1794 das einsetzende Umdenken in Richtung Hygiene und Prävention (vgl. Raithel et al. 2009). Reaktive Einflüsse auf ein etwaiges gesundheitstouristisches Reiseverhalten entstanden zu dieser Zeit jedoch noch nicht. Die Frequenz der sehr wohl vorhandenen kurtouristischen, teils seit dem 14. Jhd. nachgewiesenen, Destinationen blieb bis ins beginnende 20. Jhd. den jeweiligen klerikalen und Staatseliten vorbehalten. Das im Jahr 1480 erschienene Puchlein vom Paden dokumentiert darüber hinaus die Existenz eines frühneuzeitlichen gesundheitstouristischen Quasi-Reiseführers. Einschneidende Ereignisse wie der dreißigjährige Krieg, eine Vielzahl von regionalen Kleinkriegen, Standesdenken und die damit verbundenen humanökologischen Rahmenbedingungen, sowie letztlich auch der Wissensstand in der Humanmedizin verhinderten die umfangreichere Ausweitung des Gesundheitstourismus. Wie bereits ausgeführt, dominierte der Hochadel die Kurorte noch bis in das 18. Jh., später kamen einfacherer Adel und dann das Bürgertum hinzu. Stellvertretend kann an dieser Stelle Johann von Goethe (1749–1832) genannt werden, der als Angehöriger des einfachen Adels binnen der Jahre 1785 und 1823 zweiundzwanzig Mal als Langzeitgast in böhmischen und deutschen Bädern verweilte (Hachtmann 2008). Ein erster Impuls in die heutige Richtung von präventivem Massentourismus kann für das Jahr 1841 markiert werden. Thomas Cook (1808–1892), Namenspate eines Touristikimperiums, nahm sich in seiner Funktion als Wanderprediger vor allem der Alkoholprävention an. Er identifizierte Alkoholabusus und Alkoholismus als schichtspezifisches Problem der gerade entstehenden Arbeiterschaft. Am 5. Juni 1841 organisierte Cook seine erste Massenreise zu einer Veranstaltung gegen Alkoholmissbrauch. Bis in das 20. Jhd. hinein waren Heil- und Seebäder, sowie Kurorte Destinationen von Eliten, die jedoch immer weiter gefasst wurden. Erst mit der fixen Etablierung der Sozialdemokratie und derjenigen von Krankenversiche-

28

2 Wissenschaftliche Grundlegung

rungen gegen Ende des 19. Jh. wurden die Angebote der Kurorte für breitere Schichten zugänglich. Als äußeres, architektonisches Zeichen traten in den mondänen Kurorten neben die komfortablen Hotels „Bristol und das Miramar die Pensionen Waldesruh, Immergrün und Heckenrose“ (Nipperdey 1994). Die Entwicklung des systematisch kurativen Tourismus war stark an die Sozialgesetzgebung der jungen Republiken zwischen den Weltkriegen gebunden, an die diejenige der Nachkriegsdemokratien nach 1945 wieder anschloss. Wenn von Gesundheitstourismus im Sinne von Gesundheitsförderung die Rede ist, so beginnen die systematischen Formen des derzeitigen Angebotsportfolios in den 1960er Jahren. An diesen Zeitraum gekoppelt ist die Neuentdeckung des Terminus Wellness. Die zwei noch heute vorhandenen Grundströmungen (medizinisch indizierte Varianten und Wellnessvarianten) prägten verschiedenste Erscheinungsformen aus. Während in den kurativ-therapeutischen Einrichtungen die Gruppe der Zivilisationskrankheiten zunehmend an Bedeutung gewann, fokussierte Wellness-Tourismus die Gesundheitsförderung; ungebunden an eine diagnosefähige Indikation. Wie bereits während der Öffnungswelle der Kurorte und Bäder ca. 100 Jahre zuvor, versuchen Eliten spätestens ab den 1990er Jahren, durch Preispolitik und Inhaltskonzepte Zugangsbarrieren im Wellness-Tourismus zu erhalten. Im historiografischen Kontext stellen die Einführung von Medical Wellness und wohnortferne Eingriffe der plastischen Chirurgie die gesundheitstouristisch aktuellsten Entwicklungen dar. Fasst man diese einführenden Gedanken zusammen, so können vier für den Gesundheitstourismus relevante Etappen eingegrenzt werden, die aus der historiografischen Perspektive heraus interessant sind. Diese werden in der Folge reflektiert.

2.2.1

Prototouristische Vorformen im Imperium Romanum

Den von Hachtmann (2008) eingeführten Terminus Prototourismus interpretiert er selbst als „Tourismus vor dem Tourismus mit weit zurückreichenden Wurzeln.“ Dieser führt unseren Glacier-Express in die Zeit des antiken Roms. Hier sind vor allem die Thermen zu nennen, die bereits in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten die Position gesellschaftlich-öffentlicher Zentren einnahmen, in denen man sich traf, um gemeinsam Hygiene und Geselligkeit zu betreiben. Kolb (2002) erwähnt als ersten Thermen-Großbau denjenigen des Agrippa auf dem Marsfeld in Rom. Den gesundheitstouristischen Stellenwert, den heute beispielsweise die Thermen in Erding bei München oder im burgenländischen Bad Tatzmannsdorf einnehmen, vermögen ansatzweise einen Eindruck darüber zu vermitteln, was das antike Rom seinen Bürgern im ausgehenden dritten Jahrhundert n. Chr. mit ihren Diocletians-Thermen errichtete. Das Bauwerk bedeckte eine Fläche von 11 Hektar (110.000 m2) und konnte gleichzeitig ca. 3.000 Badegästen Platz bieten. Ähnlich heutigen Anlagen hat man sich bereits in der prototouristischen Vorzeit architektonische Gedanken gemacht, die in Richtung Wellness-Anlagen weisen. So zitiert Kolb (2002) den augusteischen Architekt Vitruv aus dessen Werkt De architectura: Es sollen dies „möglichst geschützt gelegene Bauplätze mit einer Ausrichtung der Warmwasserbaderäume nach Südwesten und Süden sein, weil auf diese Weise am Nachmittag, zur beliebtesten Badezeit, die Sonnenstrahlen durch die großen Fenster des Caldariums dringen, Wasser sowie Räume zusätzlich erwärmen und damit die Heizkosten senken.“ Im Gegensatz zu einer reichhaltigen Auswahl lokaler Thermen – Rom verfügte im 4. Jhd. n. Chr. über etwa elf große Thermen und rund 1000 Bäder (Schiebold 2010) – wurden wohnortferne Alternativen nur von den gesellschaftlichen Eliten genutzt. So weist Hachtmann (2008) darauf hin, dass „gegen Ende des 1. Jhd. n. Chr. eine dichte, kaum unterbrochene Kette von Villen

2.2 Gesundheitstourismus – Kulturanthropologisch-historiografische Hinführung

29

die Küste von Ostia, vor der Haustür Roms, bis hinunter zum Golf von Neapel gesäumt haben soll.“ Reiseaktivitäten in diese „Zweitwohnsitze“ waren demnach vor allem im Sommer zu verzeichnen. „Sommerfrischler“ sind somit nicht erst für das ausgehende 19. Jhd. nachgewiesen. Eine besondere Stellung nahm über mehrere Jahrhunderte der im Golf von Neapel gelegene Badeort Baiae ein. Hierbei handelte es sich um ein Heilbad mit warmen Mineralquellen, der über eine besonders luxuriöse Therme verfügte. Wohnortferne Destinationen standen stets in enger Beziehung zur Erreichbarkeit, das gilt ebenfalls für das antike Rom. Diesbezüglich sind für die Zeit der Diocletians-Thermen ca. 90.000 km gut gepflasterter Straßen und weitere ca. 200.000 km an Nebenstraßen nachgewiesen (Hachtmann 2008), die unter anderem zu den Destinationen führten. Zumindest für die Hauptverkehrsadern sind zudem sichere Herbergen (lat. sing. = deversorius) als weiterer relevanter Parameter von Tourismusaktivitäten nachgewiesen. Nachdem im vorhergehenden Unterkapitel das Verhältnis von Gesundheit und Krankheit grundlegend erörtert wurde, soll mit den Worten Senecas ein erster Bezug hergestellt werden: „Die Krankheiten, unter denen wir leiden, sind nicht unheilbar, und uns, die wir zum Rechten geboren, hilft die Natur selbst, wenn wir die Heilung nur wollen." Noch heute erfreut sich dieses Zitat insbes. in der Komplementärmedizin einer häufigen Verwendung. Im vorliegenden Kontext weist es auf die hohe Bedeutung der Gesundheitsförderung hin, die ihre praktischen Anwendungsformen beispielsweise im Hygieneverständnis und Hygienekontrollen öffentlicher Märkte fanden. Fragt man demgegenüber nach der Prävention, so stellt sich die Situation anders dar. Die Expansion des Imperium Romanum führte unter anderem zu Einflussnahme anderer Kulturen und Philosophien, die beispielsweise Bohus (1986) zur Überschrift „Hellenisierung des Römertums“ verleitete. Krankheiten traten den meisten Modellen zur Folge in der Antike als Folge von einer Tabuverletzung, eines rituellen Fehlers bzw. einer rituellen Unterlassung oder als direkte Folge des Einwirkens eines bösartigen Dämons oder Zaubers ein. Daher begegnete man den damals häufigen Infektionskrankheiten mit Isolation. Die Tiberinsel in Rom diente beispielsweise diesem Zweck. Berichtet wird überdies hinaus über Sanatorien, in denen Menschen mit den vergleichsweise bescheidenen Mitteln der Antike stationär kuriert wurden. Dementsprechend konzentrierte sich das Handeln primär auf reversible Schädigungen und die damals häufigen Kriegsverletzungen. Bestes Beispiel für den Einfluss Griechenlands war der im zweiten nachchristlichen Jahrhundert lebende wohl bekannteste Mediziner des antiken Rom, Galen. An dessen Namen erinnert noch heute die Zusammensetzung von Medikamenten (Galenik). Seine Theorien basierten auf der sog. Viersaftlehre und der Diätetik des alt-griechischen Gelehrten Hippokrates von Kos. Nicht nur Galens Hauptwerk Methodi Medendi blieb über Jahrhunderte prägend (Keine-Gunk und Metka 2010). Auch entwickelte der „High Society-Arzt“ Galen eine Art antiken Verkaufsschlager, das Unguentum refrigerans, eine Kaltcreme, welche sich zu einer veritablen Einnahmequelle innerhalb der Zielgruppe begüterter Patientinnen entwickelte (ebd.). Bäderärzte im engeren Sinne gab es im antiken Rom noch genauso wenig, wie eine kontrollierte Ausbildung bzw. eine staatliche Approbation. Dies änderte sich vermutlich erst in der spätrömischen Phase unter Kaiser Severus Alexander gegen Ende des 4. Jhd. Wenn daher bezüglich prototouristischer Vorformen von Gesundheitstourismus ausgegangen wird, so betrifft dies für wohnortferne Varianten eine mengenmäßig kleine Elite; wohnortnahe Optionen boten sich demgegenüber in Form von Thermen ab der christlichen Zeitenwende an vielen Orten. Gesundheitstourismus diente zudem in der antiken Phase primär der Gesundheitsförderung. Trotz der allgemein beklagenswerten Situation im Bereich der Krankheitsprävention haben archäologische Funde

30

2 Wissenschaftliche Grundlegung

den Nachweis über die Existenz spezieller Heilthermen erbracht, die sich von ihrer Architektur her deutlich von den sonst üblichen Thermen unterschieden haben. Schiebold (2010) nennt diesbezüglich vor allem zwei Charakteristika:  „die Anordnung und Zweckbestimmung der räumlichen Badegestaltung sowie die Ausstattung der häufig recht großen Badebecken mit ausgedehnten Treppen, sowie  die Energieversorgung, je nachdem, ob vorhandenes Warmwasser zur Gesamtversorgung reichte oder eine zusätzliche vorzeitliche Heizung (Hypokaustenheizung, eine Art Bodenheizsystem) erforderlich war.“ Die Heilthermen waren aus den genannten Gründen jedoch eher selten verbreitet. Tipps zum Vertiefen in Literaturform  Kolb, Frank, Rom – Die Geschichte der Stadt in der Antike. München 2002  Schiebold, Hans, Heizung und Wassererwärmung in römischen Thermen, Norderstedt 2010Symbol

2.2.2

Die Anfänge des aktuellen Gesundheitstourismus

Im vorhergehenden Teilabschnitt wurde deutlich, dass die heilende Bedeutung des warmen bzw. heißen Wassers bereits im Imperium Romanum bekannt war. Daher kann davon ausgegangen werden, dass es sich hierbei um das elementarste Naturheilmittel handelt, mit dem Menschen hinsichtlich Behandlung und Vorbeugung agieren – seit über 2.000 Jahren. In diesem Teilabschnitt gilt es nun, die Geschichte des Gesundheitstourismus nachzuzeichnen, wie er sich vor allem analog zur Medizingeschichte des ausgehenden 19. und des beginnenden 20. Jhd. entwickelte. Sicherlich gilt parallel zur allgemeinen Tourismusgeschichte dieser Epoche auch für den Gesundheitstourismus, dass die Entwicklung des Massentransportmittels Eisenbahn eine Zäsur bedeutete, mit der immer größere Gesellschaftsschichten die Destinationen erreichen konnten. Ergänzend hierzu ist die Sozialpolitik zu erwähnen. Nachdem die teils bis ins 14. Jhd. rückdatierbaren Heilbäder im 18. Jhd. immer stärkere Bedeutung für die Hocharistokratie erlangt hatten, änderte sich dies Mitte des 19. Jhd. parallel zu medizinischen und hygienischen Erkenntnissen sowie der philosophischen Einflüsse des Neuhumanismus. Wurde im Vorfeld der Entwicklung der Hygiene während der 1790er Jahre bereits besondere Bedeutung beigemessen – hierfür gelten die Werke Franks und Fausts mithin als Belege – kann in dieser Zeit ein anderes Werk von grundlegender Bedeutung identifiziert werden: Johann Christoph Friedrich Gut Muths Gymnastik für die Jugend. Dieses Buch gilt als erstes Lehrbuch der Leibeserziehung (Bohrus 1986) und indiziert die beginnende Abkehr von den den absolutistischen Eliten weitgehend vorbehaltenen Exerzitien ritterlichen Charakters. Ein halbes Jahrhundert später erlangte nicht nur das Lebenswerk von Friedrich Ludwig Jahn Breitenwirkung für den Prozess des gesellschaftlichen Umdenkens. Namentlich muss darüber hinaus auch die systematische Forschungsarbeit des Josef von Löschner (1809–1888) in gesundheitstouristischem Kontext genannt werden. Der Balneologe war zugleich Rektor der Prager Karlsuniversität und Leibarzt des k.u.k.-Monarchen Franz Joseph I. Die böhmischen Bäder, insbes. Karlsbad, erlangten so eine weltweite Bedeutung. Mitbedingt war der gesundheitstouristische Aufstieg dieser Bäderregion durch die Inbetriebnahme relevanter Eisenbahnverbindungen. Die Präsenz des Hochadels und die nachgewiesenen Effekte von Löschners Trinkkur ergänzten die Vorzüge des Heilwassers in der tradierten

2.2 Gesundheitstourismus – Kulturanthropologisch-historiografische Hinführung

31

Bäder-Anwendung. Für den Einflussbereich des Hauses Hohenzollern (Preußen) nennt Hachtmann vor allem Bad Ems als Zentrum des „Who is Who?“ des 18. und 19. Jhd. Die Bedeutung, die den mondänen Kurorten während dieser Zeit zukam, kann vielleicht daran bemessen werden, dass die Emser Depesche während des mehrmonatigen Sommeraufenthalts Otto von Bismarcks in Bad Ems entstand. Sie führte zum deutsch-französischen Krieg von 1870/71. Auch die schicksalsträchtige Unterschrift Kaiser Franz Josephs II unter die Kriegserklärung an Serbien (1914) erfolgte während seines Aufenthaltes im Kurort Bad Ischl. Dies endete bekanntermaßen im I. Weltkrieg. Hinsichtlich des Gesundheitstourismus bleibt festzuhalten: Die Kuraufenthalte des Adels dienten primär der Gesundheitsförderung. Jedoch erkannte man bereits zu dieser Zeit die Bedeutung des Heilwassers für damals bekannte Erkrankungen, primär des Bewegungsapparates, aber auch der Stoffwechselstörungen. Solderer (1999) belegt zudem mit einem Fotodokument aus dem Jahre 1906 die Existenz eines Fitnessraumes im Kurmittelhaus von Meran. Heute würde man sagen, dass ein Werbefolder aus dem Jahre 1907 Indiz für die Existenz weiterer technischer Innovationen im Gesundheitstourismus bietet. Das Hotel Austria in Gries bei Bozen warb hierin mit „Massage-, Heilgymnastik, elektrotherapeutischen und Kaltwasserproceduren“ (Solderer 1999). In Ermangelung von Heilquellen suchten diesbezüglich benachteiligte Regionen und Destinationen mit anderen natürlichen Ressourcen wie Luft, Wasser und Klima, den ersten großen Gesundheitstrend des 20. Jh. für sich zu nutzen. Während das Bad Emser und das Karlsbader Wasser bereits abgefüllt und exportiert wurde, versuchte man daher beispielsweise in Meran, mit Traubenkuren Gesundheitsgäste in die Region zu locken.

Abb. 2.6:

Mögliche Kategorisierung von Kurorten.

Die historische Bedeutung des Seebades ist auf England zurückzuführen. In Scarborough und Brighton entstanden in den 1730er Jahren die ersten bedeutenden Destinationen (Hachtmann 2008). Jedoch erlangte auch die heilende Wirkung der Seeluft, genauso wie die der alpinen heilklimatischen Kurorte erst im 20. Jhd. flächendeckende Bedeutung, weil die Kurdestinationen sich nur zögerlich weiteren Bevölkerungskreisen öffneten. Ein weiteres Mal steht die Architektur hierfür als stummes Indiz. Wenn Solderer (1999) unter der Überschrift „Ein Hauch von Aristokratie: die Grandhotels“ die Ideen beschreibt, welche die hinter der Architektur verborgenen Betreiberphilosophien offenlegen, so kann dies als Leitmotiv interpretiert werden, auch den oberen Gesellschaftsschichten zugehörig sein zu wollen. Genuin

32

2 Wissenschaftliche Grundlegung

gesundheitstouristische Leitmotive konnten diesen Epochen nur in geringem Ausmaß zugeordnet werden. Betrachtet man die Entwicklung des Gesundheitstourismus, so kann trotz der beschriebenen Erfolge bezüglich der Etablierung von Hygienemaßnahmen und einer protektiven Körperkultur nicht über die Tatsache der Sozialgesetzgebung hinweggesehen werden. Diese ist in Deutschland an den Namen Otto von Bismarck (1815–1898) gebunden, der die Krankenversicherung (1883) und die Unfallversicherung (1884) einführte. Von der Übernahme von Kosten für einen Kuraufenthalt der Arbeiterschicht war man zu dieser Zeit trotz bestehender gesetzlicher Verordnung noch genauso weit entfernt, wie von der Gewährung von Jahresurlaub. Dies geschah erst nach dem Ende des I. Weltkrieges. Dokumentiert wird die Entwicklung der Bäder und Kurorte als diese Zeit prägendste Form des Gesundheitstourismus auch durch die Entwicklung von Qualitätsstandards und Begriffsbestimmungen, die für Deutschland und später Österreich (1901) durch Hüfner (1992) zusammengefasst wurden.

2.2.3

Die Entwicklung nach dem Ende des Ersten Weltkrieges

Die Zeit zwischen den Weltkriegen war sowohl in Deutschland als auch in Österreich von der Einführung der Sozialgesetzgebung geprägt. In der Konsequenz daraus erfasste das Urlaubsgesetz nun auch die Arbeiterschicht. Diese Phase, wie auch der ideologische Einfluss von Parteien, sind für die allgemeine Tourismushistoriografie von großer Bedeutung, weniger jedoch für den Gesundheitstourismus. Tab. 2.4 zeigt exemplarisch die tendenzielle Verkürzung der touristischen Aufenthaltsdauer am Beispiel der heilklimatischen Stadt Meran. Damit verbunden war die schwindende Bedeutung gesundheitsfördernder Langzeitaufenthalte, welche sich die Eliten bis zum Ausbruch des I. Weltkrieges in den mondänen See- und sonstigen Heilbädern gönnten. An die Stelle dieser Besucher traten nun zunehmend Gesellschaftsschichten, die sich nur Aufenthalte kürzerer Verweildauer leisten in zudem kostengünstigeren Beherbergungsbetrieben leisten konnten. Der gesundheitliche Mehrwert touristischer Aufenthalte weniger privilegierter Bevölkerungsschichten hatte vermutlich ebenfalls positive Langzeiteffekte auf die individuelle Gesundheit, zumindest jedoch auf die subjektive Lebensqualität. Es sind jedoch keine empirischen Belege vorhanden, die dies dokumentieren. Tab. 2.4: Jahr 1906/1907 1907/1908 1908/1909 1936 1937 1938

Durchschnittliche Aufenthaltsdauer von Gesundheitsgästen am Beispiel Merans als Indikator für geänderte Reisegepflogenheiten (Solderer 2000) Durchschnittlicher Aufenthalt in Tagen 36,6 36,5 35,2 10,3 9,5 9,5

Der durchaus gesundheitsorientierte Gesellschaftstourismus der adeligen, später auch großbürgerlichen Schichten der Jahrhundertwende war mit dem Ende des I. Weltkrieges erloschen. An dessen Stelle traten nun gesundheitstouristische Varianten, die sich an bürgerliche, kleinbürgerliche und die Arbeiterschicht wandten. Nicht nur dem Gesundheitssystem gelang während dieser Epoche sich rasch entwickelnder Heilstechnik bahnbrechende Innovationen.

2.2 Gesundheitstourismus – Kulturanthropologisch-historiografische Hinführung

33

Auch der Gesundheitstourismus hatte sich den neuen Zielgruppen anzupassen. Abermals drängen sich förmlich die Begriffe Dialektik von Anbietern und Nutzern, sowie Spiegel und Zerrspiegel auf. Neben die Sommerfrische und den Kuraufenthalt traten spätestens in der Zeit zwischen den Weltkriegen neue Tourismusformen, die Bezüge zur Gesundheit aufweisen. Gemeint sind Phänomene pädagogischer Natur, die mit den Begriffen Jugendbewegung und Reformpädagogik (Heckmair und Michl 2008) verbunden sind. Mit ihnen einher ging die sprunghafte Entwicklung des Alpin- und Wassersports im Kontext von Freizeit und Wettkampf (Türkis 2010). Da die gesundheitsfördernde Wirkung von moderat ausgeführtem Sport nachgewiesen ist (Geiger 1999), erscheint eine Assoziation in Richtung Gesundheitstourismus prima vista nicht unzulässig zu sein. Mit Hinblick auf die relevanten gesundheitstouristischen Entwicklungen sollen sie an dieser Stelle jedoch vernachlässigt werden. Dies geschieht übrigens genauso wie die Ausklammerung gesundheitsförderlicher Aktivitäten der NS-deutschen Kraft durch Freude-Konzepte und die der italienisch faschistischen dopolavoro.

2.2.4

Gesundheitstourismus nach dem Zweiten Weltkrieg

Einsetzen soll dieser letzte historiografische Teilabschnitt vielmehr mit den gesundheitstouristischen Entwicklungen nach dem Ende des II. Weltkrieges und der daran anschließenden Phase des Wiederaufbaus. Dies war nicht nur die Epoche der Entstehung der heutigen Sozialgesetzgebung, sondern auch diejenige, in der sich die aktuellen Formen des Gesundheitstourismus entwickelten. Somit kann festgestellt werden, dass dieser Themenbereich abzüglich seiner prototouristischen Vorformen aktuell ein ca. 60 Jahre dauerndes Zeitfenster erfasst. Bedauernswerter Weise kann in diesem Zusammenhang allerdings auch nicht unerwähnt bleiben, dass viele Zivilisationskrankheiten sich schon ab ca. 1960 mit epidemiologischer Relevanz bemerkbar machten; wenngleich nicht in der Deutlichkeit, die letztlich zur Trimm-Dich-Bewegung führte. In der direkten Folge des II. Weltkrieges kann nicht von Gesundheitstourismus ausgegangen werden. Viele Tourismusdestinationen, so auch die Kuranlagen, waren während des Krieges und danach zweckentfremdet worden. Hachtmann (2008) stellt bezogen auf den allgemeinen Tourismus fest, dass es kurz vor dem Ausbruch des Krieges in Deutschland eine „knappe halbe Million Gästebetten“ gab, von denen 1947 theoretisch noch ca. 400.000 zur Verfügung standen. Praktisch war davon ein Drittel durch Kriegsvertriebene belegt und weitere ca. 50.000 durch die alliierten Westmächte. Somit hätten für den gesamten Tourismus in den drei West-Zonen noch ca. 220.000 Betten zur Verfügung gestanden; Alltagsprobleme und das Fehlen finanzieller Mittel ließ den Urlaubsdrang jedoch noch bis ca. 1950/1951 nahezu erliegen. In der Verfassung der DDR (1949) erlangten die Werktätigen ein gesetzlich zugesichertes Recht auf bezahlten Urlaub, die Sozialgesetzgebung der BRD sicherte Arbeitnehmern wesentlich später bezahlten Jahresurlaub zu (1963; zwei Wochen). Da sich die aktuellen gesundheitstouristischen Strukturen im Wesentlichen an denjenigen der BRD orientieren, wird an dieser Stelle auf die Vergabepraktiken der Kuren- und Feriendienst-Kommissionen des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) (Jessen 1998) nicht weiter eingegangen. Für die Entwicklung des Tourismus stellt Hachtmann (2008) einen vergleichsweise schwachen Aufschwung bis 1952 fest, dem ein sprunghafter Umschwung im darauffolgenden Jahr folgte. Nachdem die Eisenbahn die erste massive Tourismusentwicklung in der zweiten Hälf-

34

2 Wissenschaftliche Grundlegung

te des 19. Jhd. markierte, scheint die Entwicklung des Individualtourismus an das Auto gebunden zu sein. Praxisbeispiel Solderer (2001) verdeutlicht den rasant ansteigenden Tourismus am Beispiel des Brennerpasses: „Im Jahr 1955 erlebte man am Brenner den ersten großen Stau, der bis nach Matrei in Nordtirol reichte. Schon der Osterverkehr war um 40 Prozent stärker ausgefallen als im Jahr zuvor. (...) Zu Pfingsten zeigte sich das gleiche Bild, und während der Mittsommerfeiertage 1955 fielen am Brenner alle Rekorde: An einem einzigen Tag passierten 20.000 Fahrzeuge die Grenze Richtung Süden.“ Dies alles geschah weit, bevor die Brennerautobahn sich sechsspurig durch Eisack- und Wipptal zog. Die Fahrt von Innsbruck nach Bozen verlief vielmehr auf der zweispurigen Brennerstraße, die viele Ortschaften passierte. Vielfach wandten sich die neuen Touristengruppen bezüglich ihres Buchungsverhaltens von den etablierten, mondänen Kurdestinationen ab. In Südtirol legen die gemeindebaulichen Entwicklungen von einstigen kleinen Bauerndörfern wie Schenna, Dorf Tirol oder auch Hafling Zeugnis über den „neuen“ Urlaubstypus ab. Denn gerade in den alpinen Regionen Bayerns, Nord- und Südtirols präferierten die Gäste oftmals unterer Einkommensschichten einfache Herbergen, Bauernhöfe oder auch Camping-Plätze. In Meran entstand zu dieser Zeit beispielsweise Südtirols erster Campingplatz (Solderer 2001). Entscheidend ist für das vorliegende Werk jedoch, dass hier nach der Kur die zweite Variante des noch heute etablierten individuellen Gesundheitstourismus entstand; sie akzentuierte die Naturnähe. Im Zusammenhang kommt der Filmkomödie Ferien vom ich aus dem Jahre 1952 (Regie: Hans Deppe) diesbezüglich sogar dokumentativer Charakter zu. Hierin wird die Geschichte des amerikanischen Milliardärs George B. Stevenson erzählt, der – so würde man heute diagnostizieren – unter einem Burnout-Syndrom leidet. Mit keineswegs etablierten und abgesicherten psychotherapeutischen Methoden wurden im Film Übungen durchgeführt, die man heute in selbstverständlich anderem Kontext in den Maßnahmenkatalog von Achtsamkeitstraining (Mindfullness Based Stress Reduction) integrieren könnte. Diese Epoche des naturnahen Gesundheitstourismus scheint in starker Affinität mit der schichtübergreifenden Sehnsucht nach Naturnähe, ökologischer Ursprünglichkeit und Unverdorbenheit zu stehen. Touristische Konträrereignisse zu den kriegsbedingten Polytraumata des noch kurz zurückliegenden Weltkrieges zu suchen, erscheint retrospektiv als ein plausibles Urlaubsmotiv. Gesundheitsrelevant waren im vorliegenden Kontext zum einen die komplementären, noch heute akzeptierten Motive der Naturnähe, die mit einer ursprünglich bäuerlich-gesunden Ernährung und vermehrten Bewegungsaktivitäten assoziiert werden. Selbstverständlich kommt den in diese Epoche fallenden, von der Anzahl her massiv ansteigenden, mehrtägigen Wandertouren und ebenfalls dem Ausdauersport Ski-Langlauf ebenfalls eine besondere prophylaktische (tages-)touristische Wertigkeit zu (vgl. Türkis 2010). Parallel zu diesen Entwicklungen entstand im Westen Deutschlands im Jahr 1951 die 2. Auflage der Richtlinien und Begriffsbestimmungen für die Anerkennung von Bade- und Heilklimatischen Kurorten, Luftkurorten, Erholungsorten und Heilbrunnen. Für die Zeit bis zum

2.2 Gesundheitstourismus – Kulturanthropologisch-historiografische Hinführung

35

Bau der Mauer zwischen Ost- und West-Deutschland konstatiert Hachtmann (2008) auch im Tourismussektor eine Systemkonkurrenz, in deren Konsequenz sich nicht nur der allgemeine Tourismus, sondern insbes. auch der Gesundheitstourismus entwickeln konnte. Gewinner der konkurrierenden Sozialgesetzgebung waren in der jungen Bundesrepublik die Arbeitnehmer, für die sich jetzt auch die Möglichkeit der Gestattung von Sozialkuren als gesundheitstouristische Variante deutlich verbesserten. Nicht nur der Bau der Mauer und der damit verbundene Wegfall der direkten Systemkonkurrenzsituation, sondern auch die Grenzen der Finanzierbarkeit des Sozialsystems wurden spätestens während der ersten massiven Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit erreicht. Buchner (2002) stellt diesbezüglich fest, dass jede Gesundheitsreform ein Minus von Kurtagen und somit der Aufenthaltsdauer von Patientengästen zur Folge hat. Unter der Überschrift „Leere Matratzen“ stellt der Spiegel 1977 (Anonymus) erstmals fest, dass „in den Kassen der großen Kurorte Ebbe herrscht – der Strom sozialversicherter Dauerkunden versiegt“. Für die Zeit zwischen 1981 und 1995 stellt Buchner (2002) auf Bundesebene ein vergleichsweise geringes Plus von 9,3 % bei den Übernachtungen im Sozialkurbereich fest, wohingegen die privaten Patientengäste einen nahezu dreifachen Auslastungszuwachs (25,4 %) verzeichneten. Klassische Sozialkuren, wie sie es bis zur dritten Stufe der bundesdeutschen Gesundheitsreform hinein gab (Buchner 2002), werden mittlerweile in Deutschland von den Trägern der Gesundheitskosten (Versicherungen) nicht mehr finanziert. An ihre Stelle sind die Termini Vorsorgemaßnahme und Rehabilitationsmaßnahme getreten (u.a. dt. SGB V; § 111). Mit der terminologischen Umbenennung ging die Änderung der Kostenträgerschaft zu Ungunsten der Versicherungsnehmer einher. Der Selbstbehalt stieg nach der Ratifizierung der Gesetzesnovelle für Sozialkurgäste so stark an, dass diese Form des Gesundheitstourismus nun für eine breite Bevölkerungsschicht nur mehr in Krankheitsstadien subjektiv kaum mehr ertragbarer Progredienz in Frage kam und kommt. Diese Phase wird auch als Bäderkrise bezeichnet. Buchner (2002) relativiert diese Bezeichnung wegen der alleinigen Reduktion auf das Ausbleiben von Sozialkurgästen, denn „besonders auffallend ist sofort der hohe Anteil von Privatgästen an der Gesamtgästezahl westdeutscher Heilbäder und Kurorte, welcher in der Vergangenheit relativ beständig über 80 % lag. Auf 1.621.937 stationäre und ambulante Kurgäste kamen im Jahr 1995 beispielsweise 7.723.130 Selbstzahler.“ Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass im Gegensatz zu Deutschland in Österreich die Kosten einer Kur auch heute noch von der Sozialversicherung übernommen werden (Österreichische Sozialversicherung 2011). Mit der geänderten Sozialkurpolitik änderte sich ebenfalls und abermals das touristische Buchungsverhalten. Aufgrund des Rückgangs der Sozialkuren sank die Zahl der Tage vor Ort bei über 90 % der Gesundheitsgäste auf 4,2; lediglich 10 % der Gäste verweilten im Jahr 2004 noch 20,4 Tage in den Vorsorge und Rehabilitationskliniken (Nahrstedt 2007). Hinsichtlich der Kur als gesundheitstouristischer Erscheinungsform bleibt eines festzuhalten: Wenn viele Autoren (u.a. Rulle 2008, Nahrstedt 2007) – wie bereits erwähnt – der Kur auf inhaltskonzeptioneller Ebene das zunehmende Verschmelzen von gesundheitsfördernden und krankheitspräventiven Komponenten unterstellen, so kann dem insoweit zugestimmt werden, als dass die ehemaligen Kureinrichtungen ihren Fokus noch stärker als zuvor auf private Patienten – in dem Fall dann Gesundheitsgäste richten. Insofern scheint es an dieser Stelle indiziert zu sein, spätestens hier in den Terminus Medical Wellness als neuer Variante des Gesundheitstourismus einzuführen. Es sollte im Zusammenhang zudem angemerkt sein, dass der Deutsche Heilbäderverband (DHV) spätestens in den Jahren 2003/2004 in den Wellnessmarkt einzudringen begann, um so verloren gegangene Kundenpotenziale zurückzuge-

36

2 Wissenschaftliche Grundlegung

winnen. Dies indiziert das Arbeitsprogramm des Verbandes aus dem Jahr 2002, auf dessen Deckblatt unter der Überschrift „Wellness am Kurort“ zu lesen ist „Zukunft sichern – neue Gästegruppen erschließen. Warum es sich für Kurorte und Heilbäder lohnt, den wachsenden Wellness-Markt auf hohem Niveau zu nutzen“ (Nahrstedt 2007). Darüber hinaus ist ebenfalls auf die Tagung des European Leisure and Recreation Association (ELRA) im Jahre 1999 hinzuweisen, die unter dem Titel „Wellness im Kurort“ stand. Wellness zu definieren und inhaltlich aufzuarbeiten, geschieht in den Folgekapiteln, dem soll in historiografischem Kontext nicht vorausgegriffen werden. Etymologisch ist die Existenz dieses Terminus zwar seit 1654 nachgewiesen (Berg 2008), als Konzept der Gesundheitsförderung fand es jedoch, wie bereits erwähnt, erst seit den 1960er Jahren Beachtung. Dunn (1961) definierte den auch später von Travis in seinem Illness/Wellness-Continuum verwendeten Ausdruck High Level Wellness wie folgt: „High Level Wellness is defined as an integrated method of functioning which is oriented toward maximizing the potential of which the individual is capable, within the environment where he is functioning“ (Hertel 2010). Dunn war mitnichten Gesundheitsoder Wellnesstouristiker, sondern vielmehr Epidemiologie. Aufgrund seines Zugangs zur Medizinstatistik zog er Schlüsse für die Notwendigkeit von Verhaltens- und Verhältnisänderung bezogen auf die sich abzeichnenden Probleme der Zivilisationskrankheiten. Dies tat er in seiner Zeit keineswegs isoliert; vielmehr stellt Haug (1991) eine Vielzahl von Modellen und Vorschlägen der Health Education und Health Promotion vor, die zeitgleich entwickelt wurden. Auch die im Kontext von Gesundheitstourismus viel zitierten Arbeiten der Public Health-Wissenschaftler Ardell (1976) und Travis (1972) fallen in diesen allgemeinen Zusammenhang der gesundheitsfördernden Gesamtstrategieentwicklung in den Vereinigten Staaten, nicht jedoch ausschließlich in den des Gesundheitstourismus. Bezogen auf Zentraleuropa hat der Wellness-Tourismus eine im Vergleich zur Kur und dem deutlich jüngeren naturnahen Gesundheitstourismus junge Geschichte. Nahrstedt (2008) stellt diesbezüglich fest, dass die „Wellness-Bewegung“ Europa um 1990 erreicht hat, sowie dass die Schrittmacher im Rahmen dieser Bewegung Deutschland, die Schweiz und Österreich“ sind. Ratgeberliteratur wie „Wellness – die neue Fitness“ (Lautenschläger, Hamm und Lagerstroem 1989) indizieren für die End-1980er Jahre, dass der Terminus zu Beginn seiner Etablierung im deutschsprachigen Raum parallel zu Amerika primär im Kontext von Gesundheitsförderung verwendet wurde. So behandelt dieses Werk exemplarisch Inhalte, die im dritten Kapitel noch unter der Überschrift „Indikationsunspezifische Interventionen“ eingehend reflektiert werden. Das touristische Marketing entdeckte die Marketingpotenziale dieses Begriffs bereits im selben Jahr für die eigenen Intentionen. Der eingetragene Verein Health & Spa Premium Hotels in Österreich, 1989 als Verein Schlank & Schön in Österreich gegründet, hat laut Lanz (1999) die Relevanz des Terminus Wellness erstmals im touristischen Kontext entdeckt und verwendet, gefolgt vom Kurort Bad Hofgastein im Folgejahr (Nahrstedt 2008). Auch fällt in das Jahr 1990 die Gründung des Deutschen Wellness Verbandes, ebenfalls als eingetragener Verein. Im Gegensatz zur Kur schienen Wellnessurlaube die Reisemotive und die ihnen zugrunde liegenden Motivationsfaktoren einer stets steigenden Anzahl von Gesundheitsgästen in den späten 1990er Jahren anzusprechen. So erwähnt Nahrstedt (2008) für den Zeitraum von 1999 bis 2002 einen Anstieg der Interessensbekundungen am Wellnessurlaub um 125 %. Zwei Prozesse prägen die aktuelle Verwendung des Begriffs Wellness im vergangenen Jahrzehnt negativ. Zum einen verlor Wellness seine terminologischen Konturen, da der Terminus zunehmend produkt- und marktsegmentübergreifend verwendet wird. Seit Anfang dieses

2.2 Gesundheitstourismus – Kulturanthropologisch-historiografische Hinführung

37

Jahrtausends kam es zu einer „Flut an Wellness-Socken, Wellness-Tees, Wellness-Matratzen und ähnlichen irreführenden Wortschöpfungen“ (Rulle, Hoffmann und Kraft 2010). Die Verwendung von Wellness wurde, das wollen die Autoren zum Ausdruck bringen, branchenübergreifend und in oft fragwürdigen Zusammenhängen, okkupiert. Zum anderen entfernten sich viele Anbieter von sog. Wellness-Angeboten von der ursprünglichen Intention des Begriffs im Sinne der Public Health-Wissenschaftler Dunn, Ardell und Travis. Exemplarisch wird dieser Prozess mit einem Artikel in der Tageszeitung „Welt kompakt“ (Schormann 2012) thematisiert. Er erschien unter dem Titel „Wellnesshotels tun häufig wenig für die Gesundheit“. Als Gegenmaßnahme der Verbände zur Verhinderung größerer Image-Schäden wurden viele Zertifizierungen eingeführt, die Wellness-Interessierten Informationen über garantierte Standards geben sollen. Im Gegensatz zu Kur- und Reha-Kliniken ist der Begriff des Wellnesshotels rechtlich nicht geschützt, so dass durch Betreiber keine Mindeststandards eingehalten werden müssen. Aktuellster Trend zur Gegensteuerung ist mit gesundheitstouristischem Fokus derjenige zur Zertifizierung als Medical Wellness Resort. Rulle, Hoffmann und Kraft (2010) stellen diesbezüglich fest: „Was sich jedoch hinter dem Medical WellnessBegriff verbirgt, wissen selbst viele Marktakteure nicht und auch in Fachkreisen ist seine Bedeutung nicht unumstritten“ (ebd.). Abschließend sollen zwei weitere Varianten des kurativen Gesundheitstourismus erwähnt werden. Hierbei handelt es sich einerseits um den qualitätsorientierten Patienten- oder Medizintourismus und andererseits um kostenorientierten Patienten- oder Medizintourismus. Bei der erstgenannten Variante reisen Personen aus Staaten mit niedrigeren medizinischen Standards in Staaten mit höheren Standards, um sich dort Eingriffen zu unterziehen. Es ist naheliegend, dass es sich hierbei um die jeweiligen sozialen Eliten handelt, die derlei Reisen bezahlen können. Bei kostenorientierten Erscheinungsformen ist dies umgekehrt. Hierbei handelt es sich um Personen aus Staaten mit höheren medizinischen Standards, die Staaten niedriger Standards bereisen, um sich hier notwendigen Eingriffen zu unterziehen; dies aus der Hoffnung heraus, entstehende Kosten zu reduzieren. Zusammenfassung Gesundheitstourismus hat es bereits in Zeiten des antiken Hellas und des Imperium Romanum gegeben. Thermen waren hierbei zugleich gesundheitliche wie gesellschaftliche, Sozialschichten übergreifende Anziehungspunkte. Gesundheit hatte in diesen „paratouristischen“ Vorformen ohne Zweifel Kultur prägenden Charakter. Mit dem Untergang Roms und dem Aufstieg der christlich-asketischen Kulturwerte ist ein Niedergang dieser paratouristischen Formen des Gesundheitstourismus verbunden. Kurtourismus ist trotz aller Unbillen paratouristischen Reisens bis in das 14. Jhd. rückdatierbar, auch wenn dies lange Zeit lediglich gesellschaftliche Eliten betraf. Besonders deutlich wird dies noch heute an den Kurhäusern und Casinos, die häufig aus der Zeit des Absolutismus stammen. Hier trafen sich die gesellschaftlichen Eliten Europas, wofür exemplarisch der Name Bad Ems (im deutschen Bundesland Hessen) steht. Erst gegen Ende des 19. Jhd. entwickelte sich der Kurtourismus zu einem größeren Phänomen, was zumindest auf Deutschland bezogen mit der Sozialgesetzgebung des Reichskanzlers von Bismarck verbunden werden kann.

38

2 Wissenschaftliche Grundlegung Weitere gesundheitstouristische Varianten entstanden erst in den 1920er Jahren mit den erlebnispädagogischen Erscheinungsformen des naturnahen Gesundheitstourismus. Wellness mit seiner Vertiefungsrichtung Medical Wellness sind demgegenüber junge Varianten, die sich seit den 1990er Jahren entwickelten. Darüber hinaus haben sich auf der kurativen Seite des Gesundheitskontinuums die Varianten des qualitäts- und quantitätsorientierten Gesundheitstourismus entwickelt, letztere vor allem aufgrund der Allokationsproblematik der gesetzlichen Krankenversicherungen. Tipps im www zur weiteren Recherche  http://www.deutscher-heilbaederverband.de. Hier erhalten Interessierte eine Vielzahl an Informationen über Begriffsbestimmungen, Zulassungsbedingungen zu Rehabilitations- und Vorsorgemaßnahmen.  http://www.heilbaederverband.at. Ergänzende Informationen, sowie die speziellen Voraussetzungen für die Genehmigung von Kuren in Österreich.  http://www.wellnessverband.de. Diese Homepage bietet viele aktuelle Informationen zum Thema Wellness. Auch vorhanden: Eine Seite, auf der Publikationen von zahlreichen Experten gepostet sind. Tipps zum Vertiefen in Literaturform  Berg, Waldemar, Gesundheitstourismus und Wellness-Tourismus, München 2008.  Rulle, Monika, Hoffmann, Wolfgang und Kraft, Karin, Erfolgsstrategien im Gesundheitstourismus – Analyse zur Erwartung und Zufriedenheit von Gästen, Berlin 2010.  Hachtmann, Rüdiger, Tourismus-Geschichte, Göttingen 2007. Übung Über die Architektur lässt sich die Vergangenheit rekonstruieren, im vorliegenden Kontext bedeutet dies: Wenn Sie die Übung des vorhergehenden Unterkapitels durchgeführt haben, sich somit jeweils ein Wellnesszentrum und eine Reha- oder Kurklinik angeschaut haben, so folgt ein wichtiger zweiter Schritt. Er betrifft die gesamte Destination mit ihren Kurpromenaden und Gebäuden aus vergangenen Zeiten; er betrifft ebenfalls die Wellness-Destination. Hier sollte ebenfalls eine Analyse erfolgen, in der dieselben Fragen des Teilabschnitts 2.1 zum Tragen kommen können. Hinzu kommt jedoch im Rahmen von ganzheitlichen Aspekten die Fragestellung, inwieweit tatsächlich die gesamte Destination eine einheitliche Strategie entwickelt hat. Ein Tipp: Interviewen Sie hierzu Mitarbeiter der Kurverwaltung oder der Tourismusinformation. Wenn Sie dies machen, sollten Sie das Interview vorbereiten. Wie das geschehen kann, lesen Sie wiederum im sechsten Kapitel.

3

Indikationsunspezifische Interventionen und deren Grundlagen

Mit Rückblick auf die historische Entwicklung sollte nochmals akzentuiert werden, dass der Gesundheitstourismus eine kulturelle und zugleich eine gesundheitssystemische Adaptionsleistung darstellt, die in gesamtgesellschaftliche Evolutionsprozesse eingebunden ist und aus ihnen heraus verständlich wird. All das, was bislang historiografisch reflektiert wurde, geschah somit im Rahmen einer gesellschaftlich-technischen Gesamtevolution, die mit einem Begriff verbunden werden kann: den Kondratieff-Zyklen (siehe Abb. 3.1).

Abb. 3.1:

Basisinnovationen nach dem Kondratieffprinzip (Nefiodov 2001)

Abb. 3.1 verdeutlicht, dass es sich bei den Kondratieff-Zyklen um Epochen prägende technische Entwicklungen handelt, die Nefiodov (2001) zutreffend als Basisinnovationen bezeichnete. Allein bereits die genannten Begriffe „Eisenbahn“ und „Automobil“ lassen Erinnerungen an das Kapitel 2.2 zu, an den Bau von Eisenbahnstrecken in Bezug zum touristischen Ausbau Südtirols, oder den erwähnten ersten Automobilstau auf der Brenner-Bundesstraße. Der viel beachtete Medizinhistoriker Schipperges (1985) bezeichnet das Zeitfenster von 1850 bis 1985 als „mechanistisches Zeitalter reduzierten Modelldenkens, in dem die immer konsequentere Intensivierung der kurativen Heiltechnik die Bereiche der vorsorgenden und nachsorgenden Heilkunde sträflich vernachlässigt“ hat. Neben der besseren Erreichbarkeit von Destinationen sollte auch dieser Aspekt, der mit weitgehender Deliberalisierung von Gesundheitsgästen verbunden werden kann, im Kontext von gesundheitstouristischer Historiografie erwähnt werden. Insofern bedeutet der aktuelle Kondratieff „Megatrend Gesundheit“ nicht ausschließlich Prozesse der Ökonomik und technischer Innovationen, wie sie in Tab. 3.1 erfasst sind. Er bedeutet vielmehr auch den emanzipatorischen Rückgewinn von Kompetenzen durch Kranke und Gesunde; den Aufbau von Gesundheitskompetenz durch selbstwirksame Lernprozesse.

40

3 Indikationsunspezifische Interventionen und deren Grundlagen

Tab. 3.1:

Der 6. Kondratieff: Paradigmenwechsel im Gesundheitssektor (Nefiodov 2001)

Herkömmlicher Gesundheitssektor

Neu aufkommender Gesundheitssektor

   

     

Medizintechnik Pharmaindustrie Ernährungsindustrie Krankendienste (Ärzte, Heilpraktiker, Krankenhäuser, Krankenversicherungen, Apotheker, öffentliche Gesundheitsdienste, Pflegeeinrichtun-

Life-Sciences Naturheilverfahren, Naturwaren, Naturkost Esoterik Psychosomatik, Psychotherapien, Psychologie Personal- und Managementberatung (Betriebliche Gesundheitsförderung)

gen)

 

Umwelttechnik (green building)

Kurbetriebe/Sanatorien



Betriebsinterne Gesundheitsdienste (Aus- und

Sonstiges (gesundheitsorientiert), Handwerker,

Weiterbildung, Personalentwicklung, Gesund-

Sportartikel und -anlagen, Verlage mit Spezialsortiment, Spezialsoftware.

heitsmanagement,

Betriebskrankenkassen,

Trend zu Zuzahlungen)



Trend zur Beteiligung der Krankheitsverursacher an den Behandlungskosten



Differenzierteres Freizeitangebot (u.a. Gesundheitstourismus)

Aus wissenschaftlicher Perspektive wirkt es zumindest provokant, von einem „Megatrend“ auszugehen, wie dies Nefiodov macht. Doch fällt zumindest auf, dass auch im Kontext spezifisch gesundheitstouristischer Fachliteratur mehrfach der Terminus „Megatrend“ Verwendung findet (Pikkemaat und Weiermair 2006, Schwaiger 2007). Bei allem, was wir mittlerweile wissen, so scheint der Begriff des Megatrends eingeschränkt akzeptabel, weil die Gesundheit zu der Herausforderung unserer Gesellschaft generiert ist. Bezeichnet diese Priorisierung im Kondratieff etwa einen „Gesundheitswahn“, von dem Lütz (2002) schreibt? Wenn es auch Menschen geben mag, die die Gesundheit zum zentralen Paradigma ihres Lebensstils erheben, so sind dies eher wenige. Generell wird die Bevölkerung immer älter und im Durchschnitt in tendenziell jüngerem Alter chronisch krank. Die Allokationsprobleme des etablierten Gesundheitssystems sind mittlerweile klar identifiziert – epidemiologische und demografische Szenarien zeigen: Dieses Gesundheitssystem ist auf Dauer nicht finanzierbar. Partizipative Konzepte zur Steigerung der Gesundheitskompetenz scheinen bei absehbaren Folgen des „mechanistischen Zeitalters der Heilstechnik“ eine immer wichtiger werdende Komponente von Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention zu werden. Mit dem Anspruch, in diesem Paradigmenwechsel durch Gesundheitsbildung in besonders geeigneten Lernsettings einen besonders wertvollen Beitrag leisten zu können, werden in diesem Kapitel Grundlagen angedeutet, die den gesundheitstouristischen Anspruch als informelle Bildungsverortung untermauern. In diesem Kapitel Der Glacierexpress verlässt nun langsam die sanfteren Gefilde und bewegt sich in immer zerklüfteteres Gelände. Ein letztes Mal ist es im Rahmen dieses Kapitels möglich, die gesamte Bandbreite des Gesundheitstourismus – sowohl den kurativ-präventiven, als auch den gesundheitsförderlichen Teilbereich zu erfassen. So werden im zweiten Unterkapitel alle Lernsettings beschrieben, die das gesamte Spektrum des Gesundheitsbegriffs erfassen.

3.1 Bezugsdisziplinen der Gesundheitsbildung

41

Bevor dies geschehen kann, ist auf die Frage des Reisemotivs einzugehen: Was motiviert Menschen dazu, sich für eines der gesundheitstouristischen Lernsettings zu entscheiden? Um diese Frage zu beantworten, wird nicht der etablierte Weg der touristischen Herleitung gewählt, sondern vielmehr ein spezifisch gesundheitspsychologischer. Somit wird der Perspektive Akzentuierung verliehen, dass sich die Motive von Gesundheitsgästen mehr oder weniger deutlich von denjenigen unterscheiden, die Gäste anderer Urlaubsformen präferieren. Sich für einen gesundheitstouristischen Aufenthalt zu entscheiden, kann einerseits medizinisch indiziert, andererseits selbst motiviert sein, um die eigene Gesundheit i. S. des Gesundheits-Krankheitskontinuums pro-aktiv zu fördern. Da der Gesundheitsmarkt mittlerweile hart umkämpft ist, stellt sich auf Basis der gesundheitspsychologischen Reisemotive dabei die wohlmöglich entscheidende der didaktischen Vermittlung von Inhalten. Denn schließlich ist es auch das Ziel aller gesundheitstouristischen Betriebe und Destinationen, Gäste zu gewinnen und dauerhaft zu binden. Hierbei kommt der inhaltlichen Ausgestaltung von gesundheitstouristischen Aufenthalten zentrale Bedeutung bei; eine Aufgabe für die zumeist lediglich gering beachtete Fachdisziplin der Didaktik. Hierbei geht es um Lehren und Lernen, was nicht nur im Bereich des Settings Rehabilitation/Vorsorge von Relevanz ist, wie sich später zeigen wird. Wie bereits angedeutet, so befasst sich das zweite Teilkapitel mit sechs verschiedenen gesundheitstouristischen Settings. Diese sind so angelegt, dass sie die gesamte Bandbreite des Gesundheits-Krankheitskontinuums erfassen. Den letzten Haltepunkt dieser Tagesetappe des Glacier-Expresses stellen die indikationsunspezifischen Interventionen dar. Dieser im ersten Moment vielleicht etwas sperrig wirkende Terminus beinhaltet Wesentliches: Indikationsunspezifische Interventionen sind Gegenstand aller sechs Settings. Getrunken, gegessen, bewegt wird sich dort überall, Entspannung und Kommunikation sind ebenfalls in allen Settings präsent. Darüber hinaus verdeutlichen die vier indikationsunspezifischen Interventionen, wie sehr Gesundheit und Krankheit ineinander verschmelzen, wobei die Settings zudem ihre scharfen (theoretischen) Abgrenzungskonturen verlieren. Sie sind wesentlich für den gesamtgesellschaftlich dringend erforderlichen Lernprozess zum Aufbau von mehr individueller Gesundheitskompetenz. Lernziele  Die drei gesundheitspsychologisch relevanten Modellgruppen von Gesundheitsverhalten grundsätzlich kennen und auf den Tourismus übertragen können.  Die vorgestellten soziologischen Aspekte auf den Gesundheitstourismus bezogen interpretieren können.  Wesentliche Merkmale der sechs gesundheitstouristischen Varianten von ihren Gemeinsamkeiten und Unterschieden her kennen.  Die indikationsunspezifischen Interventionsformen auf das gesundheitstouristische Setting interpretieren und didaktisch einbetten können.

3.1

Bezugsdisziplinen der Gesundheitsbildung

Bei Reiseentscheidungen und -aufenthalten handelt es sich um schwierig zu erfassende Phänomene, welche bis dato primär im kurativen Gesundheitstourismus empirisch systematisch analysiert wurden. Auch interdependieren weitere Faktoren, wie zum Beispiel psychologi-

42

3 Indikationsunspezifische Interventionen und deren Grundlagen

sche, kulturelle, ethnologische Größen in individuell oft sehr unterschiedlichen Einflussstärken. Nicht zuletzt deshalb warnt Steinbach (2003) davor, in Ermangelung plausibler Modelle und Theorien bei der Erfassung von zu beschreibenden Phänomenen auf das Niveau von Tautologien abzurutschen. Als negatives Beispiel hierfür führt er die Studie Euro-LifestyleAnalyse Österreich 2000 an, die wie folgt unterscheidet: „Hier werden etwa die „klassischen Kultur-Urlauber“ auf die „Verhaltenskategorien“ „Moralisten“, „Ordentliche“ und „Puritaner“ reduziert, die „anspruchsvollen Erlebnisurlauber“ sind entweder „Karrieremacher“ oder „Protestler“, „Pioniere“, „Wohltäter“ und „gute Nachbarn“, während bei den „jungen Genuss-Urlaubern“ nach „Rockern“ und „Angebern“ unterschieden wird.“ Bezogen auf den Gesundheitstourismus kann auch hier die Verwendung von Tautologien nachgewiesen werden (Hochschule für Technik Rapperswil 2002, Schwaiger 2007). Ihnen allen ist gemein, dass es nur unzureichend gelingt, Verhalten und Motive als sehr komplexe Vorhersagekonstrukte adäquat zu erfassen. Im ersten Teilabschnitt versuchen wir gemeinsam zu ergründen, wie Motivation entsteht, etwa sich für einen gesundheitstouristischen Aufenthalt zu entscheiden, oder an einem Lernangebot im Setting teilzunehmen? Neben gesundheitspsychologischen Perspektiven erörtert die Tourismussoziologie komplementäre Aspekte, Diesbezüglich ist vor allem das Werk Tourismustheorie (Vester 1999) zu nennen, welches soziologische Modelle und Theorien für das Setting enthält. Zuvor bedarf es einer erklärenden Einführung in die Welt der wissenschaftlichen Metatheorien. Diese erklären und begründen Modelle und Theorien als übergeordnetes System. Insofern erscheint es geboten, die relevanten Termini Modell und Theorie einführend zu definieren. Definition Modell Modelle sind Abbildungen von theoretischen Konstrukten, welche ihre Anwendung sowohl in der Theorie, als auch in der Praxis finden. Im vorliegenden Kontext dienen sie primär der Analyse von Reisemotiven, generellen und individuellen touristischen Konsumgepflogenheiten sowie der prognostischen Aussage von Compliance und perspektivische Konsumgepflogenheiten. In Anlehnung an Stachowiak (1973) haben Modelle drei auch im Gesundheitstourismus wiederzufindende Funktionen:  Sie bilden als Referenzmodelle relevante Originale aus dem Praxisfeld ab, die bereits bestehen, oder entwickelt werden sollen (z.B. die Architekturplanung einer Klinik).  Modelle haben z.B. als Reduktionsmodelle Verkürzungscharakter (aus der Verhaltensmedizin, welche komplexe Kontexte auf wesentliche Merkmale reduzieren).  Sie sind pragmatisch, müssen also einen Praxisbezug aufweisen. Definition Theorie Im Unterschied zum Modell handelt es sich hierbei um „ein in sich stimmiges System von Hypothesen, die mehr oder weniger gut empirisch gesichert und mehr oder weniger stark formalisiert sind. Eine Theorie liefert die grundlegende Orientierung und stellt das begriffliche Bezugssystem zur Verfügung. Empirisch ermittelte Fakten wer-

3.1 Bezugsdisziplinen der Gesundheitsbildung

43

den in Theorien generalisiert oder systematisiert. Sie dienen der Vorhersage zukünftiger Ereignisse und geben Hinweise auf vorhandene Wissenslücken“ (Psychology.com 2012). In den nun folgenden Teilabschnitten werden etablierte Modelle vorgestellt, die ihren Beitrag dazu leisten, gesundheitstouristisches Reiseverhalten und deren motivationale Grundlegung zu reflektieren, nicht jedoch, sie zu erklären.

3.1.1

Gesundheitspsychologische Motivationsmodelle

Sowohl Lippke und Renneberg (2006) als auch Faltermaier (2005) akzentuieren den aktuell noch primär pathogenen Ansatz von Gesundheitspsychologie: „Dabei stehen vor allem riskante und präventive Verhaltensweisen, psychische und soziale Einflussgrößen sowie deren Wechselwirkungen auf körperliche Erkrankungen und Behinderungen im Mittelpunkt“ (Lippke und Renneberg 2006). Faltermaier unterstreicht die Wichtigkeit des psychischen Erlebens als Mittelpunkt des Forschungsinteresses; hier können wesentliche Bezüge zum Gesundheitstourismus gefunden werden: Gesundheitspsychologie „bezieht dabei insbesondere Einflüsse des psychischen Erlebens (Emotionen, kognitive Vorstellungen, Motive), von Verhalten, Handlungen und Lebensweisen, von Merkmalen der Persönlichkeit sowie von sozialen Beziehungen und Lebenswelten mit ein“ (Faltermaier 2005). Die Gesundheitspsychologie geht davon aus, dass dieser lebenslange Prozess quasi täglich neu erlernt wird. Hier wird davon ausgegangen, dass die gesundheitstouristischen Settings im Rahmen des gesundheitlichen Lernens besonders geeignete Lernsettings darstellen. Für den Geneseprozess der Gesundheitsbildung (Vogt 2006) ist die bereits erwähnte Humanökologie entscheidend. Dies führt zu zwei wesentlichen Begriffen des Gesundheitslernens im Kontext von Gesundheitsförderung und Prävention: Zu dem der Akkomodation und dem der Assimilation. Beide Begriffe wurden maßgeblich vom Schweizer Entwicklungspsychologen Jean Piaget (1896–1980) geprägt. Definitionen Assimilation und Akkomodation Assimilation steht als Terminus für Lernvorgänge, bei denen neue Informationen komplementär zu vorhandenem Denken, Verhalten und Handeln ergänzt werden. Im Fall einer Akkomodation kann ein Problem aus vorhandenen Denk-, Verhaltens- und Handlungsschemata heraus nicht gelöst werden. Diese müssen neu erlernt werden. Praxisbeispiel Zimbardo (1995) führt diesbezüglich ein gutes Beispiel an: Das Trinken der Muttermilch zählt zu den angeborenen Reflexen. Auf einer ersten Lernstufe assimiliert der Säugling das Trinken aus der Babytrinkflasche; hierbei kann auf den vorhandenen Saugreflex zurückgegriffen werden, die motorischen Fähigkeiten zum Halten und Neigen des Fläschchens akkomodiert der Säugling bereits als Vorstufe zum Trinken aus der Tasse.

44

3 Indikationsunspezifische Interventionen und deren Grundlagen

Wesentlich komplizierter als das Erlernen dieses vergleichsweise einfachen Verhaltensmusters ist Gesundheitslernen im Erwachsenenalter. Dies indizieren v.a. die Beispiele aus der Krankheitsgruppe der Abhängigkeitsstörungen mit den sie kennzeichnenden hohen Rezidivwahrscheinlichkeiten. Vor dem Hintergrund sehr komplexer Verknüpfungen gelang es Lippke und Renneberg (2006) insgesamt vier Kategorien von gesundheitspsychologischen Modellen zu identifizieren (siehe Abb. 3.1), die ihre Relevanz auch für das gesundheitstouristische Setting haben. Diese sollen in der Folge kurz beschrieben werden.

Furchtappelltheorien Modell gesundheitlicher Überzeugungen und der Theorie der Schutzmotivation

Theorie der geplanten und sozialkognitiven Theorie

Volitionale Modelle des Gesundheitsverhaltens

Abb. 3.2:

Stufenmodelle

Gesundheitspsychologische Modelle des Gesundheitsverhaltens (Lippke und Renneberg 2006)

Die Gruppe der Furchtappelltheorien basiert in präventivem Kontext auf der persönlichen Konfrontation von Risikogruppen mit den sie bedrohenden Negativfolgen riskanten Verhaltens. Die bekanntesten Modelle dieser Kategorie sind:  das Health-Belief-Modell: Es beinhaltet in stark reduzierter Form eine KostenNutzenrechnung aufgrund einer konkreten Bedrohung und der daraus resultierenden Bilanz. Für Lippke und Renneberg (2006) konstituiert sich die subjektiv empfundene Bedrohung über die wahrgenommene Verwundbarkeit und den kalkulierten Schweregrad. Das Health-Belief-Modell wurde bereits häufig elaboriert, u.a. in Form von zwei Metaanalysen. Seibt (2006) stellt dieses Modell darüber hinaus in den Kontext der „Ära der Gesundheitserziehung“ der 1950er Jahre. Kennzeichnend ist überdies der direktivautoritäre Stil dieses Ansatzes bei der praktischen Umsetzung (Haisch und Hornung 2007), was den Bezug zum gesundheitstouristischen Setting ermöglicht. Derlei Motive finden sich v.a. bei Gesundheitstouristen in primär- und tertiärpräventiven Settings von Vorsorgemaßnahmen, Anschlussheilbehandlung und Rehabilitation.  Theorie der Schutzmotivation: Diese dem Health-Belief-Modell ähnelnde Variante basiert ebenfalls auf der subjektiven Einschätzung von Bedrohung und individuell wahrgenommener Verwundbarkeit (Lippke und Renneberg 2006). Das Modell akzentuiert jedoch stärker die Faktoren der Handlungswirksamkeit und der Selbstwirksamkeit. Eine Metaanalyse von Milne et al. (2000) kommt zum Schluss, dass eine Kausalität zwischen Selbstwirksamkeitsempfinden und Intention besteht, ein Zielverhalten einzunehmen.

3.1 Bezugsdisziplinen der Gesundheitsbildung

45

Auch dieses Modell kann vor allem präventiven gesundheitstouristischen Settings zugeschrieben werden. Die zweite Gruppe kognitiver Modelle unterscheidet sich von derjenigen der Furchtappelltheorien dadurch, dass der subjektiven Kompetenzwahrnehmung die Schlüsselfunktion zukommt, oder anders ausgedrückt: An die Stelle von Gesundheitserziehung tritt die Gesundheitsbildung, die die Verhaltensänderung wesentlich an die Selbstwirksamkeitserwartung koppelt. Lernerfolge werden hierbei nicht aus Furcht heraus entwickelt, sondern vielmehr aus positiven Lernzielen. Auch hier werden zwei Theorien angeführt:  Theorie des geplanten Verhaltens: Dieses Modell legt die Verhaltensänderung auf Basis von geänderten Einstellungen und subjektiven Normen zugrunde. Zentral ist bei dieser Theorie die wahrgenommene Selbstkontrolle, die der Selbstwirksamkeitserwartung ähnelt. In mehreren Metaanalysen konnte u.a. nachgewiesen werden, dass Einstellungen durch Verhaltensüberzeugungen beeinflusst werden. Die Verhaltensüberzeugung ist jedoch an externale Begleitung gekoppelt, weil Lernerfolge bei dieser Dimension an normative Einflüsse und Erfolgskontrollen nachgewiesen gekoppelt sind. Soll das während eines gesundheitstouristischen Aufenthaltes Gelernte daher in den Alltag übertragen werden, so bedarf es nach diesem Modell der permanenten Einbindung von Gesundheitscoaches usw.  Sozialkognitive Theorie: Dieser vom kanadischen Lernpsychologen Albert Bandura entwickelte Ansatz akzentuiert die Ziele, die ausschlaggebend dafür sind, ob ein Mensch sein Verhalten ändert. Entscheidend sind hierbei die bereits erwähnte Selbstwirksamkeitserwartung und die Ergebniserwartung. Letztere beinhaltet über die intrapersonelle Perspektive hinaus auch eine starke soziale Komponente (Lippke und Renneberg 2006). Problematisch ist hieran jedoch ebenfalls, dass die im touristischen Setting erarbeiteten Ziele auf ihre Alltagstauglichkeit hin zu prüfen sind, soll z.B. die Kostenträgerschaft gesundheitstouristischer Aufenthalte von Gesundheitskassen co-finanziert werden. Als dritte Kategorie sind volitionale Modelle zu nennen. Diesen liegt die Überlegung zugrunde, dass es zwischen der Intentionsbildung und dem tatsächlich messbaren Verhalten weitere Stufen mit Relevanz gibt. Der Vorteil dieser Modelle kann darin betrachtet werden, dass sowohl Handlungsausführung als auch die Nichtausführung erklärbar werden. Ein Beispiel hierfür ist das sog. Rubikonmodell von Heckhausen und Gollwitzer (1987). Den Namen verdankt dieses Modell übrigens dem gleichnamigen Grenzfluss im Imperium Romanum, nach dessen Überschreiten durch Gaius Julius Cäsar (49 v.Chr.) es zum Bürgerkrieg innerhalb Roms kam. Dementsprechend unterscheidet das Rubikonmodell in der Gesundheitspsychologie vier Phasen, die zum Beispiel auf die touristische Kaufentscheidung übertragen werden kann (siehe Tab. 3.2). Selbstverständlich kann das Rubikonmodell auch auf jede einzelne Situation während eines gesundheitstouristischen Aufenthaltes übertragen werden; so zum Beispiel auf die Teilnahme an einem Entspannungstraining oder die Entscheidung für eine Massage. Abgeschlossen werden die vier gesundheitspsychologischen Gruppen mit den Stufenmodellen. Diese Gruppe basiert auf der primären Annahme, dass die aus anderen Modellen bekannten Stadien von unterschiedlich stark ausgeprägter Bereitschaft zur Verhaltensänderung gekennzeichnet sind. Die bekannteste Variante stellt das transtheoretische Modell dar, das im vorliegenden Kontext am Beispiel einer wohnortfernen Rehabilitationsmaßnahme nach psychischer Indikationsstellung verdeutlicht wird (siehe Abb. 3.3).

46 Tab. 3.2:

3 Indikationsunspezifische Interventionen und deren Grundlagen Handlungsphasen nach dem Rubikonmodell (Heckhausen und Gollwitzer 1987)

Handlungsphase Prädezisional (motivational)

Postdezisional/ Präaktional (volitional) Aktional

Allgemeine Charakterisierung Eingrenzung eines Ziels, Entwicklung einer Absicht.

Phase der Konkretisierung. Nachdem geklärt ist, was erreicht werden soll, beinhaltet diese Phase die konkrete Umsetzungsplanung. Phase der Intentionsrealisierung.

(volitional) Postdezisional/ Präaktional (volitional)

Tab. 3.3:

Phase der Bewertung von Inhalten und Zielumsetzung.

Gesundheitstouristischer Bezugsrahmen Entscheidung für einen gesundheitstouristischen Aufenthalt in einem Wellnesshotel mit entsprechender Zielsetzung. Entscheidung für eine konvenierende Destination und in der Folge für ein passendes Hotel. Entscheidung für ein bestimmtes Leistungspaket. Gesundheitstouristischer Aufenthalt im Resort. Persönliche Auswertung des Aufenthaltes bezüglich des Angebotes und der selbst gesetzten Gesundheitsziele.

Transtheoretisches Modell mit gesundheitstouristischem Bezug (in Anlehnung an Lippke und Renneberg 2006)

Stadium

Allgemeine Charakterisierung

Präkontemplation

Person fühlt sich krank, nicht in therapeutischer Behandlung und führt das depressionspräventive Zielverhalten nicht aus. Person wägt ab, ob sie sich in ärztliche, ggf. in fachärztliche Behandlung begeben soll, Verhalten noch konstant krankheitspermessiv. Wohnortferne Rehabilitation mit Erlernen des Zielverhaltens.

Kontemplation

Präparation des Aufenthaltes

Aufnahme der Verhaltensänderung Aufrechterhaltung des Gelernten Stabilisierung des Gelernten

Wohnortferne Rehabilitation mit Erlernen des Zielverhaltens. Entlassener Patientengast führt das Zielverhalten poststationär am Wohnort aus. Ehem. Patientengast führt das Zielverhalten poststationär automatisiert (und nahezu unbewusst) aus.

Gesundheitstouristischer Bezugsrahmen Ggf. pathogenes Verhalten in ggf. pathogenen wohnortnahen Umweltverhältnissen. Siehe oben.

Wohnortnahe fachliche Konsultation mit entsprechender Indikationsstellung und Fixierung des wohnortfernen Aufenthalts. Stationärer Aufenthalt in der wohnortfernen Reha-Klinik. Ambulante engmaschige Fortsetzungstherapie am Wohnort. Ambulante grobmaschige Erhaltungstherapie am Wohnort.

Entgegen sonst üblicher touristischer Tautologien ermöglichen die vier gesundheitspsychologischen Motivgruppen eine Dimensionierung, die eine Aussagekraft für den touristischen Aufenthalt und die Bestimmung didaktischer Momente impliziert. Gesundheitsgäste werden nicht mehr nach Alter und Konsummustern klassifiziert, wobei mittlerweile aus der Konsumforschung bekannt ist, dass es wissenschaftlich nur begrenzt haltbar ist, in „allein reisende junge Singles“ und „Generation 50+ aus gut bürgerlichen Verhältnissen“ zu unterscheiden (Krüger und Sittler 2011). Es sollte beachtet werden, dass es sich bei den hier vorgestellten

3.1 Bezugsdisziplinen der Gesundheitsbildung

47

Modellen um stark vereinfachte Reduktionsmodelle handelt, die Lesenden lediglich einen groben Überblick über motivationale Grundlagen der gesundheitstouristischen Konsum- und Verhaltensentscheidungen geben können. Problematisch ist derzeit noch, dass gesundheitspsychologisch relevante Kausalitäten gerade bezüglich indikationsunspezifischer Aufenthalte bislang noch kaum elaboriert wurden. Tipps zum Vertiefen in Literaturform  Kerr, Jacqueline, Weitkunat, Rolf und Moretti, Manuel (Hrsg.), ABC der Verhaltensänderung, München und Jena 2007.  Faltermaier, Toni, Gesundheitspsychologie, Stuttgart 2005.  Renneberg, Babette und Hammelstein, Philipp, Gesundheitspsychologie, Heidelberg und Berlin 2006.

3.1.2

Gesundheitssoziologische Tourismusaspekte

Während die Gesundheitspsychologie das Verhalten und Erleben von Gesundheit und Krankheit fokussiert, akzentuiert die Gesundheitssoziologie die Analyse sozioökonomischer und psychosozialer Aspekte, sowie deren Infrastruktursektoren (vgl. Hurrelmann 2006). Somit hat die Gesundheitssoziologie eine hohe Affinität zur Sozialmedizin, die ihr Hauptinteresse auf das medizinische Versorgungssystem richtet (ebd.). Einer der bislang noch kaum reflektierten Infrastruktursektoren ist dabei das touristische Setting, dem sich aus soziologischer Perspektive bislang vor allem Vester (1999) monografisch angenähert hat. Da bei ihm jedoch die speziellen Phänomene von Gesundheit nicht vertieft behandelt werden, bietet dieses Werk lediglich Ansatzpunkte dafür, einen Brückenschlag zwischen speziell gesundheitstouristischer und allgemeiner Tourismussoziologie zu wagen. Fasst man die gesundheitssoziologischen Profilaspekte zusammen, so kommen der Gesundheitssoziologe folgende Arbeitsschwerpunkte zu, die eine Verbindung zum Gesundheitstourismus ermöglichen:  Das, was Hurrelmann (2006) als soziale Bedingungsfaktoren beschreibt, bezieht sich auf die Mensch-Umweltbeziehung und führt somit zum bereits eingeführten Terminus der Humanökologie (Tretter 1999) zurück, der schematisch mit Abb. 3.3 in seiner Komplexität dargestellt ist. Diesbezüglich wird danach zu forschen sein, wie sich einzelne humanökologischen Faktoren einerseits auf das Buchungsverhalten sowie andererseits auf das touristische Setting auswirken. Ein Beispiel hierfür: Auch in Zeiten weitgehender Enttabuisierung psychosomatischer Störungen scheint ein wohnortferner Aufenthalt in einer psychosomatischen Klinik ein ungünstiger sozialer Bedingungsfaktor zu sein, da er in den Alltagssettings problematisch kommunizierbar ist. Der Aufenthalt in einem Medical Wellness Resort scheint demgegenüber als exklusiv und erstrebenswert zu gelten, er gilt daher als positiver sozialer Bedingungsfaktor. Die Verwendung des Konjunktivs impliziert jedoch, dass für beide Aussagen aktuell noch kaum empirischen Belege existieren. Insofern kann auf der Wissenschaftsebene ein empirischer Forschungsbedarf unterstellt werden.  Als zweiten Arbeitsschwerpunkt der Gesundheitssoziologie nennt Hurrelmann (2006) die Analyse des gesamten Gesundheitssystems, worin der bereits erwähnte Unterschied zur Medizinsoziologie besteht; sie elaboriert ausschließlich die Krankenversorgung. Bezüglich bislang kaum umfangreich elaborierter gesundheitsförderlicher Settings sind bislang v.a. die empirische Studien von Rulle, Hoffmann und Kraft (2010) zu erwähnen. Es

48

3 Indikationsunspezifische Interventionen und deren Grundlagen ist jedoch aktuell in Deutschland festzustellen, dass es kaum Bereitschaft auf Seiten der Träger von Gesundheitskosten gibt, die pro-aktiven Varianten von Gesundheitsförderung im touristischen Setting als Vollzahler in ihr System zu integrieren – trotz dieser empirisch nachgewiesenen Effekte. Es gilt daher und auf Basis des stärker werdenden Allokationszwangs aller Träger der Gesundheitskosten, die positiven Effekte von Gesundheitsförderung im touristischen Setting herauszuarbeiten. Gesundheitstourismus als Teil des gesamten Gesundheitssystems bedeutet daher: Nicht lediglich effizienterer Umgang mit Mitteln, sondern deren teilweise Suffizienz (Vermeidung von Krankheitskosten).

Abb. 3.3:



Semantische Struktur des Umweltbegriffs (in Anlehnung an Tretter 1999)

Den vorgenannten Aspekt ergänzend geht die Gesundheitssoziologie von der Annahme aus, dass alle gesellschaftlichen Teilsysteme unmittelbaren bzw. mittelbaren Einfluss auf das Gesundheitssystem haben. Hurrelmann (2006) nennt hierfür exemplarisch die Teilsysteme Bildung, Arbeit, Familie, Wohlfahrt und Freizeit. Rekurrierend auf die Abb. 3.3 und die diesbezüglichen Ausführungen zur Humanökologie erscheint es durchaus sinnvoll, hier den Begriff Setting ebenfalls einzubringen, obwohl dieser lediglich eine Facette im intendierten Kontext von Teilsystemen darstellen. Ein Beispiel hierfür: Arbeit dient nicht dem vorrangigen Ziel der Gesundheitsförderung und Prävention. Innerhalb des Teilsystems Arbeit kommt beiden Aspekten jedoch eine zunehmende Bedeutung zu. Der gesundheitssoziologische Brückenschlag zwischen dem Teilsystem Arbeit und dem Tourismus kann dabei dadurch gemacht werden, dass die Effektivität und Effizienz von Personal- und Organisationsentwicklung durch Interventionen im touristischen Setting analysiert werden.

3.1 Bezugsdisziplinen der Gesundheitsbildung

49

Ziel dieser analytischen Arbeit ist die Systemveränderung des Arbeitsplatzes in Richtung Verhaltens- und Verhältnisoptimierung.  Es ist bereits mehrfach darauf eingegangen worden, dass eine Kausalität von individuellem Gesundheitsverhalten und offiziell nicht vorhandener Schichtzugehörigkeit nachgewiesen werden konnte (u.a. Faltermaier 2005). Diese schichtspezifischen Faktoren wirken sich, das zeigte bereits das historiografische Kapitel, ebenfalls auf das touristische Konsumverhalten aus. Somit stellt sich die Frage, wie die „erstrebenswerten“ Inhalte von lukrativ scheinenden, gesellschaftlich akzeptierten Wellness- und Medical WellnessAufenthalten auf die sog. gesundheitsfernen Bildungsschichten übertragen werden können. Wenn dies im gesundheitstouristischen Setting gelingt, dann gilt auch hier das die Soziologie kennzeichnende Streben nach optimierenden Veränderungen. An dieser Auflistung wird deutlich, dass der Bezug zwischen Gesundheitssoziologie und Gesundheitstourismus vorhanden ist. Gelingt es, gesundheitssoziologische Forschung im Gesundheitstourismus vertiefend zu etablieren, so wird es aufgrund der vorhandenen Modelle handhabbarer, evidenzbasierte Daten für Zukunftsstrategien und Erklärungen von Vergangenheit und Gegenwart generieren zu können. Ein Beispiel hierfür: Unter der Überschrift „Simulation und Hyperrealität: Postmodernität und Posttourismus“ entwickelt Vester (1999) auf Basis soziologischer Modelle ein dringend zu beforschendes Perspektivszenario für den „Tourismus der Postmoderne“. Unter dem Begriff der Dezentrierung versteht er, dass „das Subjekt nicht mehr als autonomes Zentrum von Entscheidung und Handlung erscheint, sondern als Durchgangsstation von Begierden und Phantasien, sozialen Praktiken und Identitätsangeboten“. Wenn ein gesundheitstouristischer Aufenthalt daher perspektivisch nicht mehr die autonome Kaufentscheidung des Gesundheitsgastes sein sollte, dann müssen Fragen und Antworten für die Alltagstauglichkeit der im Setting erlernten Inhalte entwickelt und evaluiert werden. Diese müssen die Effekte temporär-situativen subjektiven Wohlfühlens im Sinne von Assimilation und Akkomodation deutlich überschreiten. Ein weiteres Phänomen des postmodernen Tourismus, er wurde ebenfalls bereits diskutiert, beschreibt Vester (1999) unter dem Leitbegriff Pastiche: „Ein wichtiges Merkmal von Postmodernität ist, dass typisch moderne Grenzziehungen und Differenzierungen in Frage gestellt oder einfach ignoriert werden.“ Wenn im vorliegenden Kontext bereits mehrfach akzentuiert wurde, dass sich die klassischen gesundheitstouristisch kurativen und -gesundheitsförderlichen Varianten einander konzeptionell annähern, so würde hier das Phänomen des Pastiche zutreffen. Im Rahmen dieses Phänomens bleibt es dem Gesundheitsgast tendenziell zunehmend freigestellt, wie er seinen wohnortfernen Aufenthalt wie an einem Buffet selbst zusammenstellt. Vester (1999) ergänzt zudem: „So wie in der Politik die traditionellen Parteibindungen abnehmen und der Bürger zum Wechselwähler mutiert, so wechseln auch die Touristen ihre Vorlieben in schwer vorhersehbarer Weise.“ Gerade der Aspekt der Pastiche überführt letztlich zur didaktischen Dimension. Tipps zum Vertiefen in Literaturform  Vester, Heinz-Günter, Tourismustheorie – Soziologische Wegweiser zum Verständnis touristischer Phänomene, Wien 1999.  Hurrelmann, Klaus, Gesundheitssoziologie – Eine Einführung in sozialwissenschaftliche Theorien von Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung, Weinheim und München 2006

50

3.1.3

3 Indikationsunspezifische Interventionen und deren Grundlagen

Gesundheitspädagogisch-didaktische Einführung

In Konsequenz der beiden vorgenannten Teilkapitel ergibt sich die Notwendigkeit, Gesundheitsgästen während ihres touristischen Aufenthaltes nicht lediglich optimale Umweltverhältnisse im Setting zu bieten; dies „wertgesteigert“ durch häufig nach Beliebigkeitskategorien kombinierte Wellnessangebote. Vielmehr besteht die zentrale perspektivische Herausforderung für den Gesundheitstourismus darin, Gesundheitsgästen schlüssige Inhaltskonzepte auf Basis wissenschaftlich begründeter Interventionsmodelle anzubieten. Diese werden, sollten sie perspektivisch durch die Träger der Gesundheitskosten stärker co-finanziert werden sollen, den Anforderungen von Effektivität genügen und weniger einer Addition von emotionsbeladenen Effekten kurzer Halbwertzeiten. Das interdisziplinäre Zusammenwirken von Medizin, Gesundheitssoziologie, Gesundheitspsychologie, der Ökotrophologie und den Bewegungswissenschaften verfügt im gesundheitsförderlich touristischen Setting aktuell noch über große und zugleich weitgehend ungenutzte Aktivierungspotenziale hinsichtlich der Entwicklung praxisfeldtauglicher Konzepte. Didaktischen Überlegungen kommt im Rahmen der dann erforderlichen Konzeptionsarbeit im gesundheitstouristischen Setting sehr hohe Bedeutung zu. Daher gesellt sich zu den genannten Wissenschaften mit der Gesundheitspädagogik, deren Kernaufgabe die Didaktik im Kontext von Gesundheit ist (Raithel, Dollinger und Hörmann 2009), eine fünfte Komplementärdisziplin hinzu. Im weitesten Sinne kann unter Didaktik die Lehre von Lehren und Lernen verstanden werden. Kron (2008) nennt eine Mehrzahl didaktischer Modelle, von denen im vorliegenden Zusammenhang vor allem die konstruktivistische Didaktik von Relevanz zu sein scheint. Dies ist darin begründet, dass Gesundheitspädagogik sich aus den folgenden fünf Dimensionen zusammensetzt:  Gesundheitsaufklärung/-information,  Gesundheitsberatung,  Gesundheitsförderung,  Gesundheitserziehung und  Gesundheitsbildung. Ohne dies allgemein an der Stelle vertiefen zu wollen, bedarf es aufgrund der folgenden Ausführungen zur konstruktivistischen Didaktik einer kurzen Differenzierung von Gesundheitserziehung und -bildung. Denn diese haben den direktesten Bezug zu den relevanten touristischen Settings. Bei Gesundheitserziehung sind mehr oder weniger klare Rollen vorgegeben: Es gibt Lehrende, die über ein Wissen verfügen, welches sie Lernenden vermitteln, etablierte Settings hierfür sind v.a. Familien und Schulen. Erziehungserfolge sind im Regelfall messbar, weil sie von Erziehungszielen abhängen. Demgegenüber ist ein Bildungszusammenhang dann gegeben, wenn er allgemein zur Selbstbestimmungs-, Mitbestimmungs- und Solidaritätsfähigkeit führt (Klafki 2007). Werden diese drei grundsätzlich konstituierenden Begriffe in den Kontext von Gesundheit transferiert, so kann eine schlüssige und nachvollziehbare Affinität zu den bereits vorgestellten gesundheitspsychologischen Modellen abgeleitet werden. Gerade bei der hier favorisierten konstruktivistischen Didaktik basieren Verhalten, Erleben und Lernen auf Konstruktionsprozessen i.S. von Gesundheitsbildung. Kognitionen sind dabei Schlüsselelemente der Informationsverarbeitung und -interpretation. Sie sind u.a. Ergebnisse neuronaler Prozesse und somit physiologisch mess- und nachweisbar. Seit den 1990er Jahren hat sich aufgrund der kontinuierlich verbesserten neurobiologischen Diagnostik und ihrer Einflussnahme auf die Didaktik (Scheunpflug 2003) die konstruktivistische Didaktik etabliert; dies mit möglichen Effekten auf das kurativ gesundheitstouristische Setting von Kur, Rehabi-

3.1 Bezugsdisziplinen der Gesundheitsbildung

51

litation und Vorsorge. Eine kurze grundsätzliche Reflexion des Gegenstandsbereichs der konstruktivistischen Didaktik erscheint daher notwendig, um sie perspektivisch ebenfalls im Kontext gesundheitsförderlicher Settings stärker zu forcieren. Grundsätzlich steht im Zentrum der konstruktivistischen Lerntheorie der Begriff Viabilität (Glasersfeld 1987), der den objektiver Wissens- und Wahrheitsbestände ablöst. Glaser (1999) stellt hierzu fest: „Mit der Ablösung des Erkenntnisbegriffs wird zugleich der „Wahrheits“-Anspruch dieses „Wissens“ aufgegeben. Der Wahrheitsbegriff wird durch den Begriff „Viabilität“, des „Passens“ ersetzt. Viabilität bezeichnet das individuelle Gangbar machen eines Weges zur Lösung eines bestimmten Problems und unterscheidet sich hierin grundsätzlich von klassischen Erziehungsmethoden. Diese subjektorientierte Theorie (Seibert 1998) verfolgt die Vorstellung, dass Wissensbestände nicht im Sinne einer vom Lehrenden ausgehenden objektiven Erkenntnis/Wahrheit gelehrt werden können. Vielmehr haben Lernende, in diesem Fall Gesundheitsgäste, ein selbst konstruiertes, bislang selbstwirksames (viables) Vorwissen. Versuch und Irrtum (Glasersfeld 1987) kommt bei der praktischen Handlung gerade im gesundheitstouristischen Setting besondere Bedeutung zu. Die in den gesundheitstouristischen Betrieben und Destinationen tätigen Coaches und Therapeuten lösen sich somit von etablierten Rollen, die sich vom Experten bis hin zu Animateur und Entertainer erstrecken. Akzentuiert wird bei der Viabilität vielmehr eine erfahrungsbasierte Rolle als Begleitende und zum Ziel Hinführende. Eng mit der Viabilität verbunden, ist mit der Perturbation in einen eng verwandten Sachverhalt einzuführen. Denn der Wahrheit und Wissen entgegengesetzte Terminus Irrtum wird hierbei durch Perturbation ersetzt und bedeutet aus dem Spanischen übersetzt „Störung“. Diese Begriffsfindung ist konsequenterweise nötig geworden, da ein Irrtum nur entstehen kann, wenn es eine objektive Wahrheit gibt; dies ist im Konstruktivismus nicht der Fall. Störungen bzw. Perturbationen unterstreichen zudem, dass es auf dem Lernweg individuelle, temporäre und daher lösbare Probleme gibt, die es im Rahmen des Lernprozesses zu finden gilt. Hinsichtlich des Lernvorgangs stellt Glaser (1999) fest: „Neues wird erst dann gelernt, wenn jene bisher bewährten Handlungsmuster zu unerwarteten Ergebnissen und damit zu Enttäuschungen oder Überraschungen führen.“ Im Kontext von Perturbation wird die hohe Affinität von Konstruktivisten wie Glasersfeld und Glaser mit dem bereits im gesundheitspsychologischen Kontext erwähnten Piaget deutlich, da sie sich als Folge von Perturbationen Assimilation oder Akkomodation einstellen; dies mit dem Ziel der Äquilibration (Wiederherstellung des inneren Gleichgewichts auf höherem Niveau). Durch die zentrale Funktion der Viabilität impliziert die konstruktivistische Didaktik ein relevantes Charakteristikum für die gesundheitstouristischen Settings: In der praktischen Umsetzung ist sie handlungsorientiert (Kron 2008). Gesundheit wird mit dieser Didaktik nicht mehr in klassischer Seminarform als Frontalunterricht oder -kurs erlebt. Vielmehr stehen die Lehrformen im Fokus, welche selbständiges individuelles und Handeln in Gruppen fokussieren. Die allgemeine Didaktik hat sich durch den Einfluss des Konstruktivismus und der verwandten Neurodidaktik (Scheunpflug 2001) stark weiterentwickelt, wie aktuelle praxisorientierte Publikationen zum selbstorganisierten und selbstgesteuerten Lernen dokumentieren (Herold und Herold 2011, Konrad und Traub 2010, Brüning und Saum 2009). Bewegung, Ernährung, Entspannung und Kommunikation werden mit dieser Didaktik im gesundheitstouristischen Setting zu Veranstaltungen der Selbsterfahrung, die über Äquilibration zu gesteigerter Gesundheitskompetenz führen.

52

3 Indikationsunspezifische Interventionen und deren Grundlagen

An dieser Stelle soll zur Verdeutlichung von Gesundheitsbildung im didaktisch konstruktivistischen Kontext in exemplarisch eine Lehrmethode eingeführt werden, welche unter der Abkürzung ARIVA (Kiel 2008) etabliert ist. Abb. 3.4 arbeitet dieses Schema strukturell auf, welches für die Umsetzung im touristischen Setting unter dem Aspekt des Erfahrungslernens besonders geeignet zu sein scheint. Unter „Ausrichten“ ist als erstem Schritt im Sinne konstruktivistischer Didaktik ein problemorientiertes Ausrichten auf den Inhalt der Veranstaltung zu verstehen. Bezogen auf gesundheitsorientiertes Lernen kann dies beispielsweise die Schaffung aktueller, themenbezogener Kognitionen oder Affekte aus dem gesundheitspsychologischen Kontext sein. Brehm et al. (2006, S. 41–43) verstehen synonym zum „Ausrichten“ unter ihrer Einstiegssequenz diejenige Phase, in der Gruppen im Kreis sitzen und durch Lehrende eine Einführung in die Trainingseinheit bekommen; dies dürfte den wertgeschätzten Lesenden vom Sportunterricht her bekannt sein. Zudem kann es motivierend wirken, eigene Erfahrungen in die Ausrichtungsphase einfließen zu lassen, die an übergeordnete und aktuelle Bildungsaspekte anknüpfen. Die zweite Phase dieses Schemas „Reaktivieren“ kann vorzüglich mit dem Konstruktivismus in Verbindung gebracht werden. Das gilt für alle vier Interventionsbereiche, da gerade im Rahmen von Erwachsenenbildung auf ein gutes Maß an Vorerfahrungen zurückgegriffen werden kann. Informieren sollte daran anschließend stets unter dem Aspekt von Spannung und Erlebnis erfolgen. Insofern hat diese Phase einen Charakter, der handlungsorientiert, improvisierend, flexibel, spontan, kreativ, anregend, verändernd, gruppenorientiert sein muss. Verarbeiten als Folgeschritt sollte die Schritte Nachvollziehen, Erproben und Leisten (Grössing 1992, S. 308) unter gestalterischen Aspekten beinhalten. Die Reihenfolge Selbstarbeit – Kleingruppenarbeit – Plenumarbeit, wie sie Brüning & Saum (2009, S. 17) beschreiben, hat sich dabei als besonders effektiv und effizient herausgestellt. Wie aus Abb. 3.4 hervorgeht, können die in verschiedenen Graustufen dargestellten Schritte Informieren und Verarbeiten im Rahmen dieser methodischen Struktur beliebig oft angewandt werden. Auswerten schließt dieses Modell ab. Der Terminus weist einerseits auf die Möglichkeit konstruktiver Evaluierung von Lernerfolgen hin. Andererseits sollte die Auswertung ebenfalls die Bedeutung des gelernten Inhaltes im Sinne eines sich fortsetzenden Bildungsprozesses abschließend verstärken. Bezüglich ARIVA sei darauf hingewiesen, dass es sich bei diesem Schema um eine sehr allgemein gehaltene Option der konstruktivistischen Umsetzung einer Lerneinheit der Gesundheitsbildung handelt. Wichtig ist im Kontext einer didaktischen Planung und Planbarkeit jedoch bei aller notwendigen inhaltlichen Offenheit im touristischen Setting, dass Gesundheitsbildung hier als fremdinduzierter Prozess – als Dienstleistung – angeboten wird. In Anlehnung an Siebert (1998) sollen an dieser Stelle abschließend acht Merkmale einer konstruktivistischen Didaktik aufgezählt werden, die einerseits die Bedeutung der Didaktik für das gesundheitstouristische Setting verdeutlichen und andererseits die Bedeutung des Lernens in diesem Setting für das Alltagshandeln unterstreichen:  Situiertheit: Lernaufgaben sind an realitätsnahen Situationen zu orientieren und haben einen Anwendungsbezug.  Anschlussfähigkeit: Einbeziehung des Laienverständnisses von GesundheitSelbststeuerung: Lernarrangements enthalten immer wieder die Strukturen von Eigen-, Kleingruppen- und Plenumsarbeit.  Biografieorientierung: Im Sinne des Laienverständnisses werden immer wieder Situationen gesucht, die im Sinne von Assimilation und positive Akkomodation zur Reflexion eigener Verhaltensmuster anregen.

3.1 Bezugsdisziplinen der Gesundheitsbildung

Abb. 3.4:

   

53

Schematische Darstellung des ARIVA-Schemas (Kiel 2008)

Umweltorientierung: Individuelles und subjektives Verhalten und der daraus resultierende Lebensstil ist in die Umwelt und die Lebensverhältnisse eingebettet. Es sollte sich daher an sozialen und kulturellen Kontexten orientieren. Emotionalität: Die Lernarrangements sollten Affekte auslösen, welche Assimilationen und positive Akkomodationen im Sinne von Begeisterungsfähigkeit ermöglichen. Motivation: Die Lernaufgaben sollten „handhabbar“ sein, somit nicht über- und unterfordern; sie sollten im gesundheitlichen Kontext vor allem in den Alltag integrierbar sein. Lehrende treten von ihrer Psycho- und Sachlogik her primär als Arrangeure auf, die dazu anregen, subjektive Wirklichkeitsstrukturen zu überdenken Zusammenfassung In diesem Teilabschnitt wurden mit der Gesundheitspsychologie, der Gesundheitssoziologie und der Gesundheitspädagogik drei geisteswissenschaftliche Zugänge zum gesundheitstouristischen Setting geschaffen, deren wissenschaftliche Importanzen und Bezüge zum gesundheitstouristischen Setting empirisch bislang noch kaum dokumentiert sind. Sie sollten perspektivisch die etablierte ökonomische und medizinische Prädominanz im Sinne von komplementärer Interdisziplinarität stärker ergänzen; dies primär wegen der anzustrebenden Qualitätssteigerung des Gesundheitstourismus. Damit dies möglich wird, bedarf es in allen drei Konnotationsdisziplinen noch der vertiefenden Beforschung, da evidenzbasierte Datensätze im Gegensatz zu gesundheitsökonomischen und medizinischen Effizienz und Effektivitäten nur ansatzweise vorhanden sind.

54

3 Indikationsunspezifische Interventionen und deren Grundlagen Tipps im www zur weiteren Recherche  http://www.die-bonn.de/esprid/dokumente/doc1998/siebert98_01.pdf. Hier finden Interessierte die Publikation „Konstruktivismus – Konsequenzen für Bildungsmanagement und Seminargestaltung“ von Horst Siebert.  http://www.e-teaching.org/didaktik. Diese Seite ist ihrem Titel entsprechend zwar primär für das e-Learning konzipiert worden, bietet aber darüber hinaus auch interessante Aspekte, die verallgemeinerbar sind. Tipps zum Vertiefen in Literaturform  Kron, Friedrich, Grundwissen Didaktik, 5. Aufl., München und Basel 2008.  Brüning, Ludger und Saum, Tobias, Erfolgreich unterrichten durch Kooperatives Lernen, Bd. 1 und 2, 5., überarb. Aufl., Essen 2009. Übung Übertragen Sie nach der Lektüre dieses Unterkapitels doch einmal die sicherlich zumindest teilweise neuen Aspekte zum Gesundheitslernen auf das Setting Rehabilitation/Vorbeugemaßnahme (früher Kur). Dies beispielsweise unter der Fragestellung, wie es gelingen könnte, die aktuell immer noch konstant hohen Rezidivwahrscheinlichkeiten im Bereich der Suchtkrankheiten zu reduzieren. Im zweiten Schritt sollten Sie probieren, ein didaktisches Konzept für ein Wellnesshotel zu erstellen. Beachten Sie dabei, dass die Gäste hier größtenteils Selbstzahler sind, die – wenn, dann – freiwillig an Ihren Angeboten teilnehmen.

3.2

Ausgangsbasis: Gesundheitstouristische Settings

Die „Heilstechnik“ (Schipperges 1985) führte zu einer erheblichen Steigerung diagnostischer und kurativer Kompetenz, jedoch nicht zur Abnahme der Leidenszeit aus Sicht betroffener Patienten. Insofern scheint die Rückbesinnung auf die über zweitausend Jahre fokussierte Gesundheitsförderung dringend indiziert, ohne dabei die technologischen Fortschritte der vergangenen 150 Jahre außen vor zu lassen. Gesundheitssystemisch unter Einbeziehung des Gesundheitstourismus zu handeln, heißt natürlich gegebenen selbstwirksamen Kompetenzen in einer ökologisch fördernden Umgebung mehr Chancen einzuräumen. Insofern empfinden wir es vielleicht als kleinen Wink mit dem Zaunpfahl, wenn der bereits mehrfach genannte Galen bereits vor mehr als 1.800 Jahren meinte: „Der beste Arzt ist die Natur. Sie heilt dreiviertel aller Krankheiten und spricht nie Böses über einen Kollegen.“ Dieses Zitat ist im vorliegenden Kontext gleich in zweierlei Hinsicht von Bedeutung: Zum einen kann unter Natur die ökologische Umwelt verstanden werden, der gerade im Gesundheitstourismus eine breitbandtherapeutische Bedeutung zugemessen wird. Zum anderen wird ja oft genug die

3.2 Ausgangsbasis: Gesundheitstouristische Settings

55

Metapher der „Natur des Menschen“ verwendet, wenn es um Restitutionsprozesse oder die Fähigkeit zur Resilienz geht. Welch entscheidenden Einfluss die Settings auf die Gesundheit haben können, zeigen zwei Beispiele: Praxisbeispiele Zum einen gelang Ulrich mit seiner Fensterstudie der Nachweis, dass Patienten mit Gallenblasenindikation postoperativ mit Ausblick in die Natur wesentlich schneller bei gleichzeitig erheblich reduzierter Pharmakotherapie regenerierten, als Patienten einer Kontrollgruppe mit Ausblick auf die gegenüber liegende Hausmauer (vgl. Niepel und Emmerich 2005). Zum anderen beschreiben Krüger und Sittler (2011) eine Versuchsreihe mit einer referenzfähigen Anzahl US-amerikanischer Klosterschwestern. Deren postmortale Autopsie ergab die physiologische Diagnose des Alzheimer-Endstadiums 6. Zeitlebens wurden die Damen von ihren Mitschwestern als vital und ohne Verdacht auf diese Erkrankung erlebt. Das sich verändernde Krankheitsspektrum erfordert gerade im Hinblick auf vermeidbare degenerative Erkrankungen, die sog. Zivilisationskrankheiten, einen grundsätzlichen Paradigmenwechsel. Hierbei können die nun folgenden sechs Settings im Sinne von Gesundheitsbildung, Gesundheitskompetenz und subjektiver Lebensqualität eine ihnen eigene, wichtige Position als Lernraum einnehmen. Nachdem im vorhergehenden Teilabschnitt die Frage elaboriert wurde, wie Menschen lernen, schließt sich nun ein zweiter Inhaltsbereich mit der Fragestellung an, wo sie lernen. Bezogen auf den Gesundheitstourismus soll dabei der Versuch unternommen werden, die gesundheitstouristischen Varianten entlang des Gesundheits-Krankheitskontinuums aufzustellen und den jeweiligen Beitrag zur Lösung des Gesundheitssystemdilemmas zu entwickeln. Dies kann nicht erfolgen, ohne den grundlegenden Terminus Setting eingehend zu reflektieren. Er stellt den gesundheitstouristischen Rahmen von Gesundheitsbildung und -lernen dar, der ansonsten Betriebe, Schulen oder die Kommunen zukommt. Davon ausgehend, dass es sich bei Settings um reale und virtuelle Orte handelt, an denen relativ konstante humanökologische Rahmenbedingungen mit einer konstanten Personengruppe wechselseitig wirken, kann bereits einiges abgeleitet werden. In diesem Sinne darf beispielsweise vorausgesetzt werden, dass der Setting-Begriff seine Wurzeln in der Zeit der Entwicklung von Antonovskys Konstrukt der Salutogenese, bzw. Dunns und Adells Interpretation des Wellness-Begriffs hat. Diese Namen wurden bereits mit einem bedeutenden Trendwechsel in der Medizin in Verbindung gebracht, in dessen Rahmen sich die Vorstellung von der Genese von Gesundheit und Krankheit änderte. Die Zeit der 1960er und 1970er Jahre steht ebenfalls für neue gesundheitspsychologische und -pädagogische Erkenntnisse, welche Lernen aus der etablierten Einbindung in einseitig angelegte Beratungs- und Erziehungskonstellationen herauslöste. Die Erkenntnisse der Gesundheitssoziologie erforderten zudem unter dem neuen Leitbegriff der Salutogenesee vielmehr die Integration aller Aspekte der Humanökologie, was wesentlich zur Etablierung des Begriffs Setting beitrug. In Anlehnung an Grossmann und Scala (2006) sowie an Naidoo und Wills (2010) kann das gesundheitstouristische Setting daher wie folgt definiert werden:

56

3 Indikationsunspezifische Interventionen und deren Grundlagen Definition Gesundheitstouristisches Setting Das gesundheitstouristische Setting ist ein eigenständiges soziales System, das eine Vielzahl begünstigender, temporärer Umwelteinflüsse auf seine Gesundheitsgäste umfasst. Es ist ein System, in dem die Bedingungen von Gesundheit und Krankheit durch Experten und Gesundheitsgäste im Rahmen von Gesundheitsbildung aktiv gestaltet werden. Risiko- und Schutzfaktoren werden sowohl gezielt, als auch holistisch diagnostiziert, analysiert und interpretiert. Dies geschieht zum einen durch physikalische Therapie und Stärkung, zum anderen durch psychoedukative Maßnahmen zur Steigerung der Gesundheitskompetenz. Ziel von Gesundheitstourismus ist die geänderte Selbstwahrnehmung im Sinne von Selbstwirksamkeit, um so gezielt Gesundheitsressourcen für den Alltag aufzubauen und hier langfristig Gesundheitsbelastungen und -risiken zu minimieren.

Gesundheitstourismus kann dann erfolgreich in das Gesundheitssystem integriert werden, wenn es konzeptionell erfolgreich und komplementär zu den bereits arrivierten Settings wie Schule, Arbeit und Kommune angelegt wird. Hierbei bedarf es der grundsätzlichen Schaffung von aktuell noch wenig ausgeprägten Bezugspunkten, die in Konsequenz derzeit beispielsweise die Kostenübernahme von gesundheitstouristischen Aufenthalten verhindern. Eine große Chance kann da identifiziert werden, wo es gelingt, Ausbildungsinhalte der Betrieblichen Gesundheitsförderung (Uhle und Treier 2010, Froböse et al. 2008) in gesundheitstouristische Destinationen auszulagern. So wurde eigenen Erfahrungen zur Folge der wesentliche Vorteil dieses Settings für die Betriebliche Gesundheitsförderung bislang nur ansatzweise genutzt (wohl aber erkannt): In nahezu idealen und daher Laborähnlichen Umweltbedingungen können sowohl Verhalten als auch Umweltverhältnisse der Arbeitsumgebung im Team reflektiert und analysiert werden. Der Mehrwert läge in der potenziellen, auf den Erfahrungen im touristischen Setting basierenden, Veränderung in den organisatorischen Abläufen und Strukturen des Arbeitsalltags. Dies gilt insbes. für die gesundheitsförderlichen Varianten des Gesundheitstourismus.

3.2.1

Medizintourismus

Rulle, Hoffmann und Kraft (2010) akzentuieren die synonyme Verwendung des Terminus Patiententourismus. Begründet werden kann dies mit dem ausschließlich medizinischen Reisemotiv der Patientengäste, auf das in der Folge noch näher eingegangen wird. Zuvor bedarf es jedoch der Klärung, wie Medizintourismus eingegrenzt und somit charakterisiert werden kann: Definition Medizin- bzw. Patiententourismus Unter Medizintourismus sind v.a. die diejenigen Varianten von Gesundheitstourismus zu verstehen, bei denen sekundärpräventive und kosmetische Eingriffe als Reise auslösende Motive dominieren. Begründende Stimuli sind vor allem Kostenersparnis (kostenorientierter Patiententourismus) oder die Erwartung an hohe Qualitätsstandards (qualitätsorientierter Patiententourismus).

3.2 Ausgangsbasis: Gesundheitstouristische Settings

57

Verortungen von Medizintourismus sind überwiegend wohnortferne Privatstationen oder in Gänze private Kliniken, ärztliche Ordinationen für ambulante Eingriffe sowie Patientenhotels. Unter der Überschrift „Medizintourismus boomt“ beschreibt Merkel (2011) in der Welt kompakt (03.01.2011) das Phänomen Medizintourismus, dem der Deutsche Tourismusverband seinen thematischen Fokus des Jahres 2011 widmete. Berg (2008) unterscheidet einerseits zwischen qualitäts- bzw. prestigeorientierten Patiententourismus und andererseits dem kostenorientierten Phänomen. Aufgrund der hohen medizinischen Standards ist in Deutschland, Österreich und der Schweiz die erste Variante anzutreffen: Hohe fachliche, hygienische sowie Standards der Medizintechnik veranlassen potenzielle Nachfrager aus dem Ausland dazu, nach Zentraleuropa und in die USA zu reisen, um operative Eingriffe vornehmen zu lassen. Dieses Angebot wird durch die Faktoren Komfort und v.a. Objektsicherheit abgerundet. Aktuellen vorrangige Zielgruppen russischer und arabischer Provenienz setzen folgende Rahmenbedingungen für ihre Reise voraus: „Für die internationalen Patienten stehen luxuriös ausgestattete Einbett-Suiten, mehrsprachiges Personal und Limousinenservice bereit. Auf der Privatstation können Staatsoberhäupter und Prominente in einem mit Sicherheitstechnik ausgestatteten Zimmer untergebracht werden“ (Merkel 2011). Neben den Kliniken sind Patientenhotels für die ambulante Nachsorge sowie komfortable Stadthotels zu nennen, die ebenfalls ihren Nutzen aus dem Medizintourismus ziehen. Denn einerseits reisen sowohl russische als auch arabische Eliten aus sozialen und Prestigemotiven heraus kaum alleine, was zur Folge hat, dass die gesunden Mitreisenden ein „lukratives Begleitprogramm“ absolvieren. Zudem konnte die Qualität der Patientenhotels im Rahmen der Anschlussheilbehandlung eine Verlängerung des touristischen Gesamtaufenthalts von 2,3 auf 9 Tage pro Patientengast inkl. Angehörige als positiver Begleiteffekt erwirken (vgl. ebd.). Der kostenorientierte Medizintourismus stellt das gegenteilige ökonomieorientierte Reisemotiv dar: Patiententouristen aus Ländern hoher medizinischer Standards bereisen diejenigen mit niedrigeren Standards und Preisen. Dies ist wohl der Hauptgrund dafür, dass es nach den Niederländern und den Engländern seit den letzten Gesundheitsreformen auch Deutsche, Österreicher und Schweizer in die primär mittelosteuropäische Ferne zieht. Nach Angaben der Deutschen Kassenverbände bereisten im Jahr 2010 ca. 300.000 Patientengäste das Ausland zum Zweck eines operativen Eingriffs. Die vergleichsweise hohen inländischen Behandlungskosten und zunehmend lange Wartezeiten motivieren dazu, die medizinische Versorgung im Ausland wahrzunehmen. Die diesbezügliche EU-Gesetzgebung wurde im Jahr 2007 durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) adaptiert, was Weiss (2009a) zur Feststellung bringt, dass „der europäische Markt insbes. für billige Zahnoperationen hart umkämpft ist und dass Bulgarien, Rumänien, Polen und die Türkei mit High-Tech-Medizin, gut ausgebildetem Personal und Urlaubsfeeling werben.“ Jedoch weist der Redakteur genauso wie Berg (2008) auf mögliche sprachliche Probleme hin, zu denen sich diejenigen verwendeten Materials und der operativen Nachsorge hinzugesellen können. Die vorgeschlagene Einteilung in qualitätsorientierten und kostenorientierten Medizintourismus ist hilfreich, weil sie wesentliche Tendenzen widerspiegelt; allumfassend ist sie aber nicht. Zwei Beispiele hierfür: Die beiden Varianten akzentuieren den Bezug zum Ausland. Zum einen reisen ausländische Gäste nach Deutschland, Österreich oder in die Schweiz, zum anderen reisen die Einwohner dieser Länder in die genannten und weitere europäische Staaten. Der inländische Medizintourismus wird von dieser Einteilung jedoch nicht erfasst. Zumindest als Phänomen ist er

58

3 Indikationsunspezifische Interventionen und deren Grundlagen

jedoch vorhanden. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn eine Person wohnortfern eine spezielle Intervention aufgrund des besonderen Rufes einer Person oder Klinik vornehmen lässt. Ein zweiter Aspekt, der belegt, dass diese Einteilung nicht allumfassend ist: Patientengäste suchen das Ausland nicht ausschließlich aus dem Reisemotiv „Kostengründe“ auf, sondern zum Teil auch aufgrund hierzulande noch nicht zugelassener medizinischer Interventionen. Die Stammzellentherapie ist hierfür ein Beispiel. Daher ist festzuhalten, dass die vorgenommene Unterteilung hilfreich dabei ist, die beiden wesentlichen Merkmale von Medizintourismus kurz und pragmatisch darzustellen, sie bedarf jedoch in einem zweiten Schritt der weiteren Differenzierung. Sind es in Deutschland, Österreich und der Schweiz vornehmlich die verlängerten Wartezeiten, die sich teilweise als Konsequenz des prestigeorientierten Patiententourismus auswirken, so haben die Hauptzentren des kostenorientierten Ansatzes sowohl mit ethischen als auch ökologischen Folgen des Medizintourismus zu kämpfen. Aus ethischer Perspektive weist Weiss (2009b) darauf hin, dass sowohl in Thailand, dem medizintouristisch globalen Marktführer, als auch in Indien, dem zweit platzierten Land hinsichtlich der Übernachtungszahlen, die Primärversorgung zugunsten der ausländischen Gäste z.T. extrem vernachlässigt wird. Auch aus ökologischer Perspektive erwähnt er gravierende Folgeschäden dieser Tourismusvariante: „Nach Angaben der Organisation Toxics Link sind etwa 20 Prozent des von Patienten produzierten Mülls infektiös oder anderweitig gesundheitsgefährdend. Bis zu zwei Millionen Tonnen Abfall pro Jahr produziert eine größere Privatklinik“ (Weiss 2009b). Diesbezüglich muss beachtet werden, dass die Entsorgung des teilweise hochtoxischen Verbrauchsmaterials in den genannten Ländern nicht auf Basis der zentraleuropäischen Standards geschieht, sie ist als zumeist kaum fachgerecht einzustufen. Hochgiftige Toxine, Quecksilber, Blei und andere gefährliche Stoffe schädigen die Umwelt nach zumeist direkter Verklappung in die Umwelt (vgl. ebd.). Auch wenn diese Aspekte für das vorliegende Werk nur nebensächlichen Wert haben, da hier die hiesige Situation fokussiert und reflektiert wird, so sollten die globalen ethischen und ökologischen Effekte von Medizintourismus den professionell in diesen Berufen Tätigen dennoch bekannt und präsent sein. Praxisbeispiel Die endogap Klinik für Endoprothetik im Klinikum GarmischPartenkirchen ist ein typisches Beispiel für Medizintourismus. Das Haus wirbt damit, jährlich über 2.000 gelenkersetzende Operationen durchzuführen. Exemplarisch arbeitet diese Klinik mit mehreren Hotels in der nächsten Umgebung zusammen, in denen Verwandte und sonstige Begleitpersonen und -stäbe untergebracht sind. Dies ist die im deutschsprachigen Raum etablierte Variante von Patientenhotels. Im Gegensatz zu den inländischen Patientengästen verbringen ausländische Eliten darüber hinaus die Phase der Anschlussheilbehandlung oder Rehabilitation jedoch kaum mehr am medizintouristischen Standort. Die Idee eines über das Praxisbeispiel hinausgehenden Patientenhotels wurde in Deutschland erstmals 2007 offiziell verkündet (Berg 2008). Geplant war die Kooperation einer Hotelkette mit der Universitätsklinik Schleswig-Holstein am Standort Kiel mit insges. 120 Zimmern auf ****sNiveau. Realisiert wurde dieses Projekt jedoch nicht. Eine Versorgung nach Verlassen

3.2 Ausgangsbasis: Gesundheitstouristische Settings

59

der Intensivstation im Setting eines Hotels gibt es im deutschsprachigen Raum eher selten. Ein Beispiel hierfür ist das Gästehaus Residence des Klinikums Starnberg in Bayern. Tipps im www zur weiteren Recherche  http://www.aerzteblatt.de. Unter dem Suchbegriff Medizintourismus finden Interessierte hier einige Beiträge zum Thema.  http://www.siamedic.com/index.html. Diese Homepage bietet einen praxisnahen Einblick in den kostenorientierten Medizintourismus. Tipps zum Vertiefen in Literaturform  Quast, Ellen, Das Geschäft mit der Gesundheit, Analyse des medizintouristischen Angebotes für den Quellmarkt Deutschland, Hamburg 2009.  Bünten, Katrin, Medizintourismus als touristische Positionierungsstrategie der neuen EU-Beitrittsländer – Angebot und Nachfrage im Markt des Medizintourismus in Polen, Hamburg 2011

3.2.2

Kur-, Vorsorge- und Rehabilitationstourismus

Wenn bei der zweiten gesundheitstouristischen Variante der tradierte Oberbegriff Kurtourismus verwendet wird, so handelt es sich um ein gesundheitstouristisches Setting, das sehr konkreter ökologischer Voraussetzungen bedarf. Diese sind für Deutschland erstmals in den Richtlinien über die Preisgestaltung der Kurverwaltungen einschließlich der Begriffsbestimmungen über Heilquellen, Bäder und Kurorte in ihrer 1. Auflage vom 22.02.1937 erfasst worden (Deutscher Heilbäderverband 2005) und liegen aktuell in der 11. überarbeiteten Auflage vor. Über die standortgebundenen Voraussetzungen hinaus gibt es sechs Varianten des Kurtourismus. Da in Deutschland der Terminus Kur bedingt durch die geänderte Sozialgesetzgebung seit Ende der 1990er Jahre nicht mehr geführt wird, sollte ergänzt werden, dass an der Stelle von Kur synonym die Termini Vorsorgemaßnahme bzw. Rehabilitationsmaßnahme verwendet werden. Definition Kur, Rehabilitation und Vorsorge Unter Kur sind Maßnahmen der Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention zu verstehen, die an speziellen Orten, den Kurorten, realisiert werden. Die Zielgruppen bedürfen hinsichtlich der Kostenübernahme grundsätzlich der Unterscheidung in Sozialkurgäste und Privatgäste. Darüber hinaus müssen die Destinationen sowohl über natürliche Heilmittel, als auch klassische Heilverfahren verfügen. Unterschieden wird die Kur in folgende Varianten:  Medizinisch indizierte wohnortferne Vorsorge und Rehabilitation für Mütter/Väter, auch Mutter-/Vater-Kind-Maßnahmen,  Ambulante Vorsorgeleistungen in anerkannten Kurorten,  Stationäre Vorsorgeleistungen in anerkannten Kurorten,  Ambulante Rehabilitation in wohnortnahen auch teilstationären Einrichtungen,

60

3 Indikationsunspezifische Interventionen und deren Grundlagen  Stationäre wohnortferne Rehabilitation,  Stationäre, häufig wohnortferne Anschluss-Rehabilitation, Reisemotive, die für den gesundheitstouristischen Aufenthalt in einer Kur entscheidend sind:  Prävention von drohenden Krankheiten und Störungen,  Behandlung bzw. Linderung chronischer Krankheiten und Leiden hinsichtlich weiterer Manifestation bzw. Progredienz und  Rehabilitation von psychischen Störungen und Traumata sowie physikalische Therapie nach Unfällen oder ätiologiebedingten Akutphasen (z.B. bei der Diagnose Multiple Sklerose).

Rulle (2008) akzentuiert hinsichtlich der Kur den Vorrang balneologischer Effekte, wie sie im historiografischen Teil bereits anhand des Forschens und Wirkens Josef von Löschners in Karlsbad seine Anfänge Mitte des 19. Jhd. beschrieben wurde. Die Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen basieren dem Deutschen Heilbäderverband zur Folge grundsätzlich auf der Anwendung staatlich anerkannter ortstypischer natürlicher Heilmittel und physikalischer Therapien. Diese Grundsätzlichkeit wirft die Frage danach auf, was einen Kurort von den Standards her kennzeichnet. Wenngleich die Antwort ansatzweise bereits im historiografischen Teilabschnitt gegeben wurde, so erscheint an dieser Stelle eine vertiefende Reflexion notwendig: Als Kurorte werden Gebiete (Orte oder Ortsteile) bezeichnet, „die besondere natürliche Gegebenheiten – natürliche Heilmittel des Bodens, des Meeres, des Klimas oder der Voraussetzungen für die Physiotherapie nach Kneipp für Kuren zur Heilung, Linderung oder Vorbeugung menschlicher Erkrankungen aufweisen“ (Berg 2008). Der Kostenübernahme durch die gesetzliche Versicherung muss grundsätzlich eine ärztliche Indikationsstellung vorausgehen. Erst auf deren Basis erfolgt eine volle oder anteilige Kostenübernahme durch den Versicherungsträger. Etablierte Unterkünfte für Kuraufenthalte sind Gesundheitszentren, Kur- und Rehabilitationskliniken. Der Bezug zu den drei zuvor genannten geisteswissenschaftlichen Teildisziplinen ist ihr Bezug bei dieser gesundheitstouristischen Variante offensichtlich: Hinsichtlich der Gesundheitspsychologie ist es möglich, die genannten Motive als Grundlage von Gesundheitsbildung und -erziehung anzunehmen. Die lange währende Dominanz der Furchtappellmodelle bis in die 1950er und frühen 1960er Jahre zeigt dies exemplarisch auf. Aus der gesundheitssoziologischen Perspektive heraus bleibt exemplarisch die immer noch vorhandene Verleugnungsproblematik zu erwähnen, die u.a. Segal, Williams und Teasdale (2008) für Depression und andere affektive Störungen nachgewiesen haben. Das kann sich bisweilen auf das Ansehen einer psychosomatischen Klinik in der Gemeinde auswirken und andererseits auf das Verhalten der Patienten-/Gesundheitsgäste nach Verlassen der Destination („Ich war nicht dort, sondern bei Verwandten ...“) Letztlich hat sich auch die Didaktik immens verändert. Auf die Wünsche und Präferenzen der Gesundheitsgäste wird mittlerweile bei der Konstruktion des Therapieplans weitgehend eingegangen. So werden die Präferenzen und Aversionen der Patienten i.S. konstruktivistischer Modelle in die Therapieplanung integriert. Aus Gesundheitsberatung und -erziehung entwickelten sich Konzepte der Gesundheitsbildung, in den bei Einzel- und Gruppentherapien mehr und mehr die Erkenntnisse der gesundheitspsychologischen Motivforschung integriert wurden.

3.2 Ausgangsbasis: Gesundheitstouristische Settings

61

Praxisbeispiel Das Konzept der „Kurklinik-“ Gruppe ist für den fließenden Übergang von Kur und Rehabilitation in Richtung indikationsfreier Gesundheitstourismus besonders aktiv. Indikationsungebundene Gesundheitswochen, Vitaltage oder Kryotherapien werden als „erschwingliche“ Pauschalangebote im Übergangsmarkt zwischen Kur und Medical Wellness positioniert. Ziel des Unternehmens ist es, die natürlichen Heilvorkommen in das eigene Angebot zu integrieren. Patienten mit Indikation können das Angebot der Gruppe unter Kostenbeteiligung bzw. -übernahme durch die eigene Kranken- bzw. Pensionskasse wahrnehmen. Tipps im www zur weiteren Recherche  http://www.kurzentrum.com. Hier befinden sich Interessierte auf der Seite der in Kufstein ansässigen „Die Kurzentren/Künig GmbH“. Diese ist besonders aktiv bei der Nutzung von Kurzentren im gesundheitsförderlichen Bereich.  http://www.siamedic.com/index.html. Diese Homepage bietet einen praxisnahen Einblick in den kostenorientierten Medizintourismus. Tipp zum Vertiefen in Literaturform  Gutenbrunner, Christoph und Glaesener, Jean-Jaquies, Rehabilitation, Physikalische Medizin und Naturheilverfahren, Heidelberg 2009.

3.2.3

Gesundheitszentren

Nicht nur nummerisch sind wir nun im Mittelbereich dieses Unterkapitels. Gesundheitszentren befinden sich in dem Bereich, welchen Travis als „Neutral Point“ bezeichnet hat (siehe Abb. 2.3). In der Literatur und Praxis sind zwei Formen beschrieben: Definition Gesundheitszentrum Touristische Gesundheitszentren befinden sich in naturnahem Ferienambiente. Von den Inhalts-/Betreiberkonzepten her sind sie auf Gesundheitsförderung, Primär- und Tertiärprävention ausgerichtet. Die Einbeziehung der Landschaft in Angebote der indikationsspezifischen und -unspezifischen Interventionen gilt als wesentliches Zeichen der Konzepte. Der Gesamteindruck von Gesundheitszentren ist ansprechend und gleicht im touristischen Setting eher einem komfortablen Hotel als einer Klinik. Im außertouristischen Bereich werden unter Gesundheitszentren i.d.R. Zentren der ambulanten und tagesklinischen Behandlung verstanden, deren Ziel in der Sicherung medizinischer, diagnostischer und therapeutischer Dienstleistungen für die lokale Bevölkerung zu sehen ist (vgl. Kanton Bern 2010).

62

3 Indikationsunspezifische Interventionen und deren Grundlagen

Gesundheitszentren unterscheiden sich von Medical Wellness- und Wellnessresorts dadurch, dass i.d.R. alle Gesundheitsgäste an den angebotenen Aktivitäten des Beherbergungsbetriebes teilnehmen. Der Deutsche Tourismusverband (DTV) und das Deutsche Wirtschaftsministerium (BMWi) bewerten Gesundheitszentren u.a. deshalb als innovative Form des Neuen Gesundheitstourismus. Die Gründe hierfür liegen in demografischen und epidemiologischen Verschiebungen. So werden die touristischen Destinationen zukünftig für einige Jahrzehnte deutlich stärker von Hochbetagten geprägt sein, als es bislang der Fall ist. Diese haben genauso wie eine steigende Zahl gehandicapter Menschen ein besonderes Bedarfs- und Nutzungsprofil von gesundheitstouristischen Settings. Während in den beiden vorhergehenden Settings Medizin- und Kurtourismus das Ziel des Aufenthaltes zusammengefasst als restitutio ad integrum, als möglichst optimale Wiedererlangung eines vor einer Störung vorhandenen Gesundheitszustandes definiert werden kann, lautet das Präventionsziel für Gesundheitszentren wohl eher restitutio ad integritatem. Dies bedeutet, sich langfristig, häufig bis zum Lebensende, mit einer chronischen oder irreversiblen Störung des Organismus abfinden zu müssen und trotzdem Lebensqualität empfinden/neu entdecken zu können. Eine weitere Verdeutlichung des Unterschiedes zwischen Rehabilitations- und Gesundheitszentren erfolgt über die Begriffe aus dem therapeutischen Kontext. Hierbei ist zum einen die Fortsetzungstherapie zu nennen, die ggf. nach stationärem Aufenthalt im touristischen Setting eines Rehabilitationszentrums stattfindet (= Anschlussheilbehandlung). Dabei handelt es sich um die deutlich engmaschigere Variante, was die Inhalts- und Betreiberkonzepte betrifft, als bei der zweiten zur Verfügung stehenden Alternative. Denn zum anderen ist die Erhaltungstherapie zu nennen, die weniger engmaschig an die Fortsetzungstherapie anschließen kann. Diese Therapieform kann sowohl bei hochgradig rezidivierenden psychischen Störungen wie der Depression oder nach Krebserkrankungen gewählt werden, um einer wahrscheinlichen erneuten Akutphase zyklisch vorzubeugen (Segal, Williams und Teasdale 2008). Erhaltungstherapien können jedoch auch bei chronifizierten/irreversiblen Verläufen stationäre Aufenthalte im touristischen Setting beinhalten. Aufenthalte in Gesundheitszentren unterscheiden sich von denjenigen in Rehabilitationszentren auch durch ihre Dauer. Nicht nur der Selbstbehalt ist in Gesundheitszentren deutlich höher, die Tagespreise sind liegen in Bereichen, die weit unter denen von Rehabilitationszentren liegen. So kann es vorkommen, dass Gäste oft mehrere Monate in einem Gesundheitszentrum verweilen. Praxisbeispiele Die Kurzentren sind ein Beispiel für eine wachsende Anzahl von Gesundheitszentren, die einerseits mit Kassen kooperieren, andererseits auch auf private Gesundheitsgäste eingehen. Pauschalangebote gibt es hier in Form von Gesundheits-, Basenernährungs-, Ganzkörperkältetherapie-, und F.X.-Mayr-Kur-Wochen. Verlängerungswochen und das Alter (> 60 Jahre) werden bei ohnehin vergleichsweise günstigen Gesamtpreisen abermals skontiert. Die Firmengruppe wirbt zudem damit, Therapien und Wellness miteinander zu kombinieren – auf ****Niveau. Das Firmenkonzept, sich am neutral point zu positionieren, ist erfolgreich, das belegen die saisonübergreifenden Auslastungszahlen und die Wachstumspolitik.

3.2 Ausgangsbasis: Gesundheitstouristische Settings

63

In Ober- und Niederösterreich haben sich jeweils mehrere Gesundheitszentren zu Kooperativen zusammengeschlossen, die ebenfalls in diesem Marktsegment tätig sind („Beste Gesundheit“ und „Xundheitswelt“). Mit Hinblick auf die Kompetenzen von Gesundheitszentren ist anzumerken, dass die ausgewählten Praxisbeispiele mit ihren Konzepten Stimuli setzen wollen, die Lebensstil verändernd angelegt sind. Gesundheitskompetenz sollen hier im Rahmen von Bildungsprozessen in erster Linie gestärkt werden, erst dann folgt der Konsum in gehobenem Ambiente. Tipps im www zum Vertiefen  http://www.xundheitswelt.at/philosophie.html  DTV – Deutscher Tourismusverband e.V., Innovativer Gesundheitstourismus in Deutschland, Branchenreport „Beherbergung“, verfügbar unter: http://www.innovativer-gesundheitstourismus .de/ fileadmin/user_upload/pdf/Branchenreport_Beherbergung.pdf, zuletzt abgerufen am: 28.01.2013 Tipp in Literaturform  Fair, Sharon-Elayne, Wellness and Physical Therapy, Sudbury (US) 2011.  Baumbach, Ina, Was erwartet der Gast von morgen?, Heidelberg 2007.

3.2.4

Wellness-Tourismus

Im Zentrum von Wellness- und Medical Wellnesstourismus steht als Reisemotiv das subjektive Wohlempfinden von Gesundheitsgästen. Illing (2009) unterstreicht den starken Gästefokus auf Wohlbefinden, „Bodystyling“ und Entspannung. Horx, Horx-Strathern und Gaspar (2003) schlüsseln das subjektive Wohlempfinden weiter auf, woran der Unterschied zu Medical Wellness deutlicher wird:  „Entspannung und Stressbekämpfung  Work-Life-Balance  Verwöhnung und Zuwendung  Harmonie und Steigerung der sinnlichen Wahrnehmung  Körperliche Erfahrung und Abarbeitung  Beauty und äußere Attraktivität  erotische Lebensqualität  Lebensverlängerung und ewige Jugend  kreative Selbstverwirklichung  Empowerment und Selbst-Kompetenz  spiritueller Sinn  Kontrolle der Lebensweise im Gesundheitskontext  Erhöhung der Lebensenergie“ Wenngleich viele der hier genannten Begriffe vor einer wissenschaftlichen Verwendung her ihrer eindeutigen Abklärung erst noch bedürften, so bieten diese Konstrukte erste Anhalts-

64

3 Indikationsunspezifische Interventionen und deren Grundlagen

punkte für eine eher egozentrierte Grundeinstellung. Diese unterscheiden sich mehr oder weniger deutlich die sich von den Zielen der Gesundheitsbildung, wie sie bereits mehrfach formuliert wurden. Zudem kann unterstellt werden, dass – wenn diese Motive tatsächlich zutreffen – eine relative Entfremdung seit der Einführung von Konzepten der wohnortnahen Wellness durch Dunn und Adell in den USA der 1960er und 1970er Jahren stattgefunden hat. Eine konstruktive Annäherung an den Terminus Wellness bieten wiederum Horx, HorxStrathern und Gaspar (2003), indem sie von zwei Wellness-Stufen ausgehen. Die hier explizierten egozentrischen Motive stellen dabei die Wellness-Stufe I dar, während die von Klafki (2007) genannten Kompetenzen der Gesundheitsbildung eher der Wellness-Stufe II zugeordnet werden können. Hier nennen die Autoren die Begriffe gesteigerte Selbstkompetenz, Lebensbalance, Lernkompetenz und Reifung – somit Charakteristika, die jeweils zentrale Bezüge zu Bildungsprozessen der Gesundheitsförderung implizieren. Definition Wellness Wellness ist diejenige Tourismusvariante, bei der Gesundheitsgäste primär selbstwirksame Motive verfolgen; Sie ist selbst initiierte und -finanzierte Gesundheitsförderung. Ernährung, Entspannung, Bewegung und Kommunikation verweisen auf die historische Entstehung der englischen Kompositums Wellness, welches sich aus Well-being (engl.= Wohlfühlen) und Fitness (engl. = Trainingszustand) zusammensetzt. Sowohl epidemiologische Entwicklungstendenzen in Richtung der Zivilisationskrankheiten, als auch individuelle Lebens- und Konsumgepflogenheiten, sowie letztlich auch die marktinterne Situation erforderte zunehmend die Integration kostenintensiver, umfangreicher Spa-Bereiche sowie die Präsenz von sog. „Beauty-Anwendungen“. Gesundheitliche Bildungsaspekte, die außer zu Selbstbestimmungs-, auch zu Mitbestimmungs- und Solidaritätsfähigkeit führen, sind bei dieser touristischen Variante eher theoretischer Natur als fokussierter Akzent des Aufenthaltes. Aktuell sind zudem Evidenzen über die Nachhaltigkeit dieses Settings lediglich ansatzweise vorhanden. Illing (2009) stellt mit gesundheitssoziologischer Relevanz einerseits fest, dass das Image von Wellness „grundsätzlich positiv“ sei. Alarmierend ist jedoch andererseits, dass der Vorsitzende des Deutschen Wellnessverbandes zum Schluss kommt, dass sich „die letzte Bude als Wellnesshotel“ bezeichnen darf (Hertel 2012). Ähnlich der Medical Wellness gilt auch für Wellness, dass mehrere TÜV-Zertifikate auf dem Markt existieren, die sich inhaltlich nuanciell voneinander unterscheiden. Hier ist ein deutlicher Unterschied zu Kurkliniken und Rehabilitationszentren identifizierbar, deren Images eindeutiger (Illing 2009) und deren Zertifizierungskriterien einheitlich sind. Bei den in Frage kommenden Didaktiken entscheiden die Gesundheitsgäste selbst über die für sie adäquate Variante. Auf der Wellness-Stufe I dürfte demnach eine auf das Wohlfühlerlebnis ausgerichtete Didaktik dominieren, bei der von der medizinischen Untersuchung bis hin zu Animateuren Dienstleistungen erwartet werden, die der Gesundheitsberatung durch Experten stark ähneln. Auf der Wellness-Stufe II wird dem hingegen von einer aktiven Lernmotivation der Gesundheitsgäste ausgegangen werden können. Dies ermöglicht wiederum den Einsatz konstruktivistischer Didaktiken, die von selbst

3.2 Ausgangsbasis: Gesundheitstouristische Settings

65

organisierten Lernformen und Erfahrungslernen geprägt werden. Gerade die letzt genannten, im Konjunktiv verfassten Aussagen deuten darauf hin, dass für den Wellnesstourismus ein erheblicher Bedarf an systematischer Forschung notwendig ist, um diesbezüglich verlässliche Aussagen zu gesteigerter Gesundheitskompetenz zu dieser Tourismusvariante machen zu können. Praxisbeispiel Das im tirolerischen Kaunertal gelegene Hotel Weisseespitze gehört von seiner Ausstattung her zu den „typischen“ Hotels der ****Kategorie. An dieser Stelle soll es jedoch erwähnt werden, weil es das erste barrierefreie Hotel für Rollstuhlfahrer in Tirol war und somit einen ganz besonderen Bezug zum Gesundheitstourismus bietet. Die Besonderheit der Barrierefreiheit bezieht auch den WellnessBereich sowie spezielle Outdoor-Angebote für die Zielgruppe mit ein. Aufgrund der epidemiologischen und demografischen Prognosen dürften derlei Architekturkonzepte diejenigen sein, die perspektivisch gute Chancen haben, von zunehmend kranken und immobilen Gesundheitsgästen verstärkt frequentiert zu werden. Abschließend sollte erwähnt werden, dass Medical Wellness eine Variante von Wellness ist, bei der medizinische Anwendungen ohne Indikationsstellung besondere medizinische Standards im Setting von Wellness erbracht werden. Grundsätzlich ähneln Reisemotive und Inhalte denen von Wellness. Unterschiede sind tabellarisch weiter hinten im Buch (Kap. 4.2.4, Tab. 4.4) erfasst. Tipps im www zur weiteren Recherche  http://www.wellnessverband.de. Hier können sich Interessierte einen Überblick über das Marktsegment Medical Wellness verschaffen. Auch der Link zu den Zertifizierungskriterien kann hier gefunden werden.  http://www.besthealthaustria.at. Die Seite stellt das österreichische Pendant zur obigen Seite dar. Die Bewertungskriterien für Hotels und Kurbetriebe sind gut zu finden, leider aber nicht wesentlich mehr zum Themenkomplex des vorliegenden Lehrbuches. Tipps zum Vertiefen in Literaturform  Krczal, Albin und Weiermeier, Klaus (Hrsg.), Wellness und Produktentwicklung – Erfolgreiche Gesundheitsangebote im Tourismus, Berlin 2006.  Illing, Kai-Torsten, Gesundheitstourismus und Spa-Management, München 2009.

66

3.2.5

3 Indikationsunspezifische Interventionen und deren Grundlagen

Naturnaher Gesundheitstourismus

Naturnaher Gesundheitstourismus hat über den hier relevanten Kontext hinaus begrenzte Bezugspunkte zu allgemeinen Erscheinungsformen des naturnahen Ökotourismus. Eher kann diese Variante dem sanften im Sinne von umweltverträglichen Tourismus zugeordnet werden: Definition Naturnaher Gesundheitstourismus Unter naturnahem Gesundheitstourismus sind diejenigen Aufenthalte zu verstehen, bei denen die indikationsunspezifischen Interventionen Bewegung, Ernährung, Entspannung und Kommunikation im Sinne von Gesundheitsförderung bewusst umweltverträglich durchgeführt werden. Dies erfordert die selbstverantwortliche Beachtung folgender Aspekte:  Natur- und Kulturlandschaften werden schonend genutzt, so dass Fauna und Flora nicht gefährdet werden,  natürliche Ressourcen und Lebensgrundlagen werden bereits bei der Planung der Anreise nach ökologischen Aspekten geschont und  mit kulturspezifischen, religiösen und tradierten Verhaltensformen wird sensibel umgegangen. Als präferierte Unterkünfte dienen meistens Mittelklassehotels, gefolgt von Herbergen und Berghütten, die sich auf regionale Gastronomie spezialisiert haben (vgl. Kirstges 2003). Der „Leitfaden Naturtourismus Brandenburg“ (MiWi Brandenburg 2008) nennt hinsichtlich der indikationsunspezifischen Intervention Bewegung mehrere Aktivitäten wie Fahrrad fahren, Baden/Schwimmen, Wandern und Kahnfahrten. Diese Sportarten werden oftmals in ökologisch sensiblen Gebieten wie Uferzonen von Landschafts- oder sogar Naturschutzgebieten durchgeführt, bei denen die oben genannten Aspekte besonders beachtet werden sollten. Von der Unterbringungsart werden naturnahe Mittelklassehotels bevorzugt, gefolgt von Herbergen wie Berghütten und gemieteten Ferienwohnungen; Bauernhöfe stellen bei den zur Verfügung gestellten Alternativen die deutliche Minderheit dar. Die schweizerische Umweltschutzorganisation pro natura verfügt beispielsweise über eigene Almen und weitere Häuser, die nach besonders ökologischen Kriterien gebaut wurden und seither betrieben werden. Von der Ernährung her liegt der Fokus der naturnahen Gesundheitstouristen laut der Rapperswiler Studie (2002) auf einer regionentypischen Speisekarte, deren Inhalte aus regionaler Produktion stammen. Weniger wichtig, dennoch von Relevanz, sind die Qualität der Verpflegung sowie deren biologischer Anbau bzw. artgerechte Haltung. Aus gesundheitspsychologischer Sicht sind die selbstwirksamen Modelle vorrangig, bei denen der Wunsch nach Steigerung der eigenen Gesundheitskompetenz im Vordergrund steht. Anbieter dieser Tourismusangebote forcieren entsprechend der Reisemotive von Gesundheitsgästen Aspekte der Naturnähe und entwickeln daher didaktisch teils qualitativ hochwertige Erlebnisse mit natürlichen Bezugspunkten wie z.B. Heilkräuterwanderungen, Exkursionen zu Senn-Almen usw. Dem naturnahen Gesundheitstourismus kommt im Kontext alltäglicher Gesundheitsförderung auch deswegen eine hohe bis sehr hohe Bedeutung zu, weil er die Gruppe der eintägi-

3.2 Ausgangsbasis: Gesundheitstouristische Settings

67

gen Ausflüge in die Natur erfasst. Die Ein-Tageswanderung im alpinen Naherholungsgebiet, am Nordseestrand oder auf den Brocken im Harz dient der selbstwirksamen Regeneration der Schutzfaktoren und der pro-aktiven Interpretation von Work-Life-Balance. Die gesundheitspsychologischen Modelle erlangen im Rahmen dieser gesundheitstouristischen Variante dort ihre erweiterte Relevanz, wo die Ein-Tages-Resilienzeffekte nicht mehr funktionieren und daher einen längerfristigen wohnortfernen Aufenthalt erfordern. Praxisbeispiel Neben dem bereits erwähnten schweizerischen Verein Pro Natura, der über zwei für den naturnahen Gesundheitstourismus exemplarische Unterkünfte verfügt (Aletsch und Champ Pittet), sind es vor allem mehrtägige Wander- und Radtouren, die mit einer adäquaten Tourismusinfrastruktur ausgestattet sind. Ein typisches weiteres Beispiel sind die Unterkünfte der Eng-Almen im Karwendel-Gebirge in Tirol. Dort bieten die Almbauern einfache bis mittlere Unterkünfte, die in einen Naturpark eingebettet sind. Zentrale Gesundheitsthemen sind diejenigen der naturnahen Tiefenentspannung und derjenigen der Ausdauerbewegung, teils unter alpinen Höhenbedingungen. Indikatoren für naturnahen Gesundheitstourismus stellen auch die Präsenz von Vereinen wie dem Alpenverein oder derjenigen des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) dar. Tipps im www zur weiteren Recherche  http://www.wanderforschung.de. Diese Seite verfügt u.a. über zwei interessante Studien des Wanderpsychologen Rainer Brämer (Gesundheitsstudie Wandern – Daten, Fakten, Perspektiven. und: Die Wald-und-Wiesen-Therapie).  http://www.http://www.seco.admin.ch/dokumentation/publikation /00008/00025/01515/index.html?lang=de. Hier befindet sich die bereits erwähnte Studie der Hochschule für Technik in Rapperswil „Naturnaher Tourismus in der Schweiz – Angebot, Nachfrage und Erfolgsfaktoren“. Tipps zum Vertiefen in Literaturform  Kirstges, Torsten, Sanfter Tourismus, 3. Aufl., München 2003.  Dreyer, Axel, Menzel, Anne, Endreß, Martin, Wandertourismus – Kundengruppen, Destinationsmarketing, Gesundheitsaspekte, München 2010.

3.2.6

Day Spas

Sanus per aquam (lat.) – Gesundheit durch Wasser: Der große Stellenwert, den bereits die Bevölkerung des Imperium Romanum ihren Thermenanlagen und Bädern beimaß, führt zu einer Kontinuität, der durch die Abkürzung Spa noch heute Ausdruck verliehen wird. Illing (2009) führt uns zudem zu einer erweiternden Interpretation des Terminus im USamerikanischen Sprachraum, der sich deutlich vom Bezug zum Wasser löst. Bestes Beispiel

68

3 Indikationsunspezifische Interventionen und deren Grundlagen

hierfür ist der aktuelle Trend zu sog. „Airport Spas“ (Glückert 2012), kleinen Geschäftslokalen in den Eincheckbereichen der Flughäfen, in denen „schnelle Erholung“ (ebd.) in Form von Massagen oder sog. „Beauty-“ Anwendungen angeboten werden. Day Spas, die unter dem Credo hoher Effektivität die zeitnahe Wiederherstellung der vollen Leistungsfähigkeit verheißen, sind Grundlage dieser Variante. Sie ergänzen sich mit anderen Mainstreamtendenzen wie „Speed-Wellness“ (Schwaiger 2007) und „Powernapping“ (Ärztezeitung.de 2004) unter dem Dachbegriff der amerikanischen Auslegung des Spa-Begriffs. Da beispielsweise die positiven Effekte von Powernapping auf die Gesundheit nachgewiesen sind (ebd.), ist ein Bezug von Day Spas zum Gesundheitstourismus dennoch zu analysieren. Das Kompositum „-tourismus“ weist auch hier darauf hin, dass es sich im vorliegenden Kontext um eine wohnortferne Aktivität handeln muss, um von Relevanz zu sein; ansonsten würde es sich bei der Aktivität um eine Freizeitbetätigung handeln. Somit entfallen die wohnortnahen SpaVarianten von Fitness-Spa, die im nicht weit entfernten Fitness-Studio angeboten werden genauso, wie die Varianten von Residential Spa, bei dem eine Wellnessanlage beispielsweise Bestandteil einer Wohnanlage ist. Typisches Beispiel im vorliegenden Zusammenhang sind die Thermenanlagen, die sich in relativer Nähe zu den großen städtischen Agglomerationszentren befinden. Definition Day Spa Day Spas stellen neben dem Naturnahen Tourismus die zweite Variante der wohnortfernen Naherholung dar. Sie haben insofern eine gesundheitstouristische Relevanz. Vom Angebotsportfolio her sind Day Spas ähnlich aufgestellt, wie dies bei Wellness Hotels der Fall ist. Der Terminus impliziert jedoch auch, dass es sich bei Day Spas nicht um Einrichtungen mit Übernachtungsmöglichkeiten handelt. Angeboten werden im Day Spa die indikationsunspezifischen Interventionen, sowie Massagen und Dienstleistungen aus dem „Beauty-“ Spa. Der Deutsche Wellnessverband geht von einer Nutzfläche von mindestens 200 m2 aus, die folgendes enthalten sollte: mindestens 4 Behandlungsräume, einer davon mit Dusche oder Badewanne, mindestens zwei der typischen Spa-Einrichtungen (Sauna, Dampfbad, Hamam, Schwimmbad usw.), einen separaten Ruhe- und Entspannungsbereich mit Liegen sowie einen separaten gastronomischen Bereich. Die Reisemotive sind denjenigen des Wellness-Tourismus mit Übernachtungsoption vergleichbar. Da eine Zertifizierung durch den Deutschen Wellnessverband die Präsenz eines qualifizierten Beratungsoder Trainingsangebotes voraussetzt, kann auch im Day Spa von der Möglichkeit der Gesundheitsbildung ausgegangen werden. Opaschowski, Pries und Reinhardt (2006) stellten bezüglich des Freizeitverhaltens als wohl variabelste Konsumvariante heraus, dass dieses kein fest umrissenes, sondern ein offenes Phänomen ist. Deutlich stärker ausgeprägt als beim naturnahen Gesundheitstourismus trifft hier die von den Autoren erwähnte emotionale Dimension zu, bei der beim Freizeitkonsum „immer ein Gefühl von Luxus und Außergewöhnlichem mitschwingt“ (ebd.).

3.2 Ausgangsbasis: Gesundheitstouristische Settings

69

Praxisbeispiel Die Therme Erding nahe München kann als typisches Beispiel eines Day Spa angesehen werden. Als bayerisches Baiae der Neuzeit wirbt das Unternehmen damit, über die größte Saunalandschaft der Welt zu verfügen. Begünstigend wirkt sich im Gegensatz zu ähnlichen Konzepten die Nähe zur Millionenstadt München aus. Dieser Anbieter verfügt über die Thermenlandschaft und eine gesonderte sog. „VitalOase“ hinaus auch über einen Day-Spa-Bereich, in welchem sich entsprechend der Definition sowohl ein „Beauty-“ und Massagebereich sowie ein Loungebereich mit exklusiven Ruhe- und Entspannungsmöglichkeiten befindet. Tipp im www zur weiteren Recherche  http://www.wellnessverband.de. Hier finden sich einige Treffer zum Thema Day Spa. Ansonsten ist das Angebot an Thermen mittlerweile so engmaschig aufgestellt, dass Interessierte in der Nähe ihres Wohn- oder Studienortes auf jeden Fall ein Day Spa finden werden, das anhand der hier dargestellten Aspekte elaboriert werden kann. Tipp zum Vertiefen in Literaturform  Day Spas sind literarisch in der Literatur zur Wellness abgebildet. Daher: siehe Literatur zu Wellness. Zusammenfassung In diesem Unterkapitel wurden insgesamt sechs gesundheitstouristische Settings beschrieben. Bis auf das medizintouristische Setting ist in allen anderen Lernen möglich, teilweise notwendig. Ferner wurde verdeutlicht, dass – ganz im Sinne des Gesundheitskrankheitskontinuums – die touristischen Varianten im Praxisfeld tendenziell ineinander übergehen und sich vermischen. Dies bedeutet, dass ebenfalls klassische Prävention und Gesundheitsförderung enger zusammenrücken. Es wurde jedoch ebenfalls erarbeitet, dass für die perspektivisch notwendige Integration der gesundheitstouristischen Settings in das System der Gesundheitskostenträger eine stärkere Beforschung der Inhalte und Effekte notwendig ist. Übung Konstruieren Sie anhand einer Ihnen vertrauten, anonymisierten Person die Verbindung gesundheitspsychologischer und gesundheitssoziologischer Faktoren für die Empfehlung eines konkreten gesundheitstouristischen Aufenthaltes. Beschreiben Sie dabei, welche persönlichen Motive ausschlaggebend für die Reise sind, welche Probleme möglicherweise mit Bezug zur individuellen Humanökologie zu erwarten sind und wie der gesundheitstouristische Aufenthalt gestaltet sein kann.

70

3 Indikationsunspezifische Interventionen und deren Grundlagen In einem zweiten Schritt stellen Sie sich bitte das von Ihnen gewählte gesundheitstouristische Setting vor. Hier gilt es nun, eine gesundheitstouristische Veranstaltung nach dem didaktischen Prinzip von ARIVA umzusetzen. Vielleicht hilft es Ihnen, wenn Sie die Begriffe Gesundheitserziehung und -bildung im Kontext der Wellness-Stufen als Bezugspunkte zum von Ihnen ausgewählten Setting vergegenwärtigen.

3.3

Indikationsunspezifische Interventionen

Wenn es nun gelingen soll, für die genannten sechs gesundheitstouristischen Settings den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ zu definieren, so geschieht dies, um inhaltliche Aktivitätsmerkmale zu finden, die für alle Settings gelten: die indikationsunspezifischen Interventionen. Unterschiedliche Ausprägungsformen erfordern dabei in der Praxis sehr unterschiedliche Anwendungsformen und eine sich stark unterscheidende Didaktik. So werden beispielsweise im Rahmen einer Rehabilitationsmaßnahme nach einem Herzinfarkt alle nachfolgend genannten Interventionen einer spezifisch therapeutischen indikationsabhängigen Intervention zugeführt. Ziel von Bewegung, Ernährung, Entspannung und ggf. Kommunikationstraining ist jedoch auch im Setting Rehabilitation anfangs die allgemeine Gesundheitsförderung, ehe im weiteren Verlauf in die indikationsspezifische Prävention forciert wird. Im vorliegenden Kontext würde unter Einbeziehung derart spezieller Szenarien der Rahmen eines gesundheitstouristischen Lehrbuchs gesprengt werden. Der Terminus unspezifisch soll daher als kleinster gemeinsamer Nenner bewusst machen, dass hiermit Potenziale in allen gesundheitstouristischen Settings vorhanden sind. Sie werden jedoch von vielen gesundheitstouristischen Anbietern im gesundheitsförderlichen Zweig noch eher selten konzeptionell und auf Basis didaktischer Prinzipien entwickelt und angewandt. Vor allem gibt es noch viel Arbeit, um Lernszenarien auf der Wellness-Stufe II zu entwickeln. Definition Indikationsunspezifische Intervention Unter indikationsunspezifischen Interventionen kann in gesundheitstouristischem Zusammenhang ein Angebot seitens touristischer Anbieter verstanden werden, welches den Gesundheitsgästen pro-aktiv unterbreitet wird. Dieses Angebot wurde zuvor konzeptionell erarbeitet und evaluiert. Es ermöglicht die Unterscheidung von anderen gesundheitstouristischen Anbietern. Ziel ist dabei auf praktischer Ebene zum einen die allgemeine Gesundheitsförderung, zum anderen die Steigerung der individuellen Gesundheitskompetenz. Zu indikationsunspezifischen Interventionen zählen Bewegung, Ernährung, Entspannung und Kommunikation. Demgegenüber zielen spezifische Interventionen im kurativen Kontext auf Prävention ab. Wenn auf dieser Etappe unseres Glacier-Express indikationsunspezifische Interventionen diskutiert werden, so muss es eine Ursache haben. Diese liegt in der Lebensstil bedingten Inkompetenz vieler Menschen, mit zur Verfügung stehenden Ressourcen verantwortungsvoll hauszuhalten. Wir haben es vielfach verlernt, i.S. der eigenen Psyche und Physis maßvoll mit zur Verfügung stehenden Fortbewegungs-, Nahrungs- und Telekommunikationsmitteln umzugehen. Die Ziele der

3.3 Indikationsunspezifische Interventionen

71

westlichen Industriegesellschaften lauten daher, wieder mehr Bewegung in den Alltag zu bringen, Nahrungsmittel dosiert zuzuführen und mit den Kommunikationsmitteln adäquat-distanzierten Umgang zu pflegen. Indikationsunspezifische Interventionen unterstützen hierbei in den vier genannten Dimensionen, dies wieder zu erlernen. Ziele indikationsunspezifischer Interventionen sind allseits bekannte Schlagworte, allen voran Work-Life-Balance (u.a. Cassens 2003, Collatz und Gudat 2011) und Resilienz (Brooks und Goldstein 2011, Wustmann-Seiler 2004). Ein gesünderer Lebensstil in Verbindung mit gesteigertem subjektivem Wohlempfinden – dies sind sich gegenseitig ergänzende Ansprüche von Individuum und Träger der Gesundheitskosten. Sie beziehen sich v.a. auf das Erlernen indikationsunspezifischer Interventionsformen. Eine große Herausforderung besteht, wie bereits angedeutet, auf Seiten der Betriebe in den Settings Wellness, Naturnaher Gesundheitstourismus und bedingt auch Medical Wellness darin, diesbezügliche Lernerfolge ihrer Gesundheitsgäste zu operationalisieren und nachzuweisen. Die Alltagstauglichkeit der im Setting erlernten Lerninhalte scheint eine wesentliche Möglichkeit darzustellen, um die vertiefende Integration gesundheitsfördernder touristischer Settings in das bestehende Gesundheitssystem zu forcieren. Die Kampagne richtig fit des Deutschen Olympischen Sportbundes (vgl. DOSB 2012) scheint hierfür Impulse zu liefern, indem der Frage von „Wellness im Alltag“ als Verstetigung von Lernerfolgen sehr praxisnah nachgegangen wird. Erfolgt der Nachweis nachhaltigen Lernens, so scheint der vom Gesundheitssystem geforderten Übernahme von „Eigenverantwortung in die eigene Gesundheitsvorsorge“ (ebd.) einen wesentlichen Schritt näher gekommen zu sein. Die Abb. 3.5 verdeutlicht die subjektiven Beweggründe von Gesundheitsaufenthalten. Diese sollten mit Bezug zu gesundheitspsychologischen Reisemotiven, einer adäquaten Didaktik und der daraus resultierenden gesundheitstouristischen Angebotsentwicklung beachtet werden. Die Basis von insges. 904 Befragten dieser Studie bietet erste Anhaltspunkte für die pro-aktive Entwicklung gesundheitstouristischer Angebote mit den Ansprüchen der Wellness-Stufe II.

Abb. 3.5:

Empirisch erhobene Beweggründe für den Gesundheitsaufenthalt (Rulle, Hoffmann, Kraft 2010)

72

3 Indikationsunspezifische Interventionen und deren Grundlagen

Entspannung ist das meist genannte Motiv der Gesundheitsgäste, wobei Mehrfachnennungen möglich waren. Dass dies die mit Abstand meist genannte Alternative ist, liegt nur zum einen am tradierten Reisemotiv im Sinne von Urlaub. Epidemiologische Verschiebungen in Richtung psychischer Störungen (Badura et al. 2009, Hörmann und Weber 2007) verweisen zum anderen auf ein Problem mit nahezu epidemischen Folgen: Es fehlt vielen Arbeitnehmern, Selbständigen und Beamten an Möglichkeiten, im Alltag zu entspannen. Genügend Zeit für das Essen, ausreichende Bewegung und Körperpflege zu haben, wirken meistens bereits entspannend, dies findet bei der alltäglichen Lebensweise jedoch kaum Beachtung. Der Anspruch gesundheitstouristischer Anbieter wird sich daher dahingehend wandeln müssen, die vorhandenen Anlagen und Einrichtungen aktiver im Sinne indikationsunspezifischer Interventionen zu nutzen und die vorhandene Infrastruktur nicht als Betreiber, sondern als Anbieter von Lernsettings zu interpretieren. Denn nur so kann die avisierte Integration in das System der Träger von Gesundheitskosten (Versicherungen, Unternehmen) realisiert werden; auch scheint v.a. somit die Einbettung Wohnort- und Arbeitsplatz-ferner touristischer Settings in die Maßnahmen der Personal- und Organisationsentwicklung denkbar. Als Ziel des hier verorteten Lernprozesses auf der Wellness-Stufe II kann dann eine gesteigerte Gesundheitskompetenz mit dem Effekt einer erhöhten Work-Life-Balance abgeleitet werden. Dass es sich bei dem Terminus Work-Life-Balance um ein in den Gesundheitswissenschaften zunehmend beachtetes Konstrukt mit konkreten Anknüpfungspunkten handelt, zeigt die Abb. 3.6. Indikationsunspezifische Interventionen können da Assimilation bzw. Akkomodation i.S. des Konstruktivismus bewirken, wo sie viabel sind, in das Verstehen und Interpretieren der Gesundheitsgäste „hineinpassen“. Systematische Anamnesegespräche mit den Gesundheitsgästen werden, soll die Wellness-Stufe II programmatisch werden, zu festen Bestandteilen des Aufenthaltes generieren, wie dies im Medical Wellness bereits der Fall ist.

Abb. 3.6:

Einflussfaktoren auf den Menschen in dessen Work-Life-Balance.

3.3 Indikationsunspezifische Interventionen

73

Interpretiert man die in der Abb. 3.5 dargestellten gesundheitstouristischen Motive neben der Perspektive der Personalentwicklung aus der tradierten Sichtweise des Privaturlaubs, so kann den Gesundheitsgästen ebenfalls eine motivationale Verschiebung unterstellt werden. Auch hier wird deutlich, dass die weitgehend passive Wellness-Konsumeinstellung der WellnessStufe I einem erhöhten Lernbedarf weicht und weiter weichen wird. Denn wertet man entsprechende Internet-Foren und Printmedien aus, so kann der Bevölkerung Deutschlands, Österreichs und der Schweiz ein durchaus wachsendes Gesundheitsbewusstsein unterstellt werden. Dies ist an die Furcht gekoppelt, perspektivisch möglicherweise an einer chronischen Zivilisationskrankheit zu leiden. Auf bestehende Ängste als gesundheitstouristischer Anbieter jedoch mit Furchtappellen zu reagieren, hat sich in der Vergangenheit als nicht sonderlich effektiv herausgestellt. Demgegenüber bietet das gesundheitstouristische Setting mit seinen nahezu idealtypischen Lernsettings sehr gute Möglichkeiten, freiwillig im Sinne von Bildungsvorgängen die eigene Gesundheitskompetenz zu steigern; im Setting für einen längeren Aufenthalt inne zu halten, um die Selbstwirksamkeit eines gesünderen Lebensstils zu erlernen. Der bereits erwähnte Filmtitel aus den 1950er Jahren „Ferien vom Ich“ hat allein deshalb noch nichts an seiner damaligen Aktualität und Brisanz eingebüßt. Er könnte mit aktuellen Bezügen bedeuten:  Bewegungsformen zu erlernen, die in den Alltag integrierbar sind,  kochen „frisch auf den Tisch“ im Setting zu erlernen,  Entspannungsmethoden zu erlernen, die die Gäste individuell ansprechen und  entschleunigt zu kommunizieren, das in einem Umfang, der dauerhaft realisierbar ist. Selbstverständlich sind hier nur Oberpunkte genannt, die nahezu beliebig erweitert werden können. Eines gilt jedoch auch für den Privaturlaub: In einer zunehmend als stressend und beschleunigt wahrgenommenen Umwelt werden die „lohnenden Pausen“ des Jahresurlaubs zu Phasen der dringend benötigten (seelischen) Widerstandsfähigkeit. Die gesundheitstouristische Infrastruktur bietet mit ihren speziell hierzu errichteten Resorts, Destinationen und vor allem der natürlichen Umwelt ideale „Klassenzimmer“ zum Erlernen von Gesundheitskompetenz in Form von fakultativer Gesundheitsbildung. Soll dies geschehen, bedarf es der touristischen Angebotsentwicklung unter intensivem Einbezug der indikationsunspezifischen Interventionen auf Basis einer adäquaten Didaktik. Tipps zum Vertiefen in Literaturform  Lenartz, Norbert, Gesundheitskompetenz und Selbstregulation, Bonn 2012.  Koppenhöfer, Eva, Kleine Schule des Genießens – Ein verhaltenstherapeutisch orientierter Behandlungsansatz zum Aufbau positiven Erlebens und Handelns, Lengerich 2004.

3.3.1

Bewegung

Bewegung gehört zu den vitalitätssteigernden Voraussetzungen des Lebens. Unsere Umwelten haben sich besonders seit dem Beginn des PC-Zeitalters eher in Richtung Bewegungsfeindlichkeit entwickelt, dies von Kindesbeinen an. Die Tatsache, dass Kindergärten, Schulen, Universitäten und Unternehmen bereits die keineswegs selbstverständliche Benutzung von Stiegenhäusern empfehlen, wenn es um das Erreichen der nächstgelegenen Etage geht, zeigt, wo die niederschwelligen Ansatzpunkte dieser indikationsunspezifischen Intervention

74

3 Indikationsunspezifische Interventionen und deren Grundlagen

zu identifizieren sind: Bewegung und Koordinationsfähigkeit zählen heute bereits im Kindesalter zu „Problemzonen“, die, wenn nicht frühzeitig und ständig trainiert, oft im späteren Alter zu erheblich gesteigerter Sturzgefahr mit entsprechenden komplizierten Folgeindikationen führen. In allen traditionellen Settings ist dies bekannt. Bewegungsaktionen wie „Stadt XY bewegt sich“ oder „Schule YZ läuft für…“ zeigen seit den 1970er Jahren das Bemühen, durch gezielte Stimulation zu mehr Bewegung zu animieren. Leider zeigen auch derlei engagierte Interventionen häufig nur begrenzt nachhaltige Effekte. Betrachtet man die möglichen Folgen von Bewegungsmangel (Geiger 1999), so stellt sich rasch die Frage, ob und wie speziell im gesundheitstouristischen Setting Bewegung (neu) erlernt werden kann, dies mit Auswirkung auf das langfristige Bewegungsverhalten im Alltag. Definition Bewegung Im gesundheitstouristischen Setting impliziert Bewegung das viable Erlernen von Bewegungsformen und -abläufen. Zentral ist das Erlebnis der Steigerung subjektiver Lebensqualität. Im Setting steht die Suche nach als besonders empfundenen Bewegungsmomenten im Vordergrund. Die Spa-Anlagen ermöglichen diese Erlebnisse nicht nur auf der Wellness-Stufe I. Perspektivisches Ziel ist es daher, im Setting Stimuli für ein stärker bewegtes Alltagsleben zu setzen. Bewegung im gesundheitstouristischen Setting als Bildungsaufgabe (neu) zu erlernen bedeutet, sie als aktiven Beitrag zur Förderung der Lebensbalance und Selbstkompetenz in den Alltag integrieren zu wollen. Der wenig schillernde Begriff Bewegung sollte sowohl im gesundheitstouristischen Studium, wie auch in der Praxis eines Resorts oder einer Destination nicht durch den Terminus Gesundheitssport ersetzt werden: Zum einen besteht die Gefahr, dass Bewegung dann einem allheilenden Breitbandtherapeutikum gleichgesetzt und insofern inflationär interpretiert wird. Nicht zu unterschätzen bleibt auch, dass mit Sporttreiben sowohl alters- als auch altersgruppenspezifische Gefahren und Risiken verbunden sind. Wydra (1992) sieht bei der Verwendung des Begriffs Gesundheitssport sogar die Gefahr der „Entsinnlichung des Sports durch den Versuch, jedes potenzielle Risiko beim Sporttreiben auszuschalten“. Bewegung impliziert im gesundheitstouristischen Zusammenhang vor allem die aktive Nutzung von Bewegungsangeboten der touristischen Anbieter: Gruppenkurse, Einzelcoachings als Maßnahmen der moderaten Belastung im Ausdauerbereich. Geiger (1999) akzentuiert im Sinne der Salutogenese und Bewegung den Begriff der Gesundheitsreserven, welche sich aus regelmäßiger Bewegung ergeben. Der Aufbau von Gesundheitsreserven und physischer Resilienz stellt nach der Entspannung das an zweiter Stelle genannte Reisemotiv von Gesundheitsgästen dar (vgl. Abb. 3.5). Diese empirische Basisinformation sollte weiter vertieft werden, indem wir uns die Effekte regelmäßiger Bewegung vergegenwärtigen (Abb. 3.7). Zumindest einige der aufgeführten Punkte könnten die meisten Gesundheitsgäste im Laufe eines Anamnesegespräches auf sich beziehend nennen. Kognitiv verwertbare Wissensbestände, die als Gesundheitskompetenz interpretierbar sind, können daher bei den meisten Gesundheitsgästen vorausgesetzt werden. Entscheidend ist dann die mit Experten gemeinsam zu entwickelnde Zielsetzung des gesundheitstouristischen Aufenthaltes, die aktuell noch zu stark den Gesundheitsgästen mit ihrem partiellen Laienwissen überlassen bleibt.

3.3 Indikationsunspezifische Interventionen

Abb. 3.7:

75

Effekte regelmäßiger Bewegung

Die Folge davon ist, das gilt v.a. im Setting Wellness, dass sowohl die häuslichen Infrastrukturbereiche (Spa) als auch die natürliche Umgebung nur allzu häufig im Sinne einer Pastiche genutzt werden. Mehr und mehr degenerierte der Wellness-Gedanke zudem im Rahmen eines schleichenden Prozesses vom Grundgedanken der US-amerikanischen Volksbewegung im touristischen Setting zu dem Komplementärereignis. Die vorrangige Nutzungsweise der sehr wohl vorhandenen Bewegungsangebote in den Wellnesshotels etablierter Ski-Destinationen zeigt symptomatisch, dass Bewegung lediglich den komplementären Charakter der WellnessStufe I hat. U.a. zeigte Steinbach (2003) die Nutzungszeiten der Spa-Bereiche auf. Der komplementäre Pastiche-Charakter wird hierbei deutlich: Vor der Haupttagesaktivität (in diesem Falle Wintersport) wird die Aufwärmgymnastik gebucht, zwischen der Heimkehr von der Piste die Sauna und der Swimming-Pool. Das Setting wird dabei lediglich genutzt, um sich von den Tagesstrapazen zu erholen, nicht jedoch im Sinne von Gesundheitsbildung. Die Einführung der Variante Medical Wellness kann aufgrund dieser Nutzungsgepflogenheiten auch dahingehend interpretiert werden, dass der seit den 1950er Jahren etablierte gesundheitsfördernde Wellness-Gedanke allein durch den Terminus wieder stärker in das Bewusstsein der Gesundheitsgäste geholt werden soll. Somit kann der Begriff Medical Wellness nach der zuvor eher kritischen Bewertung aufgrund seiner Marketingrelevanz nun auch einem inhaltlich positiven Dynamisierungsansatz zugeführt werden. Denn die eigenen Erfahrungen des Autors im Setting bestätigen die empirischen Erhebungen von Rulle, Hoffmann und Kraft (2010) dahingehend, dass Medical Wellness-Gäste ihren Aufenthalt durchaus mit Lernzielen auf der Wellness-Stufe II antreten. In diesem gesundheitstouristischen Setting sind Bildungsbereitschaft und Lernmotivation deutlicher erkennbar, als dies in der Nutzungspraxis von Wellnessgästen zumeist der Fall zu sein scheint. Das gesundheitstouristische Studium bietet als akademisches Fundament nachfolgender Führungskräfte eine gute Grundlage für den indizierten inhaltlichen Paradigmenwechsel gesundheitstouristischer Settings. Es wird perspektivisch nicht mehr ausreichen, sich lediglich als Anbieter gesundheitstouristischer Infrastrukturen zu positionieren. Vielmehr scheint es daher nur logisch, konsequent und begrüßenswert, wenn einige Universitäten und Hochschulen in ihren gesundheitstouristischen Studiengängen mittlerweile Modulelemente anbieten, die die Bezeichnung „Gesundheit und Fitness durch Bewegung“ tragen, wie dies die

76

3 Indikationsunspezifische Interventionen und deren Grundlagen

deutsche Hochschule für Wirtschaft und Umwelt im württembergischen Geislingen exemplarisch exerziert. Die Beschreibung der Lerninhalte dieses Modulelementes impliziert jedoch bereits zwei Folgeprobleme: Einerseits fehlt der Explikation genannter Lerninhalte und -ziele der konkrete Bezug zu den gesundheitstouristischen Settings. Andererseits sind auch die Setting bedingten, sich teils erheblich unterscheidenden didaktischen Anforderungen nicht erwähnt. An dieser Stelle sei betont, dass die Sportdidaktik in den sportwissenschaftlichen Studiengängen nicht ohne Grund als Hauptfach etabliert ist. Die adäquate Vermittlung von didaktisch entwickelten Erlebnissen ist nicht nur Garant von ökonomisch relevanten Aspekten der dauerhaften Kundenbindung. Vielmehr beinhalten selbstreflexive und -wirksame Erfolge im Setting Assimilations- und Akkomodationsprozesse zumindest die temporäre Steigerung von subjektiver Lebensqualität. Insofern bietet Bewegung mit all ihren im Setting möglichen Facetten und infrastrukturellen Möglichkeiten die optimale Basis von Prozessen der Gesundheitsbildung. Die Natur und den Spa-Bereich im Sinne einer adäquaten Sportdidaktik zu nutzen und in sprichwörtlichem Sinne zu inszenieren, wird daher perspektivisch zu einer kaum delegierbaren konzeptionellen Führungsaufgabe von gesundheitstouristischen Nachwuchsführungskräften. Praxisbeispiele Die interessante Kombination von Klima und Bewegung thematisiert der Tourismusverband Tölzer Land in Oberbayern auf eine sehr zukunftsweisende Art. Hier wirbt man mit der Parole „Wandern mit Klimabonus im Heilklimapark Tölzer Land“. Damit wollen die Promotoren den Reizfaktoren Kälte und Höhe und den Schonfaktoren wie der Reinheit der Luft gerecht werden. Zum Heilklimapark gehört ein insgesamt über 340 km langes Wegenetz, das in folgende Dimensionen unterschieden wird:  Sonnige und schattige Abschnitte,  Steigungen und Gefälle,  Höhenlage sowie  Wald oder offene Landschaft. Die Tourenvorschläge erstrecken sich auf viele Ausdauersportarten wie Radfahren, Wandern, Nordic Walking, Langlauf und differenzieren zwischen unterschiedlichen Längen und Schwierigkeitsgraden (vgl. toelzer-land.de). Übung Auch trotz vertiefter Kenntnisse in der Sportdidaktik ist es anhand des ARIVA-Schemas möglich, das, was Sie bislang im gesundheitstouristischen Setting erlebt haben, zu analysieren – es lohnt sich. Der Konstruktivismus, die sog. Ermöglichungsdidaktik, hilft in Form des ARIVA-Schemas dabei, verschiedene gesundheitstouristische Angebote bzw. Lernsituationen zu transferieren: Legen Sie auf zwei bis drei selbst erlebte Bewegungsangebote eines Settings Ihrer Wahl die ARIVA-Maske und überlegen dann, wie positive Lernerfahrungen auf der Wellness-Stufe II möglich sind. Auch, wenn auf diese Weise noch kein inhaltliches Konzept für ein Setting entsteht, so sollte es

3.3 Indikationsunspezifische Interventionen

77

möglich sein, zu erahnen, worum es bei Konzepten auf der Interventionsebene Bewegung geht. Dies sind erste grundsätzliche Überlegungen, die bei der wesentlich umfangreicheren Konzeptentwicklung benötigt werden. Tipps im www zur weiteren Recherche  FGÖ – Fonds Gesundes Österreich, Österreichische Empfehlungen für gesundheitswirksame Bewegung, verfügbar unter: http://www.gesundheit.gv.at/Portal.Node/ghp/public/content/servicesbroschueren-bewe gung.html, zuletzt abgerufen am: 02.01.2013.  Ritzdorf, Wolfgang Bewegung – Freizeitsport, Fitnesstraining, Entspannung. Mit Trainingstagebuch, verfügbar unter: http: //www.tk.de/centaurus/servlet/contentblob/48654/Datei/19999/TK -Broschuere-Bewegung.pdf, zuletzt abgerufen am: 02.01.2013. Tipps zum Vertiefen in Literaturform  Brehm, Walter, Janke, Anke, Sygusch, Ralf und Wagner, Petra, Gesund durch Gesundheitssport – Zielgruppenorientierte Konzeption, Durchführung und Evaluation von Gesundheitssportprogrammen, Weinheim und München 2006.  Geiger, Ludwig, Gesundheitstraining – Biologische und medizinische Zusammenhänge – Gezielte Bewegungsprogramme zur Prävention, München 1999.

3.3.2

Ernährung

Ernährung ist seit den ältesten Vorläufern des heutigen Gesundheitstourismus einer seiner tragenden Säulen. So war bereits Griechen und Römern bekannt, dass die Ernährung einen sehr großen Einfluss auf die Gesundheit hat. Nicht zuletzt aus dieser damals noch vagen Erkenntnis ohne die Basis empirischer und ökotrophologischer Befunde heraus entstand die Diätetik, welche in der Antike v.a. mit den Namen Hippokrates von Kos und Galen verbunden wird. Galen, dessen Name bereits im mehrfach genannt wurde, verfeinerte das hippokratische Basiskonzept zu einem für das zweite Jahrhundert nach Christus erstaunlich differenzierte Konzept zu einem bedeutenden salutogenetischen Gesamtwerk, welches ein Jahrtausend der Medizingeschichte prägen sollte (vgl. Schipperges 1985). Es umfasste sechs Interventionsebenen. Die Abb. 3.8 verdeutlicht bereits auf den ersten Blick, dass der heutzutage gebräuchliche Begriff Diätologie nur teilweise erfasst, was die antiken Protagonisten der Diätetik damit im engeren Sinne meinten: eine gesunde, maßvolle Lebensführung. Die Abbildung weist darüber hinaus darauf hin, dass die vier unspezifischen Interventionsebenen bereits zur Zeit Galens – selbstverständlich unter der Verwendung anderer Termini – nur in summa ein Ganzes i.S. der Supersummativität ergeben, was heute als gesunder Lebensstil verstanden wird. Wie bereits angedeutet, so kam der Ernährung bereits in der antiken Vorzeit hohe Bedeutung zu. Ernährte man sich nicht i.S. der Diätetik, so drohte nach Ansicht der alten Mediziner bereits Krankheit; Fehlernährung erklärte im Umkehrschluss auch Krankheit. Vor dem Hintergrund dieser alten Tradition des bereits zu Lebzeiten wertgeschätzten „Lifestylemedizi-

78

3 Indikationsunspezifische Interventionen und deren Grundlagen

ners“ Galen sollte es nicht schwer fallen, einen Transfer zum heutigen Gesundheitstourismus zu leisten. Denn, wie bereits zuvor berichtet, war schließlich auch Galen nicht nur Leibarzt des Imperators Marc Aurel, er war ebenfalls an den temporären Aufenthaltsorten des Adels außerhalb Roms unterwegs, um seine Medizinprodukte zu vertreiben. Somit führte der frühzeitige Gesundheitstourismus bereits zu veritablen Einkünften.

Abb. 3.8:

Faktoren der Diätetik Galens (nach Schipperges 1985)

Definition Ernährung Ernährung ist einer der Grundbausteine menschlichen Lebens und bezieht sich auf die Zufuhr organischer und anorganischer Nahrungsmittel von außen, um den Energiebedarf des Körpers abzudecken. Wesentliche Bausteine sind Eiweiße, Kohlenhydrate, Fette, Ballaststoffe, Vitamine, Mineralstoffe und Wasser. Die Ernährung kann sowohl zur Gesundheitsförderung als auch zur Krankheitsprävention erhebliche Beiträge leisten. Im Kontext aller gesundheitstouristischen Settings kommt ihr relativ große Bedeutung zu. Im Gesundheitstourismus vorkommende Kostformen sind u.a. Schonkost, Trennkost, die Diätetik, die ayurvedische Ernährungslehre und vegetarische Ernährung. Spezielle Heilfastenkuren, wie diejenige nach F.X. Mayr, oder Fastenwandern gehören ebenfalls zum Portfolio gesundheitstouristischer Anbieter. Analog zur Interventionsebene Bewegung erscheint es hilfreich, sich der Ernährung im gesundheitstouristischen Setting mittels der Wellness-Stufen anzunähern. Daher die folgende Frage: Was bedeutet die Wellness-Stufe I bezogen auf die Ernährung während eines gesundheitstouristischen Aufenthaltes und wie stellen sie sich in den Settings dar? Zuerst einmal ist

3.3 Indikationsunspezifische Interventionen

79

es egal, ob jemand eine Rehabilitation verschrieben bekommt, einen Wellness-Aufenthalt genießt oder im naturnahen Setting eine mehrtägige Bergwanderung absolviert. Ernährung dient primär dem genuinen Zweck des Stillens eines Grundbedürfnisses. Auch am Genussfaktor fehlt es mittlerweile in den früher oft bemängelten Kur- und Reha-Zentren nicht mehr. Somit kann unter verschiedenen Zielvorstellungen bzw. Indikationen davon ausgegangen werden, dass die Ernährung i.S. von egozentrischen Leitmotiven als Genuss empfunden werden kann. In den Richtlinien für die Zertifizierung zum Wellnesshotel spiegelt sich dieser Sachverhalt wie folgt wieder: „Das Speisen- und Getränkeangebot lässt einen klaren Bezug zu gesundem Genuss erkennen: Frisch-Produkte bei Obst und Gemüse, wenig Convenience/Dosenprodukte, fettarme und nährstoffschonende Zubereitung. Gäste erhalten zu den Gerichten, Speisen und Getränken Informationen wie z.B. „hoher Vitamin-C-Gehalt“, „aus biologischem Anbau“, „cholesterinarm/-frei“, „für Diabetiker geeignet“, „sehr fettarm“, „Vollwert“, „zuckerfrei“, etc. Das Service- und Küchenpersonal ist in der Lage, über den gesundheitlichen Wert des Restaurantangebots freundlich und kompetent zu informieren. Alle Buffets sind mit genauer Beschreibung des Angebots ausgestattet und bieten den Gästen Hinweise auf gesundheitlich relevante Aspekte der Speisen und Getränke“ (DWV 2012). Praxisbeispiele Im Jahr 1920 gründete Otto Buchinger das Kurheim Dr. Otto Buchinger, ein Therapiezentrum mit Schwerpunkt Heilfasten. Mittlerweile haben die Buchinger-Kliniken drei Standorte, die auf dem Konzept Buchingers basieren. Das gesundheitspädagogische Programm beinhaltet u.a. Kochkurse, die einen Beitrag dazu leisten sollen, das während des Aufenthalts Erlernte auch im Alltag weiter zu praktizieren. Die Klinik akzentuiert die therapeutische Prävention bei diversen ernährungsbedingten Indikationen, die sich jedoch deutlich von den Essstörungen abgrenzen lassen. Wie sehr Ernährung den aktuellen gesundheitstouristischen Mainstream fokussiert, zeigt ein weiteres Beispiel, der Lanserhof mit seinem „Energy Cuisine“-Konzept: „Ernährung ist mehr als die Summe ihrer Teile: Ein Ernährungskonzept mit Langzeiterfolg für den modernen, gesundheitsbewussten Menschen, das vital und schlank macht, das Wohlbefinden verbessert und trotzdem kulinarischen Genuss bietet“ (Lanserhof 2012). Beide Konzepte gehören zur Gruppe der Wellness-Stufe II. Hierbei konsumieren Gesundheitsgäste die ihnen angebotenen Nahrungsmittel, nachdem sie deren Zubereitung erlernt haben. Primäres Ziel beider Aufenthalte ist jedoch nicht die Hilfe zur Selbsthilfe einer ernährungswissenschaftlichen Ermöglichungsdidaktik. Lebenskompetenz impliziert i.S. der Wellness-Stufe II Ziele mit pädagogischem Gehalt und gesundheitspsychologischer Verankerung. In diesem Zusammenhang ist es zielführend, wenn gerade Betreiber von naturnahen Beherbergungsbetrieben und diejenigen vieler BioVital-Hotels sehr engagiert sind, ihre Philosophien in Form von Kochrezepten oder „Tipps für den Alltag“ aktiv an ihre Gäste weiterzugeben. Bereits seit den 1950er und 1960er Jahren sind die Träger der Gesundheitskosten auf der Suche nach gesünderen Ernährungsformen im Alltag. In Kombination mit Bewegungsman-

80

3 Indikationsunspezifische Interventionen und deren Grundlagen

gel stellen aus Convenience-Produkten und Limonade bestehende Speisen in den Mittagskantinen ein „ideales“ Substrat für die Zivilisationskrankheiten dar. Soll die Gesundheitsförderung im touristischen Setting perspektivisch intensiver in das Gesundheitssystem integriert werden, so müssen Lösungsbeiträge zum Thema „Ernährungslernen im touristischen Setting“ gefunden und aktiv kommuniziert werden. Dies bedeutet, auf der Wellness-Stufe II Lernsituationen zu schaffen, in denen die Gesundheitsgäste ihre Gesundheitskompetenz aktiv steigern, selbstwirksam lernen, gesünder einzukaufen und zu kochen. Das gesundheitstouristische Setting bietet über dies eine weitere große Chance. In den primär ländlichen gesundheitstouristischen Gegenden finden sich mittlerweile eine gehäufte Anzahl von biologisch agierenden Hersteller- und Zulieferbetrieben. Barlösius (2011) stellt mit Alternative Food System einen Begriff in den Raum, der ein erweitertes Lernszenario ermöglicht. Zubereitung von Nahrung und Ernährung haben auf der Wellness-Stufe II dann einen gesundheitlichen Bildungsgehalt, wenn „Konsumenten sich ihr Essen wieder aneignen, es verstehen, kennen und beurteilen zu können, weil ihnen die Produktionsweise, die Lebensmittel, der Geschmack und die Hersteller vertraut sind. Die Lebensmittel werden als Träger regionaler Identität, ländlicher Vielfalt und lokaler Kulturen wahrgenommen, und auf diese Weise wird der Essakt selbst regional, sozial und kulturell eingebettet“ (Barlösius 2011). Praxisbeispiele Die Biohotels sind ein freiwilliger Zusammenschluss von Anbietern auf dem Tourismusmarkt, die die agro-alimentäre Produktions- und Verwertungsform favorisieren: „Nachhaltiges Wirtschaften, möglichst regionaler Einkauf und das ständige Bemühen, ökologisch noch verträglicher zu arbeiten, zeichnen die Bio-Hoteliers aus. Netzwerke mit Bauern und Erzeugern von Bio-Produkten sind für Bio-Hoteliers ebenso selbstverständlich wie die Beachtung umweltverträglicher Abfall- und Energiekreisläufe“ (Biohotels 2012). Die Biohoteliers bieten u.a. Kochkurse an, die der engen Definition im vorliegenden gesundheitstouristischen Kontext entsprechen. Hier sind Kochschul-Angebote vorhanden, die vom Erlernen Jahreszeiten entsprechender ayurvedischen Küche genauso präsent, wie diejenigen zur „gesunden Vollwertküche“. Auch ist zumeist die Möglichkeit gegeben, Zulieferbetriebe zu besuchen. Auch bezüglich der Interventionsebene Ernährung sollte während des Studiums dem Anspruch Rechnung getragen werden, dass dieses Themenfeld in Theorie und Praxis des Lehrplans Erwähnung findet. Analog zur Bewegung sollten gesundheitstouristische Nachwuchsführungskräfte in der Lage sein, Inhaltskonzepte zu entwickeln – dies betrifft nicht nur die hohen Ansprüche der Wellness-Stufe II. Die Ernährung stellt jedoch seit über 2.000 Jahren ein harmonisches Miteinander im Zusammenspiel mit der Bewegung dar. Regionale Identität einer gesundheitstouristischen Destination und Region steht für eine positiv gelebte und deshalb besondere Authentizität. Perspektivisch reicht es nicht, physiologische Grundlagen als Prüfungswissen rezipieren zu können. Vielmehr ist es im Sinne angestrebter akademischer Transferleistungen notwendig, systemisch denken und handeln zu können. Daher gilt es auch hier, einen Theorie-Praxistransfer zu identifizieren, um perspektivisch adäquates Führungshandeln im Setting zu ermöglichen.

3.3 Indikationsunspezifische Interventionen

81

Übung Der Neurologe und Psychiater Manfred Lütz (2002) hat den Begriff des Gesundheitswahns zu einem Buchtitel gemacht. Versuchen Sie nun, für das Setting Wellness ein kleines Ernährungskonzept zu entwickeln, das gleichzeitig Aspekte der Wellness-Stufen beinhaltet, andererseits nicht in die Ideologisierung einer speziellen Ernährungsrichtung abgleitet; der Lerntransfer sollte somit alltagstauglich sein und nicht in einem „Gesundheitswahn“ enden. Eine Hilfsfrage hierbei lautet: Wie können mit konstruktivistischer Ermöglichungsdidaktik Lernerlebnisse herbeigeführt werden, die zu mehr Gesundheitskompetenz der Wellnessgäste führen? Tipps im www zur weiteren Recherche  Gesundes Oberösterreich, Handbuch „Gesunde Küche“. Verfügbar unter: http://www.gesundegemeinde.ooe.gv.at/xbcr/SID460212D5-BBEC2F09/Handbuch_Gesunde_Kueche_2012_inkl _Deckblatt.pdf. Zuletzt abgerufen am: 27.07.2012.  Backes, Gunda, Ernährung – Bewusst genießen und gesund bleiben, verfügbar unter: http://www.tk.de/centaurus/ servlet/contentblob/ 48666/Datei/80457/TK-Broschuere-Ernaehrung. pdf. Zuletzt abgerufen am: 27.07.2012. Tipps zum Vertiefen in Literaturform  Barlösius, Eva, Soziologie des Essens: Eine sozial- und kulturwissenschaftliche Einführung in die Ernährungsforschung. Weinheim und München 2006.  Brunner, Karl-Michael, Geyer, Sonja, Jelenko, Marie, Weiss, Walpurga und Astleithner, Florentina, Ernährungsalltag im Wandel – Chancen für Nachhaltigkeit. Wien und New York 2007.  Ploeger, Angelika, Hirschfelder, Gunther und Schönberger, Gesa, Die Zukunft auf dem Tisch: Analysen, Trends und Perspektiven der Ernährung von morgen. Wiesbaden 2011.

3.3.3

Entspannung

Als gesundheitstouristisches Hauptreisemotiv wird die Entspannung genannt (u.a. Rulle, Hoffmann und Kraft 2010: Abb. 3.5). Bereits die Auswahl der favorisierten Reiseregion erfolgt nach Motiven, die wegführen vom empfundenen Alltagsdruck und -stress. Vom Sonnenaufgang in den Dolomiten bis zum Sonnenuntergang auf Sylt: Sehnsüchte nach heiler Welt führen dazu, dass der natürlichen Umgebung der Urlaubsdestination die Funktion eines Breitbandtherapeutikums zugeschrieben wird. Daher verwundert es nicht, dass Kurorte und Wellness-Destinationen sich in besonders attraktiven Landschaftssituationen einbetten. Definition Entspannung Entspannung kann als Fähigkeit bezeichnet werden, Situationen und Phasen, die als anspannend und stressend empfunden wurden, be-

82

3 Indikationsunspezifische Interventionen und deren Grundlagen

wusst (z.B. durch die Anwendung von Techniken) oder unbewusst (durch Phasen der geringeren Belastbarkeit) entgegenzuwirken. Entspannung wird sowohl auf psychischer, als auch auf physischer Ebene erlebt. Im Gesundheitstourismus stehen sowohl das bewusste als auch das unbewusste Entspannen im Fokus. Aktive und passive Entspannung werden in vielerlei Varianten und Techniken angeboten und erlebt. Ziel von Entspannung über einen längeren Zeitraum im gesundheitstouristischen Setting ist Resilienz. Abb. 3.9 zeigt in grafischer Form die Entspannungsreaktion auf, in deren Zentrum die psychosomatische Verarbeitung äußerer und innerer Stressoren bzw. Stressreaktionen steht. Maladaptive Reaktionsformen wie Burnout, Coolout oder Boreout nehmen dabei seit geraumer Zeit in epidemischem Umfang zu (vgl. Badura et al. 2009). Die rasant steigende Anzahl diagnostizierter Fälle führt dazu, dass gerade psychosomatische Kliniken Wartezeiten von z.T. über sechs Monaten bis zum klinisch indizierten Aufenthalt erfordern.

Abb. 3.9:

Verarbeitung von Stress durch Entspannung im gesundheitstouristischen Kontext

Auch die gesundheitsförderlichen touristischen Settings akzentuieren die Entspannung als zentrales Urlaubserlebnis. Durch reichhaltige Angebote wird Zeitmanagement, Controlling und Stress entgegengewirkt. Bewegung, Ernährung und Kommunikation werden im Setting gezielt entschleunigt – gezielt von Seiten der Anbieter und der Nachfragenden.

3.3 Indikationsunspezifische Interventionen

83

Wurde zu Zeiten Galens v.a. die Ernährung als Ursache von Krankheiten identifiziert, so ist es knapp 2.000 Jahre später der Begriff Stress (vgl. Hasselhorn 2007, Henry 1992). Es ist bezeichnend, dass das Gesundheits-Krankheitskontinuum von Antonovsky als Stressmodell die Basis der Gesundheitswissenschaften ist. Umso wichtiger ist es, lohnende Entspannungsziele für gesundheitstouristische Aufenthalte zu entwickeln. Entspannung kann als gesundheitspsychologisches Reiseziel sehr gut plausibilisiert werden. Resilienz scheint hierbei von zentraler Bedeutung zu sein: Definition Resilienz „Wenn sich Personen trotz gravierender Belastungen oder widriger Lebensumstände psychisch gesund entwickeln, spricht man von Resilienz. Damit ist keine angeborene Eigenschaft gemeint, sondern ein variabler und kontextabhängiger Prozess. Der Begriff Resilienz leitet sich aus dem Englischen „resilience“ ab und bedeutet Spannkraft, Widerstandskraft und Elastizität. Damit ist die Fähigkeit eines Individuums gemeint, erfolgreich mit belastenden Lebensumständen und negativen Stressfolgen umgehen zu können.“ (Fröhlich-Gildhoff und Rönnau-Böse 2011) Individuelle Wahrnehmung und Verarbeitung von äußeren Reizen kommt bei den Erholungsund Entspannungsprozessen sehr hohe Bedeutung zu. So zeigten u.a. Versuche von Seligmann et al. (2012), dass eine optimistische bzw. pessimistische Grundeinstellung grundlegenden Charakter bei der Verarbeitung von äußeren Stressoren hat (Seligmann 2012, KabatZinn 2011). Personen mit einer optimistischen Grundeinstellung regenerieren demnach schneller, als diejenigen mit einer pessimistischen (ebd.). Für beide Gruppen gilt jedoch, dass sie im Jahreszyklus Phasen der „lohnenden Entspannung“ benötigen. Als eine solche Entspannungsphase definiert der Gesetzgeber in Deutschland beispielsweise einen zusammenhängenden Urlaub von mindestens 12 Tagen am Stück pro Jahr (§ 7 II, BUrlG). Nicht von der Hand zu weisen ist aufgrund der ernst zu nehmenden Ausgangssituation die Tatsache, dass die im Setting angebotenen Entspannungsmethoden von der Stange i.S. individuellen Lernens auf der Wellness-Stufe I kaum nachhaltig effektiv wirken. Der weite Bogen von im Setting angebotenen Möglichkeiten, welcher von Methoden wie Qigong, Yoga, Autogenem Training, Progressiver Muskelrelaxation und Achtsamkeitstraining (MBSR) bis hin zu SpaBereichen mit ihren Pools, Saunen und Dampfbädern reicht, kann in bislang kaum genutztem Umfang stimulierend i.S. der Wellness-Stufe II wirken. Erholung mit dem Ziel der Resilienz als erklärendes Leitmotiv gesundheitstouristischer Aufenthalte ist daher selbst erklärend, wenn konzeptionell daran gearbeitet wird. Wenn Gruhl (2011) Optimismus, Akzeptanz und Lösungsorientierung als Parameter von Resilienz bezeichnet, so sind diese Gemütszustände mit etablierten empirischen Erhebungen gut operationalisierbar. Im Kontext von Trägerschaft der Gesundheitskosten und epidemiologisch relevanter Verschiebungen der Krankheitsbilder wird Entspannung zunehmend zum wohl wichtigsten Bezugspunkt von Gesundheitstourismus und Gesundheitssystem. Gesundheitstouristische Resorts und Destinationen sollten im Wohlklang architektonischer und inhaltlicher Konzepte als authentische Gesamtheit psychoregulativ wirken. Diese Konzepte sollten i.S. des Kontinuums das erweitern und bereichern, was seit Jahrhunderten als Kurorte im Vorsorge-/Reha-Kontext gesundheitstouristisch in nur einem Setting tradiert ist.

84

3 Indikationsunspezifische Interventionen und deren Grundlagen Praxisbeispiel Pilgern ist ein sehr traditionelles Reisemotiv; die meditative Wanderung, oder die Wanderung, bei der es zu meditativen Anwandlungen kommt, ist ein exzellentes Beispiel für entspannenden Gesundheitstourismus. Was Hape Kerkeling in seinem viel beachteten Reisetagebuch „Ich bin dann mal weg“ (2006) beschreibt, fasst der Wanderpsychologe Brämer (2005, 2007) systematisch zusammen. Moderat ausgeführter Ausdauersport hat bei entsprechender Reizdauer und -dichte einen besonders hohen Resilienzwert. Hierbei ist es nicht relevant, ob es sich – wie bei Kerkeling – um den Jakobsweg, eine mehrtägige Bergwanderung durch das Karwendel oder eine Radtour durch das Münsterland handelt. Gerade im naturnahen Setting lassen sich die drei bisher genannten Interventionsebenen Bewegung, Ernährung und Entspannung ideal verbinden (vgl. www.molkenbad.ch).

Das gesundheitstouristische Studium sollte die Funktion übernehmen, einerseits in Entspannungsmethoden und -techniken einzuführen. Dies reicht jedoch nicht aus. Vielmehr muss es der genuine Anspruch dieses Studiengangs sein, Antworten auf die Frage zu entwickeln, wie gesundheitstouristische Settings durch Architektur, Inhaltskonzepte und den Dienstleistungsgedanken einen aktiven Beitrag zum wichtigsten Reisemotiv der Gesundheitsgäste leisten können. Hierbei sind im Praxisfeld bereits viele Beispiele identifizierbar – positive wie negative. Diese zu elaborieren und positive Lerneffekte der systematischen Ermöglichungsdidaktik herauszuarbeiten, sollte zentrale Entwicklungsaufgabe der gesundheitstouristischen Forschungsarbeit sein. Dies deshalb, weil Erholung das gesundheitspsychologische Hauptreisemotiv ist. Übung Analysieren Sie eine Ihnen bekannte gesundheitstouristische Lokation – ein Rehabilitationszentrum, Wellnesshotel oder eine Berghütte. Wie wird Entspannung dort aktiv angeboten und beworben? Welche weiteren, bislang aus Ihrer Sicht ungenutzten Möglichkeiten bieten sich dort an? Wie könnten diese integriert werden, ohne dass Gäste den Eindruck der Überpädagogisierung bekommen? Tipps im www zur weiteren Recherche  Goetschel, Renate, Entspannung – Grundlagen zum Thema Entspannung unter einer gesundheitsförderlichen Perspektive, verfügbar unter: http://www.gesundheitsförderung.ch/pdf_doc_xls/f/ gesundheitsfoerderung_promotion_staerken/Grundlagen_Wissen/ entspannungsbericht_d.pdf. Zuletzt abgerufen am: 31.07.2012.  Wagner-Link, Angelika, Der Stress – Stressoren erkennen – Belastungen vermeiden – Stress bewältigen. Verfügbar unter: http://www.tk.de/centaurus/serviet/contentblob/48660/Datei/1721/ TK-Broschuere-Der-Stress.pdf. Zuletzt abgerufen am: 31.07.2012.

3.3 Indikationsunspezifische Interventionen

85

Tipps zum Vertiefen in Literaturform  Münchhausen, Marco von, Wo die Seele auftankt – Die besten Möglichkeiten, Ihre Ressourcen zu aktivieren, München 2006.  Gruhl, Monika, Das Geheimnis starker Menschen – Mit Resilienz aus der Überforderungsfalle, Freiburg i.Br. 2011.

3.3.4

Kommunikation

Es ist im Zusammenhang dieses Buches von geringerer Relevanz, ob die Komplexität von Kommunikation beispielsweise anhand der Vier Ohren einer Botschaft von Friedemann Schulz von Thun (2008) oder dem Eisbergmodell (Ruch und Zimbardo 1974) erklärt wird. Fest steht jedoch, dass Kommunikation und Information als zunehmend komplexe Vorgänge unsere Gesellschaft charakterisieren. Wir verstehen uns als Bildungsgesellschaft, die Informationen benötigt und auswertet. Dies geschieht mittels Kommunikation, die sich als zunehmend komplexkomplizierter Vorgang gestaltet und bei dem die technische Innovation der elektronischen Datenkommunikation nicht nur Segen, sondern oft genug auch Fluch ist. Kommunikation ist mittlerweile so omnipräsent, dass Entspannung nicht zuletzt auch Distanz von der häufig so empfundenen täglichen Kommunikations- und Informationsflut bedeutet. Neben den drei bisher geschilderten wird aus diesem Grund nun eine vierte Interventionsebene eingeführt, die bislang lediglich in zwei gesundheitstouristischen Settings etabliert ist. Systematisch ist Kommunikation aktuell lediglich in einigen rehabilitativen Kontexten und in manchen naturnahen erlebnispädagogischen Settings verortet. Gesundheitstouristische Forschung und akademische Ausbildung Studierender sollte nicht nur dem Anspruch gerecht werden, existente Erscheinungsformen in ihren Konturen nachzuzeichnen. Sie sollte vielmehr auch zu Aktivitätspotenzialen nachfolgender Führungsgenerationen anregen. Insofern und mit Hinblick auf die prospektiven Anforderungen des Gesundheitssystems erscheint es sogar dringend indiziert, die Kommunikation in den Kanon unspezifischer Interventionen zu integrieren. Definition Kommunikation „In Abgrenzung zur Interaktion meint Kommunikation den sozialen Prozess der Verständigung über eine Mitteilung mit dem Medium der Sprache, der Mimik und Gestik oder anderer vereinbarter Signal- und Zeichensysteme, auch mithilfe von technischen Einrichtungen. Kommunikative Kompetenz bezieht sich auf darauf, die eigenen Absichten, Bedürfnisse und Interessen angemessen darzustellen sowie die des Gegenübers wahrzunehmen (…).“ Schaub und Zenke 2007 Im gesundheitstouristischen Kontext findet Kommunikation bis dato vor allem in den Settings Rehabilitation/Vorsorge und Naturnaher Gesundheitstourismus gezielt Verwendung. Im Zusammenhang von Resilienz bietet das Setting jedoch bislang weitgehend ungenutzte und daher ausbaufähige Möglichkeiten der Reflexion und Entwicklung von individuell gesünderen alltagstauglichen Kommunikationsstrategien.

86

3 Indikationsunspezifische Interventionen und deren Grundlagen

Kommunikation wird als relevant erachtet, weil sie häufig zur Ätiologie psychischer Störungen beiträgt (u.a. Gödert 2007, S.231). So werden Mobbing, Bullying und Bossing auf kommunikativer Ebene häufig ursächlich für eine Mehrzahl psychischer und psychosomatischer Störungen im beruflichen Kontext genannt (ebd.). Im Kontext des Konstrukts Betriebsklima lässt eine repräsentative Umfrage des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WidO 2005) aufhorchen: Der Erhebung zur Folge (NGes = 30.000) klagte ein Fünftel der Befragten über das Fehlen klärender Gespräche mit den Vorgesetzten, hält diese jedoch für sinnvoll und wünscht sich ein anderes Vorgesetztenverhalten“ (WidO 2005). Der Studie nach geben weitere neun Prozent der deutschen Bundesbürger im Erwerbsalter an, bereits mindestens einmal im Leben gemobbt worden zu sein: „42,9 % der Betroffenen wurde krank, davon wiederum fast die Hälfte länger als sechs Wochen. Die Beeinträchtigung des Gesamtarbeitsvolumens aller Erwerbstätigen durch Mobbing im Jahr 2000 wurde auf 3,1 % beziffert“ (Gödert 2007). Dass Kommunikation bislang und trotzdem noch primär in den Settings Rehabilitation/Vorsorge und Outdoortrainings etabliert ist, hat eine konkrete Ursache: Kommunikation stellt eine von mehreren Säulen von Gesundheitscoaching dar. Gerade auf Führungskräfte bezogen – diese können aufgrund der Preisstrukturen als Hauptzielgruppen von Wellnessund Medical Wellness-Resorts bezeichnet werden – stellt Lauterbach (2008) fest, dass diese in Selbstmanagementmethoden geübt sind: „Sie haben sich über Seminare, Literatur oder auch in vorangegangenen Coachingprozessen das einschlägige Wissen und Handwerkszeug (Zeitmanagement, Konfliktmanagement, Auftritt und Präsentation, Entscheidungsraster etc.) verschafft“. Da die Führungskräfte im Sinne der Viabilität lange Zeit auf die bislang anscheinend erfolgreich angewandten Selbstmanagementmethoden setzen, wird externe Unterstützung wie Coaching prozessual erst sehr spät in Erwägung gezogen. Dies gilt vermutlich insbes. für die Kommunikation im touristischen Setting. Aus dieser Kausalität heraus scheint es daher plausibel zu sein, dass Kommunikation in den gesundheitstouristischen Settings bislang als unspezifische Intervention nur sehr begrenzt präsent ist. Matyssek (2010) nennt einige Kennzeichen gesunder Kommunikation:  Gesunde Kommunikation verlangt vom Kommunikator und vom Rezipienten, sich gegenseitig sozial zu unterstützen. Dies bietet einen Belastungspuffer – gerade hinsichtlich ggf. notwendiger Stressbewältigung.  Ein gutes Kommunikationsklima kann dadurch herbeigeführt werden, wenn Konfliktmanagement und notfalls Mediation funktionieren.  Durchschaubarkeit gibt Transparenz: In erster Linie wird hierunter die gegenseitige Verpflichtung verstanden, offenen und fair miteinander umzugehen.  Anerkennung macht sicher und motiviert: Grundlage der gesunden Kommunikation ist nach Matyssek (ebd.) eine wertschätzende Grundhaltung der Kommunikationspartner. Hierbei wird deutlich, dass beispielsweise im betrieblichen Setting Karriereförderung und Weiterbildung lediglich zwei Parameter sind, wichtiger scheinen im alltäglichen Umgang dem gegenüber Ermutigung und Wertschätzung zu sein.  Den Gegenüber aufblühen lassen. Hierbei geht es um die Individualität und damit verbundene Präferenzen, die möglicherweise im betrieblichen Kontext einsetzbar sind. Naidoo & Wills (2010) explizieren in diesem Zusammenhang den Begriff der Mitverantwortung. Diese Aspekte werden in vielfältigen Formen der Personal- und Führungskräfteentwicklung trainiert, sind dort etabliert. Für den gesundheitstouristischen Kontext ist wohl unbestritten, dass im Bereich Kommunikation Handlungspotenziale gegeben sind, die den Anspruch als

3.3 Indikationsunspezifische Interventionen

87

vierte Komponente der unspezifischen Interventionen manifestieren. Doch wie kann Kommunikation in diesem Setting perspektivisch etabliert werden? Diese Frage wird dadurch erschwert, dass die von Matyssek entwickelten Punkte nicht durch Interventionsformen der Entspannung abgedeckt werden. Sie stellen vielmehr eigenständige Themenblöcke dar. Praxisbeispiel Am Beispiel des naturnahen Settings kann verdeutlicht werden, dass Abseilübungen im felsigen Gelände zum Angebotsportfolio vieler Outdoor-Firmen gehören. Hierbei kommt es neben den individuellen Denkprozessen der Teilnehmenden zu einer Vielzahl von kommunikativ bedeutsamen Aktivitäten. Es beginnt mit der Vorbesprechung, in der die Rollenverteilung zu koordinieren ist. Während einer der Teilnehmenden dann abgeseilt wird, kommt es nahezu automatisch zu ständiger Kommunikation zwischen Abseilenden, der am Seil befindlichen Person und dem nicht direkt beteiligten Rest der Gruppe. Abgeschlossen wird die Situation, die häufig sehr emotional erlebt wird, mit spontanen Glückwünschen und/oder Jubel, also Äußerungen der Wertschätzung. Nun fällt es nicht schwer, hier den Bezug zu Kommunikationsprozessen im Alltag herzustellen und im Sinne Piagets den Zusammenhang zwischen Exemplarischen (Abseilsituation) und Elementarem (Kommunikationsprozesse bei der Arbeit) herzustellen. Diese Transferleistung jedoch einem Bergführer ohne entsprechende pädagogisch-psychologische Ausbildung zu überlassen, würde dessen intellektuelle Überforderung bedeuten. Der Situation protektive Wirkung i.S. von gesunder Kommunikation abgewinnen zu können, bedarf der fachlich adäquaten Reflexion. Wenn Kommunikation bislang in einem Wellness- oder Medical Wellness-Resort thematisiert wird, so geschieht dies zumeist in Form von geschlossenen Veranstaltungen. Firmen mieten sich ein, um Seminare mit dem thematischen Fokus Kommunikation durchzuführen. Ätiologie und Epidemiologie indizieren jedoch, dass dieser Interventionsbereich zukünftig der weiteren Etablierung im gesundheitstouristischen Setting bedarf. Hier Wege zu finden und Lernangebote einzurichten, wird eine der zentralen Herausforderungen an zukünftige Führungskräfte im Gesundheitstourismus sein. Lösungen für konstruktivistische Lernsituationen bieten wohl vor allem erlebnispädagogische Elemente, wie sie Heckmair und Michl (2008) beschreiben. Übung Reflektieren Sie Angebote erlebnispädagogischer Provenienz in gesundheitstouristischen Settings unter dem Aspekt der Kommunikation. Wo liegen Vor-, wo ggf. Nachteile – durchaus mit Bezug zu anderen Settings wie Rehabilitation oder Vorbeugung? Wie können diese Angebote im Kanon der drei anderen Interventionsebenen in ein gesundheitstouristisches Gesamtangebot integriert werden? Sollten darüber hinaus weitere Lehr-/Lernformen wie offene Seminare angeboten werden? Wie sollten diese dann gestaltet werden, um positive Erlebnisse zu ermöglichen?

88

3 Indikationsunspezifische Interventionen und deren Grundlagen Zusammenfassung Mit Bewegung, Ernährung, Entspannung und Kommunikation sind nicht nur unspezifische Interventionsformen gemeint. Neben der Infrastruktur eines Resorts oder einer Klinik stellen sie die Elemente von Inhaltskonzepten dar. Perspektivisch wir es nicht mehr ausreichen, eine architektonische Infrastruktur an einen geeigneten Standort zu stellen. Die gesundheitlichen Reisemotive erfordern stringentere Inhaltsmodelle, die mehr bieten, als eine Pastiche. Gesundheitstouristische Angebote sollten dabei nicht nur inhaltlich stimmig sein, sondern vielmehr auch eine didaktisch qualitative Wertigkeit aufweisen, die Lernen im Setting zu Ermöglichungslernen werden lassen. Systematisch entwickelte Inhaltskonzepte bedürfen der Querschnittskenntnis in allen vier Interventionsbereichen, zu denen das Studium des Gesundheitstourismus befähigen sollte. Tipps zum Vertiefen in Literaturform  Lauterbach, Mattias, Gesundheitscoaching – Strategien und Methoden für Fitness und Lebensbalance, 2. Aufl., Heidelberg 2008.  Matyssek, Anne Katrin, Gesund führen – Das Handbuch für schwierige Situationen, Norderstedt 2010.

4

Gesundheitstouristische Betriebsentwicklung

Mit der Fokussierung gesundheitstouristischer Betriebe erreicht unser Glacier-Express nun den vorläufigen Höhepunkt seiner Reise. Das liegt primär daran, dass es vor allem die Resorts und Kliniken sind, die eine Destination nach außen hin repräsentieren. In ihnen wird die Gesundheit der Gäste wieder hergestellt und gefördert. Hier finden zudem viele der Studierenden ihre spätere berufliche Perspektive. Um dies, den systematisch-wissenschaftlichen Wissensaufbau unserer Nachwuchsführungskräfte zu ermöglichen, ist der interdisziplinäre Ansatz notwendig. In diesem Sinne zeigten bereits die vorhergehenden Kapitel auf, aus wie vielen Wissenschaften sich das gesundheitstouristische Wissensfundament zusammensetzt. Um Fundamente wird es – diesmal im sprichwörtlichen Zusammenhang – auch in diesem Kapitel gehen. Hierbei handelt es sich um verschiedene Facetten der Errichtung, des Betreiberkonzeptes, der daraus resultierenden Zielgruppen und der Finanzierung. Drei gezielt ausgewählte Projekte verdeutlichen hierbei exemplarisch die Spezifika der gesundheitsförderlichen Varianten des Gesundheitstourismus. Dass es sich bei den gewählten Beispielen nicht nur um beliebige Praxisprojekte handelt, sondern dass sie vielmehr den Kontext von Wissenschaft und Praxis versinnbildlichen, wird durch den Umstand unterstrichen, dass diese Projekte Gegenstand meiner Habilitationsschrift waren. Für dieses Buch erscheint es nicht notwendig, einzelne Aspekte der Arbeit in der dort angewandten Ausführlichkeit darzustellen. In hohem Maße erscheint es mir dennoch relevant, auf die drei im Praxisfeld evaluierten Modelle einzugehen. Dies nicht nur, weil die drei Settings von exemplarischen Interesse für das vorliegende Werk sind, sondern auch, weil die Projektfinanzierung hier jeweils auf alternativen Wegen erfolgte bzw. erfolgt wäre. Die Fähigkeit hierzu gehört ohne Zweifel zu den Kernkompetenzen aller zukünftigen Führungskräfte: Am direktesten betrifft es die ca. 30 % von Absolventen, die die Selbständigkeit innerhalb der gesundheitstouristischen Wertschöpfungskette anstreben. Aber selbst Nachwuchswissenschaftler müssen von der sog. Finanzierung der eigenen Stelle bis hin zum Nachweis eingeworbener Forschungsdrittmittel bei der Bewerbung um eine Professur diese Kernkompetenz nachweisen. Die Forschungshypothese der Habilitationsschrift befasste sich mit der deshalb interessanten Fragestellung, wie mittels innovativer Inhaltskonzepte die finanziellen Mittel für die Projektrealisierung im gesundheitstouristischen Setting möglich ist, ohne dabei über nennenswertes Eigenkapital zu verfügen. Zwei von drei Projekten wurden zwar nicht realisiert; von Bedeutung ist jedoch, dass Finanzierungsinteressierte jeweils vorhanden waren. Der wesentliche Informationsgehalt der Habilitationsschrift lag somit darin, vier Dimensionen zu identifizieren, welche auf Basis einer gesundheitstouristischen Basisinnovation im touristischen Setting zur Projektrealiserung bzw. -vollfinanzierung führen können (siehe Abb. 4.1).

90

Abb. 4.1:

4 Gesundheitstouristische Betriebsentwicklung

Hinreichende Bedingungen für eine gesundheitstouristische Projektfinanzierung

Im Laufe von ca. fünfjährigen Analysen stellte sich heraus, dass die in Abb. 4.1 dargestellten vier Parameter hinreichende Bedingungen einer erfolgreichen Projektfinanzierung sind. Es reicht somit nicht aus, über eine Basisinnovation zu verfügen, ihr kommt die wesentliche Funktion der notwendigen Voraussetzung zu. Ohne eine absehbare Basisinnovation, so die Forschungshypothese, ist es seit dem mehrfachen Platzen von diversen Immobilienblasen nicht mehr möglich, benötigtes Fremdkapital zu lukrieren. Bei den analysierten Basisinnovationen handelte es sich um Projekte in den Settings Naturnähe, Wellness und Gesundheitszentren. Hinreichende Bedingungen unterliegen gegenüber notwendigen nicht den strengen Maßstäben eines Kriteriums, sie sind ggf. ersetzbar, bedürfen jedoch der Beobachtung, wenn es beispielsweise darum geht, in einem Geschäftsplan die Projektidee zu formulieren und zu plausibilisieren. Nun noch einige Anmerkungen zur Konkretisierung der vier hinreichenden Bedingungen:  Betreibersicherheit: Im vorliegenden Zusammenhang ist unter einem Betreiber diejenige juristische Person zu verstehen, die das Management einer gesundheitstouristischen Immobilie übernimmt. Betreiber und Inhaber können synonyme Funktion haben, in der Regel übernehmen Hotel- bzw. Klinikketten oder Privatpersonen die Betreiberfunktion einer sich hiervon unterscheidenden Inhaberin. Betreibersicherheit bedeutet dann, dass sowohl die fachliche Qualifikation den Ansprüchen der Investoren genügt, wie auch die persönliche Integrität für die gewinnorientierte Projektleitung als gegeben erachtet wird.  Grundstücks-/Immobiliensicherheit: Bei Betreiberwechsel, erst recht beim Neubau einer Immobilie werden i.d.R. Kosten für die Errichtung, den Umbau oder die Erweiterung anfällig, die der Betreiber nicht selbst aufbringen kann. Pachtverträge müssen daher eine längere Laufzeit haben als Darlehensverträge. Problematisch ist in der Praxis häufig, dass Inhaber die Immobilie während eines laufenden Vertrages selbst nutzen, oder aber an andere Betreiber weiterverpachten wollen, die eine höhere Rendite in Aussicht stellen. Beim Ankauf von Grundstücken zur Errichtung einer Immobilie warten oft andere Probleme wie Umweltverträglichkeitsprüfungen usw.. Erst nach Abschluss all dieser Verfahren sind Kapitalgeber gewillt, in Finanzierungsgespräche einzutreten.

4 Gesundheitstouristische Betriebsentwicklung

91



Planungssicherheit und Kostensicherheit: Diese Dimensionen korrespondieren stark. Für die Errichtung bzw. notwendige Umbaumaßnahmen müssen Architekturplanungen in Auftrag gegeben werden, die eine hohe Validität aufweisen müssen. Erste architektonische Planskizzen, die im Maßstab 1:500 entworfen werden, können zwar zum rechtlich entscheidenden ersten Schritt der Umwidmung eines Grundstücks führen. Sie sind jedoch noch mit vagen Kostenschätzungen verbunden, deren Varianz bei +/– 10 Prozent liegt. Erst, wenn die Gemeinde für Neu- bzw. Umbau einen rechtskräftigen Baubescheid erteilt, erfüllt die Architekturplanung die Voraussetzungen für Planungs- und Kostensicherheit. Die Bau- oder Umbaupläne führen dann zum Maßstab 1:100, die Kostenvarianz für die baulichen Maßnahmen liegt bei ca. einem Prozent Abweichung. Zu den Bau- bzw. Umbaukosten gesellen sich weitere Projektvorlauf- und -anlaufkosten, auf die hier und bei der nun folgenden Erarbeitung dreier gesundheitstouristischen Fallbeispiele nicht vertiefend eingegangen werden kann. Eines sollte bereits an dieser Stelle als wichtig herausgestrichen werden: In der Projektvorlaufphase entstehen bereits Kosten, die mit hoher Ausfallwahrscheinlichkeit belastet sind. Reicht das Eigenkapital von Betreibern zur Deckung der Kosten nicht aus, so bedarf es der Zuführung von Risikokapital (engl. Venture Capital) das seinen Namen zurecht trägt. An der Stelle muss dieser kleine Exkurs damit beendet werden, dass Risikokapitalgeber ihr kalkuliertes Wagnis in Zinsen transferieren, die sich aus diesem Grund über den üblichen Sätzen einer Hausbank befinden. In diesem Kapitel Gesundheitsbildung wird im Kontext des naturnahen Settings mit starkem Bezug zum Referenzprojekt Forsthaus Aquila erarbeitet. Hierbei geht es um Chancen und Grenzen des Settings: Zum einen bietet die Natur die Möglichkeit zu besonders authentischen Naturerfahrungen, andererseits, so zeigt auch das Referenzprojekt, sind dem Setting durch die natürliche Umgebung enge Grenzen gesetzt. Zumeist handelt es sich bei dieser Gruppe von Settings um Bestandsimmobilien und zu erarbeitende Betreiberkonzepte. Wie greifen Architektur und Betreiberkonzepte ineinander? Wie kann das Setting optimal genutzt werden? Welche gesundheitsrelevanten Lerninhalte können hier besonders gut vermittelt werden? Wie kann der Begriff Didaktik seine Konkretion finden? Wie können relevante Zielgruppen definiert werden? Eine Vielzahl von Fragen, die nicht nur für das naturnahe Setting am Beispiel des Referenzprojektes Forsthaus Aquila von Relevanz sind. Diese Fragen gilt es bezüglich einer gesundheitstouristischen Basisinnovation auch auf die zwei weiteren Settings zu übertragen. Mit dem Projekt Hoher Gleirsch habe ich versucht, durch Barrierefreiheit eine Verbesserungsinnovation in das Setting Wellness-Tourismus einzubauen. Refugio beschreibt abschließend ein Projekt, das sich derzeit in der ersten Phase der Projektdurchführung befindet. Hierbei handelt es sich um ein Gesundheitszentrum, in dem Gesundheitsbildung in Form eines komplexen Modulsystems umgesetzt wird. Allen drei vorgestellten Konzepten lag eine Basisinnovation im Sinne der notwendigen Voraussetzung vor. Jeweils ging es vor allem darum, Gesundheit auf der Wellness-Stufe II anzubieten und somit mehr, als es Wellnesshotels und naturnahe Settings lange Zeit praktiziert haben. Im vorliegenden Zusammenhang sollen die

92

4 Gesundheitstouristische Betriebsentwicklung

drei Projekte so aufgearbeitet werden, dass sie die größtmögliche Verallgemeinerbarkeit zulassen und Ihnen dabei genauso die spannenden Chancen von Basisinnovationen vor Augen führen, wie die teilweise massiven Probleme. Dies geschieht, indem jeweils die Inhaltsund Architekturkonzepte vorgestellt werden. Sie müssen sich synergetisch ergänzen und können nicht voneinander abgekoppelt betrachtet werden. An diese beiden Komponenten schließen die Themenfelder Finanzierung bzw. Marketing und Zielgruppen an. Letztere werden im vorliegenden Fall nicht in die bereits erwähnten Tautologien führen, sondern zu Marktinformationssystemen. Aufgrund bereits beschriebener aktueller soziologischer Effekte und Unvorhersehbarkeiten liefern diese Marktanalyseinstrumente heutzutage jedoch keine absolut sicheren Prognosen mehr. Interessieren werden Sie sicherlich abschließend die verschiedenen Wege, die für das Interesse von Kapitalgebern gesorgt haben. Sie geben vielleicht einen versteckten oder direkten Hinweis darauf, wie vielleicht nach Abschluss des Ihres Studiums die eigene Vision verwirklicht werden kann. Lernziele  Den Zusammenhang von Inhalts- und Architekturkonzept eines Beherbergungsbetriebes erfassen können.  Diesen Zusammenhang auf andere Beispiele entlang der gesundheitstouristischen Wertschöpfungskette übertragen können.  Wege der Projektfinanzierung kennenlernen und deren Relevanz erfassen.  Exemplarisch Zielgruppen und Marketingpolitik erkennen und auf eigene Beispiele entlang der gesundheitstouristischen Wertschöpfungskette übertragen können.

4.1

Betriebe im naturnahen Gesundheitstourismus

Vielen Leserinnen und Lesern mag der Satire-Vierteiler „Die Piefke-Saga“ des tirolerischen Regisseurs und Drehbuchautors Felix Mitterer (1994) bekannt sein. Hier wird die freudleidvolle Beziehung zwischen dem Bergdorf Lahnenberg und der Berliner Unternehmerfamilie Sattmann entworfen. Thematisiert wird auf gewollt provozierende Art das, was wir von seiner Phänomenologie her als harten Tourismus bezeichnen. Der österreichische Zukunftsforscher Robert Jungk hat ihn derartig beschrieben, dass der so Reisende „wenig Zeit in den Urlaub mitbringt, schnelle Verkehrsmittel benutzt, Sehenswürdigkeiten knipst, sich nicht geistig auf die Reise vorbereitet und seinen eigenen Lebensstil in das Gastland zu importieren versucht. Ein harter Tourist zeichnet sich also keineswegs nur durch die Schädigung der natürlichen Umwelt aus; er hat vor allem auch negative Auswirkungen auf den individuellen Erholungswert des Urlaubes sowie auf die soziale Umwelt des Gastlandes“ (vgl. Kirstges 2003). Das Gegenteil, also sanfter, oder auch nachhaltiger Tourismus wird in vielen Varianten auch als naturnaher Tourismus bezeichnet. Mit dem Projekt Forsthaus Aquila wird ein Konzept der Gesundheitsbildung im naturnahen Setting beschrieben. Dabei basiert naturnaher Tourismus als Rahmen auf ökologisch tragbaren Konzepten, welche relevante Naturkreisläufe, die Artenvielfalt und deren nachhaltige Nutzung respektieren. Hierzu erfolgen übrigens vertiefende Ausführungen im Kontext nachhaltiger Destinationsentwicklung (Kap. 5). Etymologisch ist der Naturbegriff vom Lateinischen nasci (geboren werden, entstehen) abgeleitet. Natur kann demnach als wild und gefahrvoll, gleichzeitig aber auch als wildro-

4.1 Betriebe im naturnahen Gesundheitstourismus

93

mantisch und rein interpretiert werden (vgl. Raithel et al. 2009). Bei diesem Ansatz wird die umgangssprachlich etablierte Umwelt zur Mitwelt. Umwelt, so Spahn-Skrotzki (2010), akzentuiert die Anthropozentrik ganz i.S. des harten Tourismus. Naturnähe bezeichnet Tourismusformen, bei denen der Naturschutz sehr hohe, oft sogar oberste Priorisierung bei der Landschaftsplanung einnimmt. Von diesen Aspekten profitiert der Gesundheitstourismus als Lernraum. Um die Voraussetzungen für naturnahen Gesundheitstourismus zu erfüllen, müssen sowohl Kriterien des sanften Tourismus, als auch die indikationsunspezifischen Interventionen vorhanden sein (vgl. Abb. 4.2). Es sind wohl vor allem die Berghütten der Mittelgebirge und der Alpen sowie die Inseln, welche diese Rahmenbedingungen erfüllen. Um sie zu erreichen, ist beispielsweise moderate Bewegung im Rahmen allgemeiner Ausdauerbelastung mit adäquater Reizdauer erforderlich. Zumeist können diese Lokationen lediglich zu Fuß oder mit dem Rad erreicht werden. Offensichtlich ist ebenfalls die Verbindung zur Interventionsdimension Ernährung. Denn ganz im Sinne der Diätetik gesellt sich zur moderaten, entspannenden Bewegung meist eine Speisekarte aus dem naturnahen Alternative Food System. Bezugspunkte zwischen den Interventionsdimensionen Entspannung und Kommunikation und der Wellness-Stufe I können ebenfalls hergestellt werden. Praxisbeispiele Ein kreatives Beispiel für die Verbindung von naturnahem Gesundheitstourismus und Wellness-Stufe I finden Sie mit der Bader Almhütte nahe Freudenstadt im Schwarzwald. Das Betreiberkonzept bietet die selbst definierte „Hüttenwellness“: Baden im Zuber mit der Möglichkeit des Peelings, Heubäder und sogar eine hauseigene Sauna (vgl.: http://bader-almhuette.de/index.html) sind vorhanden.

Abb. 4.2:

Parameter naturnaher Gesundheitstourismuskonzepte am Beispiel Forsthaus Aquila

94

4 Gesundheitstouristische Betriebsentwicklung

Gesundheitsförderung i.S. von nachhaltiger Gesundheitsbildung erfordert auf der WellnessStufe II jedoch mehr: Assimilation und Akkomodation mit dem Ziel der Äquilibration. Basis und Zentrum von naturnahen gesundheitstouristischen Konzepten ist das Medium Natur. Gesundheitlich relevante Lernsituationen finden hier eine Vielzahl von didaktischen Einbettungsmöglichkeiten. Schneeschuhwanderungen, Abseilaktionen, Kräuterwanderungen, Morgenmeditationen im alpiner Mitwelt – somit allesamt Themen, die mit dem systematischen Erlernen von Work-Life-Balance und Resilienz verbunden werden können. Das Projekt Forsthaus Aquila ist ein Beispiel für Gesundheitsbildung im naturnahen Setting mit dem Zielen gesteigerter Selbstkompetenz, Lebensbalance, Lernkompetenz und Reifung. Wenn Haug (1991) Gesundheitskompetenz im Kontext von Bildung mit gesundheitsrelevanten Wertvorstellungen umschreibt, so trifft diese Bezeichnung nicht nur die allgemeine Lernzielvorgabe für Gesundheitsbildung im touristischen Setting. Der Terminus leitet zudem zum Anspruch des Projektes Forsthaus Aquila über. Seinen Namen verdankt es dem Unterkunftsgebäude, einem ehemaligen Försterwohnsitz im tirolerischen Vorkarwendel.

4.1.1

Architekturkonzept

Naturnahe Settings verfügen i.d.R. über relativ einheitliche Kennzeichen. Berghütten, Hotels wie die bereits beschriebenen Beispiele des schweizerischen Anbieters pro natura oder auch Bauernhöfe mit entsprechenden Inhaltskonzepten sind spezielle Funktionsbauten mit pragmatischer Einrichtung. Häufig sind WC‘s, Bäder und Duschen zur Gemeinschaftsnutzung vorgesehen, die Unterbringung kann insgesamt als wenig luxuriös bezeichnet werden.

Abb. 4.3:

Zusammenwirken der wesentlichen Parameter im naturnahen Setting

Bei anfallenden Bau-, Ausbau- oder Umbaumaßnahmen ist es mittlerweile Standard, dass die Betreiber regionale Baustoffe verwenden, die von nahe gelegenen Zulieferbetrieben präpariert und verbaut werden. Am deutlichsten wird dies am Beispiel des Baumaterials Holz, wobei in Werbemedien naturnaher Anbieter akzentuieren, dass dieses aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammt. Ein weiterer wesentlicher Punkt ist das Energiekonzept der Immobilie. Gerade auf Berghütten wird mittlerweile darauf geachtet, dass im Rahmen von Umbaumaßnahmen Standards erreicht werden, die deren autarken Selbstversorgungsbetrieb ermöglichen. Die Zeiten, in denen von Dieselmotoren betriebene Stromerzeugergeräte in Nebengebäuden monoton und

4.1 Betriebe im naturnahen Gesundheitstourismus

95

stinkend vor sich hinratterten, gehen mehr und mehr ihrem Ende entgegen. Anstatt dessen ergibt sich die notwendige Energiemenge zumeist aus der kombinierten Nutzung von Sonnenund Wasserenergie. Praxisbeispiele Seit 1994 engagiert sich die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) im naturnahen Setting von Berg- und Schutzhütten im Alpenraum. Im Rahmen der Förderinitiative zur umweltgerechten Ver- und Entsorgung ausgewählter Berg- und Schutzhütten wurde ein Fördervolumen von 3,1 Mio. € lukriert. Somit konnten 25 Berg- und Schutzhütten bei ihren ökologieorientierten Umbaumaßnahmen unterstützt werden. Neben belastbaren Energie- und Trinkwasserkonzepten wurden auch Abwasser- und Abfallkonzepte entwickelt. Die Lösung der Klärschlammproblematik durch Membranenbelebungsverfahren gilt als exemplarische Innovation dieses Projektes. Das aktuell wohl kühnste Architekturprojekt im naturnahen Setting befindet sich mit der Neuen Monte Rosa-Hütte im schweizerischen Kanton Wallis. Hierbei handelt es sich um ein achtseitiges Gebäude mit sechs Stockwerken in Holzbauweise. Mit seinen nach Süden ausgerichteten Sonnenkollektoren auf der gesamten Hauswandfläche können 90 % der Energie selbst gewonnen werden. Auch für die Problemzonen Geruchsentwicklung und Klärschlamm wurden in Kooperation mit der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich entsprechend innovative Konzepte für einen architektonisch futuristischen Bau entwickelt, der an einen Bergkristall erinnern soll. Bei dem im Vergleich zur Neuen Monte Rosa-Hütte kleinen Referenzprojekt war die Pacht einer naturnahen Immobilie geplant, die mit erheblichen Baumaßnahmen verbunden gewesen wäre. Da es sich bei dem Forsthaus Aquila um eine bereits existente, eine sog. Bestandsimmobilie handelte, wird hier i. Ggs. zu den beiden folgenden Konzepten mit der Bezugnahme zur Architektur begonnen. Wie der Name bereits impliziert, diente das Forsthaus Aquila ursprünglich als Behausung des leitenden tirolerischen Revierförsters der Region Dürrachtal im Karwendel, sowie dessen Familie und bediensteter Forstgehilfen. So erklärt sich die relative Größe des Gebäudes, welches im Erdgeschoss aus einer Küche, zwei Haupträumen sowie weiterer drei Nebenräume besteht. Im ersten Obergeschoss verfügt das Haus über weitere sechs Zimmer mit bis zu 20 m2 Grundfläche sowie Bad/WC. Das Dachgeschoss war im Zeitfenster der Projektentwicklung (2005) nicht ausgebaut. Neben einem natürlichen Felsenkeller befinden sich auf dem Grundstück ein Gerätestadel, ein Nebengebäude, welches bereits zu Försterzeiten als Jausenstation genutzt wird, ein Gerätehaus, in welchem sich ein Generator zur ökologischen Stromgewinnung (Wasserkraft) befindet. Ebenfalls auf dem Gelände mit seinem Gesamtausmaß von 2.900 m2: Ein kleiner Teich und eine Klärschlammgrube. Das Forsthaus Aquila steht daher exemplarisch für eine Vielzahl naturnaher Settings, da es räumlich derart eingebettet ist, dass es außerhalb von Bergpfaden nur über eine ca. acht Kilometer lange Forststraße erreicht werden kann. Hierfür besteht keine öffentliche Fahrerlaubnis. Neben erforderlichen Renovierungsmaßnahmen waren erhebliche Umbauten des Haupthauses geplant, um das erarbeitete Inhalts- und Betreiberkonzept realisieren zu können. Das Projekt war von der Konkretisierung her bereits so weit vorangeschritten, dass konkrete

96

4 Gesundheitstouristische Betriebsentwicklung

Verhandlungen mit regionalen Holzzuliefer- und Baubetrieben bereits ausverhandelt waren. Im Rahmen der Umbaumaßnahmen sollten die beiden größeren Räume des Forsthauses, die zuvor als Revierstube und Wohnraum genutzt worden waren, zu zwei Multifunktionsräumen ausgebaut werden, in denen sowohl Seminare als auch konventionell gastronomischer Betrieb hätten stattfinden können. Dies jedoch ausschließlich in Ausnahmefällen, wenn Betriebsfeiern, Hochzeiten o.ä. stattgefunden hätten; die Nutzung im Rahmen des Seminarkonzeptes stand im Fokus. Daher sollten diese Räume im Regelfall Mehrtagesgästen vorbehalten bleiben, die die geplanten Work-Life-Balance-Seminare gebucht hätten. Die zumindest an den Wochenenden teils rege gastronomische Frequenz von Tagesgästen aus der näheren Umgebung und dem Großraum München hätte bei diesem Konzept weiterhin in der Jausenstation seine Anlaufstelle gefunden. Zudem war geplant, die Räume im Ober- und Dachgeschoss als Schlafräume für Übernachtungsgäste funktionsgerecht um- bzw. auszubauen. Bei der geringen Anzahl von Übernachtungsgästen hätten die Sanitäranlagen eher an unteren Unterbringungsstandards orientiert werden müssen. Vom Energiekonzept her war die effektive Nutzung der Wasserkraft in Kombination mit derjenigen von Sonnenkollektoren vorgesehen. Diese hätten im Rahmen von Ausbaumaßnahmen nachgerüstet werden sollen. Für die Klärschlammgrube war seitens der Inhaberin die Einrichtung einer mikrobiologischen Lösung angeregt worden. Tipps im www zur weiteren Recherche  http://www.dbu.de/1753.html.  http://www.n-tv.de/reise/Oeko-Alpenhuette-erregt-Aufsehenarticle754809.html. Tipps in Literaturform  Menz, Verena, Umwelttechnik für alpine Berg- und Schutzhütten: Hintergrundwissen, Tipps und Beispiele aus der Praxis, Oberhaching 2008.  Schlösser, Klaus und Knoll, Erich, Allgäuer Hüttenbuch: Geschichte der Schutzhäuser und Erlebnisse der Wirte, Kempten 2008.

4.1.2

Inhalts- und Betreiberkonzept

Augenscheinlich verfügen nur wenige naturnahe Settings über eigenständige inhaltliche Betreiberkonzepte mit direktem Bezug zur Gesundheitsbildung. Vom Selbstverständnis her scheint die soziale Rolleninterpretation und -identität von Betreibern primär darin zu bestehen, architektonische Strukturen vorrangig gastronomisch betreiben. Das eigene soziale Rollenverständnis beschreiben viele Betreiber von naturnahen Gesundheitssettings am ehesten mit demjenigen eines Gastwirtes, häufig zudem mit besonderen individuellen ökologischen Bezugspunkten. Gesundheit dabei wird im Setting dadurch gelebt, dass man dessen Vorzüge intensiv nutzt. Dahingehend bleibt daher zu konstatieren, dass es sich bei den meisten Betrieben im Setting aktuell zwar um gesundheitstouristisch nutzbare, aber nicht gesundheitswissenschaftlich genutzte Erlebnisorte handelt, bei denen Gesundheitsbildung eben nicht oder maximal kaum als gezielter Lernprozess auf der Wellness-Stufe II angeboten wird. Für eine eventuelle Integration in das Gesundheitssystem bedarf es daher der Entwicklung

4.1 Betriebe im naturnahen Gesundheitstourismus

97

von didaktisch aufbereiteten Standards, Strukturen und Evaluierungsmechanismen, die den Anforderungen der Träger von Gesundheitskosten entsprechen. Warum der Unterschied zwischen Ist- und Soll-Zustand diesbezüglich aktuell noch immer so groß ist, kann schnell erklärt werden: In naturnahen Settings werden seitens der Inhaber für die Vergabe von Berg- und Schutzhütten Bewerberprofile mit praxisorientierten Handwerksberufen bevorzugt, allenfalls werden Akademiker mit naturwissenschaftlichen Profilen wie Biologie oder Forstwirtschaft akzeptiert. Gesundheitswissenschaftliche oder medizinische Kompetenz kann sui generes bei diesen Profilen nicht vorausgesetzt werden, somit auch nicht das keinesfalls selbstverständliche didaktische Rüstzeug, um die unspezifischen Interventionen konzeptionell ins Setting einzubinden. Insofern mag es vielleicht die eine oder den anderen zum Schmunzeln verleiten, wenn an dieser Stelle abermals die Filmkomödie Ferien vom Ich erwähnt wird. Thema des Drehbuches war die Idee des Allgemeinmediziners Dr. Schumacher, der von einem Sanatorium träumt, in dem sein Inhaltskonzept verwirklicht wird. Das Team vom Gutshof unterstützt ihn bei der Umsetzung des von ihm entwickelten Konzeptes. Anamnesegespräche und die therapeutische Steuerung bleiben im Film beim Arzt. Wesentlich ist an diesem Konzept, dass sich die Kompetenzen des Betreiberteams komplementär ergänzen. Im übertragenen Sinne scheint es indiziert zu sein, die „Dr. Schumachers“ unserer gesundheitstouristischen und -wissenschaftlichen Fakultäten dazu zu motivieren, Kooperationen mit den etablierten Betreiberprofilen zu suchen. Gemeinsame Bewerbungen interdisziplinärer Kompetenzteams um ein vakantes Objekt im naturnahen Setting steigern die Chancen bei derzeitiger Vergabepraxis deutlich. Allein durch die Bereitstellung von gesundheitstouristischer Infrastruktur kann noch nicht von gesundheitstouristischen Betreiberkonzepten ausgegangen werden, sie erreichen auf der Inhaltsebene allenfalls die Wellness-Stufe I, was auch für das naturnahe Setting gilt. Ihren besonderen Wert erhalten die vorhandenen Infrastrukturen durch spezielle und spezifizierte Inhaltskonzepte. Exemplarisch kann für die Verbindung naturnaher Settings, erlebnispädagogischer Konzepte und der institutionalisierten Personal- und Organisationsentwicklung die Firma Outward Bound genannt werden. Praxisbeispiel Spätestens seit dem Ende der 1990er Jahre hat sich in der Privatwirtschaft die Erkenntnis emanzipiert, dass erlebnispädagogische Elemente zur Förderung der innerbetrieblichen Kommunikation und Kooperation beitragen können. Siebzig Jahre, nachdem Kurt Hahn (1886–1974) erste erlebnispädagogische Konzepte für das Schulinternat Schloss Salem entwickelt hat, sind Outdoor-Veranstaltungen häufig Bestandteile von Personalentwicklungs- und Organisationsentwicklungsabteilungen größerer Unternehmen und Behörden. Outward Bound hat sich als Branchenführer hierauf spezialisiert. Das Unternehmen ist mit insgesamt 60 Bildungszentren in 35 Nationen international präsent. Im alpinen Raum verfügt das Unternehmen über die Standorte Schwangau (Allgäu), Baad (Vorarlberg) und Steeg (Tirol). Mit dem auf die o.a. Zielgruppe fokussierten Angebot Outward Bound Professional richtet sich das Unternehmen an die Erwachsenenbildung innerhalb der Institutionen.

98 Tab. 4.1:

4 Gesundheitstouristische Betriebsentwicklung Möglichkeiten und Anlässe im naturnahen Setting.

Etablierte naturnahe Settings Teamentwicklung Leadership-Training Personalentwicklung Organisationsentwicklung

Anlässe Betriebliche Gesundheitsförderung Betriebliches Gesundheitsmanagement Individuelle Gesundheitsförderung

Tab. 4.1 zeigt die vertiefenden Möglichkeiten auf, über die Gesundheitsbildung im naturnahen Setting verfügt. Ein großer Vorteil liegt für die hier verorteten Inhaltskonzepte in der Vielzahl potenziell nutzbarer Möglichkeiten, so dass Gesundheitsbildung im informellen Setting mit Erlebnissen spürbarer, wie Abb. 4.4 zeigt.

Abb. 4.4:

Didaktische Konstellation von Gesundheitsbildung im naturnahen Setting (grau unterlegt).

Wenn bisher bereits mehrfach der Terminus Ermöglichungsdidaktik fiel, so sollte Gesundheitsbildung im naturnahen Setting adäquate Bildungsziele verfolgen, die über aktuelle Angebote von Alpinschulen hinausgehen. Die Praxis eines gesunden Lebensstils kann bei diesen Anbietern durchaus als Nebeneffekt auftreten, sie ist jedoch nicht vorrangiges Ziel von Kletter- oder Ski-Kursen. Den Versuch, Erlebnispädagogik mit Gesundheitsbildung systema-

4.1 Betriebe im naturnahen Gesundheitstourismus

99

tisch zu kombinieren, stellt das Konzept Forsthaus Aquila dar, bei dem das Inhaltskonzept auf Seminaren unter dem Leitthema Work-Life-Balance entwickelt worden war. Wie bereits weiter oben beschrieben, kam es hinsichtlich des Betreiberkonzeptes ebenfalls zur Zusammenarbeit zweier Personen – eines Wissenschaftlers und eines Praktikers, der eine langjährige Erfahrung im Betreiben von Berghütten nachweisen konnte. Basis des Betreiberkonzeptes war ein Pachtvertrag zwischen der Immobilieninhaberin und der Pächterin mit einer Laufzeit von 15 Jahren. Das Vertragswerk sah a priori Nutzungseinschränkungen vor, weil es sich mit der Umgebung des Forsthauses um ein Naturschutz- und Jagdgebiet handelt. Harte Betreiberkonzepte sind im naturnahen Setting, auch das zeigt dieses Beispiel, somit nahezu ausgeschlossen. Ganz im Sinne der Humanökologie wurde das Inhaltskonzept Forsthaus Aquila auf die Naturnähe und deren Einbettung hin spezifiziert (vgl. Abb. 4.4, S. 96). Das naturnahe Setting erlangte im multiplen Kontext naturnaher Pädagogik, Erlebnispädagogik und Gesundheitspädagogik die Bedeutung von „Unterrichtswirklichkeit als Voraussetzung“ (Kron 2008). Gesundheitsbildung verbindet im naturnahen Setting generell die humanökologische Lernmöglichkeit, den Schutz der Umwelt, das Leben im Einklang mit der Natur sowie die politische Mündigkeit und Emotion zur Natur i.S. ganzheitlicher Kontexte zu erlernen. Dieses Setting wurde ausgewählt, um gezielt handlungsorientiert, improvisierend, flexibel, spontan, kreativ, anregend und gruppenändernd (Bönsch 1991) mit den Gesundheitszielen Selbstbildung und Gegenstandsformung arbeiten zu können, wie dies Scherer (2005) für die verwandte Sportdidaktik beansprucht. Hinsichtlich der operativen Umsetzung bestand die Möglichkeit von eintägigen Schnupperkursen, 2 ½-Tagesseminaren an den Wochenenden oder die Buchung von drei- bis fünftägigen Work-Life-Balance-Seminaren. Hinsichtlich der unspezifischen Interventionsebene Bewegung wurden – je nach Jahreszeit – Wandern, Mountainbiking, Skitouren oder Schneeschuhwanderungen präferiert. Spezielle Stationen wie Abseilen oder konstruierte Erste-Hilfe-Situationen wurden in nahezu 100 Outdoortrainings vor diesem Projekt bereits erfolgreich eingesetzt, um die Kommunikationsfähigkeit unter Einfluss von Stress zu evaluieren, dies sowohl bezüglich des Individual- als auch des Sozialverhaltens. Geplant waren Besuche bei nahe gelegenen Bauernhöfen des Alternative Food Systems, um hier die saisonalen Zutaten für die Speisen einzukaufen. Gleichzeitig war hier die Möglichkeit gegeben, in einer Schausennerei dabei zuzusehen, wie Käse entsteht, und – ebenfalls in Form von Anschauungslernen – dabei zu sein, Erfahrungen mit Almbauern in ihrem sehr sensitiven Umgang mit Almen und Tieren zu sammeln. Entspannungsübungen, gemeinsames Kochen in der Gruppe, theoretische Gesundheitsinputs und Gruppengespräche rundeten das Konzept ab. Von großer Bedeutung ist bei derlei Konzepten allein aus Haftungsgründen eine Vorabanamnese, die zumindest in schriftlicher Form erfolgen sollte. Ein Beispiel hierfür ist der Gesundheitscheck für medizinische Laien von der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP). Didaktische Konzeptionen erhalten ihren besonderen Gehalt allgemein formuliert dadurch, dass die anfangs gesetzten Ziele zum Abschluss einer Veranstaltung einer Evaluation unterzogen werden. Dies kann sowohl schriftlich wie auch mündlich (dann mit Protokoll zur Ergebnissicherung) erfolgen. Bezogen auf das Ziel gesteigerter Gesundheitskompetenz im Alltag, im speziellen Referenzbeispiel einer gesteigerten Work-Life-Balance, kann aus der praktischen Erfahrung heraus festgestellt werden, dass die Anfangsmotivation, Lebensstil und Lebensweise ändern zu wollen, bei den Gesundheitsgästen nach Abschluss eines solchen

100

4 Gesundheitstouristische Betriebsentwicklung

Seminars im naturnahen Setting durchaus groß war. Als problematisch kann jedoch die längerfristige sog. Selbstkonkordanz bezeichnet werden. Mit Hinblick auf die perspektivisch mögliche Integration von Gesundheitsbildung im naturnahen Settings in die Gesundheitssysteme sollte daher ein Fokus auf die Follow-upBegleitung in Form von Gesprächsangeboten und Messungen gelegt werden. Die Analyse einer Mehrzahl von Langzeitkatamnesen führte zur gesicherten Erkenntnis, dass diese Angebote nicht nur relativ häufig angenommen werden, die Werte zeigten i.S. kognitiver und volitionaler gesundheitspsychologischer Motivmodelle eine erhöhte Selbstkonkordanz bzw. Löschungsresistenz (vgl. u.a. Pelka, Neubauer und Steinbach 1997). Tipps im www zur weiteren Recherche  http://www.outwardbound.de/outward-bound-deutschlanderlebnispaedagogik.html, zuletzt abgerufen am: 10.01.2013.  http://www.dgsp.de/_downloads/allgemein/Einstiegsfragebogen.pdf, zuletzt abgerufen am: 13.01.2013. Tipps in Literaturform  Fischer, Torsten und Ziegenspeck, Jörg, Handbuch Erlebnispädagogik – Von den Ursprüngen bis zur Gegenwart, Bad Heilbrunn 2000.  Fischer, Torsten und Lehmann, Jens, Studienbuch Erlebnispädagogik, Bad Heilbrunn 2009.

4.1.3

Exemplarische Finanzierungsstrategie I

Das Projekt Forsthaus Aquila wurde nicht nur als Referenzmodell für Inhalts-/Betreiberkonzepte im naturnahen Setting ausgewählt. Ergänzend kam hinzu, dass es, wie auch die beiden noch folgenden Beispiele, für die Gruppe der 0-Euro-Finanzierungen steht. Da sich touristische Finanzierungen mittlerweile als sehr schwierig darstellen, sind es u.a. derlei Alternativen, um Eigenkapital für Projektfinanzierungen zu lukrieren. Für dieses Projekt wurde im Jahr 2005 als Finanzierungsinstrument erfolgreich die Variante Naturaldividende gewählt. Nachdem sich das Internetcommunity seither abermals weiterentwickelt hat, kann zu dieser Gruppe der Finanzierungen mittlerweile auch das sog. Crowdfunding hinzugezählt werden. Definition Crowdfunding Als crowd (engl.) wird im Englischen allgemein eine Menschenmenge bezeichnet. Crowdfunding bezeichnet eine Finanzierungsvariante, die sich noch in ihren Anfängen befindet. Medium des Crowdfundings ist das Internet. Die einzulegende Mindestkapitalmenge ist im Vergleich zu Aktien wesentlich geringer, so dass eine große Anzahl von Menschen adressiert werden kann. Als Gegenleistungen erhalten Crowdfunderinnen und Crowdfunder i.d.R. Sachleistungen, Geld oder Rechte am Unternehmen. Demgegenüber hat die bei diesem Projekt favorisierte Naturaldividende eine längere Geschichte. Sie ist zudem im Hotel- und Gastronomiegewerbe häufiger anzutreffen.

4.1 Betriebe im naturnahen Gesundheitstourismus

101

Definition Naturaldividende Wie der Terminus bereits vermuten lässt, erfolgt eine zumindest teilweise Ausschüttung der Gewinne in Form von Naturalien. In Hotellerie und Gastronomie sind Übernachtungs- bzw. Verzehrgutscheine häufig anzutreffende Ausschüttungsformen. Nicht selten treten bei dieser Finanzierungsvariante Personen auf, die einen direkten Bezug zur Firma oder zum Produkt/zur Dienstleistung haben. Im Gegensatz zu Aktien bietet die Naturaldividende auch in Zeiten, in denen keine finanzielle Gewinnausschüttung möglich ist, eine Ausschüttung, worin ein Vorteil zu sehen ist. In den meisten Fällen werden Dividenden in Mischform (Barauszahlung und Naturalien) favorisiert. Praxisbeispiele In das Jahr 1955 führen die Anfänge des Thermalbades von Bad Zurzach im Kanton Aargau zurück. Bereits 19 Tage nach der erfolgreichen Suche nach einer thermischen Quelle stand die erste Badebaracke mit 14 Wannen. Im Laufe der bislang weit mehr als 50 Jahre wurden vier Thermalbecken mit einer Gesamtwasserfläche von 1260 m2 unter freiem Himmel erbaut. Im Jahr 1998 wurde ein umfangreiches Medical Wellness Spa errichtet, das aktuell aufgrund der konstant guten Geschäftsergebnisse saniert und erheblich erweitert wird. Die Dividende liegt im Regelfall zwischen drei und fünf Prozent. Der Wert der Aktie/des Genussscheins liegt bei 450 CHF. Die schweizerische Hotelkette Sunstar Hotels verfügt aktuell über zehn Häuser an neun Standorten in der Schweiz. Sunstar bietet nicht nur ein alternatives Investorenkonzept, es akzentuiert zudem Aspekte der nachhaltigen Unternehmensführung. Das Unternehmen bietet ebenfalls die Option der Naturaldividende, die zuletzt bei 30 CHF in Hotelgutscheinen pro Aktie lag. Um den Betrieb des Forsthauses überhaupt aufnehmen zu können, wären Umbaumaßnahmen erforderlich geworden, die seitens der Inhaberin der Pächterin überlassen wurden. Im Gegenzug hätten sich die Renovierungsarbeiten mindernd auf den Pachtpreis ausgewirkt. Derlei Vertragskonstruktionen sind im Hotel- und Gastronomiegewerbe keine Seltenheit. Um die wissenschaftlichen Ausgangsbedingungen einer 0-Euro-Finanzierung im Rahmen des Forschungsprojektes einzuhalten, wurde für das Forsthaus folgendes Vorgehen gewählt: In mehreren regionalen Zeitungen (v.a. Kreisboten) wurde eine Kleinanzeige geschaltet. Zudem wurde das Projekt mit derselben Annonce in der Süddeutschen Zeitung beworben. Der hier gepostete Text beinhaltete u.a. die Varianten Barauszahlung und Naturalien. Es meldeten sich insgesamt 22 Interessenten, wovon mit zweien engere Verhandlungen geführt wurden. Beide potenziellen Investoren waren von ihren finanziellen Möglichkeiten her in der Lage, die Finanzierung alleine realisieren zu können. Bei beiden Personen war aufgrund eigener Bezüge die Motivation vorrangig, eine Investition im naturnahen Tourismus tätigen zu wollen und zugleich ein sich von anderen Konzepten unterscheidendes Betreiberkonzept finanziell ausstatten zu fördern. Wenn Schneider und Schmidpeter (2012) Investoren aufgrund der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrisen „neue Paradigmen des Wirtschaftens“

102

4 Gesundheitstouristische Betriebsentwicklung

unterstellen und dies in Richtung eines „sozialen Zugewinns für die Gesellschaft“ interpretieren, so trifft diese Feststellung zumindest im Fallbeispiel zu. Beide potenziellen Investoren befürworteten erheblich umfangreichere Investments, als dies die Inhaberin für notwendig erachtete. Allein für den Ausbau des ersten Obergeschosses und des Dachgeschosses zu Übernachtungsräumen wäre ein deutlich höherer Betrag notwendig gewesen, als dies der von der Inhaberin veranschlagte Kapitalrahmen vorsah. Dieser Ausbau war notwendig, um die mehrtägigen Work-Life-Balance-Seminare durchführen zu können. Zudem beabsichtigten beide potenziellen Investoren unabhängig voneinander zusätzlich den Einbau eines effektiven, effizienteren Stromerzeugergerätes und die Aufrüstung des Forsthauses mit Solarenergie. Dass das Projekt letzten Endes nicht zustande kam, lag an einer der hinreichenden Bedingungen: Die Verhandlungen scheiterten letztlich daran, dass die Inhaberin weder Anteile der Immobilie überschreiben konnte/wollte, noch eine Garantie für die Einhaltung der vollen Pachtdauer (20 Jahre) abzugeben bereit war. Dies war jedoch Voraussetzung für die potenziellen Investoren, um den Rückfluss des Kapitals mit entsprechender Rendite sicherzustellen. Festzuhalten bleibt, dass die in der Region ansässigen Banken als erste Anlaufstellen allein mit der Vorlage eines plausiblen Geschäftsplans nicht dazu bewegt werden konnten, in das Projekt Forsthaus Aquila zu investieren. Das liegt nicht am Einzelfall, sondern vielmehr an der Tatsache, dass die Regionalbanken Geld verwalten, das hier häufig den Kleinanlegern aus der Region gehört. Risikogeschäfte wie Start-Up-Finanzierungen mit einem bis dato nicht evaluierten Geschäftskonzept gehören nur in äußerst begrenztem Umfang zum Handlungsfeld solcher Banken. Die Flächenbanken engagieren sich daher in begrenztem Umfang bei Existenzgründungswettbewerben wie beispielsweise dem tirolerischen Adventure X. Gute Chancen auf eine Finanzierung haben hier jedoch v.a. technologieorientierte Unternehmen, weniger aber die Tourismusbranche. Sollten Sie sich für eine 0-Euro-Gründung innerhalb der gesundheitstouristischen Wertschöpfungskette interessieren, so stellen die hier genannten Möglichkeiten des Crowdfundings (zunehmend auch Crowdinvestments) und der Naturaldividende zwei Alternativen dar. Eine innovative Basisidee scheint hierfür jedoch die notwendige Voraussetzung zu sein, um überhaupt das Interesse von potenziellen Kapitalgebern auf die Idee lenken zu können. Tipps im www zur weiteren Recherche  Exemplarisch für Crowdfunding: http://www.startnext.de, zuletzt abgerufen am: 14.01.2013. Weitere Finanzierungsanbieter finden sich auch in Österreich und in der Schweiz.  Über die Investor-Relations der Sunstar-Hotels sind Informationen abrufbar unter: http://wwww.sunstar.ch/footer/investor-relations/unternehmenskalender, zuletzt abgerufen am: 14.01.2013. Tipp in Literaturform  Lüscher-Marty, Max, Theorie und Praxis der Geldanlage 1 – Grundlagen und traditionelle Investments, 3. überarb. Aufl., Merenschwand 2010.

4.1 Betriebe im naturnahen Gesundheitstourismus

4.1.4

103

Marketing und Zielgruppen

Integrieren wir nun abschließend die mit der einfachen Architektur (Gruppenunterkunft, Sanitäranlagen auf Flurebene usw.) und dem Inhaltskonzept gegebenen Rahmenbedingungen des naturnahen Settings, so ist es möglich, generelle Grundzüge potenzieller gesundheitstouristischer Zielgruppen skizzieren zu können, ohne dabei in den Bereich tautologischer Kategorisierungen zu verfallen. Grundlage der Analyse ist die Gesundheits- als Variante der Erwachsenenbildung im naturnahen Setting. Nicht beachtet werden dabei weitere Varianten, wie zum Beispiel diejenige der Gesundheitserziehung in Landschulheimen. Definition Marketing Marketing bezeichnet die nach außen und innen bezogene Darstellung eines Unternehmens. Nach außen gerichtet bezieht es sich absatzbezogen auf die kundenseitige Etablierung und Festigung einer Marke. Nach innen gerichtet ist das Ziel die Identifikation von Mitarbeitern, Zulieferern und sonstigen Beteiligten mit der Marke. Insofern kann Marketing als erfolgversprechend bezeichnet werden, wenn im Rahmen von Evaluationen der Nachweis gelingt, beabsichtigte Kognitionen bei den Zielgruppen erzielt zu haben. Wesentliche Meilensteine eines in sich schlüssigen Marketingkonzeptes bestehen aus der Definition von Marketingzielen, Marketingstrategien und Marketingmix (Becker 2010). Wenden wir uns am Beispiel des Forsthauses dieser Trias zu. Die Marketingziele weisen einen hohen Bezug zu den Unternehmenszielen auf. Im vorliegenden Beispiel wären die zwei Hauptziele  das Erreichen der Umsatzziele, um als Minimalziel die aus der Finanzierung entstandenen Forderungen Dritter erfüllen zu können und  die dauerhafte Etablierung von Gesundheitsbildung im naturnahen Setting. Bereits bei den Umsatz- und Ertragszielen zeigt sich, dass das naturnahe Setting teils erhebliche Einschränkungen impliziert, auf das u.a. Müller (2007) hinweist. Denn gerade hier sollten sich die Unternehmensziele und analog dazu die Marketingziele an ökologischen Parametern orientieren. Wenn Marketing als eine das ganze Unternehmen umfassende Führungsphilosophie interpretiert wird, bedeutet das  ökologische Standards bei der Warenbeschaffung und im Einkauf,  die Einführung von systematischer Betrieblicher Gesundheitsführung im Setting,  die Implementierung eines Umwelt-Management-Systems,  die Gesundheit und die Ökologie beachtende und respektierende Mitarbeiterführung,  und umweltschonendes Marketing. Gelingt es, die genannten zwei plus fünf Marketingziele adäquat für das eigene Projekt zu erfassen, so gilt es in zweiter Instanz, eine Strategie zu entwickeln. Das Problem hieran wurde bereits in die Definition eingearbeitet, weil es zentraler und elementarer Natur ist: Mit der Marketingstrategie muss es gelingen, zu erfassen, wie die potenziellen Kunden denken, um darauf adäquat reagieren zu können. Die Strategie ist somit das Bindeglied zwischen Marketingzielen (zuvor als Rahmen bezeichnet) und dem konkreten Marketingmix. Um in der Metapher des Bildes zu bleiben: es ist die Grundlage, auf der gearbeitet wird, also die Lein-

104

4 Gesundheitstouristische Betriebsentwicklung

wand. Über die Vielzahl von Marketingstrategien informieren u.a. Esch (2004), Becker (2007) und Becker (2010). Nun wurde im Teilabschnitt zum Inhaltskonzept beschrieben, dass im naturnahen Setting noch kaum systematisch-strukturierte Angebote zur Gesundheitsbildung etabliert sind, ökologische Projekte sind demgegenüber bereits in großem Umfang vorhanden. Bezogen auf gesundheitstouristische Angebote im naturnahen Setting bedeutet dies, dass Märkte zuerst entwickelt werden müssen. Dementsprechend nennt Becker (2007) die Produktentwicklungsstrategie für eine Basisinnovation. Ziel hiervon ist es, für bestehende Märkte (naturnahes Setting) neue Produkte zu entwickeln. Die von Becker akzentuierte potenzielle Gefahr der mit dieser Strategie verbundenen „Produkt-Inflation“ führt uns am Beispiel Wellnesstourismus allerdings vor Augen, welche Gefahren mit einer zu aggressiven Produktentwicklungsstrategie verbunden sein können. Einen wesentlichen Beitrag zur Lösung dieses bislang noch nicht gelösten Problems ist es, bei der Strategieentwicklung danach zu fragen, welchen problemlösenden Beitrag das Setting auf dem Gesundheits-Krankheitskontinuum leisten kann, um von den Trägern von Gesundheitskosten akzeptiert zu werden. Ein Beispiel aus dem Forsthaus Aquila-Projekt kann einen kleinen Beitrag zur Lösung bieten: Eigene Akquisegespräche mit Personalverantwortlichen mehrerer Großunternehmen im Laufe des Jahres 2005 lassen den Schluss zu, dass das naturnahe Setting im Rahmen der Ausbildung von Nachwuchsführungskräften akzeptiert wurde. Der Konnotationsbegriff Nachwuchsführungskräfte steht für ein Konstrukt an Fähigkeiten, die Personen unterstellt werden, welche sich in einer gezielten Ausbildung zur Führungskraft in der Privatwirtschaft befinden. Vom Alter her sind diese Personen zwischen 18 und ca. 30 Jahre alt. Mit Bezug zum naturnahen Setting ist interessant, welche gesundheitspsychologischen Motive diese Altersgruppe kennzeichnen. Bei Nachwuchsführungskräften handelt es sich um eine Altersgruppe, in der der Aufbau von beruflicher Karriere und die Familienplanung im Vordergrund steht. Nicht selten hat diese Gruppe nach Verlassen des geschützt wirkenden Elternhauses auch erste Rückschläge und Hindernisse hinnehmen müssen. Diskontinuität kennzeichnet daher diese Altersgruppe häufiger, als Kontinuität. Bezüglich des Risikoverhaltens kommt Faltermaier (2005) zum Schluss, dass Merkmale eines risikofreudigen Lebensstils nicht nur die Ernährung und den Substanzmissbrauch betreffen, sondern auch das Bewegungsverhalten. Im Verkehr und in der Freizeit wird Risiko häufig bewusst in Kauf genommen, um sich selbst auszuprobieren, aber auch in sozialen Gruppen zu inszenieren. Kennzeichnet einerseits das erhöhte Risikoverhalten diese Altersgruppe, so ist es andererseits die Offenheit gegenüber neuen Lerninhalten (ebd.). Lebensstil und -weise werden noch nicht in ausgeprägter Manifestation gelebt, es fehlt noch an der notwendigen Evidenz bislang viabler Handlungen. Die Chancen auf Lernerfolgen in der Gesundheitsbildung sind daher gut. Auch ist in der Breite dieser Altersschicht die Akzeptanz für eine Übernachtung in Gruppenunterkünften eigenen Erfahrungen zur Folge deutlich höher, als dies bei älteren Personen der Fall ist. Das Matratzenlager wird nicht ausschließlich als Einschnitt in die alltägliche Lebensqualität empfunden, die Übernachtung auf einer Berghütte hat vielmehr EventCharakter. In Kombination der in Abb. 4.5 dargestellten Aspekte kann somit festgestellt werden, dass das naturnahe Setting sehr gut in der Lage ist, der Gruppe junger Erwachsener geeignete Lernmöglichkeiten zu bieten. Gesundheitsbildung, kann aufgrund des TheoriePraxis-Zusammenhangs in praktische Lernstationen eingebunden werden, die dem Risikobewusstsein dieser Altersgruppe entspricht. Auch gemeinsames Kochen und das Erlernen von Entspannungstechniken in der Gruppe erscheinen hier durchaus adäquat.

4.1 Betriebe im naturnahen Gesundheitstourismus

Abb. 4.5:

105

Nachwuchsführungskräfte als Zielgruppe

Tab. 4.2 weist auf die Probleme hin, die mit einer Produktentwicklungsstrategie verbunden sind. Tab. 4.2:

Gesundheitstouristische Marketingstrategien im Vergleich (in Anlehnung an Becker 2007) Innovationsarten

Basisinnovation

Verbesserungsinnovation

Routineinnovation

Schwerpunkt der Forschungs- und Entwicklungsarbeit

Erfolgreiche Grundlagenforschung als Basis

Anwendungsforschung erfolgt, weitere Entwicklungsforschung läuft

Modifikation etablierter Verfahren

Fortschrittsart

Wissenschaftlicher Fortschritt

Fortschritt durch Weiterentwicklung im Setting

Fortschreitende Etablierung

Ressourcenaufwand

hoch

mittel

niedrig

Marktbedingte Innovationsbarrieren

Hoch (Skepsis bei neuen Gesundheitsprodukten)

Mittel (von Trendsettern erfolgreich erprobt)

Niedrig

Chancensteigerung der Wettbewerbsfähigkeit

Im Erfolgsfall ggf. überproportional

proportional

proportional

Voraussetzungen/ Konsequenzen

Risiko

hoch

mittel

niedrig

Gewinnpotenzial

überdurchschnittlich

durchschnittlich

unterdurchschnittlich

Da systematisch strukturierte Gesundheitsbildung im naturnahen Setting noch kaum etabliert ist, dürften für die Marketingstrategie primär die Merkmale einer Basisinnovation gelten. Die Tab. 4.2 verdeutlicht einerseits, dass derzeit noch „langer Atem“ vonnöten ist, um Gesundheitsförderung in Form von Bildungsangeboten im naturnahen Setting zu etablieren. Die

106

4 Gesundheitstouristische Betriebsentwicklung

Auflistung plausibilisiert andererseits, warum eine Fremdfinanzierung solch produktinnovativer Basisprojekte aus der Finanzierungsperspektive heraus als Risikokapital (engl. Venture Capital, VC) eingestuft wird. Die Trias marketingrelevanter Begriffe schließt mit dem Marketingmix ab. Sind Rahmen und Leinwand gefunden, bedarf es nun des Pinsels, der Farbpalette und letztlich der Farben, um alle Bestandteile der Metapher eines Bildes zu komplettieren. Wie das Bild die Gedanken, Gefühle und Ansichten eines Malers zum Ausdruck bringt, so versteht Becker (2010) den Marketingmix als „Beförderungsmittel“ im weiteren Sinne. Er bezeichnet ihn ebenfalls als taktisch-operative Umsetzungsebene. Aufgrund der hier nur sehr begrenzten Ausführungsmöglichkeiten sei grundlegend auf den amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler und Marketingexperten Philip Kotler (u.a. 1999) verwiesen, der anhand seines Marketingrades der vier P sehr häufig zitiert wird. Es ist geeignet, die operative Umsetzungsebene anhand von Schlagworten zu erfassen. Das Marketingrad umfasst die vier in Abb. 4.6 zusammengefassten Dimensionen Produkt, Preis, Promotion und Platzierung. Hierunter sind folgende allgemeine Optionen operativen Handelns zusammengefasst:  „Produkt: Varianten, Qualität, Design, Ausstattung, Markenname, Verpackung, Packungsgröße, Kundendienst, Garantie, Remissionen.  Preis: Listenpreis, Rabatte, Nachlässe, Zahlungsziel, Kundenkredit (Finanzierung).

Abb. 4.6:

 

Das Marketingrad der vier P (Kotler 1999).

Promotion: Verkaufsförderung, Werbung, Verkauf, Public Relations, Direktmarketing. Platzierung: Vertriebskanäle, Marktabdeckung, Sortiment, Angebotsorte, Warenbestände, Transport“ (Kotler 1999). Um Marketing sowohl effizient, als auch effektiv einsetzen zu können, müssen potenzielle Zielgruppen möglichst konkret identifiziert werden. Im Vorfeld wurde anhand des Praxisbeispiels Forsthaus Aquila bereits dargestellt, dass der gesamte gesundheitstouristische Nachfragemarkt segmentiert wurde (vgl. Weis 2012):

4.1 Betriebe im naturnahen Gesundheitstourismus

107



Geografische Merkmale: Nähe zum Objekt (Fokus auf Unternehmen in Tirol und Oberbayern),  Demografische Merkmale: Nachwuchsführungskräfte zwischen 18 und 30 Jahren,  Psychografische Merkmale: relativ gesundheitsunbewusster Lebensstil, Offenheit für Gesundheitsbildung,  Verhaltensorientierte Merkmale: hohe Risikoakzeptanz. Mit Hinblick auf die Effektivität und den effizienten Einsatz des Marketingbudgets gilt es im Vorfeld generell, eine selbst durchgeführte Segmentierung stichprobenartig zu evaluieren. Diesen mehrstufigen Prozess erfasst der Terminus Marktinformationsbeschaffung. Hierzu gehören vor allem qualitative Erhebungen wie Experteninterviews und quantitative Erhebungen, welche in summa Markt- und Zielgruppenprognosen zulassen. Läuft ein Betrieb bereits, so sind weitere Erhebungen genauso möglich wie nötig. Im Sinne kontinuierlicher Verbesserung als prozessuale unternehmerische Leadership-Aufgabe ist es dringend indiziert, die Zufriedenheit der Kunden in Fragebogenform und/oder mündlichen Befragungen kontinuierlich und systematisch zu erheben. Bei dieser Gelegenheit ist es ebenfalls möglich, zu erheben, wie effektiv das Marketing war. Tipps in Literaturform  Nusser, Barbara, Nachhaltiger Tourismus – Bewusst Konsumierende als vielversprechende Zielgruppe, Saarbrücken 2007.  Schmied, Martin, Götz, Konrad, Kreilkamp, Edgar, Buchert, Matthias und Otten Sabine, Traumziel Nachhaltigkeit – Innovative Vermarktungskonzepte nachhaltiger Vermarktungskonzepte für den Massenmarkt, Heidelberg 2009. Zusammenfassung Anhand des Beispiels Forsthaus Aquila wurde ein reales Projekt im naturnahen Setting dargestellt, in welchem Gesundheitsbildung in Form von Work-Life-Balance-Seminaren umgesetzt hätte werden können. Die speziellen Voraussetzungen einer Bestandsimmobilie bietet mit ihrer landschaftlichen Einbettung oft besondere Möglichkeiten und Chancen, auf die mit einer adäquaten Didaktik eingegangen werden kann. Das naturnahe Setting fordert jedoch auch zu eingeschränktem Verhalten auf, da Fauna und Flora so wenig gestört werden sollen, wie es möglich ist. Dieses Teilkapitel zeigt erstmals, wie sehr Architektur- und Inhaltskonzept einander bedingen. Sie ermöglichen wiederum in einer Ableitung die Konkretion von Zielgruppen. Zudem wurden mit Crowdfunding und der Naturaldividende zwei alternative Formen der Finanzierung und der Eigenkapitaldarstellung vorgestellt.

108

4 Gesundheitstouristische Betriebsentwicklung Übung Welche Argumente sprechen für Gesundheitsbildung im naturnahen Setting? Fassen Sie diese in einer Form zusammen, von der Sie ausgehen, dass es sich hierbei um eine Innovation handelt. Recherchieren Sie eine Lokation, von der Sie annehmen: Hier findet die Veranstaltung statt. Erarbeiten Sie dann eine Argumentationsstrategie zum Konzept und der Immobilie. Beides sollten Sie dann Unbedarften plausibilisieren. Akzeptieren die Befragten Ihre Argumentation?

4.2

Gesundheitstourismus im Setting Wellnesshotel

Nachdem eine allgemeine Darstellung von Wellness im Rahmen relevanter gesundheitstouristischer Settings bereits im Kapitel 3.2.4 beschrieben wurde, gilt es nun, diese Variante vertiefend zu reflektieren. Fokus der bereits erfolgten Ausführungen zu Wellness war die Einführung der Termini Wellness-Stufe I und II. Nun erfolgt die darauf basierende Anknüpfung, indem die politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Aspekte am Fallbeispiel des geplanten Projektes Hoher Gleirsch analysiert werden. Ausgangspunkt ist bei der Hinführung zum Thema die Frage, ob Wellness ein gesamtgesellschaftliches Abbild in Form eines Spiegels oder Zerrspiegels (Hachtmann 2008) einnimmt? Ohne Zweifel handelt es sich bei Wellnesstourismus in seiner heutigen Form um ein Phänomen, welches in gesamtgesellschaftliche Entwicklungsprozesse eingebettet ist. Daher sollten neben der bereits erfolgten gesundheitstouristischen Historiografie weitere ökonomische Indizien analysiert werden, die dabei helfen könnten, der Dignität von Wellnesstourismus eine rekonstruierende Richtung zu verleihen. Diesbezüglich fasste Reckendreers (2007) einige interessante Parameter zusammen. Tab. 4.3:

Anteile der Hauptgruppen an den verfügbaren Einkünften (Reckendreers 2007)

Verfügbare Einkünfte (nominell, D-Mark) Nahrungsmittel Genussmittel Bekleidung und Schuhe Wohnkosten Möbel und Haushaltsgeräte Gesundheit und Körperpflege Verkehr und Nachrichten Freizeit, Unterhaltung, Bildung Persönliche Ausstattung und Beherbergung Ersparnisbildung Übrige Ausgaben

1953 424 40,4 % 5,6 % 12,7 % 13,7 % 8,6 % 2,4 % 2,9 % 5,5 % 2,0 % 3,1 % 3,1 %

1962 796 33,2 % 6,3 % 11,1 % 13,6 % 10,8 % 3,0 % 6,4 % 5,6 % 3,0 % 3,2 % 3,8 %

1971 1.430 24,5 % 4,5 % 9,1 % 16,6 % 8,1 % 3,0 % 9,7 % 7,3 % 2,8 % 9,6 % 4,8 %

1980 2.993 19,6 % 3,4 % 7,6 % 18,7 % 6,8 % 2,4 % 11,4 % 7,9 % 3,9 % 12,8 % 5,6 %

1989 4.246 16,4 % 2,3 % 6,3 % 20,6 % 6,8 % 2,6 % 12,1 % 8,3 % 2,8 % 11,3 % 10,4 %

1998 5.862 13,5 % 1,7 % 4,7 % 22,5 % 5,1 % 3,1 % 12,9 % 8,6 % 2,7 % 13,7 % 11,3 %

Tab. 4.3 zeigt zum einen den Anstieg der verfügbaren Einkünfte seit 1953: Der Kriegsverlierer Deutschland entwickelte sich zu einem Wohlstandsland. Darüber hinaus fallen in der Tabelle neben mehreren relativ konstanten Werten der starke Rückgang der Ausgaben für Nahrungsmittel und ein nicht ganz so deutlicher prozentualer Rückgang für Bekleidung und Schuhe auf. Stark steigen demgegenüber Verkehr und Nachrichten, Wohnkosten und die

4.2 Gesundheitstourismus im Setting Wellnesshotel

109

Ersparnisbildung. Das individuelle Budget für die Beherbergung, Gesundheit und Körperpflege bleibt diesen Parametern auf den ersten Blick relativ stabil. Reckendreers (2007) führt bezüglich der Dimension Gesundheit und Körperpflege aus, dass während der ersten Nachkriegsdekade nachfragebedingt das Produktangebot von Körperpflegemitteln sowie erste elektrische Geräte wie Trockenrasierapparat und Trockenhaube im Kauffokus westdeutscher Konsumenten standen. Durch das Gesundheitsreformgesetz von 1989, das Gesundheitsstruktur- (1992) sowie das Beitragsentlastungsgesetz (1996) wuchsen innerhalb dieser Kategorie die zuvor auf niedrigerem Niveau stabilen Werte für die eigene Gesundheitsvorsorge deutlich an. In ähnlichem Maße sanken die prozentualen Ausgaben für die Körperpflege, so dass die Dimension während des Erhebungszeitraumes absolut betrachtet relativ stabil blieb. Unter persönlicher Ausstattung versteht Reckendreers (2007) Accessoires wie Uhren, Schmuck und Lederwaren. Diese Untergruppe wurde gemeinsam mit der für uns relevanten touristischen gekoppelt. In der freien Beschreibung dieser Dimension stellt der Autor hierzu fest, dass die Ausgaben für den Urlaub zwischen 1957 und 1962 massiv anstieg. Wenn Sie an das Praxisbeispiel der ersten Staus am Brenner zurückdenken, so fiel dieses massentouristische Phänomen in dieses Zeitfenster: „Seit Ende der 1950er Jahre wuchs die Zahl der Arbeitnehmerhaushalte langsam an, die Urlaubsreisen unternahm. Allerdings war nicht immer die ganze Familie beteiligt, nur zwischen 40 und 50 Prozent der Urlaubsreisen entfiel auf die gesamte Familie. Das Jahrzehnt der Urlaubsreisen waren für den Arbeitnehmerhaushalt die 1970er Jahre: Zwischen 1968 und 1980 verdreifachte sich deren Budgetanteil. Die Urlaubsausgaben stiegen also deutlich schneller als die verfügbaren Einkommen“ (Reckendreers 2007). Der in Tab. 4.3 dargestellte Anstieg der Einkommen ist in Deutschland weniger inflationsbedingt, als vielmehr Ausdruck der wachsenden Wirtschaftskraft mit entsprechenden Effekten für die Endkonsumenten. Parallel zur Wirtschaftskraft stiegen die Ansprüche der Gäste an die sie beherbergenden Unterkünfte. Prozessual ist ebenfalls die geänderte Einstellung zur Gesundheit zu interpretieren. Der von Dunn, Adell und Travis ab den 1960er Jahren entwickelte Wellness-Gedanke sollte v.a. in Nordamerika forciert werden, einem Land, das deutlich weniger unter den Folgen des II. Weltkrieges zu leiden hatte. Dort traten deshalb die Zivilisationskrankheiten früher auf, was zu Wellness als Volksbewegung führen hätte sollen. In den gesundheitsbewussten Bevölkerungsschichten waren mit der Sensibilisierung wohlstandsindizierter Ätiologien Verhaltensänderungen verbunden, was später auch in Europa und im deutschsprachigen Raum erkennbar war. So weist die mit der Olympiade 1972 verbundene Trimm-Trab-Welle exemplarisch auf ein zunehmendes Körper- und Gesundheitsbewusstsein und staatlich strategische Bestrebungen hin. Spätestens seit der flächendeckenden Einführung von PC‘s und später dem Internet steigerte sich das Verlangen nach gesundheitsförderlichen und zumindest partiell entschleunigtem Leben. Angelehnt an dieses Verlangen, bzw. diese kundenseitigen Nachfragepotenziale und den weiter steigenden Wohlstand wuchsen die Spa-Bereiche der Hotels mit ihrem Variantenreichtum der aktiven und passiven Regeneration bis zum heutigen Zeitpunkt. Fassen wir nun die genannten Aspekte zusammen, so erklärt sich aufgrund der politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklungstendenzen die Tatsache, dass allein in Österreich von den ca. 18.000 Hotels etwa 2.000 Betriebe im ****Segment agieren. Hinzu kommen viele ***Häuser, die mit einem Wellness- bzw. Spa-Bereich werben. Bei Wellness haben wir es somit mit einem touristischen Massenphänomen zu tun. Doch wie schaut es mit dem Anspruch des Spiegels bzw. Zerrspiegels der Gesellschaft aus, den Hachtmann (a.a.O.) beschreibt? Deutet die hohe Anzahl von Wellnesshotels gleich einem Spiegel

110

4 Gesundheitstouristische Betriebsentwicklung

tatsächlich auf ein erhöhtes Körper- oder genauer Gesundheitsbewusstsein hin? Ein belastbares Indiz hierfür bietet der Health Literacy Survey Europe (HLS-EU u.a. Pelikan, Röthlin und Ganahl 2012). Diese Umfrage bestätigt, dass die Gesundheitskompetenz im Tourismusland Österreich höher ausgeprägt ist, als vergleichsweise in anderen Ländern Europas. Ebenfalls weisen die Ergebnisse darauf hin, dass die Selbsteinschätzung der Gesundheitskompetenz in den tourismusintensiven Bundesländern höher ist, als in denjenigen weniger intensiver Tourismuswirtschaft. Es gibt jedoch auch Indizien dafür, dass der Wellnesstourismus eher der Metapher eines Zerrspiegels gleichkommt. Stärkste Bedeutung dürfte hierbei wohl der Epidemiologie beigemessen werden. Diese weist darauf hin, dass die Anzahl chronischer, irreversibler und nicht zuletzt Lebensstilbedingter Krankheitsfälle weiterhin deutlich zunimmt, dies auch in den touristisch geprägten Bundesländern Österreichs, der Schweiz und Deutschlands. Zusammenfassend kann einerseits festgestellt werden, dass die Entwicklung der Wellnesshotels den gesamtgesellschaftlichen Entwicklungstendenzen in Richtung einer Wohlstandsgesellschaft entsprechen. Andererseits sind Grenzen des „Wettrüstens um den lukrativsten Spa-Bereich“ da erreicht, wo Kreditrahmen einem nicht endenden Ideenreichtum Grenzen setzen. Bei dieser traditionell tourismusökonomischen Analyse des Wellnesstourismus bleiben jedoch zwei Probleme bestehen: Die sich aus der Epidemiologie und der Demografie ergebenden Notwendigkeiten und Bedarfssysteme des Gesundheitssystems, sowie ethisch-ökologische Aspekte. Dass hinsichtlich des Fallbeispiels mit Hoher Gleirsch wiederum auf ein eigenes Referenzmodell des Wellnesstourismus zurückgegriffen wird, liegt neben der Reflexion des Inhaltskonzeptes an dem abermals interessanten Finanzierungskonzept, wie sich später herausstellen wird.

4.2.1

Inhaltskonzept

Es gibt mittlerweile eine Vielzahl interessanter Inhaltskonzepte von Wellness-Hotels auf der Wellness-Stufe I, zudem bieten primär die Medical Wellnessresorts auch Pakete an, die auf der Wellness-Stufe II den Anforderungen von Gesundheitsbildung entsprechen. Hierbei reicht es nicht aus, sich lediglich als Betreiber eines Wellnessresorts zu verstehen, sondern Angebote zu entwickeln, die eine inhaltliche Stringenz aufweisen, welche pädagogischen Anforderungen eines Lernarrangements entsprechen. Zuvor ist die Entwicklungsgeschichte von Wellness in Deutschland primär anhand ökonomisch gesamtgesellschaftlicher Prozesse nachgezeichnet worden. Die touristische Angebotsentwicklung orientierte sich dabei primär an steigenden Standards der nachfragenden, zunehmend wohlständischen Gäste. Mit Zunahme der Konkurrenzdichte entwickelte sich zugleich der Bedarf, mit Partnern außerhalb der Tourismusbranche zu kooperieren. Diesbezüglich boten sich gerade für den Gesundheitstourismus eine höhere Anzahl verfügbarer Alternativen, als vergleichsweise für andere Tourismusspaten (vgl. Illing 2009):  Niedergelassene Ärzte,  Spitäler,  Rehabilitationskliniken,  Versicherungen,  Sportvereine (z.B. Trainingslager),  Sozialverbände (VdK, ÖZiV), sowie  Pharmaindustrie und -einzelhandel. Derlei Kooperationen erfordern Standards, das zeigen langjährige eigene Erfahrungen in diesem Marktsegment, welche die Erfüllung von in anderen Fällen durchaus angebrachten ego-

4.2 Gesundheitstourismus im Setting Wellnesshotel

111

zentrischen Gästebedürfnissen übersteigen. Angeleitetes Aquajogging und Qi Gong wird den Standards und Anforderungen der o.a. Partner perspektivisch nicht reichen (DTV 2011a). Wollen sich die Anbieter des Settings Wellness im Kontext dieses Netzwerkes weiter etablieren, so gilt, was wir zuvor bereits für das naturnahe Setting feststellten. Auch Wellnessanbieter müssen Personal und Resorts in Richtung selbstorganisierbarer, effektiver Lernumgebungen umgestalten, die zu Gesundheitsbildung und Förderung von Gesundheitskompetenz animieren. Hierunter sind explizit nicht die Lernarrangements klassischer Wissensvermittlung zu verstehen, wie sie in Form von Powerpoint-Vorträgen zu den Interventionsebenen angeboten werden. Im Zusammenhang kommt es eher einer pädagogischen Bankrott-Erklärung gleich, wenn einige der oben angeführten Kooperationspartner den Nachweis des Besuchs mehrerer „Pflichtvorlesungen“ für eine Co-Finanzierung einfordern. Von seinen Leistungspotenzialen her kann das Setting Wellness wesentlich mehr im Sinne von selbstgesteuertem (Konrad und Traub 2010) bzw. selbstorganisiertem Lernen (Herold und Herold 2011) bieten. Selbstorganisierte Lernformen haben in Europa eine lange Tradition, die mindestens bis zu Johann Amos Comenius (1592–1670) zurückdatierbar sind. Im Reigen prominenter Gelehrter ist wohl auch Johann Heinrich Pestalozzis (1746–1827) Ansatz „Lernen mit Kopf, Herz und Hand“ zu nennen. Die gezielte Suche nach Erlebnissen der Wellness-Stufe I und eine damit verbundene relativ ausgeprägte Konsumhaltung von Gesundheitsleistungen scheint demgegenüber eine jüngere Entwicklungstendenz zu sein. Das aktive Bemühen um subjektive Lebensqualität und gesteigerte Gesundheitskompetenz wird aufgrund der perspektivischen Szenarien der Gesundheitssysteme im deutschsprachigen Raum zu einer Kulturaufgabe werden, der im gesundheitstouristischen Setting von Wellness wertvolle Impulse geliefert werden können (s. Abb. 4.7).

Abb. 4.7:

Inhaltskonzept und perspektivische Rollenverteilung im Wellnessresort als Setting.

112

4 Gesundheitstouristische Betriebsentwicklung

Abb. 4.7 verdeutlicht für das Setting Wellness die drei wesentlichen Pole Gesundheitsgäste, Resort als Lernsetting und die Mitarbeitenden als Lehrende. Die Sternform wurde als Darstellung des äußeren Rahmens deshalb gewählt, weil sie einem Zahnrad gleicht, das in der Metapher eines Uhrwerks Anschlussfähigkeit zu anderen Systemen haben kann: Dies können v.a. die oben genannten potenziellen Kooperationspartner als weitere Zahnräder sein, so dass sich ein geschlossenes Gesamtsystem ergibt. Das Wellness-Resort kann dabei in seiner Geschlossenheit zu einem Erlebnisort informeller Gesundheitsbildung generieren, in dem die Hausphilosophie die Aspekte Bildungskultur, Vertrauenskultur, sowie Offenheit und Transparenz zum Tragen bringt. Auf dieser – bis dato keineswegs alltäglichen – Basis erscheint es möglich, individuelles und zum Teil intimes Gesundheitslernen zu ermöglichen. Selbstorganisierte Lernformen beinhalten dabei sowohl Einzel- als auch Gruppenerlebnisse. Freericks, Hartmann und Stecker (2010) proklamieren Lernarrangements, wie das Setting Wellness als „Entgrenzung von den formalen Bildungsorten“ wie Schulen, Universitäten oder berufliche Weiterbildungszentren, und messen diesen neuen Bildungsorten große Perspektivpotenziale bei. In diesem Kontext nennen sie Aspekte selbstgesteuerten Lernens, bei denen der Zusammenhang zum Setting augenscheinlich ist. Ausgangspunkt ist jedoch ein Zustand der „Verwirbelung“ (ebd.), bei dem Freizeit und Bildung fließend ineinander übergehen. Welche Anforderungen allgemein an Lernorte für Gesundheitsbildung gestellt werden, fassen u.a. Herold und Herold (2011) zusammen. Demnach sollten sie sollten geeignet sein,  Orientierung zu geben: Wellnesshotels befinden sich mit Ausnahme der City-Hotels zumeist in landschaftlich ansprechender Umgebung und verfügen über Fitness- und SpaBereiche, in denen exemplarisch gelernt werden kann.  Lernmotivation zu initiieren: Auch hierauf legen die Betreiber von Wellnesshotels meistens großen Wert, indem sie die Wellnessbereiche ihrer Häuser großenteils ansprechend gestalten.  Niemanden ausgrenzen: Bauliche Aspekte von Barrierefreiheit sollten mittlerweile zu den selbstverständlichen Standards gehören, die sich nicht ausschließlich auf GehGehandicapte beziehen (Die Anzahl Hör- und Sehgeschädigter ist jeweils deutlich größer). Zu den oben aufgezählten Rahmenbedingungen gesellen sich weitere Kompetenzen, die vor allem persönlicher Natur sind. Diesbezüglich sind neben einem fachlich adäquaten Profil Aspekte pädagogischer Eignung zu nennen, die Gesundheitslernen zu einem Erlebnis generieren lässt. Hierzu zählen:  Vermittlung von Lehrinhalten unter Beachtung der individuell kognitiven und affektiven Verarbeitungsstrategie,  Lerninhalte müssen an Erfolgs- und Bestätigungserlebnisse i.S. von Assimilation gekoppelt sein,  Die Lerninhalte im exemplarischen Setting sollten möglichst zu erhöhter Gesundheitskompetenz im Alltag führen. Im Praxisfeld ist in der fließenden Kombination von gesundheitstouristischem Setting und der Anwendung des Gelernten im alltäglichen Leben vor allem ein System zu nennen, das die österreichische Uniqa-Versicherung unter dem Titel VitalPlan als private Zusatzversicherung vertreibt.

4.2 Gesundheitstourismus im Setting Wellnesshotel

Abb. 4.8:

113

Gesundheitsbildung unter Einbettung des gesundheitstouristischen Settings Wellness

Praxisbeispiele Uniqa kooperiert mittlerweile mit ca. 180 Wellness-Hotels, welche sich mit Masse in Österreich befinden. Die Versicherungspolizze bietet alle zwei Jahre den Aufenthalt in einem Wellnessresort an, welches im Verbund von VitalPlan steht. Das Angebot sieht im Regelfall zwei bis drei Übernachtungen in einem dieser Beherbergungsbetriebe vor. Die Aussage „Ob Aktivprogramm, sportliche Betätigung, Sightseeing, Wellness oder einfach nur Relaxen, bei uns finden Sie mit Sicherheit Ihr passendes Wohlfühlhotel“ zeigt jedoch, dass es sich im Regelfall um Häuser handelt, die Wellness auf der Stufe I anbieten (vgl Uniqa 2013). In der Auflistung finden sich jedoch auch Ausnahmen. So hat sich beispielsweise in Niederösterreich eine Gruppe von fünf Wellnessresorts zusammengefunden, die die gemeinsame Dachmarke Beste Gesundheit gewählt haben. Diese fünf Anbieter akzentuieren ihre Philosophie auf der Wellness-Stufe II, welche eine gute Passung zum Gesamtkonzept von VitalPlan aufweist. Erwähnenswert bleibt im Sinne nachhaltiger Lern- und Bildungsangebote, dass der Aufenthalt in einem der Wellnessresorts nur eine von vier Säulen darstellt. Hinzu kommt zweitens die Möglichkeit der Inanspruchnahme eines VitalCoaches mit bis zu sechs Einheiten pro Jahr am Wohn- oder Arbeitsort. Im Rahmen von Anamnese- und Diagnosegesprächen wird der Lebensstil besprochen, gemeinsam trainiert, entspannt oder auch gekocht. Weiterhin werden umfangreiche Gesundheitsuntersuchungen und Informationspakete angeboten. Um das Beispiel abschließend der wissenschaftlichen Objektivität zuzuführen, sei erwähnt, dass der Uniqa-Konkurrent Merkur mit dem Programm ego4you ebenfalls über eine Zusatzpolizze mit drei Alternativen für Erwachsene und zusätzlich einem für Kinder verfügt.

114

4 Gesundheitstouristische Betriebsentwicklung

Das Inhaltskonzept des Referenzmodells Hoher Gleirsch richtete sich nach dem Grundsatz der restitutio ad integritatem und sollte bewusst gehandicapte Menschen einbeziehen. Ziel des vom Vorgängerprojekt Forsthaus Aquila modifizierten Work-Life-Balance-Konzeptes war es, zukunftsorientierte Ziele zu formulieren, „die sich nicht mehr am vormaligen Gesundheitszustand der Unverletztheit (restitutio ad integrum) orientieren, sondern vielmehr die Integration eines oder mehrerer Handicaps zuzulassen“ (Weltli 2005). Wenn im Zusammenhang „ohne Erfahrung kein Genuss“ möglich ist (vgl. Koppenhöfer 2004), dann sollte das Inhaltskonzept des Hoher Gleirsch das Gesundheitsziel restitutio ad integritatem als Erfahrungsziel und unter dem Aspekt der aktiven Teilhabe fokussieren. Ausgangspunkt des Konzeptes war weiterhin das Work-Life-Balance-Konstrukt. Am Beispiel der Bewegung soll nun exemplarisch dargestellt werden, wie das Inhaltskonzept aufgebaut war. Didaktisches Grundprinzip war die Auswahl geeigneter Sportarten, die i.S. von Teilhabe pädagogisch begründbar sind (vgl. Fediuk 2007). Somit traten gemeinsame fördernde Erlebnisse in den Vordergrund, die individuelle Leistung, Spannung, Eindruck, Gesundheit, Ausdruck und Miteinander ermöglichen hätten können. Restitutio ad integritatem hätte hier dem Verständnis von Giese und Scherer (2010) nach den Aufbau neuer Sinnbezüge unter Einbezug von Handicaps bedeutet, für Gehandicapte, deren Begleiter und neutrale weitere Gesundheitsgäste. Auf die komplexen Herausforderungen, Arrangements zu entwickeln, die beide Gruppen ansprechen, zeigen die Autoren (ebd.) am Beispiel Visusgeschädigter auf. Tab. 4.4:

Möglichkeiten des barrierefreien Erfahrungsaufbaus im Setting Wellness

Kategorie Bewegung

Ernährung

Entspannung Kommunikation

Lernziel Moderate Bergwanderung auf breiten Wanderwegen; gleichzeitig als Geruchsund Geräuschwanderung. Gemeinsames gesundes Kochen und Essen in der Lehrküche. Entspannung als gemeinsames Wohlfühlerlebnis ermöglichen. Verbale und visuelle Koordinationskompetenz von Gruppen fördern, bei der Gehandicapte und Gesunde ihre Beiträge liefern.

Beschreibung Gemeinsam etwas wagen und verantworten; Führen und Geführt-Werden als Akt der gemeinsamen naturnahen Bewegungserfahrung. Sich künstlerisch betätigen. Hinzu kommt der achtsame Verzehr der gemeinsam verarbeiteten Lebensmittel. Gemeinsamer Besuch des Dampfbades oder einer Meditationseinheit. Übungen zur achtsamen Kommunikation unter Einbindung der individuellen Stärken aller Beteiligten. Geeignet sind Gruppenaufgaben im In- und Outdoor.

Tab. 4.4 führt Beispiele auf, die unter Anleitung heilpädagogisch geschulter Coaches im Hoher Gleirsch-Konzept angedacht waren. Wie weiter vorn in diesem Teilabschnitt bereits ausgeführt wurde, so bestanden bei diesem Projekt bereits Verbindungen zum Österreichischen Zivil- und Invalidenverband (Abk.: ÖZiV) und zum deutschen Sozialverband VdK. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass das Setting Wellness im gesundheitstouristischen Gesamtkontext über immense Potenziale verfügt. In Anlehnung an Dorn-Petersen (2010) bleibt jedoch ebenfalls festzuhalten, „dass die Entwicklung der Wellnessbetreiberkonzepte ganz klar weggeht vom reinen Verwöhnkult hin zum eigenverantwortlichen Umgang mit sich selbst und seinem Körper“. Rizzato (2012) bestätigt dabei die mit den Fallbeispielen Kooperationen bzw. Hoher Gleirsch dargestellten perspektivischen Herausforderungen: „Als erfolgreicher Wellnessanbieter wird man sich zukünftig noch sehr viel mehr Gedanken über Inhalte, Differenzierungen und klares Angebotsprofil machen müssen. Mit dem reinen Vorhandensein eines Wellness-Bereichs ist schon länger keine Erfolgsgeschichte zu schreiben“.

4.2 Gesundheitstourismus im Setting Wellnesshotel

115

Abschließend bleibt festzustellen, dass die Inhaltskonzepte sowohl bei der Übernahme von Bestandsimmobilien, als auch bei der Errichtung neuer Wellnessresorts ausschlaggebend für weitere Maßnahmen sind. In diesem Zusammenhang sollte die Erwartungshaltung vieler Gesundheitsgäste bei einem Betreiberwechsel unterstrichen werden: Sie erwarten zumindest Routineinnovationen, ggf. auch Verbesserungsinnovationen (siehe Tab. 2.2). An diese Erwartungshaltung schließen sich meinen eigenen Erfahrungen nach die Finanzdienstleistungsunternehmen nahtlos an, da diese den Wellnessmarkt für weitgehend gesättigt halten. Produktinnovationen versprechen ggf. positive Effekte, die das Investitionsrisiko senken. Tipps im www zur weiteren Recherche  Informationsmaterial zu bestehenden Kooperationsprojekten zwischen Wellnesshotels und Versicherungen finden Interessierte z.B. unter http://www.uniqa.at/uniqaat/cms/privatkunden/krankenversicherung/ Vitalplan.de.xhtml, sowie unter http://www.merkur-recreation.at.  Die diskutierten Hotels der Dachmarke „Beste Gesundheit sind unter http://www.beste-gesundheit.at abrufbar. Tipps in Literaturform  Konrad, Klaus und Traub, Silke, Selbstgesteuertes Lernen, Hohengehren 2010.  Freericks, Renate, Hartmann, Rainer und Stecker, Bernd, Freizeitwissenschaft – Handbuch für Pädagogik, Management und nachhaltige Entwicklung, München 2010.

4.2.2

Architekturkonzept

Die Grundlagenermittlung gehört sowohl bei Umbaumaßnahmen, als auch bei Neubauten zu den wesentlichen Schritten der Architektur. Bereits der Begriff lässt aufgrund seiner griechisch-lateinischen Herkunft eindeutige etymologische Ansprüche an das Selbstverständnis der Berufsgruppe zu: architékton (gr.) bzw. architectura (lat.) kann als Kunst des Bauens umschrieben werden. Gleich zu Beginn dieser Ausführungen sollte daher festgehalten werden, dass es wie in jeder anderen, so auch in dieser Berufsgruppe Experten gibt, die sich speziell auf die Kunst der Errichtung bzw. des Umbaus von Beherbergungsimmobilien wie Hotels und Kliniken verstehen. Dies ist vermutlich auch zugleich der kleinste gemeinsame Nenner, den diese Expertengruppe eint. Abb. 4.9 zeigt exemplarisch, wie viele Parameter das Architekturkonzept – abseits des Betreiber- bzw. Inhaltskonzeptes – beeinflussen. Ein ganz zentrales Element ist bei der architektonischen Grundlagenermittlung die Erschließung durch die Architekten. Diese basiert vor allem auf den Anliegen des Betreibers, beinhaltet aber auch avisierte Raumerlebnisse, den gesundheitstouristischen und den Verkehrsfluss des Personals, Fluchtmöglichkeiten bei Brand oder im Katastrophenfall. Abb. 4.9 weist in einem von vielen Wölkchen mit dem Terminus „Budget“ auf einen elementaren Zusammenhang hin: Die Umbau- oder Errichtungskosten müssen sich nach den Kriterien der Plausibilität richten. In diesem Teilabschnitt bedeutet dies, dass ein Budget in Form eines Investitionsrahmens kalkuliert werden muss, in dessen Rahmen die Architektur entwickelt wird. Das bedeutet auf der Umsetzungsebene: Größe und Ausstattung des Beherbergungsbetriebes haben hier eine Investitionsobergrenze. Hierauf kommen wir im folgenden

116

4 Gesundheitstouristische Betriebsentwicklung

Teilabschnitt aus finanzierungstechnischer Perspektive abermals zurück. Im vorliegenden Kontext bedeutet das, dass der Architektur Grenzen gesetzt sind. Diese entscheiden letztlich jedoch über die mögliche Klassifizierung des Hauses und die Umsetzungsmöglichkeiten des eigenen Betreiberkonzeptes.

Abb. 4.9:

Einflüsse auf die Architektur eines Wellnesshotels

Entscheidend ist, dass bei aller erhofften und erwarteten Effektivität, Eleganz und Attraktivität eines Beherbergungsbetriebes – das gilt gerade für das Wellnesssegment – dessen Effizienz nachvollziehbar ist. Hierbei sind vier Parameter von Relevanz:  Vorhandenes Eigenkapital,  Verfügbares Fremdkapital,  Erwartete Umsatzerlöse und die  Kreditlaufzeit. Im Rahmen des aus diesen Parametern entstehenden Budgets ist es möglich, Umbau- oder Errichtungsmaßnahmen zu realisieren; die Strategie hierfür lautet nicht nur aus finanztechnischer, sondern auch aus architektonischer Perspektive Design By Budget; es darf lediglich im Rahmen einer Obergrenze gebaut werden. Dass die permanente Überwachung der Errichtungsbzw. Umbaukosten zu einer nicht delegierbaren Leadershipaufgabe zählt, zeigen viele renommierte Beispiele im öffentlichen, aber auch im privaten Sektor, bei denen die Kostenexplosion viel zu spät erkannt bzw. realisiert wurde. Neben existierenden Durchschnittswerten (z.B. Kosten pro m3 umbauten Raumes) bietet das Verhältnis von Nutzfläche zu horizontaler Erschließungsfläche grobe Hinweise auf die Effizienz bei der Errichtung eines Wellnessresorts. Die in Abb. 4.10 dargestellte Sternekategorisierung konnte letztlich nicht verhindern, dass es zur Erosion des Begriffs Wellness kam. Wie bereits erwähnt, konstatierte der Präsident des Deutschen Wellnessverbandes (DWV) Härtel (2012), dass sich „die letzte Bude als Wellnesshotel“ bezeichnen kann. Um den durch Socken, Katzenfutter usw. ebenfalls inflationär genutzten Terminus wieder in den ursprünglichen Kontext eines selbstreflexiven und selbst-

4.2 Gesundheitstourismus im Setting Wellnesshotel

117

wirksamen Lebensstils zurückzuführen, führte erst der Deutsche Wellnessverband, dann wiederum eine schwer identifizierbare Anzahl weiterer Verbände Zertifizierungen zur Absicherung von Mindeststandards ein (vgl. u.a. Schwaiger 2007). Im Vergleich zu Klinikzertifikaten hat sich im Setting Wellness relativ rasch ein umfangreicher Zertifizierungsmarkt entwickelt, der wegen der Unübersichtlichkeit auf Seiten der Gesundheitsgäste vermutlich zu Ignoranz der Zertifikate führt. Die Zertifizierungsstrategie sollte daher i.S. der Zielgruppen vereinfacht werden.

Abb. 4.10:

Darstellung der Klassifizierung im Sternesystem der Österreichischen Wirtschaftskammer (WKO 2009)

Zertifizierungen von Wellnessresorts sollten jedoch nicht generell aufgrund der derzeitigen Situation negativ behandelt werden. Die Vielzahl der Zertifikate verfolgt die Strategie des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP). Hierauf legt der TÜV Nord von seiner Strategie her bei der Zertifizierung von Spitälern deutlich mehr Wert, als auf die erste Bestandsaufnahme (baseline). Die langfristige Personalführung und -entwicklung sowie dessen Fortbildung sind hierbei genauso besondere Parameter, wie die interne Betriebliche Gesundheitsförderung. Gerade diesbezüglich sollte abschließend erwähnt werden, dass die Architektur Einfluss auf die Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat. Der rechtliche Arbeitsschutz legt diesbezüglich Mindeststandards fest. Bei der Architekturplanung sollte in Zeiten der „Personalflucht im Hotellerie- und Gastronomiegewerbe“ (siehe Kap. 5) darauf Wert gelegt werden, dass sich auch das Personal im Beherbergungsbetrieb wohlfühlt.

118

4 Gesundheitstouristische Betriebsentwicklung Tipp im www zur weiteren Vertiefung  WKO – Wirtschaftskammer Österreich, Kriterienkatalog Hotelsterne, verfügbar unter: http://www.hotelsterne.at, zuletzt abgerufen am 24.01.2013. Tipp in Literaturform  Schweitzer, Claus, Wellness zum Träumen – Die 120 besten Wohlfühlhotels in der Schweiz, Österreich, Südtirol, Deutschland, Baden und München 2007.

4.2.3

Exemplarische Finanzierungsstrategie II

Anlass für die Investition in eine Hotelimmobilie muss nicht immer ein Betreiberwechsel oder deren gänzliche Neuerrichtung sein. Denn da Hotelimmobilien im Gegensatz zu anderen Immobilien wie z.B. Bürogebäuden generell von kürzeren Revitalisierungsphasen gekennzeichnet sind, besteht häufiger Investitionsbedarf. Hotels stehen nicht nur unter höherem Adaptionsdruck an Modetrends, ihr Enterieur wird bei hoher Gästefrequenz deutlich stärker strapaziert, als dies bei anderen Immobilien der Fall sein mag. Im Durchschnitt kann daher davon ausgegangen werden, dass eine investitionsintensive Revitalisierungsphase zyklisch im Zeitfenster von sechs bis zehn Jahren stattfindet (vgl. Hitzler 2009). Es wurde bereits erwähnt, dass hinsichtlich der Kapitalsuche gerade im gesättigten Beherbergungsmarkt eine Basisinnovation notwendige Bedingung ist. Bei den meisten Neuerrichtungen oder Betreiberwechseln handelt es sich um Verbesserungsinnovationen oder Routineinnovationen. Diese sind i.d.R. weniger investitionsintensiv als Basisinnovationen. Das bedeutet häufig, dass erprobte Wege der Fremdfinanzierung die Realisierung von Verbesserungs- bzw. Routineinnovationen ermöglichen. Basisinnovationen sind mit deutlich höheren Risiken behaftet – dies zeigte bereits das Fallbeispiel des Forsthauses Aquila. Abb. 4.11 führt in eine zunehmend häufig gewählte Form der Kapitalaufstellung für die Realisierung von Hotelprojekten ein, die auch bei meinem zweiten eigenen Projekt Hoher Gleirsch favorisiert wurde: Fehlendes Eigenkapital wird hierbei durch die partielle Veräußerung von Wohneigentum kompensiert. Definition Wohneigentümergesellschaft Unter Wohnungseigentümergesellschaften werden generell die Teileigentümer/-gesellschafter einer Wohnungsanlage verstanden. Dieser Finanzierungsvariante dient im Fall von Hotelneubauten der Generierung von Eigenkapital, um gemeinsam mit dem benötigten Fremdkapital die benötigte Investitionssumme zu lukrieren. Rechtlich verfügen die Käufer von Hotelappartements über Hotelanteilen, was die ohnehin schwierige Situation (Zweitwohnsitzproblematik) abermals verschärft. Denn die Wohneigentümergemeinschaft beschließt i.d.R. anlässlich einer Generalversammlung einmal jährlich die Anlage betreffende Maßnahmen wie Revitalisierungen. Für Hotelbetreiber bzw. die hinter ihnen stehenden Investoren wird die Situation dann schwierig, wenn sie nicht über die Mehrheitsanteile der Immobilie verfügen.

4.2 Gesundheitstourismus im Setting Wellnesshotel

Abb. 4.11:

119

Investitionsmechanismen für Hotels mit Wohneigentümergesellschaft

Problematisch stellt sich bei dieser Variante v.a. in Tirol, dem Standort des geplanten Projektes Hoher Gleirsch, aber auch an anderen attraktiven Standorten mit exponierten Baulagen für diese Finanzierungsvariante die Zweitwohnsitzproblematik dar (vgl. Seiser 2004). Die Ambivalenz kommt zum einen da zum Ausdruck, dass die Fremdmittellukrierung sich bei Basisinnovationen deutlich schwieriger darstellt, als dies bei Verbesserungs- oder Routineinnovationen der Fall ist. Zum anderen tragen derlei Projektfinanzierungen nicht zur nachhaltigen Entwicklung von Ortsbildern bei, wenn außerhalb der Hauptsaison große Teile von Immobilien, teilweise sogar ganze Ortsteile nicht bewohnt sind. Hinzu kommt, dass es sich extrem schwierig gestalten kann, wenn nicht alle Wohnungseigentümer „am selben Strang“ ziehen. Wenn der Innovationsgehalt der Grundidee eine entsprechende Lukrativität verspricht, so besteht im Gesundheitstourismus über die genannte Alternative hinaus die Möglichkeit, auf diese Sparte spezialisierte Unternehmensketten zu sondieren (z.B. Asklepios, Vamed). Auch diese Variante sollte daher, genau wie diejenige der Vollfinanzierung (siehe folgender Teilabschnitt) sorgsam geprüft werden. Für beide gilt jedoch das eingangs Erwähnte: Notwendige Voraussetzung für die erfolgreiche Kapitallukrierung gesundheitstouristischer Settings ist eine Basisinnovation, hinreichende Bedingungen hierfür sind Kosten-, Planungs-, Betreiber- und Immobiliensicherheit. Praxisbeispiele Mittlerweile gibt es eine relativ beträchtliche Anzahl von Wellnessresorts, bei denen das Konzept des Wohnungseigentums zum Greifen kommt. Einige Bauunternehmen haben sich darauf spezialisiert, Projektplanungen an Orten zu realisieren, die über ein entsprechend hohes Restkontingent verfügbarer Zweitwohnsitze verfügen. Dies ist für an der Begründung von Wohnungseigentum Interessierten zumeist eine

120

4 Gesundheitstouristische Betriebsentwicklung wesentliche Grundlage ihrer Entscheidung. Die Verlegung des Erstwohnsitzes in die Urlaubsdestination wirkt weniger verkaufsfördernd. Das *****Hotel Alpenkönig im tirolerischen Reith bei Seefeld steht symptomatisch für Chancen und Risiken dieser Finanzierungsvariante. Nachdem das Haus lange Zeit Inhabergeführt war, wurde zum Zeitpunkt des Betreiberwechsels die Variante Begründung von Wohnungseigentum gewählt, um die notwendigen Kosten abzudecken. Letztlich scheiterte das Projekt. Die Weiterveräußerung gestaltete sich extrem schwierig, weil Eigentümer- und Nutzungsrechte zu hohem Klärungsbedarf führten.

Der Neu- und Umbau einer Beherbergungsimmobilie ist keine Seltenheit. Gardini (2010) stellt mit relativ aktuellem Bezug zum Jahr 2008 fest, dass sich allein für Deutschland „in einer aktuellen Planungsperspektive 450 neue Projekte identifizieren lassen, davon 332 neue Hotels, 32 Hotelanbauten und 86 Hotelumbauten“. Es lohnt sich daher, einen vertiefenden Kommentar zur in Abb. 4.11 dargestellten Planungsphase zu entwerfen. Sie wird v.a. bei der Neuerrichtung einer Beherbergungsimmobilie ebenfalls als Pree-Seed-Phase, oder als Friends-And-Fools-Phase bezeichnet (Cassens und Meyer 2010). Gerade der letztere Begriff impliziert, dass hier i.d.R. keine nennenswerten Kapitalien zur Verfügung stehen. Alle Arbeiten müssen daher zumeist im Rahmen von low- oder no-budget erfolgen, wie dies auch beim Forschungsprojekt Hoher Gleirsch der Fall war. Unbedingte Voraussetzung hierfür ist, dass ein Expertenteam in dieser Phase kostenneutral zusammenarbeitet. Grundlage hierfür ist die gesundheitstouristische Basisinnovation. Denn selbst, wenn investitionswillige Personen oder Unternehmen vorhanden sind, die Wohneigentum im geplanten Wellnessresort begründen wollen, so erfolgen die ersten Kapitaleinlagen meistens mit dem Zeitpunkt der Erteilung des rechtskräftigen Baubescheides. Sämtliche vorher notwendigen Schritte müssen durch anderweitig generiertes Kapital abgedeckt werden. Hierzu gehören im Fall eines Beherbergungsneubaus vor allem:  Bodenproben oder -bohrungen,  Erstellung von Geometer-Gutachten,  Raumplanerisches Gutachten und  Firmengründung. Die Friends-And-Fools-Phase besteht eigenen Erfahrungen zur Folge zumindest aus drei Personen (vgl. Hitzler 2009):  Innovation Developer Hierbei handelt es sich um diejenige Person, die die gesundheitstouristische Innovation entwickelt hat. Dies sollten im Regelfall Gesundheitsexperten mit adäquatem Berufshintergrund und pädagogischer Kompetenz sein.  Architecture Developer Der Um- oder Neubau einer Immobilie sollte dem Betreiberkonzept entsprechen, ihm eine bauliche Umsetzung verleihen. Über die planerischen Maßnahmen hinaus sollten die Architekten in der Lage sein, ungefähre Kostenschätzungen prognostizieren zu können.  Financial Developer Diese Personengruppe erarbeitet nicht nur den Geschäftsplan, der potenziellen Investoren vorgelegt wird. Wichtiger ist es, dass die Financial Developer über Netzwerke und Beziehungen zu seinen Zielgruppen verfügt, um ein möglichst rasches weiteres Vorgehen im Rahmen der Projektrealisierung zu ermöglichen.

4.2 Gesundheitstourismus im Setting Wellnesshotel

121

Im Idealfall begleitet in dieser ersten Projektphase bereits ein Rechtsbeistand das Team, oder, besser noch: Sie/Er ist dessen Teil. Verhandlungen mit Behörden versprechen dann genauso ein konsequentes Vorgehen, wie auch die Umsetzung wirtschaftsrechtlicher Dimensionen wie die Firmengründung. Abschließend soll nun noch auf den Projektverlauf des geplanten ****Hotels Hoher Gleirsch eingegangen werden. Die Idee der barrierefreien Immobilie erregte relativ schnell das Kaufinteresse einer relativ homogenen Zielgruppe von internationalen Führungskräften, die sich am geplanten Standort eine Altersimmobilie kaufen wollten. Das Kaufinteresse wurde zudem dadurch gefördert, dass ein intensiver Austausch zwischen Anrainerbevölkerung und Kaufinteressierten forciert werden sollte. Hoher Gleirsch sollte zu einem Seminar- und Tagungszentrum mit starkem lokalen und regionalen Gesundheitsfokus werden. Die Gemeinde stellte zudem die Vergabe von Zweitwohnsitzen in Aussicht, die für die Aufstellung des Eigenkapitals notwendig gewesen wäre. Letzten Endes scheiterte das Projekt jedoch wiederum an der hinreichenden Bedingung fehlender Grundstückssicherheit. Tipps im www zum weiteren Vertiefen  Die Firma Jäger Bau aus dem vorarlbergischen Schrunz hat sich auf die Projektrealisierung in Form von Wohneigentümergesellschaften spezialisiert: http://www.jaegerprojects.com/feri einimmobilien/ferienimmobillien-zum-kauf, zuletzt abgerufen am: 26.01.2013.  Auf die Planung und Errichtung von Immobilien im Gesundheitssektor, auch in demjenigen von Gesundheitstourismus, haben sich ebenfalls einigen Unternehmen spezialisiert, so z.B. die Vamed AG: http://www.vamed.com/index.php?id=16, zuletzt abgerufen am: 26.001.2013 Tipps in Literaturform  Hitzler, Stefan, Die Hotelprojektentwicklung: Vertieft anhand einer Rentabilitätsanalyse des Condominiumkonzepts, Saarbrücken 2009.  Stürzer, Rudolf, Koch, Michael, Hopfensperger, Georg, SternsKolbeck, Melanie, Sterns, Detlef, Praxishandbuch Wohnungseigentum, 3. Aufl., Freiburg i.Br. 2010.

4.2.4

Marketing und Zielgruppe

„Knapp 90 % der deutschen Bevölkerung sind sog. Multichannel-Konsumenten. Sie kombinieren immer häufiger unterschiedliche Informations- und Kaufkanäle. Informationssuche, Kaufanbahnung und Kaufimpuls finden oftmals in anderen Kanälen statt als der eigentliche Kauf“ (iBusiness 2013). Zudem verbringen 77 % (= 54,1 Mio.) der adulten Bundesbürgerinnen und Bundesbürger durchschnittliche 11,4 Stunden pro Woche im virtuellen Raum Internet (ebd.). Diesen Daten kann nicht nur, vielmehr muss ihnen höchste Relevanz bezüglich des gesundheitstouristischen Marketings beigemessen werden. Die Zeiten, in denen nur junge Leute das Internet nutzten, sind lang vorbei; generationsübergreifend kann heute vielmehr davon ausgegangen werden, dass die kundenseitige Recherche über die Zielregion zum Zielort und von dort zur

122

4 Gesundheitstouristische Betriebsentwicklung

Vorauswahl von Hotels führt. Gut möglich ist die Integration eines Reisebüros in dieses Selektionsverfahren mit unterschiedlicher Gewichtung, was den eigentlichen Kauf betrifft. Es kann mittlerweile jedoch zusätzlich auch davon ausgegangen werden, dass sich viele potenzielle Kunden von gesundheitstouristischen Dienstleistungen während ihrer Kaufentscheidung über Homepages wie hotelbewertung.de oder holidaycheck.de, .ch, .it oder .at Informationen über Erfahrungen anderer Gäste einholen. Doch nicht nur bezogen auf die ökonomischen Facetten profitieren die Gäste vom Internet, sondern auch hinsichtlich ihrer Gesundheit und diesbezüglicher Dienstleistungen in der Destination. Ferner wird sich das Marketing von Wellnessresorts zunehmend auf die Gruppe der LOHAS einstellen müssen. Hierbei handelt es sich „um Menschen, die der Umwelt nicht schaden, aber auf Konsum nicht verzichten wollen“ (Gardini 2010). Die Abkürzung steht daher für den Anglizismus Lifestyle Of Health And Sustainability. Diesbezügliche Herausforderungen an Tourismusdestinationen werden im folgenden Unterkapitel ausführlich diskutiert. Fasst man diese Aussagen als exemplarische Rahmenbedingungen zusammen und setzt diese in Beziehung zum informellen Bildungssetting von Gesundheitskompetenz, so ergeben sich konkrete Anforderungen an das gesundheitstouristische Marketing im Setting Wellness (vgl. Wagner 2006, Gardini 2010). Wellnessmarketingziele müssen  Individualität unterstreichen,  die kritische Konsumhaltung der Gesundheitsgäste akzeptieren,  den Gesundheitsgästen gute Informiertheit in Gesundheitsfragen unterstellen,  daher das Laienmodell von Gesundheit (s. Kap. 2.1) akzeptieren und  Reiseerfahrenheit im Setting Wellness unterstellen. Von elementarer Wichtigkeit scheint zudem die Erkenntnis zu sein, dass erfolgreiches Marketing von zwei parallel wirkenden Ebenen ausgeht, auf denen Marketingbotschaften formuliert werden sollten. Eine besondere Herausforderung besteht darin, die in Tab. 4.5 genannten Aspekte adäquat in einer Homepage aufzuarbeiten, ohne diese zu überladen. Hinzu kommt, dass das, was ich mit Bezug auf Vester (1999) in der gesundheitstouristischen Historiografie mit dem Terminus Pastiche bezeichnet habe, in der praktischen Konsequenz zu Kundenverhalten führt, das  zunehmend schwerer prognostizierbar ist,  oftmals spontan entsteht (z.B. Entscheidung für „Speed-Wellness“-Wochenende),  Erlebnisqualität verheißen muss, was besonders für Gesundheitsbildung gilt,  von verstärkter Sinnsuche und Orientierungsbestreben geprägt ist (beispielsweise nach ganzheitlicher Medizin, wie sie die TCM und Ayurveda versprechen) und  eine differenzierte Bedürfnisstruktur bietet (vgl. Wagner 2006). Abseits von Tautologien wird nun der Frage nachgegangen, welche Zielgruppen sich für dieses Setting entscheiden. Zwischen Medical Wellness und Wellness sollte dabei grundsätzlich unterschieden werden, wie dies in Tab 4.5 zum Ausdruck kommt. Bei der Reflexion von Marketing und Zielgruppen kann die allgemeine Tatsache nicht außer Acht gelassen werden, dass Wellness im Gegensatz zu Medical Wellness oft lediglich Begleitmotiv für ein anderes Hauptreisemotiv ist. Bedingt durch den inflationären Gebrauch dieses Terminus wird weniger Gesundheitstourismus i.e.S. der Kombination von Well-being und Fitness und an deren Fokussierung gedacht, als an Komfortstandards des Wellness- und Spa-Bereichs, die täglich temporär im Kontext der Wellness-Stufe I genutzt werden. An dieser Stelle soll im speziell gesundheitstouristischen Kontext daher der Frage nachgegangen werden, welche Gäste sich originär für einen Wellnessaufenthalt mit dem Leitmotiv Förderung der eigenen Gesundheitskompetenz entscheiden.

4.2 Gesundheitstourismus im Setting Wellnesshotel

123

So provokant und widersprüchlich der Trendbegriff Speed-Wellness (Schwaiger 2007, Berg 2008) einerseits auch sein mag, so indiziert er andererseits das vorrangige Motiv von Käufern, sich in Zeiten immer knapper werdender Zeiteinheiten pro Aktivität wenigstens für zwei bis vier Tage auf die eigene Gesundheit konzentrieren zu wollen. Bei aller gebotenen Kritik beinhaltet dieser Konnotationsterminus daher unstreitbar auch eine gesundheitsförderliche Dimension. Wenn Schwaiger (2007) feststellt, dass sich Gesundheitsgäste mehrmals jährlich für diese touristische Variante entscheiden, so kann diesem Konsumverhalten ohne Existenz differenzierter Evidenzen a priori durchaus ein gesundheitsfördernder Resilienzeffekt unterstellt werden. Viele Statistiken unterstützen die Feststellung beider Autoren, dass es sich – sehr zum Unwillen der touristischen Anbieter – bei Speed-Wellness um einen Wachstumsmarkt handelt. Dieser Unwillen resultiert v.a. aus wesentlich geringeren Gewinnspannen für die Kurzzeitaufenthalte solcher Gesundheitsgäste. Als einer der wenigen Wachstumsmärkte hat dieses Phänomen jedoch sehr wohl eine beachtenswerte Funktion, das gilt gerade für die regionalen Märkte im Einzugsgebiet großer Agglomerationszentren wie Wien, München, Berlin oder dem Ruhrgebiet. Tab. 4.5:

Qualitäts- und Dienstleistungsdimensionen in der Hotellerie (Schulz, Berg, Gardini, Kirstges und Eisenstein 2010)

Potenzialebene

Prozessebene

Ergebnisebene

Materielle Wirkungsebene „Tech-Dimension“

Immaterielle Wirkungsebene „Touch Dimension“

                      

     

Atmosphäre

  

Zimmer/Restaurant/Baratmosphäre

Makro/Mikro-Standort Unternehmensklassifikation Kooperations-/Kettenzugehörigkeit Hotelarchitektur (Anlage/Gebäude) Hotelausstattung Preisniveau

Lage der Hotelanlage/-gebäude Standort der Hotelanlage/-gebäude Stil/Ästhetik der Hotelanlage/-gebäude Personal (Aussehen, Kleidung …) …

Breite/Tiefe d. Leistungsangebots Image Personal … Anzahl der MitarbeiterInnen Lage der Zimmer Ausschilderung innerhalb des Hotels

Serviceeinstellung/-mentalität Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit, Verläss-

Sauberkeit

lichkeit,

Öffnungs-/Servicezeiten

Einfühlungsvermögen des Personals

Technischer Zustand der Anlage Tagungs-/Sport-/Freizeitmöglichkeiten

Kompetenz,

 

Betriebsklima

  

Kundenzufriedenheit

Reaktionsfähigkeit,



… Kundenzufriedenheit Folgebuchung Empfehlungen Schnelligkeit Check-In/Out …

Erholung, Entspannung,… Übereinstimmung

von

Kundenerwartung

und Kundenerlebnis

 

After Sales Marketing …

Tab. 4.6 zeigt die wesentlichen Parallelen und Unterschiede zwischen Wellness und Medical Wellness auf. Für das Marketing kann folgende Gesamtsituation zusammengefasst werden: Wellness ist im gesundheitstouristischen Markt etabliert.

124 Tab. 4.6:

4 Gesundheitstouristische Betriebsentwicklung Marketingstrategisch relevante Merkmale von Gästen des Settings Wellness (vgl. Illing 2009 sowie Rulle, Hoffmann und Kraft 2010)

Abgrenzungskriterien Ziele Reisemotiv, Kaufentscheidung Aufenthaltsdauer

Kostenträgerschaft

Interventionen

Gästeerwartungen an die häuslichen Standards

Wellnesstourismus Wellness-Stufe I, Wellness-Stufe II eher die Ausnahme. Sozialkognitive und/oder Modelle des geplanten Verhaltens.

Medical Wellnesstourismus Wellness-Stufe I, Wellness-Stufe II eher die Ausnahme. Sozialkognitive und/oder Modelle des geplanten Verhaltens.

Durchschnittlich zwei bis vier Tage (Trend zu „Speed- und WeekendWellness). Grundsätzlich Selbstzahler. In Österreich werden bei einigen privaten Polizzen Aufenthalte übernommen. Einige gesetzliche Versicherungen übernehmen in Deutschland Tages- oder Pauschalsätze. Etabliert sind fakultative Angebote aus dem Bereich der indikationsunspezifischen Interventionen Bewegung, Ernährung, Entspannung. Hinzu kommen Beautyanwendungen oder Massagen. Anspruch an ein gehobenes Ambiente und Enterieur mit entsprechendem Spa- und Wellnessangebot.

Die Aufenthaltsdauer beträgt durchschnittlich 7,7 Tage.

Anbieterstandards

Beherbergungsbetriebe vom ***Segment bis zu *****Hotels

Zusatzzertifizierungen

Abgestuftes System z.B. des Deutschen Wellnessverbandes oder/und Best Health Austria sind nicht verpflichtend, wirken jedoch bedingt verkaufsfördernd.

Gästeerwartungen an den Effekt des Aufenthalts

Steigerung der subjektiven Lebensqualität durch Selbstwirksamkeit, in selteneren Fällen auch Steigerung der Selbstreflexivität.

Alter der Gesundheitsgäste Rolle von Pauschalangeboten

> 35 Jahre Während der touristischen Hauptsaison hoch, ansonsten sehr hoch.

Grundsätzlich Selbstzahler, indizierte Interventionen können durch Versicherungsträger übernommen werden.

Das Angebot aus der Kategorie Wellness kann übernommen werden. Es wird durch ärztliche Diagnosen und medizinisch evaluierte mehrtägige Interventionen (Kuren, Diäten) ergänzt. Höhere und hohe Ansprüche an Unterkunft und Serviceleistungen. Hohe Anforderungen an Hygienestandards. Beherbergungsbetriebe im gehobenen Marktsegment, i.d.R. ****S und *****Betriebe Zertifizierung des Deutschen Medical Wellnessverbandes oder/und Best Health Austria. Zertifizierung sind nicht verpflichtend, wirken jedoch aufgrund des Preissegmentes verkaufsfördernd. Auch hier kann an die Gästeerwartungen im Wellnesssegment angeschlossen werden. Die medizinisch abgesicherte Effektivität der Interventionen ist den Gästen wichtig (z.B. Eingangs- und Abschlussuntersuchung). > 48 Jahre Saisonübergreifend von relativer Bedeutung als eine von mehreren Entscheidungshilfen.

Der Markt ist vom Produktlebenszyklus her gesättigt. Er ist somit hart umkämpft, wodurch der Preisdruck steigt. Verlierer dieses Prozesses sind diejenigen Häuser, die weder mit Dumpingpreisen arbeiten, noch Spitzenqualität bieten. Notwendige Revitalisierungen bleiben bei diesen Beherbergungsbetrieben mehrfach aus, so dass Insolvenzen und Schließungen in Tourismushochburgen mittlerweile keine Einzelphänomene mehr sind. Auf der anderen Seite erfordert Medical Wellness die Einhaltung strenger, von Verbänden auferlegten, Standards.

4.2 Gesundheitstourismus im Setting Wellnesshotel

125

Damit sind hohe Revitalisierungskosten und Vor- bzw. Anfangsinvestitionen verbunden. Problematisch ist ebenfalls die Tatsache, dass sich Medical Wellness als Segment nicht im gewünschten Umfang durchzusetzen scheint. Vom Produktlebenszyklus her befindet sich Medical Wellness zwischen den Phasen Wachstum und Reife. Entscheidend dürfte für die ökonomische Weiterentwicklung dieser Subkategorie von Wellness sein, wie sich die Übernahme von Gesundheitskosten auf Seiten der Versicherungen perspektivisch entwickeln wird. Tipps im www zur weiteren Vertiefung  Die Seiten des Deutschen Wellnessverbandes bieten viele Möglichkeiten zum Stöbern: http://www.wellnessverband.de, zuletzt abgerufen am 28.01.2013  http://www.hotelguide.de. Auf dieser Seite finden Interessierte die Vielzahl von Hotels, welche Mitglied im Deutschen Hotelund Gaststättenverband (DeHoGa) sind. Eine Recherche für die eigenen Studien zu Beherbergungsbetrieben kann hier beispielsweise seinen Anfang nehmen. Tipps in Literaturform  Krczal, Albin und Weiermair, Klaus (Hrsg.), Wellness und Produktentwicklung – Erfolgreiche Gesundheitsangebote im Tourismus, Berlin 2006.  Gardini, Marco, Marketing-Management in der Hotellerie, 2. vollst. überarb. und erw. Aufl., München 2009. Zusammenfassung Mit Wellnessresorts wurde in diesem Teilabschnitt die etablierteste Gruppe von gesundheitsförderlichen Beherbergungsbetrieben reflektiert. Ein Zukunftstrend, den der Deutsche Wellnessverband wiederholt formuliert, lautet „Mehr Wellness im Spa“ (DWV 2013). Gemeint ist damit, dass die „Spas bislang überwiegend Orte für Wohlfühl-Massagen und Kosmetikbehandlungen sind“ (ebd.). Was in der weiteren Folge zur Zielformulierung „Herstellung von mehr Lebensbalance“ führt, bezieht sich auf Gesundheitskompetenz, Lebensstiladaption und subjektive Lebensqualität; somit zu den bereits eingeführten Zielen von Gesundheitstourismus. Das erfordert, architektonische Anstrengungen zu unternehmen, die das Wellnessresort zu einem informellen Ort der Gesundheitsbildung umzugestalten, in denen z.B. Räume für Coaching und Gespräche geschaffen werden. In der Metapher eines Regelkreises erfordert dies wiederum Investitionen im Rahmen von Revitalisierungszyklen. Da der Wellnessmarkt relativ gesättigt ist, stehen die Beherbergungsbetriebe unter dem Druck, sowohl effektives als auch effizientes Marketing durchzuführen, dessen Grundlage Innovationen sind. In der Regel handelt es sich hierbei um Verbesserungs- oder Routineinnovationen.

126

4 Gesundheitstouristische Betriebsentwicklung Übung Recherchieren Sie nun ein Wellnesshotel mit entsprechend umfangreichen Informationen zum  Inhaltskonzept,  Architekturkonzept und  einer für Sie möglichst eindeutigen Marketingstrategie. Analysieren Sie die zum Ausdruck kommende Philosophie des Hauses in Bezug auf Gesundheitstourismus und die Wellness-Stufen. Stellen Sie dieses Konzept einem weiteren gegenüber, das Sie in einem zweiten Arbeitsschritt nach denselben Kriterien recherchieren. Erarbeiten Sie dabei Unterschiede und Gemeinsamkeiten.

4.3

Gesundheitszentren als informelle Bildungssettings

Wie bereits im Kap. 3.2.3 ausgeführt, scheint sich derzeit der Begriff des Gesundheitszentrums im touristischen Kontext in größerem Umfang zu etablieren. Dabei führt er tendenziell weg von Medical Wellness und im Sinne des Gesundheits-Krankheitskontinuums zurück in die „neutrale Zone“ (Travis, vgl. Abb. 2.3) zwischen präventivem und gesundheitsförderlichem Zweig ausfüllt. Wie bereits ausgeführt, finden sich unter diesem Terminus sowohl umfunktionierte Rehabilitationszentren als auch Hotels der höheren Kategorien mit erhöhtem Medizin- und Kommunikationstechnikaufwand. Das deutsche Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat im Jahr 2011 eine Publikation veröffentlicht, in der der „Neue Gesundheitstourismus“ ausführlich analysiert wird. Die Studie beinhaltet Kennzeichen dieser Tourismusvariante, die den Unterschied zu klassischem Wellnesstourismus verdeutlichen: Demnach  „gehört Neuer Gesundheitstourismus künftig zum Angebot jeder Urlaubsdestination – Sicherheit, Komfort und Barrierefreiheit gewinnen vor allem bei der wachsenden Zielgruppe der Älteren an Bedeutung und werden als wichtige Angebotsbestandteile nachgefragt.  wird diese Tourismusvariante zunehmend differenzierter – für Anbieter ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten der Spezialisierung auf Subthemen und für die Ausbildung von Alleinstellungsmerkmalen (z.B. nach Indikationen).  sind Gesundheitszentren im touristischen Setting zunehmend evidenzbasiert und primär medizinisch-therapeutisch abzusichern – messbare Ergebnisse und Wirkungsnachweise sind gefragt, reine Wohlfühlangebote verlieren zusehends an Bedeutung.  wird Gesundheitstourismus indikationsorientierter – Primärprävention wird deutlich medizinischer und wird langfristig in ihrer Bedeutung von den indikationsbezogenen Angebotssparten der Sekundär- und Tertiärprävention abgelöst.  wird Gesundheitstourismus nachhaltiger – Vorsorgeuntersuchungen, Gesundheitschecks sowie Coachingangebote mit dem Ziel der langfristigen Lebensstiländerung bzw. des Entgegenwirkens von Altersbeschwerden, -krankheiten und Attraktivitätsverlust werden immer bedeutender.  fordert diese Tourismusvariante deshalb neue Kombinationen und Paketangebote, die über den Aufenthalt hinausgehen – gesundheitliche Mehrwerte aus dem Urlaub werden in das Wohnumfeld übertragen.

4.3 Gesundheitszentren als informelle Bildungssettings

127



erfordern Gesundheitszentren starke Anbieternetzwerke zwischen professionellen Gesundheitsdienstleistern und der Hotellerie, Fitnessanbietern und Ärzten usw., um den vielfältigen Anforderungen der Gäste gerecht werden zu können.  benötigen Gesundheitszentren im touristischen Setting zielgruppenspezifische Vertriebswege abseits der klassischen touristischen Marketingkanäle – veränderte Interessenlagen und wandelndes Kommunikationsverhalten schaffen neue Orte der Kommunikation, die eine zielgerichtete Ansprache ermöglichen“ (BMWi 2011). Epidemiologische und demografische Szenarien liegen diesen Prognosen zugrunde. Gesundheitstouristische Zentren werden daher und aufgrund ihrer oft bevorzugten Lagen in Marktsegmente vorstoßen, die bislang noch von traditionellen Anbietern bedient werden. Hierzu gehören:  Industriekooperationen im Rahmen von Betrieblicher Gesundheitsförderung,  LOHAS,  Tagungstourismus,  Hochbetagtentourismus und  Gehandicaptentourismus. Hinzu kommen bereits etablierte Facetten des urbanen Medizintourismus in Kombination mit Hotelaufenthalten sowie sekundärpräventive Aufenthalte in gehobener Unterkunft. Um sich hierbei erfolgreich und ggf. auch international positionieren zu können, bedarf es allerdings nicht selten der Investitionen in Medizinapparatetechnische Basisinnovationen. Beim eigenen dritten Projektgegenstand handelt es sich um das Gesundheitszentrum Refugio, welches sich aktuell in der Realisierungsphase befindet. Viele der oben genannten Aspekte und Kennzeichen finden sich bei diesem Projekt wieder.

4.3.1

Inhaltskonzept

Erfasst die Auflistung des deutschen Bundesministeriums für Wirtschaft die wesentlichen Aspekte des Neuen Gesundheitstourismus, so stellt sich an dieser Stelle die wohl entscheidende Frage, ob sich das Setting Gesundheitszentren tatsächlich in Richtung von Sekundärund Tertiärprävention entwickelt. Vieles deutet darauf hin, dass sich der sekundär- und tertiärpräventive Markt, somit v.a. die Rehabilitationszentren (siehe Kap. 3.2.2) in Richtung des neutralen Punktes im Kontinuum entwickeln (siehe Abb. 2.3). Es wurde allerdings ebenfalls die gegenläufige Tendenz von Hotelbetrieben anhand von Fallbeispielen beschrieben, die in Richtung dieses Punktes tendieren, dies verdeutlichten u.a. einige Medical Wellnessresorts. Gemeinsam mit anderen Autoren (u.a. Rulle, Hoffmann und Kraft 2010) komme ich ebenfalls zum Ergebnis, dass diese Märkte gerade in den Grenzbereichen von Gesundheitsförderung und Primärprävention sowie Tertiärprävention und Gesundheitsförderung ineinander übergehen. Basierend auf dieser im Praxisfeld vielfach gemachten Beobachtung sollte eine bereits vielfach erwähnte Antezedenz besonders im Kontext dieses Settings beachtet werden: Lebensstil und Lebensweise im Zusammenhang von Gesundheitsbildung im touristischen Setting.

128

Abb. 4.12:

4 Gesundheitstouristische Betriebsentwicklung

Gesundheitskompetenz, Gesundheitsverhalten und Gesundheit (Lenartz 2011).

Erfolgreiche Fallbeispiele aus der Europäischen Union (z.B. Niederlande, Finnland) zeigen, dass die verstärkten Bemühungen um Gesundheitsförderung in Form der Steigerung von Gesundheitskompetenz zu Kosteneinsparungseffekten des Gesundheitskostenträgersystems führen. Es wäre erstrebenswert, wenn die Gesundheitszentren die soeben genannten Bereiche zwischen Gesundheitsförderung und Prävention als Marktsegmente erfassen, die Rehabilitationszentren mit ihrem weitgehend therapeutischen Spektrum auf Akut-, Fortsetzungs- und Vorbeugungsintervention nicht ohne weiteres bedienen können. Hierher sollte vielmehr weiterhin eine medizinische Diagnose führen. Sowohl die demografische als auch die epidemiologische Entwicklung erfordert vielmehr die frühzeitige Intervention in Form engerer Kooperation zwischen Trägern der Gesundheitskosten und den Settings als Leistungserbringern, die sich an dieser perspektivisch sehr konkreten Bedarfssituation orientiert. Gesundheitsbildung im touristischen Setting sollte daher flächendeckend bei vertretbaren Kosten für Gesundheitsförderung systemisch entwickelt werden. Dies erfordert daher eine Strukturarbeit in Richtung innovativer touristischer Varianten, die Gesundheitsbildung im Setting auf der Wellness-Stufe II ermöglichen. Der Aufbau von Gesundheitskompetenz gestaltet sich aufgrund der aktuell empfundenen Viabilität gerade bei Gesunden tendenziell eher schwierig. Definition Gesundheitskompetenz Gesundheitskompetenz umfasst die Fähigkeiten, die Fertigkeiten, das Wissen und die Motivation von Menschen, relevante Gesundheitsinformationen in unterschiedlicher Form zu finden, zu verstehen und zu beurteilen. Im Rahmen dieser Prozesse können so Beurteilungen und Entscheidungen getroffen werden, die ggf. zu Handlungen führen oder kommuniziert werden können. Ziel von gesteigerter Gesundheitskompetenz ist die Verbesserung der Lebensqualität durch Ge-

4.3 Gesundheitszentren als informelle Bildungssettings

129

sundheitsförderung während des gesamten Lebenslaufes, somit nicht nur in Phasen notwendiger Krankheitsprävention oder -bewältigung (vgl. Sorensen 2011). Genau deshalb verbinden Freericks, Hartmann und Strecker (2010) Gesundheitsbildung mit erlebnisorientierten Lernorten, wie sie (Medical-)Wellnessresorts darstellen. Im Gegensatz zu Wellnesshotels sollten für Gesundheitszentren jedoch folgende konzeptionellen Grundlagen verbindlich sein und einen Unterschied ermöglichen:  Aktive Beteiligung aller Besucher,  Personale Vermittlung, Stimulierung und Motivation durch kompetentes Fachpersonal,  Spezifiziertes und individualisiertes Lernvolumen mit Bezug zum Alltag der Gäste,  „Lernen mit allen Sinnen muss möglich sein“,  Vernetzung mit Partnern in den Lebenswelten außerhalb des Settings sollte möglich sein. Unter Verwendung der konstruktivistischen Terminologie sollten Gesundheitszentren in der Lage sein, die Viabilität der Gesundheitsgäste zu perturbieren: Der bislang funktionierende, jedoch nicht unbedingt gesunde Lebensstil sollte i.S. von Perturbation gestört werden. Das informelle Gesundheitsbildungserleben muss dabei zur Wellness-Stufe II führen. Damit diese Perspektivforderungen nicht auf eher abstrakter Ebene verbleiben, sollen in Anlehnung an die Didaktiker Kron (2008) und Scheunpflug (2003) Kennzeichen einer konstruktivistischen Didaktik reflektiert werden, die dieses gesundheitstouristische Setting kennzeichnen.  Gesundheitsbildung ist ein stets aktiver Prozess, bei dem die Mitwelt ständig wirkt und reflektiert werden kann.  Gesundheitsbildung vollzieht sich in Form von Selbstreflexion und Fremdbeobachtung in einem ge- und beschützten Raum.  Individuelle und kooperative Lernformen wechseln einander ab. Die jeweiligen Vorteile werden besonders berücksichtigt und finden ihre Auswirkung in der didaktischen Anordnung von Lernangeboten.  Wegen der Viabilität haben Vorerfahrungen und Lernfehler eine hohe Bedeutung für die Gestaltung der individuellen Lernprozesse.  Die subjektive Lebensqualität hat wegen der Verbindungen zu Emotion und Lebensstil eine hohe Bedeutung.  Erfolgsevaluationen erfolgen in Form von Langzeitkatamnesen, die den Aufenthalt im touristischen Setting überschreiten. Dass die Welt, so wie wir sie wahrnehmen unsere zuhöchst individuelle Erfindung i.S. von Konstruktion ist, stellte nicht erst der Konstruktivist von Foerster (2000) fest. Spätestens von Galileo Galilei (1564–1642) ist das Lehrprinzip nachgewiesen, bei dem man einem Menschen nichts lehren kann – er muss „die Dinge vielmehr in sich selbst entdecken“. In dem Zusammenhang sollte perspektivisch Gästen in den Gesundheitszentren das Erleben von Kommunikation, Bewegung, Ernährung und Entspannung ermöglicht werden, keineswegs jedoch „anerzogen“.

130

Abb. 4.13:

4 Gesundheitstouristische Betriebsentwicklung

Anwendung der konstruktivistischen Didaktik im Setting Gesundheitszentrum

Demzufolge wird es notwendig sein, individuelle Denkzeiten, Kleingruppenarbeiten und diejenigen in größeren Gruppen zu ermöglichen, in denen zum Thema Förderung der individuellen Gesundheitskompetenz gearbeitet wird. Im vorliegenden Kontext bedeutet der konstruktivistische Terminus der Selbstreferenzialität, dass Gesundheitsgäste die Äquilibration einer viablen Gesundheitskompetenz nur auf Basis als „rekursives Anknüpfen an bereits Erlerntes“ (Siebert 1998) erfolgen kann. Gesundheitsbildung muss daher v.a. im informelltouristischen Bildungssetting, dies sei nochmals akzentuiert, sehr individuell gestaltet werden. Synreferenzialität bezieht sich im Kontext auf alles Lernen in Gruppen. Beispiele für Erlebnisorientiertes Lernen wurden in den beiden zuvor dargestellten Settings anhand des Work-Life-Balance-Konzeptes und dessen Umsetzung bereits an Beispielen erörtert. Erfahrungen in der Gruppe bestärken das eigene Verhalten, wenn die konstruktivistische Ermöglichungsdidaktik Lernsituationen forciert, in denen Selbstwirksamkeit genauso erfahren wird, wie die Aspekte der Wellness-Stufe II: Selbstkompetenz, Lebensbalance, Lernkompetenz und Reifung. Abschließend sollte bei der didaktischen Konzeption von Lernsituationen im Setting Gesundheitszentrum darauf geachtet werden, dass mit Autopoiesis/Autopoiese ein Prozess der ständig neuen Selbsterschaffung und -erhaltung gemeint ist, der von Erfahrungslernen in diesen Bildungsverortungen entscheidend geprägt werden kann. Praxisbeispiel Impulse für die Praxis konstruktivistischer Didaktik vermag der Sport- und Bewegungsunterricht mit Blinden und Sehbehinderten zu geben (Giese 2010). Hier finden sich die wesentlichen Elemente wieder, die zu einem intensiven Erlebnis im Kontext von Erfahrungslernen ermöglichen. Aufgrund vorhandener Handicaps ergeben sich weitere Folgebarrieren, die den besonders achtsamen und sensiblen Umgang mit dieser und anderen Gehandicapten-Gruppen erfordern. So verfügen einige Gesundheitszentren mit Hotelstandards mittlerweile über duftintensive „Gärten für alle Sinne“ (Sulzberger 2008), die barrierefrei begeh-

4.3 Gesundheitszentren als informelle Bildungssettings

131

und befahrbar sind. In das Gesamtkonzept eines Gesundheitszentrums ist beispielsweise die Gartenanlage der Klinik Holthausen bei Hattingen eingebunden (vgl. Niepel und Emmrich 2005). Diese Ausführungen indizieren zum einen, dass keineswegs ausschließlich medizinische Kompetenz gefordert ist, wie dies im einführenden Zitat des deutschen Wirtschaftsministeriums zum Ausdruck gebracht wird. Über didaktische Kompetenz zu verfügen impliziert zudem die systematische Evaluation von Bildungsprozessen und Lernsituationen. Es wurden bereits mehrere Konstrukte zur Messung von Gesundheitskompetenz vorgelegt (u.a. Pelikan et al. 2011, Lenartz 2011). Deren Vereinheitlichung bedarf eines noch ausstehenden Beschlusses von Expertengremien wie der jeweils nationalen Gesellschaft für Public Health. Erst, wenn diesbezüglich einheitliche Standards geschaffen sind, erscheint es sinnvoll, mit zu entwickelnden Lehrplänen und Curricula diskussionswürdige Grundlagen zu erarbeiten, die die flächendeckende Integration des Settings in das Kostenträgersystem von Gesundheit übertragen ermöglichen. Das Inhalts- und Betreiberkonzept des eigenen Forschungsprojektes Refugio schlüsselt sich in insgesamt sieben Modulbereiche auf, aus denen heraus sich die Gesundheitsgäste in gemeinsamer Absprache am Vorabend auf eines von fünf möglichen Modulen einigen. Wer sich für welches Modul entscheidet, bleibt im Regelfall den Gästen überlassen. Im Rahmen einer Eingangsanamnese besprechen die Koordinationstherapeuten ab Eröffnung des Hauses nach einer zweieinhalbtägigen Probephase mit den Gesundheitsgästen. Die Veranstaltungen sind außerhalb der Einführungstage offen, so dass i.S. der Pastiche auch kurzfristige Umorientierungen möglich sein werden. Tipp im www zur Vertiefung  Siebert, Horst, Konstruktivismus – Konsequenzen für Bildungsmanagement und Seminargestaltung. Verfügbar unter: http://www.diebonn.de/esprid/dokumente/doc-1998/siebert98_ 01.pdf, zuletzt abgerufen am: 12.12.2012.  http://www.helios-kliniken.de/klinik/hattingen-klinik-holthausen/ medizin/therapie/gartentherapie.html, zuletzt abgerufen am: 29.01.2013. Tipps in Literaturform  Scheunpflug, Annette, Biologische Grundlagen des Lernens, Berlin 2001.  Giese, Martin (Hrsg.), Sport- und Bewegungsunterricht mit Blinden und Sehbehinderten, Bd. 1, Hohengehren 2010.

4.3.2

Architekturkonzept

Schriftliche und mündliche Befragungen indizieren die Zufriedenheit der Gesundheitsgäste. Dies zu erheben, gehört zu den Marketingstandards gut geführter Resorts. Vielmehr rentiert es sich an dieser Stelle, abermals (siehe Kap. 3.2) an die sog. Fensterstudie des amerikanischen Healthcare-Architekten Roger S. Ulrich zu erinnern. Dieser elaborierte die Wirkung von Gärten und Pflanzen auf Patienten mit Gallenerkrankung während ihres postoperativ-

132

4 Gesundheitstouristische Betriebsentwicklung

stationären Spitalaufenthaltes. Die Ergebnisse waren so eindeutig, dass sie teilweise als „legendär“ eingestuft werden (vgl. u.a. Fischer-Colbrie 2010): Entscheidend auf den Genesungsprozess hat sich bei dieser Langzeitstudie (1972–1981) der Zimmerausblick ausgewirkt. Die Probanden hatten einen Ausblick in den Klinikpark, die Kontrollgruppe auf eine Ziegelmauer. Ulrich fand heraus, dass die Patientinnen und Patienten der Versuchsgruppe „eine wesentlich geringere Dosis an Schmerzmitteln benötigte, diese im Umgang mit dem Personal als durchgehend wesentlich angenehmer beschrieben wurden, es weniger Komplikationen im Heilungsverlauf gab und die postoperative Aufenthaltsdauer deutlich verkürzt wurde“ (Niepel und Emmrich 2005). Untersuchungen von Cooper-Marcus in mehr als 100 Gärten von Krankenhäusern in den USA, England und Kanada führten zu ähnlichen Ergebnissen. Sie kommen zum Schluss, „that is now enough quality research to justify the conclusion that there is suggestive evidence that aspects of the designed environment exert significant effects on clinical outcomes for patients“ (Ulrich 1999). Es ist daher mehr als naheliegend, die Ergebnisse dieser umfangreichen Datenlage beim Umund mehr noch dem Neubau eines Gesundheitszentrums zu integrieren. Um dabei stimulierende und motivierende Erlebnisse im informellen gesundheitstouristischen Bildungssetting didaktisch ermöglichen zu können, sind spezielle Anforderungen an die Innen-, Außen und die Gartenarchitektur von Gesundheitszentren zu stellen. Bei der architektonischen Konzeptionsarbeit sollte die gesundheitspsychologische Ausgangssituation der Gesundheitsgäste daher grundlegend sein. Diese streben konkret „nach sensualer Anregung, Selbstverwirklichung und nach verfeinertem emotionalen Erleben. Verstärkt wird dies durch die Alltagswelt, welche hauptsächlich von rationalisierten und kühlen Arbeitsbedingungen gekennzeichnet ist, die wenig Spiel- und Freiräume für Emotionen, Sinnlichkeit und Ästhetik“ bietet (Brunner-Sperdin 2004) In diesem Zusammenhang nennt Hromas (2008) fünf allgemeine Kennzeichen guter Architektur, die durchaus nicht ausschließlich für Hotelbauten gelten, sondern auch auf Gesundheitszentren mit ihren modernen Anforderungen ausweitbar sind. Demnach ist Architektur „gut“, wenn sie  Funktionalität und Wohlfühlfaktor vereint,  sich als Visitenkarte des Betreiberkonzeptes eignet,  sich von der Architektur anderer Konzepte durch Besonderes und Unerwartetes abhebt,  Lebensstil und Zeitgeist zum Ausdruck bringt,  Lebensqualität für die Beschäftigten bietet und  Werterhaltend i.S. von Revitalisierungsprozessen ist. Wenn man sich die perspektivischen Szenarien abermals vor Augen führt, die auf Gesundheitszentren zukommen können, so stellt sich folgende architektonische Herausforderung: Gesundheitszentren müssen den baulichen Anforderungen von Hotels, Spitälern und Seniorenresidenzen gerecht werden. Abb. 4.14 gibt hierüber Auskunft. Eine weitere Facette verstärkt abermals die Notwendigkeit, Architektur- und Betreiberkonzept hinsichtlich des Umbaus von einem Hotel- oder Klinikbetrieb in ein Gesundheitszentrum bzw. dessen Errichtung genau aufeinander abzustimmen. Der Begriff Gesundheitszentrum ist etablierter und bekannter, als derjenige von Medical Wellness, was an deren urbanen Zweitfunktion als Tagesambulatorium liegt. Gerade für das touristische Setting ist die Unterscheidung von Kliniken und Rehabilitationszentren einerseits und Wellnesshotels andererseits wichtig für die erfolgreiche Etablierung des Settings. Der Architektur eines Gesundheitszentrums kommt zentrale Bedeutung bei dessen Vermarktung bei. Sie:

4.3 Gesundheitszentren als informelle Bildungssettings    

133

vermittelt Impressionen über die Unternehmensphilosophie, trägt entscheidend zum Umsetzung des Betreiberkonzeptes bei, kann das Markenprofil (Branding) fördern und letztlich damit den Markenwert steigern.

Abb. 4.14:

Architektonische Anforderungen an Gesundheitszentren

Aus einem zeitgemäßen unternehmerischen Selbstverständnis heraus und mit Hinblick auf die größer werdende Zielgruppe der LOHAS sollte beim Um-, erst recht beim Neubau eines Gesundheitszentrums auf Energieeffizienz und -suffizienz geachtet werden. In diesem Zusammenhang möchte ich die Begriffe Barrierefreiheit, Green Spa und Ökoprofit einführen. Definition Barrierefreiheit Es sind vor allem Gehgehandicapte, Rollstuhlfahrer und Blinde, auf die nicht Betroffene in der Öffentlichkeit aufmerksam werden. Die Gruppen, welche einer barrierefreien Architekturplanung bedürfen, sind jedoch ungleich größer. Hierzu gehören u.a.: Gehörlose, schwerhörige und ertaubte Personen, Personen mit Sprach- oder Sprechstörungen, Personen mit Gleichgewichtsstörungen, Analphabeten, Kleinund großwüchsige Personen, greifbehinderte Personen, Ältere und Hochbetagte, geistig und lernbehinderte Personen, psychisch und seelisch Behinderte, chronisch Erkrankte, kleine Kinder, werdende Mütter, Personen mit Kinderwagen, Adipöse, Personen mit vorübergehenden Unfallfolgen und Personen mit postoperativen Folgen. Hieran wird deutlich: Barrierefreiheit richtet sich als Architekturkonzept nicht nur an eine touristische Nischenzielgruppe. Das Nachfra-

134

4 Gesundheitstouristische Betriebsentwicklung gepotenzial wird sich bis zum Jahr 2030 auf 30–35 % erhöhen der Europabürger erhöhen (ADAC 2013). Die architektonische Kunst besteht darin, die Kriterien der Barrierefreiheit konzeptionell mitzuplanen, ohne dass ein Gesundheitszentrum dann in den zweifelhaften Charme eines Krankenhauses im Baustil der 1960er Jahre verfällt.

Definition Green Spa und Ökoprofit Green Spa zielt auf nachhaltige Betriebsführung in Wellnesshotels und Gesundheitszentren ab. Der Deutsche Wellnessverband (DWV) reagiert mit seiner mehrstufigen Green Spa-Zertifizierung auf einen aktuell generell wichtigen gesellschaftspolitischen Trend zu Gesundheits- und Umweltbewusstsein (vgl. Soyez, Thielow und Gurtner 2012). Im Zusammenhang ist eine weitere Zertifizierung zu nennen, die gerade auch für die zyklische Revitalisierung von Bestandsimmobilien interessant ist. Hierbei handelt es sich um eine weitere Zertifizierung, zu der meistens architektonische Umbauten notwendig sind: Die Rede ist von ÖKOPROFIT. Anfangs der 1990er Jahre war dies eine Kooperative der TU Graz und der Stadtgemeinde Graz, die sich das Ziel setzte, natürliche Ressourcen effizient, effektiv und suffizient einzusetzen, dies bei gleichzeitiger Senkung der Betriebskosten. Noch heute streben zuerst Kommunen die Zertifizierung an, daran anschließend folgen die Einzelbetriebe. Es ist jedoch auch Einzelbetrieben möglich, eine Zertifizierung anzustreben. Eine lediglich stichprobenartige Analyse des gesundheitstouristischen Anbietermarktes zeigt jedoch, dass die Kombination der Merkmale Barrierefreiheit und nachhaltiges Wirtschaften sehr selten der Fall ist, der zertifizierte Nachweis noch seltener. An dieser Stelle soll nochmals akzentuiert werden, dass Zertifikate nicht generell befürwortet werden sollten. Allzu oft geht es den Anbietern um lukrative Einkünfte. Sie sind dann als sinnvoll zu erachten, wenn sie prozessual i.S. von kontinuierlicher Verbesserung aufgebaut sind. Das erkennt man daran, dass die Maßstäbe für eine Baseline nicht zu hoch sind, sie jedoch konsequent zur Erarbeitung von für den Beherbergungsbetrieb realistischen Meilensteinen auffordern. Praxisbeispiel Das ****Hotel Alte Dorfschule im thüringischen Berlingerode kann als Beispiel für einen generationenübergreifenden, barrierefreien und ökologisch operierenden Beherbergungsbetrieb recherchiert werden. Von der medizinischen Seite her hat sich das Haus umfangreich auf das Naturheilverfahren Remedja fokussiert. Hervorgehoben wird hierbei, dass das hauseigene Angebotsportfolio mit schulmedizinischen Interventionen kombinierbar ist. Nicht nur das Haus entspricht den umfangreichen Auflagen des barrierefreien Bauens (siehe Tipps im www. zur Vertiefung), sondern auch das Angebot für Freizeit, Sport und Kultur. Abschließend soll in gebotener Kürze auf die aktuellen Architekturplanungen des Referenzprojektes Refugio eingegangen werden. Hierbei wurden die Aspekte von Barrierefreiheit,

4.3 Gesundheitszentren als informelle Bildungssettings

135

Green Spa und Ökoprofit von Anbeginn der derzeit laufenden Planungen in das Architekturkonzept eingebunden. Basierend auf den Forschungsergebnissen Ulrichs und Cooper-Marcus wurde für die Horizontalerschließung größtenteils die einschenkelige Variante gewählt. Somit haben nahezu alle Gesundheitsgäste die Möglichkeit, den Sonneneinfluss individuell auf dem Balkon nutzen zu können. Die Gartenarchitektur ist ebenfalls barrierefrei geplant. Die Lage des Grundstücks ist – das ist im hochgebirgigen Nordtirol eher selten – relativ flach und abseits motorisierter Verkehrsströme, so dass sich Gehandicapte zwanglos bewegen können. Tipps im www zur Vertiefung  Das Praxisbeispiel kann unter dem Link http://www.hotel-altedorfschule.de recherchiert werden, zuletzt abgerufen am: 31.01.2013  Umfangreiche Informationen zu barrierefreier Architektur und barrierefreiem Tourismus: http://www.behindertenbeauftragteoal.de/fileadmin/redakteur1/Planungshilfe-Barrierefreier_Tourismus _komplett_ADAC_pdf, zuletzt abgerufen am: 31.01.2013. Tipps in Literaturform  Romeiß-Stracke, Felizitas, TourismusArchitektur – Baukultur als Erfolgsfaktor, Berlin 2008.  Brunner-Sperdin, Alexandra, Qualität als Erlebnis, in: Weiermair, Klaus und Pikkemaat, Birgit (Hrsg.), Qualitätszeichen im Tourismus, Berlin 2008.

4.3.3

Exemplarische Finanzierungsstrategie III

Architektur und Betreiberkonzept in gehobenen Standards erfordert logischerweise ein höheres Investitionskapital, als dies bei Um- oder Neubauten sowie dem Betrieb herkömmlicher Betriebe der Fall ist. Die Investitionen scheinen sich jedoch zu lohnen: „Für 88 % der befragten Betreiber/Eigentümer gut gebauter Tourismusbetriebe hat sich die Investition in anspruchsvolle Architektur insgesamt rentiert: 51 % der Befragten geben an, dass ihre wirtschaftlichen Kennzahlen nach architektonisch aufwendigen Umbaumaßnahmen über dem Durchschnitt liegen, die Steigerung ökonomisch relevanter Erfolgskennzahlen liegt dabei bei ca. 25 %“ (Hromas 2008). Dieses – vergleichsweise noch relativ einfache – Szenario betrifft in erster Linie Bestandsimmobilien und deren zyklische Investitionen in die Revitalisierung und/oder Routineinnovationen. Möglichkeiten und Investitionsobergrenzen orientieren sich hierbei an Umsatz- und Ertragsgrößen sowie an den vorhandenen Eigenkapitalreserven. Weitaus schwieriger gestaltet sich die Situation bei der Finanzierungsaufstellung von geplanten Beherbergungsbetrieben, das gilt auch für Gesundheitszentren. Entscheidenden Einfluss haben hierauf das Platzen der Immobilienblase in den Jahren 2008/2009, die eine weltweite Rezession zur Folge hatte, sowie die ohnehin große Konkurrenz im Tourismussegment. Die größten Chancen auf eine Fremdfinanzierung haben erfolgreiche und etablierte Hotel- und Klinikketten im Rahmen von Verbesserungs- und Routineinnovationen. Das Restrisiko ist bei Kooperationspartnern wie Asklepios, Helios, der Vamed vergleichsweise deutlich geringer, als bei Einzelansuchen von Projektinitiatoren mit einer Basisinnovation. Zu dieser Gruppe gehört das Refugio-Konzept. Die anfängliche Strategie, mit Partnern aus der Industrie Allotment-

136

4 Gesundheitstouristische Betriebsentwicklung

verträge abzuschließen, scheiterte an einem allgemein gültigen Phänomen. Bei derlei Kontrakten werden Zimmer während einer vertraglich definierten Zeitspanne durch den Leistungsnehmer verbindlich vom Betreiber eines Beherbergungsbetriebes gebucht. Im Setting Rehabilitation ist dies zum Beispiel der Fall, da Krankenkassen mit Kliniken und Rehabilitationszentren häufig via Allotmentvertrag kooperieren. Leistungsnehmern bietet sich der Vorteil von lukrativen Skonti und Rabatten, den Leistungserbringern eine gesicherte Umsatzgröße. Was bei Routine- und Verbesserungsinnovationen grundsätzlich und tendenziell möglich ist, stellt sich aufgrund der seit den Jahren 2008/2009 abermals verschärften Finanzierungssituation für geplante Gesundheitszentren in Kombination mit Basisinnovationen als nahezu unmöglich dar. Parallel zu Versicherungsgesellschaften wären privatwirtschaftliche Unternehmen im Rahmen ihrer Betrieblichen Gesundheitsförderung bzw. ihres -managements als potenzielle Partner für Allotmentverträge zu nennen. Hier stellt sich jedoch insbes. seit mehreren handfesten Skandalen von Konzernspitzen internationaler Unternehmen die sog. Compliance-Problematik ein. Im Zusammenhang bedeutet der Verstoß gegen die ComplianceRegeln die Verhängung von Bußgeldern, Gewinnabschöpfungen oder sogar eine strafrechtliche Verfolgung. Für Projektinitiatoren von Basisinnovation bedeutet dies, dass das Konzept einer Erprobung Stand halten muss, die Unternehmen durch die Beschickung von Probegruppen umsetzen. Da das jedoch erst nach Fertigstellung des Gesundheitszentrums/Beherbergungsbetriebes erfolgen kann, entfällt auch diese lediglich theoretische Variante der Eigenkapitaldarstellung im Fall von Basisinnovationen.

Abb. 4.15:

Strukturelemente eines Geschäftsplans

Letzten Endes bleibt in dem Fall häufig die Variante eines Immobilienfonds. Diese verfügen über ausreichende Potenziale, um Beherbergungsimmobilien im mittleren zweistelligen Mil-

4.3 Gesundheitszentren als informelle Bildungssettings

137

lionenbereich finanzieren zu können. Doch auch diese Option hat lediglich eine kleine Realisierungschance – zumindest für Projekte in naturnaher Umgebung. Deutlich besser stehen die Möglichkeiten für urban gelegene Gesundheitszentren, die sich in möglichst großen Städten befinden. Die Anzahl von Immobilienfonds, die Hotels, Gesundheitszentren und Gastronomiebetriebe in ihrem Angebotsportfolio führen, ist aufgrund der branchenbezogenen Risiken sehr begrenzt (vgl. Hitzler 2008). Die Grundlagen einer Projektvollfinanzierung müssen über Informationen verfügen, die in Abb. 4.15 dargestellt sind. Diese Informationen ergänzen die Informationen der Abb. 4.11 im Kap. 4.2.3. Die allgemein schwierige Finanzierungssituation für (medizinische) Basisinnovationen mit schwachem Eigenkapitalhintergrund trifft vor allem private Projektinitiatoren, die zum Beispiel auf Basis eines universitären Hintergrundes über eine Basisinnovation verfügen. Wie bereits am komplizierten Beispiel der Wohnungseigentümergesellschaft dargestellt, suchen Projektinitiatoren nach Erstkontakten zu den regionalen Flächenbanken i.d.R. später nach Eigenkapitalalternativen, um eine Gesamtfinanzierung aufstellen zu können. Einer Schätzung der Wirtschaftsprüfungskanzlei Ernest & Young zur Folge greifen mittlerweile „rund zwei Drittel der Unternehmen zusätzlich zum klassischen Bankkredit auf Produkte wie Beteiligungskapital (engl. Private Equity, PE oder MezzanineFinanzierungen zurück (u.a. Hitzler 2008). Hierbei handelt es sich um Mischformen von Eigen- und Fremdkapital. Praxisbeispiel Das *****SGrand Spa Resort A-Rosa auf Sylt wurde von der Deutschen Immobilien AG als klassischer Immobilienfonds finanziert. Allgemeine Argumente, die aus Sicht eines der wenigen Kapitalgeber für ein Investment in der gesundheitstouristischen Branche sind, lagen auch beim genannten Fallbeispiel vor:  Toplage in einer deutschen Metropolregion,  Hochwertige und umwelteffiziente Bauweise,  Langfristige Mietverträge (25 Jahre),  Solvente Betreiber und  Doppelter Inflationsschutz. Das Betreibermodell konnte vor allem plausibilisieren, über ein nischenartiges Nebensaisonkonzept zu verfügen, das potenziell in der Lage war, die ansonsten ausgeprägte Saisonalität entscheidend abzuschwächen. Die Nord- und Ostseeinseln unterliegen genauso, wie die alpinen Destinationen extremeren Saisoneffekten, als dies in anderen Regionen der Fall ist. Weitere Argumente, die zur Auflage des Fonds führten, waren die Größe des Spa-Bereichs, die Hotelküche und die Konkurrenzsituation im *****SSegment auf der Insel. Potenziellen Fondsinvestoren bot das Unternehmen jährliche Dividenden in Höhe von anfangs 6,00 %, später 7,00 % und einen Gesamtmittelrückfluss von ca. 165,00 % nach Steuern. Ähnlich der Wohneigentümergemeinschaft bleibt auch bei dieser Finanzierungsvariante zu erwähnen, dass es vergleichsweise erheblicher Anstrengungen des Betreibers im Alltagsbetrieb bedarf, um die benötigte Umsatzvorgaben über einen langen Zeitraum (in diesem Fall 25 Jahre) zu erfüllen.

138

4 Gesundheitstouristische Betriebsentwicklung Tipp im www zur Vertiefung  Link der Deutschen Immobilien AG http://www.di-invest/ fondsklassischimmobilie.html. erhalten Sie exemplarisch Informationen zu Hotelimmobilienfonds. Dort werden Sie bei Interesse zu ähnlichen Projekten weitergeleitet (zuletzt abgerufen am 31.01.2013). Tipps in Literaturform  Schumacher, Christoph, Pfeffer, Tobias und Bäumer, Hubertus, Praxishandbuch Immobilien-Fondsmanagement und -investment, Köln 2011.  Trübestein, Michael (Hrsg.), Praxishandbuch Immobilieninvestments – Anlagevehikel, Märkte, Strategien in Deutschland und Österreich, 1. Aufl., Wiesbaden 2012.

4.3.4

Zielgruppen und Marketing

Zielgruppengerechtes Marketing im Setting der Gesundheitszentren wird sich auf zwei Schwerpunkte fokussieren: die Medizin- und die Kommunikationstechnik. Dies erfordern allein schon die demografischen und epidemiologischen Szenarien bezüglich der gesundheitlichen Sicherheit während des Aufenthalts im Setting. Das betrifft vor allem die Interventionsform Bewegung im zunehmend untrainierten Zustand älterer bzw. kranker Menschen. Gesundheitstouristisches Marketing sollte sich daher bereits vom Marketing für Wellnessresorts unterscheiden, indem Sicherheit und die fakultativ nutzbare engmaschige Informationsweitergabe von aktuellen Daten weitergeleitet wird. Dies betrifft vor allem Akuterkrankungen wie Apoplex (Schlaganfall), Myokardinfarkt (Herzinfarkt) oder auch die im Alter deutlich zunehmenden Frakturen (v.a. Schenkelhalsfrakturen). Neben der individuell sehr unterschiedlichen Spezialisierung von Gesundheitszentren sollte der Marketingmix grundsätzlich über zwei Spezifika dieses Settings informieren:  Ggf. über die eingesetzte Medizintechnologie und die davon abgeleiteten vereinfachten Geräte, die während des Aufenthaltes im Gesundheitszentrum zum Einsatz kommen und über die  Kommunikationstechnologie, mit der das Gesundheitszentrum agiert. Hierzu gehören beispielsweise Smartphone-Applikationen (Apps) genauso, wie Indikationsorientierte Web2.0-Portale und Web-basierte Gesundheitsberatungen nach Abschluss des Aufenthaltes im Setting. Praxisbeispiel Die Firma Fonium aus Bonn hat ein multifunktionales Seniorenprodukt namens Butler entwickelt, das bereits vielfach ausgezeichnet wurde. Mit diesem Healthcare-System ist u.a. jederzeit die Ortung von Personen möglich (auch außerhalb von Telefonnetzen). Besonders interessant ist an diesem Gerät, dass es sich bei Stürzen automatisch auslöst. Es ermöglicht daher sturzgefährdeten Personen, sich außerhalb von Häusern wie Gesundheitszentren angstfrei zu bewegen. Dadurch ist es auch Gehandicapten möglich, an den

4.3 Gesundheitszentren als informelle Bildungssettings

139

naturnahen gesundheitstouristischen Gesamtkonzepten selbständig zu partizipieren. Selbstverständlich kann das Gerät auch durch den Benutzer ausgelöst werden, wenn ein anderweitiger Notfall vorliegt. Während das Setting Wellness aktuell noch mit zentralen Marketingstrategie der WellnessStufe I mit Schlagworten wie Wohlfühlen, Attraktivität, Fitness wirbt, fokussieren Gesundheitszentren die Leistungsfähigkeit von Gesundheitsgästen. Im Gegensatz zu Rehabilitationszentren und Kliniken steht hierbei nicht Restitution i.S. von curare im Vordergrund, sondern die mit der Wellness-Stufe II verbundenen Substantive wie Gesundheitskompetenz, gesteigerte Selbstkompetenz, Lebensbalance, Lernkompetenz und Reifung. Marketingstrategien sollten sich je nach Ausrichtung des Gesundheitszentrums auf die sechs Regelkreise der Gesundheitsbildung beziehen, welche vom Bad Mergentheimer Institut für Gesundheitsbildung entwickelt wurden. Zu dem Verein gehörten übrigens namhafte Heidelberger Mediziner wie Vescovi, Schipperges und Wagner. Die Regelkreise verdeutlichen abermals den Unterschied zu Wellnesszielen (vg. Berg 2008) und bilden die Grundlage des Marketings von Gesundheitszentren:  Gestaltung des Lebensraumes,  Ernährung,  Ordnung des Alltags,  Balance von Anspannung und Entspannung und  Körperkultur und Gefühlsleben (vgl. Pusch und Biendarra 2006). Aufgrund dieser Regelkreise und weiterer Vorinformationen erfolgt nun eine vertiefende Analyse der beiden Zielgruppen von perspektivisch vermutlich höchster Relevanz. Kooperationen mit privatwirtschaftlichen, öffentlichen und staatlichen Institutionen werden häufig als Zukunftsmarkt im Kontext von Wellness bewertet (u.a. Berg 2008). Anbieter dieses weitgehend auf Individualität ausgerichteten Settings dürften sich jedoch absehbar weiterhin schwer damit tun, vorhandene Urlaubsimages von Wellness loszulösen. Gesundheitszentren im naturnahen Setting haben aufgrund ihrer Inhaltskonzepte v.a. dann eine deutlich bessere Chance auf Kooperationen, wenn alle Gesundheitsgäste aktiv an den Angeboten teilnehmen. Daher ist es umso wichtiger, das Marketing eines Gesundheitszentrums auf den Fokus eines informellen Bildungsortes zu richten. Förderlich ist zum einen, dass die Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) sich während der vergangenen Dekade in größeren Institutionen als relativ autonome Komponente der Unternehmensführung etablieren konnte (Badura et al. 2010, Schneider 2011, Froböse et al. 2008, Uhle und Treier 2011). Das Projekt mit der gleichnamigen Publikation KMU-vital (vgl. Bauer und Schmid 2008) referenziert, dass sich die Gesundheitsförderung mittlerweile auch in kleineren und mittelständischen Unternehmen etabliert. Gesundheitszentren wie das eigene Fallbeispiel Refugio fokussieren diese Zielgruppen. Basierend auf den oben erwähnten Regelkreisen kann das Zielgruppenmarketing weitere allgemeine Details bieten:  Steigerung der Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber mit der Zielgruppe junger Top-Nachwuchskräfte,  Erhöhte Wertschöpfung durch motivierte und gesündere Arbeitnehmer durch geringere Fehlzeiten und erhöhte Arbeitsplatzzufriedenheit,  Betriebliche Gesundheitsförderung wird zu einem inkulturierten System mit attraktivem Höhepunkt im touristischen Setting,

140

4 Gesundheitstouristische Betriebsentwicklung

 Mitarbeiter antizipieren an der Leadership-Aufgabe betrieblicher Gesundheitsförderung,  auf die Demografieverschiebung der Belegschaft wird pro-aktiv gehandelt Diese Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sie indiziert lediglich, dass die Zielgruppenspezifizierung notwendig ist. Wesentlich ist bei dieser Zielgruppe die Erfolgsmessung, die sowieso Bestandteil didaktischer Planungen ist. Zwar sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in dieser Zielgruppe häufig erste Ansprechpartner im Rahmen eines mehrstufigen Marketingprozesses. Zumeist werden jedoch Kranken- und Unfallversicherungen in die Kooperationsgespräche eingebunden. Eine potenzielle zweite Hauptzielgruppe kristallisiert sich derzeit unter der Bezeichnung „LOHAS“ heraus. Definition LOHAS Die englische Abkürzung LOHAS steht für Personen, die einen gesundheitsorientierten und zugleich nachhaltigen Lebensstil führen (engl.: Lifestyle Of Health And Sustainability). Wie die Anti-Konsumisten (1980er Jahre) und die Yuppies (1990er Jahre) Trendsetter ihrer Jahrzehnte waren, so sind es aktuell die LOHAS mit ihren Konsumgepflogenheiten. Schlagworte hierfür sind Bio-Boom, ökologischer Fußabdruck, fair trade und im vorliegenden Kontext v.a. Green Spa. LOHAS geht es darum, ein Optimum an Genuss und Lebensqualität bei Zugrundelegung ethischer und nachhaltiger Prinzipien zu realisieren. Die Förderung der eigenen Gesundheit und Prävention stehen hierbei im Vordergrund. Mert (2010) hat im Rahmen einer nicht-experimentellen Anordnung erste Indizien für eine Untergruppe von LOHAS gefunden, die möglicherweise als Genuss-LOHAS bezeichnet werden könnten. Die Affinität der Leitmotive zur Wellness-Stufe I liegt hierbei auf der Hand, wenn sich der Aufenthalt in einem Resort idealerweise mit einem Zertifikat wie Green Spa kombinieren lässt. Diese Kategorisierung bedarf jedoch noch weiterer empirischer Evidenzen. Nielsen und Karmakonsum (2008) identifizierten eine zweite Gruppe relevanter LOHAS, die sie als Reife-LOHAS bezeichnen. In ihren Ergebnissen kommt diese Gruppe zum Ergebnis, dass diese Gruppe deutlich weniger preissensibel, dafür jedoch dementsprechend markenbewusster ist (vgl. Soyez, Thielow und Gurtner 2012). Diese Ergebnisse sowie diejenigen, diejenigen der Tab. 4.7 ergänzen im Wesentlichen die Unterscheidung Illings bezüglich der Wellness- und Medical Wellnessgäste. Tab. 4.7:

Eigenschaften der LOHAS (Soyez, Thielow und Gurtner 2012)

Eigenschaften der LOHAS - postmateriell und naturbezogen - Selfness/Wellness - spirituell - moralischer Hedonismus - medienkritisch - kulturinteressiert - Informationsorientiert

Was LOHAS wollen - Qualität statt Discount - Spiritualität statt Glauben - Partizipation statt Repräsentation - Werte statt Ironie - Authentizität statt Spaßgesellschaft

4.3 Gesundheitszentren als informelle Bildungssettings

141

Herauszuarbeiten bleibt daher noch der Zusammenhang zwischen LOHAS und Gesundheitszentren. LOHAS haben gemeinhin eine hohe Technikaffinität, die in Gesundheitszentren deutlich präsenter ist als in Wellnessresorts. Ein oftmals reichhaltiges Angebot an teils mobiler Medizintechnik hilft bei der Visualisierung der eigenen Leistungen, was dieser anthropozentrischen Lebensphilosophie entgegenkommt. Qualität definiert diese Zielgruppe über Partizipation. Gesundheit steht hierbei als Leitmotiv von Bildungsprozessen, die auf der Wellness-Stufe II lokalisiert werden können. LOHAS treten ihren Aufenthalt in einem Gesundheitszentrum mit dem Anspruch auf, Gesundheit erleben und erfahren zu wollen, um Authentizität und Werte aufzubauen. Um diese Zielgruppe zu erreichen, ist es hilfreich, Gesprächsgruppen, Web2.0-Plattformen usw. aufzubauen und zu unterhalten. Im allgemeinen Teil dieses Unterkapitels wurde mit Tagungs-, Hochbetagten und Gehandicaptentourismus drei weitere Marktsegmente identifiziert, für die Gesundheitszentren eine adäquate und lukrative Beherbergungsvariante darstellen. Sozialverbände wie der deutsche VdK und/oder der österreichische ÖZiV weisen bezüglich der Zielgruppen Hochbetagte und Gehandicapte darauf hin, dass diese keinesfalls ghettoisierte Beherbergungen wünschen. Sie fühlen sich, zumindest solange sie mobil und reisefähig sind, als antizipierender und partizipierender Teil der Gesellschaft, der im Setting ähnliche gesundheitliche Reisemotive befriedigt, wie Gesunde. Es erscheint daher fragwürdig, das Marketing eines Gesundheitszentrums ausschließlich auf eine dieser Zielgruppen zu bündeln. Tipps im www zur Vertiefung  Den „Leitfaden Prävention“ des Spitzenverbandes der deutschen Gesetzlichen Krankenkassen finden Interessierte unter http://www.gkv-spitzenverband.de/krankenversicherung/praev ention_selbsthilfe_beratung/praevention_und_betriebliche_ges undheitsfoerderung/leitfaden_praevention.jsp, zuletzt abgerufen am: 01.02.2013.  DTV – Deutscher Tourismusverband e.V., Innovativer Gesundheitstourismus in Deutschland, Branchenreport „Medizintechnik und Kommunikationstechnologie“, verfügbar unter: http://www.innovativergesundheitstourismus.de/fileadmin/user _upload/pdf/Branchenreport_Medizintechnik_und_Kommun ikationstechnologie.pdf, zuletzt abgerufen am 29.01.2013 Tipps in Literaturform  Hoffmann, Stefan, Schwarz, Uta, Mai, Robert (Hrsg.), Angewandtes Gesundheitsmarketing, 1. Aufl., Wiesbaden 2012.  Harms, Fred und Gänshirt, Dorothee, Gesundheitsmarketing – Patienten-Empowerment als Kernkompetenz, Stuttgart 2005. Zusammenfassung Gesundheitszentren haben perspektivisch steigende Marktpotenziale. Sie unterscheiden sich von Betreiber- und Architekturkonzepten her deutlich von Wellnessresorts. So fällt u.a. die zeitgemäße scheinbare Omnipräsenz von Medizin- und Kommunikationstechnik auf. Wohl markantester Unterschied zwischen Wellnessresorts

142

4 Gesundheitstouristische Betriebsentwicklung und Gesundheitszentren ist der Anspruch letzterer, dass alle Gesundheitsgäste aktiv an den Angeboten des Hauses teilnehmen sollten. Hierin liegt eine besondere Chance für das Gesundheitssystem und deren Bestrebungen nach mehr Gesundheitskompetenz und Gesundheitsbildung. Übung Die weitere Etablierung dieses Settings erscheint nicht nur sinnvoll, sondern auch notwendig. Wie könnte dies geschehen? Bei welchen Institutionen sollten Meinungsbildungsprozesse forciert werden? Welche Argumente helfen als Vorbereitung für diesen Prozess?

5

Gesundheitstouristische Destinationsentwicklung

Bereits im Jahre 1977 wurden auf der Konferenz von Jakarta „Health for all“ basierend auf umfassenden globalen epidemiologischen und demografischen Erhebungen Probleme benannt, die generell direkten Einfluss auf die Entwicklung der Gemeinden als kommunale Settings haben:  Zunehmende Verstädterung,  Generelles Anwachsen der Bevölkerung bei wachsender Altersdemografie,  Hohe Prävalenz chronischer Krankheiten bei zunehmend jüngerem „Karrierebeginn“,  Zunehmender Mangel an körperlicher Aktivität,  Zunahme des Drogenmissbrauchs,  Zunahme an Gewalt (sowohl im familiären Kontext, als auch im öffentlichen und zwischenstaatlichen Raum),  Neue, wiederauftretende Infektionskrankheiten und  Klimatische Änderungen mit einer wachsenden Zahl von Katastrophen (vgl. u.a. Naidoo und Wills 2010). An der Nordseeküste oder in alpinen Hochlagen situierte gesundheitstouristische Gemeinden sind von diesen Szenarien stärker bedroht, als Regionen in moderateren Lagen. Praxisbeispiele Die alpinen Destinationen sind stark vom Tourismus, speziell dem Wintertourismus abhängig. Daher ist bei der zukünftigen kommunalund regionalstrategischen Ausrichtung der klimatischen Entwicklung besondere Bedeutung beizumessen. So gilt es beispielsweise zu beachten, dass der globale Temperaturanstieg zwischen 1860 und 2010 0,75 °C betrug, derjenige in Österreich jedoch 1,8 °C. Während allein bis 2050 für Österreich ein weiterer rasanter Anstieg der Jahrestemperaturen im Mittelwert um 2 bis 2,5 °C erwartet wird, liegen die Prognosen für die Regionen entlang des Alpenhauptkamms noch höher. Auch die demografischen Szenarien gilt es nicht nur hinsichtlich der touristischen Personalsituation zu beachten, sondern auch bezogen auf die Sozialstruktur, die gemeindebauliche Entwicklung usw.: Allein bis zum Jahr 2030 wird sich die Zahl der dann 65 Jährigen verdoppelt haben, die Zahl der sog. Hochbetagten sogar vervierfacht (Amt der Tiroler Landesregierung 2012a). Auch diesbezüglich gilt es nach innovativen, Generationen integrierenden sozialpolitischen Lösungen zu suchen. Im Rahmen der regional-kommunalen Entwicklungsaufgabe Gesundheit, die gerade für gesundheitstouristische Destinationen relevant sein sollte, sind auf strategischer Ebene daher zwei

144

5 Gesundheitstouristische Destinationsentwicklung

Meilensteine hervorzuheben. Zum einen handelt es sich um den Bericht Unsere gemeinsame Zukunft der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung aus dem Jahr 1987 Hierin unterstrich die sog. Brundtland-Kommission die Notwendigkeit von Nachhaltigkeit: „Dauerhafte Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können. (…) Dementsprechend müssen die Ziele wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung im Hinblick auf die Dauerhaftigkeit definiert werden“ (Brundtland-Kommission 1987). Wenn dies stets beachtet würde, so könnten tourismuskritische Fragen aus ethischer Perspektive vermieden werden, die beispielsweise den weitgehend unreflektierten, kompensierenden Einsatz von Schneekanonen in schneearmen Wintern in den Skigebieten betrifft, oder die bereits besprochene Verklappung von Restarzneien und Verbandmaterial in Fern-Ost. Dennoch regten der vorgelegte Bericht der Brundtland-Kommission und eine Vielzahl von seither durchgeführten Umweltkonferenzen und -gipfeln zu Änderungen an, die seither direkte – positive – Auswirkungen auf die Städte und Gemeinden haben. Derlei Prozesse auf kommunaler Ebene werden mittlerweile mit einem Terminus verbunden, der im ersten Teilabschnitt dieses Kapitels thematisiert wird: Definition Nachhaltigkeit Nachhaltigkeit impliziert die Realisierung „gleichzeitiger, gleichberechtigter und abgestimmter Umsetzung von sozialen, wirtschaftlichen und umweltbezogenen Zielen und erfordert zudem die Schonung der Substanz und die Erhaltung der Regenerationsfähigkeit der natürlichen Ressourcen. Nachhaltigkeit ist ergo keine einseitig ökologisch ausgerichtete Konzeption, sondern hat den Anspruch, alle „Lebensbezüge“ in ihrer Vernetzung und Zukunftswirkung zu berücksichtigen.“ (Amt der Tiroler Landesregierung 2012a)

Abb. 5.1:

Das Nachhaltigkeitshaus

Touristische Destinationsentwicklung grundsätzlich unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit zu betreiben, ist ein noch nicht allzu etabliertes Ansinnen. Hierauf weist u.a. ein im Jahr 2007 an der Hochschule Bremen durchgeführter Workshop unter dem Titel Bildungs_Lücke Nachhaltig-

5 Gesundheitstouristische Destinationsentwicklung

145

keit im Tourismus in der beruflichen Aus- und Weiterbildung (Stecker 2007) hin. Dieses Kapitel stellt daher einen von bislang wenigen Ansätzen dar, nachhaltige gesundheitstouristische Destinationsentwicklung unter den Prämissen Verhältnis- und Verhaltensprävention aufzuarbeiten. Generell führte auf konzeptioneller Umsetzungsebene der Bericht der BrundtlandKommission u.a. zu einem ersten Meilenstein, der Agenda 21. Im vorliegenden Kontext leiten sich davon die Gesundheitsagenda 21 und die Agenda 21 der Reise- und Tourismusindustrie ab. Auf kommunaler Ebene gibt es eine überschaubare Anzahl an lokalen Agenda-21Gemeinden, die die Umsetzungspolitik nach Zertifizierungsrichtlinien umsetzen; gesundheitstouristische Destinationen gehören meinen eigenen Beobachtungen zur Folge eher zu selten dazu. Als zweiter Meilenstein ist parallel zu Unsere gemeinsame Zukunft die sog. Ottawa-Charta der Weltgesundheitsorganisation (1986) zu nennen, die vor allem in den Gesundheitswissenschaften, der Gesundheitsförderung und Prävention, etabliert ist. Diese fokussiert den allgemeiner formulierten Text der Brundtland-Kommission auf die zukünftigen Aufgaben und Herausforderungen der Gesundheitsförderung:  Schaffung gesundheitsförderlicher Lebenswelten,  Stärkung und Unterstützung gesundheitsbezogener Gemeinschaftsaktionen,  Entwicklung einer gesundheitsfördernden Gesamtpolitik,  Entwicklung persönlicher Kompetenzen und  Gesundheitsdienste neu orientieren Die antizipierenden Leserinnen und Leser werden bereits bemerkt haben, dass diese fünf Punkte den Überschriften des zweiten Teilkapitels gleichen. In der Tat stellen sie die Bezugspunkte für den Bogen zwischen Gesundheitstourismus, Destinationsentwicklung und kommunaler Gesundheitsförderung dar. Um einen Konsens zwischen dem Bericht der Brundtland-Kommission Unsere gemeinsame Zukunft und der Ottawa-Charta herzustellen, soll an dieser Stelle abermals die Verbindung von Lebensstil (Verhalten) und Umwelt (Verhältnisse), die Humanökologie, akzentuiert werden. Bezüglich der strategisch-operativen Umsetzung der Ottawa-Charta sind vor allem die vier österreichischen Bundesländer Steiermark, Nieder- und Oberösterreich und Kärnten hervorzuheben, die sich teils seit vielen Jahren durch Gesunde Gemeinde-Projekte positiv hervortun. Auf Gesundheitsförderung und Prävention bezogen kann festgestellt werden, dass sich gerade gesundheitstouristische Gemeinden/Destinationen als kommunales Setting i.S. der Ottawa-Charta entwickeln sollten. Denn die Gemeinde wird gelegentlich sogar als „Mutter aller Settings“ bezeichnet (GOEG 2012), was folgende Ursache hat: „Hier werden Regelungen umgesetzt (z.B. im Bereich der Bau- und Raumordnung) – hier werden Infrastruktur und Einrichtungen der Daseinsvorsorge bereitgestellt (z.B. Alterswohnheime, Nahversorgung) – hier werden „öffentliche“ Lebens- und Erholungsräume geschaffen und gestaltet. Hier entwickelt sich auch die Wirtschaft und durch Vereinswesen und ehrenamtliche Tätigkeit wird der gesellschaftliche Zusammenhang gestärkt. Hier werden unterschiedliche (individuelle und gemeinschaftliche) Lebensweisen gelebt und miteinander in Einklang gebracht“ (Amt der Tiroler Landesregierung 2012b). Gesundheitstouristische Destinationsentwicklung hat somit im kommunalen Setting seine Gesamtentwicklungsaufgabe. Bei der Umsetzung von Gesundheitsleitbildern und -zielen scheint es jedoch aktuell hinsichtlich der Umsetzung so zu sein, dass die in gesundheitstouristischen Gemeinden tätigen Personen offensichtlich kaum gesundheitsbewusster handeln, als dies in anderen kommunalen Settings der Fall ist: „Fehlerhafte Ernährung und Bewegungsmangel korrespondieren mit gestressten Tagesabläufen,

146

5 Gesundheitstouristische Destinationsentwicklung

was eigenen Beobachtungen zur Folge in Tourismusdestinationen verstärkt in touristischen Hauptsaisonen auftritt. Lebensstil bedingte Interventionen sind daher von zunehmender Bedeutung – und zwar, bevor eine ICD-relevante Indikation besteht. Dies hat eine besondere Relevanz für handelnde Akteure in Tourismusregionen“ (Cassens 2012b). Neben gesundheitlichen Folgen gilt es im Rahmen von sozialpolitischen Entwicklungsaufgaben gesundheitstouristischer Gemeinden daher wohl, Maßnahmen im bestehenden Netzwerk zu forcieren, die zu einer erhöhten individuellen Gesundheitskompetenz hier handelnder Akteure führen. Im vorliegenden Gesamtzusammenhang akzentuiert v.a. Trojan (2009), dass Veränderungen in Richtung Nachhaltigkeit als systemische Veränderungen angelegt sein müssen und somit den Status von Projekten überschreiten sollten. Spazier und Jachs (2011) kritisieren zudem an den bereits erwähnten Gesunde-Gemeinde-Aktivitäten am Beispiel Oberösterreichs vor allem, dass diese primär Projekt- und Eventcharakter haben, sie jedoch kaum dahingehend angelegt sind, das individuelle Verhalten der Teilnehmenden tatsächlich verändern. In diesem Kapitel Das Kapitel „Gesundheitstouristische Destinationsentwicklung“ gliedert sich in drei Unterkapitel auf. Im ersten Teilabschnitt werden unter dem Begriff Lokale Agenda 21 (LA 21) primär kommunale Handlungsmöglichkeiten reflektiert, die einen Beitrag dazu leisten können, eine Gemeinde als gesundheitstouristische Destination zu entwickeln. Ein solcher Prozess kann nur unter Einbeziehung der hier ansässigen Wohnbevölkerung geschehen. Es erscheint daher nicht unangemessen, Aktivitätspotenziale der kommunalen Wohnbevölkerung zu integrieren, was die LA 21 akzentuiert. Im zweiten Teilabschnitt werden optionale Zugriffsmöglichkeiten auf der Verhaltensebene reflektiert. Diese ergänzen die Verhältnisprävention als zweite Säule; beide gemeinsam stützen das Konstrukt der subjektiven Lebensqualität und sind somit im Stande, jeweils einen wichtigen Beitrag zu mehr Authentizität in die gesundheitstouristischen Destinationen hinein zu tragen. Im dritten Schwerpunkt dieses Kapitels wird unter Einbeziehung der beiden elementaren Komponenten Verhaltens- und Verhältnisprävention auf den Aspekt des Destinationsmarketings eingegangen. Nachhaltiges Handeln und die Ermöglichung von Authentizität sind hierbei Ausgangspunkt für gesundheitstouristisches Marketing von Gemeinden und Regionen. Lernziele       

Ökologische, ökonomische und soziale Problemfelder der kommunalen Destinationsentwicklung kennen. Identifikation und Spezifikation von Einzelfalllösungen. Optional infrastrukturelle Interventionspotenziale von Gemeinden kennen und diese im Kontext von kommunalem Gesundheitsmanagement unter den Aspekten von Verhältnisprävention einbinden können. Die fünf Handlungsalternativen der Verhaltensprävention kennen und in die Praxis umsetzen können. Marketing als Führungsaufgabe verstehen und interpretieren können Aspekte des strategischen Destinationsmanagements kennen Wesentliche praktische Umsetzungsparameter von Destinationsmarketing kennen

5.1 Verhältnispräventive Entwicklungsaufgaben

5.1

147

Verhältnispräventive Entwicklungsaufgaben

Wurde im vorhergehenden Kapitel die Mikroebene gesundheitstouristischer Betriebe reflektiert, so bewegt sich der Glacier-Express auf dieser Teiletappe in Kommunal- bzw. Destinationsentwicklung. Der Terminus Destination erfasst tourismusspezifisch den Reiseort. Definition Destination „Unter Destination versteht man einen geografischen Raum, oft einen Ort/eine Region, in dem/der alle für den Aufenthalt relevanten Elemente, wie z.B. Landschaft, Fauna, Flora, klimatische Gegebenheiten, kulturhistorische Attraktionen, Unterkunft, Freizeiteinrichtungen und sonstige Infrastruktur vorhanden sind. Sie wird aufgrund der Kombination der Angebotsfaktoren vom Gast als Reiseziel ausgewählt bzw. von Reiseveranstaltern vermarktet. Für die Organisation und Vermarktung der Destination ist in der Regel eine Destinationsmanagementorganisation (DMO) zuständig“ (Gabler Wirtschaftslexikon 2012). Dem ist im vorliegenden Kontext hinzuzufügen, dass dann von einer gesundheitstouristischen Destination ausgegangen werden kann, wenn Image und geschaffene Marke vom Gesundheitsbegriff geprägt sind. Dass diese Abhebung gesundheitstouristischer Destinationen von anderen, durchaus auch touristischen Destinationen indiziert zu sein scheint, belegt u.a. die Vergleichende Kurortanalyse Niedersachsen (2003). Diese kommt mit Fokus des kurtouristischen Settings zu folgendem Fazit: „Um im stark wachsenden gesundheitstouristischen Markt überhaupt wahrgenommen zu werden, müssen Anbieter mit einem klaren Profil erscheinen, vor allem Heilbäder und Kurorte, die ein eher „traditionelles“ Image aufweisen. Zudem verlangen Investitionsvorhaben oder Wirtschaftsförderungen klare Entscheidungsgrundlagen der langfristigen Positionierungsvorhaben und Spezialisierung. Nicht zuletzt stellt sich die Frage, wie Heilbäder und Kurorte auf Destinations- bzw. Landesebene am Markt präsentiert werden müssen, um sich von anderen Bäderdestinationen zu unterscheiden“ (Fontanali und Partale 2003). Diese Erkenntnisse unterstreichen aus der hier vertretener Position heraus die Notwendigkeit, als gesundheitstouristische Destination besonders im Sinne der genannten Agenda 21 und der Ottawa-Charta zu agieren. Die in Abb. 5.2 dargestellten Parameter stellen dabei besondere Herausforderungen für (gesundheits-)touristische Destinationen dar. Nicht von ungefähr steht am Beginn der Prozesse, Lokale Agenda 21 (LA 21)-Gemeinde oder Gesunde Gemeinde werden zu können, ein Gemeinderatsbeschluss. Nur dieser kann diejenigen Schritte auslösen, die zu einer Zertifizierung als eine solche Gemeinde führen kann. In der Folge werden nun wesentliche Aspekte der sog. Raumordnung beschrieben, die in summa zur Veränderung eines „neutralen“ Ortsbildes in die Zielrichtung einer gesundheitstouristischen Destination beitragen können.

148

Abb. 5.2:

5.1.1

5 Gesundheitstouristische Destinationsentwicklung

Die Destination (Gabler Wirtschaftslexikon 2012).

Ortsbild

Der im Kapitel 2 beschriebene touristische Entwicklungsprozess hat eine Vielzahl von Änderungen nach sich gezogen, die die Ortsbilder der Gemeinden stark veränderten. Stichworte wie Kapazitätenerhöhung der Bettenzahlen und Infrastrukturerweiterungen stellten ökonomische Chancen und Notwendigkeiten dar, die in der Vergangenheit häufig zu sehr inhomogenen Ortsbildern führten. Definition Ortsbild Hierunter ist das Erscheinungsbild einer Gemeinde, auch einer Tourismusdestination zu verstehen. Es setzt sich aus der infrastrukturellen Komposition von Gebäuden, Straßen, Gassen, Plätzen, Gärten, Gewerbezonen, Parkanlagen usw. zusammen (Abb. 5.3). Mit dem Ziel, architektonische Wildwüchse wie Verunstaltungen oder uniforme Tourismusghettos zu vermeiden, müssen die Flächenwidmungspläne und der lokale Raumordnungsplan als zentrale Interventions- und Lenkungsmöglichkeit des Gemeinderates ausgewogen und perspektivisch sinnvoll angelegt sein. Der Gemeinderat steht daher in zentraler Verantwortung hinsichtlich der lokalen Siedlungspolitik und der Ausgestaltung des Ortsbildes. Die schweizerische Stiftung Archicultura nennt im Zusammenhang negativer Ortsbilder die Begriffe Verunstaltung und architektonisches Chaos. Unter Verunstaltung ist „nach bundesgerichtlicher Rechtssprechung ein erheblich störender gestalterischer Gegensatz eines Gebäudes zur überlieferten Bauweise der umgebenden Bauten zu verstehen“ (Architektura 2012). Die Homepage zeigt als Bilddokument zu diesem Text ein vielstöckiges phantasieloses Hochhaus, das aus einer ansonsten zwei- bis dreigeschossigen Bebauung eines Mittelgebirgsdorfes herausragt. Jedem der Lesenden werden hierzu sicherlich einige Beispiele von typischen 1960er und 1970er Jahre-Bauten einfallen, die von der Nordsee bis in die Region von Trient als südlicher Grenze des deutschen Sprachraums die Gemeinden seither negativ

5.1 Verhältnispräventive Entwicklungsaufgaben

149

prägen. Darüber hinaus nennt die Stiftung das architektonische Chaos, worunter sie die „Anhäufung von Gestaltungsbrüchen versteht. Architektonisches Chaos ist eine völlig wirre Bauweise einer größeren Anzahl von Bauten und Anlagen, bei denen eine gegenseitige architektonische Bezugnahme fehlt“ (ebd.).

Abb. 5.3:

Auswahl von personalen (Kreis) und infrastrukturellen (Pfeile) Parametern, die ein Ortsbild prägen.

An dieser Stelle ist nun zuerst der Fragenverbund zu klären, wie ein gesundheitstouristisch geprägtes Ortsbild gestaltet werden kann und wie sich dieses von anderen touristischen Destinationen abhebt? Bei der Beantwortung fallen vor allem die als gelungen zu bezeichnenden Beispiele von Kurorten ein. Die dort oft zu findende Einbindung historischer Architektur spiegelt den lokalen Entwicklungsprozess von Gesellschaft und Tourismuswirtschaft wieder. Kurhäuser aus der Belle Epoque, Caféhäuser aus derselben Zeit sowie erhaltene Kurhotels stellen derlei Anknüpfungspunkte dar. Neben den oft homogenen Ortskernen ergibt das Ortsbild im erweiterten Bereich dann jedoch häufig inhomogen-heterogene Eindrücke, die vom Begriff des architektonischen Chaos treffend bezeichnet werden. Einige – oft verfallene – kleinere Gebäude aus der Belle Epoque sind eingezwängt von funktionalen Flachdachbauten der Nachkriegszeit. Noch weniger nachhaltig sind die Ortsbilder von „Retortenorten“, die ihren Entwicklungsschub machten, als der industrielle Massentourismus einsetzte. Es bedarf der besonderen Anstrengungen, um aus den so entstandenen Ortsteilen und Orten schützenswerte gesundheitstouristische Destinationen zu entwickeln. Dass diesbezüglich eine Handlungsnotwendigkeit besteht, zeigen beispielsweise Destinationen, die sich aufgrund klimaökologischer Veränderungen in einem Wandlungsprozess vom Ski-Ort zum Wellness-Ort befinden. Kommen Bieger und Beritelli (2012) noch zum Schluss, dass „die marktorientierte Sicht noch zur Dominanz führt, bei der sich die meisten Destinationen auf die gleichen, ver-

150

5 Gesundheitstouristische Destinationsentwicklung

meintlich attraktiven Segmente konzentrieren“, so ist dem hinzuzufügen, dass dies in der Vergangenheit auch zu teils fatalen architektonischen Konsequenzen führte. In den Ortskernen der Wellnessregionen und Kurorte fand lange Zeit nur während der Saison ein (touristisch geprägtes) „Leben im Ortskern“ statt. Demgegenüber wanderte die ortsansässige Bevölkerung in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts in die Randbezirke der Gemeinden ab (Amt der Tiroler Landesregierung 2012b). Ziel sollte es aber gerade in gesundheitstouristischen Gemeinden sein, dass hier Veranstaltungen im Rahmen eines aktiven Lebens der ortsansässigen Gemeindebewohner stattfinden, die wiederum eine eigenständige, unverwechselbare Identität stiftet. In Tirol wurde deshalb im Jahr 2004 ein gesondertes Förderprogramm unter der Bezeichnung Ortsrevitalisierung aufgelegt, mit dem seither diejenigen Ansuchen zusätzlich gefördert werden, die der Renovierung von Altbauwohnungen oder der Betriebsaufnahme in den Gemeindezentren dienen. Wie ein solcher Wandlungsprozess in Richtung einer gesundheitstouristischen Destination inhaltlich und konzeptionell gestaltet werden kann, zeigen viele Beispiele von Lokalen Agenda 21-Projekten auf. Praxisbeispiel Ein typisches Beispiel für die nachhaltige Veränderung eines Ortsbildes stellt die tirolerische Gemeinde Brixen im Thale dar; sie gehört zum Tourismusverband Kitzbühler Alpen und beheimatet alle Varianten des gesundheitsförderlichen Zweigs von Gesundheitstourismus (Wellness, Medical Wellness und Naturnahen Tourismus). Zudem hat die Gemeinde seit der Kaiserzeit große Bedeutung und Tradition als Luftkurort. Das Ortsbild von Brixen wurde massiv durch eine Bundesstraße (die sog. Loferer Bundesstraße) belastet, auf der binnen 24 Stunden durchschnittlich 11.500 Fahrzeuge die Ortschaft durchquerten. Nach Bau der Umgehungsstraße konnte die Zahl auf 3.500 Fahrzeuge reduziert werden, was einem prozentualen Anteil von 70 % entsprach (Amt der Tiroler Landesregierung 2012b). Hinzu kam in den Jahren 2009 und 2010 ein weiteres Großprojekt: die Verschönerung des Dorfplatzes als typisches Beispiel für den Agenda 21Prozess „Dorfverschönerung“. Der Dorfplatz wurde neu gepflastert, der Dorfbrunnen versetzt und Sitzgelegenheiten wurden mit Hinblick auf die Bushaltestelle implementiert. Tipps im www zur weiteren Recherche  http://www.nachhaltigkeitsstrategie.info/index.html  http://www.nachhaltigkeit.at/filemanager/download/39024 Tipps in Literaturform  Reicher, Christa, Städtebauliches Entwerfen, Wiesbaden 2012  Albers, Gerd und Wékel, Julian, Stadtplanung – Eine illustrierte Einführung, 2. Aufl., Darmstadt 2011

5.1 Verhältnispräventive Entwicklungsaufgaben

5.1.2

151

Naturpotenziale

Bereits in der Definition des Begriffs Destination klang an, welch wichtige Bedeutung die Natur für den Tourismus generell, aber speziell auch für den Gesundheitstourismus hat. Wenn in der Folge die Risiken und Potenziale der Natur als kommunaler Aufgabe der Destinationsentwicklung diskutiert wird, so geschieht dies daher ebenfalls (wie im vorhergehenden Unterkapitel) unter der Fragestellung, welche Aspekte gesundheitstouristische Akteure im Rahmen ihrer Beratungs- und Entscheidungsexpertise beachten sollten. Im vorliegenden Gesamtkontext hat Tenzer (2009) der Natur vermutlich eine adäquate Funktionsbeschreibung verliehen, wenn sie vom Breitbandtherapeutikum schreibt (Abb. 5.4). Der Begriff erscheint nicht nur naheliegend, weil in ihm präventive oder gesundheitsförderliche Bewegung stattfindet; hier entspannen Gesundheitsgäste, speziell angelegte Wanderwege und Kurpromenaden laden zur Kommunikation ein und letztlich gerät auch die Einbindung regionaler Anbauprodukte immer stärker in den Fokus von Ernährung. Dies verdeutlicht bereits: Einen Bezug zu den indikationsunspezifischen Interventionsebenen herzustellen, ist sehr gut möglich.

Abb. 5.4:

Die Natur als Breitbandtherapeutikum

Destinationen, die sich als gesundheitsförderlich positionieren, insbes. als Kurorte, haben dies über viele Jahre hinweg erfolgreich gemacht, obwohl um sie herum die Natur fehlerhaft, ja sogar gesundheitsgefährdend, landwirtschaftlich genutzt wurde. Gerade deshalb ist zu erwähnen, dass die diesbezüglichen Erkenntnisse der vergangenen beiden Jahrzehnte in lokale Agenda-21 Prozesse einflossen. Zwei Entwicklungstendenzen gefährdeten und gefährden nämlich die Natur in ihrem gesundheitstouristischen Kontext als Breitbandtherapeutikum: Zum einen die land- und forstwirtschaftliche Nutzungsintensivierung. Stichworte hierfür sind beispielsweise die landwirtschaftlich weitgehende Homogenisierung der Pflanzendecke im Rahmen der Intensivbeweidung, wobei viele Heilkräuter von den heimischen Wiesen ver-

152

5 Gesundheitstouristische Destinationsentwicklung

schwanden, oder auch die lange Zeit weitgehend unreflektierte Nutzung von Giften zur Schädlingsbekämpfung in den Obst- und Weinbauregionen. Im Falle beider Beispiele geht die traditionelle Artenvielfalt sowohl hinsichtlich der Fauna als auch der Flora „radikal“ zurück (Bätzing 2003). Zum anderen ist die Nutzungsextensivierung zu nennen, also die Umwandlung in Brachlandschaften. Gerade im alpinen und hochalpinen Raum kann die unkontrollierte Extensivierung schwerwiegende Folgen haben. Führt die erfolgreiche Verlaufsform im günstigsten Falle nach ca. 70 Jahren zu einer Restitution des Waldes, so zeigen Negativbeispiele (z.B. das Stura-Tal im ital. Piemont, Bätzing 2003), dass aufgrund der klimatischen Veränderungen Vegetationsformen entstehen, die nicht mehr der Funktion eines Schutzwaldes nachkommen können. Zusammengefasst ergeben sich für die (gesundheits-) touristischen Destinationen aus den klimatischen und ökologischen Veränderungen vier Problemfelder, die vor allem mittelgebirgig und alpin situierte Gemeinden betreffen:  Folgeschäden nach Extremniederschlägen wie Murenabgänge und Hochwasser,  Folgeschäden nach Stürmen wie Windbruch in großen Waldstrichen,  Lawinenabgänge trotz intensivierter Bemühungen im Lawinenverbau und  Berg- und Felsstürze, die gerade die nördlichen und südlichen Kalkalpen betreffen. Vielen der Lesenden werden die massiven Unwetter im tirolerischen Paznauntal diesbezüglich noch in schlimmer Erinnerung sein: So der Lawinenabgang von Galtür am 23. Feber 1999, welcher 31 Todesopfer forderte, oder auch das Hochwasser vom 23. August 2005, welches das Paznauntal ebenfalls besonders hart traf. Die genannten ökologisch-klimatischen Facetten und die betrüblichen Beispiele zeigen, dass Klimaschutz und ökologisch nachhaltiger Tourismus nicht ausschließlich, sondern vor allem eine Entwicklungsaufgabe darstellt, die von gesundheitstouristischen Gemeinden Impulsgebung und Trendsetting einfordert. Ein Umdenken hat bereits begonnen – zumindest auf regionaler und kommunaler Ebene, dies dokumentieren Maßnahmen vieler Tourismusverbände oder eben aber auch Bürgerinitiativen zum Thema. So weist exemplarisch die Tiroler Agenda 21 Leben mit Zukunft bezüglich Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel drei Ziele aus:  „Stärkung des Bewusstseins für Klimaschutz und Ausbau von Netzwerken,  Unterstützung und Förderung bei der Umsetzung von Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsmaßnahmen im Bereich der vorhandenen Ressourcen durch das Land Tirol und  Fortschritte bei Energieeffizienz und Einsatz von erneuerbaren Energieträgern in allen Sektoren“ (Amt der Tiroler Landesregierung 2012b). Diese Maßnahmen sind u.a. im Verbund mit Projekten zur nachhaltigen Mobilität, v.a. landwirtschaftlichen Produktions- und Verbrauchskonzepten, Energiekonzepten und Umgangskonzepten mit natürlichen Ressourcen im Tourismus zu bewerten. Gerade hinsichtlich der energieintensiven gesundheitstouristisch notwendigen Infrastruktur erhalten die Begriffe Ressourceneffizienz, Kreislaufwirtschaft und Reduktion/Suffizienz eine sowohl ethisch als auch ökonomisch neue Dringlichkeit. Diesbezügliche Konzepte werden derzeit unter den Leitbegriffen green spa und green tourism entwickelt. Beispielsweise reagierte der Deutsche Wellnessverband (DWV) im Jahr 2010 mit der Zertifizierung Green Spa für ihre Mitglieder. Auf die Frage hin, ob dieses Handeln eher als Reaktion i.S. des Mainstreams, ökonomischer Interessen oder aber tatsächlicher ökologischer Motive zu interpretieren ist, positioniert sich der DWV eindeutig: In der Analyse publizierter Quellen scheint es die Kombination aller drei Aspekte zu sein (DWV 2012a und b). Wenn im Analogschluss somit ökologisch verant-

5.1 Verhältnispräventive Entwicklungsaufgaben

153

wortlicher und ökonomisch effizienter agiert wird, so haben derlei Konzepte und Zertifikate durchaus eine Daseinsberechtigung. Praxisbeispiel Wie es perspektivisch funktionieren kann, die Naturpotenziale umweltverträglich zu nutzen, zeigt das Beispiel des Tourismusverbandes Brandenburg. Unter dem Werbeslogan „4 x Naturerlebnis Marke Brandenburg“ bewirbt die Agentur Naturaktivitäten, worunter primär körperliche Belastungen im Ausdauerbereich zu verstehen sind (Radfahren, Wandern oder Paddeln). In Verbindung mit dem zweiten Merkmal, Gesund in der Natur, womit die Natur bewusst als entschleunigender Ruhepool zum Alltag angepriesen wird, scheint eine hohe Affinität zum Setting Naturnaher Gesundheitstourismus nachgewiesen. Ergänzt werden diese beiden gesundheitsaffinen Säulen durch Naturbeobachtung und Natur- und Umweltbildung. Insgesamt fällt an diesem Marketingkonzept positiv auf, dass das emotionale Naturerlebnis mit vergleichsweise relativ geringem Aufwand gesucht wird. Insofern kann die Marketingstrategie „Naturerlebnis Marke Brandenburg“ hinsichtlich des ressourcenschonenden Umgangs mit der natürlichen Umgebung als zukunftsorientiert bewertet werden. Tipps im www zur weiteren Recherche  DWV – Deutscher Wellnessverband, Green Spa Sonderschau 2010, verfügbar unter: http://www.wellnessverband.de/green_spa/ sonderschau_2010.php, zuletzt abgerufen am: 03.12.2012a.  MiWi – Ministerium für Wirtschaft des Landes Brandenburg und Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg, Leitfaden Naturtourismus, verfügbar unter: http://www.mwe.brandenburg.de/ media/bb1.a.2755.de/leitfaden_naturtourismus.pdf, zuletzt abgerufen am: 03.12.2012. Tipps in Literaturform  Bätzing, Werner, Die Alpen – Geschichte und Zukunft einer europäischen Kulturlandschaft. 2., aktualisierte und völlig neu konzipierte Aufl., München 2003.  Danielli, Giovanni und Sonderegger, Roger, Kompaktwissen Naturtourismus, 1. Aufl., Zürich 2009.

5.1.3

Einzelhandel

Im touristisch-ökonomischen Kontext des Einzelhandels fällt häufig der Begriff der touristischen Wertschöpfungskette. Steinbach (2003) versteht unter Wertschöpfung „die in jeder relevanten Branche über die verschiedenen Netzstufen erbrachten Vorleistungen zu den touristischen Endprodukten“. Hierunter wären im vorliegenden Kontext unter vertrieblichen

154

5 Gesundheitstouristische Destinationsentwicklung

Aspekten Leistungsträger und Reiseveranstalter (Illing 2009, Berg 2008) zu verstehen, sowie auch diejenigen des Transports die Verkehrsträger (Bahn, Fluggesellschaften). Creutz (2012) führt darüber hinaus jedoch im Zusammenhang von Green Hospitality in weitere Dimensionen ein, die einen Bezug zu den beiden vorgenannten Themenblöcken aufweist (Abb. 5.5): „Die Kodize der Industrie Corporate Governance oder auch Compliance Regeln fordern auch von der Zulieferindustrie ein klares Umdenken. Bei Vertragsverhandlungen im Bereich Geschäftsreisen und Meetingmanagement werden zunehmend Dimensionen zum Thema Nachhaltigkeit des jeweiligen Hotels, Kongresshalle oder der Eventlocation schriftlich erhoben. (…) Es ist davon auszugehen, dass zukünftig der anerkannte Nachweis auf Nachhaltigkeit als fester Bestandteil in die Angebotsabfragen für die Location oder das Hotel integriert wird“ (Creutz 2012). Insofern betrifft Nachhaltigkeit bei weitem nicht nur das gesundheitstouristische Setting, die sie umgebende Gemeinde und die natürliche Umgebung. Authentischer Gesundheitstourismus bezieht sich auf den Einzelhandel, Dienstleistungsanbieter wie Raftingagenturen, Mountainbikeguides, Bergführer, sowie die gesamte gesundheitstouristische Wertschöpfungskette; Reiseveranstalter, Zulieferer, Bauunternehmen, Restmüllentsorgungsunternehmen usw..

Abb. 5.5:

Grafische Wertschöpfungskette im Gesundheitstourismus mit Schwerpunkt der Vor-Ort-Präsenz

Creutz (ebd.) nennt am Beispiel Gemüse mit der Auswahl geeigneten Pflanzenmaterials, der nachhaltigen Bodenbewirtschaftung und der Verpackung bereits drei Schritte, die es zu beachten gilt, bevor die eigentliche gesundheitstouristische Wertschöpfungskette erreicht wird. Dies kann auf sportliche Funktionskleidung, verwendete Rohstoffe usw. übertragen werden, womit sich zeigt: Auch der Einzelhandel hat ein großes Potenzial, sich an der angestrebten nachhaltigen Destinationsentwicklung einer vom Leitmotiv Gesundheit geprägten Gemeinde zu beteiligen. Gerade das Beispiel der Zulieferindustrie verdeutlicht, wie sehr Destinationsmanagement und Einzelhandel sich gegenseitig beeinflussen können. Auf der einen Seite zeigen sich die Folgen des Industrial Food Systems (Barlösius 2011) nicht nur in epidemiologischen Veränderungen. Stichworte hierfür sind Krebs, Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes mellitus und

5.1 Verhältnispräventive Entwicklungsaufgaben

155

Adipositas. Vielmehr sind es auch die stark steigende Zahl von „Lebensmittelallergien, die vor allem in Zusammenhang mit der zunehmenden Umweltbelastung diskutiert werden, und Gesundheitsrisiken durch Lebensmittelskandale sowie die industriellen Produktionspraktiken“ (Weiss 2007). Außerhalb dieser die physische Entwicklung der Menschen direkt beeinflussenden Parameter können als weitere Folgen des Industrial Food Systems die im vorausgehenden Teilabschnitt bereits genannten Aspekte erweitert werden: Materialintensität, Emissionen, Bodenkontaminationen, Verlust von Bodendiversität, aber auch Bauernhofsterben, Konzentrationstendenzen und Subventionspolitik (Brunner 2007). Anhand der hier lediglich skizzierten Szenarien wird deutlich, dass gerade für gesundheitstouristische Destinationen eine Forderung darin besteht, landwirtschaftliche Produkte in den Küchen ihrer gastronomischen Betriebe zu verwenden, die aus dem Alternative Food System stammen. Auf das Fallbeispiel der Ernährungszulieferbetriebe bezogen bedeutet die alternative Produktion und Zulieferung:  den möglichst effizienten Einsatz von Fremdenergie,  das Nutzen von natürlichen Selbstregulations-Mechanismen,  die Ernährung des Bodens anstatt der Pflanze,  das vernetzte Denken und Handeln in möglichst geschlossenen Kreisläufen und  die artgerechte Haltung von Tieren. Viele der genannten Aspekte können auf andere Einzelhandelssparten transferiert werden, so dass sich in der Summe ein kommunales und regionales Selbstbild entwickeln kann, dass sich mehr oder weniger deutlich von dem anderer Destinationen absetzt. Dass die Umsetzung solcher Schritte in die Alltagspraxis jedoch alles andere als einfach ist, wird da deutlich, wo „wirtschaftliche Interessen mit der Bewahrung von Naturgütern im Widerstreit stehen“ (Amt der Tiroler Landesregierung 2012a). Die deutsche Verbraucher Initiative e.V. nennt eine Vielzahl von Maßnahmen, die allein im Bereich des Marketing leicht umsetzbar sind, um im Einzelhandel nachhaltige Impulse zu setzen, die gerade im Image Building gesundheitstouristischer Gemeinden fixe Bestandteile einer Gesamtstrategie sein sollten:  „Printmedien wie Faltblätter zur schriftlichen Informationsvermittlung,  Schilder, Displays und Bodengraphiken zur Orientierung während der Kaufentscheidung,  Gewinnspiele, Sonderangebote und Themeninseln im Ladenlokal,  Audiovisuelle Medien, Ladenfunk und Video“ (Verbraucher Initiative e.V. 2005) Auch die Broschüre des Deutschen Umweltbundesamtes – ebenfalls aus dem Jahr 2005 stammend – informiert über bereits laufende Projekte und weist auf Strategien für den Einzelhandel hin, wie Produkte aus nachhaltigen Kreisläufen in den Einzelhandel gelangen können. All die genannten Chancen im Destinationsmanagement nicht zu berücksichtigen, bedeutet schlicht auf einen Nenner gebracht, den Trend der Zeit nicht zu erkennen und somit retrospektive Handelsstrukturen und Marketingkonzepte einzusetzen, die – wie das Beispiel der landwirtschaftlichen Zulieferbetriebe wohl am direktesten zeigt – zudem weder gesundheitsförderlich noch nachhaltig sind.

156

5 Gesundheitstouristische Destinationsentwicklung Tipps im www zur weiteren Recherche  Verbraucher Iinitiative e.V., Verkaufsfördernde Verbraucherkommunikation am Point of Sale – Leitfaden für Handelsunternehmen, verfügbar unter: http://nachhaltig-einkaufen.de/media/ file/6.Endbericht-Leitfaden.pdf 5.Endbericht-Leitfaden.pdf.  Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Der Einzelhandel als Partner und Motor für nachhaltigen Konsum, verfügbar unter: http://www.nachhaltigkeit.info/media/ 1237880490phpy1wAyz.pdf. Tipps in Literaturform  Weers-Hermanns, Tomke Frauke, Planerische Steuerung des Einzelhandels aus kommunaler und regionaler Sicht, Osnabrück 2007.  Young, Leila, Klimasiegel – Ein Beitrag des Einzelhandels zum strategisch nachhaltigen Konsum, Hamburg 2010

5.1.4

Verkehrsproblematik

Einen letzten Aspekt, der aufgrund des lediglich begrenzten Rahmens dieses Lehrbuches reflektiert wird, stellen die Verkehrsflüsse dar. Diejenigen der touristisch Reisenden zur und innerhalb ihrer (Gesundheits-)Destination stellen dabei jedoch lediglich eines von insgesamt vier Problemen dar, welches besonders am Beispiel der Alpen verdeutlicht werden kann. Will man die Verkehrsproblematik in Gänze erfassen, gilt es, folgende Quellen zu beachten (siehe Abb. 5.4):  Transitverkehr  Eigenverkehr  Touristischer Verkehr und  Lokalverkehr Was in vorangegangenen Jahrhunderten als Grand Tour noch ein Abenteuer privilegierter Adeliger galt, verdient mittlerweile wieder denselben Namen, wenn sich während der Hauptsaisonen die Blechlawinen aus Nord- und Zentraleuropa gen Süden bewegen. Das Schlagwort Stau ist dann in aller Munde derjenigen, die individuelles Reisen oder Fahrten mit dem Bus präferieren. Zu diesen Zeiten extremer ökologischer Belastungen wird das ansonsten bereits grenzwertig belastete Transitwegenetz nochmals stärker belastet. Was sich für die einzelnen Reisenden als zeitliches und Geduldsproblem erweist, stellt für die Anrainer entlang der Transitstrecken ein erhebliches ökologisches Risikopotenzial dar, mit ihnen auch für die Destinationsgäste in denjenigen Gemeinden: „Diese Transittäler sind alpenweit gesehen die am stärksten ökologisch belasteten und bedrohten Gebiete der Alpen, weil sich in ihnen so viele moderne Nutzungen überlagern, die dann durch den Transitverkehr bis zur Unerträglichkeit gesteigert werden“ (Bätzing 2003) (Abb. 5.6). Betroffen von dieser Entwicklung sind nicht wenige Bäder und Wellnessdestinationen in den Alpentransittälern wie beispielsweise das auf dem Weg zum Felbertauerntunnel gelegene Bad Gastein oder Bad Häring nahe der Inntalautobahn. Während die lokale und regionale Bevölkerung mehrfach im Jahr mit Demonstrationen auf die Problematik des immer noch stark wachsenden Transitverkehrs aufmerksam machen, bleibt die Hauptursache ökologischer Problematiken weitgehend unreflek-

5.1 Verhältnispräventive Entwicklungsaufgaben

157

tiert: der Eigenverkehr. Mit jährlich gefahrenen 70 Mrd. Kilometern wird dieser alpenweit als „sehr viel höher“ eingeschätzt, als derjenige des Transitverkehrs (Bätzing 2003). Der Ausbau lokal und regional bedeutsamer Wegenetze erhöht nicht nur die Möglichkeiten zur intensiveren Wirtschaftsverflechtung. Dadurch pendeln auch deutlich mehr Menschen in die relevanten Agglomerationszentren. Eine Dezentralisierung von Arbeit, die von diesen Zentren wieder zurück zum Wohnort führt, stellt eine der zentralen Herausforderungen für die perspektivische Wirtschaftspolitik dar. Anhaltspunkte hierfür sind wiederum die Firmenansiedlungspolitik oder auch Telearbeitsplätze. Die Vernetzung der hier genannten Punkte verdeutlicht, wie sehr gerade für gesundheitstouristische Gemeinden die Entwicklung nachhaltiger, interdisziplinärer Konzepte von Relevanz ist.

Abb. 5.6:

Gefährdungspotenziale und Folgen von Verkehr

Im touristisch engeren Kontext von genuin touristischem Verkehr verwendet Müller (2007) den bedeutungsvollen Terminus Rückkopplungseffekte und meint damit die negativen Folgen der An- und Abreise sowie das zusätzliche touristische Verkehrsaufkommen während des Aufenthaltes in der Destination/Region. Er nennt hierbei als Effekte parallel zu Bätzing Verbauung der Landschaft, Luftbelastung, Lärmbelästigung und Wasserverschmutzung. „Die ökologischen Rückkoppelungseffekte haben ökonomische Implikationen: Eine Abnahme der Attraktivität durch höhere Umweltbelastungen führt tendenziell zu billigeren und wertschöpfungsschwächeren Tourismusformen. Die Rentabilitätsverluste werden mit Umsatzsteigerungen zu kompensieren versucht. (…) Es fehlt das Geld, um mit geeigneten Maßnahmen die Umweltbelastungen zu reduzieren.“ Zweifelsohne zählen die Beförderungsträger (Flug-, Schienen-, Schiffs- und Busgesellschaften) zur gesundheitstouristischen Wertschöpfungskette. Somit fällt dieser Aspekt primär in den genuinen Verantwortungsbereich dieser Dienstleistungsunternehmen, andererseits jedoch auch in denjenigen der Reiseveranstalter, der Beherbergungsindustrie und letztlich der Kommunen. Im Kontext sollte nicht unerwähnt bleiben, dass immerhin 35 von ca. 800 Rei-

158

5 Gesundheitstouristische Destinationsentwicklung

severanstaltern (Berg 2008) am deutschen Markt Gesundheits- und Wellnessreisen anbieten, mit denen gesundheitstouristische Destinationen gemeinsam nach ökologischeren Alternativen der An- und Abreise suchen sollten. Betrachtet man dabei die Tatsache, dass ca. 80–90 % der Gäste mit dem PKW anreisen (Formayer und Kromp-Kolb 2009), dann sollte dort verstärkt nach Lösungsansätzen gesucht werden, wo die öffentliche Anreise möglich ist und die eingeschränkte individuelle Mobilität als Hauptfolgeproblem einer solchen Anreise mit ökologischeren Fahrzeugpools möglich wäre. Neben öffentlichen Konzepten der Nahverkehrsanbindung könnte der Einzelhandel, hier der Mietwagenmarkt, konstruktive Lösungen in bislang nicht oder nur unzureichend genutzten Marktfeldern zu entwickeln. Tipp im www zur weiteren Recherche  Formayer, Herbert und Kromp-Kolb, Helga, Klimawandel und Tourismus in Oberösterreich, verfügbar unter: http://www.wau. boku.ac.at/fileadmin/_/H81/H814/Downloads/BOKU-Met_Report _18_online.pdf, zuletzt abgerufen am: 04.12.2012. Tipps in Literaturform  Müller, Hansruedi, Tourismus und Ökologie – Wechselwirkungen und Handlungsfelder, 3. überarb. Aufl., München und Wien 2007.  Bieger, Thomas und Beritelli, Pietro, Management von Destinationen, 8. Aktual. und überarb. Aufl., München 2012.

5.2

Verhaltenspräventive Entwicklungsaufgaben

Bereits im vorhergehenden Teilabschnitt wurde eine Vielzahl von Problemen offenbart, die aus gesundheitstouristischer Perspektive heraus als verhältnispräventiv dringend indizierte Maßnahmen auf kommunaler Ebene zusammengefasst werden können. Einzig entlastend ist bei der Vielzahl vorhandener und offensichtlicher Problemkomplexe, dass es auf regionaler und kommunaler Ebene bereits Projekte gibt, die den Beginn eines Umdenkensprozesses markieren. Ähnlich der Verhältnisprävention kann die Situation auf der individuellen Ebene zusammengefasst werden. Adäquates und somit primärpräventives Verhalten von Akteuren der Gesundheitsberufe sollte dabei eigentlich genauso eine Selbstverständlichkeit sein, wie ein entsprechendes Selbstverständnis und Handeln auf der touristischen Seite. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. So kommen u.a. Geuenich (2010) und Jaggi (2008) zum Ergebnis, dass Angehörige der Gesundheitsberufe besonders intensivem Stress ausgesetzt sind – mit entsprechenden somatoformen Konsequenzen wie erhöhter berufsspezifischer Burn- oder Cooloutquote. Nicht nur aus eigenen Erhebungen ist darüber hinaus bekannt, dass gerade in der Tourismusindustrie die Anzahl diagnostizierter Fälle im Bereich psychischer Störungen (v.a. Depression, Abususerkrankungen) erhöht ist. So erwähnt Tretter (1999) beispielsweise suchtpermessive Umwelten, in denen eine z.T. deutlich erhöhte Toleranz von Alkohol festgestellt werden kann. Da Alkohol u.a. als dopaminergene Ersatzsubstanz fungiert und zudem eine erhöhte Koinzidenz von depressiven Syndromen und Alkohol nachgewiesen ist (u.a. Soyka 2004), kann zumindest vom indirekten Beleg dafür ausgegangen, dass beide psychi-

5.2 Verhaltenspräventive Entwicklungsaufgaben

159

schen Störungen in Tourismusindustrie, hiervon ist der Gesundheitstourismus nicht ausgenommen, verstärkt vorkommt. Auch hierbei kommt den Gemeinden und Destinationen eine deutlich höhere Bedeutung zu, als dies hinlänglich angenommen wird. Während im vorhergehenden Teilabschnitt der Verhältnisprävention primär die Agenda 21und die Lokale Agenda 21 (LA 21) als Grundlage für eine Changemanagement-Politik diente, so zielt die Ottawa-Charta trotz ihres kommunalen Ansatzes auf das Verhalten der einzelnen Akteure ab. Gerade im Kontext der für die perspektivische Destinationsentwicklung zunehmend wichtigen Begriffe Corporate Social Responsibility (CSR) und Authentizität der Akteure sind über Einzelfalllösungen auf Betriebsebene hinaus gesamtstrategische Lösungsansätze zu finden, die konstituierend für gesundheitstouristische Gemeinden sind. In Anlehnung an die Ottawa-Charta nennt der Fonds Gesundes Österreich fünf Merkmale von gesunden Gemeinden:  „die Verankerung von Gesundheit in der politischen Kultur der Gemeinde,  die existierende Infrastruktur und ihr Grad der Vernetzung bzw. Partnerschaften,  das Vorhandensein von Leadership- und Managementkompetenzen,  die Ressourcenlage und Allokation sowie  Partizipation und Empowerment“ (GOEG 2012) Die offensichtliche gegenseitige Bedeutung von gesunden Gemeinden und der Tourismusindustrie brachte u.a. die von der Weltbank (2005) in Auftrag gegebene Studie CSR in the Tourism Industry? The Status of and Potential for Certification, Codes of Conduct and Guidelines zum Ausdruck. In der Zusammenfassung der Ergebnisse kommt die Studie zum Schluss, dass die Gemeinden und deren übergeordnete politische Entscheidungsebenen einen wesentlichen Beitrag zur gesunden Entwicklung ihrer Betriebe leisten können und müssen. In der OttawaCharta wurden fünf Dimensionen einer gesundheitsorientierten Entwicklung formuliert, bei denen das Setting Kommune/Gemeinde akzentuiert wurde. Der bereits weiter vorn erwähnte Begriff Mutter aller Settings hat hier seinen historischen Ansatzpunkt. Naidoo & Wills betonen im vorliegenden Zusammenhang, dass die seit Ottawa entwickelte Gesundheitsfördernde Gesamtpolitik (GGP) keinesfalls auf staatlicher Ebene zu lokalisieren ist, sondern durchaus auf Ebene der Settings ansetzt. Wenn im nun folgenden Teilabschnitt daher die fünf Dimensionen der Ottawa-Charta reflektiert werden, so geschieht dies unter zwei Prämissen; derjenigen des kommunalen gesundheitstouristischen Destinationssettings und derjenigen der in ihm handelnden Akteure. Die Begründung hierfür: Die Gemeinden stellen einen erheblichen Anteil des „Aktionsrahmens für mögliche Veränderungen und Entscheidungen über den Umfang und die Verteilung der Ressourcen dar. Der Umfang betrifft den Willen, sich um bestimmte Bereiche zu kümmern und die Verteilung zeigt die Prioritäten der politischen Entscheidungsträger auf“ (Milio 2001, in: Naidoo & Wills 2010). In der Literatur zur Gesundheitsfördernden Gesamtpolitik wird stets die intersektorale Zusammenarbeit betont (u.a. Naidoo und Wills 2010, Hurrelmann 2006) – ein Gedanke, der vor allem in den Gesunden Gemeinden der vier österreichischen Bundesländer praktiziert zu werden scheint, die diese Aktion gezielt fördern. Da dort jeweils gesundheitstouristische Destinationen vorhanden sind, wurde hinsichtlich der Suche nach interessanten Praxisbeispielen der Fokus auf die Steiermark, Kärnten, Nieder- und Oberösterreich gelegt.

160

5.2.1

5 Gesundheitstouristische Destinationsentwicklung

Schaffung gesundheitsförderlicher Lebenswelten

Der bereits eingeführte Begriff der subjektiven Lebensqualität steht in direktem Zusammenhang mit den noch nicht näher definierten Parametern Lebensstil, Lebensweise und Lebenswelt. Definition Lebensstil „Unter Lebensstil versteht man die Gesamtheit der alltäglichen Lebensvollzüge, die die Praxis milieuspezifischer und individueller Lebensplanung und -gestaltung sowie die Formen der Bewältigung von Lebenskrisen und kritischen Lebensereignissen (z.B. Tod eines Partners, Arbeitslosigkeit …) prägen. Die Lebensvollzüge entstehen auf dem Hintergrund historisch gewordener kultureller Muster und Deutungsschemata, sind in sie eingebettet und werden von deren Formen und Inhalten geprägt“ (Kardorff, Ernst von 2006). Definition Lebensweise „Zur Lebensweise gehören alltägliche Routinen wie Haushaltsführung, Verhalten am Arbeitsplatz, Konsumverhalten, Gestaltung sozialer Kontakte, Freizeitverhalten, Erziehungspraktiken, Familienorganisation, Ernährung, Gesundheits- und Altersvorsorge, laienmedizinische Behandlung von Krankheiten, ritualisierte Formen von Abschied und Trauer, Zeigen von Zugehörigkeitssymbolen wie Kleidung, Wohnungseinrichtung. Miteinbezogen sind auch gewohnte Formen der Inanspruchnahme sozialstaatlicher Leistungen und professioneller Hilfe“ (ebd.) Definition Lebenswelt Der im Rahmen der Ottawa-Charta verwendete Begriff der Lebenswelt ist demgegenüber abstrakter, mit besonderer Relevanz für die zur phänomenologischen Soziologie zählenden Milieuforschung. Greverus bezeichnet die Lebenswelt als „intersubjektive Welt vertrauter Wirklichkeit, in der die Subjekte als Handelnde in einer täglichen Lebenspraxis gefordert und auf diese intentional ausgerichtet sind“ (Burda News Group 2012). Die häufig synonyme Verwendung der Termini Alltag, Alltagswelt, Kulturwelt oder Erfahrungswelt erscheint daher alternierend zu komplexen soziologischen Konstrukten im vorliegenden Kontext bei gleichzeitig besserem Laienverständnis vertretbar. Den Definitionen entsprechend stellt die Tourismusdestination somit konkret die (temporäre) Lebenswelt hier handelnder Akteure dar, in die sich Reisende in den meisten Fällen freiwillig begeben. Gesundheitstouristische Destinationen, das kann als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt werden, verfügen über ökologisch besonders wertvolle Rahmenbedingungen. Hinzu kommt eine Vielzahl infrastruktureller Einrichtungen wie Thermenlandschaften, öffentlich zugängliche Sportanlagen usw. – „eigentlich“ nicht nur gute, sondern hervorragende Lebenswelten. Die im Setting mögliche alltägliche Lebensweise führt jedoch zu deutlich ande-

5.2 Verhaltenspräventive Entwicklungsaufgaben

161

ren Ergebnissen, wie hier das Leben tatsächlich gelebt werden kann und muss. So weist beispielsweise Runge (2012) auf die hohe Dunkelziffer informeller Beschäftigungsverhältnisse hin, die gerade Familienbetriebe betrifft. Die saisonale Sieben-Tage-Woche ist hier einerseits keine Seltenheit, sie scheint aus dem familiären Begründungszusammenhang andererseits auch nicht in den Statistiken erfasst werden zu können. Hinzu kommen häufig noch beengte Schlafverhältnisse und die kaum vorhandene Privatsphäre, was die untersten Einkommensgruppen betrifft. „Die Tourismusbranche teilt sich in sichtbare und unsichtbare Arbeiter. Viele von ihnen arbeiten unter widrigen Umständen: Sie ertragen lange und durchaus schlechte Arbeitszeiten, Saisonarbeit, und – falls der Beruf zusätzlich Nomadentum verlangt – die Distanz zu Familie und Freunden“ (Runge 2012). Praxisbeispiel Die österreichische Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft vida präsentierte 2010 einige Daten über die in Österreich beschäftigten insges. 178.722 Tourismusangestellten: Durch saisonale Arbeit bedingt kam diese Berufsgruppe im Jahr 2009 auf durchschnittlich 196 Arbeitstage, was einem Beschäftigungszeitraum von 6,5 Monaten entspricht. Im Zeitraum des genannten Kalenderjahres betrug der Durchschnittslohn annuell 1.550 Euro pro Monat brutto, jeder zweite Arbeitnehmer verdiente dabei weniger als 1.481 Euro brutto. Auch unterstellt die Gewerkschaft den touristischen Berufen generell deutlich überdurchschnittlich hohe berufsbedingte gesundheitliche Risiken. „Obwohl dies eine Branche der jungen Menschen ist, klagen Beschäftigte überproportional über Erschöpfungszustände, Kreuzschmerzen, Schmerzen in den Beinen, hohen Blutdruck und Atembeschwerden“ (vida 2012). Ansatzpunkte, um hier im Sinne der Ottawa-Charta gerade im Gesundheitstourismus Rahmenbedingungen zu schaffen, die gesundheitsförderlichen Lebenswelten entsprechen, könnten u.a. sein:  Qualitätssteigerung v.a. der sog. „unsichtbaren“ Tätigkeitsfelder im Gesundheitstourismus durch verbindlich anerkannte Ausbildungen,  Einhaltung von Qualitätsstandards, die über den arbeitsrechtlich zugesicherten liegen, diese mindestens jedoch erfüllen,  Etablierung von Strukturen während der saisonfreien Zeiten (betrifft Medizin- und Kurtourismus weniger als die Settings Wellness, Medical Wellness und Naturnaher Gesundheitstourismus),  Akzeptanz und Toleranz für Beschäftigte mit alternierenden Lebensstilen und -weisen, die aus anderen Nationen in die Destinationen hineinpendeln (Spanien, Griechenland, Portugal) Die Tatsache, dass der Sekretär der vida-Bundesfachgruppe Tourismus (Maggele 2012) die Termini Branchenflucht und daraus resultierende Personalprobleme für die gesamte Tourismusbranche erwähnt, indiziert, dass hier ein akuter Handlungsbedarf besteht. Ziel und zentrale Herausforderung muss es gerade für gesundheitstouristische Destinationen und den in ihnen agierenden Betrieben der Dienstleistungskette sein, gesundheitsförderliche, Settingspezifische Lebenswelten zu schaffen.

162

5 Gesundheitstouristische Destinationsentwicklung

Einen solchen tourismusspezifischen Ansatz stellt die Aktion „Fit im Betrieb“ dar, in dem in Österreich die Projektpartner Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) und der Fonds Gesundes Österreich gemeinsam mit der Interessensvertretung der Tourismuswirtschaft Wirtschaftskammer Österreich und der Tourismusgewerkschaft agieren. Über diese erst ansatzweise eingeführte Aktion hinaus tragen Zertifizierungen wie diejenigen des Deutschen Wellnessverbandes, des Deutschen Medical Wellness Verbandes oder auch von Best Health Austria dazu bei, Gesundheitskompetenzen zu stärken, Infrastrukturen und Rahmenbedingungen innerhalb der Betriebe zu verbessern. Kommunale Möglichkeiten, die Lebenswelten gesundheitsförderlicher zu gestalten, können da identifiziert werden, wo Gemeinden pro-aktiv dem bereits erwähnten Ruf als „Mutter aller Settings“ gerecht werden: bei der bereits erwähnten Einrichtung und Unterhaltung von Infrastrukturen der Daseinsvorsorge, der Schaffung öffentlicher Lebens- und Erholungsräume, aber auch mit gesundheitsbezogenen Gemeinschaftsaktionen, die beispielsweise zur Zertifizierung als Gesunde Gemeinde führen kann. Tipp im www zur weiteren Recherche  Technikerkrankenkasse, Gesunde Lebenswelten, verfügbar unter: http://www.tk.de/tk/leistungen-und-services/vorsorge-und-frueh erkennen/gesunde-lebenswelten/39330, zuletzt abgerufen am: 08.12.2012. Tipp in Literaturform  Homfeld, Hans-Günther und Steigleder, Sandra, Gesundheitsvorstellungen und Lebenswelt – Subjektive Vorstellungen von Bewohnern benachteiligter Wohngebiete über Gesundheit und deren Einflussfaktoren, Weinheim und München 2003.

5.2.2

Stärkung und Unterstützung gesundheitsbezogener Gemeinschaftsaktionen

Auffällig ist, dass die Ottawa-Charta unter dieser Überschrift den wohl stärksten Praxisbezug herstellt. Wird einführend noch von der gemeinsam mit den Bürgern zu erarbeitenden „Prioritäten, der Herbeiführung von Entscheidung und der Planung und Umsetzung von Strategien“ ausgegangen, so fokussiert der Text später die Nachbarschaften unter der Akzentuierung von vermehrter gesundheitlicher Selbstbestimmung: „Die Stärkung von Nachbarschaften und Gemeinden baut auf den vorhandenen menschlichen und materiellen Möglichkeiten der größeren öffentlichen Teilnahme und Mitbestimmung auf. Selbsthilfe und soziale Unterstützung sowie flexible Möglichkeiten der größeren öffentlichen Teilnahme und Mitbestimmung für Gesundheitsbelange sind dabei zu unterstützen bzw. neu zu entwickeln“(FGÖ 2006). Elementar ist für die Umsetzung gesundheitsbezogener Gemeinschaftsaktionen auf kommunaler Ebene die Etablierung des Themas Gesundheit in den Stadträten größerer Kommunen und vor allem den ländlichen Gemeinderäten. Hier gehört die Gesundheit als zentrales Thema zukünftiger Jahrzehnte häufig noch u.a. zum Arbeitsausschuss Soziales. Daher ist es bereits als relativ bedeutender Schritt aufzufassen, wenn in den Gesamtetats der Gesunden Gemeinden Budgets für die Arbeit der Gesundheitsförderung bereitgestellt werden. Dies ist

5.2 Verhaltenspräventive Entwicklungsaufgaben

163

im österreichischen Bundesland Kärnten, in dem 105 der 132 Gemeinden zertifiziert sind (Land Kärnten 2012), genauso eine Voraussetzung, wie ein einstimmiger Gemeinderatsbeschluss hinsichtlich der Zertifizierung. Mit diesen Mitteln der Kommune und weiteren aus öffentlichen Haushalten und privaten Initiativen ist es in Gesunden Gemeinden dann möglich Gemeinschaftsaktionen im Sinne der Ottawa-Charta zu planen und durchzuführen. Gemeint sind hiermit eben nicht nur öffentlichkeitswirksame Aktivitäten wie Dorfgesundheitswochen/ -tage oder Aktionen auf Nachbarschaftsebene wie Nachbarschafts- oder Straßenfeste, sondern kontinuierliche Wachstumsprozesse der Gesundheitsförderung. Diese verfolgen dann drei Zieldimensionen:  Verbesserung der Strukturqualität. Hierunter sind die administrativen Voraussetzungen zu verstehen; also z.B. die Existenz eines Arbeitsausschusses im Gemeinderat, finanzielle Ressourcen, die Kooperationswilligkeit mit Ehrenamtlichen, die sich in der Gesundheitsförderung betätigen wollen.  Prozessqualität im Sinne kontinuierlicher Verbesserung. Hierbei geht es um die prozessuale Entwicklung, also die Definition eines kurz-, mittel- und langfristigen Zielsystems und deren Überprüfung nach festzulegenden Zeiträumen.  Können Struktur- und Prozessqualität erfolgreich i.S. gesteigerter Gesundheitsindizis verändert werden, so ergibt sich die dritte Dimension: die Ergebnisqualität. Sie bezieht sich auf messbare Ergebnisse, die sowohl die Verhaltens- wie auch die Verhältnisprävention erfassen sollten. Tab. 5.1:

Kommunale Aktionen „gesunder Gemeinden“ am Beispiel Oberösterreichs im Jahr 2005 (Quelle: Institut für Gesundheitsplanung 2006) durchgeführt

sporadisch durchgeführt 30

nicht durchgeführt 3

keine Angabe 24

Vorträge (n = 124)

67

Kurse/Seminare (n = 116) Stammtische (n = 109)

32

43

25

16

26

12

57

5

Projekte (n = 113)

23

36

38

16

Aktionstage (n = 115)

23

54

23

15

Ausstellungen (n = 114)

7

42

51

14

Bei quantitativen Erfassungen, wie sie in Tab. 5.1 dargestellt sind, bleiben mehrere Unbekannte, die die Präzision und Exaktheit der Daten betreffen. So ist nicht bekannt, was unter Vorträgen zu verstehen ist oder ab wann eine Aktion einen Projektstatus hat. Auch die Aktivitäten miteinander auf eine Qualitätsebene zu stellen, erscheint problematisch. Dass diese Aufzählung dennoch eine Berechtigung hat, im Rahmen dieses Teilabschnittes erwähnt zu werden, liegt darin begründet, dass die Lesenden eine ungefähre Vorstellung davon erlangen, was an Aktivitäten auf kommunaler Ebene am Beispiel Oberösterreichs gemeint sein kann. Wie weitreichend gesundheitsbezogene Gemeinschaftsaktionen sein können, zeigt das Beispiel des van Ameren-Bades im norddeutschen Emden. Nachdem die Freibadanlage durch eine Beratungsfirma der Stadt als nicht sanierungsfähig eingestuft worden war, gründete sich ein Verein zu dessen Erhalt. „Umfangreiche Investitionen, aus eigenen Mitteln wurden bis jetzt über eine Million Euro eingesetzt, machten aus der Anlage ein Schmuckstück. Tausende ehrenamtlich geleistete Helferstunden und die eingesetzten Finanzmittel“ legen seit nunmehr

164

5 Gesundheitstouristische Destinationsentwicklung

20 Jahren anhand dieses Praxisbeispiels Zeugnis dafür ab, wie viel Dynamik von Bürgerbeteiligung ausgehen kann (Förderverein van Ameren Bad 2012). Eine raffinierte Idee fiel im gesundheitstouristischen Setting dem Stadt- und Tourismusmarketing der niederbayerischen Gemeinde Bodenmais ein. Praxisbeispiel Bei Gesundheitswochen handelt es sich um gesundheitstouristische Wahlaufenthalte von in Deutschland gesetzlich versicherten Personen, die von den Betriebskrankenkassen (BKK) subventioniert werden. Im Jahr 2012 gewann die Gemeinde Bodenmais zum zweiten Mal hintereinander den Preis der BKKs für ihr Gesundheitswochenangebot. Der niederbayerische Ort verwies damit renommierte Kurorte wie St. Peter-Ording, Bad Tölz, Bad Pyrmont, Bad Füssing oder Garmisch Partenkirchen auf die Plätze. Ausschlaggebend für das Ergebnis von insgesamt 1.500 anonymen Testgästen im sog. Mystery Check-Verfahren war das von der Destination gesteuerte Programmportfolio, zu dem spezielle Angebote für Fortgeschrittene und Einsteiger, für Familien, oder auch Alleinerziehende mit Kindern gehören. Besonders gelang es, die lokale Umgebung, die Attraktionen der Gemeinde und auch das Engagement der Bürgerinnen und Bürger zu integrieren. Die Tatsache, dass das Engagement wie im Vorjahr insgesamt 42 Wochen überdauerte, zeigt, dass sich hier nachhaltige Prozesse in einer gesundheitstouristischen Gemeinde mit Effekten für Anrainer und Gäste etablieren. Gesundheitsbezogene Gemeinschaftsaktionen, die sich als Bürgerinitiativen gerade in gesundheitstouristischen Destinationen immer wieder finden lassen, sind das Betreiben und Erhalten von Kneipp-Anlagen, Koordinations-Parcours, Trinkbrunnen, aber auch Nordic Walking für Einheimische und Gäste, Baby-Schwimmen oder Gedächtnistrainings. Wichtiges Bestreben sollte auf jeden Fall sein, dass die Gemeinschaftsaktionen nicht nur der Bewerbung von Gesundheitsgästen dienen, sondern aktive Beiträge zur Authentizitätsbildung darstellen. Tipps im www zur weiteren Recherche  Landesregierung der Steiermark, Gesundheit für die Steiermark!, verfügbar unter: http://www.styriavitalis.at/cms/, zuletzt abgerufen am: 08.12.2012.  Gesunde Städte-Netzwerk, Gesunde Städte-Netzwerk der Bundesrepublik Deutschland, verfügbar unter: http://www.gesundestaedte-netzwerk.de, zuletzt abgerufen am: 08.12.2012. Tipps in Literaturform  Grossmann, Ralph und Scala, Klaus, Gesundheit durch Projekte fördern – Ein Konzept zur Gesundheitsförderung durch Organisationsentwicklung und Projektmanagement, 5. Aufl., Weinheim und München 2011.

5.2 Verhaltenspräventive Entwicklungsaufgaben 

5.2.3

165

Schnabel, Ernst-Peter, Gesundheit fördern und Krankheit prävenieren – Besonderheiten, Leistungen und Potenziale aktueller Konzepte vorbeugenden Handelns, Weinheim und München 2007.

Entwicklung einer gesundheitsfördernden regionalen Gesamtpolitik

Da, wo gesundheitstouristische Gäste die Wahlfreiheit bezüglich der Destination haben, entscheiden sie sich zuerst für die Region, dann für die Destination, dann für den konkreten Dienstleistungserbringer (Hotel, Klinik), zu diesem Ergebnis kam u.a. die Fachtagung der Hoteliers- und Gastwirtejugend Südtirols im Jahr 2010. „Die Gäste suchen vermehrt nach Erlebnissen, Emotionen, Lebensgefühlen, Kompetenzen und Authentizität. In der Regel steht deshalb bei der Urlaubswahl nicht alleine das Hotel im Vordergrund, sondern auch die Destination“ (Pechlaner 2010). Der sich abzeichnend stärkere Wettbewerb und Konkurrenzkampf um die Gesundheitsgäste erfordert demnach die bessere Vernetzung von Beherbergungsbetrieben und Destinationen (ebd.). Neben anderen gesundheitstouristischen Bedürfnissen erwähnt Berg auf Seite der Gäste diejenigen, die vor allem im Setting Destination realisierbar sind. Hierzu gehören u.a.  Bedürfnis nach Entspannung und Stressbekämpfung,  Bedürfnis nach Verwöhnung und Zuwendung und  Bedürfnis nach körperlicher Erfahrung und „Abarbeitung“ (vgl. Berg 2008) Umso evidenter ist die Frage danach, wieso bislang allgemeine kommunale Aktivitäten wie der LA 21-Prozess oder auch die Umsetzung der Gesunde Gemeinde-Politik eine derart subdominante Position innerhalb gesundheitsregionaler Umsetzungskonzepte einnehmen? In Ableitung der Pechlaner-Aussage könnte im Zusammenhang eine provokante Kausalhypothese abgeleitet werden: Nur, wenn es gelingt, Gesundheit intersektoral in die regionale Gesamtpolitik zu integrieren, stellen sich die gewünschten emotionalen Erlebnisse ein, weil sie auf Authentizität dort Lebender basieren. Im vorhergehenden Teilabschnitt 5.1 wurden aus dem Interpretationsverständnis, „der Lesart“ dieser Hypothese erfolgreiche verhältnispräventive Praxisbeispiele aufgeführt, die Zeugnis über den positiven Einfluss von Gemeindepolitik auf Städtebau, Verkehrsplanung und Landschaftsschutz ablegen. Die Ottawa-Charta stellt analog zum vorliegenden Zusammenhang fest: „Gesundheit muss auf allen Ebenen und in allen Politiksektoren auf die politische Tagesordnung gesetzt werden. Politikern müssen dabei die gesundheitlichen Konsequenzen ihrer Entscheidungen und ihre Verantwortung für Gesundheitsförderung verdeutlicht werden“ (FGÖ 2006). Praxisbeispiel Im Jahr 2006 wurden mit den Gemeinden Reißeck und Dellach im Gailtal zwei erste Gemeinden des „Gesundheitslandes“ Kärnten zu gesunden Gemeinden zertifiziert. Nach weiteren sechs Jahren sind, wie bereits berichtet, 105 der 132 Gemeinden zertifiziert, so dass eine landesweite Identifikation mit dem groß angelegten Projekt vorhanden ist.

166

5 Gesundheitstouristische Destinationsentwicklung Die Homepage verdeutlicht, wie viele Einzelprojekte monatlich in den Gemeinden stattfinden, obwohl die Projektphase jeweils bereits beendet wurde. Vor der Beantragung einer Erstzertifizierung waren und sind Rahmenbedingungen zu erfüllen: So müssen die Implementierung eines funktionierenden Arbeitskreises und konstante Zuweisungen von Budgetmitteln nachgewiesen sein. Auch bezüglich der Kooperation mit dem Kompetenzzentrum Gesundheit des Amtes der Kärntner Landesregierung hinsichtlich der Förderung und Begleitung von Einzelprojekten ist seit 2006 sehr intensiv, so dass in diesem Fallbeispiel in der Tat von gesundheitsorientierter regionaler Gesamtpolitik ausgegangen werden kann.

Auf kommunaler Ebene kommt dabei Projekten ein sehr wichtiger Status zu (siehe Abb. 5.7). Aufgrund ihrer begrenzten, absehbaren Dauer, einer entsprechenden Projektstruktur und des begrenzten, prognostizierbaren Einsatzes finanzieller Mittel eignen sie sich besonders, um Interventionen im Setting zu evaluieren. Als gelungen können positiv evaluierte Projekte bezeichnet werden, die zu einer Verstetigung im Alltag führen. Verstetigt sind diejenigen Interventionen, welche vom Projektstatus entfristet werden. In der Regel ist dies der Fall, wenn v.a. ehrenamtlich Tätige die kommunalen, dann langfristig angelegten Aktivitäten koordinieren und durchführen. Wie später noch am Fallbeispiel erörtert wird, werden die indikationsunspezifischen Interventionen Bewegung, Ernährung, Entspannung und Kommunikation bereits von mehreren fest etablierten Institutionen angeboten (z.B. Sportvereine). In der Umsetzungspraxis sollte daher darauf geachtet werden, dass bei politisch geförderten kommunalen Projekten keine unnötigen Redundanzen entstehen.

Abb. 5.7:

Entwicklungsstrukturen einer gesundheitsförderlichen Gesamtpolitik

An anderer Stelle wurde bereits die Funktion der Destinationsmanagementorganisation (DMO) beschrieben; in Österreich nehmen diese Aufgaben nach Fusionen der vergangenen

5.2 Verhaltenspräventive Entwicklungsaufgaben

167

Jahrzehnte die Tourismusverbände (TVB) wahr. Derlei Institutionen stellen häufig Dachorganisationen für das Marketing mehrerer einzelner Destinationen dar, in denen regionale Leitbilder und eine regionale Gesundheitspolitik zusammengeführt, dauerhaft verortet und weiterentwickelt werden kann. Diese Instanz ist als sensible Schnittstelle zwischen dem Gesundheits(er-)leben innerhalb der Gemeinden und der notwendigen nachhaltigen Imagebildung nach außen einzustufen. Hierauf wird im folgenden Teilabschnitt 5.3 vertieft eingegangen. Tipp im www zur weiteren Recherche  Verein Gesundheitsland Kärnten: Gesunde Gemeinde, verfügbar unter: http://www.gesundheitsland.at, zuletzt abgerufen am: 11.12.2012. Tipps in Literaturform  Pechlaner, Harald und Bachinger, Monika (Hrsg.), Lebensqualität und Standortattraktivität: Kultur, Mobilität und regionale Marken als Erfolgsfaktor, Berlin 2010.  Fischer, Elisabeth, Das kompetenzorientierte Management der touristischen Destination – Identifikation und Entwicklung kooperativer Kernkompetenzen, 1. Aufl., Wiesbaden 2009.

5.2.4

Entwicklung kommunaler gesundheitlicher Kompetenz

Während der Jahre 2009 bis 2012 wurde mit dem Health Literacy Survey Europe (HLS-EU, vgl. Pelikan et al. 2011) europaweit stichprobenartig die Gesundheitskompetenz der Bürgerinnen und Bürger erhoben. Diese kann aufgrund der Stichprobenauswahl auch direkt ableitbare Aussagen für Anwohner und Nutzer gesundheitstouristischer Destinationen beinhalten.

Abb. 5.8:

Health Literacy Model (Pelikan, Röthlin und Ganahl 2011)

168

5 Gesundheitstouristische Destinationsentwicklung

Die Entwicklung gesundheitlicher Kompetenz stellt das vierte Aktionsfeld der Ottawa-Charta dar. Insgesamt soll entsprechend der oben dargelegten Definition darauf Einfluss genommen werden, „den Menschen zu helfen, mehr Einfluss auf ihre eigene Gesundheit und ihre Lebenswelt auszuüben, und will ihnen zugleich ermöglichen, Veränderungen in ihrem Lebensalltag zu treffen, die ihrer Gesundheit zu gute kommen“ (FGÖ 2006). In der deutschen Übersetzung des Originaltextes findet sich der Bildungsbegriff (ebd.); in der englischen Sprache wird im Gegensatz zur deutschen der Terminus education dabei nicht weiter differenziert. Hier sind mit den Begriffen Gesundheitsbildung, Gesundheitsberatung und Gesundheitserziehung drei sich voneinander deutlich unterscheidende Dimensionen impliziert. Im vorliegenden Kontext kann Bildung i.S. des von Nahrstedt (2007) eingeführten Terminus Wellnessbildung interpretiert werden. Bei adäquater Verwendung des Wellnessbegriffs bedeutet Bildung dann die „Aneignung von Kenntnissen und Fertigkeiten zur Ausformung eines „kultivierten Lebensstils“, eines gesundheitlichen Wohlbefindens (Well-being) in Selbstbestimmung (Raithel, Dollinger und Hörmann 2009). Bildung impliziert somit eigenmotiviertes, intentionales Lernen und Handeln. Die Ottawa-Charta nennt mit Schulen, Wohnungen und Arbeitsplätzen die etablierten Settings; mit Bildungs- und Gesundheitsorganisationen, öffentlichen Körperschaften, Erziehungsverbänden und Wirtschaftsgremien die vermuteten Organisationen. Die in diesem Lehrbuch vertretene Meinung beinhaltet jedoch eine weitere Verortung zur Entwicklung gesundheitlicher Kompetenzen: das gesundheitstouristische Setting. Gesundheitsbildung wird dabei am ehesten in den gesundheitsförderlichen Settings Wellness, Medical Wellness und Naturnaher Gesundheitstourismus anzutreffen sein. Dem hingegen prägt bei Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen aufgrund des konkreten krankheitspräventiven Kontextes primär Gesundheitserziehung die touristischen Settings. Gesundheitserziehung zielt darauf ab, mit gezielt vermitteltem Wissen zur Einstellungs- und Verhaltensänderung (Raithel, Dollinger und Hörmann 2009), also zur Verhaltensakkomodation, zu motivieren. Auch erwähnen die Autoren Übungsprogramme; somit Lernzusammenhänge, wie sie beispielsweise im Rahmen der Prävention psychischer Störungen alltäglich umgesetzt werden. Gesundheitsberatung als dritte Komponente kommt sowohl im gesundheitsförderlichen, als auch im krankheitspräventiven Kontext vor. Sowohl Gesundheitsgäste und örtliche Bevölkerung suchen dabei in der Rolle Ratsuchender professionelle und semiprofessionelle Experten in deren Rolle als Berater auf. Ziel von Gesundheitsberatung ist nicht nur die Vermittlung handlungsrelevanten Wissens, sondern auch der Motivierung zur Einstellungs- und Verhaltensänderung (ebd.). Praxisbeispiel Die HLS-EU-Studie kommt hinsichtlich der Messung von Gesundheitskompetenz zum Ergebnis, dass diese in Österreich höher ausgebildet ist, als in vielen anderen Teilnehmerländern der Europäischen Union. Sie variiert einerseits stark bezüglich Kompetenzen auf Bundesländerebene, andererseits aufgrund des Alters, der sozialen Schichtzugehörigkeit, des individuellen Krankheitszustandes und der Inanspruchnahme des Krankenbehandlungssystems. Darüber hinaus kommt die Studie u.a. zu den Konsequenzen, dass die „Lesbarkeit/Navigierbarkeit“ des Systems und die Kommunikations-

5.2 Verhaltenspräventive Entwicklungsaufgaben

169

kompetenz von Angehörigen der Gesundheitsberufe Verbesserungspotenziale aufweist. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Entwicklung individueller Gesundheitskompetenzen vor allem dort Zuspruch findet, wo Personen in Gruppen lernen. Veranstaltungen in den indikationsunspezifischen Interventionsfeldern sind vor allem auf den Webseiten der „Gesundheitsländer“ Kärnten und der Steiermark zu finden. Für gesundheitstouristische Destinationen besteht eine der wesentlichen sozialen Aufgaben darin, derlei Veranstaltungen von ihrer Didaktik her zumindest zum Teil interkulturell konzipieren zu müssen. Dies, um den zunehmend wichtigen Anforderungen gesundheitstouristischer Gäste an ein authentisches Marketing gerecht zu werden. So weisen Bieger und Beritelli (2013) darauf hin, dass touristische Dienstleistungen nichtmaterieller Natur sind, und deshalb ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Gastgeberdestination und Gästen aufgebaut werden müsse. Dies dürfte für den eher sensiblen Bereich des Gesundheitstourismus in besonderem Maße gelten. Tipps in Literaturform  Nahrstedt, Wolfgang, Wellnessbildung – Gesundheitssteigerung in der Wohlfühlgesellschaft, Berlin 2007.  Nicolaus, Jürgen, Ritterbach, Udo, Spörhase, Ulrike und Schleider, Karin, Leben nach Herzenslust? Lebensstil und Gesundheit aus psychologischer und pädagogischer Sicht, Freiburg i.Br. 2010.

5.2.5

Neuorientierung kommunaler Gesundheitsdienste

Als letztes Aktionsfeld erfasst die Ottawa-Charta denjenigen, „bei dem die Umsetzung im Vergleich zu den anderen vier Aktionsfeldern bisher am wenigsten gelungen ist“ (Naidoo und Wills 2010). Gemeint ist das wichtige Ziel einer mehr im Gemeinwesen verankerten medizinischen Grundversorgung: „International evidence suggests that health systems based on a strong Primary Health Care (PHC) orientation have better and more equitable health outcomes, are more efficient, have lower health care costs and can achieve higher user satisfaction than those whose health systems have only a weak PHC orientation“ (Pan American Health Organization 2007). Der Begriff Primary Health Care – Primäre Gesundheitsversorgung – wurde, das verstärkt den Eindruck Naidoos und Wills, bereits acht Jahre vor der Ottawa-Konferenz auf derjenigen von Alma Ata (1978) erwähnt. Schon dort sollte die Primäre Gesundheitsversorgung systematisch forciert und somit neu orientiert werden: „The people have the right and duty to participate individually and collectively in the planning and implementation of their health care. (…) PHC is the first level of contact of individuals, the family and community with the national health system bringing health care as close as possible to where people live and work, and constitutes the first element of a continuing health care process” (National Primary Health Care Partnership Australia 2012). Konkret sind unter der Neuorientierung drei Schwerpunkte zu verstehen, die gerade durch Gesunde Gemeinden, vor allem durch “gesunde gesundheitstouristische Gemeinden” im Rahmen von Changemanagement-Prozessen erfüllt werden sollten:

170

5 Gesundheitstouristische Destinationsentwicklung



„Die generelle Ausdehnung der Kerngeschäfte der Gesundheitsdienste vom medizinischklinischen Behandlungsbereich hin zur stärkeren Förderung der Lebensqualität der Patientinnen und Patienten,  die Einbeziehung der Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Gesundheitsdiensten sowie deren gesundheitlichen Bezüge zum kommunalen Umfeld und seinen sozialen Gemeinschaften,  die Integration der Prävention und Gesundheitsförderung in die Bereiche der medizinischen Behandlung und Pflege“ (Naidoo und Wills 2010). Sowohl diese Autorinnen, wie auch der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) (2008) favorisieren im Rahmen von PHC die stärkere Einbindung von Pflegekräften, deren Berufsbezeichnung daher nicht von ungefähr eine Erweiterung auf „Gesundheits- und KrankenpflegerIn“ widerfuhr. Wesentlich weiter gehen Anregungen, wie sie u.a. von Krüger und Sittler (2011) in die Diskussion um die Zukunftsprognosen des Gesundheitssystems einbringen. Sie forcieren Ehrenamtlichkeit in einem sehr breiten Spektrum und bringen hierfür viele interessante Beispiele an. Praxisbeispiele Krüger und Sittler (ebd.) erwähnen beispielsweise Mehrgenerationenhäuserkonzepte. Dies können einerseits Haus- und Wohngemeinschaften sein. Im vorliegenden Zusammenhang werden von den Autoren jedoch eher offene Treffpunkte impliziert, bei denen Menschen generationenübergreifend zusammenfinden und gemeinsam handeln. Ältere Konzepte, die stark Lebensphasenorientiert waren (Jugendheime, Familienbildungsstätten, Seniorentreffs) können dann ersetzt werden, wenn Menschen an generationenübergreifenden Kontakten und sozialen Netzwerken interessiert und hierfür offen sind. Dadurch entstehen oft interessante Kombinationen, die zudem häufig einen direkten Gesundheitsbezug auf allen vier Ebenen der unspezifischen Interventionen bieten. Insgesamt betrachtet münden alle bislang genannten Aspekte in diesem einen, die Gesundheitsdienste neu zu orientieren, sie zukunftsfähiger zu gestalten. Das bedeutet vor allem, vergleichsweise Gesundheit stärker zu fördern, als Krankheiten zu prävenieren (Schnabel 2006). Medizinische Modellvorstellungen dominieren noch zu sehr soziale Konzepte, wie insbes. diejenigen des Empowerments. In diesem Sinne bietet sich vor allem gesundheitstouristische Destinationen eine hervorragende Möglichkeit, mit innovativen funktionierenden Musterprojekten über ein zusätzliches Marketingpotenzial zu verfügen und somit Kundenbindungsprozesse zu induzieren. Tipp im www zum Vertiefen  DBfP – Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe, Delivering quality, serving communities:Nurses leading Primary Health Care, verfügbar unter: http://www.dbfk.de/download/IND-2008deutsch-FINAL-geaend.pdf, zuletzt abgerufen am: 12.12.2012.

5.3 Gesundheitstouristisches Destinationsmarketing

171

Tipps in Literaturform  Naidoo, Jennie und Wills, Jane, Lehrbuch der Gesundheitsförderung, Köln 2010  Krüger, Roland und Sittler, Loring, Wir brauchen Euch! Wie sich die Generation 50plus engagieren und verwirklichen kann, Hamburg 2011.

5.3

Gesundheitstouristisches Destinationsmarketing

Fachliche Grundsatzliteratur zum Marketing (u.a. Kotler und Bliemel 2001, Weis 2012), zum Tourismusmarketing und zu dem von Destinationen (u.a. Pechlaner und Bachinger 2010, Bieger und Beritelli 2013) liegt bereits umfangreich vor. An Grundzügen von speziell gesundheitstouristischem Marketing arbeiteten darüber hinaus bereits u.a. Illing (2009) und Berg (2008). Somit bedarf es derzeit keiner vertiefenden, zusätzlichen primär theoretischen Deskription der Mechanismen von Destinationsmarketing. Vielmehr gilt es zum einen, die deduktiv nomologische Beziehung von allgemeinem Destinationsmarketing (Explanans) und dem gesundheitstouristischen Destinationsmarketing (Explanandum) unter dessen eher spezifischen Rahmenbedingungen zu reflektieren. Zu Beginn dieses Teilabschnittes sollte daher den genannten Quellen gegenüber eingangs nicht verschwiegen werden, dass Gesundheitsmarketing sich generell problematischer darstellt, als dies beispielsweise durch die medial nahezu omnipräsente Produktbewerbung verschreibungsfreier Pharmaprodukte oder die Bewerbung einer Skiregion insuggeriert werden könnte. Auf die spezielle Problematik des Marketings von Gesundheitsdienstleistungen weisen beispielsweise Kernstock-Redl, Schultheiss und Stühlinger (2012), aber auch Roski (Hrsg., 2009) hin. Die zentrale Herausforderung dieses Teilabschnittes liegt daher darin, eine Klammer zu den vorhergehenden Teilkapiteln unter speziellem Bezug zum gesundheitstouristischen Destinationsmarketing zu schaffen. Es soll somit der Ansatz verfolgt werden, die Aspekte von Verhältnis- und Verhaltensprävention in ein sowohl inhaltlich schlüssiges, als auch nachhaltiges Marketingkonstrukt zu integrieren. Dass der Nachhaltigkeit bei der Konzeptionierung zukunftsorientierter Strategien besondere Bedeutung beigemessen werden muss (nicht sollte), unterstreicht u.a. Scherhag (2012) mit seinem Beitrag zum Destinationsmarketing im Gabler-Wirtschaftslexikon. Definition Gesundheitstouristisches Destinationsmarketing Destinationsmarketing geht in der Regel von Destinationsmanagementorganisationen (DMO) aus. Bei einer größeren Kommune kann dies das sog. Citymarketing sein, bei mehreren kleinen Kommunen, die sich zusammenschließen, ein Tourismusverband (TVB). Aufgabe dieser Institutionen ist es, die gesundheitstouristischen Bedürfnisse sowie die Kompetenzen der Destination entlang des Gesundheits-Krankheitskontinuums strategisch zu erfassen, daraus Vision, Mission und Leitbild sowie ein schlüssiges Marketingkonzept zu entwickeln und in Ableitung davon zu betreiben. Durch das Destinationsmarketing sollte eine konsequent und ganzheitlich gesundheitsorientierte Grundeinstellung entstehen. Es sollte zudem gesundheits-

172

5 Gesundheitstouristische Destinationsentwicklung

touristische Bedürfnisverschiebungen frühzeitig identifizieren, um rechtzeitig pro-aktiv reagieren zu können. Gesundheitstouristisches Destinationsmarketing sollte sich von anderen touristischen Destinationsmarketingkonzepten einerseits durch die besondere Fokussierung der drei Nachhaltigkeitsaspekte (ökologische, ökonomische und soziale Faktoren) absetzen. Andererseits sollten verhältnis- und verhaltenspräventive Aspekte hieraus hervorgehen, die insgesamt ein nachhaltig-harmonisches und zugleich authentisches Gesamtbild der Destination entwerfen. Hinsichtlich des Destinationsmarketings gestaltet sich die tatsächliche praktische Arbeit der DMO häufig problematisch. So weist Abb. 5.9 z.B. darauf hin, auf wie viele Einflüsse Tourismusorganisationen bei der Konzeptionierung eines City- oder Regionsmarketings eingehen müssen.

Abb. 5.9:

Einflussgrößen für Destinationsmarketingorganisationen (DMO).

Mit den in Abb. 5.9 stellvertretend genannten Institutionen sind lediglich die wesentlichen Akteure genannt, sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Hinzu kommt, dass die tatsächliche Einflussnahme häufig von den Gewichtungen der Beitragszahlenden abhängt. In der Praxis ist beispielsweise häufig der Versuch verstärkter Einflussnahme durch Gemeinderäte oder besonders dominanter Hotelbetreiber feststellbar – dies sind ungünstige Parameter für ein ausgewogenes Destinationsmarketingkonzept, v.a. für die Anbieter von privaten Unterkünften.

5.3 Gesundheitstouristisches Destinationsmarketing

173

Mit diesem Teilabschnitt soll keineswegs eine Musterlösung für gesundheitstouristisches Destinationsmarketing erarbeitet werden. Es akzentuiert vielmehr die Integration von Verhaltens- und Verhältnisprävention – oder aber diejenige von authentischer Gestaltung des Incoming (in die Region Einreisende) zur Regionalbevölkerung unter den Aspekten der ökologischen, ökonomischen und kulturellen Nachhaltigkeit. In diesem Zusammenhang sei wieder einmal auf ein Filmdokument hingewiesen: Jedem, der einmal die 1994 entstandene Piefke-Saga des bekannten tirolerischen Regisseurs Felix Mitterer gesehen hat, wurde das komplizierte, widersprüchliche und letztlich misslungene Verhältnis von Tourismusanbietern und Gästen plastisch vor Augen geführt. Die Piefke-Saga steht symptomatisch für Marketingkonzepte, die nicht auf den langfristigen Eigenbedarf, die Authentizität und somit die Nachhaltigkeit von Anrainerbevölkerung und Umwelt achten. Umso dringlicher scheint es mit Blickrichtung zu den komplizierten Verhältnissen innerhalb von DMO‘s (siehe Abb. 5.9), an dieser Stelle praxisnahe Lösungen anzudeuten, die allen Beteiligten gerecht werden.

5.3.1

Führung gesundheitstouristischen Destinationsmarketings

Trotz der häufig mit der rechtlichen Stellung von DMO‘s verbundenen Probleme ist ein klarer Entwicklungstrend des Destinationsmarketings zu erkennen. Im Sinne von Kotler und Bliemels Modell der Marketingfunktionsträgerschaft (2001) befinden sich die Tourismusinstitutionen gerade auf regionaler Ebene vielerorts mittlerweile auf der Stufe der integrierenden Funktion im Wechselspiel sehr unterschiedlicher Einflusskräfte innerhalb einer Destination. Die darüber hinaus reichende Perspektive lautet jedoch aufgrund der Globalisierung des (gesundheits-)touristischen Marktes: die Destinationsmarketingorganisation muss auf ihrer nächsten Entwicklungsstufe (ebd.) zur zentralen Funktionsträgerin von projekt- und prozessbegleiteten Führungsvorgängen innerhalb der Destination generieren. In der Konsequenz bedeutet dies einen weitgehend von politischen und ökonomischen Primärinteressen entkoppelten Vorgang zur nachhaltigen und marktorientierten Destinationsführung (Winkelmann 2010). Definition Führung (engl.: leadership) Im vorliegenden Kontext ist Führung i.S. von Unternehmensführung zu interpretieren. Hierbei umfasst der Terminus vor allem die Geschäftsführung, die im engeren Sinne von ständiger und nachhaltiger Marktassimilation primär transformalen Charakter hat, die Veränderungen induziert. Markenführung einer gesundheitstouristischen Destination bedeutet, auf Basis der Dynamik des Gesundheits-Krankheitskontinuums einen Interessenausgleich zwischen den internen und externen Akteuren der DMO herbeizuführen, der zur nachhaltigen Destinationsentwicklung pro-aktiv beiträgt. Viele der relevanten Teildimensionen von gesundheitstouristischem Destinationsmarketing wurden bereits erwähnt; sie sind in Abb. 5.10 nochmals in Schlagworten zusammengefasst und verdeutlichen zum einen die innere Verzahnung der Teildimensionen sowie ihren Facettenreichtum.

174

Abb. 5.10:

5 Gesundheitstouristische Destinationsentwicklung

Einflussfaktoren der Marketinggrundsätze (Weis 2012, S. 23).

Es ist daher nicht verwunderlich, wenn Hinterhuber und Krauthammer (1999) das Erscheinungsbild einer Unternehmung, oder wie im vorliegenden Fall einer Destination, zu einer von insgesamt elf nicht delegierbaren Führungsaufgaben der Destinationsleitung zählen. Damit die entscheidenden Marketing-Impulse jedoch tatsächlich von einer DMO als zentraler Funktionsträgerin von Führungsaufgaben ausgehen können, müssen die finanzielle Trägerschaft und damit verbundene Einflussnahme perspektivisch flächendeckend voneinander entkoppelt werden. Aus diesem im Praxisfeld jedoch vorzufindenden Umstand heraus sind die nun folgenden Ausführungen zuvor sehr bewusst als Konstrukte beschrieben worden und nicht als generell umsetzbare Umsetzungsdimensionen. Dass sie trotzdem über eine Präsenzlegitimation innerhalb des vorliegenden Lehrbuches haben, ist dem Prinzip der lernenden Organisationen innerhalb von indizierten Changemanagement-Prozessen geschuldet. Wenn nun grundlegend davon ausgegangen werden kann, dass die DMO zentrale Funktionsträgerin von projekt- und prozessbegleiteten Führungsvorgängen ist, so stellt sich eingangs die Aufgabe, eine Destinationsvision und die Destinationsmission zu entwickeln; beide gemeinsam überführen dann zum Zweck der Gesundheitsdestination. Betrachtet man bezüglich dieser zu leistenden Grundsatzarbeit Anzahl und Facettenreichtum der an einer DMO beteiligten Akteure, so ist zu erahnen, welch langwierige Prozesse hierbei im Praxisfeld impliziert sind. Zum besseren Verständnis: Unter einer Destinationsvision einer gesundheitstouristischen Gemeinde/Ortschaft kann ihre Zukunftsvorstellung verstanden werden; dies unter der Fragestellung: Welche ökonomischen, ökologischen und sozialen Ziele soll die Region/Gemeinde in einem vorgegebenen Zeitraum unter Einsatz welcher Mittel erreichen? Die Vision einer gesundheitstouristischen Destination ergibt sich aus dem Konsens aller direkt Beteiligten, um das perspektivisch Wünschenswerte zu artikulieren. Mit der Destinationsmission werden ihre Kernkompetenzen zum Ausdruck gebracht. Welche Dimensionen des Gesundheits-

5.3 Gesundheitstouristisches Destinationsmarketing

175

Krankheitskontinuums können dabei durch die einzelnen Leistungserbringer abgedeckt werden? Hinterhuber und Krauthammer (1999) akzentuieren mit besonderer Relevanz für gesundheitstouristischen Kontext, dass sich die Kernkompetenzen einer Destination aus der Kombination und Koordination von Know-How, den Mitarbeiterpotenzialen, Prozessen, Technologien und Sachressourcen (in diesem Fall besonders der natürlichen Umgebung) ergibt. Sollte sich aus dieser Kombination in summa ggf. eher eine Ist-Positionierung auf dem präventiven Zweig des Kontinuums oder auf demjenigen der Gesundheitsförderung einstellen? Die Antwort auf diese Frage lautet: Aus der Destinationsvision sollte sich in Ergänzung zu den hier genannten Teildimensionen einer Mission ein schlüssiges und daher plausibles Gesamtbild ergeben, die dann den Destinationszweck umfasst. Praxisbeispiel Seit dem Jahre 1832 entwickelte sich am Rande des im deutschen Bundesland Nordrhein Westfalen gelegenen Teutoburger Waldes der Kurort Bad Lippspringe. Die Destination durchlief genau die Entwicklungsstadien, die im historiologischen Abriss dargestellt wurden. Aufgrund der Heilwasser entwickelte sich in den Folgejahren ein Heil- und Kurort, der insbes. Lungenkranke, später auch Allergie- und Asthmaerkrankte. Doch das sog. „Bädersterben“ mit den viele Kurorte treffenden Folgen sowie die Entwicklung hin zu Lifestyle-Destinationen brachte für den Kurort massive Image- und Income-Einbrüche mit sich. Im Jahr 2011 hat sich der nordrhein-westfälische Kurort dann erfolgreich um die Ausrichtung der Landesgartenschau 2017 beworben. Ganz im Sinne der im Kap. 5.1 reflektierten Verhältnisprävention basierte das Bewerberkonzept auf der Idee, den Kurwald „erlebbar und fühlbar zu machen“. Entsprechend lautete das Feedback des Komitees: „Wald, Gesundheit und Wasser werden in der ästhetischen Landschaft des Teutoburger Waldes unter dem Leitmotiv des urbanen Waldes gut vermittelt (Riemenschneider 2011). Dieses Beispiel zeigt abermals – parallel zu dem des niederbayerischen Bodenmais, dass es durchaus referenzierbare Beispiele für ein von vielen Destinationsakteuren gemeinsam getragenes Marketingkonzept gibt. Hierbei handelt es sich daher nicht um eine futuristische Vision, sondern um praktisch existierende Fallbeispiele. Tipp im www zum weiteren Vertiefen  Geschäftsstelle der Landesgartenschau Bad Lippspringe 2017, Die Landesgartenschau-Chronik, verfügbar unter: http://www landesgartenschau-bad-lippspringe.de/lgs2017/zeittafel-aktionen/ index.php?navid=1312984085861, zuletzt abgerufen am 17.12.2012. Tipps in Literaturform  Weis, Hans Christian, Marketing, 16. Aufl., Herne 2010.  Hinterhuber, Hans & Krauthammer, Eric, Leadership – mehr als Management – Was Führungskräfte nicht delegieren dürfen, 2. Aufl., Wiesbaden 1999.

176

5.3.2

5 Gesundheitstouristische Destinationsentwicklung

Marke und Branding einer Gesundheitsdestination

In Konsequenz der Parameter Destinationsvision, Destinationsmission und Destinationszweck sollte sich darauf aufbauend ihr Marketing ergeben. Hinsichtlich des Destinationsmarketings kann davon ausgegangen werden, dass es aufgrund der generell hohen Entwicklungsstandards gesundheitstouristischer Destinationen bereits bestehende Strukturen gibt, was die Arbeit im Praxisfeld nicht erleichtert. Aktueller Behandlungsgegenstand des DMOMarketings ist zumeist weniger der Aufbau einer Marke, sondern vielmehr deren Stärkung oder Restrukturierung mit neuen Impulsen (Esch 2004). Dass dies eine durchaus anspruchsvolle Herausforderung an das Marketing ist, zeigen die bereits eingeführten Beispiele von Bad Lippspringe und Bodenmais, die sich in einem komplizierten Change-ManagementProzess hinsichtlich ihres jeweiligen Images befinden. Vor diesem Hintergrund wäre es dennoch ein zu großer Anspruch an dieses Teilkapitel, alle Elemente des Destinationsmarketings unter den speziellen Antezedenzien des Gesundheitstourismus zu reflektieren. Dies sollte die Forderung an eine separate monografische Publikation sein. Vielmehr geht es an dieser Stelle darum, denjenigen Vorgang zu beschreiben, der aus einer Destination eine Marke mit möglichst hohem Ansehen in den bereits beschriebenen Kundenmärkten macht. Im Gegensatz zur bereits beschriebenen Einzelmarkenstrategie sollen hier grundlegende Aspekte der Destination als Dachmarke reflektiert werden. Diese Forcierung erscheint aus zweierlei Motiven heraus logisch. Zum einen „belegen neuere Entwicklungen, dass reine Einzelmarkenstrategien (…) zunehmend überdacht werden“ (Esch 2004). Zum anderen erfolgt der touristische Entscheidungsprozess zuerst in die präferierte Region, dann zu derjenigen des Hauses (Berg 2008). Diese Tendenz war vermutlich ausschlaggebend für die Gründung der Tourismusverbände in Österreich, die mittlerweile nahezu bundesweit konstituiert wurden. Mit den Tourismusverbänden entstanden häufig neue Marken mit Bezug zur Gesundheit wie zum Beispiel Thermen-, Wander- oder aber auch Gesundheitsregion. Hiermit entstand dann auch der Bedarf von Destinationsbezogenem Branding. Definition Branding „Branding umfasst alle konkreten Maßnahmen zum Aufbau einer Marke, die dann geeignet sind, ein Angebot aus der Masse gleichartiger Angebote herauszuheben und die eine eindeutige Zuordnung von Angeboten zu einer bestimmten Marke ermöglichen“ (Esch und Langner 2001). Im Fall von gesundheitstouristischem Destinationsmarketing handelt es sich zudem um eine Markenallianz (Co-Branding), bei der die Einzelunternehmen entlang der touristischen Wertschöpfungskette sich auf Zusammenarbeit und gemeinsame Werte einigen. Bei den durch Branding beschriebenen Restrukturierungsprozessen einer gesundheitstouristischen Destinationsmarke gilt es – genau wie bei deren Implementierung – zwei wesentliche Aspekte zu beachten: Esch (2004) nennt zum einen die Markierung (siehe Abb. 5.11). Anhand der Abb. 5.12 wird deutlich, welch hohe Relevanz dem Identitätsbegriff im Kontext von Authentizität neben dem betrieblichen Setting auch innerhalb einer Destination beigemessen wird. Die Abgrenzung der Begriffe Markenessenz, Kernidentität und Erweiterte Identität gegenüber den bereits eingeführten Termini Destinationsvision, -mission und -zweck liegt in der Markenassoziation und deren möglichst plakativen Darstellung mit Schlagworten.

5.3 Gesundheitstouristisches Destinationsmarketing

Abb. 5.11:

177

Markenidentitätskreise (Aaker und Joachimsthaler 2000)

Praxisbeispiel Mittlerweile gibt es eine solch stattliche Anzahl von Thermenregionen, dass eines der üblichen Marketingziele, der Wiedererkennungswert, das Besondere, mit diesem Terminus kaum mehr erreicht wird. Aus diesem Grund versucht sich die Thermenregion Oststeiermark an einem neuen Branding unter dem Titel Garten Österreichs. Bei der Kreierung der neuen Dachmarke „finden sich alle Anbieter in den 73 Gemeinden, vom 5-Sterne-Hotel bis zum Urlaub am Bauernhof“ wieder (FM 2012). Auch die in der Quelle genannten Hinweise auf „Authentizität und gelebte Lebensfreude“ indizieren, dass die im Rahmen dieses Kapitels genannten Aspekte keinesfalls nur theoretische Überlegungen sind, sondern, dass sie sich vielmehr in ersten Fallbeispielen der Praxis wiederfinden. Neben der Markierung ist als zweite Säule des Branding-Prozesses der Beitrag der Kommunikation zu erwähnen, der zu einem späteren Zeitpunkt noch vertieft wird. Hierunter versteht Esch (2004) die „Wahrnehmbarkeit der Positionierungsbotschaft, deren Eigenständigkeit und die Integration aller Kommunikationsmaßnahmen“. Den Restrukturierungsprozess eines bestehenden Brandings durchzuführen, bietet nicht nur Chancen, er beinhaltet auch Risiken, derer sich im vorliegenden Kontext vor allem Marketingverantwortliche in Kurorten bewusst sein dürften. Doppler und Lauterburg (2000) weisen

178

5 Gesundheitstouristische Destinationsentwicklung

im Zusammenhang auf die Gefahrenquelle hin, dass Betroffene die Ziele, Hintergründe oder die Motive eines solchen Prozesses nicht verstehen, wobei sie offen lassen, ob dem kognitive oder/und emotionale Ursachen hat. Auch können mit dem Paradigmenwechsel einer Destination Zielgruppen bedingte Umstrukturierungen für Einzelbetriebe verbunden sein, die Kosten entwickeln. Schließlich sind es im Rahmen von externer Kommunikation vor allem die bisherigen und die avisierten Zielgruppen, die mit ihrem Aufenthalt das Branding einer Dachmarke mittragen. Auch hier sind ähnlich gelagerte Gefahrenquellen zu vermuten. Dies alles impliziert, dass der Auf- oder in den meisten Fällen Umbau einer Destinationsdachmarke einen hochgradig sensitiven Vorgang darstellt, der der eingehenden Marktforschung bzgl. der Zielgruppen sowie politischer Kommunikationsarbeit in den betroffenen Regionen und Gemeinden bedarf. Tipps im www zum weiteren Vertiefen  Tirol Werbung, Marke Tirol, verfügbar unter: http://www.tirol werbung.at/xxl/de/marketirol/index.html, zuletzt abgerufen am: 19.12.2012.  Standortagentur Tirol, Standortagentur für Wirtschaft und Wissenschaft, verfügbar unter: http://www.standort-tirol.at/page.cfm ?vpath=index, zuletzt abgerufen am: 19.12.2012. Tipps in Literaturform  Esch, Franz-Rudolf, Strategie und Technik der Markenführung, 2. Aufl., München 2004.  Change Management – Den Unternehmenswandel gestalten, 12. Aktualisierte und erweiterte Aufl., Frankfurt und New York 2008.

5.3.3

Umsetzungsparameter des Destinationsmarketings

Wenn Konzeptionierung und Umsetzung des gesundheitstouristischen Destinationsmarketings funktionieren sollen, so gilt es, eine Vielzahl von Parametern zu beachten. Diese betreffen nicht nur die bis hierher genannten Aspekte auf strategischer Ebene, sondern vielmehr letztendlich vor allem diejenigen auf der operativen Umsetzungsebene. Definition Destinationsmarketinginstrumente Selektion und Anwendung der Marketinginstrumente ergeben sich aus den Schlussfolgerungen von zuvor definierter Markenessenz, Kernidentität und Erweiterter Identität. Sie dienen als kommunikative Beförderungsmittel zwischen Destination und Nachfrageorganisation/-person. Hierzu zählen „Angebotspolitische Instrumente (gesundheitstouristische Einzelanbieter, Programme, Preisgestaltung), Distributionspolitische Instrumente (Reservationswege, Reservationsorganisation, Reservationslogistik), Kommunikationspolitische Instrumente (Werbung, Verkaufsförderung, Public Relations) und neuere Marketinginstrumente“ (Becker 2010). Marketinginstrumente operationalisieren die Dachmarke Destination. Auch bei der Auswahl

5.3 Gesundheitstouristisches Destinationsmarketing

179

der Marketinginstrumente wird zunehmend auf deren nachhaltigen ökologischen, ökonomischen und sozialen Gehalt geachtet. Abb. 5.12 verdeutlicht in Schlagworten, welche Dimensionen neben den in der Definition genannten zentralen Aspekten im Rahmen nachhaltiger Marketingkonzeptionen auf praktischer Ebene zu beachten sind. Bezogen auf Destinationsmarketing nennen Bieger und Beritelli (2013) zwei wesentliche kommunikationspolitische Elemente: Bereits lange Zeit sind Animations- und Gästebetreuungsprogramme etabliert, hierzu zählen im kurtouristischen Setting zum Beispiel Kurkonzerte. Die Autoren nennen ein weiteres kommunikationspolitisches Element der Verkaufsförderung: Packages/Pauschalangebote. Werden beispielsweise die Vor-Ort-Bewegung mit elektrischen Autos und Fahrrädern, die öffentliche Anreise und die Unterbringung in einem besonders ökologisch arbeitenden Wellness-Resort miteinander kombiniert, so handelt es sich einerseits um ein Pauschalangebot, andererseits um Verhältnisprävention im Sinne der Ausführungen des Kapitels 5.1. Beide Maßnahmen ergänzen einander zu einem Branding, das einer nachhaltig angelegten touristischen Destinationsdachmarke dient. Pauschalangebote empfehlen sich daher ganz besonders im Falle des Markenaufbaus oder ihrer Restrukturierung im zuvor genannten Kontext von Verhältnis- und Verhaltensprävention. Dass es sich bei derlei Szenarien nicht um Phantasien handelt, exerziert die dänische Hauptstadt Kopenhagen vor: Hier erhalten CityReisende nach einer öffentlichen Anreise kostenlos und für den Tag des Aufenthalts ein Fahrrad, mit dem sie sich im gesamten Stadtgebiet bewegen können (Seitz 2012).

Abb. 5.12:

Maretinginstrumente (Weis 2012, S. 24)

In der Marketingtheorie hat sich bezüglich der Instrumente vor allem das Wagenrad der vier „P“ des US-amerikanischen Ökonomen Philip Kotler durchgesetzt, über das Tab. 5.1 im Überblick informiert:

180 Tab. 5.2:

5 Gesundheitstouristische Destinationsentwicklung Kotlers vier „P“ im gesundheitstouristischen Destinationsmarketingmix Allgemeine Kennzeichnung Basisangebote der gesundheitstouristischen Anbieter, ergänzt durch Zusatz- und Aktionsprogramme der Destination. Preisführerschaft vs. Preisunterbietungspolitik. Hinzu kommen Rabattpolitik, Absatzkredite und Zahlungsbedingungen gegenüber Reiseveranstaltern, Versicherungen und Gästen. Reservationswege, Reservationsorganisation und Reservationslogistik können als „Pipeline“ (Becker 2010) des Marketings beschrieben.

Produkt (product)

Preis (price)

Distribution (placement)

Kommunikation (promotion)

Kurzfristige Produktkommunikation, langfristige Vermittlung von Markenessenz, Kernidentität und Erweiterte Identität.

Beispiele aus dem Gesundheitstourismus Örtliche Infrastruktur: eines der sechs gesundheitstouristischen Settings sowie daraus hervorgehende Packages. Vergüteter/unvergüteter öffentlicher Zugang zu Gesundheitseinrichtungen (Kneipp-Anlagen, BarfußParcours, Langlauf- und NordicWalking-Strecken …). Anschlussfokus auf demjenigen gesundheitstouristischer Reservationssysteme, Aktive Zusammenarbeit mit Gebietskrankenkassen und privaten Zusatzversicherungen. Markenziele pro-aktiv kommunizieren: möglichst positives Branding der Destination auf allen Kommunikationskanälen schaffen.

Die in Tab. 5.2 dargestellten vier „P“ simplifizieren selbstverständlich wesentlich komplexere Zusammenhänge des Destinationsmarketingmix und des Einsatzes der verschiedenen Marketinginstrumente. Deren Koordination bedarf der sorgfältigen, daher strategischen Planung, weil Destinationsmarketing in den meisten Fällen durch öffentliche Mittel finanziert wird. Abschließend muss daher in gebotener Kürze der Terminus Marketingstrategie unter der Prämisse öffentlicher Verantwortung erörtert werden. Im deutschsprachigen Raum wird Strategie häufig mit dem Militärreformer v. Clausewitz (1780–1831) in Verbindung gebracht, der den Begriff aus der Trias Ziel – Zweck – Mittel heraus entwickelte. Unter den Antezedenzien dieses Werkes ergibt sich in freier Übertragung dieser Trias folgende Grundsatzfrage für eine Destinationsmarketingstrategie: Welche Ziele dienen der Innen- und Außendarstellung der Destination (deren Vision, Mission und Zweck); welche ökonomischen, ökologischen und sozialen Ressourcen werden unter dem Kriterium der Nachhaltigkeit hierfür kurz-, mittel- und langfristig gebunden? Tipps in Literaturform  Becker, Jochen, Das Marketingkonzept – Zielstrebig zum Markterfolg, 4. Aufl., München 2010.  Winkelmann, Peter, Marketing und Vertrieb, Fundamente für die Marktorientierte Unternehmensführung, 8. Aufl., München 2013.  Bieger, Thomas und Beritelli, Pietro, Management von Destinationen, 8., aktual. und überarb. Aufl., München 2013.

5.3.4

Erfolgsmessung von Destinationsmarketing

Gerade, weil es sich in vielen Fällen von Destinationsmarketing um die Bindung kommunaler und regionaler öffentlicher Mittel handelt, besteht eine besondere Sorgfaltspflicht. Dass

5.3 Gesundheitstouristisches Destinationsmarketing

181

diese jedoch nicht in Einflussnahme der diversen Akteure (siehe Abb. 5.9) münden sollte wurde bereits behandelt. Es kann eingangs nicht vermieden werden, auf die Problematik des Erfolgsbegriffs einzugehen, da sich hieraus eine im Praxisfeld nicht unentscheidende Messproblematik ergibt. Erfolg bezieht sich zuerst einmal auf Ziele, in diesem Falle auf Marketingziele der DMO. Im vorhergehenden Kapitel 4 wurde bereits deutlich, dass diese nicht ausschließlich absatzorientierter Natur, sondern sehr wohl auch emotionaler Natur sind Definition Erfolgsmessung II Auf Destinationsebene konstituiert sich der Erfolgsbegriff anders, als dies bei einem Einzelunternehmen der Fall ist. Betriebswirtschaftlicher Erfolg betrifft hierbei meistens lediglich die effiziente Verwendung öffentlicher Mittel. Die wesentliche Leistung von Destinationsmarketing besteht aber darin, den psychologischen Wert der eigenen Destinationsdachmarke pro-aktiv zu bewerben. Hierzu gehören primär Markenbekanntheit der Destination, ihr gesundheitstouristisches Image und die Markentreue der Gesundheitsgäste. Traditionelle Messindexe beinhalten daher vor allem den Bekanntheitsgrad der Destination, die Gästezufriedenheit, die Markentreue, das Image der Destination in toto, das Reservationssystem, Kompetenz des Destinationspersonals, Ausschilderungen (Kneipp-Anlagen, Wanderwege usw.). Zukünftig sollten weitere Parameter jedoch Aufschluss über perspektivisch wichtige Größen der Nachhaltigkeit (neben ökonomischen v.a. ökologische, soziale) erheben. Parallel zum Einzelunternehmen gilt auch für das Destinationsmarketing, dass die Erfolgsbeurteilung durch die Gesundheitsgäste stark mit ihren individuellen Gesundheitszielen zu korrelieren scheint. Daher gilt auch für die gesundheitstouristische Destinationsbewertung: Heilerfolg vor Teilerfolg vor Achtungserfolg vor Scheinerfolg. Trotz dieser, die MessReliabilität betreffenden Aspekte können zwei Gruppen von Erhebungen Aufschluss über zwei Marketingdimensionen geben. Sie sind für das Destinationsmarketing von großer Wichtigkeit. Becker (2010) unterscheidet wie folgt:  Operatives Controlling (Feed-Back-Ansatz).  Strategisches Controlling (Feed-Forward-Ansatz). Ziel beider Evaluierungsvarianten ist es, Fehlentwicklungen möglichst frühzeitig zu erkennen, um ihnen entgegenzusteuern. „Die Prüfung auf Angemessenheit sowohl der zugrundeliegenden Strategie als auch der Pläne und Maßnahmen ist notwendig, weil sich das Marketingumfeld ändert“ (Kotler und Bliemel 2001). Operatives Controlling hilft im vorliegenden Zusammenhang dabei, rückwärtige Aspekte zu reflektieren; der Jahresbericht eines Tourismusverbandes ist ein typisches Beispiel hierfür. Ziel dieser Art von Erfolgsmessung ist die Erfüllung gesetzter Ziele. Generelle Aspekte des operativen Controllings sind in Tab. 5.3 wiedergegeben.

182

5 Gesundheitstouristische Destinationsentwicklung

Tab. 5.3:

Instrumente des operativen Marketingcontrolling (Kotler und Bliemel 2001) Hauptverantwortung – Topmanagement – Mittleres Management

Zweck der Kontrolle Prüfen, ob die geplanten Ergebnisse erreicht werden

II Aufwands und Ertragskontrolle

– Marketingcontroller.

Untersuchen, wo dem Unternehmen Gewinne und Verluste entstehen

III Effizienzkontrolle

– Manager in Linie und Stab – Marketingcontroller

Aufwendungen abschätzen und verbessern

I

Jahresplankontrolle

Instrumente – Umsatzvergleich – Marktanteilsvergleich – Aufwandsvergleich – Finanzzahlenvergleich – Ausweis des Leistungsstands im Markt Aufwands- und Ertragsrechnung – Produkte – Gebiete – Kundengruppen – Absatzwege – Auftragsgrößen Effizienzstudien für – Verkauf – Werbung – Public Relations – Verkaufsförderung – Distribution

Die Durchführung operativen Marketings wird mittlerweile durch einen hohen Grad an standardisierten elektronischen Erfassungssystemen stark erleichtert. Der eigentliche Führungsvorgang liegt in der Interpretation erhobener Werte und der Ableitung von adäquaten Strategiemodifikationen bei Unterschreitung von zuvor gesetzten Toleranzgrenzen. Im Gegensatz zu retrospektiv orientiertem operativem Marketingcontrolling betrifft das strategische Marketingcontrolling prospektive Szenarien, die schlagwortartig in Abb. 5.13 dargestellt sind.

Abb. 5.13:

Strategisches Marketingcontrolling

Die Effektivitätsprüfung bezieht sich vor allem auf die strategische Orientierung von potenziellen Zukunftsmärkten einer Destination. Diese basieren auf Marketinginformationen und einer integrierten Marketingorganisation (vgl. Kotler und Bliemel 2001). Entscheidend ist

5.3 Gesundheitstouristisches Destinationsmarketing

183

hierbei nicht nur, den richtigen Zeitpunkt für das Destinationsmarketing zu definieren, sondern dabei auch die bereits eingeführte Trias von Ziel, Zweck und Mittel zu beachten. Mit der prospektiven Spitzenleistung sollten bei den Akteuren des Destinationsmarketings (Hoteliers, Einzelhandel …) Daten erfasst werden, die prospektive Spitzenleistungen erfassen. Wohin sollte sich die eigene Destination als Ganzes im Vergleich zu konkurrenzierenden Destinationen hinbewegen? In welche Richtung sollen bezüglich des gesundheitstouristisch langfristigen Bedarfs an die Destination Dienstleistungsangebote der DMO spezifiziert werden? Diese zwei Fragen stehen für eine Vielzahl weiterer Fragen ergänzt werden, die das strategische Marketingcontrolling konstituieren. Neben der ökonomischen Verantwortung sind i.S. der Nachhaltigkeit auch im Rahmen des strategischen Marketings einer DMO die ökologischen und sozialen Parameter zu beachten. Diesbezügliche Schwerpunktthemen wurden bereits erörtert. Im Kontext zunehmenden Konkurrenzdrucks im gesundheitstouristischen Markt ist jedoch an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass gerade in diesem Marktsegment bei der Konzeptionierung strategischen Marketings auf die Einhaltung des Europäischen Kodes der Verhaltensgrundsätze in der Öffentlichkeitsarbeit geachtet werden sollte (DPRG 2006). Tipps im www zum Vertiefen  Tourismusverband Innsbruck und seine Feriendörfer, Geschäftsbericht 2010, verfügbar unter: http://www.innsbruck.info/file damin/PDF/Statistiken/geschaeftsbericht_innsbruck_tourismus2010. pdf, zuletzt abgerufen am: 21.12.2012.  Zermatt Tourismus, Jahresbericht 2011, verfügbar unter: http:// www.zermatt.ch/files/?id=46849, zuletzt abgerufen am: 21.12.2012. Tipp in Literaturform  Rulle, Monika, Hoffmann, Wolfgang und Kraft, Karin, Erfolgsstrategien im Gesundheitstourismus, Berlin 2010. Zusammenfassung Anhand zahlreicher Beispiele kann belegt werden, dass die nachhaltige Destinationsentwicklung eine zentrale Anforderung an die DMO ist. Verhältnisprävention dient auf den verschiedenen, im Teilabschnitt 5.1 behandelten Dimensionen nicht nur den Gesundheitsgästen, sondern vielmehr auch der einheimischen Anrainerbevölkerung. Der Prozess der Lokalen Agenda 21 kann hierbei genauso unterstützen, wie engagierte, ehrenamtliche Aktivitäten der Bevölkerung. Auch die Verhaltensprävention ist in dem Zusammenhang zu erwähnen. Diese sollte nicht nur ein Grundmotiv der touristischen Reisekaufentscheidung sein, sondern vielmehr Grundlage der vor Ort handelnden Akteure. Ziel von Verhältnis- und Verhaltensprävention ist schließlich die authentische Bewerbung, Vermarktung und Dienstleistung von Gesundheitsdienstleistungen. Sie stellen eine besondere Herausforderung für das Marketing einer Destination dar, weil hier besonders authentisch und nachhaltig geworben werden sollte.

184

5 Gesundheitstouristische Destinationsentwicklung Übung  Auf der Seite http://www.archicultura.ch/ ortsbildqualitaet.php finden Sie ein „Beispielschema zur Beurteilung der Ortsbildqualität. Bedienen Sie sich dieses Beurteilungsbogens, indem Sie das Ortsbild einer Ihnen vertrauten (Gesundheits-)Destination aufgrund der im Kap. 5.1 beschriebenen Kriterien analysieren.  Erörtern Sie anhand desselben Beispiels den Stand des lokalen/ regionalen Systems der Verhältnis- und Verhaltensprävention. Wie wird dort unter den Aspekten der Nachhaltigkeit Destinationsentwicklung betrieben?  Analysieren Sie das Destinationsmarketing dieser Gemeinde/ Region anhand der vorgenannten Aspekte. Wie wird im Rahmen öffentlicher Teilhabe (zumindest aller Akteure der DMO) die zukunftsorientierte Marketingstrategie entwickelt?

6

Ethik im Gesundheitstourismus

Zwar ist die Reise unseres Glacier-Express eigentlich beendet; wir haben eine sehr erlebnisreiche Fahrt mit vielen interessanten Haltepunkten hinter uns gebracht. Doch, ist das funktionale Wissen um all das, was wir hinter uns ließen, wirklich alles? Ich bin der festen Überzeugung, dass der spannendste Teil unseres Ausflugs nun noch vor uns liegt und möchte Sie daher zu einer Tour auf das unserem Zielbahnhof Zermatt nahe gelegene Matterhorn einladen. Zugegeben, der Gipfel ist alles andere als leicht zu erklimmen. Doch wer einmal oben steht, hat einen unvergleichbaren Panoramablick um 360°. Es lohnt sich also, weiterzulesen. Denn darum geht es in diesem Kapitel im übertragenen Sinne – um einen solchen Panoramablick: die Ethik. Der Begriff ist alt-griechischer Provenienz und leitet sich etymologisch von ethos (Charakter, Sinnesart) ab. Ethik bedeutet daher ursprünglich das sittliche Verständnis. Definition Ethik Ethik und Moral werden häufig synonym verwendet. Sogar der Duden differenziert nicht und bezeichnet beides als Sittenlehre. Moral ist jedoch die Vorstufe von Ethik; moralisch gut handelt, wer i.S. des in einer Gesellschaft allgemein Anerkannten handelt. Moralisches Handeln geschieht aus einer stark anthropozentrischen Perspektive heraus. Ethik sucht demgegenüber, die Werte, Normen und Ziele als Lebensmaximen für die Gesellschaft als mittlere Prinzipien“ (Marckmann 2013) zu definieren. „Die ethische Reflexion beginnt zwar mit den alltäglichen moralischen Überzeugungen, endet aber nicht mit ihnen“ (ebd.). Ethische Positionen bieten Entscheidungshilfen und dienen so der Selbstregulation. Genau wie der Begriff des Panoramablicks nur da angebracht ist, wo herausgehobene Geländepunkte einen Rundherum-Ausblick erlauben, steht die Ethik perspektivisch über den Dingen des Alltags. Sie scheint für den Gesundheitstourismus nochmals stärker eingefordert werden zu müssen, als dies in Form der Wirtschafts- als Bereichsethik der Fall ist. Im kurativen Zweig des Gesundheitstourismus kann dabei sowohl mit der Medizinethik (u.a. Schöne-Seifert 2007, Hick 2007), als auch mit der Pflegeethik (Lay 2005, Arbeitsgruppe Pflege und Ethik 2004) rekurriert werden. Alle Bereichsethiken stehen dabei u.a. in engem Verhältnis zum Arztrecht (u.a. Laufs et al. 2010), dem Krankenhausrecht (Lenz et al. 2007) und dem Medizinproduktegesetz (Rehmann und Wagner 2010, Dewitz 2011). Wenn sich der Gesundheitstourismus nun tatsächlich zu einem „Megatrend“ entwickeln sollte, wie einige Gesundheitstouristiker prognostizieren, so dürfe es nicht ausreichen, die ethischen Fragestellungen ausschließlich über die Wirtschaftsethik zu lösen, selbst, wenn sie integrativer Natur ist (vgl. u.a. Ulrich 2008). Wie ich im vorhergehenden Kapitel an einigen Beispielen dargestellt habe, gibt es Anlässe genug für einen gesundheitstouristischen Positionierungsbedarf: Reicht es beispielsweise aus, wenn die medizinische Primärversorgung zugunsten größerer Gewinnspannen aus dem qualitätsorientierten Gesundheitstou-

186

6 Ethik im Gesundheitstourismus

rismus leidet, oder wenn der aus dem Medizintourismus resultierende toxische Müll im Meer verklappt wird? Ist es sinnvoll, hier mit vordergründiger „Sachzwanglogik“ zu argumentieren (vgl. Ulrich 2008)? Einige Tourismusanbieter haben diesbezüglich mittlerweile reagiert. Dass hier ein Wandel in vielen Unternehmensphilosophien stattfindet, kann am Terminus Corporate Social Responsibility (CSR) erkannt werden. Hieraus resultierende Wettbewerbsvorteile sind zudem in ersten Publikationen zu finden (u.a. Bruns 2011). Ein zweiter Grund dafür, sich mit gesundheitstouristischer Ethik zu befassen, wurde bereits im zweiten Kapitel genannt. Als wissenschaftliche Subdisziplin etabliert sich Gesundheitstourismus aktuell an einigen Universitäten und vielen Hochschulen. Im Zusammenhang fiel der Begriff Neue Gesundheitswissenschaften (New Public Health, vgl. Hurrelmann, Laaser und Razum 2006). Wenn sich im Rahmen dieser Entwicklungstendenzen die im Kap. 4 intensiver reflektierten Settings der Gesundheitsförderung verstärkt im (akademisch präsenten) Gesundheitssystem etablieren wollen, so gehört die wissenschaftliche Befassung mit der Ethik im Neuen Gesundheitstourismus zu den absehbar notwendigen Arbeiten, die ihre Auswirkungen in Lehrplänen und Curricula haben dürfte. Gemeinsam mit der Anthropologie bildet sie eine wichtige Klammer und Grundlage akademisch reflektierten Handelns.

Abb. 6.1:

Ethisch ambivalente Ausgangspositionen (in Anlehnung an Veit 2005)

Dieses Kapitel soll einen Beitrag zum Meinungsbildungsprozess leisten, den Studierende und Absolventinnen/Absolventen einer universitären oder hochschulischen Ausbildung zu einem reflektierten Berufsbild führen soll. Das, was Veit (2005) an Differenzen zwischen sozialer und

6 Ethik im Gesundheitstourismus

187

privater Verwirklichung herausstellt, umschreibt Lütz (2002) mit Bezug zum Gesundheitstourismus unter der Überschrift Lebenslust – Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult: „Keine Frage, wir haben eine neue Religion: die Gesundheitsreligion. Im Dienste der Gesundheit ruinieren wir unser Gesundheitssystem. Wir kasteien uns selbst mit Diätund Fitness-Terror und vergessen darüber fast, was das Leben ausmacht“. Leben auf der Wellness-Stufe I vermag tendenziell in diese Richtung zu weisen, wenn Ziele von Wellnessaufenthalten primär hedonistischer und narzistischer Natur sind. Im Sinne von ethischer Verantwortung sind wir uns selbst gegenüber jedoch auch zur protektiven Gesunderhaltung verpflichtet. Dieses Beispiel zeigt die Problematik einer Ethik im Gesundheitstourismus auf. In diesem Kapitel Ethik soll Entscheidungshilfen bieten, die auch im gesundheitsförderlichen Kontext von Gesundheitstourismus von zunehmend größerer Bedeutung erlangt. Das erste Unterkapitel befasst sich daher mit den Rahmenbedingungen des Gesundheitstourismus und somit der Sozial/Gesundheitsethik und der Umweltethik. Zum einen geschieht dies hinsichtlich der demografischen und epidemiologischen Prognosen. Wurden in den Kapiteln 3.2.3 und 4.3.4 als Zielgruppen von Gesundheitszentren Gehandicapte und Hochbetagte genannt, so gilt es gerade wegen dieser Personenkreise, eine ethische Positionierung zu forcieren, dies unter dem Prädiktor der restitutio ad integritatem. Die Agenda Tourismus mit Einsicht (1991) oder Green-Spa-Zertifikate indizieren die nachhaltigere Grundpositionierung der Tourismusindustrie im zweiten Teilabschnitt, in dem die Umweltethik reflektiert wird. Ihre Bedeutung ist jedoch im Praxisfeld häufig vergleichsweise gering. Eine Sensibilisierung i.S. sich rasch verändernder ökologischer Ausgangsbedingungen scheint parallel dazu durchaus gerechtfertigt zu sein. Im zweiten Unterkapitel führe ich abschließend in zwei Bereichsethiken ein, die direkten Bezug zu den Handelnden aufweisen: die Medizin- und Pflege-, sowie in die Unternehmensethik. Letztere befasst sich mit Fragestellungen zur Umsetzung und Anwendung von sich wandelnden Normen und Idealen mit dem Bezug zum marktwirtschaftlichen System. Medizin- und Pflegeethik befassen sich mit der Behandlung von Krankheit und Förderung von Gesundheit im Setting. Vor dem Hintergrund von Gesundheitswahn und Fitness-Kult als Ersatzreligion stellt sich vor allem die Frage, wie sich das gesundheitstouristische Angebotsportfolio perspektivisch auf ethischer Ebene positionieren kann und ggf. sollte? Lernziele   

Offensichtliche Probleme demografischer und epidemiologischer Entwicklung erkennen und eine eigene gesundheitstouristische Position hierzu definieren können. Eine eigene Werte- und Normenhaltung zu Nachhaltigkeitsproblemen des Gesundheitstourismus entwerfen. Relevante Bereichsethiken wie Medizin-/Pflegeethik und Wirtschaftsethik als Bezugsethiken ansatzweise erfassen um eine eigene Grundposition entwickeln.

188

6.1

6 Ethik im Gesundheitstourismus

Bereichsethiken mit Bezug zu Rahmenbedingungen

Die philosophische Ethik ist von der theologischen zu unterscheiden. Letztere beruft sich in letzter Konsequenz auf Gott, während die philosophische Ethik davon ausgeht, dass Normen und Werte von der Gesellschaft geschaffen und von allen verstanden werden. Unterschiede zwischen den einzelnen Dimensionen der philosophischen Ethiken sind mit markanten Fragen gekennzeichnet (Abb. 6.2). Wenn wir beispielsweise das oft wenig nachhaltige Wettrüsten um den größten bzw. spannendsten Spa-Bereich neutral auswerten, so geschieht dies auf deskriptiver Ebene. Legen wir bei der perspektivischen Würdigung solcher Prozesse jedoch die Agenda Tourismus mit Einsicht zugrunde, so befinden wir uns möglicherweise bereits im Bereich der normativen Ethik. Beide Dimensionen können dabei durchaus in eine Konfligranz geraten. Daher wird in der weiteren Abfolge von der normativen Ethik und der prozessoffenen Fragestellung „Was sollen wir tun?“ ausgegangen. Der Metaethik kommt bei dem Bezugsgeflecht ggf. die Aufgabe der gesellschaftlichen Konsensfindung zu.

Abb. 6.2:

Dimensionen der ethischen Beurteilung (Veit 2005)

In der Medizinethik werden grundsätzlich zwei Strömungen unterschieden. Sie versinnbildlichen ein Problem, das auf den Gesundheitstourismus übertragbar ist: Der Utilitarismus (utilitas, lat. = Nutzen) geht grundsätzlich vom solidarisch finanzierten Gesundheitssystem aus, so, wie wir es in Deutschland, der Schweiz und in Österreich kennen. Zentraler Fokus der utilitaristischen Position ist die Allokationsproblematik: Steigende Ausgaben treffen auf geringer werdende Einzahlungen. In der Konsequenz daraus reduzieren sich aus utilitaristischer Perspektive generell die Handlungsspielräume. Eine Konsequenz für den Gesundheitstourismus: der kostenorientierte Patiententourismus, bei dem Bürgerinnen und Bürger von Zentraleuropa aus andere Länder bereisen, um dort kostengünstiger indikationsbedingte Eingriffe durchführen zu lassen. Der utilitaristischen Perspektive, zu deren prominenten Vertretern Jeremy Bentham (1748–1832) oder auch John Stuart Mill (1806–1873) zählen, steht die deontologische Ethik (deon, gr. = Pflicht) gegenüber. Diese wird zutreffend als patientennah bezeichnet, weil es ihr extrem vereinfacht darum geht, für den Einzelfall die

6.1 Bereichsethiken mit Bezug zu Rahmenbedingungen

189

optimale Lösung zu erarbeiten – unabhängig von Alter, allgemeinem Gesundheitszustand usw.. Zu den Vertretern der deontologischen Ethik zählen die Gelehrten der Stoa wie Zenon von Kition (333–264 v.Chr.), Immanuel Kant (1724–1804) und in neuerer Zeit Jürgen Habermas (geb. 1929) und John Rawls (1921–2002). Auf Basis der Allokationsproblematik und sich verschärfenden sozialen Gegensätzen ergibt sich u.a. das Problem der Finanzierung von gesundheitstouristischen Aufenthalten in unseren Settings. Nur ein kleiner werdender Teil unserer Gesellschaft kann die auf dem touristischen Markt angebotenen optimalen Leistungen aufgrund eigener Zahlungsfähigkeit erwerben. Wenn Gesundheitsbildung im touristischen Setting zu nachweisbaren Effekten der Gesundheitskompetenz führt, so wird das Interesse des Gesundheitssystems dementsprechend steigen, diese Settings möglichst vielen zugänglich zu machen. Eine dazu notwendige Trendwende des Vergütungssystems kann ausschließlich aus der utilitaristischen Perspektive aller Träger des Gesundheitskostensystems heraus erfolgen. Dafür gibt es Indizien, die bei der Argumentation helfen, wie das folgende Teilkapitel zeigt. Tipps in Literaturform  Führich, Ernst, Basiswissen Reiserecht – Grundriss des Reisevertrags- und Individualreiserechts, München 2012.  Lütz, Manfred, Lebenslust – Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult, München 2002.

6.1.1

Sozial- und Gesundheitsethik

Die demografischen und epidemiologischen Zukunftsprognosen sind trotz aller Unerfreulichkeit von großer Bedeutung für den Gesundheitstourismus. Aus der Marketingperspektive heraus gehört die Beschaffung der Daten zur Marktforschung. Denn sollten ethische Fragestellungen die eine oder den anderen nicht sonderlich interessieren, so werden Fragen nach Marktpotenzialen, Marktvolumina, Absatzvolumina und den Marktanteilen von genuinem Interesse aller Leserinnen und Leser sein. Wenn wir von steigenden Lebenserwartungen und wachsendem Durchschnittsalter ausgehen, so liefert uns Görres (2010) hierzu erste Informationen: Während beispielsweise der Anteil 0- bis 19-Jähriger im Jahr 1950 in Deutschland bei 30 % und derjenige der 66-jährigen und älterer Personen bei 10% lag, so wird dies voraussichtlich im Jahr 2050 nahezu umgekehrt der Fall sein. Hier wird der Anteil von Personen zwischen 0 und 19 Jahren nur mehr 13% betragen, derjenige von Personen mit über 65 Jahren 32 % (ebd.). Abb. 6.3 verdeutlicht diese Problematik mit Hinblick auf den Vergleich der demografischen Entwicklung in den Jahren 1910, 2000 und der Prognose für 2050. Für das Jahr 1910 gilt noch die Metapher einer Pyramide, die u.a. noch durch hohe Frühkindmortalität und einer ergänzenden Vielzahl von vorzeitigen Toden durch Infektionskrankheiten gekennzeichnet ist. Die Demografie des Jahres 2000 gleicht demgegenüber einem Tannenbaum. Dieser entstand, weil die Phase des sog. Pillenknicks Anfang der 1970er Jahre einsetzte und damit die Phase des Babybooms ablöste. Für diese Altersgruppe der aktuell (2013) 40- bis 60-jährigen Personen trifft die Allokationsproblematik in vollem Umfang zu; sie wird diese Altersgruppe mit „voller Wucht“ treffen. Nach der Pyramide und dem Tannenbaum wird sich das Szenario daher im Jahre 2030 zu einem Urwaldbaum wandeln. Der Bevölkerungsanteil Älterer hat nun die Altersstufe > 70 Lebensjahren erreicht. Der Gesundheitstourismus wird sich allein

190

6 Ethik im Gesundheitstourismus

wegen dieser absehbaren Entwicklungen auf das Thema „Better Aging“ vorbereiten müssen; mit ihm auf Hochbetagte, deren Renten derzeit noch als relativ gesichert gelten.

Abb. 6.3:

Demografische Entwicklung der deutschen Bevölkerung 1910, 2000 und 2050

Parallel zum Prozess, dass unsere Tourismusdestinationen zunehmend von älteren Gästen geprägt sein werden, ist die epidemiologische Perspektive zu beachten (siehe Tab. 6.1). So wird ebenfalls die Zahl Gehandicapter massiv steigen. Die Gründe hierfür sind lediglich einerseits im allgemeinen Anstieg von Lebenserwartung und Durchschnittsalter zu identifizieren. Sorgen macht den Gesundheitssystemplanerinnen und -planern auch der zunehmend frühere Eintritt eines chronischen, bzw. irreversiblen Krankheitsverlaufes. Tab. 6.1:

Chronische bzw. irreversible Krankheitsverläufen und daraus resultierender Arbeitsmehraufwand (2007/2030, BMWi 2011a).

Indikation Apoplex (Schlaganfall) COPD (chronische Lungenerkrankung) Demenz (z.B. Alzheimer) Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) Myokardinfarkt (Herzinfarkt) Krebserkrankungen Schenkelhalsfraktur Rheumatoide Arthritis

Zunahme des Arbeitsaufwandes (%) + 37 + 23 + 51 + 20 bis + 22 + 42 + 26 + 42 + 18

Das deutsche Wirtschaftsministerium folgert zwar aus ökonomischer Perspektive die Prognosen, dass gerade diejenigen Destinationen und Beherbergungsbetriebe gute Zukunftschancen haben, „die die Bedürfnislagen bei ausgewählten Erkrankungen in einem urlaubstypischen Ambiente berücksichtigen. Destinationen, denen es gelingt, sich entsprechend der Potenziale der lokalen Anbieter auf bestimmte Indikationen und Therapieformen entlang der

6.1 Bereichsethiken mit Bezug zu Rahmenbedingungen

191

gesamten Dienstleistungskette zu spezialisieren, gewinnen“ (BMWi 2011a). Dies beschreibt jedoch nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite bedeuten die dargestellten Szenarien einerseits einen architektonischen Umbaubedarf, der für viele Destinationen und Beherbergungsbetriebe erheblich sein dürfte. Vielmehr aber versuchte ich im vierten Kapitel den Zusammenhang von Architektur- und Betreiberkonzept zu verdeutlichen, was auch in diesem Fall gilt. Ähnlich hoch, wie die Ereigniswahrscheinlichkeit dieser Prognosen ist, muss daher auch ein weiterer Trend in seiner ethischen Relevanz bewertet werden, der aktuell kaum Beobachtung findet: Bei steigendem Lebensdurchschnittsalter und früher eintretenden chronischen/irreversiblen Krankheitsverläufen ist es einerseits eines der größten medizinischen und pharmakologischen Verdienste im Sinne von „Heilstechnik“, erhöhte Mobilität trotz eingeschränkter Lebensqualität zu ermöglichen. Viele Gehandicapte nehmen bereits heute weitaus aktiver am gesellschaftlichen Leben teil, als dies noch in den 1950er Jahren der Fall war. Die aktive Teilhabe Gehandicapter basiert auf langfristig angelegten Verstehens- und Verständigungsprozessen, die vor allem von den Sozialverbänden forciert wurde und wird. Dazu gesellt sich zudem ein weiterer Effekt: Krüger und Sittler (2011) beschreiben, dass mittlerweile den meisten Menschen ein komplikationsloses und relativ beschwerdefreies Leben bis zirka zum 75. Lebensjahr möglich ist. Die Phänomene des Alterns machen sich demnach sehr häufig erst hier Lebensqualität einschränkend bemerkbar. Der eigentliche ambulante oder stationäre Pflegebedarf reduziert sich dabei häufig auf die letzten beiden Lebensjahre. Dennoch stellt sich gerade aufgrund des zunehmenden Durchschnittsalters eine Frage, die die Gesundheitsbildung im Setting umfasst: ist die Thanatologie. Es war vor allem die schweizerische Psychologin Kübler-Ross (1926–2004), die seit den späten 1960er Jahren mit dem sehr gehaltvollen Thema „Reif werden zum Tode – Eine Entdeckungsreise“ reüssierte und damit ein Tabu durchbrach. Der Themenbereich ist sowohl in vielen Wissenschaftsbereichen, als auch bei vielen Bürgerinnen und Bürgern noch immer ein Tabuthema. So wird es wohl nur eine Frage der Zeit werden, bis man sich dieses Themenkomplexes aufgrund der sich ändernden Zielgruppen auch im gesundheitstouristischen Setting annähern wird – selbstverständlich mit der situationsadäquaten Distanz. Die mit der Thanatologie tangierten Themenbereiche lösen dann im Setting zumindest teilweise eine Phase ab, die sehr markant und provokant „forever young“ (Strunz 2000) suggerieren will. Aus ethischer Perspektive führen die oben genannten Aspekte zum Terminus der sozialen Nachhaltigkeit. Im utilitaristischen Sinne des Gesundheitssystems erscheint es notwendig, allen Bevölkerungsschichten den Zugang zu Gesundheitsbildung zu ermöglichen, um die Vorteile informeller Bildung hinsichtlich eines Handicaps oder des Alterns nutzen zu können. Dies kann jedoch nur auf seriösen Wirtschaftens seitens der Kostenträger geschehen. „Die Leitidee, dass die jetzige Generation ihre Aufgaben lösen muss, ohne kommende Generationen zu belasten, zieht Fragen nach Generationengerechtigkeit, Vorbeugung von Armut und sozialem Zusammenhalt nach sich“ (Scherenberg 2012). Mit diesem Zitat ist das offene Konfliktpotenzial identifiziert, welches sich perspektivisch für die themenspezifische Ethiklastige Gesundheitsbildung im touristischen Setting ergibt. Das Erlernen von Gesundheitskompetenz sollte sich aus der Perspektive des Gesundheitssystems nicht ausschließlich in Richtung zahlungsfähiger Eliten entwickeln, sondern vielmehr i.S. von innovativem Gesundheitstourismus auch für weniger betuchte Gesellschaftsschichten erschwinglich sein. Aufgabe der Ethik wird es werden, Entwicklungstendenzen der sozialen Nachhaltigkeit im

192

6 Ethik im Gesundheitstourismus

gesundheitstouristischen Setting auszuwerten und frühzeitig auf Missstände aufmerksam zu machen. Tipps in Literaturform  Kübler-Ross, Elisabeth, Reif werden zum Tode, 8. Aufl., Stuttgart 1988.  Ahrbeck, Bernd, Der Umgang mit Behinderten, Stuttgart 2012.  Menschenrechte – Integration – Inklusion: Aktuelle Perspektiven aus der Forschung, Bad Heilbrunn 2011.

6.1.2

Umweltethik

Die Bedeutung von Naturnähe und die positiven direkten Einflüsse der Natur auf den Menschen wurden im zurückliegenden Text vielfach formuliert. Wohl deutlichstes Beispiel hierfür war Ulrichs Fensterstudie während der Jahre 1972–1981. Wenn also die Relevanz einer gesunden und vitalen Umwelt in ihrer kausalen Wirkung für die gesundheitstouristischen Settings für grundlegend erachtet wird, dann erwächst hieraus auch die Forderung, Verantwortung zu übernehmen. Im Zusammenhang postulieren Raithel, Dollinger und Hörmann (2009) eine klare Perspektive: „Dabei besteht das Ziel darin, vom nachsorgenden (kurativen) zum vorsorgenden (präventiven) Umwelthandeln zu gelangen bzw. eine bessere Balance zwischen beiden zu erreichen.“ An vielen Stellen – besonders außerhalb Zentraleuropas – wird jedoch noch allzu deutlich, dass wir als Gesellschaft noch sehr weit von dieser ethisch verantwortungsvollen Maßgabe entfernt sind. Die anthropozentrische Ethik dominiert dabei noch häufig. Diese Position geht vom absoluten Herrschaftsanspruch des Menschen über seine Umwelt aus: „Dem Eigentumsrecht i.S. des römisch-rechtlichen dominum als absolutem Herrschaftsanspruch (dominus, lat. = Herr), welcher gestattet, ein Gut nicht nur zu gebrauchen (uti), sondern auch zu verbrauchen (abuti) (…, Raithel et al. 2009). Aus dieser anthropozentrischen Ethik heraus ist die Umwelt sehr wohl respektvoll zu behandeln, jedoch weil sie für den Menschen allein unverzichtbar ist. Die Natur dient dem Menschen, damit dieser optimale Lebensbedingungen vorfindet, die ihn stärken und fördern. Insofern ist der Schutz der Natur als Lebensraum des Menschen zu fördern und zu fordern, weil er unverzichtbare Lebensgrundlage der menschlichen Spezies ist. Die zuletzt genannte argumentative Facette wird übrigens als Basic-Needs-Argument bezeichnet und kennzeichnet den ethischen Anthropozentrismus wesentlich. Spätestens jedoch, wo Bevölkerungs- oder in diesem Fall tourismuswirtschaftlicher Wachstum an seine Grenzen stößt, sind sachlogische Probleme dieser Ethik unausweichlich. Wachstumsgrenzen wurden während der vergangenen Jahrzehnte bereits vielfach erreicht. So markieren die sog. Ölkrise von 1973 oder auch die Reaktorkatastrophen von Tschernobyl (1986) und Fukushima (2012) in aller Offensichtlichkeit, dass Grenzwerte erreicht worden sind, oder, wie es weiter vorn im Buch lautet, der Rubikon überschritten wurde. Es sind jedoch nicht nur diese technischen oder die Naturkatastrophen (wie in Kap. 5 berichtet: z.B. Galtür 1999, Paznauntal 2005), sondern vielmehr auch nicht enden wollende nahezu alltägliche Zeitungsmitteilungen und Filmberichte über die nicht artgerechte Nutztierhaltung in Stallungen und Legebatterien des Industrial Food System, die indizieren, dass ethisch vertretbare Grenzen längst erreicht sind. Aus dieser Erkenntnis heraus entstanden die Umweltund Ökobewegungen der 1970er Jahre, aus denen heraus sich dann ca. 10 Jahre später die

6.2 Bereichsethiken mit Bezug zum Handlungsfeld

193

grünen Parteien konstituierten. Die Umweltorganisationen stehen für den Gegenentwurf zur anthropozentrischen Ethik ein, die als Physiozentrismus bezeichnet wird. Der Mensch ist hierbei lediglich Teil des Gesamtsystems Natur, dessen ethische Aufgabe darin liegt, Verantwortung für die Natur und deren Schutz zu übernehmen. Raithel et al. (2009) bezeichnen diese Ethikperspektive als „behutsame Sachwalterschaft“ unter der Prämisse von „Partizipation“. Für die Tourismusverantwortlichen erwächst aus dieser Perspektive heraus beispielsweise die ethische Verpflichtung, ausschließlich Lebensmittel zu kaufen, die dem Alternative Food System entstammen. Im Praxisfeld kann diesbezüglich in der Tat festgestellt werden, dass erste Beherbergungsbetriebe sich weiterentwickeln. Auch die Agenda Tourismus mit Einsicht aus dem Jahre 1991 (vgl. Müller 2007) weist in die Richtung der physiozentrischen Ethik. So heißt es hier explizit: „Als Verantwortliche in Tourismusgebieten wollen wir Natur und Landschaft wirksam schützen. Neben dem haushälterischen Umgang mit dem Boden und der zurückhaltenden Erschließung errichten wir auch großräumige Schutzzonen, die besonders wertvolle Landschaften bewahren sollen. Bei allen Planungs- und Bauarbeiten ziehen wir Fachleute des Natur- und Umweltschutzes bei“ (Müller 2007). Die Agenda verdeutlicht auch, dass nicht nur die Beherbergungsbetriebe umweltethisch reflektiert handeln. Sie bezieht sich ferner auf die Destinationsmanagementorganisationen (DMO), die Reiseunternehmen und die Gäste. Diesbezüglich lautet einer von insges. 10 Punkten: „Ich bin bereit, auch gegenüber der bereisten Umwelt ein Stück Verantwortung zu übernehmen. Ich gebe mich mit dem zufrieden, was vorhanden ist, und verlange nicht ständig nach mehr Komfort, Luxus und Freizeit-Einrichtungen aller Art; ich benütze umweltfreundliche Verkehrsmittel und gehe viel zu Fuß. Ich bin auch ohne Zweitwohnung glücklich. Natur erfahren und in Eintracht mit ihr leben – wenn schon im Alltag schwierig, dann wenigstens in den Ferien“ (ebd.). Wenn dieses Buch grundlegend von Gesundheitsbildung auf der Wellness-Stufe II von Begriffen wie Selbstkompetenz, Lebensbalance, Lernkompetenz und Reifung ausgeht, dann zählt eine ethische Reflexion der individuell vertretbaren Umweltbelastung selbstverständlich auch zum Bildungsanspruch des eigenen Handelns der Gesundheitsgäste. Tipps in Literaturform  Ott, Konrad, Umweltethik zur Einführung, Hamburg 2010.  Paslack, Rainer, Vromans, Kees und Isildar, Gamze Yücel, Umweltethik – Eine Einführung für Lehrende und Studierende, Pieterlen 2010.

6.2

Bereichsethiken mit Bezug zum Handlungsfeld

Jeder Beruf erfordert ein ethisches Fundament (vgl. Marckmann 2013). Dieses muss nicht zwangsläufig genuiner Natur einer spezifischen Bereichsethik sein. Die Berufsethik kann sich vielmehr einen interdisziplinären Bezugsrahmen schaffen, wozu dieses Kapitel einen eröffnenden Beitrag leisten kann. Der Psychologe Karl Popper (1902–1994) hat beispielsweise zwölf allgemeine berufsethische Prinzipien unter der Überschrift Fehler lieben lernen zusammengefasst (vgl. Popper 2009), von denen aus erste Anknüpfungspunkte gesucht werden können. Während im Zusammenhang einer gesundheitstouristischen Ethik die Sozialund Gesundheitsethik sowie die Umweltethik Rahmenbedingungen für das gesellschaftlich

194

6 Ethik im Gesundheitstourismus

verantwortungsvolle, selbstregulierende Verhalten im Gesundheitstourismus schaffen, sind mit der Medizin- und Pflegeethik, sowie mit der Unternehmensethik zwei Kernbereichsethiken im Handlungsfeld gesundheitsförderlicher Settings zu nennen. In den kurativen Bereichen sind Medizin- und Pflegeethik generell unabdingbare Basis des Handelns. Selbstregulierendes Verhalten erscheint spätestens da notwendig, wo durch die negativen Begleiterscheinungen des Tourismus auch außerhalb der Ökologie Grenzbereiche mit langfristig negativen Folgen augenscheinlich sind. Während das Unterkapitel 6.1 einen Beitrag zu ethischen Fragestellungen bezüglich sich wandelnder Zielgruppen und ökologischer Effekte als Rahmenbedingungen leisten sollte, fokussieren wir nun also im zweiten Schritt die im Gesundheitstourismus professionell handelnden Akteure in Anlehnung an Medizin- und Pflegeethik sowie den Beherbergungsbetrieb unter wirtschafts- bzw. unternehmensethischen Aspekten. Eine Vielzahl von ungünstigen Prädiktoren zeigt, dass auch und gerade diesbezüglich eine ethische Positionierung notwendig ist: Empirische Studien bestätigen, dass gerade in den Medizinberufen (Jaggi 2008) und im Tourismus (Cassens 2012b) die individuellen Belastungen – beispielsweise durch unregelmäßige Arbeit, Schichtarbeit oder unzureichendem Arbeitsschutz – höher sind, als in anderen Berufsgruppen. Eine berufs- und unternehmensethische Positionierung erscheint vor diesem Hintergrund gerade für die gesundheitstouristischen Settings mehr als angebracht, weil hier professionelles Handeln weniger Job, denn als Berufung i.S. der Dimension von Sinnempfinden darstellen sollte (vg. Hänsel 2009). Tipps in Literaturform  Hänsel, Markus und Matzenauer, Anna, Ich arbeite, also bin ich? Sinnsuche und Sinnkrise im beruflichen Alltag, Göttingen 2009.  Nowoczin, Jürgen, Kollegiale Beratung in der Führungspraxis, Bielefeld 2012.

6.2.1

Medizin- und Pflegeethik

Bei der Medizinethik handelt es sich um die älteste aller Berufsethiken. Die Existenz derselben reicht bis in das griechisch-pythagoräische Zeitalter um ca. 400 v.Chr. zurück und ist unter dem Terminus Hippokratischer Eid nachgewiesen. Medizinische und pflegerische Leistungen unterscheiden sich grundsätzlich von anderen Berufsgruppen, da das Verhältnis zwischen Behandelnden/Pflegenden und Patienten im Regelfall asymmetrisch ist. Marckmann (2013) schreibt daher von der „archetypischen Grundkonstellation von Not und Hilfe“. Gerade die im Kap. 4 beschriebenen Settings Wellness und Gesundheitszentrum werden perspektivisch da einen Bezug zu Medizin- und Pflegeethik aufbauen, wo Wohnungseigentümergesellschaften als Finanzierungsvariante oder aber im Fall der Gesundheitszentren die Zielgruppen der Hochbetagten und Gehandicapten dies einfordern. Der erhöhte Kompetenzbedarf an Umgang mit chronischer Krankheit und Alter wird bis hin zur Thanatologie eine Verschiebung gesundheitstouristischer Berufsprofile erfordern, parallel die Inszenierung ethischer Positionierungsfragen. Dabei handelt es sich explizit nicht um ethische Aspekte, die mit Entscheidungsfindungen medizinischer oder pflegerischer Provenienz verbunden sind. Es reicht bereits aus, moralische Grundsätze zu entwickeln, die sich auf die Beherbergung dieser Zielgruppen spezialisieren. Daher erscheint die Bezug nehmende Analyse von Medizin- und Pflegeethik angezeigt.

6.2 Bereichsethiken mit Bezug zum Handlungsfeld

195

Wenn die Protagonisten des Gesundheitstourismus das angestrebte Ziel der vertiefenden Integration in das Gesundheitssystem auch in den gesundheitsförderlichen Settings realisieren wollen, so übernehmen sie auch Aufgaben und Pflichten, die nach ethischen Entsprechungen suchen. Das bedeutet nicht nur, dass die sog. „Megatrends“ von Wellness, hier seien exemplarische Schlagworte wie „Simplify your life“, „Ich-Engineering“ oder „Selfness“ (vgl. u.a. Berg 2008, Schwaiger 2007) genannt, einer ernsthaften ethischen Reflexion unterzogen werden sollten. Das bereits mehrfach genannte Werk „Lebenslust“ des Kölner Psychiaters und Theologen Manfred Lütz stellt diesbezüglich berechtigte Anfragen an die Grenzen von Gesundheitswahn und Fitnesskult. Mit Hinblick auf die sich wandelnden Zielgruppen treten vielmehr Handlungen wie Gehandicapten- oder Hochbetagtenbegleitung auf die Agenda der im Gesundheitstourismus handelnden Akteure. Mit diesen verstärkt auftretenden Zielgruppen sind ggf. komplexere ethische Themen wie ärztliche Suizidbeihilfe oder die Tötung auf eigenes Verlangen (aktive Sterbehilfe) verbunden, die die bislang etablierten weitgehend anthropozentrischen Themen (s.o.) nicht nur erweitern, sondern auch bedingt in Frage stellen. Sicherlich sind dies genuine Problematiken des in diesen Settings tätigen medizinischen und pflegerischen Personals und werden eher Ausnahmesituationen darstellen. Sie prägen aber unzweifelhaft perspektivisch zunehmend die Settings aufgrund der epidemiologischen und demografischen Entwicklungen. Beauchamp und Childress (2008) nennen vier ethische Grundprinzipien für die Biomedizin. Sie sind zumindest ansatzweise auf den Gesundheitstourismus übertragbar.  Wohltun/Nutzen,  Nichtschaden,  Respekt der Patienten-Autonomie und  Gerechtigkeit. Während des Aufenthaltes im Setting bieten diese bereits jetzt ein Ambiente des Wohltuns und des gesundheitlichen Nutzens. Positive Effekte können durch gezielte Gesundheitsbildung gefördert und der Nutzen in Form von gesteigerter Gesundheitskompetenz und subjektiver Lebensqualität immens gesteigert werden (Wohltun/Nutzen). Unabhängig von deontologischer oder utilitaristischer Ethikperspektive sollten unter dem Prinzip der Gerechtigkeit Möglichkeiten und Zugänge für möglichst viele Gesellschaftsschichten zu Gesundheitsbildung im touristischen Setting geschaffen werden (Gerechtigkeit). Parallel zu diesen Prozessen ist der Einsatz von Medizintechnik und Kommunikationstechnologie im gesundheitsförderlichen Setting i.S. von „Nichtschaden“ und „Respekt der Patienten-Autonomie“ zu überprüfen. Einerseits gilt in den gesundheitsförderlichen Settings noch stärker, als in vielen Bereichen des kurativen Gesundheitstourismus, dass das Angebot im Verhältnis zur Nachfrage groß und der Markt stark konkurrenziert ist. Das betrifft vor allem das Setting Wellness, in dem sich aufgrund der Marktsituation die Verbesserungsinnovation Medical Wellness etabliert hat. Der Einsatz von Medizintechnik und/oder derjenige von Kommunikationstechnologie erfolgt insbes. dort unter einem sehr wohl wahrnehmbaren Innovationsdruck. Das deutsche BMWi und der Deutsche Tourismusverband beschreiben daher den Einsatz der Apparatetechnik aus Marketingsicht als Alleinstellungsmerkmale (DTV 2013d). Viel deutlicher noch als der deutsche Terminus bringt der englische Synonymbegriff Unique Selling Point (USP) zum Ausdruck, dass es bei diesem Szenario um Verkaufsaspekte und Gewinnaussichten geht, die die Einbindung von Alleinstellungsmerkmalen größer sind.

196

6 Ethik im Gesundheitstourismus

Der Deutsche Ärztetag positioniert sich scheinbar unabhängig von den gesundheitstouristischen Szenarien in seiner Formulierung der ärztlichen Berufspflicht wie folgt: „Die Ärzteschaft übernimmt bestimmte, gesellschaftlich bedeutsame Aufgaben, verpflichtet sich dabei auf fachlich und moralisch korrekte Ausführung dieser Aufgaben und erhält damit die Freiheit, sich selbst Regeln für die Berufsausübung zu setzen“ (Deutscher Ärztetag 2011). Auch wird in der Berufsordnung festgestellt, dass „berufswidrige Werbung Ärztinnen und Ärzten untersagt ist. Berufswidrig ist insbesondere eine anpreisende, irreführende oder vergleichende Werbung. Ärztinnen und Ärzte dürfen eine solche Werbung durch andere weder veranlassen noch dulden. Eine Werbung für eigene oder fremde gewerbliche Tätigkeiten oder Produkte im Zusammenhang mit der ärztlichen Tätigkeit ist unzulässig. Werbeverbote aufgrund anderer gesetzlicher Bestimmungen bleiben unberührt“ (ebd.). Die Bewerbung des Einsatzes medizintechnischer oder kommunikationstechnologischer Innovationen wird daher häufig auf andere Akteure des gesundheitstouristischen Settings substituiert. Das deutet jedoch auf eine ethische Gratwanderung mit potenziellem Konfliktpotenzial hin. Darüber hinaus wird zu beobachten sein, wie mit den im touristischen Setting generierten Daten aus der Perspektive des Datenschutz umzugehen ist: Wenn das Kostenträgersystem perspektivisch intensiver strategische Kooperationen mit gesundheitsförderlichen Settings eingehen sollte, so werden Effizienz- und Effektivitätsnachweise notwendig werden. Doch wie soll der Zugewinn an Gesundheitskompetenz nachgewiesen werden? Neben Erhebungen in Fragebogenform eignen sich hierfür Serumproben zur Prüfung der „Compliance“. Wie ist aber beispielsweise die Autonomie von Versicherten/Gesundheitsgästen bzw. deren weiterer Versicherungsschutz gewährleistet, wenn sog. Langzeitmarker einen erhöhten Alkoholkonsum über mehrere Monate nachweisen (vgl. Wurst, Thon und Weinmann 2009, Skipper et al. 2004), ohne dass die Einverständnis eines spezifischen Screenings seitens des Gesundheitsgastes vorliegt? Es gilt, den bereits seit über 2.400 Jahren bestehenden hippokratische Eid als ethische Maßgabe vorauszusetzen, bei dem der Schutz von Patienten/Gesundheitsgästen an einer der vordersten Stellen steht; dies gilt auch für die neuen Settings. Sollten die gesundheitsförderlichen Beherbergungsbetriebe daher intensiver in das System der Gesundheitskostenträger eingebunden werden, erfordert dies eine intensive medizinethische Reflexion und eine daraus abgeleitete Positionierung – insbes. hinsichtlich der potenziellen Deliberalisierungsgefahr von Gesundheitsgästen. Tipps in Literaturform  Wiesemann, Claudia und Biller-Andorno, Medizinethik – Für die neue AO, Stuttgart und New York 2005.  Hick, Christian, Klinische Ethik, Heidelberg und Berlin 2007.  Marckmann, Georg, Ärztiche Ethik als Beispiel einer berufsethischen Konzeption, in: Bohrmann, Thomas, Lather, Karl-Heinz, Lohmann, Friedrich (Hrsg.), Handbuch Militärische Berufsethik, Bd. 1, Wiesbaden 2013.

6.2.2

Unternehmensethik

Als Teil der Wirtschaftsethik geht die Unternehmensethik davon aus, dass eine nach ethischen Prinzipien handelnde Unternehmung keinen Widerspruch zu einer effizient handelnden Einheit darstellen darf. Diese Erkenntnis stand lange Zeit im Widerspruch zur weit verbreiteten Mei-

6.2 Bereichsethiken mit Bezug zum Handlungsfeld

197

nung, dass von unternehmensethischen Prinzipien geleitete Firmen und Institutionen weniger Gewinne erwirtschaften. Diese Ansicht gilt mittlerweile jedoch als weitgehend revidiert, ja sogar überholt. So attribuieren Hinterhuber und Krauthammer (1999) das Well-being der Mitarbeiter zur Gruppe nicht delegierbarer Leadership-Funktionen. Schlagworte hierfür sind Disability Management, Corporate Social Responsibility (CSR), Betriebliches Gesundheitsmanagement und im vorliegenden Zusammenhang vor allem die psychosoziale Gesundheit am Arbeitsplatz. Normative Grundlagen für Unternehmen und Organisationen neu zu entdecken, kann als ständiger Prozess der Marktadaption verstanden werden. Corporate Social Responsibility ist daher keine Entwicklung i.S. einer Basisinnovation; vielmehr ist sie die artikulierte aktuelle Positionierung von Unternehmen in einem langjährigen Prozess. Maßgeblich waren bei dieser Entwicklung in der Vergangenheit häufig Klein- und Mittelständische Unternehmen, die aufgrund ihrer Vernetzungen und Einbindungen in die Gemeinden frühzeitig zu nachhaltigem Handeln motiviert waren. Gesundheitstouristische Beherbergungsbetriebe zählen zumeist zu dieser Gruppe von Unternehmen, die zudem und dadurch ihre Destination prägen. Insofern ist gerade hier nachhaltiges Wirtschaften auf Basis einer unternehmensethischen Positionierung erforderlich. Hinterhuber und Krauthammer (1999) nennen im Kontext von Well-being sieben Dimensionen, bei denen an oberster Stelle die Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter steht, gefolgt von finanzieller Sicherheit und Eu-Streß-Erlebnissen. Ein nach dem Prinzip „Investiere in die Bedingungen der gesellschaftlichen Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil“ (Suchanek 2012) geführtes Unternehmen leistet demnach seinen Beitrag zum Allgemeinwohl. Da wesentliche Parameter umwelt- und sozialethischer Ethik bereits reflektiert wurden, soll in den abschließenden Ausführungen dieses Kapitels die Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) als Komplementärfacette unternehmensethischer Provenienz fokussiert werden. Aus ethischer Perspektive konstituiert sich BGF nicht nur aus der Beachtung einer Vielzahl bestehender Gesetze und Verordnungen. Im vorhergehenden Absatz wurde ja bereits die normative soziale Verantwortung angedeutet. Uhle und Treier (2011) verstehen hierunter vielmehr „das erweiterte Engagement und den Fortschritt im kontinuierlichen Bemühen um den Menschen in der Arbeitswelt“. Dies erfordert vor allem die moralische Integrität von Führungskräften, die den Führungsstil in Richtung „Vertrauensvoll führen“ (u.a. Rogg 2007; Enkelmann und Rückerl 2004) reflektieren und adaptieren müssen. Aus weitgehend deliberalisierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern werden dabei Personen mit Eigen- und Selbstverantwortung für ihren Zuständigkeits-/Verantwortungsbereich und letztlich sich selbst gegenüber. Insofern bekommt Unternehmensethik eine bislang noch nicht benannte weitere Funktion: Sie ist dann präskriptiv und „kann implizit als Klärung, Orientierung oder Information, explizit dagegen als Weisung oder als Beratung auftreten“ (Krämer 1992). Die Arbeit im gesundheitstouristischen Setting unterscheidet sich in vielen Bereichen von sonstigen Professionen. Von Tätigkeiten in der Physiotherapie, der Gastronomie, der Hotellerie bis hin zu denjenigen in der Pflegebegleitung und zur medizinischen Dienstleistung sind Unterschiede zu sonstigen Arbeitsplätzen der modernen Arbeitswelt offensichtlich. Während die sonstigen Tätigkeiten vor allem von wenig Bewegung gekennzeichnet sind, so treffen wir in den gesundheitstouristischen Settings auf arbeitsbedingte Fehlhaltungen und Überlastungen mit häufigen nur ersten Folgen für das muskuloskelettale System und psychisch erhöhtem Stressaufkommen. Unregelmäßige Arbeitszeiten, die Mitarbeit in Familienbetrieben sowie der häufig anzutreffende (saisonale) Migrationshintergrund indizieren zudem, in welche Richtung die unternehmensethische Positionierung im gesundheitstouristischen Setting gehen kann.

198

6 Ethik im Gesundheitstourismus Tipps im www zur Vertiefung  Exemplarisch ist das Deutsche Netzwerk für Wirtschaftsethik online über den Link http://www.dnwe.de/ erreichbar. Tipps in Literaturform  Suchanek, Andreas, Vertrauen als Grundlage nachhaltiger unternehmerischer Wertschöpfung, in: Schneider, Andreas und Schmidpeter, René, Corporate Social Responsibility – Verantwortungsvolle Unternehmensführung in Theorie und Praxis, Berlin und Heidelberg 2012.  Weber, Andreas und Hörmann, Georg, Psychosoziale Gesundheit im Beruf: Mensch – Arbeit – Umwelt, Stuttgart 2007. Zusammenfassung Ethik umfasst Prinzipien, Normen Werte, die das gesellschaftliche Zusammenleben erleichtern und nachkommenden Generationen den Fortbestand sichern sollen. Im gesundheitstouristischen Kontext wurden zwei Ebenen ethischer Reflexion identifiziert. Zum einen handelt es sich um die Rahmenbedingungen, die einem permanenten und kontinuierlichen Veränderungsprozess unterliegen. Die perspektivisch steigende Anzahl Älterer und Gehandicapter erfordert die ethische Reflexion eines Bündels von Sachverhalten, die ihre Ursache im epidemiologisch-demografischen Wandel haben. Andererseits ist die Umweltethik zu nennen, die vor dem Hintergrund sich immer offensichtlicher zeigenden ökologischen Problemen zu präskriptiven Positionierungen auffordert. Im zweiten Unterkapitel wurden mit der Medizinethik und der Unternehmensethik Perspektiven reflektiert, unter denen das Handeln im Setting stattfindet. Auch hierbei ist festzustellen, dass bereits etablierte Bereichsethiken eine Mehrzahl von Bezugs- und Anknüpfungspunkten bieten, welche in Konsequenz eine gesundheitstouristisch-ethische Positionierung ermöglichen. Dass dies auf Seiten akademisch Handelnder und der Akteure in praxisnahen Interessensvertretungen wie Verbänden notwendig ist, liegt daran, dass der Gesundheitstourismus sich aktuell touristische Variante etabliert. Übung Entwickeln Sie in Einzelarbeit eine Lösung des sich abzeichnenden Allokationsproblems in seiner Auswirkung auf die gesundheitsförderlichen Settings. Wie kann Gesundheitsbildung bei knapper werdenden Mitteln des Gesundheitskostenträgersystems durch das gesundheitstouristische Anbieterspektrum gerade einkommensschwachen, gesundheitsfernen Zielgruppen ermöglicht werden? Führen Sie eine Begründung anhand ethischer Argumentationen an.

Literatur Aaker, David und Joachimsthaler, Eric, Brand Leadership, in: Esch, Franz-Rudolf, Strategie und Technik der Markenführung, 2. Aufl., München 2004. Abuzahra, Muna, Grasser, Gerlinde, Binder, Daniel und Adamer-König, Eva, Gesundheitsmanagement im Tourismus: ein Beitrag zu „Health in All Policies?“, in: Krajic, Karl (Hrsg.) Lernen für Gesundheit – Tagungsband zur Jahrestagung 2010 der Österreichischen Gesellschaft für Public Health, Linz 2011. ADAC – Allgemeiner Deutscher Automobil Club, Barrierefreier Tourismus für alle – Eine Planungshilfe für Tourismus-Praktiker zur erfolgreichen Entwicklung barrierefreier Angebote, verfügbar unter: http:www.behindertenbeauftragte-oal.de/fileadmin/redakteur1/Planungshilfe_Barrierefreier_ Tourismu s_komplett_ADAC.pdf., zuletzt abgerufen am: 31.01.2013. Ärztezeitung.de, Ausgeschlafen zum Erfolg – durch Powernapping, verfügbar unter: http://www.aerzte zeitungde/medizin/fachbereiche/allgemeinmedizin/article/324271/ausgeschlafen-erfolg-durch-powerna pping.html, zuletzt abgerufen am 19.09.2012. Altgeld, Thomas und Kolip, Petra, Konzepte und Strategien der Gesundheitsförderung, in: Hurrelmann, Klaus, Klotz, Theodor und Haisch, Jochen (Hrsg.), Prävention und Gesundheitsförderung, 2., überarbeitete Auflage, Bern 2009. Amt der Tiroler Landesregierung, Leben mit Zukunft – Tirol nachhaltig positionieren, Innsbruck 2012a. Amt der Tiroler Lndesregierung, Dorferneuerung Tirol, Innsbruck 2012b. Antonovsky, Aaron, Salutogenese – Zur Entmystifizierung der Gesundheit. Deutsche Herausgabe von Franke, Alexa, Tübingen 1997. Anonymus, Leere Matratzen, in: Der Spiegel 24 (1977), S. 71–72. Arbeitsgruppe Pflege und Ethik der Akademie für Ethik in der Medizin e.V., Für alle Fälle – Arbeit mit Fallgeschichten in der Pflegeethik, Hannover 2004. Badura, Bernhard, Walter, Uta und Hehlmann, T. (Hrsg.), Betriebliche Gesundheitsförderung – Der Weg zur gesunden Organisation, 2. Aufl., Heidelberg 2010. Bätzing, Werner, Die Alpen – Geschichte und Zukunft einer europäischen Kulturlandschaft. 2., aktualisierte und völlig neu konzipierte Aufl., München 2003. Barlösius, Eva, Soziologie des Essens – Eine sozial- und kulturwissenschaftliche Einführung in die Ernährungsforschung, 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Weinheim und München 2011. Barth, Dieter, Mediziner-Marketing – Vom Werbeverbot zur Patienteninformation, Heidelberg und Berlin 1999. Bauer, Georg und Schmid, Margareta (Hrsg.), KMU-vital – Ein webbasiertes Programm zur betrieblichen Gesundheitsförderung, Zürich 2008. Beauchamp, Tom und Childress, James, Principles of Biomedica Ethics, in: Marckmann, Georg, Ärztliche Ethik am Beispiel der berufsethischen Konzeption, in: Bohrmann, Thomas, Lather, Karl-Heinz und Lohmann, Friedrich, Handbuch Militärische Berufsethik, Bd. 1, Wiesbaden 2013. Becker, Jochen, Das Marketingkonzept – Zielstrebig zum Markterfolg, 4. Aufl., München 2010.

200

Literatur

Becker, Jochen, Marketing-Konzeption – Grundlagen des ziel-strategischen und operativen MarketingManagements, 7., überarb. und erg. Aufl., München 2002. Becker, Peter, Modelle der Gesundheit – Ansätze der Gesundheitsförderung, in: Höfling, Siegfried und Gieseke, Otto (Hrsg.), Gesundheitsoffensive Prävention – Gesundheitsförderung und Prävention als unverzichtbare Bausteine effizienter Gesundheitspolitik, München 2001. Becker, Peter, Seelische Gesundheit und Verhaltenskontrolle, Göttingen 1995. Benita, Ruth, Beaglehole, Robert und Kjellström, Tord, Einführung in die Epidemiologie, 2., vollst. überarb. Aufl., Bern 2008. Berg, Waldemar, Gesundheitstourismus und Wellness-Tourismus, München 2008. Bieger, Thomas und Beritelli, Pietro, Management von Destinationen, 8. Aktual. und überarb. Aufl., München 2012. Biohotels, Ihre Bio-Hoteliers: Gastgeber mit hohem ökologischen Anspruch, verfügbar unter: http://www.biohotels.info/de/ueber-uns. Zuletzt abgerufen am: 19.11.2012. BMGFJ – Österreichisches Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend, Österreichische Empfehlungen für gesundheitswirksame Bewegung, Bad Vöslau 2010. BMWi – Deutsches Bundesministerium für Wirtschaft, Innovativer Gesundheitstourismus in Deutschland – Branchenreport „Kliniken, Gesundheitszentren und medizinisch-therapeutische Dienstleister“, verfügbar unter: http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/Publikationen/innovativer-gesundheitstou rismus-in-deutschland-kliniken.property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf, zuletzt abgerufen am: 28.01.2013. Böckmann, Rolf-Dieter und Frankenberger, Horst, MPG & Co: Eine Vorschriftensammlung zum Medizinprodukterecht mit Fachwörterbuch, 6., aktualisierte Auflage, Köln 2010. Bönsch, Manfred, Adressatenorientierte Didaktik, in: Siebert, Horst, Didaktisches Handeln in der Erwachsenenbildung – Didaktik aus konstruktivistischer Sicht. Augsburg 2006. Bös, Klaus und Mechling, Heinz, Bewegung, in: Röthig, Peter (Hrsg.), Sportwissenschaftliches Lexikon, 6., völlig neu bearbeitete Auflage, Schorndorf 1992. Bohus, Julius, Sportgeschichte – Gesellschaft und Sport von Mykene bis heute, München 1986. Brämer, Rainer, Gesundheitsstudie Wandern – Daten, Fakten, Perspektiven. Verfügbar unter: http://wanderforschung.de/files/gesundstudwan1220020910.pdf. Zuletzt abgerufen am: 22.05.2010. Brämer, Rainer, Die Wald-und-Wiesen-Therapie. Verfügbar unter: http://wanderforschung.de/ files/wantextpsychheute1227545859.pdf. Zuletzt abgerufen am: 22.05.2010. Bray, Ilona, Healthy Employees, Healthy Business – Easy, Affordable Ways to Promote Workplace Wellness, 2nd ed., Berkley 2012. Brehm, Walter, Janke, Anke, Sygusch, Ralf & Wagner, Petra, Gesund durch Gesundheitssport – Zielgruppenorientierte Konzeption, Durchführung und Evaluation von Gesundheitssportprogrammen. Weinheim und München 2006. Brooks, Robert und Goldstein, Sam, Das Resilienz-Buch – Wie Eltern ihre Kinder fürs Leben stärken, Deutsche Übersetzung von Stoppel, Ulrike, 4. Aufl., Stuttgart 2011 Brüning, Ludger und Saum, Tobias, Erfolgreich unterrichten durch Kooperatives Lernen, 2 Bde., Essen 2009. Brundtland Kommission, Unsere gemeinsame Zukunft, verfügbar unter: http://www.nachhaltigkeit.info /artikel/brundtland_report_563.htm. Zuletzt abgerufen am: 27.11.2012.

Literatur

201

Brunner, Karl-Michael, Ernährungspraktiken und nachhaltige Entwicklung – eine Einführung, in: Brunner, Karl-Michael, Geyer, Sonja, Jelenko, Marie, Weiss, Walpurga und Astleithner, Florentina, Ernährungalltag im Wandel – Chancen für die Nachhaltigkeit, Wien und New York 2007. Brunner-Sperdin, Alexandra, Qualität als Erlebnis, in: Weiermair, Klaus und Pikkemaat, Birgit (Hrsg.), Qualitätszeichen im Tourismus, Berlin 2008. Bruns, Michaela, Corporate Social Responsibility (CSR): Gesellschaftliche Verantwortung als Wettbewerbsvorteil?, Saarbrücken 2011. Buchbauer, Jürgen und Steininger, Kurt, Funktionelles Kraftaufbautraining in der Rehabilitation – Komplette Programme zum medizinischen Aufbautraining., 5., korrigierte Auflage, München und Jena 2004. Buchner, Walter, Gesundheitsreform und Kurwesen – eine ökonomische Analyse am Beispiel der niederbayerischen Heilbäder, München 2002. Bünting, Wolf, Körpertherapie, in: Asanger, Roland und Wenninger, Gerd (Hrsg.), Handwörterbuch Psychologie, Weinheim 1999. Burda News Group, Lebenswelten, verfügbar unter: http://www.medialine.de/deutsch/wissen/medialex ikon.php?snr=3298, zuletzt abgerufen am: 06.12.2012. BZgA – Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Leitbegriffe der Gesundheitsförderung, 4. erw. u. überarb. Auflage, Schwabenheim a. d. Elz 2006. Cassens, Manfred, Notwendige Voraussetzungen und hinreichende Bedingungen eines erfolgreichen gesundheitstouristischen Settings, Habilitationsschrift, Neubiberg 2012a. Cassens, Manfred, Hörmann, Georg, Tarnai, Christian, Stosiek, Nikolaus und Meyer, Wolfram, Trend Gesundheitstourismus – Steigende Bedeutung des touristischen Settings für Gesundheitsförderung und medizinische Prävention, in: Prävention und Gesundheitsförderung 7 (2012), S. 24–29. Cassens, Manfred, Über die Notwendigkeit von Changemanagement regionaler Tourismuspolitik – Informelle Bildung als Lösung des Authentizitätsproblems in gesundheitstouristischen Destinationen am Fallbeispiel, in: Prävention und Gesundheitsförderung 7 (2012b), S. 214–219. Cassens, Manfred und Meyer, Wolfram, Abenteuer Innovation – Von der zündenden Idee zum erfolgreichen Produkt, Frankfurt a.M. 2010. Cassens, Manfred, Work-Life-Balance – Wie Sie Berufs- und Arbeitsleben in Einklang bringen, München 2003. Collatz, Annelen und Gudat, Karin, Work-Life-Balance, Göttingen 2011. Creutz, Astrid, Hospitality & Travel Industry, verfügbar unter: http:www.4.bp.blogspot.com/-6Ke9jnS kmx8/T3RquAAJbKl/AAAAAAAAAKM/V7re3jkg5PM/s1600/Wertsch%25C3%25B6pfungskette% 2BEvent2.jpg, zuletzt abgerufen am: 03.12.2012. Deutscher Ärztetag, (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte, verfügbar unter: http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/MBO_08_2011.pdf, zuletzt abgerufen am: 07.02.2013. DBfP – Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe, Delivering quality, serving communities:Nurses leading Primary Health Care, verfügbar unter: http://www.dbfk.de/download/IND-2008-deutsch-FINA L-geaend.pdf, zuletzt abgerufen am: 12.12.2012. Deutscher Heilbäderverband, Die Kur, verfügbar unter: http://www.deutscher-heilbaederverband. de/public/671737_Die_Kur/?mx=6f450919572e99eab57adc6cbdf5d17a, zuletzt abgerufen am: 28.08.2012.

202

Literatur

Deutsche Rentenversicherung, Rahmenkonzept zur medizinischen Rehabilitation in der gesetzlichen Rentenversicherung, verfügbar unter: http://www. deutsche-rentenversicherung.de/cae/servlet/ contentblob/35684/publicationFile/18158/rahmenkonzept_medizinische_reha.pdf, zuletzt abgerufen am: 21.08.2012. DTV – Deutscher Tourismusverband e.V., Innovativer Gesundheitstourismus in Deutschland, „Leitfaden“, verfügbar unter: http://www.innovativer-gesundheitstourismus.de/fileadmin/user_upload/pdf/Lei tfaden_Gesundheitstourismus.pdf, zuletzt abgerufen am: 31.01.2013a. DTV – Deutscher Tourismusverband e.V., Innovativer Gesundheitstourismus in Deutschland, Branchenreport „Beherbergung“, verfügbar unter: http://www.innovativer-gesundheitstourismus.de/file admin/user_upload/pdf/Branchenreport_Beherbergung.pdf, zuletzt abgerufen am: 28.01.2013b. DTV – Deutscher Tourismusverband e.V., Innovativer Gesundheitstourismus in Deutschland, Branchenreport „Gesundheitsregionen und Gesundheitsinitiativen“, verfügbar unter: http://www.innovativer -gesundheitstourismus.de/fileadmin/user_upload/pdf/Branchenreport_Gesundheitsregionen_und_Gesun dheitsinitiativen.pdf, zuletzt abgerufen am: 28.01.2013c. DTV – Deutscher Tourismusverband e.V., Innovativer Gesundheitstourismus in Deutschland, Branchenreport „Städtedestinationen“, verfügbar unter: http://www.innovativer-gesundheitstourismus.de/fi leadmin/user_upload/pdf/Branchenreport_Staedtedestinationen.pdf, zuletzt abgerufen am 28.01.2013d. DTV – Deutscher Tourismusverband e.V., Innovativer Gesundheitstourismus in Deutschland, Branchenreport „Medizintechnik und Kommunikationstechnologie“, verfügbar unter: http://www.innovative r-gesundheitstourismus.de/fileadmin/user_upload/pdf/Branchenreport_Medizintechnik_und_Kommun ikationstechnologie.pdf, zuletzt abgerufen am 29.01.2013e. DTV – Deutscher Tourismusverband e.V., Innovativer Gesundheitstourismus in Deutschland, Branchenreport „Kurorte und Heilbäder“, verfügbar unter: http://www.innovativer-gesundheitstourismus.de/ fileadmin/user_upload/pdf/Branchenreport_Kurorte_und_Heilbaeder.pdf, zuletzt abgerufen am: 29.01.2013f. Dodds, Rachel und Joppe Marion, CSR in the Tourism Industry? The Status of and Potential for Certification, Codes of Conduct and Guidelines, verfügbar unter: http//siteresources.worldbank.org/INTEX PCOMNET/Resources/CSR_in_tourism_2005.pdf, zuletzt abgerufen am: 05.12.2012. Dorn-Petersen, Hildegard, Wellness 2010 contra SPA-Trends 2010 – wohin geht die Reise? Verfügbar unter: http://www.wellness-agenda.org/blog/tag/wellness-philosophie/, zuletzt abgerufen am: 27.04.2012. DPRG – Deutsche Public Relations Gesellschaft e.V, Satzungsordnung, verfügbar unter: http://www.dp rg.de/pdf/DPRGSatzung.pdf, zuletzt abgerufen am: 21.12.2012. DWV – Deutscher Wellnessverband, Die Spa-Trends 2013, verfügbar unter: http://www.wellnessverba nd.de/news/spa_trends_2013.html. DWV – Deutscher Wellnessverband, Green Spa Sonderschau 2010, verfügbar unter: http://www.well nessverband.de/green_spa/sonderschau_2010.php, zuletzt abgerufen am: 03.12.2012a. Ehrlich, Dieter und Gebel, Reinhard, Therapie und Aufbautraining nach Sportverletzungen, Münster 2000. Enkelmann, Nikolaus und Rückerl, Thomas, Die Macht des Vertrauens – Erfolg durch positive Gesprächsführung, Paderborn 2004. Esch, Tobias, Die Neurobiologie des Glücks – Wie die Positive Psychologie die Medizin verändert. Stuttgart 2012. Esch, Franz-Rudolf, Strategie und Technik der Markenführung, 2. Aufl., München 2004.

Literatur

203

Esch, Franz-Rudolf und Langner, Tobias, Branding als Grundlage zum Markenaufbau, in: Esch, FranzRudolf (Hrsg.), Moderne Markenführung, 3. Aufl., Wiesbaden 2001. Faltermaier, Toni, Gesundheitspsychologie, Stuttgart 2005. Fediuk, Friedhold, Sport in heterogenen Gruppen – Integrative Prozesse in Sportgruppen mit behinderten und benachteiligten Menschen, Aachen 2007. Fischer-Colbrie, P, Die Pflanze und ihre Wirkung auf das Wohlbefinden und die Gesundheit des Menschen. Verfügbar unter: http://pub.jki.bund.de/index.php/JKA/article/download/31/1369, zuletzt abgerufen am 30.01.2013 FM – Fach-Magazin für Touristik, Gastronomie, Hotellerie und Großverbrauch/Industrie, Neue Dachmarke für die Oststeiermark, verfügbar unter: http://www.fm-online.at/Artikel.53+ML5095499325f.0.h tml, zuletzt abgerufen am: 19.12.2012. Förderverein van Ameren Bad, Geschichte des Vereins, verfügbar unter: http://www.buergerbad.de/ver einsgeschichte.html, zuletzt abgerufen am: 08.12.2012. FGÖ – Fonds Gesundes Österreich (2006), Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung, Wien 2006. Fontanari, Martin und Partale, Alexandra, Die Vergleichende Kurortanalyse (VKA), In: Standort 3 (2003), S. 125–132. Formayer, Herbert und Kromp-Kolb, Helga, Klimawandel und Tourismus in Oberösterreich, verfügbar unter: http://www. wau.boku.ac.at/fileadmin/_/H81/H814/Downloads/BOKU-Met_Report_18_online.p df, zuletzt abgerufen am: 04.12.2012. Frank, Renate, Therapieziel Wohlbefinden – Ressourcen aktivieren in der Psychotherapie, Heidelberg 2004. Freyer, Walter, Tourismus – Einführung in die Fremdenverkehrsökonomie, 8. Auflage, München 2006. Froböse, Ingo, Wellmann, Holger und Weber, Andreas (Hrsg.), Betriebliche Gesundheitsförderung – Möglichkeiten einer betriebswirtschaftlichen Bewertung, Stuttgart 2008. Fröhlich-Gildhoff, Klaus und Rönnau-Böse, Maike, Resilienz, 2. Aufl., Köln, Weimar und Wien 2011. Führich, Ernst, Basiswissen Reiserecht – Grundriss des Reise-vertrags- und Individualreiserechts, München 2012. Gabler Wirtschaftslexikon, Destination, verfügbar unter: http://wirtschaftslexikon.gab.er.de/Definition/ destination.html. Zuletzt abgerufen am: 28.11.2012. Gardini, Marco, Grundlagen der Hotellerie und des Hotelmanagements, Hotelbranche – Hotelbetrieb – Hotelimmobilie, München 2010. Gardini, Marco, Marketing-Management in der Hotellerie, 2., vollst. überarb. u. erw. Aufl., München 2009. Gesundheit Österreich, Projektförderung und -entwicklung für Gesundheitsförderung, Verfügbar unter: http://www.goeg.at/de/Bereich/Kommunales-Setting.html, zuletzt abgerufen am 16.08.2012. Geuenich, Katja, Sind gestresste Ärzte die depressiven Patienten von morgen, in Deutsches Ärzteblatt 33 (2010), S. 1377. Geiger, Ludwig, Gesundheitstraining – Biologische und medizinische Zusammenhänge – Gezielte Bewegungsprogramme zur Prävention. München 1999. Geyer, Siegfried, Forschungsmethoden in den Gesundheitswissenschaften – Eine Einführung in die empirischen Grundlagen, Weinheim und München 2003. Giese, Martin (Hrsg.), Sport- und Bewegungsunterricht mit Blinden und Sehbehinderten, Hohengehren 2010.

204

Literatur

Glaser, Eckehard, Wissen verpflichtet – Eine Einführung in den Radikalen Konstruktivismus, München 1999. Glasersfeld, Ernst von, Wissen, Sprache und Wirklichkeit – Arbeiten zum Radikalen Konstruktivismus, Braunschweig und Wiesbaden 1987. Glückert, Sylvia, Entspannt abheben – Airport Spas sind der neue Trend, verfügbar unter: http://www.wellnessverband.de/infodienste/beitraege/050410_airportspa.php, zuletzt abgerufen am: 19.09.2012. Gödert, Heinz-Werner, Betriebsklima – Kommunikation und Kooperation, in: Weber, Andreas und Hörmann, Georg (Hrsg.), Psychosoziale Gesundheit im Beruf. Mensch – Arbeitswelt – Gesellschaft, Stuttgart 2007. Görres, Stefan, Zukunft der Pflege – Ausgangssituation, Entwicklung und Prognosen, Beitrag zur Pflegefachtagung 2010, verfügbar unter: http://www.pflegefachtagung-bremen.de/tl_files/pflegefacht agung/Praesentationen/Prof%20Dr.%20Goerres%20-%20Zukunft%20der%Pflege-Ausgangssituation ,%20Entwicklungen%20und%20Prognosen.pdf, zuletzt abgerufen am: 04.02.2013. GOEG – Gesundes Österreich, Projektförderung und -entwicklung für Gesundheitsförderung – Kommunales Setting, verfügbar unter: http://www.goeg.at/de/Bereich/Kommunales-Setting.html. Zuletzt abgerufen am: 27.11.2012. Grössing, Stefan, Methodik des Sportunterrichts, in: Röthig, Peter (Hrsg.), Sportwissenschaftliches Lexikon. 6., völlig neu bearbeitete Auflage: Schorndorf 1992. Grossarth-Maticek, Ronald, Synergetische Präventivmedizin – Forschungsstrategien für Gesundheit, Heidelberg und Berlin 2008. Grossmann, Ralph und Scala, Klaus, Gesundheit durch Projekte fördern – Ein Konzept zur Gesundheitsförderung durch Organisationsentwicklung und Projektmanagement, 5. Aufl., Weinheim und München 2011. Grossmann, Ralph und Scala, Klaus, Setting-Ansatz in der Gesundheitsförderung, in: BZgA (Hrsg.), Leitbegriffe der Gesundheitsförderung, 4., erw. und überarb. Aufl., Schwabenheim a. d. Selz 2006. Grossmann, Ralph und Scala, Klaus, Setting, in: BZgA, Leitbegriffe der Gesundheitsförderung, Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden der Gesundheitsförderung, 4., erweiterte und überarbeitete Aufl., Schwabenheim a.d. Elz 2006. Gudjons, Herbert, Pädagogisches Grundwissen, 10., aktualisierte Aufl., Bad Heilbrunn 2008. Gutenbrunner, Christoph und Glaesener, Jean-Jaquies, Rehabilitation, Physikalische Medizin und Naturheilverfahren, Heidelberg 2009. Hachtmann, Rüdiger, Tourismusgeschichte, Göttingen2007. Haeckel, Ernst, Generelle Morphologie der Organismen, Berlin 1988. Hänsel, Markus und Matzenauer, Anna, Ich arbeite, also bin ich? Sinnsuche und Sinnkrise im beruflichen Alltag, Göttingen 2009. Heckhausen, Heinz und Gollwitzer, Peter, Thought and Cognitive Fuctioning in Motivational versus Volitional States of Mind, in: Motivation and Emotion, 2 (1987), S. 101–120. Heckmair, Bernd und Michl, Werner, Erleben und Lernen – Einführung in die Erlebnispädagogik, München und Basel 2008. Henner, Günter, Quellen zur Geschichte der Gesundheitspädagogik – 2500 Jahre Gesundheitsförderung in Texten und Bildern, in: Schriftenreihe Erziehung – Schule – Gesellschaft, Bd. 20, Würzburg 1998.

Literatur

205

Herold, Cindy und Herold, Martin, Selbstorganisiertes Lernen in Schule und Beruf – Gestaltung wirksamer und nachhaltiger Lernumgebungen, Weinheim und Basel 2011. Hertel, Lutz, Die Wellness-Revolution: Wie Deutschland Wellness-Geschichte schreibt, Vortrag auf dem Deutschen Wellness Gipfel 2010 in Düsseldorf, verfügbar unter: http://www.wellnessverband.de/d ownload/hertel_die_wellness_revolution.pdf, zuletzt abgerufen am: 03.09.2012. Hertel, Lutz, zitiert in: Schormann, Tobias, Wellnesshotels tun häufig wenig für die Gesundheit – Auch die Nachhaltigkeit kommt oft zu kurz, in: Welt kompakt, 29.05.2012, S. 25. Hick, Christian (Hrsg.), Klinische Ethik, Heidelberg und Berlin 2007. Hillert, Andreas und Marwitz, Michael, Die Burnout-Epidemie – oder: Brennt die Leistungsgesellschaft aus? München 2006. Hinterhuber, Hans und Krauthammer, Eric, Leadership – mehr als Management, Was Führungskräfte nicht delegieren dürfen, 2. Aufl., Wiesbaden 1999. Hitzler, Stefan, Die Hotelprojektentwicklung: vertieft anhand einer Rentabilitätsanalyse des Conduminiumskonzepts, Saarbrücken 2009. Hochschule für Technik Rapperswil, Naturnaher Tourismus in der Schweiz – Angebot, Nachfrage und Erfolgsfaktoren. Verfügbar unter: http://www.seco.admin.ch/dokumentation/publikation/00008 /00025/01515/index.html?lang=de, zuletzt abgerufen am: 01.02.2011. Höffe, Otfried, Patientenwohl im Zeitalter der Allmacht, in: Blum, Hubert und Haas, Rudolf, Über das Menschenbild in der Medizin, Stuttgart 2004. Hölling, Heike und Schlack Rainer, Essstörungen im Kindes- und Jugendalter – Erste Ergebnisse aus dem Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS), in: Bundesgesundheitsblatt 50 (2007), S. 794– 799 Hölter, Gerd, Bewegungstherapie bei psychischen Erkrankungen – Grundlagen und Anwendungen, Köln 2011. Hörmann, Georg, Die Krise des Gesundheitssystems: eine verkannte Bildungskrise, in: Bildung 1 (2002), S. 24–30. Horx, Matthias, Horx-Strathern, Odna und Gaspar, Claudia, Was ist Wellness? Anatomie und Zukunftsperspektiven des Wohlfühltrends, in: Berg, Waldemar, Gesundheitstourismus und WellnessTourismus, München 2008. Hromas, Bibiane, Architektur macht Gäste!, in: Romeiß-Stracke, Felizitas, TourismusArchitektur – Baukultur als Erfolgsfaktor, Berlin 2008. Hüfner, Gerhard, Die deutschen Bäderverbände 1892–1992, Gütersloh 1992. Hurrelmann, Klaus, Klotz, Theodor und Haisch, Jochen (Hrsg.), Lehrbuch Prävention und Gesundheitsförderung, 2. überarbeitete Aufl., Bern 2009. Hurrelmann, Klaus, Gesundheitssoziologie – Eine Einführung in sozialwissenschaftliche Theorien von Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung, Weinheim und München 2006. Hurrelmann, Klaus und Franzkowiak, Peter, Gesundheit, in: BZgA (Hrsg.), Leitbegriffe der Gesundheitsförderung, 6., erweiterte und überarbeitete Aufl., Schwabenheim an der Elz 2006. iBusiness, Trendberichte zum Thema, verfügbar unter: http://www.ibusiness.de/dossiers/db/ib_dossier. 353059jg.html, zuletzt abgerufen am: 27.01.2013. Illing, Kai-Torsten, Gesundheitstourismus und Spa-Management. München 2009.

206

Literatur

Institut für Gesundheitsplanung, Wie wird die „Gesunde Gemeinde“ umgesetzt?, verfügbar unter: http:/ /www.gesundegemeinde.ooe.gv.at/xbcr/SID-FC4C6D93-F894E03A/Bericht_GedGdeEval_small.pdf, zuletzt abgerufen am: 23.11.2011. Jaggi, Ferdinand, Burnout – praxisnah, Stuttgart und New York 2008. Jessen, Ralph, Partei, Staat und „Bündnispartner“ – Die Herrschaftsmechanismen der SED-Diktatur, in: Judt, Matthias (Hrsg), DDR-Geschichte in Dokumenten – Beschlüsse, Berichte, interne Materialien und Alltagszeugnisse, 2. Aufl., Berlin 1998. Kabat-Zinn, Jon, Gesund durch Meditation – Full Catastrophe Living, München 2011. Kabat-Zinn, Jon, Gesund durch Meditation – Das große Selbstheilungsbuch, 5. Auflage, Frankfurt a.M. 2008. Kaiser, Arnim und Kaiser, Ruth, Studienbuch Pädagogik – Grund und Prüfungswissen, Berlin 2011. Kanton Bern, Parlamentarischer Vorstoß „Was ist ein Gesundheitszentrum?“, verfügbar unter: http://www.gr.be.ch/etc/designs/gr/media.cdwsbinary.DOKUMENT.acq/3f4b4066ee4f4f6d9582c1da3 7544d06-332/2/PDF/2010.9879-Vorstossantwort-D-36611.pdf, zuletzt abgerufen am: 28.01.2013. Kardorff, Ernst von, Lebensstile/Lebensweisen, in: BZgA – Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Leitbegriffe der Gesundheitsförderung, 4. erw. u. überarb. Auflage, Schwabenheim a. d. Elz 2006. Kerkeling, Hans-Peter, Ich bin dann mal weg – Meine Reise auf dem Jakobsweg, 15. Aufl., München und Zürich 2011. Kernstock-Redl, Helga, Schultheiss, Florian und Stühlinger, Eva, Ethisches Marketing in Psychologie und Psychotherapie, Wien 2012. Kiel, E, Das ARIVA-Schema, in: Kiel, E (Hrsg.), Unterricht sehen, analysieren, gestalten. Bad Heilbrunn 2008. Kirstges, Torsten, Sanfter Tourismus – Chancen und Probleme der Realisierung eines ökologieorientierten und sozialverträglichen Tourismus durch deutsche Reiseveranstalter, 3., vollst. überarb. und erw. Aufl., München und Wien 2003. Klafki, Wolfgang, Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik – Zeitgemäße Allgemeinbildung und kritisch-konstruktive Didaktik, 6., neu ausgestattete Auflage, Weinheim und Basel 2007. Klußmann, Rudolf, Psychosomatische Medizin – Ein Kompendium für alle medizinischen Teilbereiche, 4., korrigierte und aktualisierte Auflage. Heidelberg und Berlin 1998. Knoll, Nina, Scholz, Urte und Rieckmann, Nina, Einführung Gesundheitspsychologie, 2. Aufl., München und Basel 2011. Kolb, Frank, Rom. Die Geschichte der Stadt in der Antike. München 2002. Konrad, Klaus und Traub, Silke, Selbstgesteuertes Lernen – Grundwissen und Tipps, Hohengehren 2010. Koppenhöfer, Eva, Kleine Schule des Genießens – Ein verhaltenstherapeutisch orientierter Behandlungsansatz zum Aufbau positiven Erlebens und Handelns, Lengerich 2004. Kotler, Philip und Bliemel, Friedhelm, Marketing Management, 10. Auflage, Stuttgart 2001. Kotler, Philip, Marketing – Märkte schaffen, erobern und beherrschen, 2. Aufl., München 1999. Krämer, Hans, Integrative Ethik, in: Marckmann, Georg, Ärztliche Ethik als Beispiel einer berufsethischen Konzeption, Wiesbaden 2013. Kriz, Jürgen, Grundkonzepte der Psychotherapie, 6., vollständig überarbeitete Auflage, Weinheim 2007.

Literatur

207

Kron, Friedrich, Grundwissen Didaktik, 5. Aufl., München und Basel 2008. Krüger, Roland und Sittler, Loring, Wir brauchen Euch! Wie sich die Generation 50plus engagieren und verwirklichen kann, Hamburg 2011. Kübler-Ross, Elisabeth (Hrsg.), Reif werden zum Tode, 4. Aufl., Freiburg i.Br. 1997 Lanserhof, Energy Cuisine, verfügbar unter: http://www.lanserhof.com/lans-med-concept/energycuisine.html. Zuletzt abgerufen am: 13.11.2012. Land Kärnten (2012), Gesundheitsland Kärnten – Ziele der Initiative „Gesunde Gemende“, verfügbar unter: http://www.gesundheitsland.at/default.aspx?pagertype=detail&ARid=100&Slid=18&a=I, zuletzt abgerufen am: 08.12.2012. Lanz, Eveline, Wellness Tourismus – Marktanalyse und Qualitätsanforderungen für die Hotellerie, Bern 1999, zitiert in: Nahrstedt, Wolfgang, Wellnessbildung – Gesundheitssteigerung in der Wohlfühlgesellschaft, Berlin 2008. Laufs, Adolf, Uhlenbruck, Wilhelm, Genzel, Herbert und Kern, Bernd-Rüdiger, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl., München 2010. Lautenschläger, Franz, Hamm, Michael und Lagerstr m, Dieter, Wellness, die neue Fitness – Ihr persönliches Ernährungs-, Bewegungs- und Harmonieprogramm für die neunziger Jahre. München 1989. Lauterbach, Burkhardt, Tourismus – Eine Einführung aus Sicht der volkskundlichen Kulturwissenschaft, Würzburg 2006. Lauterbach, Mattias, Gesundheitscoaching – Strategien und Methoden für Fitness und Lebensbalance, 2. Aufl., Heidelberg 2008. Lay, Reinhard, Ethik in der Pflege – Ein Lehrbuch für die Aus-, Fort- und Weiterbildung, Hannover 2004. Lenartz, Norbert, Gesundheitskompetenz und Selbstregulation – Modellbildung zur Gesundheitskompetenz unter besonderer Berücksichtigung selbstregulativer Kompetenzen, Diss., Bonnn 2011. Lenz, Christofer, Dettling, Heinz-Uwe und Kieser, Timo, Krankenhausrecht: Planung – Finanzierung – Wettbewerb, Stuttgart 2007. Lenzen, Dieter, Erziehungswissenschaft – Ein Grundkurs, Reinbek bei Hamburg 1997. Leppin, Anja, Konzepte und Strategien der Krankheitsprävention, in: Hurrelmann, Klaus, Klotz, Theodor und Haisch, Jochen: Lehrbuch Prävention und Gesundheitsförderung, 2., überarbeitete Auflage, Bern 2009. Lippke, Sonia und Renneberg, Babette, Theorien und Modelle des Gesundheitsverhaltens, in: Renneberg, Babette und Hammelstein, Philipp (Hrsg.), Gesundheitspsychologie, Heidelberg und Berlin 2006. Lippke, Sonia und Renneberg, Babette, Inhalte der Gesundheitspsychologie, Definition und Abgrendzung von Nachbarfächern, in: Renneberg, Babette und Hammelstein, Philipp (Hrsg.), Gesundheitspsychologie, Heidelberg und Berlin 2006. Lülsdorf, Detlef, Die betriebliche Krankenversicherung (bKV) – Erhöhung der Attraktivität als Arbeitgeber, verfügbar unter: http://www.versicherungsanalysen.eu/betriebliche-krankenversicherung, zuletzt abgerufen am 10.08.2012. Lütz, Manfred, Lebenslust – Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult, München 2002. Maggele, Robert, Arbeitskräftesuche im Tourismus, verfügbar unter: http://www.vida.at/servlet/Content Server?pagename=S03/Page/index&n=S03_999_Suche.a&cid=1350997719874, zuletzt abgerufen am: 07.12.2012.

208

Literatur

Marckmann, Georg, Ärztliche Ethik am Beispiel der berufsethischen Konzeption, in: Bohrmann, Thomas, Lather, Karl-Heinz und Lohmann, Friedrich, Handbuch Militärische Berufsethik, Bd. 1, Wiesbaden 2013. Matyssek, Anne Katrin, Gesund führen – Das Handbuch für schwierige Situationen, Norderstedt 2010. Merkel, Karen, Medizintourismus boomt – Klamme Kliniken in Deutschland hoffen auf kranke Russen, in: Welt kompakt, 03.01.2011. Mert, Wilma, Nachhaltige Trendsetter: LOHAS auf dem Weg in eine zukunftsfähige Gesellschaft, verfügbar unter: http://www.nachhaltigwirtschaften.at/fdz_pdf/endbericht_1039_trendsetter.pdf, zuletzt abgerufen am: 20.11.2012. MiWi – Ministerium für Wirtschaft des Landes Brandenburg und Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg, Leitfaden Naturtourismus, verfügbar unter: http://www.mwe.brandenburg.de/media/bb1.a.2755.de/leitfaden_naturtourismus.pdf, zuletzt abgerufen am: 03.12.2012. Möller-Leimkühler, Anne-Maria, Soziologische und sozialpsychologische Aspekte von psychischen Erkrankungen. In: Möller, H.-J., Laux, G. & Kapfhammer, H.-P. (Hrsg.), Psychiatrie und Psychotherapie, Band 1: Allgemeine Psychiatrie, 3., vollständig neu bearbeitete und aktualisierte Auflage. Heidelberg und Berlin 2008. MRI – Max-Rubner-Institut, Nationale Verzehrs Studie II – Ergebnisbericht, Teil 1 einschließlich Ergänzungsband / Schichtindex. Verfügbar unter: http://www.was-esse-ich.de/uploads/media /NVSII_Abschlussbericht_Teil_1_mit_Ergaenzungsberic ht.pdf, zuletzt abgerufen am: 22.07.2012. Müller, Hansruedi, Tourismus und Ökologie – Wechselwirkungen und Handlungsfelder, 3. überarb. Aufl., München und Wien 2007. Müller, Stefan, Das Volk der Athleten – Untersuchungen zur Ideologie und Kritik des Sports in der griechisch-römischen Antike. Bochumer Altertumswissenschaftliches Colloquium, Bochum 1995. Nahrstedt, Wolfgang, Wellnessbildung – Gesundheitssteigerung in der Wohlfühlgesellschaft, Berlin 2008. Nahrstedt, Wolfgang, Soziodemographischer Wandel und Gesundheitstourismus: Neue herausforderungen für Heilbäder und Kurorte, in: Haehling von Lanzenauer, Christoph und Klemm, Kristiane, Demographischer Wandel und Tourismus – Zukünftige Grundlagen und Chancen für touristische Märkte, Berlin 2007. Nahrstedt, Wolfgang, Lernort Erlebniswelt – Neue Formen informeller Bildung in der Wissensgesellschaft, Bielefeld 2002. Naidoo, Jennie und Wills, Jane, Lehrbuch der Gesundheitsförderung. Überarbeitete, aktualisierte und durch Beiträge zum Entwicklungsstand in Deutschland erweiterte Neuauflage, Amberg 2010. National Primary Health Care Partnership Australia, Declaration of the Alma Ata, verfügbar unter: http ://www.nphcp.com.au/site/index.cfm?display=34317, zuletzt abgerufen am: 12.12.2012. Nefiodow, Leo, Der Gesundheitsmarkt – die künftige Lokomotive der Wirtschaft, in: Höfling, Siegfried und Gieseke, Otto (Hrsg.) Gesundheitsoffensive Prävention, München 2001. Niepel, Andreas und Emmrich, Silke, Garten und Therapie – Wege zur Barrierefreiheit, Stuttgart 2005. Nipperdey, Thomas, Deutsche Geschichte – Arbeitswelt und Bürgergeist, 1866–1918, Bd. 1, München 1994. Pan American Health Organization, Renewing Primary Health Care in the Americas: A Position Paper oft he Pan American Health Organization/World Health Organization (PAHO/WHO), Washington 2007.

Literatur

209

Pechlaner, Harald: Zuerst Destination, dann Hotel, verfügbar unter: http://w ww.suedtirolnews.it/d/artik el/2010/12/10/tagung-der-hgj-und-eurac-zuerst-destination-dann-hotel.html, zuletzt abgerufen am: 10.12.2012. Pelikan, Jürgen, Röthlin, Florian und Ganahl, Kristin, TheEuropean Health Literacy Project 2009– 2012, verfügbar unter: http:ec.europa.eu/eahc/documents/new/Comparative_report_on_healthy_litera cy_in_eight_EU_member_states_pdf, zuletzt abgerufen am: 12.12.2012. Pelka, Rainer, Neubauer, Günter und Steinbach, Manfred, Kosten und Nutzen der Rehabilitation, Bonn und Berlin 1997. Pikkemaat, Birgit und Weiermair, Klaus, Wellness als Megatrend? In: Krczal, Albin und Weiermair, Klaus (Hrsg.), Wellness und Produktentwicklung – Erfolgreiche Gesundheitsangebote im Tourismus, Berlin 2006. Popper, Karl, Auf der Suche nach einer besseren Welt – Vorträge und Aufsätze aus dreißig Jahren, 16. Aufl., München 2009. Pusch, Hans-Joachim und Biendarra, Ilona (Hrsg.), Gesundheitsbildung im Lebenslauf: Verstehen – Informieren – Umsetzen, Würzburg 2006. Raithel, Jürgen, Dollinger, Bernd und Hörmann, Georg, Einführung Pädagogik – Begriffe, Strömungen, Klassiker, Fachrichtungen, 3. Aufl., Wiesbaden 2009. Reckendreers, Alfred, Die bundesdeutsche Konsumgesellschaft – Einführende Bemerkungen, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 2007/2 – Die bundesdeutsche Massenkonsumgesellschaft 1950–2000, Berlin 2007. Rehmann, Wolfgang und Wagner, Susanne (2010), Medizinproduktegesetzt – MPG: Rechtsstand 2010, 2. Aufl., München 2010. Riemenschneider, Hilmar, Bad Lippspringe will sein verstaubtes Image loswerden, in: Westfälische Nachrichten v. 01.06.2011, verfügbar unter: http://www.wn.de/NRW/2011/06/Landesgartenschau-BadLippspringe-will sein-verstaubtes-Image-loswerden, zuletzt abgerufen am: 17.12.2012. RIS – Rechtsinformationsdienst des österreichischen Bundeskanzleramtes, Landesrecht Tirol: Gesamte Rechtsvorschrift für Tiroler Krankenanstaltengesetz – Tir KAG, Fassung vom 23.08.2012, verfügbar unter: http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=LrT&Gesetzesnummer=20000190, zuletzt abgerufen am 23.08.2012. Rizzato, Dagmar, Tirol ist das Reiseziel in Österreich, in: Standort – Aktuelle Nachrichten der Standortagentur Tirol 1 (2012), S. 6. Rogg, Bernhard, Führung durch Vertrauen, München 2007. Roski, Reinhold (Hrsg.), Zielgruppengerechte Gesundheitskommunikation, Akteure – Audience Segmentation – Anwendungsfelder, 1. Aufl., Wiesbaden 2009. Rothenberger, Steffi, Einfluss pränataler Stressbelastung auf das Kind, Inauguraldissertation, Heidelberg 2010. Rudolf, Gerd und Henningsen, Peter, Psychotherapeutische Medizin und Psychosomatik: Ein einführendes Lehrbuch auf psychodynamischer Grundlage, Stuttgart 2007. Ruch, Floyd und Zimbardo, Philipp, Lehrbuch der Psychologie – Einführung für Studenten der Psychologie, Medizin und Pädagogik, Berlin 1974. Rulle, Monika, Hoffmann, Wolfgang und Kraft, Karin, Gesundheitstourismus – Analysen zur Erwartung und Zufriedenheit von Gästen, Berlin 2010. Rulle, Monika, Der Gesundheitstourismus in Europa – Entwicklungstendenzen und Diversifikationsstrategien, Wien 2008.

210

Literatur

Runge, Evelyn, Die unsichtbaren Arbeiter der Tourismusbranche, verfügbar unter: http:www.zeit.de/ reisen/2012-08/reisen-flugbegleiter-streik-kommentar, zuletzt abgerufen am: 07.12.2012. Schaub, Horst und Zenke, Karl, Wörterbuch Pädagogik, Grundlegend erweiterte und aktualisierte zweite Neuausgabe, München 2007. Scherenberg, Viviane, Nachhaltigkeitsmarketing vs. nachhaltiges Marketing am Beispiel der Gesetzlichen Krankenkassen, in: Hoffmann, Stefan, Schwarz, Uta, Mai, Robert (Hrsg.), Angewandtes Gesundheitsmarketing, Heidelberg und Berlin 2012. Scherer, Hans-Georg, Bewegung und Bildung – relationale Bildung im Bewegungshandeln, in: Bietz, Jörg, Laging, Ralf und Roscher, Monika (Hrsg.), Bildungstheoretische Grundlagen der Bewegungsund Sportpädagogik, Hohengehren 2005. Scherhag, Knut, Destinationsmanagement, in: Gabler Wirtschaftslexikon, verfügbar unter: http://www. Wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/destinationsmanagement.html, zuletzt abgerufen am: 16.12.2012. Scheunpflug, Annette, Biologische Grundlagen des Lernens, Berlin 2001. Schipperges, Heinrich, Gesundheit und Gesellschaft – Ein historisch-kritisches Panorama, Berlin und Heidelberg 2003. Schipperges, Heinrich, Homo patiens – Zur Geschichte des kranken Menschen, München und Zürich 1985. Schnabel, Peter-Ernst, Gesundheit fördern und Krankheit prävenieren – Besonderheiten, Leistungen und Potentiale aktueller Konzepte vorbeugenden Versorgungshandelns, Weinheim und München 2006. Schneider, Cornelia, Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz – Nebenwirkung Gesundheit, Bern 2011. Schneider, Andreas und Schmidpeter, René, Corporate Social Responsibility – Verantwortungsvolle Unternehmensführung in Theorie und Praxis, Berlin und Heidelberg 2012. Schöne-Seifert, Bettina, Grundlagen der Medizinethik, Stuttgart 2007. Schormann, Tobias, Wellnesshotels tun häufig wenig für die Gesundheit – Auch die Nachhaltigkeit kommt oft zu kurz, in: Welt kompakt, 29.05.2012, S. 25. Schulz, Axel, Berg, Waldemar, Gardini, Marco, Kirstges, Torsten und Eisenstein, Bernd, Grundlagen des Tourismus – Lehrbuch in 5 Modulen, München 2010. Schulz von Thun, Friedemann, Miteinander reden, Bd. 1, 46. Aufl., Hamburg 2008. Schweitzer, Claus, Wellness zum Träumen – Die 120 besten Wohlfühlhotels, Baden und München 2007. Segal, Zidel, Williams, John und Teasdale, John, Die Achtsamkeitsbasierte Kognitive Therapie der Depression – Ein neuer Ansatz zur Rückfallprävention, Tübingen 2008. Seibt, Annette, Modell der Gesundheitsüberzeugungen/Health Belief Model, in: BZgA (Hrsg.), Leitbegriffe der Gesundheitsförderung, 4., erweiterte und überarbeitete Auflage, Schwabenheim an der Selz 2006. Seiser, Michael, Jetzt kommt die zweite Welle – Mit dem Generationswechsel kommen in Tirol wieder mehr Wohnimmobilien auf den Markt, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 9 (2004), S. V 17. Seitz, David, Urlaub mit gutem Gewissen: Ökologisch korrekt reisen, verfügbar unter: http://uni.de/red aktion/oekologisch-reisen, zuletzt abgerufen am: 19.12.2012. Seligman, Martin, Der Glücks-Faktor – Warum Optimisten länger leben, 5. Auflage, BergischGladbach 2012.

Literatur

211

Siebert, Horst, Konstruktivismus – Konsequenzen für Bildungsmanagement und Seminargestaltung. Verfügbar unter: http://www.die-bonn.de/esprid/dokumente/doc-1998/siebert98_01.pdf. Zuletzt abgerufen am: 12.12.2012. Skipper, Gregory et al., Ethyl Glucuronide: A Biomarker To Identify Alcohol Use By Health Professionals Recovering From Substance Use Disorders, in: Alcohol Alcohol, 39 (2004), S. 445–449 Solderer, Gottfried (Hrsg.), Das 20. Jahrhundert in Südtirol – Abschied vom Vaterland, Bozen 1999. Solderer, Gottfried (Hrsg.), Das 20. Jahrhundert in Südtirol – Faschistenbeil und Hakenkreuz, Bozen 2000. Solderer, Gottfried (Hrsg.), Das 20. Jahrhundert in Südtirol – Totaler Krieg und Neubeginn, Bozen 2001. Sorensen, Kristine, Health literacy and public health: A systematic review and integration of definitions and models, in: Pelikan, Jürgen, Röthlin, Florian und Ganahl, Kristin, TheEuropean Health Literacy Project 2009–2012, verfügbar unter: http:ec.europa.eu/eahc/documents/new/Comparative_report_on_ healthy_literacy_in_eight_EU_member_states_pdf, zuletzt abgerufen am: 12.12.2012. Soyez, Katja, Thielow, Nadine und Gurtner, Sebastian, Lifestyle Of Health And Sustainibility – Ein wachsendes Segment gesundheitsbewusster Konsumenten, in: Hoffmann, Stefan, Schwarz, Uta und Mai, Robert (Hrsg.), Angewandtes Gesundheitsmarketing, Wiesbaden 2012. Soyka, Michael, Depression und Alkoholabhängigkeit – Neue Befunde zu Komorbidität, Neurobiologie und Genetik, in: Journal für Neurologie, Neurochirurgie und Pychiatrie 5 (2004), S. 37–46. Suchanek, Andreas, Vertrauen als Grundlage nachhaltiger unternehmerischer Wertschöpfung, in: Schneider, Andreas und Schmidpeter, René, Corporate Social Responsibility – Verantwortungsvolle Unternehmensführung in Theorie und Praxis, Berlin und Heidelberg 2012. Suchtmittel.de, Alkoholkrankheit, verfügbar unter: http://www.suchtmittel.de/info/alkoholsucht/000412 .php, zuletzt abgerufen am: 09.02.2013. Spazier, Astrid und Jachs, Ulrike, Gesunde Gemeinde – noch immer ein Projekt zum Lernen für Gesundheit? Eine qualitative kommunikationswissenschaftliche Studie, in: Krajic, Karl, Lernen für Gesundheit – Tagungsband zur Jahrestagung 2010 der Österreichischen Gesellschaft für Public Health, Linz 2011. Stachowiak, Herbert, Allgemeine Modelltheorie, Wien 1973. Stecker, Bernd, Nachhaltigkeit im Tourismus – Nische oder massentauglich?, verfügbar unter: http:/w ww.dbse.de/pdf/2-nachhaltigkeit-im-tourismus_stecker.pdf, zuletzt abgerufen am: 05.12.2012. Steinbach, Josef, Tourismus – Einführung in das räumlich-zeitliche System, München und Wien 2003. Strunz, Ulrich, forever young – Das Erfolgsprogramm. München 1999. Sulzberger, Robert, Gärten für alle Sinne – Gestaltungstipps für eine heitere Gartenatmosphäre, München 2008. Tenzer, Eva, Alles Aussichtssache – Das Meer lindert Schmerzen, und Türkis senkt den Blutdruck: Wie Landschaften unsere Stimmung verändern, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 22.04.2009. Tölzer Land Tourismus, Bewusst bewegen, gesund wandern – Heilklimapark Tölzer Land. Verfügbar unter: http://www.toelzer-land.de/heilklimapark-toelzer-land, zuletzt abgerufen am: 04.01.2013. Tretter, Felix, Ökologie der Sucht – Das Beziehungsgefüge Mensch – Umwelt – Droge, Göttingen, Bern, Toronto und Seattle 1998.

212

Literatur

Trojan, Alf, Prävention und Gesundheitsförderung in Städten und Gemeinden, in: Hurrelmann, Klaus, Klotz, Theodor und Haisch, Jochen (Hrsg.), Lehrbuch Prävention und Gesundheitsförderung, 2. überarb. Aufl., Bern 2009. Türkis, Benjamin, Innsbrucker Tourismusgeschichte, Innsbruck, Wien und Bozen 2010. Uexküll, Thomas von, Lehrbuch der psychosomatischen Medizin, München 1985. Uhle, Thorsten und Treier, Michael, Betriebliches Gesundheitsmanagement – Gesundheitsförderung in der Arbeitswelt – Mitarbeiter einbinden, Prozesse gestalten, Erfolge messen. Heidelberg und Berlin 2011. Ulrich, Peter, Integrative Wirtschaftsethik – Grundlagen einer lebensdienlichen Ökonomie, 4. Aufl., Bern 2008. Ulrich, Roger, Effects of Gardens on Health Outcomes: Theory and Research, in: Cooper-Marcus, Clare und Barnes, Marni: Healing Gardens – Therapeutic Benefits And Design Recommandations, Hoboken (US) 1999. Ulrich, Roger, Aesthetic and emotional influences of vegetation. Swedish Council for building research, Upsala 1991. Ulrich, Roger, View through a window may influence recovery from surgery, in: Science 224 (1984). p. 420–421. Uniqa, Ihr Weg zu mehr Gesundheit, Fitness und Wohlbefinden, verfügbar unter: http://www.uniqua. at/uniquaat/cms/privatkunden/krankenversicherung/VitalPlan-PLUS.de.xhtml, zuletzt abgerufen am: 23.08.2012. Veit, Thomas, Ethische Grundlagen unserer Gesellschaft, in: Schneider, Kordula, BrinkerMeyendriesch, Elfriede und Schneider, Alfred (Hrsg.), Pflegepädagogik, 2. Aufl., Heidelberg und Berlin 2005. Verbraucher Iinitiative e.V., Verkaufsfördernde Verbraucherkommunikation am Point of Sale – Leitfaden für Handelsunternehmen, verfügbar unter: http://www.nachhaltig-einkaufen .de/media/file/ 5.Endbericht-Leitfaden.pdf., zuletzt abgerufen am: 04.12.2012. Vester, Frederic, Denken, Lernen, Vergessen – Was geht in unserem Kopf vor, wie lernt das Gehirn, und wann lässt es uns im Stich. 34., akual. Aufl., München 2011. Vester, Heinz-Günter, Tourismustheorie – Soziologische Wegweiser zum Verständnis touristischer Phänomene, München und Wien 1999. vida – Österreichische Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft: Fit im Betrieb – Präventive Maßnahmen statt Dauerproblem – betriebliche Gesundheitsförderung im Tourismus, verfügbar unter: http:// www.vida.at/servlet/ContentServer?pagename=S03/page/ind ex&n=S03_18.a&cid=1320866633748, zuletzt abgerufen am: 07.12.2012. Vogt, Irmgard, Psychologische Grundlagen der Gesundheitswissenschaften, in: Hurrelmann, Klaus, Laaser, Ulrich und Razum, Oliver, Handbuch Gesundheitswissenschaften, 4., vollständig überarbeitete Auflage, Weinheim und München 2006. Wagner, Stephan, Nachfrageverhalten bei Kur und Wellness, in: Krczal und Weiermair (Hrsg.), Wellness und Produktentwicklung – Erfolgreiche Gesundheitsangebote im Tourismus, Berlin 2006. Waller, Heiko, Gesundheitswissenschaft – Eine Einführung in Grundlagen und Praxis, 4. überarbeitete und erweiterte Aufl., Stuttgart 2006. Weber, Andreas, Das Burnout-Syndrom – eine Krankheit moderner Gesellschaften, in: Weber, Andreas und Hörmann, Georg (Hrsg.), Psychosoziale Gesundheit im Beruf – Mensch, Arbeitswelt, Gesellschaft, Stuttgart 2007.

Literatur

213

Weis, Hans Christian, Marketing, 16., verbesserte und aktualisierte Auflage, Herne 2012. Weiss, Christian, OP unter Palmen – Medizintourismus ist ein lukratives Geschäft. Krankenhäuser weltweit buhlen um ausländische Patienten. Doch ihre Millionenumsätze gehen oft auf Kosten der Einheimischen. Die Zeit online vom 25.03.2009. Verfügbar unter: http://www.zeit.de/online/2009/13 /medizintourismus-auswirkungen, zuletzt abgerufen am 17.09.2012. Weiss, Christian, Der globalisierte Patient, in: Die Zeit online v. 30.09.2009, verfügbar unter: http://ww w.zeit.de/online/2009/13/medizintourismus-reisende/seite-1 und seite-2, zuletzt abgerufen am: 17.09.2012. Weiss, Walpurga, Gesundheit, in: Brunner, Karl-Michael, Geyer, Sonja, Jelenko, Marie, Weiss, Walpurga und Astleithner, Florentina, Ernährungalltag im Wandel – Chancen für die Nachhaltigkeit, Wien und New York 2007. Weiß, Christel, Basiswissen Medizinische Statistik, 5., überarb. Auflage, Heidelberg und Berlin 2010. Weltli, Felix, Behinderung und Rehabilitation im sozialen Rechtsstaat, Tübingen 2005. Wendtland, Wolfgang, Veränderungstraining im Alltag – Eine Anleitung zur In-vivo-Arbeit in Therapie, Beratung und Selbsthilfe, Stuttgart und New York 2003. WiDo – Wissenschaftsinstitut der AOK, Jeder dritte Arbeitnehmer klagt über psychische Belastungen, verfügbar unter: http://www.wido/meldungen_archiv+M53384d3a92c.html. Zuletzt abgerufen am: 22.07.2012. Winkelmann, Peter, Marketing und Vertrieb – Fundamente für die Marktorientierte Unternehmensführung, 7. Aufl., München 2010. WKO – Wirtschaftskammer Österreich, Kriterienkatalog Hotelsterne, verfügbar unter: http://www.hotelsterne.at/17.0.html, zuletzt abgerufen am 24.01.2013. Wulfhorst, Britta, Theorie der Gesundheitspädagogik – Legitimation, Aufgabe und Funktionen von Gesundheitserziehung, Weinheim und München 2003. Wurst, Friedrich, Thon, Natasha und Weinmann, Wolfgang, Direkte Ethanolmetaboliten in Blut und Urin: Relevanz in Diagnose und Therapie alkoholbezogener Störungen, in: Journal für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie, 10 (2009), S. 82–85. Wustmann-Seiler, Corinna, Resilienz, Widerstandsfähigkeit von Kindern in Tageseinrichtungen fördern, Berlin 2004. Wydra, Georg, Gesundheitssport und Gesundheitstraining, in: Bös, Klaus und Feldmeier, Christian, Bewegung & Sport zur Prävention & Rehabilitation, Oberhaching 1992. Zöchling, Katja, Die Präventivmedizin im Österreichischen Gesundheitstourismus – Stellenwert und Vielfältigkeit sowie die Beleuchtung der praktischen Umsetzung, Saarbrücken 2008. Zwick, Elisabeth, Gesundheitspädagogik – Wege zur Konstituierung einer erziehungswissenschaftlichen Teildisziplin, Münster 2004.

Index Adipositas 155 Agenda 21 145, 147, 150, 152, 159, 183 Akkomodation 43, 49, 51, 52, 72, 94, 168 Allokationsproblematik 37, 188, 189 Allotmentverträge 136 Anthropologie VII, 3, 6, 9, 186 Apoplex 138, 190 Äquilibration 51, 94, 130 ARIVA-Schema 52, 53, 69, 76 Assimilation 43, 49, 51, 52, 72, 94, 112 Ätiologie 14, 18, 22, 59, 86, 109 Authentizität 80, 140, 141, 146, 159, 165, 173, 176, 177 Autopoiesis 130 Babyboom 189 Bäderkrise 35 Bädersterben 175 Barrierefreiheit 65, 91, 112, 126, 133, 134 Basisinnovation 5, 39, 89, 90, 91, 104, 105, 118, 119, 120, 135, 137, 197 Bedingungen, hinreichende 90 Bedingungsfaktoren, soziale 47 Bereichsethik 6, 185, 193 Betriebliche Gesundheitsförderung 40, 56, 98, 117, 139, 197, 199 Branchenflucht 161 Branding 176, 177, 178, 179, 180 Brundtland-Kommission 5, 144, 145 Chaos, architektonisches 148 Compliance 42, 136, 154, 196 Compliance-Problematik 136 Controlling 82, 181 Controlling, operatives 181 Corporate Governance 154 Corporate Social Responsibility (CSR) 159, 186, 197 Demografie 2 demografisch 40, 62, 65, 138, 143, 187, 189, 195, 198 Destination 2, 5, 38, 46, 60, 74, 80, 89, 122, 146, 147, 148, 150, 151, 156, 157, 164, 165, 167, 171, 173, 174, 175, 176, 178, 180, 181, 182, 183, 184, 197 Destinationsmanagementorganisation (DMO) 147, 166, 171, 193 Destinationsmission 174 Destinationsvision 174

Destinationszweck 174 Dezentrierung 49 Diätetik 29, 77, 78, 93 Didaktik 6, 24, 41, 50, 51, 52, 54, 60, 64, 70, 71, 73, 91, 107, 129, 130, 169 Eid, hippokratischer 194 Einzelmarkenstrategie 176 Epidemiologie 2, 21, 36 epidemiologisch 14, 18, 33, 40, 62, 65, 138, 143, 154, 187, 189, 195 Erhaltungstherapie 21, 46, 62 Erkrankung, akute 20, 23, 138 Erkrankung, chronische 19, 20, 23, 40, 59, 62, 73, 110, 133, 143, 190, 191, 194 Ermöglichungsdidaktik 76, 79, 81, 84, 98, 130 Erschließung 115 Ethik VII, 6, 185 Ethik, anthropozentrische 192 Ethik, deontologische 188 Ethik, physiozentrische 193 ethisch 6, 9, 58, 110, 140, 144, 152, 185 Explanandum 171 Explanans 171 Fensterstudie 55, 131, 192 Fitness 14, 36, 64, 68, 75, 122, 139, 187 Fitness-Spa 68 Food System, Alternative 80, 93, 99, 155, 193 Food System, Industrial 154, 192 Fortsetzungstherapie 21, 62, 128 Furchtappelltheorien 21, 44 galant homme 10 Galenik 29 Gesunde Gemeinde 159, 162, 163 Gesundheitsaufklärung/-information 3, 50 Gesundheitsberatung 3, 22, 23, 24, 50, 60, 64, 168 Gesundheitsbildung 2, 3, 12, 24, 40, 41, 43, 45, 50, 52, 55, 56, 60, 64, 68, 73, 75, 76, 91, 92, 94, 96, 98, 99, 100, 103, 104, 105, 107, 108, 110, 111, 112, 113, 122, 125, 127, 128, 129, 130, 139, 141, 168, 189, 191, 193, 195, 198 Gesundheitserziehung 3, 23, 50, 168 Gesundheitsfördernde Gesamtpolitik (GGP) 159

216 Gesundheitsförderung 3, 4, 9, 10, 11, 12, 13, 17, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 27, 28, 29, 31, 36, 40, 43, 48, 49, 50, 54, 56, 61, 64, 66, 69, 70, 78, 80, 94, 98, 105, 127, 128, 136, 139, 140, 145, 162, 163, 164, 165, 170, 175, 186 Gesundheitsgäste 1, 11, 16, 23, 24, 31, 35, 36, 41, 46, 50, 56, 60, 63, 64, 66, 70, 71, 72, 74, 79, 99, 114, 115, 122, 129, 131, 132, 135, 139, 141, 165, 168, 181, 193, 196 Gesundheitskompetenz 2, 12, 39, 40, 41, 51, 55, 56, 63, 65, 66, 70, 72, 73, 74, 81, 94, 99, 110, 111, 112, 122, 125, 128, 131, 139, 141, 146, 167, 169, 189, 191, 195, 196 Gesundheits-Krankheitskontinuum 14, 15, 41, 55, 83, 126, 171, 175 Gesundheitsland 165 Gesundheitsreserven 74 Gesundheitssport 74 Gesundheitssystem 10 Gesundheitstourismus, innovativer 3 Gesundheitstourismus, Neuer 3, 5, 24, 62, 126, 127 Gesundheitswahn 24, 40, 81, 187, 195 Gesundheitszentren 3, 5, 60, 61, 62, 90, 127, 128, 129, 130, 132, 134, 135, 136, 137, 138, 139, 141, 187, 194 Gesundheitszentrum 1, 16, 62, 91, 126, 127, 130, 132, 133, 136, 138, 139, 141, 194 Grand Tour 156 Green Spa 133 Health Literacy Survey Europe 167 Health-Belief-Modell 44 Heilskunst 18, 24 Heilstechnik 1, 18, 23 High Level Wellness 36 HLS-EU-Studie 2, 110, 168 Hospitality, green 154 Humanökologie 13, 43, 47, 48, 55 ICD-10 22 Identität, Erweiterte 176, 178, 180 Illness/Wellness-Continuum 14, 36 Incoming 173 Jugendbewegung 33 Kernidentität 176, 178, 180 Kondratieff-Zyklen 39 Konstruktivismus 3, 50, 51, 52, 60, 72, 76 Krankheitsprävention 10, 17, 23, 24, 29, 40, 49, 78, 128 Leadership 98, 107, 116, 140, 159, 173, 197 Lebensqualität, subjektive 9, 10, 12, 14, 16, 20, 22, 32, 55, 62, 74, 76, 111, 124, 125, 128, 129, 146, 160, 195 Lebensstil 2, 12, 14, 15, 16, 19, 21, 24, 53, 70, 71, 77, 92, 98, 99, 104, 107, 110, 113, 127, 129, 132, 140, 145, 146, 160, 161, 168

Index Lebenswelt 6, 43, 129, 145, 160, 161, 168 Lernkompetenz 64, 94, 130, 139, 193 LOHAS 122, 127, 133, 140 Lokale Agenda 21 (LA 21) 5, 146, 147 Mandala-Modell 12, 13, 17 Markenallianz 176 Markenessenz 176, 178, 180 Marketingcontrolling, strategisches 182 Marketinginstrumente 178 Marketingmix 103, 106, 138, 180 Marketingrad der vier P 106 Marketingstrategie 103, 104, 126, 139, 153, 180, 184 Marketingziele 103, 122, 181 Marktforschung 178, 189 Marktinformation 92, 107 Medical Wellness 28, 35, 37, 47, 49, 61, 62, 63, 64, 65, 71, 72, 75, 86, 87, 101, 110, 122, 123, 124, 125, 126, 127, 132, 140, 150, 161, 162, 168, 195 Medizintourismus, kostenorientiert 37, 57 Medizintourismus, qualitätsorientiert 37 Megatrend 40, 185, 195 Mezzanine-Finanzierungen 137 Modell, allgemein 42 Modell, biomedizinisches 10 Modelle, volitionale 45 Myokardinfarkt 138, 190 mystery check 164 Nachhaltigkeit, soziale 191 Nachwuchsführungskräfte 104 Nutzungsextensivierung 152 Nutzungsintensivierung 151 Ökoprofit 133 Ökotrophologie 5, 50 ökotrophologischer 77 Ottawa-Charta 5, 145, 147, 159, 165 Outward Bound 97 Pastiche 49, 75 Patiententourismus, kostenorientierter 56, 188 Patiententourismus, qualitätsorientierter 57 Perturbation 51, 129 Pillenknick 189 Prävention, allgemein 11, 25, 27, 29, 43, 59, 69, 70, 79, 128, 145, 170 Pree-Seed-Phase 120 Primärprävention 126, 127 Primary Health Care (PHC) 169 Private Equity, PE 137 Privatgäste 59 Produktentwicklung 25 Produktentwicklungsstrategie 104, 105 Reduktion, quantitative 6 Reformpädagogik 33 Rehabilitationsmaßnahme 35 Residential Spa 68

Index Resilienz 5, 55, 67, 71, 74, 81, 83, 84, 85, 94, 123 restitutio ad integritatem 3, 62, 114, 187 restitutio ad integrum 1, 3, 11, 62 Revitalisierung 118, 132, 134, 135 Revitalisierungskosten 125 Revitalisierungsphasen 118 Revitalisierungszyklen 125 Routineinnovationen 118, 119, 125, 135, 136 Rubikonmodell 45 Rückkopplungseffekte 157 Salutogenese 4, 10, 15, 22, 55 Sekundärprävention 4, 9, 21, 23, 59, 126, 127 Selbstkompetenz 64, 74, 94, 130, 139, 193 Selbstkonkordanz 100 Selbstreferenzialität 130 Selbstwirksamkeit 16, 44, 56, 73, 124, 130 Selbstwirksamkeitserwartung 45 Setting 1, 2, 3, 5, 10, 12, 13, 16, 17, 20, 23, 24, 41, 42, 44, 47, 49, 50, 51, 52, 55, 56, 59, 62, 70, 71, 72, 73, 75, 78, 80, 82, 83, 86, 89, 112, 122, 128, 136, 145, 159, 160, 176, 186, 187, 189, 191, 192, 194 Setting, naturnahes 104, 105, 107, 108, 111, 139, 153 Sozialgesetzgebung 28, 32, 33, 35, 37, 59 Sozialkognitive Theorie 45 Sozialkuren 35 Sozialkurgäste 59 Spa-Bereich 1, 64, 69, 75, 76, 83, 109, 110, 112, 122, 137, 188 Start-Up-Finanzierungen 102 Synreferenzialität 130 Tertiärprävention 4, 9, 20, 23, 59, 61, 126, 127 Thanatologie 191 Theorie 42 Theorie der Schutzmotivation 44 Theorie des geplanten Verhaltens 45 Tourismus, harter 92 Tourismus, nachhaltiger 107, 152, Siehe auch Tourismus, sanfter

217 Tourismus, sanfter 67, 92 Tourismusverband (TVB) 171 Umweltverträgliche Tourismus 66 Unique Selling Point (USP) 195 Urlaub 11, 17, 32, 33, 36, 72, 73, 83, 92, 126, 177 Urlaubsgesetz 32 Utilitarismus 188, 189, 191, 195 Venture Capital 91, 106 Verbesserungsinnovationen 91, 115, 118, 119, 135, 136, 195 Verbesserungsprozess, kontinuierlicher 117 Verdichtung, qualitative 6 Verfahren, psychoedukative 23 Verhaltensprävention 145, 146, 171, 179, 183 Verhältnisprävention 145, 171, 179, 183, 184 Verunstaltung, architektonische 148 Viabilität 51, 86, 128, 129 Viersaftlehre 29 Voraussetzung, notwendige 90 Vorsorgemaßnahme 35 Well-being 11, 14, 64, 122, 168, 197 Wellnesshotel 1, 3, 25, 37, 46, 54, 64, 75, 79, 84, 91, 109, 110, 112, 115, 116, 126, 129, 132, 134 Wellnessresort 10, 16, 62, 110, 111, 113, 115, 116, 117, 119, 120, 122, 125, 129, 138, 141 Wellness-Stufe I 64, 75, 78, 83, 97, 111, 139, 187 Wellness-Stufe II 64, 70, 72, 75, 79, 80, 91, 96, 128, 129, 130, 139, 141, 193 Wertschöpfungskette, touristische 153, 157, 176 Wohlempfinden, subjektives 63 Wohnungseigentümergesellschaft 118, 137, 194 Work-Life-Balance 67, 71, 72, 99 Zivilisationskrankheiten 28, 36, 64 Zweitwohnsitze 29, 119, 121, 193 Zweitwohnsitzproblematik 118, 119