Gesammelte Werke 8 : Einhorn, Sphinx und Salamander
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Jorge Luis Borges Gesammelte Werke Einhorn, Sphinx und Salamander Buch der ImagiTiären Wesen Nachwort Dietmar Kämper

Hauser

J orgc Luis Borges Gesammelte Werke Band 8

Jorge Luis Borges In Zusammenarbeit mit Margarita Guerrero

Einhorn, Sphinx und Salamander Buch der imaginären Wesen Nach den Übersetzungen von Ulla de Herrera und Edith Aron bearbeitet und ergänzt von Gisbert Haefs Nachwort von Dietmar Kämper

Carl Hanser Verlag

Titel der Originalausgabe »El libro de los seres imaginarios« Buenos Aires 1967, © Editorial Kier Die Artikel: »Ein Bericht über Dinge, die Mrs. Jane Lead aus London im Jahre 1694 erfuhr, sah und antraf«; »Chilenische Fauna«, »Der Karfunkel«, »Laudatores Temporis Acti«; sowie eine längere Ergänzung zu »Die kettenbehaftete Sau und andere argentinische Fauna« wurden der amerikanischen Ausgabe »The Book oflmaginary Beings« © 1969 by Jorge Luis Borges und Norman Thomas di Giovanni entnommen.

ISBN 3-446-12999-5 Alle Rechte vorbehalten © 1982 Carl Hanser Verlag München Wien Ausstattung: Klaus Detjen Satz: LibroSatz, Kriftel Druck und Bindung: Kösel, Kempten Printed in Germany

Einhorn, Sphinx und Salamander

Vorwort Der Titel dieses Buches [Das Buch der imaginären Wesen] würde die Aufnahme des Fürsten Hamlet, des Punkts, der Geraden, der Oberßäche, des Hyperraums, aller Gattungsbegriffe und, vielleicht, einesjeden von uns und auch der Gottheit rechtfertigen. Das heißt, nahezu des gesamten Universums. Wir haben unsjedoch aufdas beschränkt, was der Begriff »imaginäre Wesen« unmittelbar anregt, wir haben ein Handbuch der seltsamen Geschöpfe zusammengestellt, die im Lauf der Zeit die menschliche Phantasie gezeugt hat. Wir kennen den Sinn des Drachens ebenso wenig wie den Sinn des Universums, aber in seinem Bild ist etwas, das in Einklang steht mit der Vorstellungskraft der Menschen, und so erscheint der Drache in verschiedenen Gebieten und zu verschiedenen Zeiten. Ein Buch dieser Art kann nur unvollständig sein; jede neue Ausgabe ist der Kem späterer Ausgaben, die sich ins Unendliche vervielfältigen können. Wir laden den möglichen Leser in Kolumbien oder Paraguay ein, uns die Namen, die genaue Beschreibung und die auffälligsten Gewohnheiten der örtlichen Ungeheuer mitzuteilen.

Wie alle Miszellen, wie die unerschöpflichen Bände von Robert Burton, Fraser oder Plinius, wurde Das Buch der imaginären Wesen nicht im Hinblick aufeine durchgehende Lektüre geschrieben. Es würde unsfreuen, wenn die Neugierigen dieses Buch häufiger aufschlügen, wiejemand, der mit den wechselnden Formen spielt, die ihm ein Kaleidoskop offenbart. Die Quellen dieser »Silva de varia lecciön« sind vielfältig; wir haben sie zujedem Artikel aufgeführt. Möge uns eine unfreiwillige Auslassung nachgesehen werden. Martinez, September 1g6y

J.L.B.-M.G.

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A Bao A Qu Um die schönste Landschaft der Welt betrachten zu können, muß man zum obersten Stock des Siegesturmes in Chitor hinaufsteigen. Dort gibt es eine kreisrunde Terrasse, von der aus man den gesamten Horizont überblicken kann. Eine Wendeltreppe fuhrt zu ihr hinauf, doch nur diejenigen haben den Mut, sie zu besteigen, die nicht an die folgende Geschichte glauben: Auf der Treppe des Siegesturmes lebt seit Anfang der Zeiten A Bao A Qu, der für alle Werte der menschlichen Seele empfänglich ist. Im Zustand der Lethargie lebt er auf der ersten Stufe und erfreut sich bewußten Lebens erst dann, wenn jemand die Treppe hinaufsteigt. Die Ausstrahlung des nahenden Menschen flößt ihm Leben ein, und ein inneres Licht geht in ihm auf. Zur gleichen Zeit beginnen sein Körper und seine fast durchscheinende Haut sich zu bewegen. Wenn jemand/Üfe Treppe hinaufsteigt, heftet sich der A Bao A Qu gleichsam an die Absätze des Besuchers und steigt mit ihm aufwärts, wobei er sich am Rand der von den Füßen verschiedener Pilgergenerationen glattgetretenen und abgenutzten Stufen hält. Aufjeder neuen Stufe wird seine Farbe kräftiger, seine Gestalt vollkommener, und das Licht, das er ausstrahlt, wird immer leuchtender. Ein Beweis für seine Feinfühligkeit ist die Tatsache, daß er nur dann auf der letzten Stufe seine vollkommene Gestalt erreicht, wenn der Hinaufsteigende ein geistig entwickeltes Wesen ist. Ist dies nicht der Fall, bleibt der A Bao A Qu vor dem Erreichen des Ziels wie gelähmt liegen, sein Körper ist unfertig, seine Farbe unbestimmt und sein Licht schwankend. Der A Bao A Qu leidet, wenn er sich nicht gänzlich formen kann, und seine Klage ist ein kaum vernehmbares Geräusch, ähnlich dem Knistem von Seide. Wenn aber der Mann oder die Frau, die ihn beleben, ganz rein sind, kann der A Bao A Qu die letzte Treppenstufe erreichen, ist dann vollkommen geformt und strahlt ein lebendiges blaues Licht aus. Seine Rückkehr zum Leben ist sehr kurz, denn wenn der Pilger wieder hinabsteigt,

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rollt und stürzt der A Bao A Qu hinunter bis zur ersten Stufe, wo er, schon wieder ausgelöscht und einer Folie mit undeutlichen Umrissen gleich, des nächsten Besuchers harrt. Es ist nur dann möglich, ihn deutlich zu sehen, wenn er auf der Mitte der Treppe angekommen ist, wo seine Körperauswüchse, die ihm, wie Ärmchen, beim Klimmen helfen, klar umrissen sind. Manehe sagen, daß er mit seinem ganzen Körper sehe, und daß er in der Berührung an die Haut eines Pfirsichs erinnere. Im Lauf der Jahrhunderte hat der A Bao A Qu nur einmal die Vollendung erreicht. Der Hauptmann Burton verzeichnet die Legende des A Bao A Qu in einer der Anmerkungen zu seiner Übersetzung von Tausend und eine Nacht.

Abtu und Anet In der ägyptischen Mythologie sind Abtu und Anet zwei gleiehe, heilige Fische, die vor dem SchifT des Sonnengottes Ra einherschwimmen, um ihn vor jeglicher Gefahr zu warnen. Während des Tages reist das SchifT durch den Himmel, von Osten nach Westen; nachts fährt es unter der Erde in entgegengesetzter Richtung.

Der schreckliche Acheron Ein einziges Mal nur hat ein Mensch das Ungeheuer Acheron erblickt; dies begab sich im 12. Jahrhundert in der Stadt Cork. Der Originaltext der Geschichte, in gälischer Sprache geschrieben, ist verlorengegangen, aber ein Benediktinermönch aus Regensburg hatte ihn ins Lateinische übersetzt, und aus dieser Übersetzung wurde er in viele andere Sprachen übertragen, 10

darunter ins Schwedische und ins Spanische. Von der lateinisehen Fassung sind noch etwa fünfzig Manuskripte vorhanden, die in den wichtigsten Punkten übereinstimmen. Visio Tundali ist der Name der Erzählung, und man betrachtet sie als eine der Quellen, deren Dante sich bediente. Beginnen wir mit dem Wort »Acheron«. Im zehnten Gesang der Odyssee ist der Acheron ein Höllenfluß, an den westlichen Grenzen der bewohnbaren Erde gelegen. Sein Name wird in der Aeneis, in der Pharsalia von Lucanus und in den Metamorphosen des Ovid erwähnt. Dante prägt ihn in einer Verszeile: »Su la trista riviera d’Acheronte.« [Am traurigen Ufer des Acheron.] Eine der Überlieferungen macht ihn zu einem bestraften Titanen, eine andere, späteren Datums, versetzt ihn in die Gegend unweit des Südpols, unterhalb der Sternbilder der Antipoden. Die Etrusker hatten Schicksalsbücher, welche die Kunst des Hellsehens lehrten, und Acherontische Bücher, welche die Wege der Seele nach dem Tode des Körpers beschrieben. Mit der Zeit wurde Acheron gleichbedeutend mit Hölle. Tundal war ein junger irischer Ritter, wohlerzogen und tapfer, aber sein Lebenswandel war nicht frei von Tadel. Er erkrankte im Hause einer Freundin, und während dreier Tage und Nächte glaubte man ihn tot, nur war in seinem Herzen noch ein wenig Wärme verblieben. Als er wieder zu sich kam, berichtete er, der Schutzengel habe ihm die Regionen des Jenseits gezeigt. Von den vielen wundersamen Dingen, die er sah, ist das, was uns im Augenblick interessiert, das Ungeheuer Acheron. Dieses ist größer als ein Berg. Seine Augen lodern, und sein Mund ist so groß, daß neuntausend Menschen darin Platz fänden. Zwei Verdammte halten ihn, gleich zwei Säulen oder Atlanten, ständig geöffnet; einer steht aufrecht, der andere auf dem Kopf. Drei Kehlen fuhren ins Innere, und alle drei speien Flammen, die niemals erlöschen. Aus dem Leibe des Ungeheu­

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ers dringt das nie endende Wehklagen der zahllosen Verdammten, die es verschlungen hat. Die Dämonen erklären Tundal, daß die Bestie Acheron heißt. Der Schutzengel verschwindet, und Tundal wird mit den übrigen hinweggerissen. Im Inneren des Acheron gibt es Tränen, Dunkelheit, Zähneknirschen, Feuer, unerträgliches Brennen, Eiseskälte, Hunde, Bären, Löwen und Schlangen. In dieser Legende ist die Hölle ein Tier, das andere Tiere beherbergt. Im Jahre 1758 schrieb Emanuel Swedenborg: »Es ist mir nicht vergönnt gewesen, den allgemeinen Umriß der Hölle zu sehen, aber man hat mir gesagt, daß, ebenso wie der Himmel die Gestalt eines Menschen hat, die Hölle die Gestalt eines Dämonen habe.«

Die Amphisbaena Die Pharsalia [IX, 700 f.] zählt die wirklichen oder imaginären Schlangen auf, denen die Soldaten Catos in den afrikanischen Wüsten begegnet sind; wir linden dort den Pareas, »der nur mit dem Schwanz den Weg hinfurcht« . . . »den schäumenden Rachen gedehnt, den gierigen Prester« . . . und die »rriit doppeltem Haupt sich erhebende Amphisbaena«. Mit fast den gleichen Worten beschreibt Plinius sie uns [VIII, 85] und setzt hinzu: »als ob eines ihr nicht genüge, um ihr Gift zu entladen«. Der Thesaurus von Brunetto Latini - jene Enzyklopädie, welche dieser seinem alten Schüler im siebenten Höllenkreis des Inferno empfahl - ist weniger philisterhaft und präziser: »Die Amphisbaena ist eine Schlange mit zwei Köpfen, einer an dem ihm gebührenden Platz, der andere am Schwanz; mit beiden kann sie beißen, und sie läuft geschwind, und ihre Augen leuchten wie Kerzen.« Im 17. Jahrhundert bemerkte Sir Thomas Browne, daß es kein Tier gebe, das nicht unten und oben, vom und hinten, links und rechts hat, und er leugnete daher die 12

Existenz der Amphisbaena, bei der beide Enden Köpfe sind. Amphisbaena heißt im Griechischen: »die nach zwei Richtungen geht«. Auf den Antillen und in gewissen Regionen Amerikas bezeichnet man mit diesem Namen ein Reptil, das allgemein als >DoppelläuferinkeeningBasilicock«. Eines der Bilder, welche die Naturgeschichte der Schlangen und Drachen von Aldrovandi schmücken, zeigt ihn mit acht Beinen * und mit Schuppen anstelle von Federn. Was sich nicht ändert, ist die tödliche Kraft seines Blickes. Die Augen der Gorgonen ließen denjenigen, der sie erblickte, zu Stein erstarren; Lucanus berichtet, daß aus dem Blute von einer von ihnen - der Medusa - sämtliche Schlangen Libyens geboren wurden: die Natter, die Amphisbaena, der Ammodytes, der Basilisk. So liest man im neunten Gesang der Pharsalia die folgenden Verse: »Schwebt Perseus ob Libyen hin, das, leer vonjeglichem Anbau, Offen liegt nur dem Scheine der Sonn’ und allen Gestirnen; Aber das dürre Land empfangt in den Boden, dem nirgends Gutes entsproßt, das Gift, das von der Medusa Verwesung * Niederträuft und vom wilden Blut die gräßliche Taue, Welche die Hitze anregt und kocht in staubigen Sand ein . . . Wo nun zuerst das Haupt aufrichtet vom Staube der Bluttau, Hebt sich mit schwellendem Hals die schlummerbringende Viper, Voller herabfiel hierher das Blut und in dichteren Tropfen * Acht Beine hatte - gemäß der Jüngeren Edda - das Pferd Odins.

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Gift, das stärker zusammen sich drängt in keiner der Schlangen ... Der Basilisk mit Gezisch, das all das Schlangengewürm schreckt, Mordend noch vor dem Gift, scheucht femweg von sich den ganzen Pöbel und herrscht dann, allein, in dem leergewordenen Lande.«

Der Basilisk lebt in der Wüste; besser gesagt, er schafft die Wüste. Die Vögel fallen tot zu seinen Füßen nieder, und die Früchte faulen; das Wasser der Flüsse, aus denen er trinkt, ist aufJahrhunderte hinaus vergiftet. Daß sein Blick Steine bricht und das Gras verbrennt, ist von Plinius bestätigt worden. Der Geruch des Wiesels tötet ihn und, wie man im Mittelalter behauptete, auch das Krähen des Hahnes. Erfahrene Wänderer besorgten sich Hähne, wenn sie unbekannte Gegenden durchkreuzten. Eine andere WafTe war der Spiegel; der Anblick seines Ebenbildes läßt den Basilisken tot zu Boden sinken. Die christlichen Enzyklopädisten wiesen die mythologischen Fabeln der Pharsalia zurück und suchten eine rationale Erklärung für den Ursprung des Basilisken. (Sie sahen sich gezwungen, an ihn zu glauben, denn die Vulgata übersetzt mit >Basilisk< das hebräische Wort >TsephaBehemoth< ist Mehrzahl; es handelt sich, so sagen uns die Philologen, um den intensiven Plural des hebräischen Wortes >b’hemahblissder Leuchtende«. Laut Burton stellen die Moslems Indiens ihn mit dem Gesicht eines Menschen, den Ohren eines Esels, dem Körper eines Pferdes und mit Flügeln und Schweif eines Pfaues dar. Eine der Überlieferungen des Islam berichtet, daß Burak, als er die Erde verließ, einen mit Wasser gefüllten Krug umstieß. Der Prophet wurde in den Siebenten Himmel geführt und sprach mit jedem der Patriarchen und Engel dort, durchquerte die Einheit und spürte eine Kälte, die ihm das Herz erstarren ließ, als die Hand des Herrn ihm auf die Schulter klopfte. Die Zeit der Menschen ist nicht mit der Zeit Gottes zu messen; bei seiner Rückkehr hob der Prophet den Krug auf, aus dem noch nicht ein einziger Tropfen geflossen war. Miguel Asin Palacios spricht von einem aus Murcia stammenden Mystiker des 13. Jahrhunderts, der in einer Allegorie Buch der nächtlichen Fahrt zur Majestät des Großmütigsten - in Burak die göttliche Liebe symbolisiert. In einem anderen Text spricht er vom »Burak der Reinheit des Herzens«.

Die Chimaira Zum ersten Male ist die Chimaira im sechsten Gesang der Ilias erwähnt. Dort steht geschrieben, daß sie von göttlicher Herkunft, vom ein Löwe, in der Mitte eine Geiß und hinten ein Drache war. Feuer lohte aus ihrem Rachen, und sie wurde von dem schönen Bellerophon, dem Sohne des Glaukos, getötet, wie

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die Götter es vorausgesagt hatten. Kopf eines Löwen, Leib einer Ziege und Schwanz einer Schlange - das ist die natürliche Auslegung der Worte Homers, aber die Theogonie des Hesiod beschreibt sie als ein Ungeheuer mit drei Köpfen, und so ist sie auch auf der berühmten Bronzefigur von Arezzo dargestellt, die aus dem 5. Jahrhundert stammt. Mitten auf dem Rücken befindet sich der Ziegenkopf, an einem Ende deijenige der Schlange und am anderen der des Löwen. Im sechsten Gesang der Aeneis erscheint wiederum >die flammenbewaffnete ChimaeraChimärischenfetch They Met Themselves [Wie sie sich selbst begegneten] von Rossetti; zwei Liebende begegnen sich selbst, im Dämmerlicht eines Waldes. Es ließen sich ähnliche Beispiele zitieren von Hawthorne, Dostojewski und Alfred de Musset. Für die Juden dagegen war die Erscheinung des Doppelgängers kein Vorzeichen eines baldigen Todes. Es war die Gewißheit, den prophetischen Zustand erreicht zu haben. So erklärt Gershom Schölern es. Eine im Talmud enthaltene Überlieferung berichtet von einem Mann, der Gott suchte und sich selbst begegnete. In Poes Erzählung William Wilson ist der Doppelgänger das Gewissen des Helden. Er tötet es und stirbt. In der Lyrik von Yeats ist der Doppelgänger unsere andere Hälfte, Kehrseite oder Widerpart: der, der uns ergänzt, der wir nicht sind und nie sein werden. Wie Plutarch schreibt, bezeichneten die Griechen den Botschafter eines Königs als )Zweites Ichelflocktue tue tue< ausstoßen, welches das einzige Anzeichen ihrer Gegenwart ist, denn sie sind unsichtbar für alle außer für Magier. Folgende Möglichkeiten werden mit Vorsicht empfohlen: ein Gebet zu rezitieren oder zu singen, das nur wenigen bekannt ist, die sich beharrlich weigern, es weiter zu verbreiten; zweimal hintereinander zwölf bestimmte Wörter feierlich zu intonieren; ein Hexagramm auf den Boden zu ziehen; schließlich, eine Weste zu öfTnen und sie in einer bestimmten Weise auszubreiten. Der Chonchön wird daraufhin fallen, wobei er wütend mit den Flügeln schlägt, und er kann sich nicht mehr erheben, wie sehr er es auch versuchen mag, wenn nicht ein anderer Chonchon ihm zu Hilfe eilt. Im allgemeinen enden die Geschichten nicht an dieser Stelle, denn früher oder später rächt sich der Chonchön an jedem, der ihn verspottet hat. Glaubwürdige Zeugen haben die folgende Geschichte berichtet. In einem Haus in Limache, in dem sich in einer bestimmten Nacht Gäste eingefunden hatten, vernahm man plötzlich die bizarren Schreie eines Chonchön. Jemand zeichnete ein Hexagramm, und ein schwerer Gegenstand stürzte in den Hinterhof; es war ein Vogel, etwa von der Größe eines ausgewachsenen Truthahns, und er hatte einen Kopf mit roten Kämmen. Man schnitt den Kopf ab und gab ihn einem Hund; den Körper warf man aufdas Dach. Sofort war ein betäubender Lärm von Chonchones zu hören; gleichzeitig bemerkten die Leute, daß der Bauch des Hundes angeschwollen war, als hätte er einen Menschenkopf verschlungen. Am nächsten Morgen suchten sie vergebens nach dem Körper des Chonchön; er war vom Dach verschwunden. Einige Zeit später berichtete der Totengräber des Orts, am gleichen Tag seien einige unbekannte Personen gekommen, um einen Leichnam zu beerdigen; nachdem sie gegangen waren, habe er festgestellt, daß der Leichnam kopflos war.

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Die Haut ist ein Oktopus, der im Meer lebt und die Ausmaße und das Aussehen einer flach ausgebreiteten Kuhhaut hat. An den Rändern befinden sich zahllose Augen, und dort, wo ihr Kopf zu sein scheint, hat die Haut vier weitere Augen, die größer sind als die anderen. Wenn Menschen oder Tiere ins Wasser kommen, steigt die Haut an die Oberfläche und umhüllt sie mit unwiderstehlicher Kraft, wobei sie sie innerhalb weniger Augenblicke verschlingt. Der Huallepen ist ein amphibisches Tier; er ist wild, stark und scheu; er ist keine drei Fuß groß, hat den Kopf eines Kalbs und den Körper eines Schafs. In einer jähen Laune bespringt er Schafe und Kühe und zeugt dabei Nachkommen der Art, der die Mütter angehören; man kann diese Nachkommenschaft jedoch an verdrehten Hufen und, manchmal, verdrehten NüStern erkennen. Eine schwangere Frau, die einen Huallepen sieht oder sein Gebell hört oder drei Nächte hintereinander von ihm träumt, gebiert ein entstelltes Kind. Das gleiche geschieht, wenn sie ein von einem Huallepen gezeugtes Tier sieht. Die Starke Unke ist ein Phantasietier, das sich von anderen Unken insofern unterscheidet, als ihr Rücken von einem Panzer ähnlich dem der Schildkröte bedeckt ist. Diese Unke glüht im Dunkeln wie ein Leuchtkäfer und ist so zählebig, daß man sie nur töten kann, indem man sie zu Asche verbrennt. Sie verdankt ihren Namen der Gewalt ihres Blicks, den sie verwendet, um jedes Lebewesen in ihrer Reichweite anzuziehen oder abzustoßen.«

Chinesische Fauna »Der Tschiang-liang hat den Kopf eines Tigers, ein menschliches Gesicht, vier Hufe, lange Glieder und eine Schlange zwisehen den Zähnen. In der Gegend westlich des Roten Wassers lebt ein Tier, Tsch’ou-t’i genannt, das aufjeder Seite einen Kopf trägt. 44

Die Bewohner von Tsch’uan-t’ou haben den Kopf eines Menschen, die Flügel einer Fledermaus und einen Vogelschnabei. Sie nähren sich ausschließlich von rohem Fisch. Der Hsiao ist wie ein Nachtkauz, aber er hat ein Menschengesicht, den Körper eines Affen und den Schwanz eines Hundes. Sein Erscheinen kündet eine anhaltende Dürre an. Die Hsing-hsing ähneln den AfTen. Sie haben weiße Gesichter und spitze Ohren. Sie gehen aufrecht wie Menschen und klettem auf die Bäume. Der Hsing-t’ien ist ein kopfloses Wesen. Es wurde geköpft, weil es gegen die Götter gekämpft hatte und muß nun für immer und ewig ohne Kopf leben. Es hat die Augen auf der Brust, und sein Nabel dient ihm als Mund. Es hüpft und springt über das offene Feld und schwingt dabei seinen Schild und seine Axt. Hua der Fisch, oder der Fliegende Schlangenfisch, gleicht einem Fisch, hat jedoch die Flügel eines Vogels. Sein Erscheinen sagt Dürre voraus. Der Hui des Gebirgslandes ähnelt einem Hund mit menschlichem Gesicht. Er ist ein guter Springer und bewegt sich mit der Geschwindigkeit eines Pfeils; daher ist man der Meinung, sein Erscheinen künde Taifune an. Er pflegt höhnisch zu lachen, wenn er einen Menschen erblickt. Die Bewohner des Landes der Langen Arme berühren den Boden mit ihren Händen. Sie ernähren sich von Fischen, die sie am Meeresufer fangen. Die Meeresmenschen haben menschlichen Kopf und Arme, den Körper und Schwanz eines Fisches. Sie tauchen an der Oberfläche der Starken Wasser auf. Die Musikalische Schlange hat den Kopf einer Schlange und vier Flügel. Sie läßt ein Geräusch vernehmen, ähnlich dem des musikalischen Steines. Der Ping-feng, der im Lande der Magischen Wasser lebt, gleicht einem schwarzen Schwein, doch hat er an jedem Ende einen Kopf.

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Das Himmlische Pferd ähnelt einem weißen Hund mit schwarzem Kopf. Es hat fleischige Flügel und kann fliegen. In der Region des Sonderbaren Armes haben die Bewohner einen Arm und drei Augen. Sie sind bemerkenswert geschickt und fertigen fliegende Wagen an, mit denen sie auf dem Winde reiten. Der Ti-tschiang ist ein übernatürlicher Vogel, der in den Himmlischen Bergen lebt. Er ist von braunroter Farbe, hat sechs Füße und vier Flügel, aber er hat weder Gesicht noch Augen.« Tai-p’ing Kuang-tschi

Fauna der Vereinigten Staaten Die scherzhafte Mythologie der Holzfällerlager von Wisconsin und Minnesota enthält einzigartige Wesen, an die sicherlich niemand je geglaubt hat. Der Hidebehind sitzt immer hinter irgendetwas. So oft ein Mapn sich auch umdrehen und wenden mag, immer hat er ihn hinter sich, und daher hat ihn noch niemand gesehen, obwohl er schon viele Holzfäller getötet und verschlungen hat. Der Roperite, ein Tier von der Größe eines Ponys, hat einen Schnabel wie ein Seil, der ihm dazu dient, selbst die schnellsten Kaninchen einzufangen. Der Teaketfler verdankt seinen Namen dem Geräusch, das er macht - wie Wasser, das in einem Teekessel kocht; Rauch dringt aus seinem Mund, er läuft rückwärts, und man hat ihn nur selten zu Gesicht bekommen. Der Axehandle Hound hat einen Kopf in der Form einer Axt, sein Körper hat Ähnlichkeit mit dem Axtstiel, er hat kurze dicke Beine und ernährt sich ausschließlich von Axtstielen. Unter den Fischen dieser Gegenden findet man die Upland Trouts, die ihr Nest in Bäumen bauen, gut fliegen können und wasserscheu sind.

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Ferner gibt es dort den Goofang, der rückwärts schwimmt, damit das Wasser ihm nicht in die Augen dringe. Er hat »genau die Form des Radfisches, nur ist er viel größer«. Und vergessen wir nicht den Goofus Bird, einen Vogel, der sein Nest umgekehrt baut und nach hinten fliegt, denn er ist nicht daran interessiert, wohin er sich begibt, sondern nur daran, woher er kommt. Der Gillygaloo baut sein Nest an den steilen Abhängen der berühmten Pyramid Forty und legt viereckige Eier, damit sie nicht hinunterrollen und verlorengehen. Die Holzfäller kochen diese Eier und benutzen sie als Würfel. Das Pinnacle Grouse hat nur einen Flügel, der ihm nur in einer Richtung zu fliegen erlaubt, und so umkreist es endlos einen kegelförmigen Hügel. Die Farbe seines Gefieders wechseit, je nach Jahreszeit und Zustand des Beobachters.

Die Feen Im Spanischen hängt ihr Name >Hadas< mit dem lateinischen Wort fatum, Schicksal, zusammen. In magischer Weise greifen sie in die Abläufe des menschlichen Lebens ein. Man sagt, die Feen seien die zahlreichsten, schönsten und denkwürdigsten unter den kleineren Gottheiten, Sie sind nicht auf eine einzige Gegend oder Epoche begrenzt. Die alten Griechen, die Eskimos und die Indianer erzählen Geschichten von Helden, die die Liebe dieser phantastischen Geschöpfe errungen haben. Solche Abenteuer sind gefährlich; gelegentlich tötet die Fee ihre Liebhaber, wenn ihre Leidenschaft erst befriedigt ist. In Irland und Schottland spricht man ihnen unterirdische Aufenthaltsorte zu, wo sie die Kinder und die Männer, die sie zu entfuhren pflegen, gefangenhalten. Nach allgemeinem Volksglauben gehörten ihnen einst die neolithischen Pfeilspitzen, die auf den Feldern ausgegraben werden und denen man unfehlbare Heilkräfte beimißt.

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Die Feen lieben die Farbe grün, den Gesang und die Musik. Ende des 17. Jahrhunderts verfaßte ein schottischer Geistlicher, der Reverend Kirk aus Aberfoyle, einen Traktat mit dem Titel The Secret Commonwealth; or an Essay on the Nature and Actions ofthe Subterranean (and for the most pari) Invisible People heretofoir going under the name ofFaunes and Fairies, or the lyke, among the Low Country Scots, as they are described by those who have the second sight * Im Jahre 1815 ließ Sir Walter Scott dieses Werk nachdrucken. Vom Reverend Kirk wird berichtet, daß ihn die Feen hinweggerafft hätten, weil er ihre Geheimnisse enthüllt hatte. In den Gewässern um Italien bewirkt die Fee [Fata] Morgana Spiegelungen, um die Seeleute zu verwirren und ins Verderben zu fuhren.

Der Chinesische Fuchs Für die gemeine Zoologie unterscheidet sich der Chinesische Fuchs nicht besonders von den anderen; nicht so für die phantastische Zoologie. Die Statistiken geben ihm eine mitdere Lebenserwartung zwischen achthundert und tausend Jahren. Man hält ihn für ein schlechtes Vorzeichen, und jeder Teil seines Körpers hat besondere Kräfte. Er braucht nur mit dem Schwanz auf die Erde zu schlagen, um Brände zu stiften, er kann die Zukunft vorhersehen und viele Gestalten annehmen, mit Vorliebe die von Greisen, jungen Mädchen und Gelehrten‫״‬ Er ist listenreich, vorsichtig und skeptisch; seine Wonne sind Streiche und Foltern. Wenn Menschen sterben, wandern ihre Seelen mit dem Körper eines Fuchses weiter. Der Chinesische Fuchs wohnt in der Nähe von Gräbern. Es gibt über ihn Tau­

* Das geheime Gemeinwesen; oder ein Aulsatz über Art und Taten des unterirdischen (und zumeist) unsichtbaren Volkes, das bisher bei den Schotten der Lowlands Faune oder Feen oder dergleichen genannt wurde, wie sie von denen, die das Zweite Gesicht haben, beschrieben werden. AdÜ

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sende von Geschichten; wir geben hier eine wieder, die nicht ohne Witz ist: Wang sah zwei Füchse, die auf ihren Hinterbeinen standen und an einem Baum lehnten. Einer von ihnen hielt ein Blatt Papier in der Hand, und sie lachten wie über einen Scherz. Wang versuchte, sie zu verjagen, aber sie blieben standhaft, und er schoß auf den mit dem Papier; er verletzte ihn am Auge und nahm ihm das Papier ab. Im Gasthaus erzählte er den anderen Gästen von seinem Abenteuer. Während er redete, trat ein Herr ein, der ein verletztes Auge hatte. Er lauschte Wangs Erzählung mit Aufmerksamkeit und bat darum, das Papier sehen zu dürfen. Wang wollte es ihm gerade zeigen, als der Wirt bemerkte, daß der Neuankömmling einen Schwanz hatte. »Er ist ein Fuchs!« rief er, und sogleich verwandelte sich der Herr in einen Fuchs und floh. Die Füchse versuchten mehrmals, das Papier zurückzugewinnen, das mit unentzifferbaren Zeichen bedeckt war, aber sie scheiterten. Wang beschloß, nach Hause zurückzukehren. Auf dem Weg begegnete er seiner ganzen Familie, die auf dem Weg zur Hauptstadt war. Sie erklärten ihm, er habe ihnen diese Reise befohlen, und seine Mutter zeigte ihm den Brief, in dem er ihnen aufgetragen hatte, den gesamten Besitz zu verkaufen und ihn in der Hauptstadt zu treffen. Wang untersuchte den Brief und stellte fest, daß er aus einem leeren Blatt bestand. Obwohl sie nun kein Dach mehr über dem Kopf besaßen, befahl Wang: »Wir wollen heimkehren!« Eines Tages erschien ein jüngerer Bruder, den alle für tot gehalten hatten. Er erkundigte sich nach den Mißgeschicken der Familie, und Wang erzählte ihm die ganze Geschichte. »Ah«, sagte der Bruder, als Wang zu seinem Abenteuer mit den Füchsen kam, »hier ist die Wurzel allen Übels.« Wang zeigte ihm das Blatt, das er dem Fuchs abgenommen hatte. Der Bruder riß es ihm aus der Hand und steckte es eilig ein. »Endlieh habe ich wiedergewonnen, was ich suchte«, rief er aus, verwandelte sich in einen Fuchs und verschwand. 49

Garuda Wischnu, der zweite Gott der Dreiheit, die dem brahmanischen Pantheon vorsteht, pflegt auf der Schlange zu reiten, die das Meer ausfullt, oder auf dem Vogel Garuda. Wischnu wird mit dunkelblauem Körper und vier Armen dargestellt; in den Händen trägt er die Keule, die Muschel, die Scheibe und den Lotos; Garuda hat Flügel, Gesicht und Krallen eines Adlers, den Rumpf und die Beine eines Menschen. Das Gesicht ist weiß, die Flügel sind scharlachrot, und der Körper ist golden. Bildnisse des Garuda, aus Stein oder Bronze, krönen die Monolithen der Tempel. Einer davon steht in Gwalior; er wurde etwa ein Jahrhundert vor dem chrisdichen Zeitalter von dem Griechen Heliodor, einem Anhänger Wischnus, errichtet. Im Garuda-Purana (dem siebzehnten der Puranas, oder Überlieferungen) erklärt der gelehrte Vogel den Menschen den Ursprung des Universums, die Sonnennatur Wischnus, die Riten seines Kults, die erlauchten Genealogien der Familien, die von Mond und Sonne abstammen, den Inhalt des Ramayana und verschiedene Fragen, die sich auf die Verskunst, die Grammatik und die Medizin beziehen. Im Nagananda (Freude der Schlangen), einem Drama, das im 7. Jahrhundert von einem König verfaßt wurde, tötet und verschlingt Garuda täglich eine Schlange, bis ein buddhistischer Prinz ihn die Tugend der Enthaltsamkeit lehrt. Im letzten Akt läßt der Reumütige die Knochen der von ihm verschlungenen Schlangen wieder zum Leben erstehen. Eggeling äußert den Verdacht, daß dieses Werk eine brahmanische Satire auf den Buddhismus sei. Nimbarka, ein Mystiker mit unbekannten Lebensdaten, schrieb, Garuda sei eine für die Ewigkeit gerettete Seele; auch die Krone, die Ohrgehänge und die Flöte des Gottes seien Seelen.



Die Gnomen Die Gnomen sind älter als ihr Name, der griechisch ist, aber dem klassischen Altertum unbekannt war, denn er stammt aus dem 16. Jahrhundert. Die Etymologen schreiben ihn dem Schweizer Alchimisten Paracelsus zu, in dessen Büchern er erstmalig auftaucht. Sie sind Erd- und Berggeister. In der Vorstellung des Volks sind sie bärtige Zwerge mit groben und grotesken Zügen; sie tragen enganliegende braune Gewänder und Mönchskapuzen. Ähnlich wie die Greife der griechischen und orientalischen Vorstellungen und die germanischen Drachen haben sie die Aufgabe, verborgene Schätze zu hüten. >Gnosis< bedeutet im Griechischen >ErkenntnisG01em< hieß der Mensch, der durch Verbindungen von Buchstaben geschaffen wurde; der Name bedeutet wörtlich: ein formloser oder lebloser Körper. Im Talmud (Sanhedrin 65, b) steht geschrieben: »... Wenn die Frommen wollten, könnten sie eine Welt erschaffen ... Rabba schuf einst einen Menschen und sandte ihn zu R. Zera; als dieser aber mit ihm sprach und er keine Antwort gab, sprach er: >Du bist also von den Genossen, kehre zu deinem Staube zurück.< R. Hanina und R. Osaja befaßten sich jeden Vorabend des Sabbats mit dem Studium des Buches von der Schöpfung und schufen ein Drittlingskalb, das sie dann verzehrten.« * Der abendländische Ruhm des Golem ist das Werk des österreichischen Schriftstellers Gustav Meyrink, der im 5. Kapitel seines Romans Der Golem folgendes schreibt: »Der Ursprung der Geschichte reicht wohl ins 17. Jahrhundert zurück, sagt man. Nach verlorengegangenen Schriften der Kabbala soll ein Rabbiner ** da einen künstlichen Menschen den sogenannten Golem - verfertigt haben, damit er ihm als Diener helfe, die Glocken in der Synagoge zu läuten und allerhand grobe Arbeit tue. * Ähnlich schreibt Schopenhauer: »Auf Seite 325 des ersten Banda seiner ZauberbiblioUuk faßte Horst folgendermaßen die Doktrin der englischen Visionärin Johanna Leade zusammen: >Diese magische Kraft setzt den, der sie besitzt in den Stand, die Schöpfung, d. h. das Pflanzen-, Thier- und MineralReich zu beherrschen und zu erneuern, also, daß wenn Viele in Einer magisehen Kraft zusammen wirketen, die Natur paradiesisch umgeschaffen werden könnte.««[Georg Conrad Horst, Mainz 1821 ] In: Über den Willen in der Natur, vn. ** Judah Loew ben Bezabel.

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Es sei aber doch kein richtiger Mensch daraus geworden, und nur ein dumpfes, halbbewußtes Vegetieren habe ihn belebt. Wie es heißt, auch das nur tagsüber und kraft des Einflusses eines magischen Zettels, der ihm unter den Zähnen stak und die freien siderischen Kräfte des Weltalls herabzog. Und als eines Abends vor dem Nachtgebet der Rabbiner das Siegel aus dem Munde des Golem zu nehmen versäumte, da wäre dieser in Tobsucht verfallen, in der Dunkelheit durch die Gassen gerast und hätte zerschlagen, was ihm in den Weg kam. Bis der Rabbi sich ihm entgegen geworfen und den Zettel vernichtet habe. Und da sei das Geschöpf leblos niedergestürzt. Nichts blieb von ihm übrig als die zwerghafte Lehmfigur, die heute noch drüben in der Altneussynagoge gezeigt wird.« Eleasar von Worms hat die Formel bewahrt, die man braucht, um einen Golem herzustellen. Die Einzelheiten des Verfahrens umfassen dreiundzwanzig Spalten in folio und erfordern die Kenntnis der >Alphabete der 221 TürenEmetWahrheit< bedeutet. Um das Wesen zu zerstören, löscht man den Anfangsbuchstaben, denn so verbleibt das Wort >mettot< bedeutet.

Der Greif )Geflügelte Ungeheuen nennt Herodot die Greifen in seinem Bericht über deren ständigen Krieg mit den Arimaspen; und Plinius, der von den langen Ohren und dem gekrümmten Schnabel dieser »beispiellosen Vögel« spricht (X, 136), ist auch nicht viel aufschlußreicher. Die ausführlichste Beschreibung ist wohl diejenige des rätselhaften Sir John Mandeville, im 85. Kapitel seiner berühmten Reisen: »Aus diesem Lande (Türkei) werden die Menschen in das Land Baktrien gehen, wo es ruchlose und arglistige Menschen

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gibt, und wo Bäume wachsen, die wie Schafe Wolle tragen, aus der man StofTe webt. In jenem Lande gibt es >ypotains< (Hippopotamoi), die manches Mal auf dem Festland und manches Mal im Wasser leben, und die halb Mensch und halb Pferd sind und sich ausschließlich von Menschen nähren, sofern sie diese finden. Ferner gibt es dort viele Greifen, mehr als anderswo, und manche sagen, der vordere Teil ihres Körpers sei gleich dem eines Adlers und der hintere gleich dem eines Löwen, und dies ist die Wahrheit, denn so sind sie geschaffen; aber der Greif hat einen Körper der größer ist als acht Löwen, und er ist stärker als hundert Adler. Denn es besteht kein Zweifel, daß er ein Pferd mit Reiter im Flug zu seinem Nest bringen kann oder zwei eingespannte Ochsen, wenn sie zum Pflügen auf das Feld gehen, denn er hat Krallen an den Füßen, so groß wie Ochsenkörper, und aus diesen macht man Trinkgefaße und aus den Rippen Bogen, um die Pfeile abzuschießen.« In Madagaskar hörte ein anderer berühmter Forschungsreisender, Marco Polo, wie man vom Vogel Rock sprach, und er glaubte anfangs, man meinte den >ucello grifone«, den Vogel Greif. Die Auslegungen des Mittelalters bezüglich der Symbolik des Vogels Greif sind widerspruchsvoll. Ein italienisches Bestiarium meint, er stelle den Teufel dar; im allgemeinen ist er das Sinnbild Christi, und so erklärt Isidor von Sevilla in seinen Etymologien: »Christus ist Löwe, weil er herrscht und die Kraft besitzt; Adler, weil er nach der Auferstehung in den Himmel steigt.« Im 29. Gesang des Purgatorio träumt Dante von einem Triumphwagen, der von einem Greifen gezogen wird; der adlergleiche Teil ist aus Gold, der des Löwen ist weiß, mit rot gemischt, da er, so sagen die Kommentatoren, die menschliche Natur Christi bedeute. * (Weiß mit Rot gemischt ergibt die Farbe des Fleisches.) * Sie denken dabei an die Beschreibung des Freundes im Hohen Lied Salomons (Kapitel 5, 10-11): »Mein Freund ist weiß und rot.. .;sein Haupt ist das feinste Gold.«

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Andere meinen, Dante habe den Papst symbolisieren wollen, der Priester und König ist. Didron schreibt in seinem Manuel (Piconographie chretienne [1845]: »0er Papst erhebt sich als Pontifex oder Adler zum Throne Gottes, um die Befehle zu empfangen, und als Löwe oder König schreitet er mit Kraft und Stärke über die Erde.«

Haniel, Kafziel, Azriel und Aniel In Babylonien erschienen Hesekiel vier Tiere oder Engel, »und ein jegliches hatte vier Angesichter und vier Flügel«, und »ihre Angesichter waren vom gleich einem Menschen und zur rechten Seite gleich einem Löwen bei allen vieren, und zur linken Seite gleich einem Ochsen bei allen vieren, und hinten gleich einem Adler bei allen vieren« .. . »Wo sie hingingen, da gingen sie stracks vor sich; sie gingen aber wo der Geist sie hintrieb; und mußten sich nicht herumlenken wenn sie gingen.« Vier Räder, »ihre Felgen und Höhen waren schrecklich«, folgten den Engeln, »und ihre Felgen waren voller Augen um und um .. .«. Diese Vision des Hesekiel lebt in den Tieren der Offenbarung des Johannes wieder auf. Im 4. Kapitel (6-8) lesen wir: »Und vor dem Stuhl war ein gläsernes Meer, gleich dem Kristall, und mitten am Stuhl und um den Stuhl vier Tiere, voll Augen vorn und hinten. Und das erste Tier war gleich einem Löwen, und das andere Tier war gleich einem Kalbe, und das dritte hatte ein Antlitz wie ein Mensch, und das vierte Tier war gleich einem fliegenden Adler. Und ein jegliches der vier Tiere hatte sechs Flügel, und sie waren außen herum und inwendig voll Augen und hatten keine Ruhe Tag und Nacht und sprachen: Heilig, heilig, heilig ist Gott der Herr, der Allmächtige, der da war, und der da ist, und der da kommt.« Im Zohar (Buch des Glanzes) wird hinzugesetzt, daß die vier Tiere Haniel, Kafziel, Azriel und Aniel heißen, und daß sie 55

nach Osten, nach Norden, nach Süden und nach Westen blicken. Stevenson fragte, wenn es solche Dinge im Himmel gäbe, was möge es dann alles in der Hölle geben? Aus dem angeführten Abschnitt der Apokalypse leitete Chesterton seine berühmte Metapher der Nacht ab: »ein Ungeheuer, aus Augen zusammengesetzt«. >Hayoth< (lebendige Wesen) heißen die vierfachen Engel aus dem Buche Hesekiels: für das Sepher Yetsirah sind sie die zehn Ziffern, welche mit den zweiundzwanzig Buchstaben des Alphabets dazu dienten, diese Welt zu schaffen; für den ^phar stiegen sie, von Buchstaben gekrönt, aus der höheren Region herunter. Von den vier Gesichtern der Hayoth leiteten die Evangelisten ihre Symbole ab; Matthäus bekam den Engel zugeteilt, der manchmal menschlich und bärtig ist, Markus den Löwen, Lukas das Kalb, Johannes den Adler. Der heilige Hieronymus hat in seinem Kommentar zu Hesekiel versucht, diese Verteilung sinngemäß zu erklären. Er sagt, man habe Matthäus den Engel (den Menschen) gegeben, weil er die menschliche Natur des Erlösers hervorgehoben habe; Markus den Löwen, weil er seine königliche Würde darlegte, Lukas sei das Kalb zugeteilt worden, Sinnbild des Opfers, weil er die priesterliche Natur Christi betonte, und dem Johannes entspräche der Adler wegen seiner inbrünstigen Erhebung. Ein deutscher Forscher, Doktor Richard Hennig, suchte den fernen Ursprung dieser Sinnbilder in vier Zeichen des Tierkreises, deren jedes go° von dem anderen entfernt ist. Der Löwe und der Stier bereiten keine Schwierigkeiten; der Engel wurde mit dem Wassermann identifiziert, der ein Menschenantlitz hat, und der Adler des Johannes mit dem Skorpion, der abgelehnt wurde, weil er als unheilverkündend gelte. Nicolas de Vore stellt in seinem Lexikon der Astrologie ebenfalls diese Hypothese auf und bemerkt, daß die vier Figuren sich in der Sphinx vereinen, die den Kopf eines Menschen, den Körper eines

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Stiers, Klauen und Schwanz eines Löwen und Flügel eines Adlers haben kann.

Haokah, der Donnergott Bei den Sioux-Indianern benutzte Haokah die Winde als Stöcke, um die Donnertrommel zu schlagen. Seine Hörner wiesen ihn auch als Jagdgott aus. Er weinte, wenn er zufrieden, und lachte, wenn er traurig war. Er empfand Kälte als Hitze und Hitze als Kälte.

Die Harpyien Für die Theogonie des Hesiod sind die Harpyien geflügelte Gottheiten mit langer, fliegender Mähne, schneller als Vögel und Winde; für das dritte Buch der Aeneis sind sie Vögel mit Mädchengesicht, gekrümmten Krallen, unreinem Leib und bleich von unstillbarem Hunger. Sie steigen von den Bergen herab und besudeln die Festtafeln. Sie sind unverwundbar und verbreiten einen üblen Gestank; kreischend verschlingen sie alles, und alles verwandeln sie in Exkremente. Servius, ein Kommentator Vergils, schreibt daß, gleich Hekate, die in der Hölle Persephone, auf Erden Artemis und im Himmel Selene ist, und die man die dreigestaltige Göttin nennt, die Harpyien in der Hölle Furien, auf Erden Harpyien und im Himmel Dämonen (dirae) sind. Man verwechselt sie auch mit den Parzen. Auf göttlichen Befehl verfolgten die Harpyien einen König von Thrakien, der den Menschen die Zukunft enthüllte oder sich um den Preis seiner Augen die Langlebigkeit erkaufte und von der Sonne bestraft wurde, deren Werk er geschmäht hatte. Er schickte sich zum Mahl mit seinem Hofstaat an, und die Harpyien verschlangen oder verunreinigten die Speisen. Die Argonauten schlugen die Harpyien in die Flucht; Apollonios

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von Rhodos und William Morris ( The Lije and Death 0J Jason) berichten diese phantastische Geschichte. Ariosto verwandelt im 33. Gesang seines Rasenden Roland den König von Thrakien in den Priester Johann, den Fabelkaiser der Abessinier. Harpyien bedeutet im Griechischen »die, welche entfuhren, die, welche mit Gewalt entreißem. Anfangs waren sie Gottheiten des Windes, wie die Maruts der Veden, welche goldene WaiTen (die Blitze) schwingen und die Wolken melken.

Der Himmelshahn Nach chinesischem Glauben ist der Himmelshahn ein Vogel mit goldenem Gefieder, der jeden Tag dreimal kräht. Das erste Mal, wenn die Sonne an den Grenzen des Ozeans ihr Morgenbad nimmt; das zweite Mal, wenn die Sonne im Zenith steht; schließlich, wenn sie im Westen versinkt. Der erste Schrei schüttelt die Himmel und weckt die Menschheit. Der Himmelshahn ist ein Urahn des Yang, des männlichen Prinzips im Universum. Er ist dreibeinig und nistet auf dem Baum Fu-sang, dessen Höhe Hunderte von Meilen mißt, und der in der Weltgegend der Morgenröte wächst. Die Stimme des Himmelshahns ist sehr kräftig; sein Betragen ist herrschaftlich. Er legt Eier, aus denen Küken mit roten Kämmen schlüpfen, die jeden Morgen sein Krähen erwidern. Alle Hähne der Erde stammen vom Hirnmelshahn ab, den man auch den Vogel der Morgenhelle nennt.

Der Hippogryph Um den Begriff der Unmöglichkeit oder des Mißverhältnisses zu veranschaulichen, sprach Vergil von einer Kreuzung zwisehen Pferden und Greifen. Vier Jahrhunderte später erklärte Servius in seinen Auslegungen, die Greifen seien Tiere mit dem Oberkörper eines Adlers und dem Unterkörper eines Löwen. 58

Um den Text des Vergil zu bekräftigen, setzte er hinzu, daß sie die Pferde hassen .. . Mit der Zeit wurde die Redensart >Jungentur jam grypes equis< * sprichwörtlich. Zu Anfang des 16. Jahrhunderts erinnerte Ludovico Ariosto sich ihrer und erfand den Hippogryph. Adler und Löwe leben in dem Greifen des Altertums; Pferd und Greif in dem Ariostischen Hippogryphen, der ein Ungeheuer oder ein Phantasiegebilde zweiten Grades ist. Pietro Micheli hebt hervor, daß er harmonischer sei als das geflügelte Pferd. Klar und deutlich, als sei seine Beschreibung für ein Lexikon der phantastischen Zoologie bestimmt, wird er im Rasenden Roland dargestellt: »Kein Blendwerk war sein Roß, das war Natur: Ein Greif hatt’ es erzeugt, ein Pferd gebar es. Vom Vater hatt’ es Kopf und Schnabel nur, Die Tatzen vorn, den Schmuck des Flügelpaares; In allem sonst trug es der Mutter Spur. Kurz, einer von den Hippogryphen war es, Die ins Rhipäische Gebirge wohl (Doch selten) kommen, fern vom eis’gen Pol.«

Mit trügerischer Beiläufigkeit wird die sonderbare Bestie zum ersten Mal erwähnt: »Unweit der Rhone sah ich einen Ritter, der einen großen, geflügelten Hengst am Zaume hielt.« Noch andere Oktaven geben dem Wunder und Erstaunen über das fliegende Pferd Ausdruck. Eine der berühmtesten ist diese: »E vede l’oste e tutta la famiglia, E chi a finestre e chi fuor ne la via, Tener levati al ciel gli occhi e le ciglia, Come L’Ecclisse o la Cometa sia. ♦ »Greifen mit Pferden kreuzen.«

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Vede la Donna un’alta maraviglia, Che di leggier creduta non saria: Vede passar un gran destriero alato, Che porta in aria un cavalliero armato.«

[Der Wirt, das ganze Haus war auf den Beinen, Am Fenster, vor der Thür, und alles riß Die Augen auf, als säh’n sie droben einen Kometen oder Sonnenfinstemiß. Ein hohes Wunder sah sie nun erscheinen, Ein schwer zu glaubendes, das ist gewiß: Denn ein geflügelt Roß kam hoch im Bogen Mit einem reis’gen Mann dahergeflogen.]

In einem der letzten Gesänge sattelt Astolfo den Hippogryph ab und schenkt ihm die Freiheit.

Der himmlische Hirsch Wir wissen nichts über die körperliche Beschaffenheit des himmlischen Hirsches (vielleicht weil kein menschliches Auge ihn jemals hat klar erblicken können), aber wir wissen, daß diese unglückseligen Tiere unter der Erde umherwandern und kein anderes Begehren kennen als das, ans Tageslicht zu gelangen. Sie sind der Sprache mächtig, und sie flehen die Minenarbeiter an, ihnen zu helfen, herauszukommen. Zuerst versuchen sie, diese zu bestechen, indem sie ihnen kostbare Metalle versprechen; schlägt diese List fehl, so beginnen die Hirsche die Männer zu belästigen, und diese mauern sie in den Stollen ein. Man spricht auch von Männern, die von den Hirschen gefoltert worden seien. Die Überlieferung setzt hinzu, daß die Hirsche, wenn sie ans Tageslicht gelangen, sich in eine giftige Flüssigkeit verwandeln, die das Land verheeren kann. 60

Dieses Phantasiegebilde stammt aus China und ist in dem Buch Chinese Ghouls and Goblins (London, 1928) von G. Willoughby-Meade erwähnt.

Hochigan Descartes berichtet, daß die Affen sprechen könnten, wenn sie wollten, daß sie jedoch beschlossen hätten, zu schweigen, damit man sie nicht zur Arbeit verpflichtet. Die südafrikanischen Buschmänner glauben, daß es eine Zeit gab, da alle Tiere sprechen konnten. [Der Buschmann] Hochigan haßte die Tiere; eines Tages verschwand er und nahm diese Begabung mit.

Der Hundertköpfige Der Hundertköpfige ist ein Fisch, der vom Karma einiger Wörter - aufgrund ihrer nachträglichen Wirkung in der Zeit — geschaffen wurde. Eine der chinesischen Biographien des Buddha berichtet, dieser sei auf einem Spaziergang einigen Fischern begegnet, die an einem Netz zerrten. Nach unendlichen Mühen brachten sie einen riesigen Fisch mit hundert Köpfen an Land, dem Kopf eines Affen, dem eines Hundes, dem eines Pferdes, dem eines Fuchses, dem eines Schweines, dem eines Tigers, und so fort. Buddha fragte ihn: »Bist du nicht Kapila?« »Ich bin Kapila«, antworteten die hundert Köpfe, bevor sie den Atem aushauchten. Buddha erklärte seinen Schülern, Kapila sei in einer früheren Verkörperung ein Brahmane gewesen, der Mönch geworden sei und alle anderen in der Kenntnis der heiligen Schriften übertroffen habe. Hin und wieder begingen seine Gefährten einen Irrtum, und Kapila nannte sie Affenkopf, Hundekopf und so weiter. Als er starb, ließ das Karma dieser angehäuften Schmäh­

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reden ihn als Meeresungeheuer wiedererstehen, gebeugt unter der Last all jener Köpfe, die er seinen Gefährten zugewiesen hatte.

Die Lernäische Hydra Typhon (der mißgebildete Sohn der Gaia und des Tartaros) und Echidna, die zur Hälfte eine schöne Frau, zur Hälfte eine Schlange war, zeugten die Lernäische Hydra. Hundert Köpfe gibt der Geschichtsschreiber Diodoros ihr, neun die Bibliothek des Apollodoros. Lempriere berichtet, diese zweite Ziffer werde allgemein als wahrscheinlicher betrachtet; das Grauenvolle ist, daß ihr ftir jeden abgeschlagenen Kopf an derselben Stelle zwei neue wuchsen. Man sagt, daß die Köpfe menschlich waren und der mittlere ewig. Ihr Atem vergiftete die Gewässer und ließ die Felder verdorren. Selbst wenn sie schlief, konnte die verpestete Luft, die sie umgab, den Tod eines Menschen bedeuten. Hera nährte sie, damit sie sich mit Herakles messe. Diese Schlange schien für die Ewigkeit bestimmt. Sie hauste in den Sümpfen von Lema. Herakles und Iolaos suchten sie auf; der erstere schlug ihr die Köpfe ab, der andere brannte die blutenden Wunden mit einer Fackel aus. Den letzten Kopf, der unsterblich war, begrub Herakles unter einem großen Stein, und dort, wo die Schlange begraben wurde, mag sie heute noch sein, träumend und hassend. Die Pfeile, welche Herakles mit der Galle der Lemäischen Hydra befeuchtete, brachten bei seinen weiteren Abenteuern anderen Bestien tödliche Wunden bei. Ein Krebs, der ein Freund der Hydra war, biß den Helden während des Kampfes in die Ferse. Dieser zerstampfte ihn mit dem Fuß. Hera nahm ihr^zu sich in den Himmel, und jetzt ist er ein Sternbild und das Zeichen des Krebses.

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Ichthyokentauren Lykophron, Claudian und der byzantinische Grammatiker Johann Tzetzes haben verschiedentlich die Ichthyokentauren erwähnt; abgesehen davon ist in den klassischen Schriften nichts über sie vermerkt. Man könnte Ichthyokentauren mit Kentaur-Fische übersetzen; man gebrauchte das Wort für Wesen, die von den Mythologen auch Kentaur-Tritonen genannt wurden. Sie sind sowohl in der griechischen als auch in der römisehen Bildhauerkunst zahlreich vertreten. Bis zu den Hüften sind sie Menschen, von den Hüften abwärts Fische, und ihre Vorderfuße sind die eines Pferdes oder eines Löwen. Sie gehören, zusammen mit den Seepferden, zum Gefolge der Meeresgottheiten.

Von Kafka erträumtes Tier »Els ist das Tier mit dem großen Schweif, einem viele Meter langen, fuchsartigen Schweif. Gern bekäme ich den Schweif einmal in die Hand, aber es ist unmöglich, immerfort ist das Tier in Bewegung, immerfort wird der Schweif herumgeworfen. Das Tier ist känguruhartig, aber uncharakteristisch im fast menschlich flachen, kleinen, ovalen Gesicht, nur seine Zähne haben Ausdruckskraft, ob es sie nun verbirgt oder fletscht. Manchmal habe ich das Gefühl, daß mich das Tier dressieren will; was hätte es sonst für einen Zweck, mir den Schwanz zu entziehn, wenn ich nach ihm greife, dann wieder ruhig zu warten, bis es mich wieder verlockt, und dann von neuem weiterzuspringen.« Franz Kafka: Hochzeitsvorbereitungen auf dem Lande.

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Der Kami Wie uns Seneca in einer seiner Schriften berichtet, lehrte Thales von Milet, daß die Erde gleich einem Schiff auf dem Wasser schwimme und daß das Wasser, von Stürmen bewegt, die Erdbeben verursache. Die japanischen Geschichtsschreiber oder Mythologen des 8. Jahrhunderts schlagen ein anderes seismologisches System vor. So steht in einer berühmten Schrift folgendes zu lesen: »Unter dem mit Binsengras bewachsenen Flachland der Erde lag ein Kami (ein übernatürliches Wesen) von der Gestalt einer Barbe, und jedes Mal wenn er sich bewegte, ließ er die Erde erbeben, bis schließlich der Große Gott von der Insel der Hirsche die Klinge seines Schwertes in die Erde senkte und ihm den Kopf durchbohrte. Wenn der Kami sich zu bewegen beginnt, stützt der Große Gott sich auf den Schwertgriff, und der Kami wird wieder still.« (Der Schwertknauf- aus Stein gemeißelt - ragt einige Meter vom Tempel von Kashima entfernt aus der Erde. Sechs Tage und sechs Nächte grub ein Edelmann im 17. Jahrhundert, ohne zum Ende der Klinge zu gelangen.) Dem volkstümlichen Glauben nach ist der Jinshin-Uwo, oder der Fisch der Erdbeben, ein Aal von siebenhundert Meilen Länge, der Japan auf dem Rücken trägt. Er liegt von Norden nach Süden ausgestreckt; sein Kopf befindet sich etwa unter Kyoto und die Spitze seines Schwanzes unter Aomori. Irgendein Rationalist hat es sich gestattet zu behaupten, er läge genau anders herum, denn der Süden sei reich an Erdbeben, und es sei leichter sich vorzustellen, daß diese von den Bewegungen des Schwanzes hervorgerufen würden. In gewisser Weise ähnelt dieses Tier dem Bahamut der arabischen Überlieferungen und dem Midgardsorm der Edda. In manchen Gegenden steht, ohne nennenswerten Vorteil, an seiner Stelle der Käfer der Erdbeben, Jinshin-Mushi. Er hat den Kopf eines Drachen, zehn Spinnenbeine und ist von Schup­ 64

pen bedeckt. Dieses Ungeheuer haust nicht unter Wasser, sondem unter der Erde.

Der Karfunkel In der Mineralogie ist der Karfunkel - abgeleitet vom lateinisehen »carbunculus«, kleine Kohle - eine Art Rubin; vom Karfunkel der Antike nimmt man an, daß es sich dabei um einen Granat gehandelt habe. Im Südamerika des 16. Jahrhunderts gaben die spanischen Eroberer diesen Namen einem rätselhaften Tier - rätselhaft deswegen, weil keiner es je genau genug gesehen hat, um zu wissen, ob es ein Vogel oder ein Säugetier, ob es gefiedert oder behaart war. Der Dichter-Priester Martin del Barco Centenera, der behauptet, es in Paraguay gesehen zu haben, beschreibt es in seinem Buch Argmtina (1602) nur als »ein kleineres Tier, mit einem leuchtenden Spiegel auf dem Kopf, ähnlich einerglühenden Kohle ...« Ein anderer Conquistador, Gonzalo Fernandez de Oviedo, assoziierte diesen aus der Dunkelheit leuchtenden Spiegel oder dieses Licht - zwei derartige Objekte hat er in der Magellan-Straße gesehen - mit dem Edelstein, den Drachen angeblich im Gehirn bergen. Er entnahm diese Kenntnisse den Etymologien des Isidor von Sevilla; dort steht zu lesen: »... er wird aus dem Gehirn des Drachen entnommen, aber er verhärtet sich nicht zu einem Juwel, ehe nicht dem lebenden Tier der Kopf abgeschnitten wird; aus diesem Grunde trennen Magier schlafenden Drachen die Köpfe ab. Männer, die kühn genug sind, in Drachenhöhlen einzudringen, streuen dort Getreidekörner aus, die behandelt wurden, um mit ihnen diese Tiere schläfrig zu machen, und wenn sie eingeschlafen sind, schlägt man ihnen die Köpfe ab und holt die Edelsteine heraus.« Hier erinnern wir uns an Shakespeares Kröte (At You Like It, II, 1), die, »wiewohl häßlich und giftig, dennoch ein kostbares Juwel in ihrem Haupte trägt. . .«.

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Das Juwel des Karfunkels zu besitzen verhieß Reichtum und Glück. Barco Centenera nahm manche Mühsal auf sich, um in der Fluß- und Dschungelwelt Paraguays das seltene Geschöpf zu jagen; er fand es niemals. Bis heute wissen wir nicht mehr über das Tier und seinen geheimnisvollen Kopf-Stein.

Der Katoblepas Plinius (VIII, 77) berichtet, daß an der Grenze Äthiopiens, unweit der Quellen des Nils, der Katoblepas hause, »eine Bestie mittlerer Größe und von schwerfälligem Gang. Der Kopf ist übermäßig schwer, und es ist mühsam für das Tier, ihn zu tragen; stets senkt er sich der Erde entgegen. Wenn dies nicht wäre, so würde der Katoblepas die Menschheit vernichten, denn ein jeder, der seine Augen erblickt, sinkt tot zu Boden«. Katoblepas bedeutet im Griechischen >der nach unten blickte. Cuvier hat vorgeschlagen, daß das Gnu (vom Basilisken und den Gorgonen angesteckt) den Menschen des Altertums den Katoblepas eingegeben habe. Am Schluß der Versuchung des heiligen Antonius ist folgendes zu lesen: »Der Katoblepas (schwarzer Büffel, mit dem Kopf eines Schweines, der bis zur Erde herabhängt und mit den Schultern durch einen Hals verbunden ist, der mager, lang und schlafTist wie ein leerer Darm. Er ist ganz und gar wie eine Walze; und seine Füße verschwinden unter der ungeheuren Mähne von starren Zotten, die ihm das Gesicht bedecken): >Feist, melancholisch, wild, fühle ich beständig unter meinem Bauche die Wärme des Schlammes. Mein Schädel ist so schwer, daß es mir unmöglich ist ihn zu tragen. Ich wälze ihn langsam um mich herum; - und die Kiefer halb geöfTnet, reiße ich mit meiner Zunge die giftigen Kräuter ab, die mein Hauch benetzte. Einmal habe ich meine Füße aufgefressen ohne es zu bemerken.( >Niemand, Antonius, hat je meine Augen gesehen; 66

hat sie aber jemand gesehen, so ist er gestorben! Wenn ich meine Lider, meine rötlichen, geschwollenen Lider heben würde - du müßtest auf der Stelle sterben.««

Die Katze von Cheshire und die Katzen von Kilkenny Im Englischen gibt es die Redewendung »grin like a Cheshire cat« (grinsen wie eine Katze aus Cheshire). Hierfür wurden verschiedene Erklärungen vorgeschlagen. Eine, daß in Cheshire Käse in der Form grinsender Katzenköpfe verkauft wurde. Eine andere, daß Cheshire eine Pfalzgrafschaft oder ein »Earldom« ist, und daß dieser adlige Vorzug die überschwengliehe Freude der Katzen verursachte. Eine weitere Erklärung behauptet, zur Zeit Richards des Dritten habe es einen Jagdhüter namens Ca/erling gegeben, der wild zu grinsen pflegte, wenn er sich mit Wilderem herumschlug. In dem träumerischen Roman Alice in Wonderland, der 1865 veröffentlicht wurde, begabte Lewis Carroll die Katze von Cheshire mit der Fähigkeit, langsam zu verschwinden, bis nichts anderes als das Grinsen übrigblieb, ohne Zähne und ohne Mund. Von den Katzen von Kilkenny erzählt man, daß sie untereinander fürchterliche Kämpfe austrugen und einander verschlangen, bis nur die Schwänze übrigblieben. Diese Geschichte stammt aus dem 18. Jahrhundert.

Der Kentaur Der Kentaur ist das harmonischste Wesen der phantastischen Zoologie. >Zwiegestaltig< nennen ihn die Metamorphosen des Ovid, aber es ist nicht schwer, seine heterogene Eigenart zu vergessen und sich vorzustellen, daß es in der platonischen Welt der Formen - ebenso wie ein Urbild des Pferdes oder des

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Menschen - auch ein Urbild des Kentauren gibt. Jahrhunderte waren nötig, um dieses Urbild zu entdecken; die primitiven und altertümlichen Bildwerke stellen einen nackten Mann dar, dem sich unorganisch die Kruppe eines Pferdes anpaßt. An der Westfassade des Zeustempels in Olympia haben die Kentauren bereits Pferdebeine; wo der Hals des Tieres beginnen müßte, beginnt der menschliche Rumpf. Ixion, König von Thessalien, zeugte mit einer Wolke, der Zeus die Form Heras verlieh, die Kentauren; eine andere Legende berichtet, sie seien Söhne Apollons. (Man hat gesagt, das Wort Kentaur sei von >Gandharva< hergeleitet; in der Mythologie der Veden sind die Gandharvas untergeordnete Gottheiten, welche die Pferde der Sonne befehligen.) Da die Griechen der Homerischen Epoche die Reitkunst nicht kannten, vermutet man, daß der erste Nomade, den sie zu Gesicht bekamen, ihnen eins mit seinem Pferde zu sein schien; diese Vermutung wird bestärkt durch die Tatsache, daß die Soldaten von Pizarro oder Hernan Cortes für die Indios ebenfalls Kentauren waren. »Einer von jenen zu Pferde fiel vom Pferd herab; und als die Indios sahen, wie sich jenes Tier in zwei teilte, da sie mit Gewißheit angenommen hatten, es sei alles eines, war der Schrecken, der sie ergriff, so groß, daß sie den Reitern den Rücken kehrten und mit lauter Stimme den Ihrigen zuriefen, es seien zwei daraus geworden, worüber sie höchst erstaunt waren; was nicht des Wunders entbehrte; denn wäre dieses nicht geschehen, so hätten sie alle Christen umgebracht«, lautet einer der Texte, die Prescott anfuhrt. Aber im Gegensatz zu den Indios kannten die Griechen das Pferd; es ist daher wahrscheinlicher, daß das Bild des Kentauren bewußt geschaffen wurde und nicht einer auf Unwissenheit beruhenden Verwechslung zuzuschreiben ist. Die bekannteste Fabel, in der Kentauren eine Rolle spielen, ist die von ihrem Kampfe mit den Lapithen, welche sie zu einer Hochzeitsfeier geladen hatten. Für die Gäste war der Wein etwas neues; während des Festes schmähte ein betrunkener 68

Kentaur die Braut und begann, indem er die Tische umwarf, den berühmten >Kentaurenkampflamia< bzw. >lamiaeEinst Das Niemals War< kann bestätigt noch verneint werden. * etwa: Lobpreiser der Abgeschlossenheit der Zeit - AdÜ

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Silveira macht eine Bemerkung über die völlige HofTnungslosigkeit der Sekte; die Vergangenheit als solche könne der TatSache, verehrt zu werden, keine Freude abgewinnen und ihren Verehrern weder Hilfe noch Trost bieten. Hätte der Kapitän uns den einheimischen Namen oder sonstige Hinweise auf diese merkwürdige Gemeinschaft hinterlassen, wären weitere Nachforschungen einfacher. Wir wissen, daß sie weder Tempel noch heilige Bücher hatten. Gibt es noch immer solche Verehrer oder gehören sie nun, zusamt ihrem unklaren Glauben, der Vergangenheit an?

Die Lemuren Man nannte die Lemuren auch »Larven« [>larvaelaresLemuralialayilNacht< bedeutet, die Überlieferung. Lilith war nicht länger eine Schlange, sondern sie wurde zu einem Nachtgeist. Manchmal ist sie ein Engel und lenkt die Fortzeugung der Menschen; manchmal ist sie ein Dämon und überfällt jene, die allein schlafen oder einsame Wege wandern. In volkstümlicher VorStellung pflegt sie die Gestalt einer großen, schweigsamen Frau anzunehmen, mit gelöstem schwarzen Haar.

Die Mandragora Ebenso wie das Borametz grenzt auch die Pflanze, die man Mandragora nennt, an das Tierreich, denn sie schreit, wenn man sie ausreißt; dieser Schrei kann diejenigen, die ihn hören, um den Verstand bringen (Romeo und Julia, IV, 3). Pythagoras nennt sie >anthropomorphsemi-homoDer Glanz meines scharlachfarbenen Fells mischt sich mit dem Schillern der großen Sandmassen. Ich schnaube durch meine Nüstern das ganze Entsetzen der Einsamkeit. Ich speie Pest aus. Ich fresse die Heere auf, wenn sie sich in die Wüste wagen. Meine Krallen sind in Spiralen gewunden, meine Zähne sägeförmig geschnitten, und mein gekrümmter Schweif starrt von Wurfspießen, die ich nach rechts und links, nach vorn und hinten schleudere. Siehst du, so!< Der Martichoras wirft die Stacheln seines Schweifes um sich, sie strahlen nach allen Richtungen aus wie Pfeile. Blutstropfen regnen klatschend auf das Laub nieder.«

Der Minotauros Der Gedanke an ein Haus, das gebaut wurde, damit die Mensehen sich darin verirren, ist vielleicht noch sonderbarer als die Vorstellung von einem Mann mit dem Kopf eines Stiers; aber beide fördern einander, und das Bild des Labyrinthes verträgt sich gut mit dem Bild des Minotauros. Es scheint angebracht, daß in einem ungeheuerlichen Hause ein ungeheuerlicher Bewohner sei. Der Minotauros, halb Stier und halb Mensch, entsprang dem Liebesverhältnis der Pasiphae, Königin von Kreta, mit einem weißen Stier, den Poseidon aus dem Meer steigen ließ. Daidalos, der Anstifter der Ränke, die es möglich machten, daß solch eine Liebe sich verwirklichte, baute das Labyrinth, das Θ6

dazu bestimmt war, den ungeheuerlichen Sohn einzusperren und zu verbergen. Dieser lebte von Menschenfleisch; für seine Ernährung verlangte der König von Kreta alljährlich von Athen einen Tribut von sieben Knaben und sieben Jungfrauen. Theseus beschloß, seine Vaterstadt von dieser Last zu befreien, und bot sich freiwillig dazu an. Ariadne, die Tochter des Königs, gab ihm einen Faden, damit er sich nicht in den Gängen verirre; der Held tötete den Minotauros und entkam aus dem Labyrinth. Ovid spricht in einem Pentameter, der geistreich zu sein sucht, von dem »Mann, der ein halber Stier und dem Stier, der ein halber Mann ist«; Dante, der zwar die Worte der Alten kannte, nicht aber ihre Münzen und Monumente, stellte sich den Minotauros mit dem Kopf eines Menschen und dem Körper eines Stiers vor {Inferno, XII: 130‫)־‬. Der Kult des Stiers und der Doppelaxt (deren Name >labrys< war, was später zu >Labyrinth< geworden sein mag) war typisch für die prähellenischen Religionen, welche heilige Stierkämpfe feierten. Nach den alten Wandmalereien gab es in der kretisehen Dämonologie menschliche Gestalten mit Stierköpfen. Wahrscheinlich ist die griechische Fabel vom Minotauros eine verspätete und grobe Version uralter Mythen, der Schatten anderer, noch schrecklicherer Träume.

Der Mondhase In den Mondflecken glauben die Engländer die Figur eines Menschen zu sehen; im Sommemachtstraum finden wir einige Anspielungen auf den Mann im Mond. Shakespeare erwähnt sein Dornenbündel oder Dornengestrüpp; schon einer der letzten Verse des zwanzigsten Gesanges des Infemo spricht von Kain und den Dornen. Die Erläuterung von Tommaso Casini erwähnt in diesem Zusammenhang die toskanische Fabel, die berichtet, daß Gott den Mond als Gefängnis für Kain auserse­

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hen und diesen dazu verdammt habe, bis zum Ende aller Zeiten ein Dornenbündel zu tragen. Andere vermeinen die Heilige Familie im Mond zu sehen, und so schrieb Lugones in seinem Lunano Sentimental■.

»Y estä todo: la Virgen con el nino; al flanco, San Jose (algunos tienen la buena fortuna De ver su vara); y el buen burrito blanco Trota que trota los campos de la luna.«

[Und alles ist da: die Jungfrau mit dem Kind; an der Seite der heilige Joseph (einige haben das Glück, seinen Stab zu sehen); und das gute weiße Eselchen, das über die Mondfelder trabt und trabt.]

Die Chinesen hingegen sprechen vom Hasen im Mond. In einem seiner früheren Leben litt der Buddha Hunger; um ihn zu speisen, stürzte sich ein Hase ins Feuer. Als Belohnung sandte der Buddha die Seele des Hasen zum Mond. Und dort, unter einem Akazienbaum, zerstößt nun der Hase in einem magisehen Mörser die Substanzen, aus denen das Elixier der UnSterblichkeit besteht. In der Volkssprache mancher Gegenden wird dieser Hase >der Gelehrte(, >der kostbare Hase< oder »der Jadehase< genannt. Von dem gewöhnlichen Hasen glaubt man, daß er tausend Jahre lebt und im Alter ergraut.

Die Monokel Bevor es zur Bezeichnung für einen Gebrauchsgegenstand wurde, wandte man das Wort Monokel (monoculus) auf Wesen an, die nur ein Auge hatten. So sprach Göngora in einem zu Anfang des 17. Jahrhunderts verfaßten Sonett von »Monoculus, Galan der Galathea«. 88

Er bezog sich dabei selbstverständlich auf Polyphem, von dem er vorher in der Fabel gesagt hatte: »Un monte era de miembros eminente Este que, de Neptuno hijo fiero, De un ojo ilustra el orbe de su frente, Emulo casi del mayor lucero; Ciclope a quien el pino mas valiente Baston le obedecia tan ligero, Y al grave peso junco tan delgado, Que un dia era bastön y otro, caiado.

Negro el cabello, imitador undoso De las obscuras aguas del Leteo, Al viento que le peina proceloso Vuela sin orden, pende sin aseo; Un torrento es su barba impetuoso Que, adusto hijo de este Pirineo, Su pecho inunda, o tarde o mal o en vano Surcada aün de los dedos de su mano . . .«

[Ein Berg war er, aus gewaltigen Gliedern, er, Neptuns wilder Sohn, der mit einem Auge von seiner Stirn aus die Welt erleuchtet, gleichsam mit dem helleren Gestirn wetteifernd; Zyklop, dem die stärkste Fichte als Stab gehorchte, so leicht und trotz des schweren Gewichts ein schlanker Rohrstock, heute Wanderstab, morgen Krücke. Schwarz das Haar, welliger Nachahmer der dunklen Wasser des Lethestromes, im Wind, der es stürmisch kämmt, fliegt es ohne Ordnung und hängt ohne Reinlichkeit; ein Sturzbach ist sein heftiger Bart, der ihm, mürrischer Sohn dieses Pyrenaeus, die Brust überschwemmt, spät oder schlecht oder vergebens von den Fingern seiner Hand gefurcht. . .]

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Diese Verse übertreiben und schwächen andere aus dem dritten Buch der Aeneis (von Quintilian gepriesen), welche ihrerseits Verse aus dem neunten Gesang der Odyssee übertreiben und schwächen. Dieser literarische Niedergang entspricht dem schwindenden dichterischen Glauben; Vergil will mit seinem Polyphem Eindruck machen, aber er glaubt schon kaum noch an ihn, und Gongora glaubt nur an Wörter und verbale Kunststücke. Das Volk der Zyklopen war nicht das einzige, dessen Angehörige nur ein Auge hatten; Plinius (VII, 9 f.) erwähnt auch die Arimaspen. »Männer, die sich dadurch auszeichnen, daß sie nur ein Auge haben, und dieses mitten auf der Stirn. Sie leben in ewigem Krieg mit den Greifen, einer Art geflügelter Ungeheuer, denen sie das Gold entreißen wollen, das diese aus dem Inneren der Erde holen, und das sie mit der gleichen Habgier verteidigen, welche die Arimaspen in ihrem Bemühen, es ihnen zu rauben, an den Tag legen.« Fünfhundert Jahre früher hatte der erste Enzyklopädist, Herodot von Halikarnassos (III, 116), geschrieben: »Im Norden von Europa scheint es eine beträchtliche Fülle von Gold zu geben, aber ich wüßte nicht zu sagen, wo es sich befinden mag, noch woraus es entnommen wird. Man berichtet, daß die einäugigen Arimaspen es den Greifen rauben; aber die Fabel ist reichlich kunstlos, um einen glauben zu machen, daß es auf der Welt Menschen gäbe, die nur ein Auge im Gesicht haben, im übrigen aber wie die anderen seien.«

Die Mutter der Schildkröten Zweiundzwanzig Jahrhunderte vor der christlichen Zeitrechnung durchmaß der gerechte Kaiser Yü der Große mit seinen Schritten die Neun Berge, die Neun Flüsse und die Neun Sümpfe und teilte das Land in Neun Regionen, auf daß sie der 90

Tugend und der Landwirtschaft dienlich seien. So bändigte er die Wasser, die Himmel und Erde zu überschwemmen drohten; die Geschichtsschreiber berichten, daß die Teilung, die er der Welt der Menschen auferlegte, ihm von einer übernatürlichen oder engelsgleichen Schildkröte, die einem Bach entstieg, enthüllt worden sei. Manche behaupten, dieses Reptil, Mutter aller Schildkröten, sei aus Wasser und Feuer gewesen; andere schreiben ihm eine kaum weniger ungewöhnliche Substanz zu: das Licht der Sterne, welche das Sternbild des Schützen bilden. Auf dem Rücken der Schildkröte befand sich entweder eine kosmische Abhandlung mit dem Titel Hong Fan (Allgemeine Regel) oder ein aus schwarzen und weißen Punkten verfertigtes Diagramm der Neun Unterteilungen dieser Abhandlung. Für die Chinesen ist der Himmel halbkugelförmig und die Erde viereckig; daher sehen sie in den Schildkröten das Abbild oder Modell des Universums. Die Schildkröten haben außerdem teil an der Langlebigkeit des Kosmischen; es ist nur natürlieh, daß man sie zu den Tieren des Geistes zähle (zusammen mit dem Einhorn, dem Drachen, dem Phönix und dem Tiger), und daß die Auguren Vorzeichen in ihrem Knochenpanzer suchen. Than-Qui (Schildkröten-Geist) ist der Name derjenigen, die dem Kaiser das Hong Fan enthüllte.

Der Myrmekoleon Ein unfaßbares Tier ist der Myrmekoleon, den Flaubert folgendermaßen beschreibt: »Löwe von vorn, Ameise von hinten, dessen Gemächte umgekehrt ist«. Dieses Monstrum hat eine seltsame Geschichte. In der Heiligen Schrift steht zu lesen: »Der Löwe ist umgekommen, daß er nicht mehr raubet. . .« (Hiob, 4, 11). Der hebräische Text bringt das Wort >layish< für >LöweMyrmex< nennen, und bildeten das Wort >MyrmekoleonMyrmex< bedeutet im Griechischen >AmeiseMeine menschliche Gestalt ist eine Täuschung; ich bin in Wirklichkeit ein Naga, ein Drache. Meine Sünden haben mich dazu verdammt, in diesem schrecklichen Körper zu wohnen, aber ich befolge das von Buddha befohlene Gesetz und holTe, mich zu erlösen. Du darfst dieses Heiligtum zerstören, wenn du dich fähig wähnst, ein besseres zu errichten.( Er zeigte ihm die Kultgefäße. Der König betrachtete sie mit Staunen, denn sie waren gänzlich anders als diejenigen, welche die Menschen herstellen, und so sah er von seinem Vorhaben ab.«

Die Nisnas Unter den Ungeheuern der Versuchung linden wir die Nisnas, die »nur ein Auge, eine Wange, eine Hand, ein Bein, einen halben Körper und ein halbes Herz« haben. Ein Kommentator, JeanClaude Margolin, schreibt, sie seien ein Phantasiegebilde Flauberts, aber der erste Band von Tausendundeiner Nacht von Lane (1839) schreibt sie dem Verkehr der Menschen mit den Dämonen zu. Der Nesnas, wie Lane ihn schreibt, ist ein »halbes Menschen wesen; er hat einen halben Kopf, einen halben Rumpf, einen Arm und ein Bein; er ist äußerst behende« und haust in den Einöden des Jemen und von Hadramaut. Die

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Nisnas sind einer artikulierten Sprache fähig; einige von ihnen tragen - ebenso wie die Blemmyer - das Gesicht auf der Brust, und ihr Schwanz ähnelt dem eines Schafes; ihr Fleisch ist süßlich und sehr begehrt. Eine Abart der Nisnas, mit fledermausartigen Flügeln, lebt auf der Insel Raij (wahrscheinlich Borneo), südlich von China; aber - setzt der skeptische Berichterstatter hinzu - Allah weiß alles.

Die Nornen In der mittelalterlichen nordischen Mythologie entsprechen die Nornen den Parzen oder Faten. Snorri Sturluson, der zu Beginn des 13. Jahrhunderts diese verstreuten Mythen ordnete, berichtet uns, es gebe drei Nornen, und ihre Namen seien Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Man kann wahrscheinlich vermuten, daß die Namen eine Verfeinerung oder Beifügung theologischer Natur darstellen; die alten germanischen Völker neigten derartigen Abstraktionen nicht sonderlich zu. Snorri zeigt uns drei Mädchen bei einer Quelle am Fuße der Weltesche Yggdrasil. Unerbittlich weben sie unsere Geschicke. Die Zeit (aus der sie bestehen) hatte sie vergessen, aber gegen 1606 schrieb William Shakespeare die Tragödie Macbeth, in deren erster Szene sie erscheinen. Sie sind die drei Hexen, die den Kriegern das Schicksal voraussagen, das ihrer harrt. Shakespeare nennt sie die »weird sisters«, die unheimlichen bzw. unheilverheißenden Schwestern. Bei den Angelsachsen war Wyrd die schweigsame Göttin, die das Schicksal der Unsterblichen und der Sterblichen bestimmte.

Die Nymphen Paracelsus beschränkte die Welt der Nymphen auf die Gewässer, aber im Altertum unterschied man zwischen Wassernym­ 94

phen und Landnymphen. Einige der letzteren herrschten über die Wälder. Die Hamadryaden weilten unsichtbar in den Bäumen und vergingen mit ihnen; von anderen nahm man an, sie seien unsterblich oder lebten Tausende von Jahren. Die Meeresnymphen nannte man Okeaninen oder Nereiden; die Nymphen der Flüsse Naiaden. Ihre genaue Anzahl ist unbekannt; Hesiod schlug die Zahl dreitausend vor. Sie waren ernsthafte und schöne Mädchen; sie zu sehen konnte Wahnsinn bewirken und, wenn sie nackt waren, Tod. Eine Zeile bei Propertius bekräftigt dies. Die Menschen der Antike boten ihnen Honig, Olivenöl und Milch dar. Sie waren kleinere Gottheiten; Tempel wurden zu ihren Ehren nicht errichtet.

Der Odradek »Die einen sagen, das Wort Odradek stamme aus dem Slawisehen, und sie suchen auf Grund dessen die Bildung des Wortes nachzuweisen. Andere wieder meinen, es stamme aus dem Deutschen, vom Slawischen sei es nur beeinflußt. Die Unsicherheit beider Deutungen aber läßt wohl mit Recht darauf schließen, daß keine zutriflt, zumal man auch mit keiner von ihnen einen Sinn des Wortes finden kann. Natürlich würde sich niemand mit solchen Studien beschäftigen, wenn es nicht wirklich ein Wesen gäbe, das Odradek heißt. Es sieht zunächst aus wie eine flache sternartige Zwirnspule, und tatsächlich scheint es auch mit Zwirn bezogen; allerdings dürften es nur abgerissene, alte, aneinandergeknotete, aber auch ineinanderverfilzte Zwirnstücke von verschiedenster Art und Farbe sein. Es ist aber nicht nur eine Spule, sondern aus der Mitte des Sternes kommt ein kleines Querstäbchen hervor, und an dieses Stäbchen fugt sich dann im rechten Winkel noch eines. Mit Hilfe dieses letzteren Stäbchens auf der einen Seite, und einer der Ausstrahlungen des Sternes auf der 95

anderen Seite, kann das Ganze wie auf zwei Beinen aufrecht stehen. Man wäre versucht zu glauben, dieses Gebilde hätte früher irgendeine zweckmäßige Form gehabt und jetzt sei es nur zerbrochen. Dies scheint aber nicht der Fall zu sein; wenigstens findet sich kein Anzeichen dafür; nirgends sind Ansätze oder Bruchstellen zu sehen, die auf etwas Derartiges hin weisen würden; das Ganze erscheint zwar sinnlos, aber in seiner Art abgeschlossen. Näheres läßt sich übrigens nicht darüber sagen, da Odradek außerordentlich beweglich und nicht zu fangen ist. Er hält sich abwechselnd auf dem Dachboden, im Treppenhaus, auf den Gängen, im Flur auf. Manchmal ist er monatelang nicht zu sehen; da ist er wohl in andere Häuser übersiedelt; doch kehrt er dann unweigerlich wieder in unser Haus zurück. Manchmal, wenn man aus der Tür tritt und er lehnt gerade unten am Treppengeländer, hat man Lust, ihn anzusprechen. Natürlich stellt man an ihn keine schwierigen Fragen, sondern behandelt ihn - schon seine Winzigkeit verführt dazu - wie eih Kind. >Wie heißt du denn?« fragt man ihn. >Odradek«, sagt er. >Und wo wohnst du?« )Unbestimmter Wohnsitz«, sagt er und lacht; es ist aber nur ein Lachen, wie man es ohne Lungen hervorbringen kann. Es klingt etwa so, wie das Rascheln in gefallenen Blättern. Damit ist die Unterhaltung meist zu Ende. Übrigens sind selbst diese Antworten nicht immer zu erhalten; oft ist er lange stumm, wie das Holz, das er zu sein scheint. Vergeblich frage ich mich, was mit ihm geschehen wird. Kann er denn sterben? Alles, was stirbt, hat vorher eine Art Ziel, eine Art Tätigkeit gehabt und daran hat es sich zerrieben; das trifft bei Odradek nicht zu. Sollte er also einstmals etwa noch vor den Füßen meiner Kinder und Kindeskinder mit nachschleifendem Zwirnsfaden die Treppe hinunterkollern? Er schadet ja offenbar niemandem; aber die Vorstellung, daß er mich auch noch überleben sollte, ist mir eine fast schmerzliche.« Franz Kafka: Die Sorge des Hausvaters.



Der Ouroboros Heute ist der Ozean ein Meer oder ein System von Meeren; für die Griechen war er ein kreisförmiger Fluß, der die Erde umschloß. Alle Gewässer kamen von ihm, und er hatte weder Mündung noch Quellen. Er war auch ein Gott oder ein Titan, vielleicht der älteste, denn Der Schlaf im vierzehnten Gesang der Ilias nennt ihn den Erzeuger der Götter; in der Theogonie des Hesiod ist er der Vater aller Flüsse der Welt, deren es dreitausend gibt, und die mit Alpheios und dem Nil beginnen. Ein alter Mann mit wallendem Bart - so wurde er für gewöhnlich dargestellt; Jahrhunderte später fand die Menschheit ein besseres Symbol für ihn. Heraklit hat gesagt, in der Kreislinie sei Anfang und Ende ein einziger Punkt. Ein griechisches Amulett aus dem 3. Jahrhundert, das im Britischen Museum bewahrt wird, zeigt das Bildnis, das uns diese Unendlichkeit am besten vor Augen führen kann: die Schlange, die sich in den Schwanz beißt oder, wie Martinez Estrada es sehr schön ausdrückte, »die am Ende ihres Schwanzes beginnt«. Ouroboros (der, der seinen Schwanz verschlingt) ist der technische Name dieses Tieres, das sich später großer Beliebtheit bei den Alchimisten erfreuen sollte. Seinen Ruhm verdankt es hauptsächlich der skandinavisehen Kosmogonie. In der jüngeren oder Prosa-ΕΛώ steht geschrieben, daß Loki einen Wolf und eine Schlange zeugte. Ein Orakel warnte die Götter, daß diese beiden Wesen die Erde vernichten würden. Den Wolf, Fenrir, fesselten sie mit einer Kette, die aus sechs imaginären Dingen geschmiedet war: aus dem Geräusch des Katzentrittes, aus dem Bart einer Frau, aus der Wurzel des Felsens, aus den Sehnen des Bären, aus dem Atem des Fisches und aus dem Speichel des Vogels. Die Schlange, Jörmungard, »warfen sie in das Meer, das die Erde umgibt, und in dem Meer ist sie derart gewachsen, daß sie selbst jetzt auch die Erde umzingelt und sich in den Schwanz beißt«.

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In Jötunheim, dem Lande der Giganten, fordert UtgardaLoki den Gott Thor heraus, eine Katze aufzuheben; unter Aufbietung all seiner Kraft erreicht der Gott es kaum, eine der Pfoten der Katze vom Boden zu lösen. Die Katze ist die Schlange. Thor ist von Zauberkünsten betrogen worden. Wenn die Götterdämmerung naht, wird die Schlange die Erde verschlingen und der Wolf die Sonne.

Der Panther In den mittelalterlichen Bestiarien bezieht das Wort >Panther< sich auf ein Tier, das sich einigermaßen von dem >ileischfressenden Säugetier( der zeitgenössischen Zoologie unterscheidet. Aristoteles hatte erwähnt, daß sein Geruch die übrigen Tiere anziehe; Aelianus - ein römischer Schriftsteller, dem man ob seiner vollendeten Beherrschung des Griechischen den Beinamen >Honigzunge< gab - erklärte, dieser Geruch sei auch den Menschen angenehm. (Was diese Eigenart betrifft, so haben manche eine Verwechslung mit der Zibetkatze vermutet.) Plinius schrieb dem Panther einen runden Flecken auf dem Rücken zu, der mit dem Mond zu- und abnehme. Zu diesen wunderbaren Umständen hat sich noch die Tatsache gesellt, daß die griechische Septuaginta das Wort >Panther< an einer Stelle gebraucht, an der es sich aufjesus Christus beziehen kann (Hosea 5, 14). Im angelsächsischen Bestiarium des Kodex von Exeter ist der Panther ein einsam lebendes und sanftes Tier mit melodischer Stimme und wohlriechendem Atem. Er sucht sich seinen Bau in den Bergen an verborgenen Plätzen. Sein einziger Feind ist der Drache, mit dem er unaufhörlich im Kampfe liegt. Er schläft drei Nächte, und wenn er dann singend erwacht, kommen zahllose Menschen und Tiere von den Feldern, aus Schlössern und Städten zu seiner Höhle, angelockt von Wohlgeruch und 98

Gesang. Der Drache ist der Erzfeind, der Dämon; das Erwachen ist die Auferstehung des Herrn; die Menschenmenge ist die Gemeinde der Gläubigen, und der Panther ist Jesus Christus. Um das Erstaunen zu mindern, das dieses Gleichnis hervorrufen mag, möchten wir daran erinnern, daß für die Angelsachsen der Panther keine wilde Bestie war, sondern ein exotischer Klang, der kaum von einer konkreten Vorstellung begleitet wurde. Des Interesses halber wollen wir in diesem Zusammenhang erwähnen, daß das Gedicht Geronlion von Eliot von >Christ the Tiger« - Christus dem Tiger - spricht. Leonardo da Vinci schreibt: »Der afrikanische Panther ist wie eine Löwin, aber seine Beine sind länger und der Körper ist zarter. Er ist ganz weiß und hat schwarze Flecken, die Rosetten gleichen. Seine Schönheit entzückt die Tiere, die ihn ständig umgäben, wäre sein Blick nicht so schrecklich. Der Panther, der sich dieser Tatsache bewußt ist, senkt die Augen; die Tiere nähern sich, um seine Schönheit zu genießen, und er fängt sich das nächststehende und verschlingt es.«

Der Pelikan Der Pelikan der gewöhnlichen Zoologie ist ein Wasservogel mit einer Flügelspannweite von zwei Metern und einem langen, breiten Schnabel, an dessen Unterkiefer eine rote Membrane hängt, die eine Art Beutel formt, in dem er die Fische bewahrt; der Pelikan der Fabel ist kleiner, und sein Schnabel ist kurz und spitz. Seinem Namen getreu, ist das Gefieder des ersteren weiß; das des letzteren ist gelb und manchmal grün. Und noch seltsamer als sein Aussehen sind seine Gewohnheiten. Mit Schnabel und Krallen liebkost die Mutter ihrejungen so hingebungsvoll, daß sie sie tötet. Nach drei Tagen kommt der Vater; verzweifelt über den Tod seiner Kinder öfTnet er sich mit Schnabelhieben die Brust. Das Blut, das aus den Wunden 99

quillt, läßt sie wieder zum Leben erwachen ... So berichten uns die Bestiarien den Vorfall; nur der Heilige Hieronymus schreibt in einem Kommentar zu Psalm 102 (»Ich bin gleichwie ein Pelikan in der Wüste *; ich bin gleichwie ein Käuzlein in den verstörten Stätten«) den Tod der Jungen der Schlange zu. Daß der Pelikan sich die Brust öffnet und seine Jungen mit seinem eigenen Blute nährt, ist die übliche Version der Fabel. Blut, das den Toten Leben gibt, erinnert an das Abendmahl und an das Kreuz, und so nennt ein berühmter Vers aus dem Paradiso (XXV, 113) Jesus Christus »unseren Pelikan«. Der lateinische Kommentar von Benvenuto von Imola erklärt dies folgendermaßen: »Man nennt ihn Pelikan, weil er sich die Seite geöffnet hat, um uns zu retten, so wie der Pelikan, der mit dem Blut seiner Brust seine toten Jungen wieder zum Leben erweckt. Der Pelikan ist ein ägyptischer Vogel.« Das Bildnis des Pelikans ist in der kirchlichen Heraldik gebräuchlich und wird heute immer noch in die Hostienkelche eingraviert. Das Bestiarium des Leonardo da Vinci beschreibt den Pelikan so: »Er liebt seine Jungen sehr, und wenn er sie tot im Nest findet, von Schlangen umgebracht, zerreißt er sich die Brust und bringt sie ins Leben zurück, indem er sie in seinem Blute badet.«

Der Peritius Es scheint, daß die Sibylle von Erythräa in einem ihrer Orakel erklärt hat, Rom würde von den Peritien zerstört werden. Als diese Orakel im Jahre 671 n. Chr. verschwanden (sie wurden aus Versehen verbrannt), ließen diejenigen, die sie von neuem zusammenstellten, die Weissagung aus, und daher findet sich in der neuen Sammlung kein diesbezüglicher Hinweis. * In der Lutherbibel »Rohrdommel«. (AdÜ)

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Angesichts solch dunklen Geschehens war es notwendig, eine Quelle zu finden, die mehr Klarheit in diese Sache brächte. So erfuhr man nach großen Bemühungen, daß im 16. Jahrhundert ein Rabbiner von Fez (mit größter Wahrscheinlichkeit AaronBen-Chaim) ein Büchlein veröffentlicht hat, das sich mit den Tieren der Phantasie beschäftigt, und daß er darin das von ihm gelesene Werk eines arabischen Autors anfuhrt, in dem der Verlust einer Abhandlung über die Peritien bei dem vom Kalifen Omar [im Jahre 640 n. Chr.] angestifteten Brand der Bibliothek von Alexandria erwähnt wird. Wenn der Rabbiner auch den Namen des arabischen Autors nicht nennt, so hatte er doch die glückliche Idee, einige Absätze seines Werkes zu zitieren, und somit hinterließ er uns einen wertvollen Bericht über die Peritien. Mangels anderer Quellen scheint es das beste, hier wörtlich die entsprechenden Absätze zu wiederholen: »Die Peritien leben in Atlantis und sind eine Mischung von Hirsch und Vogel. Vom Hirsch haben sie den Kopf und die Beine. Was den übrigen Körper betrifft, so ist er der eines Vogels, mit den diesem gemäßen Flügeln und Gefieder. Ihre erstaunlichste Eigenschaft ist, daß sie, wenn die Sonne sie bescheint, nicht den Schatten ihres eigenen Körpers werfen, sondern den eines Menschen. Manche schließen hieraus, daß die Peritien die Geister von Menschen seien, die fern des Schutzes ihrer Götter gestorben sind. . . . Man hat sie dabei überrascht, wie sie sich von trockener Erde nährten. . . . Sie fliegen in Schwärmen und wurden hoch über den Säulen des Herakles gesehen . . . . . . Sie (die Peritien) sind dem Menschengeschlecht furchtbare Feinde. Offenbar gehorcht ihr Schatten, wenn sie einen Menschen töten, wieder ihrer Gestalt, und somit erlangen sie die Gunst der Götter . . . . . .Jene, die mit Scipio das Meer überquerten, um Karthago zu unterwerfen, wären in ihrem Unterfangen beinahe gescheitert, denn während der Überfahrt tauchte ein riesiger Schwarm

von Peritien auf, und viele der Männer wurden getötet. . . Obgleich unsere Waffen machtlos gegen den Peritius sind, kann das Tier nicht mehr als einen Menschen töten . . . ... Es wälzt sich im Blute seines Opfers und entflieht dann in höhere Regionen ... ... In Ravenna, wo man sie vor wenigen Jahren gesichtet hat, sagt man, ihr Gefieder sei himmelblau, was mich sehr überrascht, da ich gelesen habe, daß es von dunklem Grün sei...« Obwohl dieser Bericht uns eine einigermaßen klare Vorsteilung vermittelt, ist es doch bedauerlich, daß keine weitere Nachricht über die Peritien auf uns gekommen ist. Das Büchlein des Rabbiners, das diese Beschreibung möglich machte, befand sich bis vor dem letzten Weltkrieg in der Universität von München. Es schmerzt uns, sagen zu müssen, daß jetzt auch dieses Dokument verschwunden ist - man weiß nicht, ob aufgrund eines Bombenangriffes oder auf Veranlassung der Nazis. Sollte das letztere der Fall sein, so ist zu hoffen, daß mit der Zeit das Buch wieder auftauchen wird, um irgendeine Bibliothek der Welt zu bereichern.

Der Phönix In monumentalen Bildnissen, in steinernen Pyramiden und in Mumien suchten die Ägypter die Ewigkeit; es ist daher verständlich, daß in ihrem Lande der Mythos von einem unsterbliehen, regelmäßig wiederkehrenden Vogel entstand, obwohl es erst die Griechen und Römer waren, die ihm seine endgültige Gestalt gaben. Erman schreibt, daß der Phönix (>benuWie tief bin ich gesunken! Schon seit langem habe ich den Prinzen von Tschou nicht mehr in meinen Träumen erblickt.(« Oder dieser, aus dem neunten: »Der Lehrer sprach: >Der Phönix erscheint nicht, kein Zeichen steigt aus dem Fluß. Es geht zu Ende mit mir.05

Von Poe erträumtes Tier In seiner Geschichte des Arthur Garden Pym von Nantucket, die 1838 erschien, schrieb Edgar Allan Poe den antarktischen Inseln eine erstaunliche, aber glaubwürdige Fauna zu. So liest man im Kapitel XVII: »Wir fanden einen Zweig mit roten Früchten wie diejenigen des Rotdornes, und den Kadaver eines Landtieres von einzigartiger Form. Es mochte drei Fuß lang und sechs Zoll hoch sein; die vier kurzen Beine waren mit scharlachroten, scharfen Krallen versehen, die Korallen glichen. Sein Fell war glatt und seidenweich, von makellosem Weiß. Sein Schwanz war zugespitzt wie der einer Ratte und maß eineinhalb Fuß. Der Kopf ähnelte dem einer Katze, mit Ausnahme der Ohren, die wie bei einem Spürhund herunterhingen. Die Zähne hatten dieselbe scharlachrote Farbe wie die Klauen.« Nicht weniger seltsam war das Wasser dieser südlichen Gegenden: »Zuerst sträubten wir uns, es zu trinken, aus Furcht, daß es verdorben sei. Ich weiß nicht, wie ich seine Eigenart beschreiben soll, und es wird mir nicht mit wenigen Worten gelingen. Obwohl es mit großer Geschwindigkeit dahinfloß, schien es niemals vollkommen klar, außer wenn es in Kaskaden herabfiel. Dort wo es ein wenig langsamer floß, war es dicklich wie eine Infusion von Gummiarabikum in gewöhnlichem Wasser. Dies war jedoch von seinen Eigenarten die am wenigsten sonderbare. Es war nicht farblos, noch hatte es eine unveränderliehe Tönung; es schillerte gleich changierender Seide in allen Purpurschattierungen. Wir ließen es eine Weile in einem Glasgefäß stehen und bemerkten, daß die Flüssigkeit in einzelne Schichten getrennt war, von denenjede einen anderen Farbton hatte, und daß diese Schichten sich nicht vermischten. Schnitt man mit einem Messer quer durch diese Schichten, so schloß sich das Wasser sofort wieder und es verblieb keinerlei Spur, sowie man das Messer zurückgezogen hatte. Ließ man jedoch 106

die Klinge genau zwischen zwei Schichten hindurchgleiten, entstand eine vollkommene Trennung, die nicht sofort wieder verschwand.«

Die Pygmäen Für die Menschen der Antike lebte dieses Volk von Zwergen jenseits der Grenzen Indiens oder Äthiopiens. Einige Autoren versichern, daß die Pygmäen ihre Behausungen aus Eierschalen bauen. Andere, wie Aristoteles, haben geschrieben, sie lebten in unterirdischen Höhlen. Zur Getreideernte wappneten sie sich mit Äxten, als wollten sie einen ganzen Wald fällen. Sie ritten auf Schafen und Ziegen angemessener Größe. Jedes Jahr litten sie unter Invasionen von Kranichschwärmen aus den russisehen Ebenen. Weiterhin war Pygmaion der Name eines Gottes, dessen Antlitz die Karthager in den Bug der Kriegsschiffe zu schnitzen pflegten, um ihre Feinde zu erschrecken.

Der Regenvogel Neben dem Drachen verfugen die chinesischen Bauern zur Erlangung von Regen auch über einen Vogel namens Shang Yang. Er hat nur ein Bein; in alten Zeiten hüpften die Kinder auf einem Bein, runzelten die Brauen und versicherten: »Es wird regnen, denn der Shang Yang hüpft umher.« Tatsächlich berichtet man, daß er das Wasser der Flüsse trinke und auf die Erde fallen lasse. Ein alter Weiser zähmte ihn einst und pflegte ihn auf dem Ärmel mit sich zu tragen. Die Geschichtsschreiber haben verzeichnet, daß der Vogel einmal vor dem Thron des Fürsten Ch’i hin und her hüpfte, wobei er heftig die Flügel bewegte. Der beunruhigte Fürst sandte einen seiner Minister an den Hof von ■07

Lu, um Konfuzius zu befragen. Dieser sagte voraus, daß der Shang Yang in der betreffenden Gegend und den umliegenden Gebieten Überschwemmungen verursachen würde. Er empfahl den Bau von Deichen und Kanälen. Der Fürst befolgte die Ratschläge des Meisters und vermied auf diese Weise großes Unheil.

Remora >Remora< bedeutet im Lateinischen )Hindernis, Störung^ Das ist der eigentliche Sinn dieses Wortes, das sinnbildlich auf den >Echeneis< angewandt wurde, weil man ihm die Fähigkeit zuschrieb, die SchifTe aufzuhalten. Heute ist es umgekehrt: Remora bezeichnet im eigentlichen Sinn des Wortes den Fisch gleichen Namens und nur sinnbildlich das Hindernis. Die Remora ist ein aschfarbener Fisch; auf Kopf und Nacken hat sie eine ovale Platte, deren knorpelartige Blätter dazu dienen, sich an anderen im Wasser befindlichen Körpern festzusaugen. Plinius beschreibt ihre Fähigkeiten: »Es gibt einen Fisch, Remora genannt und daran gewöhnt, sich zwischen den Steinen hindurch zu bewegen; indem er sich an die Kiele saugt, bewirkt er, daß die SchilTe langsamer fahren, und deshalb gab man ihm diesen Namen, und aus diesem Grunde ist Remora auch ein gemeines Hexenwerk und dazu bestimmt, die Streitigkeiten und Rechtsfälle aufzuhalten und zu verdunkeln. Aber dieses Übel mildert sie mit etwas Gutem, denn sie behält ihre Jungen bis zu der Geburt in ihrem Leib. Sie ist nicht wohlschmeckend und taugt nicht als Speise. Aristoteles meint, dieser Fisch habe Füße, denn die Menge seiner Schuppen ist in einer Weise verteilt, daß es so scheinen mag . . . Trebius Niger sagt, dieser Fisch habe die Länge eines Fußes, die Dicke von fünf Fingern und die Fähigkeit, SchifTe aufzuhalten. In Salz bewahrt könne er das Gold, das in tiefe Löcher gefallen ist, mit seinem Körper anziehen« (IX, 80).

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Es ist sonderbar, wie eine Idee die andere nach sich zieht: die Vorstellung, Schiffe aufzuhalten, erweckt den Gedanken, auch Rechtsstreitigkeiten aufzuhalten, ja, sogar die Geburt von Fischjungen hinauszuzögem, bis sie ausgetragen sind. An anderer Stelle berichtet Plinius, daß eine Remora das Schicksal des römischen Kaiserreiches entschieden habe, indem sie in der Schlacht von Actium die Galeere, von der aus Marcus Antonius seine Flotte musterte, aufgehalten habe, und daß eine andere Remora - den Anstrengungen von vierhundert Ruderern zum Trotz - das Schiff von Caligula angehalten habe. »Die Winde blasen und die Stürme wüten«, ruft Plinius aus, »aber die Remora hemmt ihre Gewalt und befiehlt den Schiffen, ihre Fahrt zu unterbrechen, und sie erreicht, was die schwersten Anker und Drahtseile nicht erreichen könnten.« »Nicht immer siegt die größere Kraft. Die Fahrt eines Schiffes wird von einer kleinen Remora gehemmt«, wiederholt Diego de Saavedra Fajardo *.

Der Rock Der Vogel Rock ist eine Vergrößerung des Adlers oder des Geiers, und manche glauben, ein bis in die indischen oder chinesischen Gewässer verirrter Kondor habe ihn den Arabern suggeriert. Lane weist diese Vermutung zurück und meint, es handle sich eher um eine fabelhafte Spezies einer fabelhaften Gattung oder um ein arabisches Synonym für den Simurgh. Der Vogel Rock verdankt Tausend und einer Nacht seinen abendländischen Ruhm. Der Leser mag sich erinnern, daß Sindbad - von seinen Kameraden auf einer Insel zurückgelassen - in der Ferne eine riesenhafte, weiße Kuppel wahrnahm, und daß am folgenden Tag eine gigantische Wolke die Sonne verdeckte. Die Kuppel war ein Ei des Rock, und die Wolke war der Muttervo* Politische Unternehmungen, 84.

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gei. Sindbad bindet sich mit seinem Turban an das riesenhafte Bein des Rock, und dieser fliegt mit ihm davon und setzt ihn auf dem Gipfel eines Berges ab, ohne ihn bemerkt zu haben. Der Erzähler setzt hinzu, daß der Rock seine Jungen mit Elefanten futtert. In Marco Polos Reisen ist zu lesen: »Die Bewohner der Insel Madagaskar berichten, daß zu einer bestimmten Jahreszeit ein außergewöhnlicher Vogel Rock genannt - aus den südlichen Regionen kommt. Sein Aussehen ähnelt demjenigen des Adlers, aber er ist um ein Vielfaches größer als dieser. Die Körperkraft des Vogel Rock ist derart, daß er einen Elefanten mit seinen Klauen heben und mit ihm durch die Luft fliegen kann, worauf er ihn aus großer Höhe hemiederfallen läßt, um ihn dann zu verschlingen. Wer den Rock gesehen hat, versichert, daß seine Flügel von einem Ende zum anderen sechzehn Schritt messen, und daß seine Federn acht Schritt lang sind.« Marco Polo setzt hinzu, einige Abgesandte des Großen Khan hätten eine Feder des Vogels Rock nach China gebracht.

Der Salamander Er ist nicht nur ein kleiner Drache, der im Feuer lebt; er ist auch (wenn das Lexikon der Akademie * sich nicht irrt) >ein insektenfressender Lurch, glänzendschwarz, mit gelben, symmetrischen *. Flecken Von seinen beiden Naturen ist die in der Fabel beschriebene die bekanntere, und es wird daher niemanden Wunder nehmen, daß wir ihn diesem Büchlein einverleibt haben. Im zehnten Buch seiner Historia Naturalis [188] erklärt Plinius, der Salamander sei so kalt, daß er durch bloße Berührung das Feuer lösche; im einundzwanzigsten Buch überlegt er es sich und bemerkt ungläubig, daß der Salamander, besäße er die * Gemeint ist die Academia de la Lengua Espanola - AdÜ

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ihm von den Magiern zugeschriebene Fähigkeit, sie nutzen würde, um Brände zu löschen. Im elften Buch spricht er von einem geflügelten, vierfüßigen Tier, der >PyraustaKetten< einen höllisehen Lärm verursache. Niemand hat sie zu Gesicht bekom­ 4

men, denn wenn man sie sucht, verschwindet sie auf geheimnisvolle Weise.« Der Glaube an die kettenbehaftete Sau, die manchmal auch als Blechschwein bezeichnet wird, ist auch in der Provinz Buenos Aires in Vorstädten und den Ortschaften am Fluß verbreitet. Es gibt zwei argentinische Versionen des Werwolfs. Eine von ihnen, geläufig auch in Uruguay und in Südbrasilien, ist der >LobisönCapiangos< befehlige.

Der Schattenfresser Es gibt eine seltsame Art der Literatur, die unabhängig zu verschiedenen Zeiten in verschiedenen Ländern aufgetaucht ist: den Wegweiser für den Toten durch die überirdischen Regionen. Der Himmel und die Hölle von Swedenborg, die gnostisehen Schriften, der Bardo Thödol der Tibeter (Titel, der nach Evans-Wentz mit Befreiung durch Anhörung im Jenseits zu Übersetzen wäre) und das Ägyptische Totenbuch sind nur einige der vielen möglichen Beispiele. Die »Übereinstimmungen und Unterschiede< der beiden letzteren haben die Aufmerksamkeit der 5

Gelehrten erregt; es sei hier nur erwähnt, daß für das tibetanisehe Handbuch die andere Welt ebenso trügerisch ist wie diese, während sie für das ägyptische wirklich und objektiv ist. In beiden Texten gibt es ein Gericht, das sich aus Gottheiten zusammensetzt, von denen einige den Kopf eines Affen haben, in beiden ein Abwägen der Tugenden und Sünden. Im Totenbuch liegen eine Feder und ein Herz auf den Schalen der Waage; im Bardo Thödol weiße und schwarze Steinchen. Die Tibeter haben Dämonen, die ein zorniges Henkeramt ausüben, die Ägypter den Schattenfresser. Der Tote schwört, daß er keinen Hunger und keine Tränen verursacht, daß er nicht getötet habe und nicht habe töten lassen, daß er die Grabbeigabe nicht gestohlen, die Maße nicht gefälscht, dem Kinde nicht die Milch vom Munde weggenommen, das Vieh nicht von der Weide vertrieben und die Vögel der Götter nicht gefangen habe. Wenn er lügt, so liefern die zweiundvierzig Richter ihn dem Schattenfresser aus, >der vorne Krokodil, in der Mitte Löwe und hinten Hippopotamos ist«. Ein anderes Tier, Babai, dient ihm als Gehilfe; von ihm wissen wir nur, daß es grauenerregend ist und daß Plutarch es mit einem Titanen, Vater der Chimaira, identifiziert.

Die Achtfache Schlange Die Achtfache Schlange von Koshi erscheint in abscheulicher Gestalt in den kosmogonischen Mythen Japans. Sie hatte acht Köpfe und acht Schwänze, und ihre Augen waren von dem dunklen Rot der Kirschen; Tannen und Moos wuchsen auf ihrem Rücken, und Edeltannen auf ihren Stirnen. Wenn sie durch die Gegend kroch, nahm ihr Körper den Platz von acht Tälern und acht Hügeln ein; ihr Leib war stets von Blut befleckt. Sieben Jungfrauen, die Töchter eines Königs, hatte sie in sieben Jahren verschlungen, und nun war sie im Begriff, die 116

jüngste, >Reisfeld-Kamm! genannt, zu verschlingen. Ein Gott mit Namen >Tapferer-Geschwinder-Ungestümer-Mann! rettete die Prinzessin. Dieser Paladin baute einen großen, kreisfbrmigen Holzzaun mit acht Plattformen. Auf jede von ihnen stellte er eine mit Reisbier gelullte Tonne. Die Achtfache Schlange kam herbei, steckte in jede der Tonnen einen Kopf, trank das Bier gierig und fiel sogleich in tiefen Schlaf. Da schlug >Tapferer-Geschwinder-Ungestümer-Mann! ihre acht Köpfe ab. Aus den Wunden quoll ein Strom von Blut. In einem der Schwänze der Schlange befand sich ein Schwert, das noch heute im Großen Heiligtum von Atsuta verehrt wird. Diese Geschehnisse fanden auf dem Berge statt, der früher der >Berg der Schlange! hieß und heute der >Berg der Acht Wolken! ist; acht ist in Japan eine geheiligte Zahl und bedeutet !viele!. Das Papiergeld dieses Landes bringt heute noch den Tod der Schlange in Erinnerung. Es erübrigt sich, hinzuzufugen, daß der Retter sich natürlich mit der Geretteten vermählte, wie Perseus mit Andromeda. In seiner englischen Fassung der japanischen Kosmogonien und Theogonien (The Sacred Smptures of the Japanese, New York, 1952) erwähnt Post Wheelerdie ähnlichen Mythen von Hydra, Fafnir und der ägyptischen Göttin Hathor, die ein Gott mit blutfarbenem Bier berauschte, um die Menschen vor der Vernichtung zu retten.

Das Seepferd Im Gegensatz zu anderen Tieren der Phantasie entspringt das Seepferd nicht der Kombination verschiedenartiger Elemente; es ist nichts weiter als ein wildes Pferd, das im Meer zuhause ist und das Festland nur betritt, wenn die Brise in mondlosen Nächten den Geruch der Stuten zu ihm trägt. Auf einer unbestimmten Insel - möglicherweise Borneo - binden die Hirten die besten Stuten des Königs an der Küste fest und verstecken

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sich dann in unterirdischen Kammern. Sindbad sah den Hengst dem Meer entsteigen, sah ihn auf die Stute springen und hörte seinen Schrei. Die endgültige Fassung von Tausendundeiner Nacht stammt, laut Burton, aus dem 13. Jahrhundert; in diesem Jahrhundert lebte und starb der Kosmograph Al-Qazwini, der in seiner Abhandlung Wunder der Schöpfung folgende Worte schrieb: »Das Seepferd gleicht dem Landpferd, aber die Mähne und der Schweif sind länger, und seine Farbe ist leuchtender; sein Huf ist gespalten wie der des wilden Rindes, und seine Größe ist etwas niedriger als die des Landpferdes und etwas höher als die des Esels.« Er bemerkt, die Kreuzung zwischen dem See- und dem Landtier ergebe wunderschöne Junge, und er erwähnt ein schwarzes Füllen »mit weißen Flecken wie Silberstücke«. Wang Tai-hai, ein Forschungsreisender des 18. Jahrhunderts, schreibt in seinen Chinesischen Miszellen‫׳‬. »Das Seepferd pflegt auf der Suche nach der Stute an der Küste aufzutauchen; manchmal fängt man es ein. Sein Fell ist schwarz und glänzend, der Schweif ist so lang, daß er den Boden berührt; auf festem Boden läuft es wie die anderen Pferde, ist gefügig und kann an einem Tag Hunderte von Meilen zurücklegen. Man sollte es nicht im Fluß baden lassen, denn beim Anblick des Wassers gewinnt es seine ursprüngliche Natur wieder und schwimmt von dannen.« Die Ethnologen suchten den Ursprung dieser islamischen Erdichtung in dem griechisch-lateinischen Mythos des Windes, welcher die Stuten befruchtet. Im dritten Buch der Georgica hat Vergil diesen Glauben in Versen niedergeschrieben. Rigoroser ist die Darlegung von Plinius (VIII, 166): »Es ist allgemein bekannt, daß in Lusitanien, in der Nähe von Olisipo (Lissabon) und den Ufern des Tajo, die Stuten den Kopf dem westlichen Winde zuwenden und von ihm befruchtet werden; die dieserart gezeugten Fohlen sind von bewundernswerter Schnelligkeit, aber sie sterben, bevor sie das dritte Lebensjahr vollendet haben.« 18

Der Geschichtsschreiber Justinus vermutet, daß die Hyperbei >Söhne des Windesder mit den goldenen Borsten< bedeutet. Man nennt ihn auch Slidrugtanni (>den der gefährlichen Hauerdas Lämmchen« (l’agnelle) genannt. Eines Tages raubte es 32

solch ein Lämmchen und schleppte es, zerfetzt und blutüberströmt, zum Ufer des Huisne. Der Bräutigam des Mädchens schlug der Haarigen mit einem Schwert den Schwanz ab - denn dies war der einzige verwundbare Teil ihres Körpers. Das Ungeheuer starb sofort. Man balsamierte es ein und feierte seinen Tod mit Trommeln, Flötenmusik und Tanz.

Die Wärmewesen Dem Visionär und Theosophen Rudolf Steiner wurde offenbart, daß unser Planet, bevor er zu der Erde wurde, die wir kennen, eine Sonnenstufe und vorher eine Satumstufe durchlaufen hat. Der Mensch besteht jetzt aus einem physischen Leib, einem Ätherleib, einem Astralleib und einem Ich; zu Beginn der Saturnstufe oder der Satumzeit war er lediglich ein physischer Leib. Dieser Leib war nicht sichtbar und nicht einmal fühlbar, denn zu jener Zeit gab es auf der Erde weder feste Körper noch Flüssigkeiten noch Gas. Es gab lediglich Wärmezustände, Wärmekörper. Die verschiedenen Farben bestimmten im kosmischen Raum verschiedene Formen; jeder Mensch, jedes Wesen war ein aus wechselnden Temperaturen bestehender Organismus. Nach der Aussage Steiners bestand die Menschheit der Saturnstufe aus einer blinden, tauben und fuhllosen Menge gegliederten Wärmen und Kälten. »Für den geisteswissenschaftlichen Forscher ... ist Wärme . . . eine noch feinere Substanz als ein Gas . . .«, lesen wir auf einer Seite des Werkes Die Geheimwissenschaft im Umriß. Vor der Sonnenstufe beseelten Feuergeister oder Erzengel die Leiber jener >Mensehen«, die zu flimmern und zu glänzen begannen. Hat Rudolf Steiner diese Dinge geträumt? Hat er sie geträumt, weil sie einmal, zu Anfang aller Zeiten, geschehen sind? Es steht jedenfalls fest, daß sie viel erstaunlicher sind als die Demiurgen und Schlangen und Stiere anderer Kosmogonien.

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Die Walküren Walküre bedeutet in den alten germanischen Sprachen »die Erwählerin der Gefallenen«. Eine angelsächsische Beschwörung gegen Nervenschmerzen beschreibt sie, ohne sie direkt zu nennen, in der folgenden Weise: »Dröhnend waren sie, ja, dröhnend, wenn sie über die Höhen ritten. Entschlossen waren sie, wenn sie über die Erde ritten. Mächtige Frauen . . .« Wir wissen nicht, wie die Menschen in Deutschland oder Österreich sie sich vorstellten; in der skandinavischen Mythologie sind sie schöne und waflentragende Jungfrauen. Gewöhnlieh gab es drei von ihnen. Sie erwählten die in der Schlacht Gefallenen und brachten ihre Seelen in Odins episches Paradies [Walhalla], dessen Dach aus Gold war, und das nicht von Lampen, sondern von Schwertem erleuchtet wurde. Vom Morgengrauen an kämpften in diesem Paradies die Krieger, bis sie starben, danach wurden sie wieder belebt und nahmen teil am göttlichen Mahl, wo ihnen das Fleisch eines unsterblichen Ebers und unerschöpfliche Hörner voller Met dargereicht wurden. Unter dem zunehmenden Einfluß des Christentums degenerierte der Name der Walküren; ein Richter im mittelalterlichen England ließ eine unglückliche Frau verbrennen, die angeklagt war, eine Walküre zu sein, das heißt, eine Hexe.

Zwei metaphysische Wesen Das Problem des Ursprungs der Ideen bereichert die phantastisehe Zoologie um zwei kuriose Kreaturen. Eine von ihnen wurde Mitte des 18. Jahrhunderts ersonnen, die andere ein Jahrhundert später. Die erste ist Condillacs »fühlende Statue«. Descartes bekannte sich zur Lehre der angeborenen Ideen; Etienne Bonnot 134

de Condillac ersann, um ihn zu widerlegen, eine Marmorstatue, die wie ein menschlicher Körper organisiert ist, mit ihm übereinstimmt. In ihr wohnt eine Seele, die nie etwas wahrgenommen oder gedacht hat. Condillac beginnt damit, daß er der Statue einen einzigen Sinn verleiht, den Geruchsinn, vielleicht den einfachsten aller Sinne. Einjasminduft ist der Anfang der Biographie der Statue; für einen Augenblick wird es im Universum nichts als diesen Duft geben, oder besser gesagt, dieser Duft wird das Universum sein; einen Augenblick später wird das Universum Rosenduft sein und noch später Nelkenduft. Ist in dem Bewußtsein der Statue nur ein einziger Geruch, schon haben wir die Aufmerksamkeit; bleibt ein Geruch im Bewußtsein haften, wenn der Anreiz aufgehört hat, so haben wir die Erinnerung; ein Eindruck von jetzt und einer aus der Vergangenheit beschäftigen die Statue, und wir haben den Vergleich; bemerkt die Statue Analogien und Unterschiede, schon haben wir das Urteil; Wiederholung von Vergleich und Urteil, und wir haben die Überlegung; bleibt eine angenehme Erinnerung lebendiger als ein unangenehmer Eindruck, schon haben wir die Vorstellungskraft. Sind einmal die Möglichkeiten der Erkenntnis erzeugt, tauchen die Willensfähigkeiten auf: Liebe und Haß (Anziehung und Abneigung), HofTnung und Angst. Das Bewußtsein, mehrere Stadien durchlaufen zu haben, wird der Statue die abstrakte Vorstellung der Zahl geben; das Bewußtsein, daß sie Nelkenduft ist und Jasminduft war, den Begriff des Ich. Der Autor wird dann seinem hypothetischen Menschen Gehör, Geschmack, Gesicht und als letztes den Tastsinn verleihen. Dieser letzte Sinn wird ihm enthüllen, daß es den Raum gibt, und daß er in einem Körper im Raum ist; die Geräusche, die Gerüche und die Farben waren für ihn zuvor nur einfache Variationen oder Modifikationen seines Bewußtseins. Die Allegorie, von der hier die Rede ist, nennt sich Tratte des Sensations und ist von 1754; hierzu haben wir in dem zweiten Band der Histoire de la Philosophie von Brehier nachgeschlagen. ‫ ז‬35

Die andere Kreatur, die durch das Bewußtseinsproblem geschaffen wird, ist das >hypothetische Tier< von Lotze. Dieses, isolierter noch als die Statue, die den Rosenduft aufnimmt und die schließlich ein Mensch ist, hat auf seiner Haut nichts als einen empfindlichen und beweglichen Punkt am äußersten Ende eines Fühlers. Seine Gestaltung erlaubt ihm selbstverstündlich keine gleichzeitigen Wahrnehmungen. Lotze meint, daß die Fähigkeit dieses Tieres, seinen sensiblen Fühler auszustrecken oder zurückzuziehen, genüge, damit das von jeder Verbindung abgeschlossene Tier (ohne die Hilfe der Kategorien Kants) die äußere Welt entdecke und einen stillstehenden von einem beweglichen Gegenstand unterscheide. Diese Fiktion wurde von Vaihinger gelobt; in der Medizinischen Physiologie von 1852 wurde sie registriert.

Youwarkee In seiner Short History of English Literature befindet Saintsbury, Youwarkee sei eine der charmantesten Heldinnen der Literatur. Sie ist halb Frau halb Vogel oder - wie der Dichter Browning über seine tote Gattin, Elizabeth Barrett, schreiben sollte - halb Engel und halb Vogel. Ihre Arme können sich zu Flügeln öffnen, und seidige Daunen bedecken ihren Leib. Sie wohnt auf einer in den antarktischen Meeren verlorenen Insel; dort entdeckt sie ein Schiffbrüchiger, Peter Wilkins, der sich mit ihr vermählt. Youwarkee gehört den Glumms an, einem geflügelten Volk. Wilkins bekehrt sie zum christlichen Glauben; nach dem Tod seiner Frau gelingt es ihm, nach England heimzukehren. Die Geschichte dieser seltsamen Liebe ist zu lesen im Roman Peter Wilkins (1751) von Robert Paltock.

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Der Zaratan Es gibt eine Geschichte, die stets von neuem in den geographisehen Berichten aller Zeiten auftaucht: Schiffer landen auf einer namenlosen Insel, die dann mit ihnen versinkt, denn sie ist lebendig. Dieses Phantasiegebilde erscheint in der ersten Fahrt Sindbads und im sechsten Gesang des Rasenden Roland (»Ch’ella sia una isoletta ci credemo« ); * in der irischen Legende vom heiligen Brendan und im griechischen Bestiarium von Alexandria; in der Histona de Gentibus Septentrionalibus [Geschichte der nördlichen Völker] (Rom, 1555) des schwedischen Prälaten Olaus Magnus, und in jenen Versen des ersten Gesangs von Paradise Lost, wo der ausgestreckte Satan mit einem großen Wal verglichen wird, der auf dem norwegischen Meeresschaum schläft (»Hirn hap’ly slumbering on the Norway foam«). Es ist paradox, daß die Legende zum ersten Male erwähnt wird, um geleugnet zu werden. Im Buch der Tiere von Al-Yahiz, einem muselmanischen Zoologen des 9. Jahrhunderts, steht zu lesen: »Was den Zaratan betrifft, so habe ich niemals gehört, daß jemand versichert habe, er hätte ihn mit seinen eigenen Augen gesehen. Einige Seefahrer behaupten, daß sie sich gewissen Meeresinsein genähert hätten, auf denen es Wälder und Täler und Klüfte gab, und daß sie daselbst ein großes Feuer angezündet hätten; und als das Feuer bis zum Rücken des Zaratan gedrungen sei, habe dieser begonnen fortzugleiten (über das Wasser) mit ihnen (darauf) und mit allen Pflanzen, die auf ihm wuchsen, so daß nur der, dem es gelang zu entfliehen, sich retten konnte. Diese Geschichte übertrifft selbst die phantasiereichsten und kühnsten Erzählungen.« Untersuchen wir nun einen Bericht aus dem 13. Jahrhun-

* Wir glaubten, er (der Wal) sei eine kleine Insel. - AdÜ

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dcrt. Der Kosmograph Al-Qazwini schrieb in seinem Werk Wunder der Schöpfung·. »Was die Meeresschildkröte betrifft, so ist sie von solch ungeheuerlicher Größe, daß die Besatzungen der Schiffe sie für eine Insel halten. Einer der seefahrenden Handelsleute hat berichtet: >Wir entdeckten im Meer eine Insel mit grünen Pflanzen, die aus dem Wasser ragte, und wir landeten dort und gruben Löcher in die Erde, um unsere Speisen zu kochen, und die Insel bewegte sich, und die Seeleute sagten: Kehret um, denn es ist eine Schildkröte, und die Hitze des Feuers hat sie geweckt, und sie kann unseren Tod bedeutens« In der Seefahrt des heiligen Brendan wiederholt sich die Geschichte: ». .. und dann fuhren sie über das Meer und gelangten zu jener Erde, aber da das Wasser an manchen Stellen sehr seicht war und es an anderen große Felsen gab, landeten sie auf einer Insel, die ihnen ungefährlich schien, und sie machten ein Feuer, um ihr Abendessen zu kochen, aber der heilige Brendan blieb auf dem Schiff. Und als das Feuer heiß war und das Fleisch eben zu braten anfing, begann die Insel sich zu bewegen, und die Mönche erschraken zutiefst und flohen zum Schiff und ließen das Feuer und das Fleisch im Stich und staunten über die Bewegung. Und der heilige Brendan tröstete sie und sagte ihnen, es sei dies ein großer Fisch, Jasconye genannt, der Tag und Nacht versuche, sich in den Schwanz zu beißen, aber so lang sei, daß er es nicht könne.« Im angelsächsischen Bestiarium des Kodex von Exeter ist die gefährlichste Insel ein Wal, >im Bösen gewitzigt«, der die Mensehen absichdich täuscht. Diese lassen sich auf seinem Rücken nieder, um von den Mühen der Seefahrt auszuruhen; plötzlich taucht der Meereswirt unter, und die Seeleute ertrinken. Im griechischen Bestiarium soll der Wal * die Dirne aus dem Buch der Sprüche Salomons bedeuten (»Ihre Füße laufen zum Tod hinunter, ihre Gänge erlangen die Hölle.« 5: 5); im angelsäch­ 138

sischen den Teufel und das Böse. Diesen symbolischen Gehalt sollte er auch im Moby Dick bewahren, der zehn Jahrhunderte später geschrieben wurde.

* Im Griechischen ist der Wal, phalaina, weiblich, desgleichen die aus diesem Wort abgeleiteten romanischen Wale: lateinisch balaena, spanisch ballena, französisch baleine etc. ‫ ־‬AdÜ

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Anhang

Editorische Notiz Die erste Ausgabe dieses Buchs erschien 1957 in Mexiko als Manual de zoologia fantdstica und enthielt 82 Artikel. Die darauf basierende deutsche Ausgabe Einhorn, Sphinx und Salamander Ein Handbuch der phantastischen Zoologie erschien 1964. 1967 veröffentlichten Jorge Luis Borges und Margarita Guerrero in Buenos Aires eine erweiterte Neuausgabe, El libro de los seres imaginarios; das Buch enthielt 116 Artikel und wurde 1979 in die einbändige Gesamtausgabe Borges, Obras completas en colaboraciön, aufgenommen. Die vorliegende deutsche Ausgabe im Rahmen der Gesammelten Werke beruht auf dem Text der einbändigen Gesamtausgabe. Soweit es nötig war, wurden die 1964 veröffentlichten Übersetzungen überarbeitet; die seither vorgenommenen Ergänzungen wurden erstmalig übersetzt. 1969 veröffentlichten Borges und sein amerikanischer Übersetzer Norman Thomas di Giovanni eine abermals erweiterte englischsprachige Ausgabe, The Book of Lmaginary Beings. Neu aufgenommen wurden vier Texte, die für diese deutsche Ausgäbe aus dem amerikanischen Englisch übersetzt wurden, in dem Borges und di Giovanni sie verfaßten. Es handelt sich um die Artikel Ein Bericht über Dinge, die Mrs. Jane Lead aus London im Jahre 1694 erfuhr, sah und antraf; Chilenische Fauna; Der Karfunkel; Laudatores Temporis Acti. Ergänzt wurde Die kettenbehaftete Sau um einige Passagen und andere argentinische Fauna; diese Ergänzung wurde ebenfalls übernommen. Sonstige von Borges und di Giovanni für die englischsprachige Ausgabe vorgenommene Änderungen wurden nicht berücksichtigt; bei diesen handelt es sich in der Regel um ausfuhrliehe Zitate englischer Autoren (z. B. Shakespeare, Tennyson), die in der argentinischen Ausgabe lediglich paraphrasiert wurden. Die vorliegende Ausgabe folgt dem argentinischen Original. In vielen Fällen war eine Überprüfung der von Borges zitierten bzw. paraphrasierten Stellen nicht möglich, so bei Verwei­

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sen ohne genauere Angaben. Hier unterblieb etwa der Versuch, einen einzigen Satz in der vierzehnbändigen Gesamtausgabe der Werke von Thomas de Quincey ausfindig zu machen. In anderen Fällen (z. B. Der Chinesische Fuchs) konnten NachPrüfungen nicht unternommen werden, da Borges keinerlei Quellen nennt. (Schriften des für diesen Artikel nur in der englischsprachigen Ausgabe genannten Niu Chao waren in den konsultierten Bibliotheken nicht vorhanden.) Quellenforschung unterblieb desgleichen bei unauffindbaren Anthologien oder in der Bundesrepublik nicht einsehbaren spanischen bzw. südamerikanischen Übersetzungen orientalischer Autoren. Dort, wo Borges auf eine bestimmte spanische Übersetzung verweist, wurde in der Regel der Verweis ausgelassen und die vorhandene deutsche Übersetzung entsprechend zitiert; dies geschah z. B. im Artikel Der Basilisk, in dem Borges eine längere Passage aus Lucans Pharsalia in der spanischen Übersetzung von Jauregui zitiert. Nachprüfbare Verweise wurden nachgeprüft und, wo dies nötig war, abgeändert. Borges zitiert z. B. Plinius, Historia naturalis, mit Buch und Kapitel. In den verschiedenen wissenschaftlichen Ausgaben sind jedoch die (nicht von Plinius stammenden) Kapiteleinteilungen unterschiedlich. Alle eingesehenen Ausgaben stimmen in der Zählung der Paragraphen überein; daher wurden die Verweise zu Buch plus Paragraph statt Buch plus Kapitel abgeändert. Im Fall Der Basilisk wurde soz. B. VIII, 33 zu VIII, 78 f. Eine besondere Schwierigkeit ergab sich im Fall des mehrfach zitierten Marco Polo. Hier liegt bis heute überhaupt keine akzeptierte Standardausgabe vor; die Einteilung der Kapitel variiert von Herausgeber zu Herausgeber. Da die von Borges benutzte Ausgabe nicht eindeutig identifizierbar und jedenfalls im deutschen Sprachraum nicht einsehbar ist, wurden hier die Quellenangaben der Originalausgabe fortgelassen. Die argentinische Ausgabe ist alphabetisch geordnet; die deutsche folgt diesem Prinzip, und zwar nach den Anfangs­ ‘44

buchstaben 1. der Substantive (Chilenische Fauna unter F), 2. der Adjektive (Chilenische Fauna vor Chinesische Fauna). Da die Abfolge dem deutschen Alphabet gehorcht, treten unvermeidliche Änderungen der inneren Abfolge des Originals auf. So informiert Borges im jeweils ersten von mehreren Artikeln über einen für diese wichtigen Autor. In der vorliegenden Ausgabe findet sich z. B. Swedenborgs Dämonen vor Swedenborgs Engel unter S; im Original steht letzteres unter A (Los dngeles de S.) und enthält Informationen über Swedenborg, die beim späteren Artikel unter D (Los demonios de S.) vorausgesetzt werden. Dieser innere Zusammenhang konnte wegen der Maßgaben des Alphabets nicht gewahrt werden. Die Schreibweise griechischer Namen, die im Original teils in der lateinischen, teils in der griechischen Form auftauchen, wurden einheitlich griechisch gehalten: Herakles, Artemis, Selene statt Herkules, Diana, Luna; bei bekannten Namen wurde die eingebürgerte deutsche Form (Herodot statt Herodotos) beibehalten. Im Text sind Ergänzungen und Fußnoten des Übersetzers durch eckige Klammem bzw. AdÜ gekennzeichnet; nicht gekennzeichnete Fußnoten und Einschübe in runden Klammern stammen von Borges.

Soweit nicht anders vermerkt, wurden für die Zitate folgende ÜbersetZungen benutzt: Der Babylonische Talmud, deutsch von Lazarus Goldschmidt Homer, Odyssee und Ilias, deutsch von Johann Heinrich Voß Marcus Annaeus Lucanus, Pharsalia, deutsch von Julius Krais Lodovico Ariosto, Der rasende Roland, deutsch von Otto Gildemeister Gilgamesch-Epos, deutsch von Georg Burckhardt Gustave Flaubert, Die Versuchung des heiligen Antonius, deutsch von Hermann Lismann. Der Abdruck der Zitate aus C. S. Lewis' Perelandra, übersetzt von Emst Sander, erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags jakob Hegner, Köln und Olten.

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Anmerkungen »It is a very sad thing that nowadays there is so little useless Information.« Oscar Wilde Die folgenden Anmerkungen zu einigen Artikeln sind gedacht als Hilfe zur Lektüre, nicht als »wissenschaftlicher« Apparat. Eine erschöpfende Kommentierung würde infolge der Vielzahl der von Borges zitierten Quellen und Autoren den Umfang des Buchs verdoppeln. Es wird daher angenommen, daß z. B. Shakespeare, Dante, Paracelsus, Plutarch oder Tacitus dem Leser ausreichend vertraut sind und keiner weiteren Erläuterung bedürfen. Unkommentiert bleiben in der Regel ferner Autoren und Werke, die im Text bereits kurz erläutert werden. Wo es angebracht erschien, wurden zusätzliche Informationen (z. B. über die englischsprachige Ausgabe dieses Buchs, über Verbindungen zu anderen Werken von Borges oder über wichtige weitere Ungeheuer) aufgefuhrt. Einige Werke werden von Borges häufig als Quellen erwähnt; im folgenden sind die wichtigsten aufgefuhrt, auf die in den Anmerkungen nicht näher eingegangen wird:

Claudius Aelianus od. Klaudios Ailianos (ca. 170-335), Über die Eigenart von Tieren‫׳‬, Sir Thomas Browne (1605-1682), Pseudodoxia Epidemica; Gustave Flaubert (1821-1880), La tentation de Saint Antoine; Herodotos aus Halikarnassos (ca. 484-430 v. Chr.), Historien; Hesiodos aus Askra (fijj. Jh. v. Chr.), Theogonia; Homeros (8. Jh. v. Chr. ?), Ilias; Odyssee; Gaius Plinius Secundus (23-79), Historia naturalis; Marco Polo (1254-1324), II Milione (»Reisen«); al-Qazwini (ca. 1203-1283), Diz Wunder der Schöpfung; Strabon aus Amaseia (ca. 64 v. Chr.-20 n. Chr.), Geographika.

Hinzu kommen vor allem die Märchen aus Tausendundeiner Nacht in zwei Ausgaben mit den jeweiligen Fußnoten, und zwar die Übertragungen von Edward William Lane (1801-1876) und Richard Francis Burton (1821-1890); vgl. hierzu Borges, Die Übersetzer der Märchen non Tausendundeiner Nacht in Essays 1932-1936, Band 5/1 dieser Ausgabe.

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Der schreckliche Acheron Visio Tundali oder Tungdali, entstanden um 1150, verfaßt in lateinischer Prosa von einem Mönch namens Marcus; später mittelhochdeutsche, lateinische etc. Versfassungen, hier vor allem erwähnenswert die des Mönchs Alber(us) von ca. 1190 in bairischer Mundart. Pharsalia (auch: Bellum civile), Epos in Hexametern von Marcus Annaeus Lucanus (39-65) über die wichtigste Phase des Bürgerkriegs zwischen Pompeius und Caesar. Lucanus war ein Neffe Senecas und wurde 65 von Nero zum Selbstmord gezwungen; das Epos blieb unvollendet.

Die Amphisbaena zu Pharsalia vg\. vorstehende Anm.; Borges zitiert hier wie in Der Basilisk (s.u.) aus der spanischen Übersetzung von Jauregui, hier zitiert nach der deutschen Übersetzung von Julius Krais. - Brunetto Latini (ca. 1220-1294) verfaßte zwischen 1262 und 1268 in Paris eine dreibändige Enzyklopädie des Wissens, Li Livres dou Tresor. Übersetzungen ins Italienische, Lateinische und Französische folgten später. Im 15. Gesang des Inferno bittet Brunetto Latini Dante, der ihn als Lehrer betrachtet: »Mein Tesoro sei dir empfohlen, in dem ich noch immer lebe, mehr wünsche ich nicht.« >Doppelläuferindoble andadorai.

Baldanders Im Original steht der Titel in Deutsch und ist ergänzt durch eine hier ausgelassene Übersetzung in Klammern (»Ya diferente« oder »Ya otro«); die Simplicissimus-7.itzle im Text stehen in Spanisch. - Borges übersetzt >Hafen< (lt. Duden Bd. 3, S. 1117 »(südd., Schweiz., österr.) großes [irdenes] Gefäß; Schüssel, Topf«) mit >jarroBasilicock< findet sich in The Persones Tale; dort heißt es in § 76 über die

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ίΐίηΓ Finger der zweiten Hand des Teufels, mit denen dieser die Mensehen zu den diversen Sünden verlocke: »Der erste Finger ist das närrische Trachten der närrischen Frau und des närrischen Mannes, welches tötet, gleich wie der Basilisk (basilicok) die Leute durch das Gift seines Blicks tötet; denn die Begierde der Augen folgt der Begierde des Herzens.« - Ulisse Aldrovandi (1522-1605), italienischer Naturwissenschaftler und Arzt, lehrte Botanik und Naturgeschichte an der Universität Bologna, begründete dort den Botanischen Garten (1568) und ein Museum für Naturgeschichte. Seine vierzehnbändige Naturgeschichte erschien ab 1599, die letzten sieben Bände erst nach seinem Tod, - FranciscodeQuevedoy Villegas (1580-1645),einerderbedeutendstenspanisehen Schriftsteller und Gelehrten; verfaßte Gedichte, Festschriften, Satiren, den Schelmenroman Leben des Buscon, Literaturkritik, Politisehe Schriften, philosophische und asketische Schriften, Polemiken, Übersetzungen etc.

Der Behemoth Fray Luis de Leon (1527-1591), spanischer Schriftsteller und Mystiker, Professor an der Universität Salamanca, Augustiner. Verfaßte Bibelkommentare und -auslegungen (die ihn 1572-1576 ins Gefängnis brachten), Prosawerke und Lyrik.

Ein Bericht über Dinge, die Mrs. Jane Lead . . . vgl. hierzu Fußnote zu Der Golem‫׳‬, zum )Festmahl der Harpyien< vgl. Die Harpyien‫׳‬, entnommen der englischsprachigen Ausgabe dieses Buches.

Der Bodendrücker Im Original als »Aplanador o Apisonador (Bodendrücker) «.‫׳‬, nähere Informationen über Jakob Lorber waren in den einschlägigen Werken nicht zu finden.

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Das Borametz andere Schreibweise: Barometz.

Chumbaba Die Zitate aus Burckhardts Übersetzung Enden sich im Original in Spanisch; für die deutsche Ausgabe wurde zitiert nach der GilgameschAusgabe Wiesbaden 1952.

Der Doppelgänger Im Original >E1 Doble«; der Artikel enthält dort den Verweis auf den deutschen >Doppel-Gaenger< zu Beginn des auf Schottland verweisenden Satzes. Der Verweis wurde hier ausgelassen. - In Stevensons Ballade gewährt ein Schotte unwissend dem Mörder seines Bruders Obdach und Gastrecht. Dreimal erscheint nachts der Tote seinem Bruder und fordert Rache, die der Bruder nicht üben darf, weil er sein Wort als Gastgeber verpfändet hat. Schließlich prophezeit der Tote, sein Bruder werde sich dereinst vor seinen Vätern verantworten müssen, und er werde sterben, sobald er den Namen Ticonderoga höre. Jahre später dient der Schotte als Hauptmann in einem englischen Regiment in Nordamerika. Am Vorabend einer Schlacht gegen Franzosen und Indianer erscheint er sich selbst und erfährt von seinem Zweiten Ich, der Schauplatz der Schlacht, den die Franzosen Sault-Marie nennen, habe früher bei den Indianern Ticonderoga geheißen. Er fällt am Morgen als einer der ersten. - Die Schlacht fand statt im Juli 1758 im Rahmen der britisch-französischen Auseinandersetzung um Nordamerika; Robert Louis Stevenson, Verfasser von Romanen [Die Schatzinsel), Erzählungen, Essays und Gedichten, lebte 1850-1894.

Der chinesische Drache Sseu-Ma Ch’ien (Ssu-Ma Ts’ien o.ä.): chinesischer Autor (ca. 2. bis 1. Jh. v. Chr.), vollendete das von seinem Vater, dem Hofastrologen Ssu-Ma T’an begonnene Geschichtswerk Shi-chi (Aufzeichnungen des Historikers), das die Geschichte Chinas von den mythischen Anfängen

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bis zur Lebenszeit des Autors behandelt; gelegentlich als >Herodot Chinas< bezeichnet. - Konfuzius bzw. Kung-tse oder Kung Fu-tse (551479‫)־‬, Philosoph, Begründer der bis ins 20. Jahrhundert gültigen chinesischen Staatsphilosophie; gilt als Kompilator und Herausgeber der wichtigsten klassischen Bücher der chinesischen Literatur und Philosophie, gesammelt unter dem (europäischen) Titel Analekten. - Lao-tse (Lao-tzu, Lao-tan): Philosoph (ca. 571-490), verfaßte wahrscheinlich das Tao-te ching (Buch vom Weg und seiner Kraft), eine Sammlung von Sinnsprüchen, aus denen sich später der Taoismus entwickelte; im Gegensatz zur konfuzianischen Staatsphilosophie ist Abkehr von der Welt Kern dieser Lehre. - Tschuang-tse (Chuang Chou, Chuang-tsu): taoistischer Philosoph (365-290), wichtigster, gelegentlich zynischer Nachfolger von Lao-tse.

Das Einhorn The Faerie Queene: allegorisch-phantastisches Versepos von Edmund Spenser (1552-1599), in dem Elizabeth I. als Feenkönigin Gloriana, Leicester als König Artus sowie andere Figuren die christlichen Kardinaltugenden verkörpern und allegorische Abenteuer erleben; unvollendet. - Phjsiologus Graecus: griechisches Volksbuch, zusammengetragen vermutlich schon um 200, im Mittelalter in verschiedenen Ausfiihrungen verbreitet; enthält Geschichten verschiedenster Herkunft über wirkliche und phantastische Tiere, Bäume und Steine.

Die Elfen Im Original findet sich das deutsche Wort >AlpAlbToad< wurde gewählt, um die folgende Verbindung zur Schildkröte (!Turtle«) nicht allzu offensichtlich zu machen.

Chinesische Fauna Tai-p’ing Kuang-tschi (Erweiterte Aufzeichnungen aus der Regierungsperiode T’ai-p’ing)·. chinesische Enzyklopädie in 500 Kapiteln, beendet 978, schöpft vorwiegend aus der Mirabilienliteratur und religiösen Texten und ist weniger historisch als vielmehr literarisch bedeutend, da große Teile der späteren chinesischen Prosaliteratur diese Enzyklopädie als

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Quellenmaterial verwandten und die Novellistik der Zeit 200-900 ohne das Tai-p’ing Kuang-tschi vermudich verlorengegangen wäre. Das Werk enthält Kapitel wie »Füchse«, »Schlangen«, »Kleingetier«, »BarbarenVölker« etc. An dieser Stelle sei auf zwei weitere Ungeheuer des unerschöpflichen asiatischen Raums hingewiesen. Das erste trieb sich dem Vernehmen nach in der Mongolei herum. In Kapitel 26 seines Buchs Großer-Tiger und Christian (vorher: In geheimer Mission durch die Wüste Gobi, Freiburg ’95° f)> berichtet Fritz Mühlenweg über den Vier-nicht-gleich; dieser »war ein Hirsch; aber er war doch kein Hirsch, obwohl er ein Geweih trug. Er hatte Füße wie ein Rind, Haare wie ein Maultier und den Schwanz eines Esels. Darum nannte man ihn den Vier-nicht-gleich.« Der weitgereiste Mongole Nicht-gibt-es-nicht, der das Tier gesehen hatte, habe es als »ein schreckliches Vieh mit traurigen Augen« bezeichnet; als Begründung für die traurigen Augen wird angegeben: »Es ahnte wohl, daß es aussterben würde.« Dem Buch The Wonderful World of Netsuke von Raymond Bushell (Rutland, Vermont & Tokyo, Japan 1964) ist ein hilfreiches Monstrum zu entnehmen, das vor allem Borges als Verfasser des Buchs der Träume (Band 7 dieser Ausgabe) interessieren könnte. Es handelt sich um Baku, ein imaginäres, elefantenähnliches Tier, das eines äußerst barmherzigen Amtes waltet: Baku ißt Albträume. Um sich seiner Dienste zu versichern, schreibe man seinen Namen auf ein Stück Papier und lege dieses zur Nacht unter das Kopfkissen. Da Baku sich ansonsten von Fels und Eisen nährt, bieten Albträume seinem Verdauungsapparat kaum Probleme. Allerdings, heißt es in diesem Buch weiter, seien manche Träume so gräßlich, daß selbst die besten Freunde des von derlei Alben geplagten Menschen heimlich sagen: »Nicht einmal ein Baku würde das essen.«

Fauna der Vereinigten Staaten Die meisten dieser Tiere sind mühsam übersetzbar, einige dagegen (Goofang, Goofus Bird, Gillygaloo) überhaupt nicht. Der Hidebehind - etwa: Rücklingsverstecker - ist zweifellos mit einer bestimmten Art von Hu-jahs verwandt, und zwar den durch Gin ausgelösten, welche australische Trinker im Delirium sehen: auch diese schleichen sich immer von hinten an, und man sieht sie höchstens aus den Augenwin-

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kein. (Vgl. A. W. Upfield, Der streitbare Prophet, München 1960 f.) - Im Roperite sind rope, das Seil, und rite/right, richtig, enthalten; das Tier kann also korrekt mit seinem seilförmigen Schnabel umgehen. - Der Teakettler ist ein Teekessler. - Der Axehandle Hound, Axtstielköter, erklärt das Verschwinden von Axtstielen in Holzfallerlagem. - Die Upland Trouts, etwa Festlandforellen, die wasserscheu sind, und der rückwärts schwimmende Goofang haben sich vermutlich zu Beginn dieses Jahrhunderts in einem nicht näher zu ermittelnden Medium vereinigt und einen Vogel gezeugt, der in einem der bizarren Filme des grimmigen amerikanischen Komikers W. C. Fields (18801946‫ )־‬erwähnt wird; dieser Vogel lebt in der Wüste und fliegt rückwärts, damit er keinen Sand in die Augen bekommt. - Das Pinnacle Grouse oder Gipfel-Waldhuhn ist sicher nicht böse, wenn es, unter Umgehung der Ornithologie, als Gipfelschnepfe zur Einbürgerung vorgeschlagen wird.

Die Gnomen In anderer Bedeutung existierte das Wort allerdings schon vor Paracelsus. Das Handwörterbuch der griechischen Sprache von Franz Passow (Leipzig 1831) fuhrt unter gnömön u.a. folgende Bedeutungen auf: Kenner, Beurteiler, Schiedsrichter; Zeiger der Sonnenuhr; Kennzahn, an dem man das Alter der Pferde erkennt; Richtschnur, Maßstab.

Der Golem Zu diesem Thema, das Borges in verschiedenen Formen immer wieder behandelt hat, vgl. u. a. Die kreisförmigen Ruinen in Borges, Erzählungen 1 (Band 3/I dieser Ausgabe) und das Gedicht Der Colem in Cedichte 1923· 1967, Band 1 dieser Ausgabe.

Der Greif Mandeville’s Travels: vermutlich ursprünglich französischer phantastischer Reisebericht von ca. 1360; ein angeblich 1322 geborener, 1372 gestorbener Sir John bzw. Jean de Mandeville verfaßte unter Benutzung authentischer Werke eine abenteuerliche autobiographische Rei­

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sebeschreibung, die sich später - dank der benutzten Vorlagen - als Taktisch einigermaßen exakt erwies, abgesehen von autobiographischen Teilen und phantastischen Episoden (Phönix, Priester Johannes etc.). Das Buch war zu Beginn der Neuzeit weit verbreitet und ungemein populär. - Isidor von Sevilla: Bischof und Enzyklopädist (ca. 570-636); seine Etymologiae, auch Origines (Ursprünge), eine enzyklopädische Zusammenstellung des gesamten antiken Wissens, blieben unvollendet und wurden nach Isidors Tod in 20 Bücher eingeteilt und veröffentlicht; das Werk war eine der wichtigsten Wissensquellen des Mittelalters.

Haniel, Kafziel, Azriel und Aniel ζρΙιατ bzw. Sohar: anonymes Hauptwerk der Kabbala, bekannt seit dem 13. Jh., zusammengestellt angeblich bereits im 2.Jh. Wichtigster Teil des Z.°har ist ein oft symbolisch deutender PentatmA-Kommentar, aus dem sich kabbalistische Theorien und mystische Spekulationen entwickeln. - Sepher Yetsirah bzw. Sefer Jezira (Buch der Schöpfung): anonymes Werk der Kabbala, entstanden zwischen dem 3. und 6. Jh., enthält den Kern der kabbalistischen Zahlen- und Buchstabenmystik, derzufolge die Welt durch die 22 Buchstaben und die 10 ZilTern geschaffen wurde. Für Borges’ Denken und Werk von großer Bedeutung; vgl. hierzu etwa Eine Ehrenrettung der Kabbala in Essays 1932-1936 (Band 5/1 dieser Ausgabe) sowie Die Lotterie in Babylon und Die Bibliothek von Babel in Erzählungen I (Band 3/I dieser Ausgabe).

Die Harpyien Im Original lautet die Folge der Göttinnen gegen Ende des ersten Absatzes Hekate, Proserpina, Diana, Luna; die Gräzisierung der Namen wurde vorgenommen, da Hekate griechischen Ursprungs ist, und ohne Ansehung der Tatsache, daß Vergil und sein Kommentator Servius Lateinisch schrieben; vgl. hierzu vorstehende Editorische Notiz. Apollonios Rhodios (ca. 295-215), war eine Zeitlang Leiter der Bibliothek von Alexandria, gründete später auf Rhodos eine eigene Schule; verfaßte das Epos Argonautika, die erste Gesamtbearbeitung des Argonautenstoffs. Nach Meinung der antiken wie neueren Kritik ist das

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Epos in der Detailbeschreibung und zahllosen Episoden glänzend, als kompositorische Gesamtleistung verworren und mißglückt. - William Morris (1834-1896), englischer Dichter, verfaßte umfangreiche VerserZählungen; The Lift and Death of Jason (Leben und Tod Jasons) erschien 1867. Morris’ Hauptwerk war das 43 000 Verse umfassende Epos The Earthly Paradise, erschienen 1868-1870, das sehr erfolgreich war und innerhalb der ersten fünfJahre sieben Auflagen erlebte; Oscar Wilde schätzte die romantisch-melancholischen Dichtungen von Morris sehr.

Der Hippogryph Zu Lodovico Ariosto (1474-1533) und dem Hippogryph vgl. das Gedicht Ariost und die Araber in Borges und ich, Band 6 dieser Ausgabe.

Die Lernäische Hydra Diodoros aus Agyrion (1. Jh. v. Chr.), Historiograph, verfaßte die Historische Bibliothek. - Apollodoros aus Athen (2. Jh. v. Chr.), Gelehrter, verfaßte ein Werk Über die Götter. Die von Borges zitierte Bibliothek des Apollodoros stammt vermutlich nicht von ihm, sondern von einem späteren griechischen Gelehrten gleichen Namens; hierbei handelt es sich um eine Sammlung antiker Mythen.

Ichthyokentauren Lykophron aus Chalkis (2. Jh. v. Chr.), verfaßte vermutlich Alexandra, ein dramatisches Werk in jambischen Trimetern über die düsteren Prophezeiungen der Kassandra, den Untergang Trojas und die Folgen. - Claudianus Mamertus (?-474), verfaßte De statu animae (Über das Wesen der Seele). - Ioannes Tzetzes (12. Jh.), verfaßte u.a. Homerkommentare, die sich durch rationale Deutung der Götternamen und -sagen sowie durch die Verwendung und damit Bewahrung antiker Homerkommentare auszeichnen.

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Der Karfunkel Entnommen der englischsprachigen Ausgabe dieses Buchs; Martin del Barco Centenera (1544-1605) veröffentliche 160a das Versepos La Argentinay conquista del Rio de la Plata (Argentinien und die Eroberung des Rio de la Plata) über die langwierigen und blutigen Kämpfe zwischen Spaniem und Indianern, die er selbst miterlebt hatte; bedeutend wohl nur insofern, als Barco Centenera in seinem Epos den großen Fluß immer wieder >silbern< oder >der Silberne * (>argentinoLemuria< bzw. >Lemuralia< bereits eine Spätform des Worts; ursprünglich seien die zu Ehren des getöteten Remus abgehaltenen Feste nach diesem benannt gewesen: Remuralia.

Die Mandragora Neben den von Borges zitierten Autoren ist vor allem erwähnenswert ein Buch esoterischer Studien und Variationen über die Mandragora im Lauf der Zeiten, La Mandragore magique, verfaßt von Gustave Le Rouge (1867-1938), einem Autor phantastischer Romane, den Blaise

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Cendrars ausreichend bewunderte, um aus Le Rouges Texten Prosazeilen zu nehmen, diese als Gedichte in Zeilen zu schreiben und unter seinem Namen zu veröffentlichen - nicht, um geistigen Diebstahl zu begehen, sondern um anhand der positiven Rezeption des Publikums und der Kritik Le Rouge, der nicht viel von sich selbst hielt, davon zu überzeugen, daß er ein Dichter sei.

Der Martichoras Dies ist vermutlich die älteste Version des Namens, der durch AbSchreibfehler nach und nach zu >Der Mantichora! wurde; Borges hat >E1 Manticora«.

Der Mondhase Leopoldo Lugones (1874-1938), argentinischer Dichter, Schriftsteller und Kritiker; beeinflußte vor allem denjungen Borges stark (vgl. hierzu An Leopoldo Lugones in Borges und ich, Band 6 dieser Ausgabe, und Anm. dazu), Lunario sentimental (etwa: Empfindsames Mondbuch bzw. Mondkalender) ist der Titel eines Gedichtbandes von Lugones.

Die Monokel Luis de Göngora y Argote (1561-1627), bedeutender spanischer Dichter, zu Beginn des Jahrhunderts wiederentdeckt von den Lyrikern um Garcia Lorca, die er durch seine metaphorische Sprache stark beeinflußte. - Marcus Fabius Quintilianus (?-96), römischer Redner und Autor, verfaßte das berühmte rhetorische Lehrwerk Institutiones oratoriae (Schule der Beredsamkeit).

Die Nagas Der chinesische Reisende und Pilger Fa Hsien (4-/5· Jh.) verfaßte das Werk Fo-kuo chi (Bericht über die buddhistischen Lander).

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Die Nisnas Andere Schreibweisen: Nesnas, Nasnas; die Blemmyer oder Blemyer entstammen der mittelalterlichen Ikonographie; mit ihnen und anderen merkwürdigen Volkschaften (Einflißem etc.) pflegten die damaligen Kartographen die terrae incognitae zu bevölkern. Der Name leitet sich her von einem antiken afrikanischen Stamm, der gelegentlich das südliche Ägypten mit Raubzügen verheerte.

Der Ouroboros vgl. hierzu die Artikel Fastitokalon und Der ζαταΐαη.

Der Peritius In der englischsprachigen Ausgabe ist zu lesen, das Buch des Rabbiners sei in der Universität Dresden verbrannt.

Der chinesische Phönix Wang Ch’ung (Wang Tschung), chinesischer Philosoph (27-100); Hauptwerk: Lun-heng (Abwägung der Lehrmeinungen). Wang Ch’ung war ein skeptischer Konfuzianer, der die Vorbildlichkeit der alten Autoritäten anzweifelte und deren moralische Postulate logisch und empirisch anging. Seine entmythologisierende Philosophie wurde von der konfuzianischen Staatsdoktrin und ihren Vertretern kaum beachtet und erst zu Beginn des 20. Jh.s anerkannt.

Remora Diego de Saavedra Fajardo (1584-1648), spanischer Schriftsteller und Diplomat, glänzender Stilist; verfaßte politische, philosophische und moralische Schriften.

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Die kettenbehaftete Sau und andere argentinische Fauna Die beiden letzten Absätze des Textes sind der englischsprachigen Ausgabe dieses Buchs entnommen.

Der Simurgh Zum Mantiq al-tayr und den Möglichkeiten, den Simurgh-Stoff auszudeuten, vgl. die von Borges als Essay ausgegebene Erzählung Der Weg Zu Almotdsim in Essays 1932-11)36, Band 5/I dieser Ausgabe.

Der Sohn des Leviathan La legende doree, Legenda aurea: Zusammenstellung von Heiligenlegenden, vor allem Anekdoten über deren Tugenden, Wundertaten und Martyrien, des Dominikaners und späteren Erzbischofs von Genua, Jacobus de Voragine (ca. 1230-1298).

Die Sphinx Im archäologischen Sprachgebrauch wird die ägyptische Variante Der Sphinx genannt, angedeutet von Borges durch den Verweis aufHerodots Andro(Mann-)sphinx. Da Borges im Original auf die Möglichkeit, >el esfinge« statt >la esfinge« zu schreiben, verzichtet, wurde auch in der Übersetzung davon abgesehen.

Spiegelwesen In der englischsprachigen Ausgabe dieses Buchs ist der Name des Jesuiten Pater Fontecchio; das Todesdatum ist identisch. Die einzige zur Zeit einsehbare Ausgabe der Lellres edifiantes et cvrieuses sur la Chine (Paris 1979, Garnier-Flammarion) enthält keinen der beiden Namen.

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Swedenborgs Dämonen und Swedenborgs Engel vgl. hierzu Borges’ Vortrag Emanuel Swedenborg in Essays 1952-1979, Band 5/II dieser Ausgabe.

Talos Zu Condillacs Statue vgl. Artikel %wei metaphysische Wesen.

Der Zaratan vgl. hierzu Artikel Fastitokalon und Der Ouroboros.

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Burak, Squonk und Zaratan Zum Stellenwert des Imaginären in der phantastischen Zoologie von Jorge Luis Borges In einer frühen Einleitung zu seinem Buch hat Borges auf eine gewisse Armut der kombinatorischen Phantasie verwiesen. Keineswegs könne der zoologische Garten der Mythologie in einem Vergleich mit dem Reichtum der Tierwelt Gottes bestehen. Auch die nachmythologischen Erfindungen der Schriftsteiler hielten sich in den Grenzen des Überdrusses und des Widerwillens, die der Möglichkeit prinzipiell unendlicher Verbindungen von Elementen wirklicher Wesen gesetzt seien. Die Kombination von Eigenschaften verschiedener Tiere, von Merkmalen der verschiedenen Ordnungen (Anthropologie, Zoologie, Botanik, Mechanik etc.), von Bestimmungen der verschiedenen Reiche der Engel, der Tiere und der Dämonen geschehe immer nach einem einfältigen Muster und nur wenige Neuerungen wären in der Lage, die Phantasie der Leser dauernd zu fesseln. Dieser Tadel der »reproduktiven Einbildungskraft«, der seit Kants Tagen nicht eben selten wiederholt und durch verstreute Erläuterungen im Text von Borges selbst mehrfach verstärkt wird, steht in einem auffallenden Kontrast zu den Mühseligkeiten, die das Durchmustern einiger tausend Bücher, Handbüeher, Enzyklopädien in vielen Bibliotheken der Welt bereitet haben muß. Erst recht die lakonische Diktion, in der das Seitsamste beschrieben wird, und die lapidare Nicht-Hermeneutik, in der das ganze Buch verfaßt ist, lassen den Verdacht zu, daß es überhaupt nicht um das getadelte Vermögen der Phantasie geht, sondern um eine eher verheimlichte Erfahrung der Menschheit, die sich im Imaginären maskiert niedergeschlagen hat und deshalb aus Bildern, Texten und Schriften rekonstruiert werden muß. In Anbetracht der Herkunft herrscht beson­ 163

ders in den Tag- und Nachtträumen das beredte Schweigen von einem Bruch in der Evolution, der das Verhältnis der Menschen zu den Tieren seit Anbeginn prekär machte. Auch Borges beteiligt sich durch äußerste Knappheit seiner Schilderungen am Diskurs derart verschwiegener Beredsamkeit. Hat man diese Finte durchschaut, stößt man gleich auf die nächste Ablenkung: die Ansätze zu einer systematischen Klassifikation der phantastischen Zoologie, wie Borges sie gelegentlieh unternimmt, fuhren allesamt in die Irre. Die imaginären Tiere lassen sich zwar weiterhin den vier Elementen (Feuer, Erde, Wasser, Luft), den drei Reichen (Hölle, Erde, Himmel), den Aggregatzuständen des Stoffwechsels (mineralisch, vegetativ, animalisch, human) zuordnen, aber gerade ihr Changieren zwischen den Ordnungen deutet an, daß sie zur Verwirrung der Klassifikationssysteme erfunden worden sind. Man denke an den Karfunkel-Vogel, den niemand je genau gesehen hat, oder gar an das Einhorn, das seinem Wesen nach unsichtbar ist und auf dem Wege des Jagens und Stellens eben nicht identifiziert werden kann. Das Sagenhafte der Tiere ist konstitutionell und korrespondiert mit der Metamorphose der frühen Zeit, in der die Unmöglichkeit einer fix und fertigen Gestalt als Lebenszeichen zu gelten hat. Ist man einer derart ironischen Brechung des Diskurses, der sich wissenschaftlich gibt und damit doch nur die Unmöglichkeit einer Wissenschaft vom Imaginären beweist, auf die Spur gekommen, wird durch die alphabetische Anordnung der BeSchreibungen das Verwirrspiel des Pseudo-Handbuchs noch weiter getrieben. Jetzt ergeben sich Reihungen, die fast an die Komplexität heranreichen, die Borges erklärtermaßen (vgl. Vorwort) vermeiden wollte: Hamlet, Punkt, Oberfläche, Hyperraum, Gottheit etc. ... So wird zitiert aus ägyptischen, griechischen, jüdischen, christlichen, islamischen, indischen, chinesischen und anderen Überlieferungen; aus Büchern von Flaubert, Poe, Kafka, Lewis; aus Weltbilderkosmologien, aus (hauptsächlich alten) Reiseberichten, aus Totenbüchern,

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aus visionären Erbauungsschriften; aus frühgeschichtlichen, religionswissenschaftlichen, ethnologischen und anderen Untersuchungen: immer eine entgrenzende, überraschende, fremdartige »tierische« Realität, die der unterstellten einfachen Kombinationsstruktur hohnspricht und den vorgeschlagenen Orientierungsrahmen einer Zoo-logie aufsprengt. Die nicht selten zum Lachen reizenden hyperkomplexen Gebilde der Phantasie, so auch der Burak, jener leuchtende Esel der Mohammedaner auf dem Wege zu Gott, der immer weinende Squonk der Trapper und der Zaratan, der eine Insel oder einen Anlegeplatz für verirrte Seefahrer bildet, korrespondieren mit der Angst, sei es in der Form des heißen Schreckens, sei es in der des kalten Entsetzens der Menschen, die allein schon wegen ihrer geheimnisvollen Herkunft nirgends und niemals sicher sein können. Im abgesunkenen Fundus seines Materials, gesetzt man hat sich weder abschrecken noch auf die Nebengleise der Oberiläehe entsetzt verschieben lassen, spricht Borges Klartext, die Faszination der imaginären Wesen manifestiert sich ambivalent: der Bodensatz der Einbildungskraft wirkt wie ein Schirm für die Angst-Projektion, indem er das »große Tier«, das vor dem Anfang war, als Ort des einen Lebens und des einen Todes, als Quelle der tiefsten Weisheit und des restlosen Vergessens, als das Gute und als das Böse darstellt. Der Evolutionsbruch, die Herauslösung der Menschengattung aus der Kette der natürlichen Lebewesen, spiegelt sich im Imaginären als hilfreiche, lebensnotwendige Unterstützung und als ärgste Bedrohung gleichzeitig. Diese Uneindeutigkeit des Vor-Menschlichen ist die Maske, die einer frühen unauslöschlichen Erfahrung aufgeprägt und von ihr angenommen wurde: überall ist die Rückkehr versperrt, aber dafür müssen entsetzliche und schreckliche Opfer gebracht werden; so als ob es zunächst nur die eine Aufgabe gibt: den Schoß der Geburten nicht zu verstimmen. Die Schuld, die zu erstatten ist, erscheint als der einzige Garant für das Weiterfließen der Lebensströme. Alle wichtigen Obses-

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sionen der vorgeführten phantastischen Zoologie sind somit Fratzen des Lebens und Götzen des Todes: Medusa, Phönix, Sphinx, Pan, Basilisk etc. Für eine heftigere Kontur sorgen die Helden der Mythen und Sagen: ihnen allen ist aufgetragen, den verlorenen Schatz der Weisheit aus dem Hort dieser Wächter der Herkunft zu rauben. Das Tier hat hier entsprechend der überlegenen List des Heilsbringers seine unüberbietbar schreckliche Gestalt: als Acheron, als Riesenschlange, als Drache, als Minotaurus, als Teufel etc. Auffallend ist, daß kaum ein Held aus eigener Kraft seine Aufgabe löst, sondern dies nur mit Hilfe von Zaubermitteln vermag, die die Frauen kennen. Doch bringen die Helden das Heil auch dann nur für kurze Zeit; die Rückkehr der tierischen Kraft, die den Schlüssel zum Vermögen einer uralten Erkenntnis verwahrte, ist und bleibt angesagt. Denn was für die Mythologie die Herkunft ist, ist für die Prophetien die Zukunft: auch hier führt kein Weg weiter, es sei denn durch die wundersamen Ängste, die den Menschen vom Animalischen her bereitet sind. Derartige Apokalypsen von der Wiederkehr des großen Tieres finden sich besonders in den Untergangsprophetien und den Todeslehren: vor den endgültigen Orten des Seins wimmeln sie, die tierischen Ausgeburten der Phantasie, verstellen die Richtung, weisen aber auch den Weg. Vielleicht waren die Asketen die letzten, die bei lebendigem Leibe derartigen Prüfungen ausgesetzt gewesen sind. Jedenfalls haben sie noch einmal für bare Münze nehmen müssen, was den mythischen Menschensöhnen, den Helden des Ursprungs und des Heils passiert ist: der wehe Schein der imaginären Masken des Lebens und des Todes. Eher kläglich nimmt sich der Versuch einer wissenschaftlichen Aufklärung der imaginären Tierbeziehung der Menschen aus. Die mehrere Jahrhunderte dauernden Anläufe zur bürgerliehen Anthropologie setzen in dieser Richtung die schärfsten Schnitte an, ohne daß man einen durchschneidenden Erfolg konstatieren kann: es bleibt nach gründlicher Ausgrenzung

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nichts als ein abstraktes Menschenbild, das von den Leidenschäften, den Wunden des notwendigen Untergangs nichts mehr weiß. Andererseits herrscht besonders im Umkreis der Moral des Bürgertums eine überpointierte Angst vor dem »Tierischen«. Auch damit spielt Borges. Er reflektiert drei Ebenen: den weitverbreiteten festen Glauben, daß die imaginären Wesen vorkommen; den auikommenden Zweifel daran, ob so etwas wirklich existiert; und die schließliche Gewißheit, daß es derartige Tiere nicht geben kann. Doch damit ist nur eine fruchtlose Verwechslung der Diskurse beendet. Die mühselige Arbeit von Borges erstattet sie nun zurück, die Tiere, als imaginäre. Damit wird weder die klassifikatorische Leistung der wissenschaftlichen Zoologie in der Austreibung der Fabeltiere, noch die substraktive Leistung der Anthropologie in Hinsicht der Tierfabeln bestritten, aber auf das kleine Maß reduziert, das ihr zukommt. In einem imaginären Universum ist wieder alles möglich, auch die Strenge der Unterscheidung, auch das unendliche Zusammengehören am weichen Band der Liebe und an der harten Kette des Hasses. Die einzige Bedingung, die eingehalten werden muß (und an die hält sich Borges streng), ist das Zugeständnis, daß die produktive Einbildungskraft seit Flaubert ein »Bibliotheksphänomen« ist (wie Foucault das genannt hat) und daß die phantastischen Tiere - jedenfalls vorerst - nur noch in den Raum gehören, den die Bilder, die Texte, die Schriften selbst eröffnen. Der Stellenwert des Imaginären ist einer des Spiegels der Angst, der nach den Seiten der Zukunft und der Gegenwart die immer noch ungebrochene Macht der Herkunft verstrahlt. Dietmar Kämper

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Inhalts Verzeichnis Vorwort ................................................................................... A Bao A Qu* ......................................................................... Abtu und Anet° ........................................................................ Der schreckliche Acheron ................................................... Die Amphisbaena..................................................................... Die sechsbeinigen Antilopen ................................................. Bahamut..................................................................................... Baldanders* ............................................................................ Die Banshee“............................................................................ Der Basilisk.............................................................................. Der Behemoth ....................................................................... Ein Bericht über Dinge, die Mrs. Jane Lead aus London im Jahre 1694 erfuhr, sah und an traf “ ........... Der Bodendrücker ................................................................. Das Borametz ......................................................................... Die Brownies“ ......................................................................... Der Burak ................................................................................ Die Chimaira .......................................................................... Chumbaba .............................................................................. Jüdische Dämonen“ .............................................................. Der Doppelgänger“ .............................................................. Der chinesische Drache ........................................................ Der östliche Drache“ ............................................................ Der westliche Drache ............................................................ Die Dschinn“ ......................................................................... Das Einhorn ............................................................................ Das chinesische Einhorn........................................................ Der Elefant, der die Geburt des Buddha ankündigte“ ... Die Elfen“ ................................................................................ Die Eloi und die Morlocks“ ................................................. Der dreibeinige Esel .............................................................. Fastitokalon“ .......................................................................... Chilenische Fauna“ .............................................................. 169

‫ך‬ g io 1o 12 13 14 15 16 17 19 20 22 22 23 23 24 26 26 27 28 2g 31 34 35 36 38 38 39 40 41 41

Chinesische Fauna ................................................................. Fauna der Vereinigten Staaten .......................................... Die Feen“ ................................................................................ Der Chinesische Fuchs0 ........................................................ Garuda ..................................................................................... Die Gnomen0 .......................................................................... Der Golem .............................................................................. Der Greif ................................................................................ Haniel, Kafziel, Azriel und Aniel........................................ Haokah, der Donnergott0 ................................................... Die Harpyien .......................................................................... Der Himmelshahn0 .............................................................. Der Hippogryph..................................................................... Der himmlische Hirsch.......................................................... Hochigan0 .............................................................................. Der Hundertköpfige .............................................................. Die Lernäische Hydra .......................................................... Ichthyokentauren................................................................... Von Kafka erträumtes Tier ................................................. Der Kami ................................................................................ Der Karfunkel0 ....................................................................... Der Katoblepas ..................................................................... Die Katze von Cheshire und die Katzen von Kilkenny“ ..................................................... Der Kentaur ............................................................................ Der Kerberos .......................................................................... Ein König aus Feuer und sein Pferd ................................. Der Kraken ............................................................................ Eine Kreuzung ....................................................................... Krokoten und Leukrokoten ................................................. Kronos oder Herakles............................................................ Kugelwesen* ......................................................................... Kujata“ ..................................................................................... Die Lamed Wufniks“ ............................................................ Die Landen“ ............................................................................ 170

44 46 47 48 50 51 51 53 55 57 57 58 58 60 61 61 62 63 63 64 65 66

67 67 70 71 72 73 75 75 76 77 78 78

Laudatores Temporis Acti° ................................................. Die Lemuren0 .......................................................................... Von C. S. Lewis erträumtes Reptil .................................... Von C. S. Lewis erträumtes Tier ........................................ Lilith“ ....................................................................................... Die Mandragora ................................................................... Der Martichoras..................................................................... Der Minotauros ..................................................................... Der Mondhase ....................................................................... Die Monokel ............................................................................ Die Mutter der Schildkröten ............................................... Der Myrmekoleon ................................................................ Die Nagas ................................................................................ Die Nisnas .............................................................................. Die Nornen0 ............................................................................ Die Nymphen“ ....................................................................... Der Odradek ......................................................................... Der Ouroboros ....................................................................... Der Panther ............................................................................ Der Pelikan.............................................................................. Der Peritius ............................................................................ Der Phönix .............................................................................. Der chinesische Phönix ........................................................ Von Poe erträumtes Tier ...................................................... Die Pygmäen“.......................................................................... Der Regenvogel“ ................................................................... Remora..................................................................................... Der Rock ................................................................................ Der Salamander ..................................................................... Die Satyrn“ .............................................................................. Die kettenbehaftete Sau und andere argentinische Fauna“ .......................................... Der Schattenfresser .............................................................. Die Achtfache Schlange ........................................................ Das Seepferd ............................................................................ 17!

79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 90 9> 92 93 94 94 95 97 98 99 100 102 104 106 107 107 108 109 110 114

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Der Simurgh............................................................................ Die Sirenen.............................................................................. Skylla ....................................................................................... Der Sohn des Leviathan........................................................ Die Sphinx .............................................................................. Spiegelwesen*.......................................................................... Der Squonk (Lacrimacorpus dissolvens) ........................... Swedenborgs Dämonen0 ...................................................... Swedenborgs Engel0 .............................................................. Die Sylphen0............................................................................ Talos ......................................................................................... Der T’ao-t’ieh.......................................................................... Die Tiger von Annam .......................................................... Der TintenafTe ....................................................................... Die Trolle0 .............................................................................. Das haarige Ungeheuer von La Ferte-Bernard ................ Die Wärmewesen ................................................................... Die Walküren“ ........................................................................ Zwei metaphysische Wesen* ............................................... Youwarkee“ ............................................................................ Der Zaratan ............................................................................

11g 120 122 122 123 124 125 126 127 128 128 129 130 131 131 132 *33 134 134 136 137

Anhang Editorische Notiz ................................................................... 143 Anmerkungen.......................................................................... 147 Dietmar Kämper: »Burak, Squonk und Zaratan« ......... 163

Mit ° gekennzeichnete Texte wurden für diese Ausgabe von Gisbert Haefs übersetzt bzw. ergänzt. Alle anderen Texte waren bereits in der deutschen Ausgabe von 1964 enthalten; nicht gekennzeichnete Artikel wurden übersetzt von Ulla de Herrera, mit * gekennzeichnete von Edith Aron.

»Wir haben ein Handbuch der seltsamen Geschöpfe zusammengestelh, die im Laufe der Zeit die menschliche Phantasie gezeugt hat«, sagt Borges im Vorwort. Els sind nicht weniger als 120 Phantasiewesen, die er zusammen mit Margarita Guerrero in den jahrtausendealten Vorstellungen der Mensehen entdeckt oder aufgrund seiner Lektüre erfunden hat: Vom Behemoth der Bibei, den Chimären der Griechen und den Dämonen der Juden bis zu den Drachen des fernen Ostens, dem Einhorn des Mittelalters, den Elfen der Sagen, den Dämonen Swedenborgs, den Seejungfrauen und dem Golem. Wo immer man in dies einzigartige Museum des Phantastischen, Beklemmenden und Absonderlichen eintritl, wird man gefesselt von dem Arsenal erfundener Wesen, von einer Welt, die jenseits der Welt unserer Alltagserfahrungen liegt und doch Macht über unser Leben und Handeln hat.